Die Besondere Bibliothek oder: Die Faszination von Büchersammlungen [Reprint 2016 ed.] 9783110979763, 9783598116254


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Die Besondere Bibliothek oder: Die Faszination von Büchersammlungen [Reprint 2016 ed.]
 9783110979763, 9783598116254

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Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz Freunde der Staatsbibliothek zu Berlin e.V.

D I E BESONDERE BIBLIOTHEK ODER:

D I E FASZINATION VON BÜCHERSAMMLUNGEN Herausgegeben von Antonius Jammers, Dietger Pforte, Winfried Sühlo Redaktion: Martin Hollender

K G · Saur München 2002

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Die besondere Bibliothek oder: Die Faszination von Büchersammlungen / Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz ; Freunde der Staatsbibliothek zu Berlin e.V. Hrsg. von Antonius Jammers ... - München : Saur, 2002 ISBN 3-598-11625-X

© 2002 Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz Satz: Werkstätten der Staatsbibliothek zu Berlin Druck/Binden: Strauss Offsetdruck, Mörlenbach Einband und Layout: Niels Schuldt Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier

INHALT

VORWORT

GERHARD H A H N

DIE BIBLIOTHEK DER DEUTSCHEN NATIONALVERSAMMLUNG 1848/49

A N T O N I U S JAMMERS

DAS BESONDERE AN DER STAATSBIBLIOTHEK ZU BERLIN

ELISABETH N I G G E M A N N

DIE DEUTSCHE BIBLIOTHEK - GEDÄCHTNIS DER N A T I O N

H E R M A N N LESKIEN

DIE BAYERISCHE STAATSBIBLIOTHEK - KULTURMUSEUM, FACHBEHÖRDE, INNOVATIONSZENRUM UND DOKUMENTLIEFERANT PAUL RAABE DIE HERZOG AUGUST BIBLIOTHEK IN WOLFENBÜTTEL

JUTTA BENDT

DIE BIBLIOTHEK DES DEUTSCHEN LITERATURARCHIVS IN MARBACH

MICHAEL K N O C H E

DIE HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE ALS AUFGABE DIE HERZOGIN A N N A AMALIA BIBLIOTHEK, WEIMAR VALERII L E O N O V

DIE BIBLIOTHEK PETERS DES GROSSEN IN SANKT PETERSBURG E I N GROSSES EUROPÄISCHES PROJEKT AUS DEM 18. JAHRHUNDERT

JAN PIROZYNSKJ, K R Z Y S Z T O F ZAMORSKI

DIE JAGIELLONEN-BIBLIOTHEK

159

G R A H A M JEFCOATE

„ A CELEBRATION OF BOOKS": DIE KING'S LIBRARY A N DER N E U E N BRITISH LIBRARY IN L O N D O N

I7I

H A R T M U T STEINECKE

DIE FÜRSTLICHE BIBLIOTHEK CORVEY

189

WINFRIED SOHLO

HANDWERKSZEUG UND M Y T H O S

Ü B E R DAS SCHICKSAL DER BIBLIOTHEK V O N T H E O D O R MOMMSEN

ERDMUT WIZISLA

DECKENINSCHRIFTEN UND MERKSPRÜCHE IN BRECHTS BIBLIOTHEK

205

229

KATJA REISSNER

INSTALLATIONEN DER ERINNERUNG - BIBLIOTHEK UND ARCHIV IN DER ZEITGENÖSSISCHEN KUNST. EINE SKIZZE

243

JEANETTE LAMBLE

V O M REGAL AUS GESEHEN

249

JÖRG MAGENAU

LEGENDE UND WIRKLICHKEIT

Ü B E R LEKTÜREBEDÜRFNISSE A M PARISER P L A T Z

251

DIETGER PFORTE

DIE BIBLIOTHEK IM MÖBELHAUS - EINE SIMULATION

255

DAGMAR W A L A C H DAS RGA DER M A PREUSSISCHEN ODER DIE POLIZEI ALS LEKTOR Ü B E R DOPPELTE DIE E N T S T E HD UN THEATERZENSURBIBLIOTHEK

259

MARTIN HOLLENDER

DIE BESONDERE, DIE OPTIMALE BIBLIOTHEK UMBERTO ECOS UND WARUM SIE NICHT ZU VERWIRKLICHEN IST

VI

275

WOLFGANG FRÜHWALD „ . . . SIE W Ü R D E N A U C H G O E T H E V E R B R E N N E N " ÜBER DIE ANGST VOR DEM B U C H UND DER ERINNERUNG

295

PETER-KLAUS SCHUSTER

MNEMOSYNE ANSELM KIEFERS BIBLIOTHEKEN IM „HAMBURGER BAHNHOF"

307

HANS MAGNUS ENZENSBERGER

DER BENUTZER. EIN POSTSKRIPTUM

321

PERSONENREGISTER

327

DIE AUTOREN DES BANDES

343

VII

Denkmal zur Erinnerung an die Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933 in Berlin, Bebelplatz von Micha Ollmann, Tel Aviv/Berlin. - Foto: Werner Zillien © Senatsverwaltungfür Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie, Berlin Dieses Foto wurde auch für die Gestaltung des Einhandes verwendet.

VORWORT

François Truffaut, Auslöser und Bannerträger der „Nouvelle Vague" des französischen Kinos nach dem Zweiten Weltkrieg, drehte 1966 seinen fünften großen Film, seinen ersten Farbfilm, „Fahrenheit 451", nach dem 1953 erschienenen Roman des amerikanischen Schriftstellers Ray Bradbury. Es ist die „ureinfache Geschichte einer Gesellschaft, in der es verboten ist, Bücher zu lesen oder zu besitzen", beschreibt der Filmemacher die Handlung in seinem Tagebuch der Dreharbeiten. „Die Feuerwehrmänner - die einst Brände löschten - haben hier die Aufgabe, Bücher zu beschlagnahmen und sie an Ort und Stelle zu verbrennen." Der Film zeichnet sich aus durch Bilder und Szenen, die den Zuschauer tief berühren und die ihm nicht aus dem Kopf gehen: eine alte Dame, die sich Heber inmitten ihrer Bücher verbrennen lässt, als sich von ihnen zu trennen; die Gewalt der audiovisuellen Medien, die wie ein Dämon das alltägliche Leben beherrschen; die Geschichte des Feuerwehrmannes Montag, der sich von den Ansprüchen seines Vorgesetzten, seiner eigenen Frau und der herrschenden gesellschaftlichen Meinung löst, der beginnt, in den Büchern, die er vernichten soll, zu blättern und zu lesen, und der schließlich auf die andere Seite des Flusses in den „Wald der Buchmenschen" flüchtet. Hier trifft er die „hommes livres" die französische Synchronisation des Films nähert sich der Aussprache „hommes libres" - , die im Schneeregen durch den Wald stapfen und ihre Lieblingsbücher auswendig lernen, um sich ganz mit ihnen zu identifizieren und so das literarische Gedächtnis der vergangenen Jahrhunderte vor den Flammen zu bewahren. François Truffaut war selbst ein „Buchmensch". Er sammelt alle Arten von Literatur, verbringt oft Stunden des Tages in Buchläden und Antiquariaten, seine Leidenschaft: für Bücher ist ebenso intellektuell wie sinnIX

lieh. Für „Fahrenheit 451" sucht er mit Sorgfalt die Bücher zusammen, welche die Ehre haben, in den Feuern verschiedener Bildsequenzen unterzugehen, oder von den „Buchmenschen" auswendig gelernt zu werden. Es entsteht ein Film, der von Anfang bis Ende von seiner Leidenschaft für Bücher getragen wird und der jedem einzelnen Buch das Gesicht eines persönlichen Schicksals gibt. Truffaut ist glücklich, als ein cineastischer Freund nach Abschluss der Dreharbeiten die Rohfassung sieht und vor allem die Bücherszenen lobt: „die gelesenen, gestohlenen, versteckten, verbrannten Bücher, das heißt all das, weshalb ich den Film machen wollte," schreibt er in seinem Tagebuch. Viele „Buchmenschen" kennen ähnliche Erfahrungen: Wir halten ein unbekanntes Buch in der Hand, streichen die erste Seite glatt, beginnen zaghaft zu lesen. Plötzlich ist alles Zögernde verschwunden, mit neugierigen Fingern wird die nächste Seite aufgeschlagen, die Augen sind nicht mehr zu halten, sie verschlingen Wort für Wort, Satz für Satz, wir können das Buch nicht mehr aus der Hand legen, seine Geschichte oder seine Aussagen und Thesen haben uns ganz gefangen genommen. Jede Bibliothek strahlt etwas aus von dieser geheimnisvollen Faszination, die Bücher entfalten können. Dies wird auch in Zukunft gelten, wenn wir auf dem Weg zur modernen Wissensgesellschaft immer mehr der digitalen Informationsvermittlung bedürfen. Die elektronischen Kommunikationsmedien treten neben die Druckmedien, lösen sie von vielen Aufgaben ab, aber verdrängen sie nicht. Es droht keine Entwicklung zu einer bücherlosen Gesellschaft, in der Bibliotheken nicht mehr gebraucht werden. So sehr auch Bibliotheken ihr Erscheinungsbild verändern werden, sie bleiben Orte einer besonderen Aura, weil sie die Vergangenheit in die Gegenwart holen und dem Gegenwärtigen eine Zukunft geben. Vorangestellt wird diesem Buch über die Faszination von Büchersammlungen eine Fotografie, die Micha Ulimanns unterirdisches Mahnmal zur Erinnerung an die Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933 wiedergibt. Mit seinen leergeräumten Bücherregalen - just unter der Stelle auf dem heutigen Bebel-Platz in Berlin, an der die völkische „Deutsche Studentenschaft" von ihr als „undeutsch" bezeichnete und verfemte Bücher auf einem Scheiterhaufen verbrannt hat - macht es die Wirkung solch barbarischer Aktion anschaulich. *

X

Die Herausgeber möchten mit diesem Buch die „Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz" als wichtige deutsche Bibliothek in ein Umfeld besonderer Bibliotheken stellen, damit ihre speziellen Aufgaben und ihre Ausstrahlung sichtbar werden. Zugleich soll an das vielfältige Spektrum und die historischen Schicksale der europäischen Bibliothekslandschaft beispielhaft erinnert werden. Einzelne Aufsätze befassen sich mit privaten Büchersammlungen von Liebhabern oder Forschern, und in kurzen Beiträgen werden auch sozialgeschichtlich interessante Erscheinungen am Rande des Büchersammelns aufgegriffen. Oft haben sich Künstler von Bibliotheken oder Büchern zu besonderen Werken anregen lassen. Auch diese Faszination von Büchern und Büchersammlungen findet Berücksichtigung, um die Dichte und Vielfalt besonderer Bibliotheken und entsprechender Kunstwerke zu dokumentieren. An erster Stelle steht ein Beitrag über die „Bibliothek der Deutschen Nationalversammlung 1848/49", die als historische Vorläuferin der 1872 gegründeten Reichstagsbibliothek und der heutigen Bibliothek des Deutschen Bundestages gesehen werden kann. Mit dem bildungsbürgerlichen Pathos des 19. Jahrhunderts wurde die Reichstagsbibliothek kurz nach ihrer Gründung als „Erste politische Fachbibliothek des Deutschen Reiches" bezeichnet. Selbstverständlich ist die Geschichte der deutschen Parlamentsbibliotheken, die hier nicht weiter verfolgt werden kann und über die der Autor unseres Beitrags, Gerhard Hahn, eine ausgreifende Monographie vorgelegt hat, ein Spiegelbild der politischen Wirrnisse und Katastrophen der letzten einhundertfünfzig Jahre deutscher Geschichte. Es folgen Aufsätze über die großen Bibliotheken in Deutschland, welche gemeinsam die Rolle einer Nationalbibliothek wahrnehmen: die Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz (Antonius Jammers), die Deutsche Bibliothek in Frankfurt am Main, Leipzig und Berlin (Elisabeth Niggemann) und die Bayerische Staatsbibliothek in München (Hermann Leskien). Über herausragende Bibliotheken in Deutschland gibt es drei weitere Beiträge: Paul Raabe schreibt über die Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, eine fürstliche Gründung, zu deren berühmten Bibliothekaren in früher Zeit Gottfried Wilhelm Leibniz und Gotthold Ephraim Lessing gehörten. Nach einer wechselhaften Geschichte ist sie auf die Bühne der großen deutschen Bibliotheken zurückgekehrt. Jutta Bendt XI

schildert den W e g der Bibliothek des Deutschen Literaturarchivs in Marbach, die mit ihrer nach dem letzten Krieg gewachsenen größten Sammlung belletristischer deutschsprachiger Literatur und über hundert geschlossen aufgestellten Autoren-, Sammler- und Verlagsarchivbibliotheken ein Paradies für Forschungen aller literarisch Interessierten ist. Schließlich schreibt Michael Knoche über das Schicksal der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar, die heute als Forschungsbibliothek für Literatur- und Kulturgeschichte mit historischen Schwerpunkten gesehen werden kann, und die vor wenigen Jahren mit einer spektakulären Rettungsaktion für ihre bedrohten Bestände internationale Aufmerksamkeit fand. Zwei Beiträge über Bibliotheken in Osteuropa berichten Gründungsgeschichten, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Die Bibliothek Peters des Großen in Sankt Petersburg ist eine Schöpfung des Zaren, der Russland an die westeuropäische Gesellschaft, an Bildung und Aufklärung heranführen wollte. Valerii Leonov beschreibt Peter den Großen als energischen Modernisierer, der am Beginn des 18. Jahrhunderts die Gründung der Bibliothek als wichtigen Baustein für den schnellen Aufschwung von Wissenschaft und Kultur sah. Demgegenüber ist die Jagiellonen-Bibliothek in Krakau eine der ältesten Universitätsbibliotheken des neuzeitlichen Europa, deren Geschichte sich bis in das 14. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Jan Pirozyñski und Krysztof Zamorski zeigen uns eine vielfältige polnische Institution von europäischem Rang, die in einem makaberen Geflecht politischer Entscheidungen den Zweiten Weltkrieg überlebt hat. Im Westen Europas ist die King's Library in der neuen British Library in London zu einer viel bewunderten besonderen Bibliothek geworden. Graham Jefcoate, seit Anfang 2002 Generaldirektor der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, beschreibt Entstehung und Bedeutung des umstrittenen Bauvorhabens für einen historischen Kernbestand der Londoner Bibliothek, das zu einem architektonischen Triumph wurde. Historisch gesehen sind die Grenzen zwischen privaten und öffentlichen Bibliotheken fließend. Fürstliche Häuser begannen in der Regel mit persönlichen Sammlungen, die später der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Bei der Kurfürstlichen Bibliothek in Preußen geschah dies 1661, und dieser Zeitpunkt gilt heute als Gründungsjahr der Staatsbibliothek zu Berlin. Die Fürstliche Bibliothek Corvey, über die HartXII

mut Steinecke berichtet, befindet sich noch heute in Privatbesitz. An ihrem Anfang standen ein bibliomaner Landgraf und seine Frau, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts keine besonderen Sammelprinzipien entwickelten, sondern alle erreichbare Literatur aus der aktuellen Buchproduktion erwarben. Und dies ist ein Grund dafür, dass Corvey heute über mehr Romane aus dieser Zeit verfügt als jede andere Bibliothek der Welt - ein Eldorado für die Erforschung dieser Literatur. Andere Privatbibliotheken werden weitgehend von den spezifischen Arbeits- und Forschungsinteressen ihrer Sammler getragen. Theodor Mommsens private Arbeitsbibliothek, deren Schicksal Winfried Sühlo nachspürt, war schon zu Lebzeiten des großen Historikers ein Mythos. Sie ist heute nur noch in Teilen erhalten. Ebenso steht es mit den Büchern, die Bertolt Brecht für die alltägliche Arbeit brauchte; das Hin und Her des Exils verminderte den Bestand auf das Notwendigste. Erdmut Wizisla gibt uns einen Einblick in Brechts Nachlassbibliothek. Uber den Umgang mit Bibliotheken und Büchern in der zeitgenössischen Kunst unterrichten beispielhaft die Beiträge von Katja Reissner und Peter-Klaus Schuster. Jeanette Lamble, Jörg Magenau und Dietger Pforte lenken unseren Blick auf Erscheinungen, die am Rande der besonderen Bibliotheken ein Licht werfen auf unseren alltäglichen Umgang mit Büchern. Schließlich hat sich Dagmar Walach einer extravaganten Büchersammlung angenommen: sie schreibt über die preußische Theaterzensurbibliothek, die sich im Landesarchiv Berlin verbirgt: „Die Polizei als Lektor" ist zwar Ausdruck dafür, welche große Bedeutung Texten, Büchern gerade auch in vor- und undemokratischen Gesellschaften zugesprochen wird. Aber es bedarf nicht der Zensur um zu begreifen, dass die Buchdruckerkunst emanzipativ gewirkt hat bei der Entwicklung moderner Demokratien. Hans Magnus Enzensberger sollte das letzte Wort in unserem Buch haben. Er schrieb zurück: „An Ihrer Planung fällt mir auf, dass die Figur des Lesers, oder, wie es bei Bibliothekaren heißt, des Benutzers, ganz und gar nicht auftaucht." Da hatte er recht. Daraufhin befasste sich Martin Hollender mit dem Festvortrag, den Umberto Eco im März 1981 beim Jubiläum der Mailänder Stadtbibliothek im Palazzo Sorniani gehalten hat. Dabei entstand die erfrischende Skizze des Negativmodells einer Bibliothek, die sich nicht als Dienstleister für den Leser verstehen mag. Hollender schlussfolgert: Wir müssen uns unsere Bibliotheken etwas XIII

kosten lassen. Aber sind wir dazu wirklich bereit? Enzensbergers Beitrag über „den Leser" ist mehr als bloß ein Postskriptum: nur wenn die Bibliotheken - vor allem auch die besonderen Bibliotheken - ihre Dienste für den Leser ständig weiterentwickeln und verbessern, werden sie die große Zukunft haben, auf die wir alle hoffen.

Der Verein „Freunde der Staatsbibliothek zu Berlin e.V." ist 1997 gegründet worden und unterstützt seine Bibliothek auf vielfältige Weise. Öffentliches Aufsehen fand sein „Bach-Patronat", das um Spenden und Sponsorengelder für die dringende Rettung der in der Musikabteilung der Staatsbibliothek bewahrten Autographe von Johann Sebastian Bach wirbt. Der Fortschritt der Restaurierungsarbeiten und der Eingang von Spendengeldern erlauben die Hoffnung, diese Aktion bis Ende 2002 abzuschließen. Inzwischen wurde unter dem Motto „KulturGut bewahren" ein neues Projekt zur Bestandserhaltung begonnen. Es geht um die Rettung der „Bücher der Könige", um den Gründungsbestand der heutigen Staatsbibliothek zu Berlin aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Jedes Jahr am 10. Mai vergeben die „Freunde der Staatsbibliothek zu Berlin" den Max-Herrmann-Preis an eine Persönlichkeit, die sich um die Staatsbibliothek oder generell um das Bibliothekswesen besondere Verdienste erworben hat. Sie erinnern mit diesem Preis an den großen deutschen Literatur- und Theaterwissenschaftler Max Herrmann, der 1942 nach Theresienstadt verschleppt worden ist, wo er nach wenigen Monaten verstorben ist. Seine Frau ist in Auschwitz ermordet worden. Die Vergabe des Preises soll nicht zuletzt an den Tag der Bücherverbrennung erinnern. In seiner Dankrede anlässlich seiner Auszeichnung mit dem Max-Herrmann-Preis 2002 hat Wolfgang Frühwald über die Angst vor dem Buch und der Erinnerung gesprochen: „Bücher sind die dauerhaften Speicher des Wissens." Wir haben die Rede in einer überarbeiteten Fassung in diesen Band aufgenommen. Seit dem 8. April 2001 unterstützt ein Kuratorium wichtiger Persönlichkeiten die Arbeit der „Freunde der Staatsbibliothek zu Berlin". Auf seiner konstituierenden Sitzung hat das Kuratorium eine Erklärung zur Etat-Situation der Bibliotheken in Deutschland verabschiedet. Es heißt: „Mit großer Sorge beobachten wir die Entwicklung der Finanzsituation XIV

öffentlicher und wissenschaftlicher Bibliotheken in Deutschland. Die in den letzten Jahren verfügten Einsparungen, vor allem bei den Beschaffungsetats, haben zu einem dramatischen Einbruch notwendiger Erwerbungen neuer Bücher und Zeitschriften geführt". Das Kuratorium fordert dringend neue Überlegungen von Staat und Wirtschaft, dieser Misere Einhalt zu gebieten. Lust auf den Umgang mit Büchern, Lust auf die Nutzung unserer Bibliotheken, Lust auf Entdeckungsreisen in der Welt der Literatur hat uns dieses Buch herausgeben lassen. - W i r danken Martin Hollender für die redaktionelle Betreuung unseres Unternehmens und allen Autoren sowie Inhabern von Rechten dafür, dass sie uns ihre Beiträge geschenkt haben. Den „Freunden der Staatsbibliothek zu Berlin", der Staatsbibliothek selbst und ihren Mitarbeitern wie auch dem Saur-Verlag in München danken wir für die großzügige Förderung unseres Buches über die Faszination von Bibliotheken. Berlin, im September 2002 Antonius Jammers

Dietger Pforte

Winfried Sühlo

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Sarah Hajfner Bildnis eines Bücherregals der bürgerlichen Linken 170 χ 100 cm, Öl auf Leinwand (Berlinische

Galerie)

1969

GERHARD HAHN

D I E BIBLIOTHEK DER DEUTSCHEN NATIONALVERSAMMLUNG

1848/491

Die Diskussion, die 1871 der Gründung der Reichstagsbibliothek vorausging, nahm auf die Bibliothek der deutschen verfassunggebenden Nationalversammlung in Frankfurt am Main von 1848/49 als der Vorläuferin keinen Bezug. Die Erinnerung an diese Bibliothek schien verlorengegangen zu sein. Die aus den Wahlen vom 1. und 8. Mai 1848 bei unterschiedlichem Wahlrecht in den Gliedstaaten2 hervorgegangene verfassunggebende National- oder Reichsversammlung tagte vom 18. Mai 1848 bis zum 30. Mai 1849 in der Paulskirche; lediglich vom 6. November 1848 bis zum 9. Januar 1849 verlagerte sie wegen Baumaßnahmen ihren Sitz in die Deutsch-Reformierte Kirche in Frankfurt^ Die Bibliothek der Nationalversammlung war auf der Galerie der Paulskirche in Schränken aufgestellt, die links und rechts der großen, vorn mit dem Bild der Germa-

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Unter dem Titel „Historische Vorläuferin der Reichstagsbibliothek: Die Bibliothek der deutschen konstituierenden Nationalversammlung 1848/49" erschien dieser Text erstmals in meiner Studie „Die Reichstagsbibliothek zu Berlin - ein Spiegel deutscher Geschichte", Düsseldorf: Droste 1997 (Veröffentlichung der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der Politischen Parteien in Bonn). Mit Zustimmung der Kommission erscheint dieses Kapitel meines Werkes - durchgesehen, aktualisiert und ergänzt - hier nun erneut Vgl. Hans Fenske, Deutsche Parteiengeschichte, Paderborn 1994, S. 74f.; Bernhard Vogel u. a., Wahlen in Deutschland, Berlin u. N e w York 1971, S. 78. Über dem Präsidentenstuhl in der Paulskirche waren zweizeilig die Worte zu lesen, die das Sehnen und Hofifen des deutschen Volkes auf die Gründung eines Deutschen Reiches, einer deutschen Einheit, ausdrückten: „Des Vaterlandes Größe, des Vaterlandes Glück, O, schafft sie, o, bringt sie dem Volke zurück!" Zur politischen Atmosphäre in der Stadt Lothar Gall, Frankfurt als Sitz des Paulskirchenparlaments, in: U w e Schultz (Hrsg.), Die Hauptstädte der Deutschen, München 1993, S. 169-180.

I

Zug des deutschen Parlaments nach der Paulskirche in Frankfurt am Main am 18. Mai 1848

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nia geschmückten Orgel standen.^ Hier waren die Bestände nicht nur den Parlamentsmitgliedern, sondern zu bestimmten Öffnungszeiten auch der Allgemeinheit zugänglich. Die Errichtung der Bibliothek des ersten gesamtdeutschen Parlaments unter Einschluß Österreichs - der „Vertretung des ganzen deutschen Volkes" - erfolgte 1848 in einem sich über mehrere Monate erstreckenden Prozeß. Ein eigentliches Gründungsdatum gibt es nicht. Der Anstoß kam von außen, dem Hannoverschen Buchhändler Oberkommerzrat Heinrich Wilhelm Hahn (1795-1873), der auch Verleger des historischen Quellenwerkes zur deutschen Geschichte „Monumenta Germaniae histórica" war. Hahn übersandte der „hohen Versammlung" aus Begeisterung für das geeinte Deutschland am 15. Juli 1848 seinen Verlagskatalog zur beliebigen unentgeltlichen Auswahl der „Werke historischen, politischen, statistischen, kriegswissenschaftlichen, juristischen und sonstigen Inhalts [...] als Grundstock einer ,Reichsbibliothek'".5 Weitere 41 Buchhändler aus den deutschen Einzelstaaten folgten Hahn aus vaterländischer Gesinnung und boten dem Parlament ihre Verlagserzeugnisse an. Davon sagten einige allerdings eine Lieferung erst für einen Zeitpunkt zu, an dem die Parlamentsbibliothek zu einer deutschen Nationalbibliothek erhoben worden wäre. Am 31. August 1848 beschloß das Parlament, die Verlagskataloge zur fachlichen Auswahl der Werke an die Ausschüsse zu geben. Als besonders wichtig galt die Durchsicht im Verfassungsausschuß, im internationalen, im volkswirtschaftlichen und im Wehrausschuß.6 Das Plenum 4

Schreiben des Bibliothekars der Nationalversammlung, Dr. Johann Heinrich Plath, an den Präsidenten der Nationalversammlung vom 12. Mai 1849, abgedruckt bei Ernst Mohrmann, D e r Vater des Gedankens einer Deutschen Nationalbibliothek, in: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 8 1 , 1 9 1 4 , 1 4 5 , v. 26. 6.1914, S. 1034.

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Hahn in seinem kurzen Begleitschreiben. Sein Gesuch wurde von der Nationalversammlung als 1496. Eingabe ausgewiesen und an den Prioritäts- und Petitionsausschuß überwiesen. Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der Deutschen Constituirenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main [Ausgabe Franz Wigard], Bd. II, 1848, S. 1047.

6

Vgl. Stenographischer Bericht [Ausgabe Franz Wigard], Bd. III, 1848, S. 1804 u. 1807. Professor Wigard aus Dresden war Mitglied der Nationalversammlung und des Verfassungsausschusses. In seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Redaktionskommission für die Protokolle der Paulskirchensitzungen leitete er das Stenographenbüro der Nationalversammlung. Die Leitung war zunächst Franz Xaver Gabelsberger (1789-1849) angeboten worden, der jedoch mit Rücksicht auf seine Arbeit als Vorstand des Stenographenbüros im bayerischen Landtag das A m t ablehnte und seinen Schüler Wigard empfahl.

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bekräftigte das Umlaufverfahren am 8. September 1848.7 Die Nationalversammlung behielt es bis zu ihrem Ende in Frankfurt im Mai 1849 bei. Vermutlich Ende Oktober 1848 stellte Parlamentspräsident Heinrich von Gagern den Göttinger Privatdozenten und Sinologen Dr. Johann Heinrich Plath (1802-1874) zum Bibliothekar der Nationalversammlung an. Dies geschah zunächst „einstweilen und provisorisch".8 Der Verpflichtung war eine öffentliche Ausschreibung der Stelle vorausgegangen, auf die sich als einziger Mitbewerber Plaths der Germanist und Sagenforscher Dr. Johann Wilhelm W o l f aus Jugenheim, der 1848 mit seiner Familie große wirtschaftliche N o t litt, bewarb.9 Plath beschrieb 1850 die Auswahl der Werke durch die Ausschüsse: „Es kam aber nichts dabei heraus. Die Cataloge blieben in den Ausschüssen liegen, kamen einigen gar nicht zu, andere wählten Bücher, sie wurden aber nicht besorgt oder nicht eingesandt, es kam auch ein Pak an, aber falsch adressiert blieb er in einem Winkel der Kanzlei liegen. Man erkannte daher bald, daß, wenn der Absicht der patriotischen Geber entsprochen werden sollte, ein wissenschaftlich gebildeter Mann, in der literarischen Welt bekannt, angestellt und mit der Leitung der Bibliothekssache beauftragt werden müsse." 10

Im Schnitt waren in Frankfurt 15 Stenographen, teilweise nur vorübergehend, tätig, davon 12 Gabelsbergianer und drei Taylorianer. Mit dem Restparlament nach Stuttgart reisten Anfang Juni 1849 noch sechs Stenographen. Die Stenographen des „Reichstages deutscher Nation" (Julius Woldemar Zeibig) gründeten zu Beginn des Jahres 1849 zur Vertretung ihrer Interessen den „Verein der Stenographen der Nationalversammlung zu Frankfurt am Main." Julius Woldemar Zeibig, Meine Erlebnisse als Stenograph der Nationalversammlung, Dresden 1891; ders., Der letzte Stenograph der Nationalversammlung zu Frankfurt, Dresden 1900; Helene Schöne, Der Standesverein der Stenographen der Frankfurter Nationalversammlung, in: Stenographische Praxis 15, 1925, 5, S. 65-71. 7 Stenographischer Bericht, Bd. III, 1848, S. 1936 u. 1937. 8 Heinrich von Gagern am 15. Dezember 1848 vor dem Plenum der Nationalversammlung; Stenographischer Bericht, Bd. VI, 1848, S. 4138. 9 Albert Paust, Dokumente zur Geschichte der Reichsbibliothek von 1848, unveröffentlichtes Manuskript, Hausarchiv der Deutschen Bücherei, Leipzig, Akz. 187/2. 10 Promemoria des Bibliothekars Dr. Joh[harm] Heinrich] Plath betreffend die ReichsBibliothek (an die Hohe interimistische Bundescommission), vom 7. März 1850, Bundesarchiv, Außenstelle Frankfurt, D B 62, abgedruckt bei Rudolf Blum, Nationalbibliographie und Nationalbibliothek, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 35, 1990, S. 280.

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Einige Mitglieder der Nationalversammlung befürchteten, daß die „aus Fachmännern" bestehenden Ausschüsse möglicherweise eine zu einseitige Auswahl für die Bibliothek träfen. So gab Abgeordneter Moritz Hartmann von Leitmeritz, ein couragierter radikal-demokratischer Republikaner dieser Jahre, in der Sitzung vom 15. Dezember 1848 zu bedenken: „Ich glaube nicht, daß ζ. B. vom volkswirtschaftlichen oder Finanzausschusse Kaulbach's Reinecke [sie] Fuchs, das doch gewiß ein Nationalwerk ist, ausgewählt wird, und doch darf es in unserer Nationalbibliothek nicht fehlen." 11 Plath komplettierte die von den Ausschüssen erfolgte Auswahl. Die „Angelegenheit der Auswahl durch die Ausschüsse" und die „Ergänzungen und weiteren Vorschläge vom allgemeinen bibliographischen Gesichtspunkt" durch den Bibliothekar leitete vorläufig der Vizepräsident Friedrich Carl Biedermann, „bis die Nationalversammlung, wenn die Bibliothek wirklich definitiv begründet wird, darüber weiter verfügen wird." 12 Dennoch beantragte Hartmann von Leitmeritz am 15. Dezember 1848 einen „kleinen Ausschuss von drei, fünf oder sieben Personen" zu ernennen, der „ohne Rücksicht auf das Fach vorzügliche Nationalwerke" auswählen sollte, „die der ganzen Nation angehören und nicht blos einen Theil oder eine Fachwissenschaft darstellen".^ Noch in der gleichen Sitzung wurde „zur Vervollständigung der Auswahl" die Gründung einer solchen Bibliothekskommission beschlossen.^ Anfang Januar 1849 setzte das Präsidialbüro die Kommission ein. Ihr gehörten die folgenden drei Abgeordneten an: Dr. Gustav Robert Groß aus Prag, Fraktion „Württemberger Hof", Kammergerichtsassessor Franz Alexander Wilhelm Julius Jordan aus Gollnow, Casino Partei, und Dr. Carl Christian Sigismund Bernhardi, Bibliothekar der Kasseler Landesbibliothek, ebenfalls Mitglied der Casino Partei. Bernhardi erschien als bibliothekarischer Fachmann besonders geeignet für die Kommission, Groß und Jordan sollten als Juristen bei der Beschaffung des zunächst im Vor11 Stenographischer Bericht, Bd. VI, 1848, S. 4138. 12 Heinrich von Gagern am 15. Dezember 1848 vor dem Plenum, Ebd. - Eine solche Verfügung hat das Parlament nicht mehr getroffen. 13 Ebd. 14 Ebd.

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dergrund stehenden amtlichen Schrifttums Mithilfe leistend Die Kommission wurde ebenfalls der Aufsicht Biedermanns unterstellt. Von den Verlagen, die ihre Bücher nach Frankfurt schickten, waren sieben überdurchschnittlich vertreten. Es handelte sich in der Reihenfolge der Anzahl zugesandter Werke um Baumgärtner (Leipzig), Breitkopf & Härtel (Leipzig), Hahn (Hannover), Cotta (Stuttgart-Tübingen), Sauerländer (Frankfurt am Main), Veit (Berlin) und Teubner (Leipzig); ihr Verlagsprofil war universell.16 Sie schenkten der Bibliothek auch ältere Werke, sofern sie noch auf Lager waren, zurück bis hin nur Mitte des 18. Jahrhunderts. Die Abgeordneten bezeichneten in ihren Debattenbeiträgen die Bibliothek von Beginn an als „zu begründende Reichsbibliothek". Der Begriff „Reichsbibliothek" wurde dabei nicht definiert. Er läßt zwei Deutungen zu: Erstens als eine Parlamentsbibliothek, die später im Eigentum des 1848 geplanten Reiches, auf Reichsebene also, stehen würde, oder zweitens als deutsche Nationalbibliothek. Tatsächlich trafen beide Erklärungen zu, wobei man jedoch in der Praxis stets die zweite Bedeutung im Sinne hatte, wie aus dem Kontext der verschiedenen Begriffsverwendungen hervorgeht. Als Dr. Plath am 23. November 1848 im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel den Verlagsbuchhandlungen bekanntgab, dass die Bücherpakete portofrei an die Paulskirchenbibliothek geschickt werden konnten, sprach er von der Gründung der „deutschen Reichsbibliothek"1? - eine Bezeichnung, die lediglich auf eine Parlamentsbibliothek bezogen so nicht hätte verwendet werden können. In einem Brief der Bibliothekskommission vom 19. April 1849 an das Präsidium der Nationalversammlung, den sämtliche drei Mitglieder Bernhardt, Groß und Jordan unterzeichneten, setzte die Kommission die „Reichsbibliothek" mit „Nationalbibliothek" gleich. Die Kommission bat das Präsidialbüro, Geldmittel zum Kauf von Flugschriften, Karikaturen

15 Albert Paust, Dokumente zur Geschichte der Reichsbibliothek von 1848, unveröffentlichtes Manuskript, Deutsche Bücherei, Leipzig. 16 Johannes Jacobi, Reichsbibliothek von 1848, in: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland, Bd. 18, hrsg. von Friedhilde Krause, Hildesheim u. a. 1997, S. 32-35, sowie Bibliothek der Deutschen Reichsversammlung 1848/49 (Reichsbibliothek). Bestandsverzeichnis, bearb. von Johannes Jacobi, Die Deutsche Bücherei, Leipzig u. a. 1999, Anlage 2. 17 Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, 1848,103, S. 1245.

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„und ähnlichen Erzeugnissen des Volksgeistes" durch die Bibliothek bereitzustellen. Das Schreiben enthielt den Satz: „Möge nun die Bibliothek [...] eine Parlamentsbibliothek bleiben, oder wie wir noch immer hoffen und dringend wünschen, zu einer Reichsbibliothek erhoben werden [...]." Und weiter: „So kann es kaum zweifelhaft bleiben, daß die Geschichte des Jahres 1848 und namentlich die Geschichte der deutschen Nationalversammlung derjenige Teil der Zeitgeschichte ist, über welchen in der Parlamentsbibliothek alle [im Original unterstrichen, d. V.] Quellen möglichst vollständig sein sollten. [...] Das verehrliche Büro der Nationalversammlung wolle den Bibliothekar [...] beauftragen, eine solche möglichst vollständige Sammlung anzulegen."18 Schon Ende 1848 strebten herausgehobene Mitglieder der Nationalversammlung also an, die Parlamentsbibliothek in eine „allgemeine deutsche Nationalbibliothek" umzuwandeln; sie sollte, wie dies Dr. Plath 1850 schrieb, „von allen wenigstens bedeutenderen Erscheinungen in der Literatur" ein Exemplar sammeln, jedoch „die Bedürfnisse der National-Versammlung zunächst speciell mit befriedigen" Erforscht worden ist die kurzlebige Bibliothek der Paulskirchenversammlung bisher unter dem Blickwinkel der beabsichtigten Nationalbibliothek, die die Parlamentsbibliothek jedoch tatsächlich 1849, bei ihrem zwangsmäßigen Ende, ohne offiziellen Beschluß der Reichsversammlung, noch nicht war. Der Schwerpunkt der Untersuchungen lag dabei auf den buchhändlerischen Initiativen.20 18 Das Schreiben befand sich im Nachlaß-Archiv von Friedrich Carl Biedermann in Leipzig, des Schriftführers und Vizepräsidenten der Nationalversammlung. Es wurde nach dem Original abgeschrieben; die Abschrift wird im Hausarchiv der Deutschen Bibliothek in Leipzig verwahrt. 19 Promemoria Plaths vom 7. März 1850, abgedr. bei Rudolf Blum, Nationalbibliographie und Nationalbibliothek, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 35, 1990, S. 280 f.; desgleichen Promemoria des Bibliothekars Dr. Heinrich] Plath betreffend die ReichsBibliothek (an das Präsidium der Hohen Bundesversammlung), vom 7. August 1851, Bundesarchiv, Außenstelle Frankfurt, DB 1/33. 20 Vgl. Albert Paust, Die Reichsbibliothek von 1848, in: Heinrich Roloff (Hrsg.), Bibliothek, Bibliothekar, Bibliothekswissenschaft. Festschrift für Joris Vorstius zum 60. Geburtstag, Leipzig 1954, S. 384-396; ders., Ein Wegbereiter der Deutschen Bücherei, in: Börsenblatt 119, 1952, 34/35, v. 30. 8. 1952 (Leipziger Ausgabe), S. 610-611; Heinrich Uhlendahl, Die Bibliothek der Deutschen Nationalversammlung von 1848/49, in: Aus der Welt des Buches. Festgabe zum 70. Geburtstag von Georg Leyh, Leipzig 1950, S. 147-155 (ZfB; Beih. 75); Rudolf Blum, Nationalbibliographie und Nationalbibliothek, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 35,1990, S. 120-126.

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Bibliothekar Johann Heinrich Plath hatte in Göttingen Geschichte und orientalische Sprachen studiert, eine wissenschaftliche Laufbahn eingeschlagen und sich 1828 als Privatdozent für Philologie und Geschichte habilitiert. Nach der Beteiligung an den sogenannten Göttinger Unruhen 1831, die durch die französische Julirevolution des Jahres 1830 ausgelöst worden waren, verhaftete ihn die reaktionäre hannoversche Regierung und verurteilte ihn nach fünfjähriger Untersuchungszeit 1836 wegen Aufruhrs und Majestätsverbrechens zu zwölf Jahren Zuchthaus. Das Strafmaß wurde später auf acht Jahre verkürzt. Bis zur Bestellung von Plath Ende Oktober 1848 zum Parlamentsbibliothekar kümmerte sich der Frankfurter Notar und Rechtsanwalt und Erste Schriftführer der Nationalversammlung, Dr. Friedrich Siegmund Jucho, um die eingegangenen Werke. Plath widmete sich - ohne bibliothekarische Tätigkeit zuvor - mit großem Eifer und organisatorischem Geschick dem Aufbau der Bibliothek. In der Öffentlichkeit warb er für diese als „Denkmal der deutschen Einheit".21 Die broschiert eingehenden Veröffentlichungen ließ Plath binden; die einzelnen Werke versah er mit dem Stempel „Bibliothek der Deutschen Reichsversammlung". Das Mitglied der Bibliothekskommission Dr. Carl Bernhardi (17791874), ein sozial rühriger und wirksamer Mann, war seit 1830 in der Nachfolge von Jacob Grimm Bibliothekar an der Kasseler Landesbibliothek. Er vertrat als Mitglied der Casino Partei den 2. Kurhessischen Wahlbezirk im Paulskirchenparlament und war einer der bedeutendsten Verfechter des konstitutionellen Systems im reaktionären Kurhessen.22 Bernhardi hatte bereits mit Schreiben vom 18. Oktober 1843 der Preußischen Akademie der Wissenschaften den Vorschlag unterbreitet, eine deutsche Nationalbibliothek zu 21 Albert Paust, Ein Wegbereiter der Deutschen Bücherei, in: Börsenblatt (Leipziger Ausgabe) 119,1952, 34/35, S. 611. 22 Hartmut Broszinski, Karl Bernhardi und das Kasseler Original der Frankfurter Reichsverfassung, in: Franz Neumann (Hrsg.), Die Frankfurter Reichsverfassung, Wiesbaden 1989, S. X X I I - X X I V .

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errichten. Er hegte die Hoffnung, daß die Akademie den König von Preußen für die Verwirklichung einer solchen Bibliothek - wie in Frankreich - auf der Basis eines Pflichtexemplargesetzes gewinnen könnte. Die Akademie lehnte es jedoch ab, an den Vorschlägen Bernhardis mitzuwirken.^ Die Bibliothekskommission wünschte einen möglichst vollständigen Nachweis des auf die Tätigkeit des Parlaments bezogenen und darüber hinaus des für eine Nationalbibliothek wichtigen Schrifttums. Das von Plath in Zusammenarbeit mit der Kommission entwickelte Schema des Realkataloges wies 30 zunächst nicht untergliederte Sachgebiete auf. Die Katalogordnung war auf die Parlamentsarbeit zugeschnitten und diente der sachlichen Aufstellung der Werke.24 Sie umfaßte die folgenden Gruppen: I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX. X. XI. XII. XIII. XIV. XV. XVI. XVII. XVIII. XIX.

Gesetzsammlungen, Verfassungen und Verträge. Landständische Verhandlungen. Staats-Handbücher und Adrehsbücher. Jurisprudenz. Staatswissenschaften. Statistik. Geschichte. Geographie. Länder- u. Völkerkunde. Reisen. Handel. Marine. Kriegswesen. Land- und Hauswirthschaft. Forst- und Jagdwesen. Naturwissenschaften. Medicin. Technologie und Gewerbe. Kunst. Baukunst. Musik. Mathematik.

23 Joachim Rex, Karl Bernhardis Gedanken zur Errichtung einer deutschen Nationalbibliothek in der Periode des Heranreifens der bürgerlich-demokratischen Revolution (1843), in: Zentralblatt für Bibliothekswesen, 81,1967, 9, S. 530-535. 24 Albert Paust, Die Reichsbibliothek von 1848, in: Heinrich Roloff (Hrsg.), Bibliothek, Bibliothekar, Bibliothekswissenschaft, Leipzig 1954, S. 389.

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Eintragungen von Bertolt Brecht in: Oscar Wilde: Lehren und Sprüche

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schon dem jungen Brecht suspekt; er kommentiert den Satz mit einem eigenen Aphorismus: „Während man frißt, kann man nicht speien". Brechts Hegel-Bände - er arbeitete mit der von Hermann Glockner herausgegebenen Jubiläumsausgabe von 1927 - sind voller Anstreichungen und Eintragungen, so die „Ästhetik": „wieso muß / ergötzen unnütz, / lernen keine / Unterhaltung / sein", fragt er, eine Grundfrage der Ästhetik seit Horaz („prodesse et delectare") aufnehmend, und wenig später heißt es apodiktisch: „es gibt unmorali- / sehe kunst, basta. / die kunst, die es / nicht ist, wird / es." Max Frisch beschreibt Brechts Vorliebe für die verdichtete Erkenntnis: „Ich erinnere mich kaum, daß Brecht erzählte. Er gab ungern Rohstoff. Er breitete nicht aus, verkürzte wenn möglich auf Anekdote hin, die, wenn auch vielleicht zum ersten Mal erzählt, immer schon etwas Fertiges hatte." Und ein Bericht aus den letzten Jahren vermittelt ein ähnliches Bild von Brechts Denk- und Sprechweise; Manfred Wekwerth schreibt: „ B r e c h t gebrauchte Sentenzen zu sehr praktischen Zwecken. Er bündelte damit eine Fülle konkreten Materials zusammen, um es jederzeit wieder handhabbar zu machen. Benutzte er eine Sentenz, fiel ein Haufen Erfahrungen, Begebenheiten, Witze, Geschichten, Widersprüche auseinander wie die Stäbchen beim japanischen Mikadospiel. Solche Fertigkeit gestattete ihm großzügige Sprünge von einer Sache in die andere. Er hatte ein Vergnügen an der Unstetigkeit der Gedanken. Seine Sentenzen ergaben nicht Stillstand, sondern beschleunigte Bewegung, sie setzten nicht Punkte, sondern Doppelpunkte." Beim Anekdotischen geht es wie beim Aphoristischen um Wesentliches: Deckeninschriften müssen kurz sein, und für Marginalien in Büchern lassen Büchermacher in der Regel nur wenig Platz. W o - wie im Falle Brecht - Bedürfnis und Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge in gedrängter Form zu benennen, einander begegnen, entstehen Merksprüche, in denen Erfahrung gerinnt. Verglichen mit poetischen Texten wie Gedichten, Stücken, z. B. „Fatzer", erscheinen solche Weisheitssätze zuweilen als zu sehr gegen die Wirklichkeit abgedichtet oder, wie Heiner Müller gesagt hat, „müde". Aber meistens bestätigt sich an ihnen der vielzitierte Aphorismus von Jean Paul „Sprachkürze gibt Denkweite". In den aphoristischen Bemerkungen Brechts zeigt sich eine kindliche Freude an der Erkenntnis, eine Lust an der Provokation, die mit verblüffenden, verfremdenden Wendungen Typisches offenlegt. Brechts Spra-

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che ist geprägt von Anschaulichkeit, Prägnanz, Direktheit, Lakonik, Einfachheit. Sie ist, wie es in dem Text „Uber die gestische Sprache in der Literatur" heißt, „zugleich stilisiert und natürlich", weil ihren Sätzen Haltungen zugrunde liegen. Diese Sprache eröffnet Räume des Denkens, in denen sich noch Generationen bewegen werden. Daß die Deckeninschriften von Montaignes Bibliothek die Aufmerksamkeit Brechts erweckt haben, kann nicht wundern. Zwar mag ihm der Drang zur Selbstbetrachtung, dem der Franzose nachgegeben hatte, fremd gewesen sein, aber die souveräne Erkundigung der Inschriften nach Sinn und Werden des Menschen zog ihn an. Und gewiß sprach Brecht auch von sich, als er die Grundsätze Montaignes zum Thema einer Schlüsselszene von „Leben des Galilei" machte. Es ist die 13. Szene der ersten Niederschrift, in der sich der Autor noch einer Verurteilung seiner Figur enthält. Brecht benutzte die historisch-kritische MontaigneAusgabe, die 1911 bei Georg Müller in München und Leipzig erschienen war; die Deckeninschriften finden sich im achten Band. Anstreichungen und Eintragungen bieten die Gelegenheit, dem Stückeschreiber nachgerade auf die Finger zu sehen. Die Korrespondenz zwischen dem Stücktext und Brechts Exemplar ist frappierend. Autor und Figur scheinen zu verschmelzen; die Zusammenstellung, die Brecht Galilei zuschreibt, hat er selbst zuvor mit rotem Farbstift festgehalten. Nur wenige der angestrichenen Inschriften sind nicht in den Stücktext eingegangen. Lateinische Zitate versah Brecht mit eigenen Ubersetzungen, die er - wie erste Entwürfe des Stückdialoges - mit Blei eintrug. So lautet ein Zitat des römischen Dichters Persius in Brechts Fassung: „Wieviel leere ist doch in allem!" Virginia soll ihrem Vater aus dem Buch des „Franzosen, der nicht an das Denken glaubt", vorlesen. „Aber nur, was ich aussuchte." Sie beginnt mit der letzten Inschrift: „Ohne Schwanken." „Nichts sonst?", fragt Galilei zurück und erklärt, als sie verneint, die Gültigkeit des Rates aus eigenen Wahrnehmungen. Subtil differenzieren auch im folgenden Galileis Kommentare: Er stimmt zu, wägt ab, geht über einen Satz hinweg, indem er seine Tochter bittet fortzufahren, verwirft einen anderen mit dem Wort „Unsinn", er schweigt. Doppelt angestrichen ist im Buch ein Vers aus Prediger 6, der im Stücktext in einer Fassung Brechts erscheint; Galilei hört ihn ruhig an: „Wie ein Schatten hat Gott den Menschen erschaffen. Wer kann ihn richten, wenn die Sonne untergegangen ist?" 239

Î0iontaiflnr V u t l j e r : I > u w e i ß t ti « ¡ A t , 06 bieä o b e r b a è g e r a t e n roirb; u n b ob e* b e i b e é g e r i e t e , fo reàre ti b e f f e r . 19. Homo

s u m , h u m a n i m e nihil alienum pulo. ( î r r f i u , H e a u t o n t l m o r o u m e n o s , 1, I.) 3 K e n f d ) b i n id), u n b n i d ) t e S » e n f d ) I i d i e « a d ) t id) m i r fremb. SO. Ne

plus sapías, q u a m necesse est, ne obstupescas. T4I iuht »es XniM V«r '/cri . 5 f** - S^JÜTJ^Z I J SjR ft»fntr iwBfii. iel {« « • •· Ato»fr. Atwtó, Ri, 4βι , Addjl M ' I M* IKT #Ut

Zensurexemplar „Fürs Kind", Wiener Stück von Hermann Richard. Landesarchiv Berlin

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amüsanten Einblicken in die Intimsphäre der königlichen Familie, einst der ärgerniserregende Stein des Anstoßes für die Kabinettsorder, sowie Heinrich von Kleists lange geschmähter „Prinz von Homburg". Allein die grundsätzliche Empfindlichkeit gegen die dramatische Verarbeitung von historischen Begebenheiten, insbesondere der Katte-Tragödie, blieb davon weitgehend unberührt Heinrich Laubes „Prinz Friedrich" sollte der Weg auf die Bühne verwehrt werden. „Verboten" heißt es kurz und bündig in dem entsprechenden Pflichtexemplar, darin sich der Zensor jene Rede der Königin besonders markiert hatte, in der es heißt: „Friedrich, mein Sohn, beharre darauf, dass Du Kurprinz von Brandenburg bist und sein wolltest; Kaiser und Reich schützen Dich dann vor einem unmenschlichen Vater."^ Mochte gegebenenfalls ein Vater unmenschlich und Tyrann sein, König Friedrich Wilhelm I. konnte und durfte es auf öffentlicher Szene nimmermehr. Wie schmal zuweilen der Grad zwischen Sitten- und Ordnungswidrigem war, zeigt das Wiener Stück „Fürs Kind" 1 * von Hermann Richard, das im April 1900 zwar den Weg auf die Bretter des Wiener Josefstadttheaters gefunden, jedoch im Juni desgleichen Jahres vergeblich um Einlass in das Berliner Neue Theater ersucht hatte. Was hier alles fürs Kind aus existentieller Not geschieht oder unterbleibt und Lini Attinger, seiner Mutter, sexuell abgenötigt wird, ging dem Zensor nach herrschendem sittlichen Verständnis gewiss gegen den Strich. Doch schwerer noch wogen Mord und Totschlag, provozierte jenes „Recht hab i than!" des unglücklichen Täters, mit denen das Drama sein Ende findet, den ordnungspolizeilichen Einspruch. Allgemein, so Lothar Schmidt, sind es „drei Artikel geistiger Kontrabande [...], nach denen prinzipiell und von berufswegen der Zensor den Thespiskarren durchstöbert. Sie tragen die amtlichen Rubra: a) Sexuelles; b) Religiöses; c) Politisches."1^ Wer aber waren jene Beauftragten des Polizeipräsidenten, die mit dem Stift in der Hand Stück für Stück und Zeile um Zeile auf offenkundige oder versteckte Ordnungs- bzw. Sittenwidrigkeiten hin zu überprüfen hatten? Wie und mit welchen Maßgaben sie sich ans Werk machten, 13 Heinrich Laube, Prinz Friedrich. Schauspiel in fünf Akten. 2. Aufl. Leipzig 1875. S. 185. Landesarchiv Berlin. A Pr.Br.Rep.030. Nr. 35. 14 Hermann Richard, Fürs Kind. Wiener Stück in drei Aufzügen. Leipzig o.J. Berliner Landesarchiv. A Prir.Rep.030. Nr. 1465. 15 Lothar Schmidt, Polizei und Bühne. A.a.O.

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Männer fesselt. (LES FÊTARDS) VanpM •Rep.^" on Victor Roger.

ist häufig dargelegt worden, ihre eigene Person hingegen stand dabei nur selten in Rede. Was freilich gemeinhin von ihnen zu halten sei, dies hat der in Zensurquerelen hinlänglich erfahrene Johann Nepomuk Nestroy auf die satirisch zugespitzte Formel gebracht: „Ein Zensor ist ein menschgewordener Bleistift oder ein bleistiftgewordener

Mensch, ein fleischgewordener Strich über die * Erzeugnisse des Geistes" AM, (Freiheit in Krähwinkel). ν«»· «« HU TIPI 4 C». PARIS In der Tat, viel mehr und ->l «W-TWI· anderes gibt die „Preußische Theaterzensurbibliothek" von ihren BearbeiPflichtexemplar „Wie man Männerfesselt", tern zunächst nicht preis. Vaudeville in drei Akten von A Mars und Sie, die gleichsam als M. Hennequin. Landesarchiv Berlin „Buchhalter in der Registratur des Geistes" (Voltaire) über Jahrzehnte hinweg dem Bühnenleben den amtlichen Stempel der Zeit aufdrückten und durch Verbote so manchen Schriftsteller und sein Werk der Vergessenheit überantworteten oder - obschon gänzlich unbeabsichtigt - zu unverhoffter Aufmerksamkeit verhalfen, sind meist namen- und gesichtslos an den Rand der Geschichte gerückt. Von den Auswirkungen ihres Tuns auf das eigene private Lektüreverhalten weiß man ebenso wenig wie von den Irritationen, die ihnen die Erfahrung einer von Fall zu Fall nachträglich verfügten Aufhebung ihrer Beurteilung bereitet haben mag. Hinter den von ihnen angefertigten Strichfassungen aber tritt ein sie einender Wesenszug hervor: ihre Pedanterie im Umgang mit Texten. Im Aufspüren von Regelverstößen, gleich welcher Art, nahm es so mancher Vollzugbeamte

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nur allzu genau. So kennzeichnete der Zensor der 1901 aus sittenpolizeilichen Gründen verbotenen Vaudeville „Coralie & Cie." 16 eine verkehrt eingeheftete, auf dem Kopf stehende Seite mit den entsprechenden Zusätzen „unten" und „oben". Ordnung freilich hatte auch nach allen Regeln der Orthographie zu herrschen. In diesem schulmeisterlichen Sinne zumindest versah der Begutachter von Max Halperns Sittendrama „Verkommen" 1 ? sein Amt, indem er gleichermaßen Sitten- wie Rechtschreibwidriges peinlich genau mit dem Stift anmerkte. Dass dem Alexanderplatz- und Nationaltheater die Aufführung des Stückes unter dem Datum des 11. Oktober 1894 untersagt wurde, scheint weder die Theaterdirektion noch den Dramatiker sonderlich geschreckt zu haben. Denn knapp zwei Wochen später lag das zwar gekürzte, aber in den beanstandeten Stellen nur unwesentlich geänderte Manuskript erneut zur Prüfung vor, jetzt allerdings unter dem Verfassernamen Norbert Hofmeister und dem vergleichsweise harmlos klingenden Titel „Die Kameraden"18. Die sonderbare Duplizität mag möglicherweise unbemerkt geblieben sein, über die zu inkriminierenden verwerflichen Passagen jedoch ließen sich die verantwortlichen Prüfer in keiner Weise hinwegtäuschen. In jedem Falle fiel das in offensichtlicher Nachfolge von Gerhart Hauptmanns „Vor Sonnenaufgang" verfasste, grellfarbige Sittendrama der Zensur zum Opfer. Lothar Schmidts Bettelskizze „Johannes"1? hingegen wurde mit Ausnahme des Gestrichenen für Max Reinhardts Kabarett „Schall und Rauch" genehmigt, gestrichen allerdings war nahezu alles. Kurz, man war in jeder Hinsicht um Gewissenhaftigkeit bemüht. Ein nicht einfaches Unterfangen, mussten die Stücktexte doch unter vielfältigen Aspekten geprüft werden. So galt es unter anderem auch die Einschränkung der Spielerlaubnis hinsichtlich besonderer Feiertage, etwa zu Pfingsten oder an Totensonntag, zu berücksichtigen sowie - ab 1914 - verstärkt den politischen Umständen Rechnung zu tragen.

16 Albin Valabrègue und Maurice Hennequin, Coralie & Cie. Vaudeville in drei Akten. Ubersetzt und für die deutsche Bühne bearbeitet von Maurice Rappaport. Typoskript Berlin o.J. Landesarchiv Berlin. Prj3r.Rep.030. Nr. 1466b. 17 Max Halpern, Verkommen. Sittendrama in einem Aufzug. Hs. Landesarchiv Berlin. PrJ5r.Rep.030. Nr. 337. 18 Norbert Hofmeister, Die Kameraden. Sittendrama in einem Aufzug. Hs. Landesarchiv Berlin. Pr.Br.Rcp.030. Nr. 406a. 19 Lothar Schmidt, Johannes. Eine Bettelskizze. Berlin 1901. Landesarchiv Berlin. 1862a.

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Pflichtexemplar „Der Leutnant vom Himmel", Posse mit Gesang von Meillawitsch, mit polizeilichem Vermerk über das Tragen von Uniformen. Institutfür Theaterwissenschaft der Freien Universität Berlin Björnstjerne Björnsons Drama „Der König" etwa, das noch im April 1914 für das Lessing-Theater genehmigt worden war, wurde 1916 „mit Zustimmung des Oberkommandos in den Marken während der Dauer des Krieges verboten [...], weil von der Aufführung dieses Stückes in der jetzigen Zeit eine zur Störung des Burgfriedens geeignete Beunruhigung weiter Kreise der Bevölkerung zu befürchten sein würde". 20 Immer wieder geriet das vorgegebene, starre Regelwerk der Zensur gegenüber der sich stetig wandelnden Zeit in Verzug, galt es neuen gesellschaftlichen Umständen und Widerständen zu begegnen. Ein Dilemma, das sich nicht zuletzt an dem Wechselspiel von Verbot, Revidierung und abermaliger Verfügung beobachten lässt. Auch davon zeugen die Exemplare der „Preußischen Theaterzensurbibliothek". Dass ästhetische Fragen nicht in den Blick der Zensur rückten, lag in der Natur der Sache, die sich um die Ruhe und Ordnung im Staat zu 20 Vermerk des Polizeipräsidenten in: Björnstjerne Björnson, Der König. Schauspiel in vier Akten, einem Vorspiel, vier Zwischenspielen und einem Nachspiel. Deutsch von Julius Elias. Berlin o.J. Landesarchiv Berlin. PrBr.Rep.030. Nr. 1783h.

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bekümmern hatte. Allein, selbst heute noch gilt weit mehr der Tätigkeit des Bewahrens denn dem Bewahrten, gilt der Zensur und nur am Rande den zensierten Texten das vornehmliche Augenmerk. Ein wenig, so scheint es, macht man sich mit der Zensur gemein, deren Urteilskriterien sich nicht an künstlerischen Qualitäten bemessen, sondern an dem Zweckdienlichen. Als ein literarischer Ort wäre mithin die „Preußische Theaterzensurbibliothek" wohl erst noch zu entdecken, d. h. der Leser ist gefordert. Erneut gerät das Drama ins Zentrum des Interesses. Wie immer der ästhetische Befund im einzelnen Falle auch heute ausfallen mag, von dem, was einst auf der Bühne Laut und Gestalt in der theatralischen Umsetzung erfuhr, geben die Stücke nichts preis. Um die Wirkungsmächtigkeit des lebendigen Spiels, dem mit keiner noch so buchstabengetreuen Prüfung beizukommen ist, wusste auch die damalige Zensurbehörde, die durch eigens abgestellte Inspektoren die Aufführungen überprüfen und entsprechende Rapporte anfertigen ließ. In ihnen findet sich die Geschichte der „Preußischen Theaterzensurbibliothek" fort- bzw. zu Ende geschrieben: als Kommentar, Erläuterung und Dokument einer, allen Bemühungen zum Trotz, oftmals vergeblich geübten Zensurpraxis.

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M A R T I N HOLLENDER

DIE BESONDERE, DIE OPTIMALE BIBLIOTHEK UMBERTO ECOS - UND WARUM SIE NICHT ZU VERWIRKLICHEN IST

Die wahrhaft besondere Bibliothek: das ist doch vor allem j e n e Bibliothek, die ihren Benutzer vollends zufriedenstellt, j a beglückt; eine Bibliothek jenseits jeder Mäkelei ihrer Besucher, in der bibliothekarisches Denken und Handeln einzig und ausschließlich auf den Leser und nicht mehr auf die Bücher, die Verkomplizierung der Geschäftsgänge oder gar die Bibliothekare selbst ausgerichtet sind. Eine solche Bibliothek existiert - zumindest als Wunsch, als sehnsüchtige Forderung eines der profundesten hommes de lettres. A m 10. März 1981 hielt Umberto Eco den Festvortrag anläßlich des fünfundzwanzigsten Jubiläums der Mailänder Stadtbibliothek im Palazzo Sormani. 1 Eco stellt in seiner Rede ein Negativmodell auf, das Modell einer Bibliothek in ig Punkten: Kritikpunkten also. Jeder von uns könne in diesem Negativmodell Elemente finden, die ihn an eigene Abenteuer in den entlegensten Bibliotheken unseres Landes oder anderer Länder erinnern.2 In neunzehn Schritten wandert Eco durch eine fiktive Bibliothek und folgt den W e g e n eines typischen Benutzers: er sucht zunächst im Katalog (1), wundert sich über die v o m Bibliothekar vergebenen Schlagworte des Sachkataloges (2) und hat Schwierigkeiten mit den Signaturen der von ihm ermittelten Bücher (3). Er bestellt (4), erhält nur ein einziges Buch ausgehändigt (5) und stöhnt über die Benutzungsmodalitäten des

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Ecos Rede erschien zunächst in den Quaderni di Palazzo Sormani, 6, 1981 und wurde dann in den Sammelband Ecos Sette anni di desiderio (Milano: Bompiani 1983, S. 237-250) aufgenommen. - Im Folgenden wird zitiert nach der deutschen Ausgabe: Eco, Umberto: D i e Bibliothek. Aus d e m Italienischen von Burkhart Kroeber, München: Hanser 1987.

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Eco, Die Bibliothek, S. 15.

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UMBERTO ECO DIE BIBLIOTHEK Hanser

Umberto Eco: Die Bibliothek, München: Hanser 1987

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Lesesaales (ó). Alsdann möchte Eco fotokopieren (7), wird aber von einem Bibliothekar scheel beäugt (8), woraufhin er sich Gedanken über die Muskelleistung der Bibliothekare hingibt (9), sich zur Auskunft bewegt (10), ein Buch nach Hause entleihen möchte (11), eine Fernleihbestellung aufgibt (12) und, wie wohl mancher unzufriedene Benutzer, über Bücherdiebstahl sinniert (13). Die Schließung der Bibliothek rückt unerquicklich nahe (14), gleichwohl bedarf es einer körperlichen Stärkung (15), weil das erst gestern benutzte Buch heute nicht mehr auffindbar ist (16). Der Name desjenigen, der die Kühnheit besaß, andere, von Eco benötigte Bücher zu entleihen, wird zu seinem Arger von der Bibliothek nicht preisgegeben (17). Mittlerweile macht sich das dringende Bedürfnis nach einer Toilette breit, die indes nirgends sichtbar ist (18) - so daß Eco, grenzenlos frustriert, dankbar ist, überhaupt die Bibliothek noch betreten zu dürfen (19) - findet er doch schon nicht jene Bücher, deretwegen er gekommen war, geschweige denn jene Bücher, die er zufällig stöbernd zu entdecken sich erträumte. Eine wahrhaft miserable Bibliothek ist dies, nämlich eine, wie Eco es formuliert, gute Bibliothek im Sinne einer schlechten Bibliothek. Zugleich wäre also, philosophisch-logisch etwas vereinfacht, der Umkehrschluß der Stein der Weisen auf dem W e g zur idealen, der besonderen Bibliothek: jene Bibliothek, der es jemals gelingen sollte, Ecos Thesen von der abschreckenden Bibliothek, dem ungeheuren Alptraum und totalen Horrorgebilde,i ad absurdum zu führen, wäre ein Eldorado für den Leser, das Paradies der Lektüre. Seine Rede, mittlerweile zwanzig Jahre alt, wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und wird auch heute noch im deutschen Buchhandel vert r i e b e t - ein Beweis für die weitgehende Aktualität seiner kritischen Anliegen auch nach der tiefgreifenden infrastrukturellen Veränderung im Bibliothekswesen durch die Ersetzung der papiernen Kataloge („Zettelkästen") durch maschinenlesbare Kataloge in Datenbankform. Anderes wiederum - insbesondere auf dem Sektor der seit einiger Zeit verstärkten Dienstleistungsorientierung des Öffentlichen Dienstes konnte erfolgreich modifiziert werden, so dass die Eco'sehen Mónita in

3 Ebd. 4 Der Text fand Einzug in die 1998 bereits in der sechsten Auflage verbreitete Essaysammlung Wie man mit einem Lachs verreist und andere nützliche Ratschläge.

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manchem heute bereits reichlich überholt wirken. Es lohnt sich, Punkt für Punkt die 19 Vorwürfe Ecos an das Bibliothekswesen unter die Lupe zu nehmen und - mit dem Abstand der seither verstrichenen zwanzig Jahre - aus bibliothekarischer Perspektive zu beantworten.

1. Die Kataloge müssen so weit wie möglich aufgeteilt werden: man verwende größte Sorgfalt darauf den Katalog der Bücher von dem der Zeitschriften zu trennen und den der Zeitschriften vom Schlagwort- oder Sachkatalog desgleichen den Katalog der neuerworbenen Bücher von dem der älteren Bestände. (...) Getrennte Kataloge für verschiedene Bestände sind keine Willkür des Bibliothekars. Warum auch? Mehrere Kataloge zu pflegen, verursacht weitaus mehr Arbeit als nur einen einzigen, riesigen Sammelkatalog zu führen. Und kein Bibliothekar macht sich gerne mehr Arbeit als unbedingt nötig. Alle diese Trennungen haben eine Ursache: entweder eine historische (Krieg und Frieden zumeist) oder eine ganz nahe liegende: die Steigerung der Benutzerzufriedenheit. Schikane ist die Katalogaufspaltung nie, sie soll vielmehr zu einer Recherchevereinfachung beitragen. Riesige Datenmengen, ganz gleich ob auf Zettelkärtchen oder in Datenbankform, verlangen in Großbibliotheken mit Millionen von Titelnachweisen nach einer Separierung, sonst werden die Titelhäufungen für die Benutzer unübersichtlich und damit unbrauchbar. Und doch: die Katalogaufsplittung ist stets nur ungenügender Notbehelf gewesen, um in computerlosen Zeiten in einem Meer von Zettelkästen eine gewisse Uberschaubarkeit zu garantieren. Seit dem Erscheinen von Ecos Essay vor zwanzig Jahren hat sich manches zum Positiven verändert: nachdem die Literaturbeschreibungen auf den Zettelkarten in eine maschinenlesbare Form überführt und die alten Zettelkästen (zumeist) fortgeräumt werden konnten, sind moderne Katalogdatenbanken entstanden, die es erlauben, aus der Flut an neuen und alten Zeitschriften und Büchern, Karten, Aufsätzen und Schriftenreihen, C D R O M s und Handschriften, Mikrofilmen und Nachlaßmaterialien das Gewünschte sinnvoll auszuwählen. Der große Einheitskatalog, der aber gerade kein Schwarzes Loch ist, in dem alle Bibliotheksbestände gesichtslos werden und nie mehr schnell und mühelos greifbar sind, sondern in dem der Gesamtbestand systematisch strukturiert nach den persönlichen

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Wünschen des Benutzers durchforstet werden kann: er ist auf dem Weg. Weltweit arbeiten Bibliothekare an der Zusammenfügung des Verstreuten, an der Homogenisierung der heterogenen Kataloge. Der W e g aber ist weit: eine große Universalbibliothek wie die Staatsbibliothek zu Berlin verfügt, vom kleinsten Notizzettel Immanuel Kants bis zu einem 500 Kilo schweren Weltatlas des Großen Kurfürsten, summa summarum über weit mehr als 15 Millionen Einzelstücke. Diesen Kosmos an Literatur mit ihren orientalischen, chinesischen und japanischen Schriften in einen einzigen Katalog zu integrieren, werden weder Umberto Eco noch wir Heutigen mehr erleben. Jedes einzelne Buch, der einzelne Brief und jede mittelalterliche Handschrift muß einzeln, teilweise von Fachwissenschaftlern, sorgfältig bearbeitet werden: eine Herkulesaufgabe ist dies, für die den meisten Bibliotheken schlicht das erforderliche Personal fehlt. 2. Die Schlagworte müssen vom Bibliothekar bestimmt werden. (...) Von wem sonst? V o m Benutzer oder gar vom Verfasser des Buches? Der eine Benutzer bzw. Autor nennt den 8. Mai 1945 „Befreiung", der andere nennt ihn „Niederlage". Wonach nun aber suchen? Zeitaufwendig nach beiden Begriffen? Einzig der Bibliothekar gewährleistet eine normierte und ideologiefreie Klassifizierung des Millionenheeres von Büchern und sonstigen Medien. Dass das Sich-Einfinden in die Systematiken der Bibliotheken eine Wissenschaft für sich ist: nur weltfremde, wirklichkeitsentrückte Bibliothekare werden dies bestreiten wollen. Ein wenig Einfühlungsvermögen muß der Leser nun einmal mitbringen, wenn er eine Bibliothek optimal nutzen will: und dazu gehört nicht zuletzt auch, sich die Prinzipien der jeweiligen Sachkatalogisierung anzueignen. Hinzu kommt: ähnliche Schlagworte verweisen aufeinander. Damit alle, alle Termini sich an einer Systemstelle wiederfinden und der Benutzer dank des Gedankenschweißes des Bibliothekars - an der Systemstelle Schwangerschaftsabbruch alle Bücher erhält, ganz gleich, ob der Autor von Abtreibung, von der Tötung Ungeborener oder von Schwangerschaftsunterbrechung spricht. Die Internationalisierung des Bibliothekswesens führt überdies zu Kooperationsverfahren bei der sachlichen Erschließung, die es durch Verknüpfungen und Konkordanzen - mittelfristig - ermöglichen wird, mit den deutschsprachigen Schlagworten auch fremdsprachige Titel in ausländischen Bibliothekskatalogen angezeigt zu erhalten.

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Im Einzelfall hat sich ein jeder schon mindestens einmal über die sonderbaren oder gar sachlich falschen Notationen oder Schlagworte gewundert oder geärgert - w o Menschen arbeiten, werden Fehler gemacht; auf lange Sicht aber lohnt es sich, die inhaltliche Erschließung des Buches den Bibliothekaren mit ihrer ruhigen Hand und dem fachlich rückwärts- wie vorwärtsgewandten Blick vorzubehalten.

3. Die Signaturen müssen so beschaffen sein, daß man sie nicht korrekt abschreiben kann, nach Möglichkeit so viele Ziffern und Buchstaben, dass man beim Ausfüllen des Bestellzettels nie genug Platzfür die letzte Chiffre hat und siefür unwichtig hält; so daß dann der Schalterbeamte den Zettel als unvollständig zurückgeben kann. Signaturen sind zumeist mehr als nur eine willkürliche Kombination aus Zahlen und Buchstaben; sie verraten dem, den es interessiert, nicht allein den Standort des Buches, sondern mitunter auch etwas über seinen Inhalt. Freilich: es geht auch kürzer. Eine Signatur 98/524 bedeutet dann nicht mehr, als dass es sich um das 524. Buch handelt, dass im Jahre 1998 erworben wurde. Bei Beständen, die die Zehn-Millionen-Marke überschritten haben, werden die Zahlen freilich trotzdem rasch lang. Aber diese Methode wünscht Umberto ja gar nicht. Denn das danebenstehende 523. im Jahre 1998 angeschaffte Buch behandelt das Zivilrecht im Baltikum, das 525. Buch traktiert die Durchlässigkeit von Molybdänstahl: Bücher sind dies, die Umberto Eco niemals interessieren, die aufgrund der sog. numerus-currens-Methode fachlich unsortiert so in die Magazinregale eingestellt werden, wie der Lieferant sie anliefert: Romantik neben Kernspaltung, Anatomie des Schäferhundes hinter Ecos ,Foucaultschem Pendel'. Eco nämlich fordert mehr: die Selbstbedienung des Lesers und zugleich die systematische Aufstellung der Bücher: das Schönste an diesen (...) Bibliotheken ist (...), daß man Zugang zu den stacks hat. Mit anderen Worten, man muß das gewünschte Buch nicht erst lange bestellen, sondern man passiert mit einem Ausweis einen elektronischen Zerberus, nimmt einen Lift und gelangt direkt ins Magazin zu den Bücherregalen. (...) Warum ist nun derfreie Zugang zu den Regalen so wichtig? Eines der Mißverständnisse, die den allgemeinen Begriff der Bibliothek beherrschen, ist die Vorstellung, daß man in eine Bibliothek geht, weil man ein bestimmtes Buch haben will, aber

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die Hauptfunktion einer Bibliothek (...) ist die Möglichkeit zur Entdeckung von ^ ^ ^ Existe^^^

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entdecken können), und neUmberto Eco TT •] . π π . i ti Karikatur von lom Batchell

^uch, dessentwegen man &gekommen ist, & ' ein anderes Buch zu finden, das man gar nicht gesucht hatte, aber das sich alsfundamental darstellt. Mit anderen Worten, die Idealfunktion einer Bibliothek ähnelt ein bißchen derjenigen der Bouquinisten am Seineufer, bei denen man Trouvaillen machen kann, und diese Funktion erhält sie nur durch den freien Zugang zu den Regalen."?*

Nirgends ist Eco uneingeschränkter zuzustimmen: die Bibliothek als grenzenlose „Freihandlandschaft" ist ein wunderbarer Traum. Doch zurück zu Ecos Desiderat kurzer, unkomplizierter Signaturen: sein Idealbild der inhaltlich beieinander aufgestellten Bücher führt notwendigerweise zu den von ihm kritisierten Bandwurmsignaturen. Wie sollte es anders sein? Wenn Eco an jenen Regalen stöbern möchte, die sich in dem sehr speziellen Umfeld etwa der Untersuchungen zur Symbolbedeutung in 5

S. 2if.

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der polnischen Spätromantik bewegen, ist es mit einer dreistelligen Signatur nicht mehr getan. Da helfen, bei der Fülle der Hunderttausenden und Millionen Bücher, nur noch tiefgegliederte Hierarchiesysteme aus Zahlen, Klein- und Großbuchstaben, Schräg- und Bruchstrichen. Grundsätzlich aber formuliert Eco hier den ewigalten Traum des Lesers: wem es einmal gelungen ist, in das Wespennest desjenigen Regales gestoßen zu sein, das dem eigenen Interesse am nächsten kommt, über den ergießt sich ohne jeden weiteren Aufwand ein Füllhorn an Literatur gleichen und ähnlichen Inhalts. Bibliothekare halten nun große Schilder in die Luft, auf denen mit breitem Pinsel gemalt das Wort ABER... steht: freilich, Einwände finden sich immer. Jenes Buch, das Goethe und zugleich auch mit identischer Gewichtung Schiller abhandelt: wird es bei Goethe oder bei Schiller aufgestellt oder soll man es vielleicht in der Masse an allgemeiner Klassik-Literatur .verstecken'? (Eco würde selbstredend fordern, das Buch zweimal zu kaufen und nach der sowohl-als-auch-Methode zu verfahren...). Die Bedenkenträger verstummen nicht und machen auf den weitaus höheren Platzbedarf aufmerksam: wer brav nach der oben beschriebenen numerus-currensMethode Buch hinter Buch stellt, kann räumlich exakt kalkulieren. W e r aber sachlich aufstellt, muß ständig Bücher verschieben, die ganze Bücherwelt ist ständig in Bewegung. Denn zu manchen Wissensgebieten erscheint über Jahre hinweg kein einziges Buch, plötzlich avanciert .Preußen' aber zu einem Modethema, der Regalplatz reicht nicht aus, es wird verschoben und gerückt, was weitreichende Auswirkungen auf andere Regale bis hin selbst ins letzte Regal hat... Kleinliche Einwürfe sind dies, so mag es scheinen: und dennoch: in der bibliothekarischen Praxis ist es so, ist es leider so. Bücher brauchen Pflege, auch jene, die scheinbar bar jeder Bestimmung in ihren Regalen schlummern und auf universal interessierte Leser wie Umberto Eco warten. Platzkapazitäten aber gibt es in Bibliotheken so wenig wie Mitarbeiter. Ständig stößt der Bibliotheksbetrieb an seine Grenzen; zu träumen und die Visionen Ecos vom schier unendlichen Freihandmagazin zu konkretisieren, scheitert an den begrenzten Mitteln, die nur sinnvolle Zwischenformen erlauben. Nur mit gefüllten Kassen und hinreichender Manpower ließe sich eines fernen Tages ein echter Wissenskosmos schaffen: ein Irrgarten des Gedruckten, geeignet für mehrwöchige Wanderungen durch die kulturelle Menschheitsgeschichte.

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4- Die Zeit zwischen Bestellung und Aushändigung muß sehr lang sein. Nein, sie m u ß sehr kurz sein: mit der Zeit des Lesers ist sparsam umzugehen. Eco ist wiederum uneingeschränkt zuzustimmen. Und dennoch: Voraussetzung ist eine großzügige Etatisierung, die eine allzu geizige Ausstattung mit „Magazinern" verhindert. Das wäre wohl schön: der Benutzer bestellt ein Buch - und augenblicklich setzt sich ein „Magaziner" in Bewegung, u m das Buch „auszuheben". Weit gefehlt, die personelle Misere führt dazu, dass Leihscheine gesammelt werden: erst wenn zwanzig, dreißig, vierzig Bestellungen beisammen sind, lohnt sich eine Tour durch die Regale. Die Bestellungen werden sogar nach Signaturen sortiert (ein Beitrag ist dies zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit im Öffentlichen Dienst), u m ein möglichst rationelles Arbeiten mit möglichst geringen Kilometerzahlen sicherzustellen - der einzelne Benutzer gelangt so aber auch nicht schneller zu seinem Buch. In einer durchschnittlichen Universitätsbibliothek wird pro Jahr mehr als eine halbe Million Bücher entliehen (die anschließend schnellstmöglich wieder zurückgestellt werden müssen; und wehe, eines wird verstellt und dadurch unauffindbar). Abhilfe schafft alleine eine großzügigere finanzielle Ausstattung: in der besonderen Bibliothek wüßte der Benutzer, dass genügend Magaziner auf Abruf bereitstehen, um ihm nach spätestens einer Viertelstunde das bestellte Buch aushändigen zu können. Er wüßte - der Konjunktiv ist unabdingbar. Denn angesichts sinkender statt steigender Bibliothekshaushalte wird der Benutzer alsbald wohl noch länger als mancherorts schon heute üblich auf seine Bestellungen warten müssen.

5. Es darf immer nur ein Buch auf einmal ausgehändigt werden. W i r wissen nicht, in welcher Bibliothek Eco solche abstrusen Erfahrungen gemacht hat und wir wollen hoffen, dass es derlei in unseren Tagen nirgends mehr gibt. Bei hoch wertvollen Büchern und Handschriften mag das Verfahren korrekt sein, damit die Übersichtlichkeit nicht perdu geht; bei der Massenware der modernen Gebrauchsbücher jedoch sollte der Benutzer mindestens ein Dutzend Bücher auf einmal bestellen dürfen. Aber wo darf er das nicht? Hoffentlich tatsächlich nirgends...

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6. Die ausgehändigten Bücher dürfen, da mit Leihschein bestellt, nicht in den Lesesaal mitgenommen werden, so daß man sein Leben in zwei Teile aufspalten muß, einen für die Lektüre zu Hause und einen für die Konsultation im Lesesaal Die Bibliothek muß das kreuzweise Lesen mehrerer Bücher erschweren, da es zum Schielen führt. Siehe 5.: der Benutzer ist König, nicht der Bibliothekar. Und der Bibliothek muß die Benutzungsbedingungen stets weiter dahingehend optimieren, komplizierte Regularien für den Leser abzubauen. Heikel wird's erst, wenn der Benutzer die Bibliothek verläßt: wie am Drehkreuz feststellen, ob das Buch, mit dem er das Haus verläßt, auf seinen Namen ausgeliehen ist? Die IT-gestützten Verbuchungsverfahren machen es heute möglich, hier binnen Sekunden Klarheit zu schaffen und zwischen mutmaßlich zu stehlenden Büchern und den rechtmäßig entliehenen blitzschnell zu scheiden. Arbeitsvereinfachungen sind dies, von denen Eco 1980 nur träumen konnte. Außerdem: warum sind eigentlich viele Bücher nicht ausleihbar? Dies ist kein böser Wille der Bibliothekare, ganz das Gegenteil. Nicht ausleihbar sind in der Regel nämlich Standard-

Lesesaal der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, Haus Potsdamer Straße Foto: Florian Bolk

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und Nachschlagewerke, die man - wie Eco richtig sagt - lediglich „konsultiert" und nicht von der ersten bis zur letzten Seite zu Hause lesen muß. Die Bibliothek bemüht sich daher, sie möglichst vielen Benutzern unmittelbar und mehr oder weniger gleichzeitig zugänglich zu machen, indem sie sie nicht für Wochen an nur einen Benutzer ausleiht, sondern als nicht ausleihbar in den Lesesaal stellt.

7. Es sollte möglichst überhaupt keine Fotokopierer geben; falls doch einer da ist, muß der Zugang weit und beschwerlich sein, der Preis für eine Kopie muß höher sein als im nächsten Papiergeschäft und die Zahl der Kopien begrenzt auf höchstens zwei bis drei Seiten.

Ganz abgesehen von der Problematik des Urheberrechts, das das Fotokopieren von ganzen Büchern verbietet: Nichts von dem hier Monierten dürfte in einer durchschnittlichen Bibliothek heute noch anzutreffen sein. Die Infrastruktur ist modern und preiswert; mit leisen, schnellen, umweltschonenden und preiswerten Fotokopierern und vielerorts mit Farbkopierern, Scannern und Download-Funktion zur Versendung von Netzdokumenten haben die Bibliotheken einen enormen Sprung nach vorn gemacht. Exzerpte aus den Originalen sind nahezu überflüssig geworden - abgesehen freilich von Büchern mit solch bröseligem Papier, das die Lichtblitze und die Wärme der Kopierer nicht mehr verkraftet.

8. Der Bibliothekar

muß den Leser als einen Feind

(andernfalls wäre er bei der Arbeit) und als potentiellen

betrachten, als

Nichtstuer

Dieb.

Ach was. Der Leser sichert ja erst den bibliothekarischen Arbeitsplatz: wo in den Lesesälen kein reges Treiben herrscht, verliert der Bibliothekar die Daseinsberechtigung. Es wäre zu viel des Guten, Ecos Modell hier blindlings in sein Gegenteil zu verkehren und zu behaupten, der Leser sei nicht der Feind, sondern der Freund des Bibliothekars: nein, soweit reicht die Liebe des Bibliothekars denn doch nicht. Der Leser ist der Kunde; und der Kunde ist König und soll optimal versorgt werden. O b er ein Nichtstuer ist, ist dabei völlig unerheblich. Als Dieb, als potentieller Dieb aber muß der unbekannte Leser leider tatsächlich angesehen 285

werden: niemandem liest man seine kriminellen Energien an der Nasenspitze ab - und die manchmal erst nach Jahren entdeckten Beschädigungen durch herausgetrennte Seiten bzw. Kupferstiche sind so beträchtlich, dass ein laissez-faire leider nicht möglich ist. Eco geht aber noch weiter: er nennt die ideale Bibliothek diejenige, die den Diebstahl durch Ankauf neuer Exemplare wettmacht, auch wenn es sich um antiquarische Bücher handelt. Ein Millionärsprinzip, gewiß, aber ein Prinzip. Die Grundfrage ist, ob man will, dass die Bücher gelesen werden können, oder nicht; will man es und wird dann ein Buch gestohlen oder zerstört, so kauft man eben ein neues.6 Ganz abgesehen davon, daß man längst nicht alles nachkaufen kann: Eco meint dies offensichtlich ernst und offenbart eine rührende Naivität angesichts leerer bibliothekarischer Erwerbungskassen, er legt jedoch auch eine bedenkliche Ex-und-Hopp-Mentalität an den Tag, ein W e g werfdenken, wie es der weltweiten Büchergemeinde seit jeher unbekannt ist. Selbst w e n n sich Ecos Visionen finanzieren ließen: öffnete man nicht dem Bücherdiebstahl erst recht T ü r und Tor? In dem ruhigen Gewissen, dass das Gestohlene j a ohnehin, und sei es noch so wertvoll, selten und alt, nachgekauft wird, stiehlt es sich vermutlich weitaus ungenierter und sorgloser.

p. Fast das ganze Personal muß an irgendwelchen körperlichen Gebrechen leiden. Sonderbar. Körperliche Leistungsfähigkeit braucht's in einer Bibliothek nur an wenigen Orten; besticht die benutzerfreundliche Bibliothek doch eher durch fachspezifische Kenntnisse und durch Freude an der Informationsvermittlung als durch Herkuleskräfte ihrer Mitarbeiter. Genaus dies aber hält Eco für entscheidend: Gewisse Tätigkeiten in einer Bibliothek erfordern jedoch einige Kraft und Geschicklichkeit: das Klettern auf Leitern, das Tragen schwerer Lasten etc Die Spezialkenntnisse des Bibliothekars erwähnt Eco nirgends; er reduziert die Bibliothek somit in der Tat auf ein Abhollager für Bücher, ähnlich jenen blau-gelben Hallen eines bekannten Möbelhauses, in denen man sich die bestellte W a r e anonym abholt. Hier werden hinter den Kulissen tatsächlich Manneskräfte verlangt: ebenso wie in

6

S. 29.

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den Magazinen der Bibliothek wird hier gewuchtet und gestemmt. Der rechte Mann am rechten Ort: wessen Stärken mehr im Bizeps zu finden sind, arbeitet ganz naturgegeben im Magazin, wer den Leser Eco bei seinen Recherchen intellektuell unterstützt, der allerdings darf auch an allerlei körperlichen Gebrechen leiden (und glücklicherweise fühlt sich der Staat auch Schwerbehinderten in besonderer Weise verpflichtet). Das in allen Stellenanzeigen gewünschte „Mindestmaß an körperlicher Leistungsfähigkeit" (wie auch die Ermangelung dessen) ist es sicherlich nicht, was aus einer mittelmäßigen eine besondere Bibliothek macht: es ist vielmehr die optimale Kundenorientierung, ganz gleich, ob sie von einem Adonis oder einem schwer Gezeichneten in die Tat umgesetzt wird.

10. Die Auskunft

muß unerreichbar sein.

Jedem Leser, zumindest jedem ratsuchenden Leser, seinen Bibliothekar. Dies wäre die personelle Ausstattung der besonderen, der benutzungsoptimalen Bibliothek. Weit gefehlt. Dabei wäre diese Utopie für alle Seiten so berückend: denn die vertrocknete Klischeebibliothekarin mit Dutt, Bleistiftstummelverlängerer und verstockter Miene ist passé. Die heutige Bibliothekarsgeneration sieht die berufliche Erfüllung in der konkreten, ergebnisorientierten Dienstleistung und nicht in weitschweifigen Erörterungen des anno dunnemals eingeführten Klassifikationsmodells, zu dem man allerdings einige modifizierende Hausregeln beachten muß etc. etc. Informationsvermittlung heißt das Zauberwort, dem sich der heutige Bibliothekar verschrieben hat - ein mühseliges und frustrierendes Unterfangen ist dies indes, wenn man allein auf weiter Beratungsflur steht und die Schlange der Ratsuchenden wächst und wächst. Erreichbarkeit: das setzt einmal mehr voraus, dass die personelle Ausstaffierung der Bibliothek so großzügig dimensioniert ist, dass der Bibliothekar A sich getrost auch einmal gemeinsam mit dem Leser auf eine Wanderschaft durch die Bibliothek hin zum gesuchten Buch begeben kann, ohne dass Leser Eco Anlaß zur Resignation erhält. Bibliothekar Β (vielleicht auch Bibliothekar C?) existieren nämlich nicht nur in den Wunschträumen der Bibliotheksplanung, sondern ganz real am (erreichbaren) Auskunftstresen. Der Weg dahin aber mutet neuerlich unerreichbar an.

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u. Das Ausleihvetfahren muß abschreckend sein.

Es ist tatsächlich abschreckend, wie abschreckend das Verfahren an manchen Orten ist, fürwahr. Aber der durchschnittliche Bibliothekar ist, dank Ausbildung und Veranlagung, stets auch Verwaltungsbeamter. Somit kann er gar nicht anders und er darf gar nicht anders, als jenen Bürokratismus, den er privat geißelt, im dienstlichen Geschäft stets weiter zu verfeinern. Ein Ausleihverfahren zu ergründen, dass ebenso benutzerfreundlich durchschaubar wie normenkonform wäre: müßig, über solch unauflösbare Widersprüche zu sinnieren. Dennoch: die Penibilität, die der Verwaltungsbibliothekar den Benutzern beim Ausfüllen der Ausleihscheinformulare abverlangte, dürfte mittlerweile (von Ausnahmen in sehr alten und sehr komplizierten Bibliotheken abgesehen) dank der elektronischen Ausleihverbuchungssysteme der Vergangenheit angehören.

12. Die Fernleihe sollte unmöglich sein oder jedenfalls Monate dauern; am besten, man sorgt dafür, dass der Benutzer gar nicht erst erfahren kann, was es in anderen Bibliotheken gibt.

Welche eine Ehrenrettung für die moderne Bibliothek; welch ein Quantensprung seit den Zeiten Ecos vor (erst) zwanzig Jahren. Die heutigen Fernleihmethoden sind subtiler geworden: was in der heimischen Bibliothek nicht vorhanden ist, kann zumeist binnen weniger Tage geliefert werden. Nicht mehr wie früher ausschließlich in die Bibliothek, die man früher für ein einziges Buch aufzusuchen genötigt war: die modernen Dokumentlieferdienste schicken ihre Bücherpäckchen zum heimischen Briefkasten des Lesers, quasi unmittelbar in die Studierstube des Wissenschaftlers. Wenn dort die Infrastruktur vorhanden ist, bietet die Bibliothek noch mehr: Zeitschriftenaufsätze werden dem Benutzer gefaxt oder - gescannt - als Mail versandt. Von derlei Innovationen konnte Eco 1980 noch nichts ahnen. Aber die Bibliotheken waren nicht untätig, sondern haben die neuen technischen Möglichkeiten zur Verbesserung ihrer Dienstleistungen adaptiert. Der W e g zum Buch ist schneller und effizienter geworden. 288

Nicht anders ist es mit Ecos Vermutung, Bibliotheken und Bibliothekare hüteten verbissen ihr Geheimwissen, in welcher Bibliothek der Welt sich welches Buch befinde. Gesamtkataloge gab es in der Form riesiger gedruckter Bücher schon vor Jahrzehnten, ihre Benutzung erforderte weiland aber in der Tat noch eine gründliche bibliothekarische Fachausbildung. Seit Jahren nun präsentieren die Bibliotheken der Welt ihre Bestände nicht allein in OPACs, in maschinenlesbaren Katalogen, sondern sie machen sie via Internet weltweit verfügbar. Es gibt noch Lücken zu füllen, fraglos; aber die Transparenz der Bibliotheksbestände ist heute annähernd als ,Gläserner Katalog' zu bezeichnen: welche Bücher die Nationalbibliotheken von Ankara und Reykjavik archivieren, ist mit einem Dutzend Mausklicks innerhalb weniger Minuten zu ergründen.

13. Infolge all dessen muß Diebstahl möglichst leicht gemacht werden.

In der optimalen, der besonderen Bibliothek ist der Diebstahl also unmöglich gemacht: wenn es denn möglich wäre, den Diebstahl unmöglich zu machen. Denn leider ist der Bücherdieb keinen Deut edler oder einfältig-weltfremder als der gemeine Schurke: immer reagiert der Bibliothekar nur auf die neuesten Tricks der Bücherfreunde mit kriminellen Vorzeichen. Magnetstreifen im Buchrücken, die jaulen sollen, wenn der Leser durch die aufwendig eingerichteten Schleusen schlendert? Weit gefehlt, so naiv ist der bibliophile Ganove nicht. Er löst auf der Toilette den Buchblock aus dem Rücken (den mit dem Magnetstreifen, den läßt er als Trost und zynisches Andenken für die Bibliothekare zurück), deklariert diesen Buchblock als sein Eigentum (irgendwie wird ihm dieser Schmu schon gelingen) und spaziert ins Freie. Im Massengeschäft: ist die Kontrolle, gar die Leibesvisitation nicht möglich. Nur bei dringendem Tatverdacht! Andernfalls läuft man Gefahr, die unveräußerlichen Individualrechte zu beschneiden; Leserbriefe in der linksliberalen Presse drohen nicht minder... Resultat: die besondere Bibliothek wäre jene, in der niemand mardert, räubert, schummelt. Ein Eldorado von Gutmenschen ist aber auch die hehre Kulisse der Bücherwände nicht. Seit den Tagen von Ecos Räsonnieren über die gute und die schlechte Bibliothek hat sich nichts, gar nicht geändert. Traurig, aber wahr und wohl leider kaum abwendbar.

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14- Die Öffnungszeiten müssen genau mit den Arbeitszeiten zusammenfallen, also vorsorglich mit den Gewerkschaften abgestimmt werden: totale Schließung an allen Samstagen, Sonntagen, abends und während der Mittagspausen. Der größte Feind jeder Bibliothek ist der Werkstudent, ihr bester Freund einer wie Don Ferrante, der seine eigene Bibliothek besitzt, also keine öffentliche aufsuchen muß und dieser die seine bei seinem Ableben hinterlässt. A c h was. Nichts täten Bibliotheken lieber, als eight days a week, als pausenlos und ganztägig für ihre Leser zur Verfügung zu stehen. A u c h Bibliothekare suchen Erfüllung, wollen sinnvoll arbeiten und Resultate ihrer Dienstleistungsbemühungen

erleben. Ein

voller

Lesesaal: das

Herz geht auf und die Augen glänzen. Aber so ist es nicht: in aller Regel werden die Öffnungszeiten beschnitten: der

Personalhaushalt

stagniert und langwierige Erkrankungen der Mitarbeiter blockieren im Etatplan die Besetzung mit Ersatzkräften. Eine gut funktionierende Bibliothek braucht nicht allein einen für Gotteslohn in seinem Kasten sitzenden Rentner an der Eingangskontrolle: damit auch der anspruchsvolle Leser wie U m b e r t o Eco zufrieden ist, müssen j e nach Größe der Bibliothek auch in den benutzungsschwachen Stunden einer oder jeweils mehrere Bibliothekare für Buchausgabe, Buchrücknahme, Magazin und Informationsvermittlung eingeplant werden. Sponsoren sind an solch unsinnlichen Dingen ohne haptische Anmutung kaum interessiert; woher also die nötigen Mittel für solche Serviceverbesserung nehmen? Selbst w e n n Bibliotheken absolute Finanzautonomie hätten und ihren Etat nutzen könnten, wie sie wollten (zumeist dürfen sie das aber nicht): würden sie so viel Personal einstellen, um ihren Lesesaal und die B ü chermagazine auch außerhalb der Kernzeiten besetzen zu können, dann ergäbe sich zwangsläufig die Konsequenz, dass kaum noch neuerschienene Bücher angekauft werden könnten. Nachts u m halb vier wäre die Bibliothek geöffnet, ihre Bestände aber würden zusehends veralten. Es sei denn... der Etat würde durch die Haushaltsträger, fast immer die Öffentliche Hand, spürbar erhöht. Die Öffentliche Hand aber, ganz gleich, ob Kommune, Land oder Bund, ist gleichfalls klamm. Z w a r verspürt man die Notwendigkeit, Kultur, Wissenschaft und Bildung nachhaltig zu protegieren und spricht auch allerorten vollmundig von der politischen Priorität der modernen Wissensgesellschaft: kosten soll sie,

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kosten darf sie, die Bibliothek als T e i l dieser volkspädagogischen A u f gabe, aber so wenig wie nur irgend möglich. Die derzeit üblichen Öffnungszeiten sind, von den steten Ausnahmen abgesehen, weder ideal noch besonders; sie sind schlicht mittelmäßig. Ecos Forderungen aber sind aktueller denn je, wichtiger denn je; und es steht zu ihrer Umsetzung weniger Geld denn j e bereit.

15. Es muß unmöglich sein, sich innerhalb der Bibliothek irgendwie leiblich zu stärken (...). Das Angebot wird durch die Nachfrage geregelt; und viele, sehr viele Benutzer sind keine Bonvivants wie Umberto Eco, die hedonistisch z u m guten Roman eine gute Brioche und zum alten Buch einen sehr alten Cognac brauchen. Das Gros der Benutzer paukt und forscht, weltvergessen stundenlang, bis der bescheidene Gang in einen freudlosen Flur erfolgt, w o das frugale Butterbrot, die Banane und der Kaffee aus der Thermoskanne verzehrt werden. D e n meisten Benutzern gelüstet es auch nach gar nicht mehr; ihre kulinarischen Ansprüche entsprechen dem Klischee des genügsamen, sparsamen und vergeistigten Intellektuellen, dem die Bücherlust höheres Plaisir bereitet als ein raffinierter Imbiß. U n d dennoch: eine exquisite Gastronomie, integriert in das Bibliotheksgebäude: ein kühner Traum für die Bibliothekare wie für die Leser. Ein wagemutiger Pächter aber dürfte sich für derlei Projekte vielerorts nur schwerlich finden.

16. Es muß unmöglich sein, das einmal ausgeliehene Buch am nächsten Tag wiederzußnden. Non deve essere possibileritrovareil proprio libro il giorno dopo,7 sagt Eco im Original; und er meint wohl: gib'jenes Buch, das Dich auch nur noch so entfernt interessieren könnte, niemals aus der Hand; es ist auf immer entschwunden in den Labyrinthen der Bibliothek. Sehr wahr, die T ü c k e des Objekts ist stärker als die Logik eines bibliothekarischen Geschäfts7

Eco, De Bibliotheca, in: Sette anni di desiderio (wie Anm. ι), S. 242.

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gangs, die da sagt, dass ein zurückgegebenes Buch sehr wohl spätestens drei Tage nach seiner Rückgabe wieder die Regallücke füllt. So ist es eben nicht: wer immer ein Buch ein zweites Mal benötigt, erlebt die groteskesten Antworten auf dem Leihschein: verstellt, vermißt, beim Buchbinder, im Geschäftsgang, in der Fernleihe, fragen Sie morgen noch mal nach, Ausstellungsexponat undsoweiter undsofort. Das Leben des Buches in der Bibliothek geht weiter, unerbittlich: zurückgegeben ist zurückgegeben. Hier greifen nur Murphys Gesetze bzw. das eiserne Festhalten des Buches bis zu jenem Tage, da der eigene Wissensdurst gestillt ist und es ruhig im Orkus der Bibliothek aufgehen darf.

17. Es muß unmöglich sein, zu erfahren, wer das fehlende Buch ausgeliehen hat.

Ja, das muß tatsächlich unmöglich sein. O b ich Bücher über abnorme sexuelle Praktiken oder über eine mich bedrohende Krankheit ausleihe, geht niemanden außer mir selbst etwas an. Und es mag fraglich sein, ob Eco Büchernachstellungen dergestalt schätzt, dass spätabends an der Türe seines Heimes geklopft wird und man ihn nötigt, schneller zu lesen: die Bibliothek habe seinen Namen preisgegeben und nun habe der Herr Eco lang genug gelesen, andere wollten auch einmal ran. Nein, was man liest und wie lang man dazu benötigt, ist Privatsache.

18. Es darf möglichst keine

Toilettengeben.

Toiletten fehlen stets dann, wenn man sie benötigt. Braucht man sie nicht, entdeckt man plötzlich an jeder Ecke eine. Das erinnert erneut an Murphy's Gesetz. Hinzukommt: bedeutende Bibliotheken, namentlich die von Eco gern konsultierten altehrwürdigen, sind vorzugsweise in Gebäuden beherbergt, die so alt sind wie die älteren ihrer Bücher. In jenen Jahren existierten bekanntlich noch nicht jene sanitären Standards wie heute; und nachträglich in Eco'scher Großzügigkeit Toiletten einzubauen, sieht der Denkmalpfleger gar nicht gerne.

19. Ideal wäre schließlich, wenn der Benutzer

die Bibliothek gar nicht erst betreten

könnte; betritt er sie aber doch, stur und pedantisch auf einem Recht behauend, das

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ihm aufgrund der Prinzipien von 178g konzediert worden ist, aber noch nicht Eingang ins kollektive Bewußtsein gefunden hat, so darf er auf keinen Fall, nie und nimmer, außer bei seinen raschen Konsultationen im Lesesaal, Zugang zu den Bücherregalen selbst haben. Siehe unter 3.: der Idealzustand sieht für Eco eine ebenso gläserne wie perfekt erschlossene Bibliothek vor: ein Wunschtraum ist dies, der sich nirgends hat konsequent umsetzen lassen. Bibliotheksbauten würden gigantische Summen verschlingen und die Größe von Palästen und Flughäfen erreichen; benutzbar wären sie ohnehin kaum noch. Magazinbereiche komprimieren die Büchermassen: in engen, eher düsteren und kaum beheizten Gängen stehen Bücher nur auf Abruf zur Verfügung. Ecos blühende Lesegärten - hell, weitläufig, harmonisch, mit eilfertigen Bibliothekaren und hilfreichen Geistern allüberall - sind eine Utopie des Besonderen, eine Phantasie von der besseren wissenschaftlichen Welt, in der die Bibliothek ein Idyll des Lesens und Lernens ist. Damit aber noch immer nicht genug: Eco träumt von der Bibliothek, in der Lesesaal und Cafeteria verschmelzen und miteinander identisch werden, wohin man die Bücher mitnehmen darf, wo man also weiterarbeiten kann, an einem Tischchen sitzend mit einem Kaffee und einer Brioche, auch mit einer Zigarette, um die Bücher zu prüfen (.. Die besondere, die unübertreffbare Bibliothek ist für Eco eine lustvolle Bibliothek, in die man gerne geht und die sich allmählich in eine große Fmzeitmaschine verwandelt.9 Eine solche Bibliothek aber, die prodesse und delectare auf das Angenehmste miteinander verbindet, die geistige Nahrung ebenso wie leibhaftige Nahrung spendiert, die Verluste, Beschädigungen, Diebstähle und die Fettflecke der Käsebrötchen im Altbestand mühelos durch Ersatzbeschaffungen kompensiert: sie ist, zumindest gegenwärtig, nicht finanzierbar. Sie war es weder 1980, als Ecos Rede entstand - und sie ist es in unseren Tagen der drastischen Etatkürzungen für Bibliotheken weniger denn je. Gleichwohl - das Messen der 19 Punkte Ecos an den Gegebenheiten der Gegenwart hat es erwiesen - haben sich manche Frustrationsursachen Ecos verflüchtigt. Namentlich der weltweite IT-Einsatz im Bibliothekswesen hat zu Beschleunigung, Internationalisierung, Rationa8 S. 25. 9 S. 38.

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lisierung und Vereinfachung geführt, die manche der momentanen Haushaltsschwierigkeiten zumindest vordergründig aufzuwiegen scheinen. Der Weg aber zu Ecos besonderer Bibliothek', zu einer Institution des globalen Lesegenusses, ist nicht nur steinig; er wird vielmehr gar nicht beschritten werden können. Solange die Öffentliche Meinung wie auch die Öffentliche Hand Bibliotheken so gering schätzen und etatisieren wie derzeit üblich, gerät die mühselige Bewahrung des status quo zum traurigen Alltagsgeschäft und das Erreichen des Besonderen gerät zum Kampf mit Windmühlenflügeln. In den zwanzig Jahren seit den öffentlich vorgetragenen und anschließend gedruckt verbreiteten Klagen Ecos hat sich - vor allem aufgrund der raschen Begeisterung des Bibliothekswesens für die Chancen der Datenverarbeitung - vieles hin zur .besonderen' Bibliothek Ecos verändert: und was noch nicht erreicht wurde und bei einer Beibehaltung des status quo auch nicht wird verändert und optimiert werden können, ist nahezu einzig und allein eine Frage der defizitären finanziellen Ausstattung der Bibliotheken weltweit. Und doch: Träumen mit Eco ist erlaubt und vielleicht sogar notwendig. Wir brauchen Visionen; und seien wir ganz ehrlich: Verbesserungen im Sinne Ecos sind und werden immer möglich sein. Natürlich können und wollen wir uns nicht mit dem gegenwärtigen Zustand zufrieden geben. Viele Wünsche sind berechtigt und auch uns ein wichtiges Anliegen. Die bewussten Überspitzungen Ecos, mit denen er auf satirische Weise Aufmerksamkeit erzielen wollte, werden im Bibliothekswesen auf Gehör stoßen und sind es schon. Wir tun, was wir können!

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WOLFGANG FRÜHWALD

. . . SIE W Ü R D E N A U C H G O E T H E

VERBRENNEN"

Ü B E R DIE A N G S T VOR DEM B U C H U N D DER E R I N N E R U N G

A m ι. Mai 1933 schrieb der Theaterwissenschaftler Max Herrmann, seit 1930 endlich persönlicher Ordinarius an der Universität Berlin, einen weithin bekannten Brief an das preußische Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, in dem es heißt: „Hierdurch spreche ich die ergebene Bitte aus, mich freundlichst noch auf kurze Zeit zu beurlauben, so lange nämlich wie in der Universität die von der deutschen Studentenschaft erlassene Erklärung ,Wider den undeutschen Geist' öffentlich aushängt." Diese Geste der Selbstachtung mag uns heute mutig erscheinen oder, angesichts des durchaus preußischen Zutrauens in eine schon wenig später korrumpierte Bürokratie, auch nur rührend. Vermutlich war es die spontane Empörung eines Mannes, der sein ganzes (damals 68 Jahre währendes) Leben in den Dienst der Wissenschaft und der akademischen Jugend gestellt hatte. N u n mußte er auf den seit dem 12. April in den deutschen Universitäten aushängenden Plakaten der Deutschen Studentenschaft zwar irrationale und gänzlich unsinnige, ihn als Person und Universitätslehrer aber bedrohende Forderungen lesen: „Es klafft heute ein Widerspruch zwischen Schrifttum und deutschem Volkstum [hieß es da]. Dieser Zustand ist eine Schmach. / Reinheit von Sprache und Schrifttum liegt an Dir. Dein Volk hat Dir die Sprache zur treuen Bewahrung übergeben. / Unser gefährlichster Widersacher ist der Jude, und der, der ihm hörig ist. / Der Jude kann nur jüdisch denken. Schreibt er deutsch, dann lügt er. Der Deutsche, der deutsch schreibt, aber undeutsch denkt, ist ein Verräterl [...] / Wir wollen die Lüge ausmerzen, wir wollen den Verrat brandmarken, wir wollen für den Studenten nicht Stätten der Gedankenlosigkeit, sondern der Zucht und der politischen Erziehung. W i r wollen den Juden als Fremdling achten, und wir wollen das Volkstum ernst nehmen. Wirfordern

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deshalb von der Zensur: Jüdische Werke erscheinen in hebräischer Sprache. Erscheinen sie in Deutsch, sind sie als Uebersetzung zu kennzeichnen. Schärfstes Einschreiten gegen den Mißbrauch der deutschen Schrift. Deutsche Schrift steht nur Deutschen zur Verfügung. Der undeutsche Geist wird aus öffentlichen Büchereien ausgemerzt." Weder diese Plakataktion der Deutschen Studentenschaft, einer Vereinigung, die zwar bereits 1932 in Königsberg die Einführung des nationalsozialistischen Führerprinzips beschlossen hatte, aber keine Untergliederung der NSDAP gewesen ist, noch der in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai 1933 folgende barbarische Akt der Bücherverbrennung, also die im Plakat der Studentenschaft geforderte Ausmerzung des sogenannten „undeutschen Schrifttums", waren zentral gesteuerte und geplante Aktionen des sich etablierenden nationalsozialistischen Terrors. Goebbels hat sich nur zögerlich und daher ohne das übliche Propagandagetöse den völkischen Studentenaktionen angeschlossen. Die gesamte Aktion „Wider den undeutschen Geist" (einschließlich der Bücherverbrennung) ist eher ein Symptom der anarchisch-revolutionären Phase der Machtergreifung. Sie hatte allerdings weit über die Grenzen des Deutschen Reiches hinaus eine starke Symbolwirkung und war für den Rechtsstaat und den Rechtsstaatsgedanken bedrohlich. Sie belegte, wie weit die Radikalisierung großer Teile der Studentenschaft bereits fortgeschritten, wie groß die Verunsicherung des Bürgertums bereits gediehen war, das sich von eben jenen Nationalrevolutionären nun die Wiederherstellung von Ruhe und Sicherheit erhoffte, die seit mehr als einem Jahrzehnt diese Parole der Weimarer Republik bekämpft hatten. Die Rechtsidee besteht aus zwei Polen, aus dem der Sicherheit und aus dem der Gerechtigkeit des Rechtes, ihre Balance sichert den Rechtsstaat. Auch Max Herrmann konnte sich vermutlich im Mai 1933 noch nicht vorstellen, daß die bürgerliche Rechtsformel „Ruhe und Ordnung" in Kürze nicht mehr nur das Sicherheits-Element der Rechtsidee benennen werde, sondern rasch zum Ausdruck des legalisierten Unrechts verkommen sollte, auf dem das nationalsozialistische Staatswesen errichtet wurde. Die Sicherheits-Parole, die am Ende des 18. Jahrhunderts, und noch im Werke des Juristen Goethe, die Fürsorge des Staates für die „Privatglückseligkeit" seiner Bürger bedeutete, wurde ihres rechtsstaatlichen Inhalts so gründlich beraubt, daß sie meines Erachtens heute (auch in englischer Fassung) für die Selbstbeschreibung eines

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Rechtsstaates nicht mehr brauchbar ist. Wenigstens zwölf Jahre lang und vermutlich darüber hinaus bedeutete „Ruhe, Ordnung und Sicherheit" die mechanische Unterordnung von Verwaltung, Wirtschaft, Kultur und sogar der Gewissen unter Verbrechen, Gewalt und Ideologie. „Wenn diese Sache einmal gemacht sein mußte", sagte Adolf Eichmann vor dem Gericht in Jerusalem, „dann war es besser, wenn Ruhe und Ordnung herrschten und alles klappte." Mit „dieser Sache" meinte er den von ihm organisierten Völkermord. Max Herrmann ist bekanntlich 1942 in Theresienstadt, seine Frau Helene ist in Auschwitz Opfer dieses Ordnungsversprechens geworden. Gegen einen angeblich „undeutschen" Geist wandten sich die studentischen Aktionen im April und Mai 1933, wobei „undeutsch" ebenso schlagwortartig und daher Undefiniert verwendet wurde wie „deutsch". Ihre Basis hatten beide Begriffe nicht im rationalen Vermögen des Menschen; sie wurden (im Gefolge der nationalsozialistischen „Veterinär-Philosophie") als Ausfluß eines „arischen Instinkts" postuliert, der biologistisch und rassistisch verstanden wurde. Für die vom Machtnihilismus geleitete Führungsclique des Nationalsozialismus waren solche Schlagworte ein bequemes Herrschaftsmittel, da sie mit jeweils beliebigen Inhalten gefüllt werden konnten und in dieser Verwendung immerhin die poetische Weihe des späteren Präsidenten der Reichsschrifttumskammer, Hanns Johst, erhalten hatten. In dessen „Adolf Hitler in liebender Verehrung und unwandelbarer Treue" gewidmetem Märtyrerdrama „Schlageter" (1933) ist die gewaltbereite Philosophie des Frontsoldaten Prinzip. Dem Kampfinstinkt unterworfen, erkennen sich hier die Deutschen als „Kameraden" und als „Soldaten". Albert Leo Schlageter, seit seiner Hinrichtung durch die französische Besatzung des Ruhrgebietes (1923) Protomärtyrer des Nationalsozialismus, sagt in diesem Drama: „Und ganz langsam nähen wir uns die Epauletten wieder an die Waffenröcke ... Jeder für sich auf seine Weise ... Und eines Tages ... sind wir Deutschland!! (Unheimlich) Gemütlich wird das nicht, denn wir sind Brüder von einem ganz eigenen Schlage! Wir sind keine kaiserlichen Soldaten, keine republikanischen ... wir sind Deutsche! / Da weiß niemand, was das heißt und woran er ist ... Das Wort ist so verrätselt und versiegelt geblieben, wie es schon dem Tacitus war ... [...] Wir sind keine Söhne mehr, keine Brüder, keine Väter, überhaupt keine Verwandten ... Wir sind nur noch Kameraden!! Und denken Sie ja nicht,

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wir stürben aus ... [...] In jeder Stube wächst eine kleine Gemeinschaft von dergleichen Ordensbrüdern. Wir haben keinen Namen, kein Programm. Nichts von dem, was ich Ihnen da sage, ist beweiskräftig ... Nehmen Sie es als Spuk ... [...] Wir fürchten nichts! Das ist das einzige, was von uns feststeht!" In der Nacht vom 10. auf den n. Mai 1933 haben diese „Ordensbrüder", zum Abschluß einer insgesamt vier Wochen dauernden Gesamtaktion in den deutschen Universitätsstädten, das von ihnen so genannte undeutsche, „zersetzende Schrifttum den Flammen überantwortet". In allen überlieferten Beschreibungen der Zeremonie, in den hymnischen ebenso, wie den skeptischen, den innerdeutschen und den außerdeutschen, ist das Spukhafte, das Unheimliche und das Symbolische der nächtlichen Szenerie kenntlich. Sie war die bewußte Wiederholung eines mittelalterlichen Rituals, Ketzerverbrennung, das Vorspiel zu einem Weltenbrand, der wie eine Wagner-Oper inszeniert wurde, in dem aber Millionen von Menschen realiter geopfert und ermordet wurden und leibhaftig verbrannten. Schließlich hatte schon die in Berlin die Bücherverbrennung einleitende Antrittsvorlesung des politischen Pädagogen Alfred Bäumler die Systematisierung des Irrationalen, den Umgang der Nationalsozialisten mit Symbolen gerühmt: „sie wüßten um die Wirklichkeit eines Führers und um die Wirklichkeit einer Fahne". Nicht die idealistisch-humanistische Philosophie „habe die Schlachten des Weltkrieges gewonnen, sondern die stumme Philosophie des Heeres". Im Nationalsozialismus erreichte (auch im PropagandaGebrüll der Führerreden) jene Sprachlosigkeit einen Höhepunkt, vor der die Sprachkritiker und die Sprachzweifler seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, von Nietzsche, Hofmannsthal, Karl Kraus, Georg Trakl und Wittgenstein bis zu Paul Celan, gewarnt hatten. Sie hatten die von George Steiner so genannte „seismische Verschiebung" vorausgedeutet, die im Bild des Menschen, als eines durch die Würde seiner Rede definierten Wesens, eintreten werde. Der Rückzug der Sprache aus der Existenzdeutung des Menschen, seiner Welt und seines Schöpfers, ist noch lange nicht beendet, sie dauert auch im Jahre 2002 noch an. Das sich ausbreitende Verstummen aber ist immer Vorbote der Gewalt. „Im Anfang war das Wort", schreibt Cordelia Edvardson in ihrer autobiograhischen Erzählung ,Gebranntes Kind sucht das Feuer' (1986), „aber am Ende die Asche."

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So hält den Chronisten des Berliner Autodafés vom io. Mai 1933 weniger das Geschrei der Feuerparolen in Bann, weniger die für seine Verhältnisse sogar zurückhaltende Rede des Propagandaministers, auch nicht die bedrohliche, zum Abschluß gesungene Parteihymne der NSDAP: „Die Straße frei den braunen Bataillonen!" In Bann hält die Zeitgenossen wie die Nachgeborenen das in allen Einzelheiten einer Hinrichtung nachgebildete stumme Ritual: die schweigende Menschenmenge, die den Weg des Fackelzuges vom Studentenhaus in der Oranienburger Straße zum Opernplatz säumte, - die ebenfalls stumme Menge, die auf den Stufen der Hedwigskirche, der Dresdener Bank, aus den Fenstern des Opernhauses und der Universität dem Spektakel gierig beiwohnte, der Kopf einer Büste von Magnus Hirschfeld, dem Leiter des Instituts für Sexualwissenschaften, der auf einer Stange „weithin sichtbar" mitgetragen wurde. Golo Mann, der zusammen mit Raymond Aron, Pierre Bertaux, mit Gottfried Bermann-Fischer und dessen Frau Tutti in Berlin der Bücherverbrennung - also auch der Verbrennung der Bücher seines Onkels Heinrich Mann - zugesehen hat und dabei dem Regisseur Jürgen Fehling begegnet ist, berichtete zwanzig Jahre später über die gespenstische Atmosphäre: „Mein Eindruck war der eines Theaters, einer schwachen Nachahmung des Wartburgfestes; das war es, ja. / Keine Volksstimmung. Es war ein bißchen Neugier dabei, viel mehr nicht. Beim Nennen eines Buches, das ,den Flammen überliefert' wurde, wurde kein Bravo geschrien. Keine lauten Zurufe." Die Akustik war miserabel, die Reden und die Feuerrufe wurden nur bruchstückartig verstanden, der herabplatschende Regen tat ein übriges. So trafen sich damals auf dem Opernplatz Täter, Opfer und die schweigende Menge der Zuschauer, die klassische Triade der Gewalt! Auch von Erich Kästner, einem der Opfer der Bücherverbrennung, wissen wir, daß er der Verbrennung in Berlin zugesehen hat. Er stand vor der Universität, eingekeilt zwischen Studenten und SA-Männern in Uniform. Das „Begräbniswetter" ist ihm im Gedächtnis geblieben und der Kopf der zerschlagenen Büste von Magnus Hirschfeld, der „hoch über der stummen Menschenmenge hin und her schwankte". Ritual einer Hinrichtung! Kein Wunder, daß sich Autoren, denen wie Thomas Mann ein verbranntes oder wie Stefan Zweig ein am Schandpfahl gekreuzigtes Exemplar ihrer Bücher vor Augen kam, unmittelbar an Leib und Leben gefährdet fühlten. Die Zeitgenossen erinnerten sich an Goethes Kind-

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heitsgeschichte, in der eine öffentliche Bücherverbrennung beschrieben wird: „Es hatte wirklich etwas Fürchterliches, eine Strafe an einem leblosen Wesen ausgeübt zu sehen. Die Ballen platzten im Feuer, und wurden durch Ofengabeln aus einander geschürt und mit den Flammen mehr in Berührung gebracht. Es dauerte nicht lange, so flogen die angebrannten Blätter in der Luft herum, und die Menge haschte begierig darnach." Ein Buch ist mehr als ein Konvolut bedruckten Papiers. Es ist (schon für Goethe) ein zwar „lebloses Wesen", aber ein Wesen, sichtbares Zeichen einer Druckkultur, die seit mehr als 500 Jahren die kulturelle Evolution anleitet. Die Struktur unseres Wissens, seine Fülle, seine Vielfalt, sein System ist eingebettet in jene aus einer unendlichen Bibliothek gebildete „Galaxis Gutenbergs", deren Schicksal im digitalen Zeitalter ungewiß ist. V o m Brand der Bibliothek von Alexandria, etwa ein halbes Jahrhundert vor Christi Geburt, bis zum Brand der Bibliothek von Saraj e w o 1992 (und darüber hinaus) sind Bibliotheksbrände stets die Fanale kultureller Katastrophen. Sie sind Signale eines jeweils barbarischen Rückfalls in der zivilisatorischen Entwicklung der Menschheit. Die Schonung von Bibliotheken dagegen, auch in Zeiten des Krieges, galt immer als ein Zeichen von Humanität. Martin Buber, so wird erzählt, mußte in einem der arabisch-israelischen Kriege sein Domizil in Ostjerusalem verlassen. Seine große Privatbibliothek blieb bei seinem arabischen Gastfreund zurück. Als ein irakischer Offizier die Wohnung dieses Gastfreundes betreten und nach den verschlossenen Bibliotheksräumen gefragt habe, soll Bubers Freund geantwortet haben: In diesen Räumen ist die Bibliothek eines israelischen Freundes aufbewahrt, eines der bedeutendsten Gelehrten unserer Zeit. Diese Räume betreten Sie nur über meine Leiche. Für welche Barbaren halten Sie uns, soll der irakische Soldat geantwortet und auf der Stelle die Wohnung verlassen haben. Bücher sind die dauerhaften Speicher des Wissens. Übrigens immer noch die einzigen dauerhaften Speichermedien. Und jene Wissenschaftler, die sich heute autark wähnen in der Benutzung digital transportierter, aktuell-flüchtiger und der Speicherung angeblich nicht würdiger Informationen, wissen überhaupt nicht, welche Kulturrevolution sie damit anzetteln. W e n n die Rede vom Gedächtnis der Menschheit eine Basis in der Realität hat, dann in der Existenz und der Pflege der Bibliotheken, in

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denen (wie George Steiner sagt) „auch das Ungelesene, das Unberührte in der verstaubten Stille der Magazine und Reservebestände [...] durchaus einen Druck beginnender Gegenwart und Bereitschaft" ausübt. Dieses Gedächtnis auszulöschen, die Erinnerung an Humanität und Barbarei zugleich zu tilgen und damit auf einer „tabula rasa" den neuen M e n schen zu schaffen, war das Ziel nationalsozialistischer Erziehung. Der funktionierende Mensch der Schulungs- und der sogenannten Schutzhaftlager, der gedächtnis- und bedenkenlose Parteisoldat oder wenigstens der periodisch durchgeprügelte und damit in seiner Selbstachtung gebrochene Untertan, das national-politisch gehärtete Kind, die u m das eigene Leben unbekümmerte Kampfmaschine sollten erschaffen werden und wurden oft genug erschaffen. A m 30. Januar 1933 haben die SA-Kolonnen in Berlin zwar nicht wie die Pariser Revolutionäre während der Julirevolution 1830 zu gleicher Zeit an verschiedenen Orten der Stadt auf die Turmuhren geschossen, das revolutionäre Bewußtsein aber, daß nun das Jahr ι eines tausendjährigen Reiches begonnen habe, erfüllte auch die Sturmabteilungen Hitlers. Die Bücherverbrennung sollte Erinnerung und Gedächtnis tilgen, das gespeicherte Weltwissen symbolisch vernichten, um R a u m zu schaffen für die Weltgeltung des arischen Herrenmenschen. Die Abbildung des deutschen Buchhandels im Jahre 1937, die einen Globus zeigt, den die fast 3 Millionen Exemplare von Hitlers „Mein Kampf" äquatorartig umfassen, ist mehr als die paßgenaue Allegorie der Zeit. Das eine (in seiner defizienten sprachlichen Form der Sprachlosigkeit

angenäherte)

Buch sollte die Vielzahl der Bücher ersetzen, der angeblich deutsche den angeblich undeutschen Geist auch in Physik, Chemie und anderen exakten Wissenschaften verdrängen. Die Geist- und Wissenschaftsfeindlichkeit des Nationalsozialismus ist sprichwörtlich geworden. Thomas Mann hat richtig geurteilt, als er in dem Essay , 3 r u d e r Hitler" (1939) den Verdacht äußerte, daß „die W u t " , mit der Hitler den Marsch auf W i e n betrieb, „im Grunde dem alten Analytiker [Sigmund Freud] galt, der dort seinen Sitz hatte, seinem wahren und einzigen Feinde, - dem Philosophen

und Entlarver

der

Neurose,

dem

großen Ernüchterer,

dem

Bescheidwisser und Bescheidgeber selbst über das,Genie'." D o c h war nicht das Buch, kaum die Broschüre und schon gar nicht das öde Einheitsjournal das M e d i u m der Nationalrevolutionäre. Sie haben im K a m p f gegen das Weltwissen und das Menschheits^ewissen

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konsequent das Medium gewechselt. Zwar gab es noch keinen iconic turn in Gesellschaft und Wissenschaft der dreißiger Jahres des 20. Jahrhunderts, aber die Wendung vom geschriebenen und vom gedruckten Wort zum gesprochenen Wort war auffällig. Vom Buch zur Rede, von der Bibliothek zum Hörfunk (mit auf Inlandsfrequenzen beschränkten „Volksempfängern") und zum Tonfilm ging die forcierte Entwicklung. Das Buch aber wurde wie der ganze Alltag im Nationalsozialismus militarisiert, es wurde zum „Schwert des Geistes" degradiert, aus der Sphäre meditativer Privatlektüre in die Welt des „unbedenklichen" Tuns entlassen. Bücher und dann auch Menschen, die diesem Ansinnen nicht gehorchten, wurden verbrannt, gekreuzigt, geschändet. Heinrich Manns Essaysammlung „Der Haß. Deutsche Zeitgeschichte" (1933) erlebte im Exil immerhin zwei Auflagen. Darin hat er die Bücherverbrennung hellsichtig als einen Racheakt jener Bewegung gekennzeichnet, deren Antrieb aus „programmatischer Antihumanität" stammte. Auch hat er die erste sichtbare Lücke in der Mauer aus Schrecken und Angst gesehen, welche die neuen Herren um sich und ihre Anhänger soeben errichteten: „Wir waren fortgegangen aus unserem Land [schrieb Heinrich Mann 1933], das ihres nie wirklich sein wird. Da verbrennen sie denn wenigstens Bücher, was nicht erblickt worden war seit der Inquisition. U n d besteht der Scheiterhaufen auch besonders aus den Werken Lebender, schon fangen sie an, auch Klassiker daraufzuwerfen. Ist doch unsere klassische Literatur ein einziges Zeugnis der Menschlichkeit, zu ihrer eigenen Gesinnung der verhaßte Gegensatz. Als erste sind Lessing und Heine den Flammen überliefert worden. Wagten sie es nur, sie würden auch Goethe verbrennen, den höchsten Genius Deutschlands. Sie weichen zurück, sie haben Furcht." In der Tat: Ungeachtet der martialischen Töne, welche die Welt viele Jahre lang wie hypnotisiert in Furcht und Schrecken versetzen konnten, schon die Todesdrohung, die von der Bücherverbrennung ausgegangen ist und von ihr ausgehen sollte, wurde aus einer tief sitzenden Angst vor der Macht des Wortes und des Buches gespeist. Diese Angst vor dem Buch und seiner Wirkung ist die Angst vor dem unendlich großen Kontinent des kulturellen Gedächtnisses, ohne den keine erfüllte Gegenwart und keine menschliche Zukunft zu denken ist. Die nationalsozialistischen Bibliothekenstürmer haben gewußt oder zumindest geahnt, daß sie mit der Bücherverbrennung nicht den verbrannten Autoren, sondern einem mächtigeren Gegner, der

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„anamnetischen Kultur", den Kampf ansagten. Eine solche Kultur aber läßt sich weder in weltanschauliche, noch in nationale oder geographische Grenzen, nicht einmal in einen Panzer aus Furcht und Schrecken einschließen. Die Verbrennung der Bücher vor allem jüdischer Autoren hatte demnach insofern eine gewisse Konsequenz, als die in die Diaspora zerstreuten Juden die Torah, also das geschriebene, heilige Wort, als ein „portatives Vaterland" entdeckt hatte. In dieser existentiellen Vorstellung von Wort und Schrift und Druck gaben, auch weit entfernt von Erez Israel, die heiligen Schriften der Väter den Versprengten und den Verfolgten Heimat. Die aus Deutschland seit 1932/33 vertriebenen Schriftsteller und Künstler haben den Gedanken eines „portativen", also eines tragbaren und transportierbaren Vaterlandes, das heißt einer kulturellen Identität Deutschlands außerhalb des geographischen Raumes des Deutschen Reiches und des deutschen Sprachgebietes, mit ins Exil genommen. Sie haben damit einen Kulturkampf um Deutschland begonnen, der den nationalsozialistischen Weltherrschafts-Plänen gefährlich wurde. Die Rede vom „anderen Deutschland", vom „freien Deutschland", selbst das im Georgekreis übliche und vom Attentäter des 20. Juli 1944, dem Grafen Stauffenberg, in seinem letzten Ruf beschworene „heilige Deutschland" gehorchten der Vorstellung des von Heinrich Heine in der Torah entdeckten und benannten „portativen Vaterlands". So symbolisiert die Verbrennung von Büchern auch und gerade die wütende Absicht, eine Idee zu vernichten, die dem auf Territorien fixierten Nationalismus Angst eingeflößt hat. Das Autodafé verdeutlicht den panischen Schrecken, der allein durch die Existenz eines im Geistigen lokalisierten Kontinents der Erinnerung und des Gedächtnisses auf die sprach- und kulturlose Barbarei ausgegangen ist. „Wo ich bin, ist die deutsche Kultur", soll Thomas Mann bei der Ankunft im amerikanischen Exil gesagt haben. Dieser hybride, von seinem Bruder Heinrich verbreitete Ausspruch ordnete sich dem Kampf um ein „portatives Vaterland" der Deutschen ein und ist die selbstbewußte Antwort der Exilanten auf Verbrennung und Verfolgung in Deutschland. Auf den Tag der Verbrennung seiner Bücher in Deutschland hat Ernst Toller, der einst berühmteste Dramatiker der Weimarer Republik, seine in Amsterdam 1933 erschienene Autobiographie datiert und sie in der zweiten Auflage (1936) „Dem Deutschland von morgen" gewidmet. Es 303

gehörte ein kaum faßbarer Lebensmut dazu, den nationalsozialistischen Terror, der bestrebt war, den Verfolgten und Vertriebenen ihre Identität zu nehmen, auszuhalten und ihm gar zu widerstehen. Ernst Toller, Stefan Z w e i g , Kurt Tucholsky und viele andere haben schließlich aufgegeben. D e r Freitod Stefan Zweigs am 23. Februar 1942 schien den deutschen Emigranten

eine

schlimmere

Niederlage

als die

Eroberung

Singapurs durch die Landoffensive der Japaner (am 15. Februar 1942). U m die gleiche Zeit (im September 1942) soll - nach einem Bericht von Ruth Mövius - Max Herrmann noch auf der Straße, vor dem Abtransport nach Theresienstadt, „mit fester Stimme die Einteilung, die seinem [letzten] W e r k gegeben werden sollte", diktiert haben. Nach Theresienstadt hat er einen Band mit Gedichten Goethes mitgenommen.

HINWEISE

Der vorliegende T e x t ist (in leichter Überarbeitung) der der Dankrede zur Überreichung des Max Herrmann-Preises der Freunde der Staatsbibliothek zu Berlin e.V. am 10. Mai 2002 in Berlin. Zur

Bücherverbrennung in Berlin

und

anderen

Universitätsstädten

Deutschlands verweise ich u.a. auf folgende Dokumentationen und Darstellungen: Joseph Wulf. Literatur und Dichtung im Dritten Reich. Eine Dokumentation. Gütersloh 1963; Friedemann Berger, Vera Hauschild und Roland Links, unter Mitarbeit von Sigrid Bock: In jenen Tage ... Schriftsteller zwischen Reichstagsbrand und Bücherverbrennung. Mit einem Geleitwort von Jürgen Kuczynski. Leipzig und W e i m a r 1983; Hermann Haarmann, Walter Huder, Klaus Siebenhaar. „Das war ein Vorspiel nur ..." Bücherverbrennung Deutschland 1933. Voraussetzungen und Folgen. Katalog einer Ausstellung der Akademie der Künste [Berlin] v o m 8. Mai bis 3. Juli 1983. Berlin und W i e n 1983; Gerhard Sauder (Hg): Die Bücherverbrennung. Z u m 10. Mai 1933. München und W i e n 1983; Albrecht Schöne. Göttinger Bücherverbrennung 1933. Rede am 10. Mai 1983 zur Erinnerungen an die A k t i o n wider den undeutschen Geist'. Göttingen 1983; Horst Denkler, Eberhard Lämmert (Hgg.): „Das war ein Vorspiel nur ..." Berliner Colloquium zur Literaturpolitik im,Dritten Reich'. Berlin 1985.

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Zu Max Herrmann verweise ich auf die „Festgabe der Gesellschaft für Deutsche Literatur zum siebzigsten Geburtstag ihres Vorsitzenden Max Herrmann". Berlin 1935 (nicht im Buchhandel erschienen) sowie auf Heinz Knoblochs informativen Aufsatz: Der Max Herrmann-Preis - Erinnerung an einen großen Gelehrten. In: Veröffentlichungen der Freunde der Staatsbibliothek zu Berlin 1 (1999). Zu den Zitaten im Text des Vortrags gebe ich (in der Reihenfolge ihres Vorkommens) folgende Hinweise: Zur Rechtsidee und zur bürgerlichen Sicherheitsparole vgl. Wolfgang Frühwald: „Ruhe und Ordnung". Literatursprache - Sprache der politischen Werbung. Texte, Materialien, Kommentar. München und Wien 1976. - Zu Adolf Eichmann vor dem Gericht in Jerusalem vgl. Hannah Arendt: Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen. München 1964. - Hanns Johst: Schlageten Schauspiel. München 1933 (l,i). - Der Bericht über die Antrittsvorlesung von Bäumler in der Dokumentation von Joseph Wulf. - Die Zitate von George Steiner in dessen „Grammatik der Schöpfung". München und Wien 2001. - Stefan Zweig berichtet in dem Kapitel „Incipit Hitler" in seiner Autobiographie „Die Welt von gestern. Erinnerungen eines Europäers" (Stockholm 1944) über die Bücherexekutionen in Deutschland. - Das Goethe-Zitat aus „Dichtung und Wahrheit" (1,4). Die Anekdote aus der Pariser Julirevolution in Walter Benjamins XV. These „Über den Begriff der Geschichte". - Die Abbildung des Äquators aus den Exemplaren von Hitlers „Mein Kampf" bei Haarmann, Huder; Siebenhaar S. 245. - Zu Heinrich Manns „Der Haß" vgl. Sauder S. 282. - Der Terminus von der „anamnetischen Kultur" nach Johann Baptist Metz. Zum „portativen Vaterland" vgl .Jan Assmann: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen. München 1992, S. 106 und 214. - Ruth Mövius über Max Herrmann wird zitiert von Heinz Knobloch.

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PETER-KLAUS SCHUSTER

MNEMOSYNE ANSELM KIEFERS BIBLIOTHEKEN IM „HAMBURGER BAHNHOF"

Kiefers Bibliotheken im „Hamburger Bahnhof" sind, wie hier gezeigt, recht eigentlich Staatsbibliotheken und mehr noch Nationalbibliotheken der Deutschen. Deshalb richtet sich der Blick zunächst auf die Nationalgalerie auf der Berliner Museumsinsel und auf deren Wirkungsgeschichte. Denn nur von dieser Wirkungsgeschichte her und als Reaktion auf sie lassen sich die im „Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart Berlin" versammelten Bibliotheken von Anselm Kiefer zureichend verstehen.

I. Bibliotheken gelten als Orte des kollektiven Gedächtnisses. Gleiches sind die Museen. Wahrscheinlich war es die Nationalgalerie auf der Berliner Museumsinsel, die Aby Warburg zu seiner berühmten Inschrift „Mnemosyne" über der Eingangstür zu seiner 1926 eröffneten Kulturwissenschaftlichen Bibliothek in Hamburg inspirierte. Im elliptischen Kuppelraum im zweiten Ausstellungsgeschoss der Nationalgalerie stehen die Musen als vollplastische Figuren entrückt auf hohen Säulen. Erst dem zweiten Blick wird gewahr, dass es dort nur acht Säulen gibt, mithin dort auch nur acht Musen anwesend sind. W e r sich informieren möchte, welche aus dem Reigen der neun Musen hier fehlt und warum, wird enttäuscht von dem 1926 erschienenen „Verzeichnis der Gemälde und Bildwerke in der National-Galerie zu Berlin". Lapidar werden dort für den Kuppelraum nur erwähnt: „acht Musen aus bemaltem Stuck". Davor heißt es jedoch, dass ein Rundrelief aus Marmor von Landgrebe in der

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Vorhalle, unmittelbar vor dem Kuppelsaal angebracht sei, darstellend „.Mnemosyne', Mutter der Künste". Man schritt also in der Berliner Nationalgalerie die Treppen zum piano nobile des zweiten Ausstellungsgeschosses empor und hatte dabei das hoch an der Wand wie als Zielpunkt angebrachte Relief ständig vor Augen, das „Mnemosyne" mit aufgestütztem Kopf als melancholisch sitzende Meditationsfigur zeigte. Nur wer das Relief der „Mnemosyne" passiert hatte, konnte anschließend durch den ovalen Kuppelsaal mit der Versammlung der Töchter der Mnemosyne die Haupträume der Nationalgalerie betreten. Der elliptische Kuppelsaal war zudem mit den zwölf Tierkreiszeichen ausgemalt, wodurch höchst ungewöhnlich ein Ellipsenraum kosmologisch interpretiert wird, was ebenso und mit dezidierter Programmatik in Warburgs Forderung nach einem elliptischen Lesesaal für seine Hamburger Bibliothek wiederkehrt.1 Die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges haben diese Disposition, die Aby Warburg als Besucher der Nationalgalerie natürlich gekannt hat, beseitigt. Einzig Bücher erinnern uns heute noch und wieder an den Ehrenplatz, welcher der „Mnemosyne", der Mutter aller Künste und der Göttin des Gedächtnisses, in der Berliner Nationalgalerie einstmals zugewiesen war. Als Grund für diese so prominente Auszeichnung nennt das „Verzeichnis" von 1926 die Verehrung der „Mnemosyne" als Mutter aller Künste. Doch auch als Göttin des Gedächtnisses kam der nachsinnenden Mnemosyne in der Nationalgalerie eine zentrale Rolle zu. Galt es doch, in dieser seit 1865, also noch vor der politischen Einheit der Deutschen konzipierten Nationalgalerie den Besuchern bis ins Detail des Bauschmuckes zu verdeutlichen, wer und was die Deutschen als Kulturnation gewesen sind. Unter dieser hier Architektur gewordenen Notwendigkeit zur kollektiven Erinnerung kann die Nationalgalerie im ι

Verzeichnis der Gemälde und Bildwerke in der National-Galerie zu Berlin, Berlin 1926, S. X. Zu Gustav Adolf Landgrebe (1837-1899) und seinen Medaillon der Mnemosyne vgl. Hartmut Dorgerloh, Die Nationalgalerie in Berlin. Zur Geschichte des Gebäudes auf der Museumsinsel 1841-1970, Berlin 1999 (= Die Bauwerke und Kunstdenkmale von Berlin, Beih. 13) S. 135 und Abb. 42. Dort, S. 143 ff., ausführlich auch zum Kuppelsaal mit Tierkreiszeichen und Musen. Zu Aby Warburgs Bibliothek, zum Mnemosyne-Schriftzug und zur Idee des elliptischen Lesesaals vgl. Tilmann von Stockhausen, Die Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg. Architektur, Einrichtung und Organisation, Hamburg 1992, bes. S. 52 ff. Vgl. ferner Michael Diers (Hrsg.), Porträt aus Büchern. Bibliothek Warburg und Warburg Institute, Hamburg. 1933. London, Hamburg 1993.

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ganzen Reichtum ihres figürlichen Schmuckes und gemalten Dekors wie ein aufgeschlagenes Buch gelesen werden. Als solches gibt sie besonders mit Geyers Figurenfries im Treppenhaus, das direkt auf Mnemosyne zuläuft, vielfältig Auskünfte über die großen Deutschen in der Geschichte, in den Künsten und Wissenschaften. Wie eine Art Walhall dient der hoch über der Museumsinsel auf einem Sockel entrückte Tempel der Nationalgalerie somit als reich dekorierte Erinnerungsarchitektur, als eine visuelle Bibliothek für das kollektive Gedächtnis der Deutschen über ihre Herkunft, ihre Gegenwart und ihre im Bildschmuck in Aussicht gestellte hoffnungsvolle Zukunft. 2

II. Ganz im Gegensatz zur Nationalgalerie auf der Museumsinsel als kollektivem Gedächtnisort für eine im Museum sehnsuchtsvoll vorweggenommene Einheit der Deutschen, ganz im Gegensatz dazu thematisiert Anselm Kiefers große Bibliothek im „Hamburger Bahnhof" gerade nicht den Wunsch nach politischer Einheit, sondern im Gegenteil die Vereinheitlichung als Beschwernis, als bleierne Bürde des deutschen Staates. Diese politische Dimension von Kiefers 1991 entstandener monumentaler Buch-Installation bleibt dem Besucher zunächst noch verborgen. Vielmehr ist er beim Eintreten in den „Hamburger Bahnhof", der als „Museum für Gegenwart" das Wort „Kunst" im Namen ganz auffällig vermeidet, völlig frappiert von der dinglichen Präsenz dieser mit riesigen Folianten in drei Reihen übereinander gefüllten Buchregale. Je näher der Besucher hinzutritt, umso mehr erkennt er, wie sehr er sich von Kiefers Bibliothek hat täuschen lassen. Zugleich aber wird er des Monströsen dieser Bibliotheksinszenierung inne. Was in der Entfernung der einstigen Bahnhofshalle mit haptischer Eindringlichkeit wie eine wirkliche Ansammlung gewichtiger Bücher aussah, enthüllt sich bei Annäherung als trompe Γ oeil. Kein Buch ist in irgendwie gewohnter Form ein wirkliches Buch. Vielmehr handelt es sich um vollständige Nachbildungen 2

Peter-Klaus Schuster, Die Geburt der Nation aus dem Geist der Kunst, in: Die Nationalgalerie, hrsg. von Peter-Klaus Schuster, Berlin und Köln 2001, S. 9 ff., und Moritz Wullen, Die Deutschen sind im Treppenhaus. Der Fries Otto Geyers in der Alten Nationalgalerie, Berlin und Köln 2001.

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von Büchern in Blei. Nicht nur die Umschläge, auch die zum Teil aufgeschlagenen Seiten sind allesamt aus Blei. Auf diesen Blättern aus dünn ausgewalztem Blei finden sich einzig Erbsen, zahllose Erbsen, die in den Bleiblättern eingeschlossen sind. Alle Blätter aller Bücher dieser gewaltigen Bibliothek, die in einem auch von Innen begehbaren Rechteck von 4,15 Meter Höhe, 5,70 Meter Breite und 8 Meter Länge aufgestellt ist, enthalten nichts als Erbsen!

Anselm Kiefer, Volkszählung, iggi Stahl, Blei, Erbsen, Glas und Fotografien, 415 χ 520 χ 8oo cm Sammlung Marx, Eigentum des Landes Berlin, Hamburger Bahnhoj - Museum Jiir Gegenwart Berlin W i e u m das Rätsel zu lösen hat Kiefer mit schöner Schreibschrift 111 Kreide das W o r t „Volkszählung" rechts oben am Eingang zum Inneren der Bibliothek auf einen Stahlträger des Regals geschrieben. Wieder also eine Bibliothek mit Inschrift. W a r der Anruf an die „Mnemosyne" über Warburgs Bibliothek ein Appell an den Benutzer, im Labyrinth der

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Bücher erinnerungsmächtig zur tieferen Selbsterkenntnis zu gelangen, so ist Kiefers Wort über dem Eingang seiner Bibliothek von geradezu volksschulhafter Schlichtheit. Gerade darin liegt der Schrecken der Inschrift. Jeder, der in Kiefers Bleibibliothek eintritt, verspürt diesen Schrecken sofort und geradezu körperlich. Denn wer in diese Bibliothek eintritt, hat eine Bleikammer betreten, in der man der wirklichen Welt abhanden zu kommen droht. Abgeschüttet von den riesigen Folianten, die alle lauten Geräusche absorbieren, fühlt man sich im Zentrum einer archivierenden und ausspionierenden Institution. Die dazu benötigten Spiegel und Kameras hat Kiefer mitsamt den Filmspulen ebenfalls in Blei nachgebaut und auf den Folianten hoch oben im Regal deponiert. Die Bleibibliothek als klaustrophober Innenraum einer Staatsmacht, die ihre Bürger entmündigt und alle nivellierend wie Erbsen abzählt, eben dies veranschaulicht Kiefers Bibliothek. Menschen wie Erbsen zählen und dann sämtliche Daten in gigantischen Büchern auf ewig zu archivieren, um so die staatliche Herrschaft gegen jegliche Form menschlicher Freiheit durchzusetzen, das ist der Vorwurf und die Mahnung, die Kiefers monströse Bleibibliothek höchst leibhaftig vor Augen stellt im Museum als dem zweifachen Erscheinungsort der Mnemosyne, als Ort der Künste ebenso wie als Ort der Erinnerung und des Gedächtnisses. Kiefers Bleibibliothek, die mit der Einrichtung des „Hamburger Bahnhofs" aus der Sammlung von Erich Marx in das Eigentum des Landes Berlin und damit in die Obhut der Nationalgalerie übergegangen ist, hat zum unmittelbaren Anlass die 1988 in der alten Bundesrepublik angeordnete und durchgeführte Volkszählung. Gegen diese umfassende Befragung der Bevölkerung, die demographisches Material zu Einwohnerzahlen, Wohnraumbedarf, Wirtschaftskraft und weiteren Lebensgewohnheiten der Deutschen lieferte, gegen diese vereinfacht und archaisierend „Volkszählung" genannte Befragung der Bürger durch den Staat über ihren Status hat sich Anselm Kiefer als Verweigerer der Volkszählung mit dieser Bibliotheksskulptur zur Wehr gesetzt Wie sehr Kiefer diese Buch-Installation als eine „Deutsche Bibliothek" begriffen hat, zeigt deren Erweiterung im Nachgang zur Wiedervereinigung. In ihrer ursprünglichen Konzeption hieß die Arbeit „Volkszählung" oder „60 Millionen Erbsen", womit die Bevölkerung Westdeutschlands gemeint war, die ja auch 1988 gezählt worden ist. Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung erweiterte Kiefer den Buch3Π

bestand um weitere 16 Millionen Erbsen. Diese zusätzlichen Bände finden sich am Boden unter das erste Regalfach geschoben. Damit gehören auch die Bewohner der einstigen D D R als gezählte Erbsen zu den Beständen dieser „Deutschen Bibliothek". Je nach ihrer Biographie können die Besucher diese Bibliothek eines vereinten deutschen Uberwachungsstaates nun auf die Aktenberge der Stasi-Zentrale in der Berliner Normannenstraße oder auf entsprechende Daten-Ansammlungen im Westen beziehen. Der „Hamburger Bahnhof", als ehemaliges Reichsbahnvermögen einst eine unzugänglich im Westen gelegene Ostenklave unmittelbar an der deutsch-deutschen Grenze, fügt diesem staatlichen Observierungsbemiihen im vereinten Deutschland noch ganz besondere Nuancen hinzu. Kiefers Erweiterung seiner Bibliothek zur gesamtdeutschen Bibliothek macht deutlich, wie sehr es ihm über den aktuellen Anlass hinaus ganz im Sinne Aby Warburgs um einen Appell an das kollektive Gedächtnis geht, der hier zur Skulptur geworden ist. So schließt Kiefers „Volkszählung" auch die Assoziation an die biblische Volkszählung zu Christi Geburt ebenso wenig aus, wie die ganz aktuelle Lesart, die sich aus dem jüngsten Versuch der japanischen Regierung ergibt, alle Bürger ihres Landes gegen deren massiven Widerstand zusätzlich zu ihren Namen mit einer Kenn-Nummer zu versehen. Solch allgemeine Sprach- und Bildmacht eignet der Kieferschen Bibliothek auf Grund ihrer elementaren Bildelemente. Die im Regal gestapelten Bücher sind die unentbehrlichen Hilfsmittel jeglichen Archivierens. Die auf den Aktenbergen gelagerte Filmkamera ist weltweit das Präzisionsinstrument diskreter Observierung. Der kleine medizinische Hohlspiegel, von Kiefer beiläufig am Regal angebracht, deutet auf eine eher unfreiwillige Ausforschung sehr aus der Nähe. Das damit anhebende Erschrecken über die Anwendung körperlicher Gewalt bei der Auskundschaftung von Menschen wird durch den Grundriss der Kieferschen Bibliothek als bleierne Isolationskammer noch verstärkt. Wenn es angeordnet wird, dringt nichts Lebendiges durch diese dicken Bleibücherwände nach draußen. Die malerische Patina der grausilbernen Bleioberflächen verleiht den übermenschlich schweren Büchern zudem die Aura einer zeitenthobenen Endgültigkeit. Blei konserviert über den Tod hinaus und zugleich ist Blei ein tödlich giftiges Material. Die Bleibücher von Kiefers „Volkszählung" enthalten somit unentrinnbares

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Belastungsmaterial für jedwedes auch tödliches Verhängnis, worauf im kopfüber stürzenden Hampelmann aus Blei auf der Rückseite der Bibliothek hingewiesen ist. Was Kiefers Bücherskulptur, ungeachtet ihrer sehr allgemeinen Sprach- und Bildmacht, schließlich doch sehr präzise zu einer Nationalbibliothek der Deutschen und ihres kollektiven Gedächtnisses macht, ist der erstaunliche gläserne Polyeder im Innenraum. Bei ihm handelt es sich ganz offenkundig um ein Bildzitat aus Dürers berühmten Kupferstich „MELENCOLIA. I". Bei Dürer wie bei Kiefer ist der Polyeder ein Sinnbild der angewandten Kunst der Mathematik. Ohne die Mathematik lässt sich eine Volkszählung nicht durchführen. Sie ist gleichsam die Basiswissenschaft für alles Erfassen, Registrieren und Quantifizieren. Warburgs Schüler Klibansky, Panofsky und Saxl haben in ihrer berühmten Abhandlung „Saturn und Melancholie" über Dürers Melancholiekupferstich den Polyeder zudem als Sinnbild der geometrisch fundierten Optik gedeutet.3 Kiefer nimmt offensichtlich auf diese Deutung Bezug, wenn er seinen Polyeder als gläsernen Körper zum Behältnis zahlreicher Filmrollen macht. Diese zeigen eine endlose Addition photographischer Aufnahmen von Menschen im Biergarten und bei Volksfesten. Mithin enthält der Polyeder photographische Dokumente der observierten Menge, welche sich durch die ebenfalls in Polyeder vorgestellte mathematische Kunst in präzise vermessenes und quantifizierbares Aktenmaterial verwandelt, ein Prozess melancholisch bleierner Alchemie des Staates mit seinen Bürgern.

III. Kiefers Rückgriff auf Dürers Polyeder und dessen Verwandlung zum Instrument mathematisch präziser Observierungskunst verleiht seiner „Volkszählung" eine merkliche Rückbindung an das Bildgedächtnis der deutschen Kunst- und Geistesgeschichte. Dieser galt Dürers Melancho3

Raymond Klibansky, Erwin Panofsky und Fritz Saxl, Saturn and Melancholy, Studies in the History of Natural Philosophy, Religion and Art, London 1964, S. 328. Deutsche Übersetzung von Christa BuschendorÇ Frankfurt 1990, S. 463, zu Dürers Polyeder: „denn letzterer ist hier wie in vielen anderen zeitgenössischen Darstellungen Probestück und Symbol der geometrisch fundierten Optik, insbesondere der Perspektiven".

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Anselm Kiefer, Leviathan, 1989 Mischtechnik, 330 χ 360 cm Sammlung Marx, Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart Berlin

liekupferstich seit langem als eine der „deutschesten aller Darstellungen"^ Zum Denkbild der Verfehlungen deutscher Geschichte voller Melancholie und Grauen hat Kiefer selbst seine Bibliothek verwandelt auf seinem Gemälde „Leviathan". Im „Hamburger Bahnhof" hängt es als eine auch mögliche Lesart seiner „Volkszählung" in deren unmittelbarer Nachbarschaft. Kiefers Gemälde zeigt ebenfalls ein monumentales Bücherregal angefüllt mit mächtigen Folianten, nun inmitten einer Landschaft aus Eisenbahngleisen platziert. Wieder ist es eine Bibliothek mit Inschrift. Im Knick der angewinkelt nebeneinander stehenden Buchregale liest man fast in der Bildmitte aufsteigend das Wort „Leviathan". Kiefer hat damit auf Thomas Hobbes berühmtes Gedankenbild Bezug genommen, wonach der Staat in Gestalt eines monströsen Riesen alle Staatsbürger in seinem Körper vereint und sie durch Angst und

4

Vgl. Peter-Klaus Schuster, M E L E N C O L I A I, Dürers Denkbild, Berlin 1991, Bd. I, S. 26 und 392 ff. Zu Kiefers Paraphrasen auf Dürers Melancholiekupferstich dort S. 400 ff.

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Schrecken in Zucht und Ordnung hält.5 Man muss Hobbes Bild vom erschreckenden Riesen Leviathan als einschüchternder Ordnungsmacht des Staates keineswegs kennen, um das Entsetzliche der Kieferschen Bibliothek in der Gleislandschaft auf der Folie unseres kollektiven Bildgedächtnisses gewahr zu werden. Der staatstechnische Zugriff einer „Volkszählung", bedrängend und bedrohlich genug und von Kiefer auch diesem Bild rechts oben einbeschrieben, hat sich jetzt verwandelt zur Todesbürokratie des deutschen Nationalsozialismus und seines Uberwachungsstaates, der ihm missliebige Bürger perfekt registriert hat, um sie der Vernichtungsmaschinerie der Konzentrationslager zuzuführen. Eine Bibliothek auf den Gleisen der Vernichtungslager und in einer Landschaft der verbrannten Erde kann, trotz der Inschrift „Leviathan" und ihres Verweises auf die tödliche Unterdrückungsmacht des Staates, auch bei Kiefer gegen den Strich gelesen werden. Nicht zuletzt in dieser Möglichkeit besteht ja nach Aby Warburg die humane Leistung unseres in Bibliotheken und Museen gespeicherten kollektiven Gedächtnisses. Erinnerung als Geschenk der Mnemosyne befreit durch die Bewusstmachung der Fülle der Möglichkeiten aus einseitiger Verengung und eröffnet so einen Denkraum der Besonnenheit. Das heißt, das Bild der Bibliothek ist nicht einseitig festlegbar auf die Archive des Staatsterrors. Gegen den Strich gelesen, bedeutet dies für Kiefers Bild, dass Bibliotheken und Bücher sich selbst dem Zugriff des Leviathans des totalitären Unterdrückungsstaates widersetzen. W e i l Bücher auch Auschwitz überleben, hat Kunst als kollektives Gedächtnis des Leidschatzes der Menschheit überhaupt eine Wirkungsmöglichkeit. 6 Kiefer thematisiert diese Wirkungsmöglichkeit von Büchern über die Katastrophe der Staatsvernichtung hinaus im „Hamburger Bahnhof" 5

Horst Bredekamp, Thomas Hobbes. Visuelle Strategien. D e r Leviathan: Urbild des modernen Staates, Berlin 1999; Horst Bredekamp, Ikonographie des Staates: Der Leviathan und seine neuesten Folgen, in: Leviathan, Zeitschrift für Sozialwissenschaft, 29. Jg., 2001, Heft I, S. 18 ff. und Horst Bredekamp, V o n Walter Benjamin zu Carl Schmitt, via Thomas Hobbes, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 46,1998, Heft 6, S. 901 ff. Auf den Regalböden der Bibliothek seines Gemäldes „Leviathan" hat Kiefer die Namen der für das Bild des Leviathan in der Staatsphilosophie einschlägigen Denker geschrieben. Von unten nach oben liest man: Hobbes, Locke, Montesquieu, Carl Schmitt. Links unten steht groß der Name des apokalyptischen Tieres „Behemoth".

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Vgl. Martin Warnke, „Der Leidschatz der Menschheit wird humaner Besitz" in: Werner Hofmann, Georg Syamken, Martin Warnke, Die Menschenrechte des Auges. Uber A b y Warburg, Frankfurt 1980, S. 113 ff.

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durch ein weiteres Werk, das ebenfalls zur Sammlung Erich Marx gehört, der Bleiskulptur „Mohn und Gedächtnis" aus dem Jahr 1989. Es handelt sich um die Nachbildung eines Flugzeuges aus Blei, auf dessen Flügel wieder große Bleifolianten mit Mohnpflanzen zwischen den Bleiblättern liegen. Kiefer bezieht sich damit auf den 1952 erschienenen Gedichtband „Mohn und Gedächtnis" von Paul Celan. Der noch siebzehnjährige Paul Antschel, der sich als Dichter den Namen Paul Celan gab, war am 10. November 1938, am Tag nach der Reichsprogromnacht, aus Czernowitz in der Bukowina auf dem Weg zum Studium der Medi-

Anselm Kiefer, Mohn und Gedächtnis, 1989 Blei, Glas, Mohn, Eisen, 230 χ 650 χ 630 cm Sammlung Marx, Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart Berlin 316

zin über den Anhalter Bahnhof in Berlin nach Tour gefahren. Seine Eltern waren 1942 aus Czernowitz deportiert und wenig später in einem Lager in Transnistrien in der Ukraine von Deutschen ermordet worden, ebenso wie viele Bekannte und Verwandte Celans. Seine Muttersprache Deutsch, in der er von Paris aus seine Gedichte schrieb, war für ihn auch die Sprache der Mörder. In dieser Sprache, so Celan nach der Veröffentlichung seines ersten Gedichtbandes „Mohn und Gedächtnis" sehe er „seine Aufgabe darin, die Konturen dessen, was getan und erlitten wurde, vor allem die des Erlittenen, nachzuziehen".? Wie vieldeutig anspielungsreich Kiefers Bleibibliothek auf den Flügeln eines Jagdbombers der Metaphorik Celans entspricht, erhellen Celans Verse aus seiner „Todesfuge" in „Mohn und Gedächtnis":

(...) der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau an Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus Deutschland

(...)

Tod, Traum, Blei, das Grab in der Luft, - übereinstimmend mit diesen Sprachbildern Celans findet sich auch der Mohn als Sinnbild des Traumes und des Rausches bei Kiefer zwischen den Seiten der Bleibücher. Nicht erst in diesem Werk von 1989 sind die Bücher für Kiefer der Inbegriff des archivierenden Gedächtnisses. Eine Fülle von Themen wie die ebenfalls im „Hamburger Bahnhof" gezeigten „Wege der Weltweisheit" oder „Hoffmann von Fallersleben auf Helgoland" hat Kiefer zuerst in Buchform erprobt, um daraus Bilder und anschließend Bildobjekte aus Blei zu erstellen.8 Die Bücher, die als Archive des Gedächtnisses auf den Flügeln des Bleiflugzeuges gelegt sind, bedeuten für Kiefer aber nicht nur eine ständige Gefährdung der Erinnerung durch die Macht und die Verführungs7 8

Z i t nach Joachim Seng, Nachwort zu Paul Celan, Mohn und Gedächtnis, StuttgartMünchen 2000, S. 79 f. Vgl. dazu den Ausstellungskatalog, Anselm Kiefer, Bücher 1969-1990, hrsg. von Götz Adriani, Stuttgart 1990.

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macht des Todes. Vielmehr verbindet sich das Bücherflugzeug mit dem Mohn als Stimulanz des Rausches und des Traumes zum anschaulichen Paradox, mit dem geistigen Geschäft der Kunst die Schwere der Materie sowie ihre Zerstückelung wieder aufzuheben. Diesem im Bücherflugzeug offensichtlich werdende Bemühen um Erlösung vom Irdischen durch die beflügelnde Macht der Kunst korrespondiert bei Kiefer eine verstärkte Verwendung von Blei als Material seiner Bildobjekte. Wegen seiner Schwere und schwarzgrauen Farbigkeit seit alters dem Planet Saturn unterstellt, ist Blei seit jeher die prima materia des alchimistischen Prozesses, um durch Reinigung und Läuterung der Materie aus Blei schließlich Gold zu erlangen. Indem Blei bei Kiefer zum bevorzugten Gestaltungsmittel für seine Bildobjekte wie auch zum fast ausschließlichen Malgrund seiner zahlreichen, offensichtlich durch die Schriften Warburgs und der Warburg-Schule inspirierten Paraphrasen auf Dürers Melancholiekupferstich wird, enthüllt sich Kiefers gesamter Kunstentwurf als „saturnische Malkunst". Deren bevorzugte Themen sind im Zeichen des Unglücksplaneten Saturn die Katastrophen der Geschichte, also Krieg, Untergang und Tod. Die Lieblingsfarben zur Darstellung solcher Katastrophen sind bei Kiefer Schwarz und Grau, die Farben des Saturn und der von ihm hervorgerufenen melancholischen Trauer. Erde, Stroh, Asche und Blei, diese dem Saturn zugeordneten Materialien sind die bevorzugten Bildmittel von Kiefers „saturnischer Malkunst".9 Solcher Geist der Dunkelheit und Schwere hat sein wirksamstes Gegenmittel in Saturn selbst, der zugleich als der Urheber aller genialen Begabung in den Künsten und Wissenschaften gilt. Saturn, Melancholie und Blei sind somit seit alters, wie die Schriften Warburgs und seiner Schüler mit akribischer Gelehrsamkeit dargetan haben10, in kollektivem Gedächtnis als höchst zweideutige Wirkungsmächte etabliert. So sehr sie einerseits unlösbar mit Unglück, Trauer, Tod und dem Geist der Läh9

Peter-Klaus Schuster, Saturn, Melancholie und Merkur. Bemerkungen zu Kiefers „Saturnischer Malkunst", in: Ausst. Kat. Anselm Kiefer, Nationalgalerie Berlin 1991, S. 152 ff. 10 Vgl. Klibansky, Panofsky, Saxl, Saturn and Melancholy (hier Anm. 3); zu den zahlreichen Studien Warburgs und der Warburg-Schule über Saturn und Melancholie s. Schuster (Anm. 4), S. 32 ff. Wichtig für Kiefer war die Vermittlung der Warburg-Tradition mit der Kabbala durch Walter Benjamin, vgl. Schuster (Anm. 4), S. 400 und Schuster (Anm. 9), S. 154 f. - Für vielfältige Hilfe danke ich Andrea Bärnreuther, Carola Vernimmen und Moritz Wullen.

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mung verbunden sind, so sehr sind sie andererseits die unabdingbaren Voraussetzungen zur schöpferischen Verwandlung des Irdischen zu höchster Vollkommenheit, ins Geistige und Göttliche vermöge der Kunst. Niemand gelingt dieser Aufstieg besser als dem Melancholiker, der durch seine Gelehrsamkeit in den Künsten und den Enthusiasmus des melancholischen Furors, durch „Mohn und Gedächtnis" diese fragmentarische Schöpfung wieder mit ihrem Schöpfer versöhnt. Unter diesem Blickwinkel ist Kiefers Bleibibliothek auf den Flügeln eines Flugzeuges unter seinen Bibliotheken im „Hamburger Bahnhof" jene, die dieser Verwandlungsmacht des Buches zur selbstschöpferischen Neuorientierung des Menschen am weitesten Raum gibt. Zugleich zeigen Kiefers Bibliotheken im „Hamburger Bahnhof", wie sich die Uberlieferung des kulturellen Gedächtnisses in Deutschland problematisiert hat: vom Ehrenplatz der Mnemosyne im Treppenhaus der Nationalgalerie als Besinnungs- und Identifikationsort der Deutschen über Aby Warburgs kulturwissenschaftliche Bibliothek als enzyklopädischem Gedächtnisort für das Nachwirken der Antike und ihrer Gefährdungen (denen diese einzigartige Bibliothek des großen jüdischen Gelehrten in Deutschland nur entkommen konnte durch ihre im Dezember 1933 rechtzeitig erfolgte Verlagerung von Hamburg nach London) bis hin zu der auf solche Vertreibung des Geistes aus Deutschland reagierenden Bibliotheken Kiefers als Erneuerung der Erinnerung an Warburg und an seine Überzeugung, dass mit der Vergegenwärtigung des Schrecklichen und Unaussprechlichen der entscheidende Schritt zur schöpferischen Neubestimmung des Menschen bereits getan ist. So erinnern Kiefers monströse Bibliotheken im „Hamburger Bahnhof" noch im Bild unvorstellbarer Barbarei an das zivilisatorische Pathos, das Warburg der Mnemosyne, der Göttin des Gedächtnisses zugesprochen hat, die zuvor schon in der Nationalgalerie als Mutter aller Künste verehrt wurde. Der Strang künstlerischer Überlieferung, der von der Nationalgalerie über Warburg zu Kiefer läuft, ist nichts anderes als der Beleg für die Wirkungsmacht unseres kollektiven Bild- und Bildungsgedächtnisses.

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HANS MAGNUS ENZENSBERGER

DER BENUTZER. EIN POSTSKRIPTUM

Die Verteidigung der Bibliothek - wer, der nach wie vor lesen und schreiben kann, wollte sie nicht zu seiner Sache machen? W e r wüßte nicht, dass sie es nötig hat, dass sie einer belagerten Festung gleicht? Längst haben die Finanzpolitiker ihr schweres Geschütz gegen sie aufgefahren. Sie wissen, dass es darauf ankommt, Milliarden zu vergeuden für Subventionen, Weltausstellungen, Beschäftigungsprogramme; und einen Teil der riesigen Lücken, die dabei entstehen, dadurch zu stopfen, dass sie dort zur Plünderung schreiten, wo keine schwer bewaffnete Lobby droht. Das gesellschaftliche Milieu, das man gemeinhin Kultur nennt, ist bekanntlich unfähig, sich kompakt zu organisieren, und, obwohl es zur Wertschöpfung mehr beiträgt als Landwirtschaft, Schiffsbau oder Raumfahrt, sein Gewicht dort in die Waage zu werfen, wo Verteilungskämpfe entschieden werden, nämlich in den Wahlkämpfen der Parteien. Wenn also gespart werden soll, dann wird sich jeder halbwegs wohlkalkulierende Politiker an die Kultur halten, die, wie er aus Erfahrung weiß, unfähig ist, ihn zu bestrafen. Doch die Metapher von der belagerten Festung trügt; denn längst ist der Feind ins Innere der Bibliotheken vorgedrungen. Wozu, flüstert die Fünfte Kolonne, wozu diese Regale, diese Zettelkästen, diese Magazine? Wozu die Mühe, die ein so tonnenschwerer Bestand, die diese Altlast aus Pergament, Hadern und Zellulose bereitet? Wozu die monumentalen Gebäude im Zentrum der Stadt, wo wir doch alle online sind und einem fröhlichen virtuellen Zeitalter täglich näherrücken? Digitalisierung, Deaquisition, Schreddern der altertümlichen Kataloge, bestenfalls Verfilmung oder Auslagerung der Bestände - jedenfalls Schluß mit der sentimentalen Idee, als sei es die Aufgabe des Bibliothe321

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kars, etwas zu bewahren. Das Netz ist die Lösung. Das alte Gehäuse kann bis auf den Keller abgetragen werden, in dem nur noch das Rechenzentrum, die Datenbank überleben soll. Soweit die neuen Losungen. Schöne Aussichten - oder böswillige Projektionen? Das zu entscheiden, übersteigt natürlich die Kompetenzen eines bloßen Lesers, der noch dazu nicht mit den Privilegien eines deutschen Professors gesegnet ist. Diese unscheinbare, u m nicht zu sagen armselige Figur spielt in den Interessenkonflikten und Diskussionen über die Probleme und die Zukunftsaussichten der Bibliotheken kaum eine Rolle. In der Statistik taucht sie allenfalls unter der Rubrik Benutzer auf, und ohne unfair zu sein, darf m a n behaupten, dass sie im Allgemeinen, besonders in Deutschland, als quantité négligeable gilt. (Dass nicht ein einziger unter den Beiträgen des vorliegenden Bandes denen zugedacht war, die tagaus, tagein in die Bibliotheken strömen, dürfte kein Zufall sein). Aus eigener jahrzehntelanger Erfahrung und aus den Äußerungen hunderter von Leidensgenossen könnte der Verfasser dieser Zeilen n u n ein langgedehntes Klagelied über die mannigfachen Plagen und K ü m mernisse des sogenannten Benutzers anstimmen. Einzelne Cantos m ü ß ten die zaristisch anmutende Zettelwirtschaft, die wirre Katalogsituation, die oft unerträglichen Wartezeiten und den häufig anzutreffenden Fahrkartenzwicker-Ton der Angestellten besingen. Aber wer möchte sich diesen J a m m e r anhören, der ja jeder Originalität ermangelt und eben jener Tradition angehört, die er beklagt? Lieber erinnere ich mich an einige paradiesische Monate am N e w Yorker Washington Square. Dort händigte man mir, gegen Vorlage meiner Legitimation u n d gegen meine Unterschrift, innerhalb von fünf Minuten eine Karte aus, die mich berechtigte, unter einer knappen Million von Büchern zu wählen, sie frei aus dem Regal zu nehmen, sie seitenweise zu kopieren, und falls ich Lust dazu hatte, sie mit nach Hause zu nehmen, dies alles an sieben Tagen in der W o c h e von neun U h r morgens bis mitternachts. Es gibt buchstäblich keine einzige öffentliche Institution in Deutschland, die etwas Vergleichbares zu bieten hätte; und zwar ist die Qualität der Dienstleistungen hierzulande meist umgekehrt proportional zur Größe und Bedeutung der betreffenden Einrichtung. Die kleine Filiale der Stadtbibliothek in meiner Nachbarschaft zum Beispiel stellt, was Höflichkeit, Effizienz und Zugänglichkeit angeht, die

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berühmte Bayerische Nationalbibliothek weit in den Schatten - eine Institution übrigens, vor deren Betreten ich den arglosen Leser nur warnen kann. Der Befund lädt ein zum Grübeln. Vielleicht sind an der bedrohlichen Lage unserer ehrwürdigen Schatzhäuser doch nicht nur die wölfischen Finanzminister und die Evangelisten der künstlichen Intelligenz schuld? Könnte es sein, dass in den deutschen Bibliotheken der Wirt allzulange seine Rechnung ohne den Gast gemacht hat, und dass ihnen Millionen von enttäuschten und verärgerten „Benutzern" deshalb die politische Unterstützung versagen, ohne die es mit ihrer Zukunft trübe aussieht? Jedenfalls möchte ich allen Beteiligten, vom Minister bis zum Portier, zu einer Exkursion in die Vereinigten Staaten von Amerika raten. Möglicherweise gingen ihnen dort die Augen auf; sie würden sich die traurige Kunstfigur des Benutzers aus dem Kopf schlagen und sich stattdessen auf ihren wahren Auftraggeber besinnen: einen Menschen, der nicht vor einem Schalter stehen, sondern einfach lesen möchte.

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PERSONENREGISTER Das Verzeichnis nennt außer Nachnamen und Vornamen - soweit möglich - auch Geburts- und Sterbejahr sowie mit einem oder zwei Stichworten die wichtigste Profession. Die Schreibweise folgt in der Regel der vom Autor des Aufsatzes verwendeten. Personen, die lediglich in den Anmerkungen oder in Hinweisen des Autors genannt werden, wurden nicht aufgenommen. Winfried Sühlo

Ackermann, Irmgard, '1930, Germanistin, S. 124 Adams, Anton, 1856-1915, Baurat, S. 35 Adams, John, 1735-1826, Präsident der USA, S. 174 Aesticampianus, Jan, gest. 1501, Universitätsprofessor, S. 168 Aischylos, 525-456 v. Chr., griech. Tragiker, S. 261 Albrecht V, 1528-1579, bayer. Herzog, S. 64, 79 Alexej Michailowitsch, 1629-1676, Zar, S. 147 Althoff, Friedrich, 1839-1908, preuß. Ministerialdirektor, S. 222 f Amman, Johann, gest. 1741, Botaniker, S. 153 Andersch, Alfred, 1914-1980, Schriftsteller, S. 120 Andreae, Johann Valentin, 1586-1654, Theologe, Liederdichter, Rosenkreuzer, S. 93 Anna Amalia, 1739-1807, Herzogin von Sachsen-Weimar, S. 127-137 Anna Joannowna, 1693-1740, Zarin, S. 152 Anton Ulrich, 1633-1714, Herzog zu Braunschweig-Lüneburg, S. 91, 95 f Areskin, Robert Karlowitsch, ca. 1650-1718, kaiserl. Leibarzt, S. 149 f Aron, Raymond, 1905-1983, franz. Philosoph, Soziologe, Schriftsteller, S. 299 August der Jüngere, 1579-1666, Herzog zu Braunschweig-Lüneburg, S. 91-109 Aurifaber, Johann, 1519-1575, Theologe, Famulus Luthers, S. 92 Bach, Johann Sebastian, 1685-1750, Musiker, Komponist, S. XIV, 41 Bacmeister, Johann Vollrath, vor 1756-ca. 1788, Bibliothekar, S. 155 Bacon, Francis, 1561-1626, engl. Schriftsteller, Philosoph, S. 232 Badenhop, Wilhelm, 1902-1961, Kaufmann, Büchersammler, S. 116 Bandtkie, Jerzy Samuel, 1768-1839, Slawist, Bibliotheksdirektor, S. 163

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Barnard, Sir Frederick Augusta, 1742-1830, Bibliothekar, S. 173 Bäumler, Alfred, 1887-1968, politischer Pädagoge, S. 298 Bayer, Gottlieb Siegfried, 1694-1738, Historiker, S. 153 f Bayle, Pierre, 1647-1706, Schriftsteller, S. 150 Beckerath, Hermann von, 1801-1870, preuß. Politiker, S. 12 Beethoven, Ludwig van, 1770-1827, Musiker, Komponist, S. 41 Beger, Lorenz, 1653-1705, Bibliothekar, S. 43 Benjamin, Walter, 1892-1940, Schriftsteller, Ubersetzer, Literaturtheoretiker, S. 233 f Benn, Gottfried, 1886-1956, Dichter, Arzt, S. 118,299 Berg, Günter, '1959, Verlagsleiter, S. 230 Bermann-Fischer, Gottfried, 1897-1995, Verleger, S. 299 Bernhardi, Carl Christian Sigismund, 1799-1874, Abgeordneter (Paulskirche), Bibliothekar, S. 5, 6, 8 f Bernoulli, Daniel, 1700-1782, Mathematiker, S. 153 Bernoulli, Johann, 1667-1748, Astronom, S. 155 Bernoulli, Nikiaus, 1695-1726, Mathematiker, S. 153 Bertaux, Pierre, 1907-1986, franz. Germanist, S. 299 Bethmann, Konrad, 1812-1867, Bibliothekar, S. 98 Biedermann, Carl Friedrich, 1812-1901, Schriftsteller, Abgeordneter (Paulskirche), S. 5, 6 Birkenmajer, Aleksander, 1890-1967, Bibliothekar, S. 165 Björnson, Björnstjerne, 1832-1910, norweg. Schriftsteller, S. 273 Blei, Franz, 1871-1942, österr. Schriftsteller, S. 122 Bloch, Ernst, 1885-1977, Philosoph, S. 233 f Blumenthal, Oscar, 1852-1917, Schriftsteller, Theaterdirektor, S. 266 Blumentrost, Laurentius, 1692-1755, kaiserl. Leibarzt, Akademiepräsident, S. 144,149 f Bobrowa, Jelisaweta Iwanowa, erwähnt 1978, Bibliothekarin, S. 145-148 Bogucicki, Józef, 1747-1798, Priester, S. 163 Bolotow, Andrej Timofejewitsch, 1738-1833, Botaniker, Schriftsteller, S. 156 Boltanski, Christian, '1944, franz. Künstler, S. 246 Borngässer, Ludwig, 1907-1994, Bibliotheksdirektor, S. 23 Bradbury, Ray, "1920, amerik. Schriftsteller, S. IX, 47 Braun, Volker, '1939, Schriftsteller, S. 124 Brecht, Bertolt, 1898-1956, Schriftsteller, Theaterleiter, S. 229-241 328

Bromirski, Wìadyslaw Leon, Ende 19. Jh., Stifter eines Nachlasses, S. 164 Bronté, Anne, 1820-1849, engl. Dichterin, S. 117 Bronté, Charlotte, 1816-1855, engl. Schriftstellerin, S. 117 Bronté, Emily Jane, 1818-1848, engl. Schriftstellerin, S. 117 Brozek, Jan, 1585-1652, Mathematiker, Astronom, S. 162 Bruce, Jakow Wilimowitsch Graf, 1670-1735, Generalfeldmarschall, Astronom, S. 145 Bruyn, Cornelius de, um 1700, Reisender, S. 149 Buber, Martin, 1878-1965, jüd. Religionsphilosoph, S. 300 Büllfinger, Georg Bernhard, 1693-1750, Physiker, Philosoph, S. 153 ff Bunn, David, '1950, amerik. Künstler, Fotograf, S. 245 f Bushinskij, Gavriil, ca. 1780-1731, Bischof, Ubersetzer, S. 147 Buxbaum, Johann Christian, 1693-1750, Botaniker, S. 153 Carl August, 1757-1828, Großherzog v. Sachsen-Weimar-Eisenach, S. 127 Casanova, Giacomo, 1725-1798, ital. Schriftsteller, S. 97 Cassirer, Paul, 1871-1926, Kunsthändler, Verleger, S. 233 Celan, Paul, 1920-1970, Dichter, S. 120,298, 316 f Chagall, Marc, 1889-1985, franz. Maler, S. 100 Chambers, Sir William, 1726-1796, Architekt, S. 172,174 Chamfort, Nicolas, 1741-1794, franz. Schriftsteller, S. 233 Charles, Prince of Wales, '1948, engl. Kronprinz, S. 178,180 ff Cramer, Johann Andreas, 1723-1788, Schriftsteller, S. 197 Creizenach, Wilhelm, 1851-1919, Germanist, S. 165 Cremer, Martin, 1913-1988, Bibliotheksdirektor, S. 23 Czepiel, Mikolaj, ca. 1452-1518, Universitätsprofessor, S. 168 Czerwiakowski, JôzeÇ 1743-1816, Mediziner, Sammler, S. 163 D^brówka, Jan, 1400-1472, Universitätsprofessor, S. 168 D^bski, Wladyslaw, Ende 19. Jh., Stifter eines Nachlasses, S. 164 D'Alema, Massimo, *I949, ital. Politiker, Ministerpräsident, S. 225 Deborin, Alexander, 1881-1963, Philosoph, S. 235 Delbrueck, Richard, "1875-1957, Altertumswissenschaftler, S. 224 Delisle, Joseph Nicolas, 1688-1768, Astronom, S. 153 f Diliberto, Oliviero, "1956, ital. Politiker, Justizminister, S. 225 ff Döllgast, Hans, *i893, Architekt, S. 70 Duhn, Friedrich von, 1851-1930, Archäologe, S. 227 Duncker, Hermann, 1874-1960, Gewerkschafter, S. 234 Dürer, Albrecht, 1471-1528, Maler, Kupferstecher, S. 313 f, 318

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Duvernoy, Johann Georg, 1691-1759, Biologe, S. 154 Dziatzko, Karl, 1842-1903, Bibliothekar, S. 215 Ebert, Friedrich, 1871-1925, Politiker, Reichspräsident, S. 18,35 Ebert, Friedrich Adolf, 1791-1834, Bibliothekar, S. 98,101 Eco, Umberto, '1932, ital. Schriftsteller, S. 47,225,275-294 Edvardson, Cordelia, '1929, schwed. Autorin, Tochter von Elisabeth Langgässer, S. 298 Eichmann, Adolf, 1906-1962, SS-Führer, S. 297 Eisler, Hanns, 1898-1962, Komponist, S. 234 Elisabeth II, '1926, engl. Königin, S. 182 Elisabeth Petrowna, 1709-1762, Zarin, S. 139 Erasmus von Rotterdam, 1465-1536, niederl. Humanist, Theologe S. 144, 162 Estreicher, Karol, 1827-1906, Bibliotheksdirektor, S. 164 Euler, Leonhard, 1707-1783, Mathematiker, S. 153 Fabian, Bernhard, '1930, Bibliothekswissenschaftler, S. 134 Fehling, Jürgen, 1885-1968, Theaterregisseur, S. 299 Ferdinand Albrecht, 1636-1687, Herzog zu Braunschweig-Lüneburg, S. 91 Fernow, Carl Ludwig, 1763-1808, Maler, Schriftsteller, S. 136 Fest, Joachim, '1926, Historiker, Publizist, S. 205,213 Fjodor Alexejewitsch, 1661-1682, Zar, S. 147 Fontane, Theodor, 1819-1898, Schriftsteller, S. 266 Friedländer, Salomo, 1871-1946, Schriftsteller, S. 122 Friedrich 1,1657-1713, preuß. König, S. 44 Friedrich II (der Große), 1712-1786, preuß. König, S. 39,41 f, 217 Friedrich III, 1831-1888, deutscher Kaiser, S. 217 Friedrich Ulrich, 1591-1634, Herzog zu Braunschweig-Lüneburg, S. 93 Friedrich Wilhelm, 1620-1688, Kurfürst von Brandenburg, S. 43 f Friedrich Wilhelm IV, 1795-1861, preuß. König, S. 40,191, 261 f, ϊ6ηί Frisch, Max, 1911-1991, Schriftsteller, Architekt, S. 238 Frutiger, Adrian, "1928, Graphiker, Schriftdesigner, S. 56 Fugger, Johann Jakob, 1516-1575, Kaufherr, Bücherfreund, S. 64, 81 Gagern, Heinrich von, 1799-1880, Politiker, Parlamentspräsident (Paulskirche), S. 4 Galilei, Galileo, 1564-1642, Naturforscher, S. 229,239 f Gärtner, Friedrich von, 1792-1847, Architekt, S. 68 Gast, Peter, 1854-1918, Komponist, Freund Nietzsches, S. 214 330

Gehringer, Adelheid, *I949, Caféhaus-Betreiberin, S. 250 Georg II, 1727-1760, engl. König, S. 172 Georg III, 1738-1820, engl. König, S. 171 ff, 180 Georg IV, 1762-1830, engl. König, S. 176 Gerstäcker, Friedrich, 1816-1872, Schriftsteller, S. 198 Geyer, Otto, 1843-1914, Bildhauer, S. 309 Glaeser, Ernst, 1902-1963, Schriftsteller, S. 256 Glockner, Hermann, 1896-1979, Philosoph, S. 238 Glück, Franz, 1899-1981, Museumsdirektor, Sammler, Herausgeber, S. 118 f, 122 Goebbels, Joseph, 1897-1945, nationalsoz. Propagandaminister, S. 296 Goethe, Johann Wolfgang von, 1749-1832, Dichter, Naturforscher, Politiker, S. 127,201,233,253,261,295,299-304 Golikow, Iwan Iwanowitsch, ca. 1735-1801, Kaufmann, Schriftsteller, S. 140,143 Göll, Ciaire, 1891-1977, franz.-dt. Schriftstellerin, S. 118 Göll, Yvan, 1891-1950, franz.-dt. Dichter, S. 118 Gostkowska, Józefa, 1760-1850, Sammlerin, S. 164 Grabowski, Adam S., 1698-1766, Bischof, S. 163 Gracián, Balthasar, 1601-1658, span. Schriftsteller, S. 233 Grenville, George, 1712-1770, Premierminister, S. 185 Grimm, Jacob, 1785-1863, Philologe, S. 8 Groß, Gustav Robert, 1823-1890, Abgeordneter (Paulskirche), S. 5, 6 Grosz, George, 1893-1959, Maler, S. 234 Grothe, Heinz, 1912-1990, Schriftsteller, Redakteur, S. 118 Grotius, Hugo, 1583-1645, Rechtsgelehrter, S. 144 Grzymala, Andrzej, 1425-1466, Universitätsrektor, S. 168 Gutzkow, Karl Ferdinand, 1811-1878, Schriftsteller, S. 198,206,268 Hackländer, Friedrich Wilhelm Ritter v., 1816-1877, Schriftsteller, S. 198 Haffner, Sarah, "1940, Malerin, Schriftstellerin, S. X V I Hahn, Heinrich Wilhelm, 1795-1873, Buchhändler, Verleger, S. 3, 6 Halpern, Max, '1871, österr. Schriftsteller, Schauspieler, S. 272 Harnack, Adolf von, 1851-1930, Theologe, Bibliotheksdirektor, S. 35 ff, 209 Hartmann, Moritz, 1821-1872, Schriftsteller, Abgeordneter (Paulskirche), S.5 Haug, Martin, 1827-1876, Indologe, S. 81 331

Haupt, Moriz, 1808-1874, Altphilologe, S. 208 Hauptmann, Gerhart, 1862-1946, Schriftsteller, S. 118,267,272 Hebbel, Christian Friedrich, 1813-1863, Schriftsteller, S. 233,253 Hebel j o h a n n Peter, 1760-1826, Dichter, S. 233 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich, 1770-1831, Philosoph, S. 229,238 Heine, Heinrich, 1797-1856, Dichter, S. 233,302 Heinemann, Otto von, 1824-1906, Bibliothekar, S. 98 f Heinrich Julius, 1564-1613, Herzog zu Braunschweig-Lüneburg, S. 91 Heinsius, Gottfried, 1709-1769, Astronom, S. 153 Heibig, Wolfgang, 1839-1915, Archäologe, S. 215 f Helwig, Werner, 1905-1985, Schriftsteller, S. 233 Hennequin, Charles Maurice, 1863-1926, franz.Schriftsteller, S. 271 Hentze, Carl, *i886, Sinologe, S. 82 Herrmann, Helene, 1877-1944, Germanistin, S. XIV, 34,297 Herrmann, Max, 1865-1942, Literatur- und Theaterwissenschaftler, S. XIV, 33,295 ff 304 Hesekiel, Johannes, 1819-1874, Schriftsteller, S. 198 Hesse, Hermann, 1877-1962, Dichter, S. 116,123 Hessen-Rotenburg, Viktor Amadeus Landgraf v., 1779-1834, Fürst, Sammler, S. 189 Heuß, Alfred, 1909-1995, Historiker, S. 205 Hevelius, Johannes, 1611-1687, Astronom, S. 154 Hinckeldey, Carl Eduard von, 1805-1856, Berliner Polizeipräsident, S. 259-274 Hirschfeld, Magnus, 1868-1935, Arzt, Sexualforscher, S. 299 Hobbes, Thomas, 1588-1679, engl. Philosoph, S. 314 f Hoffmann, Ernst Theodor Amadeus, 1776-1822, Dichter, Komponist, Maler, S. 199 Hoffmann, Heinrich, 1885-1957, Fotograf, S. 80 Hoffmann v. Fallersleben, August Heinrich, 1798-1874, Dichter, Germanist, Bibliothekar, S. 35,191,197 ff, 317 Hofmannsthal, Hugo von, 1874-1929, österr. Dichter, S. 122,298 Hohenlohe-Langenburg, Elise Fürstin zu, 1790-1830, Sammlerin, S. 189 Hohenlohe-Schillingsfürst, Chlodwig Fürst zu, 1819-1901, Politiker, Reichskanzler, S. 191 Hohenlohe-Waldenburg, Viktor, 1818-1893, Herzog von Ratibor, Fürst von Corvey, S. 191 332

Holder, August, 1850-1918, Lehrer, S. 114 Hölderlin, Johann Christian Friedrich, 1770-1843, Dichter, S. 114 Horkheimer, Max, 1895-1973, Sozialphilosoph, S. 234 f Hübner, Johann, 1668-1731, Pädagoge, Geograph, S. 144 Humboldt, Alexander von, 1769-1859, Naturforscher, S. 201 Huyssen, Hendrik van, vor 1689-1717, Geheimrat, S. 149 Icilius, Quintus, 1724-1775, Offizier, S. 42 Ihne, Ernst von, 1848-1917, Architekt, Hofbaumeister, S. 35 Jacobs, Emil, 1868-1940, Bibliothekar, S. 210 Jadwiga, 1374-1399, polnische Königin, S. 159 Jagushinskij, Pawel Iwanowitsch Graf, 1683-1736, Generalstaatsanwalt, Minister, S. 151 Jean Paul, 1763-1825, Schriftsteller, S. 233, 238 Johnson, Samuel, 1709-1784, Philologe, S. 173 Johst, Hanns, 1890-1978, SS-Führer, Schriftsteller, S. 297 Jordan, Wilhelm Julius, 1819-1904, Schriftsteller, Abgeordneter (Paulskirche), S. 5, 6 Jucho, Friedrich Siegmund, 1805-1884, Rechtsanwalt; Abgeordneter (Paulskirche), S. 8,13 f Julius, 1528-1589, Herzog zu Braunschweig-Lüneburg, S. 91 f Jünger, Ernst, 1895-1998, Schriftsteller, S. 118 Kaden, Michael d. J., gest. 1561, Jurist, Syndikus in Nürnberg, S. 92 Kafka, Franz, 1883-1924, Schriftsteller, S. 122 Kant, Immanuel, 1724-1804, Philosoph, S. 122,156,279 Karl Theodor, 1724-1799, Kurfürst v. d. Pfalz und v. Bayern, S. 65 Kasack, Hermann, 1896-1966, Schriftsteller, S. 120 Kästner, Erhart, 1904-1974, Schriftsteller, Bibliotheksdirektor, S. 99 Kästner, Erich, 1899-1974, Schriftsteller, S. 120,299 Kaufifmann, Hans, 1896-1983, Kunsthistoriker, S. 103 Kaulbach, Wilhelm von, 1805-1874, Maler, S. 5 Kazimierz III Wielki, 1310-1370, polnischer König, S. 159 Kekulé, Reinhard, 1839-1911, Altertumswissenschaftler, S. 219 Kelezer, Samuel, um 1725, Diplomat, S. 154 Kerner, Justinus Andreas Christian, 1786-1862, Dichter, Arzt, S. 114,124 Kiefer, Anselm, '1945, Künstler, S. 243-246,307-325 Kippenberg, Anton, 1874-1950, Verleger, S. 117 Kippenberg, Katharina, 1876-1947, Herausgeberin, S. 117 333

Kircher, Athanasius, 1602-1680, gelehrter Jesuit, Komponist, S. 93 Kirsten, Helmut, erwähnt um i960, Architekt, Partner von Sep Ruf, S. 70 Kleist, Heinrich, 1777-1811, Schriftsteller, S. 233,270 Klibansky, Raymond, '1905, Philosoph, Kunstwissenschaftler, S. 313 Knaus, Ludwig, 1829-1910, Maler, S. 207 Koll^taj, Hugo, 1750-1812, Bibliothekar, S. 162 Konfutse, 551-479 v.Chr., chin. Philosoph, S. 232,236 Kopijewskij, Ilja Fjodorowitsch, ca. 1651-1714, Verleger, Ubersetzer, S. 148 Korsch, Karl, 1886-1961, Jurist, Philosoph, S. 234 Kosch, Günter, "1925, Mathematiker, Büchersammler, S. 117 Kotzebue, August, 1761-1819, Schriftsteller, S. 197 Kozlówski, Mikolaj, gest. 1443, Universitätsrektor, S. 168 Kozmin, Benedykt von, ca. 1497-1559, Vizekanzler der Universität, S. 162 Kracauer, Siegfried, 1889-1966, Schriftsteller, Publizist, S. 118 Kraemer, Friedrich Wilhelm, 1907-1990, Architekt, S. 100 Krafft, Georg Wilhelm, 1701-1754, Physiker, S. 153 Rraszewski, Józef Ignacy, 1812-1877, Schriftsteller, S. 164 Kratkowski, Wladyslaw, 1840-1910, Sammler, S. 165 Kraus, Karl, 1874-1936, Schriftsteller, S. 123,233 f, 298 Krauss, Rudolf, 1861-1945, Archivar, S. 115 Krekschin, Pjotr Nikitorowitsch, 1684-1763, Bücherfreund, S. 140 Kresnik, Johann, *i939, Tanzmeister, S. 122 Krüss, Hugo Andres, 1879-1945, Bibliotheksdirektor, S. 30 Krzyzanowski, Waclaw, 1881-1954, Architekt, S. 165 Kunert, Günter, "1929, Schriftsteller, S. 123 Kuntze, Edward, 1880-1950, Historiker, Bibliotheksdirektor, S. 165 La Bruyère, Jean de, 1645-1696, franz. Schriftsteller, S. 233 La Mottraye, Aubry de, ca. 1674-1743, franz. Schriftsteller, Reisender, S. 154 La Rochefoucault, Francois VI, 1613-1680, franz. Schriftsteller, S. 233 Labourer, Jean, 17. Jh., franz. Historiker, S. 161 Lafontaine, August Heinrich Julius, 1758-1831, Schriftsteller, S. 197 Laingui, André, erwähnt 1999, franz. Rechtshistoriker, Professor Universität Paris II, S. 226 Landgrebe, Gustav Adolf, 1838-1899, Bildhauer, S. 307 Landwehrmeyer, Richard, "1929, Bibliotheksdirektor, S. 30 Lang, Brian, "1945, Bibliotheksdirektor, S. 180 334

Lang, Lorenz, um 1715, Schriftsteller, Diplomat, S. 150 Laotse, verm. 6. Jh. v. Chr., chin. Philosoph, S. 232 Lasso, Orlando di, ca. 1532-1594, Musiker, Komponist, S. 78 Laube, Heinrich, 1 8 0 6 - 1 8 8 4 , Schriftsteller, S. 2 7 0 Le Fort, Gertrud von, 1876-1971, Schriftstellerin, S. 120 Léger, Fernand, 1881-1955, franz. Maler, S. 107 Lehmann, Wilhelm, 1882-1968, Dichter, S. 118,120 Leibniz, Gottfried Wilhelm, 1646-1716, Philosoph, Gelehrter, Bibliothek a r , S. 9 4 ff", 9 8 , 1 4 4 , 1 5 3

Lenbach, Franz von,

1836-1904,

Maler, S. 212

Lenin, Wladimir Iljitsch, 1 8 7 0 - 1 9 2 4 , russ. Politiker, Revolutionär, S. 2 2 9 Lepsius, Carl Richard, 1810-1884, Ägyptologe, Bibliotheksdirektor, S. 198, 210,215

Lessing, Gotthold Ephraim,

1729-1781,

Schriftsteller, Bibliothekar, S.

97

f,

104 ff, 302

Lichtenberg, Georg Christoph, 1 7 4 2 - 1 7 9 9 , Schriftsteller, Essayist, S. 233 Lichtwark, Alfred, 1852-1914, Kunsthistoriker, S. 98 f Lindner, Kurt, 1 9 0 6 - 1 9 8 7 , Gründungspräsident Freundeskreis Bibliothek Wolfenbüttel, S. 104 Loeschcke, Georg, 1852-1915, Altertumswissenschaftler, S. 2 1 9 - 2 2 3 Lopatinskij, Theophilakt, gest. 1741, Erzbischof, S. 144 Lowenthal-Hensel, Cécile, "1923, Archivarin, Musikwissenschaftlerin, S. 33 Ludwig 1 , 1 7 8 6 - 1 8 6 8 , bayer. König, S. 68 Ludwig Rudolf, 1671-1735, Herzog zu Braunschweig-Lüneburg, S. 91 Lüninck, Ferdinand von, 1755-1825, Fürstbischof, S. 190 Luther, Martin, 1483-1546, Theologe, Reformator, S. 9 3 , 1 3 6 Maciej aus Kobylin, 1425-1492, Universitätsprofessor, S. 168 Mairan, Jean-Jacques d'Ortous de, 1678-1771, Physiker, S. 153 Manguel, Alberto, "1948, kanad. Schriftsteller, Übersetzer, S. 255 Mann, Golo, 1 9 0 9 - 1 9 9 4 , Historiker, S. 2 9 9 Mann, Heinrich, 1871-1950, Schriftsteller, S. 2 5 2 , 3 0 2 f Mann, Thomas, 1875-1955, Schriftsteller, S. 299, 301 ff Marcin aus Krakow, ca. 1450-1509, Maler, S. 168 Marlinger, Bernhard, 1 8 8 4 - 1 9 6 7 , Arzt, Büchersammler, S. 116 Mars, Antony, 1862-1915, Schriftsteller, S. 271 Martucci, Onorato, 1 7 7 4 - 1 8 4 6 , Orientalist, S. 6 8 Marx, Erich, *I92I, Kunstsammler, S. 310 f, 314, 316 335

Matisse, Henri, 1869-1954, franz. Maler, Bildhauer, S. 100 Matz, Friedrich, 1843-1874, Archäologe, S. 227 Max III Joseph, 1745-1777, Kurfürst v. Bayern, S. 65 Maximilian II, 1811-1864, bayer. König, S. 68 May, Karl, 1842-1912, Schriftsteller, S. 119,253 Mé Ti, 479-381 v. Chr., chin. Philosoph, S. 232 Meillawitsch, 19. Jh., Schriftsteller (Operette), S. 273 Méjan, Etienne Graf, 1766-1846, Hofbeamter, S. 40 Merckel, Henriette, 1811-1889, Freundin der Fontanes, S. 266 Meusebach, Karl Hartwig Gregor von, 1784-1847, Jurist, Sammler, S. 40 Michelotti, Pietro Antonio, 1673-1740, Mediziner, Mathematiker, S. 153 Miró, Joan, 1893-1983, span. Maler, Bildhauer, S. 100 Mohl, Robert von, 1799-1875, Staatsrechtler, Politiker, S. 12 Mommer, Karl, 1910-1990, sozialdem. Politiker, S. 18 Mommsen, Theodor, 1817-1903, Historiker, S. 205-228 Mommsen, Adelheid, 1869-1953, Lehrerin, Tochter von Theodor Mommsen, S. 211 ff, 217 f Moníková, Libuse, 1945-1998, tschechisch-dt. Schriftstellerin, S. 124 Montaigne, Michel de, 1533-1592, franz. Essayist, S. 229,239 ff Mörike, Eduard, 1804-1875, Dichter, Pfarrer, S. 114 Mosse, Rudolf, 1843-1920, Verleger, S. 210 Mövius, Ruth, 1908-1989, Lehrerin, Freundin von Helene und Max Herrmann, S. 304 Mozart, Wolfgang Amadeus, 1756-1791, Musiker, Komponist, S. 41 Muczkowski, Józef, 1795-1858, Bibliotheksdirektor, S. 163 Mühlbach, Luise, 1814-1873, Schriftstellerin, S. 198 Müller, Georg, 1877-1917, Verleger, S. 239 Müller, Gerhard Friedrich, 1705-1783, Historiker, S. 153 Müller, Heiner, 1929-1995, Schriftsteller, S. 238 Müller, Marcus Joseph, 1809-1874, Orientalist, S. 81 Napoleon 1,1769-1821, Kaiser der Franzosen, S. 39 Napoleon III, 1808-1873, Kaiser der Franzosen, S. 225 Nash, John, 1752-1835, Architekt, S. 176 Nassau-Siegen, Johann-Moritz Fürst von, 1604-1679, Hofbeamter, S. 43 Nestroy, Johann Nepomuk, 1801-1862, österr. Schriftsteller, S. 271 Nettleship, Henry, 1839-1893, engl. Altphilologe, S. 216 Neumann, Heinz, 1912-2002, Lehrer, Büchersammler, S. 118 f

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Neumann, Karl Friedrich, 1798-1870, Sinologe, S. 68 Nieblich, Wolfgang, "1948, Künstler, S. 243 Nietzsche, Friedrich, 1844-1900, Philosoph, S. 2 1 4 , 2 3 3 , 2 9 8 Nobel, Alfred, 1833-1896, Chemiker, Industrieller, S. 205 Norwich, John Julius (Lord), "1929, engl. Schriftsteller, S. 180 Novalis, 1772-1801, Schriftsteller, S. 233 Obiedzinski, Tomasz, 16. Jh., Theologieprofessor, S. 161 Ofterdinger, Ludwig Felix, 1819-1896, Literarhistoriker, S. 114 Orbini, Mauro, gest. 1614, Historiker, S. 147 Oren, Aras, "1939, türkisch-dt. Schriftsteller, S. 124 Oskar, 1888-1958, Prinz von Preußen, S. 223 Osterman, Andrej Iwanowitsch Graf, 1686-1747, Diplomat, Politiker, S. 145 Osterreich, Erzherzog Johann von, 1782-1859, Reichsverweser, S. 12 Özdamar, Emine Sevgi, '1946, dt.-türkische Schriftstellerin, S. 124 Panizzi, Antonio, 1797-1879, Bibliotheksdirektor, S. 183 Panofsky, Erwin, 1892-1968, Kunsthistoriker, S. 313 Pascal, Blaise, 1623-1662, franz. Philosoph, Mathematiker, Physiker, S. 233 Pawel aus Krosno, 1470-1517, Universitätsprofessor, S. 168 Pawlicki, Stefan, 1839-1916, Universitätsprofessor, Sammler, S. 165 Pawlikowski, poln. Familie, Stifterin eines Nachlasses im 20. Jh., S. 168 Perraults, Dominique, *I953, Architekt, S. 184 Persius, 34-62, lateinischer Dichter, S. 239 Peter I (der Große), 1672-1725, Zar, S. 139-157 Petrovski, Henry, erwähnt 1998, amerik. Historiker, Ingenieur, S. 186 f Phrynichos, 6-/5. Jh. v. Chr., griech. Tragiker, S. 261 Piano, Renzo, *i937, Architekt, S. 24 Pieni^zek, Stanislaw, 1760-1840, Jurist, Schriftsteller, S. 164 Pinthus, Kurt, 1886-1975, Schriftsteller, S. 116 Plath, Johann Heinrich, 1802-1874, Sinologe, Bibliothekar (Paulskirche), S. 4 - 1 6 Pollock, Friedrich, 1894-1970, Wirtschaftswissenschaftler, S. 235 Ponçtowski, Jan, gest. 1598, Sammler, S. 162 Poniatowski, Michal, 1736-1794, Primas in Polen, S. 163 Prager, Werner, erwähnt um 1930/50, Antiquar in Berlin und Rom, S. 225 Priestley, Joseph, 1733-1804, Naturwissenschaftler, S. 174 337

Prokopowitsch, Theophan, 1631-1736, Erzbischof, Schriftsteller, S. 144,147 Przybylski, Jacek, 1756-1819, Altphilologe, Sammler, S. 163 Pufendorf, Samuel Freiherr von, 1632-1694, Rechtsgelehrter, S. 144 Quatremère, Etienne, 1782-1857, Orientalist, S. 68, 81 Raabe, Paul, *I927, Bibliotheksdirektor, S. 24, 34,114 f Raabe, Wilhelm, 1831-1910, Schriftsteller, S. 119 Réaumur, René Antoine, 1683-1757, Physiker, S. 153 Rein, Wilhelm, 1809-1865, Philologe, Jurist, Historiker, S. 225 Reinhardt, Max, 1873-1943, Regisseur, Schauspieler, Theaterleiter, S. 272 Reismüller, Georg, 1882-1936, Sinologe, S. 82 Richard, Hermann, '1845, österr. Schriftsteller, S. 265,269 f Richman, Georg Wilhelm, 1711-1753, Physiker, S. 153 Rilke, Rainer Maria, 1875-1926, Dichter, S. 118 Ritter-Santini, Lea, '1928, Philologin, S. 136 Rose, Valentin, 1829-1916, Bibliothekar, S. 215 Roy, Henry, 1598-1679, Philosoph, S. 234 Rudolf II, 1552-1612, deutscher Kaiser, S. 91 Rudolf August, 1627-1704, Herzog zu Braunschweig-Lüneburg, S. 91 Ruf, Sep, 1908-1982, Architekt, S. 70 Sabelin, Iwan Jegorowitsch, 1820-1908, Historiker, S. 140 f Sack, Paula, 1892-1974, Schriftstellerin, S. 120 Sandburg, Carl, 1878-1967, amerik. Schriftsteller, S. 230 Saxl, Fritz, 1890-1948, Kunsthistoriker, Bibliothekar, S. 313 Sbardella, Raffaele, erwähnt 1994, römischer Antiquar, S. 227 Schami, Rafik, "1946, syrisch-deutscher Schriftsteller, S. 124 Scharoun, Hans, 1893-1972, Architekt, S. 23 Schedel, Hartmann, 1440-1514, Arzt, Büchersammler, S. 64 Scheerbarth, Paul, 1863-1915, Schriftsteller, S. 122 Schickele, René, 1883-1940, Schriftsteller, S. 120 Schiller, Friedrich von, 1759-1805, Dichter, Historiker, S. 114,253,261 Schindler, Jan, 1802-1890, Domherr, S. 164 Schinkel, Karl Friedrich, 1781-1841, Architekt, Maler, S. 219 Schlageter, Albert Leo, 1894-1923, Märtyrer der Nazis, S. 297 Schlegel, August Wilhelm von, 1767-1845, Schriftsteller, Kunstwissenschaftler, S. 219 Schlegel, Friedrich von, 1772-1829, Schriftsteller, S. 233 Schmerling, Anton von, 1805-1893, österr. Politiker, S. 12

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Schmidt, Arno, 1914-1979, Schriftsteller, S. 230 Schmidt, Lothar, 1862-1931, Schriftsteller, S. 267,270 ff Schmidt, Werner, 1910-1982, Bibliotheksdirektor, S. 127 ff Schöne, Richard, 1840-1922, Philologe, Archäologe, S. 215 Schönemann, Carl Philipp, 1801-1855, Bibliothekar, S. 98 Schopenhauer, Arthur, 1788-1860, Philosoph, S. 233 Schöwerling, Rainer Maria, *I937, Anglist, S. 192 Schröder, Rudolf Alexander, 1878-1962, Dichter, Ubersetzer, S. 120 Schröter, Leonhart, ca. 1540-1595, Kirchenmusiker, Bibliothekar, S. 93 Schubart, Christian Friedrich Daniel, 1739-1791, Dichter, Publizist, S. 114 Schumacher, Johann Daniel, 1690-1761, Bibliotheksdirektor, S. 145-157 Schuwalow, Iwan Iwanowitsch Graf, 1727-1798, Oberkammerherr, S. 139 Schwanthaler, Ludwig von, 1802-1848, Bildhauer, S. 69 Seneca, Lucius Annaeus (d.J.), ca. 4 v. Chr-65, Philosoph, Dichter, S. 232 Senfl, Ludwig, ca. 1486-1543, Musiker, Komponist, S. 78 Siemens, Werner Ferdinand von, 1885-1937, Siemensvorstand, Musiker, S.57 Sierakowski, Sebastian, 1743-1824, Mediziner, Sammler, S. 163 Sigurdson, Sigrid, ^1943, norweg. Schriftstellerin, S. 243 ff Simson, Eduard von, 1810-1899, Jurist, Parlamentspräsident (Paulskirche), S. 17 Skiada, Afanasij Jegorowitsch, um 1720, Bibliograph, Universitätsprofessor, S. 148 Sloane, Hans, 1660-1753, Arzt, S. 153 Smirke, Sir Robert, 1781-1867, Architekt, S. 177 f, 181 ff Smith, Joseph, ca. 1674-1770, Diplomat, Sammler, S. 173 Sofia Alexejewna, 1657-1704, Zarin, S. 147 Sotow, Nikita Moisjewitsch Graf, 1644-1718, kaiserl. Kanzleichef, S. 140 Spanheim, Ezechiel von, 1629-1710, Diplomat, S. 42 Spieß, Christian Heinrich, 1755-1799, Schriftsteller, S. 197 Spindler, Albert, '1939, Publizist, S. 124 Spinoza, Baruch de, 1632-1677, Philosoph, S. 234 f Stählin (Schtelin), Jakob, 1709-1785, Bibliothekar, S. 151 ff Stein, Gertrude, 1874-1946, amerik. Schriftstellerin, S. 126 Steiner, George, *I929, engl. Literaturwissenschaftler, S. 298, 301 Steiner, Herbert, 1892-1966, Schriftsteller, S. 120 Steiner, Kilian, 1833-1903, Bankier, Jurist, S. 114

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Sternberg, Fritz, 1895-1963, Soziologe, Philosoph, S. 234 Sternberg, Alexander von, 1806-1868, Schriftsteller, S. 198 Stifter, Adalbert, 1805-1868, Schriftsteller, S. 119 Storm, Theodor, 1817-1888, Schriftsteller, S. 211 Studt, Konradt, 1838-1921, preuß. Kultusminister, S. 222 Tambroni, Ugo, gest. 1937, röm. Staatsanwalt, S. 227 Tatischtschew, Wassilij Nikitisch, 1686-1750, Historiker, Gouverneur, S. 144 Tghart, Reinhard, "1936, Bibliotheksdirektor, S. 120 Thalheimer, August, 1884-1948, Philosoph, S. 234 f Thun-Hohenstein, Friedrich von, 1810-1881, österr. Politiker, S. 14 Tillmann, Curt, 1894-1980, Buchhändler, Sammler, S. 118 Timpe, Felicitas, '1923, Fotografin, S. 80 Toller, Ernst, 1893-1939, Schriftsteller, S. 303 f Tomasz aus Strzempin, gest. 1460, Bischof, S. 168 Tomicki, Piotr, 1464-1535, Bischof, S. 162 Töpfer, Ludwig, *i88o, Rechtsanwalt, Büchersammler, S. 118 f Trakl, Georg, 1887-1914, österr. Dichter, S. 298 Truffaut, François, 1932-1984, franz. Filmemacher, S. IX Tschinag, Galsan, *I944, mongol. Schriftsteller, S. 124 Tucholsky, Kurt, 1890-1935, Schriftsteller, S. 304 Turner, William, 1775-1851, engl. Maler, S. 201 Uhland, Ludwig, 1787-1862, Dichter, S. 114 Ullmann, Micha, '1949, israel. Künstler, S. X Usener, Hermann, 1834-1906, Altphilologe, S. 219 ff Ustrjalow, Nikolaj Gerassimowitsch, 1805-1870, Historiker, S. 140 Vanderbech, Michael, erwähnt 1725, Arzt, S. 154 Varenius, Bernhardus, 1622-1655, Geograph, S. 144 Vinius, Andre, 1641-1718, Marineschuldirektor, S. 145 Voltaire, Francois-Marie, 1694-1778, franz. Philosoph, Schriftsteller, S. 139 Waldthausen, Alfred, 1852-1901, Kaufmann, S. 221 Waldthausen, Emma Caroline Helene (genannt Ellen), 1858-1938, Mäzenatin, S. 218-223

Waldthausen, Ernst, 1811-1883, Kaufmann, S. 221 Warburg, Aby, 1866-1929, Kunsthistoriker, Bibliothekar, S. 307-319 Weber, Christian-Friedrich, um 1715, Diplomat, S. 151 Weigel, Helene, 1900-1971, Schauspielerin, Theaterleiterin, S. 233 340

Weiskopf, Franz Carl, 1900-1955, Schriftsteller, S. 256 Wekwerth, Manfred, '1929, Regisseur, Theatertheoretiker, S. 238 Welcker, Friedrich Gottlieb, 1784-1868, Altertumswissenschaftler, S. 219 Widmanstetter, Johann Albrecht, 1506-1557, österr. Politiker, Orientalist, S. 64, 74, 81 Wieland, Christoph Martin, 1733-1813, Dichter, S. 114 Wigand, Paul, 1786-1866, Historiker, S. 199 Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von, 1848-1931, Altphilologe, S. 210 Wilde, Oscar, 1854-1900, engl. Schriftsteller, S. 233,236 f Wilhelm 1,1797-1888, preuß. König, deutscher Kaiser, S. 198 Wilhelm II, 1859-1941, deutscher Kaiser, S. 35,222,262 Wilhem Ernst, 1662-1728, Herzog von Sachsen-Weimar-Eisenach, S. 127 Wilken, Friedrich, 1777-1840, Historiker, Bibliotheksdirektor, S. 40 Wilson, Sir Colin St. John, "1922, engl. Architekt, S. 171-187 Winzheim, Ch., erw. 1725, gest. 1741, Astronom, S. 153 Wittgenstein, Ludwig Josef Johann, 1889-1951, Philosoph, S. 298 Wladyslaw II Jagieöo, ca. 1351-1434, polnischer König, S. 159 Wojciech aus Brudzewo, 1445-1497, Universitätsprofessor, S. 168 Wolfjohann Wilhelm, 1817-1855, Germanist, S. 4 Wolff, Christian Freiherr von, 1679-1754, Philosoph, Mathematiker, S. 144, 153 Wolski, Piotr, 1531-1590, Bischof, S. 162 Zachariä, Friedrich Wilhelm, 1726-1777, Dichter, Musiker, S. 96 f Zangemeister, Karl, 1837-1902, Philologe, S. 210,215 Zeller, Bernhard, '1919, Archivdirektor, S. 115 Zuckmayer, Carl, 1896-1977, Schriftsteller, S. 123 Zweig, Stefan, 1881-1942, Schriftsteller, S. 117,299,304 Zygmunt II August, 1520-1572, polnischer König, S. 162

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DIE AUTOREN DES BANDES

Jutta Bendt, Leiterin der Bibliothek des Deutschen Literaturarchivs in Marbach am Neckar Dr. Hans Magnus Enzensberger, Schriftsteller, lebt in München Prof. Dr. Wolfgang Frühwald, o. Professor für Neuere deutsche Literatur an der Universität München. Ausgezeichnet mit dem Max Herrmann Preis 2002 der Freunde der Staatsbibliothek zu Berlin Dr. Gerhard Hahn, Ministerialrat a. D., bis 1997 Leiter des Sach- und Sprechregisters des Deutschen Bundestages in Bonn Dr. Martin Hollender, wiss. Referent in der Generaldirektion der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz Dr. Antonius Jammers, Generaldirektor der Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz von 1995 bis Frühjahr 2002 Graham Jefcoate M A seit Frühjahr 2002 Generaldirektor der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, zuvor Leiter der Abteilung für Historische Drucke der British Library in London Dr. Michael Knoche, Direktor der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar Jeanette Lamble, Leiterin Presse - Information - Öffentlichkeitsarbeit in der Generaldirektion der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz Dr. Valerii Leonov, Direktor der Bibliothek der Russischen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg

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Dr. Hermann Leskien, Generaldirektor der Bayerischen Staatsbibliothek in München Jörg Magenau, Mitarbeiter der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in Berlin Dr. Elisabeth Niggemann, Generaldirektorin der Deutschen Bibliothek in Frankfurt/Main, Leipzig und Berlin Prof. Dr. Dietger Pforte, Geschäftsführer der Stiftung Kulturfonds in Berlin, Honorar-Professor für Neuere deutsche Literatur an der Freien Universität Berlin Prof. Dr. Jan Pirozyñski, Direktor an der Jagiellonen-Bibliothek in Krakau Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Paul Raabe, 1968 bis 1992 Leiter der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, 1992 bis 2001 Direktor der Franckeschen Stiftungen in Halle/Saale. Ausgezeichnet mit dem Max Herrmann Preis 2001 der Freunde der Staatsbibliothek zu Berlin Katja Reissner, freie Kulturmanagerin und -journalistin in Berlin Prof. Peter-Klaus Schuster, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz Prof. Dr. Hartmut Steinecke, Professor für Neuere deutsche Literatur und Literaturtheorie an der Universität Paderborn Dr. Winfried Sühlo, Staatssekretär a. D., 1997 bis Januar 2002 Vorsitzender der Freunde der Staatsbibliothek zu Berlin Dr. Dagmar Walach, Dozentin für Theatergeschichte und Leiterin der Archive des Instituts für Theaterwissenschaft der Freien Universität Berlin Dr. Erdmut Wizisla, Leiter des Bertolt-Brecht-Archivs der Stiftung Archiv der Akademie der Künste, Berlin Dr. habil. Krzysztof Zamorski, Leiter der Jagiellonen-Bibliothek in Krakau

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