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German Pages 188 Year 1989
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 570
Die Durchführung des Europäischen Gemeinschaftsrechts im Bundesstaat Bund/Länder-Verhältnis und Europäisches Gemeinschaftsrecht
Von
Winfried Kössinger
Duncker & Humblot · Berlin
WINFRIED KÖSSINGER
Die Durchführung des Europäischen Gemeinschaftsrechts im Bundesstaat
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 570
Die Durchführung des Europäischen Gemeinschaftsrechts im Bundesstaat Bund/Länder-Verhältnis und Europäisches Gemeinschaftsrecht
Von Dr. Winfried Kössinger
Duncker & Humblot • Berlin
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Kössinger, Winfried: Die Durchführung des Europäischen Gemeinschaftsrechts im Bundesstaat: Bund/Länder-Verhältnis und Europäisches Gemeinschaftsrecht / von Winfried Kössinger. - Berlin: Duncker u. Humblot, 1989 (Schriften zum Öffentlichen Recht; Bd. 570) Zugl.: München, Univ., Diss., 1988 ISBN 3-428-06741-X NE: GT
Alle Rechte vorbehalten © 1989 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-06741-X
Vorwort Diese Arbeit hat der juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München im Wintersemester 1988/89 als Dissertation vorgelegen. Das Manuskript wurde im Juli 1988 abgeschlossen. Für Unterstützung und Geduld bedanke ich mich bei Herrn Professor Dr. Rupert Scholz, der diese Arbeit betreut hat, sowie beim Zweitberichterstatter, Herrn Professor Dr. Bruno Simma. Weiterer Dank für vielfältige Unterstützung gilt meiner Ehefrau. München, im März 1989
Der Verfasser
Inhaltsverzeichnis Einführung und Problemstellung
13
1. Teil Grundlagen § 1 Die Durchführung des Europäischen Gemeinschaftsrechts
16
I. Formen der Durchführung und Kompetenzzuweisung
16
II. Direkter Vollzug durch die Gemeinschaftsorgane 1. Das Prinzip der enumerativen Einzelermächtigung 2. Einzelne Bereiche
18 18 19
III. Indirekte Durchführung durch die Mitgliedstaaten
20
1. Ausführungsgesetzgebung
21
2. VerwaltungsVollzug a) Unmittelbarer Vollzug b) Mittelbarer Vollzug
22 23 24
§ 2 Bundesstaatsrelevante Bereiche des Rechts der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Überblick I. Eingriff in Gesetzgebungszuständigkeiten II. Beeinflussung der Verwaltungstätigkeit III. Kostenverursachende Maßnahmen § 3 Der Bundesstaat in den Europäischen Gemeinschaften I. Begriffliche Eingrenzung 1. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft a) Entstehungstatbestand b) Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft 2. Bundesstaatlichkeit II. Die Berücksichtigung der bundesstaatlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland in den Gründungsverträgen 1. Der völkerrechtliche Grundsatz der Unbeachtlichkeit der inneren Staatsordnung 2. Ausprägungen und Ausnahmen im Gemeinschaftsrecht
24 24 27 27 28 28 28 28 28 29 31 31 33
Inhaltsverzeichnis
8
III. Die Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften 1. Der Bund als Vertragspartei 2. Der Bund als Adressat staatengerichteter Maßnahmen 3. Die völkerrechtliche Haftung des Bundes IV. Zwischenergebnis
35 35 36 37 38
2. Teil Die Zuständigkeitsverteilung nach dem Grundgesetz § 4 Die Anwendbarkeit der Art. 30, 83 ff. sowie 70 ff. GG I. Die mangelnde ausdrückliche Regelung der Durchführungszuständigkeiten II. Lösungsmöglichkeiten III. Würdigung dieser Altenativen
39 39 40 42
1. Generelle Länderzuständigkeit
42
2. Generelle Bundeszuständigkeit
44
3. Ergebnis
46
§ 5 Die Kompetenzordnung des Grundgesetzes I. Gesetzgebungszuständigkeiten 1. Bundeskompetenzen a) Ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit b) Konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit c) Rahmengesetzgebung d) Gemeinschaftsaufgaben 2. Landesgesetzgebungszuständigkeiten II. Verwaltungszuständigkeiten 1. Abgrenzungsfragen 2. Verwaltungskompetenzen des Bundes a) Die Bundesverwaltung aufgrund Art. 87 Abs. 1 GG b) Bundesverwaltung aufgrund Art. 87 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 2 GG 3. Länderverwaltung a) Vollzug von Rechtsnormen, für deren Erlaß innerstaatlich der Bund zuständig wäre b) Vollzug von Rechtsnormen, deren Erlaß innerstaatlich dem Landesgesetzgeber obläge
47 48 48 49 49 50 51 51 52 52 56 56 56 58 58 59
Inhaltsverzeichnis
9
3. Teil Die Bindung der deutschen Bundesländer durch das Europäische Gemeinschaftsrecht § 6 Die Geltung des Europäischen Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten ... I. Die Eigenständigkeit des Gemeinschaftsrechts 1. Die völkerrechtliche Grundlegung 2. Die Autonomie des Gemeinschaftsrechts
60 60 60 60
II. Der Geltungsgrund nach nationalem deutschem Recht
62
III. Unmittelbar anwendbares und staatengerichtetes Recht
64
§ 7 Die Bindung der Bundesländer durch unmittelbar anwendbares Recht I. Der Geltungsumfang unmittelbar anwendbaren Rechts II. Normarten
65 65 66
1. Primäres Gemeinschaftsrecht
66
2. Sekundäres Gemeinschaftsrecht
67
§ 8 Verpflichtung durch staatengerichtete Rechtsakte I. Die Bundesrepublik Deutschland als alleiniger Adressat
68 69
II. Die Befugnis des Bundes zur Übernahme der gemeinschaftsrechtlichen Bindungen
70
1. Die Integrationsgewalt des Bundes gemäß Art. 24 Abs. 1 GG ....
70
2. Die Zulässigkeit der Übertragung von Hoheitsrechten der Länder ....
72
3. Die Eingehung von Verpflichtungen, deren innerstaatliche Erfüllung in die Zuständigkeit der Länder fällt III. Indirekte Verpflichtung der Länder 1. Die Bundesländer als Organe des Bundes? 2. Die Pflicht zur Bundestreue § 9 Rechtliche Schranken der Bindung I. Prüfungs- und Verwerfungskompetenz nationaler Stellen II. Das Grundgesetz als Bindungsschranke
73 74 74 75 79 79 83
1. Die Verfassungsmäßigkeit des EWG-Vertrages
83
2. Nichtbindung der EWG-Organe durch das Grundgesetz
84
3. Anwendungsvorbehalt für Rechtsakte III. Gemeinschaftsrecht als Schranke
86 88
1. Art. 5 EWGV
89
2. Ungeschriebener Grundsatz der „Gemeinschaftstreue"
89
3. Sonstiges Gemeinschaftsrecht
91
IV. Ergebnis
92
Inhaltsverzeichnis
10
4. Teil Die Bindung des Bundes bei der Mitwirkung an der Setzung von Gemeinschaftsrechtsakten durch den Grundsatz der Bundestreue § 10 Die Rolle der nationalen Regierungen im Rechtsetzungsprozeß der EWG I. Die Funktion des Rates 1. Der Rat als Entscheidungsorgan der Gemeinschaft 2. Der Rat als Staatenkonferenz II. Die Bundesregierung als Vertretungsorgan 1. Die Zusammensetzung des Rates 2. Das Ratsmitglied nach deutschem Recht a) Die Zuständigkeit des Bundes b) Die Zuständigkeit der Bundesregierung § 11 Die Bindung der Bundesregierung in Verfahrensfragen I. Artikel 2 des Gesetzes zu den Verträgen vom 25. März 1957 zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft vom 27. Juli 1957 (BGBl. II S. 753) 1. 2. 3. 4.
93 94 94 95 97 97 97 97 99 100 101
Vorgeschichte Die Information des Bundesrates Gemeinschaftsrechtliche Statthaftigkeit Verfassungsrechtliche Einbindung
101 101 102 103
II. Der Schriftwechsel vom 19./26. September 1979
105
1. 2. 3. 4.
Vorgeschichte Inhalt der Erklärung Rechtliche Beurteilung Auslaufen der Regelung
105 106 106 111
III. Artikel 2 des »Gesetzes zur Einheitlichen Europäischen Akte vom 28. Februar 1986' vom 19. Dezember 1986 1. Vorgeschichte 2. Inhalt der Akte 3. Das Ratifizierungsverfahren in Deutschland 4. Inhalt der Bestimmung 5. Rechtliche Würdigung
111 111 112 112 113 113
IV. Die Bund-Länder-Vereinbarung vom 17. Dezember 1987
114
1. Regelungsinhalt a) Unterrichtungsverfahren nach Art. 2 Abs. 1 EEAG b) Stellungnahme des Bundesrates nach Art. 2 Abs. 2 bis 4 EEAG c) Mitwirkung von Ländervertretungen 2. Rechtliche Beurteilung
114 114 114 115 115
3. Die Abstimmung der Länder untereinander a) Die Einbindung in den Bundesrat
115 116
Inhaltsverzeichnis
b) Die Schaffung eines Beschlußgremiums c) Die Benennung von Vertretern der Länder für EG-Verhandlungen V. Die Mitwirkung von Länderbeamten
116 118 118
1. Der Beobachter der Bundesländer bei den Europäischen Gemeinschaften 2. Die Beiziehung sonstiger Länderbeamter durch den Bund
119 120
3. Die Übertragung der Leitung der Deutschen Delegation auf einen Ländervertreter
120
VI. Unmittelbarer Kontakt zwischen den Ländern und der Gemeinschaft.... VII. Rechtspolitische Würdigung
122 123
§12 Die Bindung des Bundes bei Sachentscheidungen I. Die Entscheidungsfindung im Ministerrat 1. Die Berücksichtigung nationaler Interessen 2. Einstimmigkeits- und Mehrheitsprinzip a) Die Regelung des Vertrages b) Die Ratspraxis
125 126 126 128 128 128
II. Abstimmung bei Ratsentscheidungen aufgrund von vertraglichen Einzelermächtigungen 1. Die Bestimmtheit von Gemeinschaftskompetenzen und Art. 24 GG 2. Die Ausschöpfung der Befugnisse durch den Rat III. Mitwirkung der Bundesregierung bei der Ausdehnung von Gemeinschaftszuständigkeiten 1. Die Vertragsänderung gemäß Art. 236 EWGV 2. Autonome Vertragsänderungen 3. Das Vertragsänderungsverfahren gemäß Art. 235 EWGV
132 133 134 134
IV. Zwischenergebnis
138
129 130 131
5. Teil Verfahrensrechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten §13 Maßnahmen der Länder gegen die Gemeinschaft
139
I. Beschränkung auf hoheitliches Tätigwerden
139
II. Anfechtungsklage zum EuGH
140
1. Verfahrensgegenstand
140
2. Aktivlegitimation a) Art. 173 Abs. 1 S. 2 EWGV b) Art. 173 Abs. 2 EWGV
140 140 141
§ 14 Maßnahmen der Gemeinschaft gegenüber dem Bund oder den Ländern ... I. Außergerichtliche Maßnahmen 1. Auskunftseinholung
143 143 144
12
Inhaltsverzeichnis
2. Mängelrüge a) Vorverfahren b) Adressat der Maßnahme 3. Weisung II. Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH, Art. 169 Abs. 2 EWGV III. Durchsetzung einer Entscheidung §15 Maßnahmen des Bundes gegenüber der Gemeinschaft I. Außergerichtliche Maßnahmen II. Nichtigkeitsklage gemäß Art. 173 Abs. 1 Satz 2 EWGV §16 Maßnahmen des Bundes gegenüber den Ländern I. Bundesaufsicht 1. Art. 84 Abs. 3 - 5 GG a) Gegenstand der Aufsicht b) Maßnahmen der Aufsicht 2. „Selbständige" Bundesaufsicht a) Aufsichtsgegenstand b) Rechtsgrundlage II. Bundeszwang III. Anrufung des Bundesverfassungsgerichts 1. Abstrakte Normenkontrolle 2. Bund/Länder-Streit 3. Organstreit §17 Maßnahmen der Länder gegen den Bund
145 145 145 146 147 148 148 148 149 150 150 151 151 151 152 152 153 154 155 156 157 158 159
I. Anrufung des Bundesverfassungsgerichts wegen der Verletzung einer bundesstaatlichen Pflicht durch den Bund bei der Mitwirkung in Organen der Gemeinschaft 1. Verfahrensart 2. Streitgegenstand 3. Prüfungsmaßstab 4. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
159 159 160 162 163
II. Anrufung des Bundesverfassungsgerichts wegen der Nichtanfechtung rechtswidriger Akte von EG-Organen durch den Bund 1. Prüfungsgegenstand 2. Anderweitiger Schutz der Länder III. Rechtspolitische Würdigung
164 164 164 165
Zusammenfassung und Fazit
166
Anhang I: Bund-Länder-Vereinbarung vom 17. 12. 1987
168
Anhang II: Grundsätze bei der Bestellung von Ländervertretern
173
Literaturverzeichnis
174
Einführung und Problemstellung Ein durchlaufender Zug der Verfassungsentwicklung der europäischen Staaten in der Nachkriegszeit war die zunehmende Zentralisierung der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben die wachsende Vereinheitlichung der Lebensbedingungen in der technisch-industrialisierten Gesellschaft. Diesem Trend unterlag auch die im Vergleich zu den Nachbarstaaten stark föderalistisch aufgebaute Bundesrepublik Deutschland, wie nicht zuletzt die zahlreichen Grundgesetzänderungen zeigen, welche Aufgaben von den Bundesländern hin zum Zentralstaat verlagerten 2. Zu einem nicht unbeträchtlichen Ausmaß dürfte dies nicht lediglich Ausfluß politisch bestimmter Zweckmäßigkeitsentscheidungen gewesen sein, sondern Konsequenz des im Grundgesetz in Art. 20 I, 28 I normierten und über Art. 79 I I I GG besonders gesicherten Sozialstaatsgebots sein, welches eine „Unitarisierung" des Bundesstaates — bis zu einer hier nicht näher zu bestimmenden Grenze — fordert 3. Diese Entwicklung hat sich in den letzten Jahren zusehends verlangsamt, bezüglich der erst 1969 durch das 21. Gesetz zu Änderung des Grundgesetzes (BGBl. IS. 359) eingeführten Gemeinschaftsaufgaben wird sogar eine Rückübertragung von Kompetenzen auf die Bundesländer diskutiert. Andere westeuropäische Staaten sind ebenfalls im Begriff, ihre Staatsstruktur wenn nicht zu föderalisieren, so doch zu dezentralisieren. Während dies in Italien durch die Einrichtung und Kompetenzausstattung der Regionen bereits vor geraumer Zeit geschah und die Entwicklung in Belgien durch die nicht ganz gelöste Nationalitätenfrage weiter zurückreichende Wurzeln hat, sind die Ansätze in Spanien und Frankreich erst jüngeren Datums und nicht zuletzt aufgrund ihrer Bedingtheit durch politische Veränderungen weder im Hinblick auf Ausmaß und Tragweite noch auf ihre Beständigkeit überblickbar 4. In Großbritannien ist das Vorhaben der „devolution" sogar gescheitert. Dennoch scheinen die Vorzüge dezentraler Machtausübung, entflochtener, wenn auch weitgehend verzahnter Entscheidungsbildung gegenüber ihren Nachteilen wieder stärker bewußt zu werden. Dem läuft anscheinend eine andere Entwicklungslinie diametral entgegen: die zunehmende Neigung zu internationa1 Rechtsvergleichend vgl. Bothe, S. 272. 2 Zur fortwährenden Aufgabenverlagerung zum Bund vgl. H.-P. Schneider , S. 96; Edling , DÖV 1987, 579, 582 ff. 3 Hesse, Bundesstaat, S. 13 f.; für den Bereich der Gesetzgebungszuständigkeiten vgl. RincK FS Gebhard Müller, S. 289, 299 und Scholz , FG BVerfG II, S. 252, 254. 4 Zum Zweck der spanischen Autonomiestatute vgl. H.-P. Schneider , S. 92.
14
Einführung und Problemstellung
1er Verflechtung, sei es durch zwischenstaatliche völkerrechtliche Vereinbarungen im klassischen Sinne, sei es durch die über internationale Organisationen bewirkte Integration 5. Zwar hat sich die pessimistische Prognose 6 noch nicht bestätigt, wonach es unter einem föderativen Aspekt zu einer Krise der europäischen Integration kommen werde, und womit sich dann das Bundesverfassungsgericht zu befassen haben werde, aber die Antinomie zwischen einer Stärkung der Stellung der Länder und einer fortschreitenden Integration nach außen ist nicht zu verkennen. Besonders augenfällig wurde dies bei der Behandlung des „Gesetzes zur Einheitlichen Europäischen Akte vom 28. Februar 1986" vom 19. 12. 1986 (BGBl. I I S. 1102 ff.). Hier haben die Bundesländer auf die Eingriffe in die föderative Struktur des Grundgesetzes hingewiesen und entsprechende Ausgleichsmaßnahmen verlangt. Dem wurde weitgehend Rechnung getragen 7. Aus diesem Spannungsverhältnis soll mit dieser Untersuchung der Frage nachgegangen werden, inwiefern durch die Durchführung des Europäischen Gemeinschaftsrechts das Verhältnis der deutschen Bundesländer zum Bund beeinflußt oder verändert wird. Hierbei soll unter Durchführung einer Gemeinschaftsnorm nur deren finaler Vollzug im Sinne der nationalen Terminologie verstanden werden. Nicht einbezogen werden hoheitliche Maßnahmen, welche lediglich "unter Beachtung" dieser Vorschriften getroffen werden 8. Zum Zwecke der besseren Übersichtlichkeit erfolgt hierbei eine Beschränkung auf das Recht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Dies ist nicht lediglich dadurch bedingt, daß deren Aufgabenbereich im Vergleich zu denen der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und der Europäischen Atomgemeinschaft der weitaus umfassendste ist 9 , sondern auch deshalb zweckmäßig, weil das Recht der EGKS im Gegensatz zu dem der anderen Gemeinschaften weitergehend durchnormiert ist und zudem der nationale Vollzug gegenüber dem durch die Hohe Behörde (Kommission) die Ausnahme bildet 10 . Dementsprechend wird der EWG-Vertrag auch als „traité-cadre" bezeichnet11. Gegenstand der Untersuchung sind somit die Auswirkungen der normsetzenden Ausführung und des verwaltungsmäßigen 5 Zum regionalen Element im europäischen Einigungsprozeß vgl. Blumenwitz, Gedächtnisschrift Sasse, S. 215. 6 Dürig, VVDStRL 23 (1966), S. 127 f. i Zu Vorgeschichte und Inhalt der EEA vgl. Hrbekl Läufer, EA 1986, 173 ff. s Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 83 Rdnr. 56 f.; a. A. Bandeil, S. 20 f. (für die Ausführung von Bundesgesetzen gem. Art. 84 GG) und S. 30 f. (für die Ausführung von Gemeinschaftsrecht). 9 Vgl. Spelten, S. 2. 10 Friaufy Staatenvertretung, S. 87; Wohlfahrt, Juristen-Jahrbuch 3 (1962 / 63), S. 241, 242 f.; Rabe, S. 19; Wagner, KSE 5, S. 189; Badura, VVDStRL 23 (1966), S. 34, 43 f.; Schlenzka, S. 160; Ophüls, FS Hallstein, S. 387, 404 f.; Bünten, S. 30, 160; Rengeling, Jura 1979, 236, 239. 11 Fuß, DVB1.1965,378; Ule, Vhdlg. 46. DJT, Bd. I Teil 4, S. 4; Ipsen, Fusionsverfassung, S. 28.
Einführung und Problemstellung
Vollzuges 12 des Rechts der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (im folgenden auch „Gemeinschaft") durch deutsche Stellen. Fragen der Anwendung durch nationale Gerichte sowie der Kostentragungspflicht werden nicht behandelt13.
12 Zur Terminologie vgl. Zuleeg, KSE 9, S. 47, 59, 209 f., 225 ff.; ihm folgend z. B. Rengeling, EuR 1974, 216, 217 und KSE 27, S. 8 f. Zur Kostentragung im Subventionsbereich vgl. Seidel, FS Carstens, Bd. 1, S. 273 ff.
Erster Teil
Grundlagen § 1 Die Durchführung des Europäischen Gemeinschaftsrechts I. Formen der Durchführung und Kompetenzzuweisung Die teilweise sehr weit gefaßten und nur Grundsatznormen enthaltenden Bestimmungen des EWG-Vertrages bedürfen zu ihrer Konkretisierung der Ausführung durch Normsetzung und des Verwaltungsvollzuges. Hierbei ist eine grundsätzliche Unterscheidung zu treffen zwischen der direkten Durchführung durch Organe der Gemeinschaft und der indirekten Durchführung durch die Mitgliedstaaten. Der indirekten Durchführung unterliegen nicht lediglich die Vorschriften des EWG-Vertrages nebst anliegenden Bestimmungen in der durch die Änderungsverträge gefundenen Form, also das „primäre" Gemeinschaftsrecht, sondern auch die von den Gemeinschaftsorganen erlassenen Rechtsakte, das „sekundäre" Gemeinschaftsrecht l. Welche dieser beiden Durchführungsformen jeweils zu wählen ist, wird allein durch das Gemeinschaftsrecht bestimmt 2 . Ob den Mitgliedstaaten eine Durchführungsverpflichtung oder auch nur eine Durchführungsermächtigung zukommt, ist ausschließlich den jeweiligen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen zu entnehmen. Auch eine nicht ausdrücklich zugelassene lediglich wiederholende "Umformung" in nationale Maßnahmen ohne beabsichtigte inhaltliche Änderung ist unzulässig3. Davon zu unterscheiden ist jedoch die lediglich nachrichtliche Bekanntmachung von Rechtsakten der Gemeinschaft in nationalen amtlichen Veröffentlichungen. Daß die Mitgliedstaaten für Durchführungsmaßnahmen zuständig sind, kann sich mithin ergeben aus einer ausdrücklichen Verpflichtung oder Ermächtigung zu ergänzenden Maßnahmen, oder aber lediglich aus der „Unvollständigkeit" und Durchführungsbedürftigkeit des Regelungsgehaltes von Gemeinschaftsnormen, sofern keine dem korrespondierende Kompetenzzuweisung an Gemeinschaftsorgane erfolgt 4 . 1 Zur Terminologie vgl. statt aller Ipsen, Gemeinschaftsrecht, S. 5, 111. 2 Zuleeg, KSE 9, S. 209; Ipsen, Gemeinschaftsrecht, S. 220. 3 GA Warner, Slg. 1978, 127 mit Rechtsprechungsnachweisen. 4 Bünten, S. 170.
§ 1 Die Durchführung des Europäischen Gemeinschaftsrechts
17
Der Mitgliedstaat hat dann sicherzustellen, daß das Gemeinschaftsrecht innerhalb seines Hoheitsbereiches effektiv zur Anwendung gelangt. Mit welchen Mitteln und durch welche Stellen bzw. Organe er dies erreicht, unterliegt nicht gemeinschaftlicher Regelung. Vielmehr obliegt die innerstaatliche Zuständigkeitsabgrenzung dem Mitgliedstaat 5 . Aus dem Vertrag sind keine Kompetenzen der Gemeinschaft ersichtlich, die jeweilige innerstaatliche Zuständigkeitsordnung zu modifizieren. Dementsprechend wurden von deutscher Seite in der Vergangenheit auch Versuche abgewehrt, anstatt den Mitgliedstaaten als solchen den mitgliedstaatlichen Regierungen bestimmte Durchführungsmaßnahmen aufzugeben. Bloße Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte sind als Begründung einer gemeinschaftlichen Kompetenz, innerstaatliche Kompetenzzuweisungen vornehmen zu können, nicht tragfähig. Es ist zwar denkbar, daß es das Gebot einer einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts erfordern kann, als Annex zu materiellen Vorschriften auch bestimmte Verfahrensregelungen zu treffen, aber dieses Ziel kann ohne eine bestimmte Kompetenzregelung erreicht werden. Der Grundsatz der „institutionellen Autonomie" heißt demnach, daß die Organe der Gemeinschaft weder in die Zuständigkeitsverteilung zwischen mehreren Organen der Zentralgewalt, wie etwa von Parlament und Regierung, noch zwischen der Zentralgewalt und anderen Hoheitsträgern eingreifen kann 6 . Dementsprechend hat auch der Europäische Gerichtshof festgestellt, daß die Mitgliedstaaten aufgrund Art. 5 EWGV verpflichtet seien, erforderlichenfalls die entsprechenden Zuständigkeitsregelungen zu treffen, da sich diese Frage ausschließlich nach dem Verfassungssystem des betreffenden Mitgliedstaates beantworte 7. Bisweilen verlangen auch Gemeinschaftsverordnungen ausdrücklich nach mitgliedstaatlichen Zuständigkeits- und OrganisationsVorschriften 8. Verzögerungen im Durchführungsprozeß, die sich aus den nationalen verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsvorschriften und Verfahrensregelungen ergeben, müssen zwar einerseits auf ein Mindestmaß reduziert werden, sind aber andererseits hinzunehmen. Mag es etwa aus französischer Sicht, vor dem Hintergrund der weitreichenden Rechtsetzungsbefugnisse der Regierung gem. Art. 37 der Verfassung vom 3. Juni und 4. Oktober 1958 wünschenswert erscheinen, die nationalen Regierungen zulasten der Parlamente weitgehend mit den erforderlichen Ausführungsmaßnahmen zu betrauen 9, so stehen dem in anderen Mitglied-
5 Ipsen, FS Hallstein, S. 248, 256 ff.; Zuleeg, KSE 9, S. 315; Schmitz, KSE 13, S. 1/ 3. 1, 35. 6 Vgl. auch Rengeling, KSE 27, S. 33 f. 7 EuGH, Slg. 1971, 1107, 1116 (International Fruit Company); ebenso GA Roemer in seinem Schlußantrag, Slg. 1971, 1119, 1122. s Vgl. Bünten, S. 23. 9 Sohier / Megret, S. 120 ff.; krit. hiergegen auch Zuleeg, EuR 1967, 88, 89; Schuster, S. 76 f. 2 Kössinger
18
1. Teil: Grundlagen
Staaten zwingende Verfassungsbestimmungen im Wege, wie etwa in der Bundesrepublik Deutschland Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG. Entsprechendes gilt auch für das Bund-Länder-Verhältnis.
II. Direkter Vollzug durch die Gemeinschaftsorgane 1. Das Prinzip der enumerativen Einzelermächtigung Die gemeinschaftsrechtliche Zuweisung der Durchführungskompetenz erfolgt nicht über eine ausdrückliche Grundsatznorm wie etwa die Verteilung der staatlichen Aufgaben und Befugnisse zwischen Bund und Ländern in den Art. 30, 70 Abs. 1 und 83 GG. Trotz des hohen Integrationsgrades innerhalb der EWG, allerdings sektoriell abgestuft, und der starken institutionellen Verfestigung kommt den Gemeinschaften jedoch — ohne daß diese Feststellung künftige Möglichkeiten und Grenzen des Integrationsprozesses präjudiziell — keine Staatsqualität zu 10 . Damit verbieten sich auch voreilige Schlüsse etwa auf eine der Gemeinschaft zukommende potentielle Allzuständigkeit auf den vom Vertrag umfaßten Sachgebieten11. Eine generelle Trennung zwischen gemeinschaftlichen und mitgliedstaatlichen Tätigkeitsbereichen ist weder hinsichtlich einzelner Regelungsbereiche noch im Hinblick auf die zur Verfügung stehenden Handlungsmodalitäten getroffen worden 12 . Die Gemengelage von gemeinschaftlicher und mitgliedstaatlicher Handlungsermächtigung bzw. -Verpflichtung ist vielmehr dadurch gekennzeichnet, daß den Organen der Gemeinschaft, das heißt hier der Kommission und dem Rat, jeweils im einzelnen Kompetenzen zugewiesen sind. Auszugehen ist hierbei also vom sogenannten „Prinzip der beschränkten Einzelermächtigung" 13. Dies schützt die mitgliedstaatliche Souveränität 14. Daß die große Zahl und Weite dieser Ermächtigungen den Begriff der „Beschränktheit" und „Begrenztheit" relativiert, ist einzuräumen 15. Dennoch bleibt eine Gewaltbegrenzung der Gemeinschaft und ihrer Organe aufrechterhalten 16. Aus der Tatsache, daß dem EWG-Vertrag das Ziel des gemeinsamen Marktes zugrundeliegt, kann nicht automatisch gefolgert werden, daß dann die Organe der Gemeinschaft alle notwendigen Kompetenzen io Fikentscher I, S. 397. n Ebenso Fuß, NJW 1964, 327, 330; Zuleeg, JöR 20, 1, 3 f.; Bunten, S. 161; Fikentscher I, S. 436. 12 A. A. Bünten, S. 98 f., der von einer strikten „Hoheitsauffassung" ausgeht, aber Abgrenzungsschwierigkeiten aufgrund einer „engen Verzahnung" einräumt. 13 Nicolaysen, NJW 1964, 964 f.; Gericke, S. 102 ff.; Fuß, GS Sasse, S. 171 ff., 193; Oppermann, in: Neue Entwicklungen, S. 85, 90; Grabitz / Schweitzer, EWGV, Art. 145 Rdnr. 12. 14 Knopf, S. 36. 15 Gegen diese Bezeichnung Everling, EuR 1976, Sonderheft, S. 2, 16 f. 16 Ipsen, Fusionsverfassung, S. 31.
§ 1 Die Durchführung des Europäischen Gemeinschaftsrechts
19
besitzen und den Mitgliedstaaten alle notwendigen Handlungspflichten obliegen 17 . Der für ein Tätigwerden der Gemeinschaftsorgane jeweils erforderliche Rechtstitel braucht sich jedoch nicht expressis verbis aus dem Vertragstext ergeben, sondern kann auch nach der Lehre von den „implied powers" abgeleitet sein 18 . Dem steht auch nicht entgegen, daß der EWG-Vertrag nicht lediglich eng gefaßte, in Voraussetzungen, Entscheidungsverfahren und Tragweite detailliert abgegrenzte Handlungsermächtigungen kennt, sondern daß der Grad an Bestimmtheit etwa hinsichtlich des Erlasses von Richtlinien zur Rechtsangleichung gem. Art. 100 EWGV oder von Maßnahmen im sogenannten Vertragsergänzungsverfahren gem. Art. 235 EWGV einer weiten Auslegung zugänglich ist. Dementsprechend ergeben sich die Befugnisse des Rates, und in geringerem Maße auch der Kommission, zum Erlaß von Ausführungsnormen aus dem primären Gemeinschaftsrecht, darüber hinaus jedoch auch aus Ermächtigungsnormen gem. Art. 155 UAbs. 4 EWGV. Die Befugnis der Kommission, Gemeinschaftsrecht verwaltungsmäßig zu vollziehen, ergibt sich einerseits ebenfalls unmittelbar aus dem EWG-Vertrag nebst den ergänzenden Texten, andererseits jedoch hauptsächlich aus dem sekundären Gemeinschaftsrecht.
2. Einzelne Bereiche Wie oben 19 bereits festgestellt, bildet im Rahmen der EWG der direkte Verwaltungsvollzug von Gemeinschaftsnormen durch die Gemeinschaft selbst lediglich die Ausnahme. Mangels eines eigenen dekonzentrierten Verwaltungsunterbaues und infolge des angesichts der weitgestreckten Tätigkeitsbereiche doch nur sehr begrenzten zentralen Apparates wäre die Gemeinschaft auch gar nicht in der Lage, alle zur Durchführung des Gemeinschaftsrechts erforderlichen Maßnahmen selbst zu ergreifen 20. In eigener Verantwortung und ausschließlicher Durchführung der Gemeinschaftsorgane steht selbstverständlich das gesamte nach innen gerichtete „Binnenrecht" der EWG, also das Dienstrecht, die Besoldungsordnung, die Regeln zur Beschaffung der erforderlichen sachlichen Mittel, zur Verwaltung des Eigentums der Gemeinschaft etc. Hier soll jedoch nur auf solche Bereiche
A. A. Bleckmann, FS Carstens, Bd. 1, S. 43, 45 ff. 18 A. A. Rabe, S. 151, der auf Art. 235 EWGV verweist, sowie Schulze-Eggert, S. 7; wie hier z. B. Nicolaysen, EuR 1966,129 ff.; Rengeling, EuR 1974,216,220; Bleckmann, DÖV 1977, 615, 616; Oldekop, S. 63 f.; Schlenzka, S. 58; Schlochauer, FS Hallstein, S. 431, 450; Gericke, S. 113, 116; Alder, S. 125 f. 19 Einleitung a. E. 20 Vgl. Alder, S. 183; Verloren van ThemaU FS Ophüls, S. 243,255; Bülow, Verhältnis, S. 56 f.; Fuß, NJW 1966, 1782, 1783; Schulze-Eggert, S. 38; Conrad, S. 43, 51, 65 ff.; Spelten, S. 68; Johannes, EuR 1968, 63,99; Louis, FS Ganshof van der Meersch, S. 225, 234 f. 17
2*
20
1. Teil: Grundlagen
eingegangen werden, die — zumindest potentiell — über den gemeinschaftlichen organisationsinternen Aufgabenkreis hinaus nach außen wirken. Die bedeutendste Materie, die nach gegenwärtigem Integrationsstand direkt von der Kommission verwaltungsmäßig vollzogen wird, ist das Wettbewerbsrecht 21 . Die Maßnahmen gem. den Art. 85, 86 EWGV nebst den hierzu ergangenen Ausführungsvorschriften werden grundsätzlich von der Gemeinschaft selbst gegenüber den betroffenen Unternehmen erlassen. Daneben besteht jedoch auch eine Restzuständigkeit der nationalen Behörden gem. Art. 9 der Verordnung des Rates vom 6. 2. 1962 22 . Auch im Rahmen der Agrarmarktorganisation, deren Vollzug weitgehend in den Händen nationaler Stellen liegt 23 , ist die Kommission beteiligt 24 . Ein weites Betätigungsfeld ist der Kommission auf den Gebieten der Subventionsverwaltung eröffnet 25. Hierzu zählen Förderungsprogramme auf den verschiedensten Bereichen, insbesondere auch der Forschungsförderung 26 sowie der Agrarstrukturpolitik, wo der Europäische Ausrichtungs- und Garantiefonds für Landwirtschaft (EAGFL) ebenfalls mit staatlichen Stellen zusammenwirkt 27. Von zunehmender Bedeutung sind hier auch der Regional- 28 und der Sozialfonds gem. Art. 123 EWGV 2 9 . Mittels ordnender „Förderungsprogramme" und Vergaberichtlinien verschafft sich die Gemeinschaft Einfluß auch auf Gebieten, die sie nicht selbst hoheitlich regelt. Für den Subventionsempfänger stellt sich dies dann faktisch als „indirekte Gesetzgebung" dar 30 .
I I I . Indirekte Durchführung durch die Mitgliedstaaten Weitaus zahlreicher sind infolge der geschilderten Kompetenzzuweisungen die Bereiche, deren Duchführung den Migliedstaaten überlassen ist. Dies kann durch ausdrückliche Verpflichtung bzw. Ermächtigung der Mitgliedstaaten zu ergänzenden Maßnahmen geschehen, oder sich lediglich aus der „Unvollständig21 Zuleeg, KSE 9, S. 209; Bunten, S. 168 f.; Fikentscher I, S. 463 ff. 22 BGBl. II S. 93, ABl. S. 204; Rengeling, KSE 27, S. 32; zum Kartellrecht vgl. insbes. Steindorff, Rechtsschutz, S. 28, 34; ders., ZHR 137 (1973), 203 ff.; ders., ZHR 142 (1978), 525 ff.; Fikentscher I, S. 565 ff. 23 Vgl. Jaenicke, ZaöRV 23 (1963), 485, 486; Zuleeg, KSE 9, S. 209; Pescatore, EuR 1970, 307, 311; Bünten, S. 189; Börner, KSE 10, S. 1 ff. unter detaillierter Darstellung des Interventionssystems. 24 Hierzu näher Gilsdorf, KSE 29, S. 215, 278 ff. 25 Götz, KSE 29, S. 371, 398 ff.; vgl. Grabitz/v. Wallenberg, EWGV, Rdnr. 9 vor Art. 92; Seidel, FS Carstens, S. 2 / 3 ff. 26 Hierzu Bieber, in: Beutler / Bieber / Pipkorn / Streil, Abschn. 15.4. 27 Gilsdorf, KSE 29, S. 215, 278. 28 Zur Regionalpolitik Beutler, in: Beutler / Bieber / Pipkorn / Streil, Abschn. 15.5. 29 Hierzu Streil, in: Beutler / Bieber / Pipkorn / Streil, Abschn. 13.4. 30 Bullinger, DÖV 1970, 761, 769.
§ 1 Die Durchführung des Europäischen Gemeinschaftsrechts
21
keit" und Durchführungsbedürftigkeit des Regelungsgehaltes von Gemeinschaftsnormen ergeben in Verbindung mit der mangelnden Kompetenzzuweisung an Gemeinschaftsorgane 31. Demnach sind mitgliedstaatliche Ausführungsvorschriften möglich, sofern der Mitgliedstaat hierzu durch ein an ihn gerichtetes gemeinschaftsrechtliches Gebot verpflichtet ist oder es ihm gestattet ist, abweichende oder ergänzende Regelungen zu Gemeinschaftsvorschriften zu erlassen. Auch wenn Gemeinschaftsrecht unmittelbar gegenüber dem Marktbürger gilt, kann der Erlaß nationaler Verfahrens- und Zuständigkeitsregelungen für den Verwaltungsvollzug sowie der Erlaß nationaler Sanktionsvorschriften geboten sein 32 .
1. Ausführungsgesetzgebung Die von den Mitgliedstaaten geforderten Durchführungsmaßnahmen können zum einen im Erlaß von ausführenden Rechtsnormen, also Maßnahmen abstraktgenereller Art liegen. Für die Bundesrepublik Deutschland bedeutet dies den Erlaß förmlicher Gesetze sowie die Gesetzgebung im lediglich materiellen Sinne, also den Verordnungserlaß; dazu kommt der Erlaß von Satzungen. Hierbei läßt sich jedoch infolge der unterschiedlichen Rechtslage in den Mitgliedstaaten keine allgemein gültige Klassifizierung treffen, da etwa in Frankreich des „reglement" dem Begriff des „acte administratif 1 unterfällt. Ebenfalls eine generell-abstrakte Handlungsanweisung an staatliche Stellen kann in den Verwaltungsvorschriften gesehen werden 33 . Diesen wächst zwar infolge ihres lediglich internen Charakters keine Außenwirkung zu, so daß sie in dem Bereich, welcher nach deutschem Recht dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts unterfällt, keine ausreichende Handlungsgrundlage darstellen; materiell gesehen tritt jedoch über das Prinzip der Selbstbindung der Verwaltung unter Vermittlung des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 GG eine teilweise Festlegung der Handlungsmöglichkeiten der Exekutive ein. Wenn in diesem Zusammenhang davon gesprochen wird, die Mitgliedstaaten seien zu ausführender Rechtsetzung gemeinschaftsrechtlich „ermächtigt", so ist dies dahingehend zu verstehen, daß mitgliedstaatliche Maßnahmen nach Gemeinschaftsrecht zulässig sind, nicht jedoch etwa in dem Sinne, daß die Mitgliedstaaten als Organe der Gemeinschaft Recht setzen könnten, oder etwa in deren Hoheitsbereich tätig würden, was zur Folge hätte, daß ohne eine solche „Ermächtigung" gesetztes Recht ultra vires erlassen und damit nichtig wäre. Zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten besteht auch kein Rechtsverhältnis, 31 Bunten, S. 24, 170. 32 Schmitz, KSE 13, S. 1/3. 1 ff., 5. 33 Vgl. hierzu Ossenbühl, in: Erichsen / Martens, S. 59, 84 ff. m. w. N.
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1. Teil: Grundlagen
vermöge dessen auf die Mitgliedstaaten Hoheitsbefugnisse rückdelegiert würden 34 . Die Mitgliedstaaten handeln bei der ausführenden Rechtsetzung kraft ihrer eigenen Hoheitsgewalt, wenn auch hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten gemeinschaftsrechtlich — teilweise inhaltlich sehr weit — gebunden35. Von den Mitgliedstaaten erlassenes Ausführungsrecht stellt somit auch nicht etwa Gemeinschaftsrecht dar 36 , sondern ist aufgrund seiner Entstehungsquelle nationales Recht 37 . Dies gilt auch dann, wenn die Ausführungsnorm zu einer Richtlinie inhaltlich lediglich eine Wiederholung der in der Richtlinie selbst getroffenen Regelung darstellen sollte 38 . Eine andere Abgrenzung, etwa nach dem Grad der Entscheidungsfreiheit, welche dem nationalen Normsetzer verblieben ist, oder danach, ob die Regelung in einem gänzlich vergemeinschafteten oder nur gemeinschaftlich koordinierten, aber unter nationaler Hoheitsgewalt verbliebenen Sektor getroffen wird, wäre nicht zuletzt im Hinblick auf die für den Rechtsschutz auftretenden Probleme der Rechtssicherheit in bedenklichem Maße unklar und führte auch zu keinen überzeugenden Ergebnissen. Durchführungsbedürftige Normen des Gemeinschaftsrechts erweitern oder verengen auch nicht die Auswahl der den zuständigen staatlichen Organen zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen. Die nationale Durchführungsmaßnahme muß neben den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen auch den innerstaatlichen rechtlichen Bindungen entsprechen 39. Dementsprechend entscheidet sich die Frage, ob eine Durchführungsvorschrift als Gesetz oder als Verwaltungsvorschrift zu erlassen ist, nach deutschem Verfassungsrecht 40. Der Ansicht, wonach eine Richtlinie nur rechtssatzmäßig umgesetzt werden könne 41 , ist entgegenzuhalten, daß das Gemeinschaftsrecht lediglich nach effektiver Durchführung innerhalb der mitgliedstaatlichen Rechtsordnung verlangt 42 . Art. 189 I I I EWGV überläßt die Wahl der Form und der Mittel ausdrücklich den innerstaatlichen Stellen.
2. Verwaltungsvollzug Die andere Kategorie von Durchführungsmaßnahmen besteht in der Anwendung durch Erlaß von Einzelakten, also nach deutschem Recht Verwaltungsakten im Sinne von § 35 VwVfG. Hierbei bilden gemeinschaftsrechtliche Normen die 34 Fuß, DVB1. 1965, 378, 382. 35 Zu diesen Bindungen Lauwaars, LIEI 1983, 41 ff. 36 So aber Zweigert, EuR 72, 308, 310. 37 Rengeling, KSE 27, S. 8; Schlenzka, S. 38 f.; Oldekop, S. 171; Schuster, S. 16; Sohier l Megret bezeichnen sie als national, was die Form ihres Erlasses angeht, aber gemeinschaftlich hinsichtlich ihrer Grundlage und ihres materiellen Gehaltes (S. 115 f.). 38 Rengeling, EuR 1974, 216 f. 39 Friauf; in: Kaiser, Planung IV, S. 41, 52 f. 40 Schmitz, KSE 13, S. 1/3, 1 ff., 36. 41 Riegel, EuR 1976, 79, 81 f.; ders., DVB1. 1977, 82, 85. 42 Vgl. Bünten, S. 25.
§ 1 Die Durchführung des Europäischen Gemeinschaftsrechts
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Handlungsgrundlage für das Tätigwerden von Verwaltungsstellen der Mitgliedstaaten. Dabei kann die Vorschrift des Gemeinschaftsrechts unmittelbare oder mittelbare Vollzugsgrundlage sein. Dieser dezentralisierte Verwaltungsvollzug von Gemeinschaftsrecht bietet den Vorzug einer größeren Sach- und Ortsnähe, dem jedoch die Gefahr einer bisweilen sehr unterschiedlichen Anwendung in den einzelnen Mitgliedstaaten gegenübersteht 43. Andererseits kommt der Einschaltung nationaler Stellen auch integrierende Wirkung zu 4 4 . a) Unmittelbarer
Vollzug
Die gemeinschaftsrechtliche Norm kann durch einen Verwaltungsakt durchgeführt werden, ohne daß dabei eine Ausführungsnorm des Mitgliedstaates dazwischentritt. Ob dies der Fall ist, bestimmt der Regelungsgehalt der Gemeinschaftsnorm. Zum einen muß die Norm überhaupt vollzugsbedürftig sein, das heißt, sie muß inhaltlich auf eine verwaltungsmäßige Konkretisierung hin angelegt sein und nicht lediglich von den staatlichen Stellen — oder den Marktbürgern — zu „beachten" sein. Zum anderen muß sie die Voraussetzungen für das mitgliedstaatliche Verwaltungshandeln selbst abschließend bestimmen. Die Gemeinschaftsnorm stellt dann selbst eine Befugnisnorm für eine belastende Maßnahme gegenüber den Hoheitsunterworfenen dar 45 oder bildet die Grundlage für eine begünstigende Maßnahme, etwa eine Subventionsgewährung. Die Unmittelbarkeit des Vollzugs schließt allerdings nicht aus, daß für das in Frage stehende Verwaltungshandeln des Mitgliedstaates daneben auch Vorschriften des nationalen Rechts von Bedeutung sind. So finden etwa die Bestimmungen des nationalen Verwaltungsverfahrensrechts auch für Durchführungsmaßnahmen auf gemeinschaftsrechtlich geregelten Gebieten Anwendung 46 . Diese nationalen Vorschriften dürfen lediglich dem Zweck der Gemeinschaftsnorm nicht zuwiderlaufen 47. Den infolge der unterschiedlichen nationalen Regelungen auftretenden Gefahren für die notwendige Einheitlichkeit des Vollzuges des Gemeinschaftsrechts kann im Wege der Rechtsangleichung gem. Art. 100 I EWGV begegnet werden 48 .
« Zuleeg, KSE 9, S. 229; Rengeling, KSE 27, S. 256. 44 Zuleeg, JöR 20, 1, 44. 45 Ipsen, Gemeinschaftsrecht, S. 220; Rengeling, KSE 27, S. 256. 46 Everling, NJW 1967, 465,471; Ipsen, Gemeinschaftsrecht, S. 220; Rengeling, KSE 27, S. 65; dersDVB1. 1986, 306 ff. 47 Rengeling, KSE 27, S. 19; Zuleeg, KSE 29, S. 7, 53. 48 Zuleeg, JöR 20, 1, 44.
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1. Teil: Grundlagen b) Mittelbarer
Vollzug
Erfordert eine Gemeinschaftsnorm, insbesondere eine Richtlinie i. S. Art. 189 I I I EWGV den Erlaß mitgliedstaatlicher Ausführungsvorschriften, und sind diese ihrerseits vollzugsbedürftig, so stellen diese Verwaltungsmaßnahmen einen mittelbaren Vollzug von Gemeinschaftsrecht dar. Unmittelbare Grundlage des Vollzugsaktes ist dann nämlich die nationale Norm. Diese muß nicht nur den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen genügen, sondern auch nach nationalem Recht alle Voraussetzungen einer Eingriffsbefugnis bzw. einer Leistungsermächtigung erfüllen, damit der von Gemeinschaftsrechts wegen erforderliche Vollzug vermittels der dazwischen geschalteten nationalen Norm erfolgen kann.
§ 2 Bundesstaatsrelevante Bereiche des Rechts der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Überblick Bedarf somit eine Bestimmung des Gemeinschaftsrechts einer Durchführung durch eine Stelle des Mitgliedstaates, so ergibt sich in einem Bundesstaat die Schwierigkeit der Festlegung der innerstaatlichen Zuständigkeit, sofern es sich nicht lediglich um Regelungsmaterien handelt, welche in der ausschließlichen Zuständigkeit des Zentralstaates ressortieren. Daß Vorschriften des Europäischen Gemeinschaftsrechts in einem durchaus beachtlichen Umfang auch Kompetenzen der deutschen Bundesländer betreffen, soll hier nur in einem Überblick dargestellt werden. Zu Einzelfragen ist hierfür auf die bereits vorliegenden Darstellungen zu verweisen 49. I. Eingriff in Gesetzgebungszuständigkeiten Was die Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten zwischen Bund und Ländern anbelangt, so verfügt der Bund mit Art. 74 Nr. 11 i . V . m. Art. 72 GG über die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz über das „Recht der Wirtschaft". Dieser weit auszulegende Titel deckt einen breiten Bereich der Tätigkeit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ab. Darüber hinaus kommen dem Bund weitere Gesetzgebungsbefugnisse auf Gebieten zu, welche teilweise auch einer Regelung durch die EWG unterliegen. Hierzu gehören etwa die auswärtigen Angelegenheiten (Art. 73 Nr. 1 GG), Freizügigkeit, Ein- und Auswanderung und das Paßwesen (Art. 73 Nr. 3 GG), das Währungs-, Geld- und Münzwesen (Art. 73 Nr. 4 GG) sowie die Materien des Art. 73 Nr. 5 GG. Auswirkungen auf die in Art. 73 Nr. 6 GG genannten Gebiete dürften sich aus einer gemeinsamen Verkehrspolitik ergeben (Art. 74 ff. EWGV). Hinzu kommen weitere Bundeskompetenzen der konkurrierenden Gesetzgebung gem. Art. 74 GG 5 0 . 49 Spelten, S. 12 ff.; Birke, S. 17 ff.; Vorwerk,
S. 13 ff.
§ 2 Bundesstaatsrelevante Bereiche des EWG-Rechts
25
Dennoch erfolgen, wenngleich eher am Rande, auch gemeinschaftsrechtliche (Teil-)Regelungen von Gebieten, welche ohne Berücksichtigung des Gemeinschaftsrechts in der Bundesrepublik Deutschland durch die Länder zu normieren wären 51 . Hierzu zählen insbesondere Maßnahmen zur Sicherung der Niederlassungsfreiheit Selbständiger, und damit auch der Angehörigen der freien Berufe gem. Art. 54, 57 I I EWGV. Auswirkungen dieser Politik der Gemeinschaft sind z. B. in Art. 4 I I 2, 3 sowie Art. 7 I I Nr. 1 BayArchG ersichtlich. Nachdem Regelungen der Berufsausübung auch von Heilberufen in den Kompetenzbereich der Länder fallen, während die Zulassung gem. Art. 74 Nr. 19 GG bundesrechtlich geregelt ist, sind auch im Bayerischen Gesetz über die Berufsvertretungen und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker gemeinschaftsrechtliche Anforderungen berücksichtigt (vgl. Art. 25 I, 27 V, 36 KammerG). Bayerische Regelungen werden hier und im folgenden lediglich als Beispiel für vergleichbare Bestimmungen auch der anderen Bundesländer herangezogen, ohne daß hier auf landesspezifische Besonderheiten abgestellt wird. Wenn auch das Bildungswesen infolge der Bundeskompetenz im Bereich der beruflichen Bildung (Art. 74 Nr. 11 GG) und der Rahmenkompetenz gem. Art. 75 Nr. 1 a GG nicht ausschließlich der Gesetzgebung durch die Länder unterliegt 52 , so stellt diese Materie doch ein Kerngebiet der den Ländern verbliebenen Regelungsbereiche dar. Gemeinschaftsrechtliche Normen zeitigen auch hier zusehends Folgen 53 , selbst wenn das Bildungswesen als solches „nicht zu den Materien" gehört, „die der Vertrag der Zuständigkeit der Gemeinschaftsorgane unterworfen hat" 54 . Unmittelbar aus dem Vertrag ersichtlich sind bereits die Regelungsmöglichkeiten zur gegenseitigen Anerkennung von Diplomen u. ä. (Art. 571 EWGV) sowie Bildungsmaßnahmen auf dem Gebiet der Landwirtschaft gem. Art. 41 lit. a EWGV. Das Ausmaß der Auswirkungen von Rechtsakten der Gemeinschaft ist jedoch derzeit gar nicht abschätzbar 55. Die Integration auf wirtschaftlichem Gebiet ist kein statischer Zustand, sondern ein fortlaufender Prozeß. Somit können auch Sachbereiche erfaßt werden, welche ursprünglich weitab des Einflußbereiches der Gemeinschaft zu stehen schienen. Ein Beispiel aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (im folgenden: Europäischer 50
Vgl. hierzu insbesondere Vorwerk, S. 12 f. Vgl. Zuleeg, KSE 9, S. 315 ff.; zum Einfluß des Gemeinschaftsrechts auf die Gesetzgebung der Länder vgl. auch Lichtenstern, S. 131 ff. 52 Zur Bundeskompetenz auf dem Gebiet der beruflichen Bildung vgl. Rengeling, in: Bonner Kommentar (Zweitbearb. 1983), Art. 74 Rdnrn. 39, 80. 53 Vgl. Ch. Hirsch, S. 100 ff.; Oppermann, KSE 24, S. 871, 874; Schmitz-Wenzel, Bildungspolitik, S. 14; Bülow, Rechtsstellung, S. 80,93; Hrbek, Außenpolitik 1987, 120, 123. 54 EuGH, Urt. v. 3. 7. 1974 Rs 9/74, Slg. 1974, 773, 779; ähnlich Urt. v. 13. 7. 1983 Rs 152/82, Slg. 1983, 2323. 55 Hierzu Sasse, Regierungen, S. 16. 51
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1. Teil: Grundlagen
Gerichtshof) mag dies verdeutlichen: Zur Sicherstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft war in Art. 12 I der Verordnung (EWG) Nr. 1612 des Rates vom 15. 10. 1968 (ABl. 1968, L 257, S. 2) vorgeschrieben, daß auch deren Kinder, welche in einem anderen als ihrem Heimatstaat leben, ohne Diskriminierung am allgemeinen Unterricht teilnehmen können. Aus dieser Regelung hat der Europäische Gerichtshof in seinem Casagrande-Urteil 56 gefolgert, daß Kinder ausländischer Arbeitnehmer innerhalb der EWG auch hinsichtlich der Gewährung von Ausbildungsförderung eigenen Staatsangehörigen gleichzustellen seien. Demzufolge zählen zum begünstigten Personenkreis gem. Art. 3 Nr. 5 BayAFöG 57 nun auch die Kinder von Arbeitnehmern aus EWGStaaten mit Wohnsitz in Bayern. Während Art. 3 I i. V. m. Art. 10 I BayBFG als Förderungsvoraussetzung noch neben dem Wohnsitz sowie dem Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung in Bayern die deutsche Staatsangehörigkeit fordert, macht § 1 I I DVBayBFG 5 8 von der Ermächtigung des Art. 11 Nr. 6 BayBFG Gebrauch und befreit von den Erfordernissen der deutschen Staatsangehörigkeit und des Wohnsitzes in Bayern. Ein weitgestecktes Betätigungsfeld haben sich die Gemeinschaften auf dem Gebiet des Umweltschutzes eröffnet 59 . Auch hier werden Zuständigkeiten berührt, welche bisher noch zum Teil den Bundesländern verblieben waren, wie etwa beim Gewässerschutz 60. Diese Entwicklung verstärkt sich nun durch die Einheitliche Europäische Akte. Zunehmend ins Blickfeld gerät auch die Auffassung der Kommission, daß der Rundfunk voll den Regeln der Art. 59 ff. EWGV über den freien Dienstleistungsverkehr unterliege 61. Ganz generell kann gesagt werden, daß die Möglichkeit des Richtlinienerlasses zum Zwecke der Rechtsangleichung ein schier unbegrenztes Einfallstor für Maßnahmen der Gemeinschaften auf dem Gebiet von Landesgesetzgebungsmaterien darstellt. Die Begrenzung des Art. 100 I EWGV auf Vorschriften „die sich unmittelbar auf die Errichtung oder das Funktionieren des gemeinsamen Marktes auswirken", ist so weit gefaßt, daß von hier her keine inhaltliche Konkretisierung möglich ist 62 .
56 Slg. 1974, 773,779; hierzu auch Avenarius, NVwZ 1988, 385, 390; Magiern, DÖV 1987, 221, 226. 57 I. d. F. der Bek. v. 27. 6. 1980, GVB1. S. 449. 58 Vom 27. 7. 1979, GVB1. S. 235. 59 Zu den Kompetenzgrundlagen vgl. Riegel, BayVBl. 1979, 97, 98. 60 Zu den Gewässerschutzrichtlinien des Rates vgl. Riegel, DVB1. 1977, 82. 61 Vgl. Tagungsbericht von Wenzel, NJW 1986, 1855 f.; Schmidt, NJW 1986, 1792, 1795. 62 Vgl.oben § 1 II 1.
§ 2 Bundesstaatsrelevante Bereiche des EWG-Rechts
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II. Beeinflussung der Verwaltungstätigkeit Auch die Verwaltungsfunktion der Bundesländer wird durch Maßnahmen der Gemeinschaft berührt. Hier ergeben sich wiederum verschiedene Möglichkeiten. Zum einen kann dies lediglich darin liegen, daß Behörden der Länder bei ihren Entscheidungen materielle Regelungsnormen des Gemeinschaftsrechts „zu beachten" haben. Inwieweit die Länder mit dem Vollzug von Gemeinschaftsrecht betraut sind, wird erst an anderer Stelle zu erörtern sein 63 . Des weiteren kann die Verwaltungstätigkeit der Länder durch Verwaltungsvorschriften der Gemeinschaften geregelt sein, die etwa auf die Art. 100 ff. EWGV gestützt sein können. Ein sehr weit reichender Einfluß kann auf einigen Sektoren der Fonds- und Subventionsverwaltung ausgeübt werden. Auch Subventionen der Länder selbst fallen unter die Vorschrift der Art. 92 ff. EWGV 6 4 . Über die Kriterien, nach welchen die Kommission die Zulässigkeit von aus öffentlichen Mitteln gewährten Beihilfen beurteilt, ist hier durchaus eine Lenkung möglich. Gerade bei Wirtschaftsförderungsmaßnahmen süddeutscher Bundesländer ist dieses Problem in jüngerer Zeit wieder ins Blickfeld gerückt. Die Steuerung kann aber auch darin bestehen, daß aus Gemeinschaftsmitteln Beihilfen gewährt werden, welche neben materiellen Anforderungen zusätzlich voraussetzen, daß auch Beihilfen von Stellen innerhalb der Mitgliedstaaten hinzutreten, wie dies z. B. im Bereich der Agrarstruktur der Fall ist 65 . Hier hat sich dann für den Fall, daß es sich um eine Materie handelt, in der zumindest auch die Länder innerstaatlich zuständig sind, die Vergabe von Beihilfen eines Bundeslandes an den Anforderungen für die Vergabe von Gemeinschaftssubventionen zu orientieren. In der Bundesrepublik sind die Maßnahmen zur Förderung der Agrarstruktur aufgrund der VO Nr. 355/77 vom 15.2. 1977 Bestandteil des Rahmenplanes für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" gem. Art. 91a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 GG, welchen die Länder zusammen mit dem Bund aufstellen 66. Die Plandurchführung obliegt dann den Ländern selbst.
III. Kostenverursachende Maßnahmen Der Vollständigkeit halber ist noch darauf hinzuweisen, daß infolge gemeinschaftlicher Regelungen auch finanzielle Belastungen auf die Länder zukommen können. Die Kosten derartiger Maßnahmen werden nur in einigen Bereichen den staatlichen Stellen aus dem Gemeinschaftshaushalt erstattet. Obliegt den Ländern eine derartige Maßnahme, wobei nicht lediglich Mittel der Gemeinschaft 63 Unten § 5 II. 64 Vgl. Götz, KSE 29, S. 371, 392 ff. 65 Götz, KSE 29, S. 390 f. 66 Pruns, DÖV 1976, 217 ff.
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1. Teil: Grundlagen
weiterzuleiten sind, so stellt sich die Frage nach der innerstaatlichen Verteilung der Finanzierungslast, welche ausdrücklich im Grundgesetz nicht geregelt ist.
§ 3 Der Bundesstaat in den Europäischen Gemeinschaften I. Begriffliche Eingrenzung 1. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft a) Entstehungstatbestand Die Bevollmächtigten der sechs Gründerstaaten der EWG haben am 25. März 1957 in Rom einen völkerrechtlichen Vertrag unterzeichnet. Dieser bedurfte der Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten gemäß ihren jeweiligen nationalen Verfassungsvorschriften, wie in Art. 247 I EWGV ausdrücklich erklärt wird. Für die Bundesrepublik Deutschland wurde der Bundespräsident, der gem. Art. 59 I 2 GG das hierfür zuständige Organ ist, durch das Zustimmungsgesetz vom 27. 7. 1957 67 von den gesetzgebenden Körperschaften Bundestag und Bundesrat ermächtigt, den Vertrag zu ratifizieren. Nach Hinterlegung der Ratifikationsurkunden durch alle Mitgliedstaaten trat der Vertrag gem. Art. 247 I I EWGV am 1.1. 1958 in Kraft 68 . Insoweit unterscheidet sich der Vertragsschluß nicht von dem für völkerrechtliche Verträge allgemein üblichen Verfahren.
b) Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Mit dem Zustandekommen des völkerrechtlichen Vertrages entstand gem. Art. 1 EWGV die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Der Typ einer zwischenstaatlichen internationalen Organisation ist dem Völkerrecht keineswegs fremd gewesen69. Die Befugnisse der EWG gehen jedoch über die Koordinierungskompetenzen einer klassischen zwischenstaatlichen Organisation weit hinaus. Die Mitgliedstaaten haben sich nämlich — wenn auch auf einem gegenständlich beschränkten Sektor ihrer Tätigkeit — bestimmter hoheitlicher Befugnisse derart entäußert, daß sie das Tätigwerden der Gemeinschaft auf diesen Gebieten anerkennen und sich hier selbst entweder gänzlich oder in dem Maße, in welchem die Gemeinschaft ihre Befugnisse selbst wahrgenommen hat, eigener Tätigkeiten enthalten. Die Gemeinschaftsverträge verpflichten nicht nur die Staaten gegensei67 BGBl. II S. 753. 68 Vgl. Bek. vom 27. 12. 1957, BGBl. 1958 II S. 1. 69 Vgl. hierzu allgemein Verdross I Simma, §§416, 944 ff.
§ 3 Der Bundesstaat in den Europäischen Gemeinschaften
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tig zu einem bestimmten Verhalten, sondern sie eröffnen auch der Gemeinschaft die Fähigkeit, selbst hoheitlich in den Mitgliedstaaten tätig zu werden. Mag der Begriff der Supranationalität auch selbst keine Erkenntnisfunktion besitzen, so dient er doch einer annäherungshalben Beschreibung des Typus einer zwischenstaatlichen Organisation, wie ihn die Europäische Gemeinschaft im Gegensatz zu einer Internationalen Organisation klassischer Art ohne eigene Hoheitsbefugnisse darstellt. Befinden sich die Europäischen Gemeinschaften somit nicht mehr lediglich in der Sphäre eines losen völkerrechtlichen Koordinationsrechtes, so kommt ihnen, wie bereits festgestellt, andererseits dennoch nicht die Qualität eines Staates zu. Der Grad der Integration hat bei weitem noch nicht den Stand erreicht, der erforderlich wäre, um die Mitgliedstaaten zu lediglich mittelbaren Subjekten des Völkerrechts zu reduzieren. „Die Gemeinschaft ist selbst kein Staat, auch kein Bundesstaat. Sie ist eine im Prozeß fortschreitender Integration stehende Gemeinschaft eigener Art" 7 0 . 2. Bundesstaatlichkeit Trotz der einführend vermerkten Tendenzen in mehreren europäischen Staaten, die strikte Zentralstaatlichkeit aufzulockern, ist die Bundesrepublik Deutschland bisher der einzige Bundesstaat unter den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft. Eine allgemeine Theorie des Bundesstaates darzulegen kann in diesem Zusammenhang nicht unternommen werden. Im übrigen hat die Diskussion hierüber gezeigt, daß die Definition sich entweder auf einem sehr hohen Abstraktionsniveau bewegen muß, um die weitgestreckte Bandbeite möglicher bundesstaatlicher Organisationsstrukturen zusammenfassen zu können, was wiederum die inhaltliche Aussagefähigkeit auf ein Minimum reduziert, oder aber die Verallgemeinerung einer konkreten bundesstaatlichen Ordnung wird zum allgemeinen Richtbild „des Bundesstaates" erhoben 71. Darstellbar sind somit lediglich grundlegende Strukturen des durch eine konkrete, historisch bedingte Ordnung geprägten Bundesstaates Bundesrepublik Deutschland. Gekennzeichnet wird der Bundesstaat durch das Nebeneinander — und auch Miteinander 72 — jeweils zweier Staatsgewalten auf einem durch den Hoheitsbereich der unteren Einheit begrenzten territorial und personal identischen Tätigkeitsbereich 73. Dieses duplex regimen kann sowohl die Folge einer
70 BVerfGE 22, 293, 296; zur „Rechtsnatur" der Gemeinschaft vgl. Zuleeg, FS Carstens, S. 289 ff. 71 Vgl. Doehring, Staatsrecht, S. 114 f. 72 Zu diesem Aspekt Rudolf,, Festgabe BVerfG II, S. 233, 234; Scheuner, DÖV 1962, 641, 642. 73 Geiger, Mißverständnisse, S. 9 f.
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1. Teil: Grundlagen
historischen Entwicklung sein, meist der zeitlichen Vorrangigkeit der kleineren Teileinheiten, als auch Konsequenz einer geplanten, eher zweckmäßigkeitsorientierten Verfassungsorganisationsentscheidung mit staatsorganisatorischer und/ oder freiheitschützender Zielrichtung 74 . Bei der Absicherung der bundesstaatlichen Struktur im Grundgesetz haben sich beide Bedingungen ergänzt. Voraussetzung dafür, daß die unteren Teileinheiten, also die Bundesländer, nicht lediglich dezentralisierte Untergliederungen des Gesamtstaates sind, ist die rechtlich abgesicherte Garantie eines eigenen, nicht außengesteuerten Entscheidungen unterworfenen Organisations- und Tätigkeitsbereiches. Die Ausgestaltung dieser Garantie im einzelnen ist in mannigfaltiger Hinsicht und Bestandsfestigkeit denkbar. Ob einzelne Tätigkeitsbereiche der Gliedstaaten nur mit der Zustimmung jedes einzelnen Gliedstaates auf den Gesamtstaat übertragen werden können, ob hierüber die Mehrheit der Gliedstaaten Einverständnis erzielen muß, ob dies durch eine, sei es auch besonders qualifizierte Entscheidung lediglich der Zentralorgane geschehen kann, oder ob es ein letztes, unentziehbares „Hausgut" dieser Gliedstaaten gibt, sind zwar Beurteilungsfaktoren für den bundesstaatlichen Charakter eines Staates, aber für sich allein kann in keinem Kriterium eine Unabdingbarkeit für die Bundesstaatlichkeit gesehen werden. In der Bundesrepublik Deutschland genießen nicht einmal die konkret existierenden Bundesländer einen Bestandsschutz, sondern lediglich die Existenz von Bundesländern als solchen.Auch die Einflußnahme der Gliedstaaten auf die Entscheidungen der Zentralorganisation ist nicht a priori aus einem „Wesen" des Bundesstaates bestimmbar 75. Die gegenläufige Einflußnahme der Zentralorganisation auf die Tätigkeit der Gliedstaaten muß zwar in einer Mindestform möglich sein, um die verschiedenen rechtlichen Teilordnungen zu einem Bundes-„Staat" zu koordinieren, aber auch Aussagen bezüglich der Ausgestaltung dieser im allgemeinen „Aufsicht" genannten Kompetenz von Organen des Gesamtstaates, seien sie gerichtlicher oder verwaltungsmäßiger Art, sind jeweils von einer konkret vorgefundenen und dann verallgemeinerten Ordnung beeinflußt. Wenn auch die Rechtsordnung der Europäischen Gemeinschaften eigenständig und nicht vom Recht der Mitgliedstaaten abgeleitet ist, so stehen diese Rechtsordnungen doch nicht unverbunden nebeneinander, sondern sind in ihrer Wirkungsweise aufeinander bezogen und gegenseitig beschränkt. Besonders signifikant wird dies aufgrund der weitgehenden Durchführungsbedürftigkeit des Gemeinschaftsrechts durch Stellen der Mitgliedstaaten. Obliegt nun in einem Mitgliedstaat nicht grundsätzlich die Gesamtheit der hoheitlichen Tätigkeit einem einzigen Zuordnungssubjekt, welches in eigener Verantwortung für die Erfüllung einzel74 Hierzu Hesse, Bundesstaat, S. 21, 27, 30 f.; ders., AöR 98 (1973), S. 1, 12; Stern, in: Politikverflechtung, S. 15, 21 f. 75 Rechtsvergleichend hierzu Bothe„ S. 84 ff., 107 ff.
§ 3 Der Bundesstaat in den Europäischen Gemeinschaften
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ner Aufgaben lediglich nachgeordnete und damit der zentralen Steuerung prinzipiell unterworfene Organe schafft, so kann dies bei der innerstaatlichen Durchführung des Gemeinschaftsrechts zu Komplikationen führen. Diesen Schwierigkeiten könnte denkmöglich sowohl durch eine Rücksichtnahme im Gemeinschaftsrecht, als auch durch Bestimmungen der nationalen Rechtsordnung begegnet werden.
II. Die Berücksichtigung der bundesstaatlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland in den Gründungsverträgen Ungeachtet des eigenständigen Charakters der durch die Gründungsverträge verfaßten Gemeinschaftsrechtsordnung kann für die Frage nach der Berücksichtigung der föderativen Ordnung eines Mitgliedstaates zunächst auf die allgemeinen Regeln des Völkerrechts zurückgegriffen werden, da im Hinblick hierauf, vorbehaltlich abweichender Vertragsbestimmungen, keine strukturellen Unterschiede zum allgemeinen Völkervertragsrecht bestehen76.
1. Der völkerrechtliche Grundsatz der Unbeachtlichkeit der inneren Staatsordnung Das Völkerrecht der letzten Jahrhunderte ist in seiner Entwicklung geprägt durch die allmähliche Anerkennung des Grundsatzes der souveränen Gleichheit aller Staaten, wie er in Art. 2 Ziffer 1 UN-Charta niedergelegt ist 77 . Dieses Prinzip beinhaltet die Befugnis der — völkerrechtsunmittelbaren — Staaten, ihre inneren Angelegenheiten vorbehaltlich etwaiger Sonderverpflichtungen völkerrechtlichen Charakters ohne äußere Einmischung zu regeln 78 . Dementsprechend stellt das Völkerrecht für die Bejahung der Frage, ob ein Hoheitsverband einen „Staat" darstellt, auch lediglich materiell wertneutrale Kriterien auf. Dies sind die klassischen Anforderungen der allgemeinen Staatslehre, wonach sich ein Volk auf einem bestimmten Gebiet dergestalt organisiert haben muß, daß sich eine effektiv wirksame Hoheitsgewalt mit einer gewissen Aussicht auf Dauerhaftigkeit ausgebildet hat 79 . Welche innere Staatsform dieser Hoheitsverband besitzt, wie sich die Staatsgewalt legitimiert, durch welche Organe die Staatsgewalt ausgeübt wird, gehört grundsätzlich zum „domaine réservé", in den sich andere Völkerrechtssubjekte 76 Thieme, VVDStRL 18 (1960), S. 50,52 f. spricht von der Verwandtschaft zwischen Völkerrecht und Gemeinschaftsrecht. 77 Vgl. Verdross I Simma, §§ 31 ff., 454. 78 Verdross i Simma, §§ 39, 490 ff. 79 Verdross I Simma, §§ 378 ff.
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1. Teil: Grundlagen
nicht einzumischen haben80. Diese Ausschließlichkeit der Regelungsbefugnis nach innen hat jedoch auch eine Kehrseite auf der Ebene der von einem Staat eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen: übt er nämlich im Hinblick auf die interne Ordnung die — relativ — höchste Gewalt aus, so kann er nach außen hin diese interne Ordnung nicht als Hindernis für die Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen geltend machen. In der internationalen Judikatur 81 und der Völkerrechtslehre ist es demgemäß ein allgemein anerkannter Grundsatz, daß der Erfüllung völkerrechtlicher Pflichten kein wie auch immer gearteter Satz des innerstaatlichen Rechts entgegenstehen kann 82 . Dieses Prinzip ist in Art. 27 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (WVRK) vom 29. 5. 1969 ausdrücklich niedergelegt. Selbst wenn verfassungsrechtliche Hindernisse bestehen, entbindet dies nicht von der Beachtung des Völkerrechts. Der Staat wird vielmehr, unter Bezugnahme auf seine innere Souvernänität, auf die Änderung seiner Rechtsordnung verwiesen. Demzufolge ist der Staat auch für das Handeln oder pflichtwidrige Unterlassen von nach innerstaatlichem Recht unabhängigen Organen, sei es der Gerichte oder sogar des Gesetzgebers, verantwortlich 83 . Adressat der völkerrechtlichen Verpflichtungen, seien sie vertraglicher oder gewohnheitsrechtlicher Natur oder aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen ableitbar, ist der Staat als solcher im Sinne einer völkerrechtlichen Handlungseinheit84. Wie die Beachtung oder der Vollzug des Völkerrechts im Inneren dieser Rechtssubjekte organisiert ist, fällt in den Bereich der „inneren Angelegenheiten", soweit keine ausdrückliche völkervertragliche Bindung besteht. Ist demnach keine ausdrückliche Regelung getroffen, so ist der Bundesstaat bezüglich der Erfüllung seiner Verpflichtungen einem Einheitsstaat gleichgestellt. Treten hierbei innerstaatliche Schwierigkeiten auf, so hat die zentrale Organisation ihre verfassungsmäßigen Möglichkeiten der Einflußnahme auf die Gliedkörperschaften wahrzunehmen. Sind diese nicht ausreichend oder aus einem anderen Grunde nicht erfolgversprechend, besteht eine völkerrechtliche Verpflichtung zur Verfassungsänderung, sofern nicht die Staatsverfassung selbst den Vorrang der Völkerrechtsnorm anerkennt. Doch auch das Völkerrecht selbst stellt Wege zur Verfügung, um einen derartigen Normkonflikt zu umgehen. Sind nämlich bei Vertragsverhandlungen für einen Staat zukünftige Schwierigkeiten für die Vertragserfüllung absehbar, welche aus seiner föderativen Gliederung herrühren, so kann er auf die Aufnahme einer sogenannten Bundesstaatsklausel in den Vertragstext hinarbeiten 85. Diese so Vgl. Strebel, ZaöRV 33 (1973), 152. si Nachw. bei Mosler, FS Richard Thoma, S. 129, 130. 82 Mosler, FS Richard Thoma, S. 129,144; Kaiser, ZaöRV 18 (1957 / 58), 526,537 ff.; Reichel, S. 215 f.; Zuleeg, JöR 20 (1971), S. 1, 60 f. 83 Bullinger, AöR 83 (1958), S. 279, 286; Verdross I Simma, §§ 1270 ff. 84 Rojahn, JZ 1976, 627, 629.
§ 3 Der Bundesstaat in den Europäischen Gemeinschaften
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bedeutet nicht, daß die völkerrechtliche Verpflichtung unter den Vorbehalt der bundesstaatlichen Verfassung gestellt wird, sondern lediglich eine Relativierung der Pflicht der Zentralgewalt des Staates: diese ist im Hinblick auf Maßnahmen, deren Durchführung nicht in ihre innerstaatliche Zuständigkeit fällt, lediglich gehalten, gegenüber den Gliedstaaten alle ihre Möglichkeiten der Einflußnahme auszuschöpfen, welche nach innerstaatlichem Recht bestehen. Eine solche Bundesstaatsklausel begünstigt einseitig die föderativ gegliederten Staaten gegenüber ihren zentralstaatlichen Vertragspartnern 86. Demzufolge stört sie zunächst ein in einem Vertrags werk herzustellendes Reziprozitäts Verhältnis, sofern nicht kompensierende zusätzliche Verpflichtungen des Bundesstaates oder, spiegelbildlich gesprochen, Vergünstigungen für den unitarisch organisierten Zentralstaat vereinbart werden. Dieser Umstand begründet die Schwierigkeit, derartige Bestimmungen in Vertragsverhandlungen durchzusetzen. Ein weiterer Weg für einen Bundesstaat, ein Auseinanderfallen von völkerrechtlicher Gebundenheit und innerstaatlichen Durchsetzungsmöglichkeiten zu verhindern, ergibt sich aus der Möglichkeit, vor der Herbeiführung der Bindung einen Vorbehalt entsprechenden Inhalts anzubringen (Art. 19 ff WVRK). Dies setzt voraus, daß ein solcher Vorbehalt nicht durch Wortlaut [Art. 19 lit. a) und b) WVRK] oder Ziel und Zweck [Art. 19 lit. c) WVRK] ausgeschlossen ist. Beim Gründungsvertrag einer internationalen Organisation ist gem. Art. 20 Ziff. 3 WVRK darüber hinaus die Zustimmung des zuständigen Organs dieser Organisation erforderlich. Zumeist dürften darüber hinaus die Voraussetzungen des Art. 20 Ziff. 2 WVRK gegeben sein, so daß ein Vorbehalt auch der Annahme durch alle Vertragsparteien bedarf. Liegt keine dieser ausdrücklich festzulegenden Ausnahmen vor, so kann als Zwischenergebnis festgehalten werden, daß nach allgemeinem Völkerrecht ein Bundesstaat ungeachtet seiner inneren Verfassung ebenso integral wie ein zentralistisch aufgebauter Staat an seine Verpflichtungen gebunden ist.
2. Ausprägungen und Ausnahmen im Gemeinschaftsrecht Diesen allgemeinen Völkerrechtsregeln gegenüber kann partikulares oder regionales Völkerrecht derogieren. Ob und inwieweit das Recht der Europäischen Gemeinschaften über die „formellen" Anforderungen hinaus an einen Mitgliedstaat auch materielle Anforderungen bezüglich der Ausgestaltung der inneren Staatsordnung stellt, ob also z. B. bestimmte Grundsätze der parlamentarischen Demokratie vorausgesetzt werden, soll hier nicht erörtert werden. Vom deutschen Standpunkt aus wurde das Problem in umgekehrter Richtung, also im Hinblick 85 Vgl. Reichel, S. 250 ff.; Verdross I Simma, § 1275. 86 Blumenwitz, Schutz, S. 337 f. 3 Kössinger
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1. Teil: Grundlagen
auf Anforderungen an die Organisation der Gemeinschaften selbst, unter dem Stichwort der „strukturellen Kongruenz" ausführlich untersucht 87. Übereinstimmung dürfte jedoch dahingehend bestehen, daß sowohl die gegenwärtige zentralistische Organisation etwa von Frankreich als auch die bundesstaatliche Struktur Deutschlands als solche mit der Mitgliedschaft in den Gemeinschaften vereinbar sind. Die Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag sind nicht durch eine Bundesstaatsklausel zugunsten der Bundesrepublik Deutschland relativiert. Diese Regelung entspricht auch dem Charakter der Europäischen Gemeinschaften als Integrationsgemeinschaften. Hiermit wäre eine Relativierung der Bindung an das Gemeinschaftsrecht durch innerstaatliches Recht unvereinbar. Dies schließt jedoch nicht aus, daß auf die unterschiedliche Lage in einzelnen Mitgliedstaaten Bezug genommen wird. Diesem Zweck dienen etwa das Protokoll über den innerdeutschen Handel und die damit zusammenhängenden Fragen 88 oder andere Annexprotokolle zu den Gründungsverträgen. Auch die Notstandsklauseln in den Verträgen ermöglichen es, unter vertraglich geregelten Voraussetzungen auf eine Sondersituation in einem Mitgliedstaat Rücksicht zu nehmen. Vertragliche Sonderregelungen werden auch grundsätzlich im Zusammenhang mit dem Beitritt neuer Mitglieder zu den Europäischen Gemeinschaften getroffen. Diese Ausnahmen dienen jedoch lediglich der Bestätigung des Prinzips der Gleichheit der Rechte und Pflichten und stellen nicht a priori eine Begünstigung eines Mitgliedstaates aufgrund seiner binnenstaatlichen Organisation dar. Einen Niederschlag gefunden hat die besondere Lage Deutschlands lediglich durch das vorgenannte Protokoll und dadurch, daß die anderen Vertragsparteien eine deutsche Erklärung im Hinblick auf die deutsche Einigung ohne Widerspruch zur Kenntnis nahmen89. Bezüglich der bundesstaatlichen Struktur ist eine derartige Erklärung nicht abgegeben worden. Auch ansonsten werden die deutschen Bundesländer im EWG-Vertrag nicht ausdrücklich angesprochen 90. Der Vertragstext spricht in diesem Zusammenhang jeweils nur von den „Mitgliedstaaten" oder von den „Stellen der Mitgliedstaaten". Lediglich in Art. 68 Abs. 3 EWGV wird allgemein von „Gebietskörperschaften" gesprochen 91.
87 Erler, VVDStRL 18 (1960), S. 7 ff.; Thieme, VVDStRL 18 (1960), S. 50 ff.; weitere Nachw. bei Vogel, Verfassungsentscheidung, S. 7. 88 BGBl. 1957 II S. 984. 89 Vgl. Grabitz / Hummer, Art. 227 Rdnr. 6. 90 Vgl. Oetting, S. 20. 91 Vgl. Spelten, S. 1.
§ 3 Der Bundesstaat in den Europäischen Gemeinschaften
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III. Die Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften 1. Der Bund als Vertragspartei Die „Bundesrepublik Deutschland" ist eines der sechs Gründungsmitglieder der Europäischen Gemeinschaften. Die Gründungsverträge wurden vom Bundespräsidenten, dem gem. Art. 5912 GG für den Abschluß von Verträgen zuständigen Organ des Bundes, nach Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften ratifiziert. Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland hat für den völkerrechtlichen Verkehr nach außen die Bundesländer weitgehend durch den Bund mediatisiert. In diesem umfassenden Sinne ist die Regelung des Art. 32 I, I I GG zu verstehen. Lediglich zum Abschluß völkerrechtlicher Verträge ist den Ländern gem. Art. 32 I I I GG auf dem Gebiet ihrer Gesetzgebungszuständigkeit eine Restkompetenz verblieben, die jedoch ihrerseits an die Zustimmung durch die Bundesregierung gebunden ist. Die Bundesländer sind jedoch nicht selbst Parteien des EWG-Vertrages geworden. Zum einen nämlich ist die Bundesrepublik Vertragspartei, zum anderen handelt es sich auch nicht um einen „gemischten Vertrag" in dem Sinne, daß sowohl der Bund als auch die Länder Gründungsmitglieder wären 92 . Dies ist jedoch nicht so zu verstehen, daß sich der Bundesstaat für die völkerrechtlichen Beziehungen dergestalt auflöste, da lediglich die Teilordnung „Bund" Mitglied der europäischen Gemeinschaften geworden ist, welche von den Teilordnungen der Länder zu trennen sei, die von dieser Begründung von gemeinschaftsrechtlichen Pflichten unberührt blieben 93 . Diese Ansicht könnte sich als mögliche Folge aus einem dreigliedrigen Bundesstaatsbegriff ergeben, wie er zeitweise in der Literatur und, zumindest mißverständlich, auch in der Verfassungsrechtsprechung 94 vertreten wurde. Hiernach wäre die Bundesrepublik Deutschland der Gesamtstaat, welcher sich zusammensetzte aus den Bundesländern als Gliedstaaten einerseits und dem Zentralstaat „Bund" andererseits, wobei die Organe des Bundes teilweise auch solche des Gesamtstaates wären. Diese Auffassung ist jedoch überzeugend widerlegt und vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich abgelehnt worden 95 . Die Bundesrepublik ist hiermit nicht lediglich reduziert auf ihre zentralstaatliche Struktur Mitglied der Europäischen Gemeinschaften geworden 96 , sondern als die sich aus dem Zusammenschluß der Bundesländer ergebende oberstaatliche 9 2 Zu den Schwierigkeiten einer solchen Konstruktion Strebet, ZaöRV 33 (1973), 152, 162 f. 93 So aber Schwan, S. 156 ff. 94 BVerfGE 6, 309, 340. 95 BVerfGE 13, 54, 77 f. 96 Sasse, in: Der Bundesrat, S. 333, 339.
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1. Teil: Grundlagen
Organisation 97. Insoweit bildet der Bund mit den Ländern eine untrennbare Einheit, die nach außen berechtigt und verpflichtet wird 9 8 .
2. Der Bund als Adressat staatengerichteter Maßnahmen Der EWG-Vertrag ist, wie oben dargelegt, nicht lediglich ein „schuldrechtlicher" völkerrechtlicher Vertrag, welcher gegenseitige Verpflichtungen von Staaten untereinander normiert, sondern er setzt als die Verfassung der Gemeinschaft auch objektives Recht. Dennoch enthält auch der EWG-Vertrag staatengerichtete Verpflichtungen, welche jedoch nicht in einem strengen Sinne „gegenseitig" sind, sondern in Richtung auf alle Mitgliedstaaten „parallel" verlaufen. Es sind dies Verpflichtungen, von der staatlichen Hoheitsgewalt nur in einem bestimmten Sinne Gebrauch zu machen, oder sich bestimmter Maßnahmen zu enthalten. Derartige Verpflichtungen ergeben sich nicht nur aus dem Primärrecht, sondern auch aus Rechtsakten, die von den durch die Gründungsverträge, mit den späteren Änderungen, insbesondere im Fusionsvertrag, eingesetzten Organen erlassen wurden, also Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen im Sinne von Art. 189 EWGV. Adressaten dieser gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen sind die „Mitgliedstaaten", also auch die Bundesrepublik Deutschland. Durch diese staatengerichteten Verpflichtungen werden auch nicht die einzelnen nationalen Organe verpflichtet 99 , sondern die Staaten als körperschaftliche Einheit 100 . Das Gemeinschaftsrecht ist hier insofern „landesblind" 101 , als es sich nicht darum kümmert, daß die Gesamtheit staatlicher Funktionen, wie sie etwa Frankreich als einer „République indivisible, laique, démocratique et sociale" zukommt 102 , in der Bundesrepublik Deutschland auf den Gesamtstaat und die Gliedstaaten aufgeteilt ist 1 0 3 . Eine unmittelbare gemeinschaftsrechtliche Vermittlung der Pflichten auf die Gliedstaaten eines Mitgliedstaates ist nirgends vorgesehen 104. Dies würde nämlich voraussetzen, daß das Gemeinschaftsrecht eine Prüfung vornimmt, wer innerstaatlich zuständig ist, und somit in die innerstaatliche Autonomie eingreifen. Hierfür ist jedoch keine rechtliche Grundlage ersichtlich. Das Gemeinschafts97 Vgl. BVerfGE 13, 54, 77 ff. 98 G. Kaiser, DÖV 1961, 653, 655. 99 So etwa Thierfelder, S. 140 ff.; Thelen (S. 225) spricht von einer „heute herrschenden Ansicht". 100 Everling, FS Ophüls, S. 33, 45; Zuleeg, JöR 20 (1971), 1, 33; Riegel, EuR 1976, 79, 80 f. iQi Terminus von Ipsen, FS Hallstein, S. 248, 256. 102 Art. 1 der Verfassung vom 27. 10. 1946 und, mit identischem Wortlaut, Art. 2 Satz 1 der Verfassung vom 4. 10. 1958. 103 Vgl. Schwan, S. 48. 104 Vgl. auch Riegel, EuR 1976, 79, 80 f.
§ 3 Der Bundesstaat in den Europäischen Gemeinschaften
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recht begnügt sich vielmehr damit, durch die Verpflichtung des Mitgliedstaates in toto eine Schnittstelle zur Verfügung zu stellen, über welche dann das innerstaatliche Recht angesprochen wird, seinerseits diese institutionelle Autonomie auszufüllen 105. 3. Die völkerrechtliche Haftung des Bundes Nachdem die völkerrechtlichen Verpflichtungen eines Staates nicht durch seine innere Staatsordnung relativiert werden, hat er auch für sämtliche völkerrechtswidrigen Akte einzustehen, welche von, untechnisch gesprochen, Teilen seiner staatlichen Organisation begangen werden. Da der Staat, wie jede juristische Person, nur vermittels von Menschen handeln kann, bedeutet dies, daß der Staat für das Verhalten seiner sämtlichen Organe einzustehen hat. Dieser völkerrechtliche Organbegriff deckt sich nicht gänzlich mit dem des nationalen Verfassungsrechts. Das entscheidende Kriterium für die Beurteilung der Organqualität aus der Sicht des Völkerrechts ist lediglich die Effektivität, nicht jedoch die formale staatsrechtliche Begründung eines Organverhältnisses. Demzufolge sind unter Organen alle Stellen zu verstehen, welche hoheitliche Funktionen im Herrschaftsbereich des Völkerrechtssubjekts wahrnehmen 106. Die Aufteilung der staatlichen Befugnisse im Innern des Bundesstaates zwischen den Organen des Bundes und den Organen der Länder oder sonstiger Hoheitsträger hat keine Wirkung nach außen. Vielmehr stellen nach außen alle Organe, die im Innern staatliche Befugnisse ausüben, die völkerrechtliche Einheit Bundesrepublik Deutschland dar 107 . Somit sind auch die Bundesländer, das heißt wiederum deren Organe, Organe der Bundesrepublik Deutschland im völkerrechtlichen Sinne. Die Bundesrepublik haftet also nach allgemeinem Völkerrecht auch für die Handlungen und pflichtwidrigen Unterlassungen von Länderorganen, selbst wenn der Bund nach innerstaatlichem Verfassungsrecht keine Möglichkeit hat, die fraglichen Maßnahmen selbst zu verhindern oder zu ergreifen. Erforderlich ist nicht einmal die Möglichkeit der Einflußnahme auf die Länder im konkreten Fall 1 0 8 . Insofern unterschiede sich ein völkerrechtswidriges Handeln eines Bundeslandes, wogegen der Bundesregierung keine Mittel zu Gebote ständen, in nichts von einer völkerrechtswidrigen Rechtsprechung eines Bundesgerichts oder gar des Bundesverfassungsgerichts.
los Vgl. auch Bunten, S. 126,142 f., 172 ff.; Ipsen, Lehrbuch 20 /59; Däubler, DVB1. 1966, 660, 664. 106 Jahrreiss, GS Hans Peters, S. 533, 537. 107 BVerfGE 13, 54, 77; Menzel, VVDStRL 18 (1960), S. 97, 100. los Kimminich, AöR 93 (1968), S. 485,502; Berber, VölkerrechtI, S. 145; Blumenwitz, Schutz, S. 337; Bleckmann, RIW / AWD 1978, 144; Reichel, S. 232.
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1. Teil: Grundlagen
In dieser Hinsicht trifft das Gemeinschaftsrecht keine abweichenden Bestimmungen, so daß für diesen Aspekt der Staatenhaftung die allgemeinen Volkerrechtsgrundsätze ebenfalls gelten 109 .
IV. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis kann somit festgehalten werden: Das Gemeinschaftsrecht bedarf in weitem Maße der innerstaatlichen Durchführung durch nationale Stellen, um die angestrebte Wirkung zu erreichen. Diese durchführungsbedürftigen Regelungen betreffen auch Sachgebiete und Handlungsformen, welche nach innerstaatlichem Recht der Bundesrepublik Deutschland — ohne die Existenz der Europäischen Gemeinschaften — in die Kompetenz der Bundesländer fallen würden. Auf diese bundesstaatliche Kompetenzverteilung nimmt das Europäische Gemeinschaftsrecht, ebeno wie das allgemeine Völkerrecht, keine Rücksicht. Es behandelt insofern zentralisierte und föderativ aufgebaute Mitgliedstaaten gleich. Aus der Sicht des Gemeinschaftsrechts ist lediglich der Staat Bundesrepublik Deutschland Vertragspartei und somit auch für die Erfüllung sämtlicher den Mitgliedstaaten auferlegter Pflichten verantwortlich.
109 Vgl. Däubler, NJW 1968, 325, 326 f.; Schmitz, KSE 13, S. 1/3.1, 39; Grabitz I Karpenstein, EWGV, Art. 169 Rdnr. 12.
Zweiter Teil
Die Zuständigkeitsverteilung nach dem Grundgesetz Ist das Europäische Gemeinschaftsrecht somit in dem Sinne „landesblind", als es, jedenfalls grundsätzlich, die Aufspaltung der Trägerschaft hoheitlicher Funktionen auf zwei verschiedene Ebenen der Staatlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland nicht zur Kenntnis nimmt, so bestimmt sich die Zuständigkeit für die Durchführung des Gemeinschaftsrechts nach nationalem deutschem Recht 1 . Dies führt zur Untersuchung der Kompetenzordnung nach dem Grundgesetz. Zur Klarstellung sei in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hingewiesen, daß Gegenstand der kompetenzrechtlichen Frage lediglich die Durchführung in dem oben beschriebenen Sinne ist, also der unmittelbare oder mittelbare Verwaltungsvollzug oder der Erlaß von Ausführungsvorschriften 2. Zu unterscheiden ist dieser Problemkreis von der Frage, ob der Bund kompetenzmäßig berechtigt war, das Zustimmungsgesetz zu den Europäischen Verträgen zu erlassen. Demzufolge wird an dieser Stelle auch nicht auf die allgemeinen Fragen der Vertragschluß- und Transformationskompetenz des Bundes eingegangen sowie auf die Frage des Verhältnisses von Art. 24 Abs. 1 GG und Art. 32 Abs. 1 GG 3 . Hier wird zunächst unterstellt, daß das Vertragsgesetz vom 27. Juli 1957 durch die gesetzgebenden Körperschaften des Bundes insoweit verfassungsgemäß beschlossen wurde. Dies steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 4.
§ 4 Die Anwendbarkeit der Art. 30, 83 ff. sowie 70 ff. GG I. Die mangelnde ausdrückliche Regelung der Durchführungszuständigkeiten Eine ausdrückliche Regelung der Frage, welcher Träger hoheitlicher Gewalt und ggf. welches Organ für die Durchführung des Rechts zwischenstaatlicher Einrichtungen, also Internationaler Organisationen im allgemeinen und der Euro1 Friauf, ; Planung IV, S. 41, 55; Zuleeg , KSE 9, S. 315; Selmer , GS Sasse I, S. 229, 232. 2 Ebenso — für völkerrechtliche Verträge — F. Klein , FG Maunz 1971, S. 199, 202. 3 Vgl. hierzu Fastenrath , S. 115 ff. 4 BVerfGE 37, 271; 52, 187.
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2. Teil: Die Zuständigkeitsverteilung nach dem Grundgesetz
päischen Gemeinschaften im besonderen, zuständig ist, kann dem Grundgesetz nicht entnommen werden. Weder die Art. 70 ff. GG noch Art. 83 ff. GG finden unmittelbar Anwendung 5 . Es sind lediglich Fragen des Abschlusses völkerrechtlicher Verträge und damit auch des Gründungsvertrages der Europäischen Wirtchaftsgemeinschaft in den Art. 24 I, 32 und 59 GG geregelt. Hiermit verknüpft ist die Frage nach der Transformations- und Vollzugskompetenz. Nicht angesprochen werden vom Verfassungstext die sich hieran erst anschließenden Fragen, welche sich ergeben, wenn und soweit das Recht einer derartigen zwischenstaatlichen Einrichtung der innerstaatlichen Durchführung bedarf. Ist somit die Kompetenzfrage nicht ausdrücklich geregelt, so bedeutet dies nicht, daß das Grundgesetz keine Regelung der Frage enthielte. Vielmehr sind die staatlichen Kompetenzen vollständig zwischen Bund und Ländern aufgeteilt 6. Fraglich bleibt indes, an welche Verfassungsbestimmung hierfür anzuknüpfen ist.
I I . Lösungsmöglichkeiten Dieser Befund der Durchsicht der kompetenzregelnden Verfassungsvorschriften läßt gedanklich mehrere Möglichkeiten der ZuständigkeitsVerteilung zu: Die länderfreundlichste Lösung, welche — soweit ersichtlich — jedoch nirgends vertreten wird, schlösse an eine wortgetreue Auslegung des Art. 30 i. V. m. Art. 83 ff. GG sowie von Art. 70 i. V. m. Art. 73 ff. GG und sonstiger ausdrücklicher Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes im Grundgesetz an. Hiernach spräche infolge der Nichtregelung der Frage im Anschluß an eine insoweit bislang herrschende Meinung 7 eine „Vermutung" für eine Durchführungszuständigkeit der Länder. Dies ergäbe sich für den Erlaß von Ausführungsgesetzen aus Art. 701 GG, für den unmittelbaren Verwaltungsvollzug aus Art. 30 i. V. m. Art. 83 ff. GG und für den mittelbaren Vollzug aus Art. 30 GG direkt, da es sich ja in diesem Fall lediglich um den Vollzug von Landesgesetzen handeln könnte, mögen diese auch gemeinschaftsrechtlich bedingt sein. Die entgegengesetzte Lösungsmöglichkeit bestünde darin, dem Bund als dem Mitglied der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft auch die ausschließliche Durchführungszuständigkeit zuzuweisen8. Eine dogmatische Begründung für diesen zentralistischen Weg könnte zum einen in einer weit ausdehnenden Auslegung der soge5 K. H. Klein, Übertragung, S. 54. 6 Bullinger, Mineralölfemleitungen, S. 55; Elgeti, S. 50; H. G. Rupp, FG Carlo Schmid, S. 141, 142; für die Gesetzgebungskompetenzen vgl. Rinck, FS G. Müller, S. 289, 290; Scholz, FG BVerfG II, S. 252, 256 m. w. N. Rechtsvergleichende Hinweise zur Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenzen im Bundesstaat bei Lichtenstern, S. 9 ff.; Bothe, S. 137 ff. 7 Z. B. Mosler, ZaöRV 16 (1955/67), 1, 7; BVerfGE 12, 205, 228 f.; 61, 149, 174, a. A. Lerche, VVDStRL 21 (1964), S. 66, 67. s So — für die Gesetzgebung — z. B. Birke, S. 122 ff.
§ 4 Die Anwendbarkeit der Art. 30, 83 ff. sowie 70 ff. GG
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nannten „Integrationskompetenz" des Bundes aus Art. 24 I GG hergeleitet werden. Ähnliche Positionen9 wurden in der allgemeinen Kontroverse um die Kompetenz des Bundes zum Vollzug völkerrechtlicher Verträge vertreten, welche infolge der Regelung des modus vivendi durch das Lindauer Abkommen jedoch weitgehend an Schärfe und zumindest auch an praktischer Relevanz verloren hat 10 . Ein weiterer Begründungsversuch für diese Ansicht könnte davon ausgehen, daß die im EWG-Recht geregelten Materien zu den „auswärtigen Angelegenheiten" gehörten und damit zumindest hinsichtlich der Ausführungsgesetzgebung der Bund ausschließlich gem. Art. 73 Nr. 1 GG zuständig wäre. Zwischen diesen beiden Extrempositionen gibt es wiederum Schattierungen einer vermittelnden Meinung, wonach die innerstaatliche Zuständigkeit durch die Errichtung und das Tätigwerden der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft lediglich dadurch betroffen wurde, daß bestimmte Zuständigkeiten nunmehr von keiner nationalen deutschen Stelle mehr wahrgenommen werden könnten. Das heißt, daß zwar auch Länderkompetenzen auf die Organe der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft übertragen wurden, daß hierdurch jedoch kein unmittelbarer Kompetenztransfer vom Bund auf die Länder bzw. von den Ländern auf den Bund stattgefunden hat. Dies gilt allerdings mit der Einschränkung, daß lediglich Organe des Bundes und nicht solche der Bundesländer an der Willensbildung innerhalb der EWG beteiligt sind. Dieser Lösungsweg führt dazu, daß die Regelungen der Art. 70 ff. GG für die Ausführungsgesetzgebung und die Art. 30 i. V. m. 83 ff. GG für den Verwaltungsvollzug entsprechend zur Anwendung gelangen. Diese Ansicht wird von der überwiegenden Lehre und von der — allerdings verfassungsgerichtlich noch nicht sanktionierten — Staatspraxis vertreten 11. Letztere kann zwar als solche Verfassungsrecht nicht abändern, aber offene Kompetenzbegriffe können auch der Prägung und Formung durch den einfachen Gesetzgeber zugänglich sein. Nur in einem solchen Falle, und nur, wenn es sich sowohl um einen unscharfen Kompetenzbegriff als auch um eine ständige Übung handelt, liegt eine Verfassungskonkretisierung und nicht lediglich eine — rechtlich unmaßgebende — Praxis vor 1 2 .
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Vgl. Scheuner, in: Der Kampf um den Wehrbeitrag II, S. 94, 153. 10 Allg. hierzu F. Klein, FG Maunz 1971, S. 199 ff.; zur Tendenz von Bund und Ländern zur pragmatischen Einigung vgl. Blumenwitz, Schutz, S. 238. 11 Hierzu Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 83 Rdnr. 51. 12 Lerche, Sozialhilfe, S. 21, 77; vgl. BVerfGE 41, 205, 220; 61, 149, 175 f.
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2. Teil: Die Zuständigkeitsverteilung nach dem Grundgesetz
I I I . Würdigung dieser Alternativen I. Generelle Länderzuständigkeit Für die Annahme einer generellen Länderzuständigkeit wäre zunächst Voraussetzung, daß die grundgesetzliche Kompetenzregelung in der Tat von einer „Vermutung" zugunsten der Bundesländer ausgeht, daß also die durch den Verfassungsgeber nicht explizit angesprochenen staatlichen Aufgaben und alle solche, welche zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Grundgesetzes noch nicht existierten, den Ländern zugewiesen sind. Dieser „Vermutungscharakter" des Kompetenzkataloges ist für den Bereich der Gesetzgebung überzeugend widerlegt worden 13 . Die Frage der Zuordnung einer bestimmten Materie zu einem Kompetenztitel hat im Wege der funktionellen Interpretation der Kompetenzbestimmungen zu erfolgen. Im Grundgesetz finden sich vielerlei Regelungen, welche die Absicht der Verfassung deutlich machen, den Verkehr der Bundesrepublik Deutschland mit dem Ausland dadurch zu erleichtern, daß die „außenwirksamen" Kompetenzen dem Bunde zugewiesen sind. Hierzu zählen etwa die Integrationskompetenz gem. Art. 24 Abs. 1 GG sowie die Zuständigkeiten des Bundes nach Art. 24 Abs. 2 und 3 GG und die Regelungen des Art. 32 GG hinsichtlich der Vertragsschlußkompetenz. Die Zuständigkeit für die innerstaatliche Gesetzgebung steht zwar nicht allein dadurch dem Bunde zu, daß die zu regelnde Materie irgendwelche Außenwirkungen haben könnte, aber die Durchsicht der Gesetzgebungskompetenzen des Bundes zeigt, daß solche Materien, welche ganz typisch auf eine Außenberührung und damit internationale Bedeutung angelegt sind, in weitem Maße dem Bund zugewiesen sind. Hierzu zählen das ausschließliche Gesetzgebungsrecht des Bundes über auswärtige Angelegenheiten und die Verteidigung (Art. 73 Nr. 1 GG), über die Staatsangehörigkeit (Art. 73 Nr. 2 GG), über Fragen des Paßwesens, der Einund Auswanderung sowie der Auslieferung (Art. 73 Nr. 3 GG), über Handelsfragen i. S. Art. 73 Nr. 5 GG, und in gewissem Maße auch die Gesetzgebungszuständigkeit über das Währungswesen (Art. 73 Nr. 4 GG). Auch die anderen Regelungsgegenstände des Art. 73 GG weisen teilweise Auslandsbezüge auf. Dieser Intention des Grundgesetzes, dem Bunde auch nach innen soweit als erforderlich die rechtlichen Möglichkeiten zu geben, um trotz der internen bundesstaatlichen Gliederung nach außen als einheitliches Völkerrechtssubjekt auftreten zu können, würde es diametral zuwiderlaufen, wenn allein dadurch, daß eine bestimmte Materie von einer zwischenstaatlichen Einrichtung, deren Mitglied die Bundesrepublik ist, geregelt wird, die innerstaatliche Durchführung zu einer Länderangelegenheit würde. Zweck der Regelung in Art. 24 Abs. 1 GG 13 Rinck, FS G. Müller, S. 289 ff.; Scholz, FG BVerfG II, S. 252 ff.
§ 4 Die Anwendbarkeit der Art. 30, 83 ff. sowie 70 ff. GG
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ist es, die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an der internationalen Integration zu fördern, insbesonders im Rahmen eines vereinten Europas, worauf die Präambel verweist. Demzufolge kann es nicht zwangsläufig Konsequenz einer (teilweisen) Vergemeinschaftung von bestimmten Sektoren sein, daß deren innerstaatliche Durchführung dann ipso factu den Ländern zufiele, ohne daß es hierfür in der Verfassung irgendeinen Anhaltspunkt gibt. Dieser Nachteil kann auch nicht dadurch aufgewogen werden, daß man diese Kompetenzverschiebung als Kompensation dafür ansehen könnte, daß die Länder auch ihrereits durch jede Vergemeinschaftung an Einfluß verlieren: soweit es sich um Bereiche handelt, für die zunächst der Bund zuständig gewesen war, gehen die Länder ihrer Einflußmöglichkeiten im Bundesrat verlustig, soweit es sich um Länderhoheitsrechte handelt, verlieren sie ihre gesamte Zuständigkeit, da zur Vertretung nach außen Bundesorgane handeln. Die Frage, ob und inwieweit gegebenenfalls Kompetenzverluste der Länder infolge der Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtunen andernorts zu kompensieren sind, wird an anderer Stelle noch zu behandeln sein. Eine generelle Verschiebung der Durchführungskompetenz vom Bund auf die Länder würde jedoch einen derart schweren Eingriff in das Kompetenzverteilungssystem des Grundgesetzes bedeuten, daß der Bund schon aus diesem Grund in Bezug auf den Beitritt zu internationalen Organisationen äußerst zurückhaltend sein müßte. Dies widerspräche der grundlegenden Verfassungsentscheidung des Grundgesetzes für die internationale Zusammenarbeit 14. Bei der kompetenziellen Zuordnung von Sachmaterien auf Bund und Länder ist über die eigentlich kompetenzregelnden Normen hinaus das Prinzip der Einheit der Verfassung zu berücksichtigen. Dieser Grundsatz, der zu einer gegenseitigen Beeinflussung von Kompetenz- und Sachnormen im Grundgesetz führt, läßt eine Auslegung der Art. 30, 70 ff. und 83 ff. GG nicht zu, welche dem Grundgedanken des Art. 24 Abs. 1 GG gänzlich zuwiderläuft, sofern keine Anhaltspunkte für die Absicht einer anderweitigen Regelung erkennbar sind. Demzufolge ist die Annahme einer generellen Ausführungskompetenz der Länder abzulehnen. Während jedoch auf dem Gebiet der Gesetzgebung trotz der irreführenden rechtstechnischen Regelung der Art. 70 ff. GG im sozialen Bundesstaat dem Bund der Primat zukommt, liegt der verwaltungsmäßige Vollzug der Gesetze weiterhin schwerpunktmäßig bei den Ländern. Um dieses Ergebnis auch für die Durchführung des Rechts der Europäischen Gemeinschaften zu erreichen, ist es jedoch nicht erforderlich, eine ausschließliche Länderkompetenz aufgrund der Art. 30, 83 ff. GG deshalb anzunehmen, weil nach dem Grundgesetz der Bund lediglich in Teilbereichen zum Vollzug von Bundesrecht berufen ist. Auch hinsichtlich der Verwaltungszuständigkeit spricht die unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Verfassung zu berücksichtigende integrationsfreundliche Option 14 So der Titel der Abhandlung von Klaus Vogel, 1964.
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des Grundgesetzes dafür, aus der Vergemeinschaftung selbst keinen Kompetenzverlust des Bundes herzuleiten. Als Zwischenergebnis ist somit sowohl eine generelle Ausführungs- als auch eine generelle Vollzugskompetenz der Länder in Bezug auf die Durchführung des Rechts der Europäischen Gemeinschaften abzulehnen.
2. Generelle Bundeszuständigkeit Wird einmal unterstellt, daß es dem Bund gestattet ist, auch Hoheitsrechte der Bundesländer gem. Art. 24 Abs. 1 GG auf die EWG zu übertragen, so stellt sich die Frage, ob hieraus nicht die „Annexkompetenz" oder die „Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs" zumindest auch zur rechtssatzmäßigen Ausführung von Gemeinschaftsrecht folgt. Zu diesem Ergebnis scheint gerade eine funktionelle Auslegung der Integrationskompetenz zu führen: ist der Bund nämlich befugt, die Regelung bestimmter Gebiete einer zwischenstaatlichen Einrichtung zu übertragen, so wäre es denkbar, daß er dann auch die rechtliche Möglichkeit haben müßte, hieraus resultierenden Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft oder den anderen Mitgliedstaaten nachzukommen, sofern Teilregelungen dieser vergemeinschafteten Sachgebiete den Mitgliedstaaten obliegen 15 . Oder, anders herum gewendet: was der Bund unter Ausschluß der Länder — wenn auch nur zusammen mit den anderen Mitgliedstaaten — im primären oder sogar sekundären Gemeinschaftsrecht regeln könnte, muß er auch selbst regeln können. Auch eine derartige Beantwortung der Kompetenzfrage würde jedoch zu einem einseitigen Transfer, hier zugunsten des Bundes, führen, welche sachlich nicht gerechtfertigt ist 16 . Bei der Abschichtung der Kompetenzen von Bund und Ländern kann nämlich nicht lediglich danach gefragt werden, was „zweckmäßig" im Sinne einer möglichst reibungslosen, schnellen und einheitlichen Aufgabenerledigung ist. Dies würde, zumindest im Bereich der Rechtsetzung, zu einer generellen Aufgabenübertragung aller Zweifelsfälle auf den Bund führen. Daß dies nicht in der Absicht des Grundgesetzes liegt, zeigt die starke Absicherung der Bundesstaatlichkeit in den Artikeln 20 Abs. 1,28 und 79 Abs. 3 GG. Hieraus ist auch ein Auslegungsgrundsatz der Schonung der Länderkompetenzen zu entnehmen17, soweit dies eine sachgemäße und funktionsgerechte Auslegung zuläßt 18 .
15 Für eine allgemeine Ausführungskompetenz des Bundes wohl Conrad, S. 134. 16 Fuß, NJW 1966, 1782, 1783; Bülow, Verhältnis, S. 28, 56; vgl. auch Spelten, S. 70 ff. 17 Vgl. auch BVerfGE 26, 246, 254. 18 Rinck, FS G. Müller, S. 289, 300; BVerfGE 36, 193, 209.
§ 4 Die Anwendbarkeit der Art. 30, 83 ff. sowie 70 ff. GG
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Eine generelle Ausführungszuständigkeit des Bundes käme somit allenfalls dann in Betracht, wenn dies sich aus der Integrationskompetenz des Art. 24 Abs. 1 GG in Verbindung mit Normen des Europäischen Gemeinschaftsrechts zwingend ergäbe. Ob dies dann wiederum der Entscheidung des Grundgesetzes für die Bundesstaatlichkeit zuwiderliefe und somit allenfalls durch ein auch im formellen Sinne verfassungsänderndes Zustimmungsgesetz zum EWG-Vertrag hätte erreicht werden können, kann hier dahingestellt bleiben, da das primäre Recht der Europäischen Gemeinschaften hinsichtlich seiner Durchführung lediglich auf die nationalen Zuständigkeiten verweist und nicht selbst etwa eine gänzlich einheitliche Durchführung durch lediglich eine Stelle jedes Mitgliedstaates verlangt. Die gemeinschaftsrechtlich notwendigen einheitlichen „Vorgaben" werden den nationalen Stellen durch die Normen und sonstigen Rechtsakte des Gemeinschaftsrechts selbst gemacht. Somit ist nach Gemeinschaftsrecht jede Durchführungsmaßnahme zulässig, die sich innerhalb dieses Rahmens hält. Die hinsichtlich der Vereinheitlichung äußerst differenzierten Regelungsmöglichkeiten des Gemeinschaftsrechts nehmen gerade auf die Verschiedenheiten unter den Mitgliedstaaten und auf die Schonung der mitgliedstaatlichen Autonomie Rücksicht. Somit kann eine mitgliedstaatliche Durchführungsmaßnahme lediglich dann gemeinschaftsrechtswidrig sein, wenn sie den gemeinschaftlichen Mindestbedingungen nicht genügt, nicht jedoch allein deshalb, weil unter den gemeinschaftsrechtlich zulässigen Möglichkeiten innerhalb eines Mitgliedstaates nebeneinander verschiedene Möglichkeiten ausgewählt werden. Aus dem Gemeinschaftsrecht ergibt sich auch keine Verpflichtung des Bundes, sich selbst maßgebliche Einflußrechte gegenüber den Ländern vorzubehalten 19. Die Kompetenz des Bundes zur Gründung einer zwischenstaatlichen Gemeinschaft und zur Beteiligung am Integrationsprozeß bedarf somit zu ihrer Effektuierung nicht gleichzeitig einer umfassenden Durchführungskompetenz nach innen 20 . Dieses Argument kann demnach nicht gegen die Schonung der Länderkompetenzen angeführt werden. Dieser Umstand macht es gar nicht erst erforderlich, zu prüfen, ob die Koppelung der Durchführungskompetenz mit der Übertragungskompetenz nicht wenigstens unter dem Gesichtspunkt der ansonsten auftretenden Gefahr des Mißbrauchs durch den Bund abzulehnen wäre. In diesem Sinne wird argumentiert, daß der Bund in diesem Falle sich einfach dadurch Kompetenzen verschaffen könnte, daß er innerhalb einer internationalen Organisation auf den Erlaß durchführungsbedürftiger Regelungen auf dem Gebiet der Ländergesetzgebung hinwirkt, um hernach selbst die Ausführungsregelungen erlassen zu können 21 . Eine kompetenzielle Qualifikation lediglich unter dem Aspekt von Mißbrauchsmöglichkeiten würde anstatt des Normalfalles stets nur den Ausnahmefall 19 Köttgen, JöR 11 (1962), 173, 190 hält dies für möglich. 20 Vgl. Friauf, Planung IV, S. 41, 60 f. 21 Schätzet, in: Der Kampf um den Wehrbeitrag I, S. 323, 352 f.
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2. Teil: Die Zuständigkeitsverteilung nach dem Grundgesetz
regeln. Ob dies zu sachdienlichen Ergebnissen führt, unterliegt starken Zweifeln, da alle Mißbrauchsmöglichkeiten allenfalls unter äußerst rigiden Kautelen auszuräumen wären, sofern dies überhaupt ex ante auch nur annähernd zu erreichen ist. Demzufolge ist der Gefahr eines Mißbrauchs von zunächst einmal eingeräumten Kompetenztiteln eher durch eine fallgebundene und situationsgerechte, elastische Sanktion ex post beizukommen, wie dies durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erreicht wird, als durch eine einseitig verengte Interpretation ex ante. Damit scheidet auch eine ausschließliche Kompetenz des Bundes zur Durchführung des Rechts der Europäischen Gemeinschaften aus. Dieses Ergebnis könnte nur durch eine Verfassungsänderung erreicht werden, nicht durch eine generelle extensive Interpretation bisheriger Bundeskompetenzen22. Auch der Versuch, dem Bund dadurch zu einer umfassenden Durchführungskompetenz zu verhelfen, daß auf die Befugnisse gem. Art. 32 Abs. 1 GG, Art. 73 Nr. 1 GG und Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG zurückgegriffen wird, kann nicht zum Erfolg führen 23 . Allein der Umstand, daß ein Gegenstand durch Vorschriften des Gemeinschaftsrechts ganz oder teilweise geregelt wird, macht diesen noch nicht zu einer auswärtigen Angelegenheit. Bereits hinsichtlich herkömmlicher völkerrechtlicher Verträge tritt hierdurch keine Umschichtung von einer internen Kompetenzmaterie in die der auswärtigen Angelegenheiten ein 24 . Die Zugehörigkeit etwa zum Recht der Wirtschaft (Art. 74 Nr. 11 GG) oder zum Schulrecht kraft der jeweils vorherrschenden Sachnähe kann nicht aufgrund einer Regelung der Gemeinschaft aufgehoben werden.
3. Ergebnis Mithin besteht hinsichtlich des Resultats Übereinstimmung mit der von der ganz herrschenden Meinung vertretenen Ansicht, daß die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäischen Gemeinschaften in Bezug auf die Zuständigkeit zur innerstaatlichen Durchführung keine Verschiebungen zuur Folge hatte 25 . Damit bleibt es für die Ausführungsgesetzgebung bei einer entsprechenden Anwendung der Regelungen der Art. 70 ff. GG und für den Verwaltungsvollzug bei der Regelung durch die Art. 30, 83 ff. analog. Diese Auffassung wird auch dadurch gestützt, daß sie mit der bereits dreißigährigen Staatspraxis übereinstimmt. Eine Kompetenzregelung des Grundgesetzes könnte zwar auch nicht durch eine — hier lediglich stillschweigende — Überein22 Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 83 Rdnr. 51; gegen eine allgemeine Bundeskompetenz auch Grabitz, AöR 111 (1986), S. 1, 25 f., 29. 2 3 Petersen, DVB1. 1975, 291, 294. 2 4 Vgl. Reichel, S. 23 f., 227. 2 5 Statt aller: Rudolf,\ FS Schlochauer, S. 117, 128.
§ 5 Die Kompetenzordnung des Grundgesetzes
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kunft durch Bund und Länder geändert werden, sondern lediglich durch eine Verfassungsänderung, aber in Zweifelsfällen gewinnt eine derartige stabilisierte Praxis doch auch Auslegungsrelevanz unter dem Gesichtspunkt der kompetenziellen Kontinuität, ohne daß dies eine Verfassungsinterpretation am Maßstab nachrangigen Rechts oder gar eines lediglich praktizierten Verhaltens bedeuten würde.
§ 5 Die Kompetenzordnung des Grundgesetzes Die allgemeine Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes von Rechtsetzungs- und Verwaltungsaufgaben soll im folgenden unter dem Blickwinkel betrachtet werden, der sich aus einem vorauszusetzenden gemeinschaftsrechtlichen Durchführungserfordernis ergibt. Wie bereits dargelegt, regelt das Gemeinschaftsrecht selbst nicht abschließend, wie es von den nationalen Stellen durchzuführen ist. Gemeinschaftsrechtlich vorgegeben ist lediglich das Effektivitätspostulat, d. h. gemeinschaftsrechtliche Maßnahmen müssen so, wie es ihr Sinn und Zweck erfordert, effektiv durchgesetzt werden. Nationale Modalitäten dürfen also hier nicht zu einer Über- oder Unterschreitung des gemeinschaftsrechtlich Zulässigen führen. Hiemach ist es innerhalb dieses „Rahmens" von Gemeinschaftsrechts wegen nicht a priori vorgegeben, ob sich das nationale Durchführungsorgan in Frankreich etwa für loi organique, loi, décret-loi, règlement oder acte administratif individuel entscheidet, oder ob die zuständige deutsche Stelle hierfür ein verfassungsänderndes oder einfaches Gesetz von Bund oder Ländern, eine Verordnung oder Satzung, Verwaltungsvorschriften, Allgemeinverfügungen oder Verwaltungsakte i. e. S. erläßt. Entscheidend ist die Zweckerreichung. Ob rechtsetzende oder Einzelmaßnahmen erforderlich sind, entscheidet sich nach dem Regelungsgehalt des Gemeinschaftsrechtsaktes, ggf. in Verbindung mit nationalen verfassungsrechtlichen Besonderheiten, wie etwa dem Vorbehalt des förmlichen Gesetzes. Steht nach deutschem Recht für eine bestimmte Maßnahme sowohl der Weg der Gesetzgebung als auch der des Erlasses von Verwaltungsvorschriften zur Verfügung, so ergeben sich infolge einer diesbezüglichen gemeinschaftsrechtlichen Indifferenz keine Schwierigkeiten in Bezug auf die kompetenzielle Qualifikation: fiele der Erlaß eines förmlichen Gesetzes in die Zuständigkeit der Länder, so sind diese ebenfalls für den Erlaß von einschlägigen Verwaltungsvorschriften zuständig. Ressortiert die Regelungsmaterie jedoch in der Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes, so eröffnet sich für diesen die Kompetenz von Verwaltungsvorschriften nach der diesbezüglichen Verwaltungszuständigkeit entweder als Annex zur Verwaltungszuständigkeit des Bundes selbst, oder aus den Art. 84 Abs. 2, 85 Abs. 2 oder 86 GG. Ein etwaiger Normenkonflikt mit daneben erlassenen Regelungen der Länder wäre entsprechend Art. 31 GG zu lösen. Dies zeigt, daß die Verteilung der Regelungsbefugnis
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2. Teil: Die Zuständigkeitsverteilung nach dem Grundgesetz
zwischen Bund und Ländern nicht davon abhängt, ob der Weg der Rechtsetzung im formellen Sinne oder der Erlaß von Verwaltungsvorschriften gewählt wird.
I. Gesetzgebungszuständigkeiten Ist die Entscheidung getroffen, daß durch die (teilweise) Vergemeinschaftung von einzelnen Sektoren staatlicher Tätigkeit die innerstaatliche Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern prinzipiell nicht verändert wird, so ergeben sich für die kompetenzielle Qualifikation von Regelungsmaterien zunächst keine Besonderheiten im Vergleich zu Bereichen, auf welchen die deutsche Hoheitsgewalt nicht auf ihre Ausschließlichkeit verzichtet hat. Wird somit in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaften vorgesehen, daß „die Mitgliedstaaten" oder die „Bundesrepublik Deutschland" bestimmte Regelungen zu erlassen haben, so bedeutet dies lediglich einen Auftrag an die deutsche Hoheitsgewalt. Eine Entscheidung, welche Ebene der Staatsgewalt zum Erlaß befugt ist, wird hierdurch nicht präjudiziell.
1. Bundeskompetenzen Als Spezialregelung zu der allgemeinen Vorschrift des Art. 30 GG ist für den Bereich der Gesetzgebung Art. 70 GG heranzuziehen. Wie bereits ausgeführt, ist dieser nicht dahingehend zu verstehen, daß eine generelle Vermutung für die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder besteht26. Demzufolge können auch allgemeine Auslegungsgrundsätze, wonach Ausnahmeregelungen grundsätzlich eng auszulegen seien, hier, ohne daß auf ihre generelle Richtigkeit einzugehen ist, keine Anwendung finden: die vom Grundgesetz vorgesehenen Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes sind nicht ohne weiteres stets „eng" zu interpretieren 27. Vielmehr ist jeweils im Einzelfall die zu erlassende Norm funktional in Bezug auf ihre Zielsetzung und ihre voraussichtliche Wirkung zu qualifizieren 28 . Als „Zweck" einer Ausführungsregelung zu Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaften kann selbstverständlich in jedem Fall auch unterstellt werden, daß der Gesetzgeber einer gemeinschaftsrechtlichen Pflicht nachkommen will. Dies ist jedoch nicht mit der Zielsetzung als kompetenzqualifizierendem Element zu verwechseln. Hierunter ist lediglich die Sachregelungsabsicht zu verstehen, da ansonsten der Umstand einer gemeinschaftsrechtlichen Bindung jeweils doch wieder auf die Kompetenzqualifikation durchschlagen würde. Eine deutsche 26 Bullinger, Mineralölfemleitungen, S. 55 f.; Lerche, Sozialhilfe, S. 14. 27 Bullinger, Mineralölfemleitungen, S. 55 f.; Rinck, FS G. Müller, S. 289, 292 ff. 28 Scholz, FG BVerfG II, S. 252, 261 ff.; ders., Gebietsreform, S. 25.
§ 5 Die Kompetenzordnung des Grundgesetzes
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agrarrechtliche Vorschrift, die aufgrund einer Gemeinschaftsverordnung erlassen wird, stellt eine sonderrechtliche Normierung 29 des Landwirtschaftsrechts und nicht etwa einer gesonderten Materie „Gemeinschaftsrecht" dar. Die einzelnen Maßnahmen der Europäischen Gemeinschaften, welche einer rechtsetzenden Durchführung durch die Mitgliedstaaten bedürfen, haben in der Zwischenzeit einen Umfang angenommen, der es ausschließt, an dieser Stelle im einzelnen auf die vom Bund erlassenen Ausführungsregelungen einzugehen. Hinzuweisen bleibt jedoch auf die Kompetenztitel, auf die sich der Bund hierbei im wesentlichen stützen kann. a) Ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit Nachdem es im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften nach langwierigen Vorbereitungen zu einem einheitlichen Paß für die Marktbürger kommt, kann der Bund seine Ausführungsgesetzgebung auf Art. 73 Nr. 3 GG stützen. Auch soweit auf währungspolitischem Gebiet Regelungen erforderlich sind, kann sie der Bund gem. Art. 73 Nr. 4 GG vornehmen. Das bedeutendste Feld, was den erreichten Stand der Integration angeht, ist dasjenige der Zoll- und Handelsunion, für welches innerstaatlich gem. Art. 73 Nr. 5 GG ebenfalls der Bund ausschließlich zuständig ist. Im Bereich der Verkehrspolitik hat die Tätigkeit der EWG bislang noch nicht zu Integrationsfortschritten geführt. Aufgrund der Initiative des Europäischen Parlaments, welches den Rat im Wege der Untätigkeitsklage zu belangen versucht, könnte diese Materie jedoch zunehmende Bedeutung erlangen, so daß es auch zu Ausführungsregelungen gem. Art. 73 Nr. 6 GG kommen wird, wobei allerdings auch die lediglich konkurrierende Zuständigkeit aus Art. 74 Nrn. 21, 22 und 23 GG einschlägig sein wird. Auch auf dem durch Art. 73 Nr. 9 GG geregelten Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes sind gemeinschaftsrechtliche Regelungen möglich.
b) Konkurrierende
Gesetzgebungszuständigkeit
Von größter Bedeutung für den Erlaß von Ausführungsgesetzen zu Rechtsakten der Gemeinschaft sind einige Kompetenztitel aus dem Katalog der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeiten des Art. 74 GG. Hinsichtlich der hierfür gem. Art. 72 GG erforderlichen Voraussetzungen für ein Tätigwerden des Bundes ergeben sich keine Besonderheiten für gemeinschaftsrechtlich gebundene Sachgebiete. Infolge der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 72 Abs. 2 GG, wonach das Vorliegen eines entsprechenden Bedürfnisses eine Frage pflichtgemäßen Ermessens des Bundesgesetzgebers sei, die „der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen sei" 30 , konnte der 29 Vgl. Pestalozzi DÖV 1972, 181, 183. 4 Kössinger
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Bund seine Zuständigkeit sehr weitgehend ausschöpfen. Für den Bereich der Tätigkeit der Europäischen Gemeinschaften dürfte sich verstärkt die Möglichkeit des Art. 72 Abs. 2 Nr. 3 GG anbieten. Maßnahmen, die teilweise sogar gemeinschaftseinheitlich getroffen werden, indizieren es zumindest prima facie, daß auch im Rahmen der Bundesrepublik Deutschland die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit erforderlich ist, hier im deutschen verfassungsrechtlichen Sinne verstanden. Dennoch ist auch in diesen Regelungsbereichen nicht auf eine Prüfung der Zuständigkeit des Bundes generell zu verzichten, sondern eine Einzelqualifikation vorzunehmen. Für den Tätigkeitsbereich aller drei Europäischen Gemeinschaften von überragender Bedeutung ist die Gesetzgebungszuständigkeit für das Recht der Wirtschaft gem. Art. 74 Nr. 11 GG, wofür die einzelnen angegebenen Teilbereiche nur Beispielsfälle, nicht jedoch eine abschließende Untergliederung darstellen 31. Das Bundesverfassungsgericht legt diese Kompetenz des Bundes seit jeher weit aus 32 , auch unter Berücksichtigung der Verfassungstradition und Kompetenzkontinuität 33 . Für die Mitarbeit bei der Herstellung der Freizügigkeit innerhalb des gemeinsamen Marktes kann sich der Bund auf Art. 74 Nr. 4 GG stützen, Ausnahmeregelungen zum Grundsatz des freien Warenverkehrs i. S. Art. 36 EWGV sind gemäß Art. 74 Nr. 5 GG möglich. Der Tätigkeitsbereich der Europäischen Atomgemeinschaft wird durch Art. 74 Nr. I I a GG abgedeckt. Ausführungsregelungen zu Art. 119 EWGV können unter Rückgriff auf Art. 74 Nr. 1 sowie Nr. 12 GG erlassen werden, wobei letztere Ziffer auch für sozialrechtliche Maßnahmen gem. Art. 51 und 117 EWGV eine Grundlage darstellt. Weitere Schwerpunkte der Tätigkeit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft fallen unter die wettbewerbsrechtliche Kompetenz des Art. 74 Nr. 16 GG sowie die agrarrechtliche Bestimmung des Art. 74 Nr. 17 GG. Ähnliches gilt für Maßnahmen, welche die Sachgebiete der Art. 74 Ziffern 19 und 20 GG betreffen. c) Rahmengesetzgebung Die Ausdehnung des Tätigkeitsfeldes der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft auf Teilbereiche des Umweltschutzes könnte auch zu Berührungen mit den Rahmengesetzgebungszuständigkeiten des Bundes gem. Art. 75 Nrn. 3 und 4 GG führen. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, daß der Bund aufgrund 30 BVerfGE 2, 213, 224 f.; hierzu eingehend Scholz, FG BVerfG II, S. 252, 259 ff. m. w. N.; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 72 Rdnr. 17. 31 BVerfGE 55, 274, 309; a. A. Maunz, in: Maunz /Dürig, Art. 74 Rdnr. 135. 32 Vgl. z. B. BVerfGE 5, 25, 29; 8, 143; 55, 274, 308; hierzu Scholz, FG BVerfG II, S. 257 m. w. N. 33 Hierzu näher Scholz, FG BVerfG II, S. 265 ff.
§ 5 Die Kompetenzordnung des Grundgesetzes
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seiner Kompetenzen zur Rahmengesetzgebung keine abschließende Regelung vornehmen darf, sondern den Ländern einen substantiellen Regelungsbereich überlassen muß. Ob er diesem Erfordernis noch genügen kann, wenn bereits durch Gemeinschaftsrecht Vorgaben gemacht sind, ist eine Frage des Einzelfalles. Demnach kommt eine Rahmengesetzgebung i n diesen Fällen nur noch in Frage, wenn zwischen der Normierung durch die Gemeinschaften und der von den Ländern vorzunehmenden Ausführungsregelung noch genügend Raum für eine „Rahmen"-Gesetzgebung bleibt, d. h., der Bund kann nur bei sehr stark ausfüllungsbedürftigen, nicht aber bei bereits sehr detaillierten Regelungen der Gemeinschaften überhaupt noch zum Zuge kommen. d) Gemeinschaftsaufgaben Regionalpolitische Maßnahmen sowie Maßnahmen auf dem Gebiet der Agrarstrukturpolitik der Europäischen Gemeinschaften können ebenfalls Ausführungsregelungen der Mitgliedstaaten erforderlich machen. Diese fallen in der Bundesrepublik in den Bereich der 1969 in das Grundgesetz aufgenommenen Gemeinschaftsaufgaben gem. Art. 91a Abs. 1 Nrn. 2 und 3 GG. Soweit hier gesetzliche Regelungen erforderlich sind, kann der Bund im Rahmen seiner Kompetenzen gem. Art. 91a Abs. 2 und 3 GG tätig werden. Auf diesem Feld, das ohnehin schon ein Zusammenraufen der Interessen der einzelnen Länder zum einen, von Bund und Ländern zum anderen voraussetzt, verstärken sich die Friktionen noch zusehends, wenn die supranationale Stelle zusätzlich Entscheidungskompetenz beansprucht und der Bund aufgrund des Zwangs zur Einigung innerhalb der Gemeinschaft eher zu einem Nachgeben gegenüber den ausländischen Partnern bereit ist als die Länder. Für ein Land kann jedoch zum Beispiel eine Region als besonders förderungswürdig erscheinen, wenn es mit anderen Gebieten desselben Bundeslandes oder auch mit anderen Bundesländern verglichen wird, während der Bund dann auch mit weiter entfernten, insbesonders südeuropäischen Regionen vergleicht, wenn es um die Verteilung von Förderungsmitteln der Gemeinschaft oder darum geht, abzugrenzen, wo die Mitgliedstaaten selbst zusätzlich fördern dürfen.
2. Landesgesetzgebungszuständigkeiten Die ansatzweise Aufzählung der für Ausführungsregelungen in Frage kommenden Kompetenztitel des Bundes hat bereits gezeigt, daß es sich hinsichtlich der gesetzgeberischen Zuständigkeiten auf den Tätigkeitsgebieten der Europäischen Gemeinschaften nicht anders verhält, als im Bereich der Gesetzgebung insgesamt: auch hier kommt der Primat eindeutig dem Bund zu. Dieser faktische Vorrang wird sogar noch verstärkt dadurch, daß die Europäischen Gemeinschaften ihren Tätigkeitsbereich schwerpunktmäßig auf Gebieten haben, welche inner4*
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2. Teil: Die Zuständigkeitsverteilung nach dem Grundgesetz
staatlich der Gesetzgebung durch den Bund unterliegen. Demzufolge kommt eine Ausführungsgesetzgebung durch die Länder, quantitativ gesehen, nur am Rande in Betracht. Auf welchen Gebieten die Länder besonders betroffen sind, wurde bereits oben skizziert, so daß hier eine Einzeldarstellung unterbleiben kann 34 . Gerade aufgrund des verhältnismäßig geringen Umfangs der den Ländern überhaupt noch verbleibenden Zuständigkeiten ist jedoch eine genaue Kompetenzzuordnung im Einzelfall erforderlich. Der Gesichtspunkt der Schonung der Länderzuständigkeit hat hier nicht an Tragweite verloren.
I I . Verwaltungszuständigkeiten Hat der Bund, was einmal rein innerstaatlich bedeutsame Maßnahmen anlangt, auf dem Gebiet der Gesetzgebung infolge der unitarisierenden Tendenz des modernen Sozialstaates ein unübersehbares Übergewicht erlangt, so haben die Bundesländer auf dem Gebiet der Verwaltung ihre ursprünglich starke Stellung weitgehend behaupten können 35 . Hier entspricht der gesetzestechnischen Regelung des Grundgesetzes, die Zuständigkeiten enumerativ, wenn auch nicht zwangsläufig „ausdrücklich" anzuführen, auch eine quantitative Vorrangstellung der Länder. Dementsprechend sind auch die Verwaltungsbehörden der Länder sehr weitgehend in den Vollzug von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaften eingeschaltet. Einige Bereiche jedoch sind auch auf dem Gebiet der Verwaltung dem Bund vorbehalten.
1. Abgrenzungsfragen "Äußerste Grenze" der Verwaltungszuständigkeit des Bundes sei die ihm zugewiesene Gesetzgebungszuständigkeit, äußerte sich das Bundesverfassungsgericht im 1. Fernsehurteil 36 und hat hierfür auch eine weitgehende Zustimmung in der Literatur gefunden 37. Dies führt zu der einhellig bejahten Folgerung, daß es keinen Bundesvollzug von Landesgesetzen geben dürfe, ohne allerdings Behörden des Bundes von der „Beachtung" von kompetenzgerecht erlassenen Rechtsvorschriften der Länder zu entbinden.
34 Vgl. oben § 2 I. 35 Vgl. Hesse, Bundesstaat, S. 16 f. 36 BVerfGE 12, 205 (LS 5). 37 Unter Einschränkungen zustimmend auch Lerche, Sozialhilfe, S. 67; ders., in: Maunz/Dürig, GG, Art. 83 Rdnr. 31; Röttgen, JöR 11 (1962), S. 173, 204 führt als Gegenbeispiel die Errichtung des Bundespresseamtes an; krit. hinsichtlich der auswärtigen Angelegenheiten Reichel, S. 175 f.
§ 5 Die Kompetenzordnung des Grundgesetzes
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Wie sich jedoch bei der verwaltungsmäßigen Durchführung von Rechtsnormen der Europäischen Gemeinschaften zeigt, sind diese beiden Aussagen insofern nicht deckungsgleich, als nach der ersten Feststellung, wird sie wörtlich aufgefaßt, ein indirekter, unmittelbarer Vollzug von Gemeinschaftsrecht durch Verwaltungsstellen des Bundes ausgeschlossen wäre, da es sich bei Gemeinschaftsrechtsnormen nicht um Bundesgesetze handelt 38 . Dies würde zu der oben beschriebenen Konsequenz führen, daß eine gemeinschaftsrechtliche Regelung von Materien, für die rein innerstaatlich der Bund zuständig ist, zu einem Entzug von Verwaltungskompetenzen des Bundes führen kann. Daß das Bundesverfassungsgericht bei seiner Entscheidung diese Tragweite beabsichtigt oder auch nur bedacht hat, erscheint nicht plausibel. Dementsprechend ist seine Aussage eher dahingehend auszulegen, daß die Übertragung von Rechtsetzungskompetenzen auf zwischenstaatliche Einrichtungen als solche im Fall des nationalen Verwaltungsvollzuges nicht zu einer innerstaatlichen Kompetenzverschiebung führt. Diese Ansicht ist nicht bedeutungsgleich mit der Auffassung 39 , auf den unmittelbaren Vollzug von Gemeinschaftsrechtsnormen seien die Regelungen der Art. 83 ff. GG entsprechend anzuwenden. Der Vorschlag der Enquete-Kommission Verfassungsreform, in einem Art. 90 a GG eine ausdrückliche Regelung vorzunehmen 40 , hätte somit auch insoweit nicht lediglich einen klarstellenden, sondern einen auch inhaltlich verfassungsändernden Gehalt: Die Bestimmungen der Art. 83 ff. GG treffen nämlich hinsichtlich des Gesetzesvollzuges nur eine Regelung für Bundesgesetze. Wendet man sie auf den Vollzug von Gemeinschaftsrecht an, so würde dies auch Regelungen betreffen, welche rein innerstaatlich von den Ländern vorzunehmen wären, für deren Vollzug, wiederum lediglich nach nationalem Recht beurteilt, die Länder gemäß Art. 30 GG zuständig wären. Im Ergebnis besteht zwischen der herrschenden Meinung und der hier vertretenen Auffassung insofern Übereinstimmung, daß die Länder zum Verwaltungsvollzug grundsätzlich zuständig sind. Wird dies jedoch über Art. 83 GG analog erreicht, so stehen dem Bund die Ingerenzmöglichkeiten des Art. 84 GG zu 4 1 . Wird jedoch nach der hier vertretenen Auffassung differenziert, ob die gemeinschaftsrechtliche Norm innerstaatlich von den Ländern oder vom Bund hätte erlassen werden können, so kommen diese Rechte dem Bund in der ersten Fallgruppe nicht zu. Gegen dieses Ergebnis könnte eingewandt werden, daß eine derartige geringfügige Verschiebung gegenüber der vom Gemeinschaftsrecht unbeeinflußten innerdeutschen Rechtslage dadurch gerechtfertigt sei, daß der Bund schon aufgrund seiner gemeinschaftsrechtlichen Bindung und der hieraus resultierenden Haftung für einen gemeinschaftsrechtskonformen Verwaltungs-
38 Stern, Staatsrecht II, S. 784.
39 Friauf; Planung IV, S. 41, 64; Spelten, S. 73; Selmer, GS Sasse I, S. 229, 234. 40 Zur Sache 2/77, S. 281 f.; vgl. hierzu Stern, Staatsrecht II, S. 784 f. 41 Zum Einfluß des Bundes auf die Länderverwaltung vgl. Köttgen, JöR 3 (1954), S. 67, 83 ff.; Hesse, Bundesstaat, S. 17 ff.
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2. Teil: Die Zuständigkeitsverteilung nach dem Grundgesetz
in all den Fällen, wo er nach nationalem Verfassungsrecht nicht selbst zum Vollzug zuständig sei, wenigstens über die Möglichkeiten des Art. 84 GG verfügen müsse, um eine Befolgung der gemeinschaftsrechtlichen Gebote sicherzustellen. Das heißt also, daß er allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen kann und die Aufsicht gem. Art. 84 Abs. 4 GG ausüben kann. Vollzug
Dem ist zuzugeben, daß das Grundgesetz, wenn es einmal dem Bund die Integrationskompetenz gem. Art. 24 Abs. 1 GG zubilligt, auch Mechanismen zur Verfügung stellen muß, um eine Übereinstimmung der nationalen deutschen Rechtslage mit den gemeinschaftsrechtlichen Bindungen — im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen — sicherzustellen. Hieraus kann jedoch nicht geschlossen werden, daß eine Zubilligung der Möglichkeiten nach Art. 84 GG auch im Hinblick auf rechtsetzende Maßnahmen der Europäischen Gemeinschaften auf solchen Gebieten unerläßlich ist, für die innerstaatlich die Bundesländer zuständig wären. Auch an dieser Stelle greifen alleinige Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte nicht insoweit Platz, als daß sie die Kompetenzen der Länder über das Maß hinaus beeinträchtigen, das schon daraus folgt, daß die Gemeinschaften auf ihre Rechtsetzungskompetenzen übergreifen. Eine optimale Straffung und Egalisierung des Vollzuges — über das vom Gemeinschaftsrecht her vorgegebene Minimum hinaus — ist kein Zweck, welcher den machtentflechtenden, „auf »Reibung' bezogenen Funktionen" 42 der Bundestaatlichkeit überzuordnen wäre. Die im Bereich der Bundesgesetzgebung durch die Bundesgesetze in ihrer immer detaillierteren Form vorgegebenen Einheitlichkeitsstandards werden hier von den Gemeinschaftsorganen durch Gemeinschaftsrecht selbst gesetzt. Es ist somit nicht erforderlich, den Anwendungsbereich der Art. 83 ff. GG dadurch zu erweitern, daß man anstatt „Bundesgesetze" den Begriff „im Bundesgebiet einheitlich geltendes Recht" setzt. Der Grundsatz der innerstaatlichen Kompetenzneutralität der Vergemeinschaftung von staatlichen Aufgaben kann auch hier durchgehalten werden, ohne daß es zu untragbaren Ergebnissen kommt. Hierfür ist der die Ausübung jeglicher Kompetenzen durch Bund und Länder durchziehende Grundsatz der Bundestreue fruchtbar zu machen. Damit gelangt man bei der Beurteilung der Frage, wer zum innerstaatlichen unmittelbaren Vollzug einer bestimmten Gemeinschaftsrechtsnorm berufen ist, zu einem zweistufigen Prüfungsschema: zunächst ist festzustellen, ob die vollzugsbedürftige Regelung, rein innerstaatlich gedacht, hätte vom Bund oder von den Ländern erlassen werden können. Handelt es sich um eine Norm, welche in den Zuständigkeitsbereich der Länder fällt, so sind ohne weiteres auch die Länder zum Verwaltungsvollzug zuständig. Wäre jedoch der Bund für den Normerlaß zuständig gewesen, so ist in einem weiteren Qualifikationsschritt zu
42 Lerche, Sozialhilfe, S. 63.
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prüfen, ob nach der Regelung der Art. 83 ff. GG, die entsprechend anzuwenden sind, der Bund oder die Länder zum Vollzug zuständig sind. Dieses Ergebnis ist auch unter einem weiteren Gesichtspunkt sachgerecht: würde nämlich die erste Prüfungsstufe ausgelassen, und ohne weiteres auf die Art. 83 ff. GG bzw. deren analoge Anwendung abgestellt43, so könnten die Vollzugszuständigkeiten auseinanderfallen, je nachdem, ob eine bestimmte Norm des Gemeinschaftsrechts unmittelbar vollzogen werden könnte, oder ob dazwischen eine mitgliedstaatliche Ausführungsnorm erforderlich ist. Diese Frage ist oft rein technisch zu entscheiden. An den Grad der Regelungsdichte einer gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung Folgerungen bezüglich der Kompetenzverteilung im bundesstaatlichen Innenverhältnis zwischen Bund und Ländern zu knüpfen, würde dann bedeuten, daß dem Bund im Interesse des Erhalts möglichst weiter Einflußmöglichkeiten auf den Verwaltungsvollzug an einer möglichst detaillierten Gemeinschaftsrechtsnorm gelegen sein müßte. Eine derartige Verknüpfung würde weder dem Sinn der Funktionsverteilung zwischen den Europäischen Gemeinschaften und den Mitgliedstaaten noch dem der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern gerecht. Die gefundene Lösung, die Abgrenzung der Verwaltungszuständigkeiten beim Vollzug des Rechts der Europäischen Gemeinschaften allein vom Regelungsgehalt der jeweiligen vollzugsbedürftigen Norm in Anknüpfung an die allgemeinen Kompetenzvorschriften des Grundgesetzes vorzunehmen, läßt erkennen, daß die oben bereits angesprochene, von der Enquete-Kommission Verfassungsreform vorgeschlagene Regelung eines Art. 90 a GG neu eine Ausdehnung des Bundeseinflusses mit sich brächte. Verfassungspolitisch mögen einige Gründe für diese Änderung sprechen, um dem Bund die Erfüllung seiner gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen zu erleichtern. In der Staatspraxis sind jedoch bisher keine Fälle bekannt geworden, die einen verfassungsrechtlich sanktionierten vergrößerten Einfluß des Bundes zwingend erforderten. Ob es angesichts dieser Ausgangslage allerdings angeraten ist, die Position der Bundesländer weiter zu schwächen, anstatt gerade ihre Eigenverantwortlichkeit in diesem Bereich der Beteiligung im Rahmen der europäischen Integration zu fördern, erscheint eher fraglich. Der Umfang der Rechtsetzungstätigkeit der Europäischen Gemeinschaften im allgemeinen und der EWG im besonderen hat ein Ausmaß erreicht, das fast keinen Teilbereich staatlicher Verwaltungstätigkeit völlig unbeeinflußt läßt. Demzufolge kann es sich bei der im folgenden darzustellenden Kompetenzaufteilung nicht um den Versuch einer erschöpfenden Darstellung handeln. Vielmehr soll auf diejenigen Verwaltungsmaterien hingewiesen werden, die den Schwerpunkt der nationalen Durchführungstätigkeit bilden.
43 So etwa Schwan, S. 170 ff.
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2. Teil: Die Zuständigkeitsverteilung nach dem Grundgesetz
2. Verwaltungskompetenzen des Bundes a) Die Bundesverwaltung
aufgrund Art. 87 Abs. 1 GG
Von den in Art. 87 Abs. 1 GG ausdrücklich dem Bunde zugewiesenen Verwaltungszuständigkeiten ist für den Vollzug des Europäischen Gemeinschaftsrechts die Bundesfinanzverwaltung von herausragender Bedeutung. Im Kern der Herstellung eines Gemeinsamen Marktes steht die in Art. 12 ff. EWGV in ihren Grundzügen geregelte Zollunion. Da die EWG auch auf diesem Gebiet nicht über einen eigenen dekonzentrierten Verwaltungsunterbau verfügt, ist für die Bundesrepublik Deutschland die Bundeszollverwaltung zuständig. Diese verwaltet gem. Art. 108 Abs. 1 Satz 1 GG in der Fassung des 21. Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 12. 5. 1969 nicht nur die dem gemeinsamen Zolltarif entsprechenden Außenzölle, sondern auch alle sonstigen „Abgaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften". Dies stellt die einzige ausdrückliche Regelung einer gemeinschaftsbezogenen Vollzugskompetenz im Grundgesetz dar. Auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Marktordnungen ist die Bundesfinanzverwaltung zuständig für die Erhebung der Abschöpfungen und die Gewährung von Produktionserstattungen 44.
b) Bundesverwaltung aufgrund Art. 87 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 2 GG In weiterem Umfang hat sich jedoch der Bund in den Gemeinschaftsrechtsvollzug durch Stellen eingeschaltet, welche auf der Grundlage des Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG geschaffen wurden. Hierbei handelt es sich nicht um Einrichtungen, welche speziell für den Vollzug von Normen des Gemeinschaftsrechts errichtet wurden. Einige von ihnen haben jedoch einen Aufgabenbereich, der in so starkem Maße gemeinschaftsrechtlich geregelt ist, daß der Schwerpunkt der Tätigkeit im Vollzug von Gemeinschaftsrecht liegt. Für die Ausdehnung der Verwaltungskompetenz des Bundes ist die Vorschrift des Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG von überragender Bedeutung45. Hiernach können selbständige Bundesoberbehörden und neue bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts durch einfache Bundesgesetze errichtet werden. Dies heißt, daß auch nicht die Zustimmung des Bundesrates erforderlich ist. Die Zustimmung des Bundesrates wird auch nicht etwa deshalb erforderlich, weil durch die Errichtung einer neuen Bundesbehörde aufgrund Art. 87 Abs. 3 GG das Verwaltungshandeln der Länder auf einem bestimmten Gebiet ausge44 Vgl. Schmitz, KSE 13, S. 1/3.1, 16 f. 45 Katzenstein, DÖV 1958, 593, 600 f.; Hesse, Bundesstaat, S. 17; Röttgen, JöR 11 (1962), S. 173, 253; Stern, Staatsrecht II, S. 826.
§ 5 Die Kompetenzordnung des Grundgesetzes
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schlossen wird. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts wird allein durch die Beendigung einer Verwaltungsaufgabe nicht in die Organisationsgewalt der Länder eingegriffen 46. Durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist auch geklärt, daß hierfür kein besonderer „dringender Bedarf 4 erforderlich ist, im Gegensatz zur Errichtung von Bundesbehörden gem. Art. 87 Abs. 3 Satz 2 GG. Solange der Bund sich seiner Kompetenz nicht gerade mißbräuchlich bedient, liegt auch kein Verstoß gegen den Grundsatz der Bundestreue vor 4 7 . In gegenständlicher Hinsicht kann somit der Bund seine Verwaltungstätigkeit auf sämtliche Materien ausdehnen, die einer Gesetzgebung durch den Bund zugänglich sind, vorausgesetzt, daß die Verwaltungstätigkeit von einer zentralen Behörde ohne Unterbau bewältigt werden kann 48 . Hiermit steht dem Bund in den Fällen, wo eine gemeinschaftsrechtlich geregelte Materie zweckmäßigerweise innerhalb eines Mitgliedstaates zentral vollzogen wird, ein ausreichendes Instrumentarium zur Verfügung. Nach der hier vertretenen Ansicht ist jedoch auch hier die Einschränkung zu machen, daß dies nur für solche Materien gilt, die nach der innerstaatlichen Zuständigkeitsverteilung der Gesetzgebung des Bundes unterliegen. Da dem Bund auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik eine weitreichende Gesetzgebungskompetenz zukommt, vor allem gem. Art. 74 Nrn. 11 und 17 GG, kann somit über Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG auch einem Bedürfnis nach bundeseinheitlichem VerwaltungsVollzug in weitem Umfang Rechnung getragen werden 49 . Die vier Einfuhr- und Vorratsstellen des Bundes, für Getreide- und Futtermittel, für Zucker und Rohtabak, für Fette und Schlachtvieh, Fleisch und Fleischerzeugnisse, waren bereits Anfang der Fünfzigerjahre als rechtsfähige Anstalten gegründet worden 50 . Diese der Fach- und Rechtsaufsicht des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten unterstehenden Anstalten führten dann auch die Verwaltungsaufgaben im Rahmen der gemeinsamen Agrarmarktordnungen durch, welche den Mitgliedstaaten obliegen. Durch das Gesetz über die Neuorganisation der Marktordnungsstellen vom 23. Juni 1976 wurden die vier Einfuhrund Vorratsstellen zu einer Bundesanstalt für landwirtschaftliche Marktordnung mit dem Sitz in Frankfurt a. M. zusammengefaßt 51. Hinzu kommt als Bundesoberbehörde das Bundesamt für Ernährung und Landwirtschaft, welches außerhalb des Interventionsbereiches tätig wird, sowie die Bundesfinanzverwaltung hin46 BVerfGE 10, 20, 49; 14, 197, 219 f.; hierzu Rudolf, FG BVerfG II, S. 233, 239. 47 Kritisch zu einer allzu weiten Handhabung von Art. 87 Abs. 3 GG Kratzer, DÖV 1950, 529, 530; Lerche, Sozialhilfe, S. 84 f. 48 Noch weiter, allerdings ohne Begründung, geht Kölble, DVB1. 1962, 658, 660 f., der jedoch dann zu einer Abwägung der Interessen von Bund und Ländern gelangt. 49 Götz, JZ 1963, 265, 267. so Vgl. hierzu Köngen, JöR 3 (1954), S. 67, 130; Schmitz, KSE 13, S. 1/3.1, 11. 5i Zu Aufgaben und Organisationsstruktur dieser Anstalt: Ingold, S. 118 f.; vgl. auch Pruns, DÖV 1976, 217, 218 f.
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2. Teil: Die Zuständigkeitsverteilung nach dem Grundgesetz
sichtlich der Zölle und Abgaben 52 . Nur in geringem Umfang sind daneben auch Landesbehörden tätig 53 . Die Verwaltung dieses Subventionsfeldes führen die Mitgliedstaaten zwar im eigenen Namen, aber vollständig für Rechnung der Gemeinschaft aus, da eine vollständige Refinanzierung durch den Agrarfonds — Abteilung Garantie — erfolgt 54 . Im Bereich des Kartellrechts liegt ein Schwerpunkt des direkten Verwaltungsvollzuges durch die Kommission. Dennoch sind auch auf diesem Gebiet den Behörden der Mitgliedstaaten Aufgaben verblieben. Die Zuständigkeiten gem. Art. 9 Abs. 3 der VO Nr. 17 des Rates vom 9. 2. 1962 55 stehen gem. § 1 des deutschen Ausführungsgesetzes hierzu vom 17. 8. 1967 56 dem Bundeskartellamt zu 5 7 . Zur Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der EWG gem. Art. 48 ff. EWGV ist aufgrund der vom Rat erlassenen Rechtsvorschriften in weitem Maße ein Tätigwerden der Bundesanstalt für Arbeit und ihrer nachgeordneten Dienststellen erforderlich geworden. Als gemeinschaftsrechtliche Grundlage sind hier z.B. die VO Nr. 1612/1968 sowie die VO Nr. 1408/1971 zu nennen. Darüber hinaus haben die Sozialversicherungsträger insgesamt Aufgaben zur Herstellung der Gleichbehandlung von EWG-Ausländern erhalten.
3. Länderverwaltung a) Vollzug von Rechtsnormen, für deren Erlaß innerstaatlich der Bund zuständig wäre Den Ländern obliegt der Vollzug von Gemeinschaftsrecht weitgehend als eigene Aufgabe, soweit es sich um Materien der Bundesgesetzgebung handelt und keine AufgabenzuWeisung an den Bund vorgenommen ist, Art. 83 ff. GG analog. Die allgemeine innere Verwaltung der Länder selbst und ggf. der nach Landesrecht zuständige Träger der kommunalen Selbstverwaltung sind insbesondere mit der Herstellung der innergemeinschaftlichen Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der Niederlassungsfreiheit befaßt. Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaften haben auch Auswirkungen auf die Tätigkeit der Bundesländer auf den Gebieten der Gemeinschaftsaufgaben gem. Art. 91a GG, insbesondere auf dem Gebiet der Agrarstruktur und der 52 Schmitz, KSE 13, S. 1/3.1, 16ff.; Rengeling, KSE 27, S. 59. 53 Schmitz, KSE 13, S. 1/3.1, 16, 25. 54 Götz, KSE 29, S. 371,387 f.; Beutler, in: Beutler / Bieber / Pipkorn / Streil, Abschn. 14.4. 55 ABl. S. 204. 56 BGBl. 1967 I S. 911. 57 Vgl. Bunten, S. 171.
§ 5 Die Kompetenzordnung des Grundgesetzes
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Regionalpolitik. Hier wirkt der Bund bei der gemeinsamen Planung mit. Obliegt die Verwaltungstätigkeit zum Vollzug der Gemeinsamen Agrarmarktordnung weitgehend Behörden des Bundes, so bestehen doch auch hier einige Zuständigkeiten der Länder 58 . b) Vollzug von Rechtsnormen, deren Erlaß innerstaatlich dem Landesgesetzgeber obläge Da sich die Zuständigkeitsregelung der Art. 83 ff. GG lediglich auf die „Ausführung" von Bundesgesetzen bezieht, stützt sich die Kompetenz der Länder, solches Gemeinschaftsrecht verwaltungsmäßig zu vollziehen, für dessen Erlaß innerstaatlich der Landesgesetzgeber zuständig wäre, auf Art. 30 GG. Insoweit gilt nichts anderes als für den Verwaltungsvollzug von Landesgesetzen selbst.
58 Zu Einzelheiten vgl. Schmitz, KSE 13, S. 1/3.1, 15 f., 25.
Dritter
Teil
Die Bindung der deutschen Bundesländer durch das Europäische Gemeinschaftsrecht Bei der Untersuchung der Frage, in welchem Maße die Länder der Bundesrepublik Deutschland zuständig für die Durchführung des Rechts der Europäischen Gemeinschaften sind, wurde bislang noch nicht darauf eingegangen, inwiefern die Länder zu diesen Durchführungsmaßnahmen auch verpflichtet sind. Wie oben dargelegt, ist Vertragspartner der Gründungsverträge lediglich die Bundesrepublik. Als Grundlage für eine unmittelbare Bindung könnten dennoch nicht nur Vorschriften des deutschen Verfassungsrechts, sondern auch solche des Europäischen Gemeinschaftsrechts in Frage kommen.
§ 6 Die Geltung des Europäischen Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten I. Die Eigenständigkeit des Gemeinschaftsrechts 1. Die völkerrechtliche Grundlegung Die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der beiden anderen Gemeinschaften erfolgte durch einen völkerrechtlichen Vertrag der Mitgliedstaaten, welche diesen jeweils gemäß ihren nationalen Verfassungsvorschriften ratifizierten. Mit dem Inkrafttreten des Vertrages jedoch war eine neue Hoheitsgewalt geschaffen, welche dann nach den vertraglich festgelegten Regeln eine Gemeinschaftsrechtsordnung vervollständigte.
2. Die Autonomie des Gemeinschaftsrechts Unbeschadet dieses völkerrechtlichen Entstehungstatbestandes und ungeachtet des Umstandes, daß demzufolge auch bestimmte völkerrechtliche Regeln auf das Gemeinschaftsrecht anwendbar sein können, ist das Gemeinschaftsrecht dennoch nicht als Völkerrecht zu qualifizieren 1. Das Ausmaß und die Intensität i Erler, VVDStRL 18 (1960), S. 7, 8; Badura, VVDStRL 23 (1966), S. 34, 59; zu den Unterschieden auch Zuleeg, KSE 9, S. 185 f.; den völkerrechtlichen Charakter betont
§ 6 Die Geltung des EG-Rechts in den Mitgliedstaaten
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der zwischenstaatlichen Integration, welche durch die Gemeinschaften verwirklicht wird, sowie die besonderen, im folgenden noch zu schildernden Rechtsmechanismen gehen weit über das hinaus, was nach klassischem Völkerrecht Gegenstand vertraglicher Regelungen war. Die Gründungsverträge der Europäischen Gemeinschaften enthalten somit nicht lediglich gegenseitige Verpflichtungen der vertragschließenden Staaten, sondern sie bilden gleichzeitig die Grundlage einer neuen, eigenständigen Rechtsordnung, welche weder dem Völkerrecht noch dem innerstaatlichen Recht angehört 2. Die Verträge selbst stellen gewissermaßen die Verfassung dieser Gemeinschaften dar 3 . Als eigenständige Rechtsordnung gilt das Gemeinschaftsrecht in allen Staaten unmittelbar, und ohne nationale Umformung 4 . Eine solche würde der Eigenart und vor allem einer gleichmäßigen Anwendung in sämtlichen Mitgliedstaaten entgegenstehen. Dies heißt, daß für das primäre Gemeinschaftsrecht auch nicht die Entscheidung zwischen der Transformationslehre und der Vollzugstheorie zu treffen ist, welche hinsichtlich der Anwendung von Völkervertragsrecht in der Bundesrepublik Deutschland umstritten ist 5 . Mit dem Inkrafttreten der Verträge haben sich diese von ihrer völkervertraglichen Wurzel gelöst und gelten unabgeleitet6. Vom Blickwinkel des Gemeinschaftsrechts her gesehen sprechen hierfür nicht nur die Absicht der Gründerstaaten, eine neue Rechtsordnung zu schaffen, sondern auch implizite Zwangsläufigkeiten: die Schaffung eines einheitlichen Wirtschaftsraumes ist ohne gleichmäßige Geltung des Gemeinschaftsrechts in allen Mitgliedstaaten nicht möglich. Dies schließt es aus, daß das Gemeinschaftsrecht in den einzelnen Staaten quasi als parallel geschaltetes nationales Recht gilt 7 . Wenn hier festgestellt wird, daß das Gemeinschaftsrecht insoweit vom jeweiligen nationalen Recht der Mitgliedstaaten unterschieden werden muß, so ist damit noch keine Aussage getroffen hinsichtlich der funktionellen Qualifikation von Rechtsnormen des Gemeinschaftsrechts in besonderen Fällen, z. B. unter dem Blickwinkel von Vorschriften prozessualer Art. Diese Bestimmungen haben lediglich den Zweck, zwischen Bundes- und Landesrecht zu differenzieren. Hinsichtlich der Frage der Revisibilität etwa gemäß § 137 Abs. 1 VwGO ist das demgegenüber Schulze-Eggert, S. 2 ff.; für den EGKS-Vertrag auch Carstens, ZaöRV 21 (1961), 1, 3 ff. 2 Friaufi AöR 85 (1960), S. 224, 225; Monaco, FS Riese, S. 27, 29, 36; Stern, Staatsrecht I, S. 540; vgl. auch Ter-Nedden, S. 18. 3 Vgl. BVerfGE 22, 293, 296; Stern, Staatsrecht I, S. 542; Schlochauer, FS Wehberg, S. 361, 367; Fikentscher, I, S. 396. 4 Spelten, S. 45,48; Seuffert, FS Carlo Schmid, S. 169,175; Conrad, S. 134; Doehring, S. 79 f. 5 Badura, VVDStRL 23 (1966), S. 34, 39 f.; Stern, Staatsrecht I, S. 480; vgl. auch Menzel, DÖV 1971, 528, 539; Schuster, S. 4. 6 Vgl. Stern, Staatsrecht I, S. 475, 541. 7 Fikentscher, I, S. 397; vgl. Bünten, S. 62.
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3. Teil: Die Bindung der Bundesländer durch EG-Recht
Gemeinschaftsrecht dem Bundesrecht zuzuordnen 8. Denn dies bedeutet nicht, daß es sich bei gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften um „Bundesrecht" handelt, sondern lediglich, daß „auf Grund einheitlicher Kompetenz im ganzen Bundesgebiet geltendes Recht" vorliegt 9 . Ungeachtet des unterschiedlichen Entstehungsgrundes stehen Gemeinschaftsrecht und nationales Recht nicht unverbunden nebeneinander, sondern sind auf vielfältige Weise miteinander verknüpft 10 .
II. Der Geltungsgrund nach nationalem deutschem Recht Ist somit von der Eigenständigkeit und der unmittelbaren Geltung des Gemeinschaftsrechts innerhalb der Mitgliedstaaten auszugehen, so bleibt es dennoch erforderlich, daß diese Geltung vom nationalen Recht her anerkannt wird 1 1 . Da die Europäischen Gemeinschaften selbst keine Staatsqualität besitzen12, bedürfen sie zu ihrem Tätigwerden nicht jeweils im einzelnen Fall, sondern generell der Zustimmung durch die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen. Nicht jeder Schritt des Integrationsprozesses bedarf also eines gesonderten „Zustimmungsaktes", wenn nur der Gründungsvertrag den Verlauf hinreichend bestimmbar normiert hat 13 . Anders kann das Nebeneinander von Gemeinschaftsrechtsordnung und der jeweiligen nationalen Rechtsordnung nicht koordiniert werden. Wenn von einem „Geltungsgrund" gesprochen wird, so beinhaltet dies auch nicht die Bejahung jeweils konkreter Gebundenheit einer Gemeinschaftsrechtsnorm an nationales Recht, wie es offenbar von Ipsen befürchtet wird 1 4 . Die eigenständige Geltung des Gemeinschaftsrechts kann indessen auch dann begründet werden, wenn als Entstehungstatbestand ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen den Mitgliedstaaten gesehen wird, ohne daß es der Annahme eines besonderen „Gesamtakes staatlicher Integrationsgewalt" bedürfte. Mit diesem Gründungsvertrag haben die beteiligten Staaten nicht nur die Gemeinschaft geschaffen und die Grundbestimmungen ihrer Rechtsordnung gesetzt, sondern sie haben auch und gerade diese eigenständige Rechtsordnung und die für sie vorgesehenen Rechtsetzungsmechanismen durch die jeweils zuständigen Organe anerkannt 15. Diese Anbindung an einen — anfänglichen —
s Vgl. Ehle, FG BVerwG, S. 135, 137; a. A. Schroeder, S. 73, der die Auffassung vertritt, Gemeinschaftsrecht werde insoweit in Recht der Länder „transformiert", als deren Kompetenzen betroffen werden. 9 BVerwGE 35, 277, 278; zustimmend Carstens, KSE 24, S. 129, 146. 10 Vgl. auch BVerfGE 29, 198 ff.; Carstens, KSE 24, S. 129, 144 ff. u Zum Geltungsgrund vgl. auch Schwan, S. 38 ff. 12 Vgl. Fikentscher, I, S. 397; Schwan, S. 28 f. 13 BVerfGE 58, 1, 37. 14 Ipsen, FS Scheuner, S. 211, 220 f.
§ 6 Die Geltung des EG-Rechts in den Mitgliedstaaten
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staatlichen Vollzugsbefehl erscheint somit nicht nur nicht bedenklich, sondern zum Zwecke der Effektuierung des Gemeinschaftsrechts geradezu notwendig 16 . Demgemäß bedarf es hierfür auch nicht einer zusätzlichen Theorie, wonach es sich um kein „ Z u s t i m m u n g s g e s e t z " handele, sondern um ein „Admittationsgesetz" eigener Art 1 7 . Grundlage für die Teilnahme der Bundesrepublik Deutschland an der Schaffung der Europäischen Gemeinschaften ist Art. 24 Abs. 1 GG. Hiernach kann der Bund „durch Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen". Ob diese Fähigkeit einem Staat ohne weiteres zukommt und diese Bestimmung damit lediglich deklaratorischen Charakter hat, oder ob diese Vorschrift unabdingbare Voraussetzung für eine Teilnahme an der Integration überhaupt ist, braucht hier nicht entschieden zu werden. Hinsichtlich des Verfahrens und der innerstaatlichen Zuständigkeit bei der Mitwirkung ist die Bestimmung jedenfalls von Bedeutung. Die mangelnde sprachliche Exaktheit der Verfassungsbestimmung ist verschiedentlich festgestellt worden. Hierauf kann verwiesen werden 18 . Entscheidend ist jedoch, daß Art. 24 Abs. 1 GG den Bund nicht lediglich ermächtigt, sich an der Schaffung einer „zwischenstaatlichen Einrichtung" zu beteiligen und diese mit der Erfüllung bestimmter hoheitlicher Aufgaben zu betrauen — solcher, die bisher von der nationalen Hoheitsgewalt erfüllt wurden, aber auch anderer, erst neu geschaffener —, sondern daß der Bund auch ermächtigt ist, die hierdurch entstehende Rechtsordnung in ihrer Gültigkeit für das deutsche Hoheitsgebiet anzuerkennen. In Verbindung mit dem jeweiligen Zustimmungsgesetz statuiert somit Art. 24 Abs. 1 GG die innerstaatliche Geltung des Gemeinschaftsrechts, das heißt aller Rechtsakte, die innerhalb des im Gründungsvertrag gesetzten Rahmens erlassen werden. Diese „Anerkennungsfunktion" ist jedoch nicht auf das sekundäre Gemeinschaftsrecht beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf die Vorschriften der Gründungsverträge selbst. Diese können nicht in minderem Maße gelten als das auf ihnen basierende abgeleitete Gemeinschaftsrecht. Innerhalb der Bundesrepublik Deutschland gilt somit grundsätzlich das Europäische Gemeinschaftsrecht kraft der Anerkennung durch Art. 24 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Zustimmungsgesetzen. Inwieweit von diesem Prinzip Ausnahmen zu machen sind, soll an anderer Stelle erörtert werden. Die eigenständige, unmittelbare Geltung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten bringt es mit sich, daß es sich hier nicht lediglich um Verpflichtungen der Staaten an sich und gegenüber einander oder nur der jeweiligen Regierungen handelt. Die Ge-
15 Zum Entstehungstatbestand der Gemeinschaft im Unterschied zu ihrer Wirkungsweise vgl. Thieme, VVDStRL 18 (1960), S. 50, 71. A. A. Schwan, S. 62 f. 17 So aber Schwan, S. 64. 18 Vogel, Verfassungsentscheidung, S. 3 f. m. w. N.; Hirsch, S. 127.
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. Teil: Die Bindung de B u n d e s d u r c h
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meinschaftsrechtsnorm gilt vielmehr ebenso „unbeschränkt" wie eine nationale Gesetzesbestimmung. Das heißt, daß jede Norm des Gemeinschaftsrechts selbst über ihren Regelungsgehalt und damit auch über ihre Adressaten bestimmt.
III. Unmittelbar anwendbares und staatengerichtetes Recht Innerhalb des Rechts der Europäischen Gemeinschaften ist eine grundlegende Unterscheidung zu treffen zwischen unmittelbar anwendbarem Recht und zwischen Bestimmungen, welche lediglich die Migliedstaaten verpflichten 19 . Unmittelbar anwendbar soll hier in dem Sinne verstanden werden, daß eine Norm ohne jede weitere staatliche Umsetzungs- oder Anwendungsmaßnahme innerstaatlich in dem Sinne „maßgeblich" ist, daß für den einzelnen Bürger, sei er eine natürliche Person oder ein sonstiges Rechtssubjekt, unmittelbar Recht und Pflichten entstehen20. Auf diese kann sich der einzelne dann erforderlichenfalls auch vor Gericht berufen, ohne daß dies erst die Qualität der unmittelbaren Anwendbarkeit ausmacht. Daneben existieren jedoch auch Bestimmungen, welche sich nach ihrem Wortlaut und Sinn lediglich an die Mitgliedstaaten richten und nur zwischen den Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft oder zwischen den Mitgliedstaaten untereinander gelten 21 . Diesen obliegt dann eine gewissermaßen „obligatorische" Verpflichtung, der sie von Gemeinschaftsrechts wegen nachzukommen haben22. Dies sind die Normen, die, um für den Bürger effektiv zu werden, einer mitgliedstaatlichen rechtsetzenden Ausführung bedürfen. Gegenüber den Mitgliedstaaten sind sie jedoch „unmittelbar wirksam", so daß die Bezeichnung „mittelbare Anwendbarkeit" fehlsam wäre 23 . Ob eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts in diesem Sinne unmittelbar anwendbar ist, entscheidet sich nach deren Rechtsnatur und Inhalt. Daß sie ihrem Wortlaut nach „nur" eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zu einem Tun oder Unterlassen enthält, steht ihrer unmittelbaren Anwendbarkeit grundsätzlich nicht entgegen. Die Kriterien für diese Prüfung wurden in der Rechtsprechung des Gerichtshofes herausgearbeitet, der dies „vom Geist dieser Vorschriften, von ihrer Systematik und von ihrem Wortlaut her" entscheidet24. 19
Constantinesco, Lehrbuch, S. 549 ff. spricht von der „summa divisio" zwischen unmittelbar wirkenden und mittelbar wirkenden Gemeinschaftsbestimmungen. Einen Überblick über die uneinheitliche Terminologie gibt Fikentscher, Wirtschaftsrecht I, S. 542. Er selbst spricht von „durchgreifender" Wirkung (S. 399); vgl. auch Steindorff\ Rechtsschutz, S. 41. 20 Ipsen, Lehrbuch, S. 120 ff. 21 Fikentscher, Wirtschaftsrecht I, S. 452 f. 22 Fikentscher, Wirtschaftsrecht I, S. 452 f., unterscheidet in Anlehnung an die tarifrechtliche Terminologie zwischen einem „normativen" und einem „obligatorischen" Teil des Gemeinschaftsrechts. 23 Vgl. Ipsen, Lb. S. 122.
§ 7 Die Bindung der Bundesländer durch unmittelbar anwendbares Recht
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Hiernach entstehen Rechte Einzelner nicht nur, wenn das Gemeinschaftsrecht dies ausdrücklich bestimmt, sondern auch aus eindeutigen Verpflichtungen, die das Gemeinschaftsrecht den Einzelnen wie auch den Mitgliedstaaten und den Organen der Gemeinschaft auferlegt 25. Wurde diese unmittelbare Anwendbarkeit zunächst nur aus einem klaren, uneingeschränkten und unbedingten Verbot abgeleitet26, so ist dies nunmehr auch für eine staatengerichtete Verpflichtung anerkannt, sofern diese vollständig ist und den Mitgliedstaaten keinen Ermessensspielraum, insbesonders hinsichtlich des Zeitpunktes eröffnet 27.
§ 7 Die Bindung der Bundesländer durch unmittelbar anwendbares Recht I. Der Geltungsumfang unmittelbar anwendbaren Rechts Durch die Öffnung des Ausschließlichkeitsanspruchs der nationalen Rechtsordnung vermittels des durch das jeweilige Zustimmungsgesetz ausgefüllten Art. 24 Abs. 1 GG ist die unmittelbare Geltung des Gemeinschaftsrechts innerhalb der Bundesrepublik Deutschland möglich. Dieses Recht gilt innerhalb seines räumlichen und sachlichen Anwendungsbereichs ohne Einschränkung. Dies heißt, daß auch der Adressatenkreis nicht a priori auf alle oder sogar nur bestimmte Organe der Bundesrepublik Deutschland beschränkt ist. Unmittelbar anwendbares Recht ist grundsätzlich maßgeblich für alle Rechtsunterworfenen innerhalb des Geltungsgebietes und auch für jeden Träger hoheitlicher Gewalt 28 . Diese generelle Geltung ist selbstverständlich zu unterscheiden von der Frage, welche Rechtssubjekte von einer bestimmten Norm konkret angesprochen werden. Der durch nationale Normen ermöglichte Geltungsanspruch des Gemeinschaftsrechts richtet sich innerhalb des durch das Grundgesetz konstituierten Gemeinwesens Bundesrepublik Deutschland damit nicht nur an den Bund und seine Organe, sondern auch an alle sonstigen Träger öffentlicher Gewalt, eingeschlossen die Bundesländer. Insoweit ging nicht lediglich der Bund vertragliche Verpflichtungen ein, sondern die Gesamtheit der Rechtsträger steht einer neuen, zusätzlichen Hoheitsgewalt gegenüber, welche allerdings nur einen gegenständlich beschränkten Tätigkeitsbereich besitzt. Entgegen Vorwerk 29 bedarf also das unmittelbar anwendbare Gemeinschaftsrecht keines besonderen Verpflichtungsgrundes gegenüber den Bundesländern. 24 EuGH Rs 26/62 — van Gend & Loos — v. 5. 2. 1963, Slg. 1963, S. 3 ff., 24. 25 EuGH, a. a. O., S. 25. 26 EuGH, a. a. O. 27 EuGH Rs 57/65 — Alfons Lütticke — v. 16. 6. 1966, Slg. 1966, S. 257 ff.; auf „esprit et économie" des Vertrages verweisen auch Sohier / Megret, S. 112; vgl. auch Olivier, KSE 24, S. 61, 74. 28 Zuleeg, JöR 20, S. 1, 7; Rabe, S. 30 f.; Spelten, S. 44. 5 Kössinger
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. Teil: Die Bindung de B u n d e s d u r c h
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Die unmittelbar anwendbare Gemeinschaftsnorm wendet sich „an den, den es angeht", um einmal auf die zivilrechtliche Begriffsfigur zurückzugreifen, ohne Rücksicht darauf, ob dies im Einzelfall ein Bundesland ist. Darüber hinaus allerdings kann unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht nicht nur Rechte (und Pflichten) Einzelner entstehen lassen, sondern auch die Mitgliedstaaten verpflichten, die zur Wahrung und Geltendmachung dieser Rechte im nationalen Bereich erforderlichen Maßnahmen zu treffen 30 . Diese Neuartigkeit ist es, welche einerseits das Verständnis erschwert hat, andererseits auch zu einer verwirrenden Begriffsbildung führt, da eine neue Rechtsqualität mit den herkömmlichen Bezeichnungen darzustellen ist. Die Frage, ob auch die Bundesländer durch Gemeinschaftsrecht — gegebenenfalls zu dessen Durchführung — verpflichtet sind, ist auch unabhängig von der Frage, ob die Gemeinschaftsorgane nötigenfalls unmittelbar gegenüber einem Bundesland die Erfüllung dieser Verpflichtung durchsetzen könnten 31 . Die materiellrechtliche Frage der Bindung bzw. Geltung geht der verfahrensmäßigen Durchsetzung vor.
II. Normarten Bei der Prüfung, ob eine Norm des Gemeinschaftsrechts unmittelbar anwendbar ist, stellt der Europäische Gerichtshof, wie bereits dargestellt, auf den Inhalt der Vorschrift ab und nicht auf ihre Rechtsnatur. Ursprünglich war die Möglichkeit dieser Qualifizierung jedoch nur für Normen des primären Gemeinschaftsrechts und für Verordnungen (Art. 189 Abs. 2 EWGV) anerkannt. Nunmehr wird dies aber überwiegend auch bei Richtlinien und staatengerichteten Entscheidungen für möglich erachtet.
1. Primäres Gemeinschaftsrecht Unter primärem Gemeinschaftsrecht ist zu verstehen der Gründungsvertrag selbst (ggf. in seiner später geänderten Fassung) nebst den zugehörigen Anlagen und Protokollen (Art. 239 EWGV) 3 2 . Dieser enthält neben der organisatorischen „Verfassung" der Gemeinschaft auch bereits selbst wesentliche materielle Grundlegungen für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Eine unmittelbare Anwendbarkeit ist bereits für verschiedene Bestimmungen festgestellt worden 33 .
29 Vorwerk, S. 122. 30 EuGH Rs 30/72, Slg. 1973, S. 171; Kalbe, Agrarrecht 1974, 91. 31 So aber Schwan, S. 155 f., 167. 32 Vgl. Zuleeg, KSE 9, S. 33 ff.; Constantinesco, Lb., S. 539. 33 Vgl. z. B. EuGH Rs 26/62, Slg. IX (1963), S. 3 ff. (Art. 12).
§ 7 Die Bindung der Bundesländer durch unmittelbar anwendbares Recht
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2. Sekundäres Gemeinschaftsrecht Aus dem primären Gemeinschaftsrecht abgeleitet und nach dem hierin vorgesehenen Verfahren erzeugt wird das sekundäre Gemeinschaftsrecht, welches nicht unmittelbar aus dem Gründungsakt der Mitgliedstaaten entspringt, sondern von Gemeinschaftsorganen gesetzt wird. Als Normarten mit rechtlich bindender Wirkung sieht Art. 189 EWGV Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen vor. Für Verordnungen ist die Möglichkeit unmittelbarer Anwendbarkeit aus Art. 189 Abs. 2 EWGV zu entnehmen, wonach die Verordnung allgemeine Geltung hat, in allen ihren Teilen verbindlich ist und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gilt. Für Richtlinien 34 und Entscheidungen gem. Art. 189 Abs. 3 bzw. Abs. 4 EWGV war dies in der Literatur zunächst weitgehend verneint worden 35 . Als Begründung dienten hier insbesonders ein Umkehrschluß aus Absatz 2, die hinsichtlich der Verbindlichkeit beschränkte Rechtsnatur dieser Maßnahmen sowie die inhaltliche „Offenheit", also Ausfüllungsbedürftigkeit von Richtlinien und Entscheidungen36. Hinsichtlich der Regelungsintensität von Richtlinien besteht jedoch keine Vorabbeschränkung dergestalt, daß den Mitgliedstaaten ein bestimmter, eigenem Ermessen Raum schaffender Bereich zwingend verbleiben muß 37 . Die jeweils regelungsbedürftige Materie und der Zweck der Gemeinschaft gemäß Art. 2 EWGV können es erfördern, die Regelungsdichte einer Richtlinie so eng zu knüpfen, daß den Mitgliedstaaten keine materielle Regelungsbefugnis mehr verbleibt 38 . Eine andere Beurteilung wäre nicht nur mangels geeigneter Abgrenzungskriterien gänzlich unpraktikabel, sondern findet auch im Vertragstext selbst keine ausdrückliche Stütze 39 . Diese „Verwischung der Grenzen" zwischen Richtlinie einerseits und Verordnung andererseits 40 ist im Maßnahmenkatalog des Art. 189 EWGV angelegt. Davon unberührt bleibt jedoch die eigenständige Befugnis der Mitgliedstaaten, die technischen Fragen der Durchführung selbst zu regeln 41 .
34 Zu Unterschieden zwischen der Richtlinie i. S. Art. 189 Abs. 3 EWGV und der Empfehlung i. S. Art. 14 EGKSV vgl. Oldekop, S. 3; Schuster, S. 11. 35 Vgl. z. B. Fuß, DVB1. 1965, 378, 379; Rambow, DVB1. 1968, 445. 36 Vgl. jedoch BVerwG, DÖV 1986, 1061 f. 37 Sohier / Megret, S. 114; Bünten, S. 144. 38 Sasse, Regierungen, S. 76; Schwartz, FS Hallstein 1966, S. 474, 507; Thelen, KSE 21, S. 223 f.; Schuster, S. 22. 39 A. A. Oldekop, S. 147, der ein „Mindestmaß an Möglichkeiten zu eigenverantwortlichen Entscheidungen" reklamiert. 40 Fuß, DVB1. 1965, 378, 380. 41 Rabe, S. 41 f. 5*
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Die integrationsfreundliche Rechtsprechung des EuGH 4 2 stützt sich vor allem auf den Gesichtspunkt des effet utile, dem es zuwiderlaufen würde, bestimmten Kategorien von Maßnahmen der Gemeinschaftsorgane eine unmittelbare Anwendbarkeit von vorneherein abzusprechen. Außerdem setze Art. 177 EWGV mit der Möglichkeit der Vorlage durch die nationalen Gerichte zum Zwecke der Vorabentscheidung des EuGH über die Gültigkeit und Auslegung aller Rechtsakte voraus, daß sich der Einzelne vor den nationalen Gerichten auch auf alle diese Rechtsakte müsse berufen können. Gänzlich unberührt von dieser Rechtsprechung zeigte sich der Bundesfinanzhof. In seiner umstrittenen 43 Entscheidung vom 16. 7. 1981 44 verneinte er nicht nur die unmittelbare Wirkung von Richtlinien, sondern — trotz der ausdrücklichen Bezugnahme auf die entgegengesetzte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes — auch die Vorlagepflicht gemäß Art. 177 Abs. 3 EWGV, Ein insoweit inhaltsgleiches Urteil vom 25. 4. 1985 45 wurde jedoch durch Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 8.4. 1987 46 wegen Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG aufgehoben. Das Bundesverfassungsgericht hat hierin die Rechtsprechung des Gerichtshofes zur unmittelbaren Anwendbarkeit von Richtlinien ausdrücklich sanktioniert und als von Art. 24 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Zustimmungsgesetz abgedeckt angesehen. Diese Rechtsfortbildung durch den Gerichtshof halte sich sowohl in kompetenz- als auch in materiellrechtlicher Hinsicht innerhalb des „Integrationsprogramms" 47.
§ 8 Verpflichtung durch staatengerichtete Rechtsakte Während also die Bindung der Bundesländer an unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht aus der Rechtsqualität dieser Maßnahmen direkt folgt, ohne daß hinsichtlich der Bundesländer als solchen gegenüber anderen Rechtssubjekten Besonderheiten auftauchen 48, bedarf es hinsichtlich einer Bindung durch staatengerichtete Maßnahmen von Gemeinschaftsorganen oder von lediglich die Mitgliedstaaten verpflichtenden Bestimmungen des primären Gemeinschaftsrechts einer gesonderten Begründung. Eine vergleichbare Fragestellung ergibt sich für die Erfüllung der vom Bund in gemäß Art. 32 Abs. 1, Art. 59 GG abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträ42 EuGH Rs 9/70 — Leberpfennig —, Slg. 1970, S. 825 ff.; Rs 8/81, Slg. 1982, S. 53 ff. 43 Vgl. Riegel BayVBl. 1982, 617 ff. m. w. N. 44 BFH, BB 1981, 1883. 45 BFH, NJW 1985, 2103 f. 46 BVerfGE 75/223 ff.; vgl. hierzu Sedemund/ Montag, NJW 1988, 601, 602. 47 BVerfGE 75, 223, 240. 48 Bullinger, DÖV 1970, 761, 764.
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gen eingegangenen Verpflichtungen, wenn dies innerstaatlich in den Zuständigkeitsbereich der Länder fällt 49 . Während jedoch auf dem allgemeinen Feld der völkerrechtlichen Verträge bereits die Abgrenzung der Abschlußkompetenz zwischen Bund und Ländern aufgrund der Regelung des Art. 32 GG sowie der Transformationskompetenz 50 Schwierigkeiten bereitet, sofern innerstaatliche gesetzgeberische Maßnahmen erforderlich werden, kann es hinsichtlich der Gründung zwischenstaatlicher Einrichtungen gemäß Art. 24 Abs. 1 GG als geklärt angesehen werden, daß insoweit die Länder keine Kompetenzen besitzen. Die Regelung des Art. 24 Abs. 1 GG kann auch nicht dadurch an innerstaatliche Zuständigkeiten angepaßt werden, daß das erforderliche Gesetz teilweise durch die Länder „transformiert" werden müßte 51 . Für das Übertragungsgesetz ist unzweideutig die Zuständigkeit des Bundes gegeben, und darüber hinausgehender „Transformationsgesetze" bedarf es nicht. Die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts im Konkordatsurteil, die Bundesländer seien nicht kraft Bundestreue zur Erfüllung der vom Deutschen Reich gegenüber dem H. Stuhl eingegangenen Bindungen verpflichtet 52 , kann bereits auf die vom Bund verfassungsgemäß innerhalb seiner Kompetenzen abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge nicht verallgemeinert werden 53 . Die Bedeutung des Grundsatzes des vom Prinzip des bundesfreundlichen Verhaltens geprägten Zusammenwirkens der Länder mit dem Bund auf dem Gebiet der auswärtigen Beziehungen ist vom Bundesverfassungsgericht selbst betont worden 54 .
I. Die Bundesrepublik Deutschland als alleiniger Adressat Wie bereits oben (§ 3 III) ausgeführt, ist nur die Bundesrepublik Deutschland — und nicht etwa zugleich die Länder — Mitgliedstaat der Gemeinschaften. Demzufolge kann auch allein sie durch staatengerichtete Maßnahmen und Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts unmittelbar verpflichtet werden. Durch Normen des EWG-Vertrages werden die Bundesländer als Hoheitsträger nicht über staatengerichtete Verpflichtungen in Anspruch genommen. Ebenso ist es den Gemeinschaftsorganen verwehrt, die Bundesländer direkt zum Adressaten staatengerichteter Verpflichtungen zu machen. Für die Bundesrepublik Deutschland gilt insoweit nichts anderes als für zentralisierte Mitgliedstaaten: sie steht der Gemeinschaft in ihrer Gliedstellung als geschlossener Staats- und Rechtskör49 Hierzu allgemein F. Klein, Festgabe Maunz 1971, S. 199 ff. 50 Böning, DÖV 1957, 817, 821. 51 So aber Schroeder, S. 75; gegen diesen Zuleeg, KSE 9, S. 320. 52 BVerfGE 6, 290, 362. 53 Mosler, GS Peters, S. 350, 357; Bernhardt, FG BVerfG II, S. 154, 181; für eine generelle Vertragserfüllungspflicht der Länder: Grewe, V VDStRL 12(1954),S. 129,172. 54 BVerfGE 6, 290, 361 f.; vgl. G. Müller, FS Kiesinger, S. 213, 221; Zuleeg, KSE 9, S. 318 ff.
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per gegenüber. Dies ist nur ein scheinbarer Widerspruch zu der dem Gemeinschaftsrecht zugesprochenen „supranationalen" Wirkung, unmittelbaren Zugriff auf die einzelnen Rechtsunterworfenen ohne mitgliedstaatlichen Vermittlungsakt nehmen zu können: hier steht nicht eine unmittelbare rechtliche Betroffenheit von Individuen in Frage, sondern das Verhältnis Gemeinschaft — Mitgliedstaat in der jeweiligen Eigenschaft als Hoheitsträger. Im Gegensatz zum allgemeinen Völkerrecht — jedenfalls sofern man der dualistischen Theorie in ihren Varianten folgt — stößt das Europäische Gemeinschaftsrecht nicht von außen auf einen undurchdringlichen „Souveränitätspanzer" der staatlichen Rechtsordnung. Vielmehr ermöglicht die durch das Übertragungsgesetz aufgrund Art. 24 Abs. 1 GG geschaffene „Bresche" ein Eindringen in den innerstaatlichen Bereich insofern, als das Gemeinschaftsrecht unmittelbar anwendbar ist und damit keiner weiteren nationalen Umsetzungsmaßnahme bedarf. Hat jedoch ein Rechtsakt nicht diese Qualität, sondern ist er staatengerichtet, so trifft er den Mitgliedstaat von außen in seiner Gesamtheit. Dieser wird als Rechtssubjekt verpflichtet. Wie und durch welche Organe der Mitgliedstaat seinen gemeinschaftsrechtlichen Obliegenheiten genügt, entscheidet er nach seiner eigenen Rechtsordnung. Dies heißt, daß nicht etwa die staatlichen Organe gemeinschaftsrechtlich Zuordnungssubjekte von Rechten oder Pflichten sind 55 , sondern daß sie lediglich vermittels einer nationalen Aufgaben- oder Befugnisnorm zuständig werden. Dafür, daß die Bundesländer überhaupt verfassungsrechtlich zur Erfüllung einer vom Bund eingegangenen Verpflichtung angehalten sind, ist zunächst Voraussetzung, daß der Bund sich hierbei innerhalb seiner ihm innerstaatlich zustehenden Befugnisse gehalten hat. Es ist also zu prüfen, ob der Bund zum einen dabei mitwirken durfte, daß die EWG zur Regelung von Bereichen zuständig wird, die innerstaatlich in die Zuständigkeit der Länder fielen, und zum anderen, ob der Bund dabei mitwirken durfte, daß sich aus dem Gemeinschaftsrecht Ausführungspflichten ergeben, welche Länderkompetenzen betreffen.
II. Die Befugnis des Bundes zur Übernahme der gemeinschaftsrechtlichen Bindungen I. Die Integrationsgewalt des Bundes gemäß Art. 24 Abs. 1 GG56 Gemäß Art. 24 Abs. 1 GG kann der Bund „durch Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen". Auf dieser Kompetenz beruht die deutsche Beteiligung an der Gründung der Europäischen Gemeinschaften. Es ist zwar davon auszugehen, daß diese Vorschrift die Beteiligung an einem europäi55 Siehe oben § 3 III 2. 56 Allgemein hierzu Grewe, zu VVDStRL 12 (1954), S. 129, 143; Ruppert, S. 248.
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sehen Einheitsstaat unter Aufgabe der deutschen Souveränität nicht decken würde 57 , da unter „Hoheitsrechten" jedenfalls nur ein Segment aus dem Kreis staatlicher Herrschaftsgewalt verstanden werden kann. Andererseits sind Umfang und Art der möglicherweise übertragbaren „Hoheitsrechte" nicht näher umschrieben und inhaltlich nicht ausdrücklich beschränkt 58. Dem Verfassungstext unmittelbar kann somit nur der Inhaber der Integrationskompetenz, nämlich der Bund entnommen werden, sowie das für die Kompetenzausübung erforderliche Verfahren, nämlich der Erlaß eines Bundesgesetzes59. Daß es sich hierbei nur um ein förmliches Gesetz handeln kann, ist zwischenzeitlich geklärt. Aufgrund der Beratungen im Parlamentarischen Rat 6 0 steht auch fest, daß weder besondere qualifizierte Mehrheiten noch grundsätzlich die Zustimmung des Bundesrates erforderlich sind 61 . Bedeutung und Tragweite von Art. 24 Abs. 1 GG werden sehr unterschiedlich eingeschätzt62. Hierbei ist die Präambel des Grundgesetzes mit einzubeziehen63. Die Bedeutung des hierin enthaltenen Bekenntnisses zu einem vereinten Europa ist bisher nicht Gegenstand einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung gewesen. Die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zu der ebenfalls von der Präambel postulierten staatlichen Einheit Deutschlands lassen es jedoch nicht zu, hierin lediglich eine „policy making declaration" zu sehen64. Vielmehr handelt es sich um bindendes Verfassungsrecht. Wenn es sich bereits bei der Präambel nicht lediglich um eine unverbindliche Absichtserklärung handelt, so kann eine Auslegung von Art. 24 Abs. 1 GG ebenfalls nicht eine rechtliche Wirkung verneinen. Diese liegt darin, daß der Ausschließlichkeitsanspruch der nationalen Rechtsordnung zugunsten der „offenen Staatlichkeit" 65 zurückgenommen wird. Darüber hinaus jedoch liegt auch eine ausschließliche Zuständigkeitszuweisung an den Bund vor. Ob sich dieses Ergebnis — Art. 24 GG einmal hinweggedacht — bereits aus der Regelung von Art. 32 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 59 57 Stern, Staatsrecht I, S. 521; bejaht wird die Möglichkeit der Mitwirkung an einem europäischen Bundesstaat z. B. von K. H. Klein, zu S. 34, 35; Ruppert, S. 250, 253; a. A. Carstens, FS Riese, S. 65, 76. 58 Zuleeg, DÖV 1977, 462, 463 f. 59 Zum Übertragungsgesetz vgl. Vogel, Verfassungsentscheidung, S. 4 f.; Spelten, S. 10 f.; Ruppert, S. 312 f. 60 Vgl. Protokoll in JöR 1 (1951), S. 226 ff. 61 Grämlich, S. 60 ff.; a. A. Huchting, S. 92 f. 62 Vgl. insbesonders die Beiträge von Schätzet (Bd. I, S. 323), Scheuner (Bd. II, S. 94), Thoma (Bd. II, S. 155) in: Der Kampf um den Wehrbeitrag. Zum „verfassungsrechtlichen Gebot der Förderung der internationalen Zusammenarbeit" vgl. Vogel, Verfassungsentscheidung, S. 48 ff. 63 Zum Gebot der Auslegung der Verfassung als rechtliche Einheit vgl. z. B. Geiger, Mißverständnisse, S. 2. 64 Grewe, VVDStRL 12 (1954), S. 129, 143; Oppermann, in: Neue Entwicklungen, S. 85, 92 f. 65 Vogel, Verfassungsentscheidung, S. 46; v. d. Groeben, FS Hallstein 1966, S. 226 f.
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Abs. 2 GG entnehmen ließe, mag hierbei dahinstehen. Auf jeden Fall kommt Art. 24 Abs. 1 GG insoweit Spezialitätscharakter zu 6 6 .
2. Die Zulässigkeit der Übertragung von Hoheitsrechten der Länder Aus dem Wortlaut von Art. 24 Abs. 1 GG ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, daß das Grundgesetz lediglich der Gesetzgebung des Bundes zugehörige Materien zum möglichen Gegenstand einer Vergemeinschaftung macht. Eine solche Beschränkung kann auch nicht aus dem Sinn dieser Regelung abgeleitet werden 67 . Art. 24 Abs. 1 GG soll die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an internationalen Organisationen erleichtern. Dem würde es zuwiderlaufen, wenn bei der Kompetenzausstattung dieser Einrichtungen, an welchen ihrer Natur nach ja ausländische Staaten beteiligt sind, jeweils die interne bundesstaatliche Kompetenzverteilung beachtet werden müßte 68 . Ohne daß auf die seinerzeitigen Kontroversen über „strukturelle Kongruenz" hier näher eingegangen werden kann, ist jedenfalls festzustellen, daß eine Beschränkung des Tätigkeitsfeldes der jeweiligen zwischenstaatlichen Einrichtung dem Grundgesetz nicht entnommen werden kann 69 . Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, daß hierbei eine weitgehende Erosion für die den Ländern nach dem Grundgesetz zugewiesenen staatlichen Befugnisse droht. Die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes ist offen und dynamisch in dem Sinne, daß Verschiebungen—jedenfalls unter Beachtung der Schranke von Art. 79 Abs. 3 GG — zulässig sind. Ein Weg hierzu ist nicht lediglich eine formelle Verfassungsänderung, wie sie in Art. 79 Abs. 1 Satz 1 GG gefordert wird, sondern eben auch ein Übertragungsgesetz nach Art. 24 Abs. 1 GG 7 0 . Durch ein solches wird in das Machtgefüge der grundgesetzlichen Ordnung eingegriffen, aber dieser Eingriff ist bereits in Art. 24 Abs. 1 GG selbst angelegt71. Insoweit wird der Kompetenzkatalog der Art. 30,70 ff. GG relativiert. Formal betrachtet könnte diese Auslegung des Art. 24 Abs. 1 GG dem Bund die Möglichkeit eröffnen, die Staatlichkeit der Länder auf kaltem Wege auszuhöhlen 72 . Indes, die Mißbrauchsgefahr wohnt latent jedem Kompetenztitel inne. 66 Scheuner, in: Der Kampf um den Wehrbeitrag, Bd. II, S. 94, 138; Bleckmann, RIW/AWD 1978, 144; Schwan, S. 66. 67 Menzel VVDStRL 12 (1954), S. 179, 212; Bülow, Verhältnis, S. 28, 56; Schüßler, NJW 1964, 951; Spelten, S. 26; Hirsch, S. 129; Ruppert, S. 276; Stern, Staatsrecht I, S. 534 f.; a. A. z. B. K. H. Klein, S. 45 ff.; Grämlich, S. 165 ff. 68 Auf den Zwang zur Kompromißfähigkeit im internationalen Bereich wird hingewiesen von Rabe, S. 124 f. und Steindorff, Rechtsschutz, S. 58. 69 Süsterhenn, in: Der Kampf um den Wehrbeitrag, Bd. I, S. 260, 270 f.; Schätzet, a. a. O, Bd. I, S. 323, 352 f.; Scheuner, a. a. O., Bd. II, S. 94, 138; Grabitz, AöR 111 (1986), S. 1, 6; a. A. Thoma, a. a. O., Bd. II, S. 155, 169. 70 Mosler, ZaöRV 16 (1955/56), 1, 32. 71 Vgl. Mosler, FS Wehberg 1956, S. 273, 295; Schwan, S. 75.
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Dem muß jedoch durch eine behutsame Anlegung von Ausübungsschranken begegnet werden, und nicht durch eine weitgehende, sachlich nicht gerechtfertigte Eingrenzung einer Befugnis auf ohnehin der Bundeskompetenz unterliegende Materien 73 . Demnach durfte der Bund also auf die EWG auch Hoheitsrechte „übertragen", die innerstaatlich in die Zuständigkeiten der Länder fallen 74 . Für dieses Ergebnis ist es nicht erforderlich, die Integrationsentscheidung des Grundgesetzes der bundesstaatlichen Gliederung überzuordnen 75. Vielmehr bedarf es lediglich einer funktionellen gegenseitigen Zuordnung der Regelung des Art. 24 Abs. 1 GG einerseits und der Bestimmungen über den Bundesstaat andererseits. Der hierdurch bewirkte indirekte Kompetenztransfer — allerdings nur hinsichtlich der Frage, ob ein Gegenstand der Ländergesetzgebung vergemeinschaftet wird — findet in Art. 24 Abs. 1 GG seine Grundlage 76.
3. Die Eingehung von Verpflichtungen, deren innerstaatliche Erfüllung in die Zuständigkeit der Länder fallt Die zweite sich in diesem Zusammenhang stellende Frage ist, ob der Bund dabei mitwirken darf, daß EWG-Normen oder Rechtsakte von EWG-Organen der Bundesrepublik Verpflichtungen auferlegen, deren innerstaatliche Durchführung den Ländern obliegt. Dieser Problemkreis wurde allgemein mit der Frage erörtert, ob der Bund völkerrechtliche Verpflichtungen gegenüber anderen Staaten eingehen darf, deren innerstaatliche Erfüllung ihm selbst gegenüber den Ländern rechtlich nicht möglich ist 77 . Eine abschließende Klärung des Vertragschließungsrechtes des Bundes gemäß Art. 32 GG ist in Rechtsprechung und Lehre nicht erfolgt 78 . Bund und Länder sind jedoch in praktischen Fragen durch das sogenannte „Lindauer Abkommen" zu einer weitgehenden Einigung gelangt. Eines Rückgriffes hierauf bedarf es jedoch im vorliegenden Falle bezüglich der EWG nicht, denn der Abschluß des Gründungsvertrages und die hierdurch erfolgende Schaffung und Anerkennung einer eigenständigen, auch mit Rechtsetzungsbefugnissen ausgestatteten Gemeinschaftsgewalt, beruht nicht auf Art. 32 in Verbindung mit Art. 59 GG, sondern allein auf Art. 24 Abs. 1 GG, der insoweit lex specialis ist 7 9 . Die Auslegung 72 Vgl. Hay , S. 281, 293. 73 Hierzu auch Bernhardt , FG BVerfG II, S. 154, 156; Hay , S. 281. 74 Menzel , VVDStRL 12 (1954), S. 179,219 f.; Oppermann , in: Neue Entwicklungen, S. 85, 94; Fastenrath , S. 149 f. 75 Spelten , S. 24, 29; a. A. Ruppert , S. 277; kritisch gegen diesen Vorwerk , S. 246. 76 A. A. Hüchting, S. 87 ff. 77 Bejahend z. B. J. H. Kaiser , ZaöRV 18 (1957/58), 526, 541; Hirsch , S. 140 f. 78 Vgl. Fastenrath , S. 115 ff.; zur Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift vgl. Hirsch , S. 52 ff. m. w. N.
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dieser Bestimmung wiederum ergibt, daß der Bund bei Abschluß des Gründungsvertrages nicht gehalten war, eine Auswirkung auf den Tätigkeitsbereich der Länder auszuschließen. Auch gegenüber möglichen Durchführungsverpflichtungen stellen die Länderkompetenzen keinen unüberwindbaren Sperriegel dar.
III. Indirekte Verpflichtung der Länder Die bisherigen Überlegungen haben lediglich ergeben, daß der Bund verfassungsrechtlich befugt war, die Gemeinschaftsverträge abzuschließen. Auch in dieser kompetenzrechtlichen Hinsicht ergeben sich also an der Verfassungsmäßigkeit des EWG-Vertrages keine Bedenken. Aus der Befugnis des Bundes zum Vertragsschluß nach außen ergibt sich jedoch nicht ipso iure spiegelbildlich die Verpflichtung der Länder zur Durchführung von sie betreffendem Gemeinschaftsrecht. Eine ausdrückliche Verpflichtung der Länder zur Durchführung von Verträgen des Bundes sieht das Grundgesetz — im Gegensatz zu einigen anderen bundesstaatlichen Rechtsordnungen — nicht vor 8 0 . Andererseits ist eine solche auch nicht etwa dadurch ausgeschlossen, daß durch die Gründungsverträge lediglich eine „Teilordnung Bund" berechtigt und verpflichtet ist, was einer gleichzeitigen Bindung der Bundesländer entgegenstünde. Eine derartige Deduktion aus einem dreigliedrigen Bundesstaatsbegriff ist bereits durch die Ablehnung der Prämisse ausgeschlossen.
1. Die Bundesländer als Organe des Bundes? Im Außenverhältnis zu dritten Staaten verkörpern alle Träger hoheitlicher Gewalt die Bundesrepublik Deutschland81. Funktionen, welche in einem Einheitsstaat der Zentralgewalt insgesamt zukommen, sind in dem gegliederten Gemeinwesen des Grundgesetzes auf verschiedene Rechtsträger, darunter auch die Länder, verteilt. Dies heißt jedoch nicht, daß die Bundesländer auch nach Verfassungsrecht Organe des durch sie gebildeten „Oberstaates" wären. Ihnen kommt selbst Staatsqualität zu und sie sind nicht lediglich aus der Zentralorganisation ausgegliederte dezentrale Verwaltungskörperschaften. Im staatsrechtlichen Sinne kann also von einer Organqualität nicht gesprochen werden. Nach der Verfassung des Grundgesetzes erfüllen die Länder ihre Aufgaben nicht als Handlungseinheiten des Bundes, sondern kraft eigener, nicht abgeleiteter Hoheitsgewalt nach Maßgabe der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung.
79 Im Anschluß an Stern, Staatsrecht I, S. 534. so Zur Bindung der italienischen Regionen an die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Republik vgl. Zuleeg, KSE 9, S. 315. 8i Vgl. oben § 3 III 3.
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Scheidet somit eine Inanspruchnahme der Länder aus einem Organverhältnis heraus aus, so bedarf es eines anderen verfassungsrechtlichen Bandes. Wie bereits ausgeführt, hat die Mitwirkung der Bundesrepublik in den Europäischen Gemeinschaften nicht zu einer Verschiebung der innerstaatlichen Befugnisse geführt. Demzufolge haben die Länder also das Recht, die nach Gemeinschaftsrecht erforderlichen Maßnahmen im innerstaatlichen Bereich zu treffen, soweit diese in ihre Zuständigkeit fallen. Hieraus kann jedoch nicht ohne weiteres auch eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Durchführung abgeleitet werden. Ob, inwieweit und auf welche Art und Weise von einer Kompetenz Gebrauch gemacht wird, steht in der Entscheidungsfreiheit des Zuständigkeitsträgers, soweit nicht im Einzelfall eine Bindung aufgrund anderweitiger Regelung besteht.
2. Die Pflicht zur Bundestreue Das gesamte Verhältnis von Bund und Ländern ist geprägt durch die Spannung zwischen der Wahrung der jeweils autonom definierten Interessen des Bundes oder eines Landes einerseits und der Notwendigkeit des Zusammenwirkens im gemeinsamen Interesse andererseits. Diese notwendige Folge des bundesstaatlichen Prinzips bedarf eines die beiderseitigen Interessen berücksichtigenden Ausgleichs 82 . Diesem Zwecke dient der bundesverfassungsrechtliche Grundsatz der Bundestreue, auch Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten, Bundessinn, Gemeinschaftstreue oder — umgekehrt — Pflicht zu länderfreundlichem Verhalten genannt83. Der Begriff geht im wesentlichen zurück auf Smend u und wird sowohl von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt und ausgebaut85 als auch von der wohl überwiegenden Ansicht der Lehre bejaht 86 . Inhalt der Bundestreue ist es, daß sowohl der Bund gegenüber den Ländern, als auch diese untereinander und gegenüber dem Bund auf die Interessen der jeweils anderen Seite Rücksicht nehmen. Sieht man in der staatlichen Tätigkeit die Ausübung von Kompetenzen, so liegt die wesentliche Bedeutung der Bundestreue darin, daß sie Kompetenzausübungsschranke ist 8 7 . Der Kritik an der Begriffsbildung „Bundestreue" ist nicht zu folgen, mag das Substantiv „Treue" auch in manchen Ohren antiquiert klingen. Allein aus dem 82 Vgl. Bandell, S. 34 f. 83 Zur Terminologie vgl. Stern, Staatsrecht I, S. 699 f. 84 Smend, FG Otto Mayer, S. 245, 261 ff.; zur historischen Entwicklung vgl. auch Alfred Voigt, VVDStRL 10 (1952), S. 33, 42 f.; Stern, Staatsrecht I, S. 699. 85 Hierzu Faller, FS Maunz 1981, S. 53 ff. mit umfassenden Nachweisen. 86 Hierzu allgemein Bayer, Die Bundestreue, 1961; Gebhard Müller, FS Kiesinger, S. 213 ff. 87 Vgl. Bayer„ S. 52, 60 ff.; Rupp, FG Carlo Schmid, 1962, S. 141, 142; Bullinger, Mineralölfemleitungen, S. 75.
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Begriff kann keine Verbindung zu dem vielleicht im vorigen Jahrhundert noch „mystischen" Bereich eines Staatenbündnisses hergestellt werden 88 . Der Grundsatz der Bundestreue ist auch nicht überflüssig 89. Das vielfältig verschränkte Verhältnis von Bund und Ländern ist im Grundgesetz nicht bis in alle wesentlichen Einzelheiten durchnormiert 90. Als Regulativ bedarf es deshalb einer das gesamte Verhältnis durchziehenden Generalklausel, wie sie das Prinzip der Bundestreue darstellt 91 . Dies beinhaltet es andererseits auch, daß der Grundsatz erst dort eingreifen kann, wo keine anderweitige — speziellere — Regelung aus der Verfassung zu entnehmen ist 9 2 . Demzufolge kann der Umstand, daß vielleicht bisweilen zu rasch auf die Bundestreue zurückgegriffen wird, um Ergebnisse zu begründen, die auch anders ableitbar wären, nicht gegen den Grundsatz überhaupt ins Feld geführt werden 93 . Insbesondere durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist dieser Begriff inzwischen so weit mit Inhalt gefüllt worden, daß seiner Anwendbarkeit auch nicht die bisweilen kritisierte Konturlosigkeit entgegensteht94. Vielfach wird die Ansicht vertreten, der Grundsatz der Bundestreue sei lediglich akzessorischer Natur und könne deshalb keine selbständigen Handlungsoder Unterlassungspflichten begründen, sondern sei lediglich bei der Art und Weise der Kompetenzausübung zu beachten95, auch bei dem Procedere des gegenseitigen Umgangs, und könne daher allenfalls zu Hilfs- und Mitwirkungspflichten im Rahmen eines bestehenden Rechtsverhältnisses führen. Diese Abgrenzung überzeugt nicht, da die Gegenüberstellung akzessorisch / selbständig in diesem Zusammenhang keine Trennschärfe besitzt 96 . Zutreffend ist jedoch, daß die Bundestreue direkt kein eigenständiger Kompetenztitel ist. Zu ihrer Wirkung gelangt sie nämlich vielmehr dann, wenn sich nicht gänzlich aufeinander abgestimmte Kompetenzen verschiedener Rechtsträger gegenüberstehen, deren jeweilige Ausübung Auswirkungen über den Bereich des jeweils zuständigen Trägers öffentlicher Gewalt hinaus hat. Dann bedarf es eines „abgestimmten Verhaltens", welches ja gerade nicht durch eine hierarchische Ordnung sichergestellt werden kann, da zwischen Bund und Ländern kein Verhältnis der Über- und Unterordnung besteht. Bund und Länder sind zur 88 Vgl. Lerche, VVDStRL 21 (1964), S. 66, 88. ^ 89 A. A. Fuß, DÖV 1964, 37, 41; Jahrreiß, GS Peters, S. 533, 545. 90 Thieme, AöR 88 (1963), S. 38, 62 f. 91 G. Müller, FS Kiesinger,S. 213, 231. 92 Spanner, DÖV 1961, 481, 485. 93 So aber Hesse, Bundestaat, S. 7 f.; gegen diesen Harbich, S. 48. 94 Zu einzelnen konkreten Rechtspflichten Stern, Staatsrecht I, S. 702 ff.; vgl. auch Rudolf.; FG BVerfG II, S. 233, 250 f. 95 So etwa Lerche, AöR 90 (1965), S. 341, 371; Reichel, S. 232 f.; Faller, FS Maunz 1981, S. 53, 62. % Vgl. auch Scheuner, DÖV 1962, 641, 646, der „in engen Grenzen unmittelbar Rechte und Pflichten" ableitet; skeptisch zu dieser Unterscheidung auch Bayer, S. 114 f.
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optimalen Effektuierung ihrer jeweils kompetenzgemäß zu treffenden Maßnahmen auf die jeweils andere Seite (oder die anderen Seiten) angewiesen97. In diesem Bereich des Aufeinanderangewiesenseins ist gegenseitige Rücksichtnahme nötig. Ein solcher Fall liegt hinsichtlich von in die Kompetenz der Länder fallenden Maßnahmen zur Durchführung von Gemeinschaftsrecht vor. Der Bund war zwar zur Eingehung der Verpflichtungen nach außen befugt, ist aber zur Erfüllung auf die Länder teilweise angewiesen98. Auf dem Gebiet der Außenbeziehungen ist der Grundsatz der Bundestreue von besonderer Bedeutung99. Dies wird sogar von Autoren eingeräumt, welche dieser Rechtsfigur kritisch gegenüberstehen 100. Es würde den Interessen des Gemeinwesens zuwiderlaufen, wenn ein föderaler Aufbau nach innen im Außenverhältnis eine weitgehende Handlungsunfähigkeit bzw. eine fortwährende Inanspruchnahme infolge völkerrechtlicher Verantwortlichkeit nach sich zöge 101 . Mag aus dem Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit, der in Art. 25 GG Niederschlag gefunden hat, allein die Bindung der Bundesländer an vertragliche Verpflichtungen des Bundes nicht ableitbar sein, so ergeben sich aus der Präambel und Art. 24 Abs. 1 GG hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß es dem Grundsatz der Bundestreue zuwiderlaufen würde, wenn die Länder sich nicht an ihre Zuständigkeiten betreffende Ausführungsverpflichtungen des Gemeinschaftsrechts halten würden 102 . Die in der Präambel und in Art. 24 Abs. 1 GG niedergelegte supranationale Option des Grundgesetzes zeigt die herausragende Bedeutung, welche der Integration in den Europäischen Gemeinschaften beigemessen wird. Der Bund hat nicht nur die rechtliche Möglichkeit der Teilnahme an der Errichtung der Gemeinschaft, sondern eine solche Integration ist — bei aller Entscheidungsfreiheit der zuständigen Organe im einzelnen — verfassungsrechtliches Ziel. Wenn der Bund nun dieses Ziel zu verwirklichen sucht, dürfen ihm die Länder hierbei nicht zuwiderhandeln. Ob, inwieweit und auf welchen Gebieten an einer Integration mitgewirkt wird, ist durch das Zustimmungsgesetz nach Art. 24 Abs. 1 GG entschieden. Hieran sind durch den Grundsatz der Bundestreue auch die Länder gebunden103. 97 Zur Bedeutung der Bundestreuepflicht auf Gebieten, wo Bund und Länder „unmittelbar aufeinander angewiesen sind" vgl. Lerche, FS Maunz 1981, S. 215, 221 f. 98 BVerfGE 6, 309, 361; J. H. Kaiser, ZaöRV 18 (1957/58), 526, 542 f. 99 Rupp, FG Carlo Schmid, S. 141, 144 f.; vgl. Conrad, S. 215. 100 Hesse, Bundesstaat, S. 10. 101 Hierzu auch Krüger, FG E. Kaufmann, S. 239, 240. 102 Schüßler, NJW 1964, 951, 955. 103 Conrad, S. 144; Zuleeg, KSE 9, S. 318 ff.; ders., DÖV 1977, 462, 466; J. H. Kaiser, FS Maunz 1981, S. 169, 178; zu einem gänzlich anderen Ergebnis gelangt Sehr oeder, S. 67, der eine Bindung verneint. Dies beruht jedoch auf seiner Art. 24 Abs. 1
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Ist Art. 24 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem hiernach erlassenen Gesetz der „Integrationshebel", welcher eine Modifizierung des Rechts-, Organisations- und Machtgefüges zugunsten einer neu zu schaffenden, eigenständigen Hoheitsgewalt ermöglicht, so ist der Grundsatz der Bundestreue die „Kupplung", welche die Bundesländer in diese Integration einbindet. Eine unmittelbare Ableitung aus Art. 24 Abs. 1 GG würde diese Bestimmung überstrapazieren. Vor ihrem Hintergrund ist das Bundestreuegebot jedoch in diesem Zusammenhang konkretisierbar. Das offene, dynamische, auch labile Bund-Länder-Verhältnis wird hierdurch nicht einseitig modifiziert. Verneint wird die Tragfähigkeit dieser Konstruktion von Spelten 104. Diese Kritik kann jedoch nicht überzeugen. Zum einen knüpft sie an die Abgrenzung zwischen einer — akzessorischen — Rechtsausübungsschranke und der Begründung selbständiger Pflichten an. Wenn die Länder auf bestimmten Gebieten zur Gesetzgebung oder zum Verwaltungsvollzug bundesverfassungsrechtlich zuständig sind, bedeutet eine Bindung an das Gemeinschaftsrecht nichts anderes, als daß sie bei der Ausübung dieser ihrer Kompetenzen gemeinschaftsrechtlich beschränkt sind. Des weiteren bedarf es für die Annahme einer aus der Bundestreue fließenden Verpflichtung der Länder zur Durchführung des Gemeinschaftsrechts nicht der Bejahung einer Wirkung dieses Grundsatzes gegenüber Dritten, den Gemeinschaften 105. Hier wird nämlich die oben durchgeführte Unterscheidung zwischen unmittelbar anwendbarem Gemeinschaftsrecht, welches unmittelbar aufgrund des Übertragungsgesetzes in Verbindung mit Art. 24 Abs. 1 GG auch für die Länder verbindlich ist, und dem lediglich staatengerichteten Gemeinschaftsrecht außer Acht gelassen. Für letztere Rechtsmasse, deren Wirkungen unmittelbar nur den Bund betreffen, bedarf es eben einer nationalen Norm, welche die gemeinschaftsrechtliche Bindung auf den innerstaatlich zuständigen Hoheitsträger überleitet. Auch Ipsen 106 zweifelt an der Tauglichkeit des Grundsatzes der Bundestreue, eine hinreichende Durchführung des Gemeinschaftsrechts durch die Bundesländer sicherzustellen. Er stützt sich auf eine „Mutation" der föderalen Kompetenzverteilung durch die Gemeinschaftsverträge insoweit, als der Vertragsvollzug auf die Ausübung von Landeskompetenzen angewiesen ist 1 0 7 . Auch Ipsen will jedoch hieraus keine Kompetenzübertragung auf den Bund herleiten, sondern er sieht die „Landeskompetenzträger dem Bund gegenüber verpflichtet, ihre Kompetenzen im Sinne des dem Bunde obliegenden Vertragsvollzuges wahrzunehmen" 1 0 8 . Für eine derartige „Mutation" ergeben sich jedoch weder aus Art. 24 GG zuwiderlaufenden Annahme, die Gründungsverträge bedürften (auch) der Transformation durch die Länderparlamente. 104 Spelten, S. 55 ff. 105 Spelten, S. 58. 106 Ipsen, FS Hallstein 1966, S. 248, 264; ihm zustimmend Ruppert, S. 307. 107 Ähnlich Oetting, S. 21.
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Abs. 1 GG unmittelbar noch aus den Bestimmungen der Vertragsgesetze direkte Anhaltspunkte. Daß eine solche, dem Grundgesetz insgesamt fremde Figur einer Kompetenzmutation eine größere „Stringenz" besäße als der Grundsatz der Bundestreue, ist nicht ersichtlich. Ohne daß sich hinsichtlich des Ergebnisses Unterschiede ergeben, ist demnach doch dem sich der Verfassung einfügenden ungeschriebenen Grundsatz der Bundestreue der Vorzug zu geben vor einer ohne Not neu gewonnenen, ebenfalls ungeschriebenen rechtlichen Konstruktion. Der von Ipsen bezeichnete Grundsatz ist jedoch inhaltlich nichts anderes als die konkrete Ausformung des Prinzips der Bundestreue.
§ 9 Rechtliche Schranken der Bindung Das Recht der Europäischen Gemeinschaften ist somit auch für die Länder der Bundesrepublik Deutschland verbindlich, sei es als unmittelbar anwendbares Recht, sei es als Staatenverpflichtungsrecht, sofern die Durchführung innerstaatlich den Ländern obliegt. Diese grundsätzliche Feststellung schließt es jedoch nicht aus, daß dieser Bindung im Einzelfall rechtliche Schranken gesetzt sind. Solche können sich einerseits aus dem nationalen Recht, andererseits aus dem Gemeinschaftsrecht selbst ergeben.
I. Prüfungs- und Verwerfungskompetenz nationaler Stellen Voraussetzung dafür, daß die Frage nach diesen etwaigen Schranken der Bindung überhaupt praktische Relevanz gewinnen kann, ist die Bejahung eines Prüfungs- und gegebenenfalls auch Verwerfungsrechts der nationalen Behörden oder des Gesetzgebers bezüglich Vorschriften des Gemeinschaftsrechts. Hier kehrt auf einer anderen Ebene das Problem der Verwerfung von nationalen unterverfassungsrechtlichen Normen wegen Verfassungswidrigkeit wieder 109 . Bei der Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen ihres Handelns hat jede staatliche Stelle die Übereinstimmung ihres Tuns oder Unterlassens mit der Rechtsordnung zu überprüfen, Art. 20 Abs. 3 GG. Dies schließt es ein, die zugrundezulegenden Normen im Einzelfall auch ihrerseits auf Übereinstimmung mit höherrangigen Rechtssätzen zu überprüfen. Bei einem Konflikt zweier auf denselben Sachverhalt Anwendung beanspruchenden Normen hat die in der Normenhierarchie höher stehende Vorschrift Vorrang. Selbstverständlich bedeutet dies nicht, daß diese Prüfung der Regelfall ist. Vielmehr ist sie nur durchzuführen, wenn entgegen der regelmäßigen Rechtmäßigkeitsvermutung im Einzelfall Anhaltspunkte für einen Normenkonflikt vorliegen. los ipsen, FS Hallstein 1966, S. 248, 264. 109 Vgl. grundlegend Bachof\ AöR 87 (1962), 1 ff. mit ausführlichen Nachweisen pro und contra, S. 3.
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Gelangt eine staatliche Stelle zu der Auffassung, eine von ihr grundsätzlich zu beachtende Norm sei rechtswidrig, so hat sie diese nicht anzuwenden, da sie das volle Rechtmäßigkeitsrisiko für ihr Handeln trägt 110 . Dem steht auch für eine Verwaltungsbehörde nicht etwa Art. 100 Abs. 1 GG entgegen. Diese Vorschrift schützt den nachkonstitutionellen Gesetzgeber gegenüber der unabhängigen Gerichtsbarkeit. Ein Erst-recht-Schluß verbietet sich deshalb, weil sich die mit dem Grundsatz der Gewaltentrennung verbundenen Gefahrenlagen insoweit nicht gleichen 111 : Die Verwaltung ist zum einen in die Hierarchie der Exekutive eingebunden, und ihre Maßnahmen unterliegen letztlich der parlamentarischen Verantwortung des zuständigen Ministers, was den Schutz des Gesetzgebers erleichtert. Zum anderen kann die Nichtanwendung eines Gesetzes durch die Verwaltung meist Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung werden, wodurch entweder die Beachtung der fraglichen Norm sichergestellt wird, oder aber sich die Möglichkeit einer konkreten Normenkontrolle gemäß Art. 100 Abs. 1 GG eröffnet. Aus einer solchen Nichtanwendung einer Norm entstehende Konflikte im Bund-Länder- Verhältnis können unmittelbar Gegenstand eines verfassungsgerichtlichen Verfahrens gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG werden. Ist somit eine Behörde der Auffassung, eine Norm widerspreche höherrangigem Recht, so hat sie diese nicht anzuwenden112. Nicht ausreichend sind lediglich Zweifel an der Rechtmäßigkeit, da insoweit auch der Gesetzgeber eine Rechtmäßigkeitsvermutung für sein Handeln beanspruchen kann. Insoweit ist der Auffassung von der „Tatbestandswirkung" von Staatsakten zuzustimmen. Darüber hinaus hat die mit der Rechtsanwendung befaßte Stelle die Weisung der obersten Behörde einzuholen, damit gegebenenfalls die Frage geprüft werden kann, ob eine abstrakte Normenkontrolle gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG eingeleitet werden soll. Da der Vollzug von Gemeinschaftsrechtsnormen durch nationale Behörden die Ausübung nationaler Hoheitsgewalt ist, gelten auch für die Frage der Prüfungs- bzw. Verwerfungskompetenz die nationalen Regeln, solange — wie bisher — sich aus dem Gemeinschaftsrecht nichts anderes ergibt. Demzufolge wäre auch für die Prüfung und gegebenenfalls Verwerfung von Gemeinschaftsrecht auf das soeben Gesagte zu verweisen. Die entgegengesetzte Auffassung hat der Europäische Gerichtshof in einer Vorabentscheidung gem. Art. 177 EWGV vom 12. 2. 1979 vertreten 113 . Hiernach ergibt sich aus dem im Vertrag zugrundegelegten System der Gesetzgebung und Rechtsprechung, „daß im Hinblick auf die Wahrung des Grundsatzes der Rechtsiio Bachof.; AöR 87 (1962), 1, 40 ff. in A. A. Herzog, in: Maunz/Dlirig, Art. 20 Abschn. VI Rdnr. 30. 112 Vgl. auch BVerfGE 12,180,186; a. A. Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 Abschn. VI Rdnr. 31. 113 Rs 101 / 78 „Granaria", Slg. 1979,623 ff.; zu sich hieraus ergebenden Haftungsproblemen vgl. Herdegen, NVwZ 1984, 344 ff.
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Staatlichkeit in der Gemeinschaft zwar den einzelnen eine Möglichkeit eröffnet wird, die Gültigkeit von Verordnungen vor Gericht in Frage zu stellen, daß dieser Grundsatz aber ebenfalls für alle dem Gemeinschaftsrecht unterstehenden Personen und Stellen die Verpflichtung mit sich bringt, die volle Wirksamkeit von Verordnungen insoweit anzuerkennen, als diese nicht in einem zuständigen Gericht für ungültig erklärt worden sind" 1 1 4 . Der Gerichtshof begründet dies damit, daß sich die Vermutung der Rechts Wirksamkeit einer gemäß dem Vertrag in Kraft gesetzten Verordnung aus den Art. 173,174 und 184 EWGV ergebe, wonach es dem Gerichtshof allein zustehe, über die Rechtmäßigkeit von Verordnungen zu befinden sowie aus Art. 177 EWGV, wonach der Gerichtshof abschließend über die Gültigkeit von Verordnungen zu entscheiden habe, wenn diese vor einem nationalen Gericht in Frage gestellt wird 1 1 5 . Indes, diese Argumente vermögen nicht zu überzeugen: die Letztentscheidungsbefugnis des Gerichtshofes wird durch die hier vertretene Auffassung gar nicht in Frage gestellt. Es geht lediglich darum, ob eine nationale Stelle, welche — nach unterstellter sorgfältiger Prüfung — von der Unwirksamkeit einer Gemeinschaftsverordnung ausgeht, diese Vorfrage vor dem Erlaß einer ihr obliegenden Entscheidung über die nationale Regierung gemäß Art. 173 EWGV dem Gerichtshof vorzulegen hat, oder aber, ob sie zunächst ihre Entscheidung jtrifft und es dann sämtlichen Beteiligten — und gemäß Art. 169, 170 EWGV auch der Kommission und den anderen Mitgliedstaten — offensteht, eine gerichtliche Klärung herbeizuführen. Bei der Vielzahl von nebeneinander je für sich Geltung beanspruchenden Normen unterschiedlicher oder auch gleicher Hierarchiestufen kann es gar nicht ausgeschlossen werden, daß die Gültigkeit einer formell „gemäß dem Vertrag in Kraft gesetzten Verordnung" in Frage steht. Hier muß jede mit der Anwendung betraute Stelle in eigener Verantwortung handeln, soweit die Rechtsfrage nicht bereits abschließend und klar vom Gerichtshof entschieden ist. Die Blockierung von — hinsichtlich ihrer Tragweite oft nur auf Einzelfälle beschränkten — Entscheidungen bis zur Durchführung der meist langwierigen Verfahren gemäß Art. 173 EWGV ist von Gemeinschaftsrechts wegen nicht erforderlich. Daß dem Gerichtshof die Letztentscheidungsbefugnis zukommt und auch praktisch ermöglicht wird, wurde bereits dargelegt. Auch integrationspolitische Gründe sprechen dafür, nicht jeden Widerspruch im Normengefüge zwingend vor den Gerichtshof zu tragen: das hier vorgeschlagene Verfahren ermöglicht es, derartige Widersprüche rascher, flexibler und ohne die hochpolitischen Erwägungen aufzulösen, wie sie bei der Frage auftreten, ob ein Mitgliedstaat eine Nichtigkeitsklage erhebt. Mißbrauchen jedoch nationale ii4 LS 1, Slg. 1979, 623. Iis Slg. 1979, 623, 636 f.; vgl. hierzu auch die bei Sedemund / Montag, NJW 1988, 601, 603 referierte Entscheidung Rs 314/85 „Foto-Frost" vom 22. 10. 1987. 6 Kössinger
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Stellen die ihnen hierdurch eröffnete Prüfungskompetenz, so bleibt die Sanktion über Art. 169, 170 EWGV möglich. Es ist ja auch nicht generell zutreffend, daß ausschließlich der Gerichtshof über die Rechtmäßigkeit von Gemeinschaftsrechtsakten zu befinden hat: der Gerichtshof hat selbst festgestellt, daß es die Möglichkeit, eine Entscheidung vor dem Gerichtshof direkt anzugreifen, nicht ausschließe, eine nationale Durchführungsmaßnahme vor dem nationalen Gericht mit der Begründung anzufechten, daß der zugrundeliegende Gemeinschaftsrechtsakt unwirksam sei 116 . Dies bedingt dann eine Inzidententscheidung des nationalen Gerichts über den Gemeinschaftsrechtsakt, wobei ja nicht in allen Fällen die Einholung einer Vorabentscheidung zwingend vorgeschrieben ist. Dieser Entscheidung des Gerichtshofes lag zwar „nur" eine Entscheidung der Kommission zugrunde und keine Verordnung, aber es sind keine Gründe ersichtlich, die hierfür ein anderes Ergebnis mit sich brächten. Im Ergebnis nichts anderes gilt auch für die Frage, ob der innerstaatliche Gesetzgeber bei dem Erlaß von Ausführungsvorschriften ihn grundsätzlich bindendes Gemeinschaftsrecht auf seine Gültigkeit hin überprüfen kann. Auch der Gesetzgeber, hier also das jeweilige Länderparlament, hat in Übereinstimmung mit höherrangigem Recht tätig zu werden.Diesem Gebot kann er nur genügen, wenn er die zugrundezulegenden Normen oder Rechtsakte in Zweifelsfällen auf ihre Gültigkeit überprüft, bevor er sie seinen Maßnahmen zugrundelegt. Diesen Feststellungen kann nicht entgegengehalten werden, eine solche Prüfungskompetenz sei mit der Natur der Europäischen Gemeinschaften als eigenständigen Hoheitsträgern unvereinbar. Zwar kann sich aus der Inanspruchnahme eines solchen Prüfungsrechts in einem Mitgliedstaat ergeben, daß Gemeinschaftsrecht — vorübergehend — nicht überall gleichmäßig zur Anwendung gelangt, aber hierfür stehen die gemeinschaftsrechtlichen Rechtsbehelfe gemäß Art. 169, 170, 177 EWGV zur Verfügung, damit zumindest nach der Durchführung eines solchen Verfahrens gemeinschaftsweit Klarheit über die Rechtslage besteht. Widerspricht die nicht angewendete Norm höherrangigem Recht, so befindet sich gerade die nicht anwendende Stelle in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht. Hat sich also die Verwaltungsbehörde oder das Parlament eines Bundeslandes die Überzeugung verschafft, eine von ihr grundsätzlich durchzuführende Bestimmung des Gemeinschaftsrecht widerspreche höherrangigem Gemeinschaftsrecht, so ist die rangniedrigere Norm nicht durchzuführen 117.
116 EuGH, Urt. v. 21. 5. 1987, Rs 133-135/85, NJW 1987, 2148 f. 117 Ebenso Zuleeg, KSE 9, S. 214 ff. für „offenkundige Verstöße"; ihm folgend, ohne Beschränkung auf Offenkundigkeit: Rengeling, KSE 27, S. 21 ff.
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II. Das Grundgesetz als Bindungsschranke Prüft eine nationale Stelle eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechs auf ihre Maßgeblichkeit, so hat sie auch eine eventuelle Konkurrenz mit entgegenstehendem nationalem Recht zu bedenken. Die Frage des Verhältnisses von Gemeinschaftsrecht zu nationalem Recht ist Gegenstand einer eingehenden wissenschaftlichen Debatte gewesen118. Als gesichert kann nunmehr gelten, daß dem Gemeinschaftsrecht jedenfalls gegenüber einfachgesetzlichem und untergesetzlichem nationalem Recht Anwendungsvorrang zukommt 119 . Hinsichtlich der Konkurrenz mit Normen des Grundgesetzes ist, gerade im Gefolge des SolangeBeschlusses des Bundesverfassungsgerichts 12 °, eine abschließende Klärung nicht eingetreten. Auf die hierbei ausgetauschten Argumente sei hier lediglich verwiesen. Diese allgemeine Vorrangproblematik soll lediglich unter dem Blickwinkel der grundgesetzlich garantierten Bundesstaatlichkeit beleuchtet werden. Bei dieser Prüfung yon Gemeinschaftsrecht am Maßstab des Grundgesetzes ist zu unterscheiden zwischen primärem Gemeinschaftsrecht einerseits, also im wesentlichen dem EWG-Vertrag, und den von den Organen der Gemeinschaft gesetzten Rechtsakten andererseits.
1. Die Verfassungsmäßigkeit des EWG-Vertrages Das primäre Gemeinschaftsrecht gilt für den Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland kraft des Rechtsanwendungsbefehls, den die Zustimmungsgesetze gemäß Art. 24 Abs. 1 GG den Gemeinschaftsverträgen verschafft haben 121 . Diese Zustimmungsgesetze sind somit am Maßstab der Bestimmungen des Grundgesetzes insgesamt zu messen. Zur Beteiligung an der Errichtung einer eigenständigen Gemeinschaftsgewalt sowie zu deren Ausstattung mit auch im Bereich der Bundesrepublik Deutschland zu beachtenden Hoheitsbefugnissen und der Schaffung von materiell-rechtlichen Bestimmungen war der Bund gemäß Art. 24 Abs. 1 GG ermächtigt. Diese grundsätzliche Bestimmung, welche zusammen mit der Präambel und Art. 25, 26 GG Ausdruck der im Grundgesetz enthaltenen Entscheidung für die offene Staatlichkeit ist 1 2 2 , ermächtigt zur Veränderung und zum Eingriff in die verfassungsmäßigen Zuständigkeiten, materiell also zu einer Verfassungsänderung, die jedoch durch einfaches Gesetz im formellen Sinne möglich ist 1 2 3 . Diese Öffnung der 118
Vgl. hierzu mit ausführlichen Nachweisen: Beutler , in: Beutler / Bieber / Pipkorn / Streil, Abschn. 3.3.4.5. 119 BVerfGE 75, 223, 244. 120 BVerfGE 37, 271 ff. 121 BVerfGE 45, 142, 169. 122 Hierzu allgemein Vogel , Verfassungsentscheidung. 123 BVerfGE 58, 1, 36. 6*
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deutschen Staatlichkeit ist jedoch nicht unbeschränkt, denn auch Art. 24 Abs. 1 GG ist in der Zusammenschau mit anderen Bestimmungen des Grundgesetzes auszulegen. Es ist also nicht gestattet, durch ein Übertragungsgesetz gemäß Art, 24 Abs. 1 GG in die konstituierenden Strukturen der Verfassung, in ihr Grundgefüge einzugreifen 124 . Selbstverständlich wäre diese Bestimmung auch keine Grundlage dafür, innerstaatliche Kompetenzen im Zusammenhang mit der Vergemeinschaftung etwa auf den Bund zu übertragen. Es bestehen jedoch keine Anhaltspunkte dafür, daß Vorschriften des EWGVertrages selbst mit Bestimmungen des Grundgesetzes in Widerspruch stehen125. Aufgrund der Selbständigkeit von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht und der jeweiligen Offenheit für zukünftige Entwicklungen könnten sich jedoch im Laufe des Integrationsprozesses die beiden Rechtsordnungen derart auseinanderentwickeln, daß eine Bestimmung des primären Gemeinschaftsrechts, die vom Bundesverfassungsgericht zunächst für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten worden war, als verfassungswidrig angesehen wird. Dies führt zu einem Konflikt zwischen fortbestehender gemeinschaftsrechtlicher Bindung einerseits und innerstaatlicher Rechtswidrigkeit andererseits. In einem solchen — wenn auch unwahrscheinlichen — Sonderfall kann es — anders als in den vorgenannten Fällen des Konflikts von Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts untereinander — geboten sein, die Gemeinschaftsnorm innerstaatlich weiter anzuwenden. Die Bundesregierung wäre jedoch in einem solchen Falle verpflichtet, innerhalb der zuständigen Gemeinschaftsorgane auf eine Änderung des Gemeinschaftsrechts hinzuwirken, welche den Konflikt beseitigt 126 .
2. Nichtbindung der EWG-Organe durch das Grundgesetz Durch den Gründungsvertrag wurde eine eigenständige Gemeinschaftsgewalt konstituiert, deren kompetenzgemäß erlassene Rechtsakte durch den deutschen Hoheitsträger anzuerkennen sind. Diese neue öffentliche Gewalt ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „selbst kein Staat, auch kein Bundesstaat. Sie ist eine im Prozeß fortschreitender Integration stehende Gemeinschaft eigener Art, eine »zwischenstaatliche Einrichtung 4 im Sinne des Art. 24 Abs. 1 GG" 1 2 7 .
124 BVerfGE 37, 271, 279 f.; insoweit übereinstimmend die abw. M. der Richter Rupp, Hirsch, Wand, BVerfGE 37, 291, 296; BVerfGE 58, 1, 40; 59, 63, 86; ebenso für Ausnahmefälle Zuleeg, KSE 9, S. 160 ff. 125 BVerfGE 37, 271, 277; ebenso Zuleeg, KSE 9, S. 160; Ipsen, DÖV 1968, 441, 443; Stern, Staatsrecht I, S. 536; Rechtsprechungsüberblick bei Carstens, KSE 24, S. 129, 149 ff. 126 Bernhardt, DÖV 1977, 457, 461. 127 BVerfGE 22, 293, 296; 37, 271, 278.
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Das durch die Organe dieser Gemeinschaft gesetzte Sekundärrecht fließt aus einer autonomen Rechtsquelle128. In den Gemeinschaftsverträgen ist eine Bindung der jeweiligen Organe an die nationalen Verfassungen oder auch nur an bestimmte grundlegende Bestimmungen derselben nicht enthalten. Die Bundesrepublik Deutschland hat insoweit auch keinen Vorbehalt angebracht. Es würde auch dem Sinn und Zweck einer auf fortschreitende Integration angelegten Gemeinschaft widersprechen, sie jeweils auf den kleinsten gemeinsamen Nenner aller mitgliedstaatlichen Verfassungen festlegen zu wollen 1 2 9 . Auch eine Bindung der Gemeinschaftsorgane an grundlegende nationale Verfassungsbestimmungen 130 begegnet durchgreifenden Bedenken. Zum einen bedeutet jede derartige Schranke eine rechtliche Relativierung der Eigenständigkeit des Gemeinschaftsrechts, zum anderen würde hierdurch eine zu große Rechtsunsicherheit bewirkt. Mag im Einzelfall ein Normenkonflikt in einem Mitgliedstaat noch begrenzt lösbar sein, so wäre eine gemeinschaftsrechtliche Unwirksamkeit zwar eine alle Staaten gleichmäßig treffende Lösung, würde jedoch für die anderen Mitgliedstaaten und die Rechtsunterworfenen ein nicht mehr abschätzbares Risiko darstellen. Dementsprechend besteht für die Organe der Europäischen Gemeinschaften grundsätzlich keine Verpflichtung, auf die innerstaatlichen Kompetenzen der deutschen Bundesländer nach dem Grundgesetz Rücksicht zu nehmen 131 . Maßstab für die Rechtmäßigkeit ihres Handelns ist somit allein das — primäre und sekundäre — Gemeinschaftsrecht 132. Die Schaffung einer solchen, nicht an das Grundgesetz gebundenen Hoheitsgewalt ist auch vom Grundgesetz durch Art. 24 Abs. 1 GG gestattet. Hierbei handelt es sich nicht um die Frage, ob dem Grundgesetz das Gebot einer strukturellen. Kongruenz der neu konstituierten Hoheitsgewalt mit der Staatsordnung des Grundgesetzes zu entnehmen ist. Denn es geht nicht darum, ob die EWG selbst föderalistisch aufgebaut sein muß, sondern, ob die Organe der Gemeinschaft ihrerseits an den föderalistischen Aufbau der Bundesrepublik Deutschland gebunden sind. Wie bereits dargelegt, ist dies zu verneinen. Der Bund konnte an der Konstituierung der Gemeinschaftsgewalt auch insoweit mitwirken, als innerstaatliche Kompetenzen der Länder berührt wurden und werden.
128 BVerfGE 22, 293, 296; 37, 271, 277. 129 BVerfGE 37, 271, 279 f.; ebenso abw. M. BVerfGE 37, 291 ff. 130 Zuleeg, JöR 20 (1971), 1, 35. 131 Vorwerk , S. 252; Schwan , S. 54. 132 Thieme , VVDStRL 18 (1960), S. 50, 51; Spelten , S. 138 f.; Bülow , Verhältnis, S. 28, 57; Hay , S. 294; Badura , VVDStRL 23 (1966), S. 34, 66; Conrad , S. 69.
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3. Teil: Die Bindung der Bundesländer durch EG-Recht
3. Anwendungsvorbehalt für Rechtsakte Zu prüfen bleibt die derzeit nur theoretisch relevante Frage, ob die Bundesländer im Extremfall nicht doch von der Bindung an Gemeinschaftsrecht frei werden könnten. Den Ansatzpunkt hierfür bietet die oben bereits angesprochene SolangeEntscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu dem Anwendungsvorbehalt für Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane, sofern diese einen Eingriff in die konstituierenden Strukturen des Grundgesetzes beinhalten I33 . Diese Entscheidung ist unter dem Blickwinkel des Grundrechtskataloges des Grundgesetzes ergangen. Die Eurocontrol-Entscheidung befaßt sich mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz wirksamen Rechtsschutzes — außerhalb des Rechts der Europäischen Gemeinschaften — 1 3 4 . Von dem Grundsatz, daß die Ermächtigung aufgrund des Art. 24 Abs. 1 GG nicht ohne verfassungsrechtliche Grenzen ist und es nicht ermögliche, „ . . . im Wege der Einräumung von Hoheitsrechten für zwischenstaatliche Einrichtungen die Identität der geltenden Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland durch Einbruch in ihr Grundgefüge, in die sie konstituierenden Strukturen aufzugeben . . 1 3 5 , ist das Bundesverfassungsgericht auch in seinem Beschluß vom 22. 10. 1986 136 nicht abgegangen. Zwar wird in concreto die Solange-Rechtsprechung zum Grundrechtsschutz aufgegeben, weil nunmehr anerkannt wird, daß durch die Gemeinschaftsrechtsordnung selbst, insbesondere die Rechtsprechung des Gerichtshofs, ein Maß an Grundrechtsschutz gewährleistet ist, „das nach Konzeption, Inhalt und Wirkungsweise den Grundrechtsstandard des Grundgesetzes im wesentlichen gleichzusetzen ist" 1 3 7 , aber diese Argumentation ist auf den Schutz der Essentialia der bundesstaatlichen Ordnung nicht übertragbar, weil deren Schutz nicht zu den Aufgaben des Gerichtshofes gehört. Eine abschließende Definition dieses Grundgefüges der Verfassung hat das Bundesverfassungsgericht nicht vorgenommen. Der Verfassungsgeber hat jedoch durch Art. 79 Abs. 3 GG bestimmten tragenden Grundsätzen erhöhte Bestandsfestigkeit garantiert. Deshalb ist davon auszugehen, daß jedenfalls auch der durch Art. 79 Abs. 3 GG mit gesicherte Kern der Bundesstaatlichkeit zu diesen, auch über Art. 24 Abs. 1 GG nicht relativierten Grundstrukturen gehört 138 . Eine andere Betrachtung, welche Art. 24 Abs. 1 GG nicht der — äußerst weit gesteckten — Schranke des Art. 79 Abs. 3 GG unterwerfen würde, würde dem Gebot der
133 BVerfGE 37, 271. 134 BVerfGE 58, 1, 30. 135 BVerfG NJW 1987, 577, 580. 136 BVerfGE 73, 339 = NJW 1987, 577 ff. 137 BVerfG NJW 1987, 577, 580 f. 138 So bereits Scheuner, in: Der Kampf um den Wehrbeitrag, Bd. II, S. 94, 143; Maunz, ebenda, S. 591, 596, 613; Schlochauer, FS Wehberg, S. 361, 367; Bucher, NJW 1957, 850; ebenso Ruppert, S. 283, 298 ff.; Caspar, S. 82, 84.
§ 9 Rechtliche Schranken der Bindung
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praktischen Konkordanz und optimalen Effektuierung aller Verfassungsbestimmungen nicht gerecht. Die Präambel sowie die den Art. 24 bis 26 GG zu entnehmende Grundentscheidung für die offene Staatlichkeit sind nicht schlechthin die Richtschnur des Grundgesetzes, sondern nur einer der wesentlichen Grundzüge. Hierzu gehört ebenfalls das durch Art. 20 Abs. 1 und 79 Abs. 3 GG garantierte bundesstaatliche Minimum 1 3 9 . Der Auffassung von Achterberg 14 °, wonach Art. 79 Abs. 3 GG nur der Verfassungsgesetzgebung Schranken setzen kann, ist nicht zu folgen. Wie das Beispiel der EWG zeigt, ist eine Aushöhlung der Länderkompetenzen auch ohne förmliche Verfassungsänderung möglich. Insoweit ist die Sicherung des Art. 79 Abs. 1 Satz 1 GG relativiert 141 . Wenn aber das verfassungsändernde Gesetz nur im Rahmen von Art. 79 Abs. 3 GG möglich ist, hat dies auch für das Integrationsgesetz gemäß Art. 24 Abs. 1 GG zu gelten 142 . Auch dieses bundesstaatliche Minimum seinerseits hat wiederum keine genau faßbaren Grenzen. Von der Auflösung der Länder selbst einmal abgesehen, die hier nicht in Frage steht, dürfte wesentlicher Bestandteil jedoch die Erhaltung der Länder als Zentren eigenständiger politischer Entscheidungen sein 143 . Die Schwierigkeit dieses Schutzes eines Kerns an Staatlichkeit besteht darin, daß der Verlust jeweils als Summe allmählicher punktueller Einschränkungen denkbar ist, die — für sich gesehen — den kritischen Grenzbereich noch nicht berühren 144 . Eine abstrakte Beschreibung dieses Grenzbereiches ist auch nicht möglich. Auch der Versuch, dieser Schwierigkeit mit dem Rückgriff auf den „Wesensgehalt" der Länderkompetenzen beizukömmen 145 , führt nicht zu einer befriedigenden Konkretisierung. So muß es bei der abstrakten Schrankensetzung verbleiben. Der Feststellung, daß hierdurch die Zurückdrängung an eine „äußerste Grenze der Staatlichkeit" nicht zu verhindern ist 1 4 6 , muß zugestimmt werden. Die Möglichkeit eines derartigen, den Bestand der Bundesländer existentiell treffenden Handelns der Gemeinschaftsorgane ist aber auch nicht etwa deshalb gänzlich ausgeschlossen, weil der EWG-Vertrag als Verfassung dieses Hoheitsträgers nicht in Widerspruch zum Grundgesetz steht. Die Europäischen Gemein13
9 Die Bedeutung des bundesstaatlichen Prinzips betont Thieme , AöR 88 (1963), S. 38, 62. 140 Achterberg , Der Staat Bd. 8 (1969), S. 159, 163. 141 Mosler , ZaöRV 16 (1955/56), 1, 13, 20 f.; Vogel , Verfassungsentscheidung, S. 5 ff.; vgl. Glaesner , DÖV 1959, 653 ff. 142 Erler , VVDStRL 18 (1960), S. 7,40; Oppermann , in: Neue Entwicklungen, S. 85, 100; Schlenzka , S. 168 f.; a. A. Erichsen , VerwArch 64 (1973), 101, 108; wohl auch BFH, EuR 1967, 240, 245; differenzierend Thieme , VVDStRL 18 (1960), S. 50, 57 ff. 143 Harbich , S. 119 ff.; Hesse, AöR 98 (1973), S. 1, 16 f.; Frowein , VVDStRL 31 (1973), S. 13, 39 f. 144 Vgl. Bullinger , DÖV 1970, 761, 767; Ter-Nedden , S. 59. 145 So Elgeti, S. 86. 146 G. Kaiser, DÖV 1961, 653, 656; vgl. auch K. H. Klein, Übertragung, S. 44 f.
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Schäften sind keine statischen, von vorneherein in ihren Dimensionen abschließend abschätzbaren Gebilde. Vielmehr handelt es sich um eine dynamische, auf Entwicklung programmierte Rechtsordnung, einen „Prozeß fortschreitender Integration" 147 . Es sind damit Rechtsake zumindest denkbar, die zwar dem EWGVertrag entsprechen, aber grundgesetzwidrig sind 148 . Diese Entwicklung ist zwar in den Gründungsverträgen nach derzeitigem Kenntnisstand hinreichend bestimmt und bestimmbar festgelegt 149, die Notwendigkeiten und immanenten Zweckmäßigkeitsüberlegungen, die sich im Laufe des Integrationsprozesses ergeben mögen, können jedoch unter Umständen eine Eigendynamik gewinnen, welche den ursprünglich durch das Zustimmungsgesetz gemäß Art. 24 Abs. 1 GG gezogenen Rahmen sprengen. Eine wesentliche Änderung oder Erweiterung des ursprünglichen Integrationsprogrammes wäre damit zum einen bereits durch Art. 24 Abs. 1 GG nicht mehr gedeckt 150 , bei einer grundlegenden Aushöhlung der innerstaatlichen Kompetenzen der Länder würde zum anderen Art. 79 Abs. 3 GG entgegenstehen. Als Zwischenergebnis kann somit festgehalten werden, daß die Länder nach dem Grundgesetz grundsätzlich durch die sie betreffenden Bestimmungen des Europäischen Gemeinschaftsrechts gebunden sind. Äußerste Schranken hierfür können sich lediglich dann ergeben, wenn Maßnahmen der Gemeinschaftsorgane den durch Art. 79 Abs. 3 GG garantierten Kern der Rechte der Länder gefährden.
III. Gemeinschaftsrecht als Schranke Daß das Grundgesetz selbst einer Bindung der Bundesländer an das Gemeinschaftsrecht nur äußerst weite Schranken setzt, schließt nicht aus, daß sich unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht derartige Begrenzungen ergeben können. Es ist also zu prüfen, ob das primäre Gemeinschaftsrecht Maßnahmen der EWG-Organe entgegenstehen kann, welche in Kompetenzen eingreifen, welche nach deutschem Verfassungsrecht innerstaatlich den Bundesländern zukommen. Wie bereits oben ausgeführt, ist das Gemeinschaftsrecht grundsätzlich „länderblind". Die der Regelung durch die Gemeinschaftsorgane unterliegenden Materien sind nicht danach abgegrenzt, ob hierdurch Länderinteressen berührt sind. Demzufolge erfolgt die Auslegung der materiellen Gemeinschaftskompetenzen ausschließlich aus den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen heraus.
147 Zum ProzeBcharakter der Integration vgl. auch Rojahn, JZ 1979, 118, 122. 148 Carstens, FS Riese, S. 65, 79; Schlenzka, S. 36; Thelen, KSE 21, S. 232. 149 Zu diesem Kriterium vgl. BVerfGE 58, 1, 35 ff.; 68, 1, 98 ff. iso Vgl, BVerfGE 58, 1, 37; 68, 1, 90 ff.
§ 9 Rechtliche Schranken der Bindung
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1. Art. 5 EWGV Eine ausdrückliche Regelung hat das Kooperationsverhältnis zwischen den Mitgliedstaaten und der EWG in Art. 5 EWGV gefunden. Hierin werden Mitwirkungs- und Unterlassungspflichten der Mitgliedstaaten konstituiert, welche über den völkerrechtlichen Grundsatz des „pacta sunt servanda" hinausgehen. Die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts kann nur in einem Zuammenwirken von Gemeinschaftsorganen und Mitgliedstaaten erfolgen. Art. 5 EWGV enthält jedoch lediglich Verpflichtungen der Mitgliedstaaten. Pflichten der Gemeinschaftsorgane ergeben sich demgegenüber lediglich aus spezielleren Zuweisungsnormen des Gemeinschaftsrechts. Dies ist Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EWGV zu entnehmen. Die Pflichten des Art. 5 EWGV obliegen den Mitgliedstaaten zum einen gegenüber der Gemeinschaft, zum anderen aber auch gegenüber den anderen Mitgliedstaaten. Ein Reziprozitätsverhältnis in dem Sinne, daß dadurch auch die Gemeinschaft gebunden ist, ist dieser Vorschrift jedoch nicht zu entnehmen. Demzufolge scheidet die Ableitung einer Bindung der Gemeinschaftsorgane an Grundsätze der nationalen Verfassungen aus Art. 5 EWGV aus.
2. Ungeschriebener Grundsatz der „Gemeinschaftstreue" Teilweise wird, entweder aus Art. 5 EWGV oder aus einer Zusammenschau sowie dem Sinn und Zweck der Gemeinschaftsrechtsordnung für das Verhältnis der Mitgliedstaaten zu der Gemeinschaft und umgekehrt die Existenz einer gegenseitigen Pflicht zur Gemeinschaftstreue oder zu einem gemeinschaftsfreundlichen Verhalten bejaht 151 . Die Analogie dieser Rechtskonstruktion zu der Lehre von der Bundestreue im deutschen Verfassungsrecht ist unverkennbar 152. Eine derartige Analogie begegnet jedoch einigen Bedenken. Zum einen ist das Verhältnis zwischen der Gemeinschaft und ihren Organen einerseits und den Mitgliedstaaten andererseits ausdrücklich normiert. Im Rahmen der Ziele der Gemeinschaft haben deren Organe die im Vertrag zugewiesenen Befugnisse (Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EWGV), während die Mitgliedstaaten sowohl bei der Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten als auch bei der Ausübung ihrer nicht durch den EWG-Vertrag erfaßten hoheitlichen Befugnisse durch Art. 5 EWGV gebunden sind. Zum anderen sind die Gemeinschaften weder Bundesstaaten noch bundesstaatsähnliche Gebilde mit einer derart dichten Kompetenzverschränkung, daß eine übergreifende Bindung durch ein gegenseitiges Treueverhältnis unabdingbar wäre. Darüber hinaus sind auch bundesstaatliche Ordnungen denkbar, die im 151 Vgl. Hay , S. 196 ff.; Bleckmann , in: GBTE, Art. 5 Rdnr. 27 ff. 152 Vgl. Bleckmann , DÖV 1986, 125, 130.
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Gegensatz zur Verfassung des Grundgesetzes ohne einen solchen Rechtssatz auskommen. Dennoch mag auch im Gemeinschaftsrecht eine über die ausdrücklich normierten Kooperationspflichten hinausgehende Verpflichtung zu gegenseitiger Rücksichtnahme und Zusammenarbeit ihren Platz haben. Bei der Konkretisierung von sich hieraus ableitenden Bindungen ist jedoch Behutsamkeit geboten. Die grundsätzliche Autonomie von Gemeinschaft und Mitgliedstaaten in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen wird hierdurch nicht aufgehoben. Damit ergibt sich auch a)uf diesem Wege keine Möglichkeit, die Gemeinschaftsorgane indirekt zur Rücksichtnahme auf Länderinteressen zu verpflichten. Der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, daß auch den Gemeinschaftsorganen eine Pflicht zur Wahrung der Konkordanz zwischen Gemeinschaftsrechtsordnung und nationaler Verfassungsordnung obliege 153 , ist in dieser Absolutheit nicht zuzustimmen. Diese Ansicht wurde, wie bereits ausgeführt, in Bezug auf die Wahrung der Grundrechte entwickelt. Auf diesem Sektor stimmen die Verfassungen der Mitgliedstaaten, ungeachtet der unterschiedlichen Ausgestaltung im einzelnen, jedenfalls im Grundsatz überein. Demzufolge würde eine solche Pflicht auf diesem Gebiet nicht unbedingt eine die Gemeinschaft sprengende Wirkung entfalten. Die durch Art. 79 Abs. 3 GG gesicherte Bundesstaatlichkeit ist demgegenüber eine deutsche Besonderheit, welcher vom Grundgesetz eine tragende Bedeutung beigemessen wird, die in anderen Verfassungen der Mitgliedstaaten keine Entsprechung findet. Deshalb muß in Bezug auf den bundesstaatlichen Kernbestand aus der Sicht des Gemeinschaftsrechts von der Unbeachtlichkeit ausgegangen werden. Eine derartige Berücksichtigung wird auch nicht durch Art. 247 Abs. 1 EWGV ermöglicht 154 . Die verfahrenstechnische Bedeutung dieser Bestimmung enthält keine Relativierung des gemeinschaftsrechtlichen Geltungsanspruches. Die vom EWG-Vertrag beabsichtigte Integration würde durch einen derartigen Vorbehalt der Kongruenz mit allen nationalen Verfassungsordnungen unmöglich gemacht. Außer dem Sinn und Zweck des Gemeinschaftsrechts und dem insoweit unzureichenden Wortlaut der Bestimmung spricht gegen eine derartige Auslegung auch die systematische Stellung bei den „Schlußbestimmungen". Es mag im allgemeinen zutreffen, daß der Europäische Gerichtshof im Zweifelsfall der Auslegung einer Gemeinschaftsnorm den Vorzug gibt, die nicht in Konflikt mit nationalem Verfassungsrecht gerät. Daß dies jedoch rechtlich zwingend ist, auch wenn gemeinschaftsrechtliche Gesichtspunkte dagegen sprechen, kann nicht festgestellt werden 155 . 153 BVerfGE 37, 271; ebenso Hilf, ZaöRV 35 (1975), 51, 58 f.; Bülow, Verhältnis, S. 57 f.; Caspar, S. 74 f. 154 So Zuleeg, JöR 20 (1971), 1, 30.
§ 9 Rechtliche Schranken der Bindung
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Auch aus dem Recht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ist also kein Maßstab zu gewinnen, anhand dessen die Rechtswidrigkeit einer Maßnahme der EWG-Organe allein deshalb festgestellt werden könnte, weil in die innerstaatliche Rechtsstellung der deutschen Bundesländer eingegriffen wird. Dies schließt jedoch den Rückgriff auf allgemeine Maßstäbe nicht aus.
3. Sonstiges Gemeinschaftsrecht Wie bereits dargelegt, besitzen die Gemeinschaften z. B. keine Befugnis, die für die innerstaatliche Durchführung zuständigen nationalen Stellen zu bestimmen. Diese institutionelle Autonomie der Mitgliedstaaten stellt einen gewissen Schutz auch der deutschen Bundesländer dar. Für den Geltungsbereich des EGKS-Vertrages wird die Ansicht vertreten, insbesondere aus Art. 5 EGKSV sei das allgemeine Prinzip des Interventionsminimums zu entnehmen, d. h., die Gemeinschaft habe sich jeweils des Mittels zu bedienen, das den angestrebten Zweck unter weitestgehender Schonung der Entscheidungsfreiheit der Mitgliedstaaten erreiche. Eine dem Art. 5 EGKSV 1 5 6 entsprechende Bestimmung ist jedoch im EWG-Vertrag nicht enthalten. Für die auf fortschreitende Integration, wenn auch auf inhaltlich bestimmten Gebieten, angelegte Gemeinschaft wäre ein solcher Grundsatz auch funktionshemmend. Dennoch wird auch für den Geltungsbereich der Römischen Verträge die Geltung eines Grundsatzes des Interventionsminimums bejaht 157 , wenn auch teilweise unter vorsichtiger Beschränkung auf eine lediglich „allgemeine Tendenz", auf ein „Sollen ohne rechtliche Sanktionsmöglichkeit" 158 . Dem ist entgegenzuhalten, daß ein derartiges Prinzip der Zusammenschau der Handlungsermächtigungen des EWG-Vertrages nicht entnommen werden kann. Wo der Gemeinschaft mehrere, unterschiedlich stark bindende Handlungsmöglichkeiten, wie etwa Verordnung oder Richtlinie (vgl. Art. 49 EWGV) zur Verfügung stehen, liegt es im Ermessen des zuständigen Organs, welches Mittel es zur Erreichung des angestrebten Zieles als ausreichend und erforderlich ansieht 159 . Die Bundesländer können sich also nicht darauf berufen, der Rat der Gemeinschaft habe eine Verordnung deswegen rechtswidrig erlassen, weil diese sie von einer ihnen innerstaatlich zustehenden Gesetzgebung weiter ausgeschlossen habe, als es bei dem Erlaß einer ebenfalls möglichen Richtlinie geschehen wäre. Darüber hinaus würde ein solcher Grundsatz des Interventionsminimums aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen Verwischung der Unterschiede zwi155 A. A. Friauf Staatenvertretung, S., 97; ders ., AöR 85 (1960), 224, 227; SchulzeEggert, S. 9 f.; Wagner , KSE 5, S. 246 ff. 156 Hierzu Schule , ZaöRV 19 (1958), 464, 473. 157 Schulze-Eggert , S. 20; Zuleeg , JöR 20 (1971), S. 1, 16. 158 Rabe, S. 81; ebenso Oldekop , S. 39 ff. 159 Everling , EuR 1976, Sonderheft, S. 2, 10; Thierfelder , S. 46 f.
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sehen Verordnung und Richtlinie gar keine wesentliche Schutzwirkung entfalten können. Auch Bestimmungen einer Richtlinie können eine Materie abschließend regeln, soweit sich dies aus dem Regelungsgegenstand ergibt, und weiterhin kann auch eine in einer Richtlinie enthaltene Bestimmung unmittelbar anwendbar sein.
IV. Ergebnis Es läßt sich somit feststellen, daß auch die deutschen Bundesländer und ihre Organe uneingeschränkt an das Europäische Gemeinschaftsrecht gebunden sind. Dies gilt sowohl für primäres als auch für sekundäres Recht, für unmittelbart anwendbares als auch für staatengerichtetes Recht. Anzeichen dafür, daß die Anwendung und Auslegung des EWG-Vertrages die äußerste Geltungsschranke nach deutschem Verfassungsrecht, Art. 79 Abs. 3 GG mit der in ihm enthaltenen Garantie eines bundesstaatlichen Minimums, überschritten hätte, sind nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht ersichtlich. Dieser Befund ist aus der Sicht der Bundesländer nicht befriedigend. Die dem Bund im Interesse einer Ermöglichung der Eingliederung der Bundesrepublik Deutschland in ein vereintes Europa zustehende Kompetenz nach außen kann nach innen gewendet zu einer bis an den Rand der Aushöhlung gehenden Ausdünnung der Länderzuständigkeiten führen. Die Entscheidungsmaßstäbe, welche für oder gegen die Vergemeinschaftung einer Materie im Rahmen einer zwischenstaatlichen Gemeinschaft sprechen, sind im wesentlichen inkongruent mit den auch historisch überkommenen Abgrenzungslinien zwischen Bundes- und Länderzuständigkeiten. Deshalb ist zu fragen, ob der Bund bei dem ihm ermöglichten rechtlichen „Können" nach außen innerstaatlich engere Grenzen zu beachten hat.
Vierter
Teil
Die Bindung des Bundes bei der Mitwirkung an der Setzung von Gemeinschaftsrechtsakten durch den Grundsatz der Bundestreue Wie bereits angesprochen, ist der EWG-Vertrag keine durchnormierte, sich grundsätzlich selbst genügende Rechtsordnung, sondern in wesentlichen Teilen auf eine rechtliche Konkretisierung angelegt. Der Vertrag selbst stellt weitgehend nur ein Normprogramm mit den grundsätzlichen Zielen sowie den zu deren Erreichung bereitgestellten Verfahrensweisen und institutionellen Grundlagen dar. Dementsprechend ergibt sich aus dieser Natur als „pactum de agendo" die große Bedeutung der zur Rechtsetzung berufenen Organe der Gemeinschaft. Somit hat sich die „Integrationsgewalt" des Bundes nicht im wesentlichen mit dem Abschluß des Gründungsvertrages erschöpft, sondern die Entscheidungsfindung auf der Grundlage dieses Vertrages führt erst zu der gemeinschaftlichen Normierung eines Regelungsbereiches. Hieraus ergibt sich, daß es für das Zuständigkeitsgefüge zwischen Bund und Ländern nicht nur von Bedeutung ist, ob und wieweit der Bund eine zwischenstaatliche Einrichtung mit Hoheitsbefugnissen auch für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausstatten kann, sondern auch, wie und von wem die deutschen Mitwirkungsbefugnisse bei der Willensbildung der Europäischen Gemeinschaften wahrgenommen werden.
§ 10 Die Rolle der nationalen Regierungen im Rechtsetzungsprozeß der EWG Eine umfassende Darstellung der institutionellen Struktur und des Entscheidungsprozesses innerhalb der Europäischen Gemeinschaften soll hier nicht versucht werden. Insofern ist auf das umfangreiche Schrifttum zu verweisen. Die Aufteilung der hoheitlichen Funktionen erfolgt nicht nach dem Vorbild klassischer staatlicher Organe, sondern, entsprechend dem Charakter als einer in einem Prozeß fortschreitender Integration befindlichen zwischenstaatlichen Einrichtung, auch unter Zuhilfenahme von Organisationsmustern herkömmlicher internationaler Zuammenarbeit. Die Versammlung als von ihrer Zusammensetzung her einem Parlament vergleichbares Gemeinschaftsorgan (Art. 137 ff. EWGV, Art. 2 des Abkommens über gemeinsame Organe für die europäischen Gemeinschaften vom 25. 3. 1957)
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4. Teil: Die Bindung des Bundes durch die Bundestreue
hat ihre sehr geringen Mitentscheidungs- und Kontrollbefugnisse auch nach der Einführung der Direktwahl (Beschluß des Rates über die Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten der Versammlung vom 20. 9. 1976, ABl. 1976 Nr. L 278 /1; BGBl. 1977 I I S. 734) nicht entscheidend erweitern können. Entscheidungsbefugnisse bei der Rechtsetzung der EWG kommen im wesentlichen der Kommission und dem Rat zu. Daß der EWG-Vertrag hierbei im Gegensatz zum EGKS-Vertrag dem Rat das Übergewicht zumißt, hat unter anderem auch darin seinen Grund, daß die Setzung von Sekundärrecht im Rahmen der EWG eine weitaus stärkere Bedeutung hat. Dementsprechend sollten die Mitgliedstaaten sich gegenüber dem eher supranationalen Organ Kommission „das letzte Wort" vorbehalten. Daß eine politisch starke Kommission auch aufgrund ihres Initiativrechtes einen großen Einfluß ausüben kann, ist hierdurch nicht ausgeschlossen. Andererseits hat die Entwicklung der — politischen — Kräfteverhältnisse nicht zu einer Stärkung, sondern zu einer immer weitergehenden Abschwächung der Rolle der Kommission bei den grundlegenden Entscheidungen innerhalb der Gemeinschaft geführt.
I. Die Funktion des Rates 1. Der Rat als Entscheidungsorgan der Gemeinschaft Der Rat der Europäischen Gemeinschaften (Art. 1 FusV, Art. 145 EWGV) ist das Entscheidungsorgan der EWG 1 . Seine Befugnisse ergeben sich nicht aus einer Generalnorm des EWG- Vertrages 2, denn Art. 145 EWGV kommt insofern nur eine Verweisungsfunktion zu. Vielmehr ergibt sich die Kompetenzfülle des Rates nur aus der Zusammenschau der über den Vertrag verstreuten Zuständigkeitstitel. Verordnungen und Richtlinien werden somit im wesentlichen vom Rat erlassen. Diese Entscheidungsbefugnis auf dem Gebiet der Rechtsetzung (Einzelfallverwaltung und die Beschlußfassung über den Haushalt sollen hier außer Betracht bleiben) stehen nur auf Teilbereichen das Initiativrecht der Kommission sowie die Pflicht zur Anhörung anderer Einrichtungen wie Versammlung, Kommission, Wirtschafts- und Sozialrat gegenüber. Hieran hat sich auch durch die Einheitliche Europäische Akte im Prinzip nichts geändert. Nicht eingegangen werden kann in diesem Zusammenhang auf den faktischen Einfluß des Ausschusses der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten sowie auf andere vorbereitende Ausschüsse und Gremien. Der Rat entscheidet also selbst nicht nur über grundsätzliche Fragen in Gestalt von rahmengesetzähnlichen Regelungen, sondern die meisten wesentlichen Ver1 Schweitzer, in: Grabitz, EWGV, Art. 145 Rdnr. 1; BVerfGE 22, 293, 295; 51, 222, 239. 2 Vgl. Everling, FS Ophüls, S. 33, 34.
§ 10 Die Rolle der nationalen Regierungen
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und die Richtlinien, seien sie auch noch so technischer Art, unterliegen seiner Beschlußfassung.
Ordnungen
Nach dem Wortlaut des Vertrages ist seit dem Ablauf der Übergangszeit die Möglichkeit zu Mehrheitsentscheidungen weitgehend eröffnet. Dies stellt in der internationalen Zusammenarbeit einen bedeutenden Schritt hin zu einer „supranationalen" Einrichtung dar, da hierdurch die nationale Souveränität entscheidend gebrochen werden kann. Ein realer nationaler Hoheitsverzicht kann nicht nur durch die Übertragung der Entscheidungsgewalt auf ein rechtlich von der staatlichen Willensbildung abgelöstes Organ wie der Kommission geschehen, sondern auch durch den Verzicht auf das Erfordernis der Einstimmigkeit in einem von Staatenvertretern beschickten Organ. Das in Art. 148,149 EWGV detailliert ausgearbeitete System von Einstimmigkeits- und Mehrheitsbeschlüssen, bei unterschiedlichen Anforderungen an eine unter Stimmengewichtung zustandegekommene Mehrheit, hatte jedoch praktisch seine Bedeutung verloren, seit die Regierungen auf der Grundlage der sogenannten „Luxemburger Vereinbarung" vom 28. Januar 1966 faktisch wieder zum Einstimmigkeitsprinzip zurückgekehrt sind. Zwar hat es schon 1982 wieder einen ohne Einstimmigkeit zustandegekommenen Beschluß gegeben, aber bislang ist noch kein generelles Abrücken von der bisherigen Praxis ersichtlich. Inwieweit auf der Grundlage der Einheitlichen Europäischen Akte der Mehrheitsbeschluß wieder zum Regelfall wird, bleibt abzuwarten. Faktisch hat jeder der inzwischen zwölf Mitgliedstaaten ein Vetorecht, was die Entscheidungsfindung zwangsläufig grundlegend erschwert. Die Mitverantwortung jedes nationalen Vertreters für jeden zustandegekommenen Beschluß wird hiermit jedoch verdeutlicht.
2. Der Rat als Staatenkonferenz Neben dieser integrierten Funktion als Organ der EWG kommt den „im Rat vereinigten Vertretern" der Mitgliedstaaten auch die Rolle einer Staatenkonferenz im eher herkömmlichen Sinne zu. Auch hierbei ist wiederum eine Untergliederung vorzunehmen: Zum einen üben die Staatenvertreter hierbei Funktionen aus, die der EWGVertrag nicht dem Rat als Gemeinschaftsorgan, sondern der Gesamtheit der Rgierungen der Mitgliedstaaten zugewiesen hat. Dies ist etwa die Ernennung der Mitglieder der Kommission gemäß Art. 11 Abs. 1 FusV (im Gegensatz zur Festsetzung der Gehälter der Kommissionsmitglieder, welche gem. Art. 6 FusV durch den Rat erfolgt), oder die Ernennung der Richter des Gerichtshofes gemäß Art. 167 Abs. 1 EWGV 3 . 3 Hierzu näher Schweitzer, in: Grabitz, EWGV, Art. 146 Rdnr. 12 ff.
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4. Teil: Die Bindung des Bundes durch die Bundestreue
Daneben umfassen die Beratungen und Vereinbarungen der im Rat vereinigten Vertreter jedoch auch Gegenstände, welche nicht Bestandteil eines Kompetenztitels aus dem EWG-Vertrag sind. Abgrenzungen im Einzelfall sind zwar insbesondere unter Berücksichtigung der Befugnis des Art. 235 EWGV schwierig, aber aus Rechtsgründen notwendig. Hierbei handelt es sich nämlich um eine zwischenstaatliche Koordination im herkömmlichen Sinne. Die beteiligten Staaten sind zwar dieselben wie innerhalb des durch den EWG-Vertrag gesetzten Rahmens, die handelnden Personen sind teilweise dieselben wie innerhalb des Rates, und weitgehend besteht auch ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der Beratung als Rat, wenn auf einer Sitzung Materien aus dem integrierten Bereich und solche außerhalb des Tätigkeitsfeldes der Gemeinschaft behandelt werden, aber dies macht solche Materien einer Zusammenarbeit nicht zu Gegenständen, welche ebenfalls vom EWG- Vertrag erfaßt würden 4. Institutionalisiert wurde die Europäische Zusammenarbeit in der Außenpolitik nunmehr durch die Bestimmungen im Titel I I I der Einheitlichen Europäischen Akte. Dieser Konsultations- und Koordinationsmechanismus erweitert nunmehr auch formell den gegenständlichen Bereich der durch die Gemeinschaftsverträge geregelten Zusammenarbeit. Eine Abgrenzung nach den jeweils zugrundegelegten Bestimmungen ist gerade unter dem hier interessierenden Blickwinkel der innerstaatlichen Kompetenzzuordnung wesentlich. Während nämlich Rechtsakte des Rates innerstaatlich über Art. 189 EWG-Vertrag aufgrund von Art. 24 Abs. 1 GG rechtliche Wirkung entfalten, unterliegen Vereinbarungen der Staatenvertreter außerhalb dieses Rahmens den allgemeinen Regeln, die das Grundgesetz für die internationale Zusammenarbeit aufgestellt hat 5 . Während Art. 59 GG die Organzuständigkeit zwischen den Bundesorganen verteilt, und insbesonders Art. 59 Abs. 2 GG den Gesetzgebungsorganen eine Beteiligung an der auswärtigen Gewalt sichert, ist für die Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Ländern somit Art. 32 GG zu beachten. Vorbehaltlich der Einschränkungen durch Art. 32 Abs. 2 und 3 GG ist hiernach der Bund für die Außenbeziehungen ausschließlich zuständig. Damit haben die Länder diejenigen Kompetenzen, welche durch den EWG- Vertrag auf die Gemeinschaft „übertragen" worden sind, endgültig verloren, während der Bund außerhalb dieses Rahmens bei der Kooperation auf europäischer Ebene die Schranken des Art. 32 GG zu beachten hat. Auf dieser Rechtserwägung dürfte auch der Beschluß der Kulturminister der Länder vom 4./ 5. Oktober 1979 beruhen, daß „in den Entschließungen der Bildungsminister im Rahmen der EG eindeutig zwischen Maßnahmen mit 4 Vgl. hierzu Ziffer 2.1 der »feierlichen Erklärung zur Europäischen Union" des Rates vom 19. 6. 1983, EG-Bulletin 6 / 1983, S. 26 ff.; E. Klein, DOV 1984, 1010, 1011. 5 Vgl. hierzu insgesamt Fastenrath, Kompetenzverteilung.
§ 10 Die Rolle der nationalen Regierungen
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Rechtsgrundlage in den Römischen Verträgen und solchen aufgrund vereinbarter Zusammenarbeit" unterschieden werden müsse6.
II. Die Bundesregierung als Vertretungsorgan 1. Die Zusammensetzung des Rates Gemäß Art. 2 Abs. 1 Fus V besteht der Rat aus je einem Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten. Er ist das einzige Organ, das sich aus weisungsgebundenen Mitgliedern zusammensetzt7. Während das Gemeinschaftsrecht grundsätzlich die national zuständigen Stellen nicht selbst bestimmt, wird hier ausdrücklich auf die nationalen „Regierungen" verwiesen. Diese Regelung ist auch sachgerecht, da die Vertretung nach außen herkömmlicherweise innerstaatlich der Exekutive obliegt. Sie sprengt auch nicht den durch Art. 24 Abs. 1 GG gesetzten Rahmen, da die Befugnis zur Mitwirkung an der Gründung einer zwischenstaatlichen Einrichtung auch die Schaffung funktionsfähiger Organe umfaßt. Eine weitergehende Bestimmung des jeweils national zuständigen Organs durch das Gemeinschaftsrecht erfolgt nicht, denn jede Regierung entsendet eines ihrer Mitglieder, Art. 2 Abs. 1 Satz 2 FusV. Wer im einzelnen Regierungsmitglied ist, entscheidet sich somit nach nationalem Verfassungsrecht. Die Praxis läßt auch deutsche Staatssekretäre zu 8 . Die Mitwirkung an den Beratungen kann auch einem Nichtregierungsmitglied übertragen werden (Art. 3 Abs. 3 und 4 der Geschäftsordnung des Rates), wie sich schon aus der Größe der jeweils anwesenden Verhandlungsdelegationen ergibt, aber zur Abstimmung ist nur ein Regierungsmitglied selbst befugt. Art. 150 EWG-Vertrag läßt die Stimmrechtsübertragung ausdrücklich nur auf das Regierungsmitglied eines anderen Mitgliedstaates zu. Damit ist eine engere, auf das innerstaatliche Verfassungsrecht bezogene Abgrenzung getroffen im Gegensatz zum allgemeinen Völkerrecht, das unter „Regierung" die Gesamtheit der nach außen auftretenden zentralen Organe eines Staates versteht.
2. Das Ratsmitglied nach deutschem Recht a) Die Zuständigkeit
des Bundes
Die Wahrnehmung der Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Rat der Gemeinschaften steht gemäß Art. 32 Abs. 1 GG dem Bund zu. Daß die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten nicht nur die Kontakte zu Staaten 6 Zitiert nach Schmitz-Wenzel, Bildungspolitik, S. 14. 7 Schweitzer, in: Grabitz, EWGV, Art. 145 Rdnr. 1. 8 Schweitzer, in: Grabitz, EWGV, Art. 146 Rdnr. 4. 7 Kössinger
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im engeren Sinne umfaßt, sondern auch die Vertretung in internationalen Organisationen als sonstigen Subjekten des Völkerrechts, ist inzwischen allgemeine Meinung, wenn man von Äußerungen im politischen Raum absieht. Dem steht nicht entgegen, daß die Tätigkeit der Europäischen Gemeinschaften weit über das hinausgeht, was herkömmlicherweise Gegenstand internationaler Zusammenarbeit war, da Art. 32 GG insofern keine Grenzen setzt. Die Schranken des Art. 32 Abs. 2 und 3 GG waren für den Abschluß des EWG-Vertrages nicht anwendbar, da Art. 24 Abs. 1 GG die Kompetenz zur Gründung von zwischenstaatlichen Einrichtungen und Ausstattung derselben mit hoheitlichen Befugnissen ausschließlich dem Bunde zuweist. Die Mitwirkung des Bundes im institutionellen Gefüge innerhalb dieses vertraglichen Zuständigkeitsbereichs bleibt dann Bestandteil der auswärtigen Politik, auch wenn materielle Bereiche betroffen sind, die bisher innerstaatlich geregelt wurden. Bedenken könnten sich jedoch dann ergeben, wenn im Rat Entscheidungen anstehen, welche innerstaatlich der Gesetzgebung durch die Länder unterstehen. Auch in diesem Fall ist jedoch die Zuständigkeit des Bundes gegeben. Zwar haben die Bundesländer auf den Gebieten, die in ihrer Gesetzgebungszuständigkeit ressortieren, gemäß Art. 32 Abs. 3 GG eine begrenzte Außenzuständigkeit, aber bei der Mitwirkung des nationalen Vertreters im Rat handelt es sich nicht um eine mit dem Abschluß eines völkerrechtlichen Vertrages vergleichbare Tätigkeit. Für den der Rechtsetzung durch die Gemeinschaft unterliegenden Bereich hat der deutsche Gesetzgeber bereits auf die Ausschließlichkeit der Ausübung deutscher Hoheitsgewalt verzichtet. Die gemeinschaftliche Rechtsetzung als solche bedarf auch keines völkerrechtlichen Staatenkonsenses mehr, sondern der Annahme innerhalb des gemeinschaftsrechtlich institutionalisierten Verfahrens. Damit ist der Regelungsgegenstand einer völkervertragsrechtlichen Normierung entzogen, so daß eine vor dem Inkrafttreten des EWG-Vertrages mögicherweise bestehende Vertragsschlußkompetenz der Länder nunmehr ins Leere geht. Auch eine erweiternde Auslegung oder analoge Anwendung von Art. 32 Abs. 3 GG in Bezug auf die Mitwirkung im Rat muß ausscheiden. Wie sich aus den Regelungen der Art. 24, 32 und 59 GG ergibt, ist grundsätzlich der Bund für die Außenbeziehungen zuständig. Art. 32 Abs. 3 GG setzt hierzu eine begrenze Ausnahme, die bei funktionaler Auslegung in diesem Zusammenhang auch nicht erweitert werden kann. Aus diesem Grunde ist auch die oben angeführte Trennung zwischen der Tätigkeit des Rates als gemeinschaftlichem Rechtsetzungsorgan und dem der völkerrechtlichen Kooperation der Mitgliedstaaten zuzuordnenden Handeln der im Rat vereinigten Vertreter von innerstaatlich nicht geringer Bedeutung. Hier stehen integrationspolitischer Überschwang und die Scheu, die jeweiligen Rechtsgrundlagen exakt zu definieren, auf der einen Seite und das Interesse der
§ 10 Die Rolle der nationalen Regierungen
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Länder an einer Wahrung der innerstaatlichen Kompetenzverteilung andererseits in krassem Widerspruch. b) Die Zuständigkeit
der Bundesregierung
Die materielle auswärtige Gewalt kommt nach dem Grundgesetz vorbehaltlich der sich aus Art. 59 Abs. 1 GG ergebenden Rechte des Bundespräsidenten und der sich aus Art. 59 Abs. 2 GG ergebenden Zuständigkeiten der Legislative der Bundesregierung zu. Da Art. 2 Abs. 1 FusV in das nationale Recht hineinverweist, gilt für die Zusammensetzung Art. 62 GG. Der jeweilige nationale Vertreter im Rat entscheidet dort nicht kraft eigenen Rechts, sondern als Vertreter seines Staates. Dementsprechend gilt für den Umfang seiner Entscheidungsbefugnis nichts anderes als für die innerstaatliche Willensbildung auch. Wer jeweils einen Staat im Rat vertritt, ist der nationalen Bestimmung überlassen. Dementsprechend tagt der Rat auch nicht ausschließlich in der Besetzung der Außenminister, sondern, den jeweiligen Beratungsgegenständen angepaßt, auch als Agrar-, Finanz-, Wirtschafts- oder Forschungsrat. Alle dort jeweils zustandegekommenen Beschlüsse sind jedoch dem einen Gemeinschaftsorgan „Rat" zuzurechnen. Für die grundlegenden Entscheidungen sind zwar meist — vorbehaltlich der Befassung des sich aus den Staats- und Regierungschefs zusammensetzenden „Europäischen Rates" — die Außenminister zuständig, aber dies bedeutet keine Überordnung inm Verhältnis zu einem Fachminister-Rat. Rechtlich sind die Beschlüsse von derselben Qualität, in welcher Besetzung auch immer der Rat entschieden hat. Für den Prozeß der nationalen Entscheidungsfindung macht das Gemeinschaftsrecht selbst keine Vorgaben. Es begnügt sich damit, die Vertretung durch ein Regierungsmitglied zu verlangen, um ein Mindestmaß an eigener Entscheidungsfreiheit des jeweiligen Vertreters sicherzustellen, was für die Findung von Kompromissen unerläßlich ist. Kommt der Bundesregierung als dem Organ der Staatsleitung die Vorbereitung der deutschen „Verhandlungslinie" zu, so bestimmt sich die Verteilung der Entscheidungsbefugnis auf den Bundeskanzler, den jeweils gegenständlich zuständigen Ressortminister und die Regierung als Kollegialorgan nach den allgemeinen Kompetenzabgrenzungsregeln. Maßgeblich für die gegenseitige Zuordnung der Richtliniengewalt des Bundeskanzlers, des Kollegialitätsprinzips 9 und der Ressortverantwortung der jeweiligen Minister ist vor allem Art. 65 GG, welcher durch die Geschäftsordnung der Bundesregierung ausgeführt wird. Eine sehr häufige Komplizierung tritt in Angelegenheiten der Gemeinschaft dadurch ein, daß außer den jeweils den Einzelres9 Vgl. hierzu Beinhofer, Das Kollegialitätsprinzip. 7*
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sorts zuzuordnenden Fachfragen stets auch außenpolitische Belange und meist zusätzlich finanzpolitische Belange zu berücksichtigen sind. Ungeachtet dieser internen Zuordnungsfragen im einzelnen ist jedoch nach außen, im Verhältnis zu anderen Bundesorganen oder zu den Ländern die Bundesregierung für die Vertretung im Rat ausschließlich zuständig. Die Vertretung unterhalb der Regierungsebene obliegt der dem Auswärtigen Amt (Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG) nachgeordneten Ständigen Vertretung, wobei nach der deutschen Praxis sowohl personell als auch inhaltlich das Wirtschaftsressort weitgehend beteiligt wird. Aus der Zusammenschau der Stellung des Rates innerhalb des Institutionengefüges der Gemeinschaft einerseits und der Rolle der Bundesregierung als nationalem Vertretungsorgan andererseits läßt sich unschwer entnehmen, daß materiell die Bundesregierung an der Legislativgewalt der Gemeinschaft partizipiert 10 .
§ 11 Die Bindung der Bundesregierung in Verfahrensfragen Über die ausschließliche Zuständigkeit der Bundesregierung für die Formulierung und die Durchsetzung der deutschen Verhandlungsposition bei den Beratungen und Beschlüssen des Rates führt die Vergemeinschaftung materiell zu einer Kömpetenzverlagerung in zwei Richtungen: von der Legislative zur Exekutive und von den Ländern auf den Bund. Diese Verlagerung ist selbstverständlich nur eine indirekte und führt bei dem Adressaten nur zu einem geringeren Kompetenzzuwachs als die Abgebenden Verluste erleiden, da die Bundesregierung nur an der Gemeinschaftsentscheidung mitwirken kann. Diese Verschiebung des innerstaatlichen Machtgefüges ist notwendig, um nach außen die Mitwirkung in einem arbeitsfähigen Entscheidungsorgan der Gemeinschaft zu sichern. Aus diesem Grunde sind die entsprechenden Bestimmungen des Gründungsvertrages auch von Art. 24 Abs. 1 GG gedeckt, der insoweit eine mögliche Anpassung der sonstigen innerstaatlichen Zuständigkeiten in Kauf nimmt. Diese Machtverlagerung zwischen einzelnen Trägern hoheitlicher Gewalt und ihren Organen darf jedoch im Interesse der Aufrechterhaltung einer horizontalen und vertikalen Funktionen- und damit Machtverteilung nur so weit gehen, als es von Gemeinschaftsrechts wegen unabdingbar ist. Hieran knüpfen Versuche an, die Bundesregierung bei der Ausübung der ihr zugewachsenen zusätzlichen Mitwirkungsbefugnisse zu einer Zusammenarbeit mit anderen Bundesorganen einerseits, mit den Ländern andererseits zu veranlassen 11.
Oppermann, in: Neue Entwicklungen, S. 85, 101. " Vgl. hierzu auch Weber, DVB1. 1986, 800 ff.
§ 11 Die Bindung der Bundesregierung in Verfahrensfragen
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I. Artikel 2 des Gesetzes zu den Verträgen vom 25. März 1957 zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft vom 27. Juli 1957 (BGBl. I I S. 753) 1. Vorgeschichte Die Minderung der Entscheidungsrechte der gesetzgebenden Organe zugunsten einer Mitentscheidungsmöglichkeit für die Bundesregierung im Rat der Gemeinshaft wurde bereits bei den Beratungen über das Zustimmungsgesetz (im folgenden: ZustG) deutlich erkannt. Dementsprechend versuchte der Gesetzgeber, sich ein Mindestmaß an Mitentscheidungs- oder wenigstens Mitberatungsmöglichkeiten offenzuhalten. Der Bundesrat war hierdurch besonders betroffen, weil er — im Gegensatz zum Bundestag — nicht darauf hoffen konnte, daß der Verlust eigener Mitentscheidungsmöglichkeiten durch die Einrichtung eines seiner Stellung entsprechenden Organs mit vergleichbaren (wenigstens im Ansatz vorhandenen) Befugnissen auf europäischer Ebene im Laufe der weiteren Entwicklung ausgeglichen werden könnte 12 . Der Versuch, die Pflicht der Bundesregierung gesetzlich zu verankern, die Instruktion des Ratsvertreters jeweils erst nach der Beratung mit einem Ausschuß von Ländervertretern vorzunehmen, blieb im Gesetzgebungsverfahren stecken. Durchgesetzt wurde lediglich die Pflicht der Bundesregierung zu laufender Unterrichtung von Bundestag und Bundesrat (Art. 2 Satz 1 ZustG) 13 . Gemäß Art. 2 Satz 2 ZustG soll die entsprechende Unterrichtung bereits vor der Beschlußfassung durch den Rat erfolgen, sofern es sich um Rechtsakte handelt, die entweder innerstaatliche Rechtsetzungsakte erfordern, oder unmittelbar geltendes Recht schaffen, was nach der gemeinschaftsrechtlichen Terminologie wohl als „unmittelbar anwendbares" Recht zu lesen ist.
2. Die Information des Bundesrates Der Pflicht zur Information des Bundesrates kommt die Bundesregierung zum einen dadurch nach, daß sie den gesetzgebenden Körperschaften die periodischen Berichte zum Stand der Integration erstattet. Zum anderen werden die gemeinschaftlichen Entscheidungsentwürfe vom Bundeskanzleramt unverzüglich auch dem Bundesrat zugeleitet, der diese dann in den zuständigen Ausschüssen berät. Ebenso wie der Bundestag faßt der Bundesrat abschließend „schlichte" Beschlüsse mit Empfehlungsfunktion an die Bundesregierung. Dies bleibt zwar 12 Sasse, in: Der Bundesrat, S. 333, 339. 13 Buerstedde, Der Ministerrat, S. 112 f.; vgl. Mosler, FS Wehberg, S. 273, 298; Schwan, S. 108 ff.; Hrbek, Außenpolitik 1987, 120, 125.
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sehr oft nicht ohne Einfluß auf deren Haltung in den Gemeinschaftsorganen, andererseits ist die Wirkung von Bundesratsentschließungen schon dadurch beschränkt, daß jeweils nur in einem Vorbereitungsstadium mitberaten werden kann. Kommt eine auf Gemeinschaftsebene bis zuletzt umstrittene Angelegenheit vor den Rat, scheidet eine erneute Einschaltung der gesetzgebenden Körperschaften vor der endgültigen Beschlußfassung des Rates naturgemäß aus, wenn man eine Beschlußfassung des Rates nicht ausschließlich aus diesem Grund verhindern bzw. verzögern will. Dem Bundesrat verbleibt somit nur die Ausübung der nach nationalem Recht gegebenen Möglichkeit zur — politischen — Kontrolle der Bundesregierung ex post.
3. Gemeinschaftsrechtliche Statthaftigkeit Während das Gemeinschaftsrecht selbst bestimmt, daß die Mitgliedstaaten im Rat durch ein Regierungsmitglied vertreten werden, trifft es keine Bestimmung darüber, wie der innerstaatliche Prozeß der Entscheidungsfindung abzulaufen hat. Die Zuleitung von Vorlagen ist schon deshalb zulässig, weil diese keinen vertraulichen Charakter tragen und auch von der Kommission veröffentlicht werden. Lediglich die Ratsverhandlungen selbst sind rechtlich gesehen vertraulich, so daß eine Veröffentlichung ausscheidet. Eine solche Vertraulichkeit ist geboten, um innerhalb des Rates eine Kompromißlösung ohne zu großen Gesichtsverlust der beteiligten Regierungen und der Kommission zu erleichtern. Allein durch die Bekanntgabe in einer (nichtöffentlichen) Sitzung des Bundesrates wird die Vertraulichkeit nicht gebrochen. Nicht unzulässig ist auf jeden Fall die Offenlegung der eigenen Positionen der Bundesregierung gegenüber dem Gesetzgeber — auch in öffentlicher Sitzung —. Wo hierbei dann die Grenzen der Vertraulichkeit hinsichtlich des Verhaltens der übrigen Beteiligten liegt, ist eine Frage des Einzelfalles. Die hierdurch grundsätzlich ermöglichte parlamentarische Kontrolle der Bundesregierung wird nach der Ratspraxis dadurch erleichtert, daß bei Einstimmigkeitsentscheidungen auch die Möglichkeit ausscheidet, sich auf die Überstimmung durch die anderen Partner zu berufen. Durch die Beteiligung des Bundesrates an der innerstaatlichen Entscheidungsfindung wird auch das Beschlußverfahren der Gemeinschaft nicht beeinträchtigt. Da die Konsultation bereits in der Vorbereitungsphase erfolgt, tritt keine unzumutbare Verzögerung ein. Durch den empfehlenswerten Charakter der Beschlüsse erfolgt auch keine so enge Bindung des Ratsvertreters, daß eine Beschlußfassung und Kompromißfindung im Rat unmöglich oder über die Maßen erschwert würde 14 . Politische Rücksichtnahmen sind aus der Sicht der Gemeinschaft her
Sasse, in: Der Bundesrat, S. 333, 361 f.
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ebenso in Kauf zu nehmen, wie die Verhandlungsvollmacht eines Ratsvertreters durch Beschlüsse seiner ihn entsendenden Regierung beschränkt sein kann.
4. Verfassungsrechtliche Einbindung Seine verfassungsrechtliche Grundlage findet das Recht des Bundesrates auf Information durch die Bundesregierung in Art. 53 Satz 2 GG. Hieraus ergibt sich gerade auch die Pflicht der Bundesregierung, über die in die Zuständigkeit der Exekutive fallenden Angelegenheiten auf dem Gebiet der Außenpolitik den Bundesrat auf dem laufenden zu halten, also ständig und ohne Aufforderung im einzelnen. Art. 2 ZustG enthält insofern nur eine Klarstellung. Eine Erweiterung kann ihm jedoch insofern entnommen werden, als sich die Information nicht nur auf Vorhaben und die beabsichtigte Haltung der Bundesregierung selbst erstreckt, sondern auch auf von anderer Stelle (Kommission, andere Mitgliedstaaten) eingeleitete Maßnahmen15. Auch bei seiner Einbindung in den integrationspolitischen Entscheidungsfindungsprozeß ist der Bundesrat „kein allgemeines und umfassendes Repräsentationsorgan der Länderinteressen gegenüber der Bundesstaatsgewalt"16. Vielmehr bleibt er eines der Staatsorgane des Bundes. Damit kann durch ihn auch keine Mediatisierung der Länder in ihrem Zuständigkeitsbereich eintreten 17. Er hat in seinem Zuständigkeitsbereich Bundeskompetenzen wahrzunehmen. Das heißt auch, daß im Zuständigkeitsbereich der Länder für einen Entzug von Kompetenzen nicht dadurch eine Kompensation erfolgen kann, daß dem Bundesrat etwa Aufgaben zuwüchsen. Dagegen spricht insbesonders, daß innerhalb des Bundesrates Mehrheitsentscheidungen möglich sind, während bei einer Abstimmung der Länder untereinander bei Gegenständen, zu deren Regelung sie selbst befugt sind, das Einstimmigkeitsprinzip Anwendung findet. Von dieser Zuordnung zu der Kompetenzsphäre des Bundes unberührt bleibt der Umstand, daß es selbstverständlich die Länder sind, deren politischer Wille über den Bundesrat auf der Ebene des Bundesstaates Ausdruck findet 18 . Es ist in anderem Zusammenhang darauf hingewiesen worden, daß eine verstärkte Beteiligung der Länder qua Bundesrat an der Gesetzgebung des Bundes einen Ausgleich dafür darstellen könne, daß ihre originären Entscheidungsrechte abnähmen19. Der hier vorliegende Fall ist indes nicht mit dem der Art. 84 Abs. 1, 15 Vgl. Oetting, S. 92 ff. 16 Sasse, in: Der Bundesrat, S. 340; vgl. Blumenwitz, GS Sasse I, S. 215, 218. 17 Blumenwitz, GS Sasse I, S. 215, 218. 18 Vgl. Geiger, Mißverständnisse, S. 18 f. 19 Hesse, Bundesstaat, S. 21 ff.; ders., AöR 98 (1973), 1, 46 ff.; vgl. auch Vorwerk, S. 239; Bullinger, Mineralölfemleitungen, S. 56 f.; ders., DÖV 1970, 761, 765 f.; krit. Rudolf, FG BVerfG II, S. 233, 238; Stern, in: Politikverflechtung, S. 15, 25 f.
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85 Abs. 1 GG vergleichbar. Zum einen nämlich ist die Regelung der Art. 84, 85 GG ein ausdrücklich vorgesehener Tatbestand für die Verlagerung einer ursprünglich ländereigenen Gesetzgebungskompetenz auf den Bund unter Einbeziehung des Bundesrates. Zum anderen steht dem Verlust der Möglichkeit der Länder, die Einrichtung der Behörden selbst zu regeln, nunmehr das Mitentscheidungsrecht des Bundesrates hinsichtlich des gesamten Bundesgesetzes, also auch seines materiellen Teiles, gegenüber. Der Bundesrat entscheidet somit nun in jenen Fällen auch über Regelungsgegenstände, die ursprünglich vom Bundestag als Einspruchsgesetz hätten beschlossen werden können. Auf dem Tätigkeitsgebiet der Europäischen Gemeinschaften steht jedoch dem Beratungsrecht des Bundesrates auch ein Verlust an einem Mitentscheidungsrecht der Länder gegenüber. Eine den Verlust ausgleichende, überschießende Anwachsung findet nirgends statt. Zum anderen beinhaltet das Informations- und Beratungsrecht in keinem Falle eine rechtlich gesicherte Mitentscheidungsmöglichkeit. Damit ist die von Hesse 20 genannte Grundvoraussetzung für die Möglichkeit einer Kompensation autononomer Gestaltungsmöglichkeiten der Länder durch Mitwirkungsrechte im Bunde nicht erfüllt, nämlich die annähernde Gleichwertigkeit unter dem Aspekt der Funktionserhaltung der Länder als politische Entscheidungszentren 21. Wenn nun die konsultative Einbeziehung des Bundesrates nicht einen etwaigen Kompetenzverlust der Länder ausgleichen kann, so ist hierdurch nicht ausgeschlossen, daß das Informationsrecht des Bundesrates an die Stelle originärer Mitentscheidungsrechte getreten ist. Während der Bundesrat bei der nationalen Gesetzgebung — in abgestufter Form — zur Mitwirkung berufen ist (Art. 76 ff., 80 Abs. 2, 84 ff. GG), ging er dieser Möglichkeiten auf der Gemeinschaftsebene verlustig. Auf diesen Gebieten ist ihm lediglich das durch Art. 2 ZustG konkretisierte Informationsrecht verblieben. Es kann also in diesem Zusammenhang nicht von einer „Kompensation" für einen eingetretenen Kompetenzverlust gesprochen werden. Das Mitberatungsrecht ist lediglich ein rudimentärer Rest eines vormaligen Mitentscheidungsrechtes 22. Eine rechtliche Bindung der Bundesregierung an die Beschlüsse des Bundesrates — wie auch des Bundestages — besteht nicht 23 . Die Regierung handelt bei ihrer Mitwirkung in Gemeinschaftsorganen kraft eigenen Rechtes als Exekutive, nicht als Vertreter des Gesetzgebers. Die hierdurch eintretende teilweise politische Entmachtung der Legislative wird nur durch eine entsprechende politische Kontrollmöglichkeit abgefedert. Sie ist jedoch durch Art. 24 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich sanktioniert. 20 Hesse, AöR 98 (1973), 1, 46. 21 Vgl. auch Oetting, S. 95 f. 22 Vgl. Oetting, S. 33; ähnlich Schwan, S. 111 f. 23 Spelten, S. 27.
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II. Der Schriftwechsel vom 19./26. September 1979 1. Vorgeschichte Die Gefahr einer fortlaufenden Kompetenzausdünnung durch die Entwicklung des Gemeinschaftsrechts wurde von den Bundesländern bereits bei der Gründung der EGKS ernst genommen. Versuche, bestimmenden Einfluß auf Auswahl und Instruktion des deutschen Ratsvertreters zu gewinnen, führten jedoch nicht zum Erfolg 24 . Auch bei der Beratung der Zustimmungsgesetze zu den Römischen Verträgen blieben Initiativen stecken, ein solches Recht der Länder gesetzlich festzuschreiben. Der Bund war nicht bereit, seine von ihm beanspruchte Kompetenz über Gebühr einschränken zu lassen, so daß es bei der Regelung des Art. 2 ZustG verblieb. Für die Beteiligung der Bundesländer bei der Formulierung der deutschen Verhandlungslinie innerhalb der Gemeinschaft auf Gebieten, deren Regelung innerstaatlich der Gesetzgebung durch die Länder unterläge, kann das Übereinkommen zwischen Bundesregierung und den Staatskanzleien der Länder über das Vertragsschließungsrecht des Bundes vom 14. November 1957, das sogenannte Lindauer Abkommen, keine Anwendung finden 25. Bei Rechtsetzungsmaßnahmen der Gemeinschaft ist kein weiterer Vertragsschluß durch den Bund erforderlich, der den Rekurs auf das Vertragsschlußrecht erforderlich machte 26 . Demgemäß erstreckt sich auch die Tätigkeit der auf der Grundlage des Lindauer Abkommens errichteten ständigen Vertragskommission der Länder 27 nicht auf den Integrationsbereich. Auch in der Folgezeit gaben die Bundesländer ihre Bemühungen nicht auf, einen weitergehenden Einfluß auf die Position des Bundes in gemeinschaftsrechtlichen Fragen zugestanden zu erhalten. Dies sollte nach Möglichkeit in Gestalt einer förmlichen Vereinbarung geschehen28. In der Sache war der Bund, das heißt hier die Bundesregierung, bereit, auf die Vorstellungen der Länder einzugehen. Den Abschluß einer förmlichen Vereinbarung lehnte er jedoch ab. Als Kompromißlösung wurde dann eine einseitige Erklärung des Bundeskanzlers gegenüber dem Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz der Länder gefunden. Dieser bestätigte dann mit Schreiben vom 26. September 1979 die Zustimmung zum Inhalt der vom Bundeskanzler gemäß den voraufgegangenen Verhandlungen verfaßten Erklärung vom 19. September 1979.
24 Vgl. hierzu auch Mosler, FS Wehberg, S. 273, 298. 25 Text siehe Hirsch, S. 80 f. 26 Blumenwitz, GS Sasse I, S. 215, 221. 27 Zu Entstehung und Arbeitsweise vgl. Hirsch, S. 83 ff. 28 A. Goppel, in: Assmann/Th. Goppel, S. 9, 17; Sasse, Regierungen, S. 82 f.; Schwan, S. 112 ff.
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2. Inhalt der Erklärung Die Erklärung des Bundeskanzlers geht davon aus, daß bei Vorhaben der Gemeinschaft, soweit sie ganz oder in einzelnen Bestimmungen in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fallen, oder deren wesentliche Interessen berühren, Bund und Länder aufgrund des wechselseitigen Treueverhältnisses zu einer engen Zusammenarbeit verpflichtet sind 29 . Demgemäß werde der Bund die Länder rechtzeitig und umfassend über alle Vorhaben unterrichten. Auf den innerstaatlich in ihre Gesetzgebungszuständigkeit fallenden Gebieten sollten die Länder die Möglichkeit erhalten, ihren Standpunkt eingehend und umfassend darzustellen. Der Bund geht allerdings davon aus, daß die Länder sich bemühen, ihren Beitrag in die außen- und integrationspolitischen Zielsetzungen und Notwendigkeiten des Bundes einzuordnen. Der Bund wird sich um ein Einvernehmen mit den Ländern bemühen und versuchen, diesen Standpunkt soweit als möglich in die Verhandlungen im Rahmen der Gemeinschaft einzubringen und durchzusetzen. Vom Standpunkt der Länder werde der Bund nur aus zwingenden außen- und integrationspolitischen Gründen abweichen. Tut er dies, so teilt er den Ländern die hierfür maßgeblichen Gründe mit. Bei EG-Vorhaben, die zwar nicht in die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit der Länder fallen, aber ihre wesentlichen Interessen berühren, will der Bund die Länder anhören. In Ausführung dieser Beteiligungsabsicht wurde die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien durch Einfügung eines § 85 a GGO so geändert, daß dieses Verfahren sichergestellt wird 3 0 . Die von den jeweils zuständigen Bundesministerien dem Beobachter der Länder bei den Europäischen Gemeinschaften zugeleiteten Dokumente übermittelt dieser an die Landesvertretungen in Bonn, welche für die Information ihres jeweils zuständigen Ressorts dann selbst Sorge tragen. Wenn eine gemeinsame Stellungnahme der Länder für erforderlich erachtet wird, geschieht dies durch die Vermittlung einer jeweils durch die Fachministerkonferenzen bestimmten Stelle gegenüber dem zuständigen Bundesministerium. Gelangen die Länder nicht zu einer einheitlichen Auffassung, so wird dies dem Bund ebenfalls mitgeteilt.
3. Rechtliche Beurteilung Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der EG, welche Länderkompetenzen oder -interessen berühren, vollzieht sich in einer rechtlich ungeklärten Grauzone. War schon das Lindauer Abkommen einer ver-
29 Hierzu Rudolf,, FS Schlochauer, S. 117, 131. 30 Zum Verfahren vgl. auch Schwan, S. 117 f.
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fassungsrechtlichen Einordnung nicht zugänglich, so werden die dogmatischen Schwierigkeiten hinsichtlich des Briefwechsels noch größer. Es bleibt daran festzuhalten, daß die durch das Grundgesetz zugeordneten Kompetenzen von Bund und Ländern einem einseitigen Verzicht 31 ebenso entzogen sind wie einer einvernehmlichen Übertragung durch Vereinbarung 32. Schon die Zuordnung in eine dieser beiden Gruppen stößt hier auf Probleme. Während der Bund davon ausgeht, die Erklärung des Bundeskanzlers vom 19. 9. 1979 sei lediglich einseitig abgegeben worden, ist zumindest der Freistaat Bayern der Ansicht, aufgrund der vorausgegangenen Verhandlungen und des nachfolgenden „Bestätigungsschreibens" des Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz der Länder handele es sich um eine Vereinbarung 33. Indes, der Bund hat sich in diesen vorausgegangenen Verhandlungen bis zuletzt geweigert, ein förmliches Abkommen mit den Ländern zu schließen, etwa in Gestalt eines zweiten „Lindauer Abkommens", so daß der äußeren Fom der Erklärung als einseitig für die Qualifizierung ein entscheidendes Gewicht zukommt. Eine schwerwiegende Bedeutung kommt dieser Unterscheidung allerdings nicht zu. Allenfalls könnte sich der Bund eine größere Freiheit bei der Auslegung seiner „einseitigen" Absichtserklärung offenzuhalten versuchen 34. Diese einseitige Erkärung des Bundes kann aber, wie gesagt, keinen Kompetenzverzicht beinhalten, da ein solcher im Wege der Verfassungsänderung zu erfolgen hätte 35 . Dies verlagert die Bedeutung der Erklärung von der Ebene des Verfassungsrechts auf die der Verfassungspolitik. Der Bund verpflichtet sich gegenüber den Ländern, von der nach seiner Ansicht allein ihm zukommenden Kompetenz zur Vertretung der Bundesrepublik in den Gemeinschaftsgremien, im wesentlichen im Rat, nur in Abstimmung mit den Ländern Gebrauch zu machen, sofern materielle Bereiche aus deren innerstaatlichen Zuständigkeiten betroffen sind. Es handelt sich also, wie bereits beim Lindauer Abkommen, um die Festschreibung eines „modus vivendi", der beide Seiten davon Abstand nehmen läßt, eine verbindliche Klärung durch das Bundesverfassungsgericht herbeiführen zu lassen. Wiederum wurde ein Verfahren gefunden, um einen „offenen Verteilungskampf zwischen Bund und Ländern zu vermeiden" 36 .
31 BVerfGE 1, 14, 35; 55, 274, 301. 32 BVerfGE 32, 145, 156; 39, 96, 120; 41, 291, 311; 55, 274, 301; Geiger, BayVBl. 1957, 301, 303; Stern, Staatsrecht I, S. 673; Fastenrath, S. 137; a. A. HempeU S. 256 ff. 33 Vgl. Blumenwitz, GS Sasse I, S. 215, 225. 34 So Blumenwitz, GS Sasse I, S. 215, 226. 35 Zu der anders gelagerten, aber — auf Gemeinschaftsebene — strukturell vergleichbaren Problematik der Abgrenzung und einvemehmlichen Klarstellung der wechselseitigen Befugnisse von Gemeinschaftsorganen vgl.: Gemeinsame Erklärung des Parlaments, des Rates und der Kommission über verschiedene Maßnahmen zur Gewährleistung einer besseren Abwicklung des Haushaltsverfahrens vom 30. Juni 1984 (ABl. C 194 v. 28. 7. 1984, S. 1); hierzu E. Klein, DÖV 1984, 1010. 36 Sasse, in: Der Bundesrat, S. 333, 341 f.
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Diese Qualifizierung als „rechtlich unverbindlich", da nicht konstitutiv, sondern allenfalls deklaratorisch, kann aber nicht befriedigen. Zwar entziehen sich lediglich faktische Einflußnahmen auf die Meinungsbildung der zuständigen Organe einer rechtlichen Beurteilung, da auch die Bundesregierung vor ihrer Entscheidungsfindung Dritte anhören kann. In diesem Fall liegt jedoch nicht allein eine Beteiligung der Länder als „Sachverständige in Ländermaterien" vor. Vielmehr soll den Ländern ein inhaltlich weithin bestimmender Einfluß auf die Entscheidung des Bundes eingeräumt werden. Eine solche Praxis wäre verfassungswidrig, wenn sie nicht durch das Grundgesetz zugelassen oder sogar gefordert würde. Wie bereits ausgeführt, ist die Bundesregierung das sowohl nach innerstaatlichem Verfassungsrecht als auch nach Gemeinschaftsrecht zuständige Organ für die Vertretung im Rat 37 . Diese Vertretung ist nicht auf die Materien beschränkt, welche innerstaatlich in den Zuständigkeitsbereich des Bundes fallen. Sekundäres Gemeinschaftsrecht bedarf auch keiner nachfolgenden Transformation in nationales Recht, so daß sich das Gebot einer Abstimmung zwischen Bund und Ländern nicht daraus ergibt, daß der Bund zur innerstaatlichen Umsetzung seiner nach außen eingegangenen Verpflichtungen des Konsenses der Länder bedarf. Unberührt bleiben etwaige Durchführungsverpflichtungen, die sich jedoch auch für die Länder aus der durch das nationale Recht anerkannten Maßgeblichkeit des Gemeinschaftsrechts ergeben. Aus diesem Befund folgt, daß die nach Art. 32 Abs. 1,24 Abs. 1GG zuständige Bundesregierung das Letztentscheidungsrecht über die die Integration betreffenden Fragen nicht den Ländern überlassen darf. Durch die „Übertragung" von Hoheitsrechten auf die Gemeinschaften sind deren Organe nunmehr auf den bezeichneten Gebieten entscheidungsbefugt. Der hierdurch erfolgte indirekte Machtzuwachs der Bundesregierung ist durch die Integrationsentscheidung mit umfaßt. Die jeweiligen „fachpolitischen" Entscheidungen sind in jedem Fall auch durch allgemeine außen-, europa- und integrationspolitische Erwägungen geprägt. Der Prozeß der fortschreitenden Integration durch Rechtsetzung steht primär unter dem Aspekt einer in ihrem Gesamtbild vertretbaren Entwicklung, nicht so sehr unter dem Gesichtspunkt einer optimalen Regelung jeder Einzelfrage. Dies wird durch die oft im Rat praktizierte Verknüpfung zu Entscheidungspaketen besonders deutlich. Demgemäß muß und darf im Einzelfall eine unter nationalem Blickwinkel weniger sachgereche Lösung gesucht und akzeptiert werden. Aus der Erklärung des Bundeskanzlers ergibt sich jedoch gerade, daß der Bund sich dieses Letztentscheidungsrechtes nicht entäußern will. Bei zwingenden außen- und integrationspolitischen Gründen behält er sich ein Abweichen von einer übereinstimmenden Auffassung der Länder ausdrücklich vor 3 8 . Damit ist 37 Vgl. Zuleeg, DÖV 1977, 462, 465 f.
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die Zuordnung der Formulierung der deutschen Position im Rat zu dem Kompetenztitel „Auswärtige Beziehungen" gewahrt. Der Umstand, daß auch innerstaatliche Regelungszuständigkeiten mit berührt werden, hat für die kompetenzielle Qualifikation nur sekundäre Bedeutung. Dieses Ergebnis ermöglicht auch eine effektive Wahrnehmung der Mitgliedschaft durch die Bundesregierung. Die Entscheidung in einer konkreten Verhandlungssituation unter dem Zwang zur Annahme oder Ablehnung eines neuen Kompromißvorschlages wird nicht durch die rigide Selbstbindung der Regierung an eine unter vielleicht ganz anderen Voraussetzungen zustandegekommene Auffassung der Länder verhindert. Die intensive inhaltliche Abstimmung mit den Ländern im Vorfeld der Ratsentscheidung ist nach der hier vertretenen Auffassung nicht nur nicht bedenklich, sondern verfassungsrechtlich sogar geboten, so daß es sich nicht um ein kompetenzverschiebendes „freiwilliges Entgegenkommen" des Bundes handelt. Im Bundesstaat steht die Wahrnehmung der jeweiligen Kompetenzen von Bund und Ländern unter dem Gebot der Rücksichtnahme auf die jeweils andere Seite. Hiervon ist auch die Mitwirkung des Bundes im Rat nicht ausgenommen. Diese Pflicht zum länderfreundlichen Verhalten wird für den Bund dann verdichtet, wenn Materien in Frage stehen, die innerstaatlich von den Ländern zu regeln wären. Die Möglichkeit der „Übertragung" von Länderkompetenzen auf die Gemeinschaften hat das Grundgesetz nicht im Interesse des Bundes geschaffen, sondern als Instrument einer internationalen Zusammenarbeit, welche mit zu den Verfassungsdirektiven gehört. Nur um diese Kooperation nicht durch die Anbindung an innerstaatliche Zuständigkeiten bewegungsunfähig werden zu lassen, besitzt der Bund seine Zuständigkeit zur Wahrnehmung aller deutschen Mitgliedsrechte. Das Bundesstaatsprinzip muß demgegenüber zurücktreten. Indes, der sich aus der Option für die internationale Zusammenarbeit ergebende Zwang zur weiteren Unitarisierung dieses Bundesstaates darf in seinem Umfang nicht durch die Kriterien der Zweckmäßigkeit oder der Einfachheit der Entscheidungsfindung des zuständigen Bundesorgans bestimmt werden. Die Stellung der Länder als eigenständige staatliche Körperschafen mit einem Kern eigener hoheitlicher Befugnisse und politischer Entscheidungsmacht genießt im Grundgesetz ebenfalls eine herausragende Stellung. Hieraus folgt, daß die Außenkompetenz des Bundes nur soweit zulasten der ursprünglichen Innenkompetenzen der Länder gehen darf, als es für die Effektuierung einer gemeinschaftlichen Ordnung unerläßlich ist 39 . Demgemäß muß den Ländern innerhalb des Rahmens, der durch die Eigengesetzlichkeiten der gemeinschaftlichen Entscheidungsfindung gesteckt ist, ein Mitwirkungsrecht zukommen. 38 Die Zulässigkeit wird demgemäß auch bejaht von Fastenrath, S. 168 f. 39 Bleckmann, RIW/AWD 1978, 144, 147.
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Wie bereits dargelegt, enthält das Gemeinschaftsrecht keine Vorgaben für die innerstaatliche Entscheidungsfindung. Im Regelfall nimmt das Rechtsetzungsverfahren der Gemeinschaft auch einen Zeitraum in Anspruch, der für eine Abstimmung des Bundes mit den Ländern ausreichend ist. Dementsprechend ergibt sich das Gebot zu frühestmöglicher Information der Länder. Die jeweilige Zuständigkeit innerhalb der Länder zur Formulierung ihrer Stellungnahme ergibt sich allein nach Landesverfassungsrecht. Hier sind nun wiederum die Regierungen zuständig. Dieser weitere Vorgang einer Verschiebung von Entscheidungszuständigkeiten von dem jeweiligen Gesetzgeber auf die Regierung ist jedoch nicht Gegenstand dieser Untersuchung, wenn sich auch hier dieselben Interessenlagen ergeben dürften wie bei der Verlagerung von Entscheidungszuständigkeiten vom Bundesgesetzgeber auf die Bundesregierung. Das informelle Abstimmungsverfahren der Länder untereinander unterliegt keinen speziellen verfassungsrechtlichen Bindungen. Da die Länder jedoch aus eigenem Recht und nicht als „Mitglieder" des Bundesorgans Bundesrat handeln, kann sich eine Stellungnahme der Länder nur bei Einstimmigkeit ergeben, nicht durch einen Mehrheitsbeschluß. Nicht ausgeräumte Meinungsverschiedenheiten zwischen den Ländern würden jedoch diese weitgehend einer effektiven Einflußnahme auf den Bund entledigen, so daß ein faktischer Zwang zur Herbeiführung eines Konsenses im gemeinsamen Interesse besteht. Aus diesen Sachgesetzlichkeiten ergibt sich bereits, daß das Mitwirkungsrecht der Länder keinen Ausgleich für die entgangenen Möglichkeiten zu eigener Gesetzgebung darstellt. Zwar werden die Länder nicht durch den Bundesrat mediatisiert, aber sie können sich nur in ihrer Gesamtheit artikulieren. Dennoch verbleibt jedem Land ein Rest an inhaltlicher Mitentscheidung, den aufzugeben ein weiterer Schritt zu deren Aushöhlung als eigenständige politische Entscheidungszentren wäre. Der im einzelnen flexible Grundsatz der Bundestreue fordert zwar kein bestimmtes Modell der Einbeziehung der Länder in gemeinschaftliche Entscheidungen, aber der mit dem Schriftwechsel gefundene Modus steht jedenfalls damit in Übereinstimmung. Der Bund stuft zulässigerweise seihe Verfahrensbindung danach ab, ob Gegenstände der ausschließlichen Gesetzgebung der Länder betroffen werden. Andererseits wahrt der Bund sein Recht auf das letzte Wort. Gerade hierdurch wird der Zweck erreicht, der sich im Grundgesetz als Hindernis für eine gemeinsame Kompetenzwahrnehmung durch Bund und Länder darstellt: die rechtlichen und die politischen Verantwortlichkeiten und damit auch die korrespondierenden Kontrollmöglichkeiten sollen auch vor dem Hintergrund der mannigfaltigen und zahlreichen Kooperationsformen im Bundesstaat offengehalten werden. Unterhalb dieser Schwelle ist Rücksichtnahme nicht nur zulässig, sondern geboten40. 40 Vgl. Blumenwitz, Schutz, S. 238; Fastenrath, S. 168 f.
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Man mag darüber streiten, ob dies schon der von Lerche 41 apostrophierten „Mittelschicht" zwischen der Ländersphäre und der des Bundes entspricht, welche sich einer gemeinsamen Zuständigkeit im stark verwobenen Kompetenzbereich weitgehend annähert. Es erscheint jedoch möglich, diese neue, von der herrschenden Meinung abgelehnte Mischzuständigkeit vermeiden zu können. Im Vorfeld von Integrationsmaßnahmen handeln Bund und Länder noch im herkömmlichen Umfeld einer Pflicht zu gegenseitiger Rücksichtnahme, verdichtet zur Rechtspflicht des intensiven Suchens nach einer einvernehmlichen Lösung 42 .
4. Auslaufen der Regelung Obwohl die Länder das durch den Schriftwechsel eingeführte Verfahren selbst initiiert hatten, waren sie mit den praktischen Auswirkungen nicht zufrieden. Insbesonders suchten sie eine klarere rechtliche Form für die Abreden mit dem Bund. Diesem Ziel dient zum einen die Regelung im Gesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte, zum anderen die Bund-Länder-Vereinbarung vom 17. Dezember 1987 43 , welche in ihrem Abschnitt IV. 1 ausdrücklich bestimmt, daß durch sie die Vereinbarungen bzw. Selbstbindungen nach dem Briefwechsel ersetzt werden 44 .
III. Artikel 2 des ,Gesetzes zur Einheitlichen Europäischen Akte vom 28. Februar 1986' vom 19. Dezember 198645 1. Vorgeschichte Nach langwierigen, immer wieder stecken gebliebenen Initiativen zur Fortentwicklung der rechtlichen Grundlagen der europäischen Integration unterzeichneten die Vertreter der Mitgliedstaaten im Februar 1986 die Einheitliche Europäische Akte (EEA), welche gemäß Art. 33 nach Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten am 1. Juli 1987 in Kraft getreten ist 46 . Das letzte Hindernis hierfür war durch die Volksabstimmung in Irland ausgeräumt worden 47 .
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Lerche, in: Mestmäcker, S. 139, 143. 42 Lerche, in: Mestmäcker, S. 139, 142; vgl. Oetting, S. 146 f. 43 Abgedruckt im Anhang I. 44 Hierzu näher unten Abschn. IV. 45 BGBl. IIS. 1102ff. 46 Vgl. Art. 236 EWGV, Art. 96 Abs. 2 EGKSV, Art. 204 Abs. 3 EAGV. 47 Zu Vorgeschichte und Inhalt der Akte vgl. auch Hrbek / Läufer, EA 1986, 173 ff.; Weidenfeld, Außenpolitik 1986, 375, 376 ff.
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4. Teil: Die Bindung des Bundes durch die Bundestreue
2. Inhalt der Akte Dieser Zusatz- und Änderungsvertrag zu den Gemeinschaftsverträgen schafft zum einen die rechtliche Grundlage für die Europäische Zusammenarbeit in der Außenpolitik (Art. 13, 20) und in der Währungspolitik (Art. 20) sowie für die Entlastung des Gerichtshofes (Art. 4, 11, 26), zum anderen ändert er den hier interessierenden EWG-Vertrag vielfach ab. Wesentlicher Inhalt dieser Änderungen ist die Schaffung eines europäischen Binnenmarktes bis zum 31. Dezember 1992 48 . Hierbei werden auch mehrfach Bestimmungen zum Entscheidungsverfahren des Rates geändert, insbesonders Einstimmigkeitserfordernisse aufgelokkert und die Möglichkeit geschaffen, daß der Rat der Kommission Durchführungsbefugnisse überträgt, Art. 145 EWGV n. F. 4 9 . Darüber hinaus wird der EWG-Vertrag um Bestimmungen zur wirtschaftlichen und sozialen Zusammenarbeit (Art. 130 äff. EWGV n. F.) erweitert. Zur Entlastung des Gerichtshofes kann ein Gericht des ersten Rechtszuges geschaffen werden 50 .
3. Das Ratifizierungsverfahren in Deutschland Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Ratifizierung der EEA äußerten die Bundesländer ihr bereits seit langem gehegtes Unbehagen zur fortschreitenden Ausdünnung von Länderkompetenzen im Wege der europäischen Integration einerseits, zur nach ihrer Auffassung 51 mangelnden Beteiligung der Bundesländer beim innerstaatlichen Willensbildungsprozeß andererseits. Das Interesse der Bundesregierung, das Inkrafttreten der EEA nicht durch Verzögerungen im deutschen Zustimmungsverfahren aufzuhalten, wurde als Hebel dazu benutzt, allgemeine integrationspolitische Ziele der Bundesländer voranzubringen 52. In der Stellungnahme zum Gesetzentwurf zur EEA vom 16. 5. 1986 53 forderte der Bundesrat deshalb, in das Zustimmungsgesetz einen Art. 1 a einzufügen, welcher die zukünftige Beteiligung der Länder im Integrationsprozeß sichern sollte. Dieser Vorschlag stieß auf Seiten des Bundes — Bundesregierung und Bundestag54 — auf rechtliche und politische Bedenken, die jedoch hintangestellt wurden, so daß der Vorschlag in Art. 2 des Zustimmungsgesetzes eingegangen ist.
48 Vgl. Sedemundl Montag, NJW 1987, 546 f.; Meier, NJW 1987, 537 ff. 49 Hierzu Bruhai Münch, NJW 1987, 542 ff.; zu ersten Streitfragen vgl. Sedemund/ Montag, NJW 1988, 601 f. 50 Hierzu Neye, DVB1. 1986, 1258 ff. 51 Vgl. Hrbek, in: Hrbek / Thaysen, S. 17 ff. 52 Vgl. Hrbek, Außenpolitik 1987, 120 ff.; Borchmann, NJW 1988, 596, 601. 53 BR-Drs. 150/86. 54 Die Gegenäußerung der Bundesregierung (BT-Drs. 10/6418) ist abgedruckt bei Hrbek / Thaysen, S. 290 ff.
§ 11 Die Bindung der Bundesregierung in Verfahrensfragen
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4. Inhalt der Bestimmung Unbeschadet des oben 55 näher beschriebenen Verfahrens hat die Bundesregierung den Bundesrat umfassend und frühestmöglich über alle Vorhaben im Rahmen der Gemeinschaft zu unterrichten, die für die Länder von Interesse sein könnten. Bei Beschlüssen der Gemeinschaft, die wesentliche Interessen der Länder berühren, hat die Bundesregierung dem Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und diese bei den Verhandlungen zu berücksichtigen. Weicht sie von der Stellungnahme ab, hat sie dies auf Verlangen zu begründen. Bei Beschlüssen, welche ausschließliche Gesetzgebungsmaterien der Länder betreffen, darf die Bundesregierung darüber hinaus von einer Stellungnahme des Bundesrates nur aus unabweisbaren außen- und integrationspolitischen Gründen abweichen und muß gegebenenfalls dem Bundesrat von sich aus die maßgeblichen Gründe mitteilen.
5. Rechtliche Würdigung56 Die rechtliche Zulässigkeit dieser Bestimmung ist im wesentlichen so zu beurteilen, wie im vorhergehenden Abschnitt zum Schriftwechsel ausgeführt. Wiederum bleibt die außenpolitische Letztentscheidungsbefugnis des Bundes unberührt 57, wiederum wird die sich aus dem Prinzip der Bundestreue ergebende Pflicht zur Rücksichtnahme des Bundes gegenüber den Ländern in verfahrensmäßiger Hinsicht konkretisiert. Die Anforderungsschwelle für die jeweiligen Verpflichtungen der Bundesregierung wird etwas abgesenkt, die Pflicht zur Beachtung der Stellungnahme der Länder, das heißt nunmehr des Bundesrates, ist noch schärfer formuliert, ohne jedoch daß dies an der Substanz der jeweiligen Zuständigkeiten etwas ändert. Eine Besonderheit tritt jedoch insoweit auf, als das Bundesorgan Bundesrat unmittelbar die Aufgaben eines Vertreters der Länder in deren Zuständigkeitsbereichen übernimmt. Neben der Anknüpfung 58 an Art. 50 GG sind Gründe hierfür solche der Praktikabilität: Vermeidung der Doppelbefassung der Länder einerseits, des Bundesrats andererseits, faktischer Zwang zur Abstimmung der Länder untereinander, Ausnutzung der bereits bestehenden Organisationsstrukturen. Da jedoch die Regelung keinen rechtlichen Kompetenztransfer bewirkt — hierzu bedürfte es eben einer Verfassungsänderung, die auch von einigen Bundesländern
55 Siehe oben § 11 I. 56 Zur EEA allgemein vgl. Grabitz, Integration 1986, 95 ff. 57 Deren Bedeutung betont auch Grabitz, in: Hrbek / Thaysen, S. 169, 172 f. 58 Grabitz, in: Hrbek / Thaysen, S. 169, 174 f. 8 Kössinger
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4. Teil: Die Bindung des Bundes durch die Bundestreue
erwogen wird —, läßt sich hieraus eine Unzulässigkeit der Bestimmung nicht herleiten.
IV. Die Bund-Länder-Vereinbarung vom 17. Dezember 1987 Zur weiteren Regelung des vorstehend dargelegten Konsultationsverfahrens unterzeichneten der Bundeskanzler und die Ministerpräsidenten der Bundesländer im Anschluß an eine am 17. Dezember 1987 in Bonn geführte Besprechung eine „Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Länder über die Unterrichtung und Beteiligung des Bundesrates und der Länder bei Vorhaben im Rahmen der europäischen Gemeinschaften in Ausführung von Art. 2 des Gesetzes vom 19. Dezember 1986 zur Einheitlichen Europäischen Akte vom 28. Februar 1986 (BGBl. II, S. 1102 f.)" 5 9 .
1. Regelungsinhalt a) Unterrichtungsverfahren
nach Art. 2 Abs. 1 EEAG
Teil I der Vereinbarung (einschließlich einer Protokollnotiz) regelt Einzelheiten des — allgemeinen — Unterrichtungsverfahrens gemäß Art. 2 Abs. 1 EEAG. Eine umfassende, zeitnahe und soweit möglich schriftliche Information des Bundesrates soll insbesonders durch die Zusendung aller der Bundesregierung zugänglichen Dokumente und Berichte der Gemeinschaftsorgane und sonstigen Gremien, der Ständigen Vertretung und der Bundesregierung selbst erfolgen, wobei auch über Gerichtsverfahren zu berichten ist, an denen die Bundesrepublik Deutschland beteiligt ist. Mit erfaßt werden auch Vorgänge, die letztlich nicht auf Beschlüsse des Rates gerichtet sind, sondern auf solche der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten. Außerdem soll versucht werden, Datenbanken, auch solche der Gemeinschaft, auch dem Bundesrat und den Regierungen der Länder zugänglich zu machen. b) Stellungnahme des Bundesrates nach Art. 2 Abs. 2 bis 4 EEAG Teil I I der Vereinbarung versucht, dem Bundesrat eine effektive Mitwirkung — wenn auch nur in der gesetzlich vorgesehenen Form der Stellungnahme — dadurch zu ermöglichen, daß die Bundesregierung bei allen Vorhaben, die — sei es auch nur nach Auffassung des Bundesrates — ausschließliche Gesetzgebungsmaterien der Länder betreffen oder deren wesentliche Interessen berühren, die Information besonders rasch und fortlaufend durchführt und hierbei insbeson59 Text siehe Anhang I.
§ 11 Die Bindung der Bundesregierung in Verfahrensfragen
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ders auch auf den Verfahrens- und Zeitablauf innerhalb der Gemeinschaften Rücksicht nimmt. Auch auf aktuelle Entwicklungen des Willensbildungsprozesses innerhalb der Gemeinschaft soll der Bundesrat gegenüber der Bundesregierung möglichst noch reagieren können. c) Mitwirkung
von Ländervertretungen
Teil I I I der Vereinbarung regelt Einzelheiten der Hinzuziehung von Ländervertretern zu Verhandlungen in Beratungsgremien der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 2 Abs. 5 EEAG. Die Bundesregierung verpflichtet sich, dem Verlangen auf Hinzuziehung eines Ländervertreters bzw. von zweien, soweit ausschließliche Gesetzgebungsmaterien der Länder betroffen sind, zu entsprechen, soweit ihr dies möglich ist. Hierzu wird sie den Bundesrat insbesonders über Ort, Zeitpunkt und Beratungsgegenstand solcher Sitzungen unterrichten. Vorab ist eine — ggf. zu aktualisierende — Liste der Arbeitsausschüsse und -gruppen zu erstellen, an denen Vertreter der Länder teilnehmen können. Der Bundesrat seinerseits benennt die Vertreter, wobei ersatzweise der Beobachter der Länder als solcher gilt.
2. Rechtliche Beurteilung Während das Verfahren nach dem Schriftwechsel von 1979 60 unmittelbar der Ausgestaltung des verfassungsrechtlich gebotenen Zusammenwirkens von Bund und Ländern diente, übernimmt die Vereinbarung von 1987 die nähere Ausformung von Art. 2 EEAG. Das heißt, daß die verfassungsrechtliche Zulässigkeit insoweit bereits feststeht, als Art. 2 EEAG selbst mit der Verfassung vereinbar ist 61 . Die Vereinbarung bringt auch keine Regelung, die nicht ihrerseits sich innerhalb des durch Art. 2 EEAG gesteckten Rahmens hielte, auch wenn die Länder mit ihrem Bemühen Erfolg hatten, bereits hier eine im Sinne ihrer Mitwirkungsmöglichkeiten „weite" Interpretation festzuschreiben. Die nach Art. 2 EEAG und damit auch verfassungsrechtlich zulässigen Grenzen sind wiederum nicht überschritten, da das Letztentscheidungsrecht der Bundesregierung unbeschadet ihrer Verpflichtung zur Abstimmung und Abwägung nicht in Frage gestellt ist.
3. Die Abstimmung der Länder untereinander Wollen die Länder die ihnen vom Bund eröffneten Möglichkeiten der Information, Konsultation und Mitwirkung effektiv wahrnehmen, bedarf es vorab einer 60 Oben § 11 II. 61 Oben § 11 III 5. 8*
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4. Teil: Die Bindung des Bundes durch die Bundestreue
zeitlich gestrafften, inhaltlich koordinierten und verfahrensmäßig klar abgesteckten Abstimmung der Länder untereinander. a) Die Einbindung in den Bundesrat
62
Wie oben 63 bereits dargelegt, weicht Art. 2 EEAG von dem bereits zuvor praktizierten Verfahren vor allem insoweit ab, als die Stellungnahme in Angelegenheiten, welche wesentliche Interessen oder ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder betreffen, durch den Bundesrat und nicht durch einen beauftragten „Sprecher" der Länder, etwa den Vorsitzenden einer Fachministerkonferenz oder der Konferenz der Regierungschefs, abgegeben wird, und auch die Information und Konsultation in diesem Rahmen erfolgt. Dies ist nicht lediglich eine sprachliche oder technische Unterscheidung, da der Bundesrat ungeachtet seiner Besetzung durch Regierungsmitglieder der Länder ein Bundesorgan ist. Da jedoch seine Aufgabe gemäß Art. 50 GG die Mitwirkung bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes ist, bestehen gegen die Zulässigkeit seiner Einschaltung keine durchgreifenden Bedenken. Die Einschaltung des Bundesrates ist zwar eine Folge des — verfassungsrechtlich sanktionierten — Umstandes, daß (auch) die Länder auf den der Gemeinschaft überantworteten Materien Kompetenzen verlieren, nicht jedoch ein unmittelbares Surrogat eines Kompetenztransfers. Somit ist es von Verfassungs wegen nicht geboten, jedem Land in solchen Fragen ein Vetorecht dergestalt vorzubehalten, daß eine Stellungnahme der Länder nur zustandekommt, wenn kein Land dagegenstimmt. Die Eingliederung der Ländermitwirkung in den organisatorischen Rahmen des Bundesrates bringt es mit sich, daß für das Zustandekommen der Stellungnahmen die allgemeinen Bestimmungen anwendbar sind, insbesonders auch Art. 51 Abs. 2 GG zur Stimmengewichtung und Art. 52 Abs. 3 S. 1 GG zum Mindestquorum sowie Art. 52 Abs. 3 S. 3 und 4 GG zur Öffentlichkeit der Verhandlungen.
b) Die Schaffung
eines Beschlußgremiums
Neben der Besorgnis einer zu starken inhaltlichen Bindung durch die Länder machte der Bund in den Verhandlungen über die Mitwirkungsmöglichkeiten der Länder insbesonders auch geltend, deren Einschaltung dürfe wegen damit zusammenhängender zeitlicher Verzögerungen die Bundesregierung hinsichtlich des zeitlichen Fortgangs der Verhandlungen im Rahmen der EG nicht zwingen, allein aus diesem Grunde zu einem retardierenden Moment zu werden oder gar die Verhandlungen anzuhalten. 62 Zur bisherigen EG-politischen Mitwirkung des Bundesrates vgl. Ziller, in: Hrbek / Thaysen, S. 89 ff. 63 III. 5.
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Um dem Rechnung zu tragen, ist die Pflicht der Bundesregierung zu einer frühestmöglichen, fortlaufenden und umfassenden Unterrichtung in der Vereinbarung entsprechend strikt formuliert. Andererseits obliegt es jedoch den Ländern, ihrerseits eine Stellungnahme des Bundesrates so rechtzeitig herbeizuführen, daß die Bundesregierung diese unter Beachtung des von der Gemeinschaft vorgegebenen Zeitplans noch berücksichtigen kann. Da die Sitzungen des Bundesratsplenums zwar regelmäßig — grundsätzlich monatlich —, aber eben nur nach einem langfristig festgelegten, nicht auf die EG abgestimmten Terminplan stattfinden, kann es zu Terminschwierigkeiten kommen. Dementsprechend wurde bereits in Abschnitt II. 3 der Vereinbarung festgelegt, daß als Stellungnahmen des Bundesrates auch solche gelten, die von einem etwa einzurichtenden Beschlußgremium abgegeben werden. Die Voraussetzungen hierfür hat nun der Bundesrat auf seiner 590. Sitzung am 10. Juni 1988 geschaffen, indem er einstimmig eine Änderung einer Geschäftsordnung beschloß64, welche die Einrichtung einer Kammer für Vorlagen der Europäischen Gemeinschaften (EG-Kammer) vorsieht (§ 45 b GeschO BR) und das Verfahren hierzu näher regelt 65 . Die Befugnis des Bundesrates, sich eine Geschäftsordnung zu geben, ergibt sich explizit aus Art. 52 Abs. 3 S. 2 GG. Hiernach sind nähere Bestimmungen zum Verfahren zulässig. Nicht ohne weiteres eingeschlossen ist jedoch die Zulässigkeit der Übertragung von Organkompetenzen auf „Ausschüsse". Dementsprechend bereiten die Bundesratsausschüsse die Beschlußfassung des Bundesrates vor (§ 39 Abs. 1), und geben Empfehlungen ab (§§ 44 Abs. 3, 45). Aus diesen Gründen wird die Stimmengewichtung gem. Art. 51 Abs. 2 GG in den Ausschüssen nicht praktiziert (§ 42 Abs. 2). Diesem Bild entspricht die „EG-Kammer" nicht, weshalb auch die abweichende Bezeichnung gewählt wurde 66 : Beschlüsse der EG-Kammer haben die Wirkung von Beschlüssen des Bundesrates (§ 45 b Abs. 2), die Stimmenzahl richtet sich nach Art. 51 Abs. 2 GG (§ 45 Abs. 1 S. 1), die Kammer faßt Beschlüsse mit mindestens der Mehrheit ihrer Stimmen (§ 45 h Abs. 3). Um den gegen die Zulässigkeit von Kompetenzübertragunggen auf Unterorgane bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken Rechnung zu tragen, wurde das Verfahren im neuen Abschnitt IV a. der Geschäftsordnung soweit als möglich dem des Bundesrats-Plenums angeglichen. Auch der Vorsitzende und dessen Stellvertreter werden vom Plenum gewählt (§ 45 c GeschO BR). In diesen Rahmen eingefügt werden lediglich Änderungen zur Besetzung (je ein Mitglied je 64 BR-Drs. 230/88. 65 Die Neufassung der Geschäftsordnung ist bekanntgemacht in BGBl. 1988, I, S. 857 ff.; die nachfolgend angeführten Paragraphen ohne Bezeichnung sind solche der Geschäftsordnung des Bundesrates. 66 Vgl. die amtliche Begründung zu § 45 Abs. 1, BR-Drs. 230/88.
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4. Teil: Die Bindung des Bundes durch die Bundestreue
Bundesland sowie mehrere Vertreter, § 45 e GeschO BR) und zur Öffentlichkeit der Verhandlungen (§ 45 f GeschO BR). Voraussetzung dafür, daß der Präsident bzw. der Direktor auf dessen Auftrag hin Vorlagen der Kammer statt dem Plenum zuweist, ist entweder deren Eilbedürftigkeit oder deren Vertraulichkeit (§ 45 d GeschO BR). Dies sind sachliche Gründe, welche die Zulässigkeit der Einsetzung des Gremiums bejahen lassen. Die Zuweisung an die Kammer steht einer Beschlußfassung des Plenums nicht entgegen (§ 45 d Abs. 5 GeschO BR). Der Primat des Organs Bundesrat ist somit hinreichend gewahrt. Hält der Vorsitzende eine mündliche Verhandlung für entbehrlich oder kommt ein Beschluß der Kammer deshalb nicht zustande, weil die Präsenz in der Sitzung nicht ausreichend war, so kann er ein Umfrageverfahren einleiten (§§ 45 h Abs. 4, 45 i GeschO BR), dem jedoch jedes Land widersprechen kann, wenn es doch eine mündliche Beratung als erforderlich ansieht. Auch diese Regelung, welche für die Ausschüsse des Bundesrates in § 43 GeschO BR eine Entsprechung hat, tangiert aufgrund ihrer Ausgestaltung die Rechte des Bundesrates und seine Pflicht, diese Kompetenzen grundsätzlich selbst wahrzunehmen, nicht. Für die Fälle, eilbedürftiger und / oder vertraulicher Angelegenheiten stellt die Geschäftsordnung des Bundesrates somit ein verfassungsrechtlich zulässiges, zeitlich angepaßtes und auch effektives Verfahren zur Verfügung, um die Interessen der Länder gegenüber der Bundesregierung artikulieren zu können. c) Die Benennung von Vertretern für EG-Verhandlungen
der Länder 61
Gemäß Art. 2 Abs. 5 EEAG und Abschnitt III.3 der Vereinbarung vom 17. 12. 1987 benennt der Bundesrat die Ländervertreter für EG-Verhandlungen bzw. die die Vertreter entsendenden Länder. Hierfür haben die Regierungschefs der Länder vereinbart, nach den in Anhang I I wiedergegebenen Grundsätzen zu verfahren. In § 45 j GeschO BR ist die Bindung solcher Vertreter an Weisungen des Bundesrates sowie deren Berichtspflicht geregelt.
V. Die Mitwirkung von Länderbeamten Bisher wurde die Einbeziehung der Länder als Körperschaften in den Entscheidungsprozeß erörtert. Daneben besteht jedoch für die Länder auch die Möglichkeit einer Einflußnahme dadurch, daß einzelne ihrer Amtsträger vom Bund als Personen in das Verfahren vor der abschließenden Ratsentscheidung einbezogen werden. 67 Zu deren Mitwirkung näher nachfolgend Abschnitt V.
§ 11 Die Bindung der Bundesregierung in Verfahrensfragen
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1. Der Beobachter der Bundesländer bei den Europäischen Gemeinschaften68 Bereits in den Fünfzigerjahren, nach dem Abschluß der Römischen Verträge, haben die Bundesländer einen gemeinsamen Beobachter für Gemeinschaftsangelegenheiten bestellt. Dieser Länderbeobachter hat seinen Dienstsitz in der Vertretung Baden-Württembergs beim Bund, wird aber von dem Land besoldet, dessen Verwaltung er angehört. Er ist nunmehr die Koordinierungsstelle für die Informationsübermittlung an die Länder nach dem oben bezeichneten Verfahren. Darüber hinaus hat er jedoch seine besondere Bedeutung für die frühzeitige und umfassende Information der Länder über alle sie betreffenden Gemeinschaftsangelegenheiten dadurch, daß er ohne Interventionsrecht innerhalb der deutschen Delegation der Ratsberatung beiwohnen kann, sofern dem nicht im Einzelfall gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen entgegenstehen. Diese Informations- und Beteiligungsmöglichkeiten bleiben gemäß Abschnitt IV.4 der Bund-Länder-Vereinbarung vom 17. 12. 1987 ausdrücklich unberührt. Eine von den Ländern gewünschte Einbeziehung seines Brüsseler Büros in die Ständige Vertretung der Bundesrepublik wurde vom Bund jedoch abgelehnt69 bzw. mit den Ländern als unannehmbar erscheinenden Bedingungen verknüpft (Abordnung des Beamten in den Auswärtigen Dienst, Weisungsbefugnis des Leiters der Ständigen Vertretung). Ohne das Recht zu informellen Kontakten des Länderbeobachters zu Stellen der Gemeinschaften zu verneinen, steht seine eigene Tätigkeit stets unter dem Vorbehalt des außenpolitischen Primats des Bundes. Das heißt, daß eine Gemeinschaftspolitik der Länder am Bund vorbei, oder gar gegen dessen Interessen wegen Art. 32 Abs. 1 GG rechtswidrig wäre. Dieser Aspekt ist auch zu beachten bei der Frage, ob ein eigener ständiger Vertreter eines Bundeslandes bei den Gemeinschaften zulässig ist. Für die ursprünglich ablehnende Haltung etwa der Bayerischen Staatsregierung gegenüber einem entsprechenden Antrag des Landtages wurden demgemäß neben finanziellen auch verfassungsrechtliche Bedenken angeführt 70. Davon unberührt bleibt wiederum der von den einzelnen Landesregierungen gepflegte informelle Kontakt zu Stellen der Gemeinschaften. Wesentliche Aufgabe des Länderbeoachters ist somit die Informationsbeschaffung, möglichst bereits im Vorfeld möglicher Vorhaben. Diese Felder aufzuspüren fällt ihm durch die Präsenz in Brüssel leichter. Zum anderen erhalten die
68 Hierzu Oetting, S. 95 ff.; Sasse, in: Der Bundesrat, S. 333, 341 ff.; ders., Regierungen, S. 82. 69 Vgl. StMin. Schmidhuber im Bayer. Landtag, Plenarprotokoll 10/34 vom 23. 11. 1983, S. 1834. 70 Vgl. StMin. Schmidhuber im Bayer. Landtag, Plenarprotokoll 10/34 vom 23. 11. 1983, S. 1836.
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4. Teil: Die Bindung des Bundes durch die Bundestreue
Länder einen unmittelbaren Eindruck von den Ratstagungen, ohne daß dieser durch den Filter der Interessen des Bundes verändert wird.
2. Die Beiziehung sonstiger Länderbeamter durch den Bund Außer zu der Verfahrensabstimmung mit den Ländern hatte sich der Bund in seiner Erklärung vom 19. 9. 1979 auch dazu bereiterklärt, auf Verlangen der Länder zu den Verhandlungen in den Beratungsgremien der Kommission und des Rates zwei Vertreter der Länder hinzuzuziehen, soweit ihm dies — gemeinschaftsrechtlich — möglich ist. Eine vergleichbare Regelung ist nun in Art. 2 Abs. 5 EEAG enthalten und wird durch Teil III. der Vereinbarung vom 17. 12. 1987 ergänzt 71. Diese Mitwirkungsmöglichkeit ist wiederum eine pragmatische Lösung zur Befriedigung der Mitwirkungswünsche der Länder. Unter dem Blickwinkel der verfassungsrechtlichen Zuständigkeit des Bundes kann dies nur heißen, daß sich der Bund den besonderen Sachverstand und landesgeprägten Erfahrungshorizont dieser Beamten zunutze machen will, nicht jedoch, daß ihnen ein Letztentscheidungsrecht zugestanden werden soll. Dieser Vorbehalt ist erforderlich, um auch hier die vorgegebenen Verantwortlichkeiten zu wahren. Die Bundesregierung bleibt für das Verhalten ihres jeweiligen Vertreters verantwortlich, auch wenn ein Landesbeamter beteiligt war. Bisher waren die Bundesländer etwa im „Beratenden Ausschuß für Berufsbildung", im „Ausschuß für Regionalpolitik bei der EG-Kommission", und im „Ständigen Agrarstrukturausschuß" in der deutschen Delegation vertreten. Bei den Beratungen des „Verwaltungsausschusses des Europäischen Sozialfonds" zieht der Leiter der deutschen Delegation jeweils einen Vertreter des Landes bei, das von dem zu behandelnden Projekt betroffen wird 7 2 . In die Sitzungen des „Ausschusses für Bildungsfragen" entsendet die Kultusministerkonferenz jeweils Vertreter 73 .
3. Die Übertragung der Leitung der Deutschen Delegation auf einen Ländervertreter Weit über diesen Rahmen hinaus geht das Zugeständnis des Bundes an die Länder, welches in einer Protokollerklärung des Bundeskanzlers gegenüber den Ministerpräsidenten der Länder vom 19. 5. 1983 niedergelegt ist, wonach das Auswärtige Amt bei den Treffen der für die kulturelle Zusammenarbeit zuständigen Minister die Leitung der deutschen Delegation insoweit auf den Präsidenten 71 Siehe oben IV. 1. c). 72 Vgl. StMin. Schmidhuber im Bayer. Landtag, Plenarprotokoll 10/34 vom 23. 11. 1983, S. 1834 f. 73 Für eine Zulässigkeit — in eng begrenztem Rahmen — auch Fastenrath, S. 169.
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der Kultusministerkonferenz der Länder überträgt, als Themen überwiegend in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder fallen. Diese Regelung wird durch die Bund-Länder-Vereinbarung vom 17. 12. 1987 ausdrücklich nicht berührt. Hierdurch entäußert sich der Bund seiner Letztentscheidungsbefugnis. Im Wege der Organleihe wird ein Landeskultusminister für den Bund tätig. Gegen dieses Verfahren besteht eine Reihe von Bedenken, die sich jedoch unterschiedlich stark auswirken. a) Handelt es sich um eine Zusammenkunft der „im Rat vereinigten Vertreter" in der Besetzung der Minister für Kultusangelegenheiten, so liegt lediglich von der Zusammensetzung der Teilnehmerstaaten her eine EG-Konferenz vor, materiell jedoch lediglich eine gewöhnliche Staatenkonferenz. Dementsprechend beurteilt sich die Kompetenz zum Abschluß von internationalen Vereinbarungen nach Art. 32 GG. Auf dem Gebiet von Unterricht und Kultus sind also die Bundesländer mit Zustimmung der Bundesregierung zum Abschluß befugt. Die Frage, ob es sich um sogenannte Regierungsabkommen handelt, oder um Vereinbarungen, die der Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften bedürfen, beurteilt sich nach den allgemeinen Bestimmungen, für den Bund also nach Art. 59 Abs. 2 GG, für die Länder nach deren Landesverfassungsrecht, in Bayern etwa gemäß Art. 72 Abs. 2 BV. Bei den Verhandlungen der im Rat vereinigten Vertreter der EG-Mitgliedstaaten wird der Präsident der Landeskultusministerkonferenz jedoch nicht als gemeinsamer Bevollmächtigter aller Bundesländer tätig — sonst wären außer den elf übrigen Mitgliedstaten elf deutsche Länder beteiligt —, sondern er vertritt die Bundesrepublik Deutschland als solche. Diese besitzt nach der vorzuziehenden Ansicht auch auf diesem Gebiet die Kompetenz zum Abschluß von dem Völkerrecht unterliegenden Vereinbarungen, wogegen eine etwaige Transformations- oder Vollzugskompetenz bei den Ländern verbleibt. Der Bund handelt also zwar kompetenzgerecht, bedenklich erscheint jedoch die Beauftragung eines Landesministers. Indes handelt dieser in einem solchen Falle unter der Verantwortung der Bundesregierung. Seine Erklärungen und Handlungen sind dem Bund zuzurechnen, nicht der Gesamtheit der Länder. Deshalb bleibt auch die parlamentarische Verantwortlichkeit der Bundesregierung hierfür unberührt. Daß sie sich eines Landesministers bedient und somit ein Einfallstor für eine weitestgehende Berücksichtigung der Länderinteressen öffnet, ist lediglich eine instrumentale Abwandlung der ansonsten üblichen Verhandlungsführung. Die Letztentscheidung bleibt also der Bundesregierung vorbehalten. Dies ist durch eine entsprechende Instruktion des Verhandlungsführers sicherzustellen. Der verhandlungsführende Landesminister wiederum steht zwar in einem politischen Bindungsverhältnis zur Bundesregierung, wird jedoch nicht unmittelbar
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4. Teil: Die Bindung des Bundes durch die Bundestreue
Amtswalter des Bundes. Dies heißt, daß er selbst unmittelbar dem Bundestag und dem Bundesrat nicht verantwortlich ist. Die Eingliederung in die Bundesdelegation bewirkt andererseits keine Aussegmentierung der Tätigkeit des Amtswalters aus seiner Funktion als Landesminister. Somit bleibt seine Verantwortlichkeit nach Landesverfassungsrecht ebenfalls unberührt. Zwar kann sich der Minister auf übergeordnete Gesichtspunkte von Gemeinschafts-, Bundes- oder allgemeinen Länderinteressen berufen, aber er kann sich hierdurch nicht von den Interessen seines Landes ablösen. Andernfalls würde eine Sphäre eines von jeglicher parlamentarischen Kontrolle freien Raumes politischer Gestaltungstätigkeit geschaffen, ohne daß sich hierfür zwingende Gründe oder eine verfassungsrechtliche Fundierung zeigten. Auch die Erscheinungsformen des kooperativen Bundesstaates bedürfen jeweils der Einbindung in die verfassungsrechtlich geordneten Handlungs- und Kompetenzstrukturen. b) Wenn es sich um eine Ratstagung innerhalb des durch den EWG-Vertrag festgelegten Kompetenzrahmens handelt, so besteht für eine Einschaltung eines Landesministers keine Veranlassung. Denn wie oben gezeigt, hat der Bund auf den vergemeinschafteten Bereichen die ausschließliche Außenkompetenz und auch das Letztentscheidungsrecht. Über die oben unter Ziffer II, I I I erörterte Einbindung der Länder in die Meinungsbildung hinaus darf die Verantwortung des Bundes nicht durch die Kompetenzübertragung praeter constitutionem beeinträchtigt werden. Die Einschaltung aus lediglich protokollarischen Gründen unter strikter Bindung des Landesministers an weitestmöglich detaillierte Weisungen der Bundesregierung hingegen wäre erst recht ohne Sinn. Um den Sachverstand der Landeskultusverwaltungen für die Verhandungen nutzbar zu machen, genügt die Beiziehung von Ländervertretern unterhalb der Ebene der Delegationsleitung. c) Im übrigen besitzt der Vorsitzende der Kultusministerkonferenz — wie auch die Vorsitzenden der übrigen Fachministerkonferenzen — kein eigenes Mandat. Seine eher geschäftsführende Koordinierungsfunktion beinhaltet keine von der Gesamtheit der Länder abgeleitete Rechtsmacht. Voraussetzung für eine einheitliche Vertretung wäre somit ein einstimmiger Beschluß der Länderministerkonferenz.
VI. Unmittelbarer Kontakt zwischen den Ländern und der Gemeinschaft74 Neben den oben dargelegten „kanalisierten" Verfahren zur Einbeziehung der Länder in den Entscheidungsprozeß bei Gemeinschaftsvorhaben ist es auch zu einem parakonstitutionellen System von Konferenzen, Konsultationen und sonstigen formellen oder informellen Kontakten zwischen den Bundesländern und den Gemeinschaftsorganen gekommen75. In jüngerer Zeit schaffen die Länder 74 Vgl. Hahn, in: Hrbek / Thaysen, S. 105.
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— einzeln oder in Zusammenarbeit — auch zunehmend „Verbindungsbüros" 76 , sei es in Form einer Behördenaußenstelle oder in Gestalt einer privatrechtlich organisierten Kontaktstelle. Neben dem Wunsch nach frühzeitiger, umfassender und direkter Information werden als Grund hierfür auch der Versuch einer besseren Interessenwahrnehmung, insbesondere auf wirtschaftlichem Gebiet, genannt. Man sieht sich sogar als „Anlaufstelle" der Wirtschaft des jeweiligen Landes bei Verhandlungen in Brüssel. Insoweit bestehen gegen die Zulässigkeit grundsätzlich keine Bedenken77. Solche könnten sich jedoch ergeben, wenn entweder von Länderseite der Versuch gemacht würde, die Europapolitik des hierfür jedenfalls im Außenverhältnis und hinsichtlich der Letztentscheidungsbefugnis auch im Innenverhältnis allein zuständigen Bundes zu desavouieren, oder wenn die Kommission den Versuch unternähme, den Bund gegen die Länder (mit deren Hilfe oder Mitwirkung) auszuspielen. In beiden Fällen würde die bundesverfassungsrechtliche Pflicht zur Zusammenarbeit und Rücksichtnahme verletzt 78 . Um den zuständigen Bundesorganen den Überblick über von deutscher Seite abgegebene Stellungnahmen und Fragestellungen zu sichern, ohne den andererseits bisweilen aus rein praktischen Gründen zweckmäßigen direkten Kontakt zwischen Gemeinschafts- und Länderstellen zu verhindern, ist auf jeden Fall stets die Bundesregierung von derartigen Kontakten zu informieren 79 .
VII. Rechtspolitische Würdigung Trotz der aufgezeigten Wege für die Länder, ihre Auffassungen in den Entscheidungsprozeß des Bundes und dann der Gemeinschaften einfließen zu lassen, ist das Ausmaß des tatsächlichen Einflusses der Länder auf die Gemeinschaftsentscheidungen mit Skepsis zu beurteilen. Der Hauptgrund hierfür liegt in den Zwangsläufigkeiten des gemeinschaftlichen Entscheidungsverfahrens. Einerseits erstrecken sich die Vorbereitungen für einzelne Rechtsetzungsmaßnahmen über Jahre oder Jahrzehnte hinweg, andererseits kommt es durch den Zwang zur Einigung unter den Mitgliedstaaten sehr oft zur Notwendigkeit einer raschen Entscheidung für oder gegen einen Kompromißvorschlag in einer Ratssitzung. Die Erfahrungen mit dem Informationsverfahren gemäß Art. 2 ZustG haben gezeigt, daß in dem Stadium einer Entscheidungsvorlage an den Rat oft bereits 75 Oetting, S. 96. 76 Vgl. auch HrbeK Außenpolitik 1987, 120, 127; Borchmann, NVwZ 1988, 218 ff. 77 Ebenso Borchmann, NVwZ 1988, 218, 220; zu den Grenzen der Zulässigkeit „informeller Akte": Fastenrath, S. 192 ff. 78 Vgl. hierzu Schwan, S. 131 f., der die Zulässigkeit bereits dann verneint, wenn durch die Kontakte Gemeinschaftsrechtsetzung beeinflußt werden soll. 79 Zu Schranken einer,»Nebenaußenpolitik" der Länder allgemein vgl. Nass, EA 1986, 619, 627 f.
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die entscheidenden Fragen zwischen den Mitgliedstaaten im Gegensatz zu den vorstehenden Fällen bereits geklärt sein können, so daß sich die Bundesregierung dann scheut, durch die Berücksichtigung von — empfehlenden — Änderungsoder Ablehnungsbeschlüssen des Bundesrates (wie auch des Bundestages) die Verhandlungen von neuem aufzurollen. Ob die Verfahren aufgrund des Zustimmungsgesetzes zur Einheitlichen Europäischen Akte und der Bund-Länder-Vereinbarung hier durchgreifende Änderungen mit sich bringen, bleibt abzuwarten. Zwar sollen nunmehr Informationen bereits im Vorfeld, also auch schon während der Vorbereitungsmaßnahmen durch die Kommission, an die Länder weitergeleitet werden. Dann jedoch beginnt ein notwendigerweise oft äußerst schwerfälliger Prozeß der Information und Meinungsbildung innerhalb der einzelnen Bundesländer und zwischen diesen. Haben die Dokumente die in den Bundesländern sachlich zuständige Stelle erreicht, so bedarf es für die Meinungsbildung innerhalb des Landes, dessen Verwaltung auf die Behandlung von Fragen der EWG nur teilweise eingerichtet ist, zunächst einer Abstimmung mit anderen betroffenen Stellen. Daran anschließend erst kann die Abstimmung der Länder untereinander erfolgen, die ebenfalls beträchtliche Zeit erfordern kann. Ob dies dann so rechtzeitig geschieht, daß der im Bunde federführende Minister eine Stellungnahme noch vor der endgültigen Formulierung der Verhandlungslinie des Bundes berücksichtigen kann, ist von vielerlei Faktoren abhängig. Bislang zeigt sich ein faktischer Zwang zu rechtzeitiger Abstimmung mit den Ländern nur bei Gemeinschaftsvorhaben, bei denen absehbar war, daß Ausführungsvorschriften des Bundes erforderlich werden könnten, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen. Indes, im Zusammenhang mit dör Einheitlichen Europäischen Akte wurde das Bewußtsein der Länder dafür geschärft, daß die — im Grundsatz von allen politischen Parteien begrüßte — europäische Integration die Bedeutung der Länder als Zentren eigenständiger politischer Entscheidungen aushöhlen kann. Dies wurde dem Bund während des Ratifizierungsverfahrens eindringlich vor Augen geführt, so daß die Bereitschaft zu einer rechtzeitigen Abstimmung gewachsen sein mag. Die Mitwirkung von Länderbeamten ist verfahrensmäßig durch Art. 2 Abs. 5 des Zustimmungsgesetzes zur EEA und die Bund-Länder-Vereinbarung abgesichert. Der Einfluß als sachverständige Berater des entscheidungsbefugten Vertreters der Bundesregierung mag jedoch bisweilen über das hinausgehen, was durch die institutionalisierte Beteiligung von Stellen der Länder erreicht werden kann. Hierdurch findet eine unmittelbare Beteiligung an den Verhandlungen im Rat oder in seinen Ausschüssen statt, so daß eine situationsangepaßte Reaktion unter Einbeziehung des Standpunktes zumindest eines Landes möglich wird. Ähnliches mag auch für den Einfluß der Teilnahme von Ländervertretern innerhalb der deutschen Delegation in — beratenden — Gremien der Kommission gelten. Der Beobachter der Länder bei den Europäischen Gemeinschaften kann schon aus seiner Stellung heraus als Beamter eines bestimmten Bundeslandes nicht als
§ 1 Die Bindung de B u n d e s e i
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Vertreter der Länder in Verhandlungen auftreten. So muß sich seine Funktion weitgehend auf die einer Informations- und Clearingstelle beschränken. In tatsächlicher Hinsicht werden die Handlungsmöglichkeiten durch die enge Begrenzung der Sach- und Personalkapazität beschränkt. Diese politische Entscheidung der Länder ist zu begrüßen, da der Aufbau eines gemeinsamen Quasi-EG-Ministeriums der Länder zu einer Parallelbürokratie führen würde. Diese weise Zurückhaltung wird jedoch nunmehr durch den Aufbau der „Verbindungsbüros" oder „Kontaktstellen" der Länder am Sitz der Kommission aufgegeben. Auch die Länder selbst sind sich dessen bewußt, daß eine rechtliche Absicherung der Möglichkeit politischer Einflußnahme nur begrenzt wirksam werden kann. Deshalb suchen sie im eigenen Bereich so gut als möglich die Voraussetzungen für eine effektive Interessenwahrnehmung zu schaffen. Symptom hierfür ist etwa die Erweiterung der Aufgaben des bisherigen Bayerischen Staatsministers für Bundesangelegenheiten auf solche der Europäischen Gemeinschaften. Aber auch andere, rechtlich nicht faßbare Bemühungen werden ins Auge gefaßt. Da Entscheidungen großteils bereits in der EG-Verwaltung vorgeformt werden, muß es ein Anliegen der Länder sein, auf allen Ebenen auch Ansprechpartner zu finden, die Fragen des Föderalismus gegenüber aufgeschlossen sind. Gerade für Bundesländer, die geographisch weit von Brüssel entfernt sind, ergeben sich Schwierigkeiten, wenn etwa der Verwaltungsnachwuchs kein Interesse an einer Laufbahn innerhalb der EG zeigt. Auch innerhalb der Verwaltung der Länder, insbesonders in den Ministerien, bedarf es eines geschärften Problembewußtseins für Angelegenheiten der Europäischen Gemeinschaften, um das Ausmaß möglicher Langzeitfolgen auf Zuständigkeiten der Länder abzuschätzen.
§ 12 Die Bindung des Bundes bei Sachentscheidungen Die vorstehenden Überlegungen binden den Bund bei seiner Meinungsbildung im Vorfeld von Ministerratsentscheidungen lediglich hinsichtlich des procedere durch eine verschiedentlich abgestufte Einschaltung von Stellen der Länder. Diese verfahrensmäßige Beteiligung der Bundesländer setzt jedoch noch keinen Maßstab für das dem Bund obliegende „letzte Wort" in Bezug auf das Abstimmungsverhalten des deutschen Vertreters im Ministerrat. Rein tatsächlich ist der Einfluß der Länder durch diese Verfahren auf den ihre Zuständigkeit berührenden Gebieten nicht zu unterschätzen, da es sich hierbei nur um eine Facette aus dem Geflecht des gegenseitigen Aufeinanderangewiesenseins von Bund und Ländern handelt. Andererseits bedarf es gerade für — bislang allerdings noch nicht konkret ersichtliche — Grenzfälle eines weitergehenden, inhaltlichen Kriteriums für die Berücksichtigung der Länderinteressen durch den Bund, welcher an Trennschärfe über den der „überwiegenden außen- und integrationspolitischen Gesichtspunkte" hinausgeht. Als Hintergrund für diese Fragestellung soll vorab kurz die Stellung des bundesdeutschen Vertreters im Rat dargestellt werden.
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I. Die Entscheidungsfindung im Ministerrat Aufgrund der verschiedenen über den EWG-Vertrag verteilten Einzelkompetenzen ist der Rat weithin das entscheidungsbefugte Gemeinschaftsorgan 80. Diese rechtliche Kompetenz wird durch die Vielzahl der vorher eingeschalteten Ausschüsse, Vertreterkomitees und Arbeitsgruppen nicht berührt. Auch die Anhörung der Versammlung, welche zum Teil vorgeschrieben ist, ist auf den hier interessierenden Gebieten nicht zu einem echten Mitentscheidungsrecht erstarkt. Von rechtlicher Bedeutung ist lediglich, daß der Rat zum Teil Beschlüsse nur auf Vorschlag der Kommission fassen kann, das heißt, daß dieser ein Initiativrecht zukommt. Die Bedeutung dieser Befugnis ist jedoch auch politischen Einflüssen unterworfen und hat im Laufe der Zeit eher abgenommen. Darüber hinaus kann der Rat die Kommission auch zur Unterbreitung entsprechender Vorschläge auffordern (Art. 152 EWGV) und überdies, wenn auch nur einstimmig (Art. 149 Abs. 1 EWGV), von diesen Vorschlägen abweichen. Dies zeigt, daß auf den Gebieten, welche nicht der autonomen Entscheidung der Kommission unterworfen sind, die Entscheidungskompetenz des Rates letztlich keinen ausschlaggebenden Mitwirkungen anderer Organe ausgesetzt ist 81 .
1. Die Berücksichtigung nationaler Interessen Der Rat als Gemeinschaftsorgan (Art. 4, 145 ff. EWGV) ist auf die Ziele des EWG-Vertrages verpflichtet. Diese insbesondere in den Artikeln 2, 6, 9 EWGV benannten grundlegenden Ziele bilden den Rahmen für die Ausschöpfung der im einzelnen zugewiesenen Entscheidungsbefugnisse und Koordinierungsaufgaben. Demgemäß hat der Rat, wie alle anderen Gemeinschaftsorgane auch, alles zu tun, um dem den Einzelinteressen der Mitgliedstaaten übergeordneten Integrationsinteresse der Gemeinschaft entgegenzukommen82. Im Gegensatz zur herkömmlichen internationalen Zusammenarbeit handelt es sich hier um eine institutionell und inhaltlich durch Rechtsnormen verfestigte Zusammenarbeit, welche auch nicht mehr durch lediglich formlosen Konsens aufgehoben oder abgeändert werden kann. Das Verfahren für eine Vertragsänderung ist in Art. 236 EWGV ausdrücklich geregelt. Andererseits handelt der einzelne Ratsvertreter auch nicht losgelöst von seiner Funktion als nationales Ratsmitglied. Vielmehr hat es die Betrauung des Rates mit einer weitgehenden Entscheidungsbefugnis im EWG-Vertrag gerade zum Zweck, den Einfluß der Mitgliedstaaten nicht gänzlich zugunsten eines suprana80 Siehe oben § 1011. 81 Zu den Bindungen des Rates vgl. Schweitzer, in: Grabitz, EWGV, Art. 145 Rdnrn. 3 ff. 82 EuGH Slg. 1961, S. 287, 311; Schweitzer, in: Grabitz, EWGV, Art. 146 Rdnr. 2.
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tionalen Organs aufzugeben, welches zwar von den Mitgliedstaaten eingesetzt wird, aber diesen nicht mehr unmittelbar verantwortlich ist 8 3 . Aus dieser Ausgestaltung ergibt sich, daß die Wahrnehmung nationaler Interessen im Rat nicht nur nicht untersagt ist, sondern gerade beabsichtigt ist 84 . Daß die Länge des Schattens dieser nationalen Positionen ausschließlich durch das Licht der übergeordneten Gemeinschaftsinteressen bestimmt wird, ist zwar der integrationspolitisch erwünschte Idealfall, aber vor dem Hintergrund der nationalen Verantwortlichkeit der Regierungen schwer vorstellbar und auch rechtlich nicht normiert 85 . Demgemäß bestehen keine rechtlichen Bedenken, die Verhandlungsführung im Rat auch und gerade unter dem mitgliedstaatlichen Blickwinkel zu sehen86. Eine Grenze dieser Interessenwahrnehmung stellt — neben dem faktischen Zwang zur Kompromißfindung — die Mitwirkungspflicht der Mitgliedstaaten aus Art. 5 EWGV dar. Eine Obstruktions- oder Blockadepolitik aus rein innenpolitischen Erwägungen wäre mit den Zielen der Gemeinschaft nicht vereinbar und damit im Grenzfall auch gemeinschaftsrechtswidrig. Unterhalb dieser Schranke jedoch gibt es keine rechtlich faßbaren Abgrenzungskriterien für den Vorrang des Gemeinschaftsinteresses — so ein solches im Einzelfall überhaupt definierbar ist — gegenüber den jeweiligen Sonderinteressen eines Mitgliedstaates. Der Integrationsprozeß ist insoweit auf eine übereinstimmende Ausübung des den Regierungen zukommenden Entscheidungsspielraums angewiesen. Diese Zweckmäßigkeitsabwägungen sind erst durch eine Mißbrauchskontrolle begrenzt 87. Innerhalb dieses gemeinschaftsrechtlichen Rahmens besitzt der Bund also die Möglichkeit, seine Verhandlungsposition auch und gerade unter nationalem Blickwinkel zu formulieren und durchzusetzen zu versuchen. Ein essentieller Bestandteil dieser internen Entscheidungskriterien müssen die Maßstäbe sein, welche der Bundesregierung durch die Verfassung an die Hand gegeben sind. Die Organe der Bundesrepublik sind auch bei der Rechtsetzung im außenstaatlichen Bereich an das Grundgesetz gebunden88. Diese für das allgemeine Völkerrecht getroffene Feststellung gilt ebenso im Gemeinschaftsbereich. Erwägungen, welche sich aus der Rücksichtnahme auf die innerstaatliche Stellung der Länder ergeben, können damit ein bedeutsames Element sein. Die hohe Bedeutung,
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Zu dieser „nationalen Rückbindung" des Gemeinschaftsorgans Rat vgl. Badura, VVDStRL 23 (1966), S. 34, 46 f. Buerstedde, JöR 14 (1965), S. 87, 123 f. 85 Für eine Ausrichtung allein am „Gesamtinteresse der Gemeinschaft": Friauf\ Staatenvertretung, S. 129, der jedoch andererseits die verfassungskonforme Auslegung des Gemeinschaftsrechts postuliert (a.a.O., S. 97 ff.). 86 Den Gesichtspunkt der nationalen Kontrolle betont auch Ipsen, Fusionsverfassung, S. 34 f. Enger Schulze-Eggert, S. 32 f. 88 BVerfGE 36, 1, 13 ff.; Kirchhof,\ FG BVerfG II, S. 50, 93.
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welche der Bundesstaatlichkeit im Grundgesetz zukommt, verlangt gerade, vom Bund auch innerhalb der Ratsmitgliedschaft ernst genommen zu werden. Hierdurch verstößt er nicht gegen sich aus dem EWG-Vertrag ergebende Pflichten.
2. Einstimmigkeits- und Mehrheitsprinzip a) Die Regelung des Vertrages Als Ausdruck des völkerrechtlichen Grundsatzes der souveränen Gleichheit der Staaten kommen Entscheidungen auf herkömmlichen Staatenkonferenzen nur einstimmig zustande. Bindungskraft entfalten derartige Vereinbarungen aufgrund des einmal erklärten Bindungswillens eines beteiligten Staates. Dieses Prinzip verliert im integrierten Bereich, der durch den EWG-Vertrag geregelt wird, weitgehend seine Bedeutung. Aufgrund eines detailliert geregelten Abstimmungsverfahrens sind nach der Regelung des Art. 148 EWGV auch Entscheidungen des Rates möglich, die entweder mit der Mehrheit der Mitglieder gefaßt werden, oder aber mit einer im einzelnen unterschiedlich festgesetzten qualifizierten Mehrheit aufgrund einer Stimmengewichtung, in der sich — abgeschwächt — die Größe eines Mitgliedstaates widerspiegelt. Dessen ungeachtet erfordern gewisse Entscheidungen des Rates in jedem Falle oder jedenfalls bei Abweichung von einer Vorlage der Kommission (Art. 149 Abs. 1 EWGV) auch Einstimmigkeit. b) Die Ratspraxis
89
Politische Veränderungen im Vergleich zur Ausgangslage bei Abschluß der Gemeinschaftsverträge ließen die französische Regierung Mitte der Sechzigerjahre einen Verzicht auf das Fassen von Mehrheitsbeschlüssen fordern. Dem widersetzten sich die anderen Mitgliedstaaten. Dieser Dissens wurde durch die sogenannte „Luxemburger Vereinbarung" vom 29. 1. 1966 nur teilweise überdeckt 90. Insbesondere besteht jedoch Übereinstimmung darin, daß es sich nicht um eine Abänderung der Verträge handelt. Die politische Einigung auf ein bestimmtes Verfahren im Vorfeld von Ratsentscheidungen hat jedoch faktisch dazu geführt, daß Entscheidungen des Rates grundsätzlich einstimmig getroffen werden. Dies ist nicht nur in besonderen, „lebenswichtigen" Fragen der Fall, da die politische Gewichtung in jedem Mitgliedstaat anders vorgenommen wird. Zwar deuten gewisse Anzeichen darauf hin, daß die französische Regierung dem Einstimmigkeitsprinzip nicht mehr die frühere Bedeutung beimißt, aber inzwischen haben
89 Zur Entwicklung vgl. Sasse, Regierungen, S. 136 ff. 90 HierzuMosler,ZaöRV26(1966), 1,27 USattler,JöR 19(1970), 1,124;Schweitzer, in: Grabitz, EWGV, Art. 148 Rdnrn. 10 ff.
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auch andere Mitgliedstaaten die Bedeutung eines einvernehmlichen Handelns unterstrichen 91. Die rechtlichen und politischen Implikationen dieser Entwicklung sollen hier nicht insgesamt untersucht werden. In dem hier interessierenden Zusammenhang kann jedoch festgestellt werden, daß bei einstimmigen Ratsbeschlüssen die jeweilige Mitverantwortung der Regierung eines jeden Mitgliedstaates unverhüllt zum Ausdruck kommt. Die Berufung darauf, von anderen Ratsvertretern überstimmt worden zu sein, scheidet aus. Damit ist auch die Möglichkeit abgeschnitten, lediglich zum Zwecke der Gesichtswahrung im nationalen Bereich gegen einen Antrag zu stimmen. Beim Zustandekommen eines Ratsbeschlusses kann generell davon ausgegangen werden, daß sich die Bundesregierung damit einverstanden erklärt hat. Für eine innerstaatliche Kontrolle des Verhaltens des deutschen Ratsvertreters ergeben sich damit auch aus der grundsätzlich zu wahrenden Vertraulichkeit der Ratssitzungen keine durchgreifenden Hindernisse. Ihre eigene Haltung jeweils vor den innerstaatlich zuständigen Organen und gegebenenfalls auch der Öffentlichkeit darzustellen, ist die Bundesregierung im übrigen von Gemeinschaftsrechts wegen nicht gehindert 92. Eine Begründung dafür, daß die Mitwirkung eines deutschen Ratsvertreters nicht am Verfassungsrecht gemessen werden könne 93 , ist nicht ersichtlich.
II. Abstimmung bei Ratsentscheidungen aufgrund von vertraglichen Einzelermächtigungen Zwischen der Verwirklichung des EWG-Vertrages als einem Prozeß fortschreitender Integration einerseits und den Erfordernissen einer inhaltlich abgegrenzten Zuständigkeit der Gemeinschaft und ihrer Organe zum Zwecke des Schutzes der mitgliedstaatlichen Autonomie andererseits besteht ein fortwährendes Spannungsverhältnis 94. Von diesem Zwiespalt können sich auch die im Vertrag enthaltenen Einzelermächtigungen nicht lösen. Fordert die Verwirklichung der Vertragsziele eine effektuierende, „dynamische" Auslegung der Handlungsbefugnisse, so steht einer übermäßigen Ausdehnung zulasten der autonomen Entscheidungsgewalt der Mitgliedstaaten die sich auch im EWG-Vertrag ausdrükkende Respektierung der verbleibenden Hoheitsbefugnisse der Mitgliedstaaten entgegen. 91 Zu der Mehrheitsabstimmung vom 18. 5. 1982 vgl. Schweitzer, in: Grabitz, EWGV, Art. 148 Rdnr. 12. 92 Skeptisch zur Möglichkeit nationaler innerstaatlicher Kontrolle: Carstens, VVDStRL 16 (1958), S. 130, 131; Çchlenzka , S. 152, 166. 93 So aber Schlenzka, S. 37. 94 Hierzu auch Schlochauer, FS Hallstein 1966, S. 431; Buerstedde, Ministerrat, S. 125; Everling, EuR 1976, Sonderheft, S. 2, 5 f.; Riegel, BayVBl. 1979, 97, 99. 9 Kössinger
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Eine teleologische Auslegung der Einzelermächtigungen des Vertrages für die Kommission und insbesonders den Rat darf also nicht nur eine möglichst weitgehende Integration im Auge haben — was meist allein hervorgehoben wird —, sondern muß auch die im Vertrag angelegte Kompetenzbalance zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten berücksichtigen. Dies schließt indes nicht eine erweiternde, sachgerechte Auslegung von Einzelbefugnissen aus, auch nicht unter dem Gesichtspunkt der implied powers, sofern man die Anwendbarkeit dieser Lehre nicht durch Art. 235 EWGV ausgeschlossen sieht 95 .
1. Die Bestimmtheit von Gemeinschaftskompetenzen und Art. 24 GG Das durch Art. 24 Abs. 1 GG ermöglichte Verfahren, „durch Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen" zu übertragen, setzt voraus, daß die jenen Organisationen zukommenden Hoheitsbefugnisse von dem Übertragungsgesetz erfaßt sind. Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn — auch ohne daß in diesem Zusammenhang auf Art. 80 GG zurückgegriffen werden kann — Inhalt, Zweck und Ausmaß dieser Anerkennung von Hoheitsbefugnissen einer zu schaffenden zwischenstaatlichen Einrichtung aus dem Gesetz entnommen werden können 96 . Der allgemeine Bestimmtheitsgrundsatz für Rechtssätze erfährt hier keine Durchbrechung. Ob die Einräumung einer allumfassenden Zuständigkeit überhaupt auf Art. 24 Abs. 1 GG gestützt werden könnte 97 oder ob die Schaffung eines derartigen bundesstaatsähnlichen Gebildes nicht vielmehr einer Verfassungsänderung bedürfte, mag hier dahingestellt bleiben, denn jedenfalls müßte sich diese umfassende — wenn auch nur potentiell in die Zukunft wirkende — Übertragung von Hoheitsrechten aus dem Vertragsgesetz ergeben. Solches ist bei den im Vertrag enthaltenen Einzelermächtigungen nicht der Fall 98 . Der Bestimmtheitsgrundsatz 99 gewinnt seine Bedeutung in diesem Zusammenhang unter mehreren Aspekten. Zum einen schützt er das durch Art. 24 Abs. 1 GG gewährleistete Mitentscheidungsrecht der Gesetzgebungsorgane bei der grundlegenden Festlegung der Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an einer zwischenstaatlichen Einrichtung. Das Parlament darf hier nicht lediglich einen gänzlich unscharfen Rahmen setzen, der durch Entscheidungen anderer Organe, insbesondere unter Mitwirkung der Bundesregierung auszufüllen wäre. 95
Henckel von Donnersmarck, S. 72. 96 Hierzu Oppermann, in: Neue Entwicklungen, S. 85,98 f.; für eine restriktive Auslegung: Holch, NJW 1968, 1548, 1552. 97 Für einen europäischen Bundesstaat bejahend: Ter-Nedden, S. 13. 98 Zu den Schranken der Gemeinschaftsbefugnisse vgl. Steindorff\ Rechtsschutz, S. 44 f.; zum Enumerationsprinzip: Erler, VVDStRL 18 (1960), S. 7, 21 f.; Friauf in: Planung IV, S. 41, 48 f. 99 Hierzu auch Bleckmann, DÖV 1977, 615, 617.
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Hier würde der Gewaltentrennungsgrundsatz des Art. 20 Abs. 2, 3 GG und der konkrete Gesetzesvorbehalt berührt. Zum anderen greift das Übertragungsgesetz nach Art. 24 Abs. 1 GG weit in die Zukunft wirkend in das Kompetenz- und Machtgefüge des Grundgesetzes ein, da hierdurch nicht nur dem Bundesgesetzgeber, sondern Bund und Ländern insgesamt bisher allein wahrgenommene Hoheitsbefugnisse entzogen werden. Ein solch schwerwiegender Vorgang bedarf bestimmbarer Konturen, wenn er nicht ein gänzliches Ausbrechen aus der Verfassung beinhalten soll, sondern nur eine begrenzte Durchbrechung des nationalen Zuständigkeitsrahmens. Eine Ermächtigung zu unbegrenzter Ausweitung der Gemeinschaftszuständigkeiten wäre durch Art. 24 GG nicht gedeckt 10°. Die durch Art. 24 Abs. 1 GG bewirkte Öffnung der innerstaatlichen Rechtsordnung hin zur internationalen Zusammenarbeit in supranationalen Organisationen erfordert keine weitergehende Auslegung. Es ist zwar einzuräumen, daß ein zu starrer Zuständigkeitskatalog eine Integration praktisch unmöglich machen kann. Deshalb kann an eine vertragliche Ermächtigung von Gemeinschaftsorganen auch nicht der strenge Maßstab angelegt werden, wie etwa an eine innerstaatliche Strafvorschrift, aber eine gänzliche Auflösung von Kompetenzschranken unter dem diffusen Gesichtspunkt einer optimalen Vergemeinschaftung ist hierdurch nicht gefordert. Der Gründungsvertrag ist seiner Zielsetzung nach auf eine langdauernde Kooperation angelegt, so daß er auch in seinen Handlungsermächtigungen notwendigerweise für spätere Entwicklungen offen sein muß, soll nicht bei jeder Veränderung der politischen oder wirtschaftlichen Lage ein erneutes Gesetz der nationalen Parlamente erforderlich werden. Diesen Grundsätzen entspricht das gemeinschaftsrechtliche System der begrenzten Einzelermächtigungen. Die inhaltliche Weite einzelner Befugnisse — einen Extremfall stellt Art. 100 EWGV in Bezug auf die Rechtsangleichung dar — sprengt nicht das Maß an zulässiger Offenheit und Anpassungsfähigkeit. Auch in dieser Hinsicht ist also das Zustimmungsgesetz zum EWG-Vertrag verfassungsgemäß zustandegekommen101.
2. Die Ausschöpfung der Befugnisse durch den Rat Nach dieser vorgelagerten Ebene der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Einräumung von einzelnen, bestimmbaren Befugnissen an den Rat wendet sich der Blick nun der Wahrnehmung und Ausschöpfung dieser Befugnisse durch den Rat zu. Hierbei handelt es sich nicht darum, das Handeln des Rates insgesamt 100 Ter-Nedden, S. 13; vgl. Tomuschat, EuR 1976, Sonderheft, S. 45, 58 f.; gegen materielle Schranken aus Art. 24 Abs. 1 GG: Gericke, S. 81. 101 Zu den Schranken der Offenheit vertraglicher Ermächtigungen vgl. Glaesner, DÖV 1959, 653 ff. 9*
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an das Grundgesetz zu binden, sondern lediglich darum, Maßstäbe für das Verhalten des deutschen Ratsvertreters aus dem nationalen Verfassungsrecht zu gewinnen. Hat der deutsche Gesetzgeber der Einräumung einer Gemeinschaftsbefugnis zugestimmt, so entspricht es seinem Willen, daß die zuständigen Gemeinschaftsorgane hiervon auch Gebrauch machen. Die supranationale Option des Grundgesetzes spricht ausdrücklich dagegen, eine möglichst weitgehende Schonung der nationalen innerstaatlichen Zuständigkeiten als einzige Richtschnur zu verlangen. Dementsprechend besteht für den deutschen Rätsvertreter keine verfassungsrechtliche Pflicht, für eine restriktive Handhabung von Ratsbefugnissen nur deshalb einzutreten, weil hierdurch innerstaatliche Zuständigkeiten der Länder betroffen werden. Der bundesstaatliche Aufbau der Bundesrepublik ist unter diesen Vorbehalt der Vergemeinschaftung gestellt. Durch die vertraglichen Einzelermächtigungen ist die äußerste Grenze des Art. 79 Abs. 3 GG ja nicht erreicht 102 . Schranken ergeben sich jedoch für etwaige Vertragsänderungen 103. Sekundäres Gemeinschaftsrecht ist zwar nicht antezipierend transformiert worden, aber die Rechtsetzung durch die Gemeinschaftsorgane ist in den Willen des nationalen Gesetzgebers aufgenommen worden. Durch diese Legitimation ist die Bundesregierung befugt, auch innerstaatlich den Ländern zukommende Regelungsmaterien im Rat zu regeln, sofern hierfür im Einzelfall eine Befugnis besteht. Für die Bundesregierung ergeben sich somit aus nationalem Verfassungsrecht keine engeren Schranken als unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht für den Rat. Das durch die Präambel und Art. 24 Abs. 1 des Grundgesetzes sanktionierte Ziel der Einigung Europas gewinnt hierbei Vorrang vor innerstaatlichen Kompetenzfragen und vor dem Gebot der Rücksichtnahme auf die Interessen der Bundesländer. Dies rechtfertigt sich durch die Mitwirkung der gesetzgebenden Organe bei der „Programmierung" des Integrationsprozesses. Auch hier wiederum besteht lediglich eine Mißbrauchsschranke, falls die Bundesregierung Ziele, die sie innerstaatlich gegen die Länder nicht durchsetzen konnte, dadurch zu erreichen sucht, daß sie eine Gemeinschaftsregelung nur aus diesem Grund herbeiführt.
III. Mitwirkung der Bundesregierung bei der Ausdehnung von Gemeinschaftszuständigkeiten Der im Vorstehenden erörterte, die Beeinträchtigung von Länderkompetenzen legitimierende Faktor der Sanktionierung durch das nationale Zustimmungsgesetz und Art. 24 Abs. 1 GG verliert an Wirkungskraft dort, wo die Befugnisse 102 Am Beispiel des Bauordnungsrechts illustriert dies Grabitz, Harmonisierung, S. 29 ff. 103 Schlenzka, S. 219.
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des Rates nicht durch — sei es auch ausfüllungsbedürftige — Begriffe überschaubar determiniert sind. Es wird nicht verkannt, daß der Grad der Bestimmtheit und Bestimmbarkeit fließend sein kann und eine generelle Beurteilung im voraus, ob diese Kriterien erfüllt sind, schwierig sein mag. Zwischen den Einzelermächtigungen des Vertrages und den in Art. 235 und 236 EWGV vorgesehenen Wegen besteht jedoch ein grundlegender Unterschied. Während die Einzelkompetenzen jeweils zumindest auf konkrete Gebiete der Zusammenarbeit und bestimmte Handlungsformen beschränkt sind, so weit manche der weiteren Bestimmungsmerkmale jeweils sein mögen und so weit gespannt das Ermessen der zuständigen Organe auch hierbei ist, enthalten die Handlungsalternativen der Art. 235, 236 EWGV Möglichkeiten der Erweiterung des gemeinschaftlichen Handlungsspielraums, die lediglich in verfahrensmäßiger Hinsicht genau bestimmt sind, im übrigen jedoch inhaltlich gänzlich oder weitestgehend offen sind 104 .
1. Die Vertragsänderung gemäß Art. 236 EWGV Das in Art. 236 EWGV geregelte Verfahren für eine Änderung des Vertrages unterliegt unter bundesstaatsrechtlichen Gesichtspunkten jedoch keinen Bedenken. Das hierbei vorgesehene Verfahren sieht ausdrücklich die Mitwirkung der jeweils nach nationalem Verfassungsrecht zuständigen Organe vor (Art. 236 Abs. 3 EWGV). Allein die Vorlage eines Entwurfes für eine Vertragsänderung durch die Bundesregierung oder die Zustimmung des deutschen Ratsvertreters zu einer Stellungnahme zugunsten des Zusammentritts einer Regierungskonferenz kann somit die Stellung der Bundesländer noch nicht beeinträchtigen. Falls es dann zu einem Zustimmungsgesetz zu der vorgesehenen Vertragsänderung kommt, muß dieses selbst den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen, die in Bezug auf den EWG-Vertrag bereits erörtert wurden. Dieses komplizierte und auch zeitaufwendige Vertragsänderungsverfahren führt dazu, daß dieser Weg nur selten gegangen wird. Um die hierdurch bewirkte relative Starrheit der Gemeinschaftsverfassung 105 zu überwinden, sucht man nach geschmeidigeren Mitteln. Von dieser völkervertraglichen Lösung streng zu unterscheiden sind somit die im engeren Sinne gemeinschaftsrechtlichen Instrumente 1 0 6 .
104 Von einer möglichen „Sogwirkung" zulasten der Länder spricht Riegel, DVB1. 1979, 245. 105 Grabitz, GS Sasse I, S. 105, 106. 106 Zu dieser Abgrenzung vgl. Olivier, KSE 24, S. 61, 65.
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2. Autonome Vertragsänderungen Abweichend von dem in Art. 236 EWGV vorgesehenen Verfahren enthält der Vertrag auch Einzelbestimmungen, wonach der Rat einvernehmlich bestimmte Änderungen am Vertrag vornehmen kann. Eine solche Möglichkeit besteht z. B. in Art. 126 EWGV 1 0 7 . Hierbei zeigt sich jedoch, daß es sich nicht um grundlegende Veränderungen handelt, sondern nur um Detailfragen. Die Handlungsbefugnis ist auch soweit durch den Vertrag determiniert, daß die Tragweite der möglichen Änderungen aus dem Vertrag selbst heraus abgeschätzt werden kann. Die Bestimmung der Zahl der Richter und Generalanwälte beim Europäischen Gerichtshof etwa (Art. 165 Abs. 4 und Art. 166 Abs. 3 EWGV) ist keine Entscheidung, welche in das Kompetenzgefüge der Gemeinschaftsorgane untereinander oder zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten grundlegend eingriffe. Bei der Entscheidung über derartig technische Einzelfragen stellt sich die Frage einer bundesstaatlichen Rücksichtnahme der Bundesregierung nicht, ebensowenig wie hierin eine unzulässige Kompetenzübertragung durch den nationalen Gesetzgeber (Art. 24 Abs. 1, Art. 59 Abs. 2 GG) gesehen werden kann, da das Integrationsprogramm insoweit durch das Zustimmungsgesetz hinreichend bestimmt ist.
3. Das Vertragsänderungsverfahren gemäß Art. 235 EWGV Obwohl der EWG-Vertrag vom Grundsatz der beschränkten Einzelermächtigung durchzogen ist, waren sich die vertragschließenden Gründungsmitglieder darüber im klaren, daß die insbesondere in Art. 2 und 3 EWGV enthaltenen weitgehenden Integrationsziele im Einzelfall mit den im Vertrag festgelegten Befugnissen der Gemeinschaftsorgane nicht hinreichend effektiv verfolgt werden könnten. Um hierbei dann, wenn die Grenzen der Auslegung von Einzelbestimmungen erreicht würden, nicht sofort eine Vertragsänderung erforderlich zu machen, wurde in Art. 235 EWGV eine sogenannte Lückenschließungs- oder Vertragsergänzungskompetenz aufgenommen 108. Die Wahrnehmung dieser Kompetenz ist zwar an mehrere Voraussetzungen gebunden, diese vermögen jedoch nicht zu einer scharfen Konturierung dieser Vorschrift zu führen 109 . Teilweise handelt es sich lediglich um Verfahrensvorschriften, wenn ein Vorschlag der Kommission erforderlich ist, die Versammlung angehört werden muß und der Beschluß nur einstimmig ergehen kann. Die inhaltlichen Kriterien sind so unbestimmt, daß hierdurch nur eine weitmaschige Begrenzung eintritt. 107 Hierzu Stabenow, KSE 29, S. 313, 316. los Vgl. Schwartz, EuR 1976, Sonderheft, S. 27, 36 f.; Henckel von Donnersmarck, S. 41 ff. io9 Von einer dem Wortlaut nach umfassenden subsidiären Befugnis spricht Wagner, KSE 5, 261, 263.
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Die Frage, ob ein Tätigwerden der Gemeinschaft erforderlich ist, um im Rahmen des Gemeinsamen Marktes eines ihrer Ziele zu verwirklichen, unterliegt der politischen Beurteilung durch die Gemeinschaftsorgane 110. Die Zielbestimmungen, auf die hierbei verwiesen wird, also insbesondere Art. 2 und 3 EWGV sind — dem weitgespannten Aufgabenbereich der Gemeinschaft entsprechend — so unbestimmt, daß dies auch unter Verknüpfung mit dem Merkmal des Gemeinsamen Marktes keinen praktikablen Abgrenzungsmaßstab über Mißbrauchsfälle hinaus gibt. Auf Art. 235 EWGV darf zwar nur zurückgegriffen werden, wenn „in diesem Vertrag die hierfür erforderlichen Befugnisse nicht vorgesehen" sind, doch dies ist keine mit Spezialitätsregelungen nationaler Eingriffsbefugnisse vergleichbare Konstruktion. Die ganz überwiegende Meinung geht nämlich zwischenzeitlich davon aus, daß Art. 235 EWGV nicht nur dann anwendbar ist, wenn für die beabsichtigte Maßnahme überhaupt keine Einzelbefugnis besteht, sondern auch dann, wenn die im Vertrag vorgesehene Befugnis nicht hinreichend intensiv oder nicht hinreichend weit ist 1 1 1 . Art. 235 EWGV überlagert somit das gesamte System der vertraglichen Zuständigkeiten 112 . Der Schutz der vertraglichen Einzelzuständigkeiten besteht somit nur darin, daß Art. 235 EWGV ein bestimmtes Entscheidungsverfahren erfordert 113 . Die Einschaltung der Kommission und der Versammlung sowie das Erfordernis der Einstimmigkeit im Rat bieten die Gewähr für einen weitgehenden Konsens und damit einen gewissen Schutz vor der übereilten Durchsetzung von zu weit gehenden Integrationsversuchen. Allein der geforderte Regelungszusammenhang mit im Vertrag enthaltenen Zielen beinhaltet somit eine Abgrenzung gegenüber einer allumfassenden Kompetenzkompetenz. Das heißt, daß auf Art. 235 EWGV ohne hinreichend intensive Verknüpfung mit einem solchen Ziel innerhalb des Gemeinsamen Marktes nicht zurückgegriffen werden kann. Diese integrationspolitisch wohl nicht zu vermeidende Regelung, sofern nicht eine fortwährende Einschaltung der nationalen Gesetzgeber notwendig gemacht werden soll, stößt an die äußeren Grenzen des nach nationalem deutschem Verfassungsrecht Zulässigen. Nur das ausdrücklich im Grundgesetz enthaltene Ziel einer Öffnung auf die internationale Zusammenarbeit in internationalen Organisationen insbesondere im europäischen Rahmen kann eine derartig weite Klausel noch stützen I14 . Innerstaatlich können diesem weiten Rahmen nach außen no Gericke, S. 53; Everling, EuR 1976, Sonderheft, S. 2, 12. in EuGH (Rs 8/73, Massey-Ferguson), Slg. 1973, 897, 908; Gericke, S. 63 f.; Everling, EuR 1976, Sonderheft, S. 2, 13; Lauwaars, EuR 1976, 100, 106; a. A. Oldekop, S. 57 f. 112 Enger: Rabe, S. 152 f.; Friauf, Staatenvertretung, S. 86 ff. 113 Vgl. Gericke, S. 109 f. 114 Eine Auflistung der auf Art. 235 EWGV gestützten Rechtsakte mit Stand 1. 9. 1976 findet sich bei Lauwaars, EuR 1976,100,125 ff., und bei Everling, EuR 1976, Sonderheft, S. 222 ff.
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4. Teil: Die Bindung des Bundes durch die Bundestreue
jedoch engere Handlungsspielräume der Bundesregierung eingefügt sein. Auch diese Frage wird hier lediglich unter bundesstaatlichen Aspekten erörtert. Kann sich die Bundesregierung bei einem Vorgehen aufgrund Art. 235 EWGV nicht in dem Maße auf eine konkretisierte Vorab-Zustimmung des Gesetzgebers stützen, wie dies bei den „gewöhnlichen" Ermächtigungen des EWG-Vertrages der Fall ist, so gewinnt das Gebot der bundesstaatlichen Rücksichtnahme auf die Belange der Länder erhöhtes Gewicht. Zwar steht auch das Abstimmungsverhalten der Bundesregierung im Rat aufgrund von Art. 235 EWGV nicht unter einer strengen Bindung an Regelungsgegenstände, die innerhalb der Entscheidungskompetenz des Bundes oder gar der Bundesregierung unterliegen, aber bei einer Beschneidung der Zuständigkeiten der Länder aufgrund Art. 235 EWGV besteht für den Bund das Gebot, den Maßstab der integrationspolitischen Erforderlichkeit besonders streng anzulegen. Somit ist zwar der Auffassung zuzustimmen, daß Art. 24 GG für die Auslegung von Art. 235 EWGV nach Gemeinschaftsrecht irrelevant sei 115 , aber diese Feststellung steht dem nicht entgegen, daß die Bundesregierung im Rahmen des nach Gemeinschaftsrecht Zulässigen die Schranken des Art. 24 GG zu beachten hat. Es ist zwar schon dem Rat von Gemeinschaftsrechts wegen nicht möglich, unter Berufung auf Art. 235 EWGV gänzlich neue Politiken ins Werk zu setzen 116 , wie etwa eine generelle gemeinschaftsrechtliche Regelung des Polizeioder Schulwesens, um zwei Gebiete zu nennen, welche Schwerpunkte der Länderhoheit darstellen. Aber die funktionelle Verknüpfung mit im Vertrag vorgesehenen Zielen und Maßnahmen ermöglicht dem Rat ein weites Ausgreifen auch auf solche Gebiete, sofern ein solcher hinreichend enger Zusammenhang hergestellt werden kann 117 . Jeder Rechtsakt nach Art. 235 EWGV legt somit die Kompetenzabgrenzung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten neu fest 118 . Hierbei muß sich die Bundesregierung auch bei einer nach Gemeinschaftsrecht zulässigen Maßnahme einer besonderen Zurückhaltung befleißigen. Die Entwicklung der zurückliegenden Jahre hat vielfach dazu geführt, eine mangelnde Tiefe der Integration durch eine Ausdehnung der Breite auszugleichen119. Das heißt, die Mitgliedstaaten einigten sich zwar nicht auf Integrationsfortschritte auf den Kerngebieten des EWG-Vertrages, etwa der Agrarpolitik oder der weitergehenden Reduzierung von Handelshemmnissen an den Binnengrenzen, dafür dehnten
115 Vgl. auch Everling, EuR 1976, Sonderheft, S. 2, 17. 116 — es sei denn, man erkennt im Vertrag ein System autonomer Rechtsetzungsbefugnisse, wie Monaco, in: FS Riese, S. 27, 30 f., wie hier: Zuleeg, JöR 20, S. 1, 17 ff.; Riegel, DVB1. 1977, 82, 83. 117 So auch Lauwaars, EuR 1976, 100, 102 f.; für einen weiten Umgriff: Everling, EuR 1976, Sonderheft, S. 2, 11. Iis Grabitz, GS Sasse I, S. 105, 110. ii9 Vgl. Everling, EuR 1976, Sonderheft, S. 2, 8 f.; Christophersen, EA 1986,43,44 f.
§ 12 Die Bindung des Bundes bei Sachentscheidungen
137
sie die Zusammenarbeit im Rahmen des EWG-Vertrags auf Gebiete aus, die mit den Vertragsmaterien nur am Rande verknüpft sind. Steht es dem deutschen Ratsvertreter frei, unter Berufung auf die „benannten" EWG-Kompetenzen dem Integrationsgedanken uneingeschränkten Vorrang vor einer möglichst weitgehenden Schonung der Länderkompetenzen einzuräumen, sofern dies der Politik der Bundesregierung entspricht, so gilt dies für Maßnahmen des Rates, die sich auf Art. 235 EWGV stützen, nicht. Der deutsche Vertreter darf einem solchen Bechluß, der in innerstaatliche Kompetenzen der Länder eingreift, nur zustimmen, sofern hierüber ein Einverständnis mit den Ländern erzielt wurde, oder aber andernfalls dem Bund ein Verstoß gegen Art. 5 EWGV zur Last fiele. Gründe zwingender oder auch nur überwiegender politischer Opportunität allein wären in diesem Falle nicht tragfähig 120 . Insoweit liegt die Schranke der Zulässigkeit höher als nach den im vorhergehenden Abschnitt dargelegten verfahrensmäßigen Absprachen unterschiedlicher rechtlicher Ausformung. Daß die Berufung auf Art. 235 EWGV nicht unbedingt den Länderinteressen zuwiderlaufen muß, zeigt der hierauf gestützte Regionalfonds 121. Diese hier vertretene Auffassung geht über die vom Bund in dem Schriftwechsel geäußerte Absichtserklärung und die im Zustimmungsgesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte enthaltene Regelung hinaus, wo eine solche Differenzierung nach den benannten Kompetenzen einerseits und Art. 235 EWGV andererseits nicht vorgenommen wird, und überdies der Vorbehalt „zwingender integrationspolitischer Gründe" nicht eingeschränkt wird. Diese Einschränkung der Handlungsfähigkeit der Bundesregierung ist jedoch von Verfassungs wegen gefordert, um dem Bundesstaatsgrundsatz gegenüber der fortschreitenden Integration eine letzte, nicht mehr zur Disposition stehende Bedeutung zukommen zu lassen. Eine schrankenlose Überordnung der durch Art. 24 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Zustimmungsgesetzen zugelassenen Öffnung gegenüber den Europäischen Gemeinschaften würde das Kompetenzgefüge zwischen Bund und Ländern einerseits, Bundesregierung und gesetzgebenden Organen andererseits zu einseitig verschieben. Eine von den Ländern erklärte Zustimmung zu einer Mitwirkung des Bundes an einem auf Art. 235 EWGV gestützten Ratsbeschluß, der ihre Kompetenzen berührt, ist auch keine unzulässige Kompetenzübertragung auf den Bund außerhalb einer Verfassungsänderung, da der Bund nur mittelbar im Rat mitentscheidungsbefugt ist und das Instrument des Art. 235 EWGV als solches nicht gegen das Grundgesetz verstößt. Lediglich bei der Handhabung obliegen dem deutschen Ratsvertreter innerstaatlich besondere verfassungsrechtliche Pflichten.
120 Zur — restriktiven — Interpretation von Art. 235 EWGV durch den Bundesrat: HolcK EuR 1969, 213, 225. 121 Hierzu Wäldchen, KSE 29, S. 345,.
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4. Teil: Die Bindung des Bundes durch die Bundestreue
Kommt ein solcher Konsens des Bundes mit den Ländern nicht zustande, weil es sich etwa nach deren Auffassung nicht nur um eine weniger gewichtige Abrundung einer Gemeinschaftskompetenz handelt, so verbleibt der Bundesregierung die Möglichkeit, zu versuchen, eine Vertragsänderung herbeizuführen. Die Schwerfälligkeit dieses Vorgehens muß in Kauf genommen werden. Auch bei einer eventuellen Verweigerung ihrer Zustimmung sind die Länder jedoch ihrerseits durch den Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens gebunden. Schon daraus folgt, daß ein Vorstoß des Bundes letztlich nur bei schwerwiegenden Kompetenzausdehnungen scheitern kann.
IV. Zwischenergebnis Materiellrechtlich verbleiben den Bundesländern gegen Maßnahmen der Gemeinschaftsorgane, die sich im Rahmen des nach Gemeinschaftsrecht Zulässigen halten, nur äußerst geringe Schutzpositionen, wenn hierdurch auf Gebiete eingewirkt wird, die innerstaatlich zur Kompetenz der Länder gehören. Abgesehen von der derzeit nicht absehbaren Situation, daß durch die Entwicklung der Europäischen Gemeinschaften der durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützte bundesstaatliche Kernbereich berührt würde, bestehen nur für den Bund, der ein Regierungsmitglied in den Rat entsendet, gewisse Anhörungs- und Abstimmungspflichten. Diese lassen jedoch das der Bundesregierung grundsätzlich zukommende Letztentscheidungsrecht nur in dem Fall nicht unberührt, daß es für eine Maßnahme der EWG keine andere rechtliche Grundlage als Art. 235 EWGV gibt. Dementsprechend gewinnt die Frage an Bedeutung, ob und gegebenenfalls wie diese — geringen — Rechtspositionen der Länder verfahrensmäßig durchgesetzt werden können. Noch gewichtiger kann sich das Problem stellen, ob und auf welchem Wege ein Schutz der Bundesländer als Hoheitsträger gegen rechtswidrige Maßnahmen von Gemeinschaftsorganen herbeigeführt werden kann.
Fünfter
Teil
Verfahrensrechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten Es konnte bisher festgehalten werden, daß die Länder zur Durchführung des Europäischen Gemeinschaftsrechts insoweit verpflichtet sind, als nach nationalem Verfassungsrecht innerstaatlich nicht der Bund zuständig ist. Umgekehrt unterliegt der Bund aus der Pflicht zum bundesfreundlichen Verhalten heraus gewissen Bindungen bei der Ausübung seiner Kompetenzen. Weiter dürfen die Organe der Gemeinschaften Maßnahmen nur im Rahmen der ihnen durch die Verträge zugewiesenen Kompetenzen treffen. Dieser materiellrechtliche Befund verlangt nun nach der Untersuchung, inwiefern diese Rechte, Zuständigkeiten und Pflichten auch verfahrensrechtlich abesichert sind.
§ 13 Maßnahmen der Länder gegen die Gemeinschaft I. Beschränkung auf hoheitliches Tätigwerden Als erste Fallgruppe ist zu prüfen, ob den Ländern verfahrensrechtliche Möglichkeiten offenstehen, gegen Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften unmittelbar vorzugehen, wenn sie hierdurch in ihren rechtlich geschützten Interessen betroffen sind. Hierbei erfolgt eine Eingrenzung auf die Länder in ihrer Funktion als Hoheitsträger. Nicht Untersuchungsgegenstand sind die Rechtsschutzmöglichkeiten, die den Ländern gegebenenfalls dann offenstehen, wenn sie wie eine beliebige Person, insbesonders wie ein Unternehmen, selbst betroffen sind. Solches könnte sich schon aus ihrer wirtschaftlichen Betätigung ohne weiteres ergeben, führt dann aber nicht zu in diesem Zusammenhang interessierenden Besonderheiten. Ausdrückliche Befugnisse sind den Ländern durch den EWG-Vertrag nicht zugewiesen worden. Auch hinsichtlich der prozessualen Stellung ist das Gemeinschaftsrecht „landesblind". Demzufolge kommt allenfalls eine Teilhabe der Länder an den allgemeinen Rechtsschutzmöglichkeiten in Betracht.
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5. Teil: Verfahrensrechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten
II. Anfechtungsklage zum EuGH 1. Verfahrensgegenstand Zur Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung des EWGVertrages ist der Europäische Gerichtshof eingerichtet, Art. 164 EWGV in Verbindung mit Art. 3 und 4 des Abkommens über gemeinsame Organe für die europäischen Gemeinschaften. Wie die anderen Organe besitzt jedoch auch der Gerichtshof keine allgemeine Zuständigkeit, sondern ist auf die ihm vom Vertrag zugewiesenen Einzelkompetenzen beschränkt, Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EWGV. Eine mit § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO vergleichbare verwaltungsgerichtliche Generalklausel oder eine dem Art. 93 Absatz 1 Nr. 3, 4 GG vergleichbare umfassende verfassungsgerichtliche Zuständigkeitszuweisung enthält der EWG-Vertrag nicht, was aufgrund der Unterschiede zwischen der Gemeinschaftsrechtsordnung und der voll durchnormierten nationalen Rechtsordnung auch nicht zwingend erforderlich ist. Mit der Klage gemäß Art. 173 Abs. 1 EWGV kann jeder verbindliche Rechtsakt der Gemeinschaftsorgane angegriffen werden, also lediglich mit Ausnahme der Empfehlungen oder Stellungnahmen. Begrenzter ist der Anwendungsbereich von Art. 173 Abs. 2 EWGV für die Anfechtungsklage natürlicher oder juristischer Personen, welche nur gegen an sie ergangene Entscheidungen oder Verordnungen mit unmittelbarer und individueller Wirkung für den Kläger eröffnet ist. In allen diesen Verfahrensarten überprüft der Gerichtshof die angegriffene Maßnahme bzw. deren Unterlassung am Maßstab höherrangigen Gemeinschaftsrechts. Bei der Anfechtungsklage kann die mangelnde Zuständigkeit, die Verletzung wesentlicher Formvorschriften, die Verletzung des Vertrages oder einer bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm oder Ermessensmißbrauch gerügt werden, Art. 173 Abs. 1 Satz 2 EWGV. Diese Klagegründe sind im wesentlichen dem französischen Rechtsbehelf des recours pour excès de pouvoir nachgebildet.
2. Aktivlegitimation a) Art. 173 Abs. 1 S. 2 EWGV Zur Erhebung der Klage gemäß Art. 173 Abs. 1 S. 2 EWGV sind neben Rat und Kommission nur die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft berechtigt. Hierunter wird nach allgemeiner Meinung nur der jeweilige Mitgliedstaat als solcher verstanden, nicht jedoch seine selbständigen oder unselbständigen Untergliederungen wie etwa die italienischen Regionen, die deutschen Bundesländer oder sonstige innerstaatliche Hoheitsträger 1. Dieser Auffassung ist zuzustimmen: im i Daig, in: GBTE, EWGV, Art. 173 Rdnr. 12.
§13 Maßnahmen der Länder gegen die Gemeinschaft
141
Gegensatz zu der Klagemöglichkeit nach Absatz 2 setzt Art. 173 Abs. 1 Satz 2 EWGV keine besondere Klagebefugnis in Gestalt des Betroffenseins in eigenen Rechten oder geschützten Interessen voraus. Dies erklärt sich damit, daß die Gemeinschaftsorgane und die Mitgliedstaaten aus ihrer gemeinschaftlichen Veranwortung als am Integrationsprozeß unmittelbar Beteiligte mit zur Wahrung der Gemeinschaftsrechtsordnung berufen sind 2 . Diese Funktion der Klage nach Art. 173 Abs. 1 S. 2 EWGV würde gefährdet, wenn neben den Mitgliedstaaten noch zahlreichen weiteren innerstaatlichen Hoheitsträgern eine solche allgemeine Klagebefugnis zugesprochen werden würde. Die innerstaatliche Willensbildung zu der Frage, ob eine Klage erhoben wird, ist durch das Gemeinschaftsrecht nicht geregelt. Dies gehört zum domaine réservé des nationalen Rechts beziehungsweise des innerstaatlichen politischen Entscheidungsprozesses. Das Gemeinschaftsrecht ist jedoch darauf angewiesen, daß jeder Staat nach außen mit einer Stimme spricht, und daß innerstaatliche politische oder rechtliche Differenzen nicht vor dem Forum des Europäischen Gerichtshofes ausgetragen werden. Damit ist eine Klage eines deutschen Bundeslandes aufgrund Art. 173 Abs. 1 S. 2 EWGV ausgeschlossen. Bezüglich der Staatenklage sind die Länder durch den Bund mediatisiert. b) Art. 173 Abs. 2 EWGV In Abgrenzung zu der Staatenklage ergibt sich der weite Kreis der zu der Klage gemäß Art. 173 Abs. 2 EWGV aktiv legitimierten Personen: „Jede natürliche oder juristische Person kann . . . Klage erheben". Dies heißt, daß hierdurch jeder nach nationalem Recht Rechtsfähige umfaßt wird, sei es ein Individuum, eine juristische Person des Privatrechts oder eine solche des öffentlichen Rechts, ausgenommen die Mitgliedstaaten selbst, denn für diese gilt Absatz 1 als lex specialis3. Damit werden auch die Bundesländer umfaßt 4. Angegriffen werden können zunächst nur die an den Kläger gerichteten Entscheidungen. Da insoweit, als es sich um hoheitliche Tätigkeiten handelt, gemeinschaftsrechtlich immer die Mitgliedstaaten als solche verpflichtet sind, sind die Gemeinschaftsorgane nicht befugt, durchführungsbedürftige Maßnahmen, insbesondere also auch Entscheidungen an die innerstaatlich zuständigen Stellen direkt zu richten. Wenn ein Gemeinschaftsorgan entgegen dieser Regel einmal eine Entscheidung an ein Land richtet, so ist dieses hiergegen klagebefugt. Die prinzipale Anfechtung einer Verordnung durch Einzelpersonen ist somit gemäß Art. 173 Abs. 2 EWGV nicht statthaft 5. Eröffnet ist der Klageweg gemäß 2 Ehle, Klage- und Prozeßrecht, Art. 173 Rdnr. 11. 3 A. A. Ehle, Klage- und Prozeßrecht, Art. 173 Rdnr. 19; Daig y FS Riese, S. 187, 202; wie hier jedoch: ders., in GBTE, EWGV, Art. 173, Rdnr. 32. 4 Lagrange, KSE 1, S. 606, 608.
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5. Teil: Verfahrensrechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten
Art. 173 Abs. 2 EWGV jedoch gegen Entscheidungen, die, „obwohl sie als Verordnung oder als eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung ergangen sind, sie unmittelbar und individuell betreffen". Seitdem die Möglichkeit einer unmittelbaren Anwendbarkeit von Richtlinien bejaht wird, wird diese Bestimmung auch auf Richtlinien ausgedehnt, welche den Kläger unmittelbar und individuell betreffen. Um betroffen zu sein, bedarf es keines Eingriffs in subjektive Rechte, vielmehr genügen hierfür bereits nachteilige Auswirkungen auf rechtlich geschützte Interessen6. Dementsprechend könnten sich die Länder grundsätzlich darauf berufen, daß ein Rechtsakt der Gemeinschaften sie in ihren Zuständigkeiten verletze, sofern sich aus dem EWG-Vertrag keine gemeinschaftliche Kompetenz hierfür ergibt. Voraussetzung für ein unmittelbares Betroffensein ist, daß die angegriffene Maßnahme ohne das Dazwischentreten weiterer Umstände, das heißt insbesondere ohne notwendige dazwischengeschaltete Vollzugsmaßnahme in die Interessensphäre eingreift. Auch dies ist für Rechtsakte auf Tätigkeitsbereichen, welche innerstaatlich der Länderkompetenz unterliegen, denkbar, insbesonders also für Verordnungen oder an den Bund gerichtete Entscheidungen, oder für Richtlinien mit entsprechendem Inhalt. Die Maßnahme muß den Kläger jedoch auch individuell betreffen. Letzteres ist bei einem Übergriff auf Zuständigkeiten der Länder im hoheitlichen Bereich nur schwer vorstellbar. Es genügt für das Betroffensein nämlich nicht, daß der Kläger als Mitglied einer bestimmten „Gruppe" betroffen ist, sondern er muß aufgrund persönlicher Eigenschaften oder ganz besonderer Umstände individualisierbar sein. Überschreiten Gemeinschaftsorgane die Grenze zwischen dem Zuständigkeitsbereich der Gemeinschaft und dem der Mitgliedstaaten, so sind sämtliche Mitgliedstaaten und gegebenenfalls zusätzlich die jeweils innerstaatlich zuständigen anderen Hoheitsträger betroffen. Insoweit kann von einem „individuellen" Betroffensein nicht gesprochen werden. Damit dürfte wegen der Beeinträchtigung innerstaatlicher hoheitlicher Zuständigkeiten eine Klage nach Art. 173 Abs. 2 EWGV ausscheiden. Dieses Ergebnis schafft auch keine ungewünschte oder gar unerträgliche Rechtsschutzlücke. Sind nämlich die Länder in ihrer hoheitlichen Funktion betroffen, so ordnet sie das Gemeinschaftsrecht insoweit dem Mitgliedstaat Bundesrepublik Deutschland zu, der als Einheit Träger von gemeinschaftsrechtlichen Rechten und Pflichten ist. Die Abgrenzung zwischen nationaler und gemeinschaftlicher Zuständigkeit kann der Europäische Gerichtshof aufgrund von Klagen gemäß Art. 173 Abs. 1 Satz 2 EWGV klären. Ein föderativ aufgebauter Staat würde gegenüber zentralisierten Mitgliedstaaten bevorzugt, wenn seine Zentralinstanz auf das Mittel der Staatenklage mit seinen politischen Auswirkun5 Vgl. Riese, FS Hallstein 1966, S. 414, 418 f. 6 Daig, a. a.O., S. 203; ders., in: GBTE, EWGV, Art. 173 Rdnr. 43 ff.
§14 Maßnahmen der Gemeinschaft gegenüber Bund und Ländern
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gen verzichten könnte, aber andere innerstaatliche Hoheitsträger die Verletzung von Kompetenzgrenzen durch die Gemeinschaftsorgane vor dem Gerichtshof rügen könnten. Nicht gänzlich auszuschließen ist es indes, daß einmal ein Bundesland durch eine (auch) an die Bundesrepublik Deutschland gerichtete Entscheidung hinreichend betroffen ist. Die Klage von Privatpersonen bzw. Unternehmen gegen eine staatengerichtete Entscheidung wurde vom Gerichtshof zugelassen7. Zwar ist es nicht richtig, zu sagen, die Klage gemäß Art. 173 Abs. 2 EWGV sei nur „Privaten" eröffnet, weil juristische Personen des öffentlichen Rechts insbesonders auch als Unternehmensträger als Klagebefugte in Betracht kommen. Die Klage ist jedoch nicht zur Klärung hoheitlicher Zuständigkeiten zwischen mehreren Zuständigkeitsträgern geeignet. Unberührt von diesem weitgehenden Ausschluß8 der prinzipalen Kontrolle von Gemeinschaftsrechtsakten durch die Länder bleibt deren Möglichkeit, in jedem Rechtsstreit — vor nationalen Gerichten oder vor dem EuGH — die Unanwendbarkeit einer Verordnung aus den in Art. 173 Abs. 1 EWGV genannten Gründen geltend zu machen. Für diesen Einwand der Rechtswidrigkeit bestehen auch keine zeitlichen Grenzen, Art. 184 EWGV.
§ 14 Maßnahmen der Gemeinschaft gegenüber dem Bund oder den Ländern Erfüllen die Länder die ihnen obliegenden Durchführungspflichten nicht, so ist hierdurch nicht nur ihr Verhältnis zum Bund berührt, sondern auch die gemeinschaftsrechtliche Ebene. Dementsprechend stellt sich die Frage nach den Möglichkeiten für die Kommission, die Vertragserfüllung durch die innerstaatlich zuständigen Stellen der Bundesrepublik sicherzustellen 9.
I. Außergerichtliche Maßnahmen Owohl das Gemeinschaftsrecht in weitem Umfang der Durchführung durch nationale Stellen bedarf, sei es durch den Erlaß von Ausführungsnormen, sei es durch den Verwaltungsvollzug, ist im EWG-Vertrag keine allgemeine Regelung für ein gemeinschaftliches Aufsichtsverfahren getroffen, wie es etwa innerstaatlich in Art. 84 Abs. 3 — 5, Art. 85 Abs. 3, 4 GG der Fall ist. Ein generelles Aufsichtsrecht kennt der Vertrag nicht I 0 . Die Zusammenschau einzelner Bestim7 EuHG Rs 106/63 (Töpfer), Slg. 1965, S. 548; hierzu Riese , FS Hallstein 1966, S. 414, 424 f.; vgl. auch Ehle , Klage- und Prozeßrecht, Art. 173 Rdnr. 31. 8 Generell ausgeschlossen wird dies durch Spelten , S. 140. 9 Zur Rechtmäßigkeitskontrolle allgemein vgl. Zuleeg , JöR 20, S. 1, 52 ff. 10 A. A. Bandeil S. 13; wie hier: Zuleeg , JöR 20, S. 1, 53.
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5. Teil: Verfahrensrechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten
mungen ergibt jedoch, daß der Kommission durchaus ein — inhaltlich beschränktes — Aufsichtsrecht zukommt.
1. Auskunftseinholung Gemäß Art. 155 Unterabsatz 1 EWGV hat die Kommission für die Anwendung des primären und sekundären Gemeinschaftsrechts Sorge zu tragen. Gegebenenfalls hat sie auch die ihr vom Rat übertragenen Durchführungskompetenzen wahrzunehmen, Art. 155 UAbs. 4 EWGV. Hieraus ergeben sich jedoch noch keine Eingriffs- oder Weisungsbefugnisse gegenüber nationalen Stellen. Art. 213 EWGV bestimmt jedoch, daß die Kommission in dem zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Umfang Auskünfte einholen und Nachprüfungen vornehmen kann, wobei Einzelheiten vom Rat festzulegen sind. Hieraus und aus Art. 5 EWGV folgt, daß die Kommission gegenüber den Mitgliedstaaten einen Anspruch darauf hat, über die getroffenen Durchführungsmaßnahmen informiert zu werden 11 . Adressat dieser Verpflichtung ist jedoch grundsätzlich wiederum der Mitgliedstaat insgesamt, repräsentiert durch seine Regierung 12. Das heißt, die Kommission kann ihr Auskunftsersuchen unmittelbar an die Bundesregierung richten, welche dann zur Beschaffung der erforderlichen Informationen verpflichtet ist. Diese Beschränkung des Adressatenkreises folgt jedoch nicht unmittelbar aus dem Vertragstext, der hierzu schweigt, sondern aus dem allgemeinen Grundsatz der einheitlichen Verbandszugehörigkeit der Mitgliedstaaten13. Dieses Verfahren kann sich jedoch zum einen als sehr schwerfällig erweisen, zum anderen stellt das Auskunftsersuchen noch keinen Eingriff in die innerstaatliche Autonomie oder in nationale Zuständigkeiten dar. Demzufolge ist es auch zulässig, daß sich die Kommission unmittelbar an die von ihr als zuständig erachtete innerstaatliche Stelle wendet. Dies darf jedoch nicht zu einer Umgehung des zur Vertretung gegenüber der Gemeinschaft zuständigen Organs, also der Bundesregierung, führen. Diese ist somit über alle an deutsche Stellen gerichteten Auskunftsersuchen auf dem laufenden zu halten. Damit kann auch dem Einwand Rechnung getragen werden, ein direkter Kontakt zu nachgeordneten nationalen Stellen würde die Verantwortung der Bundesregierung untergraben 14. Bereits die Einholung einer Auskunft aufgrund Art. 213 EWGV kann gegebenenfalls zu einer Abstimmung des nationalen Vorgehens auf die Auffassungen der Kommission führen. Ist dies nicht möglich und gelangt die Kommission zu h Bleckmann, in: GBTE, EWGV, Art. 5 Rdnr. 34; Hummer, in: Grabitz, EWGV, Art. 213 Rdnr. 3. 12 BUnten, S. 127 f. m. w. N., S. 174. 13 Bunten, a. a. O. spricht von „Verbandsaufsicht" statt „Organkontrolle"; a. A. Spelten, S. 78. 14 Schmitz, KSE 13, S. 1/3.1, 35 f.
§ 14 Maßnahmen der Gemeinschaft gegenüber Bund und Ländern
145
der Auffassung, es liege eine Vertragsverletzung durch ein deutsche Stelle vor, so steht ihr der Weg gemäß Art. 169 EWGV offen. Ausdrücklich spezielle Informationspflichten der Mitgliedstaaten (z. B. Art. 93 Abs. 3 EWGV) 1 5 sind in bestimmten Einzelbereichen vorgesehen, so etwa bei der Subventionsvergabe 16.
2. Mängelrüge Gemäß Art. 169 Abs. 1 EWGV kann die Kommission, sofern sie den Vertrag als durch einen Mitgliedstaat verletzt ansieht, eine mit Gründen versehene förmliche Stellungnahme abgeben. a) Vorverfahren Bevor die Kommission diese Maßnahme ergreift, hat sie dem Mitgliedstaat Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Eine solche Anhörung, welche ja die Mitteilung voraussetzt, daß die Kommission die Möglichkeit einer konkreten Vertragsverletzung als gegeben ansieht, kann bereits mit einem Auskunftsersuchen verbunden werden, sofern der Informationsstand der Kommission hinreichend ist, oder sogar ohne weitere Erforschung der tatsächlichen Gegebenheiten durchgeführt werden. Die Kommission kann jedoch auch erst nach der Einholung von Auskünften in einem weiteren Schritt Gelegenheit zur Äußerung gewähren 17. b) Adressat der Maßnahme Während der Kreis der Adressaten für ein Auskunftsersuchen nach Art. 213 EWGV vom Vertrag nicht ausdrücklich abgegrenzt ist und dementsprechend auch weiter interpretiert wird, ist in Art. 169 Abs. 1 EWGV wiederum nur von dem „Mitgliedstaat" die Rede. Hier ist das gemeinschaftsverfassungsrechtliche Verhältnis des Gemeinschaftsorgans Kommission gegenüber den Mitgliedstaaten als solchen geregelt. Weitere Adressaten über diesen Kreis der Beteiligten hinaus kommen nicht in Betracht. Adressat der Beanstandung ist also ausschließlich die Bundesregierung, auch wenn Länderverhalten in Frage steht 18 . Die Ausdehnung des Adressatenkreises ist auch zur Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts nicht erforderlich 19. Zwar wird einem Mitgliedstaat nicht das Ver15 Vgl. Zuleeg , JöR 20, S. 1, 53. 16 Hierzu Götz , KSE 29, S. 371, 402 ff. 17 Zur vorgerichtlichen Phase des Verfahrens vgl. Louis , in: FS Ganshof, II, S. 225, 238. iß Spelten , S. 84 ff. 19 Zur Urteilswirkung vgl. Spelten , S. 129. 10 Kössinger
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5. Teil: Verfahrensrechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten
halten jedes seiner Staatsangehörigen zugerechnet, sofern er selbst die ihm gegebenenfalls gegenüber seinen Bürgern obliegenden Maßnahmen ergreift, aber hinsichtlich des Verhaltens der Träger öffentlicher Gewalt hat der Mitgliedstaat voll einzustehen. Das heißt, daß ihm ein vertragswidriges Verhalten eines Bundeslandes uneingeschränkt zugerechnet wird, ohne daß die innerstaatliche Kompetenzverteilung den Bund gegenüber der Gemeinschaft exkulpieren kann. Dementsprechend ist es ausreichend, wenn die Kommission gegenüber dem Bund gemäß Art. 169 Abs. 1 EWGV vorgehen kann. Die Bundesregierung steht hier für das Verhalten eines Bundeslandes ein, wie es grundsätzlich sogar für das Verhalten unabhängiger Gerichte der Fall ist 20 .
3. Weisung Als drittes Element in der Stufenfolge der Aufsichtsmaßnahmen nach der Auskunftseinholung und der Beanstandung kommt die Ausübung eines Weisungsrechtes durch die Kommission in Betracht. Eine solche allgemeine Befugnis zur Steuerung der nationalen Durchführungsmaßnahmen kommt der Kommission jedoch nicht zu 2 1 . Ihr stehen lediglich die förmlichen Handlungstypen, hier also insbesondere der Erlaß einer an den Mitgliedstaat gerichteten Entscheidung oder einer Verordnung zu Gebote, sofern sie hierfür im Einzelfall zuständig ist 22 . Zum Schutz der den Mitgliedstaaten verbliebenen Zuständigkeiten ist der Weg, generell Einzelweisungen zu erteilen, versperrt. Von mancher Seite wird beklagt, deshalb sei es der Kommission nicht möglich, die effektive Durchführung des Gemeinschaftsrechts, insbesondere von Richtlinien, hinreichend zu überwachen 23. Dem ist zuzugeben, daß das vom Vertrag vorgesehene Instrumentarium schwerfällig sein mag und im Sinne einer optimalen, schnellstmöglichen Herstellung einer einheitlichen Rechtslage innerhalb der gesamten Gemeinschaft nicht das effektivste ist. Der EWG-Vertrag hat jedoch nicht eine uneingeschränkte Vergemeinschaftung der von ihm erfaßten Sachgebiete zum Ziel. Vielmehr beinhaltet er auch die Respektierung der weitgehenden den Mitgliedstaaten verbleibenden Hoheitsbefugnisse. Die Integration realisiert sich nur in einem Zusammenspiel von gemeinschaftlichen und nationalen Maßnahmen. Um dieses Verhältnis im Gleichgewicht zu belassen, ist eine strikte Beschränkung auf die vertraglich vorgesehenen Wege einer Gemeinschaftsaufsicht geböten. Eine allgemeine Aufsichts- und damit auch Weisungsbefugnis der Gemeinschaften kann auch nicht als begriffsnotwendige Folge des überstaatlichen Cha20 Zum Vertragsverletzungsverfahren wegen gemeinschaftsrechtswidriger Entscheidungen nationaler Gerichte vgl. Fuß, in: GS Sasse, I, S. 171, 181 ff. 21 Bruns, Entwicklungstendenzen, S. 116, 127 f. 22 Vgl. Rengeling, Rechtsgrundsätze, S. 41 f.; ders., EuR 1974, 216, 231 ff. 23 Schuster, S. 75.
§ 14 Maßnahmen der Gemeinschaft gegenüber Bund und Ländern
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rakters der Gemeinschaft abgeleitet werden 24 . Zum einen bestehen bereits Bedenken gegen derart begriffsjuristische Konstruktionen, zum anderen ist jedenfalls die Form und der konkrete Inhalt aufsichtlicher Befugnisse nicht aus dem „Wesen" der Gemeinschaften zu entwickeln. Diese sind nicht einem gewählten abstrakten Rechtsformtypus zu entnehmen, sondern der konkreten rechtlichen Ausformung, welche die Gemeinschaften in den Gründungsverträgen gefunden haben. Die Gemeinschaftsorgane suchen sich jedoch auf andere Art und Weise einen Einfluß auf das Verwaltungshandeln der Mitgliedstaaten zu sichern: da ihnen der Weg der Erteilung von Einzelweisungen verschlossen ist, trachten sie dem Ziel einer einheitlichen Durchführung in allen Mitgliedstaaten dadurch näher zu kommen, daß die Verordnungen immer detaillierter abgefaßt werden. Dies wird als Hauptgrund für die Hypertrophie insbesondere des Marktordnungsrechts bezeichnet25. Eine Regelungsbefugnis für das Verwaltungsverfahren können die Gemeinschaften im Zusammenhang mit dem Erlaß von materiellrechtlichen Vorschriften nur dort in Anspruch nehmen, wo das materielle Recht ohne einen solchen Annex nicht sinnvoll angewendet werden könnte. Im übrigen kommt nur eine Rechtsangleichung nach Art. 100 f. EWGV in Betracht 26 .
II. Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH, Art. 169 Abs. 2 EWGV Kommt ein Mitgliedstaat einer an ihn gerichteten Stellungnahme gemäß Art. 169 Abs. 1 EWGV innerhalb der von der Kommission gesetzten Frist nicht nach, so kann die Kommission den Gerichtshof anrufen, Art. 169 Abs. 2 EWGV. Wenn über die Wahrung des Gemeinschaftsrechts kein Einvernehmen zwischen Kommission und Mitgliedstaat hergestellt werden kann, so obliegt also die Entscheidung darüber, ob eine Vertragsverletzung vorliegt, dem Rechtsprechungsorgan der Gemeinschaft. Ob die Kommission jedoch zu diesem letzten Mittel greift, steht in ihrem Ermessen. Dementsprechend hängt es einerseits von dem Umfang und dem Gewicht der Vertragsverletzung, andererseits auch von lediglich politischen Opportunitätserwägungen ab, ob der Gerichtshof angerufen wird 2 7 . Der einzelne hat keinen Anspruch auf diese Rechtmäßigkeitskontrolle 28.
24 So aber Bandeil , S. 12 f. 25 Gilsdorf ; KSE 29, S. 215, 279 f.; Götz , KSE 29, S. 371, 402. 26 Vgl. Zuleeg, JöR 20, S. 1, 44. 27 Zuleeg , KSE 9, S. 216 f.; Schuster , S. 39; Olivier , KSE 24, S. 61, 69 f.; SchulzeEggert , S. 70 f.; Steindorff\ Rechtsschutz, S. 48. 28 Zuleeg, JöR 20, S. 1, 44. 10*
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5. Teil: Verfahrensrechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten
Wiederum kann lediglich die Vertragsverletzung durch den Mitgliedstaat als solchen gerügt werden, der für die anderen Träger öffentlicher Gewalt in seinem Hoheitsbereich einzustehen hat. Es ist weder eine Berufung auf gegenüber der Regierung unabhängige Organe des Gesamtstaates möglich noch auf die Autonomie sonstiger Rechtsträger 29. Die Entscheidung des Gerichtshofes enthält gegebenenfalls die Feststellung der Vertragsverletzung durch den Mitgliedstaat. Dieser hat dann die hieraus sich ergebenden Maßnahmen zu ergreifen, Art. 171 EWGV. Innerstaatliche Zuständigkeiten bleiben hierdurch unberührt. Im Verhältnis zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaat steht jedoch die Vertragswidrigkeit des inkriminierten Verhaltens fest. Neben diesen allgemeinen Verfahren bestehen auch speziellere Konrollbefugnisse der Gemeinschaft, etwa in Art. 93 EWGV hinsichtlich der Überprüfung der Statthaftigkeit staatlicher Beihilfen 30 . Hierauf kann jedoch nicht näher eingegangen werden.
III. Durchsetzung einer Entscheidung Die Vollstreckung von Urteilen des Gerichtshofes durch die Gemeinschaft selbst ist im EWG-Vertrag nicht vorgesehen. Jeder Mitgliedstaat hat hierfür das Erforderliche zu veranlassen. Der Bund und/oder das Land, dessen gemeinschaftsrechtswidriges Verhalten festgestellt wurde, haben somit in eigener Veranwortung für die Beachtung der gerichtlichen Entscheidung zu sorgen 31.
§ 15 Maßnahmen des Bundes gegenüber der Gemeinschaft Wie oben (§ 13) dargestellt, stehen den Bundesländern keine wirksamen Schutzmaßnahmen gegenüber in ihren hoheitlichen Zuständigkeitsbereich eingreifenden Rechtsakten der Gemeinschaft zur Verfügung. Dies schließt jedoch nicht aus, daß der Bund Schritte auch mit dem Ziel ergreift, Rechte und Zuständigkeiten der Länder zu sichern.
I. Außergerichtliche Maßnahmen Gegenüber den Organen der Gemeinschaft stehen dem Bund keinerlei Aufsichtsbefugnisse zu. Dennoch können informelle Schritte unter Umständen zur 29 Karpenstein, in: Grabitz, EWGV, Art. 169 Rdnr. 12. 30 Hierzu Schulze-Eggert, S. 75. 31 Spelten, s. 92 f.
§ 15 Maßnahmen des Bundes gegenüber der Gemeinschaft
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Rechtswahrung geeignet sein. Hierbei handelt es sich jedoch um ein politisches Vorgehen, nicht um ein rechtlich geordnetes Verfahren. Das Bemühen um eine Übereinstimmung der gemeinschaftlichen Rechtsakte mit der innerstaatlichen Rechtslage und damit unter Umständen auch um eine Schonung von Länderkompetenzen kann und muß jedoch auch solche politischen Schritte beeinhalten.
II. Nichtigkeitsklage gemäß Art. 173 Abs. 1 Satz 2 EWGV Ein effektives Mittel, um die Einhaltung der vertraglichen Bestimmungen durch die Gemeinschaftsorgane zu sichern, ist die den Mitgliedstaaten eröffnete Nichtigkeitsklage gemäß Art. 173 Abs. 1 S. 2 EWGV. Wie bereits ausgeführt, hat ein Staat kein besonderes Interesse an einer Entscheidung des Gerichtshofes darzulegen, da er ganz generell auch über das Verfahren nach Art. 173 Abs. 1 S. 2 EWGV zur Mitwirkung bei der Sicherung der Rechtmäßigkeit des Handelns der Gemeinschaft berufen ist. Dementsprechend ist der Bund erst recht klagebefugt, wenn er der Ansicht ist, daß eine Maßnahme von Gemeinschaftsorganen in nationale Zuständigkeiten, sei es des Bundes oder der Länder eingreift. Hinsichtlich des Rechtsschutzbedürfnisses sind die Anforderungen ebenfalls nicht weit gespannt. Sofern der Bund auch nur irgendwie an einer Entscheidung des Gerichtshofes Interesse haben kann, ist diese Bedingung erfüllt. Insbesondere steht der Erhebung der Nichtigkeitsklage durch die Bundesrepublik nicht entgegen, daß der deutsche Ratsvertreter einem Beschluß des Rates zugestimmt hat. Eine Rechtsverwahrung ist hierbei nicht erforderlich, da der Gerichtshof nicht davon ausgeht, daß in einem solchen Verhalten ein unzulässiges venire contra factum proprium zu sehen ist. Begründet wird dies allerdings lediglich damit, daß der Vertragstext keine entsprechende Einschränkung enthalte32. Prüfungsmaßstab bei der Entscheidung des Gerichtshofes ist jedoch lediglich höherrangiges Gemeinschaftsrecht, im wesentlichen also der EWG-Vertrag selbst und die allgemeinen Rechtsgrundsätze 33. Damit scheidet insbesondere jede Stützung der Klage auf eine Kollision mit Bestimmungen des Grundgesetzes aus. Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz der Schonung von innerstaatlichen Zuständigkeiten autonomer innerstaatlicher Hoheitsträger ist aufgrund der Heterogenität der Mitgliedstaaten hinsichtlich ihres Staatsaufbaues nicht nachweisbar. Ein Eingriff in Zuständigkeiten der Länder, für den keine vertragliche Grundlage besteht, kann jedoch gemäß Art. 173 Abs. 1 Satz 2 EWGV erfolgreich angegriffen werden, da dann auch in mitgliedstaatliche Zuständigkeiten eingegriffen wird.
Vgl. hierzu näher Pescatore , ZaöRV 32 (1972), 239, 249. 33 Bändelt S. 28 f. 32
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5. Teil: Verfahrensrechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten
§ 16 Maßnahmen des Bundes gegenüber den Ländern Gegenüber den Europäischen Gemeinschaften ist der Bund für die ordnungsgemäße innerstaatliche Durchführung des Gemeinschaftsrechts ohne Rücksicht auf die innerstaatliche Zuständigkeitsverteilung verantwortlich. Hieraus ergeben sich Durchsetzungsschwierigkeiten, wenn ein Land sich auf seinem Zuständigkeitsgebiet nicht gemeinschaftsrechtskonform verhält. Im folgenden soll untersucht werden, welche innerstaatlichen Wege dem Bund eröffnet sind, um die Länder zur Durchführung des Gemeinschaftsrechts anzuhalten. Eine gesonderte Regelung für die Wahrung des gesamtstaatlichen Interesses an der Einhaltung und Erfüllung gemeinschaftsrechtlicher Verpflichtungen hat das Grundgesetz nicht getroffen und eine solche kann ihm auch nicht aufgrund lediglich integrationspolitischer Zweckmäßigkeitserwägungen in analoger Anwendung bestehender Regelungen entnommen werden 34 . Es muß also auf die allgemeinen Einflußmöglichkeiten des Bundes hinsichtlich der hoheitlichen Tätigkeit der Länder zurückgegriffen werden. Denkbar ist hierbei zum einen, daß der Bund ein gemeinschaftsrechtsrelevantes Verhalten eines Landes aus eigenem Antrieb überprüft, zum anderen, daß die Bundesregierung eine Beanstandung der Kommission zum Anlaß für eigene Ermittlungen nimmt 35 .
I. Bundesaufsicht Zuvörderst kommen hierbei Maßnahmen der sogenannten Bundesaufsicht in Betracht. Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß es sich bei der Durchführung des Gemeinschaftsrechts durch die Länder nicht um eine generell der „Ausführung der Bundesgesetze" im Sinne des VIII. Abschnitts des Grundgesetzes gleichzusetzende Tätigkeit handelt. Demgemäß ist hinsichtlich der Voraussetzungen und des Inhalts einzelner Maßnahmen des Bundes zu differenzieren. Unter Bundesaufsicht sind also nicht lediglich die Befugnisse nach Art. 84 Abs. 3 GG zu verstehen, sondern alle vom Grundgesetz zugelassenen Verfahren, mittels derer der Bund auf die Länder einwirkt, um die von diesen gestörte bundesstaatliche Ordnung wiederherzustellen 36.
34 So aber Spelten, S. 95, 107, 120. 35 Hierzu Spelten, S. 126 ff. 36 Geiger, BayVBl. 1957, 301, 306 f.
§ 1 Maßnahmen de
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1. Art. 84 Abs. 3 - 5 GG a) Gegenstand der Aufsicht Keine Besonderheiten für die Aufsicht nach Art. 84 Abs. 3 - 5 GG ergeben sich bei dem indirekten mittelbaren Verwaltungsvollzug von Gemeinschaftsrecht durch die Länder, wenn Bundesgesetze als Ausführungsnormen zwischengeschaltet sind. In diesem Fall führen die Länder nämlich unmittelbar Bundesgesetze aus, in Regelfall gemäß Art. 83 GG als eigene Angelegenheiten, so daß Art. 84 GG Anwendung findet. Dem ist jedoch auch der indirekte unmittelbare Vollzug von Gemeinschaftsrecht gleichzusetzen, sofern es sich inhaltlich um Normen handelt, für deren Erlaß innerstaatlich der Bund zuständig wäre. Die innerstaatliche Kompetenzneutralität der Vergemeinschaftung führt hier auch hinsichtlich der Aufsichtsformen zu keinen Veränderungen. b) Maßnahmen der Aufsicht
37
Die Aufsicht durch die Bundesregierung ist eine Rechtsaufsicht, Art. 84 Abs. 3 Satz 1 GG. Der Verwaltungsvollzug kann also auf Übereinstimmung mit dem gesamten Gemeinschafts- und Bundesrecht überprüft werden. Zu diesem Zweck steht der Bundesregierung ein Informationsrecht zur Verfügung, zu dessen Durchsetzung sie auch Beauftragte zu den Landesbehörden gemäß Art. 84 Abs. 3 Satz 2 GG entsenden kann. Wenn sich ein Auskunftsersuchen der Kommission an die Bundesregierung gemäß Art. 213, 155 UAbs. 1 EWGV auf eine entsprechende Tätigkeit der Länder bezieht, kann sich die Bundesregierung so auch die notwendige Auskunftsgrundlage verschaffen. Treten bei dieser Überprüfung Rechtsfehler im Gemeinschaftsrechtsvollzug durch die Länder zutage, so stellt dies die Bundesregierung fest. Hilft das Land einer solchen Beanstandung nicht ab, so kann die Bundesregierung oder das Land einen Beschluß des Bundesrates herbeiführen, Art. 84 Abs. 4 Satz 1 GG. Dieser Antrag an den Bundesrat wie auch die gegen dessen Beschluß gemäß Art. 84 Abs. 4 Satz 2 GG mögliche Anrufung des Bundesverfassungsgerichtes unterliegen dem politischen Ermessen der zuständigen Organe. Daß dieses förmliche Verfahren in der Praxis kaum zur Anwendung gelangen wird, steht der Feststellung nicht entgegen, daß auf diesem Gebiet der Bundesregierung ein rechtliches Mittel zur Durchsetzung der Pflicht zum Vollzug des Gemeinschaftsrechts zu Gebote steht. Innerhalb des Anwendungsbereiches des Art. 84 GG bedarf es also keines zusätzlichen Verfahrens, durch welches der Bund die Beachtung des Gemeinschaftsrechtes sicherstellen kann. Dementsprechend besteht auch nicht die Ge37 Zur Bundesaufsicht vgl. Stern , Staatsrecht I, S. 523.
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5. Teil: Verfahrensrechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten
fahr, der Bund könne von der Steuerung des nationalen Vollzugs ausgeschlossen werden, zumal wenn auch die Möglichkeit berücksichtigt wird, gemäß Art. 84 Abs. 2 GG Verwaltungsvorschriften zu erlassen. Ebenso wie bei Beanstandungen durch die Kommission der Mitgliedstaat als solcher, vertreten durch seine Regierung, Adressat der Maßnahme ist, ist bei der Ausübung der Bundesaufsicht durch die Bundesregierung die „prinzipielle Geschlossenheit der Verfassungs- und Verwaltungskörper der Länder" 38 zu beachten, das heißt, die Bundesregierung hat ihrerseits die „Länder", die „obersten Landesbehörden" oder die „Landesregierungen" anzusprechen 39.
2. „Selbständige" Bundesaufsicht Außerhalb des Terrains des Art. 84 GG bewegt sich die Begründung einer Aufsicht der Bundesregierung über Durchführungsmaßnahmen der Länder nicht mehr auf gesichertem verfassungsrechtlichen Gelände, denn hier liegt keine Ausführung der Bundesgesetze im Sinne der Art. 83 ff. GG vor. a) Aufsichtsgegenständ Entsprechend der oben durchgeführten Abgrenzung des Anwendungsbereiches von Art. 84 GG bleiben drei Formen von Durchführungsmaßnahmen der Länder übrig. Zum einen handelt es sich um den unmittelbaren verwaltungsmäßigen Vollzug von Gemeinschaftsrecht, zu dessen Erlaß innerstaatlich die Länder zuständig wären. Nach der hier vertretenen Ansicht ist dies nicht dem Vollzug von Bundesrecht gleichzusetzen, sondern entsprechend dem Vollzug von Landesrecht durch die Länder zu behandeln. Es ist — soweit ersichtlich — unbestritten, daß die Bundesregierung keine Aufsicht darüber auszuüben hat, ob die Länder beim Vollzug ihrer eigenen Gesetze landesrechtskonform handeln. Andererseits muß die Zuordnung dieser Art des Vollzugs von Gemeinschaftsrecht in diese Kategorie nicht auch zwingend zum Ausschluß jeder Art von Bundesaufsicht führen. Eine zweite Gruppe von Durchführungsmaßnahmen der Länder unterfällt ebenfalls nicht den Regeln der Art. 83 ff. GG: die Ausführungsgesetzgebung durch die Länder. Auch hinsichtlich des Erlasses von Ausführungsgesetzen der Länder zum Bundesrecht kann der Bund nicht auf die Aufsichtsmittel des VIII. Abschnitts des Grundgesetzes zurückgreifen. Dies gilt erst recht für die Ausführungsgesetzgebung zum Gemeinschaftsrecht. Hieran schließt sich dann die dritte, nicht von Art. 83 ff. GG erfaßte Form von Durchführungsmaßnahmen der Länder an, der mittelbare Vollzug von Gemeinschaftsrecht, wenn Ausführungsgesetze der Länder zwischengeschaltet sind. 38 Lerche, Sozialhilfe, S. 60 f. 39 Lerche, Sozialhilfe, S. 61.
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Aus der Existenz dieser beiden letzteren Durchführungstypen folgt, daß sich die Schwierigkeiten hinsichtlich der Begründung einer eigenständigen Bundesaufsicht für die Durchführung von Gemeinschaftsrecht nicht dadurch beheben ließen, daß jede Form des unmittelbaren Vollzugs von Gemeinschaftsrecht durch die Länder entsprechend oder gemäß Art. 83 ff. GG behandelt wird. Auch die Vertreter dieser Ansicht müßten jedenfalls hinsichtlich des Erlasses von Ausführungsgesetzen über Art. 84 GG hinausgehen. Dieses Problem läßt sich auch nicht dadurch umgehen, daß jeglicher Verwaltungsvollzug von Gemeinschaftsrecht als — gegebenenfalls mittelbare — Ausführung des Zustimmungsgesetzes zum EWG-Vertrag angesehen oder ihr jedenfalls gleichgestellt wird 4 0 , da dies eine systemwidrige Umqualifizierung von Rechtsnormen einerseits, eine bundesstaatsdurchbrechende Kompetenzverlagerung andererseits beinhaltet. Ebenso wenig können Aufsichtsmaßnahmen im Wege einer rein begriffsjuristischen Ableitung gerechtfertigt werden 41 . Ob und welche Aufsichtsmöglichkeiten der Zentralgewalt zur Verfügung stehen, ist gerade eine Frage der konkreten Ausgestaltung der bundesstaatlichen Ordnung. b) Rechtsgrundlage Eine explizite Regelung hat die Frage der Aufsichtsmöglichkeiten des Bundes über die Länder in diesen Fallgruppen nicht gefunden. Eine besondere Aufsichtskompetenz des Bundes hinsichtlich der Durchführung des Gemeinschaftsrechts durch die Länder kann auch nicht Art. 24 GG entnommen werden. Wie bereits dargelegt, handelt es sich bei dieser „Integrationskompetenz" lediglich um die Möglichkeit, die staatliche Rechtsordnung gegenüber einem neuen Hoheitsträger nach außen zu öffnen, nicht jedoch um eine Erweiterung der Zuständigkeiten des Bundes nach innen. Allein die Notwendigkeit der Sicherstellung der innerstaatlichen Erfüllung aller gemeinschaftsrechtlichen Pflichten des Bundes kann noch nicht ein eigenständiges Aufsichtsinstitut tragen, das die Länder in einem Kernbereich ihrer Zuständigkeiten, nämlich dem Verwaltungsvollzug, träfe. Auch die Zustimmungsgesetze zu den Gemeinschaftsverträgen enthalten keine gesonderten Regelungen hinsichtlich der Aufsicht durch den Bund nach innen. Die Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer solchen einfachgesetzlichen Regelung bedarf somit keiner Erörterung. Es ist ein eherner Grundsatz der Lehre zu der Regelung der Bundesaufsicht im Grundgesetz, daß diese keine „selbständige" Bundesaufsicht mehr enthalte, das heißt, daß der Bund Aufsichtsbefugisse nach dem VIII. Abschnitt nur dort besitze, wo er ein ausführungsbedürftiges Gesetz erlassen habe 42 . Würde die 40 So aber Conrad , S. 130, 153. So jedoch Bändelt , S. 11. 42 Vgl. Stern , Staatsrecht I, S. 557 f.; II, S. 804 f.; Schäfer , AöR 78, S. 1, 7; Röttgen , JöR 3, S. 67, 99; a. A. Zinn , DÖV 1950, 522, 523 f.
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5. Teil: Verfahrensrechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten
Regel „wo kein (Bundes-)Gesetz, da keine Aufsicht" in dieser Strenge durchgehalten, besäße der Bund auf den hier angesprochenen Gebieten keine Möglichkeiten, ohne Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts auf eine ordnungsgemäße Durchführung des Gemeinschaftsrechts durch die Länder hinzuwirken. Auch die herrschende Lehre versteht jedoch diesen Grundsatz nicht in der Härte, wie es aus dem Wortlaut erscheinen mag. Ziel dieser Auffassung ist es ja lediglich, eine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle des hoheitlichen Handelns der Länder durch den Bund auszuschließen. Insbesondere wird die Anwendbarkeit des Art. 37 GG hierdurch nicht eingeschränkt. Dem dort geregelten Verfahren des Bundeszwanges ist notwendigerweise ein Informationsverfahren der Bundesregierung vorgeschaltet. Um festzustellen, ob „ein Land die ihm nach dem Grundgesetze oder einem anderen Bundesgesetze obliegenden Bundespflichten nicht erfüllt", muß die Bundesregierung sich erst über die Sachlage informieren können. Bevor es also zu einem der Zustimmung des Bundesrates bedürfenden Beschluß über Zwangsmaßnahmen kommt, kann die Bundesregierung ein Auskunftsersuchen an das betreffende Land richten. Zu den in Art. 37 Abs. 1 GG angesprochenen Bundespflichten gehören auch verfassungsrechtliche Pflichten 43 und damit auch der ungeschriebene Grundsatz der Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten 44 . Aus dieser Bundestreuepflicht resultiert für die Länder dem Bund gegenüber die Verpflichtung, die in den Zuständigkeitsbereich der Länder fallenden innerstaatlichen Maßnahmen zur Durchführung des Gemeinschaftsrechts zu ergreifen. Hiervon werden alle Durchführungsmaßnahmen der Länder erfaßt, so daß unter Einschluß des bereits durch Art. 84 Abs. 3 GG erfaßten Bereichs keine aufsichtsfreie Lücke verbleibt.
II. Bundeszwang Beschränkt sich das bisher dargestellte Aufsichtsverfahren auf die Einholung von Auskünften und Beanstandungsfeststellungen gegenüber den Ländern, wozu im Rahmen des Art. 84 Abs. 5 GG die Befugnis zu Einzelweisungen kommt, so ergibt sich die Möglichkeit zur zwangsweisen Behebung von Rechtsmängeln dann aus Art. 37 GG für den gesamten Bereich der Durchführung von Gemeinschaftsrecht durch die Länder, ohne daß dies rechtlich auf „schwere" Verstöße gegen Gemeinschaftsrecht beschränkt wäre 45 . Ist einmal die Verletzung von Bundespflichten festgestellt, so kann die Bundesregierung jede ihr notwendig erscheinende Maßnahme ergreifen, sofern sie hierbei — wie auch allgemein bei der Bundesaufsicht — die allgemeinen Verfassungsgrundsätze, insbesonders das Verhältnismäßigkeitsprinzip, beachtet46. Zur 43 Stern, Staatsrecht I, S. 558. 44 Bayer, S. 99; Stern, Staatsrecht I, S. 559. 45 So aber Bandeil, S. 95.
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Maßnahmen de
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Sicherung der Stellung der Länder sind solche Maßnahmen jedoch an die Zustimmung des Bundesrates geknüpft. Der Ausnahmecharakter des Bundeszwanges gemäß Art. 37 GG wird allgemein hervorgehoben 47. Mangels einer bisherigen Handhabung gibt es auch keine konturierende Judikatur. Dementsprechend handelt es sich bei Bundeszwang auch hinsichtlich der Durchsetzung von Gemeinschaftsrecht im Kompetenzbereich der Länder nicht um ein Alltagsinstrumentarium, welches die laufende Durchführung erleichtern würde. Dafür sind die politischen und rechtlichen Implikationen zu groß. Neben den Aufsichtsbefugnissen der Bundesregierung ist jedoch auch der Bundeszwang ein Zeichen dafür, daß der Gesamtstaat durch die bundesstaatliche Kompetenzverteilung nach innen nicht handlungsunfähig wird auf dem Tätigkeitsbereich der Europäischen Gemeinschaften. Um die Rechtsordnung der Gemeinschaften auch in der Bundesrepublik effektiv wirksam werden zu lassen, bedarf es somit keiner den Rahmen des Bundesstaates sprengenden Sonderbefugnisse des Bundes. Insbesondere kommt dem Bund keine allgemeine „Ersatzuständigkeit" zu 4 8 . Unberührt bleibt die Verpflichtung des Bundes, alles nach nationalem Recht Zulässige zu tun, um die Erfüllung gemeinschaftsrechtlicher Verpflichtungen in der Bundesrepublik Deutschland auch auf den Bereichen sicherzustellen, welche in die Länderzuständigkeit fallen. Eine derartige „Eintretenspflicht" 4 9 kann jedoch immer nur innerhalb des allgemeinen Zuständigkeitsrahmens entstehen und nicht als eine diesen überwölbende sekundäre „Notkompetenzordnung". Zulässig, aber auch ausreichend ist jedoch die Ersatzvornahme einzelner Maßnahmen im Rahmen des Bundeszwanges50.
III. Anrufung des Bundesverfassungsgerichts Führen Maßnahmen der Bundesregierung — gegebenenfalls unter Mitwirkung des Bundesrates — gegenüber den Ländern unmittelbar nicht zu dem erstrebten Erfolg der Erfüllung der Verpflichtungen eines Landes, das Gemeinschaftsrecht durchzuführen, so kommt die Anrufung des Bundesverfassungsgerichtes in Betracht. Diese verfassungsprozessualen Möglichkeiten sind jedoch nicht grundsätzlich subsidiär in dem Sinne, daß andere Versuche unternommen worden sein müssen, das Land zur Einhaltung seiner Pflichten anzuhalten. Vielmehr ist allein für die Befassung des Bundesverfassungsgerichts mit Fragen des verwaltungsmä46 Bayer , S. 90; Reichel , S. 234 m. w. N.; Bandeil, S. 38. 47 Reichel, S. 234; Zuleeg , KSE 9, S. 321. 48 So aber Zuleeg , KSE 9, S. 322. 49 Zum Fall der Nichterfüllung verfassungsrechtlicher Pflichten vgl. Lerche , in: FS Maunz 1981, S. 215, 217 ff. 50 Vgl. Grabitz , AöR 111 (1986), S. 1, 31 f.
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5. Teil: Verfahrensrechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten
ßigen Vollzuges von Bundesgesetzen durch die Länder und die damit zusammenhängende Bundesaufsicht ein Vorgehen der Bundesregierung gemäß Art. 84 Abs. 4 Satz 1 GG n o t w e n d i g e Prozeß Voraussetzung 5 1 . Die Wahl des jeweiligen Verfahrens steht somit weitgehend im Ermessen des zuständigen Organs. Die Anerkennung von Bund und Ländern als jeweils eigenständige politische Entscheidungszentren steht der Bejahung der Justiziabilität ihrer Rechtsverhältnisse nicht entgegen, diese wird vom Grundgesetz ausdrücklich vorausgesetzt und durch einen lückenlosen Rechtsschutz gesichert 52. Zuzugeben ist indes, daß sich in Grenzbereichen das Prinzip der Bundestreue als nur schwer judizierbares Kriterium erweist 53 . Dem Bundesverfassungsgericht kommt auch keine allgemeine Prüfungskompetenz verfassungsrechtlich relevanter Vorgänge zu, vielmehr sind die jeweils offenen Verfahren, deren Voraussetzungen und Prüfungsgegenstand im einzelnen durch die Verfassung selbst und das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht festgelegt 54. In diese allgemeinen Verfahren muß sich auch die Prüfung europarechtsrelevanter Maßnahmen einfügen, da spezielle Verfahren hierfür oder für Akte der auswärtigen Gewalt nicht eröffnet sind 55 .
1. Abstrakte Normenkontrolle Ist die Bundesregierung der Ansicht, eine Ausführungsnorm eines Landes verstoße gegen Bundesrecht, so kann ein Antrag gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, §§ 13 Nr. 6,76 ff. BVerfGG auf abstrakte Normenkontrolle gestellt werden. Die Bundesregierung ist in diesem Verfahren antragsbefugt. Prüfungsgegenstand kann die Vereinbarkeit von Landesrecht mit Bundesrecht sein. Der Umstand, daß eine Vorschrift des Landesrechts in Ausführung von Gemeinschaftsrecht erlassen wird, berührt den Charakter als Rechtsetzung des Landes nicht 56 . Ausführungsnormen des Landesrechts müssen mit jedem höherrangigen Rechtssatz übereinstimmen, also auch mit Bundesrecht. Hierzu gehört neben dem Bundesverfassungsrecht das gesamte einfachgesetzliche und untergesetzliche Recht des Bundes. Prüfungsgegenstand können neben förmlichen Gesetzen des Landes auch Rechtsverordnungen sein. Das Bundesverfassungsgericht prüft grundsätzlich die sachliche Vereinbarkeit einer deutschen Ausführungsvorschrift mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht nicht selbst nach 57 . Sekundäres Gemeinschaftsrecht ist somit jedenfalls 51 Vgl. Bayer, S. 123. 52 BVerfGE 11, 6, 13 f.; vgl. Rudolf, FG BVerfG II, S. 233, 242 f. 53 Stern, in: Politikverflechtung, S. 15, 23 f. 54 Vgl. hierzu Eckart Klein, AöR 108 (1983), S. 410, 415 ff. 55 Eckart Klein, AöR 108 (1983), S. 410, 420 f. 56 BVerfGE 30, 292, 310. 57 BVerfGE 31, 145, 174 f.
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kein Prüfungsmaßstab. In anderem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, daß Gesetze zu Staats Verträgen zwischen den Ländern 58 und Zustimmungsgesetze zu internationalen Verträgen Prüfungsgegenstand eines Verfahrens der abstrakten Normenkontrolle sein können 59 . Diese Qualifikation als „Bundesrecht" könnte auch dazu führen, daß das primäre Gemeinschaftsrecht auch Prüfungsmaßstab für eine Kontrolle einer Norm des Landesrechts auf Vereinbarkeit mit dem Bundesrecht sein kann. Indes, der Inhalt des EWGVertrages gilt nach der hier vertretenen Auffassung unmittelbar als Gemeinschaftsrecht, nicht also als in Bundesrecht transformiertes Vertragsrecht. Damit kann auch das primäre Gemeinschaftsrecht nicht unmittelbar Prüfungsmaßstab sein. Prüfungsmaßstab ist jedoch auch jegliches Bundesverfassungsrecht. Hierzu gehört auch die Pflicht der Länder zu bundesfreundlichem Verhalten 60 . Diese Pflicht kann unter anderem dadurch verletzt werden, daß ein Land seiner Verpflichtung nicht oder nur unzulänglich nachkommt, Gemeinschaftsrecht rechtsatzmäßig auszuführen. Da jedoch das Verfahren der abstrakten Normenkontrolle eine Norm des Landesrechts voraussetzt, kann Gegenstand einer verfassungsgerichtlichen Prüfung nur eine gegen höherrangiges Bundesrecht verstoßende erlassene Rechtsnorm sein, und nicht lediglich deren Unterlassung.
2. Bund /Länder-Streit Ist die Bundesregierung der Auffassung, ein Bundesland erfülle eine Pflicht zum Vollzug oder zur Ausführung des Gemeinschaftsrechts nicht, so kommt ein Antrag auf Durchführung des Verfahrens gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG, §§13 Nr. 7,68 B VerfGG in Betracht. Gegenstand dieses Verfahrens kann eine Maßnahme oder Unterlassung des Landes sein, §§ 69, 64 Abs. 1 B VerfGG. Dementsprechend umfassend ist der Anwendungsbereich des Bund/Länder-Streits. Jede gemeinschaftsrechtswidrige Durchführungsmaßnahme und jedes Unterlassen des Landes trotz Bestehen einer entsprechenden Verpflichtung kommt in Betracht. Die Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG und Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG überschneiden sich in ihrem Anwendungsbereich. Das Verfahren des Bund/ Länder-Streits ist auch gegen Legislativakte gegeben. Eine Subsidiarität eines Verfahrens besteht nicht, so daß gegebenenfalls auch beide Wege nebeneinander eröffnet sind. Im Bund/Länder-Streit kann jedoch nicht die Nichtigkeitsfeststellung, sondern nur die Aufhebung einer rechtswidrigen Norm begehrt werden. Der Bund/Länder-Streit ist also sowohl gegen den Erlaß oder die pflichtwidrige
58 BVerfGE 12, 205 LS 1. 59 Ulsamer , in: Maunz / Schmid-Bleibtreu / Klein / Ulsamer, BVerfGG, § 76 Rdnr. 7. 60 Bayer , S. 125; J. Kaiser , FS Maunz 1981, S. 169, 179.
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5. Teil: Verfahrensrechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten
Unterlassung von Vollzugsakten als auch gegen den Erlaß oder die pflichtwidrige Unterlassung der Setzung von Rechtsnormen möglich. Gemäß Art. 84 Abs. 4 Satz 1 GG ist bei der Feststellung von Mängeln beim Vollzug eines Bundesgesetzes durch ein Land vor der Anrufung des Bundesverfassungsgerichts ein Beschluß des Bundesrates herbeizuführen. Hieraus ist jedoch nicht generell auf eine Verpflichtung der Bundesregierung zur Einschaltung des Bundesrates in Bund/Länder-Streitigkeiten zu schließen. Vielmehr besteht diese Pflicht nur in dem in Art. 84 Abs. 4 GG geregelten Fall des verwaltungsmäßigen Vollzuges von Bundesgesetzen. In allen übrigen Fällen, also auch bei der indirekten Durchführung von Gemeinschaftsrecht ohne Dazwischentreten von bundesrechtlichen Ausführungsnormen, bedarf es einer vorgängigen Anrufung des Bundesrates nicht 61 . Bei der Prüfung, ob ein Land durch den Erlaß einer Ausführungsnorm gegen die aus dem Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens fließende Ausführungsverpflichtung verstoßen hat, können sich Fragen der Auslegung des EWGVertrages ergeben. In diesem Falle ist das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 177 Abs. 3 EWGV grundsätzlich zur Vorlage an den Gerichtshof verpflichtet, da auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts keiner höherinstanziellen Überprüfung unterliegt. Die Antragsfrist beträgt gemäß § 70 BVerfGG im Fall des Art. 84 Abs. 4 GG einen Monat, in allen übrigen Fällen gemäß §§ 69,64 Abs. 3 BVerfGG sechs Monate. Die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung des Bundeslandes muß gemäß §§ 69, 64 Abs. 1 BVerfGG, Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG eine Pflicht des Landes verletzt haben, die sich aus dem Grundgesetz ergibt. Wiederum ist auf die Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten zurückzugreifen. Auch nicht ausdrücklich normierte, „ungeschriebene" Verfassungssätze gehören zu dem grundgesetzlichen Prüfungsmaßstab 62. Der Inhalt der sich aus diesem Verfassungssatz ergebenden Verpflichtungen im einzelnen ergibt sich dann aus der durchführungsbedürftigen Gemeinschaftsrechtsnorm. Insoweit ist auf die Ausführung zur abstrakten Normenkontrolle zu verweisen.
3. Organstreit Das Organstreitverfahren gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, §§ 13 Nr. 5, 63 ff. BVerfGG kommt in diesem Zusammenhang nicht in Betracht, da hierbei zwar Mitwirkungsrechte des Bundesrates, nicht jedoch Rechte der Länder unmittelbar durchgesetzt werden können. 61 Maunz, in: Maunz / Schmid-Bleibtreu / Klein / Ulsamer, BVerfGG, § 68 Rdnr. 11. 62 Ulsamer, in: Maunz / Schmid-Bleibtreu / Klein / Ulsamer, BVerfGG, § 64 Rdnr. 5.
§ 17 Maßnahmen der Länder gegen den Bund
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§ 17 Maßnahmen der Länder gegen den Bund In entgegengesetzter Richtung, nämlich aus der Sicht der Länder gegenüber dem Bund, stehen aufsichtliche Maßnahmen nicht zur Verfügung, so daß nur verfassungsgerichtliche Schritte in Erwägung zu ziehen sind. Verletzt der Bund bei innerstaatlichen Durchführungsmaßnahmen Rechte der Länder, so stehen diesen die Verfahren der abstrakten Normenkontrolle und des Bund/LänderStreits in demselben Maße zur Verfügung wie dem Bund umgekehrt. Besonderheiten weisen jedoch zwei Fallgruppen auf, die einerseits Maßnahmen oder Unterlassungen des Bundes auf Gemeinschaftsebene zum Gegenstand haben, andererseits innerstaatlich gegenüber den Ländern deren Rechtspositionen zu schmälern geeignet sind. Wie bereits ausgeführt, sind die Länder als Hoheitsträger von Gemeinschaftsrechts wegen nicht befugt, beim Europäischen Gerichtshof rechtswidrige Maßnahmen von EG-Organen anzufechten, selbst wenn durch diese Rechtsakte Tätigkeitsbereiche berührt sind, die innerstaatlich zum Zuständigkeitsbereich der Länder gehören. Klagebefugt im Verfahren nach Art. 173 Abs. 1 Satz 2 EWGV, Art. 175 EWGV ist nur der Bund, vertreten durch die Bundesregierung. Gemeinschaftsrechtlich besteht jedoch keine Verpflichtung zur Erhebung von Nichtigkeitsklagen. Aus der Sicht der Bundesregierung kann es somit opportun erscheinen, trotz einer von ihr angenommenen Rechtswidrigkeit eines Rechtaktes den Gerichtshof nicht anzurufen, oder-aber die Bundesregierung ist im Gegensatz zur Rechtsauffassung eines Landes nicht der Ansicht, daß die fragliche Maßnahme von Rat oder Kommission rechtswidrig ist. Zu prüfen ist demnach, ob die Länder den Bund verpflichten können, ein Klageverfahren beim Europäischen Gerichtshof einzuleiten. Auch durch die Mitwirkung des deutschen Vertreters im Rat könnten Rechte der Länder beeinträchtigt werden, sofern nach nationalem Recht der Bund zu einer bestimmten Entscheidung nicht befugt ist. Wiederum stellt sich die Frage, ob ein Land die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Vertreters der Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht geltend machen kann.
I. Anrufung des Bundesverfassungsgerichts wegen der Verletzung einer bundesstaatlichen Pflicht durch den Bund bei der Mitwirkung in Organen der Gemeinschaft 1. Verfahrensart Gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG, §§ 13 Nr. 7, 68 ff. BVerfGG entscheidet das Bundesverfassungsgericht über Meinungsverschiedenheiten über Rechte und Pflichten des Bundes und der Länder. Streitfälle aus der Ausführung von Bundesrecht durch die Länder und der Ausübung der Bundesaufsicht sind nur Sonderfälle
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5. Teil: Verfahrensrechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten
aus dieser allgemeinen Zuständigkeit des Gerichts zur Entscheidung von Bund/ Länder-Streitigkeiten. Sofern ein sich aus dem Grundgesetz ergebendes Recht eines Landes in Frage steht, ist also der Weg nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG eröffnet. Auf das subsidiäre Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG braucht nicht zurückgegriffen zu werden.
2. Streitgegenstand Gemäß §§ 69, 64 Abs. 1 BVerfGG muß der Antragsteller geltend machen, daß er durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in seinen grundgesetzlichen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist. Diese einfachgesetzliche Verengung der Bestimmung des Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG ist verfassungsrechtlich zulässig. Demgemäß kann Gegenstand eines Bund/ Länder-Streits nicht allgemein die abstrakte Feststellung einer Rechtsverletzung sein, sondern nur die Klärung einer Rechtsfrage aus konkretem Anlaß. Der Rüge unterliegt gemäß §§ 69, 64 Abs. 1 BVerfGG „eine Maßnahme oder Unterlassung" des Bundes. Eine weitere gesetzliche Einschränkung in gegenständlicher Hinsicht wird nicht getroffen. Demgemäß kommt jede Äußerung der Staatsgewalt des Bundes in Betracht. Insoweit, als Vertreter des Bundes Zuständigkeiten innerhalb der Europäischen Gemeinschaften wahrnehmen, handeln sie als Organe des Bundes. Der Umstand, daß diese Tätigkeit institutionell durch das Gemeinschaftsrecht geregelt ist, führt nicht zu einer Ausscheidung aus der Hoheitsgewalt des Bundes. Selbst wenn ein Bundesminister in seiner Eigenschaft als Mitglied des Rats der Europäischen Gemeinschaften handelt, wird er funktionell zugleich als Organwalter des Bundes tätig. Dem entspricht es, daß auch die politische Kontrolle des Verhaltens der nationalen Vertreter im Rat den nationalen Parlamenten obliegt. Es kann auch nicht geltend gemacht werden, der Kontrolle des Bundesverfassungsgerichtes unterlägen nur „interne" Maßnahmen des Bundes. Es ist grundsätzlich anerkannt, daß die Organe des Bundes bei jedwedem Tätigwerden an das Grundgesetz gebunden sind, insbesondere also auch bei Maßnahmen der auswärtigen Gewalt 63 . Dies gilt sogar, wenn Wirkungen einer Maßnahme lediglich außerhalb des Bundesgebietes auftreten. Ein der Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht entzogener Raum auswärtiger oder hochpolitischer Angelegenheiten besteht nicht 64 . Im Gegensatz zu Rechtsordnungen, in denen sich das Verfassungsgericht Kontrollbefugnisse gewohnheitsrechtlich selbst geschaffen hat, ist durch das Grundgesetz die rechtliche Überprüfung des Bund-LänderVerhältnisses umfassend dem Bundesverfassungsgericht überantwortet. Hin63 Bernhardt, FG BVerfG II, S. 154, 160 ff.; Reichel, S. 29 ff. 64 Vgl. Doehring, Staatsrecht, S. 223 ff., 374 ff. m. w. N.; a. A. noch Krüger, DÖV 1950, 536, 537 f.; zur political question-doctrine vgl. Säcker, BayVBl. 1979, 193, 194.
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sichtlich möglicher Verfahrensgegenstände kann somit eine Ausgrenzung unter dem Gesichtspunkt des „judicial self-restraint" 65 nicht erfolgen. Das Grundgesetz hat dem Bundesverfassungsgericht einen Anteil an der Staatsleitung übertragen 66. Davon unberührt bleibt die Pflicht des Bundesverfassungsgerichts, den für die anderen Verfassungsorgane, hier die Bundesregierung garantierten Raum freier politischer Gestaltung offenzuhalten 67. Voraussetzung dafür, daß eine Rechtsverletzung durch eine Maßnahme oder Unterlassung überhaupt in Betracht zu ziehen ist, ist jedoch, daß diese Maßnahme geeignet ist, unmittelbare Rechtswirkungen zu zeitigen. Demgemäß scheiden als Prüfungsgegenstand solche Verhaltensweisen aus, denen selbst keine unmittelbare rechtliche Wirkung zukommt. Daraus ergibt sich, daß ein Verhalten von Organen des Bundes während der Verhandlungen innerhalb der Gemeinschaften nicht im Bund/Länder-Streit angegriffen werden kann. Die Verhandlungsführung ist zwar das Vorstadium etwa zu Beschlüssen des Rates, denen dann rechtliche Wirkungen innewohnen. Vor diesem Beschluß selbst treten jedoch keine rechtlichen Wirkungen ein. Entsprechendes gilt bei der Mitwirkung von Vertretern des Bundes in vorbereitenden Ausschüssen oder sonstigen Gremien. Auch wenn eine Äußerung eines Mitgliedstaates eine beabsichtigte Maßnahme der Kommission zu beeinflussen geeignet ist, treten etwaige Rechtsfolgen erst aufgrund der Entscheidung der Kommission selbst ein. Als möglicher Prüfungsgegenstand übrig bleibt somit allein das Abstimmungsverhalten des Bundes im Rat bei der Beschlußfassung über einen Rechtsakt. Auch diesbezüglich kann jedoch das Kriterium der Rechtserheblichkeit nicht ohne weitere Erwägungen bejaht werden. Der Entscheidung des deutschen Ratsvertreters allein kommt ja noch keine Rechtswirkung auf der Genjeinschaftsebene zu, wenn man von der Frage absieht, ob ein Beschluß des Gemeinschaftsorgans Rat zustande kommt. Erst die vom Rat in seiner Gesamtheit beschlossene oder abgelehnte Verordnung, Richtlinie oder Entscheidung besitzt die sich aus Art. 189 EWGV ergebenden Rechts Wirkungen. Indes, das Abstimmungsverhalten des deutschen Ratsvertreters ist nicht lediglich die Einwirkung „von außen her" auf einen Entscheidungsträger, der selbst nicht Teil der deutschen Hoheitsgewalt ist. Die Lage kann also nicht mit dem Fall verglichen werden, wo die Bundesregierung auf eine ausländische Regierung (nicht) einwirkt, und dann diese eine Maßnahme ergreift, die Rechtswirkungen zu zeigen geeignet ist. Vielmehr ist die Mitwirkung des deutschen Ratsvertreters konstitutiver Bestandteil des Zustandekommens des gemeinschaftlichen Rechtsaktes, was sich aus der Stellung der Mitgliedstaaten im Rechtsetzungsprozeß der Gemeinschaften ergibt. Das Abstimmungsverhalten des Ministers, der die 65 Hierzu Säcker, BayVBl. 1979, 193, 195; Kauper, ZaöRV 30 (1970), 631, 637. 66 Tomuschat, DÖV 1973, 801, 807. 67 Stern, Staatsrecht I, S. 373 m. w. N.; Eckart Klein, AöR 108 (1983), S. 410, 428 f. 11 Kössinger
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5. Teil: Verfahrensrechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten
Bundesrepublik im Rat vertritt, ist also eine rechtlich relevante Maßnahme im Sinne des § 64 BVerfGG. Als Prüfungsgegenstand scheidet das Verhalten im Rat auch nicht etwa deshalb aus, weil die Verhandlungen im Rat vertraulich sind. Wie bereits angesprochen, bestehen gegen die Bekanntgabe der eigenen Position durch die nationale Regierung vom Gemeinschaftsrecht her gesehen keine Bedenken. Jedenfalls solange, als im Rat das Einstimmigkeitsprinzip gewahrt wird, kommt auch dem Verhalten jedes einzelnen der Vertreter der Mitgliedstaaten entscheidende Bedeutung für das Zustandekommen eines Beschlusses zu. Sollte einmal wieder allgemein zu Mehrheitsbeschlüssen übergegangen werden, so ist zwar das Abstimmungsverhalten einer einzelnen Regierung nicht mehr unmittelbar aus dem Beschluß des Rates ablesbar, nichtsdestoweniger jedoch rechtlich relevant. Eine andere Frage ist es, daß einer überstimmten Regierung dann keine (Mit)-Verantwortung für den Inhalt des Gemeinschaftsrechtsaktes zukommt. Ausdrücklich festzuhalten bleibt zur Vermeidung von Mißverständnissen, daß der Prüfungsgegenstand lediglich das Verhalten des deutschen Ratsvertreters ist, nicht jedoch der unter deutscher Mitwirkung zustandegekommene Beschluß des Gemeinschaftsorgans selbst. Damit maßt sich das Bundesverfassungsgericht nicht eine Entscheidungsbefugnis über die Gültigkeit oder Rechtmäßigkeit von Gemeinschaftsrecht zu. Das gemeinschaftsrechtliche Können des Rates mag weiter gehen als das bundesverfassungsrechtliche Dürfen des Bundes.
3. Prüfungsmaßstab Die für das Land antragsbefugte Landesregierung (§ 68 BVerfGG) muß geltend machen, der Bund habe durch ein konkret zu bezeichnendes Abstimmungsverhalten im Rat grundgesetzliche Rechte oder Pflichten verletzt, §§ 69, 64 Abs. 1 BVerfGG. Hierbei muß es sich um Rechte des Landes handeln, oder komplementär um Pflichten des Bundes, die gerade (auch) gegenüber dem Land bestehen, da es sich bei dem Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG um ein kontradiktorisches Streitverfahren handelt, und nicht um ein lediglich objektives Rechtsbeanstandungsverfahren. Nicht erforderlich ist es, daß ein Recht verletzt ist, das ausschließlich dem antragstellenden Land zukommt. Vielmehr kann auch durch ein einzelnes Land eine Beeinträchtigung der Rechtssphäre aller Länder gerügt werden. Bei den als Prüfungsmaßstab in Betracht kommenden Normen handelt es sich im wesentlichen um die Zuständigkeitsvorschriften, also Art. 30, 70 ff., 83 ff. GG. Darüber hinaus kann jedoch auch die Einhaltung ungeschriebener verfassungsrechtlicher Pflichten überprüft werden, insbesonders also die Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten. Nicht unmittelbar entscheidungserheblich ist somit zwar, ob der Bund bei der Mitwirkung an einem Ratsbeschluß in Übereinstim-
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mung mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht gehandelt hat, denn Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts ist die umfassende Kontrolle der Tätigkeit der Staatsorgane auf ihre Verfassungsmäßigkeit, nicht aber auf ihre Übereinstimmung mit (völkerrechtlichen) Verträgen 68. Für die inhaltliche Ausfüllung der sich aus der Bundestreue ergebenden Pflichten wird jedoch das Gemeinschaftsrecht, durch welches sich die Bundesrepublik Deutschland zulässigerweise gebunden hat, wiederum inzident erhebliche Bedeutung besitzen. Gegebenenfalls ist auch in diesem Verfahren eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes gemäß Art. 177 EWGV einzuholen.
4. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Hat der Antrag der Landesregierung Erfolg, so stellt das Bundesverfassungsgericht fest, daß die Zustimmung eines Bundesministers zu einem bestimmten Ratsbeschluß gegen eine bestimmte Norm der Verfassung verstoßen hat. Die Gültigkeit dieses Beschlusses, die allein nach Gemeinschaftsrecht zu beurteilen ist, und über die zu entscheiden das Bundesverfassungsgericht nicht berufen ist, wird hierdurch nicht berührt. Bedeutung kommt einer solchen Entscheidung jedoch im Hinblick auf zukünftiges Verhalten der Bundesregierung zu, wenn vergleichbare Fragen im Rat zur Entscheidung anstehen. Zum anderen wird aus einer die Verfassungswidrigkeit eines Verhaltens im Rat feststellenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine Pflicht der Bundesregierung abzuleiten sein, innerhalb der Gemeinschaftsorgane auf eine Änderung der Ratsentscheidung hinzuwirken. Derartige Bemühenspflichten sind dem Verfassungsrecht auch in anderen Fällen nicht fremd, wo die Abänderung einer Maßnahme nicht allein im Belieben eines deutschen Staatsorgans steht. Weitergehende Pflichten der Bundesregierung könnten sich unter Umständen dann ergeben, wenn nicht nur die Entscheidung des deutschen Ratsvertreters gegen Bundesverfassungsrecht verstößt, sondern wenn der hierdurch betroffene Rechtsakt des Rates zugleich gemeinschaftsrechtswidrig ist. In einem solchen Fall könnte die Bundesregierung zur Erhebung der Nichtigkeitsklage gemäß Art. Abs. 1 Satz 2 EWGV verpflichtet sein.
68 Bernhardt , FG BVerfG II, S. 154, 162. Ii*
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5. Teil: Verfahrensrechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten
II. Anrufung des Bundesverfassungsgerichts wegen der Nichtanfechtung rechtswidriger Akte von EG-Organen durch den Bund 1. Prüfungsgegenstand Die Bundesländer selbst sind von Gemeinschaftsrechts wegen nicht befugt, die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Gemeinschaftsorgane im Wege der Nichtigkeitsklage zum Gerichtshof herbeizuführen. Klagebefugt ist hierfür allein der Bund. Zwar befindet das Gemeinschaftsrecht nicht darüber, wer staatsintem über die Klageerhebung entscheidet, aber die Zuständigkeit des Bundes und der Bundesregierung für die Regelung der auswärtigen Beziehungen gemäß Art. 32, 59 GG läßt auch innerstaatlich keine Wahrnehmung dieser Zuständigkeit durch die Länder etwa im Wege der Prozeßstandschaft zu. Wenn jedoch der Bund sich gegen die Erhebung einer Nichtigkeitsklage entscheidet, so kann dies den Rechtskreis der Länder berühren, sofern der Gemeinschaftsrechtsakt einen Eingriff in innerstaatliche Zuständigkeiten der Länder beinhaltet. Dies ist nicht nur auf den oben (§ 171) angesprochenen Fall eines Ratsbeschlusses beschränkt, sondern kann sich auch aus einer Entscheidung der Kommission ergeben. Fraglich ist, ob die Unterlassung einer solchen Klageerhebung durch den Bund möglicher Gegenstand eines Verfahrens nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG sein kann. Der Unterlassung einer Klageerhebung kommt selbst keine unmittelbare Rechtswirkung zu. Belastend für die Länder ist nur der Gemeinschaftsrechtsakt als solcher, nicht jedoch die Unterlassung der Herbeiführung einer Überprüfung dieser Maßnahme durch den Gerichtshof. Die auf Zwischenstufen unter Umständen abzuleitende Kausalkette von der (unterlassenen) Klageerhebung über eine Entscheidung des Gerichtshofs zum Fortbestand oder Wegfall des Gemeinschaftsrechtsaktes genügt nicht, um der Unterlassung der Klageerhebung selbst Rechtswirksamkeit im Bund / Länder-Verhältnis zuzusprechen. Der Bund kann also durch seine Entscheidung für oder gegen eine Klageerhebung gar nicht selbst Rechte der Länder verletzen.
2. Anderweitiger Schutz der Länder Durch die Verneinung der Möglichkeit, daß die Länder den und im Wege des Bund/Länder-Streits vor dem Bundesverfassungsgericht zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage verpflichten können, wird nicht ausgeschlossen, daß Landesorgane bei der Durchführung des fraglichen Gemeinschaftsrechtsaktes nach pflichtgemäßer Prüfung von dessen Rechtswidrigkeit ausgehen. Kommt es dann im Wege eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen den Bund gemäß Art. 169,170 EWV oder des Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 177 EWGV zu einer
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Entscheidung durch den Gerichtshof, so kann die Rechtswidrigkeit inzident überprüft werden.
III. Rechtspolitische Würdigung Der Ausschluß der Heij)eiführung einer prinzipalen Kontrolle einer Gemeinschaftsmaßnahme durch die Länder stellt für diese keine unzumutbare Belastung dar. Das Risiko einer rechtlichen Fehleinschätzung und der sich hieraus ergebenden Konsequenzen in Bezug auf aufsichtliche Maßnahmen des Bundes oder die Einleitung eines Bund / Länder-Streits durch diesen sind begrenzt. Leitet der Bund das Verfahren gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG ein, weil er der Auffassung ist, das Land führe zu Unrecht einen Rechtsakt der Gemeinschaft nicht durch, kann über Art. 177 EWGV ohnehin eine Überprüfung der gemeinschaftsrechtlichen Vorfrage durch den Gerichtshof herbeigeführt werden. Dadurch, daß eine verfassungsgerichtliche Feststellung der Pflicht des Bundes zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage zum EuGH bereits von vorneherein ausscheidet, werden auch die schwierigen Abgrenzungen hinsichtlich des anzulegenden Prüfungsmaßstabes vermieden. Gegenüber einer Beeinträchtigung von Rechten der Länder müßten nämlich auch die außenpolitischen Implikationen einer Klageerhebung abgewogen werden. Zur Beurteilung dieser Frage der Opportunität ist nach dem Grundgesetz aber die Bundesregierung und nicht das Bundesverfassungsgericht zuständig. Aus dieser funktionalen Beschränkung könnte sich dann eine Pflicht des Bundesverfassungsgerichts ergeben, nicht den Handungsspielraum der Bundesregierung nach außen zu verengen. Die Einleitung eines für die Entwicklung der EWG möglicherweise bedeutsamen Vertragsverletzungsverfahrens verbleibt somit insgesamt im politischen Ermessen der Bundesregierung, da auch Privatpersonen und Unternehmen kein einklagbares Recht auf dessen Durchführung besitzen69. Die Einschaltung des Bundesverfassungsgerichts zur Klärung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Bund und Ländern, was ja eines der — zumindest ursprünglichen — Kerngebiete der Verfassungsgerichtsbarkeit darstellt 70 , führt somit auch im Zusammenhang mit Fragen, die sich aus der Durchführung von Gemeinschaftsrecht ergeben, nicht zu Konflikten mit Verpflichtungen aus dieser Rechtsordnung, welche der Kontrolle des nationalen Verfassungsgerichts grundsätzlich nicht unterliegt. Auch insoweit kann der — bereits Jahre zurückliegenden — Feststellung zugestimmt werden, die Verfassungen der sechs Gründerstaaten hätten bei der Durchführung des Römischen Vertrages keine oder jedenfalls kaum Schwierigkeiten verursacht 71. 69 Zuleeg, KSE 9, S. 210; Karpenstein , DVB1. 1977, 61, 62. 70 Vgl. Majer , Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 23 f. 71 Renien Collaboration, S. 1/ 1.1, 7.
Zusammenfassung und Fazit 1. Das Recht der Europäischen Gemeinschaften bedarf in weitem Umfang der Durchführung durch die Mitgliedstaaten. Diese durchführungsbedürftigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts berühren in zunehmendem Maße Bereiche, für die nach der innerstaatlichen Kompetenzordnung der Bundesrepublik Deutschland die Länder zuständig sind. 2. Auf die interne bundesstaatliche Kompetenzverteilung nimmt das Europäische Gemeinschaftsrecht keine Rücksicht, es behandelt zentralisierte und föderativ aufgebaute Mitgliedstaaten gleich. Der Mitgliedstaat Bundesrepublik Deutschland ist für die Erfüllung aller ihm obliegenden Pflichten verantwortlich. 3. Die innerstaatliche Durchführungszuständigkeit ist im Grundgesetz ausdrücklich nicht geregelt. Die Vergemeinschaftung eines Regelungsbereiches macht die Durchführung nicht zur Aufgabe des Bundes. Für die Ausführungsgesetzgebung sind die Art. 70 ff. GG analog heranzuziehen. Bedarf eine Gemeinschaftsnorm des nationalen Verwaltungsvollzugs, ist zunächst zu prüfen, ob der Erlaß der Norm innerstaatlich in die Kompetenz des Bundes oder der Länder fiele. In ersterem Fall gelten für den Verwaltungsvollzug Art. 83 ff. GG analog, im letzteren Fall Art. 30 GG. 4. Soweit innerstaatlich die Länder zur Durchführung von Gemeinschaftsrecht zuständig sind, ergibt sich ihre Verpflichtung hierzu entweder aus dem Gemeinschaftsrecht selbst oder — soweit Adressat der Gemeinschaftsnorm nur der Mitgliedstaat Bundesrepublik Deutschland als solcher ist — aus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Bundestreue gegenüber dem Bund. Äußerste Schranken für die Bindung der Länder können sich allenfalls dann ergeben, wenn Maßnahmen der Gemeinschaftsorgane den durch Art. 79 Abs. 3 GG garantierten Kern der Rechte der Länder gefährden. 5. Bei der Setzung von Gemeinschaftsrecht wirkt von deutscher Seite im wesentlichen die Bundesregierung durch ihren Vertreter im Rat mit. Diesem Kompetenzzuwachs steht ein Kompetenzverlust der Gesetzgebungsorgane des Bundes und der Länder insgesamt gegenüber. 6. Mitwirkung und Information der Länder bzw. des Bundesrates in Vorfeld der Formulierung der deutschen Position für die Entscheidungen im Rat wurden erstmals im Zustimmungsgesetz zu den Römischen Verträgen von 1957, zuletzt im Zustimmungsgesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte und in der Bund-Länder-Vereinbarung vom 17. 12. 1987 verankert. Das —
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politische — Letztentscheidungsrecht der Bundesregierung wird durch diese Regelungen jedoch nicht berührt. Diese innerstaatliche Abstimmung ist gemeinschaftsrechtlich zulässig und verfassungsrechtlich durch die Pflicht zur Bundestreue geboten. 7. Die Ausübung der ihr zukommenden Letztentscheidungsbefugnis bei der Mitwirkung an Maßnahmen des Rates durch die Bundesregierung ist — unbeschadet der verfahrensmäßigen Abstimmungspflicht gegenüber dem Bundesrat und den Ländern — inhaltlich lediglich durch die Mißbrauchsschranke begrenzt, da die dem Rat zugewiesenen Kompetenzen durch das Zustimmungsgesetz gemäß Art. 24 GG als „Integrationsprogramm" legitimiert sind. 8. Soweit d6r Rat aufgrund Art. 235 EWGV im Kompetenzbereich der Länder tätig wird, bedarf die Bundesregierung des Einvernehmens mit den Ländern. 9. Die Länder können gegen Rechtsakte der Gemeinschaft nicht nach Art. 173 Abs. 1 oder Abs. 2 EWGV vorgehen, wenn sie der Auffassung sind, daß die Gemeinschaft ohne rechtliche Grundlage in ihre Kompetenzen eingreift. Die Länder können auch nicht erzwingen, daß der Bund selbst Klage erhebt. Das Abstimmungsverhalten des Bundes im Rat unterliegt der Kontrolle des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG. 10. Daß die europäische Integration zu einer Erweiterung der Verantwortung des Bundes geführt hat, ebenso wie zu einer weiteren rechtlichen Bindung der Länder, haben die vorstehenden Betrachtungen gezeigt. Es wurde jedoch versucht, darzulegen, daß sich dieser Prozeß in die insoweit geschmeidige bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes einpassen kann, ohne daß die Rechte der Länder a priori zurückzutreten haben. Integration auf europäischer Ebene und Eigenstaatlichkeit der Länder sind nicht unvereinbar 1.
i A. A. Wagner, KSE 5, S. 219.
Anhang I Vereinbarung vom 17.12.1987 zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Länder über die Unterrichtung und Beteiligung des Bundesrates und der Länder bei Vorhaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften in Ausführung von Art. 2 des Gesetzes vom 19. Dezember 1986 zur Einheitlichen Europäischen Akte vom 28. Februar 1986 (BGBl. II, S. 1102 f.). Bundesregierung und Regierungen der Länder bekennen sich zur Europäischen Einigung auf der Grundlage der Verträge über die Gründung der Europäischen Gemeinschaften einschließlich deren Folgerecht sowie zu den sich daraus ergebenden Informationsund Handlungspflichten in wechselseitigem Treueverhältnis. Sie arbeiten deshalb bei Vorhaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften eng und vertrauensvoll zusammen. Zur Durchführung der diese Zusammenarbeit regelnden Bestimmungen des Art. 2 EEAG vereinbaren sie folgendes:
I. Unterrichtung des Bundesrats (Art. 2 Abs. 1 EEAG) 1. Die Bundesregierung unterrichtet den Bundesrat laufend und in der Regel schriftlich über alle Vorhaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften, die für die Länder von Interesse sein könnten. Dies geschieht insbesondere durch Übersendung von der Bundesregierung vorliegenden a) Dokumenten - der Kommission und ihrer Dienststellen, soweit sie an den Rat gerichtet oder der Bundesregierung auf sonstige Weise offiziell zugänglich gemacht worden sind; - des Europäischen Rats, des Rats, der informellen Ministertreffen und der Ratsgremien. b) Berichten und Mitteilungen von Organen der Europäischen Gemeinschaften über Sitzungen - des Europäischen Rats, des Rats und der informellen Ministertreffen; - des Ausschusses der Ständigen Vertreter sowie sonstiger Ausschüsse oder Arbeitsgruppen des Rats; - der Beratungsgremien bei der Kommission. c) Berichten der Ständigen Vertretung über - Sitzungen des Rats, der informellen Ministertreffen und des Ausschusses der Ständigen Vertreter; - Entscheidungen der Kommission,
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wobei der Bundesrat dafür Sorge trägt, daß diese Berichte nur an einen begrenzten Personenkreis in den jeweils zuständigen obersten Landesbehörden weitergeleitet werden. d) Dokumenten und Informationen über förmliche Initiativen, Stellungnahmen und Erläuterungen der Bundesregierung für Organe der Europäischen Gemeinschaften. e) Dokumenten und Informationen über Verfahren vor den Europäischen Gerichten, an denen die Bundesrepublik Deutschland beteiligt ist. Die Unterrichtung bezieht sich auch auf Vorhaben, die auf Beschlüsse der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten gerichtet sind. Im übrigen oder ergänzend erfolgt die Unterrichtung mündlich in ständigen Kontakten. Die Unterrichtung wird auch in den Parlamentsferien aufrechterhalten. 2. Die Bundesregierung übersendet die Unterlagen dem Bundesrat zum frühestmöglichen Zeitpunkt und auf dem kürzesten Weg in jeweils zwei Exemplaren. 3. Die Ministerien des Bundes und der Länder eröffnen sich untereinander und dem Bundesrat im Rahmen der geltenden Datenschutzvorschriften Zugang zu ressortübergreifenden Datenbanken zu Vorhaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften. Die Bundesregierung wird sich bemühen, EG-Datenbanken, die den Regierungen der Mitgliedstaaten zugänglich sind, auch dem Bundesrat und den Regierungen der Länder zugänglich zu machen. Einzelheiten müssen gesondert geregelt werden.
II. Stellungnahme des Bundesrates (Art. 2 Abs. 2 bis 4 EEAG) 1. Um die rechtzeitige Abgabe einer Stellungnahme zu ermöglichen, informiert die Bundesregierung den Bundesrat unbeschadet der Unterrichtung nach Teil I dieser Vereinbarung bei allen Vorhaben, die erkennbar ausschließliche Gesetzgebungsmaterien der Länder betreffen oder deren wesentliche Interessen berühren, über den zeitlichen Rahmen der Behandlung in den Ratsgremien. Dies gilt grundsätzlich auch für Vorhaben, die nach Auffassung des Bundesrates ausschließliche Gesetzgebungsmaterien der Länder betreffen oder deren wesentliche Interessen berühren. Je nach Verhandlungslage teilt die Bundesregierung dem Bundesrat auch mit, bis zu welchem Zeitpunkt eine Stellungnahme wegen der sich aus dem Verfahrensablauf der Europäischen Gemeinschaften ergebenden zeitlichen Zwänge, insbesondere nach dem neuen Verfahren der Zusammenarbeit zwischen Rat und Europäischem Parlament, noch berücksichtigt werden kann. 2. Der Bundesrat kann seine Stellungnahme im Verlauf der Beratung des Vorhabens in den Gremien der Europäischen Gemeinschaften anpassen und ergänzen. Zu diesem Zweck unterrichtet die Bundesregierung den Bundesrat durch ständige Kontakte — in einer der Sache jeweils angemessenen Form — über wesentliche Änderungen bei den Vorhaben der Europäischen Gemeinschaften. 3. Stellungnahmen des Bundesrates sind auch solche, die von einem Beschlußgremium des Bundesrates angegeben werden, sofern der Bundesrat ein solches Gremium errichtet.
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4. Weicht die Bundesregierung von einer Stellungnahme des Bundesrats zu einer ausschließlichen Gesetzgebungsmaterie der Länder ab, so teilt die Bundesregierung dem Bundesrat die dafür maßgeblichen Gründe schriftlich mit. In den übrigen Fällen erhält der Bundesrat vom Abschluß eines Vorhabens Kenntnis durch Berichte der Ständigen Vertretung nach Teil I, 1 c. Verlangt der Bundesrat eine Begründung, so gibt die Bundesregierung sie mündlich im Plenum oder im Beschlußgremium des Bundesrats.
III. Hinzuziehung von Ländervertretern zu Verhandlungen in Beratungsgremien der Europäischen Gemeinschaften (Art. 2 Abs. 5 EEAG) 1. Werden in Beratungsgremien des Rats oder der Kommission Vorhaben behandelt, zu denen dem Bundesrat vor Zustimmung der Bundesregierung zu Beschlüssen der zuständigen Organe der Europäischen Gemeinschaften Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist, so unterrichtet die Bundesregierung den Bundesrat unverzüglich über den Ort, den Zeitpunkt und die Beratungsgegenstände der Sitzungen dieser Gremien. 2. Unbeschadet der gesetzlichen Regelung des Art. 2 Abs. 5 EEAG stellen die Bundesregierung und die Regierungen der Länder gemeinsam eine Liste der Arbeitsausschüsse und -gruppen bei Kommission und Rat auf, an denen Vertreter der Länder teilnehmen können, soweit ausschließliche Gesetzgebungsmaterien oder wesentliche Interessen der Länder betroffen sind. Diese Liste kann bei Bedarf einvemehmlich geändert werden, ohne daß es einer förmlichen Änderung dieser Vereinbarung bedarf. 3. Der Bundesrat benennt der Bundesregierung die Ländervertreter bzw. die die Vertreter entsendenden Länder. Für die in der Liste erfaßten Gremien kann dies ebenfalls listenmäßig für einen bestimmten Zeitraum erfolgen. Werden Ländervertreter im Einzelfall außerhalb oder in Änderung der listenmäßig benannten Vertreter bestellt, teilt dies der Bundesrat vor den Verhandlungen mit. Die Bundesregierung wird dem Verlangen auf Hinzuziehung mindestens eines Ländervertreters, bei ausschließlichen Gesetzgebungsmaterien der Länder von zwei Ländervertretern, entsprechen, soweit ihr das möglich ist. Nimmt in den Fällen des Art. 2 Abs. 5 EEAG kein benannter Ländervertreter teil, gilt der Beobachter der Länder als benannter Vertreter. 4. Vertreter der Länder sind Mitglieder der deutschen Delegation. Sie sind inhaltlich an Stellungnahmen des Bundesrats gebunden. Sie können an Delegationsbesprechungen vor Ort teilnehmen, die zur Vorbereitung der Sitzungen durchgeführt werden. Vorausgehende gemeinsame Vorbereitungen, die auch von den Ländervertretern angeregt werden können, bleiben unberührt. 5. Delegationsleitung und Sprecherrolle liegen bei der Bundesregierung. Ein Ländervertreter kann in Arbeitsausschüssen und -gruppen mit Zustimmung des Delegationsleiters Erklärungen abgeben.
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IV. Schlußbestimmungen 1. Art. 2 EEAG und diese Vereinbarung ersetzen das Verfahren nach dem Briefwechsel zwischen dem Bundeskanzler und dem Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz von 19./26. September 1979. 2. Diese Vereinbarung gilt auch für Vorhaben, die auf Beschlüsse des Rats und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten gerichtet sind. 3. Unbeschadet des obigen Verfahrens werden ergänzende Formen der fachlichen Zusammenarbeit und Fachkontakte zwischen Bund und Ländern fortgeführt. Die bisherige Praxis* in den Bildungsministerräten sowie die Rechte und Pflichten aus der Erklärung des Bundeskanzlers vom 19. Mai 1983 zu den Ministertreffen der für die kulturelle Zusammenarbeit zuständigen Minister der Mitgliedstaaten bleiben unberührt. Die Ländervertreter können zu Lasten des EG-Haushalts Verpflichtungen nur mit Zustimmung der Bundesregierung eingehen. 4. Die Informations- und Beteiligungsmöglichkeiten des Beobachters der Länder gegenüber der Bundesregierung und den Gremien der Europäischen Gemeinschaften bleiben unberührt. 5. Soweit in den Fällen des Art. 2 Abs. 5 EEAG Ländervertreter nicht benannt worden sind oder im Einzelfall nicht tätig werden, nimmt diese Aufgabe der Beobachter der Länder bei den Europäischen Gemeinschaften wahr. Insofern gilt er als Vertreter der Länder. 6. Die Regierungschefs der Länder gehen davon aus, daß -
Einzelheiten — insbesondere zu den Ziffern 2 und 3 — einer Regelung in der Geschäftsordnung des Bundesrates vorbehalten bleiben und
-
im Bundesrat regelmäßig über die Erfahrungen mit dem neuen Bestellungsverfahren — auch soweit es die Zahl und Verteilung der Ländervertreter betrifft — berichtet wird.
Protokollnotiz zu Abschnitt I der Vereinbarung 1. Die Unterlagen der Europäischen Gemeinschaften werden im allgemeinen unabhängig von ihrer EG-intemen Qualifizierung offen weitergegeben. Eine eventuell nach Ziffer I des Rundschreibens des Bundesministers des Innern vom 10. Oktober 1985 vorzunehmende nationale VS-Einstufung wird vor Versendung an den Bundesrat vom Bundesminister für Wirtschaft — oder den sonst zuleitenden Ministerien — vorgenommen. Unabhängig davon werden Mitteilungen der EG-Organe über eine besondere Vertraulichkeit vom Bundesrat beachtet. 2. Das jeweils federführende Ressort in der Bundesregierung trägt dafür Sorge, daß bei Vorhaben die ausschließliche Gesetzgebungsmaterien der Länder betreffen oder * Ländervertreter können in Bildungsministerräten mit Zustimmung des Delegationsleiters Erklärungen abgeben.
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deren wesentliche Interessen berühren, dem Bundesrat auch dem Ressort vorliegende vorbereitende Papiere der Kommission zur Verfügung gestellt werden, die für die Meinungsbildung der Länder von Bedeutung sein können.
Anhang I I Bestellung von Ländervertretern nach Art. 2 Abs. 5 EEAG Die Regierungschefs der Länder beschließen, bei der Benennung von Ländervertretern gemäß Art. 2 Abs. 5 EEAG nach folgenden Grundsätzen zu verfahren: 1. Der Bundesrat benennt der Bundesregierung namentlich Vertreter oder die Länder, deren Vertreter zu den Verhandlungen in den Beratungsgremien hinzuzuziehen sind. 2. Beabsichtigt der Bundesrat eine Stellungnahme nach Art. 2 Abs. 2 EEAG, soll eine Benennung für den konkreten Fall in der Regel mit der Stellungnahme erfolgen. Im übrigen können die Ländervertreter oder entsendende Länder für bestimmte Sachgebiete oder Gremien auch unabhängig vom Einzelfall (z. B. in Listen) benannt werden. 3. Bei der Entsendung von Vertretern sind alle Länder angemessen zu berücksichtigen. Dementsprechend sollen nach Ablauf von drei Jahren die Ländervertreter bzw. die entsendenden Länder neu benannt werden. Wenn die Fachministerkonferenzen Vorschläge unterbreiten, sollen sie entsprechend verfahren. 4. Die Ländervertreter sind inhaltlich an Stellungnahmen und sonstige Weisungen des Bundesrates gebunden. Sie haben dem Bundesrat jeweils unmittelbar im Anschluß an die Sitzungen über den Verlauf der Beratungen zu berichten.
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