Die deutsche Inflation 1914 - 1923: Ursachen und Folgen in internationaler Perspektive [Reprint 2011 ed.] 9783110837308, 9783110083187


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German Pages 369 [372] Year 1980

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Table of contents :
Verzeichnis der Tabellen
Verzeichnis der Schaubilder
Verzeichnis der Abkürzungen
Einleitung
I. Stand der Forschung
II. Zielsetzung der Arbeit
1. Kapitel: Indikatoren der Inflation
I. Inflationstypen
II. Preis- und Kaufkraftentwicklung
A. Wechselkurs und Großhandelspreise
B. Lebenshaltungskosten
III. Geldmengen- und Liquiditätsentwicklung
A. Theoretische Vorbemerkungen
B. Empirische Befunde
C. Indikatoren des Geldüberhangs
2. Kapitel: Faktoren der Inflation
I. Vorbemerkungen
II. Faktoren der Geldmengenentwicklung
A. Finanzpolitik des Reichs
B. Kreditpolitik der Reichsbank
III. Faktoren der Produktionsentwicklung
IV. Faktoren der Geldnachfrage (Umlaufgeschwindigkeit)
V. Gewichtung der Faktoren
3. Kapitel: Wirkungen der Inflation
I. Konjunktur, Wachstum und Beschäftigung
A. Binnenwirtschaft
B. Außenwirtschaft
II. Inländische Verteilungswirkungen
A. Vorbemerkungen und Fragestellung
B. Entwicklung des Volkseinkommens
C. Entwicklung der Reallöhne
D. Die Verteilung des Volkseinkommens
III. Internationale Verteilungswirkungen
A. Vorbemerkungen
B. Schätzverfahren und Ergebnisse
C. Kosten-Nutzen-Überlegungen
IV. Beendigung der Inflation und Korrektur einiger Wirkungen
A. Stabilisierung
B. Aufwertung
Zusammenfassung und Ergebnis
Nachwort
Literaturverzeichnis
Personenverzeichnis
Sachverzeichnis
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Die deutsche Inflation 1914 - 1923: Ursachen und Folgen in internationaler Perspektive [Reprint 2011 ed.]
 9783110837308, 9783110083187

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Carl-Ludwig Holtfrerich Die deutsche Inflation 1914-1923

Carl-Ludwig Holtfrerich

Die deutsche Inflation

1914-1923

Ursachen und Folgen in internationaler Perspektive

w DE

G

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1980

Dr. Carl-Ludwig

Holtfrench

Professor f ü r neuere Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der J. W . Goethe-Universität, Frankfurt/M.

CIP-Kurztitelaufnahme

der Deutschen

Bibliothek

Holtfrerich, Carl-Ludwig: [Die deutsche Inflation neunzehnhundertvierzehn bis neunzehnhundertdreiundzwanzig] Die deutsche Inflation 1914-1923 : Ursachen u. Folgen in internat. Perspektive / Carl-Ludwig Holtfrerich. - Berlin, New York : de Gruyter, 1980. ISBN 3-11-008318-3

© Copyright 1980 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J.Göschen'sche Verlagshandlung, J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer, Karl J.Trübner, Veit & Comp., Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Ubersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany. Satz: Tutte Druckerei GmbH, Salzweg-Passau. Druck: Karl Gerike, Berlin. Bindearbeiten: Dieter Mikolai, Berlin.

Inhaltsverzeichnis

Verzeichnis der Tabellen Verzeichnis der Schaubilder Verzeichnis der Abkürzungen

VII X X

Einleitung

1

I. Stand der Forschung II. Zielsetzung der Arbeit

1 4

1. Kapitel: Indikatoren der Inflation

9

I. Inflationstypen II. Preis-und Kaufkraftentwicklung A. Wechselkurs und Großhandelspreise B. Lebenshaltungskosten 1. Indexproblematik · 2. Verschiedene Lebenshaltungskostenindices III. Geldmengen-und Liquiditätsentwicklung A. Theoretische Vorbemerkungen B. Empirische Befunde 1. Geldmenge 2. Liquidität C. Indikatoren des Geldüberhangs

9 13 13 24 24 26 44 44 47 47 61 76

2. Kapitel: Faktoren der Inflation

93

I. Vorbemerkungen II. Faktoren der Geldmengenentwicklung A. Finanzpolitik des Reichs 1. Kriegsfinanzierung a) Theoretische Vorbemerkungen b) Praktische Vorschläge, Maßnahmen und Ergebnisse 2. Finanzpolitische Optionen 1919 3. Der Einfluß der Reparationen B. Kreditpolitik der Reichsbank 1. Reichsbankpolitik im theoretischen Streit der Zeitgenossen . .

93 97 97 97 98 104 115 135 154 154

VI

Inhalt

a) Darstellung und Kritik der Zahlungsbilanz- und Quantitätstheorie b) Einordnung der Argumentation der Reichsbank 2. Diskontpolitik der Reichsbank III. Faktoren der Produktionsentwicklung IV. Faktoren der Geldnachfrage (Umlaufgeschwindigkeit) V. Gewichtung der Faktoren

155 162 171 179 183 190

3. Kapitel: Wirkungen der Inflation

193

I. Konjunktur, Wachstum und Beschäftigung A. Binnenwirtschaft B. Außenwirtschaft II. InländischeVerteilungsWirkungen A. Vorbemerkungen und Fragestellung B. Entwicklung des Volkseinkommens C. Entwicklung der Reallöhne 1. Lohnstatistik a) Quellenkritik b) Ergebnisse 2. Verbrauchsstatistik a) Probleme b) Ergebnisse 3. Gesundheitsstatistik D. Die Verteilung des Volkseinkommens 1. Funktionelle Einkommensverteilung 2. Personelle Einkommens-und Vermögensverteilung III. Internationale Verteilungs Wirkungen A. Vorbemerkungen B. Schätzverfahren und Ergebnisse C . Kosten-Nutzen-Uberlegungen IV. Beendigung der Inflation und Korrektur einiger Wirkungen A. Stabilisierung B. Aufwertung

193 193 202 218 218 220 224 224 224 228 246 246 249 260 264 265 269 277 277 279 294 298 298 315

Zusammenfassung und Ergebnis

327

Nachwort Literaturverzeichnis Personenverzeichnis Sachverzeichnis

332 333 355 357

Verzeichnis der Tabellen

1. Indices für die Entwicklung der Großhandelspreise und des Dollarwechselkurses in Deutschland 1914-1923 2. Indices für die Entwicklung des gewogenen nominalen und realen Außenwerts der Mark 1920-1923 3. Ernährungsgüter im Warenkorb des Statistischen Reichsamts zur Ermittlung der Lebenshaltungskosten 1920-1925 4. Reichsindexziffern der Lebenshaltungskosten Februar 1920 Dezember 1923 5. Die Kosten des Ernährungsbedarfs für eine fünfköpfige Familie in den Monaten Januar bis Dezember 1920 in Hamburg 6. Schulgeld an den staatlichen höheren Lehranstalten in Preußen 1909-1923 7. Preisindices einer Eisenbahnpersonenfahrkarte 3. Klasse je km und einer Straßenbahnfahrkarte in Berlin 1913-1923 8. Wöchentliches Existenzminimum einer vierköpfigen Familie in Berlin nach R. R.Kuczynski 1920-1923 9. Index der Lebensmittelpreise im Durchschnitt von 200 Städten des Deutschen Reiches nach Richard Calwer 1913—1922 10. Jährliche Daten zur Entwicklung von Geldbasis und Geldmenge 1910-1923 11. Monatliche Daten zum Geldumlauf 1913-1923 12. Einlagen der Reichsbank nach Einlegergruppen, 1900, 1910, 1914, 1925 13. Anteil der Kontokorrenteinlagen an den Gesamteinlagen der Preußischen Sparkassen 1909-1925 14. Anteil der Einlagen verschiedener Fristigkeiten bei den Berliner Großbanken 1913-1925 15. Guthaben anderer Banken im Verhältnis zu den Kreditoren 1913, 1924,1925 16. Anteil der Nostroguthaben an den gesamten Aktiva der Berliner Großbanken 1913-1924 17. Anteil der Kreditoren der Aktienbanken bzw. Sparkassen an den Kreditoren aller Kreditinstitute 1913, 1924,1925 18. Einlagen verschiedener Bankengruppen in Prozent der Geldbasis 1913-1922 19. Struktur der Geldbasis 1913-1922

15 22 29 31 33 35 35 39 42 48 50 55 56 56 57 57 60 60 61

VIII

Verzeichnis der Tabellen

20. Entwicklung der schwebenden Schuld des Reiches 1914-1923 21. Finanzierung der Reichsausgaben durch Steuereinnahmen und Erhöhungder schwebenden Schuld 1920-1922 22. Differenz zwischen Kreditoren und Debitoren der Kreditaktienbanken in Prozent der Kreditoren 1920 -1922 23. Verschiedene Zinssätze am Geldmarkt 1920-1923 24. Kleinhandels-und Schwarzmarktpreise 1914, 1919-1922 in Berlin . . 25. Ordentliche Einnahmen des Reiches 1914-1919 26. Ordentliche Ausgaben des Reiches 1914-1919 27. Zeichnungserlös der Kriegsanleihen 1914-1918 28. Zusammensetzung der ordentlichen Steuereinnahmen der Zentralregierungen im Deutschen Reich und in Großbritannien 1913 und 1918 29. Reparationsleistungen des Deutschen Reiches bis 31. 8. 1924 30. Ertrag der „Inflationssteuer" verglichen mit den Ausgaben in Erfüllung des Friedensvertrages 1919-1922 31. Anteil der Reparationszahlungen am deutschen Volkseinkommen unddeutscher Kapitalverkehr mit dem Ausland 1925-1932 32. Wachstum der deutschen Industrieproduktion 1913-1931 33. Getreideproduktion des Deutschen Reiches 1910-1931 34. Realwert der Geldbasis 1919-1923 35. Arbeitslosigkeit unter den Mitgliedern der Gewerkschaften und Facharbeiterverbände 1914-1923 36. Index der Produktion wichtiger Industriegruppen und -zweige 1913-1918 37. Gliederung der Industrie nach den berufsgenossenschaftlich versicherten Personen 1913-1918 38. Indices der Industrieproduktion Frankreichs, Großbritanniens und Deutschlands 1919-1931 im Vergleich zu 1913 39. Einfuhr Deutschlands 1920-1923 im Vergleich zu 1913 40. Indices für die Entwicklung des realen Volkseinkommens in Deutschland 1914-1924sowie 1903-1913 und 1925-1935 41. Indices der durchschnittlichen Realwochenlöhne der Eisenbahnarbeiter, Buchdrucker und Ruhrbergarbeiter 1913-1923 42. Lohnniveau der Facharbeiter in Prozent des Lohnniveaus der ungelernten Arbeiter 1913-1923 43. Realmonatsgehälter typischer Besoldungsgruppen von Reichsbeamten in Großstädten 1913-1923 44. Lohn- und Gehaltshöhe in verschiedenen Gewerben Februar 1920 gegenüber 1913/14

64 67 69 70 86 108 110 112

114 145 149 151 179 180 185 195 197 197 200 208 221 230 232 232 235

Verzeichnis der Tabellen

IX

45. Realeinkommensniveau in verschiedenen Gewerben Februar 1920 gegenüber 1913/14 236 46. Indices für die Entwicklung der Tarifstundenlöhne für 29 Arbeiterkategorien in Frankfurt und Umgebung 1920-1923 240 47. Pro-Kopf-Verbrauch verschiedener Güter in Deutschland 1920-1923 247 48. Struktur der Ausgaben von Arbeiterhaushalten typischer Einkommensstufen 1907 250 49. Struktur der Ausgaben von Haushalten verschiedener Einkommensstufen sowie von Arbeiterhaushalten 1916-1918 250 50. Durchschnittliche Verbrauchsmengen verschiedener Nahrungsmittel 1916-1918 im Vergleichzur Vorkriegszeit 253 51. Ausgabenstruktur des Haushalts einer höheren Beamtenfamilie 1913/14-1923 256 52. Verbrauchsmengen eines höheren Beamtenhaushalts 1920-1923 im Vergleich zu 1913-1914 257 53. Die Entwicklung der Haushaltsausgaben eines Berliner Ärztehaushalts 1912-1922 258 54. Ausgabenstruktur eines Drei-Personen-Haushalts (mittlere Angestellte) 1912/13-1923 259 55. An Tuberkulose Gestorbene je 10000 Einwohner in 46 deutschen Großstädten 1921-1923 262 56. Daten zur funktionellen Einkommensverteilung des deutschen Volkseinkommens 1925-1931 im Vergleich zu 1913 267 57. Einkommensschichtung im Deutschen Reich 1913, 1926 und 1928 . . 2 7 0 58. Die Veränderung der Einkommensschichtung im Deutschen Reich, 1928 in Prozent von 1913 271 59. Die Schichtung der Vermögen der natürlichen Personen im Deutschen Reich, 1913 und 1923 276 60. Die Veränderung der Vermögensschichtung im Deutschen Reich 1923 in Prozent von 1913 276 61. Schema der deutschen Zahlungsbilanz 1919-1923 282 62. Kreditoren der 7 Berliner Großbanken 1918-1923 286

Verzeichnis der Schaubilder

1. Entwicklung der deutschen und amerikanischen Großhandelspreise in US-Dollar 1913-1923 2. Monatliche Durchschnittsnotierungen europäischer Währungen in US-Dollar 1919-22 3. Entwicklung der Geldmenge und der Großhandelspreise 1914-1923 in Deutschland 4. Wachstum der deutschen Industrieproduktion 1913-31 5. Entwicklung des Realwertes der Geldbasis 1919-22 6. Entwicklung der Preise und der Arbeitslosenquote 1919-22 7. Die Veränderung der realen Tariflöhne und -gehälter auf Stundenbasis 1920-22 im Vergleich zu Juli 1914 8. Möglichkeiten zur wechselkursgesicherten Zinsarbitrage zwischen London und Berlin 1920-22 9. Internationale Finanzbeziehungen und außenpolitische Forderungen nach dem Ersten Weltkrieg

Verzeichnis der Abkürzungen

BA HdStW HdSW HdWW ILO KAKI LoN MS RGBl RM SVS VSWG

Bundesarchiv Koblenz Handwörterbuch der Staatswissenschaften Handwörterbuch der Sozialwissenschaften Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaften International Labour Office (Genf) Kriegsausschuß für Konsumenteninteressen League of Nations Als Manuskript vervielfältigt Reichsgesetzblatt Rentenmark bzw. Reichsmark Schriften des Vereins für Socialpolitik Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte

17 19 95 181 186 198 237 290 305

Einleitung

I. Stand der Forschung

Drei Standardwerke charakterisieren den Forschungsstand zu den volkswirtschaftlichen Erscheinungen, Ursachen und Auswirkungen der deutschen Inflation zwischen 1914 und 1923, nämlich die von Frank D. Graham 1 , Costantino Bresciani-Turroni 2 und Karsten Laursen/Jorgen Pedersen 3 . Gemeinsam ist ihnen, - daß sie von nicht-deutschen Autoren verfaßt, nur im Ausland erschienen und nicht ins Deutsche übersetzt worden sind, was ein bezeichnendes Licht auf den Stand der wirtschaftshistorischen „Vergangenheitsbewältigung" dieser für die deutsche Geschichte außerordentlich wichtigen und nachhaltig prägenden Periode wirft, - daß sie sich mit der Periode nach dem Ersten Weltkrieg befassen, obwohl in der Finanzpolitik des Deutschen Reiches während des Ersten Weltkrieges der Grundstein zur inflationären Entwicklung der Nachkriegsjahre gelegt war, - daß sie von Ökonomen mit vornehmlich theoretischen Interessen verfaßt wurden, - daß historisches Quellenmaterial, das über die Absichten der damaligen wirtschaftspolitischen Entscheidungsträger oder den Ablauf von Entscheidungsprozessen Auskunft geben könnte, nicht herangezogen wurde oder nicht herangezogen werden konnte. Sie unterscheiden sich vor allem in der jeweils zugrundegelegten Theorie, aus der heraus das inflationäre Geschehen der Nachkriegs jähre erklärt wird. Graham und Bresciani-Turroni verwandten die auch unter den Zeitgenossen 1

2

3

Frank D. Graham: Exchange, Prices, and Production in Hyper-Inflation: Germany, 1920-1923, New York (1930) 1967. Costantino Bresciani-Turroni: The Economics of Inflation. Α Study of Currency Depreciation in Post-War Germany, London (1937) 1968. Erste Auflage im italienischen Original 1931. Bresciani-Turroni hatte die Inflation als Augenzeuge und sachverständiger Beobachter mit Zugang zu nicht-öffentlichen Informationen erlebt, und zwar in Berlin als Beauftragter der Reparationskommission. Karsten Laursen und Jörgen Pedersen: The German Inflation 1 9 1 8 - 1 9 2 3 , Amsterdam 1964.

2

Einleitung

der Inflation kontroversen Theorien: Graham vertrat stärker die sog. Zahlungsbilanztheorie und sah in den Reparationsforderungen an Deutschland, also einem ausländischen Faktor, eine wesentliche Ursache der Inflation. Bresciani-Turroni favorisierte demgegenüber die Inflations- oder Quantitätstheorie zur Erklärung der äußeren (Wechselkurs) und inneren Geldentwertung; er sah die Hauptursache der Inflation also in der binnenländischen Wirtschaftspolitik 4 . Nach der sog. Keynes'schen Revolution in der Wirtschaftstheorie verwandten Laursen/Pedersen die Lohndruckhypothese zur Erklärung der Preissteigerungen in Deutschland 1918-23 und wiesen der Geldmenge in der Tradition von Keynes eine eher passive Rolle zu. Graham und Laursen/Pedersen akzentuierten die Wachstums- und beschäftigungsfördernde Wirkung der Inflation, die zur sozialen Befriedung der Weimarer Republik beigetragen haben dürfte 5 . Demgegenüber betonte Bresciani-Turroni die strukturelle Fehlentwicklung der Wirtschaft, die als Folge der frenetischen Flucht in die Sachwerte und der hektischen Investitionstätigkeit eingetreten, in ihrem vollen Ausmaß aber erst nach der Stabilisierung in struktureller Arbeitslosigkeit und in der Notwendigkeit umfassender Rationalisierungsmaßnahmen offen zutage getreten sei 6 . Laursen/Pedersen argumentierten, daß durch die Inflation nicht nur ein größeres Sozialprodukt zu verteilen war, sondern aufgrund der Vollbeschäftigungstendenzen auch gleichmäßiger verteilt wurde als es bei einer alternativen, stabilitätsorientierten Währungspolitik wie der, die im Ausland zur Depression von 1920/21 führte, hätte geschehen können 7 . Demgegenüber behauptete Bresciani-Turroni, daß die große deutsche Inflation eine „Revolution der sozialen Klassen" hin zu größerer Ungleichheit bewirkt habe. Sie habe Millionen Menschen in die Armut getrieben, während einige Wenige das Volksvermögen in ihre Hände zu bringen gewußt hätten 8 .

4

5

6 7 8

Der bekannte britische Geldtheoretiker D. H. Robertson, der ansonsten viel Lob für Bresciani-Turronis Studie fand, sah die wesentliche Schwachstelle der im Buch vertretenen Position darin, daß Bresciani-Turroni die Verantwortung für die Inflation einzig vor die Tür der deutschen Politiker gelegt hatte. Er würdige nicht gebührend „those victorious Powers whose blind rapacity helped to impose on the leaders of the young Republic a task so manifestly beyond their strength. I for one feel. . . that in this single but important respect this book lacks balance." D.H. Robertson (Rez.) ,,C. Bresciani-Turroni: Economics of Inflation . . ." in: Economica, Vol. 5, 1938, S. 234. Heinz Haller (Die Rolle der Staatsfinanzen für den Inflationsprozeß, in: Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Währung und Wirtschaft in Deutschland 1876-1975, Frankfurt/M. 1976, S. 152) urteilte kürzlich sogar: „Das Uberleben der parlamentarischen Demokratie war, um es nochmals zu sagen, der große positive Effekt, den die Inflation hatte." C. Bresciani-Turroni: Economics of Inflation . . ., S. 403f., 195ff. K. Laursen und J. Pedersen: German Inflation . . ., S. 1 2 0 - 1 2 3 . C. Bresciani-Turroni: Economics of Inflation . . ., S. 404. Lionel Robbins vertrat im Vorwort

I. Stand der Forschung

3

Die ausgesprochen gegensätzlichen Einschätzungen der Ursachen oder Wirkungen der deutschen Inflation nach dem Ersten Weltkrieg reflektieren nicht nur theoretische Dichotomien, sondern auch den unzureichenden Forschungsstand über wirtschaftliche und soziale Prozesse während der Inflationsjahre. Statistische Darstellungen der deutschen Wirtschaftsgeschichte enthalten für die Jahre 1 9 1 4 - 2 3 zumeist Lücken 9 . Der Historiker Gerald Feldman bezeichnete die Inflation 1 9 1 4 - 2 3 kürzlich als „historiographische Wüste mit einigen wenigen Oasen" 1 0 und forderte dazu auf, jenseits der rein wirtschaftstheoretischen Erklärungen auch die politischen Ursachen und Wirkungen zu behandeln 11 . Der Wirtschaftshistoriker Knut Borchardt warnte ebenfalls davor, die Inflation von 1914 bis 1923 mechanistisch als „Betriebsunfall einer kapitalistischen Wirtschaft" zu sehen. „Sie ist im Gegenteil ein primär politisches Phänomen", das zu beurteilen nur dann möglich sei, wenn man mitberücksichtige, ,,welche anderen Möglichkeiten zur Verfügung standen." 1 2 Auch Peter-Christian Witt forderte dazu auf, die rein ökonomistische Betrachtungsweise des inflationären Geschehens in Deutschland 1 9 1 4 - 2 3 aufzugeben und die Behandlung der „Währungspolitik wieder in ihren Kontext, d.h. die Gesamtheit finanzpolitischer Entscheidungsprozesse" einzuordnen und die zugrundeliegenden politischen Entscheidungen zu analysieren 13 . zu diesem Buch sogar die später popularisierte These: „Hitler is the foster-child of the inflation." (S. 5). 9 Vgl. Walther G. Hoffmann u. a.: Das Wachstum der deutschen Wirtschaft seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, Berlin 1965. Statistisches Bundesamt: Bevölkerung und Wirtschaft 1872-1972, Stuttgart 1972, S. 87ff. 10 Gerald D. Feldman: Gegenwärtiger Forschungsstand und künftige Forschungsprobleme zur deutschen Inflation, in: Otto Büsch und Gerald Feldman (Hrsg.): Historische Prozesse der deutschen Inflation 1914 bis 1924. Ein Tagungsbericht, Berlin 1978, S. 3. 11 Ebenda, S. 10, 18. Feldman selbst ist durch umfassende Studien zum politischen Kräftespiel während der Inflationsjahre hervorgetreten. Vgl. seine Bücher: Army, Industry, and Labor in Germany 1914-1918, Princeton 1966. Iron and Steel in the German Inflation 1916-1923, Princeton 1977 und zusammen mit Heidrun Homburg: Industrie und Inflation. Studien und Dokumente zur Politik der deutschen Unternehmer 1916-1923, Hamburg 1977. Zu den politischen Aspekten von Inflation und Stabilisierung vgl. die breit angelegte, materialreiche Studie von Charles S. Maier: Recasting Bourgeois Europe. Stabilization in France, Germany, and Italy in the Decade After World War I, Princeton 1975. 12 Knut Borchardt: Die Erfahrung mit Inflationen in Deutschland, in: J. Schlemmer (Hrsg.): Enteignung durch Inflation? Fragen der Geldwertstabilität, München 1972, S. 17. Die politische (interessengebundene) Dimension von Inflation findet nunmehr zunehmend auch unter Ökonomen Berücksichtigung. Vgl. den Sammelband FredHirsch und John H. Goldthorpe (Hrsg.): The Political Economy of Inflation, London 1978. 13 Peter-Christian Witt: Finanzpolitik und sozialer Wandel in Krieg und Inflation 1918-1924, in: H. Mommsen, D. Petzina und B. Weisbrod (Hrsg.): Industrielles System und politische Entwicklung in der Weimarer Republik, Düsseldorf (1974) 1977, S. 397.

II. Zielsetzung der Arbeit

Aus den obigen Bemerkungen läßt sich die Zielsetzung dieser Studie ableiten. Sie soll dazu beitragen, das unzureichende historiographische Bild der deutschen Inflation 1914-23 in ausgewählten Teilbereichen zu vervollständigen, jenseits spezieller Forschungsbeiträge jedoch einen allgemeinen Uberblick über Erscheinungen, Ursachen und Wirkungen der Inflation vermitteln. U m der Kritik an den oben erwähnten Standardwerken zur Inflation und um den neuerdings formulierten Forschungsansprüchen Rechnung zu tragen, wird besonderer Wert darauf gelegt, die Kriegsjahre als finanzpolitische Geburtsstunde der Inflation in die Betrachtung einzubeziehen, jenseits der rein ökonomischen Erklärungen die innen- und außenpolitischen Faktoren mitzuberücksichtigen, die die Veränderungen der ökonomischen Variablen mitbestimmt haben, einen Beitrag zur Schließung der statistischen Lücken im Bild der deutschen Inflation zu leisten und nicht zuletzt die inflationäre Entwicklung in Deutschland im internationalen Zusammenhang und Vergleich zu sehen. Der internationale Aspekt ist vor allem deswegen unerläßlich, weil monetäre und damit verbundene ökonomische Entwicklungen — von den politischen ganz zu schweigen - in Deutschland nicht in Isolation von der Außenwelt abliefen. Gerade weil es sich im Fall Deutschland um eines der bedeutendsten Industrieländer der Welt handelte, machten die Wirkungen der inflationären Politik sich auch im Ausland - man kann sagen, in der Weltwirtschaft - bemerkbar. Auch haben umgekehrt politische Entscheidungen oder ökonomische Abläufe im Ausland auf die wirtschaftliche (und politische) Entwicklung in Deutschland eingewirkt und zumindest den Entscheidungsspielraum mitbestimmt, innerhalb dessen wirtschaftspolitische Optionen offenstanden. Die Reparations-, Außenhandels- oder Anleihepolitik des Auslandes gegenüber Deutschland bieten dafür deutliche Beispiele. Rein interne Entscheidungen auf dem Gebiet der Geld-, Finanz- und Konjunkturpolitik anderer wichtiger Länder haben jedoch ähnliche Rückwirkungen auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Entwicklung in Deutschland gehabt. Schließlich ist der internationale Vergleich aus Gründen der Logik unverzichtbar, um aus komplexen Ursache-Wirkungszusammenhängen, die die historischen und damit auch die rein wirtschaftsgeschichtlichen Abläufe in vielfältiger Weise beeinflussen, diejenigen herauszupräparieren, die speziell der Inflation als Faktor oder Ergebnis zugerechnet werden können. Denn viele der ökonomischen, sozialen und politischen Probleme und Erscheinungen der er-

II. Zielsetzung der Arbeit

5

sten Nachkriegs jähre waren auch Ländern gemeinsam, deren währungspolitische Entwicklung völlig unterschiedlich verlief, so z . B . Großbritannien mit seiner nach 1919 deflationären Entwicklung und Deutschland mit seiner Inflation. Das Problem des Wiederaufbaus und der Umstellung der Wirtschaft von Kriegs- auf Friedensproduktion stellte sich in allen direkt und indirekt an der Kriegswirtschaft beteiligten Ländern nach dem Ersten Weltkrieg und ist mit unterschiedlichen währungspolitischen Varianten zu lösen versucht worden. Schon Franz Eulenburg warnte deshalb in seiner frühen Untersuchung der sozialen Auswirkungen der Inflation davor,, ,bei der Verkettung mehrerer Ursachenreihen die Veränderung in der sozialen Struktur auf die eine Komponente [die WährungsVerhältnisse] zurückzuführen." Es müsse daher die Frage lauten: „Wieviel von der Gesamtwirkung ist mithin auf die anderen Ursachen, wieviel auf die Währung allein zu setzen?" 1 4 D e m internationalen Vergleich zur Lösung dieses Problems stand er zwar skeptisch gegenüber, ,,da die gesamten Bedingungen etwa zwischen Deutschland und England zu sehr voneinander abweichen." 1 5 Jedoch scheint mir der internationale neben dem intertemporalen Vergleich die einzig verfügbare Methode, um reine Willkür in der Zurechnung von Ursachen und Wirkungen der Inflation zu vermeiden. Daß man dabei nicht immer streng systematisch oder gar ökonometrisch vorgehen kann, versteht sich bei einem so facettenreichen historischen Prozeß wie einer Inflation von selbst. Entwicklungen im Ausland werden daher entweder als Kontrast- oder Parallelerscheinung zu Abläufen in Deutschland eher illustrativ und deskriptiv zur Verdeutlichung der Entwicklung oder Bekräftigung der Erklärung im deutschen Fall herangezogen, zumal der systematische Vergleich inflationärer Entwicklungen nach dem Ersten Weltkrieg in der hervorragenden Völkerbund-Studie von Ragnar N u r k s e 1 6 geleistet worden ist, darüber hinaus der ökonometrische Vergleich von sieben hyperinflationären Entwicklungen im zwanzigsten Jahrhundert von Phillip Cagan 1 7 . Die Untersuchung ist in drei Kapitel gegliedert. Im ersten wird die deutsche Inflation in ihren Erscheinungsformen behandelt, nämlich als Prozeß anhaltender Preissteigerungen oder eines anhaltenden Verlustes an äußerer und innerer Kaufkraft der Währung - so wird Inflation heute definiert - und als Prozeß des Geldmengenwachstums - wie es der ursprünglichen Wortbedeutung 14

15 16

17

Franz Eulenburg: Die sozialen Wirkungen der Währungsverhältnisse, in: Jahrbücher für N a tionalökonomie und Statistik, Bd. 122, 1924, S. 749. Ebenda. Rägnar Nurkse: The Course and Control of Inflation. Α Review of Monetary Experience in Europe after World War I, Genf 1946. Phillip Cagan: The Monetary Dynamics of Hyperinflation, in: M. Friedman (Hrsg.): Studies in the Quantity Theory of Money, Chicago 1956, S. 2 5 - 1 1 7 .

6

Einleitung

und dem zeitgenössischen Gebrauch des Wortes noch stärker entsprach18. Dieser Teil ist stark von der Diskussion statistischer Probleme bei der Messung des Inflationsphänomens geprägt. Er dürfte vornehmlich für Ökonomen von Interesse sein. Diejenigen unter den Lesern, die sich stärker für die politischen Aspekte und sozialen Folgen der Inflation interessieren, können ohne Schaden mit der Lektüre des zweiten Kapitels beginnen. Der zweite Teil nämlich beschäftigt sich mit den ökonomischen und jenseits der ökonomischen mit den politischen Ursachen, Einflußfaktoren oder Bedingungen der Inflation, insbesondere mit der Finanzpolitik des Reiches im Krieg und danach, mit der Bedeutung des Reparationsproblems für die Inflation, mit der Kreditpolitik der Reichsbank und deren politischen Handlungsspielräumen und Absichten, mit den von den realen Produktionsmöglichkeiten ausgehenden Beiträgen zur Diskrepanz zwischen realem Güterangebot und monetärer Nachfrage und schließlich mit dem von der politischen Entwicklung besonders stark geprägten „Vertrauensfaktor" für die Wertbeständigkeit des Geldes und damit für die Geldnachfrage, deren Schwankungen den Verlauf der Inflation auf kurze Sicht prägten. Das dritte Kapitel ist den Wirkungen der Inflation gewidmet, insbesondere auf Wachstum und Beschäftigung, also auf die Größe des Sozialprodukts, und auf die Verteilung des Volkseinkommens im Inland. Darüber hinaus werden aber auch konjunkturbelebende Wirkungen der deutschen Inflation auf die Wirtschaft des Auslandes, insbesondere in der Weltwirtschaftskrise 1920/21, untersucht. Schließlich wird auch herausgearbeitet, daß die Nachkriegsinflation in einem Umfang, der den deutschen Kapitalimporten in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre kaum nachstand, VerteilungsWirkungen zwischen der deutschen Volkswirtschaft als ganzer und dem Ausland zugunsten Deutschlands entfaltete, die bei der Bewertung des Gesamtphänomens stark zu Buche schlagen. Die Untersuchung endet mit einem Uberblick über die schließlich unausweichlichen Stabilisierungsmaßnahmen und über die sog. Aufwertungsgesetzgebung, mit der einige Verteilungswirkungen nachträglich korrigiert werden sollten. Um Einseitigkeiten in der theoretischen Interpretation zu vermeiden, wird bei der Behandlung der Faktoren ebenso wie der Wirkungen der Inflation auf ein möglichst breites Spektrum Wert gelegt. Der Leser hat so die Möglichkeit, die für ihn wesentlichen Faktoren oder Wirkungen nach seiner eigenen Präferenzstruktur auszusuchen und zu bewerten. Denn schließlich hängt es von der individuellen Wertordnung ab, ob man die mit der Inflation verbundenen 18

Zur schillernden Wortbedeutung vgl. Kurt Singer: Art. „Inflation", in: HdStW, Bd. 5, Jena 1923, S. 444f. Friedrich Bendixen: Das Inflationsproblem, Stuttgart 1917, S. 11-13. Fritz Neumark: Begriff und Wesen der Inflation, Jena 1922, S. 11 ff.

II. Zielsetzung der Arbeit

7

Wirkungen für eine erwünschte oder unerwünschte Erscheinung hält. Bewertet man z.B. die kurzfristigen Wirkungen auf Wachstum und Beschäftigung positiv und höher als vielleicht negative Verteilungswirkungen, wird man theoretische Interpretationen bevorzugen, d i e - w i e die von Laursen/Pedersen - die präferierten positiven Ursache-Wirkungszusammenhänge hervorkehren und die Inflation als natürliches Ergebnis der gegebenen Bedingungskonstellation, nicht als Strategie oder böse Absicht, sondern als einen „Mangel an Politik" erscheinen lassen 19 . Auch wenn man die Inflation als ein zu vermeidendes Übel ansieht, hängt es von der individuellen Wertordnung ab, welchen Preis man für die Bekämpfung der Inflation zu zahlen bereit ist. Dann wird man die theoretischen Interpretationen bevorzugen, die den Preis im Verhältnis zu den Vorteilen der Stabilisierung erträglich erscheinen lassen. Besteht z . B . die Möglichkeit, die Inflation durch eine Verbesserung der Zahlungsbilanz (etwa durch Aufnahme langfristiger Auslandsanleihen) oder alternativ durch Abbau von Ausgabenüberschüssen in den öffentlichen Haushalten zu bekämpfen, wird man die zahlungsbilanztheoretische Interpretation - etwa ä la Graham - bevorzugen, wenn man die Anstrengungen zur Verbesserung der Zahlungsbilanz für erträglich, die depressiven Wirkungen eines Abbaus der Ausgabenüberschüsse in den öffentlichen Haushalten jedoch für einen zu hohen Preis für die Wiedergewinnung der Stabilität hält. Rein quantitätstheoretische Interpretationen wie die von Bresciani-Turroni - werden von denjenigen bevorzugt, die — selbst unter außergewöhnlichen außenpolitischen und innenpolitischen Verhältnissen, wie in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg - den sozialen Nutzen einer Stabilisierung des Geldwertes höher einschätzen als die sozialen Kosten, die mit einer deflationären Finanz- und Währungspolitik verbunden sind. Großbritanniens Entscheidung für die Deflation nach dem Ersten Weltkrieg ist ein Beispiel für das Vorherrschen einer solchen Wertordnung bei den für die Finanz- und Währungspolitik zuständigen Entscheidungsträgern. Die Quantitätstheorie ist daher nicht zu Unrecht als die „englische" Theorie bezeichnet worden 20 . Eine Inflation als Output eines politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen „Produktionsprozesses" kann — wie jeder Fabrikationsvorgang als das Ergebnis verschiedener Inputs angesehen werden. Die Regelung des Produktionsausstoßes stellt sich als Problem daher ähnlich wie bei einer Maschine: Der Output kann auf unterschiedliche Weise verlangsamt werden, z.B. indem man die Stromzufuhr reduziert und so das Arbeitstempo der Ma19 20

K. Laursen und J. Pedersen: German Inflation . . ., S. 123. C. Bresciani-Turroni: Economics of Inflation . . ., S. 46.

δ

Einleitung

schine drosselt oder indem man zwar die Energiezufuhr unverändert läßt, aber die Beschickung mit Vorprodukten in langsamerem Takt vornimmt. Während mittels beider Methoden das gewünschte Ergebnis erreicht werden kann, hängt die Entscheidung für eine der Alternativen offenbar vom Verhältnis der Kosten der beiden Anpassungsmaßnahmen ab. D a es a b e r - u m hiermit auf die Inflation zurückzukommen - im gesellschaftlichen Bereich keinen objektiven Kostenmaßstab gibt, ist die Entscheidung für eine bestimmte Inflationstheorie und die durch sie nahegelegte wirtschaftspolitische Gegenmaßnahme jenseits der Uberprüfung formaler und logischer Exaktheit und empirischer Relevanz ein auch subjektiv geprägter Vorgang.

1. Kapitel

Indikatoren der Inflation

I. Inflationstypen

Inflationstypen lassen sich zum einen nach ihren Ursachen unterscheiden, z . B . Kostendruckinflation, Nachfrageinflation, importierte Inflation 1 , zum andern aber auch nach ihren Erscheinungsformen: 1. offene Inflation; 2. zurückgestaute Inflation. In den beiden letztgenannten Fällen existiert eine G ü terlücke, m.a. W. ein Überhang der nominalen Nachfrage über das reale Angebot. Während die inflatorische Güterlücke theoretisch auch von einer Schrumpfung des realen Angebots bei gleichbleibender nominaler Nachfrage ausgehen kann, hat dieser Fall in der Praxis jedoch keine Bedeutung, da Produktionsstörungen - wie sie z . B . als Folge eines Krieges eintreten können das Niveau des realen Angebots in Sprüngen senken, jedoch nicht in einen kumulativen Schrumpfungsprozeß einmünden, der die Voraussetzung für anhaltende Preissteigerungen von dieser Seite her darstellen würde. Alle historisch bedeutsamen Inflationen sind daher von einer Steigerung der nominalen Nachfrage ausgegangen und mit einer anhaltenden Steigerung der Geldmenge verbunden, die über das Wachstum des realen Angebots hinausgeht. Das entspricht auch der ursprünglichen Bedeutung des Wortes „ I n f l a t i o n " als Aufblähung der Geldmenge bzw. der monetären Nachfrage. Im Fall der offenen Inflation wird die Güterlücke durch Preissteigerungen geschlossen, die einerseits die überschüssige nominale Nachfrage absorbieren, andererseits zusätzliches reales Angebot auf den Markt locken können. Allerdings hängen diese Effekte auch von den Erwartungen ab, die sich bei den Wirtschaftssubjekten über die zukünftige Preisentwicklung bilden: Wird für die Zukunft eine Dämpfung des Preisauftriebs oder sogar ein Rückgang des Preisniveaus antizipiert, werden i. d . R . die geschilderten Reaktionen eintreten und die Güterlücke kann durch zusätzliches Angebot und mäßige Preissteigerungen geschlossen werden. Wird jedoch eine Beschleunigung des Preisauf1

Eine übersichtliche Einteilung bietet: Otmar Issing: 1977 3 , S. 177.

Einführung in die Geldtheorie, München

10

1. Kapitel: Indikatoren der Inflation

triebs befürchtet, können die ursprünglichen Preissteigerungen die nominale Nachfrage weiter steigern („Flucht in die Sachwerte") und das reale Angebot verknappen. Dadurch würde die Güterlücke bzw. der Nachfrageüberhang vergrößert und der Preisauftrieb entsprechend beschleunigt. Die offene Inflation ist also so-definiert, daß sie sich in jedem Fall in Steigerungen des Preisniveaus zeigt, die über einen längeren Zeitraum anhalten2. Preisniveausteigerungen können je nach dem Zweck der Untersuchung an verschiedenen Indices abgelesen werden: z . B . Deflator des Bruttosozialprodukts, Großhandelspreisindex, Einzelhandelspreisindex, Lebenshaltungskostenindex. Auch die Entwicklung der Wechselkurse ist als Maßstab für die Kaufkraftentwicklung einer Währung nicht nur im internationalen Geschäft, sondern auch im Inland verwendet worden 3 . Die längerfristige Stabilität der Lebenshaltungskosten gilt heute als ein Ziel der Wirtschaftspolitik, da alle Wirtschaftssubjekte Konsumenten sind und von einer Instabilität der Lebenshaltungskosten unmittelbar betroffen werden. Die Lebenshaltungskostenindices sind daher i. d. R. die geeignetsten Instrumente zur Messung der Intensität einer offenen Inflation 4 . Je nach dem Ausmaß der Preissteigerungen in einer offenen Inflation lassen sich die schleichende (bis 10% p.a.), trabende ( 1 0 - 5 0 % p. a.), galoppierende (ab 5 0 % p. a.) Inflation sowie die Hyperinflation (ab 5 0 % pro Monat) unterscheiden. Greift der Staat direkt in die Preisbildung auf zuvor freien Märkten, ζ. B. für Lebensmittel, ein, um Preissteigerungen entsprechend den Knappheitsrelationen zu verhindern oder zu begrenzen, handelt es sich um den Typ der zurückgestauten Inflation. Grundsätzlich liegt sie auch dann vor, wenn Anbieter in Monopolstellungen mit den Preisen nicht heraufgehen, bevor sie sich durch

2

Artur Woll: Allgemeine Volkswirtschaftslehre, München 1976 5 , S. 369. Von manchen wird auch die sog. Gewinninflation (relative Inflation) zur offenen Inflation gerechnet, obwohl sie mit Preisstabilität verbunden sein kann, ζ. B. wenn ceteris paribus die Lohnsteigerungen hinter den Steigerungen der Arbeitsproduktivität zurückbleiben. Es öffnet sich in diesem Fall die Schere zwischen Kosten- und Nachfragepreisen zugunsten einer Erhöhung der Gewinnspanne. Vgl. Herbert Giersch: Art. „Inflation", in: HdSW, Bd. 5, Stuttgart 1956, S. 282: Die „Gewinninflation". Es erhöht jedoch die Klarheit der Inflationsdefinition, wenn man derartige Sonderfälle, die nicht auf eine Lücke zwischen nominaler Nachfrage und realem Angebot zurückgeführt werden können, unberücksichtigt läßt. Auch konjunkturelle Preissteigerungen, die im Laufe eines kurz- oder mittelfristigen Zyklus durch Preisrückgänge kompensiert werden, werden nicht als inflationäre Erscheinung angesehen.

3

Insbesondere dann, wenn andere Indices noch nicht zur Verfügung standen, wie in der sog. Bullionkontroverse zu Beginn des 19. Jahrhunderts in England. Vgl. Frank W. Fetter: The Development of British Monetary Orthodoxy 1797-1875, Cambridge Mass. 1965, S. 27f. Zur historischen Entwicklung der Inflationsdefinition und -meßmethoden vgl. Harald Scherf: Art. „Inflation", in: HdWW, Bd. 4, Stuttgart 1978, S. 159.

4

I. Inflationstypen

11

erhöhte Produktions- (oder Lebenshaltungs-) Kosten vor der Öffentlichkeit rechtfertigen können 5 . Die offiziellen Preise bleiben im Fall der zurückgestauten Inflation hinter den Gleichgewichtspreisen, die Angebot und Nachfrage gerade ausgleichen und insofern den Markt räumen würden, zurück. Die Folge ist eine Güterlücke, die sich bei den Anbietern in gefüllten Auftragsbüchern, anomalen Lieferfristen, Käuferschlangen und schrumpfenden Verkaufslägern äußert. Bei den Nachfragern entstehen ungewollte überschüssige Kassenreserven (Geldüberhang = erhöhte Kassenhaltung = verminderte Umlaufgeschwindigkeit). Daher kann man die zurückgestaute Inflation auch als Kassenhaltungsinflation bezeichnen. Sie kann sogar dann vorliegen, wenn keine Preissteigerungen sichtbar sind. Das läßt sich leicht zeigen, wenn man von Irving Fishers sog. Verkehrsgleichung ausgeht: G · i = Yr · P, wobei £ = U (G = Geldmenge; k = Kassenhaltungskoeffizient; U = Umlaufgeschwindigkeit; Yr = reales Sozialprodukt; Ρ = Preisniveau) In Wachstumsraten: wG - w k = w yr + w P Eine reine Preisinflation liegt dann vor, wenn bei wk = Ο —» w P = w G — wYr > 0 . Eine reine Kassenhaltungsinflation ist dann gegeben, wenn bei w P = Ο —» w k = w G - w yr > 0 . Bei gemischter Inflation gilt: w P , wk > 0 . Die zurückgestaute Inflation beginnt zumeist mit der Einführung von Höchstpreisen, die aber noch nicht durch quantitative Kontrollen der Verteilungsmengen (Rationierung, Kontingentierung) abgestützt zu werden brauchen. Erst wenn die Güterlücke ein bestimmtes Maß überschreitet, d.h. auch die Nachfrage nach Ersatzgütern nicht mehr befriedigt werden kann und der Geldüberhang bei den Nachfragern unerwünschte Ausmaße annimmt, so daß sie ihn um jeden Preis abbauen wollen, werden quantitative Kontrollen der 5

6

H. Giersch: Art. „Inflation", S. 285. Ein derartiges Verhalten ist während der großen deutschen Inflation teilweise von Eisen- und Stahlindustriellen in den Jahren 1919/20 gezeigt worden. Vgl. Gerald D. Feldman: Iron and Steel in the German Inflation 1 9 1 6 - 1 9 2 3 , Princeton 1977, S. 88ff. H. Jörg Thieme: Inflation in westlichen Marktwirtschaften und östlichen Planwirtschaften, in: List Forum, Bd. 9, 1977/78, S. 293.

12

1. Kapitel: Indikatoren der Inflation

Nachfrage (z.B. Bezugsscheinsystem, Lebensmittelkarten) notwendig, die anstelle des Preismechanismus die Verteilung der Güter übernehmen. Das Geld bleibt zwar formal Recheneinheit, jedoch verliert es seine Tauschmittelfunktion weitgehend. In dem Ausmaß, wie die Bewirtschaftung von Teilmärkten ausgedehnt wird und mit zunehmender Knappheit der Güter auf die noch freien Teilmärkte ausgedehnt werden muß, wird die Marktwirtschaft in eine Zentralverwaltungswirtschaft überführt. Damit sind volkswirtschaftliche Kosten verbunden, insbesondere aufgrund von Anpassungsvorgängen im Produktions- bzw. Angebotsbereich (Fehlleitung der Produktivkräfte, Verminderung der Qualität von bewirtschafteten Gütern und Leistungen, Weiterveredelung bewirtschafteter Produkte zu Waren, die auf den freien Märkten verkauft werden dürfen, Warenhortung), weiterhin aufgrund der Engpässe im Produktions- und Versorgungsbereich (Schlangestehen) sowie der notwendigen Bereitstellung und Unterhaltung eines wachsenden Apparats von Aufsichtsbeamten und Kontrolleuren. Symptomatisch für die fortgeschrittenen Stadien einer zurückgestauten Inflation ist die Bildung schwarzer (illegaler Tausch bewirtschafteter Ware gegen Geld) und grauer Märkte (illegaler Tausch Ware gegen Ware). Als Indikatoren für das Ausmaß der zurückgestauten Inflation kommen die folgenden Größen in Betracht: 1. Lieferfristen, 2. Verhältnis zwischen den Preisen freier und bewirtschafteter Güter, 3. Verhältnis zwischen Schwarzmarktpreisen und offiziellen Preisen bewirtschafteter Güter, 4. Entwicklung und Umfang der Spareinlagen, auch im Vergleich zu anderen Variablen (z.B. Einzelhandelsumsatz), 5. Veränderung der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes als Ausdruck für den Geldüberhang, d . h . die ungewollte Kassenhaltung.

II. Preis- und Kaufkraftentwicklung A. Wechselkurs und Großhandelspreise Die Geldwertindices, die erstellt und benutzt wurden, um das Ausmaß der Entwertung der deutschen Währung während der Jahre 1914—23 zu messen, waren vor allem die Indices für die Entwicklung des Wechselkurses, also der internationalen Kaufkraft der deutschen Währung, sowie für die Entwicklung der Großhandelspreise und der Einzelhandelspreise als Maß für die inländische Kaufkraft der Währung. Von diesen drei Meßkategorien war die Statistik der Einzelhandelspreise in der Vorkriegszeit am wenigsten entwickelt 1 . Die Inflation während und nach dem Ersten Weltkrieg stellte jedoch gerade auf diesem Gebiet eine Herausforderung an die statistischen Ämter dar, da mit dem Ausbau des Tarifvertragssystems Arbeitnehmer und Arbeitgeber bei ihrer Lohnfindung auf zuverlässige und für die Haushaltsführung der Arbeitnehmer repräsentative Meßziffern für die Kaufkraftentwicklung angewiesen waren. In die Inflationsperiode fiel daher der große Aufschwung der Lebenshaltungskostenstatistik für Deutschland. Wegen ihrer Bedeutung wird diese Entwicklung im Abschnitt Β gesondert behandelt. Die Großhandelspreisentwicklung wurde vom Statistischen Amt des Reiches zwar seit 1879 erfaßt und veröffentlicht, und zwar auf der Grundlage von 40 Produkten 2 . Die Reihen wurden offiziell jedoch erst seit 1921 mit einem Wägungsschema zu einer Indexreihe, auch für die zurückliegende Zeit, zusammengefaßt. Das Wägungsschema und der Umfang der erfaßten Waren wurden erst nach 1923, dem Ende der Inflation, auf modernere Standards erweitert 3 . D a die Großhandelsstufe, bes. nach Beendigung des Ersten Weltkrieges, nicht in dem Umfang bewirtschaftet wurde, wie die Lebensmittelversorgung über den Einzelhandel, reagierte der Großhandelspreisindex sensibler auf Veränderungen der Marktbedingungen als die Indices für die Einzelhandelsstufe. Außerdem unterlagen Preisbewegungen auf dem binnenländischen Markt für Großhandelsgüter unmittelbarer und daher in stärkerem Maße außenwirtschaftlichen Einflüssen als die Preisgestaltung auf der Einzelhandelsstufe. Der sensibelste Index für die Einschätzung der tatsächlichen oder erwarteten Kaufkraftentwicklung einer Währung, allerdings vornehmlich auf den internationalen Märkten, beruht bei Flexibilität der Wechselkurse und begrenz1 2 3

Vgl. Statistisches Bundesamt: Bevölkerung und Wirtschaft. . ., S. 28. Ebenda. 1926: 400 Waren, in den folgenden Jahren bis zu 1000 Artikel. Vgl. Ebenda, S. 39.

14

1. Kapitel: Indikatoren der Inflation

ter Intervention auf den Devisenmärkten von Seiten offizieller Stellen - was für die ersten Nachkriegsjahre in Deutschland und weithin im Ausland galt - auf den Preisschwankungen für Auslandswährung. Heute wird zumeist ein mit der geographischen Außenhandelsstruktur gewogener Durchschnitt der Preise ausländischer Währungen in inländischer Währung als Maß für die Aufoder Abwertungsentwicklung der inländischen Währung auf den Devisenmärkten benutzt. In der Periode der deutschen Inflation 1914-23 galt der Dollarkurs als Maßstab für die außenwirtschaftliche Entwertung der deutschen Währung, da er - außer vom Kriegs eintritt der U S A 1917 bis 1919 - in Gold konvertibel war und die Vereinigten Staaten wirtschaftlich und finanziell als stärkstes Land aus dem Krieg hervorgegangen waren. Internationale Währungsreserven wurden nach dem Weltkrieg zunehmend in Dollar und weniger als vor dem Weltkrieg in britischer Währung gehalten 4 . Der Dollar war nicht nur in großem Stil zur internationalen Transaktions- und Reservewährung geworden, sondern der jeweilige Wechselkurs gegenüber dem Dollar auch zum Wertmaßstab für die nicht in Gold konvertiblen Währungen und deren Entwertung. In Tabelle 1 ist die monatliche Entwicklung des Index der Großhandelspreise für Deutschland sowie des Index für den Wechselkurs des Dollar an der Berliner Börse 1914-23 wiedergegeben. Auffallend ist, daß in den Kriegsjahren die Steigerung des Dollarkurses hinter der Steigerung der Großhandelspreise zurückblieb, was insbesondere die Bewirtschaftungsmaßnahmen im Außenwirtschaftsverkehr widerspiegelt, wodurch die deutsche Regierung ein sichtbares Abgleiten der internationalen Kaufkraft der deutschen Währung zu verhindern suchte 5 . Während der Kriegsjahre lag das Problem nicht primär darin, im Ausland Absatzmärkte für die deutsche Wirtschaft zu gewinnen oder auszuweiten - der Kriegsbedarf des Staates löste die Absatzprobleme - , sondern darin, die für die Kriegswirtschaft notwendigen Importe zu sichern und möglichst preiswert zu finanzieren. Nach Beendigung des Krieges verschoben sich die Prioritäten: Die Ausweitung der ausländischen Absatzmärkte wurde für die Auslastung der inländischen Produktionskapazitäten erforderlich, die Sicherung des Im4

s

William A. Brown: The International Gold Standard Reinterpreted, 1914-1934, Bd. 1, New York 1940, S. 146ff. Robert Liefmann: Die Geldvermehrung im Weltkriege und die Beseitigung ihrer Folgen, Berlin 1918, Kap. 7: Die Regelung des Devisen- und ausländischen Effektenverkehrs im Weltkriege, S. 123-139. H . Kleine-Natrop: Devisenpolitik in Deutschland vor dem Kriege und in der Kriegs- und Nachkriegszeit, Berlin 1922, S. 12 ff. Neuerdings: R .Kühne: Die Devisenzwangswirtschaft im Deutschen Reich während der Jahre 1916 bis 1926. Eine währungspolitische Reminiszenz, Frankfurt 1970.

15

II. Preis- und Kaufkraftentwicklung

Tabelle 1. Indices für die Entwicklung der Großhandelspreise und des Dollarwechselkurses in Deutschland 1914-23 (1913 = 1, G = Großhandelspreise, W = Wechselkurs) Monat

1914

1915

1916

1917

1918

W

G

W

G

W

G

W

G

W

G

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember

1,002 1,001 1,000 0,999 0,999 0,998 0,999 0,998 0,997 1,043 1,097 1,072

0,96 0,96 0,96 0,95 0,97 0,99 0,99 1,09 1,11 1,18 1,23 1,25

1,10 1,12 1,15 1,16 1,15 1,16 1,17 1,17 1,16 1,16 1,18 1,23

1,26 1,33 1,39 1,42 1,39 1,39 1,50 1,46 1,45 1,47 1,47 1,48

1,27 1,28 1,32 1,30 1,24 1,26 1,31 1,33 1,37 1,36 1,38 1,36

1,50 1,51 1,48 1,49 1,51 1,52 1,61 1,59 1,54 1,53 1,51 1,51

1,38 1,40 1,39 1,54 1,56 1,69 1,70 1,70 1,72 1,74 1,65 1,35

1,56 1,58 1,59 1,63 1,63 1,65 1,72 2,03 1,99 2,01 2,03 2,03

1,24 1,26 1,24 1,22 1,22 1,28 1,38 1,45 1,57 1,57 1,77 1,97

2,04 1,98 1,98 2,04 2,03 2,09 2,08 2,35 2,30 2,34 2,34 2,45

Jahresdurchschnitt

1,017

1,05

1,16

1,42

1,32

1,52

1,57

1,79

1,43

2,17

Monat

1919 W

1920

1921

1922

G

W

G

W

G

W

Januar Februar März April Mai Juni Juli August

1,95 2,17 2,48 3,00 3,06 3,34 3,59 4,48

2,62 2,70 2,74 2,86 2,97 3,08 3,39 4,22

15,43 23,60 19,97 14,20 11,07 9,32 9,40 11,37

12,56 16,85 17,09 15,67 15,08 13,82 13,67 14,50

15,46 14,60 14,87 15,13 14,83 16,51 18,26 20,07

14,39 13,76 13,38 13,26 13,08 13,66 14,28 19,17

45,69 49,51 67,70 69,32 69,11 75,62 117,49 270,26

September

5,73

4,93

13,81

14,98

24,98

20,67

349,18

Oktober November Dezember

6,39 9,12 11,14

5,62 6,78 8,03

16,23 18,39 17,38

14,66 15,09 14,40

35,76 62,64 45,72

24,60 34,16 34,87

757,73 1711,08 1807,83

4,70

4,15

15,01

14,86

24,91

19,11

449,21

Jahresdurchschnitt

1923 G

G

W

36,65 4281 41,03 6650 54,33 5048 63,55 5826 64,58 11355 70,30 26202 84186 100,59 192,0 1100632 in Mio. 23,5 287,0 in Mrd. 566,0 6,0 1154 522 1475 1000

2783 5585 4888 5212 8170 19385 74 787 944041 in Mio. 23,9 in Mrd. 7,1 725,7 1261,6

341,82

Quelle: Statistisches Reichsamt: Zahlen zur Geldentwertung in Deutschland 1914 bis 1923, Berlin 1925, S. 6, 16, 17.

16

1. Kapitel: Indikatoren der Inflation

portbedarfs war nach Aufhebung der alliierten Handelsblockade über Deutschland im Sommer 1919 und insbesondere mit dem Einsetzen rezessiver Tendenzen in der Weltwirtschaft seit dem Jahr 1920 weniger dringlich bzw. leichter zu lösen. Es kann deshalb nicht überraschen, daß in den Nachkriegsjahren die Bewirtschaftungsmaßnahmen im Außenwirtschaftsverkehr gelokkert wurden. So wurde die Zentralisierung des Devisenhandels in den Händen der Reichsbank, die durch eine Devisenverordnung Anfang 1917 eingeführt worden war, am 11. September 1919 außer Kraft gesetzt 6 . Als offizielle Begründung diente der Hinweis, daß eine Kontrolle des Devisenverkehrs wegen des sog. „ L o c h s im Westen" ( = offene Zollgrenze zwischen Frankreich und Deutschland im Zusammenhang mit der Abtretung Elsaß-Lothringens und zwischen den besetzten und unbesetzten Gebieten im Westen) nicht möglich sei. Die wahren Gründe können jedoch eher aus folgender Bemerkung Kleine-Natrops, der als Reichsbankrat Einsicht in die Interna haben mußte, abgeleitet werden: ,,Der oberste Grundsatz in der Valutapolitik [nach dem Krieg] war und blieb der, die bestimmenden Einflüsse und Vorgänge, soweit es im deutschen Machtbereich lag, so zu gestalten, wie es dem wirtschaftlichen Interesse des Landes am meisten entsprach." 7 Nach Freigabe der Devisenkurse in den Nachkriegs jähren gingen bei anhaltender Inflationspolitik aufgrund der Reichshaushaltsdefizite die Steigerungen des Dollarkurses über die Erhöhungen der Großhandelspreise-jeweils bezogen auf das Ausgangsniveau von 1913 - hinaus 8 . D a in die Statistik der Großhandelspreise zum großen Teil die international gehandelten Güter eingehen, beeinflußte sowohl die Entwicklung des Großhandelspreisindex als auch die Wechselkursentwicklung die internationale Wettbewerbsposition der deutschen Wirtschaft direkt. Jedoch sind zwei Dinge zu beachten: 1.) Im Verhältnis zu den U S A kann von einer gleich hohen Steigerung des Dollarkurses einerseits und des Index der deutschen Großhandelspreise andererseits nicht auf eine Konstanz der deutschen Wettbewerbsposition gegenüber der amerikanischen Wirtschaft geschlossen werden. Abgesehen davon, daß die Wettbewerbsposition nicht nur von den Preisen, sondern auch von den Kosten pro Stück und damit von der relativen Produktivitäts- und Kostenentwicklung abhängt, wird eine Veränderung des kompetitiven Verhältnisses zwischen Deutschland und den U S A neben den genannten Größen auch von

6 7 8

H. Kleine-Natrop: Ebenda.

Devisenpolitik . . ., S. 27.

Mit Ausnahme einiger Monate in der Mitte des Jahres 1920, als im Ausland die Weltwirtschaftskrise einsetzte. Vgl. Tabelle 1.

II. Preis- und Kaufkraftentwicklung

17

der Großhandelspreisentwicklung in den U S A bestimmt. Konvertibilität des Dollar in Gold bedeutet ja lediglich Konstanz des Wertverhältnisses Dollar Gold, nicht aber der Kaufkraft des Dollar ausgedrückt in Waren. D a der Großhandelspreisindex in den U S A von 1913 bis 1920 aber ebenfalls - wenn auch nicht so stark wie in Deutschland - gestiegen war 9 , danach trotz Fallens noch über dem Niveau von 1913 blieb, verbesserte sich die deutsche Wettbewerbsposition gegenüber den U S A zusätzlich zu dem, was sich aus der Steigerung des Dollarkurses im Zusammenspiel mit der Steigerung der deutschen Großhandelspreise ergab.

Schaubild 1, Entwicklung der deutschen (GD) und amerikanischen (GUS) Großhandelspreise in US-Dollar 1 9 1 3 - 2 3 (1913 = 1, log. Maßstab, Jahresdurchschnitte) Quelle: GD Tabelle 1; GUS Ben J. Wattenberg: Statistical History . . . , S. 200

Die Entwicklung der Preise deutscher Großhandelsgüter in Dollar ergibt sich aus der Division des deutschen Großhandelspreisindex durch den Index für die Steigerung des Dollarkurses (jeweils 1913 = 1 wie in Tabelle 1). In den Nachkriegsjahren lagen die Preise deutscher Waren in amerikanischer Währung im Durchschnitt jeden Jahres bis 1923 unter dem Niveau von 1913. Stellt man dem nun die Entwicklung der amerikanischen Großhandelspreise (ebenfalls 1913 = 1) gegenüber, erhält man das volle Ausmaß der Verschiebung der Preisverhältnisse und der daraus folgenden Wettbewerbs Verhältnisse. Im Schaubild 1 sind diese Zusammenhänge dargestellt. Die Differenz zwischen den beiden Kurven repräsentiert den preislichen Wettbewerbsvorteil der deut9

Ben J. Wattenberg: The Statistical History of the United States. From Colonial Times to the Present, New York 1976, S. 200.

18

1. Kapitel: Indikatoren der Inflation

sehen Wirtschaft gegenüber der amerikanischen in den Jahren 1919-22 im Vergleich zu 1913. 2.) Die Wechselkursentwicklung der Mark im Verhältnis zum Dollar war natürlich nicht repräsentativ für die Entwicklung des Außenwertes der deutschen Währung gegenüber den vielen anderen, besonders europäischen Währungen, die sich ebenfalls vom Gold gelöst hatten. Im Schaubild 2 wird deutlich, daß der Wechselkurs der Mark gegenüber dem Dollar zwar größeren Schwankungen unterlag als die Wechselkurse anderer europäischer Währungen 10 , jedoch verliefen die Schwankungstrends bis Mitte 1921 fast synchron, sogar zwischen der Mark und dem britischen Pfund. Erst in der zweiten Jahreshälfte 1921, also nach dem Londoner Ultimatum vom Mai 1921, hob sich die Wechselkursentwicklung der Mark im Trend deutlich von der Entwicklung des Außenwertes anderer europäischer Währungen gegenüber dem Dollar ab, ein Indiz dafür, daß die Währungsentwicklung zuvor - wie in den anderen kriegsteilnehmenden europäischen Staaten — von der Bewältigung der Wiederaufbauprobleme als Folge des Krieges geprägt war, während ab Mai 1921 die Reparationspolitik das Währungsgeschehen in Deutschland dominierte und nunmehr von der Geldwertentwicklung im Ausland deutlich unterschied. Da der Wechselkurs der Mark gegenüber den europäischen Ländern, mit denen der größte Teil des deutschen Außenhandels abgewickelt wurde, weniger abgewertet war als gegenüber dem amerikanischen Dollar, kann nur der mit den Außenhandelsanteilen der einzelnen Länder gewogene Außenwert der deutschen Mark das Ausmaß der äußeren Währungsentwertung angemessen widerspiegeln. Ich habe daher die Anteile der 14 wichtigsten europäischen Handelspartner (alle Länder mit einem Anteil von mindestens 1 %) und der USA am deutschen Außenhandel (Anteil der Herkunfts- und Bestimmungsländer am Spezialhandel, Ein- und Ausfuhr) als arithmetisches Mittel aus den Jahren 1920 und 1923 errechnet. Sie betrugen für Belgien 2,365%, Dänemark 3,730%, Österreich 2,950%, Großbritannien 10,110%, Frankreich 5,250%, Niederlande 9,950%, Italien 3,220%, Norwegen 2,120%, Polen 3,855%, Schweden 3,550%, Schweiz 4,530%, Spanien 1,545%, Tschechoslowakei 3,950%, Ungarn 1,000%, USA 19,130%. Der Gesamtanteil der 14 berücksichtigten europäischen Länder am deutschen Außenhandel betrug somit 58,1%, der Gesamtanteil einschließlich der USA 77,2%. Entsprechend dem

10

Übersichtliche und umfassende monatliche Zusammenstellungen von Wechselkursen aller wichtigen Währungen gegenüber dem Dollar in: Board of Governors of the Federal Reserve System: Banking and Monetary Statistics, Washington D . C . 1943, S. 662-682, sowie: John P. Young: European Currency and Finance, Washington D. C. 1925.

20

1. Kapitel: Indikatoren der Inflation

von der Deutschen Bundesbank heute verwendeten Verfahren 11 wurde der gewogene Außenwert der Mark als geometrisches Mittel der Meßziffern des Wechselkurses (Vorkriegsparität = 1) gegenüber den einzelnen Handelspartnern nach folgender Formel ermittelt: G = a ^ 1 · a 2 e 2 . . . an«n;Zgi = 1 G bezeichnet die Meßziffer für den gewogenen Außen wert, bis a n die Meßziffern für den Außenwert gegenüber den einzelnen Währungen und g! bis g„ die Gewichte, die aus den Außenhandelsanteilen errechnet werden. Die monatliche Entwicklung des auf diese Weise errechneten gewogenen nominalen Außenwertes der deutschen Mark für die Periode Januar 1920 bis Dezember 1923 ist in Tabelle 2 angegeben, in Spalte 1 nur gegenüber den 14 europäischen Handelspartnern, in Spalte 2 gegenüber den 14 europäischen Ländern und den USA. Vergleicht man das Ergebnis mit den Meßziffern für die Entwicklung des Dollarkurses allein (Tabelle 1), so wird sofort deutlich, in welchem Ausmaß die Entwicklung des gewogenen nominalen Außenwerts der Mark hinter der Entwicklung des Markwechselkurses allein gegenüber dem Dollar zurückgeblieben war. Ζ. B. lag im Januar 1920, als der Preis des US-Dollar an der Berliner Devisenbörse gegenüber 1913 auf das 15,4fache gestiegen war, die Meßziffer für den gewogenen nominalen Außenwert der Mark (Vorkriegsparität = 1) erst auf 5,69 gegenüber den 14 europäischen Ländern und auf 7,28, wenn man die USA mitberücksichtigt. Noch größer waren die Unterschiede in der hyperinflationären Periode nach Sommer 1922; ζ. Β. hatte die Dollarmeßziffer 1808 im Dezember 1922 erreicht, die Meßziffer für den gewogenen nominalen Außenwert der Mark gegenüber den 14 europäischen Währungen jedoch erst 362,3 und - einschließlich der USA - 539,4. Vergleicht man die Meßziffern für den gewogenen nominalen Außenwert der Mark mit den Indexziffern der Großhandelspreise (Tabelle 1), so ist zu erkennen, daß die Steigerung der Großhandelspreise, die in den Nachkriegsjahren im Vergleich zu 1913 zumeist hinter der Steigerung des Dollarkurses zurückblieb, den Anstieg der Meßziffern für den gewogenen Außenwert der Mark beträchtlich übertraf. So waren im Januar 1920 die deutschen Großhandelspreise auf einem Indexstand von 12,6 angelegt, während der gewogene Außenwert der deutschen Mark erst den oben erwähnten Stand von 5,69 bzw. 7,28 erreicht hatte. Im Dezember 1922 war der Großhandelspreisindex auf 11

Zur Berechnung des gewogenen Außenwerts der D-Mark, in: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Jg. 31, N r . 4, April 1979, S. 2 2 - 2 5 .

II. Preis- und Kaufkraftentwicklung

21

1475 geklettert, die Meßziffer für den gewogenen Außenwert der Mark jedoch erst auf 362,3 bzw. 539,4. Von diesem Zahlenverhältnis auf eine Verschlechterung der deutschen Wettbewerbsposition gegenüber dem Ausland zu schließen, ist jedoch ebenso falsch wie der besonders von Zeitgenossen gezogene Schluß, Deutschland habe Wettbewerbsvorteile auf den Weltmärkten erlangt, weil der Dollarkurs stärker gestiegen sei als die Indexziffer für die deutschen Großhandelspreise. Nur wenn man die Entwicklung der Preise auch im Ausland mitberücksichtigt, kann eine Aussage über die relative Veränderung der Wettbewerbsposition getroffen werden. Ich habe deshalb die Meßziffern (1913 = 1) für die monatliche Entwicklung der Großhandelspreise in den 14 berücksichtigten europäischen Ländern sowie in den USA von Januar 1920-Dezember 1923 zusammengestellt und nach obiger Formel das mit den Außenhandelsanteilen gewogene geometrische Mittel für die Großhandelspreisentwicklung bei den 14 wichtigsten europäischen Handelspartnern und den U S A ermittelt. Die beiden auf diese Weise gewonnenen Indexreihen (GrA) - die eine nur für die Großhandelspreisentwicklung in den 14 europäischen Staaten, die andere einschließlich der USA - wurden ins Verhältnis gesetzt zur Großhandelspreisentwicklung in Deutschland (GrD): GrD/GrA. Die Meßziffern für die Entwicklung des realen Außenwertes der Mark ergeben sich sodann aus der Division des gewogenen nominalen Außenwertes der Mark mit dem Quotienten GrD J Z f ä (Tabelle 2, Spalten 3 und 4). Erst diese Reihen lassen Schlüsse über die Entwicklung der Wettbewerbsposition der deutschen Wirtschaft gegenüber dem Ausland für die betrachtete Periode Januar 1920 bis Dezember 1923 im Vergleich zu 1913 zu. Für Zeitpunkte, in denen die Indexziffern dieser Reihe über 1 liegen, hat sich die Wettbewerbsposition der deutschen Wirtschaft gegenüber dem Ausland im Vergleich zu 1913 verbessert, denn dann war die Verteuerung der Währungen der wichtigsten Handelspartner in Mark größer als die relative Veränderung der Preisrelationen zwischen dem Inland und dem Ausland. Liegen jedoch die Indexziffern dieser Reihen unter 1, so gilt das Umgekehrte. Die Werte der Tabelle 2 zeigen, daß nach diesem Indikator in der gesamten Inflationsperiode von Januar 1920 bis einschließlich Oktober 1923 die Wettbewerbsposition der deutschen Wirtschaft gegenüber dem Ausland günstiger war als in der Vorkriegszeit. Im Zusammenhang mit der Stabilisierung im N o vember 1923 gingen diese Vorteile allerdings verloren. Bemerkenswert sind jedoch die Schwankungen in den preislichen Wettbewerbsvorteilen, die die deutsche Wirtschaft gegenüber dem Ausland genoß. Es läßt sich erkennen, daß

22

1. Kapitel: Indikatoren der Inflation

tendenziell bei einer Beschleunigung der Markentwertung an den Devisenbörsen zunächst eine Verbesserung der Wettbewerbsposition für die deutsche Wirtschaft eintrat, so in den Monaten nach August 1921 und wiederum nach Juni 1922. Umgekehrt schrumpften in Perioden, in denen die Mark sich an den Devisenbörsen verbesserte, die Wettbewerbsvorteile der deutschen Wirtschaft gegenüber dem Ausland zusammen, so in den Monaten nach Februar 1920. Die relative Trägheit, mit der die inländischen Großhandelspreise den Wechselkursschwankungen folgten, erklärt diese Tendenzen.

Tabelle 2. Indices für die Entwicklung des gewogenen nominalen und realen Außenwerts der Mark 1920-23 (1913 = 1)* Gewogener nominaler Außenwert der Mark gegenüber 14 europäischen 14 europäischen Währungen Währungen und US-Dollar 1

2

Gewogener realer Außenwert der Mark gegenüber 14 europäischen 14 europäischen Währungen Währungen und US-Dollar 3

4

1920

J

F Μ A Μ

J J

A S Ο Ν D

5,69 7,86 7,05 5,19 4,10 3,68 3,63 3,89 4,40 4,92 5,15 4,80

7,28 10,32 9,12 6,66 5,25 4,63 4,60 5,07 5,84 6,61 7,06 6,61

2,24 2,40 2,18 1,82 1,49 1,43 1,46 1,50 1,68 1,93 1,98 1,88

2,36 2,57 2,29 1,89 1,56 1,47 1,50 1,57 1,76 2,01 2,06 1,93

4,45 4,37 4,51 4,76 4,79 4,90 4,98 5,28 6,19 8,68 15,4 12,0

6,06 5,90 6,06 6,33 6,34 6,62 6,87 7,35 8,74 12,3 21,8 16,7

1,68 1,66 1,70 1,74 1,73 1,69 1,65 1,33 1,49 1,75 2,26 1,75

1,70 1,64 1,68 1,71 1,69 1,67 1,67 1,35 1,52 1,80 2,31 1,75

1921

J

F Μ A Μ

J J

A S Ο Ν D

23

II. Preis- und Kaufkraftentwicklung Fortsetzung Tabelle 2 1 1922

J

F Μ A Μ

J J

A S Ο Ν D 1923

J

F Μ A Μ

J J A S Ο Ν D

11,5 12,7 16,7 17,4 17,1 17,8 25,3 57,2 72,8 152,4 335,1 362,3 805,8 1221 918,1 1054 2014 4389 13470 in Mio. 0,167 3,538 787 in Mrd. 66,0 119,5

2 16,2 17,8 23,6 24,5 24,2 25,5 37,1 84,0 107,3 226,7 501,8 539,4 1218 1857 1400 1609 3090 6831 21204 in Mio. 0,266 5,656 1303 in Mrd. 110,1 202,2

3

4

1,59 1,57 1,57 1,40 1,38 1,38 1,41 1,69 1,53 1,66 1,78 1,57

1,60 1,58 1,59 1,42 1,40 1,40 1,47 1,81 1,58 1,72 1,91 1,62

1,93 1,54 1,37 1,49 1,81 1,71 1,41

2,01 1,59 1,41 1,53 1,86 1,77 1,45

1,44 1,24 1,025

1,48 1,28 1,067

0,915 1,011

0,936 1,036

''Die Indices geben die Entwicklung der Preise in Mark (nominal bzw. real) für den jeweiligen Korb ausländischer Währungen an. Quellen: Die den Berechnungen zugrundeliegenden Zahlen wurden folgenden Werken entnommen: Außenhandelsanteile: Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich, Jg. 42 (1921/22), Berlin 1922, S. 224f. Sowie: ebenda, Jg. 44 (1924/25), Berlin 1925, S. 175f. Wechselkurse: Zahlen zur Geldentwertung . . ., S. 12-15. Großhandelspreise: John P. Young: European Currency and Finance, Washington D. C. 1925. Sowie: International Abstracts of Economic Statistics, hrsg. ν. International Conference of Economic Services, London 1934. Die wenigen fehlenden Angaben wurden ζ. B. mit Hilfe des Einzelhandelspreisindex inter- bzw. extrapoliert. Zur Berechnungsmethode vgl. „Zur Berechnung des gewogenen Außenwerts der D-Mark", in: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Jg. 31, Nr. 4, April 1979, S. 2 2 - 2 5 , sowie die Erläuterungen im Text.

24

1. Kapitel: Indikatoren der Inflation

B. Lebenshaltungskosten 1. Indexproblematik Zunächst sind einige Bemerkungen über die Problematik der verschiedenen Indices für die Entwicklung der Lebenshaltungskosten während der Inflation notwendig 1 . Die allgemeine Indexproblematik (im folgenden veranschauliche ich die Probleme aus naheliegenden Gründen jeweils am Beispiel der Entwicklung eines Lebenshaltungskostenindex während einer Periode mit inflationärer, nicht deflationärer Grundtendenz) resultiert daraus, daß Indexzahlen im Gegensatz zu einfachen Meßzahlen eine komplexe statistische Erscheinung messen, d.h. eine heterogene Menge von Entwicklungen in einer einzigen Indexreihe bündeln sollen, wie etwa die Preisentwicklung verschiedenster Konsumgüter in einer Indexreihe für die Lebenshaltungskosten. Ein Problem liegt darin, daß möglicherweise die Qualität der einzelnen Konsumgüterarten im Zeitablauf nicht gleichbleibt, Preisänderungen also teilweise Qualitätsänderungen widerspiegeln. Ein anderes Problem liegt darin, daß sich die Zusammensetzung des Güterbündels, das Haushalte konsumieren, im Zeitablauf ändert, einerseits durch Einflüsse auf Seiten der Nachfrage in Abhängigkeit von der nominalen Einkommensentwicklung, der Entwicklung des Preisniveaus und der Preisstruktur sowie des Wandels der individuellen Präferenzen, andererseits durch Veränderungen des Angebots, wie dem Erscheinen neuer Güter auf dem Markt. Die tatsächlichen Änderungen der durchschnittlichen Verbrauchsaus gaben resultieren daher sowohl aus einer Veränderung der Güterpreise als auch aus einer Veränderung des konsumierten Güterbündels. U m den Einfluß der Veränderung der Güterpreise getrennt von dem der Verschiebung der Güterstruktur statistisch erfassen zu können, ist die Annahme eines konstanten Güterbündels im Zeitablauf logisch notwendig. Ein solcher konstanter Warenkorb gewichtet die Bewegungen der einzelnen Güterpreise innerhalb des Gesamtindex: je mehr Güter er enthält, die im Preis ζ. B . vergleichsweise stärker gestiegen sind, desto höher wird die vom Index ausgewiesene Preissteigerungsrate 1

Zur Indexproblematik vgl. PaulFlaskämper: Art. „Indexzahlen", in: HdSW, Bd. 5, Stuttgart 1956, S. 1 9 1 - 1 9 5 . Neuerdings: Oskar Anderson:

Art. „Indexzahlen", in: H d W W , Bd. 4,

Stuttgart 1978, S. 9 8 - 1 0 8 . Umfassender und noch immer zur Standardliteratur gehörend: Gottfried Haberler:

Der Sinn der Indexzahlen, Tübingen 1927. Speziell zur deutschen Inflation

1 9 1 4 - 1 9 2 3 : Costantino Bresciani-Turroni:

The Movement of Wages in Germany During the

Depreciation of the Mark and After Stabilization, in: Journal of the Royal Statistical Society, Vol. 92 (1929), S. 3 7 4 - 4 0 3 .

II. Preis- und Kaufkraftentwicklung

25

ausfallen und umgekehrt. Wird zur Feststellung der Preisentwicklung in einer bestimmten Periode ein für das Schlußdatum repräsentativer Warenkorb der Indexberechnung zugrundegelegt, so handelt es sich um einen Index nach Paasche; wird ein für die Anfangsphase repräsentativer Warenkorb gewählt, so handelt es sich um einen Index nach Laspeyres. D e r Unterschied zwischen beiden Warenkörben wird im wesentlichen durch den Einkommenseffekt einerseits und durch den Substitutionseffekt andererseits bestimmt. Zunächst zum Einkommenseffekt: Ist das Realeinkommensniveau in der betrachteten Periode allgemein gestiegen, so werden im Warenkorb der Endphase z . B . Luxusgüter oder Leistungen des tertiären Sektors in stärkerem Maße vertreten sein als im Warenkorb der Anfangsphase. Wenn diese sich gegenüber den einfacheren Gütern des täglichen Bedarfs überproportional verteuert haben, so wirkt das tendenziell dahin, daß bei steigendem Realeinkommensniveau der Index nach Paasche eine höhere Preissteigerung ausweist als der Index nach Laspeyres. Ist das Realeinkommensniveau in der betrachteten Periode jedoch gesunken, so tritt tendenziell eher das Umgekehrte ein, d . h . die Wägung mit dem Warenkorb der Anfangsphase (Laspeyres) würde die Steigerungsraten des Index höher ausfallen lassen als die Wägung mit dem Warenkorb der Schlußphase (Paasche). Andererseits spiegelt der Warenkorb der Schlußphase gegenüber dem der Anfangsphase auch die Substitutionsvorgänge wider, die als Reaktion auf Veränderungen in der Preisstruktur eingetreten sind. Dies wirkt tendenziell dahin, daß Güter, die sich im Vergleich zu anderen weniger verteuert haben, aufgrund gestiegener Nachfrage im Warenkorb der Endphase (Paasche) stärker vertreten sind als im Warenkorb der Anfangsphase (Laspeyres). Der Substitutionseffekt läßt also eine Preissteigerung nach dem Laspeyres-Index tendenziell höher ausfallen als eine nach dem Paasche-Index. Diese Überlegungen gelten nicht nur für Indexberechnungen mit Warenkörben, die innerhalb des Vergleichszeitraums für die Verbrauchsgewohnheiten der Anfangs- oder Endphase repräsentativ sind, sondern gelten analog für Indexberechnungen mit Warenkörben, die die Verbrauchsgewohnheiten einer früheren oder späteren Phase bzw. einer Periode mit höherem oder niedrigerem Realeinkommens- oder Konsumniveau innerhalb des Vergleichszeitraums widerspiegeln. In einer Periode, wie der in Deutschland von 1913—1923, in der einerseits sich die Realeinkommensverhältnisse stark 2 , teilweise abrupt verschoben haben, in der andererseits sowohl die inflationäre Entwicklung als auch andere außenwirtschaftliche ( z . B . Störungen des Außenhandels durch Blockade oder 2

Vgl. dazu 3. K a p . / I . , S. 218ff.

26

1. Kapitel: Indikatoren der Inflation

Protektionismus) oder innenpolitische Faktoren (Engpaßsituationen durch Streiks oder politische Eingriffe, wie Bewirtschaftung bestimmter Güter oder Wirtschaftszweige) große Veränderungen in der Preisstruktur herbeigeführt haben, wird die Problematik der Preisindexberechnung gegenüber Perioden stetiger Entwicklung wie durch ein Brennglas vergrößert. Das erklärt die Unterschiede in den für die Periode der Inflation in Deutschland berechneten Preisindices sowie die Schwierigkeit einer exakten Einschätzung der Realeinkommensverhältnisse, z . B . der Lohnempfänger, während der Kriegs- und inflationären Nachkriegs jähre in Deutschland im Vergleich zur Zeit vor 1914. Geht man davon aus, daß in der Zeit von 1914-1923 in Deutschland das Realeinkommensniveau der Haushalte gegenüber dem der Vorkriegszeit tendenziell abgefallen war und daß die inflationäre Entwicklung sowie andere Faktoren starke Verschiebungen in der Preisstruktur bewirkt hatten, so kann man aus den obigen theoretischen Überlegungen folgern, daß ein Index auf der Basis eines Warenkorbs der Vorkriegszeit für die Kriegs- und Inflationszeit eine höhere Steigerung der Lebenshaltungskosten ausweisen muß als ein Index auf der Basis eines Warenkorbs, dem die Verbrauchsgewohnheiten der Kriegsoder Nachkriegszeit zugrundeliegen.

2. Verschiedene Lebenshaltungskostenindices Wie sind nun die aus der Inflationszeit zur Verfügung stehenden Indices zur Messung der Verteuerung der Lebenshaltung konstruiert und wie sind sie auf Grund der obigen theoretischen Überlegungen zur Messung der Realeinkommensentwicklung während der Geldentwertungsperiode einzuschätzen? Für die Kriegs- und Inflationszeit sind verschiedene Ansätze zur Berechnung der Verteuerung der Lebenshaltung praktiziert worden, die sich drei Grundtypen hinsichtlich der Auswahl des zur Wägung der Preisbewegungen benutzten Warenkorbs zuordnen lassen: a) Die Teuerungszahlen und der Lebenshaltungskostenindex des Statistischen Reichsamts, die erstmals im Dezember 1919 und in den regelmäßigen Erhebungen ab Februar 1920 das gesamte Reichsgebiet erfaßten. Ihnen lag ein Warenkorb mit nur einem Teil des notwendigen Lebensbedarfs, nämlich Nahrungsmittel, Heizung und Beleuchtung, Wohnung und Bekleidung, zugrunde. Die Auswahl entsprach den eingeschränkten Verbrauchsmöglichkeiten der Nachkriegsjahre. b) Regionale Indices, z . B . von R . Kuczynski und Silbergleit für Berlin sowie von Sköllin für Hamburg. Dabei wurden in stärkerem Maße physiologische Erkenntnisse bei der Auswahl der Lebensmittel für den Warenkorb

II. Preis- und Kaufkraftentwicklung

27

sowie auch regionale Besonderheiten bei der Gesamtzusammensetzung berücksichtigt. c) Der Index der Nahrungsmittelpreise vom T y p Calwer/Jastrow, dem als Warenkorb die Verpflegungsration eines deutschen Marinesoldaten aus der Vorkriegszeit zugrundelag. Moritz Elsas erweiterte ihn, um auch die Preisentwicklung für die sonstigen Bedürfnisse der Lebenshaltung berücksichtigen zu können, um die Kategorien: Kleidung, Wohnung, Heizung, B e leuchtung und Verschiedenes.

a) Teuerungszahlen und Lebenshaltungskostenindex amts

des Statistischen Reichs-

Der umfassendste Index ist die Teuerungsstatistik bzw. der Lebenshaltungskostenindex des Statistischen Reichsamts, die erstmals im Dezember 1919 und ab Februar 1920 regelmäßig auf der Grundlage zunächst monatlicher, dann zweimal monatlicher, in der Endphase der Inflation wöchentlicher, schließlich zweimal wöchentlicher Erhebungen in Gemeinden verschiedener Größenklassen erstellt wurden. Das Statistische Reichsamt erläuterte die Vorgehensweise folgendermaßen: „ D i e Reichs-Teuerungsstatistik selbst umfaßt 560 Gemeinden, darunter alle 497 mit mehr als 10000 Einwohnern. Die in der einzelnen Stadt an den Stichtagen festgestellten Preise werden, nachdem sie vorher durch Vertreter von Arbeitgebern und von Arbeitnehmern auf ihre Richtigkeit geprüft sind, in die Nachweisung eingetragen und den statistischen Zentralstellen der einzelnen Länder übersandt. Durch die Statistischen Landesämter erfolgt die Nachprüfung und die eigentliche Berechnung der Teuerungszahlen, die dann gesammelt dem Statistischen Reichsamt übermittelt werden. Hierbei ist für 71 G e meinden ein sogenannter Eildienst eingerichtet worden, der es ermöglicht, auf Grund dieser 71 Städte im Statistischen Reichsamt die Reichsindexziffer für die Lebenshaltungskosten nach zwei Stichtagen im Monat (je in der ersten und zweiten Hälfte) zu berechnen und sofort durch die Presse und die Zeitschrift „Wirtschaft und Statistik" bekannt zu geben. Die Auswahl der 71 Gemeinden ist so erfolgt, daß sich G r o ß - , Mittel- und Kleinstädte mit teils mehr industriellem, teils mehr landwirtschaftlichem Charakter auf das ganze deutsche Gebiet verteilen. Wiederholte Nachprüfungen haben ergeben, daß die Durchschnittsberechnungen aus diesen Städten als repräsentativ angesehen werden können für die Gesamtheit der Gemeinden des Reichs mit über 10000 Einwohnern." 3 3

Statistisches Reichsamt: Teuerungsstatistik und Reichsindexziffer, in: Vierteljahrshefte zur Statistik des Deutschen Reichs, 32. Jg. 1923, Heft 1, S. 33. Zur Beurteilung der Methode der

28

1. Kapitel: Indikatoren der Inflation

Die Teuerungszahlen für die einzelnen Gemeinden bzw. der Reichsdurchschnitt, aus dem der Lebenshaltungskostenindex des Reiches berechnet wurde, sollten die Ausgaben einer fünfköpfigen Familie (2 Erwachsene und 3 Kinder von 14, 7 und lVz Jahren) für Ernährung, Wohnung, Heizung und Beleuchtung sowie ab April 1922 auch Bekleidung repräsentieren. Der gewählte Warenkorb war den Verbrauchsgewohnheiten der Nachkriegszeit angepaßt. Er deckte zwar nicht alle Güter des notwendigen Lebensbedarfs ab. Es fehlten ζ. B . die Kosten der Anschaffung von Hausrat, die Ausgaben für Verkehrsleistungen, für Reinigung und Körperpflege sowie für Bildung und Unterhaltung. Jedoch enthielt er den wesentlichen Teil des notwendigen Lebensbedarfs: nach den Haushaltsrechnungen vom Jahre 1907 entfielen auf die erfaßten Ausgabenkategorien 8 7 % der Gesamtausgaben. 4 Im Warenkorb waren in den ersten Nachkriegsjahren - mit einigen Modifikationen im Verlauf der Erhebungsjahre — die in Tabelle 3 aufgeführten Nahrungsmittel enthalten. Die Preise für Heizung wurden in den Index eingebracht mit den Ausgaben f ü r - j e nach örtlichen Verhältnissen wahlweise-3 Ztr. Steinkohlen oder 5 Ztr. Braunkohlen oder 4 Ztr. Braunkohlenbriketts oder 3 Ztr. Gaskoks oder 6 Ztr. Torf und 6 Ztr. Brennholz oder 40 cbm Kochgas, die Preise für Beleuchtung mit den Ausgaben für 15 cbm Leuchtgas oder 5 KWh elektrischen Stroms. Die Kosten für Wohnung gingen mit dem monatlichen Mietpreis einer Zweizimmerwohnung mit Küche in die Berechnung des Index ein. Die Ausgaben für Bekleidung wurden mit jeweils V ί 3 (wegen der vierwöchigen Erfassungsperiode) des Jahresverbrauchs einer fünfköpfigen Familie angesetzt: je 1 Herrenund 1 Knabenanzug, 1 Mädchenkleid und je 2 Frauenröcke und Blusen, je 6 Männer- und Frauenunterhemden, 6 Paar Männersocken und 6 Paar Frauenstrümpfe, je 1 Paar Männer- und Frauenstiefel, 2 Paar Kinderstiefel und achtmaliges Besohlen mit Absätzen von Männerstiefeln. 5 Für die Deckung dieses Bedarfs konnten Güter aus 3 Bezugsquellen beschafft werden, die sich hinsichtlich der Preishöhe voneinander unterschieden: 1. vom Markt der rationierten Güter, wie Brot, einige Gemüse, Fette, Fleisch, Zucker und Milch. Auf diesem Markt, aus dem besonders bis Herbst 1921 immer mehr Güter entlassen wurden, existierten staatliche Höchstpreisvorschriften,

Reichsteuerungsstatistik: Johannes Frenkel: 4

5

Zur Preisentwicklung der Nachkriegszeit, in:

Zeitschrift des Preußischen Statistischen Landesamts, 61. Jg. 1921, S. 1 9 6 - 1 9 9 . Statistisches Reichsamt: Die Reform der Reichsindexziffer für die Lebenshaltungskosten, in: Wirtschaft und Statistik, 5. Jg. 1925, S. 1 5 9 - 1 6 3 . Dort sind die Entstehungsgeschichte und die verschiedenen Veränderungen der Indexberechnung knapp dargestellt. Statistisches Reichsamt: Teuerungsstatistik und Reichsindexziffer . . ., S. 33.

29

II. Preis- und Kaufkraftentwicklung

Tabelle 3. Ernährungsgüter im Warenkorb des Statistischen Reichsamts zur Ermittlung der Lebenshaltungskosten 1920-25. Lebensmittel

Menge

Wärmewert in Reinkalorien

Eiweißgehalt

Roggenbrot Weißbrot Roggenmehl Weizenmehl Graupen Weizengrieß Haferflocken Vollreis Erbsen Bohnen Kartoffeln Gemüse Rindfleisch (Kochfl.) Schweinefl. (Bauchfl.) Hammelfl. (Dünnung) Inland. Speck (fett) Leberwurst Butter (inland.) Margarine Schweineschmalz (ausl.) Käse (mager) Käse (halbfett) Schellfisch Salzheringe Dörrobst Zucker Eier Vollmilch Bohnenkaffee Kaffee-Ersatz Kakao Speisesalz

47000 g

94000

1645 g

Summe

-

-

4000 g -

1833 1833 1833 1833 1833 1833 70000 15000 2500 500

12240

-

130 g

-

g g g g g g g g g g

5499 5499 6599 5 866 5316 5224 45500 2750 3000 1810

1500 g

11700

-

-

119 156 229 115 284 312 945 125 380 75

-

41 g

-

-

-

-

-

-

250 g 2250 g 1750 g -

1500 g 1000 g 3000 g 3 500 g 10 Stck. 28 Ltr.

g g g g g g g g g g

17100 20700 2923 -

225 1085 5300 13650 750 15589

9g 0g 613 g -

53 g 91 g °g °g 65 g 895 g

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

282325

6282 g

Quelle: Statistisches Reichsamt: Die Reform der Reichsindexziffer . . ., S. 161.

2. v o m Markt der freien G ü t e r , die zu beliebigen Preisen gehandelt werden durften, 3. v o m Schwarzmarkt für rationierte Güter, der zumindest insoweit legitimiert war, als staatliche Stellen auch die Entwicklung der „Schleichhandelspreise" erfaßten. 6 Die Teuerungsziffern für die Beschaffung der angegebenen N a h r u n g s m i t 6

Vgl. hierzu auch S. 86 ff.

30

1. Kapitel: Indikatoren der Inflation

telmengen in jeder Erhebungsgemeinde wurden auf folgende Weise berechnet: Zunächst wurde festgestellt, welche Mengen während der vier Erhebungswochen dem fünfköpfigen Familientyp amtlich zugeteilt wurden und welcher Kaufpreis dafür zu zahlen war. Erreichte die zugeteilte Ration für eine der Nahrungsmittelgruppen nicht die dem Warenkorb zugrundegelegte Menge, so wurde unterstellt, daß die fehlende Menge im freien Handel oder auf dem Schwarzmarkt zugekauft werden mußte. Gütermengen, für die keine Höchstpreisvorschriften existierten, oder solche, die im freien Handel zu niedrigeren als den staatlich verordneten Höchstpreisen gehandelt wurden, wurden mit den Preisen auf dem freien Markt bewertet. Die verbleibenden Gütermengen, die nur zu höheren als den staatlich verordneten Maximalpreisen auf dem Schwarzmarkt zu erhalten waren, wurden bis zur Erschöpfung der Ration des Warenkorbs mit Schleichhandelspreisen bewertet in die Berechnung einbezogen. 7 Die Teuerungszahlen für die Gemeinden „bieten einen Maßstab, wie weit die Kosten der Lebenshaltung in den einzelnen Orten Deutschlands durch die unsteten wirtschaftlichen Verhältnisse berührt werden." 8 Ein Teil der erheblichen Differenzen zwischen diesen kommunalen Teuerungszahlen ist allerdings bei der gewählten Methode der Erhebung auf Unterschiede in den behördlich verteilten Lebensmittelmengen und insofern ,,auf eine mehr oder minder großzügige und weitsichtige Ernährungspolitik der einzelnen Gemeinden" zurückzuführen.9 Das Statistische Reichsamt betonte allerdings auch, daß die Teuerungszahl ( = laufender Kaufpreis aller im Warenkorb enthaltenen Waren) nicht als Existenzminimum einer repräsentativen fünfköpfigen Familie angesehen werden könne, da einige zum Leben notwendige Ausgaben nicht im Warenkorb enthalten seien. „Uberhaupt liegt der Hauptwert der Teuerungsstatistik, wie ausdrücklich betont sei, darin, daß sie Auskunft gibt über die Bewegung der Teuerungsverhältnisse." 10 Das Hamburger Statistische Landesamt urteilte 1921 sogar, „daß der Statistik der Teuerungszahlen doch so große Mängel und Fehler anhaften, daß sie einen einwandfreien Maß-

7

Zur Berechnungsmethode vgl. die amtlichen Anweisungen in: Statistisches Reichsamt: Die Teuerungsstatistik im Reich, in: Vierteljahrshefte zur Statistik des Deutschen Reichs, 29. Jg. 1920, Heft 3, S. 6 5 - 8 4 . Auch: Heft 1, S. 2 4 + - 2 9 + . Vgl. auch die klare Darstellung in: Die Teuerung in Hamburg. Untersuchungen über die Lebenshaltung der hamburgischen Bevölkerung nach dem Kriege, in: Statistische Mitteilungen über den hamburgischen Staat, N r . 12, Hamburg 1921, bes. S. 13ff.

8

Statistisches Reichsamt: Die Teuerungsstatistik im Reich, in: Vierteljahrshefte zur Statistik des Deutschen Reichs, 29. Jg. 1920, Heft 3, S. 65.

9

Ebenda.

10

Ebenda.

31

II. Preis- und Kaufkraftentwicklung Tabelle 4. Reichsindexziffern der Lebenshaltungskosten Februar 1920 - Dezember 1923 (1913/14 = 1) Monat

Heizung Bekleiu. dung Beleuchtung

Wohnung

Lebenshaltung (Ernährg., Heizung u. Beleucht., Bekleid. u. Wohnung)

Ernährung

Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember

8,47 9,56 10,42 11,02 10,83 10,65 10,23 10,15 10,71 11,18 11,58

9,48 11,01 12,29 13,22 12,80 12,52 11,70 11,66 12,60 13,43 14,27

5,01 7,08 8,79 8,83 9,20 9,38 9,68 9,46 9,71 9,74 8,86

17,99 18,56 18,58 19,25 19,25 19,07 19,04 18,83 18,87 18,89 18,77

1920 1,67 1,71 1,75 1,76 1,78 1,79 1,83 1,84 1,87 1,88 1,91

7,00 8,17 9,16 9,75 9,53 9,35 8,87 8,81 9,45 9,99 10,47

10,56 11,97 13,08 13,86 13,61 13,37 12,81 12,70 13,42 14,04 14,55

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember

11,79 11,47 11,38 11,27 11,20 11,67 12,50 13,33 13,74 15,04 17,75 19,28

14,23 13,62 13,52 13,34 13,20 13,70 14,91 15,89 16,14 17,57 21,89 23,57

11,75 11,96 12,15 12,67 12,81 12,81 12,79 13,04 13,47 14,10 14,84 19,99

18,85 18,85 18,51 18,07 18,07 19,38 20,66 22,46 24,23 27,74 29,47 31,07

1921 1,95 1,98 1,98 2,03 2,03 2,09 2,09 2,10 2,11 2,18 2,21 2,25

10,70 10,33 10,28 10,22 10,14 10,48 11,24 11,92 12,12 13,08 15,94 17,46

14,81 14,38 14,26 14,11 14,01 14,61 15,69 16,78 17,31 18,99 22,52 24,51

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember

20,41 24,49 28,97 34,36 38,03 41,47 53,92 77,65 133,19 220,66 446,10 685,06

24,63 30,20 36,02 43,56 46,80 51,19 68,36 97,46 154,17 266,23 549,82 807,02

20,94 23,85 29,65 34,97 44,11 48,22 59,39 77,16 161,12 251,72 508,30 1038,91

34,40 40,04 45,68 48,29 56,88 65,19 80,16 125,71 260,00 386,64 741,62 1161,13

1922 2,36 2,40 2,50 2,87 3,00 3,13 3,43 4,03 4,17 7,95 11,33 16,52

18,25 22,09 26,39 31,75 34,62 37,79 49,90 70,29 113,76 195,04 400,47 611,56

25,36 30,83 36,95 44,13 48,89 53,36 69,58 100,49 173,21 285,95 579,53 890,23

1120,27 2643 2854 2954 3816 7650 37651 586045 in Mio. September 15,0 Oktober 3657 in M r d . November 657 Dezember 1247

1366,06 3183 3315 3500 4620 9347 46510 670485 in Mio. 17,3 4301 in M r d . 862 1512

1611,73 4071 5529 5514 5785 10378 36 904 890539 in M i o . 23,3 5715 in Mrd. 834 1765

1681,73 4164 4323 4182 5724 11995 66488 1089571 in Mio. 26,5 6160 in Mrd. 816 1662

1923 37,57 58 113 181 216 301 714 4932 in M i o . 0,3 54 in M r d . 22 218

1033,59 2408 2627 2764 3521 6979 33300 508631 in Mio. 13,2 3265 in M r d . 633 1182

1452,55 3436 3695 3805 4920 9961 48986 764389 in M i o . 19,5 4763 in M r d . 852 1562

Januar Februar März April Mai Juni Juli August

Lebenshaltung ohne ohne Beklei- Wohnung dung

Quelle: Zahlen zur Geldentwertung . . S. 33. Schätzungen für die Jahre 1 9 1 4 - 1 9 1 9 in Anlehnung an die Calwerschen Indexziffern der Emänrungskosten zu errechnen aus: Ebenda, S. 40.

32

1. Kapitel: Indikatoren der Inflation

stab für zwischenörtliche Vergleiche nicht zu bieten vermag. Dagegen ist unter Berücksichtigung der hier hervorgehobenen Schwierigkeiten ein zeitlicher Vergleich innerhalb ein und derselben Gemeinde im allgemeinen angängig·" 1 1 Die Durchschnittsziffern für die Steigerung der Lebenshaltungskosten im Reich von Februar 1920 bis Dezember 1923 sind in Tabelle 4 wiedergegeben. Es ist zu erkennen, wie stark die Mietpreisbindung die Kosten für Wohnung niedrig gehalten und damit den Durchschnitt der Lebenshaltungskosten herabgedrückt hat. Der Anstieg der Preise für Bekleidung gegenüber dem Vorkriegsniveau lag stets über dem für Ernährung sowie für die Lebenshaltung insgesamt. Insofern haben die Bekleidungskosten die Indexziffer für die Lebenshaltung nach oben gedrückt. Jedoch gilt diese Aussage nicht für Bewegungen des Index in Subperioden. So waren die Kosten für Bekleidung ζ. B. in der Zeit von Februar 1920 bis Mai 1921 praktisch konstant. Das entspricht der Tendenz der Großhandelspreisentwicklung in Deutschland bzw. der Wechselkursentwicklung zwischen Mark und Dollar in jener Periode. Demgegenüber stiegen jedoch die Kosten für Ernährung besonders in den ersten Monaten derselben Periode und für Heizung und Beleuchtung über die Gesamtperiode beträchtlich an, nämlich um ca. 40% bzw. ca. 150%. Die Erklärung liegt darin, daß die Preise für Bekleidung keiner staatlichen Kontrolle unterworfen waren, Preis Veränderungen für diese Güter also ausschließlich von den Marktbedingungen abhingen. Die in jenen Monaten vorherrschende Depression im Ausland verbunden mit der tendenziellen Stabilität des Markwechselkurses führten auf diesem wie auf anderen Industriegütermärkten dazu, daß Preissteigerungen nicht durchsetzbar waren bzw. der Kostendruck bei sinkenden internationalen Rohstoffpreisen geringer wurde. Dagegen wurden die Preise für Nahrungsmittel sowie Heizung und Beleuchtung von staatlicher, insbesondere kommunaler Seite kontrolliert bzw. im Bereich öffentlicher Gas- und Elektrizitätsbetriebe direkt gesetzt. In diesen Branchen wurden die Preise - wie man heute sagt — administriert. Preiserhöhungen in solchen Bereichen sind nur partiell das Ergebnis von Marktkräften. Darüber hinaus sind sie das Resultat politischer Entscheidungen über die Verteilung der Kosten der Teuerung auf Erzeuger, Staat und Verbraucher und damit auch über die Realeinkommensverteilung. Die Preissteigerungen in den Bereichen Ernährung sowie Heizung und Beleuchtung in der Periode Februar 1920 bis Mai 1921 sind daher in erster Linie dem Abbau der sog. Zwangs- und Subventionswirtschaft zuzuschreiben, der vor allem von der Industrie, der Landwirtschaft und dem selbständigen Mittelstand seit Beendigung des Krie11

Teuerung in Hamburg . . ., S. 1 8 f .

II. Preis- und Kaufkraftentwicklung

33

Tabelle 5. Die Kosten des Ernährungsbedarfes für eine fünfköpfige Familie (Mann, Frau und drei Kinder) in den Monaten Januar bis Dezember 1920 in Hamburg Verbrauchskosten in M a r k Monate

absolut

%

Zu- bzw. Abnahme gegenüber Vormonat %

der amtlich zugeteilten Lebensmittel Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember

20809 29211 28645 41088 50461 46928 52477 51121 46577 28452 32492 33692

39,16 48,79 38,03 52,50 75,40 66,56 74,62 70,55 80,52 36,50 37,16 34,32

+ 40,38 1,94 + 43,44 + 22,81 7,00 + 11,82 2,58 8,89 38,91 + 12,43 + 3,56

der auf dem freien Markt zuzukaufenden Lebensmittel Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember

32330 30665 46685 37175 16460 23580 17850 21340 11270 49494 54940 64470

60,84 51,21 61,97 47,50 24,60 33,44 25,38 29,45 19,48 63,50 62,84 65,68

5,15 + 52,24 0,37 55,72 + 43,26 24,30 + 19,55 47,19 + 339,17 + 9,91 + 14,78 -

Quelle: Teuerung in Hamburg . . . , S. 27.

ges gefordert worden war und besonders im letzten Quartal 1920 auf der Verbraucherstufe große Fortschritte machte, nachdem dieser Prozeß bereits auf der Erzeuger- und Großhandelsstufe in Gang gekommen war 1 2 . So waren zu Beginn des Jahres 1920 bis auf Haferflocken, Eier und Heringe sämtliche im Warenkorb enthaltenen Lebensmittel der staatlichen Bewirtschaftung unterworfen, zu Beginn des Jahres 1921 aber nur noch Brot, Mehl, Zucker und 12

Gerald D. Feldman: 160 ff.

Iron and Steel in the German Inflation 1916-1923, Princeton 1977, S.

34

1. Kapitel: Indikatoren der Inflation

Vollmilch 1 3 . Insbesondere die Uberführung von Kartoffeln, Fetten und Fleisch in den freien Handel im Oktober 1920 machte sich in einer starken Verschiebung der Anteile amtlich zugeteilter und zuzukaufender Mengen am Gesamtwarenkorb einer fünfköpfigen Standardfamilie bemerkbar, wie sich aus Tabelle 5 ergibt. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß der Warenkorb, der dem Index zugrundelag, als nicht vollständig hinsichtlich des notwendigen Lebensbedarfs (Existenzminimum), erst recht nicht hinsichtlich des üblichen Konsumniveaus angesehen wurde, das für eine fünfköpfige Familie in der Vorkriegszeit repräsentativ gewesen wäre. Daher stellt sich die Frage, ob ein erweiterter Warenkorb zu tendenziell höheren oder niedrigeren Teuerungsziffern geführt hätte. Zwei wichtige Bestandteile des notwendigen Lebensbedarfs, nämlich Bildung und Unterhaltung sowie Verkehr, wurden in Deutschland traditionell von staatlichen bzw. kommunalen Einrichtungen angeboten und großenteils subventioniert. Besonders in der Inflationsperiode 1 9 1 4 - 1 9 2 3 erfolgte die Preisbildung in diesen Bereichen also nicht nur nach Marktgesetzen, sondern auch unter dem Einfluß staatlicher Entscheidungen nach politischen Gesichtspunkten ebenso wie auf den bewirtschafteten Märkten für Wohnung, Ernährung sowie für Heizung und Beleuchtung. So blieb z . B . die Steigerung des Schulgeldes als Preis für höhere Bildung - ebenso wie die Erhöhung der Wohnungsmieten - bei weitem hinter der allgemeinen Geldentwertung zurück (vgl. Tabellen 6 und 4). Ähnlich verhielt es sich bei den Beförderungstarifen der Reichseisenbahnen (Tabelle 7). Das Gegenstück zu dieser Entwicklung zeigte sich im Anstieg der Anzahl höherer Schüler und Studenten 1 9 1 9 - 2 3 im Vergleich zur Vorkriegszeit 1 4 sowie der Benutzer und Personenkilometer bei der Reichsbahn in den Nachkriegsjahren. Die Beförderungstarife der kommunalen Verkehrsbetriebe verteuerten sich während der Inflation ebenfalls nicht so stark wie die Preise staatlich nicht administrierter Waren oder Dienstleistungen, wie ζ. B . der Posten Bekleidung im Lebenshaltungskostenindex des Statistischen Reichsamts, ja sogar weniger als die Lebenshaltung nach dem Gesamtindex (Vgl. Tabellen 7 und 4). Demgegenüber dürften andere, bei den Teuerungsberechnungen des Statistischen Reichsamts nicht berücksichtigte Warengruppen - wie Hausrat, Reinigung und Körperpflege - , die aber ebenfalls zum notwendigen Lebensbedarf zählen, sich während der Inflation 1 9 1 4 - 1 9 2 3 im Preis eher stärker als der Durchschnitt der Lebenshaltung erhöht haben, da es sich hier, wie bei der Wa-

13

Teuerung in Hamburg . .

14

Hierauf wies schon Franz Eulenburg (Die sozialen Wirkungen der Währungsverhältnisse, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 122, 1924, S. 7 7 6 - 7 7 9 ) hin.

S. 18.

II. Preis- und Kaufkraftentwicklung Tabelle 6. Schulgeld an den staatlichen höheren Lehranstalten in Preußen 1909-23 Index 140 Μ = 1 1. April 1909 bis 1. Okt. 1919 bis 1. Okt. 1920 bis 1. Okt. 1922 bis 1. Jan. 1923 bis 1. April 1923 bis 1. Juli 1923 bis 30. Sept. 1923 für Monat Oktober 1923

130-150 Μ jährlich

1

200-220 Μ jährlich

1,50

500 Μ jährlich

3,57

1 500 Μ jährlich

10,7

4000 Μ jährlich

28,6

20000 Μ jährlich

142,9

100000 Μ jährlich

714,3

8.000000 Μ jährlich

Quelle: Zentralblatt für die gesamte Unterrichtsverwaltung in Preußen, entsprechende Jahrgänge, passim. Tabelle 7. Preisindices einer Eisenbahnpersonenfahrkarte 3. Klasse je km und einer Straßenbahnfahrkarte in Berlin 1913-23 (1913/14 = 1)

1913/14 1. Jan. 1918 1. Juli 1918 1. Jan. 1919 1. Juli 1919 1. Jan. 1920 1. Juli 1920 1. Jan. 1921 1. Juli 1921 1. Jan. 1922 1. Juli 1922 1. Jan. 1923 1. Juli 1923

Eisenbahn

Straßenbahn in Berlin

1 1 1,23 1,23 1,60 2,41 4,81 4,81 6,50 8,45 14,79 200,00 5000,00

1 1 1,5 1,5 2,0 3,0 7,0 8,00 10,0 15,0 40,0 500,0 10000,0

Quellen: Eisenbahnpersonenfahrkarte: Zahlen zur Geldentwertung . . . , S. 36. Straßenbahnfahrkarte: Robert R. Kuczynski: Postwar Labor Conditions in Germany, Washington D . C . 1925, S. 25.

36

1. Kapitel: Indikatoren der Inflation

rengruppe Bekleidung, vorwiegend um Industriegüter handelte, die keinen staatlichen Preis Vorschriften unterworfen waren. Es ist daher möglich, daß die geschilderten entgegengesetzten Einflüsse einer Vervollständigung des Warenkorbs auf die Entwicklung der Teuerungsziffern für die Lebenshaltung sich derart kompensieren, daß ein Index auf erweiterter Grundlage nicht wesentlich von der vorliegenden Indexreihe des Statistischen Reichsamts abweichen würde. Zusammenfassend kann man also sagen, daß a-priori-Uberlegungen sowie die vorliegenden empirischen Befunde eine eindeutige Aussage über die Richtung der Veränderung des Lebenshaltungskostenindex als Folge einer Erweiterung des Warenkorbs um andere lebensnotwendige Güter und Leistungen als die vom Statistischen Reichsamt erfaßten nicht zulassen. Das ist anders, wenn man eine Erweiterung des Warenkorbs vornehmen würde, nicht nur bis zum Gesamtumfang des notwendigen Lebensbedarfs, sondern darüber hinaus auf einen höheren Konsumstandard, der für die Zeit vor 1914 auch für die unteren Einkommensschichten und danach für Familien mit mittlerem Einkommen repräsentativ gewesen sein könnte. Ein solcher Warenkorb würde z.B. einen höheren Anteil eiweißhaltiger Nahrung, möglicherweise verbunden mit einer Erhöhung der Kalorienzufuhr durch Aufstokkung der bereits zugrundegelegten Rationen oder durch Erweiterung der Lebensmittelpalette, enthalten. Auch wären Luxusgüter, wie alkoholische Getränke und Tabakwaren, aufzunehmen. Die zusätzlichen Güter wären jedoch nur zu höheren Durchschnittspreisen als den im vorhandenen Index verrechneten zu erhalten gewesen, da sie — insoweit sie „freie Güter" waren — keinen staatlichen Höchstpreisvorschriften unterlagen und deshalb allgemein zu höheren Preisen verkauft wurden als rationierte Güter. Insoweit sie bewirtschaftet wurden und Höchstpreisvorschriften unterlagen, konnte sich der einzelne Haushalt die zusätzlichen Mengen nur auf dem Schwarzmarkt beschaffen, wo die Preise gewöhnlich weit über den staatlich verordneten Höchstpreisen lagen, die dem Niveau der Vorkriegspreise näher lagen als die freien oder Schwarzmarktpreise. Eine Erweiterung des Warenkorbs auf ein Konsumniveau deutlich über dem absoluten Existenzminimum - ein Standard, der eher die Ausgabengewohnheiten der Vorkriegszeit widerspiegeln würde - würde sich daher im Index für die Lebenshaltung auf jeden Fall in höheren Teuerungsziffern niederschlagen 15 . Den empirischen Nachweis für diese These liefern die Berechnungen des Hamburger Statistischen Landesamts, das die Verteuerung der Lebenshaltung auf der Basis verschiedener Warenkörbe ermittelte. 15

Vgl. dazu auch die Argumentation von Wilhelm Morgenroth: Art. „Indexziffern", in:HdStW, Bd. 5, Jena 1923, S. 404.

37

II. Preis- und Kaufkraftentwicklung

b) Regionale

Teuerungsindices

Das Hamburger Statistische Landesamt trug in seiner Teuerungsstatistik „am vollständigsten. . . den Schwierigkeiten der Auswahl des Haushalts usw." Rechnung 1 6 . Die Berechnung der Teuerung wurde auf der Basis vier verschiedener Warenkörbe vorgenommen: 1. Entsprechend dem Ernährungsbedarf auf physiologischer Grundlage. Ausgehend vom geschätzten Normalverbrauch einer fünfköpfigen Familie an Lebensmitteln wurde — im Gegensatz zu der den Reichsteuerungszahlen zugrundeliegenden Methode - kein nach Waren oder Warengruppen standardisierter Warenkorb festgelegt, sondern eine physiologisch notwendige tägliche Zufuhr an Kalorien, gegliedert nach Eiweiß-, Fett- und Kohlehydratmengen, entsprechend der folgenden Zusammensetzung 1 7 :

Mann Frau Kind 12 J. Kind 7 J. Kind l ' / i J .

Eiweiß g

Fett g

Kohlehydrate Kalorien g

100 80 75 50 30

60 48 45 30 18

500 400 375 250 150

3000 2400 2250 1500 900

Daraus wurde der vierwöchige Bedarf der Familie errechnet. Sodann wurden die im Rahmen der Reichsteuerungsstatistik erhobenen amtlich zugeteilten Lebensmittel mit ihren Wärme- und Nährstoffwerten auf die Ration der Standardfamilie angerechnet. Fehlmengen wurden zugekauft, und zwar jeweils zum billigsten Preis im Verhältnis zum Kalorienwert (nicht zum Gewicht wie bei der Reichsteuerungsstatistik) in jeder Gruppe von Nahrungsmitteln ähnlicher Nährstoffzusammensetzung (Eiweiß, Fett, Kohlehydrate). Ein solcher Warenkorb war also hinsichtlich der Substituierbarkeit der Lebensmittel wesentlich flexibler als der den Reichsteuerungszahlen zugrundeliegende. Der nach diesem Schema notwendige Ernährungsbedarf konnte deshalb zu niedrigeren Kosten gedeckt werden als der Bedarf nach dem Verbrauchsschema des Statistischen Reichsamts. 2. Entsprechend der geschilderten Methode der Reichsteuerungsstatistik. 16

Ebenda. Den regionalen Besonderheiten stärker angepaßte Teuerungsziffern wurden außer für Berlin und Hamburg u. a. auch von den Statistischen Ämtern der Städte Hannover, Nürnberg, Kiel, Leipzig und Erfurt sowie von den Städtischen Lohnämtern in Breslau und Flensburg erstellt. Vgl. Rudolf Meerwarth: Über die Bedeutung der Teuerungsziffern, in: Schmollers Jahrbuch, 45. Jg. 1921, S. 754.

17

Teuerung in Hamburg . . ., S. 25.

38

1. Kapitel: Indikatoren der Inflation

3. Mit einem den speziellen Hamburger Verbrauchsgewohnheiten angepaßten Warenkorb, dem „eingeschränkten" Hamburger Lebensbedarf nach Maßgabe der Nachkriegsverhältnisse, der reichhaltiger war als der der Reichsteuerungsstatistik zugrundegelegte Bedarf. 4. Entsprechend einem „uneingeschränkten" Hamburger Lebensbedarf, der nach den Hamburger Haushaltsbüchern aus der Erhebung des Jahres 1907 ermittelt wurde und somit die Hamburger Verbrauchsgewohnheiten aus der Vorkriegszeit repräsentiert. Zwischen Juli 1914 und Juli 1920 weist die Reichsteuerungsstatistik für Hamburg einen Anstieg der Lebensmittelkosten um 1 1 7 0 % aus. Wird den Berechnungen demgegenüber ein den „tatsächlichen durchschnittlichen Friedensverbrauch" repräsentierender Warenkorb auf Grund der Erhebung von 179 Hamburger Haushalten im Jahre 1907 zugrundegelegt, ergibt sich eine Verteuerung der Lebensmittelkosten um 1 4 8 3 % in derselben Periode 1 8 . Für die Indices nach den Methoden 1. und 3. stehen Vergleichszahlen aus der Vorkriegszeit nicht zur Verfügung. R . Kuczynskis Index für die Verteuerung der Lebenshaltung basierte auf einem umfassenden Warenkorb, der über den des Statistischen Reichsamts hinaus alle Ausgaben für den notwendigen Lebensbedarf entsprechend den eingeschränkten Verbrauchsgewohnheiten der Nachkriegszeit enthalten sollte 1 9 . Im Warenkorb befand sich nicht nur der notwendige Ernährungsbedarf - ähnlich dem Hamburger Index auf physiologischer Grundlage, jedoch unter Berücksichtigung nur der Kalorien-, nicht der Nährstoffwerte - , sondern wie bei den Erhebungen des Statistischen Reichsamts auch der Bedarf an Wohnung, Heizung und Beleuchtung sowie Kleidung. Für die übrigen Kosten der Lebenshaltung wie Hausrat, Fahrgeld, Reinigung, Bildungsausgaben u.ä. sowie auch für die ab Juli 1920 im Quellenabzugsverfahren erhobenen Lohnsteuern rechnete Kuczynski einfach mit einem Aufschlag von 2 0 % plus Lohnsteuersatz auf die obigen Positionen. Ein solcher Aufschlag kann selbstverständlich nicht die Bewegung einer Indexreihe verändern, sondern nur das absolute Niveau der Gesamtausgaben für den Warenkorb. Die Methode entspricht daher dem Anliegen von Kuczynski, die absoluten Ausgaben für die Deckung eines „Existenzminimums" in ihrer Entwicklung während der Inflation zu erfassen, um diese Beträge den gleichzeitigen Nominaleinkommen der Haushalte gegenüberstellen zu können.

18 19

Teuerung in Hamburg . . S. 34f. Robert R. Kuczynski (Hrsg.): Finanzpolitische Korrespondenz, Berlin 1920ff. Derselbe: Postwar Labor Conditions in Germany, Washington 1925, S. 9 - 6 1 . Während der Inflation war Kuczynski Leiter des Statistischen Amts der Stadt Schöneberg bei Berlin.

II. Preis- und Kaufkraftentwicklung

39

Kuczynskis Berechnungen können daher wohl zur Antwort auf die Frage beitragen, ob die Arbeitnehmereinkommen für eine Lebenshaltung ober- oder unterhalb des von Kuczynski definierten Existenzminimums in den jeweiligen Erfassungsperioden ausreichten. Zur Antwort auf die Frage, wie sich die Realeinkommen der Arbeitnehmer in den Nachkriegsjahren zu denen in der Vorkriegszeit verhielten, können sie jedoch nicht mehr beitragen, als die Reichsteuerungszahlen, denen mit den Positionen Ernährung, Heizung und B e leuchtung, Wohnung sowie Bekleidung ein ähnlicher Warenkorb zugrundelag wie Kuczynskis Berechnungen; nur fehlt jenen der prozentuale Aufschlag. Es ist anzumerken, daß sich Kuczynskis Angaben über die Entwicklung der Kosten zur Deckung eines Existenzminimums nur auf den Großraum Berlin beziehen und für drei Haushaltstypen vorliegen; alleinstehender Mann, kinderloses Ehepaar und ein Ehepaar mit zwei Kindern. In Tabelle 8 sind die Indexziffern für einen Haushalt mit einem Ehepaar und zwei Kindern wiedergegeben. Auch Silbergleit, der Leiter des Statistischen Amts der Stadt Berlin, berechnete für den Raum Berlin einen Teuerungsindex, der allerdings nur die Kosten des Ernährungsbedarfs umfaßte 2 0 . Er ist nach der gleichen Methode aufgebaut wie der Hamburger Index auf physiologischer Grundlage. Tabelle 8. Wöchentliches

Existenzminimum

einer vierköpfigen Familie in Berlin

nach

R. R. Kuczynski 1 9 2 0 - 2 3 im Vergleich zu 1913/14 Periode

Aug. 1913 b.Juli 1914 1920 Jan. Feb. März Apr. Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez.

20

Nahrungsmittel Mark

9,8 86 100 125 157 163 128 135 131 123 138 136 144

Wohnung Mark

5,5 8 8 8 9 9 9 9 9 9 9 9 9

Heizung u. Beleucht. Mark

1,9 12 13 20 22 22 22 22 21 22 22 22 22

Bekleidung Mark

5,9 70 82 105 112 98 84 77 70 70 70 70 70

Verschiedenes Mark

5,8 44 51 64 75 73 61 81 77 75 79 79 82

Gesamt Betrag Mark 28,8 220 254 322 375 365 304 324 308 299 318 316 327

Index

1 7,7 8,8 11,2 13,0 12,7 10,6 11,3 10,7 10,4 11,0 11,0 11,3

Vgl. Statistisches Amt der Stadt Berlin (Hrsg.): Die Kosten des Ernährungsbedarfs. Monatliche Ermittlungen, Jg. iff., 1920ff.

1. Kapitel

40 Fortsetzung Tabelle 8 Periode

Nahrungsmittel Mark

Wohnung Mark

Heizung u. Beleucht. Mark

Bekleidung Mark

Verschiedenes Mark

Gesamt Betrag Mark

Index

1921 Jan. Feb. März Apr. Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez.

139 133 129 121 122 142 151 156 162 176 222 249

9 9 9 9 9 9 10 10 10 10 10 10

22 23 23 23 25 25 25 25 26 27 31 41

70 70 63 63 63 63 63 70 70 84 128 128

80 78 74 65 66 72 75 78 81 89 118 129

320 313 298 281 285 311 324 339 349 386 509 557

11,1 10,9 10,3 9,8 9,9 10,8 11,2 11,8 12,1 13,4 17,7 19,3

1922 Jan. Feb. März Apr. Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez.

257 299 351 417 444 466 700 1091 1726 2820 5934 8154

11 11 11 14 14 14 14 16 16 32 72 193

43 52 62 74 86 96 114 154 380 530 1079 2084

128 140 198 210 233 350 518 1015 1477 2306 5149 8361

109 125 167 200 218 269 417 682 1115 1820 4037 6202

548 627 789 915 995 1195 1763 2958 4 714 7508 16271 24994

19,0 21,8 27,4 31,8 34,5 41,5 61,2 102,7 163,7 260,7 565,0 867,9

13098 32376 31957 32198 45312 98579 391 458 6.307538 in Mio. 162,2 in Mio. 51561,3 in Mrd. 9354,3

300 300 660 660 1010 1045 2400 9800

3 467 7667 11425 10346 10818 22287 85329 1775 761 in Mio. 49,2 in Mio. 9838,4 in Mrd. 1650,9

11725 22478 15108 15672 37372 73889 260750 4783333 in Mio. 110,7 in Mio. 49605,6 in Mrd. 5016,7

8577 18218 15971 15896 27409 56782 207182 4120458 in Mio. 104,8 in Mio. 33309 in Mrd. 4015,0

37167 81039 75121 74772 121921 252582 947119 16996890 in Mio. 427,3 in Mio. 144338,9 in Mrd. 20075,2

1290,5 2813,8 2608,4 2596,3 4233,4 8770,2 32886,1 590170 in Mio. 14,8 in Mio. 5.011,8 in Mrd. 697,1

1923 Jan. Feb. März Apr. Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov.

360000 in Mio. 24,6 in Mrd. 38,3

Quelle: Robert R. Kuczynski:

Postwar Labor Conditions . . . , S. 66.

II. Preis- und Kaufkraftentwickjung

41

c) Calwers Index der Nahrungsmittelpreise D e r Index v o n C a l w e r , der n a c h einer erstmals 1 8 9 8 v o n J a s t r o w 2 1 angew a n d t e n M e t h o d e berechnet ist, ist der einzige, der a u c h für die Kriegsjahre sowie für die g e s a m t e N a c h k r i e g s z e i t bis E n d e 1 9 2 2 m o n a t l i c h ermittelt w u r d e 2 2 . (vgl. Tabelle 9 ) . Dieser I n d e x basiert auf einem W a r e n k o r b , der e n t s p r e c h e n d der w ö c h e n t l i c h e n N a h r u n g s m i t t e l r a t i o n eines d e u t s c h e n M a r i n e s o l d a ten aus der V o r k r i e g s z e i t z u s a m m e n g e s t e l l t w u r d e in der A n n a h m e , daß dies den L e b e n s m i t t e l b e d a r f eines d u r c h s c h n i t t l i c h e n E r w a c h s e n e n repräsentierte. D i e R a t i o n hatte folgenden U m f a n g 2 3 : Nahrungsmittel Rindfleisch Schweinefleisch Hammelfleisch Reis Bohnen Erbsen Weizenmehl Backpflaumen Kartoffeln Zucker Brot Butter Essig Salz Kaffee Tee

Verbrauchsmenge

Kalorienzahl

g g g g g g g g

1784

3000 g

2640

800 750 800 150 300 300 500 200 340

g

5250 g 455

g

ο,ιι 1

g 105 g

106

21g

1710 1680 495 954 813 1675 400 1329 11138 3463 -

28 126 Kalorien pro Woche = 4018 Kalorien täglich

Vgl. die von IgnazJastrow herausgegebene Zeitschrift „Der Arbeitsmarkt", 2. Jg. 1898, zit. in: Hildegard Heuer: Die Entwicklung der Metallarbeiterreallöhne auf den Kieler Werften in der Zeit vom 1.4.1920 bis 30.10.1923, Diss. Kiel 1929, S. 19. 22 Richard Calwer: Monatliche Ubersichten über Lebensmittelpreise, Jg. 1, Berlin 191 Iff. Nur für die Kriegsjahre gibt es außerdem Indices für die Entwicklung der Nahrungsmittelkosten in Peter Quante: Lohnpolitik und Lohnentwicklung im Kriege, in: Zeitschrift des Preußischen Statistischen Landesamts, Jg. 59, 1919, S. 366. Sowie in Adolf Günther: Die gesunkene Kaufkraft des Lohnes und ihre Wiederherstellung, Teil II: Kriegslöhne und -preise und ihr Einfluß auf Kaufkraft und Lebenskosten. Schriften der Gesellschaft für soziale Reform, Bd. 66, Jena 1919. 23 Η .Heuer: Entwicklung der Metallarbeiterreallöhne . . ., S. 20. Vgl. auch:R .Meerwarth: Uber die Bedeutung der Teuerungsziffern, S. 742 ff.

21

42

1. Kapitel: Indikatoren der Inflation

Calwers Warenkorb bestand aus drei derartigen Rationen, die er als repräsentativ für den wöchentlichen Lebensmittelverbrauch eines Ehepaares (je Erwachsener eine Ration) mit zwei Kindern (je Kind eine halbe Ration) ansah. Calwer ermittelte monatlich die Ausgaben für einen derartigen Warenkorb an ungefähr 200 Orten Deutschlands, indem er nach 1914 die jeweils geltenden amtlich vorgeschriebenen Höchstpreise zur Bewertung der Nahrungsmittelmengen heranzog und nur für die freien Güter die jeweiligen Marktpreise. Schwarzmarktpreise blieben somit außer Betracht. Außer den Reihen für jeden der 200 Orte ermittelte Calwer einen Reichsdurchschnitt, indem er die Reihen arithmetisch mittelte. Tabelle 9. Index der Lebensmittelpreise im Durchschnitt von 200 Städten des Deutschen Reiches nach Richard Calwer

1913-22 (1913 = 1)

1913

1914

1915

1916

1917

1918

1919

1920

1921

1922

Januar Februar März April Mai Juni Juli August Sept. Okt. Nov. Dez.

1,01 1,01 1,01 1,00 0,99 0,99 1,01 1,01 1,00 1,00 1,00 0,99

0,99 0,98 0,98 0,96 0,96 0,96 0,98 1,03 1,02 1,05 1,08 1,12

1,15 1,23 1,28 1,34 1,42 1,45 1,48 1,52 1,55 1,63 1,51 1,53

1,61 1,69 1,88 2,02 2,03 2,05 2,08 2,08 2,08 2,08 2,06 2,07

2,09 2,11 2,13 2,13 2,12 2,14 2,15 2,13 2,12 2,13 2,16 2,18

2,20 2,20 2,22 2,22 2,23 2,24 2,26 2,31 2,37 2,40 2,43 2,45

2,48 2,53 2,62 2,71 2,87 3,06 3,20 3,32 3,72 3,92 4,23 4,46

5,08 5,75 6,52 7,38 8,74 9,03 9,82 10,17 10,66 12,93 13,89 14,39

14,85 13,99 13,86 13,67 13,74 13,68 13,97 15,41 15,55 16,28 18,44 20,02

21,36 26,24 39,95 49,59 42,53 49,87 64,32 94,18 151,92 250,31 509,00 747,42

Durchschnitt

1,00

1,01

1,43

1,98

2,13

2,29

3,26

9,53

15,29

Quelle: Richard Calwer: Monatliche Ubersichten über Lebensmittelpreise, Berlin 1913 ff. Zit. n. Gerhard Bry: Wages in Germany 1871-1945, Princeton 1960, S. 4 4 0 - 4 4 5 .

Kritisch ist zu Calwers Vorgehensweise vor allem folgendes zu bemerken: 1. Die Zusammensetzung des Warenkorbs dürfte für die Durchschnittsfamilie auch in der Vorkriegszeit wenig repräsentativ sein. Die Annahme eines täglichen Kalorienverbrauchs von über 4000 für einen Erwachsenen ist sicher zu hoch, da damit eher dem Bedarf eines Schwerstarbeiters, zu denen man auch die Marinesoldaten zählen kann, entsprochen wird als dem eines Durchschnittsbürgers einschließlich der Frauen. Calwer lag mit seiner Kalorienmenge um über ein Drittel über dem Bedarf eines männlichen Erwachsenen und um zwei Drittel über dem eines weiblichen Erwachsenen, also weit über den Mengen, die jeweils den Teuerungsstatistiken auf physiologischer Basis vom Hamburger Statistischen Amt, von Kuczynski und von Silbergleit zu-

II. Preis- und Kaufkraftentwicklung

43

grundelagen. Dennoch dürfte dieser Tatbestand die Teuerungserhebungen Calwers nur zum Teil verzerren. Gravierender ist der folgende Einwand. 2. Stärker als die Zusammensetzung des Warenkorbs macht die Bewertung mit den amtlichen Höchstpreisen Calwers Zahlen unbrauchbar als Index der Lebenshaltungskosten. Die Lebensmittel wurden in viel geringeren Mengen als den im Warenkorb angenommenen zu den amtlichen Höchstpreisen zugeteilt. Die zugeteilten Rationen reichten, besonders in den Jahren 1916-1920, auch bei weitem nicht zur Deckung des notwendigsten Lebensbedarfs, so daß Fehlmengen entweder durch freie Güter zu Marktpreisen substituiert oder im Schleichhandel zu Schwarzmarktpreisen zugekauft werden mußten. Diese höheren und - zeitweise stärker als die amtlichen - steigenden Preise sind aber von Calwer nicht berücksichtigt worden, solange er Höchstpreise vorfand. Sobald Güter aus der Bewirtschaftung entlassen wurden, schlug das sofort auf die Calwerschen Teuerungszahlen durch, so vor allem im Jahr 1920. Hierin liegt auch die Erklärung dafür, daß die Teuerungsziffern nach Calwer 1919 sowie 1920 (außer den letzten Monaten) unter den Teuerungsziffern des Statistischen Reichsamts lagen (vgl. Tab. 9 und 4). Erst danach konnte sich der reichhaltigere Warenkorb auch in höheren Teuerungsziffern niederschlagen, wie bereits oben beim Vergleich der Hamburger Indices festgestellt wurde (vgl. S. 37f.). Man kann sich daher dem Urteil des Hamburger Statistischen Landesamts voll anschließen: ,,Zur Messung des Teuerungsgrades eignen sich daher die Indexziffern von Calwer nicht, am wenigsten in Zeiten der Zwangsbewirtschaftung, es sei denn, daß den Schleichhandelspreisen die nötige Beachtung geschenkt wird. Wohl aber gewähren jene Ziffern einen Einblick in die Bewegung der amtlichen Höchstpreise. Erst in der Zeit der Wiederkehr des freien Handels, einer einwandfreien Preisnotierung. . . können die Calwerschen Indexziffern wieder zur Beurteilung der Teuerungsverhältnisse herangezogen werden." 2 4 Elsas 25 erweiterte den Ansatz von Calwer, indem er den Ernährungsindex um die Positionen Kleidung, Wohnung, Heizung und Beleuchtung sowie Verschiedenes erweiterte. Da jedoch Calwers Ernährungsindex mit einem Anteil von 60% in dem erweiterten Schema vertreten ist, muß auch der Ansatz von Elsas alle die Vorbehalte gegen sich gelten lassen, die gegen Calwers Methode vorgetragen worden sind.

24 25

Teuerung in Hamburg . . S. 38. Moritz Elsas: Der Stand der Kosten der Lebenshaltung. Indexziffern zur Förderung gleitender Entlohnung, Frankfurt/M. 1920. Elsas war Leiter des Statistischen Amts der Stadt Frankfurt.

III. Geldmengen- und Liquiditätsentwicklung A. Theoretische Vorbemerkungen Die Entwicklung der Geldmenge während der Inflationsjahre soll - soweit möglich — entsprechend den neueren Geldmengendefinitionen dargestellt werden. Allgemein läßt sich sagen, daß zur Geldmenge nur Forderungen der Nichtbanken gegenüber dem Bankensystem gezählt werden, die die Zahlungsmittelfunktion erfüllen 1 . Die engste Geldmengendefinition Mi umfaßt das Bargeld (Münzen und Banknoten u. ä.) im Besitz von privaten Nicht-Banken sowie die Sichteinlagen der privaten Nicht-Banken im Bankensystem. Die Kassenbestände der öffentlichen Hände werden nicht dazu gezählt. Die erweiterte Geldmengendefinition M 2 umfaßt zusätzlich die Termineinlagen (bis zu 4 Jahren) der privaten Nicht-Banken im Bankensystem, da diese relativ leicht mobilisierbar sind und insofern auch jederzeit als Tauschmittel eingesetzt werden können. M 3 schließlich enthält zusätzlich die Spareinlagen der privaten Nicht-Banken, da auch diese für jederzeit mobilisierbar gehalten werden und daher in praxi als Zahlungsmittel eingesetzt werden können. Ausländische Einlagen bei inländischen Banken werden allerdings nicht zur Geldmenge gezählt. Daneben wird die Geldbasis (high-powered money, primary money) definiert als die , .vorhandenen Zentralbankgeldbestände im sogenannten privaten Sektor einer Volkswirtschaft" 2 . Dazu zählen also der Bargeldumlauf sowie die Einlagen der Kreditinstitute und privaten Nicht-Banken bei der Zentralbank. Diese Größe wird von den verschiedenen Geldmengenkonzepten deshalb unterschieden, weil nur sie direkt von der Zentralbank gesteuert werden kann. Die Entwicklung der Geldmenge wird vor allem in Abhängigkeit von der Entwicklung der Geldbasis gesehen. Allerdings treten neben die Geldbasis auch andere Faktoren, die die Entwicklung der Geldmenge bestimmen können, so die Entscheidungen der Kreditinstitute über die Verwendung ihrer Reserven — ob zur Kreditschöpfung oder Haltung einer Uberschußreserve - sowie die Entscheidungen des Publikums über die Aufteilung seines finanziellen

1

D i e t e r D u w e n d a g u . a . : Geldtheorie u n d G e l d p o l i t i k , K ö l n 1974, S. 34. O t m a r I s s i n g : E i n f ü h r u n g i n die Geldtheorie, M ü n c h e n 1977 3 , S. 6. Wie andere, ζ. B . langfristige F o r d e r u n g e n an das B a n k e n s y s t e m , Geldforderungstitel unter Privaten o d e r R e a l v e r m ö g e n s w e r t e kann G e l d auch als Wertaufbewahrungsmittel dienen. A l s dritte F u n k t i o n des G e l d e s wird z u m e i s t die der R e cheneinheit herausgestellt.

2

D . Duwendag

u . a . : Geldtheorie . . ., S. 47.

III. Geldmengen- und Liquiditätsentwicklung

45

Vermögens auf verschiedene Anlageformen, wie Bargeld, Sicht-, Termin- und Spareinlagen 3 . Neben dem Geldmengen- und Geldbasisbegriff spielt in der geldtheoretischen Diskussion und der praktischen Geldpolitik der Liquiditätsbegriff eine wichtige Rolle. „ D i e liquiden Mittel der Banken sind die wichtigste Größe in einer monetären Analyse. Sie beeinflussen den Umfang der Kreditgewährung und damit das Wachsen der Einlagen. Sie bestimmen das Klima an den Geldund Kapitalmärkten und damit die Zinssätze" 4 . D a die Kreditinstitute ihre Kreditschöpfung und damit ihren Beitrag zur Geldschöpfung nur auf der Grundlage von Zentralbankgeld, in dem sie gesetzlich und vertraglich Zahlungen zu leisten verpflichtet sind, leisten können, halten sie aktuelles und potentielles Zentralbankgeld als Liquiditätsreserve oder -saldo, der ausgedrückt in Prozenten der Verbindlichkeiten auch als Liquiditätsquote bezeichnet wird. Aktuelles Zentralbankgeld sind Bargeld sowie Sichteinlagen bei der Zentralbank, die nicht verzinst werden. Zum potentiellen Zentralbankgeld zählen die inländischen Geldmarktpapiere, die rediskontierbaren Handelswechsel und die lombardierbaren Wertpapiere. Im System fester Wechselkurse kommen auch ausländische Geldmarktanlagen hinzu 5 . Kreditinstitute bevorzugen die Haltung von Liquidität in potentiellem Zentralbankgeld, da dieses auch Zinserträge einbringt. Vereinfacht lassen sich der Liquiditätssaldo und seine Struktur, der Liquiditätsausgleich, in folgendem Schema darstellen: Akt.

Kreditinstitute

Pass.

α

ß Y ό Kredite

Einlagen von Nicht-

an Nicht-

banken

banken

„Der Liquiditätssaldo L als Differenz zwischen den Einlagen von Nichtbanken und den Krediten an Nichtbanken bei Kreditinstituten spiegelt die Höhe des bei den Banken vorhandenen Zentralbankgeldes wider. Der Liquiditätsausgleich LA zeigt, in welcher Form dieses Zentralbankgeld angelegt wird. Vier verschiedene Formen sind zu unterscheiden: α ) Reserven in Zentralbankgeld, ß) inländische Geldmarktpapiere, y) ausländische Geldmarktpapiere oder ausländische Geldmarktanlagen, sofern ein System fester Wechselkurse besteht, 0 -Ό

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