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German Pages [417] Year 2010
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Georg Scheibelreiter
Die Babenberger Reichsfürsten und Landesherren
Böhlau Verlag Wien · Köln · Weimar
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Umschlagbild: Josef Mathias Trenkwald (1824–97), Der Einzug Herzog Leopolds VI. in Wien © Private Collection / Bridgeman Berlin Gedruckt mit Unterstützung durch das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung und
das Amt der Nö. Landesregierung
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-205-78573-6 Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege, der Wiedergabe im Internet und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. © 2010 by Böhlau Verlag Ges. m. b. H und Co. KG, Wien · Köln · Weimar http ://www.boehlau.at http ://www.boehlau.de Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlor- und säurefrei gebleichtem Papier Druck : Széchenyi István Druckerei & Buchbinderei, H-9027 Győr
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ie Darstellung von Haupt- und Staatsaktionen beherrschte die Geschichtsschreibung der frühen Neuzeit. Die sozialen Führungsschichten dominierten die Geschichte: Ihr Tun und Wirken, ihr Leiden und Dulden waren Gegenstand der Historie und trieben das Weltgeschehen weiter. In konzentrierter Weise tritt uns diese Sichtweise in der Barockoper entgegen. Die geschichtliche Entwicklung wird vom Spiel der Mächtigen gelenkt, und dieses nimmt seinen Ausgang von den heroischen Leidenschaften der adeligen Helden und deren Auswirkungen in der (internationalen) höfischen Gesellschaft. Außerhalb dieser gibt es nichts, was verdiente aufgezeichnet und für die Nachwelt bewahrt zu werden. Niedrige soziale Schichten haben gar keine Geschichte, sondern werden vom Wirbel der höfischen Geschehnisse mitgerissen und müssen sich nolens volens darin zurechtfinden! Seit dem Beginn der kritischen Geschichtsforschung um 1800 wurde von jener Auffassung abgegangen, der große Einzelne zwar nicht aus dem Mittelpunkt der Betrachtung verdrängt, nun aber doch im Rahmen widersprüchlicher Einflüsse und abstrakt wirkender Notwendigkeiten gesehen. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich eine schon vereinzelt früher, etwa von Jacob Burckhardt, angeregte Strukturgeschichte weitgehend in Forschung und Beschreibung durch, in der statt menschlicher Pläne und Aktionen Sachzwänge und Marktgesetze das Weltgeschehen notwendig und entscheidend regulierten, dem Menschen historisch verantwortliches Handeln grundsätzlich abgesprochen und er zum bloßen Reagieren auf jene abstrakten Vorgänge verurteilt wurde. Diese Auffassung vom Zeitgeschehen entsprach genau dem politischen Zeitgeist, wie er in den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts zu herrschen begann, und war nicht minder beschränkt und einseitig wie die barocke Sicht der Dinge. Folgerichtig wurde die Beschäftigung mit der Per-
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sönlichkeit den Biografen überlassen, die schon immer mehr als Schriftsteller denn als Forscher angesehen wurden und bei ihrer Arbeit tatsächlich oft stark ins Journalistische hinüberglitten. Heute scheint das Verhältnis von Struktur- und Persönlichkeitsgeschichte wieder etwas ausgeglichener, was der historischen Behandlung von Personen und Personengruppen zugutekommt. Solche sind auch Herrscherfamilien und Fürstengeschlechter, denen wieder mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird. Freilich ist die Sachlage für den Historiker schwieriger geworden, weil er sich mit den meist recht ins Detail gehenden Forschungen aus dem Spektrum der vielen Teilwissenschaften der Geschichte auseinandersetzen soll und erst in diesem Zusammenhang das Wirken der (aufeinander folgenden) Fürsten zu rekonstruieren und zu bewerten hat. Wissenschaftlichen Anspruch kann eine einfache Familien- oder Geschlechtergeschichte als Grundlage historischer Gesamtdarstellung heute nicht mehr erheben. Sie muss aus der Tiefe der sich wandelnden historischen Zeit entwickelt werden, aus dem „Geist der Zeiten“, der seinerseits nichts anderes ist als die Verdichtung einer Reihe von Phänomenen. Erst dann können genealogische und im Mittelalter damit stets zusammenhängende politische Abläufe deutlicher gemacht und daraus nach Möglichkeit auch individuelle historische Erkenntnisse gewonnen werden. In diesem modernen Sinn ist der Versuch unternommen worden, eine Geschichte der Babenberger zu verfassen, jenes Fürstengeschlechts, das zwischen 976 bis 1246 Donauösterreich als politischen und Identität stiftenden Komplex geformt hat, der letztlich auch die Keimzelle der heutigen Bundesrepublik Österreich darstellt. Die Darstellung soll gegenwärtigen wissenschaftlichen Ansprüchen grundsätzlich ebenso genügen wie dem Interesse des Lesers. Interpretation sollte in ihrer gelegentlichen Fragwürdigkeit erkennbar bleiben, sich andererseits aber zur Erzählung wandeln. Geschichtsschreibung ist ja von ihren Anfängen her ein literarisches Genus. Hier steht das politische, militärische Geschehen im Vordergrund, ergänzt durch kulturelles und künstlerisches, wie es jene Markgrafen und Herzöge veranlasst oder gar mitgestaltet haben und es mit ihnen in sicht- oder erschließbarer Beziehung steht: und das alles auf den geografischen Grundlagen des heutigen österreichischen Donaulandes. Es ist aber nicht der Ostteil des heutigen Österreich (ohne Burgenland) zwischen dem 10. und dem 13. Jahrhundert Gegenstand der Darstellung, sondern das Geschlecht der Ba-
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benberger, wie es sich auf diesem Gebiet etabliert und gegen alle zentrifugalen Bestrebungen durchgesetzt hat. Um den Fluss des Geschehens nicht aufzuhalten und nicht zahllose Nebenwege „innerer Geschichte“ zu beschreiten, die dessen Übersichtlichkeit beeinträchtigt hätten, wurde auf die Auseinandersetzung mit Problemen der Spezialforschung im Bereich der Landeskunde, der Rechts- und Wirtschaftsgeschichte grundsätzlich verzichtet. Für Spezialisten dieser Fachrichtungen ist das Buch nicht geschrieben worden, einschlägig Interessierte werden auf die Literaturliste verwiesen. Dokumente aus jenen Bereichen werden jedoch im Einzelfall ausführlich behandelt, wenn ihr Inhalt Rückschlüsse auf die seinerzeitige Lebenswirklichkeit erlaubt. Angeregt wurde das Werk von Dr. Peter Rauch anlässlich eines Gesprächs auf dem Innsbrucker Historikertag 2005. Ihm verdanke ich es, mich auf diesen Gegenstand eingelassen zu haben. Er hat von Anfang an für eine gute Lesbarkeit plädiert und damit die Gratwanderung zwischen diesem Bestreben und einer fundierten Wissenschaftlichkeit veranlasst. Zugleich sei ihm für seine stets wohlwollende Geduld gedankt, die er dem an dieser Arbeit zeitweise immer wieder verhinderten Verfasser entgegengebracht hat. Frau Dr. Ursula Huber war in schon gewohnter Weise eine verantwortungsvolle und entgegenkommende Ansprechpartnerin, wofür ihr herzlich gedankt sei. Ob es gelungen ist hier einen wahrlich goldenen Mittelweg wissenschaftlich-literarisch zu beschreiten, werden die Leser zu entscheiden haben. Bei der Auseinandersetzung mit dem Thema erinnerte ich mich wiederholt an meine Lehrerin in der Volksschule, der ich eine imposante erste Begegnung mit den Babenbergern verdanke. Ihr soll dieses Buch über die Ferne der Zeiten hinweg ein Zeichen dankbarer Erinnerung sein. Wien, im Herbst 2010
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Inhalt EINFÜHRUNG
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I.
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OSTFRÄNKISCHES REICH UND KAROLINGISCHE MARK AM ENDE DES 9. JAHRHUNDERTS
II. DIE MAGYAREN UND IHRE WAHRNEHMUNG IM REICH
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III. DAS REICH IM 10. JAHRHUNDERT
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IV. DIE ERRICHTUNG DER OTTONISCHEN MARK AN DER DONAU
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V.
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DIE HERKUNFT DER BABENBERGER
VI. DIE KÖNIGSTREUEN BABENBERGER UND DIE MARKENPOLITIK BIS ZUM INVESTITURSTREIT
1. Die Anfänge einer politischen Organisation: Heinrich I. 2. Zwischen Kaiser und Ungarn: Adalbert 3. Der klassische Markgraf: Ernst
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VII. VOM INVESTITURSTREIT ZUM PRIVILEGIUM MINUS
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1. Im Windschatten der Reform: Liutpald II. 2. Vom Amtsträger zum Landesherrn: Liutpald III. 3. Wiedereintritt in die Reichspolitik: Liutpald IV. 4. Herzog und Markgraf: Heinrich XI./ II.
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iNHALT
VIII. VOM PRIVILEGIUM MINUS BIS ZUR LÖWENHERZ-AFFÄRE
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1. Herzog statt Markgraf: Heinrich II. 2. Erweiterung der babenbergischen Macht: Liupold V. 3. Doppelherzog und Weltpolitiker: Liupold V.
IX. GLANZ UND ENDE DER BABENBERGISCHEN HERRSCHAFT
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273 276.
1. Der verpflichtete Erbe: Friedrich I. 2. Der glückliche Erbe: Liupold VI. 3. Klosterstifter – Bistumsplaner – Reichspolitiker: Liupold VI. 4. Kreuzritter und Stadtherr: Liupold VI. 5. Reichsfürst und Schwiegervater: Liupold VI. 6. Schwierige Anfänge: Friedrich II. 7. Feind im eigenen Land: Friedrich II. 8. Erpresser – Provokateur – Gesetzgeber: Friedrich II. 9. Verhinderter König und letzter Grenzkämpfer: Friedrich II.
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X. DAS ÖSTERREICHISCHE INTERREGNUM
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XI. DIE BABENBERGER ALS PERSÖNLICHKEITEN Typus und Individuum: ein versuch
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Genealogische Tafel Bilderklärungen Bildnachweis LITERATUR Register
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1. Personen und Personengruppen 1. Geografisches und topografisches Register
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EINFÜHRUNG
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ngehörigen meiner Generation sind die Babenberger noch mehr oder weniger ein Begriff. Schon in der Volksschule wurde man unter dem Prätext der Heimatkunde mit ihnen bekannt gemacht, und selbst diejenigen, die später kein vordringliches Interesse an Geschichte und Kultur unseres Landes haben sollten, behielten sie in Erinnerung; vor allem ihre wichtigsten Vertreter. Jeder hörte in der Schule gern vom heiligen Leopold, der dort ein Kloster erbauen ließ, wo man den Schleier seiner Gemahlin Agnes im Walde gefunden hatte. Durch viele bildliche Darstellungen unterstützt, gewann der Volksschüler einen bleibenden Eindruck vom Markgrafenpaar, wie es von seiner windumbrausten Burg auf dem kahlen Berg auf das Hügelland an der Donau hinunterblickt, und niemand wunderte sich darüber, dass der Wind den Schleier auf die andere Seite, über den nördlichen Abhang des Gebirgszugs hin, entführte. Schüler und Schülerinnen freuten sich nachträglich über die Entscheidung Herzog Heinrichs, ihre damals noch kleine, unbedeutende Vaterstadt zur Residenz zu wählen und sie tatkräftig zu fördern. Gleichsam an der Hand der engagierten Lehrerin marschierte man an der Seite der Schottenkirche auf und betrachtete den aus Stein gehauenen, gut aussehenden, ritterlichen Herzog, wie er den Plan zu Kloster und Kirche von einem knienden Baumeister entgegennimmt und begutachtet. Zugleich wurde auf den Platznamen „Freyung“ verwiesen, was davon abzuleiten sei, dass sich dort Verfolgte in Sicherheit bringen konnten, dass sie „frei“ waren und ein Asyl gefunden hatten. Dieser Fürst hatte auch einen so lustigen Beinamen, den man gern laut wiederholte, wobei man an dem Wortgebilde „Jasomirgott“ seine Freude hatte. Herzog Heinrich hatte aber noch mehr zu bieten: Eine Prinzessin aus dem Morgenland hatte er heimgeholt, was sich märchen- und sagenkun-
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dige Volksschüler der frühen Fünfzigerjahre leicht vorstellen konnten. Deren Schönheit und reich gekleidete Gestalt hatte man deutlich vor Augen, wie sie aus dem Kreise ihrer schmucken weiblichen Gefolgschaft hervorstach. Über den Sohn dieses Musterpaares erfuhr man, dass die rotweißrote österreichische Fahne auf ihn zurückzuführen sei: Auf dem Kreuzzug, im Kampfe mit den Ungläubigen hatte er wahre Heldentaten vollbracht, sodass er über und über mit Blut bespritzt war. Als er abends seinen Waffengürtel löste, zeigte sich inmitten seines blutigen Gewandes ein breiter weißer Streifen. So entstand das österreichische Wappen und Fahnenbild als Symbol der Tapferkeit und kämpferischen Ausdauer eines frommen Mannes und sollte – unausgesprochen – zur einfachen Reflexion, also zu ein bisschen Nachdenken über das Gehörte, anregen und zu einem stolzen Selbstverständnis führen. Dieser ruhmvollen Episode aus Österreichs Vergangenheit nahm sich auch der Film „1. April 2000“ an, der 1952 für die wiederzuerlangende Souveränität Österreichs wirken wollte. Derselbe Herzog musste sich aber noch anders bewähren: Der Lohn seiner sagenhaften Tapferkeit wurde ihm genommen. Der missgünstige, eifersüchtige englische König Richard Löwenherz riss das Banner des kühnen Helden nieder und trat es mit Füßen. Dieser ließ die Schmach aber nicht auf sich sitzen und nahm den bösen König gefangen. Auf der Ruine Dürnstein musste dieser zu Recht in Ketten schmachten, und erst ein treuer Ritter namens Blondel, der vor allen Burgen in Österreich ein bestimmtes Lied sang, konnte ihn ausfindig machen. Wenn man das Glück hatte, mit seinen Eltern auf dem Schiff durch die Wachau zu fahren, fiel der Blick auch auf das verfallene Steingemäuer, und man wäre nicht gern an König Richards Stelle gewesen. Nun aber ging es mit den Babenbergern friedlicher weiter. Der Sohn des tapferen Herzogs, der auch Leopold hieß, brachte eine Zeit des Wohlstands. Unter ihm blühte alles auf, die weit gereisten Kaufleute wurden reich, breiteten auf den Märkten Wiens ihre Waren aus und ließen die schönen Wienerinnen seidene Kleider, Schmuck und Pelze aussuchen. Spielleute sangen zur Harfe, man feierte schöne Feste – wer dem Herzog das erste Veilchen zeigen konnte, wurde reich belohnt – und es herrschte Sicherheit und Friede, auf den Gesichtern der Adeligen und Bürger eitel Wonne. Man fühlte sich wohl unter Leopolds Herrschaft und darum, so erfuhr man, wurde dieser Herzog der Glorreiche genannt. Was nach all dem, was man über ihn und das Wien jener
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Tage gehört hatte, jedermann einleuchtete, obwohl man sich über den genauen Sinn dieses Beiworts nicht ganz im Klaren war. Doch der Sohn des glorreichen, freundlichen, Wohlstand schaffenden Herzogs war aus anderem Holz geschnitzt. Hatte man das nicht schon wiederholt in Märchen gelesen, dass gute Väter böse Söhne hatten? So wunderte man sich nicht zu hören, dass der junge Friedrich äußerst streitsüchtig war. Mit jedem fing er Streit an, sorgte sich aber nicht um das Wohlergehen der Leute. So konnten sich unter seiner Herrschaft böse Ritter zusammentun, harmlose Leute ausrauben und sie dann in ein Burgverlies sperren. Ihr Anführer, der den Beinamen Hund führte, weil er so bissig und gefährlich war, spannte sogar eine Eisenkette über die Donau, sodass die Schiffe der Kaufleute nicht weiterkonnten und den bösen Rittern die wertvollen Waren in die Hände fielen. Zwar besann sich Herzog Friedrich seiner Pflichten, nahm den Hund und seine Leute gefangen und ließ sie alle hinrichten. Doch dann suchte er gleich wieder Streit und Kampf, wobei er noch jung zu Tode kam. Und so erlosch das einst ruhmreiche Geschlecht der Babenberger. Legendäre, sagenhafte, aber durchaus auch historisch nachweisbare Elemente vereinigten sich bei dieser einfachen Vermittlung der babenbergischen Geschichte mit einem seit dem Vormärz geförderten Patriotismus, der auf die erste Herrscherfamilie Österreichs bezogen werden sollte. Da die Babenberger mit der österreichisch-ungarischen Monarchie in keinem ersichtlichen Zusammenhang standen, konnten sie auch nach dem Ersten Weltkrieg als Gründer eines Österreich verstanden und vermittelt werden, das aus bescheidenen Anfängen zu Macht und Ansehen geführt worden war. Nach dem Zweiten Weltkrieg spielte eine gewisse Österreich-Ideologie eine Rolle: Die Babenberger wurden als Exponenten eines spezifisch österreichischen Mittelalters gesehen, die nur wenige Beziehungen zum „Reich“ aufwiesen und ihre Landesherrschaft in einem dem zeitgenössischen Verständnis entsprechenden Sinne – also souverän und unabhängig – ausübten. Das war die Wiederkehr einer Österreich-Idee, wie ihr im Ständestaat unter stark kirchlichem Einfluss gehuldigt worden war: Vor allem der heilige Leopold erfreute sich des ungeteilten Interesses als zentrale Fürstenfigur des österreichischen Mittelalters. Als politisches Vorbild musste er ideal sein: ein frommer Fürst, ein Heiliger, der zum Landespatron avancierte, Angehöriger des Reiches, aber doch irgend-
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wie außerhalb, quasi selbstständig! Diese vor allem katholische Patina wurde Leopold und mit ihm dem Markgrafen- und Herzogsgeschlecht nach 1945 genommen, sonst aber blieben er und die Seinen Muster aufrechten Österreichertums. Manchen regional empfindenden Geistern genügte aber nicht einmal das. Auch die Babenberger waren schließlich – der Name sagte es ja schon – kein autochthones Geschlecht, sondern die ersten Okkupanten und „Fremdherrscher“ im österreichischen Donauraum. An den Kuenringern entzündete sich nun ein sehr spezieller Patriotismus: Der Aufstand dieser mächtigen Ministerialen gegen Herzog Friedrich II. wurde als Versuch gedeutet, die aus Deutschland kommenden Babenberger mit echt heimischen Kräften abzuwehren, was nach einem guten Vierteljahrtausend doch reichlich spät erscheint! Freilich kam diese zeitgeistige Ansicht der späten Fünfzigerjahre nicht wirklich zum Durchbruch, da deren Proponenten bald zur Kenntnis nehmen mussten, dass die Kuenringer selbst aus Sachsen oder dem moselfränkischen Raum stammten. All diese ideologischen Grabenkämpfe, welche die Babenberger zum Gegenstand hatten und wobei sie im Sinne des Ständestaates oder der weltanschaulichen Erneuerung nach dem Zweiten Weltkrieg instrumentalisiert werden sollten, erreichten aber nicht die Schulstuben. Dort wurden die Markgrafen und Herzöge von Österreich aufnahmebereiten Kindern nahegebracht: auf eine sympathische und die Erinnerung stärkende Art. Nicht jeder Einzelne mit Jahreszahlen als blasser Schemen eines wieder abgefragten Lehrstoffs, sondern einige Wesentliche im Zusammenhang mit Denkmälern ihrer Taten, die man noch sehen konnte, an denen man vielleicht schon öfter vorbeigegangen war, oder in Erinnerung an Tatsachen und Phänomene, die sich leicht einprägen ließen. Dass ihrem Tun und Wirken in den Erzählungen der Lehrerin eine gewisse Märchenhaftigkeit eignete, war sicher ein didaktischer Vorteil. Es konnte nicht um eine kritische Reflexion urkundlicher und historiografischer Quellen gehen, sondern nur um die interessant und spannend dargebrachte Tradition, die den Zehnjährigen eine leicht verständliche, aber nachwirkende Einordnung in die Welt ihres Daseins erlaubte und ihnen ein Gefühl für ein zeitliches Nacheinander, für Wandel und Dauer in einem vertrauten Raum gab; mochte es auch oberflächlich sein. Freilich konnte sich dieses gemäßigt vaterländische Interesse nur in Niederösterreich, mit Einschränkungen in Oberösterreich und in der Steiermark er-
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wecken lassen. Die Babenberger hatten im Gegensatz zu den Habsburgern für Kärnten, Tirol, Vorarlberg keine Bedeutung und ermöglichten in diesen Ländern kein Anknüpfen an den Gedanken eines traditionellen Länderbundes. Dasselbe gilt für Salzburg, das noch heute eine beachtliche bayerische Tradition aufweist, und gar für das junge Burgenland, obwohl dort wenigstens Friedrich der Streitbare (auf wenig sympathische Art im Sinne einer erpresserischen Realpolitik!) versucht hatte, zu expandieren und Fuß zu fassen. Nur in Niederösterreich gibt es Burgen, wie Dürnstein, Aggstein, auch Starhemberg, oder Klöster und Stifte, wie Heiligenkreuz und Klosterneuburg, die man mit markanten, weit bekannten Ereignissen der Babenbergerzeit verbinden kann. Noch mehr betrifft das Wien, das auf den Spuren der Babenberger zu besichtigen ist. Und so zählte es zu den Grundlagen geschichtlichen Bewusstseins, das in den Schülern bezüglich ihrer Heimatstadt erweckt werden sollte, über die Babenberger zumindest ein wenig Bescheid zu wissen. Diese Kenntnis stützte sich auf einzelne Fürstenpersönlichkeiten, deren Taten und Erfolge, wie wir das oben dargelegt haben. Es ist selbstverständlich, dass Volksschülern nur so bildhaft und personenbezogen die historische Tradition vermittelt werden konnte. Wie aber die Geschichte der babenbergischen Markgrafen und Herzöge überliefert wurde – angefangen von den Zeitgenossen –, das war auch besonders geeignet, sich von ihnen ein Bild zu machen (mochte es auch nicht immer richtig sein). So knüpft die Erinnerung an einzelne Gestalten an (was auch bei anderen Fürstengeschlechtern meist der Fall ist), während die übrigen bloße Namensträger bleiben und mit Menschen aus Fleisch und Blut herzlich wenig zu tun haben. Bei den Babenbergern sind einige zu nennen, die individuelle Züge aufweisen oder denen die Tradition mehrerer Jahrhunderte solche verliehen hat. Und damit stehen die Babenberger als Fürsten des hohen Mittelalters innerhalb des heutigen Österreich konkurrenzlos da. Kärnten, das schon seit 976 ein Herzogtum war, bot zunächst keinem Geschlecht die Möglichkeit, sich ständig an der Spitze des Landes zu etablieren. Die Spanheimer schließlich, die zwischen 1122 und 1269 die herzogliche Gewalt innehatten, weisen meines Wissens keinen Fürsten auf, der dem Volk und seiner Überlieferung so nahegekommen ist, dass er in die populäre Erinnerung aufgenommen wurde. Die Salzburger Erzbischöfe bilden eine respektable Kette von Machthabern und Kirchenfürsten, und Eberhard II. (1200–1246) kann als Schöpfer des heutigen Bundeslandes angesprochen
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werden, „angreifbare“ Gestalten werden sie aber erst in der Renaissance. Tirol wiederum war lange Zeit in Herrschaften zerspalten, sodass sich im Hochmittelalter kein Landesbewusstsein ausbilden konnte. Personen einer populären Erinnerung sind vor der Herzogin und Gräfin Margarete Maultasch († 1369) kaum zu denken. Vorarlberg als Konglomerat unterschiedlicher Machtgebilde scheidet hier ebenso aus wie das Burgenland als politische Konstruktion des 20. Jahrhunderts. Oberösterreich gehört in dieser Beziehung zum Teil dem bayerischen Herzogtum, zum Teil den Babenbergern an, lässt sich also in seiner Gesamtheit schwer auf eine Tradition und deren prägende Einzelheiten einengen. Erst 1207 kaufte Leopold VI., der Glorreiche, dem Geschlecht der Haunsberger die Donaustadt Linz ab: Weniger als vierzig Jahre babenbergische Herrschaft haben dort kaum Identifikationen ermöglicht. Das Ischler und das Mondseer Land führten noch länger ein Eigenleben, vom Innviertel, der Errungenschaft Kaiser Josephs II., gar nicht zu reden. Die Steiermark schließlich, die 1192 vom Babenberger Leopold V. erworben worden war, hat immerhin zu den letzten Herzögen eine engere Beziehung entwickelt, wobei ebenfalls der Glorreiche zu nennen ist, der als Leopold II. von 1195 bis 1198 nur dieses Land verwaltete. Die sechs Markgrafen aus dem Hause der Otakare (seit der Mitte des 11. Jahrhunderts, der letzte wurde 1180 Herzog) erlangten jedoch kein persönliches Profil, das über den Land erwerbenden, im kaiserlich-kirchlichen Streit Erfolg suchenden, taktierenden Hochadeligen hinausging. Die für die Legendenbildung unbedingt erforderlichen individuellen Verhaltensweisen, vor allem aber deren Überlieferung fehlen. Tatsache ist, dass die Habsburger mit ihrer gesamtösterreichischen Bedeutung, mit ihrer besonderen Beziehung zu den einzelnen österreichischen Ländern ihre Vorgänger in der Landesherrschaft heute weitgehend verdecken. Der ungeheure Reichtum an verschiedenartigen Quellen zu ihrer Geschichte, die große Anzahl an Denkmälern, welche man mit ihnen verbindet, die Ergebnisse ihrer Politik, die bis heute fortwirken, da und dort das moderne Leben beeinflussen oder immer noch bestimmen, die größere Plastizität der Fürstengestalten, das Verständnis für deren grundlegende Mentalität, das heißt die weit größere Nähe zu deren Menschentum, haben die Habsburger auch bei weltanschaulichen Gegnern bekannt gemacht und bekannt erhalten. Kronprinz Rudolf mit seinem Wiener Lieder singenden Leibfiaker 1888 beim Wein
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kann sich jeder leicht vorstellen, Markgraf Leopold I. 994 bei der Kiliansmesse in Würzburg hingegen kaum. Die Habsburger ragen als handelnde und leidende Menschen gleichsam noch in die Gegenwart herein, und die Medien tun ein Übriges, ihre Bekanntheit zu forcieren. Die Babenberger scheinen dagegen unwirklich fern, einer unglaublichen Welt zugehörig, die man nicht versteht und für die man auch keine Sympathie aufbringen kann. Das wäre grundsätzlich nichts Ungewöhnliches, denn ohne inneren Bezug zum Phänomen Heimat lassen sich weit zurückreichende Traditionen nicht lebendig erhalten. Als 1976 der tausendjährigen Wiederkehr der ersten Nennung eines babenbergischen Markgrafen gedacht wurde, zeigte der ORF einen Film, in dem sich die Unfähigkeit manifestierte, mit Persönlichkeit und Welt der Babenberger umzugehen. Es wurde kein Versuch unternommen, auf der Grundlage moderner wissenschaftlicher Erkenntnisse Denk- und Lebensweisen jener Zeiten einem heutigen Publikum sinnvoll zu vermitteln. Letztlich aber wurde dabei der Mangel an einem fundierten Geschichtsbewusstsein in Österreich erkennbar. Während junge gebildete Engländer Wilhelm den Eroberer, Richard Löwenherz, Johann Ohneland, Heinrich V., Richard III., um nur die gängigsten Vertreter mittelalterlicher Herrschaft in England anzuführen, kennen und sie als Teil ihres eigenen „Engländerseins“ verstehen, ist Analoges in Österreich kaum denkbar. Schon Grillparzer stellte bei seinem Besuch auf der britischen Insel 1836 diese Tatsache resignierend fest. Heute ist es damit noch schlechter geworden, wozu die vielen politischen Umbrüche der letzten hundert Jahre wesentlich beigetragen haben. In Österreich weiß man von Kaiser Franz Joseph und seiner unseligen Gemahlin, dann noch von Maria Theresia und vielleicht von Prinz Eugen (der als Nichthabsburger seinen Kaiser Leopold I. in der Erinnerung der Österreicher durchaus zu Recht vertritt); karger wird das Wissen schon um Kaiser Maximilian I., der vielleicht noch in Tirol eine gewisse Popularität genießt, während Rudolf der Stifter nur mehr punktuell bekannt ist und Rudolf von Habsburg im Bezug auf seine weit verbreitete Geltung als volksnaher, kirchenfrommer und sparsamer schwäbischer Hausvater im 19. Jahrhundert stark „abgebaut“ hat. Von den Babenbergern hat nur der heilige Leopold eine gewisse Akzeptanz behalten, zumal sein Gedenktag, der 15. November, in Niederösterreich und Wien schulfrei und mit – freilich immer mehr zurückgehenden – Volksbräuchen verbunden ist. Als Heiligenfigur, gerüstet und mit seinem
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Stift Neuburg in den Händen, ist er wohlbekannt, kaum jedoch als Vertreter eines Geschlechts von Markgrafen und Herzögen, das 270 Jahre den mittleren Donauraum politisch gestaltet und die Grundlagen des heutigen Landes gelegt hat. Denn wenn auch der Westen Österreichs nicht zum babenbergischen Herrschaftsgebiet zählte, so ist er doch von dort aus für das heutige Land gewonnen worden. Ziel des vorliegenden Bandes ist es nicht, die Leser mit dem österreichischen Hochmittelalter in allen Einzelheiten vertraut zu machen und sie dem Auf und Ab der wissenschaftlichen Diskussion auszusetzen; sie mit Wissen um mittelalterliche Fürsten und mittelalterliche Ereignisse gleichsam zu durchtränken, um sie zuletzt verunsichert zurückzulassen. Hingegen soll versucht werden, den in modernen Kategorien denkenden und in modernen Wertvorstellungen befangenen, weitgehend säkularisierten Menschen von heute die Entstehung dieses Landes aus den bescheidenen Ansätzen einer an der Donau orientierten fragilen Herrschaft vor (Augen) zu stellen: Eine andere, fremde, aber ebenso fragwürdige Welt soll hier gezeigt werden, in der sich der Mensch bewähren musste, ohne die vielen Hilfsmittel unserer Tage, aber mit der Kraft und Ausdauer gebenden Überzeugung von der persönlichen Durchsetzungsfähigkeit, dem Wissen um den Rückhalt in Sippe und Verwandtschaft, dem Glauben an die sinnvolle Ordnung des Sichtbaren als eigentümlicher Grundlage der Religiosität. Das Buch soll von denjenigen Menschen handeln, die der Donaulandschaft ihren politischen Willen aufgezwungen und sie entscheidend geformt haben; von ihrem zielgerichteten Tun, von ihren Abhängigkeiten, von ihrer Befangenheit in Vorurteilen, von ihrem Trachten, das Alte, Ehrwürdige, Überlieferte immer wieder zu realisieren, und von ihrem Fortschreiten über das Gewohnte hinaus. Es ist somit eine Absage an eine Geschichte der anonymen Wirkkräfte, der Sachzwänge, der Entwicklungen, aber es soll auch keine Verherrlichung von Fürsten und großen Einzelnen sein. Die Zeit zwischen dem 10. und dem 13. Jahrhundert erscheint als Periode der menschlichen Interaktion in groben Umrissen, abhängig von feinsten Erwägungen als Handlungsmotivation, die sich fast niemals aus den schriftlichen Quellen erkennen lassen, aber bei vielen Ereignissen wohl entscheidend gewesen sind: Manche Aktionen setzen Gegebenheiten der menschlichen Kommunikation voraus, die heute nicht mehr nachzuweisen sind, aber aus ihren Folgen erschließbar scheinen. Überlegun-
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gen, die den Menschen jener Jahrhunderte selbstverständlich waren und daher keine Begründung und schriftlich fixierte Erklärung benötigten, zwingen die Historiker heute zu Hypothesen, die oft Gefahr laufen, in pure Spekulationen auszuarten. Man wird mit Begriffen wie „Entstehung Österreichs“ vorsichtig sein müssen. Allzu leicht erweckt man damit die Vorstellung, als hätten die Herren und Machtträger in diesem Abschnitt der Donau auf die Bildung eines Landes von Anfang an hingearbeitet und als hätten die geografischen Voraussetzungen eine endgültige politische Notwendigkeit impliziert. Aber die Flusslandschaft zwischen dem Urgestein des Nordwaldes und den Vorbergen der Zentralalpen, bestimmt durch wiederholten Wechsel von Engtälern und Becken, bevor sie sich gänzlich der pannonischen Ebene ergibt, bot wenig Ansätze zur Herrschaftsverdichtung, deren Formen und Folgen von Zentralorten aus in das flache Land hinaus wirkten. Ein Naturraum hat Österreich nicht präfiguriert und zur politischen Einheit genötigt, wie vielleicht die Kernlandschaft Böhmens! So hat die Donau die längste Zeit eher zum Durchzug eingeladen; in spätantiker Zeit vorwiegend vom Südosten nach Nordwesten, von Pannonien nach Ufernorikum und Rätien: bis die dauerhafte Volkwerdung der Bayern, die sich zwischen den Flüssen Regen, Donau und Salzach vollzog, ihre Schatten vom Westen her bis ins spätere Wiener Becken warf. In diesem Bereich, der immer wirkungslosere römische Militäreinsätze, der Plünderungszüge und Wanderungen barbarischer Einheiten, aber lange Zeit keine Beruhigung durch eindeutige Machtverhältnisse erlebte, siedelten seit dem späten 6. Jahrhundert Slawen und sogenannte Restgermanen (Sueben, Markomannen, Gepiden, Heruler, Rugier, Langobarden); Stammessplitter, die sich an der Ethnogenese und Wanderung ihrer traditionsbildenden Gruppen nicht beteiligt hatten und sich einer awarischen Oberschicht fügten, die das Land nicht wirklich verwaltete, aber immer gefährlich präsent war. Selbst diese neuen Machtgebilde hatten anderswo ihren Schwerpunkt, und die Donauregion war ein Randgebiet, ein Grenzland, in dem das traditionsgeleitete Selbstverständnis des Einzelnen nur wenig Widerhall fand. Die großräumigen Einflüsse der fränkischen und langobardischen Macht, aber auch die des byzantinischen Reiches erreichten diese Landschaft nur sehr abgeschwächt, meist gar nicht. Residenzen, auch vorübergehende, gab es hier nicht, ebenso fehlten bedeutendere Handelsorte, und man wird sich die Besiedlung dieses Raums überhaupt sehr dünn und
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sporadisch vorstellen müssen. Eine dem modernen Heimatgefühl vergleichbare Empfindung hat es bei den herkunftsmäßig disparaten Bewohnern nicht gegeben, der Bezug zur Landschaft beschränkte sich im Wesentlichen auf den immer wieder erlebten Gegensatz von Mensch und Natur; daneben hatte nur die alltägliche Gewohnheit ihre Bedeutung. Die Identität der Menschen wurde im Großen von der Volks- oder Stammeszugehörigkeit bestimmt, wie sie sich zunächst im Namen, dann vor allem in Recht und Brauch manifestierte und in Erinnerung brachte. Im engeren Sinne fühlte sich der Einzelne als Glied einer Sippe, die ihm auch und oft jenseits der räumlichen Nähe Heimat bedeutete: eine Weltsicht, die noch lange ins Hochmittelalter hinein wirksam bleiben sollte. Die Donauregion – im Süden und Norden naturräumlich eingeengt, im Westen durch Waldgebiete ähnlich abgeschnitten – öffnete sich nur am äußersten Ostrand der Weite Pannoniens. Die von dort Vordringenden begnügten sich meist mit dem siedlungsfreundlichen Raum östlich des Wienerwaldes, was darüber hinausging, wurde zum Durchmarsch genutzt. Ins Gebiet zwischen dem mächtigen Enns- und dem Wienerwald rückten Franken und Bayern vor, die den römischen Straßen folgten und sich an mehr oder weniger aufgegebenen spätantiken Siedlungen orientierten, sich dort auch gelegentlich niederließen. Im Grunde war dieses Land nichts Eindeutiges, Unverwechselbares, das im Inneren empfunden und von außen als solches wahrgenommen wurde. Es war ein „Einflussgebiet“, auf das sich ostgotische und byzantinische Ansprüche erstreckten, dann ein von Awaren militärisch ausgelaugtes und punktuell kontrolliertes Gebiet. Und immer bestand die Gefahr, dass einer der konkurrierenden Ansprüche mit Gewalt durchgesetzt und den diversen Siedlern und Bewohnern schmerzvoll zur Kenntnis gebracht wurde. Was aber in diesen frühen Jahrhunderten nach dem Zusammenbruch der römischen Reichsverwaltung (endgültig im Jahre 488) nie versucht wurde, war, die jeweilig dominierende Macht positiv sichtbar zu machen, also eine grundlegende regionale Organisation zu schaffen. Erst diese hätte eine sinnvolle Durchdringung der Landschaft bedeutet und für die Bevölkerung über den Zwang des stetigen Existenzkampfes hinaus eine gewisse Orientierung als Grundlage des Lebens ermöglicht. Die Randlage in einer Art Niemandsland zwischen rivalisierenden Mächten blieb lange historisches Faktum.
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Erst die Offensive Karls des Großen gegen die Awaren, die 791 begann und zu einem ziemlich raschen Erfolg führte, brachte eine folgenreiche Änderung in diese Welt eines kleinen, beschränkten, relativ verantwortungslosen, aber stets gefährdeten Lebens. Da der karolingische Vorstoß tief in den pannonischen Raum hineinführte und dort im Laufe der nächsten Jahrzehnte mit wesentlicher Hilfe der Kirche eine Art Landesausbau erfolgte, verlor das Donauland den Charakter einer extremen Randlage sowohl für den Westen als auch für den Osten. Die Karolinger gliederten diesen Raum als bayerisches Ostland in ihre Herrschaft ein. So wurde zwar grundsätzlich die Gesamtheit des eroberten und neu zu ordnenden Landes jenseits des alten bayerischen Herzogtums bezeichnet, doch blieb der neue politisch-geografische Begriff im engeren Sinne für das Donauland wesentlich. Die Organisationsform für dieses neu einverleibte Gebiet war die Mark, der politisch organisierte Grenzraum. So unvollkommen und wenig stabil dieses Gebilde auch war, es bedeutete die klare Ausrichtung auf den fränkisch-bayerischen Raum und eine erste politische Zusammenfassung des niederösterreichischen Donaulandes.
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ie Teilung von Verdun im Jahre 843 entsprach nicht nur einer jahrhundertealten Tradition im fränkischen Reich, die zum Ausdruck bringen sollte, dass die königliche Sippe, die so oft in den Quellen apostrophierte stirps regia, herrsche und nicht einer allein, als vom Vater designierter Nachfolger. Die Herrschaft Karls des Großen und Ludwigs des Frommen war eine Ausnahme gewesen, die sich durch den Tod ihrer Brüder ergeben hatte. Der bewusste Versuch Ludwigs, mit der Designation seines ältesten Sohnes Lothar eine Art Primogenitur zu schaffen, scheiterte jedoch. Pippin, nach seinem frühen Tod Karl (der Kahle) und Ludwig (der Deutsche) sollten zwar bestimmte Teile des Reiches als Könige erhalten, jedoch hinter ihrem kaiserlichen Bruder zurückstehen. Dass ein solch herrscherlicher Zentralismus, wenn auch gemildert, nicht geeignet war, das große Reich stabil zu erhalten, hatte seine Ursachen auch abseits der karolingischen Familienstreitigkeiten im neu erwachten Gentilismus der Völker: Ihr Zusammengehörigkeitsgefühl hatte sich stark entwickelt und sie begannen sich mehr und mehr als (regionale) Einheiten zu empfinden, die sich nach außen abzugrenzen trachteten. Damit war noch kein Zerfall des Reiches eingeleitet, weil die Hinwendung zum jeweiligen Teilherrscher die vorhandenen Tendenzen zur Absonderung noch immer überwog und die Vorstellung von der Geblütsheiligkeit der Karolinger, die jetzt durch die christliche Salbung verdeutlicht wurde, weiterhin ihre Wirkung tat. Die Völker, die östlich des Rheins lebten: Schwaben, Bayern, (Ost-)Franken, Thüringer und Sachsen, orientierten sich an ihrem König Ludwig, dem die Forschung aus diesem Grunde den Beinamen „der Deutsche“ gegeben hat. Er residierte vorwiegend in Regensburg und Frankfurt am Main, bedeuten-
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den Pfalzorten, musste aber traditionell im ganzen ostrheinischen Raum umherreiten, weil man sich den König nur persönlich als Mensch und als Träger der obersten Macht vorstellen konnte. Es gab noch keinen transpersonalen Gedanken von Herrschaft: Ein abstraktes „Königtum“ war undenkbar, man musste den König leibhaftig sehen, sonst existierte er gar nicht. Und diese Auffassung sollte bei den einfachen Menschen noch lange vorherrschend bleiben. Ludwig erfüllte diese seine selbstverständliche Aufgabe tadellos. Er ist am Harz ebenso zu finden wie in seiner Pfalz zu Baden bei Wien. Seine drei Söhne Karlmann, Ludwig und Karl teilten 876 erneut die Herrschaft: Bayern und das vorgelagerte Ostland erhielt der Älteste. Karlmann, der schon seit 856 jenen Markenbereich kontrollierte, konzentrierte sich nun auf Bayern, das sich schon unter Ludwig dem Deutschen als Königslandschaft im ostfränkischen Reich etabliert hatte. Seine Lieblingspfalz war (Alt-)Ötting, das östliche Vorland wurde von Grenzgrafen verwaltet. Arnulf, der uneheliche Sohn Karlmanns, dominierte in Karantanien, daher sein späterer Beiname „von Kärnten“. Seine dortige Pfalz war die Karnburg. Nach dem Tode der drei Brüder zwischen 880 und 888 blieb er als Einziger karolingischen Mannesstammes im Osten des Reiches übrig und wurde auch vom Westfrankenreich respektiert, nachdem er 891 die Normannen in Brabant besiegt hatte. Obwohl sich mit der slawischen Reichsbildung an der oberen March (das Großmährische Reich, wie es die Byzantiner im 10. Jahrhundert retrospektiv nennen werden!) ein politisches Element entwickelte, das an der Südostgrenze des fränkischen Reiches einen Gefahrenherd bildete, vermochte Arnulf in Rom das Kaisertum zu erneuern und noch glaubwürdig zu vertreten. Sein Tod 899 stellte diesbezüglich jedoch eine Zäsur dar. Der legitime Nachfolger Ludwig IV. war sechs Jahre alt, ein Kind, was ihm zum Beinamen wurde, da er das achtzehnte Lebensjahr nicht erreichen sollte und stets auf die Führung durch Hochadelige geistlichen und weltlichen Standes angewiesen blieb. Freilich reiste auch der kindliche Repräsentant auf den Königsstraßen durch das Reich, um sich zu zeigen, seinen Herrscherpflichten nachzukommen und mit den Vertretern der Stämme und dem hohen Klerus Kontakt zu pflegen sowie den notwendigen Konsens herzustellen, der die Anerkennung und Durchsetzung des Königs erst ermöglichte. Noch wurden seine Mandate im politischen Leben umgesetzt und befolgt, aber es hing mehr denn je vom guten Willen der Amtsträger in den einzelnen Stammesgebieten ab.
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Betrachtet man die Ausstellungsorte der Urkunden Ludwigs des Kindes, so findet man ihn in Bodman (am Bodensee), Ulm, Straßburg, in Metz, Tribur, Forchheim, sogar in Aachen, schließlich in (Alt-)Ötting und Regensburg; also in Schwaben, Lothringen, Franken; Bayern ist weiterhin das Königsland, Regensburg von umfassender und unvergleichlicher Bedeutung. Was dieses Itinerar – bei all seiner Lückenhaftigkeit doch auffällig – vermissen lässt, sind Aufenthalte in Sachsen! Dorthin kommt der König nicht mehr, seitdem Ludwig der Jüngere verstorben ist (882). Dort hat sich die Sippe des Grafen Liudolf besonders hervorgetan, die Anfänge ihrer machtvollen und weit ausgreifenden Tätigkeit fallen schon in die Mitte des 9. Jahrhunderts, damals überschattet noch vom kraftvollen Königtum eines Ludwig des Deutschen. Seitdem aber haben sich die Liudolfinger mit den Karolingern verschwägert, sie haben Stifte für adelige Frauen gegründet – berühmt wird vor allem Gandersheim – und damit Fixpunkte für die christliche Durchdringung des noch nicht lange christianisierten Landes geschaffen. Diese Gründungen sind aber auch Stützpunkte liudolfingischer Macht. Töchter und Schwestern, als Äbtissinnen eingesetzt, werden nicht nur erfolgreich in die regionalen Machtkämpfe einbezogen, sondern verpflichten auch ihre Mitschwestern als Exponentinnen anderer wichtiger Geschlechter. Außerdem entfalten die Stifte eine spezifische Kultur, die der Sippe einen substanziellen Rückhalt bietet, eine religiöse und literarische Verdichtung der adeligen Lebenswelt. Andere Geschlechter in anderen Stammesgebieten versuchen sich ebenfalls zu positionieren. Angehörige des karolingischen Reichsadels, die nun ihren Aktionsraum neu bestimmen und von der schwachen Königsherrschaft des Kindes kaum gestört werden. Politische Optionen für diese äußerst labile karolingische Herrschaft im Osten, ein Zusammengehen mit Ludwig, sind von der jeweiligen politischen Konstellation im Reich abhängig und erfolgen nur im Hinblick auf den eigenen Machterwerb. Aber auch gegen den Karolinger kann man sich durchsetzen, weil es Gebiete gibt, in dem die königliche Gewalt ein Schemen bleibt und wo es nur gilt, ebenso ambitionierte Sippen aus dem Felde zu schlagen. In Franken machen sich zwei bedeutende Adelsgeschlechter den Vorrang streitig: nach den Leitnamen ihrer Sippen Konradiner und Popponen genannt; Erstere mehr an der Lahn und am unteren Neckar zu Hause, Letztere im Maintal und nördlich davon in Thüringen. Als ein Machtzentrum der Pop-
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ponen wird auch die Burg Babenberg am Flusse Regnitz genannt, errichtet wahrscheinlich auf dem Hügel, der heute den spätromanischen Dom der Stadt trägt. In einer elementaren Auseinandersetzung um die Vorherrschaft in jenen mitteldeutschen Gebieten kommt es zur sogenannten „Babenberger Fehde“ 897–906, in der eine Hauptlinie der Popponen ausgeschaltet wird, während eine andere von diesem Konflikt anscheinend gar nicht betroffen ist. Die Konradiner stehen auf der Seite des Königs, so wenig das in jener Zeit auch bedeuten mag oder grundsätzlich etwas über die Machtverhältnisse aussagt. Doch werden die Popponen damit zu Feinden des Königs, was ihrer Bekämpfung den Charakter einer Art Reichsexekution verleiht. Und so ist es auch Erzbischof Hatto von Mainz, der an der Überwindung der Popponen zugunsten der Konradiner wesentlichen Anteil hat. Der Erfolg ermöglicht den Konradinern, ihre Macht auf Lothringen und Schwaben auszuweiten, und man wird sie ohne Zweifel im ersten Drittel des 10. Jahrhunderts zu den führenden Adelssippen des Reiches zählen können. Schon bei der zweiten Reichsteilung Ludwigs des Frommen im Jahre 829 hatte er seinem Sohn aus zweiter Ehe Karl (dem Kahlen) Alamannien, Rätien und einen Teil Burgunds als Herrschaft zugesprochen. Damit wurde ein Gebiet zusammengefügt, wie es in dieser Form vorher nicht bestanden hatte. Unter Ludwig dem Deutschen büßte es diese Eigenständigkeit wieder ein. Doch Karl III. erhielt bei der Teilung von 876 genau dieses Gebiet zugewiesen und wird in historiografischen Quellen gelegentlich rex Alamanniae (König von Alamannien) genannt, was über die Vorstellung eines Herzogtums hinausgeht. Er hielt sich selbst als Kaiser (883–887) besonders gern in diesem seinem ursprünglichen Herrschaftsraum auf, wie sein Itinerar bezeugt. Nach seiner Absetzung und dem bald danach erfolgten Tod 888 wurde diese Sonderstellung von König Arnulf nicht wieder erneuert, aber diesbezügliche Bestrebungen blieben bei den führenden Adelsfamilien aufrecht. Ein Herzog von Schwaben sollte diese regionale Herrschaft verkörpern, wobei es zu Auseinandersetzungen mit dem Königtum und den führenden Vertretern der Reichskirche kam. Im bayerischen Raum, der sich im 9. Jahrhundert mithilfe der fränkischen Mission weit nach Osten und Süden ausgedehnt, Herrschafts- und Einflussgebiet gewonnen hat, haben die Karolinger seit den Fünfzigerjahren für schwer zu entwirrende Machtkonstellationen gesorgt. Dazu kommt die labile Grenzsituation, die seit der Entstehung des Großmährischen Reiches, besonders
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dann ab den Siebzigerjahren, spürbar wurde. Militärische Auseinandersetzungen in der Mark gehören nicht zu den Seltenheiten, gefährlicher aber ist das Interesse der mährischen Fürsten an einer christlichen Mission, die von Byzanz ausgehen sollte. Das fränkische Reich, vor allem aber die unmittelbar betroffenen bayerischen Bischöfe, fürchten um ihren Einfluss, Salzburg speziell um sein kirchliches Kulturwerk. Äußerlich geht es um kirchenrechtliche Fragen, Zuständigkeiten mit ihren wichtigen Pertinenzen, dahinter aber steht ein politisches Problem, das den bayerischen Adel herausfordert, da er die Abwendung der Slawen nicht dulden kann. Die Grenzgrafen als ständige Vertreter des Königs erzielen wenig Erfolge gegen die Mährer, da sie in der Mark nicht unumstritten sind. In den letzten dreißig Jahren des 9. Jahrhunderts werden die Fehden im Grenzland immer häufiger, ebenso die Bündnisse der vom König abgesetzten Grafen mit den Reichsfeinden. Auseinandersetzungen um die Spitzenposition unter den führenden bayerischen Adelsgruppen sind ebenso an der Tagesordnung wie in den anderen Teilen des ostfränkischen Reiches. Zu den mächtigsten Sippen im Donauland zählen die Aribonen und die Familie der Grenzgrafen Wilhelm und Engilschalk, welche sich in inneren und äußeren Kriegen aufreiben. Zu den Aufsteigern hingegen ist Graf Liutpold zu rechnen, der immer mehr an Einfluss gewinnt und auch am Hofe Ludwigs des Kindes sehr angesehen ist. In dieser Zeit offener, immer weniger organisierter und strukturierter, noch weniger effizienter Königsherrschaft macht man im Südosten des Reiches unliebsame Bekanntschaft mit einer militärischen Macht neuen und doch nicht ganz unvertrauten Typs. Nomadisch lebende Steppenvölker erscheinen: Hunnen, wie sie summarisch zunächst in den zeitgenössischen Berichten genannt werden. Diese neuen Hunnen, die ebenso wie die „alten“ auf die Wendigkeit ihrer struppigen kleinen Pferde und die Durchschlagskraft ihrer Reflexbogen vertrauen, sind unsichere Kantonisten, selbst wenn man sie im Krieg als Bundesgenossen auf seine Seite zieht. Sie erscheinen immer, wenn man ihrer nicht gewärtig ist, plündern und verheeren grenznahe Gebiete. Seit den Neunzigerjahren des 9. Jahrhunderts muss man mit diesen Störenfrieden rechnen. König Arnulf schließlich wird die Ungarn, wie die neuen Hunnen nun genannt werden, als militärisches Potenzial im bayerischen Grenzland einkalkulieren. Der bayerische Heerbann, vom lokalen Grafen einberufen, ist viel zu langsam und zu umständlich, um den schnellen Reitern etwas entgegensetzen zu können.
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Erst um die Jahrhundertwende hört man von ersten Abwehrerfolgen, die meist unter der Führung Graf Liutpolds gelingen. Das Ungarnproblem ist zwar nicht endgültig zu lösen, doch eine wirkliche Gefahr für die herrschafts- und siedlungsmäßige Durchdringung des Grenzlandes sieht man darin noch nicht, auch wenn nach 900 die am weitesten vom bayerischen Kernland entfernten Regionen donauabwärts offensichtlich schon abgeschrieben wurden, von der Salzburger Kirchenorganisation im westlichen Pannonien ganz abgesehen. Aber die Lage verschlechterte sich: Als die Ungarn das freilich sehr locker gefügte Großmährische Reich ziemlich leicht vernichteten (906) und ihre Beutezüge häufiger, die Kriegerhaufen größer und die zurückgelegten Entfernungen – bis Burgund, Oberitalien, ins Westfrankenreich – weiter wurden, wollte Liutpold diese Gefahr ein für alle Mal ausschalten. Man war sich reichlich spät der wachsenden Bedrohung bewusst geworden. So rafften sich die Großen Bayerns zu einer Aktion auf, die den Ungarn eine entscheidende Niederlage bescheren und sie für lange Zeit kampfunfähig machen sollte. Erinnerungen an die Awarenzüge Karls des Großen mochten wach werden, ein Vorstoß in die Tiefe des pannonischen Raums verlockend erscheinen. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass dieser Heereszug eine rein bayerische Angelegenheit war, kein militärisches Unternehmen des Reiches! Darin zeigte sich einerseits die strukturelle Schwäche des späten karolingischen Imperiums, andererseits die mangelnde Stärke des Reichsgedankens, der die regionalen Sonderbestrebungen – und sei es nur für die Zeit einer gemeinsamen Abwehr – überwunden hätte. Noch waren die Bayern von den ungarischen Razzien am meisten betroffen, sie mochten zusehen, wie sie damit fertig wurden. Der bayerische Heerbann allerdings wurde aus der ganzen Weite des Landes zusammengezogen. Der Erzbischof von Salzburg führte sein Aufgebot persönlich an und auch die Bischöfe von Freising und Säben ritten an der Spitze ihrer Mannschaft ins Gefecht! Der zuständige Grenzgraf Aribo war an der Operation offensichtlich nicht beteiligt, was verschiedene Schlüsse zulässt. Am wahrscheinlichsten erklärt sich sein Fehlen aus der Kommandoposition Liutpolds, der seine Königsnähe und seine Verbindungen zu den führenden Männern am Hof des 14-jährigen Königs ausnützte. Schon 900 und 901 hatte er Siege über ungarische Heere gefeiert, die allerdings gegen kampfmüde und mit Beute beladene Krieger erfochten wurden. Immerhin scheint Aribo im Auftrag Ludwigs IV. bzw. seiner Ratgeber die Ennsburg besetzt zu haben, um
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in einer Art zweiten Linie den Ausgang des kriegerischen Unternehmens abzuwarten. Dies mochte seiner Funktion als Markgraf entsprechen, während Liutpold die Aufgabe übernahm, die einem Herzog der Bayern oder zumindest einem Präfekten zukam. Zu Beginn des Sommers 907 rückten die Bayern vor: Im Ostland hatten sie keine Probleme, auch die Donaustrecke jenseits von Mautern bot ihnen keine Hindernisse. Man konnte ungehindert bis in den Raum von Pressburg vorrücken. Erst dort traf man auf die ungarische Streitmacht. Die taktisch gewiegten Steppenkrieger ließen es nicht zu einem frontalen Zusammenstoß mit den besser gerüsteten Bayern kommen, dem sie nicht hätten standhalten können. Sie setzten auf ihre Verwirrtaktik mit schnellen Rossen und auf den Pfeilhagel von allen Seiten. Dem waren die Bayern letztlich nicht gewachsen: Sie erlitten eine schwere Niederlage, Liutpold blieb ebenso auf dem Schlachtfeld wie die drei Bischöfe. Was zu einer dauernden Befriedung des bayerischen Ostlandes hätte führen sollen, dem sich Möglichkeiten von Land- und Schatzgewinn sowie einer Mission angeschlossen hätten, wurde zu einem schweren Rückschlag in jeder Hinsicht. Man musste sich hinter Ennswald und Ennsfluss zurückziehen, das Land donauabwärts entglitt der Kontrolle durch Bayern und Reich, die bayerische Präsenz dort wurde schwächer, ein Verfall der kirchlichen Organisation war zu erwarten, die Gefahr der Ausbreitung eines religiösen Synkretismus groß geworden. Das Ostland an der Donau wurde nicht offiziell abgetreten, sondern einfach kampflos preisgegeben, und das, obwohl die verheerende Schlacht bei Pressburg stattgefunden hatte! Damit wird deutlich, dass eine wirkliche Herrschaftsorganisation in der karolingischen Mark innerhalb dreier Generationen fränkischer Machtübung nicht gelungen war. In Schwaben wurde die Niederlage als gerechte Strafe für den bayerischen Hochmut empfunden, der bei Pressburg zu Fall gekommen wäre; eine Aussage, die für das zunehmende Sonderbewusstsein der Volksstämme charakteristisch ist. Als im Jahre 788 Karl der Große den bayerischen Herzog Tassilo III. absetzen und ins Kloster sperren ließ, hatte das Angriffe der Awaren zur Folge. Diese konnten im Donauraum (und in Friaul) zurückgewiesen werden. Daraufhin wurde ein Gegenschlag versucht, der die Franken schließlich zur Eroberung des Awarenreichs führte. Die Reste des besiegten Volks wurden zwischen den Flüssen Fischa und Leitha angesiedelt. Im Gefolge des Vorstoßes in den pan-
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nonischen Raum kam es zu einer Besiedlung des Donaulandes durch Bayern, aber auch durch Franken und Schwaben. Das neu gewonnene Land gehörte dem König, der es an Gefolgsleute und Adelige ausgab. Das Gebiet zwischen Enns und Wienerwald wurde als bayerisches Ostland bezeichnet. 817 nennt Kaiser Ludwig der Fromme als Herrschaftsbereich seines gleichnamigen Sohnes die regna (Reiche) Bayern und die „Gebiete im Osten, die die Böhmen, Karantanen, Slawen und Awaren bewohnen“. Dieses Ostland erstreckte sich im Osten bis zum Plattensee, im Südosten über Karantanien bis zu Save und Drau, im engeren Sinne handelte es sich aber um das Donautal im späteren Niederösterreich: Auch die in den lateinischen Urkunden gebrauchten Begriffe plaga orientalis, partes orientales oder einfach oriens sind nicht immer eindeutig, können jedoch auch das Donauland allein bezeichnen. Belege für einen zeitgenössischen volkssprachigen Namen für dieses Herrschaftsgebilde fehlen, später wird der Begriff Ostarlant verwendet, die Bewohner wohl Ostarliuti (Ostleute) genannt. Die politische Organisation erfolgte in der typischen Form, in der die Gestaltung des Grenzraums durch die Karolinger auch anderswo in Europa vorgenommen wurde: als sogenannte „Mark“ (ahd. marha), was zunächst nichts anderes als Rand oder Grenze bedeutet. Das Wort Grenze selbst ist slawischer Herkunft (granica) und meint zunächst Ecke, Rand, dann aber analog zu Mark den „Grenzraum“. Dieses Fremdwort hat sich erst durch Luther eingebürgert. Die Mark wurde im Auftrag des Königs von einem Grafen kontrolliert und geleitet, dem andere Grafschaften und Machtgebiete einheimischer Stammesfürsten (wie etwa der Karantanen oder auch die Führer der awarischen Restbevölkerung) unterstanden, der in unserem Falle aber seinerseits zunächst noch dem Präfekten des Ostlandes unterstellt war. Die klassische Verwaltungseinheit war die Grafschaft. Diese hatte den organisatorischen Vorstellungen der Zeit entsprechend eine räumliche und eine persönliche Seite. Einen genau abgegrenzten Raum umfasste die Grafschaft in der Regel nicht. Das Herrschafts- oder Verwaltungsgebiet wurde über die zu ihm gehörigen Personen und Personengruppen bestimmt. Diese Zugehörigkeit regelte sich über die verpflichtende Teilnahme an den Verhandlungen eines bestimmten Grafengerichts, des Taidings. Die Gesamtheit der Teilnehmer bildete die Grafschaft im Rechtssinne. Räumliche Hinweise auf die Grafschaft bieten nur die Ding (= Versammlungs)orte, die freilich nur punktuell
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erschließbar sind. Doch gab es auch Personen, die aufgrund ihrer rechtlichen Sonderstellung außerhalb des Grafschaftsverbandes standen, wie Frauen, Kleriker oder Leute niedriger sozialer Position. Für sie war das geografische Moment für die Zuständigkeit entscheidend. Sonst wirkten die Rechte des Grafen über den Einflussbereich der gräflichen Gefolgsleute, was in Fremdgebieten die Zustimmung des örtlich zuständigen Grafen erforderlich machte. Die Grafschaftsverfassung als Grundlage der Reichsverwaltung, die freilich durch Immunitätsprivilegien an Klöster und andere geistliche Institute, selten an Weltliche, durchbrochen wurde, hat sich nur im fränkischen Kernland und Gebieten, die dem Rhein nahe waren, restlos durchgesetzt. Schon in Bayern war die Reihung der Grafschaften nicht lückenlos, im Ostland an der Donau war die Situation ganz ungewiss; Dingorte sind hier kaum feststellbar. Um einige Anhaltspunkte zu gewinnen, muss man die Nennungen in comitatu in den Urkunden heranziehen, die lange Zeit meist als einzige topografische Angaben für die Lage eines Orts, einer Hofstätte oder einer Liegenschaft mit ihrem Zubehör aufscheinen. Hier wird die Grafschaft des königlichen Amtsträgers genannt, dessen Gebiet auf diese notdürftige Weise definiert scheint. Die karolingische Mark an der Donau war relativ großräumig, aber ein administrativ lockeres Gebilde. Erkennbar ist sie im Wesentlichen nur über genealogische Beziehungen der führenden Adeligen. Sie war ein unruhiges Grenzgebiet, das nach Osten nicht wirklich abgesichert war. Das hatte keine Bedeutung, solange sich die Mark Oberpannonien, die ja ebenfalls von den Karolingern kontrolliert wurde, an den Wienerwald anschloss. Doch musste diese räumliche Unsicherheit und kaum geschützte Offenheit gefährlich werden, wenn sich dort feindliche Kräfte sammelten. Innerhalb der Mark hatte der Graf die Aufgabe, die Kolonisation entschlossen voranzutreiben. Doch stand die Großräumigkeit der machtmäßigen Durchdringung entgegen. Es wären dauernde Heereszüge notwendig gewesen, um dort eine wirksame politisch-administrative Organisation zu errichten. Das galt vor allem für das Binnenland, das allerdings quellenmäßig kaum fassbar wird. Die Grafen, die mit der Sicherung und Gestaltung des Grenzraums beauftragt waren, werden in den Quellen comites terminales (= Grenzgrafen) genannt. Entscheidend für ihre Stellung war, dass sie über eine Befehlsgewalt jenseits ihrer eigenen Grafschaft verfügten. Einfach gesagt, sie standen sozial nicht über den anderen Grafen der Mark, aber ihre Amtsgewalt reichte weiter und wirkte unmit-
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telbarer. Es ist möglich, dass diese Vorrechte aus der Stellung der Königsboten (missi dominici) abzuleiten sind, vom König in die Fremde gesandter Bevollmächtigter, die mit besonderen Rechten ausgestattet die Grafen kontrollieren sollten. Die erhöhte Gefährdung der Reichsgrenzen bedingte eine besondere Machtposition. Die Grenzgrafen hatten den Oberbefehl über die Grenztruppen, sie sollten expansive Unternehmungen leiten und den Bau von Fluchtburgen und Befestigungen veranlassen; Letzteres betraf Bereiche einer gewissen Infrastruktur der Mark, zu der auch die Pflege von Straßen und Brücken (kaum ihre Errichtung) zählten. In der alltäglichen Praxis war der Grenzgraf aber von vielen Gegebenheiten abhängig, die ihn oft zwischen zwei Fronten geraten ließen. Als Amtsträger mit qualifizierter Stellung und den damit verbundenen Machtmitteln war er dem König direkt verantwortlich. Er sollte dessen Anordnungen befolgen und umsetzen, musste aber oft aus der militärischen Lage heraus plötzliche Entscheidungen treffen, die der Herrscher nicht immer billigen wollte. In der Randzone des fränkischen Reiches konnten königliche Ansprüche nur sehr ungleichmäßig zur Geltung gebracht werden. Deren Umsetzung beruhte auf der Befehlsgewalt über bewaffnete Leute, die außerhalb des eigenen Gefolges nicht immer zu erreichen war. So begegneten dem Grenzgrafen oftmals feindliche Kräfte innerhalb der Mark, die seine Legitimation und höhere Berechtigung anfochten. Konnte er sich hier durchsetzen und war er außerdem im Kampf gegen Reichsfeinde erfolgreich, so errang er auch tatsächlich die führende Stellung in der Mark. Der Grenzgraf musste sich mehr profilieren als jeder andere, dann konnte er zu Recht auf seinen Folgezwang pochen. Wertvoll waren für ihn daher enge Verbindungen zur fränkischen Reichsaristokratie, der er im besten Falle selbst angehörte, und eine positive Nähe zum regionalen Adel. Die königliche Beauftragung allein genügte nicht, sie war allenfalls ein Mandat, das in der rauen Welt der Grenze gegen den ansässigen Adel, die Vertreter kirchlicher Institutionen und dann erst mit diesen gegen äußere Feinde zu erfüllen war. Mitte des 9. Jahrhunderts setzte sich die Hufe (huoba, mansus) als Maß und Grundlage der bäuerlichen Siedlung durch. Diese Bodenverfassung war auch Voraussetzung für den Heeresdienst und brachte somit einschneidende Veränderungen im sozialen Gefüge. Ab einem Besitz von vier Hufen Land musste man Kriegsdienst leisten; nur ein solcher Grundbesitzer durfte Waffen
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tragen. Wer davon nun ausgeschlossen blieb, verlor allmählich seine soziale Stellung: Viele sanken in die Knechtschaft ab. So ist im Ostland mit weit mehr Großgrundbesitz zu rechnen als im alten bayerischen Siedelland westlich der Enns. Diese Güter wurden mit unfreien Knechten und halb- oder minderfreien Hintersassen bewirtschaftet. Solange in die Wehrverfassung einbezogene Bauern am militärischen Aufgebot teilhatten, war deren gesellschaftliche Situation nicht schlecht. Vor allem die Bewohner der bäuerlichen Siedlungen in der Nähe alter Römerstädte (St. Pölten, Mautern, Traismauer, Tulln, Wien) sind als Wehrbauern anzusehen. Erst in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts begann der adelige Reiterdienst, vorwiegend im Gefolge des Grenzgrafen oder anderer Gewaltträger, zu überwiegen, was die Lage der Wehrbauern verschlechterte. In diesen unruhiger werdenden Zeiten begann eine systematische Sicherung des Ostlandes durch Befestigungen, meist an Flüssen oder Flussmündungen (Traismauer, Herzogenburg, Wilhelmsburg, Tulln, Wien). Im Jahre 856 etablierte König Ludwig der Deutsche seinen ältesten Sohn Karlmann als oberste Instanz im Ostland (im weiteren Sinne), nachdem der letzte Präfekt Ratpot seine Macht missbraucht hatte und abgesetzt worden war. Karlmann betrieb seine eigene Ostpolitik, wobei er die Amtsträger seines Vaters allmählich vertrieb und durch seine Anhänger ersetzte. Erst 865 kamen Vater und Sohn zu einem Kompromiss, der den Aufstieg der Wilhelminer und Engilschalke, mächtiger Sippen, als Grenzgrafen begünstigte. Deren Vertreter gerieten aber bald in Gegensatz zu dem ebenfalls einflussreichen Grafen Aribo, der 871 als Grenzgraf bestätigt wurde und erstmals in den lateinischen Quellen als marchio (= Markgraf ) bezeichnet wird. Aribo verwaltete ein Gebiet, das vom Traungau bis zum Wienerwald reichte, im Südosten aber erst vom Bergland der Buckligen Welt begrenzt wurde. Seine kriegerischen Auseinandersetzungen mit den gleichnamigen Söhnen der Markgrafen Wilhelm und Engilschalk beherrschten die politische und militärische Lage der nächsten zwanzig Jahre und belasteten die Könige Karl III. und Arnulf von Kärnten schwer. In eine Defensivposition gedrängt, verständigte sich Aribo schließlich mit dem mährischen Fürsten Svatopluk, der ins Ostland einfiel und den Markgrafen gegen seine Konkurrenten unterstützte. König Arnulf war nun gezwungen, Frieden zu schließen und Aribo zu bestätigen, doch gaben Wilhelm II. und Engilschalk II., die über einen beachtlichen Rückhalt in der Mark
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verfügten, nicht auf. Bis zum Jahre 894 währten diese Kämpfe, die zweifellos den Rechtscharakter einer Fehde hatten, aber der Mark schwer schadeten, da sie da und dort verwüstet wurde und ihre Widerstandskraft gegen äußere Feinde naturgemäß abnehmen musste. Zuletzt ging die ganze Sippe der ehemaligen Grenzgrafen unter. An ihre einst machtvolle Stellung an der Spitze der karolingischen Mark erinnern heute noch Ortsnamen, die etwas über ihre Stützpunkte aussagen (Wilhelmsburg, die verschiedenen niederösterreichischen Enzersdorf, die sich von Engilschalchisdorf ableiten). Man könnte sich vorstellen, dass diese unbedingt bis zum Tod kämpfenden Brüder auch in der volkssprachigen Liedtradition in Erinnerung behalten wurden, doch lässt sich das nicht beweisen. Während sich Aribo im Donauland durchgesetzt hatte, tauchte in den Neunzigerjahren eine andere machtvolle Führungsgestalt in Bayern und dessen Marklandschaft auf: Graf Liutpold. Über seine Herkunft ist nichts bekannt, doch dürften ihn verwandtschaftliche Bande mit König Arnulfs Mutter Liutswind verbunden haben (Name!). Seine Königsnähe war offensichtlich Referenz genug und so war er zugleich Graf im bayerischen Nordgau (nördlich von Regensburg), im Donaugau westlich von Passau (also beides im Altsiedelland!) und Markgraf in Karantanien. Für diese Stellung musste er mit seiner Nähe zu Arnulf und seiner Verankerung im bayerischen Adel als idealer Kandidat erscheinen. Aribo und Liutpold nahmen in den Jahren vor und nach 900 die führenden Positionen im südöstlichen Markenbereich ein. Allein ihre dann unangefochtene Präsenz wirkte als konsolidierende Macht und die Sicherung des Südostens schien den späten Karolingern jedenfalls wieder gewährleistet. Beide Markgrafen zusammen befehligten 898 einen Verwüstungszug ins Großmährische Reich, in dem sich Aribo politisch kompromittierte und vorübergehend abgesetzt wurde. Doch ziemlich schnell holte ihn der König zurück, während Aribos Sohn Isanrich sich in Mautern verschanzte und einer von Donauschiffen unterstützten Belagerung durch Arnulf von Kärnten trotzte. Auch die Großen, die in Regensburg für Arnulfs kindlichen Sohn Ludwig das Kind regierten, haben Aribo und Liutpold in ihrer Stellung belassen; allerdings scheint Letzterer nun häufiger im Königsland des ostfränkischen Reiches selbst agiert und seinen Einfluss bei Hof geltend gemacht zu haben, bis er zum mächtigsten Adeligen Bayerns aufstieg. Seine Sorge um die südöst-
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lich vorgelagerten Marken entsprach nun einem gesamtbayerischen Konzept, wie es seine herzogsähnliche Position erforderte. Dazu kamen aber die Verflechtungen mit dem Adel in den Marken und seine militärische Kenntnis vor Ort. Aribo hingegen wirkte weiterhin als Amtsträger des fränkischen Königs in der Mark an der Donau, dem Ostland im engeren Sinne. In dieser Funktion erscheint er deutlich beim Zustandekommen der sogenannten „Raffelstettener Zollordnung“ (903/906). Bei dieser handelt es sich um eine gerichtliche notitia (Urkunde) aus dem Rechtsbereich der Königsboten Erzbischof Theotmar von Salzburg, Bischof Burchard von Passau und Graf Otachar, die dadurch offensichtliche Ungerechtigkeiten und weitgehende Willkür beim Handelsverkehr an der Donau beseitigen wollten. „Alle Bayern“, wie es in der Urkunde heißt, vor allem aber Bischöfe, Äbte und Grafen, die auf dem Weg durch die orientales partes waren, hatten sich über die Zollsätze in der Mark beschwert. Die Ordnung, wie sie angeblich in Zeiten der Könige Ludwig der Deutsche und Karlmann bestanden hatte, wurde wiederhergestellt, indem auf einem Ding (= Gerichtsversammlung) an dem Ort, in dem die Traun damals in die Donau mündete (also im Traungau, das heißt in Bayern), die Zolltarife und Zollstätten durch eidliche Aussagen von 41 Adeligen aus drei Grafschaften eindeutig festgelegt wurden. Diese drei Grafschaften unterstanden wohl dem Markgrafen Aribo. Interessant ist auch, dass die partes orientales gleich hinter dem Passauer Wald beginnen, erste Zollstätte ist Rosdorf, nicht weit von Aschach an der Donau, das ebenso wie Linz zum Traungau gehörte. Weitere Orte, an denen Abgaben von den Händlern eingefordert werden durften, sind Ybbs (Eperaespurch) und Mautern; Zollgrenzen für den Warenverkehr zu Lande sind die Flüsse Enns und Url. Erwähnt wird ferner der Böhmische Wald (silva Boemica), bis zu dem uneingeschränkt Handel getrieben werden könne; gemeint ist hier wohl das Mühlviertel. Möglich war es bayerischen Kaufleuten auch noch, Waren am mercatus Marahorum, also im Großmährischen Reich, zu erwerben und zu veräußern. Die Bestimmungen der „Raffelstettener Zollordnung“ gewähren eine letzten Blick auf das bayerische Ostland an der Donau vor der Ungarnkatastrophe von 907. Kontakte mit dem Großmährischen Reich sind noch möglich, aber das Donaugebiet von Mautern abwärts wird nicht mehr in die Festlegung der Mauten und Zölle einbezogen. Die Zuständigkeit des Markgrafen war auch dort grundsätzlich aufrecht, doch entsprach dem wohl keine politische Rea-
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lität mehr. Die befestigten Siedlungen mit städtischem Charakter, wie Traismauer, Tulln, Zeiselmauer, Klosterneuburg oder gar Wien, spielen im Weistum der 41 nobiles keine Rolle mehr: Das Gebiet befand sich in einer bereits gefährdeten Randlage und war wohl faktisch aufgegeben. Dort war schon mit ungarischen Machtstrukturen zu rechnen, sichere Nachrichten über die ersten Jahre des 10. Jahrhunderts gibt es für den Ostteil des Markengebiets nicht. Ob die in der Zollordnung dokumentierten wirtschaftlichen Verhältnisse eine Krisenzeit spiegeln oder dem üblichen Handel in dieser Donaugegend entsprechen, ist nicht zu beantworten. Wir hören von Salz und Sklaven, daneben noch von Pferden und Wachs (wozu man vielleicht noch Honig ergänzen kann?). Über den Zustand der Markenorganisation nach 900 lassen sich aus dem Weistum kaum Schlüsse ziehen, gerade wegen der Isolierung jener wertvollen Quelle, die fast zufällig in einem Passauer Kodex aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts auf uns gekommen ist. Wir wissen nicht, wie eine gute Organisation für die Zeitgenossen ausgesehen hätte, für die sich die Welt über verwandtschaftliche Bindungen aufbaute und auch die königliche Gewalt sich nur im Grafenbann konkretisierte, solange der Herrscher nicht selbst als strahlender Heerführer oder oberster Richter Respekt heischend und machtvoll in Erscheinung trat. Dass seit den Tagen Ludwigs des Deutschen die Resonanz des Königtums im Ostland aber geringer geworden und unter dessen gleichnamigem Urenkel nur mehr schwach vernehmbar war, ist nicht zu übersehen. Hingegen ist zu bezweifeln, dass in den tieferen sozialen Schichten der Alltag eine Veränderung erfahren hatte. Was neu war und jeden in irgendeiner Form störte, waren die Raubzüge der Ungarn, die nach dem Tode Kaiser Arnulfs (899) einsetzten und nun immer häufiger wurden. Wie wenig wir von den politischen Verhältnissen und Möglichkeiten in dieser Zeit tatsächlich wissen, macht uns eine ungewöhnliche Tauschurkunde aus dem Jahre 903 deutlich. Der Passauer Chorbischof Madalwin vermacht seiner Diözesankirche Messgewänder und zahlreiche Bücher sowie einzelne Güter im Ostland, wogegen er seinen dort und in Bayern gelegenen Lehensbesitz zu eigen erhält. Die in der Urkunde genannten Orte sind meistenteils nicht zu identifizieren, doch handelt es sich um Besitz in Markgraf Aribos Grafschaft (Uuolveswanc wird mit dem heutigen Wolfesbach bei Seitenstetten gleichgesetzt), in Pannonien (Silvinprunno), östlich des Wienerwaldes (Mödling; Sliuuinihha, vielleicht bei Pitten; Heurtteswanc?). Zweifellos werden hier
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Orte genannt, die sehr weit im Osten lagen. Ob sie 903 wirklich verfügbar waren oder Rechtstitel mit bloßem Anspruch, der erst zukünftig eingelöst werden sollte, ist unbekannt. Vielleicht handelte es sich um isolierte Außenposten, die einer Passauer Mission zu den Ungarn dienen konnten, wenn sich die Lage im Ostland endgültig geklärt hatte. Wieweit der fränkische König und sein bayerischer Markgraf nach 900 dort noch wirksame Herrschaftsakte setzten, muss von unserem Kenntnisstand her offenbleiben. Die Streuung von Madalwins Besitz zeigt aber jedenfalls, dass eine Durchdringung des Hinterlandes abseits der Donau und des Mündungsgebiets ihrer südlichen Zuflüsse auch noch während der Wirren in der Mark unter König Arnulf in Ansätzen versucht worden war. Über diese Besiedlung der karolingischen Mark hat man nur wenige Hinweise. Schriftliche Quellen sind selten, oft späteren Datums, Patrozinien- und Namenkunde können ein wenig Hilfe geben, Bauforschung und Archäologie dagegen bieten oft auf historischen Quellen basierende Erkenntnisse, die dem Historiker daher nicht weiterhelfen! Nach der endgültigen Vertreibung der Awaren um 800 siedelten Reste der romanischen Bevölkerung in den Donaustädten, Reste von den in der Völkerwanderung eingewanderten und später von Awaren und Slawen überschichteten Germanen im südwestlichen Waldviertel, aber auch im Horner Becken, kleinere Gruppen um Mistelbach und in den Leiser Bergen. Slawen breiteten sich im Weinviertel und nördlichen Waldviertel, aber auch im oberen Ybbsund Erlauftal aus, im unteren Kamptal (Gobelsburg–Gars) haben wir vereinzelte Nachrichten über eine slawische Kleinherrschaft; das spätere Wiener Becken teilten sich wohl Restgermanen und Slawen. Am folgenreichsten sollte die Besiedlung durch die Bayern werden, die sich vor allem entlang der Donau westlich des Wienerwaldes erstreckte. Franken und Alamannen drangen nur in bescheideneren Siedlungsverbänden vor. Kirchlicher Besitz lässt sich besser nachweisen, da die Kirchenorganisation an die bayerischen Bistümer anschloss – nicht wie die weltliche zwischen Altsiedelland und Mark getrennt war – und die Schenkungen in Klöstern, Stiften und Bischofssitzen genau verzeichnet wurden. Im Donautal hatten diese In stitutionen im 9. Jahrhundert beträchtlichen Besitz, besonders in der an Weinbergen reichen Wachau: Salzburg vor allem südlich der Donau (Arnsdorf: Erzbischof Arn!), in Hollenburg, aber auch in Loiben, wo bald auch das Klos-
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ter Tegernsee Besitz erwarb. Traismauer war ein wesentlicher salzburgischer Stützpunkt an der Mündung der Traisen in die Donau und hatte auch Bedeutung als politisch wichtiger Außenposten des ostfränkischen Reiches: Dort erfolgte 828 die Taufe des Slawenfürsten Privina, der als verlässlicher Vasall der Frankenkönige westlich des Plattensees ein ephemeres Reich bilden durfte. Passau gehörte St. Pölten, weitere Schenkungen erhielt es in der Wachau, im Tullnerfeld, am Wagram, an Pielach und Erlauf. Regensburg etablierte sich an Perschling und Tulln, 832 wurde dem Regensburger Kloster St. Emmeram die alte Herilungoburc gegenüber der Erlaufmündung übertragen, die wichtige Siedlung Pöchlarn. Das Bistum Freising erwarb in der Umgebung von Melk und Hollenburg Besitz, namentlich genannt ist der Ort Stiefern im unteren Kamptal, und als äußerste Lage ein Gebiet östlich des Wienerwaldes, nahe des Grenzraums der Karantanischen Mark bei Pitten. Auch klösterliches Eigen ist häufig. Hervorgehoben sei Kremsmünster, das an Schmida und Großer Tulln begütert war, weiter im Tullnerfeld (Zwentendorf, Grafenwörth) und im sogenannten „Grunzwitigau“ (unteres Traisental–Dunkelsteiner Wald: die einzige Grafschaft in der Mark, deren Namen wir kennen!); Kloster Metten im Traisental, in der Wachau (Rossatz), zwischen Wieselburg und Steinakirchen; Moosburg in der Buckligen Welt; Herrieden an Pielach und Melk. Am besten ausgestattet wurde das Kloster Niederaltaich: am Wagram (Absdorf: Abtsdorf !), in der Wachau (Spitz, Aggsbach), im Dunkelsteiner Wald (Aggstein, Wolfenstein), in Persenbeug und sogar im düsteren Ennswald! Weltliche Grundherren sind weniger bekannt, unter diesen der 854 abgesetzte Grenzgraf Ratpot, der um Tulln und bei Pitten Besitz hatte, sowie Graf Witigowo und sein Sohn Heimo, die die Herzogenburg errichteten. Über Eigengüter und Lehen in großer Zahl verfügte die Sippe der Grenzgrafen Wilhelm und Engilschalk: Die meisten lagen im Viertel ober dem Wienerwald. Abgesehen von den römerzeitlichen Städten und Militärlagern (burgi) hatten die Siedlungen der karolingischen Zeit in der Mark dörflichen Charakter, manche waren nur große Weiler. Noch war es möglich, sich nur die besten Böden zur Niederlassung auszusuchen, da die Bevölkerung gering war. Grundherren, die mit Liegenschaften im Ostland begabt wurden, hatten oft Mühe, die zu Bebauung, Verwaltung und Sicherung des Besitzes notwendigen Menschen aus dem Altsiedelland zu rekrutieren: ein Problem, dass sich im 10. und 11. Jahrhundert wieder stellen sollte.
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eit dem vierten Jahrhundert drangen als Gemeinschaft wenig gefestigte turktatarische, onogurische, mongolische Reiterkrieger mit ihren Zeltgemeinschaften und abhängigen Unterworfenen nach Europa vor: Menschen, anders als die ihrer patria verhafteten Bewohner des römischen Imperiums, anders aber auch als die germanischen Wandervölker. Von den Ansässigen, die unter ihren Plünderungen und Versklavungen zu leiden hatten, als Halbdämonen, als Abkömmlinge von Steppengeistern, von den Gebildeten als alttestamentliche Gog und Magog angesehen, verbreiteten sie weit mehr Schrecken als de facto wohl von ihnen ausging. Es hatte vieler Jahrzehnte bedurft, bis man die einzelnen Wellen ihrer verheerenden Angriffe zurückgedämmt und sie schließlich ganz vertrieben oder besiegt hatte: Die Hunnen sorgten achtzig Jahre lang für eine gesteigerte politische und militärische Unruhe in Europa, die unter der Herrschaft Attilas († 453) kulminierte. Die Awaren brachten keinen so legendären König oder Khan hervor, dafür konnten sie 250 Jahre ihre gefürchtete Macht von wechselnden Herrschaftsmittelpunkten aus behaupten. Ihre militärischen Unternehmungen galten vor allem dem Balkan, ihre Stoßrichtung zielte auf die Kaiserstadt Konstantinopel, doch gefährdeten sie auch den Ostteil des Frankenreichs (Bayern, Thüringen) und die Ostprovinzen des langobardischen Italien. Der Überlieferung nach gehörten sie zu jenen wilden Völkern des Nordostens, die Alexander der Große hinter ehernen Toren eingeschlossen hatte. Karl der Große seinerseits soll die Awaren in Pannonien hinter gewaltigen Wällen von der Zivilisation abgesondert haben. Arnulf von Kärnten jedoch, wie der sächsische Geschichtsschreiber Widukind von Corvey berichtet, habe diese Wälle geöffnet, um die furchtbaren Krieger gegen die großmährischen Fürsten zu hetzen. Diese Awaren, sagt er, nennen wir jetzt Ungarn. Sie stammen von den Hunnen, die ihrerseits von
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vertriebenen gotischen Hexen (Giftmischerinnen) ihren Ausgang nehmen und bislang zwischen unwegsamen Sümpfen isoliert ihr Leben gefristet haben. Die ungarische Stammessage erzählt ebenfalls von der direkten Herkunft des Volks von Attila. Tatsächlich unterwarfen in der Gegend der Wolgamündung am Kaspischen Meer im 7. Jahrhundert Chazaren onogurisch-bulgarisch-turktatarische Völkerschaften. Unter diesen wird in arabischen Quellen ein Stammesbund hervorgehoben, der zwar türkische Einflüsse zeigt, aber in seiner Selbstbezeichnung als „Megyer“ finno-ugrische Sprachzugehörigkeit verrät. Die Namen der sieben einzelnen Untergruppen hat erst eine spätere Überlieferung bewahrt. Die chazarische Herrschaft reichte so weit, wie sich unterworfene Ethnien dazu bekannten. So war es im Grunde nicht schwierig, sich von der Bevormundung der Chazaren zu befreien. Die Magyaren besiedelten wahrscheinlich nach 800 das Land am Unterlauf des Don, dem „Lebedien“ ihrer Überlieferung, wobei sich ihnen Splittergruppen anderer nomadischer Reitervölker turktatarischer Herkunft anschlossen. Am wichtigsten war der Anschluss der Kavaren, dreier chazarischer Teilstämme, mit denen die Zehnzahl der gentilen Gruppen erreicht wurde, obwohl jene noch länger ihre Stammesidentität erhalten konnten. In den folgenden Jahren ließen sich die Magyaren in den Ebenen nördlich des Schwarzen Meeres nieder, im sogenannten „Etelköz“, dem Zwischenstromland ihrer gentilen Tradition. Von dort fielen sie wiederholt in die nördlich angrenzenden Gebiete slawischer Stämme ein, schleppten Menschen weg und lieferten sie als Sklaven nach Byzanz. So dürften die Magyaren im 9. Jahrhundert allmählich im byzantinisch-chazarisch-russischen Mächtespiel eine feste Größe gewesen sein. Doch galten sie weiterhin allgemein als gefährlich, unberechenbar und grausam. So berichtet der Verfasser der Lebensbeschreibung des heiligen Kyrill, dass eine ungarische Heerschar, als sie dem Missionar irgendwo in der südrussischen Steppe begegnete, statt vernünftig zu sprechen, „nach Wolfsart heulte“, also keiner artikulierten Kommunikation fähig war, wie sie der gebildete Christ verstand. Freilich wurden die ungarischen Reiter so von der Aura des Heiligen bezwungen, dass sie sich verbeugten und stumm seinen Worten lauschten, die wohl nur wenige verstanden, aber durch ihren Wohlklang alle besänftigten und überwältigten. Diese Darstellung ist natürlich eine literarisch-hagiografische Verfremdung der Wirklichkeit, doch zeigt sie grundsätzlich die Meinung, die man von den Magyaren
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als tierdämonischen, schamanischen Steppenkriegern hatte. Tatsächlich hatten sich diese in den Kreis der halbbarbarischen und von iranisch-byzantinischen Elementen beeinflussten Völker eingefügt, doch dominierte weiterhin ihre reiternomadische Lebensform. Die räumliche Nachbarschaft zu Hochkulturen hob die Distanz im Bereich der Weltsicht und Lebensanschauung nicht auf. Anders war das auf dem Gebiet der materiellen Kultur, wie etwa die Artefakte ihrer Gräberkultur beweisen. Sollten auch viele der erhaltenen und archäologisch gesicherten Erzeugnisse der Goldschmiedekunst „skythischer“ Herkunft sein, so überzeugen die handwerklichen Leistungen der Magyaren bei den kunstvoll gestalteten, metallenen Deckplatten ihrer zu Pferd mitgeführten Taschen. Die darauf erscheinenden Muster, Arabesken und Figuren haben wohl magische Bedeutung und weisen auf einen schamanischen Glauben, das Erbe der steppenasiatischen Heimat der Magyaren. Etelköz verließen sie aufgrund der Angriffe der Petschenegen, die sie als kollektives Unglück deuteten: Adler hatten sich auf ihre Pferde und Rinder gestürzt, diese aufgefressen, sodass die Besiegten weichen und sich neue Siedlungsplätze suchen mussten. Man kann diese in späteren Chroniken wiedergegebene Auffassung unschwer als Hinweis auf eine dualistische schamanische Weltsicht erkennen, wie sie für die Magyaren existenziell bestimmend war. Geführt wurden diese Reiternomaden von zwei Königen, dem „Kende“, den man als Sakralkönig, und dem „Gyula“, den man als Heerkönig verstehen kann. Ob der Kende allerdings ganz von militärischen Angelegenheiten ausgeschlossen war, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Ein solches Doppelkönigtum ist in archaischen Gesellschaften weit verbreitet; es kommt bei den Indogermanen ebenso vor wie bei den asiatischen Steppenvölkern. Die Gefolgschaft der beiden Könige, aber auch diejenige der Oberhäupter der einzelnen Stämme darf man sich nicht als ethnische Einheit vorstellen: Hier finden sich Mitläufer, Abkömmlinge unterworfener Völkerschaften, Geiseln. Im Laufe des 9. Jahrhunderts lernten die Ungarn das Karpatenbecken gut kennen. Auf Raubzügen und als Bündnispartner von Byzantinern und Bulgaren durchquerten sie wiederholt dieses sehr dünn besiedelte Land, das zwischen größeren Reichsbildungen als eine Art leeres Niemandsland angesehen wurde. An den Rändern dieses Gebiets lebten Mährer und Bulgaren, im Inneren auch Reste der Awaren, die dort von Karl dem Großen belassen worden waren. Der westliche Teil Pannoniens wurde von den Franken missioniert und
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organisiert, wobei es der Salzburger Kirche gelungen war, ein Netz von Siedlungen und Kirchen zu errichten. Unterstützung erhielt die kirchliche Organisation durch den slawischen Fürsten Privina, der mit fränkischer Hilfe am Flusse Zala seine Herrschaft entfalten konnte. In den Fünfzigerjahren des 9. Jahrhunderts übernahm Álmos die Führung des Volks, auf den sich die ungarische Königssippe der Arpaden zurückführte. Nicht lange danach hört man von den Magyaren auch im Frankenreich: Merkwürdigerweise erfolgt deren früheste Nennung im Westfrankenreich. Die Annalen von St. Bertin, die zu dieser Zeit vom Erzbischof Hinkmar von Reims geführt werden, erwähnen zu 862 die Ungarn als Feinde, die den Angegriffenen bisher nicht bekannt waren. Das Erschrecken über die wilden Krieger muss also arg gewesen sein, da die Nachrichten über sie so weit in den Westen drangen. Danach schweigen die Geschichtsschreiber fast zwanzig Jahre. Im Jahre 881 stieß man mit den Ungarn ad Weniam kriegerisch zusammen, wie die Salzburger Annalen kurz mitteilen, ohne dass sie über den Ausgang des Kampfes etwas sagen. Im selben Jahr noch kam es zu einer zweiten bewaffneten Begegnung ad Culmite. Die Ortsangaben beziehen sich auf Wien oder (eher) den bescheidenen Wienfluss, was für beide die früheste Nennung im Mittelalter bedeuten würde. Die zweite militärische Auseinandersetzung fand wohl bei Pöchlarn statt. Der Kampf mit den Magyaren wird jeweils als bellum bezeichnet, doch darf man sich dabei keine Feldschlacht vorstellen, sondern wohl ein Aufeinandertreffen von kleineren Vorausabteilungen und beutegierigen Gruppen mit bewaffneten, lokalen Aufgeboten. Wahrscheinlich konnte man diese Magyaren zurückdrängen, ohne dass Plünderungen zu vermeiden waren. Solche Kämpfe wird es im nächsten Jahrhundert unzählige geben und wir dürfen darauf vertrauen, dass in den Quellen meist nur die Ergebnisse größerer Kriegszüge der Magyaren überliefert werden. Der großmährische Fürst Svatopluk war es, der 894 die Magyaren zu Hilfe rief, um sich der Angriffe aus dem fränkischen Reich zu erwehren. Diese standen seit einigen Jahren unter dem Druck der vordringenden Petschenegen und wichen in die Donau-Theiß-Ebene aus; andere Volkssplitter siedelten sich in Siebenbürgen an. König Arnulf lenkte die Ungarn nach Oberitalien ab, während Markgraf Berengar – faktisch der Machthaber in Oberitalien – die Zurückkehrenden ins westliche Pannonien wies. Dort zerstörten sie das slawische Reich von Privinas Sohn Kozel, der sich aus der fränkischen Abhängigkeit
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befreien wollte, und richteten die Salzburger Kirchenorganisation zugrunde. Im Jahre 900 hatten sie sich auch dort festgesetzt und noch vor Ablauf des nächsten Jahrzehnts kann man die ungarische Landnahme als abgeschlossen betrachten. Nun begannen die gefürchteten Razzien der Ungarn, die zunächst nur die fränkischen Grenzgebiete – also das Ostland an der Donau, aber auch die Karantanische Mark – betrafen. Und es dauerte fast ein Jahrzehnt, bis sie diese Raubzüge auf das übrige Reich und schließlich auf Westeuropa ausdehnten. Doch wurden sie als grausame und unberechenbare Krieger bald überall bekannt und bei den Berichten über ihre Untaten kam die alte traditionell mit den Reiternomaden aus der Steppe verbundene Topik zur Geltung. Besonders ausführlich und wüst beschreibt sie bald nach 900 Regino, zeitweise Abt des Klosters Prüm in der Eifel, obwohl er sie im Gegensatz zu den ebenfalls beutegierigen Wikingern vielleicht nie zu Gesicht bekommen hat. Er schildert sie als halbtierische, rasende Wilde und identifiziert sie als Awaren, „die man jetzt Ungarn nennt“. Sie saufen Menschenblut und schlingen das rohe Fleisch in sich hinein. Gefangenen reißen sie das Herz aus dem Leib, teilen es in Stücke und würgen diese als eine Art Medizin hinunter! Männer und alte Weiber bringen sie mit Pfeilschüssen um, junge Frauen schleppen sie wie Zugvieh mit sich fort. Ihre glatt rasierten Schädel sind grässlich anzusehen. Sie kennen weder Erbarmen noch überhaupt Rührung. Liutprand von Cremona († 973), ein sehr farbenvoller Schilderer und wortgewandter Kleriker, bezeichnet Kriegführen, Grausamsein und Töten als das einzige Bestreben der Ungarn. Niemand, der älter als zehn Jahre ist, wird von ihnen auf ihren Streifzügen am Leben gelassen. Magyarische Mütter verletzen ihre Neugeborenen mit Messern im Gesicht, damit diese sich schon von klein auf an Schmerz und Wunden gewöhnen. In Trauer vergießen die Ungarn keine Tränen, sondern bringen sich in ekstatischer Wut selbst Wunden bei. Ekkehard I. von St. Gallen nennt die Ungarn, vor deren Einfall im Jahre 926 er mit den anderen Mönchen geflohen ist, einfach Heiden und Barbaren, enthält sich aber einer näheren Schilderung ihres abstoßenden Äußeren und ihrer grauenvollen Sitten. Die Nennung des Namens Ungarn genügt, um bei Hörern des Textes ein ganz deutliches, nämlich furchtbares Bild entstehen zu lassen. Tatsächlich liefert der Bericht des St. Galler Mönchs Heribald, der als Einziger beim ungarischen Angriff im Kloster blieb und auf den sich Ekkehard als Augenzeugen stützte,
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eine Beschreibung vom Verhalten den Magyaren, das nicht über die Maßen blutrünstig und grauenvoll zu nennen ist: Sie suchen nach Schätzen und Wein, laden den Klosterbruder zu einem Gelage ein, raufen miteinander und klettern auf den Turm der Klosterkirche, um auf ein Kommando hin sofort aufzubrechen. Freilich verleiht hier der leicht humoristische Zug des Erzählers dem Plündern und Brandschatzen eine zu „gemütliche“ Form; außerdem ist zu bedenken, dass die Ungarn Heribald für einen Verrückten hielten, der bei vielen naturhaften Völkern als sakrosankt gilt, während sie die Rekluse Wiberat töteten. Wildes und gottloses Volk nennt sie der Sachse Widukind von Corvey, und jeder einzelne Magyar sei maßlos gierig nach Gold und Schätzen, womit ebenfalls ein Stereotyp des raubenden Reiternomaden verwendet wird. Zu den „klassischen“ Eigenschaften eines solchen zählen ferner noch Hinterlist, Skrupellosigkeit, Wortbruch, Treulosigkeit, aber auch Aufgeblasenheit und höhnische Herablassung. Einmal versuchten die bayerischen Großen des Ostlandes, die Magyaren gleichsam mit diesen, ihren eigenen üblen Mitteln zu schlagen: Sie luden den „Kende“ Kurszán mit seinem Gefolge im Jahre 902 (oder 904) zu einem Gastmahl, wobei sie alle Ungarn heimtückisch ermordeten. Der Ort dieses verräterischen Tuns lag wahrscheinlich an der Fischa. Diese hinterlistige Aktion war auf lange Sicht gesehen jedoch ein Fehlschlag. Durch die Ausschaltung Kurszáns stärkte man die Position des „Gyula“ Arpád, der sich zum anerkannten Führer aufschwingen konnte und die Landnahme in Pannonien zum Abschluss brachte. Kein Geringerer als Otto von Freising († 1158) wird den Gemeinplätzen ungarischen Verhaltens noch im 12. Jahrhundert Tribut zollen, als die Ungarn schon längst im politischen Kosmos der christlichen Reiche anerkannt waren. Ihm missfallen sie immer noch äußerlich: Sie seien kleinwüchsig, mit finsteren, hässlichen Gesichtern, tief liegenden Augen, von ihren rohen, tierischen Sitten ganz zu schweigen – mit einem Wort Ungeheuer. Bei all diesen Beschreibungen werden am einfach Typischen orientierte Überlieferungen mit schrecklichen Erfahrungen oder Erlebnisberichten vermischt, wozu noch auf den ungewöhnlichen, schwer zu begegnenden Angriffstil der wilden Reiter hingewiesen wurde. Das ergab ein negatives Bild der Ungarn, das sich nur mit ihren Vorgängern aus der Steppe vergleichen lässt. Im 19. Jahrhundert stand für die Vertreter der kritischen Geschichtswissenschaft die Richtigkeit der chronikalischen und annalistischen Nachrichten über die Härte und Grausamkeit der magyarischen Aggressoren außer Frage.
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Zwar wird gerade bei einem Vergleich der überlieferten Quellen deutlich, dass man wiederholt mit topischen Elementen in der Darstellung des Geschehens rechnen muss. Doch geht es nicht an, alles von den Historiografen diesbezüglich Mitgeteilte als Produkt von deren blutiger Fantasie zu sehen. Diese extreme Gegenposition verrät eine ideologische Anschauung, die um keinen Preis eine „Gefahr aus dem Osten“ wahrhaben will. Die besondere Furcht vor den Ungarn zeigt sich aber an der nachweislichen Zunahme von Eintragungen in die Memorialbücher bedeutender Klöster, zum Zweck des Gebetsgedenkens. Ein Überfall beutegieriger und durch nichts eingeschränkter Magyaren war zweifellos eine schreckliche Prüfung, die mit Auseinandersetzungen innerhalb von Sippe oder Reich nicht auf eine Stufe gestellt werden kann. Die Ungarn rückten nicht in geordneter Schlachtordnung vor, sondern schwärmten aus und überfielen da und dort Dörfer und unbefestigte Städte. In der Nacht errichteten sie zu ihrer Sicherheit Wagenburgen, manche Gefangene schleppten sie weit umher, um sich ihrer als Dolmetscher zu bedienen. Diese Gefahr bestand besonders für Bauern, die allein auf dem Acker von den ausschwärmenden oder durchziehenden Kriegern überrascht wurden. Hatte man den schonungslosen Angriff glücklich überstanden, so drohten Versorgungsschwierigkeiten, da die Ungarn die Vorräte selbst in Beschlag nahmen oder einfach verbrannten. Freilich darf nicht übersehen werden, dass die mit ihrem wirkungsvollen Hornbogen ausgestatteten Magyaren als schnelle, kampferprobte und stets einsatzbereite Truppe oft zur Unterstützung angeworben und somit ins Land geholt wurden; von Byzantinern, Bulgaren, den Fürsten des Großmährischen Reiches und selbst von Kaiser Arnulf. Nicht jeder Raubzug war ein mutwillig aggressiver Akt, oft wurden die Ungarn angestiftet oder durch Verräter eingeladen. Außerdem mussten die Ungarn einen gewissen Pragmatismus entwickeln, um nicht selbst zugrunde zu gehen. Sie führten keine untertänigen Völker mit sich, die Lebensmittel jeglicher Art durch tägliche Arbeit erzeugten und auch für eine handwerkliche Ausstattung sorgten. Bei den Awaren war das die zwangsweise Aufgabe der unterjochten Slawen gewesen. Die Magyaren waren diesbezüglich auf die vorgefundenen Siedler angewiesen, deren Land sie erobert hatten. An einem System der verbrannten Erde konnte ihnen daher nichts liegen; ja, sie hätten ihre eigene Existenz dadurch gefährdet. Daher sind planlose Zerstörungen, Verwüstungen von erntereifen Feldern und
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dergleichen im bayerischen Ostland wohl nicht auszuschließen, aber sicher nicht so häufig gewesen, wie man dem allgemeinen Klischee entsprechend annehmen würde. Auch ist damit zu rechnen, dass im pannonischen Raum Ackerwirtschaft von ansässigen Slawen und magyarischen Trossleuten betrieben wurde, während die kriegerische Oberschicht weiterhin die Viehzucht favorisierte. Das aber förderte eine mehr nomadische Lebensweise. Diese wiederum hatte stets einen stark agonalen Zug. Und so sind zwischen 900 und 970 über vierzig (47?) militärisch-räuberische Streifzüge der Ungarn nach Mittel- und Westeuropa überliefert, an deren Furchtbarkeit nicht zu zweifeln ist. Möglichkeiten boten sich aufgrund innerer Streitigkeiten und Auseinandersetzungen im fränkischen Reich in Ost und West, aber auch im Gefolge der Gefährdung durch Sarazenen und Normannen, die eine noch zusätzlich gegen Osten gerichtete Verteidigung erschwerten. Zu diesen günstigen Voraussetzungen kamen aber Notwendigkeiten, die mit der sozialen Struktur der ungarischen Halbnomaden zusammenhingen. Der Adel und seine kriegerische Gefolgschaft waren schon wirtschaftlich auf Beute angewiesen, sodass das Interesse an Tributen, Lösegeldern und Sklaven groß sein musste. Durch die jahrzehntelangen Erfolge begann sich die soziale Hierarchie der Magyaren stärker zu verfestigen. Die Machtkonzentration bei der Führungsschicht begünstigte letztlich die Oberherrschaft eines Fürsten. Das Erregen von Furcht gehörte zu den psychologischen Elementen, mit denen die Ungarn ihre räuberischen und kriegerischen Erfolge errangen. Dadurch umgaben sie sich mit einer Aura, die von ihrer Nachbarschaft abschreckte und ihnen zugleich eine Art Sicherheitskordon garantierte. Den Donau-Theiss-Raum sahen sie seit der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts als eine Art „Heimat“ an, als ihnen vertrautes und von niemandem bestrittenes Siedlungsgebiet, in das sie selbst von den weitesten Raubzügen immer wieder zurückkehrten; andere Länder und Regionen wurden geplündert, verheert, aber niemals erobert. Die karolingische Mark an der Donau war daher auch von den Magyaren aus gesehen eher ein Grenzgebiet, das in Abhängigkeit gebracht und kontrolliert, aber nicht der unmittelbaren Herrschaft unterstellt wurde. Doch hat ihr Erscheinen besonderen Schrecken hervorgerufen, „der Ungarn Wut“ ausgeliefert zu sein galt wohl als eines der furchtbarsten Erlebnisse der Bevölkerung. Ihre ungewöhnliche Art zu kämpfen, ihr so fremdartiges Aussehen, ihre kriegerische Unbedingtheit, deren Exzesse kaum zu zügeln
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waren, machten einen verheerenden Eindruck. Jeder Überfall ließ die über sie verbreiteten Gräuelnachrichten erlebte Wirklichkeit werden. Selbst die im Nordwesten des Reiches und bis zum Rhein hin zur Landplage gewordenen Wikinger wirkten anders. Unerbittlich auch sie, brutal und beutegierig, jederzeit bereit Verträge zu brechen, konnten sie in berserkerhafte Wut geraten und schonten dann nichts und niemanden. Doch waren sie als menschliche Erscheinung ansehnlich: groß gewachsen und „schön“, wie es noch anhand gefallener Nordleute heißt; sie verkörperten bei all ihrer unberechenbaren Gefährlichkeit ein gesteigertes Menschentum, wie es Franken, Sachsen, Friesen verständlich war. Mit den Reitervölkern aus der asiatischen Steppe bestand diese Gemeinsamkeit nicht; schon ihre körperliche Fremdheit evozierte eine besondere Bösartigkeit, die von der literarischen Topik gehegt wurde, um ihren schnellen Angriffen noch schneller voraus zu sein. Ihr dem Nomadendasein und dem wendigen Meistern der ausdauernden Rosse angepasster Körper, der gewohnt war, widrige äußere Verhältnisse zu überwinden, und ihr eher kleiner, meist kahler Kopf mit dem verkniffen wirkenden Gesichtsausdruck entsprach einer eigenen Ästhetik, die von den westlichen Maßstäben schon grundsätzlich verschieden war. Die Magyaren erschienen hässlich und unproportioniert und schon deshalb böse, hinterlistig und grausam. Mit derartig aussehenden Menschen, die vielleicht Dämonen waren, konnte man nicht wirklich ein Übereinkommen treffen. Es gab keinen Zugang zu ihnen. Die notwendige Kommunikation außerhalb des Schlachtfeldes konnte nur eine unterwürfige, heuchlerische oder listige sein!
Etappen der Auseinandersetzung mit den Ungarn 862 881 896 900 901 902
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erste Nachricht über Angriffe der Ungarn im ostfränkischen Reich Kämpfe mit Ungarn bei Wien und Pöchlarn Beginn der ungarischen Landnahme in der Donau-Theiss-Ebene Ungarn plündern westlich der Enns, nördlich der Donau von Markgraf Liutpold besiegt; Ennsburg errichtet Liutpold besiegt die Ungarn an der Fischa (904?) Ermordung des ungarischen kende Kurszán und seiner Gefolgschaft durch bayerische Große
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Vernichtung des Großmährischen Reiches durch die Magyaren Schlacht bei Pressburg: Niederlage des bayerischen Heerbanns, Markgraf Liutpold † 908–910 ungarische Streifzüge nach Sachsen, Thüringen, Schwaben, Franken; Sieg Herzog Arnulfs von Bayern an der Rott 910 König Ludwig das Kind von den Ungarn besiegt; Herzog Gebhard von Lothringen † 912 Ungarn verwüsten Franken und Thüringen, treffen auf keinen Widerstand; auf dem Rückzug von Herzog Arnulf geschlagen 913 Ungarn fallen in Schwaben ein, beim Rückzug am Inn von Schwaben und Bayern besiegt 914 Ungarn verwüsten Schwaben, ziehen durch Thüringen und Sachsen und plündern das Kloster Fulda 916 Herzog Arnulf flieht vor König Konrad I. zu den Ungarn 917 Ungarn ziehen durch Schwaben nach dem Elsass und bis nach Lothringen, Bayern bleibt unbehelligt; Herzog Arnulf kehrt im Schutz eines ungarischen Heeres zurück 924 Ungarn verwüsten Ostfranken 926 Magyaren verwüsten erneut Franken, dann aber auch das Elsass, „Gallien“ und Schwaben; Plünderung des Klosters St. Gallen 932 Ungarn zerstören Städte in Schwaben und Franken, überqueren den Rhein bei Worms, verwüsten das Westfrankenreich bis zum Meer und kehren über Oberitalien zurück 933 König Heinrich I. besiegt die Ungarn an der Unstrut 943 Ungarn bei Wels von Bayern und Karantanen besiegt 948/949 Sieg und Niederlage Herzog Heinrichs I. von Bayern gegen die Ungarn im Nordgau 950 Sieg Herzog Heinrichs I. von Bayern über die Ungarn an der Theiß 954 Ungarn von bayerischen Verrätern ins Land geholt; ziehen über den Rhein, verheeren „Gallien“ und kehren plündernd über Italien zurück 955 Entscheidender Sieg König Ottos des Großen über die Ungarn auf dem Lechfeld bei Augsburg; größere Raubzüge unterbleiben jetzt, gesteigerte Anpassung der Ungarn an ein geregeltes Leben in Dauersiedlungen, gesuchte Bekanntschaft mit der christlichen Religion, diplomatische Beziehungen mit dem Reich und Byzanz.
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III. DAS REICH IM 10. JAHRHUNDERT
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ie erste Hälfte des 10. Jahrhunderts gehört fraglos zu den dunkelsten, weil schrift- und überlieferungsmäßig dürftigsten Zeitaltern der abendländischen Geschichte. Wüsste man nicht um die weit verbreitete Abneigung der modernen Wissenschafter gegen morphologische Deutungen der Geschichte, könnte man diese Jahrzehnte als kulturellen Rückschritt gegenüber dem geistig so lebendigen 9. Jahrhundert bezeichnen. Freilich begann dieser Abfall schon in den letzten Dezennien dieses Säkulums sichtbar zu werden: weniger dem Zeitgenossen als dem zurückschauenden und über einen größeren Blickwinkel verfügenden Historiker. Die dichte, sehr engagierte und inhaltsreiche Weltchronik des Abtes Regino aus dem karolingischen Reichskloster Prüm endet mit dem Jahre 908, ihre Fortsetzung wird erst in den Sechzigerjahren des 10. Jahrhunderts in Angriff genommen, als die Schriftlichkeit allgemein wieder zunimmt. Und auch die Lebensbeschreibungen der Bischöfe, denen die Hagiografie eine zweite Blüte verdankt und die in Summe über das Geschehen im römisch-deutschen Reich recht gut informieren, werden erst in diesen Jahren wieder aufgenommen. Von König Konrad I. (911–918) haben sich 38 Urkunden erhalten, was einem jährlichen Ausstoß von 5 bis 6 Diplomen entsprechen würde. Das ist ungeheuer wenig, selbst wenn man verlorenes Material berücksichtigt. Sein Nachfolger Heinrich I. (919–936) hinterließ 41 Königsurkunden in 17 Jahren (!), eine noch bescheidenere Zahl und im Vergleich zu seinem Vorgänger ein Zeichen weiteren Rückschritts. Hier mag die Tatsache von Bedeutung sein, dass sich für den ersten Herrscher aus sächsischem Hause eine königliche Kanzlei neu konstituieren musste. Dennoch darf man annehmen, dass die „Kanzlei“ aus einem Mann bestand, dessen notwendige Materialien in den Satteltaschen eines Pferdes Platz hatten. So konnte er mit seinem Herrn von Pfalz zu Pfalz ziehen, wo er sich jeweils seine „Kanzlei“ nach Bedarf aufbaute; zweifellos eine Zeit, in
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der die Rechtssymbolik und die Verständnis schaffende Anschaulichkeit der Verwaltungsakte die Bedeutung des geschriebenen Worts weit in den Schatten stellten! Und doch auch das ein Zeichen des Neuanfangs: nicht ein Wandel im Sinne von gut zu schlecht oder von einer Hochkultur zum Fellachentum. Der Ostteil des fränkisch-karolingischen Reiches war auf dem Wege, eine andere Gestalt anzunehmen. Der fränkische Reichsgedanke war östlich des Rheins nicht tot, aber doch sichtlich in der traditionellen Form erschöpft. Die Vorstellung von einer engen Bindung an das Westreich begann zu verblassen, vorübergehend auch jene an die ehemals langobardische Welt südlich der Alpen. Noch Karlmann, Sohn Ludwigs des Deutschen, hatte an eine Verklammerung des bayerisch-ostalpinen Reichsteils mit Oberitalien gedacht. Ob hier an die moderne Denkungsart angepasste Begriffe überhaupt ein Bild von der politischen Lage etwa im zweiten Jahrzehnt des 10. Jahrhunderts zu geben vermögen, ist mehr als fraglich. Im Vordergrund stand damals ein Denken in genealogischen Bezügen, die unseren heutigen durchaus nicht glichen. Von daher mochte sich eine Lebenswelt entwickeln, die später als Stamm manifest schien, vereinzelt aber schon darüber hinausreichte. Der sogenannte karolingische Reichsadel büßte seinen universellen Horizont ein. Familien hatten neue Machtmittelpunkte gefunden, breiteten sich dort in Konkurrenz mit anderen aus und verloren zunehmend Interesse und Möglichkeiten, in den Gebieten ihrer Herkunft Einfluss zu behalten. So begegnet um 900 eine Adelsgesellschaft östlich des Rheins, in Sachsen und Bayern, die im Großen und Ganzen auf diesen Raum ausgerichtet, wenn auch nicht beschränkt war. Im Jahre 911 war Ludwig IV. im Alter von 17 Jahren verstorben und mit ihm die von seinem Urgroßvater Ludwig dem Deutschen ausgehende Linie der Karolinger im Mannesstamm erloschen. Niemand dachte mehr daran, einem karolingischen Prinzen aus dem Westreich die Krone anzubieten. Man erhob den Führer des mächtigen Geschlechts der Konradiner, das sich in den inneren Auseinandersetzungen um die Vorherrschaft in Franken durchgesetzt hatte und der den Leitnamen seiner Sippe trug, zum König. Konrad war Franke, was die Fiktion des fränkischen Königtums in einem fränkischen Reich aufrechterhielt, wenn auch wohl sonst über die fränkische Qualität dieses Herrschafts-
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verbandes bei niemanden ein Zweifel bestanden haben dürfte. Die Erhebung Konrads hatte aber auch die Kirche betrieben, vor allem deren vornehmster Repräsentant Erzbischof Hatto von Mainz (891–913), die einen ihr zugeneigten, wenn nicht gar ergebenen Mann suchte, was man von den anderen Herzögen Otto von Sachsen, Arnulf von Bayern oder von den sogenannten Kammerboten Berthold und Erchanger in Schwaben kaum sagen konnte. Konrad erwies sich als tüchtiger Kriegsmann, was man schon vorher gewusst und bei seiner Erhebung berücksichtigt hatte, musste sich aber stets auf seine geistlichen Berater stützen, ohne dadurch seiner Herrschaft wirklich sicher zu sein. Er blieb auch als König in seiner Wirksamkeit nur primus inter pares, der weder reale Macht noch politische Begabung genug besaß, um sein Ansehen auch praktisch durchzusetzen und dem neuen, nun nicht mehr karolingischen Königtum eine ausreichende Attraktivität zu sichern. Die späten Karolinger verfügten bei all ihren Schwächen über Heil und Nimbus der Nachkommen Karls des Großen, was zwar im Osten nach 900 auch nicht mehr viel nützte, ihnen aber doch die Herrschaft und die Situierung im Machtmittelpunkt des Reiches garantierte. Konrad wurde nur halbherzig respektiert, weil ihm diese Tradition fehlte und er auch außerstande war, die mächtigsten Amtsträger, die längst politisches Eigengewicht erlangt hatten, hinter sich zu versammeln. Die Kirche, die ihn zu fördern versuchte, lud 916 zu einer Synode an den unbedeutenden Pfalzort Hohenaltheim ein. Dort trachteten unter dem Vorsitz des päpstlichen Legaten die Königswähler, Konrad der gesamten Reichskirche zu empfehlen und damit seine Stellung in den anderen Stammesgebieten zu stärken. Doch blieben diese Bemühungen letztlich ohne Erfolg, obwohl er als „Gesalbter des Herrn“ apostrophiert und damit über die Herzöge erhoben wurde. Der König war weiterhin gezwungen, mit dem Schwert Vorteile zu erkämpfen, die ihm schon durch die Tatsache seines Königtums allein hätten zufallen müssen. Und dabei war er wenig erfolgreich. Er kam in seiner Politik über die Ebene volksstämmischer Rivalitäten nie hinaus. Gerade bei dem wichtigen Problem der Ungarnabwehr versagte er gänzlich. Er war nicht imstande, ein Reichsheer aufzubieten: Das scheiterte an seiner mangelnden Durchschlagskraft, noch mehr aber an seiner eigenen Mentalität. Konrad war gewohnt, in sippenmäßigen und regionalen Auseinandersetzungen zu denken, und spiegelte damit durchaus die soziale und politische Situation der Jahre um 900 wider. Er blieb auch als König im Inners-
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ten Repräsentant des Adels. Die Abwehr der Ungarn war Angelegenheit der regnalen Amtsträger an der gefährdeten Grenze mit ihrem bayerischen oder sächsischen Aufgebot. Hinter Liutpoldingern und Liudolfingern standen wesentliche Adelsgruppen, und die Herzöge hatten Erfahrungen und Kontakte mit den Ungarn. Da diese offensichtlich nicht zu vertreiben waren, mussten die bayerischen Großen unter der Führung Arnulfs einen modus vivendi mit ihnen finden. Das Leben im bayerischen Ostland wird, was die Siedler betrifft, nicht viel anders als vor 907 ausgesehen haben. Selbst die personellen und hierarchischen Verbindungen zu den Verwandten westlich der Enns waren wohl nicht unterbrochen. Die meisten Menschen lebten im Rahmen einer regelhaften Aufeinanderfolge immer gleicher Tätigkeiten, und das wurde im Grunde von den Ungarn nicht beeinträchtigt. Doch waren deren Reaktionen gelegentlich nicht vorhersehbar, ihre Unberechenbarkeit störte dann plötzlich den Gleichklang des einfachen Lebens und brachte sie zu den Siedlern des Ostlandes in Gegensatz. Dieser in den Tiefen des Daseins angelegte Unterschied kam dann an die Oberfläche des Lebens und verhängte über die Altsiedler manches Unheil. Quellen aus dieser Zeit für das Geschehen im Ostland an der Donau gibt es nahezu keine. Man erfährt jedoch immerhin, dass Bischof Drakulf von Freising 926 mit seinem Schiff in den Donaustrudel von Grein geriet und ertrank. Der Grund dieser bischöflichen Fahrt wird nicht angegeben. Ob er freisingische Besitzungen östlich der Enns visitieren wollte oder in diplomatischer Mission zu den Ungarn unterwegs war, muss offenbleiben, über Spekulationen kommt man nicht hinaus. Die Nachricht wirft nur ein Schlaglicht auf eine dunkle Zeit, die für die Bewohner des Landes wohl nicht viel dunkler war als die Jahre vor 907; für den Historiker jedenfalls ärmer an schriftlicher Überlieferung. In Bayern war es nach 907 zu einer Bündelung der regionalen Kräfte gekommen. Arnulf, des bei Pressburg gefallenen Liutpolds Sohn, hatte die Macht übernommen. Er wird in den Quellen sogar dux (= Herzog) genannt, was auf eine unbestrittene Führungsstelle in Bayern deutet. Dass hier die Macht nicht nur erblich weitergegeben, sondern darüber hinaus irgendwie institutionalisiert wurde, muss überraschen. Die Niederlage von 907 wurde offensichtlich nicht als Ende einer Periode gesehen, sonst hätte sich der Sohn des unglücklichen Heerführers wohl nicht an die Spitze der Bayern setzen können. Ihn zu unterstützen mochte die Möglichkeit eröffnen, das verlorene Ostland
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rasch wiederzugewinnen. Und Herzog Arnulf stellte in den dreißig Jahren seiner „Herrschaft in Bayern“ tatsächlich einen auch im Reich nicht zu übersehenden Machtfaktor dar. Gefolgsleute und Anhänger gewann Arnulf durch wirtschaftliche Mittel, die er auch in bedeutendem Maße aus dem Kirchenvermögen nahm. Die Geschichtsschreiber, die ja im Wesentlichen Mönche und Kleriker waren, verliehen ihm daher den Beinamen „der Böse“. Die bayerische Kirche verfolgte schon aus diesen Gründen den Gedanken des Reiches und einer nur dem Reichsoberhaupt verpflichteten Kirche; so beteiligten sich die bayerischen Prälaten an der Synode von Hohenaltheim und vertraten eifrig deren im Grunde antiregionale Bestimmungen. Auf Arnulfs Schultern lastete in unvergleichlichem Maße das Ungarnproblem. Kein anderes Reichsgebiet war den ungarischen Razzien derart ausgeliefert wie Bayern. Vom ungarisch kontrollierten Niemandsland an der Donau ließen sich bayerische Dörfer und Klöster, seltener Städte schnell erreichen und schnell wieder verlassen. Nach einigen Siegen scheint Arnulf 913 mit den Magyaren eine Art Stillhalteabkommen getroffen zu haben, was von diesen durchaus respektiert wurde. Freilich bedeutete auch der Durchmarsch eines ungarischen Aufgebots keinen disziplinierten, von der landsässigen Bevölkerung kaum bemerkten Heereszug, aber besser war es immerhin, wenn das Ziel des Raubzugs im mittel- oder westdeutschen Raum lag. Ja, 914 und 916 ging Arnulf nach erfolglosen Auseinandersetzungen mit König Konrad I. zu den Magyaren ins Exil. Es ist anzunehmen, dass er sich dabei nicht bis zur Theiß zurückzog, sondern einfach im Ostland der ehemals karolingischen Mark untertauchte. Die Verbindungen ins Reich waren von dort gut aufrechtzuerhalten und ungestörten bayerischen Besitz, auf dem er sich entsprechend einrichten konnte, darf man dort ebenfalls vermuten. 917 brachte ein ungarisches Heer den exilierten Herzog ins Reich zurück, wo er mit König Konrad I. erneut in Kampf geriet, sich aber in Bayern behauptete und dort mehr und mehr eine unangefochtene Stellung erreichte. Auch in Schwaben machte sich die Kirche, an der Spitze der herrische Bischof Salomon III. von Konstanz (888–919), zur Vorkämpferin der Reichsidee. Anders als in Bayern, wo die Liutpoldinger eindeutig dominierten, gab es im Südwesten des Reiches einige Kandidaten für das Herzogtum. König Konrad unterstützte Salomon, was zwei Konkurrenten letztlich das Leben kostete. Als aber auch die beiden Sieger rasch hintereinander starben, setzte sich
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Burchard, der Sohn des gleichnamigen Pfalzgrafen und ein Verwandter König Konrads I., durch. Er zeigte Interesse an einer Herrschaftsausweitung nach Oberitalien, die nach zunächst guten Aussichten aber scheiterte und Schwaben in ein Machtgebilde anderer Art eingebunden hätte. Nach Burchards Tod wurde dieser Gedanke nicht wieder aufgenommen und so eine Abspaltung des schwäbischen regnum vom Reich verhindert. Anders schien es vorerst mit den Gebieten links des Niederrheins sowie an Mosel und Maas. Hier wandten sich die Macht- und Amtsträger, auch die Prälaten, 911 aus dynastischen Gründen dem Westreich zu, orientierten sich also weiterhin an den Karolingern. Man vertrat dort gewissermaßen die traditionelle politische Haltung, während die Sachsen, Franken, Schwaben und Bayern das legitimistische Prinzip verließen, für ihre jeweiligen Sonderrechte eintraten, aber darauf aufbauend doch einem Zusammengehörigkeitsgefühl Raum gaben. Die genealogische Vernetzung des Adels trug sicher dazu bei, entscheidend war sie aber nicht, da sie ja immer auch noch ins westfränkische Reich zielte, von den Bindungen an die in Lothringen sitzenden Sippen ganz abgesehen. Doch blieben die Gegensätze, die sich zwischen den politischen Wirkungsmöglichkeiten im regionalen Aktionsraum der Sippe und einer als notwendig empfundenen Reichsgewalt auftaten, noch länger bestehen. Konrads Königtum basierte vor allem auf der Vorstellung von der Kontinuität des fränkischen Reiches. Er war Herzog der (Ost-)Franken und wenn auch kein Karolinger, so doch mit diesen verwandt. Man hatte ihn in Forchheim gewählt, auf fränkischer Erde, und die Wähler waren Franken, Schwaben, Bayern und Sachsen gewesen, was eine einhellige reichsweite Zustimmung zu Konrads Königsherrschaft vermuten ließe. Hätte man Schwaben, Thüringer, Franken, Bayern oder Sachsen nach ihrer Reichszugehörigkeit gefragt, so hätten sie sich zwar zum fränkischen Reich bekannt, sich selbst aber nach Stamm und Sippe orientiert und dort ihr Wir-Gefühl gefunden. Die Kontinuität des fränkischen Reiches bestand, weil es keine andere „Reichsvorstellung“ gab, und so musste das Zeremonielle und Formale, das mit dem König (nicht dem Königtum!) zu tun hatte, seine gewohnte fränkische Ausprägung haben. Aber der politische und soziale Alltag sah anders aus. Hier reichte der Horizont – von wenigen abgesehen – über die engere ethnische Einheit nicht hinaus, wie einem Recht und Gewohnheit jederzeit bestätigten.
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Franke sein genügte also nach 911 im Osten nicht mehr. Und das mochte Konrad am Totenbett klar geworden sein, als er darauf verzichtete, das alt-neue Königtum seiner Familie zu erhalten, sondern auf den Liudolfinger Heinrich hinwies, eine Überlieferung, die heute in der Forschung umstritten ist und eher der prosächsischen Historiografie zugerechnet wird. Doch spricht nichts dagegen, dass der scheidende König im Banne eines pragmatischen Machtdenkens auf fränkische Herkunft keine Rücksicht mehr nahm und darin aus bitterer Erfahrung keine Garantie für den Weiterbestand eines (ost-)fränkischen Reiches sehen konnte. Einen Sachsen als König zu empfehlen, mochte ein ungeheurer mentaler Sprung sein, der vielen Machtträgern einiges zumutete. Konrad aber erkannte in seinem sächsischen Gegner den Mann, der schon das Herzogtum zu einer flexiblen Machtbasis ausgestaltet hatte und seine regnale Autorität auf Reichsebene auszudehnen imstande sein würde, was ihm, dem tapferen Haudegen, aus mangelnder politischer Begabung und Fähigkeit, eine zweifellos vorhandene reale Macht im Sinne des Reiches einzusetzen, nicht möglich gewesen war. Dass Herzog Heinrich von dieser Designation überrascht wurde, ist hingegen nicht anzunehmen. Die idyllische Erzählung, dass Konrads Boten Heinrich „am Vogelherd“, also gänzlich unvorbereitet, ja ahnungslos, angetroffen hätten, ist eine romantische Fiktion späterer Zeit. Fritzlar, der Ort, in dem Heinrich von Sachsen 919 zum König erhoben wurde, lag noch auf fränkischem (hessischem) Boden, aber recht nahe zu den Sachsen. Damit wurde der neuen Situation äußerlich Rechnung getragen. Die Anfänge des neuen Reiches waren fränkisch-sächsisch dominiert, wobei die Machtverschiebung nach Norden unverkennbar war. Bayern und Schwaben beteiligten sich nicht an der Wahl, ihre Herzöge zeigten selbst Ambitionen auf die Königsherrschaft, und Arnulf wurde anscheinend von den Bayern auch zum König gewählt. Die Vorstellung von autarker Herrschaft schien einen Reichsgedanken nicht unbedingt mehr zu benötigen. Nur Heinrich war offensichtlich anderer Ansicht: Er zog an der Spitze eines „Reichs“-Heeres, das aus Sachsen, Thüringern und Franken bestand, in den Süden des Reiches und konnte dort die Anerkennung seines Königtums durchsetzen. Burchard II. von Schwaben ergab sich kampflos, während Arnulf erst gegen zahlreiche wesentliche Zugeständnisse Heinrich I. anerkannte. Dem bayerischen Herzog blieben viele Regalien, die ihn in seinem Herzogtum gleichsam unabhängig
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von der neuen Reichsherrschaft machten. König Heinrich erkannte zu Recht, dass er die Herzöge gewissermaßen bestätigen musste, um sie für den Wiederaufbau des ostfränkischen Reiches gewinnen zu können. Bei der Lösung von Konflikten sehr gewandt, dürfte er die Unterwerfung der übrigen Herzöge erreicht haben, die er danach durch ein rituell begründetes Verhältnis der Freundschaft (amicitia) erhob und so für sich gewann. Der westliche Karolinger Karl der Einfältige wurde 921 in Bonn zur Anerkennung des fränkischen Königtums eines Sachsen genötigt. Vier Jahre später holte Heinrich die Gebiete links des Niederrheins und an Mosel und Maas zurück, die sich 911 als „Lotharingien“ dem Westfrankenreich als dem weiter bestehenden karolingischen Herrschaftsgebiet angeschlossen hatten. Dieses kulturell, sozial und wirtschaftlich hoch entwickelte Gebiet um die Metropolen Trier und Köln verschaffte dem ostfränkischen Reich allmählich eine Vorrangstellung, wozu auch der Gewinn Aachens, als der Stadt Karls des Großen, wesentlich beitrug. Lothringen war kein Stammesherzogtum, sondern eine geschichtlich gewordene Einheit von Franken, Sachsen, Friesen und auch Romanen, die in zwei Generationen schon ein beachtliches Wir-Gefühl entwickelt hatten. Ganz im Stil eines Stammesherzogs begann Heinrich I. nun, die Verteidigung gegen die Ungarn zu organisieren: Er ließ Sachsen und Thüringen mit einem Netz von Fluchtburgen überziehen, die der Bevölkerung als Notaufenthalt, aber auch als feste Plätze für den Kampf gegen die magyarischen Reiterscharen dienen sollten. Aus diesen Burgen wurden allmählich regionale Zentren, weil der König sie zu Mittelpunkten des öffentlichen Lebens bestimmte (Gerichtsverhandlungen, Heeresversammlungen u. a.). Durch Burgwerk und Burgbann band er die Bevölkerung an diese Siedlungskerne; mit den milites agrarii, Bauernkriegern, schuf er schnelle Eingreiftruppen. Diese Defensivtaktik ergänzten Panzerreiter, die König Heinrich I. in verschiedenen Kriegszügen gegen westslawische Elbstämme erprobte. Erst dann kündigte er einen 926 geschlossenen Waffenstillstand mit den Ungarn, deren Angriff er 933 an der Unstrut erfolgreich zurückwies. Charakteristisch für die kluge Politik des Königs war die Tatsache, dass Heinrichs Truppen sich dabei aus Kontingenten aller ostfränkischen Stämme rekrutierten. Siege über die Dänen und die Oberhoheit über die Böhmen steigerten das Prestige dieses Herrschers. Am Ende seines Lebens konnte er überzeugt sein, etwas Neues geschaffen zu haben: Seine Herrschaft war nicht mehr der Idee eines gesamtfränkischen Reichs-
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gedankens verpflichtet, sie griff aber über die ethnische Beschränkung weit hinaus. Eine Absage an das alte fränkische Modell bedeutete es auch, dass der König das Reich nicht unter seinen Söhnen teilte, sondern den Fürsten seinen ältesten Sohn Otto, aus der Ehe mit der einflussreichen und reich begüterten Mathilde, als Nachfolger empfahl. Hatte Heinrich I. unter schwierigen Bedingungen aus den zerfallenden Elementen karolingischer Reichsherrschaft die Ansätze zu einer geschlossenen, anerkannten Reichsbildung mehrerer großer ethnischer Gemeinschaften gelegt, so formte Otto I., der zu Recht als „der Große“ bezeichnet wird, da raus eine Hegemonialmacht, obwohl er zunächst Rückschläge erlitt und ärgste Probleme mit Familie und Sippe hatte. Die Anfänge Ottos waren durch eine Öffnung zur Kirche gekennzeichnet, die am Krönungsvorgang beteiligt wurde, ohne dass tradierte gentile Überlieferungen aufgegeben wurden. Die karolingische Tradition des Königtums der Sachsen wurde durch die hervorragende Einbeziehung Aachens und seiner Pfalz in das zeremonielle Geschehen ebenso wie durch die Verwendung fränkischer Prunkkleidung durch den König sichtbar gemacht. Die Ausübung der fränkischen Hofämter durch die Herzöge zeigte zugleich deren Anerkennung des neuen Königs als unangefochtene Spitze des Reiches. Die besondere Stellung des Herrschers wurde bei seinem Eingreifen in Bayern deutlich, als er 938 Herzog Arnulfs Sohn Eberhard absetzte und dessen Onkel Bertold das bayerische regnum übergab. Otto war kein primus inter pares mehr, sondern der alleinige Machthaber in Reichsfragen. Und so erhob er Männer seiner engsten Familie: Brüder, Söhne, Schwiegersöhne auf die entscheidenden Machtpositionen im Reich, wobei er nicht zögerte, landsässige Adelssippen auszuschalten oder zu übergehen. Doch kehrten sich diese engsten Vertrauten aus den unterschiedlichsten Motiven immer wieder und in wechselnden Koalitionen gegen Otto, der zeitweise in eine gefährliche Defensive gedrängt wurde. Die alte Überzeugung, dass nicht der Einzelne, sondern die Sippe zur Herrschaft berufen sei, und die neue, dass es andere Vorrechte als jenes der Erstgeburt für die Übernahme der Herrschaft gab, vereinigten sich hier mit Rangstreitigkeiten unter den Verwandten des Königs und den überlieferten regnalen Ansprüchen, die der aus der königlichen Familie Kommende übernahm und so gleichsam politisch die Seiten wechselte. Zuletzt setzte sich aber doch König Otto durch
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und war imstande, nach Oberitalien zu expandieren, obwohl auch dabei die Herzöge Schwabens und Bayerns, Sohn und Bruder des Königs, ihre eigenen Interessen ohne Rücksicht auf die Reichspolitik durchzusetzen versuchten. Otto griff über Burgund, das er in Abhängigkeit vom Reich brachte, in Oberitalien ein, indem er die in Garda gefangen gehaltene Adelheid, die junge Witwe König Lothars, befreite und heiratete. In Pavia ließ er sich krönen und war nun rex Francorum et Langobardorum, wie es schon Karl der Große gewesen war. Es ist wohl anzunehmen, dass er daraufhin die Richtung zum Kaisertum einschlug. Doch musste er sich zunächst mit seinem rebellischen Sohn Liudolf, Herzog von Schwaben, auseinandersetzen, der 953/954 Missvergnügte aus fast allen Herzogtümern auf seine Seite brachte. Die Ursache für den Aufruhr bildete wahrscheinlich die Angst Liudolfs, durch die neue Ehe seines Vaters als Erbe im Königtum gefährdet zu werden – auch Otto hatte ja 936 seinen älteren Halbbruder Thankmar von der Nachfolge Heinrichs I. verdrängt –, vielleicht ging es aber auch nur um die Frage der Königsnähe. Hierbei schien Liudolf seinem Onkel Heinrich von Bayern gegenüber ins Hintertreffen geraten zu sein. Die Lage für Otto stand schlecht; da beging eine Gruppe der Empörer den taktischen Fehler, die Ungarn in ihr Bündnis einzuladen, was andere auf die Seite Ottos zurückkehren ließ. Bevor es zu Kampfhandlungen kam, mussten sich die Aufrührer unterwerfen. Der König behandelte sie schonend, was politisches Kalkül sein mochte, aber auch die Begrenztheit der Adelselite zeigte, aus der der König seine Mitarbeiter in Reichsangelegenheiten wählen konnte. Die einmal aufgeforderten Ungarn fielen 955 noch einmal ins Reich ein, wobei bayerische Große (nicht der Herzog!) eine unrühmliche, konspirative Rolle spielten. Ihre taktische Beweglichkeit ließ die schnellen Magyaren bis Schwaben durchbrechen, wo sie das gut befestigte Augsburg belagerten. Bischof Ulrich konnte jedoch seine Stadt halten, bis der König mit der Heiligen Lanze und dem Michaelsbanner an der Spitze eines Reichsheeres heranrückte. Die Ungarn wurden vernichtend geschlagen, etliche ertranken auf der Flucht im Lech; nur wenige entkamen. Der Sieg am Laurentiustag (10. August) 955 bedeutete in vielfacher Hinsicht einen Einschnitt in der Reichsgeschichte, ja darüber hinaus in der europäischen Geschichte. Der Geschichtsschreiber Widukind von Corvey sah in den schweren Auseinandersetzungen mit den
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Ungarn eine Erfüllung von Gottes Heilsplan. Die gottgefälligen Liudolfinger trafen auf ihren gottlosen, verruchten Widerpart und zeigten sich als von Gott erwählte Sieger! Ottos Heer bestand aus Angehörigen der verschiedenen Herzogtümer, wobei gerade „seine“ Sachsen weitgehend fehlten: Sie waren an der unruhigen Slawengrenze im Nordosten gebunden. Dass der sächsische König selbstverständlich über die Aufgebote der anderen regna verfügen konnte, zeigte die fortgeschrittene Überzeugung von deren Zusammengehörigkeit und gemeinsamen Interessen. Der Wille zum gemeinsamen Handeln erhob sich über die enge Stammesbindung. Der Weg von der losen Verbindung der Stämme unter ostfränkischer Herrschaft zu einem einheitlichen Volk war eingeschlagen worden. Zugleich hatte sich Otto als Retter des Abendlandes erwiesen, dem zu Recht eine Hegemonie über die anderen Herrschaftsgebilde eingeräumt wurde und dessen Hof nun Gesandte aus Ost und West, von Kiew bis Cordoba, sah. Da sich das Reich nun als einigermaßen stabil erwies, wandte sich Otto folgerichtig wieder Rom und der Kaiseridee zu. Vom Papst in italienischen Auseinandersetzungen zu Hilfe gerufen, zog er 961 nach Süden, nachdem er seinen kindlichen Sohn aus zweiter Ehe, den sechsjährigen Otto, nach byzantinischem Vorbild zum Mitkönig hatte wählen lassen (Liudolf war 957 gestorben). Am 2. Februar 962 wurde Otto in Rom zum Kaiser gekrönt und brachte Italien nach einem mehrjährigen Aufenthalt im Lande unter seine Botmäßigkeit. Obwohl im westfränkischen Reich noch Karolinger herrschten, war das Kaisertum nun bei den Sachsen, deren Herrschaft sich dadurch von der karolingischen Reichsidee emanzipiert hatte. Als Kaiser erwuchs Otto I. nun auch die Verpflichtung zur Verbreitung des Christentums, was im Osten mit den politischen Interessen einer Machtausweitung zusammenging. Als Zentrum der Politik und Mission baute der Kaiser seine Lieblingsresidenz Magdeburg aus, die 968 auch Sitz eines Erzbischofs wurde; weitere Bistümer wurden im Osten zwischen der sächsischen Mark und Thüringen errichtet. Im Südosten des Reiches hingegen, dessen kirchliche Organisation schon im 9. Jahrhundert erfolgt war, die durch ihre unbekümmerte Ausweitung in die Tiefe des pannonischen Raums eigentlich hypertroph zu nennen ist, ließ König Otto alles beim Alten. Er gestattete zwar Salzburg und Passau keine Erneuerung ihrer alten, durch die Ungarn beseitigten Ansprüche, tat aber auch nichts gegen die Weiträumigkeit dieser Diözesen; etwa analog zum Nordos-
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ten durch die Gründung neuer Bistümer. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die christliche Durchdringung Sachsens und des sächsischen Markengebiets dem Kaiser eine Herzensangelegenheit war, während er dem längst organisierten Donau- und Ostalpenland weniger Interesse entgegenbrachte. In den letzten Jahren seiner Herrschaft suchte Otto die Anerkennung Ostroms durch eine Eheverbindung zu erreichen. Auch dieses Unternehmen gelang nach einigen Mühen und 972 vermählte er seinen Sohn Otto II. mit Theophanu, der Nichte des byzantinischen Kaisers. Als Otto 973 starb, wurde er in Magdeburg beigesetzt und nicht in Aachen, womit er die zukünftige Richtung der Reichspolitik angab. Otto II. hatte erneut mit den regionalen Kräften zu tun, die sein Vater nach 955 gebändigt hatte. Vor allem der Vetter Ottos II., Herzog Heinrich II. von Bayern, erhob sich wiederholt gegen den Kaiser, wobei er auch böhmische und polnische Verbündete suchte. Um Heinrichs Machtbasis zu schwächen, wurde Bayern bedeutend verkleinert. Karantanien und die damit zusammenhängenden Marken im Süden wurden 976 vom Herzogtum abgetrennt. Italien, das in diesen kritischen Jahren ruhig geblieben war, bedurfte nun aber allmählich wieder der persönlichen Gegenwart des Kaisers, da die Vorstellung von Herrschaft untrennbar mit deren Träger verbunden war und nur durch ihn Realität erlangte. Auseinandersetzungen um den Papstthron boten den äußeren Anlass. Otto II. regelte alles in seinem Sinne und nahm die Gelegenheit wahr, auch Süditalien unmittelbar unter seine Herrschaft zu bringen. Dieses gehörte nominell zu Byzanz, war aber de facto von Sarazenen beherrscht. Das Reichsheer eroberte 981 Salerno und erfocht 982 bei Cotrone in Kalabrien einen Schlachtensieg über den Emir von Sizilien, geriet aber anschließend beim Säulenkap in einen Hinterhalt, in dem es aufgerieben wurde. Der Kaiser konnte mit Müh und Not zu Schiff und zuletzt sogar im Meer schwimmend entkommen. 983 erhoben sich die Slawen östlich der Elbe und drangen zerstörerisch bis Magdeburg vor, das man gerade noch zu halten vermochte. Für die Ostexpansion des Reiches bedeutete das einen schweren Rückschlag. Otto II. erlag mit erst 28 Jahren einer Malaria und wurde (als einziger deutscher Herrscher) in der Peterskirche in Rom begraben. Des Verstorbenen Sohn Otto III. war zwar schon zum König gekrönt worden, aber erst drei Jahre alt; es drohten die Zeiten Ludwigs des Kindes wiederzukehren. Heinrich von Bayern sah abermals seine Stunde gekommen, be-
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mächtigte sich des Dreijährigen und versuchte selbst die Königsherrschaft zu gewinnen. Doch scheiterte er am Widerstand der meisten Großen des Reiches. Theophanu übernahm die Vormundschaft über ihren Sohn und erwies sich als geschickte Regentin. Ihre Schwiegermutter Adelheid, welche 991 die früh Verstorbene in dieser Position ablöste, zeigte hingegen weniger politisches Geschick. 995, als 15-Jähriger, ergriff der gebildete und gedankenreiche Otto III. selbst die Macht und übte sie energisch aus. Begeistert von der Idee einer renovatio imperii (= Erneuerung des römischen Reiches), wollte er das Imperium wieder von Rom aus regieren, wobei die Päpste, die er einsetzte, seine Hofbischöfe sein sollten. Mit ihnen zusammen etablierte er um die Jahrtausendwende das Christentum in Polen und Ungarn, unter Verzicht auf eine Reichsabhängigkeit (anders als in Böhmen!). Die Stadtrömer empfanden den Kaiser aber als Fremden und ließen nicht zu, dass er in ihrer Mitte seine Residenz aufschlug. Mit Heeresmacht wollte Otto III. seine Vorstellungen durchsetzen, starb jedoch schon 1002 mit 22 Jahren, wie sein Vater an der Malaria. Seine Vision, die ostfränkischen Herzogtümer, die neu gewonnenen Slawengebiete an Elbe und Ostsee und ganz Italien zu einem erneuerten Imperium in karolingisch-christlicher Tradition zu vereinen, vermochte er nicht in die Realität umzusetzen. Doch blieb der Gedanke erhalten, wenn auch sein Nachfolger Herzog Heinrich IV. von Bayern, ruhig-pragmatischer Sohn eines unruhigen, aufständischen Vaters, andere Wege einschlug. Die überwiegende Aufmerksamkeit des Herrschers galt von nun an dem Reichsgebiet nördlich der Alpen. Das zehnte Jahrhundert kann wohl als Periode angesehen werden, in der das ostfränkische Reich mit seinem im modernen Sinne schwer definierbaren Charakter einem römisch-deutschen Reich Platz gemacht hatte. Römisch steht dabei für die kaiserliche Tradition und ihren übernationalen Charakter, deutsch für die Gesamtheit der gentilen Gemeinschaften und den wesentlichen Herrschaftsraum. Die immer wieder auftretenden Schwierigkeiten, vor allem beim Wechsel der Herrschaft, basierten auf dem Mangel einer transpersonalen Vorstellung von Königsherrschaft. Die Machteliten gründeten ihre Loyalität auf die archaischen Prinzipien von persönlichen Beziehungen und genealogischen Bindungen. Erstere waren grundsätzlich individuell und mussten Pflichten gegenüber dem Vater nicht selbstverständlich auf den Sohn übertragen; Letztere eröffneten hingegen eine Vielfalt von Möglichkeiten, sich
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politisch zu orientieren. Der neue König war daher oft gezwungen, sich gegen widerstrebende Kräfte durchzusetzen, bevor er mit Anerkennung rechnen konnte. Das Königtum, besser das Königsein der sächsischen Liudolfinger erwies sich aber als stark und überzeugend genug, um auch bedrohliche Krisen zu überstehen. Die zentrifugalen Kräfte verschwanden nicht, aber sie konnten niedergehalten, von Otto dem Großen sogar zeitweise ganz zum Verstummen gebracht werden. Dass die Herrschaftskrise nach dem Tode Ottos II. nicht zu einem Zerfall des Reiches in einige Machtblöcke führte, beweist, dass das Wir-Gefühl über den stämmischen Egoismus hinausreichte. Doch bot die Binnenstruktur der Herzogtümer und Marken noch keine stabile Sicherheit für eine unangefochtene, auf das königliche Machtzentrum zurückzuführende Herrschaft. Regionale und lokale Machtträger konnten so eine das Reich immer wieder gefährdende Unruhe entfachen.
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it dem Sieg auf dem Lechfeld 955 wurden die Magyaren entscheidend zurückgedrängt. Wie das fränkische Reich nach der Niederlage bei Pressburg das Ostland aufgegeben, aber nicht wirklich verloren hatte, so scheinen nun auch die ungarischen Bedrückungen des Landes an der Donau zwar ebenso aufgehört zu haben wie eine grundsätzliche ungarische Kontrolle: aber fest in den jetzt ottonischen Herrschaftsverband integriert wurde das Gebiet zwischen Enns und Wienerwald nicht. Der siegreiche König unternahm diesbezüglich zunächst nichts und auch die wieder gesteigerte Produktion historiografischer Berichte weiß davon keine Mitteilung zu machen. Die Schlacht auf dem Lechfeld hatte ja nicht nur einen glänzenden Sieg über einen eminent gefährlichen und scheinbar nie endgültig zu überwindenden Feind gebracht: Sie war unbestreitbar auch ein Erfolg des Reichsbewusstseins, das in den Jahren davor bedenkliche Schwächen und Auflösungserscheinungen gezeigt hatte. Die engsten Verwandten stellten das universale Königtum Ottos I. infrage und regionale Kräfte von gestern suchten erneut, an die Macht zu gelangen. Der Sieg bei Augsburg war das Ende all dieser Gefahren für den König und zugleich ein neuer Anfang herrscherlicher Durchsetzung. Otto hatte sich mit Zähigkeit und Klugheit behauptet, der Sieg über die gottlosen magyarischen Unholde ihn als gottgefällig erwiesen. Niemand stellte ihn mehr infrage, aber die endgültig erreichte Anerkennung hatte Kraft und Substanz gekostet: dem König wie auch seinen inneren Gegnern. An eine Eroberung des ungarischen Pannonien war nicht zu denken und eine endgültige Vertreibung der Ungarn schien nicht mehr realistisch. Auch ihre totale Unterwerfung, was eine Einverleibung ihres Siedlungsraums bedeutet hätte, gehörte offensichtlich nicht zu den Überlegungen des Königs und seiner Ratgeber. So scheint das Ostland an der Donau noch einige Zeit den Charakter eines offenen Landes gehabt
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zu haben, das von den bayerischen Herzögen im Interesse des Reiches kontrolliert und erschlossen werden sollte. Man wird die Lechfeldschlacht also keineswegs als „Geburtsstunde Österreichs“ bezeichnen können, da die alte Beziehung zu Bayern, wie sie sich schon in der Zugehörigkeit zur karolingischen Ostlandpräfektur vor 907 kundgetan hatte, erneuert und verstärkt wurde. Wann eine militärische Absicherung dieser Region erfolgte, lässt sich nicht bestimmen. Doch scheint Otto I. auf dem Hoftag in Regensburg 959 da rüber entschieden zu haben. Der König dürfte den Herzog von Bayern mit dem Problem des neu zu gestaltenden Grenzraums beauftragt und damit eine Kompetenz geschaffen haben, die nicht nur die administrative und siedlungsmäßige Durchdringung bedeutete, sondern auch Expansionsversuche ermöglichte, ja vielleicht sogar anregte! Otto I. gab danach die Rahmenbedingungen für die Wiedergewinnung des Donaulandes vor, bei der Umsetzung des Auftrags scheint der Herzog jedoch weitgehend freie Hand gehabt zu haben. Freilich war das mehr ein Programm für die Zukunft und ein Ausweis königlicher Vorsicht und Rücksichtnahme. Ottos Bruder Heinrich von Bayern war Ende des Jahres 955 gestorben, dessen gleichnamiger Sohn damals erst vier, beim Regensburger Hoftag dann acht Jahre alt. Die herzoglichen Aufgaben erfüllte die Witwe und Mutter Judith, eine Liutpoldingerin, Tochter Herzog Arnulfs, unter Beihilfe Bischof Abrahams von Freising, eines treuen Mitstreiters, aber nicht unbedingt Anhängers der Liudolfinger. Wenn von der Herzogin schon in den frühen Sechzigerjahren des 10. Jahrhunderts gesagt wird, sie regiere ducatum et marcam, dann bedeutet diese Formulierung das Herzogtum Bayern und die Mark Verona, welche von König Otto dem Dukat zugeordnet wurde. Es ist aber kein Nachweis für ein so frühes Bestehen der ottonischen Mark an der Donau. Tatsächlich beginnt der Aufbau eines Verteidigungsraums gegen die Ungarn wohl erst nach 965, als der Sohn Judiths großjährig ist und sein Tatendurst eine aggressive Grenzpolitik fördert. Bis dahin berichten die Geschichtsschreiber von Ruhe und Frieden an der Südostflanke des Reiches, 973 erfahren wir von einer Gesandtschaft des ungarischen Fürsten Géza, die Otto den Großen in Quedlinburg aufsucht. Nun treten die Ungarn nicht mehr anmaßend als Forderer auf, sondern umgekehrt mit einer Beschwerde über die allzu aktive Ostpolitik des Herzogs von Bayern. Wir können annehmen, dass sich das Vorbringen der Ungarn nicht nur auf dieses eine Jahr bezieht, sondern auf die aggressiven Bestrebungen Herzog Heinrichs seit Beginn
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seiner Großjährigkeit. Diese Aktivitäten sind Ausweis einer militärischen, aber auch administrativen Gestaltung des Grenzraums und leiten zu der Errichtung einer Mark über, sind aber möglicherweise auch schon Erscheinungen ihrer Organisation. Man darf nicht an eine offizielle „Gründung“ der ottonischen Mark an der Donau denken, verbunden mit einem bestimmten Tagesdatum, das bloß nicht überliefert wurde. Dies entspräche dem modernen Konzept einer Raumgestaltung mit politischem Hintergrund und würde am Herrschafts- und Raumdenken des 10. Jahrhunderts gänzlich vorübergehen. Es kommt dabei primär nicht auf den Gewinn von Land im engeren Sinne an, sondern auf die Verfügbarkeit über Menschen, die in einem bestimmten Raum verschiedene Aufgaben wahrzunehmen haben. Diese Menschen sind entweder schon vorhanden und hängen von Grundherren ab, die auch mit dem Reich verbunden sind, oder sie müssen von neuen Machthabern an Ort und Stelle gebracht werden. Ist ihre Anzahl ausreichend, ist die Möglichkeit einer siedlungsmäßigen Durchdringung des zu erschließenden Landes gegeben. Von hier geht die herrschaftliche Organisation eines Grenzlandes aus. Im Falle des nach 955 wieder zur Verfügung stehenden Ostlandes an der Donau muss man nach den kriegerischen Ereignissen der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts vor allem von dem Streben des bayerischen Herzogs ausgehen, einen Raum zur Verteidigung gegen die Ungarn, also donauabwärts, zu gestalten. Doch darf auch der Nordosten bei diesen Überlegungen nicht außer Acht gelassen werden: Das Großmährische Reich hatte den Franken lange Jahrzehnte große Schwierigkeiten bereitet. Das Machtgebiet der böhmischen Fürsten reichte nun aber bis weit in das Waldland und die niedrigen Höhenrücken im Norden der Donau. Dies bezog sich auf die sporadische Besiedlung an deren nördlichen Zuflüssen. Von der eigenständigen slawischen Herrschaft eines gewissen Joseph, der am Unterlauf des Kamps saß und vor dem Jahre 907 Schenkungen an den Bischof von Freising gab, hört man nun nichts mehr. Vielleicht aber haben babenbergische Expansionen um die Mitte des 11. Jahrhunderts die Befestigungen seiner Nachfahren betroffen. Was die magyarische Hinterlassenschaft im Ostland angeht, so wurde bei dessen Wiedergewinnung nach 955 deutlich, dass es den Ungarn keinesfalls um eine formende Durchdringung und planvolle Gestaltung dieses aufgegebenen Markengebiets gegangen war. Ihr entscheidendes Interesse hatte sich auf die Ausschaltung anderer Machtansprüche gerichtet. Von einigen Haupt-
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sammelplätzen aus hatte man da und dort Schaden gestiftet und Stützpunkte errichtet, um das vom Reich verlassene Land einigermaßen kontrollieren zu können. Am wichtigsten war das Land jedoch als Aufmarschgebiet geworden, von dem aus die Ungarn zu ihren weit ins Reich und darüber hinaus führenden Raub- und Plünderungszügen aufgebrochen waren. Dauersiedlungen sind kaum nachzuweisen und auch recht unwahrscheinlich. Eine solche größere dürfte es auf der großen Schüttinsel der Donau gegeben haben, weiter westlich ist man auf einzelne Ortsnamen angewiesen, um mögliche magyarische Stützpunkte auszumachen. So gelten einige Dörfer im Thayatal des nördlichen Weinviertels als vorgeschobene „Militärsiedlungen“; bei Fallbach, Gaubitsch, Schoderlee und dem sehr sprechenden Ungerdorf gehen die Meinungen dahin. Südlich der Donau könnte die Vorläufersiedlung von Hainfeld im Gölsental ein ungarischer Vorposten gewesen sein. Zu irgendwelchen bleibenden Einflüssen durch die Magyaren ist es in diesem halben Jahrhundert ihrer Dominanz im bayerischen Ostland jedenfalls nicht gekommen. Als Grenzgebiet wurde nun der Ostabhang des Wienerwaldes, der Wagram, der Schmidabach und der Unterlauf des Kamps angesehen. Der größte Teil des Weinviertels war nun ein Niemandsland oder besser eine Pufferzone, während das Wiener Becken und das Land nördlich der Buckligen Welt in ihrer Zugehörigkeit kaum eingeschätzt werden können, eher aber noch unter ungarischer Kontrolle standen. Es ist anzunehmen, dass die Ungarn nun ihrerseits mit deutschen Angriffen in diesem Raum rechneten. Dagegen sollte eine notdürftige Sperrlinie helfen, die von der Thaya bis zur Piesting reichte. Verwüstetes Land und eine gewisse Siedlungsleere waren dafür ebenso Voraussetzung wie bestimmte künstliche Hindernisse (Gräben, Verhaue, Schanzen, Zäune, Hecken), die an Straßen oder an Übergängen durch den Wienerwald und die südlicheren Höhenzüge errichtet wurden. Zusätzlich bestanden noch Grenzwächtersiedlungen, sogenannte „Gyepüs“, zu denen wahrscheinlich die oben erwähnten Orte zählten. Meist wurden dort hoch gelegene Wachtplätze errichtet, von denen aus das Grenzgebiet kontrolliert werden sollte. Trommelund Feuersignale ermöglichten es, andere Wachtplätze zu informieren und relativ rasch eine militärische Bereitschaft zu schaffen. In diesem Raum hatten die Ungarn noch immer die Möglichkeit, aufzumarschieren, Stützpunkte westlich dieser gedachten Sperrlinie mussten aufgegeben werden oder wurden
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zerstört. Der Gefahr eines neuerlichen Vorrückens der Ungarn sollte die Organisation eines Markenverbandes begegnen. Die nun wahrscheinlich in den späten Sechzigerjahren des 10. Jahrhunderts im Ostland entstehende Mark war kleiner als die seinerzeitige, 907 aufgegebene und in ihrer Wirksamkeit erloschene der Karolinger. Doch dürfte sie nicht so weiträumig-beliebig, sondern dichter strukturiert gewesen sein und daher – bei aller Unzulänglichkeit – besser zu überblicken. Sie war außerdem eher defensiv angelegt, was bei der gegenüber dem frühen 9. Jahrhundert politisch veränderten Situation verständlich scheint. Anstelle des Großmährischen Reiches, das zwar mitunter in die fränkisch-bayerischen Verhältnisse militärisch eingegriffen hatte, aber doch noch ein punktuell verankertes, flexibles Herrschaftssystem verkörperte, das man verdrängen, auflösen, ja sogar vernichten konnte, wie die Magyaren überraschend klar bewiesen hatten, gab es jetzt ein böhmisches Herzogtum, das sich über sesshaft gewordenen westslawischen Verbänden aufbaute. Und das bedeutete eine herrschafts- und siedlungsmäßige Durchdringung eines Kernraums, von dem aus auch weitere Gebiete relativ sicher beherrscht werden konnten. Für die unter dem Fürsten Géza vereinigten magyarischen Stämme galt im Großen und Ganzen dasselbe: Noch hatten diese ihre nomadische Lebensweise nicht ganz aufgegeben, aber größere Heereszüge, wie 985 nach Friaul, fanden nur selten statt. Die immer stärkere landwirtschaftliche Nutzung der pannonischen Ebene trug zur Sesshaftigkeit entscheidend bei, da auch die Macht des Großfürsten dadurch begünstigt wurde. Ein Landgewinn von der Mark her war nur mehr durch kleinere Vorstöße in die herrschaftlich unsicheren Grenzräume möglich. Das ursprüngliche Gebiet der ottonischen Mark an der Donau lässt sich bei einzelnen Unsicherheiten einigermaßen erkennen. Im Westen schloss sie an den Traungau, die östlichste bayerische Grafschaft, an: Wahrscheinlich ist der Ennswald eher als der Ennsfluss als Grenze im Verständnis der Zeit anzusehen. Ob Lorch und die erst 900 errichtete Ennsburg Enklaven der Mark westlich des Flusses waren, ist ungewiss. Auch die Flüsse Erla und Url werden in der Forschung als mögliche Westgrenze der Mark genannt, wobei auf die handelspolitische Bedeutung Letzterer als Grenzlinie im Zusammenhang mit der „Raffelstettener Zollordnung“ hingewiesen wird. Doch scheint bei der überragenden Bedeutung des Ennswaldes als Grenzraum in jenen Jahrhun-
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derten die Beziehung auf einen kleinen, unbedeutenden Fluss als Beginn der Mark ziemlich unwahrscheinlich. Im Osten ist der Kamm des Wienerwaldes, der ungefähr von Südwesten nach Nordosten verläuft, als Ausläufer der Mark zu begreifen, wobei die Große und die Kleine Tulln Merklinien waren. Im Norden muss man mit einem ziemlich schmalen Korridor am linken Donauufer rechnen, wobei die Abhänge von Ostrong und Jauerling zur Mark zählten. Der Grenzraum erstreckte sich davon weiter in die sogenannte silva Nortica (= den Nordwald) aufwärts und lief dort gleichsam im unwegsamen, urwaldigen Gelände aus. Wahrscheinlich gehörte das später als Riedmark bezeichnete Waldgebiet zur Mark. Der Wagram zwischen Krems und Stockerau mit dem unteren Kamp, der Schmida und dem Göllersbach als Leitlinien war schon in karolingischer Zeit Grenze des bayerischen Ostlandes. Unbestimmt ist die südliche Abgrenzung der Mark, da hier die Donauzuflüsse von Süden nach Norden verlaufen. Doch war der Markenraum dort zweifellos breiter als im Norden der Donau und weitete sich bis in das Hügel- und Bergland der Voralpen. Orientiert war die Mark wieder am Verlauf der Donau, die man als ihre Lebensader bezeichnen könnte. Damit war auch grundsätzlich die Richtung von West nach Ost vorgegeben, wenn man die militärischen Aktivitäten des Markgrafen und in deren Gefolge die Siedlungsbewegung betrachtet. Nach Norden und Süden drang diese erst davon abhängig, gleichsam bogenförmig vor. Dabei war die kriegerische Expansion schon seltener Voraussetzung als Urbarmachung und Rodungserwerb. Tatsächlich dürfte die Traisenlinie eine nicht näher belegbare Rolle bei der Etablierung der Mark und für die aufgegebenen, aber bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts immer wieder reaktivierten Ansprüche der Ungarn auf politisch-militärische Kontrolle des (westlichen) Wienerwaldes gespielt haben. An der Spitze der Mark steht der Markgraf, der nun schon durchgehend in den Quellen als marchio bezeichnet wird, was ihn auch im Bewusstsein der Zeit vom Grafen abhebt, aus dem er sich in spätkarolingischer Periode durch seine vor allem militärischen Vorrechte entwickelt hat. Er ist Stellvertreter des Königs, obwohl er in lehensrechtlicher Abhängigkeit zum Herzog von Bayern steht. Als Führer des Heeresaufgebots in der Mark kommandiert er die anderen Adeligen, die ihm Zuzug und Gefolgschaft leisten müssen. Die einfachen Freien sind ihm gegenüber auch zu Diensten im Befestigungswesen (Burgwerk) verpflichtet. Er hat Anspruch auf bestimmte Abgaben, auf Geschenke
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und Herberge, die auf öffentlichen Versammlungen (placita publica) festgestellt werden: collectae, donativa, opera, mansionatica. Ob die anschließend erwähnten cetera servitia eine Leerformel darstellen oder dem Markgrafen damit eine Art Blankoscheck ausgestellt werden sollte, ist unklar. In der Donaumark wird sein Recht auf das sogenannte „Marchfutter“ besonders hervorgehoben, das zunächst der Versorgung der für den Kriegsdienst benötigten Pferde dienen sollte, später aber oft abgelöst wurde. Verantwortlich ist der Markgraf für den Grenzschutz im Allgemeinen, für die Sicherheit der Durchzugsstraße nach Osten und parallel dazu für die Sicherung des Donauwegs. Diese wiederum war abhängig vom Besitz der strategisch und militärtechnisch bedeutendsten Befestigungen an der Donau (vielleicht zunächst auch noch für die Burgenkette an der Traisen?!). Die Schwerpunkte der Verteidigungsorganisation konnten der Bevölkerung als Schutz dienen, waren aber auch Zentren der königlichen Repräsentation und Rechtsprechung durch den Markgrafen. Man wird dort mit einer dauernd anwesenden bayerischen Besatzung rechnen können. Die Mark stellte also vor allem ein fest gefügtes Wehrsystem dar: Dies zu gestalten, aufrechtzuerhalten und zu verbessern war die wichtigste Aufgabe des Markgrafen. Doch darf man sich darunter nicht eine zentrale, durch genaue Kompetenzen geregelte politische Verwaltung vorstellen; die Mark als Gerichts- und Polizeibezirk modernen Zuschnitts! In der Realität sah sich der Markgraf einer Zahl von Adelsherrschaften gegenüber – zu denen auch seine Besitzungen gehörten –, die punktuell verdichtet und deren Häupter angehalten waren, ihn militärisch in Reichsangelegenheiten, das heißt praktisch bei der Abwehr von äußeren Feinden, zu unterstützen. Diese Personengruppe und die weit größere Zahl der von ihnen Abhängigen und erst dann ihre Besitzungen bildeten die Mark. Was die Besiedlung des Donaulandes nach 955 und erst recht nach den Anfängen einer Markenorganisation betrifft, so sind wir darüber nur spärlich unterrichtet. Wie es mit der Wiederaufnahme einer alten Siedlungstätigkeit steht, wissen wir nicht, da ja auch die auf die Schlacht von Pressburg folgenden Ereignisse zu keiner totalen Landflucht geführt haben. Viele Siedler haben ihre Arbeit schwer beeinträchtigt, oft gestört, kaum oder auch gar nicht gestört weiterhin verrichtet. Beziehungen zu in Bayern ansässigen Grundherren waren
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nicht ganz unterbunden. Es ist wahrscheinlich, dass alte Besitztitel aus der Karolingerzeit wieder aufgenommen wurden, soweit eine Möglichkeit im Rahmen der ottonischen Planung bestand. Grundsätzlich muss man sich vorstellen, dass die Besiedlung von jeher an die Limesorganisation anknüpfte, aber in einer ungeordneten Art, die hauptsächlich auf die Reste von Steinbauten zielte, sofern das Material nicht verbracht oder anderswo verwendet worden war. Abhängig war die Besiedlung von potenten Grundherren geistlicher und weltlicher Art, die ihr Land oft vom König erhielten, dem ja alles herrenlose oder neu erworbene Land gehörte. Doch ist man heute der Meinung, dass dies seltener war, als man früher dachte: Grundherrschaften konnte (mit königlicher Billigung) grundsätzlich wohl jeder errichten, wenn er dazu faktisch in der Lage war, das heißt die entsprechenden Leute einzusetzen und den Besitz mit Waffengewalt zu schützen vermochte. Im späten 10. Jahrhundert herrschte jedoch ein Mangel an solchen Leuten. Kein bayerischer Graf, kein Bischof oder Abt besaß so viel abhängige Dienstleute und Hintersassen, dass er aus diesem Kreis genug Neusiedler und Ministerialen rekrutieren konnte. Die Not an solchen Siedlern war so groß, dass manche Grundherren trachteten, fremde Knechte und Mägde für ein solches Vorhaben zu gewinnen oder sie von schon bestehenden Siedlungen auf ihre neuen Niederlassungen zu locken. Man wird sich die frühe ottonische Mark an der Donau daher als schütter besiedeltes, waldreiches Land vorzustellen haben, dessen Verkehrsverbindungen abgesehen von der Donau unzureichend waren, da nur die alten Römerstraßen das Land mehr oder weniger aufschlossen. Die einzelnen Siedlungen mit Dorf- oder Weilercharakter blieben im Wesentlichen auf sich selbst bezogen und eine Kirchturmperspektive bestimmte die Lebenshaltung der einfachen Leute. Das wirtschaftliche Niveau wird recht bescheiden gewesen sein, und der in die Mark kommende bayerische Adelige muss sofort erkannt haben, dass dort die Möglichkeit für eine Erweiterung der persönlichen Macht nur dann bestand, wenn man genug Leute auftreiben konnte, die sich mit den einfacheren Lebensverhältnissen auseinanderzusetzen bereit und über kurz oder lang fähig waren, die wirtschaftliche und damit politische Kraft des Grundherrn entscheidend zu steigern. Damit aber erhöhte er seine Chancen im adeligen Mächtespiel.
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Als erster Markgraf wird ein gewisser Burchard genannt; St. Michael in der Wachau liegt im Jahre 972 urkundlich in seiner Mark. Über ihn wissen wir sehr wenig. Sein Hauptsitz wird in Pöchlarn vermutet, das seit dem Jahre 832 dem Regensburger Kloster St. Emmeram gehörte, als dessen Vogt Burchard fungierte. Er erscheint namentlich in einigen Königsurkunden, die zugunsten des Bischofs von Passau ergingen, was im Zusammenhang mit seiner Position in der neuen Mark erklärlich ist. Eine geringe Hilfe in chronologischen Fragen bietet die Angabe des Pontifikats von Bischof Adalbert, der Passau nachweislich zwischen 945 und 971 regierte: Daher muss Burchard sein Amt als Markgraf früher als 972 angetreten haben. Man hat erwogen, in ihm schon einen bayerischen Machthaber in der Ungarnzeit des Ostlandes zu sehen, eine Art Vertrauensmann der bayerisch-fränkischen Siedler unter der Herrschaft der Magyaren mit guten Kontakten nach Regensburg an den Herzogshof. Freilich erscheint bei solchen Hypothesen immer der Markgraf Rüdeger von Bechelaren aus dem Nibelungenlied am Horizont der Vermutungen, dessen Stellung den Ungarn gegenüber im Grenzraum zwischen diesen und den Bayern sowie sein Sitz in Pöchlarn offenkundige Parallelen zu Burchard aufweisen und zu den historischen Reminiszenzen des 10. Jahrhunderts, wie sie das Heldenepos mehrfach aufweist, zu zählen sind. Burchard nahm im Jahre 962 am Romzug Ottos des Großen teil und fand im großen Diplom für Papst Johannes XII. vom 13. Februar Erwähnung, was immerhin auf eine gewisse Königsnähe schließen lässt. Es ist vielleicht nicht unwichtig anzumerken, dass unter den signa von Großen des Reiches zwei Burcharde aufscheinen. Zunächst als Dritter unter den ausdrücklich Grafen genannten (Burgharti comitis) und dann an siebenter Stelle unter den summarisch aneinandergereihten Adeligen (Burchartes). Da die Reihungen in solchen Listen niemals zufällig oder nach – im modernen Sinne – rationalen Gesichtspunkten erfolgen, wäre die richtige Identifizierung „unseres“ Burchards sicher von Bedeutung und würde über Herkunft und soziales Prestige etwas aussagen. Eng waren die Beziehungen Burchards auf alle Fälle zum bayerischen Herzog. Heinrich der Zänker war sein Neffe, da er mit der Schwester von dessen Mutter Judith verheiratet war, was vorsichtig gegen die Annahme machen sollte, in Burchard nur einen niederadeligen Mann oder gar einen Ministerialen (miles) zu sehen. Im Zusammenspiel Heinrichs mit dem schwäbischen Herzog gelang es 973, Burchards und der Liutpoldingerin Sohn, ebenfalls ei-
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nen Heinrich, auf den Bischofsthron in Augsburg als Nachfolger des heiligen Udalrich zu bringen. Die Vermählung mit des Zänkers Tante und die Existenz dieses Sohnes zeigen aber, dass Burchard einer früheren Generation als Heinrich der Zänker zuzurechnen ist, der erst 951 geboren wurde. Man könnte Burchard daher vielleicht als einen älteren, erfahrenen Ratgeber des Herzogs verstehen, ähnlich wie Bischof Abraham von Freising. Jedenfalls war er Heinrichs Stütze, als dieser sich das zweite Mal gegen den König erhob, und verlor daher in Folge 976 mit diesem sein Amt. Nun verschwindet er von der Bildfläche und dürfte in den frühen Achtzigerjahren verstorben sein. Burchards Wirken in der Mark lässt sich nur schwer einschätzen. Modern ausgedrückt werden ihm sicher die Anfänge einer Markenorganisation zuzusprechen sein, da ihm die Unterstützung durch den Herzog und die liutpoldingische Sippe sicher war. Die sukzessive Zurückdrängung der Ungarn war wohl sein Werk, sein Vormarsch bei gleichzeitiger Sicherung des wiedergewonnenen Landes erreichte mindestens die Traisen, vielleicht den westlichen Wienerwald, da 976 schon die beiden Tullnbäche als Grenze der Mark genannt werden. Aus den politischen Ereignissen und den wenigen Nennungen in urkundlichen Quellen ist anzunehmen, dass in eben diesem Jahre 976 Kaiser Otto II. die bayerische Mark an der Donau einem neuen Markgrafen anvertraute. Am 21. Juli wird als Intervenient für eine königliche Schenkung an das Kloster Metten ein Markgraf Liutpald genannt, womit nur der neue Machtträger im Ostland gemeint sein kann. Mit seiner Bestellung wollte man zweifellos die Adelsgruppe um den gestürzten Herzog ausschalten. Liutpald gehörte zwar – wie sein Name verrät – zur Sippe der Liutpoldinger, doch genoss er wohl das Vertrauen des Kaisers. Ob man ihn mit dem an dritter Stelle unter den bloß aufgezählten Großen in der oben genannten kaiserlichen Bestätigung für Papst Johannes XII. erwähnten Liupen gleichsetzen darf – und er daher mit seinem Vorgänger in einer Urkunde genannt würde – scheint nicht ganz sicher. Immerhin ist sein Name (in der verballhornten Kurzform) damals selten und außerhalb der liutpoldingischen Sippe nirgends einzuordnen, ein zeitgleicher anderer Namensträger nicht bekannt. Wie auch immer, jedenfalls hatte er kein Interesse an Machtproben mit dem Kaiser, da er sich ja auch auf keine liudolfingische Verwandtschaft berufen konnte, wie Heinrich der Zänker, der Senior des liudolfingischen Hauses. Hingegen dürfte dieser Liutpald für
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eine offensive Ostpolitik im Namen der Ottonen in der neu errichteten Mark der richtige Mann gewesen sein. Urkunden weisen ihn als Grafen im (bayerischen) Donaugau, im Traungau und am Inn (Sundergau?) aus. Er musste an einer Erweiterung seiner Möglichkeiten im anschließenden Markenland interessiert sein und hatte geografisch dafür den günstigsten Rückhalt. Für den Kaiser konnte er das notwendige Gegengewicht im südostbayerischen Raum und an dessen Grenzen gegen den Herzog und dessen Anhänger bilden. Berthold, wahrscheinlich ein Verwandter Liutpalds, wurde zur gleichen Zeit mit der Mark im bayerischen Nordgau belehnt, sodass auch ein später wieder eingesetzter Zänker zwischen zwei prokaiserlichen Machtträgern nicht so unbekümmert agieren konnte. Auch Karantanien und sein Markengebiet wurden im Epochenjahr 976 von Bayern abgetrennt und zum selbstständigen Herzogtum erhoben. Zeitgenössische Nachrichten über Liutpald I. sind spärlich und fast ausnahmslos amtlicher Natur. Es sind urkundliche Nennungen über die Teilnahme an königlichen Rechtsgeschäften sowie Erwähnungen im Rahmen herzoglicher Versammlungen; nur über seinen Tod haben wir einen chronikalischen Bericht. Von einer systematischen Sicherung der militärischen Situation erfahren wir nichts. Noch 979 wurde dem Bischof von Regensburg die Errichtung einer Fluchtburg an der Mündung der Erlauf in die Donau, die Wieselburg, erlaubt: Man rechnete also mit gelegentlichen ungarischen Einfällen. Nicht nur den Altsiedlern sollte hiermit Schutz, sondern auch neuen Kolonisten ein zusätzlicher Anreiz zur Landnahme geboten werden. Über die Ausstattung des Markgrafenamts ist kein Beleg erhalten. Liutpald I. musste sein Amt – wie der König auch – im Umherreiten ausüben, um bei Adel und freien Siedlern zur Kenntnis genommen zu werden. Doch kennen wir keine örtlichen Schwerpunkte seiner Tätigkeit, die fraglos auf königlichem Boden und wohl weniger auf ihm zugewiesenen Lehensgut erfolgte – und innerhalb der damaligen Markgrenzen. Von Pöchlarn aus, wo wir mit guten Gründen den Hauptsitz seines Vorgängers Burchard vermuten, kann er nicht agiert haben, weil dieser Ort dem Regensburger Kloster St. Emmeram gehörte, was Bischof Wolfgang durch die Erbauung der nahe gelegenen Wieselburg eben erst demonstriert hatte. Spätere Quellen lassen ihn einen homo potentissimus, also einen äußerst mächtigen Mann, vom Melker Burgberg vertreiben, dessen Name bald als „Gizo“, bald als „Sizo“ gelesen wird. Beide Namen haben
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zu Spekulationen Anlass gegeben, mit deren Bekräftigung oder Widerlegung sich die Forschung seit Langem beschäftigt. Ob dieser ein Mitglied der ungarischen Königsfamilie (Geisa, Géza) war oder ein Angehöriger der mächtigen Adelssippe der Sighardinger (Sizo = Kurzform von Sighard) kann hier nicht entschieden werden. Die ganze Überlieferung ist ungewiss, da Liutpald angeblich vom damals wieder eingesetzten Herzog Heinrich dem Zänker unterstützt wurde, was das Ereignis auf frühestens 985 festsetzt. Fast ein Jahrzehnt müsste der Markgraf dann ohne Hauptsitz ausgekommen sein, da wir vor Melk keinen kennen (oder keiner den Weg aufs Pergament gefunden hat). Jedenfalls werden die Aktivitäten des Markgrafen nicht unerheblich gewesen sein. Sein Drang, die Mark zu vergrößern, muss schon bald Erfolg gehabt haben. Wahrscheinlich in den Achtzigerjahren dürfte er die Ungarn hinter den sogenannten „hangenden Stein“ am Südufer der Donau zurückgedrängt haben. Dieser strategisch wichtige Punkt am Donauknie wird heute von der Burg Greifenstein überragt. Und im Jahre 991 gelang es Herzog Heinrich an der Spitze des bayerischen Heerbanns, die Grenzverhaue am östlichen Wienerwald zu überwinden, die Magyaren im Wiener Becken zu besiegen und die Mark dadurch bis zu den Flüssen Schwechat/Triesting/Fischa zu erweitern. Nördlich der Donau kam es im 10. Jahrhundert zu keinen Veränderungen, hier musste sich der neue Markgraf weiterhin mit einem relativ schmalen Uferstreifen begnügen. Das erkämpfte Land ging – so viel man sehen kann – in diesen Jahren kaum an den Markgrafen. Der König überließ es eher ausbauwilligen Adeligen oder der Kirche. Unwahrscheinlich scheint die Vermutung, Liutpald I. habe in seinen letzten Lebensjahren eine königliche Schenkung nördlich der Donau (zwischen 991 und 994 in der Gegend von Ernstbrunn im Weinviertel) erhalten. Die angenommene Lage des geschenkten Guts würde grundsätzlich zum herrscherlichen Konzept passen, durch solche Vergabungen in den Randgebieten der Mark einen Anreiz zu bieten, die Expansion des Reiches in Gebieten unsicherer Herrschaftsverhältnisse voranzutreiben. Doch würde es sich um einen sehr frühzeitigen Vorstoß handeln, während die angenommenen Grenzräume der Mark noch nicht wirklich konsolidiert waren. So bleibt die Annahme eines solchen Auftrags an den Markgrafen mehr als fraglich. Wahrscheinlicher ist es, dass sich Liutpald I. schon bei der ersten Welle der Osterweiterung Besitz zwischen Dunkelsteiner Wald und westlichem Wie-
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nerwald sicherte, obwohl sich das ebenfalls nicht beweisen lässt: Ein befestigter Mittelpunkt markgräflicher Macht ist jedenfalls dort nicht festzustellen! Für den König, aber auch den Herzog von Bayern war es wichtig, dass Liutpald die Donauschifffahrt kontrollierte; man würde ihn daher – wie schon angedeutet – in den Burgstädten am Donauufer erwarten. Insofern sind die nur schemenhaft erkennbaren Umstände um die gewaltsame Inbesitznahme des Burghügels von Melk wohl in diesem Zusammenhang zu sehen. Eine Stadt, die schon im karolingischen Donaubereich als Zentralort diente, war Tulln. Sie konnte der Markgraf als Amtsträger des Königs aber erst im Laufe der Achtzigerjahre, spätestens nach dem erfolgreichen Zug gegen die Ungarn im Jahre 991 übernehmen. Auch diese beiden möglichen Schwerpunkte markgräflicher Macht mussten erst erstritten werden und wurden Liutpald nicht schon durch das Mandat des Königs allein überlassen. Unwiderlegbare Berichte über Zentren seiner Herrschaft haben wir freilich auch für Melk und Tulln nicht: Es spricht nur einiges für diese Funktion. Im Wesentlichen übte der Markgraf das ihm übertragene Amt im Umherreiten und ohne wirkliche örtliche Gebundenheit aus. Die meiste Konkurrenz bei der Festigung und Erweiterung seiner Stellung musste ihm in Bischof Pilgrim von Passau (971–991) erwachsen. Dieser war mit hochfahrenden Ansprüchen gescheitert. Er hatte die Wiederherstellung der bischöflichen Organisation im Markenbereich dazu genutzt, seine Kirche durch geschickte Fälschungen zum Mittelpunkt einer Kirchenprovinz zu machen, sich selbst also zum Erzbischof. Er versuchte, in nicht ganz durchsichtiger Weise an das spätantike Bistum Lauriacum (Lorch bei Enns) anzuknüpfen, und leitete davon für sich das Recht eines Metropoliten für den pannonischen Raum ab. Da es sich dabei gerade um jenen Bereich handelte, den im 9. Jahrhundert die Salzburger Kirche dominiert hatte, entbrannte sofort ein heftiger Streit mit dem Erzbischof Friedrich von Salzburg (958–991), der noch dazu sein Oheim war. Dieser wollte weder den anmaßenden Pilgrim aus seiner Kirchenprovinz entlassen noch auf eine Erneuerung der wohl fundierten Salzburger Ansprüche im westlichen Pannonien verzichten und griff zu dem Mittel der Gegenfälschung. Da noch dazu beide Infelträger der mächtigen bayerischen Sippe der Sighardinger angehörten, war diese Auseinandersetzung nicht als einfacher Familienzwist auf kirchenrechtlicher Basis zu werten, sondern
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als Streit, der den Keim weiter wirkender Unruhen in sich barg, die noch gestaltlose Mark in Gefahr bringen konnte und daher einer politischen Lösung vonseiten des Königs harrte. Dieser war aber nicht willens, die alten vormagyarischen kirchlichen Zustände in der Mark und in Pannonien wiederherzustellen, sondern verfolgte eine von Passau und Salzburg unbeeinflusste Südostpolitik, für die günstige Voraussetzungen herrschten, seitdem Otto II. mit der Byzantinerin Theophanu verheiratet war (972). Fernziel dieser Politik war eine eigene ungarische Kirche unter einem eigenen Primas, ohne Einmischungen und Forderungen des bayerischen Episkopats. Pilgrim musste sich endlich also damit begnügen, in der Mark, die ganz zu seinem Diözesanbereich gehörte, Ansprüche durchzusetzen, Vorrechte zu verteidigen und in diesem noch ein wenig politisch amorphen Bereich für eine klare Ordnung in seinem Interesse zu sorgen: in deutlicher Abgrenzung zur weltlichen Macht und Ordnungsgewalt des Markgrafen. Über die Regelung dieser Fragen haben wir spärliche Nachrichten; fragmentarische Aufzeichnungen von Synoden und herzoglichen Gerichtstagen aus der Zeit zwischen 985 und 991. Die Kirchenversammlungen fanden in Mistlbach (bei Wels), in Lorch und in Mautern statt – also auch im Ostland, das placitum Herzog Heinrichs wahrscheinlich sogar in Tulln. Die erhaltenen Notizen wurden im Sinne des Passauer Bischofs angefertigt, sodass ihre Interpretation einige Vorsicht verlangt. Hauptsächlich ist von Zehentfragen (Berechtigung, Zuständigkeit) die Rede, daneben von strittigen Rechtsfragen über die Kompetenzen des Markgrafen und die Immunitäten der Kirchenleute. Aus den aufgenommenen Bestimmungen ist die Abwehr des Bischofs gegenüber der sehr energischen Politik Liutpalds I. herauszulesen, der seine Machtstellung faktisch zu festigen suchte und dabei auf die Passauer Kirche nicht immer Rücksicht nahm. Eine systematische Organisation des wiedergewonnenen Landes unter verschiedenen Aspekten darf man im 10. Jahrhundert nicht erwarten. Das wäre in höchstem Grade anachronistisch und widerspräche dem auf Menschen, Menschengruppen und Menschenbeziehungen gerichteten Ordnungsdenken der Zeit. Die Mark war ursprünglich und im Wesentlichen als Verteidigungsraum gedacht, der vor dem Reich diese Funktion erfüllen sollte: eine Region, deren Randzonen je nach Machtverhältnissen und politischen Bündnissen gleichsam
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schwankten und erst allmählich zu unbestreitbarem Reichsland gestaltet werden sollten. Dies ließ sich damals nur durch ein Netz befestigter Stützpunkte erreichen, das sich über das umstrittene Gebiet legte und immer engmaschiger zu knüpfen war. Zugleich war eine solche defensiv angelegte Kontrolle des gefährdeten Landes die beste Möglichkeit, sich der Angriffe eines Reitervolks, zu dessen Stärken sicherlich nicht die Belagerung fester Plätze gehörte, zu erwehren. Ob damit, modern gesprochen, eine Teilung der Mark in Burgbezirke einherging, wie es aus anderen Grenzräumen des Reiches belegbar ist, kann nicht mit Sicherheit behauptet werden. Doch ist es wahrscheinlich, dass alle Bewohner der Mark bestimmten befestigten Plätzen, also Fluchtburgen, zugeordnet waren; im Notfall also wussten, wohin sie sich und ihre Habe zu retten hatten. Dabei darf man keineswegs an ein königliches Befestigungsmonopol denken, dessen Einhaltung etwa der Markgraf zu überwachen hatte. In das Verteidigungskonzept waren adelige Herrschaftssitze selbstverständlich einbezogen. Anzunehmen ist aber, dass in diesen gleichsam präurbanen Siedlungen mit Wehrcharakter auch Rechtshandlungen vorgenommen und am ehesten Märkte abgehalten werden konnten. In der Zeit Markgraf Liutpalds I. sind folgende große Burganlagen nachzuweisen: Ybbs, Persenbeug, Pöchlarn, Wieselburg, Melk, Krems, Hollenburg, Traismauer, Tulln. Sie alle liegen am Südufer der Donau, mit Ausnahme von Krems, das wohl an die Stelle des in der späten Karolingerzeit so wichtigen Stützpunkts Mautern getreten zu sein scheint. Das beste Beispiel für den räumlichen Bezug der Burgen untereinander und auf das umliegende Land ist die Befestigungslinie an der Traisen, die von Traismauer im Norden über Herzogenburg, St. Pölten nach Wilhelmsburg im Süden führt. Es ist bezeichnend für die Anfänge der Babenberger als Markgrafen, dass für das 10. Jahrhundert nur Krems und Tulln als königliche Burgplätze zu bezeichnen sind; vor allem Tulln mit seinem reichen Bestand an römischen Bauten und Mauern könnte dem Markgrafen Voraussetzungen für eine Nutzung als Pfalz geboten haben. Melk ist als babenbergisch, aber nicht als königlich zu bezeichnen, was für die Amtstätigkeit Liutpalds freilich keinen Unterschied machte. Die übrigen genannten Befestigungen waren im Besitz geistlicher und weltlicher Adeliger. Von diesen kennt man die Grafen von Ebersberg (Persenbeug), die in Bayern schier omnipräsenten Sighardinger (Erlauf-, Pielach-, Traisengebiet); vielleicht sind auch die Meginharde als Vorfahren der später so mächtigen Grafen
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von Formbach (Traisen, Dunkelsteiner Wald) schon vorhanden. Möglich wären erste Siedlungsversuche der edelfreien Haderiche und Kadolde, Letztere fränkischer Herkunft; beide werden allerdings erst im 11. Jahrhundert deutlich (im Viertel unter dem Wienerwald: Nöstach, und im nördlichen Weinviertel: Seefeld). Überblickt man die Lage der Burgen im Verteidigungssystem, so erkennt man die offenen Stellen im Norden und Osten. Hier haben erst die Ungarnzüge Kaiser Heinrichs III. in den Vierzigerjahren des 11. Jahrhunderts und deren organisatorische Folgen Abhilfe geschaffen. So unklar ohne zeitliche Fixierung die Anfänge Liutpalds I. in der Mark sind, sein Tod wurde genau dokumentiert. Der Geschichtsschreiber Thietmar von Merseburg († 1018) erzählt, dass der Markgraf mit seinem Neffen (oder eher Vetter) Heinrich vom Nordgau durch Bischof Bernward von Würzburg (990–995) am 8. Juli 994 zur sogenannten Kiliansmesse nach Würzburg geladen wurde, einem Fest des Bistums- und Stadtpatrons. Während sich Liutpald nach der Morgenmesse mit seinem Gefolge unterhielt – vielleicht sind damit Waffenspiele gemeint –, traf ihn versehentlich der heimlich abgeschossene Pfeil eines Mannes tödlich, der es auf Heinrich abgesehen hatte. Die mit der Chronik ungefähr zeitgleichen Annalen von Quedlinburg nennen den Markgrafen clarus, also berühmt, angesehen, „erlaucht“. In seiner Unterkunft sei er durch ein Fenster unversehens von einem Pfeil tödlich verletzt worden. Der unbekannte Schreiber der Annalen bringt zum Jahr 994 eine Sammlung von wichtigen Nachrichten, zu denen aus sächsischer Perspektive offenbar auch die (irrtümliche) Ermordung des Markgrafen vom bayerischen Ostland (Baioaricus limes) gehörte! Der Markgraf wurde in Würzburg bestattet und dürfte trotz anderslautender Grabschriften nicht nach Melk transferiert worden sein. Im kurzen Nachruf des Geschichtsschreibers wird Liutpald als äußerst klug und in all seinem Tun als hervorragend charakterisiert. Dass er als königlicher Amtsträger verlässlich gewesen war, sich militärisch und den geringen Möglichkeiten entsprechend beim Aufbau der Mark an der Donau bewährt hatte, beweist am besten die unmittelbare Nachfolge seines Sohnes Heinrich, wogegen auch der ehrgeizige und schwierige Herzog Heinrich von Bayern offensichtlich nichts einzuwenden hatte.
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V. DIE HERKUNFT DER BABENBERGER
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n seiner Weltchronik erzählt der große Geschichtsschreiber Otto, Bischof von Freising (1138–1158), von den Auseinandersetzungen im Reich während der Herrschaft Ludwigs des Kindes. Ausführlich berichtet er vom edlen fränkischen Grafen Adalbert, der 906 einen gewissen Konrad, den manche für einen Bruder des Königs hielten, erschlug. Daraufhin belagerte der König den Grafen in seiner Burg Theres am Main, konnte aber nichts ausrichten, sodass der Erzbischof Hatto von Mainz schließlich zu einer List seine Zuflucht nahm. Er besuchte Adalbert und legte ihm nahe, den König um Verzeihung zu bitten. Dieser war dazu bereit, doch verlangte er freies Geleit und eine Garantie für die Sicherheit seiner Person bis zur Rückkehr in die Burg. Das schwor ihm der Erzbischof zu, und so machten sie sich auf den Weg. Als sie noch nicht das nächste Dorf erreicht hatten, bat Hatto plötzlich umzukehren, da sie doch erst ihren Hunger stillen und nicht mit leerem Magen vor den König treten sollten. Adalbert willigte ein, sie ritten zurück und frühstückten in aller Ruhe auf der Burg des Grafen. Erst dann brachen sie wieder auf und erreichten den Hof des Königs. Dort wurde Adalbert vor Gericht gestellt und zum Tode verurteilt. Als dieser den Erzbischof nun an sein gegebenes Wort erinnerte, erwiderte dieser, er habe es ja gehalten, indem er den Grafen gesund und unversehrt auf seine Burg zurückgeführt hätte. Daraufhin wurde Adalbert als Hochverräter enthauptet. Otto von Freising reflektiert über die Hinterlist des Mainzer Erzbischofs und doch geht es ihm um etwas ganz anderes. Er erzählt, dass der so grausam Getäuschte weithin als tapferer Held gelte und sein heroisches Schicksal nicht nur in historiografischen Aufzeichnungen zu finden sei, sondern bis zur damaligen Gegenwart (12. Jahrhundert) in volkstümlicher Liedtradition bewahrt werde: Auf Kreuzwegen (oder Straßenecken) und Adelshöfen werde es besungen. Von diesem Adalbert aber soll sich der Adalbert herleiten, welcher die
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Ostmark (marchia orientalis) den Ungarn entrissen und dem römischen Reich einverleibt habe. Von diesem zweiten Adalbert stammt Otto von Freising selbst ab; er war sein Ururgroßvater. Die Ausführlichkeit, mit der der Geschichtsschreiber vom tragischen Schicksal des im Heldenlied besungenen fränkischen Grafen erzählt, wird deshalb verständlich: Der Bischof rechnete sich zu seinen Nachkommen; er war stolz auf dessen heroische Größe und verurteilte die Tücke Hattos. Er stellte die Beziehung zum Markgrafen Adalbert her, den er als Vorfahren der väterlichen Seite kannte und der schon durch den Namen an den Helden des frühen 10. Jahrhunderts erinnerte. Aber auch dieser zweite Adalbert war seines Namens würdig. Er hatte die Ungarn aus dem mittleren Donauraum vertrieben und sich um die Ausdehnung des Reiches in hervorragender Weise verdient gemacht! Bei der negativen Einstellung, die Otto den Ungarn gegenüber hegte und die schon beim abstoßenden Äußeren dieses wilden Volkes begann, war die Leistung des Ururgroßvaters noch höher einzuschätzen und übertraf die kämpferischen Qualitäten des fernen Vorfahren, der sich vor allem in Fehden und Sippenstreitigkeiten ausgezeichnet hatte. Merkwürdig ist die Nüchternheit, mit der Otto von Freising diese Mitteilungen macht. Er selbst ordnet sich nicht in diese Reihe heldischer Männer ein, was bei einem Bischof des 12. Jahrhunderts nicht ungewöhnlich gewesen wäre, gewiss aber beim Mitglied eines strengen Reformordens, wie es die Zisterzienser waren, zu denen Otto gehörte. Auch geht es ihm in seiner Chronik um Reichsgeschichte und göttlichen Heilsplan und nicht um Ausdruck von Familienstolz als wesentlichem Element irdischer Eitelkeit. Der Geschichtsschreiber lässt einen Zwischenraum zwischen den heroischen und besungenen, zwischen den um das Reich verdienten Männern und seinen eigenen Verwandten. Und so bleibt er vorsichtig: Aus dem B l u t e jenes verratenen Mannes s o l l der zweite Adalbert stammen; seine eigene Herkunft von diesem wird nicht erwähnt; nur dessen Leistung hervorgehoben. Otto von Freising schwankt zwischen Familienstolz und objektiver Darstellung, zwischen dem Vertrauen auf mündlich weitergegebene Überlieferung und deren Unsicherheit im Hinblick auf die neue gesellschaftliche Orientierung am väterlichen Herkommen. Der reflektorische, persönlich zurückhaltende Bischof sah sich damit einer Problematik gegenüber, die den Historiker und Genealogen bis heute verunsichert und zu verzweifelten Hypothesen nötigt.
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Abb. 1: Otto von Freising, Bischofssiegel
Der im Lied gefeierte Held Adalbert gehörte zu der im fränkisch-thüringischen Bereich mächtigen Sippe der Popponen, die im Kampf um die Vorherrschaft den vom ostfränkischen König unterstützten Konradinern unterlagen. Adalbert war es jedoch gelungen, Konrad, das Haupt der gegnerischen Sippe, zu töten. Dann zog er sich auf seine Burg Theres zurück, neben der Feste Babenberg sein Hauptsitz. Nach dieser wurde seine Sippe später „Babenberger“ genannt, da es sich um deren wichtigste Burg handelte. Man verzichtete auf den Leitnamen Poppo, der wie Heinrich und Adalbert in diesem Verwandtschaftsgeflecht besonders häufig vorkommt und ihm zunächst den unterscheidenden Namen gab. Der kühne Adalbert wusste freilich nicht, dass er ein Poppone oder ein Babenberger war, der Markgraf Adalbert ebenfalls nicht und Otto von Freising fühlte sich wohl beiden zugehörig, doch können wir sein Identitätsbewusstsein genealogisch im heutigen Sinne nicht definieren.
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Die Forschung hat sich auf Ottos Aussagen berufen, ihn und seine Verwandten in auf- und absteigender Linie daher als Babenberger bezeichnet und die österreichischen Markgrafen dieses Geschlechts als jüngere von den in der Fehde umgekommenen älteren Babenbergern abgegrenzt. Ottos vorsichtige Formulierung wurde nicht zur Kenntnis genommen und mit dem genealogischen Verständnis der modernen Zeit gedeutet. Damit wurden die von Markgraf Liutpald I. abstammenden Amtsträger und späteren Landesherren im Gebiet zwischen Enns und Leitha zu „Babenbergern“. Dieser Name gründet auf dem Hauptsitz der Sippe, den diese selbst verwendet, um sich gegenüber anderen Adelsgruppierungen abzugrenzen und eine besondere Identität auszudrücken. Erst mit diesem Zweitnamen konstituiert sich das Geschlecht, welches nun auf die genaue Abfolge der väterlichen Linie abstellt. Das Prinzip der Einnamigkeit wird damit aufgegeben, ein neues Selbstverständnis geschaffen und dem Genealogen größere Sicherheit gegeben. Diese Entwicklung setzt im späten 11. Jahrhundert ein, ihren Durchbruch erreicht sie erst im zweiten Viertel des 12. Jahrhunderts, was zu einer wesentlichen gesellschaftlichen und rechtlichen Veränderung führt. Manche der neuen Geschlechter bleiben aber ohne moderne Beinamen; so auch die „Babenberger“, die erst von den Gelehrten späterer Zeit so genannt werden. Die namengebende Burg, ein Machtzentrum jenes fernen Helden Adalbert und seiner Brüder, steht ja nicht im Eigentum der österreichischen Markgrafen des frühen 12. Jahrhunderts und überhaupt ist von Besitzungen im fränkischen Maintal keine Rede. Wir wissen nicht, wie jene ihre unverwechselbare Identität als Geschlecht in Namen gefasst haben. Otto von Freising, der an der Wende dieser namentlichen Entwicklung steht, hat für seine väterlichen Verwandten keinen Sammelbegriff: Er bleibt bei seinem Verweis auf die beiden Adalberte bei der überlieferten Einnamigkeit. Gerade die für das Individuum entscheidende Zusammengehörigkeit mit der über die agnatische (= väterliche) Linie laufenden Verwandtschaft, die das Geschlecht bestimmt, macht die Frage nach der Abstammung in früheren Jahrhunderten so problematisch. Vor- und Nachfahren sind nun klar definiert, der Einzelne erscheint als Glied einer Kette und kann sich eindeutig einordnen. Dies ist die genealogische Anschauung, wie sie bis in die jüngste Vergangenheit in den meisten Staaten Europas gebräuchlich war. Dem entspricht das Wir-Gefühl in der Zeit vor dem 12. Jahrhundert aber keineswegs.
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Niemand denkt über seine Vorfahren, seine Verwandten in so linearen Bezügen. Der Einzelne, so weit er sich überhaupt individuell begreift, erkennt sich in einem Geflecht von verwandtschaftlichen Bindungen, die von Vater und Mutter ausgehen und sich immer mehr verästeln. Hier geht es nicht um eine exakte Abfolge von Generationen, die von einem weg- oder zu einem hinführen, sondern um die Überlieferung, die mündlich weitergegeben und je weiter zurück nur punktuell wirksam wird. Dabei spielt die volkssprachige Liedtradition sicher eine bedeutsame Rolle. Wer besungen wird, ist innerhalb der Sippe ein besonders hervorgehobener Ahn, von dem sich viele Nachfahren herleiten. Die Frage nach der linearen Vorfahrenschaft stellt sich für niemand. Ein wichtiges Merkmal der Identität ist auch der Name, er ist dem Träger moralische, weil sippenmäßige Verpflichtung, er ist äußeres Zeichen der Zugehörigkeit und Signal nach außen. Er hat eine Doppelfunktion: Er hebt den Einzelnen aus seiner Umgebung heraus und verkündet zugleich seine genealogische Wertigkeit. So ist der Name für das Individuum in gewisser Hinsicht die erste Ebene einer humanen Ordnung, für den Fremden eine unverzichtbare Orientierungshilfe, die Auskunft über die Sippe, vielleicht sogar die Familie, über die soziale Stellung, die regionale Verankerung und damit zuletzt über die Möglichkeiten einer Kommunikation gibt. Vor diesem Hintergrund müssen wir den Bericht Ottos von Freising sehen. Er nennt einen Adalbert, der sich kämpferisch hervorgetan hat. Das wird in Liedern besungen, die offensichtlich weit verbreitet waren. Auf einen solchen Mann berufen sich nicht nur Nachkommen, die in gerader Linie von ihm abstammen – von solchen ist keine Rede –, sondern viele, die in verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihm stehen, „aus seinem Geblüt“ sind, ohne dass man sie in modern genealogischem Sinne leicht in das Sippengeflecht einordnen könnte. Dazu gehört jener zweite Adalbert, dessen militärische Verdienste um das Reich im 11. Jahrhundert von Otto betont werden. Die (in unserem Sinne) ungefähre Herkunft wird nun gestärkt durch die Gleichheit der Namen. Eine solche ist für das Sippendenken des 11./12. Jahrhunderts ein starkes Argument für Verwandtschaft, selbst über einen nicht unbeträchtlichen zeitlichen Abstand hin. Hier spricht der Bischof von Freising wohl aus der Kenntnis seiner Familientradition, die zunächst bis zu jenem zweiten Adalbert reicht und durchaus schon linear verstanden wird. Dann aber fächert sich die genealogische Überlieferung auf und der scholastisch gebildete Zisterzienser gerät in
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den Zwiespalt von altem genealogischem Denken, dem ein sehr unpräzises Wir-Gefühl zugrunde liegt, und rational gesehener Abfolge von Generationen. Er maßt sich kein Urteil an: Der zweite Adalbert s o l l vom ersten, in Liedern besungenen, abstammen. Das ist moderne Skepsis, die aber doch eine Verbundenheit mit der stolzen Familientradition nicht ausschließt. Die heute für unsere wissenschaftliche Genealogie fragwürdige Aussage Ottos von Freising über die Herkunft seiner Familie wurde lange Zeit als im Sinne unseres selbstverständlich scheinenden agnatischen Geschlechtsdenkens interpretiert. Die österreichischen Markgrafen und Herzöge leiten sich daher unmittelbar von den fränkisch-thüringischen Popponen ab und das heißt natürlich väterlicherseits. Wenn diese nach ihrer Hauptburg Babenberger genannt werden, so gilt das auch für ihre an der Donau wirkenden Nachfahren. Ein Problem stellt in diesem Zusammenhang allerdings der Leitname der österreichischen „Babenberger“ dar: Liutpald, abgeschliffen und teilweise latinisiert missverstanden: Leopold. Kein anderer Name wird so regelmäßig vom 10. bis zum 13. Jahrhundert in diesem Geschlecht weitergegeben und übersteht mächtige Einflüsse andere Namen tragender Sippen. Zugleich ist Liutpald (= „kühn im Kriegsvolk“) im 10. Jahrhundert äußerst selten, was die Chance, sein gesellschaftliches Umfeld zu finden, im Zeitalter der Einnamigkeit erhöht. Und da stößt man sofort auf die Familie des Markgrafen und bayerischen Heerführers Liutpold, der 907 bei Pressburg gegen die Magyaren gefallen ist. Er war in den Jahren davor der mächtigste Mann Bayerns, angesehen am Hofe des letzten Karolingers und im Mächtespiel des Adels immer auf der richtigen Seite: So gehörte er neben Erzbischof Hatto von Mainz zu den entschiedenen Gegnern der älteren Babenberger und war an der Täuschung und Beseitigung des heroischen Adalberts wesentlich beteiligt. Sein Prestige muss so groß gewesen sein, dass sein Sohn Arnulf nach der verlustreichen Ungarnschlacht in Bayern die Spitzenstellung behalten und noch ausbauen konnte, obwohl Liutpold viele Angehörige des bayerischen Adels in den Untergang geführt hatte. In unserem Zusammenhang bemerkenswert ist die Tatsache, dass unter den weiteren Nachkommen dieses Mannes kein Liutpold mehr auftaucht. Es dominieren die Namen Arnulf, Berthold, Eberhard, soweit man die liutpoldingische Genealogie überblickt, und dass ausgerechnet die nicht nachweisbaren
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Deszendenten alle Liutpold geheißen hätten, wird niemand annehmen wollen. Auch würde man diesen Namen in vorderer Reihe der Abkömmlinge Herzog Arnulfs vermuten. Sofern diese nach 907 geboren wurden, hat die unglückselige Niederlage des Ahns sich auf die Namengebung wohl negativ ausgewirkt. Andererseits begann mit Liutpold der jähe Aufstieg der Familie. Der Name des ersten Markgrafen aus dem Geschlecht, das bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts in Österreich dominieren sollte, lässt sich nirgends anders ansippen. Gerade dass der Name Liutpold nachweisbar neunmal bis zum Erlöschen des Mannesstammes der österreichischen Herzöge verwendet und dabei keine Generation ausgelassen wurde, zeigt die überragende Bedeutung, die man diesem Namen beimaß. Noch die Habsburger übernahmen ihn als äußeres Zeichen der babenbergischen Nachfolge, um sich den Österreichern als ihnen vertraute Fürsten zu präsentieren, was den schwäbischen Rudolfen und Albrechten zunächst nicht gelungen war. Dass man als Nachfahre der alten Babenberger in väterlicher Linie wohl nicht Liutpald geheißen, also den Namen eines bedeutenden Sippenfeindes geführt hätte, leuchtete vielen Genealogen ein. Im Sinne des agnatischen Denkens musste der Markgraf, dem der König das Grenzland an Donau und Wienerwald anvertraut hatte, also ein „Liutpoldinger“ sein. Freilich hat man keine Erwähnung in Urkunden oder Chroniken, die Liutpald I. in das liutpoldingische Sippengeflecht einordnen, etwa mit der sonst häufig verwendeten Sohnesformel oder erweitert um die Nennung seines (oder seines Vaters) Amtsbereichs als Graf oder Markgraf: … in comitatu Liutpaldi filii N.N. In der Sohnes- und Enkelgeneration Herzog Arnulfs findet sich bekanntermaßen kein Liutpald. Dennoch lässt sich der Markgraf nirgends anderswo sinnvoll genealogisch unterbringen. Und das ist auch schon im Übermaß versucht worden: Doch keine dieser genealogischen Geburten ist unanfechtbar geblieben. Auch die von ihm verwalteten Grafschaften im südostbayerischen Raum an Inn und Donau sprechen für eine Herkunft aus dem Adel Bayerns, während die Besitzungen im Maingebiet kaum ins Gewicht fallen und schon in der zweiten Generation der österreichischen Markgrafen verschwinden. Otto von Freising hat sich offensichtlich nicht für einen Nachkommen des bayerischen Aufsteigers Liutpold gehalten. Der tragische Schlachtentod eines solchen Machthabers gegen die dämonischen Ungarn hätte durchaus eine
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Erinnerung in Liedform erzeugen können; doch nichts dergleichen ist überliefert. Vielmehr wird die Hybris dieses Mannes getadelt und zuletzt verhöhnt. Die Sippentradition der österreichischen Markgrafen ist daher andere Wege gegangen und hat im Geflecht der Vorfahren auf jenen Mann gezielt, der durch seine Tapferkeit hervorragte, sich im Kampf um die Vormacht bewährte und nur durch Hinterlist zu Fall zu bringen war: Dies ist die Konstellation, in der der Mensch zum Helden wird, der immer tragisch endet und dessen Vorbild verpflichtet. Auch diese Überlegung lässt sich heute nicht beweisen. Sie entspricht aber einigermaßen der Vorstellungswelt jener frühen Jahrhunderte, und Bischof Otto, der schon an der Grenze eines neuen Verwandtschaftsbegriffs stand, referierte die eigene Familientradition, wobei er noch dem überkommenen Selbstverständnis folgte. Und dieses rührte wesentlich von den alten „Babenbergern“ her: Das legen die Namen der Kinder Liutpalds I. nahe, die ja anderen oder gar Fremden Auskunft über ihre Sippe, vielleicht sogar über ihre Familie geben sollten. Man darf derartige Regeln vom heutigen Standpunkt aus nicht gering schätzen. Schon das nach 800 aufgezeichnete Hildebrandslied bietet dafür ein gutes Beispiel. Als die Heerführer einander gegenüberstehen, fragt der Ältere (Hildebrand) den Jüngeren (Hadubrand), wer sein Vater sei und welchem Geschlecht er angehöre: „Wenn du mir nur einen (Namen) nennst, ist mir schon alles kund (über deine Herkunft)!“ Im Gedenkbuch des Klosters Reichenau auf dem Bodensee finden wir den Markgrafen mit Frau und Kindern unter denen, die dem Kloster etwas gespendet und daher das Recht erworben hatten, im Gebet und Totengedenken der Mönche einen würdigen Platz eingeräumt zu bekommen. Dabei werden neben Liutpald und seiner Frau Richwar(a) die Kinder Judith, Heinrich, Ernst, Poppo, Liutpald, Kunigunde und Adalbert genannt. Aus einer anderen Quelle erfahren wir noch von einer Tochter Christine. Diese Namen, die eben nicht willkürlich oder aus ästhetischem Wohlgefallen gegeben worden waren, sondern die Sippenzugehörigkeit manifestieren sollten, bieten eine wichtige Hilfe bei der genealogischen Einordnung einer Familie im Zeitalter der Einnamigkeit. Ob ihre Abfolge strengen Kriterien unterliegt, ist zweifelhaft. Doch ist anzunehmen, dass die für das familiäre Selbstverständnis bedeutendsten Namen an die ersten Kinder vergeben wurden. Allerdings muss man bei der hohen Kindersterblichkeit jener Zeit damit
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rechnen, dass später erscheinende Namen vielleicht schon früh verstorbenen Kindern zuerst gegeben wurden, von denen wir gar nichts wissen. Das kann die daran geknüpften Überlegungen zum Scheitern verurteilen. Man muss sich also mit Wahrscheinlichkeiten begnügen. Nach den Angaben im Verbrüderungsbuch hieß der älteste Sohn Heinrich. Denselben Namen trägt der Nachfolger Liutpalds I. in der Mark. Dieser Name ist im 9. Jahrhundert noch ziemlich selten: Sein berühmter Träger in dieser Zeit ist jener Graf, der zu den älteren „Babenbergern“ zu rechnen ist und die Funktion eines Art Reichsfeldherrn des ostfränkischen Königs innehatte. Sein Sohn war unter anderen der Adalbert, auf den sich Otto von Freising bezieht. Wenn Liutpald seinem ältesten Sohn diesen Namen gab, so wollte er damit auf seinen berühmtesten Ahnen anspielen und die sippenmäßige Zugehörigkeit seiner Familie hervorheben. Es tut nichts zur Sache, dass der Name Heinrich vereinzelt auch bei den Liutpoldingern auftaucht; bei mehreren Kindern aber immer unter „ferner liefen“. Mit dem Namen des Ältesten soll sicher der Bezug zu den älteren Babenbergern hergestellt werden, und zwar über den Vater Liutpald. Denn der Zweitgeborene (oder der zweite Überlebende) heißt Ernst, ein Name, der sich nur bei den Grafen vom sogenannten Sualafeldgau – einer Grafschaft, die sich von Donauwörth etwa bis ins heutige Mittelfranken erstreckt – findet. Er ist wohl über die Mutter Richwar in die Markgrafenfamilie gekommen und signalisiert eine Verwandtschaft zu den bedeutenden Eppensteinern, einer Familie, die im 11. Jahrhundert in Kärnten die führende Position einnehmen sollte. Dass die beiden ältesten Söhne durch die entsprechende Namengebung in das jeweilige Sippengeflecht eingeordnet werden sollten, wird hier selten deutlich. Aber auch für die drei weiteren Söhne gilt das gleichermaßen. Poppo und Adalbert sind Leitnamen der älteren Babenberger und kommen außerhalb der Sippe kaum vor. Poppo trägt den Namen, nach dem die berühmte Adelsfamilie des ostfränkisch-thüringischen Raums bezeichnet worden ist, und es will nicht zufällig erscheinen, dass sein Träger auf dem Wege seiner geistlichen Karriere gerade in dem neu gegründeten Bistum Bamberg zum Dompropst bestellt wurde. Adalbert empfing den Namen des tapferen Kämpfers und betrogenen Helden, der im Lied besungen wurde. Dieser war neben seinem Bruder Heinrich wohl die wichtigste Bezugsperson im genealogischen Netzwerk der Donaumarkgrafen, und so muss es zunächst verwundern, dass erst der jüngste Sohn diesen auszeich-
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nenden und hoch verpflichtenden Namen erhalten hatte. Doch gilt das vorhin Gesagte: Vielleicht ist ein früher so benannter Sohn als Kind gestorben, sodass der berühmte und für die Familie besonders wichtige Name später wieder „frei“ geworden ist. Mehr als eine Hypothese stellt diese Überlegung freilich nicht dar. Vor Adalbert wird ein Liutpold genannt, der offensichtlich den gleichnamigen Vater nicht überlebt hat und somit vor Juli 994 gestorben sein muss. Er trägt den Vaternamen, der in der Folge zum Leitnamen des Markgrafenund Herzogsgeschlechts werden sollte. Unter den Söhnen weist nur dieser auf die bayerischen Liutpoldinger, und dieser Bezug ist durch die Seltenheit des Namens wohl nicht zu leugnen. Doch scheint er erst als vierter unter den Sohnesnamen auf, sofern man nicht mit einem früh verstorbenen Liutpold rechnen muss. Die markgräflichen Eltern deckten mit der Benennung dieses Sohnes ein weiteres wichtiges Segment ihres Verwandtschaftskomplexes ab. Dass damit dem agnatischen Denken späterer Generationen ein einziger Anhaltspunkt geboten wurde, entsprach wohl kaum dem Sippendenken des 10. Jahrhunderts. Nicht übersehen darf man die Hinweise, die durch die Frauennamen dieser zweiten Generation der donauländischen Markgrafenfamilie gegeben werden. Während die nur zufällig bekannt gewordene Christine in diesem Zusammenhang keine Bedeutung hat – ihr Name ist wohl eine Vorausdeutung auf die geistliche Karriere dieses Mädchens –, weisen Judith und Kunigunde den Weg in die südwestdeutsche Adelslandschaft. Dass die wahrscheinlich Älteste nach einer Heldin aus dem Alten Testament benannt wurde, fügt sich sehr gut in eine gewisse Mode alttestamentlicher Namen, wie sie seit dem späten 9. Jahrhundert vor allem in Schwaben festzustellen ist. Die wichtigste Judith des 10. Jahrhunderts war die Tochter Herzog Arnulfs von Bayern, die mit Heinrich von Sachsen, dem Bruder Kaiser Ottos des Großen, vermählt worden war und die Mutter Heinrichs des Zänkers werden sollte. Von ihr führt der Weg freilich zur schwäbischen Welfin gleichen Namens zurück, die Kaiser Ludwig den Frommen ehelichte. Auch Kunigunde ist ein Name, der mit den Liutpoldingern zu tun hat; ebenfalls schwäbischer Provenienz. Die so benannte Schwester von Erchanger und Berthold, den führenden Machthabern in Schwaben nach 900, heiratete den bayerischen Markgrafen Liutpold und wurde die Mutter Herzog Arnulfs. Sie brachte den Namen in die bayerische Familie. Ju-
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dith und Kunigunde sind also mit den Liutpoldingern in Verbindung zu bringen und sollen das mit ihren Namen auch ausdrücken. Bemerkenswert ist das Fehlen von Töchternamen mit dem Vorderglied Ric(h)-, die die Verflechtung mit der mütterlichen Sippe anzuzeigen geeignet wären. Fasst man die Ergebnisse der Namendeutung zusammen, so stehen die Bezüge zu den älteren Babenbergern obenan. Wenn Otto von Freising auf den hingerichteten und als Held besungenen Adalbert als wesentlichen Vorfahren konzentriert ist, dann entspricht das sicher den Vorstellungen von Verwandtschaft, wie sie seine Familie bis ins 12. Jahrhundert hinein hegte. Unter den vorhandenen Aszendenten richtete sich der Blick auf den angesehensten, ruhmvollsten, der in erzählender Liedtradition ein langes Nachleben hatte. Insoweit waren die „Babenberger“ nach eigener Überlieferung und überzeugter Selbstgewissheit tatsächlich Babenberger, für die die popponische Linie prägend und bestimmend war. Erst die Durchsetzung des Geschlechtsbegriffs auf Basis der agnatischen (= väterlichen) Linie hat damit Verwirrung in die genealogische Forschung gebracht. Ob die österreichischen Markgrafen patrilinear von den ostfränkischen Popponen abstammen, ist fraglich, ja eher unwahrscheinlich. Nach dem modernen System der Genealogie wird man sie vielleicht eher den Liutpoldingern zuordnen, was durch den reichen bayerischen Besitz anscheinend auch gestützt wird. Ob diese beiden Sippen, die bis 906 offensichtlich in keinerlei verwandtschaftlicher Beziehung gestanden sind, sich im Laufe des 10. Jahrhunderts ehelich verbunden haben – wie manche Forscher der genealogischen Not gehorchend meinen –, ist sehr fraglich. Doch ist es kaum glaublich, dass die Popponen einem ihrer Nachkommen den Namen jenes Mannes gegeben hätten, der an der blutigen Intrige Erzbischof Hattos von Mainz seinen Anteil hatte: Liutpold.
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VI. DIE KÖNIGSTREUEN BABENBERGER UND DIE MARKENPOLITIK BIS ZUM INVESTITURSTREIT 1.
Die Anfänge einer politischen Organisation: Heinrich I.
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ie nächsten Jahrzehnte der Mark gehören zu den quellenmäßig am wenigsten erschlossenen, Markgraf Heinrich I. ist der unbekannteste Babenberger geblieben: Er wird fast nur in Urkunden genannt, meist als Herrschaftsträger, der einem gewissen Gebiet gleichsam den Namen gibt, und gewinnt so nicht die geringsten persönlichen Konturen. Sein engeres familiäres Umfeld bleibt im Dunkel – wir kennen seine Gemahlin nicht und wissen nicht, ob er Kinder hatte und wie diese allenfalls hießen. Selbst der Ort seiner Bestattung wird nicht überliefert. Seine Aufgabe, den Schutz des Reiches und im besonderen Bayerns wahrzunehmen und zu gewährleisten, wird aus den wenigen chronikalischen Nachrichten über Heinrich deutlich. Bischof Thietmar von Merseburg (1009–1018), der große Geschichtsschreiber der Zeit um 1000 – mit den Babenbergern nach genealogischem Denken jener Gesellschaft verwandt –, erzählt in knappen Sätzen von den militärischen Taten des Markgrafen. Diese beziehen sich ausschließlich auf den Kampf im Zusammenhang mit der großen Auseinandersetzung zwischen Kaiser Heinrich II. und dem expansiv agierenden polnischen Fürsten Boleslaw Chrobry. Der tapfere Boleslaw, denn das bedeutet sein Beiname, wollte die Abhängigkeit vom römisch-deutschen Reich abschütteln und dehnte seinen Herrschaftsbereich vorübergehend über Böhmen und Mähren aus. So wurde er gleichsam Nachbar der babenbergischen Markgrafen: Denn die Grenze zu Mähren verlief nicht weit nördlich der Donau, hinter dem Höhenzug des Wagram. Freilich kann man nicht oft genug betonen, dass
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es sich bei dieser Grenze nicht um eine festgelegte Linie handelte, sondern um ein kaum besiedeltes Land, dessen Bewohner sich an der in Mähren wirksamen Herrschaft orientierten, gleichgültig welcher Herkunft sie selbst waren. Es wäre daher verfehlt, aus den Quellenberichten einen östlich der Elbe oder in Nordböhmen kämpfenden Markgrafen Heinrich anzunehmen. Er hatte wahrscheinlich gar nicht mit polnischen Gegnern im engeren Sinne zu tun, sondern mit Angreifern aus dem Markenvorland im Nordosten, die sich zur Oberherrschaft Boleslaws bekannten und seine geplante Aggression für ihre daher umso aussichtsreicheren Beutezüge nutzten. Im Jahre 1015 wurde Heinrich bekannt, dass diese Feinde das Land geplündert und reiche Beute gemacht hätten. Mit seinen Bayern nahm er die Verfolgung auf und erreichte die Plünderer. Mehr als achthundert wurden erschlagen, die Beute sichergestellt. Hier wird nur von der erfolgreichen Aktion selbst berichtet, nähere Umstände bleiben im Dunkeln. Zwei Jahre später ist der Chronist etwas gesprächiger. Die Mährer fallen in Böhmen ein und belagern eine Stadt. Deren Name wird nicht genannt, und es ist sehr wahrscheinlich, dass es sich nicht um eine Stadt im rechtlichen und politischen Sinne späterer Jahrhunderte handelte, sondern um eine Siedlung, die von einer primitiven Fluchtburg geschützt wurde, oder überhaupt nur um eine solche. Jedenfalls haben die Belagerer Erfolg und ziehen ungestört und ohne Verluste mit ihrer Beute wieder heim. Auch diesmal hört der Markgraf davon und versucht mit seinem Heer die heimkehrenden Feinde zu bekämpfen. Er holt sie, die mit ihren geraubten Gütern nur langsam vorwärtskommen, ein und tötet angeblich mehr als tausend von ihnen, während er die übrigen in die Flucht schlägt. Das ist bildhaft gemeint; jedenfalls gelingt es diesmal auch, mitgeschleppte Gefangene zu befreien, die vielleicht für den Sklavenmarkt bestimmt waren und den räuberischen Feinden noch mehr Gewinn beschert hätten. Es sind Schlaglichter, die auf den sonst nicht mitgeteilten oder erläuterten Inhalt markgräflicher Funktion fallen. Und auch das geschieht nur, weil die Aktionen Heinrichs I. in einem größeren Kontext gesehen werden als beiläufige Details einer prinzipiellen und weit größeren Auseinandersetzung, die sich über ein Jahrzehnt hinzieht und die Ostpolitik des Kaisers wesentlich beeinflusst. Die selbstverständliche militärische Tätigkeit wird hier nur quasi vergrößert wahrgenommen.
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Darauf deuten schon die überlieferten Zahlen der getöteten Feinde. Der Historiker weiß, dass Zahlenangaben, Völker, Heeresaufgebote und Schlachtentote betreffend, von den Geschichtsschreibern überwiegend weit höher angesetzt werden als der Wirklichkeit entspricht. Die Gründe dafür sind vielfältig, gehen meist auf bestimmte traditionelle Vorstellungen zurück und dienen vor allem als leicht verständliches Argument für Siege wie Niederlagen. Dazu kommt noch das geringe Zahlenempfinden des illiteraten Menschen, der größere Mengen nur mit ungefähren Richtwerten bewältigen kann. Ein solcher Wert ist Tausend. Mehr als tausend Krieger auf dem Rückzug hat Markgraf Heinrich mit seinem Heer erschlagen. Sollte nur die Hälfte des gegnerischen Kontingents in die Flucht geschlagen worden sein, dann hätten die Mährer 1017 die unbekannte böhmische urbs mit zweitausend Leuten belagert! Das wäre für die damalige Zeit schon ein respektables Heer gewesen, kein De tachement von Plünderern, die schnell über der Grenze Beute machen wollten! Wie groß muss dann die Mannschaft des Markgrafen gewesen sein? Hier passen die Aktion und ihre in üblichen Worten erfolgende Beschreibung nicht recht zusammen. Der Chronist spricht von Mährern (Mararenses), welche die „Stadt“ belagern, was wohl eine kriegerische Mannschaft bedeutet, die zahlenmäßig über eine für einen raschen Plünderungszug notwendige kleinere Gruppe hinausgeht. Zugleich wird Heinrich die Führung eines exercitus attestiert, womit grundsätzlich ein regelrechtes Heeresaufgebot gemeint ist. Ein solches wäre aus dem Menschenmaterial der Mark trotz aller Verpflichtungen dem Markgrafen gegenüber kaum zu gewinnen gewesen. Wir werden also 1017 mit einem regelrechten Kampf zwischen vom Markgraf geführten Reichstruppen – wohl nur bayerischer Provenienz – und für damalige Verhältnisse offiziellen Truppen Herzog Boleslaws rechnen müssen. Auch dann sind die Zahlen der Gefallenen noch hoch gegriffen. Bezüglich der Art des Kampfes besteht zu dem Bericht von 1015 kein Unterschied. Jedes Mal wird dem Markgrafen der Einbruch des Feindes, dessen Untaten und beutebeladener Rückzug gemeldet. Dann macht er sich zur Verfolgung auf, nachdem er die zum Kampfe verpflichteten Männer gesammelt oder (1017) ein schon in Bereitschaft befindliches, vom König oder vom Herzog der Bayern aufgebrachtes Heer unter seiner Führung in Bewegung gesetzt hat. Offene Feldschlachten sind nicht das Genre der militärischen Aufgabe des Markgrafen. Es gilt, den Feind zu bestrafen; feindliche Einfälle zu verhin-
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dern oder sie beim (fiktiven) Grenzübertritt schon geordnet zu erwarten und zur Aufgabe zu zwingen, ist von der militärischen und politischen Struktur des Markgrafenamtes her nicht möglich. Der königliche Machtträger hat primär defensive Aufgaben, wie sie sich in der Abwehr von Beutezügen schneller Reiterkrieger entwickelt haben. Darum auch die mangelnde Prävention, stattdessen die Bekämpfung abziehender Truppen mit dem Ziel, viele zu töten und ihnen die Beute wieder abzujagen. Im Jahre 1015 wurden zwar achthundert Feinde erschlagen, doch scheint es Markgraf Heinrich mehr auf die Wiedergewinnung von deren Beute abgesehen gehabt zu haben, wobei man freilich das Ziel der Aktion nicht so differenziert sehen sollte. Die Erfolge Heinrichs I. gelangen also gegen abziehende feindliche Krieger, die von der Last des durch Plünderung gewonnenen Guts behindert wurden. Wir haben nur diese zwei Nachrichten über die Tätigkeit des Markgrafen, die er offensichtlich zur Zufriedenheit des Königs ausübte und die seine militärische Kompetenz unter Beweis stellte. Heinrich war der richtige Mann in der richtigen Position. Man wird allein schon ob der Tatsache, dass der Geschichtsschreiber Thietmar von Merseburg den Markgrafen mit „den Bayern“ die Verfolgung der Feinde aufnehmen lässt, auf eine angesehene Stellung Heinrichs schließen dürfen. Er wird als tüchtiger und verlässlicher Helfer des Königs dargestellt, im Kampf unverdrossener als Herzog Udalrich von Böhmen, dem auch bayerische Krieger zur Verfügung standen, oder gar der sich zurückhaltende Herzog Bernhard II. von Sachsen. Einem solchen Manne konnte man auch die Lösung offensiver Aufgaben zutrauen: die Erweiterung der Mark und die damit zusammenhängende organisatorische Gestaltung neu gewonnenen Landes. Schon 1002 hatte der neue Herrscher seinem Markgrafen, der ihm vor Kurzem noch als dem Herzog von Bayern verpflichtet war, zwei Schenkungen gemacht, die organisatorische und expansive Kraft erforderten. Sie stärkten den Markgrafen gegenüber dem Adel, der sich in der Mark zielstrebig etablierte, und wiesen ihm den Weg in den dünn besiedelten Raum nördlich und östlich der Donau. Die erste Schenkung betraf ein Königsgut, das zwischen den Wassern der Dürren Liesing und der Triesting lag: Flüssen, die ihren Weg ostwärts ins Wiener Becken nehmen. Da genauere Angaben fehlen, kann man die Lage dieses predium nur vermuten. Es ist wohl am Rande des Wienerwaldes zu suchen, vielleicht schon an dessen Abhang um Gumpoldskirchen, eher jedoch in
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der Gegend von Alland und (dem damals noch nicht bestehenden) Heiligenkreuz. Jedenfalls konnte es als Stützpunkt für den Markgrafen dienen, wenn es galt, das Wiener Becken im Auge zu behalten, aber auch siedlungsmäßig zu erschließen und damit der Mark richtig einzuverleiben. Erst ein paar Jahre war es her, dass man unter dem Vorgänger Markgraf Heinrichs, seinem Vater Liutpald, den Ostrand des Wienerwaldes erreicht hatte. Und um die Jahrtausendwende waren die Ungarn noch weiter zurückgedrängt worden, sodass die Beckenlandschaft bis zur Fischa oder gar Leitha – zwei Flüssen, die von Süden nach Norden zur Donau ziehen und das ebene Land abschließen – vom Reich her bevölkert werden konnte. Die königliche Schenkung mochte zwar einen bescheidenen Dank des neuen Herrschers ausdrücken, dem der Markgraf neben anderen bayerischen Amtsträgern und Adeligen bei den Auseinandersetzungen im Gefolge der Königswahl einen wichtigen Rückhalt gegeben hatte, doch war sie mehr noch eine Aufforderung, die Mark zu erweitern und ihre Machtstrukturen in jenem neuen Raum durchzusetzen. Bei der zweiten Vergabe des Königs wird dieses Bestreben noch deutlicher. Zwanzig Hufen, also landwirtschaftliche Grundeinheiten, sollte der Markgraf zwischen den Flüssen Kamp und March erhalten, und zwar in jener Gegend, die er sich aussuchen würde. Tatsächlich begann wenige Kilometer östlich des unteren Kamps, der südlich von Krems in die Donau mündet, jenes Niemandsland, das man als Grenzgebiet ansehen konnte und dessen Siedler, deutsche, slawische und magyarische, an der Macht orientiert waren, die in Mähren dominierte. Diese fruchtbare, dünn bevölkerte Landschaft mit relativ geringem Waldbestand (sieht man vom Uferland der Donau ab) war – modern gesagt – ein Hoffnungsgebiet der bayerischen Mark. Auch die Ungarn, soweit sie in Mähren Einfluss hatten, rechneten mit diesem ebenen, leicht hügeligen Land. Ihre Militärsiedlungen hatten dort offensichtlich längeren Bestand als südlich der Donau, wie verschiedene Ortsnamen beweisen. Doch waren die Magyaren seit den Neunzigerjahren des 10. Jahrhunderts in der Defensive, den Bayern mehrfach verpflichtet und gleichsam mit der Veränderung ihres gesellschaftlichen Systems beschäftigt. So konnte das Reich zunächst unbehindert über den Wagram vorgeschoben und seine Interessen dort wahrgenommen werden. Alles, was man auf diese Weise gewann, gehörte dem Reich oder weniger abstrakt, sondern mittelalterlich: dem König. Man darf sich dabei keine genau eingeteilte und geregelte Ansiedlung vorstellen, die vom Markgrafen als Amts-
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träger des Königs ausging und von diesem scharf kontrolliert wurde. Es war eher ein probeweises Vortasten, zu dem Adelige des Reiches, vor allem Bayern, ermuntert wurden; durchsetzungsfähige Machthaber, die genug Leute für die mühevolle Errichtung und Bewahrung von Siedlungen aufbringen konnten. Unter diesen wurde der Markgraf vom König mehr oder weniger autorisiert, die Erschließung neuen Landes in Angriff zu nehmen, und zwar dort, wo er selbst wollte. Nicht mehr und nicht weniger bedeutete diese Schenkung, wobei zwanzig Hufen – auch wenn es sich um die besonders großen Königshufen handeln sollte – im Hinblick auf die weite Landfläche nicht unbedingt ein großes Besitztum darstellten. Die Beliebigkeit zeigt sich in der Angabe zwischen Kamp und March, welche gut sechzig Kilometer auseinanderliegen. Immerhin hatte König Heinrich II., der Sohn des problematischen herzoglichen Zänkers, sein Interesse an der Erschließung der Mark bekundet, wenn sich seine nachweisbare Förderung des Markgrafen auch in Grenzen hielt. Er musste ja auch mit den Möglichkeiten Markgraf Heinrichs rechnen. Es ist wenig wahrscheinlich, dass dieser über so viele abhängige Leute und Ministerialen verfügte, um eine großflächige Siedlungspolitik zu betreiben. Und fragwürdig sollten diese expansiven Versuche noch länger bleiben. Ein gutes Jahrzehnt später brachten die Ansprüche auf Mähren den polnischen Herzog Boleslaw Chrobry wieder an den Wagram heran und das nördlich davon besiedelte Land war wieder ein unsicheres Durchzugs- und Aufmarschgebiet der Reichsfeinde geworden. Daher wird es auch verständlich, dass die Bevölkerung der Mark einen im Grenzraum nördlich der Donau wandernden Mann aufgriff, der offensichtlich dort völlig fremd und auch der Volkssprache nicht mächtig war. Ein solches Individuum wurde für einen ungarischen oder polnisch-mährischen Spion gehalten und allen möglichen Martern unterworfen, um ihn zu überführen. Doch der Fremde bekannte nichts ein, sondern scheint auf seine Art (oder mit lateinischen Brocken) auf seine Pilgerschaft ins Heilige Land hingewiesen zu haben. Vergeblich! Man hängte ihn an den Ast eines dürren Baumes und überließ ihn den Raben. Doch nun ereigneten sich zahlreiche Wunder: Eine nachträglich beigebrachte Wunde blutete, Haar, Bart und Nägel wuchsen, und der Galgenbaum setzte grünes Laub an. Als das dem Markgrafen mitgeteilt wurde, befahl er die Überführung des wunderbaren Leichnams nach Melk. Diese Erzählung, die wieder einmal der Geschichtsschreiber Thietmar von Merseburg überliefert, zeigt hinter hagiografischer Stilisierung eine unverkennbare zeitgenössi-
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sche Realität, wie sie im Grenzbereich der Mark mit all ihren militärischen und räuberischen Gefahren existierte. Der so brutal zu Tode gebrachte Pilger war der Sohn eines irischen Kleinkönigs und hieß Koloman. Dass er die Sprache der Markbewohner weder sprach noch verstand, sich aber wahrscheinlich zumindest immer wieder nach dem Weg erkundigte und auch andere Auskünfte notdürftig einholte, wurde ihm zum Verhängnis. Außerdem ist anzunehmen, dass er einfach als Fremder auffiel, was in jenen Jahrhunderten lebensgefährlich sein konnte. Der Horizont des einfachen Menschen endete an der Dorf- oder Waldgrenze, Sippenverbindungen konnten ihn bescheiden erweitern, aber dann setzte bereits eine Welt der Fremdheit ein, die meist auch eine der Feindseligkeit war. Koloman wurde der erste Heilige des „österreichischen“ Bodens, sein Grab in Melk zur besonderen Andachtstätte, und bis in die Neuzeit hatte er quasi die Funktion eines Landespatrons. Aus der Tatsache, dass der Markgraf den Getöteten nach Melk bringen ließ, glaubt man auf den dortigen Hauptsitz Heinrichs I. schließen zu können. Doch auch die extreme Unsicherheit am Nordrand der Mark und in ihrem Hoffnungsgebiet ging vorbei, und das Weinviertel verblieb letztlich der Mark. Ein richtiger Siedlungsaufschwung sollte freilich erst unter Kaiser Heinrich III. um die Mitte des 11. Jahrhunderts erfolgen. Aus dem reichen Urkundenbestand König Heinrichs II., der bis heute erhalten ist (509 Stücke), betrifft nur eine einzige den Markgrafen als Empfänger. Andere Vergabungen, die sich auf Markengebiet beziehen, nennen diesen nur als Inhaber seines Amtes, seine Grafschaft als geografisch-administrative Organisationseinheit, was für die Lage des jeweils geschenkten Guts von entscheidender Bedeutung ist. Es sind vor allem geistliche Kommunitäten, die hier infrage kommen: die bayerischen Klöster Tegernsee und Niederaltaich, die schon in karolingischer Zeit im Ostland begütert waren, und das Domkapitel des von König Heinrich II. erst gegründeten Bistums Bamberg. Besonders interessant ist in unserem Zusammenhang die Schenkung von Absdorf an Niederaltaich im Jahre 1011. Dieser Ort liegt nördlich der Donau, aber noch vor der Wagramlinie, die Zugehörigkeit zum Amtsgebiet des Markgrafen wird deutlich hervorgehoben. Mit einer Schenkung an das Bamberger Domkapitel erreichen wir den Wiener Raum: 1015 konzediert ihm der König dreißig Hufen beim Ort Godtinesfeld, der anstelle des heutigen Unter-St.Veit im 13. Wiener Gemeindebezirk zu suchen ist. Auch hier befinden wir uns im äußers-
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ten Osten des Wienerwaldes mit allen Optionen einer Siedlungsförderung in Richtung Donauebene. Das Markengebiet zwischen Enns und Traisen entwickelte sich allmählich zu einer Art Altsiedelland, von dem aus manche adelige Familien wieder aufbrechen, um weiter im Osten andere Schwerpunkte ihrer Macht aufzubauen, was dort immer besser gelingt. Einen wesentlichen Anstoß zur Binnengliederung der Mark, zugleich einen Ansatz zur räumlichen Ordnung bietet die Schenkung des Königs für Bischof Berengar von Passau im Jahre 1014. Fünf Siedlungen werden namentlich aufgezählt: Herzogenburg, Krems, Sigemaresweret, Tulln und Otcinesseuue. In ihrer Umgebung erhält der Bischof jeweils den Grund für den Bau von Kirche und Pfarrhof sowie eine Hufe Ackerland. Hier wurden die Voraussetzungen für die Errichtung einer pfarrlichen Organisation auf nun passauischem Besitz geschaffen: die Ausrichtung der Bevölkerung auf eine ganz bestimmte, allein zuständige Seelsorgestation angeordnet. Es sind Menschengruppen, für die die neue Einteilung Gültigkeit haben soll, nicht flächenmäßig erfasste Bezirke. Die Abgrenzung der einzelnen Pfarren war äußerst schwierig, weil selbst einfache Lagebezeichnungen (Bäche, Hügel, Naturbesonderheiten, Wälder, Orte etc.) oft keine allgemein anerkannten Namen hatten. Vier der genannten Orte liegen an der Donau, drei bereits nördlich davon. Herzogenburg, eine karolingische Gründung, liegt noch westlich der Traisen, also im Altsiedelland. Krems am Ausgang der Wachau gewinnt zunehmend an Geltung, Sigemaresweret ist die Vorläufersiedlung von Altenwörth, Otcinesseuue ist wohl mit Jedlesee (ein Teil des heutigen 21. Bezirks von Wien) gleichzusetzen. Es liegt strategisch und verkehrstechnisch günstig nach dem Durchgang der Donau durch die Wiener Pforte, bevor sich der Strom (vor der Regulierung von 1875) in zahlreiche Arme auffächert. Freilich lässt der Name des Ortes noch eher an Ützensee, einen abgekommenen Ort in der Nähe von Stockerau, denken, während Jedlesee von den übrigen Orten weitab liegt. Tulln wird als einziger der angegebenen Orte civitas genannt, was eine frühe Burgstadt bezeichnen mag. Die alte Römerstadt – am rechten Donauufer – wird man als den wesentlich bedeutendsten der fünf Orte anzusehen haben. Sie ist das Zentrum eines alten Königsbesitzes, der sich auch auf das jenseitige Ufer der Donau erstreckt haben dürfte. Die Stadt selbst war wohl ein Sitz des babenbergischen Markgrafen. Daher wird die passauische Pfarre Tulln ausdrücklich außerhalb der Stadt eingerichtet.
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Bemerkenswert ist, dass alle fünf Pfarren am Ostrand der Mark angelegt werden – auch Herzogenburg kann man als Ort an der Traisen (mit alter Grenzfunktion!) dazu zählen. Krems, Altenwörth und Jedlesee befinden sich schon in exponierter Lage, solange der Wagram nicht überschritten und sein Hinterland für die Mark gesichert ist. Dasselbe gilt für Tulln, wenn man seine Zuständigkeit für das linke Donauufer um Trübensee bedenkt. Kirchlich gehörte die Mark zur Diözese Passau. Es war daher selbstverständlich, dass die Passauer Bischöfe dort wiederholt und reichlich mit Land ausgestattet wurden. Doch schon in den Neunzigerjahren des 10. Jahrhunderts begann auch das Bistum Freising im Donauland Fuß zu fassen. Dabei wurde zunächst an alte Besitzansprüche angeknüpft, die schon in der Karolingerzeit verwirklicht, in der Epoche ungarischer Herrschaft wohl verkümmert, aber niemals aufgegeben worden waren. Obwohl Freising auch im unteren Kamptal und am Ostrand des südlichen Wienerwaldes begütert war, lag der Schwerpunkt seiner Besitzungen doch im Altsiedelland. Unter dem Pontifikat Bischof Gottschalks (993–1006) wurde vor allem der Amstettener Raum zu einer Siedlungskonzentration freisingischer Provenienz genützt. 995 erhielt die Freisinger Kirche Ulmerfeld und schon ein Jahr später trachtete man den Besitz in dieser Gegend zu vermehren: Kaiser Otto III. schenkte dem Bischof Hofstätten und dreißig Königshufen Land im Ort Neuhofen. In der darauf bezüglichen Urkunde wird dessen Lage wie folgt beschrieben: in regione vulgari vocabulo Ostarrichi in marcha et in comitatu Heinrici comitis filii Liutpaldi marchionis (= in dem Gebiet, das in der Volkssprache Österreich heißt, in der Mark und Grafschaft des Grafen Heinrich, des Sohnes des Markgrafen Liutpald). Es ist diese am 1. November 996 in Bruchsal ausgestellte Urkunde, in der zum ersten Mal nachweisbar das Wort Österreich für eine Gebietsbezeichnung verwendet wird. Man hat dieser „Ostarrichi-Urkunde“ viel Ehre angetan; seitens der Forschung und darüber hinaus in patriotischer, politischer Überzeugung. Es handelt sich aber um eine durchschnittliche königliche Schenkungsurkunde ohne inhaltliche Besonderheiten, die etwa im Ansatz schon ein späteres Österreich erkennen ließen. Ostarrichi war die Bezeichnung für das (bayerische) Ostland im Allgemeinen, hier ist es nur mehr eine regio, was man als Gebiet, Gegend, eine unbestimmte geografische Einheit übersetzen könnte. Diese liegt in der Mark, in der Grafschaft des Markgrafen Heinrich, wie aus quasi amtlichen Gründen hinzugefügt werden muss. Nicht die Mark heißt Ostarrichi, sondern
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eine Region dieses Namens liegt innerhalb der Mark: Eine unbestimmt abgegrenzte Gegend (bei Ybbs und Amstetten) wird in der althochdeutschen Volkssprache so genannt. Sie gehört zum Amtsgebiet des Babenbergers Heinrich, der noch genauer charakterisiert wird, indem man den Namen seines Vaters und Vorgängers Liutpald ergänzend hinzufügt. Zwei Jahre nach seinem Tod wird dieser Markgraf der Freisinger Kanzlei noch durchaus präsent gewesen sein, während Heinrich dieses Amt erst kurz verwaltete und daher im Gegensatz zu seinem Vater noch nicht marchio (= Markgraf ) genannt wird. Dass Heinrich und seine Familie aber zu den führenden Adeligen des süddeutschen Raums zählten, wird aus dem Werdegang seiner Brüder offensichtlich. Ernst, der zweite Sohn Liutpalds I., heiratete Gisela, Tochter und Schwester eines Herzogs von Schwaben. Es ist vielleicht nicht zufällig, dass gerade der Sohn des ersten „österreichischen“ Babenbergers nach Schwaben verheiratet wurde, der mit seinem Namen den Südwestbezug seiner Mutter Richwar verkörperte. Nach dem Tod seines Schwagers trat Ernst selbst an die Spitze des schwäbischen Herzogtums und erreichte damit eine höhere Position in Hierarchie und politischem Gefüge des Reiches als sein älterer Bruder Markgraf Heinrich. Schon nach drei Jahren fiel er jedoch einem tragischen Jagdunfall zum Opfer, irrtümlich getroffen vom Pfeil eines seiner Begleiter. Ernst, der auf die gleiche Weise wie sein Vater ums Leben kam, bestimmte auch seine letzte Ruhestätte neben Liutpald in Würzburg. Doch ging die Herrschaft der Babenberger in Schwaben weiter. Zuerst durch Ernsts gleichnamigen Sohn, dessen Energie sich in der Auseinandersetzung mit seinem Stiefvater Kaiser Konrad II. verbrauchte und der schließlich als treubrüchiger Rebell ums Leben kam. Name und Schicksal des Unglücklichen lebten in der mündlichen Überlieferung fort und verdichteten sich unter dem Einfluss ähnlicher Ereignisse in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts zu einem Spielmannsepos („Herzog Ernst“); und bis zum Ende des Mittelalters wirkte das Thema als trivialisierte Literatur sehr verbreitet als Volksbuch weiter. Dem kinderlosen 18-Jährigen folgte 1030 sein jüngerer Bruder Hermann, der einen Namen der früheren schwäbischen Herzogsfamilie trug; auch er starb ohne männliche Nachkommenschaft, sodass die Babenberger als Herzöge zunächst eine Episode blieben und der Schwerpunkt ihrer Macht wieder in der noch wenig kultivierten Mark ausgebaut werden musste. Ein weiterer Bruder Heinrichs war Poppo, der wie er einen Namen führte,
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welcher auf die bedeutende fränkische Sippe des 9. Jahrhunderts verwies. Poppo war für den geistlichen Stand bestimmt, besuchte die Domschule in Regensburg und wurde dann Dompropst am neu gegründeten Bamberger Bistum. Es muss nichts bedeuten, doch ist es immerhin bemerkenswert, dass ein Vertreter dieser Familie gerade am Main und dann gerade in „Babenberg“ seine geistliche Laufbahn begann. 1016 setzte ihn Kaiser Heinrich II. als Erzbischof in Trier durch, was ihn aber nicht hinderte, zugleich seinem kindlichen Neffen Ernst in Schwaben als Vormund zu dienen. Dreißig Jahre lang zählte Poppo zu den einflussreichsten kirchlichen Fürsten des Reiches. Es ist nicht zu übersehen, dass die zweite Generation der „österreichischen“ Babenberger zu den führenden Adeligen Süddeutschlands gehörte und die Mark nur eine ihrer politischen Optionen war. Die manchmal unterschwellig vertretene oder gar behauptete Meinung, die frühen Babenberger seien ein durchschnittliches Adelsgeschlecht am Rande des Reiches gewesen, anachronistisch gesagt Krautjunker, und erst die Einheirat Liutpalds III. in das Kaiserhaus habe sie aufgewertet, ist sicherlich nicht richtig. Man wird vielmehr die Herkunft Liut palds I. und seine Stellung in einem adeligen Beziehungsgeflecht recht hoch einschätzen müssen. Nur dadurch eröffneten sich seinen Söhnen bedeutende Möglichkeiten. Der Tod scheint Markgraf Heinrich unerwartet ereilt zu haben. Das Datum seines Hinscheidens, 23. oder 24. Juni 1018, ist bekannt, nähere Umstände sind es nicht. Thietmar von Merseburg bringt die Nachricht im Kontext mit Rechtshandlungen und Hoftagen des Kaisers, sodass eine Anwesenheit des Markgrafen möglich wäre. Heinrich II. befand sich in der fraglichen Zeit in Straßburg und Basel, um zuletzt einen Feldzug gegen Burgund zu unternehmen. Dass ein so kriegerischer und militärisch erprobter Mann wie der Markgraf daran beteiligt gewesen wäre, ist nicht auszuschließen, wenn auch die Teilnahme an einem so weit von der bayerischen Mark wegführenden Heereszug nicht eben wahrscheinlich ist. Wo man den Markgrafen bestattete, ist ebenfalls unbekannt. Ist er wirklich mit dem Kaiser nach Burgund gezogen, wird ein Begräbnis in Melk ziemlich unwahrscheinlich; anders sieht es aus, wenn er in der Mark verstorben ist. In den Melker Babenbergergräbern lässt sich ihm kein Skelett zuordnen, obwohl ihn eine Grabinschrift des 13. Jahrhunderts nennt. Den Namen seiner Frau kennt man nicht; Kinder haben ihn nicht überlebt.
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2.
Zwischen Kaiser und Ungarn: Adalbert
Folgte er 994 problemlos seinem Vater, so jetzt 1018 sein jüngster Bruder Adalbert ihm. Man hat diese Nachfolge genealogisch problematisiert, weil dieses Faktum im 11. Jahrhundert nicht eben häufig ist; mehr aber noch, weil Adalbert bis 1055 lebte und die Führung der Mark innehatte. Er überlebte Heinrich also um eine ganze Generation, was bei der grundsätzlich geringen Lebenserwartung auch Adeliger dieser Zeit nicht leicht für eine Bruderschaft Adalberts zu Heinrich sprechen mochte. Daher wurde Adalbert immer wieder – und noch von führenden Historikern der österreichischen Geschichte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts – für einen Sohn Heinrichs angesehen. Eine solche Filiation würde auch die kaum erklärliche Kinderlosigkeit des österreichischen Markgrafen aufheben. Es waren im Wesentlichen die anatomisch-paläontologischen Untersuchungen am Skelett des eindeutig identifizierbaren Markgrafen Adalbert, die auch diesen der zweiten Generation der österreichischen Babenberger zuzählen lassen. Etwa 65 Jahre alt ist der Markgraf geworden, was eine Geburt um 990 voraussetzt, da das Sterbedatum 1055 genau feststeht. Die Schwäche aller genealogischen Argumente ist freilich die Tatsache, dass sich Liutpald I. nicht einordnen und daher auch nicht geburtsmäßig datieren lässt. Wenn er wirklich der Graf Liupen aus der kaiserlichen Urkunde von 962 ist, wird man ihn als Teilnehmer des Romzugs Ottos des Großen doch wohl für mindestens zwanzig Jahre alt halten müssen. Es kam ja nicht nur auf die Kampfkraft, sondern auch auf ein gewisses Ansehen an, das man mit 16 Jahren noch kaum erworben haben konnte. Wäre Liutpald I. wesentlich älter gewesen, käme er als Vater Adalberts nur schwer infrage, so aber wird man dem Endvierziger noch einen Sohn um 990 zurechnen können, selbst wenn sein (nachweisbar) ältester Sohn, Markgraf Heinrich, schon um 970 geboren sein sollte, was wahrscheinlich ist. Freilich könnten diese vielleicht zwanzig Jahre Unterschied auch ein Verhältnis Vater–Sohn von Heinrich und Adalbert erklären! Genealogische Abwägungen allein helfen da nicht weiter, die paläontologischen Erkenntnisse stützen jedoch einige Quellenaussagen, die Adalberts älteren Sohn als Neffen Erzbischof Poppos von Trier bezeichnen und somit Adalbert als dessen – und so auch Markgraf Heinrichs – Bruder. Der Begriff nepos ist jedoch nicht ganz eindeutig: Er kann auch den Enkel
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oder irgendeinen näheren Verwandten bezeichnen – also etwa den Großneffen im heutigen Sinne. Dass Adalberts ältester Sohn aber Liutpald hieß, lässt wiederum vermuten, dass er ein Enkel des ersten Babenbergers war. Adalbert und Heinrich waren also mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Brüder, deren jeweilige Geburtsjahre wohl weit auseinanderlagen; getrennt durch die Existenz von fünf oder sechs (nachweisbaren) Geschwistern und wohl noch weitere Geburten, die keine Erwähnung in den Quellen gefunden haben. Interessant ist allerdings, dass Otto von Freising sein Geschlecht auf diesen Adalbert zurückführt, ihm also eine Position als Stammvater zuerkennt. Eine solche ist nach heutigen Maßstäben dem dritten Markgrafen nicht zuzusprechen, da die bayerische Mark schon über vierzig Jahre früher von derselben Sippe verwaltet worden ist. Wir haben gehört, dass die genealogischen Vorstellungen und das daraus abgeleitete Selbstverständnis großer Sippen punktuell auf ruhmvolle Vorfahren gerichtet ist: So geht Otto von Freising von Adalbert gleich auf jenen gleichnamigen Grafen an der Wende vom 9. zum 10. Jahrhundert zurück, während Liutpald I. und Heinrich I. offensichtlich in der Memorialüberlieferung der österreichischen „Babenberger“ keine bedeutsame Rolle spielten. Adalbert musste als äußerst kriegstüchtiger, für die Könige verlässlicher Kämpfer gegolten haben, dessen Erfolge gegen Ungarn und Böhmen einen besonderen Eindruck auf die Zeitgenossen machten. In ihm verkörperte sich die Mark, nicht nur bei seinen Umritten, wo er die Realität der Herrschaft für jedermann sichtbar zum Ausdruck brachte, sondern auch in der Tradition seiner Familie. Es wird wohl so sein, dass man mit Adalbert die überzeugende Machtstellung in der Mark und die Identifizierung mit der davon abhängigen Verantwortung für das Reich erstmals verband. Die Phase der dort oft umstrittenen Etablierung der Babenberger, des Überwindens innerer Gegensätze, mochte nun vorüber sein. Tatsächlich ist die Welt unter Markgraf Adalbert eine andere geworden. Nicht weil er ein unbesiegbarer Held war, der ins Lied der einfachen Leute einging und dort ein Eigenleben entwickelte – das blieb seinem Neffen Herzog Ernst von Schwaben vorbehalten –, sondern weil er der Erste war, der mit dem Auf und Ab der Ostpolitik des Reiches und dessen inneren Problemen zu tun hatte; für den das eine Art Alltag werden sollte, in dem sich der Markgraf als Amtsträger des Reiches, aber auch als Haupt der „babenbergischen“ Sippe behaupten musste. Wenn die Wogen der ungarischen Angriffe
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und der kaiserlichen Kriegszüge sich über die Mark ergossen und sehr oft hier zusammenstießen, dann bestand die Gefahr, dass die geografischen und dann auch die politischen Konturen dieses Gebiets ausgelöscht würden. Dies durch Tapferkeit, militärische Kompetenz im weiteren Sinne und einen Zug von unvergleichlicher Brauchbarkeit und Unersetzlichkeit verhindert zu haben wird wohl Adalberts Verdienst gewesen sein, wie es seine Nachfahren sahen. Dass es sich um eine besondere Bewährung gegen die Ungarn handelte, mochte einem Otto von Freising sympathisch sein und ein Grund mehr, seinen Ururgroßvater mit dem fernen, aber legendären Grafen Adalbert zu vergleichen. Diese Autorität ausstrahlende Festigkeit hob ihn aus der Brandung des politisch-militärischen Geschehens mit all seiner für die verschiedenen Machtträger daraus erwachsenden Unsicherheit heraus. Man braucht nur die stetigen Machtwechsel in den Herzogtümern und Grafschaften des süddeutschen Raums zu berücksichtigen, so erscheint Adalbert als unverrückbare Größe, die auch die Existenz seines Herrschaftsgebiets stärkte. Dennoch ist nicht zu leugnen, dass der politische Einfluss der Babenberger sich zunächst deutlich verminderte. Der Markgraf spielte zwar in den immer wiederkehrenden Scharmützeln mit den aggressiven und unberechenbaren Ungarn als kundiger und unverdrossener Grenzhüter eine führende Rolle. Für die salischen Könige Konrad II. und Heinrich III. wird er als „Ungarnexperte“ bei ihren Heereszügen mit Rat und Tat unverzichtbar gewesen sein. Aber in der überregionalen Reichspolitik trat Adalbert fraglos hinter seine schwäbischen Vettern zurück und lässt sich bis in die Mitte der Dreißigerjahre des 11. Jahrhunderts überaus selten bei Hoftagen des Königs nachweisen. In den letzten Jahren König Heinrichs II., des letzten Herrschers aus sächsischem Geschlecht, ging die Durchdringung der bayerischen Ostmark im Wesentlichen ungestört weiter; vor allem am linken Donauufer zwischen Wien und Hainburg begann die Kolonisation des Marchfelds, wobei man sich dem von Mährern und Ungarn beanspruchten siedlungsarmen Niemandsland im heutigen Weinviertel nur zögernd näherte. Doch das unmittelbare Donauland, das durch die Auffächerung des Stromes in mehrere Arme und tote Gewässer schwer zu erschließen und zu beherrschen war, gehörte zu jenem Königsgut, in dem hauptsächlich kirchliche Institutionen Siedlungsgebiet erhielten. Als das neu gegründete freisingische Stift Weihenstephan im Jahre
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1021 einen Teil der Donauinsel Sachsengang zugesprochen bekam, wird in der über das Rechtsgeschäft ausgestellten Urkunde auch eine bereits bestehende Brücke über die Donau, das heißt über einen ihrer Arme, erwähnt. Dass diese Brücke, die in der Gegend von Mannswörth den Fluss überquerte, von den Babenbergern errichtet worden sei – wie das die ältere Forschung behauptete –, ist völlig aus der Luft gegriffen. Besitz der Babenberger im Lande südöstlich von Wien ist zu dieser Zeit nicht überliefert; deren Interessen im späteren Weinviertel lagen damals in der Gegend um Rußbach, an der Schmida und vor allem im Gebiet um Zaya und March. Hingegen wird (Groß-)Enzersdorf als Mittelpunkt freisingischer Herrschaft in der Mark nördlich der Donau bereits deutlich; jedenfalls reichte die Schenkung des Kaisers 1021 von Kagran bis Orth, wenn auch nicht allzu weit vom Donauufer ins Landesinnere hi nein. Der genannte Wald ist heute verschwunden und könnte in der Gegend um Wittau gewesen sein, ein Ort, der noch im Namen eine Erinnerung daran bewahrt (Wittau = waldige Au). Dass hier günstige wirtschaftliche Voraussetzungen herrschten, lässt die Nennung von Bienenweiden und Holzschlag vermuten. Die Babenberger haben mit der Schenkung an Weihenstephan im Markengebiet direkt nichts zu tun, doch erlauben die lokalen und wirtschaftlichen Angaben der Schenkungsurkunde exemplarisch einen Blick auf die herrschaftliche Durchdringung der Mark und deren Gegebenheiten. Auch Güterschenkungen östlich des Flusses Schwechat und an der Fischa zeigen die Möglichkeiten auf, die in den frühen Zwanzigerjahren des 11. Jahrhunderts für die Ausweitung der Mark bestanden und vorerst punktuell genutzt wurden. Adalbert wird dabei fast immer als Markgraf genannt, um den übergebenen Grund und Boden gleichsam verwaltungsrechtlich zu definieren. Als Empfänger königlicher Schenkungen selbst scheint er aber nicht vor der Mitte der Dreißigerjahre auf. Um 1030 setzte eine Epoche größerer und meist lange währender Ausein andersetzungen mit den Ungarn ein, die ein Menschenalter geruht hatten. Die Ehe des heiligen Königs Stephan mit der bayerischen Herzogstochter und Kaiserschwester Gisela hatte dem Südosten des Reiches eine Periode des friedlichen Nebeneinanders beschert, wenn man das auch nicht absolut sehen darf. Die Ungarn mussten sich gesellschaftlich neu orientieren, die christlichen Forderungen, die ja durchaus etwas Fremdes, teilweise Unverständliches waren, in ihre traditionelle Moral einbauen und sich in der abendländi-
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schen Welt einigermaßen etablieren. Kleinere Plünderungszüge, bewaffnete Begegnungen im offenen, herrschaftlich von keiner Seite erreichten oder gar durchdrungenen Land wird es weiterhin gegeben haben, aber die wesentlichen Interessen des Königs und seiner Großen waren auf die neue Organisation des magyarischen Herrschaftsverbandes gerichtet. Erst im letzten Jahrzehnt König Stephans begann sich ein Antagonismus zwischen dem Reich und den Magyaren zu entwickeln. Eigentlich waren es bayerische Fürsten, die durch ein herausforderndes Verhalten Feindschaft erregten und den schwelenden Gegensatz zu den Ungarn anfachten. 1030 entschloss sich Kaiser Konrad II., selbst ein großer Kämpfer und leicht zu reizen, mit einem Heer in ungarisches Herrschaftsgebiet einzufallen. Größere Heere waren bisher noch nie dorthin eingerückt, und daher hatte man offensichtlich die Hindernisse und Verpflegungsprobleme eines solchen Zuges nicht bedacht. Vom Regen angeschwollene Flüsse und eine unwegsame Sumpflandschaft zwangen das Heer zu Umwegen, auf denen es zusätzlich durch Grenzverhaue behindert wurde. Da man sich nicht in einer Feldschlacht entwickeln und dadurch die geballte Wucht eines Reiterangriffs zur Geltung bringen konnte, hielt man sich an Verheerungen und Plünderungen bis zum Flusse Raab. Vom Hunger getrieben und von Erfolglosigkeit geschwächt, machte sich das Reichsheer auf den Rückzug. In Wien, eher in seiner Umgebung, wurde es von den frischen Truppen König Stephans umzingelt und musste sich ergeben. Danach wurde einvernehmlich der Fluss Fischa als Grenze der jeweiligen Einflusssphären festgesetzt, auch das wohl eher eine ungefähre als eine genau gezogene Grenzlinie. Ob die bayerische Ostmark durch diesen Grenzvertrag siedlungsmäßig zurückgeworfen wurde, ist strittig. Zwar gab es königliche Schenkungen, die das Gebiet zwischen Fischa und Leitha betrafen, doch dürften jene schon in einem Niemandsland erfolgt sein, das einer herrschaftlichen Durchdringung und damit einer eindeutigen Zugehörigkeit noch entbehrte. Markgraf Adalbert wird in diesem Zusammenhang nicht erwähnt, doch wird man ihn unter den Führern des glücklosen Heeres vermuten dürfen. Deutlicher tritt der Babenberger in den Kämpfen gegen die Ungarn ab 1041 hervor. Der ungarische König Peter Orseolo, der noch 1039 Einfälle in die Mark unternahm, musste zwei Jahre später fliehen, als ihn ein der nationalen ungarischen Partei angehörender Rivale (Samuel) Aba der Herrschaft beraubte. Peter wandte sich an Markgraf Adalbert, der in zweiter Ehe mit seiner Schwester verheiratet war. Die Annalen des Klosters Niederal-
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taich, die die Ungarnkämpfe jener Zeit am ausführlichsten überliefern, sprechen ausdrücklich von „unserem“ Markgrafen. Das mag eine besondere Betonung des bayerischen Selbstverständnisses ausdrücken, aber auch ein Hinweis auf die Bekanntheit, das heißt weithin anerkannte Tüchtigkeit, Adalberts sein. Mehr als dieser trat zunächst sein Sohn Liutpald in den Vordergrund. Bei den Kämpfen gegen die Böhmen, welche zuerst wenig erfolgreich verliefen, 1041 aber den Herzog Bretislav I. dann doch zur Unterwerfung nötigten, gelang es dem jungen Babenberger, mit einer von ihm aufgestellten kriegerischen Mannschaft im Grenzgebiet zwischen Böhmen und Bayern eine stark befestigte Siedlung des Feindes zu erobern. Dieser angeblich einst Markgraf Adalbert gehörige Burgort wurde dem Erdboden gleichgemacht, nachdem Liutpald Menschen und Vieh fortgetrieben und den Sohn des böhmischen Befehlshabers gefesselt weggebracht hatte. Die Lage jener Befestigung ist umstritten: Eine Wehranlage am Oberleiser Berg wurde dafür ebenso in Vorschlag gebracht wie die slawisch besiedelte „Schanze“ in Gars/Thunau; beides wohl ohne überzeugende Argumente. Dieser an sich ja nicht gerade kriegsentscheidende Erfolg, der uns heute wie ein Husarenstück eines jungen Mannes im Rahmen viel größerer Entscheidungen erscheinen will, muss für König Heinrich III. tatsächlich einen weit höheren Wert gehabt haben. Jedenfalls wurde Liutpald am Hoftag zu Regensburg vom Herrscher besonders ausgezeichnet. Er erhielt ein prachtvolles Pferd mit einem goldverzierten, schön gearbeiteten Sattel, das Heinrich III. eben erst von Herzog Bretislav anlässlich der Unterwerfungszeremonien empfangen hatte. 1042 plante König Aba (Ovo) einen Angriff auf bayerisches Gebiet, um seinem vertriebenen Rivalen Peter die Unterstützung zu entziehen: Heimlich zog er ein großes Heer zusammen und trachtete jeden Verkehr mit der bayerischen Mark zu unterbinden. Er verbot Kaufleuten, Reisenden, Boten, ja sogar den deutschen Gesandten ungarischen Boden zu verlassen und konnte zunächst unbehindert vorrücken und Markengebiete brandschatzen. Aba selbst führte ein Heer südlich der Donau ins Landesinnere, ein von ihm ernannter Herzog sollte nördlich des Stromes vordringen. Schnell erreichte der ungarische König die Traisen und damit eine Gegend, in der von alters her das ungarische Aufmarschgebiet endete. Von dort aus ließ Aba seine kriegerische Mannschaft fast in alter nomadischer Manier ausschwärmen und Beute machen. Wie überraschend sein Angriff und wie unerwartet vor allem sein weites Vordringen war,
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zeigen die Quellen sehr anschaulich. Viele Bewohner wurden in den Betten schlafend angetroffen, andere genossen friedlich den Feierabend in ihren Häusern, als die Ungarn bei ihnen eindrangen. Manche wollten sich verteidigen, resignierten jedoch bald im Hinblick auf die Masse der Angreifer. Vom Morgengrauen bis zum Abend sollen die Plünderungen gedauert haben. Schwer mit Beute beladen, zogen sich der König und sein Heer in die Umgebung der Stadt Tulln zurück und kehrten am nächsten Morgen unbehelligt heim. Der Mönch aus Niederaltaich, der uns ausführlich über das Geschehene Mitteilung macht, kann dieses Unglück wie üblich nur als göttliche Strafe und Folge des sündhaften Lebens der Markleute erklären. Von einer unzureichenden oder versäumten Verteidigung des bayerischen Südostens ist keine Rede. Wie wenig kampfbereit man in einem so gefährdeten Grenzland grundsätzlich war, wird aus diesen Tatsachen deutlich. Eine ständige militärische Bereitschaft gab es jedenfalls nicht. Das ersieht man auch aus den Vorkommnissen nördlich der Donau. Dort verheerte der von Aba beauftragte Herzog das Land und schleppte zahlreiche Menschen als Gefangene fort. Da traf er auf den Markgrafen Adalbert und seinen tüchtigen Sohn Liutpald, die eine kleine bewaffnete Mannschaft mit sich führten. Dreißig Schildträger (scutati) sollen es gewesen sein, das heißt wohl Berittene, wahrscheinlich schwer Gepanzerte, die noch ihnen zugehörige leichter ausgerüstete Fußkrieger mit sich führten; so lässt sich die lateinische Terminologie milites und servitores verstehen: alles in allem keine hundert Mann. Es ist schwer vorstellbar, dass es sich dabei um eine schnelle Eingreiftruppe unter Führung des Markgrafen handelte. Eher wird man an einen Erkundungsritt Adalberts denken, dem die ungarischen Einfälle zu Ohren gekommen waren. Die Zahl der Bewaffneten war im vorhersehbaren Fall wohl doch größer, wenn man auch nicht übertreiben sollte. Jedenfalls war der Markgraf dem ungarischen Herzog zweifellos zahlenmäßig klar unterlegen. Umso erfreulicher war es daher, dass Adelige (nobiles) und gut bewaffnete Krieger (fortes), die sich auf ihren Besitzungen befanden, Markgraf Adalbert zu Hilfe kamen. Es ist fraglich, ob man in deren Tun eine Beistandspflicht der marklichen Grundherren erkennen muss oder einen Akt entschlossener Selbsthilfe vermuten darf. Die Überlieferung deutet auf Letzteres, doch sieht der Annalist das Geschehen als Exempel des Erfolg bringenden Gottvertrauens und ist daher um Beiläufigkeit und Heraushebung der Tapferkeit bei der Minderzahl bemüht. Lieber wollten sie das Leben verlieren als in Schande weiterleben!
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Die ungarischen Krieger sind so zahlreich, zehn „Legionen“ sagt der Geschichtsschreiber, dass sie der listige Herzog in drei Gruppen teilen kann. Ein Drittel der Mannschaft genügt ihm, zur Sicherheit wird ein zweites als Reserve versteckt, ein drittes ist notwenig, um die gewaltige Beute zu bewachen. Nun beginnt das Treffen, das wohl nach den Gesetzen einer verabredeten Feldschlacht abläuft. Markgraf Adalberts Leute durchbrechen die ungarische Phalanx, es gibt Tote, Verwundete und Fliehende unter ihnen. Nun werden die Gefangenen befreit, was wohl bedeutet, dass man auch die Beutewächter zersprengt hat. Müde vom Dreinschlagen, Töten und Verfolgen, sieht sich die kleine Mannschaft der Markleute nun plötzlich den ausgeruhten Reservisten der Ungarn gegenüber. Am Rande der Hoffnungslosigkeit rufen sie schließlich Christus an und überrennen auch die letzten magyarischen Streiter. Wer nicht getötet wird, flieht, ertrinkt aber in den Strudeln der wild fließenden March. Was aus dieser von den Vorstellungen des göttlichen Weltplans exemplarisch aufgebauten Darstellung über die Verhältnisse in der Mark unter Adalbert ausgesagt wird, ist nur den spärlich mitgeteilten Fakten zu entnehmen: die Offenheit dieses Grenzlandes trotz vorangetriebener Siedlungstätigkeit, die Unmöglichkeit eines wirksamen militärischen Schutzes der Region, der Mangel an Siedlern und bewaffneten Gruppen, die dem Grundherrn und dann auch im Ernstfall dem Markgrafen zur Verfügung stehen. Auffällig ist die Mitteilung, dass König Aba mit Heer und Beutegut (wahrscheinlich auch Gefangenen) nicht in die Stadt Tulln selbst einrückt, sondern bloß in ihrer Umgebung bleibt. Das kann ganz simpel Platzgründe gehabt haben, möglicherweise aber auch für die gute Befestigung dieser spätantiken civitas sprechen. Eine Belagerung hätte den Ungarn vielleicht Probleme bereitet, die sie nicht auf sich nehmen wollten. Ein längerer Aufenthalt in der Mark hätte aber vielleicht ein bayerisches Heer oder gar das Reichsheer auf den Plan gerufen. Dieses erschien im Herbst des Jahres, wobei man den Weg nördlich der Donau wählte. Dies sei auf Anraten des böhmischen Herzogs Bretislav geschehen, berichtet der Chronist. Mit diesem Anmarsch rechneten die Ungarn offensichtlich nicht und ihre natürlichen und künstlichen Hindernisse waren auf einen Angriff von südlich der Donau her ausgerichtet. Zugleich besagt dieser Hinweis, dass der Weg nördlich der Donau wohl nur sicher war, da ihn der böhmische Herzog garantierte. Dieses Gebiet wurde zwar mehr und mehr
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von der deutschen Siedlung erfasst, scheint aber immer noch nicht wirklich gesichert gewesen zu sein. Böhmische Einfälle und Störungen der Siedlungsbewegung im Weinviertel waren weiterhin möglich und wurden wohl nicht als Überfall in ein „anderes Land“, sondern als Versuch angesehen, sich im offenen Grenzgebiet durchzusetzen. Der Heereszug König Heinrichs III. war, was den gestifteten Schaden angeht, sehr erfolgreich. Bis zum Fluss Gran richteten sich die Verwüstungen und Zerstörungen, neun Städte unterwarfen sich dem deutschen König, der Deutsch-Altenburg (Hainburg?) und Pressburg vernichtete. In offener Feldschlacht wurden die heranstürmenden Ungarn zweimal niedergemacht. Südlich der Donau hinderten anschwellende Flüsse und Sümpfe ein weiteres Vordringen des Heeres. Doch schon 1043 marschierte Heinrich III. abermals gegen die Ungarn. Zuvor hatte er den ungarischen Gesandten ausrichten lassen, er müsse das Friedensangebot ihres Königs Aba erst mit seinen satrapae auf einem Hoftag in Regensburg besprechen. Unter den satrapae – ein altertümliches Wort für die vom König eingesetzten Machtträger – verstand dieser wohl die bayerischen Fürsten, die das Ungarnproblem besonders gut kannten. Darunter werden in erster Linie auch Markgraf Adalbert und sein im Kampf erprobter Sohn Liutpald zu zählen sein, obwohl der König keine Namen nennt. Adalbert hatte nicht nur ständig und hauptsächlich mit ungarischen Angriffen und Überfällen zu tun und kannte deren Taktiken und militärische Technik wahrscheinlich am besten. Er war auch über seine zweite Gemahlin Frowila (oder Froiza), der Schwester des exilierten Königs Peter, über politische Vorgänge in Ungarn und die Meinungen der führenden Gruppen am Hof unterrichtet. Frowila, venezianischer und ungarischer Herkunft, hieß ursprünglich Dominica und änderte ihren Namen in der babenbergischen Mark durch einfache Übersetzung ins Althochdeutsche. Anscheinend ließ sich der König noch vor der Grenze über den Stand der Dinge genauer unterrichten. Er hielt einen Hoftag ab, möglicherweise in Wien, das von den zeitgenössischen Quellen zwar nicht genannt wird, wohl aber von der hundert Jahre jüngeren Kaiserchronik: der chunich do ze Wiene ainen hof sprach. Nachdem sich schon im Jahre 1030 das erfolglose Reichsheer dort gesammelt hatte, war die Stadt wohl damals auf dem Wege donauabwärts nach Ungarn – östlich von Tulln und südlich des Flusses – ein wichtiger Burgplatz, allerdings nicht mehr; noch keine Stadt in unserem Sinne. Jedenfalls hielten die „Ungarnexperten“
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einen Einfall des deutschen Heeres für günstig, und so rückte Heinrich III. weiter vor und bezog Stellung am Ufer der Rabnitz. Den drohenden Angriff verhinderten Gesandte König Abas, der nicht nur Seidenstoffe und Gold anbot und die Auslieferung ehemals in der Mark Gefangener versprach, sondern auch auf das Land zwischen den Flüssen Fischa und Leitha verzichtete, das 1030 König Stephan dem Heiligen zuerkannt worden war. Aus Gründen der Freundschaft zwischen Kaiser Konrad II. und dem ungarischen König, wie der niederaltaische Annalist vermerkt und damit die damalige Niederlage des Reichsheeres verschleiert. Deutsche Siedlungen in diesem Zwischenstromland hatten auch nach 1030 offensichtlich weiter bestanden, Königsschenkungen in diesem Raum sind jedoch keine überliefert. Nun konnte aber auch dort eine den Möglichkeiten der Zeit entsprechende planmäßige Besiedlung vorgenommen werden. Tatsächlich scheint der deutsche König mit dem Wirken Markgraf Adalberts nicht restlos zufrieden gewesen sein oder er kam zu der Überzeugung, dass die Aufgaben des Markgrafen zu vielfältig seien, wenn man den weiten Raum der Mark und die doch sehr begrenzte Anzahl von Siedlern in Erwägung ziehe. So erhielt Adalbert nur eine Schenkung an der Pielach, im gesicherten Altsiedelland, während er im Grenzland nördlich und südlich der Donau leer ausging und nicht zur herrschaftlichen Durchdringung jener Gebiete ermuntert wurde. Kleinräumigkeit und konzentrierte Kraft mussten im Grenzland bessere Voraussetzungen bieten, sich gegen Feinde zu behaupten und eine sinnvolle Erschließung des Landes zu bewerkstelligen. Alle diese Erwägungen traten zunächst zurück gegen die Hochzeit Heinrichs III. mit Agnes von Poitou in der Pfalz Ingelheim und den sich daraus ergebenden Überlegungen und Problemen. Doch in Vergessenheit geriet der Plan einer Neuorientierung der Markenpolitik im Südosten auch damals keineswegs. Des Markgrafen Sohn Liutpald war in Ingelheim zugegen und wurde mit Ida von Braunschweig vermählt. Ihn bestimmte Heinrich III. zum ersten Markgrafen einer erst zu errichtenden kleineren, die Grundlagen für die Verteidigungspolitik bietenden effizienteren Mark im Neusiedelland linker und rechter Hand des Stromes. Liutpalds Ansehen war offensichtlich enorm und der König von seiner Durchschlagskraft überzeugt. Es bedeutete für die Stellung der Babenberger im Reich gewiss einen Rückschlag, dass Adalberts so hoch geschätzter Sohn wenige Tage später plötzlich noch in Ingelheim verstarb. Liutpald wäre
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imstande gewesen – die sichtlichen Hulderweise des Königs lassen das vermuten –, einen engeren Bezug zum salischen Königtum herzustellen und damit den Prestigeverlust für die Babenberger durch das Aussterben der schwäbischen Linie wettzumachen. Der Leichnam Liutpalds wurde von seinem Onkel Poppo von Trier in dessen Bischofsstadt beerdigt. In der Forschung des 19. Jahrhunderts hat man den Namen dieses jung verstorbenen Hoffnungsträgers wiederholt mit der Ordinalzahl II versehen (Liutpald = Leopold II.). Doch weil dadurch die Zählungen der anderen Träger dieses Namens um eins hi naufrückten, stiftete das Verwirrung. So bekannte Namensträger wie der heilige Markgraf und der glorreiche Herzog wären dann auf einmal Leopold IV. und Leopold VII. gewesen, was vereinzelt vertreten, aber letztlich nicht durchgesetzt wurde. So ging man dazu über, diesen Leopold (II.) zu nennen, doch ist es vorzuziehen ihn einfach ohne Ordinalzahl als Sohn Markgraf Adalberts zu belassen. Auch 1044 ging es wieder nach Ungarn, um eine Adelsverschwörung gegen den vom Reich unterstützten König Peter niederzukämpfen. Ein kleines Heer von Bayern – dem auch der Markgraf angehört haben wird – und Böhmen hatte zahlreiche Schwierigkeiten, zumal die Ungarn aus bayerischen Verräterkreisen wussten, dass Heinrich III. diesmal nur mit geringen Kräften anmarschiere. Diese kurze Bemerkung macht deutlich, dass die bayerischen Fürsten, Grafen und Kirchenoberen im Sinne des Reiches keineswegs eine starre Phalanx gegen die unruhigen Magyaren bildeten. Doch das kleine bayerischböhmische Heer bediente sich seinerseits ungarischer Sympathisanten, die für eine Umgehung der Sümpfe und Verhaue sorgten. So kam es zur Schlacht, wobei den Reichstruppen nach Ansicht der Historiografen offensichtlich Gott Hilfe sandte, indem ein starker, durchdringender Staubwind die ungarischen Krieger lange Zeit am Sehen hinderte. Eine vorzeitige Entscheidung führte das Wunder aber nicht herbei. Der Kampf wurde erbittert geführt: Obwohl Heinrichs Heer zahlenmäßig unterlegen war, flohen zuletzt die Ungarn, die eine längere Strecke verfolgt wurden, bis die Reichskrieger vom vielen Töten ermüdet umkehrten. Ein besonderer Triumph war die Erbeutung der goldenen Königslanze. Diese wurde Heinrich III. 1045 formell übergeben, als er auf Einladung König Peters in Ungarn das Pfingstfest feierte und ihn mit dem Land belehnte. Der deutsche König war auf einem Schiff die Donau hinabgefahren; ihm folgte Bischof Brun von Würzburg. Bei dem gefürchteten Greiner
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Strudel erschien dem Bischof angeblich auf dem Felsen ein Dämon, ein Teufel, und verkündigte ihm seinen Untergang. Und als die Fahrt in Persenbeug unterbrochen wurde, um der Einladung der Gräfin Richlind von Ebersberg Folge zu leisten, kam es tatsächlich zu einem furchtbaren Unglück. Die Trägerbalken des Raumes, in dem sich die Gäste aufhielten, brachen ein und die ganze Gesellschaft stürzte in das darunter befindliche Stockwerk. Heinrich III. kam mit dem Schrecken davon, doch Bischof Brun, die Gastgeberin und der Abt des Klosters Ebersberg verletzten sich so schwer, dass sie bald darauf verschieden. Der königliche Besuch in Persenbeug geschah wohl im Zusammenhang mit dem Aussterben des bedeutenden Geschlechts im Mannesstamm: Es waren Fragen der Erbschaft mit der Witwe des letzten Ebersbergers zu regeln. Tatsächlich treten die Salier an manchen Orten der Mark als Besitznachfolger der Grafen von Ebersberg auf. Die Schenkung des Ortes Grafenberg etwa (bei Eggenburg) an Markgraf Adalbert und seine Frau Froiza durch den König im Jahre 1051 erfolgte auf ehemals ebersbergischem Gut. Mit dem Belehnungsakt in Stuhlweißenburg trat eine kurze Periode der Ruhe ein, in der die Mark unbehelligt blieb. In dieser Zeit ging der deutsche König an die Errichtung einer kleinen Mark im östlichen Vorfeld der bayerischen Ostmark. Unbedeutende Schenkungen erfolgten im Gebiet der Zaya, aber auch schon zwischen Fischa und Leitha. Die Errichtung der neuen Mark („Ungarnmark“) wird aus zwei Schenkungen ersichtlich, die im Gesamtumfang von 380 Hufen ( ca. 35.000 ha!) an einen Markgrafen Siegfried 1045 getätigt wurden. Ursprünglich war Liutpald für dieses Amt vorgesehen, nach dessen plötzlichem Tod dachte Heinrich III. nicht daran, diese Mark Adalbert zu übergeben. Das hätte vermutlich seinen Grundüberlegungen über die entsprechende Größe eines gut organisierten Verteidigungsbereichs widersprochen. Auch des Markgrafen jüngerer Sohn Ernst, der damals wahrscheinlich schon zwischen 17 und zwanzig Jahre alt war, schied aus den Überlegungen König Heinrichs III. aus. Liutpald war ein qualifizierter Krieger mit taktischem Geschick, verwegener Kühnheit, aber auch strategischem Überblick gewesen, Ernst hingegen war anscheinend noch nicht aus dem Schatten seines Vaters getreten. Adalbert blieb die wesentlich größere, im Westen bis zum Ennswald reichende bayerische Mark mit den Optionen auf die Erschließung des Nordwaldes und des Thayalandes. Aber seinem Amtsgebiet im Osten vorgelagert wurde nun ein Raum neuer Grenzsicherung, die der Herr-
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scher einem Grafen Siegfried anvertraute. Er stammte aus den Gegenden des Mittelrheins, denen Heinrich III. besonders zugetan war, und wird dem später in Kärnten herzoglichen Geschlecht der Spanheimer zugerechnet. Die salische Mark wurde von der Donau durchflossen und entsprach relativ genau dem Zehentsprengel, der für ein in Deutsch Altenburg einzurichtendes Marienstift vorgesehen war. Im Südosten waren die Grenzen mit Fischa und Leitha ziemlich ungefähr, im Nordosten hingegen gab es mit der March eine deutlich erkenn- und nachvollziehbare Grenze. Im Norden reichte die neue Mark sicherlich bis zur Zaya. Ein Novum stellte die Westgrenze dar: Sie folgte einer gedachten und keineswegs in der Natur vorhandenen Linie etwa vom (heute südmährischen) Nikolsburg bis Fischamend. Für die planmäßige Errichtung einer Mark sprechen auch die wiederholten Hinweise auf Vermessungen und Zuweisungen seitens des Königs. Eine Schenkung an das Kloster Niederaltaich, gleichfalls aus dem Jahre 1045, betrifft den Ort Niederabsdorf: Dieser angewiesene Klosterbesitz grenzte nach der urkundlichen Angabe genau an den Amtssprengel des Markgrafen Siegfried. So sind Umfang und Gebiet der neuen Mark einigermaßen feststellbar. Doch war sie gerade wegen ihrer planmäßigen und berechneten Anlage weitgehend eine gewaltsame Konstruktion, der wichtige Naturgegebenheiten fehlten. Seit 1048 fehlen Angaben über die Mark bei Schenkungen des Königs in diesem Raum. Die Zuständigkeit Siegfrieds wird nicht mehr erwähnt, auch der Name der Mark ausgelassen; Besitz wird einfach in orientali pago zugewiesen, was dem Streben des Königs nach Ordnung und genauer Amtsdefinition klar widerspricht. Pagus kann viel bedeuten, im 11. Jahrhundert geht der Begriff über den der Grafschaft hinaus, kann aber auch eine solche meinen oder eine ungefähre Bezeichnung für Gegend und Gebiet sein. Siegfried taucht in dieser Zeit als Graf im Pustertal auf, wo er sich eine Stellung im wichtigen Bereich der Alpenstraßen zu schaffen trachtete. Das schien ihm wohl aussichtsreicher, als sich im noch recht öden Ostland den Mühen der Landgewinnung zu unterziehen; die übermächtige Nachbarschaft des über das Faktum einer der seinen vorgelagerten Mark beleidigten Markgrafen Adalbert mochte ein Übriges tun. Es lässt sich nicht nachweisen, aber es ist äußerst unwahrscheinlich, dass das Herrschaftsgebiet Siegfrieds als solches noch weiter bestand. Amtliche Nennungen im Zusammenhang mit Angaben über die Lage eines geschenkten Guts oder Hofes fehlen noch in den Fünfzigerjahren des 11. Jahrhunderts.
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In dieser Zeit erfolgte ein quellenmäßig nachweisbarer Schub bei der Besiedlung des nordöstlichen Niederösterreich. Da Heinrich III. diese Bewegung nachdrücklich förderte, nahm man an, er hätte auch dort eine kleine Mark als konzentriertes Macht- und Verteidigungsgebiet eingerichtet. Eine Urkunde, mit der der König Besitz an der Pulkau vergibt, verwendet als räumliche und rechtliche Definition die Worte in marchia Boemia in comitatu Adelberonis (in der böhmischen Mark, in der Grafschaft des Adalbero). Doch bleibt für diese Mark im Rahmen anderer Schenkungen geografisch gesehen kein Platz. Gutszuweisungen an die Babenberger – etwa das vorhin genannte Grafenberg und Besitzungen an der Zaya – erfolgen in deren eigener Mark. So kommt jenseits der Pulkau nur ein umfänglich sehr bescheidenes Gebiet infrage, das wohl für einen gut organisierten Markenverband wenig geeignet gewesen wäre. Mit den Worten in marchia Boemia ist wohl einfach das Grenzgebiet zu Böhmen gemeint, der unbekannte Adalbero wird mit dem babenbergischen Markgrafen Adalbert identisch sein. Tatsächlich war die Inbesitznahme größerer Landstriche im nördlichen Weinviertel nach der Niederringung des böhmischen Herzogs Bretislav zwischen 1039 und 1041 möglich geworden, der nicht nur erobertes Land herausgeben musste, sondern sich zunächst aus jenem Gebiet auch zurückzog. Nach fünfjähriger Pause wurde 1050 das Ungarnproblem wieder akut. Heinrich III. fasste den Entschluss, das von ihm selbst zerstörte Deutsch Altenburg wieder aufzubauen, es stark zu befestigen und darin ein Marienstift zu gründen. Diesem Wiederaufbau wurde von ungarischer Seite nicht tatenlos zugesehen. Man hatte erfahren, dass eine zahlenmäßig nur geringe Mannschaft zum Schutz der Bauleute in jenem gefährlichen Grenzgebiet vorhanden war: Bayern, die im Auftrag von Herzog Konrad, Bischof Gebhard III. von Regensburg und Markgraf Adalbert tätig waren. Zunächst versuchte man, die werdende Festung zu verbrennen, doch ein Windstoß löschte die Flammen aus. Daraufhin gingen die Ungarn mit Waffengewalt vor: Immer wieder mussten die Bayern deren Angriffe abwehren und entschlossen sich schließlich zu einem Gegenangriff, wobei sie sich von ihren Erfolgen fortreißen ließen. Plötzlich standen sie einem riesigen ungarischen Heer gegenüber. Dieses geriet jedoch aus unerfindlichen Gründen in Panik und wandte sich zur Flucht. Jubelnd kehrten die Bayern zurück: Sie hatten angeblich nur einen Toten zu beklagen, die Ungarn hingegen mussten sechs Schiffe mit ihren erschlagenen
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Kriegern anfüllen. Eine Turteltaube, die während des Kampfes um die wachsenden Mauern der neu errichteten Stadt flatterte, wurde als göttliches Zeichen betrachtet. Die legendenhafte Darstellung der Schwierigkeiten bei der Wiedererrichtung von Deutsch Altenburg zeigt die Bedeutung, die man dieser kaiserlichen Marienstiftung beimaß. Wenn die von Heinrich III. ins Werk gesetzte Mark auch offensichtlich nach dem Weggang des Grafen Siegfried ihre spezielle Funktion verloren hatte und ihr Gebiet wieder an die ottonische Mark Adalberts zurückzufallen schien, so forcierte der König das Marienstift in Deutsch Altenburg hartnäckig. Er schenkte ihm den Ort Sieghartskirchen und verbriefte dem neu errichteten Ort in dem seit 1043 wieder deutschen Gebiet zwischen Fischa und Leitha Hufenbesitz, Zehente und Einkünfte. Ab 1051 sind die auf Österreich bezüglichen Schenkungen, in den erhaltenen Kaiserurkunden, nur mehr im Norden und Osten des Markengebiets zu finden, was auf eine gesteigerte Siedlungstätigkeit und deren bewusste Förderung durch den Herrscher in jenen Gegenden hindeutet. Die Fünfzigerjahre sind gekennzeichnet von einer Verschlechterung der Beziehungen zu Ungarn. Auch große Reichsheere bleiben erfolglos, weil sich die Ungarn nicht zur Schlacht stellen und die Versorgung bedeutender Mannschaften auf längere Zeit nicht möglich ist. „Keine Ehre und keinen Nutzen“ für das Reich bringen diese kriegerischen Unternehmungen Heinrichs III. Nach Räuberart, wie der Annalist bemerkt, ziehe das kaiserliche Heer hierhin und dorthin und verwüste das Land, ausgenommen die Kirchen, wie er betont. Die Belagerung Pressburgs wird auf Intervention Papst Leos IX. abgebrochen. In seiner gefährdeten Lage schickt König Andreas I. Unterhändler zu „unserem“ Markgrafen. Sie machen Adalbert ein Friedensangebot. Wahrscheinlich sollte dieser als vertrauter Kontrahent und Grenznachbar beim Kaiser deswegen vorstellig werden. Diese beiläufige Nachricht könnte ein Hinweis darauf sein, dass Markgraf Adalbert als besonderer Berater Kaiser Heinrichs III. in ungarischen Angelegenheiten angesehen wurde oder es tatsächlich war; vor allem aber war er verlässlich und den Saliern ergeben, soweit man das den spärlichen Nachrichten entnehmen kann. Und das wirkte sich in den Krisenjahren 1053–1055 positiv aus. Die Auseinandersetzungen mit Ungarn wurden allmählich zu einer Spielart der zunehmenden Schwierigkeiten im Reich. 1053 floh Herzog Konrad
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von Bayern zu den Ungarn, nachdem er wegen einer Fehde gegen Bischof Gebhard von Regensburg abgesetzt worden war. Mit den Ungarn fiel er wiederholt in die Donaulande, aber auch in die Karantanische Mark ein, wobei die wichtige Hengistburg bei Wildon verloren ging. Konrad hauste und wütete nun wie diejenigen, die er bisher bekämpft hatte, und eidlich verpflichtete Sympathisanten im Südosten des Reiches unterstützten ihn dabei. Im Jahre 1055 kam es zu einer weit verzweigten Verschwörung, an der führende Adelige des Südostens beteiligt waren: Der Kaiser sollte ermordet werden und der landflüchtige Konrad an seine Stelle rücken! Außer diesem waren Herzog Welf III. von Kärnten und Bischof Gebhard von Regensburg die Haupträdelsführer, viele Edelfreie – auch der Mark – schlugen sich auf ihre Seite. Doch der Kaiser behauptete sich. Konrad und Welf starben, Bischof Gebhard wurde in Gewahrsam genommen, andere hingerichtet. Über Markgraf Adalbert hören wir in diesem Zusammenhang nichts; es ist aber anzunehmen, dass er namentlich genannt worden wäre, hätte auch er sich der Verschwörung angeschlossen. Man wird ihn als königstreu ansehen müssen, obwohl das in den historiografischen Nachrichten nicht wörtlich hervorgehoben wird. Wahrscheinlich hat er die Hoffnungen erfüllt, die schon die Ottonen bei Errichtung der Ostmark in deren Markgraf gesetzt hatten: als natürlicher Gegner des Herzogs von Bayern für den König in die Schranken zu treten. Unter den zum Tode verurteilten Verschwörern war auch der Edelfreie Richwin, wohl einem Geschlecht aus der Umgebung des Bischofs von Regensburg entstammend, der beträchtlichen Besitz im nordöstlichen Weinviertel angehäuft hatte. Dieser – um die Orte Gaubitsch, Großkrut, Herrnbaumgarten gelegen – fiel nun überwiegend an den Bischof von Passau. Die Lage dieser Güter lässt vermuten, dass Richwin ab 1045 als nördlicher Nachbar der Ungarnmark in das Konzept der salischen Grenzpolitik eingebunden war. Dafür spricht die Angabe, dass Richwins Besitz genau abgemessen und begrenzt war, was nur bei Zuweisungen von Land durch den Herrscher zu erfolgen pflegte. Das Interesse des Königs an einer organisierten und durchdachten Siedlungspolitik in jenen Gegenden ist dabei zu erkennen. Bei der Umschreibung des nunmehr Passau zugefallenen Besitzes werden auch definitae notae erwähnt, Richtzeichen, welche die Grenze gegen Ungarn anzeigen sollten und eine behelfsmäßige Angabe von Bächen, Flüssen, Hügeln oder Gräben ersparten. Zugleich wird dem Passauer Bischof Egilbert aufgetragen, sich in diesem
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Gebiet gegen die Böhmen durchzusetzen. Es ist also mit Versuchen einer von Norden nach Süden verlaufenden böhmisch-mährischen Siedlungsbewegung zu rechnen. Unter Markgraf Adalbert gewann die bayerische Ostmark fraglos schärfere Konturen, mochten diese auch noch nicht die endgültigen sein. Über deren innere Verwaltung erfahren wir nichts. Die Quellen erlauben uns nur, militärische Auseinandersetzungen und königliche Landschenkungen wahrzunehmen. Und selbst dabei fällt der Name des Markgrafen relativ selten. Auffällig waren die Kämpfe in diesem Raum und die Versuche, diesen im Sinne einer Reichspolitik zu organisieren. Nach dem Verlust des Zwischenstromlandes von Fischa und Leitha unternahmen die Ungarn keine Bemühungen mehr, neues Land im Westen zu erobern und ihrer Herrschaft zu unterwerfen. Es gibt keine Vergabungen an ungarische Große, die dadurch eine magyarische Siedlungspolitik in die Wege leiten sollten. Ungarische Angriffe in die Mark spielten sich – man könnte sagen – im alten Stil der nomadisierenden Reiterkrieger ab; eine soziale Lebensform, die tatsächlich längst überholt war. Diese Beutezüge aber forderten vom Markgrafen eine stetige Abwehrbereitschaft sowie die schnelle Verfügung über eine beträchtliche Zahl berittener Krieger. Beides war im Sinne einer latenten Alarmbereitschaft nicht möglich; das Schlaglicht, das auf den Kriegszug König Abas von 1042 fällt, der mit zwei Heersäulen in die Ostmark einfiel, zeigt die in dieser Hinsicht beschränkten Möglichkeiten des Markgrafen. Dass er diese jedoch optimal zu nutzen verstand, wird dem König wertvoll gewesen sein. Dabei war nicht nur ein gewisses strategisches Geschick gefordert, sondern es kam durchaus auch auf persönliche Tapferkeit und eine ausdauernde Kampfkraft an. Das scheint den Zeitgenossen bekannt gewesen zu sein: Niemand anderer war dreißig Jahre unermüdlich mit dem Ungarnproblem befasst, musste die Mark so gut es eben ging vor den magyarischen Angriffen schirmen und bei den Reichsunternehmungen – und deren gab es in den Vierziger- und Fünfzigerjahren viele – beratend und kämpfend zur Stelle sein. Jenseits seiner Funktion als Markgraf des Reiches war Adalbert aber auch durch seine Ehe mit der Schwester des Ungarnkönigs Peter Orseolo in die ständigen Streitigkeiten um die Herrschaft in Ungarn verwickelt. Eine Unterstützung durch den König erfolgte in den Zwanziger- und Dreißigerjahren des 11. Jahrhunderts praktisch nicht. Erst Kö-
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nig Heinrich III. wandte sich den Ungarn entschieden zu. Neben den Kämpfen in Lothringen zog es den Herrscher am öftesten in die bayerische Mark, weil dieses Vorland des Reiches ständig in Gefahr geriet, vor allem durch die Ungarn, aber auch vonseiten der Böhmen, was gern übersehen wird. Die Gebiete nördlich der Donau, dann nördlich des Wagrams, waren weit unsicherer und für feindliche Besitznahme offener als das Land südlich der Donau an Fischa und Leitha. Im Norden waren aber auch die Hoffnungsgebiete der deutschen Siedlungsbewegung. Hier galt es, voranzugehen und nicht zu warten, bis der böhmische Herzog in den Süden vorstieß. Im Gegensatz zu den Ungarn gehörte das durchaus zu den Plänen der Böhmen und Mährer. Dort im Norden zeichnete sich der Markgrafensohn Liutpald (II.) aus und zeigte bei seinem Handstreich, dass er die notwendigen Eigenschaften besaß, um die deutsche Siedlung voranzutreiben und zu schützen. Kriegerische Fähigkeiten und organisatorisches Talent vereinten sich in ihm, und die Ernennung zum Markgrafen der salischen Ostmark war zweifellos eine Anerkennung seiner Leistungen. Man hat den Eindruck, dass Liutpald ein besonderer Günstling des Königs war, während Adalbert in den Hintergrund trat. Doch die alltäglichen markgräflichen Pflichten erledigte dieser offensichtlich sehr gut, und er war – soviel wir aus den Quellen ersehen können – königstreu, was in der Reichskrise von 1055 besonders zur Geltung kam. Dass die Ungarn immer wieder zurückgedrängt werden konnten und die meisten Kriege und kriegerischen Kampfhandlungen auf magyarischem Boden stattfanden, ist wohl im Wesentlichen das Verdienst Adalberts. Darum mochte er seinem Nachkommen Otto von Freising als derjenige erscheinen, der das Land westlich von Leitha und March den Ungarn abgewonnen hatte. Damit erst konnte die Besiedlung voranschreiten, an der er selbst unmittelbar nur geringfügig Anteil hatte. Am westlichen Rande des Weinviertels erhielt er vom König 1051 Besitz, an den Zayaflüssen schon 1048, doch war das wenig im Vergleich zu dem späteren Hochverräter Richwin oder gar zu den Königsschenkungen zur Errichtung der Ungarnmark! König Heinrich III. tat viel für eine bessere Strukturierung der Mark und eine effiziente Grenzsicherung, aber er tat nicht viel für seinen Markgrafen Adalbert selbst. Am 26. Mai 1055 ist dieser als gut 65-Jähriger gestorben. Seine Frau Froiza oder Frowila wird noch im Oktober 1058 als Empfängerin einer Königsschenkung genannt. Mit ihr war Adalbert längstens seit
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1041 verheiratet. Seine so kampftüchtigen und tapferen Söhne Liutpald (II.) und Ernst stammten aber aus einer früheren Verbindung des Markgrafen. Eine historiografische Nachricht aus der Mitte des 13. Jahrhunderts erwähnt eine Glismod als dessen Frau. Diese war Schwester des berühmten Bischofs Meinwerk von Paderborn (1009–1036) aus einem führenden sächsischen Geschlecht. Die guten Beziehungen und engen Bindungen der Babenberger des 11. Jahrhunderts zum sächsischen und thüringischen Adel werden schlaglichtartig erkennbar. Liutpald (II.) wurde mit der vornehmen Ida von Braunschweig aus der königlichen Verwandtschaft verheiratet, Adalbert wiederholt im Verein mit dem Markgrafen Wilhelm von Meißen genannt, und aus dessen Geschlecht stammte auch Adelheid, die zweite Gemahlin seines Nachfolgers Ernst. Dessen erste Frau Swanhild dürfte dagegen aus einem hoch angesehenen rheinischen Grafengeschlecht kommen und war mit Erzbischof Hermann II. von Köln (1036-1056) verwandt.
3.
Der klassische Markgraf: Ernst
Schon im Todesjahr Adalberts wird sein Sohn Ernst als Markgraf genannt. Auch er muss sich in erster Linie den Ungarn zuwenden, obwohl schwere Auseinandersetzungen wie unter Kaiser Heinrich III. in den folgenden Jahrzehnten ausbleiben. Im Gegenteil: 1058 zieht der achtjährige Knabe Heinrich IV. mit einem größeren Aufgebot in die Mark, um seine ebenfalls noch kindliche Schwester Judith mit dem ungarischen Königssohn Salomon (parvulam parvulo = die Kleine dem Kleinen, wie ein Geschichtsschreiber sagt) zu vermählen. Der König zieht die Donau abwärts nach Tulln, dem Mittelpunkt der Reichsbesitzungen in der Mark, überquert die Donau, um in dem zum Königsbezirk Tulln gehörigen Trübensee zu verweilen. Mitte September 1058 findet im Marchfeld die politisch motivierte Verlobung statt; ein bestimmter Ort, in dem die Feierlichkeiten abgehalten werden, ist nicht überliefert, ebenso wenig wie der Ort des königlichen Aufenthalts, der ja doch mit etwa einer Woche veranschlagt werden muss. Es ist daher anzunehmen, dass die Zeremonien auf freiem Feld erfolgten, und der König mit den Seinen in einem Zeltquartier hauste. Den Rückweg Heinrichs IV. kann man gut rekonstruieren, da die Ausstellungsorte der erhaltenen Königsurkunden die entsprechenden
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Hinweise liefern: Trübensee, Prinzersdorf, Ybbs und Thürnbuch scheinen in den Datierungen der Urkunden zwischen 25. September und 4. Oktober 1058 auf. Am 18. Oktober dieses Jahres urkundet der König wieder in Regensburg. Man wird also bis zur Enns mit einer Rückkehr entlang des südlichen Donauufers rechnen können, wobei (das in den Königsdiplomen nicht erwähnte) Tulln eine wesentliche Brückenfunktion zu erfüllen hatte. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass diese Stadt Markgraf Ernst als Machtmittelpunkt gedient haben könnte; als Sitz des königlichen Machtträgers also Melk abgelöst hätte. Für die seit einer Generation wirksam vorangetriebene Ost- und Nordostsiedlung war Tulln als Zentrum des alten Königsguts in der Mark mit seiner Lage donauabwärts wesentlich günstiger gelegen. Es ist anzunehmen, dass mindestens von dort an Markgraf Ernst die Führung des mit der königlichen Familie ziehenden Heeres übernommen hat. Wieweit die Ungarnmark 1058 noch als gesondertes Reichsgebiet angesehen wurde, lässt sich nicht feststellen. Da dort seit den späten Vierzigerjahren kein Markgraf mehr genannt wird, ein stillschweigender, unspektakulärer Übergang dieser Mark an Adalbert aber nicht nachgewiesen werden kann, muss die Frage offenbleiben. Das königliche Fest fand jedenfalls auf dem Gebiet der salischen Mark statt. Zwei Jahre später wurde das durch das Ehebündnis hergestellte gute Einvernehmen zwischen Ungarn und dem Reich wieder getrübt. König Andreas musste sich gegen seinen rebellischen Bruder Béla wehren. Mit einer wohl nicht allzu großen Mannschaft, der Königin und dem Kinderpaar trat er den Weg ins Reich an, gleichsam eskortiert von Fürsten und Edlen des Reiches. Darunter werden Bischof Eppo von Zeitz, Markgraf Wilhelm von Meißen und ein Graf Poto namentlich genannt. Dazu noch ein bayerischer Markgraf, bei dem es sich ohne Zweifel um Ernst gehandelt haben muss. Eine andere Quelle berichtet, dass der Herzog von Böhmen zu dem deutschen Heere stoßen sollte. Verfolgt von Béla, kommt es noch in Ungarn zum Kampf, wobei König Andreas sein Leben einbüßt, während sich die Königin mit Sohn und Schwiegertochter in die Ostmark retten kann. Die deutschen Fürsten verrichten – vom Abend bis zum Sonnenaufgang kämpfend (!) – kriegerische Heldentaten, doch müssen sie letztlich der Masse an Gegnern weichen. Dabei werden Markgraf Wilhelm und Graf Poto wegen ihrer Tapferkeit und gewaltigen Kampfkraft hervorgehoben. Von Markgraf Ernst ist keine Rede, wie er ja auch schon vorher nicht mit Namen erwähnt wird. Da er allgemein als großer
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Held und vielfacher Sieger über die Ungarn bekannt war, wird man annehmen dürfen, dass er gar nicht in die Schlacht eingriff, sondern zur Begleitung der königlichen Familie gehörte, die glücklich die Mark erreichte. Dass jene mit all ihren Schätzen zunächst in Melk Zuflucht fand und von Graf Diepold von Cham-Vohburg dann dem König Heinrich IV. übergeben wurde, lässt allerdings an der Teilnahme Markgraf Ernsts an dem Ungarnzug zweifeln. Gerade in Melk wird man mit seiner Präsenz rechnen müssen. Wenn er aber mit den Ungarn in die Mark ritt und mit ihnen zusammen Melk erreichte, wäre es verwunderlich, dass Graf Diepold als Verantwortlicher für die Sicherheit der Königsfamilie zu sorgen hatte. Dessen Familie war besitzmäßig in der Mark gut vertreten und gehörte zu jenen, die an deren Durchsiedelung einen nicht zu unterschätzenden Anteil hatten. Die aus verschiedenen historiografischen Quellen stammenden Nachrichten können schwerlich auf einen Nenner gebracht werden. Man wird aber nicht infrage stellen, dass Ernst für die Reichsangelegenheiten Ungarn betreffend zuständig war. Im Jahre 1063 hatte er Gelegenheit, seine diesbezüglichen Fähigkeiten erneut unter Beweis zu stellen. Ein Reichsheer rückte in Ungarn ein, um den schon drei Jahre im deutschen Exil lebenden Königssohn Salomon auf den Thron zu heben, nachdem Béla beseitigt worden war. Dieser starb tatsächlich während der militärischen Vorbereitungen, als das Heer König Heinrichs IV., der 13 Jahre alt das erste Mal persönlich in den Krieg zog, bereits die Stadt (Ungarisch-)Wieselburg eingenommen hatte. Parteigängern Salomons war es zu verdanken, dass die starken Verschanzungen Bélas umgangen werden konnten. In Stuhlweißenburg wurde Salomon gekrönt, der seinen Schwager Heinrich und auch die Fürsten königlich beschenkte. Man wird nicht fehlgehen, Markgraf Ernst unter diesen zu suchen. Am 27. September 1063 urkundet der König „an der Fischa“, wie man annehmen muss, wieder im militärischen Zeltlager. Einen Monat später wird dem Bischof von Passau der schon 1055 erworbene Besitz des Hochverräters Richwin bestätigt. In dem weitgehend mit der Urkunde Kaiser Heinrichs III. übereinstimmenden Text wird neu hinzugefügt, dass die genannten Orte Gaubitsch, Herrnbaumgarten und Großkrut in comitatu Ernasti marchionis (in der Grafschaft des Markgrafen Ernst) liegen. Es ist dies die früheste Nennung, dass Orte der ehemaligen Ungarnmark dem Amtsgebiet des Markgrafen Ernst zugehören. Die gegen Osten errichtete kleine salische Mark ist also 1063 nicht mehr existent, ihr Gebiet ist nun der
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Aufsicht des bayerischen Markgrafen unterworfen, ohne weiterhin ein Sonderbezirk zu sein. Auch in den Jahren 1066 und 1067 erfolgen Königsschenkungen im nordöstlichen Weinviertel, um den Siedlungsraum zu vergrößern und die Mark zu erweitern. Nun ist es mehr und mehr Böhmen, das zum Gegner der Expansion wird. Mit Ungarn sind die Grenzen festgelegt, fast in modernem Sinne als Linie entlang von March und Leitha. Als König Salomon zum Dank für seine Etablierung Heinrich IV. 1063 ein beträchtliches Gebiet östlich der Leitha schenkt, wovon dieser später hundert Königshufen zwischen dem Fluss und dem Neusiedler See an Passau weitergibt, bedeutet dies nur eine vorübergehende Osterweiterung der bayerischen Mark, die dem Wandel der Zeiten nicht standhielt. In diesem Zusammenhang eher überraschend weist die letzte Schenkung des Königs an den Markgrafen, von der wir Kunde haben, in eine ganz andere Richtung. Vierzig Hufen erhält Ernst 1074 in einem Wald, der im Voralpenland liegt, im Südwesten des heutigen Niederösterreich bei Scheibbs, also im Grenzbereich zur Karantanischen Mark. Die Gegend ist dem Altsiedelland zuzurechnen, in dem die Möglichkeiten königlicher Schenkungen wesentlich geringer waren als im Land nördlich der Donau. Dennoch müssen Interessen, sich in diesem Gebiet festzusetzen, bestanden haben, da Ernsts Nachfolger Liutpald II. schon zwei Jahre später dort einen noch größeren Besitz empfängt. Es ist anzunehmen, dass hier schon erste Ansätze einer Landgewinnung durch Rodung in einem unwegsamen Gebiet vorliegen. Auch dort war eine Erweiterung der bayerischen Mark de facto möglich; diesmal im Wettstreit mit den Amtsträgern und Adeligen der Karantanischen Mark. Dieses so plötzlich und wenig motiviert scheinende Auftauchen und Festsetzen des Markgrafen in einer längst besiedelten und unbestrittenen Region der Mark ist anders nur schwer zu erklären. Vermutungen, dass es sich bei der silva Rogacs um den Raabser Wald handle, sind aus guten Gründen zurückgewiesen worden, auch ist es fraglich, ob das Grenzgebiet gegen Böhmen 1076 als in der Mark Österreich gelegen bezeichnet würde. Andererseits würde eine Schenkung in diesem Raum in die sonst vorherrschende Richtung der Ausdehnungspolitik gut passen. Der Stil des geplanten Landesausbaus, wie er von Kaiser Heinrich III. forciert wurde, würde damit fortgesetzt worden sein. Man wird jedenfalls gut daran tun, die Unsicherheit bei der Lokalisierung der silva Rogacs zur Kenntnis zu nehmen und daran keine politisch-siedlungsgeschichtliche Argumentation zu knüpfen.
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Dennoch konnten sich die Ergebnisse der salischen Markenpolitik an der Donau sehen lassen. 1014 musste man sich mit einem knappen Streifen nördlich des Stromes zufriedengeben, die Hügellandschaft des Wagram war das unsichere Grenzgebiet gegenüber Mähren. Zwei Generationen später hatte man die Thaya erreicht; das Land dazwischen hatte nach einzelnen Fehlschlägen seine Herrschafts- und Siedlungsstruktur erhalten: Der Nordosten der Mark nahm Gestalt an. Das Diplom, mit dem Markgraf Ernst die Schenkung im Altsiedelland, an der Südwestgrenze der Mark, erhielt, ist im hessischen Fritzlar ausgestellt worden. Ernst befand sich wohl seit Februar 1074 im Umkreis des Königs und war bei dessen erster Konfrontation mit den aufrührerischen Sachsen an der Werra dabei. Seine sächsischen Beziehungen waren in dieser politischen Lage sicher von Nutzen. Im Spätsommer des Jahres wird er wahrscheinlich mit dem König zu einem ziemlich ergebnislosen Ungarnkrieg aufgebrochen sein. König Salomon, Heinrichs IV. Schwager, befand sich in äußerster Bedrängnis. Sein Vetter Géza bedrohte ihn und besiegte ihn in mehreren Gefechten, nur im äußersten Westen Ungarns, an der Grenze zur Mark, konnte sich Salomon behaupten, nachdem die Deutschen das Land um die Festung Wieselburg sinnlos verwüstet hatten. Markgraf Ernst, der quellenmäßig nur schlecht zu fassen ist, dessen Tätigkeiten mehr aus der allgemeinen Funktion seines Amtes im weitesten Sinne zu erschließen sind und dem Erfolge zugeschrieben werden, die von später erkennbaren Tatsachen hergeleitet sind, hat durch seinen Tod einen gewissen Nachruhm gewonnen. Während man über seine Rolle bei der Auflösung der Ungarnmark – die allerdings vielleicht schon unter seinem Vater Adalbert ins Werk gesetzt wurde – streng genommen nichts weiß und damit ein wesentlicher Vorteil für das Ansehen und die Macht der Babenberger unerklärt bleiben muss, hat er als tapferer Fürst die Anerkennung der Nachwelt erlangt; eine Anerkennung, die ihm wohl schon die Zeitgenossen spendeten. 1075 rückte König Heinrich IV. wieder mit einem Reichsheer gegen die rebellischen, unbändigen Sachsen vor. Markgraf Ernst, Sohn einer Sächsin aus bedeutender Familie, leistete abermals Heerfolge, seine Lehenspflicht über verwandtschaftliche Rücksichten stellend: ein wahrer Rüdeger von Bechelaren! Bei Homburg an der Unstrut kam es am 9. Juni zur Schlacht, über die wir ungewöhnlich ausführliche Nachrichten haben, wenn auch die betreffenden
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Geschichtsschreiber grundsätzlich eine parteiische, prosächsische Haltung einnehmen. Es war ein sehr erbittertes Ringen, bei dem Vater und Sohn und auch enge Verwandte einander gegenüberstanden, was für die Position des bayerischen Markgrafen durchaus zutreffend war, wenn der Geschichtsschreiber dabei auch einen alten Topos für die tragische, unverständliche Furchtbarkeit der Schlacht verwendet. Schließlich behielt das Reichsheer die Oberhand. Gekämpft wurde auf königlicher Seite fast ausschließlich zu Pferde; die Fürsten an der Spitze ihrer Mannschaft. Die Sachsen hingegen verfügten auch über Krieger zu Fuß, die als Waffen vor allem Streitäxte an langen Stielen führten, womit sie auch Reitern gefährlich werden konnten. Im königlichen Aufgebot hatten die Schwaben das Recht auf den Vorstreit und von ihrem Herzog Rudolf erfahren wir, dass er nur durch die Festigkeit von Helm und Panzer vor dem sicheren Tod bewahrt wurde; Quetschungen und Beulen hingegen trug er zahlreiche davon. Im zweiten Heerhaufen kämpften die Bayern unter ihrem Herzog Welf IV., hier wohl auch an prominenter Stelle Markgraf Ernst. Er muss sich im dichtesten Schlachtgetümmel befunden haben und erlitt schwerste Verletzungen; halbtot wurde er aus dem Kampf geborgen und ins Lager gebracht. Dort ist er angeblich (erst?) am nächsten Tag gestorben. In der kurzen Charakteristik, die ihm die Historiografen im Anschluss daran widmen, wird er als „hoch berühmt im Reich“ und „ausgezeichnet durch viele Siege über die Ungarn“ bezeichnet. Freilich ist zu bedenken, dass Ernst der ranghöchste Gefallene bei Homburg war, nach ihm einige Grafen auf beiden Seiten. Schon aus diesem Grund bleibt ihm der Nachruf vorbehalten. Außerdem ist die Tötung eines solchen Mannes im Kampf für die Sachsen ein Ruhmesblatt. Und dennoch wird man die anerkannte Tapferkeit und das hohe Ansehen des Markgrafen für wahr halten; und das umso mehr, als man – auch aufgrund des Mangels an zeitgenössischen Quellen – leicht geneigt ist, die Periode der Markgrafen Adalbert und Ernst als eine Zeit des Rückgangs oder zumindest der Stagnation babenbergischen Ansehens zu verstehen. Der bei Homburg gefallene Markgraf ist aber ein Vorbild an Königstreue gewesen, wie es die Babenberger seit der Betrauung mit der neuen Mark an der Donau durch Otto II. in einer für das Reichsoberhaupt gefährlichen Lage hundert Jahre lang gewesen sind. Besonders in den Auseinandersetzungen innerhalb des Reiches gehörten sie – soviel wir sehen können – nie zu den fürstlichen Frondeurs, sondern kämpften verlässlich aufseiten des Königs. Diese Treue
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Abb. 2: Tod Markgraf Ernsts
und Verlässlichkeit verbanden sie freilich mit einem vitalen Interesse an einer Unterstützung durch den König; was für die Aufrechterhaltung der eigenen Machtposition in der Mark unumgänglich notwendig war. Und doch wird ihnen jene Haltung bei der genealogischen Vernetzung der Großen des Reiches nicht immer leichtgefallen sein; Ernst selbst ist dafür ein gutes Beispiel. Auch der Kampf Kaiser Konrads II. gegen ihren engen Verwandten, Herzog
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Ernst von Schwaben, wird die „österreichischen“ Babenberger nicht gleichgültig gelassen haben. Die Vernachlässigung der Mark durch Konrad II. könnte eine Reaktion des Herrschers auf eine diesbezügliche Verstimmung Markgraf Adalberts gewesen sein. Darauf könnte auch die offensichtliche Absenz Erzbischof Poppos von Trier, eines weiteren Bruder Adalberts, vom Hof hinweisen. Doch bleibt das letztlich Spekulation. Beweisen lässt sich hingegen die Reichstreue der Babenberger in schwierigen Situationen des Königtums. Dies sollte sich nun ändern.
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Im Windschatten der Reform: Liutpald II.
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as 11. Jahrhundert ist gekennzeichnet durch einen gesellschaftlichen Wandel, der auf vielen verschiedenen Ebenen sichtbar wird. Die wachsende Bevölkerung Europas machte eine intensivere Landwirtschaft notwendig, deren Voraussetzung umfangreiche Rodungen des weitgehend von Wäldern bedeckten Landes waren. Man wird sich die Landfläche überwiegend als dicht bewaldetes, sehr oft auch sumpfiges Gelände vorstellen müssen, das mindestens zwei Drittel der Bodenfläche bedeckte und durch bescheidene Siedlungen unterbrochen wurde. Die mediterrane Stadtkultur war gleichsam verschwunden, verbindende Straßen und Wege waren in Verfall geraten. Eine größere Reise war ein Wagnis, ein nicht ungefährliches Unternehmen, das nur Menschen in Angriff nehmen konnten, die über ein bewaffnetes Gefolge verfügten. Die nun einsetzenden Rodungen erweiterten das Kulturland beträchtlich, was nicht nur der Agrarwirtschaft auf Kosten der Viehzucht Nutzen brachte, sondern auch die Verkehrsverhältnisse verbesserte. Die wachsende Bevölkerung rückte in bisher ödes oder unbebautes Land vor. Jenseits der besseren Versorgung mit Nahrungsmitteln brachten die Folgen der Rodungsbewegung aber noch etwas weit Bedeutenderes: Der Horizont des Menschen erweiterte sich im Verhältnis zu seiner sozialen Stellung. Dies kam einem neuen gesellschaftlichen Phänomen zugute: der Stadt, einem sozialen Gebilde, das den Rahmen der bisher dominanten traditionellen gesellschaftlichen Schichtung sprengte. Das Modell menschlicher Ordnung, das Jahrhunderte hindurch gültig war und eine verlässliche Positionierung des Einzelnen ermöglichte, wurde zusehends infrage gestellt. Die Sicherheit, wie sie aus der Statik der Gesell-
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schaft erwuchs, begann Risse zu bekommen. Die Fragwürdigkeit des bisher Bestehenden und Anerkannten wurde durch das kritische Forschen der aufkeimenden Scholastik und die Wiederentdeckung des antiken Rechts, das auf einem systematisch-logischen Denken aufbaute, noch deutlicher gemacht. Das Ergebnis dieser Krise waren Verschiebungen im bisherigen gesellschaftlichen Miteinander und betraf eine Neudeutung der von Gott gewollten irdischen Ordnung. Zunächst innerhalb der Kirche und ihren Institutionen, begann seit der Mitte des 11. Jahrhunderts ein Kampf gegen die weltlichen Mächte und deren Einfluss in geistlichem Bereich. Dieser wurde besonders auf monastischem Gebiet spürbar, stärker noch bei den grundherrlichen Eigenkirchen, die seit der Karolingerzeit einen festen Bestandteil der Kirchenorganisation ausmachten. Ein besonderes Problem bezog sich jedoch auf das Bischofs amt, dessen Träger in den meisten Fällen Mitglieder der adeligen Gesellschaft waren und dem geistlichen Amt wesentlich säkulare Züge verliehen. Bei ihrer Bestellung ging es in erster Linie um Familienrücksichten seitens des Königs, die seiner Politik Vorteile bringen sollten, und um die Vollendung einer geistlichen Karriere, die ebenfalls dem Herrscher dienen musste. Es liegt auf der Hand, dass die kirchenrechtlichen Vorschriften dabei oft auf der Strecke blieben und die Kandidaten durch Geschenke und Zahlungen ihre einfluss- und ertragreichen Positionen zu erlangen trachteten. Dies war in den meisten Ländern des christlichen Abendlandes der Fall, am stärksten aber im römisch-deutschen Reich des Kaisers. Hier hatten die Herrscher aus sächsischem Hause, vor allem Otto der Große, die Bischöfe in einem hohen Maße in die Reichsverwaltung eingebaut, nachdem er mit einer Familienpolitik und der Unterstützung durch seinen weltlichen Adel keine guten Erfahrungen gemacht hatte: Außerdem war das Bischofsamt nicht erblich und nach dem Tode des jeweiligen Amtsträgers bestand erneut die Möglichkeit für den König, das Beste aus der Einsetzung herauszuholen. Die Bischöfe trugen die erheblichen Kosten der Gastung eines reisenden Königs mit seinem sehr großen Gefolge und sie stellten die meisten Krieger für die königlichen Heereszüge, was bei der kostspieligen Ausstattung von Panzerreitern ebenfalls eine teure Angelegenheit war. Es ist einzusehen, dass der Herrscher daran interessiert sein musste, verlässliche, ihm bekannte oder von bedeutenden Adelsfamilien empfohlene Kandidaten mit Bistümern zu versorgen, wobei es mit den entsprechenden Domgeistlichen, später dem Domkapitel, zu Abreden
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oder auch Auseinandersetzungen kam. Der deutsche König war also in ganz erheblichem Maße auf die gutwilligen Dienste seiner Reichsbischöfe angewiesen, wollte er sich im In- und Ausland erfolgreich durchsetzen. Dass diese Tatsache nur negativ gesehen wurde, ist ein Ergebnis der Rezeption reformerischer Grundsätze als der allein richtigen. Diese sollten sich gewissermaßen durchsetzen und die historische Sichtweise beeinflussen. Dagegen ist freilich zu sagen, dass die auf die traditionelle Art zu einem Bischofssitz Gekommenen keineswegs nur Unwürdige waren, ja diese sind dünn gesät, hingegen gibt es unter ihnen zahlreiche Heilige. Dennoch wandten sich die strengen Kritiker herkömmlichen Kirchenwesens gegen diese Reichsbischöfe und ihre so einseitige Installierung. Diese Kritik verschärfte sich, als die Vertreter der radikalen Reform zwischen der erwählten ecclesia, der Priesterkirche, und der Welt der Laien scharf zu unterscheiden begannen. Wie hätte ein Laie in kirchliche Dinge eingreifen dürfen, in die Sphäre höherer christlicher Qualifikation? Wie hätte ein Abt oder Bischof seine Hände in die blutbefleckten eines Laien legen dürfen, um ein Lehen oder ein Amt zu erhalten! Das waren ganz neue Töne, die sich eine durch zahlreiche Helfer – unter ihnen viele adelige Laien – gestärkte und von ihrer Sendung und vorrangigen Stellung überzeugte Kirche erlaubte. Bis in die Fünfzigerjahre des 11. Jahrhunderts war man auf Unterstützung durch den Herrscher angewiesen, um die ärgsten Übel der Säkularisierung hintanzuhalten oder den Missbrauch der kirchlichen Ämter durch mächtige, lokale Familien auszuschalten. Das Papsttum selbst war durch diese Missstände moralisch gesunken und in seinem universalen Anspruch infrage gestellt. Hier hatte zuletzt Kaiser Heinrich III. entscheidend und reformfreundlich eingegriffen, Päpste tadellosen Lebenswandels und der Kirchenreform verpflichtet eingesetzt. Nach dem Tode des Kaisers hatte jedoch eine radikale Bewegung die Oberhand gewonnen, die sich von jeder Abhängigkeit gegenüber der weltlichen Gewalt lossagte und selbst die oberste Position in der Christenheit über allen Königen und selbst dem Kaiser beanspruchte! Die radikalen Reformer in Rom hatten das Glück, dass das Kaisertum quasi verwaist war: König in Deutschland war Heinrichs III. gleichnamiger, kindlicher Sohn, bevormundet von seiner kirchenfrommen Mutter Agnes von Poitou und Spielball der um Macht und Einfluss streitenden Fürsten. Von diesem Hof wurden daher die ersten Ansätze einer antikaiserlichen, ja antisäkularen
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Reform, wie sie in Rom mehr und mehr an Boden gewann, kaum beanstandet. Wahrscheinlich unterschätzte man in Deutschland auch die radikale Position, die nun an der Kurie vertreten wurde. Man sah in den Aussagen und selbst in den apodiktischen Behauptungen des kurialen Klerus wohl auch nur Äußerungen der Reformbewegung alten Stils, gegen die man auch von königlicher Seite nichts einzuwenden hatte, ja, die man bisher doch selbst kräftig gefördert hatte. So fanden die Reformideen im neuen, radikalen Sinne immer mehr Anklang und riefen kritische Geister auf den Plan, die den päpstlichen Anspruch propagierten und den Vorrang der Kirche über alle weltliche Macht energisch vertraten. Auch diese Ideen und Vorstellungen waren ein Zeichen der gesellschaftlichen Krise der Zeit im weiteren Sinne. Die Streitigkeiten um die Führung der Christenheit wären ohne kritisches Denken, das vielfach in Traktaten und Kampfschriften seinen Niederschlag fand, nicht in dieser Form möglich gewesen. Zugleich waren sie ein Zeichen eines gesellschaftlichen Wandels, der bewusst herbeigeführt werden sollte und dem eine Intellektualisierung zugrunde lag, welche in der alten statischen, sicheren Gesellschaftsordnung keinen Platz mehr fand. In den Sechzigerjahren des 11. Jahrhunderts hatten diese Ansprüche aber noch keine Resonanz am Hofe des römisch-deutschen Königs und bei den überwiegenden Vertretern des Reichsepiskopats gefunden, selbst wenn unter diesen Amtsträgern ausgesprochene Reformfreunde zum Zuge kamen. Hingegen begann um 1070 die stämmische Struktur des Reiches dem jungen König Heinrich IV. Schwierigkeiten zu bereiten. Der Stammesadel, von dessen wohlwollender Unterstützung der König abhängig war und dessen hervorragendste Angehörige er um Rat fragen sollte, fühlte sich vom eigenwilligen, misstrauischen Heinrich IV. in dieser Hinsicht vernachlässigt, ja zurückgestoßen. Er stützte sich vielfach auf Leute niederen Adels und des sich neu bildenden Standes der Ministerialen. Diese Männer, einfache Freie, ja sogar Unfreie, selten einfache Adelige, waren willige, engagierte Helfer und Vollstrecker königlicher Befehle. Eine solche offensichtliche Missachtung empörte den Adel, der sich um seinen Einfluss und sein althergebrachtes Recht gleichsam mitzuregieren geprellt sah. Besonders die Sachsen pochten auf ihre Sonderrechte, die der König zwar nicht beseitigte, aber doch durch neue, ihm genehme Regelungen einschränkte. Er errichtete in diesem Herzogtum eine Reihe der neuartigen Höhenburgen und besetzte sie mit Ministerialen. Diese
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trachtete er durch eine oft etwas gewaltsame Heiratspolitik im Lande besser zu verankern und so die entstehenden genealogischen Netzwerke in seinem Sinne zu nutzen. Die Sachsen ließen sich das nicht lange gefallen, und nachdem ihre Beschwerden bei Heinrich IV. fruchtlos gewesen waren, begannen sie den Aufstand. Der König geriet in eine schwierige Lage und musste ein Reichsheer gegen die Aufständischen einsetzen. Dieses war ebenfalls nach Stämmen gegliedert; im bayerischen Kontingent befand sich mit an führender Stelle der babenbergische Markgraf Ernst. In einer der wichtigsten Schlachten in diesen grundlegenden Auseinandersetzungen ist Ernst 1075 für den König fechtend gefallen. Die erprobte und auf diese Weise besonders zum Ausdruck gebrachte Verlässlichkeit des Markgrafen, die an die unerschütterliche reichstreue Haltung seiner Vorfahren anschloss, machte es Heinrich IV. nicht schwer, dessen Sohn mit der bayerischen Ostmark zu belehnen. Konnte er doch hoffen, dort in dessen Person weiterhin ein Gegengewicht gegen die wetterwendischen und stets zu Konfrontationen neigenden bayerischen Herzöge zu haben. Die Babenberger hatten sich jetzt schon hundert Jahre auf diesem Posten bewährt, die Mark im Sinne des Königs verwaltet und in das Reich eingebunden. Auch Liutpald II. sollte die immer unruhigen Ungarn und die nach Süden drängenden Böhmen in Schach halten, zugleich aber die königliche Sache im innerbayerischen Bereich entschieden vertreten. Nach Norden und Osten hin sollte er wachsam sein, nach Westen sein politisches Gewicht in die Waagschale werfen. Am wichtigsten aber mochte es sein, die immer noch im Aufbau befindliche Mark herrschaftlich zu durchdringen und die Besiedlung voranzutreiben. Diese beruhte jetzt auf großflächigen Rodungen, die eine Phase gesteigerten Raumgewinns bewirkten. So konnte Liutpald II. seine Herrschaft in der bayerischen Ostmark unmittelbar nach dem Schlachtentod seines Vaters am 9. Juni 1075 antreten. Im 13. Jahrhundert, schon in habsburgischer Zeit, wird von einem Bruder Liutpalds berichtet: Adalbert (Albrecht), der sich das Land angeblich mit ihm geteilt habe. Während Liutpold in Gars seinen Sitz genommen hätte, sollte sich Adalbert in Pernegg – ebenfalls im niederösterreichischen Waldviertel – niedergelassen haben. Die spätmittelalterlichen historiografischen Quellen haben sich dieser Überlieferung angenommen, die vorzüglich zum novellistischen Erzählgut volkssprachiger Geschichtsschreibung passte. Es geht um die angebliche Verführung der Ehefrau Liutpalds, einer Tochter des Kaisers, die
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dieser auf listige, aber brutale Weise an seinem Bruder rächte nach dem Prinzip, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Dass hier eine Verwechslung mit der Salierin Agnes, die aber erst Liutpald III. heimführte, vorliegt, ist offensichtlich. Dies ist aber auch der einzige Anhaltspunkt historischen Geschehens. Im Übrigen tritt Adalbert nicht hervor, die zeitgenössischen Quellen kennen ihn überhaupt nicht. Der Name Adalbert würde für einen Sohn des Markgrafen Ernst durchaus passen; dieser hätte seinen ältesten (?) Sohn nach seinem Vater benannt, was den Prinzipien der Namengebung entsprochen hätte. Verdächtig scheint die Form Albrecht, die im 11. Jahrhundert nicht gebräuchlich ist und allzu sehr habsburgischen Einfluss verrät, was aber vielleicht auch nur eine zeitbestimmte Äußerlichkeit darstellt. Doch ist es sehr unwahrscheinlich, dass 1075 die Mark geteilt worden wäre – was schon der König nicht geduldet hätte – und dann noch der ältere Sohn seine Hofhaltung im Rodungsgebiet aufgeschlagen hätte, während der jüngere vom Mittelpunkt des neu erschlossenen Forstgebiets im Kamptal aus die Mark beherrscht hätte. Merkwürdig ist diese Überlieferung auf alle Fälle; sie kann eine freie Erfindung des Wiener Chronisten Jans Enikel († 1280) sein, dessen Stadtpublikum Anekdoten und kurze Erzählungen solcher Art sehr geschätzt haben dürfte. Doch befriedigt eine derartige Erklärung wenig. Fest steht, dass die Edeln, später Grafen von Pernegg mit den Babenbergern verwandt waren; da nach allgemeinem Konsens der Historiker diese Verwandtschaft aber über die Frau Liutpalds II., Itha von Formbach-Ratelnberg, lief, ist eine engere Verflechtung mit den Babenbergern erst ab Liutpald III. möglich. Warum aber selbst dann gerade den Perneggern eine solche Rolle zugedacht war, ist unerfindlich, da ja andere bedeutende Familien der Mark ebenfalls mit den Babenbergern in genealogischen Zusammenhang zu bringen sind. Jedenfalls ist von einem Adalbert als Bruder Liutpalds II. in den Geschichtsquellen der Zeit und auch in denen des 12. Jahrhunderts keine Rede. Wir werden also von einem einzigen (zumindest dem einzigen überlebenden) Sohn des Markgrafen Ernst auszugehen haben. Historisch von großer Bedeutung ist die schon erwähnte Urkunde, die König Heinrich IV. am 27. Juli 1076 für Liutpald ausstellte. Schon war der Kampf des Königs mit Papst Gregor VII. ausgebrochen, der verschiedene deutsche Fürsten aufseiten des schroffen Papstes fand. Dessen radikale Reformideen sollten ihn über die königliche, ja kaiserliche Gewalt erheben. Der Bann war
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über Heinrich IV. ausgesprochen worden – ein noch nie da gewesenes Geschehen –, was die Fürsten ihrer Treueide, die sie dem König geleistet hatten, entband und den herrschaftlichen Aufbau des Reiches ins Wanken brachte. Herzog Welf IV. von Bayern und Bischof Altmann von Passau sagten sich vom König los und stellten sich dem Papst zur Verfügung. Liutpald II. jedoch zeigte sich des Vertrauens würdig, das Heinrich IV. in ihn setzte: Er blieb königstreu und verbündete sich nicht mit Herzog und Bischof; er erwies sich vielmehr als Stütze des Königs im Südosten. Deutlich wird diese Haltung des Markgrafen aus den Teilen des Diploms ersichtlich, die der aktuellen Reflexion des Ausstellers und der Angabe von Gründen für seine Schenkung gewidmet sind. Tatsächlich scheint Liutpald den König um weiteren Besitz im Südwesten der Mark gebeten haben; anschließend an die Gebiete, die sein Vater Ernst zwei Jahre vorher erhalten hatte. Heinrich IV. schenkte ihm sechzig Hufen Waldland, um zwanzig mehr als seinerzeit seinem Vater. Der König spricht lobend von denjenigen Fürsten, die auf seiner Seite ausharren: tam devote quam debite (so ehrerbietig als seiner Verpflichtung nachkommend). Solchen Männern wird er sich rasch zuwenden und ihre Bitten erfüllen. Zu diesen Fürsten zählt Markgraf Liutpald, von dem der König glaubt, dass er in Treue bei ihm ausdauern wird. Nicht auf ein freundliches Verhältnis, das weiter bestehen möge, zielt Heinrich IV. mit diesen Worten ab. Dienstwilligkeit, Verlässlichkeit in schwierigen politischen Situationen sind hier gemeint, darüber hinaus aber auch Respekt vor der Majestät des Königs, vor einer Aura, die ihn umgibt und ihn weit mehr als einen primus inter pares erscheinen lässt; eine gleichsam sakrale Besonderheit, die ihm der Papst absprechen will, indem er auch den König und zukünftigen Kaiser als bloßen der Kirche unterworfenen Laien ansieht. Liutpald II. lebt die Treue zu seinem Herrscher, er ist ihm eine wichtige Stütze und wird dafür durch die großzügige Schenkung belohnt. Im nächsten Jahre 1077 finden wir den Markgrafen auf dem Hoftag Heinrichs IV. in Nürnberg, ein weiteres Zeichen für die Treue Liutpalds II., der sich nicht dem mittlerweile gewählten Gegenkönig Rudolf von Rheinfelden zuwandte, wie viele süddeutsche Fürsten, Bischöfe und Amtsträger. Auch 1078 ist das Verhältnis zwischen König Heinrich und seinem Machtträger in der Ostmark offensichtlich ungetrübt. Der Herrscher gewährt einem Ministerialen des Grafen Rapoto von Vohburg Lehensbesitz im Tullnerfeld und fördert
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damit ein anderes königstreues Geschlecht, dessen Angehörige zugleich als Markgrafen von Cham im nördlichen Bayern für den Salier wirken. Liutpald II. wird nur als Inhaber der Markgrafschaft genannt, in der die geschenkte Hufe gelegen ist. Sein Einverständnis bei dieser bescheidenen Schenkung kann vorausgesetzt werden, seine politische Übereinstimmung mit den königstreuen Vohburgern, die im Tullnerfeld sehr begütert waren, ebenfalls. Nicht allzu lange danach muss es zur Verstimmung und Entfremdung zwischen dem König und Liutpald II. gekommen sein. Der Grund dafür ist zunächst unbekannt. Das Einzige, was darüber mitgeteilt wird, weist auf eine Beleidigung des Markgrafen. Im Bericht des Annalisten Berthold von Reichenau heißt es, dass Liutpald II. den Hoftag zu Regensburg verlassen habe, weil er in aliquantulum ab eo offensus, also vom König beleidigt worden wäre. Die Sache bleibt ziemlich allgemein und unbestimmt, weil das Wort aliquantulum nicht eindeutig ist; es kann „ein wenig“ aber auch „beträchtlich“ meinen. Je nachdem ist die Abwendung des Markgrafen von seinem Herrn zu beurteilen. Für den Menschen des 11. Jahrhunderts kann sich hinter dieser beiläufigen Formulierung aber eine Aussage über einen Verstoß gegen die übliche Kommunikation zwischen dem König und den ihm verpflichteten Fürsten verbergen. Nicht beachtete Rangfragen bei Hofe können dabei schon eine Rolle spielen, aber auch die Nichtberücksichtigung des Markgrafen in einer politischen oder rechtlichen Angelegenheit, bei der sein Rat notwendig war, aber nicht eingeholt wurde. Zu den Fehlern Heinrichs IV. im Umgang mit den Fürsten dürfte seine anmaßende Gleichgültigkeit gegenüber deren Ansprüchen auf Beteiligung an der Regierung gewesen sein. Er holte sich Rat, bei wem er wollte, dessen er sich sicher war, dem er augenblicklich vertraute, und das waren sehr oft keine Fürsten, sondern Ministerialen, die gänzlich von ihm abhängig waren. Möglichkeiten, einen selbstgewissen Fürsten zu beleidigen, waren insofern zahlreiche gegeben. In diese Kategorie werden auch die Beleidigungen gegen Liutpald II. einzureihen sein, doch selbst diese Überlegung ist spekulativ, wenn wir der vereinzelten Quellenaussage Glauben schenken. Freilich widerspricht diese präsumtive Rücksichtslosigkeit Heinrichs IV. den fast herzlichen Worten der Urkunde von 1076, mit denen um Liutpald geworben und seine Treue hervorgehoben wird. Über die Bedeutung dieser Absage an den König kann man nur Vermutungen anstellen. Es ist zu bezweifeln, dass der Markgraf plötzlich seine Liebe
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zum Papst und seinem reformerischen Radikalismus entdeckte, der sich ja stark gegen die Laienfürsten richtete. Der reiche geistliche Besitz in der Mark war wohl auch indirekt für den Markgrafen von Bedeutung, die darauf lebenden Leute waren menschliche Ressourcen im Kriegsfall. Es haftet daher dieser Abwendung von Heinrich IV. etwas Halbherziges an, selbst wenn man den Mangel an zeitgenössischen Nachrichten berücksichtigt, der diesen Eindruck verstärkt. Gerade diese Kargheit der Überlieferung könnte aber dafür sprechen, dass die Abwendung vom König tatsächlich auf einem aktuellen, persönlichen Gegensatz beruhte, der mit einer prinzipiellen Entscheidung zwischen Reformern und Königstreuen nichts zu tun hatte. Immerhin nötigte diese Haltung Liutpalds II. den König zu einem Heereszug ins östliche Herzogtum Bayern und in die bayerische Mark. Heinrich IV. zog die Donau entlang und verwüstete die Besitzungen seiner dortigen Feinde, allen voran die Burgen des überzeugten Gregorianers Graf Ekbert von Formbach, der bis nach Ungarn fliehen musste, wohin das Heer des Königs – allerdings erfolglos – nachstieß. Der Markgraf jedoch wurde zur Unterwerfung gezwungen, da er der Strafexpedition des Herrschers nichts entgegenzusetzen hatte. Er musste sich wieder dem König Heinrich verpflichten, was ihm aus pragmatischen Gründen nicht schwergefallen sein wird. Dennoch blieb das Ergebnis von Heinrichs Heereszug eine Unterwerfung wegen aktuell drohender Konsequenzen und ist wohl nicht als eine echte Versöhnung anzusehen. Dabei hätte auch der König den Grund für Liutpalds Abfall ansprechen und seinerseits die vernachlässigte Kommunikation mit dem Markgrafen andeuten müssen. Sollte die angebliche Beleidigung Liutpalds aber andere Ursachen gehabt haben oder auf Heinrichs Launen zurückzuführen sein, war auch der König gefordert, dem Markgrafen in gewisser Weise entgegenzukommen. Beides war nicht zu erwarten. Tatsächlich weiß man über die Überzeugung Liutpalds II. in dieser Sache genau so wenig wie über die Ursache der Entfremdung von seinem königlichen Herrn. Alle Behauptungen sind Spekulation, auch wenn sie sich auf den Zeitgeist berufen und mit historischen Analogien arbeiten. Dazu gehört etwa die Meinung, dass Heinrich IV. seinen wiedergewonnenen Amtsträger zur Zahlung einer beträchtlichen Bußsumme verurteilte, was dessen Begeisterung für die Erneuerung der Treue eben deutlich gedämpft haben müsste. Und deshalb wäre es mit der markgräflichen Treue nicht weit her gewesen. All das kann weder bewiesen noch ausgeschlossen werden. Doch ist es zu modern
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gedacht, an den modernen Kausalitätsbegriff zu sehr angepasst und übersieht die mittelalterlichen Gepflogenheiten und Denkweisen, das Diffuse des Herrschaftsaufbaus und seiner Elemente, die in die persönliche, noch mehr aber in die genealogische Befindlichkeit hineinreicht. Die Beziehungen von Heinrich und Liutpald, König und Markgraf, und ihre mehr oder weniger erkennbare Fragwürdigkeit bleiben für uns dunkel. Nicht zu leugnen ist jedoch, dass Liutpald II. nach seiner Unterwerfung von 1079 ebenso halbherzig auf des Königs Seite gestanden sein dürfte, wie er ihm vorher abgesagt hatte. Die Verhältnisse in der Mark dürften von des Markgrafen Umschwenken kaum betroffen worden sein. War sie durch Liutpalds Nachgeben keineswegs ein sicherer Hort der Gregorianer gewesen, so war die Ostmark nach Heinrichs militärischer Intervention auch kein verlässlicher Stützpunkt der salischen Königsherrschaft. Das wäre selbst beim besten Willen des Markgrafen nur schwer möglich gewesen. Welf IV., Herzog von Bayern und unmittelbarer Lehensherr Liutpalds, gehörte zu den eifrigsten Vorkämpfern des Gegenkönigs Rudolf von Rheinfelden. Der Metropolit Gebhard von Salzburg war einer der eifrigsten Verfechter der päpstlichen Doktrin und der für die Mark zuständige Diöze sanbischof Altmann von Passau agierte sogar als päpstlicher Legat gegen König Heinrich. Beide Infelträger hatten ihre Karriere in der königlichen Kanzlei und Kapelle begonnen und waren von Heinrich III. und seiner Frau Agnes durchwegs gefördert worden. Die Kaiserinwitwe hatte überdies beide auf ihren Posten gehoben. Beide hatten vom bisherigen Brauch der Ernennung und Einsetzung durch den König profitiert und Heinrich IV. war ihnen weiterhin wohlwollend gegenübergetreten. Dennoch wandten sie sich im Investiturstreit der radikalen, antiköniglichen Haltung Papst Gregors VII. zu. Auch wichtige Adelsfamilien mit reichem Besitz in der Mark, wie die Formbacher und die Sighardinger mit all ihren genealogischen Verzweigungen, bekannten sich zu den Reformern und unterstützten sie eifrig. Daher war die Lage für Liutpald schlecht, wenn er sich zum unbedingten Verfechter des salischen Königtums, seiner Prärogative und Ansprüche im Markengebiet hätte machen wollen. Noch bedenklicher für ihn war, dass seine Gemahlin Itha, aus dem formbachischen Adelsgeschlecht stammend, das sich nach der Burg Ratelnberg (Radlberg) bei St. Pölten nannte, wohl überzeugte Papistin war. Zu den Versatzstücken historiografischer Darstellung gehört seit jeher das Verhältnis des Herrschers zu seiner Gattin und deren Einfluss. Wir kennen die
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gute Frau, die ihren Mann zum Christentum bekehrt, ihn im Glauben bestärkt und zu guten Taten ermuntert; wir kennen aber auch die Megäre, die böse Einflüsterin, deren verführerische Heimtücke manche Untat angeregt hat: Von Markgräfin Itha wird Derartiges nicht berichtet, wir erfahren nur von ihrer großen Frömmigkeit, und die konnte in jener geschichtlichen Situation nur an der päpstlichen Autorität und deren für die Christen so heilsamen Forderungen ausgerichtet sein. Itha schlüpft nicht in eine der herkömmlichen literarischen Rollen, dafür scheint sie aber in Wirklichkeit Liutpald im reformerischen Sinne beeinflusst zu haben. Schon ihre formbachische Herkunft musste eine dauernde Mahnung sein. Aber auch darüber besteht keine Sicherheit, die sich auf zeitgenössischen Nachrichten stützt. Wir kennen weder Aussprüche der Markgräfin, der es um Überredung zu tun ist, noch von ihr eingefädelte Taten: Die Gegebenheiten und Umstände legen eine solche beeinflussende Haltung allerdings nahe. Nach dem Tode des Gegenkönigs Rudolf, der 1080 in der Schlacht fiel, verschlechterte sich die päpstliche Position. Heinrich hatte Gregor aus Rom vertrieben und sich von einem Papst seiner Wahl zum Kaiser krönen lassen. Weit und breit wurden Stimmen laut, die eine Beruhigung der Situation im Reich und eine wechselseitige Versöhnung forderten. Doch die fanatischen und von der einzigen Richtigkeit ihrer Überzeugung beherrschten antikaiserlichen Reformer wollten von ihrer neuen Sicht der Machtverhältnisse und deren praktischen Auswirkungen zum Nutzen einer gestärkten, unabhängigen und einzigartig erhöhten Kirche nicht ablassen. So wurde mit Graf Hermann von Luxemburg ein neuer Kandidat der gregorianischen Partei vorgestellt und zum König gewählt. In vorderster Front dieser unbeirrbaren Reformer stand Bischof Altmann von Passau. Er erkannte, dass die Stimmung im Reich sich mehr und mehr gegen die unheilvolle Spaltung kehrte. So musste er den gleichgültig scheinenden, mit dem König versöhnten und zur Treue gegen ihn verpflichteten Markgrafen jetzt mit allen Mitteln auf die Seite der Gregorianer bringen, weil er damit nicht nur seiner Sache diente, sondern auch seine eigene Existenz sicherte. Altmann wusste, dass die nur oberflächliche Versöhnung, das notgedrungene Einschwenken des Markgrafen auf die Linie des Königs keine feste Grundlage für die Beziehungen Liutpalds II. zu Heinrich IV. bot. Mit der zweifellos beeindruckenden geistlichen Autorität seiner Person wird er die unbedingte Notwendigkeit einer Hinwendung zur einzig rechten Kir-
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che und ihrer Vertreter dargestellt haben. Nur innerhalb derer war das Heil zu gewinnen, dem Königstreuen aber dieses verschlossen. Alle Eide seien gelöst, wenn sich der König gegen die heilige Kirche und deren irdisches Oberhaupt versündige. Widerstand gegen einen solchen Tyrannen sei dann Pflicht. Wie weit Liutpald von diesen Worten beeindruckt oder gar überzeugt wurde, wissen wir nicht. Doch war die ganze abendländische christliche Welt von einem neuen Eifer nach Vervollkommnung durch Reform beherrscht, Religion und Gesellschaftsmoral sollten erstmals seit der Spätantike zusammengeführt werden. Davon wurde wahrscheinlich auch der Markgraf berührt. Der unveränderte Starrsinn großer Adelsgeschlechter der Mark im gregorianischen Sinne und nicht zuletzt die Kirchenfrömmigkeit seiner Frau gewannen Liutpald II. schließlich für die päpstliche Partei im Reich. Sein ungeregeltes Verhältnis zu König Heinrich IV., der ihn seit dem ersten Abfall und der notwendigen Strafexpedition wohl misstrauisch beobachtete, war da kein Gegengewicht. Wir wissen von keiner Anwesenheit des Ostmarkgrafen 1079 und 1080 am Hofe des Königs und es hat sich keine Urkunde aus diesen Jahren erhalten, die jenem zugutegekommen wäre. Die Verbindung zwischen Heinrich IV. und seinem Amtsträger im bayerischen Osten wird wohl damals nicht die beste gewesen sein. Ein energischer Widerstand gegen Altmann von Passau und die südostdeutschen Anhänger des Papstes war so von Liutpald nicht zu erwarten: Auch die Nachbarn, Markgraf Otakar I. von Steyr und König Ladislaus von Ungarn, hatten sich dem Papst zugewandt, nur Herzog Vratislav von Böhmen war ein unerschrockener, treuer Anhänger Heinrichs IV. Das sollte Markgraf Liutpald bald merken. Dennoch scheint es nicht ganz leicht gewesen zu sein, ihn auf die Seite der Gregorianer zu ziehen. Erst 1081 gelang es. Möglicherweise gaben politische und vor allem militärische Misserfolge des Königs nach 1080 den Ausschlag. Liutpald versammelte in Tulln die Großen seines Herrschaftsgebietes und sagte sich feierlich von König Heinrich IV. los. Im Einvernehmen mit seinen primores schwor er, den Tyrannen Heinrich zu verlassen, dessen Anhänger aus der Mark zu vertreiben, die Papsttreuen aber mit Waffen zu verteidigen. Unter diesen werden ausdrücklich auch jene genannt, die dem päpstlichen Legaten gehorchen würden: Damit wird auf Altmann von Passau verwiesen, dessen Position ebenso gestärkt wurde wie seine Möglichkeit, sich mithilfe bewaffneter Macht gegen die Parteigänger Heinrichs IV. durchzusetzen; ein Vorteil,
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der bisher nicht bestanden und Altmann in seiner Diözese behindert hatte. Bedeutsam scheint auch der Ort der Absage an den König gewesen zu sein. Tulln war Zentrum des Königsguts an der Donau und als solches auch Versammlungsort des Markgrafen in „amtlichen“ Angelegenheiten. Die Zusammenkunft des Markgrafen mit seinen Leuten in Tulln war daher nichts Ungewöhnliches, konnte aber auch als besonderer Affront gegen den König gesehen und verstanden werden. Man darf freilich nicht übersehen, dass die Großen der Mark keineswegs alle mit dieser schroffen Vorgangsweise einverstanden waren. So gab es bedeutende Geschlechter, die dem König treu blieben, nun aber gegen den Markgrafen, der ja gleichsam offiziell und mit päpstlichem Wohlwollen auftrat, einen schweren Stand hatten: Zu nennen sind die Rapotonen und die mit ihnen verwandten, schon erwähnten Grafen von Vohburg. Eine sofortige Reaktion Heinrichs IV. war nicht zu gewärtigen, da sich der Herrscher im Frühjahr 1081 nach Italien begeben hatte. Als im August des Jahres mit dem Luxemburger Grafen Hermann von Salm ein neuer Gegenkönig gewählt wurde, trat Liutpald II. sofort auf dessen Seite. Als Hermann mithilfe des bayerischen Herzogs Welf IV. das saliertreue Augsburg belagerte, fand sich auch Markgraf Liutpald ein, um den Luxemburger mit einer bewaffneten Mannschaft zu unterstützen. Eine Unternehmung, die freilich nichts einbrachte. Ist der Einfluss der Markgräfin Itha auch sehr wohl zu vermuten, so war doch Altmann von Passau der Initiator des politischen Wandels des Babenbergers. Es war Liutpald sicher bewusst, dass sein Abfall vom König eine Wende vom bisherigen politischen Stil seiner Vorfahren bedeutete. Alle Markgrafen waren verlässliche Machtträger des Königs gewesen, seitdem sie Kaiser Otto II. als Gegengewicht gegen den bayerischen Herzog Heinrich den Zänker eingesetzt hatte. In den vielen schweren Auseinandersetzungen der Könige mit Ungarn, Böhmen und Polen, die gelegentlich eine von Bayern ausgehende, innere Opposition begünstigt hatten, standen die babenbergischen Markgrafen unverrückbar aufseiten des Königs. Selbst als sich Kaiser Konrad II. durch eine wenig freundliche Haltung Markgraf Adalbert entfremdet hatte, blieb dieser dem Salier durchaus verlässlich ergeben. Dabei ist zu vermerken, dass es nicht nur eine emotionale oder rechtliche Bindung war, die die babenbergische Treue veranlasste. Die Stellung als Markgrafen in einem Gebiet, das es erst zu erweitern, zu erobern, zu sichern und zu besiedeln galt, war im Wett-
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streit mit anderen Adelsfamilien und mit der Kirche und deren Institutionen nur schwer zu behaupten, die realen Machtverhältnisse blieben lange unsicher, der Markgraf musste sich immer wieder in der Praxis des Alltags wie in den aktuellen Situationen von Krieg und Feindesabwehr durchsetzen. Dabei war er wesentlich, ja fast ausschließlich auf die Unterstützung durch den Herrscher angewiesen, auf ein gutes Verhältnis zu jenem, das wiederum auf seiner unwandelbaren Anhängerschaft und politischen Verlässlichkeit beruhte. Unter Liutpald II. war die Position des Markgrafen offensichtlich so weit gefestigt – nicht zuletzt durch die Mithilfe von babenbergischen Ministerialen –, dass er in seinem Machtbereich grundsätzlich tonangebend und ungefährdet war. Nicht umsonst wird in dem Bericht über seine Lossagung von Heinrich IV. von seinem regimen gesprochen. Dieses Wort hat die rechtsgeschichtliche Forschung auf den Plan gerufen, die es im staatsrechtlichen Sinne zu deuten versucht. Es handelt sich dabei offenbar um die Bezeichnung jenes Bereichs, in dem die Herrschaft des Markgrafen anerkannt wird. Diese ist wohl eine vom König abgeleitete, aber in ihrer faktischen Erblichkeit und in ihrer nun fest verwurzelten und nach unten abgesicherten Gewalt ein Element der tatsächlichen Durchsetzung, die Sicherheit gibt und sich de facto auch vom König lösen kann. Man darf nicht glauben, dass der Markgraf nun quasi gleich seine Selbstständigkeit demonstrieren wollte. An dem hierarchischen Lehensaufbau war nicht zu rütteln, und es ist kaum vorstellbar, dass Liutpald II. andere Vorstellungen hatte. Die fortgeschrittene verfassungsrechtliche Situation, die immer von der tatsächlichen Realität bedroht werden konnte, traf nun aber mit einer weltanschaulichen und gesellschaftlichen Krise zusammen, welche im Drang des Geschehens neue Kräfte entband und neue Möglichkeiten schuf. Hinzu kam der Einfluss der nächsten Umgebung, die laue Beziehung zum König, die sicher Nachteile für Liutpald gebracht hatte und brachte, sowie die drohende Macht päpstlicher Gewalt, die durch das einzigartig geeignete Sprachrohr, den Bischof von Passau, als dem für die Mark und den Markgrafen zuständigen Diözesan, vermittelt wurde. Dies war die historische Stunde, die den Babenberger von seinem Kurs endgültig abweichen ließ. 1078 war er sich seiner Sache noch nicht gewiss, außerdem wird ihm damals an einer religiösen Entscheidung noch wenig gelegen gewesen sein. Altmann von Passau war die stärkste Stütze der Gregorianer im Südosten des Reiches. Selbst ein Westfale, der wohl ein bedeutendes Bistum im Westen des
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Reiches erhofft hatte, erkannte er bald, dass in der in puncto kirchlicher Organisation und reformerischem Impetus noch rückständigen Grenzdiözese vieles zu bewirken war, ohne von kirchlichen Konkurrenten oder Kontrahenten behindert zu werden. Dass er in Passau nicht ein durchwegs Fremder und damit machtmäßig eingeschränkter Bischof war, verdankte er seiner Verwandtschaft mit bayerischen Adelsgeschlechtern, unter denen die Grafen von Formbach mit all ihren einzelnen Filiationen und genealogischen Vernetzungen die wichtigsten waren. Ihre Machtstellung war an Inn und Donau verankert und in der bayerischen Ostmark zählten sie zu den hervorragendsten Grundherren. Die Formbacher waren Anhänger der päpstlichen Reform und unterstützten Altmann unverdrossen und mit zäher Ausdauer, wenn sie zunächst auch selbst unter den Angriffen König Heinrichs IV. zu leiden hatten. Obwohl Altmann ein Protegé der Kaiserinwitwe Agnes war, wohnte er 1076 nicht dem Hoftag von Worms bei, auf dem der König den anmaßenden Papst Gregor VII. absetzte. Im Gegenteil, er stellte sich auf dessen Seite und agierte im Sinne der päpstlichen Banngewalt gegen Heinrich IV. Dieser wandte sich 1077 gegen ihn und verwüstete Passau. Altmann musste fliehen, ging zunächst nach Sachsen in seine Heimat, reiste daraufhin nach Rom und kehrte als päpstlicher Legat nach Deutschland zurück. Der Kaiser beließ es nach seiner Rückkehr aus Italien nicht bei einer Straf expedition gegen den abtrünnigen Markgrafen, sondern entzog ihm seine Funktion und verlieh die bayerische Ostmark seinem treuen Parteigänger Herzog Vratislav von Böhmen. Dieser schien als Nachbar und Gegner des Babenbergers ideal für die Übernahme der Mark. Grenzstreitigkeiten zwischen den Böhmen und Liutpald II. waren an der Tagesordnung und an der Thaya gab es häufig Auseinandersetzungen mit den mährischen Fürsten. Anfang Mai 1082 drangen die Böhmen in die Mark ein. In deren nördlichen Gegenden lagen Besitzungen der Haderiche und der Formbacher, die schon aus diesen Gründen Liutpald unterstützten; außerdem waren sie mit den Babenbergern versippt und Anhänger der Gregorianer. Am 12. Mai 1082 bezogen die Heere ihre Position auf dem Schlachtfeld bei Mailberg. Nach ziemlich blutigem Ringen wurden die Märker geschlagen. Der Norden der Mark war den plündernden böhmischen Kriegerscharen preisgegeben. Diese zogen sich jedoch bald zurück und Vratislav machte keine Anstalten, sich die Mark gänzlich zu unterwerfen und Liutpald II. zu vertreiben. So konnte sich dieser trotz der militärischen Niederlage halten.
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Erst im Spätsommer 1084 war der Kaiser imstande, wieder einen Heereszug gegen Liutpald II. zu unternehmen. Die Lage im Südosten des Reiches hatte sich aber für ihn seit 1079 wesentlich verschlechtert. Neben Welf IV. hatte er auch den steirischen Markgrafen Otakar I. und Liutpald gegen sich. Wir sind über Einzelheiten dieser Expedition nicht unterrichtet, dass es zu einer Schlacht gekommen ist, kann man mit Fug bezweifeln. Irgendwie musste sich der Markgraf damit abfinden, dass Gebiete am Thayafluss an Böhmen abgetreten wurden. Herzog Vratislav wurde 1085 vom Kaiser zum König erhoben, wird aber im Zusammenhang mit der Mark nicht mehr genannt, obwohl ihm ja die Markgrafschaft verliehen worden war. Warum der Babenberger in seinem Amt belassen wurde, ist nicht zu beantworten. Gegen andere abgefallene Amtsträger ging Heinrich IV. ziemlich scharf vor. Vielleicht war die antikaiserliche Mächtegruppierung im Südosten zu stark, um einschneidende Änderungen in den Spitzenpositionen zu ermöglichen. Doch scheint diese Überlegung zu vage, um eine höhere Wahrscheinlichkeit für sich beanspruchen zu können. Tatsächlich waren aber die Anhänger des Kaisers durchaus noch eine respektable Gruppe, vor allem seitdem es gelungen war, die gregorianischen Bischöfe aus ihren Sitzen zu verjagen. Wie schon 1079 und jetzt noch mehr kann man über die Gründe des Herrschers, die Spitze der Mark unverändert zu lassen, nur spekulieren. Liutpald vermochte sogar dem aus Passau vertriebenen Altmann Schutz zu bieten, ohne dass der König dagegen einschritt. Im östlichen Teil der Diözese hatte Altmann Rückhalt durch die dort ansässigen Anhänger der päpstlichen Partei, zu denen auch Verwandte des Westfalen zählten. Außerdem verfügte das Bistum östlich der Enns über einen beachtlichen Landbesitz, den der vom Kaiser eingesetzte Gegenbischof von Passau aus nicht kontrollieren und gegen den Willen des Markgrafen auch nicht beanspruchen konnte. Dort, in Zeiselmauer und Mautern vor allem, brachte Altmann die letzten Jahre seines Lebens zu, starr und unversöhnlich bis zum Ende. Er starb im Jahre 1091, von wenigen betrauert, für den Markgrafen wohl eine Befreiung. Das Passauer Domkapitel hatte ihn von jeher abgelehnt. Es war kaisertreu und konnte sich für die neue strikte Auffassung von den Pflichten der Domherren kaum erwärmen. Als er den Bann über Heinrich IV. verkündete, war ihm der Dompropst Egilbert entgegengetreten, sodass sich vor dem Altar der Bischofskirche ein unwürdiges Schauspiel ereignete. Außerdem wurde dem streitbaren und aske-
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tischen Bischof vorgeworfen, dass er Kirchengüter an Laien vergebe, um sich eine bewaffnete Anhängerschaft im Kampf gegen das Domkapitel zu schaffen. So soll Altmann den Kirchenzehent mehrerer Pfarren an Liutpald II. gegeben haben. Diese Vorgangsweise, die sich nicht wörtlich nachweisen lässt, ist wohl nicht ganz ohne Grund getadelt worden. Es ist schwer vorstellbar, dass Altmann den überwiegend königstreuen Klerus seiner Diözese ohne solche Hilfestellung hätte verjagen und gegen verlässliche Reformer hätte austauschen können. Allerdings wäre so viel Pragmatismus doch einigermaßen verblüffend, handelte er doch damit ganz gegen seine glühende Überzeugung von einer Machtkirche ohne Laieneinfluss. Ein letzter Erfolg für seine Parteigänger war die Bestellung des Domherrn Ulrich von Augsburg zu seinem Nachfolger: ein der Kirchenreform anhängender Kleriker. An der Person Altmanns scheiden sich die Geister. Für die einen war er ein Erneuerer des geistlichen Lebens in der bayerischen Ostmark, was in manchen Aspekten und Ergebnissen auch einen kulturellen Fortschritt einleitete. So soll er die ersten Kirchen aus Stein gebaut haben, während es bisher nur hölzerne, völlig schmucklose Kirchengebäude gegeben hätte. Dagegen sprechen freilich Ortsnamen wie Steinakirchen, das schon im 10. Jahrhundert genannt wird. Allerdings suggeriert der Name auch die Seltenheit dieser Tatsache, weil der Ort sonst nicht nach seiner Besonderheit bezeichnet worden wäre. Auch habe Altmann in seiner Diözese einen der Völlerei ergebenen, trunksüchtigen und den Zölibat sträflich missachtenden Klerus vorgefunden, der sich nur welt lichen Geschäften widmete und nicht imstande war, die Messe zu lesen. Diese Aussagen seiner Lebensbeschreibung, die rund vierzig Jahre nach seinem Tod (nach 1130) verfasst wurde, sind allerdings nicht wörtlich zu nehmen. Der parteiische Verfasser, wohl in Altmanns Gründung Göttweig beheimatet, lässt die erneuernde und umstürzlerische Tätigkeit seines Helden im hellsten Licht erscheinen. Ausgehend von Schilderungen angeblich moralisch so minderwertiger Zustände der voraltmannischen Kirche in der Mark, die in ihrer Einseitigkeit nur Gemeinplätze sind, wird auch die positive Veränderung im äußeren Kirchenwesen beschrieben, die Altmann als Bringer von Kultur in sein noch von natürlicher Roheit bestimmtes Aufgabengebiet glorifizieren. Einen kulturellen Aufschwung im Besonderen wie im Allgemeinen wird man jedoch nicht in Abrede stellen können. Doch war eben die Mark über die Jahrzehnte des Anfangs hinaus, in denen es um Grundsätzliches, wie Behauptung gegen
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die äußeren Feinde und Etablierung von dauernden Siedlungen, ging. Hier konnte Altmann ansetzen und tat es auch. Für die anderen bleibt er ein düsterer Eiferer, der dem Reich in einer entscheidenden Phase seiner Entwicklung geschadet habe. Das unglückselige Bündnis von aufständischen Fürsten und Papstkirche sei von ihm wesentlich gefördert und am Leben erhalten worden. Er habe dadurch dem Königtum einen irreparablen Schaden zugefügt, der in seinen Folgen bis in die Neuzeit von Übel gewesen sei. Obwohl man zugeben muss, dass es noch andere Persönlichkeiten von Bedeutung mit antikaiserlicher Tendenz gegeben hat und der Historiker die Kausalität des einmal Geschehenen nicht über Jahrhunderte hin in starrer Geradlinigkeit bemühen soll, ist nicht zu leugnen, dass Altmann dazu beigetragen hat, das Kaisertum im Vergleich zum Papsttum abzuwerten und das rebellische Fürstentum in seinen Bestrebungen nach Emanzipation von der Herrschermacht zu stärken. Der Herrscher war in den nächsten Jahrhunderten dazu gehalten, sich zwischen diesen ihm selten geneigten, meist feindlichen Mächten zu behaupten. Und das gelang im 13. Jahrhundert, als in Westeuropa am nationalen Königtum orientierte Herrschaftsgebilde entstanden, nicht mehr. Altmanns Name bleibt jedoch unbestreitbar mit der Kirchenreform und ihren Folgen für Klöster und Stifte verbunden. Ein weiteres Verdienst war die Ausweitung des Pfarrnetzes im Ostteil seiner Diözese, die dadurch eine bessere Strukturierung erfuhr, was auch der säkularen Verwaltung zugutekam. Das Christentum war seiner antiken Tradition nach eine Religion der Stadt. Für die seelsorgerische Durchdringung des flachen Landes bedurfte es ländlicher Stützpunkte als Grundlage einer umfassenden kirchlichen Organisation. Diese fanden sich zunächst in Stiftungen des Grundherrn, der für seine Leute, die nicht in die Stadt gehen konnten, um einer Messe beizuwohnen, eine Predigt zu hören oder Sakramente zu empfangen, Kirchen errichten ließ. Dadurch entstand eine Gemeinschaft von Personen, die auf eine bestimmte Kirche angewiesen blieb; der Anfang der Pfarrgemeinde. Auf die diözesane Zugehörigkeit wurde dabei keine Rücksicht genommen. So war etwa die Wachau übersät von Kirchen, die der jeweilige Grundherr erbaut hatte. Die Bischöfe von Passau, die dagegen machtlos waren, versuchten durch gezielte Neugründungen die fremden Eigenkirchen gleichsam zu neutralisieren. Im Idealfall sollten solche zentrale Kirchen ausschließlich vom Bischof errichtet werden, während der Grundherr
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den Bauplatz und die entsprechende Ausstattung (dos) geben sollte. Ein solcher Fall war die oben erwähnte Schenkung Kaiser Heinrichs II. an Bischof Beringer von Passau im Jahre 1014, die den Aufbau von fünf Pfarren ermöglichte. Diese Seelsorgemittelpunkte wurden als Pfarrkirchen bezeichnet. Bis zum genannten Jahr haben wir keine Nachrichten über Pfarrgründungen in der Ostmark. Im Laufe des 11. Jahrhunderts entwickelte sich dieses neue kirchliche Institut aber ziemlich schnell, was den Schluss nahelegt, dass Passau schon im 10. Jahrhundert mit Pfarrgründungen im Viertel ober dem Wienerwald und am nördlichen Donauufer begonnen hat, um seine Position im Donauland zu stärken. Bischof Egilbert (1045–1065), der Vorgänger Altmanns, gründete bereits Pfarrkirchen im Wiener Becken, im Weinviertel und im östlichen Waldviertel. Keine Rücksicht auf den Diözesanbischof nahm Kaiser Heinrich III., der in seiner ephemeren Ungarnmark um 1051 die Pfarren Hainburg, Stillfried, Drösing und Unterwaltersdorf einrichtete. Bischof Altmann war derjenige, der hier einen vorläufigen Schlusspunkt setzte, der über den Pfarrbesitz der Reformklöster die Gedanken der kirchlichen Erneuerung verbreitete und zugleich die kirchliche und moralische Disziplin der weltlichen Kleriker zu heben trachtete. So bestanden bei seinem Tod in Niederösterreich etwa 85 Pfarren. Man darf sich nun nicht vorstellen, dass der ostmärkische Teil der Diözese Passau gleichmäßig in Pfarren unterteilt gewesen wäre. Eine Pfarrkirche war grundsätzlich nur an wichtigen Orten sinnvoll, wo die Seelsorge und Sakramentspendung für eine entsprechend große Personengruppe erfolgen konnte. Die Pfarre basierte nicht auf räumlichen Voraussetzungen, sondern blieb stets auf einen bestimmten zusammengehörigen Verband von Menschen bezogen. Als sehr schwierig erwies sich zweifellos die Abgrenzung der Pfarren, da sie auf naturräumliche Gegebenheiten angewiesen blieb, über die oft keine Übereinstimmung herrschte, da die Bäche, Flüsse, Berge, Gräben nicht einmal überall gleich benannt wurden. Ein Aufbruch im monastischen Bereich ist schon seit der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts im Reich festzustellen. Klostergründungen nehmen zu, da der Adel diese als neue Art begriff, sich Machtmittelpunkte zu schaffen. Im Südosten des römisch-deutschen Reiches entstand in dieser Zeit eine Reihe von adeligen Damenstiften, die sich vorteilhaft in den Einflussbereich der jeweiligen Stiftersippe einordneten (St. Georgen am Längsee, Göss, Traunkirchen, in Niederösterreich wohl Erla). Als Männerklöster dieser Art sind Ossiach, Lambach, auch das bischöfliche Eigenkloster Admont zu nennen.
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Im Markenbereich bestand seit den Anfängen der babenbergischen Herrschaft eine Klerikergemeinschaft auf dem Burgberg von Melk. Ob diese zu den Babenbergern, die ja in Melk einen Hauptsitz hatten, in einem Naheverhältnis gestanden sind, ist unsicher. Jedenfalls war Markgraf Liutpald II. 1089 imstande, diese Kanoniker zu vertreiben und Benediktinern eine Heimstatt zu bieten. Diese kamen unter der Führung ihres Abtes Sigibold aus Lambach, das wahrscheinlich aber nur eine Zwischenstation auf ihrer Reise vom fränkischen Münster-Schwarzach darstellte. Es wird gemutmaßt, dass Bischof Altmann den Markgrafen zu dieser Aktion getrieben hat, um eine strenge, nach den asketischen Regeln der Reformer lebende Mönchsgemeinschaft anstelle wohl ziemlich weltlicher Kanoniker zu setzen. Wieweit der Markgraf sich für die Umwandlung Melks in ein Benediktinerkloster einsetzte und ob er es auf Drängen Altmanns tat, ist fraglich. Als Gründer Melks wird Liutpald II. erst in einer Quelle des späten 12. Jahrhunderts bezeichnet, nicht aber in den Melker Annalen, die schon in den Zwanzigerjahren dieses Jahrhunderts einsetzen. Im Jahre 1110 spricht Papst Paschalis II. davon, dass die Eltern des Markgrafen Liutpald (III.) die Peterskirche und die Klostergebäude in Melk errichten ließen. Das in dem päpstlichen Privileg gebrauchte Wort parentes kann nun Eltern, im mittelalterlichen Latein aber weit eher Vorfahren, enge Verwandte bedeuten. In derselben Urkunde ist neben den beiden Fürsten, Liutpald Vater und Sohn, noch von ceteri parentes die Rede, also von deren übrigen Verwandten. Zurecht ist festgestellt worden, dass damit wohl die mütterliche Seite von Liutpalds III. Sippschaft gemeint sein muss. Itha war eine Formbacherin, aus dem Zweig der Grafen von Ratelnberg. Diese gehörten aber zu den eifrigsten und hartnäckigsten Förderern Altmanns und waren seinen kirchlichen Reformen besonders verbunden. Aus diesem Zusammenhang ist also anzunehmen, dass Altmann die Umwandlung Melks in ein Benediktinerkloster forcierte und in den Formbachern willige Helfer fand. Erst dahinter ist der Markgraf als Stifter zu vermuten, dem die Reform als solche wahrscheinlich nicht so sehr am Herzen lag, der aber ihre Anhänger gewähren ließ und sie nach 1081 wohlwollend förderte. Mit Altmann von Passau ist aber der Aufschwung des Klosterwesens in der Ostmark ganz wesentlich verbunden. Während die Klöster Mondsee, Mattsee, Kremsmünster wie auch wahrscheinlich St. Florian bereits im 8. Jahrhundert in vorkarolingischer Zeit gegründet wurden, ist östlich der Enns nur St. Pölten
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zu nennen. Doch ist über die Frühgeschichte des Klosters nichts bekannt und sein Alter in der Forschung umstritten. Altmann reformierte es wie auch St. Florian und betraute die neuen Chorherrenstifte mit Seelsorge und Pfarrtätigkeit; Aufgaben, die den Kanonikern der weltlichen Kollegiatsstifte bisher fernstanden. Ein Stift nach seiner Vorstellung errichtete er zunächst (um 1070) in St. Nikola bei Passau, um dem ihm feindlich gesinnten eigenen Domkapitel entgegenzuwirken. Doch verlor er nach der Vertreibung aus seiner Bischofsstadt 1078 den lebendigen Kontakt zu dieser Gründung und so erbaute er am Südufer der Donau bei Mautern, einer seiner wichtigsten Niederlassungen im Ostteil seiner Diözese, ein hoch gelegenes Chorherrenstift: Göttweig (1083). Altmanns Stifte und deren Reform bezogen sich grundsätzlich auf die monastische Richtung des lothringischen Klosters Gorze, das eine strenge Beobachtung der Regel und asketischen Lebensstil forderte; hingegen übernahm er dessen positive Einstellung zu den Laien in der Kirche nicht: Hier vertrat er die neue päpstliche Sicht vom Vorrang der Geistlichkeit. Diese Radikalität entsprach der Anschauung, die vom burgundischen Kloster Cluny ausging, dessen scharfe Ablehnung von diözesanen oder gar laikalen Elementen nur den Papst als Autorität gelten ließ. Clunys Einfluss in der Ostmark wurde im Großen und Ganzen erst um 1100, also nach Altmanns Tod, wirksam. Damit ging eine Umwandlung reformierter Chorherrenstifte in Benediktinerklöster einher. Göttweig wurde davon im Jahre 1094 betroffen, als Hartmann, der bisherige Prior des Schwarzwaldklosters St. Blasien, mit einigen Mönchen dort erschien. Die vorhandenen Chorherren mussten Mönche werden oder das „neue“ Kloster verlassen. Göttweig entwickelte sich rasch zu einem Vorbild gebenden Kloster, mit religiösem, aber auch kulturellem Einfluss über die Mark hinaus. All das war in den letzten Jahrzehnten des 11. Jahrhunderts geschehen, ohne dass von Markgraf Liutpald II. noch die Rede ist. Er scheint sich der Reichspolitik ebenso entzogen zu haben, wie er die reformerische Tätigkeit Altmanns nur bescheiden unterstützte. Sie war ihm offensichtlich kein Herzensanliegen. Es ist bezeichnend, dass der Bischof von Passau nicht ihn, sondern den Grafen Ekbert von Formbach zum Vogt seiner Hauptklöster St. Nikola und Göttweig einsetzte. Am 12. Oktober 1095 ist der Markgraf gestorben. Begraben wurde er mit großer Wahrscheinlichkeit in seiner Burg Gars am Kamp, obwohl im Kloster Melk eine Grabschrift aus dem 13. Jahrhundert mit Bezug auf Liut-
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pald II. existiert. Vielleicht wurde sein Leichnam anlässlich eines Burgbrandes dorthin transportiert. Gars spielte bis dahin für die Babenberger keine Rolle, nach seiner Lage im östlichen Waldviertel, im mittleren Kamptal, weit im Norden der Donau, konnte es erst zu Beginn der großen Rodungen wichtig werden. Im 12. Jahrhundert ist es Mittelpunkt eines markgräflichen Forstbezirks, Sitz einer Mutterpfarre und Ort markgräflicher Gerichtstage. Zentrum babenbergischer Herrschaftsausübung scheint weiterhin Tulln gewesen zu sein, Vorort des wohl größten Königsbezirks in der Mark. Nicht ohne Grund erfolgte dort die Absage an König Heinrich IV. Im Todesjahr Liutpalds II. begann sich das Verhältnis zwischen dem Herrscher und Herzog Welf IV. von Bayern zu verbessern; ein Geschehen, dass wohl auch für den Markgrafen von Bedeutung gewesen wäre. In einem Nachruf, den ihm der Geschichtsschreiber Bernold von St. Blasien widmete, wird er Markgraf nicht nur als treuester Kämpfer für die Sache des Papstes bezeichnet, sondern auch als sehr reich. Woher dieser Reichtum stammen soll, ist freilich nicht recht ersichtlich. Inwiefern er aus dem Kampf der Kaiserlichen gegen die Reformkirche einen wirtschaftlichen Vorteil gezogen haben sollte, ist unklar. Möglich ist es, dass er durch die Konfiskation von Besitzungen der Anhänger Heinrichs IV. in der Mark reich geworden war. Dass er politisch die Gunst der Stunde zu nützen verstand, indem er die starke, direkte Abhängigkeit vom König lockerte, schuf die erste Voraussetzung für das spätere Landesfürstentum. Viel verdankte er in dieser Hinsicht seiner Gemahlin Itha, deren formbachische Beziehungen Liutpald eine Ausweitung der babenbergischen Macht (Wien!) ermöglichte. Sie hat als Witwe im Jahre 1101 am Kreuzzug Herzog Welfs IV. teilgenommen, von dem sie nicht wiederkehrte.
2.
Vom Amtsträger zum Landesherrn: Liutpald III.
Liutpalds II. gleichnamiger Sohn, der vierte uns bekannte Träger dieses Namens, der freilich wegen des frühzeitigen Todes seines Großonkels 1043 als Liutpald III. bezeichnet wird, gehört zu den bekanntesten und populärsten Herrschergestalten des österreichischen Donauraumes, an den sich zahlreiche Bräuche und Legenden knüpfen. Eine mehre Jahrhunderte gefplegte Tradition, die zunächst in seiner Kanonisation gipfelte, hat diesen Heiligen vor al-
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lem während der Barockzeit – als die Habsburger diesen Namen häufig zu führen begannen – dem Volk in Erinnerung gerufen und bis ins 20. Jahrhundert für dessen Verbreitung im katholischen, südostdeutschen Raum gesorgt. Hinter einem so gewaltigen durch Literatur, Musik und wesentlich bildende Kunst gestalteten und veränderten Nachleben ist die historische Persönlichkeit nicht leicht zu erkennen. Hat sie doch Lebensform und Handlungsweise der jeweiligen Jahrhunderte angenommen und ist letztlich zur goldenen oder hölzernen Statue geworden, die man verehrend oder auch nur neugierig betrachtet und deren reale Existenz dahinter sekundär, ja überhaupt fragwürdig erscheint. Wie bei vielen Königen oder Fürsten ist deren Ansehen mit einem wallenden Vollbart verbunden worden, der wohl Autorität und Würde versinnbildlichte: Ein solcher war um 1100 hingegen keineswegs adelige Mode, aber ein junger Markgraf ist wohl überhaupt nur schwer denkbar gewesen. Gegen diese bildlich bestimmten, festgefahrenen Vorstellungen Wege zur Historizität Liutpalds (Leopolds) III. zu weisen ist nicht leicht, weil die Quellen, auf die wir angewiesen sind, wenig Individualität entdecken lassen. Selbst wenn man die ganz allgemein beschränkte Möglichkeit berücksichtigt, ein Individuum im Mittelalter darzustellen, ist doch der Markgraf schon von den Zeitgenossen oder denjenigen Historiografen, die sich zumindest auf eine noch nahe mündliche Überlieferung verlassen konnten, aus verschiedenen Gründen idealisiert worden: Fromm, der Kirche ergeben, mild und Ehrfurcht gebietend tritt er uns entgegen. Was nicht in dieses Bild zu passen scheint, wird tendenziös verändert oder weggelassen. Sein fünfter Sohn Otto, der zu den größten Geschichtsschreibern des Mittelalters zählt und als Bischof von Freising die Reichspolitik erheblich mitgestaltete, sah ihn gleichsam doppelt: aus der Intimität familiärer Nähe und als Vertreter des neuen, selbstbewussten Fürstentums in seiner Abgrenzung gegen den König. Er bewahrte jedoch auch bei der Darstellung seines Vaters eine abwägende, kritisch-wertende Sicht; außerdem hielt er sich im Großen und Ganzen zurück und schrieb nicht viel über seine babenbergischen Verwandten. Schon in dieser frühen Überlieferung wird Liutpald III. nur bei historisch bedeutsamen Ereignissen sichtbar hervorgehoben und gewinnt einige wenige Konturen, im Übrigen liest man nur von einem Fürsten, der Rechtsgeschäfte tätigt und hinter dieser Urkunden ausstellenden Gestalt kein rechtes Leben gewinnt: Wir erleben den Markgrafen im Alltag, ohne seinen Alltag wirklich zu kennen. Es ist ein Alltag, dessen
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Spuren sich nur in den kargen Aufzeichnungen der Beschenkten finden und in ihrer Gesamtheit kümmerliche Spekulationen ermöglichen. Wirklich Gestalt gewinnt Liutpald III. nicht. Es ist anzunehmen, dass er seinem Vater in der Mark unbehindert nachfolgte. Das mag ganz wesentlich damit zusammenhängen, dass Heinrich IV. sich mit dem bayerischen Herzog Welf, der lange die Seele des süddeutschen Widerstands gegen den Salier gewesen war, 1095 ausgesöhnt hatte. Von Liut pald III. war eine ebensolche versöhnliche, dem Kaiser ergebene Haltung zu erwarten. Ob dieser ein Freund des Babenbergers gewesen ist, mag dahingestellt bleiben, und es ist durchaus wahrscheinlich, dass sich Heinrich IV. ein eidliches Versprechen geben ließ, das den jungen Markgrafen zur Unterstützung des Herrschers verpflichtete. Für Liutpald III. war es hingegen unumgänglich, mit dem Kaiser zu einem guten Verhältnis zu gelangen, wenn er sich in der Ostmark gegen andere, immer neues Land an sich ziehende Adelsgeschlechter durchsetzen und sie übertreffen wollte. So mochte die prokaiserliche Haltung des Markgrafen auffallen, der die mit seinem Vater kooperierenden Gregorianer Thiemo von Salzburg und Ulrich von Passau ungerührt ins Exil ziehen ließ. Im Jahre 1099 begegnete Liutpald dem Kaiser wohl das erste Mal persönlich auf dem Hoftag in Regensburg, dort wo vor 21 Jahren sein Vater angeblich so folgenreich von Heinrich IV. beleidigt worden war. In der bayerischen Hauptstadt scheint der junge Markgraf mit Borivoj, dem Bruder des böhmischen Herzogs, eine Eheverbindung zwischen Babenbergern und Přemysliden verabredet zu haben: Gerberga, eine seiner Schwestern, sollte an den böhmischen Hof gehen. Als Liutpald Regensburg verließ, konnte er als Anhänger des Kaisers angesehen werden, obwohl er sich in dieser Hinsicht nicht hervortat. 1101 brach Herzog Welf IV. mit einer kriegerischen Mannschaft aus bayerischen, weniger schwäbischen Landen nach Jerusalem auf. Der erfolgreiche Kreuzzug von 1099, der zur Eroberung der heiligsten Stadt der Christenheit geführt hatte, veranlasste in den folgenden Jahren zahlreiche weitere Gruppen – Bewaffnete und Nichtbewaffnete, darunter Frauen, Alte und Kinder –, ins Heilige Land zu ziehen. Erzbischof Thiemo von Salzburg, Bischof Ulrich von Passau beteiligten sich an diesem Unternehmen: Von Markgraf Liutpald ist dergleichen nichts überliefert. Spätere Quellen erzählen auch von seiner Begeisterung und dem Wunsch mitzugehen, eine lässt erst den bereits zu-
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rückgekehrten Bischof Ulrich dem Markgrafen das Kreuz auf das Gewand heften. Wie auch immer, Liutpald blieb zu Hause; möglicherweise war die Grenzsituation gegenüber Ungarn unsicher und gefährlich; doch bleibt dieser Erklärungsversuch ohne richtige zeitgenössische Prämisse. Genauso wird man kaum behaupten können, dass sich die allgemeine Begeisterung für den Kreuzzug so rasch abgeschwächt hatte und der Markgraf deshalb auf eine Teilnahme leichten Herzens verzichtete. Liutpald III. und der Kreuzzug lassen sich mit guten Gründen nicht zusammenbringen. Die Zeitgenossen haben sich dazu nicht geäußert, die spätere Überlieferung empfand die Abwesenheit des heiligen Markgrafen wohl als Manko und hat nach Ursachen für diese rätselhafte Unterlassung gesucht. Anstelle Liutpalds nahm jedoch seine verwitwete Mutter Itha an dem Kreuzzug Welfs IV. teil. Die Sehnsucht, das Grab Christi zu besuchen und die Stätten seines Wirkens in der Karwoche zu sehen, wird sich bei Itha mit einem Auftrag zur Repräsentation verbunden haben. Es ist bemerkenswert, dass der byzantinische Kaiser Alexios I. sich nur von Herzog Welf und der Markgrafenwitwe Itha einen Treueid leisten ließ, wonach die eroberten Gebiete in Kleinasien und Syrien dem Kaiser als Oberherrn abzutreten waren. Im byzantinischen Recht gab es kein Lehenswesen, doch kannte Alexios I. die abendländischen Rechtsanschauungen und versuchte, die führenden Kreuzfahrer auf diese Weise an sich zu binden. Dass neben dem Herzog auch eine fürstliche Frau auf diese Weise in die Pflicht genommen wurde, ist sehr bedeutsam und spricht für das hohe Ansehen Ithas, die vielleicht auch von den süddeutschen Kreuzfahrern als Autoritätsperson angesehen wurde. Über ihr weiteres Schicksal können nur Vermutungen angestellt werden. Am wahrscheinlichsten ist es, dass sie bei der Niederlage der Süddeutschen in Kleinasien gegen die Seldschuken ums Leben kam; begraben unter den Hufen der Pferde. Möglicherweise ist sie bei der Schlacht in Gefangenschaft geraten und wurde mit anderen alten Frauen und Männern anschließend getötet, weil sie als Sklavin oder für den Harem eines Machthabers nicht mehr brauchbar war. Ithas Alter ist freilich schwer einzuschätzen, die Tatsache, dass sie Witwe war, könnte leicht dazu verleiten, sie 1101 schon für ziemlich bejahrt zu halten. Ihr Mann Liutpald II. wurde wohl um 1050 geboren, ihr Sohn Liutpald III. gegen 1075. Da dieser ältere Schwestern hatte, muss sie schon vor diesem Jahr gebärfähig gewesen sein, was eine Geburt der Markgräfin spätestens in den
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letzten Fünfzigerjahren des 11. Jahrhunderts erwarten lässt. Auch dürfte sie schon einmal verheiratet gewesen sein, bevor sie den Markgrafen ehelichte, eine Tatsache, die ihr Geburtsjahr aber nicht wesentlich hinaufrücken muss. Freilich ist das eine Annahme, die mit den nicht seltenen adeligen Kinderehen der Zeit operiert. Auf dem Kreuzzug wäre Itha dann eine Mittvierzigerin gewesen, vielleicht aber auch ungefähr zehn Jahre älter. Was jedoch eher gegen eine spätere Tötung spricht, ist die Tatsache, dass man für Itha, deren führende Stellung im Christenheer den Muslimen bekannt geworden sein musste, zweifellos Lösegeld erhoffen konnte. Aber auch das ist eine Spekulation. Dass das ungewöhnliche Schicksal der österreichischen Markgräfin aber die Gemüter weiter bewegt hat, lässt die märchenhafte Überlieferung erkennen, die Itha zur Frau eines arabischen Großen macht, dem sie den berühmten Kriegshelden Imad ad-Din Zengi geboren habe. Dieser zeichnete sich bei der Erstürmung Edessas 1144 aus, wodurch er den Christen einen Machtmittelpunkt ihrer ersten Eroberungen wieder abnahm und damit letztlich den zweiten Kreuzzug auslöste. Der muslimische Kriegsheld als halber Christ (und umgekehrt) gehört zu den populären Vorstellungen abendländischer, literarischer Tradition. In den auf die Babenberger bezüglichen Quellen ist von Itha keine Rede mehr. In keiner der erhaltenen Urkunden Liutpalds III. wird ihrer gedacht, Otto von Freising lässt seine väterliche Großmutter gänzlich unerwähnt. Nur eine Grabinschrift in Melk weist darauf hin, dass sie in Grecia, also auf dem Gebiet des byzantinischen Reiches begraben wäre: eine allgemeine, unspezifische Aussage. Vom jungen Markgrafen erfährt man in den ersten Jahren des 12. Jahrhunderts ebenfalls nichts. Die Historiker gehen darüber hinweg, indem sie feststellen, dass Liutpald III. diese Zeit genützt hätte, um seine Stellung in der Mark zu sichern und auszubauen. Das ist nicht unwahrscheinlich, lässt sich aber nicht durch urkundliche oder historiografische Mitteilungen erhärten. So hat man den Eindruck, hier eine Leerformel zu bemühen, die alles und gar nichts besagt. Vom Kaiser toleriert, dann vielleicht eidlich verpflichtet, sicherlich belehnt und bestätigt, konnte sich Liutpald mit den den Kaiserlichen seit 1082 abgenommenen Besitzungen befassen, wobei er zwischen den Ansprüchen der Gregorianer und den vitalen Eigeninteressen lavieren musste. Dass er dabei politisch geschickt den kirchenrechtlich verankerten Forderungen der Reformkirche auszuweichen trachtete, ist aus seinen im späteren Leben ange-
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wandten Methoden zur persönlichen Machtentfaltung zu erschließen. Es war sicher nicht leicht, als Anhänger und Gefolgsmann des Kaisers zu agieren und sich zugleich an der Aufteilung des Besitzes kaisertreuer Adeliger in der Mark wesentlich zu beteiligen. Dabei scheint er recht erfolgreich gewesen zu sein, wie sich aus späteren Eigentumsverhältnissen ablesen lässt, wenn man auch nicht übersehen darf, dass Liutpald vor allem von der Mutterseite her formbachisch-ratelnbergischen Besitz erbte. Übertreiben durfte er seine Erwerbspolitik allerdings nicht, da sie ihn bei Kaiserlichen wie Gregorianern verhasst gemacht hätte. Diese vorsichtige, aber gelegentlich auch skrupellose Haltung des Markgrafen ist aus späteren Verhältnissen in der Mark zu erschließen, beweisen lässt sie sich aber nicht, und man muss sich hüten, Liutpald als modernen Realpolitiker zu sehen, der unbeirrbar und zielgerichtet seinen Weg ging. Noch war er in der Mark über die Stellung als primus inter pares, die auch seine Vorfahren innegehabt hatten, nicht hinausgekommen. Und als er anscheinend 1104 die Schwertleite empfing, konnte er auch noch nicht sehen, dass sich dieser Zustand so leicht ändern würde. Heinrich IV. war seit 1100 wieder gebannt, ohne dass dieses Faktum im Reich etwas Wesentliches bewirkt und zumal die Machtverhältnisse und Parteiungen verändert hätte. Obwohl von Markgraf Liutpald nach dem Regensburger Hoftag nichts mitgeteilt wird, ist mit Sicherheit anzunehmen, dass er in seiner Treue zum Kaiser nicht wankend wurde. Auch der als führender Gregorianer geltende Bischof Ulrich von Passau übte sichtlich keinen Einfluss auf den Markgrafen aus, so wie einst Bischof Altmann auf dessen Vater. Anders reagierten die Fürsten und Großen aber, als sie sich durch des Königs offen gezeigte Missachtung schwer gekränkt wähnten. Graf Sighard, ein führender bayerischer Adeliger, dem etwa die Schallaburg bei Melk gehörte, wurde von königlichen Ministerialen ermordet, und zwar in einer Weise, die an eine Hinrichtung erinnert. Das geschah auf dem Hoftag zu Regensburg 1104 gleichsam vor den Augen des Herrschers. Von ihm erwartete man nun ein strenges Gericht über die Mörder, das aber ausblieb: Heinrich ignorierte die gereizte Stimmung der Fürsten und ging zur Tagesordnung über. Der König förderte die Ministerialen, auf die er sich absolut verlassen konnte und die ihm eine wertvolle Stütze gegen den Reichsadel waren. Dieser hatte ihn sein ganzes Leben lang immer wieder im Stich gelassen, ja sich gefährlich gegen ihn gewandt und getrachtet, ihn um die Krone zu bringen. Zudem überging Heinrich IV.
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den Anspruch der Fürsten auf beratende Tätigkeit und holte sich lieber Rat vor allem bei sozial Niederen. Vor diesem Hintergrund musste die Ermordung Graf Sighards und deren Bagatellisierung durch den Herrscher wie ein Fanal wirken. Viele wandten sich vom König ab und schlossen sich seinem Sohn Heinrich, dem designierten Nachfolger, an, der sich ebenfalls gegen seinen Vater empörte. Beide suchten eine rasche Lösung dieses Konflikts auf dem Schlachtfeld herbeizuführen. Nicht weit von Regensburg am Flusse Regen in der heutigen Oberpfalz standen sich die Heere der königlichen Kontrahenten gegenüber. Markgraf Liutpald und sein Schwager, der Böhme Borivoj, befanden sich mit ihrer Mannschaft im Lager des Kaisers. Sie erfüllten ihre Folgepflicht und beteiligten sich nicht am Abfall von Heinrich IV. Mag sein, dass der Tod des auch in der Mark reich begüterten Grafen Sighard Liutpald III. Aussichten eröffnete, die er zu wahren gedachte; aber das kann nur eine Vermutung sein, die sich nicht beweisen lässt. Es fällt aber auf, dass der Markgraf sich mit seinen Standesgenossen offensichtlich nicht solidarisch erklärte und die Ermordung Sighards für ihn wohl keine prinzipielle Bedeutung hatte. Jedenfalls nicht eine, die ihn zum Treubruch verleiten konnte. Da der kirchlich Gebannte grundsätzlich keinen Anspruch auf vorher geleistete Treueide hatte, diese vielmehr ipso facto erloschen waren, hätte Liutpald kein Problem gehabt sich zu entschuldigen, falls er auf die Seite des Königssohns getreten wäre. Er tat es aber nicht, weil er sich trotz seiner Offenheit gegenüber der Reformkirche und ihren adeligen Anhängern einzig dem Kaiser verpflichtet fühlte, obwohl man nichts von Vorteilen hört, die ihm Heinrich IV. verheißen hatte. Bis dahin könnte man den Markgrafen als Muster an Treue bezeichnen, ein bei dem allgemeinen Vorteilstreben und der schlichten Habgier der Reichsfürsten ungewöhnlich gewinnender menschlicher Zug. Das weitere, so folgenreiche Geschehen ereignete sich in einer Atmosphäre, die an Shakespeares Königsdramen erinnert: Das nächtliche, nur durch Fackelschein und Lagerfeuer erhellte Ufer des Flusses mit den Zelten der Großen, den dunklen Haufen lagernder einfacher Krieger, mit Pferdegestampf und -geschnaube. Einem Boten des Königssohns gelingt es, das feindliche Ufer zu erreichen und sich bis zu Liutpald und Borivoj durchzuschlagen. Und er überbringt das Angebot des jungen Heinrich: Wenn der Markgraf und sein böhmischer Schwager die Seiten wechseln oder zumindest mit ihren Kontin-
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genten Panzerreiter abziehen, soll Liutpald die Hand seiner Schwester Agnes erhalten, die gerade Witwe geworden ist. Man darf bei Menschen des 12. Jahrhunderts nicht nach psychologischen Erklärungen für ihr Tun und Handeln suchen, sofern diese eine allgemein anthropologische Konstante überschreiten. Es ist daher müßig, sich in die Situation des jungen Markgrafen versetzen und mit dem Instrumentarium unseres rationalen Denkens auf gewundenen Pfaden Liutpalds Entschluss erklären zu wollen. Hie Lehenstreue, da politische Aussichten: So einfache Gegensätze waren das für die Mentalität des hochmittelalterlichen Fürsten nicht. Das Wertesystem, dem er nachzuleben trachtete, hatte keine so scharfen Konturen, keine klare, abgegrenzte Gestalt wie unsere heutigen Gebote und Verbote. Dem König musste Liutpald III. als Verräter erscheinen, den mitstrebenden Fürsten als einer, der sich seiner Sippe, seinem Geschlecht als ungemein „tauglich“ erwies. Diesem ist er schuldig entsprechend zu handeln, denn was bisher nicht möglich war, ist es jetzt: Der Markgraf greift – bildlich gesprochen und doch zukünftige Wirklichkeit – nach der Hand der Königstochter und Königsschwester. Heimlich verlassen er und Borivoj mit ihren Kriegern das Lager des Kaisers. Heinrich IV. kann sich nach diesem Verlust am nächsten Tag auf keine Schlacht mehr einlassen und flieht. Otto von Freising, der seine Existenz diesem nächtlichen Angebot verdankt und darüber besonders genau informiert sein sollte, berichtet, dass der Kampf schon begonnen hatte, als der junge Heinrich Liutpald und Borivoy zur plötzlichen Flucht überredete. In den wohl noch vom Verfasser veranlassten Illustrationen der Chronik Ottos wird – ein halbes Jahrhundert nach dem Geschehen – auch das gegenseitige Anreiten an den Ufern des Flusses dem Text entsprechend dargestellt; eine Versinnbildlichung des Konflikts, aber in der Realität eine unwahrscheinliche Variante, weil sie die Kampfsituation mit dem unübersichtlichen Getümmel von Pferdeleibern und von allen Seiten drohenden Waffen nicht berücksichtigt. Ein plötzlicher Abzug durch die hauenden und stechenden Gegner wäre selbst bei Anwendung eines charakteristischen Feldgeschreis nur schwer durchzuführen gewesen. Das Angebot hätte außerdem mitten im Klirren der Schwerter und Schilde schreiend gemacht werden müssen, was wenig wahrscheinlich ist. Auch hätte Liutpald im Austeilen und Abwehren von Schwerthieben und Lanzenstichen über diese Option blitzschnell nachdenken, sich mit seinem Schwager verständigen und sofort entscheiden müssen. Und das wird man nicht annehmen, man wird sogar ver-
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Abb. 4 (oben): Die „Schlacht“ am Fluss Regen 1105
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muten, dass der Markgraf seine Stellung zum Kaiser und die etwaigen Folgen seines Handelns reflektiert und gegen die durch diese Heirat entstehenden Möglichkeiten abgewogen hat. Schließlich triumphierte der realistische Sinn des mittelalterlichen Adeligen, der bei aller rechtlichen Gebundenheit an ein überliefertes gesellschaftliches Wertesystem doch der normativen Kraft des Faktischen vertraute und meistens damit recht behielt. Der Abfall vom Kaiser, noch dazu in einer so hinterlistigen Weise, ist dem Markgrafen von der Geschichtsschreibung bis in jüngste Zeit angekreidet worden. Das hat besonders die christliche und monarchistische Historiografie des 19. und 20. Jahrhunderts in Schwierigkeiten gebracht, die im heiligen Leopold einen vorbildlichen Fürsten und Österreicher darzustellen vermeinte und nicht recht wusste, wie sie den Treubruch des Markgrafen rechtfertigen oder zumindest als verständlich erklären sollte. Immer wieder wird auf die vorgebliche Tatsache verwiesen, dass die Fürsten den Investiturstreit beenden wollten und einsahen, dass das mit dem alten, unverdrossenen und hartnäckigen Heinrich IV. nicht möglich wäre. Also forcierten sie seinen Sohn, der sich kompromissbereit und den Fürsten sehr aufgeschlossen zeigte. So hätte auch Liutpald III. gedacht und sich schweren Herzens für einen dauerhaften Frieden mit der Kirche, der Versöhnung von imperium und sacerdotium verschrieben. Vermitteln, versöhnen, Frieden stiften: Das hätte er immer als seine Aufgabe angesehen und entsprach auch einer vorbildlichen Frömmigkeit in den Augen katholischer Geschichtsschreiber. Das wird zwar nirgends berichtet, doch ist diese ausgleichende Haltung dem Markgrafen vielleicht nicht abzusprechen. Freilich stammte diese oft aus einem Kapitulieren vor Unmöglichem, das lange Zeit heftig und oft unbekümmert bekämpft worden war; mehr eine Resignation als eine Versöhnung. Und überhaupt hatte sich der Markgraf ja nicht gleich von Heinrich IV. abgewandt, sondern hatte ihn im letzten, entscheidenden Augenblick, als es auf seine unwandelbare Treue angekommen wäre, heimlich verlassen. Und diese Heimlichkeit war in den Augen des mittelalterlichen Menschen besonders verabscheuungswürdig. Liutpalds Sohn Otto von Freising betont es geradezu, dass erst das Heiratsversprechen den Abfall veranlasst habe. Im Übrigen nimmt er seinen Vater aus der Schusslinie und wettert gegen die unnatürliche Feindschaft seines Mutterbruders gegen dessen Vater. Erst die in Aussicht genommene, sozialen Aufstieg versprechende Heirat hatte jenen seine rechtlich-
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menschliche Pflicht vergessen lassen. Es wundert, dass niemals die Frau als Verführerin in diesem Zusammenhang angeklagt worden ist; wahrscheinlich, weil die gregorianisch gesinnte Historiografie den Abfall vom alten Kirchenfeind Heinrich auf jeden Fall positiv wertete, und zuletzt, weil es sich bei Liut pald ja nicht um das Erliegen des Mannes den verderblichen, weiblichen Reizen gegenüber handelte, sondern um die Ehe mit einer matrona, die schon elf Kinder geboren hatte und politischen und wirtschaftlichen Aufschwung verhieß. Der Markgraf wählte also die aussichtsreiche Zukunft und ließ die überholte Welt eines launischen, unberechenbaren Herrschers zurück. Die Hochzeit fand am 7. August 1106 statt, an demselben Tag, an dem Kaiser Heinrich IV. im fernen Lüttich starb. Agnes brachte ihrem zweiten Ehemann als Aussteuer Königsgut mit, wobei anzunehmen ist, dass es sich auch um Besitzungen handelte, die in der Mark lagen. Man wird dabei vor allem an die zur Stadt Tulln gehörigen Landstriche am linken Ufer der Donau denken, die Heinrich IV. als Kind auf seinem Ungarnzug aufgesucht und in deren Königshöfen er geurkundet hatte. Genaue Orts- oder Lageangaben hat man nicht, doch wird sich der babenbergische Besitz in der Mark zusammen mit dem Erbe der im Orient verschollenen Itha an Land und Menschen wesentlich vermehrt haben. Dass Agnes eine Witwe von ungefähr 34 Jahren war, ist überliefert, doch scheint auch Liutpald III. 1106 bereits seine zweite Ehe geschlossen zu haben. Besitzgeschichtliche Überlegungen und vereinzelte genealogische Hinweise deuten darauf hin, dass der junge Markgraf schon einmal verheiratet war; und zwar mit einer Frau, die wahrscheinlich aus dem reichen edelfreien Geschlecht der Herren von Perg stammte. Diese wiesen ausgedehnte Familienbeziehungen auf und verfügten über einen beträchtlichen Besitz in der Ostmark, besonders im nördlichen Niederösterreich, aber auch in der sogenannten Riedmark – heute der südöstliche Teil des Mühlviertels –, womit die Babenberger sich im Bereich des heutigen Oberösterreich festsetzen konnten. Man sieht an den Eheschließungen der beiden Liutpalde, Vater und Sohn, dass man von der Heiratspolitik früherer Jahrzehnte abging. Bis zu Markgraf Ernst war die Vernetzung mit dem Adel des ganzen Reiches ein vordringliches Anliegen der Markgrafen, die sich dadurch am gefährdeten Rand des Reiches besser behaupten konnten. Liutpald II. und Liutpald III. saßen trotz aller Auseinandersetzungen mit Heinrich IV. schon fest im Sattel und konnten sich der Erwei-
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terung ihrer Macht durch Landgewinn ohne die notwendige Rückendeckung durch den Herrscher und die ihnen verwandten einflussreichen Familien widmen. Nun war es angebracht, Frauen aus den mächtigen Geschlechtern der Mark heimzuführen, deren Mitgift den eigenen Besitz arrondierte und ausweitete und deren Gefolgschaft die Macht des Markgrafen sichtbar erhöhte. Eine Kaisertochter und -schwester aber hatte weit mehr zu bieten als Grund und Boden oder reisige Leute. Es ist nicht so, dass erst diese Ehe den Babenbergern eine angesehene Position unter den Reichsfürsten verschaffte: Mit dem Herzogtum Schwaben und den Marken im bayerischen Nordgau und an der Donau schien dieses Geschlecht in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts im Süden des Reiches omnipräsent. Doch nach dem Verlust der beiden anderen Herrschaftsgebiete erlitten die donauländischen Markgrafen einen Rückschlag. Nun galt es vermehrt, sich in der Ostmark zu etablieren, was aber zunächst von den Ungarn gestört und ohne Hilfe des Königs nicht zu bewerkstelligen war. Eine kluge Heiratspolitik stärkte die materiellen Grundlagen der Macht, und die Zuwendung zum reformkirchlichen Adel unter Liutpald II. ermöglichte recht schnell eine Ausweitung der babenbergischen Präsenz. Mit der Eheschließung von 1106 stärkte Liutpald III. wieder seine Beziehungen zum Königtum, womit er durch seinen Schwager König Heinrich V. auch eine Rückendeckung erhielt, die aber keine einseitige Abhängigkeit darstellte, wie es noch um die Mitte des 11. Jahrhunderts gewesen war. Auch die Nachkommen der Markgräfin aus ihrer ersten Ehe empfanden den Markgrafen nicht als Rivalen oder Konkurrenten bei Hof. Ja, gerade die enge verwandtschaftliche Verbindung zu der schwäbischen Herzogsfamilie, den Staufern, sollte sich in der Zukunft als überaus wertvoll erweisen. Agnes brachte ihrem zweiten Mann aber auch Besitzungen in den zentralen Landschaften des Reiches, am Mittelrhein. Hat Liutpald davon wohl keinen sichtbaren Gebrauch gemacht, so sollten diese Güter seinem Sohn Heinrich später wichtig werden. In den nächsten Jahren zeigte sich Liutpald III. als verlässlicher Anhänger und Amtsträger des Königs. Er war auf den Hoftagen zu finden und beteiligte sich an der Reichsheerfahrt, doch verhinderten wohl politisch-militärische Erwägungen seine Teilnahme an dem ersten Romzug Heinrichs V.: Die Ungarn waren drauf und dran, ihre inneren Streitigkeiten um die Herrschaft wieder
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einmal über die Grenzen in die Ostmark zu tragen. Gegen diese unsicheren Nachbarn hatte Liutpald schon 1108 gekämpft, als auf dem Hoftag in Nürnberg ein Reichskrieg gegen die Ungarn beschlossen wurde und der König die Donau entlang marschierte; Tulln, der alte Mittelpunkt des Königslandes in der Mark, und Klosterneuburg werden als Etappen des königlichen Heereszugs genannt. Erfolgreich waren die Kämpfe jedoch nicht, Pressburg wurde längere Zeit belagert, konnte aber nicht eingenommen werden. Liutpald nützte aber die Gelegenheit der königlichen Anwesenheit, sich seine Erwerbungen und die seines Vaters anlässlich der Vertreibung der Anhänger Heinrichs IV. absegnen zu lassen. So fest waren die neuen Besitzverhältnisse schon geworden und so eng orientierten sich die zurückgelassenen Ministerialen an anderen Herren, dass wiedergekehrte Grafen und Bischöfe auf eine Güterrestitution verzichteten. 1112 ist Liutpald am Hof in Mainz anzutreffen, doch scheint er sich um die Reichspolitik wenig gekümmert zu haben. Als ein Jahr später die Sachsen sich gegen Heinrich V. erhoben, verließ der Markgraf im Gegensatz zu seinem Großvater Ernst sein Amtsgebiet nicht und befasste sich mit kirchlichen Angelegenheiten, die ihm eine weitere Steigerung der Macht bringen sollten. Im Januar 1114 zog Liutpald aber wieder nach Mainz, wo die Hochzeit des Königs mit der noch kindlichen Prinzessin Mathilde, einer Tochter des englischen Königs Heinrich I. stattfand. Dass Kaisertum entwickelte dort unerhörten Glanz – die Hofdienste wurden von Reichsfürsten versehen, fünf Erzbischöfe und dreißig Bischöfe waren zugegen –, und so musste auch der Schwager des königlichen Bräutigams auf seine Reputation bedacht sein. Er repräsentierte ja nicht nur sich und sein adeliges Geschlecht, sondern als Gemahl der Kaiserschwester gewissermaßen auch die Salier. Er musste beweisen, dass der König seine Schwester einem Fürsten anvertraut hatte, der prunkvoll aufzutreten vermochte und dadurch das ihm entgegengebrachte Vertrauen gleichsam reflektierte. Zehn Tage blieb der Markgraf in Mainz, wozu ihn wohl Rang und Stellung verpflichteten. In der Spätzeit des Investiturstreits ist nur ein Treffen mit dem König überliefert: 1121 weilte der Markgraf in Regensburg, wo er mit dem König und im Verein mit dem bayerischen Herzog Heinrich dem Schwarzen den Versuch unternahm, im Südosten des Reiches die politische Harmonie einigermaßen herzustellen. Zumindest gelang es, den reformergebenen und kaiserfeind-
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lichen Erzbischof Konrad I. von Salzburg aus dem Exil zurückzuholen; ein Mann, der für Liutpald noch wichtig werden sollte. An einem Ausgleich zwischen kaiserlichen und den reformkirchlichen Interessen scheint ihm gelegen gewesen sein. Eine innere Überzeugung, die sich in seiner Markenpolitik immer wieder erkennen lässt, wird dafür verantwortlich sein. Der herrscherliche und adelige Alltag freilich war kaum jemals frei von Unsicherheit, von Unruhe und zweifelhaften Kompromissen. Doch damit konnte ein entschlossener Markgraf grundsätzlich umgehen. Was seine eigenen Interessen störte und deren Durchsetzung beeinträchtigte, waren große, elementare Gegensätze auf der Ebene des Reiches: Diese mussten sich regional verheerend auswirken, wenn es zu Parteiungen kam, denen man sich nicht verschließen konnte. Das Ungarnproblem, das seine Vorfahren so lange und intensiv beschäftigte, war für Liutpald III. nicht mehr von größerer Bedeutung, wenngleich es gelegentlich virulent wurde. Dann zeigte sich der Markgraf als kriegerischer Mann, dem die Methoden der feindlichen Auseinandersetzung durchaus vertraut waren und auch von ihm angewandt wurden. Im Jahre 1118 fiel König Stephan II. in die Mark ein, verheerte und plünderte das Land, um schnell mit reichlicher Beute nach Ungarn zurückzukehren. Das war eine Kampftaktik, die mehr als hundert Jahre überholt war, obwohl ihr die Ungarn in Erinnerung ihrer nomadisch-kriegerischen Periode nie ganz abgeschworen hatten. Liutpald nützte seine verwandtschaftlichen Verbindungen und erhielt Zuzug von böhmischen Truppen. Damit rückte er aus: Zu einer Schlacht kam es nicht, weil die Ungarn ja längst wieder abgezogen waren, aber er stieß tief in ungarisches Gebiet vor und verwüstete ein castrum quod ferreum vocatur, also eine befestigte Stadt, welche die eiserne genannt wurde. Dabei wird in erster Linie an Eisenstadt gedacht, weil es der Ostmark näher liegt, während Eisenburg (Vasvár) eine wesentlich bedeutendere Festung gewesen wäre; freilich liegt es an der Raab und setzt daher einen längeren Anmarsch voraus. Man kann annehmen, dass der Markgraf auch plündern, sengen und brennen ließ, wie es den anerkannten Anschauungen im Allgemeinen und bei einem Vergeltungsschlag im Besonderen entsprach. Die ihm meist nachgerühmte Tendenz zu Versöhnung und Ausgleich bezog sich daher weitgehend auf rechtliche Auseinandersetzungen und erfolgte im Rahmen politischer Kontakte, war aber vor allem eine Voraussetzung für die Sicherung und Erweiterung seiner Machtansprüche. Liutpalds Erfolge in dieser Hinsicht gründeten auf einer Hartnäckigkeit und Zähigkeit
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im Verhandeln, wovon uns allerdings kein Zeugnis überliefert ist: Doch sprechen die Ergebnisse seiner Kloster- und Herrschaftspolitik eindeutig dafür. Als Friedenstifter auf der Ebene damaliger Weltpolitik wie sein gleichnamiger Urenkel trat er aber – soviel wir sehen – nicht hervor. Sein Ansehen im Reich beruhte vorwiegend auf seiner salischen Gemahlin und der damit erreichten Nähe zum Thron, dass er seine Macht in der Mark stabilisieren und substanziell steigern konnte, mochte Ansehen bringen, soweit er jene durch Prunk, repräsentative Bauten, vor allem aber durch eine gut ausgestattete, zahlreiche Gefolgschaft verdeutlichen konnte. Das hatte er wohl in Ansätzen bei der kaiserlichen Hochzeit 1114 erreicht. Doch seither war er kaum mehr auf der Bühne der Reichspolitik erschienen, und es überrascht, dass er unter den fürstlichen Zeugen des Wormser Konkordats 1122 – dem bei Weitem wichtigsten Friedens- und Kompromissdokument jener Zeit, das den Investiturstreit formal beendete –, nicht aufscheint. Wir wissen, dass nie alle anwesenden Großen in den bei Hoftagen ausgestellten Urkunden genannt werden, doch ist es kaum denkbar, dass er dabei war, aber nicht als Garant des kaiserlichen Versprechens erwähnt worden wäre. Freilich fehlen zahlreiche andere Große des Reiches in der Zeugenliste des Vertragsdokuments, aber denen wird auch nicht immer von den Historikern ein besonderer Versöhnungswille und ein außergewöhnliches Streben nach Frieden und Einigung zugeschrieben. Bekannt als fähiger Fürst ist Liutpald III. aber zweifellos gewesen, und man wird ihn unter die hervorragendsten bayerischen Großen gezählt haben. Ohne hier eine Rangliste erstellen zu wollen – was ja ganz unsinnig wäre –, wird er dem Ansehen und der Einschätzung nach wohl gleich nach dem Herzog gekommen sein. Das spiegelt schon die hohe Wertschätzung, die seiner Mutter im Heere auf dem Kreuzzug zuteil wurde; und das war noch vor der Heirat mit der kaiserlichen Agnes. 1125 starb Heinrich V. kinderlos, und die Fürsten kamen in Mainz zusammen, um einen neuen Herrscher zu wählen. Ein in Kloster Göttweig verfasster und erhaltener Bericht schildert die Wahlvorgänge sowie die Winkelzüge der kirchlichen Partei. Jeweils zehn Wahlmänner der Franken, Sachsen, Schwaben und Bayern sollten über je einen Kandidaten ihres Stammes abstimmen. Schwäbischer Kandidat war der Staufer Herzog Friedrich, der nicht nur Neffe des verstorbenen Kaisers war, sondern auch Schwiegersohn des Herzogs von Bayern und dazu noch über die Krönungsinsignien verfügte. Die Sach-
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sen einigten sich auf ihren Herzog Lothar von Supplinburg, der als Gegner des Verstorbenen und Freund der Gregorianer ein Kandidat gerade auch der Kirche war. Unsicher ist es, ob von den Franken und Lothringern Graf Karl von Flandern nominiert wurde, vielleicht aber schon im Vorfeld ablehnte. Die Bayern jedenfalls präsentierten Markgraf Liutpald III., da ihr Herzog Heinrich der Schwarze als Schwiegervater des gleichsam designierten Staufers Friedrich sich nicht der Wahl stellte. Auch hier wird Liutpald wiederum als zweiter Mann in Bayern angesehen; ein Kandidat, den man den Herzögen gegenüber als durchaus ebenbürtig erachtete. Für ihn mochte sprechen, dass er als Schwager des verstorbenen Königs eine enge Bindung zu den Saliern aufwies, aber doch auch ein Mann der Reformkirche war, was man von Herzog Friedrich nicht behaupten konnte. Somit wäre er für viele akzeptabel gewesen. Schon durch diese Tatsachen war er der Kandidat, der nicht polarisierte, was die beiden aussichtsreichen Herzöge durchaus taten. Aber Liutpald bat schon im Voraus, von seiner Wahl abzusehen, und versicherte den später Gewählten seines Gehorsams. Diese Entscheidung hat die neuzeitliche Geschichtsschreibung zu vielen Überlegungen veranlasst, die mühsam verdecken, wie ärgerlich die patriotisch österreichischen Historiker darüber waren. Schon die Babenberger hätten das Kaisertum quasi nach Österreich holen können. Daneben gab es auch Stimmen, die jene Ablehnung begrüßten, weil darin ein vom Reich distanziertes Österreichertum zum Ausdruck gekommen wäre. Jedenfalls wurde die Szene der Mainzer Wahl ein beliebtes Bildmotiv des Historismus. Liutpald selbst ging es 1125 nicht um Ideologien und unterschiedliche nationale Überlegungen. Ja, wir können vielleicht vermuten, dass seine Gemahlin, die Kaisertochter und Kaiserschwester, sich nicht ungern als Kaiserin gesehen hätte. Doch Agnes war wohl noch mehr ihrem Sohn aus erster Ehe zugetan, dem Staufer Friedrich, durch den sie immerhin Kaiserinmutter geworden wäre. Diese Spekulationen, die nirgends ihre quellenmäßige Grundlage haben, beruhen auf der Vorstellung von einer rein menschlichen Haltung, wobei man sich gerade im Bereich des Emotionalen davor hüten muss, seelische Empfindungen der Gegenwart unbekümmert aufs 12. Jahrhundert und seine soziale Struktur zu übertragen. Liutpald hat andere Gründe für seine Ablehnung angegeben: zunächst sein hohes Alter, dann die große Zahl seiner Söhne. Dies sind Entschuldigungen, wie sie dem konkreten Denken eines literaten Schrei-
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Abb. 5: Markgraf Liutpald III. weist die Kaiserkrone zurück
bers und einer von verständlich menschlichen Erwägungen bestimmten Vorstellung politischen Geschehens entsprechen. Und so wird sie der Markgraf auch vorgebracht haben; die gespannte Atmosphäre dieser Reichsversammlung verlangte ein bildhaftes Darstellen und Argumentieren, über das die Adressaten mehr oder weniger nachdenken konnten. Das hohe Alter wäre an sich kein Grund gewesen, die Wahl zum König abzulehnen. Liutpald zählte ungefähr fünfzig Jahre, die in der Relation zur Lebenserwartung des hohen Mittelalters mehr sind als heute; weniger aber im Hinblick auf die körperliche Ertüchtigung des Adeligen, der noch dazu über eine eiweißreiche Nahrung verfügte. Und schließlich zählte auch der sächsische Kandidat Lothar fünfzig Jahre, und er verlor darüber kein Wort. Hätte man die Sache ausschließlich so gesehen, hätte der erst 35-jährige Herzog Friedrich keine Konkurrenz gehabt. Liutpald konnte auf sechs lebende Söhne verweisen, Lothar auf gar keinen Sohn, Friedrich auf einen. Für den Aufbau einer neuen Dynastie wäre wiederum nur der Markgraf aussichtsreich gewesen. Doch war das den Fürsten vielleicht gar nicht so erwünscht, und außerdem barg das Vorhandensein vieler Söhne die Gefahr ständiger Auseinandersetzungen zum Nachteil des Reiches in sich. Und damit argumentierte Liutpald, wobei er später, auf die bescheideneren Verhältnisse der Mark bezogen, recht behielt. Wir kennen nur die im Bericht jenes unbekannten Mönches angeführten Gründe des Markgrafen. Aus der heutigen Kenntnis von der damaligen politischen Situation des Reiches wird man andere in Rechnung stellen. Liutpald III. war ein Realist, soweit man das 1125 sein konnte. Er bedachte seine Machtmittel und die periphere Lage der Ostmark und sah wohl ein, dass damit die Aufgaben des
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Königtums in der großen Mitte Europas nicht zu bewältigen waren. Es war etwas anderes, auf kleinem Raum Interessen gegen besitzhungrige, rivalisierende Adelsgeschlechter durchzusetzen, als mit den rebellischen Sachsen oder einer vom Papsttum gespaltenen Reichskirche zu kämpfen, um sich an der Spitze der sozialen Pyramide zu halten. Mag sein, dass noch andere Gründe hinzukamen, die ihn vor der Königskandidatur zurückschrecken ließen; vielleicht waren es die Einschränkungen, denen sich der König im Bereich der Investitur nach dem Wormser Konkordat ausgesetzt sah, vielleicht auch Rücksicht auf seinen Stiefsohn Friedrich, was wohl im Sinne der Markgräfin war. Wir wissen es nicht. Nach der Wahl verweilte der Markgraf noch einige Zeit in Mainz, wo sein ältester Sohn Adalbert zusammen mit anderen Adelssöhnen die Schwertleite empfing. Er besuchte auch den ersten Hoftag des neuen Königs Lothar III. in Bayern, um den versprochenen Gehorsam zu demonstrieren. Als Klosterstifter ist Liutpald III. besonders in die Erinnerung der Menschen eingegangen. In der Tat hat er hier einen Aufschwung bewirkt, der freilich von der allerorten bemerkbaren monastischen Erneuerung begünstigt wurde. In dieser Angelegenheit war der Markgraf sicherlich der so oft apostrophierte „richtige Mann zur richtigen Zeit“. Eine an der asketischen, aber auch ritterlichen Religiosität orientierte Frömmigkeit vereinigte sich in ihm mit politischer Weitsicht und einem zähen Streben nach Ausweitung der eigenen Macht. Die Gründung eines Klosters erfolgte ja nicht nur aus frommen und seelsorgerischen Erwägungen, sondern barg zukünftige Vorteile in sich, die dem Gründer und seiner Familie, seinen Nachkommen zugutekommen sollten. Zunächst erwarb man sich mit dem neuen Kloster oder Stift die Garantie eines dauernden Gebetsdiensts, der dem Geschlecht der Stifter zu Lebzeiten und nach dem Tod willkommen sein musste. Auch war die Möglichkeit einer repräsentativen Grablege nur auf diese Weise zu bewerkstelligen. Doch daneben brachte die Stiftung materiellen Gewinn, der nicht zu unterschätzen war: Der bezog sich auf eine Förderung der Landwirtschaft im weitesten Sinne, wo bei Züchtungen, Pflanzungen, schließlich Rodungen die Klöster mit ihren Ideen und Anwendungstechniken vorangingen. Eine andere Seite war die Entstehung einer klösterlichen Kultur, die weite Bereiche der Schriftlichkeit, der Malerei und Baukunst umfasste. Dieser kulturelle Aufschwung hatte eine multiplizierende Wirkung, was Siedlung und Verkehr betraf. Unmittelba-
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rer waren die finanziellen Vorteile, die ein gut verwaltetes und einflussreiches geistliches Institut jener Art bieten konnte. Hier ist vor allem an die Vogtei zu denken, deren Ausübung vor Gericht und bei anderen Auseinandersetzungen ziemlich ertragreich sein konnte. So war ein Kloster auch ein Machtinstrument seines Gründers, der dort einen wichtigen Stützpunkt hatte und letztlich auch derartige Bemühungen konkurrierender Geschlechter verhinderte. Eine klug inszenierte Klosterlandschaft brachte dem Stifter eine mitunter beträchtliche Erweiterung seines Herrschafts- und Einflussbereiches. Sieht man sich vor diesem Hintergrund die Stiftungen Markgraf Liutpalds III. an, so wird man auch ein unablässiges Voranschreiten auf dem Wege zur territorialen Dominanz in der Mark erkennen können. Dort gab es um 1100 nur das Kloster Melk, das erst ein Jahrzehnt zuvor durch Liutpald II. aus einem Kollegiatstift umgewandelt worden war. Zeitgleich ist Göttweig anzusetzen, die Gründung Bischof Altmanns von Passau, die ebenfalls diese Veränderung mitmachte. Von den älteren Stiften ist nur St. Pölten zu nennen, das vielleicht bis ins 8. Jahrhundert zurückreicht, aber seltsamerweise nie eine bedeutende Rolle zu spielen vermochte. Sonst gab es in der Mark nur Klosterbesitz bayerischer und fränkischer Klöster, der sich besonders auf die an Weinbergen reiche Wachau konzentrierte (Kremsmünster, St. Peter in Salzburg, Niederaltaich, Tegernsee, Herrieden). Die Durchsetzung des reformerischen Bestrebens der Kirche forderte die Errichtung neuer Klöster und Stifte, die den asketisch-antiweltlichen Geist umsetzen sollten. Das machten sich der Markgraf, aber auch andere wichtige Adelige zunutze, die mit einer Gründung meist auch andere Ziele verfolgten. In der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts aber wurden in der Ostmark – und die umfasste den größten Teil des heutigen Niederösterreichs und das östliche Mühlviertel – alle Klöster und Stifte der sogenannten alten Orden gestiftet, sieht man von Lilienfeld und den Kartäuserklöstern ab. Im Mündungsgebiet der Traisen ließ 1112 Bischof Ulrich von Passau ein Chorherrenstift errichten, das im Jahre 1244 wegen der immer wiederkehrenden Überschwemmungen ins sichere Herzogenburg verlegt wurde. Es ist nicht überraschend, dass hier der Nachfolger Altmanns tätig wurde, dem die Reform der Kirche in seiner Diözese ein Anliegen war und der sich mit seiner Stiftung in die Reihe der damals modernen Kanonikerbewegung einfügte. Dieselbe Richtung verfolgten Adelige aus der Gefolgschaft der mächtigen, gregorianischen Grafen von Formbach und
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erbauten 1115 auf ihrem Grund im Altsiedelland das Chorherrenstift Seiten stetten. Diese Gründung teilte das Schicksal Göttweigs und wurde bald in ein Benediktinerkloster verwandelt. Liutpald III. wirkte also in einer Zeit mächtiger und wegweisender Mönchsbewegungen. Der Ausgangspunkt babenbergischer Klosterpolitik war Melk, das schon im frühen 11. Jahrhundert eine aus den vorliegenden Quel len her nicht zu definierende Beziehung zu den Markgrafen hatte und 1089 durch die Herbeiholung Lambacher Mönche benediktinisch geworden war. Das junge Kloster schied schon 1110 aus dem Diözesanverband Passaus aus und wurde durch den Markgrafen eximiert, also unmittelbar dem Papst unter stellt. Wenige Jahre später zeigte Liutpald, dass er geneigt war, gelegentlich auf den kanonischen Gesetzen nicht entsprechende Einkünfte aus Pfarrzehenten zu verzichten, und schenkte sie anlässlich der Weihe neuer Klostergebäude anteilsmäßig Melk mit den entsprechenden Pfarren (Mödling, Traiskirchen, Ravelsbach, Weikersdorf, Wullersdorf ), was die Mönche nötigte, die entspre chende Seelsorge zu gewährleisten. Sein größtes Anliegen war aber dann das Stift Klosterneuburg, jener Ort, der wie kein anderer sein Andenken förderte und bis heute am meisten mit ihm verbunden blieb. Eine Legende, die erstmals im 14. Jahrhundert belegt ist, berichtet von den Voraussetzungen dieser Gründung: Als er mit Agnes auf dem Söller ihrer Burg auf dem Kahlenberg (heute Leopoldsberg) stand, raubte ein Windstoß den Schleier der Markgräfin, der nicht mehr aufzufin den war. Erst Jahre später tauchte der Schleier wieder auf: im Wald auf einem blühenden Holunderstrauch. Der Markgraf sah das als Wink des Himmels und gelobte, an dieser Stelle ein Kloster zu bauen – und so entstand Klos terneuburg. Aus dem Holunderstrauch wurde angeblich der siebenarmige Leuchter gemacht, der noch heute zu den Schätzen des Stiftes gehört. Diese Erzählung enthält ein weit verbreitetes Motiv vom verschwundenen wertvol len oder besonders geliebten Gegenstand, der viel später wieder gefunden oder gebracht wird. Gerade von der Salierin Agnes ist auch im Zusammenhang mit der Gründung der Kirche in Schwäbisch Gmünd durch ihren ersten, staufi schen Gemahl eine ähnliche Geschichte überliefert: Nur handelt es sich dort um einen verloren gegangenen Ring, der an jener Stelle gefunden wird. Auf dem Wiener Hausberg ist freilich erst für das späte 13. Jahrhundert, für den habsburgischen König Albrecht I., eine Burg belegt.
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Abb. 6: Auffindung des Schleiers der Markgräfin Agnes
Die Legende veranschaulicht auf eine vertraute Weise die Heiligkeit des Markgrafen, der von Gott solcher Zeichen gewürdigt wurde. In Wirklichkeit weiß man über die Anfänge Klosterneuburgs nichts Genaues, doch ist es ziemlich sicher, dass es keine originale Gründung des Markgrafen war. Jene Gegend war um 1100 im Besitz des bayerischen Grafen Walter von Kling (bei Wasserburg am Inn). Um 1108 erfahren wir von einer Schenkung Bischof Hermanns von Augsburg, die dem Stift Niuwenburg zugutekommt. Dies ist die erste Nennung des Stifts überhaupt. Aus dem Geschlecht der nordbayerischen Markgrafen Cham-Vohburg konnte der Bischof auf reichen Besitz in dieser Donaugegend zurückgreifen. Liutpald III. dürfte durch seine Mutter Itha Grund und Boden in der Umgebung Wiens, vor allem im Norden und Nordwesten der Stadt, geerbt haben: Viele seiner Ministerialen nennen sich nach ihren Sitzen, aus denen die späteren Vororte hervorgegangen sind (Grinzing, Sievering, Döbling usw.). Es ist also anzunehmen, dass der Markgraf durch Erbschaft oder Schenkung in den Besitz Neuburgs gekommen ist, dort aber schon ein Kollegiatstift vorfand. Im Jahre 1113 wird erstmals Liutpald III. mit dem Kloster Neuenburg
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im Zusammenhang gebracht, als er diesem ein predium Rückersdorf (nördlich der Donau bei Korneuburg) schenkte. 1114 erfahren wir hingegen schon von der Grundsteinlegung der neu gebauten Basilika. Dabei wird die Demut und Frömmigkeit des Markgrafen hervorgehoben, der nicht selbst den ersten Stein einmauerte, sondern vor dem höheren Recht des Klerikers zurückwich und Propst Otto diese Tätigkeit überließ. Man kann nur vermuten, dass Liutpald III. einen bestehenden Stiftsbau übernahm, dessen wahrscheinlich bescheidene Ausmaße er aber seinem Konzept eines repräsentativen Wohnsitzes mit Klosteranlage opferte. Einerseits waren die bisherigen Residenzen Melk und Tulln, von Gars ganz zu schweigen, sicherlich nicht geeignet, eine Kaisertochter und Herzogin-Witwe ihrer Herkunft entsprechend wohnen zu lassen, andererseits forderte auch das zunehmende Selbstverständnis des Markgrafen eine äußerlich sichtbare, ja beeindruckende Verkörperung seiner Stellung. So lässt sich archäologisch ein gewaltiger Pfalzbau auf dem Hügel über der Donau nachweisen, der den bedeutenden salischen Pfalzen offensichtlich nicht nachstand und so der Kaisertochter ein ansehnliches Ambiente bot. Es wird angenommen, dass Liutpald bei dieser Neustiftung auch seines Schwiegervaters Kaiser Heinrich IV. gedachte, den er um hohen Preis 1105 verraten hatte. So gab es in der der heiligen Maria geweihten Stiftskirche auch einen Kult der heiligen Afra, der Heinrich IV. besondere Verehrung gezollt hatte. Außerdem wurden die Kanoniker verpflichtet, jährlich ein Requiem für den toten Kaiser zu halten. Dass der Markgraf plante, in dem Stift neben der Pfalz seine letzte Ruhestätte zu finden und sie überhaupt eng an sein Geschlecht zu binden, zeigt auch die Tatsache, dass Liutpald seinen fünften Sohn Otto schon als Jugendlichen (1126) zum Propst in Klosterneuburg bestellte. Da er ihn aber bald zum Studium der neuen Theologie nach Paris schickte, verwendete er diese bedeutende Pfründe, um ihn dafür auszustatten. 1128 kehrte der junge Propst zurück und übergab seinem Stift eine besonders wertvolle Reliquie, zu deren Empfang der Markgraf mit großem Prunk und die beglückten Chorherren ausrückten. Angeblich aus Angst vor Diebstahl nannte Otto aber den Heiligen nicht, dem er diese Reliquien verdankte, was freilich auch den Wert der Gabe minderte, da er so ja keine Pilger anziehen konnt. Schließlich kehrte Otto wieder nach Frankreich zurück und ging auch monastisch andere Wege. Was „sein“ Stift anbelangt, so geriet Liutpald unter den Einfluss jener geistlichen Kreise, die einen Feldzug gegen die säkularen Kanoniker führten und
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sich an der strengen, fast mönchischen Regel des heiligen Augustinus aufrichteten. Mittelpunkt dieser Richtung war der asketische Erzbischof Konrad I. von Salzburg, der seine Kirchenprovinz mit einem Netz von Chorherrenstiften überzog. Am ehesten seinen Vorstellungen entsprach das bayerische Stift Rottenbuch am Inn, das vorbildlich für andere Gründungen oder Neugründungen war: Reichersberg, Ranshofen, Suben wurden von Rottenbuch aus reformiert, und der Salzburger Domklerus musste sich ebenfalls bereitfinden, die Chorherrenregel zu übernehmen. Erzbischof Konrad überzeugte auch Markgraf Liutpald, dass er sein Pfalzstift reformieren sollte. Da die Mitglieder des Kollegiatstifts sich angeblich zu wenig oder zu nachlässig um die divina kümmerten, also um eine Gottesverehrung nach strenger Regel, wurden sie entlassen, während Propst Hartmann von Chiemsee eine Schar von Regularkanonikern in das babenbergische Stift brachte. 1133 erfolgte diese Änderung, welche im Großen und Ganzen auf die Hebung des geistlichen Niveaus der Kanoniker zielte, doch auch einen Rückzug Liutpalds von seiner Kirchenherrschaft bedeutete. Mit den strengen Vertretern der Augustinusregel war eine Geistigkeit in das Pfalzstift gekommen, die einer restriktiven symbolistischen Auslegung der beiden Testamente huldigte und die moderne theologische Richtung der Scholastik, welcher der junge Otto in Frankreich anzuhängen begann, rundweg ablehnte. Als Zeugnis ihrer Anschauungen ist die 1181 vom maasländischen Emailkünstler Nikolaus von Verdun gestaltete Verkleidung des Ambos (der frühen Form der Kanzel) mit typologischen Bezügen von jeweils drei dargestellten Szenen zu deuten. Nach einem Brand vom Jahre 1330 ist das großartige blau-goldene Emailschmelzwerk in Form eines Flügelaltars zusammengesetzt worden und wird heute vom Schrein mit den Reliquien des heiliggesprochenen Markgrafen bekrönt. Das Bildprogramm stammt vom Propst Markward (1168 begonnen). Angeregt von seinem Sohn Otto hat der Markgraf im selben Jahr den Zisterziensern eine erste Möglichkeit zur Niederlassung in der Mark geboten. Jener hatte auf der Rückreise nach Paris in Burgund den Zisterzienserorden kennengelernt und war in eines seiner frühen Klöster, in Morimond, eingetreten, wo er 1132 zum Abt gewählt wurde. Die Zisterzienser, nach ihrem Habit auch die grauen Mönche genannt, verfolgten eine Erneuerung der Benediktsregel im strengen Geiste einer asketischen Selbstbezogenheit und im Widerstreit zu der Feudalisierung des Ordens durch das ebenfalls burgundische
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Kloster Cluny. Selbst in Architektur und künstlerischer Ausstattung ihrer Abteien lehnten sie jeden Prunk, sogar jede Auffälligkeit ab: Ihre Klosterkirchen hatten keinen Turm, die Säulenkapitelle mussten ohne jede figürliche Darstellung sein und bunte Glasfenster waren verboten; nur grau-weiße Scheiben, sogenannte Grisaillen, erlaubt. Auch die körperliche Arbeit wurde dem Mönch wieder auferlegt. Die Zisterzienser bezogen keine Abgaben von Zinsgütern, sondern errichteten Hofstätten in eigener Regie, die Grangien. Dort erfolgten die Viehhaltung, die Obstbaum- und Gemüsezucht, aber auch die notwendigen handwerklichen Tätigkeiten. Auf die Grangien waren Äcker und Wiesen bezogen, deren Produkte dort gelagert und gehortet wurden. Besonders fleißig waren die Zisterzienser bei der Rodung, wozu sie in den einsamen Waldgebieten, in denen sie sich niederließen, reichlich Gelegenheit hatten. Otto, der Markgrafensohn, hatte mit der Wahl dieses neuen Reformordens seinem Vater offensichtlich eine Absage erteilt: Er wollte nicht als bequem ausgestatteter Pfründner ein Kollegiatstift bei der väterlichen Pfalz leiten, sondern war einer nicht übertriebenen, sinnvollen Askese und der theologisch-philosophischen Spekulation im Sinne der Scholastik aufgeschlossen. Als Liutpald III. in das Vorhaben Ottos einwilligte und Zisterzienser auch in die Mark an der Donau zu verpflanzen versprach, kam eine Schar der grauen Mönche aus Morimond und erhielt Grund und Boden in der Waldeinsamkeit südwestlich von Wien am unbedeutenden, aber fischreichen Sattelbach. Es ist anzunehmen, dass Liutpald jenseits frommer Erwägungen auch an der Rodungsarbeit in jener Gegend Interesse hatte. Die Zisterze, die den Namen Heiligenkreuz erhielt und bald zu den bevorzugten Klöstern der Babenberger zählen sollte, erwies sich als so lebensfähig, dass sie schon 1138 Mönche abgeben konnte, die in den rauen Nordwald zogen. Dort hatte der bedeutende Ministeriale des Markgrafen, Hadmar von Kuenring, bei seinem Stammsitz Zwettl ein zweites Zisterzienserkloster in der Mark gegründet, das schon 1139 von König Konrad III. in Schutz genommen wurde. Dort war das Interesse an der Aufschließung von Siedlungsflächen noch größer als im Wienerwald. Nicht fern vom Kloster hat sich bis heute mit dem Dürnhof eine Grangie erhalten; auch die Ratschenhöfe mit ihren Fischteichen gehen wohl auf eine solche wirtschaftliche Einrichtung der Zwettler Zisterzienser zurück. Das heute verschwundene Kloster Mariazell im Wienerwald, nicht weit von Heiligenkreuz (später im Vergleich zu dem wirkungsmächtigen Wall-
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fahrtsort in der Steiermark „Kleinmariazell“ genannt), zählt ebenfalls zu den Gründungen Markgraf Liutpalds III. Ähnlich wie in Neuburg schob er die eigentlichen Gründer zur Seite und setzte sich an deren Stelle. Diesmal übernahm er nicht ein schon bestehendes Stift, sondern drängte sich gleichsam in der Phase der Planung vor. Das Geschlecht der Herren von SchwarzenburgNöstach beschloss, auf eigenem Boden ein Benediktinerkloster zu erbauen. Liutpald zog deren Besitz aufgrund eines angeblichen Erbanspruchs an sich und schritt selbst zur Gründung. Diese zweifellos rücksichtslose Aktion wurde wohl von der Vorstellung des Markgrafen veranlasst, ein Kloster zu errichten, das ihm mehr „zur Verfügung“ stand als das reformierte Stift Klosterneuburg und die an sich weitgehend unabhängige Zisterze Heiligenkreuz. Er holte Mönche aus dem bayerischen Niederaltaich und nahm die Gründung in feierlichem Rahmen vor. Die Stiftungsurkunde vom 2. Februar 1136 zeigt die Spitzen der zuständigen geistlichen Hierarchie und zahlreiche Adelige. Auf großen Versammlungen in Tulln und St. Pölten ließ er seine Stiftung noch zusätzlich bestätigen. Mag sein, dass der Tod, der Liutpald III. noch in demselben Jahr ereilte, eine weitere Förderung dieser merkwürdigen Stiftung verhinderte. Jedenfalls taten seine Nachfolger nichts für diese letzte Gründung des Markgrafen und Mariazell im Wienerwald blieb zeit seines Bestehens ein ganz unbedeutendes Kloster, das sich kümmerlich fortbrachte, obwohl es erst von Kaiser Joseph II. aufgelöst wurde. Erhalten bis heute hat sich ein prachtvolles romanisches Portal. In der Zeit nach der Königswahl, die ihn so unerwartet auf die höchste Ebene der Reichspolitik befördert hatte, zog sich Markgraf Liutpald in die Mark zurück. Ihr galt nun sein fast ausschließliches Interesse. Auf das Geschehen rund um das Königtum nahm er kaum mehr Einfluss, soweit man das heute feststellen kann. Die erhaltenen Urkunden und Notizen lassen sich nur annähernd datieren und selbst dabei ist er nur einmal für das Stift St. Nikola bei Passau tätig. Ob er eine Politik der „Nichteinmischung“ forcierte, scheint hingegen zweifelhaft. Freilich brachte ihn die offene Gegnerschaft seiner staufischen Stiefsöhne gegen König Lothar III. in eine schwierige Lage. Er hat aber eine offene Konfrontation vermieden, die ihm ja auch Probleme mit der Reformkirche bringen musste. Es ist zu vermuten, dass der Markgraf durch seine stete Präsenz den Bewohnern der Mark viel mehr ins Bewusstsein trat als frühere
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Amtsträger des Königs, der seinerseits hier an der Donau kaum zu sehen war. Vor allem in diesen Jahren hat sich Liutpald den Ruf eines frommen Mannes erworben, des Freundes der Armen und der Kirche. Das hinderte ihn aber nicht, Kirchengut in gewisser Hinsicht lange als sein eigenes zu verstehen. In dieser pragmatischen Haltung und sicheren Überzeugung stand er in der vorreformerischen Tradition der adeligen Kirchenherrschaft, des alten Eigenkirchenrechts, von der er nur schwer abzubringen war. 1135 musste er sich bereitfinden, die Zehente von 13 Pfarren an den Bischof von Passau zu geben. Diese namentlich genannten Mittelpunkte der ländlichen Seelsorge waren entweder widerrechtlich enteignet worden oder noch ein Jahrzehnt nach dem Wormser Konkordat in weltlichem Besitz. Da sich der Markgraf aber das Präsentationsrecht behielt, konnten diese Pfarren später als Pfründen an Mitglieder der babenbergischen Kapelle und Kanzlei ausgegeben werden. Im Laufe des 11. Jahrhunderts hatte die Mark an innerer Festigkeit gewonnen und anerkannte Grenzen erreicht. Nur im Norden und Nordwesten befand sich eine Art Niemandsland, das, von dichtem Wald bedeckt, sich zwischen den Gebieten des Markgrafen und jenen des Herzogs von Böhmen erstreckte. Dort setzte im Wettlauf um Landgewinn und Siedlungsmöglichkeiten die Rodung an, die der Markgraf mit seinen Ministerialen vorantrieb: Um 1130 hatte man den Oberlauf der Flüsse Krems und Kamp erreicht und damit die Mark bedeutend erweitert. Dieser Nordwald, das heutige Waldviertel, wurde auch vom Osten her durch einflussreiche Adelsfamilien erschlossen, die sich bedeutende Grundherrschaften mit befestigten Mittelpunkten schufen. Liutpald III. steht aber nicht nur am Beginn der großen Kolonisationsbewegung, unter ihm begann auch die entschlossene Sicherung der markgräflichen Stellung durch die Verankerung an maßgeblichen Plätzen des Verkehrs. So errichtete Liutpald III. in dem wichtigen Handelsplatz Krems um 1130 eine Münzstätte, die einen eigenen Silberpfennig prägte. Die Stadt lag an der Donau und diese übertraf als Transportweg alle anderen Straßen. Bereits bei ihren Anfängen in der Mark siedelten die Babenberger in königlichen Städten, die schon von den Römern meist an der Einmündung eines aus dem Voralpenraum kommenden Flusses erbaut wurden. Diese burgartigen und durch steinerne Bauten hervorragenden Befestigungen befanden sich im Besitz des Königs und dienten deshalb vor allen anderen den Markgrafen als Amtssitz: Melk, Tulln, Klosterneuburg gehören in diese Kategorie. Liutpald III. hatte
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mit Verlegung seiner Residenz an letzteren Ort den Weg donauabwärts beschritten. Nur wenig weiter im Osten lag Wien, wohl ebenfalls ein königlicher Burgplatz, der schon 1030 als Sammelplatz beim militärischen Rückzug Kaiser Konrads II. genannt wird. In den Wirren des Investiturstreits könnte Wien in formbachischen Besitz übergegangen und von dort über die Markgräfin Itha an deren Sohn Liutpald gekommen sein; es ist anzunehmen, dass Wien seit damals der babenbergischen Einflusssphäre zugehörte. Sicherheit besteht über diesen Vorgang und sein Ergebnis nicht, doch deutet manches darauf hin, dass schon Markgraf Liutpald III. zumindest Teile Wiens und seines Umlandes besessen hat; der schnelle Aufstieg des bisher kaum genannten Platzes unter der nächsten Generation der Babenberger wäre sonst kaum erklärbar. Der markgräflichen Ausbreitung entspricht eine Veränderung der Vorstellung von Herrschaft: Nicht mehr die wehrfähigen Mannen charakterisieren sie, sondern die Fläche des eigenen oder zumindest verfügbaren Besitzes. Liutpalds Großvater, der tapfere Krieger Ernst, wird noch Markgraf „der Bayern“ genannt; der Enkel bereits nach dem Gebiet seiner Machtausübung bezeichnet: Markgraf „von Österreich“. Dieser Name in seiner lateinischen Form Austria erscheint erstmals in den Vierzigerjahren des 12. Jahrhunderts und spiegelt das Verständnis für einen Machtbereich, der nicht mehr durch die vom König abhängige Funktion des Amtsträgers bestimmt wird. Das Lehensverhältnis zum Herzog von Bayern und darüber zum König besteht weiterhin, aber faktisch nimmt dieser keinen Einfluss mehr auf die Mark. Diese ist fraglos ein Herrschaftsverband im politisch-rechtlichen Gefüge des Reiches wie andere Marken auch, aber doch auf dem Weg zum „Land“, einem abgegrenzten Bereich mit eigenem Hoheitsrecht. Einschränkend muss freilich gesagt werden, dass der Begriff Austria in Urkunden erscheint, also in offiziellem, amtlichem Schrifttum, während die Geschichtsschreiber weiter recht unspezifisch von einem marchio orientalis, einem Ostmarkgrafen, sprechen: so auch Otto von Freising, der Sohn Liutpalds. In seinen letzten Jahren musste der Markgraf noch einen verheerenden Einfall der Ungarn erleben. Béla II., der Sohn des verstorbenen Königs, sah sich einem anderen Prätendenten gegenüber, der mithilfe von Polen und Russen an die Macht kommen wollte. Béla wandte sich an seine Schwiegersöhne, den ältesten Markgrafensohn Adalbert und den böhmischen Herzog Sobeslav. Diese errangen einen Sieg am Flusse Waag, in der heutigen Slowakei. Die
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Bereinigung der Angelegenheit erfolgte dann aber nicht durch den Markgrafen, sondern durch Erzbischof Konrad I. von Salzburg, dem besonders an der Unversehrtheit der salzburgischen Besitzungen Pettau, Leibnitz und anderer gelegen war. Am 15. November 1136 starb Markgraf Liutpald III., wohl über sechzig Jahre alt, wie auch die Untersuchung seiner Gebeine im Jahre 1936 bestätigt hat. Die österreichischen Annalen begnügen sich mit der einfachen Todesmeldung. Zeitgenössische thüringische Quellen von hohem inhaltlichem Wert hingegen sagen, dass Markgraf Liutpald auf der Jagd getötet worden sei. Die Wortwahl occiditur schließt einen Jagdunfall eher aus und deutet eine gewaltsame Tötung, eine Ermordung an. Wenn man diesem Wort noch mehr Bildhaftigkeit zusprechen will, wird damit eine Tötung durch einen Schwert- oder Axthieb bezeichnet; die Folge eines Pfeilschusses oder eines Speerwurfs würde kaum mit dem Wort occidere umschrieben werden. Für einen plötzlichen, unerwarteten Tod spricht auch das Trostschreiben Papst Innozenz’ II. an die Markgräfin Agnes, in der er ihr versichert, dem Gestorbenen kraft seiner Autorität im Nachhinein die Absolution erteilt zu haben. Auch diese Formulierung deutet auf einen jähen Tod, der keine Möglichkeit zur Beichte ließ, was dem mittelalterlichen Menschen eine furchtbare Vorstellung war. Freilich wird dadurch auch ein natürlicher Tod, etwa durch einen Schlaganfall, nicht ausgeschlossen. Wenn der Markgraf tatsächlich erschlagen wurde, so überrascht das völlige Schweigen der österreichischen Überlieferung, besonders die einfache Formulierung Ottos von Freising. Ein Mord innerhalb der Familie wiederum hätte nicht so allgemein übergangen werden können. Selbst ein absichtsloses Tun, das nach dem oben Gesagten kaum möglich scheint, hätte sicherlich einen klagenden Ausruf des Annalisten veranlasst. Klarheit wird es darüber keine geben: Der Befund am vorhandenen Skelett unterstützt eine Mordtheorie nicht, allerdings fehlt ein Stück des Unterkiefers. Die Nachrufe heben Frömmigkeit, Ansehen und adelige Gesinnung des Verstorbenen hervor; doch sind Eigenschaften wie pius, illustris und nobilis bei der Charakterisierung von Fürsten nicht ungewöhnlich; hingegen steht christianissimus, wie ihn sein Sohn rückblickend nennt, für eine besondere und stark nach außen wirksame Christlichkeit, die sich auf verschiedene Art ausdrücken konnte. Eine vierzig Jahre nach seinem Tod geschriebene verherrli-
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chende „Chronik“ nennt ihn schon im Titel pius marchio, frommer Markgraf, was nicht über eine ehrende Bezeichnung hinausgeht, aber durch die dauernd verbundene Tradition mit der Person Liutpalds III. allmählich zu einem eigentümlichen, anderen nicht zugebilligten Charakteristikum werden sollte. Die Voraussetzungen der Heiligkeit allerdings konnte man in der Zeit des scheinbar alles beherrschenden asketischen Mönchtums als Laienfürst nur schwer erfüllen. Und als heilig wurde er von den Zeitgenossen wohl auch letztlich nicht angesehen, und sein gelehrter Sohn hätte über diese Vorstellung vielleicht sogar den Kopf geschüttelt. Sein politisches Wirken war für das Grenzland vorteilhaft: Es gab im Gegensatz zu den früheren Jahrzehnten kaum kriegerische Ereignisse, die dem Land schadeten. Die Verbesserung der topografischen und wirtschaftlichen Bedingungen ist nicht zu leugnen, wenn es sich auch erst um Ansätze handelte. Dass sich eine kirchliche Infrastruktur gebildet hatte und die monastische Dynamik jenes Jahrhunderts sich auch auf die Mark an der Donau erstrecken konnte, war ein wesentliches Verdienst Liutpalds III. Für „sein“ Land hat er nicht weniges erreicht, wenn man das auch nicht im Sinne moderner Politik sehen darf: Es ging dem Markgrafen stets um Durchsetzung und Erweiterung seiner Macht und um einen vorteilhaften Ausgleich mit den Interessen der Kirche. Am politischen Leben im Reich hat er sich in seinem letzten Lebensjahrzehnt kaum beteiligt.
3.
Wiedereintritt in die Reichspolitik: Liutpald IV.
Mehrere Generationen hindurch hatten die babenbergischen Markgrafen nur jeweils einen Sohn hinterlassen, der keine Auseinandersetzungen innerhalb der Familie zu fürchten hatte, wenn er das markgräfliche Amt übernahm. Von Heinrich I. sind keine Nachfahren überliefert, von Adalberts zwei Söhnen starb der hoch angesehene Liutpald (II.) schon zu Lebzeiten des Vaters, sodass Ernst diesem ohne Schwierigkeiten nachfolgen konnte. Er hinterließ nur einen Sohn: Liutpald II., dem erst die spätere Sage einen Bruder Adalbert angedichtet hat. Aus seiner Ehe mit der Formbacherin Itha stammte dann Liutpald III. neben einer Reihe von Töchtern. Dass jeweils andere Söhne als
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Kinder starben, ist freilich möglich; für die Nachfolge hat das keine Bedeutung. Den frommen Markgrafen Liutpald III. hingegen überlebten sechs Söhne: Adalbert, Heinrich, Liutpald, Ernst, Otto und Konrad. Eine annähernd so große Zahl von präsumtiven Nachfolgern hatte zuletzt der Stammvater der österreichischen Babenberger, Liutpald I. (976–994), aufzuweisen. Soweit man aus den wenigen Quellen jener Zeit ersehen kann, folgte diesem der (vermutlich) älteste Sohn, Heinrich, nach, ohne dass es zu Auseinandersetzungen unter den Brüdern kam. Solche verhinderten wohl die damaligen politischen Möglichkeiten und innerfamiliären Umstände: Ernst wurde Herzog von Schwaben, Poppo Erzbischof von Trier, Adalbert dürfte noch ein kleines Kind gewesen sein und über Liutpald weiß man so gut wie gar nichts; selbst seine Existenz wird verschiedentlich infrage gestellt. Im Jahre 1136 war die Situation eine ganz andere. Durchwegs erwachsene Söhne standen bereit, um die väterliche Herrschaft zu übernehmen. Die beiden jüngsten, Otto und Konrad, hatte man in die geistliche Laufbahn gedrängt, wo sie als Bischöfe Karriere machten und mit der Reichspolitik eng verflochten waren. Otto, der in den Zisterzienserorden eingetreten war und diesen in die Mark brachte, bewies seine überragenden geistigen Fähigkeiten als Geschichtsschreiber, der nicht nur die augustinische Weltsicht in seinem Werk mit den Fakten des politischen und militärischen Geschehens verband und so diesem einen Sinn verlieh, sondern auch die wesentlichen Ereignisse der Reichsgeschichte, soweit sie seine Brüder betrafen, aufzeichnete. So stützt sich die babenbergische Überlieferung der nächsten zwanzig Jahre vor allem auf den Geschichte schreibenden Babenberger, sieht man von meist indirekt zu interpretierenden Urkunden ab. Für das Amt des Markgrafen standen also Adalbert, Heinrich, Liutpald und Ernst zur Verfügung. Eine bestimmte Nachfolgeordnung, wie später etwa eine Primogenitur oder einen schon in der Völkerwanderungszeit nachzuweisenden Seniorat, gab es nicht. Tatsächlich ist es zu scharfen Gegensätzen unter den Brüdern gekommen. Sie werden uns allerdings nicht unmittelbar deutlich, sondern erschließen sich nur aus Andeutungen. Ein besonderes Interesse haben die Angaben in den vom Markgraf ausgestellten Urkunden und die vom Papst an die Babenberger zwischen 1135 und 1138 gesendeten Schreiben in dieser Angelegenheit hervorgerufen. Sie alle vermitteln ein Ungefähr, eine Unsicherheit in der Bezeich-
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nung, wenn man das karge Material überblickt. Klarheit ist daraus nicht zu gewinnen, ein Plan Liutpalds III. oder eine auf einem sicheren Wissen basierende Festlegung wird nicht erkennbar. Bei den vom Markgrafen ausgestellten Urkunden, die samt und sonders nicht in einer eigenen Hofkanzlei, sondern von den Empfängern vorbereitet und ausgefertigt wurden, ist bei der Nennung der Söhne auf bestimmte Interessen zu achten. Aber was hier einmal so, einmal so genannt wird, scheint für Liutpald III. jedenfalls akzeptabel gewesen zu sein. 1128 begegnet uns von den Söhnen nur Adalbert, obwohl die anderen drei ebenfalls schon mündig gewesen sein dürften. 1136 erscheinen die Söhne Heinrich und Liutpald, ein anderes Mal die Söhne Liutpald, Adalbert, Ernst; meistens ist aber ganz allgemein von den Kindern (liberi) oder von den Söhnen (einmal auch den Töchtern) die Rede. Anders steht es mit den Schreiben des Papstes Innozenz II. Im Jahre 1135 wird Adalbert als Markgraf bezeichnet und an erster Stelle genannt; 1136 gilt dasselbe für Liutpald. Im Trostbrief von Beginn des Jahres 1137 steht wieder Adalbert vor Liutpald, 1138 aber ist die Sache erledigt: Liupaldo marchioni et Adalberto advocato spricht der Papst die Brüder an. Liutpald ist Markgraf, Adalbert Vogt der Klöster und passauischen Besitzungen in der Mark. Auf diese beiden hat sich der Streit allmählich zugespitzt. Es sieht so aus, als hätte der fromme Markgraf zunächst (und lange Zeit) seinen ältesten Sohn Adalbert für die Nachfolge ausersehen. Die Heirat mit einer (namentlich nicht bekannten) ungarischen Königstochter sollte wohl seine Position stärken. Der Sieg, den er 1133 für seinen Schwiegervater gegen den von Polen und Russen unterstützten Thronprätendenten Borics an der Waag erfocht, sollte die Verbindung zum arpadischen Königshaus stärken und sein Ansehen so weit festigen, dass er als verantwortlich und militärisch erfolgreich handelnder königlicher Amtsträger an der Ostgrenze des Reiches anerkannt werden konnte. Damit musste er auch die ausreichende Grundlage für eine Reichspolitik haben. Was Adalbert aber fehlte, war die kaiserliche Herkunft von Mutterseite her und damit die Verwandtschaft mit den Staufern; modern gesagt: Er war nicht so vorteilhaft „vernetzt“ wie seine Brüder, die eben nur Halbbrüder waren. Er war der älteste Sohn des Markgrafen und trug einen typischen Babenbergernamen, aber er stammte aus der ersten Ehe Liutpalds III. mit einer Adeligen, die in den Quellen niemals genannt wird, ja, deren Existenz überhaupt nicht nachweisbar ist. Es ist möglich, dass man dieser Frau gar nicht gedachte, da die Kaisertochter
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und -schwester Agnes sie weit überstrahlte und nach dem frühen Tod Adalberts auch dieser genealogischen Verbindung gar nicht nachgegangen werden musste oder sollte. Und doch muss man Adalbert als Sohn dieser phantomhaften Markgräfin ansehen. Er wird schon 1119 als Vogt des Hochstifts Passau urkundlich erwähnt, was bei einem Minderjährigen unmöglich gewesen wäre. Adalbert muss also vor 1106 geboren sein, dem Jahr, in dem sich Liutpald III. mit Agnes vermählte. Deren Kandidat scheint Liutpald gewesen zu sein, ihr zweiter Sohn, der dritte des Markgrafen. Man wird sich Agnes nicht als eifernde, skrupellose Witwe vorzustellen haben, als böse Stiefmutter, die den Ältesten ihres Gemahls um Stellung und Erbe brachte. Es ist jedoch anzunehmen, dass sie eine Reichspolitik und eine Unterstützung ihrer Söhne aus erster Ehe mit dem staufischen Herzog von Schwaben, die die Hand nach der Königskrone ausstreckten, nur von ihren eigenen Söhnen erwarten konnte, und nur durch diese Verbindung waren auch deren Karrieren in Königsnähe möglich. Die nähere Zukunft sollte das glänzend unter Beweis stellen. Insoweit war der Aufstieg der Babenberger in die erste Reihe der Reichsfürsten eben doch nur durch die salische Mutter möglich. Ob Liutpald III. in seiner letzten Zeit auch so dachte, lässt sich nicht nachweisen, und wieweit die Gefolgsleute und Ministerialen dieser politischen Weitsicht folgen konnten, ist fraglich. Viel Kopfzerbrechen hat die Tatsache bereitet, dass nun nicht Heinrich, der älteste Sohn der Markgräfin, der Kandidat seiner Eltern in diesem Sinne war. Er trug den Namen seiner mütterlichen Verwandten, während Liutpald deutlich an die Sippe erinnerte, die im 10. Jahrhundert in die Mark gekommen war, durchaus bedeutend, aber keineswegs kaiserlich. Beide Namen von einer Signalwirkung, die den maßgeblichen adeligen Zeitgenossen bewusst sein musste! Dass diese Bevorzugung des jüngeren Liutpald schon damals ungewöhnlich und auffällig war, geht daraus hervor, dass Otto von Freising, der jüngere Bruder beider, sich bemüßigt fühlt, sie zu erklären: Der Vater habe Heinrich weniger geliebt. Dieser Satz ist nur dahin gehend zu verstehen, dass der fromme Markgraf den Ältesten seiner Kinder aus zweiter Ehe weniger liebte als die anderen oder insbesondere seinen gleichnamigen Sohn; über die Ausschaltung Adalberts sagt diese Erklärung nichts aus. Freilich kann Otto von Freising mit dieser Äußerung überhaupt nur an seine Vollbrüder gedacht oder das geschrieben haben, als Halbbruder Adalbert schon verstorben war und auch zurückprojiziert keine Rolle spielte.
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Doch der Markgrafensohn Heinrich wurde nicht übergangen oder ungeliebt beiseitegeschoben. Er könnte schon in den frühen Dreißigerjahren des 12. Jahrhunderts an den Rhein delegiert worden sein, wo es galt, die reichen Erbgüter der Mutter zu verwalten und im adeligen Kräftespiel nachdrücklich präsent zu sein. Es gibt zu denken, dass der älteste Sohn aus der Ehe mit der Salierin dorthin geschickt wurde. War dieser eine Sicherung jenes Besitzes, der als Basis einer Etablierung in der wohl wichtigsten Gegend des Reiches durchaus dienen konnte, möglicherweise wichtiger als die Nachfolge in der bayerischen Mark an der Donau? Denn dass man sich dort an der Grenze zu Ungarn in einer Art Sackgasse befand, hatte sich doch 1125 bei der Königswahl gezeigt, als Liutpald dem sächsischen und schwäbischen Herzog machtmäßig nichts Gleichwertiges entgegenzustellen hatte (abgesehen von anderen Überlegungen). Die Mark hatte sicherlich durch die entschlossene „Innenpolitik“ Liutpalds III. an Ansehen und Bedeutung gewonnen, sie war herrschaftsmäßig durchdrungen und die Gewinnung neuen Landes durch Rodungen war vor allem im Sinne des Markgrafen, auf den auch alles Geschehen ausgerichtet war. Dennoch bot eine mächtige Stellung am Rhein ganz andere Möglichkeiten, sich an der Politik des Königs zu beteiligen, was in der Nähe der Pfalzen und Bischofsstädte Speyer, Worms, Mainz und Würzburg leicht sein sollte. Hier war der Träger des salischen Namens am Platz. Heinrich wurde also keineswegs von seinen Eltern gleichsam ins Exil geschickt, um unbedeutende Aufgaben zu übernehmen und aus der Markgrafschaft zu verschwinden. Die österreichischen Annalen stellen es mit einer Art Regionalpatriotismus teilweise so dar. Es sei hier die These gewagt, dass Agnes in Übereinstimmung mit ihrem Gemahl den ältesten Sohn mit der wichtigsten Aufgabe betraute; mit einer Art Nachfolge im salischen Kernland, was den Babenbergern die Weite der Reichspolitik eröffnete – sie gerade hatte ja im Konzept Liutpalds III. kaum eine Rolle gespielt – und ihnen nach den Staufern Vorteile aus ihrer kognatischen Verwandtschaft bringen musste. Hier wäre eine „Versalierung“ des bayerischen Markgrafengeschlechts möglich gewesen, in einer Zeit, als sich die Vorstellung von der Ausbildung der väterlichen Linie im genealogischen Gefüge zum adeligen Geschlecht durchzusetzen begann. Heinrich war also aus guten Gründen aus dem Kampf um die Durchsetzung in der Mark ausgeschieden. Vom viertgeborenen Ernst weiß man außer
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Abb. 7: Der Vertrag von Mautern 1137
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dem Namen und seinem Vorkommen in Urkunden nahezu nichts. Die Auseinandersetzungen beschränkten sich auf das gegnerische Paar Adalbert–Liut pald, der Älteste und früh Designierte gegen den Liebling der verwitweten Mutter mit seiner gewaltigen Sippe, wovon die Markgräfin anscheinend zuletzt auch ihren Gemahl überzeugt hatte. Papst Innozenz II. verrät in zwei Schreiben an die Witwe, dass er um die Gegensätze in der Mark Bescheid wisse. Nachdem er den Angehörigen des Markgrafen kondoliert und sie damit beruhigt hat, dass er den plötzlich Hinweggerafften aus auctoritas apostolica die Absolution erteilt habe, mahnt er die Mutter, den Söhnen gegenüber Liebe zu erzeigen, und die Söhne, ihrer Mutter Ehrerbietung zu erweisen, sodass sie fernerhin in Frieden und Eintracht leben könnten. Im zweiten Brief verspricht er, sich bei Kaiser Lothar III. zu verwenden, damit er „eure Gerechtsame bewahre“, was wohl nichts anderes bedeutet, als die Markgrafschaft wieder an die Babenberger zu verleihen. Dass damit die Bevorzugung Liutpalds gegenüber Adalbert gemeint sein sollte, ist äußerst unwahrscheinlich. Tatsächlich scheint es in der königlichen Stadt Tulln im Jahre 1137 zu einem Ausgleich gekommen zu sein. In Gegenwart von Agnes versöhnten sich Adalbert und Liutpald, der nun als Vierter seines Namens die Markgrafschaft übernahm, während sich Adalbert mit der Stellung eines Vogtes über den reichen Kloster- und Bischofsbesitz in der Mark begnügen musste. Bemerkenswert ist, dass die principes, hier wohl einfach mit die Großen zu übersetzen, in Tulln wesentlich zur Klärung der strittigen Frage um die Nachfolge beigetragen haben. Dass der fromme Markgraf den Familienzwist weder vermeiden noch beilegen konnte, hat sein Ansehen als heiligmäßiger Mann nicht beeinträchtigt. So wenige Jahre Liutpald IV. als königlichem Amtsträger auch beschieden waren, erfolgten doch unter ihm entscheidende Schritte in Bezug auf die Errichtung eines endgültigen Machtmittelpunkts der Babenberger. Er begann mit einer weit vorausschauenden Kloster- und Rodungspolitik und wandte sich – wohl bedingt durch die bewegten Zeitläufte – im Gegensatz zu seinem Vater wieder mehr der Reichspolitik zu. Dabei erwies er sich als ein sehr befähigter Politiker, der nicht zu Unrecht an die Spitze der Mark gekommen war. Im Jahre 1137 schloss der neue Markgraf im passauischen Ort Mautern einen Tauschvertrag mit Bischof Reginmar, in dem es um einen Interessen-
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ausgleich in Wien und dessen Umgebung ging. Da der anscheinend wieder versöhnte Halbbruder Adalbert als Passauer Bistumsvogt agierte, war eine Übereinkunft wohl nicht schwer zu erzielen. Wien wird seit über hundert Jahren wieder genannt und erstmals als civitas bezeichnet, was vielleicht mehr als bloßer Burgplatz meint. In dem Abkommen wird schriftlich festgehalten, dass die bisherige Pfarrkirche St. Peter und die übrigen oratoria (Gebetsstätten, Kapellen) an den Bischof kommen und dem Pfarrer der neu zu errichtenden und dem Passauer Bistumspatron Stephanus geweihten Kirche außerhalb der Mauern unterstehen solle. Dafür wird dem Markgrafen ein Weinberg im Süden der Stadt und die halbe Ausstattung dieser neuen Kirche in ihrer Umgebung zugesprochen. Ausgenommen davon bleiben Hofstätten mit Pferdeställen nicht weit von der Stephanskirche. Aus diesem im Original erhaltenen Vertrag geht deutlich hervor, dass sich die Babenberger ein beträchtliches Grundeigentum in der Umgebung der Siedlung (iuxta civitatem) sichern konnten. Noch heute erinnert der Name des vierten Wiener Bezirks „Wieden“ an dieses kirchliche Ausstattungsgut (Wieden von mittelhochdeutsch widum = lateinisch dos, also „gewidmetes“ Gut). Wir haben hier das erste Dokument einer Festsetzung der Markgrafen im Wiener Raum, wenn auch vielleicht schon Liutpald III. dort mithilfe seiner Ministerialen Ansprüche wahrzunehmen versuchte. Von einer Förderung Wiens ist zunächst nichts überliefert, und zwei Jahre nach Abschluss des Vertrags schien die erfolgreiche Positionierung der Babenberger in und um Wien schnell obsolet zu werden, weil sich der Aktionsraum Liutpalds IV. plötzlich nach Bayern im engeren Sinne verlagerte. 1138 war überraschend der Staufer Konrad zum römisch-deutschen König gewählt worden, ein Halbbruder Liutpalds von Mutterseite her (frater uterinus). Die Fürsten hatten damit für einen einflussreichen, aber bei Weitem nicht den mächtigsten Mann im Reich votiert. Dieser war Heinrich der Stolze, Herzog von Sachsen und Bayern sowie Schwiegersohn des verstorbenen Kaisers Lothar III. Und der hatte ihn sterbend durch die Übergabe der Reichsinsignien gleichsam designiert. Solch eine schier erdrückende Machtfülle ängstigte die Fürsten und nötigte sie zu einer überstürzten, ja handstreichartigen Wahl des jüngeren der beiden Staufer. Wegen dieser Vorgänge wurde Konrad III. bald
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als „Pfaffenkönig“ bezeichnet. Diesem war von Anfang an klar, dass er gegen den doppelten Herzog nur bestehen konnte, wenn er dessen Macht deutlich minderte. In einem zweifelhaften Verfahren wurde der Welfe geächtet und sukzessiv seiner beiden Herzogtümer für verlustig erklärt. Mit diesen belehnte Konrad III. den sächsischen und den bayerischen Markgrafen. Albrecht der Bär war schon lange ein Gegner der welfischen Ausdehnungspolitik und quasi ein natürlicher Feind Heinrichs des Stolzen. Markgraf Liutpald IV. hingegen war einfach der Halbbruder des Königs, von dem man in dieser neuen Position einen Kampf gegen die Welfen erwarten konnte. Liutpalds Bruder, der in Burgund in den Zisterzienserorden eingetretene Otto, war schon 1138 auf den Freisinger Bischofsthron geholt worden, sodass sich der König jetzt in Bayern auf zwei Verwandte stützen konnte. Der Bischof erkannte jedoch die Problematik dieser politischen „Flurbereinigung“: Die Welfen waren viel zu mächtig und einflussreich, um sich widerstandslos ausschalten zu lassen. Dass sich der Mann frühscholastischer Geistigkeit und asketischer Strenge in die harte Welt reichspolitischen Geschehens locken ließ, ist nicht leicht verständlich. Wahrscheinlich sah er die Notwendigkeit, seinem königlichen Halbbruder um jeden Preis beizustehen, wenn die Ordnung im Reich wiederhergestellt werden sollte. Außerdem wird Otto auch als Angehöriger eines Reformordens seine adelige Welthaltung nicht ganz aufgegeben haben. Innere Gegensätze konnte der mittelalterliche Mensch oft besser und klarer auflösen oder zumindest überbrücken als der moderne Mensch. Das Abrücken Liutpalds IV. aus der Mark, um als Herzog vom bayerischen Zentrum Regensburg aus sein Amt zu verwalten, bedeutete – aus heutiger Sicht – eine Gefahr für Österreich, wieder zu einem abhängigen Nebenland abzusinken, was es lehensrechtlich ja tatsächlich war. Die Ansätze einer Eigenständigkeit, wie sie unter Liutpald III. fraglos zu erkennen sind, wären nicht weiter verfolgt worden. Österreich wäre auf seine Funktion als bayerisches Grenzland beschränkt geblieben. Anders gesehen konnte die Durchsetzung Liutpalds gegen die Welfen noch einmal die Möglichkeit bieten, die auseinanderstrebenden politischen Einheiten doch straff zusammenzufassen. Was das für die eben erst von den Babenbergern in Besitz genommene und mit planerischer Sorgfalt behandelte Stadt Wien bedeutet hätte, ist in der Forschung umstritten und lässt sich auch nicht wirklich beantworten. Es steht die Auffassung von einem vollkommenen
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Verkümmern der Meinung gegenüber, hier wäre ein neues Zentrum Bayerns entstanden. Da Heinrich der Stolze 1139, im Jahre der Belehnung Liutpalds IV., plötzlich starb, konnte sich dieser zunächst ganz gut durchsetzen. Regensburg musste freilich erobert werden und dort erschienen die meisten bayerischen Adeligen, um Liutpald zu huldigen: amore seu terrore (aus Liebe oder Furcht). Schon vorher hatte sich der neue Herzog mit Maria, der Tochter Sobeslavs von Böhmen, verehelicht – eine Verbindung, die König Konrad III. angeregt und forciert hatte. So schien die staufische Sache durch einen starken antiwelfischen Machtblock im Südosten des Reiches begünstigt. Liutpald IV. machte im April 1139 seinen Umritt in Bayern, der seinen Höhepunkt in einem dreitägigen Gerichthalten am Lech, der Grenze zu Schwaben, fand. Die dabei gezeigte Strenge und Entschlossenheit musste sein Ansehen erhöhen. Aber Anhänger des abgesetzten und verschiedenen Herzogs gab es weiterhin. Zwar hielt sich dessen zehnjähriger gleichnamiger Sohn unter der Leitung seiner kaiserlichen Großmutter in Sachsen auf und wurde dort im Kreise der welfischen Partei erzogen. In Bayern hatte er als tüchtigen und unermüdlichen Sachwalter seinen Onkel Welf VI. Von den welfischen Machtpositionen in Oberschwaben (Ravensburg, Weingarten, Altdorf ) aus und mithilfe von Parteigängern in Oberbayern machte er dem neuen Herzog das Leben schwer. So konnte Liutpald nicht zur Ruhe kommen und selbst keine Ruhe in seinem Sinne herstellen. Doch vergaß er sein märkisches Stammland nicht und fand in seinem königlichen Halbbruder einen geneigten Förderer seiner dortigen Initiativen. Aus dem Jahr 1139/1140, das scheinbar wenig der Aufzeichnung Würdiges zu bieten hatte, erfahren wir immerhin von den beiden als Anreger einer Landerschließung großen Stils. Ihr Interesse galt offensichtlich dem Waldland zwischen Donau und Böhmen, der silva Nortica, dem Nordwald. Hier gab es bisher nur Siedlungsinseln in einem Wäldermeer, das von nutzbarem Niederwald über den der Jagd vorbehaltenen Hochwald bis zum unheimlich-verrufenen Urwald reichte. Konrad III. ermöglichte mit Zustimmung des Herzog-Markgrafen dort große Schenkungen aus Lehensbesitz des Ministerialen Hadmar I. aus dem Geschlecht der Kuenringer im Gebiet seiner Burg Zwettl am Kamp. 1137/1138 hatte dieser Zisterzienser aus der babenbergischen Gründung Heiligenkreuz dorthin geholt, was auch für das Gedeihen der noch jungen
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Ordensniederlassung im Wienerwald sprach: Wenige Jahre nach der Ansiedlung vermochte es immerhin zwölf Mönche in den fragwürdigen Nordwald zu entsenden. Der König bestätigte urkundlich diese Gründung, da er von den Zisterziensern eine teilweise Rodung und Erschließung des unwegsamen Waldlandes, des späteren Waldviertels, erhoffte. Tatsächlich entwickelte sich Kloster Zwettl positiv: durch eine gelungene Holz- und Teichwirtschaft, durch die Umsetzung moderner Methoden beim Obst- und Feldbau. Schon bald vermochten die Mönche Herzog Liutpald ein Darlehen von 300 Mark Silber, eine beträchtliche Summe, zu gewähren. Andere Grundherren nahmen sich am Herzog-Markgrafen ein Beispiel und stellten Ländereien zur Errichtung von Klöstern zur Verfügung. Im Machland (südliches Mühlviertel) gründete der Edelfreie Otto 1141 die Zisterze Baumgartenberg. Die Grafen von Poigen überließen 1144 den Benediktinern ihre „Alte Burg“ am Rande des Horner Beckens. Graf Ulrich von Pernegg übergab seine gleichnamige Burg den Prämonstratenserinnen, während er den männlichen Zweig dieses Ordens im zehn Kilometer entfernten Geras ansiedelte. Der Graf soll ein Bekehrungserlebnis gehabt haben. Nach dem Tod seiner Ehefrau lebte er mit zwölf Mädchen, die seine Konkubinen waren. Ohne diesbezügliche Bedenken lud er den in Göttweig weilenden berühmten Abt Berthold von Garsten zu sich ein. Obwohl unpässlich, machte sich dieser auf den Weg, der wohl mindestens eine Tagesreise in Anspruch nahm. In der Burg verwunderte sich der Abt über die Menge schön gekleideter, hübscher Mädchen, die zugegen waren. Auf seine Frage bekannte Graf Ulrich, dass diese alle seiner Lust dienten. Nun redete ihm Berthold gut zu, seinen zügellosen Geschlechtstrieb zu beherrschen. Ulrich von Pernegg versprach es leichthin, bestellte aber dennoch ein Mädchen für die Nacht zu sich. Dieses schlich durch die finstere Burg, konnte aber auf einmal nicht weiter und musste auf der Stelle verharren. Am nächsten Tag erzählte sie dem erzürnten Burgherrn, was ihr Erscheinen verhindert hätte. Nun sah der Graf ein, dass der Abt ein Wunder bewirkt hatte, und wurde dadurch geläutert. Elf Mädchen wurden entlassen, eine nahm Ulrich zur rechtmäßigen Gemahlin. Diese aus der Hagiografie stammende Erzählung ist wie gewöhnlich zu dem Zweck verfasst, die heilige Kraft des strengen Reformabtes Berthold zu zeigen. Ob sich alles so abgespielt hat und was man an Einzelheiten hagiografischen Gemeinplätzen zuzählen muss, ist ungewiss. Jedenfalls erlaubt die Geschichte einen Blick auf adelige Lebensart, die selbstherrlich
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sein konnte, ohne deswegen kirchliche Frömmigkeit auszuschließen. Diese zielte aber primär nicht auf die persönliche Moral, die meist anderen Gesetzen gehorchte, sondern auf den Nutzen, der von Gegenwart und Wohlwollen eines heiligmäßigen Mannes zu gewinnen war. Dieser Vorteil potenzierte sich noch durch die Versammlung asketisch lebender Männer und Frauen, abgesehen von dem wirtschaftlichen und finanziellen Aufschwung, den eine klug und durchdacht vollzogene Stiftung bedeuten konnte. So waren dies alles Gründungen, die das Ansehen der jeweiligen Familien erhöhten, ja garantierten, vor allem jedoch der möglichst raschen Erschließung des einsamen Waldlandes dienen sollten; nicht umsonst waren es im Wesentlichen die neuen Reformorden, deren Organisation von Rodung und Fruchtbarmachung des Landes als vorbildlich (und erfolgreich) galt. Schnell musste sich Herzog Liutpald wieder den politischen Problemen in Bayern zuwenden. Obwohl er viele bayerische Große auf seiner Seite hatte, vor allem die Bischöfe, gab es weiterhin energische und trotzige Parteigänger der Welfen. Zu diesen zählten die Grafen Konrad und Arnold von Dachau, die sich im Sommer 1140 gegen den Herzog erhoben und manch welfische Sympathisanten mitrissen. Liutpald IV. rückte mit einem Heer gegen deren Burg Vallei an der Mangfall vor. Doch vermochte er diese Festung nicht zu nehmen, geriet zwischen die Fronten, als er sich einem Entsatzheer Welfs VI. stellen musste, und erlitt schließlich eine schwere Niederlage. Zwar erreichten die Welfen dadurch ihr Ziel nicht, aber Liutpalds Stellung als Herzog war nun bedroht, da deutlich wurde, dass eine prowelfische Erhebung nicht aussichtslos wäre. König Konrad erkannte, dass er in diese bayerischen Auseinandersetzungen selbst eingreifen musste, um Liutpald eine sichere Position zu ermöglichen, die dann auf Reichsebene wieder ihm zugutekommen würde. Er zog mit einem Heer ins nördliche Schwaben, wo sich die Anhänger der Welfen in die Burg Weinsberg zurückgezogen hatten und lange der königlichen Belagerung trotzten. Wieder rückte Welf VI. mit einem Entsatzheer heran, die Ereignisse von Vallei schienen sich zu wiederholen. Doch diesmal unterlagen die Welfen und mussten mit schweren Verlusten abziehen, während der König Proben seiner Kampfkraft und Tapferkeit geliefert hatte. Um diese Belagerung knapp vor Weihnachten entstand eine Legende, die in ihrer Struktur auch anderswo nachzuweisen, hier aber durch volkstümliche Überlieferung besonders bekannt geworden ist: Der siegreiche König, der über den zähen Widerstand der Ver-
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Abb. 8: Reitersiegel Liutpalds IV.
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teidiger höchlichst erzürnt war, verschwor sich, die Burg niederzubrennen und nur den Frauen freien Abzug zu gestatten. Doch erlaubte er ihnen, das Liebste mitzunehmen. Als sich die Tore öffneten, erschienen die Frauen, ihre Männer mühevoll auf dem Rücken tragend, das Liebste, das sie hatten! Der tief beeindruckte König ließ sie gewähren und verzichtete auf die Zerstörung der Burg, die seither den Namen „Weibertreu“ führt. Die Geschichte gehört in die Kategorie jener (schwankhaften) Erzählungen, die die Absicht des gnadenlosen Feindes durch wörtliche oder zumindest Bezug nehmende Auslegung eines feierlichen Versprechens vereiteln und diesen bewundernd zum Einlenken bewegen. Liutpald IV. hatte durch den Sieg des Königs wieder Terrain gewonnen, doch ganz zur Ruhe kam er auch jetzt nicht. In den letzten Tagen des Jahres 1140 brach ein Aufstand der Regensburger Bürger gegen ihn aus. Der Aufruhr traf den Herzog, als er gerade zu Gericht saß, und wurde durch die Abneigung der Bevölkerung gegen den Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach entfesselt. Liutpald musste zum Schwert greifen, warf einen ersten Angriff zurück und konnte aus der Stadt entkommen, nachdem er die aggressiven Bürger durch eine gezielte Brandlegung von sich abgelenkt hatte. Eine antibabenbergische Aktion war diese plötzliche Empörung jedenfalls nicht, die Bürger zahlten ein Bußgeld und versöhnten sich mit Liutpald bald wieder. Im Jahre 1140 erhob der König des bayerischen Herzogs älteren Bruder Heinrich, der die salischen Hausgüter seiner Mutter am Mittelrhein verwaltete, zum Pfalzgrafen bei Rhein und schuf sich damit einen weiteren Helfer im reichsweiten Kampf gegen die Welfen. Heinrich war so in die Nähe des Königs gerückt – zahlreiche Urkunden Konrads III. nennen ihn als Zeugen und belegen damit seine Königsnähe. Zugleich eröffneten sich für ihn Möglichkeiten der Ausweitung seiner Macht außerhalb der schwierig aufzubauenden Mark in der Mitte des Reiches, am Puls des politischen Geschehens. Im neuen Jahr unternahm Liutpald einen Feldzug durch weite Teile Bayerns, wo er Besitzungen seiner Feinde verheerte. Er verbreitete Furcht und Schrecken und konnte seine Autorität befestigen, zumal der Verwüstungszug auch als Rache für die Niederlage bei Vallei gesehen wurde. Liutpald IV. fühlte sich jetzt einigermaßen sicher und konnte seinem königlichen Halbbruder Hilfe bei einer Expedition nach Sachsen zusichern, dem noch größeren Gebiet welfischen Widerstands. Doch dazu sollte es nicht mehr kommen. Im Oktober
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1141 erkrankte der Herzog-Markgraf und als sich seine Krankheit verschlimmerte, wollte er sich in die Mark seiner Väter bringen lassen. Im Kloster Niederaltaich verbrachte er seine letzten Tage. In extremis suis (in seinen letzten Stunden) erinnerte er sich des Darlehens, das er vom Kloster Zwettl erhalten und bis dahin nicht zurückgezahlt hatte. So übergab er den Mönchen das Gut Krumau am Kamp, nachdem er es von seinem Ministerialen Anshalm zurückerhalten hatte. Da dieser ein Onkel des Klostergründers Hadmar I. war, stammte die geschenkte Liegenschaft aus dem Fonds kuenringischen Lehensbesitzes entlang des Kamps im Nordwald. Am 18. Oktober 1141 verstarb Liutpald IV. und wurde in der Familienstiftung Heiligenkreuz als erster Babenberger begraben. Aus seiner Ehe mit der böhmischen Maria waren bis dahin anscheinend keine Kinder entsprossen. Adalbert, sein Rivale im Kampf um die Mark, und sein jüngerer Bruder Ernst waren tot, sodass nur Pfalzgraf Heinrich, der älteste Sohn der Agnes, für die Nachfolge in der bayerischen Ostmark infrage kam. Nachdem 1136 zu viele Anwärter auf die Markgrafschaft vorhanden gewesen waren, musste man fünf Jahre später froh sein, überhaupt einen zu finden. Im Herzogtum Bayern war die babenbergische Stellung noch zu wenig gesichert, um sofort wieder einen Babenberger mit dem hohen Amt zu betrauen. Auch mochte Konrad III. einsehen, dass er die vorhandene Kritik an der unglaublichen Bevorzugung seiner Verwandten nicht lauter werden lassen durfte. So ließ er Bayern zunächst unbesetzt und behielt es in eigener Hand. Jedenfalls war er auch jetzt nicht gesonnen, ein welfisches Bayern zuzulassen, obwohl der frühe Tod Liutpalds auch als Entscheidung Gottes in dieser Frage angesehen werden konnte. Die Babenberger blieben wieder auf die Mark beschränkt. Nachrufe für Liutpald IV. gibt es keine. In der Annalistik wird bloß sein Tod festgestellt, ohne ihm ein paar Worte zu widmen. Kein Lob, keine Erwähnung lobenswerter, vorbildlicher Eigenschaften finden sich in den Quellen, selbst sein bischöflicher Bruder, der Geschichtsschreiber Otto, meldet nur die Tatsache seines Hinscheidens. Möglichweise stammt dieses fast mangelnde Interesse an dem Tod des Babenbergers von seiner im Vergleich zu dem frommen Vater geringen Sorge um Klöster und Stifte, die vielleicht aber nur seiner kurzen Lebenszeit zuzuschreiben ist. Die zeitgenössische volkssprachige Kaiserchronik, die noch dazu in Regensburg verfasst wurde, sieht in Liutpald zunächst den Mann, der sich an die Stelle seines Herrn (Heinrichs des Stol-
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zen) setzt. In der verlorenen Schlacht bei Vallei wird er helt guot genannt, was den ritterlich Kämpfenden meint. So tüchtig er auch war, seine Leute haben ihn verlassen und ihm blieb nur die Flucht. Immerhin setzte er sich gegen die Konkurrenten in der eigenen Familie durch, war vielleicht der Liebling seiner Eltern und wohl ein fähiger Mann. Er erwies sich als zäher Verteidiger seiner neuen Position und scheint auch ein guter Kriegsmann gewesen zu sein, wie uns die Kaiserchronik bestätigt. Und zuletzt darf man nicht übersehen, dass er den Babenbergern nach einer Periode märkischer Selbstgenügsamkeit wieder die Weite der Reichspolitik eröffnete und dass er der Erste seines Geschlechts war, der mit der Stadt Wien in Beziehung zu bringen ist! Für die Zeitgenossen mag er ein Fürst typischen Zuschnitts gewesen sein, den man nicht viel zu beschreiben braucht.
4.
Herzog und Markgraf: Heinrich XI./II.
Im Januar oder Februar 1142 wird Heinrich II. erstmals als Markgraf genannt, seine Einsetzung dürfte also sehr bald nach dem Tod seines Bruders Liutpald erfolgt sein. Das Amt als Pfalzgraf bei Rhein musste er zuvor aufgeben und schied damit aus dem Kräftespiel der politisch wichtigen Landschaft am Mittelrhein aus. Es wäre nicht zu rechtfertigen gewesen, so weit auseinanderliegende Herrschaftsgebiete in einer Hand zu belassen, abgesehen von der Schwierigkeit, sich abwechselnd als Pfalzgraf oder als Markgraf der abhängigen Bevölkerung zu zeigen, was für die Akzeptanz des Amtsträgers aber unbedingt notwendig war. Auch auf die rheinischen Hausgüter seiner salischen Mutter musste Heinrich nun verzichten und sie seinen staufischen Verwandten übergeben. Damit war der Versuch, einen zweiten Machtbereich für die Babenberger aufzubauen, wie es im frühen 11. Jahrhundert in Schwaben geglückt war, schnell wieder zu Ende. Der politische Horizont des neuen Markgrafen schien sich wiederum auf das zu erschließende Land an der Donau zu beschränken. Andererseits war Heinrich II. als Markgraf bei der Unsicherheit der Verhältnisse in Bayern für den König wertvoller und konnte bei einer Durchsetzung der welfischen Partei gegen den Willen Konrads III. ein Gegengewicht bilden. Das war 976 ein Plan Kaiser Ottos II. gewesen, den die Babenberger
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bis zum Investiturstreit treulich erfüllt hatten. Nun sollten sie sich abermals im Sinne des Königs beweisen. An der immer noch heiklen Grenze zu Ungarn durfte es zu keinem Machtvakuum kommen! Doch war Heinrich II. in der Mark als königlicher Amtsträger viel isolierter als am Rhein, was auch positiv beurteilt werden kann: Als Markgraf war er unbestritten, als Zweiter in Bayern nach dem Herzog in seiner Machtausübung konkurrenzlos, er hatte es nicht mit einer Fülle gleichrangiger Reichsfürsten zu tun wie am Rhein. Bot die Pfalzgrafschaft an einer der wichtigsten Schaltstellen der Reichspolitik die Möglichkeit, sich in Gegenwart des Königs zu profilieren, so war es ebenso möglich, am Hof ein Fiasko zu erleiden! In der Mark war das nicht zu befürchten, und jedes Tun und Wollen des Königs war dort ausschließlich auf ihn gerichtet. Dennoch scheint sich der König wichtigerer Dienste seines Halbbruders versichert zu haben. Die ewige Bayernfrage sollte durch des Königs zeitgemäße Diplomatie und den Protagonisten Heinrich endlich gelöst werden. Konrad vermählte ihn mit Gertrud, der Witwe Heinrichs des Stolzen, und vertraute auf deren mütterliche Überredungskunst: Sie sollte ihren jungen Sohn zur Aufgabe seiner Ansprüche auf Bayern bewegen. Zuvor sollte ihm das Herzogtum Sachsen zurückgegeben werden. Selten kommt die auf persönliche und genealogische Beziehungen fußende Politik der Fürsten im Mittelalter so klar zum Ausdruck. Der junge Heinrich, der bald den Zunamen „der Löwe“ erhielt, fügte sich dem Zureden seiner Mutter, die nun selbst an die Spitze des verwaisten Herzogtums gelangen sollte. Man hätte gern einen Bericht über das Zwiegespräch von Mutter und Sohn, um zu erfahren, welche Emotionen dabei im Spiel waren. Man muss sich aber leider mit dem Resultat begnügen, indem uns nüchtern mitgeteilt wird, dass der neue Herzog von Sachsen auf Bayern verzichtet habe. Es ist anzunehmen, dass dieser Verzicht vor König und Fürsten in einer speziell arrangierten Szene ausgesprochen wurde. Die vorhergehende Auseinandersetzung von Mutter und Sohn spielte sich dagegen nicht unter vier Augen, aber doch in kleinstem Kreise ab. Was Frieden bringen sollte, hatte aber keine Dauer. Otto von Freising, der an dem Geschehen beteiligt war, stellte rückblickend fest, dass diese Entscheidung den Samen großer Zwietracht in sich trug! Durch die Ehe mit Gertrud erwarb Markgraf Heinrich gleichsam das bayerische Herzogtum. Mehr oder weniger über seine Gemahlin erlangte er das vakant gewesene Reichsamt. Auch jetzt waren es genealogische Verbindun-
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gen, die den fürstlichen Zeitgenossen diese Veränderung an der Spitze des Landes verständlich machten, wenn auch nach heutigen Maßstäben von einer Verwandtschaft des minderjährigen Erben und Prätendenten mit dem nunmehrigen Amtsinhaber keine Rede sein konnte. Gertrud war als eine Art „Erbwitwe“ berechtigt und „überantwortete“ das Amt ihrem zweiten Gemahl. Man muss aber nicht unbedingt glauben, dass diese Vermählung ausschließlich ein der Versöhnungspolitik dargebrachtes Opfer zweier dazu notwendiger Partner war: Der Begriff Witwe suggeriert eine alte Frau, doch war Gertrud noch keine dreißig Jahre alt, Heinrich II. wahrscheinlich ein paar Jahre älter. Obwohl Welf VI. mit dieser Lösung nicht einverstanden war, gab es keinen Widerstand, als Heinrich als elfter Herzog dieses Namens in Bayern mit diesem Reichsland 1143 in Goslar belehnt wurde. Konrad III. war ein Schachzug gelungen, der dem umfehdeten Land Ruhe bringen sollte und der den über die ständige Bevorzugung der babenbergischen Verwandtschaft missgelaunten Fürsten eine politische Konstruktion zumutete, an der sie kaum etwas auszusetzen haben konnten. Ein Sohn aus dieser planvollen Ehe – Gertrud war bei der Belehnung ihres Gemahls wohl hochschwanger – wäre zwar ein Babenberger geworden, aber immerhin ein Halbbruder Heinrichs des Löwen und somit für die Welfenpartei akzeptabel. Die scheinbare Lösung der Bayernfrage, die der Stabilität der staufischen Herrschaft und des Reiches zugutekommen musste, fußte überwiegend auf genealogischen Voraussetzungen. Deren Wegfall würde alles gefährden. Und das geschah: Gertrud gebar eine Tochter und starb im Wochenbett. Das Gelenk, welches das sensible Gleichgewicht von Ansprüchen, Berechtigungen, Forderungen und politischen Wünschen gewährleistet hatte, war zerbrochen. Während sich der 14-jährige Heinrich der Löwe nach dem Tode seiner Mutter zurückhielt, erneuerte Welf VI. nun den Anspruch auf Bayern. Heinrich II. war in Bayern noch viel zu wenig etabliert, um dessen Intrigen und bewaffneten Aktionen wirkungsvoll begegnen zu können. Waren zunächst noch die Bischöfe auf seiner Seite, so vermochte Welf Heinrich von Regensburg und Konrad I. von Salzburg bald auf seine Seite zu ziehen und in einem Verwüstungszug weite Teile Bayerns zu durchstreifen. Der neue Herzog geriet zunehmend in Bedrängnis und musste auf die Hilfe der mit ihm verschwägerten Přemysliden zurückgreifen. Erst die Unterstützung des an einem babenbergischen Bayern interessierten Königs konnte die augenblickliche Gefahr
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bannen. Konrad III. sah sich wieder mit dem Welfenproblem konfrontiert, nachdem sich das klug geknüpfte Gewebe seiner Diplomatie mit dem Tod der Herzogin Gertrud aufgelöst hatte und sich auch Heinrich der Löwe dadurch nicht mehr an sein Verzichtversprechen gebunden fühlte. Wieweit sich der Herzog in den nächsten Jahren durchsetzte, wissen wir nicht, da keine Nachrichten vorhanden sind. Dafür ist 1146 als ein äußerst bewegtes und für ihn wenig glückliches Jahr zu bezeichnen. Aus undurchsichtigen Gründen betrieb der Babenberger eine Fehde gegen seinen früheren Verbündeten, den gleichnamigen Bischof von Regensburg. Diese Auseinandersetzung bezog schnell den Adel Bayerns und den böhmischen Herzog Vladislav mit ein und breitete sich aus: Mehrere Schauplätze sahen Kämpfe und Verwüstungen und zeigen beispielhaft, wie sehr sich die Fehdeführenden gegen Besitzungen ihres abwesenden Gegners wandten. So fiel Markgraf Otakar III. von Steier, Sohn einer Welfin, in den südlichen Teilen der Mark ein und verheerte weithin das Land, während der babenbergische Herzog und Markgraf an der Donau in Bayern kämpfte. Die vielen Zerstörungen von Kirchengut trugen Heinrich und den vorzüglichsten seiner Mitkämpfer den Kirchenbann ein, den Papst Eugen III. bestätigte. Wieder bedurfte es des Eingreifens Konrads III., um die Fehde zu applanieren. Im selben Jahr musste sich Heinrich wieder einmal mit ungarischen Einfällen an der Ostgrenze der Mark (und Bayerns) befassen. Die Ursache war ein zweiter Versuch des Usurpators Borics, der schon 1133 vom Markgrafensohn Adalbert besiegt worden war, sich der ungarischen Krone zu bemächtigen. Er stachelte bayerische Grafen dazu auf, die Stadt Pressburg zu besetzen. Der auf diese Weise provozierte Ungarnkönig richtete seinen Zorn gegen die Bayern und machte einige Einfälle in die Mark, nördlich und südlich der Donau, wie es dem früheren Kampfstil der Magyaren entsprochen hatte. Der Herzog eilte mit geringen Kräften heran und traf auf die Ungarn im Virfelt, einer Ebene an der Leitha, wo er voreilig die Schlacht begann. Persönlich tapfer und stark, musste er schließlich der Übermacht weichen und zog sich in die Burgsiedlung Wien zurück, der er forthin sein Interesse zuwandte. Erfreulicher war Heinrichs Tätigkeit bei der Gründung des Stiftes Säbnich im südlichen Mühlviertel durch Otto von Machland, der fünf Jahre zuvor schon Baumgartenberg entstehen ließ. Schon bald wurde jener Platz jedoch aufgegeben und das Stift nach Waldhausen verlegt.
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Zu dieser Zeit war der „Herzog und Markgraf“ wohl schon entschlossen, seinem Halbbruder König Konrad auf den Kreuzzug zu folgen. Ein Unternehmen, dem sich mit Bischof Otto von Freising ein weiterer Babenberger anschloss und das keine Gefahr für die Abwesenden bedeutete, da auch die Welfen das Kreuz nahmen; allerdings um in die andere Richtung nach Norden zu ziehen. Dort konnte man den Glaubenskampf mit der Zurückdrängung westslawischer Völker und dem gewaltsamen Erwerb von deren Siedlungsgebieten vereinen. Heinrich Jasomirgott musste, um die kostspielige Expedition finanzieren zu können, Darlehen bei Klöstern der Mark aufnehmen, die er später durchaus nicht alle zurückzahlen konnte. Er war damit nicht besser gestellt als viele einfache Adelige, die um die Kosten für einen Kreuzzug aufzubringen, Besitzungen an Klöster und Stifte verkauften oder sie zum Pfand gaben, sehr oft auch testamentarisch darüber verfügten. In Klosterneuburg dürfte der Babenberger Konrad III. empfangen haben, der hier vielleicht Urkunden ausstellen ließ, vor allem aber das Grab seiner Mutter Agnes aufsuchte. In der Umgebung Wiens oder erst an der Fischa war Sammelstelle und Rastplatz für das Heer, bevor man den zweifellos unsicheren Landweg durch Ungarn fortsetzte. In Wien weihte der Kreuzfahrer Bischof Reginbert von Passau St. Stephan, die ihm unterstehende neue Pfarrkirche. Die zweite Heersäule, die den Landweg auf und neben der Donau nach Konstantinopel nahm, wurde von König Ludwig VII. von Frankreich geführt. Der ihn begleitende Hofkaplan Odo von Deuil liefert einige Nachrichten über das babenbergische Österreich des Jahres 1147: karge, kaum wirklich wertvolle, aber Hinweise eben doch. Von Passau, das er als bedeutende Stadt bezeichnet, seien es fünf Tagesreisen bis Nova Urbs; von dort noch einen Tag bis zur ungarischen Grenze. Die Gegend sei äußerst waldreich, aber auch voll Quellen, Bächen und Flüssen zwischen üppigen Wiesen. Es gibt zwar Städte (vielleicht soll man besser übersetzen: befestigte Plätze), aber diese wären nicht imstande, das durchziehende französische Heer und seine unbewaffnete Begleitung mit Lebensmitteln ausreichend zu versorgen. Schon aus diesen wenigen Worten kann man erkennen, wie dünn und oasenhaft besiedelt die Mark in der Mitte des 12. Jahrhunderts noch war. Es gab ja tatsächlich keine Städte, die sich mit den deutschen Bischofs- und Pfalzstädten vergleichen ließen. Nicht recht geklärt ist die Frage, welche Siedlung wohl unter Nova Urbs zu verstehen ist. Neustadt kann damit nicht gemeint sein, da es erst ein halbes Jahrhundert
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später gegründet wurde. Am ehesten ist an Klosterneuburg zu denken, dessen Name als babenbergische Residenz eben Neuburg war. Leider erhalten wir keinen Bericht über das Aussehen Neuburgs, das erst von Liutpald III. ausgebaut, von seinen beiden Söhnen aber eher wieder vernachlässigt worden war, besonders seitdem die Markgräfin Agnes das Zeitliche gesegnet hatte. Die Entfernung zur ungarischen Grenze mochte mit einem – allerdings schärferen – Tagesritt zu bewältigen gewesen sein. Ein so großes Aufgebot, das sich ungeordnet durch die Mark wälzte, benötigte dazu sicher länger. Der von zwei Königen unternommene Kreuzzug wurde ein Beispiel für die mangelnde Disziplin und die Planlosigkeit der nur augenblicklichen Entscheidungen verpflichteten Ritter, was durch immer wieder aufbrechende nationale Gegensätze noch verschärft wurde. Nach der unnötigen, vergeblichen Belagerung von Damaskus 1148 wurde das Unternehmen abgebrochen und auf verschiedenen Routen zu Wasser und zu Land der Rückzug angetreten. Der Herzog reiste mit König Konrad nach Konstantinopel. Kaiser Manuel Komnenos war dessen Schwager und sorgte nun für die Pflege und Rekreation der erfolglosen Gottesstreiter. Doch wurden auch, wir würden heute sagen, weltpolitische Fragen erörtert. Die Sache des staufischen Königtums stand nicht allzu gut, da es die Welfen verstanden hatten, Ungarn und Normannen auf ihre Seite zu ziehen. Das waren auch die Feinde des byzantinischen Reiches, und so war ein Bündnis der beiden Herrscher naheliegend. Es sollte – wie so oft – durch einen Heiratspakt besiegelt werden. Konrad III. und Herzog Heinrich waren Witwer, aber der König hatte zwei Söhne, während der Babenberger noch söhnelos war. So wurde er mit Theodora, der Nichte des Kaisers, vermählt, was im Westen eine ungeheure Steigerung des herzoglichen Ansehens bewirken musste. Erhalten hat sich das Hochzeitsgedicht, das aus dem Anlass von einem Hofdichter (Pseudo-Theodoros Prodromos) verfasst wurde: „Auf die Herrin Theodora, die Tochter des Sebastokrators und ihren Gemahl, den Bruder des Königs von Deutschland“. Heinrich wird kein Titel gegeben, er und seine Braut werden nur als Verwandte von Machthabern und Herrschern dargestellt. Das Gedicht entspricht in Versmaß und Form den Gesetzen der byzantinischen Hofrhetorik und war wohl für Vertreter des Volks von Konstantinopel gedichtet worden. Diese sollten es bei den Hochzeitszeremonien vortragen. Die Reichs- und Kaiseridee wird wörtlich und symbolisch zum Ausdruck gebracht; der Kaiser ist die Sonne, der Herrscher des Abendlan-
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des der Abendstern. Aber auch die heidnische Mythologie wird bemüht: Der Kaiser ist Phoebus, Herzog Heinrich wird als Orion gesehen, der von Helios Licht empfängt. Zuletzt ist der Kaiser aber auch Christus Domini! Alamanía chóreue, „Frohlocke Deutschland!“, wird zu Beginn gerufen, und es ist nicht nur für dieses, sondern für den ganzen Westen eine große Auszeichnung, mit dem Kaiser quasi verschwägert zu sein. Die Wirkung dieser ehelichen Verbindung muss allgemein hoch gewesen sein. Inwieweit die griechische Gefolgs- und Dienerschaft, die Theodora mitbrachte, am Hof von Bedeutung war, lässt sich nicht feststellen. Gar in die Wiener Bevölkerung wirkende Einflüsse byzantinischer Kultur werden kontrovers beurteilt. Ob das bekannte Wiegenlied „Eia popeia“ auf den Gesang griechischer Ammen (heude mou paidí = „Schlafe, mein Kind!“) zurückgeht oder eher doch einfach onomatopoetisch zu erklären ist, bleibt offen. Dagegen spricht die zeitgenössische griechische Aussprache, obwohl diese auch kein wirklich entscheidendes Argument ist. Jedenfalls wurde die Erwerbung einer byzantinischen Prinzessin begeistert registriert. So sagen die Melker Annalen: Der besonders tapfere (Herzog) brachte vom Kreuzzug Theodora, die Tochter des äußerst berühmten Herzogs, des Bruders des Königs der Griechen heim. Die Bezeichnung „König der Griechen“ für Kaiser Manuel entspricht nun wieder der westlichen Sicht im Wettstreit um den Vorrang von östlichem oder westlichem Kaisertum. Wahrscheinlich vom Kreuzzug brachte der Herzog seinen später so gängigen Beinamen mit: Jasomirgott. Er taucht erst im 14. Jahrhundert auf, war aber wohl zeitgenössisch im Sinne eines verballhornten arabischen Ausdrucks, der zunächst von den muslimischen Gegnern für ihn verwendet worden war, und wird mit dem überlieferten Ausruf: Joch sa mir Got helfe!, den der Herzog angeblich überaus häufig gebraucht haben soll, nichts zu tun haben. Die bayerische Frage sollte sich nun unter solchen Voraussetzungen für die staufisch-babenbergische Seite günstig entwickeln. Da Bischof Reginbert auf dem Kreuzzug verstorben war und Konrad, der jüngste Sohn Markgraf Liutpalds III., das erledigte Bistum Passau übernahm, befanden sich drei Babenberger in Schlüsselstellen des umkämpften Herzogtums. Aber all das sollte sich als trügerisch erweisen. Nach dem Ende des Kreuzzugs war der „Burgfriede“ zwischen den Welfen und dem König bzw. dem babenbergischen Herzog wieder vorüber. Der nun zwanzigjährige Heinrich der Löwe erhob immer lauter Ansprüche auf Bayern, das seit 1070 von seinen herzoglichen Vorfahren
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verwaltet worden war. Die Söhne des Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach erregten einen Aufruhr in seinem Sinne, doch gewannen sie kaum Mitstreiter und mussten ihr Vorhaben aufgeben. Der Babenberger konnte sich halten, aber Sicherheit und Ruhe gewann er nicht für sich und das Reich. Konrad III. versuchte nun die bayerische Frage durch Verhandlungen mit den Fürsten und den beiden Kontrahenten zu lösen. Dreimal ließ er Heinrich den Löwen 1151 auf einen Hoftag laden, nach Ulm, Regensburg und Würzburg, aber der Welfe blieb fern. Herzog Heinrich hingegen scheint in Regensburg zugegen gewesen zu sein; es war ja seine Residenzstadt. Heinrich der Löwe hatte offensichtlich nicht die Absicht, bei Hof zu erscheinen, solange ein für ihn positiver Fürstenspruch höchst zweifelhaft war. Form und Inhalt der Ladung wurden oft infrage gestellt, wenn man eine Verhandlung verhindern wollte. Heinrich Jasomirgott erwies sich darin in den folgenden Jahren als wahrer Meister, als die politische Stimmung allmählich umschlug. Das Bayernproblem überlebte König Konrad. Als er anfangs 1152 starb, schien eine Entscheidung in weiter Ferne. Heinrich der Löwe wollte seinen Anspruch unbedingt durchsetzen, Heinrich Jasomirgott keineswegs auf Bayern verzichten. Dass es hier um Prestigefragen, ganz wesentlich aber auch um Rangfragen – um die Stellung in der Hierarchie der Reichsfürsten – ging, ist bei allen verfassungshistorischen Erklärungen nicht außer Acht zu lassen. Dem Halbbruder des verstorbenen Königs, dem Verwandten des byzantinischen Kaisers, verehelicht mit einer hohen Frau aus der geheiligten Sphäre des Hofes von Konstantinopel, die in die Welt des raueren, zivilisatorisch-kulturell ganz anderen Bayern versetzt worden war, konnte man nur schwer eine Rangminderung zumuten. Wo der Babenberger bis jetzt geboten hatte, da konnte er jetzt nicht gehorchen, mittelalterlich gesehen also die lehensrechtliche Position wechseln. Der neue König Friedrich I., der von den Italienern später wegen seines schmalen, rotblonden Bartes Barbarossa genannt wurde, war Neffe seines Vorgängers und damit auch Neffe des Babenbergers Heinrich; auch war er mit diesem vom gemeinsam unternommenen Kreuzzug 1147–1149 her vertraut. Die verwandtschaftliche Beziehung zwischen den beiden war im Grunde nicht anders als zwischen Heinrich II. und Konrad III., während Letzterer aber keine genealogische Verbindung zu den Welfen hatte, konnte Barbarossa
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auf eine welfische Mutter, die Schwester Heinrichs des Stolzen, verweisen. Er war also Vetter Heinrichs des Löwen und Welf VI. als Onkel verbunden, dem er näherstand als seinem väterlichen Oheim Heinrich Jasomirgott. Hier musste jenseits genealogischer Erwägungen, die ja nur uns heute so eindeutig scheinen, wirklich eine menschliche Zuneigung zwischen dem König und seinem Mutterbruder bestanden haben. Dazu kam die Tatsache, dass Friedrich I. und Heinrich der Löwe einer jungen Generation angehörten, Jasomirgott hingegen einer älteren. Dadurch veränderten sich die Positionen im Streit um Bayern. War der junge Welfe trotz seiner Stellung als Kläger vor dem Hofgericht gewissermaßen das passive Element in der Auseinandersetzung mit dem Babenberger gewesen und scheute ein Auftreten auf dem Hoftag, so war nun Heinrich II. derjenige, der sich zu rechtfertigen hatte. Dass zwischen ihm und dem königlichen Neffen kein glänzendes Verhältnis bestand, wird auch da raus ersichtlich, dass Heinrich II. nicht zur Krönung Barbarossas nach Aachen reiste, der junge Welfe hingegen mit einem sehr großen Gefolge zugegen war. Politisch gesehen waren die Aussichten des Babenbergers in dieser Streitfrage gut: Der Herzog hatte eine solide südosteuropäische Allianz hinter sich. Der Schwager Vladislav II. von Böhmen, der frühere Feind Géza II. von Ungarn (Vater seiner Schwägerin) und vor allen anderen Kaiser Manuel I. Komnenos, der Oheim seiner Gemahlin, zeigten durchaus Interesse an einem babenbergischen Bayern. Im Herzogtum war es besonders der Adel des Ostens, der den Welfen ablehnte. Hier saß Heinrich II. fest im Sattel, stützte sich aber auch auf seine Stammlande, wobei er offensichtlich Wien zu einem neuen Herrschaftszentrum auszubauen im Sinn hatte. Auch als die Fürsten Bayerns unter der Führung des Babenbergers noch 1152 einen Kriegszug gegen die Ungarn ablehnten, scheint eine antiwelfische Haltung dafür maßgeblich gewesen sein. Barbarossa sah ein, dass er die bayerische Frage nicht von heute auf morgen lösen konnte, verfolgte sie aber weiter mit großer Hartnäckigkeit. Er wollte dem Reich den lang ersehnten inneren Frieden bringen, wo doch sein Name als gutes Omen für das Heraufkommen einer friedvollen Zeit gedeutet wurde. 1153 sollte das Ende des Streits bringen. Auf drei Hoftagen, in Würzburg, Worms und Speyer, versuchte der König, die strittige Sache den Fürsten vorzulegen, doch weigerte sich Heinrich II., darüber zu verhandeln. Auch als ihn Friedrich I. mit dem überaus ehrenvollen Amt des Urteilssprechers in einer Angelegenheit des Erzbistums Köln
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betraute, rückte er nicht von seinem Standpunkt ab und weigerte sich im Hinblick darauf, dass er angeblich nicht ordnungsgemäß (vor-)geladen worden sei! Er ließ durchblicken, dass er ü b e r Bayern nur i n Bayern diskutieren würde; wahrscheinlich meinte er dort die Mehrzahl der Fürsten auf seiner Seite zu haben. Der König, der längst zur Kaiserkrönung nach Rom aufbrechen wollte und dabei die wichtige Unterstützung seines welfischen Vetters erwartete, war nun fest entschlossen, seinem störrischen Vaterbruder das Herzogtum einfach absprechen zu lassen. Im Mai 1154 fanden sich die Fürsten auf dem Hoftag im sächsischen Goslar dazu bereit. Der Ort der Handlung war mit Bedacht gewählt worden: Dort hatte man 16 Jahre zuvor Heinrich dem Stolzen Bayern entzogen und Liutpald IV. damit belehnt. Heinrich der Löwe war somit in das bayerische Herzogtum eingewiesen worden (sogenannte „Anleite“), während die tatsächliche Macht noch in den Händen des „abgesetzten“ Heinrich Jasomirgott lag. Nach diesem großen Gunsterweis war Barbarossa die Teilnahme Heinrichs des Löwen an der Romfahrt sicher, hingegen beteiligten sich weder Jasomirgott noch Otto von Freising an diesem Zug, wohl aber deren jüngster Bruder Bischof Konrad von Passau. Dass der König politische Umtriebe des Babenbergers während seiner Abwesenheit nicht ausschloss, erweist das Zurückbleiben Welfs VI. wie auch des dem König ergebenen, energischen Erzbischofs Arnold von Mainz. Heinrich II. dürfte in dieser Zeit Fühlung mit bayerischen und sächsischen Gegnern seines Stiefsohns aufgenommen haben, deren es in Sachsen nicht wenige gab, und verabredete sich in einer strategisch günstig gelegenen Gegend an der bayerisch-böhmischen Grenze. Wäre der Romzug ein Misserfolg geworden, hätte diese Opposition vielleicht losgeschlagen. Als aber der zum Kaiser gekrönte Friedrich I. und mit ihm Heinrich der Löwe eine triumphale Rückkehr erlebten, war es unmöglich, oppositionelle Absichten in die Tat umzusetzen. 1155 gab es wieder Verhandlungen. Es ist wahrscheinlich, dass Barbarossa seinem Vaterbruder für den Verzicht auf die noch immer zu Recht bestehende Ausübung der herzoglichen Macht eine angemessene Entschädigung in Aussicht stellte. Aber selbst als Otto von Freising als Vermittler eingesetzt wurde, kam es zu keiner brauchbaren Lösung. So stellte Kaiser Friedrich den Babenberger vor vollendete Tatsachen: In der zweiten Hälfte des Oktobers wurde Heinrich der Löwe vor feierlicher Versammlung in Regensburg nun auch de
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facto in sein herzogliches Amt eingesetzt. Die proceres, die Großen des Landes, mussten dem Welfen Huldigungs- und Lehenseid leisten, die Bürger der Stadt noch obendrein Geiseln stellen. Schon aus diesem Geschehen wird deutlich, dass in Stadt und Land keine für Heinrich den Löwen freundliche Stimmung herrschte. Nun musste wohl Jasomirgott einsehen, dass es kein Zurück mehr gab. Er ließ aus dem St. Jakobskloster in Regensburg Benediktiner nach Wien kommen, die er außerhalb der noch bestehenden Mauern, aber in räumlicher Nähe zu seinem geplanten Herrschaftssitz ansiedelte. Auch dass er in der Klosterkirche seine Begräbnisstätte einzurichten befahl, weist auf eine Abwendung vom Herzogtum Bayern hin. Aber so einfach wieder in der Mark als – wenn auch vornehmster – Lehensmann des bayerischen Herzogs zu existieren war aus Gründen des gesellschaftlichen Ansehens und der Stellung innerhalb des Reichsadels und damit zusammenhängend auch aus Selbstachtung nicht möglich. Das wusste auch der Kaiser, der nicht eine welfische Opposition gegen eine babenbergische einzutauschen wünschte. Anscheinend waren es persönliche Gespräche – eine geheime Absprache, wie es später genannt wird – zwischen Friedrich I. und Heinrich II., die im Juni 1156 endlich einen Durchbruch und eine allen mehr oder weniger genehme Entscheidung brachten. Auf dem Hoftag zu Regensburg am Feste Mariae Geburt (8. September) wurde diese Absprache zeremoniell umgesetzt. Der Kaiser erwies seinem gekränkten Oheim die ungewöhnliche Ehre, dass er ihn mit den Fürsten im Zeltlager auf den Barbinger Wiesen bei Regensburg aufsuchte. Dort verlas der Herzog von Böhmen den Fürstenspruch in der bayerischen Angelegenheit, der sofort feierlich exekutiert wurde. Heinrich II. leistete auf das Herzogtum Bayern Verzicht, indem er dem Kaiser sieben Fahnen überreichte, die dieser sofort Heinrich dem Löwen übergab. Zwei reichte dieser zurück, die Friedrich Barbarossa nun dem Babenberger aushändigte. Damit war die Mark aus dem bayerischen Herrschaftsverband gelöst und symbolisch selbst zu einem Herzogtum erhoben worden. Auf diese Weise hatte der Kaiser die Ehre seines Vaterbruders gewahrt und zugleich seinem Vetter das Erbe seiner Väter zurückgeben können – wenn auch geschmälert. Das allmählich sich in der Mark entwickelnde Eigenleben hatte 1156 eine verfassungsrechtliche Fundierung erhalten. Die Belehnung der beiden babenbergischen Markgrafen mit Bayern hätte diese Entwicklung aufhalten oder gar
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rückläufig machen können. Österreich wäre ein Teil Bayerns geblieben, zumal ja kein anderer Markgraf ernannt wurde. Liutpald IV. und Heinrich II. waren Herzoge und Markgrafen in einem gewesen. Heinrich nannte sich in Urkunden wiederholt dux Baioariae et Orientis oder ohne Gebietsbezeichnung einfach dux et marchio. Eine Verschmelzung des Ostlandes mit dem Herzogtum wäre so wahrscheinlich gewesen. Diese Möglichkeit hat Friedrich I. vergeben, da er seinem mächtigen Vetter um jeden Preis Bayern restituieren und damit für seine Kaiserpolitik gewinnen wollte. Das neue Herzogtum Österreich musste nun seinen Weg allein gehen und dessen Herren danach trachten, sich im Machtgefüge des Reiches einzuordnen und zu bewähren. Ob der alte, neue Herzog mit der Lösung der bayerischen Frage letztlich wirklich zufrieden war, ist zu bezweifeln; jedenfalls ist es bemerkenswert, dass er wenige Tage nach der Besprechung mit dem Kaiser im Juni 1156 nicht an der prächtigen Hochzeit Friedrichs I. mit Beatrix von Burgund teilnahm. Auch als von der Aufgabe Bayerns noch längst keine Rede war, muss Heinrich Jasomirgott Interesse an einem Ausbau des Ortes Wien gezeigt haben. Er mochte dabei an einen befestigten Platz im Osten der Mark denken, ein Bollwerk im bayerischen Vorland gegen ungarische Angriffe. Dafür musste ihm diese Siedlung geeigneter erscheinen als das von seinem Vater, dem frommen Markgrafen, um das Chorherrenstift („Kloster“) residenzartig gestaltete Neuburg. Was die Siedlung Wien betrifft, die 1030 als Rückzugspunkt des kaiserlichen Heeres genannt wird, als Ort, bei dem es von den Ungarn eingekreist wurde, so wird sie schon damals Ansätze einer zentralörtlichen Bedeutung gezeigt haben, so überaus bescheiden man sich diese auch vorzustellen hat. Jedenfalls bot der Platz die Möglichkeit, vorübergehend größere Menschenmassen aufzunehmen, das heißt wohl deren Führer einigermaßen brauchbar zu beherbergen, während sich die meisten um Zeltlager in der Umgebung kümmern mussten. So ist die Vermutung nicht abwegig, dass König Heinrich III. im Jahre 1043 auf dem Zug gegen die Ungarn dort einen Hoftag abgehalten hat. Entscheidend dafür, diese Burgsiedlung zu nutzen, war das Vorhandensein von größeren Teilen der römischen Mauer, vor allem am Donauabfall, wahrscheinlich aber auch am Südrand des Lagers. Schon früh wird der später sogenannte Berghof im Nordosten als Burg ausgebaut worden sein, nicht weit vom
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nördlichen Lagertor und an der Kreuzung von via decumana und praetorium, in deren Nähe in karolingischer Zeit eine kleine Kirche, benannt nach dem Salzburger Bistumspatron Ruprecht, errichtet wurde. Hier ist eine einfache Siedlung anzunehmen: unregelmäßig angeordnete Hofstätten. Dem entsprach eine umzäunte Anhäufung von Häusern an der Südmauer, in der Gegend der Peterskirche, über deren Anfänge die Meinungen auseinandergehen. Jedenfalls bestand sie schon zur Zeit jenes königlichen Aufenthalts von 1043. Aus dem Zusammenwachsen dieser beiden Dörfer ist Wien entstanden. Die Vereinigung ging relativ langsam vor sich und lässt sich nur durch die Entstehung von Dreieckplätzen mit Randbebauung zeitlich ins frühe 11. Jahrhundert datieren. Man wird sich dieses frühe Wien als eine planlose Anhäufung von hölzernen Wohnbauten und ebensolchen Nebengebäuden, durch Umfriedungen notdürftig geschützt, vorzustellen haben; ein ursprünglich aus zwei Siedlungskernen bestehendes Haufendorf. Dazu kam die wohl weitgehend steinerne Befestigung nicht weit von St. Ruprecht am Steilabfall zur Donau. Noch im 11. Jahrhundert scheint sich ein Angerdorf östlich der Burgsiedlung (urbs) entwickelt zu haben, deren Verlauf noch heute im Stadtplan zwischen Sonnenfelsgasse, Bäckerstraße und Wollzeile erkennbar ist. Aus dieser Zeit hat man auch die ersten Nachrichten über die Besiedlung des Umlandes von Wien. Simmering wird schon 1028 genannt, eine Siedlung von wehrhaften Bauern an der Heerstraße nach Ungarn, deren Kirche nicht umsonst das Patrozinium des heiligen Laurentius aufweist: des Tagesregenten der Schlacht auf dem Lechfeld 955 (10. August). Im Süden und Westen der Burgsiedlung finden sich Besitzungen führender bayerischer Geschlechter, wie der Formbacher (Wiental) und der Sighardinger (Hernals, Dornbach). Letztere sind möglicherweise mit der Erbauung (oder bloß Wiedererrichtung) der Peterskirche in Zusammenhang zu bringen, deren Patrozinium vielleicht auch nach Salzburg weist. Daneben teilten sich verschiedene Bistümer und Klöster herrschaftsmäßig das Umland von Wien; überliefert ist uns – wie schon früher erwähnt – die königliche Schenkung eines Ortes Godtinesfeld, der auf dem Boden des heutigen Unter-St. Veit zu suchen ist, an Bamberg. Noch im August 1156 hören wir von Weingartenbesitz des Johanniterordens in Grinzing. Der Passauer Diözesan hatte also in diesem Gebiet lange keinen Vorrang. Über die Formbacher scheint auch Markgraf Liutpald III. in den Wiener Raum gekommen zu sein, den er von Gefolgsleuten erschließen ließ. Doch quellen-
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mäßig ist der Übergang der Herrschaftsrechte, die Burgsiedlung Wien betreffend, an die Babenberger nicht nachzuweisen. Es wäre aber noch im ersten Drittel des 12. Jahrhunderts verfehlt, von einem Stadtherrn zu sprechen, da wir gesehen haben, wie viele Grundherren den Raum um die Stadt beherrschten. Freilich häuften sich unter Heinrich Jasomirgott bereits bis 1156 die Zeugennennungen von Ministerialen, deren Namen sich von ihrem babenbergischen Lehensbesitz ableiten und damit indirekt Zeugnis über eine babenbergische Grundherrschaft ablegen: Adelbero von Cumpindorf (Gumpendorf ), Diepold von Alsa (Hernals), Udalrich von Suvringin (Sievering), Markward von Hakkingin (Hacking), Starfrid von Bezelinsdorf (Pötzleinsdorf ), Diepald von Chagere (Kagran) und sogar ein Eberhard von Wine (Wien). Zur Gründungsausstattung des Schottenklosters gehörte schließlich auch der Ort Wirochperge, eine in der frühen Neuzeit abgekommene Siedlung auf dem Boden des heutigen dritten Bezirks Landstraße. Die urkundlichen Quellen beziehen sich also viel eher auf das (spätere) Territorium als auf den Siedlungsplatz Wien selbst. Wien war zwar Burg- und Pfarrort, aber noch nicht Mittelpunkt eines dichter werdenden Siedlungsraums: ein Ort neben anderen, ein Ausgangspunkt neben anderen für die Kolonisation im Osten der Mark. Erst der schon genannte Vertrag von Mautern 1137 behandelt einen Rechtsakt, aus dem das territoriale Interesse für den Ort als solchen zu erkennen ist. Liutpald IV. versteht sich zu einem Interessenausgleich mit dem auf seine Diözesanrechte pochenden Passau und strebt nach einer stärkeren Positionierung in jenem Teil der Mark, vor allem aber einen neuen Herrschaftsmittelpunkt zu schaffen, für den günstige Voraussetzungen vorlagen. Es musste nun eine städtische Siedlung sein, keine ländliche Pfalz oder eine Burg. Wien lag am Abhang des Kahlengebirges und am steilen Ufer des östlich der Siedlung seit dem Durchgang durch die Wiener Pforte in mehrere Arme aufgesplitterten Stromes, südlich begrenzt durch den Wienfluss, in einer strategisch, verkehrsmäßig günstigen Position und verfügte über Elemente städtischer Strukturen. Es gab zwei Kirchen, einen Friedhof mit der Kirche St. Stephan, zwei miteinander verschmolzene präurbane Siedlungen, die teilweise durch steinerne Mauern geschützt waren, und im Süden den Lagergraben, der eine weitere Befestigung zunächst ersetzen konnte. Es ist anzunehmen, dass nach dem Mauterner Vertrag eine Art „Stadtgründung“ neuen Stils erfolgte. Liutpald IV. wird im Zusammenhang mit der Erbauung der Stephanskirche
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eine Vermessung des Siedlungsareals vornehmen haben lassen, wie es nach neueren Forschungen im Zusammenhang mit der Ostung des Chorbaus wohl zu geschehen pflegte. Von einer Stadterweiterung sollte man dabei nicht sprechen, weil das, was eine Stadt wesentlich ausmachte: geordnete Siedlungsformen sowie soziale und wirtschaftliche Verhältnisse, in Wien vor der Mitte des 12. Jahrhunderts nicht oder nur in äußerst bescheidenen Ansätzen vorhanden waren. Dass Liutpald IV. 1139 Herzog von Bayern wurde, war für die Förderung des Platzes Wien sicher ungünstig. Das Interesse des Herzogs galt nun mehr dem bayerischen Kernland und den dortigen Auseinandersetzungen mit den Welfen. Ein Vorteil war hingegen das Bauunternehmen der neuen Pfarrkirche extra muros. Handwerker aller Arten und andere Zugezogene benötigten Nahrungsmittel und zusätzliche Unterkünfte. Wahrscheinlich besiedelten diese das Angerdorf nördlich und das Gebiet der späteren Weihenburg südlich der Kirche. Auch Heinrich II. war zunächst am Rhein und dann in Regensburg. Von dort aus konnte er Wien nicht als Machtzentrum nutzen. Schenkungen an das Salzburger Stift St. Peter in Dornbach (1143) etwa zeigen, dass der Herzog in der Umgebung Wiens immer noch andere Grundherren zuließ. Als sich Heinrich Jasomirgott 1146 nach der Niederlage gegen die Ungarn nach Wien zurückzog, weist das nicht auf eine besondere Vorliebe für diese Stadt hin. Immerhin muss sie imstande gewesen sein, einer größeren Zahl von Leuten Schutz zu gewähren, was für die ungebrochene Wirksamkeit der fragmentarisch erhaltenen römischen Mauern spricht. Als der Babenberger 1155 die „schottischen“ Benediktiner aus Regensburg nach Wien berief, wird er wohl an die Durchsetzung seines Standpunkts in der Bayernfrage nicht mehr recht geglaubt haben. Wien wurde jetzt wieder wichtig und begann seine mittelalterliche Gestalt anzunehmen. Schottenklöster gab es schon in Würzburg, Nürnberg, Konstanz und eben St. Jakob in Regensburg. Die betonte Einfachheit dieser irischen Mönche muss sie so empfohlen haben, dass ihre Förderung in Städten – was ja für Benediktiner an sich untypisch war – geradezu als Mode bezeichnet werden könnte. So mochte die Ansiedlung der Schotten den Rang einer Stadt erhöhen, und Heinrich Jasomirgott konnte seine neue Residenz großen, traditionsreichen Städten annähern. Was Wien sonst betrifft, weiß man nur über die Ansied-
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Abb. 9: Teil der von Herzog Heinrich II. errichteten Stadtmauer von Wien
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lung der Schotten und ein wenig über den Bau der Herzogsresidenz Bescheid. Diesen unternahm Heinrich in Parallele zur Errichtung des Schottenklosters. Die Pfalz, keine Burg, sondern eine Gruppe von Gebäuden mit einem besonderen Wohnbereich, dem Palas, wurde im nordwestlichen Teil der ehemaligen Lagerstadt angelegt; natürlich geschützt durch den tiefen Graben des Ottakringer Baches, zusätzlich wohl durch einen Turm und noch bestehende Römermauern. Die veraltete und ungenügend ausgestattete Burg bei der Ruprechtskirche wurde aufgegeben. Das Schottenkloster befand sich außerhalb der Stadt am anderen Ufer des Baches. Die Kirche war dreischiffig, über achtzig Meter lang mit Westwerk und Vorhalle, ein imposanter Bau in Konkurrenz zur ebenfalls außerhalb der Stadt liegenden passauischen Pfarrkirche. Dort hielt der Herzog Gerichtsverhandlungen ab. Zwischen der neuen Pfalz (Am Hof ), den Kirchenbauten und den Mauerresten ist weiterhin eine aus Holz errichtete, nun schon etwas gewachsene dörfliche Siedlung zu vermuten. Dennoch konnte Heinrich Jasomirgott nach Verzicht auf Bayern und der Erhebung Österreichs zum Herzogtum auf einen neuen Herrschaftsmittelpunkt verweisen, wenn er auch seiner großstädtischen, hohe Zivilisation gewohnten byzantinischen Gemahlin diese Residenzstadt kaum zumuten konnte. Mit welch äußerlichen, wenngleich ideologischen Mitteln Heinrich seine Stadt aufwerten und ihr einen Schimmer Konstantinopels verleihen wollte, zeigt die Bezeichnung Wiens als Windopolis oder Favianis in den Datierungen herzoglicher Urkunden. Die Meinung, dass Favianis, der Hauptsitz des heiligen Severin im 5. Jahrhundert, mit Wien gleichzusetzen sei, vertrat Otto von Freising. Er bot damit seinem herzoglichen Bruder die überraschende Möglichkeit, mit seiner Residenz eine ehrwürdige und betont christliche Tradition zu verbinden, was Theodora über die äußeren Zustände hinwegsehen lassen konnte. Zugleich legte der Freisinger Bischof den Grund für eine besonders in den Fünfzigerjahren des 20. Jahrhunderts oft erbittert geführte wissenschaftliche Diskussion, was die Lage von Favianis betrifft (Mautern und nicht Heiligenstadt im 19. Wiener Gemeindebezirk). Obwohl der Herzog, von Fehden und Kriegszügen abgesehen, in seinem Land weiterhin umherreisen musste, und seine Präsenz da und dort notwendig war, um die Wirklichkeit seiner Herrschaft persönlich jedermann zu vermitteln, wurde Wien rasch sein Hauptsitz und damit das Zentrum des Landes.
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VIII. VOM PRIVILEGIUM MINUS BIS ZUR LÖWENHERZ-AFFÄRE 1. Herzog statt Markgraf: Heinrich II.
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as bedeutende und weit wirkende Dokument, das das Ergebnis der positiven Verhandlungen Kaiser Friedrichs I. und seines Onkels Heinrich Jasomirgott festhielt und mit 17. September 1156 datiert ist, existiert heute nicht mehr. Dasselbe gilt für dessen Bestätigung durch Kaiser Friedrich II. fast ein Jahrhundert später (1245). Beide Aufzeichnungen hat Herzog Rudolf der Stifter 1358/59 vernichten lassen, nachdem er sie als Grundlage seiner Fälschungen nicht mehr benötigte und sie nach seiner Auffassung rechtlich überflüssig und für sein Anspruchsdenken störend geworden waren. Er hatte aus den Originalen des Vertrags eine neue Urkunde herstellen lassen, indem er die vom Kaiser erteilten Privilegien erweiterte und ihnen vereinzelt einen geradezu aberwitzigen Inhalt verlieh. Vor diesem größeren Privileg (Privilegium Maius) musste das echte, ursprüngliche kaiserliche Pergament als wesentlich bescheidener, eben „kleiner“ (Privilegium Minus), zurückstehen. Dessen Form und Inhalt ist durch eine Abschrift vom Original, die wohl 1247 in Klosterneuburg angefertigt wurde, erhalten geblieben. Die Abtrennung der bisherigen Mark von Bayern und ihre Umwandlung in ein Herzogtum waren von beträchtlichen Sonderrechten begleitet. So wurde das neue Reichsland Heinrich Jasomirgott u n d seiner Gemahlin Theodora zu Lehen gegeben, Österreich war somit ein „Weiberlehen“ geworden. Die Herzogin konnte ihre Rechte also nicht nur in Form von Zustimmung zur Geltung bringen und über die Frauen der Babenberger war eine Erwerbung des Herzogtums auf dem Erbwege möglich. Damit in Zusammenhang stand die sogenannte libertas affectandi, das Recht des ersten Herzogspaars, im Falle der Kinderlosigkeit über das Lehen nach eigenem Gutdünken zu verfügen.
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VIII. vom privilegium minus bis zur löwenherz-Affäre
Diese im Rahmen der Reichsverfassung bisher nicht bekannte oder gestattete Möglichkeit nahm offensichtlich Rücksicht auf die Tatsache, dass dem Herzogspaar bisher erst ein Kind, eine Tochter, geboren worden war. Das bedeutete freilich nicht eine absolute, unanfechtbare Verfügungsmacht über Österreich: Die Vergabe eines Reichslehens war weiterhin ausschließlich Angelegenheit des Königs, doch war den Babenbergern eine Art Designationsrecht zugebilligt worden, dessen Realisierung der Herrscher ohne schwerwiegenden Grund wohl nicht verweigern durfte. Zustimmen musste er dem Vorschlag auf jeden Fall. Sehr viel ist über den sogenannten Gerichtsparagrafen des Privilegium Minus diskutiert worden. Friedrich Barbarossa verfügte, dass jede Gerichtsbarkeit im Lande nur mit Genehmigung des Herzogs ausgeübt werden dürfe. Die Worte sine ducis consensu vel permissione (ohne Zustimmung oder Erlaubnis des Herzogs) bedeuten wohl eine notwendige Zustimmung Heinrich Jasomirgotts zu aller bestehenden Gerichtsbarkeit in Österreich: Die Gerichtsrechte des Adels bleiben bestehen, werden jetzt aber vom Herzog delegiert. In der Praxis änderte das wenig. Anders war es mit neu begründeten diesbezüglichen Rechten: Hier ist an eine Erlaubnis des Herzogs zu denken, die für den Erwerb der hohen Gerichtsbarkeit unbedingt erforderlich war. Da diese formell erteilt werden musste, kam die Bestimmung beim Aussterben von adeligen Geschlechtern Herzog Heinrich zugute und förderte seine Ansprüche auf Landeshoheit. Der König, der ständig im Reich herumreiste, konnte die Reichsfürsten zu jedem Hoftag, überallhin, laden, und jeder Fürst musste grundsätzlich einer solchen Ladung Folge leisten (Hoffahrtpflicht). Tatsächlich erschienen in der Regel überwiegend Adelige des jeweiligen Herrschaftsgebiets, da ja der Umritt des Königs garantierte, einen Hoftag in räumlicher Nähe wahrnehmen zu können. Diese Übung wurde nun dem Herzog von Österreich als Recht verbrieft; nur Hoftage in Bayern sollte er verpflichtet sein zu besuchen. Diese Bestimmung ermöglichte es, sich dem eigenen Machtgebiet mehr zu widmen, und ersparte überdies beträchtliche Kosten, die für Reise und Aufenthalt der Gefolgschaft zu leisten waren. Dieses Privileg freilich wurde eingeschränkt durch die unabdingbare Repräsentationspflicht, die den Reichsfürsten nötigte, bei besonderen Hoftagen (irgendwo im Reich!) zugegen zu sein, an Feierlichkeiten und weithin bedeutungsvollen, zeremoniell gestalteten Rechtsakten teilzunehmen: mit einer nicht zu geringen, modern und wertvoll gerüsteten Mannschaft!
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Zuletzt ist noch auf die stark verminderte Heerfahrtpflicht des österreichischen Herzogs hinzuweisen. Nur in die benachbarten Länder sollte er dem König im Kriegsfall folgen müssen. Das betraf Böhmen und Ungarn, während die für den Herrscher so wichtigen Italienzüge davon nicht berührt wurden. Es wird gern übersehen, dass Friedrich Barbarossa von Beginn seiner Königsherrschaft an eine umfassende Italienpolitik betrieb und ihm daher an der Teilnahme möglichst vieler Fürsten an der Reichsheerfahrt gelegen sein musste. Den entsprechenden Paragrafen des Privilegs wird er sich wohl besonders schwer abgerungen haben. Tatsächlich galt jedoch hier dasselbe wie bei der Hoffahrt. Es wäre sicher politisch unklug gewesen, jedes Mal auf den Text des Privilegs zu pochen und auf die Teilnahme am Italienzug zu verzichten, wo man sich in vielerlei Hinsicht hervortun und Ansehen im Kreise der adeligen Standesgenossen erwerben konnte. Tatsächlich hat Heinrich Jasomirgott in den nächsten Jahren von den verbrieften Möglichkeiten im Hinblick auf die Italienfahrt keinen Gebrauch gemacht. Er bewegte sich vielmehr unter den angesehensten Reichsfürsten, die 1158 in Italien einrückten, um Mailand und die übrigen kaiserfeindlichen, lombardischen Städte in die Schranken zu weisen. Friedrich I. vertraute ihm das vierte Treffen an, das nur aus Österreichern bestand und unmittelbar vor der Heeresgruppe, die der Kaiser selbst anführte, kämpfen sollte. Herzog Heinrich zeigte bei der Belagerung Mailands besondere militärische Tüchtigkeit, indem er zunächst einen feindlichen Ausfall zurückwies. In den erbittert geführten Kämpfen, die von ca. 9 Uhr früh bis zum Einbruch der Dunkelheit dauerten und zahllose Opfer forderten, kam einer der führenden mailändischen Bürger, der als Bannerträger agierte, ums Leben. Danach versuchte der Herzog, das ihm zur Bekämpfung zugewiesene Stadttor zu verbrennen, was allerdings misslang. Und auch vier Jahre später, als Barbarossa neuerlich gegen das abgefallene Mailand zog, befand sich Heinrich Jasomirgott mit seiner Mannschaft an der Seite seines kaiserlichen Neffen. Wir erfahren davon aus Anlass einer Schenkung des Kaisers an einen Edelfreien Konrad, der diesem ein von Herzog Heinrich zurückgegebenes Reichslehen – genannt pratum – zwischen den Flüssen Schwechat und der Donau bei der villa Mannswörth, das auch den Wald von Albern und eine kleine Donauinsel umfasste, übertrug. Dass der Herzog noch 1162 auf ein Gebiet in der Nähe seiner Residenzstadt verzichtete, mag überraschen.
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Wem unter den Fürsten das Verdienst zukam, die Versöhnung von Kaiser und Babenberger erreicht und die Lösung der so ausweglos scheinenden Bayernfrage geschafft zu haben, lässt sich nicht nachweisen. Anzunehmen ist, dass Otto von Freising und Hartmann von Brixen dabei eine hervorragende Rolle spielten. Otto wird unter den Zwischenträgern der Verhandlungen 1155 genannt, die allerdings noch erfolglos blieben. Er hatte wohl die idealen Voraussetzungen, um zur Beilegung dieses politischen und gesellschaftlichen Streits beizutragen: die enge Verwandtschaft zu beiden Kontrahenten, die geistige Autorität, welche sich mit adeligem Bewusstsein verband, und sicherlich auch eine Art theologisch fundierter, staatsrechtlicher Sicht. Der reformstrenge Chorherr Hartmann hingegen scheint seit seiner Zeit als Propst in Klosterneuburg dem Herzog freundschaftlich verbunden gewesen zu sein und zählte als Bischof von Brixen zu den vom Kaiser immer wieder herangezogenen Beratern. Wie sehr noch andere – auch weltliche – Fürsten bei der Lösung der heiklen Angelegenheit von Einfluss waren, muss offenbleiben: Zu denken wäre an den Böhmenherzog Vladislav II., der nicht nur ein Verwandter Heinrich Jasomirgotts war, sondern auch mit der zeremoniellen Verkündung des Fürstenspruchs beauftragt wurde. Die Zeugenliste des Diploms enthält im Wesentlichen Fürsten, die an einer Neuordnung im Südosten des Reiches Interesse hatten. Freilich ist es nichts Besonderes, wenn unter den Zeugen einer Kaiserurkunde vor allem Fürsten, Grafen, Edelfreie und Ministerialen aufscheinen, die einen regionalen Bezug zur Verfügung des Herrschers hatten und mit ihren Folgen leben mussten. Es ist anzunehmen, dass sie mehr oder weniger um Rat gefragt wurden und dann die Entscheidung mitzutragen hatten. Daher drückt sich deren Zustimmung durch die Aufnahme in die Liste der Urkundszeugen aus. Das Geschehen gebilligt mögen freilich weit mehr haben, deren Verzeichnung aber mangels realer Betroffenheit unterblieb. Ausnahmen machten Verwandte des Urkundenempfängers oder zum Zeugnis Aufgeforderte, deren Haltung man sich nicht sicher war. Im Privilegium Minus finden sich unter den Zeugen alle Bischöfe der bayerischen Kirchenprovinz in seltener Geschlossenheit, freilich waren zwei Babenberger unter ihnen; aber auch der Patriarch von Aquileia und die Bischöfe von Trient und Bamberg. Letzterer wurde von Friedrich Barbarossa wiederholt zu schwierigen Verhandlungen beigezogen oder als Gesandter verwendet. Auch Eberhard von Bamberg könnte zu den Wegbereitern der bayerischen
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Regelung gehören. Unter den weltlichen Fürsten finden sich enge Verwandte des Kaisers, dabei Welf VI. als Garant der welfischen Partei. Ungewöhnlich ist die Nennung Albrechts des Bären, des Markgrafen von Brandenburg, der schon früher als Herzog von Sachsen den Welfen weichen musste. Sein Erscheinen in der Zeugenliste würde man nicht erwarten, doch war er gewissermaßen in derselben Position wie der Babenberger. Im Übrigen begegnen uns königliche Amtsträger aus dem bayerischen Raum im weiteren Sinne. Auffällig ist die Abwesenheit Markgraf Otakars III. von Steier, dem an einer einvernehmlichen Regelung der Bayernfrage gelegen sein musste. Sein Fehlen in der Zeugenliste ist wohl als Distanz, wenn nicht sogar als politische Gegnerschaft zum Babenberger zu werten, der nun über das Markgrafentum hinaus erhöht worden war. Das Herzogtum Österreich basierte nur mehr zum Teil auf einem Personenverband, dem der Herzog vorstand. Abseits davon oder darüber hinausgehend hatte es schon ein Territorium zur Voraussetzung. Es war ja nicht einfach die ottonische Mark in ein Herzogtum verwandelt worden, sondern die neuen Erwerbungen durch Rodung der Wälder und Urbarmachung des Landes, vor allem nördlich der Donau gegen Böhmen zu, wurden nun mit dem bisherigen Amtsgebiet des Markgrafen vereint. Dazu kamen noch die Besitzungen in der Riedmark und im Machland – also im heutigen Oberösterreich –, wo die Rodungsbewegung langsamer vonstattenging. Otto von Freising spricht noch von drei Grafschaften, die dem neuen Herzogtum beigefügt wurden, ohne sie näher zu bezeichnen. Die Diskussion darüber hat zu verschiedenen Ergebnissen geführt, die alle etwas für sich haben, ohne hier eine unanfechtbare Klärung erreicht zu haben. Es scheint durchaus möglich, dass der Bischof mit dieser Erwähnung seinem Bruder Heinrich Jasomirgott ein höheres Ansehen vermitteln wollte, damit er nicht weiterhin als „Markgraf im Gewande des Herzogs“ betrachtet würde. Tatsächlich verlor der Babenberger drei Viertel seines bisherigen Machtgebiets, und es ist sehr fraglich, ob er mit der Lösung des innenpolitischen Problems wirklich zufrieden war. Er nannte sich zunächst „Herzog des Ostlandes“ oder gar „Herzog von Ostbayern“. Unter den Umständen war es notwendig, die reale Macht in Österreich zu verdichten und zugleich auszuweiten. Heinrich musste danach trachten, Klostervogteien zu gewinnen, die nicht unerhebliche finanzielle Mittel und politische Entscheidungsgewalt gewährten. Überhaupt musste er der Kirchenpolitik mehr Au-
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genmerk zuwenden. Außerdem galt es, nach dem Verlust des an städtischer Bedeutung im Reich nur durch Köln übertroffenen Regensburg – das gerade am Hofe des bayerischen Herzogs kulturelle Leistungen hervorbrachte – seinen neuen Herrschaftssitz Wien ein städtisches Gepräge zu geben, damit dort ein respektables Zentrum herzoglicher Macht entstehen könne. Honor et gloria hatte Heinrich wahren können, wie es im Privilegium heißt. Ehre und Ruhm sind nicht als billige, oberflächliche Bezeichnungen zu verstehen, als die sie heute verstanden würden; als Wortgeklingel, womit der Kaiser dem Verzicht Leistenden eine Auszeichnung erweist, die ihn nichts kostet. Honor et gloria sind für den Adeligen, noch mehr für den Fürsten, bestimmende Merkmale, mit denen er sich in der adeligen Gesellschaft, in den sozialen Eliten, darstellt. Sie garantieren Ansehen und vermitteln ein Gefühl der Zugehörigkeit, das vom Träger dieser Begriffe auf die Gleichgestellten ausstrahlt und von diesen reflektiert wird. Durch die Ehe mit einer Frau aus dem byzantinischen Kaiserhaus war das Prestige Heinrichs noch weiter gestiegen. Sie spendete ihm zusätzlich honor et gloria, was überhaupt nur möglich geworden war, weil sie dem Königsbruder und Bayernherzog anvertraut worden war. Theodora selbst verkörperte die Ansprüche, die aus einer solchen fürstlichen Stellung erwuchsen. Diese gesellschaftliche Dimension der bayerischen Frage darf nicht außer Acht gelassen werden, wenn man Heinrich Jasomirgotts zähes Beharren und Taktieren verstehen will. Es ging nicht nur um letztlich lehensrechtliche Diskussionen und reale Machtfragen, die freilich nicht geleugnet werden sollen. Gerade die byzantinische Frau, die Kaisernichte, war dem Babenberger eine starke, ja wohl besonders wichtige Stütze. Die Erhebung Österreichs zum Herzogtum, das Verbleiben Heinrichs auf seiner fürstlichen Ebene und die ungewöhnlichen, zum Teil bis dahin noch nie zuerkannten Sonderrechte erhielten das herzogliche Paar in seinem erworbenen Ansehen und seinem gelebten Selbstbewusstsein. Heinrich II. wandte sich nun wirklich Österreich zu und versuchte die Privilegien des kaiserlichen Diploms nach seiner Auslegung praktisch durchzusetzen. Wir hören von einem Streit mit Otto, seinem bischöflichen Bruder in Freising. Der Herzog scheint seine Hand auf die Güter der Freisinger Kirche in Österreich gelegt zu haben. Dass er sie gewaltsam einziehen wollte, ist eher unwahrscheinlich. Eher dachte er daran, in puncto Gerichtsbarkeit mit Verweis
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auf die Bestimmung des Privilegiums die unabhängige freisingische Rechtsprechung infrage zu stellen. Auch Steuern dürfte er von den bischöflichen Hintersassen eingefordert haben. Schließlich trafen die Brüder einander im Januar 1158 in Mautern, einer passauischen Stadt, daher gleichsam auf neutralem Boden, und sprachen sich unter Zuziehung ihres dritten Bruders Konrad von Passau, auf den ja die gleichen Probleme zukommen mochten, aus. Otto und Heinrich versöhnten sich, wobei der Anstoß von ihrem kaiserlichen Neffen kam. Aber der Herzog ließ nicht locker. So berichtet der Nachfolger Ottos, Bischof Adalbert von Freising, dass die Streitigkeiten mit Heinrich Jasomirgott um die Besitzungen Ollern, Groß-Enzersdorf und Ebersdorf (bei Melk) zu einem guten Ende gelangt seien. Nicht nur auf Steuern und Gerichtsbarkeit verzichtete der Herzog, er ließ dem Hochstift auch von seinen Ministerialen entfremdete Güter zurückerstatten. Allerdings galt diese Vereinbarung nur für die Dauer des Pontifikats Adalberts. Dessen Nachfolger sollte eine Bestätigung nur erhalten, wenn er es nicht versäume, diese Gnade beim Herzog zu erwirken. Dieser ließ sich dadurch die Möglichkeiten einer diesbezüglichen Interpretation offen, was seinen Anspruch zunächst verschleierte. Zu Konrad von Passau bestanden vorerst keine Gegensätze: Heinrich wirkte als passauischer Vogt an Geschäften des Hochstifts mit und scheint mit dem jüngsten Bruder bei der Pfarrorganisation des Rodungslandes nördlich der Donau zusammengearbeitet zu haben. Doch 1159 hört man von ersten Auseinandersetzungen, als Heinrich Jasomirgott daranging, seine im Privilegium Minus festgeschriebene Gerichtshoheit auf Passauer Lehen in Österreich anzuwenden, also im Grunde nicht anders zu verfahren als mit dem Freisinger Besitz. Verschärft wurde der Gegensatz dadurch, dass Bischof Konrad seiner Stadt St. Pölten 1159 eine Reihe von Rechten verlieh, die in ihrer Gesamtheit für das erste einer österreichischen Stadt zuerkannte Stadtrecht angesehen wurden, was im Hinblick auf die „klassischen“ Stadtprivilegien des 13. Jahrhunderts nicht richtig ist. Tatsächlich handelt es sich nicht um eine ausführliche, ja taxative Zusammenstellung städtischer Freiheiten und Rechtsgewohnheiten, sondern bloß um einzelne Bestimmungen, die mit der städtischen Gerichtsbarkeit zu tun hatten. Bemerkenswert ist die Aufzählung einer Reihe von Männern, die wohl die politisch entscheidenden in der Stadt waren, Vorläufer von Ratsbürgern. Es lässt sich nicht nachweisen, dass der Herzog sich darüber empörte und verlangte, dem kaiserlichen Privileg gemäß um „Erlaub-
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nis“ gefragt zu werden. Doch spricht viel dafür, weil es sich um einen Fall handelte, der die Gerichtshoheit des Herzogs in traditioneller Weise ignorierte. Jedenfalls währte der Streit der babenbergischen Brüder – gleichgültig ob wegen St. Pölten oder nicht – bis zum Jahre 1164. Dann beauftragte der Kaiser Erzbischof Eberhard I. von Salzburg zusammen mit zwei weiteren Bischöfen und dem Markgrafen Otakar III. von Steier, eine Versöhnung durchzusetzen, damit er nicht selbst eingreifen müsste. Die Ungnade Heinrichs mussten sich auch Klöster gefallen lassen, gerade solche, die nicht in seinem Herrschaftsbereich lagen, aber dort Besitz hatten (Admont, Tegernsee). Der Herzog achtete genau auf seine Rechte und zeigte sich auch geistlichen Kommunitäten gegenüber wenig nachgiebig. So musste ihm der Abt von Admont drei Mark Silber und ein Pferd geben, um Heinrichs Zorn zu besänftigen: Einer seiner Ministerialen hatte eine Mühle bei Krems an das Kloster verkauft, ohne seinen Herrn um Zustimmung zu ersuchen. Sieht man von seiner Gründung des Klosters der schottischen Benediktiner bei Wien ab, so ist seine Beziehung zu den Klöstern des Herzogtums offensichtlich nicht besonders gut gewesen. Seinen „Außenbesitz“ Metten in Bayern wandelte er aus einem Kanonikerstift in ein Benediktinerkloster um, im Übrigen erfahren wir nur von spärlichen Schenkungen; einige Urkunden, in denen er als Zeuge und Vorsitzender des Rechtsakts genannt wird, runden das Bild eines nicht besonders eifrigen Förderers des Mönchtums ab. Er stand damit nicht nur im Gegensatz zu seinem frommen Vater, sondern war auch mit seinem Zeitgenossen, dem großen Klosterstifter Otakar III. von Steier, nicht zu vergleichen: Vorau, Seitz (im heutigen Slowenien) und das Hospital am Semmering gehen auf diesen zurück. Viele der Streitigkeiten entwickelten oder steigerten sich noch durch das Problem des päpstlichen Schismas, das 1159 ausbrach. Zwei Päpste standen einander gegenüber: Alexander III. und Viktor IV. Ersterer den kirchlichen Reformern mit ihrem Universalanspruch zugehörig, der andere prokaiserlich. Barbarossa entschied sich für Viktor, während Alexander zunächst fast nur seine Wähler hinter sich hatte, die allerdings im Konklave die Mehrheit gebildet hatten. Der Reichsepiskopat war gespalten: Reichsidee und Nähe zum Herrscher ließen die einen Viktor IV. als rechtmäßigen Papst anerkennen, während die der Kirchenreform mit all ihren Folgen Anhängenden sich für Alexander III. erklärten. Fast zwei Jahrzehnte kam das Reich, durch diese
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Spaltung geschwächt, nicht zur Ruhe. Das Papstschisma wurde auch für Österreich bedeutsam, weil das Erzbistum Salzburg das Zentrum der antikaiserlichen Richtung war. Unter seinen Suffraganen tat sich vor allem Bischof Konrad von Passau hervor. Die Auseinandersetzung mit seinem Bruder Herzog Heinrich wurde durch den Gegensatz im Schisma noch um eine wesentliche Nuance erweitert. Konrad hielt sich zunächst bedeckt und ließ seine Hinneigung zu Alexander III. nicht deutlich werden. Doch war sich der Bischof von Passau bewusst, dass er damit im Reich, aber auch in dem Hauptland seiner Diözese, in Österreich, in Schwierigkeiten geraten würde. Dass er versuchte, sich der Unterstützung reformfreundlicher Klöster und Stifte zu versichern, geht aus einer 1160 ausgestellten Urkunde für Zwettl hervor, deren Zeugenreihe beachtlich ist. Sie wird dominiert von Äbten und Pröpsten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass er diese kommen ließ, um mit ihnen über die Problematik des Papstschismas, deren Folgen für Österreich und das richtige Verhalten der Klöster und Stifte in dieser Angelegenheit zu sprechen. Konrads Hinneigung zu dem vom Kaiser abgelehnten Papst blieb dennoch einige Jahre – soweit wir das sehen – ohne besondere Konsequenzen. Dass Herzog Heinrich zu seinem bischöflichen Bruder in einem gespannten Verhältnis verharrte, hatte wohl mehr mit dessen Behinderung der herzoglichen Landespolitik zu tun. Als jedoch 1164 Konrad in Salzburg zum Nachfolger Erzbischof Eberhards I. gewählt worden war, wurde seine unverhüllte Gegnerschaft zum kaiserlichen Papst offenbar. Domkapitel und Ministerialen hatten sich von der Wahl des Onkels Friedrich Barbarossas eine versöhnliche Haltung des Kaisers Salzburg gegenüber erhofft, obwohl sie die Wahl an die Versicherung geknüpft hatten, die proalexandrinische Haltung beizubehalten. Wiederholt lehnte es Konrad ab, seine Meinung zu revidieren, und musste zur Kenntnis nehmen, dass ihn daraufhin der Kaiser die Lehen und weltlichen Rechte, die mit dem bischöflichen Amt verbunden waren, vorenthielt. 1165 lud Friedrich I. zu einem Hoftag nach Würzburg, um die Reichsfürsten auf seinen Papst einzuschwören. Vierzig Bischöfe legten den Eid ab, nie Alexander III. oder einen von dessen Partei gewählten Papst anzuerkennen. Konrad von Salzburg war dem Hoftag ferngeblieben. Im Juli dieses Jahres fuhr der Kaiser die Donau von Passau hinab in die partes Orientis und kam nach Wien. Hier hielt er sich 14 Tage auf und Herzog Heinrich leistete seinerseits den verlangten Schwur. Diese Erklärung Heinrich Jasomirgotts musste ihn offiziell zum erbitterten Gegner Erzbi-
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schof Konrads von Salzburg machen. Für die Landes- und Kirchenpolitik des Herzogs hatte dies entscheidende Auswirkungen, da es die dem antikaiserlichen Papst zugewandten geistlichen Kommunitäten in eine schwierige Lage brachte und Heinrich die Möglichkeit gab, seine Rechte und Besitzansprüche auf Kosten der Klöster und Stifte zu erweitern. Bischof Rupert von Passau stand auf des Kaisers Seite, doch wenn die passauischen Eigenklöster in der Schismenfrage eigene Wege gingen, so waren sie der Gegnerschaft Heinrich Jasomirgotts mit allen daraus erwachsenden Folgen ausgesetzt. Tatsächlich zeigte sich dieser eher tolerant und beteiligte sich offensichtlich nicht an der Exekution der Reichsacht gegen seinen Bruder Konrad. Dieser hatte die Geduld des Herrschers genug strapaziert, und auch die Versuche des Herzogs im Auftrag des Staufers fruchteten nichts: Konrad lehnte die Anerkennung des kaiserlichen Papstes ab. So wurde er im März 1166 auf einem Hoftag in dem nicht weit von Salzburg gelegenen Laufen verurteilt und abgesetzt, die Salzburger Besitzungen und Lehen den Verfolgern preisgegeben. Von österreichischer Seite beteiligten sich an der Reichsexekution die aus Salzburg stammenden Grafen von Plain, deren Machtmittelpunkt nun in Hardegg im nördlichen Waldviertel lag. Konrad musste nach Admont fliehen. Heinrich Jasomirgott wandte sich aber nicht gegen seinen Bruder. Der Kaiser sandte ihn schon anfangs April 1166 zusammen mit dem Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach nach Sofia, wo er mit Kaiser Manuel Komnenos, dem Onkel seiner Gemahlin Theodora, über ein Friedensbündnis verhandeln sollte. In den Augen des Kaisers war Herzog Heinrich aufgrund seiner Ehe mit der Byzantinerin für derartige Aufgaben prädestiniert – nannte dieser doch den Komnenen amicus meus –, aber es mag dem Herrscher auch nicht unangenehm gewesen sein, dass er den Bruder des in Reichsacht erklärten Erzbischofs so von dessen Verfolgung ausnehmen konnte. Nachdem Konrad von Salzburg 1168 in Admont gestorben war, fiel die Wahl seines Nachfolgers auf Adalbert, den Sohn des böhmischen Königs Vladislav. Man rechnete mit dessen engen Beziehungen zum Kaiser und baute auf dessen Verwandtschaft zu Herzog Heinrich. Doch war das alles keine Garantie für eine Aussöhnung mit Friedrich Barbarossa, wie der Fall Konrads gezeigt hatte, der ja noch enger mit jenen verbunden gewesen war. Wesentlich war die Haltung Adalberts im Schismenstreit. Und dabei folgte der neue Erzbischof der bisherigen Linie der Salzburger Kirchenfürsten. Als sich Adalbert
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immer deutlicher Alexander III. zuneigte, schienen auch seine Stunden an der Spitze des Erzstifts gezählt. Heinrich Jasomirgott wurde ausersehen, seinen Neffen zur Abdankung zu überreden. Als dieser die politische Aussichtslosigkeit erkannte, willigte er ein und zog sich in die steirische Mark zurück, wo er die Sicherheit reformfreudiger Klöster und eines papsttreuen Markgrafen genoss. Dass Herzog Heinrich sich nicht an den Verheerungen in Salzburg beteiligte und überhaupt seinem böhmischen Neffen wohlwollend gesinnt war, blieb auch Rom nicht verborgen. Papst Alexander III. schrieb ihm daher einen Brief, indem er ihn aufforderte, Adalbert zu schützen und ihn mehr zu unterstützen, als es bisher geschehen war. Doch der Babenberger blieb dem Kaiser treu und rührte keinen Finger, den vertriebenen Erzbischof zu fördern. Hingegen unternahm er nichts gegen die Klöster und Stifte, die sich alexandrinisch gebärdeten und ihre Parteistellung dadurch manifestierten, dass sie ihre Kleriker in die Mark Steier sandten, um sie vom „rechtmäßigen“ Erzbischof weihen zu lassen, da die übrigen bayerischen Bischöfe kaiserlich waren. Das hatte es schon bei Konrad von Salzburg gegeben, der in Admont solche Weihen vornahm, während man Adalbert schon hart an der Grenze des Herzogtums in Pitten erreichen konnte. Auch war Heinrich Jasomirgott der einzige Reichsfürst, dem der Kaiser die Stellungnahme zu Erzbischof Adalbert auf dem Hoftag von Regensburg 1174 erließ, als dieser endgültig seines Amtes verlustig ging. Ganz anders als sein Vater Liutpald III. stellte sich Heinrich II. der staufischen Reichspolitik zur Verfügung und erlangte damit eine hoch angesehene Stellung, wie sie nicht vielen Zeitgenossen zuteilwurde. Und das obwohl ihm die Aufgabe gestellt war, die babenbergische Amtsträgerschaft in eine Landeshoheit umzuwandeln, wozu zahlreiche Bemühungen „innenpolitischer“ Art erforderlich waren. Der Kaiser sah in Heinrich – modern gesagt – einen Ostexperten. Die Grenzerfahrungen von dessen tapferen Vorfahren waren längst dynastischen Beziehungen gewichen, doch blieben Kämpfe deswegen nicht aus, weil sie sich fern der fürstlichen Übereinkünfte oft aus Streitigkeiten lokaler Adeliger entwickelten. Mit anderen Fürsten sollte der österreichische Herzog im Jahre 1164 eine Note ausarbeiten, die der Kaiser benötigte, um ungarische Angelegenheiten, die für das Reich von Interesse waren, entsprechend würdigen zu können. Und Heinrich II. reiste wie erwähnt 1166 im Auftrag Kaiser Friedrichs I. nach
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Sofia. Dort ging es um Friedensverhandlungen mit Byzanz, das in den Auseinandersetzungen des Reiches mit den Normannen in Süditalien, aber auch mit den unberechenbaren Ungarn ein wertvoller und mächtiger Bündnispartner war. Wie sehr man da auf Heinrichs Gemahlin Theodora setzte, deren Herkunft ihr eine besondere, Ehrfurcht erregende Aura verlieh, beweist nicht zuletzt eine Urkunde ihres Sohnes Liupold V., der sie als nobilis mater … de Grecia bezeichnet. Blieb der Herzog trotz seiner verwandtschaftlichen Beziehungen bei dieser Gesandtschaft erfolglos, so gelang ihm die Anbahnung der Heirat seiner ungefähr 15-jährigen Tochter Agnes mit dem ungarischen König Stephan III. Ein Jahr später schon unterstützte er seinen Schwiegersohn gegen „die Griechen“, was den politischen Vorstellungen von 1166 entschieden zuwiderlief. 1172 empfing der Herzog seinen Stiefsohn Heinrich den Löwen, der eine Orientreise angetreten hatte. Dieser besuchte in Klosterneuburg das Grab seiner 1143 verstorbenen Mutter Gertrud, die in zweiter Ehe mit Heinrich Jasomirgott verheiratet gewesen war. Anschließend gab es einen feierlichen Einzug in Wien, das vom zeitgenössischen Geschichtsschreiber Arnold von Lübeck bereits als metropolitana civitas, also als Hauptstadt bezeichnet wurde. Er spricht auch von den bedeutenden Mengen an Getreide und Wein, die auf die Schiffe verladen wurden, mit denen Heinrich der Löwe weiter die Donau hinab nach Ungarn fuhr. Der österreichische Herzog folgte ebenfalls zu Schiff, um seine schwangere Tochter, die Königin von Ungarn, zu besuchen. Auf ungarischem Gebiet wurden beide Reisenden begrüßt, dann aber bald mit der traurigen Nachricht konfrontiert, dass König Stephan III. eben einem Giftanschlag seines Bruders zum Opfer gefallen sei. Heinrich der Löwe bangte nun um den ordnungsgemäß gewährleisteten Weitertransport, während Herzog Heinrich II. seine schwangere Tochter nicht den Folgen des Umsturzes aussetzte, sondern mit ihr sofort nach Österreich zurückkehrte. Schon 1173 wurde sie mit Herzog Hermann von Kärnten vermählt. Im nächsten Jahr zog Heinrich Jasomirgott mit seinen Söhnen Liupold und Heinrich nach Regensburg. Auf dem Hoftag, der die Absetzung Adalberts von Salzburg brachte, ließ der Herzog seinen beiden Söhnen die Schwertleite erteilen. Die noch gar nicht so lange angeknüpften Beziehungen zu Ungarn erneuerte der Herzog durch ein Ehebündnis Liupolds mit der ungarischen Königstochter Ilona (Helene). Es war wohl leichter in Österreich das „Bündnis zu leben“, als eine Tochter in
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die Welt des immer ungefestigten ungarischen Königtums zu entlassen. Diese Verbindung zog auch Heinrich II. bald wieder in ungarische Thronstreitigkeiten hinein. Außerdem begannen Streitigkeiten um die Abgrenzung österreichischen und böhmischen Gebiets innerhalb der Rodungen im Nordwald. Sehr bald kam es zu einer böhmisch-ungarischen Allianz, die für Heinrich Jasomirgott gefahrvoll werden konnte. Dass er auf Unterstützung seines gleichnamigen Kärntner Schwiegersohns rechnen durfte, war nicht sicher und brachte überdies Otakar IV., Markgraf von Steier, der sich eingekreist fühlte, auf die Seite der Feinde des Babenbergers. Seitdem diese das bayerische Herzogtum innegehabt hatten, waren die von ihnen lehensabhängigen Otakare ihre Gegner, obwohl sie zu deren nahen Verwandten zählten. Von der Abwesenheit Otakars III. beim kaiserlichen Rechtsakt, mit dem Österreich zum Herzogtum erhoben worden war, hörten wir bereits. Die gegenseitige Ablehnung verschärfte sich noch in Erwartung des reichen Erbes der 1158 im Mannesstamm erloschenen Formbacher. Hier gingen die Babenberger leer aus und vor allem die ihnen wichtige Grafschaft Pitten gewannen die Traungauer (Otakare). Als im Gegenzug Heinrich Jasomirgott zehn Jahre später die Vogtei von Admont errang, dem einzigen Kloster der steirischen Mark, das nicht von den Traungauern bevogtet wurde, förderte dies die gegenseitige Abneigung. 1175 waren es aber im wesentlichen die mächtigen Ministerialen der Traungauer, die den erst im Knabenalter befindlichen Markgrafen zum Eintritt in die antibabenbergische Koalition nötigten. Heinrich Jasomirgott drohte ein Zweifrontenkrieg, dem das Herzogtum nicht gewachsen gewesen wäre. Zum Glück kämpften die Ungarn mit unbedeutenden Kräften und fand Otakar IV. kaum eine böhmische Unterstützung. Den Böhmen selbst allerdings folgten noch Polen und Sachsen, sodass sie mit großen Heeresmassen in Österreich einfielen. Schon vorher hatte sich Herzog Heinrich um Hilfe umgesehen. Mitte März 1176 traf er sich am rechten Ufer des Ennsflusses mit seinem Stiefsohn Herzog Heinrich dem Löwen von Sachsen und Bayern. Beide sollen mit großen Mannschaften ein celebre colloquium, eine bedeutende Ratsversammlung, abgehalten haben. Der Löwe benötigte Hilfe gegen den erbosten Kaiser, während sich Jasomirgott allein kaum gegen die feindliche Koalition behaupten konnte. Das Treffen brachte jedoch kein Ergebnis und jeder blieb weiterhin auf sich gestellt. Gegen die Traungauer wurden jetzt schnelle Erfolge im
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Grenzgebiet erzielt. Enns wurde verbrannt und Bad Fischau verwüstet: Danach dürften sich jene zurückgezogen haben. Doch scheuten die steirischen Ministerialen, die in den österreichischen Annalen überhaupt als Kriegstreiber dargestellt werden, nicht davor zurück, etwa eine Kirche, in die sich dreihundert Menschen geflüchtet hatten, zu verbrennen. Das böhmische Heer und seine Hilfskontingente hingegen verheerten das nördliche Niederösterreich bis zu Donau und March, wobei die Stadt Eggenburg besonders in Mitleidenschaft gezogen wurde. Die Österreicher, die ihr Lager bei Staatz und Prinzendorf an der Thaya aufgeschlagen hatten, drangen ihrerseits nach Mähren vor und hausten vor allem in der Gegend von Znaim. Danach waren wieder die Böhmen am Zug und plünderten zehn Tage lang das Land um (die Stadt) Zwettl. Mitten in diesen militärischen Bewegungen eines Winterfeldzugs, am 29. November 1176, glitt das Pferd des Herzogs auf einer vereisten Brücke aus, Heinrich II. stürzte herab und brach sich den rechten Oberschenkel. Diese Verletzung des Siebzigjährigen erwies sich laut Quellen als irrecuparabiliter, nicht wieder herstellbar. So siechte der Herzog einige Wochen dahin, ehe er am 13. Januar 1177 aus dem Leben schied. Über Herzog Heinrich Jasomirgott ein Urteil zu fällen, ist nicht leicht. Überblickt man sein Leben, soweit es die historischen Quellen ausschnittweise überliefern, so erkennt man als wesentliche Eigenschaft eine unbeirrbare Zähigkeit im Bewahren und Erweitern seiner Rechte. Diese Zähigkeit ließ ihn verschiedene gefährliche Situationen meistern und Zeiten des Niedergangs überstehen. Ein Vergleich mit seinem Vater Liutpald III. fällt überwiegend zu seinen Ungunsten aus: meiner Ansicht nach zu Unrecht. Kirchen- und Klosterpolitik hat er im Gegensatz zu diesem freilich nur betrieben, soweit es um die Durchsetzung eigener Herrschaftsinteressen ging. Das war zwar Liutpald III. auch nicht fremd, doch wurde dieses Element hinter Frömmigkeit und Stiftertätigkeit kaum sichtbar. Dass an Heinrich von den Annalen des Klosters Zwettl als divini cultus et cultorum amator, als besonderem Verehrer von Religion und Liturgie, erinnert wird, steht ziemlich vereinzelt. Er war kein säkularer Realpolitiker – das hätte man im 12. Jahrhundert gar nicht sein können –, aber man wird ihm neben einer gewissen Distanz zum Mönchtum auch eine sparsame Verwendung seiner wirtschaftlichen Mittel gegenüber den Klöstern zuschreiben können. Dass er seinem jüngeren Bruder Liutpald IV. nachgesetzt
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wurde, wird stets mit seiner geringeren Begabung erklärt. Dies ist reine Spekulation, da wir wissen, dass er die salischen Güter am Rhein bewahren und verwalten musste: sich also in der Fremde, in einem Zentrum der Reichspolitik, ohne bedeutende Gefolgschaft durchsetzen sollte. Auch auf militärischem Sektor wird er gegen den Bruder herabgesetzt: Dieser sei ein fähiger Feldherr gewesen, Heinrich hingegen überhastet in seinen Entscheidungen, ungeeignet im Kampf. Als Beispiel wird seine Niederlage gegen die Ungarn an der Leitha 1146 gebracht, seine Heerführerqualitäten und seine persönliche Tapferkeit im Rahmen des Italienzugs von 1158 werden hingegen übergangen. In der Reichspolitik erwies er sich zumindest seit 1156 als verlässlicher Mitarbeiter des Kaisers und Vollstrecker des kaiserlichen Willens, obwohl ihn dieser vom bayerischen Herzogsthron verdrängt hatte. Wichtig für Barbarossa war seine unbeirrbare Treue zu den kaiserlichen Päpsten, zumal der Südosten des Reiches eine starke Tendenz zu Papst Alexander III. zeigte. Heinrich war dabei dessen grundsätzlicher Gegner, doch schritt er gegen die Alexander-freundliche Haltung eines großen Teils der österreichischen Klöster nicht ein und tolerierte auch deren Auswüchse. Seine Rechte wahrte er mit großem Nachdruck und ließ sich von kirchlich-religiösen Erwägungen in diesen Dingen nicht leiten. Aus dem Gesagten musste sich fast zwangsläufig eine Gegnerschaft zu seinen Brüdern Otto und Konrad entwickeln, doch vergaß er nie die verwandtschaftlichen Bande, was besonders bei der Sturheit Konrads und dem Drängen Friedrich Barbarossas nicht immer leicht durchzuhalten war. Seiner kaiserlichen Herkunft und der engen Verwandtschaft zu Kaisern scheint er sich immer bewusst gewesen zu sein. Mit Heinrich Jasomirgott verbunden sind auch kulturelle Errungenschaften und Neuerungen, die die mittelhochdeutsche donauländische Literatur aufblühen ließen und in den breiten Strom abendländischer Kunst überführen halfen. Wieweit er selbst davon Kenntnis nahm und wieweit sein Hof literarischer Gestaltung zugetan war, lässt sich nur vermuten. Doch ist es wohl sein Wirken als bayerischer Herzog in Regensburg gewesen, dem er diese Anregungen verdankte und die er dann auch in Wien zur Geltung brachte. So ist er zweifellos mit der volkssprachigen „Kaiserchronik“ eines Regensburger Geistlichen in Verbindung zu bringen. Dieses wohl in den Dreißigerjahren des 12. Jahrhunderts begonnene Werk reicht bis zur Wiedergabe von
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Ereignissen des Jahres 1147, um dann plötzlich abzubrechen. Die Widmungsverse ermöglichen die Zuschreibung an verschiedene Auftraggeber. Doch neigt man heute dem bayerischen Herzog Heinrich dem Stolzen als Initiator dieser deutschen Weltchronik zu. Nach dessen Tod 1139 wurde das Werk auch unter der babenbergischen Herrschaft Liutpalds IV. und Heinrich Jasomirgotts bis zu dem genannten Jahr fortgesetzt: Liutpalds Kämpfe werden mit geringer Sympathie geschildert. Heinrich Jasomirgott wird nicht mehr erwähnt, obwohl er seit 1143 ziemlich unangefochten und anerkannt Herzog von Bayern war. Er war sicher von der Chronik und ihrer Fortsetzung unterrichtet, und sein Hof in Regensburg muss wohl weiterhin als Ausgangspunkt dieses bisher unerhörten Unternehmens angesehen werden. Ob er während der späteren Auseinandersetzungen mit Heinrich dem Löwen das Interesse an dem Geschichtswerk, das seine prowelfische Tendenz auch in babenbergischer Zeit nicht verleugnen konnte, verlor, zumindest aber dessen Vollendung nicht förderte, wissen wir nicht. Ebenso wenig Quellen hat man bezüglich der Haltung des Herzogs zu den Anfängen der mittelhochdeutschen Liebeslyrik. Vier frühe Meister lassen sich mit ihm in Zusammenhang bringen, zwei davon waren seine Verwandten. Der Burggraf von Regensburg und jener von Riedenburg, Vertreter eines bedeutenden bayerischen Adelsgeschlechts aus dem Altmühltal, waren über seine Schwester Berta mit ihm verwandt und gehörten sicherlich – schon aus politischer und rechtlicher Notwendigkeit – seinem Hof in der bayerischen Hauptstadt an. Der Burggraf von Regensburg, Heinrich III. oder Friedrich, Schwager oder Neffe des Babenbergers (genau zu identifizieren ist der Dichter nicht!), hatte zudem bedeutende Besitzungen im Machland und im niederösterreichischen Donautal (Persenbeug). Er ist also auch später am Hof in Wien denkbar. Der Burggraf von Rietenburg (Riedenburg), Heinrich IV., Sohn oder jüngster Bruder des Ersteren, wird nicht anders zu verorten sein. Dichterisch bedeutender als diese beiden sind der sogenannte Kürnberger und Dietmar von Aist. Der Kürnberger, dessen Zuweisung an ein bestimmtes Adels- oder Ministerialengeschlecht Schwierigkeiten bereitet (Wilhering, Melk), gilt als der zeitlich früheste Liebeslyriker des Mittelhochdeutschen. Seine männlich kraftvollen Gedichte zeigen noch Anklänge an die volkstümliche Liedtradition, von der sich allerdings wenig Beispiele erhalten haben. Dennoch ist bei ihm schon die wesentliche Personenkonstellation des höfischen Minnesangs,
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„Ritter“ und „Dame“, vorhanden, die allerdings noch über ihre Beziehung monologisieren und kein richtiges Zwiegespräch führen. Dietmar von Aist gehört einer machländischen Familie von Edelfreien an, ein Träger dieses Namens wird in einer Urkunde von 1171, in der auch Herzog Heinrich Jasomirgott genannt ist, als bereits verstorben erwähnt. Der Dichter dürfte aber eher ein weiter nicht nachweisbarer Namensvetter des Verzeichneten sein, weil seine vorhandenen Strophen sonst zu früh angesetzt werden müssten. Hier ist die Beziehung zum babenbergischen Hof andeutungsweise zu erkennen. Dietmar ist dichterisch gesehen eine zwiespältige Gestalt: Altertümliches, wenn auch Weicheres, Milderes, mehr Gerundetes als beim Kürnberger, steht neben Ansätzen, die eine Bekanntschaft mit Troubadourlyrik verraten, also später einzuordnen sind. Die Dichtungen der vier Genannten stellen Vorformen und Anfänge des Minnesangs dar, gewissermaßen seinen „Frühling“. Sie sind in babenbergischer Umgebung, auf babenbergischem Boden entstanden. Ob Heinrich Jasomirgott unmittelbaren Kontakt mit den Sängern und ihrer Produktion hatte, gar als Förderer auftrat, lässt sich nicht beweisen, ist aber nicht unwahrscheinlich. Doch wird man 1150/1170 noch nicht an einen Musenhof denken dürfen, sondern an gelegentliche höfische Darbietungen, die gern entgegengenommen wurden, vor allem weil sie einen kulturellen und gesellschaftlichen Aufschwung signalisierten. Auch ein heftiger Gegner der frühen höfischen Kultur und ihres Schönheitskults entwuchs der volkssprachigen Dichtung der Zeit: der sogenannte Heinrich von Melk. Man kennt nur seinen (Vor-)Namen, bezieht eine Selbstaussage aber auf einen Melker Abt; daher sein Epitheton. Neuere Forschungen wollen ihn mit dem Kloster Altenburg in Verbindung bringen, doch dürfte er eher dem Donautal angehören. 1150/1160 verfasste er das Werk von des todes gehugede (Erinnerung an den Tod), in dem er als sprachgewaltiger Prediger am Beispiel des vom Minnesang so gepriesenen schönen Leibs und seines Verfalls bis zum Wurmfraß die Oberflächlichkeit und Sittenverderbnis seiner Zeit geißelt, wie sie ihm im hoffärtigen und anmaßenden Rittertum erscheint. Im Übrigen entstanden im Donautal mehrere heils- und erlösungsgeschichtliche Dichtungen in der Volkssprache, was auf ein zunehmendes Inte resse der lateinunkundigen adeligen Kreise des babenbergischen Österreich für solche Schöpfungen deutet. Unvergleichlich und zeitlich an der Spitze steht
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das diesbezügliche Werk einer Klausnerin Ava, die an der Donau zwischen Melk und Göttweig lebte und 1127 verstarb. Sie ist die erste deutsche Dichterin, von der wir wissen. Sie verfasste ein „Leben Jesu“, einen „Johannes der Täufer“, einen „Antichrist“, um nur einige ihrer Dichtungen zu erwähnen. Bedeutsam ist, dass sie dabei theologische Unterstützung durch zwei ihrer Söhne erhielt, die als Mönche in Melk wirkten. All diese mittelhochdeutschen Werke sind am besten und vollständigsten in einer Handschrift des 12. Jahrhunderts erhalten, die im steirischen Chorherrenstift Vorau geschrieben wurde. Auch das geistige, gelehrte Leben wird in der Generation Heinrich Jasomirgotts erstmals in Österreich sichtbar, obwohl ja nur Bruchstücke auf uns gekommen sein werden. Dass man auf praktische Notwendigkeiten mitunter schnell reagierte, wird etwa aus Anlass der byzantinischen Hochzeit des Herzogs deutlich. Der (freilich ironisch-polemische) Gesandtschaftsbericht eines westlichen Bischofs aus dem 10. Jahrhundert, in dem er Kaiser Otto dem Großen Reise und Aufenthalt am Hof in Konstantinopel schildert, scheint in österreichischen Klöstern wiederholt abgeschrieben worden zu sein: Man wollte sich ein Bild der fremden, wunderbaren Welt machen, aus der die neue Herzogin stammte. Als sie dann in Regensburg und Wien residierte und sicher ein griechisch sprechendes Gefolge zur Seite hatte, entstanden in den Klöstern griechisch-lateinische Glossare, die auch vereinzelt einfache Dialoge enthielten. Schon in der Zeit Liutpalds III. hatte die klösterliche Geschichtsschreibung begonnen, die unter seinem Sohn einen ersten Höhepunkt erreichte. Es wurden Annalen verfasst, Jahr für Jahr mehr oder weniger knappe Nachrichten über politisches und militärisches Geschehen, aber auch über Naturerscheinungen oder elementare Ereignisse zu Pergament gebracht. Den Anfang scheint man in Göttweig und Melk gemacht zu haben, Zwettl und Klosterneuburg folgten bald nach, und schließlich zeichneten die meisten Klöster und Stifte Ereignisse der Universal- und Landesgeschichte auf. Auch außerhalb des babenbergischen Österreich in Kremsmünster, Lambach, Admont, Garsten oder Salzburg verfasste man derartige Werke, die wichtige Nachrichten über die Babenberger enthalten. In Klosterneuburg entstand bald nach 1177 eine Chronik über das Leben des frommen Markgrafen Liutpald (Chronicon pii marchionis), eine beachtliche historisch-genealogische Arbeit, die ihn und seine Familie zum Gegenstand hat.
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Weit über diese Leistungen hinaus geht das historiografische Werk Ottos von Freising. Der fünfte (überlebende) Sohn des frommen Markgrafen lebte und wirkte politisch wie geistig am Pulsschlag der Zeit, die ja eine des Umbruchs und Neubeginns, eines weit in die Ferne wirkenden „modernen“ Mittelalters war. Seine von einem pessimistischen Grundton geprägte Chronik, die das irdische Geschehen mit dem göttlichen Heilsplan in Verbindung bringt und alles „Vergängliche“ nur als „ein Gleichnis“ sieht, ist eine in ihrem zeitgeschichtlichen Erkenntniswert unerreichte Darstellung und zugleich ein philosophisch-theologischer Versuch, die oft unverständlich scheinenden Geschehnisse zu verstehen. Sein Neffe Friedrich Barbarossa hat ihn mit der Schilderung seiner Taten (Gesta Friderici I. imperatoris) betraut. Dabei konnte der Bischof auf Nachrichten aus der engsten Umgebung des Herrschers, zu der er ja zeitweise auch gehörte, bauen und stützte sich auf offizielle Aktenstücke. Das Werk, über dem Otto von Freising 1158 starb und das von seinem Kapellan bis 1160 fortgesetzt wurde, spiegelt die Aufbruchstimmung der frühen Jahre des schwäbischen Kaisers wider. Dass der Geschichtsschreiber seine Familie in den beiden Werken außerhalb der Reichspolitik besonders berücksichtigte, kann man nicht behaupten. Das hätte den theoretischen und spekulativen Grundlagen seines Schreibens aber auch nicht entsprochen. Ein geistiger Verwandter Ottos, von dem man nur aus Berichten und Briefen anderer weiß, war ein in Wien – wohl an der Schule bei St. Stephan – wirkender Magister Petrus († 1183). Wahrscheinlich französischer Herkunft, vermittelte er Elemente der frühen Scholastik und machte sich die traditionellen, mehr kirchenpolitisch denkenden Theologen zu Feinden. Unter diesen ragte Propst Gerhoh von Reichersberg († 1169) hervor, der im Papstschisma heftig gegen Kaiser Friedrich I. polemisierte und die alexandrinische Partei im Südosten des Reiches wesentlich stützte. Zwei seiner Brüder wurden Pröpste in Klosterneuburg, wo sie für die antikaiserliche Haltung verantwortlich waren, von Herzog Heinrich aber toleriert wurden.
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Erweiterung der babenbergischen Macht: Liupold V.
Heinrich Jasomirgott war gestorben, während sich der Konflikt zwischen Babenbergern und Přemysliden in einer unklaren Phase befand. Familiengegensätze der böhmischen Fürsten zogen auch diesmal wieder die österreichischen Herzöge in Mitleidenschaft, was sich allerdings durch die Verwandtschaft von selbst ergab. Die Babenberger unterstützten Friedrich, der von seinem Onkel Sobeslav II. verdrängt worden war. Friedrich suchte Hilfe beim Kaiser, den er in dessen Hoflager bei Pesaro aufsuchte, wo er auch die Belehnung mit Böhmen erhielt. Auch Liupold V. war mit 160 Rittern bei Friedrich Barbarossa erschienen, um sich fünf Wochen nach dem Tode seines Vaters nochmals das Herzogtum Österreich verleihen zu lassen. Die Abwehr Sobeslavs II. hatte er seinem jüngeren Bruder Heinrich anvertraut. Dass er sich auf dessen Loyalität verlassen konnte, geht aus der Tatsache hervor, dass er weiterhin in Italien blieb und auch Kontakt mit dem nun allgemein anerkannten Papst Alexander III. aufnahm. In Österreich gab es keine Thronstreitigkeiten. Liupold V. – in dieser Form erscheint der Leitname des Geschlechts nun überwiegend –, der schon 1174 dem Kaiser vorgestellt und mit dem babenbergischen Herzogtum belehnt worden war, hatte 1177 unangefochten die Herrschaft übernommen. Sein Bruder Heinrich war mit Mödling und einigen Besitzungen nördlich der Donau ( Jedlesee, Wolfpassing, Reisenberg) abgefunden worden. Er führte ebenfalls den Herzogstitel, der manchmal mit seinem Hauptsitz Mödling verbunden wurde, was die Geschichtswissenschaft aufgriff, um diesen nicht unbedeutenden Babenberger präzis bezeichnen zu können. Heinrich „von Mödling“ war auch im Reich sehr angesehen, ein großer und lobend hervorgehobener Förderer Walthers von der Vogelweide, und begründete eine jüngere Linie des babenbergischen Hauses, die allerdings mit seinem gleichnamigen jüngeren Sohn 1236 wieder erlosch. Das Jahr 1178 war weiterhin von den Böhmenkämpfen geprägt. Sobeslav versuchte von Mähren aus, Österreich anzugreifen, Liupold erwiderte mit einer Belagerung der mährischen Stadt Olmütz. Entschieden wurden die Kämpfe aber zunächst durch einen Einfall des vom Kaiser belehnten Herzogs Friedrich, der in Zwettl ein Heer zusammenzog und auf Prag marschierte, wobei er Sobeslav vertreiben konnte.
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Die Gegensätze und erbitterten Kämpfe zwischen Babenbergern und Přemysliden hatten sich wohl an Familienfehden entzündet, doch gab es noch einen weiteren Grund, der die Feindschaft zwischen beiden Geschlechtern wach hielt. Es gab stets Auseinandersetzungen um die Abgrenzung der beiderseitigen Machtbereiche, die immer wieder von lokalen Streitigkeiten ihren Ausgang nahmen. Noch im 11. Jahrhundert hatten undurchdringliche Wälder einen Grenzbereich dargestellt, in den man von allen Seiten eindringen konnte, der sich aber einer genauen, strikten Zugehörigkeit entzog. Diese silva Nortica, der riesige, weit ausgreifende Wald nördlich der Donau, war bis ins 12. Jahrhundert nur wenig erschlossen worden. Als aber das stetige Wachstum der Bevölkerung nach neuen landwirtschaftlichen Flächen verlangte, setzte die Rodung ein, die überdies als Mittel der Landerschließung und Machterweiterung erkannt worden war. Im Gefolge dieser Entwicklung begann man den Nordwald von verschiedenen Machtmittelpunkten aus zu besiedeln. Babenbergische Ministerialen, um nur die Kuenringer zu nennen, waren hervorragende Träger dieser Rodungsbewegung, wozu noch die planvolle Tätigkeit der in diesem Gebiet gegründeten Klöster und Stifte kam. In Zwettl, der Kuenringerstadt mit ihrem nahe gelegenen Kloster der Zisterzienser, trafen beide Arten der Rodungsunternehmen zusammen. In der Riedmark, dem Ostteil des heutigen Mühlviertels, waren es im Wesentlichen die Herren von Machland, die mit ihren klösterlichen Gründungen Säbnich/Waldhausen und Baumgartenberg in die dichten Waldgebiete eingriffen und sie urbar machten. Dasselbe geschah vonseiten der Böhmen mit Stoßrichtung nach Süden. Man darf sich diese Erschließung nicht als genau aufgeteilte und geregelte Parzellierung des Waldlandes vorstellen. Die neu gewonnenen landwirtschaftlichen und siedlungsbereiten Flächen wurden im Vorhinein als Lehen ausgegeben oder an Klöster verschenkt, ohne dass genaue Grenzlinien mit Rücksicht auf andere Grundherren festgelegt wurden. Ein Lehensmann, der etwa von zwei Herren Land in dieser Gegend besaß, kannte seine persönlichen Abhängigkeiten und Verpflichtungen; sein Besitz war aber nicht eindeutig einzuordnen. So blieb der Grenzverlauf ungefähr. Das genügte aber in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts nicht mehr: Nun musste man sich über den Grenzverlauf genau verständigen, der entsprechend räumlich zu fixieren war. Die Grenze zweier Reichslehen zu bestimmen, oblag einzig und allein dem König. Friedrich Barbarossa hatte ein lebhaftes Interesse daran, den Unruhe-
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herd im böhmisch-österreichischen Grenzbereich zu beseitigen. Babenberger und Přemysliden waren verlässliche Anhänger der Staufer und wichtige Gefolgsleute des Kaisers für seine Italienzüge. Zwischen ihnen sollte kein Unfriede herrschen! Auf dem Hoftag zu Eger im Juni 1179 beendete daher ein Fürstenspruch die Grenzstreitigkeiten zwischen Österreich und Böhmen. In der am 1. Juli in Magdeburg darüber ausgestellten Urkunde ist von certi limites die Rede, also sicheren Grenzen, einem genauen Grenzverlauf, der nun Klarheit bringen musste. Die früher üblichen Angaben, die sich auf die regionalen Machthaber bezogen, verschwinden zugunsten von topografischen und orologischen Fixpunkten, die eine recta estimationis linea erzeugen sollten und freilich oft eine genaue Ortskenntnis voraussetzten. Im Großen und Ganzen wurden jene Trennungslinien festgesetzt, die noch heute zwischen Österreich und Tschechien bestehen, sieht man von den Verlusten ab, die Österreich 1919 hinnehmen musste. Im Gegensatz zu seinem Vater war Liupold V. sehr um die Klöster seines Landes bemüht. Seine besondere Vorliebe galt dem Zisterzienserkloster Heiligenkreuz, das unter Heinrich Jasomirgott vernachlässigt worden war. Der Herzog gedachte dort die Begräbnisstätte der Babenberger zu errichten: Seine Vorfahren waren in Melk, Gars, Klosterneuburg und Wien bestattet worden; die Lage ihrer Gräber zeigt beispielhaft das allmähliche Vorrücken der Markgrafen in Richtung Osten. Liupold V. musste daher sein Interesse der substanziellen Förderung von Heiligenkreuz zuwenden. Doch waren nicht immer fromme Erwägungen oder Überlegungen der Repräsentation bei herzoglichen Schenkungen an Klöster ausschlaggebend. So schenkte Liupold V. seinem Lieblingskloster einen Wald in dessen unmittelbarer Umgebung, der sich vorteilhaft an einen bereits vorhandenen Besitz anschloss. In der Schenkungsurkunde wird jedoch ausdrücklich betont, dass die Mönche dort weder Viehställe errichten noch Bienenstöcke aufstellen durften. Auch Rodung war streng untersagt. Die Nutzung dieses Waldstücks war also beträchtlich eingeschränkt, da es keine land- und forstwirtschaftlichen Möglichkeiten bot und den Mönchen höchstens das Sammeln von Brennholz und Waldesfrüchten erlaubte. Es ist anzunehmen, dass die Verbote dazu dienten, die herzogliche Jagd in diesem geschenkten Wald weiterhin zu ermöglichen.
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Liupold V. verstand es gut, an den politischen Entscheidungen im Reich teilzuhaben, ohne die Erweiterung seiner Macht im eigenen Herzogtum zu vernachlässigen. Darin übertraf er seinen Großvater, den frommen Markgrafen, der in den letzten Jahrzehnten seines Lebens – sieht man von der ihm wohl auferlegten Königskandidatur 1125 ab – kaum mehr am Geschehen im Reich Interesse zeigte, und seinen Vater Heinrich Jasomirgott, dessen Beziehungen zu den Königen schwankend waren und der vergebens auf die bayerische Karte setzte, was dem Herrschaftsaufbau in Österreich nicht eben förderlich war. Am Prozess, den der Kaiser gegen Heinrich den Löwen führte, war Herzog Liupold beteiligt und gehörte 1180 zu dem Fürstenkollegium, das in dieser Angelegenheit gegen den doppelten Herzog entschied. Bei der Absetzung des Welfen und der Belehnung des Pfalzgrafen Otto V. von Wittelsbach mit dem Herzogtum Bayern in Regensburg war er allerdings nicht dabei. Es scheint möglich, dass Liupold V. sich Hoffnungen auf die Erneuerung eines babenbergischen Bayern gemacht hatte, und als der Kaiser politisch anders entschied, bei der feierlichen Zeremonie der Neubesetzung nicht zugegen sein wollte. Doch Friedrich Barbarossa trachtete fürstliche Machtballungen zu vermeiden, deren unheilvolle und dem Reich nachteilige Dynamik eben Heinrich der Löwe vorgeführt hatte. Der wittelsbachische Pfalzgraf hingegen war im Lande selbst machtmäßig gut verankert, ein enger Parteigänger, ja Freund des Kaisers und dem Erzbischof Konrad III. von Salzburg verwandtschaftlich verbunden. Dass Barbarossa aber trotzdem vorsichtig blieb, zeigt die Tatsache, dass er das immer noch große Bayern durch die Abspaltung der steirischen Mark flächenmäßig verminderte. Damit war im Südosten des Reiches ein neues Herzogtum geschaffen worden, welches den Traungauern oder Otakaren (nach ihrem Leitnamen), den bisherigen Markgrafen, übergeben wurde. Die Babenberger mussten sich mit einem weit geringeren Teil bayerischen Landes zufriedengeben. Sie gewannen an der Westgrenze ihres Machtbereichs das Gebiet zwischen Haselgraben und großer Mühl, das spätere westliche Mühlviertel; ob sie auch Teile des Traungaus vom Herrscher zuerkannt erhielten, ist ungewiss (aber wenig wahrscheinlich). Im Jahre 1181 reiste Liupold V. bis nach Erfurt, um den Hoftag Kaiser Friedrichs zu besuchen. Dort ließ er seinen älteren Sohn Friedrich, ein Kind von ungefähr sechs Jahren, mit dem Herzogtum Österreich belehnen. Der
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Name dieses Knaben deutet auf die guten Beziehungen der Babenberger zu den Staufern, deren verwandtschaftliche Komponente von Herzog Liupold sichtlich wieder stärker betont wurde, sodass er auf eine Namengebung im babenbergischen Sinne verzichtete und seinen ältesten Sohn nach dem kaiserlichen Vetter nannte. Auch im Jahre 1183 finden wir den österreichischen Herzog in Piacenza an der Seite des Herrschers. Er gehörte zu den vielen, bedeutenden Fürsten, die den Vorvertrag mit den lombardischen Städten im Namen des Kaisers beschworen. Bei der Ausfertigung des Vertrags in Konstanz hingegen fehlte Liupold V.: Es hat den Anschein, dass er bei den entscheidenden Verhandlungen und grundlegenden Rechtsakten zugegen war, während er an der praktischen Vollendung und Umsetzung des Beschlossenen nicht mehr interessiert war. Doch ist das eine Spekulation, da zahlreiche andere Gründe – darunter ganz simple, wie der Verlust von Urkunden – für die Abwesenheit des Herzogs, die nicht einmal eine körperliche gewesen sein musste, verantwortlich sein konnten. Nicht fehlen jedoch durfte Liupold 1184 beim sogenannten Pfingstfest in Mainz, das zu Ehren der Kaisersöhne Heinrich und Friedrich abgehalten wurde: Dort sollte die feierliche Schwertleite der beiden jungen Männer stattfinden, ihre Aufnahme in den Ritterstand. Dieses Fest der Wehrhaftmachung, das auf eines der christlichen Hochfeste anberaumt wurde, zu einer Zeit, in der der von den höfischen Menschen so herbeigesehnte und ihnen so willkommene Frühling schon weit fortgeschritten war, konnten die Reichsfürsten aus politischen und verwandtschaftlichen Gründen nicht auslassen. Nicht nur die für das fürstliche Streben so wichtige Huld des Kaisers war bei dieser Gelegenheit in reichem Maße zu verdienen, sondern auch das gesellschaftliche Ansehen stand auf dem Spiel. Und das wollte keiner riskieren. Solche Massen strömten nach Mainz, dass die Pfalz und überhaupt die Stadt diese nicht aufnehmen konnte. Am Rheinufer wurde ein riesiges Areal in eine Zeltstadt verwandelt, wodurch Gelegenheit gegeben wurde, Prachtzelte aufzustellen, die zum vornehmsten beweglichen Besitz der Adeligen zählten. Barbarossa selbst ließ einen mächtigen Holzbau errichten. Die Schilderungen von Prunk und Pracht, die man dort sehen konnte, sind sicherlich nicht übertrieben: Es dürfte sich dem Betrachter und Festteilnehmer im wahrsten Sinn des Wortes ein buntes Bild geboten haben. Heinrich von Veldeke, der erste deutsche Epiker des neuen höfischen Stils, orientierte sich in seiner Eneit bei der Beschreibung
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der Hochzeit Didos mit Aeneas am Mainzer Pfingstfest, dem er einen noch höheren Glanz zusprach. Das war aber nur sinnvoll, wenn er mit dessen weitgehender Bekanntheit rechnen durfte. Manche Geistliche kritisierten diesen materiellen Aufwand und sahen in dem Sturm, der das hölzerne Gebäude und viele Zelte beschädigte, ja sogar Tote forderte, ein böses Omen und eine Warnung des Himmels. Am eindrucksvollsten konnten sich Fürsten in Mainz präsentieren, wenn sie mit einer möglichst großen, herrlich gekleideten und gerüsteten Gefolgschaft erschienen. Liupold V. kam mit fünfhundert erlesen ausgestatteten Rittern, wurde aber von anderen Reichsfürsten, was das Gefolge betraf, zahlenmäßig noch übertroffen. Alle in den Schatten stellte Herzog Friedrich von Böhmen, der zweitausend Mann mit sich führte. Wie auch immer: Liupold V. zählte zur ersten Garnitur der Fürstenschaft und hatte ein Anrecht, sich um die Ehre zu bewerben, dem Kaiser das Schwert beim feierlich zelebrierten Kirchgang voranzutragen. Um dieses Amt scheint es zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen zu sein. Tatsächlich wählte Barbarossa den Grafen von Hennegau als Schwertträger und zeichnete ihn damit vor den Streitenden aus. Auch wenn der österreichische Herzog, wie so viele andere bedeutende Fürsten, bei dieser Gelegenheit scheiterte, ist aus dem Geschehen und seiner häufigen Nennung zu ersehen, dass Liupold zum engsten Kreis um den Kaiser gehörte und hohes Ansehen genoss. Dazu bedurfte es einer machtmäßigen Fundierung im eigenen Land. Diese trieb der Herzog eifrig voran und war bei Erbschaften rasch zur Stelle. Er hatte das Glück, dass eine Reihe hochadliger Geschlechter in den Achtzigerjahren des 12. Jahrhunderts erlosch, deren Eigengüter er einzog und deren Ministerialen sich ihm zuwandten. Denn immer noch war es wesentlich, dass man seine Herrschaft außerhalb der eigentlichen Machtzentren über ritterliche Dienstleute ausübte, die an die Stelle des Herrn traten, seine Güter verwalteten und schützten; darüber hinaus aber auch als gewappnetes Gefolge den Herzog auf Reisen begleiteten und tatkräftig für sein Ansehen wirkten. Selbst der bedeutendste Reichsfürst verlor viel von seinem Prestige und wurde schnell zu einer quantité négligeable, wenn er nicht über die entsprechende kampfbereite Mannschaft verfügte und im Ernstfall mit ihr Eindruck zu erwecken vermochte. Gerade Liupold V. sollte wenige Jahre später diese für ihn sehr nachteilige Erfahrung machen.
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Der Herzog erbte von den bayerischen Grafen von Sulzbach Güter südlich von Wien und den Burgort Hainburg (ob die heutige Stadt damit gemeint ist oder immer noch Deutsch-Altenburg, muss offenbleiben). Von den Herren von Perg kamen Besitzungen westlich von St. Pölten und der namengebende Ort im Machland, die Grafen von Schala (Schallaburg!) wurden an Pielach, Melk und Mank beerbt, ebenso im Weinviertel und an der Traisen, wobei der Babenberger auch gewaltige Forste erhielt. Den nah verwandten Burggrafen von Regensburg folgte der Herzog in Persenbeug und bei Ybbs nach, während die von ihm ererbten Güter der Grafen von Poigen-Re(b)gau im Traun- und Attergau lagen. Die babenbergischen Eigengüter, die auf diese Weise mehr als beträchtlich wuchsen, boten Liupold V. die wirtschaftlichen Grundlagen für sein prächtiges Auftreten, was nicht unerheblich für sein Ansehen im Kreise der Ebenbürtigen sorgte und ihn dem Kaiser als starken Parteigänger empfahl. Hinter der augenfälligen Pracht war die reale Macht erkennbar und damit die unwidersprochene Berechtigung, am Spiel der Mächtigen teilzuhaben. Und das war Reichspolitik. Noch als Jüngling hatte der Herzog an der Seite seines Vaters Heinrich den Löwen gesehen, der in Klosterneuburg und Wien haltmachte, bevor er die Strapazen des Landwegs nach Palästina auf sich nahm. Nachdem die bayerische Frage 1180, wie sich später herausstellen sollte: endgültig, gelöst und Liupolds Sohn Friedrich als ungefähr Sechsjähriger vom Kaiser 1181 mit Österreich belehnt worden war, konnte der Herzog seinen Plan einer Wallfahrt zu den heiligen Stätten Christi in die Tat umsetzen. Am Grabe des Erlösers wollte er der „Fülle der Gnaden“ teilhaftig werden. Zu Jahresanfang 1182 begann er seine Pilgerfahrt, wobei ihn selbstverständlich eine ritterliche Mannschaft begleitete. Er wählte den beschwerlichen Weg durch Ungarn und das Byzantinische Reich. Ob er dort als Sohn einer byzantinischen Prinzessin Unterstützung erhielt und ihm das Fortkommen erleichtert wurde, ist nicht bekannt. Jedenfalls gelangte er ohne besondere Schwierigkeiten nach Jerusalem. Der Rückweg führte ihn über See nach Apulien und dann die italienische Adriaküste entlang in die Heimat, wo er gegen Ende des Jahres 1182 anlangte. Seinem Lieblingskloster Heiligenkreuz (Name!) schenkte der Herzog eine Partikel vom Kreuz Christi, die er aus der heiligen Stadt mitgebracht hatte und die angeblich so groß wie eine Männerhand war, was den Gedanken an einen Kreuzsplitter gar nicht erst aufkommen lässt!
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Der größte, bedeutendste und nachhaltigste Gebietserwerb Liupolds V. betraf aber die Steiermark. Hatten seine Vorfahren von der ottonischen, eng an der Donau liegenden Mark ausgehend Land und Leute gewonnen, indem sie ihrem Auftrag als Markgrafen energisch nachgekommen waren, adelige Konkurrenten ausgeschaltet und relativ wenig Gut aus Königshand empfangen hatten, so waren das punktuelle Errungenschaften und modern gesprochen nur bescheidene Flächengewinne. Die Rodungsbewegung hatte dann den markgräflichen, später herzoglichen Einfluss in bisher unerschlossene Waldgebiete getragen: All das aber hatte die Macht gleichsam im freien, herrschaftslosen Raum erweitert. Die reale Macht der Babenberger war dadurch gesteigert und ihr Amt fundierter geworden, aber das waren nur Vergrößerungen, wenn auch oft beträchtliche, des bereits Bestehenden. Mit dem Erwerb eines anderen Herzogtums war die vorherige Erweiterung des babenbergischen Machtraums nicht zu vergleichen. Nun vereinigte ein Reichsfürst zwei Herzogtümer in seiner Hand. Anders als bei Heinrich dem Löwen, der mit Bayern und Sachsen zwei weit auseinanderliegende Herrschaftsgebiete innehatte, grenzten Österreich und Steiermark aneinander, ergaben also ein geschlossenes Machtgebilde. So war im Südosten des Reiches den Babenbergern eine Gewalt gegeben, die ihre Bedeutung unter den Reichsfürsten noch erhöhen musste. Das noch junge steirische Herzogtum hatte sich aus einer Reihe von Marken und markenähnlichen Herrschaftsgebieten an Mur, Mürz und Drau entwickelt, die im Osten Kärntens und im Süden Bayerns eine Funktion bei der Abwehr der Ungarn hatten. Sie waren gleichsam zunächst ein Vorland, eine Zone der nicht immer, aber meist feindlichen Begegnung, in puncto Herrschaftsverhältnisse ein äußerst disparater Raum. Den größten Besitz in dieser noch wenig erschlossenen Gegend hatten die Grafen von Eppenstein, die bis 1035 auch die Herzöge von Kärnten stellten, dann folgten zwanzig Jahre unter der Dominanz eines Geschlechts, das in Wels und Lambach seine Machtzent ren hatte. Im Jahre 1055 wurden die Traungauer, nach ihrem Leitnamen auch Otakare genannt, mit den Markgrafschaften belehnt. Sie stammten aus dem Chiemgau und hatten zunächst enge und verwandtschaftliche Beziehungen zu den Babenbergern. Ihr Hauptsitz und Machtzentrum war die Stirapurc, am Zusammenfluss von Enns und Steyr gelegen, im alten bayerischen Traungau. Dort lagen auch die Schwerpunkte ihrer Aktivitäten. Im Markenbereich hat-
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ten die Otakare nur unbedeutenden Besitz, ähnlich den Babenbergern in der bayerischen Ostmark. Nach dem Aussterben der Eppensteiner 1122 fiel ihnen allerdings ein sehr beträchtliches Erbe in den Schoß. Im oberen Murtal, im Mürztal und in der späteren Weststeiermark lagen die riesigen Güter der Eppensteiner; deren Hauptsitz war Judenburg. Im selben Jahr trat mit Liu pold ein Markgraf hervor, dessen Name die höher angesehene mütterliche Herkunft verriet und der mit einer aktiven Herrschaftspolitik im südlich des Traungaus gelegenen Markengebiet begann. Die konkurrierenden hochfreien Geschlechter zwang er durch Grundschenkungen in Lehensabhängigkeit, ja viele mussten sich in seine Ministerialität begeben. Auf Liupold gehen auch die Anfänge der Rodung und Landgewinnung im oststeirischen Waldland zurück, wodurch die Grenzen gegen Ungarn vorgeschoben wurden. Inmitten der planmäßigen Anlage von Festen und Dörfern errichtete er ein Zentrum der markgräflichen Gewalt in Hartberg. Die zur Erschließung des Landes mehr oder minder genötigten edelfreien Geschlechter hinterließen ihre Leitnamen in den neu angelegten Siedlungen (Riegersburg = Rüdigersburg, Kaindorf = Konradsdorf, Waltersdorf etc.). Liupold drängte aber auch in das fruchtbare Becken an der mittleren Mur. An dessen Rand befand sich der alte Mittelpunkt markgräflichen Wirkens, die sogenannte Hengistburg (bei Wildon). Hier gründete er 1129 auf erst neu erworbenem Land ein Zisterzienserkloster in Rein, das erste seiner Art im heute österreichischen Raum. Nicht weit davon erfolgte mit Graz eine zukunftsträchtige Gründung. Nicht lange danach starb der noch junge Markgraf, in den Quellen mit dem Beiwort fortis (= „der Starke“) bezeichnet. Sein Ansehen unter den Fürsten erhellt auch aus der Tatsache, dass er mit der Welfin Sophie, einer Tante Heinrichs des Löwen, verheiratet war. Seinem tüchtigen Sohn Otakar III. gelang es, den Eigenbesitz der Traungauer noch wesentlich zu vergrößern. Graf Bernhard von Marburg nahm am zweiten Kreuzzug teil und setzte kinderlos den Markgrafen für den Fall seines Todes zum Erben ein. Bernhard fiel schon 1147 und Otakar III. erbte bedeutende Güter im unteren Murtal (Radkersburg), aber auch an Drau und Save. 1158 schließlich starben die Grafen von Pitten im Mannesstamme aus, und ihre Allode südlich und nördlich von Semmering und Wechsel kamen an die Traungauer, wodurch die Piesting für Jahrhunderte zum Grenzfluss zwischen Österreich und Steiermark wurde. Ebenso wertvoll war die nun mögliche Verfügung über die zah-
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lenmäßig bedeutende Gefolgschaft der Pittener Grafen. Da nun weite Teile des Markengebiets im Eigentum der Markgrafen standen, etwa dessen Nordosten gegen Österreich und Ungarn ganz, näherten sich die Otakare praktisch der Landesherrschaft, deren neues Zentrum das nun an Bedeutung zunehmende Graz wurde. Otakars III. Machtstellung war beträchtlich, sein fürstliches Selbstverständnis sehr groß. Er fühlte sich als Markgraf von „Gottes Gnaden“ – eine Formel, die nur von Königen gebraucht wurde! – und scheint das Pantherwappen als sein und des Landes Symbol gewählt zu haben. Als Österreich 1156 zum Herzogtum erhoben wurde, stand Otakar III. abseits. Es ist auffällig, dass er unter den zahlreichen wichtigen Zeugen des bayerischen Herrschafts- und Einflussgebiets im Privilegium Minus fehlt. An Rang dem Babenberger Heinrich gleich, an realer Macht ihm wahrscheinlich überlegen, spielte er aber im aktuellen Kampf um die herzogliche Gewalt in Bayern keine Rolle. Als der Markgraf 1164 starb, war sein Sohn Otakar IV. erst ein Jahr alt! Doch war dessen Herrschaft, vertreten durch die Markgräfin Kunigunde, nicht in Gefahr. Gerade in dieser Zeit nimmt die Rodungsbewegung einen Aufschwung, die Besiedlung des oststeirischen Waldlandes schreitet fort. Eine Burgenkette schützt das Ostland von Norden nach Süden, befestigte Grenzplätze (wie etwa das mit einem charakteristischen Namen versehene Fürstenfeld) haben dieselbe Funktion. Immer noch besteht jedoch die land- und lehensrechtliche Abhängigkeit zu Bayern, dessen herzogliche Hoftage der Markgraf zu besuchen verpflichtet war, während die (nicht ganz klar erkennbare) Zugehörigkeit zu Kärnten längst verblasst schien. Einen Vorteil für die Traungauer Markgrafen bedeutete der Prozess des Kaisers gegen Heinrich den Löwen. Bayern wurde dem Pfalzgrafen Otto V. von Wittelsbach übertragen, doch wie schon 1156 durch die Ausgliederung diesmal der steierischen Mark verkleinert. Diese wurde im Juli 1180 auf dem Hoftag zu Regensburg zum Herzogtum erhoben, wodurch die land- und lehensrechtliche Bindung zu Bayern erloschen war. Es ist möglich, dass neben dem politischen Beweggrund für die Schaffung eines neuen süddeutschen Herzogtums auch die Rücksicht auf die Verhältnisse der Adelshierarchie eine Rolle spielte: Der neue bayerische Herzog sollte seinem bisherigen Standesgenossen nicht übergeordnet sein. Selbst wenn man die mittelalterliche Adelsmentalität berücksichtigt, bleibt diese Interpretation freilich spekulativ, da im
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Gegensatz zu den Umständen bei der Erhebung der bayerischen Mark an der Donau zu einem Herzogtum keine Gefahr bestand, einen bisherigen Herzog zu einem Markgrafen zu degradieren. Gerade bei der Entstehung der „Steiermark“ wird die Problematik von Amtsgebiet und fürstlichem Eigengut deutlich. Das aus mehreren alten Marken bestehende Reichsland, das nach deren Lage (an der Mur, im Gebirge usw.) benannt, eigentlich über keinen Gesamtnamen verfügte – auch die frühe marchia Carentana umfasste nicht das ganze Markengebiet – wurde nun zum ducatus Stirensis, der terra Stiriae oder einfach zur Stiria, vielleicht eine Analogie zu dem schon gebräuchlichen Austria; auf Deutsch Stire oder Stireland, seltener Stiremarke. Doch dieser Name blieb auch in der Herzogszeit erhalten und sollte der rechtlich gesehenen Fehlbezeichnung zum Trotz alle anderen Benennungen verdrängen. Der Name leitet sich aber von dem Hauptsitz der Otakare in Steyr ab, bezog sich also nur als Sammelname auf die Gesamtheit des otakarischen Eigenguts. Das Reichslehen erhielt so den Namen der mit dem Traungau verbundenen Stammburg, der nun auch zum Herzogtum „Steiermark“ gehören sollte; ebenso wie das sogenannte Ischlland, das sich aber eine gewisse Sonderstellung bewahren konnte (noch Mitte des 13. Jahrhunderts wurde es als provincia = Land bezeichnet!). Der kaum volljährige Otakar IV. hatte aufgrund einer günstigen politischen Lage das Ziel erreicht, das sein Vater Otakar III. im Vollbesitz seiner realen Macht angestrebt hatte. Doch bald danach schon scheint der junge Herzog unheilbar krank geworden zu sein; es dürfte sich bei der Krankheit um Aussatz gehandelt haben, und die Aussicht auf einen Erben des noch unverheirateten Otakar IV. war dahin. Es ist anzunehmen, dass der Sieche sich über die Zukunft des neu geschaffenen Herzogtums Gedanken machte. Es galt, einen bewaffneten Konflikt zu vermeiden, der den Erwerb des otakarischen Eigenguts zum Ziele haben musste. Denn das Reichslehen Steiermark würde nach dem Tod Otakars IV. an Kaiser Friedrich I. zurückfallen und von diesem neu vergeben werden. Doch der traungauische Eigenbesitz war dem Reichsrecht grundsätzlich nicht unterworfen. Über Sondierungen des kranken Herzogs bezüglich seines Problems haben wir in den folgenden Jahren keine Nachricht. Dass Otakar IV. beim großen Mainzer Pfingstfest 1184 zugegen war, wo er den Kaiser sprechen, ihm seine Situation darlegen konnte und außerdem eine einmalig große Zahl von Fürsten zusammengetroffen war, ist sehr wahrscheinlich. Möglicherweise
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präsentierte dort der steirische Herzog seinen einzigen bedeutenden Verwandten, Herzog Liupold V. von Österreich als aussichtsreichen Kandidaten – die ihm noch näher verwandten Welfen waren seit dem Fall Heinrichs des Löwen vom Mächtespiel im Reich ausgeschlossen. Dass Barbarossa über die Erbeinsetzung Liupolds zu unterrichten war und seine Zustimmung eingeholt werden musste, war nicht nur reichsrechtlich notwendig: Ohne den riesigen Besitz, die Vielzahl der Rechte und die bedeutende Gefolgschaft der Otakare konnte niemand das Reichslehen Steiermark als Herzog übernehmen. Er wäre ohne Chance auf Durchsetzung im Land geblieben. Der Erbe der traungauischen Rechte im weitesten Sinne musste auch Herzog sein. Darum war Otakar IV. in der ganzen Erbangelegenheit vom kaiserlichen Wohlwollen abhängig. Die Vorstellung von einem Fürsten, der zwei benachbarte Herzogtümer in seiner Hand vereinigte, mochte Friedrich Barbarossa nicht angenehm gewesen sein: Seit der Hybris Heinrichs des Löwen ging sein Denken in eine entgegengesetzte Richtung. Große Machtblöcke sollten vermieden, bestehende nach Möglichkeit beschränkt werden. Die Steiermark selbst verdankte ihre Entstehung solchen politischen Überlegungen. Ob sich das Problem 1184 so gestellt hatte, ja, ob es überhaupt in Mainz zur Sprache gebracht worden war, lässt sich nicht belegen. Weitere zwei Jahre schweigen die überlieferten Quellen in dieser Angelegenheit. Und selbst 1186 erfahren wir nur indirekt von den Abmachungen zwischen den beiden Herzögen. Dabei ist aber die vorangegangene Absegnung des Erbprojekts durch Kaiser Friedrich I. als sicher anzusehen. Mitte August jenes Jahres trafen sich Liupold V. und Otakar IV. auf dem Georgenberg in der Umgebung der Stadt Enns. Dort sollte ein Vertrag über die babenbergische Nachfolge in der Steiermark abgeschlossen werden. Beide Herzöge waren mit großem Gefolge erschienen, aber auch Ministerialen aus Bayern, Kärnten und Krain fanden sich ein. Der Erbvertrag selbst ist nicht erhalten, und es ist fraglich, ob es einen solchen überhaupt gab. Wahrscheinlich wurde er in Gegenwart der Adeligen, der Äbte und Pröpste sowie der jeweiligen Dienstmannen mündlich unter Beobachtung formaler Voraussetzungen abgeschlossen. Doch haben Beurkundungen zweifellos stattgefunden: Zwei Urkunden sind erhalten, darunter die berühmte „Georgenberger Handfeste“. Dabei handelt es sich um eine Festsetzung der Rechte der steirischen Ministerialen und um die Voraussetzungen, unter denen Herzog Liupold V. und sein Sohn Friedrich in der Steiermark
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als Erben eingesetzt werden. Otakar IV. betont ausdrücklich, dass er diese beiden dafür designiert habe. Aus der Urkunde wird deutlich, dass die steirischen Dienstmannen eine nicht unerhebliche Bedeutung für die Ausübung und Durchsetzung der Herrschaft hatten. Es ist anzunehmen, dass sie vor der Designation um Rat gefragt wurden und ihnen zunächst eine Reihe von Rechten bestätigt werden musste. Das Wesentliche ist wohl in der Georgenberger Urkunde genannt. Hervorzuheben ist das Appellationsrecht an den Kaiser und die Möglichkeit weiblicher Erbfolge bei Lehen, Bestimmungen, die der etwaigen Willkür des neuen Herzogs einen Riegel vorschieben und ihn andererseits in seiner Verfügungsgewalt einschränken mussten. Auch sollten die steirischen Ministerialen in puncto Rechtstellung grundsätzlich nicht an die österreichischen angeglichen werden. Dennoch wird darauf verwiesen, dass beide Herzogtümer in einer Hand vereinigt werden sollen, um Frieden und Recht besser zu gewährleisten. Die andere Urkunde betrifft Regelungen in der Beziehung des designierten Herzogs zu den Landesklöstern und -stiften. Beide Dokumente hat Herzog Liupold V. mitbesiegelt, wodurch seine Bindung an den Inhalt wesentlich stärker wurde. Auf dem Hoftag im März 1187 in Regensburg hat der Kaiser den (wohl nur mündlichen) Erbvertrag genehmigt. Der Zwettler Chronist, der das überliefert, unterscheidet genau zwischen der hereditas Herzog Otakars IV., was seine Eigengüter und -rechte bezeichnet, und terra et ducatus, also dem Reichslehen, das der Kaiser vergibt. Ob die in Aussicht genommene Personalunion im Sinne Barbarossas war, darf füglich bezweifelt werden und sollte vielleicht nur für Liupold V., zu dem der Staufer eine sehr gute und enge Beziehung hatte, persönlich gelten. In den nächsten Jahren lassen die beiden Herzöge Urkunden ausstellen, die gemeinsame Schenkungen zum Gegenstand haben. In anderen Fällen wird bei Stiftungen und Rückstellungen des Traungauers auf Herzog Liupold Rücksicht genommen und dieser um Mitbesiegelung ersucht. Und Otakar IV. verspricht, beim österreichischen Herzog zu intervenieren, als steirische Kaufleute auf dem Markt von Ardagger Nachteile erfahren und sich über ihre österreichischen Konkurrenten beklagen. Es sind dies überaus karge Mitteilungen, aus denen wir uns ein Bild über das gute Verhältnis beider Reichsfürsten machen können. Man gewinnt den Eindruck, als würde Otakar IV. den Babenberger zu solchen Gemeinsamkeiten ermuntern, um ihm damit die spätere Herrschafts-
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übernahme zu erleichtern und sich zu ihm als seinem Nachfolger zu bekennen, der nicht heimlich in einzelnen Fällen übergangen und damit in seinen zukünftigen Besitzrechten geschmälert wird. Andererseits wird Liupold V. dadurch als zukünftiger Herzog präsentiert und den Empfängern der Urkunden eine gewisse Garantie für die Zukunft gegeben: Sie sollten nicht fürchten, dass ihre Rechte und Besitzungen von dem neuen Fürsten infrage gestellt würden. Nicht lange nachdem der österreichische Herzog seine Anwartschaft auf die Steiermark im Einvernehmen mit Kaiser und designiert von Otakar IV. geregelt hatte, wandte sich Liupold wieder der Reichspolitik im engeren Sinne zu. Sehr bald sollte er darüber hinaus in die Kraftlinien der europäischen Politik geraten, ja für einige Zeit sogar deren Brennpunkt sein. Im Jahre 1187 besiegte der syrische Feldherr und spätere Sultan, der Kurde Saladin (Salahaddin Yusuf ibn Ayyub), den schlecht beratenen König von Jerusalem und setzte sich in der heiligen Stadt fest. Begünstigt durch innere Gegensätze und Konflikte zwischen den Ritterorden und dem König, hatte er gegen die Christen eine erfolgreiche Schlacht geschlagen und alle Städte und Festungen des christlichen Königreichs in Besitz genommen. Nur die Hafenstadt Tyrus verblieb durch die Tapferkeit Konrads von Montferrat, eines nahen Verwandten der Babenberger, in christlicher Hand. In Europa, wo die Kreuzzugsbegeisterung seit dem missglückten Unternehmen von 1147–1149 abgeebbt war, wurde dieser Verlust mit Entsetzen zur Kenntnis genommen. Erstmals schien man sich auf eine gemeinsame abendländische Kraftanstrengung zu einigen: nicht im Sinne eines gesamteuropäischen Heeresunternehmens, aber durch die Tatsache, dass sich mit den Königen von England und Frankreich, vor allem aber dem Kaiser, die mächtigsten Herrscher Europas für einen Kreuzzug erklärten. Im Reich sorgte der päpstliche Legat Heinrich von Albano für wachsendes Interesse, aber erst die fulminante Predigt Bischof Gottfrieds von Würzburg bewog Friedrich Barbarossa im März 1188, das Kreuz zu nehmen. Angeblich folgten sofort viertausend Ritter seinem Beispiel. Der Kaiser war bereits über 65 Jahre alt, dürfte sich aber einer guten Gesundheit erfreut und immer noch über hohe kämpferische Qualitäten verfügt haben. Er wusste, worauf er sich einließ: war er doch schon 1147 an der Seite seines Onkels König Konrad III. ins Heilige Land aufgebrochen, konnte daher die Gefahren richtig einschätzen und die notwendigen Vorkehrungen treffen.
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Herzog Liupold V. beschloss, sich an der Wiedergewinnung der heiligen Stätten zu beteiligen. Auch er hatte Erfahrung: war er doch 1182 als Pilger in Palästina gewesen und hatte eine prächtige Kreuzpartikel mitgebracht. Im November 1188 empfing er ein Schreiben des Großmeisters der Johanniter, indem er mit der traurigen Lage im Heiligen Land bekannt gemacht wurde. Städte und Burgen seien an Saladin verloren gegangen, Antiochia habe gleichsam sieben Monate Aufschub erhalten, würde aber dann ebenfalls in muslimische Hand fallen, wenn kein Retter aus dem Abendland erschiene. Es dürften mehrere solcher Briefe nach Europa gelangt sein, dass Liupold V. zu den Empfängern zählte, beweist sein hohes Ansehen über das Reich hinaus. Als der Plan des Kaisers, den Landweg über Konstantinopel zu wählen, bekannt wurde, erzeugte das Unruhe im byzantinischen Reich. Die Sympathie der griechischen Christen für die Lateiner hielt sich in Grenzen, und so wollte man sich gegen die heranziehenden Kriegermassen nach Möglichkeit absichern. Dazu gesellten sich politische Bedenken: Byzanz hatte in den letzten Jahrzehnten wiederholt den Unwillen Barbarossas erregt und musste nun mit dessen feindlicher Haltung rechnen. Daher erschien auf dem Hoftag von Nürnberg zu Jahreswechsel 1188/1189 eine byzantinische Gesandtschaft, die diverse Befürchtungen äußerte. Man dachte in Konstantinopel sogar, dass der Staufer das Ostreich zu erobern beabsichtige. Um derartige Ängste zu zerstreuen, ließ der Kaiser seinen Sohn Friedrich von Schwaben, Herzog Liupold V. von Österreich und Bischof Gottfried von Würzburg einen Sicherheitseid schwören. Das zeigt nicht nur das Prestige des Babenbergers, sondern auch dessen besonderes Interesse, sich an dem Kreuzzug zu beteiligen. Doch musste er zunächst noch warten. König Béla III. von Ungarn, Liupolds Schwager, bedrohte den babenbergischen Herrschaftsraum. Die Ursache seiner feindlichen Haltung ist nicht ganz klar, doch dürfte er sich im Grenzverlauf der Steiermark benachteiligt gefühlt haben, weil die Rodung in den nach Ungarn reichenden Waldgebieten allzu unbekümmert voranschritt. Kaiser Friedrich, dem an einer Teilnahme des Babenbergers gelegen war, versuchte vergeblich zu vermitteln. So musste Liupold V. trotz seiner heftigen Begierde, gegen die Feinde Christi zu streiten, vorerst zu Hause bleiben, um sein Herzogtum nicht zu gefährden. Der Kaiser zog mit dem Hauptheer die Donau von Regensburg aus abwärts und erreichte im Mai 1189 Mauthausen, bereits babenbergisches Territorium.
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Dort wurde der übliche Zoll gefordert, was Friedrich Barbarossa ergrimmte und zur Zerstörung der Stadt reizte. Warum die Zöllner die Privilegien der Kreuzfahrer nicht beachteten, wird nicht mitgeteilt. Dass sie in die eigene Tasche arbeiten wollten, was bei der Masse der Reisenden zweifellos rentabel gewesen wäre, ist eine bloße Spekulation und eher unwahrscheinlich. Jedenfalls bewies der Kaiser, dass er auch im Lande des befreundeten und von ihm wiederholt begünstigten Fürsten nicht gesonnen war, irgendwelche Behinderungen seines frommen Unternehmens zu dulden. Liupold V. kam denn auch Friedrich Barbarossa ehrerbietig entgegen und geleitete das Kreuzheer nach Wien – damals schon die größte Stadt des Landes. Er verteilte Geschenke und sorgte offensichtlich dafür, dass für die Kreuzfahrer notwendige Waren auf dem Wiener Markt zum Verkauf bereitstanden. Die Herzogsstadt hatte bisher ja noch nie eine derartige Zahl von Menschen zu versorgen gehabt. Dass dies wohl gelang, spricht für das rasche Wachstum der Stadt binnen einer Generation, aber auch für die günstigen Handelsverbindungen zum oberdeutschen und ungarischen Raum. In Wien ließ der Kaiser eine Heerschau abhalten. Beim Aufbruch in Regensburg hatten sich entgegen der kaiserlichen Anordnung zahlreiche dubiose Elemente den kampferprobten Rittern beigemengt. Diese wurden nun in Wien ausgeschieden, um mit einem gut organisierten Heer den unsicheren Weg durch Ungarn antreten zu können. Ehebrecher werden genannt und Diebe sowie nicht näher charakterisierte homines inutiles (unnütze, nutzlose Menschen), für eine Kreuzfahrt gänzlich ungeeignete Leute. Eine Woche mindestens verbrachte das Heer in Wien, was Liupold V. keine geringen Kosten verursachte. Traurig gab er dem Kaiser noch das Geleit bis zur ungarischen Grenze bei Pressburg, nachdem er das für seinen Kreuzzug gesammelte Geld hatte verteilen lassen. Dort auf dem sogenannten „Vierfeld“ nahm Barbarossa noch eine Heeresmusterung vor, ehe er den Ungarnkönig traf, der ihn bis an die Grenzen des byzantinischen Reiches im heutigen Bulgarien leitete. In Wien hatte Liupold V. seine fromme, kreuzfahrerliche Gesinnung auch praktisch bewiesen, als er dem Bischof von Freising die Gerechtsame für dessen Besitzungen in Österreich überließ. Er verzichtete auf wertvolle Rechte, die sein Vater Heinrich Jasomirgott dem Bischof nur für die Dauer von dessen Pontifikat zugestanden hatte, weil er sich auf den Paragrafen über die herzogliche Gerichtsbarkeit des Privilegium Minus berief. Auch von den Baben-
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bergern zu Lasten von Klöstern begangene Ungerechtigkeiten wurden nun bereinigt. Je näher der Herzog seinem endlich möglich gewordenen Aufbruch kam, desto mehr wurde die Kirche beschenkt, und selbst seine Begleiter ersuchten ihn um die Vermittlung von Schenkungen, was deren Wert steigerte und erhöhte Rechtssicherheit für die Empfänger bedeutete. War es doch vorgekommen, dass heil zurückgekehrte Kreuzfahrer, die vor Antritt der Reise ins Heilige Land Güter vergeben hatten, diese wieder an sich ziehen wollten. Da war der mitsiegelnde oder gar als Aussteller fungierende Herzog eine Garantie dafür, dass solche Beliebigkeiten nicht möglich waren. Ende des Jahres 1189 erhielt Liupold V. Nachricht von den deutschen Kreuzfahrern. Zunächst richtete Bischof Diepold von Passau ein Schreiben an ihn, in dem er vom bisherigen Verlauf des Heereszugs erzählte. Dieser Brief ist ein Spiegel der Schwierigkeiten, die ein solcher Zug durch feindliche Gebiete mitsamt wenig informierten, nur auf ihren augenblicklichen Vorteil bedachten oder heimlich gegen die Abendländer aufgereizten Volksgruppen bedeutete. In den ungarisch-bulgarischen Grenzwäldern wurden viele Kreuzfahrer durch aus dem undurchdringlichen Hinterhalt abgeschossene Pfeile verletzt. Einige dieser hinterlistigen Feinde wurden ergriffen und auf den Waldbäumen aufgehängt. Die freundliche Aufnahme durch den serbischen Herrscher, der an Kaiser und Fürsten wertvolle Geschenke verteilen ließ, war aber keine Garantie für ein klagloses Weiterkommen. Gerade der als Führer mitgegebene dux erwies sich als Verräter: In den Engtälern wurden die Kreuzfahrer mit einem Speer- und Steinhagel begrüßt, Räuberbanden und Landschädlinge aller Arten wurden zur gewaltsamen Behinderung des Kreuzheeres aufgerufen. Die Nachtwache wurde von einer dreimal größeren Schar angegriffen, die erst nach hartem Speer- und Schwertkampf zurückgeschlagen werden konnte. Auch hier statuierten die kaiserlichen Truppen ein Exempel, indem sie die Fliehenden überwältigten, sie an die Beine der Pferde gebunden ins Heerlager schleiften und sie dort an den Füßen aufhingen. Eine andere Taktik der Bevölkerung war es, Orte zu verlassen und Nahrungsmittel und Trinkwasser mitzunehmen, was bei den Kreuzfahrern keine geringe Not hervorrief. Dazu kamen Fieber und Dysenterie und der bestialische Gestank von Leichen, die nach einem Kampf bei Philippopel (Plovdiv) liegen geblieben waren. Der byzantinische Kaiser konnte seine Versprechen, was das sichere Geleit der Reichstruppen betraf, nicht einhalten und wollte dies anscheinend auch keineswegs. Die
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Auseinandersetzung mit den wortbrüchigen Byzantinern, deren Hochmut und Anmaßung nicht zu überbieten waren und die sich nicht scheuten, die Gesandten Barbarossas schimpflich gefangen zu halten, brachte das deutsche Heer in zusätzliche große Schwierigkeiten. Der Brief des Passauer Bischofs wird kaum Übertreibungen enthalten und hat gewiss Herzog Liupold in seiner Auffassung bestärkt, dass es besser wäre, den Seeweg ins Heilige Land zu nehmen. Auch der Kaiser selbst wandte sich aus Philippopel an seinen consanguineus und berichtete über den Bruch des Nürnberger Abkommens mit Kaiser Isaak II. Angelos. Dieser habe freien, ungestörten Zugang zu den Märkten und die Möglichkeit, Geld zu wechseln, zugesagt, wovon jetzt keine Rede sein könne. Auch werden dem Herzog kaiserliche Schreiben anvertraut, die er dem Papst überbringen lassen solle, was durch niemand besser und kompetenter geschehen könne als eben durch den Babenberger. Zuletzt bittet der Kaiser um dessen Gebet für ihn und das Heer. Es wird aus diesen Worten klar, dass Liupold V. schon sehnlichst erwartet wurde. Da türmte sich plötzlich ein anderes Hindernis vor dem Herzog auf, das schwer zu überwinden war. König Heinrich VI., Friedrich Barbarossas Sohn und designierter Nachfolger, verlangte Heerfolge bei seinem Zug nach Süditalien und Sizilien, wo er sich allen Widerständen zum Trotz sein Herrscherrecht erkämpfen wollte. In dieser prekären Lage sprang Heinrich von Mödling für seinen Bruder ein. Er eilte mit einer kriegerischen Mannschaft nach Italien, um dem jungen König in Apulien gegen eine auch von England unterstützte stauferfeindliche Partei des normannischen Adels beizustehen. Da auch vom ungarischen König keine unmittelbare Gefahr mehr drohte, konnte sich Liu pold V. endlich auf den Weg machen. Seine Begleiter dürften nicht allzu zahlreich gewesen sein; überwiegend Ministeriale, nur wenige Edelfreie und ein lothringischer Graf, der wohl seinerseits über ein bescheidenes Gefolge verfügte. Liupold V. war von Anfang an gesonnen, den Seeweg ins Heilige Land zu nehmen. Die Nachrichten, die ihm Bischof Diepold übermittelt hatte, bestätigten eindringlich, dass er die richtige Wahl getroffen hatte. Am Tag Mariae Himmelfahrt (15. August) war er von Wien aufgebrochen und zog nach Venedig. Der Beginn einer wichtigen Unternehmung wurde stets mit einem Fest des Kirchenjahres verbunden. Das war aber nicht nur Zeichen beson-
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derer Frömmigkeit und der Versicherung eines ganz speziellen himmlischen Schutzes, sondern fast die einzige Möglichkeit einer genauen Angabe des Datums. Feier- und Heiligentage ermöglichten eine Orientierung, die über größere zeitliche Abstände anders nicht zu gewinnen war. Mitte Oktober kam der Herzog in Venedig an, musste in der Seestadt aber längere Zeit Aufenthalt nehmen. Dort wird er die Nachricht vom unerwarteten Tod des Kaisers erhalten haben. Noch im Spätherbst 1190 wollte er daher die Seereise nach Palästina antreten. Doch die Venezianer lehnten eine Fahrt über das stürmisch-novemberliche Mittelmeer ab und brachten Liupold V. und seine Leute ins dalmatinische Zara (Zadar), wo er genötigt war zu überwintern. Erst im Frühjahr (April oder Mai) 1191 traf der Babenberger in der Hafenstadt Akkon ein, die von den Kreuzfahrern schon einige Zeit belagert wurde. Vom großen Heer des Kaisers waren nur mehr wenige Truppen vorhanden. Ungewohnte Hitze und feindliche Attacken hatten die Mannschaft erheblich dezimiert, noch mehr aber Hunger, Durst und epidemische Krankheiten (in den Quellen meist als Pest bezeichnet). Herzog Friedrich von Schwaben, der Sohn Barbarossas, hatte nach dessen Tod im südlichen Anatolien – wohl ein Herzinfarkt im eiskalten Wasser des Flusses Saleph (Göksu) – das deprimierte deutsche Heer weitergeführt. Vor Akkon erlag er dann selbst einer Krankheit; andere traf dasselbe Schicksal, wieder andere traten die Heimreise an. Mit den Deutschen waren auch Ritter und Söldner der italienischen Handelsstädte eingetroffen; so zählte zum Reichsheer der mit den Babenbergern verwandte Markgraf Konrad von Montferrat und sein Gefolge. Doch fehlte es an einer maßgeblichen, einheitlichen Führung, und als die Könige von Frankreich und England eintrafen, rückten die noch vorhandenen Angehörigen des Reichsheeres gleichsam ins zweite Glied. Das große Wort führte nun Richard I., wegen seiner anerkannten Tapferkeit mit dem Beinamen Löwenherz, den König Philipp II. von Frankreich mit scheelen Blicken betrachtete. Richards reiche Geldmittel, die zum Teil auf gewaltsame Weise erworben worden waren, sorgten für dessen Beliebtheit, die den französischen König weit in den Schatten stellte. Mit dieser Situation musste sich nun Herzog Liupold abfinden. Seine österreichische Mannschaft war eine unzureichende Ergänzung des in Auflösung begriffenen Reichsheeres. Dementsprechend bescheiden war wohl die Wertschätzung, welche er von den Königen erfuhr und die keinesfalls seine Erwartungen erfüllte. In Wien bei der Verabschiedung des Kaisers noch
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durfte er auf ein hohes Ansehen im Heiligen Land hoffen, nun aber war er nur ein Fürst unter anderen, ohne Rückhalt der kaiserlichen Huld und mit einem bescheidenen Gefolge, das kaum Eindruck zu machen imstande war. Damit konnte er weder erwarten, in alle wesentlichen Überlegungen vor Akkon einbezogen zu werden, noch eine derartige Rücksichtnahme ertrotzen oder gar Zwang ausüben. Das ist zu bedenken, wenn man das folgende Geschehen verstehen will. In einer solch angespannten Lage sollte Akkon mit sinnvoll agierenden Kräften in geplanter Zusammenarbeit zu Fall gebracht werden. Die Stadt widersetzte sich bereits zwei Jahre den Bemühungen der Christen, die durch diese ständige Erfolglosigkeit, die Eifersucht der Anführer, die nationalen Gegensätze und die zunehmende Not, die eigene Existenz zu erhalten, immer weiter von ihrem Ziel entfernt schienen. Verzweifelte Versuche, die Stadt mit einzelnen Heeresgruppen zu erstürmen, um die Übrigen von Ruhm und Beute auszuschließen, brachten nichts ein. Inwieweit sich Herzog Liupold an solchen Sturmangriffen beteiligte, wissen wir nicht: Es hätte seinem heftigen Kampfeswunsch entsprochen und zugleich hätte man sich auf diese Weise gegen die Übermacht der englischen und französischen Belagerer behaupten können. Überliefert ist jedoch nichts dergleichen. Da fiel Akkon fast kampflos in die Hände der Christen. Von Saladin zu lange in Stich gelassen, ergab sich die Besatzung am 12. Juli 1191. Richard Löwenherz garantierte dieser freien Abzug. Philipp II. von Frankreich war schon vorher erbittert über die anmaßende Haltung des englischen Königs abgereist, sodass Richard rücksichtslos seine Interessen forcieren konnte. Er verlangte die Freilassung christlicher Gefangener, die Herausgabe des Heiligen Kreuzes, die Wiederherstellung des Königreichs Jerusalem und die Zahlung von 200.000 Golddinaren. Als diese Bedingungen aber nur lax und ungenau erfüllt wurden, ließ er mehr als zweitausend Mann töten, die nicht als aussichtsreiche Lösegeldbringer infrage kamen. Ritterliche Heldentaten, bei denen sich der österreichische Herzog auszeichnen wollte, waren unter diesen Umständen nicht möglich. Es kam ja zu keinem Kampf Mann gegen Mann, etwa bei der Überwindung von Gräben oder beim Erklimmen der Mauern. Als dann die Stadt so sang- und klanglos an die Christen überging, hatten nur König Richard und die Führer des französischen Hee-
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res über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Es wurde eine Kommission von je hundert Rittern eingesetzt, die die gegenseitigen Ansprüche feststellen und aufrechnen sollte. Für die Deutschen und Italiener, vor allem die Reste des kaiserlichen Heeres, blieb da nichts übrig. Vergebens hatten sie weitaus am längsten Entbehrungen aller Arten auf sich genommen und das völlige Schwinden ihrer Geldmittel mit ansehen müssen. Liupold V., der in einem regulären kaiserlichen Heer zu den angesehensten Fürsten und zu jenen gehört hätte, deren Beuteanspruch vorrangig behandelt worden wäre, fiel nun als Außenseiter mit einer lächerlich kleinen Gefolgschaft – die wohl nicht einmal mehr vollzählig war – kaum ins Gewicht. Man konnte über seine Ansprüche hinweggehen wie über diejenigen anderer deutscher und italienischer Fürsten auch. In dieser deprimierenden Lage muss es zu jenem berüchtigten Eklat gekommen sein, der für die meisten historisch interessierten Österreicher mit dem Namen Richard Löwenherz verbunden ist. Der englische König ließ angeblich das Banner des Herzogs vor oder von einem Gebäude der Stadt Akkon herunterreißen. Die traditionelle Überlieferung lässt Herzog Liupold einen wichtigen Turm Akkons erobern, den er mit seiner Fahne kennzeichnete. Tatsächlich wissen wir jedoch, dass es zu einer Eroberung nach harten Kämpfen gar nicht gekommen war. Nach der vollzogenen Kapitulation waren an den Toren Wachen aufgestellt worden, die nur Engländer und Franzosen in die Stadt ließen. Doch ist kaum anzunehmen, dass diese Regelung auch für Fürsten gegolten haben wird. Liupold V. wird also Akkon betreten haben, nach einer Quelle habe er sich dabei seine Fahne vorantragen lassen. Diese wäre dann vor oder auf einem Haus aufgepflanzt worden. Da man Akkon aber nicht nach Kampf, sondern letztlich auf billige Weise gewonnen hatte, konnte das Banner nicht als bloßes Siegeszeichen, als Symbol für besondere Tapferkeit angesehen werden. Es lag darin ein sichtbarer Anspruch auf einen Teil der Beute. Das war nach dem englisch-französischen Abkommen jedoch unannehmbar und hätte leicht Schule machen können. Richard musste also schnell handeln, um nicht ein Präjudiz zu schaffen. Das Abreißen des herzoglichen Banners bedeutete die signifikante Ablehnung eines Beuteanspruchs. Dass die Lage in dieser Angelegenheit äußerst gespannt war, geht aus dem Bericht hervor, der von Zusammenrottungen deutscher und italienischer Ritter spricht. Angehörige des Templerordens versuchten zu vermitteln, doch blieb Richard Löwenherz bei seiner Regelung der Beuteangelegenheiten.
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Abb. 10: Der Kaiser überreicht Herzog Liupold V. die rotweißrote Fahne
Jedenfalls hat Liupold V. nicht lange nach diesem Zwischenfall das Heilige Land verlassen, da das Unternehmen für ihn jeden Sinn verloren hatte. Wahrscheinlich waren seine Mittel erschöpft, zumindest erlaubten sie kein standesgemäßes, prächtiges Auftreten, dessen Bedeutung ja eben schmerzlich erfahren worden war. Von seinen Begleitern dürfte ein Einziger übrig geblieben
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sein; Aussicht auf Ruhm und Beute waren gleichermaßen dahin. Noch Ende des Jahres 1191 scheint er wieder in Österreich gewesen zu sein. Richard Löwenherz hatte noch ein weiteres Jahr mit Saladin und den zerstrittenen Christen zu tun. Er vergeudete in draufgängerischer, aber wenig durchdachter Weise Geld und Menschen, ohne irgendeine Eroberung zu machen. Jerusalem blieb trotz eines Sieges über Saladin in muslimischer Hand, den Christen wurde weitgehend freier Zugang gewährt. Sein Ziel hatte dieser aufwendige Kreuzzug, an dem die bedeutendsten Herrscher Europas teilgenommen hatten, nicht erreicht. Für das römisch-deutsche Reich und sein überlegt zusammengestelltes Heer war das Unternehmen nach dem Tod des alle mitreißenden und in ganz hohem Ansehen stehenden Kaisers eigentlich vorbei. Die Belagerung von Akkon war nur mehr ein Nachspiel, dass keinen wirklichen Erfolg mehr ermöglichte und für den österreichischen Herzog nur enttäuschend verlief. König Richard hingegen hatte an Prestige und Ruhm merklich gewonnen. Aufgrund seiner Kühnheit, Tapferkeit und Leutseligkeit sowie seiner Freigebigkeit war er zu einer legendären Gestalt geworden; ein ritterlicher Held und König im Sinne dichterischer Verherrlichung, für die Araber aber ein Schrecken. Solches zu vollbringen und Ansehen bei Freund und Feind zu erwerben, war auch Liupolds Ziel gewesen. Andere Ritter als Gefolgsleute zu gewinnen und mit entsprechenden finanziellen Möglichkeiten an sich zu binden, als Muster christlichen Rittertums ehrfürchtig genannt zu werden, das war bedeutsam in einer Welt, in der die Kriterien und Werte einer kriegerischen Aristokratie sich in der Lebensform spiegeln sollten. Die Angelegenheit um das babenbergische Banner in Akkon darf nicht aus der realpolitischen Sicht von heute beurteilt werden. Richard nahm mit seinem Befehl Liupold die Möglichkeit, sich ritterlich hervorzutun und danach geschätzt zu werden, indem er mit einem Schlag verhinderte, dass er sich die wirtschaftlichen Voraussetzungen dafür verschaffte. Der Abreisende musste einen tiefen Groll gegen den Verhinderer seiner Größe hegen, der skrupellos den eigenen Glanz förderte. Nicht so gut stand es aber um Löwenherz im Bereich der europäischen Politik, in der er nach dem Kreuzzugsabenteuer wieder agieren musste. Da hatte er wenig Freunde: Seine Arroganz und Überheblichkeit, das Pochen auf seine überlegenen finanziellen Mittel – also menschliche Züge – wurden in einer
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von persönlichen Elementen bestimmten Politik nicht ohne Weiteres hingenommen. Die Rücksichtslosigkeit, mit der er in der politischen Landschaft seinen Interessen folgte, aber auch nur Unfrieden stiftete, und sein mangelndes Gefühl für das Mögliche brachten den Kaiser, den französischen König, seinen eigenen Bruder Johann, aber auch weniger bedeutende Fürsten gegen ihn auf. Mit der Akkonfahrt verbunden wurde stets die Entstehung des österreichischen Wappens, des Bindenschildes: rot-weiß-rot (heraldisch richtig in Rot ein silberner Balken). So soll Herzog Liupold so tapfer gekämpft haben, dass sein weißer Waffenrock von Blut überströmt war, das nur den durch den breiten Gürtel geschützten Teil weiß gelassen hätte. Diese Überlieferung taucht allerdings erst im 14. Jahrhundert auf, als man den Herzog im Heiligen Land kühn und ritterlich gegen „die Heiden“ streiten ließ. Dagegen weiß man ja, dass es zur kampflosen Übergabe Akkons gekommen war und vorher höchstens Rammböcke und Schleudermaschinen eingesetzt worden waren, was sicher nicht zu den Aufgaben des höfisch-ritterlichen Herzogs gehörte. Die Erzählung stammt eindeutig aus dem literarischen Genre der Wappensagen, deren Sinn es war, die Entstehung von Wappen an bestimmte einzelne (für das wappenführende Geschlecht ruhmvolle) Geschehnisse zu knüpfen. Tatsächlich taucht der Bindenschild erstmals beim letzten Babenberger Friedrich II., dem Enkel Liupolds, im Jahre 1230 auf.
3.
Doppelherzog und Weltpolitiker: Liupold V.
War das Kreuzzugsabenteuer für den Herzog sehr unerfreulich und ergebnislos verlaufen, so sollte das folgende Jahr 1192 durchaus positive Ereignisse bringen, die Liupold V. politisch, macht- und prestigemäßig weit voranbrachten. Am 8. Mai des Jahres starb Herzog Otakar IV., erst 29 Jahre alt, nach schwerer, sich stets verschlechternder Krankheit ohne Nachkommen und wurde neben seinem Vater in Seitz (Zice), der ältesten Kartause auf Reichsgebiet, einer traungauischen Gründung (1160), zur Ruhe gebettet. Die mündliche Regelung von 1186 musste nun für Herzog Liupold V. von Österreich wirksam werden, zumal Kaiser Friedrich I. den Vertrag schon gebilligt und durch die Hinzu-
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fügung der reichsrechtlichen Belehnung wesentlich ergänzt hatte. Dennoch begab sich Liupold schnurstracks nach Worms, wo er sich vom neuen Kaiser Heinrich VI. noch einmal das Herzogtum Stirie übertragen ließ. Schon im Juni 1192 hielt der österreichische Herzog in Graz eine große Versammlung ab, um sich dem landsässigen Adel, den mächtigen steirischen Ministerialen und dem Klerus vorzustellen und deren Huldigung entgegenzunehmen. Die Steiermark hatte zu dieser Zeit als Reichslehen nicht den Umfang des heutigen Bundeslandes, doch überschritt sie durch den reichen Eigenbesitz der Otakare dessen Grenzen. So gehörte der Traungau, das Gebiet zwischen dem Ischlland und der Enns, ebenso dazu wie das Gebiet der Grafschaft Pitten mit dem Piestingfluss als nördlicher Grenze. Im Süden brachte das Erbe der Grafen von Spanheim die Gegend um Pettau im Drau-Save-Gebiet. Gegen Ungarn zu war durch energische Rodung Land gewonnen worden. Ergänzt wurde dieses zahlreiche Eigengut durch Lehensgüter (z. B. vom Erzbischof von Salzburg), durch Hoheits- und Gerichtsrechte, durch Regalien (Berg-, Jagd-, Münz-, Judenregal) sowie durch die Vogteien über fast alle steirischen Klöster und Stifte mit Ausnahme von Admont, das schon unter babenbergischer Vogtei stand. Man kann sich das lebhafte Interesse Liupolds V. an einer Übernahme der Steiermark vorstellen. Beide Herzogtümer in einer Hand waren vielleicht für das staufische Kaisertum, das große Machtkomplexe solcher Art grundsätzlich zu verhindern trachtete, Grund zur Besorgnis. Es spricht für das gute Verhältnis zwischen den Staufern und Liupold V., dass ihm solches Vertrauen entgegengebracht und diese Personalunion gestattet wurde. Konnte man den Babenberger in Übereinstimmung mit der kaiserlichen Politik halten, musste hingegen die Stellung des Reiches im Südosten bedeutend gestärkt werden. Stellte der Erwerb der Steiermark also für die Babenberger wegen der weit entwickelten landesherrlichen Möglichkeiten einen beträchtlichen Gewinn dar, so gab es einen Bereich, der dem übrigen nicht gleichkam: das Siedlungswesen, insbesondere die Städte. Die Gründungen und im Gefolge der Rodung entstandene Siedlungen waren ziemlich bescheiden und meist ohne weiterwirkende Funktion. Anders als in Österreich, wo die Donau eine Siedlungskontinuität seit der Antike ermöglichte, wenn diese auch vereinzelt wenig wirksam war, hatte die Steiermark nichts Vergleichbares aufzuweisen. Die häufigsten Siedlungen waren sogenannte Gassen- oder Platzmärkte, während
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in Österreich Angerdörfer und geplant angelegte Straßendörfer vorherrschten. Es ist charakteristisch, dass die Otakare ihren Hauptsitz weiterhin in Steyr hatten. Nur Graz entwickelte sich allmählich zu einer volkreicheren Siedlung, wozu die günstige Lage im fruchtbaren Grazer Feld und vielleicht auch die Nähe zu den alten markgräflichen Festungen Wildon und Hengistburg beitrugen. Liupold V. förderte hingegen das Städtewesen, auch wegen der Einnahmen, die städtische Abgaben für die herzogliche Kammer bedeuteten. Hier sollte er für die Steiermark noch Bedeutendes leisten. Sein besonderes Interesse galt freilich seiner Residenzstadt Wien. Nachdem eine Festsetzung als bayerischer Herzog auf lange Sicht nicht gelungen war, hatte Liupolds Vater, Heinrich Jasomirgott, aufbauend auf Ansätzen seines Bruders Liutpald IV., begonnen, Wien als Hauptsitz der Babenberger und Herzogsstadt auszugestalten und herzurichten. Die Stadt wuchs und zog Menschen aus der näheren Umgebung, aber auch aus dem bayerischen Raum an. Die maßgebenden Bewohner der Stadt waren wohl zunächst babenbergische Gefolgsleute, die vielfach als Urkundenzeugen überliefert sind. Wie wir schon gesehen haben, nannten sie sich nach dem Ort ihrer Lehen und Niederlassungen auf dem Gebiet des heutigen Wien und seines Einzugsgebiets. Gegen 1170 hören wir von einer Bürgergemeinde, deren selbstständiges Agieren aber durch die Residenz des Herzogs eingeschränkt war. Jedenfalls hat Wien als Marktort unter Liupold V. einen beträchtlichen Aufschwung genommen. Die Hauptroute des Handels führte die Donau entlang: von den oberdeutschen Handelsstädten Augsburg, Ulm oder Regensburg, die ihrerseits mit dem überragenden Handelsplatz Köln in Verbindung standen, nach Ungarn und zurück. Hier kam Wien bald eine nicht unwichtige Stellung zu, und um diese zu erhöhen, erteilte der Herzog Handelsprivilegien. Ein solches wurde am 9. Juli 1192 für die Kaufleute aus Regensburg, die in Wien ihre Waren niederlegten, gewährt. Freiheiten und Rechte im Handel und dem dadurch oft notwendigen Gerichtswesen wurden urkundlich festgelegt. Wie nicht selten erlauben solche Bestimmungen eine Annäherung an den sozialen Hintergrund der Zeit in seinen alltäglichen Voraussetzungen und werfen, einfach gesagt, ein Schlaglicht auf die städtischen Verhältnisse am Ausgang des 12. Jahrhunderts. Auf den ersten Blick überraschend sind die vielen Paragrafen, die sich auf körperliche Insulte beziehen und das Privileg eröffnen. In typisch volksrecht-
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licher Weise fehlen zusammenfassende, mehr aufs Allgemeine gerichtete Tatbestände, hingegen werden viele Variationen eines solchen geschildert. Wir hören von beigebrachten Verletzungen, die zur Lähmung führen; von solchen, die sich auf einen Blutverlust beschränken, und schließlich von Totschlag. Auch werden Faust- und Stockschläge, die Schwellungen erzeugen, genannt. Dabei hören wir erstmals von einer Ersatzstrafe: Wird die sonst übliche Strafsumme nicht geleistet, kann der Delinquent „an Haut und Haaren“ gestraft werden. Deutlicher wird eine Bestimmung, die sich auf das Verabreichen von Ohrfeigen und auf Haarausreißen bezieht. Hier wird die Ersatzstrafe für den Fall der Zahlungsunfähigkeit des Täters klar angegeben: Es sind vierzig Stockschläge in Gegenwart des Richters. Dasselbe Strafmaß ist für Beleidigungsdelikte festgesetzt: Dabei werden die häufigsten oder gleichsam klassischen Beschimpfungen, wie sie im Marktgeschehen vorkommen, angeführt. Neben den nicht näher bezeichneten verba contumeliosa (Schimpfwörtern) scheinen vor allem Hurensohn, Hundesohn (eigentlich Sohn einer Hündin, was demselben Vorstellungsbereich angehört) und Dieb gebräuchlich gewesen zu sein. Letzteres ist wohl aus dem alltäglichen Marktgeschehen mit seinen diebischen Möglichkeiten zu verstehen. Man wird sich das Markttreiben in den Städten des 12. und 13. Jahrhunderts als ein sehr bewegtes vorzustellen haben, bei dem Streitigkeiten, Prügeleien – überhaupt eine beachtliche Aggressionsbereitschaft – an der Tagesordnung waren. Konkurrenz und Wettbewerb schufen eine Atmosphäre von latenter Gegnerschaft, persönliche und private Rivalitäten taten ein Übriges. Aufgrund dieser Strafbestimmungen kann man einen unverblümten Umgangston, ein von rücksichtsloser Durchsetzung bestimmtes Verhalten und eine gewisse gesellschaftliche Roheit im Grundsätzlichen vermuten, die auch von der richterlichen Obrigkeit quasi anerkannt wird. So darf man auf dem Markt seinen Bedienten prügeln – selbstverständlich straflos. Auch die letzten Paragrafen des Privilegs weisen in diese Richtung. Dort geht es um Fälle des außerehelichen Geschlechtsverkehrs, dessen Notwendigkeit für Kaufleute auf Reisen wohl verständlich ist. So ist der Beischlaf mit einer freien Frau, die sich damit einverstanden erklärt, kein Straftatbestand, was in der klaren Form der Absage bei den allgemein gültigen, ja verpflichtenden christlichen Moralgeboten doch verwundert. Dirnen durfte man offensichtlich recht unbekümmert ausnützen und sie auch bedenkenlos misshandeln. So benötigte eine vom Freier geohrfeigte und an den Haaren gerissene Prostituierte
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das Zeugnis eines ehrenwerten Mannes (honestus), um eine Bestrafung des Missetäters zu erreichen. Eine Hure, die man nach dem Beischlaf um ihren Lohn prellt, wird mit einer Klage wegen Notzucht abgewiesen. Obwohl es sich bei den Dirnen um gesellschaftlich Ausgegrenzte handelt, die kaum Anspruch auf Rücksicht oder gar Rechtssicherheit haben, ist dieses indirekt vermittelte Verhalten doch ein Zeugnis für eine rohe Lebenswelt der städtischen Schichten. Von diesen strafrechtlichen Bestimmungen eingerahmt sind die eigentlichen Handelsprivilegien. Auch sie zeichnen sich durch eine Vielfalt aus, mit der relativ wenige Fragen geregelt werden. An Handelsgütern werden Tuche jeder Art, Felle und Gold genannt, daneben auch Fische, die sich zum Einsalzen eignen, also wohl Heringe, deren Transport ja besondere Schwierigkeiten bereitete. Es wird hieraus deutlich, dass man in Wien mit diesen von raschem Verfall bedrohten Produkten der Nord- und Ostsee durchaus versorgt werden konnte. Grundsätzlich erklärt sich Herzog Liupold für die Freiheit des Handels, doch nimmt er ausdrücklich Silber davon aus. Es ist anzunehmen, dass er damit einer Verknappung dieses für die Münzprägung notwendigen Edelmetalls in Österreich vorbeugen wollte, die sich damals noch auf die Kremser Pfennige bezog. Dass dieses feierliche Privileg von 1192, das unter den Zeugen zahlreiche Grafen und hervorragende Ministerialen des Herzogs anführt, in Latein abgefasst wurde, zeigt seine öffentliche Bedeutung. Für die Handelspraxis war die lateinische Sprache hingegen kaum geeignet, und so mussten zumindest bestimmte Begriffe von Handelsbräuchen und -gütern in der Volkssprache wiedergegeben werden, um bei Streitigkeiten allen Parteien die Gewissheit zu geben, dieselbe Sache zu meinen. So hören wir vom lîtcofare, dem üblichen Trunk bei Abschluss eines Geschäfts, vom cramgiwant und vom wagengiwant, womit handelsübliche Stoffe gemeint sind, von der last als einem bestimmten Hohlmaß, von muta, der Maut, und dem wirt, jenem vir honestus, dessen Aussage für die misshandelte Dirne von entscheidender Bedeutung war und der überhaupt eine wesentliche Bezugsperson im städtischen (nicht nur Rechts-) Alltag darstellte. Auch die violentia im besonderen Fall (Notzucht) wird als notnumft der städtischen Bevölkerung verdeutlicht. Auskunft gibt das Privileg für die Regensburger auch über die wichtigsten Marktorte an der österreichischen Donau: Mauthausen, Melk, Stein, Tulln
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und Wien werden genannt, daneben noch im Binnenland St. Pölten. Auffällig ist die Nennung der Ruzarii, womit eigentlich Russen gemeint sind, was bei der Hervorhebung des Fellhandels nicht verwundern wird. Wahrscheinlich werden aber Händler aus dem nicht abendländischen Osten generell so bezeichnet worden sein. Hatte der politische Erfolg des Jahres 1192 die unselige Kreuzfahrt einigermaßen vergessen lassen, so sollte der Herzog in dessen letzten Tagen, zu Winteranfang, an dieses Geschehen nachhaltig erinnert werden. Richard Löwenherz hatte am 9. Oktober 1192 das Heilige Land verlassen, wurde aber mit seinem schnellen Schiff durch anhaltende Stürme in die Adria verschlagen. Zwischen Venedig und Aquileia musste er als Schiffbrüchiger an Land gehen und gedachte wohl, sich durch Friaul in das Gebiet des ihm wohlgesinnten Ungarnkönigs durchzuschlagen. Vielleicht jedoch plante er von Anfang an einen Eilritt, auf dem er unerkannt nach Sachsen zu seinem Schwager Heinrich dem Löwen zu gelangen hoffte. Jedenfalls war ihm wohl bewusst, dass ein solch langer Weg durch das römisch-deutsche Reich für ihn mit Gefahr verbunden sein würde. Ob Kaiser Heinrich VI. und auch Philipp II. August von Frankreich ihn gefangen nehmen wollten und daher die jeweiligen Landesfürsten aufriefen, Heer- und Landstraßen zu überwachen, ist umstritten. Mit dem Franzosen hatte sich der englische König vor Akkon heftig zerstritten, und der Kaiser konnte ihn verschiedener antideutscher Aktionen beschuldigen. Dazu mochte der Gegensatz zu Herzog Liupold V. kommen, der von Richard geschädigt und beleidigt worden war. Es galt daher, möglichst unauffällig und rasch den welfischen Machtbereich zu erreichen. Aber schon Graf Meinhard von Görz gelang es, den König zu überraschen und acht seiner Begleiter festzunehmen. Auf dem Ritt durch Kärnten begegnete den Engländern in der Nähe von Friesach Friedrich von Pettau, ein Ministeriale des Salzburger Erzbischofs. Diesem wäre es fast geglückt, Richard Löwenherz selbst zu überwältigen, doch entkam dieser letztlich mit nur drei Gefolgsleuten. Genötigt, den Weg nach Österreich einzuschlagen, wollte der englische König unbedingt eine Entdeckung vermeiden: So verkleidete er sich als Kaufmann – andere sagen als Pilger, was jedoch kaum zu einer Fortbewegung auf schnellen Pferden passte – und setzte so den Ritt fort. Dass er dann aber gerade in unmittelbarer Nähe der Residenz seines Feindes von Akkon haltmachte, ist unerklärlich
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und kann praktische Gründe gehabt haben, die nicht überliefert sind. Am 21. Dezember 1192 wurde er nahe Wien entlarvt und gefangen genommen. Als Ort der Gefangennahme wird Erdberg bezeichnet: Eine viel spätere Tradition nennt das Rüdenhaus, einen Hof der herzoglichen Jäger und Hundeführer, an den noch heute die Rüdengasse im dritten Wiener Bezirk erinnert. Rund um dieses Ereignis hat sich eine dichte epische Überlieferung gebildet, die märchen- und sagenhafte, ja sogar schwankhafte Elemente enthält und den historischen Tatbestand nur undeutlich erkennen lässt. Schon dass der König an einem Ring oder einem in Wien kaum gesehenen byzantinischen Goldstück, womit er einen seiner Männer zum Einkauf aussandte, erkannt wurde, hat Märchencharakter, obwohl dies durchaus den historischen Gegebenheiten entsprechen könnte. Seine Verkleidung und die Notwendigkeit für Richard, unerkannt zu bleiben, schufen die Voraussetzungen für eine bildhafte, literarische Ausgestaltung von Aufenthalt und Tätigkeit des Königs vor der Gefangennahme. Verschiedene Überlieferungen sprechen von ihm als Bratenwender in der herzoglichen Küche. Als rußiger, mit Fett bespritzter, schwitzender, von Rauch und Dampf umhüllter Küchenknecht konnte man den König freilich nicht leicht erkennen; andererseits wäre es ja ganz unsinnig, direkt im Hause des Feindes Unterkunft zu suchen. Die Küche als schmutziger Ort schmutziger Tätigkeit schmieriger, sozial gering geachteter Leute musste den hochfahrenden König deklassieren und seinen tiefen Fall krass illustrieren. Doch wohnten dem Geschehen auch Elemente der List inne, die den schlauen Helden unerkannt am Herd seines Todfeindes weilen ließ. Dass die Geschichte vom königlichen Bratenwender in einer einfachen Form allerdings schon wenige Jahre nach der Gefangennahme des Königs mitgeteilt wird, überrascht. Freilich handelt es sich um eine Überlieferung, die im Umkreis des staufischen Kaiserhofs entstanden ist, dem an der Degradierung des Königs gelegen sein konnte. Liupold V. hat Richard Löwenherz sicherlich würdevoll und mit Respekt behandelt, wie es einem König gebührt. Auch wurde dieser nicht gefesselt oder gar in Ketten gelegt, sondern frei beweglich von entschlossenen Rittern, Ministerialen des Herzogs, bewacht. Kaiser Heinrich VI. wurde schleunigst benachrichtigt und verständigte seinerseits rasch den französischen König. Am Dreikönigstag 1193 erschien der österreichische Herzog mit seinem Gefangenen am Hoftag zu Regensburg. Dort wird man König Richard mit den
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Vorwürfen konfrontiert haben, die seine Festnahme rechtfertigten: Unterstützung der nationalen Partei in Süditalien gegen Heinrich VI., die Ermordung Konrads von Montferrat, gewählten Königs von Jerusalem, Gefangennahme Isaaks von Zypern (beide Verwandte Liupolds V.), Verunglimpfung von dessen Banner und Schmähung aller Deutschen in Palästina. Auch die kräftige Hilfeleistung für Richards Schwager, Heinrich den Löwen, wird angesprochen worden sein, die ja später in den Verträgen bezüglich der Freilassung eine Rolle spielt. Mit dem Kaiser konnte sich Liupold allerdings zunächst nicht einigen und so führte er seinen wertvollen Gefangenen wieder nach Österreich zurück, um ihn einstweilen auf der Burg Dürnstein im Gewahrsam der Kuenringer festzuhalten. Die Nachricht von der Gefangennahme des weithin berühmten Christenhelden verbreitete sich schnell in ganz Europa und Anfragen über das Ereignis erreichten den Herzog. Von großer Bedeutung war ein Brief Philipps II. von Frankreich, der Liupold bestürmte, Richard so lange in Haft zu belassen, bis er mit dem Kaiser oder mit dem Babenberger selbst verhandelt hätte. Der Herzog habe sich ja selbst im Heiligen Land überzeugen können, dass Richard dort perverse et contra deum et contra hominem (moralisch verderbt und gegen Gott und den Menschen) agiert hätte. Schließlich habe er ihren gemeinsamen Verwandten, Konrad von Montferrat, ermorden lassen. Obwohl Liupolds Beweggründe für die Gefangennahme König Richards nicht eindeutig klar sind und wohl ein Komplex von Motiven dazu geführt haben dürfte, stand ein Streben nach handfesten, wenn auch noch nicht genau definierbaren Vorteilen wohl obenan. Nun schien es aber plötzlich so, dass Liupold V. das getan hatte, was vielen anderen Fürsten Europas wünschenswert war. Der Babenberger errang damit das Ansehen eines Mannes, der für jedermann wichtig war und der im Rahmen der europäischen Politik Bedingungen stellen konnte. Am 14. Februar 1193 erschien Liupold in Würzburg beim Kaiser und beteiligte sich an der Formulierung eines Vertrags, der die Voraussetzungen für die Freilassung des englischen Königs schaffen sollte. Ein hohes Lösegeld wird verlangt, das zur Hälfte dem Herzog zufallen sollte, dem noch zusätzliche Zahlungen zugestanden wurden. Für den Kaiser hatte König Richard neben der riesigen Geldzahlung noch andere Leistungen, etwa die Stellung von Schiffen und Hilfstruppen, zu erbringen. Bemerkenswert ist die Bestimmung, mit der sich der Engländer verpflichten musste, eine allfällige Exkommunikation des Herzogs
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beim Papst zu verhindern. Diese schien bei allen berechtigten Gründen der Festnahme Richards nicht unwahrscheinlich, da der König ja auf der Heimfahrt vom Kreuzzug war, als er aufgegriffen wurde. Liupold rechtfertigte sein Tun gesellschaftlich wohl auch damit, dass er Ausgaben gehabt, Investitionen gemacht hatte, die umsonst gewesen waren: bei seinem materiellen wie ideellen Streben. Und der Urheber dieses Missstandes sollte dafür büßen, das heißt bezahlen. Der Würzburger Vertrag ist nicht wirksam geworden. Dennoch hat Liupold V. in der Karwoche 1193 seinen Gefangenen Kaiser Heinrich VI. überantwortet. Die Übergabe fand in Speyer statt, jener Pfalz und Bischofsstadt, die dem Trifels am nächsten liegt, der herausragenden Reichsburg, auf der König Richard zehn Monate als Gefangener zubringen sollte. In dieser Zeit kam es zu vielen Verhandlungen, die durch Interventionen unterbrochen wurden: König Philipp II. und auch König Richards Bruder Johann Ohneland boten dem Kaiser und dem Herzog Lösegeld, wenn sie den englischen König weiter gefangen halten würden. Zuletzt wiederholten sie ihr Angebot, wenn Richard Löwenherz wenigstens ein Jahr noch in deutschem Gewahrsam bliebe. Einer der Hauptanklagepunkte gegen den König, der weithin für Empörung sorgte, war die Ermordung des Richard wenig gewogenen Konrad von Montferrat, der als Kandidat des Reiches und Frankreichs für die Übernahme des verwaisten Königreichs Jerusalem vorgesehen gewesen war. Englische Quellen überliefern einen Brief an Herzog „Limpoldus von Österreich“, in dem der sogenannte „Alte vom Berge“ (Scheich el-Djebel) mitteilt, dass nicht König Richard Konrad von Montferrat ermorden ließ, sondern dieser einem Anschlag der berüchtigten Sekte der syrischen Assassinen zum Opfer gefallen sei. Diese galten als von Haschisch Berauschte jederzeit zum Meuchelmord bereit, wenn ihnen der „Alte“ den Befehl dazu gab. Bei diesem Schreiben (Datierung nach Alexander dem Großen statt nach der Hedschra!) handelte es sich um eine englische Fälschung, die den König von einer besonders verwerflichen Tat entlasten wollte, die er wohl wirklich nicht veranlasst hatte. Am 29. Juni 1193 wurde in Worms der endgültige Vertrag geschlossen. Er ist knapper und präziser als die Abmachung von Würzburg, was darauf schließen lässt, dass zusätzlich mündliche oder separat schriftliche Vereinbarungen getroffen wurden. Viele ursprünglich geforderte Verpflichtungen des Königs sollten nun in Geld abgelöst werden. Von den Zahlungen des Königs – 100.000
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(kölnische) Mark Silber, das entspricht etwa 23.000 Kilogramm – sollte die Hälfte an Liupold V. fallen und dann noch weitere 20.000. Er hatte also 70.000 Mark (ca. 16.000 Kilo Silber) zu erwarten. Von Bedeutung für die Babenberger war auch die vereinbarte Eheschließung Eleonores von der Bretagne, Richards Nichte, mit einem Sohn des Herzogs. Dem König wurde eine Frist von sieben Monaten gegeben, Eleonore an den Hof in Wien zu schicken. Über die Aufbringung des riesigen Lösegelds gibt es anschauliche Berichte englischer Chronisten. Freilich ist dabei mit Übertreibungen zu rechnen, da die einmalige Ungeheuerlichkeit dieses Geschehens auf jede erdenkliche Art hervorgehoben werden musste: Anerkannte Grundsätze, feste Regeln und traditionelle Vereinbarungen, auf denen das Leben vielfach basierte, wurden außer Kraft gesetzt. Jedermann musste seinen Beitrag leisten, um die gewaltige Summe Geldes aufzubringen: Kleriker und Laien, Weltliche und Mönche, Bürger und Bauern. Privilegien und Immunitäten wurden aufgehoben, auch Klöster und Stifte zur Zahlung gezwungen. Es kam zu drei Eintreibungsaktionen, die zum Teil gewalttätige Formen annahmen; zuletzt mussten Kirchengeräte eingeschmolzen werden. Als es noch immer nicht genug war, vertröstete man die kaiserlichen Gesandten mit der Stellung von Geiseln. Am 4. Februar 1194 ließ der Kaiser Richard Löwenherz endlich ziehen. In den letzten Wochen seiner Gefangenschaft hatten sich mehrere Reichsfürsten verpflichtet, den englischen König in seinem Kampf gegen Frankreich zu unterstützen. Sie leisteten ihm einen Lehenseid und erhielten dafür eine jährliche Zahlung versprochen. Unter diesen Fürsten wird auch Liupold V. genannt. Für ihn schien es eine günstige Gelegenheit, der Welt zu zeigen, dass er sich mit seinem einstigen Gefangenen in Einklang befände, und außerdem war es eine weitere Möglichkeit, Geld zu bekommen. Dennoch versuchte Richard Löwenherz durch Gesandte den Papst zu bewegen, dass dieser den Herzog exkommuniziere und sein Land mit dem Interdikt belege. Noch während seiner Gefangenschaft hatte seine Mutter, die berühmte Eleonore (Alienor) von Aquitanien, den Papst in dieser Sache bestürmt, doch außer einer Ermahnung an Liupold, den König freizugeben, nichts weiter bewirkt. Auch jetzt zeigte sich Cölestin III. unentschlossen und beauftragte erst im Laufe des Jahres 1194 den Bischof von Verona damit, dem Babenberger kirchliche Zensuren anzudrohen. Von diesen könne sich der Herzog nur lösen, wenn er Geld und Geiseln zurückschicke und eine Bußkreuzfahrt unternehme, die mindestens
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Abb. 11: Gefangennahme und Unterwerfung König Richards
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so lange dauern müsse wie die Gefangenschaft des Königs (also letztlich 409 Tage). Liupold V. dürfte davon verständigt worden sein, nicht aber der österreichische Klerus oder gar der Erzbischof von Salzburg als für Österreich zuständiger Metropolit und der Bischof von Passau als Diözesan. Der Herzog scheint sich darum auch nicht gekümmert zu haben. Er behielt eine harte Linie bei und schickte eine der vornehmsten Geiseln, Graf Balduin von Béthune, zum englischen König, um diesen mit Nachdruck an die noch offenen vertraglichen Verpflichtungen zu erinnern. Komme der König diesen nicht nach, so drohte Liupold die Geiseln töten zu lassen. Als grausamer, finsterer Wüterich wird er in den englischen Quellen geschildert. Daher habe Gott sein Land gestraft: So seien alle Städte verbrannt, ohne dass jemand die Ursache dafür angeben konnte. Die Donau sei über die Ufer getreten und zehntausend oder mehr Menschen seien dieser Überschwemmung zum Opfer gefallen. Felder und Wiesen seien ganz gegen den üblichen Jahreslauf vertrocknet und größte Dürre herrsche in Österreich. Die Samen verwandelten sich nicht in Pflanzen und Feldfrüchte, sondern wurden unter der Erde zu Würmern. Zuletzt starben die Adeligen des Landes wie die Fliegen. Der Herzog aber trotzte in seinem Hochmut dem furchtbaren Geschehen, ja sein Herz verhärtete sich noch. Man wird an die Plagen erinnert, die Gott über Ägypten kommen ließ, was wohl die Absicht des geistlichen Historiografen war. Die österreichischen Annalen berichten schlicht vom Hochwasser der Donau, das auch Mensch und Tier mitriss, von Bränden in Wien und einer Seuche, die nur allgemein aufgezählt und nicht näher beschrieben wird. Kein Geschichtsschreiber sah in diesen Katastrophen eine Strafe des Himmels. Ein anderer Engländer überträgt den Hass gegen Liupold V. auf die Österreicher als solche und beschreibt sie in abstoßender Weise: Sie seien übelriechend, starrten vor Schmutz, und ihre Kleidung sei im höchsten Grade unsauber, ganz zu schweigen von ihren Behausungen, die eher dem Lager wilder Bestien als menschlichen Wohnungen glichen. Für die englischen Geschichtsschreiber ist es daher offensichtlich, dass Gott zuerst das Land, das solche Ungeheuer hervorbringe, strafen werde, dann aber den Herzog selbst. Und so geschah es auch: Am Tage des heiligen Märtyrers Stephanus (26. Dezember) tummelte Liupold V. in Graz sein Pferd spielerisch auf nur durch wenig Schnee verhülltem eisigen Grund. Es kam zum Sturz, und obwohl der Herzog ein äußerst gewandter Reiter war, konnte er sich nicht vom fallenden Pferd lösen, das ihn unter sich begrub. Andere
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Quellen berichten, dass Liupold V. über den Hals des Rosses zu Boden gestürzt wäre. Jedenfalls erlitt er dabei einen offenen Bruch des Schienbeins kurz oberhalb des Knöchels. Nach den Angaben der englischen Quellen ragte der Knochen handtellergroß durch die Haut. Bald wurde der Fuß schwarz, und die Ärzte rieten zu sofortiger Amputation. Doch sie selbst wollten eine solche nicht vornehmen, und niemand fand sich dazu bereit. Da setzte der Herzog selbst ein scharfes Messer an den Knochen, und sein Kämmerer musste mit einem Hammer daraufschlagen; nach drei Hieben war die Amputation vollzogen. Selbst wenn man die weit stärkeren Nerven der Menschen des 12. Jahrhunderts in Rechnung stellt und das Aushalten von Schmerzen bei einem Ritter vorauszusetzen ist, kann man sich diesen Vorgang nur schwer vorstellen. Doch am nächsten Tag wurde ersichtlich, dass der Herzog nicht zu retten war. Erst jetzt wurde Liupold V. sein Zustand bewusst: Er befand sich im Kirchenbann, wovon er sich unbedingt vor seinem Hinscheiden lösen musste. Er ging nun auf die Forderungen des Papstes ein, befahl die Geiseln und das noch übrig gebliebene Geld zurückzugeben und versprach, sich des Weiteren dem Willen des Papstes zu unterwerfen. Sein älterer Sohn Friedrich sollte dafür bürgen und einen Sühnekreuzzug geloben. Daraufhin wurde er vom herbeigeeilten Erzbischof Adalbert von Salzburg vom Bann gelöst. Danach entsagte der Sterbende seiner weltlichen Macht und äußerte den Wunsch, als Mönch in Heiligenkreuz einzutreten. Dieses Begehren vor dem Ableben war allgemein nicht selten und ist als Willenserklärung zu werten, die dem Seelenheil und vorher der Sicherung eines christlichen Begräbnisses diente. Auf dem Totenbett nahm Liupold V. wohl auch die Teilung seines Machtbereichs vor: Sein älterer Sohn Friedrich I., der schon als Kind mit Österreich belehnt worden war, wurde als dessen Herzog bestätigt, sein jüngerer Sohn Liupold VI. erhielt die Steiermark. Er befand sich beim Kaiser in Italien, dürfte aber schon früher eine zukünftige Herrschaftsteilung verlangt haben. Auskunft darüber, warum die Bestimmungen der Georgenberger Handfeste so eklatant gebrochen wurden, bieten die Quellen keine. Am letzten Tag des Jahres 1194 ist Liupold V. gestorben. Er wurde seinem Wunsch gemäß in Heiligenkreuz bestattet, was aber erst möglich wurde, nachdem Friedrich I. seinen Schwur wiederholt hatte, dem zwölf Edle des Landes beitraten. Der Graf von Béthune, der sich mit Eleonore von der Bretagne der österreichischen Grenze näherte, hielt auf die Nachricht vom Tod des Herzogs an und kehrte mit der Braut zu König Richard zurück. Friedrich ließ nun die letzten
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Geiseln frei, konnte sie aber nicht bewegen, die noch übrigen viertausend Mark Silber mitzunehmen. Zu unsicher schien ihnen der weite Weg in die Heimat. Die Nachrufe in den heimischen Klosterannalen heben die Frömmigkeit und Tugendhaftigkeit des Herzogs hervor, ohne Besonderes zu erwähnen. Als Verehrer und Förderer des Mönchtums wird seiner gedacht, was wohl in dieser Allgemeinheit nicht zutrifft. Von Exkommunikation und dem von ihm verursachten Interdikt ist keine Rede, wie auch die Auseinandersetzung mit Richard Löwenherz keinen Widerhall in den knappen Rückblicken findet. Über die Berechtigung von dessen Gefangennahme lässt sich reflektieren, aber keine eindeutige Lösung finden. Von einem modernen, aber wie man sagen kann überzeitlichen Standpunkt aus überrascht, dass weder Kaiser Heinrich VI. noch Herzog Liupold V. die ihnen feindliche Position des englischen Königs betonten. Er wurde ja nicht als Kreuzfahrer, sondern als erbitterter politischer Gegner, der seine Feindschaft mehrfach und ausdrücklich unter Beweis gestellt hatte, gefangen genommen. Davon ist zunächst sicher auszugehen, wobei Herzog Liupold dem König auch die Schuld für das Scheitern seiner Kreuzfahrt gab. Doch mit der vollzogenen Gefangennahme traten die Rechtsgründe in den Hintergrund, und die Möglichkeit, ein gewaltiges Lösegeld und wertvolle Unterstützung zu gewinnen, beherrschte das Denken. Mit nüchterner Klugheit, aber auch Skrupellosigkeit – nicht anders als der bewunderte König Richard selbst – hatte der Herzog sein Ansehen materiell und gesellschaftlich zu ungeahnten Höhen geführt. Dass man eine Reaktion des Papstes für möglich hielt, zeigen die Versuche, Richard Löwenherz zu einer positiven Intervention vertraglich zu verpflichten. Wäre Liupold V. aber den Vorhaltungen des Papstes gefolgt und auf dessen Forderungen eingegangen, so hätte er die offensichtlich großen Vorteile der Gefangennahme wieder aus der Hand gegeben und damit sein Ansehen im Kreise der Herrscher und Fürsten bedeutend geschmälert. Die Folgen von Liupolds Sturz offenbarten dann aber die existenzielle Not des Einzelnen, der sich nach seinen religiösen Vorstellungen mit Gott und der Welt nicht mehr im Einklang wusste. Dies ist kein ungewöhnliches Phänomen: In der Spannung von wuchtiger Weltlichkeit und christlicher Gebundenheit lebte der Fürst des ritterlichen Zeitalters. Die Angelegenheit „Richard Löwenherz“ war also ein unerhört komplexes Geschehen, das man nicht nach heutigen logischen Gesichtspunkten verstehen und erklären kann.
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Abb. 12: Reinmar von Hagenau
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Bedeutsam war eine andere Form der Erinnerung an Liupold V. Ihm wurde der tief empfundene künstlerische Nachruf Reinmars von Hagenau zuteil, des angesehensten Minnesängers seiner Zeit. Er legte die Klage über den jähen, unerwarteten Tod des Herzogs der Witwe, Helene von Ungarn, in den Mund. Ihre Trauer gewinnt in der Art höfischen Empfindens Gestalt, geht jedoch über routinierte formale Glätte hinaus und spiegelt den Schmerz dieses Verlusts in den klagenden Worten der liebenden vrouwe. Was nützt es ihr, dass endlich Sommer geworden ist, die Jahreszeit der höfischen Freuden, da doch der herre Liutpold in der erde lît/ den ich nie tac getrûren sach (da doch Herr Liutpold in der Erde liegt/den ich keinen Tag traurig sah). Diese strahlende Heiterkeit, der frohe Mut, ist ein entscheidendes Kennzeichen des höfischen Menschen, dazu noch eine fürstliche Eigenschaft. Der Tod Liupolds bewirkt die persönlich empfundene, in den Dichterworten höfisch stilisierte Traurigkeit der Witwe, daneben verdunkelt er aber auch die Welt des Hofes, in der sonst heitere Kommunikation und Selbstdarstellung vorherrscht. Zuletzt wendet sich die Verlassene an Gott und bittet um gnädige Aufnahme ihres Gemahls: wan tugenthafter gast/ kam in dîn ingesinde nie (denn ein Mann mit mehr Tugend reihte sich nie in dein – himmlisches – Gesinde ein). Die Tugend wird hier als charakteristische Eigenschaft des Herzogs angeführt, wie bei den Nachrufen der lateinischen Chronisten (virtuosus). Damit ist die männliche Vortrefflichkeit gemeint und die besondere existenzielle Qualität des höfischen Menschen, weniger die moralische. Mit diesen Fähigkeiten und Gaben wird Liupold am Hof des himmlischen Herrn zweifellos eine hervorragende Stellung einnehmen. Der Hass, den die zeitgenössischen, englischen Geschichtsschreiber gegen Liupold, den Erzfeind ihres so gepriesenen Königs, hegen, wird bezüglich des Herzogs Tod auf verschiedene Art zum Ausdruck gebracht. Der Bogen der Darstellung reicht von der exemplarischen Deutung des hochmütigen, scheinbar Gott trotzenden Fürsten, der letztlich vom Thron gestoßen wird, bis zur ekelhaften Schilderung des stinkenden, von Würmern zerfressenen Leichnams, der acht Tage unbestattet bleibt. Als negative Figur hat Liupold V. in England die Zeit überdauert, bis er sogar in Shakespeares Drama „König Johann“ auftritt. Dort erscheint er unter dem Namen „Lymoges, Herzog von Österreich“, um an der Seite des französischen Königs dem Kind Arthur von der Bretagne zum englischen Thron zu verhelfen. Er verkörpert den prahleri-
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schen, aber feigen und wortbrüchigen Schurken, der von Philip Faulconbridge, dem edlen Bastard König Richards, verspottet, verhöhnt und schließlich in der Schlacht getötet wird. Faulconbridge erscheint mit seinem Kopf auf der Bühne. Shakespeare verschmolz den Babenberger mit Graf Vidomar von Limoges, dessen Burg Richard Löwenherz 1199 belagerte, als ihn ein Pfeilschuss tödlich verwundete. Wie sehr dieser Liupold (= Lymoges) eine Karikatur des ritterlichen Königs ist, beweist das Löwenfell, das er dem toten Richard abgenommen hat, das ihn aber in den Augen der anderen nur lächerlich macht. Ein Kalbsfell wäre angemessener für ihn. Mit dem historischen Herzog Liupold hat diese Bühnenfigur nichts zu tun, ihre Existenz zeigt nur, wie tief die Erbitterung der Engländer über die Gefangennahme von Richard Löwenherz war und wie lange der Babenberger ihr Denken beschäftigte. Zuletzt gilt es zu fragen, wie viel Lösegeld Herzog Liupold V. nun wirklich erhalten und wie er es verwendet hat. Wenn man die vertraglich gesicherten Summen berücksichtigt und die Zahlungswilligkeit der Engländer auch nach König Richards Freilassung annimmt, so werden es 70.000 (kölnische) Mark Silber gewesen sein, was etwas über 16.000 kg des Metalls entspricht. Es ist zu bemerken, dass der Babenberger – der als Verehrer der Mönche gefeiert wird – davon fast nichts für Klöster und derartige Institutionen ausgab, schon gar nicht eine Neugründung vornahm. Liupolds Interessen lagen bei den Städten als Mittelpunkten des Handels und als strategische Stützpunkte: Neue Anlagen, Erweiterungen, Befestigungen von Städten sollten mit dem babenbergischen Anteil am Lösegeld für Richard Löwenherz bewerkstelligt werden. Liupolds Residenzstadt Wien dürfte über den bisherigen Siedlungsraum hinaus erweitert worden sein, wovon vor allem das Gebiet westlich der Stadt betroffen wurde – etwa entlang der alten (römischen) Hochstraße zwischen Schotten- und Kärntnertor. Der römerzeitliche Stadtgraben wurde zugeschüttet und zu einem rechteckigen Platz umgewandelt, an dessen Westseite eine Abfolge von parallelen Gassen angelegt wurde, die noch heute vorhanden sind und das Stadtbild prägen. Nach den Angaben des Wiener Ritterbürgers Jans Enikel, der allerdings erst um 1280 schrieb, sollen die englischen Geiseln beim Zuschütten des Grabens mitgearbeitet haben. Recht bildhaft erzählt er, dass diese mit „Krachsen“ (Körben) auf dem Rücken den Erdaushub transportier-
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VIII. vom privilegium minus bis zur löwenherz-Affäre
ten. Tatsächlich ist das schwer zu glauben, da die Geiseln ja adelig, zum Teil hochadelig waren und sicher nicht zu solchen Schmutzarbeiten verwendet worden sind. Hier wird wohl das Faktum, dass vom Lösegeld einiges zur Erweiterung Wiens verwendet wurde, für ein anekdotenfrohes stadtbürgerliches Publikum sinnhaft ergänzt und so praktisch verständlich gemacht. Die Siedlungserweiterung wurde durch die Errichtung einer Stadtmauer gekrönt, welche die Reste des römischen Walls entbehrlich machte. Auch das Schottenkloster, bisher durch den Ottakringer Bach von der Stadt getrennt, wurde nun in diese einbezogen. Das alte Steinpflaster, welches heute auf der Freyung gezeigt wird, könnte im Zuge dieser Erweiterung entstanden sein. Freie Flächen, die von der neuen Mauer umschlossen wurden, boten die Möglichkeit für eine zukünftige Verbauung, die in den nächsten Jahrzehnten rasch vonstattenging. Im Sinne einer Forcierung der Wehrfähigkeit der Städte überhaupt ließ der Herzog auch Hainburg mit einer Mauer umgeben. Der Ort war als letzte Festung im Osten des Reiches durch die salischen Kaiser gegründet worden. Liupold V. wird die Befestigung dieser wichtigen, gegen Ungarn gerichteten Grenzstadt auf den neuesten Stand gebracht haben. Im Übrigen widmete sich der Herzog der neu erworbenen Steiermark, der es an Städten zweifellos mangelte. Das galt nicht für das altehrwürdige Enns, das mit neuen Mauern ausgestattet wurde, wohl aber für den oststeirischen Grenzraum, wo Gründung und Befestigung der Stadt Friedberg auf den Babenberger zurückgeführt wurden. Vom Kärntnertor in Wien aus ließ Liupold V. eine moderne Fernstraße nach Süden bauen, deren Schutz eine neue Stadt übernehmen sollte. Möglicherweise hatte schon Otakar IV. die Ebene nördlich von Semmering und Wechsel als Grundlage für eine bedeutende, wehrhafte Grenzstadt im Auge gehabt. Herzog Liupold setzte diesen Plan entschlossen um. Er versammelte 1194 seine Ministerialen im steirischen (Bad) Fischau, um mit ihnen über eine städtische Neugründung zu verhandeln. Diese neue Stadt, der alle Möglichkeiten für ein rasches Wachstum und wirtschaftliche Vorteile gewährt werden sollten, musste ein übermächtiger Konkurrent für die schon von den Formbachern in ihrer Grafschaft Pitten etablierte Siedlung Neunkirchen werden, denn Liupold V. gedachte das so wichtige Marktrecht auf seine neue Stadt zu übertragen. Der Herzog sparte nicht mit Gunsterweisen, um das bayerische Kloster Vornbach für sein Vorhaben zu gewinnen und seinem Willen gefügig zu machen. So honorierte er den Verzicht mit der Übertragung des Markts
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doppelherzog und weltpolitiker
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Herzogenburg und einigen Besitzes in dessen Umgebung. Die neue, in günstiger strategischer Lage gegründete Stadt wurde schlicht Neustadt (nova civitas) benannt und sicherte im Nordosten der Steiermark die Verbindungsstraße der beiden babenbergischen Herzogtümer ebenso wie den Grenzraum gegen Ungarn. Auch eine wichtige, zukunftsweisende Institution konnte Herzog Liupold V. mithilfe des englischen Geldes einsetzen: die Münzer Hausgenossen. Ihnen war die Aufgabe übertragen, für genügend Silber zu sorgen, um eine babenbergische Währung zu ermöglichen. Das 1192 anlässlich der Gewährung des Handelsprivilegs für die Regensburger Kaufleute in Wien erlassene Verbot, Silber zu kaufen, könnte damit schon in einem frühen Zusammenhang stehen. Jedenfalls war erst mit dem Lösegeld für König Richard genügend Silber vorhanden. Bereits seit den Dreißigerjahren des 12. Jahrhunderts bestand der in Krems geprägte Pfennig, der im mittleren Donauraum eine gewisse Wertschätzung erlangte. Nun wurde ein Wiener Pfennig eingeführt, der von den reichen Münzer Hausgenossen finanziert werden musste, an deren Spitze als Münzmeister der Jude Sc(h)lom (= Salomo) stand. Die Wiener Silberprägung nahm einen großen Aufschwung und war im Ostalpenraum neben dem in Friesach geprägten Pfennig des Salzburger Erzbischofs die gängigste Münze. Den Höhepunkt seiner Bedeutung erreichte der Wiener Pfennig aber erst im 14. Jahrhundert.
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IX. GLANZ UND ENDE DER BABENBERGISCHEN HERRSCHAFT 1.
Der verpflichtete Erbe: Friedrich I.
F
riedrich I. war mit zahlreichen Hypotheken belastet, als er in Österreich 1195 die Herrschaft übernahm: Er musste die Geiseln zurückschicken, das vom Lösegeld übrig gebliebene Silber zurückgeben und hatte einen Kreuzzug gelobt, der als Sühne für seinen gebannten Vater unternommen werden sollte. Die zurückkehrenden Geiseln lehnten es jedoch ab, die noch vorhandenen viertausend Mark „und mehr“ mitzunehmen. Diese scheinen dann im Lande geblieben zu sein, doch hört man nichts mehr davon. Dass der älteste Sohn Liupolds V. den Namen Friedrich führte, ist immerhin bemerkenswert. Er gehört keinesfalls zu den babenbergischen Traditionsnamen und ist wohl ein Hinweis auf die enge Bindung zu den Staufern. Da Friedrich fraglos der Erstgeborene Liupolds war, ist es auch unmöglich, einen früh verstorbenen Liupold, Heinrich oder Adalbert vor ihn zu reihen. Die starke Verbundenheit zum großen Kaiser Friedrich Barbarossa sollte bei dieser Namenwahl zum Ausdruck kommen; freilich auch die Nähe der Babenberger zu dessen Thron! Nach den Bestimmungen des Georgenberger Vertrags von 1186 hätte Friedrich beide Herzogtümer übernehmen müssen und sein jüngerer Bruder Liupold wäre mit einigen Besitzungen abgespeist worden, wie im Jahre 1177 der jüngere Herzogssohn Heinrich im Wesentlichen mit Mödling. Kaiser Heinrich VI. dürfte dieser Teilung stillschweigend zugestimmt haben, obwohl er selbst 1192 Friedrich I. mit Österreich und der Steiermark belehnt hatte. Die wenigen Urkunden, die vom neuen österreichischen Herzog erhalten sind, und die spärlichen Nachrichten über seine kurze Tätigkeit zeigen einen beachtlichen Eifer bei der Bestätigung von Privilegien, die sein Vater Liupold V. österreichischen und bayerischen Klöstern erteilt hatte. Aber
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auch Schadenersatz bemühte sich Friedrich I. zu leisten, wenn Klosterbesitzungen bei Adelsfehden, in die die Babenberger verstrickt waren, Nachteile erlitten hatten. Diese große Aktivität sofort nach der doch unerwartet plötzlichen Übernahme der Herrschaft stand wohl noch unter dem Eindruck des raschen Todes seines Vaters und der damit zusammenhängenden schweren Probleme, die kaum zu überblicken waren. Da sich Friedrich am Totenbett Liupolds unter anderem verpflichten musste, einen Sühnekreuzzug zu unternehmen, so fügte es sich gut, dass Kaiser Heinrich VI. für 1197 eine neuerliche Militärexpedition ins Heilige Land plante, um den durch den Tod Friedrich Barbarossas gescheiterten Zug von 1189/1190 gleichsam erfolgreich zu Ende zu bringen. Die Chancen für einen Erfolg standen gut, da der Kaiser auf dem Höhepunkt seiner Macht über zahlreiche finanzielle, militärische und politische Mittel verfügte und außerdem der legendäre und tüchtige Sultan Saladin schon 1193 verstorben war. Diesem aussichtsreichen Unternehmen schloss sich Herzog Friedrich an. Schon bei der Abfahrt aus Brindisi begann sich jedoch eine Seuche unter den Kreuzrittern auszubreiten, der Landgraf Ludwig IV. von Thüringen – Ehemann der heiligen Elisabeth – zum Opfer fiel. Das deutsche Heer errang dennoch an der Küste Palästinas beachtliche Erfolge, eroberte Beirut und begann die Belagerung von Tyrus. Mit Amalrich von Zypern konnte sogar ein neuer König von Jerusalem eingesetzt werden, dessen Eroberung abzusehen war. Mitten in diesen Vormarsch des Heeres kam wie aus heiterem Himmel die Nachricht vom Tod des Kaisers in Sizilien. Sofort brachen die meisten Reichsfürsten den Kreuzzug ab und reisten nach Hause, um die mit dem tragischen Ereignis zu erwartenden politischen Schwierigkeiten zu meistern. Obwohl der so hoffnungsreich unternommene Zug dadurch mehr oder weniger beendet war, verblieb Herzog Friedrich mit wenigen anderen im Heiligen Land und versuchte, den Kampf gegen die Ungläubigen fortzusetzen und damit die Schuld des Vaters zu sühnen. Nun aber wurde auch er von einer der im Orient so oft ausbrechenden Infektionskrankheiten (Ruhr, Skorbut) erfasst. Auf der Heimreise verstarb der etwa 23-Jährige. Sein Leichnam wurde „nach Art der Deutschen“ (more Teutonico) bestattet: das abgelöste Fleisch an Ort und Stelle beigesetzt, die Knochen nach Österreich überführt und im Kloster Heiligenkreuz begraben. Nach dem Tod traf ein Schreiben des neu gewählten Papstes Innozenz III. ein, in dem er den Herzog unter Drohung mit Exkommunikation und Interdikt aufforderte, die Summe, die sein
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Vater von Richard Löwenherz erpresst hatte, unverzüglich zurückzuzahlen. Es ist dies ein Zeugnis dafür, dass die Babenberger nichts refundiert hatten und dies auch weiter nicht taten. Der Tod König Richards 1199 und des in dieser Hinsicht ungut umtriebigen Erzbischofs Adalbert von Salzburg 1200 dürften die Angelegenheit erledigt haben. Zumal jetzt auch für die Kurie eine ganz andere Frage in den Vordergrund rückte: der deutsche Thronstreit, der seinen Schatten auch auf England und Frankreich warf. Herzog Friedrich I. war nur eine kurze Herrschaft beschieden, die unter dem Zeichen der Sühneleistung und Wiedergutmachung stand. Wie sich der noch nicht Zwanzigjährige 1195 damit notgedrungen belastet hatte, so schritt er doch in Österreich und auf der Kreuzfahrt sogleich zur Lösung der schier erdrückenden Probleme. Obwohl man sich von Friedrich aufgrund der wenigen Nachrichten, die über ihn erhalten sind und die über allgemeine Floskeln kaum hinausreichen, kein Urteil bilden kann, wird man seinen so frühen Tod als Verlust für sein Geschlecht und für Österreich beklagen müssen. Ein bedeutender Nachteil war sein Ableben wohl für die höfische Kultur des Wiener Hofes: Ist schon sein Vater Liupold V. als Gönner der Minnesänger anzusprechen, so scheint Friedrich I. dessen Mäzenatentum noch übertroffen zu haben. Die wenigen Jahre seiner Herrschaft scheinen eine hohe Zeit des Wiener Minnesangs gewesen zu sein. Reinmar von Hagenau, dessen „Witwenklage“ beim Tod Liupolds V. wir schon erwähnt haben, stand dort in harter Konkurrenz zu dem jüngeren Walther von der Vogelweide. Beide strebten nach der Gunst des höfischen Publikums; ihr Wettstreit wird aus den sogenannten Fehdeliedern deutlich, die zeitgenössische Anspielungen enthalten, von denen man heute die wenigsten erklären kann. Walther dichtete auf den Tod Friedrichs I. ein einfaches, aber originelles und doch auch berührendes Lied. Dô Friderich ûz Ôsterriche alsô gewarp/ daz er an der sêle genas und im der lip erstarp/ dô fuort er mine kranechen trite in derde./ dô gieng ich slichend als ein pfâwe swar ich gie/ daz houbet hanht ich nider unz ûf miniu knie … (Da Friedrich aus Österreich also warb/ dass er an der Seele genas und ihm der Leib erstarb/ da führt’ er meine Kranichtritte (= stolzen Schritte) zur Erde/ da ging ich schleichend wie ein Pfau, wohin ich ging/ das Haupt beugte ich nieder bis auf meine Knie). Tatsächlich sollte jener Tod auch einen Abschied für ihn selbst bedeuten. Hatte er sich der Gunst des verstorbenen Herzogs offenbar in hohem Maße erfreut, so scheint für ihn unter Liupold VI. in Wien kein Platz mehr gewesen zu sein. Im Todesjahr Friedrichs I. erscheint
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er schon am Hofe König Philipps von Schwaben, von dem er sich eine besondere Patronanz erwartet. Doch immer wieder hofft er auf eine Rückkehr an den wonniglichen Hof zu Wien, was ihm von Herzog Liupold aber verwehrt wurde, sieht man von der Teilnahme an höfischen Festen ab. Herzog Friedrich starb unvermählt, hinterließ daher auch keinen Nachkommen, der nun das erste Anrecht auf die Herrschaft in Österreich gehabt hätte.
2.
Der glückliche Erbe: Liupold VI.
Es folgte ihm – wie es scheint, anstandslos – sein etwa ein Jahr jüngerer Bruder Liupold II. von Steiermark, der danach grundsätzlich als Sechster dieses Namens in Österreich (und überhaupt) gerechnet wurde. Er trug den Namen seines Vaters und damit wieder den typischen Leitnamen seines Geschlechts. Vom Tod Liupolds V. hörte er aus der Ferne, da er sich in Italien beim Kaiser aufhielt. So ist anzunehmen, dass man schon früher über eine allfällige Teilung der babenbergischen Herrschaft gesprochen hatte und damit nun wohl auch einem Wunsch der steirischen Ministerialen nachkam. Diese fürchteten wahrscheinlich, dass ein mit kirchlichen und politischen und ebenso finanziellen Verpflichtungen eingedeckter Herzog Friedrich steirische Belange hintanstellen müsste und das andere babenbergische Herzogtum zu einem Nebenland herabsinken könnte. So urkundet Liupold schon im Juni 1195 als dux Styrensis (Herzog der Steiermark). Es ist anzunehmen, dass er aber für die Zeit der Abwesenheit seines älteren Bruders in Österreich dessen Vertretung wahrnahm, die Mitte des Jahres 1198 zu einer echten Herrschaft wurde. Reichspolitisch wurde Liupold VI. gleich in den deutschen Thronstreit verwickelt. Nach dem Tod Kaiser Heinrichs VI. wäre es zu einer Herrschaft des bereits gewählten dreijährigen Friedrich II. gekommen. Damit wollten sich die Reichsfürsten nicht abfinden, und alte Stauferfeinde sahen jetzt ihre Chance gekommen. In dieser gespannten Lage überzeugten die Anhänger der staufischen Dynastie Herzog Philipp von Schwaben, den jüngsten Bruder des verstorbenen Herrschers, nicht nur Vormund des Kindes Friedrich II. zu sein, sondern lieber selbst die Herrschaft im Reich zu übernehmen. Die Feinde des staufischen Hauses, unter Führung des Erzbischofs Adolf von Köln, suchten ihrerseits einen Kandidaten, der als Gegenkandidat Philipps geeignet wäre. Nach ei-
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nigen Fehlversuchen einigte man sich auf Otto, den zweiten Sohn Heinrichs des Löwen, der von seinem Onkel Richard Löwenherz mit der Grafschaft Anjou betraut worden war und zum Reich und seinen Verhältnissen bisher kaum irgendeine Beziehung hatte. So standen sich 1198 zwei Parteien gegenüber. Liupold von Österreich trat – einer alten Tradition folgend – auf die Seite der Staufer. Schon die Verwandtschaft eines Königs mit Richard Löwenherz wäre für den Sohn Liupolds V. ein Grund zur Ablehnung gewesen. Obwohl König Philipp in seiner Wahlanzeige vom März 1198 auch die Herzöge von Österreich und Steiermark als Wähler anführt, ist weder Friedrich I., der auf Kreuzzug war, noch Liupold VI. bei der Wahl Philipps zugegen gewesen. Doch könnte Letzterer zur Krönung des Staufers nach Mainz gereist sein, wie eine Urkunde aus dem bayerischen Plattling von Mitte August 1198 vermuten lässt. Unter den bei der Krönung genannten Fürsten scheint er allerdings nicht auf. Die Anhänger Ottos versicherten sich der Unterstützung des Papstes Innozenz III., der die Gelegenheit günstig fand, die staufische Bedrohung des Papsttums vom Reich und dem normannischen Erbe her zu beenden. Er begünstigte unverblümt den welfischen Kandidaten und bewog die Stauferanhänger zu einem Protest, in dem sie die Nichtbeachtung der Reichsrechte durch den Papst anprangerten. Bei dieser Erklärung in Speyer war 1199 auch Herzog Liupold anwesend. Doch Innozenz III. drängte auf die Anerkennung Ottos, der jetzt nach dem alten welfischen Machtzentrum als von Braunschweig firmierte. So trafen sich die prostaufischen Fürsten 1202 in Halle, um noch einmal die Forderung des Papstes zurückzuweisen. Auch diesmal ist Herzog Liupold unter denen, die Protest erhoben, obgleich er sich in Halle durch österreichische Ministerialen vertreten ließ. An den militärischen Auseinandersetzungen nahm Liupold nicht teil. Seine Unterstützung Philipps in diesen Jahren war eine mehr verbale, da er durch politische Schwierigkeiten mit Böhmen und Ungarn in seinen Herzogtümern festgehalten wurde. Streitigkeiten mit Böhmen gehörten seit Liupolds Großvater Heinrich Jasomirgott zu den immer wiederkehrenden Ereignissen, wobei es längst nicht mehr um Probleme der Rodungsgebiete ging, sondern in steigendem Maße um die Positionierung im Reichsgefüge und die Nähe zum Herrscher. In Ungarn andererseits waren die Thronstreitigkeiten immer auch von Einfluss auf die Stellung der babenbergischen Markgrafen gewesen. Seit dem frühen 12. Jahrhundert hatten diese Österreich meist ziemlich beeinträchtigenden
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Kämpfe aber aufgehört. Ehebündnisse mit den Arpaden waren hier von Vorteil gewesen; andererseits prädestinierten sie den österreichischen Herzog als potenziellen Helfer in Familienauseinandersetzungen. Friedrich I. war unvermählt, was nach damaligen Verhältnissen in der Adelswelt eher merkwürdig anmutet. Liupold VI. scheint dagegen noch zu Lebzeiten seines älteren Bruders als Herzog der Steiermark ein Verlöbnis mit einer Tochter des Böhmenkönigs Otakar I. eingegangen zu sein. Wir kennen weder ihren Namen noch die näheren Umstände dieses Eheplans. Bekannt ist nur, dass der Erzbischof von Salzburg mit Billigung des Papstes dieses Verlöbnis nach einigen Jahren aufhob. Angeblich war die Bedingung Liupolds für eine Heirat gewesen, dass sich der Böhmenkönig nicht von seiner Gemahlin, der Mutter der Braut, trenne, was aber 1198 geschah. Es ist verständlich, dass Otakar I. über diese undurchsichtige Aktion des österreichischen Herzogs empört war und sich die Beziehungen zwischen Přemysliden und Babenbergern weiter verschlechterten. Der wesentliche Grund für die Absage an ein Ehebündnis mit dem böhmischen Herrscherhaus dürften neue politisch-strategische Überlegungen Herzog Liupolds gewesen sein. Der ungarischen Gefahr begegnete man am besten durch enge Beziehungen zu Byzanz. So entschloss sich der Enkel einer Byzantinerin zur Ehe mit einer oströmischen Prinzessin. Im November 1203 vermählte er sich mit Theodora, der Enkelin des Kaisers Isaak II. Angelos. Diese Verbindung schien mehrfach von Vorteil. Man konnte die Ungarn in Schach halten, musste bei einem Kreuzzug besonders günstige Bedingungen vorfinden und stärkte seinen Einfluss bei König Philipp. Dessen Frau Irene/Maria war mit Theodora nahe verwandt. Das Hochzeitsfest in Wien soll überaus glanzvoll gewesen sein, zahlreiche Fürsten erwiesen dabei dem Herzogspaar die Ehre. Walther von der Vogelweide erschien wieder einmal am babenbergischen Hof und ließ das berühmte Preislied: Ir sult sprechen wilekommen … erklingen, das vom unmittelbaren Ereignis zu einem Lob der deutschen Ritter und Damen als solchen überleitet. Dass Liupold ein Freund prachtvoller Feste war, hatte er schon zu Pfingsten 1200 bewiesen, als er seine Schwertleite in Gegenwart der Erzbischöfe Konrad von Mainz und Eberhard von Salzburg beging. Er soll selbst „den Reigen angeführt haben“, wie uns ein volkssprachiger Chronist allerdings aus den Achtzigerjahren des 13. Jahrhunderts mitteilt. Auch damals war Walther zur Stelle und lobte den Herzog für dessen unfassbare Freigebigkeit: Er habe so viel geschenkt, als gedenke er nicht
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länger zu leben! Dennoch fand der große Minnesänger keine Möglichkeit, dauernd in Wien zu bleiben. 1203 war er wohl im Gefolge des gebildeten und der Dichtung sehr geneigten Bischofs Wolfger von Passau nach Wien gereist. In dessen Rechnungsbüchern finden wir den Hinweis auf eine bestimmte Geldsumme, die er dem cantor Walther zum Kauf eines Pelzgewandes zukommen ließ: die einzige außerliterarische Nachricht, die wir von Walther von der Vogelweide besitzen. Der politisch-militärische Zweck der Hochzeit erwies sich aber schon bald als verfehlt. Im April 1204 erstürmten die Kreuzfahrer auf Anstiften Venedigs Konstantinopel, die Angeloi verloren Herrschaft und Leben, und das byzantinische Reich wurde unter den Siegern aufgeteilt. Der neue lateinische Kaiser hieß Balduin von Flandern. Fraglich, ob unter diesen Umständen Liupold VI. nicht eine böhmische Frau vorgezogen hätte. Auch die ungarischen Thronwirren bereiteten Liupold jetzt Sorgen. Als Vetter des ungarischen Königs Emmerich und dessen Bruders Andreas wurde er nun in deren Auseinandersetzungen verwickelt. Zuerst kam es nur zu Scharmützeln an der Grenze, in deren Verlauf Andreas zu seinem babenbergischen Vetter flüchtete. Nach Emmerichs bald darauf erfolgtem Tod ergriff er aber die Macht, und seine Schwägerin, die Königinwitwe Konstanze von Aragón, musste mit ihrem gekrönten Kind Ladislaus und den Krönungsinsignien nach Wien fliehen. Andreas verlangte vergeblich deren Auslieferung und drohte mit Krieg. Der plötzliche Tod des Kinderkönigs 1205 befreite Liupold VI. von dieser Gefahr. Erst danach konnte der Herzog König Philipp auch militärisch unterstützen. Er beteiligte sich an dem großen Heereszug, der nach Köln führte, wo es galt, ein Machtzentrum Ottos von Braunschweig einzunehmen. Doch blieben alle Versuche, die Stadt zu erobern, erfolglos. Liupold, der als geschickter Unterhändler galt, unternahm es danach, die beiden Könige zu einer Einigung zu bringen, doch scheiterte er damit. Weder mit Waffen- noch mit Redegewalt hatte er sich durchzusetzen vermocht und kehrte, wie es in einer zeitgenössischen Quelle heißt, ruhmlos in seine Länder zurück.
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3.
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Klosterstifter – Bistumsplaner – Reichspolitiker: Liupold VI.
In einer Eigenschaft übertraf Liupold VI. Vater und Großvater: Er war in einer tätigen und der Kirche förderlichen Weise fromm. Vielleicht sogar mehr als sein Urgroßvater, der pius marchio Liutpald III. Zu den ersten überlieferten Taten zählen die Erteilung von Privilegien sowie Bestätigungen früherer babenbergischer Schenkungen. Als Beispiel soll die Bestätigung aller bisher dem Schottenkloster noch nicht urkundlich fixierten Schenkungen genannt werden. Im selben Jahr 1200 erlässt er einem von ihm in Passau gegründeten Hospital bestimmte Abgaben. Diese Sorge um geistliche Institutionen in jeder Hinsicht stärkte die strenge kirchliche Richtung im Land. So gewann der Herzog trotz seiner unbeirrbaren Anhängerschaft an Philipp von Schwaben im deutschen Thronstreit das Wohlwollen Papst Innozenz’ III. und dadurch auch die Gunst papstfreundlicher kirchlicher Kreise. Doch Herzog Liupold begnügte sich nicht mit Erneuerungen und Gunsterweisen für bestehende Klöster, Stifte und Hospitale. Seine Vorliebe für den Zisterzienserorden bewog ihn zur Gründung eines neuen Klosters, dass er den grauen Mönchen zueignen wollte. Im September 1205 ließ er beim Generalkapitel der Zisterzienser in Morimond nachfragen, ob es einer Neugründung im babenbergischen Herzogtum zustimme, wo Grund und Boden seit 1202 dafür zur Verfügung ständen. Eine Erlaubnis des Generalkapitels ist nicht überliefert, doch rückte schon 1206 ein Konvent ein, der aus den Brüdern von Heiligenkreuz rekrutiert wurde. Das neue Kloster sollte nach dem Willen des Gründers Mariental heißen, doch setzte sich der Name Lilienfeld durch. Die Lage an der Grenze der beiden Herzogtümer im Traisental, welches die Donau mit der Mur-Mürz-Furche verbindet, bot wohl auch wirtschaftliche und strategische Vorteile. Möglicherweise hatten die Babenberger schon bald nach der Erwerbung der Steiermark 1192 an eine derartige Stiftung im Grenzwald der beiden Herrschaftsbereiche gedacht. Was die Dotation betraf, so übereignete Liupold VI. seiner Gründung nicht nur Wald- und Forstgebiete sowie pfarrliche Rechte, sondern schenkte Lilienfeld auch Häuser in den bedeutendsten Städten Österreichs: ein Zeichen eines neuen wirtschaftlichen Denkens.Zahlreiche Immunitäten ergänzten die Schenkungen. Lilienfeld lag in einem Rodungsgebiet, wohin man die Zisterzienser beson-
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klosterstifter – bistumsplaner – reichspolitiker
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ders gern sandte. Im Nordwald war bisher Zwettl die einzige Gründung, die diesem Orden überantwortet wurde. 1204 (oder 1209) gelobte der Edelfreie Kalhoh von Falkenstein, ein Zisterzienserkloster im Nordwesten dieses großen Waldgebiets zu errichten: Schlägl. Für diese Neugründung wurden Mönche aus dem fränkischen Langheim geholt. Sie hielten dem rauen Klima und der kargen Versorgung aber nicht lange stand, und nachdem viele eines sehr frühen Todes gestorben waren, verließ der übrig gebliebene Konvent das zu öde gelegene Schlägl und kehrte nach Langheim zurück. 1218 übernahmen Prämonstratenser das leer stehende Kloster und wirkten durchaus erfolgreich bei der Rodung und Kultivierung des Landes. Hatte Liupold VI. in Passau ein Hospital gegründet – wovon wir nur durch das Privileg von 1200 erfahren –, so gestattete er seinem Leibarzt Magister Gerhard von Fallbach 1208, vor den Toren Wiens ein Spital zu errichten; auch scheint er ihn finanziell dabei unterstützt zu haben. Es lag am rechten Ufer des Wienflusses, am Rande des heutigen Bezirks Wieden, war dem Heiligen Geist geweiht und wurde den Antonitern übergeben. Dieser Orden hatte sich der Krankenpflege verschrieben und hatte seinen Mittelpunkt in Rom (Santo Spirito). Das Hospital war das erste mit dem Patrozinium des Heiligen Geistes im gesamten deutschen Raum. Im Laufe des Spätmittelalters sollten viele Heiliggeist-Spitäler entstehen, die meisten außerhalb der Stadtmauern. Man darf sich unter diesen Einrichtungen nur eingeschränkt Krankenhäuser im modernen Sinne vorstellen. Im Vordergrund der Aufgaben einer solchen Institution stand die Verpflegung und Versorgung der Armen und Fremden, die freilich auch selten gesund waren und dann eine einfache „ärztliche Behandlung“ erfuhren. Die vielen Beweise der Frömmigkeit und kirchlichen Ergebenheit eröffneten für Liupold VI. die Chance, selbst ein Zentrum kirchlicher Organisation in Österreich errichten zu können. Wien sollte Sitz eines Bistums werden, unter dem Patronat des in Melk seit 1012 bestatteten heiligen Koloman, losgelöst von Passau, aber ihm als Suffraganbistum unterstellt, da Passau zur Metropole – also dem Sitz eines Erzbischofs – aufrücken sollte. Liupold knüpfte bei diesen Vorschlägen an die Tradition des antiken Favianis an, des klösterlichen Mittelpunkts des heiligen Severin. Schon Heinrich Jasomirgott hatte Wien mit Favianis gleichgesetzt und auf eine Bistumskontinuität verwiesen, die über Lorch nach Passau gewandert war. Auf seinem Heereszug für Phi
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lipp von Schwaben, der Liupold mit vielen deutschen Bischofsstädten bekannt gemacht hatte, erwarb er sich wohl das Maß für Größe und Bedeutung seiner Residenz. Nur das fruchtlos belagerte Köln – Erzbischofssitz und hervorragende Handelsmetropole – schien volkreicher und bedeutender. Auch war der Sitz des für Österreich zuständigen Bischofs von den Schwerpunkten der babenbergischen Macht sehr weit entfernt. Bischof Wolfger hatte wiederholt über diese große Ausdehnung seiner Diözese geklagt. Ein Drittel oder gar nur ein Viertel Österreichs, das heißt Niederösterreichs und der Riedmark, sollte dem Bistum Passau verloren gehen. Der größere Rest und der Traungau wären ihm erhalten geblieben. Ein anderes wichtiges Argument für ein Landesbistum in Wien war die beachtliche, strengen Kirchenmännern unheimliche Ausbreitung ketzerischer Bewegungen in Österreich. Dafür machte der ganz orthodoxe Herzog die mangelnde Seelsorge des passauischen Bischofs verantwortlich, der eben durch die gewaltige Ausdehnung seiner Diözese außerstande wäre, hier Abhilfe zu schaffen und überall im Osten seinen regelmäßigen Pflichten nachzukommen. Eberhard II. von Salzburg, Metropolit der bayerischen Kirche, mit Liupold im politischen Einverständnis, schien dem Wiener Bistumsplan durchaus geneigt, und als 1207 der Papst sich mit Philipp von Schwaben versöhnte und seinen Thronkandidaten Otto fallen ließ, standen die Chancen für die Errichtung eines Bistums Wien gut. Sie scheiterte an der plötzlichen Gegnerschaft des neuen Passauer Bischofs Manegold. Wolfger, Freund der Babenberger und ihres Plans, war zum Patriarchen von Aquileia erhoben worden. Manegold, bisher dem Herzog gut gesinnt, musste erfahren, dass eine Erhebung Passaus zum Erzbischofssitz nun doch nicht erwogen wurde, und verlor sofort das Interesse, das Wien-Projekt weiter zu unterstützen. Ja, er protestierte dagegen in Rom. Der Papst machte sich die babenbergischen Argumente, die für eine Errichtung eines Bistums Wien sprachen, zu eigen und wies vor allem auf die Größe der Stadt hin, die in Deutschland nur von Köln übertroffen werde, und betonte deren verkehrsgünstige Lage. Nun aber meldete sich ein zweiter Gegner dieses Vorschlags: das Wiener Schottenkloster. Es hätte der Sitz des Bischofs werden sollen, die Mönche sollten woandershin transferiert werden. Das lehnten aber die schön eingerichteten simplices Scoti rundweg ab. Es mag auch eine Rolle gespielt haben, dass Passau im Falle einer Bistumserrichtung in Wien auf die Stadtpfarre
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St. Stephan mit allen sehr reichen Pertinenzen hätte verzichten müssen. Papst Innozenz III. beauftragte nun zwei Legaten, die auf dem Weg zu Philipp von Schwaben waren, die Sache zu untersuchen und einer Entscheidung nahe zu bringen. Als auf deren Reise die Ermordung des Königs bekannt wurde, kehrten jedoch die Gesandten des Papstes nach Rom zurück, ohne sich der Bistumsfrage angenommen zu haben. Innozenz III. schrieb an Herzog Liupold, dass er die Sache weiter betreiben solle, doch ist von weiteren Verhandlungen nichts bekannt. Warum der Plan der Errichtung eines Bischofssitzes in Wien 1207/1208 so sang- und klanglos zu Grabe getragen wurde, obwohl der Papst und der Salzburger Metropolit diesem Projekt durchaus geneigt waren, ist dem Historiker nicht verständlich. Liupold VI. verpflichtete sich weiterhin dem Papsttum in vieler Hinsicht und stellte auch zu Passau wieder ein gutes Verhältnis her. Nur mit Bischof Manegold blieb es gespannt. Erzbischof Eberhard II. von Salzburg, der aufseiten des Herzogs stand, wollte doch nicht dieselben Probleme in der ihm als Diözesan zuständigen Steiermark erleben. Auch für ihn galt das Argument der viel zu ausgedehnten Diözese, noch dazu waren Bergpässe zu überwinden, um von Salzburg aus pastoral wirken zu können. So kam er einem eventuellen Plan Liupolds VI. zuvor und errichtete mit Zustimmung des Papstes anstelle des Augustinerstifts Seckau ein Eigenbistum, wie es sein Vorgänger Gebhard 1072 in Gurk getan hatte. Das Stift blieb aber bestehen, und die Chorherren stellten das Domkapitel. Ähnlich war Eberhard II. in Kärnten vorgegangen, wo er in St. Andrä das Bistum Lavant errichtet hatte (1228). Und schon 1216 hatte er in Chiemsee ein nördliches Kleinbistum geschaffen; beides in Gebieten, die mit den Babenbergern nichts zu tun hatten. Wie sehr Eberhard dabei eine diesbezügliche Aktivität des Babenbergers fürchtete, zeigt das Jahr der Seckauer Bistumsgründung: 1218, als Liupold VI. auf Kreuzzug war. Die Annäherung Papst Innozenz’ III. an Philipp von Schwaben ließ ein Ende des Thronstreits, in den die Fürsten ja stark involviert waren und der keine politische Sicherheit aufkommen ließ, erhoffen. Doch dann wurde der König in Bamberg am 21. Juni 1208 während seiner Mittagsruhe ermordet. Der Täter war Pfalzgraf Otto von Wittelsbach, der geächtet ein Jahr lang verfolgt wurde, bis man ihn schließlich überwältigte und erschlug. Das Tatmotiv ist bis heute nicht klar erkennbar; doch ist eher an einen Mord aus persönlichen Beweggründen als an den Auftakt einer Fürstenverschwörung zu denken. Bi-
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schof Ekbert von Bamberg, in dessen Pfalz der Mord geschehen war, wurde der Mittäterschaft verdächtigt und ebenfalls in Acht getan. Mehrere Fürsten nützten diesen Umstand, um Güter der Bamberger Kirche, die weit im Reich verstreut waren, zu konfiszieren. Auch Herzog Liupold zog in Österreich liegende Besitzungen Bambergs ein. Der reichste Grundbesitz des fränkischen Bistums lag in Kärnten – um die Zentren Wolfsberg und Villach, welche erst Maria Theresia durch Kauf „österreichisch“ machte. Darauf hatte Liupold VI. freilich keinen Zugriff. Er konnte am ehesten im Traungau den babenbergischen Besitz durch eine solche Konfiskation arrondieren. Man darf aber nicht vergessen, dass der Bischof von Bamberg auch Gründe im heutigen Ober-St. Veit bei Wien (heute 13. Bezirk) besaß. Doch der Papst schritt gegen solche Praktiken des Gütererwerbs energisch ein und nötigte Liupold unter Androhung von Kirchenstrafen, den bambergischen Besitz wieder zurückzugeben, obwohl sich Bischof Ekbert noch auf der Flucht befand und keineswegs schon wieder rehabilitiert war. So sehr Innozenz III. auch über die Ermordung Philipps entsetzt war, er konnte sich dem Gedanken an ein Gottesurteil im Thronstreit doch nicht ganz verschließen. Daher forderte er die Reichsfürsten auf, nun Otto von Braunschweig als römisch-deutschen König anzuerkennen. Herzog Liupold ließ sich aber wohl weniger durch die päpstlichen Ermahnungen überzeugen als durch sein enges politisches Zusammengehen mit Markgraf Dietrich von Meißen; beide Fürsten waren in der Feindschaft gegen Otakar I. von Böhmen verbunden und planten ein Ehebündnis. Dietrich gewann den Babenberger für eine Anerkennung Ottos und so finden wir jenen im Mai 1209 auf einem Hoftag in Würzburg. Dort wurde vor allem über die Verlobung des Welfen mit König Philipps junger Tochter Beatrix verhandelt. Von dieser welfischstaufischen Ehe versprachen sich die Fürsten endlich Frieden im Reich, indem sie die Möglichkeiten einer Parteinahme aufhob. Doch musste erst untersucht werden, ob etwa ein Hinderungsgrund wegen zu naher Verwandtschaft bestehe. Als dies verneint wurde, erkor man Herzog Liupold von Österreich, als gebildet und überaus beredsam, den Fürstenspruch in dieser Sache zu verkünden. Anschließend war es wiederum der babenbergische Herzog, der (mit Herzog Ludwig von Bayern) die zwölfjährige Braut in den Saal führte, wo sie ihren Willen zur Heirat mit Otto IV. öffentlich bekundete. All diese Funktionen im Rahmen eines besonderen Hoftags sprechen für das hohe Ansehen
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des Herzogs und seine führende Position unter den weltlichen Reichsfürsten. Merkwürdig ist das weitere politische Verhalten Liupolds. Nachdem sich Otto IV. mit dem Papst überworfen und sich auch viele Fürsten zu Feinden gemacht hatte, brachte Innozenz III. den jungen König Friedrich von Sizilien, Sohn Kaiser Heinrichs VI. und Neffe Philipps von Schwaben, ins politische Spiel und proklamierte ihn zum (Gegen-)König des mittlerweile gebannten Otto. Der junge Staufer schlug sich mühsam nach Deutschland durch und konnte die meisten Fürsten für seine (neuerliche) Wahl gewinnen. Diese erfolgte im September 1211 in Nürnberg und sah auch Herzog Liupold unter den Wählern. Doch hatte es ihm die politische und dynastische Verbindung mit dem Meißner in dieser Frage nicht leicht gemacht, da Markgraf Dietrich weiterhin Otto IV. verpflichtet blieb. Der Herzog von Österreich hatte den Markgrafen ersucht, die babenbergischen Lande zu schützen, solange er selbst auf Kreuzzug war, weil er wohl böhmische Einfälle während seiner Abwesenheit fürchtete. Noch enger dachte man beiderseits das Bündnis zu gestalten, indem Liupold VI. seinen gleichnamigen Sohn, ein Kind von etwa drei Jahren, mit einer Tochter Markgraf Dietrichs verlobte. Jedenfalls zögerte der Herzog nicht, einer Gesandtschaft König Ottos an den christlichen Herrscher von (Klein-) Armenien eigene Gesandte mitzugeben. Das Stadtrecht für Enns ist noch im April 1212 nach Otto von Braunschweig datiert (regnante Ottone IIII anno imperii sui III) und am 21. Mai desselben Jahres erwirkt Liupold ein Schutzprivileg des gebannten Kaisers für das Stift St. Florian. Darin bezeichnet ihn der Welfe noch als dilectus consanguineus noster, als geliebten Verwandten. Die Haltung Liupolds VI. ist trotz der prostaufischen Tradition der Babenberger und der schroffen, kaum gewinnenden Art des Welfen anscheinend lange nicht eindeutig gewesen. Erst als die Nachbarfürsten und der gesamte bayerische Episkopat auf die Seite Friedrichs II. traten, musste sich auch der Herzog von Österreich und Steiermark endgültig für den jungen Protegé Papst Innozenz’ III. erklären. Mit Friedrich zieht er dann 1214 gegen Aachen, um Otto IV. von dort zu vertreiben, ein erfolgloses Unterfangen. Den darauf folgenden Hoftag zu Metz muss der Herzog voreilig verlassen, da ihn ein Fußleiden zur Heimkehr nötigt. Doch von da an ist Liupold VI. ein bedingungsloser Anhänger des Kaisers, dem er noch viele Dienste leisten und unverdrossen dessen Zerwürfnisse mit den Päpsten bereinigen helfen wird. Friedrich II. steht hingegen zunächst
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aufseiten Bischof Manegolds von Passau, dem er von Liupold VI. bestrittene Rechte bestätigt und den Babenberger zwingt, die Patronanz über St. Stephan in Wien – wohl ein Unterpfand für weitere Verhandlungen um einen Bischofssitz in Wien – aufzugeben. So verwundert es nicht, dass Liupold keine Mittel scheut, nach Manegolds Tod 1215 einen ihm genehmen Bischof in Passau zu etablieren. Mit Geld und einigen Zugeständnissen überwindet er die Gegnerschaft des Passauer Domkapitels und kann endlich mithilfe Eberhards II. von Salzburg seinen Kanzleinotar Ulrich als Bischof durchbringen.
4.
Kreuzritter und Stadtherr: Liupold VI.
Wohl schon 1207 fasste Herzog Liupold VI. den Entschluss, einen Kreuzzug zu unternehmen. Anders als sein Vater und Bruder schloss er sich jedoch nicht einer vom Kaiser veranlassten und organisierten Militärexpedition an, sondern wollte zunächst einmal selbst an der Spitze österreichischer und steirischer Ritter ins Heilige Land ziehen. Zu Ostern 1208, als die Reichspolitik wieder in ruhigere Bahnen zu gelangen schien, ließ er sich zusammen mit vielen Edlen in Klosterneuburg das Kreuz anheften. Der Papst stimmte ihm begeistert zu und versprach ihm, sein Land und seine Familie zu schützen für die Zeit, die er im Orient gegen die Heiden kämpfte. Doch obgleich der Herzog „im Eifer des Glaubens brannte“, konnte er sein Vorhaben zunächst nicht umsetzen: Der unerwartete Tod Philipps von Schwaben mit all seinen Folgen machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Es dauerte einige Jahre, bis Liupold wieder die Gelegenheit sah, den Kreuzzugsplan durchzuführen. Zuvor beschränkte er sich auf den Glaubenskampf im eigenen Land. Hier waren kaum Heiden, doch Ketzer das Ziel seiner Angriffe. Schon als Argument für die Errichtung eines Bistums in Wien hatte es geheißen, dass der ferne Passauer Bischof nicht imstande sei, der Ausbreitung ketzerischer Gruppen zu wehren. Nun machte es sich Liupold VI. selbst zur Aufgabe, Ketzer aufzuspüren und zu bekämpfen. Der Herzog zeigte dabei eine unerbittliche Strenge, besonders im Jahre 1210 kam es zu einer Welle der Verfolgung, wobei zahlreiche Ketzer den Flammentod starben. Thomasin von Zerclaere, ein Kleriker des Patriarchen von Aquileia und großer Zeitkritiker, spricht vom Herrn von Österreich, der „die Ketzer sieden kann“. Was uns grausam und in höchstem Maße intolerant
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erscheint, ist unter dem Gesichtspunkt mittelalterlicher Anschauungen sicher anders zu bewerten. Liupolds Handeln entsprach seiner religiösen Überzeugung und seinem Bedürfnis, falsche Religiosität zu bekämpfen. Andererseits war die einfache Reinheit der christlichen Lehre wichtig für seine Herrschaft, die keine sozialen Unruhen brauchen konnte. Dieser Hass auf die Ketzer und ihr verderbliches Wirken war es wohl auch, der Liupold VI. 1212, als endlich die Gelegenheit zur Kreuzfahrt gegeben war, seinen Weg nach Südfrankreich und nicht ins Heilige Land nehmen ließ. Dort waren die Kerngebiete der Ketzer, deren Name sich von Katharer (= „die Reinen“) ableitete und deren Lehren auch in Österreich viele Anhänger gefunden hatten. Unter dem Schutz des mächtigen Grafen von Toulouse konnten sie sich scheinbar ungehindert ausbreiten. Besonders stark waren sie in der Stadt Albi, sodass der Name der dortigen Bürger gleich für sie verwendet wurde: Albigenser. Gegen diese Ketzer hatte der Papst zum Kreuzzug aufgerufen, und zahlreiche Ritter, vor allem aus Nord- und Ostfrankreich, waren diesem Aufruf gefolgt. Aber auch Lombarden und Ritter aus deutschen Landen hatten sich in das Gebiet südlich der Loire aufgemacht. Darunter Herzog Liupold VI., der sich nun im Kampf gegen die Ketzer zu bewähren vermeinte; nicht als strafender Landesherr, sondern als tapferer, gottergebener Kreuzritter. Doch daraus wurde nichts. Der Herzog erreichte mit seinem Gefolge den Schauplatz der Kämpfe gerade zu einer Zeit, als Ruhe eingekehrt war und man daran dachte, ein Konzil mit den Angelegenheiten der Häresie zu befassen. Enttäuscht darüber, dass er gleichsam umsonst gekommen war, zog er weiter in die terra sancti Iacobi, wie in den Annalen von Klosterneuburg Spanien genannt und damit auch auf die Aufgabe einer Reconquísta hingewiesen wird. Liupold zog mit einem bedeutenden Gefolge bis zur Stadt Calatrava, die aber bei seiner Ankunft bereits erobert worden war. So kam es auch dort zu keinem Kampf gegen die Mauren, und der Herzog machte sich mit dem Heer Peters II. von Aragón auf den Rückmarsch. Ende des Jahres 1212 dürfte er bereits wieder in Österreich gewesen sein, im Februar 1213 erscheint er auf dem Hoftag zu Regensburg. Das ganze Unternehmen, das Liupold anscheinend mit einer beachtlichen Mannschaft bestritten hatte, in einer spanischen Quelle ist vom magnus apparatus Liupolds die Rede und das kann sich nicht nur auf seine Ausrüstung beziehen, brachte ihm keinen persönlichen Erfolg. Am unmittelbaren Heidenkampf hatte er nicht teilgenommen, und das ließ ihn wohl unbefriedigt zurück. Im
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selben Jahr noch wurde er bei einem Besuch in Ungarn Zeuge der Ermordung von Königin Gertrud, der Mutter der heiligen Elisabeth. Er selbst geriet ebenfalls in Gefahr, entkam aber glücklich dem Anschlag. Dieses furchtbare Erlebnis mochte ihn in dem Gedanken bestärken, sofort wieder einen Kreuzzug, aber diesmal wirklich zu den heiligen Stätten, zu unternehmen, um für seine Errettung zu danken. Zu Weihnachten 1213 schien der Plan einer neuen Kreuzfahrt bereits in ein konkretes Stadium zu treten. Aber nun brauchte der neue König Friedrich II. seine Unterstützung und die Reichspolitik machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Im Jahre 1217 rüstete er sich ein zweites Mal. Sammelpunkt der Österreicher und Steiermärker war Liupolds Kloster Lilienfeld, in dem gleichzeitig die Altarweihe stattfand, und dieser Anlass passte sehr gut zu dem Aufbruch ins Heilige Land. Auch diesmal scheint eine bedeutende Zahl von Edelfreien und Ministerialen, aber auch Grafen in seiner Begleitung gewesen zu sein. Da er sich mit König Andreas II. von Ungarn und Herzog Otto VII. von Meranien zu vereinigen gedachte, wird man mit einem recht großen Heerhaufen rechnen müssen, der sich auf die syrisch-palästinensische Küste zu bewegte. Sammelpunkt der einzelnen Heersäulen war das christlich gebliebene Akkon, das Liupold von Venedig aus in der ungewöhnlich kurzen Zeit von 16 Tagen erreichte. In Erinnerung an die wunderbare Wirkung auf die christliche Kampfmoral, die die Auffindung der Heiligen Lanze beim ersten Kreuzzug 1098 vor Antiochia erzeugt hatte, wandten sich die Anführer des Heeres einer anderen erfolgverheißenden Reliquie zu. Der Patriarch von Jerusalem schritt mit dem Kreuz Christi einer Prozession voran. Ihm gingen König Andreas und Herzog Liupold mit nackten Füßen entgegen und küssten das Heil bringende Kreuzesholz. Dennoch waren die Erfolge der Christen bescheiden. Über einige siegreich bestandene Scharmützel kamen sie nicht hinaus. Bedeutende muslimische Festungen konnten nicht erobert werden, hingegen artete die Expedition zu einer Pilgerfahrt aus, als viele biblische Erinnerungsstätten besucht wurden und der Jordan zu einem segensreichen Bad einlud. Andreas II. von Ungarn raffte Reliquien an sich und entschloss sich schon bald zur Rückkehr. Liupold von Österreich beteiligte sich immerhin an der Wiederherstellung der Befestigungen des zerstörten Caesarea Palaestinae sowie am Wiederaufbau des mächtigen Château Pèlerin. Im Mai 1218 sollte dieser unwürdige, fast sinnlose Zustand beendet werden. Die Anführer der Truppen fassten den Beschluss, Palästina zu verlassen und
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Ägypten anzugreifen. Seit Saladin war der Sultan der Hauptgegner der Christen, und Ägypten gehörte durchaus ebenfalls zu den Ländern, die mit der Lebensgeschichte Jesu in Zusammenhang zu bringen waren. Obwohl Sultan alKamil großzügige Angebote machte, um den Frieden zu erhalten, schlugen die Kreuzfahrer diese aus und hofften, doch noch einen militärischen Erfolg zu erringen. Der militärische Stoß richtete sich gegen die Hafenstadt Damiette (arabisch Dumjat). Die Stadt war mit mehreren Mauern und Türmen befestigt. Zusätzlich verfügte sie noch über einen Turm, der in einem Nilarm erbaut worden war und mit gewaltigen Ketten feindlichen Schiffen ein Näherkommen unmöglich machte. Um diesen Kettenturm entspannen sich die ersten Kämpfe. Die Christen errichteten Sturmleitern auf festen Schiffen, wobei sich die Friesen besonders bewährten. In harten Gefechten wurden die Leitern von den Verteidigern zerstört und viele der herabstürzenden Ritter ertranken im Nil. Herzog Liupold scheute keine Kosten und Mühen, um abermals schwimmende Bollwerke bauen zu lassen. Ende August 1218 begann ein neuerlicher Angriff, der zuerst erfolglos war: Wieder stürzten zahlreiche Kreuzfahrer von den Sturmleitern und fanden den Tod; so auch der österreichische Bannerträger, dessen Fahne die Muslime eroberten. Doch letztlich gewannen die Angreifer die Oberhand, und die Verteidiger des Turms ergaben sich gegen Zusicherung ihres Lebens Herzog Liupold. Dieser hatte sich den Überblick bewahrt, was bei der geringen Disziplin der christlichen Belagerer schon eine Leistung war, und auch in der Organisation Beachtliches zustande gebracht. Dass er sich auch am Kampf beteiligte, geht aus den Berichten nicht hervor, ist aber bei der Sehnsucht des Herzogs, gegen die Feinde des christlichen Glaubens zu streiten, wahrscheinlich. Die Christen lagerten sich in der Folge auf zwei Nilinseln, die sie durch eine Brücke miteinander verbanden. Hier wurden sie von einer Seuche und einer Springflut heimgesucht. Als die Ägypter im März 1219 mit einem Heer von Reitern und Fußkriegern angriffen, war der christliche Widerstand zwar tüchtig, aber auf längere Sicht hoffnungslos. Herzog Liupold leitete die Verteidigung der so wichtigen Brücke, musste sich aber schließlich zusammen mit den ihn unterstützenden Templern zurückziehen. Die Nachricht über diesen Kampf bietet übrigens auch Einblicke in das innere Geschehen während der Kämpfe. So ist von Frauen die Rede, die furchtlos Steine und Wasser, Brot und Wein reichten, von Priestern, die fortwährend beteten und die Wunden der Verletzten segneten und so ihren Schmerz lin-
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derten. Die weiterhin aussichtslose Situation bewog Liupold VI. Ende April, den Kampf aufzugeben und Damiette zu verlassen. Über Rom kehrte er nach Österreich zurück, wo er wohl nach fast zweijähriger Abwesenheit im Juli 1219 eintraf. Dass der Herzog so effektiv in die Kämpfe eingreifen und teure Belagerungsgeräte herstellen lassen konnte, hängt mit seinen nicht unbeträchtlichen finanziellen Mitteln zusammen, die er zur Verfügung hatte. Er war imstande, zweihundert Ritter auszustatten, während König Andreas von Ungarn für die Ausrüstung einer allerdings wohl größeren Mannschaft ungarische Kirchenschätze heranziehen musste. Liupold machte überdies im Heiligen Land dem Deutschen Orden wie auch den Templern Geldgeschenke, und seine Hilfe bei der Wiedererrichtung der Befestigungsanlagen von Caesarea Palaestinae wird überwiegend ebenfalls finanzieller Natur gewesen sein. Den Zeitgenossen erschien er zweifellos als sehr vermögender Fürst. Dadurch konnte er auch als zielbewusster und kraftvoll planender Vertreter des jungen Landesfürstentums gelten. Er hatte ein untrügliches Gefühl für die Möglichkeiten zur Erweiterung seiner Hausmacht, die in erster Linie auf Kosten anderer adeliger Geschlechter durchgeführt wurde. Diese Anhäufung von Grund und Boden hatten schon seine Vorfahren betrieben, um sich gegen die Konkurrenz anderer Grundherren durchzusetzen. Doch was damals Königsschenkungen und gewaltsame Inbesitznahmen, dann von Ministerialen geleitete forcierte Rodungen waren, konnte nun auch durch Kauf getätigt werden. So kaufte Liu pold VI. im Laufe der dreißig Jahre seiner Herrschaft die Grafschaft Raabs, weiters Lambach und Wels, Ottensheim, Waxenberg und Gramastetten, Linz und Freistadt, womit er die wichtige Straßenverbindung zwischen Donautal und Böhmen kontrollierte. Viele dieser Angaben stammen jedoch aus dem sogenannten Landbuch von Österreich und Steier, das erst in frühhabsburgischer Zeit angelegt wurde und dazu neigte, komplexe Situationen der Erwerbung zu vereinfachen. Über die Grenzen seiner beiden Herzogtümer hinaus führten die Erwerbungen der Lehen, welche die Grafen von Andechs in Krain vom Bischof von Freising innehatten. Liupolds Interesse scheint sich Richtung Adria bewegt zu haben. Nach Süden stieß er auch durch den Kauf von Pordenone (Portenau) vor, das für längere Zeit ein ferner Außenposten bleiben sollte: Die beiden offenen Torflügel zierten jedoch das große Wappen der österreichischen Monarchie bis 1918.
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Bei anderen Besitzungen beanspruchte der Herzog ein Heimfallsrecht, wenn ihm diese Güter nicht durch Erbschaft zufielen. So erwarb Liupold VI. in Österreich auf diese Weise Besitzungen im Horner Becken und im nördlichen Waldviertel (Pernegg, Geras), im Weinviertel (Asparn, Walterskirchen) und im Gebiet von Pielach und Erlauf. Im den Babenbergern so wertvollen Machland erbte er die Eigengüter der Grafen von Klamm im Gebiet von Perg und Grein. Ein Jahr vor seinem Tod schenkte ihm Graf Ulrich von Ulten noch Eigengüter in der Umgebung von Meran und Bozen, die der Herzog aber wieder zu Lehen vergeben musste und die kaum in das Konzept seiner Erwerbungen passten. Den Mittelpunkt seiner landesfürstlichen Bestrebungen sah er in Wien, das er in verstärktem Maße zur Residenz ausbauen und zum Verkehrs- und Handelszentrum machen wollte. Liupold VI. selbst bewohnte zeitweise wieder die Pfalz seines Urgroßvaters in Klosterneuburg und ließ sie gleichsam modernisieren – so holte er wohl Bauleute aus Burgund, die einen Übergangsstil von Romanik und Gotik vertraten und die elegante Capella speciosa erbauten. Diese wurde unter Kaiser Franz II. (I.) abgerissen und teilweise in die mittelalterlich stilisierte Franzensburg im Laxenburger Park eingefügt. Zugleich lassen sich wiederholte Aufenthalte in Erdberg nachweisen, wo sich ein herzogliches Jagdhaus befand, das vielleicht mit dem späteren Rüdenhof gleichzusetzen ist: der Ort, an dem angeblich Richard Löwenherz gefangen genommen worden war. Der Herzog ist also gern in der unmittelbaren Umgebung Wiens, dessen einzigartige Bedeutung für sein Fürstentum er nicht verkennt und dessen Ausgestaltung ihm am Herzen liegt. Darum die Versuche, die Stadt zum Bischofssitz zu erheben und ihr dadurch noch eine geistliche Qualität zu verleihen, die bis jetzt fehlte. Dieser Mangel wurde durch eine wahre „Klosteroffensive“ teilweise wettgemacht. Mit dem Herzog verbunden sind die Niederlassungen der Ritterorden, die bald nach 1200 erfolgten, und die Ansiedlung der neuen Bettelorden (Minoriten, Dominikaner), die im Laufe der Zwanzigerjahre des 13. Jahrhunderts in Wien Bauplätze zugewiesen erhielten. Eine reich gewordene Bürgerschaft sorgte für die Gründung von Frauenklöstern, die zum Teil auch außerhalb der Stadtmauern errichtet wurden. Die ziemlich große Zahl von Klöstern und Stiften steigerte das Ansehen der Stadt und konnte den Zeitgenossen als Indikator für deren Wohlhabenheit gelten. Die geistlichen Kommunitäten ließen sich durchwegs im östlichen
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Teil Wiens nieder, was zu den Mutmaßungen führte, dass im Westen ein adeliges Wohnviertel entstehen sollte. Die noch vorhandenen freien Flächen befanden sich überdies weitgehend im Eigentum des Schottenklosters. Der Grundriss Wiens hatte im Zeitalter Liupolds VI. mehr oder weniger jenes Aussehen erreicht, das für die nächsten Jahrhunderte bestimmend wurde. Die neue Ummauerung der Stadt, welche schon unter Liupold V. begonnen worden war, wurde nun vollendet und sollte sich in den folgenden Jahrzehnten als uneinnehmbares Bollwerk erweisen. In letzter Zeit ist dem Herzog auch die Erbauung der neuen Burg an der westlichen Stadtmauer zugeschrieben worden. Doch dürfte das nach neueren Ergebnissen der Bauforschung zu früh angesetzt sein. Liupold VI. hat seine Pfalz „Am Hof“ wohl nicht aufgegeben und die Residenz in den Westen der Stadt verlegt. Er hatte noch nicht mit inneren Feinden zu rechnen, für die eine feste Burg mit einem mehrseitigen Graben ein Hindernis darstellte, das eine offene, lockere Anlage von Gebäuden nicht sein konnte. Vieles damals Geplante und Begonnene wird erst unter seinem Sohn vollendet worden sein; etwa die Planierung des Stadtgrabens und die Gestaltung der davon regelmäßig wegführenden Gassen bis zu der alten Hochstraße im Westen. In die Spätzeit Liupolds VI. sind wohl die rechteckigen Plätze zu datieren, die unter seinem Sohn Friedrich II. und in der frühhabsburgischen Periode genannt werden. Sie verdanken ihre Entstehung dem zunehmenden Handel, der Standquartiere benötigte. Der Hohe Markt hat sich schon als altes Zentrum bei der alten Burg an der Steilstufe zur Donau entwickelt, während der wohl ebenso alte Kienmarkt seine Platzfunktion allmählich verlor und zusehends verbaut wurde. Neben dem Graben, der nun zugeschüttet eine relativ große unverbaute Fläche ergab, ist noch der Neue Markt zu nennen, der sich im Zuge des Ausbaus der Straße in Richtung Süden als Handelsplatz etablierte. Alte Straßenmärkte mit geringer Breite waren der Kohl- und der Fleischmarkt, die noch einen älteren Zustand repräsentierten. Mit der Errichtung von Marktplätzen war in gewisser Weise die räumliche Infrastruktur für einen umfassenden Handel geschaffen worden. Der Donauhandel mit reichen oberdeutschen Städten und mit Ungarn ließ die wirtschaftliche Bedeutung Wiens zu Beginn des 13. Jahrhunderts wesentlich größer werden. In diesem Zusammenhang ist auch die Existenz einer Judengemeinde zu erwähnen, die bereits Ende des 12. Jahrhunderts einen siedlungsmäßigen Schwerpunkt hatte: die heutige Seitenstettengasse, in der noch
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jetzt der Tempel steht und wo damals die Judenschule ihren Platz hatte. Das finanzielle Potenzial der Juden war nicht unerheblich, wie die Ernennung des Juden Sc(h)lom zum Haupt der von Herzog Liupold V. gegründeten Münzergenossenschaft erkennen lässt. Freilich war die Lage der Juden höchst unsicher, wie die Ermordung Sc(h)loms und anderer seiner Glaubensgenossen aus Anlass des Kreuzzugs von 1197 beweist, als bewaffnete christliche Gruppen sich sammelten. Das Getto in der Nähe der babenbergischen Pfalz ist erst im Jahre 1294 nachgewiesen, also bereits in habsburgischer Zeit. Die Verlagerung der Judensiedlung könnte mit dem Freiwerden dieser Gegend nach der Aufgabe des alten Herzogssitzes und der Inbesitznahme der neuen Burg an der west lichen Stadtmauer zusammenhängen. Wien muss also einen stattlichen Eindruck gemacht haben, als Ulrich von Lichtenstein auf seiner berühmten Ritterfahrt von Venedig bis Mähren in der Stadt erschien und ihm sein Standesgenosse Hadmar III. von Kuenring einen prächtigen Empfang bereitete und festliche Turniere ausrichtete. Herzog Liupold VI. dürfte darauf weniger Wert gelegt haben, sehr wohl aber auf die wirtschaftliche Blüte der Stadt. Diese zu fördern entsprach dem Zug der Zeit. Kluge Fürsten verpflichteten sich die Bürger großer Städte, deren Tüchtigkeit ihnen manchen Vorteil verschaffen konnte. Zugleich befanden sich die Fürsten den Städtern gegenüber nicht in den – auch für den Herrn bestehenden – Zwängen des ausufernden Lehenssystems, und politische Bedeutung konnten die Städte noch keine erringen. So war es an der Zeit, den Bürgern Aufgaben in der städtischen Verwaltung anzuvertrauen und sie in manche Bereiche des Rechtswesens einzubinden. Erste Ansätze babenbergischer Förderung Wiens waren schon im Privileg Liupolds V. für die regensburgischen Kaufleute zu sehen. In diesem Stil schritt sein Sohn weiter, als er 1208 burgenses nostros, qui apud nos Flandrenses nuncupantur, also „unseren Bürgern, die Flandrenser heißen“, Rechte und Freiheiten verlieh. Mit dieser Urkunde – der ältesten im Wiener Stadtarchiv erhaltenen – befreit er die flandrischen Bürger Wiens von der rechtlichen Zuständigkeit des Stadtrichters und unterstellt sie dem herzoglichen camerarius monete, dem Vorsteher der Münzer Hausgenossen. Sie werden also in ihren Angelegenheiten aus dem üblichen Rechtsgang herausgenommen und unterliegen einer qualifizierten Gerichtsbarkeit. Das Privileg verrät darüber hinaus, dass sich in Wien Gewerbetreibende und Kaufleute aus Flandern niedergelassen hatten, einer ausgebildeten, bedeutenden Stadtland-
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schaft, die nicht nur innovativ wirken mussten, sondern auch vermutlich über weitreichende Geschäftsverbindungen verfügten. Es wird nicht gesagt, doch denkt man bei den Flandrensern vorwiegend an Tuchhändler, Färber und sonstige mit der Erzeugung und Bearbeitung von Stoffen Beschäftigte. Der nächste Schritt zur Förderung der Stadt war ein großes Rechtsprivileg, ein Erlass des Herzogs, der damit einmal das Recht dieser neuen sozialen Gebilde zu erfassen und zu vereinheitlichen suchte. Im Mittelalter überschnitten sich oft die Rechtskreise, denen der Einzelne aufgrund seiner Herkunft, sozialen Stellung, herrschaftlichen Abhängigkeit angehörte und die ihn oft in schwere Kompetenzkonflikte stürzten, was der Rechtssicherheit – selbst in bescheidenster Form – abträglich war. Gerade in der Stadt kamen Menschen zusammen, die eine gleichsam diffuse Rechtsstellung mitbrachten und im Streit mit anderen nicht rechtlich definiert werden konnten. Hier sollte das Stadtrecht Abhilfe schaffen und Klarheit bringen; nicht Gleichheit vor dem Gesetz, das wäre niemandem in den Sinn gekommen! Aber doch eine gewisse Sicherheit bei der rechtlichen Einordnung und – modern gesagt – im verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Bereich einigermaßen geordnete Kompetenzen. Das älteste uns heute erhaltene Stadtrecht auf babenbergischem Herrschaftsgebiet wurde der Stadt Enns verliehen: am 22. April 1212. Das Wiener Stadtrecht datiert erst vom 18. Oktober 1221, doch ist anzunehmen, dass beide auf ein älteres Wiener Stadtrecht zurückgehen, welches zeitlich etwa dem Flandrerprivileg entspricht, wahrscheinlich aber in seinen Grundzügen aus den letzten Jahren Herzog Liupolds V. stammen dürfte. Anzunehmen ist, dass in den beiden ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts, und gerade das Ennser Privileg deutet darauf hin, auch andere angesehene Städte eine derartige Urkunde erhielten (Tulln, Laa, Steyr). Auch diese Rechte sind jedoch noch in einzelnen Bereichen von einer unerhörten Kasuistik, der allgemeinere Züge fehlen. Auch hier sind wieder Bestimmungen verschiedener Rechtsgebiete zwar nicht durcheinander angeordnet, aber doch recht willkürlich aneinandergereiht. Im Wiener Stadtrecht wird ausdrücklich auf die Beteiligung der Bürger an der Regelung der städtischen Angelegenheiten abgestellt. So wird ein Gremium von 24 Bürgern, sogenannten prudentiores (= „Klügere“), eingesetzt, das in wesentlichen Entscheidungen auf den (herzoglichen) Stadtrichter, den bisherigen städtischen Entschei-
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dungsträger, keine Rücksicht zu nehmen braucht. Dazu kommen hundert fideliores de singulis vicis, besonders angesehene Männer aus den einzelnen Stadtteilen, womit vielleicht noch wichtigere Straßen mit dem nahe gelegenen, spärlich oder überhaupt nicht verbauten Gelände gemeint sind. Sie haben die Aufgabe, als Eideshelfer und Urkundszeugen gleichsam von Amts wegen bei Anschuldigungen oder Rechtsgeschäften wirksam zu werden. Die wichtigste Bestimmung des Wiener Stadtrechts, die der Herzog durchaus im eigenen Interesse erließ, betrifft das Stapel- oder Niederschlagsrecht. Schwäbische, regensburgische und passauische Kaufleute müssen auf dem Wiener Markt ihre Waren anbieten, sie dürfen nicht nach Ungarn weiterreisen und auch nicht mehr als zwei Monate in Wien bleiben. Sollten sie dagegen verstoßen, müssen sie zwei Mark Gold an die herzogliche Kammer bezahlen. Gold- und Silberhandel dürfen sie nur mit dem Herzog selbst treiben. Im Übrigen dürfen sie ihre Waren nur an Wiener Bürger verkaufen, denen damit der einträgliche Zwischenhandel eröffnet wird. Wohlhabende Bürger strebt der Herzog an, und nur diese werden durch die Bestimmungen des Stadtrechts begünstigt. Es ist leicht ersichtlich, dass dadurch auch ein Patriziat der Kaufleute und Fernhändler in der Stadt entstehen könnte, dass über kurz oder lang die Ritterbürger und babenbergischen Ministerialen als bedeutendste politische Gruppe in Wien ablösen würde. Innerhalb der 29 Paragrafen des Privilegs wird das Stapelrecht mit seinen Pertinenzen nur in einem einzigen behandelt. Daneben betrifft nur noch eine Bestimmung kaufmännische Belange; nämlich die Konsequenzen, die das Verwenden falscher Gewichte birgt. Am Rande des Themas bewegen sich einige wenige Erbrechtsparagrafen. Die überwiegende Mehrzahl der Bestimmungen befasst sich mit strafrechtlichen Tatbeständen, wobei nicht nur die traditionelle Kasuistik triumphiert, sondern auch überraschend Altertümliches zum Tragen kommt. So ist die Schwere der Sanktion manchmal von der Tageszeit abhängig, zu der das Verbrechen vollführt wurde. Hier finden wir die alte Vorstellung von der besonderen Verwerflichkeit heimlicher, im Schutze von Stille und Dunkelheit begangener Untaten. Eine Gruppe von Tatbildern bezieht sich auf eine Art öffentliche Gewalt, bei der die „Heimsuchung“, eine Form des Hausfriedensbruches mit Waffengewalt – auch im Ennser Privileg – im Vordergrund steht. Pfeil und Bogen, Letzteren gar gespannt, darf man in der Stadt nicht mit sich führen und kein „Stechemezzer“ bei sich tragen. Auch
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dabei wird das heimliche Verbergen des Messers, etwa im Stiefel, strenger bestraft als ein ersichtliches Tragen im Gürtel. Unter den Verbrechen werden nur Totschlag, Notzucht, Beleidigungen, Meineid und erstmals Gottes- und Heiligenlästerung angeführt. In den meisten Fällen kommt es auf die soziale und im engeren Sinne auch gesellschaftliche Position des Verletzten (oder des Verletzers) an, welche Beweise zugelassen, welche Möglichkeiten der Überführung und welche einer Reinigung vom Vorwurf vorgeschrieben sind. Hier wird man nichts Neues etwa im Vergleich zu den strafrechtlichen Bestimmungen des Privilegs für die Regensburger Kaufleute von 1192 finden. Sehr wichtig ist Zahl und soziale Qualifikation von Eideshelfern oder auch das Bestehen von Feuer- oder Wasserproben. Das Meiste kann mit Bußsummen bereinigt werden, fehlt das Geld, so drohen allerdings schwere Sanktionen, wie Auspeitschen, Abhauen der Hand, Herausschneiden der Zunge oder überhaupt die Todesstrafe. Noch immer (oder schon wieder) müssen die Tatbestände mit volkssprachigen Begriffen im lateinischen Text präzisiert werden (notwehr, unnotwehr, lem, lideschaert, heimsuchunge, averacht usw.). Unter den Beleidigungen wird nur auf Huren- und Hundesohn eingegangen, was unmöglich die einzigen Beschimpfungen gewesen sein können. Es ist anzunehmen, dass beide Schimpfwörter besonders häufig vorkamen und als besonders kränkend oder herabmindernd angesehen wurden. Als modern kann eine Art Untersuchungshaft bezeichnet werden. Betrachtet man das Wiener Stadtrecht in seiner Gesamtheit, so hat man den Eindruck, dass Liupold VI. vor allem ein geregeltes Strafverfahren – aller richterlichen Willkür entgegen arbeitend – am Herzen lag. Dazu kamen die Ansätze einer Verselbstständigung der (späteren Rats-)Bürger bei der Behandlung wichtiger städtischer Angelegenheiten, was seinerseits die Grundlage für einen wirtschaftlichen Aufschwung der Residenzstadt bieten sollte. Erst danach kann das Niederlagsrecht seine volle Wirkung erreichen und auch der Herzog daraus einen Vorteil ziehen. Nur wenn man dieser Denkweise folgt, wird die Wichtigkeit jenes Rechts verständlich, das in einem einzigen Paragrafen (23) seinen Niederschlag findet. Die Fülle der strafrechtlichen Sanktionen hingegen macht die latente Gewaltbereitschaft der städtischen Gesellschaft am Anfang des 13. Jahrhunderts deutlich.
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Abb. 13: Wiener Pfennige Liupolds VI.
5.
Reichsfürst und Schwiegervater: Liupold VI.
In den Zwanzigerjahren, seinem letzten Lebensjahrzehnt, wirkte Liupold VI. als ein Hauptakteur im reichspolitischen Geschehen, erweiterte seine Hausmacht und betrieb eine gezielte Heiratspolitik. Sein ältester Sohn, der gleich ihm Liupold hieß, war schon im Jahre 1216 als Schüler in Klosterneuburg unbeaufsichtigt auf einem Baum gestiegen, herabgestürzt und verstorben. Die 1489/1490 hergestellten Bildtafeln des babenbergischen Stammbaums (siehe unten S. 361–363) zeigen diese Szene sehr eindrucksvoll. Der ungefähr neunjährige Herzogssohn schleicht sich an seinem Lehrer vorbei in den Stiftsgarten, während dieser in ein Gespräch vertieft ist, seiner besonderen Aufsichtspflicht nicht nachkommt und somit an dem Tod des kleinen Liupold mitschuldig wird. Dass der Herzog diesen Verlust nicht so ohne Weiteres hinnahm, zeigt die Tatsache, dass er im Folgenden die Absetzung des Stiftspropstes Dietrich durchsetzte. Ein direkter Zusammenhang zwischen den beiden Ereignissen lässt sich freilich nicht herstellen. Die Herzogin Theodora scheint den Tod ihres ältesten Sohnes niemals verwunden zu haben, umso mehr, als sie von ihren beiden anderen Söhnen viel Negatives erleben musste. Noch 1227 stiftete sie ein Ewiges Licht an seinem Grab. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass der präsumtive Nachfolger des Herzogs in einer Stiftsschule erzogen wurde, was dem üblichen Kanon adeliger Erziehung zweifellos nicht
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Abb. 14: Liupold „das Kind“
entsprach, im 13. Jahrhundert jedoch zunehmend in Herrscherhäusern geübt wurde. Die klare Trennung zwischen geistlicher (lateinischer) Bildung und der Lebenspraxis des weltlichen Adeligen hörte zu dieser Zeit allmählich zu bestehen auf. Kein Zufall war es wohl, dass Liupold VI. bei den angestrebten Eheverbindungen seiner Kinder im Wesentlichen auf die Fürsten des mitteldeutschen Raums zielte. Er stellte damit eine enge Verbindung zu Sachsen und Thürin-
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gen her, wie sie vor allem in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts für die Babenberger bedeutsam geworden war. 1222 verheiratete er seine (wahrscheinlich) älteste Tochter Agnes mit dem jungen Herzog Albrecht von Sachsen, wobei er eine überaus prächtige Hochzeit ausrichten ließ, an der angeblich fünftausend Ritter teilgenommen haben sollen. Das berichtet uns Ulrich von Lichtenstein, der freilich an literarische Vorbilder denken mochte. Die Vermählung seiner Töchter Konstanze und Gertrud mit dem Markgrafen von Meißen und dem Landgrafen von Thüringen (dem späteren Gegenkönig Heinrich Raspe) erlebte Liupold nicht mehr, doch ist nicht zu bezweifeln, dass er die Weichen dafür gestellt hatte. Die Ursachen für diese Bevorzugung mitteldeutscher Fürsten mochten vielfältig sein, so könnte dem Herzog die Kreuzritterschaft des jungen Albrecht zusätzlich gefallen haben. Nicht von Ungefähr war es jedoch, dass man durch diese Verwandtschaften den König von Böhmen in die Zange nehmen konnte, was bei dessen stets latent vorhandener Feindseligkeit, die sich auch in diesem Jahrzehnt wieder praktisch bemerkbar machte, durchaus erwünscht war. Aber nicht nur drei Töchter „vergab“ Liupold VI. an die Blüte der mitteldeutschen Fürsten, auch sein zweiter Sohn Heinrich, der nun in der Nachfolge an die erste Stelle gerückt war, heiratete mit Agnes von Thüringen die Tochter des dichterfreundlichen Landgrafen Hermann, eine Schwägerin der heiligen Elisabeth, diesem höfischen „enfant terrible“, deren ungarisch-andechsische Herkunft ebenfalls politisch von Vorteil sein musste. Selbst Sohn einer ungarischen Königstochter, plante der babenbergische Herzog seinen jüngsten Sohn Friedrich mit dem arpadischen Hause zu verbinden. Doch wurde das unter dem Einfluss Theodoras abgeändert: Friedrich heiratete die Tochter des byzantinischen Kaisers Theodor Laskaris, deren Name merkwürdigerweise nicht überliefert wird. Dass sie Sophia geheißen habe, ist eine Spekulation, die aber nicht unwahrscheinlich scheint. Jedenfalls war sie die Schwester Marias, der Gemahlin des ungarischen Thronfolgers Béla IV. Doch noch zu Lebzeiten seines Vaters musste sich Friedrich von der Byzantinerin wieder trennen. Auf Drängen Liupolds VI. heiratete er dann Agnes, die Tochter Herzog Ottos VII. von Meranien. Ihre reiche Mitgift an krainischen Gütern ergänzte den dortigen babenbergischen Lehensbesitz. Sie war aber auch im Unterinntal und im heutigen Innviertel sehr begütert. Zuletzt ist noch zu bemerken, dass Liupold und Otto über viele Jahre politisch eng verbündet waren und in der Reichspolitik an einem Strang zogen.
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Auch für den Laien lässt sich in einer seltenen Klarheit erkennen, wie politisch durchdacht diese Eheverbindungen waren und wie stark sich Liupold VI. im Hinblick auf die dynastische Zukunft der Babenberger abzusichern trachtete. Es konnte kein Zweifel bestehen, dass diese auch weiterhin die Reichspolitik verantwortlich und maßgeblich mitgestalten würden und unbestreitbar zu den ersten Reichsfürsten in unmittelbarer Nähe zum König zählen mussten. Wie schnell er selbst auf solche Art eine solche Stellung einnahm, konnte Liu pold zunächst nicht ahnen. Alle diese Töchter des Herzogs bleiben uns bloße Namen: Sie haben wohl ihre Pflichten als Fürstin, Gemahlin, Mutter im damals üblichen Maße erfüllt, sie haben repräsentiert und fromme, aber nicht allzu bedeutende Stiftungen gemacht; mangels fernerer Nachrichten können wir das nur vermuten; ebenso dass sie sich in die höfische Welt eingereiht haben. Freilich ist keine von ihnen als besondere Förderin höfischer Kultur und Poesie hervorgetreten und so bleiben sie nicht im Gedächtnis, ähnlich den höfischen Musterfrauen der Manessischen Handschrift. Eine von ihnen allerdings ist durch ein überraschendes, zunächst glanzvolles, dann aber schweres und trübes Schicksal in die vorderste Reihe gerückt worden, wenn man heute an die Babenberger denkt: Margarete. Offensichtlich sie hatte Liupold VI. ausersehen, eine besondere, bisher fast undenkbare Stellung zu erringen, nämlich Königin von England zu werden. In einem Schreiben vom 15. Dezember 1221 verspricht König Heinrich III. dem Herzog, einen Kanoniker nach Österreich zu senden, um über seine geplante Vermählung mit einer Babenbergerin zu verhandeln. Zugleich wird bekannt, dass Liupold VI. in dieser Angelegenheit Magister Bernhard von Friesach nach London geschickt hatte. Die Vorverhandlungen wegen einer solchen Hochzeit befanden sich also in diesem Jahr schon in einer fortgeschrittenen Phase. Von einer bestimmten Tochter des österreichischen Herzogs ist in dem Brief des englischen Königs nicht die Rede. Ob Liupold schon damals Margarete auswählte und warum er so handelte, ist unbekannt. Obwohl die Altersverhältnisse von Brautleuten für eine politisch motivierte Ehe ohne Bedeutung waren, könnte es eine Rolle gespielt haben, dass Margarete für den 1207 geborenen Heinrich III. altersmäßig am besten geeignet schien: Sie dürfte nicht vor 1205 zur Welt gekommen sein. Das Projekt an sich aber überrascht. Von guten Beziehungen zum englischen Königshaus der Plantagenêts ist bei den Babenbergern vorher
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nichts bekannt, was bei ihrer Nähe zum staufischen Kaisertum und ihrer wenig welfenfreundlichen Haltung nicht verwundert. Auch von englischer Seite kann eine Vorliebe für das Fürstengeschlecht, dass Richard Löwenherz gefangen genommen hatte, kaum bestanden haben. Warum interessierte sich dessen Neffe für eine Enkelin jenes so feindlichen Herzogs? Die Aussicht auf eine gewaltige Mitgift kann es nicht gewesen sein, da Liupold VI. zwar reich war, aber andere Fürsten oder Könige sicher noch mehr bieten konnten. Politisch war der Herzog als staufischer Parteigänger und damit mittelbar als Sympathisant des französischen Königs ebenfalls eher als potenzieller Feind einzustufen, wie es der gleichnamige Sohn des „Kerkermeisters“ von Richard Löwenherz nicht anders sein konnte. Beziehungen mochten sich im Laufe der Albigenserkriege oder im Zuge der Belagerung Damiettes entwickelt haben, wo sich Liupolds Ansehen und ruhmvolles Verhalten weit verbreitet hatte. Eine beweisbare Erklärung für das ungewöhnliche und kaum zu erwartende Eheprojekt gibt es freilich nicht. Mehr als drei Jahre bleibt es für uns in dieser Sache still. Die nächste Nachricht stammt von Januar 1225, als König Heinrich III. zwei Briefe an Herzog Liupold richtet, in denen er eine Gesandtschaft unter Führung des Bischofs von Carlisle ankündigt. In einem Antwortschreiben teilt der Babenberger mit, dass er die weiteren Verhandlungen in dieser Angelegenheit vertrauensvoll in die Hände des Erzbischofs von Köln gelegt habe. Vielleicht wollte er den englischen Gesandten den weiten Weg nach Wien ersparen; wahrscheinlicher aber ist es, dass er Erzbischof Engelbert als „Englandexperten“, was die Kölner Oberhirten grundsätzlich zu sein pflegten, mit dem Hochzeitsprojekt zu befassen wünschte. Mit diesem Schreiben endet die Überlieferung der seltsamen Angelegenheit, die jedoch anscheinend nicht weiter verfolgt wurde. Den Grund für das Scheitern der Eheverhandlungen ist nicht bekannt. Es wird auch in späteren Quellen darauf niemals angespielt. Wahrscheinlich hat ein anderes Geschehen die Versuche, eine englische Heirat zu arrangieren, überdeckt. Denn nun wurde die Vermählung eines anderen König Heinrich spruchreif. Der junge Sohn Kaiser Friedrichs II., sein Stellvertreter im Reich nördlich der Alpen, sollte sich verheiraten. Das Interesse, das dieser Tatsache entgegengebracht wurde, lässt sich an den zahlreichen erhaltenen Nachrichten darüber ablesen. Eine Verbindung mit dem Kaisersohn wünschten Könige und Fürsten einzugehen. Eine Tochter Ludwigs VIII. von Frankreich wäre
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Kaiser Friedrich II. grundsätzlich willkommen gewesen, dennoch kam ein solches Eheprojekt über erste Ansätze offensichtlich nicht hinaus. Der selbst an einer Babenbergerin interessierte König Heinrich III. von England empfahl seine Schwester als Gemahlin des jungen Staufers, was aber aus politischen Gründen nicht realisiert werden konnte. Unter den Reichsfürsten tat sich König Přemysl Otakar I. hervor, der seiner Tochter Agnes 30.000 Mark Silber mitzugeben versprach, wozu deren Onkel Herzog Ludwig I. von Bayern noch 15.000 zuschießen wollte. Dieselbe Summe bot König Andreas II. von Ungarn, der aber mit seinem Angebot bereits zu spät kam: Der 14-jährige Staufer hatte sich schon für die böhmische Agnes entscheiden müssen. Diese wurde Herzog Liupold VI. übergeben, der sie bis zu ihrer Hochzeit in Wien behalten und vorbereiten sollte. Ob nun der Herzog das Vertrauen des böhmischen Königs missbrauchte oder ob er unerwartet und überraschend mit einem plötzlichen Entschluss Kaiser Friedrichs II. konfrontiert wurde, wissen wir nicht. Jedenfalls wurde Liupold, als er 1225 in Italien weilte, um zwischen Kaiser und Papst zu vermitteln, aber auch beiden Häuptern der Christenheit die böhmische Agnes als künftige römisch-deutsche Königin zu empfehlen, mitgeteilt, dass Kaiser Friedrich sich seine Tochter Margarete als Schwiegertochter wünsche. Der Grund für diese Entscheidung ist unbekannt und kann auch nicht wirklich erschlossen werden. Ein Interesse an dem österreichisch-steirischen Länderkomplex mag beim Kaiser vermutet werden, doch wäre ein solches bei Lebzeiten zweier Söhne Liupolds VI. äußerst unrealistisch gewesen. Eine derartige Erklärung wird von den Versuchen des Kaisers nach 1246 her gesehen und scheint letztlich völlig aus der Luft gegriffen. Tatsächlich muss das Ergebnis der Brautschau des jungen Königs für weitgehende Überraschung, aber auch Verbitterung gesorgt haben. Mit der Wahl der Babenbergerin Margarete war das „abrupte Ende eines politischen Tauziehens“ gekommen. Liupold VI. hatte freilich mit Anfeindungen des Böhmenkönigs, dem man rasch seine Tochter zurücksandte, aber auch des Bayernherzogs zu rechnen. Die quasi sitzen gelassene Braut musste gerächt werden: Ihre Verheiratung mit dem erst 14-jährigen Staufer hätte die Garantie für einen wesentlichen Einfluss auf die Reichspolitik und die daraus erfließenden Möglichkeiten geboten. Durch den kaiserlichen Wunsch ausgezeichnet, musste sich Liupold allerdings herbeilassen, für seinen Sohn Heinrich auf jegliche Mitgift der Agnes von Thüringen zu verzichten. Die Hochzeit des jungen Königs mit Marga-
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rete fand am 29. November 1225 in Nürnberg statt, wo auch deren Bruder mit der Landgrafentochter vermählt wurde. Doch stand dieses prächtige Fest unter keinem guten Stern. Erzbischof Engelbert von Köln, der Reichsverweser, wurde auf der Reise nach Nürnberg von Verwandten ermordet. Wurde das schon als Unheil angesehen, so steigerte sich dieses noch, als über die Frage nach der Ahndung des Mordes ein Tumult ausbrach und zu den Waffen gegriffen wurde. Schließlich brach eine Treppe ein und mehrere Gäste stürzten zu Tode. Den Zeitgenossen schien dieses Geschehen für das weitere Geschick des königlichen Hochzeitspaares unheilverkündend und sie sollten sich damit nicht geirrt haben. Für Liupold VI. brachte der Tod des Erzbischofs aber ungeahnte Möglichkeiten, Einfluss auf seinen königlichen Schwiegersohn auszuüben, wenn auch zum neuen Reichsverweser sein Feind Ludwig von Bayern bestellt wurde. Zunächst aber sah sich der Babenberger der erbitterten Feindschaft Otakars I. von Böhmen ausgesetzt. Als Liupold VI. im Mai 1226 in der Lombardei weilte, fiel der Böhme in Niederösterreich ein und verwüstete das Land nördlich der Donau. Unterstützung erhielt er durch Liupolds Sohn Heinrich, der sich gegen seinen abwesenden Vater erhob. Die Gründe dafür sind fraglich. Es mag sein, dass sich der Herzogssohn darüber empörte, auf jegliche Mitgift seiner thüringischen Frau verzichten zu müssen, während seine Schwester den König ehelichte, er also um jeden Preis dem königlichen Heiratsprojekt zum Opfer gebracht worden war. Vielleicht sah sich Heinrich aber auch durch den Plan seines Vaters, Österreich und Steiermark unter seinen beiden (überlebenden) Söhnen zu teilen, um das Recht des Älteren geprellt. Doch täuschte sich der junge Babenberger über die Bereitschaft von Adel und Ministerialen des Landes, auf seine Seite zu treten. Er konnte zwar seine Mutter Theodora aus Hainburg vertreiben, doch blieben ihm weitere Erfolge verwehrt. Während Heinrich von Kuenring, der Marschall Liupolds, die Böhmen wieder aus dem Lande jagte, an einem Gegenangriff aber durch den Papst gehindert wurde, warf der schnell zurückkehrende Liupold den Aufstand seines Sohnes ohne Schwierigkeiten nieder. Doch brachten die Waffenerfolge keine dauernde Bereinigung der Gegensätze. Die Böhmen verharrten in Feindschaft, und die Versöhnung zwischen Vater und Sohn blieb oberflächlich; eine Spannung bestand weiterhin, wenngleich beide zusammen im Juni 1227 auf dem Hoftag in Donauwörth erschienen. In den Zwanzigerjahren ist Liupold VI. ohne Zweifel zu den bedeutends-
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ten Reichsfürsten zu zählen. Die Möglichkeit, als Schwiegervater des Königs auf dessen Entscheidungen Einfluss zu nehmen, ließ den Herzog nach 1225 den Höhepunkt seiner politischen Stellung erreichen, wobei der Gegensatz zum Reichsverweser Ludwig von Bayern offen zutage trat. Dies verstärkte sich noch, als der Bayer im Streit des Kaisers mit dem Papst, seiner Vertrauensstellung im Reich uneingedenk, sich von der päpstlichen Partei gewinnen ließ. Dem Kampf gegen den Verräter blieb der Österreicher zwar fern, doch scheint er Herzog Otto von Meranien, den natürlichen Feind Ludwigs, unterstützt und beraten zu haben. Liupold reiste hingegen nach Italien, um dort zwischen den beiden Universalmächten zu vermitteln. Der Streit war eskaliert, da Friedrich II. den schon lange versprochenen Kreuzzug immer wieder verschob. Liupold, der als erfahrener und besonnener Kreuzfahrer angesehen wurde, sollte hier seine Erfahrungen mitteilen und den Kaiser zum baldigen Aufbruch mahnen. Dass dieser Liupold gern selbst dabeigehabt hätte, beweisen frühere Versprechen, ihm Reisegeld und Verpflegung zu garantieren. Doch der Babenberger wollte vermitteln, mahnen, drängen, aber nicht mehr selbst an dem Unternehmen beteiligt werden. Er verwies auf sein fortgeschrittenes Alter, was aber bei einem ca. 48-Jährigen auch im 13. Jahrhundert kein wirkliches Argument war. Liupolds Kreuzzugsbegeisterung schien erstorben, Erweiterung seiner Hausmacht und Ratgeberschaft bei König Heinrich dürfte bei ihm Priorität gehabt haben. Hier war einiges zu leisten. Schon 1224 hatte er gleichsam einer Fürstenzusammenkunft im salzburgischen Friesach präsidiert, wo es gegolten hatte, politische Streitigkeiten zwischen Herzog Bernhard von Kärnten und dem Andechser Heinrich II. von Istrien beizulegen. Tatsächlich scheint Liupold VI. dabei erfolgreich gewesen zu sein, obwohl wir über die politische und damit wesentliche Dimension des Treffens unzureichend unterrichtet sind. Im Vordergrund der höfisch orientierten Zeitgenossen stand der Festcharakter dieser Zusammenkunft. Ulrich von Lichtenstein schildert den glänzenden Rahmen der Versammlung, ihre Feiern und Turniere: ein Beiwerk, dass das eigentliche Vorhaben überwucherte und Liupold VI. keineswegs behagte, obwohl er bekanntlich kein Feind üppiger Festveranstaltungen war. Eine schwierigere Sache, in die der Herzog verwickelt wurde, war die Gegnerschaft des ungarischen Thronerben Béla zu seinem Vater Andreas II. von Ungarn. Dieser war über die Heirat Bélas mit der byzantinischen Kaisertochter Maria Laskaris unzufrieden, Béla gewann
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eine adelige Anhängerschaft, musste aber schließlich 1224 nach Österreich fliehen. Papst Honorius III. griff in diesen Streit ein und forderte von Liupold die Begünstigung des zu ihm geflohenen Königssohns, der auf die Protektion der österreichischen Herzogin als Byzantinerin hoffen konnte. Die Angelegenheit war für Liupold nicht ganz unproblematisch, da zu Andreas II. seit dem fehlgeschlagenen Unternehmen im Heiligen Land keine besonders guten Beziehungen bestanden. Wie schnell sich die politischen Ansichten änderten, zeigt ein Schreiben des Papstes an den Herzog, in dem er einen Monat nach der Empfehlung Bélas jetzt Liupold ermahnte, alles zu unternehmen, um den Königssohn zur devotio und reverentia gegenüber seinem Vater zu bewegen. Jedenfalls dürfte Liupold VI. in dieser komplizierten Lage klug agiert haben, da alles wieder ins Lot kam. Die Verhältnisse verschlechterten sich aber bald darauf wieder, als Andreas II. mit seinem Heiratsangebot an Kaiser Friedrich II. scheiterte, Liupold hingegen kurz danach seine Tochter Margarete auf dem Königsthron sah. Grenzstreitigkeiten im steirisch-ungarischen Bereich, Fragen der Befestigungsanlagen und problematische Lehensabhängigkeiten führten zu fortgesetzten militärischen Interventionen. Das Ganze verblieb wohl im Rahmen üblicher Fehden und Scharmützel, dennoch ließen diese Auseinandersetzungen keine Ruhe im gegenseitigen Verhältnis aufkommen. Zuletzt benötigte man die Vermittlung des päpstlichen Legaten, dem bei seiner Tätigkeit wohl auch die Verfügbarkeit beider Fürsten für den schon lange angestrebten Kreuzzug vor Augen stand. Da es sich vonseiten der Babenberger um ein steirisches Problem handelte, wurde am 6. Juni 1225 in Graz ein von Kardinal Konrad von Porto vermittelter Vertrag geschlossen, der König Andreas II. und Herzog Liupold VI. verpflichtete, die dort getroffenen Vereinbarungen zur Kenntnis zu nehmen und ihren Inhalt zu befolgen. Die einzelnen Punkte enthalten auch Andeutungen über Rechtsverletzungen, die den gewöhnlichen Schädigungen des Feindes entsprechen: Verwüstung von Weingärten und Feldern, aber ebenso deren unrechtmäßige Nutzung, das Treiben des Viehs auf fremde Weide sowie widerrechtliches Holzschlagen. Das alles war Fehdealltag und hier nicht Randerscheinung eines Heereszugs. Um diese Streitigkeiten zu beenden, wenn man das beiderseits gewollt und dafür überhaupt Interesse aufgebracht hätte, wäre kein Legat des Papstes notwendig gewesen. Vielleicht hätte sich sonst der Herzog nicht zur Zahlung einer Bußsumme von tausend Mark bereitgefunden. Wichtiger war in diesem Zusammenhang das
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Versprechen des ungarischen Königs, die Errichtung von Befestigungen an der Grenze dem herzoglichen Nachbarn mitzuteilen und nicht im Geheimen vorzunehmen. Noch wichtiger war die gleichsam vor der apostolischen Autorität erfolgte Feststellung, dass das Castrum in Pinka edificatum (Pinkafeld) zum babenbergischen Herzogtum Steiermark gehöre. Wahrscheinlich entscheidend aber wird das Wirken des Kardinallegaten gewesen sein, als es galt, König Andreas II. dazu zu bewegen, alles zu tun, um Liupold VI. mit Ludwig I. von Bayern zu versöhnen. Im Jahre 1227/1228 treffen wir den Herzog besonders häufig am Königshof an; seit Mitte 1228 findet sich der Babenberger dann kaum mehr in der Umgebung seines königlichen Schwiegersohns Heinrich (VII.). Das lässt sich aus dem Fehlen Liupolds in der Zeugenreihe der Königsurkunden erkennen, darüber hinaus aber nicht erklären. Möglicherweise hat der überraschende Tod seines älteren und überaus unruhigen Sohns Heinrich eine Wendung zu den Problemen der beiden Herzogtümer bewirkt. Die Nachfolge Liupolds blieb nun auf den jüngsten Sohn Friedrich beschränkt. Dieser musste sich auf seines Vaters Wunsch 1229 von seiner byzantinischen Gemahlin trennen und die Andechserin Agnes heiraten, die – wie oben gezeigt – den babenbergischen Eigenbesitz mit ihrer sehr reichen Mitgift bedeutend vergrößerte. Diese Ehe könnte auch der Festigung der schon länger bestehenden engen politischen Verbindung Liupolds mit Herzog Otto von Meranien gedient haben. In den letzten Monaten seines Todesjahres erlebte Liupold VI. den Höhepunkt seiner internationalen Bedeutung. Papst Gregor IX. und Kaiser Friedrich II. waren nach dem Kreuzzug des gebannten Staufers scharf aneinandergeraten. Der bei beiden hoch angesehene Hochmeister des Deutschen Ordens, Hermann von Salza, hatte vergeblich versucht, einen dauernden Ausgleich herzustellen. Zu Beginn des Jahres 1230 wurde eine Reihe bedeutender Fürsten Süddeutschlands vom Kaiser nach Italien berufen, um zur Lösung des Streits mit dem Papst beizutragen. Liupold zog an der Spitze zahlreicher Ministerialen nach Ceprano, einem Ort im päpstlichen Machtbereich, der schon 1225 Verhandlungen zwischen den beiden Häuptern der Christenheit gesehen hatte. Damals hatte sich der österreichische Herzog hervorgetan. 1230 ging es um viel mehr: Das staufische Ansehen stand auf dem Spiel, das zu festigen – neben der allgemeinen Sehnsucht nach Frieden – im Interesse des Vaters von Friedrichs II. Schwiegertochter lag. Auch diesmal bewies Liupold VI. seine
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diplomatischen Fähigkeiten, doch das zähe Ringen um eine grundsätzliche, befriedigende und möglichst dauerhafte Einigung, die offensichtlich niemand benachteiligte, zog sich über die Hälfte des Jahres hin. Im Juli erkrankte der Herzog schwer, dennoch wurde weiterverhandelt, und er scheint an der Spitze der weltlichen Fürsten in der Urkunde auf, die im kaiserlichen San Germano am 23. Juli 1230 ausgestellt wurde. Darin ist der Friedensvertrag endgültig fixiert, und die genannten Fürsten verbürgen sich eidlich, dass Friedrich II. die Bestimmungen berücksichtigen werde. Ein Schreiben des Kardinals Johannes von Santa Sabina an Papst Gregor IX. meldet allerdings, dass die Fürsten im Namen des Kaisers den Vertrag beschworen hätten, mit Ausnahme des Herzogs von Österreich, der erkrankt sei. Es ist also möglich, dass man Liupold als hervorragenden Verhandler in den Text der Urkunde aufnahm, ohne dass er persönlich den Schwur geleistet hatte. Nur wenige Tage danach, am 28. Juli 1230 ist Herzog Liupold VI. am Ort der Beurkundung verstorben. Wohl im Bewusstsein seines nahenden Endes vermachte er dem Kloster Monte Cassino dreihundert Mark Silber. Die Todesursache ist unbekannt. Die dankbaren Mönche, die den Herzog in ihrem Necrologium ehrerbietig verzeichnen, sprechen davon, dass Liupold (Diubuldus!) gravi corporis infirmitate detineretur, de qua mortuus fuit (von einer schweren Krankheit – oder Schwäche – niedergeworfen wurde, an der er starb). Diese allgemein gehaltene Formulierung lässt keine Schlüsse zu; nicht ungewöhnlich oder selten sind ruhrartige Erkrankungen, die den Mittel- und Westeuropäer im Süden befallen: doch bleibt das im Falle des Herzogs bloße Spekulation. Liupolds Leichnam wurde in üblicher Weise ausgekocht, sein Fleisch in Monte Cassino bestattet, die Knochen nach Österreich gebracht und in seiner Gründung Lilienfeld beigesetzt. Der Bedeutung des Verstorbenen entsprechend, fanden sich bei der Beerdigung zahlreiche Fürsten ein, an ihrer Spitze Erzbischof Eberhard II. von Salzburg, mit dem ihn die gemeinsame prostaufische Haltung einte, und Herzog Bernhard von Kärnten, beide zusammen mit dem Abgeschiedenen erfolgreich in Ceprano und San Germano tätig. Der Papst richtete ein Beileidsschreiben an Herzogin Theodora, in dem er seine Trauer bekundet über den Hingang eines so besonders christlichen Fürsten (christianissimus princeps), der sich durch seine Treue und Ergebenheit um die Kirche hoch verdient gemacht habe. Auch sei er in wirksamer und klug argumentierender Weise für den Frieden zwischen dem apostolischen Stuhl und
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dem Reich eingetreten. Ihm sei das Leben in himmlischer Glorie gewiss. Die Nachrufe in den Chroniken sind überaus ehrenvoll und lobend. Die Todesursache wird nirgends angedeutet, einmal die naturalis mors, der natürliche Tod, erwähnt. Originell ist die Formulierung der Annalen von Göttweig, die ihn zunächst kurz mit Gemeinplätzen charakterisieren und dann darauf hinweisen, dass er für die Wiederherstellung des Friedens zwischen Papst und Kaiser „geschwitzt“ habe. In einer anderen Quelle wird er als dux gloriosus bezeichnet, ein nicht ungewöhnlicher Beiname, der in seiner deutschen Form „glorreich“ aber zum unverwechselbaren Attribut Liupolds VI. werden sollte. Seine Herrschaft wurde bereits in der frühen Habsburgerzeit, als sie erst ein halbes Jahrhundert vergangen war, als goldene Zeit gesehen. Sie gilt auch in der modernen Geschichtsschreibung als glücklichster und hervorragendster Abschnitt der babenbergischen Epoche. Die Macht seines Geschlechts erreichte unter ihm seine höchste Entfaltung. Seine Bemühungen um das Städtewesen, den Handel und den wirtschaftlichen Aufschwung im Allgemeinen, um die Förderung der Klöster und die zeitgemäße Religiosität der Bettel- und Ritterorden haben seinen Herzogtümern eine bedeutende Stellung im Reich verschafft. Zugleich war seine energische Entwicklung des Landesfürstentums stets mit der Sorge um das Reich und dessen Ansehen verbunden. So hat er diesem zuzeiten mit kriegerischem Aufwand, meist aber durch eine unverdrossene Diplomatie gedient. Persönlich war er in bemerkenswerter Weise kirchenfromm, ohne sein ritterliches Ideal zu verleugnen, das freilich nach seiner zweiten Kreuzfahrt mehr und mehr einem eher realistischen Lebensgefühl Platz machte. Was Liupold VI. nicht in dem Maße war, wie bisher angenommen: ein Förderer der höfischen Literatur, vor allem der Lyrik. Der Hof zu Wien war unter seinem Vater und Bruder, vielleicht schon unter seinem Großvater, ein Mittelpunkt des Minnesangs. Liupold ließ Walther von der Vogelweide nach dem Tod seines Bruders Friedrich I. ziehen und gab seinen Bitten um Wiederaufnahme nie Gehör. Verschiedene andere bedeutende höfische Dichter, die man an Liupolds Hof unter seiner Patronanz vermutete, sind erst unter der Herrschaft seines Sohnes Friedrich II. zu belegen. Aber vielleicht unterschätzt man ihn jetzt dort, wo man ihn früher überschätzt hatte. Die Argumentation pro und contra, für oder gegen den Literaturmäzen Liupold VI. bewegt sich quellenmäßig auf dünnem Eis. Dem späten Lob des Wiener Ritterbürgers Jans
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Enikel, der die sanges- und tanzfreudige Art des Herzogs in begeisterten Worten hervorhebt, steht die polemische Aussage Walthers von der Vogelweide entgegen, der darüber klagt, dass der Hof zu Wien jeden festlichen Glanz vermissen lasse. Wir kennen die prächtigen Veranstaltungen, die Liupold VI. aus Anlass seiner Schwertleite und seiner Hochzeit abhielt. Dabei wird er auch die Sänger – wie es überall üblich war – reichlich belohnt haben. Andererseits ist es merkwürdig, dass Ulrich von Lichtenstein, der beim Wiener Hoffest 1222 den Ritterschlag empfing, von der großen Freigebigkeit des Babenbergers gegenüber Grafen, Edelfreien und Dienstleuten spricht, Gaben für Dichter hingegen in diesem Zusammenhang nicht erwähnt. Über das Mäzenatentum Liupolds VI. bleiben die Meinungen also geteilt, weil auch die Quellen hier keine Eindeutigkeit zulassen. Es ist möglich, dass der kirchenfromme Mann eher der moralisierenden, religiös betonten Dichtung zugeneigt war. Lange Zeit wurde der Hof Liupolds mit der Aufzeichnung des Nibelungenlieds in Zusammenhang gebracht. Heute ist die überwiegende Meinung, dass es in Passau, bei dem literaturbegeisterten Bischof Wolfger, in die für uns „klassische“ Form gebracht wurde. Doch ist eine enge Beziehung zum österreichischen Donauland bei dem Verfasser ohne Zweifel vorhanden gewesen. Während er sich bei den Schilderungen des ersten Teils mit wenig Ortsangaben am Mittelrhein zufriedengibt, nennt er vier Orte an der bayerischen Donau (Großmehring, Pförring, Plattling und Passau: In der Bischofsstadt Wolfgers zeigt er eine genaue Ortskenntnis, wie die Mitteilung, dass sich dort der Inn mit starker Strömung in die Donau ergießt, deutlich macht). Auf babenbergischem Gebiet ziehen die Burgunden durch Eferding, Enns, Pöchlarn, Melk, Mautern, Traismauer, Tulln, Zeiselmauer, Wien und Hainburg. Diese Angaben setzen eine kleinräumige Kenntnis des Herzogtums Österreich voraus, die auch in der Personendarstellung zur Geltung kommen könnte. Wie Bischof Wolfger seinen Vorgänger Pilgrim aus dem 10. Jahrhundert spiegelt, der ja angeblich die Sage erstmals im Südosten des Reiches schriftlich niederlegen ließ, und der schwache König Andreas II. von Ungarn samt seiner energischen deutschen Frau Gertrud als Personen wohl auf die Zeichnung des Paares Etzel/Kriemhild abgefärbt haben, so könnte Herzog Liupold VI. das zeitgenössische Vorbild des Markgrafen Rüdeger von Bechelaren sein. In Parallele zu Bischof Pilgrim wäre im 10. Jahrhundert an den Markgrafen Burchard zu denken, der nach Zurückdrängung der Ungarn wohl weiterhin mit
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ihnen zu tun und in Pöchlarn seinen Aktionsmittelpunkt hatte; möglicherweise aber auch an den ersten Babenberger Liutpald I., der mit dem Herzog der Zeit um 1200 immerhin den Namen teilte. So mag Liupold VI. über vielerlei Assoziationen hinweg das Muster eines ritterlichen „Markgrafen“ gewesen sein, der durch die Anbindung des Liedgeschehens an sein Herrschaftsgebiet dem tragischen Rüdeger Gestalt und Charakterzüge lieh. Der Herzog wird so literarisiert, hat das große Epos aber wohl nicht in Auftrag gegeben.
6.
Schwierige Anfänge: Friedrich II.
Nachfolger des im Reich weithin anerkannten Herzogs wurde sein jüngster Sohn Friedrich II. Er hatte als Einziger den Vater überlebt und blieb so für die Übernahme der Herrschaft in beiden Herzogtümern erhalten. Durch seine zweite Frau Agnes von Andechs-Meranien war Friedrich überdies in den Besitz zahlreicher wertvoller Güter im Unterinntal, vor allem aber in Krain gekommen, während sein älterer Bruder Heinrich die thüringische Landgrafentochter ohne jede Mitgift hatte heiraten müssen. Friedrich II. war wahrscheinlich das fünfte Kind des Herzogspaares und dürfte gegen 1210/1211 geboren worden sein, beim Antritt der Herrschaft also gegen zwanzig Jahre alt. Kaiser Friedrich II. hat den Sohn seines Freundes und politischen Helfers wohl ohne besondere Formalitäten als Herzog von Österreich und Steiermark anerkannt. Der energische junge Mann hatte den glanzvollen Aufstieg des Landesfürstentums miterlebt und konnte sich als Fortsetzer des väterlichen Werks sehen. Die guten Beziehungen zu Kaiser und Papst, die hohe Geltung der Babenberger im Kreise der Reichsfürsten, die engen Verbindungen zu anderen führenden Familien, die Liupolds Heiratspolitik geschaffen hatte, schienen eine ideale Ausgangsposition für eine ruhige, planvoll gestaltete Herrschaft zu bieten. Doch täuschten die starke Stellung im Reich und die gute wirtschaftliche Basis der babenbergischen Herzogtümer über die spannungsgeladene Lage im Inneren. Die umfassende und kaum beschränkbare Macht des Landesherrn rief Gegenkräfte auf den Plan. Diese verkörperten sich in den Ministerialen, welche zu den wesentlichen Machtträgern des Herzogs geworden waren. Der Grund für den nun ausbrechenden Aufstand ist unbekannt, Anlass mochte der
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Herrschaftswechsel sein, der größere Chancen auf Erfolg verhieß. Die Ministerialen sorgten grundsätzlich für die Durchsetzung der herzoglichen Anordnungen und für die Beschaffung der notwendigen Subsistenzmittel. Sie erweiterten durch ihre Tätigkeit die Sphäre der landesherrlichen Macht. Auf diese Weise hatten sie aber auch Anteil an der Machtausübung. Sie bildeten das herzogliche Gefolge und waren im Kampf auch in fernen Ländern an des Herrn Seite. Und dennoch hafteten ihnen noch immer wesentliche Elemente rechtlicher Abhängigkeit an, die ihnen manche Nachteile brachten. Vor allem im Bereich von Eheschließung und Nachkommenschaft waren sie weiterhin vom guten Willen ihres Herrn abhängig. Kinder aus einer Ehe zweier Ministerialen von verschiedenen Herren wurden in einem Abkommen dem einen oder anderen zugeschlagen. Dies war noch leichter zu ertragen als die Markgrafen sich de facto in Lebensweise und Bewältigung des Alltags von ihren Mitkämpfern und Gefolgsleuten nicht bedeutend unterschieden. Mit dem Aufstieg der Herzöge in eine Sphäre quasiherrscherlicher Stellung wurde die Kluft zu den Dienstleuten groß, obwohl deren politische Kraft wuchs und sie nun auch mehr Aufgaben zu übernehmen hatten. Dazu kam, dass seit der Mitte des 12. Jahrhunderts das Bürgertum als wichtigste Wirtschaftskraft immer mehr in den Dienst des Herzogs gestellt und daher auch entsprechend privilegiert wurde. Reiche Bürger konnten sich daher Kleider, Stoffe und Schmuck leisten und damit repräsentieren, was den Ministerialen in solchem Glanz vielfach verwehrt blieb. Bei der Wichtigkeit, die im Mittelalter dem Äußeren einer Person, ihrer gesamten Erscheinung, zugeschrieben wurde und die besonders bei Hof entscheidend sein konnte, sollte man selbst solche Argumente nicht außer Acht lassen. Schließlich wurden auch die Klöster von Liupold VI. sehr bevorzugt, besonders über die nahezu unangreifbare Sonderstellung der Zisterzienser empörten sich die herzoglichen Dienstleute. So fand sich der junge Herzog gleich 1230 mit einem Aufstand der Ministerialen konfrontiert. Die Führung der Empörer hatte die berühmte Familie der Kuenringer inne; an ihrer Spitze standen die Brüder Heinrich II., der als Landesmarschall Liupolds VI. noch 1226 die Böhmen aus Österreich vertrieben hatte, und Hadmar III., der den Herzog nach San Germano begleitet hatte und an dessen Totenbett gestanden war – sicherlich auch wesentliche Verdienste um die Heimbringung des Leichnams hatte. Es handelte sich also um prinzipielle Fragen der rechtlichen und dann politischen ministerialischen
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Stellung in den babenbergischen Herzogtümern. Die Aufständischen nahmen Besitz vom herzoglichen Schatz und begannen 1231 mit dem für eine Fehde üblichen Schädigungen des Gegners: Ihr Sengen und Brennen bezog sich nicht nur auf herzogliche Güter, sondern auch auf solche des Bischofs von Passau und der vom Herzog besonders geförderten Klöster. Die Kuenringer und ihre Mitkämpfer brachten schließlich weite Teile Österreichs nördlich der Donau in ihre Gewalt. Aber Friedrich II. zeigte eine vielleicht unerwartete Entschlossenheit und Härte. Er belagerte und eroberte die kuenringischen Hauptburgen (Dürnstein, Aggstein, Weitra) und zwang die Empörer zur Unterwerfung. Hadmar III. war im Laufe der Kämpfe verstorben und Heinrich II. befand sich in einer auswegslosen Lage. Der junge Herzog zeigte sich aber besonnen und beließ den Besiegten – eingedenk seiner früheren Leistungen für Liupold VI. – in seiner Stellung als Landesmarschall. Minder bedeutende Aufständische wurden vereinzelt hingerichtet. Bei dem Aufstand handelte es sich modern gesprochen um einen mit Waffen und allen üblichen Brutalitäten ausgetragenen Verfassungskampf. In späterer Tradition wurde daraus ein Kampf Friedrichs II. gegen frevlerische Raubritter. Das ist historisch gesehen nicht richtig. Wenn auch wahrscheinlich die aufstrebenden Bürger in ihren privilegierten Rechtsbezirken ein Feindbild der Ministerialen waren, so darf man aus dem Aufstand von 1230/1231 keinen Kampf räuberischer, verkommener Ritter gegen die prunkenden Pfeffersäcke machen. Untaten, die damit im Volksmund und auch der literarischen Überlieferung verbunden und im Umkreis der kuenringischen Burg Aggstein an der Donau angesiedelt wurden, gab es erst im 15. Jahrhundert unter ganz anderen politischen und sozialen Bedingungen. Erschwert wurde der Kampf des Herzogs gegen die feindlichen Kräfte im Inneren durch die gleichzeitige Invasion der Böhmen im Norden des Landes. Wenzel I. hatte noch vor seiner Bestätigung durch Kaiser Friedrich II. Verbindung zu den unzufriedenen österreichischen Ministerialen aufgenommen und eine Offensive gegen den Babenberger begonnen. Fünf Wochen konnten die Böhmen nahezu ungehindert plündern und rauben, weil die Abwehrkräfte sich ihrerseits gegen den Herzog wendeten. Erst deren Niederringung bewog den böhmischen König zum Rückzug. Aber Ruhe kehrte deswegen nicht ein; Wenzel I. blieb gefährlich und lauerte auf eine neue Möglichkeit, sich in Österreich nördlich der Donau festzusetzen. Friedrich II. konnte das
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Land nicht verlassen, obwohl es für ihn wichtig gewesen wäre, den Hoftag des Kaisers in Ravenna zu besuchen. Im Herbst 1231 war Herzog Ludwig von Bayern, der verräterische Reichsverweser, von einem Unbekannten ermordet worden. Sofort verbreitete sich das Gerücht, der Kaiser stünde hinter dem Attentat. In diesen politischen Wirren hätte der Herzog von Österreich sich auf die Seite des Kaisers stellen können, um damit selbst eine Stütze gegen seine angriffslustigen und feindlich gesinnten Nachbarn zu haben. Aber die noch nicht beseitigte böhmische Gefahr ließ eine persönliche Annäherung der beiden Friedriche nicht zu. Tatsächlich war der dramatische Anfang der Regierung Herzog Friedrichs II. ein Leitmotiv für dessen ganze Herrschaft: Ruhe, geordnete und halbwegs gesicherte Verhältnisse sollten sich niemals einstellen. Des Herzogs hektisch betriebsames Naturell konnte sich mit einem einfachen status quo nicht anfreunden. Die schwankende politische Situation im Reich entsprach seiner eigenen unruhigen Haltung und war gewissermaßen die ideale Bühne für eine Veränderung anstrebende Taten. Kämpfe, Fehden, politische Unruhe sollten die nächsten Jahre bestimmen. Die dadurch erzielten Erfolge waren höchstens vorübergehend, meist aber wurden gar keine erreicht. Diese ins Leere gehende Tatkraft erschöpfte den Babenberger und brachte alle Nachbarn gegen ihn auf. Bayern, Böhmen und Ungarn wandten sich gegen den aggressiven Friedrich und waren dabei meistens im Recht. Auch der Kaiser begann seine anfänglich vorhandene Sympathie für den Namensbruder langsam zu verlieren. In seinen Herzogtümern fand Friedrich II. ebenfalls kaum eine Stütze: Edelfreie und Ministerialen, Städte und Klöster waren durch seine Sprunghaftigkeit überfordert und lehnten es weitgehend ab, seinen politisch-militärischen Winkelzügen zu folgen. Einen innenpolitischen Vorteil gewann der Herzog hingegen durch den Erbvertrag mit seinem Onkel Heinrich dem Jüngeren von Mödling. Dieser kinderlose Mann verschrieb seine Eigengüter, die neben der Namen gebenden Burg vor allem am Ostabhang des Wienerwaldes und im Wiener Becken (Traiskirchen, Sollenau) lagen, dem jungen Herzog. Ähnlich prächtig wie sein Vater feierte Friedrich II. im Februar 1232 zusammen mit zweihundert Jünglingen in Penzing (heute 14. Bezirk von Wien) seine Schwertleite. Dieses mit einem Turnier verbundene Fest gehörte zu den spärlichen Ruhepunkten, die der Herzog zwischen seinen aufwendigen, kriegerischen Unternehmungen und den politisch motivierten Reisen einschob.
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Abb. 15: Reitersiegel Herzog Friedrichs II.
Bald danach wollte er am Hoftag des Kaisers in Cividale teilnehmen, verzichtete aber letztlich darauf und nötigte den Herrscher, ihn in Pordenone, dem südlichsten Eigenbesitz der Babenberger, zu erwarten. Politisch klug war das keineswegs, selbst wenn man einräumt, dass dieser ohnehin auf dem Weg nach Deutschland war. Auch war es zweifellos ein Versäumnis, bei der Versöhnung zwischen Kaiser Friedrich II. und dessen Sohn Heinrich, dem Schwager des Babenbergers, nicht zugegen zu sein. Die Stimmung beider Staufer in Bezug auf den Herzog war in Pordenone sichtlich nicht die beste, zumal dieser noch immer die Auszahlung der beträchtlichen Mitgift seiner königlichen Schwester Margarete hintanhielt. Schon Liupold VI. war dieser Verpflichtung nicht nachgekommen: Der Grund dafür ist unbekannt. Auch in Pordenone kam
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man in dieser Angelegenheit nicht weiter, wobei offensichtlich die Starrheit des Herzogs allen Lösungsvorschlägen gegenüber die Schuld trug. Dieser Misserfolg der Staufer und die leichtfertige Art des Babenbergers ließen zweifellos einen Stachel zurück, wenn der Kaiser auch offiziell keine Erbitterung über das Verhalten des Herzogs zeigte. Doch ist anzunehmen, dass er von nun an dessen Gegnern gern sein Ohr lieh. Die Fehden und Überfälle nahmen in diesen Jahren auch anderswo im Reich zu. Grund dafür war wohl die Unsicherheit der Reichssituation: Der ferne Kaiser, dem es hauptsächlich um Erhaltung der Ruhe in Deutschland ging, um sein apulisch-sizilisches Reich energisch regieren und die fast immer aufrührerisch gesinnten Städte der Lombardei in die Schranken weisen zu können, stimmte nur selten mit seinem durchaus eigenständig agierenden Sohn überein. Hier eine klare Linie zu finden, war für die Reichsfürsten nicht leicht. Als König Heinrich überwiegend aus persönlichen Motiven Bayern angriff, stellte sich Herzog Friedrich seinem Schwager keineswegs zur Verfügung. Als Herzog Otto II. von Bayern 1233 in Österreich einfiel und Wels und Lambach zerstörte, jagte der österreichische Herzog zwar die Bayern schnell wieder zurück, unterstützte aber dann nicht seinen königlichen Schwager, sondern begann einen Sonderkrieg gegen Böhmen, wobei es ihm gelang, eine wichtige Festung in der Nähe von Znaim einzunehmen. Dieses Vöttau wird in fast allen österreichischen Annalenwerken und sogar noch viel später in der volkssprachigen Chronistik namentlich genannt; wahrscheinlich, weil es als uneinnehmbar galt. Halten konnte er die Burg jedoch nicht, da er erkrankte und den Rückzug antreten musste. Dieser Einfall in Mähren mit seinem kurzen Erfolg, der dann ins Nichts zerrinnt, ist typisch für viele andere Unternehmungen des Herzogs, wenn auch berücksichtigt werden muss, dass schnelle, wenig geplante bewaffnete Aktionen dieser Art im 13. Jahrhundert allgemein nicht selten waren. Friedrich II. hatte aber im konkreten Fall gezeigt, dass er gewillt war, eine ziemlich selbstständige Politik zu machen. Rücksicht auf König und Reich waren dabei eher zufällig oder ergaben sich nur sporadisch. Im Herbst 1233 kam es zu Auseinandersetzungen mit König Andreas II. von Ungarn. Die Ungarn verheerten weite Landstriche im Osten des Herzogtums, fielen aber auch in die Steiermark ein und besiegten ein steirisches Aufgebot, das in einen Hinterhalt geraten war. Schließlich wurden die Angreifer aber von Friedrich II. zurückgetrieben, der dann seinerseits die Burg Theben (Devin in der heu-
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tigen Slowakei, nahe des linken Ufers der March) verbrannte. Danach kam es ausnahmsweise zu einem Friedensschluss und Herzog Friedrich erschien als Gast des ungarischen Königs mit stattlichem Gefolge in Gran. Einen Gegenbesuch machte König Andreas, als er am 1. Mai 1234 an der feierlichen Hochzeit Konstanzes, der dritten Schwester des Herzogs, mit dem Markgrafensohn Heinrich von Meißen teilnahm. Dieses Ereignis fand in Stadlau (Ringlinse) statt, wo man in den Donauauen prächtige Zeltlager errichtete und ein höfisches Maienfest mit illustren Gästen zelebrierte. Neben König Andreas waren auch Wenzel von Böhmen zugegen, die Herzoge von Sachsen und Kärnten, der Landgraf von Thüringen, der Markgraf von Mähren sowie die Bischöfe von Bamberg, Freising, Seckau und Erzbischof Eberhard II. von Salzburg, der alte Vertraute der Babenberger. Die Schar der Gäste zeigt nicht nur die von Liupold VI. angebahnte Verbindung mit den mitteldeutschen Fürsten, sondern weist überhaupt auf das hohe Ansehen hin, dass der stürmische, politisch nicht immer klug orientierte Herzog noch genoss.
7.
Feind im eigenen Land: Friedrich II.
Aber auch dieses Fest war nur eine, wenn auch glanzvoll inszenierte Pause im unruhigen Treiben des Babenbergers. Im Jahre 1235 begann sich das Verhältnis des Herzogs zu seinen Nachbarn zu verschlechtern, der Babenberger brachte es in dessen Verlauf aber auch so weit, dass er sich den immer noch wohlwollenden und langmütigen Kaiser zu seinem entschiedenen Feind machte. Als dieser auf seinem Zug nach Deutschland den Weg von Friaul über Kärnten und Steiermark nehmen musste, kam ihm Herzog Friedrich bis Neumarkt an der Grenze der beiden Herzogtümer entgegen. Der mit orientalischer Pracht einherziehende Kaiser, der wilde Tiere wie Kamele und Geparden mit sich führte und schon dadurch einen enormen Eindruck erzeugte, zeigte sich hier dem ungebärdigen Herzog gegenüber noch immer gelassen und nachsichtig. Noch hoffte er, dass dieser dazu beitragen würde, die Ruhe im Reich, die durch den Abfall seines Sohnes Heinrich aufs Äußerste gefährdet war, wiederherzustellen. An der offenen Empörung des Kaisersohns gegen seinen Vater hatte Friedrich II. wohl keinen Anteil. Auch in diesem tragischen politischen Schauspiel, das zur Entsetzung Heinrichs und seiner Gefangenschaft in Süd-
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italien führte, ergriff der österreichische Herzog keine Partei. Seine wenig entgegenkommende Haltung, seine Rücksichtslosigkeit und mangelnde Loyalität ließen ihn allerdings als Schwager des Empörers in Verdacht geraten. Wir kennen seine Stellung in dem Geschehen nicht, aber tatkräftige Unterstützung hat er Heinrich (VII.) gewiss nicht geleistet! Der streitbare und machtgierige Herzog hatte ganz anderes im Sinn. Er richtete sein Augenmerk auf Ungarn, nachdem Andreas II. verstorben war. Magnaten und Bischöfe wandten sich gegen des Verstorbenen Sohn und Nachfolger Béla IV. und planten, dem Kaiser die ungarische Krone anzubieten. Der Herzog sollte das vermitteln und versuchte daher, den Kaiser für eine Intervention in Ungarn zu gewinnen. Friedrich II., der mit dem Papst, den lombardischen Städten und vor allem seinem rebellischen Sohn zu tun hatte, wollte jedoch von einem ungarischen Abenteuer nichts wissen. Damit wäre auch Unruhe in das Machtgefüge im Südosten des Reiches gekommen. Der Babenberger trachtete nun danach, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und vom Kaiser dafür wenigstens eine finanzielle Unterstützung zu erhalten: Zweitausend Mark verlangte der Herzog für seine kriegerischen Unternehmungen, die nicht nur gegen Ungarn, sondern auch gegen Böhmen gerichtet sein sollten. Kaiser Friedrich II. lehnte das rundweg ab, was den Herzog angeblich zu unbedachten Worten hinriss. Zuletzt soll er sogar gedroht haben, dem Kaiser nicht mehr dienen zu wollen! Dieser rechnete das dem Ungestüm und jugendlichen Leichtsinn des Babenbergers zu. Alles in allem aber dürfte Herzog Friedrich damit die Grenzen des für den Staufer Erträglichen überschritten haben. Er begleitete den Herrscher auch nicht weiter auf seiner Reise über Admont und Wels, womit er seiner feindseligen Haltung Ausdruck verlieh, was politisch sehr unklug war. Der Herzog stürzte sich nun entgegen der kaiserlichen Versöhnungspolitik und ohne Zustimmung des Staufers in unüberlegte Attacken – angeblich soll er weder Männer noch Frauen, weder Greise noch Kinder geschont haben –, konnte die Ungarn aber nicht besiegen, sondern wurde seinerseits in arge Bedrängnis gebracht. Währenddessen waren die Böhmen wieder einmal bis zur Donau durchgestoßen und beunruhigten bereits die Umgebung Wiens. Da auch die kampfesmüden Ministerialen eine weitere Teilnahme an des Herzogs Kriegszügen verweigerten, musste Friedrich den Abzug der Feinde teuer erkaufen. Als nun noch eine Hungersnot ausbrach, war die Krise der herzoglichen Macht offenkundig. Sein rücksichtsloses, aber planloses Vorgehen, seine
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Unbesonnenheit, besonders aber der Mangel an politischer Weitsicht hatten ihn in eine gefährliche Situation gebracht. Das letzte Wohlwollen des Kaisers hatte er sich durch überhebliches und bedenkenloses Fordern verscherzt, er musste nun als gewaltsamer Förderer der Unruhen im Reich angesehen werden, auch wenn man ihn nicht als Mitwisser des aufständischen Heinrich bezeichnen konnte. Dazu kam jetzt die unverhüllte Feindschaft seiner Nachbarn (Bayern, Böhmen, Mährer, Ungarn) sowie des bayerischen Episkopats. Klagen gegen ihn wurden laut, Vorwürfe wegen seines unberechenbaren und skrupellosen Tuns. Zuletzt war sogar seine Mutter Theodora vor ihm nach Böhmen geflohen, musste beim Feinde vor ihrem eigenen Sohn Schutz suchen und beschwerte sich über ihn beim Kaisere „Von der Tüchtigkeit seines Vaters weit entfernt, wurde er von Tag zu Tag schlechter“, charakterisiert ihn ein Historiograf aus der Champagne: So weit war der schlechte Ruf des ungestümen, unbedachten, Kampf und Auseinandersetzung geradezu suchenden Babenbergers bereits gedrungen. Und in den Erfurter Annalen wird Herzog Friedrich II. in seinem Betragen gegenüber dem Kaiser 1235 gar als unerträglich hochmütig, überheblich und dumm bezeichnet. Sein aggressives Selbstbewusstsein muss weithin – unter den Fürsten – Aufsehen erregt haben. Der große Hoftag zu Mainz, auf dem der Kaiser seinen Sohn absetzte, sich mit Isabella, der Schwester König Heinrichs III. von England, vermählte und mit dem großen Landfrieden, der erstmals auch in deutscher Sprache verkündet wurde, dem Reich wieder eine grundsätzliche Ordnung zu geben trachtete, bedeutete auch den Beginn des reichsgerichtlichen Verfahrens gegen den Babenberger. Consilio Iudeorum, auf Rat der Juden, hatte Herzog Friedrich ein Durchfuhrverbot von ungarischem Getreide nach Bayern und Schwaben erlassen; für den Wein erließ er ein Ausfuhrverbot. Damit schädigte er Fürsten und Klöster, die in Österreich Weingärten besaßen. Zu ihnen zählten neben dem gesamten bayerischen Episkopat auch der Patriarch von Aquileia und der Bischof von Bamberg, der Herzog von Bayern und der Markgraf von Mähren, von den zahlreichen Klöstern gar nicht zu reden. Durch sein unbesonnenes Vorgehen ermöglichte er seinen Gegnern weitere Klagen vor dem Hofgericht. Kaiser Friedrich II. beschloss daher, seinen herzoglichen Namensvetter vorzuladen. Den Mainzer Tag hatte der Babenberger im Einklang mit den Bestimmungen des Privilegium Minus, die seine diesbezügliche Pflicht auf Bayern beschränkten, nicht besucht. Doch schien es manchen fraglich, ob der Paragraf
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sich auch auf die Ladung vor das Hofgericht erstreckte, und so konnte der Herzog als säumig angesehen werden. Noch versuchte Kaiser Friedrich, auf gütliche Art zu einer Einigung mit dem unbotmäßigen Mann zu gelangen. Bischof Konrad I. von Freising verhandelte in seinem Namen mit diesem in Sitzenberg bei Tulln. Doch blieben diese Verhandlungen ohne Ergebnis, und so wurde Herzog Friedrich für Oktober 1235 zu einem Hoftag nach Augsburg geladen. Aber auch dort wollte der Herzog zu den gegen ihn vorgebrachten Vorwürfen nicht Stellung nehmen und erschien abermals nicht. Er entsandte seinen Vertrauten, Bischof Heinrich I. von Seckau, der eine Erstreckung der Frist bis zum Jahresanfang 1236 erreichte. Dann sollte sich der Babenberger in des Staufers Lieblingspfalz Hagenau im Elsass einfinden. Um ganz sicherzugehen, wurde die Einladung streng nach den rechtlichen Vorschriften verfasst. Dem Herzog sollte damit die Möglichkeit genommen werden, sich mit einer Absage wegen formaler Fehler bei der Ladung dem Verfahren wieder zu entziehen. Auch diesmal leistete Friedrich der Aufforderung keine Folge. Er dachte wohl, die neu aufkeimenden Probleme in Italien mit dem Papst und den lombardischen Städten würden den Kaiser dort binden und ihn zu einem Sinneswandel in der Angelegenheit des Österreichers nötigen. Außerdem versuchte Friedrich, den böhmischen König Wenzel, seinen alten Feind, dem Kaiser abspenstig zu machen. Doch unterschätzte der Herzog dessen Feindschaft ebenso wie überhaupt den Umfang der nachbarlichen und inneren Gegnerschaft: In der Steiermark waren die ministerialischen Machtträger dem Kaiser zugetan und in Österreich hatte er sich nicht nur die Ministerialen, sondern auch die reichen Stadtbürger zu Feinden gemacht. Friedrichs Lage war 1236 sicherlich schlechter als am Beginn seiner Herrschaft, als er sich mit dem Aufstand der Dienstleute auseinanderzusetzen hatte. Einblick in die inneren Verhältnisse Österreichs in dieser Zeit gibt eine nicht ganz zeitgenössische Briefsammlung unbekannter Provenienz; freilich nur punktuell. Beachtenswert ist jedoch die Stimmung im höfischen Umkreis des Herzogs, wie sie der dort tätige Bruder Wernher deutlich macht: Waere aber ich hêrre in Osterlant/ ê ich verlüre die guete stat ze Wiene/ ich wollte ê rîten ûf den Sant/ ze Nürenberc, dâ mich diu liute erkanden/ …daz wollte ich holn, ê ich verlüre zwei lant von mînen schulden! (Wäre ich aber Herr in Österreich/ eh’ ich die gute Stadt Wien verlöre/ wollte ich auf den Sand reiten/ nach Nürnberg, wo mich die Leute erkennen/…
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das wollte ich holen, eh’ ich zwei Länder aus meiner Schuld verlöre). Es ist unverständlich, warum man zwei Herzogtümer aufs Spiel setzt, nur um dem Kaiser Widerstand zu leisten und seine Ladungen zu missachten. Auch vor der gefährlichen Feindschaft der Dienstmannen warnt Bruder Wernher. Doch Herzog Friedrich war offensichtlich entschlossen, eine Auseinandersetzung mit dem Reich zu riskieren. Er trachtete, sich dafür zu rüsten, indem er eine neue Steuer, die den Boden belastete, einhob. Zugleich begann er da und dort die Klosterschätze in Beschlag zu nehmen; nicht nur um sie für sich zu verwenden, sondern mehr noch um sie seinen – vor allem inneren – Feinden zu entziehen. Eine solche Handlungsweise war im 13. Jahrhundert nicht selten. Ihre Ergebnisse verbesserten jetzt wohl Friedrichs wirtschaftliche Lage, die gesamte Eintreibungsaktion brachte aber besonders die Stadtbürger gegen ihn auf. Nun begann der Kaiser seine Offensive: zunächst durch eine schriftliche Tatsachenfeststellung, die weithin verbreitet wurde. In diesem Manifest wurde die „Causa Herzog Friedrich von Österreich und Steiermark“ gleichsam in aller Öffentlichkeit dargelegt und das Eingreifen des Kaisers gegen einen so mächtigen Reichsfürsten gerechtfertigt. Obwohl das Schreiben an den König von Böhmen gerichtet ist, waren wohl die Reichsfürsten im Allgemeinen die Adressaten, die das Hofgericht bildeten und in der Sache entscheiden sollten. Sie mussten entsprechend unterrichtet (und auch präjudiziert) werden. Das Original dieses so aufschlussreichen Schriftstücks ist verloren gegangen, eine Abschrift in der Briefsammlung des sizilischen Kanzlers Petrus de Vinea erhalten geblieben. Gleich zu Beginn wird des Herzogs sträflicher Leichtsinn (levitas) und seine Unüberlegtheit, sein verwegenes Tun (temeritas) hervorgehoben. Wie Leitmotive durchziehen die beiden verhängnisvollen Eigenschaften das Manifest, solange es nicht um Zeugnisse eines wahrhaft finsteren Charakters geht. Diesem unreifen, noch knabenhaften Verhalten, das der Kaiser im Hinblick auf die Verdienste Liupolds VI. lange hingenommen hat, steht dessen herrscherliche Ruhe, dessen herrscherlicher Gleichmut gegenüber. In sehr nüchterner Art geht der Kaiser auf die Geschehnisse der Jahre 1231 bis 1235 ein, wobei das skandalöse Verhalten des Herzogs in Neumarkt besonders angesprochen wird. Immer heftiger verletzt der unbeherrschte und streitsüchtige Herzog die Majestät von Kaiser und Reich, was zwar nochmals der juvenilen
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Unreife zugeschrieben, aber doch allmählich als schweres Vergehen begriffen wird. Von der Sphäre des Reiches wechselt der Bericht zu des Herzogs Untaten im eigenen Land: Zunächst wird die von Friedrich verhängte Ausfuhrund Durchfuhrsperre angeführt, dann sein Verhalten gegen Lehensleute und Dienstmannen angeprangert. Danach wird der anklagende Ton schärfer, die geschilderten Inhalte werden abstoßend. Die Bedrängnis der Witwen und Waisen sind als Versatzstücke bei der Schilderung eines bösen Machthabers anzusehen; dazu gehören auch die typischen Gegensatzpaare, die unter dem Wüten des Herzogs leiden: Reich und Arm, Hoch und Nieder. Nun werden die Vorwürfe deutlicher, bildhafter, verlieren ihren topischen Charakter gerade in ihrer speziellen Unterscheidung aber nicht ganz. Schrankenlos befriedigt der Herzog seine Lust. Er vergreift sich an Jungfrauen und überlässt diese auch seinen Spießgesellen. Er entehrt vornehme Frauen, raubt Töchter ihren Eltern und zwingt sie zur Heirat. Selbst jetzt wird noch der jugendliche Leichtsinn betont, der ihn solche Schandtaten begehen lässt. Aber für sein hochverräterisches Tun ist das keine Erklärung. So wollte er seinen Schwager, den abgesetzten und gefangen abtransportierten König Heinrich, gewaltsam befreien und nahm Verbindung mit den lombardischen Erzfeinden des Kaisers auf. Alle bisherige Schlechtigkeit des Herzogs wird aber übertroffen durch die Kontaktnahme mit dem legendären Alten vom Berge in Syrien: Diesem versprach der Babenberger viel Geld, damit er seine Assassinen schicke, um den Kaiser zu ermorden. Der Herzog verstieß aber angeblich auch gegen die elementarsten menschlichen Beziehungen. So brachte er seine Mutter Theodora um ihren Besitz, vertrieb sie und drohte, ihr die Brüste abschneiden zu lassen, wenn er ihrer habhaft würde! Glücklicherweise konnte sich die Vertriebene und in ihrer Leiblichkeit Gefährdete nach Böhmen zum Adressaten des Manifests retten. Zuletzt wird berichtet, dass Friedrich in der Hochzeitsnacht seiner Schwester Konstanze, die er mit dem Markgrafen Heinrich von Meißen vermählt hatte, plötzlich vor dem Bett des jungen Paares erschien und die Rückzahlung ihrer Mitgift erzwingen wollte. Als Abschluss wird darauf hingewiesen, dass sich der österreichische Herzog ungerechtfertigt das Erbe des Otto von Leng(en)bach zugeeignet habe, das dieser dem Reich vermacht hätte: gleichsam eine mindere Schandtat als Ausklang nach so viel Furchtbarem und Unglaublichem. Aus all dem wird die Folgerung gezogen, dass der Herzog verurteilt werden müsse.
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Das sogenannte Manifest ist eine Mischung von kaiserlichem Motivenbericht und Propaganda, von Anklageschrift und vorweggenommener, psychologisch vorbereiteter Verurteilung desselben. Dieses geschickt verfasste Elaborat darf freilich nicht den Anspruch erheben, nur die lautere Wahrheit über Herzog Friedrich II. mitzuteilen und im Detail zur Darstellung zu bringen. Selbst in jenen Teilen der Schrift, die durch parallele Zeugnisse als wirklich erwiesen sind, wird nur die Sicht des Kaisers wiedergegeben. Die sukzessive Entfremdung zwischen Kaiser und Herzog, die wachsende Verbitterung des Staufers ist jedoch aus dem Schreiben deutlich zu erkennen, selbst wenn dieser Gegensatz in den Topos von jugendlichem Leichtsinn und väterlicher Geduld gekleidet scheint. Danach wird Herzog Friedrich nach dem Bild des Tyrannen stilisiert, dem eine typische Art des Vorgehens und ein bestimmtes Aktionsfeld zugeordnet werden. Der einfache Gegensatz wird durch die schweren Verfehlungen des Babenbergers, die bis zum Mordplan reichen, einseitig gesprengt. Die Einbeziehung der durch die Kreuzzüge bekannten mörderischen Sekte der Haschischesser (= Assassinen) erhöht dessen Frevel ins Ungemessene. Den Höhepunkt erreicht das Bild des tyrannischen Wüterichs im angekündigten widernatürlichen Vorgehen gegen die eigene Mutter. Friedrich erhält dadurch Züge Neros, der seiner Mutter angeblich den Bauch aufschlitzen wollte, nur um zu sehen, wo er als Kind gelegen war. Der österreichische Herzog will die Brüste seiner Ernährerin abschneiden, was ebenfalls als höchste Perversion angesehen werden kann. Zugleich reiht er sich damit in die Gruppe der blutrünstigen, heidnischen Schurken, die auf diese Weise gegen keusche Märtyrerinnen vorgehen. Der angeklagte Reichsfürst muss daher höchsten Abscheu hervorrufen, der durch nichts mehr gesteigert werden kann. Das Ausleben seiner Lust an unbescholtenen Frauen hingegen ist ein alter Tyrannentopos. Dennoch scheint dieser Vorwurf nicht ganz aus der Luft gegriffen, wie Jans Enikel in seinem Fürstenbuch zeigt. Dabei sollen jedoch die Erwartungen eines neugierigen bürgerlichen Publikums erfüllt werden. Ebenso hat der Bericht über die Störung der Hochzeitsnacht trotz der Rohheit des Geschehens fast schwankhaften Charakter und weist inhaltlich bereits auf die spätmittelalterliche italienische Novelle hin. So umfasst das Anklagemanifest inhaltlich verschiedene Schichten von Wahrheit; von der auch anderswo belegten Tatsache bis zum schrankenlosen Fantasiegebilde, das auf
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einer ganz schmalen Realitätsbasis ruht oder überhaupt nur auf angewandte Gemeinplätze zurückzuführen ist. In dieser Vielschichtigkeit agierend wird der Herzog in steigender Negativität gezeichnet, bis er die pervertierte Unmenschlichkeit verkörpert. Wir wissen nicht, wieweit der Inhalt des Manifests gedrungen ist und wer davon wirklich erfahren hat. Jedenfalls konnte der Herzog von Österreich und der Steiermark, der Herr der Krain, bei der Reichsversammlung in Augsburg (wohl im Juni) 1236 verurteilt und in Acht erklärt werden. Vorausgegangen war dem Fürstenspruch ein Bündnis, das der Kaiser mit den Machtträgern in Bayern und Böhmen, mit den Bischöfen Ekbert von Bamberg und Rüdiger von Passau geschlossen hatte und in dem er sich verpflichtete, ohne deren Zustimmung keinen Frieden mit dem Geächteten zu machen. Den genannten Fürsten wurde auch die Exekution der Acht übertragen, da deren Erfolg in ihrem persönlichen Interesse lag. Von allen Seiten rückten im Herbst des Jahres fremde Truppen auf babenbergisches Gebiet vor: Im Norden marschierten die Böhmen gegen die Donau, vom Westen her drangen der Herzog von Bayern und der Bischof von Passau vor, während die Andechser Brüder Berthold von Aquileia und Ekbert von Bamberg in die Steiermark einfielen. Dort schlossen sich ihnen zahlreiche Ministerialen an. Die Herzogtümer erlebten nun fortdauernde Kriege, Raub und Brand, wie sich der Melker Annalist ausdrückt. Er war offensichtlich mitten im Geschehen: Die Klosterstadt und Linz, die belagert wurden, konnten sich gegen die Invasoren halten, Wien jedoch öffnete dem Hohenzollern Konrad, Burggraf von Nürnberg, der als kaiserlicher Prokurator für das Herzogtum Österreich bestellt worden war, die Tore. Herzog Friedrich konnte sich mit wenigen Getreuen in Wiener Neustadt halten und zog sich schließlich auf die feste Burg Starhemberg – beide damals im Norden der Steiermark gelegen – zurück, die auch seine Schätze aufgenommen hatte. Die Herzogin Agnes versuchte in der Oststeiermark, den Angriffen ihrer beiden Oheime Berthold und Ekbert entschlossen zu trotzen; zunächst noch recht erfolgreich. Im Allgemeinen stand die Sache für den geächteten Herzog schlecht. Sein Vorteil war die wachsende Uneinigkeit seiner Gegner. Wiederholte Streitigkeiten ließen Otto II. von Bayern und Wenzel I. von Böhmen schließlich den Kampf abbrechen und umkehren. Ein glücklich gewagter Ausfall andererseits ermöglichte es dem Herzog, die Bischöfe von Passau und Freising gefangen zu nehmen. Obwohl sich der Burggraf von Nürnberg in
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Wien sicher fühlen konnte, musste er dem kriegstüchtigen Herzog allmählich die Kontrolle des Landes zwischen Wiener Neustadt und Mödling überlassen. Die so ins Stocken geratene Aktion musste dem Kaiser ärgerlich, unerträglich sein und letztlich gefährlich werden: Obgleich er die Lombarden nicht endgültig niedergerungen hatte, verließ der Staufer Italien und marschierte in der Steiermark ein. Auf dem Wege brach er einige herzogliche Burgen, wobei ihn die steirischen Ministerialen eifrig unterstützten. Auch die von der Herzogin Agnes verteidigte Riegersburg musste sich letztlich ergeben, sie selbst wurde in kaiserlichen Gewahrsam genommen, was Herzog Friedrich angeblich als die größte Schande empfand (maximum dedecus). Jetzt ging alles sehr schnell. Weihnachten feierte Kaiser Friedrich in Graz und erschien zu Jahresbeginn 1237 in Wien, wo ihn die Bürger „aus Hass gegen den Herzog“ sehr freundlich empfingen. In der babenbergischen Pfalz („Am Hof“) residierte er nun für die nächsten Monate. Im Februar ließ er in Wien eine Reichsversammlung abhalten, wobei sein neunjähriger Sohn Konrad zum deutschen König gewählt wurde. Dessen Nachfolge im Reich und in Sizilien schien damit gesichert. Es ist möglich, dass der Kaiser in diesem Zusammenhang an die Errichtung einer Machtbasis der Staufer im Südosten des Reiches dachte, nachdem der babenbergische Herzog endgültig ausgeschaltet worden war. Dieser war vorerst nicht in der Lage, die Neuordnung in seinen Herzogtümern zu verhindern, und musste seine rechtliche und faktische Entmachtung zur Kenntnis nehmen. Klöster und Stifte der beiden Reichsländer, die sich durchaus nicht alle von ihrem babenbergischen Herrn lossagten, wurden verpflichtet, sich in Wien ihre früher verliehenen Sonderrechte und ihre früher erhaltenen Schenkungen von Kaiser Friedrich II. bestätigen und garantieren zu lassen. Wien war für den Herzog verloren, sah sich zur Reichsstadt erhoben und erhielt sowohl Privilegien als auch die Anerkennung einzelner Gewohnheitsrechte, die nun verschriftlicht wurden. Der neue Komplex von Bestimmungen stellte aber kein neues Stadtrecht dar, sondern eine Ergänzung und Erweiterung des Leopoldinums von 1221. Diese betrafen Bereiche der Steuer- und Gerichtshoheit, der Kriegsdienstpflicht der Bürger und des Ämterwesens, zu dem Juden keinen Zugang haben sollten. Deren rechtliche Stellung erfuhr überdies durch ein paar harte Paragrafen im Stadtrecht von 1237 eine Verschlechterung. Historisch wichtig erscheint heute die Erwähnung eines Studiums an der Schule bei St. Stephan, die 1237 wohl schon mehrere Jahrzehnte bestanden und weitrei-
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chendes Ansehen gewonnen hatte. So behielt sich der Kaiser die Ernennung des Magisters, also des Schulleiters, vor. Das Privileg, durch das Wien in aller Zukunft als unmittelbar dem Reich zugehörig angesehen werden sollte, macht das Interesse des Kaisers an der größten Stadt im Südosten des Reiches deutlich. Bemerkenswert ist, dass die Untaten des Herzogs – so wie sie im Manifest genannt werden – im Stadtrecht einzeln angeführt sind, damit die Bürger beim jeweiligen Verlesen des Privilegs auch ihrer gedenken sollten. Nachdem Kaiser Friedrich II. ein gutes Vierteljahr in Wien zugebracht hatte, verließ er die Stadt in Richtung Westen. Sein Verhältnis zu Papst Gregor IX. war erneut in eine Krise geraten und außerdem mussten die Lombarden wiederum in die Schranken gewiesen werden. Die politische Verwaltung der Herzogtümer mit Sitz in Wien übergab er Bischof Ekbert von Bamberg, einem durchschlagskräftigen Haudegen, dem allerdings nur mehr ein kurzes Leben beschieden sein sollte. Mit Bedacht wählte der Kaiser die Stadt Enns zu seinem Aufenthalt. Auf dem nahe gelegenen Georgenberg waren im Jahre 1186 die Rechte der steirischen Dienstmannen in der berühmten Handfeste anerkannt worden. Dort garantierte er ihnen ihre besondere Rechtsstellung und tat noch mehr, indem er sie zu Reichsministerialen erhob, zumal der Kaiser in der Steiermark Landesherr zu sein wünschte. Er billigte ihnen aber zu, einen anderen zu wählen, doch dürfe es nie mehr der Herzog von Österreich sein. Die beiden Herzogtümer sollten außerdem in Hinkunft wieder getrennt existieren. Gerade in der Steiermark etablierte der Kaiser in der Verwaltung Elemente des sizilischen Systems. Seine Helfer rekrutierten sich vorwiegend aus ehemaligen Vasallen Herzog Friedrichs, die der Staufer zu Amtsträgern ernannte. Als Beispiel dafür sei Ulrich von Peggau genannt, den der Kaiser zuerst zum Grafen von Pfannberg erhob und ihn dann als obersten Landrichter (iudex provincialis) einsetzte. Damit wurde dem Herzog die Wiedergewinnung der Steiermark wesentlich erschwert. Der Kaiser hingegen behielt die Entscheidung über die Einsetzung eines neuen Landesherrn in der Hand. Durch diese Stärkung und politische Ausrichtung der steirischen Ministerialität wie durch die Erhebung Wiens zur Reichsstadt mit all ihren Vorteilen schienen dem Babenberger seine beiden Herzogtümer endgültig verloren. Doch nun zeigte Friedrich seine vortrefflichen Eigenschaften: Zähigkeit, Ausdauer, Unverdrossenheit. Von Wiener Neustadt und der Burg Starhemberg aus trachtete er danach, wieder Terrain zu gewinnen. Zunächst geriet er in die
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Defensive, als ein steirisches Heer mit Billigung des Kaisers gegen ihn vorging. Doch konnte er es zurückschlagen. Dann stieß er selbst gegen die Donau vor und brachte fünf Burgen (castra) in seinen Besitz, darunter wohl Mödling und Himberg. Er näherte sich Wien. Eberhard von Eberstein, der Nachfolger des am 5. Juni verstorbenen Bischofs Ekbert, kontrollierte wohl nur mehr die Stadt Wien und deren Umland im Westen, Norden, Osten. Bei einem Gefecht auf dem Tullnerfeld, das in der Umgebung der Namen gebenden Stadt oder von Krems lokalisiert wird, errang keiner der Kontrahenten einen entscheidenden Erfolg, doch musste sich der Herzog auf seine castra zurückziehen. Das Jahr 1238 sollte dem Babenberger jedoch Vorteile bringen. Von Unternehmungen des kaiserlichen Prokurators erfährt man nichts, während Herzog Friedrich rastlos tätig gewesen zu sein scheint. Die Fürsten von Bayern und Böhmen, die vom Kampf gegen den Österreicher einen bedeutenden Landgewinn erhofft hatten, nun aber sehen und verstehen mussten, dass der Kaiser Österreich und Steiermark mehr oder weniger für sich und seine Familie reservieren wollte, wandten sich vom Kaiser ab. Sie suchten nach einem Ausgleich mit Herzog Friedrich, der sich ihrer antistaufischen Gruppe anschließen sollte. König Wenzel stellte aber hohe Bedingungen. Das Gebiet des Herzogtums Österreich nördlich der Donau sollte ihm abgetreten werden. Um diese Forderung zu unterstreichen, besetzte er die Grenzstadt Laa an der Thaya. Um einen Anspruch auf das ganze Herzogtum aufrechtzuerhalten, wünschte der König auch eine Eheverbindung mit den Babenbergern. So sah sich der streitbare Friedrich in seiner augenblicklichen Lage gezwungen, dem böhmischen Kronprinzen Vladislav seine Nichte Gertrud zu versprechen. Es gelang ihm aber, seine Position sogar über den süddeutschen Raum hinaus zu verstärken. Heinrich Raspe, Landgraf von Thüringen, vermählte sich mit des Herzogs jüngster Schwester, die ebenfalls Gertrud hieß. Die Hochzeitsfeierlichkeiten fanden im Februar 1238 in Wiener Neustadt statt. Das Brauttor des späteren Doms erinnert noch an diese Eheschließung in schwieriger Zeit. Dass eine solche Verbindung mit dem noch immer Geächteten von einem der führenden Fürsten des Reiches eingegangen wurde, zeigt das wieder gewachsene Ansehen Friedrichs. Es bestand auch für den durchaus kaisertreuen Landgrafen kein Hindernis, eine Babenbergerin zu ehelichen. Die An- und Durchmarschwege in Österreich waren zudem offensichtlich von den „Kaiserlichen“ ungefährdet und von herzogsfeindlichen Elementen frei. Die Hochzeit
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Abb. 16: Wiener Neustadt, Dom, Brauttor
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musste allerdings in Wiener Neustadt gefeiert werden, da Wien nicht zur Verfügung stand. Für die Gründungsstadt des herzoglichen Großvaters Liupold V. war die Abhaltung des prächtigen Fests eine verdiente Auszeichnung. War sie doch als Einzige im Land dem geächteten Herzog treu geblieben! Kaiser Friedrich hatte zwar die Lombarden wieder einmal niedergerungen, musste sich aber nun mit dem stets zur Feindschaft bereiten Papst Gregor IX. auseinandersetzen. Er war daher nicht imstande, seine Interessen in den heimgefallenen Reichsländern im Südosten in eigener Person aktiv zu verfolgen. Seinen Stellvertretern fehlten die Mittel, auch hatten sie zu wenig Resonanz bei den österreichischen Landherren und beschränkten sich daher im Wesentlichen auf die Erhaltung ihrer Position in Wien. Dies kann man aus dem weiteren Geschehen rückschließen, Nachrichten über die Tätigkeiten Graf Eberhards von Eberstein gibt es in dieser Zeit keine. Nachdem der Kaiser im März 1239 erneut gebannt worden war, erwartete der Papst und die päpstliche Partei im Reich, dass sich der geächtete Herzog ihnen anschließen würde. Dieser aber kümmerte sich nicht darum, sondern suchte nach einer Verbindung zum Staufer, um von ihm seine Länder im alten Umfang wieder zurückzubekommen. Eine Brücke zu Friedrich II. baute wohl der staufer- und babenbergerfreundliche Erzbischof Eberhard II. von Salzburg. Der Herrscher konnte sich nicht länger vor den Realitäten in Österreich verschließen. Während die Steiermark kaiserlich blieb, eroberte der Herzog dort Burgen und Städte. Selbst Wien dürfte vom Statthalter verlassen worden sein, bevor Herzog Friedrich die Belagerung seiner Hauptstadt begann. Ende November 1239 hatte er sein Standlager in Erdberg, dem Ort, in dem fast ein halbes Jahrhundert früher Richard Löwenherz gefangen genommen worden war. Viele ehemals Abtrünnige befanden sich wieder bei seiner Streitmacht, wie aus den Zeugenlisten der in Erdberg ausgestellten Urkunden hervorgeht. Wien jedoch erfreute sich seiner Stellung als Reichsstadt, die Bürger waren daher nicht bereit, sich erneut dem Landesfürsten zu unterwerfen. Wahrscheinlich hoffte man auf ein kaiserliches Entsatzheer, nachdem man Gesandte nach Italien geschickt hatte, aber diese Hoffnung sollte sich nicht erfüllen. Die Stadt war zunächst noch sicher, da sich die unter Liupold V. und Liupold VI. errichteten Stadtmauern offensichtlich als unüberwindbar erwiesen. Allerdings verschlechterte sich die Versorgungslage von Tag zu Tag. In ihrer Not sollen die Wiener zuletzt sogar Hunde gegessen haben. Diese Nachricht kann zwar grundsätzlich als typischer
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Gemeinplatz angesehen werden, den der Chronist zur Veranschaulichung der tristen Lebensverhältnisse verwendet, was aber einen gewissen Realitätsgehalt nicht ausschließt. Die Aussage ist sicher nicht weit hergeholt und in vielen gleichartigen Fällen sicher belegt. In den Tagen um Weihnachten kapitulierte die Stadt, und der Herzog konnte seine Pfalz wieder in Besitz nehmen. Die Stellung als Reichsstadt wurde widerrufen, indem Herzog Friedrich eigenhändig die Goldbulle von der betreffenden Urkunde ablöste – vielleicht schon unter Duldung durch den Kaiser. Von sonstigen administrativen Veränderungen, von Strafaktionen oder gar Racheakten ist nichts überliefert. Es ist möglich, dass der Herzog besonders darauf sah, die ihm im Manifest vorgeworfenen Taten vergessen zu machen. Der Herzog von Bayern und der König von Böhmen hatten mit Friedrichs Parteinahme für den Papst gerechnet und ihm Berittene zur Unterstützung bei der Belagerung Wiens versprochen. Doch von der Verwirklichung dieser Zusagen hört man nichts, und Herzog Friedrich sah sich nun noch weniger verpflichtet, der antikaiserlichen Partei beizutreten. Schon im Herbst 1239 dürfte sich das Verhältnis zum Kaiser normalisiert haben: Dieser spricht in einer Urkunde vom Babenberger bereits wieder als dux Austrie (Herzog von Österreich). Friedrich II. geht auch auf den Prozess gegen den Herzog ein und hebt ausdrücklich seine Milde hervor, die es ihm unmöglich machte, einen so hervorragenden Angehörigen des Reichsfürstentums durch eine unwiderrufbare Ächtung aus diesem Kreis auszuschließen. Das Schreiben von 1240 lautet ganz anders als das Manifest von 1236: Der Wechsel der politischen Situation mit ihren neuen Notwendigkeiten hatte dies bewirkt. Der Herzog seinerseits versuchte, durch seine Annäherung an den Kaiser von den lästigen Versprechungen, die er König Wenzel von Böhmen geleistet hatte, loszukommen. So gelang es ihm, die Grenzstadt Laa wiederzugewinnen und das Land nördlich der Donau zu behalten. Nicht rückgängig machen konnte er jedoch die Verlobung seiner Nichte Gertrud mit dem böhmischen Kronprinzen Vladislav. Ein militärischer Einfall in dessen Markgrafschaft Mähren brachte keinen Erfolg, und der Herzog musste sich als Wiedergutmachung bereitfinden, die Vermählungszusage zu bekräftigen. Dazu drängte ihn auch der Papst, der überall im Reich antistaufische Allianzen forcierte. Aus Zorn über die Weigerung des Herzogs, auf die antikaiserliche Seite zu treten, hatte er schon Bann und Interdikt über Österreich und seinen Herzog verhängt. Dennoch kehrte in den babenbergischen Ländern zunächst wieder Friede
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ein. Herzog Friedrich ritt umher und strebte danach, sich mit Klöstern und Städten wieder zu versöhnen. Die österreichische Ministerialität war schon längst wieder auf seine Seite getreten. Schenkungen, Mautbefreiungen und andere Privilegien vergab der Mann nun reichlich, dessen Kirchenpolitik bisher kaum von frommen Erwägungen bestimmt war. „Mönche, Witwen und Waisen hatten ihm durch die Inbrunst ihrer Gebete die Herrschaft zurückgebracht.“ Und diese galt es nun zu belohnen, was er sich früher wohl überlegt hätte, wie der Annalist von Heiligenkreuz mitteilt. Im Zuge dieser Wiederaufrichtung der Ordnung dürfte auch der Traungau vom Herzogtum Steiermark gelöst worden sein, wodurch die ersten Voraussetzungen für die Entstehung eines eigenen Landes ob der Enns geschaffen wurden. Im August 1240 wurde Friedrich endlich seine bei den Kämpfen in der Oststeiermark gefangen genommene Frau Agnes wieder zugeführt. Die Schmach dieser Gefangennahme wurde nun durch einen besonders feierlichen Akt der Rückgabe in Gegenwart zahlreicher Kirchenfürsten und mächtiger Ministerialen getilgt.
8.
Erpresser – Provokateur – Gesetzgeber: Friedrich II.
Persönliche Tapferkeit, zähe Ausdauer und unverdrossener Widerstand hatten dem Herzog zuletzt Erfolg gebracht. Im Inneren folgte nun eine kurze Zeit von ruhiger Versöhnung und politischem Ausgleich, die den Herzog vom Schlachtfeld zurückhielt. Als der ungarische König Béla IV. jedoch durch die Invasion der Mongolen, gepaart mit inneren politischen Gegensätzen, in äußerste Bedrängnis geriet, flammten auch Kampfeslust und Machtgier Friedrichs, vor allem aber seine bedenkliche Fähigkeit zu skrupellosem Taktieren wieder auf. In einer schon 1236 begonnenen Westoffensive hatten die Mongolen russische und kaukasische Fürstentümer überrannt und näherten sich den Ostgrenzen des Abendlandes. Der Hauptstoß des kampfwütigen, nomadischen Heers zielte auf das Königreich Ungarn. Zur Ablenkung und zur Sicherung der nördlichen Flanke erfolgte im April 1241 ein erster Angriff auf ein polnisch-schlesisches Heer, das – vom Piastenherzog Heinrich tapfer geführt, aber gänzlich unorganisiert – bei der Stadt Liegnitz besiegt wurde. König Béla
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lebte mit seinem österreichischen Nachbarn in einem gespannten Verhältnis, das höchstens von offenen Feindseligkeiten unterbrochen wurde, die in Familienzwistigkeiten ihre Ursache hatten. Dennoch wandte sich der König in seiner Not an Herzog Friedrich um Hilfe, zumal der Adel Ungarns sich nicht gefährdet wähnte und eher Lust zeigte, weiter einem gelassen luxuriösen Lebensstil zu huldigen, als zu den Waffen zu greifen. Den immer kampfbereiten und kampferprobten Herzog von Österreich brauchte man um militärische Unterstützung nicht lange bitten. Mit einer kleinen ritterlichen Mannschaft überschritt er die Leitha. Zu dieser Zeit gab es bereits einzelne Vorstöße unbedeutender mongolischer Kontingente bis an die Donau in Ungarn. Mit solchen scheint der Herzog zusammengetroffen sein und schlug sie in die Flucht, wobei ihm ein persönlicher Waffenerfolg zuteilwurde. Die Quellen berichten von der Tötung eines Gegners und der Abtrennung eines mongolischen Armes. Gerade diese Mitteilung beweist aber indirekt, dass es sich um keine größere feindliche Abteilung gehandelt haben kann oder dass diese sogleich die Flucht ergriff. Wesentliches im Sinne seines ungarischen Verbündeten hat Friedrich nicht bewirkt. Genaueres erfahren wir nicht, jedenfalls kehrte er wieder nach Österreich zurück, wo er Plünderungszüge von ausschwärmenden mongolischen Kriegern zu bekämpfen hatte. Diese kamen bis Wiener Neustadt, nach anderen Meinungen bis Korneuburg; es sei aber nicht verhehlt, dass man bei der kümmerlichen Quellenlage dabei über Vermutungen nicht hinauskommt. Der ungarische König sah sich wieder allein gelassen und erlitt, durch die Gleichgültigkeit weiter Teile des eigenen Adels geschwächt, am Sajófluss, unweit von Miskolc, eine schwere Niederlage gegen das mongolische Heer. Die Berichte über die meisten vor der Schlacht kampierenden Adeligen und deren Prioritäten lassen die topisch beeinflussten Schilderungen über die geringe Kampfeslust nicht unwahr erscheinen. Béla IV. entkam mit wenigen und flüchtete nach Österreich, wohin er schon seine Gemahlin und den Kronschatz in Sicherheit gebracht hatte. Friedrich nahm ihn freundlich auf, ließ aber keinen Zweifel darüber, dass er aus der Zwangslage des Königs Gewinn zu ziehen hoffte. Er versprach Hilfe, verlangte aber dafür die Abtretung dreier Komitate an der Leithagrenze, während er silberne und goldene Gefäße aus des Königs Schatz vorsichtshalber als Pfand genommen hatte. Auf welche Komitate sich die unverschämte Forderung Friedrichs bezog, ist nicht klar. Mit
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Sicherheit kann man von Ödenburg (Sopron) ausgehen, als dessen Besitzer der Herzog in einer anderen Quelle genannt wird. Die anderen Komitate könnten Wieselburg (Moson) und Lutzmannsburg (Locsmand) gewesen sein. Raab (Györ), das ebenfalls gelegentlich in Erwägung gezogen wird, scheint wegen seiner geografischen Lage weniger wahrscheinlich; dasselbe gilt für Eisenburg (Vásvar). Herzog Friedrich zeigte hier eine Erwerbssucht, die erpresserische Formen annahm. Er rechnete wohl bei der überwiegend deutschen Besiedlung jener Gebiete mit einem entsprechenden Rückhalt in der Bevölkerung, sodass er sich leichthin durchsetzen und die Komitate dauernd seinem Herzogtum einverleiben können würde. Ödenburg besetzte er rasch und begann die Befestigungsanlagen der Burgstadt zu verbessern. Tatsächlich hatte dieser Handstreich keinen bleibenden Erfolg, und auch die anderen erpressten Zusagen des ungarischen Königs wurden nie dauernde Wirklichkeit. Béla fühlte sich daran keineswegs gebunden, da die militärische Unterstützung des Herzogs niemals zustande gekommen wäre. Außerdem hätte dieser die Bevölkerung des Komitats (der Komitate?) sehr schlecht behandelt. Er hätte alle, sogar die Armen, derartig ausgeplündert, dass diese in den Dörfern nun schutzlos den wilden Tieren ausgeliefert seien. Dieser Grund für die Weigerung Bélas IV. die „vereinbarten“ Gebiete dem Österreicher abzutreten, ist sicher im Detail nicht stichhaltig, trifft aber die Raffgier Friedrichs, die manchmal extreme Züge annehmen konnte, im Wesentlichen. In zwei zeitgenössischen Schreiben erfährt man ein wenig über mongolische Streifzüge in Österreich und über die Mongolengefahr als solche. Ivo von Narbonne, ein französischer Kleriker, der sich in Wiener Neustadt aufhielt, berichtet gar von einer Belagerung dieser nur schwach bemannten Stadt. Auf die Nachricht vom Herannahen Herzog Friedrichs mit einem mächtigen Heer hätten sich die für Belagerungen schlecht eingerichteten Steppenreiter nach Ungarn zurückgezogen. Friedrich selbst erstattet König Konrad IV. in einem ausführlichen Schreiben über die Mongolen und deren Gefährlichkeit Bericht, wobei er auch von eigenen Begegnungen erzählt. Er fordert die Aufstellung eines Reichsheeres, das nach der Devise „getrennt marschieren, vereint schlagen“ vorgehen solle. Der Herzog schlägt vor, dass die Abteilungen aus dem Süden und Westen des Reiches die Donau entlangziehen sollten, die Thüringer, Meißener und Sachsen aber durch Böhmen. Der Grund für diesen Vorschlag ist
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aber nicht nur ein taktischer, sondern mehr noch die Absicht, Österreich vor Verpflegungsschwierigkeiten und den üblichen negativen Erscheinungen, die mit einem durchziehenden Heer verbunden sind, zu bewahren. Darüber hi naus erkennt Friedrich jedoch die große Gefahr, die für das Abendland insgesamt besteht, und er verlangt vom König, die Herrscher von England, Frankreich und „Spanien“ um Waffenhilfe zu ersuchen. Seinem Charakter und dem allgemeinen Verständnis für ritterliche Abenteuer entsprechend, argumentiert er nur oberflächlich mit der Verteidigung des Christentums und verheißt den Gewinn riesiger Schätze, welche die Mongolen bei der Zerstörung von so vielen Reichen angehäuft hätten und nun mit sich führten. Der Babenberger vermochte mit diesem Schreiben eigene und Interessen des Reiches nahtlos mit einander zu vereinigen, weil er sich einer adeligen Gesellschaft zugehörig fühlte und deren Weltverständnis kannte und teilte. Wirkung erzielte der Brief keine, da der Kaiser in Italien kämpfen musste und König Konrad IV. mit seinen inneren Widersachern am Rhein zu tun hatte. Papst Gregor IX. hat sich in seinen letzten Tagen dazu aufgerafft, den Abt von Heiligenkreuz mit einer Kreuzzugspredigt gegen die Mongolen zu betrauen. Dabei erfährt man, dass ihm die Mongolengefahr durch Friedrich von Österreich und Bernhard von Kärnten vor Augen gestellt worden ist. Doch starb der Papst bald danach, und die nun einsetzende zweijährige Vakanz auf dem Thron Petri ließ diese Ansätze erlahmen. Die Mongolen traten jedoch 1242 von sich aus den Rückzug an, bevor sie das Abendland von den Reichsgrenzen her gefährden konnten. Der Großkhan war gestorben und seine verschiedenen Verwandten und Heerführer wollten bei der Auseinandersetzung um die Nachfolge zugegen und in Bereitschaft sein. Nachdem der Herzog mit seinen Plänen einer Besitzerweiterung auf Kosten des ungarischen Königs endgültig gescheitert war, entwickelte er eine hektische Betriebsamkeit nach innen und außen. Dazu zeigte er Anwandlungen von Frömmigkeit, die in seinem früheren Leben nicht erkennbar sind. 1243 trug er sich mit dem Gedanken, ein Zisterzienserkloster zu gründen. Man erfährt das allerdings nur aus den Statuten des Generalkapitels jenes Ordens, andere zeitgenössische Quellen verlieren darüber kein Wort. Da Friedrich sich durch ein besonders gutes Verhältnis zum Wienerwaldkloster Heiligenkreuz auszeichnete – dessen Abt hatte auch in den Krisenjahren 1236–1239 zu ihm gestanden –, ist anzunehmen, dass er sich von diesem in der Angelegenheit
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beraten ließ. Wahrscheinlich hätte das Kloster Mönche für die Neugründung, die wohl im Mühlviertel geplant war, abstellen sollen. Die Sache ist anscheinend nicht weiter verfolgt worden und Friedrich hatte in den nächsten Jahren ganz andere kirchenpolitische Ziele. Ein großes Problem war die bisherige Kinderlosigkeit des Babenbergers. Aus seiner ersten Verbindung mit der Tochter des byzantinischen Kaisers Theodoros Laskaris war keine Nachkommenschaft erwachsen. Der Herzog war nun seit 14 Jahren mit Agnes von Andechs-Meranien verheiratet, ohne dass ihm seine Gemahlin einen Erben geschenkt hätte. So betrieb Friedrich die Scheidung. Da der Papstthron immer noch vakant war, wandte er sich 1243 in dieser Angelegenheit an die in Friesach tagende Synode der Kirchenprovinz Salzburg. Ohne Angabe von Gründen wurde die Ehe aufgelöst. Die Herzogin, die sich in der Sache nicht geäußert hatte, appellierte dagegen an den neuen Papst. Agnes war dem Herzog eine verlässliche Partnerin gewesen, die sich nicht scheute, bei der Offensive des Reichsheeres in der Steiermark die Verteidigung der Riegersburg zu leiten. Dabei war sie schließlich in Gefangenschaft geraten und musste drei Jahre in der Obhut ihres Onkels Berthold von Aquileia zubringen. Das hatte die Eheleute von einander entfremdet, die persönliche Bindung hatte sich gelockert. Entscheidend aber war die Kinderlosigkeit der beiden und schließlich die Möglichkeit für Friedrich, die Tochter seines langjährigen Feindes Otto II. von Bayern zu ehelichen, wodurch der lästigen Gegnerschaft im Nordwesten der babenbergischen Länder ein Ende bereitet werden würde. Bei diesem Fall stößt man einmal auf die persönliche Lebensproblematik eines Fürsten im 13. Jahrhundert; wenn auch nur andeutungsweise und indirekt. Vertreter der zeitgenössischen Annalistik berichten zum Jahre 1244 – als die herzogliche Ehe längst geschieden war – von zwei Jünglingen aus ministerialischem Geschlecht, die bei einem nicht näher beschriebenen Raufhandel schwer oder sogar lebensgefährlich verletzt wurden. Sie waren an Friedrichs Hof aufgewachsen und hatten die Zuwendung des Herzogs in einem ungewöhnlichen Maße erfahren: tenero amore (mit zarter Liebe) war er ihnen zugetan. Ist eine solche Aussage auch unüblich, so könnte man sie noch als eine literarische Überhöhung eines sehr wohlwollenden Verhaltens des Fürsten interpretieren. Es ist ja anzunehmen, dass Friedrich an seinem Hof zahlreiche junge Adelige beherbergte, die dort ritterlich erzogen werden und höfische
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Bildung erwerben sollten. Eindeutiger wird die Nachricht, wenn wir weiters hören, dass der Herzog alles aufbot, um sie am Leben zu erhalten. Der gesamte Klerus des Landes sollte dafür beten, er selbst gelobte den Bau eines Karners in Heiligenkreuz, dann eine Kreuzfahrt gegen die heidnischen Pruzzen (Preußen) und als verzweifelte Steigerung seiner Versprechen wollte er allen, denen er Nachtteile bereitet hatte (und das waren bei der Rücksichtslosigkeit des Babenbergers sicher nicht wenige!) Wiedergutmachung leisten. Wir kennen keine andere Situation in Friedrichs Leben, die ihn zu derartigen Forderungen, Versprechen und Gelübden genötigt hätte. Das will bei einem so bewegten Leben, bei einem derartigen Auf und Ab des Lebensweges schon etwas heißen! Tatsächlich genasen die beiden Jünglinge wegen der bonitas (Güte, Gottgefälligkeit) und der devotio (Gottergebenheit) des Herzogs, was dieser angeblich selbst für ein Wunder ansah. Man darf die diesbezüglichen klösterlichen Nachrichten nicht pressen; dennoch ist darin ein Hinweis auf eine heftige homoerotische Komponente in Friedrichs Dasein nicht zu übersehen. Von der Kirche als widernatürlich und gottfeindlich verurteilt, waren gleichgeschlechtliche Beziehungen in der Adelswelt der Zeit nicht ganz selten. Die Herzogin Agnes, die in ihrer zweiten Ehe durchaus Kinder gebar, war also kaum „Schuld“ daran, dass es ihrer Verbindung mit Herzog Friedrich II. an Kindern mangelte. Trotz dieser – zumindest zeitweiligen – heftigen Präferenz für die beiden Jünglinge, deren Namen in einer Quelle genannt werden, musste er danach trachten, Erben zu bekommen, was nun durch eine neue, politisch wertvolle Ehe mit der bayerischen Elisabeth gelingen sollte. Dieses Vorhaben wurde von beiden Fürsten ziemlich energisch betrieben, es kam zu wechselseitigen Besuchen und internen Abmachungen. Freilich war Herzog Friedrich noch nicht geschieden, da Papst Innozenz IV. die Appellation der Herzogin Agnes noch nicht behandelt hatte. Dennoch suchten die beiden unbekümmert um eine Dispens wegen zu naher Verwandtschaft der präsumtiven Brautleute (4. Grad) an. Da der Papst beide Herzöge für seine antistaufische Partei gewinnen wollte, erteilte er aber ziemlich schnell die Genehmigung. Damit war die Appellation der Herzogin mittelbar abschlägig beschieden. Sie fügte sich und vermählte sich mit Herzog Ulrich III. von Kärnten. Friedrich stand vor seiner dritten Eheschließung. Er war aber nicht zweimal verwitwet, sondern hatte jeweils ziemlich gewaltsam, ohne fundierte Gründe, die Ehefesseln gesprengt. Wieweit das vor allem den strenger den-
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kenden Klerus verstimmte, lässt sich nicht sagen, doch war es sicher nicht zufällig, dass der Babenberger jetzt den geistlichen Kommunitäten bedeutende Zuwendungen machte und Vorteile verbriefte. Es war nicht ungünstig, dass König Ludwig IX. von Frankreich dem Herzog eine Partikel der Dornenkrone Christi schenkte, die dieser an sein bevorzugtes Kloster Heiligenkreuz weitergab. Zusätzlich erreichte er vom Papst die Gewährung eines vierzigtägigen Ablasses für die Teilnahme an der Translation der Reliquie. Auch die von ihm verliehenen Stadtprivilegien häufen sich in dieser Zeit. Das Wiener Stadtrecht von 1221 wurde in einer leicht korrigierten und der neueren Rechtssicht angepassten Fassung bestätigt. Besonders der österreichische Weinbau, der weitgehend in mönchischer Hand lag, wurde durch ein Ausschankverbot für den ungarischen Wein gefördert. Ein „gesetzlicher Wurf“ gelang Friedrich dem Streitbaren mit dem Judenprivileg von 1244. Die Juden wurden im Reich grundsätzlich als Kammerknechte des Kaisers definiert, der ihnen Schutz bot, dafür aber bedeutende Abgaben erhob. Der Herzog unterstellte die Juden nun der landesherrlichen Gewalt und erließ Bestimmungen, die diesen eine wirklich günstige Stellung einräumten. Grundgedanke der Verfügung, der auch in der Urkunde ausgesprochen wurde, ist die geradezu aufklärerisch wirkende Überlegung des Herzogs, dass allen sich dauernd im Herzogtum aufhaltenden Menschen gleichermaßen die Gnade und das Wohlwollen des Landesherrn zuteilwerden sollte. So war die Tötung eines Juden durch einen Christen mit der Todesstrafe bedroht, das Zufügen einer Verletzung mit einer Geldbuße und einer schweren Ersatzstrafe (Abhacken der Hand!). Jüdische Leichentransporte wurden von allfälligen Mautabgaben befreit, wobei ausdrücklich auf jüdische Gewohnheiten verwiesen wird. Die Ruhe der Verstorbenen durfte nicht gestört, ebenso kein Grab geschändet werden. Über die Judenschule und das dortige Treiben sollte nicht gespottet werden, was offensichtlich in den Städten häufig geschah. Die Entführung eines christlichen Dieners aus jüdischem Haushalt sollte nun als Diebstahl geahndet werden, ein Vergehen, das bisher wohl als durchaus gerechtfertigtes, religiös motiviertes Tun angesehen wurde. Die meisten Paragrafen sind dem Pfandrecht gewidmet, jenem Rechtsbereich, der die Juden als typische Geldverleiher besonders oft mit den Christen in Konflikt brachte. Ein großer Teil der Strafgelder floss in die herzogliche Kammer, was das Interesse des Landesherrn am Schutz der Juden und der strikten Gesetzgebung
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Abb. 17: Pfennig Friedrichs II.
erklärt. Das Judenprivileg von 1244 war ungewöhnlich positiv für die Juden und sollte als Vorbild für Gesetze dieser Art in Mittel- und Osteuropa dienen. Die christlichen Stadtbürger waren von der Verfügung wohl weniger erbaut, und so blieben ihre Beziehungen zu den Judengemeinden eher gespannt. Es verwundert nicht, dass der so „judenfreundliche“ und als wenig kirchenfromm geltende Herzog auch als Freund der Ketzer verdächtigt wurde. Im Gegensatz zu seinem Vater Liupold VI., der Abtrünnige verbrennen ließ und sich am Kreuzzug gegen die Albigenser beteiligte, sind von Friedrich keine derartigen Manifestationen einer strengen Religiosität überliefert. Der populäre franziskanische Prediger David von Augsburg spricht von einem deutschen Fürsten, der sich von den Ketzern vom rechten Wege abbringen lasse. Da es sich wohl um einen süddeutschen Großen handeln musste, wurde vermutet, dass damit der Babenberger gemeint wäre. Doch bleibt das eine, wenn auch nicht unmögliche Spekulation. Die gerade in den Vierzigerjahren zeitweise heftig aufflammende Religiosität des Herzogs macht es wenig wahrscheinlich, dass er Ketzer bewusst geduldet oder gar gefördert hätte. Auf österreichischem Boden befanden sich allerdings mehrere Ketzergemeinden, die noch im 14. Jahrhundert von einiger Bedeutung waren. Im Wienerwald, im südwestlichen Niederösterreich, im Kremstal, in wichtigen Siedlungen Oberösterreichs sind Ketzer nachzuweisen; oft an Orten klösterlicher Niederlassungen! Umso berechtigter war daher der Versuch des Herzogs, den schon von seinem Vater aufgegriffenen Bistumsplan einer Verwirklichung zuzuführen.
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Papst Innozenz IV. zeigte sich – wieder aus politischen Überlegungen – dem Wunsche Friedrichs geneigt und beauftragte eine Kommission von österreichischen Äbten, die Angelegenheit näher zu untersuchen. Als ersten Schritt gewährte der Papst dem Babenberger die Einführung eines Gedächtnistags für den als heilig verehrten Koloman, sobald dieser vom Papst kanonisiert worden wäre. Dann sollte mit dem Bischof von Passau die Angelegenheit besprochen werden. Doch wie 1207 war es abermals der Passauer, der die Errichtung eines Bistums Wien zu verhindern trachtete. Bischof Rüdiger befand sich gerade in einer Auseinandersetzung mit dem Herzog wegen einiger Burgen und bischöflichen Lehensbesitzes in Österreich. Der Oberhirte war in arger Bedrängnis, da sich auch das Passauer Domkapitel gegen ihn wandte und der aus Bayern vertriebene und von seinen dortigen Pfründen entfernte fanatisch antikaiserliche päpstliche Legat Albert Behaim an der Kurie gegen Bischof Rüdiger intrigierte. Diese politische Lage, die den Bischof in geistlichem und weltlichem Bereich geschwächt sah, musste dem babenbergischen Bistumsplan entgegenkommen, zumal der Papst den österreichischen Herzog für seine antistaufischen Aktionen gewinnen wollte. Wieder war es die sture Haltung Friedrichs, dem jegliche Weitsicht mangelte und der kleinen Vorteilen des Augenblicks größere Möglichkeiten opferte. Er weigerte sich, die eroberten Burgen an Rüdiger zurückzugeben und ebenso die Belagerung der Stadt Obernberg am Inn, die Herzog Otto von Bayern gehörte, abzubrechen. Die darum ausgetragenen Kämpfe brachten niemand einen dauernden Erfolg, hingegen entfernte sich Friedrich mit einem Mal von seinem Schwiegervater in spe. So sah er sich genötigt, das Verlöbnis mit der Wittelsbacherin Elisabeth zu lösen. Friedrich hatte sich durch sein provokantes Tun und durch Beharren auf einem fragwürdigen Standpunkt um die Durchsetzung eines wichtigen Plans gebracht. Die Erhebung Wiens zum Bischofssitz trat ein weiteres Mal in den Hintergrund, denn als sich der Herzog wieder mehr dem Kaiser näherte, blieb das Innozenz IV. nicht verborgen und er sah keine Veranlassung, die Sache weiter zu betreiben. Ob ein längeres Leben dem Babenberger doch einen diesbezüglichen Erfolg gebracht hätte, ist sehr zu bezweifeln. Die Sprunghaftigkeit seiner Politik, die mangelnde Konsequenz seiner Handlungen, die nie lange in eine bestimmte Richtung wiesen, beeinträchtigten gut geplante Unternehmungen. Ausdauer und Hartnäckigkeit zeichneten Friedrich aus, doch waren sie allzu oft auf die Erreichung von Kleinigkeiten oder kaum
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Realisierbares gerichtet. Seine Streitbarkeit, die ihm den Beinamen geben sollte, ist wohl eine grundlegende charakterliche Disposition gewesen. Eine ins Unverständliche und für die Zeitgenossen sicherlich ins Unverträgliche gesteigerte ritterlich-kämpferische Mentalität ließ eine geschmeidige und abwägende Vernunft nicht aufkommen. Dazu passt, dass er seine Gelöbnisse, die er für die Genesung der zwei ihm so teuren Jünglinge eingegangen war, soviel wir sehen, nur sehr zögerlich und unvollkommen erfüllte. So beteiligte er sich keineswegs an einer Preußenfahrt des Deutschen Ordens, sondern sandte nur dreißig Bogenschützen, obwohl ihm der Papst schon im Voraus einen Kreuzzugsablass gewährt hatte. Im nächsten Jahr schickte er immerhin eine Mannschaft Berittener ins Baltikum; selbst aber blieb er zu Hause. Den Karner in Heiligenkreuz scheint er vollendet zu haben. Von der Erfüllung der anderen Versprechen hört man nichts mehr.
9.
Verhinderter König und letzter Grenzkämpfer: Friedrich II.
Die Intensität seiner wahrscheinlich echten, aber doch auch politisch motivierten Religiosität begann im Jahre 1245 wieder abzunehmen. Der Herzog wandte sich vom Papst ab und setzte wieder auf den Kaiser, der nicht abgeneigt schien, Friedrichs Macht und Stellung im Reich zu erhöhen. Der Staufer plante einen Hoftag in Villach, das zwar zum Bistum Bamberg gehörte, womit er aber doch dem Herzog in gewisser Beziehung entgegenkam. Doch letztlich konnte sich Kaiser Friedrich der Lombarden wegen nicht aus Italien entfernen und musste den Hoftag nach Verona verlegen. Dorthin machte sich der Babenberger auf den Weg. Davor war Bischof Heinrich von Bamberg nach Österreich gesandt worden, um dem Herzog einen Ring zu überreichen. Der sollte ein Symbol dafür sein, dass die Reichsländer Österreich und Steiermark zu einem Königreich umgewandelt werden würden. Die Babenberger hätten dadurch mit den böhmischen Přemysliden gleichgezogen und die Spitzenstellung im Reich erlangt. Die Kämpfe mit Ungarn und Böhmen würden nun unter Ebenbürtigen geführt werden, und das sollte ihm auch bei seinen eigenen Leuten größeren Rückhalt geben. Als Gegenleistung für die Erhebung
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zum König sollte der Herzog seine Nichte Gertrud mit dem zum dritten Mal verwitweten Kaiser vermählen. Eine Abschrift des entscheidenden Dokuments ist erhalten. Darin lesen wir, dass die beiden babenbergischen Länder zu einem Königreich vereinigt werden sollten, mit Krain als einem lehenspflichtigen Herzogtum. Ein fürstliches Wahlrecht wird ausgeschlossen, die Erbfolge würde durch die Gesetze der Primogenitur und des Seniorats geregelt werden. Die Krone empfängt der jeweilige Herrscher aus den Händen des Kaisers. Die in der Briefsammlung des sizilischen Kanzlers Friedrichs II. überlieferte Urkunde ist im Stadium des Konzepts geblieben und niemals feierlich ausgestellt worden. Die Erhebung des Herzogs zum König wurde im letzten Augenblick vereitelt; vereitelt durch seine Nichte Gertrud! Diese erschien nicht in Verona, wohl sehr gegen den Willen ihres herzoglichen Onkels, der erwartete, bald ein königlicher zu sein. Warum die Nichte Friedrichs plötzlich so handelte, lässt sich nur vermuten. Dass der Herzog selbst dagegen war, wie eine italienische Quelle berichtet, kann nur auf einem eklatanten Missverständnis beruhen. Eher wahrscheinlich ist, dass Gertrud von ihrer kirchenfrommen Überzeugung her sich scheute, einen Exkommunizierten zu ehelichen, der noch dazu vor der Absetzung als Kaiser durch das Konzil von Lyon stand. Beweisen lässt sich das aber auch nicht. Die päpstliche Propaganda, die vor persönlicher Diffamierung nicht zurückschreckte, schrieb dem dreifachen Witwer, der noch dazu zahlreiche Konkubinen besessen hatte und besaß, eine rohe, gewalttätige und zugleich kaltdistanzierte Haltung gegen seine Gemahlinnen zu. Nicht umsonst hatte auch König Heinrich III. von England sich bei seinem kaiserlichen Schwager beschwert, dass er seine Schwester Isabella nie unter der Krone gehen lasse. Ein junges Mädchen konnte durch solche Nachrichten durchaus beeinflusst werden und wollte sicher nicht das Schicksal ihrer Vorgängerinnen teilen. Gertrud war 1245 wohl noch keine zwanzig Jahre alt, Kaiser Friedrich II. bereits 51. Eine persönlich begründete Voreingenommenheit, die auf einer Ergebenheit gegenüber dem Papst basierte, mochte sich bei ihr zu einer wirklichen Abneigung verdichtet und zum Fernbleiben bestimmt haben. Man wird Gertrud wohl am ehesten unter diesen Gesichtspunkten gerecht. Selbst eine derartige, vielleicht schlüssige Erklärung geht aber von Voraussetzungen aus, die der sozialen und familiären Situation der jungen Babenbergerin in ihrem Jahrhundert kaum entsprechen. Als vaterloses Mädchen stand
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sie in der Munt, das heißt unter dem Schutz, ihres Onkels Friedrich, der damit auch Herrschaftsrechte über sie ausübte. Sie konnte also ihre menschlichen, ja persönlichen Bedenken gegen dessen Entscheidung kaum geltend machen, die noch dazu Voraussetzung für dessen Königserhebung waren. Warum der Herzog auf einer Erfüllung des Eheversprechens nicht bestanden hatte, sondern die Abwesenheit der wortbrüchigen Nichte einfach hinnahm – soweit wir das erkennen können – und damit zuließ, dass sein Königsplan zunichte wurde, bleibt unverständlich. Die Fragwürdigkeit des Geschehens reicht aber noch weiter zurück. Wohnte Gertrud nicht am Hof ihres Oheims und hatte sie die Reise nicht mit ihm zusammen angetreten? Warum war sie zum Aufbruch nach Verona nicht genötigt worden? Die ganze Angelegenheit bleibt dunkel. Waren religiöse Bedenken, die von päpstlicher Seite sicher verstärkt wurden, in der Zeit des Kampfes von Kaiser und Papst, den auch der Herzog in sein Planen und Tun einbeziehen musste, eben Grund genug für eine höchstens mit Achselzucken erfolgende Anerkennung von Gertruds Entscheidung? Diese muss aber erst nach des Herzogs Abreise aus Wien gefallen sein, da er sonst den Weg über die Alpen wahrscheinlich nicht angetreten hätte. Und so konnte sie auch nicht mehr gezwungen werden, das Eheversprechen einzuhalten. Dass der sonst so machtgierige und rachsüchtige Babenberger die Sache auf sich beruhen ließ, ist im Hinblick auf seine sonstigen Reaktionen gegen Widerstand nicht verständlich. Am Hof zu Wien war man von der Erhebung Friedrichs zum König fest überzeugt gewesen. So hatte etwa der Tannhäuser einen Leich in Beziehung auf Herzog Friedrich gedichtet, in dem er sagt, dass man in kurzer Zeit „… wol eine krone/ schone uf sinem houpte siht“. Und das erfolgte wohl in Gegenwart der herzoglichen Nichte. Jedenfalls dürften beide Friedriche das Scheitern des großen Projekts ohne viel Aufsehen zur Kenntnis genommen zu haben. Das Urkundenkonzept weist aber ein paar Widersprüche auf, wenn man die Vorstellungen des Kaisers näher betrachtet. Er war nicht nur bestrebt, den mächtigen Herzog, dessen auffälliger Reichtum an Gold und Silber erst kurz vor der Fahrt nach Verona hervorgehoben worden war, als wirkungsvollen Helfer im Kampf gegen das Papsttum und die inneren Gegner des staufischen Kaisertums zu gewinnen. Immer wahrscheinlicher wurde die Tatsache, dass der Babenberger ohne direkten Erben bleiben würde. Der Kaiser hatte daher die südöstlichen
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Reichsländer und deren kinderlosen Herrn nie ganz aus den Augen verloren. Mit dem Eheprojekt wollte er sich über die Erbfolge in weiblicher Linie, wie sie das Privilegium Minus verbriefte, die Herrschaft in Österreich und Steiermark sichern. Dagegen sollte das neu geschaffene Königreich nur im Mannesstamm erblich sein: Es wurde also als heimgefallenes Reichsland betrachtet. Diese Ansicht hatte Kaiser Friedrich schon 1236/1237 vertreten. Man sieht also, dass das in der Briefsammlung erhaltene Konzept noch kein Endprodukt war, sondern der Verbesserung im Einzelnen und der Vereinheitlichung bedurfte. Das geschah nun freilich nicht mehr, und der Herzog musste enttäuscht den Rückzug antreten, nachdem wenigstens das Privilegium Minus bestätigt worden war. Aus Verona zurück, sah sich Herzog Friedrich sofort mit feindlichen Aktionen seiner Nachbarn konfrontiert. Otto II. von Bayern hatte dessen Abwesenheit benutzt, um das von Friedrich widerrechtlich besetzt gehaltene Obernberg am Inn zurückzugewinnen, doch blieben seine Anstrengungen erfolglos. Problematischer war der Einfall König Wenzels I. von Böhmen, der Laa an der Thaya und Staatz einnahm. Er wollte dadurch den Herzog zwingen, seine Einwilligung zur Eheschließung von Vladislav und Gertrud zu geben. Durch einen raschen Gegenschlag, den Friedrich an der Spitze von nur zweihundert Rittern vollführte, vertrieb er die Böhmen, wobei er zahlreiche Gefangene machte. Dieser Sieg, über den uns die klösterliche Annalistik kaum berichtet, fand weithin Anerkennung. Eine Generation später, als schon die Habsburger in Österreich Fuß gefasst hatten und man sich der letzten Babenberger im Vergleich zu den neuen schwäbischen Herren gern erinnerte, hat der Wiener Ritterbürger Jans Enikel jene Kämpfe im nördlichen Weinviertel sehr ausführlich, wenn auch nicht sehr variantenreich beschrieben. Ganz im epischen Stil stehen Zweikämpfe im Mittelpunkt des Geschehens. Wernhart und Heinrich Preussel, treue Gefolgsleute des Herzogs, treten gegen zwei berühmte Ritter aus dem mährischen Geschlecht der Waisen (Siegfried und Kadolt) an. Erfolgreiche Schwertschläge und erhaltene Wunden werden detailliert geschildert. Dazwischen bleibt Zeit für Kommentare und Motivberichte der Kämpfenden. Friedrich selbst zeigt seine Kampfkraft und besiegt einen hoch angesehenen fremden Ritter, wobei er an der Hand verletzt wird. Schließlich nimmt er den im böhmischen Heer kämpfenden Herzogssohn Ulrich aus Kärnten gefangen. Zuletzt begann eine neuerliche Auseinandersetzung mit König Béla IV. von
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Ungarn, wahrlich einem Erbfeind des Babenbergers. Mit kumanischer und russischer (!) Unterstützung zog er gegen Westen. Er vergaß die Demütigungen niemals, die er vom österreichischen Herzog im Verlauf des Mongoleneinfalls erleiden hatte müssen. Friedrich, dessen Kampfeslust und -mut durch den glänzenden Sieg gegen die Böhmen angestachelt worden war, wollte hingegen versuchen, die mittlerweile weitgehend verlorenen Grenzkomitate wiederzugewinnen. 1242 hatte er dort viel Terrain aufgeben müssen, weil er den ungarischen Rekuperationen nur wenig entgegenzusetzen hatte: Seine Dienstmannen kündigten ihm, kriegsmüde, die Gefolgschaft und lehnten es ab, ihm in neue Schlachten zu folgen. Tatsächlich waren die Grenzburgen und ihr Umland noch immer umkämpft, und erst 1247 konnte Béla IV. darüber wieder unbehindert verfügen. Die Heeresmacht der Ungarn war 1246 beträchtlich, während der babenbergische Herzog nicht allzu viele Ritter aufbringen konnte. An der Piesting bei Pottendorf – also nach damaliger Anschauung an der Grenze zur Steiermark – errichtete Herzog Friedrich sein Lager; vor sich die Ebene, die zum Fluss Leitha führt. Ungeduldig, wie er meistens war, wartete er die Ankunft anderer berittener Kontingente nicht ab und stürzte sich am St.-Veits-Tag, dem 15. Juni, in die Schlacht, indem er über die Leitha ins heutige Burgenland vordrang. Die Wellen immer wieder aufeinander zusprengender Reiter, die sich im Getümmel des darauffolgenden Einzelkampfes aufrieben, dürften ein längeres Hin und Her bewirkt haben, bis die Ungarn samt ihren Hilfstruppen überraschend die Flucht ergriffen und das Schlachtfeld preisgaben. Die siegreichen Österreicher sammelten sich, vermissten aber ihren Anführer. Sie fanden ihn tödlich verletzt durch einen Lanzenstich in den Kopf (in die Wange?). Ob er noch lebte, wird nicht gesagt. Die Annalisten melden einfach oder in klagenden Formeln den Tod des siegreich gebliebenen Herzogs. Am Kampf selbst teilgenommen hat Ulrich von Lichtenstein, der auch eine kurze Beschreibung davon gibt: Deren realer Gehalt wird aber stark durch Erzähltopik – so hält Friedrich eine aufmunternde Rede, als schon beide Heere gegeneinander losstürmen – und formale Zwänge gemindert. Einen wirklichen Ablauf des Schlachtgeschehens kann man aus diesen Worten nicht erkennen. Ulrich sieht darin aber auch keine Notwendigkeit. Er verweist auf ein Lied von der Schlacht, das den Zeitgenossen bekannt gewesen sein muss, aber leider nicht erhalten ist. Jedenfalls berichtet der Liechtensteiner von ei-
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ner nur leichten Verletzung des Herzogs an der Wange, während sein Bein durch einen Pferdehuf leichten Schaden nahm. Tödlich waren diese Blessuren nicht. Und dass er durch den Sturz mit oder von seinem Schlachtross schwere innere Verletzungen davongetragen habe, gar solche, die seinen sofortigen Tod zur Folge hatten, scheint ebenfalls wenig wahrscheinlich. Auch dass er vom Landschreiber Heinrich aufgefunden, heimlich nach Wiener Neustadt gebracht und dort aufgebahrt wurde, ist kaum zu glauben. Dass niemand der Kämpfenden den Herzog vermisst hätte, der ausdrücklich des strîtes herre (Feldherr) genannt wird, wäre selbst bei der Aufsplitterung des zunächst in Reiterformation begonnenen Kampfes in einzelne Gefechte doch ungewöhnlich. Und so begannen die Meinungen darüber, wie der Herzog zu Tode gekommen sei, allmählich zu schwanken. War er von den Feinden, wie naheliegend, durch einen Lanzenstich getötet worden, oder vielleicht von einem der Seinen, hinterrücks? Die Kopf- oder Gesichtsverletzung kann dabei keine Hilfe sein, da im Durcheinander des Reiterkampfs die ursprüngliche Kampfrichtung nicht mehr einzuhalten ist. Die Annalisten und Chronisten beginnen zuletzt am natürlichen Ablauf des Geschehens zu zweifeln. Der Annalist des Klosters Melk hat das am besten in Worte gekleidet. Nachdem der Herzog den Sieg errungen hatte, wurde er „ich weiß nicht durch welchen Zufall jämmerlich erschlagen“ (nescio quo casu miserabiliter occiditur). Ulrich von Lichtenstein lässt Friedrich von den Reußen (Russen), deren Angriff er nicht wahrnahm, von hinten getötet werden. Dass Friedrich durch einen solchen Schlag oder Stich ums Leben gebracht wurde, ist durchaus glaubhaft. Der Topfhelm des Kämpfenden erlaubte mit seinen schmalen Sehschlitzen ja nur eine Orientierung nach vorne, und das genügte beim klassischen Reiterangriff. Es musste bedrohlich werden, wenn man es mit Gegnern zu tun hatte, die vom ritterlichen Kampfstil abwichen – was bei den russischen Hilfstruppen König Bélas vermutet werden kann. Aber auch so war es schwierig, das Ross im Kampfgewoge ständig zu wenden, um sich nicht der Gefahr, von hinten attackiert zu werden, auszusetzen. Ulrich fügt hinzu, dass man den Herzog (quasi) nackt auf dem Schlachtfeld fand, seiner Rüstung beraubt, sogar ohne spaldenier, der Stoffkleidung unter dem Harnisch, mit nur einem Schuh am Fuß: die traurige, schäbige Realität des Schlachtentods! Ob das nun wörtlich zu nehmen ist, scheint allerdings mehr als fraglich, wenn man Ulrichs Schilderung folgt. Danach ist Herzog Friedrich gleich zu Beginn der Schlacht ge-
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fallen und wurde rasch von seinem Landschreiber gefunden. Niemand hätte Zeit gehabt, ihm die Rüstung und einige Kleidungsstücke zu entwenden. Die (tatsächlich ja nicht bestehende) Nacktheit, die armselige Verlorenheit und die dem elenden Tod ausgelieferte Hilflosigkeit des Gefallenen, der sich in nichts mehr vom kleinsten Kriegsknecht unterscheidet, gehört zu den beliebtesten Bildern christlichen Lebensverständnisses. Im Tod sind alle gleich, und selbst der farbenprächtig gekleidete, hochfahrende Fürst muss zuletzt ein elender Leichnam werden! Gerade der anmaßende, oft gewalttätige und ausschweifende Herzog Friedrich II. eignete sich besonders für die Darstellung dieses erbärmlichen Schicksals. Dass sich um seine Gestalt bald Legenden rankten, zeigt die Kölner Königschronik, eine der maßgeblichen Quellen der Zeit, aber weit vom Schlachtfeld entfernt. Ihr zufolge habe der Herzog im Zweikampf den rex Ruscie (König der Reußen/Russen = Fürst von Halicz) erschlagen, von dem Stürzenden aber selbst eine tödliche Wunde empfangen. Mehr als ein halbes Jahrhundert später schreibt der freilich nicht immer gut unterrichtete steirische Reimchronist Otakar, der Tod Friedrichs wäre manchem seiner Dienstmannen nicht ungelegen gekommen, was die These von seiner Ermordung durch eigene Leute ein wenig bestärkt. Allerdings enthalten die Quellen des 14. Jahrhunderts schon viele typologische Elemente und verwenden mit Vorliebe geschichtliche Parallelen bei der Schilderung realen Geschehens. Doch hat das Faktum von der ungeklärten Todesursache Friedrichs II. die Volksfantasie weiterhin bewegt, und so fällt der am Auge Verletzte bei einer Jagd dem Schwert eines Edelmanns zum Opfer, dessen Verwandte Friedrich entehrt hat. Nachrufe in Form von gelehrten Epitaphien wurden dem Herzog jedoch auch zuteil; so wenig das zu seiner Person passen will. Und da wird er mit Paris, Hektor, Achilles und Alexander dem Großen verglichen; Helden, die man aus der Troja- und Alexanderepik kennen und schätzen gelernt hatte. Dazu vereinte Friedrich II. aber auch Eigenschaften von Samson, David und Salomon in seinem Wesen. Schillers Wort von „der Parteien Gunst und Hass …“ trifft auf den letzten Babenberger im Besonderen zu. Dass Friedrich die Waffen liebte und ein großer Kämpfer war – ohne Rücksicht auf andere und oft anscheinend nur um des Kampfes Willen –, berichten fast alle Geschichtsschreiber. Daher belegten ihn schon die Zeitgenossen mit Beinamen wie bellicosus oder strenuissimus (kriege-
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risch, stark und entschlossen). Das entspricht dem deutschen Wort „streitbar“ recht gut, wobei eben kämpferisch gemeint war und nicht unsere moderne Semantik „zänkisch, jederzeit gereizt“ zutrifft. Kühnheit und Wagemut waren eng mit seinem Wesen verbunden, jedoch gepaart mit Unbesonnenheit, Unüberlegtheit und einer gewissen Skrupellosigkeit. Weitsicht zeigte er meistens keine. Seine viel gerühmte Zähigkeit konnte sich bei geringfügigen Problemen leicht in einen unfruchtbaren, ja für ihn nachteiligen Starrsinn verwandeln. Der Tod in der Schlacht ließ aber bald ein positives ritterliches Bild von ihm entstehen, wie ein Gigant sei er allen anderen Recken in der Schlacht an der Leitha vorangeeilt. Dieser raue Mann des Schwertes war aber auch ein solcher der höfischen Dichtung und des stilisierten gesellschaftlichen Lebens der adeligen Welt. Er scheint sich sehr bewusst um die neue Form literarischer höfischer Unterhaltung bemüht zu haben: Es ging nun nicht mehr so sehr um den gesanglichen Vortrag des Minnesängers vor einer versammelten Hofgesellschaft. Im Vordergrund stand nun der reien, der Tanz, zu dem gesungen wurde; angeführt von einem Vorsänger, der oft Friedrich II. gewesen sein soll. Wie sehr seine zweite Gemahlin Agnes von Andechs-Meranien auf die Förderung der höfischen Literatur von Einfluss war, ist nur zu erschließen. Sie ist im Umkreis auch höfischer Epik groß geworden und wird von manchen für die unbekannte Minneherrin Ulrichs von Lichtenstein gehalten. Am Hof Friedrichs in Wien sind jedenfalls die führenden Lyriker ihrer Zeit nachzuweisen. Der Herzog förderte den Tannhäuser, den er mit Häusern in Wien und Leopoldsdorf, mit schönen Gütern in Himberg beschenkte; Neithart von Reuenthal wechselte von Bayern zum Babenberger (zum werden Ôstermann) und dankte es ihm, dass er durch seine milte ihn behûset wol. Beide Minnesänger waren Vertreter des neuen, vielfach kritisch-ironisch gebrochenen Stils, der Herzog Friedrich besonders angesprochen haben dürfte. Aber auch Ulrich von Lichtenstein, Bruder Wernher und her Pfeffel gehörten wohl zur Wiener Hofgesellschaft. Mit dieser illustren Reihe von anerkannten Dichtern übertraf Friedrich den literarischen Hof seines Vaters Liupold VI. beträchtlich. Ja, der friderizianische Hof war vielleicht überhaupt das bedeutendste Zentrum der höfischen Lyrik der Zeit nicht nur unter den Babenbergern. Um das zu beweisen, fehlen aber die entsprechenden Nachrichten seit Heinrich Jasomirgott. Jedenfalls war weltliche Kultur ein wesentliches Lebenselement des Herzogs, sicher nicht Religiosität wie bei seinem Vater. Schon das genügte, um in der Mönchs
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Abb. 18: Der Tannhäuser
geschichtsschreibung der Zeit als ausschweifend und moralisch bedenklich gewertet zu werden. Friedrichs große Freigebigkeit wird immer wieder hervorgehoben. Prachtvolle Kleider, schöne Pferde schenkte der Babenberger denen, die sînen hof suohten. Sein plötzlicher, unerwarteter Tod fand daher die entsprechende Würdigung, die bei aller Topik und geläufigen Formelhaftigkeit doch auch Züge einer lebendigen Betroffenheit aufweist. Wenige Tage nach Friedrich starb seine Mutter Theodora, die Byzantinerin,
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an „gebrochenem Herzen“. Wenn man den wenigen erhaltenen Nachrichten Glauben schenken darf, so war ihr Verhältnis zu den Söhnen Heinrich und Friedrich nicht sehr gut. Dem ältesten Sohn, dem früh verstorbenen Kind Liupold, stiftete sie ein Ewiges Licht an seiner Grabstätte in Klosterneuburg. Dies war nicht nur ein Zeichen mütterlicher Liebe und die Sorge um ein entsprechendes Gedenken, sondern auch eine Demonstration ihrer Verbundenheit mit jenem, dessen Tod sie der Feindseligkeit ihrer beiden anderen Söhne ausgeliefert hatte. Vor diesen musste sie aus ihrem Witwensitz Hainburg flüchten, dass ihr jedoch von Friedrichs unnatürlicher Grausamkeit und Pietätlosigkeit 1236 eine unglaubliche Gefahr drohte, ist als Auswuchs der kaiserlichen Propaganda anzusehen. In der Rückschau erschien den Österreichern, die die Unsicherheiten des so genannten Interregnums miterleben mussten, die vergangene Babenbergerzeit in verklärtem Licht. Es war die von politischer Hektik und kriegerischen Gefahren erfüllte Periode Friedrichs des Streitbaren, hinter der noch als ferner Horizont die guten Jahre Liupolds VI. aufglänzten. Styria und Austria vergossen Tränen über den Tod des letzten babenbergischen Fürsten. Die soziale Lage war im Allgemeinen tatsächlich nicht schlecht. Ein wohlhabendes Bürgertum wird mehr und mehr sichtbar; man kennt die Namen der einflussreichen Wiener Erbbürger, deren Selbstverständnis zusehends wuchs und die dem Herzog hin und wieder seine Grenzen aufzeigten. Einen ersten Höhepunkt ihrer Geltung erlebten sie als vom Kaiser privilegierte Reichsstädter. Die Bauern profitierten noch von den abgabemäßigen Vorteilen der Land erschließung in ihren letzten Jahrzehnten. Die Reichen unter ihnen trugen unerlaubt Schwerter statt kurzer Messer, die Bäuerinnen grün und rot gefärbte Stoffe und taillierte Gewänder aus Flandern statt grauer und mattblauer Kittel eigener Erzeugung und imitierten so die höfischen Damen. Neithart von Reuenthal, der belustigt, aber doch auch empört von diesen skandalösen Zuständen berichtet, übertreibt mit derartigen Schilderungen sicherlich. Doch lassen sich seine ärgerlichen Feststellungen auch als Zeitklage verstehen. Schon Jahre vorher hatte Walther von der Vogelweide geklagt, dass sich die Ritter in dörperliche wat (bäurisches Gewand) kleideten. Die gesellschaftlichen Hierarchien gerieten ins Wanken und tatsächlich ging es den Bauern im Mittelalter weder vorher noch nachher besser. Gesellschaftliche Anerkennung konnten sie aber im Gegensatz zu den Bürgern nicht erreichen.
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X. DAS ÖSTERREICHISCHE INTERREGNUM
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erzog Liupold VI. konnte auf drei Söhne blicken: Ein Ende der babenbergischen Herrschaft war nicht zu erwarten und schien ganz unwahrscheinlich. Doch der älteste Sohn Liupold stürzte als Kind beim Spiel vom Baum und verletzte sich tödlich. Heinrich, der zweite, rebellierte gegen seinen Vater und zog sich nach dem Scheitern seines Aufstands zurück. Nach einer oberflächlichen Versöhnung zieht er mit Liupold VI. nach Schwaben, wo er stirbt. Friedrich, der jüngste Sohn, ergriff zwar mit fester, ja harter Hand die Zügel der Herrschaft, doch fand er in einem sturmbewegten Leben nie Zeit, seine Herzogtümer zu festigen und in ruhiger klarer Politik seine Nachfolge vorausschauend zu regeln. Er hatte keine Nachkommenschaft, wobei homoerotische Neigungen und unglückliche Ehen wohl gleichen Anteil hatten. Dass er sein letztes Verlöbnis aus politischen und militärischen Gegensätzen anscheinend leichthin löste, passt zu seinem Charakter, wie er sich uns in der schriftlichen Überlieferung darstellt. Sein Schlachtentod ließ eine Leere zurück, in die bald Kräfte von allen Seiten hineinzustoßen begannen: die meist feindlichen Nachbarn Böhmen und Ungarn, der immer schwankende bayerische Herzog, vor allem aber der Kaiser. Sie meldeten ihr Interesse an: Böhmen und Ungarn nachdrücklich, etwas zaghafter und unentschlossen der Bayer, zögerlich und allzu langsam Kaiser Friedrich II. All diese politischen Bewegungen wurden vom Papst argwöhnisch betrachtet, der unter keinen Umständen eine Machterweiterung der Staufer im Reich hinnehmen wollte. Des österreichischen Herzogs Tod fiel in eine politisch angespannte Periode, in eine Zeit sozialer Wandlungen und – modern gesagt – verfassungsrechtlicher Veränderungen, denen die neue Wirklichkeit des Faktischen vorausgegangen war. Inmitten kleinerer, aber nie erlöschender Feindseligkeiten und größerer prinzipieller Probleme galt es, das Erbe der Babenberger anzutreten.
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x. das österreichische interregnum
Dieses Geschlecht war wohl im Mannesstamm erloschen, aber noch existierten zwei Frauen aus babenbergischer Familie: Margarete, Tochter Herzog Liupolds VI., die ältere Schwester des an der Leitha zu Tod Gekommenen. Sie war nach König Heinrich (VII.) verwitwet und hatte zwei Söhne mit den staufischen Leitnamen Heinrich und Friedrich. Diese befanden sich bei ihrem kaiserlichen Großvater in Italien. Die andere war Gertrud, Tochter Heinrichs des Grausamen und Agnes’ von Thüringen, die Nichte Friedrichs des Streitbaren. Es war jene Gertrud, die sich noch ein Jahr zuvor geweigert hatte, den gebannten Kaiser zu heiraten und durch diese Weigerung den weit gediehenen Königreichsplan ihres Oheims zu Fall brachte. Beide beriefen sich bei ihren Ansprüchen auf das Privilegium Minus, das ja erst 1245 bestätigt worden war und ein Erbrecht in weiblicher Linie ausdrücklich anerkannte. Unklar bleibt, ob diese Regelung nur in gerader Linie Gültigkeit hatte, also bei Tochter oder Enkelin des Erblassers, oder sich auch auf Seitenverwandte wie Schwester und Nichte erstreckte. Wer in seiner Berechtigung, das Erbe anzutreten, dem verstorbenen Herzog näherstand, Margarete oder Gertrud, hing von der Anwendung des genealogischen Systems ab. Margarete als Glied derselben Generation war ihrem Bruder grundsätzlich näher als dessen Nichte, die wiederum den Vorteil der Sukzession hatte, da ihr Vater der ältere Bruder Herzog Friedrichs gewesen war. Für beide Babenbergerinnen galt es, schnell zu handeln. Margarete als quondam Romanorum regina (ehemals römische Königin) hatte ob dieser Tatsache keinen Vorteil. Nach dem Tod ihres unglücklichen Mannes hatte sie in Trier den Schleier genommen, war aber bald ins Würzburger Dominikanerinnenkloster übersiedelt. Als sie die Nachricht vom Ableben ihres Bruders erhielt, suchte sie beim Papst um Dispens von der Ordensregel an, um wieder in „die Welt“ zurückzukehren und eventuell eine Ehe schließen zu können. Nachdem der Papst ihre Verpflichtung aufgehoben hatte, zog sie sofort nach Österreich, ließ sich in Wien, bald aber im festen Hainburg nieder, das schon ihrer Mutter als Witwensitz gedient hatte. Ihre Nichte Gertrud betrachtete sie zunächst noch nicht als Gegnerin, sondern suchte mit dieser zusammen die allgemeine Anerkennung der weiblichen Erbfolge auch außerhalb der direkten Linie zu erreichen. Gertrud hinderte das aber nicht, noch 1246 den böhmischen Kronprinzen Vladislav zu ehelichen. König Wenzel fand sich am Ziel seiner Wünsche, deren Realisierung Herzog Friedrich immer wieder hinausgeschoben und deren Erfüllung er durch
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x. das österreichische interregnum
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sein Königsprojekt 1245 ganz zu vereiteln trachtete. Der österreichische Adel stimmte dieser Verbindung zu und schien bereit, den Böhmen als Landesherrn anzunehmen. Der plötzliche Tod Vladislavs in den ersten Januartagen 1247 warf die ehemals babenbergischen Herzogtümer wieder in das Stadium der Herrenlosigkeit zurück, was andere Interessenten für sich zu nutzen beschlossen. Béla IV. von Ungarn mochte im Tod des Herzogs auf dem Feld an der Leitha ein Gottesurteil zu seinen Gunsten erblicken, das ihn in den Besitz Österreichs und der Steiermark bringen sollte, obwohl die Österreicher das Schlachtfeld behauptet und die Magyaren samt ihren kumanischen und russischen Hilfstruppen in die Flucht geschlagen hatten. Mit Unterstützung des Papstes und des deutschen Gegenkönigs Heinrich Raspe glaubte er erfolgreich zu sein. Der Tod des Gegenkönigs im Februar 1247 machte aber auch den Versuch Bélas zunächst zunichte. Kaiser Friedrich II., der schon 1237 die babenbergischen Herzogtümer samt Krain für die Staufer gewinnen wollte, beschloss, das Erbrecht der beiden Frauen nicht anzuerkennen, sondern die Herzogtümer als geschlossenes Reichsland im Südosten für sich zu beanspruchen. Aber durch die Kämpfe mit den Lombarden und den nicht enden wollenden Konflikt mit dem noch in Lyon weilenden Papst war er verhindert, selbst nach Österreich zu kommen, die Herrschaft an sich zu reißen und seinen Macht- und Verwaltungsapparat in beiden Ländern zu verankern – wie es in der Steiermark schon einmal 1237 geschehen war. Sehr wahrscheinlich wären dann die einflussreichen Ministerialen auf seine Seite getreten. Papst Innozenz IV., der diese Inbesitznahme durch den Staufer fürchtete, stellte sich nun auf die Seite der Babenbergerinnen und forcierte die Idee vom berechtigten Erbanspruch von Tante und Nichte. Dieser musste durch die Verlesung der Urkunde von 1156 und ihrer Bestätigung von 1245 wieder publik gemacht werden. Die beiden Diplome gehörten aber zum herzoglichen Schatz, der auf der festen Burg Starhemberg untergebracht war und von Rittern des Deutschen Ordens bewacht wurde. Trotz päpstlicher Anordnung händigten sie die Urkunden den beiden Frauen nicht aus, doch wurde ihnen erlaubt, die Texte einzusehen. Gertrud ließ das Privilegium Minus abschreiben. Diese Abschrift gelangte später nach Klosterneuburg und ist heute das älteste erhaltene und wichtigste Textzeugnis der so bedeutsamen Kaiserurkunde, die zusammen mit ihrer hundert Jahre jüngeren Bestätigung auf Befehl Herzog Rudolfs des
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Stifters 1358/59 vernichtet wurde, als dem Kaiser eine diesbezügliche Fälschung mit zahlreichen zusätzlichen Privilegien vorgelegt wurde (Privilegium Maius). Gertrud konnte nun durch tatkräftige Unterstützung vonseiten des Papstes ihre Tante Margarete von der politischen Bühne verdrängen. Diese scheint die nächsten fünf Jahre in Hainburg weitgehend resigniert verbracht zu haben. Die Nichte hingegen wurde jetzt zur wesentlichen Akteurin im Nachfolgespiel um die babenbergischen Länder. Innozenz IV. sah in ihr die zentrale Gestalt unter den antikaiserlichen Kräften, die durch ihre päpstliche Gesinnung und durch die extensiv ausgelegten Bestimmungen des kaiserlichen Privilegs als rechtmäßige, vor allem aber der kurialen Politik willkommene Erbin Herzog Friedrichs erscheinen musste. Der von den unerfreulichen und wenig erfolgreichen Kämpfen gegen die Lombarden und die Anhänger des Papstes in Italien gebundene Kaiser hatte ein Jahr nach dem Heimfall der Herzogtümer verstreichen lassen, ohne den Versuch zu unternehmen, das österreichische Interregnum durch eine entschlossene Offensive zu beenden. Es wäre aber notwendig gewesen, selbst in kaiserlichem Pomp zu erscheinen: Eine zahlreiche Anhängerschaft hätte ihm bei der Übernahme der Herrschaft geholfen. Die Bürger von Wien, die steirischen Ministerialen, die Deutschordensritter hätten sich für Friedrich II. erklärt und bald auch weitere Kräfte in den Ländern an sich gezogen. Noch schien der Staufer jene Autorität zu sein, die den Frieden in den südöstlichen Reichsländern herstellen konnte. Doch der Kaiser verlor viel Zeit und entsandte dann nur einen Statthalter, Graf Otto von Eberstein, den Neffen jenes Mannes, der 1237 als Prokurator gewirkt hatte. Der Graf residierte nun in dem wieder Reichsstadt gewordenen Wien, sah sich aber im Übrigen in eine politische Landschaft versetzt, deren Verwicklungen man kaum einheitlich begegnen konnte. Um den Kaiser wieder in „Erinnerung“ zu bringen, dürfte Otto von Eberstein einen Umritt unternommen haben. Er urkundet in Krems, in Enns und in Admont. Aber das blieben punktuelle Aktionen, die wohl den Urkundenempfängern, aber kaum der kaiserlichen Sache Vorteile bringen mochten. Der Papst suchte nun fieberhaft nach einem einflussreichen Fürsten, der Gertrud heiraten und in den herrenlosen Reichsländern die kaiserlichen Aktionen durchkreuzen sollte. Diese selbst hatte den Papst um einen „passenden“ Ehegemahl ersucht. Nachdem eine Verbindung der jungen Babenbergerin mit
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Abb. 19: Abschrift des Privilegium Minus, um 1247
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dem Gegenkönig Wilhelm von Holland nicht zustande gekommen war, vermählte sich Gertrud selbst mit dem Markgrafen Hermann VI. von Baden. Die Ehe war vom prostaufischen Herzog Otto II. von Bayern vermittelt worden, dennoch musste man Hermann einer propäpstlichen Familie zurechnen, sodass es Innozenz IV. leicht fiel, den Markgrafen als Herzog von Österreich und Steiermark zu präsentieren. Der fand zwar nicht viel Anklang im Lande, doch konnte er sich behaupten und brachte den kaiserlichen Prokurator so weit, dass dieser sein Amt an den Kaiser zurückgab. Herzog Hermann und Herzogin Gertrud nahmen Wohnung in der Burg Kahlenberg, die aber nicht auf dem Wiener Hausberg (der heutige Leopoldsberg; der heute Kahlenberg genannte Hügel hieß bis ins 18. Jahrhundert Schweinsberg) stand, sondern im kleinen Ort Kahlenbergerdorf – heute ein Teil des 19. Wiener Gemeindebezirks Döbling. Die Befestigung hatte eine strategisch äußerst günstige Lage am Abfall des waldigen Hügellandes an der Donaustraße, in der Nähe der wichtigen Überfahrt nach Jedlesee. Kaiser Friedrich versuchte weiterhin aus der Ferne zu wirken. Durch die Ernennung zweier Statthalter meinte er das Herzogspaar als Landesherrschaft infrage zu stellen: Otto II. von Bayern wurde Österreich anvertraut, Graf Meinhard III. von Görz die Steiermark mit der angeschlossenen Krain. Dort hatte die kaiserliche Verfügung offensichtlich Erfolg, während der bayerische Herzog kaum in Erscheinung trat. Sein Interesse galt im Wesentlichen dem obderennsischen Landesteil, den er gern Bayern einverleibt hätte. Als dies nicht gelang, kümmerte er sich kaum noch um das Land. Im Oktober 1250 verstarb Hermann von Baden unerwartet, und die Anhänger des Kaisers sahen neue Möglichkeiten. Doch verschied Kaiser Friedrich II. zwei Monate später. In seinem Testament bestimmte er seinen überlebenden gleichnamigen Enkel, den jüngeren Sohn Margaretes, zum Herzog von Österreich und Steiermark. Eine Entscheidung, die 1246 rasch getroffen Aussicht gehabt hätte, die Nachfolge in den südöstlichen Herzogtümern im staufischen Sinn zu regeln. Nun war es zu spät, und der junge Mann verstarb wenige Monate später in Apulien, ohne jemals seine „Erbländer“ betreten zu haben. In dieser unklaren Situation ergriffen die österreichischen Ministerialen die Initiative. Schon länger hatten sie versucht, die Fürsten der Nachbarländer für eine Übernahme der Herrschaft und die Wiederherstellung der Ordnung zu gewinnen. Sie brauchten mehr als andere jemand, an dem sie sich orientieren
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konnten und an dessen Hof es Karrieremöglichkeiten gab. König Wenzel I. zeigte sich jetzt bereit, seinen zweitgeborenen Sohn Přemysl Otakar II., Markgraf von Mähren wie seinerzeit sein älterer Bruder, nach Österreich zu schicken, um das Land in Besitz zu nehmen. Der junge, kriegstüchtige Markgraf erschien im November 1251 im Lande ob der Enns und marschierte von dort die Donau abwärts bis nach Wien. Otakar fand Zustimmung in den Herzogtümern und festigte seine Position durch Schenkungen und Privilegierungen. Zuletzt legitimierte er seine Machtübernahme durch eine Ehe mit der gut 25 Jahre älteren Margarete. Damit war mehr oder weniger auch den Forderungen des Privilegium Minus Genüge getan. Der Papst stellte sich sofort auf die neue Lage ein und bestätigte die Herrschaft des Přemysliden, den er für kirchentreu und wenig kaiserlich gesinnt hielt. Im Gegenzug stellte er einige Bedingungen, deren Erfüllung Otakar leichten Sinns eidlich versprach. Gertrud, die lange Zeit als Siegerin im Kampf um die Nachfolge ihres Onkels ausgesehen hatte, war nun jäh durch die Tante verdrängt worden. Sie wandte sich an König Béla IV., der 1254 in Österreich einfiel, aber dem mittlerweile König gewordenen Otakar keine entscheidenden Vorteile abgewinnen konnte. Schließlich teilten die beiden das babenbergische Erbe: Österreich kam an den böhmischen König, Steiermark wurde dem Ungarn zugesprochen. Dabei wurde von der bisherigen Grenze zwischen beiden Machtbereichen abgegangen, und Österreich bis zum Semmering und zum Wechsel ausgedehnt. Gertrud, die durch eine überhastet geschlossene Ehe mit Roman von Halicz, einem Verwandten König Bélas, ihre Stellung zu stärken und Margarete zu schädigen dachte, musste sich mit einigen Besitzungen in der Obersteiermark ( Judenburg, Knittelfeld, Leoben) und in der Weststeiermark um Voitsberg zufriedengeben. Nach einem Jahr aber trennte sich Roman von ihr und kehrte nach Galizien zurück. Aber auch durch den Frieden von Ofen war die Nachfolge Friedrichs des Streitbaren noch nicht endgültig entschieden. Otakar II., der sich mit dieser Kompromisslösung nicht abfinden wollte, forderte Béla IV. heraus und besiegte ihn 1260 in einer Schlacht bei Groißenbrunn im Marchfeld, nicht weit von jener Gegend, die für ihn nicht einmal zwanzig Jahre später schicksalhaft werden sollte. Der ungarische König musste zu Gunsten Ottokars II. auf die Steiermark verzichten, deren Grenzen wieder an den Piestingfluss verlegt wurden, wo sie bis zum 16. Jahrhundert blieben. Zur Erinnerung an die
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siegreiche Schlacht gründete Otakar am Fluss March eine Stadt: Marchegg. Sie sollte den Flussübergang sichern und als Grenzstadt gegen Ungarn einen wichtigen Zweck erfüllen. Doch der Böhmenkönig überschätzte die Zahl der Siedlungswilligen: Marcheggs vorgesehene Gemarkung konnte nie gänzlich mit Menschen besiedelt werden. Nicht allzu lange nach seinem Sieg trennte sich Otakar im Jahre 1261 von Margarete, um durch die Hochzeit mit König Bélas Enkelin Kunigunde die Feindschaft mit den Ungarn zu beenden, aber auch um sich auch nach Osten hin Möglichkeiten offenzuhalten. Dass bei diesem Vorgehen politische Ziele im Vordergrund standen, erwähnte der Papst unverhüllt in seinem Dekret über die Eheauflösung. In den ehemals babenbergischen Ländern war der Přemyslide genügend etabliert, er musste daher keine Rücksicht auf Margarete nehmen. Diese zog sich nach Krems und auf die Burg Krumau am Kamp zurück, wo sie 1266 starb und an der Seite ihres Vaters Liupold VI. in Lilienfeld beigesetzt wurde. Die zweimal verwitwete und einmal verlassene Gertrud wollte jedoch die Hoffnung auf die Übernahme des Erbes ihrer Familie nicht aufgeben. Ihr im Umkreis des staufischen Hofes angesehener junger Sohn Friedrich wurde aber 1268 zusammen mit dem Staufer Konradin in Neapel ums Leben gebracht. Ihre Tochter Agnes hatte sich mit Herzog Ulrich III. von Kärnten verheiratet. Nach dessen Tod zog sich Gertrud zu ihren Verwandten nach Meißen zurück und starb dort 1288 (oder kurz nachher) im Kloster Seuslitz bei Dresden. Nach dem endgültigen Scheitern Přemysl Otakars II. 1278 übernahmen die schwäbischen Habsburger die beiden Reichslande. Sie konnten auf einer weit entwickelten Landesherrschaft aufbauen, nachdem sie Agnes die Ansprüche auf das babenbergische Erbe, die offensichtlich rechtlich immer noch zu vertreten waren, abgelöst hatten. Die letzte Babenbergerin, längst nur mehr eine Gräfin von Heunburg, verstarb 1295.
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XI. DIE BABENBERGER ALS PERSÖNLICHKEITEN – TYPUS UND INDIVIDUUM: Ein Versuch
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riedrich der Streitbare wurde im Kloster Heiligenkreuz begraben, wo man im Kapitelsaal sein Grabmal sehen kann. Auf der Grabplatte aus Sandstein ist er reliefartig als gewappneter Ritter dargestellt – eindeutig, ohne Körperrüstung, dennoch ziemlich wuchtig. Die Eleganz höfischer Attitüde und seelischer Bewegtheit, die die etwa gleichzeitigen Stifterfiguren im Dom zu Naumburg auszeichnet, mangelt dem so verewigten Toten. Dennoch: Friedrich ist der einzige Babenberger, dem eine plastische Würdigung zuteilwurde. Die anderen Markgrafen und Herzöge – sie liegen in Melk, (wahrscheinlich) in Gars, in Klosterneuburg, in Lilienfeld, in Wien und die meisten ebenfalls in Heiligenkreuz begraben (das Grab Liutpalds I. im Würzburger Dom ist verschollen, auch die verheerenden Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg haben diesbezüglich zu keinem Zufallsfund geführt; der Ort von Heinrichs I. Grabstätte ist unbekannt) – wurden in schlichte Särge gebettet, was man als Zeichen von Demut im Tode ebenso betrachten kann wie als Ergebnis einer stilistischen Einfachheit, wie sie der Zeit, wahrscheinlich aber auch der bescheidenen Kunstübung in einer Grenzlandschaft am Rande des Reiches entsprach. Herzog Friedrich II. wählte das Kapitelhaus des Zisterzienserklosters im Wienerwald zur repräsentativen Ruhestätte für sich und sein Geschlecht und ließ lang verstorbene Verwandte aus Klosterneuburg dorthin transferieren. Da die Beschriftungen der dort versammelten Grabstätten inschriftenpaläografisch ins letzte Viertel des 13. Jahrhunderts datiert werden und sein eigenes Grabmal im Prager Veitsdom stilistisch derselben Schule angehört, wurde angenommen, dass König Otakar II. dem letzten Babenberger, seinem postumen Schwager, den figürlichen Grabschmuck gestalten ließ; auch um seine legitime Nachfolge in Österreich und der Steiermark zu betonen. Neuere kunsthis-
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Abb. 20: Grabplatte Herzog Friedrichs II. in Heiligenkreuz
torische Untersuchungen verlegen die Fertigung der Reliefplatte aber in die Zeit unmittelbar nach dem Tod Friedrichs II. Das wirft die Frage nach dem Auftraggeber des Werks bei dem letztlich unverheirateten und kinderlosen Fürsten auf. Vielleicht ist der Auftrag des Herzogs Schwester Margarete zu danken; beweisen kann man es nicht. Markgraf Liutpald III., die Herzöge Heinrich II. Jasomirgott und Liupold VI. wählten ihre Gründungen als letzte Ruhestätte: Klosterneuburg – das zugleich auch Pfalzstift war, das Schottenkloster vor Wien und Lilienfeld. Diese Kommunitäten hätten den Leichnam ihrer Gründer nicht freigegeben und Friedrich II. für sein babenbergisches Mausoleum in Heiligenkreuz überlassen. Gerade Klosterneuburg musste sich manche Translation gefallen lassen, Liutpald III. und Agnes waren aber nicht zu haben! Die älteren Markgrafen und ihre Gemahlinnen sind überwiegend im Kloster Melk begraben worden und dort verblieben. Zu ihnen hatte Herzog Friedrich II. vielleicht keine Beziehung mehr, wahrscheinlicher aber ist, dass die Benediktiner, die den alten Burgberg besiedelt hatten, diese ursprüngliche Nähe zu den Babenbergern unter keinen Umständen missen wollten. Markgraf Liutpalds II. Grabstätte ist
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ungewiss: Er wurde wahrscheinlich in der Pankraz-Kapelle auf Burg Gars bestattet, auf der er sehr oft Aufenthalt genommen haben dürfte. Ob sein Leichnam nach einem Brand auf dieser Burg nach Melk transferiert worden ist und daher seine dortige Grabinschrift ihre Berechtigung hat, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Möglichweise sind ihm durch Brandspuren beeinträchtigte Skelettteile in Melk zuzuschreiben. Unberechtigt hingegen ist die Annahme, dass der erste Babenberger, der in Würzburg getötet und dort begraben worden war, Jahre später nach Melk übertragen wurde. Liutpald I. und Heinrich I. sind jedenfalls anthropologisch unter den dortigen Skeletten nicht nachzuweisen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Heinrich I. im Elsass oder in Schwaben seine Ruhestätte fand. Freilich bleibt auch das eine Vermutung, die nur auf einer extensiven Quelleninterpretation beruht. Die Bischöfe aus der Familie der Babenberger sind in ihren Diözesen oder an Orten, die mit ihrem geistlichen Wirken eng verbunden sind, bestattet worden. So ruht Poppo von Trier in seiner Bischofsstadt, Konrad von Passau/ Salzburg hingegen wurde im Kloster Admont zur letzten Ruhe gebettet, jenem Salzburger Eigenkloster, das notgedrungen sein Exil im Kampf gegen seinen kaiserlichen Neffen Friedrich Barbarossa gewesen war. Der bedeutendste von ihnen, Otto von Freising, starb in „seinem“ Zisterzienserkloster Morimond in Burgund, wo er auch zu Grabe getragen wurde. Im Rahmen der Französischen Revolution kam es in Morimond zu starken Zerstörungen, die auch vor den Grabstätten nicht haltmachten. So ist das Skelett des Bischofs wahrscheinlich verschollen. Die in der Mitte des vorigen Jahrhunderts nach Österreich gebrachten Knochen, die in Heiligenkreuz nochmals bestattet wurden, sind also nur sehr bedingt als Teile des Leichnams Ottos anzusehen. Die aus ihnen errechnete bedeutende Körpergröße spricht zumindest nicht dagegen. Heute wäre eine DNA-Untersuchung möglich, zumal man das Skelett seines Vaters Liutpald III. in Klosterneuburg als Vergleich heranziehen könnte. Vielleicht ist es aber besser, so etwas zu unterlassen – zu oft brachten derartige Untersuchungen an historischem Material herbe Enttäuschungen (man denke nur an Schillers Kopf aus dem Grab der Weimarer Fürstengruft oder an die Gebeine von Mozarts Vater am Sebastiansfriedhof in Salzburg). Hier ist die Illusion wohl wertvoller als die Realität, was der Logik des mittelalterlichen Menschen durchaus entsprechen dürfte.
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Man muss kein Materialist sein, wenn man sich mit den schriftlich niedergelegten Zeugnissen und den vereinzelt erhaltenen Denkmälern ihrer Taten nicht zufriedengibt, sondern die Babenberger als wirklich existierende Persönlichkeiten erfassen will. Geschichte wird von Menschen „gemacht“, ja sie ist die Summe menschlichen Handelns im weiteren Sinne. Und zur realen Gestalt der Verursacher drängt es den wissenschaftlich Bemühten ebenso wie den unverbildeten Freund historischer Überlieferung. Doch die Möglichkeiten, in dieser Hinsicht Erfolg zu haben, sind für das Hochmittelalter sehr begrenzt. In der Regel steht man einer Liste von Namen und den von diesen ausgelösten Geschehnissen gegenüber oder konzentriert sich auf das Geäst einer genealogischen Tafel und kann sich doch keinen der Babenberger in seiner zeitlichen Gestalt und doch überzeitlichen Menschlichkeit vorstellen. Wir, die wir mehr und mehr in einer aus Bildern konstruierten Gegenwart leben und uns nicht durch vergleichendes und wägendes Studium in den Geist und seine natürlichen Ausprägungen – und dazu gehört die menschliche Gestalt – einer bestimmten historischen Periode vertiefen, möchten uns ein Bild von der tatsächlichen Leiblichkeit jener Fürsten und dann auch von ihren wesentlichen Charakterzügen machen. Bildliche Darstellungen, aus denen man mit psychologisch-medizinischer Akribie Menschenmaterial einer vorpsychologischen Zeit interpretieren könnte, gibt es nicht. Und solche würden dem Geist des Menschen zwischen dem 10. und 13. Jahrhundert gar nicht entsprechen. Jeder der damals Lebenden ist ja kein Individuum im heutigen Sinne mit widersprüchlichen Eigenschaften, wie es erst die Aufklärung geschaffen hat. Der Mensch des hohen Mittelalters ist primär, fast ausschließlich, Repräsentant seiner sozialen Position und der damit zusammenhängenden Äußerlichkeiten und einem davon bestimmten Denken und Tun. Und diese grobe Regelmäßigkeit im Existenziellen wird von der bildlichen Darstellung noch vereinfacht, weil überbetont. Und so wird diese, ob bildlich oder schriftlich, typisch: Der Kaiser handelt kaiserlich, der Bischof bischöflich, der Adelige adelig, der Bauer bäurisch – oder eben nicht, und damit hat man die Person erfasst; positiv oder negativ, weiß oder schwarz! So würden die Babenberger ihren Zeitgenossen einfach als Fürsten dargeboten, deren Gesicht und Gestalt, deren Kleidung und Rüstung der Norm oder ihrem Gegenteil entsprechen müssen. Erkennbar werden sie erst durch die unverwechselbaren, aber eben typischen Attribute: Kronen, Hüte, Mäntel, Waffen, Schilde, Amtszeichen etc. Erst ein halbes Jahr-
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hundert nach dem Erlöschen der Babenberger beginnen sich Ansätze eines individuellen Realismus zu zeigen. Die steinerne Büste Rudolfs von Habsburg, wie sie im Speyerer Dom erhalten blieb, lässt den Menschen Rudolf schon einigermaßen als Einzelpersönlichkeit erkennen. Sieht man von den Babenbergerscheiben in Heiligenkreuz ab, die unter dem Habsburger Albrecht I., also am Ende des 13. Jahrhunderts, gefertigt wurden, muss man bis ins späte 15. Jahrhundert warten, um dieses Fürstengeschlecht in seinen Vertretern vor Augen gestellt zu bekommen. Bei dieser künstlerisch wertvollen genealogischen Darstellung handelt es sich um den Babenberger-Stammbaum, der heute noch in Stift Klosterneuburg aufbewahrt wird. Er ist in Form eines Triptychons gestaltet und von respektabler Größe (Mitteltafel 3,44 m x 4,05 m). Auf dieser sind die männlichen Mitglieder der Familie zu sehen, während die beiden Seitentafeln den Markgräfinnen und Herzoginnen gewidmet sind. Aus Anlass der 1485 erfolgten Heiligsprechung Liutpalds III. wurde vom Stift ein genealogisches Werk in Auftrag gegeben, das der gelehrte Schwabe Ladislaus Sunthaym aus Ravensburg unter dem Titel Tabulae Claustroneoburgenses zustande brachte. Um die zahlreichen Pilger und Wallfahrer intensiver zu belehren und über das Geschlecht des neuen, populären Heiligen aufklären zu können, wurde an ein Bildwerk gedacht, das die genealogischen Tafeln anschaulich vermitteln sollte. 1489 begann man auf Grundlage der Angaben Sunthayms mit der bildlichen Umsetzung des Stammbaums. Jedem der Fürsten war eine Bildtafel vorbehalten, in der er in einer mehr oder minder für sein Leben bedeutsamen Szene wiedergegeben wird. Überschrieben sind die Bilder mit den Namen der jeweiligen Fürsten, die zur Unterscheidung, aber auch zur bescheidenen Charakterisierung mit einem Beiwort versehen sind. Manche Epitheta sind schon zeitgenössisch, manche aus der spätmittelalterlichen Historiografie, manche hat der gelehrte Genealoge offensichtlich selbst erfunden. Alle jedoch sind in deutscher Sprache notiert. Frauen und Töchter der Babenberger erscheinen vereint auf den Seitentafeln als Büsten hochadeliger, modischer Damen der Zeit vor 1500. Der Klosterneuburger Stammbaum ist nur mittelbar ein Zeugnis für die Geschichte der Babenberger, sehr wohl jedoch ein Spiegel des Geschichtsverständnisses der Zeit seiner Entstehung. Der Maler hat keine Bilder mit dem historischen Ambiente einer fernen Vergangenheit schaffen wollen (und können), sondern die Babenberger in seine Gegenwart hereingeholt. Das gilt
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Abb. 21: Markgräfin Agnes und ihre Töchter
nicht nur für die Darstellung von Kleidung, Rüstung, Waffen, Gerätschaften, sondern auch für die Wiedergabe der topografischen Situation zwischen Realismus und reiner Fantasie. Die Klosterneuburger Bildtafeln sind keineswegs Ergebnisse einer historischen Distanz zu der babenbergischen Zeit von 976 bis
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1246. Sie sind gleichsam eine in die Vergangenheit projizierte Gegenwart, die das vergangene Geschehen den Zeitgenossen von 1500 erst verständlich, weil im alltäglichen Sinne nachvollziehbar machte. Die Welt der Babenberger und diese selbst sahen ganz anders aus. Was die angeführten Beinamen betrifft, so zeigt ihre lückenlose Reihung eine zwanghafte Systematik, wie sie gelehrter Geschichtsforschung des Zeitalters Kaiser Maximilians I. entspricht. Die einzigen aus Quellen babenbergischer Zeit stammenden Epitheta finden sich bei Liutpald III. (pius), Liupold VI. (gloriosus) und Friedrich II. (bellicosus), die als heilig, glorreich und streitbar ins Deutsche gebracht wurden. Hinzuzurechnen ist wohl noch das ungewöhnliche Beiwort Herzog Heinrichs II. Jochsamergot = Jasomirgott, das wahrscheinlich als Verballhornung eines arabischen Worts zu verstehen ist. Die anderen Attribute sind mühselige, oft sinnarme Bildungen, die sich auch nicht wirklich eingebürgert haben. Adalbert der Siegreiche mag als Grenzfall angesehen werden. Für die Betrachter der imposanten Bildtafeln in der Zeit ihrer Entstehung war diese zusätzliche Namengebung jedoch ein äußerst einprägsamer, hilfreicher Effekt, der ihnen die Unterschiede erst merkbar machte, die Erinnerung entscheidend verstärkte und schließlich den Dargestellten näherbrachte. Gewöhnliche Ordinalzahlen hätten da nicht genügt, ein bloßer Name – vor allem wenn er mehrfach vorkam – wäre wohl Schall und Rauch gewesen. Um sich die Babenberger in ihrer zeitgenössischen Wirklichkeit vor Augen zu stellen, haben wir nur wenig zureichende Angaben. In mehreren Fällen besitzen wir anthropologische Aussagen, die auf der Untersuchung und Vermessung der vorhandenen Skelette beruhen, aber auch vereinzelte Schlüsse auf den lebendigen Menschen zulassen. Hinzu kommen Beschreibungen typischer Eigenschaften und untypischer Charakterzüge, die auf ihre Wertigkeit vor dem Hintergrund literarischer Zwänge zu prüfen sind. Dazu sollte man den jeweiligen Zeitrahmen berücksichtigen. Mehr geht nicht. Wer diesen Erkenntnisstand überschreitet, spekuliert, muss aber nicht irren. Eine ausführliche Untersuchung haben – wenn man vom heiligen Leopold in Klosterneuburg, seinem Urenkel Liupold VI. und dessen Tochter Margarete in Lilienfeld absieht – nur die Babenbergergräber im Kloster Melk erfahren (1968), wo die frühen Markgrafen bestattet wurden. Was bei den dort
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vorhandenen Skeletten auffällt, ist die daraus festzustellende Körpergröße der Lebenden. Markgraf Adalbert und sein Sohn Ernst waren über 1,80 m groß, was auch auf Liutpald III. in Klosterneuburg annähernd zutrifft. Der in dieser Reihe fehlende Liutpald II., dessen körperliche Reste nicht zweifelsfrei zur Verfügung standen, wird wohl kaum kleiner gewesen sein: die wenigen Überreste, die dem Markgrafen vielleicht zugeschrieben werden könnten, deuten auf eine ähnliche beachtliche Körperhöhe wie von Großvater, Vater und Sohn. Doch hat man keine letzte Gewissheit über die Identität der Skelettteile, die jedenfalls auf einen vierzigjährigen Mann zurückzuführen sind. Nur 1,70 m hingegen maß Ernst, der jung verstorbene vierte Sohn Liutpalds III., der anscheinend als erster seines Geschlechts in Heiligenkreuz begraben wurde (1137/38). Selbst er jedoch dürfte die meisten Menschen nicht-adeliger Herkunft überragt haben. Für Liupold VI. wurden nach dem Lilienfelder Grabfund 1,73 m Körpergröße errechnet, was dem Durchschnitt des hochmittelalterlichen Adels entspricht. Höher gewachsen dürfte sein Vater Liupold V. gewesen sein, während Heinrich der Jüngere aus der Mödlinger Linie als übergroß anzusehen ist (wohl deutlich über 1,80 m). In Melk wurden auch die Maße vier dort begrabener angeheirateter Fürstinnen errechnet. Froiza (Dominica), zweite Frau Adalberts, Tochter des Dogen Otto Orseolo, maß 1,62 m; ihr eigneten einige derbere Züge, wie aus dem Skelett gezeigt werden kann; gleich groß war Swanhild, die erste Ehefrau Markgraf Ernsts; seine zweite Gemahlin Adelheid von Meißen, die schon mit ungefähr dreißig Jahren starb, war mit 1,71 m absolut hochgewachsen und von schlanker Gestalt; wenig kleiner Mathilde von Cham-Vohburg, die erste Ehefrau Liutpalds II., (1,67 m). Etwa gleich groß war Königin Margarete, die Tochter Herzog Liupolds VI., nach ihrem in Lilienfeld untersuchten Skelett. Für alle diese Fürstinnen gilt die Feststellung, dass sie als mittelgroß bis sehr groß anzusehen sind. Man muss bei solchen Aussagen von der durchschnittlichen Größe der Menschen im Hochmittelalter ausgehen, die wesentlich niedriger anzusetzen ist als heute. Ohne hier pauschale Angaben machen zu wollen, wird man die Frauen mit 1,55 bis 1,60 m, die Männer mit 1,65 bis 1,70 m veranschlagen dürfen. Die wissenschaftlich vermessenen Babenberger und ihre Gemahlinnen ragten also über dieses Mittelmaß hinaus, meist sogar recht deutlich. Es ist eine Tatsache, dass Adelige im Früh- und Hochmittelalter grundsätzlich größer waren als Menschen niederen sozialen
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Standes, was aus dem Mangel an schwerer körperlicher Arbeit seit der Kindheit, aus der minderen Krankheitsanfälligkeit, aber wesentlich aus der eiweißreicheren Nahrung eines größeren und gestreuteren Angebots resultierte. Die beachtliche Körperhöhe stand mit einem sehr kräftigen Knochenbau im Einklang, sodass man sich die untersuchten Fürsten als große, athletische und machtvolle Erscheinungen vorzustellen hat. Bei Liutpald III. deutet ein ungewöhnlich langes Schlüsselbein auf breite Schultern und einen breit gewölbten Brustkorb, die wohl entsprechende Muskeln stützten. Es waren dies Männer, die imstande sein mussten, Kriegerscharen zu führen und sie von ihrer Machtposition auch körperlich zu überzeugen. Obwohl jeder Hochadelige kampfgeübt und waffengewandt sein sollte, waren für jene Grenzgrafen Kondition und Durchschlagskraft auch in wörtlichem Sinne von besonderer Bedeutung. Fehlten diese körperlichen Voraussetzungen, so mangelte dem Betreffenden im Grund überhaupt die Idoneität (Eignung) für sein Amt. Markgraf Adalbert, der dritte in der Mark an der Donau tätige Babenberger, kam dem wesentlichen Inhalt seiner Stellung am weitesten nach: dem Kampf gegen die immer bedrohlichen, immer unruhigen Ungarn. Mehr als vierzig Jahre hatte er wohl darangesetzt und so verrät der Körper des etwa 65-Jährigen auch die meisten Spuren körperlicher Abnützung und vereinzelter Degeneration. An seinem Skelett stellte man eine fortgeschrittene Arthritis fest, die die meisten Gelenke erfasst hatte. Besonders betroffen von dieser schmerzhaften Erkrankung war sein linkes Hüftgelenk, dessen Deformierung vermuten lässt, dass sich Adalbert schließlich nicht mehr normal fortbewegen konnte. Da man aber noch in seinen letzten Lebensjahren von der Teilnahme an Reichs- und Grenzkriegen hört, ist anzunehmen, dass er sehr wohl noch zu reiten und vom Pferd aus zu kämpfen vermochte. Ein verheilter Schenkelhalsbruch zeugt von der guten körperlichen Konstitution. Starb der alte Markgraf – soviel wir wissen – friedlich, so hat sein Sohn Ernst den Schlachtentod gefunden, was von Geschichtsschreibern überliefert wird und durch sein Skelett eindrucksvoll zu beweisen ist. Darüber hinaus ermöglicht die Untersuchung, den Verlauf des Kampfes, soweit er den Markgrafen betraf, annähernd zu rekonstruieren. Schriftliche Quellen melden nur seinen Tod, mehr musste man den hörenden und weit seltener lesenden Zeitgenossen nicht mitteilen: Wie man in der Schlacht ums Leben kommen konnte, brauchte man den Vertretern des Kriegeradels, auch seinen geistlichen oder mönchischen Abkömmlingen, nicht erst zu erzählen.
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XI. die babenberger als persönlichkeiten Abb. 22: Schädel Markgraf Ernsts mit den tödlichen Wunden
Schädel und Skelett Ernsts weisen vier schwere Verletzungen auf: Man erkennt die linksseitige Kopfwunde, die dem Markgrafen oberhalb des Jochbeins zugefügt wurde, und eine Hiebverletzung auf dem Schädeldach. Der linke Oberarmknochen ist zerschmettert, der linke Oberschenkelhals durchtrennt. Mehr als berechtigt erscheint daher die Angabe des Chronisten, der sagt, Markgraf Ernst sei semivivus (halbtot) ins Lager getragen worden. Dass er allerdings erst am nächsten Tag starb, wie mitgeteilt wird, ist bei der Schwere der Wunden und dem Zustand des Körpers nicht glaubhaft. Die vier Verletzungen erlauben noch heute, sich eine Vorstellung von der Kampfsituation zu machen, die Ernst den Tod brachte. Zuerst erhielt er wohl
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den seitlichen Hieb auf den Schädel, der sicherlich von einem Fußkrieger mit langstieliger Streitaxt herrührte. Dadurch kam es zum Verlust des Helms, der den Schlag mit einem Schwert auf das Schädeldach – von oben, also von einem Reiter ausgeführt – erst ermöglichte. Im Sturz vom Pferd, was wir uns als ein rechtsseitiges Heruntersinken vorstellen können, erhielt er wohl den Hieb mit dem Streitkolben auf die linke Schulter, die durch die sinkende Körperhaltung nicht mehr mit dem Schild gedeckt werden konnte. Im selben Moment wird auch die Durchtrennung des linken Oberschenkelknochens durch einen Schwerthieb erfolgt sein. Da das Becken dabei unverletzt blieb, ist eine natürliche Streckung des linken Beins durch das Herabgleiten vom Pferd auf dessen rechter Seite anzunehmen. Diese furchtbaren, teils tödlichen Verletzungen, die zuletzt dem schon kampfunfähigen Markgrafen zugefügt wurden, zeigen die Position Ernsts im Getümmel des Nahkampfs, der sich nach dem Zusammenprall der Heere entwickelt hatte. Speerwunden fehlen daher wohl. Gepanzerte Reiter und Fußkrieger, die bei den Sachsen noch lange eine Rolle spielten, trafen in der notvollen Enge einer aufgelösten Ordnung aufeinander. Dennoch wurden dem Markgrafen alle vier Verletzungen von vorn beigebracht, die erste, wohl entscheidende, etwas seitlich. Nicht viel über das Aussehen, sehr wohl aber über die körperliche Befindlichkeit verraten die Zähne, die bei den meisten Kopfskeletten vorhanden sind. Sie zeigen noch heute einen guten Zustand, was auf abwechslungsreiche Kost, mehr noch auf das Fehlen von Zucker zurückzuführen sein mag. Eine wahre Perlenreihe von Zähnen hatte offensichtlich Agnes von Thüringen, die Gemahlin Heinrichs des Grausamen. Auch die gelblichen Zähne Markgraf Liutpalds III. deuten auf eine gute körperliche Konstitution. Doch sind die Backenzähne des über Sechzigjährigen ungewöhnlich stark abgenutzt, was auf eine Nahrung schließen lässt, die hart und vielfach zäh gewesen sein muss; also eher dem Essen der einfachen Leute, ja der bäuerlichen Unterschichten entsprach. Vor allem das grobkörnige Mehl, oft mit Sandpartikeln beim Mahlen vermischt, das ein derbes, hartes Brot ergab, mag hier in Jahrzehnten seine Wirkung getan haben. Die Überreste des heiliggesprochenen Markgrafen wurden 1936 anthropologisch untersucht. In Größe und Körperbau entspricht er seinen hochragenden Vorfahren. Ähnlich seinem ungefähr gleich lang lebenden Urgroßvater Adalbert weisen auch Liutpalds III. Gelenke eine weitverbreitete Arthritis
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auf, die oft allerdings nur Spurencharakter hat. Eine körperliche Behinderung in puncto Bewegung ist davon aber nicht abzuleiten. Die nur in einer Erfurter Chronik überlieferte Nachricht vom gewaltsamen Tod des Markgrafen während einer Jagd, die indirekt durch den Inhalt des päpstlichen Trostschreibens an Markgräfin Agnes gestützt wird, lässt sich am Skelett Liutpalds nicht nachweisen. Allerdings ist von seinem Kopf ein großer Teil des rechten Unterkiefers abgebrochen, was schon zu Lebzeiten geschehen sein könnte, obwohl auch später – und gar nach der Heiligsprechung – solche Körperreliquien verschenkt wurden. Ein geschleuderter oder mit großer Wucht gehandhabter Streitkolben – kaum ein Schwert –, der auch die Halsschlagader zerriss, könnte den Markgrafen gefällt haben. Ein Speerwurf hätte noch leichter eine schwere Wunde dieser Art herbeigeführt. All das wäre möglich, bleibt aber beim völligen Schweigen der Quellen doch nur Spekulation, zumal die genannten Waffen bei der Jagd kaum Verwendung fanden und ihre Mitnahme daher Verdacht erregt hätte. Vielleicht wurde Liutpald III. vom Schlag gerührt – ein plötzlicher Tod, der in der Weitergabe der Nachricht zur Tötung stilisiert und als solche verstanden wurde. Doch sehr glaubhaft ist das nicht. Als Kaiser Ludwig der Bayer 1347 auf der Bärenjagd einen plötzlichen Schlaganfall erlitt und starb, sprach kein Chronist von einer Tötung. Für ein natürliches Ableben sprächen der unversehrte Oberkiefer und ebenso das Gebiss der rechten Kopfhälfte, die bei einer Hieb- oder Wurfverletzung in Mitleidenschaft gezogen worden wären. Wir müssen also letztlich vor der Kargheit und Widersprüchlichkeit der Quellen kapitulieren. Der Versuch der Bildhauerin Rose Koller, aus dem Schädelfragment ein ansprechendes Gesicht zu gestalten, darf als respektabler Versuch gewertet werden, dessen Ergebnis zumindest eine Möglichkeit darstellt, der das zeitgenössische Menschenbild nicht entgegensteht. Einen derartigen Versuch unternahm auch die Anthropologin Barbara Schweder, die vom Skelettschädel des erst bei den Grabungen 1990/92 in der Totenkapelle des Stifts Heiligenkreuz gefundenen Leichnams ausgehend eine so genannte Lebendrekonstruktion anfertigte. Dabei ergaben sich Ähnlichkeiten mit dem Kopf Liutpalds III., die auch aus den sonstigen Messungen hervorgehen. Daher ist mit größter Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass es sich bei dem Primärbestatteten um den Markgrafensohn Ernst handelt, dessen Lebensdaten – soweit sie aus schriftlichen Quellen erschließbar sind – dem Skelettalter gut entsprechen. An dessen Kopf wird überdies eine Gesichts
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asymmetrie deutlich, die durch das Eindrücken des rechtsseitigen Gesichtsschädels bei Lebzeiten entstanden sein muss. Jenes ist auf eine Verletzung zurückzuführen, die dem Markgrafensohn durch einen Schlag mit stumpfer Waffe zugefügt wurde. Sein Tod wurde dadurch nicht verursacht, doch muss Ernst danach starke, schmerzhafte Kaubeschwerden gehabt haben und war bei seiner Ernährung auf flüssige, höchstens breiige Speisen angewiesen. Auffällig und für das 12. Jahrhundert ungewöhnlich sind die überaus kariösen und anderweitig geschädigten Zähne des Bestatteten. Alle diese Erscheinungen weisen auf eine in der Folge entstandene Sekundärkrankheit mit zahlreichen entzündlichen Herden hin, die wohl zu einem frühen Tod führte. Aufgrund dieser Erkenntnisse ist es zu verstehen, warum der vierte Sohn des bedeutenden Markgrafen bald nach dessen Tod von der politischen Bühne verschwindet und im Gegensatz zu seinen vielfach aktiven Brüdern in annalistischen und chronikalischen Aufzeichnungen keinen Platz findet. Es ist anzunehmen, dass der solcherart körperlich schwer beeinträchtigte Markgrafensohn seit der Verletzung seines Gesichts für eine Kommunikation im
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weitesten Sinne nicht mehr tauglich war. Wenn wir diese aus verschiedenen Quellen stammenden Ergebnisse verbinden, gelangen wir an den Rand des Bereichs individueller, ja persönlicher Befindlichkeit eines Babenbergers: Doch darf man nicht übersehen, dass man letztlich von Wahrscheinlichkeiten ausgeht, die allzu leicht zu willkürlichen und spekulativen Interpretationen führen und damit wieder eine Konstruktion der Wirklichkeit bedingen. Weniger aussagekräftig im Detail sind die Ergebnisse der Untersuchung Liupolds VI. und seiner Tochter Margarete im Kloster Lilienfeld. Die für beide errechnete Körperhöhe wurde schon genannt. Dem Herzog wird ein robuster Körperbau attestiert, das Skelett weist unbedeutende Ansätze einer Arthritis auf, wie sie im sechsten Lebensjahrzehnt nicht selten vorkommen. Als Besonderheit kann eine ausgeprägte Kinnlade gelten. Margaretes Skelett bietet den nicht gerade häufigen Gegensatz zwischen einem grazilen Kopf und einem für Frauen sehr muskulösen Körper. Anders als bei ihrem Vater waren bei ihr arthritische Veränderungen vor allem in den Kniegelenken schon fortgeschritten. Ein besonderer Fund im Grab Margaretes ist ein unversehrt gebliebener rötlich-blonder Haarzopf. Der alten Babenbergerin kann er jedoch nicht gehören, da er zweifelsfrei einem jungen Individuum abgeschnitten wurde. Möglicherweise handelt es sich um ihr Haar aus Mädchentagen. Diesen wertvollen, aber doch sehr fragmentarischen Erkenntnissen kann man nur Charakteristika hinzufügen, die schriftlich überliefert sind, aber kaum Rückschlüsse auf Aussehen, Alter und körperliches Befinden der Babenberger und ihrer Frauen erlauben. Mehr als die Summe einzelner Eindrücke kann man in der Regel freilich nicht erreichen, und die lebendige Persönlichkeit ist da und dort, meist recht und schlecht aus ihrem Agieren in der zeitgenössischen Umwelt zu erschließen; da bleibt manches spekulativ, und ein verlässliches Menschenbild kann man auch bei einer (mittelalterlichen) Fülle von Quellen nicht zeichnen. Es gibt Näherungskonstruktionen, bessere und schlechtere, doch oft sind nicht einmal die möglich. Von Liutpald I. hören wir nur, dass er hoch angesehen, berühmt und äußerst klug war. Bezeichnungen, die ihn charakterisieren sollen und wirklich aus dem Leben gegriffen scheinen. Sie werden nicht als Gemeinplätze für diesen und jenen verwendet. Die Klugheit bezieht sich auf eine reife Lebenserfahrung, die man im adeligen Alltag zur Geltung bringt: dort, wo es um Nähe zum König
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geht, aber ebenso um Verankerung im Bereich der Verwandtschaft und der regionalen Kräfte. Gesellschaftlicher Umgang und politisches Tun sind voller formaler, zu berücksichtigender Voraussetzungen, die es zu meistern gilt, indem man sich der genealogisch fundierten Tradition souverän, aber auch flexibel bedient. Liutpald I. hat eine schwierige Aufgabe an der Donau übernommen und seine Stellung über die vielen politischen Wechsel hinweg behalten. Das war klug im Sinne des 10. Jahrhunderts, und nicht jedem gelang es! Sein Sohn und Nachfolger Heinrich I. ist uns nicht viel mehr als ein Name, der punktuell in verschiedenen Zusammenhängen genannt wird und dessen Tapferkeit und Verlässlichkeit gegen Polen und Ungarn deutlich wird. Doch erscheint er gleichsam als Verkörperung redlichen Markgrafentums, ohne irgendwelche persönliche Züge. Heinrichs Bruder Adalbert tritt uns in den Quellen zwar häufiger, aber ähnlich farblos entgegen. Ungebrochener Kampfgeist, unwandelbare Treue zum Kaiser und mäßiges (erfolgreiches) Erwerbstreben zeichnen ihn aus, ohne dass das besonders hervorgehoben würde. Es gibt nicht viel zu sagen über ihn, sofern er nicht gegen Osten reitet und Angriffe aus dem Osten abwehrt: Dann jedoch steht er mit der klassischen Typologie, die es für Leute seines Schlages gab, in Einklang. Adalbert war der Durchschnittsadelige der Zeit, den wohl jeder verstand, und die anthropologischen Aufschlüsse, die sein Skelett bietet, zeigen das auch: ein starker Kämpfer, gezeichnet vom ungesunden Leben in Kühle und Feuchtigkeit. Man darf sich Adalbert aber noch nicht auf einer Burg im klassischen Sinn vorstellen, die gab es erst im Verlauf des 12. Jahrhunderts und mit ihr die Feuchtigkeit meist roh gefügter steinerner Mauern und die Zugluft bei im Winter nur unzureichend verschließbaren Fenstern. Das Wohnen in einer Pfalz mochte um Weniges angenehmer sein. Seinen Nachkommen muss er als Modell des Markgrafen erschienen sein, nicht im durchschnittlich nichtssagendem Sinn unserer Überlegungen über Individualität, sondern als unerreichbares Vorbild, als ein Mann, dessen kämpferische Bereitschaft und Unverdrossenheit den Bestand der Mark und das Land babenbergischer Aktion gesichert, ja dem Umfang nach erst geschaffen hat. Nicht nur körperlich ungemein ähnlich war ihm sein Sohn Ernst. Man erführe nicht viel über ihn, wenn nicht sein Schlachtentod gewesen wäre. Dass er „hochberühmt im ganzen Imperium war“, ließe sich aus den übrigen Nach-
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richten nicht herauslesen. Auch er erfüllte seine vornehmste Aufgabe uneingeschränkt: Auf viele Siege gegen die Ungarn konnte er verweisen. Das wird im Resümee seines Lebens mitgeteilt – tüchtig, vorbildlich, aber nichts, was die Persönlichkeit hervortreten lässt. Außer man billigt ihm zu, diese übliche Aufgabe des Grenzgrafen im Osten mit besonderer Intensität betrieben und gelöst zu haben. Tapfer waren wohl auch andere, tapfer und königstreu schon weniger, tapfer und königstreu und gegen die halbheidnischen Ungarn mehr als erprobt nur einer: Das erst machte ihn zum vornehmsten und berühmtesten Gefallenen in Homburg an der Unstrut. Da dort keine anderen Hochadeligen umgekommen waren, bewunderte man seine unvergleichliche Kühnheit und Furchtlosigkeit, die dann besonders registriert wurde. Der Tod in der Schlacht wurde grundsätzlich als hohe Tugend angesehen. Ernst erfüllte das, was selbstverständlich war: die Sicherung der Mark, die Lehenstreue gegenüber dem König. Aber er erfüllte das mit einer wuchtigen, anscheinend kompromisslosen Intensität, die ihn rückblickend mit Glanz umgab! Sein Sohn Liutpald II., wandte sich als unschlüssiger, dann vorsichtiger Anhänger der Kirchenreform vom Kaiser ab. Seine Herrschaft in der Mark bedeutete eine Zäsur: Vom treuen Amtsträger des Königs wandelte er sich zum selbstbewussten Gebietsherrn, vom pflichterfüllten Grenzgrafen zum überzeugten Reichsfürsten, wenn dieser Schritt auch zunächst nur zögerlich erfolgte und noch ohne wesentliche Konsequenzen blieb. Es ist klar, dass ihn die päpstlich orientierten Geschichtsschreiber loben. Ein ergebener Anhänger des heiligen Petrus sei er gewesen, was zwar die erkennbaren Grundlinien seiner Politik mit wenigen Worten zu erfassen scheint, aber der wohl komplexeren Persönlichkeit des Markgrafen nicht gerecht wird. Auch wenn man aus Quellenmangel dazu keine wesentlich anderen Gesichtspunkte beibringen kann, so weist doch die Mitteilung, dass er sehr reich gewesen sei, in eine Richtung, die seine fromme Ergebenheit relativiert. Die Herkunft des Reichtums, von der nichts gesagt wird, bleibt fürs Erste offen, da die Mark an der Donau ein über weite Strecken noch unerschlossenes und somit abgabenarmes Gebiet war, in dem der babenbergische Eigenbesitz eher bescheiden zu nennen ist und durch die geringen Privilegien (Gastung, Anspruch auf bewaffnete Krieger, vor allem aber Futter für die Pferde) nicht ausgeglichen werden konnte. Der Reichtum stammt vielmehr aus weltanschaulich motivierten, ziemlich gewaltsam durchgeführten Konfiskationen von Eigentum der Parteigänger des Kaisers in
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der Mark, die ihrerseits vertrieben, ihr landwirtschaftliches Personal und ihre Dienstmannen hauptsächlich an die Babenberger verloren. Liutpald II. fügte sich damit in die politische Landschaft seiner Zeit ein und versuchte die Streitigkeiten zwischen Papst und Kaiser in pragmatischer Weise für sich zu nutzen und seine Macht zu steigern. Man darf nicht in den Fehler verfallen, ihn als Realpolitiker zu verstehen. Seine Religiosität war vorhanden, er trennte sie aber nicht von säkularen Forderungen und Ansprüchen. So wird man ihn als den Typus des Fürsten ansehen, wie er am Ende des 11. Jahrhunderts in vielen Teilen des Reiches in Erscheinung trat. Vom neuen Geist gesellschaftlicher Veränderung ergriffen oder wahrscheinlich nur gestreift, war sein nüchternes, auf regionale Durchsetzung gerichtetes Streben, sich im Gefüge und in der Hierarchie des Reiches eine Position zu schaffen, die erst neu definiert werden musste, aber dem König einiges entgegenzusetzen hatte. Vereinfacht könnte man sagen: Ernsts Welt war überholt, Liutpald II. vertrat rücksichtslos eine neue; aber nicht weil er eine so unverwechselbare Persönlichkeit war, sondern weil er so typisch-zeitgemäß handelte. Gerade deshalb fehlen Zeugnisse eines individuellen Wirkens und so bleibt er blass, ja schemenhaft neben der Gestalt des aggressiven Bischofs Altmann von Passau und selbst neben seiner ungewöhnlichen, auf dem Kreuzzug verschwindenden Frau Itha. Deren Schicksal regte die Fantasie an, Liutpald II. wurde vergessen. Er war ein Mann der Wende, aber dadurch nur ein Bindeglied zwischen seinem heldenhaften Vater und seinem bedeutenden Sohn. Dieser wurde von den Historiografen mit zahlreichen ehrenden Adjektiven bezeichnet, die aber – wie wir wissen – keine Besonderheit oder individuelle Eigenheit andeuten, sondern aus dem Born der Begriffe stammen, die für den mittelalterlichen Fürsten zur Verfügung stehen: pius, illuster, nobilis. Dem Mann, der der Kirche im Großen und Ganzen wohlwollend zugetan war, wurden diese Epitheta verliehen, um auf ein bestimmtes Verhalten bei einem bestimmten Ereignis zu verweisen, aber auch letztlich als Wertung für die Gesamtheit seines Wirkens. Man kann vermuten, dass der stattlich gebaute, hochgewachsene Fürst vor dem Hintergrund seiner erwarteten militärischen, aber auch politischen Fähigkeiten eine dem adeligen Lebensstil entsprechende und der Kirche entgegenkommende Art an den Tag legte. So erschien er als tadelloser Mann, ohne aber ungewöhnlich zu sein. Er muss darüber hinaus etwas verkörpert oder ausgestrahlt haben, das ihn für Klerus und Volk bedeutend
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machte. In den vorhandenen Quellen ist darüber kaum etwas zu finden, und es kann sich nur um eine Präsenz im positiven Sinn handeln, die den Bewohnern der Mark dort eine sorgende Nähe des Markgrafen vermittelte, wo es sich für ihn um die meist mit regionalen Kräften akkordierte Durchsetzung seines altruistisch wirkenden, aber immer zielbewussten Willens handelte. Er versinnbildlichte das Herrschertum gleichsam durch sein Wirken, das auf unterschiedlichen Wegen einer herrschaftlichen Durchdringung der Mark in einem bisher nicht gekannten, aber auch noch nicht möglichen Umfang gewidmet war. Er zeigte sich als Machtträger, der dem Land eine neue Substanz und dessen Bewohnern ein wachsendes Selbstverständnis verlieh, das von der regionalen Zusammengehörigkeit ausging, wie sie in die Person des Markgrafen projiziert schien. Dass Liutpald III. sich so auf sein Land konzentrierte, musste ihn unter ganz anderen weltanschaulichen Prämissen der österreichischen patriotischen Forschung und populären Darstellung anziehend machen. In den übrigen Teilen des Reiches war der Markgraf dadurch freilich weit weniger zu finden. Der maßgebliche Raum um Rhein, Main und Harz sah Liutpald III. selten, auch die Ehe mit der Kaisertochter und -schwester Agnes brachte hier keine Änderung. Die Beziehungen zu den staufischen Verwandten seiner Kinder, die für diese bei der Weiterentwicklung der babenbergischen Macht so wichtig werden sollten, blieben ohne Niederschlag im historischen Schrifttum. Bleibt das Epitheton christianissimus, das ihm sein Sohn Otto von Freising zulegte, quasi als Summe des väterlichen Lebens: eine seltene Bezeichnung, die nicht wirklich präzis verstanden und mit heutigem Inhalt erfüllt werden kann. Die Gründung dreier Klöster, die gütliche Auseinandersetzung mit einem weiteren (Melk), das diesem große Vorteile bringen sollte, sind nach dem Geist jener Zeit ein unumstößliches Zeugnis für Frömmigkeit und religiöse Ergriffenheit. Doch wenn man sich diese Stiftungen näher ansieht, so verlieren sie für unser Empfinden viel von ihrer rein religiösen Motivation. Klosterneuburg, das in bescheidenerer Form schon bestanden hatte, ist als wesentlicher Teil der markgräflichen Pfalz anzusehen, gehörte somit zu den Elementen fürstlicher Repräsentation und sollte wohl der Salierin Agnes ein gewohntes und angemessenes Dasein ermöglichen. Die Zisterzienser am Sattelbach im Wienerwald anzusiedeln, war wohl ein Gedanke des zisterziensischen Otto, musste dem Vater aber auch als Ausgangspunkt einer zügigen Rodung willkommen sein. Die räumliche Ausstattung für (Klein-)Mariazell hingegen, nicht weit
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von Heiligenkreuz, musste anderen zur Gründung Entschlossenen erst weggenommen werden. Es waren handfeste Motive, die letztlich seiner Herrschaft im Allgemeinen sowie der damit untrennbar verbundenen Erschließung des Landes dienen sollten; auch in kultureller Hinsicht. Dennoch hatte kein Babenberger vor Liutpald III. monastische Förderung betrieben – eine Förderung, die ihn auch als Freund der Kirchenreform erscheinen ließ. Insoweit war der Markgraf für seine Gegenwart zu Recht christianissimus. Ein Schatten fällt auf diesen bedeutenden Mann, wenn man seinen ziemlich hinterlistigen Abfall vom Kaiser ins Auge fasst. Wir haben dieses Geschehen schon zu erklären versucht. Festzustellen bleibt, dass er in dieser Angelegenheit von einem pragmatischen Vorteilsdenken geleitet war, wie es den meisten Fürsten der Zeit eignete. Dabei bleibt er durchschnittlich, austauschbar, ein typischer Sohn dieser Wendezeit, ein Beispiel skrupellosen Verhaltens im Großen, wo sein Vater im Kleinen vorgearbeitet hatte. Spekulativ ist die gelegentlich vertretene Ansicht, dass Liutpald III. auch hinsichtlich lateinischer Bildung der Babenberger einen Beginn bedeute. Um 1100 scheint sich allmählich die Meinung herausgebildet zu haben, dass ein König, der nicht lesen und schreiben konnte und damit auch der lateinischen Sprache nicht annähernd mächtig wäre, ein beträchtliches Manko aufzuweisen hätte. Rex illiteratus est quasi asinus coronatus (ein illiterater König ist gleichsam ein gekrönter Esel) war ein respektloser, aber zeitweise gängiger Spruch, wie er in den Kreisen der Frühscholastik aufkam. Dennoch blieb ein in diesem Sinn gebildeter König weiterhin eine Ausnahme, da er vor allem Haupt der Kriegeraristokratie zu sein und für den Bereich der notwendigen Schriftlichkeit seine Spezialisten als Notare und Vorleser hatte. In jeder neuen Königsdynastie wurde darauf geachtet, den zukünftigen König als Kind in Lesen und Schreiben unterrichten zu lassen. Doch einem Herrscher, der als Erster seines Geschlechts den Thron bestieg, mangelten meist diese Fähigkeiten. Beim Hochadel war es um die Fähigkeit des Lesens und Schreibens schlecht bestellt. Was die Fürsten und ihre Ritter lernen mussten, waren für ihre soziale und gesellschaftliche Stellung unbedingt notwendige Fertigkeiten (probitates). Dazu gehörte der komplexe Bereich des Kämpfens, der Fachwissen und eine beachtliche körperliche Tüchtigkeit erforderte, sowie die Kenntnis von den Dingen des adeligen Alltags (Heilkunde, Tierzucht, Gewohnheitsrecht); dann auch eine zunehmende Forcierung des Verstehens kommunikativer Regeln (Dich-
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ten, Musizieren, Französisch, Kleidungs- und Umgangsvorschriften). Beschäftigung mit dem geschriebenen Wort wurde dem Klerikertum zugerechnet. Nun mochte man sich den berühmten Markgrafen nicht illiterat vorstellen. Ob er und seine Nachkommen tatsächlich literat waren, können wir nicht sagen. Die einzige indirekte Nachricht darüber erhalten wir durch die Mitteilung vom Tod des ältesten Sohnes Herzog Liupolds VI., der offensichtlich in Klosterneuburg Schulunterricht erhielt. Er war als Nachfolger seines Vaters vorgesehen und sollte wohl eine lateinische Bildung erhalten. Von seinen Brüdern Heinrich und Friedrich dem Streitbaren hingegen wird uns darüber nichts berichtet. Für Liutpald III., der als Sohn eines Markgrafen am Rande des Reiches in den Achtzigerjahren des 11. Jahrhunderts erzogen wurde, ist eine lateinische Bildung deshalb eher nicht zu vermuten. Seine Nachkommen aber haben sich dem neuen säkularen und maßgeblichen höfischen Wesen verpflichtet gefühlt, was eine Kenntnis der Buchstaben und ihrer Sinngebung freilich jetzt weniger ausschloss als früher. Liutpald IV., angeblich der Lieblingssohn seiner Eltern, bleibt für uns weitgehend gestaltlos. Sein Leichnam wurde als erster babenbergischer Fürst in der nicht lange zuvor gegründeten Zisterze im Wienerwald beigesetzt, bisher jedoch nicht untersucht. Eine Charakteristik des früh verstorbenen Mannes ist auch in Ansätzen nicht zu geben. Auf dem Gebiet förderlicher Frömmigkeit seinem Vater nicht im Entferntesten zu vergleichen, scheint er als Reichsfürst ein typischer Adeliger, für jeden Zeitgenossen (seines Standes) verständlich gewesen zu sein. Zäh seine Ansprüche verteidigend, kriegerisch im notwendigen Maß, aber nicht sehr effizient, musste er sich als babenbergischer Herzog in Bayern bewähren, was nicht restlos gelang. Von der Kaiserchronik, deren Verfasser im bayerischen Streit eher nicht auf seiner Seite stand, wird er als held guot bezeichnet, was aber kaum individuell gemeint ist und nur das übliche und erwartete Verhalten eines tapferen Heerführers meint. Doch beweist sein Vertrag mit dem Bischof von Passau 1137, dass er sich um die Etablierung der Babenberger in Wien Gedanken machte, was man aber nicht aus heutiger Sicht beurteilen darf und in ihm einen weitblickenden Dynasten vermuten ließe. Die Festsetzung in Wien und in dessen Umland war eine Ausweitung der babenbergischen Macht wie andere auch. Freilich bestanden hier strategische Überlegungen, die die günstige Lage Wiens reflektierten.
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Fragt man nach einer besonderen Charakteristik Heinrichs II., Liutpalds älterem Bruder und Nachfolger in Bayern und Österreich, so wird man enttäuscht. Aus seinem Verhalten in den frühen Jahren kann man die gewöhnlichen Eigenschaften erschließen: die übliche Mischung aus Beharrlichkeit, starkem Rechtsbewusstsein, Kriegertum, aber schon gepaart mit Unbesonnenheit, Übereilung. Politisch unerschütterlich ein Parteigänger des Kaisers, und das in einer Umgebung von Papstanhängern; gewiss eine nicht leicht zu erbringende Leistung. Heinrich II. ist der erste Babenberger, der in die große Reichspolitik, und das ist damals Weltpolitik, integriert wurde. Dadurch bereicherte er Österreich und führte es bewusst in die internationale Welt der Kreuzzüge. So ist als seine Lebensleistung die Einbindung der Mark an der Donau nach ihrer Umwandlung in ein Herzogtum in die auf Byzanz und den Vorderen Orient gerichtete Politik anzusehen, die eine Vielzahl an kulturellen und zivilisatorischen Neuerungen mit sich brachte. Es sind große Momente und zweifellos große Erfolge, die Heinrichs Bild bestimmen. Dagegen sind Fehler, Irrtümer und Schwächen im Einzelnen nicht zu leugnen. Beides zusammen erlaubt rückblickend eine gewisse Annäherung an die historische Gestalt des ersten österreichischen Herzogs. Mit Heinrich II. waren die Babenberger nicht nur in der Reichspolitik ein bestimmender Faktor geworden, sie hatten die höfischen Formen des Rittertums übernommen. Ab jetzt sind Kreuzzug und Minnelyrik die entscheidenden Elemente fürstlichen Daseins. Hier, am Wiener Hof, vielleicht schon unter Herzog Heinrich, vereinigten sich donauländische Liedtradition und neue Troubadourdichtung und strahlten auf die Gesellschaft aus. Ein neues, säkular bestimmtes Menschentum tritt jetzt in den Vordergrund. Liupold V. ist der erste ausgeprägte Vertreter dieses adeligen Selbstverständnisses. Sein Leichnam in Heiligenkreuz weist den hohen Wuchs seiner Vorfahren auf und der Knochenbau lässt auf einen kräftigen Körper mit starken Muskeln schließen. Die vom Herzog selbst vollzogene Amputation seines gebrochenen, brandig werdenden Fußes ist am vorhandenen Skelett nicht auszumachen. An Eigenschaften werden in den lateinischen Geschichtswerken Frömmigkeit und Tugendhaftigkeit hervorgehoben. Ersteres ist sicher nicht allgemein als Leitlinie seines Lebens anzusehen. Die Sorge um das Kloster Heiligenkreuz, das sein Großvater gegründet, sein Vater aber stark vernachlässigt hatte, wird ihm hier mit einer speziell positiven Charakterisierung gedankt. Tugend-
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haft hingegen bedeutet mannhaft, tapfer, dem ritterlichen Komment in allen Lagen entsprechend – und das wird man Liupold V. durchaus zubilligen dürfen. Sein Sturz mit Todesfolge geschah beim ritterlichen Spiel zu Pferd. Die Trauer über seinen Tod artikuliert erstmals ein höfischer Dichter. Der große Reinmar stilisiert sie als Witwenklage und zeigt damit eine Sicht von Liupolds Wesen, die sein vorbildlich höfisches Dasein preist; mehr noch: seine Übereinstimmung mit der höfischen Gesellschaft und deren Welt. Groß und stark, ist er kein Haudegen mehr wie seine Vorfahren im 11. Jahrhundert, sondern ein höfischer Ritter modischen Zuschnitts. Das realistische Vorteilsstreben, das bei der Gefangennahme von Richard Löwenherz unverhüllt sichtbar wird, steht dem Empfinden seiner Zeit nicht entgegen. Friedrich I. ist der am wenigsten Bekannte unter den jüngeren Babenbergern. Sein kurzes Leben lässt nicht mehr zu als die Reflexion, ob mit diesem Fürsten nicht einer der fähigsten Herzöge vorzeitig von der politischen Bühne abtrat. Aus den wenigen Nachrichten, die wir über ihn besitzen, können wir einen ritterlichen, höfischen Mäzen ableiten, dem es an politischer Weitsicht und planvollem Überblick nicht mangelte. Schon früh von seinem Vater in die Reichspolitik miteinbezogen und den Kaisern empfohlen, erscheint er in den Quellen fast ausschließlich mit der Klärung der schwierig zu bewältigenden politischen Verlassenschaft ebendieses Vaters beschäftigt. Dabei hat man den Eindruck, dass er in Vielem nur der Not gehorcht, weil er das Tun Liupolds V. innerlich billigte. Aus diesen Schlagschatten kann man kein wirkliches Bild Friedrichs erstellen. Auch bezüglich seines Aussehens hat man bis jetzt keine Schlüsse gezogen: Seine einzelnen Skelettteile, die losgelöst vom Fleisch aus dem Heiligen Land zurückgebracht wurden, sind anthropologisch unerforscht geblieben. Sein jüngerer Bruder Liupold VI., dem die Herrschaft in der Steiermark zugedacht war, teilt das Schicksal Friedrichs in dieser Hinsicht nicht. Seine Überreste wurden wissenschaftlich untersucht, geben jedoch nur bescheidene Aufschlüsse über sein Aussehen, wie wir kurz ausgeführt haben. In den schriftlichen Quellen ist er ziemlich präsent: Historiografische Zeugnisse über ihn sind reichlich vorhanden, dazu kommen die von ihm ausgestellten Urkunden, die in großer Zahl erhalten geblieben sind. Diese Berichte und Nennungen sind fast ausschließlich wohlwollend, ja sie heben den Herzog bei allen Gelegenheiten hervor und steigern sich manchmal zu einer wahren Lobpreisung.
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Noch in der frühen Habsburgerzeit, ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod, wird die Periode des gloriosen Herzogs in nostalgischem Rückblick als ein Goldenes Zeitalter betrachtet. An Liupold VI. wird der Historiker die Ausgewogenheit von Religiosität und politischer Durchschlagskraft feststellen, die wohl schon zu Lebzeiten zu einer Harmonisierung seines Charakters in den Augen der Zeitgenossen beigetragen haben mag. Christianissimus wird er als Erster nach seinem gleichnamigen Urgroßvater wieder genannt, dem er tatsächlich in vielem geglichen haben dürfte, soweit man das aus den Quellen erkennen kann. Vor allem die Balance zwischen Treue zum Kaiser und Reverenz dem Papst gegenüber zeigt ein beachtliches politisches Vermögen. Dies brachte ihm zweifellos Vorteile, zwang ihn jedoch im Gegensatz zu Liutpald III. zu einer aktiven Teilnahme an der Kirchen- und Reichspolitik in einer schwierigen Zeit. Wenn ein Chronist schreibt, der Herzog habe bei seinen Anstrengungen, die Häupter der Christenheit zu versöhnen, „geschwitzt“, so ist das eine sehr primitive, aber eindrucksvolle und weithin verständliche Bildhaftigkeit, mit der uns die eifrige, nicht immer leichte Vermittlungstätigkeit (im sommerlich heißen Italien!) vor Augen gestellt wird. Zugleich handelt es sich um eine gewissermaßen individuelle Aussage, die nicht aus dem Fundus überkommener, typologisch austauschbarer Adjektiva genommen ist. Galt Liutpalds Interesse auch wesentlich der Erweiterung babenbergischer Machtstellung in Österreich und der Steiermark, so konnte er sich nicht so zurückziehen und eine nach außen abgegrenzte und von außen kaum beeinflusste Landesherrschaft entwickeln, wie das sein Urgroßvater recht erfolgreich praktiziert hatte. Undeutlich wird seine Gestalt, wenn es gilt, ein Urteil über seine kulturellen Ambitionen zu fällen. Lange als musterhafter Gönner höfischer Dichtung angesehen, überwiegt heute die Auffassung, dass Liupold VI. feierliche Repräsentation ungeheuer wichtig war, er den Dichtern und ihrer Kunst aber wenig Aufmerksamkeit entgegenbrachte. Hier stand er wohl seinem Vater und Bruder nach; von seinem Sohn und Nachfolger wurde er darin weit übertroffen. Seine betonte Religiosität scheint dem weltlichen Lebensstil einer von höfischen Regeln bestimmten Gesellschaft innerlich ferngestanden zu sein. Die Fähigkeit, durch maßvolle Ausgewogenheit mögliche politische Ziele zu erreichen und einen nicht zu überschätzenden Wohlstand zu schaffen, lässt ihn als einen Fürsten erscheinen, der seine Länder eine Generation lang in einer gewissen Blüte erhielt.
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Liupold VI. ist heute wahrscheinlich immer noch neben dem fast populären Liutpald III., dem heiligen Leopold, der angesehenste Babenberger, dem vor allem sein Wiener Stadtrecht in späteren Jahrhunderten zu einer beträchtlichen Beliebtheit verhalf. Friedrich II. beschließt die Reihe der Fürsten in seinem Hochgrab in Heiligenkreuz. Sein Leichnam erlaubt keinen Hinweis auf sein Aussehen. Das Relief zeigt ihn in ritterlicher Tracht, doch ohne Kettenhemd oder Harnisch. Obwohl das Gesicht frei bleibt, da ihn der Steinmetz mit einer (im Kampf von adeligen Reiterkriegern kaum getragenen) Eisen- oder Beckenhaube (statt mit einem Topfhelm) ausstattet, haben es Verwitterung und Zerstörung durch Türkenhand 1683 fast unkenntlich gemacht. Nicht einmal die Sinnesorgane werden deutlich, und es lässt sich daher nicht sagen, ob die Plastik individuelle Züge aufwies. Wahrscheinlich ist es nicht, da die ganze Gestalt wuchtig und wenig präzis gearbeitet ist, sodass ein Realismus in der Darstellung nicht zu erwarten ist. Hingegen besitzen wir eine kurze Andeutung von Friedrichs Haartracht. Im Nachhinein kritisiert ein Ritter sein ungerisches hâr, also ein in Zöpfe geflochtenes Haupthaar. Es ist freilich möglich, dass dies eine zeitlich beschränkte Mode des Herzogs war. Aber der Dichter merkt auch an anderer Stelle kritisch an, daz unsers landes herre/ der biderbe herzog Friderîch/ den Ungern stalte sich gelîch. Dass er sich dem Aussehen nach den Ungarn gleichmachte, wird sich wohl nun doch auf die modische Gesamterscheinung beziehen und muss bei der Abneigung Friedrichs gegen die Ungarn überraschen. Friedrich II. wäre demnach modisch und zugleich für einen braven österreichischen Ritter fremdartig gekleidet und hergerichtet gewesen, was mit seiner schroffen Art, die oft auch provokant zu nennen ist, durchaus in Einklang stände. Er wird auch für die überweiten Sackärmel getadelt, die allerdings kein ungarisches Element waren, sondern eine vom Klerus allgemein und europaweit heftig verurteilte Modetorheit. Das Tragen solcher Ärmel, die schon um 1100 erstmals auftauchen, wurde als Zeichen der superbia, des Hochmuts, verstanden, die zu den Todsünden zählte. Doch soll man mit Folgerungen diesbezüglich nicht zu weit gehen. Diese Ärgernis gebenden Prunkärmel könnten als zusätzlicher Schmuck zur Cotte, dem Körpergewand mit seinen eng anliegenden Oberarmteilen, gehört haben und dort befestigt worden sein: eine Festtracht, die nicht immer verwendet wurde. Das Eigenschaftswort biderbe wird dem Herzog mehrfach als Attribut bei-
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gegeben. Es bedeutet in der Sprachwelt des Rittertums „brauchbar (als Ritter)“ und davon ausgehend „wacker, tüchtig“. Es ist wenig charakteristisch und dient grundsätzlich als Beiwort für einen anerkannten Fürsten. Dessen Name verbindet sich mit dem Wort zu einem nicht näher präzisierten Begriff der positiven Sicht und hat zumindest eine Semantik, die Schlechtes in der Beschreibung ausschließt. Mit dem daraus entstandenen neuhochdeutschen Adjektiv „bieder“ hat es keinen Sinnzusammenhang mehr. Die sonstigen charakterisierenden Worte kreisen um die Vorstellung vom entschlossenen Krieger und Herrn: bellicosus, strenuissimus. Von diesen Attributen kann man Positives ableiten (kampflustig, waffengewandt, streng, hart entschlossen), selten auch Negatives (unbesonnen darauf losstürzend, kriegslüstern, brutal). Die oft bezeugte höfische Haltung des Herzogs kann als vorbildlich oder doch als verwerflich interpretiert werden. Die Dichter seines Hofkreises loben ihn: Beim Tanzen und Singen gibt Friedrich oft selbst im wahrsten Sinne des Wortes „den Ton an“. Die lateinische, mönchische Geschichtsschreibung, allem rein weltlichen Tun abhold, sieht darin nur Ausschweifung und böse Lust. Alle Schilderungen jedoch durchzieht ein Prinzip der unbekümmerten, keine Rücksicht nehmenden Maßlosigkeit, die dem Herzog eigen ist. Dazu zählt auch seine Freude an schönen Knaben. Der tener amor, den er zu zweien an seinem Hof hegt, verwandelt sich in leidenschaftliche Unbeherrschtheit, mit der er seine Gelübde für die Gesundung der beiden schwer Verletzten leistet: Diese bestehen aus wahllos getätigten Versprechungen unter ständigem Überbieten des gerade Gesagten! Diese nur am Rande mitgeteilte Sache verleiht Friedrichs Hof, der doch die Minne zur höfischen Dame zelebrierte, etwas Hemmungsloses und Dekadentes, das dazu in Widerspruch stand. Vielleicht aber tendierte die höfische Welt dieser Spätzeit überhaupt zu einer gewissen Drastik. Der ambivalente Charakter des Herzogs wird jedenfalls auch hier deutlich. Sein rebellischer Bruder Heinrich weist wohl ähnliche Züge auf, die aber durch seinen jähen Tod im Keim erstarben. Frühere Überzeugung wäre es gewesen, die byzantinischen Vorfahren der unbeherrschten Brüder für diese Charakterelemente verantwortlich zu machen. Heute neigen wir dazu, ein solches Verhalten als Ungenügen an überlieferten Ordnungsprinzipien bei einem sich regenden individuelleren Selbstverständnis und einem sich mehr gegen andere abgrenzenden Machtanspruch zu verstehen: Ob das richtiger ist, die Zeit besser erfasst, mag dahingestellt bleiben.
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Bilderklärungen 1: Otto von Freising, Bischofssiegel: Wohl von 1158; der Bischof sitzt frontal im liturgischen Gewand auf einem Faltstuhl mit Löwenköpfen, in der Rechten den Bischofsstab, in der Linken ein Buch; Umschrift: OTTO : D(E)I : GRA(TIA) : FRISINGENSIS : EP(ISCOPU)S. 2: Tod Markgraf Ernsts: Bildtafel vom Babenberger-Stammbaum in Stift Klosterneuburg (1489); der Markgraf liegt in prächtiger Rüstung auf dem Boden, ein sächsischer Reiter schlägt auf ihn ein. Die Sachsen dringen von links vor, die Österreicher fliehen nach rechts. Historisch ist die Darstellung falsch, da ja 1075 in der Schlacht bei Homburg an der Unstrut die Sachsen besiegt wurden und die Österreicher nur eine Abteilung der bayerischen Mannschaft im königlichen Heer waren. Die Wappen beider Heeresgruppen und des gefallenen Herzogs (am unteren Bildrand) sind anachronistisch, letzteres erfunden. Im Vordergrund ist der Fluss Unstrut angedeutet, in dem Kämpfer und Pferde ertrinken. Im Hintergrund ist die Burg Melk zu sehen, die vermutlich damals noch Hauptsitz der Babenberger war; davor steht Markgraf Ernst in rotem Gewand mit Becher und Speer in Händen. 3: Bischof Altmann von Passau: Blatt aus der „Explicatio symboli“ des Origenes, schwarz-rote Federzeichnung (Göttweig, Cod. r. Nr. 97f. 1r ), bald nach der Vita Altmanni entstanden (ca. 1140), also fünfzig Jahre nach Altmanns Tod. Der bärtige Bischof von Passau rührt an ein doppeltürmiges Gebäude – vielleicht seine Gründung Göttweig – über seinem Kopf der Heilige Geist als Taube. Das Kloster ruht auf einem mit ornamenthaft wirkenden Blumen stilisierten Hügel; darunter in einem Arkadenraum zwei disputierende Äbte auf Faltstühlen (Faldistorien) mit Löwenköpfen und -pranken, den Stab als ihr Würdezeichen in der Hand. 4: Die „Schlacht“ am Fluss Regen 1105: Otto von Freising, Chronik (nach 1150); Jena, Thüringische Universitäts- und Landesbibliothek, Cod. Bose q 6, fol 78r
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Darstellung der Schlacht zwischen Kaiser Heinrich IV. (senior) und König Heinrich V. (iunior) am Fluss Regen nördlich von Regensburg 1105. Vater und rebellischer Sohn sind durch Kronen unter den Kämpfern hervorgehoben. Tatsächlich wechselten Markgraf Liutpald III. und sein böhmischer Schwager Borivoj schon in der Nacht vor der verabredeten Schlacht die Seiten und verließen den Kaiser, worauf sich dieser (offensichtlich) kampflos zurückziehen musste. Die Formen der Helme, Rüstungen, Speere, Sättel und Sporen haben sich in dem halben Jahrhundert zwischen dem Geschehen und der im Kodex wiedergegebenen Zeichnung kaum verändert. Die Schilde hingegen sind „historisch“, da man um 1150 schon Wappenschilde kennt, wie ein solches Kaiser Heinrich IV. führt (den Reichsadler, der zusätzlich seiner Identifizierung dient). 5: Markgraf Liutpald III. weist die Kaiserkrone zurück: Ölgemälde von Carl von Blaas 1858 (Österreichische Galerie Belvedere, Inv. Nr. 2721); diente wohl als Karton für das Fresko im Heeresmuseum im Arsenal. Die allegorische Figur der Mäßigung dort sollte durch ein Beispiel aus der österreichischen Geschichte illustriert werden. Liutpald III. kniet vor dem Erzbischof von Mainz (als Leiter der Königswahl) und weist mit eindrucksvoller Gebärde die vor ihm auf einem kunstvoll gefertigten Tischchen liegenden Reichsinsignien (Krone und Zepter) zurück. Links stehen zwei Fürsten, die wohl die beiden anderen Thronkandidaten, Herzog Friedrich von Schwaben (mit weißen Federn) und den sächsischen Herzog Lothar von Supplinburg, darstellen sollen. Ihre Gesten vermitteln im Gegensatz zum bescheidenen Markgrafen den Wunsch, die Krone des Reiches zu gewinnen. Rechts hinter Liutpald III. eine Gruppe von Reichsfürsten, die auf den Knienden zeigt, dessen Verhalten dadurch noch mehr hervorgehoben wird und den Betrachter mit Staunen und Bewunderung erfüllen soll. Tatsächlich ging es 1125 um die Königsherrschaft, die im 19. Jahrhundert allerdings im Allgemeinen nicht vom Kaisertum unterschieden wurde. 6: Auffindung des Schleiers der Markgräfin Agnes: Heinrich Schwemminger, Ölgemälde 1840, Stiftmuseum Klosterneuburg. Markgraf Liutpald III. kniet vor einem Holunderstrauch und weist, den Kopf zu seiner herbeigeeilten Gemahlin gewandt, auf deren wieder gefundenen Schleier. Agnes blickt ergriffen auf die nur schemenhaft erkennbare Erscheinung der Gottesmutter. Licht fällt nur auf das Fürstenpaar, während Hofdamen und Jagdgefolge, vom Waldesdunkel ungleich erfasst, in der Bewegung erstarrt scheinen. In der Ferne ist die angebliche Burg des Markgrafen auf dem später nach ihm benannten Berg zu erkennen.
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7: Der Vertrag von Mautern 1137: Siegelurkunde auf länglichem, unregelmäßig beschnittenem Pergament; München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv. An der Spitze der Zeugen Ernst, der Bruder des Markgrafen, sonst Grafen, Edelfreie sowie babenbergische und passauische Ministerialen, danach Kapellane des Passauer Bischofs. Das Rechtsgeschäft erfolgte durch Adalbert, den ältesten Bruder Liutpalds und Vogt des Passauer Hochstifts. Mautern selbst ist ein passauischer Ort. Das Reitersiegel (teilweise verwischt) zeigt den Markgrafen Liutpald IV. nach rechts gewendet; Umschrift: LEVPOLD(US) MARCHIO. 8: Reitersiegel Liutpalds IV.: Liutpald IV. hier als Herzog von Bayern; aufgedrücktes Siegel auf einer Urkunde von 1141 für das Stift Reichersberg; Reichersberg, Stiftsarchiv. Liutpald IV. gerüs tet, mit Nasalhelm und normannischem Schild zu Pferde nach links reitend. In der rechten Hand den Gonfanon, die dreifach gezaddelte Kriegsfahne, hinter ihm ein achtstrahliger Stern. Umschrift: LIUTPOLDUS . DUX . BAVWARIE. 9: Teil der von Herzog Heinrich II. errichteten Stadtmauer von Wien: Mauer im Hofe des Hauses Wien I., Am Gestade 5. Abschnitt des Mauerrings, den Herzog Heinrich II. Jasomirgott um die Mitte des 12. Jahrhunderts errichten ließ, als er Wien zur babenbergischen Residenzstadt ausbaute. Die Befestigung ist auf die Reste der römischen Lagermauern gesetzt. 10: Der Kaiser überreicht Herzog Liupold V. die rotweißrote Fahne: Bildtafel vom Babenberger-Stammbaum im Stift Klosterneuburg: eine reine Fantasiedarstellung. Kaiser Heinrich VI. überreicht Herzog Liupold V. angesichts der Stadt Akkon, wo der Herzog heldenhaft gestritten hat, eine rotweißrote Fahne. Liupold trägt in der rechten Hand ein kleines Kreuz, das aus dem Kreuzstamm Christi geschnitten wurde (und das er später dem Kloster Heiligenkreuz schenken wird). Rechts hinter dem Kaiser steht in grünem Gewand König Philipp II. von Frankreich, in rotem Mantel der englische König Richard Löwenherz, der durch sein gleichfalls rotes Haar negativ gezeichnet erscheint. Sie befinden sich in einem ges tenreichen Gespräch und werden zusätzlich durch ihre richtigen Wappen charakterisiert, während Herzog Liupolds V. Wappen ein Konstrukt Ladislaus Sunthayms darstellt. 11: Gefangennahme und Unterwerfung König Richards: Petrus de Ebulo, „Liber in honorem Augusti“ (1195); Burgerbibliothek Bern, Cod. 120.II, f. 129r). Das obere Bild zeigt die Gefangennahme des Königs am 21. Dezember 1192 in Erdberg bei Wien. Richard reitet in Pilgertracht auf einem Pferd, ohne
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(sichtbare) Waffen, nur einen leeren Pfeilköcher über der Schulter. Zwei Ritter in voller Rüstung bedrängen ihn: der eine greift in die Zügel, der andere hebt drohend das Schwert. Der untere Bildteil zeigt eine Abfolge von Geschehen. Zuerst will sich der König, weiterhin im Pilgergewand, aber, das Schwert in der Hand, durch einen gerichtlichen Zweikampf von der Anklage die Ermordung des Markgrafen von Montferrat – eines Verwandten der Babenberger! – im Heiligen Land angestiftet zu haben, reinigen. Dann erscheint ein Knappe mit der zur Täuschung getragenen Pilgertracht Richards, der dadurch gleichsam entlarvt wird und schließlich unten mit der Krone auf dem Haupt in seiner wahren Identität dem Kaiser um Gnade anfleht, indem er sich vor ihm niederwirft und ihm die Füße küsst. Heinrich VI. trägt eine Fantasiekrone und einen Palmwedel anstelle von Zepter und Reichsapfel – vielleicht als Siegeszeichen – in der linken Hand. Die Geste der rechten deutet die Begnadigung an. Die obigen Szenen erzählen die Realität auf ihre Weise nach. Der rituelle und symbolische Gehalt der Darstellung machen das politische Geschehen bildhaft und daher allgemein verständlich. 12: Reinmar von Hagenau: Große Heidelberger Liederhandschrift (Manessische Handschrift); Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Pal. Germ. 848, fol. 98r. Der Minnesänger sitzt mit einer Dame auf einer Bank und hält als dichterisches Attribut ein leeres Schriftband in der einen Hand, während er mit der anderen darauf hindeutet. Die ihm zugewandte höfische Dame hat als modisches Beiwerk ein Hündchen auf dem Schoß. Man hat den Eindruck, dass beide über eben vorgetragene Verse Reinmars diskutieren. Vielleicht befinden sie sich aber in einem lebhaften Gespräch über das Wesen der Minne, ein Problem, um welches das Dichten Reinmars fast ausschließlich kreist. 13: Wiener Pfennige Liupolds VI. Wien, Kunsthistorisches Museum, Münzkabinett; Münzstätte Wien, nicht vor 1210, anepigraph, das heißt ohne Um- oder Aufschrift. Prägung von bescheidener künstlerischer Qualität, die hier gezeigten Reversseiten jedoch fantasievoll gestaltet. Links ein aufgerichtetes Einhorn, darüber ein ornamentales Pflanzenband; rechts ein von einem Kreis umschlossener Löwe, umrahmt von einem Pflanzendekor. 14: Liupold das „Kind“: Bildtafel des Babenberger-Stammbaums in Stift Klosterneuburg. Eine der Wirklichkeit nachempfundene Szene: Im Zentrum des Bildes disputieren zwei Magister, rechts zwei eifrig zuhörende Schüler. Der kleine Liupold schleicht nach links davon, nicht, ohne sich durch eine Drehung des Kopfes zu versichern, dass die beiden Lehrer sein Fortgehen nicht bemerken. Er eilt in den ganz links sichtbar werdenden Baumgarten des Stifts, wo er alsbald auf einen Baum klettern und zu Tode stürzen
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wird. Am unteren Bildrand ist die Donau angedeutet, den Hintergrund bildet eine breit ausladende Topografie Klosterneuburgs mit deutlicher Trennung von Oberund Unterstadt, die aber nur in wenigen Einzelheiten der städtischen Realität des 15. Jahrhunderts entspricht. 15: Reitersiegel Herzog Friedrichs II.: Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv; während der gesamten Herrschaft Friedrichs II. sehr häufig verwendeter Typ. Münzsiegel, Avers (Vorderseite). Der Herzog auf nach links sprengendem Streitross, gerüstet, mit Topfhelm, Schwert und Dreiecksschild, darauf erstmals das österreichische Wappen (Bindenschild), in der rechten Hand den weit zurückschwingenden Gonfanon. Umschrift: FRIDERICVS : DEI : GRACIA : DUX : AUSTRIE. (Auf dem Revers = Rückseite Friedrich II. als Herzog der Steiermark mit entsprechendem Wappenschild). 16: Wiener Neustadt, Dom, Brauttor: Das Südportal der Neustädter Pfarr-(ab 1469 Dom-)kirche; romanisches Rundbogenportal mit variantenreich gestalteter, von normannischer Baukunst beeinflusster Dekoration an Säulen und Bogen. Das prächtige Tor wurde wahrscheinlich aus Anlass der Hochzeit von Herzog Friedrichs II. jüngster Schwester Gertrud mit Heinrich Raspe, Landgraf von Thüringen, 1238 eilig fertiggestellt. 17: Pfennig Friedrichs II.: Wien, Kunsthistorisches Museum, Münzkabinett; Münzstätte unbekannt (Wien, Wiener Neustadt, Enns?), Vorkommen zwischen 1230 und 1246. Büste des Herzogs mit Diadem(!) und aufwärts zeigendem Schwert. Über dem Münzbild durch Kreislinie getrennt ein Kreuz, davon ausgehend eine Umschrift: DUX : (FRIDERIC)VS. Münze mit Siegelcharakter, wohl als Instrument der Machtdemonstration. 18: Der Tannhäuser: Große Heidelberger Liederhandschrift (Manessische Handschrift), Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Pal. Germ. 848, fol. 264r. Der Dichter in frontaler Position, im Mantel eines Ritters vom Deutschen Orden. Er rafft diesen Umhang in höfischer Weise, während die andere Hand den Kontakt zum Betrachter herstellt. Diese Geste kann Abwehr, aber auch feierlichen Gruß bedeuten. Bemerkenswert ist das Stehen auf den Zehenspitzen, was der Figur etwas leicht Schwebendes verleiht. Diese eher ernste, ja durchgeistigte Darstellung macht es schwer, im Tannhäuser der Wiener Zeit einen Vertreter der etwas derben Lebensfreude am herzoglichen Hof zu sehen.
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19: Abschrift des Privilegium Minus, um 1247: Stift Klosterneuburg, Sammelhandschrift, Cod. 929, fol 146v. Älteste (erhaltene) Abschrift des Diploms Kaiser Friedrich Barbarossas für Herzog Heinrich II. Jasomirgott von 1156. Das Original wurde von dessen Urenkel Friedrich II. auf seine feste Burg Starhemberg verbracht und dort auf Drängen des Papstes seiner Nichte Gertrud 1247 zur Abschrift überlassen. Das Ergebnis dieser Aktion ist die heute in Klosterneuburg überlieferte Handschrift. 20: Grabplatte Herzog Friedrichs II. in Heiligenkreuz: Heiligenkreuz, Kapitelsaal. Die einzige in Stein gehauene, zeitgenössische Figur eines Babenbergers wird oben im fortlaufenden Text S. 357f., 380 gewürdigt. 21: Markgräfin Agnes und ihre Töchter: Stift Klosterneuburg, Babenberger-Stammbaum. Gemahlinnen von Babenbergern und Babenbergerinnen sind in den beiden Flügeln des Tafelwerks aneinandergereiht. Sie tragen die adelige Mode des späten 15. Jahrhunderts, charakterisiert durch den Übergang vom burgundischen Vorbild zur Renaissance-Tracht. Die einzelnen Figuren sind unterschiedlich, fast schon individuell gestaltet, doch reine Erfindungen der Zeit ohne Bezug zu dem (unbekannten) Aussehen der Fürstinnen vom 10. bis zum 13. Jahrhundert. Ein Spruchband mit der Angabe des Namens, der Eltern und des Ehemanns ermöglicht die Identifizierung der einzelnen Personen, was noch durch die Beigabe der jeweiligen Wappen unterstützt wird. Die hier wiedergegebenen Damen vom rechten Seitenflügel des Triptychons sind folgende (von oben und von links nach rechts): Reihe: fünf namentlich nicht bekannte, schon als Kinder verstorbene Töchter Markgraf Liutpalds III. und seiner zweiten Frau Agnes (sie haben das Alter der Darstellung nie erreicht!) – Agnes, zweite Tochter des Markgrafenpaares, verheiratet mit Herzog Wladislaw II. von Polen-Schlesien – Gertrud, die jüngste Tochter des Paares, verehelicht mit Herzog Vladislav II. von Böhmen, Mutter des Erzbischofs Adalbert III. von Salzburg – Elisabeth, dritte Tochter, verheiratet mit Graf Hermann II. von Winzenburg (nicht mit Landgraf Hermann dem Reichen von Sachsen, wie auf dem Spruchband zu lesen ist) – Judith, vierte Tochter, verheiratet mit Markgraf Wilhelm von Montferrat – Bertha, älteste Tochter Markgraf Liutpalds III. und der Agnes, verehelicht mit Burggraf Heinrich von Regensburg – Markgräfin Agnes selbst, Kaisertochter und -schwester, verwitwete Herzogin von Schwaben, Mutter der hier dargestellten Babenbergerinnen. Sie trägt als Einzige ein Kirchenmodell in der Hand (das Chorherrenstift – nicht das Chorfrauenstift, wie oft angenommen – Klosterneuburg); in der anderen Hand hält sie ein Zepter, auf dem Haupt trägt sie eine stilisierte Kaiserkrone, ihre besondere Herkunft hervorhebend; als Einziger werden ihr vier Wappen beigegeben, die auf ihre verschiedenen Lebensstationen hinweisen sollen (kaiserliches-österreichisches-schwäbisches Wappen und
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das angebliche salische Hauswappen, welches es in Wirklichkeit gar nicht gab!). Die beiden übrigen Frauenbüsten haben mit Markgräfin Agnes nichts zu tun. Rechts neben ihr sieht man die erfundene Gemahlin des erfundenen Markgrafen Albrecht, gekennzeichnet als polnische Königstochter (Wappen) – und als Letzte eine namenlose Tochter des Markgrafen Liutpalds II., also eine Schwägerin der Agnes, vermählt mit einem Herrn von „Ips und Pesenbeugen“. Tatsächlich muss es sich um Euphemia handeln, die den Grafen Konrad von Peilstein ehelichte. 22: Schädel Markgraf Ernsts mit den tödlichen Wunden: Babenbergergruft des Klosters Melk. Foto: © Naturhistorisches Museum, Anthropologische Abteilung. Deutlich erkennbar sind an diesem Skelettschädel die beiden tödlichen Wunden, die Markgraf Ernst in der Schlacht bei Homburg an der Unstrut 1075 zugefügt wurden. Oben der Axthieb in die linke Schläfe, unten der Schwertschlag auf die Schädeldecke (außerdem wies er noch je eine schwere Verletzung am linken Oberarm und am linken Oberschenkel auf !). 23: Nachbildungsversuch des Kopfes Liutpalds III.: Stift Klosterneuburg: Dieser Versuch einer Rekonstruktion durch die Bildhauerin Rose Koller erfolgte im Jahre 1936 aufgrund der damaligen anthropologischen Skelettanalyse. Haartracht, schmaler Bart und Schnurrbart, die solcherart nicht nachweisbar sind, entsprechen der adeligen Mode im ersten Viertel des 12. Jahrhunderts. Die scharfe Nase wurde aus der Form des erhaltenen Schädelfragments erschlossen.
Bildnachweis: Stiftsarchiv Klosterneuburg: Abb. 2, 6, 10, 14, 19 Stiftsbibliothek Göttweig: Abb. 3 Stiftspfarre Reichersberg: Abb. 8 Stift Heiligenkreuz (www.stift-heiligenkreuz.at): Abb. 20 Bayerisches Hauptstaatsarchiv: Abb. 1 Thüringische Universitäts-Landesbibliothek Jena: Abb. 4 Österreichische Galerie Belvedere: Abb. 5 Wiener Stadt- und Landesarchiv: Abb. 9 Burgerbibliothek Bern: Abb. 11 Universitätsbibliothek Heidelberg: Abb. 12, 18 Kunsthistorisches Museum Wien, Münzkabinett: Abb. 13, 17 Naturhistorisches Museum, Anthropologische Abteilung: Abb. 22 Wikipedia, Wolfgang Glock: Abb. 16
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das angebliche salische Hauswappen, welches es in Wirklichkeit gar nicht gab!). Die beiden übrigen Frauenbüsten haben mit Markgräfin Agnes nichts zu tun. Rechts neben ihr sieht man die erfundene Gemahlin des erfundenen Markgrafen Albrecht, gekennzeichnet als polnische Königstochter (Wappen) – und als Letzte eine namenlose Tochter des Markgrafen Liutpalds II., also eine Schwägerin der Agnes, vermählt mit einem Herrn von „Ips und Pesenbeugen“. Tatsächlich muss es sich um Euphemia handeln, die den Grafen Konrad von Peilstein ehelichte. 22: Schädel Markgraf Ernsts mit den tödlichen Wunden: Babenbergergruft des Klosters Melk. Foto: © Naturhistorisches Museum, Anthropologische Abteilung. Deutlich erkennbar sind an diesem Skelettschädel die beiden tödlichen Wunden, die Markgraf Ernst in der Schlacht bei Homburg an der Unstrut 1075 zugefügt wurden. Oben der Axthieb in die linke Schläfe, unten der Schwertschlag auf die Schädeldecke (außerdem wies er noch je eine schwere Verletzung am linken Oberarm und am linken Oberschenkel auf !). 23: Nachbildungsversuch des Kopfes Liutpalds III.: Stift Klosterneuburg: Dieser Versuch einer Rekonstruktion durch die Bildhauerin Rose Koller erfolgte im Jahre 1936 aufgrund der damaligen anthropologischen Skelettanalyse. Haartracht, schmaler Bart und Schnurrbart, die solcherart nicht nachweisbar sind, entsprechen der adeligen Mode im ersten Viertel des 12. Jahrhunderts. Die scharfe Nase wurde aus der Form des erhaltenen Schädelfragments erschlossen.
Bildnachweis: Stiftsarchiv Klosterneuburg: Abb. 2, 6, 10, 14, 19 Stiftsbibliothek Göttweig: Abb. 3 Stiftspfarre Reichersberg: Abb. 8 Stift Heiligenkreuz (www.stift-heiligenkreuz.at): Abb. 20 Bayerisches Hauptstaatsarchiv: Abb. 1 Thüringische Universitäts-Landesbibliothek Jena: Abb. 4 Österreichische Galerie Belvedere: Abb. 5 Wiener Stadt- und Landesarchiv: Abb. 9 Burgerbibliothek Bern: Abb. 11 Universitätsbibliothek Heidelberg: Abb. 12, 18 Kunsthistorisches Museum Wien, Münzkabinett: Abb. 13, 17 Naturhistorisches Museum, Anthropologische Abteilung: Abb. 22 Wikipedia, Wolfgang Glock: Abb. 16
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Literatur Der heilige Altmann, Bischof von Passau. Sein Leben und Werk. Festschrift zur 900Jahr-Feier (St. Pölten 1965) Heinrich Appelt, Privilegium minus. Das staufische Kaisertum und die Babenberger in Österreich (Böhlau Quellenbücher, Graz 1973) Leopold Auer, Frühe Babenbergerpfalzen in Österreich. Zeitschrift für Landeskunde von Niederösterreich 44 (1973) 165–169 Leopold Auer, Die Schlacht bei Mailberg am 12. Mai 1082 (Militärhistorische Schriftenreihe 31, Wien 1976) Die Babenberger – und was von ihnen blieb. The Babenbergs – and what they left to us. Redaktion: Christine Wessely (Wien 1975) Babenberger-Forschungen, redigiert von Max Weltin ( Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich, Neue Folge 42, Wien 1976) Helmut de Boor, Die höfische Literatur. Vorbereitung, Blüte, Ausklang (1170-1250) = Helmut de Boor – Richard Newald, Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart 2 (München 61974) Egon Boshof, Das Reich und Ungarn in der Zeit der Salier. Ostbairische Grenzmarken 28 (1986) 178–194 Karl Bosl, Die Markengründungen Kaiser Heinrichs III. auf bayerisch-österreichischem Boden, in: Zur Geschichte der Bayern, herausgegeben von Karl Bosl (Wege der Forschung 60, Darmstadt 1965) 364–442 Karl Brunner, Herzogtümer und Marken. Vom Ungarnsturm bis ins 12. Jh. (Österreichische Geschichte 907–1156, Wien 1994) Karl Brunner, Leopold der Heilige – ein Portrait aus dem Frühling des Mittelalters (Wien 2009) Joachim Bumke, Mäzene im Mittelalter. Die Gönner und Auftraggeber der höfischen Literatur 1150–1300 (München 1979) Peter Csendes, Die Aufenthaltsorte der Babenberger in Niederösterreich und Steiermark. Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 34 (1978) 24–32 Peter Csendes, König Heinrich II. und Markgraf Heinrich I. von Babenberg. Unsere Heimat 47 (1976) 3–6
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literatur
Karl Lechner, Die Babenberger. Markgrafen und Herzoge in Österreich 976–1246 (Wien 1976, 41993) Der heilige Leopold. Landesfürst und Staatssymbol, herausgegeben von Floridus Röhrig (Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums 155, Klosterneuburg 1985) Richard Loibl, Der Herrschaftsraum der Grafen von Vornbach und ihrer Nachfolger. Studien zur Herrschaftsgeschichte Ostbayerns im hohen Mittelalter (Historischer Atlas von Bayern, Teil Altbayern 2/5, München 1997) Herbert Mitscha-Märheim, Zur ältesten Besitzgeschichte des nordöstlichen Niederösterreich. Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich, Neue Folge 26 (1936) 80–91 Herbert Mitscha-Märheim, Hochadelsgeschlechter und ihr Besitz im nördlichen Niederösterreich des 11. Jahrhunderts. Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich, Neue Folge 29 (1944/1948) 416–439 Meta Niederkorn-Bruck, Der heilige Koloman (Studien und Forschungen aus dem Niederösterreichischen Institut für Landeskunde 16, Wien 1992) Paulus Niemetz, Die Grablege der Babenberger in der Abtei Heiligenkreuz (Heiligenkreuz, 1974) Das babenbergische Österreich, herausgegeben von Erich Zöllner (Schriften des Instituts für Österreichkunde 33, Wien 1978) 18–42 Österreich im Hochmittelalter (907–1246), herausgegeben von Richard G. Plaschka und Anna M. Drabek (Veröffentlichungen der Kommission für die Geschichte Österreichs 17, Wien 1991) Ingeborg Petraschek-Heim, Der Agnes-Schleier in Klosterneuburg. Jahrbuch des Stiftes Klosterneuburg 13 (1985) 59–78 Fritz Posch, Die Entstehung des steirischen Landesfürstentums. Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 59 (1951) 107–119 Fritz Posch, Das Land Steiermark. Geschichtlicher Überblick, in: Handbuch der Historischen Stätten. Österreich 2: Alpenländer mit Südtirol, herausgegeben von Franz Huter (Stuttgart 1966) 1–22 Die Regesten der Bischöfe von Passau. Band I: 731–1206, Band II: 1206–1254, bearbeitet von Egon Boshof (Regesten zur Bayerischen Geschichte 1 und 2, München 1992, 1999) Kurt Reindel, Die politische Entwicklung (vom Zeitalter der Karolinger bis zum Ende der Welfenherrschaft 788–1180) in: Handbuch der bayerischen Geschichte 1, herausgegeben von Max Spindler (München 21981) 247–349 Floridus Röhrig, Der Babenberger-Stammbaum in Klosterneuburg (Wien 1975) Floridus Röhrig, Markgraf Leopold III. der Heilige (Wien/München 1985) Luitfried Salvini-Plawen, Das Skelett in der Totenkapelle von Stift Heiligenkreuz, Niederösterreich – ein überzähliger Babenberger?. Archaeologia Austriaca 76 (1992) 249–252
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literatur
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Sankt Leopold. Festschrift des Augustiner Chorherrenstiftes Klosterneuburg zur 800jährigen Gedenkfeier des Todes des Heiligen, herausgegeben von Siegfried Wintermayr (Klosterneuburg 1936) Georg Scheibelreiter, Ostarrichi – Das Werden einer historischen Landschaft, in: Sacrum Imperium. Das Reich und Österreich 996–1806, herausgegeben von Wilhelm Brauneder und Lothar Höbelt (Wien 1995) 9–70 Georg Scheibelreiter, Das Christentum in Spätantike und Mittelalter – von den Anfängen bis in die Zeit Friedrichs III. (Österreichische Geschichte. Sonderband 3, Wien 2003) 13–144, 444–454 Elisabeth Schuster, Niederösterreichische Ortsnamen magyarischer Herkunft. Unsere Heimat 66 (1995) 291–300 Christoph Sonnlechner, Die Entstehung der niederösterreichischen Pfarrsprengel, in: Österreich im Mittelalter, herausgegeben von Anton Eggendorfer und Willibald Rosner (Studien und Forschungen aus dem Niederösterreichischen Institut für Landeskunde 26, St. Pölten 1999) 97–117 Max Spindler-Andreas Kraus, Die Auseinandersetzungen mit Landesadel, Episkopat und Königtum unter den drei ersten wittelsbachischen Herzögen (1180–1253), in: Handbuch der bayerischen Geschichte 2, herausgegeben von Andreas Kraus (München 21988) 7–52 Wilhelm Störmer, Früher Adel. Studien zur politischen Führungsschicht im fränkisch-deutschen Reich vom 8. bis 11. Jahrhundert (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 6/1–2, Stuttgart 1973) Tausend Jahre Babenberger in Österreich (Ausstellungskatalog Lilienfeld, Wien 31976) Ernst Tomek, Kirchengeschichte Österreichs 1 (Innsbruck 1935) Urkundenbuch zur Geschichte der Babenberger in Österreich: 1. Die Siegelurkunden der Babenberger bis 1215, bearbeitet von Heinrich Fichtenau (Wien 1950) 2. Die Siegelurkunden der Babenberger und ihrer Nachkommen von 1216 bis 1279, bearbeitet von Erich Zöllner (Wien 1954) 3. Die Siegel der Babenberger, bearbeitet von Franz Gall (Wien 1954) 4./1 Ergänzende Quellen 976 bis 1194, bearbeitet von Heinrich Fichtenau und Heide Dienst (Wien 1968) 4./2 Ergänzende Quellen 1195–1287, bearbeitet von Heide Dienst und Christian Lackner (Wien 1997) Max Vancsa, Geschichte Nieder- und Oberösterreichs (Allgemeine Staatengeschichte, herausgegeben von Hermann Oncken, 2: Deutsche Landesgeschichten 6, 2 Bände, Stuttgart-Gotha 1905, 1927) Georg Wacha, Leopold III. der Heilige. Ein Symbol in Österreichs Geschichte (Wissenschaftliche Schriftenreihe Niederösterreich 12, St. Pölten/Wien 1975)
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Maximilian Weltin, Das Land und sein Recht. Ausgewählte Beiträge zur Verfassungsgeschichte Österreichs im Mittelalter. Herausgegeben von Folker Reichert und Winfried Stelzer (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Ergänzungsband 49, Wien/München 2006) Eike-Meinrad Winkler/Barbara I. M. Schweder, Die zentrale Bestattung in der Totenkapelle von Stift Heiligenkreuz, Niederösterreich, und ihre morpho-metrischen Ähnlichkeitsbeziehungen zu den in Melk, Lilienfeld und Klosterneuburg beigesetzten Babenbergern. Archaeologia Austriaca 76 (1992) 223–248 Josef Wodka, Kirche in Österreich (Wien 1959) Herwig Wolfram, Zisterziensergründung und Ministerialität am Beispiel Zwettls. Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich, Neue Folge 46/47 (1980/81) 1–39 Alois Zauner, Oberösterreich zur Babenbergerzeit. Mitteilungen des Oberösterreichischen Landesarchivs 7 (1960) 207–251 Roman Zehetmayer, Reichsunmittelbare Gebiete im Herzogtum, in: Österreich im Mittelalter, herausgegeben von Anton Eggendorfer und Willibald Rosner ( Studien und Forschungen aus dem Niederösterreichischen Institut für Landeskunde 26, St. Pölten 1999) 67–96
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Register 1. Personen und Personengruppen Folgende Abkürzungen wurden verwendet: B. (Bischof ), Bggf. (Burggraf ), Chorb. (Chorbischof ), Eb. (Erzbischof ), Gf., Gfin. (Graf, Gräfin), Hl. (Heiliger, Heilige), Hz., Hzin. (Herzog, Herzogin), Ks., Ksin. (Kaiser, Kaiserin), Kg., Kgin. (König, Königin), Lgf., Lgfin. (Landgraf, Landgräfin), M. (Mutter), Mag. (Magister), Mgf., Mgfin. (Markgraf, Markgräfin), Min. (Ministeriale), Pfgf. (Pfalzgraf ), S. (Sohn), T. (Tochter). Aba (Samuel Aba, Ovo), Kg. 106-111, 118 Abraham von Freising, B. 64, 72 Achilles 345 Adalbero, Gf. → Adalbert, Mgf. (?) Adalbert, fränk. Gf. 79–84, 87, 89, 103 Adalbert von Freising, B. 217 Adalbert, Mgf. 79,80, 82–84, 86, 102– 121, 124f., 127, 141, 168, 179f., 363–365, 367, 371 Adalbert, S. Mgf. Liutpalds III. 177, 180–182, 185f., 193, 197 Adalbert (Albrecht, fiktiv), Mgf. 133f., 179 Adalbert von Passau, B. 71 Adalbert III. von Salzburg, Eb. 220, 222, 265, 275 Adelbero von Cumpindorf, Min. 207 Adelheid, Ksin. 58, 61 Adelheid von Meißen, Mgfin. 120, 364 Adolf von Köln, Eb. 276 Aeneas 235 Afra, Hl. 172 Agnes von Poitou, Ksin. 11, 131, 138, 144 Agnes, Kgin. 222
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Agnes von Andechs-Meranien, Mgfin. 193, 198f., 299, 306, 310, 323f., 330, 334f., 346 Agnes von Böhmen 302 Agnes, Frau Liutpalds III., Mgfin. 11, 134, 158, 161f., 165f., 170, 178, 182f., 185, 358, 368, 374 Agnes, T. Liupolds VI. 299 Agnes, T. Mgfin. Gertruds 356 Agnes von Thüringen 299, 302, 350, 367 Alamannen 37 Albert Behaim, päpstl. Legat 338 Albigenser 287, 337 Albrecht I., Kg. 170, 361 Albrecht d. Bär, Mgf. u. Hz. 187, 215 Albrecht von Sachsen, Hz. 299 Alexander der Große 39, 261, 345 Alexander III., Papst 218f., 221, 225, 230 Alexios I. Komnenos, Ks. 154 Al-Kamil, Sultan 289 Álmos, magyar. Fürst 42 Alter vom Berge 261, 321 Altmann von Passau, B. 135, 138–142, 144–150, 156, 169, 373 Amalrich von Zypern, Kg. 274
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398 Andechser 290 Andreas I., Kg. 116, 121 Andreas II., Kg. 279, 288, 290, 302, 304–306, 309, 315–317 Angeloi 279 Anshalm, Min. 193 Aribo, fränk. Gf. 28, 33–36 Aribonen 27 Arn von Salzburg, Eb. 37 Arnold von Dachau, Gf. 190 Arnold von Lübeck 222 Arnold von Mainz, Eb. 203 Arnulf, Ks. 24, 26f., 33f., 36f., 39, 42, 45 Arnulf von Bayern, Hz. 48, 51–53, 55, 57, 64, 84f., 88 Arpád, magyar. Fürst 44 Arpaden 42, 278 Arthur von der Bretagne 268 Assassinen 261 Attila (Etzel), Kg. 39f., 309 Ava, Reklusin 228 Awaren 20, 29f., 37, 39, 41, 43, 45 Balduin von Béthune, Gf. 264f. Balduin von Flandern, Ks. 279 Bayern 19f., 23, 29f., 37, 48, 52, 54f., 58, 71, 92, 95f., 112, 115, 117, 125, 165f., 177, 197, 313, 315, 318 Beatrix von Burgund, Ksin. 205 Beatrix von Schwaben, Ksin. 284 Béla I., Kg. 121f. Béla II., Kg. 177 Béla III., Kg. 244 Béla IV., Kg. 299, 304, 317, 330–332, 342–344, 351, 355f. Berengar, Mgf. 42 Berengar (Beringer) von Passau, B. 98, 148 Bernhard von Friesach, Mag. 300 Bernhard von Kärnten, Hz. 304, 307, 333
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Register Bernhard von Marburg, Gf. 238 Bernhard II. von Sachsen, Hz. 94 Bernold von St. Blasien 151 Bernward von Würzburg, B. 78 Bertha, T. Mgf. Liutpalds III. 226 Berthold von Aquileia, Patriarch 323, 334 Berthold von Bayern, Hz. 57 Berthold von Garsten, Abt 189 Berthold, Mgf. (Nordgau) 73 Berthold von Reichenau 136 Berthold, Kammerbote 51, 88 Blondel (de Nesle) 12 Böhmen 30, 56, 107, 112, 118f., 133, 144, 223f., 231, 303, 311–313, 317f., 342f. Boleslaw Chrobry, Hz. 91–93, 96 Borics, Thronprätendent 181, 197 Borivoj von Böhmen, Hz. 153, 157f. Bretislav I. von Böhmen, Hz. 107, 109, 115 Brun von Würzburg, B. 112f. Bulgaren 41, 45 Burchard, Mgf. 70–73, 309 Burchard von Passau, B. 35 Burchard I. von Schwaben, Hz. 54 Burchard II. von Schwaben, Hz. 55 Byzantiner 41, 44f. Cham-Vohburger → Vohburger Chazaren 40 Christine, T. Mgf. Liutpalds I. 86, 88 Cölestin III., Papst 262 Dänen 56 David, Kg. 345 David von Augsburg 337 Dido 235 Diepald von Chagere, Min. 207 Diepold von Alsa, Min. 207 Diepold von Cham-Vohburg, Gf. 122
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1. Personen und Personengruppen Diepold von Passau, B. 246f. Dietmar von Aist 226f. Dietrich von Klosterneuburg, Propst 297 Dietrich von Meißen, Mgf. 284f. Dominica → Froiza Drakulf von Freising, B. 52 Eberhard II. von Bamberg, B. 214 Eberhard von Bayern, Hz. 57 Eberhard von Eberstein, Gf. 326, 328 Eberhard I. von Salzburg, Eb. 218f. Eberhard II. von Salzburg, Eb. 15, 278, 282f., 286, 307, 316, 328 Eberhard von Wine, Min. 207 Ebersberger 77 Egilbert von Passau, B. 117, 148 Egilbert von Passau, Dompropst 145 Ekbert von Bamberg, B. 284, 323, 325f. Ekbert von Formbach, Gf. 137, 150 Ekkehard I. von St. Gallen 43 Eleonore (Alienor) von Aquitanien, Kgin. 262 Eleonore von der Bretagne 262, 265 Elisabeth, T. Hz. Ottos II. von Bayern 335, 338 Elisabeth von Thüringen, Lgfin., Hl. 274, 288, 299 Emmerich (Imre), Kg. 279 Engelbert von Köln, Eb., Hl. 301, 303 Engilschalke 27, 33, 38 Enikel, Jans 134, 269, 308f., 322, 342 Eppensteiner 87, 237f. Eppo von Zeitz, B. 121 Erchanger, Kammerbote 51, 88 Ernst, Mgf. 113, 120–126, 133–135, 161, 163, 177, 179, 364–367, 371–373 Ernst, S. Mgf. Liutpalds III. 180f., 183, 193, 364, 368f. Ernst I. von Schwaben, Hz. 86, 100, 180
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399 Ernst II. von Schwaben, Hz. 100f., 103, 127 Etzel → Attila Eugen III., Papst 197 Eugen von Savoyen, Prinz 17 Faulconbridge, Philip 269 Flandrenser 293f. Formbacher 78, 138, 144, 169, 206, 223, 270 Franken 20, 23, 29f., 37, 41, 47, 54, 65, 165f. Franz II. (I.), Ks. 291 Franz Joseph I., Ks. 17 Friedrich I. Barbarossa, Ks. 201–205, 211–214, 218–220, 222, 225, 229–231, 233f., 240–245, 247f., 253, 273f., 359 Friedrich II., Ks. 211, 276, 285, 288, 301f., 304–307, 310, 312, 314, 317–319, 324f., 328f., 339–342, 349, 351f., 354 Friedrich, S. Kg. Heinrichs (VII.) 350, 354 Friedrich von Baden 356 Friedrich von Böhmen, Hz. 230, 235 Friedrich I., Hz. 233, 236, 241, 265, 273–278, 308, 378 Friedrich II., Hz. 13–15, 253, 292, 299, 306, 308, 310, 312f., 315–326, 329–336, 338–350, 352, 355, 357f., 363, 376, 380 Friedrich von Pettau, Min. 258 Friedrich von Regensburg, Bggf. 226 Friedrich von Salzburg, Eb. 75 Friedrich II. von Schwaben, Hz. 165– 168 Friedrich V. von Schwaben, Hz. 234, 244, 248 Friesen 47, 56, 289 Froiza (Dominica, Frowila), Mgfin. 110, 113, 119, 364 Frowila → Froiza
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400 Gebhard von Lothringen, Hz. 48 Gebhard III. von Regensburg, B. 115, 117 Gebhard von Salzburg, Eb. 138, 283 Gepiden 19 Gerberga, T. Mgf. Liutpalds II. 153 Gerhard von Fallbach, Mag. 281 Gerhoh von Reichersberg, Propst 229 Gertrud, Kgin. 288, 309 Gertrud, Hzin. 195–197, 222 Gertrud, T. Hz. Liupolds VI. 299, 326 Gertrud, T. Heinrichs des Grausamen 326, 329, 340–342, 350–352, 354–356 Géza I., Kg. 124 Géza II., Kg. 202 Géza, magyar. Fürst 64, 67, 74 Gisela, Ksin. 100 Gisela, Kgin. 105 Gizo → Sizo Glismod, Mgfin. 120 Gottfried von Würzburg, B. 243f. Gottschalk von Freising, B. 99 Gregor VII., Papst 134, 138f., 144 Gregor IX., Papst 306f., 325, 328, 333 Grillparzer, Franz 17 Habsburger 16f., 85, 152, 342, 356 Haderiche 78, 144 Hadmar I. von Kuenring, Min. 174, 188, 193 Hadmar III. von Kuenring, Min. 293, 311f. Hadubrand 86 Hartmann von Brixen, B. ( ehem. Propst von Chiemsee, von Klosterneuburg) 150, 173, 214 Hartmann von Chiemsee, Propst → Hartmann von Brixen Hartmann von Göttweig, Abt. 150 Hartmann von Klosterneuburg, Propst → Hartmann von Brixen
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Register Hatto von Mainz, Eb. 26, 51, 79f., 84, 89 Haunsberger 16 Heimo, S. des Witigowo 38 Heinrich I., Kg. 48f., 55–58 Heinrich II., Ks. 11, 61 91, 96f., 101,104, 148 Heinrich III., Ks. 78, 97, 104, 107, 110– 116, 119f., 122f., 131, 138, 148, 205 Heinrich IV., Ks. 120, 122–124, 132–142, 144f., 151, 153, 156–158, 160f., 163, 172 Heinrich V., Ks. 157f., 162f., 165 Heinrich VI., Ks. 234, 247, 254, 258–261, 266, 273f., 276, 285 Heinrich (VII.), Kg. 301, 304, 306, 314–318, 321, 350 Heinrich, S. Heinrichs (VII.) 350 Heinrich Raspe, (Gegen-)Kg. 299, 326, 351 Heinrich I., Kg. von England 163 Heinrich III., Kg. von England 300– 302, 318, 340 Heinrich V., Kg. von England 17 Heinrich von Albano, päpstl. Legat 243 Heinrich von Andechs-Istrien, Gf. 304 Heinrich von Augsburg, B. 71 Heinrich von Bamberg, B. 339 Heinrich I. von Bayern, Hz. 48, 58, 64, 88 Heinrich II. der Zänker von Bayern, Hz. 60, 64, 71–74, 78, 88, 96, 141 Heinrich IV. von Bayern → Heinrich II. Ks. Heinrich IX. der Schwarze von Bayern, Hz. 163, 166 Heinrich X. der Stolze von Bayern, Hz. 186–188, 193–195, 202f., 226 Heinrich II. von Kuenring, Min. 303, 311f. Heinrich von Meißen, Mgf. 316, 321
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1. Personen und Personengruppen Heinrich von „Melk“ 227 Heinrich d. Ä. von Mödling, „Hz.“ 222, 230, 247, 273 Heinrich d. J. von Mödling, „Hz.“ 313, 364 Heinrich, Mgf. (Nordgau) 78 Heinrich I., Mgf. 78, 86f., 91–97, 99– 103, 179f., 357, 359, 371 Heinrich II. Jasomirgott, Mgf. und Hz. 11, 162, 180–183, 192–205, 207f., 210–230, 232f., 239, 245, 255, 277, 281, 346, 358, 363, 377 Heinrich der Grausame, S. Hz. Liupolds VI. 299, 302f., 306, 310, 348– 350, 367, 376, 381 Heinrich von Regensburg, B. 196f. Heinrich III. von Regensburg, Bggf. 226 Heinrich IV. von Rietenburg, Bggf. 226 Heinrich der Löwe, Hz. 195–197, 200–204, 222f., 226, 233, 236–239, 241, 258, 260, 277 Heinrich II. von Schlesien, Hz. 330 Heinrich I. von Seckau, B. 319 Heinrich von Veldeke 234 Heinrich, Landschreiber 344 Hektor 345 Helene (Ilona), Hzin. 222, 268 Helios 200 Heribald von St. Gallen 43f. Hermann von Augsburg, B. 171 Hermann VI. von Baden, Mgf. 354 Hermann von Köln, Eb. 120 Hermann von Kärnten, Hz. 222 Hermann von Luxemburg (von Salm), Gf., (Gegen-)Kg. 139, 141 Hermann von Salza, Hochmeister 306 Hermann IV. von Schwaben, Hz. 100 Hermann I. von Thüringen, Lgf. 299 Heruler 19
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Hildebrand 86 Hinkmar von Reims, Eb. 42 Honorius III., Papst 305 Hunnen → Ungarn Ida von Braunschweig 111, 120 Imad ad-Din Zengi 155 Innozenz II., Papst 178, 181, 185 Innozenz III., Papst 274, 277, 280, 283–285 Innozenz IV., Papst 335, 338, 351f., 354 Irene (Maria), Kgin. 278 Isaak II. Angelos, Ks. 247, 278 Isaak von Zypern, Kg. 260 Isabella, Ksin. 318, 340 Isanrich, S. Mgf. Aribos 34 Itha von Formbach-Ratelnberg, Mgfin. 134, 138f., 141, 149, 151, 154f., 161, 171, 177, 179, 373 Ivo von Narbonne 332 Johann Ohneland, Kg. 17, 253, 261 Johannes XII., Papst 71f. Johannes von Santa Sabina, Kardinal 307 Joseph II., Ks. 16, 175 Joseph, slaw. Großer 65 Juden 292f., 336 Judith, Ksin. 88 Judith, Kgin. 120 Judith von Bayern, Hzin. 64, 71, 88 Judith, T. Mgf. Liutpalds I. 86, 88 Kadolde 78 Kadolt → Waisen Kalhoh von Falkenstein 281 Karantanen 30, 48 Karl der Große, Ks. 20, 23, 29, 39, 41, 51, 56, 58 Karl II. der Kahle , Ks. 23, 26 Karl III. der Dicke, Ks. 26, 33
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402 Karl der Einfältige, Kg. 56 Karl von Flandern, Gf. 166 Karlmann, Kg. 24, 33, 35, 50 Karolinger 21, 25f., 30f., 50f., 54, 59, 67 Katharer 287 Kavaren 40 Klamm, Gfn. von 291 Koloman, Hl. 97, 281, 338 Konrad I., Kg. 48–51, 53–55 Konrad II., Ks. 100, 104, 106, 111, 126f., 141, 177 Konrad III., Kg. 174, 186–188, 190, 192–194, 196–199, 201, 243 Konrad IV., Kg. 324, 332f. Konrad von Bayern, Hz. 115–117 Konrad von Dachau, Gf. 190 Konrad I. von Freising, B. 319 Konrad von Mainz, Eb. (von Salzburg, Eb.) 233, 278 Konrad von Montferrat, Mgf. 243, 248, 260f. Konrad von Nürnberg, Bggf. 323 Konrad von Passau, B. (von Salzburg, Eb.) 180, 200, 203, 217, 219–221, 225, 359 Konrad von Porto, päpstl. Legat 305 Konrad de Prato 213 Konrad I. von Salzburg, Eb. 164, 173, 178, 196 Konrad II. von Salzburg, Eb. → Konrad von Passau Konrad III. von Salzburg, Eb. → Konrad von Mainz Konrad, fränk. Gf. 79, 81 Konradin, S. Kg. Konrads IV. 356 Konradiner 25f., 50, 81 Konstanze von Aragón, Kgin. 279 Konstanze, T. Hz. Liupolds VI. 299, 316, 321
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Register Kozel, slaw. Fürst 42 Kriemhild 309 Kuenringer 14, 188, 231, 260, 311f. Kunigunde, Mgfin. 239 Kunigunde, Enkelin Kg. Bélas IV. 356 Kunigunde, T. Mgf. Liutpalds I. 86, 88f. Kürnberger 226f. Kurszán, magyar. Fürst 44, 47 Kyrill (Konstantin), Hl. 40 Ladislaus, Kg., Hl. 140 Ladislaus, S. Kg. Emmerichs 279 Langobarden 19 Laurentius, Hl. 206 Leo IX., Papst 116 Leopold I., Ks. 17 Liudolf, sächs. Gf. 25 Liudolf von Schwaben, Hz. 58f. Liudolfinger 25, 52, 59, 62, 64, 72 Liutpald I., Mgf. 16, 72–78, 82, 85–87, 95, 99–103, 180, 310, 357, 359, 370f. Liutpald, S. Mgf. Liutpalds I. 86, 88, 180 Liutpald II., Mgf. 123, 133–142, 144–146, 149–151, 154, 161f., 169, 179, 358, 364, 372f. Liutpald (II.), S. Mgf. Adalberts 102f., 107f., 110–113, 119f., 179 Liutpald III., Mgf. 11, 13f., 17, 101, 112, 134, 149, 151–158, 160–183, 186f., 199f., 206, 221, 224, 228, 280, 358f., 361, 363– 365, 367f., 374f., 379f. Liutpald IV., Mgf. und Hz. 180–182, 185–190, 192–194, 203, 205, 207f., 224, 226, 255, 376f. Liupold V., Hz. 16, 222, 230, 232–237, 241–255, 257–262, 264–266, 268–271, 273–277, 292–294, 328, 364, 377f. Liupold VI., Hz. 12, 16, 112, 265, 273, 275–293, 296–312, 314, 316, 320, 328, 337,
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1. Personen und Personengruppen 346, 348–350, 356, 358, 363f., 370, 376, 378–380 Liupold, S. Hz. Liupolds VI. 285, 297, 348f. Liupold von Steier, Mgf. 238 Liutpold, bayer. Gf. 27–29, 34, 47f., 52, 84f., 88 Liutpoldinger 52f., 64, 71f., 85, 87–89 Liutprand von Cremona, B. 43 Liutswind, M. Gf. Liutpolds 34 Lombarden 287, 324f., 328f., 351f. Lothar I., Ks. 23 Lothar III. von Supplinburg, Ks. 166– 168, 175, 185f. Lothar, Kg. 58 Lothringer 166 Ludwig der Fromme, Ks. 23, 26, 30, 88 Ludwig der Deutsche, Kg. 23–26, 30, 33, 35f., 50 Ludwig III. der Jüngere, Kg. 25 Ludwig IV. der Bayer, Ks. 368 Ludwig IV. das Kind, Kg. 24f., 27f., 34, 36, 48, 50, 60, 79 Ludwig VIII., Kg. 198, 301 Ludwig IX. der Heilige, Kg. 336 Ludwig I. von Bayern, Hz. 284, 302– 304, 306, 313 Ludwig IV. der Heilige von Thüringen, Lgf. 274 Luther, Martin 30 „Lymoges“ von Österreich, Hz. 268 Machland, Herren von 231 Madalwin von Passau, Chorb. 36 Magyaren siehe auch Ungarn 53, 63–68, 71f., 74f., 80, 84f. Mährer 27, 41, 92f., 104, 119, 318 Manegold von Passau, B. 282f., 286 Manuel I. Komnenos, Ks. 199f., 202, 220
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Margarete, Kgin. 300, 302f., 305, 314, 350, 352, 354–356, 358, 363f., 370 Margarete Maultasch, Hzin. 16 Maria von Böhmen, Mgfin. und Hzin. 188, 193 Maria Laskaris, Kgin. 299, 304 Maria Theresia, Ksin. 17, 284 Markomannen 19 Markward von Hakkingin, Min. 207 Markward von Klosterneuburg, Propst 173 Mathilde, Ksin. 163 Mathilde, Kgin. 57 Mathilde von Cham-Vohburg, Mgfin. 364 Maximilian I., Ks. 17, 363 Meginharde 77 Meinhard II. von Görz, Gf. 258 Meinhard III. von Görz, Gf. 354 Meinwerk von Paderborn, B. 120 Meißener 332 Mongolen 330, 333 Mozart, Leopold 359 Neithart von Reuenthal 346, 348 Nero, Ks. 322 Nikolaus von Verdun 173 Normannen 24, 46, 199, 222 Odo von Deuil, Hofkaplan 198 Orion 200 Ostarliuti Otachar, fränk.-bayer. Gf. 35 Otakar I., Kg. 278, 284, 302f. Otakar II., Kg. 355–357 Otakar I. von Steier, Mgf. 140, 145 Otakar III. von Steier, Mgf. 197, 215, 218, 223, 238–240 Otakar IV. von Steier, Hz. und Mgf. 223, 239–243, 253, 270
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404 Otakar ouz der Geul 345 Otakare → Traungauer Otto I. der Große, Ks. 48, 57–60, 62–64, 71, 88, 102, 130, 228 Otto II., Ks. 59f., 62, 72, 76, 125, 194, 241 Otto III., Ks. 60f., 99 Otto IV. von Braunschweig, Ks. 277, 279, 282, 284f. Otto I. von Bayern, Hz. 315 Otto II. von Bayern, Hz. 323, 334, 338, 342, 354 Otto von Eberstein, Gf. 352 Otto von Freising, B. 44, 79f., 82–87, 89, 103f., 119, 152, 155, 158, 160, 172–174, 177f., 180, 182, 187, 193, 195, 198, 203, 210, 214–216, 225, 229, 359, 374 Otto von Klosterneuburg, Propst 172 Otto von Leng(en)bach 321 Otto von Machland 189, 197 Otto VII. von Meranien, Hz. 288, 299, 304, 306 Otto Orseolo, Doge 364 Otto von Sachsen, Hz. 51 Otto IV. von Wittelsbach, Pfgf. 192, 201 Otto V. von Wittelsbach, Pfgf., Hz. 220, 233, 239 Otto VI. von Wittelsbach, Pfgf. 283 Ottonen siehe auch Liudolfinger 73 Ovo, Kg. → Aba, Kg. Paris 345 Paschalis II., Papst 149 Perg, Herren von 161, 236 Pernegger 134 Peter II., Kg. 287 Peter Orseolo, Kg. 106f., 110, 112, 118 Petrus de Vinea, Hofkanzler 320 Petrus von Wien, Mag. 229 Petschenegen 41f. Pfeffel, „her“ 346
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Register Philipp von Schwaben, Kg. 276–280, 282–286 Philipp II., Kg. 248f., 258, 260f. Phoebus 200 Pilgrim von Passau, B. 75f., 309 Pippin, S. Ludwigs des Frommen, Kg. 23 Plain, Gfn. von 220 Plantagenêts 300 Poigen-Rebgau, Gfn. von 189, 236 Polen 177, 181, 223 Poppo von Trier, Eb. 86f., 100–102, 112, 127, 180, 359 Popponen 25f., 81, 84, 89 Poto, Gf. 121 Přemysliden 153, 196, 230–232, 278, 339, 355 Preussel, Heinrich 342 Preussel, Wernhart 342 Privina, slaw. Fürst 38, 42 Pruzzen (Preußen) 335 Raimund VI. von Toulouse, Gf. 287 Rapoto von Cham-Vohburg, Gf. 135 Rapotonen 141 Ratelnberger 149 Ratpot, fränk. Gf. 33, 38 Regensburger Burggrafen 236 Reginbert von Passau, B. 198, 200 Reginmar von Passau, B. 185 Regino von Prüm, Abt 43, 49 Reinmar von Hagenau 268, 275, 378 Reußen → Russen Richard I. Löwenherz, Kg. 12, 17, 248– 250, 252, 258–262, 265f., 269, 271, 275, 277, 291, 301, 328, 378 Richard III., Kg. 17 Richlind von Ebersberg, Gfin. 113 Richwar(a), Mgfin. 86f., 100 Richwin 117, 119, 122
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1. Personen und Personengruppen
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Roman von Halicz, Fürst 355 Rüdeger von Bechelaren, Mgf. 71, 124, 309 Rüdiger von Passau, B. 323, 338 Rudolf von Habsburg, Kg. 17, 361 Rudolf von Rheinfelden, (Gegen-)Kg. 125, 135, 138f. Rudolf IV. der Stifter, Hz. 17, 211, 351f. Rudolf, österr. Kronprinz 16 Rugier 19 Rupert von Passau, B. 220 Russen (Reußen, Ruzarii) 177, 181, 258, 344
Spanheimer 15, 114, 254 Starfrid von Bezelinsdorf, Min. 207 Staufer 162, 183, 187, 232, 234, 273, 277, 314f., 324 Stephan I. der Heilige, Kg. 105f., 111, 186, 264 Stephan II., Kg. 164 Stephan III., Kg. 222 Sueben 19 Sulzbacher 236 Sunthaym, Ladislaus 361 Svatopluk, mähr. Fürst 33, 42 Swanhild, Mgfin. 120, 364
Sachsen 47, 54–57, 59, 124f., 132f., 163, 165f., 168, 223, 332 Saladin, Sultan 243f., 249, 252, 274, 289 Salomon, Kg. 120, 122–124, 345 Salomon III. von Konstanz, B. 53 Samson 345 Sarazenen 46, 60 Schala, Gfn. von 236 Schiller, Friedrich von 345, 359 Sc(h)lom, Münzmeister 271, 293 Schwaben 23, 30, 54f., 58, 165 Schwarzenburg-Nöstacher 175 Seldschuken 154 Severin, Hl. 210, 281 Shakespeare, William 157, 268f. Siegfried, Mgf. 113f., 116 Sighard, Gf. 156f. Sighardinger 74f., 77, 138, 206 Sigibold von Melk, Abt 149 Sizo (Gizo) 73f. Slawen 19, 27, 30, 37, 45f., 60 Sobeslav I. von Böhmen, Hz. 177 Sobeslav II. von Böhmen, Hz. 230 Sophia (?) Laskaris, Frau Hz. Friedrichs II. 299 Sophie, Mgfin. 238
Tannhäuser 341, 346 Tassilo III., Hz. 29 Thankmar, S. Kg. Heinrichs I. 58 Theodora, Mgfin. und Hzin. 199f., 210f., 216, 220, 222 Theodora, Hzin. 278, 297, 299, 303, 307, 318, 321, 347 Theodoros Laskaris, Ks. 299, 334 Theodoros Prodromos (Pseudo-) 199 Theophanu, Ksin. 60f., 76 Theotmar von Salzburg, Eb. 35 Thiemo von Salzburg, Eb. 153 Thietmar von Merseburg, B. 78, 91, 94, 96, 101 Thomasin von Zerclaere 286 Thüringer 23, 54f., 332 Traungauer (Otakare) 16, 223, 233, 237–241, 254f.
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Udalrich von Augsburg, B. 58, 72 Udalrich von Böhmen, Hz. 94 Udalrich I. von Passau, B. 146, 153f., 156, 169 U(da)lrich II. von Passau, B. 286 Udalrich von Suvringin, Min. 207
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406 Ulrich III. von Kärnten, Hz. 335, 342, 356 Ulrich von Lichtenstein 293, 299, 304, 309, 343f., 346 Ulrich von Peggau, (Gf. von Pfannberg) 325 Ulrich von Pernegg, Gf. 189 Ulrich von Ulten, Gf. 291 Ungarn(„Hunnen“) 27f., 39–48, 52, 56, 58f., 95, 104–106, 108–110, 112, 115, 117–122, 125, 133, 162–164, 177, 197, 199, 208, 222, 225, 278, 313, 315, 318, 343, 351, 365, 372, 380
Register Wilhelm von Holland, Kg. 354 Wilhelm der Eroberer, Kg. 17 Wilhelm von Meißen, Mgf. 120f. Wilhelminer 27, 33, 38 Witigowo, fränk. Gf. 38 Wolfgang von Regensburg, B. 73 Wolfger von Passau, B., Patriarch von Aquileia, 279, 282, 309
Vidomar von Limoges, Gf. 269 Viktor IV. (Gegen-)Papst 218 Vladislav II. von Böhmen, Hz. 197, 202, 214, 220 Vladislav, S. Kg. Wenzels I., 326, 329, 342, 350f. Vohburger (Cham-Vohburger) 136, 141, 171 Vratislav von Böhmen, Hz. 140, 144f. Waisen 342 Walter von Kling, Gf. 171 Walther von der Vogelweide 230, 275, 278f., 308f., 348 Welf III. von Kärnten, Hz. 117 Welf IV. von Bayern, Hz. 125, 135, 138, 141, 145, 151, 153f. Welf VI., Hz. 188, 190, 196, 202f., 215 Welfen 88, 187, 190, 192, 198–201, 208, 215, 241 Wenzel I. von Böhmen, Kg. 312, 316, 319, 323, 326, 329, 342, 350, 355 Wernher, Bruder 319f., 346 Wiberat, Reklusin 44 Widukind von Corvey 39, 44, 58 Wikinger 43, 47
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2. Geografisches und topografisches Register Abkürzungen: Bez. (Bezirk), Bg. (Burg), Fl. (Fluss), Kl. (Kloster), Pf. (Pfalz). Aachen 25, 56f., 60, 202, 285 Absdorf 38, 97 Admont, Kl. 148, 218, 220, 223, 228, 254, 317, 352, 359 Adria 236, 258, 290 Aggsbach 38 Aggstein, Bg. 15, 38, 312 Ägypten 264, 289 Akkon 248–250, 252f., 258, 288 Alamannien 26 → Schwaben Albern (Wien, 11. Bez.) 213 Albi 287 Alland 95 Altdorf 188 Altenburg, Kl. 189, 227 Altenwörth (Sigemaresweret) 98f. Altmühltal 226 Amstetten 100 Anatolien 248 Anjou 277 Antiochia 244, 288 Apulien 236, 247, 354 Aquileia 258 Ardagger 242 Armenien (Kleinarmenien) 285 Arnsdorf 37 Aschach 35 Asparn a. d. Zaya 291 Attergau 236 Augsburg 48, 58, 63, 141, 255, 319, 323 Babenberg, Bg. → Bamberg Baden bei Wien, Pf. 24 Balkan 39 Baltikum 339
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Bamberg (Babenberg) 26, 81, 87, 97, 101, 206, 283f., 339 Barbinger Wiesen 204 Basel 101 Baumgartenberg, Kl. 189, 197, 231 Bayern 24f., 28, 30, 34–36, 39, 48, 50, 52–54, 60, 64, 69, 73, 77, 84f., 91, 107, 136f., 141, 168, 186–188, 190, 192–197, 200–205, 208, 210–212, 2218, 233, 237, 239, 241, 318, 323, 338, 346, 354, 376f. Beirut 274 Bezelinsdorf → Pötzleinsdorf Bodensee 25, 86 Bodman, Pf. 25 Böhmen 19, 61, 91f., 103, 107, 115, 123, 141, 145, 188, 213, 215, 232, 277, 290, 315, 317, 321, 323, 332, 339, 349 Böhmischer Wald 35 Bonn 56 Bozen 291 Brabant 24 Brindisi 274 Bruchsal, Pf. 99 Bucklige Welt 33, 38, 66 Bulgarien 245 Burgenland 15f., 343 Burgund 26, 28, 58, 101, 173, 187, 291, 359 Caesarea Palaestinae 288, 290 Calatrava 287 Ceprano 306f. Chagere → Kagran Château Pèlerin 288 Chiemgau 237 Chiemsee 283
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408 Cividale 314 Cluny, Kl. 150, 174 Cordoba 59 Cotrone 60 Culmite 42 Cumpindorf → Gumpendorf Damaskus 199 Damiette 289f., 301 Deutsch Altenburg 110, 114–116 → Hainburg Döbling (Wien, 19. Bez.) 171, 354 Don, Fl. 40 Donau, Fl. 18f., 31, 35, 37f., 43, 46f., 53, 63–66, 68–70, 72–74, 77f., 84f., 91, 94–98, 105, 107–112, 114, 119f., 123–125, 137, 141, 144, 150f., 161–163, 172, 174, 176, 188, 194, 197f., 213, 215, 219, 222, 224, 228, 230f., 240, 244, 254f., 264, 280, 292, 303, 309, 312, 317, 323, 326, 329, 331f., 355, 365, 372, 377 Donaugau 34, 73 Donauland 64, 69, 99, 104, 148, 309 Donautal 37, 226f., 290 Donauwörth 87, 303 Donau/Theiß Ebene 42, 46f. Dornbach (Wien, 17. Bez.) 206, 208 Drau, Fl. 30, 237f., 254, 356 Drösing 148 Dunkelsteiner Wald 38, 74, 78 Dürnstein, Bg. 12, 15, 260, 312 Ebersdorf bei Melk 217 Edessa 155 Eferding 309 Eger, Pf. 232 Eggenburg 113, 224 Eifel 43 Eisenburg (Vasvár) 164, 332 Eisenstadt 164
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Register Elbe, Fl. 60f., 92 Elsass 48, 359 Engilschalchisdorf 34 England 247, 268, 275, 333 Enns 75, 241, 270, 285, 294, 309, 325, 352 Enns, Fl. 29f., 33, 35, 47, 52, 63, 67, 82, 98, 121, 145, 149, 223f., 237, 254 Ennsburg, Bg. 28, 47, 67 Ennswald 20, 29, 38, 67, 113 Eperaespurch → Ybbs Erdberg (Wien, 3. Bez.) 259, 291, 328 Erfurt 233 Erla, Kl. 148 Erla, Fl. 67 Erlauf, Fl. 38, 73, 77, 291 Erlauftal 37 Ernstbrunn 74 Etelköz 40f. Fallbach 66 Favianis 210, 281 → Wien Fischa, Fl. 29, 44, 47, 74, 95, 105f., 111, 113f., 116, 118f., 122, 198 Fischamend 114 Fischau (Bad Fischau) 224, 270 Flandern 293, 348 Forchheim, Pf. 25, 54 Franken 25, 48, 50, 54–56 Frankfurt a. Main 23 Frankreich 262, 275, 333 Freising 28, 38, 65, 99 Freistadt 290 Friaul 29, 67, 258, 316 Friedberg 270 Friesach 258, 271, 304, 334 Fritzlar 55, 124 Fulda, Kl. 48 Fürstenfeld 239 Galizien (Halicz) 355
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2. Geografisches und topografisches Register Gandersheim, Stift 25 Garda, Bg. 58 Gars, Bg. 37, 133, 150f., 172, 232, 357, 359 Gars-Thunau, Bg. 107 Garsten, Kl. 228 Gaubitsch 66, 117, 122 Georgenberg bei Enns 241, 325 Geras, Kl. 189, 291 Gobelsburg 37 Godtinesfeld 206 → Unter-St. Veit Göksu, Fl. → Saleph Göllersbach, Fl. 68 Gölsental 66 Gorze, Kl. 150 Goslar, Pf. 196, 203 Göss, Stift 148 Göttweig, Kl. 146, 150, 165, 169f., 189, 228 Grafenberg 113, 115 Grafenwörth 38 Gramastetten 290 Gran (Esztergom) 316 Gran, Fl. 110 Graz 238f., 254f., 264, 305, 324 Grazer Feld 255 Greifenstein, Bg. 74 Grein 52, 112f., 291 Grinzing (Wien, 19. Bez.) 171, 206 Groißenbrunn 355 Groß-Enzersdorf 105, 217 Großkrut 117, 122 Großmehring 309 Grunzwitigau 38 Gumpendorf (Cumpindorf, Wien, 6. Bez.) 207 Gumpoldskirchen 94 Gurk, Kl. 283 Hacking (Hakkingin, Wien, 13. Bez.) 207
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Hagenau, Pf. 319 Hainburg siehe auch Deutsch-Altenburg 104, 110, 148, 236, 270, 303, 309, 348, 350, 352 Hainfeld 66 Halle a. d. Saale 277 Hardegg, Bg. 220 Hartberg 238 Harz 24, 374 Haselgraben 233 Heiligenkreuz, Kl. 15, 95, 174f., 188, 193, 232, 236, 265, 274, 280, 333, 335f., 339, 357–359, 364, 368, 375, 377, 380 Heiligenstadt (Wien, 19. Bez.) 210 Hengistburg, Bg. 117, 238, 255 Herilungopurc → Pöchlarn Hernals (Alsa, Wien, 17. Bez.) 206f. Herrieden, Kl. 38, 169 Herrnbaumgarten 117, 122 Herzogenburg, Stift 33, 38, 77, 98f., 169, 271 Heurtteswanc 38 Himberg 326, 346 Hohenaltheim, Pf. 77 Hollenburg 37f., 77 Homburg a. d. Unstrut 124f., 372 Horner Becken 37, 189, 291 Ingelheim, Pf. 111 Inn, Fl. 48, 73, 85, 144, 309 Inntal 299, 310 Innviertel 16, 299 Ischlland 16, 240, 254 Italien 39, 42, 48, 50, 58–61, 141, 144, 213, 230, 247, 265, 302, 304, 306, 319, 324, 328, 333, 339, 350, 379 Jauerling 68 Jedlesee (Otcinesseuue ?) 98f., 230, 354 Jerusalem 153, 236, 243, 252
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Register
Jordan, Fl. 288 Judenburg 238, 355
Kremstal 337 Krumau a. Kamp 193, 356
Kagran (Chagere; Wien, 22. Bez.) 105, 207 Kahlenberg siehe auch Kahlenbergerdorf, Leopoldsberg Kahlenbergerdorf (Wien, 19. Bez.) 354 Kahlengebirge 207 Kaindorf (Konradesdorf) 238 Kalabrien 60 Kamp, Fl. 65f., 68, 95f., 176, 188, 193 Kamptal 37f., 99, 134, 151 Karantanien 24, 30, 34, 60, 73 Karantanische Mark (marchia Carentana) 38, 43, 117, 123 Karnburg, Pf. 24 Kärnten 15, 114, 237, 239, 241, 258, 284, 316 Karpatenbecken 41 Kaspisches Meer 40 Kiew 59 Kleinasien 154 Klosterneuburg (Neuenburg), Pf., Stadt u. Stift, 15, 17, 36, 163, 170–172, 175f., 198, 205, 211, 214, 222, 228, 232, 236, 286, 291, 297, 348, 351, 357–359, 361, 363f., 374, 376 Knittelfeld 355 Köln 56, 202, 216, 255, 279, 282 Konradesdorf → Kaindorf Konstantinopel 39, 198f., 201, 210, 228, 244, 279 Konstanz 208, 234 Korneuburg 331 Krain 241, 290, 310, 340, 351, 354 Krems 68, 77, 95, 98f., 176, 218, 271, 326, 352, 356 Krems, Fl. 176 Kremsmünster, Kl. 38, 149, 169, 228
Laa a. d. Thaya 294, 326, 329, 342 Lahn, Fl. 25 Lambach, Kl. 148f., 228, 237, 290, 315 Land ob der Enns siehe auch Ober österreich 330, 355 Landstraße (Wien, 3. Bez.) 207 Langheim, Kl. 281 Laufen 220 Lauriacum → Lorch Lavant 283 Laxenburg 291 Lebedien 40 Lech, Fl. 58, 188 Lechfeld 48, 63, 206 Leibnitz 178 Leiser Berge 37 Leitha, Fl. 29, 82, 95, 106, 111, 113f., 116, 118f., 123, 197, 225, 331, 343, 346, 350f. Leoben 355 Leopoldsberg (Kahlenberg) 170, 354 Leopoldsdorf 346 Liegnitz 330 Liesing (Dürre Liesing), Fl. 94 Lilienfeld (Mariental), Kl. 169, 280, 288, 307, 356–358, 363f., 370 Linz 16, 35, 290, 323 Locsmand → Lutzmannsburg Loiben 37 Loire, Fl. 287 Lombardei 303, 315 London 300 Lorch (Lauriacum) 67, 75f., 281 Lothringen 25f., 54, 56 Lüttich 161 Lutzmannsburg (Locsmand) 332 Lyon 340, 351
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2. Geografisches und topografisches Register Maas, Fl. 54, 56 Machland 189, 215, 226, 236, 291 Magdeburg 59f., 232 Mähren 91f., 95f., 124, 224, 293, 315, 329 Mailand 213 Mailberg 144 Main, Fl. 79, 101, 374 Maintal 82 Mainz 163, 165, 168, 183, 234f., 241, 277, 318 Mangfall, Fl. 190 Mank, Fl. 236 Mannswörth 105, 213 March, Fl. 24, 95f., 105, 109, 114, 119f., 123, 224, 316, 356 Marchegg 356 Marchfeld 104, 355 marchia Carentana → Karantanische Mark marchia orientalis → Ostmark Mariazell (Klein Mariazell), Kl. 174f., 374 Mariental → Lilienfeld Mattsee, Kl. 149 Mautern 29, 33–35, 76f., 145, 150, 207, 210, 217, 309 Mauthausen 244, 257 Meißen 356 Melk, Kl. 38, 73–75, 77f., 96f., 101, 121f., 149f., 155f., 169f., 172, 176, 226, 228, 232, 236, 257, 281, 309, 323, 344, 357–359, 363f., 374 Melk, Fl. 38 Meran 291 Metten, Kl. 38, 72, 218 Metz 25, 285 Miskolc 331 Mistelbach 37 Mistlbach bei Wels 76 Mittelrhein 162, 192, 194, 309
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Mödling 36, 170, 230, 273, 324, 326 Mondsee, Kl. 149 Mondseer Land 16 Monte Casino, Kl. 307 Moosburg, Kl. 38 Morimond, Kl. 173f., 280, 359 Mosel, Fl. 54, 56 Mühl (Große Mühl), Fl. 233 Mühlviertel 35, 161, 169, 189, 197, 231, 233, 334 Münster-Schwarzach, Kl. 149 Mur, Fl. 237, 240, 280 Murtal 238 Mürz, Fl. 237, 280 Mürztal 238 Naumburg 357 Neapel 356 Neckar, Fl. 25 Neu(en)burg → Klosterneuburg Neuhofen 99 Neumarkt 316, 320 Neunkirchen 270 Neusiedlersee 123 Neustadt (Wiener Neustadt, Nova Urbs) 198, 271, 323–326, 328, 331f., 344 Niederabsdorf 114 Niederaltaich, Kl. 38, 97, 106, 108, 114, 169, 175, 193 Niederösterreich 14, 17, 30, 115, 123, 148, 161, 169, 224, 282, 303, 337 Nikolsburg 114 Nil, Fl. 289 Nordgau (bayerischer) 34, 48, 73, 162 Nordsee 257 Nordwald (silva Nortica) 19, 68, 113, 174, 176, 188f., 193, 223, 231, 281 Nöstach 78 Nova Urbs → Neustadt Nürnberg 135, 163, 208, 244, 285, 303
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412 Oberleiser Berg 107 Obernberg a. Inn 338, 342 Oberösterreich (Land ob der Enns) 14, 16, 161, 215, 337 Oberpfalz 157 Ödenburg (Sopron) 332 Ofen (Buda) 355 Ollern 217 Olmütz 230 oriens → Ostland, bayerisches orientalis pagus 114 Orth 105 Ossiach, Stift 148 Ostarlant → Ostland, bayerisches Ostarrichi 99 Ostland, bayerisches (oriens, Ostarlant, partes orientales, plaga orientalis) 21, 24, 29–31, 33, 35–38, 43f., 46, 52f., 63, 65–68, 71f., 76, 78, 97, 99, 114, 205 Ostmark, bayerische (marchia orientalis) 80, 104, 106, 113, 117–119, 121, 133, 135, 137f., 144, 146, 148–150, 153, 161–164, 169, 183, 193, 238 Ostrong 68 Ostsee 61, 257 Otcinesseuue → Jedlesee, Ützensee Ottakringer Bach 210, 270 Ottensheim 290 Ötting (Alt-Ötting) 24f. Palästina 236, 244, 248, 260, 274, 288 Pannonien 19f., 28, 31, 36, 39, 41f., 44, 63, 75f. Paris 172f. partes orientales → Ostland, bayerisches partes orientis 219 Passau 34f., 38, 59, 76, 117, 123, 144f., 148, 150, 170, 176, 182, 198, 207, 219, 280–282, 309
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Register Pavia 58 Penzing (Wien, 14. Bez.) 313 Perg 236, 291 Pernegg, Kl. 133, 189, 291 Perschling, Fl. 38 Persenbeug, 38, 77, 113, 226, 236 Pesaro 230 Pettau 178, 254 Pförring 309 Philippopel 246f. Piacenza 234 Pielach, Fl. 38, 77, 111, 236, 291 Piesting, Fl. 66, 238, 254, 343, 355 Pinkafeld 306 Pitten 36, 38, 221, 223, 238, 254, 270 plaga orientalis → Ostland, bayerisches Plattensee 30, 38 Plattling 274, 309 Pöchlarn (Herilungopurc) 38, 42, 47, 71, 73, 77, 309f. Polen 61, 141, 371 Pordenone 290, 314 Pottendorf 343 Pötzleinsdorf (Bezelinsdorf; Wien, 18. Bez.) 207 Prag 230, 357 pratum 213 Pressburg 29, 48, 52, 63, 69, 84, 110, 116, 163, 197, 245 Prinzersdorf a. d. Thaya 121, 224 Prüm, Kl. 43, 49 Pulkau, Fl. 115 Pustertal 114 Quedlinburg 64, 78 Raab (Györ) 332 Raab, Fl. 106, 164 Raabs 290 Raabser Wald 123
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2. Geografisches und topografisches Register Rabnitz, Fl. 111 Radkersburg (Bad Radkersburg) 238 Raffelstetten 35 Ranshofen, Stift 173 Ratelnberg (Radlberg) 138 Rätien 19, 26 Ratschenhöfe 174 Ravelsbach 170 Ravenna 313 Ravensburg 188, 361 Regen, Fl. 19, 157 Regensburg 23, 25, 34, 38, 64, 71, 101, 107, 110, 121, 136, 153, 156f., 163, 187f., 193, 201, 203f., 208, 216, 221f., 225f., 228, 233, 239, 242, 244f., 255, 259, 287 Regnitz, Fl. 26 Reichenau, Kl. 86 Reichersberg, Stift 173 Rein, Kl. 238 Reisenberg 230 Rhein, Fl. 23, 31, 47f., 50, 54, 56, 183, 195, 208, 225, 333, 374 Riedmark 68, 161, 215, 231, 282 Riegersburg (Rüdigersburg), Bg. 238, 324, 334 Ringlinse → Stadlau Rom 24, 59–61, 131f., 144, 203, 221, 281, 283, 290 Rosdorf 35 Rossatz 38 Rott, Fl. 48 Rottenbuch a. Inn, Stift 173 Rückersdorf 172 Rüdigersburg → Riegersburg Rußbach 105 Säbnich, Stift 197, 231 Sachsen 14, 25, 48, 50, 54, 144, 188, 192, 195, 203, 215, 237, 258, 298 Sachsengang 105
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Sajó, Fl. 331 Saleph (Göksu), Fl. 248 Salerno 60 Salzach, Fl. 19 Salzburg 15, 27, 37, 42, 59, 75f., 206, 219, 221, 283, 359 ---, St. Peter (Stift) 169, 208, 228 San Germano 307, 311 St. Andrä, Stift 283 St. Blasien, Kl. 150 St. Emmeram, Kl. 38, 71, 73 St. Florian, Stift 149f., 285 St. Gallen, Kl. 48 St. Georgen a. Längsee, Stift 148 St. Michael (Wachau) 70 St. Nikola, Stift 150, 175 St. Pölten, Stadt u. Stift 33, 38, 77, 138, 149f., 169, 175, 217f., 236, 258 Sattelbach, Fl. 174, 374 Save, Fl. 30, 238, 254 Schallaburg, Bg. 156, 236 Scheibbs 123 Schlägl, Kl. 281 Schmida, Fl. 38, 66, 68, 105 Schoderlee 66 Schüttinsel, Große 66 Schwaben (Alamannien) 25f., 29, 48, 53f., 88, 100, 125, 162, 190, 194, 318, 349, 359 Schwäbisch Gmünd 170 Schwarzes Meer 40 Schwechat, Fl. 74, 105, 213 Seckau, Stift 283 Seefeld 78 Seitenstetten, Kl. 36, 170 Seitz, Kl. 218, 253 Semmering 218, 238, 270, 355 Seuslitz, Kl. 356 Siebenbürgen 42 Sieghartskirchen 116
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414 Sievering (Suvringin; Wien, 19. Bez.) 171, 207 Sigemaresweret → Altenwörth silva Nortica → Nordwald Silvinprunno 38 Simmering (Wien, 11. Bez.) 206 Sitzenberg, Bg. 319 Sizilien 274, 324 Sliuuinihha 36 Slowakei 177, 316 Slowenien 218 Sofia 220, 222 Sollenau 313 Spanien 333 Speyer 183, 202, 224, 261, 277, 361 Spitz a. d. Donau 38 Staatz, Bg. 224, 342 Stadlau (Ringlinse) 316 Starhemberg, Bg. 15, 323, 325, 351 Steier(mark)( Stire, Stiremarke, Stirensis ducatus, Stiria, Stiriae terra, Styria) 14, 16, 237f., 240f., 244, 254, 265, 270f., 273, 280, 283, 303, 306, 315f., 319, 323–325, 328, 334, 343, 348, 351, 354f., 357, 378f. Stein 257 Steinakirchen 38, 146 Steyr (Stirapurc) 237, 240, 255, 294 Steyr, Fl. 237 Stiefern 38 Stillfried 148 Stirapurc → Steyr Stire(land) → Steiermark Stiremarke → Steiermark Stirensis ducatus → Steiermark Stiria → Steiermark Stiriae terra → Steiermark Stockerau 68, 98 Straßburg 25, 101 Stuhlweißenburg 113, 122
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Register Styria → Steiermark Sualafeldgau 87 Suben, Stift 173 Sundergau 73 Suvringin → Sievering Syrien 154 Tegernsee, Kl. 38, 97, 169, 218 Terra sancti Iacobi 287 Thaya, Fl. 66, 124, 144f. Thayaland 113 Thayatal 66 Theben (Devin), Bg. 315 Theiß, Fl. 48, 53 Theres, Bg. 79, 81 Thunau → Gars-Thunau Thüringen 25, 39, 48, 59, 298f. Thürnbuch 121 Tirol 15, 17 Traisen, Fl. 38, 69, 72, 77f., 98f., 107, 169, 236 Traisental 38, 280 Traiskirchen 170, 313 Traismauer 33, 36, 38, 77, 309 Traun, Fl. 35 Traungau 33, 35, 67, 73, 233, 236–238, 240, 254, 330 Traunkirchen, Stift 148 Tribur, Pf. 25 Trier 56, 101, 350 Triesting, Fl. 74, 94 Trifels, Bg. 261 Trübensee 99, 120f. Tschechien 232 Tulln 33, 36, 75–77, 98f., 108–110, 120f., 140f., 151, 161, 163, 172, 175f., 185, 257, 294, 309, 319 Tulln, große und kleine, Fl. 38, 68, 72 Tullnerfeld 38, 135f., 326 Tyrus 243, 274
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2. Geografisches und topografisches Register Ufernorikum 19 Ulm 25, 201, 255 Ulmerfeld 99 Ungarn 61, 103, 110, 112, 116–118, 121, 137, 141, 154, 164, 183, 198, 202, 205f., 213, 222, 236–239, 244f., 254f., 270f., 277, 288, 292, 295, 309, 317, 331f., 339, 349,,356, 371 Ungarnmark 148 Ungerdorf 66 Unstrut, Fl. 48, 56 Unter St. Veit (Godtinesfeld; Wien, 13. Bez.) 97, 284 Unterwaltersdorf 148 Uuolveswanc → Wolfesbach Url, Fl. 35, 67 Ützensee (abgek., Otcinesseuue?) 98 Vallei, Bg. 190, 192, 194 Venedig 247f., 258, 279, 288, 293 Verdun 23 Verona 64, 339–342 Vierfeld (Virfelt) 197, 245 Viertel ober dem Wienerwald 38, 148 Viertel unter dem Wienerwald 78 Villach 284, 339 Virfelt → Vierfeld Voitsberg 355 Vorarlberg 15f. Vorau, Stift 218, 228 Vornbach, Kl. 270 Vöttau, Bg. 315 Waag, Fl. 177, 181 Wachau 12, 37f., 98, 147, 169 Wagram 38, 66, 68, 91, 95–97, 99, 119, 124 Waldhausen, Stift 197, 231 Waldviertel 37, 133, 148, 151, 176, 189, 220, 291
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Waltersdorf 238 Walterskirchen 291 Wasserburg a. Inn 171 Waxenberg, Bg. 290 Wechsel 238, 270, 355 Weihenstephan, Stift 104f. Weikersdorf 170 Weimar 359 Weingarten, Kl. 188 Weinsberg 190 Weinviertel 37, 66, 74, 97, 104f., 110, 115, 117, 119, 123, 148, 236, 291, 342 Weitra, Bg. 312 Wels 48, 237, 290, 315, 317 Wenia → Wien Werra, Fl. 124 Wieden (Wien, 4. Bez.) 186, 281 Wien (Favianis, Wenia, Windopolis) 12, 15, 17, 33, 36, 42, 47, 104–106, 110, 151, 171, 174, 177, 186f., 194, 197f., 202, 204– 208, 210, 216, 219, 225f., 228, 232, 236, 245, 247f., 255, 257–259, 262, 264, 269, 271, 275f., 278f., 281–283, 286, 291–293, 295, 301f., 308f., 317, 323–326, 328f., 338, 341, 346, 350, 352, 355, 357, 376 ---, Am Hof, Pf. 210, 292, 324 ---, Bäckerstraße 206 ---, Berghof 205 ---, Fleischmarkt 292 ---, Freyung 11, 270 ---, Getto 293 ---. Graben 269 ---, Heiliggeist Spital 281 ---, (römische) Hochstraße 269 ---, Hoher Markt 292 ---, Judenschule 293 ---, Kärntner Tor 269f. ---, Kienmarkt 292 ---, Kohlmarkt 292 ---, Neuer Markt 292
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416 ---, Rüdenhof 259 ---, St. Peter 186, 206 ---, St. Ruprecht 206, 210 ---, St. Stephan 186, 198, 207, 283, 286 ---, Schottenkloster 11, 207, 210, 218, 270, 280, 282, 292, 358 ---, Schottentor 269 ---, Seitenstettengasse 292 ---, Sonnenfelsgasse 206 ---, Stephansschule 229, 324 ---, Weihenburg 208 ---, Wollzeile 206 Wien, Fl. 42, 207, 281 Wiener Becken 19, 37, 66, 74, 94f., 148, 313 Wiener Neustadt → Neustadt Wiener Pforte 98, 207 Wienerwald 20, 30f., 33, 36–38, 63, 66, 68, 72, 74, 85, 94f., 98f., 174, 189, 313 337, 357, 374, 376 Wiental 206 Wieselburg, Bg. 38, 73, 77 Wieselburg (Ungarisch Wieselburg, Moson) 122, 124, 332 Wildon 117, 238, 255 Wilhelmsburg, Bg. 33f., 77 Wilhering, Kl. 226 Windopolis 210 → Wien Wirochperge (abgek.; Wien 3. Bez.) 207 Wittau 105 Wolfenstein 38 Wolfesbach (Uuolveswanc) 36 Wolfpassing 230 Wolfsberg 284 Wolga, Fl. 40 Worms 48, 144, 183, 202, 254, 261 Wullersdorf 170 Würzburg 17, 78, 100, 183, 201f., 208, 219, 260f., 284, 350, 357, 359
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Register Ybbs (Eperaespurch) 35, 77, 100, 121, 236 Ybbstal 37 Zala, Fl. 42 Zara(Zadar) 248 Zaya, Fl. 105, 113–115, 119 Zeiselmauer 36, 145, 309 Znaim 224, 315 Zwentendorf 38 Zwettl, Bg. 188 ---, Kl. 174, 189, 193, 219, 224, 228, 230f., 281
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