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German Pages 248 Year 2002
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 265
Die Beurkundung als materielles Formerfordernis der Auflassung Eine Untersuchung zur Form der Rechtsgeschäfte
Von
Frederik Pajunk
Duncker & Humblot · Berlin
FREDERIK PAJUNK
Die Beurkundung als materielles Formerfordernis der Auflassung
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 265
Die Beurkundung als materielles Formerfordernis der Auflassung Eine Untersuchung zur Form der Rechtsgeschäfte
Von Frederik Pajunk
Duncker & Humblot · Berlin
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Pajunk, Frederik: Die Beurkundung als materielles Formerfordernis der Auflassung : eine Untersuchung zur Form der Rechtsgeschäfte / Frederik Pajunk. - Berlin : Duncker und Humblot, 2002 (Schriften zum bürgerlichen Recht ; Bd. 265) Zugl.: Göttingen, Univ., Diss., 2001 ISBN 3-428-10674-1
Alle Rechte vorbehalten © 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-10674-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier
entsprechend ISO 9706 θ
Vorwort Die Untersuchung greift eine Frage auf, die schon kurz nach Inkrafttreten des BGB vieldiskutiert war und heute nach der ganz herrschenden Meinung gegen die Beurkundung als materielles Formerfordernis der Auflassung entschieden zu sein scheint. Der auf den ersten Blick eng begrenzte Untersuchungsgegenstand gibt Gelegenheit, die ganze Breite der zivilistischen Methode zu entfalten, und führt unmittelbar zu der grundsätzlichen Problematik, wie in einem mit starren Formzwängen ausgestatteten Rechtssystem der individuellen Gerechtigkeit genügt werden kann. Die Arbeit gab mir Gelegenheit, vieles von dem Denken anzuwenden, für dessen Vermittlung ich meinen Lehrern an dieser Stelle danken möchte. Herr Prof. Dr. Dr. h.c. Othmar Jauernig weckte in mir am Beginn des Studiums mein Interesse für das Bürgerliche Recht, wobei sein Anspruch für mich eine anhaltende Quelle der Motivation und Ansporn zugleich ist. Herr Professor Dr. Ralf Dreier eröffnete mir in seinen Seminaren und an seinem Lehrstuhl den Zugang zu Rechtstheorie und Rechtsphilosophie und bestärkte mich in meinem wissenschaftlichen Interesse. Größten Dank schulde ich meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Uwe Diederichsen, an dessen Lehrstuhl ich dreieinhalb Jahre gearbeitet habe. Durch Professor Diederichsen habe ich auf eindrucksvolle Weise erfahren, was es heißt, sich der Wissenschaft verpflichtet zu fühlen und die Idee der Universität lebendig zu halten. Ich werde diese Zeit stets in guter Erinnerung behalten. Herr Professor Dr. Lipp erstellte das Zweitgutachten und gab darin wertvolle Hinweise. Ferner gilt mein Dank meiner Schwester Frau Rechtsreferendarin Inken Pajunk und Herrn Wissenschaftlichen Assistenten Lorenz Kähler. Meine Schwester war nicht nur in fachlichen Fragen stets eine geduldige und überaus bereichernde Gesprächspartnerin. Lorenz Kähler hat mich in anregenden Diskussionen und durch weiterführende Ratschläge trotz all seiner Zurückhaltung i m Urteil immer bekräftigt und motiviert. Meinen Eltern Herrn Eike und Frau Monika Pajunk danke ich herzlich für das Vertrauen und die vielfältige Unterstützung, die ich durch sie erfahren habe. Sie haben es mir ermöglicht, mein Studium nach meinen Vorstellungen gestalten zu können. Meiner Mutter gilt ein besonders großer Dank für die tatkräftige Hilfe bei der Korrektur des Manuskripts und der Druckfahnen. Schließlich danke ich der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie der Deutschen Notarrechtlichen Vereinigung für die Übernahme des von mir zu tragenden Druckkostenzuschusses.
6
Vorwort
Die Untersuchung wurde i m Sommersemester 2001 von der Juristischen Fakultät der Georg-August-Universität zu Göttingen als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Schrifttum wurden weitgehend bis Mitte des Jahres berücksichtigt. Die Arbeit wurde nicht an das vom Bundestag am 11. Oktober 2001 beschlossene Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts angepaßt, wenngleich an einigen Stellen auf künftige Regelungen verwiesen wird. Zu einer durchgehenden Anpassung bestand keine Veranlassung, da insbesondere § 313 BGB als neuer § 311 b I BGB inhaltlich unverändert bleiben wird. Berlin, i m November 2001
Frederik
Pajunk
Inhaltsübersicht
Einleitung
23
Teil 1 Einführung in den Untersuchungsgegenstand
26
A. Begriff, gesetzliche Regelung und Wesen der Auflassung
26
B. Das heutige Meinungsbild zum Regelungszweck des § 925 I BGB
37
C. Das gegenwärtige Meinungsbild zur materiellen Form der Auflassung im allgemeinen und zur Beurkundungsbedürftigkeit im besonderen
41
D. Die Beurkundung der Auflassung als Erfordernis des formellen Grundstücksrechts bzw. sonstigen formellen Rechts
66
E. Das einheitliche Zusammenspiel von materiellem und formellem Recht bei der Beurkundung der Auflassung aus Sicht der herrschenden Meinung
72
Teil 2 Einwände gegen die herrschende Meinung
77
A. Zweifel an der Effizienz der Auflassungsform in Ansehung der allgemein angenommenen Funktion des § 925 I S. 1, 2 BGB
77
B. Allgemeine Einwände gegen die von der herrschenden Meinung angenommene Form der gemäß § 925 I S. 1,2 BGB erklärten Auflassung
79
8
Inhaltsübersicht
C. Bedenken gegen die zweckeinheitliche Betrachtung von materiellem und formellem Recht im Zusammenhang mit der Auslegung des § 925 I BGB
82
D. Der Rückgriff auf eine historische Kontinuität in der Begründung der herrschenden Auslegung des § 925 I BGB
93
E. Zusammenfassung und Grundsätze für die Auslegung des § 925 I BGB als Vorschrift des geltenden Rechts
98
Teil 3 Die Beurkundung als materielles Formerfordernis der notariell erklärten Auflassung
102
A. Die Beurkundung als ein vom Wortlaut umfaßtes Formerfordemis
102
B. Der Zweck des § 925 I BGB als elementares Auslegungskriterium
109
C. Die Beurkundung als die geeignetste Form zur Verwirklichung des Normzwecks ... 154
D. Systematische Auslegungsargumente
199
E. Ergebnis
210 Teil 4
Rechtliche und praktische Auswirkungen des materiellen Beurkundungszwangs bei der notariellen Auflassung
211
A. Die Erklärung der Auflassung
211
B. Der Eintritt der Bindung an die Auflassung
219
C. Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung der Beurkundungsform
219
Inhaltsübersicht
9
Teil 5 Zusammenfassung
231
Literaturverzeichnis
235
Sachwortregister
245
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
23
Teil 1 Einführung in den Untersuchungsgegenstand
A. Begriff, gesetzliche Regelung und Wesen der Auflassung I. Der Begriff der Auflassung
26
26 26
II. Die gesetzliche Regelung der Auflassung im BGB
27
1. Die Entstehung der gesetzlichen Regelung
28
a) Der erste Entwurf (EI)
28
b) Der zweite Entwurf (Ε II)
29
c) Die Reichstagsvorlage (E III)
29
d) Die Diskussion in der Reichstagskommission
30
2. Die Gesetzesänderungen seit Inkrafttreten des BGB
30
III. Die Rechtsnatur der Auflassung und die Anwendbarkeit der Vorschriften über die rechtsgeschäftlichen Formen des BGB 1. Der Streit über die Rechtsnatur der Auflassung
32 33
a) Die Beratungen zum BGB
33
b) Der Standpunkt der Wissenschaft
33
2. Die Anwendbarkeit der Vorschriften über die rechtsgeschäftlichen Formen des BGB auf die Auflassung
35
12
Inhaltsverzeichnis
Β. Das heutige Meinungsbild zum Regelungszweck des § 925 I BGB
37
I. Der allgemeine Grund für den Formzwang bei der Auflassung als Ausnahme zu § 8731 BGB II. Schutz des Grundbuchs / Klarheit der Rechtsverhältnisse
37 37
III. Weitere Formzwecke
39
IV. Zusammenfassung
40
C. Das gegenwärtige Meinungsbild zur materiellen Form der Auflassung im allgemeinen und zur Beurkundungsbedürftigkeit im besonderen I. Begriffsbestimmung: Materielle Form der Auflassung
41 41
1. Die Unterscheidung in materielles und formelles Grundstücksrecht
42
2. Materielles und formelles Grundstücksrecht als zu unterscheidende Quellen von Formerfordernissen
44
3. Ausgestaltung materieller Formen im formellen Recht
45
II. Die materielle Form der Auflassung im allgemeinen
47
1. Einigkeit über die Formbedürftigkeit der Auflassung
47
a) § 925 I BGB als Formvorschrift
47
b) Gegenteilige Ansichten / Stellungnahme
47
2. Die Form der Auflassung im allgemeinen
49
a) §925 IS. 1, 2 BGB
49
b) §925 IS. 3 Alt. 1 BGB
51
c) § 925 I S. 3 Alt. 2 BGB
51
III. Das Meinungsbild zum materiellen Beurkundungserfordernis § 925 I S. 1, 2 BGB erklärten Auflassung
der gemäß
1. Die Ansicht von Schrifttum und Rechtsprechung
52 52
a) Das Schrifttum zum Grundstücksrecht und die Rechtsprechung
52
b) Das Schrifttum zum Allgemeinen Teil des BGB
54
2. Die gegen eine materielle Beurkundungspflicht angeführten Argumente a) RGZ 99, 65 (Urteil vom 24. April 1920) aa) Wortlaut des § 925 I BGB
56 56 57
Inhaltsverzeichnis bb) Die Sonderstellung der Auflassung gegenüber anderen Vertragsschlüssen vor Gericht oder Notar
57
cc) Vergleich mit der Form der Eheschließung
58
dd) Das Argument der Formerschwerung
59
ee) Der Vergleich mit der preußischen Regelung
59
ff) § 873 II BGB
59
gg) Das Argument des Verkehrsinteresses und der Rechtssicherheit — b) Β GHZ 22, 312 (Urteil vom 5. Dezember 1956)
59 60
aa) Anbindung der Begründung an die Rechtsprechung des RG
60
bb) Das Erfordernis der Rechtssicherheit
61
(1) Schutz der Rechtssicherheit durch § 925 I BGB
61
(2) Die Schranke des § 29 GBO
61
(3) Dienstpflicht zur Beachtung der §§ 170 f. FGG
62
(4) Gefahr für die Rechtssicherheit auch im Fall der Formbedürftigkeit
62
c) Argumente der herrschenden Meinung
62
aa) Der Gesetzeswortlaut
62
bb) Das Argument der Rechtssicherheit
63
(1) Rechtsfrieden zwischen den Parteien
63
(2) Der abstrakte Schutz des Grundbuchs
63
cc) Das Verhältnis zu den §§ 20, 29 GBO
64
dd) §925 IS. 3 BGB
64
d) Der Umfang der historischen Auseinandersetzung 3. Zusammenfassung
D. Die Beurkundung der Auflassung als Erfordernis des formellen Grundstücksrechts bzw. sonstigen formellen Rechts I. Beurkundungspflicht aus dem Grundbuch verfahrensrecht
65 65
66 66
1. §§20, 29 GBO
66
2. Gegenmeinung
68
3. Stellungnahme
69
14
Inhaltsverzeichnis II. Die Beurkundung als Resultat des Beurkundungs- und Notardienstrechts
69
1. Beurkundungspflicht
70
2. Stellungnahme
70
III. Zusammenfassung
71
E. Das einheitliche Zusammenspiel von materiellem und formellem Recht bei der Beurkundung der Auflassung aus der Sicht der herrschenden Meinung
72
I. Die sprachliche Darstellung der Auflassungserklärung und ihrer Beurkundung als einheitlicher Vorgang
72
II. Die Betonung eines faktischen Beurkundungszwangs bei der Auflassung und seines Vorteils gegenüber der materiellen Beurkundungspflicht
74
1. Der faktische Beurkundungszwang
74
2. Der Vorteil des faktischen Beurkundungszwangs
75
III. Die methodische Einheit von materiellem und formellem Grundstücksrecht nach der Auffassung Huhns
75
Teil 2 Einwände gegen die herrschende Meinung
77
A. Zweifel an der Effizienz der Auflassungsform in Ansehung der allgemein angenommenen Funktion des § 925 I S. 1, 2 BGB
77
B. Allgemeine Einwände gegen die von der herrschenden Meinung angenommene Form der gemäß § 925 I S. 1,2 BGB erklärten Auflassung
79
I. Allgemeine Bedenken gegen den Typus der Form II. Die fehlende Ausgestaltung der materiellen Auflassungsform C. Bedenken gegen die zweckeinheitliche Betrachtung von materiellem und formellem Recht im Zusammenhang mit der Auslegung des § 925 I BGB I. Die Auslegung des § 925 IS. 1,2 BGB durch die herrschende Meinung II. Zielsetzungen des Grundbuchverfahrensrechts
79 80
82 83 84
Inhaltsverzeichnis III. Die Parallele zwischen der herrschenden Auslegung des § 925 I BGB und den Grundgedanken des Grundbuchverfahrensrechts
85
IV. Denkbare Motive für die Angleichung des § 925 I BGB an das Grundbuchverfahrensrecht
88
V. Zweifel an der herrschenden Auslegung auf Grund der nur unvollständigen „Angleichung" des § 925 I BGB an das Grundbuchverfahrensrecht
90
VI. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers D. Der Rückgriff auf eine historische Kontinuität in der Begründung der herrschenden Auslegung des § 925 I BGB I. RGZ 99, 65 als Ausgangspunkt
91
93 93
II. Die Übertragung von RGZ 99, 65 auf die notariell erklärte Auflassung in RG JW 1920, 1029
93
III. Die Rezeption der Rechtsprechung des RG durch den BGH
96
IV. Die Streichung des Grundbuchamts aus § 925 I BGB
97
V. Folgerungen
97
E. Zusammenfassung und Grundsätze für die Auslegung des § 925 I BGB als Vorschrift des geltenden Rechts
98
I. Zusammenfassung
98
II. Der Einwand der geringen praktischen Bedeutung III. Grundsätze für die gegenwartsbezogene Auslegung des § 925 I BGB
98 100
Teil 3 Die Beurkundung als materielles Formerfordernis der notariell erklärten Auflassung A. Die Beurkundung als ein vom Wortlaut umfaßtes Formerfordernis I. Der Begriff des Erklärens im Tatbestand des § 925 I S. 1 BGB 1. Das historische Wortlautverständnis
102 102 103 103
16
Inhaltsverzeichnis 2. Der gegenwärtige Gebrauch des Begriffs II. Das Fehlen der ausdrücklichen Anordnung der Beurkundung III. Ergebnis
B. Der Zweck des § 925 I BGB als elementares Auslegungskriterium I. Die Absicht des historischen Gesetzgebers
104 105 108 109 110
1. Die allgemeinen Zwecke der Auflassungsform
110
2. Die speziellen Zwecke der Auflassungsform
112
a) Warnfunktion und Übereilungsschutz
112
b) Sicherheit vor Abweichungen der Erklärungen vom Grundbuchstand ...
114
c) Schutz vor Zwischen Verfügungen
114
d) Sichere Erfüllung Zug um Zug
115
e) Feststellung des ernsthaften und überlegten Willens der Parteien
116
3. Zusammenfassung II. Die Auswirkungen der Gesetzesänderungen auf den Normzweck
116 117
1. Die Anpassung des § 925 I BGB an die allgemeine Zuständigkeit der Notare und Amtsgerichte 117 2. Das BeurkG
119
3. Zwischenergebnis
120
III. Zur Ansicht Wilhelms zur Neubestimmung des Regelungszwecks
120
1. Der Standpunkt Wilhelms
121
2. Stellungnahme
121
a) Der Verweis auf den Selbstschutz durch die zweite Kommission
121
b) Die Parallelität von grundbuchamtlicher und notarieller Auflassung
122
c) Keine exklusive Zweckzuweisung im zweiten Entwurf
123
3. Ergebnis IV. Die Aktualität der ursprünglichen Regelungszwecke 1. Warnfunktion
124 124 125
Inhaltsverzeichnis a) Das Bedürfnis nach der Warnfunktion mit Blick auf den Veräußerer
125
aa) Die Erforderlichkeit der Warnfunktion wegen § 313 S. 2 BGB
125
bb) Die Erforderlichkeit der Warnfunktion wegen der Abstraktheit der Eigentumsübertragung 128 cc) Die Verteidigung der Warnfunktion gegen ihre Kritiker (1) Die Gebotenheit der Warnfunktion bei jeder Auflassungserklärung
130 130
(2) Das Argument der mangelnden Effektivität der Warnfunktion .. 131 b) Die Berechtigung der Warnfunktion auch hinsichtlich des Erwerbers
133
2. Übereinstimmungsfunktion / Kenntnis des Grundbuchstands
133
3. Klarstellungsfunktion
134
4. Beweisfunktion
134
5. Der Schutz vor rechtsvereitelnden Verfügungen des Veräußerers
135
6. Sicherung der Erfüllung Zug um Zug
136
7. Zusammenfassung
137
V. Der Schutz des Grundbuchs als Hauptzweck des §9251 BGB?
137
1. Die herrschende Ansicht zur Bedeutung des Grundbuchschutzes bei der Auflassungsform 138 2. Der Schutz des Grundbuchs vor Abweichungen von der tatsächlichen Rechtslage nach der ursprünglichen Konstruktion des Gesetzes 139 a) Die Protokollierungspflicht des Grundbuchamts
139
b) Der Bewilligungsgrundsatz
141
c) Die Ausnahmevorschrift des § 20 GBO
142
aa) Die Begründung des § 20 GBO in der Denkschrift zur GBO
142
bb) Die Kritik Güthes an der amtlichen Begründung des § 20 GBO
143
cc) Die Unerheblichkeit der unterschiedlichen Zweckbeschreibungen mit Blick auf den Grundbuchschutz 143 dd) Ergebnis / Rückschlüsse auf das Verhältnis von § 925 I BGB zu §20 GBO 144 3. Wahrnehmung des Grundbuchschutzes durch § 925 I BGB? a) Funktionsverlust des § 20 GBO?
145 145
b) Neue Bedürfnisse nach Grundbuchschutz als Folge der geänderten Fassung des § 925 I BGB? 146 2 Pajunk
18
Inhaltsverzeichnis aa) Gesteigerte Gefahr für die Richtigkeit des Grundbuchs?
147
bb) Konsequenzen für den Zweck des § 925 BGB
148
c) Die Verneinung anderer Funktionen als Argument für die Schutzfunktion
148
d) Der unzutreffende Rückgriff auf Häsemeyer
149
aa) Der Ansatz Häsemeyers
149
bb) Einwand I
149
cc) Einwand II
150
dd) Ergebnis
151
4. Zwischenergebnis
151
a) Der Grundbuchschutz ist kein Zweck des § 925 I BGB
151
b) Die Relevanz des Grundbuchschutzes für die Auslegung des § 925 I BGB
152
VI. Ergebnis
C. Die Beurkundung als die geeignetste Form zur Verwirklichung des Normzwecks ... I. Die Verwirklichung des Normzwecks durch die Beurkundungsform
153
154 154
1. Warnfunktion / Schutz vor Übereilung
155
2. Klarstellungsfunktion / Gewährschaftsfunktion
156
3. Beweisfunktion
156
4. Übereinstimmung der Auflassung mit dem Grundbuchinhalt
156
5. Schutz vor rechtsvereitelnden Verfügungen des Veräußerers
157
6. Ermöglichung der sicheren Erfüllung Zug um Zug
158
7. Teilergebnis
160
II. Nachteilige Auswirkungen des Beurkundungsverzichts
160
1. Die verkürzte Verwirklichung des Normzwecks
161
a) Beweisfunktion
162
b) Warnfunktion
162
c) Ergebnis
163
Inhaltsverzeichnis 2. Die Nachweissituation bei einer nur materiell wirksam erklärten Auflassung ohne wirksame Beurkundung 163 a) Das Erfordernis der erneuten Auflassungserklärung
163
b) Pflicht zur erneuten Auflassungserklärung?
165
aa) Erfüllungswirkung der unbeurkundeten Auflassung
165
bb) Stellungnahme
166
c) Der Widerspruch zum Klarheitsgebot von Formzwängen
168
3. Keine Auflösung der Nachteile durch die einheitliche Betrachtung von materiellem und formellem Recht 168 4. Zusammenfassung
169
Verkehrsinteresse und Rechtssicherheit als Auslegungsgesichtspunkte
170
1. Die mit einem materiellen Beurkundungszwang verbundene Gefahr für die Richtigkeit des Grundbuchs 170 a) Sicherheit der Beurkundung durch das notarielle Verfahren
171
b) Sicherung des Grundbuchs durch die Kontrolle des Grundbuchamts
173
c) Differenzierung der falschen Eintragungen
174
d) Ergebnis
175
2. Die Bedeutung des Grundbuchschutzes
175
a) Kein absoluter Grundbuchschutz
176
aa) Allgemeine Ursachen für falsche Grundbucheintragungen
176
bb) Der materielle Formzwang des § 925 BGB als Ursache falscher Grundbucheintragungen
178
b) Ergebnis
179
3. Die Gefahr für den Rechtsfrieden infolge des Beurkundungszwangs
180
a) Die Möglichkeit der Ausbeutung eines Beurkundungsfehlers
180
b) Die Parallele zu anderen Formerfordernissen
180
c) Schutzwürdige Parteiinteressen hinter Beurkundungsmängeln
181
d) Reaktionsmöglichkeiten der Rechtsordnung für den Fall des Rechtsmißbrauchs 182 aa) Nichtbeachtlichkeit des Formmangels?
182
bb) Haftung der Urkundsperson
183
20
Inhaltsverzeichnis 4. Die Entscheidung der Auslegungsfrage a) Die Abwägung des RG
183 184
aa) Die Abwägungspositionen
184
bb) Kritik an der Abwägung des RG
184
(1) Die empirische Grundlage
184
(2) Auswahl des Abwägungsgesichtspunkts
185
(3) Das an der Häufigkeit orientierte Abwägungsergebnis
185
(4) Ergebnis
186
b) Die Rezeption der reichsgerichtlichen Abwägung
187
aa) Rechtsprechung des BGH
187
bb) Die Rezeption durch Fuchs-Wissemann
187
c) Die Entscheidung des BGH
188
aa) Der Prüfungsgesichtspunkt der Rechtssicherheit
188
bb) Der Prüfungsumfang
189
cc) Die zum Schutz der Rechtssicherheit angeführten Argumente
189
(1) Gleichzeitige Anwesenheit
189
(2) § 29 GBO
190
(3) Notardienstrecht
190
(4) Das Beurkundungsrecht als Quelle neuer Rechtsunsicherheit...
191
dd) Ergebnis d) Eigener Ansatz einer Entscheidung
191 191
aa) Die nachteiligen Folgen eines materiellen Beurkundungszwangs ...
191
bb) Die Vorteile des Beurkundungserfordernisses
192
cc) Systematisierung von Vor- und Nachteilen der Beurkundungsform . 192 (1) Generelle Vorteile - singuläre Nachteile
192
(2) Der Einzelfallcharakter der Grundsatzentscheidungen von RG und BGH
193
dd) Entscheidung IV. Ergebnis der teleologisch-systematischen Auslegung
195 199
Inhaltsverzeichnis D. Systematische Auslegungsargumente
199
I. Systematische Argumente für die Beurkundungsform
200
1. Der systematische Zusammenhang von § 925 I BGB und § 873 II BGB .... 200 a) Die aktuelle Streitfrage
200
b) Die Bestätigung in der Entstehungsgeschichte des § 873 BGB
200
2. Verfahren und Kostenrecht
203
3. System der Formen des BGB
204
4. Beseitigung des Widerspruchs zu § 925 I S. 3 BGB
204
II. Die Widerlegung der Gegenargumente
205
1. Das Verhältnis zu den §§ 20, 29 GBO
205
2. Die Differenzierung in § 20 BNotO
205
3. § 925 I S. 3 BGB
206
4. Die amtliche Begründung zum BeurkG
208
5. Die Auflassung als Abschluß eines Vertrags vor Gericht oder Notar E. Ergebnis
209 210
Teil 4 Rechtliche und praktische Auswirkungen des materiellen Beurkundungszwangs bei der notariellen Auflassung 211 A. Die Erklärung der Auflassung I. Normalfall II. Unter Einschaltung eines Dritten 1. Die Formbedürftigkeit von Vollmachtserteilung und Zustimmung
211 211 213 213
a) Vollmachtserteilung
213
b) Zustimmung
214
2. Bezug zu § 925 I BGB a) Der Inhalt des Formgebots
214 215
22
Inhaltsverzeichnis b) Stellungnahme
215
c) BGH NJW-RR 1989, 1099
217
3. Unbeachtlichkeit des Grundbuchschutzes?
218
B. Der Eintritt der Bindung an die Auflassung
219
C. Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung der Beurkundungsform
219
I. Bei durchsetzbarem Anspruch aus dem Grundgeschäft
220
1. Aufdeckung des Formmangels vor Eintragung im Grundbuch
220
2. Aufdeckung des Formmangels nach Eintragung im Grundbuch
220
II. Bei Fehlen eines formwirksam geschlossenen Grundgeschäfts
221
1. Ausgangslage
221
2. Aufrechterhaltung des Grundgeschäfts
221
3. Aufrechterhaltung der Auflassung
223
a) Ablehnung durch das Schrifttum
223
b) Die Rechtsprechung
225
c) Stellungnahme
226
aa) Interessen Dritter
226
bb) Kein fehlendes Bedürfnis
227
d) Ergebnis
229
III. Haftung der Urkundsperson bei bleibender Unwirksamkeit
230
Teil5 Zusammenfassung 231
Literaturverzeichnis
235
Sachwortregister
245
Einleitung In § 925 I S. 1 BGB definiert das Gesetz die Auflassung als die zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück nach § 873 BGB erforderliche Einigung des Veräußerers und des Erwerbers und ordnet an, daß sie bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile vor einer zuständigen Stelle erklärt werden muß. Nach § 925 I S. 2 BGB ist zur Entgegennahme der Auflassung jeder Notar zuständig. Die allgemein als Formvorschrift verstandene Norm des § 925 I BGB ist in ihrer heutigen Fassung das Ergebnis einer wechselvollen Entstehungsgeschichte und zahlreicher Gesetzesänderungen. Seit Inkrafttreten des BGB gibt sie Anlaß zu Auseinandersetzungen sowohl unter dem Blickwinkel des materiellen als auch des formellen Rechts. Schon in den ersten Jahren nach Inkrafttreten des BGB am 1. Januar 1900 war lebhaft umstritten, ob die nach der damaligen Fassung des § 925 I BGB vor dem Grundbuchamt zu erklärende Auflassung zu ihrer materiellen Wirksamkeit „notwendig beurkundungsbedürftig" sei. Das RG vertrat im Jahre 1903 den Standpunkt, daß die Erklärung der zur Eigentumsübertragung an einem Grundstück erforderlichen dinglichen Einigung zugleich eine „gehörige Protokollierung" erfordere. Werde in dieser Hinsicht gefehlt, so das RG, ermangele die abgegebene Erklärung der Kraft, als Grundlage für die Eintragung des Eigentumsüberganges zu dienen.1 Während im Schrifttum die Frage auch nach dieser höchstrichterlichen Entscheidung umstritten blieb, stellte sich das KG im Jahr 1918 mit einer umfangreichen Begründung auf die Seite des RG. 2 Dieses sprach sich im Jahre 1920 dann jedoch unter ausdrücklicher Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung gegen die Beurkundungsbedürftigkeit der Auflassung aus3 und hielt fortan an dieser Auffassung fest. 4 Im Jahre 1956 mußte der BGH zur Frage der Beurkundungsbedürftigkeit der Auflassung Stellung nehmen.5 Er folgte der jüngeren Rechtsprechung des RG, welcher sich inzwischen auch das Schrifttum überwiegend angeschlossen hatte, und formulierte den prägnanten Leitsatz, daß die Auflassung zu ihrer Wirksamkeit keiner Beurkundung bedürfe. Huhn6 stellte zur Rezeption dieses höchst1 RG ZB1FG 3, 789 (799). Der Abdruck der Entscheidung in RGZ 54, 195 (196) enthält eine Zusammenfassung der entsprechenden Passage mit dem Wortlaut: „Es folgt zunächst eine Darlegung, daß die Meinung des Beschwerdeführers, auch bei Annahme eines Verstoßes gegen §§ 176,177 FGG müßten die Auflassungen als gültig angesehen werden, irrig sei..." 2 KGJ51, 142. 3 RGZ 99,65. 4 RGZ 132,406(408). 5 BGHZ 22, 312. 6 Huhn, Rpfleger 1977, 199.
24
Einleitung
richterlichen Leitsatzes im Jahre 1977 fest, daß er gelegentlich so weitergegeben werde, als ob er im Gesetz stünde, und in der Tat scheint er auch heute noch für die einheitliche Meinung von Literatur und Rechtsprechung zu stehen. Vor dem Hintergrund der früheren Auseinandersetzung ist es fast verwunderlich, mit welcher Einigkeit Literatur und Rechtsprechung sich heute gegen die Beurkundung als materielles Formerfordernis der Auflassung aussprechen. Dies gilt um so mehr, als bei der Beschreibung des Regelungszwecks des § 925 I BGB nach allgemeiner Ansicht die Schaffung einwandfreier und klarer Unterlagen für die Grundbucheintragung ganz im Vordergrund stehen soll, um auf diese Weise ein Auseinanderfallen von Buchlage und tatsächlicher Rechtslage zu verhindern und so die Institution des Grundbuchs vor Falscheintragungen zu schützen. Bei einem Verzicht auf das Beurkundungserfordernis führt die in § 925 I S . 1,2 BGB vorgeschriebene Form jedoch gerade nicht - jedenfalls nicht unmittelbar - zu einer urkundlichen Verkörperung der Auflassung. Hierin scheint sich ein Widerspruch zum vermeintlichen Hauptzweck des § 925 I BGB zu offenbaren. Die herrschende Meinung überspielt dies, indem sie aus der Zusammenschau von materiellem Grundstücksrecht und formellem Grundbuchverfahrensrecht einen faktischen Beurkundungszwang konstruiert, der in seinen praktischen Auswirkungen einem materiellen Beurkundungserfordernis gleichkommen soll. Diese Zusammenschau bringt die Gefahr der Vermischung von materiellem und formellem Grundstücksrecht mit sich, die zwei getrennte Rechtsgebiete mit unterschiedlichen Aufgaben und Zielsetzungen bilden. Wie zu zeigen sein wird, spricht einiges dafür, daß der materielle Formzwang des § 925 I BGB dadurch eine Ausrichtung an der Zielsetzung des Grundbuchverfahrensrechts erfahren hat und seine ursprüngliche Funktion dadurch in Vergessenheit zu geraten droht. Die Arbeit soll klären, welche Regelungszwecke das Gesetz mit § 925 I BGB verfolgt und ob auf die Beurkundung als Bestandteil der materiellen Auflassungsform verzichtet werden kann, ohne die Erfüllung dieser Zwecke zu gefährden. Insoweit versteht sich die Arbeit als Beitrag zum geltenden Recht, wobei ihr aktuelle Bedeutung durch die Rechtsprechung des BGH zur Formbedürftigkeit der Einwilligung des Eigentümers in die Auflassung durch Dritte zukommt.7 Darüber hinaus liefert der Untersuchungsgegenstand Anknüpfungspunkte zu Fragen von allgemeiner Bedeutung. Neben der Unterscheidung von materiellem Grundstücksrecht und formellem Grundstücksverfahrensrecht in zwei Rechtsgebiete mit eigenen Regelungszwecken gilt dies etwa für den Stellenwert des Grundbuchschutzes als Auslegungsgesichtspunkt, den Eintritt der Bindung an die Auflassung und die Durchbrechung des § 125 S. 1 BGB mit Blick auf Auflassungen, die nicht der Form des § 925 I BGB genügen. Ferner steht die Auflassungsform als Formvorschrift in besonderem Maße im Spannungsfeld zwischen generalisierender Bildung fester Tatbestände und der gerechten Entscheidung des Einzelfalls. An der Frage des Beurkundungszwangs der Auflassung wird erkennbar, wie das Bedürfnis nach der ge7 BGH NJW 1998, 1482.
Einleitung
rechten Entscheidung des Einzelfalls zu einer Modifizierung des Tatbestands sowohl mit Blick auf seinen Inhalt als auch hinsichtlich seines Zwecks führen kann und dies die Gefahr eines Funktionsverlustes mit sich bringt. Insoweit versucht die Arbeit der Systembildung und -Währung zu dienen. Im ersten Teil der Arbeit soll dazu eine Einführung in den Untersuchungsgegenstand gegeben werden. Neben der Entstehungsgeschichte des § 925 I BGB wird das gegenwärtige Meinungsbild zur Frage der Beurkundungsbedürftigkeit der Auflassung und seine Entwicklung seit Inkrafttreten des BGB aufgezeigt. Im zweiten Teil der Arbeit werden Einwände gegen die herrschende Meinung formuliert, die eine erneute Untersuchung der Beurkundungsbedürftigkeit der Auflassung trotz des einheitlichen Meinungsbilds in Literatur und Rechtsprechung rechtfertigen. Ferner sollen in diesem Abschnitt aus den Einwänden, die gegen die herrschende Meinung zu formulieren sind, Grundlagen für die Auslegung des § 925 I BGB herausgearbeitet werden. Im dritten Teil der Arbeit erfolgt die eigentliche Auslegung des § 925 I BGB, wobei zu zeigen sein wird, daß die Beurkundung entgegen der heute herrschenden Meinung als die durch § 925 I BGB vorgeschriebene materielle Form der notariell erklärten Auflassung anzusehen ist. Im vierten Teil werden die praktischen Auswirkungen dieses Ergebnisses insbesondere für den Fall einer unwirksamen Beurkundung aufgezeigt. Das Gesamtergebnis bildet den fünften Teil der Arbeit.
Teil 1
Einführung in den Untersuchungsgegenstand A. Begriff, gesetzliche Regelung und Wesen der Auflassung I. Der Begriff der Auflassung M i t „Auflassung" bezeichnet das Gesetz in § 925 I S. 1 B G B die zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück nach § 873 BGB erforderliche Einigung des Veräußerers und des Erwerbers. 1 I m BGB ist die Eigentumsübertragung an einem Grundstück neben der Belastung eines Grundstücks, der Übertragung eines Rechts an einem Grundstück und der Belastung eines Rechts an einem Grundstück in § 873 I BGB allgemein geregelt. A l l diese Rechtsänderungen setzen voraus, daß sich der Berechtigte und der andere Teil über den Eintritt der Rechtsänderung einigen und daß die Rechtsänderung in das Grundbuch eingetragen wird. Einigung und Eintragung stehen als wesensverschiedene, gleichwertige und selbständige Elemente des Doppeltatbestandes des § 873 I BGB nebeneinander, wobei die Eini1 Zum Ursprung des Begriffs der Auflassung und zur historischen Entwicklung vgl. von Kehler, Einigung und Auflassung, S. 1 ff.; Weirich, DNotZ 1982, 669 (670 f.); Wettwer, Die Auflassung nach Bürgerlichem Recht unter Berücksichtigung ihrer geschichtlichen Entwicklung, S. 2 ff. und insbesondere Erler/Kaufmann, Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. I, S. 251 ff. - In der Zeit der Volksrechte manifestierte sich in der Auflassung der Wille des Veräußerers, das Grundstück zu räumen. Die Auflassung bildete zusammen mit dem Apprehensionsakt des Übernehmers die investitura als den Vollzug der Veräußerung. Zusammen mit der sala, der Einigung über den Eigentumsübergang, bildete die investitura den rechtsgeschäftlichen Übereignungstatbestand eines Grundstücks. Die Auflassung geschah durch rechtsförmlichen Akt (feierliches Verlassen, Löschen des Herdfeuers, Zaunsprung) und mußte ursprünglich auf dem Grundstück vollzogen werden (investitura realis). Später konnte der Besitzverzicht auch außerhalb des Grundstücks im gerichtlichen Prozeß in feierlicher Form erklärt werden, etwa mit gekrümmten Fingern oder durch Zuwurf eines Stabes oder Halmes (symbolische Investitur). Bei der symbolischen Investitur gewann der feierliche Besitzverzicht auf Kosten der anderen Elemente der Eigentumsübertragung mehr an Bedeutung und spätestens ab dem 13. Jahrhundert gab er dem ganzen Geschäft den Namen. Im Mittelalter wurde das prozessuale Verfahren durch ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ersetzt, so daß es zur Eigentumsübertragung keines (Schein-)Prozesses mehr bedurfte. Während der Rezeption entstanden aus römischen und deutschen Grundlagen neben der Auflassung weitere Übertragungsformen, bis im 19. Jahrhundert die gerichtliche Auflassung und der Grundbucheintrag wieder an Bedeutung gewannen. In § 925 BGB entspricht die Auflassung der früheren sala, die frühere Auflassung ist hingegen durch die Eintragung in das Grundbuch ersetzt.
Α. Begriff, gesetzliche Regelung und Wesen der Auflassung
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gung ein Willenselement und die Grundbucheintragung ein Kundbarmachungselement darstellen.2 Erst Einigung und Eintragung zusammen bewirken die dingliche Rechtsänderung und bilden somit einen gestreckten Erwerbstatbestand. 3 Die Eintragung in das Grundbuch ist dabei ein gerichtlicher Hoheitsakt, der nach den Vorschriften des Grundbuchrechts in einem rechtsstaatlich geordneten Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zustande kommt.4 Für die auf die Eigentumsübertragung gerichtete Einigung enthält das Gesetz mit § 925 BGB eine den § 873 BGB erweiternde Sondernorm, die zum einen eine Ausnahme von der Formlosigkeit der Einigung in § 873 BGB macht (§ 925 I BGB) und ferner den Grundsatz durchbricht, daß eine Einigung auch unter einer Bedingung oder Zeitbestimmung erklärt werden kann (§ 925 II BGB). Zu unterscheiden ist die Eigentumsübertragung nach den §§ 873 I, 925 BGB von dem ihr zugrunde liegenden schuldrechtlichen Grundgeschäft, da nach dem vom BGB befolgten Trennungsprinzip die dingliche Einigung nicht schon im verpflichtenden Schuldvertrag enthalten ist.5 Für diesen ordnet § 313 S. 1 BGB an, daß ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, der notariellen Beurkundung bedarf. Nach dem auf dem Trennungsprinzip aufbauenden Abstraktionsprinzip ist das Grundgeschäft keine materielle Wirksamkeitsvoraussetzung der Eigentumsübertragung, so daß sie unabhängig vom Bestehen und der Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts wirksam ist. 6
II. Die gesetzliche Regelung der Auflassung im BGB Die heutige Fassung des § 925 BGB ist das Ergebnis einer „bunten und wechselvollen" 7 Entstehungsgeschichte und mehrfacher Änderungen seit Inkrafttreten des BGB. Neben der Frage, ob es sich bei der Auflassung um einen Vertrag handelt,8 war Gegenstand der Auseinandersetzung vor allem die Frage, wer die Zuständigkeit zur Entgegennahme der Auflassung erhalten sollte.
2 Erman/Hagen/Lorenz, BGB, § 873 Rn. 1; MünchKomm / Wacke, BGB, § 873 Rn. 1; Staudinger/Gursky, BGB, § 873 Rn. 7; Streuer, Rpfleger 1988, 513; Weirich, GrundstücksR, Rn. 52. 3 Jauernig, BGB, § 873 Rn. 13. 4 Staudinger/Gursky, BGB, Vorbem. §§ 873 ff. Rn. 25 f.; Erti , Rpfleger 1980, 41. 5 MünchKomm/ Wacke, BGB, § 873 Rn. 20. 6
MünchKomm / Wacke, BGB, § 873 Rn. 20. - Zum Abstraktionsprinzip und seiner Unterscheidung vom Trennungsprinzip vgl. Jauernig, BGB, vor § 854 Rn. 17, sowie ders., JuS 1994, 721 ff. 7 Hesse, DR 1940, 1032. s Dazu gleich Teil 1 A H I 1.
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Teil 1 : Einführung in den Untersuchungsgegenstand 1. Die Entstehung der gesetzlichen Regelung a) Der erste Entwurf (E I)
Der erste Entwurf (E I) eines bürgerlichen Gesetzbuches von 1888 9 bestimmte in § 868 E I, daß der zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück nach dem § 828 E I 1 0 erforderliche Vertrag - die so definierte Auflassung 11 - vor dem Grundbuchamt geschlossen werden müsse. Man folgte dabei dem Vorbild des § 2 des preußischen Gesetzes über den Eigenthumserwerb und die dingliche Belastung der Grundstücke, Bergwerke und selbständigen Gerechtigkeiten vom 5. M a i 1872. 1 2 Ausführlich wurde begründet, warum man neben der grundbuchamtlichen die gerichtliche sowie die notarielle Auflassung nicht zuließ. 1 3 Als ein „Hauptbedenken" gegen die gerichtliche und notarielle Auflassung wurde auf die „abstrakte Natur" der Auflassung verwiesen. 1 4 Der Gesetzgeber habe allen Grund, den Abschluß dieses Vertrags „nicht vor einem beliebigen Notar oder einem beliebigen Gericht zu gestatten, sondern vor diejenige Behörde zu verweisen, welche den Wechsel in der Person des Eigenthümers durch die ihr obliegende sofortige Eintragung in das Grundbuch vollendet". 1 5 Man erkannte dabei, daß durch dieses Formerfordernis der Verkehr mit Grundstücken in einem gewissen Grade erschwert 9 Erschienen mit den Motiven. - Zur Entstehung des Teilentwurfs zum Sachenrecht vgl. Schubert, Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, S. 25-30. - Die Ausarbeitung des Sachenrechts war von der vom Bundesrat 1874 gewählten ersten Kommission dem Obertribunalsrat und späteren Kammergerichtsrat Johow (1823 — 1904) aus Berlin übertragen worden und dauerte 6 Jahre. Ihm stand neben dem mecklenburgischen Kanzleirat Martini (von Februar 1875 bis Oktober 1877) und dem braunschweigischen Oberlandesgerichts- und späterem Reichsgerichtsrat von Liebe (ab Juli 1877) schon ab Oktober 1874 der Oberlandesgerichts- und spätere Reichsgerichtsrat Alexander Achilles (1833-1900) als Hilfsarbeiter zur Verfügung. Letzterer war hauptsächlich an der Abfassung des Immobiliarrechts beteiligt. - Zur Entstehung des BGB vgl. jüngst Diederichsen, Europäische Jahrhundertwende, S. 161 ff.
10 § 828 E I entsprach dem heutigen § 873 I BGB und hatte folgenden Wortlaut: „Zur Uebertragung des Eigentums, sowie zur Begründung, Uebertragung oder Belastung eines anderen Rechtes an einem Grundstücke durch Rechtsgeschäft ist ein zwischen dem eingetragenen Berechtigten und dem Erwerber zu schließender Vertrag und Eintragung in das Grundbuch erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein Anderes bestimmt." 11 Die Bezeichnung wurde nach dem Vorbild der preußischen Regelung vom 5. Mai 1872 mit der Begründung übernommen, daß sie geschichtlich und sprachlich berechtigt und der Wissenschaft des deutschen Rechts immer geläufig gewesen sei (Motive, III, S. 312). 12 Nach § 2 des Gesetzes erfolgte „die Auflassung eines Grundstücks durch die mündlich und gleichzeitig vor dem zuständigen Grundbuchamt abzugebenden Erklärungen des eingetragenen Eigenthümers, daß er die Eintragung des neuen Erwerbers bewillige, und des Letzteren, daß er diese Eintragung beantrage." Abdruck des Gesetzes in der Preuß. Gesetz-Sammlung 1872, S. 433 ff.; ferner bei Achilles, Die Preußischen Gesetze über Grundeigenthum und Hypothekenrecht vom 5. Mai 1872, S. 31 ff. >3 Motive, III, S. 315 f. 14 Motive, III, S. 315. 15 Motive, III, S. 315 f.
Α. Begriff, gesetzliche Regelung und Wesen der Auflassung
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bzw. verteuert werde, verwies jedoch darauf, daß man diese Unzuträglichkeit schon im preußischen Landtag nicht so gewichtig gefunden habe, daß sie nicht von den Vorteilen, welche mit dem gleichzeitigen Erscheinen der Beteiligten vor dem Grundbuchamt verbunden sind, reichlich aufgewogen würde. 16 Angesichts der Bedeutung der Form der Auflassung in § 868 E I hielt man es für ausgeschlossen, der Landesgesetzgebung die Ersetzung der Form durch eine andere, dem bisherigen Recht in gewissen Gebieten entsprechende Form zuzugestehen.17 Ein solches Zugeständnis war nach damaliger Vorstellung mit der Herstellung eines einheitlichen bürgerlichen Rechts für das ganze Reich unvereinbar.
b) Der zweite Entwurf ( E II) Der bis 1895 veröffentlichte zweite Entwurf (E I I ) 1 8 unterschied sich vom ersten darin, daß die Auflassung nach § 838 I E II „vor dem Grundbuchamte, vor Gericht oder vor einem Notar 4' zu erklären sei. Von der Mehrheit wurde zwar eingeräumt, daß die vor dem Grundbuchamt zu erklärende Auflassung in bezug auf die Sicherheit der Beteiligten und des Immobiliarverkehrs „die hervorgehobenen Vorzüge überhaupt habe", es den Interessen der Beteiligten jedoch genüge, wenn das Gesetz ihnen diese sie ganz sichernde Form der Auflassung zur Verfügung stelle.19 Als entscheidendes Argument für die Zulassung der gerichtlichen und der notariellen Auflassung wurde vorgebracht, daß mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Gewohnheiten derjenigen großen Gebiete des Reiches, in welchen eine weitgehende Bodenzersplitterung und ein lebhafter Verkehr in Grundstücken bestehe, der Zwang der grundbuchamtlichen Auflassung neben der Formalisierung des obligatorischen Veräußerungsgeschäfts eine unerträgliche Erschwerung des Verkehrs und eine unerträgliche Kostenbelastung schaffen würde. 20 c) Die Reichstagsvorlage (EIII) Während in dem dem Bundesrat im Jahre 1895 übergebenen zweiten revidierten Entwurf (E II rev), der sogenannten Bundesratsvorlage, die Zuständigkeit in § 910 I E II rev unverändert geblieben war, 21 wurde die Vorschrift über die Auflassung vom Bundesrat für die Reichstagsvorlage (E III) abermals geändert, indem als zuständige Stelle doch wieder nur das Grundbuchamt aufgenommen wurde 16 Motive III, S. 314 f. •7 Motive, III, S. 316. 18
Erschienen mit den sich auf den zweiten und den zweiten revidierten Entwurf beziehenden Protokollen. 19 Protokolle, III, S. 174 f. 20 Protokolle, III, S. 175. 21 § 838 I E II wurde in § 9101 E II rev jedoch dahin gehend erweitert, daß die Auflassung bei „gleichzeitiger Anwesenheit beider Theile" erklärt werden muß.
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Teil 1 : Einführung in den Untersuchungsgegenstand
(§ 909 I E III). Man hielt gerade diese Form für besonders geeignet, den Interessen der an der Eigentumsübertragung beteiligten Parteien zu entsprechen.22 Parallel dazu erhielt jedoch Art. 143 I des Entwurfs zum Einführungsgesetz zum BGB einen Vorbehalt, wonach die landesrechtlichen Vorschriften unberührt bleiben sollten, wonach die Einigung im Falle des § 909 E III außer vor dem Grundbuchamt auch vor Gericht, vor einem Notar, vor einer Behörde oder vor einem anderen Beamten erklärt werden könne. Man wollte auf diese Weise den Interessen der Gebiete entsprechen, in denen eine weitgehende Zersplitterung des Grundbesitzes und demzufolge ein lebhafter Verkehr in Liegenschaften bestehe.23
d) Die Diskussion in der Reichstagskommission In der Beratung der vom Reichstag eingesetzten Kommission war die Vorschrift über die Auflassung abermals Gegenstand der Auseinandersetzung. Zu § 909 E III wurde beantragt, die auf das Grundbuchamt beschränkte Zuständigkeit zur Entgegennahme der Auflassung nach dem Vorbild des zweiten Entwurfs auf Grundbuchamt, Gericht und Notare zu erweitern und den geplanten Art. 143 EG zu streichen bzw. an die beantragte Änderung des § 909 E III anzupassen.24 Die Vertreter des Änderungsantrags argumentierten, daß, wenn man über Art. 143 I EG die nach landesrechtlichen Bestimmungen bestehenden Zuständigkeiten von Gerichten und Notaren „konservieren" wolle, es richtiger sei, noch einen Schritt weiter zu gehen und im BGB selbst das Prinzip anzuerkennen, daß die Auflassung auch vor Gericht oder einem Notar geschehen könne.25 Die Regierung verteidigte jedoch umfassend den Entwurf und argumentierte damit, daß in technischer Beziehung die Auflassung vor dem Grundbuchamte „die vollkommenste" sei. 26 In der vom Reichstag am 1. Juli 1896 beschlossenen Fassung veränderte sich somit lediglich die Zählung der Vorschriften dahin gehend, daß die Regelung der Auflassung in § 925 BGB in Kraft trat. 2. Die Gesetzesänderungen seit Inkrafttreten des BGB
Seit Inkrafttreten des BGB ist die Regelung der Auflassung mehrfach geändert worden. Die Änderungen bezogen sich auch dabei in erster Linie auf die zur Entgegennahme der Auflassung zuständigen Stellen. In der am 1. Januar 1900 in Kraft getretenen Erstfassung des BGB konnte die Auflassung - wie gesehen - nur vor dem Grundbuchamt erklärt werden. Darüber hinaus räumte Art. 143 I EGBGB dem Landesgesetzgeber den Vorbehalt ein, neben den Grundbuchämtern auch die 22 23 24 25 26
Denkschrift, S. 131. Denkschrift, S. 131. Mugdan, Materialien, III, S. 998. Mugdan, Materialien, III, S. 998. Mugdan, Materialien, III, S. 999.
Α. Begriff, gesetzliche Regelung und Wesen der Auflassung
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Gerichte, Notare sowie andere Behörden oder Beamten zur Entgegennahme der Auflassung zu bestimmen. Im Jahr 1953 wurde der Gesetzestext des BGB durch das Gesetz zur Wiederherstellung der Gesetzeseinheit auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts dahin gehend geändert, daß unbeschadet der Zuständigkeit weiterer Stellen, das Grundbuchamt, jedes Amtsgericht und jeder Notar die Einigungserklärung entgegennehmen konnte.27 In § 925 I S. 2 BGB wurde die Möglichkeit der Auflassungserklärung in einem gerichtlichen Vergleich in das BGB aufgenommen. Außerdem wurde § 925 a BGB in das Gesetz eingefügt, wonach die Erklärung der Auflassung nur entgegengenommen werden soll, wenn die nach § 313 S. 1 BGB erforderliche Urkunde über den Vertrag vorgelegt oder gleichzeitig errichtet wird. Damit wurde der Rechtszustand in das BGB übernommen, der durch zwei Verordnungen der Reichsminister der Justiz in den Jahren 1934 und 1940 geschaffen worden war. 28 Im Jahre 1969 wurde die allgemeine Zuständigkeit der Gerichte und der Grundbuchämter durch das neu geschaffene Beurkundungsgesetz (BeurkG) beseitigt,29 so daß heute unbeschadet der Zuständigkeit weiterer Stellen, die Auflassung vor dem Notar zu erklären ist. Da auch Art. 143 I EGBGB durch das BeurkG abgeschafft worden ist, 30 beschränkt sich die Zuständigkeit weiterer Stellen heute im wesentlichen auf die Konsularbeamten der Bundesrepublik Deutschland bei Auflassungen im Ausland (§ 12 Nr. 1 KonsularG); 31 insbesondere sind Gerichte nur noch zur Entgegennahme der Auflassung im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs zuständig.32 Am 1. Januar 1999 trat eine durch das Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung geschaffene Erweiterung des § 925 I S. 3 BGB in Kraft, wonach eine Auflassung auch in einem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan erklärt werden kann. 33 In seiner aktuellen Fassung lautet § 925 BGB somit: 27 Vgl. Art. 3 Ziff. 1 des Gesetzes zur Wiederherstellung der Gesetzeseinheit auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts vom 5. März 1953, BGBl. I, 33 f. 28 Verordnung über Auflassungen, landesrechtliche Gebühren und Mündelsicherheit vom 11. Mai 1934, RGBl. I, 378; Zweite Verordnung über Auflassungen, vom 9. Januar 1940, RGBl. I, 46. Beide Verordnungen sind auf Grund der in Art. 5 des Ersten Gesetzes zur Uberleitung der Rechtspflege auf das Reich vom 16. Februar 1934, RGBl. I, 91, enthaltenen Verordnungsermächtigung ergangen. Das Gesetz vom 16. Februar 1934 wurde von der Reichsregierung beschlossen, die dazu durch Art. 1 des Gesetzes zur Behebung der Not von Volk und Reich vom 24. März 1933, RGBl. I, 141, ermächtigt worden war („Ermächtigungsgesetz"). 29 § 57 III Nr. 3 BeurkG vom 28. August 1969, BGBl. I, 1513 (1522). 30 § 57 IV Nr. 3 a BeurkG vom 28. August 1969, BGBl. I, 1513 (1523).
31 KonsularG vom 11. September 1974, BGBl. I, 2317. 32 Nur regionale Bedeutung kommt der Zuständigkeit des Ratsschreibers in Baden-Württemberg für die Entgegennahme von Auflassungen in Erfüllung eines von ihm beurkundeten Vertrags (§ 32 III S. 2 LFGG) zu. Zur Berücksichtigung dieser regionalen Besonderheiten vgl. § 61 IV BeurkG. - Zusammenfassend wird daher für die Erklärung der Auflassung nach § 925 IS. 1,2 BGB im folgenden von der notariell erklärten oder der notariellen Auflassung gesprochen.
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Teil 1 : Einführung in den Untersuchungsgegenstand § 925 BGB I
Die zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück nach § 873 erforderliche Einigung des Veräußerers und des Erwerbers (Auflassung) muß bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile vor einer zuständigen Stelle erklärt werden. Zur Entgegennahme der Auflassung ist, unbeschadet der Zuständigkeit weiterer Stellen, jeder Notar zuständig. Eine Auflassung kann auch in einem gerichtlichen Vergleich oder in einem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan erklärt werden. II
Eine Auflassung, die unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung erfolgt, ist unwirksam.
In § 925 I S. 1 BGB wird auf § 873 BGB Bezug genommen, der in seiner geltenden Fassung folgenden Wortlaut hat: § 873 BGB I
Zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstücke, zur Belastung eines Grundstücks mit einem Rechte sowie zur Übertragung oder Belastung eines solchen Rechtes ist die Einigung des Berechtigten und des anderen Teiles über den Eintritt der Rechtsänderung und die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt. II Vor der Eintragung sind die Beteiligten an die Einigung nur gebunden, wenn die Erklärungen notariell beurkundet oder vor dem Grundbuchamt abgegeben oder bei diesem eingereicht sind oder wenn der Berechtigte dem anderen Teile eine den Vorschriften der Grundbuchordnung entsprechende Eintragungsbewilligung ausgehändigt hat.
I I I . Die Rechtsnatur der Auflassung und die Anwendbarkeit der Vorschriften über die rechtsgeschäftlichen Formen des BGB Die Frage nach der Rechtsnatur der Auflassung ist in erster Linie die Frage nach dem Wesen der in § 873 BGB normierten und in § 925 I BGB wiederholten dinglichen Einigung. 34 Sie stellt sich mit Blick auf die Untersuchung der Form der Auf33 Art. 33 Nr. 26 EGInsO vom 5. Oktober 1994, BGBl. I, 2911 (2925). 34 Die Frage nach dem Wesen der Auflassung beschränkt sich hier somit auf ihre materiellrechtliche Funktion als Einigung über die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück und als Tatbestandsmerkmal des zur Grundstücksübereignung notwendigen Doppeltatbestands. Zwar kommt der Auflassung auch im Rahmen des Verfahrensrechts eine (formelle) Bedeutung zu, da sie nach § 20 GBO dem Grundbuchamt als Eintragungsvoraussetzung nachzuweisen ist. Dies bedeutet jedoch nicht, daß es sich bei der Auflassung auch um eine Grundbucherklärung mit der Bedeutung einer formellen EintragungsVoraussetzung handeln würde, die als gemischtrechtlicher Doppeltatbestand zwischen materiellem und formellem Recht einzuordnen wäre, vgl. dazu Kuntze/ Erti /Herrmann/Eickmann (Munzig), GrundbuchR, Einl. Rn. A 26 ff., 43 ff.). - Richtigerweise ist die Auflassung ausschließlich dem
Α. Begriff, gesetzliche Regelung und Wesen der Auflassung
33
lassung insoweit, als festzustellen ist, ob die Vorschriften über die rechtsgeschäftlichen Formen des BGB auf die Auflassung anwendbar sind.
1. Der Streit über die Rechtsnatur der Auflassung
a) Die Beratungen zum BGB In der ersten Kommission zur Beratung eines bürgerlichen Gesetzbuchs herrschte die Auffassung vor, daß in der Einigung im Sachenrecht ein Vertrag zu sehen sei. 35 Dies kam in der Fassung des ersten Entwurfs darin zum Ausdruck, daß in der allgemeinen Vorschrift zu den sachenrechtlichen Geschäften, deren Gegenstand ein Grundstück oder ein Recht an einem solchen ist (§ 828 E I), von dem „zwischen dem eingetragenen Berechtigten und Erwerber zu schließenden Vertrag" die Rede war. 36 Entsprechend hieß es in der speziellen Vorschrift über die Einigung hinsichtlich der Eigentumsübertragung (§ 868 E I), daß der „zur Uebertragung des Eigenthums an einem Grundstück nach § 828 erforderliche Vertrag (Auflassung)" vor dem Grundbuchamte geschlossen werden müsse. In der zweiten Kommission wurde der Vertragstheorie energisch widersprochen. Insbesondere wurde damit argumentiert, daß es sich vorwiegend um eine Frage der juristischen Konstruktion handele, zu deren Entscheidung die Wissenschaft berufen sei. 37 Die Mehrheit Schloß sich den Argumenten der Kritiker an und ersetzte den Begriff des Vertrags durch den der Einigung, wobei man der Auffassung war, daß die Juristen unschwer erkennen würden, daß oder inwieweit auf die fraglichen Erklärungen die Grundsätze des Vertrags Anwendung zu finden hätten, wenn auch das Wort „Vertrag" im Gesetz nicht gebraucht sei. 38
b) Der Standpunkt der Wissenschaft Die Wissenschaft hat bis heute keine Klärung herbeigeführt, wie sich die Einigung im Sinne des § 873 BGB und somit die Auflassung zu den Grundbegriffen des Vertrages, des Rechtsgeschäfts und der Verfügung verhält. 39 Die vorherrschenmateriellen Recht zuzuordnen, denn § 20 GBO sieht im Unterschied zu § 19 GBO keine Verfahrenserklärung vor, sondern schreibt lediglich den Nachweis der materiellen Einigungserklärung vor, die gleichwohl ihren materiellrechtlichen Charakter behält (so Meikel/Lichtenberger, GBO, § 20, Rn. 39; Kuntze/ Erti /Herrmann/Eickmann [Munzig], GrundbuchR, Einl. Rn. A 49; Bauer/von Oefele [Kössinger], GBO, § 20 Rn. 5) und deshalb nicht als Verfahrenserklärung bzw. als Verfahrensvoraussetzung anzusehen ist (so aber Staudinger/Pfeifer, BGB, § 925 Rn. 6 ff.; Erti, Rpfleger 1980, 41 [49]). 35 Vgl. Buchholz, Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht, S. 391 f. 36 Wörtliche Wiedergabe von § 828 E I oben in Teil 1, Fn. 10. 37 Protokolle, III, S. 58 f.; Buchholz, Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht, S. 394. 38 Protokolle, III, S. 59 f. 3 Pajunk
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Teil 1 : Einführung in den Untersuchungsgegenstand
de Meinung hat folgende Terminologie herausgebildet: Die Einigung und somit der Unterfall der Auflassung ist danach ein aus zwei Willenserklärungen bestehender (dinglicher) Vertrag. 40 Erst Auflassung und Eintragung zusammen bilden ein Rechtsgeschäft, 41 das die dingliche Rechtsänderung herbeiführt und erst als Doppeltatbestand auch als Verfügung 42 anzusehen ist. Unbestritten ist an dieser Terminologie, daß es sich bei den Auflassungserklärungen um Willenserklärungen handelt, also um private Willensäußerungen, die auf Herbeiführung eines Rechtserfolgs gerichtet sind, und die den Erfolg, weil gewollt und von der Rechtsordnung anerkannt, auch herbeiführen 4 3 I m übrigen wird die Zuordnung der Auflassung zu den rechtsdogmatischen Grundbegriffen Vertrag, Rechtsgeschäft und Verfügung in unterschiedlichen Ausprägungen bestritten. So wird von einer starken Meinung die Auflassung nicht als Vertrag angesehen, da sie allein noch nicht den gewollten Rechtserfolg begründen könne. 4 4 Erst Einigung und Eintragung zusammen sollen demnach einen Vertrag und somit auch ein Rechtsgeschäft bilden. 4 5 I m Gegensatz dazu wird von anderen Stimmen die Einigung gerade nicht nur als Vertrag, sondern auch als Rechtsgeschäft angesehen. Die Eintragung soll nach dieser Ansicht nur ein außerhalb des eigentlichen Geschäfts-
39 Vgl. zum Überblick über den Meinungsstand Staudinger ! Gursky, BGB, § 873 Rn. 35. 40 Erti, Rpfleger 1980, 41 (49); Erman/Hagen/Lorenz, BGB, § 873 Rn. 12; von Kehler, Einigung und Auflassung, S. 13 ff. (mit zahlreichen Nachw. zum älteren Schrifttum); Meikel/Lichtenberger, GBO, § 20 Rn. 39; Müller, SachenR, Rn. 920, 922; MünchKomm / Wacke, BGB, § 873 Rn. 10; Palandt/Bassenge, BGB, § 873 Rn. 9; Pawlowski, AT, Rn. 358 a; Schapp, SachenR, § 15 II 1 (Rn. 322); Staudinger/Pfeifer, BGB, § 925 Rn. 75; Wieling, SachenR, § 20 2. (S. 256); Wilhelm, SachenR, Rn. 502 (S. 341); Westermann/Gursky/Eickmann, SachenR, § 75 I 3; Westermann, BGB-SachenR, Rn. 315; M. Wolf, SachenR, Rn. 323; („dinglicher Verfügungsvertrag"); AK-BGB /von Schweinitz, § 925 Rn. 4. 41 Hübner, AT, Rn. 611; Jauernig, BGB, Vor § 104 Rn. 2; Pawlowski, AT, Rn. 358 a; E. Wolf, SachenR, § 10 A III b; von Tuhr, AT I I / l , § 50 II 5. (S. 151 f.); Wolff/Raiser, SachenR, § 38 II (S. 117); H. Westermann, SachenR, § 77 I. 42 Jauernig, BGB, § 873 Rn. 13; MünchKomm/ Wacke, BGB, § 873 Rn. 1; Westermann/ Gursky/Eickmann, SachenR, § 76 I; Siegfried, Schwebezustände bei der Auflassung, S. 13; Westermann, BGB-SachenR, Rn. 312; E. Wolf, SachenR, § 10 III b; Wolff / Raiser, SachenR, § 38 II 1 (S. 118 f.); BGH NJW 1963, 36 f. 43 Zum Begriff der Willenserklärung: Flume, AT II, § 2, 3 d; Larenz/Wolf, AT, § 24 (S. 473 ff.); von Tuhr, AT II/1, § 61 (S. 399 ff.). 44 E. Wolf, § 10 A III b; Wolff/Raiser, SachenR, § 38 II 2 (S. 119), sehen in Einigung und Eintragung den dinglichen, abstrakten Vertrag und halten es für eine „müßige Frage", ob man daneben die Einigung auch ohne Eintragung als Vertrag bezeichnen wolle. 45 Im neueren Schrifttum spricht sich Staudinger ! Gursky, BGB § 873 Rn. 35, gegen die Vertragseigenschaft der Auflassung aus. Dabei argumentiert er in erster Linie begrifflich, indem er zunächst der überwiegenden Ansicht darin folgt, daß erst Einigung und Eintragung zusammen ein Rechtsgeschäft bilden, da die Eintragung keine zu dem an sich fertigen Rechtsgeschäft hinzutretende Wirksamkeitsvoraussetzung, sondern integraler Bestandteil des dinglichen Verfügungsgeschäfts selbst sei. Wenn aber erst Einigung und Eintragung zusammen das Rechtsgeschäft bilden, so Gursky, könne die bloße Einigung noch keinen Vertrag und keine Verfügung darstellen, denn beides seien Unterarten des Rechtsgeschäfts.
Α. Begriff, gesetzliche Regelung und Wesen der Auflassung
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aktes selbst liegendes weiteres Erfordernis sein und stelle eine bloße Wirksamkeitsvoraussetzung dar. 46 Auch die Frage der Verfügungseigenschaft der Auflassung wurde insbesondere in der früheren Literatur abweichend beantwortet, indem schon die Auflassung als Verfügung angesehen wurde. 47
2. Die Anwendbarkeit der Vorschriften über die rechtsgeschäftlichen Formen des BGB auf die Auflassung
Unabhängig von der genauen Bestimmung der Rechtsnatur der Auflassung ist man sich darüber einig, daß die Auflassung als Einigung zwischen dem Auflassenden und dem anderen Teil das Willensmoment der rechtsgeschäftlichen Eigentumsübertragung bildet. Daher kann nur die Auflassung als Anknüpfungspunkt dienen, um Fragen des äußeren Zustandekommens des Vertrages durch Angebot und Annahme, der Stellvertretung oder von Willensmängeln festzumachen. 48 Somit ist auch die Anwendbarkeit der Regeln über Willenserklärungen und den Vertragsschluß auf die Auflassungserklärungen unbestritten. 49 Dies bedeutet, daß auch die sich auf die Form der Rechtsgeschäfte beziehenden Vorschriften des BGB auf die Auflassung anwendbar sind und sie auf Grund ihrer Rechtsnatur grundsätzlich einem materiellen Formzwang im Sinne des § 125 S. 1 BGB unterliegen kann. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Auflassung für sich schon als Rechtsgeschäft anzusehen ist. Denn obwohl in der Sprache des BGB die Form auf das Rechtsgeschäft bezogen wird (vgl. §§ 125 S. 1, 167 II, 182 II BGB), herrscht heute Einigkeit darüber, daß sich ein Formerfordernis ausschließlich auf die Willenserklärung oder die Willenserklärungen eines Rechtsgeschäfts bezieht.50 Nach Flume ist für 46
Larenz/Wolf, AT, § 22 Rn. 21 f., die praktische Konsequenzen des Streits verneinen und als Sinn der Unterscheidung darauf verweisen, innerhalb des Gesamttatbestands das finale Handeln der Parteien als seinen „Sinneskern" deutlicher in Erscheinung treten zu lassen. Vgl. auch OLG Düsseldorf NJW 1998, 2225 (2226). 47 Böhne, Die Form der Auflassung, S. 19; Nolting, Die Rechtsnatur der Auflassung, S. 39; Wettwer, Die Auflassung nach Bürgerlichem Recht unter Berücksichtigung ihrer geschichtlichen Entwicklung, S. 20. 48 Baur/Stürner, SachenR, § 19 Rn. 10 ff.; Erman/Hagen/Lorenz, BGB, § 873 Rn. 12; Staudinger/Gursky, BGB, § 873 Rn. 36; Westermann, BGB-SachenR, Rn. 315; Müller, SachenR, Rn. 920. 49 Vgl. Heck, Grundriß des SachenR, § 54 1 (S. 227): „Selbstredend greifen die allgemeinen Geschäftsnormen auch bei der Auflassung ein."; Bernhöft, Einigung, Antrag und Eintragungsbewilligung im Liegenschaftsrecht, S. 13. so Die Differenzierung nach Willenserklärung und Rechtsgeschäft hinsichtlich der Formbedürftigkeit allgemein ist geboten, da auf diese Weise Formerfordernisse von sonstigen Voraussetzungen des Rechtsgeschäfts unterschieden werden können, die sich zwar durch eine gewisse Förmlichkeit auszeichnen, die aber nach den Regelungen des BGB nicht als Formerfordernisse zu werten sind {Flume, AT II, § 15 14 [S. 248 f.]; Lehmann/Hübner, AT, § 31 Β IV). - Als Beispiele solcher weiteren Handlungen oder sonstigen Tatsachen, die zum Tatbestand eines Rechtsgeschäfts gehören können, sind im Zusammenhang mit der Eigentumsübertra3'
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Teil 1 : Einführung in den Untersuchungsgegenstand
ein Rechtsgeschäft eine Form erforderlich, wenn für die Willenserklärungen die Art der Dokumentation vorgeschrieben ist. 5 1 Umgekehrt gilt für ein Rechtsgeschäft der Grundsatz der Formfreiheit, wenn die Erklärenden die Wahl haben, in welcher Art und Weise sie ihren Willen äußern w o l l e n . 5 2 Die Definitionen veranschaulichen, daß es sich bei dem Begriff der rechtsgeschäftlichen Form um einen technischen Begriff handelt und mit der Form i m Rechtssinne nicht allgemein das Mittel der Willenserklärung i m Gegensatz zu ihrem Inhalt gemeint ist. „ I n diesem Sinn", so von Tuhr, „hat jede Erklärung eine F o r m ; 5 3 i m technischen Sinn nur dann, wenn durch Gesetz oder Rechtsgeschäft eine bestimmte äußere Gestalt der Willenserklärung vorgeschrieben i s t . " 5 4
gung an einem Grundstück die Eintragung im Grundbuch (§ 873 I BGB) und das Erfordernis behördlicher Genehmigungen zu nennen (vgl. Flume , AT II, § 1514 [S. 248]). Die Zurechnung der Form zur Willenserklärung wurde erst durch ihre Verselbständigung gegenüber dem Gesamttatbestand des Rechtsgeschäfts möglich. Solange Form und Rechtsgeschäft eine für frühe Stufen der Rechtsentwicklung kennzeichnende untrennbare Einheit bildeten, existierte das Rechtsgeschäft nur durch die Form; das Rechtsgeschäft war Form. Mit der geschichtlichen Entwicklung des Rechts vollzog sich die Trennung von Form und Rechtsgeschäft parallel zur immer stärker werdenden Anerkennung des Parteiwillens als dem maßgeblichen Anknüpfungspunkt für die Rechtsänderung. Die als „Absolutum" zu qualifizierende „Wirkform" der früheren Zeit wurde somit zu einem Attribut des ihr gegenüber selbständig gedachten rechtsgeschäftlichen Aktes. Die „Mediatisierung der Form" (Flume) führte schließlich dazu, daß die Form heute als Mittel nicht mehr durch den Akt, sondern durch den mit ihr verfolgten Zweck bestimmt wird. Vgl. zum Ganzen Flume, AT II, § 15 I 1 (S. 244 ff.); Häsemeyer, Die gesetzliche Form der Rechtsgeschäfte, S. 22; ders., JuS 1980, 1; Pohlmann, Die Heilung formnichtiger Verpflichtungsgeschäfte durch Erfüllung, S. 23 f.; Westerhoff, AcP 184(1984), 341 (352). si Flume, AT II, § 15 I 5 (S. 249). 52 Larenz/Wolf, AT, § 27 Rn. 4. So schon Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts, I, § 72 (S. 336): „Ist eine bestimmte Form für die Willenserklärung nicht vorgeschrieben, so kann die Willenserklärung in jeder beliebigen Weise gemacht werden." 53 Vgl. auch Jhering, Geist des römischen Rechts II/2, § 45 (S. 472 f.): „Der Gegensatz von Inhalt und Form wird wie von den Dingen der äußeren Natur, so auch von denen des Geistes gebraucht, wir sprechen von den Formen der Gefühle, des Gedankens, des Willens u.s.w. und verstehen darunter Mittel, in denen die inneren Vorgänge, Ideen, Empfindungen, Entschlüsse u.s.w. Ausdruck und äußere Existenz gewinnen. In beiden Anwendungen aber hat der Gegensatz keine reale Existenz, er ist nichts als eine Abstraction; unter Form verstehen wir den Inhalt von Seiten seiner Sichtbarkeit. Eben drum aber setzt Form stets den Inhalt, wie der Inhalt eine Form voraus; es gibt weder einen Inhalt ohne Form noch eine Form ohne Inhalt. Der Schein des Gegenteils hängt mit dem Wechsel der Form zusammen; der schließlichen Form, die wir dem Inhalt entgegenstellen, geht nicht ein Inhalt ohne Form, sondern ein Inhalt in anderer, unvollkommener Form voraus. - In dieser Weise verhält es sich mit dem Gegensatz auch bei dem Gegenstand unserer Betrachtung, dem rechtlichen Willen. Die Annahme desselben ist bedingt durch seine Erkennbarkeit, letztere durch seine Äußerung. In diesem Sinne gibt es also keinen formlosen Willensakt - ein Wille ohne Form wäre gleich dem Lichtenbergschen Messer ohne Klinge, dem der Stiel fehlt." 54 von Tuhr, AT, Bd. II /1, § 63 I (S. 496).
Β. Das heutige Meinungsbild zum Regelungszweck des § 925 I BGB
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B. Das heutige Meinungsbild zum Regelungszweck des § 9251 BGB Bevor der Meinungsstand zur Auflassungsform referiert wird (C), soll zunächst gezeigt werden, welcher Regelungszweck für die Anordnung eines Formzwangs bei der Auflassung heute allgemein angenommen wird.
I. Der allgemeine Grund für den Formzwang bei der Auflassung als Ausnahme zu § 8731 BGB Die Ausführungen zum Zweck der Formvorschrift des § 925 I BGB unterscheiden sich in den Darstellungen des Liegenschaftsrechts sowohl in ihrem Umfang als auch im Inhalt. Während eine Vielzahl von Autoren keine Hinweise zum Zweck der Norm des § 925 I S . 1,2 BGB gibt 55 oder sich auf allgemeine Feststellungen beschränkt, stellen andere Autoren Untersuchungen unter Berücksichtigung einzelner Formzwecke an. Einigkeit herrscht insoweit, als die Durchbrechung des in § 873 I BGB herrschenden Grundsatzes der Formfreiheit für den Fall der Einigung über die Eigentumsübertragung an einem Grundstück ihren Grund in der besonderen Bedeutung der privat- und öffentlichrechtlichen Folgen einer Grundstücksübereignung hat. 56
II. Schutz des Grundbuchs/Klarheit der Rechtsverhältnisse Zweck der Formvorschrift des § 925 BGB soll nach ganz überwiegender Auffassung in erster Linie nicht der Schutz von Parteiinteressen sein. Im Vordergrund stehe vielmehr das öffentliche Interesse an der Institution des mit öffentlichem Glauben ausgestatteten Grundbuchs und somit der Klarheit des Rechtsverkehrs. 57 Damit ist gemeint, daß durch Schaffen einwandfreier und klarer Unterlagen für die Grundbucheintragung gewährleistet werden soll, daß ein Auseinanderfallen von Grundbuchstand und materieller Rechtslage nach Möglichkeit verhindert wird. 58 55 Vgl. etwa Baur/Stürner, SachenR, § 22 Rn. 1 ff.; Palandt/Bassenge, BGB, § 925 Rn. 1 ff.; Weirich, GrundstücksR, Rn. 123 ff. 56 MünchKomm I Kanzleiter, BGB, § 925 Rn. 1; Soergel/Stürner, BGB, § 925 Rn. Ì , Staudinger / Pfeifer, BGB, § 925 Rn. 75; AK-BGB / von Schweinitz, § 925 Rn. 1 f. 57 Einsele, DNotZ 1996, 835 (852); dies., DNotZ 1999, 43; Erti, MittBayNot 1992, 102 (104); Kuntze/ Erti/ Herrmann/Eickmann (Munzig), GrundbuchR, § 20 Rn. 113; Köhl, DNotZ 1983, 207 (211); MünchKommIEinsele, BGB, § 125 Rn. 14; MünchKomm / Kanzleiter, BGB, § 925 Rn. 1; Staudinger/Pfeifer, BGB, § 925 Rn. 75. 58 Einsele, DNotZ 1996, 835 (852); dies., DNotZ 1999, 43; MünchKomm/Kanzleiter, § 925 Rn. 1 ; Schlegel, Ausgewählte Probleme zum Anwartschaftsrecht aus der Auflassung, S. 80.
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Teil 1 : Einführung in den Untersuchungsgegenstand
Durch die Anordnung des Formzwangs soll erreicht werden, daß sich die Vertragsteile über Inhalt und Bedeutung der von ihnen abzugebenden Einigungserklärungen möglichst vollständig im klaren sind und hierdurch die Gefahr einer unwirksamen, anfechtbaren oder auch nur zweifelhaften Erklärung von vornherein soweit als möglich ausgeschlossen wird, um auch auf diese Weise ein Abweichen des Grundbuchinhalts von der materiellen Rechtslage zu vermeiden. 59 Ferner solle der Zeitpunkt der Einigung über den Eigentumsübergang einwandfrei feststehen. 60 Im Zusammenhang mit dem Vorrang der öffentlichen Interessen bei der Auflassungsform wird von einigen Autoren besonders betont, daß der Vorschrift des § 925 IS. 1,2 BGB in aller Regel keine Schutzfunktion zukomme bzw. diese ganz im Hintergrund stehe.61 Dies wird damit begründet, daß schon das der Auflassung zugrunde liegende Rechtsgeschäft notariell beurkundet werde und es daher kein Bedürfnis für einen zweiten Formzwang zum Schutz der Parteien gebe.62 So folgert Köbl, daß der Schutz der Parteien vor übereilter Bindung bei der Auflassung ebensowenig Motiv gewesen sein könne wie etwa der Grundsatz „Doppelt genäht hält besser", denn zweimal Form und Kosten für ein und denselben Zweck seien alles andere als sinnvoll. 63 Ihm folgend führt Einsele aus, daß zwar die meisten Autoren annähmen, daß § 925 BGB auch eine Warnfunktion zukomme, eine Warnfunktion bei § 925 BGB aber wohl kaum eine Rolle spielen könne, denn immerhin ergebe sich die Verpflichtung zur Auflassung aus dem Grundstückskaufvertrag. Ein Formerfordernis bei der Auflassung käme daher als Warnung zu spät, weshalb zumindest im Regelfall nur die Richtigkeit des Grundbuchs und die Klarheit der Rechtsverhältnisse die Form Vorschrift des § 925 BGB rechtfertigen könnten. Als Ausnahme komme eine Warnfunktion nur für den Fall in Betracht, in dem die Auflassung mit der Eintragung ins Grundbuch nach § 313 S. 2 BGB zur Heilung des Grundgeschäfts führe. 64 Dazu meint Kanzleiter, daß über die eventuelle Heilung
Zum Beleg dieser von Einsele ausdrücklich als „allg. Meinung" bezeichneten Ansicht zum Zweck der Auflassungsform wird vielfach (so von Köbl, DNotZ 1983, 207 [211 Fn. 16]; Einsele, DNotZ 1996, 835 [852 Fn. 70]; Staudinger/Pfeifer, BGB, § 925 Rn. 75) auf die Arbeit von Häsemeyer, Die gesetzliche Form der Rechtsgeschäfte, S. 183 ff., verwiesen. Häsemeyer schreibt an der angegebenen Stelle jedoch nicht ausdrücklich von der Funktion der Auflassungsform, sondern allgemein zu „Geschäftsformen aus Verkehrsinteresse". Es soll an dieser Stelle nicht untersucht werden, ob die Ausführungen Häsemeyers zu Recht zitiert werden und ob sie geeignet sind, den propagierten Hauptzweck der Auflassungsform zu stützen. Es bleibt dies der späteren Untersuchung vorbehalten und wird im Rahmen der Auslegung des § 925 I S. 1, 2 BGB erfolgen (Teil 3 Β V 3 d). 59 Erman/Hagen/Lorenz, BGB, § 925 Rn. 1; BayObLG Rpfleger 1983, 390 = BayObLGZ 1983,181. 60 Soergel/Stürner, BGB, § 925 Rn. 1; Erman/Hagen/Lorenz, BGB, § 925 Rn. 1. 61 Kanzleiter, DNotZ 1994, 275 (283); Köbl, DNotZ 1983, 207 (211); Einsele, DNotZ 1996, 835 (852). 62 Jauernig, BGB, § 125 Rn. 3, hält eine Warnfunktion, verstanden als Schutz vor unbedachten Willenserklärungen, nur bei Verpflichtungsgeschäften für „praktisch". 63 Köbl, DNotZ 1983, 207 (211).
Β. Das heutige Meinungsbild zum Regelungszweck des § 925 I BGB
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nach § 313 S. 2 BGB eine Belehrung zwar sinnvoll sein könnte, betont jedoch, daß dies nur eine Nebenfolge der Auflassung sei und dem Notar die geheilten Vereinbarungen in aller Regel unbekannt seien, so daß er zu einer konkreten Belehrung gar nicht in der Lage wäre. 65
I I I . Weitere Formzwecke Neben dem beschriebenen Hauptzweck wird im Schrifttum eine Fülle von weiteren Zwecken der Auflassungsform angeführt. Insbesondere tun dies auch die Autoren, die den Schutz des Grundbuchs ganz im Vordergrund des Normzwecks sehen. Als weitere öffentlichrechtlich zu charakterisierende Zwecke werden die staatliche Kontrolle 66 sowie die Erhebung von Steuern und Abgaben 6 7 genannt. Bei den weiteren Zwecken überwiegen jedoch parteibezogene Formzwecke. So stellt Kanzleiter in seiner Kommentierung zu § 925 BGB einleitend fest, daß die Formvorschrift grundsätzlich dieselben Schutzzwecke wie andere Beurkundungsvorschriften habe und nennt - wenn auch mit geringerem Gewicht als ihnen bei §313 BGB zukomme - die Warn-, Beratungs- und Belehrungsfunktion. 68 Ahnlich umfassend spricht Staudinger/Pfeifer der Auflassungsform - neben der auch bei ihm im Vordergrund stehenden Schutzfunktion hinsichtlich der öffentlichen Interessen an den Institutionen des Grundbuchs - mit Blick auf die Beteiligten eine Warnfunktion, eine Schutzfunktion, eine Beweisfunktion sowie eine Beratungsfunktion zu. 69 Den Parteien müsse zunächst die Bedeutung des Rechtsvorgangs bewußt gemacht werden, da bei der Auflassung eines Grundstücks weder die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts noch eine Zug-um-Zug-Leistung möglich seien. Wegen der daraus resultierenden unvermeidlichen Vorleistungspflicht entweder des Käufers oder des Verkäufers komme der Auflassungsform eine Warnfunktion zu. 70 Die Schutzfunktion ergebe sich durch das Hinzuziehen einer rechtskundigen 64 65 66 67
Einsele, DNotZ 1996, 835 (852); dies., DNotZ 1999,43. Kanzleiter, DNotZ 1994, 275 (283). Westermann/Gursky/Eickmann, SachenR, § 76 I. Wolfsteiner, DNotZ 1987, 67 (74), AK-BGB / von Schweinitz, § 925 Rn. 2.
68 MünchKomm ! Kanzleiter, BGB, § 925 Rn. 1. An anderer Stelle versteht Kanzleiter auch die vermeintlichen Hauptzwecke der „Beweissicherung und Gültigkeitsgewähr" weiter, so als seien sie nicht allein darauf ausgerichtet, durch Schaffen klarer Unterlagen für die Eintragung in das Grundbuch das Auseinanderfallen zwischen Grundbuchstand und materieller Rechtslage zu verhindern (so aber in MünchKomm / Kanzleiter, BGB, § 925 Rn. 1). Anderenorts heißt es, daß auch für die an dem Verfügungsgeschäft selbst Beteiligten, für etwaige Rechtsnachfolger und für alle, die mit dem Rechtsinhaber in Kontakt treten, Zweifel über die materielle Rechtslage ausgeschlossen und unzweideutiger Beweis über diese Rechtslage gesichert werden solle {Kanzleiter, DNotZ, 1994, 275 [283]). 69 Staudinger/Pfeifer, BGB, § 925 Rn. 75. Vgl. ferner Soergel/Stürner, BGB, § 925 Rn. 1; Erti, MittBayNot 1992, 102 (104); BGHZ 29, 6 (11). 70 Staudinger/Pfeifer, BGB, § 925 Rn. 75, 143.
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Teil 1 : Einführung in den Untersuchungsgegenstand
Amtsperson, wodurch ein klarer und eintragungsfähiger Auflassungsinhalt erzielt werde. Die Beweisfunktion sieht Staudinger/Pfeifer in der „öffentlichen Beurkundung" der Auflassungserklärungen und des Einigungszeitpunktes.71 Letztlich erfolge durch die Beratungsfunktion die erforderliche Aufklärung der Beteiligten über die rechtliche Tragweite, etwaige Genehmigungserfordernisse und Vollzugshindernisse. Als weiterer Aspekt der Form des § 925 I BGB wird von einigen Autoren eine Verbindung zu § 313 BGB hergestellt. Dabei hat Körte die in § 313 S. 2 BGB enthaltene HeilungsVorschrift im Auge: Zwar hält er die Auflassungsform des § 925 BGB mit der Beurkundungsform des § 313 S. 1 BGB für nicht vergleichbar, da sie andere Zwecke verfolge. Auch er betont, daß im Vordergrund nicht das Interesse der Parteien stehe, sondern das öffentliche Interesse an der Richtigkeit des Grundbuchs. Ungeachtet dessen übernehme die Auflassung nach dem Gesetz jedoch einen notwendigen Teil zur Rechtfertigung der Heilung, da die Auflassungsformalität einen gewissen, wenn auch unvollkommenen Schutz verwirkliche. 72 Dieser Gedanke klingt auch bei M. Wolf an, wenn er der Auflassungsform neben einer Belehrungsfunktion zusammen mit der Eintragung eine Warn- und Beweisfunktion zuspricht, worin der Grund für die nach § 313 S. 2 BGB eintretende Heilung des Verpflichtungsgeschäfts zu sehen sei. 73 Einen anderen Schwerpunkt setzt Meikel / Lichtenberger, indem er die Vorschrift des § 925 BGB zusammen mit den §§ 313, 925 a BGB und § 20 GBO in ein Gesamtsystem einfügt, das der Einhaltung des rechtspolitisch unerläßlichen §313 BGB dienen soll. Dieses Ziel könne nur durch § 20 GBO in Verbindung mit den §§925, 925 a BGB gewährleistet werden. 74
IV. Zusammenfassung Als Formzweck des § 925 I BGB wird in erster Linie der Schutz öffentlicher Interessen an der Richtigkeit des Grundbuchs angeführt. Außerdem werden § 925 BGB mehrheitlich all diejenigen Formzwecke zugeschrieben, die klassischerweise durch die Form der notariellen Beurkundung am effektivsten verwirklicht werden. So sollen der Form sowohl eine Warnfunktion, eine Schutzfunktion, eine Beratungsfunktion als auch eine Beweisfunktion zukommen. Repräsentativ ist insoweit die Feststellung Kanzleiters, daß die Formvorschrift des § 925 BGB grundsätzlich dieselben Schutzzwecke wie andere „Beurkundungsvorschriften" habe.75 71 Wobei er mit Verweis auf §§ 20, 29 GBO hinzufügt, daß die Beurkundung in das formelle Recht verlagert werde. 72 Körte, Handbuch der Beurkundung von Grundstücksgeschäften, Kap. 11 Rn. 17. 7 3 M. Wolf, SachenR, Rn. 325.
™ Meikel/Lichtenberger,
GBO, § 20 Rn. 5.
C. Das gegenwärtige Meinungsbild zur materiellen Form der Auflassung
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Hinsichtlich der Annahmen einer Schutz- bzw. Warnfunktion der Auflassungsform unterscheiden sich die Auffassungen erheblich. Starke Stimmen widersprechen der Annahme einer Schutz- bzw. Warnfunktion mit dem Hinweis darauf, daß bei der Auflassung dafür angesichts der Beurkundungspflicht des Grundgeschäfts kein Bedürfnis bestehe. Andere Autoren beschränken die Warnfunktion darauf, die Parteien auf die Risiken aufmerksam zu machen, die aus der Bedingungsfeindlichkeit der Auflassung resultieren, wodurch insbesondere die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts ausgeschlossen ist. Vereinzelt werden die Schutzzwecke jedoch auch mit der nach § 313 S. 2 BGB bestehenden Heilungsmöglichkeit des Grundgeschäfts in Verbindung gebracht. Schließlich wird § 925 BGB auch der Zweck zugeschrieben, im System mit anderen Vorschriften die Einhaltung des § 313 S. 1 BGB zu sichern.
C. Das gegenwärtige Meinungsbild zur materiellen Form der Auflassung im allgemeinen und zur Beurkundungsbedürftigkeit im besonderen I. Begriffsbestimmung: Materielle Form der Auflassung Die Frage nach der materiellen oder materiellrechtlichen Form der Auflassung zielt darauf ab, ob das materielle Grundstücksrecht für die Einigung über den Eigentumswechsel an einem Grundstück die Art der Erklärungsabgabe vorschreibt. Formerfordernisse der Auflassung können sich jedoch nicht nur aus dem materiellen Grundstücksrecht, dem sogenannten Immobiliarsachenrecht, sondern auch aus dem formellen Grundstücksrecht, dem Grundbuch- oder Grundbuchverfahrensrecht ergeben. Dabei sind sowohl das Immobiliarsachenrecht als auch das formelle Grundbuchrecht Teile des Liegenschaftsrechts, zu dem ferner das Immobiliarvollstreckungsrecht, das öffentliche Bodenrecht sowie das Bodenverfahrensrecht gezählt werden. 76 Die Unterscheidung von Formerfordernissen des materiellen bzw. des formellen Grundstücksrechts wird schon für das Verständnis der heute herrschenden Auffassung zur Form der Auflassung von besonderer Bedeutung sein, da aus beiden Rechtsgebieten unterschiedliche Formerfordernisse hergeleitet werden, jedoch beide eine enge Verbindung eingehen.
75 MünchKomm/Kanzleiter, BGB, § 925 Rn. 1. 76 Bauer/von Oefele (Bauer), GBO, Einl. Rn. 37; Erti, Rpfleger 1980, 1 (2); Kuntze/ Erti /Herrmann/Eickmann (Munzig), GrundbuchR, Einl. Rn. A 2 ff.; Staudinger/Gursky, BGB, Vorbem. §§ 873 ff. Rn. 8.
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Teil 1 : Einführung in den Untersuchungsgegenstand
1. Die Unterscheidung in materielles und formelles Grundstücksrecht Das materielle Grundstücksrecht normiert die Voraussetzungen, den Eintritt und die Wirkungen der dinglichen Rechtsänderung an einem Grundstück. Es regelt somit unmittelbar die Rechtsbeziehungen der beteiligten Rechtssubjekte und ist im wesentlichen im BGB und mithin im Privatrecht kodifiziert. 77 Das formelle Grundbuchrecht regelt hingegen die Einrichtung der Grundbücher sowie das Verfahren der Eintragung und Löschung von Rechten im Grundbuch und ist darauf ausgerichtet, die Funktionsfähigkeit des Grundbuchs als zuverlässige Grundlage des Grundstücksverkehrs zu sichern. Das formelle Grundbuchrecht ist größtenteils in der GBO enthalten.78 Als Teil der Freiwilligen Gerichtsbarkeit 79 wird das Grundbuchverfahrensrecht heute allgemein dem öffentlichen Recht zugeordnet. 80 Materielles und formelles Grundstücksrecht bilden ein fein aufeinander abgestimmtes System formellrechtlicher und materiellrechtlicher Normen, das darauf ausgerichtet ist, das materielle Grundstücksrecht zu verwirklichen. 81 Dennoch werden materielles und formelles Grundstücksrecht als zwei streng voneinander zu trennende Rechtsgebiete behandelt, die sich nach Wesen, Voraussetzungen und Wirkungen grundlegend unterscheiden und unterschiedlichen Denkweisen unterliegen. 82 Trotz aller Verwobenheit von formellem und materiellem Recht, so Baur/Stürner, dürfe die aus verschiedenen Gründen notwendige Eigenständigkeit des erstgenannten Rechtsgebiets nicht gering geschätzt werden. 83 Die Betonung der rechtlichen Eigenständigkeit des Grundbuchverfahrensrechts gegenüber dem materiellen Grundstücksrecht folgt der Trennung von materiellem Recht und Pro77 Zu den Rechtsquellen des materiellen Grundstücksrecht vgl. Haegele/Schöner/Stöber, GrundbuchR, Rn. 29 f.; Kuntze/ Erti /Herrmann/Eickmann (Munzig), GrundbuchR, Einl. Rn. A 4. 78 Zu den Rechtsquellen des formellen Grundbuchrechts vgl. Haegele /Schöner/Stöber, GrundbuchR, Rn. 32; Kuntze /Erti /Herrmann/Eickmann (Munzig), GrundbuchR, Einl. Rn. A 5; Staudinger/Gursky, BGB, Vorbem. §§ 873 ff. Rn. 27. 7 9 Bauer/von Oefele (Bauer), GBO, Einl. Rn. 36; Erti, Rpfleger 1980, 1 (4, 10); Haegele/Schöner/Stöber, GrundbuchR, Rn. 31; Meikel/Bötticher, GBO, Einl. Rn. Β 3; Staudinger/Gursky, BGB, Vorbem. §§ 873 ff. Rn. 24. so Bauer /von Oefele (Bauer), GBO, Einl. Rn. 36; Erti, Rpfleger 1980, 1 (10); ders Rpfleger 1980, 41; Meikel/Bötticher, GBO, Einl. Rn. Β 3; Staudinger/Gursky, BGB, Vorbem. §§ 873 ff. Rn. 24.
si Bauer/von Oefele (Bauer), GBO, Einl. Rn. 36; Meikel/Böttcher, GBO, Einl. Rn. Β 6; Haegele /Schöner/Stöber, GrundbuchR, Rn. 13; Erti, Rpfleger 1980, 41. - Wie eng die Verbindung beider Rechtsgebiete ist, wird im Grundsatz von Einigung und Eintragung (§ 873 I BGB) deutlich, wo die Grundbucheintragung als eine in einem gerichtlichen Verfahren nach den Vorschriften des formellen Grundbuchrechts zustande kommende materiellrechtliche Voraussetzung der dinglichen Rechtsänderung normiert wird (Erti, Rpfleger 1980, 41). 82 Meikel/Bötticher, GBO, Einl. Rn. Β 5. 83 Baur/Stürner, SachenR, § 14 Rn. 9.
C. Das gegenwärtige Meinungsbild zur materiellen Form der Auflassung
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zeßrecht sowie deren Zuordnung zu privatem und öffentlichem Recht. 84 Mit Blick darauf hob Erti in seiner Bestandsaufnahme zu 80 Jahren Grundbuchordnung hervor, daß sich auch das Liegenschaftsrecht den in anderen Rechtsgebieten vollzogenen Entwicklungen nicht entziehen könne, wonach Fragen des privaten und öffentlichen, materiellen und formellen Rechts einer getrennten Betrachtung unterzogen und unterschiedlichen Rechtsnormen unterworfen werden. 85 Erstaunlich lange, so Erti, sei diese Entwicklung im Grundbuchrecht nicht genügend beachtet worden. 86 Aus der Trennung von materiellem und formellem Recht wird gefolgert, daß die Erklärungen des materiellen Grundstücks- und formellen Grundbuchrechts sowie die sonstigen materiellen Rechtsänderungs- und formellen Eintragungsvoraussetzungen einer getrennten rechtlichen Behandlung unterliegen. 87 Die Vorschriften des einen Rechtsgebiets sollen wegen der zwischen den Rechtsgebieten bestehenden Wesensunterschiede nicht unmittelbar auf das andere angewendet werden können. 88 Im Zusammenwirken der beiden Rechtsgebiete kommt dem Grundbuchverfahrensrecht als Zweckmäßigkeitsrecht 89 gegenüber dem materiellen Recht eine dienende Funktion zu. 90 Da das Verfahrensrecht nur „Hilfsmittel für die Verwirklichung oder Wahrung von Rechten" ist, muß es sich dem Immobiliarsachenrecht unterordnen, wo es mit ihm in Konflikt zu geraten droht. 91 Bei den Vorschriften der Grundbuchordnung handelt es sich daher um Ordnungsvorschriften. Dies bedeutet, daß ein Verstoß gegen das Grundbuch verfahrensrecht keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Eintragung in das Grundbuch hat und den Eintritt der materiellen Rechtsänderung nicht berührt. 92 Eine unter Verletzung des formellen 84
Vgl. dazu hier nur MünchKomm/Liike, ZPO, Einl. Rn. 21 ff.; Wagner, Prozeßverträge, S. 13 ff.; Zöllner, AcP 190 (1990), 471; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZivilprozeßR, § 1 VI, S. 5 f.; Jauernig, JuS 1971, 329 ff. 85 Erti, Rpfleger 1980, 1 (2); wobei er die Unterscheidung nicht für logisch notwendig, jedoch für historisch bedingt hält und ihr zuschreibt, daß sie den verschiedenen Zeiten und Denkweisen der Rechtsgebiete in unserem modernen Rechtsstaat Rechnung trage. 86 Erti, Rpfleger 1980, 1 (2); ders., Rpfleger 1980, 41. 87 Kuntze/ Erti /Herrmann/Eickmann (Munzig), GrundbuchR, Einl. Rn. A 17. 88 Kuntze /Erti /Herrmann/Eickmann (Munzig), GrundbuchR, Einl. Rn. A 17 ff., veranschaulicht die „Wesensunterschiede" der Rechtsgebiete durch eine Gegenüberstellung von zwingenden Vorschriften des materiellen Rechts und Ordnungsvorschriften des Verfahrensrechts, rechtsgeschäftlicher Willenserklärung und Verfahrenshandlung sowie von materieller Einigung und formeller Bewilligung. 89 Kuntze /Erti /Herrmann/Eickmann (Munzig), GrundbuchR, Einl. Rn. A 24; Staudinger/Gursky, BGB, Vorbem. §§ 873 ff. Rn. 24; BGHZ 10, 350 (359) für die „Zweckmäßigkeitsnormen" der Vorschriften über den Zivilprozeß, der die Verwirklichung des materiellen Rechts zum Inhalt habe. 90 Meikel/Böttcher, GBO, Einl. Rn. Β 6. 91 Meikel/Böttcher, GBO, Einl. Rn. Β 6; Kuntze /Erti /Herrmann/Eickmann GrundbuchR, Einl. Rn. A 15. 92 Haegele/Schöner/Stöber, GrundbuchR, Rn. 31.
(Munzig),
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Teil 1 : Einführung in den Untersuchungsgegenstand
Rechts zustande gekommene Eintragung genügt daher dem Eintragungsprinzip, soweit sie einen zulässigen Inhalt hat. 93 Allgemein gilt daher, daß sich die Unwirksamkeit einer Grundbucheintragung, die eine rechtsgeschäftliche Rechtsänderung herbeiführen soll, nur aus einem Mangel der materiellen Voraussetzungen ergeben kann. 94
2. Materielles und formelles Grundstücksrecht als zu unterscheidende Quellen von Formerfordernissen
Die Unterscheidung von formellem und materiellem Grundstücksrecht als verschiedene Rechtsgebiete hat für die Behandlung von Formerfordernissen erhebliche Bedeutung, da sich aus beiden Rechtsgebieten Formerfordernisse ergeben und dabei einer unterschiedlichen rechtlichen Behandlung unterliegen können. Daß dies der Fall ist, gehört zum gesicherten Bestand der heutigen Dogmatik zum Grundstücksrecht und wird in dieser Untersuchung in Ansehung der für sie zentralen Vorschriften des § 925 BGB und der §§ 20, 29 GBO vorausgesetzt.95 Soweit § 925 BGB als materielles Formerfordernis anerkannt ist, besteht kein Zweifel daran, daß es sich bei der Einhaltung der Form um ein materielles Wirksamkeitserfordernis der Auflassung handelt und die Nichtbeachtung der Form zur Unwirksamkeit der Auflassung nach § 125 S. 1 BGB führt. Andererseits wird auch nicht bestritten, daß es sich bei § 29 GBO um eine Ordnungsvorschrift des formellen Grundstücksverfahrensrechts handelt, die für den durch § 20 GBO geforderten Nachweis der Auflassung eine bestimmte Form vorschreibt. Ein Verstoß gegen dieses Formgebot berührt nach den oben beschriebenen Grundsätzen des Ordnungsrechts die materielle Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts nicht; das grundbuchverfahrensrechtliche Formerfordernis unterliegt nicht der Rechtsfolge des § 125 S. 1 BGB. Gegen diese Annahme könnte freilich der Einwand erhoben werden, daß allein aus dem Regelungsstandort der Vorschriften in der Grundbuchordnung nicht gefolgert werden kann, daß sie nicht auch materiellrechtliche Regelungen enthalten. Denn umgekehrt enthält auch das BGB etwa mit § 925 a BGB eine reine Verfahrensvorschrift, die auf die Wirksamkeit von Willenserklärungen keine Auswirkungen hat. Dennoch erscheint es angesichts der gesetzgeberischen Absicht und der 93 Bauer/von Oefele (Bauer), GBO, Einl. Rn. 36; Westermann/Gursky/Eickmann, SachenR, §691 1. 94 Haegele/Schöner/Stöber, GrundbuchR, Rn. 31. 95 Vgl. dazu jüngst BayObLG NJW-RR 2001, 734 (736): „Das materielle Geschäft der Auflassung bedarf nach § 925 I BGB nach heute kaum mehr bestrittener Ansicht nicht der notariellen Beurkundungsform ... Die Wirksamkeit des materiellen Geschäfts erlaubt jedoch nicht zwingend den Schluß, daß das formale Recht keine anderen Voraussetzungen zur Rechtsverwirklichung ... voraussetzt. ... Auch der Senat hält es für unbedenklich, die Eintragung der Grundstücksauflassung im Grundbuch (§20 GBO) an strengere Voraussetzungen zu knüpfen als die Wirksamkeit des materiellen Geschäfts."
C. Das gegenwärtige Meinungsbild zur materiellen Form der Auflassung
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im Grunde nicht in Frage gestellten Dogmatik zur systematischen Trennung von formellem und materiellem Grundstücksrecht zulässig zu sein, die Zuordnung des § 925 BGB zum materiellen und die der §§ 20, 29 GBO zum formellen Recht für diese Untersuchung ohne grundsätzliche Problematisierung vorauszusetzen.96
3. Ausgestaltung materieller Formen im formellen Recht
Ist somit die Unterscheidung von materiellem Grundstücksrecht und formellem Grundbuchrecht vollzogen und gezeigt, daß sich Formerfordernisse sowohl aus dem materiellen wie auch aus dem formellen Grundstücksrecht ergeben können, ist auf ein weiteres Zusammenwirken von materiellem und formellem Recht hinzuweisen, das im Zusammenhang mit der Auflassungsform relevant wird. Unterliegen die Willenserklärungen eines Rechtsgeschäfts einem materiellen Formzwang, so ist hinsichtlich der vorgeschriebenen Form danach zu unterscheiden, ob es sich um eine private oder öffentliche Form handelt. Beide Arten werden im BGB angeordnet, wie am Beispiel von Schriftform und Beurkundung deutlich wird. Die Schriftform kann von den Parteien selbst hergestellt werden. Man spricht daher von einer privaten Form, deren inhaltliche Voraussetzungen in § 126 BGB und somit im materiellen Recht selbst geregelt sind. 97 Dies gilt auch, soweit für einzelne Rechtsgeschäfte vom Gesetz spezielle Anforderungen an die Schriftform gestellt werden, so etwa beim privatschriftlichen Testament, das gemäß § 2247 I BGB eigenhändig geschrieben und unterschrieben sein muß. Wo das materielle Recht hingegen die neben der Schriftform dem BGB bekannten Formen der öffentlichen Beglaubigung oder die Beurkundung vorschreibt, können die Parteien das Formerfordernis nicht selbst erfüllen. Sie sind vielmehr auf die Mitwirkung einer Amtsperson angewiesen, weshalb man insoweit auch von öffentlichen Formen spricht. 98 Die verfahrensmäßige Ausgestaltung dieser Formen findet sich im Gegensatz zur Schriftform nicht im materiellen Recht, sondern im BeurkG, das dem Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit und somit dem formellen (Verfahrens-) Recht zuzuordnen ist. 99 Bei der Frage, ob der materiellen Beurkundungsform genügt ist, gehen materielles und formelles Recht eine enge Verbindung 96 Wird diese Zuordnung in Frage gestellt, muß gleichzeitig gefragt werden, ob nicht die weiteren Voraussetzungen des Grundbuchverfahrens wie etwa das Antragserfordernis (§ 13 GBO), die Bewilligung (§ 19 GBO) sowie die Voreintragung des Betroffenen (§ 39 GBO) nicht auch materielle Wirksamkeitsvoraussetzungen der Eigentumsübertragung sind. 97 Gleiches gilt für die elektronische Form und die Textform, die durch Art. 1 des Gesetzes zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13. Juli 2001, BGBl. I, 1542, in § 126 III BGB und § 126 b BGB aufgenommen wurden. 98 von Tuhr, Bürgerliches Recht - AT, § 57. 99 Huhn/von Schuckmann, BeurkG, Einl. Rn. 2; Keidel/ Winkler, BeurkG, Einl. Rn. 28; Eylmann/Vaasen (Eylmann), BeurkG, Einl. Rn. 1, 5; MünchKomm/Förschler, BGB, 3. Aufl., § 128 Rn. 8.
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Teil 1 : Einführung in den Untersuchungsgegenstand
ein, denn dies bestimmt sich auch nach den im BeurkG normierten Voraussetzungen einer wirksamen Beurkundung. Die Verlagerung der inhaltlichen Anforderungen an die Beurkundungsform in das Verfahrensrecht versteht sich vor dem Hintergrund, daß es sich bei der Beurkundung um ein öffentlichrechtliches Verfahren handelt. 100 Dies bedeutet jedoch für das materielle Recht, daß es bei der Anordnung öffentlicher Formen deren verfahrensrechtliche Ausgestaltung und einen sich daraus ergebenden materiellen Mindestgehalt voraussetzt, ohne ihn selbst garantieren zu können. 101 Denn je schwächer die inhaltlichen Anforderungen an die öffentliche Form ausgebildet werden, desto schwächer ist auch der materielle Gehalt der Form. Da sich die Nichtigkeitssanktion des § 125 S. 1 BGB nach den spezifischen Wirksamkeitsvoraussetzungen der jeweiligen Form bestimmt, wird durch das Verlagern der inhaltlichen Anforderungen an die öffentlichen Formen die Reichweite des § 125 S. 1 BGB relativiert und durch die Anforderung des Verfahrensrechts bestimmt. 102 Dieser Zusammenhang wurde schon bei den Beratungen zum BGB gesehen,103 und hinsichtlich der Beurkundungsform wurde erörtert, ob man das dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit angehörende Beurkundungswesen dem Landesrecht überlassen sollte, oder ob man die Erfordernisse der Mitwirkung eines Richters oder Notars und die Beurkundungsweise zumindest insoweit im bürgerlichen Recht regeln sollte, als deren Beobachtung die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts bedingt, um eine reichsweite Einheitlichkeit der inhaltlichen Anforderungen an die Beurkundung zu erzielen. 104 In diesem Vorschlag kommt der soeben beschriebene Zusammenhang von § 125 S. 1 BGB und seine relative Abhängigkeit von der verfahrensrechtlichen Ausgestaltung der Beurkundung zum Ausdruck. 105 Hervorzuheben ist, daß sich durch die Ausgestaltung der öffentlichen Formen des 100 Keidel/Winkler,
BeurkG, Einl. Rn. 30 f.
101
So steht ζ. B. im BGB nichts davon, daß zur Beurkundung von Willenserklärungen ein Protokoll anzufertigen ist, wenngleich dies natürlich vorausgesetzt wird. Vorgeschrieben wird die Anfertigung der Niederschrift jedoch durch §§ 8 ff. BeurkG. - Zutreffend weisen Eylmann/Vaasen (Frenz), BeurkG, § 17 Rn. 1, darauf hin, daß sich die Formzwecke des materiellen Rechts in den Verfahrensregelungen wiederfinden müssen. 102 Aus Sicht des materiellen Rechts ist es ζ. B. überraschend, daß die Belehrungspflicht des Notars in § 171 BeurkG, die als „Kernstück des Gesetzes" (Mecke /Lerch, BeurkG, § 17 Rn. 1) und als „magna Charta" (Schmitz-Valckenberg, DNotZ 1994, 495 [496]) notarieller Tätigkeit gilt, nur als Sollvorschrift ausgestaltet ist und somit ihr Ausbleiben nicht zur Unwirksamkeit der Beurkundung führt. Verständlich wird dies vor dem Hintergrund, daß Belehrungsverstöße die häufigste Schadensursache im Rahmen notarieller Tätigkeit darstellen (Keidel/Winkler, BeurkG, § 17 Rn. 125). 103 Protokolle, V, S. 429. 104 Protokolle, V, S. 429. 105 Im Ergebnis entschied man sich bei den Beratungen zum BGB gegen eine reichsrechtliche Regelung, da die Materie noch eingehender Prüfung und größerer Vorarbeiten bedürfe und man zunächst mit den verschiedenartigen Regelungen des Beurkundungswesens auskommen könne, jedoch einigte man sich darauf, daß eine einheitliche Regelung des Beurkundungswesens erwünscht sei (Protokolle, V, S. 434). - Dies geschah im Gesetz über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Mai 1898, RGBL, 189, das zusammen mit dem BGB am 1. Januar 1900 in Kraft trat.
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BGB im formellen Recht nichts daran ändert, daß es sich bei der Anordnung dieser Formen für die Abgabe einer Willenserklärung um ein materiellrechtliches Formerfordernis des Privatrechts handelt.
II. Die materielle Form der Auflassung im allgemeinen 1. Einigkeit über die Formbedürftigkeit der Auflassung
a) § 9251 BGB als Formvorschrift Die ganz einheitliche Auffassung in Literatur und Rechtsprechung geht davon aus, daß in § 925 I BGB für die Auflassung in Abweichung von der allgemeinen Regelung in § 873 I BGB eine besondere Form vorgeschrieben wird und dementsprechend als Formvorschrift zu qualifizieren ist. 1 0 6 Die Nichteinhaltung der Form führt nach § 125 S. 1 BGB zur Formnichtigkeit der Auflassung, die auch nicht durch die nachfolgende Eintragung des Eigentumswechsels in das Grundbuch geheilt wird. 1 0 7
b) Gegenteilige Ansichten/Stellungnahme Nur vereinzelt finden sich Stimmen, die die materielle Formbedürftigkeit der gemäß § 925 I BGB zu erklärenden Auflassung verneinen und sie nach den Vorschriften des materiellen Rechts für formfrei halten. 108 So gehen sowohl Baiser/ Rühlicke / Roser als auch Holzer/Kramer davon aus, daß die Auflassung bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile vor einem deutschen Notar erklärt werden müsse, stellen jedoch fest, daß materiellrechtlich eine Form nicht vorgeschrieben sei. 109 Auch das BayObLG formulierte in einem Beschluß aus dem Jahre 1993, daß die Auflassung zu ihrer materiellen Wirksamkeit keiner Form bedürfe. 110 In der Sache ging es um die Rechtsfrage, ob die Unwirksamkeit der notariellen Beurkundung wegen der fehlenden Unterzeichnung der Auflassungsurkunde durch eine Partei zur Unwirksamkeit der Auflassung führt. Dies wird vom Gericht mit Verweis auf die Formfreiheit der Auflassung verneint. Um zu diesem Ergebnis zu 106 Baur/Stürner, SachenR, § 22 Rn. 1; Jauernig, BGB, § 925 Rn. 3; MünchKomm/ Kanzleiter, BGB, § 925 Rn. 1; Palandt/Bassenge, BGB, § 925 Rn. 1; Soergel/Stürner, BGB, § 925 Rn. 1; Staudinger/Pfeifer, BGB, § 925 Rn. 3; Westermann/Gursky/Eickmann, SachenR; § 76 I; Wilhelm, SachenR, Rn. 502 (S. 340). 107 Staudinger/Pfeifer, BGB, § 925 Rn. 4; Erti, MittBayNot 1992, 102 (104); BGHZ 29, 6
(10).
108 Zu nicht unter den Anwendungsbereich von § 925 I BGB fallenden Eigentumsübertragungen an einem Grundstück vgl. Palandt/Bassenge, BGB, § 925 Rn. 7. ι 0 9 Baiser /Rühlicke /Roser, Handbuch des Grundstücksverkehrs, 3. Aufl., Rn. 39; Holzer/ Kramer, GrundbuchR, Rn. 175. no BayObLG MittBayNot 1994, 39 (40).
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Teil 1 : Einführung in den Untersuchungsgegenstand
kommen, hätte es jedoch ausgereicht, das Beurkundungserfordernis mit der herrschenden Meinung zu verneinen und nicht gleich von der völligen Formfreiheit der Auflassung auszugehen, um damit zugleich die Qualifizierung des Gleichzeitigkeitserfordernisses sowie die Erklärungsabgabe vor der zuständigen Stelle als Formerfordernisse in Frage zu stellen. Es spricht daher einiges dafür, daß das Gericht gar nicht so weit gehen wollte und sich lediglich ungenau ausgedrückt hat, denn auch die angeführten Literaturstellen belegen nicht den Satz von der materiellen Formfreiheit der Auflassung, sondern verzichten lediglich auf die wirksame Beurkundung als Wirksamkeitserfordernis der Auflassung. 111 In gleicher Weise sind die Ausführungen von Baiser/Rühlicke/Roser und Holzer/Kramer zu bewerten, da es bei ihnen an einer Auseinandersetzung mit der herrschenden Meinung fehlt und daher schwerlich anzunehmen ist, daß sie sich gegen die herrschende Meinung stellen wollen. Bestätigung findet dieser Verdacht darin, daß zumindest bei einem Teil der Autoren an anderer Stelle selbst von der durch § 925 I BGB vorgeschriebenen „Form der Auflassung" die Rede ist. 1 1 2 Auch Meikel / Lichtenberger vertritt in seiner Kommentierung des § 20 GBO den Standpunkt, daß die Auflassung keiner Form bedürfe. 113 Es sei „unscharf", bei § 925 BGB von „Form" zu sprechen. Das BGB kenne nur die Schriftform, die notarielle Beurkundung und die Form der öffentlichen Beglaubigung (§§ 126 — 129 BGB). § 925 BGB schreibe jedoch keine dieser Formen für die Auflassung vor, denn die Bestimmung spreche lediglich von einer Erklärung beider Teile vor einer zuständigen Stelle, was nach dem Sprachgebrauch des BGB keine Form sei. Zwar sei es gerechtfertigt, alle Vorschriften über die Form und solche, die sich mit der Form befassen, auf die Auflassung entsprechend anzuwenden. Eine Pflicht, die erklärte Auflassung schriftlich niederzulegen, notariell zu beurkunden oder die Unterschriften der Beteiligten öffentlich zu beglaubigen, normiere § 925 BGB jedoch nicht und auch könne eine solche Pflicht nicht durch die entsprechende Anwendung der Formvorschriften oder der Vorschriften, die sich mit der Form befassen, statuiert werden. Meikel / Lichtenberger hält es daher in bezug auf § 925 BGB für „richtiger", statt von der Form der Einigung von der „Art" der Einigung zu sprechen, 114 womit gemeint ist, daß beide Vertragsteile vor einer zuständigen Stelle erm Verwiesen wird auf Horber / Demharter, GBO, 19. Aufl., § 20 Anm. 9 a und Palandt/ Bassenge, BGB, 52. Aufl., § 925 Rn. 3. 112 Bei Baiser/Rühlicke/Roser, Handbuch des Grundstücksverkehrs, heißt es in Rn. 40 zur Trennung von schuldrechtlichem Grundgeschäft und Eigentumserwerb, daß dieser sich an die dingliche Einigung des Veräußerers und Erwerbers in der durch § 925 BGB vorgeschriebenen Form sowie an die Eintragung des Erwerbers in das Grundbuch knüpfe. - Auch Eckert, SachenR, Rn. 934 und 936, hält die Auflassung für formbedürftig, die Auflassungserklärung selbst hingegen für formfrei. 113 Meikel/Lichtenberger, GBO, § 20 Rn. 57 ff.; in Rn. 60 heißt es wörtlich: „Dogmatisch ist es richtig, da die Auflassung keiner Form bedarf." 114 Meikel/Lichtenberger, GBO, § 20 Rn. 57, will den Begriff analog § 130 Abs. 2 AktG bilden, wo in bezug auf Beschlüsse der Hauptversammlung von der Art der Abstimmung die Sprache ist.
C. Das gegenwärtige Meinungsbild zur materiellen Form der A u f l a s s u n g 4 9
klärt haben, über die Rechtsänderung einig zu sein. 115 Meikel / Lichtenberger spricht sich somit zwar ausdrücklich gegen die Formbedürftigkeit der Auflassung aus. Dabei verfolgt er jedoch nicht das Ziel, sich hinsichtlich der Anforderungen an die Auflassungserklärung auf einen Sonderweg begeben zu wollen, sondern fügt eine lediglich terminologische Unterscheidung zwischen Art der Einigung und dem Begriff der Form ein. Seinem Vorschlag könnte eine Berechtigung zukommen, wenn sich die Formen im BGB tatsächlich auf die genannten Typen beschränkten und in § 925 I S . 1,2 BGB keine Beurkundung vorgeschrieben wäre. Dies zu klären ist Gegenstand der Untersuchung, so daß die Differenzierung von Meikel / Lichtenberger hier keiner abschließenden Stellungnahme bedarf. Es sei jedoch schon an dieser Stelle angemerkt, daß die Differenzierung zwischen Art der Erklärungsabgabe und Form im Sinne des BGB zweifelhaft erscheint, da die Form im Sinne des BGB gerade so definiert wird, daß die Art der Erklärungsabgabe vorgeschrieben ist. 1 1 6 Hervorzuheben ist jedoch die Aufmerksamkeit, mit der Meikel / Lichtenberger der Art und Weise der Auflassungserklärung begegnet und offenlegt, daß sich die allgemein angenommene Form der Auflassung nicht ohne weiteres in das System der Formen des BGB einfügt. 117
2. Die Form der Auflassung im allgemeinen
In § 925 I BGB werden verschiedene Möglichkeiten für die Erklärung der Auflassung eröffnet. Neben der Erklärung vor dem Notar oder einer sonstigen zuständigen Stelle (a) werden die Erklärung der Auflassung in einem gerichtlichen Vergleich (b) und ihre Erklärung in einem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan (c) geregelt. a) § 9251S. 1,2 BGB Die herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung sieht die in § 925 IS. 1,2 BGB vorgeschriebene Form darin, daß die Beteiligten die auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück gerichteten Willenserklärungen bei gleichzeitiger Anwesenheit vor der zuständigen Stelle unter deren Mitwirkung abgeben.118 Zuständig ist gemäß § 925 I S. 2 BGB unbeschadet der Zuständigkeit 115 Die Bedeutung der so verstandenen „Art der Einigung" spiele im Rahmen des § 20 GBO eine Rolle, als der von § 20 GBO für das Grundbuchverfahren geforderte Nachweis im verfahrensmäßigen Sinn Beweis für die Erfüllung der Erfordernisse des § 925 BGB erbringen müsse; vgl. Meikel/Lichtenberger, GBO, § 20 Rn. 58. 116 Siehe oben Teil 1 A III 2. 117 Dazu unten Teil 2 Β I.
us Baur/Stürner, SachenR, § 22 Rn. 2 ff.; Erman/Hagen/Lorenz, BGB, § 925 Rn. 24, Erti, MittBayNot 1992, 102 (104); Palandt/Bassenge, BGB, § 925 Rn. 2 ff.; Schreiber, SachenR, Rn. 346, 347; Schapp, SachenR, Rn. 323; Schwab/Prutting, SachenR, Rn. 355; Soergel/Stürner, BGB, § 925 Rn. 22 ff.; Staudinger/Pfeifer, BGB, § 925 Rn. 75; Jauernig, 4 Pajunk
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Teil 1 : Einführung in den Untersuchungsgegenstand
weiterer Stellen jeder Notar, wobei sich die Zuständigkeit weiterer Stellen heute i m wesentlichen auf die Konsularbeamten der Bundesrepublik Deutschland bei Auflassungen i m Ausland beschränkt. 1 1 9 Die Mitwirkung der zuständigen Stelle soll in der „Entgegennahme der Auflassung" (§ 925 I S. 2 BGB) bestehen und erfordert nach allgemeiner Meinung, daß der Amtsträger zu dieser Amtshandlung erkennbar bereit ist und sie nicht ablehnt. 1 2 0 Nach nunmehr wohl herrschender Auffassung ist es nicht erforderlich, daß die Erklärungen mündlich abgegeben werd e n . 1 2 1 Auch ist ein bestimmter Wortlaut für die Erklärungen nicht vorgeschrieb e n . 1 2 2 Gefordert wird jedoch, daß sowohl die Erklärung des Veräußerers als auch die des Erwerbers bestimmt und eindeutig abgegeben werden. 1 2 3 Eine BeurkunBGB, § 925 Rn. 11 ff.; Westermann/Gursky/Eickmann, SachenR II, § 76 II 1; M Wolf, SachenR, Rn. 325. 119 Siehe oben Teil 1 A II 2. 120 Demharter, GBO, § 20 Rn. 19; Jauernig, BGB, § 925 Rn. 11; Palandt/Bassenge, BGB, § 925 Rn. 2. - Das Tatbestandsmerkmal wurde ganz wesentlich vom RG geprägt. Danach hat die entgegennehmende Stelle die Erklärungen entgegenzunehmen bzw. bei nicht gehöriger Erklärung die Entgegennahme abzulehnen (RGZ 106, 198 [199 f.]). Dabei müsse die Entgegennahme von dem Bewußtsein getragen sein, die Erklärungen würden zu dem Zweck abgegeben, daß sie damit Rechtswirksamkeit erlangen (RGZ 132,406 [409 f.]). 12 1 Von der herrschenden Meinung sprechen im Zusammenhang mit der Forderung nach mündlicher Erklärung jedoch noch Palandt/Bassenge, BGB, § 925 Rn. 3 und Meikel/Lichtenberger, GBO, § 20, Rn. 70. - Staudinger/Pfeifer, BGB, § 925, Rn. 86, bezeichnet diese Ansicht als „die bisher herrschende Lehre"; für Erman/Hagen/Lorenz, BGB, § 925 Rn. 24 und MünchKomm ! Kanzleiter, BGB, § 925, Rn. 18, dort Fn. 73, handelt es sich hingegen nur noch um die „früher herrschende Meinung". Vgl. als Vertreter des Mündlichkeitserfordernisses Demharter, GBO, § 20 Rn. 14; Haegele/ Schöner/Stöber, GrundbuchR, Rn. 3326; Jauernig, BGB § 925 Rn. 11; Westermann/Gursky/Eickmann, SachenR, § 76 II \ \ E. Wolf, SachenR, § 10 Β III a; BGB-RGRK/Augustin, BGB, §§ 925, 925a Rn. 71. - Gegen eine Pflicht zur mündlichen Erklärung sprechen sich aus und halten die Erklärung in mündlicher sowie auf jede andere unmißverständliche Weise für zulässig: Kuntze /Erti /Herrmann/Eickmann (Munzig), GrundbuchR, § 20 Rn. 113; Meikel/ Lichtenberger, GBO, § 20 Rn. 70; MünchKomm/Kanzleiter, BGB, § 925 Rn. 18; Palandt/ Bassenge, BGB, § 925 Rn. 3; Staudinger/Pfeifer, BGB, § 925 Rn. 86. Eine Stellungnahme zu dem Streit ist an dieser Stelle entbehrlich. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß die Qualifizierung der Auflassungserklärungen als mündliche Erklärungen im Schrifttum und in der Rechtsprechung nicht automatisch so zu interpretieren ist, daß es sich um ein zwingendes Erfordernis der wirksamen Erklärungsabgabe handeln soll. Vielmehr ist daran zu denken, daß von der Mündlichkeit der Erklärungsabgabe gesprochen wird, um eine Abgrenzung zur Beurkundungsform zu erzielen. So heißt es etwa in RGZ 99, 65 (69 f.): „ . . . und so ist die Annahme zulässig, daß das Gesetz mit solchen die Einigung darstellenden Erklärungen als rechtlich beachtlich rechnet, die ohne Beurkundung nur mündlich verlautbart werden." Es ist zweifelhaft, ob dieser Formulierung die Pflicht zur mündlichen Erklärungsabgabe entnommen werden kann, denn die Kernaussage beschränkt sich auf die Verneinung einer Beurkundungspflicht. So auch Palandt/Bassenge, BGB, § 925 Rn. 3.
1 22 Westermann/Gursky/Eickmann, SachenR, § 76 II 1; Wolff/Raiser, SachenR, § 61 I 2 Anm. 3. 123 Vgl. BayObLG MDR 2001, 501 (502) = MittBayNot 2001, 201 mit kritischer Anm. Kanzleiter; Demharter, GBO, § 20 Rn. 14; Palandt/Bassenge, BGB, § 925 Rn. 3. - Unzureichend ist nach BayObLG MDR 2001, 501 (502), wenn ein Beteiligter bei der Abgabe der
C. Das gegenwärtige Meinungsbild zur materiellen Form der Auflassung
51
dung der Auflassung wird von der ganz überwiegenden Auffassung für die gemäß § 925 I S. 1, 2 BGB erklärte Auflassung hingegen nicht verlangt. 124
b) § 9251S. 3 Alt. 1 BGB Im Gegensatz dazu soll die Protokollierung des gerichtlichen Vergleichs gemäß der §§159 ff. ZPO im Falle des § 925 I S. 3 BGB nach herrschender Meinung auch eine materielle Voraussetzung für die Wirksamkeit der Auflassung sein. 125 Als Grund wird darauf verwiesen, daß die ordnungsgemäße Protokollierung Wirksamkeitsvoraussetzung für den gerichtlichen Vergleich sei 1 2 6 und dies damit auch für die Auflassung gelte müsse.127
c) § 9251S. 3 Alt 2 BGB Nach § 925 I S. 3 Alt. 2 BGB kann die Auflassung in einem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan erklärt werden. Ein Insolvenzplan wird durch Beschluß des Insolvenzgerichts bestätigt (§ 252 I InsO). Nach § 254 I S. 1 InsO treten mit Rechtskraft der Bestätigung die in dem gestaltenden Teil festgelegten Wirkungen des Insolvenzplans für und gegen alle Beteiligten ein. Die formellen Anforderungen, die für einen rechtskräftigen Beschluß des Insolvenzgerichts gelten, also insbesondere die Protokollierung, 128 sind in der Konsequenz der herrschenden Meinung zu der Tatbestandsalternative der Erklärung der Auflassung in einem gerichtlichen Vergleich ebenfalls als materielles Formerfordernis der Auflassung anzusehen. 129 Erklärung des anderen Teils lediglich anwesend ist und eine Urkunde unterschreibt, in der nur die Erklärung des anderen Teils enthalten ist. 124 Dazu sogleich ausführlich unter Teil 1 C III. 125 Demharter, GBO, § 20 Rn. 16; Palandt/Bassenge, BGB, § 925 Rn. 9; Staudinger/ Pfeifer, BGB, § 925 Rn. 82; Staudinger/Gursky, BGB, § 873 Rn. 50; MünchKomm/ Kanzleiter, BGB, § 925 Rn. 15; Bauer/von Oefele (Kössinger), GBO, § 20, Rn. 79, 201, 205; Kuntze /Erti /Herrmann/Eickmann (Munzig), GrundbuchR, § 20 Rn. 115; Meikel/Lichtenberger, GBO, § 20 Rn. 69. 126 BGHZ 16, 388 (390). 127 Jauernig, BGB, § 925 Rn. 12. 128 Vgl. §§219 f. InsO. 129 Im Wege einer Fiktion bestimmt § 254 I S. 2 InsO, daß soweit Rechte an Gegenständen übertragen werden, die in den Plan aufgenommenen Willenserklärungen der Beteiligten als in der vorgeschriebenen Form abgegeben gelten. Dies bedeutet nicht, daß die dingliche Rechtsänderung unmittelbar erfolgt, da eben nur die Willenserklärungen in der vorgeschriebenen Form als abgegeben gelten, die weiteren Erfordernisse des Erwerbstatbestandes jedoch nicht fingiert werden. Vor dem Hintergrund der in der Insolvenzordnung normierten Fiktion hinsichtlich der formgerechten Abgabe der Willenserklärungen hätte es der Änderung des § 925 I S. 3 BGB wohl nicht zwingend bedurft. Als Grund für die Einfügung in § 925 I 4*
Teil 1 : Einführung in den Untersuchungsgegenstand
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I I I . Das Meinungsbild zum materiellen Beurkundungserfordernis der gemäß § 925 I S. 1, 2 BGB erklärten Auflassung 1. Die Ansicht von Schrifttum und Rechtsprechung
a) Das Schrifttum
zum Grundstücksrecht
und die Rechtsprechung
Das gegenwärtige Meinungsbild zur materiellen Beurkundungsbedürftigkeit der notariell erklärten Auflassung stellt sich mit Blick auf die Rechtsprechung 130 sowie das Schrifttum zum materiellen und formellen Grundstücksrecht 131 völlig einS. 3 BGB wird darauf verwiesen, daß in §§ 228, 254 InsO nur von „Rechten an Gegenständen" bzw. „an einem Grundstück" oder „an eingetragenen Rechten" die Rede sei, so daß der Anwendungsbereich der Norm nach ihrem Wortlaut auf beschränkte dingliche Rechte limitiert sein könnte (Bauer/von Oefele [Kössinger], GBO, § 20, Rn. 202). Da die Möglichkeit der Auflassungserklärung in einem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan nunmehr jedoch ausdrücklich in § 925 I S. 3 BGB aufgenommen wurde, bedarf es umgekehrt nicht der Fiktion des § 254 I S. 2 InsO, um die Formwirksamkeit einer in der Weise erklärten Auflassung zu begründen (so aber Palandt/Bassenge, BGB, § 925 Rn. 9 b). 130 BGH NJW 1994, 2768; BGH NJW 1992, 1101 (1102) = DNotZ 1993, 55 (57) = L M Nr. 42 zu § 1018 BGB = BGHR BeurkG § 7 Auflassung 1; BGH NJW 1983, 2933; BGHZ 22, 312 ff.; 29, 6 (9 f.) = NJW 1959, 626; BayObLG NJW-RR 2001, 734 (736) = MittBayNot 2001, 200 (201); BayObLG MittBayNot 1998, 339 (340); BayObLG MittBayNot 1994, 39 (40); OLG Köln NJW-RR 1997, 1222 (1223) = VersR 1997, 1510 (1511); KG VIZ 1992, 374; OLG Hamm DNotZ 1996, 671 (672) = MDR 1996, 391; OLG Celle MDR 1948, 258; LG Oldenburg Rpfleger 1980, 224. Eine abweichende Formulierung findet sich lediglich in BGH NJW 1993, 3323 (3325), wo der BGH im Zusammenhang mit der Übertragung des Anwartschaftsrechts von der gemäß § 925 BGB der notariellen Beurkundung bedürftigen Auflassung spricht. Da es aber an einer Auseinandersetzung mit der Rechtsfrage fehlt und die Bemerkung zur Form auch nur beiläufig in Klammern gemacht wird, kann dieser Entscheidung nicht entnommen werden, daß der BGH in ihr von der einheitlichen Rechtsprechung abgehen wollte. Die Entscheidung könnte jedoch ein Beleg dafür liefern, daß in der Praxis von einem faktischen Beurkundungszwang bei der Auflassung ausgegangen wird (vgl. dazu unten Teil 1 Ε II 1). 13
1 Literatur zum BGB und allgemeinen Immobiliarsachenrecht: AK-BGB /von Schweinitz, § 925 Rn. 32; Baur/Stürner, SachenR, § 22 Rn. 3; Brehm/Beyer, SachenR, § 14 Rn. 11; Erman/Hagen/Lorenz, BGB, § 925 Rn. 25; Eckert, SachenR, Rn. 934 ff.; Gerhardt, limnobi liarsachenR, § 2 unter 3 c (S. 16) sowie § 5 unter 1 (S. 48); Jauernig, BGB, § 925 Rn. 12; Lange, SachenR, § 26 II 2 b (S. 118); Medicus, BR, Rn. 467; MünchKomm / Kanzleiter, BGB, § 925 Rn. 15; MünchKomm/ Wacke, BGB, § 873 Rn. 30; Palandt/Bassenge, BGB, § 925 Rn. 3; RGRK/Augustin, BGB, § 873 Rn. 124, § 925 Rn. 1; Schopp, SachenR, Rn. 323; Schreiber, SachenR, Rn. 347; Schwab/Prutting, SachenR, Rn. 355; Soergel/Stürner, § 925 Rn. 22; Staudinger/Gursky, BGB, § 873 Rn. 50; Staudinger/Pfeifer, BGB, § 925 Rn. 76; Weirich, GrundstücksR, Rn. 123, 127; Westermann/Gursky/Eickmann, SachenR, § 76 I 1; Wieling, SachenR, § 23 III 1 a (S. 357); Wilhelm, SachenR, Rn. 341 (S. 341); E. Wolf, SachenR, § 10 Β III a; M. Wolf, SachenR, Rn. 325; Wolff/Raiser, SachenR, § 61 I 2 mit Anm. 3 (S. 211). Literatur zur GBO: Bauer/von Oefele (Kössinger), GBO, § 20 Rn. 79, 205 sowie (Knothe), § 29 Rn. 15; Meikel/Lichtenberger, GBO, § 20 Rn. 60; Demharter, GBO, § 20 Rn. 27; Kuntze /Erti /Herrmann/Eickmann (Munzig), GrundbuchR, § 20 Rn. 114; Haegele/ Schöner/Stöber, GrundbuchR, Rn. 3324; Stöber, GBO-Verfahren, Rn. 296.
C. Das gegenwärtige Meinungsbild zur materiellen Form der Auflassung
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heitlich dar. Danach soll die notarielle Auflassung zu ihrer materiellen Wirksamkeit keiner Beurkundung bedürfen. Überwiegend verzichten die Darstellungen im Schrifttum dabei auf Hinweise darauf, daß die Frage zumindest früher umstritten war. Schreiber stellt apodiktisch fest, daß über das Verständnis des § 925 I S. 1 BGB, wonach eine Beurkundung nicht erforderlich sei, heute Einigkeit bestehe.132 Andere Autoren drücken sich zurückhaltender aus, indem sie von einer „herrschenden Meinung" sprechen und damit die Existenz abweichender Auffassungen implizieren. 133 Dies gilt auch für das BayObLG, das in einer aktuellen Entscheidung für das materielle Geschäft der Auflassung „nach heute kaum mehr bestrittener Ansicht" die notarielle Beurkundungsform für nicht erforderlich hält. 1 3 4 Auf eine Darstellung der abweichenden Meinung und der sie stützenden Argumente wird jedoch allgemein verzichtet. Nachweise zur Gegenauffassung beschränken sich jenseits der Angabe von Rechtsprechung in der Regel auf die 6. Auflage des Kommentars zur Grundbuchordnung von Güthe/Triebel aus dem Jahre 1936. 135 Huhn stellt in einem Aufsatz aus dem Jahre 1977 einschränkend fest, daß es in bezug auf die Beurkundungsbedürftigkeit der Auflassung zumindest zweifelhaft sei, ob man der geläufigen Kommentarliteratur eine eindeutige Meinung entnehmen könne. Jedoch hält auch er die Meinung der gebräuchlichen GBO-Kommentare dahin gehend für eindeutig, daß die Beurkundung der Auflassung keine Voraussetzung ihrer Wirksamkeit sei und bleibt im übrigen Nachweise für die Gegenmeinung schuldig. 1 3 6 Auch in der Rechtsprechung wird die Frage des materiellen Beurkundungszwangs der notariellen Auflassung nicht mehr problematisiert. Seitdem sich der BGH im Jahre 1956 zur Frage des materiellen Beurkundungserfordernisses bei der Auflassung äußern mußte und sich dabei der ablehnenden Ansicht des RG angeschlossen hat, 137 stützt sich die neuere Rechtsprechung in ihrer Ablehnung eines materiellen Beurkundungserfordernisses unmittel- oder mittelbar auf diese höchstrichterliche Entscheidung.138
Aufsätze/Anmerkungen: Erti, MittBayNot 1992, 102 (106); ders., Rpfleger 1980, 41 (49); Fuchs-Wissemann, Rpfleger 1977, 9 und 431 f.; Huhn, Rpfleger 1977, 199 f.; Kanzleiter, MittBayNot 2001, 203 (204); Schreiber, Jura 2000, 603 (604). Sonstige: Bengel/Simmerding, Grundbuch / Grundstück / Grenze, § 20 Rn. 4; Eylmann/Vaasen/Limmer, BNotO, § 20 Rn. 34; Keidel/Winkler, BeurkG, Einl. Rn. 18, § 9 Rn. 67; Grziwotz, Praxis-Handbuch, Rn. 793; Lambert-Lang/Tropf/Frenz, Handbuch der Grundstückspraxis, Rn. 158. 132 Schreiber, Jura 2000, 603 (604). 133 So etwa Westermann/Gursky/Eickmann, SachenR, § 76 II 1 (Anm. 3). 134 BayObLG NJW-RR 2001, 734 (736). 135 Güthe/Triebel, GBO, § 20 Rn. 35. Als Vertreter der Gegenmeinung zitiert von Bauer/ von Oefele (Kössinger), GBO, § 20 Rn. 79 (Fn. 90); Staudinger/Gursky, BGB, § 873 Rn. 154; Demharter, GBO, § 20 Rn. 27. 136 Huhn, Rpfleger 1977, 199 (Fn. 6). 137 BGHZ 22, 312 ff. 138 Vgl. die Nachw. oben Teil 1, Fn. 130.
54
Teil 1 : Einführung in den Untersuchungsgegenstand
b) Das Schrifttum
zum Allgemeinen Teil des BGB
Einer differenzierten Betrachtung bedarf das Schrifttum zum Allgemeinen Teil des BGB und zu dem System der Formen des BGB. Ein Teil der Autoren zählt die Auflassungsform nicht zu den Erklärungen, die der notariellen Beurkundung unterliegen. So nennt Flume die Auflassung in der Gruppe der „sonstigen Formen", die er neben die Grundformen der Schriftform, der öffentlichen Beglaubigung und der Beurkundung stellt. 139 Die Besonderheit der Form wird von ihm in der „Erklärung vor einer Behörde" gesehen.140 Daneben findet sich jedoch eine vor dem Hintergrund des einheitlichen Standpunktes im Schrifttum zum Grundstücksrecht überraschende Anzahl von Stimmen, die für die Auflassung nach den Vorschriften des materiellen Rechts eine Beurkundung für erforderlich hält. Hübner 141 zählt die Auflassung neben dem Ehe- und dem Erbvertrag zu den Verträgen, bei deren Beurkundung die gleichzeitige Anwesenheit der Parteien vor dem Notar erforderlich sein soll. Ebenso nennt auch Rüthers 142 die Auflassung neben dem Grundstückskaufvertrag und dem öffentlichen Testament als Beispiel für ein besonders wichtiges Geschäft, bei dem die Abgabe der Erklärung durch gerichtliche oder notarielle Beurkundung der gesamten Erklärung formalisiert sei. Dilcher 143 gliedert die Formvorschriften in der Kommentierung von Staudinger in mehrere nach ihren Erfordernissen abgestufte Arten, wobei er die Auflassung in der Art der Erklärungsabgabe unter gleichzeitiger Anwesenheit vor einer zuständigen Stelle aufzählt. Damit ist zwar nicht ausdrücklich gesagt, daß er die Beurkundung als Teil dieser Form betrachtet, jedoch nennt er die Auflassung ohne weitere Differenzierung neben den Vorschriften der §§ 1410, 2276, 2290 Abs. 4 BGB, also den Formvorschriften über den Ehevertrag und den Erbvertrag, in denen unzweifelhaft eine Beurkundung als materielles Formerfordernis vorgeschrieben wird. 1 4 4 Daher ist er wohl dahin gehend zu verstehen, daß auch die Auflassung einer Beurkundung bedarf, zumal sich die Einteilung ja gerade nach den abgestuften Erfordernissen der verschiedenen Formvorschriften richtet.145 Andere Autoren verweisen auf die Auflassung als Beispiel dafür, daß die Form der notariellen Beurkundung durch das Erfordernis der gleichzeitigen Anwesenheit gesteigert werde und somit einen Sonderfall der notariellen Beurkundung lie-
139 Flume, AT II, § 15 I I 5. 140 Flume, AT II, § 15 I I 5 a (S. 261); ebenso Brox, AT, Rn. 261. 141 Hübner, AT, Rn. 865. 142 Rüthers, AT (10. Aufl.), Rn. 297. 143 Staudinger /Dilcher, BGB, § 125 Rn. 4. 144 Vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, § 1410 Rn. 1 f.; Palandt/Edenhofer, BGB, § 2276 Rn. 5 ff. 145 Ganz ähnlich nennt auch Soergel/Hefermehl, BGB, § 125 Rn. 5, die §§ 925 I, 1410 und 2276 ohne Differenzierung als Beispiele für das besondere Erfordernis der gleichzeitigen Anwesenheit beider Teile.
C. Das gegenwärtige Meinungsbild zur materiellen Form der A u f l a s s u n g 5 5
fere. 146 So heißt es etwa bei Köhler, 147 daß bisweilen, so etwa bei der Auflassung, beim Ehevertrag und beim Erbvertrag, zusätzlich die gleichzeitige Anwesenheit der Beteiligten bei der Beurkundung gefordert sei. Rüthers / Stadler sehen in der Auflassung ein Beispiel dafür, daß das Gesetz manchenorts über die materielle Beurkundung hinaus verlange, daß diese bei gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien erfolgt. 148 In diesem Sinne ist auch MünchKomm/Förschler 149 zu verstehen, der nach der Aufzählung von Schriftform, notarieller Beurkundung und öffentlicher Beglaubigung damit fortfährt, daß zu den Formen gelegentlich noch besondere Umstände hinzukommen und die gleichzeitige Anwesenheit beider Teile bei der Auflassung mit Verweis auf § 925 BGB als Beispiel anführt. Ähnlich heißt es bei MünchKomm/Einsele, 150 daß die Beurkundung als gesetzliche Form des Allgemeinen Teils bei Auflassung, Ehevertrag und Erb vertrag durch das Erfordernis der gleichzeitigen Anwesenheit modifiziert werde. Auch Soergel/Hefermehl 151 stellt Auflassung, Ehe- und Erbvertrag unter diesem Gesichtspunkt nebeneinander. RGRK/Krüger-Nieland 152 nennt die Auflassung als Beispiel für die eigenständige Art der Form der „amtlichen Beurkundung bei gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien". Schließlich wird die materiellrechtliche Vorschrift des § 925 BGB vielfach als Ausnahme zu § 128 BGB qualifiziert. 153 Diese Vorschrift ermöglicht allgemein, daß in den Fällen, in denen das Gesetz die notarielle Beurkundung eines Vertrags vorschreibt, es zur Wahrung der Form genügt, wenn zunächst der Antrag und dann die Annahme beurkundet wird (sogenannte Sukzessiv- oder Stufenbeurkundung). Für die Annahme, daß § 925 BGB für die Auflassung eine Ausnahme zu § 128 BGB anordnet, wäre es zunächst erforderlich, daß für die Auflassung die Beurkundung überhaupt als Form vorgeschrieben wird. 1 5 4 Somit sind die Autoren, die § 925 BGB als Ausnahme zu § 128 BGB anführen, zu den Stimmen zu zählen, die für die materielle Wirksamkeit der Auflassung die Form der notariellen Beurkundung erforderlich halten. Dies darf jedenfalls dann angenommen werden, wenn § 925 BGB neben anderen Ausnahmevorschriften aufgezählt wird, in denen unzweifelhaft die Beurkundung als materielles Formerfordernis vorgeschrieben wird 146 Giesen, Jura 1981, 505 (511). 147 Köhler, AT, δ 12 Rn. 11. 148 Rüthers/Stadler, AT, § 24 Rn. 16; vgl. auch Rn. 26. 149 MünchKomm/Förschler, BGB, 3. Aufl., § 125 Rn. 6. 150 MünchKomm / Einsele, BGB, § 125 Rn. 2. 151 Soergel/Hefermehl, BGB, Vor § 125 Rn. 5. 152 RGRK/Krüger-Nieland, BGB, § 125, Rn. 5. 153 Palandt/Heinrichs, BGB, § 128 Rn. 2; AK-BGB/Hart, § 128 Rn. 2; Soergel/Hefermehl, BGB, § 128, Rn. 2; RGRK /Augustin, BGB, §§ 925, 925a, Rn. 61; Medicus, AT, Rn. 624; Müller, SachenR, Rn. 959, MünchKomm / Einsele, BGB, § 128 Rn. 2. 154 So Jauernig, BGB, § 128 Rn. 3, der § 925 BGB als Ausnahme zu § 128 BGB mit der Begründung verneint, daß § 925 BGB keine Beurkundung vorschreibe; ebenso Meikel/Lichtenberger, GBO, § 20 Rn. 73.
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Teil 1 : Einführung in den Untersuchungsgegenstand
und jedweder Hinweis darauf fehlt, daß bei der Auflassung etwas anderes gelten soll.' 5 5
2. Die gegen eine materielle Beurkundungspflicht angeführten Argumente
Im gegenwärtigen Schrifttum wird von der herrschenden Meinung der Verzicht auf die Beurkundung als materielles Formerfordernis der Auflassung in erster Linie durch den Verweis auf die Entscheidungen des RG vom 24. April 1920 156 und des BGH aus dem Jahre 1956 157 belegt. Obwohl dabei auf eine Wiedergabe der Auslegungsargumente überwiegend verzichtet wird, sind die Entscheidungsbegründungen dennoch als Bestandteil der herrschenden Meinung anzusehen und wirken darüber hinaus in den heute angeführten Argumenten gegen ein materielles Beurkundungserfordernis der Auflassung fort. Die Entscheidungen sollen daher in ihrem Kern wiedergegeben werden. 158 Soweit in der neueren Literatur einzelne Argumente angeführt werden, um den Verzicht auf die Beurkundung zu begründen, stehen der Wortlaut des § 925 IS. 1,2 BGB sowie der Normzweck im Vordergrund und sind als die Hauptargumente der herrschenden Auslegung des § 925 I BGB anzusehen.
a) RGZ 99, 65 (Urteil
vom 24. April 1920)
Der Entscheidung des RG vom 24. April 1920 lag der Sachverhalt zugrunde, daß eine im Jahre 1908 vor dem Grundbuchamt erklärte Auflassung zwar bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Parteien erklärt worden war, der Grundbuchrichter es jedoch versäumt hatte, das Auflassungsprotokoll zu unterschreiben. Der Verkäufer hatte Jahre später mit seiner Klage beantragt, den Beklagten zu verurteilen, in die Wiedereintragung des Klägers als Eigentümer des Grundstücks einzuwilligen und die Berichtigung des Grundbuchs zu bewilligen. Sowohl die Klage als auch die Berufung waren erfolglos geblieben und wurden vom RG bestätigt. Als feststehend hatte das RG angenommen, daß das Auflassungsprotokoll wegen der fehlenden Unterschrift den Anforderungen eines gerichtlichen Protokolls nicht genüge 159 und die Eintragung des Beklagten in das Grundbuch daher auf einer Auflassung beruhe, die an sich einer dem Gesetz entsprechenden Beurkundung 155 MünchKomm/Einsele, BGB, § 128 Rn. 2, bezeichnet in diesem Zusammenhang die §§ 925, 1410, 2276 I S. 1, 2290 IV BGB ausdrücklich als notariell zu beurkundende Verträge. 156 RGZ 99, 65. 157 BGHZ 22, 312. 158 Soweit auf RGZ 132, 406 verwiesen wird, handelt es sich lediglich um eine Bestätigung von RGZ 99, 65, wobei das RG sich auf die Feststellung beschränkt, daß es keinen Anlaß gäbe, von der früheren Entscheidung abzugehen (RGZ 132, 404 [408]). 159 Mit Verweis auf § 177 Abs. 3 FGG.
C. Das gegenwärtige Meinungsbild zur materiellen Form der Auflassung
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entbehre und dieser Fall dem gleichzustellen sei, als fehle es an einer Beurkundung überhaupt. Die zu entscheidende Streitfrage 160 war somit die, ob der Beklagte wirksam Eigentümer geworden war, auch wenn die Auflassung nur mündlich erklärt worden und die Eintragung auf dieser Grundlage erfolgt war. Das RG entschied unter ausdrücklicher Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung 161 gegen die Beurkundungsbedürftigkeit der Auflassung und billigte die Entscheidungen der Vorinstanzen.
aa) Wortlaut des § 925 I BGB Den Ausgangspunkt der Begründung bildet der Wortlaut des Gesetzes. Das RG stellt fest, daß es an einer Vorschrift fehle, die die Beurkundung der Auflassungserklärung als Erfordernis der Auflassung ausdrücklich vorsehe. Insbesondere enthalte weder § 925 BGB noch § 20 GBO eine solche Bestimmung, da in beiden Vorschriften lediglich von der Erklärung der Einigung die Rede sei. Vor dem Hintergrund der Fassung dieser Vorschriften bedürfe es für die Annahme, daß zu der Erklärung auch deren Beurkundung zur Vollendung der Auflassung hinzukommen müsse, „wirklich zwingender Gründe". Im folgenden zeigt das RG, daß solche zwingenden Gründe nach seiner Ansicht nicht vorhanden seien.
bb) Die Sonderstellung der Auflassung gegenüber anderen Vertragsschlüssen vor Gericht oder Notar Zunächst argumentiert das RG damit, daß die Erklärung der Auflassung nicht mit den Rechtsgeschäften gleichzusetzen sei, für die das Gesetz einen Vertragsabschluß vor dem Gericht oder einem Notar verlange (§§ 1434, 1750, 2276 BGB), 1 6 2 oder wo ausdrücklich die gerichtliche oder notarielle Beurkundung vorgeschrieben sei (§§ 311, 313, 518 BGB). 1 6 3 Denn im Unterschied zu diesen Fällen, bei denen die Beurkundung als Wirksamkeitsvoraussetzung unstreitig angenommen wurde, fordere § 925 BGB eben nur die Abgabe der Erklärung vor dem Grundbuchamt und nicht vor Gericht oder Notar. 160 Der Meinungsstand wird ohne Nachweise aus dem Schrifttum durch Wiedergabe von drei nach Ansicht des RG vertretenen Ansichten umrissen. 161 RG ZB1FG 3, 789 (799). Der Abdruck der Entscheidung in RGZ 54, 195 (196) enthält eine Zusammenfassung der entsprechenden Passage mit dem Wortlaut: „Es folgt zunächst eine Darlegung, daß die Meinung des Beschwerdeführers, auch bei Annahme eines Verstoßes gegen §§ 176, 177 FGG müßten die Auflassungen als gültig angesehen werden, irrig sei,..." 162 Dabei handelte es sich um die Vorschriften über den Ehe vertrag, den Vertrag über die Annahme an Kindes Statt und den Erb vertrag. 163 Die Vorschriften beziehen sich auf den Vertrag über das gegenwärtige Vermögen, die Verpflichtung zum Erwerb eines Grundstücks und den Schenkungsvertrag.
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Teil 1 : Einführung in den Untersuchungsgegenstand
Daran ändere sich nach Auffassung des RG auch dann nichts, wenn man in der Einigung gemäß der §§ 873, 925 BGB einen Vertrag erblicke und folgere, daß aus diesem Grund das gelten müsse, was sonst für den Abschluß gerichtlicher Verträge gelte. Das Gesetz habe davon abgesehen, die Einigung als Vertrag zu kennzeichnen und habe in § 925 BGB unabhängig von der Frage, ob in der Einigung ein Vertrag zu sehen sei, immer nur auf die Abgabe der zur Auflassung erforderlichen Erklärungen das entscheidende Gewicht gelegt. Um dies zu belegen, stützt sich das RG auf den ersten Entwurf, in dem die Auflassung noch ausdrücklich als Vertrag bezeichnet worden war. In den Motiven sei jedoch Verwahrung dagegen eingelegt worden, daß, wenn demnächst auch in der Grundbuchordnung die Erklärung zu Protokoll des Grundbuchamts vorgeschrieben werden würde, die auf Grund einer nur mündlichen oder zwar schriftlichen, aber nicht beglaubigten Eintragungsbewilligung vollzogene Eintragung als nichtig angesehen werde. In wörtlicher Wiedergabe der Motive heißt es dann: „Eine Formvorschrift in diesem Sinne müsse in hohem Grade bedenklich erscheinen, nachdem der Entwurf sich in seinem allgemeinen Teile für das Prinzip der Formfreiheit entschieden habe." Ergänzend erfolgt die Wiedergabe der Motive zum Entwurf I der Grundbuchordnung: ... „daß die Vertragserklärungen, deren der § 828 (des Entwurfs I) gedenke, nicht an eine Form gebunden seien. ... Es komme mithin nur darauf an, daß die Erklärungen wirklich abgegeben seien." Aus diesen Stellen folgert das RG, daß obwohl der erste Entwurf die Erklärungen ausdrücklich unter den Gesichtspunkt des Vertrags gestellt hatte, entscheidend nur ihre wirkliche Abgabe, nicht hingegen ein anderer Gesichtspunkt sein sollte. Daran änderte sich nach Ansicht des RG auch nichts durch die Beseitigung des Begriffs des Vertrags im zweiten Entwurf, da man lediglich die Frage der Konstruktion der Wissenschaft überlassen wollte, im übrigen den Ausführungen der Motive auch nicht für den Fall entgegengetreten sei, daß in den Erklärungen der Beteiligten ein Vertrag zu finden sei. 164
cc) Vergleich mit der Form der Eheschließung Als nächstes Argument verweist das RG auf die zu der Zeit in § 1317 BGB geregelte Form der Eheschließung, mit der der Fall des § 925 BGB hinsichtlich des Formerfordernisses am ehesten vergleichbar sei. Auch bei der Eheschließung reiche die bloße Erklärung zum Zustandekommen des Rechtserfolges aus, ohne daß es dazu einer Beurkundung bedürfe.
164 Vgl. schon oben Teil 1 A I I I 1 a).
C. Das gegenwärtige Meinungsbild zur materiellen Form der Auflassung
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dd) Das Argument der Formerschwerung Sodann wendet sich das RG gegen das Argument, wonach es die Absicht des Gesetzgebers gewesen sei, die Form der Auflassung zu erschweren, es hingegen eine Erleichterung der Form anderer vor Gericht oder Notar abzuschließender Rechtsgeschäfte darstellen müsse, wenn auf die Beurkundung bei der Auflassung verzichtet werde. Das RG erwidert, daß das Gesetz ausdrücklich sage, inwieweit es die Anforderungen hat erschweren wollen. Die Erschwernis beschränke sich darauf, daß die Auflassungserklärungen bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile vor dem Grundbuchamt abgegeben werden müßten.
ee) Der Vergleich mit der preußischen Regelung Gegen das Argument, daß der Gesetzgeber in § 925 BGB dem in § 1 des preußischen Gesetzes über den Eigentumserwerb vom 5. Mai 1872 enthaltenen Grundsatz habe folgen wollen und daß nach preußischem Recht die mündlich abzugebenden Erklärungen beurkundet werden müßten, führt das RG aus, daß in § 32 der preußischen Grundbuchordnung ausdrücklich vorgeschrieben gewesen sei, daß mündliche Anträge auf Eintragungen vom Amtsrichter zu beurkunden seien, daß aber in die neuen Gesetze eine derartige Bestimmung nicht aufgenommen worden sei. § 29 GBO mache es dem Grundbuchrichter nur zur Pflicht, Eintragungen nur dann vorzunehmen, wenn die Eintragungsbewilligungen ... vor dem Grundbuchamte zu Protokoll gegeben seien oder durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen würden, enthalte also nur eine Ordnungsvorschrift.
ff) § 873 II BGB Auch aus § 873 II S. 2 BGB, der mit § 925 BGB „in innerster Beziehung stehe", folgert das RG ein Argument gegen die Beurkundungsbedürftigkeit der Auflassung. Es sei dort zwar nur von der Bindung der Beteiligten an die Einigung die Rede, jedoch werde alsdann doch zwischen beurkundeten Erklärungen und solchen, die „vor dem Grundbuchamt abgegeben" sind, unterschieden, so daß die Annahme zulässig sei, daß das Gesetz auch mit solchen die Einigung darstellenden Erklärungen als rechtlich beachtlich rechne, die ohne Beurkundung nur mündlich verlautbart würden.
gg) Das Argument des Verkehrsinteresses und der Rechtssicherheit Schließlich widmet sich das RG den Argumenten des Verkehrsinteresses und den Anforderungen der Rechtssicherheit, wobei es feststellt, daß sich „Erwägun-
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Teil 1 : Einführung in den Untersuchungsgegenstand
gen sowohl zugunsten der freieren wie auch der engeren Auslegung des § 925 anstellen'4 ließen. Das RG fährt dann fort: „Allein schließlich erscheint doch die Annahme berechtigt, daß mehr Gefahr denkbar ist, wenn man das Zustandekommen einer wirksamen Auflassung auch von dem Vorhandensein einer wirksamen Beurkundung der Erklärungen abhängig macht, als im entgegengesetzten Falle. Die Beurkundung bietet allerdings als öffentliche Urkunde Beweis für den Inhalt der Auflassung, während der entsprechende Beweis mangels einer Urkunde wesentlich erschwert wäre. Aber die Möglichkeit, daß eine Eigentumseintragung jemals auch ohne eine Beurkundung der Auflassung erfolge, liegt doch angesichts der Vorschrift des § 29 GBO sehr fern. Die Möglichkeit dagegen, daß ein Auflassungsprotokoll fehlerhaft ist und dieser Umstand alsdann von einem der Beteiligten ausgebeutet wird, ist, wie der gegenwärtige Fall zeigt, eher gegeben."
b) BGHZ22, 312 (Urteil
vom 5. Dezember 1956)
Im Jahre 1956 schloss sich der BGH der Rechtsprechung des RG an. 1 6 5 In der Entscheidung ging es um die Feststellung der Wirksamkeit eines Gesellschaftsvertrags, in dem sich ein Gesellschafter zur Einbringung eines Grundstücks in die Gesellschaft verpflichtet hatte. Die zur Erfüllung dieser Verpflichtung erklärte Auflassung war vor einem Notar erklärt und beurkundet worden, der selbst Komplementär der Gesellschaft war. Einige Jahre nachdem die Eigentumsübertragung im Grundbuch eingetragen worden war, machte der einbringende Teil wegen einer Verletzung der §§ 313 BGB, 170 ff. FGG sowohl die Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrags als auch des die Auflassung enthaltenden Einbringungsvertrags wegen Formmangels geltend. Nachdem das LG die Klage auf Feststellung der Wirksamkeit abgewiesen hatte, gab das Berufungsgericht der Klage statt. Dabei war es davon ausgegangen, daß selbst bei der Annahme, daß der Notar wegen der behaupteten Ausschließungsgründe der §§ 170, 171 FGG von der Beurkundung ausgeschlossen gewesen sei, mit der Ansicht des RG, nach der die Auflassung nicht der Beurkundung bedürfe, die sich aus den §§ 170, 171 FGG ergebende Nichtigkeit der Beurkundung die Auflassung selbst grundsätzlich nicht berühre. Wegen der wirksam erklärten Auflassung der Eintragung der Gesellschaft in das Grundbuch sei gemäß § 313 S. 2 BGB sowohl der Formmangel des Einbringungsvertrags als auch der Formmangel des Gesellschaftsvertrags als geheilt anzusehen.
aa) Anbindung der Begründung an die Rechtsprechung des RG Der BGH stellt in seinem Urteil zunächst fest, daß sich der vom RG in RGZ 99, 65 entwickelten und später in RGZ 132, 406 ausdrücklich bestätigten 165 BGHZ 22, 312 = NJW 1957, 459 = L M Nr. 5 zu § 925 BGB.
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Auffassung, nach der eine vor dem Grundbuchamt erklärte Auflassung auch dann wirksam sei, wenn sie nicht oder nicht formgerecht beurkundet sei, das Schrifttum überwiegend angeschlossen habe. 166 Mit Verweis auf RG JW 1920, 1029 stellt der BGH ferner klar, daß diese Auffassung auch für die vor dem Notar als einer nach § 925 Abs. 1 BGB zuständigen Stelle erklärte Auflassung gelte und bei folgerichtiger Anwendung die Wirksamkeit der Auflassung nicht berührt sei. 167
bb) Das Erfordernis der Rechtssicherheit Wegen der sich im zu entscheidenden Fall ergebenden besonderen Tragweite der Rechtsprechung des RG stellt der BGH dann jedoch Erwägungen an, ob mit Rücksicht auf das Erfordernis der Rechtssicherheit an der Rechtsprechung festgehalten werden könne, oder ob sie einzuschränken sei. Es sei nämlich nicht zu verkennen, daß bei der Anwendung der Rechtsprechung des RG die Vorschriften der §§ 170, 171 FGG, deren Zweck es sei, den zu eng mit der Sache befaßten Notar von seiner Amtstätigkeit auszuschließen, für die Beurkundung der Auflassung ohne Bedeutung seien. Der Senat kommt jedoch zu dem Ergebnis, daß er keine Bedenken habe, der Rechtsprechung des RG zu folgen und sie auch dann anzuwenden, wenn die Beurkundung der Auflassung durch einen Notar wegen eines Ausschließungsgrundes der §§ 170, 171 FGG nichtig sei. Zur Begründung des Ergebnisses stellt der BGH verschiedene Erwägungen an. ( 1 ) Schutz der Rechtssicherheit durch § 9251 BGB Eine wesentliche Schranke gegen die etwaige Beeinträchtigung der Rechtssicherheit bilde schon die erschwerende Bestimmung des § 925 I BGB, wonach die Auflassungserklärung bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile abgegeben werden müsse. Die Möglichkeit, daß eine tatsächlich nicht erklärte Auflassung beurkundet werde, liege daher sehr fern. (2) Die Schranke des § 29 GBO Eine weitere Schranke bilde § 29 GBO, wonach auch die Auflassung, wenn sie nicht zur Niederschrift des Grundbuchrichters erklärt werde, durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden müsse. !66 Als Nachweise werden angeführt: RGRK/Denecke, BGB, 10. Aufl., § 925 Anm. 13; Palandt ! Hoche, BGB, 15. Aufl., § 925 Anm. 3; Staudinger/ Kobe r, BGB, 9. Aufl., § 925 Anm. Β II 2 a; Thieme, GBO, 4. Aufl., § 20 Schlußabsatz von Anm. 2; Hesse/Saage/Fischer, GBO, 3. Aufl., § 20 Bern. III 2 c; Henke/Mönch/Horber, GBO, 4. Aufl., § 20 Bern. 3 Β d. »67 In RG JW 1920, 1029 hat das RG seine Rechtsprechung zum Verzicht auf die Protokollierung der grundbuchamtlich erklärten Auflassung auf eine notariell erklärte Auflassung ausgedehnt; dazu unten Teil 2 D II.
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Teil 1 : Einführung in den Untersuchungsgegenstand
(3) Dienstpflicht zur Beachtung der §§ 170 f. FGG Hinzu komme, daß der Notar die Vorschriften der §§ 170, 171 FGG, auch wenn sie im Falle der Beurkundung einer Auflassung nicht deren Unwirksamkeit zur Folge hätten, keineswegs unbeachtet lassen dürfe, wenn er sich nicht Aufsichtsmaßnahmen oder auch einem dienststrafrechtlichen Einschreiten aussetzen wolle. (4) Gefahr für die Rechtssicherheit auch im Fall der Formbedürftigkeit Schließlich dürfe nicht außer Betracht gelassen werden, daß auch eine Formbedürftigkeit der Auflassung zur Beeinträchtigung der Rechtssicherheit führen würde. Das RG habe sogar die Möglichkeit, daß ein Auflassungsprotokoll fehlerhaft sei und dieser Umstand alsdann von einem der Beteiligten ausgenutzt werde, als viel näherliegend erachtet als die Möglichkeit, daß eine Eigentumseintragung ohne eine Beurkundung erfolge. Im Falle der Formbedürftigkeit der Auflassung würde in Fällen der vorliegenden Art gerade der Ausschließungsgrund des § 171 I Nr. 1 FGG weitgehend dazu führen, sich auf die Nichtigkeit der Beurkundung und damit auch der Auflassung zu berufen, da die Frage, wann in einer Urkunde eine Verfügung zugunsten des Notars getroffen ist, im Einzelfall häufig streitig sei.
c) Argumente der herrschenden Meinung aa) Der Gesetzeswortlaut Im Schrifttum wird zur Verneinung der Beurkundung als materielles Formerfordernis der Auflassung vielfach auf den Wortlaut des § 925 I S. 1 BGB abgestellt. Dabei liegt die Betonung darauf, daß § 925 I S. 1 BGB nur von der Erklärung, nicht jedoch von der Beurkundung der Auflassung spreche. 168 Einen Beleg für die Richtigkeit dieses Wortlautverständnisses des § 925 I S. 1, 2 BGB leitet Fuchs-Wissemann aus der durch das BeurkG im Jahre 1969 geschaffenen Rechtslage ab, mit der ein gewichtiges Argument hinfällig geworden sei, das einst vom KG für die Beurkundung der Auflassung angeführt worden war. Dies hatte sich darauf gestützt, daß vergleichbar dem Wortlaut des § 925 BGB auch § 1434 BGB für den Ehe vertrag, § 1750 II BGB für den Vertrag über die Annahme an Kindes Statt und § 2276 I S. 1 BGB für den Erbvertrag die Beurkundung zwar nicht ausdrücklich vorgesehen haben, die Notwendigkeit der Beurkundung bei diesen Rechtsgeschäften jedoch nicht bezweifelt werde. 169 Durch das BeurkG 168 Medicus, DNotZ 1990, 275 (279); Keidel/Winkler, BeurkG, Einl. Rn. 18; Körte, Handbuch der Beurkundung, Kap. 11 Rn. 17; Schapp, SachenR, Rn. 323; Stöber, GBO-Verfahren, Rn. 296; Schreiber, Jura 2000, 603 (604). 169 KGJ 51 A 142 (145 ff.).
C. Das gegenwärtige Meinungsbild zur materiellen Form der Auflassung
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hat der Gesetzgeber in den genannten Vorschriften dem Wort „geschlossen" die Worte „zur Niederschrift des Notars" vorangestellt und nach der Ansicht FuchsWissemanns dadurch verdeutlicht, daß Ehevertrag (§ 1410 BGB), Kindesannahmevertrag (§ 1750 BGB a. F.) und Erbvertrag (§ 2276 I S. 1 BGB) zu beurkunden seien. Daraus, daß § 925 BGB nicht entsprechend geändert worden sei, folgert Fuchs-Wissemann, daß dies objektiv einen wesentlichen Grund für die vom KG vertretene Auffassung hat hinfällig werden lassen. Zugleich sei das Fehlen entsprechender Worte in § 925 I BGB in seiner Bedeutung für die vom Wortlaut der Vorschrift ausgehenden Auslegung dieser Vorschrift noch zwingender geworden. 170
bb) Das Argument der Rechtssicherheit Als Hauptargument wird von der herrschenden Meinung mit dem Aspekt der Rechtssicherheit gegen die Beurkundungsbedürftigkeit der Auflassung argumentiert. Dabei können zwei eng miteinander verbundene Aspekte unterschieden werden. ( 1) Rechtsfrieden
zwischen den Parteien
Den Anknüpfungspunkt liefert die Entscheidung des RG in RGZ 99, 65, der sich Fuchs-Wissemann insoweit anschließt, als der Fall, daß infolge Unachtsamkeit des Grundbuchamts das Eigentum trotz Fehlens einer formgerechten Beurkundung der Auflassungserklärungen ohne weiteres umgeschrieben wird, in der Tat sehr selten sein dürfte. 171 Weniger selten möge es hingegen vorkommen, daß ein Auflassungsprotokoll einer zwingenden Formvorschrift nicht genüge. Im Fall einer Sinneswandlung könnte es die Beteiligten reizen, sich auf den Formfehler zu berufen, wenn die Wirksamkeit der Auflassung durch derartige Beurkundungsmängel berührt würde. Die Auffassung des RG diene daher dem Rechtsfrieden. (2) Der abstrakte Schutz des Grundbuchs Während es in der sich an die Entscheidung des RG anschließenden Argumentation in erster Linie um die Schaffung von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit zwischen den an der Auflassung beteiligten Parteien geht, wird das Argument der Rechtssicherheit heute weiter verstanden und der Schutz des Grundbuchs über die Interessen der an der einzelnen Eigentumsübertragung beteiligten Parteien hinaus in den Vordergrund gestellt. Für die Richtigkeit des Grundbuchs bestünde nach herrschender Ansicht eine größere Gefahr, wenn die Beurkundung ein materielles Wirksamkeitserfordernis der Auflassung wäre, da in dem Fall Beurkundungsfehler 170 Fuchs-Wissemann, Rpfleger 1977, 9 (10). 17 1 Fuchs-Wissemann, Rpfleger 1977, 9.
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Teil 1 : Einführung in den Untersuchungsgegenstand
gleichsam zur Nichtigkeit der Auflassung und somit zur Unrichtigkeit des Grundbuchs führen würden, wenn eine Eintragung auf Grund der fehlerhaft beurkundeten Auflassung erfolgte. Staudinger / Pfeifer stellt zum Verzicht auf das Beurkundungserfordernis fest, daß der Gesetzgeber auf diese Weise verhindere, daß durch Verletzung von Beurkundungsförmlichkeiten oder Verfahrensvorschriften die Auflassung nichtig und das Grundbuch unrichtig werde. 172 Ähnlich heißt es bei Köbl, daß das Interesse an einem richtigen Grundbuch sogar so weit gehe, daß für die Form der Auflassung (§ 925 BGB) nicht einmal notarielle Beurkundung vorgeschrieben sei, sondern die formlos erklärte Einigung der Parteien bei gleichzeitiger Anwesenheit vor dem Notar ausreiche. Wie Staudinger /Pfeifer betont auch Köbl, daß auf diese Weise verhindert werde, daß durch Verletzung von Beurkundungsförmlichkeiten die Auflassung nichtig sei und das Grundbuch unrichtig werde. 173 Ebenso sieht Erti in dem Verzicht auf die Beurkundung als materielles Formerfordernis den Vorteil darin, daß das Grundbuch nicht falsch werde, wenn der Notar entweder keine oder eine nichtige Urkunde über die Auflassung errichtet habe. 174 Diese Begründung korrespondiert mit dem von der herrschenden Meinung als Hauptzweck des § 925 I BGB angeführten Schutz des Grundbuchs vor einem Abweichen von der materiellen Rechtslage.175
cc) Das Verhältnis zu den §§ 20, 29 GBO Fuchs-Wissemann hat als weiteres Argument gegen die materielle Beurkundungsbedürftigkeit der Auflassung angeführt, daß sich der Gesetzgeber in dem Fall, daß er von einem materiellen Beurkundungszwang der Auflassung ausgegangen wäre, bei der Ausgestaltung der Vorschriften des formellen Grundbuchrechts darauf hätte beschränken können, lediglich den Nachweis formgerechter Beurkundung vorzuschreiben. Die §§ 20, 29 GBO regelten, so Fuchs-Wissemann, jedoch eigenständig Art und Nachweis der im Fall der Auflassung notwendigen Erklärun-
dd) § 925 I S. 3 BGB Ein weiteres Argument leitet Wilhelm 1 7 7 daraus her, daß in § 925 I S. 3 BGB die Möglichkeit der Auflassungserklärung in einem gerichtlichen Vergleich eröffnet wird. Offenbar will Wilhelm seinen Hinweis darauf, daß es diese Vorschrift 172 173 174 175 176 177
Staudinger/Pfeifer, BGB, § 925 Rn. 76. Köbl, DNotZ 1983, 207 (212). Erti, DNotZ 1976, 68 (72). Dazu oben Teil 1 Β II. Fuchs-Wissemann, Rpfleger 1977, 9 (10). Wilhelm, SachenR, Rn. 502 (S. 341).
C. Das gegenwärtige Meinungsbild zur materiellen Form der Auflassung
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„trotz § 127 a BGB" gibt, so verstanden wissen, daß es der Aufnahme des gerichtlichen Vergleichs in § 925 I BGB dann nicht bedurft hätte, wenn in § 925 I S. 1, 2 BGB als reguläre Auflassungsform die notarielle Beurkundung vorgesehen wäre, denn dann könnte schon nach den Grundsätzen des Allgemeinen Teils gemäß § 127 a BGB die notarielle Beurkundung durch den gerichtlichen Vergleich ersetzt werden.
d) Der Umfang der historischen Auseinandersetzung Mit der Wiedergabe des reichsgerichtlichen Urteils aus dem Jahre 1920 sind die Argumente genannt, die die Auseinandersetzung in den ersten Jahrzehnten nach Inkrafttreten des BGB bestimmten. Es erscheint daher gerechtfertigt zu sein, an dieser Stelle keine weiteren Ausführungen zu der historischen Debatte zu machen. Soweit den damaligen Argumenten auch heute noch Bedeutung zukommt, werden sie im dritten Teil der Untersuchung berücksichtigt. Um jedoch den Umfang der damaligen Auseinandersetzung zu dokumentieren, sei auf den umfassenden Nachweis des Schrifttums und der Rechtsprechung zur Auflassungsform in der Entscheidung des KG aus dem Jahre 1918 verwiesen. 178 Einen umfassenden Überblick über die Auseinandersetzung lieferte schließlich Kurt Birk in seiner Dissertation aus dem Jahre 1933. 179 Ergänzend sei verwiesen auf die Arbeiten von Markwort (1911), 180 Pellmann (1922), 181 Scholz (1930) 182 und Böhne (1936), 183 die Kommentierung zu § 20 GBO von Güthe/Triebel 184 aus dem Jahre 1936 sowie auf den Aufsatz von Hesse 185 aus dem Jahre 1940.
3. Zusammenfassung
Das gegenwärtige Meinungsbild zur Beurkundungsbedürftigkeit der Auflassung ist mit Blick auf die Rechtsprechung und das Schrifttum zum Grundstücksrecht insofern eindeutig, als eine Beurkundung kein materielles Wirksamkeitserfordernis sein soll. Auch im Schrifttum zu den Formen der Rechtsgeschäfte wird diese Ansicht vertreten, so daß sie eindeutig als die herrschende anzusehen ist. Dem steht 178 KGJ 51, A 142 (144 f.); derselbe Sachverhalt lag im Jahre 1920 RGZ 99, 65 zugrunde. 179 Birk, Die Gültigkeit der nicht beurkundeten Auflassung, S. 8 f. 180 Markwort, Ist die Auflassung nach dem materiellen Rechte des Bürgerlichen Gesetzbuchs notwendig beurkundungsbedürftig?, Diss. Rostock 1911. 181 Pellmann, Die Eintragung des Erwerbers auf Grund einer nicht oder nicht formgerecht beurkundeten Auflassung, Diss. Greifswald 1922. 182 Scholz, Die Auflassung vor dem Notar, Diss. Breslau 1930. 183 Böhne, Die Form der Auflassung (§ 925 BGB), Diss. Erlangen 1936. 184 Güthe/Triebel, GBO, Bd. I, 6. Aufl., § 20 Rn. 35. 185 Hesse, DR 1940, 1032. 5 Pajunk
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Teil 1 : Einführung in den Untersuchungsgegenstand
nicht entgegen, daß im Schrifttum zum Allgemeinen Teil des BGB etliche Autoren von der Beurkundungsform bei der Auflassung ausgehen. Dies kann jedoch kaum als bewußt vertretene Gegenmeinung verstanden werden, da es an einer argumentativen Auseinandersetzung fehlt. Zur Begründung des Verzichts auf die Beurkundungsform stützt sich die herrschende Meinung zum einen auf die Entscheidungen des RG und des BGH. Im Vordergrund stehen jedoch der Verweis auf den Wortlaut des § 925 I BGB sowie das Argument der Rechtssicherheit, wobei vor allem auf den Schutz des Grundbuchs vor Abweichungen von der materiellen Rechtslage abgestellt wird.
D. Die Beurkundung der Auflassung als Erfordernis des formellen Grundstücksrechts bzw. sonstigen formellen Rechts Zwar ist die Beurkundung der Auflassung nach der herrschenden Meinung nicht als materielle Wirksamkeitsvoraussetzung durch § 925 BGB vorgeschrieben, dennoch wird fast ausnahmslos angenommen, daß es zu einer Beurkundung der Auflassung vor der Eintragung des Eigentumswechsels in das Grundbuch aus Gründen des formellen Rechts kommen müsse.
I. Beurkundungspflicht aus dem Grundbuchverfahrensrecht 1. §§ 20,29 G B O
Eine Beurkundungspflicht wird von der ganz überwiegenden Mehrheit des Schrifttums aus den §§ 20, 29 GBO abgeleitet.186 Dem hat sich das BayObLG in einer aktuellen Entscheidung angeschlossen.187 Nach § 20 GBO darf im Falle der Auflassung die Eintragung des Eigentumswechsels in das Grundbuch nur erfolgen, wenn die erforderliche Einigung des Berechtigten und des anderen Teils erklärt ist. Man spricht insoweit vom „materiellen Konsensprinzip" 188, das eine Ausnahme 186 Bauer/von Oefele (Kössinger), GBO, § 20 Rn. 206 sowie (Knothe), § 29 Rn. 15; Huhn, Rpfleger 1977, 199 (200); Kuntze /Erti /Herrmann/Eickmann (Munzig), GrundbuchR, § 20 Rn. 114; Staudinger/Pfeifer, BGB, § 925 Rn. 76; Meikel/Lichtenberger, GBO, § 20 Rn. 61; Haegele/Schöner/Stöber, GBO, Rn. 3324; Demharter, GBO, § 20 Rn. 27; Erti, MittBayNot 1992, 102 (106); MünchKomm ! Kanzleiter, BGB, § 925 Rn. 15; E. Wolf, SachenR, § 10 Β III a; Schapp, SachenR, Rn. 323; Harms, SachenR, S. 219; Stöber, GBOVerfahren, Rn. 296; Wieling, SachenR, § 23 III 1 a. 187 BayObLG NJW-RR 2001, 734 (736) = MittBayNot 2001, 200 (201) = Rpfleger 2001, 228 (229 f.). 188 Zum Begriff Bauer/von Oefele (Kössinger), GBO, § 20 Rn. 2 ff.; Jauernig, BGB, § 873 Rn. 14.
D. Die Beurkundung der Auflassung als Erfordernis des formellen Grundstücksrechts 67
von dem in § 19 GBO als Regelfall einschlägigen Bewilligungsgrundsatz bildet, wonach die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erfolgt, wenn derjenige sie bewilligt, dessen Recht von ihr betroffen ist („formelles Konsensprinzip"). 1 8 9 Der Zweck des § 20 GBO wird heute allgemein darin gesehen, daß er die „größtmögliche Übereinstimmung" 190 zwischen Grundbuchinhalt und den wirklichen materiellen Rechtsverhältnissen herbeiführen und bloße Buchberechtigungen verhindern soll. Im Falle der Auflassung begnügt sich der Gesetzgeber nicht mit der Bewilligung des verlierenden Teils, da wegen der mit dem Grundstückseigentum verbundenen weittragenden privat- und öffentlichrechtlichen Folgen ein besonderes Interesse an der Übereinstimmung von Grundbuch und wirklicher Rechtslage besteht.191 Ob die Einigung über den Eigentumswechsel erklärt ist, ist vom Grundbuchamt zu prüfen, wozu ihm die Auflassung als „sonstige zu der Eintragung erforderliche Erklärung" im Sinne des § 29 I S. 1 GBO nachzuweisen ist. Danach soll eine Eintragung nur vorgenommen werden, wenn die Eintragungsbewilligung oder die sonstigen zu der Eintragung erforderlichen Erklärungen durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden. Der Zweck des Strengbeweises, durch den Eintragungen auf eine sichere Grundlage gestellt werden, wird allgemein darin gesehen, möglichst weitreichend die Gefahr unrichtiger, rechtlich und wirtschaftlich bedeutungsvoller Eintragungen in das Grundbuch zu beseitigen, wobei insbesondere auf die für den Fall einer Falscheintragung wegen des öffentlichen Glaubens (§§ 892, 893 BGB) drohende Gefahr eines Rechts Verlustes des wahren Eigentümers verwiesen wird. 1 9 2 Somit dient § 29 GBO auch der Sicherung von Grundbuchinhalt und wahrer Rechtslage.193 Die Formulierung des § 29 GBO als Sollvorschrift ändert nichts an ihrem für das Grundbuchamt verpflichtenden Charakter, das die Beachtung der Vorschrift not-
189 Zum Verhältnis von § 20 GBO zu § 19 GBO vgl. Bauer/von Oefele (Kössinger), GBO, § 20 Rn. 14 ff.; Behmer, Rpfleger 1984, 306; Kuntze /Erti /Herrmann/Eickmann (Munzig), GrundbuchR, § 20 Rn. 5 ff. - Insbesondere stellt sich die Frage, ob neben § 20 GBO auch eine Eintragungsbewilligung nach § 19 GBO erforderlich ist, was von der herrschenden Meinung angenommen wird. 190 Stöber, GBO-Verfahren, Rn. 274. 191 Bauer/von Oefele (Kössinger), GBO, § 20 Rn. 8, legt dar, daß fiskalische Überlegungen dabei den Ausgangpunkt gebildet haben mögen, dieser Aspekt jedoch hinter die viel weiter reichende Tragweite des Eigentums an Grundstücken im Rechtsverkehr zurücktrete. Besonderes Gewicht legt er dabei auf die Pflichten und Rechte, die die Rechtsordnung an das Eigentum knüpft (Verkehrssicherung, Störerhaftung, Haftung für Steuern und Abgaben, Beteiligung im öffentlichen Verfahren). - Vgl. ferner Demharter, GBO, § 20 Rn. 2; Kuntze/ Erti /Herrmann/Eickmann (Munzig), GrundbuchR, § 20 Rn. 2; Haegele/Schöner/Stöber, GrundbuchR, Rn. 108; Meikel/Lichtenberger, GBO, § 20 Rn. 5; Weirich, GrundstücksR, Rn. 127; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2000, 542. 192 Demharter, GBO, § 29 Rn. 2; Haegele/Schöner/Stöber, GrundbuchR, Rn. 152; Holzer/Kramer, GrundbuchR, Rn. 192; Kuntze /Erti /Herrmann/Eickmann (Herrmann), GrundbuchR, § 29 Rn. 2; Meikel/Brambring, GBO, § 29 Rn. 7; BayObLG NJW-RR, 2001, 734 (736). 193 LG Oldenburg, Rpfleger 1980, 224 (225). 5*
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Teil 1 : Einführung in den Untersuchungsgegenstand
falls durch Zurückweisung des Antrags durchzusetzen hat. Die Fassung soll lediglich zum Ausdruck bringen, daß es sich um eine Ordnungsvorschrift handelt, deren Verletzung der materiellen Wirksamkeit einer Eintragung nicht entgegensteht. 194
2. Gegenmeinung Als Gegenmeinung wird vertreten, daß selbst zum Nachweis der Auflassung gegenüber dem Grundbuchamt eine wirksame Beurkundung nicht zwingend erforderlich sein s o l l . 1 9 5 Es soll genügen, wenn die vor dem Notar erklärte Auflassung durch eine mit öffentlicher Beglaubigung der Unterschriften versehene Erklär u n g 1 9 6 oder ein Tatsachenzeugnis des Notars über die Erklärung der Auflassungen nachgewiesen w i r d . 1 9 7 Fuchs-Wissemann hält zwar die Vorlage einer notariellen Urkunde für erforderlich, meint jedoch, daß i m Falle eines Verstoßes gegen die §§ 8 ff. BeurkG - also bei Verstößen gegen die Anforderung an die Niederschrift nicht eine neue Beurkundung erforderlich sei, sondern der erforderliche Nachweis durch eine Urkunde nach den §§ 36, 37 BeurkG erbracht werden k ö n n e . 1 9 8 Nicht genügen soll dies allerdings in dem Fall, daß sich die Unwirksamkeit der Urkunde aus den §§ 6, 7 BeurkG ergibt, also auf einer Verletzung der Ausschließungsvorschriften des Notars beruht. 1 9 9 194 Bauer/von Oefele (Knothe), GBO, § 29 Rn. 9; Meikel/Brambring, GBO, § 29 Rn. 9. 195 So insbesondere Wilhelm, SachenR, Rn. 502 (S. 341, dort Fn. 549). Widersprüchlich Westermann/Gursky/Eickmann, SachenR, § 76 II 1, die die Beurkundung zwar als durch das formelle Recht vorgeschrieben ansehen, den Nachweis gegenüber dem Grundbuchamt jedoch auch auf andere Weise für möglich erachten und dabei insbesondere an eine Erklärung des Notars denken. 196 So beiläufig Β GHZ 22, 312 (316); vgl. dazu Fuchs-Wissemann, Rpfleger 1977, 9 (10). Im Schrifttum wird dazu ferner OLG Celle, MDR 1948, 252 (Ls.) angeführt; kritisch dazu mit Verweis auf die unveröffentlichten Gründe Fuchs-Wissemann, Rpfleger 1977, 9 (10 f.). 197 LG Oldenburg Rpfleger 1980, 224; Fuchs-Wissemann, Rpfleger 1977, 9; 1978, 431; wohl auch Palandt/Bassenge, BGB, § 925 Rn. 29. Nach RGRK /Augustin, BGB, §§ 925, 925 a Rn. 72, unterliegt das Genügen einer Erklärung des Notars über den Auflassungsvorgang dem freien Ermessen des Grundbuchamts. 198 Den Grund dafür sieht er darin, daß die Auflassung trotz des Verstoßes gegen das BeurkG sachenrechtlich wirksam sei. Wäre eine neue Urkunde gemäß der §§ 8 ff. BeurkG anzufertigen, müßte der Veräußerer erneut eine Auflassungserklärung abgeben, obwohl die Auflassung bereits wirksam erklärt ist. Es müßte ihm demnach die Abgabe einer Willenserklärung angesonnen werden, zu der er nicht mehr verpflichtet sei, auf deren Abgabe er nicht verklagt werden könne und auf die es nach sachlichem Recht nicht mehr ankomme. In dieser Lage erscheine das Verlangen nach Vorlage einer den §§ 8 ff. BeurkG genügenden Niederschrift nicht mehr gerechtfertigt {Fuchs-Wissemann, Rpfleger 1977, 9 [11 f.]). - In dieser Argumentation ist eine unzulässige Vermischung der Voraussetzungen des formellen und materiellen Grundstücksrechts zu sehen, denn wenn man es grundsätzlich für möglich hält, daß im materiellen und formellen Recht unterschiedliche Formerfordernisse für die Auflassung vorgeschrieben werden, kann nicht mit der Einhaltung der materiellen Form begründet werden, daß es nunmehr nicht gerechtfertigt sei, auch die Einhaltung des Erfordernisses des Grundbuchverfahrens zu verlangen.
D. Die Beurkundung der Auflassung als Erfordernis des formellen Grundstücksrechts 69 3. Stellungnahme
Gegen die Meinung, die eine wirksame Beurkundung der Auflassung selbst zum Nachweis gegenüber dem Grundbuchamt nicht für erforderlich hält, ist überzeugend vorgebracht worden, daß eine bloß öffentlich beglaubigte Urkunde den durch die §§ 20, 29 GBO geforderten Nachweis der Auflassung nicht erbringen kann. Der Beglaubigungsvermerk bestätigt nämlich nur die Echtheit der Unterschriften, sagt jedoch nichts über den Inhalt und die Umstände aus, unter denen die Parteien die Erklärungen abgegeben haben. 200 Da sich der Nachweis der Einigung jedoch auch auf die gleichzeitige Anwesenheit der Beteiligten und die Erklärung vor der zuständigen Stelle erstrecken muß, kann er nicht durch lediglich öffentlich beglaubigte Urkunden erbracht werden. 201 Wollte man ein Tatsachenzeugnis gemäß der §§ 36, 37 BeurkG zum Nachweis der formgerechten Auflassung genügen lassen, würde auf diese Weise ebenfalls das Beurkundungsrecht unterlaufen, wonach Willenserklärungen außerhalb des gerichtlichen Verfahrens nur durch notarielle Beurkundung verkörpert werden können. 202
II. Die Beurkundung als Resultat des Beurkundungsund Notardienstrechts Neben der verfahrensrechtlichen Pflicht zur Beurkundung der Auflassung aus den §§ 20, 29 GBO werden die Bundesnotarordnung (BNotO) und das Beurkundungsgesetz (BeurkG) als Ursprung einer formellen Beurkundungspflicht angeführt. Das BeurkG regelt als formelles Recht das Beurkundungsverfahren als ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit 203 und weist den Notaren die nahezu ausschließliche Zuständigkeit zur Vornahme von Beurkundungen zu. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Notar und den Beteiligten ist in allen Auswirkungen öffentlichrechtlicher Art, wobei das Notariatsrecht insbesondere in der BNotO geregelt ist. 2 0 4 Wie das BeurkG ist auch das Notardienstrecht dem Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugehörig und somit formelles Recht. 205 199 Fuchs-Wissemann, Rpfleger 1978,431 (433). 200 Malzen DNotZ 2000, 169 (171). 201 Bauer/von Oefele (Knothe), GBO, § 29 Rn. 15; Kuntze/ Erti /Herrmann/Eickmann (Munzig), GrundbuchR, § 20 Rn. 114; Meikel/Lichtenberger GBO, § 20 Rn. 61. 202 Bauer/von Oefele (Kössinger), GBO, § 20 Rn. 206; Staudinger/Pfeifer, BGB, § 925 Rn. 76. Auf diesen Gesichtspunkt stellt BayObLG NJW-RR 2001,734 (736) in erster Linie ab. 203 Keidel/Winkler, BeurkG, Einl. Rn. 28; MünchKomm/ F örschier, BGB, 3. Aufl., § 128 Rn. 8. 204 Keidel/Winkler, BeurkG, Einl. Rn. 31. 205 BNotO und BeurkG werden durch die Dienstordnung für Notare (DONot) ergänzt, die lediglich Verwaltungsvorschriften und Dienstanweisungen enthält (vgl. Keidel/Winkler, BeurkG, Einl. Rn. 36 ff.; Weingärtner, DONot, Rn. 2 ff.).
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Teil 1 : Einführung in den Untersuchungsgegenstand 1. Beurkundungspflicht
Während Stöber schlicht feststellt, daß der Notar die Auflassung zu beurkunden habe, 206 nimmt Erti eine „notarrechtliche Pflicht" zur Errichtung einer Urkunde über die Auflassung an, die sich aus den §§ 1, 20 BNotO sowie den §§ 8 ff. BeurkG ergeben soll. 2 0 7 Bei Huhn steht ebenfalls § 20 BNotO bei der Begründung einer verfahrensrechtlichen Beurkundungspflicht im Vordergrund, indem er aus dieser „Zuständigkeitsnorm'4 den dienstrechtlichen Satz ableitet, daß der Notar vor ihm abgegebene Willenserklärungen beurkunden müsse.208 Staudinger/Pfeifer zählt die Beurkundung neben den verfahrensrechtlichen Erfordernissen des Grundbuchverfahrens zu den „Amtspflichten des an der Auflassung mitwirkenden Amtsträgers". 209 Staudinger/Gursky sieht in der Beurkundung eine sich aus den §§ 8 ff. BeurkG ergebende Amtspflicht des Notars und dazu ein sich aus den §§ 20, 29 GBO ergebendes verfahrensrechtliches Erfordernis für die Verwendbarkeit der Auflassung im Grundbuch verfahren. 210 Nach Kanzleiter führt die Abgabe der Auflassung nach den §§ 8 ff. BeurkG zu ihrer Beurkundung. 211 Auch Schwab/Prütting beruft sich neben § 29 GBO, der zu einer regelmäßigen Beurkundung der Auflassung führe, auf § 8 BeurkG, wonach bei Abgabe von Willenserklärungen eine Niederschrift über die Verhandlung aufzunehmen sei. 212
2. Stellungnahme
Die Herleitung einer aus den §§ 8 ff. BeurkG resultierenden unmittelbaren Beurkundungspflicht ist abzulehnen. Im zweiten Abschnitt des BeurkG (§§ 6 - 35) wird zwar das Verfahren für die Beurkundung von Willenserklärungen geregelt, es wird jedoch nicht bestimmt, in welchen Fällen eine Beurkundung zu erfolgen hat. Dies richtet sich bei Rechtsgeschäften allein nach dem materiellen Recht. 213 Zwar ist es auch möglich, daß sich ein Beurkundungserfordernis aus dem Verfahrensrecht ergibt, so wie dies von der herrschenden Meinung für den Nachweis der Auflassung vor dem Grundbuchamt angenommen wird. Ursprung der Beurkundungspflicht sind jedoch auch in dem Fall nicht die Vorschriften des BeurkG, sondern die §§ 20, 29 GBO. Die Vorschriften des BeurkG finden erst Anwendung, wenn durch das materielle Recht oder das formelle Grundbuchverfahrensrecht eine Beurkun206 207 208 209 210 211 Anm. 212 213
Stöben GBO-Verfahren, Rn. 296. Erti, DNotZ 1976, 68 (72). Huhn, Rpfleger 1977, 199 (200 f.). Staudinger/Pfeifer, BGB, § 925 Rn. 76. Staudinger/Gursky, BGB, § 873 Rn. 50. MünchKomm/Kanzleiter, BGB, § 925 Rn. 15; ders., DNotZ 1994, 275 (283, 31). Schwab/Prütting, SachenR, Rn. 355. Keidel/Winkler, BeurkG, Einl. Rn. 16.
D. Die Beurkundung der Auflassung als Erfordernis des formellen Grundstücksrechts 71
dung angeordnet wird. 2 1 4 Unzutreffend ist daher die Auslegung des § 8 BeurkG durch Schwab / Prütting, da der Wortlaut der Norm die Anfertigung einer Niederschrift für den Fall der Beurkundung einer Willenserklärung anordnet, nicht hingegen für die bloße Abgabe.215 Auch die Herleitung einer Beurkundungspflicht aus dem Notardienstrecht findet keinen Rückhalt im Gesetz. Bei § 20 BNotO handelt es sich um eine allgemeine Zuständigkeitsnorm, die das Aufgabenfeld des Notars umschreibt. Dabei wird dem Notar zwar die Zuständigkeit zur Beurkundung von Willenserklärungen zugesprochen, woraus jedoch nicht gefolgert werden kann, in welchen Fällen der Abgabe von Willenserklärungen es einer Beurkundung bedarf. Denkbar ist etwa, daß sich Vertragsparteien nur von einem Notar beraten lassen wollen und dann in seiner Anwesenheit den formfrei gültigen Vertrag schließen, ohne eine Beurkundung nach dem BeurkG zu wünschen. Insbesondere kann auch nicht angenommen werden, daß es sich bei allen Amtsgeschäften des Notars um die Beurkundung von Willenserklärungen handelt und sich schon deshalb eine allgemeine Beurkundungspflicht aus der Zuständigkeitsnorm ableiten ließe. Dies ergibt sich schon aus der Unterscheidung in § 16 BNotO, wo die in den §§20 bis 22 a BNotO aufgezählten Amtstätigkeiten in Beurkundungen nach dem BeurkG und sonstige Tätigkeiten unterschieden werden. Ferner ist auf die Form der öffentlichen Beglaubigung zu verweisen, bei der die Willenserklärungen nicht von der Beglaubigung selbst erfaßt werden. Auch der Rückgriff auf § 1 BNotO vermag eine Beurkundungspflicht des Notars für Auflassungserklärungen nicht zu begründen, denn schon im Wortlaut wird neben den ausdrücklich genannten Aufgabenkreis der „Beurkundung von Rechtsvorgängen" die Wahrnehmung „anderer Aufgaben auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege" gestellt. 216
III. Zusammenfassung Das Schrifttum geht ganz überwiegend zu Recht davon aus, daß sich für die Auflassung eine Beurkundungspflicht aus dem formellen Recht ergibt. Dazu wird in erster Linie auf die §§ 29, 20 GBO als Normen des formellen Grundbuchrechts verwiesen. Da dem Grundbuchamt die Auflassung als die „erforderliche Einigung" im Sinne des § 20 GBO nachzuweisen ist, kommt hierfür nur die Form der Beur214 Birk, Die Gültigkeit der nicht beurkundeten Auflassung, S. 7, für die Vorschriften des FGG. 215 Zumindest mehrdeutig ist auch die Formulierung in BayObLG NJW-RR 2001, 734 (736), wonach das Beurkundungsrecht für die Auflassung die Beurkundung nach den Regeln der §§ 8 ff. BeurkG vorschreibe. 216 Die Beurkundung von Rechtsvorgängen ist somit nur ein Unterfall der vorsorgenden Rechtspflege und wird in § 1 BNotO hervorgehoben, um zum Ausdruck zu bringen, daß der Notar primär im Bereich der Beurkundung tätig wird; mit Beurkundung ist dabei das „Bezeugen von Tatsachen" gemeint, vgl. Arndt/Lerch/Sandkühler (Lerch), BNotO, § 1 Rn. 3.
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Teil 1 : Einführung in den Untersuchungsgegenstand
kundung in Betracht. Ferner werden das Beurkundungsrecht sowie das Notardienstrecht als Quelle einer formellrechtlichen Beurkundungspflicht angeführt. Die Herleitung eines Beurkundungserfordernisses aus dem BeurkG und dem Notardienstrecht ist jedoch abzulehnen, da sich aus Zuständigkeits- und Ausführungsnormen kein unmittelbares Beurkundungserfordernis für Willenserklärungen ergeben kann.
E. Das einheitliche Zusammenspiel von materiellem und formellem Recht bei der Beurkundung der Auflassung aus der Sicht der herrschenden Meinung Da die Parteien zur Erklärung der Auflassung nach dem eindeutigen Wortlaut des § 925 I S. 1 BGB in jedem Falle gleichzeitig vor dem Notar erscheinen müssen und eine Beurkundung der Auflassung von der herrschenden Meinung zum Zwekke des Nachweises vor dem Grundbuchamt gemäß §§ 20, 29 GBO verlangt wird, fallen in aller Regel die materiellrechtliche Einigung und ihre Beurkundung räumlich und zeitlich zusammen. Dabei dürfte den Parteien kaum bewußt werden, daß sie sich nach der herrschenden Meinung schon mit der mündlichen Erklärung der Auflassung wirksam über den Eigentumswechsel geeinigt haben und die Beurkundung nur aus Gründen des Verfahrensrechts erfolgt. 217 Das zeitliche und räumliche Zusammenfallen von materieller Einigung und formellem Beurkundungsakt kommt im Schrifttum unter verschiedenen Gesichtspunkten zum Ausdruck. Während sich etliche Autoren darauf beschränken, die Auflassung und ihre Beurkundung sprachlich als Einheit darzustellen, werden von anderen systematische sowie methodische Schlußfolgerungen hergeleitet.
I. Die sprachliche Darstellung der Auflassungserklärung und ihrer Beurkundung als einheitlicher Vorgang Im Lehrbuch von Baur/Stürner heißt es schlicht: „Die Auflassung muß vor einem Notar erfolgen, sie wird beurkundet." 218 Ganz ähnlich die Darstellung bei Dilcher: „Gemäß § 925 Abs. 1 BGB ist für die Auflassung eine besondere Form vorgeschrieben: Sie muß bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Geschäftspartner vor dem Notar erklärt werden. Dieser beurkundet sie dann nach den Vorschriften der 217 Staudinger/Pfeifer, BGB, § 925 Rn. 111, stellt auf die Vorstellung der Parteien im Zusammenhang mit der Frage des Bindungseintritts an die Auflassung ab und argumentiert, daß es ihnen eher entspreche, die Bindung mit dem den Beteiligten bekannten Akt der Protokollierung eintreten zu lassen und nicht etwa mit der bloß mündlichen Abgabe der Erklärungen, die freilich zur Wirksamkeit der Einigung genügen soll. 218 Baur/Stürner, SachenR, § 22 Rn. 3. Erst im folgenden Satz wird daraufhingewiesen, daß die materiellrechtliche Wirksamkeit von der Beurkundung unabhängig sei.
E. Das einheitliche Zusammenspiel von materiellem und formellem Recht
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§§ 8 ff. BeurkG." 219 Kanzleiter formuliert, daß die Abgabe der Auflassung vor dem Notar nach den §§ 8 ff. BeurkG zu ihrer Beurkundung führe. 220 Im Zusammenhang mit seinen Ausführungen zum Zweck des § 925 BGB spricht er ausdrücklich von den „Zwecken der Beurkundung bei § 925 BGB", die zwar nicht durch die Vorschrift selbst gefordert werde, zu der aber die §§ 8 ff. BeurkG führten. 221 Ganz ähnlich macht auch Staudinger/Pfeifer im Zusammenhang mit seiner Beschreibung der Formzwecke des § 925 BGB eine Gesamtschau von materiellem und formellem Recht 222 und unterstreicht dadurch die Einheitlichkeit, mit der von der herrschenden Meinung der Vorgang der materiellen Auflassungserklärung und ihrer Beurkundung aufgefaßt wird. Wilhelm schreibt, daß, wenn die Erklärungen vor einem Notar abgegeben würden, nach von der Literatur hingenommener Praxis wegen § 29 GBO eine Beurkundung nicht zu vermeiden sei, obwohl § 925 BGB dies nicht voraussetze. 223 Auch Haegele/Schöner/Stöber führen aus, daß materiellrechtlich die Auflassung zu ihrer Wirksamkeit keiner Beurkundung bedürfe, um im übernächsten Satz zu betonen, daß der Notar die Auflassung nach den Vorschriften über die Beurkundung von Willenserklärungen zu beurkunden habe. 224 Medicus betont, daß die Auflassung in der Praxis schon wegen der §§ 20, 29 GBO „praktisch immer beurkundet" werde. 225 Zurückhaltender heißt es bei anderen Autoren, daß die Beurkundung bei Erklärung der Auflassung vor dem Notar „regelmäßig", „in der Regel" oder „in der Praxis fast immer" erfolge. 226 Besonders deutlich wird das einheitliche Verständnis des materiellen Erklärungsakts und des formellrechtlichen Beurkundungsaktes im Zusammenhang mit der Vorschrift des § 925 a BGB, wenn sie verbreitet so interpretiert wird, daß der Notar die Auflassung nur „beurkunden" solle, wenn die nach § 313 S. 1 BGB erforderliche formwirksame Beurkundung des Kausalgeschäfts vorgelegt werde. 227 Offenbar wird hier die Entgegennahme der Auflassung mit ihrer Beurkundung gleichgesetzt, denn in § 925 a BGB ist nicht von der Beurkundung die Rede, vielmehr wird die Formulierung des § 925 I S. 2 BGB aufgenommen, wonach die Auflassung entgegengenommen werden soll. Ein weiteres Zeichen für das einheitliche Verständnis von Abgabe der Auflassungserklärung und Beurkundung bringen die Stimmen zum Ausdruck, die in § 925 BGB eine Ausnahme zum Grundsatz der Sukzessivbeurkundung des 219 Dilcher, SachenR, S. 236. 220 MünchKomm/Kanzleiter, BGB, § 925 Rn. 15. 221 MünchKomm/Kanzleiter, BGB, § 925 Rn. 15 a; ders., DNotZ 1994, 275 (283). 222 Staudinger/Pfeifer, BGB, § 925 Rn. 75. 223 Wilhelm, SachenR, Rn. 502 (S. 341 f.). 224 Haegele/Schöner/Stöber, GBO, Rn. 3324. 225 Medicus, BR, Rn. 467; ders., DNotZ 1990, 275 (279). 226 Gerhardt, ImmobiliarsachenR, § 2 unter 3 c (S. 16); Schreiber, SachenR, Rn. 347; Schwab/Prutting, SachenR, Rn. 355; Seybold/Hornig/Reithmann, BNotO, § 20 Rn. 42; Wieling, SachenR, § 23 III 1 a (S. 332); M. Wolf, SachenR, Rn. 325. 227 Müller, SachenR, Rn. 959.
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Teil 1 : Einführung in den Untersuchungsgegenstand
§ 128 BGB sehen.228 Obwohl nach der herrschenden Meinung keine materielle Beurkundungspflicht aus § 925 BGB resultiert, soll sich aus derselben Vorschrift das Gebot der Simultanbeurkundung für die eigentlich nur aus formellrechtlichen Gründen zu erfolgende Beurkundung ergeben. Dies deutet darauf hin, daß nach Ansicht dieser Autoren die Auflassung materiell immer im Rahmen der eigentlich nur aus Gründen des formellen Rechts erfolgenden Beurkundung erklärt wird.
II. Die Betonung eines faktischen Beurkundungszwangs bei der Auflassung und seines Vorteils gegenüber der materiellen Beurkundungspflicht 1. Der faktische Beurkundungszwang
Während sich die bisher angeführten Darstellungen als Beschreibung des typischen Auflassungsvorgangs verstehen lassen, stellen andere Autoren einen systematischen Zusammenhang zwischen den Anforderungen des materiellen und des formellen Rechts an die Auflassungsform her. Dies geschieht in der Weise, daß sie die Einheitlichkeit des Geschehens bewußt hervorheben, um zu zeigen, daß sich das örtliche und zeitliche Zusammenfallen von Auflassungserklärung und deren Beurkundung zu einem faktischen Beurkundungszwang für die Auflassung ergänzen, der sich in seinen praktischen Auswirkungen von einem materiellen Beurkundungserfordernis kaum unterscheidet. Pohlmann folgert aus der regelmäßigen Beurkundung der Auflassung wegen § 29 GBO, daß die Form für Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft identisch sei. 229 Fuchs-Wissemann stellt im Zusammenhang mit den §§ 20, 29 Abs. 1 GBO fest, daß zum Nachweis der Auflassung grundsätzlich eine den §§ 8 ff. BeurkG genügende Niederschrift notwendig sei und dem zugrunde liege, daß bei richtiger Verfahrensweise die Auflassung eben auch sachenrechtlich erst im Zuge der Beurkundung der Auflassungsverhandlung zustande komme. 230 Ausdrücklicher noch bei Erti: „Der materiellrechtliche Zwang zur Mitwirkung eines Notars bei der Auflassung (§ 925 Abs. 1 BGB), die notarrechtliche Pflicht zur Errichtung einer Urkunde über die Auflassung (§§ 1, 20 BNotO; §§ 8 ff. BeurkG) und die verfahrensrechtliche Pflicht des GBA, ohne Nachweis in Urkundsform über die formgerechte Auflassung keine Eigentumsumschreibung im Grundbuch vorzunehmen (§§ 20, 29 GBO), kommen in ihrer praktischen Auswirkung einer materiellen Beurkundungspflicht fast gleich. Sie machen aber dies ist ihr Vorteil - das Grundbuch nicht unrichtig, sofern nur eine nach § 925 Abs. 1 BGB materiell wirksame Auflassung erfolgt ist, selbst wenn das Grundbuchamt den Grundstückserwerber unter Verletzung der §§ 20, 29 GBO eingetragen, oder der Notar entweder keine oder eine nichtige Urkunde über die Auflassung errichtet hat." 2 3 1 228 Weirich, GrundstücksR, Rn. 129. 229 Pohlmann, Die Heilung formnichtiger Verpflichtungsgeschäfte durch Erfüllung, S. 57. 230 Fuchs-Wissemann, Rpfleger 1978, 431 (433). 231 Erti , DNotZ 1976, 68 (72).
E. Das einheitliche Zusammenspiel von materiellem und formellem Recht
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2. Der Vorteil des faktischen Beurkundungszwangs
Die Betonung eines faktischen Beurkundungszwanges für die materielle Erklärung der Auflassung wird vor dem Hintergrund der herrschenden Meinung zum Zweck des § 925 I BGB verständlich. Wie oben gezeigt, werden neben dem Schutz des Grundbuchs als Zwecke des § 925 I BGB diejenigen angeführt, die typischerweise mit der Beurkundung bestmöglich verwirklicht werden können. 232 Lehnt man mit der herrschenden Meinung zu § 925 I BGB die Beurkundung als materielles Formerfordernis ab, könnte fraglich werden, ob die vermeintlichen Formzwekke noch effektiv erfüllt werden. 233 Gerade dies soll jedoch durch den aus der Einheit von formellem und materiellem Recht resultierenden faktischen Beurkundungszwang gewährleistet sein. Zugleich wird der von Erti betonte Vorteil eines nur faktischen Beurkundungszwangs gegenüber der materiellen Beurkundungsform deutlich: Durch den Verzicht auf die materielle Beurkundung werde die Gefahr eines falschen Grundbuchs infolge von Beurkundungsmängeln reduziert. Übersähe nämlich das Grundbuchamt einen Beurkundungsmangel und trägt es den Eigentumsübergang in das Grundbuch ein, begründe dies zwar einen Verstoß gegen die Ordnungsvorschriften des formellen Grundbuchverfahrensrechts, hingegen habe dies keine Auswirkungen auf die materielle Wirksamkeit der Eigentumsübertragung, wenn die übrigen materiellen Erfordernisse des § 925 BGB erfüllt sind. Hier schließt sich der Kreis zu dem von der herrschenden Meinung angegebenen Hauptzweck des § 925 I BGB, der ja gerade im Schutz des Grundbuchs vor Falscheintragungen liegen soll. 2 3 4 Durch den Verzicht der herrschenden Meinung auf die Beurkundung als materielles Formerforderais können sich Beurkundungsmängel nicht in der Weise auswirken, daß Buchlage und tatsächliche Eigentumslage an einem Grundstück auseinanderfallen. Die herrschende Auslegung zu § 925 I BGB scheint somit in besonderer Weise vom Zweck der Norm getragen zu sein und ihn zu verwirklichen.
III. Die methodische Einheit von materiellem und formellem Grundstücksrecht nach der Auffassung Huhns Huhn geht noch einen Schritt weiter, indem er aus der Einheit von materiellem Grundstücksrecht und formellem Verfahrensrecht Folgerungen für die Auslegung des § 925 I BGB ableitet. Nach seiner Ansicht ist es falsch, für die Auslegungsmethode eine Trennung zwischen materiellem Recht und Verfahrensrecht vorzunehmen. Das Beispiel der Auflassungsform sei lehrreich und geeignet, eine differenzierende methodische Aussage zu gewinnen, die darauf hinauslaufe, daß die Ein232 Siehe oben Teil 1 Β III. 233 Dazu sogleich unten Teil 2 A. 234 Siehe oben Teil 1 Β II.
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Teil 1 : Einführung in den Untersuchungsgegenstand
heit von materiellem Recht und Verfahrensrecht nicht als Einheit der Begriffe aufgefaßt, sondern unter dem Blickwinkel des jeweiligen Verfahrensziels beschrieben und gesucht werde. 235 In der Frage der materiellen Beurkundungsbedürftigkeit folgt Huhn der herrschenden Auslegung, jedoch ist nach seiner Auffassung der materiellrechtliche Satz, wonach die Auflassung nicht der Beurkundung bedürfe, nur deshalb vertretbar, weil er sich aus Gründen des Grundbuchverfahrens und des Notardienstrechts nicht zu einem allgemeinen verfahrensrechtlichen Satz entwickeln, vielmehr immer nur als eine in Ausnahmefällen aktuell werdende Regel auswirken könne. 236 Die Steigerung dieser Ansicht gegenüber der Feststellung eines faktischen Beurkundungszwanges liegt darin begründet, daß nicht nur mit Blick auf das Ergebnis beurteilt wird, wie sich das Zusammenspiel von materiellem und formellem Recht auswirkt, sondern daß offenbar die Auslegung des materiellen Rechts durch Prämissen des formellen Rechts beeinflußt, wenn nicht sogar bestimmt sein soll. Nur weil die Auflassung schon wegen der Anforderungen des Verfahrensrechts immer beurkundet werde, hält Huhn die herrschende Auslegung des § 925 I BGB für vertretbar. Dabei scheint er von der Vorstellung auszugehen, daß sich formelles und materielles Recht gemeinsam zu einem „allgemeinen verfahrensrechtlichen Satz" 237 ergänzen und ihnen eine gemeinsame Zwecksetzung („Einheit unter dem Blickpunkt des jeweiligen Verfahrensziels") 238 zugrunde liege. 239
235 Huhn, Rpfleger 1977, 199. 236 Huhn, Rpfleger 1977, 199 (200). 237 Huhn, Rpfleger 1977, 199 (200). 238 Huhn, Rpfleger, 1977,199. Huhn gewinnt seine methodische Aussage in erster Linie aus einer Analyse der Urteile von RG und BGH. In der Tat ist daran zu erinnern, daß beide Gerichte im Zusammenhang mit ihren Erwägungen zur Rechtssicherheit darauf eingegangen sind, daß wegen § 29 GBO die Möglichkeit einer Eigentumseintragung ohne eine Beurkundung der Auflassung sehr fernliege, daß Risiko eines fehlerhaften Auflassungsprotokolls hingegen eher gegeben sei und deshalb der Verzicht auf die Beurkundung als materielles Formerfordernis angezeigt sei (zu RGZ 99,65 [70]; Β GHZ 22,312 [316 f.] siehe oben Teil 1 C III 2 a), b). 239 An anderer Stelle vertritt Huhn im Zusammenhang mit einer familienrechtlichen Fallgestaltung den Standpunkt, daß sich in familienrechtlichen Angelegenheiten die traditionelle Trennung des Rechtsstoffes nach den Büchern des BGB sowie die Trennung von Prozeßrecht und sogenanntem materiellen Recht wenig bewähre und dies ein feststehender Satz einer ernst zu nehmenden Rechtsdidaktik wäre, wenn es eine solche in Deutschland gäbe (Huhn, Der Fall Familie, Anhang I, S. 183).
Teil 2
Einwände gegen die herrschende Meinung Im zweiten Teil der Untersuchung sollen Einwände gegen die herrschende Auslegung des § 925 I BGB formuliert werden, die das Bedürfnis einer erneuten, auf die heutige Fassung der Norm bezogenen Auslegung begründen. Ferner sollen Grundlagen für die Auslegung des § 925 I BGB gewonnen werden. Denn wie zu zeigen sein wird, gibt es gute Gründe für die Annahme, daß die herrschende Auslegung von einem unzutreffenden Vorverständnis der Norm bestimmt ist und zudem in methodisch unhaltbarer Art und Weise auf historische Argumentationen zurückgreift, ohne ihre Übertragbarkeit auf die heutige Rechtslage darzulegen.
A. Zweifel an der Effizienz der Auflassungsform in Ansehung der allgemein angenommenen Funktion des § 925 I S. 1,2 BGB Zweifel an der Widerspruchsfreiheit der herrschenden Auslegung ergeben sich mit Blick auf den für § 925 I BGB allgemein angenommenen Normzweck. Um dies zu veranschaulichen, sollen die tatsächlichen Auswirkungen der materiellen Auflassungsform an einem von Weirich gebildeten Fallbeispiel untersucht werden, wonach A und Β am Stammtisch in Gegenwart eines dabeisitzenden Notars erklären, daß sie über den Übergang des Eigentums an einem Grundstück X einig seien.1 Die Fallfrage, ob die Auflassung wirksam erklärt sei, beantwortet Weirich mit der herrschenden Meinung dahin gehend, daß die Einigung materiellrechtlich gültig sei, wenn der Notar die Bereitschaft zur Entgegennahme der Erklärungen gehabt habe. Schon nach dem äußeren Anschein ist es zweifelhaft, ob die am Stammtisch erklärte Auflassung tatsächlich einer „besonders strengen Form" unterliegt, wie es von der herrschenden Meinung betont wird. 2 Trotz der Anwesenheit eines Notars ι Weirich, GrundstücksR, Rn. 127. 2 Riedel, DNotZ 1955, 521 (526): „Keineswegs kann man sagen, daß § 925 BGB eine weniger wichtige Formvorschrift sei als etwa § 313 BGB. Im Gegenteil, das Erfordernis gleichzeitiger Anwesenheit der Beteiligten und die speziellen Zuständigkeiten kennzeichnen die Auflassung als ein Rechtsgeschäft, für das das Gesetz eine besonders strenge Form fordert."
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Teil 2: Einwände gegen die herrschende Meinung
bringt man das Geschehen vielmehr mit dem in den Beratungen zum späteren § 313 S. 1 BGB gefallenen Begriff des „Wirthshausgeschäftes" in Verbindung.3 Die Zweifel an der Effizienz einer solchen Auflassungsform verstärken sich, wenn man ihre Auswirkungen in Ansehung einzelner Formzwecke untersucht. Zunächst kann kaum die Rede davon sein, daß sich die Form in einer Beratungsfunktion realisiert. Die Aufgabe des Notars soll sich offenbar auf seine mitwirkungsbereite Anwesenheit beschränken und ist insoweit mit der Anwesenheit eines fachkundigen Zeugen vergleichbar. Insbesondere kann aus dem von Weirich betonten Erfordernis der Mitwirkungsbereitschaft des Notars nichts anderes entnommen werden, denn damit ist nicht mehr gemeint, als daß die zuständige Stelle zur Entgegennahme der Erklärungen bereit sein muß.4 Treffend spricht Jauernig insoweit von „passiver Assistenz", die von der zuständigen Stelle zu leisten sei.5 Da es an einer Beratung der Parteien fehlt, kann auch eine Warnfunktion in dem Fallbeispiel nur in sehr abgeschwächter Form angenommen werden. Dies wird noch dadurch verstärkt, daß es auf eine schriftliche Verkörperung der Erklärungen nicht ankommt und die Parteien somit auch nicht zur Unterschrift ihrer Erklärungen verpflichtet sind. Es kann somit nicht angenommen werden, daß sich das Formerfordernis den Parteien als eine besondere Schwelle darstellt, die sie zur Herbeiführung einer wirksamen Einigung überwinden müßten.6 Ist somit zu bezweifeln, daß die von der herrschenden Meinung ohnehin nur mit nachrangiger Bedeutung angeführten Zwecke des § 925 I S . 1,2 BGB erfüllt werden, gilt dies in besonderem Maße für den vermeintlichen Hauptzweck: Da es zu keiner schriftlichen Fixierung und insbesondere zu keiner Beurkundung der Auflassung kommt, kann einer Klarstellungs- und insbesondere einer Beweisfunktion kaum gedient werden. Durch das materiellrechtliche Formerfordernis werden nämlich gerade keine „einwandfreien und klaren Unterlagen für die Grundbucheintragung" geschaffen, so daß sich die Frage aufdrängt, was die Form des § 925 I BGB im Verständnis der herrschenden Auslegung überhaupt zu leisten vermag, wenn ihre Einhaltung nicht einmal dazu reicht, einen Nachweis über die wirksam erklärte Auflassung zu erbringen. Die Bedenken verstärken sich gerade unter diesem Aspekt, wenn man den Fall dahin gehend erweitert, daß sich der Notar nach einiger Zeit nicht mehr sicher daran erinnert, ob die Parteien die Auflassung über ein bestimmtes Grundstück tatsächlich erklärt haben. Obwohl die Auflassung nach herr3 Protokolle, II, S. 460. 4
Weirich, GrundstücksR, Rn. 127, verweist auf RGZ 132, 406 (409). Vgl. zu dem Erfordernis der Bereitschaft der Entgegennahme oben Teil 1 C II 2 a). 5 Jauernig, BGB, § 925 Rn. 11. 6 Dies mag anders zu beurteilen sein, wenn die Erklärungen nicht am Stammtisch abgegeben werden, sondern die Parteien dazu die Geschäftsstelle des Notars aufsuchen, wo er nach § 5 II DONot „in der Regel" seine Amtsgeschäfte vornehmen soll; ein Verstoß hat niemals Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Amtshandlung (Weingärtner, DONot, Rn. 6). - Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit einer Disziplinarverfügung zulasten eines Notars, der innerhalb seines Amtsbereichs Beurkundungen außerhalb seiner Geschäftsstelle vornimmt, vgl. BVerfG DNotZ 2000, 787 ff. mit Anm. Eylmann.
Β. Allgemeine Einwände
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sehender Ansicht in der „besonders strengen Form" wirksam erklärt worden sein soll, erfüllt sie unter dem Aspekt der Beweissicherung ihren Zweck in keiner Weise. Aus der Untersuchung des Fallbeispiels ergeben sich somit erhebliche Zweifel an der Effizienz der materiellen Auflassungsform. Die von der herrschenden Meinung für § 925 I S . 1, 2 BGB angenommenen Formzwecke scheinen sich entweder gar nicht oder nur eingeschränkt zu erfüllen. Dies gilt in erster Linie für den vermeintlichen Hauptzweck, der in der Schaffung eindeutiger und klarer Eintragungsunterlagen liegen soll, um das Grundbuch vor Falscheintragungen zu schützen. Auch wenn die Parteien die Auflassungserklärungen in der Form des § 925 IS. 1,2 BGB abgeben, resultiert daraus unmittelbar jedenfalls keine Niederschrift, die als Nachweis der Auflassung dienen könnte. Somit scheinen sich die Auflassungsform und die ihr zugeschriebenen Zwecke nicht zu entsprechen, was Zweifel an der Widerspruchsfreiheit der herrschenden Auslegung begründet.
B. Allgemeine Einwände gegen die von der herrschenden Meinung angenommene Form der gemäß § 925 I S . 1,2 BGB erklärten Auflassung Neben dem Verdacht, mit Blick auf die vermeintlichen Zwecke der Auflassungsform in sich widersprüchlich zu sein, sprechen weitere Bedenken gegen die herrschende Auslegung des § 925 I S. 1, 2 BGB.
I. Allgemeine Bedenken gegen den Typus der Form Die nur mündliche Erklärung vor dem Notar, gesteigert durch das Erfordernis der gleichzeitigen Anwesenheit, ist dem BGB als Formtypus insoweit fremd, als es grundsätzlich von den gesetzlichen Formen der Schriftform, der notariellen Beurkundung und der öffentlichen Beglaubigung ausgeht.7 All diesen Formen ist gemeinsam, daß sie eine schriftliche Verkörperung der Erklärungen voraussetzen. Zwar steigert auch schon die in einigen Vorschriften geforderte „Ausdrücklichkeit" (vgl. §§ 244 I, 700 II BGB) die Formanforderungen, nach Häsemeyer soll es sich jedoch bei den Geschäftsformen im gesetzestechnischen Sinn nur um die letzten Förmlichkeitsstufen der Schriftform, der öffentlichen Beglaubigung sowie der notariellen Beurkundung als „qualifizierte Formen höherer Stufe" handeln.8 Zwar 7 Vgl. §§ 126, 128, 129 BGB. 8
Häsemeyer, JuS 1980, 1 (3); ders., Die gesetzliche Form der Rechtsgeschäfte, S. 199 f. Ferner sind dazu nunmehr die elektronische Form (§ 126 III BGB) und die Textform (§ 126 b BGB) zu zählen, denen auch eine schriftliche Verkörperung der Erklärungen gemein ist (vgl. oben Teil 1, Fn. 97).
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Teil 2: Einwände gegen die herrschende Meinung
folgt daraus nicht zwingend, daß nicht im Ausnahmefall eine besondere Geschäftsform ohne schriftliche Verkörperung denkbar wäre, sie fügte sich jedoch nicht ohne weiteres in das System der Formen des BGB ein und bedürfte daher einer besonderen Begründung.
II. Die fehlende Ausgestaltung der materiellen Auflassungsform Die Beurkundung als eine im BGB vorausgesetzte Geschäftsform liefert ein Beispiel dafür, daß die Modalitäten für das Zustandekommen der Form nicht im BGB und somit im materiellen Recht selbst, sondern im formellen Beurkundungsrecht normiert sein können. Dabei verläßt sich das materielle Recht darauf, daß die Form außerhalb des BGB in der Weise ausgestaltet wird, daß sie auch tatsächlich den Zweck erfüllen kann, der mit ihrer Anordnung im materiellen Recht verfolgt wird. 9 Da es im BGB hinsichtlich der in § 925 I S . 1,2 BGB vorgesehenen Form keine konkretisierenden Bestimmungen gibt und auch sie - wie die öffentliche Form der Beurkundung - regelmäßig nur durch die Mitwirkung eines Notars bewirkt werden kann, stellt sich die Frage, ob es eine dem Βeurkundungsverfahren vergleichbare verfahrensrechtliche Ausgestaltung der materiellen Auflassungsform gibt. Schon an dem von Weirich gebildeten Fallbeispiel ist jedoch deutlich geworden, daß es bis auf die Mitwirkungsbereitschaft des Notars offenbar keine besonderen Anforderungen an das Erklärungsverfahren geben soll, die als wesentlich für die Einhaltung der materiellen Auflassungsform anzusehen wären. Im Schrifttum äußern sich nur vereinzelt Stimmen zu der verfahrensmäßigen Ausgestaltung der Auflassungsform. 10 Soergel / Stürner vertritt die Ansicht, daß bei der Abgabe der Erklärungen vor dem Notar die für die Aufnahme eines Protokolls maßgebenden Bestimmungen eingehalten werden sollen, wobei insbesondere das BeurkG in Betracht komme.11 Vorbehalte gegen eine Anwendung dieser Vorschriften äußert hingegen Erti, indem er feststellt, daß die Entgegennahme der Auflassung durch die zuständige Stelle eine nicht unter den gesetzlichen Beurkundungsbegriff fallende Amtshandlung sei und es daher in einem Verfahren erfolge, für das es nur wenige gesetzliche Vorschriften gäbe.12 Unbestimmt heißt es weiter, daß eine entsprechende Anwendung der für die Beurkundung geltenden Vorschriften ihre Grenze in den wesentlichen Unterschieden beider Amtstätigkeiten finde. 13 Wilhelm äußert im Zusammenhang mit der Frage, in welcher Form dem Nachweiserfordernis des § 29 GBO genügt werden könne, die Ansicht, daß nach dem Wort9 Vgl. oben Teil 1 C I 2. 10 Die Mehrheit versteckt sich offenbar auch insoweit hinter der Zusammenschau von materiellem und formellem Grundstücksrecht (vgl. oben Teil 1 E). 11 Soergel/Stürner, BGB, § 925 Rn. 22. 12 Erti, MittBayNot 1992, 102 (106). 13 Erti, MittBayNot 1992, 102 (106).
Β. Allgemeine Einwände
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laut keine Regelung des BeurkG für die in § 925 BGB vorgesehene Form passe; sinngemäß passe jedoch der dritte Abschnitt, also die Vorschriften über eine Beurkundung anderer Erklärungen als Willenserklärungen sowie sonstiger Tatsachen. Daraus folgt, daß die §§ 6 ff. BeurkG auch schon auf die materielle Erklärung der Auflassung keine Anwendung finden sollen. 14 Gegen eine entsprechende Anwendung der Vorschriften des BeurkG spricht auf der Grundlage der herrschenden Meinung zu § 925 I BGB in erster Linie die Verweisnorm des § 16 I BNotO. Soweit es sich bei den in den §§20 bis 22 a BNotO aufgezählten Amtstätigkeiten des Notars nicht um Beurkundungen nach dem BeurkG handelt, findet nach § 16 I BNotO die Vorschrift des § 3 BeurkG entsprechende Anwendung. Im Umkehrschluß ergibt sich aus dieser Regelung für die herrschende Ansicht zur Auflassungsform, daß die übrigen Vorschriften des BeurkG auf die Entgegennahme der Auflassung keine Anwendung finden können.15 Auf der einen Seite könnte die fehlende verfahrensrechtliche Ausgestaltung in erster Linie als Mangel des Verfahrensrechts zu bewerten sein. Andererseits ist in ihr auch ein Umstand zu sehen, der zumindest Zweifel an der auf die Beurkundung verzichtende Auslegung des § 925 I BGB zu begründen vermag. Es ist nämlich nicht ohne weiteres zu erklären, warum es im formellen Recht eine ausdifferenzierte Ausgestaltung für die Beurkundung von Willenserklärungen geben soll, die auf die Auflassung keine Anwendung findet, ohne daß es eine anderweitige Regelung des Verfahrens gäbe. Dies gilt um so mehr, als die Ausgestaltung des Beurkundungsverfahrens auch auf die Erklärung der Auflassung passend und zugeschnitten zu sein scheint. So ist in den §§ 17 ff. BeurkG eine umfassende Prüfungs- und Belehrungspflicht des Notars niedergelegt. Neben der allgemeinen Pflicht des § 17 BeurkG fallen besonders die speziell auf Grundstücksgeschäfte zugeschnittenen §§ 18 bis 21 BeurkG ins Auge. So wird in § 21 BeurkG angeordnet, daß sich der Notar über den Grundbuchstand unterrichten soll, soweit es um Geschäfte geht, die im Grundbuch eingetragene oder einzutragende Rechte zum Gegenstand haben. Andernfalls soll er nur dann beurkunden, wenn die Beteiligten trotz Belehrung über die damit verbundenen Gefahren auf einer sofortigen Beurkundung bestehen. Der Erkundigungspflicht des Notars über den Grundbuchstand kommt gerade auch im Zusammenhang mit der Erklärung der Auflassung sachliche Berechtigung zu, so daß es befremdlich ist, daß es eine vergleichbare Vorschrift für die Entgegennahme der Auflassung nicht geben soll. Weitere Vorschriften, die schon bei der 14 Wilhelm, SachenR, Rn. 502 (dort Fn. 551). 15 Würde die herrschende Auslegung die übrigen Vorschriften des BeurkG auf § 925 I BGB dennoch als Ausgestaltung der in § 925 I BGB angeordneten Form anwenden, setzte sie sich zudem in Widerspruch zu ihrem Verzicht auf die Beurkundung als materielles Erfordernis. Denn dann müßte sie sich fragen lassen, warum die entsprechend angewendeten Vorschriften des BeurkG nicht auch (entsprechend) von der Sanktion des § 125 S. 1 BGB erfaßt sein sollten, so wie dies im Fall der unmittelbaren Anwendung des BeurkG auf materielle Beurkundungszwänge der Fall ist. Auch aus diesem Grunde ist daher an eine entsprechende Anwendung des BeurkG nicht zu denken. 6 Pajunk
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Teil 2: Einwände gegen die herrschende Meinung
materiellen Auflassungserklärung von großem Nutzen sein könnten, sind die besonderen Vorschriften über die Beteiligung behinderter Personen bei der Beurkundung von Willenserklärungen (§§ 22 bis 26 BeurkG). Auch insoweit ist nicht ersichtlich, wie der Notar bei der Entgegennahme der Auflassung verfahren soll. Schließlich sei darauf verwiesen, daß auch dem Kostenrecht die Beurkundung der Auflassung bekannt, die bloße Entgegennahme hingegen unbekannt ist (vgl. § 38 II Nr. 6 a KostO).
C. Bedenken gegen die zweckeinheitliche Betrachtung von materiellem und formellem Recht im Zusammenhang mit der Auslegung des § 9251 BGB Von der herrschenden Meinung wird in Ansehung der Auflassungsform eine einheitliche Betrachtung von materiellem und formellem Liegenschaftsrecht angestellt. 16 Die Gesamtschau von materiellem und formellem Recht birgt indessen die Gefahr in sich, die Grenzen beider Regelungsgebiete zu verwischen. Erti weist auf diese Gefahr hin, indem er in der Wechselwirkung zwischen materiellem und formellem Grundstücksrecht zwar den Beweis für den engen Zusammenhang der beiden Rechtsgebiete sieht, jedoch gleichsam betont, daß durch sie die Trennungslinien verschleiert werden. 17 Die herrschende Auslegung des § 925 I BGB erweckt in besonderem Maße den Eindruck, als sei es gelungen, die Vorschriften des materiellen und formellen Grundstücksrechts zu einer alle Interessen wahrenden, wohlausgewogenen Lösung zu verbinden. Huhn geht sogar so weit, die Auflassungsform als ein Beispiel für die methodische Aussage anzuführen, daß materielles und formelles Grundstücksrecht eine Einheit unter dem Blickpunkt eines einheitlichen Verfahrensziels bilden. 18 Von kritischer Warte aus betrachtet, liegt in der Vorstellung, materielles und formelles Grundstücksrecht müßten an einem „einheitlichen Verfahrensziel" ausgerichtet werden, eine besondere Gefahr für das richtige Verständnis der einzelnen Vorschriften des jeweiligen Rechtsgebiets begründet. Auf Grundlage der Annahme, daß materielles und formelles Grundstücksrecht zwei zu unterscheidende Rechtsgebiete darstellen, 19 ergibt sich von selbst, daß bei der Auslegung des § 925 I BGB als Vorschrift des materiellen Rechts im Rahmen der teleologischen Auslegung der Normzweck maßgeblich ist, der vom Gesetz mit der Anordnung eines materiellen Formzwangs verfolgt wird. Eine andere Frage ist es hingegen, welche Zwecke mit der Anordnung von Formerfordernissen für das Eintragungsver16 Siehe oben Teil 1 E. 17 Erti, Rpfleger 1980,41 (42). is Huhn, Rpfleger 1977,199; vgl. oben Teil 1 E III. 19 Siehe dazu oben Teil 1 C I.
C. Bedenken gegen die Betrachtung von materiellem und formellem Recht
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fahren verfolgt werden. Daraus ergibt sich, daß der für § 925 BGB maßgebliche Normzweck nicht einfach im Sinne eines „einheitlichen Verfahrensziels" aus der Zwecksetzung des Grundbuchverfahrensrechts abgeleitet werden darf, da dies zu einer verengten Ausrichtung des materiellen Rechts führen könnte, mit der der eigentlichen Funktion des § 925 I BGB nicht mehr entsprochen wird. Die herrschende Meinung begründet den Verzicht auf die Beurkundung als materielles Formerfordernis in erster Linie mit dem als Hauptzweck des § 925 I BGB verstandenen Grundbuchschutz vor Falscheintragungen. Der Rückgriff auf diese vorrangig dem Grundbuchverfahrensrecht zuzuschreibende Funktion läßt den Verdacht aufkommen, daß sich die herrschende Auslegung zu § 925 I BGB in ihrer Zweckbestimmung des materiellen Rechts zu sehr dem formellen Grundstücksrecht angenähert haben könnte. Dies soll nunmehr in Einzelschritten veranschaulicht werden. Dazu wird zunächst die herrschende Ansicht zum Zweck des § 925 I BGB kurz wiederholt (I). Sodann soll die Zielsetzung des Grundbuchverfahrensrechts skizziert werden (II), um im Anschluß daran die in der herrschenden Auslegung des § 925 I BGB bestehende Parallele zwischen der Zwecksetzung des materiellen Formzwangs und derjenigen des Grundbuchverfahrens zu verdeutlichen. Schließlich sollen denkbare Motive für die Angleichung von materiellem und formellem Recht erörtert (IV) und Bedenken gegen die herrschende Meinung formuliert werden (V).
I. Die Auslegung des § 925 I S. 1,2 BGB durch die herrschende Meinung Nach der herrschenden Ansicht zu § 925 I BGB stehen bei der Anordnung eines Formzwangs für die Auflassung die öffentlichen Interessen an der Institution des Grundbuchs im Vordergrund. Der Hauptzweck der Norm soll darin liegen, durch Schaffung klarer Unterlagen für die Grundbucheintragung ein Auseinanderfallen zwischen Grundbuchstand und materieller Rechtslage zu verhindern. 20 Dies spricht auf den ersten Blick für die Annahme der Beurkundungsform für die Auflassung, da die Beurkundung allgemein als die vollkommenste Form des BGB zur Verwirklichung aller Formzwecke gilt. Keidel / Winkler folgern daraus, daß die notarielle Beurkundung die größte Sicherheit für die Formwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts biete. 21 Die herrschende Auslegung führt den vermeintlichen Hauptzweck des § 925 I BGB jedoch gerade gegen die Beurkundungsform ins Feld. Denn, so die Argumentation, wäre die Beurkundung ein materielles Formerfordernis, würden Beurkundungsfehler, die einen Verstoß gegen die Muß-Anforderungen an eine wirksame Beurkundung bedeuten, gemäß § 125 S. 1 BGB gleichsam zur Unwirksamkeit der Auflassung führen. Kommt es in einem solchen Fall dennoch 20 Siehe oben Teil 1 Β II. 21 Keidel/Winkler, BeurkG, Einl. Rn. 17. 6*
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zur Eintragung des Eigentumswechsels in das Grundbuch, fallen Buchlage und tatsächliche Rechtslage auseinander. Das Grundbuch wäre falsch und somit hätte das Beurkundungserfordernis gerade das Gegenteil von dem bewirkt, was die Auflassungsform nach herrschender Ansicht erreichen soll, nämlich die Richtigkeit des Grundbuchs zu sichern und den Eigentumserwerb herbeizuführen.
II. Zielsetzungen des Grundbuchverfahrensrechts Um die Parallelen dieser Argumentation zum Regelungszweck des Grundbuchverfahrensrechts zu zeigen, ist zunächst daran zu erinnern, daß auch das in § 20 GBO für den Eigentumserwerb geltende materielle Konsensprinzip des Grundbuchverfahrensrechts die Funktion haben soll, das besondere Interesse an der Übereinstimmung von Grundbuch und wirklicher Rechtslage zu sichern. 22 Im Unterschied zur materiellen Form der Auflassung wird nach allgemeiner Ansicht aus § 29 GBO der Nachweis der Auflassung in der Form einer Urkunde nach den §§ 6 ff. BeurkG gefordert. Durch das Erfordernis des Strengbeweises soll ebenfalls die Gefahr unrichtiger Eintragungen möglichst ausgeschlossen werden. 23 Es ist eine Aufgabe des Grundbuch Verfahrensrechts, das Eintragungsverfahren so auszugestalten, daß ein Auseinanderfallen der Buchlage mit der tatsächlichen Rechtslage möglichst verhindert wird. Dies ergibt sich unmittelbar aus der Aufgabe des Grundbuchs selbst, dem Immobiliarverkehr dadurch eine sichere Grundlage zu geben, daß es klar und übersichtlich über den dinglichen Rechtszustand an Grundstücken Auskunft gibt. 24 Die Bucheintragung dient dabei in erster Linie dem Zweck, auf zuverlässiger Grundlage bestimmte und sichere Rechtsverhältnisse zu schaffen und zu erhalten. 25 Zur Erfüllung seiner Aufgabe enthält das Grundbuchrecht - wie schon gesehen - Ordnungsvorschriften. 26 Dies bedeutet, daß selbst ein Verstoß gegen den als zwingende Vorschrift formulierten § 20 GBO keine Auswirkungen auf die dingliche Rechtslage hat. Gleiches gilt für die ohnehin nur als SollVorschrift gefaßte Vorschrift des § 29 GBO. Eine Eigentumsübertragung ist daher schon dann wirksam, wenn die Auflassung wirksam erklärt ist und die Eintragung im Grundbuch erfolgt ist. Auf eine Einhaltung der Verfahrensvorschriften der Grundbuchordnung kommt es hingegen nicht an. 27
22 Siehe oben Teil 1 D I 1. 23 Siehe oben Teil 1 D I 1. 24 Bauer/von Oefele (Bauer), GBO, Einl. Rn. 1; Haegele/Schöner/Stöber, GrundbuchR, Rn. 2; Kuntze /Erti /Herrmann/Eickmann (Munzig), GrundbuchR, Einl. Rn. A 7. 25 RGZ 61, 374 (377); 143, 159 (165); 145, 343 (354); BayObLG NJW 1982, 1054 (1055); OLG Hamm NJW 1986, 3213 (3214). 26 Haegele/Schöner/Stöber, GrundbuchR, Rn. 31. 27 Vgl. schon oben Teil 1 C I 1.
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Für die nach § 29 GBO geforderte Beurkundung der Auflassung bedeutet dies, daß auch Beurkundungsfehler einem Eigentumswechsel nicht entgegenstehen können, sobald die Eintragung erfolgt ist. Daß die Einhaltung des formellen Grundbuchrechts hinter den Eintragungserfolg zurücktritt, wird vor dem Hintergrund seiner dienenden Funktion gegenüber dem materiellen Recht verständlich. Dies bestimmt als Voraussetzungen des Eigentumswechsels lediglich die wirksame Auflassung sowie die Eintragung, nicht jedoch die Einhaltung des Eintragungsverfahrens. Das materielle Grundstücksrecht verzichtet auf die Einhaltung des Grundbuchverfahrensrechts, da Anknüpfungspunkt für die Rechtsfolge in erster Linie der in der Auflassung erklärte Parteiwille ist. Hinzu treten muß als Publizitätsakt die Grundbucheintragung, die ihre Funktion schon dann erfüllt, wenn sie irgendwie bewirkt ist und dem Inhalt der Auflassung entspricht. Für diesen Zweck kommt es nicht darauf an, in welchem Verfahren die Eintragung erfolgt ist, so daß es auch nicht erforderlich ist, die Einhaltung von Verfahrenserfordernissen zur Wirksamkeitsvoraussetzung der Eigentumsübertragung zu machen. Wie das Grundbuchverfahrensrecht dem Schutz des Grundbuchs vor Fehleintragungen dient, wird gerade an seiner Ausgestaltung als Ordnungsrecht besonders deutlich: Wäre die Beachtung des Verfahrensrechts eine Wirksamkeitsvoraussetzung der Eigentumsübertragung, stellte dies eine weitere Risikoquelle für unwirksame Verfügungen dar, wodurch sich gleichsam das Risiko eines falschen Grundbuchs steigern würde. In dem Fall könnte nämlich die Buchlage selbst dann von der tatsächlichen Rechtslage abweichen, wenn die Auflassung wirksam erklärt ist und der Eigentums Wechsel ins Grundbuch eingetragen ist. Da die Einhaltung der Verfahrensvorschriften jedoch keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Eigentumsübertragung ist, schützt das Grundbuchverfahrensrecht das Grundbuch, ohne selbst eine Gefahrenquelle für seine Richtigkeit zu sein.
I I I . Die Parallele zwischen der herrschenden Auslegung des § 925 I BGB und den Grundgedanken des Grundbuchverfahrensrechts Der verfahrensmäßigen Ausgestaltung der Grundbucheintragung soll nunmehr die Auflassung gegenübergestellt werden. Die wirksame Auflassung ist ein materielles Erfordernis der Eigentumsübertragung. Als dinglicher Vertrag ist ihre Wirksamkeit von vielfältigen Faktoren abhängig. Die Parteien müssen alle Voraussetzungen eines wirksamen Vertragsschlusses erfüllen. Dies bedeutet, daß jede rechtsverhindernde Einwendung - wie etwa die fehlende Geschäftsfähigkeit - nicht nur eine wirksame Auflassung nicht zustande kommen läßt, sondern auch die Eigentumsübertragung nach § 873 I BGB insgesamt scheitern läßt. Sollte das Grundbuchamt die Unwirksamkeit der Auflassung übersehen, weil etwa die Geschäftsunfähigkeit nicht bekannt ist, und eine Eintragung im Grundbuch vornehmen, wird das Grundbuch unrichtig.
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Vor dem Hintergrund des § 125 S. 1 BGB gilt dies auch für die Nichteinhaltung von materiellen Formzwängen, denen die Auflassung unterliegt. Je umfassender die Anforderungen an die materielle Form sind, desto größer wird das Risiko der Unwirksamkeit der Auflassung und somit das der Unrichtigkeit des Grundbuchs. Werden etwa die Erklärungen nicht gleichzeitig oder vor einer unzuständigen Stelle abgegeben, sind sie gemäß § 125 S. 1 BGB unwirksam. 28 Daraus folgt, daß Formerfordernisse des materiellen Rechts bei der Auflassung im Unterschied zu Formerfordernissen des Grundbuchverfahrensrechts sehr wohl zur Unrichtigkeit des Grundbuchs führen können. Dies wurde in den Beratungen zum BGB bewußt in Kauf genommen, indem man den Vorschlag ablehnte, die Auflassungsform nur als Ordnungsvorschrift auszugestalten, obwohl man erkannte, daß eine bloße Ordnungsvorschrift die Fälle einer wirkungslosen Eintragung verringern würde. In den Motiven heißt es dazu: „Eine bloße Ordnungsvorschrift würde freilich die Fälle einer wirkungslosen Eintragung zu verringern vermögen. Allein dieser Gewinn würde von zu geringem Belange sein, um die an ihn sich knüpfenden Nachteile auszugleichen und eine Ausnahme vom Prinzip des § 91 2 9 zu rechtfertigen." 30
Die Parallele zwischen der Argumentation der herrschenden Meinung gegen die Beurkundung als materielles Formerfordernis und dem Grundbuchverfahrensrecht wird nunmehr greifbar: Wäre die Beurkundung der Auflassung ein materielles Formerfordernis, würde ein Verstoß gegen zwingendes Beurkundungsrecht zur Unwirksamkeit der Auflassung führen und bei Vornahme der Eintragung das Grundbuch falsch werden lassen. Derselbe Beurkundungsfehler würde zwar auch einen Verstoß gegen die Voraussetzungen des Grundbuchverfahrensrechts bedeuten, jedoch würde er als solcher nichts an der Wirksamkeit der Eigentumsübertragung ändern. Hierin scheint bei oberflächlicher Betrachtung ein Widerspruch zu liegen, denn man könnte meinen, daß die an der Richtigkeit des Grundbuchs orientierte Ausgestaltung des Grundbuchverfahrensrechts als Ordnungsrecht durch den Formzwang im materiellen Recht unterlaufen würde. Während ein Verstoß gegen Beurkundungsförmlichkeiten aus Sicht des Grundbuchverfahrensrechts nicht zur Unrichtigkeit des Grundbuchs führen kann und es auf diese Weise vor verfahrensbedingten Fehleintragungen geschützt wird, würde derselbe Verstoß bei materieller Beurkundungsbedürftigkeit der Auflassung im Ergebnis doch zur Unrichtigkeit des Grundbuchs führen. Um diese „Widersprüchlichkeit" zu verhindern, liegt es nicht sehr fern, das materielle Recht so auszulegen, daß ein „einheitliches Verfahrensziel" nicht unterlaufen wird. Da es sich bei § 925 I BGB um keine Ordnungsvorschrift handelt, bliebe dazu nur der Weg, auf die Beurkundung als materielles 28 BGHZ 29, 6 (10). 29 § 91 II S. 1 (E I) hatte folgenden Wortlaut: „Ist durch Gesetz eine besondere Form vorgeschrieben, so ist das Rechtsgeschäft im Falle des Mangels der Form nichtig, sofern nicht ein Anderes vorgeschrieben ist." 30 Motive, III, S. 316.
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Formerfordernis ganz zu verzichten. Dabei fiele dieser Schritt in der Praxis nicht besonders schwer, da ja die Beurkundung aus Gründen des Verfahrensrechts ohnehin erfolgen muß und die Auflassung somit weiterhin unter einem faktischen Beurkundungszwang steht. Kommt es der herrschenden Auslegung des § 925 I BGB somit in erster Linie auf die Verhinderung von unrichtigen Grundbucheintragungen an, könnte dies auch dazu führen, den Verzicht auf die Beurkundung als materielles Formerfordernis in Angleichung an den Zweck des Grundbuchverfahrensrechts gerade damit zu begründen, daß § 925 BGB der Richtigkeit des Grundbuchs zu dienen bezwecke. Ein Hinweis darauf, daß es sich bei der Bestimmung dieses Formzwecks um eine Übernahme aus dem Grundbuchverfahrensrecht handeln könnte, findet sich in der Kommentierung von Kanzleiter, der zur Begründung des materiellen Formzwangs bei der Auflassung auf den „allgemein geltenden ,Bewilligungsgrundsatz4 " zurückgreift. 31 Während dieser grundsätzlich sicher genug erscheine, sollen dessen Risiken wie Irrtum, Dissens und Geschäftsfähigkeit beim Eigentumsübergang als dem wichtigsten dinglichen Rechtsgeschäft so weit wie möglich ausgeschlossen werden. Das Bemerkenswerte daran ist, daß dies eine Begründung für § 20 GBO als Ausnahme zu § 19 GBO liefern kann, 32 nicht jedoch auf § 925 BGB zutrifft. Im materiellen Grundstücksrecht gilt nämlich keineswegs der „Bewilligungsgrundsatz", sondern gemäß § 873 I BGB der Einigungsgrundsatz, zu dem die Eintragung hinzutreten muß. 33 Sollte es sich bei der herrschenden Beschreibung der ratio legis des § 925 I BGB in erster Linie um eine Angleichung an die Zwecksetzung des Verfahrensrechts handeln, wäre dem mit besonderer Aufmerksamkeit zu begegnen. Dies könnte nämlich dazu geführt haben, daß die herrschende Meinung die teleologische Begründung des Verzichts auf ein materielles Beurkundungserfordernis auf einen Normzweck stützt, der nicht als Regelungszweck des § 925 I BGB anzuerkennen ist. 34
31 MünchKomm/Kanzleiter, BGB, § 925 Rn. 1. 32 Vgl. dazu oben Teil 1 D I 1. 33 Vgl. dazu oben Teil 1 A I. - Es entsteht der falsche Eindruck, als seien materieller Formzwang und materielles Konsensprinzip nur als Einheit zu denken und voneinander abhängig. Dies ist jedoch nicht der Fall, denn es ist leicht vorstellbar, das materielle Konsensprinzip auf andere Geschäfte des § 873 I BGB auszudehnen, ohne für sie gleichzeitig einen materiellen Formzwang anordnen zu müssen. 34 Dazu ausführlich unten Teil 3 B.
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IV. Denkbare Motive für die Angleichung des § 9251 BGB an das Grundbuchverfahrensrecht Es wird mit der äußeren Angleichung des Regelungszwecks des § 925 I BGB an das Grundbuchverfahrensrecht lediglich ein Weg aufgezeigt, der zu einem Verzicht auf die Beurkundung als materielles Formerfordernis geführt und die Auslegung in der Weise beeinflußt haben könnte, die Funktion des § 925 BGB in einer verfahrensrechtlichen Ausrichtung zu verstehen. Daß einiges für eine derartige Beeinflussung der Auslegung des § 925 I BGB durch das Verfahrensrecht spricht, wird deutlich, wenn man untersucht, welche Interessen hinter einer Anpassung der materiellen Auflassungsform an das Grundbuchverfahrensrecht gestanden haben könnten. Dazu ist an die Grundsatzentscheidung des RG aus dem Jahre 1920 zu erinnern, in der es das für die heutige Auslegung bestimmende Argument der Rechtssicherheit entwickelt hat. 35 Danach bestehe für die Rechtssicherheit mehr Gefahr, wenn die Beurkundung ein materielles Erfordernis der Auflassung darstellte und Beurkundungsfehler zu einem unrichtigen Grundbuch führen könnten. In diesem Zusammenhang hat das RG ausdrücklich auf die mit der Annahme einer materiellen Beurkundungsbedürftigkeit einhergehenden Gefahr hingewiesen, daß die Fehlerhaftigkeit des Auflassungsprotokolls von einem der Beteiligten „ausgebeutet" werden könnte, und hat in dem zu entscheidenden Fall eine Bestätigung dieser Gefahr gesehen. Damit spricht das RG das Dilemma eines jeden Formzwangs an, dessen Nichtbeachtung mit der Sanktion der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts belegt wird. In Einzelfällen kann die Rechtsfolge der Formnichtigkeit eines Rechtsgeschäfts als unbillig empfunden werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich ein Vertragspartner zu einem Zeitpunkt auf sie beruft, zu dem der andere Teil nach Treu und Glauben nicht mehr damit rechnen muß, weil etwa beide Seiten über einen langen Zeitraum von der Wirksamkeit des Vertrags ausgegangen sind. Das BGB versucht, dem in Einzelfällen entgegenzuwirken. So etwa mit der Heilungsvorschrift des § 313 S. 2 BGB, wonach ein Formmangel des obligatorischen Grundgeschäfts geheilt wird, wenn der Eigentumswechsel an einem Grundstück wirksam vollzogen ist. Auf diese Weise wird der Eigentumserwerb zumindest gegenüber Formmängeln des Grundgeschäfts kondiktionsfest. Da es eine vergleichbare Bestimmung bei der Auflassungsform nicht gibt, hätte sich das RG bei Annahme einer materiellen Beurkundungspflicht mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie dem „Ausbeuten" eines Formmangels im Zusammenhang mit der Auflassung mehr als zehn Jahre nach ihrer Erklärung hätte begegnet werden können. Dabei hätte es sich mit der bis in die Gegenwart umstrittenen Problematik der Einschränkung der Nichtigkeitsfolge des § 125 S. 1 BGB konfrontiert gesehen.36 Der BGH schränkt die Nichtigkeitsfolge des § 125 S. 1 BGB heute in ständiger Rechtsprechung nach dem 35 RGZ 99, 65 (70); siehe oben Teil 1 C III 2 a). 36 Dazu ausführlich unten Teil 4 C.
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Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ein. Er findet dabei im Schrifttum vielfach Zustimmung, wenngleich sich zumindest das Schrifttum einheitlich auf den Standpunkt stellt, daß die Einschränkung der Nichtigkeitsnorm des § 125 S. 1 BGB bei Verfügungsgeschäften im Unterschied zu Schuldverträgen gänzlich ausgeschlossen sein soll. 37 Zwar hatte schon das RG vor dem BGH die Einschränkung des § 125 S. 1 BGB mit dem Grundsatz von Treu und Glauben begründet und die spätere Geltendmachung des Formmangels ausgeschlossen, wenn sie mit Rücksicht auf ein früheres Verhalten gegen Treu und Glauben oder gegen die guten Sitten verstößt. 38 Jedoch setzte diese Rechtsentwicklung erst nach der Grundsatzentscheidung zum Verzicht auf die Protokollierungspflicht bei der Auflassung im Jahre 1920 ein. Zum Zeitpunkt dieser Entscheidung war die Rechtsprechung des RG noch von dem Grundsatz bestimmt, daß gegenüber einem Formfehler eine Berufung auf Treu und Glauben ausscheidet.39 Um dem Ausbeuten des Formmangels im Jahre 1920 entgegenzutreten, könnte sich dem RG der Verzicht auf die Beurkundung als materielle Auflassungsform als der einfachere Weg dargestellt haben, ohne sich mit der Frage der Durchbrechung der Nichtigkeitsfolge des § 125 S. 1 BGB befassen zu müssen. Geteilt wird diese Einschätzung wohl von Kössinger, der den Verzicht auf die Beurkundung als materielles Formerfordernis dahin gehend kommentiert, daß die Rechtsprechung damit deutlich bezwecke, Beurkundungsmängel nicht auf die Wirksamkeit der Auflassung und damit den Eigentumserwerb durchschlagen zu lassen.40 Ferner ist zu bemerken, daß durch den Verzicht auf die Beurkundung als materielles Formerfordernis der Auflassung nicht nur die Gefahr eines unrichtigen Grundbuchs infolge von Formmängeln reduziert wird, sondern daß sich auf diese Weise zugleich das Haftungsrisiko der Urkundsperson, insbesondere der Notare, vermindern könnte, die gemäß § 19 I S. 1 BNotO für die schuldhafte Verletzung von Amtspflichten haften. Denn wenn sich ein Beurkundungsfehler nach erfolgter Eintragung nicht mehr schädlich auf die Wirksamkeit der Auflassung auswirkt und ein Formmangel des Grundgeschäfts nach § 313 S. 2 BGB geheilt wird, kann zumindest aus der Formunwirksamkeit des Grundgeschäfts oder seiner Nichterfüllung von keiner Partei eine Ersatzpflicht abgeleitet werden. 41 Daß die Haftungsfra37 Dazu unten Teil 4 C II 3 a. 38 RGZ 157, 207 (209); 170, 203 (205). 39 RGZ 52, 1 (5); 58, 214 (218); 72, 342 (343); 73, 205 (209 f.). - Auch der Ansatz, die Nichtigkeitsfolge eines bewußt herbeigeführten Formmangels durch einen auf Erfüllung gerichteten Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB auszugleichen, wurde erst im RGZ 107, 357 (360 ff.) erstmalig „aktualisiert" (so Soergel/Hefermehl, BGB, § 125 Rn. 36). 40 Bauer/von Oefele (Kössinger), 408; BGHZ 22,312(315).
GBO, § 20 Rn. 205 mit Verweis auf RGZ 99, 65; 132,
41 Jedoch könnte ein Schaden gerade in der Wirksamkeit der Auflassung und dem sich anschließenden Rechtsverlust zu sehen sein. Sollte die Auflassung nämlich gerade wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften des Beurkundungsverfahrens erklärt worden sein, könnte
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ge im Zusammenhang mit der Anordnung einer materiellen Auflassungsform eine Rolle spielt, wurde schon in den Beratungen zum BGB gesehen. So wurde in der vom Reichstag zur Beratung des dritten Entwurfs eingesetzten Kommission abermals versucht, die Notare in das BGB als zur Entgegennahme zuständige Stelle aufzunehmen, wie dies schon in E II vorgesehen war. 42 Die Regierung verteidigte den Entwurf unter anderem mit dem Argument, daß durch Zulassung der Notare zur Entgegennahme der Auflassung auch das öffentliche Interesse in Mitleidenschaft gezogen werden könne, nachdem die Kommission die Haftung des Fiskus für die Versehen der Notare beschlossen habe.43
V. Zweifel an der herrschenden Auslegung auf Grund der nur unvollständigen „Angleichung" des § 925 I BGB an das Grundbuchverfahrensrecht Die herrschende Meinung begründet den Verzicht auf die Beurkundung als materielles Formerfordernis mit dem Schutz des Grundbuchs vor Fehleintragungen.44 Dies bedeutet jedoch keinen Verzicht auf jede Formbedürftigkeit der Auflassung. So ist unbestritten, daß eine nicht bei gleichzeitiger Anwesenheit erklärte Auflassung nach § 125 S. 1 BGB unwirksam ist. 45 Vor diesem Hintergrund ist nicht ohne weiteres ersichtlich, warum das BGB gerade in bezug auf Beurkundungsförmlichkeiten der gemäß § 925 IS. 1,2 BGB erklärten Auflassung eine besondere Gefahr für das Grundbuch erkannt haben will, dieselbe Gefahr bei anderen Formerfordernissen jedoch offenbar nicht gesehen wird. Ein Widerspruch besteht insoweit auch zu der als wesentlich geltenden Protokollierung der gemäß § 925 I S. 3 BGB in einem gerichtlichen Vergleich erklärten Auflassung. 46 Wäre es dem Gesetzgeber wirklich in so hohem Maße auf den Schutz des Grundbuchs vor Fehleintragungen angekommen, wie es von den Gegnern der Beurkundungsform bei § 925 IS. 1,2 BGB betont wird, hätte es nahegelegen, auf jedes materielle Formerfordernis der Auflassung zu verzichten oder den Formzwang nur als Ordnungsvorschrift auszugestalten, um Risikoquellen für die Nichtigkeit der Auflassung auszuschließen. So wird dann auch von den gegen die Beurkundungsform der Auflassung gerichteten Stimmen zuweilen der Eindruck erzeugt, als sei für die Auflassung materiellrechtlich überhaupt keine Form vorgeschrieben. So heißt es bei Köbl:
sich die Wirksamkeit der Auflassung aus Sicht der haftpflichtigen Urkundsperson als der ungünstigere Fall darstellen (vgl. dazu unten Teil 4 C III). 42 Siehe oben Teil 1 A II 1 b). 43 Mugdan, Materialien, III, S. 999. 44 Siehe oben Teil 1 C III 2 c) bb). 45 Vgl. BGHZ 29, 6 (9 f.). 46 Siehe oben Teil 1 C II 2 b).
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„Das Interesse an einem richtigen Grundbuch geht sogar so weit, daß für die Form der Auflassung (§ 925) nicht einmal notarielle Beurkundung vorgeschrieben ist, sondern die formlos erklärte Einigung 47 der Parteien bei gleichzeitiger Anwesenheit vor dem Notar ausreicht." 48
Selbst der BGH verfällt in seiner Begründung des Verzichts auf die Beurkundung in die Vorstellung, daß damit jeder Formzwang der Auflassung entfallen würde. Dies wird daran erkennbar, daß er bei Abwägung der Gefahren für die Rechtssicherheit infolge des Verzichts auf die Beurkundung als materielles Formerfordernis nicht danach unterscheidet, ob die Beurkundungspflicht bejaht oder verneint wird, sondern betont, daß „auch die Formbedürftigkeit 49 der Auflassung zur Beeinträchtigung der Rechtssicherheit führen würde." 50 Da das BGB für die Auflassung jedoch unstreitig einen materiellen Formzwang anordnet, liegt die Vermutung nahe, daß der Gesetzgeber mit § 925 I BGB den Schutz des Grundbuchs zumindest nicht in so hervorgehobenem Maße verfolgt hat, wie es heute allgemein betont wird. Dies könnte jedoch bedeuten, daß anderen Formzwecken bei der Auslegung des § 925 I BGB ein höherer Stellenwert zugesprochen werden müßte als dies gegenwärtig geschieht. Dies wiederum könnte die Frage der Beurkundungsbedürftigkeit der Auflassung in einem anderen Licht erscheinen lassen. Dieser Vermutung wird daher in der weiteren Untersuchung mit besonderer Aufmerksamkeit nachzugehen sein.
VI. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers Auch wenn mit den bisher angestellten Erwägungen ein möglicher Weg zum heutigen Verständnis der Vorschrift des § 925 I BGB aufgezeigt wird, kann damit nicht belegt werden, daß die heutige Auslegung der Vorschrift ihren Ursprung in der Zwecksetzung des Grundbuchverfahrensrechts genommen hat. Es ist zu betonen, daß es dem Gesetzgeber freisteht, für die Auflassung unterschiedliche Formerfordernisse im materiellen und formellen Recht zu bestimmen und die materielle Wirksamkeit von anderen Voraussetzungen abhängig zu machen als von denen, die er zum Nachweis der Einigung im Grundbuchverfahren verlangt. 51 Insbesondere 47
Hervorhebung vom Verfasser. 48 Köhl, DNotZ 1983, 207 (211 f.). 49
Hervorhebung vom Verfasser. Es hätte heißen müssen Beurkundungsbedürftigkeit. 50 BGHZ 22, 312 (316).
51 Vgl. Fuchs-Wissemann, Rpfleger 1977, 431 (432), der mutmaßt, daß es der Gesetzgeber gerade deshalb für vertretbar gehalten haben möge, die Beurkundung nicht zur Voraussetzung einer wirksamen Auflassung zu machen, weil sich die Beurkundungsfreiheit der Auflassung praktisch nur in sehr seltenen Fällen auswirke, in denen die verfahrensrechtlich gebotene Beurkundung der Auflassung (§ 29 I GBO) den Wirksamkeitsvoraussetzungen der §§ 6 ff. BeurkG nicht genüge.
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kann er sich dabei auch von Erwägungen hinsichtlich der Rechtssicherheit und des Grundbuchschutzes leiten lassen und etwa auf einen Formzwang für Grundstücksgeschäfte verzichten, um das Auseinanderfallen der Buchlage mit der tatsächlichen Rechtslage infolge von materiellen Formverstößen zu verhindern. Stets ist er aufgerufen, die Art der Form nach einer am Formzweck orientierten Abwägung des Nutzens gegen die spezifischen formbedingten Fehlerquellen auszuwählen.52 Kommt der Gesetzgeber jedoch zu dem Ergebnis, ein materielles Formerfordernis anzuordnen, hat sich die Auslegung daran zu orientieren. Schreibt das materielle Recht einen Formzwang für ein Rechtsgeschäft vor, so handelt es sich dabei um ein materiellrechtliches Erfordernis des Rechtsgeschäfts. 53 Eine vom BGB angeordnete Form gehört dem materiellen Recht an. 54 Sie ist nicht nur Dienerin des materiellen Rechts, die sich dem Parteiwillen unterzuordnen hat. 55 Für die Auslegung des § 925 I BGB folgt daraus, daß sie die materielle Form nicht einem dem Grundbuchverfahrensrecht entnommenen „einheitlichen Verfahrenszier unterordnen darf. Sie muß die materielle Form ernst nehmen und ihre Funktion nach dem Willen des Gesetzes ermitteln. Daß dieses Verständnis bei der Auslegung des § 925 I BGB verlorengegangen sein könnte, wird von einzelnen Stimmen wohl mehr unbewußt als bewußt eingeräumt, wenn sie nicht den Gesetzgeber als Urheber des Zusammenspiels materieller und verfahrensrechtlicher Normen nennen, sondern darauf verweisen, daß es vom RG entwickelt worden sei und sich die Auffassung, nach der die Wirksamkeit der Auflassung von ihrer Beurkundung nicht abhänge, in der Praxis durchgesetzt habe.56 Einer Festlegung in der Frage des Ursprungs entzieht sich Erti, wenn er nicht ohne Pathos erklärt, daß „unser Grundstücksrecht" nur deshalb von einer materiellrechtlichen Beurkundungspflicht der Auflassung abgesehen habe, weil „es eine für die Rechtssicherheit bessere Lösung gefunden hat" 57 .
52 Häsemeyer, JuS 1980, 1 (2). 53 Daran ändert sich auch nichts, wenn die Form selbst in einem Verfahren bewirkt werden muß, das - wie die Beurkundung - in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit erzielt wird und durch Vorschriften des formellen Rechts ausgestaltet ist. Insoweit ist die Erreichung der Form vergleichbar mit der Eintragung bei § 873 I BGB, die als materielles Tatbestandsmerkmal den formellen Vorschriften des Grundbuchverfahrens unterliegt. 54 von Thür, AT II / 1, § 63 I (S. 500). 55 So aber Köbl, DNotZ 1983, 207 (222), der das materielle Recht auf die rechtsverbindliche Kraft des eindeutig erklärten Willens beschränkt und ihr den Vorrang gegenüber reinen Förmlichkeiten des Verfahrens einräumt, da die Form nur die Dienerin des materiellen Rechts sei. 56 Riedel, DNotZ 1955, 521 (525). 57 Erti, DNotZ 1976, 68 (72).
D. Der Rückgriff auf eine historische Kontinuität
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D. Der Rückgriff auf eine historische Kontinuität in der Begründung der herrschenden Auslegung des §9251 BGB Die gegenwärtige Auslegung des § 925 I BGB stützt die Verneinung eines materiellen Beurkundungserfordernisses fast ausnahmslos auf die Rechtsprechung des RG und ihre Rezeption durch den BGH. 5 8 Scheint sich die Begründung somit auf eine viele Jahrzehnte andauernde Kontinuität stützen zu können, entstehen bei näherer Betrachtung methodische Bedenken gegen den Rückgriff auf die höchstrichterlichen Entscheidungen.
I. RGZ 99,65 als Ausgangspunkt Nach dem in den ersten 20 Jahren nach Inkrafttreten des BGB kontrovers geführten Streit, ob die nach § 925 I BGB erklärte Auflassung zu ihrer materiellen Wirksamkeit der Beurkundung bedarf, hat das RG in seiner Entscheidung vom 24. April 1920 unter Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung die entscheidende Wende in der Auseinandersetzung herbeigeführt, indem es sich gegen die Beurkundung als materielles Formerfordernis ausgesprochen hat. 59 Dabei ist hervorzuheben, daß in der damaligen Fassung des § 925 I BGB allein das Grundbuchamt als zuständige Stelle zur Entgegennahme der Auflassung vorgesehen war.
II. Die Übertragung von RGZ 99,65 auf die notariell erklärte Auflassung in RG JW 1920,1029 Nur wenige Wochen nach der zu einer grundbuchamtlich erklärten Auflassung ergangenen Entscheidung in RGZ 99, 65 hat das RG seine Rechtsprechung auf die notarielle Auflassung übertragen und dabei seine Begründung aus der früheren Entscheidung im wesentlichen wiedergegeben, zum Teil sogar in indirekter Rede. 60 Mit der Frage, ob die Argumente auf die nach Art. 143 EGBGB nur nach Landesrecht gestattete notarielle Auflassung übertragen werden könnten, hat sich das RG mit keinem Wort befaßt, sondern dies stillschweigend vorausgesetzt. Es hat lediglich beiläufig festgestellt, daß nach der zutreffenden Annahme des ersten Richters der Notar zur Entgegennahme der Erklärungen zuständig gewesen sei, wobei nicht deutlich wird, ob dies überhaupt als Begründung der Übertragung der Rechtsprechung aus RGZ 99, 65 dienen soll. 58 Siehe oben Teil 1 C III 2. 59 RGZ 99, 65; siehe oben Teil 1 C III 2 a). 60 RG JW 1920, 1029.
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Teil 2: Einwände gegen die herrschende Meinung
Aus verschiedenen Gründen hätte es in der zweiten Entscheidung einer Erörterung der Übertragbarkeit der Argumentation des früheren Urteils bedurft. Zum einen hätte sich dies dem RG schon deshalb aufdrängen müssen, da es in seiner Entscheidung im 99. Band ausdrücklich darauf abgestellt hatte, daß im Falle der Auflassung nicht das gelten könne, was für einen Vertragsschluß vor dem Gericht oder einem Notar gelte, da in § 925 BGB vom Gesetz eben nur die Erklärung der Einigungen vor dem Grundbuchamt gefordert sei. Diesen Passus der Begründung hat das RG sogar in sein zweites Urteil übernommen, ohne sich dazu zu äußern, daß es nunmehr gerade nicht um die grundbuchamtliche Auflassung des BGB, sondern um die Erklärung vor dem Notar ging. Dies wiegt um so schwerer, als im Schrifttum von etlichen Autoren eine differenzierte Auffassung zum Beurkundungserfordernis der Auflassung vertreten wurde. Begründer dieser Differenzierung war James Breit, der sich schon im Jahre 1904 dafür ausgesprochen hatte, daß die grundbuchamtliche Auflassung nach § 925 I BGB zwar keiner Beurkundung bedürfe, dies jedoch im Falle der notariellen Auflassung nicht gelten könne.61 Diesem Standpunkt hatte sich Kretzschmar 62 in seiner Kommentierung des Sachenrechts im Jahre 1906 angeschlossen. Markwort beschrieb in seiner Arbeit aus dem Jahre 1911 den damaligen Standpunkt der Literatur insoweit als einheitlich, als auch nach Ansicht sämtlicher Gegner der Schriftlichkeit der reichsrechtlichen Auflassung bei der Auflassung, die nach den Landesgesetzen vor Gericht oder vor einem Notar vorgenommen wird, die Beurkundung essentiell sei. 63 Daß sich diese Differenzierung bis 1920 keineswegs erledigt hatte, ist daran zu erkennen, daß ihr die im selben Jahr erschienene vierte Auflage der Kommentierung zum BGB von Planck folgte. 64 Schließlich hätte auch die Entstehungsgeschichte des § 925 I BGB dem RG Anlaß geben müssen, sich mit der Verschiedenheit der grundbuchamtlichen und der notariellen Auflassung auseinanderzusetzen. Die verschiedenen Entwürfe zum BGB zeugen von einem erbitterten „Kampf um die notarielle Auflassung", die im Ergebnis als reichsrechtliche Regelung gescheitert ist. 65 Als Argument gegen die notarielle Auflassung wurden immer wieder ihre Unterschiede gegenüber der grundbuchamtlich erklärten Auflassung betont. Das RG hätte sich daher gerade mit den in diesem Streit vorgebrachten Argumenten befassen müssen, um die Übertragbarkeit der grundbuchamtlichen Entscheidung auf die notarielle zu über61 Breit, DNotZ 1904, 173 (197): „Der Vorbehalt in Art. 143 gestattet somit der Landesgesetzgebung nicht, eine mündliche Erklärung der Auflassung vor den Gerichten oder Notaren zuzulassen, es ist vielmehr zu Abs. 1 der Schlußsatz zu ergänzen: die Erklärungen bedürften in diesen Fällen der Beurkundung." 62 Kretzschmar, SachenR, § 925 Anm. I 2 c (S. 189). 63 Markwort, Ist die Auflassung nach dem materiellen Rechte des Bürgerlichen Gesetzbuches notwendig beurkundungsbedürftig?, S. 33. 64 Planck/Strecker, BGB, 4. Aufl., 1920, § 925 Anm. 3 c unter Verweis auf Breit und Kretzschmar; ebenso Planck/Strecker, BGB, 5. Aufl., 1933, § 925 Anm. 3 c. 65 Vgl. Hesse, DR 1940, 1032 (1033).
D. Der Rückgriff auf eine historische Kontinuität
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prüfen. Vielleicht hätten gerade die Argumente, die eine Aufnahme der notariellen Auflassung in das BGB verhindert hatten, den Grund für die Annahme eines Beurkundungserfordernisses für die nach Landesrecht vor dem Notar erklärte Auflassung geliefert. 66 Denn die praktischen Unterschiede der Alternativen liegen auf der Hand: Begeben sich die Parteien ins Grundbuchamt, um dort die Auflassung „vor dem offenen Buche" materiell wirksam zu erklären, ist die unmittelbar darauf folgende Eintragung in das Grundbuch und somit der Erfolg der Eigentumsübertragung gesichert. Insbesondere wird dadurch die Gefahr von Zwischenverfügungen weitgehend ausgeschlossen. Ob der Grundbuchrichter die Auflassung vor der Grundbucheintragung noch protokollieren muß, hat vor dem Hintergrund der unmittelbar eintretenden Rechtsfolge einen eher geringen Stellenwert. Wenn die Auflassung jedoch außerhalb des Grundbuchamts erfolgt, kann der Eigentumswechsel sich ihr nicht unmittelbar anschließen, so daß sich auch die Frage der Protokollierung der Auflassung in einem anderen Licht darstellt. Das undifferenzierte Vorgehen des RG blieb nicht unbemerkt. Schon Oberneck wies in seiner Anmerkung darauf hin, daß das RG auf die Gründe, die Breit für die Anwendung der Form Vorschriften der §§ 176 ff. FGG als Muß Vorschriften bei der notariellen Auflassung dargelegt habe, nicht im einzelnen eingegangen sei. 67 In der Folge ist die undifferenzierte Rechtsprechung des RG jedoch mehr und mehr von der Literatur rezipiert worden und hat die bis dahin geführte Auseinandersetzung um die Frage der Beurkundungsbedürftigkeit der Auflassung abgebrochen. Diese Wirkung der reichsgerichtlichen Entscheidungen konnte auch durch die Dissertation von Pellmann aus dem Jahre 1922 nicht aufgehalten werden, obwohl er eine völlige Klärung der Streitfrage durch die höchstgerichtliche Entscheidung als nicht erbracht angesehen hatte und seiner Arbeit die Aufgabe zuschrieb, die für den Verkehr mit Grundstücken so überaus wichtige Frage der Beurkundungsbedürftigkeit der Auflassung weiter zu klären und dadurch eine endgültige Entscheidung vorzubereiten. 68 Während sich Pellmann für die formgerechte Beurkundung der Auflassung als materielles Formerfordernis aussprach, sah das RG hingegen keine Veranlassung, sich im Jahre 1931 erneut mit der Frage auseinanderzusetzen und bestätigte seine im 99. Band geäußerte Ansicht. 69
66 Dies erkennt AK-BGB / von Schweinitz, § 925 Rn. 33, für den Wandel von der grundbuchamtlich erklärten Auflassung zur notariellen Auflassung in § 925 BGB. Er weist darauf hin, daß mit der Abkehr von der Erklärung vor dem offenen Grundbuch die Auflassung und die Eintragung des Eigentumswechsels nicht mehr zeitlich zusammenfallen und damit entgegen der Absicht des historischen Gesetzgebers die Möglichkeit bestehe, daß zwischen Auflassung und Eintragung des Eintragungsantrags Eintragungen erfolgen können, die das Recht des Erwerbers vereiteln oder beeinträchtigen können. 67 Oberneck, JW 1920, 1029. 68 Pellmann, Die Eintragung des Erwerbers auf Grund einer nicht beurkundeten oder nicht formgerecht beurkundeten Auflassung, S. 1. 69 RGZ 132, 406 (408).
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Teil 2: Einwände gegen die herrschende Meinung
III. Die Rezeption der Rechtsprechung des RG durch den BGH Die Auslegung des § 925 I BGB durch das RG bildet die Grundlage der Prüfung des BGH in BGHZ 22, 312, der die Auslegungsfrage im folgenden auf den speziellen Gesichtspunkt der Rechtssicherheit verengt, indem er allein untersucht, ob wegen der besonderen Tragweite dieser Rechtsprechung mit Rücksicht auf das Erfordernis der Rechtssicherheit an ihr festgehalten werden kann oder ob sie nicht wenigstens einzuschränken sei. 70 Der Entscheidung des RG kommt mithin eine präjudizielle Wirkung zu. 71 Dies bringt die Gefahr mit sich, daß die Auslegung auf einer zu schmalen Grundlage fußt und daran leidet, daß der Regelungszweck des § 925 I BGB unberücksichtigt bleibt. Es ist bemerkenswert, daß der BGH in seiner Grundsatzentscheidung zur Auflassungsform mit keinem Wort auf den Zweck des § 925 I BGB eingeht, zumal der BGH an anderer Stelle die Aufgabe der Auslegung von Formvorschriften gerade darin sieht, im Rahmen der teleologischen Auslegung den bestmöglichen Ausgleich zwischen der Verwirklichung des Normzwecks und den nachteiligen Folgen des Formzwangs zu suchen.72 Methodisch wäre die präjudizielle Anknüpfung an die Entscheidungen des RG auf der Grundlage der vom BGH selbst aufgestellten - jedoch keineswegs unproblematischen - Grundsätze zum Fortbestand höchstrichterlicher Rechtsprechung nur zu rechtfertigen, wenn es sich bei den Entscheidungen des RG um eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung gehandelt hätte. Denn nach eigenem Bekunden des BGH gilt in den Fällen einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung, daß „von einer solchen nur in besonderen Ausnahmefällen abgegangen zu werden pflegt." 73 Während die Annahme einer gefestigten Rechtsprechung in Ansehung der unterschiedlichen Entscheidungen des RG zur Beurkundungsbedürftigkeit der Auflassung schon zweifelhaft ist, ist der präjudiziellen Heranziehung höchstrichterlicher Rechtsprechung jedenfalls dann ablehnend zu begegnen, wenn eine Gesetzesänderung die Entscheidungsgrundlage verändert hat. Wie bereits gezeigt, war gerade dies zum Zeitpunkt der Entscheidung des BGH gegenüber den Entscheidungen des RG der Fall. 74 Der BGH verschweigt dies nicht, sondern deckt in seinem Urteil aus dem Jahre 1956 sehr wohl auf, daß sich RGZ 99, 65 noch auf 70 BGHZ 22, 312 (314 f.). 71 Zu Begriff und Bedeutung von Präjudizien vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 356 ff., 429 ff. - Nach Larenz sind „Präjudizien" Entscheidungen, in denen dieselbe Rechtsfrage, über die neu zu entscheiden ist, von einem Gericht in einem anderen Fall bereits einmal entschieden worden ist. Präjudiziell ist dabei - so Larenz - nicht die in Rechtskraft erwachsende Entscheidung des Einzelfalls, sondern nur die im Rahmen der Urteilsbegründung vom Gericht gegebene Antwort auf eine Rechtsfrage, die sich in dem jetzt zu entscheidenden Fall in gleicher Weise stellt. 72
Zur Auslegung von Formvorschriften BGHZ 136, 357 (367); siehe ferner unten Teil 3 B, Fn. 27. 73 BGH NJW 1993, 3323 (3324) mit weiteren Nachw. Vgl. zur Bedeutung von Präjudizien in der Rechtsprechung des BGH Bydlinski, 50 Jahre Bundesgerichtshof, Bd. I, S. 3 ff. 74 Siehe oben Teil 1 A II 2.
D. Der Rückgriff auf eine historische Kontinuität
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die Erstfassung von § 925 I BGB bezogen hat, wonach die Auflassung ausschließlich vor dem Grundbuchamt zu erklären war. 75 Er beschränkt sich im weiteren jedoch auch auf die Feststellung, daß sich dieser Auffassung das Schrifttum überwiegend angeschlossen habe und stellt unter Verweis auf RG JW 1920 (1029) nur beiläufig fest, daß sie auch für die Erklärung der Auflassung vor dem Notar als einer nach § 925 I BGB ebenfalls zuständigen Stelle gelte. Dabei verschweigt der BGH dann jedoch, daß die Zuständigkeit des Notars zum Zeitpunkt der Entscheidung RG JW 1920, 1029 nicht in § 925 BGB geregelt, sondern nur über Art. 143 I EGBGB der Landesgesetzgebung vorbehalten war und § 925 I BGB in der Zwischenzeit eine Änderung erfahren hatte. Wie schon ansatzweise das RG, scheint auch der BGH durch den bloßen Verweis auf die Zuständigkeit des Notars zur Entgegennahme der Auflassung die Übertragbarkeit der zur grundbuchamtlichen Auflassung ergangenen Rechtsprechung begründen zu können, wenn dies überhaupt als - ein in jedem Falle unzureichender - Begründungsversuch verstanden werden kann.
IV. Die Streichung des Grundbuchamts aus § 925 I BGB Der letzte Schritt der Rechtsentwicklung war schließlich die Streichung der grundbuchamtlichen und gerichtlichen Zuständigkeit in § 925 I BGB durch das BeurkG im Jahre 1969.76 Heute sind somit grundsätzlich nur noch die Notare zur Entgegennahme der Auflassung zuständig. Auf diese Weise hat die Form der Auflassung in das BGB Einzug erhalten, die in den Beratungen gegenüber der grundbuchamtlichen Form unterlegen war.
V. Folgerungen Die herrschende Meinung begründet den Verzicht auf die Beurkundung der gemäß § 925 I BGB vor dem Notar erklärten Auflassung durch den Rückgriff auf eine Entscheidung des RG, die zu einer Rechtslage ergangen ist, die in § 925 I BGB lediglich das Grundbuchamt zur Entgegennahme der Auflassung vorgesehen hatte. Die Verweise auf RG JW 1920, 1029 und BGHZ 22, 319 vermögen nichts daran zu ändern, da in diesen Entscheidungen das RG und der BGH die Rechtsprechung auf die notariell erklärte Auflassung ausgedehnt haben, ohne die Zulässigkeit dieser Übertragung zu begründen. Dies wiegt um so schwerer, als man in den Beratungen zum BGB die grundbuchamtliche und die notarielle Erklärung für so unterschiedlich gehalten hatte, daß die notarielle Form entgegen zahlreichen Vorstößen keinen Eingang in das BGB fand. 75 BGHZ 22, 312(315). 76 Siehe oben Teil 1 A II 2. 7 Pajunk
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Teil 2: Einwände gegen die herrschende Meinung
E. Zusammenfassung und Grundsätze für die Auslegung des § 925 I BGB als Vorschrift des geltenden Rechts I. Zusammenfassung Die herrschende Auslegung zu § 925 I BGB steht im Verdacht, in sich widersprüchlich zu sein, da sie für die Auflassung ein materielles Formerfordernis annimmt, das dem vermeintlichen Zweck der Norm nicht oder nur ungenügend zu entsprechen vermag. Obwohl der Hauptzweck des § 925 I BGB in der Schaffung eindeutiger und klarer Eintragungsunterlagen liegen soll, um die Unrichtigkeit des Grundbuchs zu verhindern, ist nach herrschender Ansicht eine Beurkundung für die nach § 925 IS. 1,2 BGB erklärte Auflassung nicht vorgeschrieben. Durch den Verzicht auf die Beurkundung als materielles Formerfordernis soll sich das Risiko von fehlerhaften Bucheintragungen infolge von formnichtigen Auflassungen verringern. Zwar steht der Verzicht auf die Beurkundung somit vordergründig in Einklang mit dem angeblichen Hauptzweck der Auflassungsform. Andererseits steht die so geschwächte Auflassungsform jedoch im Verdacht, den mit § 925 I BGB verfolgten Zwecken nicht mehr umfassend dienen zu können, so als habe man mit dem Verzicht auf die Beurkundung gleichsam das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Zweifel an der herrschenden Auslegung ergeben sich ferner daraus, daß die dem § 925 I S . 1, 2 BGB entnommene Auflassungsform sich nicht in das System der Formen des BGB einfügt und fast jeder verfahrensmäßigen Ausgestaltung ermangelt. Unter methodischen Gesichtspunkten ist gegen die herrschende Auslegung des § 925 I BGB als einer Formvorschrift des materiellen Rechts in erster Linie einzuwenden, daß sie im Verdacht steht, sich zu eng an Grundsätze des Grundbuchverfahrensrechts angelehnt zu haben. Es sprechen gute Gründe für die Annahme, daß insbesondere der Verzicht auf die Beurkundung als materielles Formerfordernis dadurch zustande gekommen ist, daß man sich bei der Auslegung des materiellen Rechts zu sehr von Zielsetzungen des Grundbuchverfahrens hat leiten lassen. In dem heutigen teleologischen Verständnis des § 925 I BGB verschwimmen die eigenständigen Funktionen und Zwecke der Vorschriften des materiellen und formellen Grundstücksrechts. Schließlich bedient sich die herrschende Auslegung bei ihrer Begründung eines historischen Rückgriffs auf die Rechtsprechung des RG, ohne zu untersuchen, ob sich die zu früheren Rechtslagen entwickelten Argumente auf die heutige Regelung des § 925 I BGB übertragen lassen.
II. Der Einwand der geringen praktischen Bedeutung Auf die hier erhobenen Bedenken könnte erwidert werden, daß sie überwiegend aus der isolierten Betrachtung der materiellen Auflassungsform resultieren. Wegen
E. Zusammenfassung und Grundsätze für die Auslegung des § 925 I BGB
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des sich aus den §§ 20, 29 GBO ergebenden faktischen Beurkundungszwangs - so ein denkbarer Einwand - könne sich die materielle Auflassungsform isoliert jedoch in der Praxis gar nicht entfalten. So könnte versucht werden, den vorgetragenen Bedenken ihre Berechtigung mit dem Hinweis darauf abzusprechen, daß ihnen so gut wie keine praktische Relevanz zukomme. Dies wiederum könnte dazu gereichen, die grundsätzliche Berechtigung dieser Untersuchung in Frage zu stellen, so wie in der Vergangenheit die Frage nach dem materiellen Beurkundungszwang als von geringer praktischer Bedeutung angesehen wurde. 77 Ein solcher Einwand ist mit zwei Argumenten zurückzuweisen. Zum einen hat schon Birk im Jahre 1933 darauf hingewiesen, daß die streitige Fragestellung nach dem materiellen Beurkundungszwang der Auflassung „durchaus nicht ohne praktische Bedeutung" sei. 78 Zutreffend hebt er die Tragweite der streitigen Frage hervor, die stets in Erscheinung trete, wenn ein wesentlicher Mangel des Protokolls erst nach vollzogener Eintragung bemerkt werde. 79 Wird die Auflassung vor der Umschreibung des Eigentums gar nicht oder nicht wirksam beurkundet, kann keine Rede davon sein, daß sich ein faktischer Beurkundungszwang entfaltet habe. Auch wenn diese Fälle die Ausnahme bilden mögen, kann mit einem Verweis auf den Regelfall nicht begründet werden, warum es im Ausnahmefall nicht auf die Einhaltung der Beurkundungsform ankommen soll. Zum anderen wäre diesem Einwand um so entschiedener entgegenzutreten, als die Zusammenschau von materiellem und formellem Recht dazu dienen könnte, etwaige Unzulänglichkeiten der herrschenden Auslegung zu verdecken und den Weg zu einer dogmatisch sauberen Lösung zu verstellen. Mit dem Verweis auf die Anforderungen des Grundbuchrechts kann nämlich auf die Beurkundung als materielles Formerfordernis leicht verzichtet werden, ohne daß sie - zumindest äußerlich - tatsächlich wegfällt. Da auf diese Weise dem vermeintlichen Hauptzweck des § 925 I BGB bestmöglich gedient zu werden scheint, nimmt die herrschende Auslegung eine vordergründige Geschlossenheit für sich in Anspruch, die es sogar gestattet, von einem Selbsterhaltungsmechanismus zu sprechen. Der führt so weit, daß § 925 I BGB regelmäßig als Ausnahme zu § 128 BGB bezeichnet wird, 80 obwohl eine Beurkundung gerade nicht zum Formzwang der Auflassung gehören soll und im Schrifttum unlängst darauf hingewiesen worden ist, daß diese Qualifizierung mit der Ablehnung des materiellen Beurkundungserfordernisses unvereinbar ist. 81 Fast hat es den Anschein, als stehe diese systematische Einordnung des § 925 BGB im Dienst des faktischen Beli Erman/Hagen, BGB, 9. Aufl., § 925 Rn. 20; Riedel, DNotZ 1955, 521 (525 f.); Callmann, Die Auflassung von Grundstücken, S. 6. 78 Birk, Die Gültigkeit der nicht beurkundeten Auflassung, S. 1. 79 Als Beleg sind all die Entscheidungen anzuführen, in denen sich Gerichte zu der Wirksamkeit nicht oder fehlerhaft beurkundeter Auflassungen geäußert haben; vgl. Teil 1, Fn. 130. so Staudinger/Pfeifer, BGB, § 925 Rn. 83; Westermann/Gursky/Eickmann, SachenR, § 76 II 1; Weirich, GrundstücksR, Rn. 129; Kuntze /Erti /Herrmann/Eickmann (Munzig), GrundbuchR, § 20 Rn. 116. si Jauernig, BGB, § 128 Rn. 3; Meikel/Lichtenberger, GBO § 20 Rn. 73. 7*
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Teil 2: Einwände gegen die herrschende Meinung
urkundungszwangs, um so zu dessen Beständigkeit und mithin zur Stabilität der herrschenden Auslegung des § 925 I BGB beizutragen.
III. Grundsätze für die gegenwartsbezogene Auslegung des § 9251 BGB Aus den Einwänden gegen die herrschende Meinung zur Auflassungsform ergeben sich Grundsätze für die nunmehr vorzunehmende Auslegung des § 925 I BGB. Zunächst ist von der Trennung von materiellem und formellem Recht auszugehen. Die durch § 925 I BGB vorgeschriebene Form ist auf der Grundlage des materiellen Grundstücksrechts zu ermitteln. Absichten des Grundbuchverfahrensrechts sind von materiellrechtlichen Regelungsabsichten zu trennen. Dies gilt in besonderem Maße für die Ermittlung der ratio legis des § 925 I BGB. Ferner ergibt sich ein Vorbehalt hinsichtlich des Rückgriffs auf historische Auslegungsargumente. Der Vorbehalt umfaßt dabei nicht nur die historische Auslegung, verstanden als eigenständiges Auslegungsargument, das sich an der Entstehungsgeschichte des Gesetzes und seiner Entwicklung orientiert. 82 Auch im Zusammenhang mit den übrigen von der juristischen Methodenlehre anerkannten Auslegungsargumenten (Wortlaut, Systematik des Gesetzes, Sinn und Zweck der Norm) ist vor dem Hintergrund der Wechsel vollen Geschichte des § 925 BGB und seiner langen Geltungszeit zu prüfen, ob die zu einer vergangenen Rechtslage entwickelten Argumente heute noch zutreffend sind. 83 Dies gilt um so mehr, als auch das rechtliche Umfeld des § 925 I BGB im Laufe der letzten 100 Jahre wesentlichen Änderungen unterlag, wobei in erster Linie das BeurkG aus dem Jahre 1969 zu nennen ist. Durch die Einführung des BeurkG wurden nämlich auch die im Falle ihrer Nichtbeachtung zur Nichtigkeit nach § 125 S. 1 BGB führenden Mußerfordernisse einer wirksamen Beurkundung reduziert. 84 Dadurch könnte jedoch auch das von der herrschenden Meinung verfolgte Anliegen, durch den Verzicht auf die Beurkundung als materielles Formerfordernis die Fehlerfolge von Beurkundungsmängeln auf das Grundbuchverfahren zu beschränken, viel von seiner praktischen Bedeutung verloren haben. Auch insoweit ist hervorzuheben, daß die Leitentscheidung des BGH bereits im Jahre 1956 und somit lange vor der Reform des Beurkundungsrechts erging. Aus den beschriebenen Gesetzesänderungen ergibt sich unmittelbar das Gebot der gegenwartsbezogenen Auslegung. Gerade wegen der Änderungen des § 925 I BGB und seines rechtlichen Umfelds bedarf es zur Legitimation der gegenwartsbezogenen Auslegung nicht des gesteigerten Begründungsaufwan82 Zur historischen Auslegung allgemein Larenz, Methodenlehre, S. 328 ff.; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 97 f. 83 Zu den Auslegungskriterien Larenz, Methodenlehre, S. 320 ff.; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 72 ff. 84 Siehe dazu unten Teil 3 C III 1 a).
E. Zusammenfassung und Grundsätze für die Auslegung des § 925 I BGB
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des, der stets erforderlich ist, wenn innerhalb der Grenzen des unveränderten Wortlauts - etwa einer seit über 100 Jahren geltenden Norm des BGB - im Wege der gegenwartsbezogenen Auslegung ein normativer Sinn des Gesetzes ermittelt wird, der sich von dem entstehungszeitlichen Regelungsprogramm unterscheidet.85
85 Zum Bedeutungswandel des Gesetzes unter der Herrschaft des unveränderten Wortlauts und zum allgemeinen Gebot der gegenwartsbezogenen Auslegung vgl. Zippelius, Juristische Methodenlehre, § 4 III; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 113 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 316 ff., 350 ff.
Teil 3
Die Beurkundung als materielles Formerfordernis der notariell erklärten Auflassung Durch Auslegung soll nunmehr ermittelt werden, ob die Beurkundung der gemäß § 925 IS. 1,2 BGB erklärten Auflassung als materielles Formerfordernis anzusehen ist. Den Ausgangspunkt bildet dazu der Wortlaut der Norm, wobei zu klären ist, ob die Annahme einer Beurkundungspflicht mit der Fassung der Vorschrift überhaupt zu vereinbaren ist (A). Schwerpunkt der Auslegung wird dann die Ermittlung des heute maßgeblichen Normzwecks sein (B). Insbesondere soll in diesem Zusammenhang untersucht werden, welche Auswirkungen es für das Verständnis der ratio legis hat, daß sich die Zuständigkeit zur Entgegennahme der Auflassungserklärung entgegen der ursprünglichen Konzeption des Gesetzes vom Grundbuchamt - und somit weg von der Erklärung „vor dem offenen Buche" - zu der notariellen Auflassung verlagert hat. In Ansehung des so ermittelten Normzwecks wird zu fragen sein, ob die Norm ihren Zweck unter Verzicht auf die Beurkundung erfüllen kann, oder ob nicht die Beurkundung der Auflassung für die Erreichung des Normzwecks auch unter Abwägung ihrer Nachteile geboten ist (C). Das so gefundene Auslegungsergebnis soll dann mit systematischen Argumenten abgesichert werden (D).
A. Die Beurkundung als ein vom Wortlaut umfaßtes Formerfordernis Vom Wortlaut des § 925 I BGB wird die Beurkundung der vor dem Notar erklärten Auflassung nicht ausdrücklich vorgeschrieben. In Satz 1 heißt es nur, daß die Auflassung bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile vor einer zuständigen Stelle erklärt werden muß; in Satz 2 wird der Notar dann als zuständige Stelle bestimmt. Von einigen Autoren wird schon allein durch den Verweis auf den Wortlaut des § 925 I S. 1 BGB die Beurkundung als materielles Formerfordernis verneint.1 Dem wäre nur zu folgen, wenn der Wortlaut der Vorschrift die Annahme eines Beurkundungserfordernisses nicht zuließe.
ι Siehe oben Teil 1 C III 2 c) aa).
Α. Die Beurkundung als ein vom Wortlaut umfaßtes Formerfordernis
103
I. Der Begriff des Erklärens im Tatbestand des § 9251 S. 1 BGB Zunächst könnte in der Fassung der Norm des § 925 I S. 1 BGB, wonach die Auflassung erklärt werden muß, eine Abgrenzung gegenüber der Beurkundungsform zu sehen sein. Einige Autoren scheinen von einem Ausschließlichkeitsverhältnis der Begriffe des Erklärens und dem der Beurkundung auszugehen, indem sie betonen, daß die Auflassung nicht „beurkundet", sondern nur „erklärt" werden müsse.2 Dazu müßte der Begriff des Erklärens jedoch restriktiv in der Weise zu verstehen sein, daß er jedenfalls die Auflassung in beurkundeter Form ausschließt.
1. Das historische Wortlautverständnis
Gegen ein solches Wortlautverständnis ist aus historischer Sicht einzuwenden, daß hinsichtlich der Erstfassung des BGB sowie des EGBGB die Formulierung, wonach die Auflassung vor einer bestimmten Stelle zu erklären ist, nie in der Weise gegen die Annahme eines Beurkundungserfordernisses angeführt wurde, daß wegen dieser Formulierung die Beurkundungsform schlechthin ausgeschlossen wäre. Selbst das RG hat in seiner bis heute maßgeblichen Entscheidung in RGZ 99, 65 darauf hingewiesen, daß eine Beurkundung nicht ausdrücklich vorgeschrieben sei, im Folgenden jedoch geprüft, ob dennoch Gründe für die Beurkundungsform sprechen.3 Daß der Begriff des Erklärens mit der Beurkundungsform für vereinbar gehalten wurde, wird besonders mit Blick auf die Auslegung von Art. 143 I EGBGB in seiner ursprünglichen Fassung deutlich: Die Vorschrift ermöglichte, daß die Auflassung nach Landesrecht außer vor dem Grundbuchamt auch vor Gericht, vor einem Notar, vor einer anderen Behörde oder vor einem anderen Beamten erklärt werden konnte.4 Wahrend sich der Streit um die Beurkundung der Auflassung zunächst auf die nach § 925 I BGB vor dem Grundbuchamt zu erklärende Einigung konzentrierte, bestand für die gemäß Art. 143 I EBGB in Verbindung mit landesrechtlichen Vorschriften erklärte Auflassung weitgehend Einigkeit darüber, daß in diesen Fällen eine Beurkundung gefordert sei.5 Daß dabei in der Formulierung des Art. 143 I EGBGB kein gegen diese Auslegung sprechendes Hindernis gesehen wurde, zeigen vor allem die Ausführungen Breits, der seinen Standpunkt zum Vorbehalt des Art. 143 I EGBGB so zusammenfaßt, daß zu Abs. 1 ein Satz zu ergän2 So etwa Keidel /Winkler,
BeurkG, Einl. Rn. 18.
3 RGZ 99, 65 (67). 4 Siehe oben Teil 1 A I I 1 c), d). 5 Markwort, Ist die Auflassung nach dem materiellen Rechte des Bürgerlichen Gesetzbuches notwendig beurkundungsbedürftig? (1911), S. 33: „Bei der Auflassung, die nach den Landesgesetzen vor Gericht oder einem Notar vorgenommen wird, ist aber die Beurkundung auch nach Ansicht sämtlicher Gegner der Schriftlichkeit der reichsrechtlichen Auflassung essentiell."
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
zen sei, wonach die Erklärungen der Beurkundung bedürfen. 6 Er weist dabei ausdrücklich darauf hin, daß „die Erklärung vor Gericht oder einem Notar" im EGBGB nur den gleichen Sinn haben könne wie im BGB selbst, und daher darunter eine „beurkundungsbedürftige Erklärung" verstanden werden müsse.7 Zwar sprachen sich später etliche Gegner des Beurkundungserfordernisses auch gegen die Beurkundung bei Art. 143 EGBGB aus, jedoch begründeten auch sie dies nicht mit dem Wortlaut der Norm, sondern vielmehr damit, daß man in Art. 143 BGB keine andere Form verlangen könne als bei § 925 I BGB. 8 Ursprünglich wurde eine Beurkundungspflicht somit immer dann angenommen und zumindest mit dem Gesetzeswortlaut für vereinbar gehalten, wenn das Gesetz die Abgabe einer Erklärung vor Gericht oder dem Notar verlangte.
2. Der gegenwärtige Gebrauch des Begriffs
Seine ursprüngliche Verwendung steht einem weiten Verständnis des Erklärungsbegriffs somit nicht entgegen. Aus verschiedenen Gründen ist anzunehmen, daß sich daran auch mit Blick auf den gegenwärtigen Gebrauch nichts verändert hat. So hat der BGH im Jahre 1956 nicht am Wortlaut des § 925 I BGB festgehalten, um die Beurkundungsform auszuschließen.9 Heute liefert die Norm des § 925 I S. 3 BGB, wonach eine Auflassung auch in einem gerichtlichen Vergleich erklärt werden kann, einen Beleg für ein weites Wortlautverständnis. Nach der herrschenden Meinung stellt die Protokollierung des Vergleichs nämlich eine WirksamkeitsVoraussetzung der Auflassung dar. 10 Demnach steht die Formulierung, wonach die Auflassung erklärt werden kann, in der Tatbestandsalternative des § 925 I S. 3 BGB auch der Annahme eines Formzwangs nicht entgegen, der sich in der Protokollierung der Erklärung auswirkt. Für dieses weite Verständnis des Wortlauts streitet heute vor allem der Sprachgebrauch des BGB in § 1750 I S. 1 BGB. Dort heißt es für die Einwilligung in die Annahme als Kind, daß sie dem Vormundschaftsgericht gegenüber zu erklären sei. Für diese Erklärung wird in § 1750 I S. 2 BGB ausdrücklich angeordnet, daß sie der notariellen Beurkundung bedarf. Die Formulierung, wonach der auf Herbeiführung einer bestimmten Rechtsfolge gerichtete Wille vor einer bestimmten Stelle erklärt werden muß, schließt in der Sprache des BGB demnach die Anordnung der Beurkundungsform für die Erklärung nicht aus. Vielmehr ist davon auszugehen, daß durch den Begriff des Erklärens nur deutlich gemacht werden soll, daß die Willenskundgabe gegenüber einer bestimmten Stelle zu erfolgen hat, er jedoch im übrigen nichts über die Formbedürftigkeit der Willenskundgabe aussagt. Dieses Verständnis des Erklä6 Breit, DNotZ 1904, 173 (197). 7 Breit, DNotZ 1904, 173 (196). 8 Birk, Die Gültigkeit der nicht beurkundeten Auflassung (1933), S. 48. 9 BGHZ 22, 312; siehe oben Teil 1 C III 2 b). 10 Siehe oben Teil 1 C II 2 b).
Α. Die Beurkundung als ein vom Wortlaut umfaßtes Formerfordernis
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rungsbegriffs findet auch eine Stütze in dem technischen Begriff der Wülenserklärung, der nicht danach unterscheidet, ob für die Erklärung Formzwang besteht oder nicht. Für § 925 I S. 1 BGB bedeutet dies, daß die Formulierung, wonach die Auflassung vor der zuständigen Stelle erklärt werden muß, der Annahme eines Beurkundungszwangs zumindest nicht entgegensteht.11
II. Das Fehlen der ausdrücklichen Anordnung der Beurkundung Der Wortlaut des § 925 I S. 1 BGB könnte die Annahme eines Beurkundungszwangs für die Auflassung jedoch aus dem Grunde ausschließen, daß es - im Unterschied zu § 1750 I BGB - an einer ausdrücklichen Anordnung der Beurkundung fehlt. Für diesen Schluß müßte jedoch davon auszugehen sein, daß das BGB die Beurkundung immer dann auch ausdrücklich anordnet, wenn sie materielles Formerfordernis sein soll. 12 Historisch war dies nicht der Fall. Im BGB von 1900 gab es mehrere Vorschriften, die eine Beurkundung anordneten, ohne dies ausdrücklich auszusprechen. Es handelte sich dabei um den Ehevertrag (§ 1434 BGB), den Vertrag über die Annahme an Kindes Statt (§ 1750 II BGB) und den Erbvertrag (§ 2276 I S. 1 BGB). In allen Vorschriften war ursprünglich nur die Rede davon, daß die Verträge bei gleichzeitiger Anwesenheit vor Gericht bzw. Richter oder vor einem Notar geschlossen werden müssen. Dennoch bestand kein Zweifel darüber, daß vom BGB in allen Fällen eine Beurkundung vorgeschrieben wurde, die abweichend von §128 BGB bei gleichzeitiger Anwesenheit zu erfolgen hatte. Schon das KG hatte sich auf diese Vorschriften berufen, um seinen Standpunkt zu belegen, wonach durch § 925 I BGB auch für die Auflassung die Beurkundungsform vorgeschrieben werde. 13 Dabei stützte es seine Argumentation darauf, daß die Auflassung zumindest wie ein Vertrag anzusehen und die Formulierung, wonach die Auflassung erklärt werden müsse, daher als gleichlautend mit dem Ausdruck zu behandeln sei, wonach die Auflassung geschlossen werden müsse. Letzteres bedeute nach dem Sprachgebrauch des BGB das Erfordernis der Beurkundung. 14 11 Auf die Neutralität des Erklärungsbegriffs gegenüber der Form weisen auch die Autoren hin, die eine mündliche Abgabe der Auflassungserklärungen ablehnen (vgl. oben Teil 1 Fn. 121). So heißt es bei Palandt/Bassenge, BGB, § 925 Rn. 3, ausdrücklich, daß „erklären" jede Form der Willenserklärung zulasse. 12 Daß dies der Fall sei, meint Schreiber, Jura 2000, 603 (604), allein mit dem Verweis auf den Wortlaut des § 313 S. 1 BGB belegen zu können. 13 KGJ51, A 142 (147 f.).
14 Zur Kritik des RG an dieser Argumentation des KG vgl. oben Teil 1 C III 2 bb). - Das RG versuchte die Unterschiede zwischen einem Vertragsschluß vor Gericht oder Notar und der vor dem Grundbuchamt zu erklärenden Auflassung hervorzuheben und damit zu begründen, warum das, was für ersten gelte, nicht auf die Auflassung zu übertragen sei. - Ferner versucht das RG zu belegen, daß es dem Gesetzgeber bei der Auflassung nur auf die wirk-
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
Fuchs-Wissemann hat inzwischen darauf hingewiesen, daß der Gesetzgeber durch das BeurkG in den genannten Vorschriften dem Wort „geschlossen" die Worte „zur Niederschrift des Notars" vorangestellt und dadurch verdeutlicht habe, daß Ehevertrag (§ 1410 BGB), Kindesannahmevertrag (§ 1750 BGB) 1 5 und Erbvertrag (§ 2276 I S. 1 BGB) zu beurkunden seien. Da § 925 I BGB nicht entsprechend geändert worden sei, habe dies einen wesentlichen Grund für die vom KG vertretene Auffassung zum Beurkundungszwang der Auflassung hinfällig werden lassen.16 In der hier nur angedeuteten Argumentation ist in erster Linie ein im Rahmen der systematischen Auslegung zu behandelndes Argument zu erkennen. Dies zeigt sich in der Argumentation des KG, da es in erster Linie um die Übertragbarkeit der für Vertragsschlüsse vor Gericht und Notar anerkannten Grundsätze geht und sich somit die Frage nach der Vertragseigenschaft der Auflassung stellt. 17 An dieser Stelle interessiert vorerst nur, ob sich aus dem Fehlen der ausdrücklichen Anordnung der Beurkundung ein Auslegungshindernis ergibt, das die Annahme der Beurkundungsform für die Auflassung schon deshalb verbietet. Festzuhalten ist insoweit, daß es im BGB von 1900 Vorschriften gab, die die Beurkundungsform anordneten, ohne dies ausdrücklich auszusprechen. Zwar hat der Gesetzgeber mit dem BeurkG in den genannten Vorschriften verdeutlicht, daß es sich um die Anordnung des Beurkundungszwangs handelt. Aus einer solchen Verdeutlichung kann jedoch nicht geschlossen werden, daß die bisherige Auslegung mit dem Wortlaut der Vorschrift unvereinbar wird, wenn die klarstellenden Worte nicht in den Normtext aufgenommen werden. Hätte der Gesetzgeber etwa vergessen, in die Vorschrift über die Form des Ehevertrags die Worte „zur Niederschrift" aufzunehmen, dürfte daraus auch nicht geschlossen werden, daß der Vertrag deshalb ohne Beurkundung wirksam zu schließen sei. Dies gilt auch für § 925 I BGB: War mit seinem Wort-
liche Abgabe der Erklärungen angekommen sei. Dazu bedient es sich eines Zitats aus den Motiven zum BGB, wo Verwahrung dagegen eingelegt worden sei, daß wenn demnächst auch in der Grundbuchordnung die Erklärung zu Protokoll des Grundbuchamts vorgeschrieben werden würde, die auf Grund einer nur mündlichen Eintragungsbewilligung vollzogene Eintragung als nichtig angesehen werde. Die Motive werden mit dem Satz zitiert, daß eine solche Formvorschrift in hohem Grade bedenklich erscheinen müsse, nachdem der Entwurf sich in seinem allgemeinen Teil für das Prinzip der Formfreiheit entschieden habe. - Das Zitat stammt aus einem Abschnitt der Motive, in dem „Vorbehalte für die Grundbuchordnung" aufgenommen wurden. Die wiedergegebene Stelle bezieht sich auf die Eigenschaften der Formvorschriften des formellen Grundbuchverfahrensrechts, deren Einhaltung keine Auswirkungen auf die materielle Rechtslage haben soll, um den dort herrschenden Grundsatz der Formfreiheit für Grundstücksgeschäfte nicht zu unterlaufen (Motive, III, S. 181). - Das RG stützt sich somit auf eine Stelle der Motive, die die Eigenschaften des formellen Grundbuchrechts beschreibt. Sie ist als solche gänzlich ungeeignet, etwas über die materiellrechtliche Auflassungsform als Ausnahme vom Grundsatz der Formfreiheit von Verfügungen an Grundstücken auszusagen. Das RG verschweigt in unzulässiger Weise, daß für die Auflassung 15 schon im ersten geändert Entwurf durch in § 868 I und somit im vom materiellen RechtBGBl. eine Ausnahme Abermals dasEAdoptionsgesetz 2. Juli 1976, I, 1749. vom Grundsatz der Formfreiheit Rpfleger gemacht werden sollte. 16 Fuchs-Wissemann, 1977, 9 (10). 17 Vgl. dazu unten Teil 3 D II 5.
Α. Die Beurkundung als ein vom Wortlaut umfaßtes Formerfordernis
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laut die Annahme der Beurkundungsform vor der Änderung der §§ 1410, 1750, 2276 I S. 1 BGB durch das BeurkG denkbar, ändert sich daran noch nichts durch die später eingefügte Klarstellung in letzteren Vorschriften. Dies räumt auch Fuchs-Wissemann ein, indem er feststellt, daß in der Begründung des Entwurfs eines BeurkG nicht erwähnt werde, welche Auswirkungen die Änderung der §§ 1410, 1750, 2276 I S. 1 BGB für die Auslegung des § 925 I BGB habe und selbst an die Möglichkeit denkt, daß sich der Gesetzgeber dessen nicht bewußt gewesen sein könnte.18 Die amtliche Begründung zum BeurkG zeigt deutlich, daß die Urheber des Gesetzesentwurfs bei der Änderung der vorgenannten Vorschriften eine Verbindung zu § 925 I BGB nicht im Auge hatten. Ausgangspunkt der Änderungen waren die Vorschriften über die Errichtung von Testamenten und Erbverträgen. Bis zum Inkrafttreten des BeurkG befand sich im BGB eine Fülle von Vorschriften über die Modalitäten der Einrichtung und der Niederschrift eines öffentlichen Testaments. § 2231 Nr. 1 BGB sah vor, daß ein Testament in ordentlicher Form zur Niederschrift vor einem Richter oder vor einem Notar errichtet werden konnte. In § 2238 BGB wurde angeordnet, wie die Errichtung zu erfolgen hatte, und in § 2240 BGB wurde bestimmt, daß über die Errichtung eine Niederschrift aufgenommen werden mußte.19 Soweit diese Regelungen beurkundungsrechtlichen Inhalt hatten, sollten sie in das BeurkG übernommen werden. Zudem sollte die Zuständigkeit zur Beurkundung vor dem Notar konzentriert werden. Im Ergebnis führte dies zu der heutigen Fassung des § 2231 Nr. 1 BGB, wonach ein Testament in ordentlicher Form „zur Niederschrift eines Notars" errichtet werden kann. Eine entsprechende Fassung erhielt die Vorschrift über den Erbvertrag (§ 2276 I BGB). 20 Mit Blick auf die erbrechtlichen Vorschriften bedeutete die Einfügung der Worte „zur Niederschrift" somit keine Neuerung, da sie dem früheren Wortlaut des § 2240 BGB entsprechen. Auch in der Ersetzung der Formulierung „vor Gericht oder einem Notar" durch die Fassung „zur Niederschrift eines Notars" in den Vorschriften über den Ehevertrag (§ 1410 BGB) und die Einwilligung in die Annahme als Kind (§ 1750 BGB) 21 lag der Schwerpunkt der Änderung darauf, den Gerichten die Zuständigkeit zur Entgegennahme zu nehmen und nicht auf der Klarstellung der is Fuchs-Wissemann, Rpfleger 1977, 9 (10). 19 Im BGB von 1900 war noch die Rede von einem „Protokoll". Mit der Ausgliederung der Vorschriften in das Gesetz über die Errichtung von Testamenten und Erbverträgen vom 31. Juli 1938, RGBl. I, S. 973, wurde in § 13 TestG von der „Niederschrift" gesprochen. Bei Rückführung der Vorschriften in das BGB durch das GesEinG vom 5. März 1953, BGBl. I, S. 33 ff., ist es in § 2240 BGB bei dieser Terminologie geblieben. 20 In der früheren Fassung hatte es lediglich geheißen, daß ein Erbvertrag nur vor einem Richter oder vor einem Notar bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile geschlossen werden kann. In S. 2 wurde jedoch angeordnet, daß die §§ 2233-2245 BGB und somit auch die Vorschrift über die Niederschrift (§ 2240 BGB) Anwendung finden. 21 Abermals geändert durch das Adoptionsgesetz vom 2. Juli 1976, BGBl. I, S. 1749. Heute wird für die Erklärung der Einwilligung gegenüber dem Vormundschaftsgericht die notarielle Beurkundung verlangt (§ 17501 S. 2 BGB).
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
ohnehin erforderlichen Beurkundungsform. Mit Blick auf die Einfügung der Formel „zur Niederschrift eines Notars" heißt es in der Begründung zu den §§ 1410, 1750 BGB lediglich, daß sie der neuen Fassung des § 2231 Nr. 1 BGB angeglichen werden. 22 Ein Bezug zu § 925 I BGB wurde bei all dem nicht hergestellt. 23 Für die Auslegung des § 925 I S. 1 BGB kann aus dem Fehlen einer ausdrücklichen Anordnung eines Beurkundungszwangs somit nicht gefolgert werden, daß die Annahme eines solchen Formerfordernisses schon durch den Wortlaut der Vorschrift ausgeschlossen wird. Eine Stütze findet dieses Wortlautverständnis wiederum durch einen Vergleich mit der herrschenden Auslegung zu § 925 I S. 3 BGB, die in der Protokollierung des gerichtlichen Vergleichs ein materielles Wirksamkeitserfordernis sieht, ohne daß dies in der Vorschrift ausdrücklich angeordnet wäre. Darüber hinaus finden sich auch außerhalb des BGB Hinweise darauf, daß hinsichtlich der Anordnung eines Beurkundungszwangs kein zu enges Wortlautverständnis zugrunde gelegt werden darf. So heißt es in § 2 I S. 2 GmbHG, daß der Gesellschaftsvertrag „notarieller Form" bedürfe. Im Schrifttum herrscht Einigkeit darüber, daß dabei mit „notarieller Form" eine Beurkundung im Sinne des BeurkG gemeint ist. 24 Die Norm liefert mithin ein Beispiel dafür, daß der Gesetzgeber die Beurkundungsform anordnet, ohne dies ausdrücklich auszusprechen wie es etwa in den §§ 313 S. 1,518 IS. 1 BGB der Fall ist. 25
III. Ergebnis Die Vorschrift des § 925 I S . 1,2 BGB schreibt eine Beurkundung der notariell erklärten Auflassung nicht ausdrücklich vor. Dies allein vermag jedoch die herrschende Auslegung in ihrem Verzicht auf die Beurkundung als materielles Formerfordernis nicht zu stützen, denn mit dem Wortlaut der Norm ließe sich auch die Annahme der Beurkundung als Bestandteil der Auflassungsform vereinbaren.
22 BT-Drucks. V/3282, S. 42. 23 Zur Änderung des § 925 I BGB durch das BeurkG vgl. unten Teil 3 Β II 2. 24 Scholz (Winter), GmbH-Gesetz, § 2 Rn. 31. 25 Wenn unter der „notariellen Form" in § 2 GmbHG allgemein die Form der notariellen Beurkundung verstanden wird, spricht sogar einiges dafür, daß es nur eine einheitliche notarielle Form gibt, was mit Blick auf die Form des § 925 I BGB einen Hinweis auf die Beurkundungsform enthält.
Β. Der Zweck des § 925 I BGB als elementares Auslegungskriterium
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B. Der Zweck des § 9251 BGB als elementares Auslegungskriterium Während der Wortlaut der Norm die äußersten Grenzen der Auslegung festlegt, 2 6 kommt dem teleologischen, am Zweck der Norm ausgerichteten Argument, ein entscheidender, wenn nicht der entscheidende Stellenwert z u . 2 7 Dabei steht die teleologische Auslegung in enger Beziehung mit der systematischen Auslegung, da - wie Engisch betont - Rechtssätze großenteils die Aufgabe haben, i m Zusammenhang mit anderen Normen bestimmte Zwecke zu erfüllen und die anderen Normen final zu ergänzen. 28 Daß dem Normzweck auch mit Blick auf die Auslegung des § 925 I BGB ein hoher Stellenwert zukommt, ist bereits i m bisherigen Verlauf der Untersuchung erkennbar geworden. Denn die herrschende Meinung beruft sich gerade zur Begründung des Verzichts auf die Beurkundung als materielles Formerfordernis auf die ratio legis des § 925 I BGB. A u f der anderen Seite sind Zweifel daran begründet, ob die Auflassungsform ohne Beurkundung überhaupt geeignet ist, die ihr zugeschriebenen Zwecke erfüllen zu können. Schließlich besteht der Verdacht, daß sich die herrschende Auslegung des § 925 I BGB bei der Bestimmung des Normzwecks zu sehr dem Grundbuchverfahrensrecht angenähert hat und auf diese Weise der Auflassungsform Funktionen zuweist, die vorrangig vom Ver-
26 Larenz, Methodenlehre, S. 320 ff. (322, 345). 27 Larenz, Methodenlehre, S. 345; Canaris , Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 91 Fn. 23: „Vielmehr gebührt letztlich stets der teleologischen Auslegung der Vorrang ..."; Hagen, DNotZ 1984, 267 f.; ders., Festschr. für Schippel, S. 173 f. Die Bedeutung der mit Formvorschriften verfolgten Zwecke für die Auslegung ist im Grundsatz unbestritten (vgl. BGHZ 136, 357 [367]; Pohlmann, Die Heilung formnichtiger Verpflichtungsgeschäfte durch Erfüllung, S. 25 f.). Köhl, DNotZ 1983, 207 (210), bedauert geradezu, daß man fast nichts darüber finde, welchem Formzweck welcher Stellenwert in den einzelnen Formvorschriften zukomme und man sich oft mit der Feststellung begnüge, daß in einer Formvorschrift meist mehrere Zwecke verwirklicht werden. Die Bedeutung der Formzwecke für die Auslegung hebt insbesondere Bernard, Formbedürftige Rechtsgeschäfte, S. 30 ff. hervor. Er liefert eine kritische Auseinandersetzung mit der Position Häsemeyers, der die Bedeutung der teleologischen Auslegung von Formvorschriften jedoch selbst nicht in Frage stellt, sondern lediglich andere Differenzierungen vorschlägt. So soll es nicht auf die klassischen Formzwecke ankommen, sondern darauf, ob die Formvorschrift die Privatautonomie aus übergeordnetem öffentlichen Interesse steuern oder ob sie die Privatautonomie um ihrer selbst willen ordnen solle, wobei in letztem Falle noch nach Verkehrs-, Partei-, Einzelund Drittinteresse zu unterscheiden sei (Häsemeyer, Die gesetzliche Form der Rechtsgeschäfte, S. 164 ff. [182 ff.]; vgl. auch unten Teil 3 Β V 3 d) aa). Dabei hat Häsemeyer jedoch die Lösung einzelner Formprobleme im Auge; hinsichtlich der vom Gesetzgeber zu treffenden Grundsatzentscheidung darüber, ob ein Rechtsgeschäft einem Formzwang unterworfen werden soll, betont auch Häsemeyer die klassischen Formzwecke der Abschluß- und Inhaltsklarheit, der Warnung vor übereilten Entschlüssen, der Beweissicherung sowie der Gewährleistung fachmännischer Beratung, die für jede einzelne Geschäftsform in unterschiedlicher Kombination maßgebend seien (Häsemeyer, JuS 1980, 1 [2]). 28 Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 95. Nach Engisch läßt sich daher die systematische Auslegung von der teleologischen kaum trennen.
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
fahrensrecht wahrzunehmen sind. Es soll daher versucht werden, durch Auslegung des Gesetzes den Zweck des § 925 I BGB neu zu bestimmen, um auf diese Weise eine Grundlage für die Entscheidung der Frage zu schaffen, ob die Beurkundung als materielles Formerfordernis der Auflassung anzusehen ist oder ob dem Normzweck auch ohne sie gedient werden kann. Den Ausgangspunkt für die Bestimmung des heutigen Normzwecks bildet die historische Absicht des Gesetzgebers bei Schaffung des § 925 I BGB.
I. Die Absicht des historischen Gesetzgebers Die Beratungen zur Entstehung des § 925 I BGB wurden bereits im ersten Teil der Untersuchung skizziert, soweit es um die Frage ging, ob man die Auflassung überhaupt einem Formzwang unterwerfen solle. Nachdem in den Motiven die Anordnung eines besonders strengen Formzwangs für die Auflassung allgemein mit der Wichtigkeit begründet worden war, welche der Eigentumsübertragung für Grund und Boden beizumessen ist, erhob sich in den Beratungen zum zweiten Entwurf Widerspruch gegen einen solchen Formzwang, da man eine übermäßige Erschwerung des Verkehrs befürchtete. Die Streichung jeden Formzwangs wurde jedoch abgelehnt, und bis heute ist es somit bei der Ausnahmestellung der Auflassung als formbedürftiger Einigung im Sinne des § 873 I BGB geblieben. Bei der Bestimmung des von den Gesetzesverfassern ursprünglich verfolgten Zwecks bei der Anordnung eines materiellen Formzwangs für die Auflassung ist zwischen allgemeinen und speziellen Erwägungen zu unterscheiden. Zum einen finden sich in den Materialien allgemeine Überlegungen zu der Formalisierung von Rechtsgeschäften, wobei die Auflassung in eine Gruppe von Verträgen eingeordnet wurde, für die eine besonders strenge Form gelten sollte, um die allgemeinen Formzwecke so gut wie möglich verwirklichen zu können. Darüber hinaus wurden in den Beratungen mit der Auflassungsform jedoch weitere Zwecke in Verbindung gebracht, die auf die spezielle Konstruktion des Eigentumserwerbs an einem Grundstück zugeschnitten waren und über die allgemeinen Formzwecke hinausgehen.
1. Die allgemeinen Zwecke der Auflassungsform
In den Beratungen zum BGB sind die Vorzüge und Nachteile der Formalisierung des Rechtsverkehrs diskutiert worden. Zwar entschied man sich im Ergebnis für den Grundsatz der Formfreiheit, ordnete jedoch zugleich für eine Fülle von Rechtsgeschäften spezielle Formzwänge an. In bezug auf diese formbedürftigen Rechtsgeschäfte und somit auch hinsichtlich der Auflassung ist daher anzunehmen, daß der Gesetzgeber auf die von ihm erkannten allgemeinen Vorzüge eines Form-
Β. Der Zweck des § 925 I BGB als elementares Auslegungskriterium
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zwangs nicht verzichten wollte. In den Beratungen zum ersten Entwurf wurden diese Vorzüge wie folgt beschrieben: „Die Nothwendigkeit der Beobachtung einer Form ruft bei den Betheiligten eine geschäftsmäßige Stimmung hervor, weckt das juristische Bewußtsein, fordert zur besonnenen Ueberlegung heraus und gewährleistet die Ernstlichkeit der gefaßten Entschließung. Die beobachtete Form ferner stellt den rechtlichen Charakter der Handlung klar, dient, gleich dem Gepräge einer Münze, als Stempel des fertigen juristischen Willens und setzt die Vollendung des Rechtsakts außer Zweifel. Die beobachtete Form sichert endlich den Beweis des Rechtsgeschäfts seinem Bestände nach für alle Zeit; sie führt auch zur Verminderung oder doch zur Abkürzung und Vereinfachung der Prozesse."29 Ahnlich heißt es in dem Bericht der von der zweiten Kommission eingesetzten Subkommission zur Beratung der Frage, wie die von notarieller oder gerichtlicher Form sprechenden Vorschriften des Entwurfs zu gestalten seien: „Die öffentliche Form werde aus einem dreifachen Grunde vorgeschrieben: einmal solle Schutz vor Uebereilung gewährt, dann solle der Geschäftswille in unzweideutiger Weise zum Ausdruck gebracht, endlich solle der Beweis gesichert werden." 30 Die Materialien zeigen, daß der Gesetzes Verfasser bei der Anordnung jeden Formzwangs die allgemeinen Zwecke des Ubereilungsschutzes, der Klarstellung und des Beweises verfolgt hat. Darüber hinaus lassen sich aus dem Bericht der Subkommission weitere Grundvorstellungen des Gesetzgebers für die Anordnung verschiedener Formzwänge ablesen: In der Subkommission wurde der prinzipielle Standpunkt diskutiert, ob zu fordern sei, daß ein Vertrag unter gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien vor Gericht oder Notar geschlossen werden müsse, oder ob gerichtliche oder notarielle Form in dem Sinne genüge, daß der Vertrag auch unter Abwesenden geschlossen werden kann. Man Schloß sich der Vorlage an, die vorsah, „die Duplizität der Form" beizubehalten, als Regel aber i m Sinne der zweiten Alternative zu entscheiden. 31 Zu den Ausnahmen, in denen gleichzeitige Anwesenheit vorgeschrieben wurde, heißt es in den Protokollen: „..., daß für einzelne Fälle jedoch, nämlich folgende fünf Verträge: Auflassung § 838 Abs. 1 des Entw. II - , Bestellung eines Erbbaurechts - § 925 des Entw. II - , Ehevertrag - § 1333 des Entw. II - , Annahme an Kindesstatt - § 1631 Satz 2 des Entw. II - , Erbeinsetzungsvertrag - § 1943 - , die strengere Form der Erklärung vor Gericht oder einem Notar bei gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien verlangt werden müsse.... Bei den genannten fünf Verträgen müsse ihrer Wichtigkeit und Bedeutung wegen verlangt werden, daß sich das Zustandekommen des Vertrags in Anwesenheit der Betheiligten vor Gericht oder Notar vollziehe, da nur bei dieser Gestaltung des Vertragsschlusses alle Vortheile erreichbar seien, welche die Mitwirkung von Gericht und Notar bieten könne." 32
29 Motive, I, S. 179. 30 Protokolle, V, S. 440. 31 Protokolle, V, S. 436. 32 Protokolle, V, S. 436 f.
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
Zum allgemeinen Verzicht auf das Erfordernis der gleichzeitigen Anwesenheit wurde ausgeführt, daß man die „Form der bloßen gerichtlichen oder notariellen Beurkundung des Vertrags" nicht unterdrücken und nicht für alle Verträge, bei denen die Mitwirkung von Gericht oder Notar in Frage komme, den Abschluß bei gleichzeitiger Anwesenheit fordern könne. Zwar war man sich darüber einig, daß die strengere Form die vollkommenere Gewähr für die Erreichung des Formzwecks biete, jedoch erkannte man, daß das Verlangen gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien in dem weitaus größeren Teil des Deutschen Reichs als eine übergroße Belästigung und Erschwerung angesehen würde. 33 Für die Auflassung wollten die Gesetzesverfasser jedoch eine besonders strenge Form vorschreiben, um auf diese Weise die allgemeinen Formzwecke des Übereilungsschutzes, der Klarstellung des Geschäftswillens sowie der Beweissicherung durchzusetzen. Die Auflassung zählte man dabei zu den wichtigsten und bedeutungsvollsten Verträgen des BGB überhaupt und hielt daher die Steigerung der normalen öffentlichen Form durch das Erfordernis der Gleichzeitigkeit für geboten, um eine „vollkommenere Gewähr für die Erreichung der Formzwecke" zu erzielen.
2. Die speziellen Zwecke der Auflassungsform
Neben diesen allgemeinen Formzwecken wurden in den Beratungen zur Auflassungsform speziellere Gründe für die Anordnung eines Formzwangs diskutiert. Dabei rankte sich die Diskussion zum einen um die Frage, ob man die Auflassung überhaupt einem Formzwang unterwerfen sollte, zum anderen stand die Frage nach der Zuständigkeit zur Entgegennahme der Auflassung im Mittelpunkt.
a) Warnfunktion
und Übereilungsschutz
Aus der abstrakten Natur der Auflassung wurde ein besonderes Schutzbedürfnis vor leichtsinnigen und unüberlegten Auflassungen hergeleitet. Den Parteien sollte die hohe Wichtigkeit ihrer abstrakten Erklärungen voll und klar zum Bewußtsein gebracht werden, um so die Mobilisierung des Grundbesitzes zu verhindern. In den Motiven heißt es dazu: „Nur wenn die Betheiligten oder deren Vertreter vor dem Grundbuchamte erscheinen müssen, um ihren auf den Eigenthumsübergang gerichteten Willen zu erklären, und wenn sie sich bewußt sind, daß ihren abstrakten Erklärungen die den Eigenthumswechsel abschließende Eintragung sofort nachfolge oder doch nachfolgen könne und regelmäßig auch nachfolgen werde, ist darauf zu rechnen, daß sie sich die hohe Wichtigkeit ihrer abstrakten Erklärungen voll und klar zum Bewußtsein bringen. Ließe man gerichtliche und notarielle Auflassungen zu, so würde der Gefahr leichtsinniger und unüberlegter Auflassungen nicht
33 Protokolle, V, S. 437.
Β. Der Zweck des § 925 I BGB als elementares Auslegungskriterium
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in dem wünschenswerten Maße vorgebeugt, damit aber ein folgenschwerer Schritt zur Mobilisierung des Grundbesitzes gethan werden." 34 Zur Begründung des Schutzbedürfnisses wurde auch auf die Formbedürftigkeit des Verpflichtungsgeschäfts verwiesen. In der Begründung zur Reichstagsvorlage heißt es dazu, daß wenn für den Verpflichtungsvertrag eine bestimmte Form vorgeschrieben werde, die auf den Eintritt des Eigentumsübergangs selbst gerichtete Einigung nicht minder an eine sichernde Form zu binden sei. 3 5 Schon in den Protokollen war der Vorschlag, die Auflassung formfrei zu gestalten, mit der Begründung abgelehnt worden, daß dies zur Folge haben würde, daß der mündliche Abschluß des dinglichen Vertrags und die Eintragung auf Grund einer Eintragungsbew i l l i g u n g 3 6 zur Eigentumsübertragung genügen und „zugleich nach § 265 Satz 2 des E I I den mündlich geschlossenen obligatorischen Vertrag wirksam machen würde." 3 7 Dies Ergebnis hielt man aus den gleichen Gründen für unannehmbar, aus welchen in der Beratung des § 351 E I 3 8 ein gesetzlicher Schutz gegen leichtsinnige und unüberlegte obligatorische Veräußerungsgeschäfte an Grundstücken für nötig erachtet worden war. 3 9 In dem Zusammenhang hatte man in erster Linie die soziale Bedeutung des Grundeigentums betont: „Der für die Einführung einer besonderen Form [in früheren Landesgesetzen]40 geltend gemachte Grund, daß die Grundstücke die werthvollsten Gegenstände des Vermögens seien, hat zwar erheblich an Bedeutung verloren, seitdem in Folge der Entwicklung des wirtschaftlichen Lebens die Ansammlung der erheblichsten Werthe in Gegenständen möglich geworden ist, welche fast noch mehr als Grundstücke aus sich selbst ein Einkommen gewähren und ohne Rücksicht auf ihren Werth, wie ζ. B. Inhaberpapiere, auf formlose Weise aus einer Hand in die andere übergehen. An sozialer Bedeutung hat aber das Grundeigenthum im Laufe der Zeit nichts eingebüßt. Der Grundbesitz ist die natürliche Grundlage für die Seßhaftigkeit der Bevölkerung und verdient schon deshalb die ihm zu Theil werdende besondere Rücksicht auch in der Beziehung, daß die Veräußerung nicht leicht zu nehmen ist. Der Grundbesitz ist außerdem für die Lebensstellung und den Beruf des Eigenthümers in der Weise von Bedeutung, daß die Veräußerung, selbst wenn sie unter günstigen Bedingungen erfolgt, mit dem Umtausche anderer Vermögensgegenstände nicht 34 Motive, III, S. 316. 35 Denkschrift, S. 131. 36 Offenbar ging man davon aus, daß mit dem Verzicht auf den materiellen Formzwang für die Auflassung auch ein materielles Konsensprinzip im Grundbuchverfahrensrecht nicht in Betracht komme. In der Tat wurde § 20 GBO ursprünglich geschaffen, um die Einhaltung des § 925 I BGB zu sichern, und die Vorschrift ist daher als Folge des materiellen Formzwangs zu sehen (dazu unten Teil 3 Β V c). 37 Zur Verknüpfung des materiellen Formzwangs für die Auflassung und der Heilungsvorschrift für das obligatorische Geschäft vgl. unten Teil 3 Β IV 1. 38 § 351 I E I: „Der Vertrag, durch welchen Jemand sich zur Uebertragung des Eigenthumes an einem Grundstücke verpflichtet, bedarf der gerichtlichen oder notariellen Form." 39 Protokolle, III, S. 174. 40 Einfügung des Verfassers. 8 Pajunk
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
auf eine Linie gestellt werden kann. Es kommt hinzu, daß jedes Grundeigenthum mit einer Reihe von Rechtsverhältnissen zusammenhängt, welche wegen der Unvergänglichkeit des Grundeigenthums von weitaussehender Dauer sind, so daß also auch die Veräußerung und der Erwerb immer eine besondere Vorsicht erfordern, wenn nicht für die Vertragschließenden erhebliche Schwierigkeiten zu befürchten sein sollen." 41
Wie in den Beratungen zum ersten Entwurf wird auch in den Protokollen der „Schutz vor Uebereilung" als Hauptzweck des Formzwangs für obligatorische Verträge über Veräußerung eines Grundstücks gesehen.42 Im Zusammenhang mit der Erörterung der Frage, ob man sich mit der einfachen Schriftform begnügen könne, wurden von der Mehrheit weitere Vorzüge der „gerichtlichen und notariellen Form" hervorgehoben: Zum einen biete sie eine größere Gewähr für die Vollständigkeit der Urkunde. Ferner gewährleiste sie eine richtigere und verständlichere Abfassung und trage damit zur Vermeidung von Streit und Prozessen bei. Ausschlaggebend für die strengere Form sei schließlich, daß die Schriftform einen Schutz gegen Übereilung nicht in ausreichendem Maße gewähren könne: „Tinte und Feder seien leicht zur Hand, die Unterschrift des Bauern genüge zur Vollendung des schriftlichen Vertrags, dessen Entwurf von dem Gütherhändler in Eile hergestellt oder bereits in der Tasche mitgebracht werde. Durch den Gang zum Gericht oder Notar werde dagegen dem Bauern der Ernst der Sachlage klargemacht und eine wohlthätige Ueberlegungsfrist gegeben; Wirthshausgeschäfte seien ausgeschlossen."43
b) Sicherheit vor Abweichungen der Erklärungen
vom Grundbuchstand
Speziell durch den Zwang, die Auflassung „vor dem offenen Buche" erklären zu müssen, sollte sichergestellt werden, daß nur solche Erklärungen abgegeben werden, die nicht in Widerspruch mit dem Inhalt des Grundbuchs stehen. Auf diese Weise sollte darüber hinaus erreicht werden, daß der Erwerber die vorhandenen Belastungen vollständig erfährt und keine einander widersprechenden Anträge gestellt würden. 44
c) Schutz vor Zwischenverfügungen Ein die ganzen Beratungen durchziehendes Hauptargument für die Anordnung eines Formzwangs für die Auflassung war der Schutz vor einer Vereitelung des Eigentumserwerbs durch Zwischenverfügungen des Veräußerers. Dieser Schutz sollte gerade durch die Erklärung der Auflassung vor dem Grundbuchamt gewährleistet 41 42 43 44
Motive, II, S. 189 f. Protokolle, I, S. 463. Protokolle, I, S. 460 f. Motive, III, S. 315 f.; Denkschrift, S. 131; Mugdan, Materialien, III, S. 999.
Β. Der Zweck des § 925 I BGB als elementares Auslegungskriterium
115
werden, da der Erklärung der Auflassung die Eintragung in das Grundbuch unmittelbar nachfolgen konnte. In den Motiven berief man sich mit Verweis auf die preußische Regelung ausdrücklich darauf, daß auf diese Weise die Gefahr von Betrügereien aller Art beseitigt werde. 45 In den Beratungen zum zweiten Entwurf war das Argument wiederum Gegenstand der Diskussion, wobei sich die Anhänger der grundbuchamtlichen Lösung jedoch zu Lasten des Schutzes vor unredlichen Verfügungen nicht vollständig durchsetzen konnten. Diese hatten eingangs noch betont, daß nur die Auflassung vor dem Grundbuchamt dem Erwerber Sicherheit dafür gewähre, daß nicht in der Zwischenzeit bis zur Eintragung sein Eigentumserwerb durch eine den Veräußerer treffende nach § 831 46 wirksame Verfügungsbeschränkung oder durch unredliche Verfügungen des Veräußerers selbst vereitelt werde und daß er nicht das Eigentum infolge von Eintragungen, die in der Zwischenzeit mit Bewilligung des Veräußerers oder gegen ihn im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgten, unter ungünstigeren Bedingungen erwerbe, als er es bei der Auflassung vorausgesetzt habe.47 Im Ergebnis sah der zweite Entwurf neben der Zuständigkeit der Grundbuchämter jedoch auch eine reichsweite Zuständigkeit der Gerichte und Notare zur Entgegennahme der Auflassung vor. Mit Blick auf den Schutz vor Rechtsschädigungen durch den Veräußerer begnügte man sich mit der Feststellung, daß es den Interessen der Beteiligten genüge, wenn das Gesetz ihnen die ganz sichernde grundbuchamtliche Form der Auflassung zur Verfügung stelle.48 In der Reichstagsvorlage war man wieder zu der alleinigen reichsweiten Zuständigkeit des Grundbuchamts zurückgekehrt, woran schließlich auch die Reichstagskommission festgehalten hat. Ausdrücklich wurde von Seiten der Regierung auch in diesem Zusammenhang nochmals betont, daß in dem Falle, daß die Auflassung vor einem anderen Gericht als dem Grundbuchamt oder einem Notar vorgenommen werde, der Erwerber stets der Möglichkeit einer Schädigung seiner Rechte in der Zwischenzeit ausgesetzt sei, welche bis zur Einreichung der Auflassungserklärung bei dem Grundbuchamt verstreiche. 49
d) Sichere Erfüllung
Zug um Zug
Als weiterer Grund für die Auflassungsform wurde darauf verwiesen, daß nur durch die Erklärung der Auflassung vor dem Grundbuchamt mit der Möglichkeit 45 Motive, III, S. 314. 46 § 831 E I: „Auf die Wirksamkeit einer Eintragungsbewilligung ist es ohne Einfluß, wenn, nachdem der Antrag auf Eintragung bei dem Grundbuchamte eingegangen ist, derjenige, welcher die Eintragung bewilligt hat, in der Verfügung über das für ihn eingetragene Recht beschränkt wird." - Vgl. § 878 BGB. 47 Protokolle, III, S. 171. 48 Protokolle, III, S. 174 f. 49 Mugdan, Materialien, III, S. 999. 8:
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
der sich unmittelbar anschließenden Eintragung eine sichere Zug-um-Zug-Leistung der Kontrahenten ermöglicht werde. 50
e) Feststellung des ernsthaften und überlegten Willens der Parteien Von den Gegnern der alleinigen Zuständigkeit des Grundbuchamts wurde in den Beratungen zum zweiten Entwurf für die gerichtliche und notarielle Auflassung vorgebracht, daß auch mit ihr der Zweck der Form erreicht werde, da er nur darin bestehe, den ernsthaften und überlegten Willen der Parteien zweifelsfrei festzustellen, daß das Eigentum übergehen solle. 51 In den späteren Beratungen ist dieser Zweck indessen nicht ausdrücklich hervorgehoben worden, wenngleich er - wie oben gesehen - von den allgemeinen Formzwecken eines jeden Formzwangs umfaßt wird.
3. Zusammenfassung
Bei der Ausgestaltung der Auflassungsform wurde den allgemeinen Formzwekken des Übereilungsschutzes, der Klarstellung und der Beweissicherung wegen der Wichtigkeit der Auflassung ein besonderer Stellenwert eingeräumt. Darüber hinaus verfolgten die Gesetzesverfasser mit § 925 I BGB in seiner ursprünglichen Fassung spezifische Zwecke, die auf die besonderen Umstände und Interessen im Zusammenhang mit der Eigentumsübertragung an einem Grundstück zugeschnitten waren. Zum einen sollten mit Rücksicht auf die Abstraktheit der dinglichen Einigung gegenüber dem obligatorischen Geschäft die Beteiligten in besonders eindringlicher Weise vor leichtfertig erklärten Auflassungen gewarnt werden. Mit Blick auf die besondere Bedeutung des Grundeigentums hielt man es für erforderlich, die Warnfunktion nicht nur durch einen Formzwang auf der obligatorischen Verpflichtungs-, sondern auch auf der dinglichen Erfüllungsebene zu verwirklichen. Darüber hinaus sollte durch den Formzwang die Gefahr der Schädigung von Rechten des Auflassungsempfängers durch weitere Verfügungen des Veräußerers über das Grundstück verhindert werden. Damit verwandt ist die Absicht, durch die Formalisierung der Auflassung die sichere Erfüllung Zug um Zug zu ermöglichen. Schließlich wollte man durch die Auflassungsform die Abgabe von Erklärungen verhindern, die nicht im Einklang mit den Bucheintragungen standen, und es dem Erwerber ermöglichen, die Belastungen des aufzulassenden Grundstücks vollständig zu erfahren.
50 Denkschrift, S. 131; Mugdan, Materialien, III, S. 999. si Protokolle, III, S. 175.
Β. Der Zweck des § 925 I BGB als elementares Auslegungskriterium
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II. Die Auswirkungen der Gesetzesänderungen auf den Normzweck Die sich aus den Beratungen zum BGB ergebenden historischen Formzwecke des § 925 I BGB haben ihren Ursprung in erster Linie in der Auseinandersetzung um die Frage genommen, ob es möglich sein sollte, die Auflassung nicht nur vor dem Grundbuchamt, sondern auch vor jedem anderen Gericht oder Notar erklären zu können. Im Ergebnis entschied man sich im BGB für die alleinige Zuständigkeit des Grundbuchamts, da man darin in technischer Beziehung die vollkommenste Auflassungsform erblickte. Damit war gemeint, daß sich die angestrebten Formzwecke mit der grundbuchamtlich erklärten Auflassung am besten verwirklichen lassen. Inzwischen ist die in den Beratungen überlegene Form der Auflassungserklärung vor dem Grundbuchamt nicht mehr zulässig. Mit Inkrafttreten des BeurkG hat sich bis auf wenige Ausnahmen die alleinige Zuständigkeit des Notars zur Entgegennahme der Auflassung durchgesetzt. Zuvor schon waren die Notare und Amtsgerichte in den Wortlaut des § 925 I BGB aufgenommen und neben das Grundbuchamt als zuständige Stellen gestellt worden. Im Laufe der Zeit haben somit doch die Stellen zur Entgegennahme der Auflassung Einzug in das BGB erhalten, die ursprünglich unterlegen waren. Daran knüpft sich die Frage, ob mit den Gesetzesänderungen auch eine Abkehr von den historischen Regelungsabsichten gewollt war und ob sich der Normzweck des § 925 I BGB dadurch geändert hat.
1. Die Anpassung des § 925 I BGB an die allgemeine Zuständigkeit der Notare und Amtsgerichte
Die erste Änderung des § 925 I BGB erfolgte im Jahre 1953 durch das Gesetz zur Wiederherstellung der Gesetzeseinheit auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts und übernahm im wesentlichen den Rechtszustand in das BGB, der durch zwei Verordnungen des Reichsministers der Justiz in den Jahren 1934 und 1940 geschaffen worden war. 52 Unter anderem wurden in der Verordnung aus dem Jahre 1934 für alle Länder des Reichs die Notare als zuständige Stellen zur Entgegennahme der Auflassung bestimmt; 1940 folgte die allgemeine Zuständigkeit der Amtsgerichte. Mit der Änderung des § 925 I BGB im Jahre 1953 verfolgte der Gesetzgeber die Absicht, „klarzustellen, daß die Auflassung nicht nur vor dem Grundbuchamt, sondern auch vor anderen Stellen erklärt werden kann", wozu in der Neufassung die für den Rechtsverkehr wichtigsten Auflassungsstellen, nämlich das Grundbuchamt, die Amtsgerichte und die Notare ausdrücklich genannt werden sollten.53 In der amtlichen Begründung zum Wiederherstellungsgesetz finden sich keine Hinweise darauf, daß durch die Aufnahme der Notare und der Amtsgerichte 52 Siehe oben Teil 1 A II 2. 53 BT-Drucks. 1/3824, S. 17.
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
als zur Entgegennahme der Auflassung zuständige Stellen in den Tatbestand des § 925 I BGB auch eine grundsätzliche Änderung des Regelungszwecks beabsichtigt gewesen ist. Fraglich ist, ob der Gesetzgeber 54 mit den Verordnungen aus den Jahren 1934 und 1940 eine Änderung des historischen Normzwecks verfolgt hat. Soweit ersichtlich, gibt es keine amtlichen Begründungen zu den Verordnungen. Aus dem zu den Gesetzesänderungen ergangenen Schrifttum läßt sich jedoch entnehmen, daß die Regelungsabsicht darin bestand, die Rechtsungleichheit 55 in bezug auf die Zuständigkeit der Notare und Gerichte zu beseitigen. 56 Hesse schrieb dazu i m Jahre 1940, daß der Art. 143 EGBGB in der großen „Verlustliste der deutschen Rechtseinheit" 5 7 eine besonders verhängnisvolle Rolle gespielt und zu einer kaum zu übertreffenden Buntscheckigkeit der gesetzlichen Regelung dieses wichtigen Rechtsgebiets geführt habe. 5 8 Hinweise darauf, daß der Gesetzgeber neben der Herstellung der Rechtseinheit auch noch andere Absichten verfolgt haben könnte, 54
Die formale Bezeichnung „Gesetzgeber" steht in diesem Zusammenhang nur in Ansehung der die Auflassung betreffenden Verordnungen und darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Kompetenz zum Erlaß dieser Verordnungen auf ein Gesetz zurückzuführen ist, das gleichzeitig die Kompetenz zum Erlaß von Gesetzen und Verordnungen geschaffen hat, die zum schlimmsten gesetzgeberischen Unrecht überhaupt zählen (vgl. oben Teil 1, Fn. 28). 55 Einen Überblick über die verschiedenen im Reich geltenden Regelungen liefert Pätzold, Das neue Deutsche Reichsrecht, II b 30, S. 1 f. - Hesse, DR 1940, 1032 (1033), beschreibt ein Kuriosum der Rechtslage in Preußen, wo im ersten Weltkrieg zur Entlastung der Gerichte durch das Gesetz über die Form der Auflassung vom 13. Mai 1918 die bis dahin nur für Grundstücke im Gebiet des rheinischen Rechts geltenden Vorschriften „auf alle Grundstücke der Monarchie" ausgedehnt wurden (§ 1). Dies führte zur Einführung der Auflassung vor jedem preußischen Amtsgericht oder Notar für alle in Preußen gelegenen Grundstücke (vgl. dazu Ule, DJZ 1918, 366 ff.). Als Kriegsmaßnahme war das Gesetz in seiner Geltung befristet bis „zwei Jahre nach Beendigung des gegenwärtigen Krieges" (§ 2, S. 1), wobei in § 2 S. 2 bestimmt war, daß der Zeitpunkt der Beendigung des Krieges durch königliche Berufsordnung bestimmt werde. Da jedoch diese Bestimmung der Staatsregierung bis zur Streichung des § 2 des Gesetzes vom 13. Mai 1918 im Jahre 1929 nicht erfolgte, war der Krieg für dieses besondere Rechtsgebiet bis dahin noch nicht als beendigt anzusehen. 56 Pätzold, Das neue Deutsche Reichsrecht, I I b 30, S. 1 (2); von Spreckeisen, Das neue Deutsche Reichsrecht, I I b 30, S. 5; Wolpers, DNotZ 1934, 389. 57 Zum Ursprung des Begriffs der „Verlustliste der Rechtseinheit" vgl. Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 471 f. Nach der Beschreibung Wieackers wurde der Begriff in den Beratungen des Reichstags zum Dritten Entwurf geprägt, die begleitet wurden von „wiederaufflammenden Rückzugsgefechten des konservativen Föderalismus um die landesrechtlichen Vorbehalte des Einführungsgesetzes. In dem recht stattlichen Bestand dieser »Verlustliste der Rechtseinheit' (wie die Unitarier nicht ohne Pathos sagten) kam das noch immer große politische Gewicht nicht nur der partikulären, sondern auch der feudalistischen, konservativ-autoritären und bürokratischen Tradition zum Ausdruck, welche die Pandektenwissenschaft niemals ganz resorbiert hatte. Sie war im Guten wie im Bösen auch eine Verlustliste des Pandektenrechts und des Liberalismus." 58 Hesse, DR 1940, 1032 (1033). Auf S. 1034 heißt es dann den Bezug zur Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten herstellend: „Der Zeit nach der Machtübernahme durch die nationalsozialistische Bewegung war es vorbehalten, auch auf diesem Gebiete, wie auf so vielen anderen, die Rechtseinheit im Reiche herzustellen."
Β. Der Zweck des § 925 I BGB als elementares Auslegungskriterium
119
sind nicht ersichtlich; insbesondere spricht gegen eine be wußte Abkehr vom Zweck des § 925 I BGB, daß die Norm des BGB unverändert geblieben war und somit durch die alleinige Zuständigkeit des Grundbuchamts in der wichtigsten Kodifikation des Privatrechts noch immer eine gewisse Höherrangigkeit dieser Form zum Ausdruck kam, da die übrigen Formen nur über die als Ausnahmevorschrift angelegte Norm des Art. 143 I EGBGB zulässig waren. 59
2. Das BeurkG
Während diesen Änderungen somit keine Hinweise auf eine bewußte Abkehr von den historischen Zwecken des § 925 I BGB zu entnehmen sind, könnte dies bei den durch das BeurkG 60 erfolgten Änderungen anders sein. Denn durch das BeurkG wurde mit der grundbuchamtlichen Auflassung gerade die Form abgeschafft, die aus den Beratungen zum BGB als Siegerin hervorgegangen war. Die amtliche Begründung zur Abschaffung der grundbuchamtlichen Auflassung liest sich vor diesem Hintergrund überraschend, da sie auf diesen Umstand überhaupt nicht eingeht: „Durch Nummer l 6 1 wird § 925 BGB dahin eingeschränkt, daß die Auflassung grundsätzlich nur noch vor dem Notar erklärt werden kann. Da künftig weder das Amtsgericht als solches noch das Grundbuchamt befugt sein soll, Beurkundungen vorzunehmen ..., die Auflassung jedoch dem Grundbuchamt gemäß §§ 20, 29 GBO nachgewiesen werden muß, soll die Auflassung nur noch vor einer Stelle erklärt werden können, die sie auch beurkunden kann." 62
Zunächst ist festzustellen, daß sich in der amtlichen Begründung zum Entwurf des BeurkG keinerlei Ausführungen zum materiellen Formzwang des § 925 I BGB finden. Insbesondere geht die Begründung mit keinem Wort darauf ein, daß man mit der grundbuchamtlich erklärten Auflassung gerade die vorteilhafteste und sicherste Auflassungsform beseitigt hat. Nach der Begründung sollen die Parteien die Auflassung vor dem Notar erklären müssen, damit dort die zum Nachweis gegenüber dem Grundbuchamt erforderliche Beurkundung vorgenommen werden kann. Die Erklärung der Auflassung und ihre Beurkundung werden damit begrifflich klar getrennt. Es scheint, als haben somit allein Praktikabilitätserwägungen zu der Abschaffung der grundbuchamtlichen und der gerichtlichen Auflassungsform geführt. Die Änderung des § 925 I BGB stellt sich somit nur als Folge der Beseiti59 Gegen dieses Vorgehen des Gesetzgebers ist einzuwenden, daß die Regelungen über die allgemeine Zuständigkeit der Notare und der Amtsgerichte richtigerweise in das BGB gehört hätten, da Art. 143 I BGB ja gerade aus den uneinheitlichen Regelungen in den Ländern hervorgegangen war und eben dieser Zustand beseitigt werden sollte. 60 Siehe oben Teil 1 A II 2.
61 Bezieht sich auf § 57 Abs. 3 Nr. 1 des Entwurfs eines BeurkG, BT-Drucks. V/3282, S. 42 ff.; entspricht § 57 III Nr. 3 BeurkG vom 29. August 1969, BGBl. I, 1513 (1522). 62 BT-Drucks. V 73282, S. 42.
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
gung der den Grundbuchämtern und Gerichten bis dahin zustehenden Beurkundungsbefugnis dar, die ihnen durch das BeurkG genommen wurde. 63 Hinweise dafür, daß der Gesetzgeber mit der Änderung des § 925 I BGB einen Funktionswechsel beabsichtigt haben könnte, sind den Begründungen zum BeurkG somit nicht zu entnehmen. Sie lassen auch nicht den Schluß zu, daß sich der Gesetzgeber der Möglichkeit bewußt gewesen sein könnte, mit der Streichung des Grundbuchamts zugleich einen Funktionswechsel des § 925 I BGB herbeizuführen. Gerade weil in der Begründung auf keine materiellrechtlichen Gesichtspunkte abgestellt wird und von einem Beurkundungszwang nur mit Blick auf das Grundbuchverfahrensrecht die Sprache ist, könnte hierin jedoch ein Indiz dafür zu sehen sein, daß auch der Gesetzgeber von der Nichterforderlichkeit der Beurkundung als materielles Formerfordernis ausgegangen ist. 64
3. Zwischenergebnis
Nach der bisherigen Untersuchung gibt es keine Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber bei der Änderung des § 925 I BGB die historischen Regelungszwecke der Norm bewußt ändern wollte. Es fehlt insoweit an einer Anknüpfung der Änderungsgesetze an die Diskussion um die Auflassungsform und den mit ihr verfolgten Zwecken in den Beratungen zum BGB.
I I I . Zur Ansicht Wilhelms zur Neubestimmung des Regelungszwecks Es kann jedoch nicht übersehen werden, daß sich die Auflassungsform seit Inkrafttreten des BGB grundlegend geändert hat und die Auflassung heute entgegen der historischen Absicht des Gesetzgebers fast ausschließlich vor dem Notar, also außerhalb des Grundbuchamts erfolgt. Auch wenn der Gesetzgeber bei diesen Änderungen in erster Linie von isolierten, überwiegend an der Praktikabilität orientierten Erwägungen geleitet gewesen sein mag, ohne sich der möglichen Auswirkungen auf die ursprünglichen Funktionen der Norm bewußt gewesen zu sein, kann eine gegenwartsbezogene Auslegung des § 925 I BGB nicht vor dem vom Gesetzgeber geäußerten historischen Normzweck haltmachen. Vielmehr kommt der Auslegung die Aufgabe zu, die historischen Zwecksetzungen des Gesetzgebers in ihren Konsequenzen weiter zu durchdenken und das Gesetz in der ihm eigenen Vernünf63 Der Begründung zur Änderung des § 925 BGB entspricht die zur Abschaffung des § 143 I EGBGB, der ebenfalls wegfallen sollte, um die Zuständigkeit zur Entgegennahme der Auflassung mit der Zuständigkeit zur Beurkundung in Übereinstimmung zu bringen (BTDrucks. V/3282, S. 43). 64 Dazu unten Teil 3 D II 4.
Β. Der Zweck des § 925 I BGB als elementares Auslegungskriterium
121
tigkeit zu verstehen.65 Dies gilt um so mehr, wenn die Norm selbst mehrfache Änderungen erfahren hat und sich verschiedene Regelungsabsichten überlagern.
1. Der Standpunkt Wilhelms
Einen Versuch zur Neubestimmung des Normzwecks hat Wilhelm unternommen. In Anlehnung an die verschiedenen Entwürfe zum BGB hat er folgenden Standpunkt entwickelt: „Nach dem 1. Entwurf zum BGB und der Erstfassung des BGB selbst war die Form der Einigung vor dem Grundbuchamt, d. h. vor dem offenen Grundbuch erforderlich. Zweck war die Sicherung der unmittelbar anschließenden Eintragung des Eigentumsübergangs und damit des Ausschlusses mißbräuchlicher Zwischenverfügungen zwischen Auflassung und Eintragung. Die zweite Kommission wollte die Auflassung vor Gericht oder Notar zulassen und die Parteien bezüglich der Mißbrauchsmöglichkeiten auf den Selbstschutz, insbesondere durch Vormerkung, verweisen. Nachdem in der revidierten Fassung des 2. Entwurfs die Beschränkung auf das Grundbuchamt wiederhergestellt war, ist heute, in der Fassung des Beurkundungsgesetzes von 1969, grundsätzlich der Notar für zuständig erklärt ... Wie die Zuständigkeit des Notars gilt jetzt der Formzweck gemäß der Begründung durch die 2. Kommission. Zweck der Form war nunmehr, ,den ernsthaften und überlegten Willen der Parteien, daß das Eigenthum übergehe, sicher festzustellen'." 66
2. Stellungnahme
Die Argumentation Wilhelms beruht auf der Überlegung, daß mit der heutigen Zuständigkeit des Notars zur Entgegennahme der Auflassung ein Rechtszustand eingetreten sei, der auch dem zweiten Entwurf zugrunde gelegen habe und man daher heute zur Bestimmung der ratio legis auf eben diesen zweiten Entwurf zurückgreifen könne. Dieser Ansatz ist aus verschiedenen Gründen zurückzuweisen.
a) Der Verweis auf den Selbstschutz durch die zweite Kommission Zunächst entsteht ein falscher Eindruck dadurch, daß Wilhelm die Absicht der zweiten Kommission dahin gehend bewertet, daß sie die Parteien bezüglich der Mißbrauchsmöglichkeiten auf den Selbstschutz, insbesondere durch die Eintragung einer Vormerkung, verweisen wollte. Bei der Stelle, auf die Wilhelm in diesem Zusammenhang Bezug nimmt, handelt es sich um den Standpunkt der Kritiker 65 Larenz, Methodenlehre, S. 322. Larenz weist darauf hin, daß der Auslegende in der Konsequenz über den als historisches Faktum verstandenen „Willen des Gesetzgebers" und die konkreten Normvorstellungen des Gesetzesverfassers hinausgeht. 66 Wilhelm, SachenR, Rn. 502 (S. 340).
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
des ersten Entwurfs, die jeden Formzwang für die Auflassung ablehnten, denn nur sie verweisen auf die Vormerkung als ein dem Erwerber dienendes Sicherungsmittel. 67 Die Mehrheit der zweiten Kommission erkannte jedoch sehr wohl die sichernde Funktion der grundbuchamtlichen Auflassungsform und stellte dazu fest, daß den Verteidigern des ersten Entwurfs zugegeben werden müsse, „daß die Auflassung vor dem Grundbuchamte die hervorgehobenen Vorzüge in bezug auf die Sicherheit der Betheiligten und des Immobiliarverkehrs überhaupt habe". 68 Allerdings begnügte sie sich damit, den Parteien diese Form als eine mögliche Form zur Verfügung zu stellen. Hierin besteht jedoch ein wesentlicher Unterschied zwischen dem zweiten Entwurf und der heutigen Rechtslage, die es den Parteien gar nicht mehr erlaubt, die Auflassung vor dem Grundbuchamt zu erklären.
b) Die Parallelität
von grundbuchamtlicher
und notarieller Auflassung
Daran knüpft der Haupteinwand gegen den Ansatz Wilhelms an: Er liegt in der Annahme begründet, daß man der grundbuchamtlichen Form einerseits und der notariellen Auflassung andererseits alternativ Formzwecke zuordnen könne, so als handele es sich bei beiden Formen um klar unterscheidbare Regelungsmodelle mit spezifischen Regelungsabsichten, die zunächst in den Beratungen und später im geltenden Recht zu unterschiedlichen Zeitpunkten Geltung erlangten. Dabei übersieht Wilhelm, daß zwar in der Reichstagsvorlage (E I I I ) 6 9 das Grundbuchamt in § 909 I E III als die allein zuständige Stelle wiederhergestellt wurde, jedoch parallel dazu in den Entwurf zum Einführungsgesetz zum BGB in Art. 143 I der Vorbehalt aufgenommen wurde, wonach die landesrechtlichen Vorschriften unberührt bleiben sollten, nach denen die Einigung im Falle von § 909 E III außer vor dem Grundbuchamt auch vor einem Gericht oder einem Notar erklärt werden konnte. 70 In dieser Kombination wurden die Regelungen von der Reichstagskommission beibehalten und schließlich als Gesetz beschlossen. Es standen somit zumindest in einigen Ländern von Anfang an die grundbuchamtliche sowie die gerichtliche bzw. notarielle Auflassung nebeneinander. Vor diesem Hintergrund ist nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber mit der landesrechtlichen Zulässigkeit der gerichtlichen und notariellen Auflassungsform dieser auch einen grundlegend anderen Zweck als den mit § 925 I BGB verfolgten zuschreiben wollte. Mit Blick auf die Begründung des landesrechtlichen Vorbehalts in Art. 143 I EGBGB spricht mehr dafür, 67 Protokolle, III, S. 171 ff. 68 Protokolle, III, S. 174 f. 69 Zumindest mißverständlich ist die Terminologie Wilhelms in diesem Zusammenhang, wenn er von der „revidierten Fassung des 2. Entwurfs" spricht. Von dem zweiten revidierten Entwurf spricht man allgemein als Bundesratsvorlage. In § 910 I E II rev blieben neben dem Grundbuchamt jedoch auch die Gerichte und die Notare zur Entgegennahme der Auflassung zuständig; die Rückgängigmachung erfolgte erst in § 909 I E III, also in der Reichstagsvorlage (siehe oben Teil 1 A II 1 c)). 70 Siehe oben Teil 1 A II 1 c).
Β. Der Zweck des § 925 I BGB als elementares Auslegungskriterium
123
daß der Gesetzgeber mit ihm nicht von seinen dem § 925 I BGB zugrunde liegenden Regelungsabsichten abweichen wollte. Als Grund für die Aufnahme des Vorbehalts wurde in der Denkschrift zur Reichstagsvorlage nämlich lediglich auf die Bedürfnisse und Gewohnheiten derjenigen Gebiete hingewiesen, in denen eine weitgehende Zersplitterung des Grundbesitzes und demzufolge ein lebhafter Verkehr in Liegenschaften bestehe.71 Ein noch höherer Stellenwert dürfte jedoch dem im Abschlußbericht der Reichstagskommission gelieferten Grund zukommen, wonach mit der Beseitigung der Zuständigkeiten der Notare in den Teilen des Reichs, in welchen sie bestehe, der Bestand des Notariats als eines selbständigen Amts in Frage gestellt werden könne.72 Während sich diese beiden Argumente schon in den Protokollen zur Begründung des Vorschlags einer reichsweiten Zuständigkeit der Gerichte und Notare finden, 73 gibt es keine Hinweise darauf, daß der Gesetzgeber, mit der gerichtlichen bzw. notariellen Auflassungsform grundsätzlich andere Zwecke als mit der grundbuchamtlichen Erklärung verfolgen wollte. Damit hätte er sich auch in einen Widerspruch zu seiner harten Haltung hinsichtlich der strengen Regelung des § 925 I BGB mit seiner ausschließlichen Zuständigkeit des Grundbuchamts gesetzt. Es ist daher vielmehr davon auszugehen, daß der Gesetzgeber bei der Schaffung des Art. 143 I EGBGB dieselben Regelungsabsichten verfolgt hat wie mit § 925 I BGB, er jedoch bereit war, mit Rücksicht auf die partikularen Interessen einiger Reichsgebiete und des Notarstands Abstriche bei ihrer Verwirklichung zu machen. Es gibt keine Hinweise darauf, daß der Gesetzgeber dabei mit der Zulässigkeit der notariellen Form andere Zwecke verfolgen wollte, als dies seine Absicht mit der Form des § 925 I BGB war. Vielmehr ist darin ein Zugeständnis an die bestehenden Regelungen der Länder auf Kosten des Wirkungsgrads der Norm zu sehen, jedoch keine Abkehr von den eigentlichen Regelungsabsichten.
c) Keine exklusive Zweckzuweisung im zweiten Entwurf Als weiteren Einwand muß sich Wilhelm entgegenhalten lassen, daß in den Protokollen keine so eindeutig abgrenzbare und vom ersten Entwurf inhaltlich abweichende Zweckzuweisung für die erweiterte Form des § 838 I Ε II erfolgt ist, wie es in seiner Darstellung den Anschein hat. Zuzugestehen ist Wilhelm, daß in den Protokollen die zweifelsfreie Feststellung des ernsthaften und überlegten Willens der Parteien als „Zweck der Form" angegeben wird. 74 Diese Äußerung bezieht sich je71 Denkschrift, S. 131. 72 Mugdan, Materialien, III, S. 999. 73 Protokolle, III, S. 175. Zur Erhaltung des selbständigen Notariats wird betont: „Der Grundgedanke dieses Instituts, daß die Beurkundung von wichtigen Rechtsakten den Gegenstand eines besonderen Lebensberufs zu bilden geeignet sei, werde verneint, wenn man den Notaren die Beurkundung eines so wichtigen Rechtsgeschäfts wie die Auflassung entziehe." 74 Protokolle, III, S, 175 (siehe oben Teil 3 Β I e)).
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
doch auf die Frage, ob auch die gerichtliche bzw. notarielle Auflassung unter diesem Blickwinkel das leisten könne, was man der grundbuchamtlichen Form zurechnete. Daß sich mit einer so verstandenen Klarstellungsfunktion die der Anordnung des Formzwangs zugrunde liegende Regelungsabsicht auch im zweiten Entwurf nicht erschöpft, wird schon allein daran deutlich, daß die Mehrheit einen vollständigen Verzicht auf jeden Formzwang bei der Auflassung aus den gleichen Gründen für unannehmbar hielt, aus denen auch für das obligatorische Geschäft ein gesetzlicher Schutz gegen leichtsinnige und unüberlegte Grundstücksveräußerungen für erforderlich gehalten wurde. 75
3. Ergebnis
Mit dem bloßen Verweis auf eine vermeintliche „Rückkehr zum zweiten Entwurf' kann der Normzweck des § 925 I BGB in seiner heutigen Fassung nicht begründet werden. Weder ist der Gesetzgeber zum zweiten Entwurf zurückgekehrt, noch ist dem zweiten Entwurf ein Zweck zuzuordnen, der von den übrigen Entwürfen klar abzugrenzen wäre.
IV. Die Aktualität der ursprünglichen Regelungszwecke Es soll nunmehr untersucht werden, ob die ursprünglich bei der Beratung des § 925 I BGB verfolgten Zwecke ihre Berechtigung in der Zwischenzeit verloren haben und ihnen daher in der heutigen Auslegung eine andere Bedeutung beizumessen ist. Dabei kommt es zunächst nur darauf an, ob die ursprünglich mit der Auflassungsform verfolgten Funktionen heute noch der Interessenlage der Parteien und den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs entsprechen. Im Hintergrund steht hingegen die Frage, ob und in welchem Umfang sich die ursprünglichen Zwecke mit der heutigen Fassung des § 925 I BGB technisch überhaupt noch verwirklichen lassen. Diese Frage wird später mit Blick auf die Beurkundung als möglicher Bestandteil der Auflassungsform zu untersuchen sein. Durch dieses Vorgehen soll verhindert werden, von der Abschaffung der grundbuchamtlich erklärten Auflassung unmittelbar darauf zu schließen, daß sich damit auch einzelne Formzwecke erübrigt hätten, die ursprünglich den Ausschlag für die alleinige Zuständigkeit des Grundbuchamts in § 925 I BGB gegeben haben. Sollten diese Zwecke ihre grundsätzliche Berechtigung nicht verloren haben, wird zu fragen sein, ob ihnen nicht gerade mit der Beurkundung als Bestandteil der materiellen Auflassungsform heute zumindest teilweise noch gedient werden kann.
75 Protokolle, III, S. 174.
Β. Der Zweck des § 925 I BGB als elementares Auslegungskriterium
125
1. Warnfunktion
a) Das Bedürfnis nach der Warnfunktion
mit Blick auf den Veräußerer
Der historische Gesetzgeber verfolgte mit § 925 I BGB eine Warnfunktion. Die Parteien sollten vor übereilten Verfügungen über Grundeigentum geschützt werden, indem ihnen die Bedeutung ihrer Erklärungen dadurch deutlich vor Augen geführt wurde, daß sie vor dem offenen Grundbuch abzugeben waren und sich die Eintragung des Eigentumswechsels unmittelbar an die Erklärungsabgabe anschließen konnte. 76 Heute wird § 925 I BGB eine Warnfunktion von starken Stimmen abgesprochen.77 Dabei wird auf das der Auflassung zugrunde liegende Grundgeschäft verwiesen, das die Verpflichtung zur Auflassung begründet und deshalb Anknüpfungspunkt für die Warnung sein müsse, was mit § 313 S. 1 BGB auch geschehe.
aa) Die Erforderlichkeit der Warnfunktion wegen § 313 S. 2 BGB Damit wird ein Argument aufgenommen, das schon in den Beratungen der zweiten Kommission von den Gegnern eines jeden Formzwangs für die Auflassung vorgebracht worden war. Sie waren der Ansicht, daß von der Auflassung vor dem Grundbuchamt auch nicht der Vorteil zu erwarten sei, daß den Parteien eine Belehrung über die Zweckmäßigkeit ihrer Vereinbarung vom Grundbuchamt zuteil werden würde; denn eine solche Belehrung könnte vorzugsweise nur die obligatorischen Beziehungen der Parteien zum Gegenstande haben. Auf diese Beziehungen gehe der Grundbuchbeamte jedoch nicht ein und solle er auch nicht eingehen, abgesehen davon, daß eine Erörterung der Zweckmäßigkeitsfrage im wesentlichen unmöglich sei, wenn die Parteien die erforderlichen Erklärungen durch Vertreter abgeben.78 Diese Auffassung konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Ein Formzwang wurde für die Auflassung aus denselben Gründen für unverzichtbar gehalten wie für das obligatorische Grundgeschäft. Insbesondere wurde dabei auf den Zusammenhang verwiesen, daß die wirksame Eigentumsübertragung den mündlich geschlossenen obligatorischen Vertrag wirksam machen würde. 79 Dieser Zusammenhang zwischen dinglichem und obligatorischem Geschäft besteht auch heute noch. Ist die nach § 313 S. 1 BGB erforderliche Beurkundung des Grundgeschäfts nicht erfolgt oder unwirksam, besteht wegen der Formnichtigkeit des Vertrags (§ 125 S. 1 BGB) zunächst kein Anspruch auf und somit auch keine Verpflichtung zur Auflassung bzw. zur Übereignung des Grundeigentums. Dies gilt nach § 117 II BGB auch für das dissimulierte Geschäft bei einem sogenannten Schwarzkauf, 76 Siehe oben Teil 3 Β I 2 a).
77 Siehe oben Teil 1 Β II. 78 Protokolle, III, S. 172. 79 Protokolle, III, S. 174; siehe oben Teil 3 Β I 2 a).
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
während das von dem Notar beurkundete Geschäft nach § 117 I BGB nichtig ist. Erklärt der Veräußerer dennoch die Auflassung und erfolgt die Eintragung des Eigentumswechsels in das Grundbuch, wird der Formmangel des Grundgeschäfts gemäß § 313 S. 2 BGB geheilt und der Erwerb somit kondiktionsfest. 80 Voraussetzung für den Eintritt der Heilungswirkung ist die wirksame Erklärung der Auflassung.81 Nach der herrschenden Auslegung zu § 925 I BGB wird die Auflassung jedoch auch dann wirksam erklärt, wenn sie in einer Urkunde über das obligatorische Geschäft enthalten ist, die wegen eines Verstoßes gegen die zwingenden Erfordernisse des BeurkG nichtig ist. Denn zum einen bilden Grundgeschäft und Auflassung grundsätzlich kein einheitliches Rechtsgeschäft im Sinne von § 139 BGB 8 2 und zum anderen soll die Auflassung nach der herrschenden Auslegung zu ihrer Wirksamkeit keiner Beurkundung bedürfen. Welche Folgen sich daraus ergeben können, wird an einer an das von Weirich gebildete Fallbeispiel83 anknüpfenden Abwandlung deutlich. Trägt ein Grundbuchbeamter auf Antrag einer Partei am nächsten Morgen - unter Verstoß gegen die Ordnungsvorschriften der GBO - den Eigentums Wechsel in das Grundbuch ein, würde nach § 313 S. 2 BGB ein am Vorabend ebenfalls mündlich geschlossener Kaufvertrag wirksam werden und den Eigentumswechsel kondiktionsfest machen. Der BGH hatte 1983 in einem Fall über den Kondiktionsanspruch auf Rückübertragung von Grundeigentum zu entscheiden, den der Kläger darauf stützte, daß die vor dem Notar geschlossenen Übertragungsverträge nicht beurkundet worden seien. Der BGH verneinte den Anspruch mit Verweis darauf, daß die in den Verträgen erklärte Auflassung ohne Rücksicht auf die Art ihrer Beurkundung wirksam sei, und stellte zur Form des Grundgeschäfts fest, daß offen bleiben könne, ob sie nach § 313 S. 1 BGB der notariellen Beurkundung bedurft hätten, da die Vereinbarun80 Durch § 313 S. 2 BGB sollen somit die Auswirkungen des Abstraktionsprinzips gemildert werden, um auf diese Weise dem Interesse der Rechtsordnung an der Aufrechterhaltung abgeschlossener sachenrechtlicher Tatbestände und somit der Rechtssicherheit zu dienen, vgl. Staudinger/Wufka, BGB, § 313 Rn. 238; Pohlmann, Die Heilung formnichtiger Verpflichtungsgeschäfte durch Erfüllung, S. 81; Kanzleiter, DNotZ 1973, 519, 523 f.; MünchKommIKanzleiter, BGB, § 313 Rn. 72; Palandt/Heinrichs, BGB, § 313 Rn. 46; Jauernig/ Vollkommen BGB, § 313 Rn. 38; BGH NJW 1978, 1577; BGHZ 82, 398 (405). 81
Dies bezieht sich auch auf behördliche Genehmigungen, Palandt ! Heinrichs, BGB, §313 Rn. 47; zu den u.U. erforderlichen Genehmigungen vgl. Staudinger/Pfeifer, BGB, § 925 Rn. 102. 8 2 Vgl. nur Jauernig, BGB, § 139 Rn. 4; Palandt/Heinrichs, BGB, § 139 Rn. 7; BGH NJW 1978, 1577; NJW 1979, 1495 (1496). - Daß § 139 BGB selbst dann nicht zur Unwirksamkeit der Auflassung führt, wenn das gleichzeitig erklärte Grundgeschäft unwirksam ist, hat schon das RG entschieden (RGZ 104, 102 [103 f.]; 104, 296 [298 f.]). Hervorzuheben ist allerdings, daß in den vom RG entschiedenen Fällen die Nichtigkeit des beurkundeten Grundgeschäfts aus § 117 I BGB folgte und nicht aus § 125 BGB. Die mit dem simulierten Geschäft gleichzeitig erklärte Auflassung war stets wirksam beurkundet worden, weshalb diese Entscheidungen nicht als Beleg dafür angeführt werden können, daß auch in diesen Fällen auf eine wirksame Beurkundung der Auflassung verzichtet wurde. S3 Vgl. oben Teil 2 A.
Β. Der Zweck des § 925 I BGB als elementares Auslegungskriterium
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gen auch bei unzureichender Beurkundung nach § 313 S. 2 BGB gültig seien.84 Dies veranschaulicht, wie die Heilungsmöglichkeit des § 313 S. 2 BGB den Regelungszweck des § 313 S. 1 BGB zu unterlaufen droht, wenn der Zweck nicht im Rahmen der Auflassungserklärung wahrgenommen wird. 85 Schon in den Beratungen zum zweiten Entwurf wurde erkannt, daß mit der für das Grundgeschäft bestehenden Heilungsmöglichkeit die Erfüllung des Formzwecks gefährdet wird, und zugleich wurde die besondere Bedeutung betont, die der Auflassung in diesem Zusammenhang zufällt: „Zuzugeben sei, daß der Abs. 2 in vielen Fällen die Formvorschrift des Abs. 1 wesentlich abschwächen werde, insbesondere insoweit, als letztere dazu bestimmt sei, auf eine verständliche und vollständige Beurkundung des Vertrags hinzuwirken. ... Immerhin werde der Hauptzweck des Abs. 1, der Schutz vor Uebereilung, noch in ausreichendem Maße, wenigstens bezüglich der Frage, ob und zu welchem Preise gekauft werden solle, erreicht. Zwischen den formlosen Abschluß und das Gültigwerden des obligatorischen Vertrags schiebe sich die Auflassung ein; der Bauer werde nüchtern, er gewinne Frist zur Ueberlegung, zur Rücksprache mit der Frau usw." 86
Auch wenn die Veranschaulichung heute etwas unzeitgemäß erscheinen mag und ganz wesentlich von dem gesetzgeberischen Motiv bestimmt ist, gerade die ländliche Bevölkerung vor der übereilten Aufgabe ihres Grundbesitzes an Grundstücksspekulanten schützen zu wollen, 87 ändert sich doch nichts an der Berechtigung des Gedankens mit Blick auf die Konstruktion des § 313 BGB. Die Heilungsmöglichkeit des Grundgeschäfts nach § 313 S. 2 BGB verlangt die Verlagerung der Warnfunktion auf die Auflassung, um den Hauptzweck des § 313 S. 1 BGB nicht vollständig der Kondiktionsfestigkeit der Eigentumsübertragung zu opfern. Im Rahmen des § 925 BGB wird dieser Zusammenhang nur noch vereinzelt betont. So sieht M. Wolf den Grund für die Heilungsfolge des § 313 S. 2 BGB darin, daß die Auflassung mit der Eintragung eine Warn- und Beweissicherungsfunktion erfülle. 88 Nach Körte übernimmt die Auflassung sogar einen „notwendigen Teil zur Rechtfertigung der Heilung", da sich in der Auflassungsformalität ein gewisser Schutz verwirkliche. 89 Mehr Aufmerksamkeit kommt 84 BGH NJW 1983, 2933. 85 Zwar dürfte sich diese Gefahr durch Einfügung des § 925 a BGB erheblich verringert haben, da die Auflassung nunmehr nur noch entgegengenommen werden soll, wenn die nach § 313 S. 1 BGB erforderliche Urkunde vorliegt oder gleichzeitig errichtet wird. Dennoch geht selbst das Gesetz davon aus, daß § 925 a BGB unbeachtet bleiben kann oder Beurkundungsfehler des Grundgeschäfts übersehen werden können. Würde § 925 a BGB nämlich die Formwirksamkeit des Grundgeschäfts garantieren können, gäbe es kein Bedürfnis mehr für die Heilungsvorschrift des § 313 S. 2 BGB, die jedoch auch nach Einführung des § 925 a BGB beibehalten worden ist. Auch die Ausgestaltung des § 925 a BGB als Sollvorschrift spricht dafür, da man gerade im Fall seiner Nichtbeachtung die Auflassung und somit die Eigentumseintragung nicht unwirksam werden lassen will. 86 Protokolle, I, S. 463. 87 Heckschen, Die Formbedürftigkeit mittelbarer Grundstücksgeschäfte, S. 26. 88 M. Wolf, SachenR, Rn. 325.
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
dem Zusammenhang zwischen der formalisierten Auflassung und § 313 S. 2 BGB im Rahmen des § 313 BGB zu. 90 Larenz führt aus, daß der Zweck des § 313 S. 1 BGB im wesentlichen damit erreicht werde, daß die ebenfalls formbedürftige Auflassung vorgenommen werde. 91 Flume schreibt, daß im Falle des § 313 BGB die Heilung des Formmangels dadurch bedingt sei, daß die gleichgeartete Form der Auflassung erfüllt werde. 92 Rüthers / Stadler lehnen die Ausdehnung des § 313 S. 2 BGB auf andere Formzwänge als die des § 313 S. 1 BGB mit dem Argument ab, daß wegen § 925 BGB der Vollzug des Grundstückskaufs durch Auflassung noch einmal die notarielle Beurkundung bedinge und dies eine weitere Sicherung darstelle. 93 Schließlich hat auch der BGH betont, daß die Vorschrift des § 313 S. 2 BGB von der Annahme ausgehe, daß der Zweck der Form Vorschrift des § 313 S. 1 BGB, vor Eingehung übereilter Verpflichtungen zu schützen und ein wohlüberlegtes Handeln zu gewährleisten, durch die ebenfalls formbedürftige Auflassung erreicht werde. 94
bb) Die Erforderlichkeit der Warnfunktion wegen der Abstraktheit der Eigentumsübertragung Unabhängig von der Vorschrift des § 313 S. 2 BGB, die eine Verbindung zwischen Grund- und Erfüllungsgeschäft herstellt, hat der Gesetzgeber schon mit Blick auf die Abstraktheit des dinglichen Geschäfts eine Warnfunktion für erforderlich gehalten.95 Nach dem Abstraktionsprinzip ist die Wirksamkeit des dinglichen Erfüllungsgeschäfts allein von dessen Voraussetzungen abhängig; Mängel des obligatorischen Grundgeschäfts haben auf sie keinen Einfluß. 96 Für den Fall der Eigentumsübertragung an einem Grundstück bedeutet dies, daß nach wirksam erklärter Auflassung und Eintragung in das Grundbuch der Eigentumswechsel vollzogen ist. Dies gilt auch dann, wenn der zugrunde liegende Kaufvertrag wegen eines Einigungsmangels unwirksam ist und daher keine Verpflichtung zur Eigentumsübertragung bestanden hat. Sollte der Kaufvertrag nach dem Eigentumsübergang erfolgreich angefochten werden oder macht der Käufer von einem Rücktrittsrecht Gebrauch, ändert auch dies nichts an der Wirksamkeit der Verfügung über 89
Körte, Handbuch der Beurkundung von Grundstücksgeschäften, Kapitel 11, Rn. 17. Auf den bloßen Umstand der Formalisierung der Auflassung verweisen in diesem Zusammenhang Kanzleiter, DNotZ 1973, 519 (523); Soergel/ Wolf, BGB, § 313 Rn. 95; Winkler, NJW 1971, 1166(1167). 9 1 Larenz, SchuldR I, § 5 (S. 73). 9 2 Flume, AT II, § 15 III 3 b (S. 269). 9 3 Rüthers/Stadler, AT, § 24 Rn. 26. 90
9 * RGZ 9 5 9 6
BGHZ 32, 11 (13) = NJW 1960, 525 (526); BGH NJW 1978, 1577; vgl. auch schon 82, 413 (415 f.). Siehe oben Teil 3 Β I 2 a). Siehe oben Teil 1 A I.
Β. Der Zweck des § 925 I BGB als elementares Auslegungskriterium
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das Grundstückseigentum. Daraus erwächst eine besondere Gefahr für den Veräußerer des Grundstücks, denn als Eigentümer kann der Erwerber mit dem Grundstück „nach Belieben" verfahren (§ 903 S. 1 BGB). Insbesondere kann er das Eigentum an einen Dritten übertragen oder es mit einem Recht belasten. Darüber hinaus kann das Grundstück im Wege der Zwangsvollstreckung durch die Eintragung einer Zwangshypothek zur Sicherung einer gegen den neuen Eigentümer gerichteten Forderung belastet werden (§§ 866 ff. ZPO). Für den in diesem Falle kondizierenden oder nach den §§ 346 ff. BGB vorgehenden Veräußerer bedeutet dies jedoch, daß er sein Grundstückseigentum gar nicht oder nur belastet zurückbekommen kann. 97 Diese aus der Abstraktheit des dinglichen Geschäfts resultierende Gefahr war für den historischen Gesetzgeber ein gewichtiger Grund, eine Warnfunktion auch im Zusammenhang mit der Verfügung über das Grundeigentum für erforderlich zu halten. In erster Linie zum Schutz des Veräußerers wurde durch den Formzwang bei der Auflassung somit eine weitere Hürde auf dem Weg zur Grundstücksveräußerung aufgestellt, um ihm Gelegenheit zu geben, sich darüber klarzuwerden, ob eine wirksame Verpflichtung zur Eigentumsübertragung überhaupt besteht bzw. ob er sie durch Ausübung eines Gestaltungsrechts noch vor Erklärung der Auflassung beseitigen kann. Die zusätzliche Anordnung des Formzwangs auf der dinglichen Erfüllungsebene parallel zu dem Formzwang für das obligatorische Grundgeschäft ist somit Ausdruck der besonderen wirtschaftlich und sozialen Bedeutung des Grundstückseigentums, wie sie bereits am Ende des letzten Jahrhunderts in den Motiven beschrieben wurde. 98 Die Bedeutung des Grundeigentums hat sich seit Inkrafttreten des BGB nicht in der Weise verändert, daß die aus der Abstraktheit des Verfügungsgeschäfts resultierenden Gefahren für das Grundeigentum heute wesentlich anders zu beurteilen wären. 99 Auch heute noch bildet das Grundeigentum den wesentlichen Teil des Volksvermögens und dient somit dem Einzelnen als Baustein bei der Vermögensbildung und als Sicherungsmittel bei der Kreditaufnahme. 100 M. Wolf gelangt sogar zu der Einschätzung, daß sich die Bedeutung des Grundstücks als Lebens- und Wirtschaftsfaktor in einem zunehmend verdichteten Lebensraum, in dem die Nutzungsbefugnisse vom Eigentümer nicht mehr beliebig ausgeübt werden können, eher noch erhöht habe. 101 Die Bedeutung des Grundeigentums liefert somit auch hundert Jahre nach Inkrafttreten des BGB die Rechtfertigung dafür, die Grundstücksveräußerung im Gegensatz zu anderen Vermögensübertragungen von erheblichem Wert einem Formzwang zu unterwerfen. 102 Aus diesem Grund ist es auch gerechtfertigt und geboten, nicht nur im Rah97 Nach Ansicht des BGH besteht keine Pflicht des Bereicherungsschuldners zur Beseitigung der Belastung; er schuldet vielmehr Wertersatz (BGHZ 112, 376 [380 f.]). In der Literatur ist die Frage umstritten, vgl. Canaris, NJW 1991, 2513 ff.; Gursky, JR 1992, 95 ff. 98 Siehe oben Teil 3 Β I 2 a). 99 Ausführlich zur sozialen Bedeutung des Grundeigentums Heckschen, Die Formbedürftigkeit mittelbarer Grundstücksgeschäfte, S. 33 f.
100 Vgl. Weirich, GrundstücksR, Rn. 1 f. ιοί M. Wolf, DNotZ 1995, 179 (180). 9 Pajunk
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
men des Verpflichtungsgeschäfts, sondern auch auf der dinglichen Ebene der Eigentumsübertragung vor den aus der Abstraktheit des Verfügungsgeschäfts resultierenden Gefahren zu warnen.
cc) Die Verteidigung der Warnfunktion gegen ihre Kritiker Im Schrifttum zu § 925 I BGB wird die Warnfunktion als Normzweck zunehmend in Frage gestellt. 103 Unter den Stimmen, die eine Warnfunktion des § 925 I BGB grundsätzlich bestreiten, findet er Erwähnung bei Einsele. Sie ist der Ansicht, daß eine Warnfunktion nur „als Ausnahme" für den Fall in Betracht komme, in dem die Auflassung mit der Eintragung ins Grundbuch nach § 313 S. 2 BGB zur Heilung des Grundgeschäfts führe; für den „Regelfall" könne die Annahme einer Warnfunktion den Formzwang des § 925 I BGB jedoch nicht rechtfertigen. 104 (1) Die Gebotenheit der Warnfunktion
bei jeder Auflassungserklärung
Der Ansicht Einseies sowie der übrigen Autoren, die eine Warnfunktion des § 925 I BGB mit Verweis auf § 313 S. 1 BGB bestreiten, kann nicht gefolgt werden. Die Vorstellung, § 925 I BGB komme nur dann eine Warnfunktion zu, wenn das Grundgeschäft nicht dem § 313 S. 1 BGB genügt, vermag nicht zu überzeugen. Zunächst kann nicht unterstellt werden, daß sich die Parteien im Augenblick der Auflassung darüber im klaren sind, ob sie das Grundgeschäft formwirksam geschlossen haben oder nicht. Deshalb müssen sie gerade für den ungewissen Fall darauf hingewiesen werden, daß sie mit der Auflassung und der sich anschließenden Eintragung unter Umständen die Heilung des Grundgeschäfts bewirken und somit die Leistung auch für den Fall kondiktionfest werden lassen, in dem sie überhaupt nicht zur Abgabe der Auflassungserklärung verpflichtet sind. Ob die Warnung im konkreten Fall erforderlich ist oder nicht, kann nicht entscheidend sein, denn oftmals wird sich erst ex post herausstellen, ob es sich um einen Fall der Heilung des Grundgeschäfts nach § 313 S. 2 BGB handelt, wenn etwa eine Partei die Rückgängigmachung des Geschäfts verlangt. Mit Blick auf § 313 S. 2 BGB besteht somit bei jeder Auflassung ein Warnbedürfnis der Parteien, so wie auch niemand 102 Dazu Heckschen, Die Formbedürftigkeit mittelbarer Grundstücksgeschäfte, S. 32 f. MünchKomm / Kanzleiter, BGB, § 313 Rn. 1, folgert die Sonderstellung der Grundstücksübereignung daraus, daß am Grundstücksverkehr typischerweise jedermann und somit auch geschäftlich wenig Gewandte beteiligt seien, während an Verkehrsgeschäften über andere wichtige Vermögensgegenstände wie ζ. B. Wertpapiere und Unternehmensbeteiligungen typischerweise geschäftlich Gewandte beteiligt seien, was angesichts der gegenwärtigen und zukünftigen Entwicklung am Aktienmarkt zweifelhaft ist und für sich betrachtet die Formalisierung der Grundstücksgeschäfte nicht zu rechtfertigen vermag. 103 Siehe oben Teil 1 Β II. 104 Einsele, DNotZ 1996, 835 (852).
Β. Der Zweck des § 925 I BGB als elementares Auslegungskriterium
131
ernsthaft behaupten kann, daß § 313 S. 1 BGB nur in den Fällen eines „ungünstigen" Geschäfts eine Warnfunktion zukomme, sie in den übrigen Fällen jedoch zu verneinen sei. (2) Das Argument der mangelnden Effektivität
der Warnfunktion
Gegen die Warnfunktion der Auflassung wird ferner eingewendet, daß sie von dem die Auflassung entgegennehmenden Notar ohnehin nicht effektiv wahrgenommen werden könne. So meint Kanzleiter, daß der Schutzzweck bei der Auflassung ganz im Hintergrund stehe. Denn die eventuelle Heilung nicht beurkundeter Vereinbarungen nach § 313 S. 2 BGB, über die eine Belehrung sinnvoll sein könnte, sei nur Nebenfolge der Auflassung, und ferner sei dem Notar die geheilte Vereinbarung in aller Regel unbekannt, so daß er zu einer konkreten Belehrung nicht in der Lage wäre. 105 Früher noch hatte Kanzleiter der Auflassung in diesem Zusammenhang eine größere Bedeutung beigemessen, indem er als Grund für die Heilungswirkung des § 313 S. 2 BGB gerade darauf verwies, daß die Auflassung die Beteiligten nochmals zum Notar führe und sie auf die Bedeutung des Geschäfts hinweise. 106 Der BGH erkannte im Jahre 1978 ebenfalls den von der Auflassung wahrgenommenen Übereilungsschutz in den Fällen des § 313 S. 2 , 1 0 7 stellte jedoch dazu mit Verweis auf die Argumentation Kanzleiters fest, daß dieser Gedanke im Zuge der Rechtsentwicklung an Bedeutung und Tragfähigkeit verloren habe. Der Schutz vor Übereilung und mangelnder Beratung werde weiter dadurch eingeschränkt, daß die Heilung nach § 313 S. 2 BGB auch dann eintrete, wenn die Auflassung zugleich mit der unrichtig oder unvollständig beurkundeten schuldrechtlichen Abrede erklärt und protokolliert werde. 108 Auch wenn der die Auflassung entgegennehmende Notar die Parteien nicht vollständig über die Auswirkungen des Grundgeschäfts belehren kann, bedeutet dies nicht, daß er die mit § 313 S. 1 BGB bezweckte Schutz- und Belehrungsfunktion überhaupt nicht wahrnehmen könnte. 109 Der Zweck des § 313 S. 1 BGB erschöpft 105 Kanzleiter, DNotZ 1994, 275 (283). So auch Hoffmann, Das Recht des Grundstückskaufs, S. 127. 106 Kanzleiter, DNotZ 1973, 519 (523). Auch in diesem Zusammenhang wies Kanzleiter bereits darauf hin, daß der Notar wegen seiner regelmäßigen Unkenntnis über die tatsächlichen Vereinbarungen der Parteien dem Zweck des § 313 I BGB bei der Beurkundung der Auflassung nicht genügen könne. io? BGH NJW 1978, 1577. 108 BGH NJW 1978, 1577. 109 Eine ganz andere Frage ist indessen, ob die Heilungsvorschrift des § 313 S. 2 BGB dogmatisch allein dadurch zu erklären ist, daß die Formzwecke des § 313 S. 1 BGB durch Erfüllung des Grundgeschäfts erreicht und damit erledigt seien (vgl. Häsemeyer, Die gesetzliche Form der Rechtsgeschäfte, S. 101 ff.; Pohlmann, Die Heilung formnichtiger Verpflichtungsgeschäfte durch Erfüllung, S. 51 ff.). Nach Pohlmann, S. 78 ff. (81) hat der Gesetzgeber bei Einführung des § 313 S. 2 BGB in Kauf genommen, daß die Formzwecke des § 313 S. 1 BGB nicht in dem ursprünglich vorgesehenen Umfang verwirklicht wurden. Er habe dies 9*
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
sich nämlich auch nach der Ausweitung des Formzwangs auf Erwerbsverpflichtungen im Jahre 1973 110 nicht auf die Warnung der Parteien vor einem Geschäft zu unangemessenen Bedingungen. Nach wie vor soll der Veräußerer durch § 313 S. 1 BGB in erster Linie vor der unüberlegten und übereilten Veräußerung selbst geschützt werden, womit das Gesetz der sozialen Bedeutung des Grundeigentums entspricht. 111 Die Warnung vor dem Eigentumsverlust als solchem ist dem Notar jedoch auch in Unkenntnis der schuldrechtlichen Vereinbarungen möglich. Ferner kann er die Parteien über die Belastungen und die üblichen Rechtsverhältnisse an dem Grundstück aufklären sowie den Parteien die sich aus der Bedingungsfeindlichkeit der Auflassung ergebenden Gefahren verdeutlichen. 112 Für den Fall der Veräußerung durch einen Nichtberechtigten hat der BGH eine spezielle Belehrungspflicht über das Erfordernis einer Genehmigung des Berechtigten und die Folgen bei Versagung der Genehmigung angenommen, für die es auch nicht auf den Inhalt des Grundgeschäfts ankommt. 113 Schließlich kann die Belehrung darüber, daß gerade mit der Auflassung der erste Schritt zum Eigentumsverlust erfolgt, den Parteien die Bedeutung des Geschäfts deutlich vor Augen führen, was mit Blick auf § 313 S. 2 BGB auch zum Überdenken eines bis dahin vor dem Notar verschwiegenen Grundgeschäfts führen mag. Die Warnfunktion hat somit bei der Auflassung ihre eigene Berechtigung gerade mit Blick auf den Schutzzweck des § 313 S. 1 BGB nicht verloren. Dagegen spricht auch nicht der Einwand des BGH, daß sich im Falle der Zusammenbeurkundung von Verpflichtungsgeschäft und Auflassung eine speziell mit der Auflassungsform verfolgte Warnfunktion nur eingeschränkt entfalten könne. Der Einwand ist überhaupt nur in den Fällen berechtigt, in denen eine gleichzeitige Beurkundung von Grundgeschäft und Auflassung erfolgt. Aber selbst in diesen Fällen stellt die Auflassung den ersten Schritt zum Eigentumsübergang dar, und es ist gerade der Notar, der die Parteien auf die herausragende Bedeutung der Auflassung hinweisen kann. Wird von ihm betont, daß mit der Auflassung der erste Schritt der eigentlichen Eigentumsübertragung stattfindet, wird den Parteien die Wichtigkeit ihres Handelns vor Augen geführt und der Warnfunktion effektiv gedient. 114 getan, weil er die Rechtssicherheit im Grundstücksverkehr und das Vertrauen des Rechtsverkehrs in den Bestand dinglich abgewickelter Grundstücksveräußerungen für wichtiger gehalten habe als die vollständige Erreichung der mit § 313 S. 1 BGB verfolgten Formzwecke. 110 Art. 1 Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze, vom 30. Mai 1973, BGBl. I, 501. m Hagen, DNotZ 1984, 267 (268); Heckschen, Die Formbedürftigkeit mittelbarer Grundstücksgeschäfte, S. 32 ff.; Köbl, DNotZ 1983, 598 (599); Erman/Battes, BGB, § 313 Rn. 1; MünchKomm / Kanzleiter, BGB, § 313 Rn. 2; Palandt/Heinrichs, BGB, § 313 Rn. 2; Soergel/Wolf, BGB, § 313 Rn. 2; Staudinger/Wufka, BGB, § 313 Rn. 1 f.; BGH NJW 2000, 3127 (3128); 1994, 3346 (3347); 1978, 1577; 1974,271 OLG Düsseldorf, NJW 1998,2225 (2227). 112 Vgl. zur Warnfunktion unter diesem Aspekt Staudinger ! Pfeifer, BGB, § 925 Rn. 75. Π3 BGH DB 1996,2333. 114
Keim, Das notarielle Beurkundungsverfahren, S. 170 f., schlägt dazu vor, den Parteien die Auflassung dadurch zu erläutern, daß es sich bei ihr um eine „ganz formelle Erklärung"
Β. Der Zweck des § 925 I BGB als elementares Auslegungskriterium
b) Die Berechtigung der Warnfunktion
133
auch hinsichtlich des Erwerbers
Neben dem Veräußerer ist auch der Erwerber eines Grundstücks schutzbedürftig, denn auch der Erwerb eines Grundstücks kann mit erheblichen Belastungen verbunden sein. 115 Der Gesetzgeber hat darauf reagiert, indem er den Formzwang des § 313 S. 1 BGB im Jahre 1973 auf die Erwerbsverpflichtung erstreckt hat. 116 Zwar beabsichtigte der Gesetzgeber hierbei in erster Linie den Schutz des Erwerbers vor benachteiligenden, bedenklichen und unredlichen Vertragsklauseln, worin auch heute hinsichtlich des Erwerberschutzes der Hauptzweck des § 313 S. 1 BGB gesehen wird; gleichwohl wird mit geringerem Gewicht auch hinsichtlich des Erwerbers der Schutz vor dem unüberlegten Erwerb als Normzweck genannt.117 Ohne auf Einzelheiten einzugehen, ist daher auch mit Blick auf die Interessenlage des Erwerbers von der Berechtigung einer Warnfunktion der Auflassungsform auszugehen. Gemäß § 313 S. 2 BGB wird nämlich im Falle der Formnichtigkeit des Grundgeschäfts auch die Verpflichtung zur Abnahme des Grundstücks und zur Zahlung der Gegenleistung wirksam, obwohl sie zum Zeitpunkt der Auflassung noch nicht besteht und der Erwerber daher noch die Möglichkeit hat, sich nicht auf das Geschäft einzulassen. So hat der BGH eine Belehrungspflicht eines Notars angenommen, der zwischen der Beurkundung des Kaufvertrags über ein „Hausgrundstück" und der Entgegennahme der Auflassung den Hinweis erhielt, daß es sich um ein Wochenendhaus handelte, das eine dauernde Wohnnutzung nicht zuließ. Nach Ansicht des BGH betrafen diese Kenntnisse unmittelbar die noch zu beurkundende Auflassung, weil von dieser Erkenntnis abhing, ob die Käufer an dem Kauf festhalten oder ihn durch Anfechtung zu Fall bringen würden. 118
2. Übereinstimmungsfunktion/Kenntnis des Grundbuchstands
Eine der historischen Regelungsabsichten, die in den Beratungen zum BGB den Ausschlag für die grundbuchamtliche Auflassungsform gab, zielte darauf ab, die Erklärung von Auflassungen zu verhindern, die nicht in Einklang mit dem Grundbuch stehen und daher vom Grundbuchamt zurückzuweisen wären. Darüber hinaus sollte dem Erwerber ermöglicht werden, die Belastungen des Grundstücks vollständig zu erfahren. 119 Auch heute besteht ein Interesse daran, daß Auflassungen handele, die unbedingt notwendig sei, damit das Eigentum übergehen könne und sie daher wie ein „juristischer Zauberspruch" sei. - Diese Formulierung bringt jedoch die Gefahr mit sich, daß den Parteien die materiellen Folgen ihres Handelns nicht hinreichend bewußt werden. 115 Heckschen, Die Formbedürftigkeit mittelbarer Grundstücksgeschäfte, S. 35. Π6 Siehe oben Teil 3, Fn. 110. 117 Heckschen, Die Formbedürftigkeit mittelbarer Grundstücksgeschäfte, S. 35; MünchKomm I Kanzleiter, BGB, § 313 Rn. 2; vgl. auch die Nachw. in Teil 3, Fn. 111. ne BGH NJW 1995, 2713 (2714).
119 Siehe oben Teil 3 Β I 2 b).
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
nur in Übereinstimmung mit dem Grundbuchinhalt erklärt werden und die Parteien Kenntnis vom Grundbuchinhalt haben. Dies gilt in erster Linie für die schutzwürdigen Interessen des Erwerbers, der im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Auflassung und die Antragstellung beim Grundbuchamt die Gegenleistung erbringen könnte, ohne im Ergebnis das Eigentum zu erlangen, da seinem Eigentumserwerb Eintragungshindernisse entgegenstehen. Ähnlich wäre die Lage im Fall einer vom Veräußerer verschwiegenen Belastung des Grundstücks, die dem Käufer ein Anfechtungsrecht geben könnte. Das Gesetz berücksichtigt das Interesse der Parteien an der Kenntnis des Grundbuchinhalts in § 21 IS. 1 BeurkG. Dem Notar wird die Pflicht auferlegt, sich bei Geschäften, die im Grundbuch eingetragene oder einzutragende Rechte zum Gegenstand haben, vom Grundbuchstand zu unterrichten. Insbesondere soll er ohne vorherige Erkundigung nur dann eine Beurkundung vornehmen, wenn die Beteiligten trotz Belehrung über die damit verbundenen Gefahren auf einer sofortigen Beurkundung bestehen (§ 21 I S. 2 BeurkG). Dies zeigt, daß der ursprünglich auch dem § 925 I BGB zugeschriebene Regelungszweck seine inhaltliche Berechtigung auch nach dem Willen des Gesetzes nicht eingebüßt hat.
3. Klarstellungsfunktion
In den Beratungen zum BGB ist der Klarstellungsfunktion bei der Auflassungsform insoweit eine besondere Bedeutung beigemessen worden, als man es wegen der Wichtigkeit und Bedeutung der Auflassung für geboten hielt, den allgemeinen Zwecken der öffentlichen Form zu ihrer bestmöglichen Verwirklichung zu verhelfen. 1 2 0 Die Klarstellungsfunktion hat ihre Berechtigung als ein mit der materiellen Auflassungsform verfolgter Zweck nicht verloren, denn auch heute noch stellt die Übertragung von Grundeigentum eines der bedeutsamsten Rechtsgeschäfte überhaupt dar. Wegen seiner weitreichenden Konsequenzen sowohl für den Veräußerer als auch für den Erwerber besteht unverändert ein besonderes Interesse an der Klarheit über Abschluß und Wirksamkeit („Abschlußklarheit") sowie über den Inhalt der auf die Eigentumsübertragung gerichteten Parteierklärungen („Inhaltsklarheit"). 121
4. Beweisfunktion
Wie die Klarstellungsfunktion sollte auch die Beweisfunktion wegen der besonderen Wichtigkeit der Auflassung in möglichst vollkommener Art und Weise verwirklicht werden. Wegen der unveränderten Bedeutung des Grundeigentums be120 Siehe oben Teil 3 Β 11, 2 e). 121 Zur Unterscheidung von Abschluß- und Inhaltsklarheit vgl. Heldrich, AcP 141 (1941), 89 (91).
Β. Der Zweck des § 925 I BGB als elementares Auslegungskriterium
135
steht auch heute ein besonderes Interesse an der Schaffung eines sicheren Nachweises über die erklärte Auflassung schon allein mit Blick auf mögliche Streitigkeiten zwischen den Parteien über die Wirksamkeit der Verfügung über das Grundeigentum. Die ursprünglich mit § 925 I BGB angestrebte allgemeine Beweisfunktion hat ihre Berechtigung somit nicht verloren. 1 2 2
5. Der Schutz vor rechtsvereitelnden Verfügungen des Veräußerers
Ein besonders hoher Stellenwert war bei der Entscheidung des historischen Gesetzgebers für die Form der grundbuchamtlichen Auflassung dem Schutz vor weiteren Verfügungen des Veräußerers zugekommen, die den Eigentumserwerb des Erwerbers vereiteln könnten. Diese Gefahr resultiert daraus, daß auch nach erklärter Auflassung das Grundstückseigentum seinem wesentlichen Umfang nach noch im Vermögen des Veräußerers bleibt, der das Grundstück nach wie vor veräußern und belasten kann. Auch insoweit ist auf die Möglichkeit der Eintragung einer Zwangshypothek zu verweisen. Noch in den Beratungen der Reichstagskommission wurde die im dritten Entwurf vorgesehene alleinige Zuständigkeit des Grundbuchamts zur Entgegennahme der Auflassung mit dem Argument verteidigt, daß der Erwerber stets der Möglichkeit einer Schädigung in der Zwischenzeit ausgesetzt sei, wenn die Auflassung vor einem anderen Gericht als dem Grundbuchamt oder einem Notar vorgenommen werde, wobei die Zeit bis zur Einreichung der Auflassungserklärungen bei dem Grundbuchamte erfahrungsmäßig eine ungebührlich lange sei. 123 An der beschriebenen Gefahr hat sich bis heute mit Blick auf die juristische Konstruktion nichts geändert. 124 Mit Rücksicht auf den technischen Fortschritt könnte man vermuten, daß sich der Zeitraum zwischen Auflassung und Antragstellung bzw. der Eintragung in das Grundbuch gegenüber den Verhältnissen um die Jahrhundertwende verkürzt hat. Für den Einzelfall erlaubt dies jedoch nicht den Schluß auf die tatsächliche Verkürzung der zwischen Erklärung der Auflassung und ihrer Einreichung beim Grundbuchamt verstreichenden Zeit. Denn aus verschiedenen Gründen ist eine Verlängerung des Zeitraums denkbar: So kann der Notar zum Schutz des Veräußerers, dem die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts wegen der Bedingungsfeindlichkeit der Auflassung (§ 925 II BGB) verwehrt ist, 122
Zur Unterscheidung des Beweissicherungszwecks von den Zwecken der Abschlußund Inhaltsklarheit vgl. Heldrick, AcP 147 (1941), 89 (91). ™ Mugdan, Materialien, III, S. 999; siehe oben Teil 3 Β I 2 c). 124 Dies zeigt anschaulich das von Jauernig, BGB, § 883 Rn. 1, gebildete Fallbeispiel: „E verkauft sein Grundstück an A und läßt es ihm auf. Vor Eintragung des A verkauft E es (für einen erheblich höheren Preis) an B, Auflassung und Eintragung folgen unmittelbar. Β ist unangreifbar Eigentümer geworden (außer bei Kollusion zwischen E und B, § 826 BGB); A kann daher nicht mehr Eigentümer werden (die Eintragung fehlt!); dem E ist die Erfüllung (§ 433 I BGB) subjektiv unmöglich geworden, A daher auf Schadensersatz verwiesen (§§ 440, 325 BGB)." - Als tatsächliches Beispiel vgl. BayOBLG Rpfleger 1983, 249.
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
angewiesen werden, vor der Bestätigung der Kaufpreiszahlung durch den Veräußerer keine Eintragungsunterlagen beim Grundbuchamt einzureichen, keinen Eintragungsantrag zu stellen und bis dahin auch keine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der Vertragsurkunde zu erteilen, welche die Erklärung der Auflassung wiedergibt (sogenannter „beurkundungsrechtlicher Weg"). 125 Ferner kann es dadurch zu einer Verzögerung der Einreichung der Auflassung beim Grundbuchamt kommen, daß es noch an Unbedenklichkeitsbescheinigungen des Finanzamts, der Negativbescheinigung wegen Bundesbaugesetz- und StädtebauförderungsgesetzVorkaufsrechten oder sonstigen behördlichen Genehmigungen fehlt. 126 Die Gefahr rechtsvereitelnder Verfügungen des Veräußerers nach erklärter Auflassung oder der Eintragung einer Zwangshypothek besteht somit auch noch heute. Aus dem Fehlen einer Verfügungsbeschränkung infolge der wirksam erklärten Auflassung wird der Erwerber daher heute allgemein auf die Eintragung einer Auflassungsvormerkung nach § 883 BGB als der allein zuverlässigen Sicherung des Eigentumserwerbs verwiesen. 127 Dies zeigt, daß ein Sicherungsbedürfnis zum Schutz vor Zwischenverfügungen des Veräußerers nach wie vor anerkannt wird. Nach der Rechtsprechung des BGH besteht insoweit sogar eine ausdrückliche Belehrungspflicht des Notars. 128
6. Sicherung der Erfüllung Zug um Zug
Durch die Erklärung der Auflassung vor dem Grundbuchamt war eine sichere Erfüllung Zug um Zug möglich, da der Veräußerer die Abgabe der Auflassungserklärung von der Zahlung des Kaufpreises abhängig machen konnte und umgekehrt der Erwerber absolute Sicherheit über den unmittelbaren Eintritt des Eigentumsübergangs im Anschluß an die Auflassung hatte. Auch heute besteht ein unverändertes Schutzbedürfnis der Parteien, ihre Leistung nur im Austausch mit der ihnen versprochenen Gegenleistung erbringen zu müssen. Um insbesondere dem Schutzbedürfnis des Veräußerers entsprechen zu können, wurden in der Praxis verschiedene Konstruktionen entwickelt, die den Eigentumsübergang von der Zahlung des Kaufpreises abhängig machen sollen, ohne dabei gegen das Verbot der Auflassungserklärung unter einer Bedingung (§ 925 II BGB) zu verstoßen. 129 Die Bemü125 OLG Köln, VersR 1997, 1510 (1511). 126 Vgl. dazu Bauer/von Oefele (Kössinger), GBO, § 20 Rn. 207 ff.; Meikel/Lichtenberger, GBO, § 20 Rn. 261 ff. 127 Vgl. nur Jauernig, BGB, § 925 Rn. 19. 128 BGH NJW 1989, 102 (103). Als Anknüpfungspunkt hat der BGH dabei auf die sich aus § 17 I S. 1 BeurkG ergebende Belehrungspflicht im Rahmen der Beurkundung des Kaufvertrags abgestellt. 129 Vgl. zum Überblick Erti, DNotZ 1975, 644 ff.; Staudinger/Pfeifer, BGB, § 925 Rn. 143 ff.; OLG Köln, VersR 1997, 1510 (1511) = MittRhNotK 1997, 328 mit Anm. Recker.
Β. Der Zweck des § 925 I BGB als elementares Auslegungskriterium
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hungen um die Konstruktion von Schutzmodellen belegen das unveränderte Interesse und Bedürfnis, den Parteien eine möglichst sichere Erfüllung zu ermöglichen. Es wird daher auch insoweit zu fragen sein, ob nicht die Auflassungsform auch vor dem Hintergrund der geänderten Rechtslage diesem Interesse dienen kann.
7. Zusammenfassung
Die ursprünglich mit der materiellen Auflassungsform verfolgten Funktionen haben in Ansehung der Parteiinteressen ihre Berechtigung heute nicht verloren. Dies gilt insbesondere für die heute vielfach bestrittene Warnfunktion der Auflassungsform. Mit Blick auf die Anordnung des Formzwangs in § 313 BGB und die in Satz 2 enthaltene Heilungsmöglichkeit erscheint eine möglichst weitgehende Warn- und Schutzfunktion im Zusammenhang mit der Auflassung für unverzichtbar. Darüber hinaus wird damit den Gefahren Rechnung getragen, die sich aus der abstrakten Wirksamkeit der Verfügung ergeben und mit Blick auf das Grundeigentum in seiner hervorgehobenen wirtschaftlichen und sozialen Bedeutung besonders schwerwiegende Auswirkungen haben können.
V. Der Schutz des Grundbuchs als Hauptzweck des § 925 I BGB? Nachdem gezeigt worden ist, daß der Gesetzgeber die ursprünglich mit der Auflassungsform verfolgten Regelungszwecke zumindest nicht bewußt aufgegeben hat und sie auch heute noch den Parteiinteressen entsprechen, soll das Augenmerk nunmehr dem nach gegenwärtiger Ansicht vorherrschenden Zweck des § 925 I BGB gelten. Danach dient § 925 I BGB in erster Linie dem Schutz des Grundbuchs vor Falscheintragungen (1). Auch wenn der Grundbuchschutz keine ursprüngliche Motivation bei der Schaffung des § 925 I BGB gewesen sein sollte, könnte der Vorschrift diese Aufgabe im Laufe der Zeit zugewachsen sein. 130 In Teil 2 der Untersuchung wurde gezeigt, daß gute Gründe für die Annahme sprechen, daß diese Zweckbeschreibung auf einer Anpassung des materiellen Rechts an den Regelungszweck des Grundbuchrechts beruht. 131 Um einer Vermischung der Zwecksetzungen von materiellem und formellem Recht vorzubeugen, soll zunächst gezeigt werden, wie der Schutz des Grundbuchs klassischerweise vom Grundbuchverfahrensrecht wahrgenommen wird (2). Daran anschließend soll untersucht werden, ob neben den Schutzvorkehrungen des Grundbuchverfahrensrechts auch dem materiellen Formerfordernis eine derartige Schutzfunktion zuzuschreiben ist (3). Dabei gilt es, die von der herrschenden Meinung angeführten Argumente für den Grundbuchschutz als originäre Aufgabe des § 925 I BGB auf den Prüfstand zu stellen. 130 Larenz, Methodenlehre, S. 322. 131 Siehe oben Teil 2 C.
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung 1. Die herrschende Ansicht zur Bedeutung des Grundbuchschutzes bei der Auflassungsform
Die überwiegende Auffassung sieht bei der Auflassungsform heute die öffentlichen Interessen an der Institution des Grundbuchs im Vordergrund. Als Hauptzweck des § 925 I BGB wird allgemein der Schutz des Grundbuchs vor einem Auseinanderfallen von Grundbuchstand und tatsächlicher Rechtslage genannt.132 Damit ein eingetragener Eigentumswechsel der materiellen Rechtslage entspricht, muß das Grundstück von den Parteien wirksam aufgelassen worden sein. Um die Wirksamkeit der Auflassungserklärung zu fördern und zu sichern, ist in der Tat an eine Formalisierung der Erklärung zu denken. Denn wie gesehen, wird mit den rechtsgeschäftlichen Formen allgemein eine Klarstellung verfolgt, die der sicheren Feststellung dienen soll, daß die Parteien ein bestimmtes Geschäft vorgenommen haben. Dadurch wirkt die Formalisierung gleichsam auf die vollständige Einigung zwischen den Parteien hin und dient damit der Gültigkeitsgewähr durch Vermeidung von Unwirksamkeitsgründen. 133 Damit sich die Klarstellungsfunktion im Rechtsverkehr effektiv verwirklichen kann, geht sie regelmäßig mit einer Beweisfunktion einher. Andernfalls könnte Zweifeln an der wirksamen Einigung und an ihrem Inhalt nicht begegnet werden, was gleichsam zu einem Leerlaufen der Klarstellungsfunktion führen würde. Daher werden Klarstellungs- und Beweisfunktion allgemein in einen engen Zusammenhang gebracht, 134 und auch in der Umschreibung des vermeintlichen Hauptzwecks der Auflassungsform werden von der herrschenden Ansicht beide Elemente erwähnt. So heißt es etwa bei Kanzleiter, daß die Form die Schaffung „einwandfreier und klarer Unterlagen für die Grundbucheintragung" gewährleisten solle. 135 Nach Kössinger soll § 925 BGB einerseits die Rechtsklarheit sicherstellen und andererseits eine gesicherte Grundlage für die Grundbucheintragung bieten. 136 Der vermeintliche Hauptzweck der Auflassungsform nimmt in der gegenwärtigen Auslegung des § 925 I BGB seine zentrale Stellung jedoch auch unter einem anderen Blickwinkel ein: Er liefert der herrschenden Ansicht zugleich das Hauptargument, das gegen die Annahme einer Beurkundung als materielles Formerfordernis angeführt wird. Da nämlich andernfalls Beurkundungsfehler zu einer Unwirksamkeit der Auflassung führen würden, könnte das Grundbuch in der Folge eines solchen Beurkundungsfehlers falsch werden und den angeblichen Hauptzweck des § 925 I BGB gefährden. Der von der herrschenden Meinung als Hauptzweck des § 925 I BGB angenommene Grundbuchschutz nimmt somit eine dop•32 Siehe oben Teil 1 Β II. 133 Vgl. Larenz/Wolf, AT, § 27 Rn. 9, mit Blick auf die Beurkundungsform. 134 Vgl. etwa Erman/Palm, BGB, § 125 Rn. 1; Hübner, AT, Rn. 853; Larenz/Wolf, AT, § 27 Rn. 5; Eylmann/Vaasen (Eylmann), BeurkG, Einl. Rn. 3; Keidel/Winkler, BeurkG, Einl. Rn. 19. 135 MünchKomm!Kanzleiter, BGB, § 925 Rn. 1. 136 Bauer/von Oefele (Kössinger), GBO, § 20 Rn. 9.
Β. Der Zweck des § 925 I BGB als elementares Auslegungskriterium
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pelte Funktion ein. Zum einen soll er gerade den Grund für die Formalisierung der Auflassung liefern, um mittels einer Klarstellungs- und Beweisfunktion die Grundbucheintragung auf eine sichere Grundlage zu stellen. Zum anderen kommt dem Hauptzweck eine begrenzende Funktion bei der technischen Ausgestaltung des Formzwangs zu, indem der Grundbuchschutz gerade gegen ein Beurkundungserfordernis angeführt wird, da es mit seiner Zielsetzung unvereinbar sein soll.
2. Der Schutz des Grundbuchs vor Abweichungen von der tatsächlichen Rechtslage nach der ursprünglichen Konstruktion des Gesetzes
Die Bedeutung des Grundbuchs und die Frage seines Schutzes ist schon früh erkannt worden und in die Beratungen zum BGB eingeflossen. Aufschlußreich sind insoweit die in die Motive aufgenommenen Vorbehalte für die Grundbuchordnung, die auf das Verhältnis von materiellem und formellem Recht eingehen. Dort heißt es, daß die „tief in das Verkehrsleben einschneidende Bedeutung", die die Eintragung in das Grundbuch für die Rechte an Grund und Boden nach dem Entwurf habe, nur zu rechtfertigen sei, „wenn das Gesetz die Gewähr dafür bietet, daß Eintragungen, welche das Recht eines Betheiligten verletzen, möglichst ausgeschlossen bleiben." 137 Dies solle nicht nur dadurch geleistet werden, daß die Buchführung öffentlichen Behörden bzw. Beamten übertragen werde, sondern daß sie zugleich unter den Schutz von Normen gestellt wird, welche die Befolgung der Vorschriften des materiellen Rechts sicherstellen. 138 a) Die Ρrotokollierungspflicht
des Grundbuchamts
Dazu wird zunächst die Bedeutung der ordnungsgemäßen Entgegennahme und Protokollierung der Erklärungen der an der Eintragung beteiligten Parteien für die Verläßlichkeit der Buchführung herausgestellt. Es bedürfe daher Vorschriften über das Verfahren und die Anforderungen an die von den Grundbuchämtern aufzunehmenden Protokolle. 139 Breiten Raum nehmen die Ausführungen zu der erforderlichen gesetzlichen Regelung des vor der Buchbehörde zu führenden Nachweises der Eintragungsbewilligung ein. 1 4 0 Dabei entschied man sich für ein duales System von der Erklärung der Eintragungsbewilligung zum Protokoll des Grundbuchamtes auf der einen Seite und der Eintragung auf Grund einer öffentlichen Urkunde auf der anderen, wobei eine gerichtlich oder notariell beglaubigte Erklärung für ausreichend gehalten wurde. 141 Zu erster wurde ausgeführt, daß sie allein die Erklärung 137 Motive, III, S. 176. 138 Motive, III, S. 176 f. 139 Motive, III, S. 177.
140 Motive, III, S. 177-182. 141
Motive, III, S. 180 f. zum Genügen der gerichtlichen oder notariellen Beglaubigung.
140
Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
vor dem offenen Grundbuch ermögliche und hierin der wirksamste Schutz gegen die mit dem zeitlichen Auseinanderfallen der Erfordernisse des Rechtsverkehrs verbundenen Gefahren zu finden sei. 142 Zur Notwendigkeit der Alternative wurde betont, daß sie nicht ausgeschlossen werden könne, da die Verweisung der Beteiligten an das Grundbuchamt in zahlreichen Fällen den Verkehr ganz außerordentlich belästigen und erschweren würde. 143 Sodann wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Vorschrift, die eine solche Formalisierung des Verfahrens in der einen (Protokoll des Grundbuchamts) oder anderen (öffentliche Urkunde) Weise anordne, in die Grundbuchordnung gehöre, da sie eben das Verfahren regele, welches die Buchbehörde zu beobachten habe, wenn von ihr eine Eintragung auf Grund der Bewilligung des leidenden Teils begehrt werde, gleichviel, ob die Bewilligung den Bestandteil eines dinglichen Vertrags bilde oder nicht. 144 Zur Bedeutung einer solchen Prozedurvorschrift für das materielle Recht heißt es dann, daß sie nicht die Tragweite habe, daß eine Eintragungsbewilligung, welche weder durch das Protokoll des Grundbuchamtes noch durch eine öffentlich beglaubigte Schrift beurkundet ist, nichtig und also die auf Grund einer mündlichen oder zwar schriftlichen, aber nicht beglaubigten Bewilligung vollzogene Eintragung wirkungslos wäre. Eine Formvorschrift in diesem Sinne müßte in hohem Grade bedenklich erscheinen, nachdem sich der Entwurf in seinem allgemeinen Teil für das Prinzip der Formfreiheit der Rechtsgeschäfte entschieden habe. Sie sei aber auch entbehrlich; denn ihr Zweck werde im wesentlichen erreicht, wenn in der GBO dem Grundbuchbeamten die Anweisung erteilt werde, Eintragungen auf Grund der Bewilligung des leidenden Teiles nur vorzunehmen, wenn dieselbe entweder zum Protokolle der Behörde erklärt oder öffentlich beglaubigt sei. Die Bürgschaft für die Befolgung dieser Anweisung liege in der den Buchbeamten obliegenden Pflicht, gesetzmäßig zu verfahren. " 1 4 5 Die Gesetzesverfasser hielten es mithin nicht für erforderlich, einen materiellen Formzwang anzuordnen, um die Eintragung in das Grundbuch auf eine sichere Grundlage zu stellen. Dies wird ausdrücklich auch hinsichtlich der Fälle betont, in denen die „Eintragungsbewilligung" einen Bestandteil des dinglichen Vertrages bilde, da in diesen Fällen schon durch die Vorschrift des § 828 III E I über die Bindung an die materielle Einigung dafür gesorgt werde, daß dieser Vertrag bzw. die Eintragungsbewilligung in der vorgeschriebenen Weise protokolliert oder anderweitig beglaubigt werde. 146 In dem später geschaffenen § 29 GBO wurde ge142
Motive, III, S. 177 f. Nähere Erläuterungen dazu, welche Gefahren hier gemeint sind, finden sich nicht. 143 Motive, III, S. 178. 1 44 Motive, III, S. 181. Da die Trennung von materiellem und formellem Grundstücksrecht noch nicht vollständig vollzogen war, unterschied man sprachlich nicht zwischen materieller Einigungserklärung und Eintragungsbewilligung. Erst die 2. Kommission ordnete den Begriff der Eintragungsbewilligung der Grundbuchordnung zu (vgl. Meikel/Böttcher, GBO, Einl. Rn. Β 5). Motive, III, S. 181.
Β. Der Zweck des § 925 I BGB als elementares Auslegungskriterium
141
mäß dem Vorbehalt in den Motiven für den Nachweis der Eintragungsbewilligung oder der sonstigen zu der Eintragung erforderlichen Erklärungen die Abgabe vor dem Grundbuchamt zu Protokoll oder durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden vorgesehen. Entsprechend hieß es in der Begründung, daß die Formalisierung gefordert werde, „um dem Grundbuchamt eine zuverlässige Grundlage für die Prüfung der Voraussetzungen einer Eintragung zu verschaffen". 147
b) Der Bewilligungsgrundsatz In den Vorbehalten für die Grundbuchordnung wurden die widerstreitenden Interessen bei der Formalisierung des Grundbuchverfahrens benannt: Das Verfahren in der Grundbuchordnung sei zwar so zu regeln, daß es dem Verkehr die nötige Rechtssicherheit verbürge, dieses Ziel finde andererseits eine gewisse Schranke an dem Bestreben des Verkehrs, sich frei zu bewegen und in der Erfüllung seiner Aufgaben nicht durch das Eingreifen von Behörden gehemmt zu werden. 148 Mit dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit verband man dabei in erster Linie nicht den abstrakten Schutz des Grundbuchs vor Abweichungen von der tatsächlichen Rechtslage. Im Vordergrund stand vielmehr die Überlegung, daß die im Grundbuch eingetragene Rechtsposition des Berechtigten nicht durch eine der materiellen Rechtslage widersprechende Eintragung beeinträchtigt werden soll. 1 4 9 Um dieser Gefahr begegnen zu können, hielt man es für ausreichend, nur die Eintragung von der Bewilligung des betroffenen Teils abhängig zu machen und keinen Nachweis der materiellen Einigung zu verlangen. Man erkannte hierin die zweckmäßige Lösung, um die Buchführung und den Verkehr zu erleichtern. Dabei nahm man bewußt in Kauf, daß die Grundbucheintragung keine Auskunft darüber geben kann, ob ein für die materielle Rechtsänderung erforderlicher Vertrag tatsächlich geschlossen wurde. Nach Ansicht der Kommission findet dieser Übelstand sein Gegengewicht in der Vermutung, welche nach § 826 E I für die Richtigkeit des Grundbuchinhalts streitet. 150 Im übrigen sei dies für die Beteiligten kaum von Belang, da Fälle, in welchen eine bewilligte Eintragung beantragt wird, ohne daß der Antragsteller der vertragsmäßigen Zustimmung des anderen Teils sicher ist, nicht gerade häufig sein 146
Damit wurde auf die dem heutigen § 873 II BGB entsprechende ΒindungsVorschrift verwiesen, die in ihrer Fassung des ersten Entwurfs (§ 828 III E I) die Bindung an die Einigung davon abhängig machte, daß der Vertrag entweder vor dem Grundbuchamt geschlossen oder dem Grundbuchamt zur Eintragung eingereicht wird oder die bewilligte Eintragung auf Antrag auch nur eines Teils erfolgt. - Der Verweis auf die Β indungs Vorschrift erweckt den Eindruck einer gewissen Unentschlossenheit, so als wolle man den Abschluß der Verträge einer materiellen Form zwar unterwerfen, sich jedoch dabei auf die Β indungs Vorschrift und das Interesse der Parteien, die Bindung eintreten zu lassen, verlassen. 147 GBO mit Materialien, Denkschrift, S. 45. i 4 « Motive, III, S. 176 f. ι 4 9 Motive, III, S. 176 f. 150 Vgl. § 891 BGB.
142
Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
werden. Jedenfalls könne sich niemand beschweren, wenn eine Eintragung, die er selbst gewollt hat, gegen ihn vollzogen wird. Dritte Personen schütze der öffentliche Glaube des Grundbuches. 151 Der Bewilligungsgrundsatz wurde schließlich in § 19 GBO verwirklicht, wobei in der Denkschrift zum Entwurf nochmals auf den tragenden Gedanken der Erleichterung des Grundbuchverkehrs - insbesondere die Vereinfachung der Buchführung - verwiesen wurde. 152 Der allgemeine Verzicht auf den Nachweis der materiellen Einigung ist somit zunächst ein Beleg dafür, daß es dem Gesetz jedenfalls im Grundsatz nicht auf die abstrakte Richtigkeit des Grundbuchs ankam, sondern auf den Schutz der eingetragenen Rechtsposition.
c) Die Ausnahmevorschrift
des § 20 GBO
Da man jedoch für den Fall der Eigentumsübertragung in § 20 GBO den Nachweis der Einigung anordnete, liegt der Schluß nahe, daß man für die Übertragung des Eigentums die Übereinstimmung von Grundbuch und materieller Rechtslage in besonderer Weise sichern wollte.
aa) Die Begründung des § 20 GBO in der Denkschrift zur GBO In der Denkschrift zur Grundbuchordnung wird die Ausnahmevorschrift damit begründet, daß die bloße Bewilligung desjenigen, dessen Recht von der Eintragung betroffen wird, nicht genüge, wenn die materielle Einigung an eine besondere Form geknüpft sei, womit man die Auflassung sowie die Begründung und Übertragung eines Erbbaurechts meinte. 153 Damit in diesen Fällen „die Beobachtung der Form gesichert bleibt", dürfe die Eintragung nur auf Grund der nachgewiesenen Einigung erfolgen. 154 Durch das Erfordernis, die materielle Einigung nachweisen zu müssen, sollte hiernach die Einhaltung des materiellen Formzwangs gesichert werden. Der Schutz des Grundbuchs vor Falscheintragungen findet hingegen auch in diesem Zusammenhang keine ausdrückliche Erwähnung. Vielmehr hört sich die Begründung so an, als komme es in Ansehung des materiellen Formzwangs nicht in erster Line auf die Verhinderung einer Formunwirksamkeit der Auflassung an, um auf diese Weise das Grundbuch zu schützen. Vielmehr ist der Begründung die Rücksichtnahme auf die Wertung des materiellen Rechts zu entnehmen, das sich aus welchen Gründen auch immer - für einen Formzwang entschieden hat, der nicht dadurch unterlaufen werden können soll, daß eine Eintragung nur auf der Grundlage einer einseitigen Bewilligungserklärung vorgenommen wird.
151 Motive, III, S. 186 f. 152 GBO mit Materialien, Denkschrift, S. 38 f. 153 Mit Verweis auf §§ 925, 1015, 1017 BGB sowie Art. 143 des Einführungsgesetzes. 154 GBO mit Materialien, Denkschrift, S. 39.
Β. Der Zweck des § 925 I BGB als elementares Auslegungskriterium
143
bb) Die Kritik Güthes an der amtlichen Begründung des § 20 GBO Schon früh wurde diese Begründung des § 20 GBO als unzutreffend kritisiert. Güthe verwies darauf, daß die Beobachtung der materiellen Form schon dadurch gesichert werde, daß eine nicht der Form des § 925 I BGB entsprechende Auflassung nach § 125 BGB nichtig sei und den Eigentumsübergang nicht bewirke. 155 Den zutreffenden Zweck des § 20 GBO wollte Güthe dem Kommissionsbericht zu § 21 des Entwurfs zur GBO entnehmen. Von einem Regierungsvertreter sei hervorgehoben worden, daß das Gesetz den Nachweis der Einigung mit Rücksicht darauf verlange, daß das Eigentum, abgesehen von der ihm an sich innewohnenden Bedeutung, nicht bloß Rechte gewähre, sondern auch Verpflichtungen öffentlichrechtlicher Natur, insbesondere in polizeilicher und steuerlicher Hinsicht, auferlege. 156 Zweck des § 20 GBO sei es daher, mit Rücksicht auf die Bedeutung des Eigentums für privatrechtliche und öffentlichrechtliche Verhältnisse einen Widerspruch zwischen Bucheigentum und wirklichem Eigentum zu verhindern, worin heute allgemein der Zweck des § 20 GBO gesehen wird. 1 5 7
cc) Die Unerheblichkeit der unterschiedlichen Zweckbeschreibungen mit Blick auf den Grundbuchschutz Der vermeintliche Unterschied zwischen den beiden Standpunkten relativiert sich jedoch, wenn man die Funktionsbeschreibung der Denkschrift unter dem Blickwinkel des Grundbuchschutzes betrachtet. Soll nach der Formulierung der Denkschrift mit § 20 GBO die Beobachtung der materiellen Form gesichert werden, so ist dies ohne Erklärung der Auflassung nicht denkbar, denn die Einhaltung der Form setzt die Erklärung der Auflassung voraus. Soll demnach durch § 20 GBO die Beobachtung der Form des § 925 I BGB gesichert werden, so bedeutet dies gleichsam die Verhinderung von formnichtigen Auflassungen und führt somit regelmäßig zu Eintragungen auf der Grundlage formwirksam erklärter Auflassungen. Dies wirkt im Ergebnis auch einem Auseinanderfallen von Buchlage und tatsächlicher Rechtslage entgegen und entspricht auf diese Weise genau der Zweckbeschreibung Güthes. Unter dem Gesichtspunkt des Grundbuchschutzes vor Falscheintragungen ist es somit unerheblich, ob der Zweck des § 20 GBO in der Wahrung des § 925 I BGB mit all seinen Formzwecken oder in der Sicherung der Übereinstimmung von Grundbuch und tatsächlicher Rechtslage gesehen wird. In jedem
155 Güthe, GBO, 2. Aufl. (1911), § 20 Rn. 2. 156 Vgl. auch GBO mit Materialien, Bericht der Kommission des Reichstages, S. 119 f. — Auf diese Stelle des Kommissionsberichts hatte schon das KG in einer Entscheidung vom 7. Juli 1902 (KGZ 25, A 98 [A 102]) verwiesen, um den Zweck des § 20 GBO zu benennen; an einer Auseinandersetzung mit der in der Denkschrift geäußerten Zweckbeschreibung fehlt es indessen. 157 Siehe oben Teil 1 D I 1.
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
Fall wirkt die Norm darauf hin, daß die Auflassung in der für sie nach dem materiellen Recht vorgeschriebenen Form erklärt wird, bevor die Eintragung vom Grundbuchamt vorgenommen werden kann. Dies verhindert zum einen formnichtige Auflassungen und führt zugleich - ob beabsichtigt oder nicht - zur Verwirklichung der mit dem materiellen Formzwang verfolgten Zwecke. Aus der Perspektive des § 20 GBO kommt es dabei mit Blick auf die Gefahr einer Grundbucheintragung ohne formwirksam erklärte Auflassung in erster Linie auf die Einhaltung des materiellen Formerfordernisses an, um die Rechtsfolge des § 125 S. 1 BGB zu verhindern. Soweit die materielle Form jedoch gerade der Herbeiführung einer wirksamen Einigung dienen soll, kommt die durch § 20 GBO gesicherte Verwirklichung dieses Zwecks dem Schutz des Grundbuchs darüber hinaus in einem aktiven Sinne zugute, als sie über die bloße Verhinderung der Formunwirksamkeit der Auflassung hinausreicht und anderen Nichtigkeitsgründen entgegenwirkt. 158 Auch unter diesem Gesichtspunkt liegen die verschiedenen Zweckbeschreibungen sehr nah zusammen, denn die Einhaltung der materiellen Form dient dann mittels einer mit ihr verfolgten Klarstellungsfunktion in besonderer Weise der Übereinstimmung von Buchlage und tatsächlicher Rechtslage.
dd) Ergebnis/Rückschlüsse auf das Verhältnis von § 925 I BGB zu § 20 GBO Die Vorschrift des § 20 GBO dient dem Grundbuchschutz, indem sie sicherstellt, daß Eintragungen nur erfolgen, wenn die Auflassung zuvor in einer den Anforderungen des materiellen Rechts genügenden Form erklärt wurde. Die unterschiedlichen Zweckbeschreibungen sind insoweit unerheblich und lösen sich darüber hinaus auf, wenn mit dem materiellen Formzwang gerade die Wirksamkeit der Auflassung gefördert werden soll (Klarstellungsfunktion), da dies mittelbar dem Grundbuchschutz zugute kommt. Die unterschiedlichen Formulierungen des Normzwecks können jedoch Aufschluß über das Verhältnis von § 20 GBO zu § 925 I BGB geben und somit für den Gegenstand dieser Untersuchung von besonderer Bedeutung sein. Die unterschiedlichen Zweckbeschreibungen mit „Schutz des Grundbuchs vor Falscheintragungen" einerseits und der „Beobachtung der Form des § 925 I BGB" andererseits machte nämlich dann keinen Sinn, wenn mit § 925 I BGB gerade der Schutz des Grundbuchs vor dem Auseinanderfallen von Buchlage und tatsächlicher Rechtslage verfolgt worden wäre, so wie es heute allgemein angenommen wird. Dann würde nämlich „die Einhaltung des materiellen Formzwangs" im Ergebnis nichts anderes bezwecken, als die Übereinstimmung von Grundbuch und tatsächlicher Rechtslage. Der von Güthe betonte Unterschied beider Ansichten wäre nur dann gegeben, wenn mit § 925 I BGB zumindest auch noch andere Zwecke verfolgt 158 Die bloße Einhaltung der Form zur Vermeidung der Formunwirksamkeit kann hingegen niemals Zweck eines materiellen Formerfordernisses sein; Formen sind insoweit kein Selbstzweck, sondern stets durch weitergehende Zwecke gerechtfertigt.
Β. Der Zweck des § 925 I BGB als elementares Auslegungskriterium
145
werden als das bloße Bewirken einer wirksamen Auflassung als Grundlage für die Grundbucheintragung, um auf diese Weise das Grundbuch vor Falscheintragungen zu schützen. Daß darüber hinausgehende Zwecke verfolgt werden, hat die bisherige Untersuchung gezeigt, indem sie veranschaulicht hat, daß der Grundbuchschutz in den Beratungen zu § 925 I BGB gerade keine Erwähnung fand. Der historische Gesetzgeber verfolgte bei der Anordnung des materiellen Formzwangs vielmehr solche Zwecke, die auf den Fall einer wirksam erklärten Auflassung ausgerichtet sind: Die Warnfunktion hielt man wegen der abstrakten Wirksamkeit der Verfügung und der daraus resultierenden Heilungsmöglichkeit des § 313 S. 2 BGB für erforderlich; die Form sollte Schutz vor rechtsvereitelnden Verfügungen des Veräußerers nach der wirksamen Auflassung geben und ferner sollte eine sichere Leistung Zug um Zug ermöglicht werden, die auch auf den Fall einer wirksam erklärten Auflassung ausgerichtet ist. Auch der Zweck, solche Auflassungen zu vermeiden, die nicht mit den Eintragungen im Grundbuch übereinstimmen, sollte nicht der Richtigkeit des Grundbuchs dienen, sondern die Parteien vor der Zurückweisung ihrer Anträge schützen. Die historischen Funktionen des § 925 I BGB waren somit nicht darauf angelegt, nur eine falsche Eintragung infolge einer nicht erklärten oder unwirksamen Auflassung zu verhindern. Sie sollten sich vielmehr im Rahmen einer wirksamen Auflassung und der sich an sie anschließenden Eintragung entfalten. Man könnte insoweit von weitergehenden Zwecken sprechen, um zum Ausdruck zu bringen, daß sie nicht nur auf die Herbeiführung einer wirksamen Auflassung ausgerichtet waren, sondern darüber hinausgehende Funktionen erfüllen sollten.
3. Wahrnehmung des Grundbuchschutzes durch § 9 2 5 1 BGB?
Nach der ursprünglichen Konzeption des Gesetzes wurde der Schutz des Grundbuchs somit in erster Linie durch § 20 GBO bewirkt. Ferner wurde gezeigt, daß der historische Gesetzgeber mit der Anordnung des materiellen Formzwangs vorrangig solche Ziele verfolgt hat, die sich im Rahmen einer wirksamen Auflassung verwirklichen sollten und sich in ihrer Zwecksetzung nicht auf die Herbeiführung einer wirksamen Auflassung beschränken lassen. Vor dem Hintergrund der ursprünglichen Konstruktion des Grundbuchschutzes und der Aufgabenverteilung zwischen materiellem und formellem Grundstücksrecht stellt sich daher die Frage, was aus Sicht der herrschenden Auslegung zu dem Funktionswechsel des § 925 I BGB mit der Folge geführt haben soll, daß nunmehr auch dem materiellen Formzwang der Schutz des Grundbuchs als Hauptzweck zuzuschreiben wäre.
a) Funktionsverlust
des § 20 GBO?
Kein Argument ist darin zu finden, daß § 925 I BGB heute eine Funktion übernehmen müsse, die von den §§ 20, 29 GBO konstruktiv nicht mehr erfüllt werden 10 Pajunk
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
könnte. Daß nach der Konstruktion des Gesetzes auch heute noch § 20 GBO die Schlüsselrolle beim Schutz des Grundbuchs vor Falscheintragungen zukommt, wird deutlich, wenn man einmal von der Annahme ausginge, daß es die Vorschrift nicht geben würde. Nach § 19 GBO wäre dann auch zur Eintragung des Eigentumswechsels eine Bewilligung des Berechtigten ausreichend, so daß es auf eine Erklärung der Auflassung nicht ankäme, um die Buchlage zu ändern und somit von der materiellen Eigentumslage abzuweichen. Ein mit dem materiellen Formzwang des § 925 I BGB verfolgter Schutz des Grundbuchs würde ohne § 20 GBO insoweit völlig leerlaufen. Daß es andererseits auf einen materiellen Formzwang zum Schutz des Grundbuchs gar nicht zwingend ankommt, wird deutlich, wenn man von der fiktiven Rechtslage ausgeht, daß für die Auflassung nach materiellem Recht keine Form vorgeschrieben ist und es bei dem Grundsatz der Formfreiheit des § 873 I BGB bleibt. Auch in dem Fall würde § 20 GBO seine Funktion entfalten und dem Grundbuchschutz dienen. Denn allein durch die Anordnung der verfahrensrechtlichen Nachweispflicht wird es erforderlich, die Auflassung vor der Eintragung zu erklären und dem Grundbuchamt als Eintragungsgrundlage in der Form des § 29 GBO nachzuweisen. Wegen dieses verfahrensrechtlichen Erfordernisses wird der Fall einer Eintragung ohne zuvor erklärte Auflassung höchst unwahrscheinlich, und darüber hinaus ergibt sich aus der Prüfungspflicht des Grundbuchamts auch eine - wenn auch nicht vollkommene - Gewähr dafür, daß die Auflassung wirksam erklärt wurde. 159 Dies bedeutet jedoch, daß dem Grundbuchschutz somit im wesentlichen auch ohne materiellen Formzwang für die Auflassung durch die Formalisierung des Eintragungsverfahrens durch die §§ 20,29 GBO genügt werden könnte.
b) Neue Bedürfnisse nach Grundbuchschutz als Folge der geänderten Fassung des § 9251 BGB? Dem Schutz des Grundbuchs könnte jedoch bereits auf der Stufe der materiellen Einigung eine gesteigerte Bedeutung vor dem Hintergrund der Änderungen des § 925 I BGB seit Inkrafttreten des BGB zukommen. Dabei ist zu unterscheiden: Zunächst ist fraglich, ob insbesondere durch die Abschaffung der Zuständigkeit des Grundbuchamts zur Entgegennahme der Auflassung eine höhere Gefahr für die Richtigkeit des Grundbuchs entstanden ist. Eine andere Frage ist hingegen, ob einer solchen Gefahr durch das Institut eines materiellen Formzwangs zu begegnen ist und der Klarstellungs- und Beweisfunktion - anders als in den Beratungen zum BGB - eine spezifische, auf den Grundbuchschutz ausgerichtete Bedeutung zuzuschreiben ist.
159
Zur Prüfungspflicht des Grundbuchamts siehe unten Teil 3 C III 1 b.
Β. Der Zweck des § 925 I BGB als elementares Auslegungskriterium
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aa) Gesteigerte Gefahr für die Richtigkeit des Grundbuchs? Nach der ursprünglichen Fassung des § 925 I BGB war die Auflassung vor dem Grundbuchamt zu erklären. Damit wurde die materielle Einigung vor der Stelle erklärt, der sie zum Zweck der Eintragung des Eigentumswechsels in das Grundbuch gemäß §§ 20, 29 GBO auch nachzuweisen war. In Abstimmung darauf sah § 29 GBO in seiner ursprünglichen Fassung neben dem Nachweis der zu der Eintragung erforderlichen Erklärungen durch Urkunden alternativ ihre Abgabe zu Protokoll des Grundbuchamts vor. Im vom Gesetz beabsichtigten Regelfall fielen die materielle Erklärung der Auflassung und die Eintragung des Eigentumswechsels in das Grundbuch somit zeitlich und örtlich zusammen. Die Erklärung der Auflassung selbst konnte daher die Grundlage für die Eintragung des Eigentumswechsels in das Grundbuch liefern. Dem vom Grundbuchamt nach § 29 GBO aufzunehmenden Auflassungsprotokoll kam insoweit nur eine gleichgeordnete Funktion zu, denn sie bildete nicht die alleinige Grundlage für die Eintragung. Die Unmittelbarkeit von Auflassungserklärung und Eintragung in das Grundbuch sollte somit auch ein hohes Maß an Schutz vor Übermittlungs- und Übertragungsfehlern des Auflassungsinhalts in das Grundbuch gewähren. 160 Die Möglichkeit der Auflassungserklärung vor dem Grundbuchamt besteht heute nicht mehr. Neben der Änderung des § 925 I BGB wurde auch in § 29 GBO die Möglichkeit einer Erklärung zu Protokoll des Grundbuchrichters abgeschafft, so daß mit Blick auf § 20 GBO nur noch die Alternative des Nachweises in Urkundsform geblieben ist. Auflassung und Eintragung in das Grundbuch fallen somit heute zeitlich und örtlich auseinander, wodurch sich der Weg von der Auflassung bis zur Eintragung in das Grundbuch verlängert und mit dem Notar zur Einschaltung einer weiteren Person führt. Während früher die materielle Erklärung der Parteien selbst neben der durch § 29 GBO vorgeschriebenen Protokollierung die Grundlage für die Eintragung des Eigentumswechsels in das Grundbuch bilden konnte, ist das Grundbuchamt dazu heute ausschließlich auf die eine von den Parteien einzureichende Urkunde angewiesen. Für die durch die §§ 20, 29 GBO geforderte Protokollierung bzw. Beurkundung der Auflassung bedeutet dies, daß sie mit Blick auf den verfahrensrechtlichen Nachweis ihre ursprünglich auf den grundbuchamtsinternen Gebrauch beschränkte Bedeutung verloren hat. Sie dient heute dem Nachweis der Auflassung gegenüber dem Grundbuchamt, das von der Auflassung bis dahin unwissend ist. Aus der Verlängerung des Weges zwischen der Erklärung der Auflassung und der Eintragung des Eigentumswechsels in das Grundbuch entsteht grundsätzlich ein höheres Risiko für die Übereinstimmung des Auflassungsinhalts und der Eintragung im Grundbuch. Denn mit einem längeren Weg und der Aufgabe der Unmittelbarkeit von Auflassung und Eintragung werden mehr Fehlerquellen für die !60 Kritisch zu der unmittelbaren Eintragungsfolge mit Blick auf die nach § 24 Grunderwerbssteuergesetz erforderliche Bescheinigung des Finanzamts schon im Jahre 1930 Scholz, Die Auflassung vor dem Notar, S. 8. 10*
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
Übermittlung des Parteiwillens denkbar. Im Ergebnis heißt dies, daß ein abstrakt höheres Risiko für die Übereinstimmung von Grundbuchstand und materieller Rechtslage daraus resultiert, daß die Auflassung nicht vor dem Grundbuchamt erklärt werden kann und materielle Einigung und Eintragung auseinanderfallen.
bb) Konsequenzen für den Zweck des § 925 BGB Auch wenn sich durch die Verlagerung der Auflassung vor den Notar eine abstrakt größere Gefahr für die Richtigkeit des Grundbuchs denken läßt, ist davon nicht automatisch auf einen Funktionswandel des materiellen Formzwangs mit der Folge zu schließen, daß ihm der Schutz des Grundbuchs nunmehr als Hauptzweck zufällt. Dies gilt selbst unter der Annahme, daß dem gesteigerten Risiko nur durch eine Formalisierung des Verfahrens in der Weise begegnet werden kann, daß die vor dem Notar erklärte Auflassung dem Grundbuchamt in urkundlicher Form nachgewiesen und so eine sichere Grundlage für die Eintragung geschaffen wird. Über die Gebotenheit einer solchen Eintragungsgrundlage besteht weitgehende Einigkeit, und dies bedeutet, daß dem urkundlichen Nachweis der Auflassung durch ihre Verlagerung vor den Notar eine größere Bedeutung zugewachsen ist. Gerade ein solches Nachweiserfordernis wird jedoch nach ganz herrschender Ansicht schon durch die §§ 20, 29 GBO angeordnet. Mit Blick auf das Ziel, die Auflassung dem Grundbuchamt in urkundlicher Form nachzuweisen, ist es gleichgültig, ob sich der Beurkundungszwang aus dem materiellen oder dem formellen Grundstücksrecht ergibt. Daher kann von dem gesteigerten Risiko für die Richtigkeit der Grundbucheintragung nicht darauf geschlossen werden, daß der Grundbuchschutz dadurch zu einem Zweck des § 925 I BGB geworden ist.
c) Die Verneinung anderer Funktionen als Argument für die Schutzfunktion Blickt man auf die Begründungsversuche der Autoren, die sich für den Grundbuchschutz als Hauptzweck des § 925 I BGB aussprechen, so ist auffällig, daß sie vielfach damit argumentieren, daß anderen Funktionen keine oder nur eine ganz untergeordnete Bedeutung zukomme. Insbesondere wird darzulegen versucht, daß eine Warnfunktion bei § 925 I BGB keine Rolle spielen könne. Einsele folgert daraus, daß daher zumindest im Regelfall „nur die Richtigkeit des Grundbuchs und die Klarheit der Rechtsverhältnisse die Formvorschrift des § 925 BGB rechtfertigen" könnten. 161 Gegen diese Argumentation ist zum einen einzuwenden, daß die Verneinung des einen Normzwecks nicht unbedingt die Bejahung eines anderen begründen kann und somit kein zuverlässiges Auslegungsargument liefert. Schwerer wiegt jedoch der Einwand, daß die Verneinung der Warnfunktion bei § 925 I BGB aus den oben dargelegten Gründen abzulehnen ist. 1 6 2 Daher ist der Verweis 161 Einsele, DotZ 1996, 835 (852).
Β. Der Zweck des § 925 I BGB als elementares Auslegungskriterium
149
auf das Fehlen eines anderen Normzwecks unzutreffend, und er kann nicht dazu dienen, den Grundbuchschutz als Zweck des § 925 I BGB zu begründen.
d) Der unzutreffende
Rückgriff
auf Häsemeyer
Führende Stimmen der herrschenden Meinung berufen sich bei ihrer Zweckbestimmung des § 925 I BGB auf Häsemeyer, um mit ihm zu belegen, daß bei dem materiellen Formzwang der Auflassung die öffentlichen Interessen an der Institution des Grundbuchs im Vordergrund stehen.163
aa) Der Ansatz Häsemeyers Häsemeyer versucht, die gesetzlichen (Geschäfts-) Formen der Rechtsgeschäfte nach ihrer „subjektiven Funktionsbezogenheit" einzuordnen, um auf diese Weise die Reichweite des jeweiligen Formgebots, etwa mit Blick auf die Änderung und Aufhebung eines formbedürftigen Rechtsgeschäfts, zu bestimmen. Er unterscheidet dabei nach Geschäftsformen aus Verkehrsinteresse, Parteiinteresse, Einzelinteresse und Drittinteresse. Die sich auf Häsemeyer berufenden Autoren wollen den Ausführungen zur Geschäftsform aus Verkehrsinteresse entnehmen, daß bei § 925 I BGB der Schutz des Grundbuchs im Vordergrund stehen soll, wobei Köbl und Pfeifer insoweit ausdrücklich von „öffentlichen Interessen" sprechen.
bb) Einwand I Dazu ist zunächst festzustellen, daß Häsemeyer seine Unterscheidung nur für solche Geschäftsformen „sinnvoll und möglich" hält, die der Privatautonomie dienen. Öffentliche Interessen entziehen nach seiner Ansicht Geschäftsformen jede Bezogenheit auf bestimmte Personen und kennen deshalb keine „subjektiven Differenzierungen". 164 Sollte es sich mithin beim Schutz des Grundbuchs um ein öffentliches Interesse handeln, wäre der Rückgriff auf Häsemeyers Ausführungen zu den Geschäftsformen aus Verkehrsinteresse schon allein aus diesem Grunde verfehlt, denn unter Verkehrsinteresse versteht Häsemeyer die Summe der Individualinteressen, die in der Privatautonomie wirksam werden, jedoch kein abstraktes öffentliches Interesse. Dies unterstreicht zugleich die in den bisherigen Ausführungen hervorgetretene Aufgabenverteilung, den Schutz des Grundbuchs als ein öffentliches Interesse in erster Linie nicht durch das Privatrecht zu verfolgen, 162 Siehe oben Teil 3 Β IV 1 a) cc). 163 Einsele, DNotZ 1996, 835 (852); Köbl, DNotZ 1983, 207 (211); Staudinger/Pfeifer, BGB, § 925 Rn. 75; auch schon Staudinger/ Erti, BGB, 12. Aufl., § 925 Rn. 75. 164 Häsemeyer, Die gesetzliche Form der Rechtsgeschäfte, S. 182.
150
Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
sondern durch das dem öffentlichen Recht zuzuordnende Grundbuchverfahrensrecht sicherzustellen.
cc) Einwand II In seinen Ausführungen zu den Geschäftsformen aus Verkehrsinteresse denkt Häsemeyer in erster Linie an statusbegründende Geschäfte des Familienrechts, hält sie indessen nicht darauf beschränkt. Er äußert die „Vermutung", daß die Formen aller Verfügungsgeschäfte dem Rechtsverkehr dienen, der daran ein Interesse habe, möglichst weitgehende Klarheit über solche Rechtsverhältnisse zu erhalten, die für die Disposition vieler, direkt gar nicht beteiligter Personen wichtig sein könnten. 165 Für die Richtigkeit seiner „Hypothese" verweist Häsemeyer auf die Abstraktheit der Verfügungen, die ebenfalls den klaren Rechtsverhältnissen im Verkehrsinteresse diene, sowie auf die Eintragung in einem Register, wobei er in diesem Zusammenhang ausdrücklich das Grundbuch nennt. 166 Zunächst ist festzustellen, daß sich an der vielzitierten Stelle kein ausdrücklicher Hinweis darauf findet, daß mit der materiellen Auflassungsform der Schutz des Grundbuchs verfolgt werde. Selbst wenn dem Formzwang des § 925 I BGB ein Verkehrsinteresse in diesem Sinne zugrunde liegen sollte, ist damit auch noch nichts über die Bedeutung anderer Formzwecke gesagt, die mit der Auflassungsform verfolgt werden. Die Kategorisierung der Geschäftsformen durch Häsemeyer darf nämlich nicht in der Weise verstanden werden, daß ein Formzwang ausschließlich dem Verkehrsinteresse oder einer der anderen Interessenkategorien dienen könne. Zum Beleg sei nur auf die historischen Zwecke verwiesen, die im Zusammenhang mit der Auflassungsform diskutiert wurden: Mit der Warnfunktion, dem Schutz vor weiteren Verfügungen und der sicheren Zug-um-Zug-Leistung wurden unzweifelhaft Parteiinteressen und nicht öffentliche Interessen verfolgt. Gegen den Rückgriff auf Häsemeyer ist jedoch vor allem ein Einwand zu erheben, der darauf aufbaut, daß er selbst auf das Grundbuch verweist, um die Bedeutung eines allgemeinen Verkehrsinteresses im Zusammenhang mit Verfügungen zu belegen. Damit liefert er zugleich einen Hinweis darauf, daß der Anknüpfungspunkt für das Verkehrsinteresse nicht der materielle Formzwang für die Auflassung ist, sondern die Eintragung in das Grundbuch, an das sich der Schutz des Verkehrs bzw. des Dritten durch die Vorschriften des öffentlichen Glaubens knüpft und seinen Interessen damit auch genügt. In Ansehung des so ausgestalteten Vertrauensschutzes Dritter ist grundsätzlich zu bezweifeln, daß dem Verkehr ein allgemeines Interesse zuzuschreiben ist, von wirksam erklärten Auflassungen informiert zu sein. Häsemeyer selbst trifft eine gegenteilige Aussage in seiner Begründung 165
Häsemeyer, Die gesetzliche Form der Rechtsgeschäfte, S. 183. Der Verweis auf das Grundbuch erfolgt somit nur, um ein allgemeines Interesse an der Kenntnis von Verfügungen zu belegen. 166
Β. Der Zweck des § 925 I BGB als elementares Auslegungskriterium
151
dafür, daß die Aufhebung einer wirksam erklärten Auflassung bis zum Grundbuchvollzug formlos möglich sein soll. 1 6 7 In diesem Zusammenhang verweist er auf die konstitutive Wirkung der Grundbucheintragung: Da sich vor der Eintragung die Rechtsverhältnisse am Grundstück nicht ändern, bleibe bis dahin die dingliche Einigung der Parteien allein deren Sache, und allenfalls das Parteiinteresse könne eine besondere Form für die Aufhebung fordern. 168 Für die Erklärung der Auflassung kann dann jedoch schwerlich etwas anderes gelten. Es ist nicht ersichtlich, warum vor der Eintragung in das Grundbuch das Verkehrsinteresse schon überwiegen sollte, denn die Rechtsänderung tritt auch hier erst mit der Eintragung ein, und ab dem Zeitpunkt übernimmt das Grundbuch den Verkehrsschutz.
dd) Ergebnis Ohne den Ansatz Häsemeyers einer grundsätzlichen Kritik unterziehen zu müssen, kann somit festgestellt werden, daß sich die herrschende Auslegung des § 925 I BGB in unzutreffender Weise auf seine Überlegungen zum Verkehrsinteresse bei Geschäftsformen beruft, um zu belegen, daß der Hauptzweck des § 925 I BGB im Schutz der Richtigkeit des Grundbuchs zu sehen sei. Nach den Ausführungen Häsemeyers steht die Auflassungsform vielmehr im Parteiinteresse, da die Rechtsänderung sich erst mit der Eintragung in das Grundbuch vollzieht. Das Grundbuch findet bei Häsemeyer nur Erwähnung, um ein allgemeines Interesse an der Kenntnis von Verfügungen zu belegen; der Grundbuchschutz bleibt hingegen in diesem Zusammenhang unerwähnt.
4. Zwischenergebnis
a) Der Grundbuchschutz ist kein Zweck des § 9251 BGB Nach der ursprünglichen Konstruktion des Gesetzes wird der Schutz des Grundbuchs im wesentlichen durch § 20 GBO wahrgenommen. Ein materieller Formzwang könnte diese Funktion vor dem Hintergrund des § 19 GBO allein nicht leisten; andererseits kommt es zum Schutz des Grundbuchs auf einen materiellen Formzwang neben der Regelung des § 20 GBO nicht zwingend an. Durch die Verlagerung der Auflassung aus dem Grundbuchamt vor den Notar und somit weg von der Erklärung vor dem offenen Buche - ist ein stärkeres Bedürfnis entstanden, die erklärte Auflassung auf eine beweissichere Grundlage zu stellen. Dies gilt sowohl mit Blick auf die Erfordernisse des Grundbuchverfahrens 167
Zur formlosen Aufhebung der Auflassung vgl. Erman/Hagen/Lorenz, BGB, § 925 Rn. 74; MünchKomm /Kanzleiter, BGB, § 925 Rn. 30; Palandt/Bassenge, BGB, § 925 Rn. 28; Staudinger/Pfeifer, BGB, § 925 Rn. 89. 168 Häsemeyer, Die gesetzliche Form der Rechtsgeschäfte, S. 184 f.
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
als auch mit Blick auf die Parteiinteressen für den Zeitraum bis zur Antragstellung beim Grundbuchamt. Daraus allein ergibt sich jedoch kein zwingender Grund, in dem materiellen Formzwang ein Instrument des Grundbuchschutzes zu sehen und speziell der Klarstellungs- sowie der Beweisfunktion einen daran orientierten Stellenwert einzuräumen. Dem verfahrensrechtlichen Beweisbedürfnis kann und wird nämlich wesentlich durch Normen des formellen Rechts entsprochen, da es für das Grundbuch verfahren in den §§ 20, 29 GBO den Nachweis der Auflassung in beurkundeter Form verlangt. Darüber hinaus vermögen die von der herrschenden Meinung vorgebrachten Argumente nicht zu belegen, warum der Schutz des Grundbuchs entgegen der von den Gesetzesverfassern zwischen materiellem und formellem Grundstücksrecht vorgenommenen Aufgaben Verteilungen heute von § 925 I BGB wahrgenommen werden sollte. Für die Wahrnehmung des Grundbuchschutzes durch § 925 I BGB spricht - im Unterschied zur Warnfunktion - weder ein konstruktives Bedürfnis, noch liefert die herrschende Meinung eine tragende Begründung für ihren Standpunkt. Der Schutz des Grundbuchs vor Falscheintragungen ist somit nicht als ein originärer Regelungszweck des § 925 I BGB anzuerkennen.
b) Die Relevanz des Grundbuchschutzes für die Auslegung des § 9251 BGB Dies bedeutet jedoch nicht, daß die Auswirkungen, die ein materielles Beurkundungserfordernis auf die Richtigkeit des Grundbuchs und seinen Schutz vor Falscheintragungen hat, im Rahmen der Auslegung unberücksichtigt bleiben müssen. Vielmehr ist der Grundbuchschutz ein Aspekt, der bei der teleologischen Auslegung der Formvorschrift einfließen kann. Der BGH hat dazu im Anschluß an Häsemeyer festgestellt, daß es die Aufgabe der teleologischen Auslegung einer Formvorschrift sei, einerseits die mit dem Formzwang verbundenen Zwecke zu berücksichtigen, andererseits aber jede unnötige Erschwerung des Rechtsverkehrs zu vermeiden und für Klarheit zu sorgen. 169 Da der Schutz des Grundbuchs jedoch nicht als Regelungszweck anzuerkennen ist, ist für die Auslegung des § 925 I BGB eine teleologische Verengung durchbrochen und für die Frage nach dem Beurkundungserfordernis ein neuer Auslegungsspielraum gewonnen bzw. zurückgewonnen worden. Zunächst kann mit Blick auf die eigentlichen Normzwecke gefragt werden, welche technische Ausgestaltung des Formzwangs ihnen in geeignetster Weise dient. Erst in einem zweiten Schritt sind dann die Folgen für den Grundbuchschutz in die Auslegung mit einzubeziehen.
169 BGHZ 136, 357 (367) mit Verweis auf Häsemeyer, JuS 1980, 1 (2); ders., Die gesetzliche Form der Rechtsgeschäfte, S. 209 ff.
Β. Der Zweck des § 925 I BGB als elementares Auslegungskriterium
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VI. Ergebnis In diesem Abschnitt wurde versucht, den maßgeblichen Zweck des § 925 I BGB zu ermitteln. Den Ausgangspunkt bildeten dazu die von dem historischen Gesetzgeber mit dem materiellen Formzwang des § 925 I BGB verfolgten Zwecke. Zum einen hatte man sich wegen der hohen Wichtigkeit und Bedeutung der Auflassung für eine besonders starke Form entschieden, um den allgemeinen Formzwecken der Warnfunktion, der Klarstellungsfunktion und der Beweisfunktion zu einer bestmöglichen Verwirklichung zu verhelfen. Zum anderen verfolgte man mit der Auflassungsform spezielle Zwecke, die auf die besonderen Interessen der Parteien bei der Verfügung über Grundeigentum zugeschnitten waren. Im Vordergrund stand dabei eine besonders eindringliche Warnfunktion, die man mit Blick auf § 313 S. 2 BGB und die Abstraktheit der Verfügung für geboten hielt. Ferner strebte man eine Ubereinstimmung der Auflassung mit dem Grundbuchstand an, um die Zurückweisung von Eintragungsanträgen zu vermeiden. Außerdem wollte man den Erwerber vor rechtsvereitelnden Verfügungen des Veräußerers schützen und eine sichere Zug-um-Zug-Erfüllung ermöglichen. Es gibt keine Hinweise darauf, daß der Gesetzgeber bei seinen Änderungen des § 925 I BGB die ursprünglichen Regelungszwecke bewußt aufgeben wollte. Sie sind daher auch heute zumindest dem Grunde nach für die Auslegung des § 925 I BGB maßgeblich. Dennoch könnte sich mit den Änderungen der Vorschrift und insbesondere durch die Abschaffung der Zuständigkeit des Grundbuchamts zur Entgegennahme der Auflassung ein Funktionswechsel des materiellen Formzwangs vollzogen haben. Zum einen könnte die Umsetzung der ursprünglichen Zwecke unmöglich geworden sein, zum anderen könnten andere Zwecke an Bedeutung gewonnen haben. Da die abschließende Beantwortung dieser Frage nur mit Blick auf die technische Ausgestaltung der Auflassungsform möglich ist, diese jedoch selbst den Untersuchungsgegenstand bildet, konnte in Ansehung der ursprünglichen Formzwecke nur untersucht werden, ob sie auch vor dem Hintergrund der heutigen Rechtslage ihre Berechtigung behalten haben, um auf diese Weise die teleologische Grundlage für die Untersuchung der vorzugswürdigen technischen Ausgestaltung der Auflassungsform zu schaffen. Das Ergebnis läßt sich so zusammenfassen, daß die ursprünglichen Regelungsabsichten ihre Berechtigung nicht verloren haben. Insbesondere ist dies für die Warnfunktion zu betonen, die für § 925 I BGB heute vielfach in Frage gestellt wird. Während die ursprünglich mit § 925 I BGB verfolgten Zwecke ihre Berechtigung nicht verloren haben, konnten keine Argumente für die herrschende Meinung gefunden werden, die im Schutz des Grundbuchs heute den Hauptzweck des materiellen Formzwangs bei der Auflassung sehen will. Die herrschende Meinung mißt dem Grundbuchschutz einen Stellenwert bei, der historisch und systematisch nicht zu belegen ist. Um die Übereinstimmung zwischen Eintragung und materieller Rechtslage hinsichtlich des Grundeigentums zu erzielen, wurde § 20 GBO als Ausnahme zum Bewilligungsgrundsatz des § 19 GBO geschaffen; der materielle
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
Formzwang für die Auflassung wurde hingegen nicht mit dem Grundbuchschutz in Verbindung gebracht. Durch die in der Zwischenzeit erfolgten Änderungen des § 925 I BGB hat sich zwar die Bedeutung des urkundlichen Nachweises über die Auflassung erhöht. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, daß § 925 I BGB dadurch eine spezifisch auf den Grundbuchschutz ausgerichtete Klarstellungs- und Beweisfunktion verfolgt, denn insoweit erfüllt § 20 GBO in Verbindung mit § 29 GBO seinen Zweck nach wie vor. Da insbesondere die von der herrschenden Auslegung angeführten Argumente die Annahme einer Schutzfunktion nicht belegen können, kann der Schutz des Grundbuchs nicht als originärer Zweck des § 925 I BGB anerkannt werden.
C. Die Beurkundung als die geeignetste Form zur Verwirklichung des Normzwecks Das Ergebnis der Untersuchung zum Normzweck des § 925 I BGB soll nunmehr als Grundlage für die Beantwortung der Frage dienen, ob der materielle Formzwang die Beurkundung der Auflassung umfaßt oder ob dies mit der herrschenden Auslegung zu verneinen ist. Dabei soll zunächst gezeigt werden, daß mit der Beurkundung die zu berücksichtigenden Regelungszwecke bestmöglich verwirklicht werden können (I). Ferner soll die an dem von Weirich gebildeten Fallbeispiel entwickelte Kritik 1 7 0 vertieft werden, um die nachteiligen Auswirkungen des Verzichts auf die Beurkundungsform zu veranschaulichen (II). Schließlich soll untersucht werden, ob die Gefahr einer unwirksamen Auflassung infolge eines Beurkundungsmangels so erheblich ist, daß sie entscheidend gegen ein materielles Beurkundungserfordernis spricht (III).
I. Die Verwirklichung des Normzwecks durch die Beurkundungsform Wäre die Beurkundung als Bestandteil der durch § 925 I S . 1,2 BGB angeordneten Auflassungsform anzusehen, fände das BeurkG auf die Entgegennahme der Auflassungserklärungen Anwendung. Der Notar wäre verpflichtet, die Erklärung der Auflassung in Übereinstimmung mit den verfahrensrechtlichen Vorgaben des BeurkG für die Beurkundung von Willenserklärungen entgegenzunehmen. Allgemein wird nicht bezweifelt, daß die Beurkundungsform die stärkste rechtsgeschäftliche Form darstellt, 171 mit der sich sämtliche Formzwecke am effektivsten verwirklichen lassen. Die Zweckverwirklichung knüpft sich dabei zum einen an den 170 Vgl. oben Teil 2 A. πι Soergel/Hefermehl,
BGB, Vor § 125 Rn. 4.
C. Die Beurkundung als die geeignetste Form zur Verwirklichung des Normzwecks 155
Vorgang der Beurkundung (Warnfunktion, Schutz vor Übereilung, Beratungsfunktion, Gewährsfunktion) und zum anderen an das Ergebnis der Beurkundung (Abschluß- und Inhaltsklarheit, Beweisfunktion). 172 Das Gesetz bringt die Höherrangigkeit der Beurkundungsform gegenüber anderen Formen dadurch zum Ausdruck, daß durch sie die schriftliche Form sowie die öffentliche Beglaubigung erfüllt werden (vgl. §§ 126 III, 129 II BGB).
1. Warnfunktion/Schutz vor Übereilung
Durch die Beurkundungsform kann einer Warnfunktion bestmöglich gedient werden. Gemäß § 8 BeurkG ist eine Niederschrift über die Verhandlung aufzunehmen, die den inhaltlichen Anforderungen des § 9 BeurkG genügen muß. Dazu gehört, daß sie die Erklärungen der Beteiligten wiedergibt. Darüber hinaus muß die Niederschrift in Gegenwart des Notars den Beteiligten vorgelesen, von ihnen genehmigt und eigenhändig unterschrieben werden (§13 BeurkG). In Ausnahme zu § 128 BGB müßte dies alles bei gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien geschehen, da nur so der in § 925 I BGB vorgeschriebenen Gleichzeitigkeit genügt werden kann und sich dies auch in der Urkunde niederschlägt. 173 Schon der technische Beurkundungsvorgang gewährleistet, daß den Parteien die Wichtigkeit ihrer Erklärungen vor Augen geführt wird und sie dadurch vor einer übereilten Erklärungsabgabe gewarnt werden. Eine Verstärkung der Warnfunktion und ein effektiver Schutz vor Übereilung resultieren jedoch vor allem aus den Mitwirkungspflichten des Notars. Durch § 17 BeurkG werden ihm Belehrung und Beratung zur obersten Pflicht gemacht. 174 Der Notar hat den Willen der Beteiligten zu erforschen, den Sachverhalt zu klären und die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts zu belehren. Damit soll gewährleistet werden, daß die Beteiligten ihre Entscheidung nur in vollem Wissen um die Folgen der Rechtsgestaltung treffen. 175 Nach § 17 I S. 2 BeurkG hat der Notar insbesondere darauf zu achten, daß Irrtümer vermieden sowie unerfahrene und ungewandte Beteiligte nicht benachteiligt werden. Durch diese umfassende Belehrungspflicht wird sichergestellt, daß sich die Parteien der Bedeutung und der rechtlichen Konsequenzen der Auflassungserklärung bewußt werden. Insbesondere wird dem veräußernden Teil gegenwärtig, daß die Abgabe der Auflassungserklärung den Eigentumsverlust nach sich ziehen kann, ohne daß es einer weiteren Rechtshandlung seinerseits bedarf. Die Beurkundungsform schafft auf diese Weise einen bestmöglichen Ersatz für die ursprünglich vom Gesetz vorgesehene grundbuchamtliche Erklärungsform, von der man sich eine besonders eindringliche Warnfunktion versprochen hatte. Durch die Erklärung vor 172 Zur Differenzierung nach Vorgang und Ergebnis der Beurkundung vgl. Bernard, Formbedürftige Rechtsgeschäfte, S. 35 ff. - vgl. ferner Hagen, DNotZ 1984, 267 (268 f.). 173 Dazu unten Teil 3 C II 2 a). 174 Keidel/Winkler, BeurkG, Einl. Rn. 24. 175 Keidel/Winkler, BeurkG, Einl. Rn. 22.
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
dem offenen Buche und der Möglichkeit der sich unmittelbar anschließenden Eintragung in das Grundbuch sollten den Parteien die Rechtsfolgen ihrer Erklärungen schon im Moment der Auflassung sichtbar gemacht werden. Das offene Grundbuch mußte dem Veräußerer seinen unmittelbar bevorstehenden Eigentumsverlust vor Augen führen und ihn dadurch besonders eindringlich vor der Abgabe der Erklärung warnen. Da sich das Warnpotential bei der notariellen Erklärung nicht aus der sich unmittelbar anschließenden Eintragung entfalten kann, kommt es um so mehr auf eine umfassende Belehrung der Parteien über die Folgen der Auflassung durch den Notar an. Gerade dies vermag die Beurkundungsform mit der sie kennzeichnenden Belehrungspflicht des Notars zu leisten.
2. Klarstellungsfunktion / Gewährschaftsfunktion
Durch die Beurkundungsform wird auch der Klarstellungsfunktion bestmöglich gedient. Der Notar ist verpflichtet, den Willen der Parteien klar und unzweideutig in der Niederschrift wiederzugeben und hat darauf zu achten, daß Zweifel vermieden werden. Dies erfordert ein umfassendes Erforschen des Parteiwillens und des Sachverhalts, wozu der Notar ebenfalls in § 17 BeurkG ausdrücklich verpflichtet wird. Die Pflicht, den gleichzeitig anwesenden Parteien die Niederschrift vorzulesen, gibt diesen die Möglichkeit, den Inhalt des Vertrags auf Übereinstimmung mit dem Gewollten zu prüfen. Die Unterschriften der Parteien stellen schließlich klar, daß der Inhalt auch als rechtlich verbindlicher Vertrag gewollt ist. Die Klarstellungsfunktion resultiert somit auch in einer Gewährschaftsfunktion, denn sie hilft, Einigungsmängel weitgehend zu vermeiden.
3. Beweisfunktion
Schließlich wird auch der Beweisfunktion durch die Beurkundungsform bestmöglich gedient, da die Erklärungen der Parteien in der nach § 8 BeurkG aufzunehmenden Niederschrift enthalten sein müssen. Mit der Niederschrift entsteht eine Urkunde, die geeignet ist, vollen Beweis über die erklärte Auflassung zu erbringen. Darüber hinaus wird auch das Erfordernis der §§ 20, 29 GBO erfüllt, was eine schleunige Vollziehung der Auflassung im Grundbuch befördert. 176
4. Übereinstimmung der Auflassung mit dem Grundbuchinhalt
Das BeurkG ordnet in § 21 I für den Notar eine Unterrichtungspflicht über den Grundbuchinhalt bei solchen Geschäften an, die im Grundbuch eingetragene oder einzutragende Rechte zum Gegenstand haben. Andernfalls soll er nur beurkunden, 176 In BGHZ 19, 138 (139) wird hierin sogar ein Zweck des § 925 I BGB gesehen.
C. Die Beurkundung als die geeignetste Form zur Verwirklichung des Normzwecks 157
wenn die Beteiligten trotz Belehrung über die damit verbundenen Gefahren auf einer sofortigen Beurkundung bestehen. Durch diese Erkundigungspflicht wird auf die Ubereinstimmung der Auflassung mit dem Inhalt des Grundbuchs hingewirkt und außerdem wird der Erwerber umfassend über etwaige Belastungen des Grundstücks informiert. Damit übernimmt das BeurkG eine der Funktionen, die unmittelbar mit der materiellen Auflassungsform erzielt wurden, solange die Parteien die Auflassung vor dem Grundbuchamt zu erklären hatten. Diese ursprüngliche Sicherheit für die Ubereinstimmung von Parteierklärungen und Grundbuchinhalt kann heute zwar nicht mehr erreicht werden, da zwischen der Grundbucheinsicht und der Entgegennahme der Auflassungserklärungen vor dem Notar ein gewisser Zeitraum vergehen muß, in dem es noch zu einer Änderung des Grundbuchstands kommen kann. Dennoch wird durch die an die Beurkundungsform geknüpfte Pflicht zur Einsichtnahme die ursprünglich unmittelbar mit § 925 I BGB verfolgte Regelungsabsicht mittelbar durch die Ausgestaltung der Beurkundungsform übernommen und auf der Grundlage der heutigen Fassung des § 925 I BGB in bestmöglicher Weise erfüllt. 5. Schutz vor rechtsvereitelnden Verfügungen des Veräußerers
Der ursprünglich mit § 925 I BGB verfolgte Schutz des Erwerbers vor rechtsvereitelnden Verfügungen des Veräußerers läßt sich heute nicht mehr in so vollendeter Weise allein durch die materielle Auflassungsform erzielen, wie dies mit der Auflassungserklärung vor dem Grundbuchamt und der sich unmittelbar anschließenden Eintragung vom Gesetzgeber beabsichtigt war. Durch die Streichung des Grundbuchamts in § 925 I BGB hat der Gesetzgeber den Parteien diese Möglichkeit der Rechtsgestaltung genommen. Um einen vergleichbaren sicheren Schutz vor den Rechtserwerb vereitelnden Eintragungen zu erlangen, ist der Erwerber daher heute in erster Linie auf eine Auflassungsvormerkung verwiesen. Dabei kann sich der Erwerber nur dann auf den Schutz der Auflassungsvormerkung und somit auf seinen Eigentumserwerb verlassen, wenn sie bereits im Augenblick der Auflassung im Grundbuch eingetragen ist oder ihre Eintragung ohne eine ihr vorangehende Eintragung sichergestellt ist. Sollte die Auflassungsvormerkung erst mit der Auflassung erklärt werden, könnte der Veräußerer nämlich die Eintragung der Vormerkung durch anderweitige Verfügungen vereiteln, was auch den Eigentumserwerb unmöglich machen könnte. Auch wenn mit der Beseitigung der grundbuchamtlichen Auflassungsform der günstigste und sicherste Schutz vor Verfügungen des Veräußerers nach erklärter Auflassung abgeschafft worden ist, stellt sich die Frage, ob diesem ursprünglichen Regelungszweck des § 925 I BGB heute noch mit der materiellen Auflassungsform gedient werden kann. Unter der Annahme, daß die Beurkundung Bestandteil des materiellen Formzwangs wäre, würde dies bedeuten, daß eine Auflassung materiell nur dann wirksam erklärt ist, wenn sie die schriftliche Verkörperung in einer Urkunde erlangt, die nach ganz herrschender Ansicht gemäß den §§ 20, 29 GBO
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
erforderlich ist, um die wirksam erklärte Auflassung dem Grundbuchamt als Voraussetzung für die Eintragung nachweisen zu können. 177 Dies ermöglicht dem Erwerber, daß er nach erklärter Auflassung den Eigentumserwerb ohne weiteres Zutun des Veräußerers herbeiführen kann, indem er beim Grundbuchamt den erforderlichen Antrag stellt und den Erfordernissen der §§ 20, 29 GBO genügt. Ohne die Urkunde über die erklärte Auflassung wäre ihm dies nicht möglich, denn er wäre grundsätzlich auf die erneute Mitwirkung des Veräußerers angewiesen, um die zum Beweis vor dem Grundbuchamt erforderliche Urkunde herstellen zu können. 178 Durch die Beurkundungspflicht allein wird somit zwar kein sicherer Schutz vor weiteren Verfügungen des Veräußerers erzielt, der Erwerber wird jedoch durch die Beobachtung dieser Form in die Lage versetzt, den Eigentumserwerb ohne Zutun des Veräußerers herbeizuführen. Dadurch liegt es zu einem gewissen Grad in seiner Hand, weiteren Verfügungen des (Noch-) Eigentümers vorzubeugen, indem er sich um eine möglichst schnelle Eintragung seines Eigentumserwerbs bemüht.
6. Ermöglichung der sicheren Erfüllung Zug um Zug
Schließlich gehörte es zu den ursprünglich mit der materiellen Auflassungsform verfolgten Regelungszielen, eine sichere Erfüllung Zug um Zug zu ermöglichen. Da der Eigentumsübergang sich nicht mehr unmittelbar an die Erklärung der Auflassung anschließen kann und somit zunächst ungewiß ist, ob und wann der Auflassungsempfänger als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen wird, ist eine sichere Erfüllung Zug um Zug infolge der Beseitigung der grundbuchamtlichen Auflassung heute erheblich erschwert. 179 Den Notar trifft daher eine besondere Belehrungspflicht über die Risiken, die sich aus der Vorleistungspflicht für die betroffene Partei ergeben. 180 Unter der Annahme, daß mit der Streichung des Grundbuchamts in § 925 I BGB eine sichere Erfüllung Zug um Zug tatsächlich unmöglich geworden ist, kann durch den materiellen Formzwang allein der einseitige Leistungsverlust nicht verhindert werden. Dies gilt auch dann, wenn die Auflassungserklärung beurkundet wird. Um dem Sicherungsbedürfnis sowohl des vorleistenden Erwerbers als auch dem des Veräußerers vor einem einseitigen Leistungsverlust zu genügen, sind daher verschiedene Sicherungsmodelle entwickelt worden, deren jeweilige Vor- und Nachteile breit diskutiert werden und wegen des kostengünstigeren Weges der Zusammenbeurkundung von Kaufvertrag und Auf177 Siehe oben Teil 1 D I . 178 Dazu unten Teil 3 C II 2 a). 179 Staudinger/Pfeifer, BGB, § 925 Rn. 143. 180 Nach BGH NJW 1995, 330 (331) = DNotZ 1995, 407 (408 f.) mit Anm. Haug ist diese Pflicht nicht im Rahmen der allgemeinen Betreuung gemäß § 14 BNotO, sondern als Rechtsbelehrung im Sinne des § 17 I S. 1 BeurkG geschuldet, weshalb sie nicht nur aus besonderem Anlaß, sondern regelmäßig zu erfolgen hat.
C. Die Beurkundung als die geeignetste Form zur Verwirklichung des Normzwecks 159
lassung wegen § 16 I KostO immer wieder die Gerichte unter dem Gesichtspunkt der unrichtigen Sachbehandlung beschäftigen. 181 Dieser partielle Funktionsverlust des § 925 I BGB bedeutet jedoch nicht, daß der ursprünglich mit dem materiellen Formzwang verfolgte Regelungszweck von vornherein gänzlich außer Betracht bleiben muß. Beschränkt man die Fragestellung darauf, ob mit der Beurkundung der Auflassung zumindest ein Beitrag zum sicheren Austausch der gegenseitig versprochenen Leistungen erbracht werden kann, ist in Anlehnung an die Erwägungen zum Schutz des Auflassungsempfängers vor weiteren Verfügungen des Veräußerers folgendes zu bedenken: Ergreifen die Parteien keine besonderen Maßnahmen zum Schutz vor einem einseitigen Leistungsverlust und wird der geschuldete Kaufpreis bei Erklärung der Auflassung vor dem Notar geleistet, so wird der Erwerber des Grundstücks durch die beurkundete Auflassung zumindest in die Lage versetzt, den Eigentumserwerb ohne weiteres Zutun des Veräußerers herbeizuführen. Zwar ist der Eigentumserwerb damit keinesfalls garantiert, dennoch wird die Gegenleistung mit Blick auf die Erfordernisse des Grundbuchverfahrensrechts in größerem Umfang erbracht als dies ohne Beurkundung der Fall wäre. Dies kann und soll nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch mit der Beurkundung als Bestandteil der materiellen Auflassungsform eine sichere Erfüllung Zug um Zug nicht ohne weiteres möglich ist und es daher ganz entscheidend auf die beratende und vertragsgestaltende Aufgabe des Notars ankommt. Dennoch wird die ursprüngliche Funktion des § 925 I BGB zumindest insoweit erfüllt, als die Auflassung den Erwerber in die Lage versetzt, den Eigentumserwerb selbständig herbeizuführen. Darüber hinaus läßt sich im Anschluß an diese Überlegung zumindest konstruktiv eine Lösung für die sichere Erfüllung Zug um Zug entwickeln: Die Parteien könnten mit der Urkunde über die von ihnen vor dem Notar erklärte Auflassung (sowie mit den gegebenenfalls erforderlichen behördlichen Genehmigungen oder Negativbescheinigungen des Finanzamts) gemeinsam zum Grundbuchamt gehen und dort den Leistungsaustausch in der Weise vornehmen, daß der Erwerber seine Gegenleistung Zug um Zug gegen Stellung eines vom Veräußerer nicht einseitig widerruflichen Antrags auf Eintragung des Eigentumswechsels erbringt. Danach hat der Erwerber eine hohe Sicherheit dafür, daß keine weiteren Verfügungen des Veräußerers seinen Rechtserwerb vereiteln können, denn das Grundbuchamt ist verpflichtet, mehrere Anträge in der Reihenfolge ihres Eingangs beim Grundbuchamt zu erledigen (§17 GBO). Zwar ist mit der Stellung des Antrags der Eigentumserwerb noch nicht vollzogen und es bleibt denkbar, daß der Antrag vom Grundbuchamt zurückgewiesen wird, dennoch wird allgemein angenommen, daß mit der Antragstellung durch den Erwerber dieser zumindest eine Anwartschaft am Grundstückseigentum erlangt. 182 Dies läßt es gerechtfertigt erscheinen, in diesem Fall von einer Annäherung an einen Leistungs181 Zum Überblick über die verschiedenen Wege Erti, DNotZ 1975, 644 (645 f.); Brambring, Beck'sches Notarhandbuch, A I Rn. 178 ff.; Staudinger/Pfeifer, BGB, § 925 Rn. 143 ff.; OLG Köln VersR 1997, 1510 (1511) = MittRhNotK 1997, 328 mit Anm. Recker; BayOBLG DNotl-Report 2000, 193 mit zahlreichen Nachw.
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
austausch Zug um Zug zu sprechen. 183 Ein weiterer Vorteil dieser Konstruktion ist darin zu sehen, daß sie sowohl den Schutz vor weiteren Verfügungen des Veräußerers als auch die Erfüllung Zug um Zug miteinander verbindet und sich somit auf doppelte Weise den Vorzügen der ursprünglichen Auflassungsform annähert.
7. Teilergebnis
Es wurde gezeigt, daß mit der Beurkundung als Bestandteil der materiellen Auflassungsform den Formzwecken der Warnfunktion und somit dem Schutz vor Übereilung, der Klarstellungsfunktion und der Beweisfunktion umfassend gedient werden kann. Durch die im BeurkG verankerte Pflicht zur Einsichtnahme in das Grundbuch wird eine Übereinstimmung von Auflassung und Grundbuchstand in hohem Maße sichergestellt. Die ursprünglich mit der grundbuchamtlich erklärten Auflassung verfolgten Funktionen des Schutzes vor weiteren Verfügungen des Veräußerers sowie die Ermöglichung einer sicheren Leistung Zug um Zug sind heute mit der materiellen Form nicht mehr in demselben Umfang zu erzielen. Dennoch kann unter der Annahme der materiellen Beurkundungsbedürftigkeit der Auflassung beiden Regelungsabsichten zu einem gewissen Grad entsprochen werden, da in dem Fall mit der wirksam erklärten Auflassung zugleich eine Urkunde geschaffen wird, mit der den Erfordernissen der §§ 20, 29 GBO entsprochen werden kann.
II. Nachteilige Auswirkungen des Beurkundungsverzichts Nachdem gezeigt worden ist, daß die Beurkundung die geeignete Form ist, um die Zwecke des § 925 I BGB zu verwirklichen, sollen nunmehr die nachteiligen Folgen dargestellt werden, die ein Verzicht auf die Beurkundung als materielles Formerfordernis hätte. Als nachteilige Folge wäre zunächst eine nur eingeschränkte Verwirklichung des Normzwecks zu besorgen (1). Insbesondere das Ausbleiben einer Urkunde über die Auflassung steht im Widerspruch zur Anordnung des materiellen Formzwangs in § 925 I BGB (2). Ferner soll schon an dieser Stelle 182 Vgl. zur Entstehung von Anwartschaft und Anwartschaftsrecht beim Erwerb von Grundeigentum Baur/Stürner, SachenR, § 19 Rn. 15; Medicus, DNotZ 1990, 275 ff.; MünchKomm/ Wacke, BGB, § 873 Rn. 43; Staudinger/Pfeiffer, BGB, § 925 Rn. 121 ff.; Reinicke/ Tiedtke, NJW 1982, 2281 (2282 ff.); Habersack, JuS 2000, 1145 ff.; Hager, JuS 1991, 1 ff.; BGHZ 49, 197 (200 ff.); BGH NJW 1982, 1639 (1640); BGHZ 106, 108 (111 f.); OLG Düsseldorf Rpfleger 1981, 199 mit Anm. Eickmann. Zur Judikatur des BGH vgl. Konzen, 50 Jahre Bundesgerichtshof, Bd. I, S. 871 ff. 183 Es soll bei der hier angestellten Überlegung in erster Linie nicht darauf ankommen, ein weiteres Sicherungsmodell für die Praxis zu entwickeln, zumal der aufgezeigte Weg eine Geschäftserfahrenheit voraussetzt, die bei dem durchschnittlichen Grundstücksveräußerer und Erwerber nicht gegeben sein dürfte und somit leicht zur Gefahr werden kann. Für den Normalfall ist die fachkundige Beratung durch den Notar und eine von ihm betreute Vertragsgestaltung daher dringend Vorzugs würdig.
C. Die Beurkundung als die geeignetste Form zur Verwirklichung des Normzwecks 161
gezeigt werden, daß die nachteiligen Folgen eines Verzichts auf die Beurkundung als materielles Formerfordernis nicht dadurch unbeachtlich werden, daß durch das Grundbuchverfahrensrecht eine Beurkundung der Auflassung verlangt wird und sie dadurch regelmäßig unter einem faktischen Beurkundungszwang steht (3).
1. Die verkürzte Verwirklichung des Normzwecks
Da die Beurkundung nach herrschender Ansicht kein Erfordernis der Auflassung ist, müssen die Verfahrensvorschriften des BeurkG nicht zu ihrer materiellen Wirksamkeit eingehalten werden. Dies war das Ergebnis des von Weirich gebildeten Fallbeispiels.184 Denkbar ist ferner, daß die Auflassung zwar erklärt, jedoch aus Versehen nicht in die Urkunde über das schuldrechtliche Grundgeschäft aufgenommen wird, 1 8 5 oder der Notar eine Beurkundung nicht für erforderlich hält. 1 8 6 Schließlich entsteht eine solche Situation auch immer dann, wenn der Notar bei der Beurkundung der Auflassung 187 oder der Urkunde über das Grundgeschäft, die auch die Auflassung enthält, 188 gegen zwingende Formvorschriften des Beurkundungsrechts verstößt. Während der von Weirich gebildete Fall kaum relevant sein dürfte, sind letztere Konstellationen auf der Grundlage der herrschenden Meinung wahrscheinlicher. In der Praxis ist die Erklärung der Auflassung im Rahmen der Beurkundung des Grundgeschäfts überaus häufig, da dies für die Parteien den kostengünstigsten Weg darstellt (vgl. §§ 36 II, 38 II Nr. 6 a KostO). 189 Verstößt der Notar in diesem Fall gegen zwingende Vorschriften des BeurkG, führt dies zur Unwirksamkeit der Beurkundung und somit zum Verstoß gegen § 313 S. 1 BGB. Wirksam bleibt hingegen die Auflassung, freilich ohne wirksam beurkundet zu sein. Während sich ein solcher Verstoß gegen das BeurkG auf den ersten Blick als „reine Formfrage" darstellen mag, wird auf den zweiten Blick deutlich, daß mit einem solchen Verstoß immer auch ein Funktionsverlust des Beurkundungsverfahrens verbunden ist, der sich unmittelbar auf die Verwirklichung der mit der Beurkundungsform verfolgten Zwecke auswirkt. Es soll daher am Beispiel der Beweisfunktion und der Warnfunktion gezeigt werden, wie sich die Verwirklichung der 184 Siehe oben Teil 2 A. iss Erti, MittBayNot 1992, 102 (107). 186 Vgl. BGH NJW 1983, 2933 („notarieller Vertrag"). 187 Vgl. BayObLG MittBayNot 1994, 39 (vergessene Unterschrift einer Partei). 188 BGHZ 22, 312 (Beurkundung einer eigenen Erklärung); BGH NJW 1992, 1101 (Beurkundung einer Erklärung, die dem Notar oder seiner Frau einen rechtlichen Vorteil verschafft); OLG Hamm, DNotZ 1996, 671 (Senat läßt offen, ob die Unterschrift der Partei den Anforderungen des § 13 BeurkG genügt, da Heilung nach § 313 S. 2 BGB eingetreten sei). 189 Weirich, Vertragsgestaltung im GrundstücksR, Rn. 120. - Nach OLG Düsseldorf DNotZ 1996, 324 (325) ist der Notar zur gemeinsamen Verhandlung wegen seiner Pflicht zur billigsten Sachverhandlung verpflichtet; es sei denn, besondere Umstände, insbesondere das Sicherungsinteresse eines Beteiligten, legen zeitlich divergierende Beurkundungen nahe. 1
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mit § 925 I BGB verfolgten Zwecke verkürzt, wenn man eine Auflassung auch im Falle eines Verstoßes gegen Mußanforderungen des BeurkG als wirksam anerkennt.
a) Beweisfunktion Ist die Urkunde wegen eines Verstoßes gegen zwingende Vorschriften des BeurkG unwirksam, kann von der Erfüllung einer Beweisfunktion insoweit keine Rede sein, als keine öffentliche Urkunde entsteht, auf die sich die Beweiskraft der §§ 415, 418 ZPO erstreckt. 190 Dies ist bereits an dem von Weirich gebildeten Fall gezeigt worden und soll hier nur wiederholt werden, da es der augenfälligste Unterschied zur Beurkundungsform ist, die stets eine öffentliche Urkunde über die Auflassung entstehen ließe.
b) Warnfunktion Weniger offensichtlich ist hingegen die Verkürzung der Warn- und Schutzfunktion bei einem Verstoß gegen zwingendes Beurkundungsrecht, da auch ohne Beurkundungszwang die Auflassung einem Formzwang unterliegt, der diese Funktion wahrnehmen könnte. Doch ändert sich diese Einschätzung in Ansehung der in § 17 BeurkG dem Notar zur obersten Pflicht gemachten Beratung und Belehrung der Parteien. 191 Die Warnfunktion der Beurkundungsform resultiert indessen nicht allein aus der nur als S oll Vorschrift ausgestalteten Belehrungspflicht des Notars. Vielmehr tragen auch die Mußanforderungen zu einem effektiven Schutz der Parteien bei, die zunächst nur der Herstellung einer vollständigen Urkunde im formalen Sinn zu dienen scheinen. Zwar weisen Huhn und von Schuckmann darauf hin, daß es als die wahre Aufgabe einer noch immer in ihren Anfängen steckenden Urkundenwissenschaft gelte, hinter dem formalen Charakter der Vorschriften des Beurkundungsrechts ihren materiellen Effekt zu entdecken.192 Dennoch kann hinsichtlich der Mußanforderungen des BeurkG die allgemeine Aussage getroffen werden, daß sie dem Schutz der Parteien und der Wahrung ihrer Interessen dienen und sich in ihnen die Warnfunktion der Beurkundungsform manifestiert. So führt das Vorlesen der Niederschrift den Parteien ihre Erklärungen vor Augen und gewährleistet, daß der Notar an allen Punkten des Rechtsgeschäfts mitwirkt. 193 Das Genehmigungserfordernis verlangt von den Parteien die Erklärung des Einver190 Einer solchen Urkunde, die als öffentliche gewollt war, aber wegen eines Mangels der für sie vorgeschriebenen Form keine öffentliche Urkunde ist, kann lediglich noch die Beweiskraft einer Privaturkunde nach § 416 ZPO zukommen (BGHZ 136, 375 [367]). »9i Keidel/Winkler, BeurkG, Einl. Rn. 24.
1 92 Huhn/von Schuckmann, BeurkG, Einl. Rn. 8. 193 Eylmann/Vaasen (Limmer), BeurkG, § 13 Rn. 3; Keidel/Winkler,
BeurkG, § 13 Rn. 2.
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ständnisses mit dem Inhalt der Niederschrift und ist daher geeignet, ihre Aufmerksamkeit zu fördern und zum Nachfragen zu ermutigen. Insbesondere geht auch von der Pflicht zur eigenhändigen Unterschrift eine Warnfunktion aus, denn sie signalisiert dem Unterzeichner, daß die rechtliche Verbindlichkeit seines Handelns unmittelbar bevorsteht und gibt ihm die letzte Gelegenheit, sich der Ernsthaftigkeit seines Entschlusses - und daß sich dieser auf sämtliche Einzelheiten des Vertragstextes bezieht! - bewußt zu werden. Eine besondere Schutzwirkung entfalten schließlich die Vorschriften, die den Notar von Beurkundungen mit eigener Beteiligung oder der Beteiligung einer ihm nahestehenden Person ausschließen und für ihn oder seine Angehörigen rechtlich vorteilhafte Beurkundungen für unwirksam erklären (§§ 6 f. BeurkG). In einem solchen Fall ist die Neutralität des Notars in seiner Amtsausübung nicht mehr gewährleistet, weshalb er für die Beurkundung von Willenserklärungen ausgeschlossen ist. Wird auf diese Vorschriften bei der Entgegennahme verzichtet, kann sich ihre Schutzfunktion nicht entfalten, denn ein Verstoß gegen sie hindert nicht die Wirksamkeit der Auflassung. An den Fall Weirichs194 anknüpfend würde dies bedeuten, daß die am Stammtisch erklärte Auflassung selbst dann wirksam erklärt wäre, wenn der Notar selbst eine Partei des Geschäfts ist.
c) Ergebnis Dies veranschaulicht, daß die Nichtbeobachtungen der Mußanforderungen des BeurkG zu einer eingeschränkten Verwirklichung der mit § 925 I BGB verfolgten Zwecke führt. Erst recht gilt dies für den Fall des völligen Ausbleibens der Beurkundung. Mit der Beurkundungsform kann der Zweck des § 925 I BGB daher effektiver verwirklicht werden als bei einem Verzicht auf die Beurkundung, zumal die normale Beurkundungsform noch durch das Erfordernis der gleichzeitigen Anwesenheit gesteigert ist. Ohne Beurkundung ist neben der Beweisfunktion insbesondere die Wahrnehmung der Warnfunktion nicht mehr in einem dem § 313 S. 1 BGB bestmöglich entsprechenden Ausmaß gewährleistet, was mit Blick auf § 313 S. 2 BGB besonders bedenklich ist. 1 9 5
2. Die Nachweissituation bei einer nur materiell wirksam erklärten Auflassung ohne wirksame Beurkundung
a) Das Erfordernis
der erneuten Auflassungserklärung
Bei Verzicht auf die Beurkundung als materielles Formerfordernis können Auflassungen materiell wirksam erklärt werden, ohne daß gleichzeitig eine wirksame 194 Siehe oben Teil 2 A.
195 Siehe oben Teil 3 Β IV 1. 1
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Beurkundung erfolgen muß. In dem Fall können die Parteien die Auflassung als „Einigung" im Sinne von § 20 GBO nicht in der Form des § 29 GBO gegenüber dem Grundbuchamt nachweisen, da dazu eine den §§ 8 ff. BeurkG genügende Urkunde erforderlich ist. 1 9 6 Weist das Grundbuchamt einen Eintragungsantrag zurück, stehen die Parteien vor der Frage, wie sie eine solche Urkunde errichten können, zumal sie die Auflassung nach herrschender Ansicht ja bereits wirksam vor dem Notar erklärt haben. Da bei der Beurkundung von Willenserklärungen gemäß § 8 BeurkG eine „Niederschrift über die Verhandlung" aufzunehmen ist, die die Erklärungen der Beteiligten enthält ( § 9 1 Nr. 2 BeurkG), und die in Gegenwart des Notars den Beteiligten vorgelesen, von ihnen genehmigt und eigenhändig unterschrieben werden muß (§ 13 I S. 1 BeurkG), ist die Herstellung einer den §§ 8 ff. BeurkG entsprechenden Urkunde nicht anders möglich, als daß die Parteien die Auflassungserklärungen bei gleichzeitiger Anwesenheit vor dem Notar abgeben und dabei eine Niederschrift angefertigt wird. Nur so ist auch sichergestellt, daß sich das materiellrechtliche Erfordernis der gleichzeitigen Erklärungsabgabe in der Urkunde niederschlägt. 197 Dies bedeutete für die Parteien einer wirksam erklärten aber unbeurkundeten Auflassung, daß sie sich abermals zum Notar begeben müßten, um die Auflassung unter Wahrung der Erfordernisse des § 925 I BGB erneut zu erklären und eine Beurkundung vornehmen zu lassen. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn die Auflassung von dem entgegennehmenden Notar zwar beurkundet wird, die Urkunde jedoch an einem Verstoß gegen zwingende Vorschriften des BeurkG leidet. Während Erti für Verstöße gegen das Βeteiligungsverbot eines ausgeschlossenen Notars (§§ 6 f. BeurkG) sowie zwingende Formvorschriften des Beurkundungsrechts (§ 13 BeurkG) grundsätzlich auf die Wiederholung der Auflassung zur neuen Beurkundung verweist, hält er eine teilweise Nachholung für möglich, wenn sie von einem Beteiligten nicht unterschrieben ist. 1 9 8 Doch auch für die Nachholung der Unterschrift in einer Nachtrags Verhandlung ist wenigstens die Anwesenheit aller Beteiligten der Auflassung erforderlich, da sich andernfalls das materielle Erfordernis der gleichzeitigen Anwesenheit nicht in allen Bestandteilen der Urkunde niederschlägt. In diesem Sinne hat sich das Deutsche Notarinstitut mit Blick auf § 925 BGB dafür ausge•96 Siehe oben Teil 1 D I . 197
Dazu heißt es bei Meikel/Lichtenberger, GBO, § 20 Rn. 73, daß eine Beurkundung in Form von Angebot und Annahme dem Nachweiserfordernis des § 20 GBO nicht entsprechen könne, auch wenn es eine Bestätigungsurkunde in Form von Angebot und Annahme wäre, weil die Beurkundung der Voraussetzungen des § 925 BGB fehlte. Westermann/ Gursky /Eickmann, SachenR, § 76 II 1 (Anm. 2), heben hervor, daß dem Grundbuchamt auch die Tatsache der gleichzeitigen Anwesenheit bei der Erklärungsabgabe in der Urkunde nachzuweisen ist. Auch BayObLG DNotZ 1995, 56 (57) betont, daß der in § 20 GBO geforderte Nachweis der dinglichen Einigung nach § 29 I S. 1 GBO durch Vorlage einer öffentlichen Urkunde geschehe, die erkennen läßt, daß die Beteiligten die Auflassung gemäß § 925 I S. 1 BGB bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile erklärt haben; vgl. ferner BayObLG MDR 2001, 501. •98 Erti, MittBayNot 1992, 102 (107).
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sprochen, daß wegen des Erfordernisses der gleichzeitigen Anwesenheit die Beteiligten der Unterzeichnung der Niederschrift durch den anderen Teil beiwohnen müssen, auch wenn dies „grundsätzlich" nicht erforderlich sei. 199 Eine andere Ansicht hält die Nachholung von Unterschriften der Beteiligten im Rahmen einer Nachtragsbeurkundung ohnehin für gänzlich ausgeschlossen und verlangt daher stets eine erneute Erklärung und Beurkundung der Auflassung. 200
b) Pflicht zur erneuten Auflassungserklärung? aa) Erfüllungswirkung der unbeurkundeten Auflassung Es befremdet, daß die Parteien die Auflassung zum Zweck der Beurkundung erneut erklären müssen, obwohl sie sich bereits zuvor in der notariellen Form des § 925 I BGB wirksam geeinigt haben sollen. Ein weiteres Problem tritt hinzu, wenn sich eine Partei weigert, die Auflassung zum wiederholten Male zu erklären. Daran knüpft sich insbesondere die Frage, ob der wirksam erklärten Auflassung bereits eine Erfüllungswirkung zukommt. Fuchs-Wissemann hat dazu bemerkt, daß die Parteien im Fall der Wiederholung der Auflassung zum Zweck der Beurkundung „Willenserklärungen" abgeben würden, zu deren Abgabe sie wegen der bereits wirksam erklärten Auflassung nicht mehr verpflichtet seien, denen keine sachenrechtliche Bedeutung zukomme und auf deren Abgabe sie nicht verklagt werden könnten. 201 Danach soll der Veräußerer auch schon mit der unbeurkundeten Auflassungserklärung seine schuldrechtliche Verpflichtung zur Abgabe der Auflassungserklärung erfüllt haben. Fordere ihn der Grundstückserwerber dazu auf, mit ihm nochmals zum Notar zu gehen, um dort die Auflassung zum Zwecke der Beurkundung zu erklären, könne er sich dagegen mit Verweis auf seine bereits abgegebene Auflassungserklärung weigern. Fuchs-Wissemann nimmt daher an, daß der Veräußerer nunmehr keine Mitwirkung an der bereits wirksam vorhandenen Auflassung schulde, und er deshalb auch nicht auf Abgabe der Auflassungserklärung verklagt werden könne, weil für eine solche Klage das Rechtsschutzinteresse fehle. 202 Der Weg, die Eintragung mit Hilfe einer gemäß § 894 ZPO fingierten Auflassungserklärung herbeizuführen, wäre damit versperrt. 203 Ein Rechtsschutz199
DNotl 1998, 33 (34). Etwas anderes soll hingegen dann gelten, wenn das materielle Recht die gleichzeitige Anwesenheit nicht anordnet. Dann soll eine Partei die von ihr vergessene Unterschrift auch ohne die übrigen Beteiligten nachholen können. Dem hat sich BayObLG NJW-RR 2001, 734 (736) angeschlossen. 200 Lischka, NotBZ 1999, 8 (9); Meikel/Brambring, GBO, § 29 Rn. 178; Bauer/von Oefele (Knothe), GBO, § 29 Rn. 15. - Hingegen wird die Nachholung der Unterschrift des Notars zeitlich unbegrenzt für möglich gehalten, wobei streitig ist, ob es dazu einer Nachtragsverhandlung bedarf, vgl. Lischka, NotBZ 1999, 8 (9 ff.); Meikel/Brambring, GBO, § 29 Rn. 178, jeweils mit Nachw. zum Meinungsstand. 201 Fuchs-Wissemann, Rpfleger 1977, 9 (11). 202 Fuchs-Wissemann, Rpfleger 1977, 9 (11) und 431 (432).
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
bedürfnis bestünde nach Fuchs-Wissemann allenfalls für eine Klage auf ein bestimmtes Verhalten, das die Errichtung einer den §§ 8 ff. BeurkG entsprechenden Niederschrift ermöglicht, wobei diese Klage in erster Linie auf Vornahme einer unvertretbaren Handlung gerichtet und das Urteil insoweit nach § 888 ZPO zu vollstrecken sei. 204 Nach Erti besteht in einem solchen Fall lediglich die Möglichkeit, die Auflassung durch ein Feststellungsurteil nachzuweisen, da eine Klage auf die bereits wirksam erklärte Auflassung auch seiner Ansicht nach unzulässig wäre. 205 Andere Stimmen haben die Frage, ob der schuldrechtliche Eigentumsverschaffungsanspruch nach erklärter Auflassung noch pfändbar bzw. verpfändbar ist, mit dem Argument verneint, daß der Anspruch bereits zu diesem Zeitpunkt erfüllt und somit erloschen sei. 206
bb) Stellungnahme Soweit die herrschende Auffassung an eine wirksam erklärte, jedoch unbeurkundet gebliebene Auflassung die Folge knüpft, daß damit der Schuldner seiner schuldrechtlichen Verpflichtung (z. B. aus § 433 I BGB) Genüge getan habe, ist ihr entgegenzuhalten, daß sie das dahinterstehende obligationsrechtliche Problem nicht hinreichend berücksichtig. Die eigentliche Frage ist nämlich, ob der Schuldner trotz der wirksam erklärten Auflassung zur nochmaligen Abgabe der Auflassung verpflichtet ist, um so den Erfordernissen der §§ 20, 29 GBO zu entsprechen und dem Gläubiger die Eintragung und damit die geschuldete Eigentumsübertragung zu ermöglichen. Ihre schuldrechtliche Verankerung hat diese Frage in § 362 I BGB, wonach das Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung erfolgt ist. Nach heute allgemein vertretener Ansicht genügt es dazu nach Sinn und Zweck der Vorschrift grundsätzlich nicht, daß der Schuldner die geschuldete Leistungshandlung teilweise oder vollständig vornimmt; vielmehr muß durch das Leistungsverhalten des Schuldners auch der geschuldete Leistungserfolg eintreten. 207 203 Vgl. dazu nur Jauernig, BGB, § 925 Rn. 13. 204
Hierin offenbart sich indessen schon ein Widerspruch, denn das „bestimmte Verhalten" würde gerade in der erneuten Erklärung der Auflassung bestehen, da anders keine den §§ 8 ff. BeurkG genügende Urkunde hergestellt werden kann. Gerade für die Abgabe einer solchen Erklärung soll jedoch nach Fuchs-Wissemann ein Rechtsschutzbedürfnis fehlen. 205 Erti, MittBayNot 1992, 102 (107). - Würde man jedoch das Feststellungsurteil als Nachweis der Auflassung gegenüber dem Grundbuchamt anerkennen, würde auch dies die für die Beurkundung von Willenserklärungen geltenden Vorschriften umgehen und deren Regelungszweck verkürzen. Unabhängig von den sich daraus ergebenden Bedenken hinsichtlich des materiellen Formzwangs sieht die herrschende Meinung gerade hierin den Grund, den Nachweis der Auflassung gegenüber dem Grundbuchamt durch ein Tatsachenprotokoll oder durch öffentlich beglaubigte Erklärungen abzulehnen; siehe oben Teil 1 D I. 206 Hoche, NJW 1955, 931 (933 f.) mit Nachw. aus der älteren Rspr.; vgl. ferner die Nachw. in NJW 1994, 2947 (2948). 207 Staudinger/Olzen, BGB, § 362 Rn. 11; RGRK/Weber, BGB, § 362 Rn. 3; MünchKomm /Heinrichs, BGB, § 362 Rn. 1; Erman/H. P. Westermann, BGB, § 362 Rn. 1; Larenz,
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Dies ist jedoch mit der Erklärung der Auflassung - der dem Verkäufer obliegenden Übertragungshandlung - noch nicht der Fall, mag diese auch wirksam sein, denn der Schuldner ist verpflichtet, dem Gläubiger das Grundstückseigentum zu verschaffen, was die Eintragung des Erwerbers im Grundbuch voraussetzt. Nach heute ganz herrschender Meinung ist daher der Eigentumsverschaffungsanspruch nach erklärter Auflassung somit noch nicht erloschen und existiert trotz Auflassung fort. 208 Der Anspruch ist somit auch nach erklärter Auflassung weiterhin nach § 848 ZPO pfändbar, verpfändbar, abtretbar und kann weiterhin durch das Bestellen einer Vormerkung gesichert werden. 209 Daraus folgt jedoch, daß der Schuldner auch zur Wiederholung der Auflassung verpflichtet sein kann, wenn allein dadurch die für das Grundbuchverfahren wegen der §§ 20, 29 GBO erforderliche Beurkundung der Auflassung bewirkt werden kann. 210 In diesem Sinne hat der BGH die Verpflichtung zur Wiederholung der Leistungshandlung hinsichtlich der erneuten Abgabe einer Eintragungsbewilligung angenommen, nachdem das Grundbuchamt einen Fehler bei der Eintragung begangen hatte und das beantragte Recht nicht entstanden war. 211 Auf der Grundlage der ganz herrschenden Meinung zum Leistungsbegriff des § 362 I BGB ist somit richtigerweise anzunehmen, daß der Schuldner zur Wiederholung der bereits wirksam erklärten Auflassung verpflichtet sein kann, um auf diese Weise die für das Grundbuchverfahren erforderliche Beurkundung zu bewirken. Ohne die Richtigkeit dieses Verständnisses des § 362 I BGB weiter zu vertiefen, ist hervorzuheben, daß sich die Frage der Erfüllungswirkung der nichtbeurkundeten Auflassung allein daraus ergibt, daß auf die Beurkundung als materielles Formerfordernis verzichtet wird. Denn wäre die Beurkundung schon nach § 925 BGB für die wirksame Erklärung der Auflassung unverzichtbar, fehlte es bei der unbeurkundet gebliebenen Auflassungserklärung schon an der Erbringung der geschuldeten Leistungshandlung, da diese eben nur in der für die Willenserklärung nach materiellem Recht vorgeschriebenen Form erbracht werden kann. 212
SchuldR I, § 18 I (S. 235 f.); Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, § 5 I 3 b; Wieacker, Festschrift für Nipperdey, S. 783 (786 ff., 791); BGHZ 12, 267 (268); 87, 156 (162) mit weiteren Nachw. aus der Rspr. 208 BGH NJW 1994, 2947 (2948); OLG Frankfurt a. M. NJW-RR 1997, 1308 (1309) jeweils mit zahlreichen Nachw. aus Rspr. und Schrifttum; Ennan/Hagen/ Lorenz, BGB, § 925 Rn. 53; RGRK/ Weber, BGB, § 362 Rn. 3. 209 Vgl. BGH NJW 1994, 2947 (2948); OLG Frankfurt a. M. NJW-RR 1997, 1308 (1309) jeweils mit zahlreichen Nachw. aus Rspr. und Schrifttum; Erman/Hagen/Lorenz, BGB, § 925 Rn. 53; Soergel/Stürner, BGB, § 925 Rn. 45; Schwab/Prutting, SachenR, Rn. 362. 210 Zur Wiederholungspflicht von Leistungshandlungen vgl. MünchKomm /Heinrichs, BGB, § 362 Rn. 2; Staudinger/Olzen, BGB, § 362 Rn. 11. 211 BGH L M § 157 D Nr. 25 Bl. 2. 212 Dies ergibt sich unmittelbar aus § 125 S. 1 BGB. Eine formnichtige Willenserklärung kann nicht die Verpflichtung zur Abgabe einer formbedürftigen Willenserklärung erfüllen. Denn die Form schreibt ja gerade die Art und Weise der Erklärungsabgabe vor. Wird sie nicht
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
c) Der Widerspruch
zum Klarheitsgebot von Formzwängen
Eine ohne wirksame Beurkundung materiell wirksam erklärte Auflassung zwingt die Parteien zur erneuten Erklärung der Auflassung, um die für den Nachweis gegenüber dem Grundbuchamt erforderliche Beurkundungsform herbeizuführen. Obwohl die Parteien die Auflassung wirksam vor dem Notar erklärt haben sollen, begegnen ihnen auf dem Weg zum Eigentumswechsel dadurch neue Unsicherheiten, die nicht nur Quelle von Streitigkeiten und weiteren Kosten sein können, sondern auch eine zusätzliche Erschwerung des Rechtsverkehrs darstellen. Darin ist zum einen ein Verstoß gegen das Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung zu sehen, die den Rechtsverkehr durch die Einschaltung eines Notars besonders sicher ausgestalten will und sollte. Zum anderen sind diese Folgen der materiellen Auflassungsform schwerlich mit dem von Häsemeyer betonten Klarheitsgebot zu vereinbaren, wonach Formgebote klar und auf wenige Grundtypen beschränkt sein müssen, damit sie der Rechtsverkehr verstehen und risikolos verwenden kann. 213
3. Keine Auflösung der Nachteile durch die einheitliche Betrachtung von materiellem und formellem Recht
Die aufgezeigten Nachteile eines ΒeurkundungsVerzichts lassen sich nicht durch den von der herrschenden Meinung betonten faktischen Beurkundungszwang auflösen, der sich aus der einheitlichen Betrachtung von materiellem und formellem Recht ergibt. Auf seiner Grundlage wäre damit zu argumentieren, daß es wegen der Anforderungen des Grundbuchverfahrens grundsätzlich zu einer Beurkundung der Auflassung unter Wahrung des § 925 I BGB kommen müsse und sich der Normzweck des § 925 I BGB im Rahmen dieser Beurkundung entfalten könne. Damit wäre zwar nicht zu verhindern, daß Auflassungen auch ohne Wahrung der Beurkundungsform materiell wirksam erklärt werden. Da mit einer solchen Auflassung jedoch eine Eintragung nicht vorgenommen werden darf, wären die Parteien gezwungen, die Auflassung im Rahmen einer Beurkundung zu wiederholen, was im Ergebnis den Zweck des § 925 I BGB regelmäßig zu sichern vermöchte. Gegen diese Argumentation ist zunächst einzuwenden, daß es nur dann zu einer erneuten Erklärung der Auflassung kommt, wenn das Grundbuchamt den Mangel
eingehalten, fehlt es mithin nicht nur an dem geschuldeten Leistungserfolg, sondern auch schon an der geschuldeten Leistungshandlung. 213 Häsemeyer, JuS 1980, 1 (2); ders., Die gesetzliche Form der Rechtsgeschäfte, S. 211 if. - Daß dies von der herrschenden Meinung zur materiellen Auflassungsform nicht immer geleistet wird, zeigt sich schon daran, daß der mit der Leistungsklage auf Wiederholung der Auflassung klagende Gläubiger sich in Ansehung der von Fuchs-Wissemann und Erti vertretenen Meinungen zum Rechtsschutzbedürfnis einer solchen Klage nicht einmal deren Zulässigkeit sicher sein kann.
C. Die Beurkundung als die geeignetste Form zur Verwirklichung des Normzwecks 169
der Urkunde erkennt und die Eintragung zurückweist. Dies dürfte zwar angesichts der umfassenden Prüfungspflicht des Grundbuchamts die Regel sein, schließt jedoch Ausnahmen nicht aus, was ein Blick auf die Rechtsprechung zur Frage der Beurkundungsbedürftigkeit der Auflassung zeigt. 214 Wird die Eintragung ohne wirksame Beurkundung vorgenommen, können sich in diesem Fall die mit § 925 I BGB verfolgten Zwecke nicht in der Weise entfaltet haben, wie dies allein von der Beurkundungsform geleistet werden kann. Durchschlagende Bedenken sprechen vor allem aus konstruktiver Sicht gegen ein solches Verständnis des Normzwecks und seiner Verwirklichung durch das Zusammenwirken mit dem Grundbuchverfahrensrecht. Denn man würde dabei unterstellen, daß das BGB mit der Formvorschrift des § 925 I BGB Zwecke verfolgt, die mit der angeordneten Form gar nicht oder nur unzulänglich verwirklicht werden können. Die Verwirklichung des Normzwecks wäre vielmehr von den Erfordernissen des formellen Grundbuchrechts abhängig, das den Nachweis der Auflassung in beurkundeter Form verlangt. Gegen eine solche Konstruktion spricht vor allem, daß mit § 925 I BGB solche Zwecke verfolgt werden, die außerhalb des Regelungszwecks des Grundbuchverfahrensrechts liegen und ihren Ursprung im materiellen Recht selbst haben. Es liegt daher fern, sich zur Verwirklichung des Normzwecks auf die Ausgestaltung des Grundbuchverfahrens zu verlassen, das zudem ohnehin nur Ordnungsrecht darstellt und nicht unter dem Druck der sich aus § 125 S. 1 BGB ergebenden Nichtigkeitsfolge steht.
4. Zusammenfassung
Während die Beurkundungsform zu einer weitreichenden Verwirklichung der mit § 925 I BGB verfolgten Regelungszwecke führt, bringt der Verzicht auf sie als materielles Formerfordernis nachteilige Folgen mit sich. Neben der mangelnden Erfüllung des Normzwecks tun sich zahlreiche Widersprüchlichkeiten auf, die gegen die Konstruktion der herrschenden Auslegung sprechen. In Ansehung dieser Nachteile können nur besonders wichtige Gründe rechtfertigen, die Auflassung zu ihrer materiellen Wirksamkeit vor einem Notar erklären zu lassen, ohne zugleich die Beurkundung anzuordnen und damit die Form zu wählen, die für den Nachweis der Auflassung vor dem Grundbuchamt erforderlich ist, die den Grundtypus der wichtigsten gesetzlichen Form darstellt und die zur bestmöglichen Verwirklichung des Regelungszwecks führt. Allein der Schutz des Grundbuchs vor Falscheintragungen wird von der herrschenden Meinung zur Rechtfertigung ihres Beurkundungsverzichts angeführt. Sein Stellenwert wird daher auch unter dem Gesichtspunkt einer widerspruchsfreien Auslegung zu gewichten sein.
214 Siehe die Nachw. oben Teil 1, Fn. 130.
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
I I I . Verkehrsinteresse und Rechtssicherheit als Auslegungsgesichtspunkte Die bisher aufgezeigten Vorteile der Beurkundungsform werden von der herrschenden Meinung nicht ausdrücklich in Frage gestellt und mittelbar anerkannt, indem sie den faktischen Beurkundungszwang als Rahmen betont, in dem sich die Zwecke des § 925 I BGB entfalten können. Dennoch wird das Beurkundungserfordernis ausschließlich dem Verfahrensrecht zugeordnet, um so dem Schutz des Grundbuchs vor dem Abweichen von der tatsächlichen Rechtslage zu dienen. Zur Ermittlung des Stellenwertes, mit dem der Gesichtspunkt des Grundbuchschutzes in die Auslegung des § 925 I BGB einzubeziehen ist, 2 1 5 sind zunächst zwei Fragen zu unterscheiden. Zum einen ist das Ausmaß der Gefahr für die Richtigkeit des Grundbuchs infolge eines materiellen Beurkundungserfordernisses zu bestimmen (1). Zum anderen ist zu prüfen, welche Bedeutung der Richtigkeit des Grundbuchs sowie dem Rechtsfrieden zwischen den Parteien beizumessen ist (2, 3). Erst auf der Grundlage der Beantwortung dieser Fragen kann eine Entscheidung darüber getroffen werden, ob mit Rücksicht auf den Grundbuchschutz der Verzicht auf die Beurkundung als Element des materiellen Formzwangs gerechtfertigt oder gar geboten ist (4).
1. Die mit einem materiellen Beurkundungszwang verbundene Gefahr für die Richtigkeit des Grundbuchs
Wäre die Beurkundung als Element des materiellen Formzwangs anzusehen, wäre wie bei jeder Verschärfung der Formanforderungen mit der Zunahme der Formnichtigkeiten zu rechnen, denn fortan würde auch jeder Verstoß gegen Mußvorschriften des BeurkG gemäß § 125 S. 1 BGB zur Nichtigkeit der Auflassung führen. 216 Je mehr formnichtige Auflassungen beim Grundbuchamt zur Eintragung eingereicht werden, desto größer wird auch die Wahrscheinlichkeit einer Eintragung, die der tatsächlichen Rechtslage nicht entspricht. Dabei handelt es sich jedoch nur um eine schematische Erhöhung der Wahrscheinlichkeit von formnichtigen Auflassungen, die sich allein daran orientiert, daß ein Mehr an Formerfordernissen auch ein Mehr an möglichen Verletzungen der Form bedeutet. Um eine Aussage über die relative Steigerung der Gefahr für das Grundbuch infolge eines materiellen Beurkundungszwangs treffen zu können, bedarf es einer eingehenderen Untersuchung.
215
Zur Einbeziehung des Grundbuchschutzes in die Auslegung siehe oben Teil 3 Β V 4 b). Bei dieser „Negativannahme" bleibt zunächst unberücksichtigt, daß aus der Beurkundung als der sichersten Form hinsichtlich bestimmter Nichtigkeitsgründe eine größere Sicherheit für die Wirksamkeit der Auflassung resultieren könnte. 216
C. Die Beurkundung als die geeignetste Form zur Verwirklichung des Normzwecks 171
a) Sicherheit der Beurkundung durch das notarielle Verfahren Bei der konkret in Frage stehenden Formerschwerung handelt es sich nicht um eine private Form, deren Beobachtung allein den Parteien überlassen ist. Die Beurkundung von Willenserklärungen ist fast ausnahmslos von Notaren vorzunehmen. Notare bilden einen hochspezialisierten Berufsstand, dessen Berufsbild wesentlich durch die Beurkundung von Rechtsvorgängen bestimmt ist (vgl. §§ 1,20 BNotO). 217 Ferner ist die Ausübung des Notaramts detailliert geregelt; insbesondere für die Beurkundung von Willenserklärungen sind in den §§ 6 ff. BeurkG genaue Anweisungen enthalten. Schon allein wegen der hohen Qualifikation der Notare sowie des dicht geregelten Verfahrens ist nur mit einer geringen Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, daß eine Beurkundung wegen eines Verstoßes gegen das Beurkundungsverfahren nichtig ist. Haug bestätigt dies durch seinen Hinweis, daß sich die Urkundstätigkeit als Hauptaufgabe des Notars aus haftpflichtrechtlicher Sicht nicht als die risikoreichste zeigt, da das formelle Urkundsrecht relativ klar geregelt ist. 2 1 8 Hinzu kommt, daß die Nichtigkeitssanktion des § 125 S. 1 BGB einen besonderen Druck auf den Notar ausübt, der zudem bei Nichtbeachtung der Beurkundungsvorschriften mit Maßnahmen der Dienstaufsicht rechnen muß und sich schadensersatzpflichtig machen kann, was eine zusätzliche Gewähr für die peinliche Beobachtung der Vorschriften bedeutet. Ferner sind die Mußanforderungen an eine wirksame Beurkundung durch das BeurkG aus dem Jahre 1969 auf die Mindestvoraussetzungen eingeschränkt worden, ohne die von einer Beurkundung nicht mehr gesprochen werden könnte. 219 Dabei hatte man sich gerade von dem Gedanken leiten lassen, daß es den Interessen des Bürgers vielfach widerspreche, daß ein Versehen der Urkundsperson die Unwirksamkeit des Beurkundungsaktes und unter Umständen sogar die Nichtigkeit des zu beurkundenden Rechtsgeschäfts zur Folge hat, zumal der Bürger auf die Beachtung der Verfahrensregeln meist keinen Einfluß hat. 2 2 0 Man hielt es daher weitestgehend für ausreichend, die Amtspflichten der Urkundsperson nicht als Mußvorschriften auszugestalten, sondern ihre Verletzung nur mit einem dienstaufsichtlichen Einschreiten oder Schadensersatzansprüchen zu sanktionieren. 221 In Betracht zu ziehende Mußvorschriften sind daher im Normalfall 222 neben den zur 217 Zur Tradition des Notariats vgl. Huhn/von Schuckmann, BeurkG, Einl. Rn. 23 ff. mit zahlreichen Nachw. 218
Haug, Die Amtshaftung des Notars, Rn. 600. Zu den Einschränkungen gegenüber der früheren Rechtslage vgl. Mattern, Rpfleger 1969, 37 (39); Keidel/Winkler, BeurkG, Einl. Rn. 10 ff.; Eylmann/Vaasen (Eylmann), BeurkG, Einl. Rn. 6. 22 BT-Drucks. V/3282, S. 24. 22 1 Zustimmend Köbl, DNotZ 1983, 207 (221). 222 Besondere Mußanforderungen gelten etwa im Fall der Sprachunkunde (§ 16 BeurkG ), Schreibunfähigkeit (§ 25 BeurkG) sowie bei Taubheit (§§ 23 f. BeurG), allerdings auch hier nur unter besonderen Voraussetzungen, vgl. dazu Keidel/Winkler, BeurkG, Einl. Rn. 11. 219
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
Unwirksamkeit der Beurkundung führenden Ausschlußgründen sowie dem Beurkundungsverbot zum eigenen rechtlichen Vorteil (vgl. § 6 f. BeurkG) lediglich die Pflicht zur Aufnahme einer Niederschrift, die neben der Bezeichnung des Notars die Erklärungen der Parteien enthalten muß (§§ 8 f. BeurkG); die Pflicht, die Niederschrift in Gegenwart des Notars den Beteiligten vorzulesen; das Erfordernis der Genehmigung sowie der eigenhändigen Unterschrift durch die Parteien (§ 13 BeurkG). 223 Schließlich ist die Niederschrift vom Notar eigenhändig zu unterschreiben. Insbesondere die allgemeine Belehrungspflicht des Notars (§ 17 BeurkG) sowie die speziellen Hinweis- und Einsichtspflichten bei Grundstücksgeschäften (§§ 18 ff. BeurkG) sind nur als Sollvorschriften ausgestaltet.224 Auch hinsichtlich des Umfangs der zu beurkundenden Erklärungen besteht bei der Auflassung weitgehend Klarheit, da der Typus der Erklärungen durch das Gesetz eindeutig bestimmt ist. 2 2 5 Während der Begriff der Auflassung von den Parteien nicht verwendet werden muß, 226 besteht Einigkeit darüber, daß das aufgelassene Grundstück zweifelsfrei zu bezeichnen ist. 2 2 7 Allerdings kommt es dabei nicht auf eine den Anforderungen des § 28 GBO genügende Bezeichnung an, da es sich dabei nur um ein verfahrensrechtliches, nicht jedoch um ein sachlichrechtliches Erfordernis handelt. 228 Selbst die unbewußte Falschbezeichnung einer Parzelle schadet der Formwirksamkeit der Auflassung nicht, da insoweit die Regel der falsa demonstratio non nocet Anwendung finden soll. 2 2 9 Wegen der wenigen klar definierten und vergleichsweise leicht zu erfüllenden Anforderungen an eine wirksame Beurkundung der Auflassung ist das Risiko einer unwirksamen Auflassung infolge eines Beurkundungsmangels somit schon als gering einzuschätzen. 223
Haben die Beteiligten die Niederschrift unterschrieben, wird von Gesetzes wegen sogar vermutet, daß sie in Gegenwart des Notars vorgelesen und genehmigt worden ist (§ 13 IS. 3 BeurkG). 224 Nach der Rechtsprechung kann eine mangelnde oder unzureichende Belehrung bei der Verwendung formelhafter, häufig benutzter Klauseln zu deren Unwirksamkeit führen, vgl. Keidel/Winkler, BeurkG, § 17 Rn. 126. 225 Zutreffend weist Bernard, Formbedürftige Rechtsgeschäfte, S. 58, darauf hin, daß in den Fällen, in denen Typenzwang herrscht, das Gesetz die notwendigen und möglichen Vereinbarungen für den jeweiligen Geschäftstypus abschließend vorgibt; die vom Gesetz für das Geschäft vorgeschriebenen Erklärungen müssen in die Urkunde aufgenommen werden. 22 6 Wolff /Raiser, SachenR, § 61 I 2 Anm. 3 (S. 211). 22 7 Demharter, GBO, § 20 Rn. 32; Palandt/Bassenge, BGB, § 925 Rn. 13; OLG Hamm NJW-RR 1992, 152 (153); BayObLG Rpfleger 1988, 60. 22 « Demharter, GBO, § 20 Rn. 32; Holzer/Kramer, GrundbuchR, Rn. 170 f. - In § 28 GBO wird eine Bezeichnung in Übereinstimmung mit dem Grundbuch oder durch Verweis auf das Grundbuchblatt verlangt. 229 BGH NJW 1986, 1867 (1868); 1989, 1484 (1485); OLG Düsseldorf NJW-RR 2000, 1006 (1007); OLG Hamm NJW-RR 1992, 152 (153). - Grundlegend BGHZ 87, 150 (152 ff.) = NJW 1983, 1610 = JZ 1983, 759 mit Anm. Wieling; Hagen, DNotZ 1984, 267 (283 f.); Köbl, DNotZ 1983, 598 ff.; Jauernig, BGB, § 127 Rn. 8, der auf den ungelösten Widerspruch zur sonst geforderten „Andeutung zwecks Formwahrung" in der Urkunde hinweist; kritisch zum ganzen Wieling, AcP 172 (1972), 297 ff.
C. Die Beurkundung als die geeignetste Form zur Verwirklichung des Normzwecks 173
b) Sicherung des Grundbuchs durch die Kontrolle des Grundbuchamts Aber selbst ein Verstoß gegen die zwingenden Erfordernisse des BeurkG und die daraus folgende Nichtigkeit der Auflassung können nicht mit einer automatisch nachfolgenden Falscheintragung in das Grundbuch gleichgesetzt werden. Die sich aus § 20 GBO ergebende Prüfungspflicht des Grundbuchamts führt nämlich zu einer weiteren Verringerung der Wahrscheinlichkeit einer Grundbucheintragung auf der Grundlage einer an einem Beurkundungsmangel leidenden Auflassung. Die Prüfungspflicht des Grundbuchamts ergibt sich unmittelbar aus dem Nachweiserfordernis des § 20 GBO und ist ihrem Grunde nach unbestritten. Streit herrscht nur hinsichtlich des Prüfungsumfangs, wobei zum Teil verlangt wird, daß das Grundbuchamt die materielle Wirksamkeit der Auflassung umfassend zu prüfen habe, 230 andere Stimmen den Prüfungsmaßstab hingegen auf die „verfahrensmäßige Verwendbarkeit" der Einigung beschränken wollen. 231 Hinsichtlich der Einhaltung der Beurkundungsform ist diese Auseinandersetzung jedoch unerheblich, denn unabhängig von der Prüfungspflicht hinsichtlich der Wirksamkeit der Auflassung ist das Grundbuchamt verpflichtet, die Wirksamkeit der Urkunde mit Blick auf das verfahrensrechtliche Nachweiserfordernis des § 29 GBO zu prüfen. 232 Denn leidet die Urkunde an Verstößen gegen das BeurkG, kann mit ihr der erforderliche Beweis nicht erbracht werden, und das Grundbuchamt hat den Antrag schon aus diesem Grunde zurückzuweisen. Die Gefahr, daß vom Grundbuchamt Verstöße gegen Mußvorschriften des BeurkG übersehen werden, ist als gering einzuschätzen. Da das Grundbuchamt seit der Beseitigung seiner Zuständigkeit zur Entgegennahme der Auflassung ausnahmslos auf die Urkunde zu seiner Unterrichtung über den Auflassungsinhalt angewiesen ist, können solche Fälle als so gut wie ausgeschlossen gelten, in denen das Grundbuchamt seiner Prüfungspflicht überhaupt nicht nachkommt und das Fehlen jeder Beurkundung übersehen wird. 2 3 3 Ferner sind Verstöße gegen MußVorschriften regelmäßig schon deshalb leicht erkennbar, da sie sich aus der Urkunde selbst ergeben. 234 Als vom Grundbuchamt vergleichsweise schwer erkennbare Verstöße gegen das BeurkG, die zur Nichtigkeit von Beurkundungen von Willenserklärungen führen, sind dagegen solche anzusehen, die sich gegen die Ausschließungsgründe des § 6 BeurkG oder gegen das Verbot von Beurkundungen zugunsten des Notars oder seiner Angehörigen (§ 7 BeurkG) richten. Jedoch sind auch
230 Böttcher, Rpfleger 1980, 486 (493); Venjakob, Das Legalitätsprinzip im Grundbuchverfahren, S. 124. 23 1 Erti, DNotZ 1990, 39 (41); Wolfsteiner, DNotZ 1987, 67 (72 ff.); Wufka, DNotZ 1985, 651 (662). 232 Siehe oben Teil 1 D I. 233 OLG Köln VersR 1997, 1510 (1511) sieht hierin eine „eher theoretische als praktische Gefahr". 23 4 Keidel/Winkler, BeurkG, Einl. Rn. 11.
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diese Ausschließungsgründe regelmäßig auf solche beschränkt, die auf Grund des Namens aus der Urkunde ersichtlich sind. 235
c) Differenzierung
der falschen Eintragungen
Sollte es nach Prüfung der Urkunde durch das Grundbuchamt zu einer Eintragung des Eigentumswechsels trotz eines schweren Beurkundungsfehlers kommen, stimmt das Grundbuch nicht mit der dinglichen Rechtslage überein. Doch selbst in diesem Fall ist weiter zu differenzieren: Sollte sich der Beurkundungsfehler nämlich nur auf die Auflassung beziehen, das obligatorische Geschäft jedoch wirksam sein, kann dieser Fall nicht mit dem gleichgesetzt werden, in dem die Eintragung ohne wirksames Grundgeschäft erfolgt. Soweit nämlich für den Erwerber ein wirksamer, durchsetzbarer Anspruch auf Übereignung besteht, kann er grundsätzlich die erneute Auflassung verlangen und das Grundbuch dadurch richtig werden lassen. 236 Umgekehrt dürfte in diesem Fall dem Streben des Veräußerers nach Grundbuchberichtigung die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung nach dem Grundsatz des dolo agit , qui petit , quod statim redditurus est entgegenstehen.237 Soweit die falsche Eintragung im Grundbuch dem durch ein wirksames Verpflichtungsgeschäft geschuldeten Erfolg entspricht, ist es daher unangemessen, von der „Gefahr" eines falschen Grundbuchs zu sprechen, denn es ist in diesen Fällen regelmäßig zu erwarten, daß die Parteien die Auflassung für wirksam erklären und das Grundbuch daraufhin mit der tatsächlichen Rechtslage übereinstimmt. Eine wirkliche Gefahr geht für die Richtigkeit des Grundbuchs infolge von Beurkundungsmängeln somit lediglich von den Fällen aus, in denen eine wirksame, durchsetzbare Verpflichtung zur Verschaffung des Eigentums an dem Grundstück nicht besteht, der Notar gegen zwingende Beurkundungsvorschriften verstößt und dies vom prüfungspflichtigen Grundbuchamt übersehen wird.
235 Die Erkennbarkeit dieser Verstöße könnte sich zukünftig immer schwieriger gestalten, da die Namenseinheit innerhalb der Familie immer weniger gewährleistet ist und der Name seine Funktion, familiäre Zusammenhänge offenzulegen, mehr und mehr einbüßt; vgl. Diederichsen, NJW 1994, 1089 (1097). 236 Reihenfolge und zeitlicher Abstand von Einigung und Eintragung sind insoweit gleichgültig, Staudinger/Gursky, BGB, § 873 Rn. 9; Jauernig, BGB, § 873 Rn. 10. 237 Dabei handelt es sich um einen Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung. Vgl. allgemein zum Grundsatz „dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est" Staudinger / Schmidt, BGB, § 242 Rn. 681. Zur Anwendbarkeit bei § 894 BGB vgl. Staudinger/Schmidt, BGB, § 242 Rn. 682, 1360; Staudinger/Gursky, BGB, § 894 Rn. 110; Jauernig, BGB, § 894 Rn. 10; BGHZ 38, 122 (126) = NJW 1963, 244; BGH NJW 1974, 1651 mit der Formulierung des Grundsatzes: „Ist derjenige, der die Löschung eines im Widerspruch zur dinglichen Rechtslage im Grundbuch eingetragenen Rechts im Wege der Berichtigung begehrt, demjenigen, zu dessen Gunsten das Recht eingetragen ist, schuldrechtlich zur Bestellung dieses Rechts verpflichtet, so steht dem Berechtigungsbegehren grundsätzlich der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen."
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d) Ergebnis Im Ergebnis bedeutet dies, daß die aus einem materiellen Beurkundungserfordernis resultierende Gefahr für die Ubereinstimmung des Grundbuchs mit der tatsächlichen Rechtslage als äußerst gering einzuschätzen ist und es sich nur um seltene Einzelfälle handeln kann. 238 Um beurteilen zu können, ob diese Fälle eine so erhebliche Gefahr für die Richtigkeit des Grundbuchs darstellen, daß sie einen generellen Verzicht auf die Beurkundung als materielles Formerfordernis verlangen, muß zuvor die Bedeutung des Grundbuchschutzes ermittelt werden.
2. Die Bedeutung des Grundbuchschutzes
Im Zusammenhang mit § 925 I BGB wird der Schutz des Grundbuchs vor der Gefahr einer Abweichung von der tatsächlichen Rechtslage allgemein als ein öffentliches Interesse betont, ohne daß näher ausgeführt wird, worin die Gefahr konkret bestehen soll. Zuzugeben ist freilich, daß das Grundbuch seine originäre Funktion nur dann erfüllt, wenn eine größtmögliche Übereinstimmung zwischen Grundbuchstand und tatsächlicher Rechtslage angestrebt und erreicht wird, denn das Grundbuch soll Spiegel der privaten dinglichen Rechte an Grundstücken sein und über die Rechtsverhältnisse möglichst erschöpfend und zuverlässig Auskunft geben. 239 . Schon früher ist gezeigt worden, daß es die zentrale Funktion des - so Jauernig - „ebenso sorgfältigen wie komplizierten" 240 Eintragungsverfahrens ist, Divergenzen zwischen Grundbuchinhalt und wahrer Rechtslage weitestgehend zu verhindern. Nur ein hohes Maß an Übereinstimmung zwischen Grundbuchstand und wahrer Rechtslage rechtfertigt das Vertrauen, das der Rechtsverkehr in die Richtigkeit des Grundbuchinhalts haben darf. Nur auf der Annahme einer hohen Wahrscheinlichkeit der Übereinstimmung von Grundbuchinhalt und materieller Rechtslage ist es zu rechtfertigen, 241 daß das Gesetz an die Eintragung im Grund238 Bestätigt wird dies von Fuchs-Wissemann, Rpfleger 1978, 431 (dort Anm. 2), der allerdings die nach §§ 20, 291 GBO erforderliche Beurkundung vor Augen hat. 239 Teil 2 C II. 2 *o Jauernig, BGB, Vor § 891 Rn. 1. 241 Die Rechtfertigungspflicht dieser das Eigentum beschränkenden Normen ergibt sich unmittelbar aus der im Privatrecht angelegten Garantie des Eigentums. Seit Inkrafttreten des Grundgesetzes ist das zivilrechtliche Eigentum gegen unzulässige Eingriffe auch durch Art. 14 GG geschützt (vgl. dazu Peters, Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb, S. 17 ff.). - Allgemein scheint akzeptiert zu werden, daß der Gesetzgeber in zulässiger Weise von seiner Gestaltungsfreiheit Gebrauch gemacht hat, obwohl wie Baur/Stürner, SachenR, § 52 Rn. 8, betonen - eine voll befriedigende Antwort bisher nicht gefunden ist, warum die Rechtsordnung die Interessen des Erwerbers gegenüber denen des Eigentümers bevorzugt und diesen faktisch enteignet. Allgemein werden zur rechtspolitischen Rechtfertigung des Erwerbs vom Nichtberechtigten das Interesse an Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs genannt {Heck, SachenR, § 58 I 1; Wolff / Raiser, SachenR, § 68 II 1[S. 249 f.]).
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buch die in § 891 I, II BGB enthaltenen (widerlegbaren) Vermutungen des Bestehens eines eingetragenen bzw. Nichtbestehens eines gelöschten Rechts knüpft 242 und sie in § 892 BGB im Interesse des redlichen Geschäftsverkehrs in eine unwiderlegliche Vermutung steigert, um so den gutgläubigen Erwerb von Liegenschaftsrechten zu ermöglichen. 243 Im Zusammenhang mit der allgemeinen Zweckbeschreibung des § 925 I BGB entsteht jedoch leicht der Eindruck, als handele es sich bei der Übereinstimmung des Grundbuchs mit der tatsächlichen Rechtslage um einen absoluten Wert, der sich schlicht aus der Registereigenschaft des Grundbuchs und dem ihm verliehenen öffentlichen Glauben ergeben soll und nicht weiter zu hinterfragen ist. Es soll daher zunächst gefragt werden, ob dem Grundbuchschutz ein absoluter Wert zukommt. Im Anschluß daran soll untersucht werden, ob nicht gerade in einem unrichtigen Grundbuch der Interessenschutz von Parteien zum Ausdruck kommen kann. a) Kein absoluter Grundbuchschutz aa) Allgemeine Ursachen für falsche Grundbucheintragungen Daß der Richtigkeit des Grundbuchs kein absoluter Stellenwert zukommt, leuchtet unmittelbar ein, wenn man sich den Fall vor Augen hält, daß ein Geschäftsunfähiger über sein Grundstückseigentum verfügt und der Eigentumswechsel in das Grundbuch eingetragen wird. 2 4 4 Nur damit die Eintragung im Grundbuch der tatsächlichen Rechtslage entspricht, wird niemand verlangen, auf die Geschäftsfähigkeit des Verfügenden zu verzichten. Der Schutz des Geschäftsunfähigen vor einem Vermögensverlust überwiegt das Interesse an einem richtigen Grundbuch. Das falsche Grundbuch ist dabei nur die Folge und sichtbarer Ausdruck dessen, daß die Rechtsordnung der Einigung der Parteien die rechtliche Anerkennung versagt und sie auf diese Weise zum Anknüpfungspunkt für die Umsetzung von Wertungen macht, die auf einer höheren Stufe angeordnet sind als die mit dem Grundbuch verfolgte Rechtssicherheit. Gleiches gilt in einem Fall der Vertretung ohne Vertretungsmacht bei der Erklärung der Auflassung. Übersehen Notar und Grundbuchamt die Unwirksamkeit der Bevollmächtigung, wird das Grundbuch im Falle der Eintragung des Eigentumswechsels falsch. Auch hier wird niemand fordern, auf das Erfordernis der Bevollmächtigung im Interesse des Grundbuchschutzes zu verzichten. 245 Gleiches gilt für das Erfordernis der Verfügungsbefugnis des Auflassen242 MünchKomm/ Wacke, BGB, § 891 Rn. 1. Da diese Vermutung widerlegbar ist, handelt es sich um eine Beweislastverteilung in der Weise, daß die Behauptung der Unrichtigkeit des Grundbuchs zu beweisen ist. 243 MünchKomm/ Wacke, BGB, § 892 Rn. 1. 244
Vgl. BGH NJW 1973, 613 (614); BayObLG NJW-RR 1989, 910. 5 Vgl. auch KG NJW-RR 1999, 168, wo die Auflassung unter Verstoß gegen §181 Alt. 1 BGB erklärt wurde. Das Grundbuchamt hatte den Mangel erkannt und wurde 24
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den 2 4 6 bzw. die Zustimmung zu der Verfügung eines Nichtberechtigten 247 oder einen Verstoß gegen das in § 925 II BGB enthaltene Verbot, die Auflassung unter einer Bedingung oder Zeitbestimmung zu erklären 248 . Ferner besteht die Möglichkeit, daß die Auflassung wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 I BGB) oder wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 I BGB) nichtig ist. 2 4 9 Neben diesen Fällen einer unwirksamen Auflassung können vor allem Rechtsänderungen außerhalb des Grundbuchs zu einem falschen Grundbuch führen, etwa durch Erbfall (vgl. § 1922 BGB), durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung (vgl. § 90 ZVG) oder auch durch Enteignung. 250 Entsprechend setzt das Gesetz selbst in verschiedenen Normen das Auseinanderfallen von Grundbuchinhalt und tatsächlicher Rechtslage voraus. Allen voran ist dabei auf die Vorschriften der §§ 891-899 BGB zu verweisen, die die Richtigkeitsvermutung, den öffentlichen Glauben, den Berichtigungsanspruch sowie den Widerspruch im Falle eines falschen Grundbuchs regeln. In zeitlicher Hinsicht ist die Regelung über die Buchersitzung besonders eindrucksvoll: Wer Bucheigentümer ist, ohne das Eigentum an dem Grundstück erlangt zu haben, erwirbt gemäß § 900 I S. 1 BGB das Eigentum erst, wenn die Eintragung dreißig Jahre bestanden und er während dieser Zeit das Grundstück in Eigenbesitz gehabt hat. Dazu kommt es auf die Redlichkeit des Besitzers nicht an, jedoch wird der Lauf der Frist durch die Eintragung eines Widerspruchs gehemmt. Bemerkenswert ist der lange Zeitraum von 30 Jahren, für den das Gesetz den Zustand der Rechtsunsicherheit hinsichtlich des Eigentumserwerbs und der Unrichtigkeit des Grundbuchs hinnimmt, und damit auch in Kauf nimmt, daß die von einem Eigentumsverlust bedrohte Partei noch bis zum Ablauf von 30 Jahren durch den Nachweis der unwirksam erklärten Auflassung 251 die Berichtigung des Grundbuchs und Rückabwicklung des Gevom KG darin bestätigt, daß die Wirksamkeit der Auflassung von der Genehmigung des (unwirksam) vertretenen Teils abhängt und ohne sie ein Eintragungshindernis besteht. - Vgl. auch BayObLG Rpfleger 1993, 441 (442); OLG Oldenburg NJW-RR 1988, 839 (Genehmigungserfordernis durch Ergänzungspfleger). 246 Vgl. BayObLG NJW-RR 1989, 587 (Erklärung der Auflassung durch Testamentsvollstrecker). 247 Vgl. LG Aurich NJW-RR 1987, 850. 248 Vgl. Β FH MittRhNotK 2000, 442 (443). 249 Vgl. OLG Frankfurt NJW 1981, 867 (877) mit Nachw.; OVG Münster NJW 1989, 2834 f., das eine Auflassung wegen eines Verstoßes gegen § 138 I BGB für nichtig gehalten hat, da das Rechtsgeschäft allein zu dem Zweck vorgenommen worden war, den berechtigten Zugriff des Sozialhilfeträgers auf das Grundstück zu vereiteln. 250 Vgl. Jauernig, BGB, vor § 891 Rn. 1. - Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang das Recht der Kirchen, auf Grund ihres Selbstbestimmungsrechts im Rahmen von Organisationsveränderungen durch kirchliches Gesetz oder darauf beruhendem Verwaltungsakt Eigentum an Grundstücken wirksam von einer kirchlichen Körperschaft auf eine andere zu übertragen, ohne daß es dazu einer Auflassung bedarf und mit der Folge, daß das unrichtige Grundbuch gemäß § 22 GBO zu berichtigen ist (vgl. HansOLG Hamburg Rpfleger 1982, 373 sowie ausführlich Mainusch, NJW 1999, 2148). 251 Für den Buchberechtigten streitet § 8911 BGB. 1
Pajunk
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schäfts verlangen kann. 252 Die 30 Jahre dauernde Frist des § 900 I S. 1 BGB korrespondiert mit der Verjährungsfrist für Ansprüche aus dem Eigentum, die auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts gemäß § 1971 Nr. 1 BGB n. F. 30 Jahren betragen wird. Die Möglichkeit des Auseinanderfallens von Buchlage und tatsächlicher Rechtslage im Zusammenhang mit einer rechtsgeschäftlichen Eigentumsübertragung ergibt sich daraus, daß die Rechtsordnung auf der Einhaltung von WirksamkeitsVoraussetzungen bei der Auflassung besteht und sie auf diese Weise über das Interesse an der Richtigkeit des Grundbuchs stellt. 253 Hätte der Gesetzgeber der Richtigkeit des Grundbuchs einen absoluten Stellenwert einräumen wollen, hätte er Eintragung und Löschung im Grundbuch mit „formeller Rechtskraft" in der Weise ausstatten können, daß der Grundbuchstand stets die tatsächliche Rechtslage bestimmt. Gerade weil er dies nicht getan hat, ist die Rechtsordnung auf die Möglichkeit des Auseinanderfallens von Buchinhalt und tatsächlicher Rechtslage eingestellt. 254
bb) Der materielle Formzwang des § 925 BGB als Ursache falscher Grundbucheintragungen Der Gesetzgeber hat den Grundbuchschutz jedoch nicht nur mit Blick auf die Geschäftsfähigkeit und die Vertretungsmacht zurückgestellt. Auch in Ansehung der materiellen Formerfordernisse bei der Auflassung hat er den Grundbuchschutz nicht absolut gesetzt. Hätte er Falscheintragungen infolge von Verstößen gegen das materielle Formerfordernis allgemein verhindern wollen, wäre die Aufnahme einer HeilungsVorschrift in das BGB zu erwägen gewesen, nach der alle zur Nichtigkeit der Auflassung führenden Formmängel mit dem Zeitpunkt der Eintragung unbeachtlich werden. Eine solche Vorschrift gibt es jedoch nicht, und daher leidet eine unwirksame Auflassung auch nach der Eintragung in das Grundbuch weiterhin an ihrer Formnichtigkeit. Dies gilt unumstritten für das Formerfordernis der Gleichzeitigkeit: Werden die Auflassungserklärungen nicht bei gleichzeitiger Anwesen252
Vgl. zur Möglichkeit des endgültigen Auseinanderfallens von Eigentum und Besitz Finkenauer, Eigentum und Zeitablauf - das dominium sine re im Grundstücksrecht, S. 90 ff. 253 Dabei darf freilich nicht übersehen werden, daß durch das Eintragungsverfahren die Eintragung in Fällen der unwirksamen Einigung grundsätzlich verhindert werden soll und somit als Schutzfilter für das Grundbuch fungiert. 254 MünchKomm/ Wacke, BGB, § 891 Rn. 1. - Zur Ablehnung des etwa im sächsischen BGB herrschenden Prinzips der formalen Rechtskraft in Johows Teilentwurf eines Sachenrechts und zu den dafür maßgeblichen Gründen vgl. Finkenauer, Eigentum und Zeitablauf das dominium sine re im Grundstücksrecht, S. 29 ff. Unter anderem bekämpfte Johow das Prinzip der formalen Rechtskraft, da es ohne Rücksicht auf die Verfügung des Berechtigten nur auf den obrigkeitlichen Akt der Eintragung abstelle, was der mehrheitlich in Deutschland geteilten Ansicht fremd sei, wonach die Verfügung über Privatrechte dem Grundsatz nach nur dem Berechtigten zustehe.
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heit abgegeben, ist die Auflassung nach § 125 S. 1 BGB unwirksam und das Grundbuch im Falle der dennoch vollzogenen Eintragung unrichtig. 255 Der Beachtung dieses Formmerkmals ist somit vom materiellen Recht ein höherer Stellenwert eingeräumt worden als der Vermeidung der Unrichtigkeit des Grundbuchs infolge seiner Nichtbeachtung. Gleiches gilt in dem Fall, daß ein Rechtsanwalt, ohne Notar zu sein, die Auflassung entgegengenommen hat und dies zur Eintragung des neuen Eigentümers im Grundbuch geführt hat. Auch wenn der Rechtsanwalt wie ein Notar gehandelt und alle im Zusammenhang mit der Entgegennahme der Auflassung bestehenden Pflichten erfüllt haben sollte, besteht kein Zweifel an der Unwirksamkeit der Auflassung. Mehrfach entschieden wurde dies von der Rechtsprechung für den Fall der Entgegennahme der Auflassung durch einen unzuständigen ausländischen Notar. 256 Auch hier wird der Wirksamkeitsmangel mit Blick auf die Richtigkeit des Grundbuchs nicht als unbeachtlich angesehen.
b) Ergebnis Auch wenn das Grundbuch zur Erfüllung seiner Aufgaben von einer größtmöglichen Übereinstimmung seines Inhalts mit der tatsächlichen Rechtslage abhängig ist, wird dem Grundbuchschutz in der Ausgestaltung des materiellen Rechts keineswegs ein absoluter Wert beigemessen, dem zum uneingeschränkten Durchbruch zu verhelfen wäre. Die Richtigkeit des Grundbuchs tritt hinter bestimmte Wertungen zurück, wobei die Abweichung von Grundbuchinhalt und wahrer Rechtslage in Kauf genommen wird. Daß dies mit der Funktion des Grundbuchs grundsätzlich zu vereinbaren ist, zeigt folgende Überlegung: Jeder Dritte, der sich auf den Grundbuchstand verläßt, wird im Rahmen seines schutzwürdigen Vertrauens durch den öffentlichen Glauben des Grundbuchs geschützt. Um seinen Interessen und somit den Interessen des Rechtsverkehrs entsprechen zu können, kommt es auf die absolute Richtigkeit des Grundbuchs somit nicht an. Ist das Institut des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs somit auf der einen Seite Ausdruck des Vertrauens in die Übereinstimmung des Grundbuchs mit der tatsächlichen Rechtslage, vermag es die Funktionsfähigkeit des Grundbuchs auch in dem Fall zu ermöglichen und zu erhalten, in dem es ausnahmsweise nicht die wahre Rechtslage wiedergibt. Denn auch in dem Fall gibt das Grundbuch jedem Schutzwürdigen verläßlich Auskunft über die Rechtsverhältnisse an dem Grundstück.
255 BGHZ 29, 6 (9 f.); BayObLGZ 1983, 181 (184) = Rpfleger 1983, 390 = W M 1983, 1118 (1119). - Zur Gefahr der Umgehung des Erfordernisses der gleichzeitigen Anwesenheit durch Beurkundung eines Kaufvertrags mit Auflassung in der Weise, daß der Verkäufer auch als vollmachtsloser Vertreter für den Käufer auftritt, vgl. BayObLG NJW-RR 1993, 1429 (1430) = DNotZ 1994, 492 (494) mit Anm. Schmitz-Valckenberg. 256 BGH W M 1968, 1170 (1171); OLG Köln Rpfleger 1972, 134; KG NJW-RR 1986, 1462; LG Ellwangen / Jagst MittRhNotK 2000, 252 (253). Vgl. auch Riedel, DNotZ 1955, 521 ff. 1*
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung 3. Die Gefahr für den Rechtsfrieden infolge des Beurkundungszwangs
a) Die Möglichkeit der Ausbeutung eines Beurkundungsfehlers Der Verzicht auf die Beurkundung als materielles Formerfordernis wird im Anschluß an die Argumentation des RG damit begründet, daß auf diese Weise der Rechtssicherheit und somit dem Rechtsfrieden zwischen den Parteien gedient werde. Im Falle ihrer Beurkundungsbedürftigkeit würde ein Verstoß gegen die zwingenden Anforderungen einer Beurkundung zur Unwirksamkeit der Auflassung führen und das Grundbuch im Falle der Eintragung des Eigentumswechsels nicht der tatsächlichen Rechtslage entsprechen. Da eine Heilung dieses Mangels nicht vorgesehen ist, würde die Unrichtigkeit des Grundbuchs fortbestehen und könnte sich ohne Zutun der Beteiligten erst nach dreißig Jahre währendem Eigenbesitz im Wege der Buchersitzung durch den Buchberechtigten erledigen. 257 Wird die Unrichtigkeit des Grundbuchs infolge eines Beurkundungsmangels erkannt, könnte dies dazu führen, daß sich eine der Parteien auch noch Jahre nach Eintragung des Eigentumswechsels auf den Formmangel beruft und die Berichtigung des Grundbuchs verlangt. In dieser möglichen Konsequenz eines Beurkundungszwangs bei der Auflassung hat das RG in seiner Entscheidung vom 24. April 1920 die Gefahr erkannt, daß „dieser Umstand alsdann von einem der Beteiligten ausgebeutet wird" 2 5 8 .
b) Die Parallele zu anderen Formerfordernissen Die Angst vor der Ausbeutung eines Beurkundungsmangels hat anscheinend der Erwägung kaum Raum gelassen, daß die Unwirksamkeit der Auflassung infolge eines Beurkundungsmangels Ausdruck eines schutzwürdigen Interesses einer Partei sein könnte. 259 Die Betonung dieser Gefahr ist um so überraschender, als die Gegner der Beurkundungsform in Ansehung anderer Formerfordernisse eine Gefährdung des Rechtsfriedens gänzlich unproblematisiert lassen. Soweit ersichtlich, wird an keiner Stelle unter rechtspolitischen Gesichtspunkten kritisiert, daß § 925 I BGB die Gleichzeitigkeit der Erklärungsabgabe sowie die Abgabe vor einer zuständigen Stelle vorschreibt, obwohl auch die Nichtbeachtung dieser Erfordernisse die Auflassung unwirksam macht und auch zu einem falschen Grundbuch führen kann. Von einer Vielzahl von Autoren wird auch heute noch an der Mündlichkeit der Erklärungsabgabe festgehalten, was eine weitere Möglichkeit der Formnichtigkeit mit sich bringt. 260 Mit Blick auf die Untersuchung der von Beur257 Vgl. § 900 BGB.
258 RGZ 99, 65 (70). 259 Auch Staudinger/Pfeifer, BGB, § 925 Rn. 76, spricht von Beurkundungsförmlichkeiten und Verfahrensvorschriften in einem Atemzug und tut so, als komme der Beurkundung als materiellem Formerfordernis keine materielle Funktion im Dienst der Parteien zu. 260 Siehe oben Teil l,Fn. 121.
C. Die Beurkundung als die geeignetste Form zur Verwirklichung des Normzwecks 181
kundungsmängeln ausgehenden Gefährdung des Rechtsfriedens drängt sich die Frage auf, warum gerade diese eine besonders gravierende Gefahr für die Rechtssicherheit darstellen und einen Verzicht auf die Beurkundung gebieten sollen, wenn mit anderen Formerfordernissen zumindest strukturell dieselbe Gefahr verbunden ist. 2 6 1
c) Schutzwürdige Parteiinteressen
hinter Beurkundungsmängeln
Nicht jede Unwirksamkeit einer Auflassung infolge von Beurkundungsmängeln muß die Störung des Rechtsfriedens mit sich bringen. Stellt sich heraus, daß die Auflassung nicht wirksam erklärt wurde, und wollen die Parteien an der Grundstücksveräußerung festhalten, so können sie durch eine Wiederholung der Auflassung den gewollten Eigentumsübergang herbeiführen. 262 Auch in dem Fall, daß es einen wirksamen und durchsetzbaren obligatorischen Anspruch auf Übertragung bzw. Abnahme des Grundstückseigentums - etwa aus § 433 BGB - gibt, besteht keine Gefahr für den Rechtsfrieden, denn sowohl der Erwerber als auch der Veräußerer kann die erneute Auflassung verlangen. Umgekehrt steht in einem solchen Fall dem Anspruch auf Grundbuchberichtigung regelmäßig der Grundsatz dolo agit , qui petit , quod statim redditurus est entgegen, da das Grundbuch nur den geschuldeten Rechtszustand ausweist.263 Schließlich sorgt die in § 891 BGB enthaltene Vermutung für die Richtigkeit des Grundbuchs für ein gewisses Maß an Rechtssicherheit, indem sie demjenigen die Beweislast auferlegt, der die Richtigkeit des Grundbuchinhalts bestreitet. Die Anzahl derjenigen Fallkonstellationen, in denen sich ein Beurkundungsfehler als eine Gefahr für den Rechtsfrieden zwischen den Parteien darstellt, ist somit von vornherein nicht mit der Gesamtzahl von Beurkundungsmängeln gleichzusetzen. Eine wirkliche Gefahr für den Rechtsfrieden droht somit nur, wenn die Partei, die den Formmangel geltend macht, sich nicht an dem Geschäft festhalten lassen will und der anderen kein durchsetzbarer Anspruch auf erneute Auflassung zusteht. Dies ist etwa der Fall, wenn das zum Eigentumserwerb oder das zur Eigentumsübertragung verpflichtende Grundgeschäft nicht der Form des § 313 S. 1 BGB genügt, oder wenn der schuldrechtliche Anspruch verjährt ist. Doch auch in einem solchen Fall kann in Ansehung der formunwirksamen Auflassung keineswegs pauschal von einer Störung des Rechtsfriedens gesprochen werden. Denn wie gezeigt, steht hinter Beurkundungsmängeln, die zur Unwirksamkeit der Urkunde führen, 261 Das gleiche gilt freilich für andere Nichtigkeitsgründe der Auflassung jenseits der Formunwirksamkeit; erinnert sei nur an das Beispiel der Geschäftsunfähigkeit oder die fehlende Vertretungsmacht. Demjenigen, der sich auf sie beruft, wird man kaum entgegenhalten, daß er den Rechtsfrieden störe. 262 Daß die Eintragung in dem Fall der wirksamen Einigung vorausgeht, ist für die Erfüllung des Erwerbstatbestands unerheblich (Erman/Hagen/Lorenz, BGB, § 873 Rn. 24). 2 63 Siehe dazu oben Teil 1, Fn. 121.
182
Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
stets auch eine Verkürzung der mit dem Beurkundungsverfahren einhergehenden Warn- und Schutzfunktion. Unabhängig davon, ob im konkreten Fall ein Schutzbedürfnis besteht oder ein vorhandenes Schutzbedürfnis nicht erfüllt wird, kann nach einem Verstoß gegen zwingende Vorschriften des Beurkundungsverfahrens nachträglich nicht ermittelt werden, welchen Einfluß die Einhaltung der Form auf die Entscheidung der Beteiligten ausgeübt hätte. 264 Insbesondere kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob die Parteien bei vollständiger Ausführung der Beurkundung bzw. bei ihrer Vornahme durch einen von der Amtsführung nicht ausgeschlossenen Notar die Erklärung anders oder überhaupt nicht abgegeben hätten. Denn wird mit einer Form der Schutz vor Übereilung verfolgt, schließt dies die Möglichkeit ein, daß eine Partei von dem Geschäft Abstand nimmt und sich der Formzweck somit gerade in der Verhinderung des Geschäfts realisiert. Daher ist es konsequent, im Falle der Nichteinhaltung einer gesetzlich vorgeschriebenen Form und der dadurch verkürzten Erfüllung der Warn- und Schutzfunktion, der Erklärung die Anerkennung zu verweigern und den Erklärenden unter Wahrung der Form neu entscheiden zu lassen, ob er sie abgeben will. Daraus folgt, daß die Möglichkeit eines Beurkundungsmangels nicht pauschal als eine Gefahr für den Rechtsfrieden gewertet werden darf. Denn damit würde man sich in Widerspruch zu den grundlegenden Wertentscheidungen der Rechtsordnung setzen, die gerade mit der Beurkundung eine Geschäftsform bereithält, die in hohem Maße dem Schutz der Beteiligten dienen soll und dies auch effektiv tut. Wird das Argument des Rechtsfriedens bemüht, so ist dabei zu betonen, daß dem Rechtsfrieden nicht nur gedient wird, indem die (Form-) Nichtigkeit von Rechtsgeschäften verhindert wird. Gerade die Formnichtigkeit eines Geschäfts kann ebenso Ausdruck schutzwürdiger Interessen sein und damit dem Rechtsfrieden dienen. 265
d) Reaktionsmöglichkeiten der Rechtsordnung für den Fall des Rechtsmißbrauchs aa) Nichtbeachtlichkeit des Formmangels? Auch wenn jeder Beurkundungsmangel somit grundsätzlich für ein schutzwürdiges Interesse einer Partei stehen kann, ist damit nicht ausgeschlossen, daß sich die Geltendmachung eines Formmangels im Einzelfall als ein unbilliges Ausnutzen darstellt. Das führt zu der Frage, ob es in Fällen der Nichteinhaltung der Auflassungsform Fallgestaltungen gibt, in denen ein Berufen auf Formmängel treuwidrig und daher unzulässig sein kann. Daß diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen ist, ergibt sich unmittelbar aus einer höchstrichterlichen Entscheidung aus dem Jahre 264
Darauf weist Häsemeyer, JuS 1980,1 (8), in anderem Zusammenhang hin. Vgl. Enneccerus/Nipperdey, AT, § 154 III 4: „Die Berufung auf Nichtigkeit wegen Formmangels steht jeder Partei zu und verstößt grundsätzlich nicht gegen Treu und Glauben, denn alle Formvorschriften dienen der Rechtssicherheit." 265
C. Die Beurkundung als die geeignetste Form zur Verwirklichung des Normzwecks 183
1958, in der der BGH zu einer Auflassung Stellung nehmen mußte, die wegen Nichtbeobachtung des Gleichzeitigkeitserfordernisses gemäß § 125 S. 1 BGB nichtig war. 266 Der BGH ließ die Entscheidung des KG unbeanstandet, das der Klägerin das Berufen auf den Formmangel als unzulässige Rechtsausübung verwehrt hatte. Die Entscheidung könnte auch für den Umgang mit Beurkundungsfehlern den richtigen Weg weisen, soweit es auf die billige Entscheidung im Einzelfall ankommt. Darauf wird in Teil 4 der Untersuchung ausführlich zurückzukommen
bb) Haftung der Urkundsperson Insbesondere ist mit Blick auf die möglichen Konsequenzen einer formnichtigen Auflassung hervorzuheben, daß der Notar für Beurkundungsmängel gemäß § 19 BNotO haftet, soweit sie die Folge einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Amtspflichtverletzung sind. Im Rahmen der Notarhaftung für die Verletzung von Amtspflichten wiegen Verletzungen von Vorschriften des BeurkG besonders schwer. Sandkühler 268 betont in diesem Zusammenhang die Stellung des Notars für die Rechtspflege: „Als Rechtspflegeorgan trifft den Notar die Pflicht, die für die Urkundstätigkeit wesentlichen Verfahrens- und Formvorschriften zu beachten. Die gesetzlichen Formvorschriften muß er auch unter schwierigsten Umständen gewissenhaft beachten. Denn der Notar ist gerade im Interesse der Rechtssicherheit als qualifizierte Urkundsperson eingeschaltet, um die Umformung mündlicher Erklärungen in die richtige Schriftform sicher zu gewährleisten." Selbst wenn es somit im Ergebnis nicht zu einer Korrektur der Nichtigkeitsfolge des § 125 S. 1 BGB kommen kann, erhält der auf die Wirksamkeit der Auflassung vertrauende Teil somit regelmäßig einen Schadensausgleich, was zur Abfederung der Folgen einer nichtigen Auflassung wegen eines Beurkundungsmangels führt.
4. Die Entscheidung der Auslegungsfrage
Nachdem die aus der Beurkundung resultierende Gefahr für die Richtigkeit des Grundbuchs sowie der Stellenwert des Grundbuchschutzes untersucht worden sind, kann nunmehr zur Entscheidung darüber übergegangen werden, ob aus dem Beurkundungserfordernis eine so erhebliche Gefahr für die Ubereinstimmung des Grundbuchs mit der tatsächlichen Rechtslage und für die Rechtssicherheit resultiert, daß auf dieses als Bestandteil der materiellen Auflassungsform zu verzichten ist. Sowohl RG als auch BGH haben sich in ihren Entscheidungen jeweils gegen
266 BGHZ 29, 6. 267 Dazu unten Teil 4 C I I . 268 Arndt/Lerch/Sandkühler
(Sandkühler),
BNotO, § 19 Rn. 51 mit Nachw.
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
die Beurkundung ausgesprochen.269 Diesen höchstrichterlichen Entscheidungen begegnen jedoch gerade in den Erwägungen zum Aspekt der Rechtssicherheit erhebliche Bedenken, die zunächst veranschaulicht werden sollen. Im Anschluß daran soll der Versuch einer eigenen Entscheidung der Auslegungsfrage anhand der konfligierenden Interessen unternommen werden.
a) Die Abwägung des RG aa) Die Abwägungspositionen Das RG versucht seine Auslegung mit einer auf den allgemeinen Aspekt von Verkehrsinteresse und Rechtssicherheit gestützten Erwägung abzusichern. Dazu bedient es sich einer an der Häufigkeit orientierten Abwägung und leitet diese mit der Feststellung ein, daß sich mit Blick auf das Verkehrsinteresse und die Anforderungen der Rechtssicherheit sowohl Erwägungen zugunsten der freieren wie auch der engeren Auslegung des § 925 BGB anstellen ließen. Damit hat es die ambivalenten Auswirkungen eines Beurkundungszwangs dem Grunde nach zutreffend erkannt. In der Abwägung stellt es dann allein zwei Gesichtspunkte gegenüber: Auf der einen Seite erkennt das RG an, daß die Beurkundung Beweis für den Inhalt der Auflassung biete, der mangels einer öffentlichen Urkunde wesentlich erschwert wäre. Wegen der Vorschrift des § 29 GBO liege die Möglichkeit, daß eine Eigentumseintragung ohne Beurkundung erfolge, jedoch sehr fern. Auf die andere Seite der Abwägung stellt das RG die Möglichkeit, daß ein Auflassungsprotokoll fehlerhaft ist und dieser Umstand von einem der Beteiligten ausgebeutet wird. Die eigentliche Abwägung reduziert sich somit auf die Frage, ob es wahrscheinlicher ist, daß eine Eintragung ohne jede Beurkundung der Auflassung erfolgt oder ob eine Beurkundung fehlerhaft ist und dies im Falle der Eintragung ins Grundbuch ausgebeutet wird. Das RG hält letztere Möglichkeit für wahrscheinlicher, denn, so das RG, die Möglichkeit, daß ein Auflassungsprotokoll fehlerhaft ist und dieser Umstand alsdann von einem der Beteiligten ausgebeutet wird, sei, wie der gegenwärtige Fall zeige, eher gegeben.270
bb) Kritik an der Abwägung des RG ( 1) Die empirische Grundlage Dem RG ist zunächst entgegenzuhalten, daß die Absicherung der Abwägung nur mit dem von ihm zu entscheidenden Fall als empirische Grundlage nicht zu halten ist. Allein auf diesen Fall beruft sich das RG jedoch ausdrücklich („.. .wie der gegenwärtige Fall zeige..."), um zu belegen, welche der beiden Abwägungspositio269 RGZ 99, 65; BGHZ 22, 312 (vgl. oben Teil 1 C III 2 a), b)). 270 RGZ 99, 65 (70).
C. Die Beurkundung als die geeignetste Form zur Verwirklichung des Normzwecks 185
nen die häufigere sei. Dies gilt um so mehr, als der Nutzen eines Formzwangs für die Rechtssicherheit niemals anhand der „pathologischen Fälle" gemessen werden kann. Sie bringen nämlich nicht zum Ausdruck, in wievielen Fällen ein Formzwang in seinen verschiedenen Funktionen zum Rechtsfrieden und zur Rechtssicherheit beiträgt, etwa auch dadurch, daß ein unüberlegtes Geschäft gar nicht geschlossen wird. 2 7 1 (2) Auswahl des Abwägungsgesichtspunkts Dem RG ist ferner vorzuhalten, daß die Wahl der Abwägungsgesichtspunkte unzulänglich ist. Denn das RG reduziert den Vorteil eines materiellen Beurkundungszwangs darauf, daß die Beurkundungspflicht zu einer öffentlichen Urkunde über den Inhalt der Auflassung führt und dies den Beweis erleichtert. Darauf lassen sich die Vorteile des materiellen Beurkundungszwangs jedoch selbst unter dem ohnehin fragwürdigen, ambivalenten Blickwinkel des Verkehrsinteresses und den Anforderungen der Rechtssicherheit nicht reduzieren, da mit der Beurkundung auch weitere Funktionen bestmöglich wahrgenommen werden, was insbesondere für die mit § 925 I BGB verfolgte Warnfunktion gilt. Darüber hinaus ist dem RG entgegenzuhalten, daß es seine Abwägung allein an der Wahrscheinlichkeit bestimmter Fallgestaltungen ausrichtet, ohne jedoch Erwägungen dazu anzustellen, welche Konstellation mit Blick auf die Gefährdung der Rechtssicherheit qualitativ schwerer wiegt. Wenn man schon versucht, die Auslegungsfrage im Wege einer Abwägung zu finden, so kann sich diese nicht allein auf die Häufigkeit der gegeneinander abgewogenen, nachteiligen Ereignisse beschränken. Vielmehr bedarf es einer Bewertung dieser Ereignisse dahin gehend, welches für sich genommen schwerer wiegt. 272 (3) Das an der Häufigkeit
orientierte Abwägungsergebnis
Besonders schwer wiegt, daß dem RG in seiner Argumentation zudem ein Fehler unterläuft. Zutreffend ist zunächst, daß ein materielles Beurkundungserfordernis eine unwirksame Auflassung und ein falsches Grundbuch nach sich ziehen kann und dies die „Ausbeutung" des Formmangels ermöglicht. Da jedoch nicht in jedem Fall einer unwirksamen Beurkundung eine Eintragung in das Grundbuch erfolgt, und selbst dann - entgegen der diesen Eindruck erzeugenden Formulierung des RG - nicht zwangsläufig die Ausbeutung des Formmangels anzunehmen ist, 2 7 3 ist die Anzahl der „Ausbeutungsfälle" geringer anzusetzen als die Häufigkeit der
271 Vgl. Häsemeyer, JuS 1980, 1. 272 Der wahrscheinlichere Eintritt eines geringeren Nachteils ist regelmäßig eher hinzunehmen als der weniger wahrscheinliche Eintritt eines schweren Nachteils. Daher kommt es neben der Wahrscheinlichkeit seines Eintritts auch auf die Gewichtung des Nachteils an. 273 Siehe oben Teil 3 C III 3 c).
186
Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
unwirksamen Beurkundungen. Auf der anderen Seite der Abwägung geht das RG davon aus, daß die Erstellung einer Urkunde durch § 29 GBO gesichert sei und es „sehr fernliege", daß es jemals zu einer Eigentumseintragung ohne eine sie begleitende Beurkundung komme. Dabei hat es wirksame öffentliche Urkunden im Auge, denn nur solche erfüllen die sich aus den §§ 20, 29 GBO ergebenden Anforderungen und erbringen nach § 415 I ZPO vollen Beweis über den beurkundeten Vorgang. Denn gerade darin sieht das RG den Vorteil der Beurkundung. 274 Zu seiner Feststellung, daß wegen § 29 GBO das Ausbleiben jeder Beurkundung „sehr fernliege", ist anzumerken, daß auch bei diesen (verfahrensrechtlichen) Beurkundungen mit Verstößen gegen zwingende Erfordernisse des Beurkundungsrechts zu rechnen ist und dies jeweils zum Ausbleiben einer öffentlichen Urkunde im Sinne des § 415 ZPO führt. Somit ist auch auf dieser Seite der Abwägung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit mit dem Ausbleiben einer beweiskräftigen Urkunde infolge von Beurkundungsfehlern zu rechnen. Warum die Häufigkeit von Beurkundungsfehlern seltener sein soll, wenn die Beurkundung lediglich aus Gründen des Grundbuchverfahrens erfolgt, ist der Argumentation des RG nicht zu entnehmen und auch darüber hinaus nicht ersichtlich, denn es wird auf die Häufigkeit von Beurkundungsfehlern keinen Einfluß nehmen, ob die Beurkundung durch § 925 I BGB oder die §§ 20, 29 GBO angeordnet wird. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, daß zur Zeit der Entscheidung des RG die Auflassung ohnehin vor dem Grundbuchamt zu erklären war und somit die Protokollierung in den sich gegenüberstehenden Abwägungsalternativen vor dem Grundbuchamt vorzunehmen war. Wenn jedoch die Wahrscheinlichkeit von Fehlbeurkundungen für das materielle wie für das verfahrensrechtliche Beurkundungserfordernis gleich hoch ist, bedeutet dies für die Häufigkeit von Ausbeutungen, daß sie seltener auftreten als das Ausbleiben einer Urkunde im Fall eines nur verfahrensrechtlichen Beurkundungszwangs. Damit ist gezeigt, daß die Abwägung des RG nicht nur auf einer unzulänglichen empirischen Grundlage steht, sondern auch zu einer falschen Aussage führt, denn nach Ansicht des RG soll ja gerade der umgekehrte Fall der wahrscheinlichere sein. 275 (4) Ergebnis Obwohl das RG die Ambivalenz eines Beurkundungszwangs mit Blick auf die Rechtssicherheit grundsätzlich erkannt hat, hat es eine Abwägung vorgenommen, 274 Das RG spricht ausdrücklich von der „öffentlichen Urkunde", die Beweis für den Inhalt der Auflassung biete (RGZ 99, 65 [70]). 275 Darüber hinaus ist sogar zu bezweifeln, daß letztere Abwägungsposition überhaupt sinnvoll ist, denn im Ergebnis würde es für die Häufigkeit von wirksamen Beurkundungen auch dann keinen Unterschied machen, wenn die Beurkundung sowohl durch das materielle als auch das formelle Grundstücksrecht vorgeschrieben wird, denn faktisch wird ohnehin nur eine Beurkundung vorgenommen, sei es vom Grundbuchamt nach früherem Recht oder heute vom Notar.
C. Die Beurkundung als die geeignetste Form zur Verwirklichung des Normzwecks 187
die auf einer falschen Häufigkeitsverteilung der gegenübergestellten Abwägungspositionen ruht und zu einem falschen Ergebnis führt. b) Die Rezeption der reichsgerichtlichen
Abwägung
aa) Rechtsprechung des BGH Dieselbe Kritik ist auch dem BGH entgegenzuhalten, soweit er sich darauf beruft, daß das RG sogar die Möglichkeit, daß ein Auflassungsprotokoll fehlerhaft ist und dieser Umstand alsdann von einem der Beteiligten ausgenutzt wird, als viel näherliegend erachtet habe als die Möglichkeit, daß eine Eigentumseintragung ohne eine Beurkundung der Auflassung erfolgt. 276 Versteht man das Zitat so, wie es vom RG gemeint war, dann dürfen zu den „Beurkundungen der Auflassung" wiederum nur wirksame Urkunden gezählt werden, denn dem RG kam es ja gerade auf die Schaffung beweiskräftiger öffentlicher Urkunden an. Auch der BGH übersieht somit die Fehler des RG, bei der Abwägung nur auf Wahrscheinlichkeiten abzustellen und auf der Abwägungsseite der rein verfahrensrechtlichen Beurkundungen die Fehlerquote nicht mit einzubeziehen.277 bb) Die Rezeption durch Fuchs-Wissemann Auch Fuchs-Wissemann folgt der Abwägung des RG, indem er sie auf die heutige Rechtslage bezieht. Während das RG die Bedeutung der öffentlichen Beurkundung nicht speziell auf das Nachweiserfordernis gegenüber dem Grundbuchamt bezogen hatte, 278 heißt es bei ihm: „Daß - infolge Unachtsamkeit des Grundbuchamts - das Eigentum trotz Fehlens einer formgerechten 279 Beurkundung der Auflassungserklärung ohne weiteres umgeschrieben wird, dürfte in der Tat selten sein. Weniger selten mag es vorkommen, daß ein Auflassungsprotokoll einer zwingenden Formvorschrift 280 nicht genügt; zur Berufung auf diesen Fehler könnte es die 276 BGHZ 22, 312 (316). 277 Zur Rezeption vgl. jüngst wieder BayObLG NJW-RR 2001, 734 (736) = MittBayNot 2001, 200 (201), das auf die Risikoabwägung des RG zurückgreift, um ein Argument dafür zu gewinnen, daß aus der Wirksamkeit einer „nach heute kaum mehr bestrittenen Ansicht" ohne Beurkundung wirksam erklärten Auflassung nicht zwingend geschlossen werden könne, daß das formelle Recht keine anderen Voraussetzungen zur Rechtsverwirklichung aufstellen dürfe. 278 Ausdrücklich wird die Ansicht des Berufungsgerichts zurückgewiesen, das den Wert des Auflassungsprotokolls damit zu verringern suchte, daß es der aus § 29 GBO resultierenden Beurkundung nur die Bedeutung eines „Internums" des Grundbuchamts beilegte (RGZ 99, 65 [70]). 279 Hervorhebung vom Autor. 280 Hervorhebung vom Autor. - Bemerkenswert die Ausweitung auf alle „zwingenden Formvorschriften", obwohl es nur um die Beurkundung geht; siehe dazu schon oben Teil 2 C 5.
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
Beteiligten im Falle einer Sinneswandlung reizen, wenn die Wirksamkeit der Auflassung durch derartige Beurkundungsmängel berührt würde." 281 An die Entscheidung des RG anknüpfend sind bei den befürchteten „Sinneswandlungen" nur solche zu berücksichtigen, in denen es bereits zu einer Eintragung in das Grundbuch gekommen ist. 2 8 2 Dies offenbart die Widersprüchlichkeit der Argumentation Fuchs-Wissemanns. Ist nach seiner Annahme wegen der Erfordernisse der Grundbuchordnung die Wahrscheinlichkeit gering, daß das Grundbuchamt das Eigentum trotz Fehlens einer formgerechten Beurkundung der Auflassungserklärung umschreibt, so muß dieser Satz freilich auch dann gelten, wenn die Beurkundung materielles Formerfordernis ist. Denn es ist nicht anzunehmen, daß das Grundbuchamt im Falle der materiellen Beurkundungsbedürftigkeit mehr Beurkundungsfehler übersieht als bei der Prüfung der Urkunde als Verfahrenserfordernis. Daher ist die Aussage unhaltbar, daß es im Falle der materiellen Beurkundungsbedürftigkeit „weniger selten" vorkommen würde, daß sich jemand auf Beurkundungsmängel nach der Umschreibung im Grundbuch beruft. Auch Fuchs-Wissemann bleibt eine Antwort auf die Frage schuldig, warum das Grundbuch im Falle eines materiellen Beurkundungszwangs mehr Eintragungen auf der Grundlage formnichtiger Beurkundungen erleiden sollte, als in dem Fall, in welchem sich die Beurkundungspflicht nur aus den §§ 20, 29 GBO ergibt und die Urkunde lediglich dem Nachweis der Auflassung gegenüber dem Grundbuchamt dient. Die Prüfungspflicht des Grundbuchamts bleibt davon nämlich unberührt. In der Rezeption der reichsgerichtlichen Entscheidung setzt sich die unsaubere Abwägung bis in die heutige Auslegung des § 925 I BGB fort.
c) Die Entscheidung des BGH aa) Der Prüfungsgesichtspunkt der Rechtssicherheit Der BGH beschränkt seine Prüfung auf eine Ergebniskontrolle unter dem Aspekt der Rechtssicherheit. 283 Der Begriff der Rechtssicherheit wird dabei nicht als spezifischer Zweck des § 925 I BGB betrachtet, sondern vielmehr als allgemeines Prinzip verstanden. Der Inhalt dieses Prinzips bleibt insoweit dunkel, als ein konkreter Bezug zur Norm des § 925 I BGB nicht hergestellt wird und die Mehrdeutigkeit des Begriffs mit Blick auf Vor- und Nachteile eines jeden Formzwangs nicht erhellt wird. Wenn überhaupt, geschieht dies nur vage, indem der BGH damit argumentiert, daß auch eine Formbedürftigkeit der Auflassung zur Beeinträchti281
Fuchs-Wissemann, Rpfleger 1977, 9. Erst dann greift § 312 S. 2 BGB und verändert die schuldrechtliche Ebene, die ansonsten bis zur Eintragung für die Frage der Sinneswandlung maßgeblich sein muß: Wo keine wirksame Verpflichtung zur Auflassung besteht, kann in einem Berufen auf Formmängel der Auflassung grundsätzlich auch keine zu mißbilligende Sinneswandlung liegen! 282
283 BGHZ 22, 312 (314 f.). - Zur Kritik an der präjudiziellen Anknüpfung an die Entscheidung des RG siehe oben Teil 2 D III.
C. Die Beurkundung als die geeignetste Form zur Verwirklichung des Normzwecks 189
gung der Rechtssicherheit führen würde. 284 Damit berührt der BGH jedoch nur die jedem Formzwang immanente Ambivalenz hinsichtlich der Rechtssicherheit: Wo immer die Form Rechtssicherheit schafft, ist sie auch eine Quelle von Rechtsunsicherheit, da ihre Einhaltung keineswegs garantiert ist. Da dies bei jedem Formzwang so ist, spricht eine Vermutung dafür, daß das Gesetz die sekundäre Rechtsunsicherheit als Folge des Formzwangs zur Erzielung primärer Zwecke in Kauf nimmt. 285 An dieser Stelle hätte der BGH sich daher auf die Suche nach den primären Zwecken des § 925 I BGB machen müssen, um ihnen die gesteigerte Gefahr für die Rechtssicherheit als Folge des Formzwangs gegenüberstellen zu können.
bb) Der Prüfungsumfang Der BGH hat die nachteiligen Auswirkungen des Beurkundungsverzichts zumindest insoweit erkannt, als er das Leerlaufen der Vorschriften problematisiert, die den zu eng mit der Sache befaßten Notar von seiner Amtstätigkeit ausschließen sollen. 286 Dabei beschränken sich seine Bedenken jedoch allein auf diese Vorschriften. Er problematisiert nicht, daß durch den Verzicht auf die Beurkundung gleichsam auf das gesamte Beurkundungsverfahren mit all seinen Schutzvorschriften auf der Ebene der materiellen Einigung verzichtet wird. Dem BGH ist daher entgegenzuhalten, daß auch seine Prüfung zu eng angelegt ist und nicht alle materiellen Vorteile eines Beurkundungszwangs mit Blick auf den Normzweck des § 925 I BGB berücksichtigt.
cc) Die zum Schutz der Rechtssicherheit angeführten Argumente (1) Gleichzeitige Anwesenheit Im Ergebnis hat der BGH keine Bedenken, die Ausschlußtatbestände der §§ 170, 171 FGG mit dem Verzicht auf die Beurkundung preiszugeben. 287 Die Argumentation des BGH beschränkt sich dabei - im Unterschied zu der des RG nicht auf eine an der Häufigkeit von Fallgestaltungen orientierte Abwägung. 288 Vielmehr versucht er, die unter dem Blickwinkel der Rechtssicherheit bestehenden 284 Daß der BGH damit den falschen Eindruck erzeugt, daß die Auflassung formfrei wirksam sei, wurde bereits oben erwähnt (vgl. Teil 2 C V). 28 5 Vgl. von Tuhr, AT II /1, § 63 I (S. 498): „Unter Abwägung dieser Vorteile und Nachteile hat der Gesetzgeber einerseits nur die wichtigsten Geschäfte formalisiert und andererseits die Formen so ausgestaltet, daß ihre Befolgung keine zu großen Schwierigkeiten bietet." 28
6 Damals §§ 170, 171 FGG; heute §§ 6 f. BeurkG.
287
Strukturell ist seine Argumentation auf die übrigen Erfordernisse einer Protokollierung übertragbar. 288 Wenngleich er - wie gesehen - auf diese Abwägung des RG verweist und sie sich als weiteres Argument zum Schutz der Rechtssicherheit zu eigen macht.
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
Bedenken gegen einen Verzicht auf die Beurkundung durch Argumente zu zerstreuen. 289 Zunächst verweist er als „Schranke gegen eine Beeinträchtigung der Rechtssicherheit" auf das in § 925 I BGB unstreitig enthaltene Erfordernis der gleichzeitigen Anwesenheit bei der Erklärung der Auflassung. Daß dies allein die Zwecke des § 925 I BGB nur partiell zu erfüllen vermag, wurde bereits gezeigt. 290 Unverständlich ist die Schlußfolgerung des BGH in diesem Zusammenhang, daß wegen des Gleichzeitigkeitserfordernisses die Möglichkeit sehr fernliege, daß eine tatsächlich nicht erklärte Auflassung „beurkundet" werde. Da er gerade zeigen will, daß es auf eine Beurkundung gar nicht ankommen soll, ist diese Formulierung wohl so zu verstehen, daß die Gefahr einer Grundbucheintragung ohne erklärte Auflassung fernliege. Systematisch geht das Argument jedoch auch bei dieser Interpretation fehl, denn daß die Eintragung nur auf Grund einer Auflassung erfolgt, wird in erster Linie durch die §§ 20, 29 GBO gesichert und nicht durch das materielle Formerfordernis der gleichzeitigen Anwesenheit.291 (2) §29 GBO Insoweit ist der Verweis des BGH auf § 29 GBO als weitere Schranke gegen die Beeinträchtigung der Rechtssicherheit zutreffend. Es fehlt indessen an jedem Problembewußtsein, daß mit § 925 BGB als Norm des materiellen Rechts andere Funktionen verfolgt werden könnten als mit den verfahrensrechtlichen Normen der Grundbuchordnung und die Verwirklichung des Regelungszwecks des § 925 I BGB durch § 29 GBO keineswegs garantiert wird. Mit dem Verweis auf § 29 GBO leistet der BGH der von Erti beklagten Verwischung von Trennlinien zwischen materiellem und formellem Grundstücksrecht Vorschub. 292 (3) Notardienstrecht Ferner betont der BGH, daß der Notar zur Einhaltung der Ausschlußvorschriften auch dann verpflichtet sei, wenn eine Beurkundung der Auflassung materiell nicht vorgeschrieben sei. Ob die damals geltenden §§ 170, 171 FGG auch bei nicht beurkundungsbedürftigen Geschäften zu beachten waren, kann heute dahingestellt bleiben. Die den aufgehobenen Vorschriften heute entsprechenden §§ 6, 7 BeurkG sind jedenfalls für andere Amtshandlungen als die Beurkundung von Willenserklärungen nicht anwendbar (vgl. § 16 I BNotO).
289
Zu den einzelnen Argumenten siehe oben Teil 1 C III 2 b) bb). 90 Siehe oben Teil 2 A.
2 2
91 Siehe oben Teil 3 Β V. Erti, Rpfleger 1980, 1 (2); ders., Rpfleger 1980,41; siehe oben Teil 1 C I 1 .
292
C. Die Beurkundung als die geeignetste Form zur Verwirklichung des Normzwecks 191
(4) Das Beurkundungsrecht als Quelle neuer Rechtsunsicherheit Schließlich ist auch die vom BGH als besondere Quelle der Rechtsunsicherheit hervorgehobene Norm des § 171 I Nr. 1 FGG heute nicht mehr gültig. Bei ihrer Neufassung in § 7 BeurkG hat sich der Gesetzgeber bewußt um mehr Klarheit bemüht, indem er nunmehr auf den „rechtlichen Vorteil" abstellt und die unklare Begrifflichkeit der „Verfügung zugunsten des Notars" beseitigt hat. 293
dd) Ergebnis Die vom BGH vorgetragenen Argumente vermögen schwerlich zu belegen, daß der Rechtssicherheit durch den Verzicht auf die Beurkundung als materielles Erfordernis der Auflassung nicht nur nicht geschadet, sondern größere Rechtsunsicherheit verhindert wird. Im Ergebnis bedeutet dies, daß sowohl der Entscheidung des RG als auch der des BGH mit erheblichen Vorbehalten zu begegnen ist und sie die Entscheidung gegen den materiellen Beurkundungszwang daher nicht zu tragen vermögen.
d) Eigener Ansatz einer Entscheidung Es soll daher erneut versucht werden, eine Antwort auf die Frage zu finden, ob wegen der Möglichkeit einer nichtigen Auflassung und eines falschen Grundbuchs wegen eines Beurkundungsmangels auf die Beurkundung als materielles Formerfordernis zu verzichten ist. Dazu sollen zunächst die Nachteile und Vorteile der Beurkundungsform benannt werden. Anschließend soll der Versuch einer Systematisierung unternommen werden, um mit Hilfe der strukturellen Unterschiede die Entscheidung der eigentlichen Auslegungsfrage vorzubereiten.
aa) Die nachteiligen Folgen eines materiellen Beurkundungszwangs Die nachteiligen Folgen eines materiellen Beurkundungserfordernisses wären zum einen darin zu sehen, daß das Grundbuch infolge von Verstößen gegen zwingende Vorschriften des BeurkG falsch werden könnte. Zum anderen könnten zwischen den Parteien Streitigkeiten über die Wirksamkeit der Auflassung als Folge von Beurkundungsmängeln entstehen; insbesondere könnte eine Seite versuchen, aus der Formnichtigkeit infolge eines Beurkundungsmangels einen Vorteil zu ziehen. Bei einem Verzicht auf die Beurkundung als materielles Formerfordernis könnte dieser Nichtigkeitsgrund der Auflassung nicht auftreten.
293 Keidel/Winkler,
BeurkG § 7, Rn. 3.
192
Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
bb) Die Vorteile des Beurkundungserfordernisses Der wichtigste Vorteil der Beurkundungsform liegt in der effektiven Verwirklichung der mit § 925 I BGB verfolgten Regelungszwecke. Es ist gezeigt worden, daß insbesondere der Warn- und Schutzfunktion des § 925 I BGB vor dem Hintergrund der Heilungsvorschrift des § 313 S. 2 BGB ein besonderer Stellenwert beizumessen ist. Gerade unter diesem Gesichtspunkt verspricht die Beurkundungsform eine besondere Sicherheit. Ein Verzicht auf die Beurkundung als materielles Formerfordernis würde hingegen bedeuten, daß insbesondere die Mußerfordernisse des BeurkG und die mit ihnen verbundene Schutzfunktion leerlaufen würden, womit gleichsam die Gefahr verbunden ist, daß nicht nur der Schutz auf der dinglichen Ebene, sondern vor allem auch der vom Gesetz durch die Anordnung des Beurkundungszwangs in § 313 S. 1 BGB gewollte Schutz auf der obligatorischen Ebene unterlaufen würde. Das gleiche gilt auch in Ansehung der nur als Sollvorschriften ausgestalteten Anforderungen des Beurkundungsverfahrens sowie der speziellen Belehrungs- und Erkundigungspflichten des Notars bei Grundstücksgeschäften, die ihre uneingeschränkte Berechtigung schon im Rahmen der materiellen Einigung haben. Kommt es zu einer Eintragung auf der Grundlage einer nicht oder nicht vollständig beurkundeten Auflassung, so wird die Warn- und Schutzfunktion um den Anteil verkürzt, der von den nicht zur Anwendung gekommenen Vorschriften des BeurkG wahrgenommenen worden wäre. Dieser in Ansehung der einzelnen Norm schwer zu quantifizierende Anteil an der materiellen Warnfunktion der Beurkundungsform könnte bei seiner Entfaltung die Partei jedoch gerade zu einer anderen Entscheidung bewogen haben; eine hypothetische Aussage darüber ist nicht mit letzter Sicherheit möglich. Durch die Beurkundungsform wird auch der Beweisfunktion des § 925 I BGB bestmöglich gedient. Ferner verwirklicht sich eine Gewährschaftsfunktion und schließt Wirksamkeitshindernisse der Auflassung weitgehend aus. Durch den materiellen Beurkundungszwang wird ferner das Auseinanderfallen von materiell wirksam erklärter Auflassung und Entstehung der durch die §§ 20, 29 GBO geforderten Nachweisform verhindert, wodurch dogmatische Ungereimtheiten vermieden werden.
cc) Systematisierung von Vor- und Nachteilen der Beurkundungsform (1) Generelle Vorteile - singulare Nachteile Versucht man Vor- und Nachteile zu systematisieren, so wird folgender Unterschied augenfällig: Die Vorteile beziehen sich unmittelbar auf die Erfüllung der mit § 925 I BGB vom Gesetz verfolgten Regelungszwecke. Sie sind allgemeiner Natur, indem sie mit Blick auf die ratio legis zweckerfüllend und zwecksichernd wirken. Ihnen kommt somit eine generelle Wirkung zu, die sich in jedem Fall einer gemäß § 925 I BGB erklärten Auflassung entfaltet, indem sie zu einer effizienten Erfüllung der Warnfunktion, der Klarstellungsfunktion und der Beweisfunktion
C. Die Beurkundung als die geeignetste Form zur Verwirklichung des Normzwecks 193
führen. Damit wird unmittelbar der Rechtssicherheit gedient, da die Gefahr einer unwirksamen Auflassung minimiert und Klarheit im Rechtsverkehr geschaffen wird. Die Nachteile sind hingegen auf den nur als seltene Ausnahme denkbaren Einzelfall bezogen. Sie werden nur dann relevant, wenn das Grundbuch infolge eines Beurkundungsmangels von der tatsächlichen Rechtslage abweicht und zusätzlich eine Partei versucht, diesen Umstand in einer zu mißbilligenden Art und Weise zum eigenen Vorteil auszunutzen. Da letzteres nicht zwingend mit einem Beurkundungsmangel einhergehen muß, unterstreicht dies die Einzelfallbezogenheit der nachteiligen Folgen der materiellen Beurkundungsform bei der Auflassung. Eine Bestätigung dafür, daß die aus einem Beurkundungszwang resultierende Möglichkeit eines falschen Grundbuchs nur als eine im Ausnahmefall akut werdende Gefahr einzuordnen ist, ergibt sich aus der Parallele zu dem strukturell vergleichbaren Fall der Nichtbeachtung eines der unstreitigen Formerfordernisse des § 925 I BGB. Selbst bei einem Verzicht auf die Beurkundung würde sich nämlich nichts an dem materiellen Formzwang im übrigen ändern, und so würde das Risiko eines falschen Grundbuchs als Folge eines Formmangels sich zwar verringern, jedoch weiterhin bestehen. Im Zusammenhang mit den übrigen Formerfordernissen wird jedoch eine Gefahr für die Rechtssicherheit von keiner Seite befürchtet, was daran zu erkennen ist, daß es an einer rechtspolitischen Diskussion über die Zweckmäßigkeit des materiellen Formzwangs bei der Auflassung fehlt. Erti sieht in der Mitwirkung eines zuständigen Staatsorgans sogar eine „unerläßliche materielle Wirksamkeitsvoraussetzung, die durch nichts ersetzt werden kann." 2 9 4 (2) Der Einzelfallcharakter von RG und BGH
der Grundsatzentscheidungen
Der systematische Unterschied von Vor- und Nachteilen der Beurkundungsform legt es nahe, die nachteiligen Folgen eines materiellen Beurkundungszwangs nicht der Ebene der festen Tatbestände des Gesetzes, sondern vielmehr dem Bereich der Billigkeit und somit der Einzelfallgerechtigkeit zuzuordnen. 295 Dies berührt die vieldiskutierte und umstrittene Frage der Formnichtigkeit und ihrer Durchbrechung nach dem Prinzip von Treu und Glauben, womit vor allem die Rechtsprechung immer wieder versucht, die Rechtsfolge der Nichtigkeit bei einem Formverstoß aus Billigkeitserwägungen von Fall zu Fall einzuschränken. 296 Mit Blick auf die grundlegenden Entscheidungen des RG und des BGH zur Beurkundungsbedürftigkeit der Auflassung hat Huhn die Ansicht vertreten, daß sich hinter ihnen letztlich nur Fragen der Einzelfallgerechtigkeit verborgen hätten, nämlich ob der Formstrenge oder der materiellen Gerechtigkeit im Einzelfall der Vorzug einzuräumen war. Huhn meint sogar, daß der generelle Verzicht auf die Beurkundung gerade 294 Erti, MittBayNot 1992, 102 (104). 295 Zum Begriff der Billigkeit vgl. Radbruch, Rechtsphilosophie, § 4 (S. 31); Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie, § 28. 296 Vgl. nur BGH NJW 1998, 2350 (2352). Siehe dazu Teil 4 C II. 13 Pajunk
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
dem Zweck gedient habe, in den zu entscheidenden Fällen Einzelfallgerechtigkeit zu verwirklichen. 297 Die historischen Umstände der Entscheidungen geben allen Grund zu der Annahme, daß es sich bei ihnen um Billigkeitsentscheidungen handelte. Die Entscheidung des RG vom 24. April 1920 über einen Formmangel bei einer Grundstücksveräußerung aus dem Jahre 1908 stand unter dem Eindruck des bereits um sich greifenden Währungsverfalls. Die kriegführenden Staaten hatten nach 1914 die Goldeinlösungspflicht ihrer Notenbanken aufgehoben und damit den Übergang zu einem Geld- und Kreditsystem vollzogen, das auf Papiergeld und bargeldlosem Zahlungsverkehr beruhte. Dadurch entstanden neue Möglichkeiten des Staates, den Geldwert für Zwecke der Rüstungsfinanzierung und nach 1918 auch für staatliche Entschuldung zu manipulieren, wofür die Entwertung der Währung im und nach dem Ersten Weltkrieg beispielhaft ist. Am ausgeprägtesten zeigte sich der Währungsverfall im Deutschen Reich, 298 wo sich die Kaufkraft des Geldes im Zeitraum von 1913 bis 1920 auf etwa Vi 5 des Ausgangs wertes verringerte. 299 Während Besitzer von Sachwerten eine Inflation meist gut überstehen, werden Inhaber von Sparguthaben besonders geschädigt. Damit erklärt sich, warum gerade in einer Zeit des rapiden Geldwertverfalls ein Grundstück willkommener ist als Geldvermögen. Der vom BGH im Jahre 1956 entschiedene Fall nahm seinen Ausgang im Jahre 1945, und auch hier bildeten die besonderen historischen Umstände den Hintergrund der Entscheidung. Der sich Jahre später auf die Formnichtigkeit berufende Einzelhändler hatte sein Geschäftsgrundstück in eine Kommanditgesellschaft eingebracht, da sein Geschäft im Krieg zerstört und bei der Besetzung ausgeplündert worden war. In der Notlage war er auf die Mitgesellschafter als Geldgeber angewiesen, um sein Geschäft halten und wiederaufbauen zu können. Sobald dies gelungen war, wäre es dem Einzelhändler freilich entgegengekommen, sein Geschäft wegen der Formunwirksamkeit der Verträge von 1945 für sich allein zurückzubekommen und sich auf diese Weise der nicht länger benötigten Teilhaber zu entledigen. 297 Huhn, Rpfleger 1977, 199 (200). - Die Auswirkungen des generellen Verzichts wollte er - schließlich soll es ja nur um Einzelfälle gehen - durch das Grundbuchrecht auffangen, wenn er schreibt: „Faßt man also die Gründe zusammen, die es RG und BGH vertretbar erscheinen ließen, in zwei Einzelfällen der Gerechtigkeit des Einzelfalles den Vorzug vor dem Wert der Rechtssicherheit zu geben und zu diesem Zweck den Satz von der Beurkundungsfreiheit der Auflassung zu formulieren, dann läßt sich sagen: Der materiellrechtliche Satz, daß die Auflassung nicht der Beurkundung bedürfe, ist vertretbar, weil er sich aus Gründen des Grundbuchverfahrens und des Notardienstrechtes nicht zu einem allgemeinen verfahrensrechtlichen Satz entwickeln, vielmehr immer nur als eine in Ausnahmefällen aktuell werdende Regel auswirken kann." 298
Bis 1918 vollzog sich die Entwertung in der Größenordnung anderer kriegführender
Länder. 299
Zahlen zur Geldentwertung gemessen am Index der Großhandelspreise (1913 = 100; die Jahreszahlen beziehen sich jeweils auf den September), zitiert nach Wirtschaftsplötz, S. 225:1913 = 100, 1915 = 145, 1918 = 230, 1919 = 493,1920 = 1498, 1921 = 2067, 1922 = 28.700, 1923 = 2,4 Mrd., 1924 = 142, 1925 = 143.
C. Die Beurkundung als die geeignetste Form zur Verwirklichung des Normzwecks 195
Beschränkte sich in den höchstrichterlich entschiedenen Fällen das Bedürfnis nach Korrektur der Folgen eines materiellen Beurkundungszwangs somit auf Einzelfälle, in denen die durch Anwendung der Normen deduktiv gefundene Entscheidung unbillig erschien, so rechtfertigt dies nicht die Veränderung der Norm im Wege einer vom Ergebnis ausgehenden Auslegung. Methodisch scheint sich jedoch ein solcher Induktionsschluß in der Frage der Beurkundungsbedürftigkeit der Auflassung vollzogen zu haben. Auch Huhn ist die Unzulässigkeit dieses Vorgehens entgegenzuhalten, der in seiner Analyse der Rechtsentwicklung zu der Schlußfolgerung gelangt, daß der generelle Verzicht auf die Beurkundung als materielles Formerfordernis nur deshalb vertretbar sei, da er sich aus Gründen des Grundbuchverfahrens nur als eine in Ausnahmefällen akut werdende Regel auswirken könne. 300 Eine solche „Sicherung" des ursprünglichen Normumfangs durch das Verfahrensrecht vermag die Reduktion einzelner Tatbestandsmerkmale des materiellen Rechtssatzes jedoch nicht zu rechtfertigen. Denn würde man die Rechtsordnung durch Eingriffe in feste Tatbestände an einem im Einzelfall als billig empfundenen Ergebnis ausrichten, würde dies nicht nur zu der von Huhn beobachteten „seltsamen Mischung von Systemrecht und Präjudizienrecht" 301 führen; vielmehr würde man die festen Tatbestände aufweichen und das Normensystem seinem stetigen Verfall preisgeben. 302
dd) Entscheidung Nach Larenz erhebt jede einzelne Auslegung notwendig den Anspruch, „richtige" Auslegung im Sinne zutreffender, durch einsehbare Gründe hinreichend gestützte Erkenntnis zu sein. 303 Sowohl das RG als auch der BGH versuchen, den 300 Huhn, Rpfleger 1977, 199 (200); wörtliche Wiedergabe oben Teil 3, Fn. 297. 301 Huhn, Rpfleger 1977, 199. 302 Dies bedeutet nicht, daß nicht innerhalb des Normensystems der individualisierenden Tendenz der Gerechtigkeit entsprochen werden kann. Dies geschieht zum einen durch Differenzierung der unbeweglichen Systemteile und zum anderen durch Einfügung beweglicher Teile. Zu dem sich daraus ergebenden beweglichen System vgl. Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, § 4 (S. 80 ff.). 303 Larenz, Methodenlehre, S. 314. Dies impliziert, daß es eine „richtige Auslegung" gibt. Eine Einschränkung macht Larenz lediglich insoweit, als es keine „absolut richtige Auslegung" in dem Sinne geben könne, daß sie sowohl abschließend, wie für alle Zeiten gültig sei. Denn zum einen werde der Normanwender durch den Wandel der Lebensverhältnisse immer wieder vor neue Fragen gestellt, zum anderen sei die Gesetzesauslegung zu einem gewissen Grad zeitgebunden. - Zur Kritik an der „Fiktion" einer „richtigen Deutung" der Rechtsnorm vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 352 ff. Nach Kelsen könne die rechtswissenschaftliche Interpretation - in Abgrenzung zur rechtspolitischen Funktion - nur alle logisch möglichen Bedeutungen der Norm aufzeigen und somit der rechtsetzenden Autorität zeigen, wie weit ihr Werk hinter der rechtstechnischen Forderung bleibe, Rechtsnormen möglichst eindeutig zu fassen. (Über Kelsen vgl. Dreier, Festschr. für Winkler, S. 193 ff.). - Dagegen ist einzuwenden, daß dem Gesetz in seiner „eigenen Vernünftigkeit" mit dem anerkannten methodischen Instrumentarium sehr wohl einsehbare, der rationalen Kritik zugängliche Erkenntnisse ent13*
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Verzicht auf die Beurkundung als materielles Formerfordernis der Auflassung mit dem Argument der Rechtssicherheit als die „richtige" Auslegung des § 925 I BGB zu begründen. Das RG wählte dazu den Weg einer an der Häufigkeit verschiedener, der Rechtssicherheit abträglicher Konstellationen angelehnten Abwägungsentscheidung und ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß der Rechtssicherheit ohne materiellen Beurkundungszwang besser gedient werde. Der BGH macht die Rechtssicherheit zum maßgeblichen Prüfungskriterium, indem er fragt, ob mit Rücksicht auf dieses Erfordernis an der Rechtsprechung des RG festgehalten werden könne. Beide Entscheidungen, insbesondere die des RG, stehen beispielhaft für die Feststellung Wiedemanns, daß die Betonung der Rechtssicherheit als absoluter Rechtswert für das gesamte deutsche Zivilrecht charakteristisch sei. In vielen Fällen, so Wiedemann, bilde der Hinweis auf die sonst gefährdete Rechtssicherheit den krönenden Schlußstein des Argumentationsgebäudes, der weiter nicht abgestützt oder „hinterfragt" werde, gleichsam als könne es Meinungsverschiedenheiten über den fundamentalen Wert der Rechtssicherheit nicht geben. 304 Es steht außer Frage, daß die Rechtssicherheit eine „Forderung an das Recht" und „Bestandteil der Rechtsidee" selbst ist. 3 0 5 Der Begriff der Rechtssicherheit ist jedoch kein einheitlicher Begriff, dem durch eine konkrete Norm oder deren Auslegung mehr oder weniger gedient wird. Vielmehr läßt sich der Begriff der Rechtssicherheit unter verschiedenen Aspekten begreifen, wofür die Formalisierung der Rechtsgeschäfte ein besonders anschauliches Beispiel liefert. So dient der im BGB verwirklichte Grundsatz der Formfreiheit der Rechtssicherheit, da die Rechtsgeschäfte regelmäßig keiner Form genügen müssen und sich die Parteien daher darauf verlassen dürfen, daß ihre formlos getroffene Vereinbarung wirksam ist. Die in diesem Sinne verstandene Rechtssicherheit wird durch die als Ausnahme angeordneten Formzwänge gestört. Denn genügt ein Rechtsgeschäft seinem Formzwang nicht, wird ihm die Anerkennung versagt. Somit ist jeder Formzwang eine mögliche Quelle von Rechtsunsicherheit, da Streit darüber bestehen kann, ob der Form genügt ist. Dennoch werden Formzwänge für bestimmte Geschäfte für unverzichtbar gehalten, um dadurch der Rechtssicherheit auf die eine oder andere Weise zu dienen, etwa indem die Wirksamkeit und Beweisbarkeit gesichert werden und die Parteien von übereilten Geschäften abgehalten werden. Allgemein läßt sich formulieren, daß die Formen der Rechtsgeschäfte der Idee der Rechtssicherheit dienen, jedoch zugleich Quelle neuer Rechtsunsicherheit sein können. Wie sich die verschiedenen Wirkungen auf die Rechtssicherheit in Ansehung eines einzelnen nommen werden können, die es erlauben, von einer „richtigen Auslegung" zu sprechen und andere als weniger zu- und somit als unzutreffend zu verwerfen. Mit Blick auf das dazu zur Verfügung stehende methodische Instrumentarium stellt Diederichsen, Festschr. für Larenz, S. 155, fest, daß in diesem Sinne Subsumtion, Gesetzesauslegung, Ausfüllung von Gesetzeslücken durch Analogie und teleologische Reduktion erkenntnismäßig relativ gesicherte Denkoperationen innerhalb der Jurisprudenz darstellen. 304 Wiedemann, Festschr. für Larenz, S. 199. 505 Radbruch, Rechtsphilosophie, § 9 (S. 70 ff.).
C. Die Beurkundung als die geeignetste Form zur Verwirklichung des Normzwecks 197
Formzwangs überlagern, ist schwerlich zu ermitteln. Es wäre verfehlt, den Nachteil für die Rechtssicherheit daran festmachen zu wollen, wie oft die Frage der Beobachtung der Form die Gerichte beschäftigt und zu Streitigkeiten über die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts führt. Denn wie Häsemeyer betont, müßte man schon - hypothetisch - zu ermitteln versuchen, wieviele Streitigkeiten über den Abschluß von Verträgen oder die Auslegung von Willenserklärungen vermieden und welche unüberlegten Verpflichtungen und Belastungen durch die Zwangsverordnung fachmännischen Rats verhindert worden sind, um den Wert der Geschäftsform richtig beurteilen zu können. 306 Für die hier zu entscheidende Auslegungsfrage bedeutet dies, daß mit einem pauschalen Verweis auf einen undifferenzierten Begriff der Rechtssicherheit der Verzicht oder die Annahme der Beurkundungsform als materielles Formerfordernis der Auflassung nicht begründet werden kann. Es ist daher versucht worden, die Vor- und Nachteile der Beurkundungsform mit Blick auf den Zweck des § 925 I BGB umfassend zu ermitteln. Dies hat ergeben, daß unter der Annahme eines materiellen Beurkundungszwangs zunächst die Möglichkeit bestünde, daß die Einigung der Parteien infolge eines Beurkundungsfehlers unwirksam ist. Über dieses mit jedem Formzwang einhergehende Unwirksamkeitsrisiko hinaus bestünde ferner die Möglichkeit, daß das Grundbuch infolge des Beurkundungsfehlers falsch werden könnte. Diesen vordergründigen „Nachteilen" des Beurkundungszwangs steht der Vorteil gegenüber, daß sich die Zwecke des § 925 I BGB durch die Beurkundungsform bestmöglich verwirklichen könnten. Die teleologisch-systematische Auslegung steht nunmehr vor der Entscheidung, ob den Vorteilen der Beurkundungsform zum Durchbruch zu verhelfen ist, oder ob die Nachteile so schwer wiegen, daß die Beurkundung nicht als materielles Formerfordernis angesehen werden kann. Aus rechtspolitischer Sicht wäre der Verzicht auf die Beurkundungsform leicht damit zu begründen, daß man dem Grundbuchschutz einen absoluten Wert einräumte. Die Auslegung ist jedoch nicht dem rechtspolitisch Wünschenswerten oder Denkbaren verpflichtet, sondern dem Gesetz und somit der auszulegenden Norm im System mit anderen Normen. Insoweit sprechen die besseren Gründe für die Beurkundung als materielles Formerfordernis der Auflassung. Die Untersuchung hat ergeben, daß dem Grundbuchschutz im allgemeinen und in Ansehung der Formalisierung der Auflassung im besonderen kein absoluter Stellenwert eingeräumt wird. Vielmehr wird durch die Annahme der Beurkundung ein strukturell bestehendes Risiko lediglich gesteigert. Zu dem Ausmaß dieser Steigerung ist gezeigt worden, daß schon die Möglichkeit eines zur Nichtigkeit führenden Beurkundungsmangels von vornherein als gering einzuschätzen ist, da die Beurkundung heute nur noch wenigen Muß-Erfordernissen unterliegt und sie zudem von dem hochqualifizierten und spezialisierten Berufsstand des Notars wahrgenommen wird. Die daraus resultierende Gefahr eines falschen Grundbuchs ist als noch erheblich geringer einzuschätzen, da über die geringe Wahrscheinlichkeit ei306 Häsemeyer, JuS 1980, 1.
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nes Beurkundungsfehlers hinaus die Prüfungspflicht des Grundbuchamts die Eintragung ohne wirksame Beurkundung regelmäßig verhindert. Es gibt keine Hinweise darauf, daß das strukturell in Kauf genommene Risiko eines falschen Grundbuchs durch die Beurkundungspflicht der Auflassung in einem so erheblichen Maß gesteigert wird, daß die Funktionsfähigkeit des Grundbuchs nicht mehr gewährleistet sein könnte. Es ist lediglich in Einzelfällen mit einer Abweichung der Buchlage von der tatsächlichen Rechtslage infolge eines Beurkundungsmangels zu rechnen. Nicht zu verkennen ist darüber hinaus, daß die Beurkundungsform auch einen aktiven Beitrag zum Schutz des Grundbuchs vor der Eintragung unwirksamer oder anfechtbarer Auflassungen leistet, denn gerade die Beurkundungsform verspricht die größte Sicherheit für die Wirksamkeit von Willenserklärungen. Dies gilt nicht zuletzt wegen des sich aus der Nichtigkeitsandrohung des § 125 S. 1 BGB ergebenden Drucks auf die Urkundsperson, die Anforderungen des BeurkG besonders peinlich einzuhalten. Die Möglichkeit eines falschen Grundbuchs infolge eines Beurkundungsmangels ist jedoch nicht nur als wenig wahrscheinlich einzustufen. Sollte es zu einem falschen Grundbuch infolge eines Beurkundungsmangels kommen, so könnte dies gerade Ausdruck der Verletzung eines schutzwürdigen Interesses einer Partei sein, die es rechtfertigt, der Auflassung die Anerkennung zu versagen und die nicht mit dem Ausbeuten eines Formmangels gleichzusetzen ist. Schließlich werden in den Fällen, in denen es zu einer Abweichung von Buchlage und tatsächlicher Rechtslage kommt, die Interessen Dritter niemals verletzt, da sie durch die Vorschriften des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs umfassend geschützt sind. Dieses als gering einzuschätzende Risiko eines falschen Grundbuchs vermag die Vorteile des Beurkundungszwangs nicht zu verdrängen. Die Anordnung des Formzwangs in § 925 I BGB als Ausnahme zu § 873 I BGB verlangt schon aus dieser Sonderstellung heraus die bestmögliche Verwirklichung seines Regelungszwecks. Es wurde gezeigt, daß neben der Beweisfunktion in Ansehung eines der wichtigsten Rechtsgeschäfte überhaupt, der Warnfunktion des § 925 I BGB im Zusammenspiel mit § 313 BGB ein besonderer Stellenwert zukommt. Die Untersuchung hat ergeben, daß für die bestmögliche Verwirklichung des Regelungszwecks die Beurkundung als materielles Formerfordernis der Auflassung unverzichtbar ist. Schließlich kann der Verweis auf die Wahrnehmung der Beurkundung durch das Grundbuchverfahrensrecht einen Verzicht im materiellen Recht nicht begründen. Der herrschenden Meinung ist zwar zuzugeben, daß die Auflassung in der Praxis regelmäßig im Rahmen der durch das Grundbuchverfahrensrecht geforderten Beurkundung erklärt wird und dies zur Verwirklichung der Zwecke des § 925 I BGB führt. Dies gilt jedoch nur für den Regelfall und eben nicht für die Fälle, in denen eine Beurkundung der Auflassung gar nicht oder nicht fehlerfrei erfolgt. Wird die Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch dennoch vollzogen, kann sich der Zweck des § 925 I BGB im Vergleich zu einer wirksam beurkundeten Auflassung nur verkürzt oder gar nicht verwirklichen. Auch wenn sich der Betrachtungs-
D. Systematische Auslegungsargumente
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gegenständ bei Berücksichtigung des faktischen Beurkundungszwangs somit auf die Auflassungen beschränkt, in denen das Zusammenspiel von materiellem und formellem Recht nicht zu einer wirksamen Beurkundung führt, verliert die soeben durchgeführte Gewichtung von Vor- und Nachteilen der materiellen Beurkundungsform ihre Gültigkeit nicht. Auch insoweit gilt, daß die nachteiligen Folgen des materiellen Beurkundungszwangs für die Rechtssicherheit nicht von solcher Erheblichkeit sind, daß sie die verkürzte Verwirklichung oder gar das Leerlaufen des Regelungszwecks des § 925 I BGB rechtfertigen könnten. Darüber hinaus wäre es verfehlt, den Nutzen eines materiellen Beurkundungszwangs auf die Fälle zu reduzieren, in denen der faktische Beurkundungszwang versagt. Allein durch die Beurkundung als materielles Formerfordernis wird nämlich sichergestellt, daß § 925 I BGB als Norm des materiellen Rechts seinen Regelungszweck aus sich heraus verwirklichen kann und dazu nicht auf die ohnehin durchlässige Absicherung des Grundbuchverfahrensrechts angewiesen ist. Allein dies entspricht den Anforderungen einer widerspruchsfreien, der Systembildung verpflichteten Dogmatik, 307 denn nur mit dem materiellen Beurkundungszwang wird unter Androhung der Nichtigkeitssanktion des § 125 S. 1 BGB das von der herrschenden Meinung für jede Auflassung in Kauf genommene Risiko ausgeschlossen, daß § 925 I BGB seinen Regelungszweck verfehlt und seine Funktion im Normgefüge verliert.
IV. Ergebnis der teleologisch-systematischen Auslegung Nach alledem ist die Beurkundung unter Berücksichtigung der mit § 925 I BGB verfolgten Zwecke auf der einen Seite und der mit ihr verbundenen Gefahren für die Parteien, das Grundbuch und die Interessen Dritter auf der anderen, als ein materielles Formerfordernis der nach § 925 IS. 1,2 BGB erklärten Auflassung anzusehen.
D. Systematische Auslegungsargumente In diesem Abschnitt soll das im Wege der teleologischen Auslegung gefundene Ergebnis durch systematische Argumente untermauert werden (I). Außerdem ist auf systematische Argumente der herrschenden Meinung einzugehen (II).
307 Zur Möglichkeit der Systembildung in der Jurisprudenz vgl. Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 64 f.
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I. Systematische Argumente für die Beurkundungsform 1. Der systematische Zusammenhang von § 925 I BGB und § 873 I I BGB
Mit der Annahme der Beurkundung als materielles Formerfordernis erübrigt sich die bis heute umstrittene Frage nach dem Eintritt der Bindung an die Auflassung. Der Vorteil der hier vertretenen Ansicht ist, daß damit den Absichten der in dieser Frage widerstreitenden Positionen in gleicher Weise entsprochen werden kann und jeder systematische Bruch mit den Vorschriften der §§ 873 ff. BGB vermieden wird.
a) Die aktuelle Streitfrage Gegenwärtig ist umstritten, ob die Auflassung als ein Unterfall der Einigung im Sinne des § 873 I BGB im Einklang mit dem Wortlaut des § 873 II BGB erst mit ihrer Beurkundung bindend wird oder ob die Bindung schon mit der formgerechten - nach herrschender Auslegung beurkundungsfreien - Erklärung eintritt. 308 Für letztere - wohl noch herrschende Meinung 309 - spricht auf der Grundlage der herrschenden Auslegung die Überlegung, daß es einen schwer zu ertragenden Widerspruch darstellte, wenn sich jede Partei einseitig von der vor dem Notar form wirksam erklärten Auflassung lösen könnte. Auf der anderen Seite spricht der Wortlaut des § 873 II BGB eindeutig gegen die herrschende Auslegung, die daher in § 925 BGB eine die Bindungsvorschrift verdrängende Sondernorm sehen will. Der Widerspruch löst sich dogmatisch sauber mit der Annahme der Beurkundung als einem materiellen Formerforderais auf, denn so wird die Auflassung mit der Einhaltung der Form des § 925 I BGB nach § 873 II BGB auch bindend.
b) Die Bestätigung in der Entstehungsgeschichte des § 873 BGB Mit Blick auf die Entstehungsgeschichte des § 873 II BGB bleibt kein Zweifel an der Richtigkeit dieser Lösung, die zugleich einen Beleg für den durch § 925 I BGB vorgeschriebenen Beurkundungszwang der Auflassung liefert.
308 Für die Anwendbarkeit des § 873 II BGB sprechen sich aus: Erman /Hagen/Lorenz, BGB, § 925 Rn. 50; Palandt / Bassenge, BGB, § 925 Rn. 28; Staudinger ! Pfeifer, BGB, § 925 Rn. 111; MünchKomm / Kanzleiter, BGB, § 925 Rn. 29; Baur/Stürner, SachenR, § 22 II, Rn. 11; Medicus, DNotZ 1990, 275 (279); ders., BR, Rn. 467; RGRK / August in, BGB, § 873 Rn. 124; Müller, SachenR, Rn. 959; BGH NJW 1998, 1482 (1484). Für die Gegenmeinung streiten: Jauernig, BGB, § 925 Rn. 16; § 873 Rn. 18; Staudinger/ Gursky, BGB, § 873 Rn. 154; Wilhelm, SachenR, Rn. 503. 309 Erman/Hagen/Lorenz, BGB, § 925 Rn. 50; Staudinger/Gursky, BGB, § 873 Rn. 154.
D. Systematische Auslegungsargumente
201
Solange die Auflassung nach § 925 I BGB auch vor dem Grundbuchamt erklärt werden konnte, trat mit ihrer Erklärung auch die Bindung gemäß § 873 II BGB ein, denn ausdrücklich ist diese Variante noch heute im Tatbestand genannt. Dies war bereits im ersten Entwurf der Fall, denn § 828 III E I lautete:
§ 828 I I I E I Der Vertrag wird für die Vertragschließenden mit dem Zeitpunkt bindend, in welchem er entweder vor dem Grundbuchamte geschlossen oder von den Vertragschließenden dem Grundbuchamte zur Eintragung eingereicht wird, oder in welchem die bewilligte Eintragung auf Antrag auch nur eines der Vertragschließenden erfolgt.
Auffällig an dieser ersten Fassung ist, daß die in dem geltenden § 873 II BGB enthaltene Alternative der notariellen Beurkundung noch fehlte. Die Erweiterung fand erst im zweiten Entwurf statt und zwar parallel zur Erweiterung der Zuständigkeiten zur Entgegennahme der Auflassung in § 838 I E II. Die neue Bindungsvorschrift lautete nunmehr:
§ 794 I I E I I Vor der Eintragung sind die Betheiligten an ihre Erklärungen nur gebunden, wenn sie dieselben vor dem Grundbuchamte, vor Gericht oder vor einem Notar abgegeben oder dem Grundbuchamt eingereicht haben oder wenn der Berechtigte dem anderen Theile eine den Vorschriften der Grundbuchordnung entsprechende Eintragungsbewilligung ausgehändigt hat.
Die Vorschrift erfuhr die Erweiterung in der Weise, daß auch die vor einem Gericht oder Notar abgegebenen Erklärungen bindend sein sollten. 310 Zwar hatte sich eine Minderheit dafür ausgesprochen, daß die Parteien an eine vor dem Notar erklärte Auflassung nicht in gleicher Weise zu binden seien, wie wenn die Erklärung vor Gericht oder vor dem Grundbuchamt erfolgt wäre, da möglicherweise ein längerer Zeitraum zwischen der Auflassung und der Eintragung vergehen könnte und somit der äußere Zusammenhang von Vertragsschluß und Eintragung nicht gewahrt sei. 311 Die Mehrheit sprach sich hingegen für die Bindungswirkung sowohl der gerichtlichen als auch der notariellen Auflassung aus, wobei man darin lediglich eine Konsequenz des zu § 868 E I gefaßten Erweiterungsbeschlusses sah: „Wenn man den Parteien die Wahl lasse, die Auflassung vor Gericht, vor dem Grundbuchamt oder vor einem Notar zu erklären, so müsse es auch hinsichtlich der Bindung der Parteien an ihre Auflassungserklärungen gleichgültig sein, ob sie behufs Abgabe der Erklärung die eine oder die andere Wahl träfen. Es fehle auch an einem inneren Grunde, die 310 Protokolle, III, S. 177 f. 3Π Protokolle, III, S. 177.
202
Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
Parteien in Beziehung auf ihre vor einem Notar abgegebenen obligatorischen Erklärungen sowie in Beziehung auf andere dingliche Erklärungen zu binden, bezüglich der auf Uebertragung des Eigenthums an unbeweglichen Sachen gerichteten Erklärungen den Eintritt der Bindung jedoch zu verneinen." 312 Damit wurde i m zweiten Entwurf eine Parallelität zwischen Auflassungserklärung und Eintritt der Bindung verwirklicht. I m zweiten revidierten Entwurf, der die Zuständigkeit zur Entgegennahme der Auflassung unverändert ließ, wurde auf Vorschlag der Subkommission, die zur Beratung der notariellen und gerichtlichen Form eingesetzt worden w a r , 3 1 3 die Vorschrift sprachlich verändert, ohne daß damit eine inhaltliche Änderung beabsichtigt gewesen w ä r e 3 1 4 :
§ 858 I I E I I rev Vor der Eintragung sind die Betheiligten an die Einigung nur gebunden, wenn die Erklärungen gerichtlich oder notariell beurkundet oder vor dem Grundbuchamt abgegeben oder bei diesem eingereicht sind oder wenn der Berechtigte dem anderen Theile eine den Vorschriften der Grundbuchordnung entsprechende Eintragungsbewilligung ausgehändigt hat. Zur Verdeutlichung der Parallele mit der Fassung der Vorschrift über die Auflassung sei auch § 9 1 0 1 E I I rev zitiert:
§ 9101E I I rev Die zur Uebertragung des Eigenthums an einem Grundstücke nach § 858 erforderliche Einigung des Veräußerers und des Erwerbers (Auflassung) muß bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Theile vor dem Grundbuchamte, vor Gericht oder vor einem Notar erklärt werden. Aus der Entstehungsgeschichte der Β indungsVorschrift ergibt sich somit unzweifelhaft, daß sie auch auf den Fall der Auflassung Anwendung finden sollte. A m deutlichsten wird dies aus ihrer Erweiterung um die notarielle und gerichtliche Erklärung in E I I als Parallele zu der Erweiterung der Zuständigkeit zur Entgegennahme der Auflassung. So wie die Erklärung der Auflassung vor dem Grundbuch312 Protokolle, III, S. 178. 313 Siehe oben Teil 3 Β 11. 314 Zur Änderung des Ausdrucks in bezug auf die notarielle oder gerichtliche Form heißt es in den Protokollen, V, S. 438: „Anlangend die gerichtliche oder notarielle Form, so gebrauche die Vorlage [der Subkommission] nicht mehr des Ausdrucks ,gerichtlicher oder notarieller Form', sondern spricht von gerichtlicher oder notarieller Beurkundung*. Diese Aenderung beruht auf der Erwägung, daß es sich schon in sprachlicher Hinsicht empfehle, statt von ,Form4 von ,Beurkundung4 zu reden, dann aber, daß dadurch anschaulicher gemacht werde, die in Rede stehende Form bestehe in der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung des Vorganges."
D. Systematische Auslegungsargumente
203
amt zur sofortigen Bindung führen sollte, sollte dies auch für die vor dem Gericht oder dem Notar erklärte Auflassung gelten. Dies wäre auf der Grundlage des § 858 II E II rev nur dann der Fall gewesen, wenn die Beurkundung einen Bestandteil der materiellen Auflassungsform bildete. Als man im dritten Entwurf die Zuständigkeit der Gerichte und der Notare wieder strich, hat man die um die gerichtliche und notarielle Beurkundung erweiterte Fassung der Bindungsvorschrift unverändert gelassen. Dadurch hat sie Einzug in das BGB erhalten, ohne daß die erweiterte Zuständigkeitszuweisung zur Entgegennahme der Auflassung als ihr ursprünglicher Auslöser erhalten geblieben ist. Ohne Berechtigung geschah dies freilich nicht, denn die gerichtliche und notariell erklärte Auflassung blieb über Art. 143 I EGBGB in den Landesgesetzen möglich und war ab 1934 für die Notare und ab 1940 für die Amtsgerichte reichsweit geltendes Recht. 315 Es hat schließlich bis zum Jahre 1953 gedauert, bis der ursprüngliche Auslöser der um die notarielle Beurkundung erweiterten Fassung des § 873 II BGB durch das Gesetz zur Wiederherstellung der Gesetzeseinheit auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts doch noch Aufnahme im BGB gefunden hat. 3 1 6 Mit der Aufnahme der allgemeinen Zuständigkeit der Notare und der Gerichte zur Entgegennahme der Auflassung ist die Parallelität des zweiten bzw. des zweiten revidierten Entwurfs wiederhergestellt worden. Durch die Streichung des Grundbuchamts und der Gerichte in § 925 I BGB ist sie dann zwar teilweise wieder aufgehoben worden; hinsichtlich der Zuständigkeit des Notars und der Bindung infolge der notariellen Beurkundung besteht die Parallelität jedoch bis heute fort und wird allein dadurch aufrechterhalten, daß die Beurkundung als materielles Formerfordernis der notariell erklärten Auflassung anerkannt wird.
2. Verfahren und Kostenrecht
Die Anerkennung der Beurkundung als Bestandteil des materiellen Formzwangs der Auflassung erübrigt die Frage, nach welchen verfahrensrechtlichen Vorschriften der Notar die Auflassung entgegenzunehmen hat. 3 1 7 Die materielle Erklärung der Auflassung vollzieht sich nach den Vorschriften des BeurkG. Dies gilt insbesondere auch für die speziellen Vorschriften zur Beurkundung von Willenserklärungen bei Beteiligung behinderter Personen (§§ 22 ff. BeurkG). 318 Auch mit Blick auf das Kostenrecht ergeben sich bei Anerkennung der Beurkundung als materielles Formerfordernis keine Regelungslücken. Gemäß § 38 II Nr. 6 KostO wird für die Beurkundung der Auflassung die Hälfte einer vollen Gebühr erhoben. Werden 315
Siehe dazu Teil 1 A II 2. - Dies wird von Bassenge, Rpfleger 1977, 8 f., übersehen.
316 Siehe oben Teil 1 A II 2. 317 siehe oben Teil 2 Β II. 318 Vgl. Erti, MittBayNot 1992, 102 (105), der die §§ 22 ff. BeurkG entsprechend anwenden will, was auf der Grundlage der herrschenden Auslegung mit Blick auf § 16 I BNotO und dem Fehlen einer Parallel Vorschrift für die §§ 22 ff. BeurkG schwerlich vereinbar ist.
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
in einer Verhandlung sowohl der Kauf als auch die Auflassung von einem Grundstück beurkundet, so wird die Gebühr nur einmal von dem Wert dieses Grundstücks nach dem höchsten in Betracht kommenden Gebührensatz berechnet (§ 44 I S. 1 KostO).
3. System der Formen des BGB
Durch Anerkennung der Beurkundung als materielles Formerfordernis fügt sich die Form der Auflassung widerspruchsfrei in das System der Formen des BGB ein. 3 1 9 Als Beurkundungsform - gesteigert durch das Erfordernis der gleichzeitigen Anwesenheit der Parteien - steht die Auflassungsform als Ausnahme zu § 128 BGB auf einer Stufe mit dem Ehevertrag (§ 1410 BGB) und dem Erbvertrag (§ 2276 BGB). Insbesondere wird auf diese Weise die mit der herrschenden Auslegung einhergehende Systemwidrigkeit verhindert, daß es sich bei § 925 I BGB um eine Form handeln soll, die nicht auf einer schriftlichen Verkörperung der Erklärungen basiert. In diesem Zusammenhang kann sich die herrschende Meinung auch nicht auf eine Parallele mit der Form der Eheschließung stützen, denn auch für sie ist vom Gesetz Schriftlichkeit vorgesehen. Gemäß § 1312 II BGB soll der Standesbeamte die Eheschließung in das Heiratsbuch eintragen. Da es sich bei § 1312 II BGB nur um eine Sollvorschrift handelt, ist die Beurkundung keine Voraussetzung der Wirksamkeit der Ehe. 3 2 0 Insoweit besteht ein Unterschied zu den in § 1311 BGB enthaltenen Formerfordernissen der persönlichen und gleichzeitigen Erklärungsabgabe, deren Nichtbeachtung gemäß § 1314 I BGB zur Aufhebbarkeit der Ehe führt. Die Ausgestaltung als Sollvorschrift hat somit in erster Linie Bedeutung für die Rechtsfolgen im Falle der Nichtbeachtung; es ändert jedoch nichts daran, daß auch die Form der Eheschließung grundsätzlich in eine schriftliche Verkörperung mündet und insoweit keine Ausnahme von der Gemeinsamkeit aller Formen des BGB macht.
4. Beseitigung des Widerspruchs zu § 9 2 5 1 S . 3 BGB
Durch die Annahme der Beurkundung als Erfordernis der gemäß § 925 I S. 1, 2 BGB erklärten Auflassung wird der Widerspruch in der herrschenden Meinung beseitigt, die mehrheitlich die Protokollierung des gerichtlichen Vergleichs als eine materielle Wirksamkeitsvoraussetzung der nach § 925 I S. 3 BGB erklärten Auflassung betrachtet, dies jedoch bei der notariellen Auflassungserklärung
319 Siehe oben Teil 2 Β I. 320 Palandt/Brudermüller, Rn. 4.
BGB, § 1312 Rn. 3; Jauernig /Berger,
BGB, §§ 1310 1312,
D. Systematische Auslegungsargumente
205
wegen der aus der Beurkundung resultierenden Gefahr für die Richtigkeit des Grundbuchs verneint.
II. Die Widerlegung der Gegenargumente Schließlich soll auf die Argumente eingegangen werden, die gegen die Beurkundung ins Feld geführt worden sind oder eingewendet werden könnten, ohne daß zu ihnen im bisherigen Verlauf der Arbeit Stellung genommen worden ist.
1. Das Verhältnis zu den §§ 2 0 , 2 9 G B O
Fuchs-Wissemann will ein Argument gegen die Beurkundung daraus gewinnen, daß sich der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Grundbuchverfahrensrechts darauf hätte beschränken können, den Nachweis formgerechter Beurkundung vorzuschreiben, wenn dies auch das materielle Formerfordernis der Auflassung wäre. Da man in den §§ 20, 29 GBO eigenständig Art und Nachweis der im Fall der Auflassung notwendigen Erklärung geregelt habe, spreche dies gegen einen materiellen Beurkundungszwang. Entgegen dem von Fuchs-Wissemann erzeugten Anschein regelt § 29 GBO jedoch nicht ausschließlich „Art und Nachweis der im Fall der Auflassung notwendigen Erklärung". § 29 GBO ist vielmehr eine allgemeine Vorschrift über die Form der Eintragungsunterlagen, die sich sowohl auf die dem § 19 GBO als auch auf die dem § 20 GBO unterfallenden Eintragungen bezieht. 321 Vor dem Hintergrund der allgemeinen Regel wird verständlich, warum der Gesetzgeber gerade keine spezielle - nur auf den Fall der Auflassung zugeschnittene Regelung - in das Gesetz aufgenommen hat. Hinzu kommt, daß die GBO auf diese Weise gegenüber etwaigen Veränderungen beim Ausmaß materieller Formzwänge bei Grundstücksgeschäften flexibel bleibt, worin ein Vorzug der allgemeinen Regelungstechnik des § 29 GBO liegt.
2. Die Differenzierung in § 20 BNotO
Ein weiteres Argument gegen die Beurkundung könnte § 20 BNotO zu entnehmen sein, wo in Abs. 2 ausdrücklich klargestellt wird, daß Notare auch dafür zuständig sind, Auflassungen entgegenzunehmen. Damit besteht eine deutliche Abgrenzung zu Abs. 1, wo die allgemeine Zuständigkeit der Notare zur Vornahme von Beurkundungen jeder Art niedergelegt ist. Von der ausdrücklichen Aufzählung der Auflassung in Abs. 2 darauf zu schließen, daß es sich bei der Entgegennahme 321 Bauer/von Oefele (Knothe), GBO, § 29 Rn. 6.
206
Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
der Auflassung nicht auch um eine Beurkundung handeln könnte, wäre indessen verfehlt, was wiederum an den Umständen deutlich wird, die ursprünglich zur Schaffung des § 20 II BNotO geführt haben. Der heutige § 20 BNotO nahm seinen Ursprung in § 22 RNotO vom 13. Februar 1937, 322 in dem neben der allgemeinen Beurkundungszuständigkeit der Notare in Abs. 1 die Zuständigkeit zur Entgegennahme von Auflassungen in Abs. 2 getrennt aufgeführt wurde. Hierin ist in erster Linie eine Wiederholung und Klarstellung der erst durch die Verordnung über Auflassungen, landesrechtliche Gebühren und Mündelsicherheit vom 11. Mai 1934 323 angeordneten allgemeinen Zuständigkeit der Notare zur Entgegennahme der Auflassung zu sehen.324 Daß in der von Abs. 1 gesonderten Aufnahme der Zuständigkeit zur Entgegennahme der Auflassung keine Abgrenzung mit Blick auf das Beurkundungserforderais verbunden wurde, läßt sich der Kommentierung zur RNotO von Seybold/Hornig aus dem Jahre 1937 entnehmen: In § 22 II RNotO wird unter der einheitlichen Uberschrift „Beurkundung von Rechtsgeschäften" in der Entgegennahme der Auflassung lediglich ein ausdrücklich erwähnter Fall der allgemeinen Zuständigkeit zur Beurkundung von Rechtsgeschäften gesehen.325
3. § 925 I S. 3 BGB
Unter der Annahme, daß die Beurkundung ein Bestandteil der materiellen Auflassungsform ist, scheint es widersprüchlich zu sein, daß das Gesetz in § 925 I S. 3 BGB ausdrücklich normiert, daß die Auflassung auch in einem gerichtlichen Vergleich erklärt werden kann. Denn der Allgemeine Teil enthält mit § 127 a BGB eine Vorschrift, wonach eine notarielle Beurkundung bei einem gerichtlichen Vergleich durch die Aufnahme der Erklärungen in ein nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung errichtetes Protokoll ersetzt wird. In Ansehung dieser Norm könnte man den eigenen Regelungscharakter des § 925 I S. 3 BGB bezweifeln, wenn in § 925 I S . 1, 2 eine Beurkundung vorgeschrieben wird, und daraus folgern, daß letzteres nicht der Fall ist. Die Vorschrift des § 127 a BGB ist erst mit dem BeurkG in das BGB eingefügt worden. 326 Durch das BeurkG war die zuvor bestehende allgemeine Möglichkeit der öffentlichen Beurkundung von Rechtsgeschäften bei den Amtsgerichten im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit beseitigt worden. Schon zuvor hatte es jedoch der allgemeinen Meinung entsprochen, daß auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung die öffentliche Beurkundung durch die Protokollierung eines
322 RNotO vom 13. Februar 1937, RGBl. I, 141. 323 Siehe oben Teil 1 A II 2. 324 Ausdrücklich weisen Seybold/Hornig, RNotO, § 22 Anm. III 1, auf diesen Zusammenhang hin. 325 Seybold/Hornig, RNotO, § 22, Anm. III 1. 326 § 57 III Nr. 1 BeurkG vom 28. August 1969, BGBl. I, 1513.
D. Systematische Auslegungsargumente
207
gerichtlichen Vergleichs im Prozeß erfolgen konnte. 327 Somit stellt sich auch für die Zeit vor Inkrafttreten des BeurkG und somit des § 127 a BGB die Frage, warum es einer ausdrücklichen Regelung der Auflassungserklärung in einem gerichtlichen Vergleich in § 925 BGB bedurfte, wenn schon zuvor die Form der öffentlichen Beurkundung durch einen gerichtlichen Vergleich für ersetzbar gehalten worden war. Eine Antwort findet man wiederum in der Entstehungsgeschichte der Norm. Die heutige Regelung des § 925 I S. 3 BGB wurde erstmalig erlassen in § 1 der Zweiten Verordnung über Auflassungen vom 9. Januar 1940 und hat durch das Gesetz zur Wiederherstellung der Gesetzeseinheit vom 5. März 1953 328 Einzug in das BGB gehalten. Bis dahin und darüber hinaus war nach dem Wortlaut des § 925 I BGB allein das Grundbuchamt zur Entgegennahme der Auflassung zuständig. Die Frage, ob die Auflassung auch in einem gerichtlichen Vergleich erklärt werden konnte, war somit zunächst auf der Grundlage der nach Reichsrecht alleinigen Zuständigkeit des Grundbuchamts zu beantworten. Unabhängig von der ohnehin streitigen Frage, ob die grundbuchamtlich erklärte Auflassung notwendig beurkundungsbedürftig war, bildete die Auflassungsform somit jedenfalls keinen Normalfall einer gerichtlichen oder notariellen Beurkundung, die auch schon vor Inkrafttreten des § 127 a BGB nach allgemeiner Meinung durch einen gerichtlichen Vergleich zu ersetzen gewesen wäre. Vielmehr war sie wegen des speziellen Zuständigkeitserfordernisses mit der Eheschließung vor dem Standesamt vergleichbar, die nicht Gegenstand eines Prozeßvergleiches sein konnte bzw. sein kann. 329 Bei der Frage nach der Zulässigkeit einer Auflassung in einem gerichtlichen Vergleich ging es somit ursprünglich nicht um die Ersetzbarkeit einer Standardform, sondern vielmehr um die Ersetzbarkeit einer Spezialform. Daraus entwickelte sich in den ersten Jahrzehnten nach Inkrafttreten des BGB eine umfangreiche Auseinandersetzung über die Möglichkeit der Auflassung in einem gerichtlichen Vergleich. 330 Dem daraus resultierenden Klarstellungsbedürfnis entsprach 1940 der Verordnungsgeber in der Weise, daß er die Erklärung der Auflassung in einem gerichtlichen Vergleich allgemein zuließ. 331 Nachdem die spezielle Zuständigkeit des Grundbuchamts als historischer Ausgangspunkt der gesetzlichen Regelung der Auflassungsform abgeschafft worden ist, bildet nach der hier vertretenen Auffassung die notarielle Beurkundung - ge327
MünchKomm ! Förschler, BGB, 3. Aufl., § 127 a Rn. 1; mit dem Hinweis, daß es nach der Streichung der auf die frühere gerichtliche Beurkundung bezüglichen Worte in § 128 BGB und der damit zum Ausdruck kommenden Beseitigung der allgemeinen Beurkundungsbefugnis der Gerichte angezeigt war, die Gleichwertigkeit der prozeßordnungsgemäßen Protokollierung eines gerichtlichen Vergleichs mit der nunmehr allgemein vorgesehenen Beurkundung durch den Notar gesetzlich festzustellen. 32
« Siehe oben Teil 1 A I I 2. Vgl. § 1310 BGB. 33 0 Dazu hier nur Dronke, ZZP 30 (1902), 47 ff. 329
331
von Spreckelsen, Das neue Deutsche Reichsrecht, II b 30, S. 5.
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Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
steigert durch das Erfordernis der gleichzeitigen Anwesenheit - den Normalfall einer Auflassung, die schon nach allgemeinen Regeln durch einen gerichtlichen Vergleich zu ersetzen ist. Es ist daher zuzugeben, daß der ursprüngliche Klarstellungsbedarf, der zur ausdrücklichen Regelung des gerichtlichen Vergleichs bei der Auflassung geführt hat, mit der Streichung des Grundbuchamts in § 925 I BGB heute entfallen ist. Aus dem bloßen Fortbestehen der Regelung des § 925 I S. 3 BGB kann jedoch deshalb kein systematisches Argument gegen die Beurkundungsbedürftigkeit der nach § 925 IS. 1,2 BGB erklärten Auflassung entnommen werden, da die Entstehungsgeschichte dem entgegensteht. Richtigerweise ist in § 925 I S. 3 BGB lediglich eine ausdrückliche Regelung des § 127 a BGB zu sehen, die heute als Überbleibsel der historischen Gesetzesentwicklung zu verstehen ist.
4. Die amtliche Begründung zum BeurkG
Der amtlichen Begründung zum BeurkG könnte ein Indiz dafür zu entnehmen sein, daß nach der Vorstellung des Gesetzgebers die Beurkundung kein materielles Formerfordernis der Auflassung darstellt. Wie gesehen, wurde die Beseitigung der grundbuchamtlichen Zuständigkeit zur Entgegennahme der Auflassung damit begründet, die Auflassung zukünftig nur noch vor einer Stelle erklären zu lassen, die auch nach Inkrafttreten des BeurkG eine Beurkundung vornehmen kann. Dabei hatte man nur das sich aus den §§ 20, 29 GBO ergebende verfahrensrechtliche Beurkundungserfordernis vor Augen, 332 woraus zu schließen sein könnte, daß ein materielles Beurkundungserfordernis von vornherein nicht angenommen wurde. Die Entwurfsbegründung vermag die Beseitigung der grundbuchamtlichen Zuständigkeit zur Entgegennahme der Auflassung jedoch schwerlich zu erklären. Sie geht nämlich davon aus, daß es zum Nachweis der Auflassung gegenüber dem Grundbuchamt stets auf die Herstellung einer Urkunde nach dem BeurkG ankommt. Dies wäre mit Blick auf die Beibehaltung der in § 925 I BGB vorgesehenen grundbuchamtlich erklärten Auflassung jedoch nicht zwingend erforderlich gewesen, da die Auflassung in diesem Fall ohnehin schon unmittelbar vor der buchführenden Behörde erklärt wurde und dies die Grundlage für die Eintragung in das Grundbuch bildete. 333 Hingegen stellt sich die Änderung des § 925 I BGB durch das BeurkG als folgerichtig dar, wenn man die Beurkundung als ein mate332 Siehe oben Teil 3 Β II 2. 333 Daß der Gesetzgeber grundsätzlich auch weiterhin von der Möglichkeit der Erklärungsabgabe vor dem Grundbuchamt ausgegangen ist, wird daran deutlich, daß er auch nach Inkrafttreten des BeurkG § 873 II BGB mit der Tatbestandsalternative der „Abgabe der Erklärungen vor dem Grundbuchamt" unverändert gelassen hat. - Zu Recht weist Staudinger/ Gursky, BGB, § 873 Rn. 150, darauf hin, daß der Fall des § 873 I I BGB an Bedeutung verloren hat, seit die Auflassung nicht mehr vor dem Grundbuchamt erklärt werden kann und sich die Bedeutung heute auf die nicht dem § 925 BGB unterliegenden Fälle beschränkt.
D. Systematische Auslegungsargumente
209
rielles Formerfordernis der Auflassung ansieht. Denn da dem Grundbuchamt durch das BeurkG die Beurkundungsbefugnis von Willenserklärungen genommen wurde, war es nach Inkrafttreten des BeurkG nicht mehr in der Lage, die materielle Form des § 925 I BGB herbeizuführen. Die Beseitigung der grundbuchamtlichen Zuständigkeit zur Entgegennahme der Auflassung im BeurkG steht somit im Einklang mit der Annahme der materiellen Beurkundungsbedürftigkeit der Auflassung.
5. Die Auflassung als Abschluß eines Vertrags
vor Gericht oder Notar
In der frühen Auseinandersetzung um die Beurkundungsbedürftigkeit der grundbuchamtlich zu erklärenden Auflassung kam der systematischen Argumentation ein erheblicher Stellenwert zu, die auf die Rechtsnatur der Auflassung abstellte und Parallelen zu anderen, vor einer bestimmten Stelle abzuschließenden Verträgen herstellte. Den Ausgangspunkt lieferte dabei die Annahme, daß nach der Ausdrucksweise des Gesetzes der Abschluß eines Vertrages vor Gericht oder Notar allgemein als eine strengere Form der Beurkundung der bloßen gerichtlichen oder notariellen Beurkundung gegenüberstehe. Das KG wies zum Beleg darauf hin, daß von keiner Seite bezweifelt werde, daß Ehevertrag, Annahmevertrag und Erbeinsetzungsvertrag materiellrechtlich der Beurkundung bedürfen und ohne solche gemäß § 125 BGB nichtig seien. 334 Von den Befürwortern der Beurkundung als einem materiellen Erfordernis der grundbuchamtlich erklärten Auflassung wurde sodann darauf hingewiesen, daß die Subkommission die Auflassung den genannten Verträgen gleichgestellt habe und daher auch bei der Auflassung von der Beurkundungspflicht auszugehen sei. 335 Die Gegner der Beurkundung bestritten die Vergleichbarkeit der Auflassung mit den beurkundungsbedürftigen Verträgen, indem sie betonten, daß das Gesetz gerade darauf verzichtet habe, die Auflassung als Vertrag zu bezeichnen und unabhängig davon immer nur die „wirkliche Abgabe'4 der Erklärung entscheidend sein sollte. Vor allem stützte sich das RG auf das Argument, daß § 925 BGB gerade nicht die Abgabe der Erklärung vor Gericht oder Notar, sondern eben nur vor dem Grundbuchamt fordere. 336 Nach der Abschaffung der Zuständigkeit des Grundbuchamts zur Entgegennahme der Auflassung erscheint die damalige Auseinandersetzung in einem anderen Licht. Da heute die Auflassung wie der Ehevertrag (§ 1410 BGB) und der Erb vertrag (§ 2276 I S. 1 BGB) vor dem Notar erklärt werden muß, ist zumindest die Besonderheit entfallen, daß die Auflassung vor einer anderen Stelle zu erklären war, womit in Ansehung der einheitlichen Zuständigkeit der Notare die im zweiten und zweiten revidierten Entwurf enthaltene Parallelität zwischen der Auflassung und
334 KGJ51, A 142(148). 335 Siehe ausführlich zur Argumentation des KG in diesem Zusammenhang KGJ 51, A 142 (147 f.). 336 Siehe oben Teil 1 C III a) dd). 14 Pajunk
210
Teil 3: Die Beurkundung der notariell erklärten Auflassung
anderen Vertragsschlüssen vor dem Notar heute wiederhergestellt ist. 3 3 7 Außerdem wird heute überwiegend angenommen, daß es sich bei der Auflassung um einen Vertrag handelt, 338 was ebenfalls dafür spricht, die Auflassung auf eine Stufe mit dem Ehevertrag und dem Erbvertrag zu stellen. 339 In jedem Falle entspricht dies der nach Wichtigkeit der Vertragstypen vorgenommenen Wertung der Subkommission, die zur Beratung der Beurkundungsform eingesetzt worden war, und dient der Systembildung, indem sich die Form der Auflassung in das Gefüge der Geschäftsformen einordnet.
E. Ergebnis Die an Wortlaut, Zweck der Norm, Gesetzessystematik und Entstehungsgeschichte orientierte Auslegung führt zu dem Ergebnis, daß die Beurkundung als materielles Formerfordernis der nach § 925 IS. 1,2 BGB erklärten Auflassung anzusehen ist.
337 Siehe oben Teil 1 A II 1 b). 338 Siehe oben Teil 1 A III 1 b). 339 Zu dem Argument, daß in § 925 I BGB nicht die klarstellenden Worte „zur Niederschrift" eingefügt worden sind, siehe oben Teil 3 A II.
Teil 4
Rechtliche und praktische Auswirkungen des materiellen Beurkundungszwangs bei der notariellen Auflassung In diesem Abschnitt soll verdeutlicht werden, welche praktischen und rechtlichen Auswirkungen die Anerkennung der Beurkundung als materielles Formerfordernis der Auflassung hat. Neben der Erklärung der Auflassung - insbesondere unter Einschaltung Dritter - steht dabei die Behandlung von Verstößen gegen das Formerfordernis des § 925 I BGB im Vordergrund.
A. Die Erklärung der Auflassung I. Normalfall
Im Normalfall der notariell erklärten Auflassung ändert sich in der Praxis nichts am Verfahren der Erklärung, denn auch auf der Grundlage der herrschenden Auslegung des § 925 I BGB steht die Auflassung unter einem faktischen Beurkundungszwang. Allein besteht die auch auf der Grundlage der herrschenden Auslegung ohnehin nur als theoretisch zu bezeichnende Möglichkeit nicht, eine Auflassung auch ohne eine sie begleitende Beurkundung wirksam erklären zu können. Da in der Praxis aus Kostengründen das nach § 313 S. 1 BGB beurkundungsbedürftige Grundgeschäft und die nach § 925 I BGB ebenfalls formbedürftige Auflassung häufig in einer Urkunde erklärt werden, sind zahlreiche Konstellationen denkbar, in denen das Grundgeschäft unwirksam ist und sich die Frage nach dem rechtlichen Schicksal der Auflassung stellt. Nach dem Abstraktionsprinzip ist die Wirksamkeit des Grundgeschäfts keine Voraussetzung für die Wirksamkeit der Auflassung. 1 Das Grundbuchamt ist daher im Rahmen des § 20 GBO weder zur Prüfung der Wirksamkeit des Grundgeschäfts befugt, noch ist es berechtigt, die 1
Denkbar ist jedoch, daß Mängel des Grundgeschäfts auf die dingliche Einigung übergreifen und sie in ihrer Wirksamkeit beeinflussen, was etwa bei einem Verstoß gegen § 138 BGB oder bei einem Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot anzunehmen sein könnte, vgl. etwa OLG Frankfurt NJW 1991, 876 f. mit Nachw. 14*
212
Teil 4: Rechtliche und praktische Auswirkungen des Beurkundungszwangs
Eintragung in das Grundbuch mit der Begründung zu verweigern, daß es Zweifel an der Wirksamkeit des Grundgeschäfts habe.2 Nach ganz herrschender Meinung ergreift die Nichtigkeit des Grundgeschäfts auch nicht nach § 139 BGB die gleichzeitig erklärte Auflassung. Zwar können das Grund- und das Erfüllungsgeschäft nach Ansicht des BGH durch den Parteiwillen zu einer Einheit im Sinne des § 139 BGB zusammengefaßt werden,3 in Bezug auf das Verhältnis zwischen Grundgeschäft und Auflassung rechtfertige sich dies jedoch grundsätzlich nicht.4 Ist etwa das Grundgeschäft als simuliertes Geschäft nach § 117 I BGB nichtig, folgt daraus nicht die Unwirksamkeit der Auflassung, wenn sie ihrerseits wirksam erklärt ist und insbesondere der Form des § 925 I BGB genügt.5 Nach der hier vertretenen Auffassung bedeutet dies, daß die Auflassung ihrerseits bei gleichzeitiger Anwesenheit wirksam beurkundet sein muß. Leidet das Grundgeschäft an einem Formfehler und ist nach § 125 S. 1 BGB nichtig, ist hinsichtlich der Wirksamkeit der gleichzeitig erklärten Auflassung zu differenzieren: Soweit sich der Beurkundungsfehler nur auf das Grundgeschäft bezieht, da etwa die schuldrechtlichen Vereinbarungen nicht vollständig in die Niederschrift aufgenommen werden und auch keine ersetzende Bezugnahme erfolgt, 6 berührt dieser Beurkundungsmangel die Auflassung nicht. In einem solchen Fall spricht nichts dagegen, die Auflassung als wirksam erklärt anzuerkennen, da alle Beurkundungserfordernisse der Auflassung eingehalten werden und sich die Zwecke des § 925 I BGB bestmöglich verwirklichen können. Diese Konstellation veranschaulicht nochmals die Dringlichkeit, mit der auf der dinglichen Ebene vor den Gefahren des Rechtsverlustes zu warnen ist. Denn obwohl dem Grundgeschäft die Formgültigkeit gerade mit der Begründung verweigert wird, daß wegen der Nichteinhaltung der Förmlichkeiten die mit dem BeurkG angestrebte Beweis- und Warnfunktion und die Mitwirkung des sachkundigen und unparteiischen Notars nicht mehr sichergestellt sei,7 gelangt es nach § 313 S. 2 BGB
2 Vgl. OLG Frankfurt NJW 1991, 876 f. 3 Vgl. dazu Jauernig, JuS 1994, 721 (724). 4 BGH NJW 1979, 1495 (1496); OLG Hamm MDR 1996, 391; OLG München NJW-RR 1986, 13 (14); OLG Frankfurt NJW 1981, 876 (877); BayObLG, Rpfleger 1969, 48. - Etwas anderes soll hingegen grundsätzlich für die Erteilung einer Auflassungsvollmacht in einem formnichtigen Vertrag gelten: Die Formnichtigkeit hat nach Ansicht des BGH im Zweifel gemäß § 139 BGB auch die Unwirksamkeit der im Kaufvertrag enthaltenen Auflassungsvollmacht zur Folge, vgl. BGH NJW-RR 1989, 1099 (1100) mit weiteren Nachw.; OLG Schleswig NJW-RR 2001, 733 (734) hält mit Verweis auf BGH W M 1965, 1006 (1008) § 139 BGB auch dann für anwendbar, wenn in einer Generalvollmacht die Vollmacht zum Abschluß eines Grundstückskaufvertrags und zur Erklärung der Auflassung enthalten ist. 5 Vgl. schon RGZ 104, 102 (103 f.); 104, 296, 298; 134, 83 (86). 6 Bei der Veräußerung eines Grundstücks erstreckt sich das Beurkundungserfordernis des § 313 S. 1 BGB auf alle Vereinbarungen, aus denen sich nach dem Willen der Parteien das schuldrechtliche Veräußerungsgeschäft zusammensetzt, vgl. BGH NJW-RR 1989, 198 (199) mit zahlreichen Nachw.
Α. Die Erklärung der Auflassung
213
durch die Erklärung der Auflassung und die Eintragung in das Grundbuch dennoch zur Wirksamkeit. Etwas anderes gilt hingegen, wenn die Beurkundung insgesamt und somit auch in dem sich auf die Auflassung beziehenden Teil gegen zwingende Vorschriften des BeurkG verstößt. In einem solchen Fall ist auch auf der dinglichen Ebene die Verwirklichung des Normzwecks des § 925 I BGB nicht mehr sichergestellt, so daß die Auflassung nach § 125 S. 1 BGB nichtig ist. Dies entspricht auf der Grundlage der herrschenden Auslegung der Konstellation, daß eine Auflassung unter Mißachtung des Gleichzeitigkeitserfordernisses zusammen mit einem (formnichtigen) Grundgeschäft erklärt wird. Auch hier ist die Auflassung nach § 125 S. 1 BGB nichtig.
II. Unter Einschaltung eines Dritten Die Auflassung kann unter Einschaltung eines Dritten erklärt werden, was insbesondere im Wege der Stellvertretung möglich ist, da die Auflassung nicht vertretungsfeindlich ist.8 Ferner ist die Erklärung durch einen Dritten mit Zustimmung des Eigentümers möglich.9
1. Die Formbedürftigkeit von Vollmachtserteilung und Zustimmung
a) Vollmachtserteilung Will eine Partei die Auflassung durch einen Vertreter erklären lassen, stellt sich die Frage, ob die Bevollmächtigung einer besonderen Form genügen muß. Das Gesetz ordnet in § 167 II BGB für die Vollmachtserteilung an, daß sie grundsätzlich nicht der Form bedarf, welche für das Rechtsgeschäft bestimmt ist, auf das sich die Vollmacht bezieht. Jedoch hat diese Norm Einschränkungen für den Fall erfahren, daß die formlose Bevollmächtigung gegen den Zweck einer gesetzlichen Formvorschrift verstieße. Dies soll nach ständiger Rechtsprechung insbesondere bei einer unwiderruflich erteilten oder aus sonstigen Gründen bindenden Vollmacht für eine Grundstücksveräußerung oder einen Grundstückserwerb anzunehmen sein. 10 Bereits im Jahre 1960 hat der BGH die Gültigkeit dieser Regel auch in An-
7
Vgl. BGH NJW 1979, 1495 (1496), wobei ausdrücklich daraufhingewiesen wird, daß es unerheblich sei, ob die Parteien im konkreten Fall des Schutzes der §§ 9, 13 BeurkG tatsächlich bedurften. 8 Vgl. nur Staudinger/Pfeifer, BGB, § 925 Rn. 69 ff. 9 BGHZ 19, 138 (139). 10 Vgl. nur BGH NJW 1979, 2306; BGH W M 1966, 761 (762); BGH W M 1965, 1006; BGH NJW 1952, 1210 (1211); sowie jüngst OLG Schleswig NJW-RR 2001, 733.
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Teil 4: Rechtliche und praktische Auswirkungen des Beurkundungszwangs
sehung einer Auflassungsvollmacht hervorgehoben und eine Auflassung für unwirksam erklärt, da die Auflassungsvollmacht formfrei erteilt worden war und dem Vertretenen die „Widerruflichkeit der Vollmacht nicht zum Bewußtsein gekommen ist". 11 b) Zustimmung Im Jahre 1994 entschied der BGH, daß der von einem vollmachtslosen Vertreter geschlossene Grundstückskaufvertrag vom Vertretenen formlos genehmigt werden kann. 12 Mit Verweis auf diese Entscheidung stellte der BGH im Jahre 199813 auch in Ansehung einer durch einen Nichtberechtigten erklärten Auflassung fest, daß kein Anlaß bestehe, für die nach § 184 I BGB erforderliche Genehmigung eine Ausnahme von der Regel des § 182 II BGB zu machen, nach der die Zustimmung nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form bedarf. 14 In derselben Entscheidung betont der BGH jedoch, daß im Gegensatz dazu die Einwilligung nach § 185 I BGB zu einer noch ausstehenden Auflassung unter dem für diese selbst geltenden Formgebot stünde, wenn sie das formbedürftige Geschäft vorwegnähme. 15 In dem Fall müsse die Einwilligung zu einer Auflassung entgegen § 182 II BGB der Form des § 925 BGB genügen.
2. Bezug zu § 925 I BGB
Im Rahmen dieser Arbeit soll nicht geklärt werden, ob und in welchem Umfang Einschränkungen der §§167 II, 182 II BGB zulässig und geboten sind. 16 Da sie von der ganz herrschenden Meinung in bestimmten Fällen gemacht werden, soll 11 BGH DNotZ 1963, 672. - Unproblematisiert geblieben ist die Form der Vollmachtserteilung in BGH NJW-RR 1989, 1099 (1100); der BGH nimmt die Heilungswirkung von Auflassung und Eintragung nach § 313 S. 2 BGB an, wobei die Vollmacht zur Auflassung unter Befreiung von § 181 BGB in einem formnichtigen notariellen Vertrag erteilt worden war und zwar unwiderruflich und über den Tod hinaus, um so die Vollziehung des Vertrags - und damit die Heilung der Formnichtigkeit des gesamten Vertrags - zu sichern. Der BGH lenkt sein Augenmerk lediglich auf die Frage, ob die Nichtigkeit des notariellen Kaufvertrags gemäß § 139 BGB auch die in ihm erklärte Auflassungsvollmacht erfaßt, und verneint dies mit Blick auf die beabsichtige Heilungswirkung der Auflassung. 12 BGHZ 125, 218 (221-226) = NJW 1994, 1344. 13 BGH NJW 1998, 1482 = DNotZ 1999, 40 (mit Anm. Einsele) = L M Nr. 5 zu § 183 BGB (mit Anm. Wieling). Vgl. ferner Anm. Schmidt, JuS 1998, 656 und Winkler, NJ 1998, 426. 14 BGH NJW 1998, 1482 (1484). 15 Der BGH zieht insoweit die Parallele zu seiner Rechtsprechung zur Formbedürftigkeit der unwiderruflichen oder aus sonstigen Gründen bindenden Vollmacht. 16 Vgl. zum Stand der Auseinandersetzung MünchKomm ! Einsele, BGB, § 125 Rn. 18 ff.; Rosier, NJW 1999, 1150 ff.; Kanzleiter, NJW 1999, 1612 ff.; Wieling, Anm. zu BGH L M Nr. 5 zu § 183 BGB; Lerch, ZRP 1998, 347 f.; Brambring, ZIR 1997, 184 ff.
Α. Die Erklärung der Auflassung
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jedoch der Bezug zur Auflassung hergestellt werden, da sich daraus ein weiteres Argument für die Geschlossenheit der hier vertretenen Ansicht zum Beurkundungszwang der Auflassung ergibt.
a) Der Inhalt des Formgebots Unter der Annahme, daß der Formzwang für die Vollmacht bzw. die Einwilligung in den beschriebenen Fällen durch eine teleologische Reduktion der §§167 II, 182 II BGB zu erzielen ist, 17 müßten die Erklärungen der Form genügen, die für das Rechtsgeschäft bestimmt ist, auf das sich die Vollmacht bzw. die Einwilligung bezieht, denn dies stellt die Verneinung des Regelungsinhalts der in ihrem Anwendungsbereich reduzierten §§167 II, 182 II BGB dar. 18 Auf der Grundlage der herrschenden Auslegung zu § 925 I S . 1,2 BGB müßten die Vollmacht bzw. die Einwilligung zur Wahrung der für die Auflassung vorgeschriebenen Form demnach bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Vertragsteile vor der zuständigen Stelle 19 erklärt werden. Auf eine Beurkundung käme es zur Wahrung des § 925 I BGB hingegen nicht an. 20
b) Stellungnahme Probleme bereitet in diesem Zusammenhang zunächst das Erfordernis der gleichzeitigen Anwesenheit. Sowohl bei der Erteilung der Vollmacht als auch bei der Zustimmung handelt es sich um einseitige Rechtsgeschäfte. 21 Das Erfordernis der gleichzeitigen Erklärungsabgabe ist im BGB jedoch auf Formzwänge bei Verträgen zugeschnitten und daher nicht auf einseitige Rechtsgeschäfte übertragbar. 22 Vor allem würde das Erfordernis der gleichzeitigen Anwesenheit eine erhebliche Verkehrserschwerung bedeuten und somit in einem Widerspruch zu der vom Gesetz geschaffenen Möglichkeit stehen, sich Dritter zur Besorgung eigener Rechtsgeschäfte zu bedienen und damit den Rechtsverkehr zu erleichtern. Aus diesen Gründen ist das Gleichzeitigkeitserfordernis nicht auf die Erteilung einer Völl-
ig Vgl. Staudinger/Schilken, BGB, § 167 Rn. 20; Soergel/Leptien, BGB, § 167 Rn. 11; Larenz/Wolf, AT, § 46 Rn. 22 f.; Rosier, NJW 1999, 1150 (1151). ι» BGH NJW 1998, 1482 (1484) spricht im Zusammenhang mit der Fonnbedürftigkeit der Einwilligung in die von dem Nichtberechtigten erklärte Auflassung insoweit zutreffend von der für diese vorgeschriebenen Form; ebenso für die Auflassungsvollmacht in BGH DNotZ 1963, 672. Vgl. auch Rosier, NJW 1999, 1150 (1151, I I 4 c)). 19 So ausdrücklich Schmidt, JuS 1998, 656. 20 Dies betont Wieling, Anm. zu BGH L M Nr. 5 zu § 183 BGB. 21 Jauernig, BGB, § 167 Rn. 1; § 182 Rn. 3; Palandt/Heinrichs, v. § 182 Rn. 3. 22
Vgl. §§ 925 I, 1410, 22761 BGB.
BGB, § 167 Rn. 1; Einf.
216
Teil 4: Rechtliche und praktische Auswirkungen des Beurkundungszwangs
macht oder eine Zustimmung anzuwenden. Auf der Grundlage der herrschenden Auffassung käme es somit zur Wahrung der Form des § 925 I BGB lediglich auf die Abgabe der Erklärung vor dem Notar an. Unabhängig von der Frage, nach welchen Verfahrensanforderungen eine solche Erklärungsabgabe zu erfolgen hätte, ist der in dieser Form erteilten Vollmacht oder Einwilligung kritisch zu begegnen. Zum einen könnte sich die Warnfunktion nicht in dem durch die Vorschriften des BeurkG sichergestellten Umfang entfalten. Dabei ist gerade die Vorverlagerung der Warnfunktion eine Hauptmotivation für die Durchbrechung der §§167 II, 182 II BGB, weshalb ihr ein besonderer Stellenwert einzuräumen ist. 23 Darüber hinaus ist eine ohne schriftliche Verkörperung erteilte Vollmacht oder Zustimmung für den Rechtsverkehr nur begrenzt tauglich, da ihre Beweisbarkeit erheblich erschwert wäre. 24 Dies erkennt auch Wieling in seiner Anmerkung zu der BGH-Entscheidung aus dem Jahre 1998, indem er darauf hinweist, daß im Falle der Ausdehnung eines Formzwangs auf die Zustimmung eher an die Form der Beurkundung als an die Form des § 925 BGB zu denken sei. 25 Dem ist im Ergebnis zuzustimmen, denn durch die Beurkundung wird das notarielle Verfahren auf eine normative Grundlage gestellt, kann sich die Warnfunktion bestmöglich verwirklichen und wird schließlich durch die Urkunde eine beweissichere Grundlage für den Rechtsverkehr geschaffen. Wieling und andere Autoren, die sich im Zusammenhang mit der unwiderruflich erteilten AuflassungsVollmacht für die Beurkundungsform aussprechen, lassen jedoch offen, wie sie konstruktiv von der Form des § 925 I BGB zur Beurkundung gelangen, bei der es sich nach herrschender Ansicht ja gerade nicht um die im Sinne der §§167 II, 182 II BGB für das Rechtsgeschäft bestimmte Form handelt.26 23
Auch dies zeigt die Unhaltbarkeit der Ansicht, daß § 925 I BGB keine Warnfunktion zukomme. 24 Dazu oben Teil 2 A und Teil 3 C II 1 a) - Die herrschende Meinung wird sich konsequenterweise darauf berufen müssen, daß sich §§ 20, 29 GBO auch auf die Vollmacht bzw. Einwilligung erstrecken und daher auch sie unter einem „faktischen Beurkundungszwang" stehe. - Zum Nachweiserfordernis von Vollmachten und Zustimmungen gegenüber dem Grundbuchamt in beurkundeter Form vgl. BayObLG NJW-RR 2000, 161 (162); OLG Stuttgart NJW-RR 1999, 1321. 25 Wieling, Anm. zu BGH L M Nr. 5 zu § 183 BGB. - Ohne Problematisierung stellen auch andere Autoren in diesem Zusammenhang auf die Beurkundung ab; so etwa Erman/Hagen/ Lorenz, BGB, § 925 Rn. 28; Staudinger/Pfeifer, BGB, § 925 Rn. 71. 26 Zum Teil scheint die Vorstellung zu herrschen, daß sich die Beurkundung in den Fällen der formbedürftigen Vollmacht als die maßgebliche Form aus § 313 S. 1 BGB und nicht aus § 925 I BGB ableitet. Als Grund wird darauf verwiesen, daß eine unwiderruflich erteilte Auflassungsvollmacht gleichsam eine bindende Verpflichtung zur Veräußerung darstellen könne, vgl. Erman/Hagen/Lorenz, BGB, § 925 Rn. 28; Staudinger/Pfeifer, BGB, § 925 Rn. 71; OLG Schleswig NJW-RR 2001, 733 (734). Diese Argumentation bringt jedoch die Gefahr der Vermischung von obligatorischem und dinglichem Geschäft mit sich, denn selbst wenn in tatsächlicher Hinsicht eine Pflicht zur Veräußerung entstehen sollte, bleibt die isoliert erklärte Auflassung zunächst rechtsgrundlos und kann kondiziert werden. Ferner bezieht sich § 313 S. 1 BGB auf ein zweiseitiges Rechtsgeschäft, während die Vollmachtserteilung bzw. die
Α. Die Erklärung der Auflassung
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Das konstruktive Problem bei der Begründung der Beurkundungsform für die unwiderruflich erteilte Auflassungsvollmacht bzw. Einwilligung erübrigt sich nach der hier vertretenen Ansicht, wonach die Beurkundung auch Bestandteil der durch § 925 IS. 1,2 BGB vorgeschriebenen Form ist. Somit wird auch in der Frage der formbedürftigen Erteilung einer Vollmacht bzw. Zustimmung ein befriedigendes Ergebnis erzielt. In Fällen, in denen die Erteilung einer Vollmacht zur Erklärung einer Auflassung oder die Zustimmung in Ausnahme zu den §§167 II, 182 II BGB der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form bedürfen, sind sie daher in notariell beurkundeter Form zu erklären.
c) BGH NJW-RR 1989, 1099 Eine Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1998 gibt Gelegenheit, die teleologische Überlegenheit der hier vorgeschlagenen Lösung zu veranschaulichen. Nach Feststellung des Berufungsgerichts war ein Grundstückskaufvertrag als nichtig anzusehen, da nicht alle Gegenleistungen vollständig beurkundet waren. In dem Kaufvertrag hatte die eine Partei - die spätere Erblasserin - die andere Partei unter Befreiung von § 181 BGB bevollmächtigt, die Auflassung nach ihrem - der Erblasserin - Tode zu erklären. Nach erklärter Auflassung und Eintragung hatte der BGH unter anderem zu der Frage Stellung zu nehmen, ob das formnichtige Grundgeschäft gemäß § 313 S. 2 BGB als geheilt anzusehen sei. Der BGH nahm dies im Ergebnis an, befaßte sich jedoch in erster Linie nur mit der Frage, ob die Vollmachtserteilung nach § 139 BGB nichtig war. Dazu stellt er fest, daß im Zweifel die Formnichtigkeit des Kaufvertrags die Nichtigkeit der in ihm enthaltenen Auflassungsvollmacht zur Folge habe, dies jedoch nicht in dem vorliegenden Fall gelten könne, da die eine Vertragspartei die andere unwiderruflich, über den Tod hinaus, zur Auflassung bevollmächtigt habe, um so die Vollziehung des Vertrags und damit die Heilung der Formnichtigkeit des gesamten Vertrags - zu sichern. 27 Bemerkenswerterweise geht der BGH im übrigen mit keinem Wort darauf ein, ob die Vollmachtserteilung selbst formbedürftig war. Angesichts der unwiderruflichen, über den Tod hinaus wirksamen Vollmachtserteilung unter Befreiung von §181 BGB und der vom BGH mit Blick auf § 313 S. 1 BGB geradezu unterstellten Absicht, auf diese Weise die Heilung des möglicherweise formnichtigen Grundgeschäfts sichern zu wollen, kann jedoch kein Zweifel daran bestehen, daß nach den Grundsätzen der Durchbrechung des § 167 II BGB die Vollmachtserteilung der Einwilligung regelmäßig einseitiger Natur ist. - Etwas anderes kann sich für die Auflassungsvollmacht ergeben, wenn sie zusammen mit dem nach § 313 S. 1 BGB beurkundungsbedürftigen schuldrechtlichen Vertrag ein einheitliches Rechtsgeschäft bildet und sich der Formzwang des Grundgeschäfts daher auf die miterklärte AuflassungsVollmacht erstreckt, vgl. OLG Schleswig NJW-RR 2001, 733 (734); KG OLGZ 1985, 184; Staudinger/Pfeifer, BGB, § 925 Rn. 71. Ursprung des Formzwangs ist dann jedoch nicht die unwiderruflich erteilte Auflassungs Vollmacht, sondern das Grundgeschäft!
27 BGH NJW-RR 1989, 1099 (1100).
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Teil 4: Rechtliche und praktische Auswirkungen des Beurkundungszwangs
Form des § 925 I BGB bedurfte. Da die Vollmacht auch in beurkundeter Form erteilt worden war, ist dem Ergebnis des BGH auch nach der hier vertretenen Ansicht zur Beurkundungsbedürftigkeit der Auflassung zuzustimmen. Die Überlegenheit der Beurkundungsform wird gerade mit Blick auf die Möglichkeit deutlich, die Vollmacht unwiderruflich über den Tod hinaus erteilen zu können. Nicht nur der Warnfunktion kommt nämlich schon im Rahmen der Vollmachtserteilung ein besonderer Stellenwert zu. Insbesondere die Beweisfunktion ist von erheblicher Bedeutung, da zwischen der Vollmachtserteilung und ihrer Ausübung erhebliche Zeitspannen vergehen können und der Vollmachtsgeber die Vollmacht für einen Zeitpunkt erteilt, in dem er selbst nicht mehr als Zeuge zur Verfügung steht und auch die Ausübung der Vollmacht nicht mehr überwachen kann. 28
3. Unbeachtlichkeit des Grundbuchschutzes?
Bemerkenswert ist, daß in dem ganzen Zusammenhang die Ausdehnung des Formzwangs auf die Vollmacht bzw. Einwilligung nicht mit einer gesteigerten Gefahr für das Grundbuch in Zusammenhang gebracht wird. Ein Verstoß gegen das Formerfordernis würde zur Unwirksamkeit der Auflassung führen und könnte eine Abweichung des Grundbuchs von der tatsächlichen Rechtslage nach sich ziehen. Dies muß sich insbesondere Wieling vorhalten lassen, der sich ausdrücklich für die Beurkundungsform ausspricht, obwohl er diese für die Auflassung ablehnt.29 Einsele tritt sogar gegen die ganz herrschende Meinung dafür ein, daß nicht nur Vollmacht und Einwilligung, sondern auch die Genehmigung der Form des Hauptvertrages genügen müsse, da aus der Kombination von formfreier Zustimmung zu einem Grundstückskaufvertrag und formloser Zustimmung zur Auflassung von den Formvorschriften der §§ 313 S. 1, 925 BGB in der Person des Zustimmenden „nichts mehr übrigbleibe". 30 Der gleiche Effekt tritt jedoch über § 313 S. 2 BGB ein, wenn sich die Zustimmung auf die Auflassung beschränkt und der Zustimmende das Grundgeschäft selbst unter Verstoß gegen § 313 S. 1 BGB abgeschlossen hat. Konsequenterweise müßte Einsele daher auch für die Genehmigung der Auflassung deren Form verlangen und würde damit eine weitere Fehlerquelle für die Richtigkeit des Grundbuchs schaffen. Vor dem Hintergrund des Stellenwerts, den der Grundbuchschutz in der Begründung der herrschenden Meinung zur Ablehnung der Beurkundungsform bei der Auflassung einnimmt, hätte dies wohl zumindest der Problematisierung bedurft.
28 In BGH NJW-RR 1989, 1099 f. waren zwischen Vollmachtserteilung und Umschreibung des Eigentums mehr als 10 Jahre vergangen! 29 Wieling, SachenR, § 23 III 1 a. 30 Einsele, DNotZ 1999, 43 ff.; vgl. auch MünchKomm/Einsele, BGB, § 125 Rn. 23 f.
C. Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung der Beurkundungsform
219
B. Der Eintritt der Bindung an die Auflassung Der Eintritt der Bindung an die notariell erklärte Auflassung richtet sich nach § 873 II BGB und erfolgt grundsätzlich mit der wirksamen Beurkundung der Erklärungen vor dem Notar. 31 Die Annahme der Beurkundung als materielles Formerfordernis der Auflassung hat keine Auswirkungen auf die Auseinandersetzung über die Voraussetzungen, die an die Entstehung eines Anwartschaftsrechts zu stellen sind. Zwar fallen die bisweilen unterschiedenen Entstehungsstufen der bloß wirksam erklärten Auflassung einerseits und der beurkundeten Auflassung andererseits auf der Grundlage der hier vertretenen Auffassung zusammen.32 Dennoch hat dies keine Auswirkungen auf die widerstreitenden Positionen über die Entstehung eines Anwartschaftsrechts, da sie sich insoweit einig sind, als die bloß wirksam erklärte Auflassung auch im Falle ihrer Beurkundung noch nicht zur Entstehung eines Anwartschaftsrechts führen kann. Da die Übertragung des Anwartschaftsrechts nach § 873 I BGB ebenfalls der Form des § 925 I BGB unterliegen soll, 33 gilt nach der hier vertretenen Ansicht, daß auch sie bei gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien zu beurkunden ist.
C. Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung der Beurkundungsform Ist die Beurkundung Voraussetzung einer wirksamen Auflassung, stellt sich die Frage nach den Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung von wesentlichen Erfordernissen der Beurkundung, die gemäß § 125 S. 1 BGB zur Unwirksamkeit der Auflassung führen. Wie schon in Teil 3 angedeutet,34 könnte im Rückgriff auf die Grundsätze von Treu und Glauben der Ansatzpunkt zur Vermeidung unbilliger Auswirkungen der Nichtigkeitssanktion des § 125 S. 1 BGB auch im Fall von Beurkundungsfehlern bei der Auflassung zu sehen sein. Dabei ist in verschiedene Fallgruppen zu unterscheiden.
31 Siehe oben Teil 3 D I 1. 32 Zu den Entwicklungsstufen der Rechtsposition des Erwerbers vgl. Bauer/von Oefele (Kössinger), GBO, § 29 Rn. 77; Medicus, DNotZ 1990, 275 (279); Staudinger/Pfeifer, BGB, § 925 Rn. 120 ff. 33 Jauernig, BGB, § 873 Rn. 21; Schlegel, Ausgewählte Probleme zum Anwartschaftsrecht aus der Auflassung, S. 77 ff. 34 Siehe oben Teil 3 C III 3 d) aa) und Teil 2 C IV.
220
Teil 4: Rechtliche und praktische Auswirkungen des Beurkundungszwangs
I. Bei durchsetzbarem Anspruch aus dem Grundgeschäft Die erste Fallgruppe geht davon aus, daß dem Erwerber ein durchsetzbarer Anspruch auf Verschaffung des Grundeigentums zusteht.
1. Aufdeckung des Formmangels vor Eintragung im Grundbuch
Ist in einem solchen Fall die Beurkundung der Auflassung wegen eines Verstoßes gegen das BeurkG unwirksam und wird dieser Mangel vom Grundbuchamt entdeckt, so hat es den Antrag auf Umschreibung des Eigentums zurückzuweisen, da es an einer wirksam erklärten Auflassung fehlt und außerdem den Anforderungen des § 29 GBO an den Nachweis der Auflassung nicht entsprochen wird. In diesem Fall ist der Kaufvertrag nicht erfüllt worden, so daß jede Seite weiterhin einen Anspruch auf formwirksame Erklärung der Auflassung hat, mit der dann der Eigentumswechsel herbeigeführt werden kann. Sollte sich eine Seite weigern, die Auflassung zu erklären, wäre der Fall prozessual so zu behandeln, als sei eine Auflassung überhaupt nicht erklärt worden. Der Gläubiger könnte mit Hilfe der Leistungsklage die Verurteilung des Schuldners zur Abgabe der Auflassungserklärung bewirken. Erlangt ein solches Urteil Rechtskraft, gilt die Willenserklärung gemäß § 894 I BGB als abgegeben. Der Gläubiger kann dann unter gleichzeitiger Vorlage des Urteils die Auflassung erklären. 35
2. Aufdeckung des Formmangels nach Eintragung im Grundbuch
Wird der Beurkundungsmangel vom Grundbuchamt übersehen und der Eigentumswechsel in das Grundbuch eingetragen, entspricht das Grundbuch nicht der materiellen Rechtslage, da mangels einer wirksam erklärten Auflassung die Voraussetzungen der §§ 873 I, 925 I BGB nicht erfüllt sind. Da auch in diesem Fall der Kaufvertrag nicht erfüllt ist, kann jede Seite die Wiederholung der Auflassung verlangen, um auf diese Weise den Eigentumserwerb herbeizuführen. Sollte der Noch-Eigentümer in diesem Fall die Berichtigung des Grundbuchs verlangen, könnte der Erwerber wegen seines auf Übertragung des Eigentums gerichteten Anspruchs die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung in der Form des dolo agit, qui petit, quod statim redditurus esf erheben. 36
35 Jauernig, BGB, § 925 Rn. 13. 36 Siehe dazu oben Teil 3 C III 3 d).
C. Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung der Beurkundungsform
221
II. Bei Fehlen eines formwirksam geschlossenen Grundgeschäfts 1. Ausgangslage
Anders stellt sich die Rechtslage dar, wenn es an einem formwirksam geschlossenen Grundgeschäft fehlt. Unterläuft dem Notar beim Abschluß des Grundgeschäfts ein Beurkundungsmangel, so kann davon leicht auch die Auflassung betroffen sein, wenn sie in einer einheitlichen Urkunde mit dem Grundgeschäft erklärt wird. Wird die Auflassung nicht wirksam beurkundet und dieser Mangel vom Grundbuchamt entdeckt, hat es den Antrag auf Eintragung zurückzuweisen. Da auch das Verpflichtungsgeschäft unwirksam ist, kann grundsätzlich keine Seite die erneute Auflassung verlangen. Offenbart sich der Mangel erst nach Eintragung in das Grundbuch, fallen Buchlage und tatsächliche Rechtslage auseinander. Die Voraussetzungen des § 313 S. 2 BGB sind nicht gegeben, so daß auch der Verpflichtungsvertrag weiterhin an seiner Formunwirksamkeit leidet. Weil kein Anspruch auf Auflassung des Grundstücks besteht, kann gegen den Anspruch auf Grundbuchberichtigung die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung nicht erhoben werden. 37
2. Aufrechterhaltung des Grundgeschäfts
Etwas anderes könnte sich jedoch ergeben, wenn der Formmangel des Grundgeschäfts nach dem „das ganze Rechtsleben beherrschenden" 38 Grundsatz von Treu und Glauben unbeachtlich wäre und dies zu einem Erfüllungsanspruch aus dem zunächst formunwirksamen Verpflichtungsgeschäft führen könnte. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Rechtsfolge der Formnichtigkeit nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verdrängt werden kann, ist bis heute keiner abschließenden Klärung zugeführt worden. 39 Schon 1987 hat Larenz das Schrifttum zu dieser Frage als „fast unübersehbar" bezeichnet.40 Er hat deutlich gemacht, daß die Schwierigkeit dieser Problematik ihren Ursprung in konstruktiven Fragen ganz grundsätzlicher Natur hat, die sich unmittelbar auf das Verständnis der rechtsgeschäftlichen Form beziehen. Sieht man in der Form ein konstitutives Element der Willenserklärung und somit des Rechtsgeschäfts, liegt im Falle der Nichteinhaltung der Form ein von der Rechtsordnung anerkanntes Rechtsgeschäft überhaupt nicht vor. Flume folgert auf der Grundlage dieser Annahme, daß man die Nichtbeachtung der Form nicht durch irgendwelche Umstände unter Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben ersetzen könne. Der formnichtige Vertrag bleibt 37
Zum Eigentumserwerb durch Ersitzung vgl. § 900 BGB. « BGH NJW 1998, 3058 (3060); vgl. auch schon RGZ 107, 357 (361). 39 Vgl. Erman/Hefermehl, BGB, § 125 Rn. 35. 3
40 Larenz, SchuldR I, § 10 III (S. 145). Zum Stand der Auseinandersetzung siehe Soergel/ Hefermehl BGB, § 125 Rn. 35 ff.
222
Teil 4: Rechtliche und praktische Auswirkungen des Beurkundungszwangs
somit auch in dem Fall unwirksam, in dem die Umstände, die zur Formnichtigkeit führen, diese Rechtsfolge als unbillig erscheinen lassen. Die rechtliche Frage, so Flume, stelle sich nur dahin gehend, welche Rechtsfolgen sich hinsichtlich der Umstände in Verbindung mit dem formnichtig geschlossenen Vertrag ergeben.41 Anders stellt sich die Lage dar, wenn man in der Form eine Wirksamkeitsbedingung des vom zurechenbar erklärten Willen der Parteien getragenen Rechtsgeschäfts erblickt. Dann, so Larenz, steht der Annahme grundsätzlich nichts im Wege, die Rechtsordnung könne in bestimmten Fällen auf dieses Wirksamkeitserfordernis verzichten, wenn andernfalls das Ergebnis „Treu und Glauben'4 widerspreche. 42 In diesem Fall ist die Nichtigkeitsnorm des § 125 S. 1 BGB durch den Grundsatz von Treu und Glauben als „immanent'4 begrenzt anzusehen, so daß auch im Falle eines Formverstoßes das Rechtsgeschäft als gültig angesehen werden kann. Diese Auffassung findet im Schrifttum neben Ablehnung 43 starke Unterstützung 44 und ist zumindest insoweit als herrschend anzusehen, als sie der Rechtsprechung des BGH zugrunde liegt. 45 Dabei ist von Amts wegen zu prüfen, ob mit Rücksicht auf die Besonderheit des Falles dem Mangel der Form die Rechtsfolge der Nichtigkeit zu versagen ist. Der BGH läßt es zur Verdrängung des § 125 S. 1 BGB nicht genügen, daß die Nichtigkeit den einen Vertragsteil hart trifft; sie muß für ihn vielmehr zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen. 46 Der Unbestimmtheit dieser Abgrenzung wird durch Fallgruppenbildung entgegenzuwirken versucht, wobei sich insbesondere die Existenzgefährdung und besonders schwere Treuepflichtverletzungen als Gründe herausgebildet haben, die die Rechtsfolge des § 125 S. 1 BGB zu verdrängen vermögen. 47 Dies ist nicht der Ort, die Frage nach der Einschränkung des § 125 S. 1 BGB einer erneuten Untersuchung zu unterziehen. Darauf kommt es im Ergebnis auch nicht an, denn auch die Stimmen, die eine Relativierung des § 125 S. 1 BGB ablehnen, gewähren unter bestimmten Voraussetzungen gesetzliche Ausgleichsansprüche, die mitunter auf Erfüllung des formnichtigen Rechtsgeschäfts gerichtet sein sollen. Letzteres ist im Ergebnis für die Fälle unbestritten, in denen ein Vertragsteil den anderen über die Formbedürftigkeit arglistig täuscht.48 Für die hier behandelte Konstellation eines formnichtigen Grundgeschäfts bedeutet dies, daß unabhängig 41 Flume, AT II, § 15 III 4 c) aa) (S. 278). 42 Larenz, SchuldR I, § 10 III (S. 147). 43 Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S. 274 ff.; Häsemeyer, Die gesetzliche Form der Rechtsgeschäfte, S. 57 ff., 294 ff.; ders., JuS 1980, 1 (8); Soergel/ Hefermehl, BGB, § 125 Rn. 41. 44 Larenz/Wolf, AT, § 27 Rn. 46 ff.; Diederichsen, AT, Rn. 336; Erman/Palm, BGB, § 125 Rn. 23 ff.; Brox, AT, Rn. 265. 45 BGHZ 85, 315 (318 f.); BGH NJW 1996, 2503 (2504); 1998, 2352; BezG Potsdam NJW-RR 1992, 1497 (1498); OLG Jena NJW-RR 1999, 1687 f. 46 BGH NJW 1998, 2350 (2352). 47 BGH NJW 1996, 2503 (2504); 1998, 2350 (2352). 48 Erman/Hefermehl, BGB, § 125 Rn. 43.
C. Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung der Beurkundungsform
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davon, welche Grundhaltung man zu der Frage der Durchbrechung des § 125 S. 1 BGB einnimmt, zumindest der schutzwürdigen Partei ein vertraglicher oder gesetzlicher Anspruch auf erneute Erklärung der Auflassung zustehen kann. In diesem Fall entspricht die Rechtslage der soeben erörterten Konstellation, in der sich ein Erfüllungsanspruch aus dem formwirksam geschlossenen Grundgeschäft ergibt. Der Anspruchsinhaber kann die formgerechte Erklärung der Auflassung verlangen und den Eigentumswechsels herbeiführen bzw. die Grundbuchberichtigung verhindern.
3. Aufrechterhaltung der Auflassung
Neben der Anerkennung des Grundgeschäfts wäre es auch denkbar, den Formmangel der Auflassung selbst als unbeachtlich zu behandeln. Dies hätte zum einen die Folge, daß der frühere Eigentümer keine Grundbuchberichtigung verlangen könnte, da das Grundbuch mit der materiellen Rechtslage übereinstimmte. Ferner wäre der Verpflichtungsvertrag gemäß § 313 S. 2 BGB als geheilt anzusehen, so daß dem früheren Eigentümer auch die Wiedererlangung des Eigentums im Wege der Kondiktion verwehrt wäre.
a) Ablehnung durch das Schrifttum Der Möglichkeit der Einschränkung der Nichtigkeitsfolge wegen Nichtbeachtung einer für ein Verfügungsgeschäft vorgeschriebenen Form wird im Schrifttum mit noch größerer Ablehnung begegnet als dies bei Schuldverträgen der Fall ist. 49 Da Flume schon die Verdrängung des § 125 S. 1 BGB auf der Ebene des Schuldvertrags für ausgeschlossen hält, kann es für ihn auch bei Verfügungen keine Möglichkeit der Einschränkung der Rechtsfolge des § 125 S. 1 BGB geben.50 Versteht man das Wesen der Form hingegen nicht als konstitutives Element des Rechtsgeschäfts, sondern als Wirksamkeitsbedingung, spricht aus konstruktiven Gründen nichts dagegen, auch bei Verfügungen unter bestimmten Voraussetzungen auf die Einhaltung der Form zu verzichten, worauf Flume ausdrücklich hinweist.51 Dies wird jedoch vom Schrifttum fast ausnahmslos abgelehnt.52 Zum einen wird damit 49 Neben Verfügungsgeschäften werden in diesem Zusammenhang die Rechtsgeschäfte des Familien- und Erbrechts genannt, Flume , AT II, § 15 III 4 a; MünchKomm /Förschler, BGB, § 125 Rn. 72. so Flume, AT II, § 15 III 4 c) aa).
5i Flume, AT II, § 15 III 4 c) aa) a. E.: „Wenn man dagegen der Ansicht ist, daß die Norm des § 125 durch den Grundsatz von Treu und Glauben ,immanent' begrenzt ist, daß ein Geschäft trotz Nichtbeachtung der Form nach ,Treu und Glauben' gültig sein kann, so ist die Begrenzung auf schuldrechtliche Verträge nicht zu halten. Dann müßte ζ. B. auch eine Auflassung, die nicht bei gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien erfolgt ist, als wirksam angesehen werden, wenn dies auf Grund besonderer Umstände ,Treu und Glauben' entspricht."
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argumentiert, daß gegen die Verdrängung des § 125 S. 1 BGB der Umstand spreche, daß im Unterschied zu schuldrechtlichen Verträgen, bei der Verfügung über das Eigentum als einem absoluten Recht „ein öffentliches Interesse an unbedingter Klarstellung" bestehe sowie auch „Interessen Dritter berührt werden können". 53 Das Interesse der Verkehrssicherheit müsse daher vorgehen. 54 Zum anderen wird angeführt, daß bei Verfügungen regelmäßig kein Bedürfnis nach Zurückdrängung des § 125 I BGB bestehe: Denn liege ein wirksames Grundgeschäft vor, könne in der Regel aus diesem die Neu vornähme der Verfügung verlangt werden. Fehle es hingegen an einem wirksamen Grundgeschäft, könnte die Rechtswirkung der Verfügung regelmäßig kondiziert werden, was die Durchbrechung des § 125 S. 1 BGB sinnlos machen würde. In einem solchen Fall, so Fiume, sei es nur gut, wenn das Verfügungsgeschäft nichtig ist und deshalb die Rückabwicklung erspart wird. 55 Von anderen Autoren ist jedoch darauf hingewiesen worden, daß dieses Argument im Falle der Auflassung nicht uneingeschränkt gelten könne, da nach erfolgter Eintragung in das Grundbuch die Aufrechterhaltung der an sich formunwirksamen Auflassung auch den Formmangel des Grundgeschäfts gemäß § 313 S. 2 BGB heilen und somit die Verfügung über das Eigentum kondiktionsfest machen würde. 56 Nach der Ansicht Reinickes soll jedoch auch in diesem Fall kein Bedürfnis danach bestehen, die Grundsätze, nach denen § 125 S. 1 BGB aus Treu und Glauben verdrängt wird, auf die Auflassung auszudehnen. Der Käufer werde in der Regel dadurch geschützt, daß nach den für Schuldverträge geltenden Grundsätzen der Formmangel des Grundgeschäftes unbeachtlich sei und somit ein Anspruch auf Auflassung des Grundstücks bestehe. Ist der Kaufvertrag unwirksam und wird der Formmangel der Auflassung vom Verkäufer arglistig herbeiführt, so sei nämlich anzunehmen, daß dieser auch den Mangel des Kausalgeschäfts im allgemeinen bereits bei Vertragsabschluß kennen wird. Gleiches gelte in dem Fall, in dem der Verkäufer von der Formnichtigkeit des Kaufvertrags erst nach seinem Abschluß erfahren hat, den Kaufpreis jedoch entgegennimmt und zu diesem Zeitpunkt weiß, daß der Vertrag formnichtig ist und der Käufer in Erfüllung der von ihm als gültig angesehenen Vereinbarung leistet. 57
52 Brox, AT, Rn. 270; Erman/Palm, BGB, § 125 Rn. 32; Larenz/Wolf, AT, § 27 Rn. 45; Palandt/Heinrichs, BGB, § 125 Rn. 17; Medicus, BR, Rn. 186; Reinicke, Rechtsfolgen formwidrig abgeschlossener Verträge, S. 83 ff.; Hübner, AT, Rn. 873; Köhler, AT, § 19 Rn. 20; OLG Stuttgart NJW 1989, 2701; unentschieden Jauernig, BGB, § 125 Rn. 16. 53 Larenz/Wolf, AT, § 27 Rn. 45. 54 Brox, AT, Rn. 270. 55 Flume, AT II, § 15 III 4 a. 56 Medicus, BR, Rn. 186; Reinicke, Rechtsfolgen formwidrig abgeschlossener Verträge, S. 85. 57 Reinicke, Rechtsfolgen formwidrig abgeschlossener Verträge, S. 85.
C. Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung der Beurkundungsform
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b) Die Rechtsprechung Die Rechtsprechung hat sich hingegen nie gegen die Ausdehnung der Grundsätze zur Einschränkung des § 125 S. 1 BGB auf Verfügungen ausgesprochen.58 Der BGH hat im Jahre 1953 den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung vielmehr auch gegenüber dem Berufen auf die Nichtbeachtung der für die Abtretung von Kuxen durch § 105 Preuß. AllgBergG vorgeschriebenen Schriftform anerkannt. 59 Dem Klagegegner wird wegen des Vorwurfs einer unzulässigen Rechtsausübung die Verteidigung mit dem Einwand der Verletzung zwingender Formvorschriften ausdrücklich auch insoweit versagt, als nicht nur das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft, sondern auch das dingliche Vollzugsgeschäft der gehörigen Form ermangelt. 60 Aus dem Jahre 1954 stammt die in diesem Zusammenhang vielzitierte Entscheidung des BGH zur Hoferbenbestimmung. 61 Der BGH hat den dinglichen Rechtsübergang auf den zum Erben Bestimmten angenommen, obwohl der zur Herbeiführung der vorweggenommenen Erbfolge geschlossene Übergabevertrag nicht der vorgeschriebenen Form genügte. Dem Formmangel war nach Ansicht des BGH von Amts wegen die Rechtsfolge der Nichtigkeit mit Rücksicht auf Treu und Glauben zu versagen. Allgemein heißt es in der Begründung, daß ein solcher Fall dann gegeben sei, wenn nach dem bisherigen Verhalten, insbesondere nach den Erklärungen, Zusicherungen oder Versprechungen des einen Teils (oder auch beider Teile) und der infolgedessen eintretenden tatsächlichen Entwicklung der Verhältnisse eine befriedigende Lösung für die Beziehungen der Beteiligten nur bei Bejahung rechtsgeschäftlicher Bindung erreichbar erscheint. 62 Wie bereits oben erwähnt wurde, ist der BGH im Jahr 1958 diesen Weg auch in einer Entscheidung zur Frage der Wirksamkeit einer Auflassung gegangen, in dem das unstreitig durch § 925 I BGB angeordnete Formerfordernis der Gleichzeitigkeit nicht beobachtet worden war. 63 Auch der Kaufvertrag genügte nicht der Form des § 313 S. 1 BGB, da die notarielle Urkunde nicht dem nach damaligem Recht vorgeschriebenen Erfordernis der Zeitangabe entsprach. 64 Sowohl in Ansehung des Kaufvertrags als auch der Auflassung hat der BGH die Entscheidung des KG als rechtsfehlerfrei gewertet, das die Berufung der Klägerin auf die Formmängel als unzulässige Rechtsausübung angesehen und nicht hat gelten lassen. Daß der BGH auch in Ansehung der Auflassung „dem Mangel der Form die Rechtsfolge der Nichtigkeit versagt", steht außer Zweifel, denn neben der ausdrücklichen Rede von „Formmängeln"65 im Plural finden sich Erörterungen zu den Motiven des Gesetzgebers, 58
Reinicke, Rechtsfolgen formwidrig abgeschlossener Verträge, S. 83. 59 Darauf weist Jauernig, BGB, § 125 Rn. 16, hin. 60 BGH L M Nr. 1 zu § 105 Preuß. AllgBergG. 61 BGHZ 12, 286; vgl. zu dieser Fallgruppe Soergel/Hefermehl, BGB, § 125 Rn. 39. 62 BGHZ 12,286(304). 63 BGHZ 29, 6. 64 Vgl. zur heutigen Rechtslage § 9 II BeurkG: „Die Niederschrift soll Ort und Tag der Verhandlung enthalten." 15 Pajunk
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für die Auflassung das Erfordernis der gleichzeitigen Anwesenheit anzuordnen, womit der Bezug zur Form des dinglichen Geschäfts hergestellt wird. 66
c) Stellungnahme aa) Interessen Dritter Der Verweis der Literatur auf die Interessen Dritter, die im Fall der Verdrängung des § 125 S. 1 BGB verletzt werden könnten, vermag nicht zu überzeugen. Zunächst kann nicht angenommen werden, daß der Rechtsverkehr regelmäßig auf die Formnichtigkeit von Verfügungsgeschäften vertraut, wenn die für sie vorgeschriebene Form nicht gewahrt ist. Diese Einschätzung mag zutreffend sein, wenn eine Form überhaupt nicht berücksichtigt wird, so etwa, wenn die Parteien nur mündlich die Auflassung über ein Grundstück erklären ohne einen Notar aufzusuchen. 67 Anders stellt sich die Vertrauenslage jedoch dar, wenn die Parteien die Auflassung vor dem Notar erklären und die Form wegen eines Beurkundungsmangels unwirksam ist. Da ein solcher Mangel bei notariellen Beurkundungen die Ausnahme bildet und dem Rechtsverkehr nicht ohne weiteres erkennbar ist, dürfte in einem solchen Fall das Vertrauen regelmäßig auf die Wirksamkeit des formbedürftigen Geschäfts gerichtet sein. Wird der Formmangel nach den Grundsätzen von Treu und Glauben als unbeachtlich behandelt, wird dieses Vertrauen im Fall der Aufrechterhaltung der Auflassung trotz eines grundsätzlich nach § 125 S. 1 BGB zur Nichtigkeit führenden Formmangels gerade nicht enttäuscht. Der entscheidende Einwand ergibt sich indessen daraus, daß mit der Eintragung das Grundbuch die Auflassung als Anknüpfungspunkt für das Vertrauen des Rechtsverkehrs ablöst.68 Ab diesem Zeitpunkt werden die Interessen des Rechtsverkehrs durch die Vorschriften über den öffentlichen Glauben des Grundbuchs (§ 892 BGB) wahrgenommen. Darf sich ein Dritter danach auf die Richtigkeit der Eintragung im Grundbuch verlassen, kann sein Vertrauen nicht dadurch erschüttert werden, daß die der Eintragung zu65 BGHZ 29, 6 (10, 12). 66 BGHZ 29, 6 (11). - Irreführend daher die Wiedergabe der Entscheidung bei Reinicke, Rechtsfolgen formwidrig abgeschlossener Verträge, S. 83, der in Ansehung der Entscheidung nur die Frage formuliert, ob auch die Auflassung wie der Kaufvertrag als gültig anzusehen ist, ohne jedoch den Inhalt der Entscheidung wiederzugeben. - Auch Flume, AT II, § 15 III 4 d, erzeugt insoweit ein unzutreffendes Bild, indem er damit argumentiert, der BGH habe nur den Berichtigungsanspruch zurückgewiesen, womit es in einem solchen Fall jedoch nicht getan sei und dem Käufer daher ein Anspruch auf eine formgültige Wiederholung der Auflassung zu gewähren sei, damit die Eigentumsübertragung nicht „steckenbleibe". Auf der Grundlage der Entscheidung ist jedoch nicht nur das Grundgeschäft als wirksam anzusehen, sondern auch die Auflassung und somit die Eigentumsübertragung insgesamt. 67 Da die Auflassung allein jedoch ohnehin keine Übertragung des Eigentums bewirken kann, ist es sehr zweifelhaft, ob das Vertrauen in die Unwirksamkeit der Auflassung ohne Grundbucheintragung überhaupt schutzbedürftig ist. 68 Vgl. dazu schon oben Teil 3 Β V d) cc).
C. Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung der Beurkundungsform
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gründe liegende Auflassung als wirksam anerkannt wird, denn damit entspricht die materielle Rechtslage gerade der vom öffentlichen Glauben gedeckten Bucheintra-
bb) Kein fehlendes Bedürfnis Auch das Argument, daß mit Verweis auf das Grundgeschäft eine Verdrängung des § 125 S. 1 BGB auf der Ebene des Verfügungsgeschäfts nicht erforderlich sei, vermag nicht für alle Fälle zu überzeugen. Zum einen ist es vorstellbar, daß sich im Zusammenhang mit dem Grundgeschäft keine Anknüpfungspunkte ergeben, die zur Unbeachtlichkeit des Formmangels führen. Dies wäre etwa der Fall, wenn der Veräußerer die Beobachtung der Auflassungsform vereitelt und dabei die falsche Vorstellung hat, daß der Kaufvertrag wirksam geschlossen worden sei. Ein solches Handeln könnte von der Überlegung getragen sein, daß zum dauerhaften Behalten des Eigentums die Unwirksamkeit der Auflassung ausreichend ist und der Gläubiger schon nicht aus dem Kaufvertrag vorgehen werde. Der Veräußerer könnte auf diese Weise versuchen, sich die Erfüllung einer anderen Verpflichtung zur Auflassung des Grundstücks aus einem lohnenderen Geschäft offenzuhalten, indem er sich darauf verläßt, daß das Grundbuchamt die formnichtig erklärte Auflassung zurückweisen wird und damit der Eintragung eines anderen Erwerbers den Weg öffnet. Doch selbst unter der Annahme, daß der formnichtige Kaufvertrag nach den Grundsätzen von Treu und Glauben aufrechterhalten wird, ist der Eigentumserwerb nicht garantiert: So ist zunächst daran zu denken, daß der sich aus dem als form wirksam zu behandelnden Kaufvertrag ergebende Anspruch auf Auflassung des Grundstücks der Einrede der Verjährung unterliegt. 70 Erhebt der Veräußerer die Einrede der Verjährung, vermag der Anspruch aus dem Kaufvertrag nicht zu einer erneuten Auflassung zu verhelfen. 71 Reinicke selbst hat schließlich darauf verwiesen, daß der Schutz des Erwerbers durch die Aufrechterhaltung des Verpflichtungsgeschäfts auch dann nicht mehr gewährleistet ist, wenn der Veräußerer in der Zwischenzeit in Konkurs gefallen ist. 72 Gemäß § 80 I InsO geht das Recht des Schuldners, über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Nach § 103 I InsO kann der Insolvenzverwalter 69 Fälle, in denen jemand ein schutzwürdiges Interesse an seinem Vertrauen in die Unrichtigkeit des Grundbuchs hat, sind schwer vorstellbar; in einem solchen Fall fällt es dem wahren Eigentümer zu, die Grundbuchberichtigung zu bewirken, was abzuwarten auch jedem Dritten zumutbar sein dürfte. 70 Zukünftig gewinnt diese Konstellation mehr Bedeutung, da der Anspruch auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück ab dem 1. Januar 2002 nicht mehr wie bisher nach 30 Jahren (vgl. § 195 BGB), sondern nach § 196 BGB n. F. grundsätzlich schon nach 10 Jahren verjährt, auch wenn § 202 II BGB n. F. eine rechtsgeschäftliche Erschwerung bis zu einer Frist von 30 Jahren nach Verjährungsbeginn ermöglicht. 71 Zu denken ist in einem solchen Fall daran, ob aus denselben Gründen, die zur Verdrängung des § 125 S. 1 BGB geführt haben, auch die Einrede der Verjährung ausgeschlossen ist. 72 Reinicke, Rechtsfolgen form widrig abgeschlossener Verträge, S. 85. 15*
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anstelle des Schuldners den Vertrag erfüllen. Lehnt er jedoch die Erfüllung ab, wird dadurch der Erfüllungsanspruch vernichtet, 73 und der andere Teil kann wegen der Nichterfüllung lediglich als Insolvenzgläubiger eine Forderung geltend machen (§ 103 II S. 1 InsO). 74 Gegen die Verfügungssperre infolge der Insolvenz wird der Erwerber auch nicht durch § 878 BGB geschützt, denn wegen der Formnichtigkeit der Auflassung fehlt es schon an einer in Gemäßheit des § 873 BGB abgegebenen Erklärung. Neben der Verfügungsbeschränkung wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist auch in den Fällen anderer Verfügungsbeschränkungen dem Erwerber nicht mit der Anerkennung seines obligatorischen Anspruchs geholfen. 75 Würde man in diesen Fällen hingegen die eigentlich formnichtige Auflassung als wirksam behandeln, hätte sich der Eigentumsübergang mit der Eintragung im Grundbuch vollzogen, so daß die danach eingreifende Verfügungsbeschränkung das Grundstückseigentum nicht mehr erfassen würde; insbesondere fiele das Grundstück im Fall einer Insolvenz nicht in die Insolvenzmasse. Reinicke hat sich mit Blick auf die Möglichkeit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen die Annahme der Wirksamkeit der unter Nichteinhaltung der Formerfordernisse erklärten Auflassung ausgesprochen. Denn im Interesse der Rechtsklarheit sei es nicht möglich, die Gültigkeit der Auflassung davon abhängen zu lassen, wie sich die Vermögensverhältnisse des Veräußerers entwickeln.76 Dieses Argument vermag nicht zu überzeugen. Die Fallgestaltung zeigt lediglich, daß dem Erwerber nicht damit geholfen ist, ihn auf die Geltendmachung seines obligatorischen Anspruchs zu verweisen. Damit wird die Insolvenz jedoch nicht zu einer Voraussetzung des auf Aufrechterhaltung des formnichtigen Geschäfts gerichteten Rechtssatzes. Die Konstellation, in der eine insolvenzbedingte Verfügungssperre zum Untergang des Anspruchs auf Auflassung des Grundstücks führt, belegt vielmehr das Bedürfnis nach Ausweitung der den § 125 S. 1 BGB verdrängenden Grundsätze auf die Erfüllungsebene. Daraus darf jedoch nicht geschlossen werden, daß eine insolvenzbedingte Verfügungssperre gleichsam zu einer weiteren Voraussetzung der Aufrechterhaltung eines an sich formnichtigen Rechtsgeschäfts wird. Die Grundsätze wären vielmehr in jedem Fall einer unter Verstoß gegen die Formerfordernisse des § 925 I BGB erklärten Auflassung anwendbar, unabhängig davon, ob im Einzelfall auch eine befriedigende Lösung über die Anerkennung des obligatorischen Geschäfts möglich wäre oder nicht. Auf diese Weise wird der ab73
Jauernig, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, S. 321. Eine Ausnahme zu § 103 InsO bildet § 106 InsO für den Fall, daß der Anspruch auf Einräumung des Grundstückseigentums durch eine Vormerkung gesichert ist. Der Gläubiger kann für seinen Anspruch gemäß § 106 I S. 1 InsO Befriedigung aus der Insolvenzmasse verlangen. Er ist daher nicht auf die Teilnahme am Insolvenzverfahren angewiesen und nicht auf die Insolvenzquote beschränkt, sondern kann zur Erfüllung seines Anspruchs die Erklärung der Auflassung verlangen; vgl. Hess, InsO, § 106, Rn. 19, 22. 75 Zu denken ist insoweit insbesondere an gerichtliche Veräußerungsverbote (§§ 136, 135 BGB; § 938 II ZPO) sowie die Anordnung der Zwangsversteigerung (§§ 20 I, 23 I ZVG). 76 Reinicke, Rechtsfolgen form widrig abgeschlossener Verträge, S. 85. 74
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strakten Möglichkeit einer Verfügungssperre Rechnung getragen, ohne daß eine solche konkret vorliegen muß.
d) Ergebnis Sieht man die Vorschrift des § 125 S. 1 BGB als durch § 242 BGB immanent begrenzt an, spricht aus konstruktiver Sicht nichts dagegen, auch Verfügungen als wirksam anzuerkennen, die nicht der für sie vorgeschriebenen Form genügen. Für den Fall der Auflassung ist dabei regelmäßig keine Gefährdung schutzwürdiger Interessen Dritter zu besorgen, da der Vertrauensschutz insoweit durch die Vorschriften über den öffentlichen Glauben des Grundbuchs erfolgt. Die sich daraus ergebende Möglichkeit, die Nichtbeachtung von Formerfordernissen bei der Auflassung als unbeachtlich zu behandeln, vermag auch im Falle von Beurkundungsfehlern die Rechtsfolge des § 125 S. 1 BGB abzuwenden, wenn sie zu Ergebnissen führen würde, die mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht zu vereinbaren wären. Die Aufrechterhaltung kommt in erster Linie in Betracht, wenn die Einhaltung der Form von einer Seite in der Absicht verhindert wird, sich später von dem Geschäft wieder lösen zu können77 oder wenn in dem Berufen auf den Formmangel unter einem anderen Gesichtspunkt eine besonders schwere Treuepflichtverletzung zu sehen ist. Dabei ist insbesondere an ein widersprüchliches Verhalten zu denken, wenn die Parteien über Jahre in der Vorstellung leben, die gegenseitig geschuldeten Leistungen erbracht zu haben.78 Ferner ist im Zusammenhang mit der Rückabwicklung von Grundstücksgeschäften stets auch die Gefahr einer Existenzgefährdung in Betracht zu ziehen, was vor allem dann der Fall sein könnte, wenn die für das Grundstück erbrachte Gegenleistung nicht mehr vorhanden oder im Wert erheblich gemindert ist. 79 Auf der Grundlage der Ansicht, die in § 242 BGB eine immanente Grenze des § 125 S. 1 BGB anerkennt, könnte hierin der Schlüssel zur Vermeidung von grob unbilligen Folgen des materiellen Formerfordernisses der Auflassung und insbesondere der nach der hier vertretenen Beurkundungspflicht zu sehen sein. Doch auch wenn man die Nichtigkeitsfolge des § 125 S. 1 BGB nur auf schuldrechtlicher Ebene durch die Gewährung von gesetzlichen Ausgleichsansprüchen zulassen will, läßt sich auf der Grundlage der heutigen Dogmatik zum Umgang mit formnichtigen Rechtsgeschäften feststellen, daß die Gefahr der Ausbeutung eines Beurkundungsmangels sich nicht mehr als das vom RG heraufbeschworene Gespenst dar77 In BGHZ 29, 6 (12) hatte die veräußernde Partei den Form verstoß verursacht und sich von vornherein mit der Absicht getragen, sich, wo immer eine Möglichkeit gegeben sei, vom Vertrag zu lösen, sobald ein Teil der Gegenleistung gezahlt war. 78 Dies könnte in BGHZ 22, 312 anzunehmen sein, da das Berufen auf den Formmangel zum einen als ein widersprüchliches Verhalten und zum anderen als Ausdruck rücksichtslosen und übermäßigen Eigennutzes anzusehen ist. 79 Dies könnte in RGZ 99, 65 der Fall gewesen sein.
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stellt und das materielle Beurkundungserfordernis der Auflassung auch deshalb keine gravierende Gefahr für den Rechtsfrieden in sich birgt.
III. Haftung der Urkundsperson bei bleibender Unwirksamkeit Soweit die Formmängel sowohl auf der Ebene der Verpflichtung als auch bei der Auflassung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht unbeachtlich sind und auch sonst kein Ausgleich zwischen den Parteien des formnichtigen Geschäfts geschuldet ist, kommt bei Beurkundungsmängeln die sich aus § 19 BNotO ergebende Schadensersatzpflicht des Notars wegen Amtspflichtverletzung in Betracht. Dabei handelt es sich um eine Verschuldenshaftung, wobei an den Verschuldensbegriff des § 276 BGB angeknüpft wird. Fahrlässig handelt der Notar schon dann, wenn er die Verletzung seiner Amtspflicht nicht bemerkt oder erkennt, aber bei gehöriger Aufmerksamkeit und bei Anwendung der für seinen Pflichtenkreis erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen müssen.80 Dabei ist der Maßstab eines erfahrenen, pflichtbewußten und gewissenhaften Durchschnittsnotars anzulegen; maßgeblich ist der zivilrechtliche objektive Fahrlässigkeitsbegriff. 81 Dies bedeutet, daß ein Verstoß gegen Mußvorschriften des BeurkG in aller Regel schuldhaft ist. Der Schadensersatzanspruch umfaßt alle Vermögensschäden, die kausal durch die Amtspflichtverletzung eingetreten sind. 82 Ein Vermögensschaden kann sich nach der hier vertretenen Ansicht aus der Unwirksamkeit der Auflassung infolge eines Beurkundungsmangels ergeben. Daraus darf jedoch nicht gefolgert werden, daß sich durch die Annahme des materiellen Beurkundungszwangs für die Auflassung das Haftungsrisiko der Urkundsperson ausschließlich erhöht und nicht auch günstig auswirken kann. Sollten nämlich ein Verstoß gegen das BeurkG und eine damit einhergehende Verkürzung der Warnfunktion zu der Erklärung der Auflassung geführt haben, könnte es sich auf die Schadenshöhe günstig auswirken, wenn der Rechtsverlust mangels wirksam erklärter Auflassung nicht eintritt. Da sich die Verjährung des Schadensersatzanspruchs gemäß § 19 I S. 3 BNotO nach § 852 I BGB richtet, verjährt er in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in dreißig Jahren von der Begehung der haftungsbegründenden Handlung an. Dies sichert den Ersatzanspruch auch in dem Fall, daß die Unwirksamkeit der Beurkundung erst Jahre nach der Eintragung in das Grundbuch entdeckt wird.
so BGH VersR 1961, 507 (509); VersR 1967, 1150(1151). 81 Arndt/Lerch/Sandkühler (Sandkühler), BNotO, § 19 Rn. 102. 82 Zum Umfang des ersatzfähigen Schadens vgl. Arndt/Lerch/Sandkühler BNotO, § 19, Rn. 110 ff.
(Sandkühler),
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Zusammenfassung Die ganz herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung sieht in der Beurkundung kein materielles Formerfordernis der nach § 925 IS. 1,2 BGB erklärten Auflassung. Der materielle Formzwang soll sich darauf beschränken, daß die Parteien die Auflassung bei gleichzeitiger Anwesenheit vor dem mitwirkungsbereiten Notar erklären, wobei bis heute streitig ist, ob dies mündlich zu geschehen hat. Fast ausnahmslose Einigkeit herrscht hingegen darüber, daß eine Beurkundung der Auflassung erforderlich ist, um den in den §§ 20, 29 GBO normierten Erfordernissen des Grundbuchverfahrensrechts entsprechen zu können. Aus der Zusammenschau von materiellem und formellem Recht konstruiert die herrschende Ansicht einen faktischen Beurkundungszwang, der in seinen praktischen Auswirkungen einem materiellen Beurkundungszwang fast gleichkommen soll, da materielle Erklärung und verfahrensrechtliche Beurkundung in der Regel zusammenfallen. Als Vorteil des nur faktischen Beurkundungszwangs wird darauf verwiesen, daß Beurkundungsfehler keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Auflassung haben können und sie das Grundbuch auch dann nicht unrichtig machen, wenn das Grundbuchamt den Eigentums Wechsel unter Verletzung der §§ 20, 29 GBO eintragen sollte. Auf diese Weise meint die herrschende Auslegung dem Grundbuchschutz als dem vermeintlichen Hauptzweck des § 925 I BGB bestmöglich dienen zu können. Gegenüber diesem öffentlichen Interesse soll privaten Interessen bei der Anordnung des materiellen Formzwangs nur eine nachrangige Bedeutung zukommen. Ziel der Arbeit war die Ermittlung der Regelungszwecke des § 925 I BGB und die Beantwortung der Frage, ob auf die Beurkundung als materielles Formerfordernis verzichtet werden kann, ohne die Verwirklichung dieser Zwecke zu gefährden. Die Untersuchung hat ergeben, daß der Grundbuchschutz nicht als Regelungszweck des § 925 I BGB anzuerkennen ist. Der Schutz des Grundbuchs vor Abweichungen von der materiellen Rechtslage ist eine Aufgabe des Grundbuchverfahrensrechts und wird von dem in § 20 GBO für die Auflassung angeordneten materiellen Konsensprinzip wahrgenommen. Gute Gründe sprechen dafür, daß die herrschende Ansicht zum Zweck des § 925 I BGB das Ergebnis einer zu engen Ausrichtung der materiellen Formvorschrift an der Zielsetzung des Grundbuchverfahrensrechts ist. Der Zweck des materiellen Formzwangs des § 925 I BGB lag nach der ursprünglichen Konzeption des Gesetzes in der Verwirklichung der allgemeinen Formzwecke der Warnfunktion, der Klarstellungsfunktion und der Beweis-
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funktion, deren Verwirklichung man wegen der hohen Wichtigkeit und Bedeutung der Auflassung durch eine starke Form für erforderlich hielt. Neben den allgemeinen Zwecken kamen der Auflassungsform spezielle, auf die Interessen der Parteien der Eigentumsübertragung zugeschnittene Funktionen zu. Dabei stand eine besonders eindringliche Warnfunktion im Vordergrund, die man mit Blick auf die Heilungsvorschrift des § 313 S. 2 BGB und die Abstraktheit der Verfügung für geboten hielt. Ferner sollte die Ubereinstimmung der Auflassung mit dem Grundbuchstand gesichert werden, um die Zurückweisung von Eintragungsanträgen zu verhindern. Schließlich sollte der Gefahr von Zwischenverfügungen des Veräußerers begegnet und eine sichere Erfüllung Zug um Zug ermöglicht werden. Die Untersuchung hat ergeben, daß die ursprünglichen Regelungszwecke ihre Berechtigung auch vor dem Hintergrund der in der Zwischenzeit eingetretenen Gesetzesänderungen nicht verloren haben. Dies ist insbesondere für die Warnfunktion hervorzuheben, die heute in Ansehung des § 925 I BGB vielfach in Frage gestellt wird. Die Beurkundungsform führt zur bestmöglichen Verwirklichung der Regelungszwecke des § 925 I BGB, soweit sie nach der Abschaffung der grundbuchamtlichen Zuständigkeit zur Entgegennahme der Auflassung überhaupt noch von der materiellen Auflassungsform wahrgenommen werden können. Ein Verzicht auf die Beurkundung würde hingegen zu einer nur eingeschränkten Erfüllung des Normzwecks führen. Neben der Beweisfunktion könnte sich insbesondere die Warnfunktion nicht in dem vom BeurkG normierten Umfang entfalten. Während mit der Beurkundungsform die Verwirklichung des Normzwecks des § 925 I BGB gesichert wird, sprechen die im Rahmen der teleologischen Auslegung zu berücksichtigenden Nachteile nicht entscheidend gegen die Annahme eines materiellen Beurkundungserfordernisses. Die vom RG im Jahre 1920 betonte Gefahr, daß ein Beurkundungsmangel zu einem falschen Grundbuch führt und dieser Umstand alsdann von einem der Beteiligten ausgebeutet wird, ist nur als seltene Ausnahme denkbar. Die Sicherheit des im BeurkG auf wenige Mußerfordernisse beschränkten Beurkundungsverfahrens, der hochspezialisierte Berufsstand des Notars sowie die Prüfungspflicht des Grundbuchamts versprechen die Eintragung des Eigentumswechsels ohne wirksame Beurkundung in aller Regel zu verhindern. Sollte es dennoch zu einer Eintragung auf der Grundlage einer unwirksamen Auflassung kommen, tritt damit ein vom BGB bei der Anordnung des materiellen Formzwangs für die Auflassung bewußt in Kauf genommener Fall ein, auf den insbesondere die Vorschriften über den öffentlichen Glauben des Grundbuchs zugeschnitten sind, um die Interessen Dritter zu schützen. Die Funktionsfähigkeit des Grundbuchs wird daher durch Beurkundungsfehler bei der Auflassung nicht gefährdet. Als sicherste Geschäftsform trägt die Beurkundungsform - gesteigert durch das Erfordernis der gleichzeitigen Anwesenheit - zudem in einem aktiven Sinn zu der Erklärung wirksamer, vollständiger und irrtumsfreier Auflassungen bei und leistet damit schon als materielles Formerfordernis einen Beitrag zum Grundbuchschutz. Auch wenn der von der herrschenden Auslegung betonte faktische Beurkundungszwang im Regelfall die Erklärung der Auflassung im Rahmen einer Beur-
Teil 5: Zusammenfassung
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kundung bewirkt, gilt dies gerade nicht in den Fällen, in denen eine wirksame Beurkundung nicht zustande kommt. Die mögliche Folge eines falschen Grundbuchs rechtfertigt es in diesen Fällen nicht, die bestmögliche Verwirklichung der mit § 925 I BGB verfolgten Regelungszwecke einem absolut verstandenen Grundbuchschutz generell zu opfern. Daß dies durch den Grundbuchschutz nicht gefordert wird, veranschaulicht der Vergleich zu anderen Wirksamkeitsvoraussetzungen der Auflassung. Unstreitig führen Geschäftsunfähigkeit, fehlende Vertretungsmacht, ein Verstoß gegen § 181 BGB, die Erklärung unter einer Bedingung oder Zeitbestimmung und insbesondere auch die Nichtbeachtung des unstreitigen Formerfordernisses der gleichzeitigen Erklärung vor einer zuständigen Stelle zur Unwirksamkeit der Auflassung und bringen die Möglichkeit eines falschen Grundbuchs mit sich. Auch wenn sich die teleologische Überlegenheit des materiellen Beurkundungserfordernisses vordringlich in den Konstellationen zeigt, in denen der von der herrschenden Auslegung betonte faktische Beurkundungszwang nicht zu einer wirksamen Beurkundung führt und deshalb leerläuft, beschränkt sich der Vorteil des materiellen Beurkundungszwangs nicht auf diese Fälle. Allein durch die Anordnung des Beurkundungszwangs auf der Ebene des materiellen Rechts wird sichergestellt, daß § 925 I BGB als Norm des materiellen Rechts seinen Regelungszweck aus sich heraus verwirklichen kann und dazu nicht auf die ohnehin durchlässige Absicherung des als Ordnungsrecht ausgestalteten Grundbuchverfahrensrechts angewiesen ist. Nur so kann den Anforderungen einer widerspruchsfreien, der Systembildung verpflichteten Dogmatik entsprochen werden und das von der herrschenden Meinung für jede Auflassung in Kauf genommene Risiko ausgeschlossen werden, daß § 925 I BGB seinen Regelungszweck verfehlt und seine Funktion im Normgefüge verliert. Die teleologische Auslegung spricht somit für die Beurkundung als materielles Formerfordernis der notariell erklärten Auflassung. Diese Auslegung ist mit dem Wortlaut der Vorschrift zu vereinbaren und wird von systematischen Argumenten gestützt. Zu letzteren gehört in erster Linie die Auflösung des bis heute geführten Streits um den Eintritt der Bindung an die Auflassung. Mit der Annahme des materiellen Beurkundungserfordernisses tritt die Bindung nach § 873 II BGB mit der notariellen Beurkundung der Auflassung ein. Damit erübrigt sich der Streit in Übereinstimmung mit der Entstehungsgeschichte des § 873 II BGB, und zudem wird den Argumenten der widerstreitenden Positionen gleichermaßen entsprochen. Durch die Anwendbarkeit des BeurkG auf die materielle Erklärung der Auflassung wird ferner Rechtssicherheit über das von dem Notar bei der Entgegennahme der Auflassungserklärungen anzuwendende Verfahren geschaffen, während es für die von der herrschenden Auslegung für die notarielle Auflassung vorgesehene Form an einer verfahrensrechtlichen Ausgestaltung fast vollständig fehlt und auch das BeurkG nicht analog angewendet werden kann. Die Annahme eines materiellen Beurkundungszwangs der notariell erklärten Auflassung führt schließlich auch mit Blick auf die von der Rechtsprechung und dem Schrifttum vollzogene Durchbrechung der §§167 II, 182 II BGB bei Erteilung einer Auflassungsvollmacht bzw. der Einwilligung in die Auflassungserklä-
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Teil 5: Zusammenfassung
rung zu einer teleologisch überzeugenden Lösung, da sich durch die Beurkundungsform nicht nur die Warnfunktion bestmöglich entfalten kann, sondern auch der in diesem Zusammenhang besonders wichtigen Beweisfunktion durch die Beurkundung der Vollmacht bzw. der Einwilligung optimal gedient wird. Auch wenn jeder Verstoß gegen zwingende Vorschriften des BeurkG in erster Linie Ausdruck einer verkürzten Verwirklichung des mit § 925 I BGB verfolgten Regelungszwecks ist, der die Nichtigkeitsfolge des § 125 S. 1 BGB rechtfertigt, kann diese Rechtsfolge im Einzelfall zu unbilligen Ergebnissen führen. Dem kann auf der Grundlage der heutigen Dogmatik zu formnichtigen Erklärungen jedoch dadurch begegnet werden, daß die Nichtigkeitsfolge unter bestimmten Voraussetzungen abgemildert wird. Soweit man § 125 S. 1 BGB durch das Prinzip von Treu und Glauben als immanent begrenzt ansieht, spricht nichts dagegen, eine nicht in der Form des § 925 I BGB erklärte Auflassung selbst als wirksam anzuerkennen, da insbesondere die Interessen Dritter durch die Vorschriften des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs ausreichend geschützt werden. Auch heute noch wird die Rechtswissenschaft durch den Widerstreit des Prinzips der Formstrenge und des Gebots der gerechten Entscheidung des Einzelfalls herausgefordert. Die Suche nach einer überzeugenden Lösung der Problematik und die verschiedenen Wege, die dabei eingeschlagen werden, stehen für die Einsicht, daß die Nichtigkeitsfolge des § 125 S. 1 BGB nicht in jedem Fall das letzte Wort sein kann. Damit ist ein Denken überwunden, das im Jahre 1920 das RG zum Verzicht auf die Beurkundung als materielles Formerfordernis der Auflassung geführt haben mag, um ein unbilliges Ergebnis zu verhindern. Im Lichte der heutigen Dogmatik zur Form der Rechtsgeschäfte besteht vielleicht die Chance, der Auflassungsform wieder den materiellen Gehalt zu geben, mit dem ihrem Zweck bestmöglich gedient wird.
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Sachwortregister Abstraktionsprinzip 27, 128, 211 Abwägung - des Bundesgerichtshofs 188 ff. - des Reichsgerichts 184 ff. Amtshandlung 50, 80 Amtspflicht 70 Annahme als Kind 62, 104 ff., 209 f. Auflassung - Begriff 26 f. - Entstehungsgeschichte 27 ff. - Erklärung 50, 211 ff. - Formbedürftigkeit 47 ff. - im Ausland 50, 179 - Rechtsnatur 32 ff. Ausbeutungsargument 88, 180 f. Ausdrücklichkeit 79 Auslegung - Argumente 100 - Gegenwartsbezogenheit 100 f. - Grundsätze 100 - nach dem Wortlaut 62 f., 102 ff. - Richtigkeit 195 f. - systematische 106, 109 ff., 199 ff. - teleologische 82, 109 ff. Ausschließungsgründe 60, 68, 164, 172 Beglaubigung 69 Belehrung 46, 132, 155, 172 Beratungsfunktion 39 Berichtigungsanspruch 177 Beurkundungsfehler 63, 75, 89, 198 Beurkundungsform 45 f., 154 ff. Beurkundungsgesetz 31, 70, 80 ff., 97, 107, 117, 119 f., 154, 171 f., 203, 208 ff. Beurkundungsverbot 172 Beweisfunktion 39, 78, 111, 134, 156, 162, 212 Beweislast 181 Bewilligungsgrundsatz 87, 141 f. Billigkeit 88, 193 f.
Bindungseintritt 59, 200, 219 Bodenrecht 41 Bodenverfahrensrecht 41 Bundesgerichtshof 60 ff., 96 ff., 187, 188 ff. Bundesnotarordnung 69, 71, 81, 171, 205 f. Denkschrift zur GBO 142 Dienstaufsicht 62, 171 Dienstordnung für Notare 69 Doppeltatbestand 26 f., 34 Durchbrechung der Formnichtigkeit 88 f., 221 ff. Eheschließung 58,204, 207 Ehevertrag 54 f., 62 f., 105 ff., 209 f. Eigentumsvorbehalt 39 Einführungsgesetz zum BGB 30, 103 f., 203 Einigung 32 Einigungsgrundsatz 87 Eintragung 27, 85 Eintragungsbewilligung 140 Eintragungsverfahren 84, 175 Einwendung 85 Einzelfallgerechtigkeit 193 f. Elektronische Form 79 Entwurf des BGB - erster Entwurf 28 f., 58, 112 ff., 121, 140, 201 - zweiter Entwurf 29, 112 ff., 121,201 f. - dritter Entwurf 30, 122 Erbvertrag 54 f., 62 f., 105 ff., 209 f. Erfüllung 165 f. Erklären (Begriff) 103 f. Ersitzung 177 Faktischer Beurkundungszwang 74 f., 98 f., 198 f. Fallbeispiel 77, 126 Falschbezeichnung 171 Falscheintragung 37 f., 79, 178
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Sachwortregister
Fiktion 51 Form - öffentliche 45 - private 45 - rechtsgeschäftliche 35 f. - System 204 - Typen 79 Formelles Recht 42 ff. Formerschwerung 59 Freiwillige Gerichtsbarkeit 42, 45, 69 Funktionswandel 148 Genehmigung 214 Geschäftsunfähigkeit 85 Gesetzgeber 91 f., 110 ff. Gestaltungsfreiheit 91 f. Gleichzeitigkeitserfordernis 48, 90, 163 f., 178 f., 215 f. Grundbuchrecht 41 Grundbuchschutz - als Auslegungsaspekt 63 f., 90, 152 f., 175 ff., 218 - als Regelungszweck 37 ff., 137 ff. Grundbuch verfahrensrecht 41 ff., 70 f., 66 ff., 84 ff., 198 Grundgeschäft 27, 113, 125 f., 220 ff. Grundstücksrecht 41 ff. Grundstückswert 129 f. Haftung 89 f., 183, 230 Heilung nach § 313 S. 2 BGB 40, 125 ff., 213 Historische Auseinandersetzung 65 Historische Auslegung 100, 103 f. Historische Kontinuität bei der Auslegung 93 Historischer Gesetzgeber 110 Immobiliarsachenrecht 41 Immobiliarvollstreckungsrecht 41 Inflation 194 Insichgeschäft 214 Insolvenzordnung 31,51, 227 f. Insolvenzplan 51 Klarheitsgebot 168 Klarstellungsfunktion 37 f., 78, 111, 134, 156
Konsensprinzip - formelles 67 - materielles 66 f. Konsularbeamter 50 Kostenordnung 82, 203 f. Leistung 166 Leistungsklage 220 Liegenschaftsrecht 41 Materielles Recht 42 ff. Methodenlehre 100 Mitwirkung 50 Mündlichkeit 50 Mußvorschrift 95, 171 ff. Nachteile der Beurkundung 191 ff. Nachtrags Verhandlung 164 Nichtigkeitsfolge - des § 125 S. 1 BGB 46 f., 88 f., 212 f., 219 ff. - Durchbrechung 88 f., 221 ff. Niederschrift 68, 155, 164, 172 Notar 50, 117, 132, 171 Notardienstrecht 69, 190 Notariatsrecht 69, 71 Öffentlicher Glaube 37, 226 f. Öffentliches Recht 43 Ordnungsrecht 44 Ordnungsvorschrift 43 f., 59, 68, 84 ff. Parteiinteressen 37, 181 f. Parteiwille 36, 92 Präjudizien 96 Praktische Bedeutung 98 Preußische Regelung 59 Protokollierung des Vergleichs 51 Prozeßrecht 42 f. Prüfungspflicht - des Grundbuchamts 67, 173, 211 - des Notars 81 Publizitätsakt 85 Rechtseinheit 118 Rechtsfrieden - siehe Rechtssicherheit Rechtsgeschäft 34 f., 70, 215 f.
Sachwortregister Rechtsidee 196 Rechtsprechung, höchstrichterliche 96 Rechtsschutzinteresse 165 Rechtssicherheit 59,61 f., 63, 88,96,170 ff., 180 ff., 188 f., 196, 224 Regelungszweck des § 925 BGB 37 ff., 109 ff. Reichsgericht 56 ff., 93 ff., 184 ff. Reichsnotarordnung 206 Reichstagsvorlage 29 f., 121 Schriftliche Verkörperung 79 Schuldverhältnis 166 Schutzfunktion - siehe Warnfunktion Schwarzkauf 125 f. Selbsterhaltungsmechanismus 99 Simultanbeurkundung 73 f. Sollvorschrift 67, 172 Stellvertretung 213 ff. Sukzessivbeurkundung 55, 73 f. Systemrecht 195 Tatsachenzeugnis 68 f. Testament 45, 107 Textform 79 Trennungsprinzip 27 Treu und Glauben 89, 193 ff., 219 ff. Übereilungsschutz - siehe Warnfunktion Übereinstimmungsfunktion 133 f., 156 f. Unrichtigkeit des Grundbuchs 176 ff. Unterschrift 172
Unwirksamkeit der Auflassung 176 f. Unzulässige Rechtsausübung 174, 181 f., 220 ff. Verfahrensrecht 70, 80 f. Verfahrensziel 76, 82 f., 86 Verfügung 34, 223 ff. Vergleich (gerichtlich) 51,104,204 f., 206 f., 65 Verkehrsinteresse - siehe Rechtssicherheit Verpflichtungsgeschäft - siehe Grundgeschäft Vertrag 34, 105 Vertragstheorie 33 Vollmacht 213 Vorteile der Beurkundung 192 f. Warnfunktion 8 f., 111 ff., 125 ff., 155 f., 162 f., 212 Willenserklärung 34 f., 70, 104 Willenskundgabe 104 Wirthshausgeschäft 78, 114 Wortlaut 57, 62 Zug-um-Zug-Leistung 39, 115 f., 136 f., 158 ff. Zusammenspiel von materiellem und formellem Recht 72 ff., 92 Zuständigkeit 49 f. Zuständigkeitsnorm 71 Zustimmung 213 Zwischen Verfügung 114, 135 f., 157 f.