Die Ausbreitung des Deutschtums in Südtirol im Lichte der Urkunden: Band 3, Teil 1 Ausbreitung des Deutschtums im Gebiete von Bozen und Meran, Teil 1: Darstellung [Reprint 2019 ed.] 9783486765687, 9783486765670


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German Pages 440 [448] Year 1932

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Table of contents :
Vorwort des Herausgebers
Vorwort des Verfassers
Inhaltsübersicht
Verzeichnis der Literatur
I. Hauptabschnitt. Die Ausbreitung des Deutschtums in Bozen und im oberen Btschviertel vom 7.-15. Jahrhundert
II. Hauptabschnitt. Die Ausbreitung des Deutschtums im Burggrafenamt
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Die Ausbreitung des Deutschtums in Südtirol im Lichte der Urkunden: Band 3, Teil 1 Ausbreitung des Deutschtums im Gebiete von Bozen und Meran, Teil 1: Darstellung [Reprint 2019 ed.]
 9783486765687, 9783486765670

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DIE AUSBREITUNG DES DEUTSCHTUMS IN SÜDTIROL IM LICHTE DER URKUNDEN DARGESTELLT VON

DR. OTTO STOLZ OBERSTAATSARCHIVAR U N D UNIVERSITÄTSPROFESSOR IN I N N S B R U C K

Herausgegeben von dem Institut für Sozialforschung in den Alpenländern a. d. Universität Innsbruck und der Stiftung für deutsdie Volks® und Kuiturbodenforschung Leipzig 3. B A N D Die Ausbreitung des Deutschtums im Gebiete von Bozen und Meran 1. T e i l : D a r s t e l l u n g

M Ü N C H E N U N D BERLIN 1932 D R U C K U N D VERLAG V O N R O L D E N B O U R G

Aile Redite, einschlieCIich des Qbersetzungsrechtes, vorbehalten Copyright 1932 by R. Oldenbourg, Mûncfaen und Berlin

Vorwort des Herausgebers. Auch dieser Band des Urkundenwerkes über das Deutschtum in Südtirol war nur durch die g e m e i n s a m e Bereitstellung r e i c h s d e u t s c h e r und ö s t e r r e i c h i s c h e r Mittel möglich. Sein Erscheinen bringt wiederholt zum Ausdruck, daß das Schicksal und die Not jedes deutschen Landes und jedes deutschen Volksteils eine Angelegenheit des ganzen deutschen Volkes ist, das niemals auf irgendeinen Teil seines Volkstums und seines Kulturbodens, niemals auf sein in tausendjähriger Kulturarbeit erworbenes Recht verzichten wird. Trotz der großen Not unserer Zeit haben — außer der L e i p z i g e r S t i f t u n g und dem I n n s b r u c k e r I n s t i t u t — auch das L a n d T i r o l und seine H a u p t s t a d t wieder zu den Kosten der Herausgabe des Buches opferwillig beigesteuert. Die demnächst als eigener Teil erscheinende Urkundensammlung bildet inhaltlich einen integrierenden Bestandteil dieses 3. Bandes. Innsbruck, im Oktober 1931.

Prof. Lamp.

Vorwort des Verfassers. Inhalt und Ziel des vorliegenden Bandes deute ich in den Vorbemerkungen zu den Hauptabschnitten desselben an (s. unten S. 1 ff. und S. 184ff.). Die Urkunden-Beilagen zum I. und II. Hauptabschnitte des vorliegenden ersten Teiles werden in einem eigens erscheinenden zweiten Teile gebracht werden (s. unten S. 6). Dem Gesamt werke, dessen erster und zweiter Band in den Jahren 1927 und 1928 erschienen sind, reiht sich der vorliegende dritte Band gemäß des von Anfang an in Aussicht genommenen Planes an: nämlich mit den Mitteln der Geschichtsforschung im engeren Sinne, d. i. aus den schriftlichen Aufzeichnungen der Vergangenheit, den U r k u n d e n also im weiteren Sinne, die A u s b r e i t u n g d e u t s c h e n W e s e n s u n d d e u t s c h e n B e w u ß t s e i n s i n D e u t s c h s ü d t i r o l , dem heute von Italien besetzten Grenzlande deutschen Volksbodens und deutschen Volksgebietes, festzustellen. Das Werk soll eine auf die Dauer berechnete Rüstkammer der geschichtlichen Beweisgründe für das Deutschtum von Südtirol sein. Die Sammlung und die inhalt11

IV

Vorwort des Verfassers.

liehe Darlegung der Quellen sollten daher in einem Werke vereinigt werden; damit war das Streben nach tunlichster Vollständigkeit und Ausschöpfung des Stoffes, auch eine gewisse Breite der Anlage bedingt. Durch straffe Gliederung glaube ich dennoch die berechtigte Forderung nach Übersichtlichkeit und Handlichkeit des Ganzen erfüllt zu haben. Dieser dritte Band bildet aber auch das K e r n s t ü c k des ganzen Werkes, weil er einerseits die ältesten geschichtlichen Belege für die Ausbreitung des Deutschtums im Herzgebiete von Deutschsüdtirol, nämlich im Räume von B o z e n und M e r a n und für diese beiden bedeutendsten Städte des Landesteiles vorführt und andererseits die Entwicklung des deutschen Nationalbewußtseins dortselbst bis auf unsere Zeit behandelt. Nach Ausgabe des vorliegenden dritten Bandes erübrigt es noch, in einem letzten Bande die urkundlichen Beweise für die Ausbreitung des Deutschtums im Vinschgau, d. i. im obersten Teile des Etschtales, und im Eisack- und Pustertale darzulegen. Daß dieser dritte Band nunmehr veröffentlicht werden konnte, dafür bin ich den Herausgebern zu tiefem Danke verpflichtet. Indem sie die Bedeutung meines Unternehmens für die wissenschaftliche Verteidigung des Deutschtums in einem ebenso wichtigen wie derzeit gefährdeten Randgebiete erkannten und anerkannten, haben sie auch die Geldmittel aufgebracht, um die Drucklegung und damit die allgemeine Benützung dieses Werkes zu ermöglichen. Ich danke sowohl dem Leiter der Stiftung für Deutsche Volksund Kulturbodenforschung in Leipzig, Herrn Geheimrat Prof. Wilhelm V o 1 z für sein Festhalten an der einmal begonnenen Unterstützung des Werkes, wie Herrn Prof. Karl L a m p , dem Vorstande des Instituts für Sozialiorschung an der Universität Innsbruck, für die ganz besondere, auch in häufigen persönlichen Aussprachen bekundete Förderung desselben. Dankbar gedenke ich auch aller jener, welche die Arbeiten der historischen Kommission des Tiroler Landesmuseums F e r d i n a n d e u m zur Herausgabe eines Tiroler Urkundenbuches durch Mitarbeit und finanzielle Unterstützung jeweils gefördert haben, in letzterem Sinne insbesondere der Deutschen Akademie in München und der Akademie der Wissenschaften in Wien. Die Ujkundensammlung dieser Kommission war die wichtigste Voraussetzung, daß ich den Quellenstoff für das Mittelalter mit so weitgehender Reichhaltigkeit heranziehen und verwerten habe können. Herrn Staatsarchiv-Direktor Dr. Karl Mo es er (Innsbruck) verdanke ich Hinweise auf einzelne besonders wichtige einschlägige Urkunden. Für Mitwirkung bei der Korrektur und Erteilung mancher auch inhaltlicher Ratschläge spreche ich schließlich neben einem Fachkollegen, der ungenannt bleiben will, Herrn Universitätsprofessor Dr. Ludwig S t e i n b e r g e r verbindlichen Dank aus. Innsbruck, im Oktober 1931. Otto Stolz.

Inhaltsübersicht. Seite

Vorwort des Herausgebers, Vorwort des Verfassers Verzeichnis der Literatur I. Hauptabschnitt. D i e A u s b r e i t u n g d e s D e u t s c h t u m s O b e r e n E t s c h v i e r t e l v o m 7. b i s 15. J a h r h u n d e r t

III XVI in

Bozen

und

im 1

Vorbemerkung zum I. und II. Hauptabschnitt

1

Siedlungsgeographische Kennzeichnung des Gebietes von Bozen und Meran S. i f . — Mittel des geschichtlichen Nachweises des Deutschtums S. 4. — Urkundenbeilagen S. 6. § 1. Die politische Zugehörigkeit des Gebietes von Bozen

6

Römerherrschaft, Pons Drusi S. 6. — Besitznahme des Gebietes von Bauzanum (Bozen) durch die Bajuvaren um 590 und dessen weitere Zugehörigkeit zum Herzogtum Baiern S. 7f. — Zugehörigkeit von Bozen zur Grafschaft Nurihtal (vallis Norica) und deren Ausdehnung im 10. und n . Jahrhundert, Herkunft jener Bezeichnung S. rof. — Übertragung der Grafschaft Bozen an das Hochstift Trient 1027 S. 11 f. — Übergang der Grafschaft Bozen an die Grafen von Tirol und die Auflösung jener in Landgerichte im 13. Jahrhundert S. 12 f. — Die volle Einverleibung dieses Gebietes in die Grafschaft Tirol S. 13. — Die Herrschaftsrechte des Bischofs von Trient über die Altstadt und das Stadtgericht von Bozen und deren Übergang an die Tiroler Landesfürsten, formell und endgültig 1531 S. 14. — Die Verschmelzung der Altstadt von Bozen mit den Gassen anderer, besonders tirolischer Herrschaftszugehörigkeit zu einem Gemeinwesen, insbesondere durch die Ratsordnung von 1363 und 1381, und Unterstellung jenes unter die tirolische Landeshoheit S. 15. — Das Gebiet von Bozen in der Viertel- und Kreiseinteilung Tirols seit dem 15. Jahrhundert S. 16. 5 2. Orts- und Geschlechternamen von Bozen und Umgegend als Zeugnisse der deutschen Besiedlung derselben vom 8. bis 13. Jahrhundert Sprach- und volkstumsgeschichtliche Ausdrücke wie urrätisch, vorrömisch, rätoromanisch, ladinisch, vordeutsch S. i8f. — Die ältesten Erwähnungen des Namens Bozen vom 8. bis n . Jahrhundert S. i8f. — Runcazi nomen latinum S. 20. — Germanische Personennamen von Grundbesitzern und Schöffen zu Bozen aus dem 11. Jahrhundert S. 20f. — Die Anfange der markt- und stadtartigen Entwicklung Bozens S. 22. -•• Ortsnamen und deutsche Personennamen für die 17®

17

Inhaltsübersicht.

VI

Seite

Gemeinde K e l l e r oder Gries aus d e m I i . und 12. Jahrhundert S. 22f. — D e r grundherrliche B e s i t z bairischer S t i f t e r im Gebiete v o n Bozen S. 24 f. — Deutsche Geschlechternamen für Bozen und Gries v o n der M i t t e des 12. bis zur M i t t e des 13. Jahrhunderts S. 27f. — D e r N a m e W a l c h in Bozen S. 28. — D i e Geschlechternamen für Bozen und Gries n a c h den Urkunden v o n 1250 bis 1300 S. 29 f. — D i e Vornamen S. 32. — Ortsnamen (Flur-, Hof- und Burgnamen) im B e reich v o n Bozen und Gries v o m E n d e des 12. bis zur M i t t e des 13. Jahrhunderts S. 32f. — Ebenso nach den Urkunden v o n 1250 bis 1300 S. 33 f., nach Urbaren S. 36. — Die ältesten Formen der N a m e n für die Flüsse E t s c h , E i s a c k und Talfer S. 35 f., für die entsprechenden Täler S. 37. — Gesamtergebnis dieser Ortsnamenerhebung, die Bezeichnung der Bozner Gegend als „ T e u t o n i c u s " im 13. Jahrhundert S. 38. — Der Gebrauch deutscher Ortsnamenformen in Bozen für auswärtige italienische und deutsche Orte im 13./14. Jahrhundert S. 39. — Haltlosigkeit der A n n a h m e italienischer Historiker über das A l t e r des deutschen Wesens v o n Bozen S. 39 f. — Orts-, Hof- und Geschlechternamen für die L a n d g e m e i n d e n nördlich v o n B o z e n im 13. Jahrhundert, und z w a r : T e r l a n und V i l p i a n S. 4of. — Jenesien S. 4 2 ! — F l a a s S. 43. — Mölten S. 43f. — S a r n t a l S. 45 f>— R i t t e n S. 47 f. — Villanders S. 49 f. — E g g e n t a l und Welschnofen S. 51. — Statistik jener H o f n a m e n nach ihrer Sprachwurzel § 3.

§ 4.

S. 52fD e r Gebrauch einzelner deutscher W o r t e in lateinischen Urkunden aus dem Gebiete v o n B o z e n im 13. Jahrhundert Dieser Gebrauch ein Beweis für die Stellung der deutschen als der Gemeinsprache, die B e d e u t u n g des „ v u l g a r i t e r " S. 53. — Die erste E r w ä h n u n g eines deutschen W o r t e s im Zollvertrage für B o z e n von 1202 S. 53. — Deutsche Ausdrücke im Gerichtswesen v o n Bozen in U r k u n d e n seit 1208 S. 54f. — D a s deutsche Gepräge der Rechtseinrichtungen in Bozen im 13. Jahrhundert S. 5 5 I — B e r u f u n g e n auf römisches R e c h t in B o z n e r U r k u n d e n des 13. Jahrhunderts S. 56. — Technische deutsche A u s d r ü c k e in der Bozner Brückenordnung v o n 1239 S. 37. — Deutsche W o r t e in der B o z n e r Notarsinbreviatur v o n 1237 S. 57. — D e u t s c h e A u s d r ü c k e in andern Bozner Urkunden des 13. Jahrhunderts für rechtliche Begriffe S. 58, für wirtschaftliche Begriffe S. 59. — Verschiedene deutsche Ausdrücke in Urkunden für die Landgemeinden um B o z e n : Terlan, Mölten, R i t t e n , Karneid, Sarntal, Villanders S. 60. — Deutsche Ausdrücke in lateinischen Urbaren für die Gegend v o n Bozen S. 61. — Deutsche L e h n w o r t e aus d e m Romanischen in B o z n e r U r k u n d e n des 13. und 14. Jahrhunderts S. 61 f. Der G e b r a u c h der deutschen Sprache für U r k u n d e n und andere Aufzeichnungen in Bozen und U m g e b u n g aus dem 14. und 15. Jahrhundert. Das Gesetz v o n 1289 und andere landesfürstliche Urkunden in deutscher Sprache für die Gemeinde und einzelne Bürger von Bozen im 14. Jahrhundert S. 63t. — D i e älteste deutsche Gerichtsurkunde für Bozen-Gries v o n 1305 und ihr I n h a l t S. 66f. — Andere deutsch geschriebene Urkunden des Gerichtes Bozen-Gries seit 1351 S. 69. — Der Spruch des tirolischen Hofgerichtes zu Bozen und Meran für das K l o s t e r Sonnenburg von 1327, die Festlegung der deutschen Muttersprache für dasselbe S. 69 f. — Weitere Urteilsprüche dieses Gerichtes in deutscher Sprache seit 1370 S. 71. — Die Ausstellung deutschsprachiger Urkunden in Bozen und Gries durch Adelige aus

53

62

VII

Inhaltsübersicht.

Seite

dem Eisack- und I n n t a l seit 1293 S. 72. — Deutschsprachige Urkunden v o n Adeligen und B ü r g e r n der S t a d t Bozen sowie urbarielle Aufzeichnungen derselben seit 1300 S. 72 f. — Deutschsprachige Urkunden v o n K l ö s t e r n und Pfarrern in B o z e n und der Trientner K a n z l e i für die S t a d t B o z e n im 14. Jahrhundert S. 75 f. — Übersicht der Urkunden in deutscher Sprache aus den Gerichten Neuhaus (Terlan), Mölten, R i t t e n , Karneid, nach der Standeszugehörigkeit der Aussteller im 14. Jahrhundert S. 76f. — Statistische Vergleiche zwischen den Urkunden in lateinischer und in deutscher Sprache in den Archiven v o n Bozen für das 14. und 15. Jahrhundert S. 7 7 f . — Frühes Durchdringen der deutschen Urkundensprache i m Gerichte Sarntein im 14. Jahrhundert S. 80 f. — E b e n s o im Gerichte Villanders S. 82f., Übersicht über die dortigen Urkunden S. 58f. — H e r k u n f t und Wesen des Notariatsinstrumentes, seine Verbreitung im Gebiete v o n B o z e n und sein F e s t h a l t e n an der lateinischen Sprache S. 86f. — Das A u f t r e t e n der Siegelurkunde zuerst in lateinischer, dann seit d e m Ende des 13. Jahrhunderts in deutscher Sprache im Bereiche des Hochstiftes Brixen, v o n hier ihr Vordringen in das Bozner Gebiet S. 89 f. — D a s Formelgut der deutschen Siegelurkunde in seiner H e r k u n f t , z. T . selbständig aus dem deutschen Sprachgeiste, z. T . durch Übersetzung aus der lateinischen Notarsurkunde S. 90. — Die Schreiber dieser deutschen Urkunden S. 90f. — Die volkstumsgeschichtliche B e d e u t u n g des Durchdringens der deutschen Siegelurkunde im Gebiete von B o z e n und Meran S. 92 f. — Die ausdrückliche Bezeichnung der deutschen Sprache als Mutter- und Gemeinsprache im Gebiete v o n Bozen im 14. und 15. Jahrhundert S. 94. — D a s Urkundenwesen in B o z e n seit dem 16. Jahrhundert, der Gebrauch der Siegelurkunde und des gerichtlichen Verfachbuches S. 95 f. — Weistümer, Gerichts- und Gemeindeordnungen für Bozen und U m g e b u n g in deutscher Sprache seit dem 14. Jahrhundert: Markt-, Gerichts-, Schul-, Feuer- und Zunftordnungen für die S t a d t Bozen S. 9 7 I — Ordnungen für die Gerichte Neuhaus (Terlan), W a n g e n und R i t t e n S. 98. — Ratsprotokolle und Amtsrechnungen des Bozner S t a d t r a t e s seit 1460 S. 98. — Urbare aus dem Gebiete v o n Bozen seit dem 14. Jahrhundert S. 98f. — Dichterische W e r k e aus Bozen in deutscher Sprache seit dem 14. Jahrhundert, Vintler, Heldenbuch an der E t s c h S. ggi. § 5.

Auszüge (Regesten) aus lateinischen Urkunden für Bozen und Umgebung aus d e m 12. bis 13. Jahrhundert Diese Belege für die A n g a b e n in den §§ 1 und 3 werden im 2. Teil des vorliegenden B a n d e s g e d r u c k t . W o r t l a u t e (Texte) von U r k u n d e n in deutscher Sprache für das Gebiet der S t a d t Bozen aus dem 14. Jahrhundert

100

§ 7.

W o r t l a u t e (Texte) von Urkunden in deutscher Sprache für die Gerichte Neuhaus (Terlan), Jenesien, Mölten, R i t t e n , Karneid aus dem. 14. Jahrhundert

ioo

§ 8.

W o r t l a u t e (Texte) von Urkunden in deutscher t a l aus dem 14. Jahrhundert

Sprache für das

100

§ 9.

W o r t l a u t e (Texte) von Urkunden aus dem 14. Jahrhundert.

Sprache für Villanders

§ 6.

in deutscher

100

Sarn-

Diese §§ 6 bis 9, welche die Belege für die A n g a b e n im § 4 enthalten, werden in dem nocl) auszugebenden 2. Teile des vorliegenden Bandes gebracht werden.

VIII

Inhaltsübersicht. Seite

II. Hauptabschnitt. Die Ausbreitung des Deutschtums im B u r g g r a f e n a m t (Meran und Umgebung) v o m 8. bis 1 5 . J a h r h u n d e r t . § 1.

Die politische Zugehörigkeit des Burggrafenamtes

101 101

Die räumliche Ausdehnung des Burggrafenamtes und sein Hervorgang aus älteren Grafschaften S. 1 0 1 . — Die alte Grafschaft Vinschgau, ihre Ausdehnung gegen Südosten (über Mais und Tscherms) und ihre staatliche Zugehörigkeit zu Rhätien, Baiern oder Schwaben und zum Deutschen Reich im engeren Sinne im 8. bis 1 3 . J a h r hundert S.^toi f. — Sitz der Grafen auf Schloß Tirol bei Meran S. 104. — Die Zugehörigkeit der Gegend von Tisens, L a n a und Ulten zum Herzogtum Trient und zur G r a f s c h a f t E p p a n und Ulten, deren Verleihung an die Grafen von Tirol vom 6. bis 1 3 . Jahrhundert S. 1 0 4 f . — Die Bildung des Burggrafenamtes Tirol und des L a n d gerichtes Meran im 1 3 . J a h r h u n d e r t und deren Ausdehnung S. 1 0 5 . — D a s B u r g g r a f e n a m t in der politischen Viertels-, Kreis- und B e zirkseinteilung des L a n d e s Tirol v o m 16. bis 19. Jahrhundert S. 106. § 2.

Orts- und Personennamen als Zeugnisse der deutschen Sprachgeltung und Volksart im Burggrafenamt v o m 8. bis zur Mitte des 1 3 . Jahrhunderts

107

Majensis und Teriolis in römischer Zeit S. 1 0 7 . — C. Majense, die Schenkung von Cainina (Kuens) und Aribo, Bischof von Freising, die Schenkung der W a l t r a d a zu Mairania im 8. und 9. Jahrhundert S. 108. — Sprachlicher Charakter dieser Personen- und Ortsnamen, das Durchdringen deutscher Formen hiefür im 10. und 1 1 . J a h r hundert S. 109. — Ortsnamen und Personennamen (Vornamen) germanischer und romanischer A r t nebeneinander im Dorf Tirol und R i f f i a n im 12. und 1. H ä l f t e des 1 3 . Jahrhunderts S. i o g f . — Vorwiegend germanische Personennamen in Mais S. 1 1 0 . — Deutsche Ortsnamen in Mais S. i n f. — Die ältesten Namensformen für Tirol, Naturns, Partschins, Algund, Passeier, Hafling, Schenna S. H 2 f . — Der N a m e Meran S. 1 1 3 f. — Die Ortsnamen auf der rechten Seite der E t s c h v o m 1 1 . bis zur Mitte des 1 3 . Jahrhunderts, L a n a , Marling, Tscherms, Ulten, Tisens, Nals, Andrian, das Durchdringen deutscher Formen hiefür S. 1 1 4 L — Die Personennamen in diesem Gebiete, ausschließlich deutscher Wurzel bzw. Formung S. n 8 f . — Die politische und nationale Zugehörigkeit der Grundherrschaften als Hinweis auf die deutsche Besiedlung des Gebietes S. i 2 o f . § 3.

Orts- und Geschlechternamen im Burggrafenamte rechts der E t s c h (d. i. im Gebiet von Nals — Tisens — L a n a — Ulten — Marling) von der Mitte des 1 3 . bis zu der des 1 4 . Jahrhunderts als Zeugen der vollständigen Germanisierung dieses Gebietes zu jener Zeit Allgemeines S. 1 2 4 . — H o f - und Flurnamen von beiläufig 1 2 5 0 — 1 3 5 0 f ü r : Nals und Andrian S . 1 2 5 t . — Tisens und Völlan S. I 2 6 f . — L a n a S . 1 2 8 I — Marling und Tscherms S. 1 2 9 L — Ulten S. 1 2 9 . — Bei- und Geschlechternamen von beiläufig 1 2 5 0 — 1 3 5 0 für: Nals und Andrian S. 1 3 0 I — Tisens und Völlan S . 1 3 1 f. — L a n a S. 1 3 2 f . --- Marling S. 1 3 2 .

§ 4.

Auszüge (Regesten) aus lateinischen Urkunden fü r das B u r g g r a f e n a m t rechts der E t s c h (d.i. Nals — Tisens — L a n a — Ulten — Marling) vom 1.:. bis 14. J a h r h u n d e r t . D i e s e B e l e g e f ü r die A n g a b e n im § 3 w e r d e n im .i. T e i l des vorliegenden B a n d e s g e d r u c k t .

124

Inhaltsübersicht. § 5. Orts- und Geschlechternamen im Burggrafenamt links der Etsch (d. i. von Naturns über Meran bis Mais und Hafling) von der Mitte des 13. bis zu der des 14. Jahrhunderts als Zeugen der vollständigen Germanisierung dieses Gebietes zu jener Zeit

IX Seite

133

Allgemeines S. 133. — Ö r t l i c h e Eigennamen (Nachbarschaften, Höfe, Fluren) für Naturns S. 134f. — Partschins S. 135. — Algund, Plaus und Grätsch S. 135 f. — Tirol S. 136. — Riffian S. 136. — Passeier S. 136 f. — Ober- und Untermais S. 137 f. — Schennaund Hafling S. 138 f. — Allgemeiner Charakter dieser Ortsnamen, Battistis Statistik der Sprachwurzeln der Hofnamen und seine These von der Gemischtsprachigkeit des Gebietes von Meran und Bozen im 14. Jahrhundert S. 139 f. — Einwände dagegen und Rückführung dieser Statistik auf ihren wahren Wert für die siedlungs- und volkstumsgeschichtliche Erkenntnis S. 1 4 0 I — Folgerungen aus Ortsnamenformen (Lansenberg und Gost) für die Sprachverhältnisse in Algund und Passeier im 13.—15. Jahrhundert nach Gamillschegg S. I42f. — Formen auswärtiger Ortsnamen in Meraner Urkunden des 13./14. Jahrhunderts S. 144. — Bei- und G e s c h l e c h t e r n a m e n von beiläufig 1250—1350 für: Naturns S. 145. — Partschins S. 145. — Plars und Algund S. 146. — Dorf Tirol S. 146. — Riffian S. 147. — Passeier S. 147. — Ober- und Untermais S. 147. — Schenna und Hafling S. 148, — Stadt Meran S. 149t. — Durchaus deutsches Gepräge dieser Geschlechternamen S. 151. — Einzelne Namen romanischer Herkunft und demgemäß Zuwanderer aus romanischen Gegenden nach Meran, aber ohne Bedeutung für die Gesamtheit der dortigen Bevölkerung S. 152. — Der Beiname Walch S. 153. § 6. Auszüge (Regesten) aus lateinischen Urkunden für das Burggrafenamt links der Etsch (Naturns — Algund — Meran — Tirol — Passeier — Mais — Schenna) vom 12.—14. Jahrhundert. Diese Belege für die Angaben im § 5 werden im 2. Teil des vorliegenden Bandes gedruckt. § 7. Der Gebrauch der deutschen Sprache in Urkunden und anderen Aufzeichnungen aus dem Burggrafenamt im 13. bis 15. Jahrhundert Der Gebrauch einzelner deutscher Begriffsworte in lateinischen Urkunden für das Gebiet links der Etsch S. 1 5 5 ! , rechts der Etsch S. 156t. — Vulgo, theutonice, latine S. 157. — Ausdrückliche Erwähnungen von deutschem und römischem Recht S. 158. — Die rätische Urkunde in lateinischer Sprache im Gebiete von Meran im 12. Jahrhundert S. 159. — Traditionsakt und Notitia S. 160. — Die Siegelurkunde in lateinischer Sprache im 13. Jahrhundert S. iöof. — Das Notariatsinstrument in lateinischer Sprache im Gebiete von Meran S. 162. — Notariatsinstrumente in deutscher Sprache und mit Siegel eine Ausnahmeerscheinung S. 163. — Die Einbürgerung der Siegelurkunde in deutscher Sprache im Gebiete von Meran zuerst in der landesfürstlichen Kanzlei S. 163 f. — Einwirkung in demselben Sinne vom Eisack- und Inntal aus sowie seitens bairischer und schwäbischer Stifter S. 165. — Übersicht über die deutschsprachigen Urkunden aus dem Burggrafenamt für das 14. Jahrhundert nach der Standeszugehörigkeit der Aussteller und Empfänger und ihrem allgemeinen Rechtsinhalt S. i66f. : Landesfürst S. 168. — Adel S. 168f. — Stifter S. 171Î. — Bürger S. 172. — Bauern S. 172Î. • Gerichtsurkunden S. 173. — Statistik der Notariatsinstrumente (lateinisch) und der Siegelurkunden (deutsch) des 14. und 15. Jahrhunderts

154

X

Inhaltsübersicht. in den Archiven Schloß Dornsberg S. 175, Schloß Brandis S. 176, Schloß Schenna S. 177, Pfarre Meran S. 177, Pfarre Tisens und Partschins S. 178, Stadt Meran S. 178. — Gerichtsbücher in deutscher Sprache seit dem 14. Jahrhundert in Meran S. 178 f. — Schreiber im Dienste des Adels und der Gerichte S. 179. — Meraner Stadtrecht und Weistümer für die Landgemeinden S. 180. — Urbare S. 181. — Rechnungsbücher S. 182. — Inventare S. 182. — Bücher literar. Inhaltes S. 182 f. § 8. Wortlaute (Texte) von Urkunden in deutscher Sprache aus dem Burggrafenamt rechts der Etsch (Nals — Tisens — Lana — Ulten — Marling) aus dem 14. Jahrhundert. § 9. Wortlaute (Texte) von Urkunden in deutscher Sprache aus dem Burggrafenamt links der Etsch (Naturns — Partschins — Algund — Stadt Meran — Dorf Tirol — Passeier — Mais — Schenna) aus dem 14. Jahrhundert. Diese Belege für die Angaben im § 7 werden im 2. Teil des vorliegenden Bandes gedruckt.

III. Hauptabschnitt. Feststellungen und Ä u ß e r u n g e n des deutschen S p r a c h - u n d V o l k s b e w u ß t s e i n s im G e b i e t e v o n B o z e n und M e r a n im 15. bis 20. J a h r h u n d e r t Vorbemerkung zum III. Abschnitt Objektive und subjektive Feststellungen und Äußerungen des Deutschtums von Südtirol, literarische Hinweise auf erstere, Wesen der letzteren, kulturelle und politische Geschichte des Deutschtums in Südtirol S. 184 f. § 1. Reiseberichte, Landesbeschreibungen und statistische Erhebungen (Volkszählungen) über das deutsche Wesen von Bozen und Meran und Umgebung vom 15. bis 19. Jahrhundert Aeneas Sylvius um 1450 über das deutsche Wesen von Bozen, Meran und Brixen S. 187. — Felix Faber von Ulm um 1480 und seine irrige Angabe über das Alter des Deutschtums von Bozen S. 187 f. — Pyrrus Pincius um 1540 ebenso S. 188. — De Beatis 1517 und Montaigne 1580 über den deutschen Charakter von Bozen S. 189. — Die Einheimischen Burglechner und Wolkenstein um 1600 ebenso S. 190. — Der Bozner Chronist Troyer S. 191. — Französische und deutsche geographische Lexika, Pläne und italienische Reiseberichte des 17. und 18. Jahrhunderts über den nationalen Charakter von Bozen S. 191. — Reiseschilderungen aus dem 19. Jahrhundert, Hammer, Kotzebue, Mercey, Lewald, Sherer, Martens, M. Koch über denselben Gegenstand S. 192 f. — Amtliche Feststellungen über das nationale Gepräge von Südtirol um 1810, besonders A. Dipauli S. 195, — Die Landesbeschreibungen aus der Zeit von 1840—1860, Staffier, B. Weber, Bergmeister und Trentinaglia über den volklichen Zustand der Stadt Bozen S. 196 f. — Angaben über die volkliche Beschaffenheit der Stadt Meran seit dem 14. Jahrhundert, Aeneas Sylvius, Flavius Blondus, Mercey, B. Weber S. 197. — Die Angabe von Campell über die rätoromanische Sprache in Partschins bei Meran um 1570 S. 1 9 8 ! — Weitere haltlose Angaben über dasselbe in Ulten S. 200f. — Amtliche Angaben über die Sprache in den Landgemeinden des Bozner Kreises um und nach 1800, spätere italienische Zuwanderung in Terlan, Vilpian, Burgstall und Gargazon im 19. Jahrhundert S. 202 f. — Die italienische Zuwanderung im Gebiete von Bozen und Meran, besonders in den genannten Orten und in Unter-

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und Obermais laut der Volkszählungen seit 1880 S. 204 f. — Tabelle der Sprachzugehörigkeit nach den Volkszählungen von 1886—1921 und Bemerkungen hiezu S. 206 f. § 2.

Sicherung des deutschen Volkstums und der deutschen Sprache in Bozen, Meran und Umgebung in Amt, Gemeinde, Kirche und Schule v o m 16. bis 19. Jahrhundert A. A m t u n d G e m e i n d e . — Deutsche Amtssprache im Land gerichte Bozen-Gries im 16. und 17. Jahrhundert S. 208 — Die Amtssprache beim Bozner Merkantilmagistrat seit 1635 vorwiegend italienisch mit Rücksicht auf die fremden Kaufleute, dies aber kein Beweis gegen den deutschen Charakter der Stadt S. 208 f. — Bozen als deutsch-italienischer Handelsplatz S. 210. — Die Verwendung der italienischen Sprache in Bozen im 17. und 18. Jahrhundert S. 211. — Beschlüsse des Stadtrates von Bozen gegen die Niederlassung und Bürgerrechtsaufnahme von Welschen am Ende des 15. und im 16. Jahrhundert S. 212 f. — Stellungnahme des Bozner Stadtrates gegen Einführung der Seidenzucht durch Italiener bei Bozen und Trient im 16. Jahrhundert S. 2 1 4 I — Die Walchen in Meran als fremdes Element betrachtet und Beschlüsse des Stadtrates gegen die weitere Aufnahme von solchen ins Bürgerrecht S. 215 f. — Anträge von deutsch-etschländischen Landtagsmitgliedern zur Wahrung des deutschen Wesens des Landes Tirol im 18. Jahrhundert S. 217. — Deutsche Amtssprache in Tirol überhaupt im 17. und 18. Jahrhundert S. 2 1 7 ! — Sprachenverordnungen der italienischen und dann der österreichischen Behörden für das Gebiet von Bozen 1810—1813 S. 218. — Einsprache der Bozner gegen italienische Aufschriften bei der Südbahn 1859—1866 S. 219. — Auseinandersetzungen zwischen dem Bozner Stadtmagistrat einer- und der Statthalterei für Tirol und dem Ministerium des Innern anderseits über die ausschließliche Geltung der deutschen als Amtssprache und überhaupt als landesübliche Sprache in Bozen 1891 und 1894 S. 2I9Í. — Der Begriff derselben nach dem österreichischen Verwaltungsrecht seit 1867 und seine Anwendung auf Tirol S. 223f. — Beschwerden der Bozner Bürgerkreise und einzelner Abgeordneter über die zu weitgehende Anstellung von Italienern als Richter beim Bozner Kreis- und Bezirksgerichte und die dadurch bedingte Verwelschung derselben seit 1890 S . 2 2 o f . — Verwahrung des Gemeinderates von Bozen gegen die neuerliche Ausschreibung einer Richterstelle dortselbst unter der Bedingung der vollen Beherrschung der italienischen Sprache und Interpellation darüber im Tiroler L a n d t a g 1899 S. 229. — Eingaben der Stadtgemeinde und Advokatenkammer Bozen in dieser Sache als Zeugnisse deutscher Gesinnung 1899 und 1901 S. 231 f. — Erfolge dieses Auftretens S. 233. — Vorgehen des Bozner Gemeinderates, der nationalen und der christlichsozialen Partei gegen die Versuche, das Italienische zur Verhandlungssprache beim Bozner Kreisgerichte zu machen, Eingaben des Gemeinderates dagegen 7 8 9 9 - 1 9 0 4 S. 234. B. K i r c h e . — Bemühungen der Gemeinden im deutschen Etschland oberhalb Bozen infolge des Priestermangels im 16. Jahrhundert statt der angebotenen welschen Geistlichen deutsche zu erhalten S. 238. — Hiedurch verursachte Betonung des deutschen Wesens dieser Gemeinden, so für Bozen S. 239, Ritten S. 241, Mölten, Voran, Burgstall S. 241, Dorf Tirol S. 241. Tisens, Nals, Andrian, Vílpían S. 242,

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Inhaltsübersicht. Ulten S. 242. — Einwirkung der österreichischen Staatsregierung auf das bischöfliche Ordinariat in Trient, im Bozner Unterland, den Gerichtsbezirken Neumarkt und K a l t e m nur deutsche Geistliche anzustellen 1 8 6 0 — 1 8 8 0 S. 2 4 3 L (Nachtrag zu Bd. 1 S. 188). — Eigene Seelsorge (Kaplanei) für die Italiener in Bozen seit 1820, Stellungnahme des Bozner Stadtmagistrats dagegen aus nationalen Bedenken seit 1866, insbesondere seit 1894 gegen den italienischen Kirchenverein, Sodalizio cattolico italiano in Bozen S. 245!. — Italienische Predigt in Meran 1890 S. 247. C. S c h u l e . — Die städtische Schule in Bozen seit dem 13. Jahrhundert, deutscher und lateinischer Schulmeister, durchaus der Typus der Schule in anderen deutschen Städten, von wo auch die Schulmeister vielfach nach Bozen kamen S. 248. — Die Gründung eines Gymnasiums zu Bozen 1780 zum Teil aus der Absicht, die deutsche Bildung im Süden zu festigen S. 249. — Deutsche Schule in Meran seit dem 14. Jahrhundert und Gymnasium dortselbst seit 1724, auch dieses als deutsche Anstalt gedacht S. 250. — Andere Mittelschulen in Bozen und Meran S. 2 5 1 . — Südtiroler auf deutschen Hochschulen, besonders in Innsbruck S. 2 5 1 f. — Beschwerden über nationale Belästigungen der deutschen Theologen am Priesterseminar zu Trient, besonders 1848 S. 253. — Die sprachliche Eigenart der landwirtschaftlichen Lehranstalt in S. Michele S. 2 5 3 I — Deutsche Volksschulen auch in den Dörfern des deutschen Etschlandes seit dem 14. Jahrhundert S. 254. — Seit 1860 bewußte Aufstellung des Grundsatzes, daß im hergebrachten deutschen Siedlungsgebiet nördlich von Salurn öffentliche Schulen nur mit deutscher Unterrichtssprache bestehen dürfen, Ablehnung von italienischen Minderheitsschulen in diesem Gebiete und besonders in der Stadt Bozen durch die national-liberale und konservative Richtung S. 255 f. — Diesbezügliche grundsätzliche Erklärung des konservativen Abgeordneten Schrott S. 257. — Entsprechende Ablehnung einer italienischen Volksschule in Pfatten bei K a l t e m S. 2 5 7 f . — Verhältnis dieser Auffassung zu den in Österreich allgemein gültigen Normen über die Unterrichtssprache in öffentlichen Schulen S. 259. § 3. Äußerungen deutschen Nationalbewußtseins bei den Südtirolern in den Kriegszeiten, besonders des 18. und 19. Jahrhunderts

.

Allgemeine deutsche Auffassung der Kriege gegen Venedig und die Türken bei den Tirolern im 1 5 . und 16. Jahrhundert S. 2Öof. — Meran und Schloß Tirol als Mittelpunkte des Landes, das Schützenaufgebot des Burggrafenamtes hat den ersten Rang in der tirolischen Wehrmacht S. 262. — Anhänglichkeit der Stadt Bozen an die Tiroler Landesfürsten S . 2 6 3 I — Die Mitwirkung der Südtiroler an den Kämpfen gegen das napoleonische Frankreich: Aufrufe und Kriegslieder mit allgemein deutschem Gefühlsinhalt 1796 S. 263. — Die Erhebung unter Andreas Hofer, Äußerungen deutschen Nationalgefühles hiebei S. 264 t. — Die italienische Umfälschung der geschichtlichen Gestalt Hofers S. 266. — Die Haltung der B o z n e r Bürgerschaft in den Jahren 1809— 1 8 1 3 , Wunsch mit dem übrigen Deutschtirol bei Bayern als einem deutschen Staate zu bleiben, ebensolche Eingaben der Gerichte des unteren Eisacktales S. 266f. — Sorge um den Nationalcharakter in B o z e n infolge der Zuweisung an das K ö n i g reich Italien 1 8 1 0 S. 26g. — D e r F a l l Menz in Bozen 1 8 1 1 S. 260.

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§ 4.

— Freiwillige Teilnahme von Südtirolern an dem deutschen B e freiungskriege 1 8 1 3 und Freude über dessen E r f o l g S. 2 7 o f . — Die Bezeichnung „Tirolische N a t i o n " als Ausdruck des politischen Selbstgefühles der Tiroler in jener Zeit S. 2 7 3 . — Tirol in den Kriegen um die staatliche Einigung Italiens: A u f r u f e Erzherzog Johanns und der F r a n k f u r t e r Nationalversammlung an die Tiroler, Deutschlands Grenzen zu schützen 1 8 4 8 S. 274 f. — Allgemeines über die Teilnahme der freiwilligen Schützenkompagnien und Kaiserjäger an der Landesverteidigung 1 8 4 8 S. 2 7 5 f. — Anstalten der Bozner zur Verteidigung gegen die welschen Freischaren S. 276. — Die deutschen Nationalfarben in Tirol S. 2 7 7 . — Bewußtsein, deutschen Boden zu verteidigen bei den Welsbergern, Passeirern, Tiroler Studenten unter Adolf Pichler S. 2 7 7 f . — Wellers Brennerlied und andere Tiroler Schützenlieder aus dem J a h r e 1848 mit stark deutschnationalem Einschlag S. 2 7 9 ^ — Das „ N a t i o n a l - S c h ü t z e n l i e d " von Gilm und Messmer S. 2 8 1 . — Nationale deutsche Stimmung bei A u s bruch des Krieges 1 8 5 9 , Aufruf der S t a d t Bozen S. 2 8 1 f. — A u f gebot und Leistungen der Landesschützen und des Landsturmes von Deutsch-Südtirol im J a h r e 1866 S. 282 f. — Überzeugung hiebei deutschen Boden zu verteidigen S. 283 f. — Südtirol ein Kampfpreis im Weltkriege 1 9 1 4 / 1 8 , Stimmungsberichte aus der Zeit des Ausbruches des Krieges mit Italien, A b w e h r des Angriffes auf das deutsche Südland und dessen völkische Zukunft S. 2 8 4 f . — Die Mannschaftsstellung des L a n d e s Tirol und seine Verluste im Weltkriege, die Standschützen S. 287. — Die Eingaben der Deutschsüdtiroler an den Präsidenten Wilson um W a h r u n g ihrer völkischen Selbstbestimmung 1 9 1 8 / 1 9 S. 2 8 8 I Vereine und Feste in Deutschsüdtirol mit allgemein deutschvölkischer Bedeutung im 19. Jahrhundert Die besondere Pflege des Schützenwesens in Tirol und sein vaterländischer Geist in früherer Zeit S. 292. — Betonung des allgemein deutschen Zusammengehörigkeitsgefühles auf den Schützenfesten zu Bozen, Meran, Innsbruck i 8 6 o f f . S. 2 9 3 f . — Die Teilnahme der Südtiroler an den allgemeinen deutschen Schützenfesten und Betonung großdeutscher Gesinnung hiebei 1 8 6 2 und 1 8 6 5 S. 296. — Die Pflege des deutschen Turnens in Südtirol: Gründung eines Turnvereins in Bozen 1 8 6 2 und Zeugnisse der deutschen Auffassung des Turnens bei ihm bis 1 9 1 2 S. 2 9 7 ! — Ebensolche deutschvölkische Gesinnung beim Turnverein Meran S. 299 f. — Turnvereine in anderen Orten Südtirols, ihre Zugehörigkeit zur deutschen Turnerschaft bzw. zum deutschen Turnerbund S. 3 0 1 . — Gesangvereinein Südtirol mit Betonung deutschen Empfindens S. 301 f. — Teilnahme von Südtirol an der Gründung und E n t f a l t u n g des deutschen und österreichischen Alpenvereines, die nationale Bedeutung der Tätigkeit desselben und deren Anerkennung bei den in Bozen und Meran gehaltenen Hauptversammlungen 1 8 6 9 — 1 9 0 4 S. 3 0 2 f . — Die E n t wicklung d e r deutschvölkischen Schutzvereine in Südtirol: D a s K o m i t e e für deutsche Schulen in Welschtirol und a n der Sprachgrenze, Bericht über seine T ä t i g k e i t 1 8 7 1 S, 3 0 5 ! — Der deutsche Schulverein, G r ü n d u n g d e r Ortsgruppe in Bozen 1 8 8 1 , d a n n in M e r a n , B r i x e n u s w . , T ä t i g k e i t dieses V e r e i n e s u n d des A l l g e m e i n e n d e u t s c h e n S c h u l v e r e i n e s in Südtirol S. 3 0 7 . — E n t f a l t u n g und T ä t i g k e i t des V e r e i n e s S ü d m a r k in S ü d t i r o l S. 307. — H a l t u n g der politischen P a r t e i e n g e g e n ü b e r diesen S c h u t z v e r e i n e n S. 3 0 9 !

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XIV

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Gründung des Tiroler Volksbundes als Zusammenfassung aller deutschen K r ä f t e des Landes zum Schutze des deutsch- und ladinischtirolischen Volkstums und der Tiroler Landeseinheit 1905 S. 311 f. — Erfolge des Bundes S. 312 f. — Die A b h a l t u n g von Schillerfeiern in Bozen und Meran 1859 und Äußerungen deutscher Gesinnung hiebei S. 314. — Errichtung und Einweihung des Walterdenkmals in Bozen 1889 und ebensolche Kundgebungen S. 315 f. — Die Sonnwendfeier und ihre Erneuerung als völkische Bekenntnisfeier in Südtirol S.318L § 5.

Politische Strömungen und Parteien in Südtirol, besonders in Bozen, in ihrem Verhältnis zum deutschen Volksbewußtsein im 19. Jahrhundert Stellung der Etschländer in der Tiroler Landschaft in früherer Zeit S. 323. — Die sog. Bozner Partei oder Provinzialisten 1792, 1809 und 1815 bis 1848 als Vorläufer der katholisch-konservativen Richtung, die Giovanelli, Beda Weber S. 324f. — Die Anfänge des Liberalismus in Bozen, Josef Streiter S. 236. — Beda Webers und Steubs Schriften über die Lage des Deutschtums in Südtirol S. 327. — Südtirols Teilnahme an der deutschen Nationalversammlung 1848, die Wahlaufrufe von B. Weber und Tappeiner S. 328L — Webers nationalpolitische Haltung in Frankfurt S. 329 f. — Politische Dichtung in Südtirol 1848 S. 331. — Die Stellung und Ziele der konservativen und liberalen Partei in Südtirol von 1860 bis 1880 S. 332f. — Bürgermeister und Abgeordnete der Städte Bozen und Meran nach ihrer Parteistellung seit 1860 S. 334L — Die politischen Zeitungen in Südtirol S. 336. — Das Ringen um die österreichische Staatsverfassung zwischen Konservativ und Liberal seit 1860 S. 337. — Die Frage der katholischen Glaubenseinheit und die Bildung evangelischer Gemeinden in Tirol, besonders zu Meran und Gries S. 337L — Die Bedeutung dieser Frage für die Stellung des Deutschtums in Südtirol S. 340. — Ablehnende Haltung der kathol.konservativen Kreise gegen eine nationale Abscheidung der Bistümer Trient und Brixen S. 341 f. — Die Haltung der Liberalen und Konservativen in Tirol gegenüber den Siegen Preußens und Deutschlands 1870/71 S. 342. f. — Stärkere Betonung des nationalen Gedankens in der liberalen Partei Tirols seit 1880 (Ministerium Taaffe) _ S. 3 4 4 I — W a h l Perathoners zum Bürgermeister von Bozen 1895 S. 346. — Die Frage des slovenischen Gymnasiums in Cilli und die böhmischen Sprachenverordnungen des Ministeriums Badeni von 1897 un< ä deren Rückwirkung auf das nationalpolitische Denken in Tirol; Auftreten Grabmayrs S. 347f. — Gründung des deutschen Volksvereines für Südtirol durch Perathoner und Beitritt desselben zur deutschen Volkspartei, völlige Verdrängung der altliberalen Partei durch die nationale, hiebei Zusammenwirken zwischen Nord- und Südtirol seit 1898 S. 3 5 0 I — Perathoner als politischer Führer der Nationalen und als Bürgermeister von Bozen S. 352 f. — Die Haltung der Tiroler Konservativen gegenüber den slavenfreundlichen Regierungen Taaffe und Badeni und dessen Sprachenverordnungen 1880—1897 S. 354f. — Beteuerung deutscher Gesinnung seitens des Führers der südtiroler Konservativen Dipauli S. 357. — Absonderung der christlichsozialen Richtung von den Konservativen und Anerkennung nationaler Pflichten für das Deutschtum durch erstere (Schöpfer und Haidegger) seit 1898 S. 358f. — Ringen zwischen den Christlichsozialen und Konservativen in Tirol und Einwirkung der allgemeinösterreichischen nationalen Frage hiebei S, 361. — Schließliche Ver-

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Inhaltsübersicht.

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drängung der konservativen P a r t e i durch die christlichsoziale 1907 S. 362. — Das Buch Haideggers über die nationale Frage S. 363. — Das Verhältnis zwischen den politischen Parteien Tirols im Hinblicke auf die nationale Frage seit 1895 bzw. 1905 S. 364f. — Die nationale politische Sitzung der Südtiroler S. 365 f. — Die Beurteilung der auswärtigen Politik, insbesondere des Dreibundes bei den politischen Parteien Tirols S. 366 f. — Die Sozialdemokratische Partei in Deutschsüdtirol (Bozen und Meran) seit 1890, ihre Stellung zur nationalen Frage dortselbst, A b h a l t u n g von Arbeiterversammlungen mit italienischer Sprache S. 368 f. — Das sozialistische Programm der nationalen Autonomie in seiner Beziehung auf Tirol S. 370. — Die landschaftliche Wirtscliafts- und Sozialpolitik in ihrer Verflechtung mit dem allgemeinen deutschen Volksbewußtsein in Südtirol: Bestrebungen zum Anschluß an den deutschen Zollverband von 1816 bis 1866 S. 371 f. — Maßnahmen zur wirtschaftlichen Stärkung des Bauernstandes in Tirol in ihrer nationalen Bedeutung, insbesondere die Errichtung des Landeskulturrates 1881 und die Festigung des alten Höferechtes 1896 S. 374 f. § 6. Die Welschtiroler Autonomiefrage als Prüfstein der nationalen Gesinnung der Deutschsüdtiroler Die Haltung der deutschen Landtagsmehrheit gegenüber dem Wunsch der Welschtiroler nach einer stärkeren Vertretung im Tiroler Landtag, ablehnend 1792 und 1836, zustimmend 1848 und 1861 S. 377. — Ablehnung eines eigenen Landtages für Welschtirol durch deutsche Mehrheit 1848, 1861 bis 1866 S. 378. — Äußerung des Bozner Abg. Zallinger über die Interessengemeinschaft zwischen dem deutschen und italienischen Südtirol 1861 und Auffassung jener in der späteren Literatur S. 3 7 9 ! — Errichtung einer eigenen Statthaltereiabteilung in Trient 1867 S. 380 f. — Die Forderung der Welschtiroler nach einem eigenen L a n d t a g im österreichischen Reichsrat abgelehnt, die deutschliberale Partei hiebei nicht einig i874ff. S. 381 f. — Eigene Sektion des Landeskulturrates für Welschtirol bewilligt 1881 S. 382. — Die allgemeine Geneigtheit des Liberalismus zur Gewährung einer Autonomie für Welschtirol, im besonderen der Gedanke, dadurch das deutsche Südtirol national besser schützen zu können, Aufsätze der Meraner Zeitung in diesem Sinne 1889 S. 383ff. — Eintreten der deutschliberalen Partei im Tiroler L a n d t a g für die Gewährung einer Autonomie an Welschtirol 1889 S. 3 8 5 ! — Entgegengesetzte Haltung der österreichischen Staatsregierung und des Statthalters Graf Merveldt S. 3 8 6 ! — Betreibung und Entwurf eines Autonomiegesetzes durch den A b g . Grabmayr, Gewinnung der konservativen Parteiführer für denselben 1899/1900 S. 3 8 8 ! — Die Eingaben der Städte Bozen und Meran an den L a n d t a g um Sicherung der nationalen Belange des Deutschtums von Südtirol vor weiterer Behandlung der Autonomiefrage S. 390ff. — Das nationalpolitische Pfingstprogramm der vereinigten deutsch-österreichischen Parteien von 1899 und dessen Forderungen für Tirol S. 395ff. — Territoriales und Personales Prinzip der nationalen Autonomie S. 398. — Grabmayrs Denkschrift über die national-politischen Forderungen der Deutschen in Tirol, gemeint in bezug auf die Autonomie für Welschtirol S. 399ff. — Vergleich der politisch-publizistischen Tätigkeit Grabmayrs mit jener Haideggers und Perathoners S..404. —• Scheitern des Grabmayrschen Autonomieentwurfes im Landtag 1901/02 S. 404 t'. und 407 f. — Der Autonomieplan der Christlichsozialen

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XVF

Inhal ts il bersicht. Seite

S. 406. — Weiters ablehnende Haltung der Deutschtiroler gegen die Autonomie bis 1914 S. 408I — Einzelfragen, die mit der Autonomie Welschtirols in Verbindung standen: Die Zuteilung des Fassa zum politischen Bezirk Bozen S. 4iof. — Die Eisenbahn ins Fleimstal S. 411. — Die Errichtung einer selbständigen italienischen Rechtsfakultät in Innsbruck und deren plötzliche Schließung, Widerhall dieses Ereignisses in Südtirol 1904 S. 413t. — Mehr einheitliche nationalpolitische Abwehrstellung der Deutschen Südtirols seit 1905 S. 415f. — Nachtrag S. 417. Weiser (Index)

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Verzeichnis der Literatur. (Hier werden nur die ö f t e r s und a b g e k ü r z t angeführten Werke mit ihren genauen Titeln verzeichnet, soweit sie nicht schon im Literaturverzeichnis des i. Bandes, S. X I V f., enthalten sind. Die S i g e l a b k ü r z u n g e n für Zeitschriften und anderen Abkürzungen s. ebenda Bd. i, S. X V I I I . ) Ä u s s e r e r Karl, Alte Stadtpläne von Bozen im Sammelbuch ,,Aus dem Land im Gebirge" (Vorläufer des Bozner Jahrbuches) 1924. B a u m a n n L . , Das Benediktbeurer Traditionsbuch, Archival. Zeitschrift, N. F., Bd. 20 (1914)B a t t i s t i Carlo, „Prolegomeni allo Studio della Penetrazione tedesca nell' Alto Adige im Arch. Alto Adige, Bd. 20 (1925). — —, Popoli e Lingue nell' Alto Adige, Firenze 1 9 3 1 . B a u e r J . E . , Tiroler Kriegslieder aus den Jahren 1796 und 1 7 9 7 (1896). B e a t i s s. Pastor. B e l l K., Südtirol im Sammelwerk „ D a s Deutschtum im Ausland" (1927). B i t t e r a u f Th., Die Traditionen des Hochstiftes Freising in Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte, N. F., 4. u. 5. Band (1905 und 1909). B o z n e r Jahrbuch für Geschichte, Kultur und Kunst (Bozen seit 1926). B u r g l e c h n e r M., Der Tiroler Adler (Geschichte und Landesbeschreibung von Tirol), Handschrift 1610, s. Bd. 1, S. 3 1 , Anm. 1. D ö r r e r A., Südtirol im deutschen Schrifttum im Sammelbuch K . Bell (1927). E n z i n g e r M., Die Deutsche Tiroler Literatur bis 1900 (Tir. Heimatbücher Bd. I, 1929). F a b e r F., Evagatoriumetc.in Bibl. d. Literar. Verein Stuttgart, Bd. 3 — 5 (1843). — Deutsche Übersetzung von J . Garber in Schiernschriften H. 3 (1923). F i s c h e l A., Das österreichische Sprachenrecht (1901). G r a b m a y r K., Von Badeni bis Stürgkh, politische Reden (1912). G r e i n w a l d A., Origines Raitenbuchae (1797). G s t e u H., Geschichte des Tiroler Landtags 1 8 1 6 — 1 8 4 8 in Tiroler Heimat V I I I (1927). H e l f e r t J . A., Die Tyroler Landesverteidigung im Jahre 1848 (1904). H e u b e r g e r R., Das Deutschtiroler Notariat, Umrisse seiner mittelalterlichen Entwicklung in Ver. Ferd. Bd. 6 (1927). -™ —, Das Urkunden- und Kanzleiwesen der Grafen von Tirol bis 1 3 3 5 in MIöG. 9. Ergbd. (1913), Natio Noricorum et Pregnariorum, Bsiträge zur Frühgeschichte der Baiern und Alpenromanen in Ver. Ferd. 10 (1930), S. 1 ff. H u t e r F., Die Quellen des Meßgerichtsprivilegs für die Bozner Märkte 1 6 3 5 im Bozner Jahrbuch 1927. K o c h Matthias, Beiträge zur Geschichte der Stadt Bozen im Nationalkalender für Tirol 1848. K r a f t J., Die Volkszugehörigkeit der Bozner im 15. Jahrhundert in Schiernschriften, H. 3 (1923), S. 3 8 - 5 5 . M a i r h o f e r Th., Urkundenbucb des S t i f t e s N e u s t i f t F o n t . R e r . A u s t r . B d . 34 M a . r s o n e r R., B o z n e r B ü r g e r b u r h

1 5 5 1 — 1 8 0 6 i m Bozner

Jahrbuch

1920/311

11871).

XVIII

Verzeichnis der Literatur.

M a y r M., K u n s t h i s t o r i s c h e R e g e s t e n a u s d e m S t a t t h . - A r c h . I n n s b r u c k i m J a h r b u c h d e r S a m m l u n g e n d e s K a i s e r h a u s e s 1899 ff. M o n t a n u s ( E d . Pflügl), D i e n a t i o n a l e E n t w i c k l u n g Tirols in d e n l e t z t e n J a h r z e h n t e n (1918). N e u s t i f t e r U r k u n d e n b u c h s. M a i r h o f e r . N o g g l e r A., B e i t r ä g e z u r G e s c h i c h t e d e r V o l k s s c h u l e i n D e u t s c h t i r o l i m P r o g r a m m d e r L e h r e r b i l d u n g s a n s t a l t I n n s b r u c k 1882/85. O e f e l e E . , T r a d i t i o n s n o t i z e n des K l o s t e r s B i b u r g i n S i t z u n g s b e r . d. b a y r . A k a d . d . Wiss. H i s t . K l . M ü n c h e n 1896, S. 398 ff. P a s t o r L., D i e R e i s e des K a r d i n a l s d ' A r a g o n a b e s c h r i e b e n v o n d e B e a t i s in E r l ä u t e r u n g e n zu J a n s s e n s G e s c h i c h t e des d e u t s c h e n Volkes I V , 4 (1905). P e t z J., D r e i b a y e r i s c h e T r a d i t i o n s b ü c h e r ( F a l k e n s t e i n e r Cod.) 1880. P o k o r n y B., A u s M e r a n s W e r d e z e i t 1870—1900 ( M e r a n 1929). P r e m M., G e s c h i c h t e d e r d e u t s c h e n L i t e r a t u r i n T i r o l (1922). R e i c h D., L a L e t t e r a d i S a n Vigilio i n S c r i t t i p e r X V c e n t . d i S a n Vigilio (1905), S. 180 f f , R e u t - N i c o l u s s i , D a s a l t - ö s t e r r e i c h i s c h e N a t i o n a l i t ä t e n r e c h t i n W e l s c h t i r o l in S c h r i f t e n des I n s t i t u t s f ü r S o z i a l f o r s c h u n g a n d e r U n i v e r s i t ä t I n n s b r u c k , H . 5 (1930). S a n t i f a l l e r L., B r i x . U r k . = Die U r k u n d e n d e r B r i x n e r H o c h s t i f t s - A r c h i v e 1 8 4 5 — 1 8 9 5 in S c h i e r n s c h r i f t e n B d . 15 (1929). — —, C a l e n d a r i u m W i n t h e r i i m A r c h . A l t o A d i g e B d . 18 (1923). S c h a t z J . , D i e t i r o l . M u n d a r t in Z e i t s c h r i f t d . F e r d . 47 (1903), N e u d r u c k 1928. S c h n e l l e r C h r i s t i a n , D i e Volksschule in T i r o l v o r h u n d e r t J a h r e n (1874). S c h w i t z e r B., Goswins C h r o n i k v o n M a r i e n b e r g in Tirol. G e s c h i c h t s q u e l l e n B d . 2 (1880). — —, U r b a r e d e r S t i f t e r M a r i e n b e r g u n d M ü n s t e r , d e r H e r r e n v o n L i e b e n b e r g u n d A n n e n berg, d e r P f a r r e n M e r a n u n d S a r n t h e i n , e b e n d a B d . 3 (1891). S i m e o n e r A., D i e S t a d t B o z e n (Geschichte) (1890). S p o r n b e r g e r A., G e s c h i c h t e d e r P f a r r k i r c h e v o n B o z e n (1894). S t a m p f e r C., C h r o n i k v o n M e r a n (1865); G e s c h i c h t e d e r S t a d t M e r a n (2. A u f l . 1889). S t e i n b e r g e r L., O r t s n a m e n k u n d l i c h e F a h r t v o m B r e n n e r bis z u r d e u t s c h e n S p r a c h g r e n z e i n o s t b a i e r . G r e n z m a r k e n , B d . 16 (1927), S. 105 ff. — —, K r e u z u n d q u e r d u r c h Tirols O r t s n a m e n w e l t in Ver. F e r d . B d . 8 (1928) S. 541 ff. — —, Mit O. Stolz in S ü d t i r o l i n T i r o l e r H e i m a t , N . F . B d . 2 (1929), S. 60 ff. — —, S t u d i e n zu O. Stolz A u s b r e i t u n g des D e u t s c h t u m s i n S ü d t i r o l in Z e i t s c h r i f t f ü r O r t s n a m e n f o r s c h u n g B d . 6 (1930), S. 147 u n d 197 ff. S t o l z O., N e u e s zur ä l t e r e n G e s c h i c h t e d e r B o z n e r M ä r k t e i m S c h i e r n B d . 2 (1922), S. 1 3 7 ff. — —, G e s c h i c h t l i c h e F o l g e r u n g e n a u s Orts-, i n s b e s o n d e r e H o f n a m e n i m B e r e i c h e Tirols in Z e i t s c h r i f t f ü r O r t s n a m e n f o r s c h u n g B d . 7 (1931), S. 55 u n d 1 5 2 ff. — —, Z u r G e s c h i c h t e d e r L a n d w i r t s c h a f t in Tirol i n T i r o l e r H e i m a t , N. F . B d . 3 (1930), S. 93 ff— —, S c h u l w e s e n u n d W i s s e n s c h a f t in S ü d t i r o l als g e s c h i c h t l i c h e Zeugen d e r d e u t s c h e n Z u g e h ö r i g k e i t des L a n d e s in T i r o l e r H e i m a t B d . 9 (1927), S. 19 f. — —, Die S c h w a i g h ö f e in Tirol, ein B e i t r a g z u r Siedlungs- u n d W i r t s c h a f t s g e s c h i c h t e d e r H o c h a l p e n t ä l e r in W i s s e n s c h a f t l . V e r ö f f e n t l . des d . u. ö. A l p e n v e r e i n s , H . 5 (1930). S t r a g a n z M., R e g e s t e n z u r t i r o l . G e s c h i c h t e (aus d e n A r c h i v e n Schloß G a n d e g g , P a y r s berg, T r o s t b u r g f ü r d a s 1 3 . J a h r h u n d e r t ) in F o r s c h u n g e n u n d M i t t e i l u n g e n z u r Ges c h i c h t e Tirols B d . 1, S. 78 u n d 2 1 6 ff., B d . 2, S. 74 f. T a r n e l l e r , Die H o f n a m e n i m B u r g g r a f e n a m t i m Archiv f ü r ö s t e r r e i c h i s c h e G e s c h i c h t e B d . 100 (1909), S. 1 ff. u n d B d . 1 0 1 ( 1 9 1 1 ) , S. 3 0 9 1 1 . — —, Die Hofnamen im unteren E i s a c k t a l im Archiv f ü r österreichische Geschichte Bd. 106 (1914), S. 1 ff., B d . 109 ( i g 2 i ) , S. 1 ff., B d . 1 1 0 (1924), S. 2 1 2 ff. — —, Die Burg-, Hof- und Flurnamen in der Marktgemeinde Gries bei Bozen in Schierns c h r i f t e n , H . 6 (1924). T u r n i e r F., Herkunft und Terminologie des Weinbaues im Etsch- und E i s a c k t a l in Schiernschriften, I i . 4 (1924). V o l t e l i n i H., Die ältesten Pfandleihbanken in Tirol in Beiträgen zur Rechtsgeschichte Tirols (Festschrift zum 27. deutschen Juristentag) 1904,

Verzeichnis der Literatur.

XIX

— — , Aus Bozens Vergangenheit im Sehlem Bd. i, S. 258 f., Bd. 2, S. 143 f., Bd. 3, S. 7 f., Bd. 5, S. 339 f. (1920 ff.). W a c k e r n e i l J. E., Beda Weber und die tirol. Literatur in Quellen und Forschungen zur Geschichte, Literatur und Sprache Österreichs Bd. 9 (1903). — — , Altdeutsche Passionsspiele aus Tirol, ebenda Bd. 1 (1897). — — , Ludwig Steub, Adolf Hehler und der Tiroler Sängerkrieg in Forschungen und Mitteilungen zur Geschichte Tirols Bd. 13 (1916), S. 189 ff. W e b e r Beda, Das Tal Passeier und seine Bewohner, 2. Aufl., bearb. von Ad. Schatz 1902. — —, Die Stadt Bozen und ihre Umgebung (1849). — —, Meran und seine Umgebung oder das Burggrafenamt in Tirol (1845). W i n k l e r W., Statistisches Handbuch für das gesamte Deutschtum (1926). W o l k e n s t e i n M. S., Chronik von Tirol (Handschrift 1600), s. Bd. 1, S. 31, Anm. 4. W o p f n e r H., Zur Geschichte des tirol. Verfachbuches in Beiträgen zur Rechtsgeschichte Tirols (Festschrift zum 27. deutschen Juristentag) 1904. — —, Beiträge zur Geschichte der freien bäuerlichen Erbleihe Deutschtirols (1903). Z a h n J., Codex Dipl. Austriacus-Frisingensis in Font. rer. Austr. Bd. 31, 35 und 36 (1870 ff.). Z i n g e r l e O., Meinhards II. Urbare der Grafschaft Tirol in Font. rer. Austr. Bd. 45 (1890); diese Ausgabe enthält einige Südtiroler Ämter nicht, eine auch von O. Zingerle angefertigte Abschrift der vollständigen, im Hauptstaatsarchiv München befindlichen Fassung dieses Urbars besitzt die historische Kommission des Ferdinandeums. ZONF. = Zeitschrift für Ortsnamenforschung seit 1925.

I. H a u p t a b s c h n i t t .

Die Ausbreitung des Deutschtums in Bozen und im oberen Btschviertel vom 7. — 15. Jahrhundert. Vorbemerkung zum I. und II. Hauptabschnitt. In diesen beiden Abschnitten soll einerseits für die Stadt B o z e n und deren nähere nordseitige Umgebung, das sogenannte o b e r e E t s c h v i e r t e l , und andererseits für die Stadt M e r a n und deren Umgebung, das sogenannte B u r g g r a f e n a m t , die deutsche Sprach- und Volkszugehörigkeit in den ältesten und älteren Zeiten der geschichtlichen, d. i. urkundlichen Überlieferung erwiesen werden. Den räumlichen Umfang dieser Gebiete und ihre historisch-politische Zugehörigkeit, die mit der nationalen in einem gewissen geschichtlichen Zusammenhang steht, lege ich in den ersten Unterabschnitten (§§) jedes der beiden Hauptabschnitte dar. Im ganzen ist dieses Gebiet (mit Einschluß des unteren Eisacktales) der K e r n des L a n d e s T i r o l und der starke einheitliche Block deutscher Siedlung im mittleren, auf der Südabdachung der Alpen gelegenen Etschgebiete, dessen tiefere Lagen, obwohl fest umklammert im Bau der Alpen, bereits durch das mittelmeerische Klima beeinflußt werden. Diese b e s o n d e r e g e o g r a p h i s c h e L a g e sei hier kurz gekennzeichnet : In keinem Abschnitt der Alpen greift die südseitige Abdachung soweit nordwärts in den zentralen Teil des Gebirges wie am Brenner und ist diese Abdachung dem Gesamtgefälle nach so mäßig und daher der Gesamtfläche nach so ausgedehnt wie hier im Gebiete der oberen Etsch und ihrer Nebentäler. Da die mittlere Jahreswärme und der Pflanzenwuchs und damit die Besiedlungsmöglichkeit in den Alpen in erster Linie von der Höhenlage abhängig ist, hat daher gerade in diesem Abschnitt der Alpen der alpinmitteleuropäische Landschaftstypus einen verhältnismäßig großen Anteil an der südlichen Abdachung des Gebirges, und zwar mit dem obersten Etschtal oder Vinschgau, dem oberen Eisacktal und dem Pustertal und deren Seitenästen, die fächerförmig vom Bozener Becken als ihrem natürlichen Mittelpunkte aus gegen den Hauptkamm der Alpen empor ziehen. Nur durch die schmale Furche des Etschtales leckt die südeuropäische S t o l z , Südtirol I I I .

).

2

I. u. II. Vorbemerkung: Siedlungsgeographische Kennzeichnung

(mittelmeerische) Klima- und Pflanzenregion mit ihrer besonderen Eignung zum Anbau von Wein und anderen Edelfrüchten in das Gebirge herein und erfüllt die Tiefe des Etschtales von Bozen bis oberhalb Meran und jene des untersten Eisacktales bis gegen Klausen. Aber dieser südliche Einfluß ist auf die Tiefe der Haijpttäler beschränkt, die Mittelgebirge oder höher gelegenen Seitenstufen und Seitentäler gehören auch hier dem alpin-mitteleuropäischen Typus an. Aber infolge jener ersteren Erscheinung scheidet sich das Etschland von Bozen und Meran von dem nordwärts davon gelegenen oberen Etsch- und Eisacktal als Landschaftstypus deutlich ab. 1 ) Diteser natürlichen Gestaltung entsprechen auch in einem gewissen Sinne die, menschliche Besiedlung und die politische Raumbildung. Nirgends in den Alpen ist auf deren südseitiger Abdachung das deutsche Volkstum mit einem so großen Räume zu einer geschlossenen Siedlung, die auch den räumlichen Zusammenhang mit dem deutschen Hauptgebiete aufrecht erhielt, gelangt, wie hier im Abschnitte des Brenner und Reschen, des Inn und der Etsch. Und nicht nur landwirtschaftlich, in Form von Dörfern, Weilern und Einzelhöfen, war und ist hier diese deutsche Siedlung, sondern sie gelangte auch zur Bildung von geschlossenen Ortschaften des gewerblichen und verkehrswirtschaftlichen Lebens, von Märkten und Städten. Darunter ist eine von ihnen, Bozen, hauptsächlich wegen dieser wirtschaftlichen Betätigung zu beträchtlicher Größe gelangt, während Brixen als Sitz des Bischofs und älteren Reichsfürsten, Meran als Mittelpunkt des neueren Landesfürstentums besonders gefördert worden sind, wenn sie auch stets eine gewisse Verkehrsbedeutung gehabt haben. Der klimatischen Bevorzugung verdankten die Becken von Bozen und Meran den Dichtegrad ihrer landwirtschaftlichen Besiedlung, aber auch ihrer Lage am Eingang in jene engeren Alpentäler, die von hier auf die Hauptübergänge führen, das Aufblühen der Verkehrsmittelpunkte, die auf kleinstem Räume eine größere Bevölkerungszahl vereinen. Einen besonderen wirtschaftlichen Aufschwung und eine entsprechende Zunahme der Bevölkerung brachte dann seit der Mitte des 19. Jahrhunderts den Städten Meran und Bozen Über diesen naturgeographischen Unterschied des Bozen-Meraner Etschlandes gegenüber den oberen Abschnitten des Etsch- und Eisacktales und die Erkenntnis desselben in der älteren und neueren landeskundlichen Literatur siehe oben Bd. i, S. 219 f. Die hier dem Werke von N. Krebs Länderkunde der österreichischen Alpen zugeschriebene Dreiteilung des Landes Tirol ist in dieser Schärfe nur in der ersten 1913 erschienenen Auflage dieses Werkes S. 266 enthalten, in der neuen Bearbeitung desselben, die 1928 als „Länderkunde der Ostalpen" erschien, wird Bd. 2, S. 46, nur ein Nord- und Südtirol unterschieden, in welch letzterem allerdings das „Deutsche Etschland" gegenüber dem Eisacktal eine besondere Stellung einnimmt. Alle näheren Angaben über Bau und Gestalt, Klima, Pflanzenwuchs und Besiedlung dieses Gebietes sind jenem Werke zu entnehmen. — Das „Bozner L a n d " im engeren Sinne, eben nur das Bozner Becken behandelt landeskundlich Klebelsberg im 5. Bändchen der Reihe „Alpenlandschaften, Monographien zur Landeskunde", herausgegeben von Oberhummer x930, ausgestattet mit sehr lehrreichen Bildern.

des Gebietes von Bozen und Meran.

3 und ihren Nachbarorten die ebenfalls durch Klima und Landschaft bedingte Entfaltung des Kurwesens und des Fremdenverkehrs. In Zahlen ausgedrückt ist das Verhältnis zwischen Deutschsüdtirol (einschließlich der ladinischen Täler Groden und Enneberg) einerseits und den beiden Bezirkshauptmannschaften Bozen und Meran, die eben mit ihren tieferen Lagen jenen klimatisch südeuropäisch bedingten Teil von Südtirol umfassen, andererseits folgendes1): Ganz Deutschsüdtirol Bozen (Stadt und BezirkshauptmannSchaft) . . . Meran (ebenso)

Flächenraum 7600 qkm

1750 ,

1030

,

Bevölkerung 250,000 98,000 55.°°°

Demnach besitzt dieser Südraum von Deutschsüdtirol — d. i. das Etschland von Salurn nordwärts über Bozen bis Klausen und Naturns — gut ein Drittel der B o d e n f l ä c h e von ganz Deutschsüdtirol, aber mehr als drei Fünftel seiner Bevölkerung. Dieses Gebiet ist also verhältnismäßig, und zwar mit Einschluß der Städte Bozen und Meran, zweidrittelmal dichter besiedelt als Deutschsüdtirol im Ganzen, aber fast dreimal so dicht als der übrige Teil von Deutschsüdtirol, nämlich das obere Etsch-, Eisack- u. Pustertal. Wenn wir aber nur die Tiefe des Etschtales, das Gebiet also, wo der Weinbau stark betrieben wird, nehmen und ihm die Seitentäler und Mitlelgebirge, deren Landwirtschaft auf Ackerbau und Viehzucht beschränkt ist, gegenüberstellen, so verschieben sich diese Zahlen sehr erbeblich. Mit Einrechnung jener beiden Städte hat die Tiefe des Etschtales eine Siedlungsdichte von 300 bis 400 Menschen auf 1 qkm, aber auch -ohne die Städte eine solche von rund 100. Selbst in den nur auf einige Stunden entfernten Seitentälern und Mittelgebirgen beträgt die Siedlungsdichte nur mehr 30 Menschen auf 1 qkm, im Sarntal gar nur 12; im untern Eisacktal bei 70, im obern Eisacktal und Pustertal bei 30, im Vintschgau ungefähr ebensoviel. Es sind eben in diesen Fällen weitgedehnte Wald und Weidegebiete, sowie das alpine Ödland in die Besiedlungsfläche miteingerechnet. Bezieht man die Bevölkerungszahl aber nur auf die Felderfläche, so erscheinen auch die Seitentäler nicht wesentlich dünner besiedelt als die Tiefe des Haupttales.2) *) Über die Volkszählungen für Südtirol s. unten Abschnitt III, § 1, Ende. Obige Zahlen sind vom J. 1910. 2 ) Genaue Angaben über die Siedlungsdichte in den einzelnen natürlichen Teilgebieten von Südtirol, wie überhaupt der Ostalpenländer bringt die Abhandlung von N. Krebs, Kulturen und Volksdichte in den Ostalpen in den Mitt. Geograph. Ges. Wien 55 Bd. 1912. Allerdings faßt K. die Wald- und Weidegebiete mit den Gärten Äckern und Wiesen als einheitliches Kulturengebiet zusammen, obwohl diese Kategorien auf die Siedlungsdichte in ganz verschiedenem Grade einwirken. So zählt z. B. das Sarntal 1900 ha Äcker und Wiesen und 26000 ha Wald und Weide und 3800 Einwohner; die in der Sohle des Etschtales gelegene Gemeinde Terlan umfaßt 230 ha Weingärten, 607 ha Äcker und Wiesen, 720 ha Wald und Weide und 1900 Einwohner. Das Sarntal hat also, wenn man nur Äcker und "Wiesen als emsig bebautes Kulturland rechnet, 1*

4

I. u. II. Vorbemerkung: Mittel des geschichtlichen Nachweises

Von der oben angeführten Gesamtbevölkerung ist — das sei der Klarheit halber auch hier eigens betont — die Hauptmasse deutsch und nur ein ganz geringer Bruchteil ladinisch und italienisch: und zwar laut der Zählung von 1910 in ganz Deutschsüdtirol rund 9000 ladinisch (nämlich die Bevölkerung der Täler Groden und Enneberg) und ebensoviel italienisch. Dieser italienische Bevölkerungsanteil entfällt fast zur Gänze, und zwar mit 7000 auf den politischen Bezirk Bozen und mit 2000 auf jenen von Meran, und auch hier drängt sich jener auf gewisse Ortschaften in der Tiefe des Etschtales zusammen. Auch das bildet einen gewissen Unterschied in der Bevölkerung des unteren Etschlandes gegenüber den höheren Lagen von Deutschsüdtirol. In dem vorliegenden Bande wird das Gebiet der Bezirkshauptmannschaft Meran vollständig behandelt (Abschnitt II), von jenem der Bezirkshauptmannschaft Bozen aber nur der mittlere Teil, nämlich die Stadt Bozen und das Gebiet des Bezirksgerichtes Bozen, samt Villanders und Sarntal (Abschnitt I), welche Anordnung geschichtlich bedingt ist (s. unten I §1). Das Gebiet der beiden südlichen Bezirksgerichte Kaltem und Neumarkt wurde bereits im zweiten Bande behandelt, die ebenfalls zum Teil zum geographischen Bereich des Bozner Beckens und der ehemaligen Bezirkshauptmannschaft Bozen gehörigen Bezirksgerichte Kastelruth und Klausen fallen für die geschichtliche Betrachtung in den Bereich des Eisacktales. Der geschichtliche Nachweis über die Anfänge des Deutschtums und der deutschen Besiedlung ist auch für das bezeichnete Gebiet in erster Linie an der Hand der örtlichen und persönlichen Eigennamen des Landes und seiner Bewohner zu führen. Hiezu habe ich alle Urkunden und Urbare vom Beginne der schriftlichen Überlieferung bis zur Mitte des 14. Jährhunderts, die derartige Namen enthalten, und die für mich erreichbar waren, herangezogen. Bis 1300 dürfte dies auf Grund der Sammlungen der historischen Kommission des Ferdinandeums zu Innsbruck annähernd vollständig gelungen sein. Für das nächste halbe Jahrhundert (1300 bis 1350) konnte ich einige kleinere örtliche Archive nur unvollkommen verwerten. Ich habe aber auch für diese Zeit eine Reihe von Archivalien benützen können, die Tarneller für seine Hofnamensammlung nicht herangezogen hat; das Nähere über dieses Verhältnis habe ich in den betreffenden örtlichen Abschnitten angegeben. Insbesondere bemerke ich: Ich gebe nicht eine bloße Auswahl der Namen und ihrer urkundlichen Erwähnung bis 1300 bzw. bis 1350, etwa in dem Sinne, um die deutsche Besiedlung allein hervortreten und die Spuren der romanischen möglichst verwischen zu lassen. Sondern ich führe auch 200 Einwohner auf i qkm, Terlan bei 240. Daraus kann man die Bedeutung Weinlandes einer- und des Wald- und Almlandes andererseits für die Besiedlung messen. Das Sarntal kann mit seinem Felderbestand nur deshalb soviel Menschen halten, weil ausgedehnte Almen seine Viehzucht unterstützen, in Terlan treibt Weinbau die Besiedlungsziffer in die Höhe.

des ererder

des Deutschtums von Bozen und Meran bis ins 15. Jahrh.

5 grundsätzlich alle urkundlichen Erwähnungen von Namen an, die mir erreichbar waren und halte mich damit an den Hauptgrundsatz der Geschichtsforschung, den ganzen, einen bestimmten Gegenstand betreffenden, Quellenstoff zu berücksichtigen und dadurch eine größtmögliche Sicherheit und Zuverlässigkeit der geschichtlichen Aussage zu gewinnen. So habe ich denn tunlichst alle erreichbaren Belege über die geschichtlichen Anfänge der Besiedlung der erwähnten Gegend bis ins 14. Jahrhundert gesammelt und dargestellt. Die Durchsetzung des deutschen Elementes dortselbst und sein Verhältnis gegenüber dem rätoromanischen soll als rein geschichtliches Problem möglichst allseitig erfaßt und an Hand der Urkunden behandelt werden. Die Methoden, die hiebei in Frage kommen, habe ich im ersten Bande (S. 1 ff.) bereits näher dargestellt und im zweiten Bande auf das Gebiet südlich von Bozen bereits angewendet. Insoferne schließt sich der vorliegende dritte Band des Werkes den früheren an. In demselben Sinne habe ich auch für diese Gebiete von Bozen und Meran das Auftauchen einzelner deutscher Worte in den lateinischen Urkunden und ihre Einführung mit dem Ausdrucke „ v u l g a r i t e r " verfolgt. Denn hierin liegen die ersten unmittelbaren Belege, daß die deutsche Sprache die allgemeine Volks- und Umgangssprache in jenen Gegenden gewesen ist. Die Urkunden und Urbare, welche solche Stellen und die vorerwähnten örtlichen und persönlichen Eigennamen enthalten, werden in zeitlich angeordneten Auszügen (Regesten) in eigenen Unterabschnitten (§§) gesammelt mitgeteilt und durch eine kurze Ziffernbezeichnung von der Darstellung auf diese verwiesen. Die Verfassung von Urkunden in deutscher S p r a c h e statt wie bisher in lateinischer, mit anderen Worten, das Eindringen der deutschen Sprache in die Urkunden habe ich seit dem Beginn dieses Vorganges zu Ende des 13. Jahrhunderts bis zum vollen Abschluß desselben zu Anfang des 15. dargestellt und hiebei sowohl die soziale Stellung der Aussteller und Empfänger, die Art des Rechtsgeschäftes und die Art und äußere Form der Urkunden berücksichtigt. Dieselben bilden die ältesten zeitlich genau bestimmten Aufzeichnungen in deutscher Sprache aus jenen Gegenden, ich habe mich daher um eine möglichst vollständige Sammlung derselben bis gegen das Jahr 1400 bemüht und sie wörtlich, teils mit ihrem ganzen Inhalte, teils mit einigen kennzeichnenden Sätzen, mitgeteilt. Auch Schriftabbilder von den ältesten dieser Urkunden werden wieder beigegeben. Die nähere Besprechung der äußeren und inneren Merkmale dieser Urkunden, der äußeren Form, der Schrift und des Formulars muß ich mir allerdings auf eine andere Gelegenheit verschieben. Das Urkundenund Kanzleiwesen der Landesfürsten von Tirol bis 1335 ist in einer Monographie von R. Heuberger (9. Erg. Bd. MIöG.) nach allen in Frage kommenden Gesichtspunkten dargestellt, höchstens die Schrift an sich

6

I. § i.

-

Römerherrschaft, Pons Drusi.

bedürfte noch einer näheren Betrachtung. Hingegen ist das Urkundenwesen der Bischöfe von Trient und Brixen noch für keine Epoche erörtert, ebensowenig das Urkundenwesen der nicht fürstlichen Stände, abgesehen von den Darlegungen über das Notariat. Es sind also insbesondere die Siegelurkunden der Stifter, des Adels, der Bürger und der Bauern, für letztere in Gestalt der Gerichtsurkunde, einer zusammenfassenden Betrachtung zu unterziehen. Soll das Bild nicht einseitig bleiben, muß man außer für die Urkunden im engeren Sinne auch für die anderen Aufzeichnungen rechtlichen und wirtschaftlichen Inhaltes wie für die Urbare, Rechnungsbücher, Weistümer und Ordnungen das Aufkommen der deutschen Sprache darlegen. Die nähere sprachliche Beurteilung dieser deutschen Urkundentexte ist eine Aufgabe, für die nur ein Germanist zuständig sein kann. Um die Ausgabe zu erleichtern, werden aber sowohl die erwähnten Auszüge (Regesten) aus den lateinischen Urkunden, wie die Wortlaute (Texte) jener deutschen Urkunden samt den zugehörigen Schriftabbildern (Faksimile) nicht, wie ich ursprünglich plante, der Darstellung unmittelbar angefügt, sondern alle zusammen in einem noch auszugebenden 2. T e i l e des vorliegenden Bandes als „ U r k u n d e n - B e i l a g e n " vereinigt und dem vorliegenden I.Teile, der „ D a r s t e l l u n g " , angeschlossen. Hiebei wird aber die während der Ausarbeitung von mir vorgesehene Bezifferung der betreffenden Paragraphen beibehalten: Für den I. Abschnitt: Bozen und Umgebung, die §§ 5, 6, 7, 8, 9; für den II. Abschnitt: Meran und Umgebung, die §§ 4, 6, 8, 9 (s. Inhaltsverzeichnis). Die Verweise mit § x Reg, oder R. y und mit § x Urk. oder U. y beziehen sich demnach stets auf die betreffenden Unterabschnitte (§§) und die einzelnen Regesten und Urkunden in denselben. § 1. Politische Zugehörigkeit des Gebietes von Bozen.

Bis in das Bozner Becken und seine nordseitige Umrahmung (Ritten, Greifenstein ober Terlan und Tisens) reichen von Süden her Funde von Schriftsteinen, die keltische Namen in etruskischen Zeichen zeigen.1) Demnach dürfte auch bis dorthin durch das untere Etschtal das Geltungsgebiet der in die Alpen gedrängten Stämme der E t r u s k e r und dann der K e l t e n , die in der Poebene sich niedergelassen haben, gereicht haben. Nordwärts von Bozen wohnten dann i l l y r i s c h e Stämme. Als „ R ä t e r " bezeichneten die Römer alle Bewohner der Alpen im oberen Etsch- und Inngebiet. Nach dessen Unterwerfung schlugen die R ö m e r das Bozner Becken zu I t a l i e n , die Grenze gegen die P r o v i n z R ä t i e n ging nördlich von Bozen bei Klausen oder Kollmann quer über das Eisacktal. An der wichtigen Reichsstraße, die die Römer hier durchzogen, lag der Flecken (mansio) P o n s D r u s i an der Eisackbrücke im späteren Bozen oder an S. die im Bd. I, S. 39, Anm. 1 angegebene Literatur.

Besitznahme von Bauzanum durch die Bajuwaren um 600 n. Chr.

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der Etschbrücke bei Sigmundskron in der Nähe davon; die nächst nördliche Station an der Straße war Sublavione (d. i. unter Lajen bei Kollmann, von manchen wohl irrig als Subsabione, Klausen unter Säben erklärt), die nächst südliche Endida (Enn oder Neumarkt). 1 ) Mit dem Ende der römischen Herrschaft im Etschlande verschwindet der Name Pons Drusi. 2 ) , , B a u z a n u m " , d. i. Bozen, erscheint zum erstenmale im 7. und 8. Jahrhundert und schon diese Erwähnungen zeigen, daß Bozen und sein Gebiet dem politischen Herrschaftsbereiche des Stammesherzogtums B a j u w a r i e n (Baiern) angehört hat. Wann die Eroberung des Gebietes durch die Baiern erfolgte, ist nicht genau überliefert, sicher war das Gebiet um Brixen und das Pustertal um das Jahr 590 in ihrem Besitz und ihr weiterer Vorstoß bis in das Bozner Becken dürfte wohl auch nicht lange auf sich haben warten lassen.3) Der fränkische Geschichtsschreiber Gregor von Tours und der langobardische Paulus Diaconus (Warnefrid) bringen ziemlich eingehende Nachrichten über die Kämpfe, die zwischen den Franken und Langobarden in der Zeit von 580 bis 590 im Etschtal stattgefunden haben, erwähnen dabei als umkämpfte Kastelle neben jenen am Nonsberg auch noch Salurn, Enn bei Neumarkt, Eppan und Sirmian bei Tisens, nicht aber einen so wichtigen Platz wie Bauzanum (Bozen).4) Das scheint wohl dafür zu sprechen, daß dieser Ort und wenigstens seine nordseitige Umgebung damals in festen Händen gewesen ist, nämlich in jenen der Bajuwaren, die ja mit den Franken verbündet gewesen sind und dank dieses politischen Verhältnisses vermutlich auch die Eroberung des rätischen Gebirgslandes bewerkstelligt haben. Jedenfalls wird auch bei Paulus Diaconus für die Zeit um 680 berichtet, daß die Die letzte kritische Darlegung der römischen Straße über den Brenner und der an ihr liegenden Orte lieferte Heuberger im Schiern 1929, 2. H. und bes. über Pons Drusi und Sublavione in der Zeitschrift Klio Bd. 23 (1929), S. 48 f. Die Bücher von Scheffel und W. Cartellieri über die Brennerstraße zur Römerzeit werden hier verschiedentlich berichtigt. 2 ) Der in einem Edikte Kaiser Gratians vom Jahre 379 n. Chr. erwähnte Ort B a u x a r e wurde früher (z. B. von M. Koch Tir. Nat. Kai. 1848 S. 66) auf Bozen bezogen, jedoch wird dies jetzt nicht mehr angenommen (vgl. Ettmayer, Schiernschriften 9, S. 41 f.). 3 ) Vgl. oben Bd. 1, S. 41. — Zuletzt (1930) handelte Heuberger in Ver. Ferd. 10, S. 31 (SA.) über die Eroberung des Eisacktales durch die Baiern. Wenn er aber ausschließend sagt, daß jene nicht vor 590 und nicht nach 592 geschehen sein kann, so scheinen mir doch die dafür gebrachten Beweise, nämlich Nachrichten über Beziehungen des Bischofs von Säben (Brixen) zum Patriarchat Aquileia und zu den Langobarden vom Jahre 590, nicht eindeutig genug. Denn es kann sich da auch um die rein kirchliche Zugehörigkeit und um allgemeine politische Beziehungen, nicht um eine ausgesprochen territoriale staatliche Unterordnung gehandelt haben. Sicher ist aber mit Heuberger die Herrschaft der Bajuvaren über das Pustertal und damit über das Eisacktal seit 592 auf Grund der Nachrichten des Paulus Diaconus anzunehmen. 4 ) Die Stellen sind näher zitiert und dargestellt bei Egger, Barbareneinfälle AöG. 90, S. 372 ff. — Gregor wirkte und schrieb seine Geschichte um 580, Warnefrid um 770, letzterer stützte sich aber für die ältere Zeit auf Aufzeichnungen des Abtes Secundus von Trient, der um 600 gelebt hat. Daher verdienen diese Geschichtswerke die Glaubwürdigkeit von gleichzeitigen Aufzeichnungen, was sie gerade auch für die Geschichte unseres Gebietes zu jener Zeit sehr wichtig macht. — Zuletzt hat diesen Krieg kritisch besprochen Fedor

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I. § i. — Zugehörigkeit von Bozen

Baiern damals über Bozen und dessen Umgegend einen Grafen gesetzt hätten und dieser im Kampfe mit den südwärts anstoßenden Langobarden gefallen sei. 1 ) Also war damals Bozen gesichertes Herrschaftsgebiet der Baiern. Nach weiteren Angaben von Paulus Diaconus und Arbeo von Freising haben um 7 1 0 bis 720 die Baiern verschiedene befestigte Plätze, darunter ausdrücklich Maja (Meran), an die Langobarden verloren; in der heutigen Geschichtsschreibung werden erstere auf die Bozner Gegend und auf Bozen selbst bezogen, was aber nicht sicher ist. 2 ) Daher ist auch die Behauptung, daß Herzog T a s s i l o von Baiern dank seiner Vermählung mit einer langobardischen Herzogstochter um 765 Bozen und das Norital (Nurichtal), sowie Meran und den Vinschgau wiedergewonnen habe, nur eine Vermutung, für die keine quellenmäßige Angabe vorliegt. 3 ) Ob nun eine Unterbrechung in der bairischen Herrschaft über Bozen eingetreten ist oder nicht, jedenfalls hat diese im Jahre 769 wieder bestanden, denn damals hat Herzog Tassilo die Schenkung des Gebietes von Innichen im Pustertal an. das Hochstift Freising, wie die Urkunde wörtlich sagt, „in Bozen auf der Rückkehr von Italien" ausgestellt.4) Man betrachtete demnach damals in Baiern Bozen als einen Ort, der nahe, aber bereits diesseits der Grenze von Italien, also innerhalb Baierns gelegen war. Im Jahre 784/85 wurde wieder zwischen den Baierri und Langobarden bei Bozen gekämpft. Diese standen damals bereits unter der Herrschaft Karls des Großen, während der Baiernherzog Tassilo sich der Oberhoheit des mächtigen Frankenkönigs zu entziehen versuchte. Das war vielleicht der Anlaß des Kampfes, vielleicht war aber dieser auch Schneider, Zur Entstehung der etschländischen Sprachgrenze im Elsaß-Lothring. Jahrbuch Bd. 8 (1929) S. 40 ff. Sch. bemerkt am Schlüsse dieses Aufsatzes: Durch diesen Krieg zwischen Franken und Langobarden im Jahre 590 seien die „historischen Grundlagen der deutsch-italienischen Sprachgrenze im Etschtale geschaffen worden." Das ist wohl etwas zuviel gesagt. Es ist richtig, daß die Langobarden in diesem Krieg die politische Grenze ihres Reiches im Etschtale gegen Norden behauptet und für die weitere Zukunft gesichert haben. Trotzdem ist der nördliche Teil des langobardischen Herzogtums Trient — der Raum von Meran und Bozen südwärts bis Salurn — in den folgenden Jahrhunderten und unter geänderten politischen Verhältnissen, nämlich dank der gemeinsamen Unterordnung Baierns und Langobardiens unter die Obergewalt der fränkischen und dann der deutschen Könige und Kaiser, durch den bairischen Stamm der deutschen Siedlung gewonnen und erst dadurch die deutsch-italienische Volkstumsgrenze bei Salurn begründet worden (s. darüber vorl. Werk Bd. i S. 41 ff. u. Bd. 2 durchgehends). Hist. Langobard. 5, 36: „Comes B a i o a r i o r u m , quem illi gravionem dicunt, qui B a u z a n u m et reliqua castella regebat." 2 ) Heuberger in Ver. Ferd. 10, S. 43 (SA.) meint, daß die bei Paulus Diaconus ohne Namen angeführten Castra sich n i c h t auf Maja und .dessen Gegend beziehen können, deren Besitznahme durch die Langobarden Arbeo erwähnt. Mit ebensoviel Grund kann man annehmen, daß die Nachrichten beider Geschichtsschreiber sich gerade auf ein und dasselbe Ereignis beziehen, der an sich geringfügige zeitliche Unterschied wäre ja durch eine Ungenauigkeit der Überlieferung wohl zu erklären. 3 ) Riezler, Gesch. Baierns, 2. Aufl., Bd. 1, S. 153 und 301; früher Egger, Gesch. Tirols 1, S. 86. 4 ) Bitterauf, Freis. Trad. 1, 62: „In Bauzono rediente de Italia".

zum Herzogtum Baiern im 8. —10. Jahrh.

9 in örtlichen Streitigkeiten um die Ausdehnung der beiderseitigen Stammes reiche hier im Etschtal gegeben.1) Das H e r z o g t u m B a i e r n war dann als eigener Bestandteil dem fränkischen und seit 843 dem ostfränkischen Reiche einverleibt, für welch letzteres Baiern geradezu den Kern gebildet hat. Sein Herrscher war damals der Karolinger Ludwig der Deutsche, in den Urkunden der Zeit auch König der Baiern genannt, während Italien mit Burgund seinem Bruder dem Kaiser Lothar und seit 855 dessen Sohn, dem Kaiser Ludwig II unterstand. Wie uns nun eine Urkunde vom Jahre 855 berichtet, hat damals unter dem Vorsitze des Königs Ludwig des Deutschen zu Aibling (Eipelingen) in Oberbaiern ein Hofgericht getagt, das in einer Klage des Bischofs von Freising gegen jenen von Trient wegen Weingärten bei B o z e n (ad Pauzanam) zugunsten des ersteren entschied, weil dieser den 30 jährigen ruhigen Besitz jener Weingüter nachweisen konnte und die Eingriffe des Bischofs von Trient widerrechtlich erfolgt seien. Bei dem Hofgerichte waren außer den beiden Bischöfen noch der Vogt des Bischofs von Trient und zwei Gesandte des Königs von Langobardien, eben Ludwigs II., anwesend. Der Umstand, daß dieser Gerichtsspruch auf baierischem Boden vom Hofgericht des Königs von Baiern gefällt worden ist, deutet an, daß die Gegend der umstrittenen Weinberge, eben die Gegend von Bozen, damals zu Baiern gerechnet worden ist. Auch entspricht der dem Urteil zugrunde gelegte Rechtssatz der dreißigjährigen Ersitzungsfrist dem bajuwarischen Stammesrecht. Einige Jahre später ist dieser Gerichtsspruch in einer Zusammenkunft der beiden Könige zu Trient bestätigt worden.2) Da das Königreich Italien von der Mitte des 9. bis zu jener des 10. Jahrhunderts von Deutschland politisch wieder unabhängig gewesen ist, kam die Grenzlage Bozens wieder stärker zur Geltung. Um 930 wird Trient als die erste, d. h. nördlichste Mark Italiens bezeichnet3); in Erinnerung daran wird auch im 1 1 . und 12. Jahrhundert der Bezeichnung Herzogtum und Grafschaft Trient meist der Titel „Mark" hinzugefügt. Darüber berichten die ziemlich gleichzeitigen Annalen von Regensburg: „Pugna Baiwariorum cum Hrodperto ad Pauzana" (mitgeteilt von Hofmeister MIöG. 9. Ergbd., S. 384). Aventin berichtet in seiner im 16. Jahrhundert auf Grund dieser und anderer alten Annalen verfaßten Geschichte Baierns ausführlicher, daß damals „die S t a t P o z e n " zerstört, einmal von den Langobarden besetzt und von den Baiern wieder zurückerobert worden sei. Es ist aber nicht sicher, ob diese Angaben von Aventin wortgetreu einer alten, heute verschollenen Quelle entnommen oder erst von ihm zur Ausschmückung seiner Darstellung in diese Form gebracht worden sind. Jedenfalls kann diese Angabe nicht als Beleg etwa dafür gelten, daß Bozen damals schon eine „ S t a d t " gewesen sei (s. Riezler, Gesch. Baierns, 1. Bd., 2. Aufl., S. 316 mit näheren Nachweisen). 2 ) Die beiden Urkunden gedruckt von Zahn F A . 31, 16 f. Reich, Lettera die s. Vigilio, S. 181 ff., will aus diesen Urkunden folgern, daß die Grenze zwischen den Herzogtümern Baiern und dem Herzogtum Trient, demnach zwischen dem ostfränkischen oder deutschen und dem langobardischen Reiche an der Mündung des Eisack in die Etsch gelegen habe, doch gibt zu einer so genauen Feststellung die Urkunde keinen Anhalt. Über die Ersitzungsfrist nach altem baierischen Stammesrecht s. unten S. 63. 3 ) S. Hofmeister, Die Markgrafen des italienischen Reiches, MJöG. 7. Ergbd., S. 384.

I. § i. — Die baierischen Grafschaften

IO

Das Herzogtum B a i e r n war von altersher in Gaue gegliedert und diese bildeten die Grundlage für die Grafschaften, die nach fränkischem Muster auch in Baiern eingeführt wurden. Nach der ältesten, darüber etwas aussagenden Urkunde vom Jahre 923, gehörte das Bozner/ Etschufer, ausdrücklich die Orte Terlan und Mölten zur G r a f s c h a f t (comitatus) N u r i h t a l . 1 ) In lateinischer Form lautet dieser Name im i o . und 1 1 . J a h r hundert „ v a l l i s N o r i c a " und bezieht sich im Sinne einer geschlossenen Talschaft, einmal ausdrücklich einer Grafschaft auf das ganze Eisacktal. Die Form „pagus Orital", die auch einmal vorkommt, dürfte im Eigennamen infolge Unkenntnis eines landfremden Schreibers entstellt sein, „ p a g u s " bedeutet Gau auch als räumliche Grundlage einer Grafschaft. 2 ) E s ist daher anzunehmen, daß das Bozner Becken zusammen mit dem Eisacktal e i n e Grafschaft des Herzogtums Baiern gebildet habe, ja letztere hat damals im 1 0 . / n . Jahrhundert, nach den späteren Verhältnissen zu schließen, auch über den Brenner hinweg noch das mittlere Inntal umfaßt. 3 ) Die in der landesgeschichtlichen Literatur übliche Bezeichnung „ N o r i t a l " für „vallis Norica" ist streng genommen durch keine urkundliche Erwähnung belegt. Jedenfalls entspricht die Form „Nurihtal" der Übersetzung und lautgesetzlichen Umwandlung des lateinischen „vallis Norica" ins Deutsche, zeigt also auch die Eindeutschung des Gebietes. Bisher hat man „vallis N o r i c a " als „Tal der B a i e r n " erklärt. In Handschriften gelehrten Inhaltes vom 8. bis 1 1 . Jahrhundert wird nämlich öfters das Land und Volk der Baiern als „provincia Norica" bzw. „Norici" bezeichnet, offenbar in Erinnerung an die alte römische Provinz Noricum, deren Gebiet von den Baiern in Besitz genommen worden ist. Diese Vorstellung wird übrigens auch schon im 7. Jahrhundert bei Paulus Diaconus (III, 30) angedeutet. In Verbindung damit nahm die gegenwärtige Forschung an, daß „vallis Norica", oder „Nurihtal" „Baierntal" bedeutet habe, d. h. das Tal, durch das man von Süden her auf dem Wege von Italien nach Deutschland in das Gebiet der Baiern gelange, oder überhaupt jene wichtige Paßverbindung der Alpen, die durch das Eisack- und Inntal führt und von den Baiern beherrscht und bevölkert gewesen ist. Die Bezeichnung eines Grundherren Quartinus in der Gegend von Sterzing als „de natione Noricorum et Peregnariorum" in einer Urkunde von 827 wurde demgemäß bisher so gedeutet, daß jener Mann von der einen Elternseite her dem Stamme der Noriker oder Baiern, von der anderen jenem der rätoromanischen Breonen angehört habe. Kürzlich stellt nun R. Heuberger die Richtigkeit dieser Deutungen in Frage (Ver. Ferd. 1930, Bd. 10, S. 17 ff., wo auch alle näheren Quellen- und Literaturangaben). Heuberger geht davon aus, daß jene Bezeichnung des Quartinus nur die Zugehörigkeit zu e i n e m bestimmten Stammesrechte bedeuten und daß daher jener Namen sich auchnur auf einen einheitlichen Stamm beziehen könne. E r vermutet, daß etwa um 600 n. Chr. zahlreiche Romanen aus Noricum vor den dort eindringenden Slaven zurückgewichen und durch das Drautal ins Rienz- und Eisacktal eingewandert, sich dort niedergelassen und bald mit den dort von früher her befindlichen romanisierten Breonen zu einer einheitlichen Bevölkerungsschichte zusammengewachsen seien. Daher habe man diese als Noriker und das von ihr bewohnte Eisacktal als vallis Norica bezeichnet, woraus dann im deutschen Munde „Nurihtal" entstanden sei. Letztere Namensform hätte nach !) Salzb. Urkb. x, S. 67. 2 ) Redlich AT. i, S. 3 2 1 ; Santifaller Brix. Urk. Nr. 19 und 23. ) Belege wie unten S. 1 1 Anm. 2.

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Nurihtal und Bozen im 10. und n . Jahrh.

II

Heuberger nie entstehen können, wenn „vallis Norica" nur eine allgemeine gelehrte Bezeichnung, nicht ein volkstümlicher, unmittelbar bodenständiger Ortsname gewesen wäre. Diese Argumente H.s haben gewiß manches für sich, geben aber doch wohl keine unbedingte Sicherheit, weil sie nicht an primäre Angaben, sondern an mittelbare Voraussetzungen anknüpfen. — Für den Zweck unserer Darstellung ist diese Einzelfrage insoferne von Bedeutung, weil infolge der Darlegung Heubergers ein Beweis, daß das Gebiet von Bozen und das Eisacktal als den Baiern zugehörig gegolten habe, wegfallen würde. Da aber diese Zugehörigkeit durch viele andere Belege bewiesen wird, verschlägt der Wegfall dieses einzelnen Argumentes nicht viel. Die Eindeutschung des Talnamens in der Form Nurichtal bleibt ja bestehen und damit auch der Hinweis auf die Eindeutschung des gesamten Gebietes. Juffinger (Tir. Heimatbl. 1 . Jg. H. 5) meint, daß „vallis Norica" oder „Norital" (diese Form ist allerdings, wie erwähnt, nicht überliefert) N o r d t a l bedeute und von den Ostgoten aufgebracht worden sei, weil das Eisacktal den nördlichen Eingang in deren italisches Reich gebildet habe. Doch ist diese Erklärung aus sprachlichen Gründen wohl kaum haltbar. Auch könnte man annehmen, daß jener Ausdruck für das Eisacktal nur deshalb im 5. und 6. Jahrhundert entstanden sei, weil durch jenes damals der beste Zugang von Italien nach Noricum gewesen sei. Wenn es also auch sicher ist, daß das Eisacktal seit dem Ende des 6. und Bozen seit dem 7. Jahrhundert zum Herzogtum Baiern gehört hat, so ist über die n ä h e r e G r e n z e zwischen Baiern und dem langobardischen Herzogtum Trient bzw. Königreich Italien nichts Bestimmtes überliefert und nur aus mittelbaren Anzeichen können wir schließen, daß diese Grenze von Meran längs des Laufes der Etsch abwärts bis Leifers unterhalb Bozen und von hier, Deutschnofen noch zu Baiern ziehend, ostwärts ins Gebirge gegangen ist. Das Bozner Überetsch (Eppan, Kaltem, Tramin), sowie das Bozner Unterland (Auer, Neumarkt und Salurn) haben demnach vom 6. bis 1 1 . Jahrhundert nicht zum Herzogtum Baiern, sondern zum langobardischen Herzogtum Trient gehört. 1 ) Eine bedeutsame Änderung in der Grafschaftseinteilung unserer Gegend ist im J a h r e 1 0 2 7 erfolgt. Damals übertrug nämlich Kaiser Konrad II. die Grafschaft im Inntal und Eisacktal, soweit sich dort die Diözese (das Bistum) Brixen in rein kirchlichem Sinne erstreckte, dem Hochstifte Brixen, die Gegend von Bozen aber als eigene G r a f s c h a f t (comitatus B a u z a n u m ) dem H o c h s t i f t e T r i e n t . 2 ) Der U m f a n g dieser Grafschaft Bozen wird damals so angegeben: Nordwärts im Eisacktal auf dessen rechter (westlicher) Seite bis zum Tinnebach, der bei Klausen in den Eisack S. Bd. 1, S. 41 f.; Bd. 2, S. 4, 109 und 200. — Betreffs Meran s. unten Kap. II, § 1. — Die von A. Solmi gebrachte Behauptung, daß die in einem Einnahmeverzeichnis des königlichen Hofes zu Pavia aus dem io./ii. Jh. erwähnte Zollstätte „ B a l z a n u m " sich auf Bozen beziehe und demnach dieser Ort damals zu Langobardien gerechnet worden sei, ist mit den andern Nachrichten nicht zu vereinen und daher wohl irrig. Es gibt verschiedene Orte in der Lombardei, die auf Grund ihres Namens für dieses Balzanum gedeutet werden können (Näheres darüber von Völser in Tir. Heimat 9. Bd., 1927, S. 53 ff.). 2 ) Näheres über die bezüglichen Urkunden und ihren raumgeschichtlichen Inhalt s. bei Stolz, Grafschaften von Deutschtirol AöG. 102, S. 100 und 105 ff.; hier ist die bis damals erschienene Forschung über diesen Gegenstand zusammengefaßt; seither handelte über die Ausstellungsorte jener Verleihurkunden und den Alpenübergang K. Konrad II. im Jahre 1027 neu R. Heuberger im „Schiern" 1928, S. 43 ff.

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I. § i. — Übergang der Grafschaft Bozen an

mündet, auf der linken (östlichen) Seite bis zum Brei- oder Tierser Bach, der in jenen bei Blumau mündet; westwärts bis zum Aschler Bach, der bei Gargazon in die Etsch fließt; südwärts bis zum Südrand des alten Pfarrsprengels von Bozen, d. i. einschließlich der Gemeinden Leifers (südlich Bozen) und Deutschnofen. Doch läßt sich diese letztere Angabe nur mittelbar aus dem Inhalt der Urkunden erschließen; auch hat die Leitung des Hochstiftes Brixen im 11./12. Jahrhundert die Südgrenze seines Bistums auf der linken Seite des Eisacktales etwas weiter als bis zum Tierser Bach, nämlich bis zum Eggentaler oder Kardaunbach gerechnet, was auch der späteren Diözesangrenze entspricht. Durch diese Verleihung der Grafschaft Bozen an das Hochstift Trient ist diese Südspitze des altbaierischen Stammesherzogtums mit dem bisher langobardischen Herzogtum Trient raumpolitisch verbunden worden; da aber Trient seither ein geistliches Fürstentum des Deutschen Reiches im engeren Sinne geworden und staatsrechtlich von Italien losgelöst, die Leitung des Hochstiftes Trient fast durchaus Deutschen anvertraut gewesen ist, hat für den politischen und nationalen Charakter des Bozner Gebietes diese Maßregel keine tiefergehenden Folgen hervorgebracht: Eher ist dadurch das Deutschtum im Hochstifte Trient verstärkt als umgekehrt jenes im Gebiete von Bozen gefährdet worden.1) Der wohlunterrichtete Geschichtschreiber Otto von Freising sagt um die Mitte des 12. Jahrhunderts, daß Bozen an der Scheide zwischen Baiern und Italien liege.2) Auch das zeigt, daß man in Baiern wegen der Zuteilung der Grafschaft Bozen an das Hochstift Trient nicht zur Auffassung gekommen ist, daß das Gebiet von Bozen deswegen dem alten Stammesbereiche entzogen werden sollte oder entzogen worden ist. Die Bischöfe von Trient haben im 1 1 . und 12. Jahrhundert zur Ausübung der Grafschaftsgewalt in der Grafschaft Bozen eigene Grafen zu Lehensrecht eingesetzt; dieselben nannten sich später nach der bei Terlan gelegenen Burg Grafen von Greifenstein oder auch Grafen von Morit und waren Stammverwandte der Grafen von Eppan, die ja jenseits der Etsch die Grafschaft ebenfalls als Lehen vom Hochstifte Trient innehatten. Nach dem Aussterben der Grafen von Greifenstein (um das Jahr 1170) betrauten die Bischöfe von Trient ihre Vögte, die Grafen von Tirol, die damals bereits die Grafschaft im Vintschgau verwalteten, mit der Grafschaftsgewalt in Bozen, aber vorsichtigerweise nicht zu alleinigem Lehensrechte, sondern in Gemeinschaft mit dem Hochstifte, so daß die Unterbeamten der Grafschaft, die Richter oder Gastalden, gemeinsam vom Bischof und Graf eingesetzt waren. Denn seit dem Ende des 12. Jahrhunderts erscheint die Grafschaft Bozen (gleich den anderen benachbarten Grafschaften) in L a n d g e r i c h t e zergliedert, die unter der Leitung eigener Amtleute (Richter) stehen, nämlich die Landgerichte oder Gerichte S. dazu auch meine Ausführungen Bd. i, S. 56 f. ) S. Bd. 1, S. 44.

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das Fürstentum Trient und die Grafschaft Tirol im 1 1 . - 1 3 . Jahrh.

Bozen-Gries, Mölten, Sarntal, Ritten (auch Stein am Ritten), Villanders, Deutschnofen, ferner die Gerichte Neuhaus (Terlan), Jenesien, Wangen und Karneid, die wieder von den erstgenannten größeren Landgerichten sich abgesplittert haben.1) Die Grafen von Tirol, insbesondere Meinhard II. (1258 bis 1295), verfolgten als Hauptziel ihrer Politik, sich zu möglichst selbständigen Herren (Fürsten) der ihnen von den Hochstiften Brixen und Trient zu Lehen- und Vogteirecht übertragenen Grafschaften zu machen. In dem offenen Kampfe, der sich hierüber insbesondere zwischen Graf Meinhard II. von Tirol und den Bischöfen von Trient seit 1270 entspann, gelang es jenem, die noch bischöflich gebliebenen Gerichtsämter im Bereiche der alten Grafschaft Bozen an sich zu ziehen und diese sich allein und gänzlich Untertan zu machen, die weltliche Herrschaft des Bischofs von Trient daraus zu verdrängen. Seit 1280 erscheinen die obengenannten Gerichte durchwegs in die alleinige Verwaltungsorganisation der Grafschaft Tirol einbezogen.2) Dabei blieb es mit Ausnahme der Altstadt von Bozen auch, als in den Jahren 1302 und 1307 ein formeller Frieden zwischen den Söhnen Meinhards II. als Landesfürsten von Tirol und dem Bischöfe von Trient geschlossen wurde. Damit war also das Gebiet von Bozen der G r a f s c h a f t Tirol rechtsförmlich e i n v e r l e i b t , die alte Lehenshoheit des Hochstiftes Trient für die Herrschaft Greifenstein, die die Tiroler Landesfürsten auch weiterhin anerkannten, hat nur formellen Charakter gehabt. In jenem Kampf Graf Meinhards von Tirol mit Trient um die Landeshoheit im Gebiete von Bozen werden nationale Motive nicht geäußert, und waren wohl auch nicht unmittelbar gegeben und bewußt, denn auch der Bischof Heinrich von Trient war Deutscher von Geburt und Lebensgang.3) Die Bewohner von Bozen, Adel, Bürger und Bauern, waren Deutsche, wie unsere Feststellungen im nächsten Abschnitt zeigen werden. Daß jene Bürger von Bozen im Jahre 1277 bekundeten, Graf Meinhard von Tirol habe gegen sie als Untertanen des Hochstiftes Trient den Krieg begonnen und ihre Häuser und Weingärten zerstört, zeigt ja wohl, daß sie nicht freiwillig seine Herrschaft anerkennen oder zum mindesten jene des Hochstiftes abstreifen wollten. Aber diesen Widerstand auf einen nationalen Gegensatz einer angeblich romanischen Stadtgemeinde gegen den deutschen Grafen als Träger einer gewaltsamen Germanisierung zurückzuführen — dazu bietet der Wortlaut jener Erklärung keinen Anhalt.4) Doch ist, geschichtlich betrachtet, die Angliederung des 1

) Wie nächste Anmerkung. ) Alles nähere über die Geschichte jener einzelnen Gerichte und ihre Vereinigung mit dem Lande Tirol werde ich im 2. Teile meiner hist.-pol. Landesbeschreibung von Tirol bringen. Vorderhand s. meine Erläuterung zum historischen Atlas der österreichischen Alpenländer und dessen Karten (Abt. Deutschtirol 1910). 3 ) S. Bd. I, S. 54, Z. 4 vtfn unten. 4 ) Dies tut Battisti wie oben Bd. 1, S. 64 bereits näher angeführt. — Die Bekundung der Bozner s. unten § 5, Reg. 30 a. 2

J

i. § i .

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- Übergang der Herrschaft über die Stadt Bozen

Gebietes von Bozen an die Grafschaft Tirol als an das neue d e u t s c h e L a n d e s f ü r s t e n t u m am Südrande des geschlossenen deutschen Siedlungsraumes sicherlich von größter Bedeutung gewesen. Die nationalpolitische Stellung der Grafschaft Tirol ist dadurch erst so richtig begründet und ihre fernere Wirkungsweise ermöglicht worden. Der Bestand der S t a d t B o z e n als eines eigenen Gemeinwesens unter der besonderen Herrschaft des Bischofs von Trient als Stadtherrn, der als solcher dort ein eigenes „palatium" (Schloß) hatte, läßt sich bis ins I i . Jahrhundert zurückverfolgen.1) Auch diese Stadt Bozen hat Graf Meinhard II. von Tirol besetzt, aber seine Söhne haben sie nach seinem Tode dem Bischöfe von Trient wieder zurückgestellt. Da aber das umliegende Land seither dem Grafen von Tirol allein unterstand, war diese Herrschaft des Bischofs von Trient über die Stadt Bozen im 14. und 15. Jahrhundert, nunmehr genauer gesagt über die A l t - oder I n n e r s t a d t oder das S t a d t g e r i c h t B o z e n eine sehr bescheidene Sache; der Stadtrichter, den der Bischof dort einsetzte, hatte nur die niedere Gerichtsbarkeit, außerdem bezog jener von der Stadt eine jährliche Steuer.2) Unter den tirolischen Landesfürsten Ludwig dem Brandenburger (1341 bis 1361) und Friedrich von Österreich (1410 bis 1439) ist übrigens diese trientnerische Herrschaft über die Stadt Bozen nicht anerkannt gewesen. Im Jahre 1462 überließ der damalige Bischof von Trient dem Landesfürsten von Tirol diese seine Herrschaftsrechte über die Stadt und das Stadtgericht Bozen auf begrenzte Zeit und im Jahre 1531 für immer. Dem Hochstifte blieb nur noch ein Urbaramt zu Bozen im eigenen „Trientner Amtshaus."3) Italienische Geschichtsschreiber pflegen dies so darzustellen, daß damals die Stadt Bozen erst der Italianität Trients entzogen und dem Deutschtum Tirols und Österreichs ausgeliefert worden sei.4) Das ist eine der bei den Italienern hinsichtlich der Südtiroler Geschichte beliebten Verdrehungen, die Stadt Bozen war vielmehr, wie wir noch im nächsten Abschnitt zeigen werden, seit ihren Anfängen ein deutsches Ge meinwesen und seit dem 13. Jahrhundert tatsächlich ganz von dem tirolischen Machtbereiche umschlossen und seinem Einflüsse zugewendet. *) S. darüber unten S. 21 f. 2)

S. Kogler, Steuerwesen A ö G . 90, S. 64 ff.

3)

Der betreffende Vertrag vom 12. Januar 1531 sagt, K . Ferdinand I. habe als Landesfürst von Tirol vom Bischöfe Berndhard von Trient (gegen Überlassung der Herrschaft Persen oder Pergine) erhalten „das S t a t g e r i c h t zu B o z e n mit allen Gerichtszwengen, Rechten, Nutzungen, Mannschaften, Appellacionen, Landtraisen (Wehraufgebotsrecht), Landtsteuern und aller Obrigkeit", wie es dem weil. Erzherzog Sigmund auf Lebenszeit verschrieben war (IStA. Bekennenb. 1531 fol. 100). Ungenauer, aber hochtrabender drücken sich die lateinischen Gegenurkunden für den Bischof von Trient aus, sie sagen nämlich, dieser habe „certa pars terrae Bozani" bzw. „pars oppidi Bolzani" abgetreten (Bonelli, Not. di Trento 3. Bd., S. 309 ff.). 4) So zuerst B. Malfatti, Confini del princ. di Trento im Arch. per Trieste e Trentino (1883), Bd. 2, S. 24.

von Trient an Tirol im 13. —15. Jahrh.

15 In engster räumlicher Anlehnung an die alte bischöfliche Stadt von Bozen waren seit dem 13. Jahrhundert neue Gassen, S t a d t t e i l e , entstanden, die den Edlen von Wanga und den Grafen von Tirol als Stadtherren zugehörten; die Wangergasse bildete ein eigenes Gerichtlein, das mit der Grundhoheit über die dortigen Häuser um 1280 auch an die Grafen von Tirol übergegangen ist, während andere Gassen vom Anfange an unter der unmittelbaren Herrschaft, wahrscheinlich Grundherrschaft der Grafen von Tirol angelegt worden waren und daher deren Landgerichte zu Gries-Bozen unterstanden. Trotz dieser gerichtsorganisatorischen Sonderstellungen verschmolzen diese Stadtteile mit der alten bischöflichen Stadt von Bozen auf Grund der wirtschaftlichen Gemeinsamkeit zu einem einheitlichen städtischen Gemeinwesen, das in den Jahren 1363 und 1381 durch Verleihung der damaligen Landesfürsten von Tirol, eine neue einheitliche R a t s Ordnung erhielt, ausdrücklich zur Zusammenfassung des alten Stadtgerichts (bischöflich), der Wangergasse und den Gassen des Landgerichts (tirolisch)x). Erst 1397 und 1405 wird diese Ordnung auch durch den damaligen Bischof von Trient bestätigt.2) Die Stadt Bozen ist also bereits lange, ehe der Bischof von Trient seine letzten Rechte über den innersten Teil derselben an die Landesfürsten von Tirol abgetreten hat, deren politischem Machtkreise eingegliedert und durch das Mittel der hohen oder Blutgerichtsbarkeit auch formell ihrer Landeshoheit unterstellt gewesen. Bereits nach der Auffassung des 14. Jahrhunderts lag die Stadt Bozen — ebenso wie Meran — in der Grafschaft Tirol, so ausdrücklich ausgesprochen in einer päpstlichen Urkunde vom Jahre 1373. 3 ) Die Tiroler Landesfürsten haben anfangs, nämlich unter dem Herzoge Meinhard und dessen Söhnen Otto und Heinrich um das Jahr 1300, das Dorf Keller oder Gries, wo sie eine Feste besaßen, zur Schwächung der Stadt Bozen, die als solche vom Hochstifte Trient abhängig war, zu einem eigenen Verkehrsmittelpunkte und in weiterer Folge wohl zu einer Stadt zu entwickeln getrachtet. Sie umgaben den Ort mit einer Ringmauer, errichteten dort einen Jahrmarkt, eine Leihbank und ein Kaufhaus, das von Florentinern betrieben wurde. Später im Jahre 1357 verlegte aber der damalige tirolische Landesfürst Markgraf Ludwig diesen Markt in die Stadt Bozen, wo er mit den andern dort bestehenden Jahrmärkten ver*) Über die geschichtliche Entwicklung der Stadt Bozen und besonders auch ihre Vereinigung aus den oben erwähnten Teilen und Gerichten, siehe die anschauliche Schilderung von Voltelini „Aus Bozens Vergangenheit" im Schiern Band 1 S. 257, 2 S. 143 und 3 S. 7 ff. (1921 f.), ferner über das Gerichtswesen auch Huter, Bozner Meßgerichtsprivileg S. 28 ff. Auch das Büchlein von F. Zallinger „Aus Bozens längst vergangenen Tagen" (1901) bringt darüber einiges, insbesondere über die alten Gassennamen und deren Umänderung im Jahre 1901. Über die Italianisierung der Straßennamen in Bozen im J . 1919 siehe Archivio Alto Adige 14 S. 455. — Das Werk von A. Simeoner, Die Stadt Bozen (1890) ist im Stile einer Chronik geschrieben und nicht nach Sachgebieten gegliedert. 2 ) Vgl. dazu unten S. 65, Anm. 1 und S. 76, Anm. 1. 3 ) Huter, Meßgerichtsprivileg S. 51 aus Lang, Acta Salzb. Aquil. 1, 662.

I. § i. — Das Gebiet von Bozen in der Viertels-,

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einigt wurde1). Gries blieb infolgedessen ein ländlicher Ort. Unter dem Schutze der Tiroler Landesfürsten sind dann die B o z n e r M ä r k t e immer mehr aufgeblüht und die besondere Hoheit jener Fürsten über diese Märkte hat auch sehr dazu beigetragen, die Stadt ihrer allgemeinen Landeshoheit unterzuordnen. An der politischen Zugehörigkeit der Gegend von Bozen zur gefürsteten Grafschaft oder zum Lande Tirol ist seit ihrer Vereinigung mit letzterem im 13. Jahrhundert nicht mehr gerührt oder gerüttelt worden, abgesehen vom napoleonischen Zwischenreich von 1810 bis 1813. 2 ) Das Land Tirol war seit dem 15. Jahrhundert für verfassungs- und verwaltungsrechtliche Zwecke in V i e r t e l eingeteilt, die sich an die alten Gaue und Grafschaften wohl in deren Kerne anlehnen, an den Rändern aber sich gegenüber diesen vielfach verschoben haben.3) So gab es ein V i e r t e l an der E t s c h mit Bozen als Mittelpunkt, dem von der alten Grafschaft Bozen die Landgerichte Bozen-Gries, Sarntein, Neuhaus (Terlan), Mölten, Jenesien und Deutschnofen angehörten, weiters aber auch die südlich Bozen gelegenen Gerichte Neumarkt, Salurn, Eppan, Kaltem, Tamin. Zeitweise war es auch üblich, die letzteren Gerichte als Viertel U n t e r - E t s c h von den ersteren als Viertel Ober-Etsch zu unterscheiden. Weiters zählte man die Gerichte, die nördlich und östlich von Bozen am Eisack liegen und einstmals zur Grafschaft Bozen gehört haben, nämlich Ritten, Villanders, Karneid und Welschnofen, zum Viertel am E i s a c k , das sich von da nordwärts über das weitere Eisacktal erstreckte. Als zu Ende des 18. und zu Anfang des 19. Jahrhunderts an Stelle der alten Viertel Kreise gebildet wurden, hat man dem K r e i s e an der E t s c h mit dem Sitze zu Bozen auch die südlichen Eisacktaler Gerichte, nämlich Ritten, Villanders, Karneid, ferner auch Klausen, Kastelrut und Völs zugeteilt.4) Die seit 1867 errichtete B e z i r k s h a u p t m a n n s c h a f t Bozen schloß sich an der Nordseite und auch an der Südseite dieser Ausdehnung des alten Kreises Bozen an. Über die landesfürstl. Burg und Ringmauer in Gries nach Erwähnungen aus dem 14. Jh. s. Ruinatscha in FMGT. 8 S. 39 und Tarneller, Namen in Gries S. 4 u. 12. — Dazu noch weitere urkundl. Beiträge: 1272 März 24 wird „ad Griaz supra domum d. Meinhardi" geurkundet (IStA. Urk. I 4374.). Der landesfürstl. Amtmann und Richter von Gries verrechnet zum Jahre 1300 Ausgaben für die Erbauung des ,,murus in Griez" (StA. München Tir. Cod. 3 f. 77 u. 96). 1295 wird sogar eine „ u r b s " Griez genannt (unten § 5 Reg. 37a). — Über die Leihbank (casana) und das Kaufhaus (fundicum) zu Gries um 1300 s. Voltelini, Leihbanken S. 24 u. 29). — Über den Jahrmarkt zu Gries s. Stolz im Schiern 1921 S. 137 f. 2

) S. dazu auch unten Kap. III, § 3. ) Im Weistum des Gerichtes Villanders aus dem 14. Jahrhundert heißt es, daß „die vier Gerichte Vilanders, Riten, Sarntein und Melten ain Aid (d. h. Eidgenossenschaft) solten sein und an ainander solten geholfen sein" ( J W . 4, S. 249). Demnach war damals auch schon eine gewisse engere Gruppenbildung der Gerichte im Gange, räumlich noch mehr im Rahmen der alten Grafschaft Bozen. 4 ) Nachweise s. Stolz AöG. 102, S. 288 ff. 3

Kreis- und Bezirkseinteilung seit dem 16. Jahrh.

17

Für die unten folgende Darstellung sind in diesen Abschnitt die Gemeinden und Gerichte, die die alte Grafschaft Bozen ausmachen, einbezogen. Ich behandle dieses Gebiet, was die älteren Beweise des Deutschtums aus den Orts- und Personennamen anlangt, eingehender, als ich das für das Eisack- und Pustertal plane, weil ja Bozen den südlichsten Vorsprung des altbairischen Herrschafts- und Siedlungsbereiches bildet. Leiters und Deutschnofen, das ursprünglich auch der Grafschaft Bozen angehört hat, habe ich aus Rücksicht auf ihre Raumlage im Rahmen des Bozner Unterlandes (Bd. II, S. 190 ff.) besprochen. Die G r ö ß e n z a h l e n für das in diesem I.Abschnitt behandelte Gebiet sind: Flächenraum Bozen Stadt Bozen Umgebung

(nordseitig)

.

34 qkm 724 >.

Bevölkerung 24000 E i n w . 25000



Diese Bevölkerung ist in der Hauptmasse deutsch, nach der Zählung von 1910 machte in der Stadt Bozen der Anteil der Italiener ungefähr ein Zehntel, in der Umgebung etwas weniger als ein Zwanzigstel aus.1)

§ 2. Orts- und Geschlechternamen von Bozen und Umgegend als Zeugnisse der deutschen Besiedlung derselben vom 8. —13. Jahrhundert. Vorerst seien hier die sprach- und volkstumsgeschichtlichen Ausdrücke, wie ich sie verwende, erklärt: 2 ) Die Sprache der r ä t i s c h e n Stämme vor ihrer Romanisierung d. h. vor der Übernahme der lateinischen Umgangssprache durch sie, war nicht einheitlich, sondern je nach ihrer besonderen Abstammung etruskisch oder rasenisch, auch rätisch im engeren Sinne, illyrisch und wohl auch keltisch.2) Die R ö m e r haben nämlich das ganze Alpengebiet am Ober- uud Mittellauf der Etsch, des Inn und des Rhein als Rätien und die dort wohnenden Stämme, unbeschadet ihrer Herkunft, als Räter (später sagte man dafür auch Rätier) bezeichnet. Ursprünglich scheint allerdings der Name Räter sich nur auf die Stämme etruskischer und keltischer Abkunft im Gebiete von Tridentum (Trient) bezogen zu haben und erst später im obigen Sinne erweitert worden zu sein. Zur Provinz Rätien haben dann die Römer außer jenem Alpengebiet auch noch das ganze nördliche Vorland bis zur Donau vom Unterlaufe des Inn westwärts, das Gebiet der keltischen Vindelicier, geschlagen. Der Name Rätien und Räter bezeichnete also eigentlich nur eine geographische und politische Zugehörigkeit, nicht eine stammliche oder volkliche (nationale und ethnographische), auch nicht eine sprachliche Einheit. Dennoch kann man — diesen Vorbehalt vorausgesetzt — alle vorgenannten Sprachen mit Beziehung auf das a l t e R ä t i e n und damit auch mit Beziehung x)

Näheres darüber s. unten Teil III, § 2, 1 Ende. Näheres darüber s. oben Bd. 1 S. 38 f. S t o l z , Südtirol III. a)

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jg

I. § 2. — Die ältesten Erwähnungen und

auf Tirol, das emen Teil desselben bildet, als „ u r r ä t i s c h " zusammenfassen, oder wenn man noch neutraler sein will, mit dem Ausdruck „ v o r r ö m i s c h " oder „ v o r r o m a n i s c h " , d: h. die Sprachen, die die Bevölkerung Rätiens vor ihrer Romanisierung gesprochen hat. Nachdem die Räter unter dem Einfluß der römischen Herrschaft und dann der christlichen Kirche romanisiert worden waren, d. h. die lateinische Sprache angenommen haben, bezeichnet sie die Geschichts- und Sprachwissenschaft als Rätoromanen, ihre Sprache, eine Tochtersprache des Lateinischen und der Vorläufer des heutigen Ladinisch, als rätoromanisch. Steinberger schlägt dafür den Ausdruck „ a l p e n l a d i n i s c h " vor, der vom rein sprachwissenschaftlichen Standpunkt wohl zutreffend ist, geschichtlich aber nicht soviel besagt wie der Ausdruck „rätoromanisch", weshalb ich bei diesem bleibe. Der italienische Sprachforscher Batisti sagt hiefür noch farbloser „neolatino". 1 ) Auf 1diese rätoromanische Siedlungs- und Bevölkerungsschichte kam dann die Einwanderung der B a j u w a r e n (auch Bajuvaren und Baiwaren geschrieben), welche die deutsche Sprache in unser Land brachten. Wenn wir Baiern mit i schreiben, so meinen wir den alten Stamm, dem sprachlich und stammlich die Bevölkerung der österreichischen Alpenländer und der Kreise Ober- und Niederbayern und Oberpfalz angehören. Mit B a y e r n mit y bezeichnen wir das Herzogtum und spätere Königreich Bayern seit dem 12. Jh. Alle Ortsnamen, die nicht deutscher, sondern romanischer (lateinischer) oder vorrömischer gleich urrätischer Wurzel sind, kann man als vordeutsch — gemäß jener zeitlichen Folge der Festsetzung dieser Sprachen — bezeichnen. Der Ortsname Pons Drusi, der sicher in die Gegend von Bozen zu verlegen ist, ist mit der Völkerwanderung und dem Ende der römischen Herrschaft untergegangen, auch ein Zeichen, daß die im besonderen Sinne römische Überlieferung in dieser Gegend nicht sehr stark verwurzelt war und gehaftet hat. Der Name „ B a u z a n u m " taucht in einer langobardischen Aufzeichnung, aber in enger Verbindung mit der bajuwarischen Landnahme des Gebietes im 7., Bauzonum, Pauzana undBauzana in baierischen Aufzeichnungen seit dem 8. und 9. Jahrhundert auf.2) Diese Namensformen kommen dortselbst auch im 10. bis 12. Jahrhundert meist vor, daneben aber auch Pozana, Bozana und Bosanum3); in einer Regensburger Aufzeichnung jener Zeit wird Bozana ausdrücklich als deutsche Form dem Pauzana gegenübergestellt.4) In der Tat hat sich seit dem 8. Jahrhundert S. dazu Steinberger Zt. f. Ortsnamenf. Bd. 3, S. 223 f. und Stolz 7, S. 57. 2

) S. oben S. 6 u. 8; Bitterauf, Freis. Trad. 2, 635 (Register).

3 ) So in Freisinger Traditionen Bitterauf 2, 270 und Zahn F A . 31, 88 für Pozana; in Brixner Traditionen s. Redlich A T 1, 283 u. bes. 1, 33 für Bozana. In einem Tegernseer Verzeichnis von 1030 Pozana (Archival. Zt. 20, 90).

*) Nach Pez findet sich in einem Salbuch von St. Emeran (zu Regensburg) die Stelle: „In Pauzana valle, que liugua T h e o t i s c a Bozana appellatur" (zit. v. Hormayr, Sämtl. Werke 1, 261 und Resch, Annales Sabion. 2, 714 aus Pez, Thesaurus Anecdotorum 1, 105; Reich, Lettera di S. Vigilio S. 181).

Erklärung des Namens Bozen.

19 in der bairischen Sprache der Laut — au — zu einem langen — o — bzw. mundartlich — oa — gewandelt und wenn dies im Ortsnamen Bauzanum erfolgt ist, so beweist das nur, daß derselbe schon lange in die bairische Sprache als eben der Umgangssprache der dort vorherrschenden Siedlung übergegangen war. 1 ) Zwei bis drei Jahrhunderte später empfanden dann die deutschen Bewohner dieser Gegend die Namensform mit dem — au im Inlaut als ungewohnt und fremd, diese schleppte sich aber in den schriftlichen Aufzeichnungen, die in lateinischer Sprache gehalten waren, als alte, eigentlich schon latinisierte Form fort. Die Abschleifung der Endsilbe, wie sie der weiteren Entwicklung der Namensform in deutschem Munde entspricht, zeigt sich auch schon als „ P o z a n " , „ P o z e n " und „ B o z e n " in Aufzeichnungen des 1 1 . und 12. Jahrhunderts.2) Der Annalist Vincenz von Prag bezeichnet um 1160 „ P o c y n " ausdrücklich als deutsche Form.3) Recht kräftig gibt die mundartliche einheimische Klangfärbung der Bozner Notar Haas um 1237, indem er „Oberpoazen" schreibt, während er sonst für seine lateinischen Texte die ältere Form mit latinisierter Endung „Bozanum" durchwegs verwendet.4) In Trient war in der bischöflichen Kanzlei seit dem Ende des 12. Jahrhunderts neben „Bozanum" auch „Balzanum" oder „Bolzanum" (bzw. statt z auch das lautlich gleiche 5 geschrieben) üblich, letztere Form finden wir auch beim Trientner Notar Obert im Jahre 1236.5) Schon die Art der urkundlichen Überlieferung dieser Form zeigt, daß sie nicht an Ort und Stelle erwachsen ist, sondern durch spätere Übernahme in die Sprache der Lombardo-Romanen (Italiener) gebildet worden ist.6) Trotzdem also die älteren Formen des Namens Bozen auf deutsche Quellen zurückgehen, ist die Wortwurzel desselben nach der Meinung der Linguisten nicht deutsch, sondern romanisch oder noch älter. Meist nimmt man an, daß aus dem römischen Gentilnamen Baudius ein Ortsname Baudianum — nach Art der um Bozen ja auch sonst häufigen Ortsnamen auf anum — gebildet worden sei und aus diesem B a u z a n u m , Bozen 1 ) Vgl. Schatz in Grabmayr, Südtirol, S. 188; Schatz, Altbair. Grammatik, S. 33; Schatz, Althochdeutsche Grammatik (1927), S. 33. 2 ) So im Salzburger Urkundenbuch 2, 167 und 235 (Bozan und Bozen), im Traditionsbuch von Benediktbeuren (Baumann in archival. Zt. Bd. 20, S. 9, 21, 23) P o z a n , in jenem von Weihenstephan (MB. 9, 426, 431, 470, 474), Urk. für Benediktbeuren MB. 7, 92) —' P o z e n und B o z i n im Falkensteiner Kodex (Petz, Drei bayr. Tradb. S. 8 und MB. 7, 442), im Traditionsbuch von Schäftlarn (MB. 8, 400 und 434), in einer Urk. für Tegernsee (unten § 5> Reg. 66) und in einem Güterverzeichnis für Benediktbeuren (Mon. Boica 7, S. 4; Mon. Germ. Script. 9, S. 214). 3 ) „Pausanum, qui nostro vocabulo P o z y n dicitur" (Mon. Germ. Ss. X V I I , S. 668). Vincenz von Prag schreibt natürlich vom deutschen, nicht vom slawischen Standpunkt aus. „Pozin" kommt auch im Traditionsbuch von Biburg ca. 1200 vor (unten § 5, Reg. 4). 4 ) Voltelini AT. 2, 512 und 556 (Register). 6 ) Kink FA. 5, 523 (Cod. Wang.) Voltelini A T . 2, 512. Ferner unten Reg. 13 u. 20; Bd. 2, S. 229, Reg. 2. Völser wie oben, S. 1 1 Anm. 6 ) So auch Ettmayer, Schiernschriften 9, 51.

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I. § 2. — „Runcazi noinen latinum.'

nach Übernahme durch die Deutschen.1) Neuesteris hat man den Namen mit dem ligurischen Worte „baudio" für Hecke in Verbindung gebracht.2) Auch die Herleitung von einem germanischen Personennamen Baüdes, Bodo, ist zuletzt vermutet worden.3) An der Spitze der Erwähnungen von Flurnamen im Gebiete von Bozen steht dem Alter nach eine auch inhaltlich besonders bemerkenswerte Urkunde vom Jahre 1074. Laut dieser gab nämlich der Bischof Udalrich von Trient dem Stift B e n e d i k t b e u r e n für die Überreichung eines Buches einen köstlichen Weingarten „vinea preciosa in Bozan in loco qui latino nomine dicitur Runcazi" 4 ). Diese letztere Wendung kann man verschieden auslegen. Entweder gab es damals in Bozen neben den Deutschen noch Leute, insbesondere Unfreie, welche romanisch sprachen und romanische Flurnamen gebrauchten, so dieses Runcazi, d. h. Gereute. Oder es war dieser Name „Rungg", der ja in Deutschsüdtirol sehr häufig ist, auch damals schon in Bozen in den deutschen Gebrauch übergegangen und lediglich der Schreiber dieser Urkunde wollte auf die Fremdartigkeit dieses Namens hinweisen.5) Jedenfalls sagt aber diese Stelle, daß solche Ortsnamen, die aus der romanischen Sprache stammen, den Grundbesitzern in Bozen auffielen, weil eben diese deutscher Muttersprache waren. Übrigens hat zur selben Zeit auch ein anderes deutsches Kloster, E b e r s berg, für Bücher geistlichen Inhaltes vom Bischof von Trient einen Weinberg zu Bozen erhalten.6) Besonders reichen Aufschluß über die politischen und auch über die volklichen Verhältnisse in und um Bozen gibt uns eine Eintragung in das Traditionsbuch des baierischen Stiftes E b e r s b e r g aus der Zeit um 1070.7) Darnach hat damals der Bischof von Trient, der ja seit 1027 die Grafschaftsgewalt um Bozen innehatte, die- Ebersberger Weingüter, die im Gemeindegebiete der Bozner Bürger (in comunione Pozanensium civium) lagen, mit Zustimmung seines Lehensgrafen von den öffentlichen Abgaben befreit. Die Zeugen, die bei diesem, im Bozner Friedhof vorgenommenen Rechtsakte anwesend waren, werden nach bairischer Rechtssitte beim So zuletzt Steinberger in Ostbaier. Grenzmarken Bd. 16 (1927), S. 1 1 2 und Zt. f. Ortsnamenf. Bd. 6 (1930), S. 158. 2 ) .Ettmayer, Der Ortsname Bozen, Schiernschriften 9, 40 ff. s ) Staudacher im Schiern, Bd. 12 (1931), S. 1 5 3 und 192. 4 ) MB. 7, 92. Ende des 13. Jahrhunderts hieß diese Weinlage Runkeths (Urbar von Benediktbeuren s. unten S. 34). Vgl. dazu Steinberger, Benediktbeurer Studien Hist. J b . Görresges. Bd. 38, S. 282. 6 ) Solche Runk-Namen s. bei Schneller, Beitr. z. Ortsnamenk. 3, 34 f. — Tarneller AöG. 100, 563 und 110, 1 5 1 . — Ferner hieß ein Stadtteil von Brixen später die Runggad, im 13. Jahrhundert Runkada (Redlich A T . 1, 327). Noch 1 3 1 7 verleiht der Landesfürst von Tirol dem Chonrad Paumgartner quoddam novale situm in dem Sakke inter Mittenwalde et villam Mouls pro curia una runkanda (StA. Wien Cod. 389 fol. 14;). 6 ) Bonelli 3, 160. ') Ausgabe von Hundt in den Abhandlungen der bayer. Akad. d. Wiss. Hist. Kl. Bd. 14 (1879), 3. Abt. S. 1 5 5 ; danach auch bei Stolz AöG. 102, S. 106 Anm.

German. Personennamen zu Bozen im I i . und 12. Jahrh.

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Ohre gezogen und haben, ebenso wie die ebenfalls bei dieser Gelegenheit genannten Schöffen des Ortes, durchwegs deutsche Personennamen nämlich: „Isti sunt testes per aures tracti qui hoc in cimiterio Pozane ecclesie audierunt et viderunt, Oudalsalc de Pozzan, Luitpold de Aregarton et frater eius Eberhardus, Aribo, Kingrim et scabini de eadem villa Brun, Walto, Dietmunt." Gleicher Art sind die Namen der Unterbeamten oder Schöffen (suffraganei) des Grafen Udalrich von Bozen (comes Bozanensis) und anderer Insassen dieser Grafschaft (conprovinciales und conpatriotae), die in einem um das Jahr 1070 aufgezeichneten Akt über eine ähnliche Befreiung des bairischen Klosters Weihenstephan für seine Güter in jener Gegend als Zeugen erscheinen, nämlich: Utto, Walto, Stephanus, Wietmar, Gnanilo, Lanzo, Rudolf, Gotoschalk von den Schöffen der Grafschaft und Ortwin, Petto, Wolfker, Pezili, Gerhoh, Wiliprecht von den Bauleuten des Klosters Weihenstephan.1) Im Jahre 1150 werden anläßlich der Übereignung eines Weingartens durch Gotefridus de Bozan an das Stift B e n e d i k t b e u r e n als Zeugen dieser Handlung, die ausdrücklich in „Bozan" vor sich ging, angeführt: Berengerus, Odwin, Rotbertus, Adam, Adelbertus, Heinricus, Hecil, Engilmar, Erlewin, Loupreht, Gotil, Chonradus.2) Auch die Namen der Leute, die den im Jahre 1 1 1 1 in Bozen (villa Baucani) zwischen dem Bischof von Trient und der Talgemeinde Fleims geschlossenen Vertrag bezeugen und daher wahrscheinlich dort ansässig waren, tragen Namen deutscher oder mindestens germanischer Art: Egini, Otto, Rodeger, Robertus, Henricus, Federicus, Diathemarus, Ragnerus, Lanzo, Gotescalcus, Warnerus, Gumpo, Odagar.3) Als Insassen der Burg Winekke (Weineck am Virgl bei Bozen) werden um 1180 genannt: Gotsalchus, Otto Lugel, Albanus, Hartwicus, Perchtoldus, Reinhardus, Hartwicus, Lemau, Sigehardus, Pomon de Sibedat.4) Wir sehen also, daß die Vornamen der Leute, die in der Gegend von Bozen damals im 1 1 . und 12. Jahrhundert als Grundbesitzer ansässig und demgemäß zu den Ehrenämtern der Gerichtsgemeinde berufen waren, fast durchwegs deutschsprachig gewesen sind, und daher auch diese Leute selbst. Es gibt natürlich noch andere Traditionsakte für Güter bei Bozen genug, aber es ist nicht immer wie in den mitgeteilten Fällen so sicher, daß die beigenannten Zeugen aus der Gegend von Bozen stammten, weil die Übereignungen häufig im beschenkten Stifte, also in Baiern nördlich der Alpen stattgefunden haben.5) Wenn in der angeführten Ebersberger Tradition von c. 1070 von „Bürgern" (cives) und ihrer Gemeinde (communio) zu Bozen die Rede MB. 9, 3 7 3 . ) Baumann, Benediktbeurer Trad. S. 61. 8 ) Dopsch u. Schwind, Ausgew. Urk. S. 3. Doch ist hier die Schreibung „Bautani" wohl irrig mit t wiedergegeben für c oder z im Inlaut. «) Oefele, Trad. d. Kl. Kühbach, Sitzb. d. bayr. Akad. Hist. Kl. 1894, S. 281. „Omnes qui in Castro Winekke sunt." Es handelt sich also wohl um Burgmannen und Diener. Die Schenkung bezieht sich auf „Aldin" (Aldein s. Bd. II, S. 202 und 204.) *) Vgl. Voltelini MJöG. 6, Erg. Bd. S. 159 Anm. 3. a

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I. § 2. — Orts- und Personennamen

ist, so ist es nur folgerichtig, daß im 12. Jahrhundert „ b u r g u m " und „ f o r u m " , d. h. ummauerter Flecken und M a r k t zu Bozen genannt werden, ja schon ein oberer und unterer Markt, sowie ein „mercator", Kaufmann zu Bozen.1) „Civitas" wird Bozen auch in den Urkunden des früheren 13. Jahrhunderts nie genannt, insbesondere kommt der Ausdruck in den Notariatsbüchern von 1237 nie vor, „burgum" sollte hier wohl zur Bezeichnung einer stadtartigen, d. h. enge gebauten und befestigten Siedlung genügen.2) Dem „burgum" steht die „villa" Bozani, das Dorf Bozen wie es öfters schon damals erwähnt wird3), gegenüber, die ländliche Siedlung in der nächsten Umgebung der Stadt. Erst eine Urkunde von 1265 bezeichnet Bozen als „ c i v i t a s " , häufiger wird dieser Ausdruck hier seit dem Anfang des 14. Jahrhunderts und seine Entsprechung „Stadt" in den nun einsetzenden deutschen Texten 4 ); zum erstenmal nennt die „ s t a t ze Pötzen" das Urbar derGrafen von Tirol von 1288.5) S t a d t und G e r i c h t Bozen („burgum et districtus Bozani"), werden auch schon frühe, so in einer Urkunde von 1256, als eine räumliche Einheit, „ t e r r a Bozani", d. h. Bozner Land zusammengefaßt.6) Zum engeren Bereiche von Bozen wurde stets auch die Gemeinde K e l l e r und Gries, die jenseits der Talfer liegt, gerechnet. Der ältere Name der Gemeinde ist Keller, er haftete eigentlich an den höheren Lagen gegen den Berghang zu. Gries hieß immer die untere Gegend gegen den Fluß, nachdem aber 1406 der Sitz der Pfarre ins Stift Gries verlegt worden war, nahm die Gemeinde den letzteren Namen an.7) Die erste Erwähnung bringt ein Traditionsvermerk vom Jahre 1070, wornach der Bischof von Freising dem Kloster Weihenstephan Weingüter „ad Bozana in loco qui dicitur Altum C h e l l a r i et in loco qui dicitur Scala" schenkt.8) „Chellari" ist eine ältere deutsche Form für das Lehnwort Keller. „Scala" erscheint später in der Form „Schale" und bezieht sich auf die Gegend gegen Mölteij.9) In einer Urkunde vom Jahre 1166, laut der Bischof Albert von Trient einen Streit-zwischen dem Bischof von Freising und dem Grafen von Tirol wegen Zehnten von Neubrüchen entscheidet, treten die Ortsnamen alle Kink F A . 45, 524; Oefele, Trad. Biburg S. 433 (iuxta forum inferius apud Moretes. in superiori parte fori in loco qui Villa dicitur); unten Reg. 4 (mercator). — Zur Geschichte Bozens im 13. Jh. s. oben S. 15 Anm. 1. a) Burg, urbs, civitas werden in Deutschland vor dem 12. Jahrhundert alle befestigten Plätze genannt (Schröder, D. Rechtsgesch. 6. A. S. 678). 3) S. Voltelini A T . 2, 524 (villa), Einleitung S. C C V I I , „Dorfgericht'* zum Jahre 1277, ferner oben S. 21, Z. 5 v . oben und oben diese Seite Anm. 1. 4) Insbesondere in der Verbindung „Judicium'' bezw. „Iudex civitatis", Stadtrichter; Näheres darüber in meiner polit.-histor. Landesbeschreibung A b t . Südtirol (in Ausarbeitung). 5)

Zingerle F A . 45, 120 Z. 97.

•) Kogler, Steuerwesen A ö G . 90, 686. 7) So nach Tarneller, Hofnamen von Gries, S. 11 f. auf Grund vieler Belege. Dazu noch unten Reg. 14, wornach 1224 die Kirchen von Griesum und Kelr nebeneinander genannt werden. Zur Ethymologie s. Steinberger in Ostbair. Grenzmarken 16, S. 113. 8) Zahn F A . 31, 88. Tarneller a. O. Anm. 1. 9) Tarneller, Gries, S. 24, Nr. 58. „ A n der Schale" s. unten Reg. 29 a und 53 d.

im Gebiete von Keller oder Gries im n . und 12. Jahrh.

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in latinisierter Form auf, nämlich Celia für Keller, die Gesamtgemeinde, und für die Teile derselben Crispinianum, Rossanum, das spätere Viertel Moritzing, Canceanum, später Guntschna u. a. 1 ) Die Namen de Personen aber, die als Grundbesitzer in diesen Ortslagen genannt werden sind auffallend germanisch: Otto, Ripoldus, Isimperus, Penzo, Seafredus, Teatemanus, Weziiis, Manus, Engelmanus; romanisch sind nur Stecianus und Minicus. In ihrem sachlichen Inhalt zeigt die Urkunde, daß damals in Gries stark gerodet wurde und daran sind jene deutschen Leute jedenfalls besonders beteiligt gewesen. Die deutschwurzeligen Gegendnamen „in der Ove" (Au bei Gries) und Grize erscheinen zuerst in der Gründungsurkunde für das gleichnamige Kloster von 1166 und im ungefähr gleichzeitigen Salbuch der Grafen von Falkenstein, bei den Bozner Notaren von 1237 Griaz, Griez und absichtlich latinisiert Griessum, aber auch direkt übersetzt Arena (wörtlich Sand gleich Gries).2) In dem Traditionsbuche des Klosters Schäftlarn aus der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts und in Bozner Urkunden des 13. Jahrhunderts findet man deutsche Formen für die oben latinisierten Gegendnamen, wie Crispían, Russan, Guntsnare, Severes, Arena, ferner deutsche Namen f ü r Grundbesitzer, die wieder nach bairischem Rechtsbrauche „per aures tracti" werden, in Chellare wie Rinfranch, Isinpero, Hartwich, Elbin, Gundhart, Engilmar, Diemar, Oudelrich, Dingele, Hartman, Marchwart, Bernhart, Reginbertus u. a., und nur wenig romanische wie Sulvan und Urso.3) Die Vertreter der Gemeinde Keller (Kellare), die im Jahre 1191 einen Vertrag mit der Gemeinde Bozen über die Nutzung des zwischen ihnen noch gemeinsamen Weide- und Waldgebietes schlössen, heißen: Enricus, Artoicus, Elboicus, Adam.4) Das bereits erwähnte Severs kommt im 12. Jahrhundert auch sonst öfters vor, auch als Klause (Straßensperre) und Zollstätte; es liegt im Viertel Fagen der Gemeinde Gries.5) Der Name zeigt Eindeutschung einer wohl alträtischen (vorromanischen) Wurzel. Zahn F A . 3 1 , 1 1 0 f. Zur Erklärung der Lage s. Tarneller, Gries S. 23, 25, 27. Crispianum als ein Teil von Gries wird auch 1264 (unten Reg 27 a) erwähnt. Nach Atz-Schatz 1, 129 (erschienen 1902) heißt die westliche Gegend von Guntschna „ D e r W e l s c h w i n k e l " , ältere geschichtliche Erwähnungen dieser Bezeichnung sind jedoch nicht bekannt und es ist daher schwer zu beurteilen, ob in derselben eine Erinnerung fortlebte, daß die Bewohner der dortigen Gegend einmal ladinisch gesprochen haben oder eine viel jüngere Niederlassung von welschen und dann deutsch gewordenen Pächtern dazu Anlaß gegeben hat. 2 ) Bonelli 2, 489 und 3, 167; Petz, Drei bayr. Trad. S. 8 und MB. 7, 442: ,,ex altera parte Ysages fluvii, quod dicitur in der Ove " Voltelini AT. 2, 534. 3 ) MB. 8, 400, 414 f., 419 f , 433, 481, 483 (Guntsnare). Die Form „ R u s s a n " und ,,Crispian" s auch unten Beil § 5 Reg 20a zum J . 1239 und Reg 29 zum J 1267, ferner unten S. 33. Zur Bildung der Endsilbe -an in diesen und anderen ähnlichen Ortsnamen s. Steinberger in Zt f Ortsnamen! 3 Bd., S 225 4

) K i n k , FA. 5, 100 f ) S. Tarneller, Gries S 36, Stolz, Zollwesen AöG 97, S 612 hundert) sagte man auch Viertel Severs für Fagen (Vagen) 6

Ehedem (bis ins 18

Jahr-

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I. § 2.

- Der grundherrliche Besitz bairischer Stifter

Einen besonders wichtigen Hinweis auf die volkliche Zugehörigkeit der Besiedlung von Bozen und seiner Umgebung erhalten wir auch aus einer Betrachtung der G r u n d h e r r s c h a f t e n , die dort seit dem Einsetzen der urkundlichen Überlieferung nachweisbar begütert gewesen sind. Die meisten der bisher schon gebrachten Angaben beziehen sich nämlich auf die Schenkung von Weingütern an H o c h s t i f t e r und S t i f t e r , welche in Baiern nördlich der Alpen und im östlichen Schwaben, zum Teil auch im baierischen Alpengebiete selbst ihren Sitz gehabt haben. Wenn auch nicht gerade immer durch Angaben aus den ältesten Traditionsbüchern, d. i. vom 8. bis 12. Jahrhundert, sondern erst durch Urkunden und Urbare des 13. Jahrhunderts ein solcher Besitz zu belegen ist, so muß man doch annehmen, daß die Stifter denselben durch Schenkungen von Adeligen erhalten haben, die dort von früher her begütert waren und auf Grund ihres Wohnsitzes oder ihrer Herkunft zu jenen Stiftern nähere Beziehungen gehabt haben. Soferne nicht schon angebaute Weingüter den Stiftern geschenkt wurden, haben diese wohl durch Verfügung des baierischen Herzogs bisher öd liegende Geländestücke auf den Berghalden und in den Auen erhalten und diese durch-ihre Hintersassen, die sie aus Baiern herbeiführten, roden und dort Weingärten anlegen lassen. Der D e u t s c h e Orden hat bald nach seiner Stiftung seit dem J . 1202 in Südtirol und zwar zu Bozen, am Ritten und zu Sterzing, also an der für den Verkehr mit Italien besonders wichtigen Brennerstraße, Niederlassung und Hospitäler, sog. Deutsche Häuser (domus fratrum Teutonicorum) errichtet, die reichen Grundbesitz, auch ganze Pfarreirechte in der Umgebung erwarben und seit 1326 unter einem Komtur, später Landkomtur als eigene „Bailei an der Etsch und im Gebirge" erscheinen. So stattlich auch der Besitz des Deutschen Ordens derart im Laufe des 13. Jahrhunderts im Etschland geworden ist, so wäre doch die Ansicht irrig, daß jener hier in demselben Grade wie etwa in den Neusiedelgebieten im Osten Deutschlands zur Begründung der deutschen Siedlung beigetragen habe, vielmehr war diese hier im Etschland zur Zeit des Auftauchens des Ordens bereits entschieden und bedurfte hiezu nicht mehr seines Eingreifens. Wohl aber hat der Deutsche Orden, dessen Mitglieder vielfach aus dem südwestlichen und sonstigen inneren Deutschland kamen, den dort früher durchgedrungenen Gebrauch der deutschen Sprache in den Urkunden auch in Südtirol stark gefördert und sicherlich auch sonst zur Pflege der deutschen Kultur und Geistesrichtung in diesem Lande sehr wesentlich beigetragen. Ich gebe nun eine Liste jener H o c h s t i f t e r und S t i f t e r , die in Bozen und dessen nächster Umgebung, Gries bis Terlan, grundherrlichen Besitz gehabt haben. Die Belege sind in folgender Weise aufzusuchen: „ J ä g e r " bezieht sich auf die eingehende Darstellung des stiftischen Grundbesitzes in Tirol, die A . Jäger in seinem Werke, „Gesch. d. landständ. Verfassung, Bd. 1, S. 290 bis 432, meist auf Grund der in den Mon. Boica enthaltenen Urkunden gibt. Etliche derselben habe ich bereits

im Gebiete von Bozen vor dem 13. Jahrh.

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oben S. 19 f. verwertet und angeführt. Doch ist das Verzeichnis Jägers keineswegs vollständig und wird hier durch andere Belege erweitert. Hiebei bezieht sich Reg. auf die in § 5 bzw. § 5a mitgeteilten Regesten von Urkunden; „ U r b a r " auf die unten S. 34 angeführten Urbare. Die H o c h s t i f t e r (Bischofstühle) sind: A u g s b u r g (Jäger, S. 310. U r b a r von 1316. Reg. 31, 33, 37 f. Ldf. Urbar von Tirol von 1288 F A , 45, S. 120 f.) E i c h s t ä t t (Steinberger FMGT. 9, S. 5, 8, 18. Reg. 27). F r e i s i n g (Jäger, S. 325; s. auch oben S. 9 und 18; U r b a r von 1300). S a l z b u r g (Jäger, S. 292; Salzb. Urkb. 1, S. 67 und 137; 2, S. 167 und 235). Die S t i f t e r (Klöster) sind: A l t o m ü n s t e r bei Augsburg (Jäger, S. 331). B e n e d i k t b e u r e n , Oberbayern (Jäger, S. 332; s. auch oben S. 20 und 21. Urbar von 1290). B e r n r i e d bei Weilheim, Oberbayern (Jäger, S. 333; Reg. 20 a). B i b u r g bei Abensberg in Niederbayern (Reg. 30 b. Sitzb. bayr. Akad. 1896, S. 433)F r a u e n - C h i e m s e e (Jäger, S. 335. Urbar von 1400). H e r r e n - C h i e m s e e (Jäger, S. 334). D i e s s e n a m Ammersee, Oberbayern (Jäger, S. 336). E b e r s b e r g , östlich München, Oberbayern (s. oben S. 20. Urbar von 1300). F r e i s i n g , St. Andreas (§ 5 a Reg. 84). K ü h b a c h nordwestlich München (Sitzber. bayr. Akad. 1894, S. 277). P o l l i n g bei Weilheim, Oberbayern (Jäger, S. 338. Reg. 6. U r b a r von 1340, Abhd. bayr. Akad. Hist. Kl. 9, S. 353). R o t t bei Wasserburg a m Inn (Urbar von 1400. § 5 Reg. 87 b. § 6 Urk. 4. Urbar Tirol von 1288, Zingerle, S. 117). S c h ä f t l a r n nördl. Wolfratshausen, Oberbayern (Jäger, S. 341. Reg. 4, 5, 10, 29). S c h e y e r n nordwestl. München (Jäger, S. 342. Reg. 7; § 5 a Reg. 120). S c h o n g a u am Lech (§ 5 a Reg. 120, 130). S e e o n nördlich vom Chiemsee (Jäger, S. 343). S t e i n g a d e n , Oberbayern sw. Schongau (Jäger, S. 343). T e g e r n s e e , Oberbayern (Jäger, S. 346. Reg. 1, 3, 6 a, 22). W e i h e n s t e p h a n bei Freising (Jäger, S. 347; Reg. 5, 53 b; § 5 a Reg. 108; Urbar von 1291). W e s s o b r u n n bei Weilheim, Oberbayern (Jäger, S. 349). W e y a r n bei Aibling, Oberbayern (Salzb. Urkb. 2, S. 234). Folgende in T i r o l gelegene Hochstifter und Stifter h a t t e n bei Bozen Grundbesitz : Au bei Gries (Jäger, S. 407). B r i x e n , Hochstift (Jäger, S. 286. AT. 1, S. 283). B r i x e n , Domkapitel (Urbar von 1260; Santifaller Cal. Winth, S. 234). D e u t s c h e r O r d e n , Bailei an der Etsch (Jäger, S. 363 f.; Ladurner ZFerd. 10; Reg. 45, 47, 71, 73). G e o r g e n b e r g im Inntal bei Schwaz (Jäger, S. 373 f.; Reg. 7 a, 13 a, 17 a, 37 a, 43 a und 43 b. N e u s t i f t bei Brixen (Jäger, S. 387; Reg. 15). S o n n e n b u r g (Jäger, S. 361). T r i e n t , Hochstift (Reg. 1, 11 bis 13, 17 bis 21, 76 f.). T r i e n t , Domkapitel (Reg. 27 a). W i l t e n bei Innsbruck (§ 5a, Reg., 119, 129; Urbar von 1305).

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I. § 2. -Gesch. Folgerung

aus diesen Grundherrschaften.

Die Stifter, die im Gebiete von Meran grundherrlich begütert gewesen sind, werde ich unten Kap. II, § 2 anführen; es sind das zum Teil dieselben Stifter, welche im Bozner Gebiete Besitz gehabt haben, zum Teil aber andere. Jene Güter, für welche im deutschen Etschlande unterhalb Bozen eine Begüterung nachzuweisen ist, habe ich schon im 2. Bande, S. 6 und 55, erwähnt: Es sind dies für E p p a n und K a l t e m die Stifter Baumburg (bei Trostberg in Oberbayeiji), Benediktbeuren, Neustift bei Brixen, Polling, Schäftlarn, Tegernsee und Wilten; dazu kommen noch weitere Nachweise über Begüterung der Stifter Biburg, Beiharting (bei Aibling in Oberbayern) und Irrsee (bei Kaufbeuren in Schwaben).1) Aus dem obigen Verzeichnis erhalten wir eine deutliche Vorstellung, wie stark der grundherrliche Besitz der Stifter, welche im nordwärts gelegenen Alpen- und Flachland ihren Sitz hatten, im Etschlande gewesen ist, und demgemäß wie stark der Grundbesitz der Schenker jener Güter gewesen sein muß. Wir können uns das nur so erklären, daß schon in der Zeit der ersten Landnahme die verschiedensten Geschlechter des bairischen Adels, wenn sie auch sonst ihren Sitz im nördlichen Flachlande beibehielten, hier im Etschlande sich Weingüter gesichert und daraus ihre Schenkungen und Stiftungen an die geistlichen Anstalten ihres engeren Heimatbereiches gemacht haben. In weiterer Folge ist das ein Beweis dafür, daß die Baiern das Gebiet um Bozen nach seiner kriegerischen und politischen Eroberung bald auch wirtschaftlich und siedlerisch in Besitz genommen haben. In auffallendem Gegensatze dazu hat von südwärts gelegenen Stiftern außer dem deutschen Kloster St. Michael an der Etsch nur das Hochstift Trient grundherrlichen Besitz in und um Bozen. Als Inhaber der Grafschaftsgewalt und der bischöflichen Kirchengewalt dortselbst hatte natürlich Trient Gelegenheit und Anlaß g&iug, bei Bozen Grundbesitz zu erwerben, auch gehörten manche der bedeutendsten Bischöfe Trients den deutschen Adelsgeschlechtern der Bozner Gegend an und haben deshalb ihrem Hochstifte dort gelegene Güter zuwenden können. Aber von keinem lombardischen Stift können wir Grundbesitz im Bozner Gebiete nachweisen, nach dieser Seite hat eben von hier aus nach dem 7. Jahrhundert kein bevölkerungs- oder siedlungsgeschichtlicher Zusammenhang bestanden. Das muß ganz besonders betont werden. Ende des 12. Jahrhunderts beginnen für das Bozner Gebiet die Geschlechternamen. Sie sind zum Teil nach Örtlichkeiten, besonders Ansitzen genommen und bezeichnen dann meist ritterliche Familien, viel häufiger sind sie von Eigenschaften oder Beschäftigungen genommen x ) S. unten § 5 Reg. 30 b. Archival. Zeitschrift N. F. 7. Bd., S. 257: Deutsche Übersetzung einer Urkunde des Grafen Ulrich v. Ulten von 1222, Schenkung des Weingartens „nach Tütsch genannt Pflanzer" bei der Feste Altenburg. Ehemalige Weingülten des Klosters Beiharting zu Eppan enthält ein Urbar des Stiftes Wilten des 18. Jahrhunderts (IStA. Urb. 116/1).

Deutsche Beinamen in Bozen und Gries vor 1250.

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und dann beziehen sie sich auf Bürger und Bauern. An solchen Namen erscheinen für Bozen in der Zeit von 1190 bis gegen 1250 in Urkunden1): 1 1 7 3 Lugel, de Hasilach, Winegge (Oefele, Trad. Biburg, S. 429). — 1 1 7 9 Chunradus Scaphinurleuyge (Santifaller, Brix. Urk. S. 51). — 1 1 9 2 Stoohel, Franc (FA. 5, 119). — 1194 Folchus, Swarcus (Bonelli 2, 504). — 1 1 9 5 de Winec (Weineck), de Rosenpac (Rosenbach), de Winkele, Frewomineman, Swarc, Folkus (unten § 5, Reg. i). — Stolcelinus, Cremarius, Jung, Rinc, Opf (Reg. 2). — 1200 Chuchler, Chnolle (Reg. 3). — 1200 Slageleff, Puhelare (Pichler), Srotare (Schrott), Cruzare, Raidel, Lungel, Chienaste, Bernare, Frazze, Pezel, Schik, Zoter, Schaler, Chirchare (unten § 5 Reg. 4, 5, 6, 10). — 1202 Stokelinus (FA. 5, 141). — 1201 Pigelarius, Coz, Vilmar, Sazekeir (unten § 5 Reg. 7 a). — 1203 bis 1207 Rosaubetus (Roßhaupter), Touselinus, Cramarius, Vakelinus, Guatus, Muncierus, Gumbostus, Tuthemänus, Olemontus (FMGT. 1, 79 f.). — 1 2 1 0 Cozus, Gurbost, Stokelinus (unten § 5 Reg. 8). — 1 2 1 2 Rosinpacharius (Rosenbacher), Rosaubtus, Pularius (Pichler), Swabelinus (Reg. 1 1 und 15). — 1224 Moaser (Reg. 14). — 1225 Poumannus, Höver (R. 1 3 a). — 1229 Sproaser, Herzoge (Reg. 15). — 1226 Spiliof (Spielhofer; Kap. 2, § 4, Reg. 2). — 1 2 3 3 de Riede, de Steudach, de Ronce, Mulhain, Widemanus (Reg. 17). — 1239 Pechelarius (R. 20 a). — 1247 Chranewitarius (Reg. 24). — 1253 und vorher: Vintuler, Huber, Vinzer, Longus, Gruber, Chramer, Witigo, Sacher, Schilcher (Reg. 74*).

Diese Namen sind fast durchwegs deutscher Wurzel und, soferne sie vom Notar durch Anfügung einer Endung latinisiert wurden, ist das leicht zu erkennen. Da sie die einzigen Geschlechternamen sind, die uns für diese Zeit urkundlich für Bozen entgegengetreten, so folgt daraus, daß die Bevölkerung von Bozen auch in dieser Zeit ganz deutschsprachig gewesen ist. In diesem Sinne ist auch sehr bemerkenswert, daß in einer in Bozen im Jahre 1197 ausgestellten Urkunde und mitunter auch sonst die Herren von Völs als „domini de Roup" oder „de Rupe" angeführt werden.2) In der Sucht zu latinisieren, hat der Schreiber den Ort Völs nördlich von Bozen als deutsch „Felsen" aufgefaßt und wörtlich ins Lateinische mit „rupis" übersetzt. Der Ortsname „Völs", der übrigens auch im Inntal vorkommt, ist zwar urrätisch, weder lateinisch noch deutsch, aber der Vorgang zeigt, daß damals in Bozen durchaus deutsches Sprachgefühl geherrscht hat.3) Mit besonderer Stärke ergibt sich dies auch aus dem Verfachbuch oder der I m b r e v i a t u r des Notars Jakob Haas von Bozen vom Jahre 1237, weil dieses eine verhältnismäßig sehr große Zahl von Urkunden aus einer kurzen Spanne Zeit enthält und daher einen wirklich ergiebigen Querschnitt durch das ganze damalige Leben der Stadt zu ziehen gestattet. Der Herausgeber dieser so wichtigen geschichtlichen Quelle urteilt selbst: „Der Nation nach sind die Einwohner der Stadt (Bozen) fast ausnahmslos deutsch, italienische Geschäftsleute, die sich hier dauernd niederx ) Zur B e a c h t u n g : Alle von nun an folgenden, mit ,,unten § 5 Reg. . . . " oder nur ,,Reg. . . .""gebrachten Verweise beziehen sich auf die Urkundenregesten, die in dem noch auszugebenden 2 . T e i l des vorliegenden Bandes „ U r k u n d e n - B e i l a g e n Abschnitt I § 5 unter der betreffenden Nummer gebracht werden. 2 3

) K i n k , F A . 5, S. 1 3 3 .

) Bisherige Erklärungen für Völs s. Steinberger Ostbair. Grenzmarken 16 S. i n .

I. § 2. — Der Name „Walch" in Bozen.

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ließen, sind sicher auch bald eingedeutscht worden." 1 ) Wenn letzteres möglich war, kann man hinzufügen, so ist es das sicherste Anzeichen der inneren Kraft, die das Deutschtum hier besessen hat. Jene Behauptung stützt sich in erster Linie auf die Bei-, Familien- oder G e s c h l e c h t e r namen, die eben im Verfachbuche des Notars Haas vom Jahre 1237 für Einwohner von Bozen und seiner nächsten Umgebung vorkommen, und durchaus die d e u t s c h e S p r a c h z u g e h ö r i g k e i t ihrer Schöpfer und Träger andeuten; sie lauten nach dem Weiser der Ausgabe (AT. 2, 502 ff.) 2 ): Ahtarius, Ansere. —

Payrus, Paumannus,

Paumgarten,

B o v e t u s de Verona,

— Keararius, Cefarius, Cheim, Kinkele, Chnozze, Chnolle, Coy, Chrallo, Chramerarius, Chranewittarius, Chrottenhulwer, Curzarius, Chuchelarius, Chuchinmaister, Curcius. — Tauselinus, Tolpac, T u k e . — Vakelinus, Valisius, Falkus, Vellesarius, Filieba, Vinke, Vindeisin, Fiurarius. — Hader, Hallerius, Hamelinus, Har£ungus, Herzoge, Hergoz, Hesse, Hochgezu, Hiebelarius, Howpalch, Huppe, H u n t , Hurledarius. — Isenhardus. — Latinus, Leupemanus, L u r v u s . — Maisterlinus, Mosarius, Muleichus, Muncerius. — Rihtarius, Rossehoubet, Rubeus. — Stainbokus, Starchantus, Stricharius, Senfius, Serentenarius, Schongawerius, ScHroaterius, Suzemanus, Suewelinus, Swapus. — Waberius, Weinzurlus, Werchmeister, Widerhalsus. — Zolnarius.

Auch diese Reihe, in der die vorerst genannten Namen meist wiederkehren, enthält lauter Namen, die deutscher Wurzel sind, die lateinischen Endungen sind ihnen nur vom Notar angefügt, um sie dem lateinischen Wortlaut der Urkunden anzupassen und waren im mündlichen Gebrauch der Leute gewiß nicht üblich. Unter diesen Namen ist besonders bezeichnend, daß ein Mann aus Nago am Gardasee, der sich in Bozen niederließ, den Beinamen „ L a t i n u s " erhielt. So schrieben wenigstens die Notare. In der Umgangssprache lautete aber der Name nicht so, sondern W a l c h , d. h. Welscher oder Romane. Denn es findet sich auch bald nachher in Bozner Urkunden der Name Walhus, Walh, Walech abwechselnd mit Latinus.3) Das war eben nur die dem Schriftlatein entsprechende Übersetzung des Notars. Der Romane oder Walch fiel also in Bozen so auf, daß er als Einzelerscheinung von der deutschen Umgebung nach seiner Nationalität benannt wurde. Es ist das der umgekehrte Fall zum Beinamen „Teutonicus", der um dieselbe Zeit in Trient vorkommt.4) Die Mitglieder dieser Familie Walch zu Bozen dürften übrigens bald die deutsche Umgangssprache der Stadt angenommen und dem deutschen Charakter ihrer Bevölkerung sich angeglichen haben. Wir sehen dies auch bei den Florentiner Geldleuten, die seit dem Ende des 13. Jahrhunderts in Bozen als Pächter der dortigen Voltelini, Aus Bozens Vergangenheit im Schiern 3, 8 f. Einige der Namen, die der Notar am Umschlag des Buches eingeschrieben hat (Einl. S. X X X V I I I Anm.), erscheinen im Index der Ausgabe nicht. 3) A T . 2, 542; FMGT. 1, 217; AöG. 90, 687 (Fridericus Walhus zum Jahre 1256); unten Reg. 37a (1295). Urk. des Spitals zu Bozen von 1287, 1289 und 1297; weitere Belege für diesen Namen sammelte Santifaller in Schiernschriften 9, 155 Anm. 4. Über denselben Familiennamen Walch bzw. Latinus in Eppan und Tramin s. Bd. 2, S. 19 und 136. 4) Vgl. dazu Bd. 1, S. 18. 2)

Deutsche Geschlechternamen in Bozen nach 1250.

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Leihbank, sowie landesfürstlicher Zollstätten sich niedergelassen haben. Unter dem Namen „ B o t s c h " ist im Laufe des 1 4 . Jahrhunderts die Nachkommenschaft eines dieser Florentiner in den deutschen Stadtadel von Bozen hineingewachsen. 1 ) Die Nachkommenschaft eines gew. Morandin der um 1 2 9 5 aus R o m nach Bozen gekommen war, erhielt den Familiennamen „ R o e m e r " . 2 ) In der ursprünglichen Bedeutung als Volksname finde ich „ W a l h e n " erwähnt in einer Bozner Gerichtsurkunde vom J a h r e 1 4 3 5 , sowie in Bozner Ratsbeschlüssen der Folgezeit. 3 ) A u s dem zweiten uns erhaltenen Verfachbuche des Notars Haas vom J a h r e 1 2 4 2 , dessen Herausgabe als Fortsetzung des 2. Bandes der A c t a Tirolensia von Voltelini geplant ist, könnte man diese Liste von Geschlechter-, H o f - und Flurnamen aus Bozen und Umgegend jedenfalls noch stark vermehren. E s sei aber hiefür das Erscheinen dieser Ausgabe noch abgewartet. Hingegen gebe ich im folgenden eine Liste dieser E i g e n n a m e n , die für Stadt und Dorf Bozen und Gries in den mir bekannt gewordenen Urkunden von 1 2 5 0 bis 1 3 0 0 aufscheinen. Ich teile aber für diese Urkunden nicht -— wie für jene vor 1250 — Regesten mit, sondern gebe, um Raum zu sparen, nur ein Verzeichnis der Namen und der archivalischen Aufbewahrungsorte der Urkunden, in deren zeitlicher Reihenfolge und füge dasselbe,mit eigener Numerierung als § 5 a dem § 5 der Urkundenbeilagen an. Die neben dem Namen beigesetzten Ziffern beziehen sich auf das Verzeichnis der Urkunden (ja nicht auf die im § 5 enthaltenen Regesten, soweit solche gemeint sind, ist vor die Zahl das Wortzeichen „ R e g . " gesetzt). Dadurch ist für jenen, der aus irgendeinem Grunde diesen Namen und ihren sachlichen Beziehungen näher nachgehen will, ermöglicht, die Urkunden, die auch in Abschriften bei der historischen Kommission des Ferdinandeums in den Sammlungen für das Tiroler Urkundenbuch erliegen, aufzusuchen und einzusehen. Die G e s c h l e c h t e r n a m e n 1 3 0 0 sind demnach:

für B o z e n

und

Gries

von

1250

bis

Abslaif, Abslaifus 143, 144. — Ahselerius 1 1 5 . — Alber 95. — Angil, Aingil 41, 54, 56. — Aurarius 102, —• Axler 107, Axlerinne 133. Beiboz 44, Peybos 130, Peibuz Reg. 30 b. — Brabantus 19, Braybandus 103. — Bucher 68. —^ Burgarius 76, Burgere Reg. 30 a, Purger 127, 136. — Burgusarius 62. Campazer Reg. 36, Chonpatesarius 26. —- Campillerius 9, 28, 93, Campiller 140. 1—Chamus 105, 107, 1 1 2 , Chambo Reg. 30 b. — Chaevus 104. — Chelremannus 142. — Chern 135, 1 3 0 . — Chesselarius 63, 64, 1 1 4 . —Chienast 6, 8, 1 1 , 57, 65, 71, 77, 108, Chienastinne 86. — Cimberman 1 1 5 , 1 4 1 . — Cincingerius 22. — Chircher 21, Chircherius 16. — Clousner 90, 95. — Chnabus 60. — Chnogerinna 138. — Chobelinus Reg. 30 b. — Cholbus 18, Cholbe Reg. 29. — Choppus 25, 52. — Corbodenancinna 18. — Chorbelerius 51. — Carneyder 140, Curneider Reg. 30 a, Kurneider 64. — Chove*) S. Stolz, Zollwesen Tirols AöG. 97, 738 f. Ferner unten § 6 Urk. Nr. 19, 22, 32, 44 und 55. a ) Hohenbühel, Beitr. z. Gesch. d. Tir. Adels, S. 84. s ) S. Schönherr, Ges. Schriften 2, 600 f. (Welsche Kriegsknechte des Wilhelm v. Starkenberg auf Greifenstein.) Ferner unten § 6 Urk. Nr. 80 zum Jahre 1488. — Nachweise, daß man im 13. Jahrhundert allgemein in Tirol die Romanen als ,,Latini" bezeichnete s. Bd. 1, 25 Anm.



I. § 2. — Deutsche Bei- und Geschlechternamen

lar 23. — Chozze 1 1 5 . — Chraft 51, 92. — Chramer Reg. 30 a, 1 1 4 , Kramerinna 106. — Chrepfel 109. — Cruzarius 19, 70. — Chuchelarius 27. — Cuke Reg. 30 a, Cukus 47, Zukus 62. — Culeinerius 22. — Curnoler 87. — Chussenpfenich 75. Dorn 136, Reg. 30b, Dornuarius 88. — Doup 77, 109. — Dreierwert 35. — Dürre 39, Durrus 1 1 , 26, 29, 98. — Durremagelus 65, 80. Eisach 75, Eisak 133, Ysach 132. — Encemannus 63, 94, 119, Enzman 1 1 1 . — Esterich 34, 48, 77, Estreychus 16. — Eurer 1 1 2 . Flohlia 97. — Foppus 29. — Fritzius 30. — Fuecelinus 89. — Fugler 136. — Fullarius 81, 110. — Fulpianerius 143. — Furbinspis 64. Gaistlich 42. — Galfegarius 79. — Gasproat 1 1 2 . — Gastgeb 137. — Geboure 1 1 2 . — Geiger 87. — Geislitz 133. — Genterer 98, m , Gentrarius 63, 107, Genterarinna 61, Kenterar 127. — Geplerre 36. — Gerhaba 3. — Gerrus 1 0 1 . — Geyer 99. — Gletner 1 1 0 . — Gluemag Reg. 30 a, 109, Gluemagus 138. — Gouge 1 1 1 . — Graesel 1 1 5 . — Grauus 76. — Grisgrimus 92. •— Groalus 69. — Groas 1 1 3 . — Groasproat 116. — Grueber 44, 127, Grubere Reg. 30 a, Grubarius 12. — Grouler 92. — Gryse 1 1 3 . — Gutelinus 93, 110. Hakenpacher 89. — Hals 82. — Hansus 100. — Hasehart Reg. 30 a, Haselhartus 73. — Havelarius 63, 64. — Hebekint 94. — Hemerlinus 51, Hemerlin 1 1 4 . — Hengelpergerius 1 4 1 . — Hirsus 41. — Holczu 108. — Honeckhstingel 1 1 0 . — Houbeler 146, Hovelar 71, Hovelarius 32, 54. — Hubarius 57. — Hubler 133. — Hunger Reg. 30 a. — Hureldey 7, 20, 100, Hurilai 42, 97. Janneslar 76. — Joudes 2 1 , 28, 94, 1 1 1 , Jud 13, Juda 48. Lafarius 14. — Laiczsus 42. — Lanhenostarius 25. — Lantmannus (Reg. 30 b). — Latinus 3, 109, 110, 1 1 1 . — Laianus 15, 17, 35. — Lausso 1 1 5 . — Lecher 146. — Lenginstainerius 20, 35, 87, 1 1 0 . — Liebeschint Reg. 30 a. — Loslinus 21, 144. — Loucus 58, 70, 90, 1 0 1 ; Louz (Reg. 30 b). Magerlinus 4. — Maierlinus 63. — Maierus 3 1 . — Marleidarius 32. — Matraiarius 1. — Maisarius 19, 35, 110, Mayserius i n . — Mavrarius 59. — Meltener 108. — Mervunder 53. — Moustinus 90. — Mouwerarius 7, 1 1 . — Mullus 17, 45, 70. — Mulner 13, 68. — Muncerius 22. — Munich 59. — Muretscharius 32. Nageli 39. — Nanze 134. -— Nasimbenus 74, 75, Nasshinbenus 47. — Naterlinus 59. — Nellar 27. — Niderhouser 1 1 6 , Niderhauserarius 1 1 3 . — Niezze 9, 58. — Nonar 15, 80, Nonarius 33, 63, 64, 1 1 4 . — Nuschern 1 4 1 , 146. Obenpach 1 4 1 . — Ouwerer 1 0 1 . — Ofnarius 30, Ovener Reg. 30 a. — Olmesser 137. — Ortliebus 58. — Osterlina 143. Padarius, Pader 63, 64, 1 3 1 . — Paier 1, 23, Bawarus 24, Peyerus 110. — Parvus 1. — Pefelierus 95. — Pechelarius 1. — Penserius 1 1 6 . — Per 39, 53, 128, Pere 40, 41, 85, Perus 54. — Perewein 85. — Peuscheldorfarius 8. — Peytingerius 128. — Pfeffinus 63. — Pfundenerius 74. — Pfrumler 76. —• Phryemelarius 71. — Picelounerius 30, 69. — Pigersonda 4. — Plazoeler 109. — Poazanus 47. — Poecelinus 13. — Porzenilla 3. — Posche 56. — Prampergina 1 1 5 . — Primzager Reg. 27; 39, 55, 58, Primzagarius 25.'— Proche 1 1 3 . — Prochelinus 109. — Proune 142. — Pruelerius 86. — Pubus 43. — Puchenarius 52. — Pulle 78. — Puzemannus 55. — Pygelarius 79. Raishinger 39. — Reinar 41. — Reiuerius 47, Reiver 15. — Rener 140. — Rieder 140. — Rienarius 143. — Rippus 57. — Rivelavnerin 109. — Roebuen 92. — Rotere 2. 78, 83, Rotter 84. — Russus 1. Sapheierle 1 3 1 . — Sach Reg. 306. — Sarentinarius 65, Serentener Reg. 30 a, Serentinerius 24. — Scheftelanarius 26. — Schek 10. — Schilher 21, 27, 42, 50, 57, Schilharius 45, 96, Silcherius 3, Silcher 4. — Schiltknecht 132. — Schloue 73, Schluvus 45, Scluvus 86. — Schuke 133. — Schulle 1 1 4 . — Schusselspuler 1 1 4 . — Siedarus 42, Sieder 63, 128, 132. — Siling 146. —- Smuch, Smukhus Reg. 30 b. — Soppe 54, 56. — Specier 1 3 1 . — Spies 107, 116. — Spitaler 1 3 1 . — Sprengo 21. — Stader 76, i n , Stadere 83. — Stervus 52, 66. — Stingel 83, 84, 135, Stingelus 29. — Sto? 85. — Stocher 82, 134. — Stoiler Reg. 30 a, Stoilerius 132. — Stoker 127. — Stridar 84.

im Gebiete von Bozen und Gries von beil. 1250—1300.

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— Stroem 92, — Strofarius 110. — Studeler (Reg. 30 b). — Sturnius 81. — Sturmos 100. — Sumerle 1 1 1 . — Sunemanus 9. — Surch 41. — Swap 5. — Sweinower 144. — Swenner 137. Taencze 105, 107. — Talerius 1 1 3 , 136. — Teme 109, 130. — Teningarius 19. — Treibauz 56, Treibous 37, Treibouz 53, 39, Tribus 38. — Triederinna 140. —• Troger 53. — Troutmannus 8, Trouteman 108. — Tugehenne Reg. 30 a, Tugehennus 78. — Tuzemannus 1 , 3 . Unfride Reg. 27. — Unglinus 53. — Vaiztus 52. — Verlaufus 4. — Vetelus 39. — Vinchus 90. — Vintelerius 138, Vintullarius 10, 45. — Vogel Reg. 30 a, Vogelus 31. — Volrarius 143. — Vomerarius 1 1 . — Vracus 18. — Vullar 28, 97, Vullarius 10, 17, 3 1 . Waldener 116. — Valech 92, Walh 1 1 3 , 1 1 5 , 137, Walch 1 3 1 , Walich 41, 68. Walhus 17, 43, 102. — Wehe 1 3 1 . — Weichensteuenarius 71. — Wider 54, 56. — Widerlinus 9, 63. •— Winter 58. — Wurm 34, 44, 50, 51. Zagel 1 1 2 , Zagelinus 58. — Zapfe 8. — Zecherle 141, Zecherlinus 128. — Celner Reg. 30 a. — Celtingerius 47, 66, Zeltingarius 91, Zeltinger 30, 45. — Cewenner 102, Zowener 139. •— Corn 24. — Zolnarius 4. — Zottus 42. — Zwiche 46, Zwicher 27, 57, Zwicus 33. Endlich seien noch die B e i n a m e n aus drei Verzeichnissen der zinspflichtigen Hausbesitzer bzw. Bewohner der beiden W a n g e r g a s s e n zu Bozen aus dem 1 3 . Jahrhundert mitgeteilt. Die Herren von Wanga hatten nämlich im 1 2 . / 1 3 . Jahrhundert auf einem ihnen grundherrlich zugehörigen Boden gegen Zinspflicht, die auch als „Marktrecht" bezeichnet wurde, die Erbauung von Häusern Leuten bürgerlichen Standes gestattet und Ende des 1 3 . Jahrhunderts ihre Rechte an diesen Häusern den Grafen von Tirol verkauft. Diese Verzeichnisse sind: 1. Im Gesamturbar der Grafschaft Tirol von 1288 beim Amte Gries samt einigen anderen Besitzern von zinspflichtigen Gründen und Häusern; im Druck bei Zingerle FA. 45, S. 1 1 8 f. 2. Ein besonderes Verzeichnis der Marktrechtzinse der Herren von Wanga zu Bozen von ca. 1300; herausgegeben von Santifaller in Schiernschriften 9, S. 152 ff. Der Rahmentext dieses Verzeichnisses ist lateinisch, daher sind auch manche der Beinamen latinisiert. 3. Verzeichnis der den Herren von Wanga zinspflichtigen Leute, enthalten in einer Urkunde von 1266 Okt. 17 (unten §5 Reg. 28). Die Ziffern 1 bis 3, die den Ñamen in der folgenden Liste beigesetzt sind, deuten an, in welchem der drei vorgenannten Verzeichnisse jene vorkommen. Da sich die Namen in den Verzeichnissen 1 und 2 vielfach nicht decken, und sie andererseits ungefähr derselben Zeit angehören, meint Santifaller, daß die bestimmende Rechtsunterlage in beiden verschieden sei, nämlich in dem einen grund- und im anderen marktherrlich. Doch ist die Bezeichnung „Marktrecht" in Bozen für Erbleihe an Häusern der gewöhnliche Ausdruck und tatsächlich von einem Grundzins bei städtischer Hausleihe nicht verschieden. Sie entspricht dem sog. Wurtzins in anderen deutschen Städten. Die Namen sind: Abslaif 2, Amelreich 1. — Berner 1, Pinchin 2, Polan 1 und 2, Pötzlein 1, Potzan 1, Ponerus 2, Brueler 1. -— Chaltleikebe 1, Campaetscher 1, Campillarius 2, Cherelmaenin 1, Chlausener 1, Chnogerin 2, Chovelarius 2, Cueme 3, Churtz 1, Chussenphenich 2. — Toldenhaim 2, Domer 1, Triendein 1, Tschwenner 1, Tunswaldarius 2, Dürre 1. — Epilhof 2. 1 ) —Vintler 1, Vogel 1, Volnut an dem Graben 2, Phruenderinne 1, Fuegelin 3, Fullaer 1. — Geyl 1, Glunage 2, Gratel 2, Gruntchaese 1. Soll wohl „Spilhof" heißen, s. oben S. 27.

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I. § 2. — Vornamen und Ortsnamen aus

— Hederin i, Hins 2, Huberin 1, Hurelday 2, Husse 1. — Jaudes 3. — Lagelvascher 2, Latinus 2, Lausso 2, Leutein 1, Lusse 1. — Maiger 3, Mayrer 2. — Naschenbeni 2, Nassenbeni 1. — Ortlerinne 1. — Riem 1. — Sack 1, Spiess 1, Sprenger 3, Schilher 1, 2, 3, Stader 1, Swap 2, Swancznerius 1, Summair 2. — Wider 1, Wincherius 2. — Zeltinger 1 und 2. — Zumpf 1.

Alle die vor angeführten Geschlechternamen zeigen in wirkungsvoller Ergänzung zu jenen, die für die Zeit vor 1250 bekannt sind, daß der Sprachgeist und die Volksart der Bevölkerung von Bozen auch in dieser ältesten Geschichte der Stadt ausschließlich deutsch gewesen ist, denn nur in einer solchen Bevölkerung kann sich ein solcher Namensschatz entfalten, wenn auch manche dieser Namen von den Notaren durch Anfügung einer Endung leicht latinisiert worden sind.1) Für die Zeit um 1400 hat J . K r a f t ein Verzeichnis von Bozner Familiennamen an der Hand der Urkunden angelegt.2) Auch dieses zeigt das ausschließlich deutsche Gepräge der Bewohner Bozens. Die Vornamen (Taufnamen) nicht etwa bloß der Adeligen, sondern auch der Bürger und Bauern aus der Gegend von Bozen, die bei der gewaltigen Erweiterung des Urkundenstoffes im Laufe des 13. Jahrhunderts für diese Zeit in großer Menge überliefert sind, sind zum allergrößten Teile deutsch, wenn auch an den Endungen für den Schriftgebrauch meist latinisiert. Namen lateinischer oder biblischer Herkunft sind damals noch verhältnismäßig selten. Das zeigt schon eine Durchsicht des Index züm Bozner Notarsbuche von 1237 (AT. 2). Recht bezeichnend sind in dieser Hinsicht auch die Verzeichnisse der Hörigen des Trientiier Domkapitels auf seinen Gütern bei Bozen von 1266 (unten Reg. 27 a), der Leute des Hochstiftes Trient auf dem Ritten von 1260 (unten Reg. 77), sowie der Bewohner der Wangergasse (wie oben S. 31). Es sind zwar auch in . romanischen Gegenden damals Vornamen deutscher Wurzel üblich gewesen, aber die lateinischen behaupten daneben doch die Oberhand. Der Gesamteindruck ist da doch ein wesentlich anderer als die Namenslisten aus der Bozner Gegend. Eine Vergleichsmöglichkeit bietet z. B. das Zinsbuch des Trientner Domkapitels von 1220. 3 ) Größere Reihen von Gegend-, F l u r - , H o f - und Burgennamen für Bozen und seine nähere Umgebung, das Dorf Bozen, die spätere Gemeinde Zwölfmalgreien und die Gemeinde Keller oder Gries sind seit dem Ende des 12. Jahrhunderts überliefert und seien bis gegen 1250 hier aufgeführt : So außer Haselach prope Winekke, das bereits 1070 genannt wird (MB. 8, 430), und außer den bereits oben S. 27 angeführten Familiennamen nach Ansitzen wie 1 ) Als ein unmittelbar aus dem Romanischen stammender Geschlechtsname kann von den vielen oben angeführten nur „Nassimbene" gelten. Über Latinus s. oben. Aurarius ist wohl glatte Übersetzung von „Goldner". 2 ) Kraft, Bozner Familiennamen um 1400 zuerst erschienen im Tir. Anzeiger 1919, Nr. 29 f., dann nochmals abgedruckt in Schiernschriften 3, 49. 8 ) Schneller, Trid. Urbare S. 174 (Listen der Personennamen aus verschiedenenen romanischen Gegenden des Hochstiftes Trient, wie Nons- und Sulzberg, Lagertal, Valsugana).

Bozen und Gries von 1200-—1250 und 1250—1300.

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Winec, Rosenpac, Winkel, Riede, Stoudach, Ronce noch Hurlach (unten § 5 Reg. 1), Albere (6a), of der Ade (13 a), Ravenstain (Reg. 13), Ried in Crouzweg (Reg. 16), in engen Wege, Truie, Gresewise, Innenvorst, Shil, Platte, Purgstal (Reg. 19), Runchenshayn, Riade (Reg. 20), Grave (Reg. 20 a), an der Haide (Reg. 23), Egerde (Reg, 24), Loche, Gruote, Maernik, Soläer, Winchel (TA. 34, 86 zum Jahre 1226), Tolpates, Moretes (Maretsch), Ronse (Rentsch, diese bei Oefele, Trad. Biburg, S. 423 zum Jahre 1180), Pradez, Rudelez (unten § 5 Reg. 6), in der Gruobe (Reg. 10), an der Schale (Reg. 29 b und 53 d). Im Verfachbuch des Notars Jakob Haas von 1237 finden wir folgende Namen dieser A r t : Pach, Pachelin, Placedelle, Plaspuhel, Prual (Brühl), Pulein, Puntnove, Punteis, Gampille, Covalum (Kofel), Tiefenal, Trautsun, Truie, Ebene, Valein, Virgele, Frowenwarte, Gruebe, Haselach, Hohencoval, Linte, Norwanch, Rone, Roasenbach, Ruschgazze (Rauschgasse), Saiten, Spilhof, Stade, Stillendorf, Walgriez; ferner die Burgen Haselbereh, Murec (Maretsch), Niderhous, Riade (Ried), Rafenstein, Walvenstain, Winechum (Weineck). (S. den Index bei Voltelini A T . 2, 507 ff. und Tarneller, Gries, S. 7.)

Weiters führe ich nun die H o f - und F l u r n a m e n für B o z e n und G r i e s aus jenen Urkunden von 1250 bis 1300 an; die Ziffern beziehen sich wieder auf das § 5 a mitgeteilte Verzeichnis der Urkunden nach ihrer archivalischen Aufbewahrung und zeitlichen Ordnung. Die Namen sind: Achewal 41. — Adelmanstale bei Ronz 30. — Angil 76. — Arle (Reg. 30 b). Campil 38. — de Camponne 69. — Aus der Cauade 145. — Cardaun 10. — Colstange (Reg. 30 b). — Choval, Kofel (Reg. 36 a). — Corneyd R . 36. — de Crispian 63, 64, ad Crispian 100. — Curkemedal 7. — de Curnol 28, 37, 87, 93, 137. — ad s. Petrum anme Curnole vinea una vocatur Ecke zu Mulestaine, alia Ebene (St. Peter Zwölfmalgreien) 135, Reg. 33. An me Ecke 69, 129, 135, am Eche 12. — de Ebene 69, 92, extra Ebene 40. In me Egelpach 129. — Erlach 29, 64, 69, 98; Reg. 30. — Forst 64. — Frowenhous 138. Gasse (Reg. 30). — Gensepah 58. — de Gerote 12, 61, 145; Gerout Reg. 36 a. — Griezeli 78. — Griezzele 58. -— Hora de Graue 1. — in der Grille G. 12. Haselach 48, 61, de Hasilach 36, ze Haselach in loco quod dr. ze Margen 129, Haslach 108. — de Haselberch 18, de Hasiberc 15. — Hasenhof Reg. 37. — de Hohen Chovel 69, 138. — Hohenraine 69, 92. — Holenpome 109. — Horlach R . 36. — Huebe 76. — Hurlach 14, 26, 27, 94. — Hurte 78. — Hütte 58. Langeke (Reg. 30 b). — Langestuche ad Winchel 89. — in der Leyte 53. — ame Linde R. 36. — Lone (Reg. 30 b, 36 a). — de Maurach in dem Wegeliene 106. — Mitterwege ad Winchel 134. — Murehc 70. — de Mureit 13. —- Mulestaine 135. Nadonige 1. — Niderhousen 99. — Nieder Winkel, Ober- 71, 84. — Nuoc 92, Nusche 136, von me Nussche 145. — Obergasse 68. — Odergazze 29. — Oberpotzen Reg. 37, Oberpozin 87. —• de Orteins 3, amme Orte R. 83. Banco 14, Bänke 17, Benke 47, 69. — de Pach de Rubenege 3, 89. — Platental 29. — Platenaer (Reg. 30 b). — Placedelle 130. — Piglac 30. — Poleyn 50. — Pount 18. — Pontnoue 103. — de Pradehc 104. — Pramach 58, 78. — de Primizage 87. — Pruel (Reg. 38). — Publicz 107. — Pudelein 110. — ab dem Puhele de Champzeno 12. — Punteis 27, Puntisum 136. — extra Purcan 40. Ame Reiyn 136. — de Rigeleinsvelde 93. — de Ride 1. — Rigelwec 45. —• de Rinne in Curnol 145. — de Rise 80. — de Roade Pe 30 a. — Rodele 58. •— de Rone 73. — Ronz 30, 37. — Rosenbach 48. — Rotenstain 105. — in dem Riuelovn, rivus de Riuelon 34, 109. — de Runnes 144. — de Russan 53. De Sante 95. — Santstuche 69. — An der Schale 61. — ad Seavers 18, 32, 69. — de Sibedat 17, 36. — Siginan 14. — de Slechtleyt 138. — abe Sluf 131. — de Spilhof 1, 27, 42, 96. — de Spilhofen 90. — ze Starchand 141. — de Steige Reg. 53 a, 69, ze Steyge, ame Steyge 138. — Stainacker Reg. 38. — Steynwant Reg. 36 a. — S t o l z , Südtirol I i i .

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I. § 2. — Ortsnamen für Bozen und Gries aus Urbaren des 13. Jahrh. Stichel aput s. Nicolaum de Publicz. 105, 107. — Stillendorf 110. — De Sufan 79. — Suluanstal 22. Tempel 103. — Troye 29, ze Truie 141. — de Tufinal 44. — Ubelrise super Placedelle 1 1 6 . — de Unraine 69. — In dem Vagen 32, 71, 91. — de Virgele 77, Reg. 30. — de Vramme 98. Wag 68, 114, Wage ad Winchel 29, 83, 143. — Walgriez Reg. 30. — Wanger Anger in Winchel 1 1 1 . — de Wederwals 1 1 3 . — Ronz in loco an der Wegeschaide 58. — Weitintal 87. — Weyte Loune Reg. 36 a. — super Ronzum in loco de Wiessenstein 106. — Winchel in plebe de Cheler 2, 1 1 , 16, 26, 54, Winchil 64, Winkel 8, in Winchel subtus Cornol in der Arle 139. Weiters kommen noch einige U r b a r e in Betracht, die im 1 3 . J a h r hundert oder zu Beginn des 14. aufgezeichnet wurden und Höfe und besonders Weinberge bei Bozen namentlich anführen. So das Urbar des B r i x n e r Domkapitels von 1260 (Santifaller Cal. Wint. S. 234), die Namen: Truge, Tufnal, Leimgrube, Prochemwege, Geriute, Coffelwingart, Engelwizwingart, Brule, Soler, Winchel. Das Urbar der Grafen von Tirol von 1288 nennt für deren A m t zu G r i e s (Griez) (Druck Zingerle, S. 1 1 8 bis 124): Aigenhousen, Panche, Pobliz, Ponteis, Protschenhof, Purschan, Punnaeuve, Campille, Traten, Tschai (Schal), Erlach, Obererlach, Fossat, Vrowenhausen, Vorste, Ganzener (Guntschna), Gemzeben, Haselach, Horlach, St. Justein, Mairlait, Oberwinchel, Ruentsche (Rentsch), Russan, Soler, Sevelder, Strekker Hof. (Zur Eindeutung der Namen s. Tarneller, Gries in Schlernschr. 6, S. 7 ff. Verzeichnis). — Eine Rechnung des landesfürstlichen Richters von Gries von 1 3 1 3 (JSt.A. Cod. 286 fol. 131) nennt bona in Troy, Punteys, prope Rennweg, custos feri in Nuzzauwe et Rechawe. Das Urbar des Klosters B e n e d i k t b e u r e n von ca. 1290 nennt folgende „vinee in Bozano: Runts, Runkeths, Herzogenflech, Totenflech, Hofstat, Gurnellenpoum (HSA. München Bened. Lit. 32). Ein Urbar des Klosters W e i h e n s t e p h a n von 1291 (s. unten Reg. 53 b) führt folgende „vinee (Weingärten) circa Bozanum et Kelre an: Runse, Rizoel, Margeretengriez, Scherphel, Lechel, Altenkelner, Peuntel, Höfel, Altenwinkel, Niderwinkel, daz Ros, daz Gerevth, daz Reinel, aput Kienastum (Personenname), vinea Weihenstefner. Das Urbar des Stiftes E b e r s b e r g von ca. 1300 (HStA. München Lit. 11) nennt bei „Bozanum" folgende Grundholden mit Weindienst: Leutoldus des. Solaer de s. Oswaldo, Petrus Gozprot, Gotsalcus ad s. Johannem, Petrus Schoen in Gampaeths, Ruebel in Pizochk, Lengenstainer in Pinteis, Lo^chlaer in Troyn; Weingärten: campus der Eberspergaer anger, daz der Zolstange, in Waeinekke, in Rivelawen, Placedelle. Das Urbar des Hochstiftes F r e i s i n g von 1305 (Zahn FA. 36, S. 28 f.) erwähnt für die Gegend von Bozen: „Vinea dicta Eysenpern, datz der Huette, pratum dictum Pfaffenwis, vinea Selhiltengriez, in Niderwinchel, Leugartstuck, Aggubel unter des Perntorkel, Siehleiten, ain gantz rigel." Das Stift R o t t hatte laut seines Urbars von ca. 1400 (JStA. München) Besitz an Weingütern „apud Bolsanum" zu Ruensch, St. Johannis, Griez, Poblitsch, Plaspuhel, Cardawn. Das Urbar von F r a u e n c h i e m s e e von ca. 1400 (HStA. München Lit. fol. 15 und 30) führt unter dem Titel „Redditus bey der Etsch" an: Höfe und Weingärten in Hagnach curia (Untermais), der Grump; in Gries pei der Taluern und gen Winschel, apud Weinekk, in Torkel curia; bey Pötzen am Purgfrid und am Rennweg enhalb Talvern; auf dem Ritten ze Lengenmos die kornhof Offeranch und Suffanch, die Jacob von Stafflarn inne hat. Das Urbar des Klosters W i l t e n von 1305 nennt die „vinea aput Roenths, an der Zolstangen, an der Wegschaide, vinea dicta Wiltner, altera Spiez."

Der Name „ E t s c h " in seinen ältesten Formen. Das U r b a r des Hochstiftes A u g s b u r g vom J a h r e 1 3 1 6 bringt sitz bei Bozen weniger Namen von Weingärten und Höfen als von leuten, die alle deutsch sind. Z. B . : Schulterlin, Hendel, Mesner, Merwunder, Stader, Sieder, Brunberg, Grozprot, Lollin, Ennechel u. 34. 2 . s - 3 5 i fO-

35 f ü r dessen Beeinzelnen B a u Chuen, Neuer, a. (Mon. Boica

Über die Namen der beiden Hauptflüsse dieser Gegend und ganz Südtirols, E t s c h und E i s a c k , sei hier folgendes bemerkt: Die bei römischen Schriftstellern vorkommenden Namen „Athesis (Atesis)" und „Isarcus" werden auch meist in den lateinischen Texten des Mittelalters verwendet, so in den Urkunden der Trientner und Brixener Kanzlei und bei den Bozner Notaren vom 1 1 . bis 1 3 . Jahrhundert. Doch wird für Athesis vielfach die Form „ A t a x i s " gesetzt, die der Mundart der anwohnenden Romanen entsprechen dürfte. 1 ) Diese lateinisch klingenden Namensformen waren so festgelegt, daß für den Gebrauch in lateinisch verfaßten Urkunden andere nicht in Frage kamen, wenn auch die betreffenden Urkunden für minder bekannte Örtlichkeiten ausgesprochen deutsche Formen verwenden. Eine solche war auch für Athesis schon längst da, und zwar bringt die deutsche Form „ E t i s a " zum erstenmale eine im 12. Jahrhundert im Kloster Schäftlarn geschriebene Glosse; dieses bairische Stift hatte ja gerade in Bozen-Gries schöne Weingüter. Daß der a-Laut der Stammsilbe in e umgewandelt wurde, beweist, daß das Wort in althochdeutscher Zeit, also lange vor dem 12. Jahrhundert in die deutsche Sprache übernommen worden ist. 2 ) Die hieraus weiter gebildete Form „ E t s c h e " , Etsch wird in den Aufzeichnungen, die in deutscher Sprache gehalten sind, ausschließlich verwendet; da aber solche in unserem Lande wie auch sonst erst seit dem Ende des 13. Jahrhunderts auftreten, können wir auch keine früheren Belege für jene Form anführen; So im landesfürstlichen Urbar von 1288 „die Etsche" 3 ); „pei der E t s " , „bei der Etsch" in Urkunden von 1 3 1 2 und in anderen Aufzeichnungen der landesfürstlichen Kanzlei. 4 ) Wie Redlich AT. 1, 295; Voltelini AT. 2, 527; Kink FA. 5, 523; Santifaller, Cal. Winth. S. 591 (Register). — Belege aus röm. Autoren bei Holder, Altkelt. Sprachschatz 1, 259 und 2, 75. Über die (romanische) Schreibung des x für s siehe Steinberger in Zt. f. Ortsnamen! 6. Bd. S. 159. 2 ) Graff, Ahd. Sprachschatz 1, 158; Steinmeyer, Ahd. Glossen 4, 587. Schatz in Grabmayr, Südtirol S. 188. Schatz, Altbair. Grammatik S. 32. Nachträglich ersehe ich, daß Steinberger (Verg. 8 S. 571) den in einer Urkunde des Klosters Steingaden von 1256 (Mon. Boica 6, 529) genannten „flumen E z z e " mit gutem Grund auf die Etsch bezieht. Das wäre dann die älteste Erwähnung einer mittelhochdeutschen Namensform für diesen Fluß. 3 ) Im Gelt von Glums: „Von den vrien (Freien) die da sitzent von Malles (Mals) untz da diu E t s c h entspringet." (Dieser Teil des Urbars ist FA. 45 nicht gedruckt; nach Abschrift Zingerle von Or. s. Stolz, Landesbeschreibung AöG. 107, 730). Ferner in dem Teilurbar „Gelt von Tirol" von 1285 fol. 8 bei Aufzählung von Höfen in Mays (bei Meran): „Curia Haymonis an der Etsch".) — Die ausdrückliche Gleichsetzung „ A t h e s i s fluvius, qui v u l g a r i t e r E t s c h nominatur", findet sich z. B. in Fabers Reisebuch von 1483 (Stuttgarter Ausgabe Bd. 3, S. 73). 4 ) Heuberger, ZFerd. 56, 282 und 285; J S t A . Cod. 18 fol. 53 zum Jahre 1333: Heinrich von Annenberg erhält u. a. als landesfürstliches Lehen: „daz mos untz an den runst der Etsch und ain staynach und ain dornach . . ." 3*

I. § 2. — Die Namen „Eisack" und „Talfer".

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schon hier, wird auch in der österreichischen Reimchronik, die um die Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert verfaßt worden ist, die „Etsche" im Sinne des Etschlandes, d. i. der Grafschaft Tirol und die „ E t s c h ä r e " als die Bewohner derselben öfters angeführt.1) Die deutschen Namensformen für „ I s a r c u s " sind auch erst seit dem 12. Jahrhundert überliefert, so im Falkensteiner Kodex „ Y s a g e s " , in den Annalen von Altaich ,,Isak", in den Traditionen von Biburg um 1180 „Ysac", in einer Urkunde von Neustift bei Brixen von 1230 „Isach", in einer Urkunde des Klosters Wilten von 1264 „flumen Ysach", in dem Urbar des Stiftes Sonnenburg von 1296 „inter aquas Taluern et Ysach". 2 ) „Ysachowe" und dann auch „ E y s a c h o w e " findet sich in Urkunden, die um 1290 von Notaren in Bozen für den Landesfürsten ausgestellt worden sind3), „Eysach" in Brixner Urkunden derselben Zeit.4) Für den reißenden Nebenfluß, der aus dem Sarntal kommend bei Bozen in den Eisack rinnt, die Talfer, finden wir die deutschsprachigen Formen „ T a l v e r n " und „Talverren" auch gegen Ende des 13. Jahrhunderts schriftlich überliefert.6) Der Italiener Beatis versucht in seiner Reisebeschreibung von 1517 den „Eisack" aus der deutschen Sprache im Sinne eines „Sack des Eises" abzuleiten, da der Fluß zur Zeit der Schneeschmelze sehr stark anschwelle.8) Mehrmals wird bereits für die Zeit vom 1 1 . bis 13. Jahrhundert berichtet, daß diese Flüsse, Eisack und Talfer, die Weingüter überschwemmt und vermurt haben und diese mit großer Mühe wieder instand gesetzt werden mußten. J a die Bozner erhielten im Jahre 1256 deshalb und wegen der Heimsuchung ihres Gebietes in den Fehden zwischen Tirol und Trient eine mildere Steuerordnung.7) Durch unermüdliche Verbauung der Flüsse gelang es in den folgenden Jahrhunderten, deren Lauf immer mehr 1

) Mon. Germ. D. Chron. 5, S. 1306 (Reg.). ) Petz, bayr. Tradb. S. 8 = MB. 7, 442; Jung, Römer und Rom. i. d. Donaul., S. 304; Oefele in Sitzber. Bayr. Ak. 1896, S. 433; Mairhofer, F A . 34, 90; oben Bd. II, S. 32, Reg. 2 1 ; ferner unten Beil. I § 5 Reg. 26. — Die ältesten Belege für den Namen Eisack verzeichnet auch Steinberger MIöG. 32, S. 296. 3 ) S. unten Reg. 35 a und 40. Ferner im Lehensbekenntnis des Mairs von St. Afra zu Bozen von ca. 1300 „Eysach" (s. unten § 6 Urk. 3). 4 ) A B . 2, Nr. 2757 und 3020 (zu den Jahren 1 3 1 3 und 1322). S. ferner Bd. II, S. 236, Reg. 38 (zum Jahre 1340). , 6 ) So im Urbar von Tegernsee (s. unten § 5, Reg. 22), Urbar von Sonnenburg (s. Z. 10 von oben); Urbar von Benediktbeuren (s. oben S. 34, Z. 26), Urbar von Augsburg voif 1 3 1 6 (Mon. Boic. 34, II, S. 251), Lehen des Meiers von St. Afra zu Bozen (s. unten § 6 Urk. 3). — Die Legende des hl. Quirin, die im 8. Jahrhundert spielt, nennt auch den Fluß „Dalfer", doch scheint der betreffende Abschnitt erst im 17. Jahrhundert in Tegernsee verfaßt worden zu sein (Resch, An. Sab. 2, 634 und Potthast Bibl. hist. 2, 1539; Hormayr sämtl. Werke 1, 261). 6 ) Pastor, Reise des Kard. Aragona, S. 92. ') In den Annalen von Altaich, Kloster in Niederbayern, steht zum Jahre 1049 (Mon. Germ. Script. 20, S. 782 aus Jung, Römer und Romanen, S. 304): „Der Fluß Isak iuxta Pozanunium richtete durch Überschwemmung großen Schaden an, legte die Erde in den Weinbergen von Grund aus bis auf das Gestein bloß und warf sie anderswo hin, zerstörte 2

Alte Bezeichnungen für das Etschtal.

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zu sichern und zu regeln und neues Land für den Anbau zu gewinnen.1) Als im Jahre 1277 Graf Meinhard von Tirol die Stadt Bozen, die damals zum Bischof von Trient hielt, in seine Gewalt bringen wollte, zerstörte er die Uferschutzbauten an der Talfer und am Eisack, um die Stadt unter Wasser zu setzen und sie zur Nachgiebigkeit zu zwingen.2) Auch im 14. Jahrhundert war der Übergang über die „Talvern" bei Bozen wegen der Wildheit ihres Wassers nicht selten gefährdet und in Frage gestellt.3) Die von diesen Flüssen durchlaufenen Täler wurden in alter Zeit nicht nach diesen benannt, sondern nach anderen Gesichtspunkten. So heißt bis ins 12. Jahrhundert das Eisacktal samt seinen Mündungsbecken um Bozen stets „vallis Norica", in deutscher Form „ N u r i h t a l " , die in der Literatur vielfach übliche Form „Norital" ist nur durch eine vermutlich entstellte Schreibweise veranlaßt. Über die Herkunft und Bedeutung dieser Bezeichnung habe ich bereits oben S. 10 gehandelt. Wollte man den Übergang über den Brenner im ganzen bezeichnen, so sagte man auch „per alpes Noricas", so in der Reichsteilung von 806. Otto von Freising und die Klosterannalen des 1 1 . bis 13. Jahrhunderts schreiben für den Weg durch das Eisack- und Etschtal „per B r i x i n o r a m et vallem Tridentinam (bzw.Trientinam) oder auch letzteres allein.4) Dieses „Trientner Tal" hat wohl das Etsch- und unterste Eisacktal bis zur Bistumsund Grafschaftsgrenze bei Klausen bedeutet. „Vallis Athesis" kommt meines Wissens nicht vor, sondern man schrieb in den lateinischen Texten seit der Mitte des 13. Jahrhunderts „Longum A t h e s i s " für das Etschtal von Trient aufwärts über Bozen bis Meran, auch „Longiatesis Theotonicum", wobei „Longum" eben das langgezogene Tal bedeutet6.) Außerdem wird zur Bezeichnung der Lage von Orten im Etschtal bei Bozen und Meran sowie für dieses selbst im 13. und 14. Jahrhundert auch gesagt auf beiden Seiten Gebäude, Äcker und Vieh." Laut eines Vermerkes in dem Traditionsbuch des Kl. Biburg (Oefele, S. 433), habe dieses bei S. Quirin bei Bozen ein „Grundstück von fast sechs Tagwerken Pflug, einstmals mit Reben gut bestanden, jetzt durch die Überschwemmung des Ysac von Grund aus zerstört." Die Steuerordnung für Bozen von 1256 (Kogler AöG. 90, 686) sagt: „Wegen der häufigen Überschwemmungen der Flüsse, durch welche dieses Gebiet fast alle Jahre verwüstet wird." •— Wie mir L . Steinberger mitteilt, ist das Wort „Pozanunium" in den Altaicher Analen auf einen Lese- bzw. Druckfehler für „Pozan nimium" (zwei selbständige Worte) zurückzuführen. Die Form Pozan kommt auch sonst vor. *) Einige Angaben hierüber bei Tarneller, Gries, S. 12 f. Um 1284 spricht man schon von einem alten Bett der Talfer und des Eisack (unten Reg. 31 a), das zeigt auch die Veränderlichkeit dieser Gewässer und das Bestreben, sie zu zügeln. Zur Errichtung und Einhaltung der Wasserschutzbauten wurden später eigene Genossenschaften, sog. Legen, gebildet, die gegenüber den immer wieder auftretenden Überschwemmungen hart zu arbeiten hatten. Aus dem Jahre 1541 ist eine Karte des ganzen durch die Flüsse Eisack und Talfer gefährdeten Raumes bei Bozen erhalten (Schönherr, ges. Schriften 2, S. 615, Äußerer im Bozner Jahrbuch 1924, S. 70 gibt einen Ausschnitt dieser Karte wieder.) 2 ) S. unten § 5 Reg. 30 a: „opus que parate fuerat ante aquam Taluerne et Isarci." 3 ) S. unten deutsche Urk. § 6 Nr. 13. 4 ) Nachweise hiefür bei Wanka, Brennerstraße, S. 69, 73, 80 ff. 6 ) Nachweise s. Bd. 1, S. 124 und Bd. 2, S. 7 und 275.



I. § 2.

- Volkstumsgeschichtl. Ergebnisse der Namenserhebung.

„ c i r c a oder aput A t h a s i m " , auch „partes Athesis", „in terra Athesis". 1 ) Das bedeutet natürlich soviel wie das bereits angeführte „pi der Etsche", E t s c h l a n d und Viertel an der Etsch und am Eisack in späterer Zeit. Alle bisher angeführten örtlichen Eigennamen sind entweder deutscher Wurzel oder, wenn anderer Wurzel, so doch deutscher Formung. Das ist nur denkbar, wenn die Bevölkerung, die diese Namen geschaffen und gebraucht hat, deutschsprachig gewesen ist. Einmal wird ein Name der letzteren Art, nämlich „Gufel" ausdrücklich als „vulgariter", d. h. der Volkssprache gemäß bezeichnet.2) Das zeigt uns, daß die Einschmelzung der vordeutschen, d. h. rätischen und romanischen Ortsnamenwurzeln in die deutsche Volkssprache damals, d. i. um das Jahr 1200, bereits vollzogen ist. Das ist zugleich der beste, aus dem Sprachbewußtsein der damaligen Zeit geschöpfte Beweis gegen die Annahme Battistis, daß die Hofnamen vordeutscher Wurzel nur der Siedlungsarbeit einer ausschließlich romanischen Bevölkerungsschichte entsprechen können. Öfters werden diese Ortsnamen mit einer Präposition und dem Artikel in deutscher Sprache angeführt, was deren Gebrauch im deutschen Munde unmittelbar andeutet.3) Im Vereine mit den Personennamen geben uns jene Örtlichkeitsnamen vollste Sicherheit, daß Bozen im 1 1 . bis 13. Jahrhundert, da eben überhaupt Urkunden mit solchen Namen überliefert sind, eine deutsche Siedlung gewesen ist. Geradewegs besagt dies uns aus der Zeit selbst die Überschrift, die ein Verzeichnis der Urbargülten des Hochstiftes Trient von dessen Gütern bei Bozen und am Ritten trägt: „Per fructus Theutonicos (§ 5 Reg. 8). „Deutsche Gülten" nannte man im 13. Jahrhundert bei der Hochstiftsverwaltung zu Trient die Erträgnisse aus den Gütern jener Gegend. Offenbar weil diese durchaus von Deutschen besiedelt war. Den Wein, der in der Gegend von Bozen gezogen wurde, nannte man „vinum theotonicum" im Gegensatz zum „vinum latinum", deutschen zum Unterschied vom welschen Wein der Trientner Gegend.4) Es ist aber auch zu beachten, wie und in welcher Form zu Bozen in den Urkunden die Namen von Orten außerhalb seines engsten Bereiches 1 ) Nachweise s. Stolz in Schiernschriften 9. Bd., S. 478 f und 484; unten Kap. II, § 6, Reg. 1 2 ; Mon. Boica 7, 1 3 3 zum Jahre 1257. 1290 März 10 stellt H. Meinhard eine Urkunde „in partibus Atasis apud Purchstal" aus (Burgstall bei Meran). (IFerd, Hist. Komm.) 2 ) Unten § 5 Reg. 18. 3 ) Z. B. „In der Gruobe, in der Mussei, an der Schale, an der Haide, an der Linde, an me Grien, cen me Stainacker (unten § 5 Reg. 10, 23, 29 a, 31, 37, 38). Es werden also die Ortsnamen deutscher und vordeutscher (rätoromanischer) Wurzel in ganz gleicher Weise mit deutschen Präpositionen und Artikeln sprachlich verbunden, was eben die volle Eindeutschung der Ortsnamen letzterer Art anzeigt. 4 ) So laut Urk. von 1293 (unten Reg. 36 a). Es ist das dieselbe Stelle, die ich nur unzulänglich Bd. II, S. 126, Anm. 4, angeben konnte. Über die Berühmtheit des Bozner Weines in Deutschland im 12. Jahrhundert s. oben Bd. I, S. 35, Anm. 2.

Deutsche Namensformen für Orte außerhalb Bozen.

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in den benachbarten romanischen ( i t a l i e n i s c h e n ) und d e u t s c h e n G e b i e t e n geschrieben werden. Erstere, die Namen von Orten mit vorwiegend romanischer Bevölkerung, erscheinen in der Form, wie sie auch sonst von den Deutschen gebraucht wurde. Die Namen von deutschen Orten (in Nordtirol und Bayern) werden andrerseits auch in Bozen in jener Form wiedergegeben, wie sie in jenen deutschen Gegenden üblich waren, ohne jene Veränderung, die sie in italienischen Schriften jener Zeit meist erfahren haben. Auch das beweist, daß die Schreiber und der Sprachgebrauch in Bozen schon damals — im 1 3 . und 14. Jahrhundert — durchwegs deutsch gewesen sind. So wird in den Urkunden, die in Bozen in lateinischer Sprache geschrieben wurden, stets T r i d e n t u m gesagt, weil diese Form für die lateinische Sprache unbedingt feststand. Daß aber schon längst die Deutschen eine ihrer Sprache entsprechende Umbildung angenommen haben, zeigt die Form ,,ad T r i entern oder Trientam" in Freisinger Aufzeichnungen des 9. Jahrhunderts (Mühlbacher Reg. Imp. Karol. Nr. 1212, zum Jahre 857; Zahn FA. 31, 16 f.; vgl. oben S. 9). In den Urkunden, die in deutscher Sprache in und bei Bozen geschrieben wurden, steht aber dafür stets die deutsche Form, nämlich T r i e n t im Jahre 1297 (unten § 7 Urk. 15), T r y e n d e 1336 (unten § 6 Urk. 25), der davon abgeleitete Personenname Triendein 1288 (Urbar Zingerle, S. 118), Trient Malconsyli, d.i. Schloß Malconsiglio 1366 (Urk. 42 a), Triend 1376 und 1385 (Urk. 45 und 54), T r i n t , Trient (Urk. aus Tisens von 1388 März 16, unten Kap. II, § 8 mitgeteilt). — Für den Avisio, einen Nebenfluß der Etsch, der bei Lavis in jene mündet, wird in Bozen bereits um 1200 die Form E v e i s gebraucht, die auch später im Deutschen üblich war (s. Bd. I, S. 73). — Ferner hat eine Bozner Urkunde von 1335 trotz ihres sonst lateinischen Wortlautes die Angabe „Heinricus de W e r n a e r Chlause", d. h. Berner oder Veroneser Klause (§ 5 Reg. 44); auch der Personenbeiname Albertus der B e r n a e r e für einen Mann, der offenbar aus Bern oder Verona stammte, kommt hier um 1200 vor (Reg. 5) und ebenso um 1280 „der B e r n e r und Jäkel von Beren (Zingerle, Urbar von Tirol, S. 120, Abs. 97 und S. 121, Abs. 127). — Für Florenz steht in den deutschsprachigen Bozner Urkunden stets V l o r e n t z , so 1341/42, 1351 f., 1361 ( § 6 Urk. 19, 28, 32 f., 41). (Das Buch von W. Matthias, Die geogr. Nomenklatur Italiens im altdeutschen Schrifttum, 1911, stand mir nicht zur Verfügung, obige Erwähnungen wären zum Teil auf seine Angaben zu beziehen.) Andrerseits finden wir auch in den lateinischen Urkunden des Bozner Notars Haas von 1237 für d e u t s c h e O r t e Namensformen, die auf einwandfreie deutsche Aussprache weisen wie: I n s p r u k e , J n t a l , Toure (Thaur), W i b e t a l (Wipptal), M u o n e c h e n (München), C h e m p t e n (Kempten), Murnow, Partechirchen, Weilhaimen, Bouren (Benediktbeuren), s. Register in AT. 2. „ I n t a l " und „Intaler" finden wir auch in anderen Bozner Urkunden des 13. Jahrhunderts (s. unten Reg. 7 a, 17 a, 35 b, 39 a), I n s p r u k e (30 a), Geczens (Götzens) und Zirle (Zirl) bei Innsbruck (Urk. von 1271 JSt.A. Urk. II, 536 bis 542), U m s t e , d. i. Imst (JStA. Pb. 361 zum Jahre 1272), M i t t e r l o n a n bei Meran (Pb. 638 zum Jahre 1281), P u s t i r t a l 1277 (§ 5 Reg. 30 b). Nach all diesen bisher behandelten Beweisgründen erkennen wir die volle Haltlosigkeit der von Malfatti zuerst aufgestellten und von den späteren italienischen Historikern immer wieder vorgebrachten Behauptung: Solange die Bischöfe von Trient über Bozen geherrscht hätten, habe sich die dortige Bevölkerung italienisch (romanisch) gehalten, erst seit dem Ende des 1 3 . Jahrhunderts, da die Grafen von Tirol dort die Landesgewalt

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I. § 2 — Orts- und Geschlechternamen

an sich gerissen, sei sie germanisiert worden.1) Zwar werden gar keine urkundlichen Beweise dafür angeführt, sondern nur eine indirekte Erwägung: weil an den Quellen der Etsch, im oberen Vintschgau, der Romanismus sich länger gehalten hat (was richtig ist), muß dies noch mehr für die Gegend weiter ab- und südwärts an diesem Flusse zutreffen. Diese Begründung übersieht aber, daß die deutsche Siedlungswelle in der Hauptsache nicht über die Etschquelle — den Reschenpaß — nach Bozen gelangt ist, sondern über den Brenner und das Eisacktal. Auch können Bevölkerungswellen über Durchzugsgebiete hinweggehen und erst jenseits derselben zum Stillstande gelangen, im Durchzugsgebiete werden dann nicht so rasche Veränderungen hervorgerufen wie im Gebiete der neuen Ansiedlung. Damit bricht diese ganze Begründung in sich zusammen, aber es widersprechen ihr auch die positiven urkundlichen Zeugnisse. Das hindert freilich die heutigen italienischen Publizisten nicht, immer wieder zu den Aufstellungen Malfattis zurückzukehren. Nicht so reichlich wie für die Siedlung im Bozner Boden selbst fließt die urkundliche Überlieferung vor dem 13. Jahrhundert für jene im w e i t e ren U m k r e i s e desselben. Aber die Geltung des Deutschtums zeigen auch für diese Lagen die frühesten uns bekannten Formen von Orts- und Personennamen. Für alle die nun besprochenen Gebiete liegen die Hofnamenforschungen von J . T a r n e l l e r vor und ich beabsichtige hier nur die Anfänge der Ortsnamengebung, etwa bis Ende des 13. Jahrhunderts, innerhalb dieser Zeitgrenze aber mehr abgerundet, als sie bei Tarneller hervortritt, vorzuführen. Hiebei werden die Angaben Tarnellers aus Quellen, die ihm nicht zu Gebote standen, noch wesentlich zu ergänzen sein. T e r 1 an, der berühmte Weinort nordwestlich von Bozen. Im Jahre 923 schenkt der Chorbischof Gotabert dem Erzstift Salzburg seinen Grundbesitz in T o r i l a n und Melitta (Mölten) in der Grafschaft Nurihtale (Norital).2) Gerade diese erste Erwähnung zeigt bereits die Abschleifung der Namensform am Auslaut, wie sie der deutschen Aussprache gemäß ist. Der Bozner Notar von 1237 hat die Form Törlanum 3 ), aber der Auswurf des — i — im Inlaut deutet an, daß jene aus einer im deutschen Munde bereits fortgebildeten Form Torlan durch Anfügung der Endsilbe nach Schreibermode latinisiert worden ist. Wirklich finden wir um diese Zeit, in drei voneinander kaum abhängigen Brixner Aufzeichnungen, einem Eintrag in dem Traditionsbuch zu ca. 1200 und zwei Einzelurkunden von 1234 und 1264, die offenbar der Volkssprache unverändert übernommene 1 ) So zuerst wohl von Malfatti im Arch. per Trieste e Trentino 2 (1883), S. 21 ff. und dann von Battisti, Storia ling. e naz. del Trentino, S. n i ff., wie ich bereits oben Bd. 1, S. 64 näher andeutete, behauptet. 2 ) Hauthaler, Salzb. Urkb. 1, 67. Tarneller A ö G . 1 0 1 , 308 kennt nur den ungenauen Druck bei Hormayr, Beitr. 2, 19, der fälschlich ,.Torilanum" hat. Betreff Nurihtal s. oben S. 10. 3

) Voltelini A T . 2, 522.

für Terlan aus dem xo.—13. Jahrh.

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Form „ T o r l a n " bzw. „Dorlan" und T o e r l a n . D a s Urbar der Tiroler Laridesfürsten von 1288 hat „Toerilan", was genau die noch heute übliche mundartliche Aussprache wiedergibt.2) Außer diesem Hauptnamen, für die ganze Gemeinde werden vor dem 13. Jahrhundert an Örtlichkeitsnamen dieser Gegend nur wenige genannt, die aber zum Teil deutscher Wurzel sind: Sibenayche, Sels, Stavels, Chrebezwise (Krebswiese).3) Das Schloß Neuhaus, das hier die Grafen von Tirol um das Jahr 1230 als Stützpunkt ihrer Herrschaft erbauten, heißt in den lateinischen Urkunden des 13. Jahrhunderts stets „Novadomus", der ursprüngliche deutsche Name „ N i v e n h o u s " taucht zum erstenmal im landesfürstlichen Urbar von 1288 auf. 4 ) Vilpian erscheint seit 1233, und zwar stets in dieser deutschen Namensform V u l p i a n . 5 ) Ein ganzer Teil des Amtes Neuhaus und der Gemeinde Terlan hieß im 13. Jahrhundert G e r e u t , das spätere Viertel Kreit. Hier waren damals größere Neurodungen angelegt worden, wobei der Burggraf Konrad Gandner führend gewesen war. Seine Güter erwarb dann der Landesfürst und Gereut war eine Zeitlang sogar Sitz und Name des Gerichts Neuhaus.6) Die Namen der Örtlichkeiten und Bauleute im Bereiche von T e r l a n , soweit solche im lfd. Urbare von 1288 und in Urkunden dieser Zeit angeführt werden, zeigen durchaus deutsches Gepräge, meist sind sie deutscher Wurzel; so die H o f - und F l u r n a m e n 7 ) : „Hohrain, Mower, Luoge, Chlouse, Montigel, Planatsch, Roslauf, Pfaffenwise (FA. 45, 1 3 1 u. 1 3 5 f.); Stuothof (§ 5 Reg. 47), Kalchgruobe, Haelplatt, Vinstertal, Weizzerd, Laimpruche, Sybenaych (Reg. 51), Stafelser Weg (54), Rubatsch, Hohenrain, Tyrgarten, Egerde (53 a u. c), Schintholtz, Stolle, Vieke, Rigel (56 a), Rubatsch, Rarot (56), Durrenhof (57), Mulbach, ze dem Fudrer, Grumme (59), Hochrain (59) Wartstein (60), Stantfuchs (61), Wuest, Rigelweg (63), Risen, Grumbe (65), Roslouf, Sybantsakker, Masaekker, Egerde (unten Kap. II, § 4 Reg. 36 a).

vor:

An Beinamen für Personen ( G e s c h l e c h t e r n a m e n ) kommen hier

Mesner, Turner, Zirgler, Gatter, Nater, Grumer, Geiger, Harnasch (FA. 45, 1 3 1 und 1 3 7 ) ; Rigler, Phreumeler, Trautman, Garlitin (unten § 5, Reg. 5 3 d); Chofler (57 u. 63); Schintholz, Mair, Hess (62); Holczman (63); Storenschatz (65); Orprant, Redlich AT. 1, 190; Unten §5, Reg. 45; Santifaller, Brix. Urk. S. 151. Ebenso in dem Brixner Urbar von 1253 (unten § 5, Reg. 74*). 2 ) Zingerle FA. 45, 177; bei Tarneller a. O. fehlen diese Hinweise. 3 ) Tarneller AöG. 101, 310 und 3 1 3 ; Voltelini AT. 2, Nr. 816. Unten Reg. 54*. — Die Namen S t a f e l s und Sels sind seit dem 15. Jahrhundert zugunsten von Siebenaich und Klaus als Bezeichnung von Vierteln oder Teilgegenden der Gemeinde Terlan zurückgetreten. 4 ) Tarneller AöG. Bd. 101, S. 318; Voltelini AT. 2, 549; Kink. FA. 5, 384; Zingerle, FA. 45, 133. 6 ) S. unten § 5 Reg. 47, 50, 53 c und 61; II, § 4, Reg. 35. Zingerle, Urbar von 1288. S. 135. Bei Tarneller S. 332 fehlen erstere Belege. 6 ) Zingerle, Urbar von 1288, S. 131 f. Unten Reg. 50, 51, 53 c, 56 a, wornach Gandner im Jahre 1284 größere Rodungen und Zehentrechte vom Grafen von Tirol erhalten hat. — Ferner unten Kap. II, § 4, Reg. 55. ') Die Hofnamen sind bei Tarneller AöG. 101, 313, 316, 320, 327 usw. näher zu verfolgen.

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I- § 2. — Orts- und Geschlechternamen

Hollenrainer, Harnasch, Mörser, Speiser, Rintzaner, auz der Stauden, Andreas von Augsburg, Gerichtsschreiber zu Neuhaus (unten Kap. 2, § 4 , Reg. 35, 5 3 u. 55). Endlich bringt die Ordnung des Amtes Neuhaus, die um das J a h r 1 3 2 0 aufgezeichnet worden ist, eine Menge von durchweg? deutschen Hof- und Familiennamen der zugehörigen Bauleute ( T W . 4 S. 1 9 1 f.).

Wir wenden uns nun von der Sohle und den untersten Seitenhalden des Etschtales den nordwärts darüber gelagerten Hochflächen (Mittelgebirgen) zu. Am J e n e s i e n b e r g , als Möns S. Jenesii seit 1186, Sand Genesien pfarre 1288 erstmals erwähnt, später auch Nesienperg genannt1), lagen die zwei alten, seit dem 1 1 . Jahrhundert erwähnten Grafenburgen Greifenstein und Morit, letztere wahrscheinlich identisch mit dem etwas später genannten Helfenberg.2) Auch der Ansitz Puhel vel Goldeke, der ebenfalls im Bereiche dieser Gemeinde liegt, wird schon um 1200 erwähnt, 1237 der Baumann Zaiser dortselbst3), also immerhin einige Namen deutscher Wurzel. Von den Unterteilen dieser Gemeinde haben zwei Namen auf —ing, aber anscheinend unechte, d. h. erst später aus romanischen Wurzelworten so umgebildete, nämlich Afing, 1218 Avia, 1288 Aeive und Glaning, 1263 Glaenia, 1288 Glaenie.4) Gerade für letzteren Ort zeigt eine Urkunde von 1263 (unten § 5 Reg. 48) das deutsche Gepräge der dortigen Siedlung: sie ist ausgestellt am „locus ubi dicitur an der Eke", betrifft einen Conradus de Mitenbalde, und wird von Leuten mit deutschen Vor- und Beinamen bezeugt, einem Molgarer, Zotus, Noanarius, Chastenarius, Rinzaner. Diese Namen kommen später als Hofnamen im Viertel Glaning vor, nämlich Egger, Malgarer, Zotten, Noaner im Viertel Nobels, die Höfe Kasten, Ranzan und Mittenwald am Saiten. Während für diese ganze Gegend der waldigen Hochfläche ober Jenesien der zusammenfassende Name romanischer Wurzel saltus, d. i. Wald, von den Deutschen übernommen wurde und die Form „in dem Saltan" z. B. aus dem Jahre 1342 überliefert ist, haben sie doch für eine einzelne Rodung in derselben einen Namen ihrer Sprachwurzel, Mittenwald gebildet.5) Eine andere Urkunde von 1263 (unten Reg. 48 a) nennt die Burg Weiffe im Viertel Afing und die dort gelegenen Höfe Chovele, Chamersidele und Unterweg.6) Weitere Namen Nachweise s. bei Tarneller, Hofnamen AöG. 1 0 1 , S. 220, dazu F A . 45, 1 2 3 (Urbar von 1288). In einer Urkunde von 1 3 1 4 , ausgestellt zu Tramin, kommt als Zeuge Concius q. Jorii de s. Nesioperg vor (A. Spauer, Innsbruck); Sant Nesienperg z. B. 1421 (Tarneller, S. 222) — Über das sprachgeschichtl. Verhältnis des J zum G im Anlaut dieses Ortsnamens s. Steinberger, Zt. f. Ortsnamenf. 6, S. 220. 2 ) Tarneller a. O. Nr 2104 und 2 1 1 5 ; ferner unten § 5 Reg. 52 3 ) Tarneller a. O. S. 225, Nr. 1975 und 1996; dazu s. noch MB. 8, 483. 4 ) Tarneller AöG. 1 0 1 , S. 228 und 240. 6 ) Tarneller AöG 1 0 1 , S. 238, Nr. 2073 f., 2095 f., 2105, 2109 f. Der im Jahre 1237 (AT. 2, Nr. 864) unter Leuten von Flas erwähnte Swiker de Mittenwalde dürfte sich auch auf den Saiten beziehen (vgl. Tarneller, Nr. 1930). 8 ) Zur Bestimmung der Ortslage s. Tarneller AöG. 1 0 1 , S. 229, Nr 2001 bis 2005. Die Höfe von Runigel (s. auch unten Reg. 29) dürften auch in der Gegend zwischen Gries und

für Jenesien und Mölten vom 10. — 1 3 . Jahrh.

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von Höfen auf Jenesienberg bringt das Idf. Urbar von 1288 bei den Ämtern Gries und Neuhaus nämlich: Durrach, Stivels Ekke, Paumris, Rumsin, Raineracker, Chovel, Poschengereute, Clazan, Wechscheide (diese in Glaning), Prunnach, an der Gazzen, Piderscholl (diese in Aeive oder Afing). 1 ) Dazu noch in Urkunden der nächsten Zeit die Höfe Swarcenpach, Simlan, Prune, Prunach, Swarzach, in den Saiten, Ramsein, Rumesein, Grueb, ze der Puechen und die Geschlechternamen Stumelweke, Khoveler (Kofier), Hovelarius, Grueparius, Stainwantarius, Panchircher, Hefniger, Sleifer, Sleiferinne, Zaimer.2) Also auch hier zeigt die urkundliche Überlieferung, soweit sie überhaupt zurückreicht, d. i. seit dem 12. und 13. Jahrhundert, die volle Geltung des Deutschtums. Dasselbe ist auch von der anstoßenden Gemeinde F l a a s und K a m p e dell zu sagen: die Namen dieser beiden Hauptgegenden, 1186 Valas und jCampedel zum erstenmal genannt, sind vordeutsch, die Namen der Höfe dortselbst, wie sie im Urbar von 1288 als Zubehör zum Amte Neuhaus auftauchen, deutscher Wurzel: Joch, Holzetal, Vronstalle, Luge, Vorchach, Ekke; sie sind als Schwaighöfe, die ausgesprochen bajuwarische Form der alpinen Hochsiedlung, angelegt worden.3) Alte Familiennamen von Flas sind Aggenman, Multer, Kreuzer, an dem Wege, Glatz.4) Die Hochfläche von Mölten reicht in der geschichtlichen Erwähnung wieder weiter zurück. Der Geschichtschreiber der Langobarden, Warnefrid (Paulus Diaconus III, 31), berichtet im 8. Jahrhundert auf Grund einer älteren Schrift des Secundus von Trient, daß im Jahre 590 ein fränkisches Heer auf einem Kriegszuge gegen die Langobarden im Gebiete des Herzogtums Trient eine Reihe von „castella", d. h. befestigte Orte, erobert hätte, darunter Tesana, Maletum, Sermiana, Appianum. Während die Erklärung dieser Namen auf Tisens, Sirmian und Eppan außer Zweifel steht, kann nach dem Lautbild Maletum auf Male im Nonsberg oder auf Mölten bezogen werden. Wenn man aber bedenkt, daß das langobardische Gebiet nach allem, was wir wissen, bei Bozen nicht über die Etsch hinübergereicht hat, so dürfte auch Mölten damals nicht im Besitz der Langobarden gewesen sein. Freilich sind die Voraussetzungen zu diesem Rückschluß in ihrer zeitlichen Geltung nicht ganz bestimmt.5) Sicher ist Mölten Jenesien zu suchen sein, vgl. Ranigler bei Tarneller, Gries S. 35, und Runer auf Jenesien, Tarneller Nr. 2062, ferner gibt es einen Raniglhof auf dem Berge Kollern östlich von Bozen. *) Zingerle, Urbar S. 1 2 6 und 1 3 3 f. Tarneller A ö G . 101, S. 2 3 2 f., Nr. 2025, 2038, 2 1 0 1 ff., 2105, 2 1 1 0 . 2 ) S. unten § 5, Reg. 30, 52, 53, 5 3 d, 54, 55, 58, 64, 67. Tarneller a. O. Nr. 1 9 8 1 , 2022. 3 ) Tarneller A ö G . iox, S. 3 1 6 ff. Zingerle, Urbar von 1288, S. 1 3 3 . Stolz, Schwaighöfe in Tirol, S. 1 3 0 f. 4 ) L a u t Urk. von 1 3 3 5 und 1 3 4 2 unten Reg. 66 f. 5 ) Alf. Huber, Mit. Inst. öst. Gesch. 2, 368 und Jos. Egger A ö G . 90, 390, erklären sich für Male, Wopfner in Schiernschriften 9, 387, für Mölten, neuerdings F . Schneider im ElsaßLothring. Jahrbuch 8, 60, wieder für Maid. Die Lage Möltens ober der Sohle des Etschtales, sowie die Richtung des Kriegszuges scheint mir übrigens nicht zu beweisen, daß Mölten

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I. § 2. — Orts- und Geschlechternamen

gemeint in der Schenkung von Gütern in M e l l i t a an das Erzstift Salzburg im J . 923 und M e l l i t u n in einer Schenkung für das Augsburger Domkapitel von beil. 1070. J ) Schon diese Formen zeigen die Betonung auf der ersten Silbe des Namens, was eben der deutschen Aussprache eigen ist. Bald nachher, im 1 1 . und 12. Jahrh., erscheinen dann bereits die Formen mit Abwurf der Endsilbe, M e l t i n und M e l t e n . 2 ) Maletum findet sich (neben Melten) dann allerdings auch oft in lateinischen Urkunden des 1 3 . Jahrhunderts, es dürfte aber eine nur von den Schreibern eingeführte Latinisierung bedeuten, wozu die gleiche Form Maletum für Male den Anstoß gegeben hat. 3 ) Daß aber die Form „Mölten bzw. Melten" in einer Zeit, die sehr lange vor dem späteren Mittelalter liegt, und unter ganz anderen sprachgeschichtlichen Voraussetzungen in der deutschen Sprache der Anwohner sich festgesetzt hat, das zeigt schlagend die Form, die für Maletum oder Male im Nonsberg im späteren Mittelalter bei den deutschen Etschländern üblich gewesen ist: nämlich „Maleit". 4 ) Der „Gelt ouf Melten" im ldf. Urbar von 1288 nennt an H ö f e n dortselbst: Frisan, Chaltenpach, Mittenwalde, Malgamur, Valtair, Sulvedelle, Flanig, Pontai, Nigai 5 ); Urkunden von 1290 in der Schale und ab der Schale, Hof ze dem nidern Tschouven, ze Stainach; Geschlechternamen Novelzer und Goltfuez.6) Ersterer Name erscheint früher in der Form „ S c a l a " , kann aber doch von ahd. „schale" und nicht latein. scala, d. h. Leiter, seinen Ursprung haben. Tschaufen ist von latein. jugum, romanisch für jene „Castella" nicht in Betracht kommen könne. Viel auffallender ist der Umstand, daß Bozen (Bauzanum) nicht unter den damals eroberten Orten genannt wird, denn wenn ein Heer auf Mölten gestoßen ist, dann müßte es nach der Richtung des Zuges auch vor Bozen gelangt sein, das ja bald nachher als Castellum im Besitze der Bajuvaren genannt wird (s. oben S. 7). Das spricht wohl am meisten dagegen, daß unter jenem „Maletum" Mölten gemeint sein kann. Im übrigen gehört diese Frage zu jenen, die an der Hand der vorliegenden Angaben nie ganz eindeutig und zwingend zu, lösen sein werden. Wie oben S. 10 M e l l i t a nach der Ausgabe im Salzb. UB. I, 67, die wohl zuverlässiger ist als Hormayr Beitr. 2, 19, mit Meltina, woran sich Tarneller AöG. 101, S. 203 hält (u. auch Wopfner a. a. O.). — Rückert im Archiv f. Gesch. d. Hochstiftes Augsburg, Bd. 5 (1917). S. 248. а ) Zitate nach Tarneller a. a. O., dazu aber noch folgende Ergänzungen: ca. 1150 „Iuxta Bozana in loco qui dicitur M e l t i n " (MB. 9, 374, Weihenstephan); predium super M e l t e (MB. 8, 420 Schäfftlarn). 1229 in einer Urk. des Grafen v. Ulten Schwaighöfe in monte de M e l t (§ 5 Reg. 16); M e l t e n im Brixner Urbar von 1253 (Reg. 74*); 1273 als Zeuge einer Meraner Urk. Menigin de M e l t i n (s. unten Kap. II, § 6, Reg. 64); Melten ca. 1290 (unten § 5, Reg. 53 c). 3 ) Maletum in AT. 2, Nr. 829 und Hormayr, Beitr. 2, 208, Urk. von 1237 und 1239. In der ldf. Kanzlei von Tirol z. B. Einnahmeverzeichnis von 1300 (Kogler AöG. 90, 698) oder Zinsregister des Amtes Zenoberg von ca. 1 3 1 0 „in Maleto, quod dicitur M e l t e n " . Selbst ein in Trient für kirchliche Zwecke im Jahre 1307 verfaßtes Verzeichnis der Pfarren hat „Melten" (ZFerd. 35, 173). 4 ) Belegt im J S t A . Cod. 18, fol. 92 zum J . 1330 ca. б ) Zingerle, S. 139; Tarneller AöG. 101, 212 f. •) Unten § 5, Reg. 29 b, 53 c, 54 und 63 a, Tarneller a. O. Nr. 1814 und 1908. „Scala" zum Jahre 1070 s. oben S. 22, Anm. 8.

für Mölten und Sarntal vom 10. — 1 3 . Jahrh.

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giovo abzuleiten, die Quetschung des Anlautes spricht in Gegensatz zur Veränderung von jugum zu Jaufen für etwas spätere Übernahme.1) Mölten zeigt überhaupt im Verhältnisse zu seiner Umgebung „hinsichtlich seiner Ortsnamen die stärkste romanische Färbung am ganzen Berge, es muß daher schon in vordeutscher Zeit ziemlich bevölkert gewesen sein" (Tarneller, S. 203). Doch war im 13. Jahrhundert, das zeigen auch die angeführten Namen, die Verdeutschung auch hier ganz durchgedrungen. Der Namen für das von Bozen nordwärts ins Gebirge ziehende Sarntal erscheint zuerst im 12. Jahrhundert in der ganz deutsch anmutenden Form „Sarentin" und zwar bezeichnet derselbe damals das ganze Tal wie das Edelgeschlecht, Dienstmannen der Grafen von Eppan, das im Schlosse Sarntein im gleichnamigen Hauptorte des Tales seinen Stammsitz gehabt hat. 2 ) Die Vornamen dieser ritterlichen Leute lauten: Sigefrit, Ludewich, Heribort, Hecilo, Ingram, Ekkehart, Chadelhaus, Diathericus, Suanahild, Gotschalc, Karolus, Werenhard, Ulricus. Zum Teil noch aus dem 12., zum Teil aus dem 13. Jahrhundert sind die Namen von einzelnen Abschnitten des weit verzweigten Tales, den N a c h b a r s c h a f t e n der großen Talgemeinde, und einzelnen Höfen in denselben überliefert: So Rinswalt (Reinswald), Northam (Nordheim), wornach sich auch ein adeliges Geschlecht benennt, Pennis (Pens), Gebreke (Gebrack), Oetenpach (Ottenbach), Durrenholdz, Agaret (Agratsberg)3); die Höfe Mose, Chanlin, „an der Leite", Riedelin und Pangart, „in der Grube" in Pens. Man beachte die Präpositionen vor den Eigennamen, diese sind eben erst daran, aus Begriffsworten (Appellativen) der deutschen Sprache zu Ortsnamen zu werden. Auch deutsche Beinamen von Personen sind seit beil. 1270 für das Sarntal genannt, so Slunt (ausdrücklich für einen Baumann), Plowisarius (wohl Blosswieser, Tarneller Nr. 2508), Preye, Nortle oder Norteleyn, Tolre (Taler) und Puman (Baumann).4) Wenn für „Sarentin" mitunter Sarentina, Sarentena oder Serntina geschrieben wird, so ist das eben eine der üblichen Latinisierungen der Hauptorte.5) Es besagt das nichts gegen das deutsche Gepräge der dortigen Siedlung, wie sie in den bisher angeführten Namen sich ausdrückt. Der Bozner Notar von 1237 übersetzt sogar den Namen des Höllerhofes in Durnholz mit „in Inferno", 1

) Über Scala s. oben S. 22, Anm. 9. Jaufen s. Bd. I, S. 74. Zur Ableitung s. Steinberger in Zt. f. Ortsnamenf. 6, S. 2 1 8 . 2 ) 1 1 4 2 „in valle Sarentin" (Mairhofer F A . 34, 2 und Redlich A T . 1, 164). Die Herren von Sarentin erscheinen in den Traditionen des Klosters Neustift bei Brixen (a. O. S. 711), des Klosters Schäftlarn (MB. 8, 414, 419, 426, 459), des Klosters Polling (MB. 10, 34), des Klosters Benediktbeuren (Baumann, S. 48), durchwegs für das 12. Jahrhundert. — Vgl. ferner dazu Bd. II, S. 5. 3 ) F A . 34, S. 35 und 46; A T . 1, S. 190, Nr. 538. A T . 2, S. 3 4 1 , 407 und 467; Santifaller Cal. Winth. S. 220 und 262. Unten § 5, Reg. 7, 49, 54 a. 4

) S. unten § 5 Reg. 46, 49 a und 54 a, ferner II, § 4, Reg. 8; F A . 34, S. 35.

6

Re

) So in A T . 2, 5 5 6 ; F A . 5, 547. g - 3 i . 36 und 42.

Unten Reg. 49 a, 57 a und 64 a; ferner Kap. 2, § 4,

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I. § 2. — Orts- und Geschlechternamen

aber gerade diese aufgelegte Latinisierung deutet an, wie der Hof im Volksmunde geheißen hat. 1 ) Eine sehr reichhaltige Liste von Siedlungsnamen im Sarntal enthält das Urbar der Grafschaft Tirol von 1288. Diese Güter sind an die Grafen von Tirol teils in Verbindung mit der Gerichtshoheit im Tale von den Grafen von Eppan gelangt, teils durch Kauf von anderen im Tale seit alters begüterten Herrengeschlechtern. Auswärtige Stifter hatten im Sarntal verhältnismäßig weniger Besitz.2) Da jener Teil des Urbars von 1288 in der Ausgabe in den FA. 45. Bd. nicht enthalten, von Tarneller für seine Hofnamen (AöG. 101. Bd., S. 245 ff.) auch nicht verwendet worden ist, gebe ich hier nach einer Abschrift von O. Zingerle ein Verzeichnis aller Siedlungsnamen, wie sie in der Folge des Urbars angeführt sind; die Namen der 24 Nachbarschaften oder Teilgemeinden der Gerichtsgemeinde hebe ich durch Sperrdruck hervor, die übrigen beziehen sich auf Weiler und Einzelhöfe. Der spätere Gebrauch dieser Namen kann aus dem Werke von Tarneller, Hofnamen des Burggrafenamtes, AöG. Bd. 101, S. 369 ff. näher verfolgt werden. Daz urbor von S a r e n t i n : Genspach, I n r w a n c h (Wangen), Sibenvorhen, in der D i c k e , Pühel, W i n t l a n , Jöchelin, Chovel, Ahorn, Vieht, Tennacker, S t e t , Blozwise, Rain, T r u e b e n p a c h , Helle, R i n s w a l d e , Gruet, Weiffen, Gracce, Brukke, Urstet, G e n t e r , Tuempfel, Staudach, Wisvelde, Traten, Ekken, G e p r a c c h e , Portel, Nidern- Oberneke, Muls, Leiten, Winchel, Eben, Velde, Mose, Chratzperch, Aspenekke, Eselsgevelle, Clern (Giern), Platten, Herinstal, Anger, Pirken, Oetenp a c h , Archen, Walde, E z z i c h (Essenberg), Gereute, Eben, Ufheim, P u t z e n , V o l m a r s w a l d e , Graven, Dorf, Aeustvelde, A b e r s t i c k e l , P e n s , A e u s t e n , Durrach, Griezze, Grueben, Dwinch, W e i z z e n b a c h , R u n k e , Palkstein, Edelholtz, Strecken, Praitwise, Liepartspuhel, Panholz, Ribstain, Preye, Ronach, Morgensteten, Agerpach, Malprunne, Lechvelt, Wege, Tachsach, March, Owen (Au). — Der gelt in Sarentin von herren Perchtung (von Mais): D u r r e n h o l t z , A g r a t , Urser, Stueffen, Aichen, Binnt, Strazze, Itenacker, Rore, Gursenstat, Chniutel, Mitterhoven in Wintlan.

Nicht minder ergiebig ist das U r b a r , das über die Einkünfte der Pfarrkirche von Sarntein selbst im Jahre 1372 vom dortigen Pfarrer ausdrücklich auf Grund einer 98 Jahre älteren Vorlage angefertigt worden ist. Es ist in lateinischer Sprache geschrieben, gebraucht auch für die Pfarre im ganzen den lateinischen Ausdruck „Serentina", alle andern Namen der Nachbarschaften und Höfe sind aber deutsch, meist auch mit deutschen Präpositionen und Artikeln in den Text eingefügt. Besonders reichhaltig ist das im zweiten Teile dieses Urbars angeführte Verzeichnis des Zehnten, weil diesem alle Höfe ohne Rücksicht auf ihre grundherrliche Abhängigkeit unterworfen waren. Da dieses Urbar von B. Schwitzer im 3. Band der 1 ) A T . 2, 407; Tarneller, S. 294, Nr. 2467. — Bei der krankhaften Sucht der Italiener, die geschichtliche Überlieferung zu verdrehen, würde man sich nicht wundern, wenn einer ihrer „Forscher" in diesem Sarntaler „Inferno" einen Beweis für die Geltung der Sprache Dantes im „ A l t o Adige" entdecken würde. 2 ) So Scheyern (s. unten § 5, Reg. 7), Neustift, Domkapitel Brixen (wie oben S. 45, Anm. 2 f).

für Sarntal und Ritten vom 9. — 1 3 . Jahrh.

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tirol. Geschichtsquellen (1891) S. 361 ff. herausgegeben ist und auch Tarneller dasselbe für seine Hofnamen (allerdings ohne es näher zu zitieren) benützte, erspare ich mir nähere Mitteilungen seiner langen Reihen von Orts- und Hofnamen. Von diesen Orts- und Hofnamen des Sarntales, wie sie uns derart aus dem 13. und 14. Jahrhundert überliefert sind, sind weitaus die meisten deutscher und nur ein geringer Teil vordeutscher Wurzel. Tarneller dürfte daher recht haben, wenn er S. 245 sagt: „Sarntal ist in Namengebung und Volksart das deutscheste aller Täler südlich vom Brenner." D. h. in diesem Gebiete war die Siedlung vor der Einwanderung der Deutschen besonders schwach gewesen und haben diese fast durchwegs auf Neuland ihre Niederlassungen angelegt. Der Berg R i t t e n — das Wort wird heute noch durchwegs mit Vorsetzung des Artikels gebraucht — bildet mit seiner breiten Hochfläche die westliche (rechte) Seite des Eisacktales von Bozen nordwärts gegen Klausen. Über ihn führte der Zugang nach Bozen von Norden her, bevor der Weg durch die Eisackschlucht, der nach dem Erbauer benannte Kuntersweg, zu Anfang des 14. Jahrhunderts angelegt worden ist. Die früheste Erwähnung dieser Gegend glaubte man in dem Traditionsbuch des Hochstiftes Freising zum Jahre 875 gefunden zu haben, doch wird der dort angeführte „Ritanus mons" von dem neuesten Herausgeber dieser Quelle nicht mehr auf den Ritten in Tirol, sondern auf den Reutberg bei Tölz in Oberbayern bezogen.1) Sicher ist aber der Ritten gemeint in der Urkunde, mit welcher im Jahre 1027 Kaiser Konrad dem Hochstift Trient den „forestis in monte Ritena" als Zubehör der Grafschaft Bozen verliehen hat. 2 ) Damals waren also am Ritten noch ausgedehnte Wälder, doch wäre gewiß die Annahme irrig, daß der ganze Ritten damals noch ein einziges Forstgebiet gewesen sei. Vielmehr dürften sich in der landwirtschaftlich ebenso einladenden wie verkehrsgeographisch wichtigen Gegend einzelne Sippen der Bajuvaren schon bald nach der Besitzergreifung des ganzen Gebietes durch ihren Stamm niedergelassen haben. Doch hat die Verleihung des Forstes an das Hochstift Trient dessen Wirtschaftsverwaltung nicht nur zum Bezüge von Holz für die holzarmen Weinbaugegenden im untern Etschtale veranlaßt, sondern auch zur Anlage neuer Rodungen und Höfe. Das zeigen die zahlreichen Güter und Gülten, sowie zinspflichtigen Leute, welche das Hochstift Trient und dessen Amt Bozen laut verschiedener Verzeichnisse aus dem 13. Jahrhundert auf dem Ritten 1 ) Bitterauf, Freis. Trad. 1, 709 f. Auch Tarneller AöG. 110, S. 74, hat noch die alte Erklärung nach Zahn F A . 3 1 , S. 20. Die erwähnte Auslegung von Bitterauf ist, wie ich nachträglich ersehe, keineswegs gesichert, vielmehr hat Steinberger (ZFerd, 57 S. 1 5 2 ) mit sehr gutem Grund den „mons Ritanus in loco nuncupato ad Puron" in jener Urkunde von 875 wieder für den Ritten bei Bozen in Anspruch genommen. Denn eine Siedlung „ P e u r e n " wird auch später noch am Ritten erwähnt (Tarneller Nr. 2929). 2

) Mon. Germ. Dipl. 4, 145.

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I. § 2. — Ortsnamen auf dem 1

besessen hat. ) Wenn wir die in diesen Verzeichnissen und anderen Urkunden jener Zeit angeführten zahlreichen Namen von Gegenden und Höfen, wie von Personen ansehen, so finden wir fast durchwegs solche deutscher Wurzel. Es sind also auch diese neuen Siedler am Ritten wie jene aus der ältern Zeit deutscher Volkszugehörigkeit gewesen. Dem entspricht es, daß im 13. Jahrhundert bei der Verwaltung des Hochstiftes Trient, dessen Güter und Gülten am Ritten zusammen mit jenen im Bozner Boden als „fructus T h e u t o n i c i " bezeichnet wurden.2) Die Formen für den Namen R i t t e n sind im 1 1 . bis 13. Jahrhundert dreifach verschieden. Es gibt solche mit dem vollen deutschen Auslaut „ R i t e n n e " (AT. 1, Nr. 88 zum Jahre 1050), „ R i t e n o n " (AT. 2, Nr. 712), „Ritine", „ R i t i n a " , „Ritena" (AT. 1, 326 und AT. 2, 554), „Retena" (§ 5 Reg. 44 und 47); Formen mit latinisiertem Auslaut „Ritanum" (FA. 34, 83; Santifaller, Brix. Urk. S. 298), „Ritenum" (unten Reg. 31) und Formen mit einer der späteren deutschen Aussprache entsprechenden Abschleifung im Auslaut „Riten" um 1180 (Neustifter Urk. FA. 34, 46 und Biburger Trad. Oefele, S. 233), Ritenfuez (§ 5 Reg. 76 und 79). Bemerkenswerterweise heißt auch die Gegend von Gries am Brenner, durch die vom Norden her der Weg auf diesen Paß in ziemlich steilem Anstiege führt, auch seit alters „Ritten." 3 ) Wie immer die Wurzel dieses Namens erklärt werden mag, die Form zeigt seine vor langem erfüllte Übernahme in die deutsche Sprache an. Die von der italienischen Regierung jetzt verfügte Form „Renön" für Ritten hat in den Urkunden keine Stütze, ist aber der ladinischen Sprache des Grödentales entnommen.4) Ich gebe nun eine örtlich, nach den einzelnen Gemeinden und deren Teilen, den Nachbarschaften geordnete Ü b e r s i c h t ü b e r die O r t s n a m e n , die am R i t t e n in der Zeit von 1190 bis 1290 auftauchen. E s soll damit der älteste Bestand an Gegend- und Hofnamen des „Berges Ritten" und damit das deutsche Gepräge der dortigen Siedlung gezeigt werden. Diese Übersicht bietet insoferne viel mehr als die Zusammenstellung bei Tarneliers Hofnamen, AöG. Bd. 110, S. 282 ff., weil dieser die Leute- und Güterverzeichnisse des Hochstiftes Trient aus dem 13. Jahrhundert nicht gekannt hat, die ich unten § 5, Reg. 12, 19 und 77 mitteile. Das letztere (Reg. 77) ist auch wegen der vielen, durchaus deutschen Personennamen sehr beachtenswert. Neben den Namen führe ich in der ersten Klammer die Belegstelle an, Urb. bedeutet hiebei das landesfürstliche Urbar von 1288, Ausgabe Zingerle, F A . 45, S. 128 bis 130; in der zweiten Klammer steht zur rascheren Einortung der Verweis auf die erwähnten Hofnamen Tarneliers mit der Sigle Tarn. Nr. oder S; der erst und gesperrt gedruckte Name bezieht sich auf die Nachbarschaften oder Teilgemeinden: R o t e w a n t (AT. 1, Nr. 667; A T . 2, 555; unten Reg. 74*, 77 und 79): Sulczen (Reg. 19, 77, 82 a; Tarn. 2938); Eben (Reg. 74 a und 75) (Tarn. 2947); Loenne, Pramstal, Dörnach (Urb.) (Tarn. 2903, 2904, 2913); Nussepoum, Friczenholcz (Reg. 19), Underakker. x

) S. unten § 5 Reg. 12, 19, 52. ) S. unten § 5 Reg. 12 und oben S. 38. 3 ) Stolz, Landesbeschreibung AöG. 107, S. 374 und 380. 4 ) Steinberger Zt. f. Ortsnamenf. 6 S. 219: Die Wurzel des Namen Ritten erklärt er für vorrömisch. 2

Ritten, besonders aus dem 13. Jahrh.

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L e n g i n s t e i n (FA. 34, 83; AT. 2, 543), Andels (Antlas) (FA. 34, 46; AT, 2, Nr. 883); Widakker, Weidacher (Reg. 74 a und 77) (Tarn. 2951); Underpewern (Urb.); Hennenberch (Urb.) (Tarn. 2963). M i t e l b e r c h (Reg. 19), Mitterperc (Reg. 74*), Mittelperch (AT. 2, Nr. 727); Cherspoum (Tarn. 3005); Wolfraine (Reg. 19, 77 und 80; AT. 2, 273) (Tarn. 3022); Zube (Reg. 19 und 77) (Tarn. 3000); Salhenliten (Reg. 77) (Tarn. 3004). L e n g e n m o s e (Reg. 73, 75, 79): Puechpach (Reg. 73) (Tarn. 3042); Keminat (Reg. 19), Kemenaten, Widach, Strazze, Pfaffenstale (Reg. 77) (Tarn. 3032, 3037, 3039); Grozzenaiche (Urb.), de grandi quercu (Reg. 77) (Tarn. S. 304); Zukemantel (FA. 5, Nr. 128) (Tarn. 3037). S u f a n , Siffian (FA. 34, 46; AT. 2, 558): Zodel, Ereschilt (Reg. 77) (Tarn. Nr. 3148), Magilant (Reg. 82) (Tarn. Nr. 3117), Atzwanch, Eben, Niderstet, Tirnach, Gnade, Nock, Purchakker, Ekke, Torkel (alle Urb. Tarn. Nr. 3128 bis 3 1 4 1 , 3148). G e b r a k e (Reg. 12 und 19) (Tarn. S. 309): Larchach, Ronache (Reg. 12) (Tarn. Nr. 3156), Rein (Reg. 77) (Tarn. 3166). U n n e , Ugna, Unterine (Reg. 70, 72, 74 a; AT. 2): Vorst, in dem Tal, Grasewise (Reg. 74 a); Pradunge (Reg. 70, 76, 77) (Tarn. Nr. 3184); Guggen, Sakke, Wente, Gazel, Ekke, Schonenwege; Troie, Puhel, Rorach (Reg. 77) (Tarn. Nr. 3172, 3192, 3196, 3203, 3205, 3217 bis 3220); Sveinsteige, Wente (Urb.) (Tarn. 3217 f.). G a s t e r s (AT. 2, 532; Reg. 74 a): Puech (Reg. 77) (Tarn. Nr. 3236); Steige (AT. 2, 557); Dahsekke, Tal (Urb.) (Tarn. Nr. 3224); Rinhintenpuhel (Reg. 74 a) (Tarn. 3229). W o l f g r u a b e (Reg. 19, 76, 81, 83 c) (Tarn. Nr. 3250); Reist (Reg. 77) (Tarn. Nr. 3242); Rammetspol (Reg. 69), Ratmannespuhel (Reg. 82) (Tarn. 3241). O b e r p o a z e n , Oberbozen (AT. 2, 550): Leiten, Grumme, Engilade, Angels, Stikkel, Hove, Gadern, Prumzage (alle Reg. 77) (Tarn. 3263 bis 3276), Laune (Reg. 12; Tarn. 3254). S i g n a n t e , Signat: Paumgarten, Wegescheide, Galveier, Risach, Purchstal, Hohenkovel (alle Reg. 77) (Tarn. Nr. 3284, 3293 f., 3301 f.); Reisach (auch Reg. 81) (Tarn. 3296); Hohenchovele (auch AT. 2, 239 und Reg. 74 und 83 c) (Tarn. 3301). P l a t t e , Platten (Reg. 72 und 77; AT. 2, 5 1 1 (Tarn. S. 325): Lochler, Stige (Reg. 77) (Tarn. Nr. 3323 und 3304); Luitmansgeriuhte (Reg. 77). E s c h e n b a c h : Dornach, Vram, Lanzeneust (Reg. 77) (Tarn. Nr. 3337, 3345 f.), Stil, Horantshousen (Reg. 19) (Tarn. Nr. 3333), Twingenstain (Urb.) (Tarn. 3339). Vorst, Arche (Reg. 82 a; Tarn. S. 327 f.). O b e r n u n e , Oberinn (AT. 2, 555 und Reg. 74) (Tarn. S. 331): De grandi Quercu (Reg. 52), Grozzenaiche (Urb.) (Tarn. S. 304); S ü l l e , Vrowenhouse, Uberchere super Riten (Chron. v. Georgenberg, S. 246 zum Jahre 1253) (Tarn. S. 338). R a d e b a c h (FA. 34, 83 zum Jahre 1221) und Vorst (AT. 2, 531 zum Jahre 1237) liegen sicher am Ritten; näheres ist aber über ihre Lage nicht bekannt. Kaum irgendwelche Ortsnamen haben ihre Form seit ihrer ersten Erwähnung im 10. Jahrhundert so unverändert beibehalten wie jene für V i l l a n d e r s und B a r b i a n : Nämlich ersteres als Vilanders, Filandres; letzteres als Parbian, Parpian, auch Pervian. 1 ) Bei der Schenkung eines Hofes zu „ P a r p i a n " seitens des Grafen Ratbot an das Brixner Domkapitel x

) So in den Brixner Traditionen bei Redlich AT. 1, S. 279 und 298. Darnach auch bei Tarneller Hofnamen AöG. 110, S. 242 und 264. Doch fehlt, hier eine "der ältesten Erwähnungen von „Parpian" um das Jahr 1000 in den Freisinger Traditionen, Bitterauf 2, S. 451. Gleiche Namenformen auch bei Santifaller, Cal. Winth. S. 545 und 579. Pervian s. AB. 1, Nr. 1 6 7 ff. S t o l z , Südtirol III.

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I. § 2 .

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- Orts- und Geschlechternamen für

um das J a h r iooo werden als Zubehör des ersteren etwa zehn Eigenleute mit auffallend romanischen Vornamen genannt. Bei anderen Übertragungen von Gütern zu Barbian und Villanders im x i . und 1 2 . Jahrhundert werden andrerseits Zeugen mit germanischen Vornamen in stattlicher Reihe angeführt; da aber als Ort dieser Rechtshandlungen nicht ausdrücklich eine jener Gemeinden genannt wird, ist es nicht sicher, ob diese Zeugen gerade dort Grundbesitzer gewesen sind, wenn auch eine solche Annahme wenigstens für einen Teil von ihnen wohl nahe liegen würde. 2 ) Die ersten Erwähnungen einzelner H ö f e und deren B a u l e u t e in Urkunden und Urbaren aus der Zeit von 1240 bis gegen 1 2 5 0 sind 3 ): H ö f e in B a r b i a n : Aichach, Eichach (Tarn. 2816; unten §5, Reg. 74.* Sant., Urk. 134, Wint. 241), Muelakcher in Aichach (FA. 36, S. 48). — Palwit (Tarn. 2814; Sant. Wint. 241). — Planehs (Tarn. 2822; unten § 9, Urk. 1). — Prat, Bull (Sant. Urk. 134). — Camplunch, Plung (Tarn. 2825; Sant. Wint. 173 und 1 4 1 ; Sant. Urk. 233; unten § 9, Urk. 1 u. 3). — Casamartinay (Sant. 134). — Cazlit, Gaslit (Tarn. 2829; Sant. Urk. 120). — Caveril, Gfrill (Tarn. 2864; unten § 5, Reg. 74*). •— de Troge, de Ekke (unten § 5, Reg. 74*; Tarn. 2880). — Eysach, Fluß (FA. 36, S. 48). — Gereut (FA. 36, S. 48). — in dem Holcze (unten §5, Reg. 74*; Tarn. 2872). — Hueben (Tarn. 2758). — Liranc, Gleiran (Sant. Urk. 233; Tarn. 2829). — Rittenfuez (Tarn. 2858; Sant. Urk. 149). •—• Sperval (Tarn. 2786). — Staynach (Tarn..2635; unten §9, Urk 4 u. 9). — Stange (§ 5, Reg. 7 1 ; Tarn. 2799). — Supach, Suobach, Nachbarschaft Saubach (Tarn. 2872; Sant. Urk. 149; unten §5, Reg. 74*). •— Valcevane (Sant. Urk. 233). H o f - und andere Ortsnamen in V i l l a n d e r s (von 1220 bis gegen 1350): Ainsidelkofl, Berg (AT. 1, Nr. 743). — Arkletsche (§9, Urk. 12); (Tarn. 2608). — Auener (Tarn. 2523). — Pasnach (§ 9, Urk. 10 bis 12; Tarn. 2644). —• Platit (§ 9, Urk. 9; Tarn. 2582). — Phunt (Tarn. 2584). — Pradel (§ 9, Urk. 9; Tarn. 2508). — Gut ze Brun, aber ze Übernamen hiezze es von Tausent Tiufeln (Wopfner, Erbleihe, S. 195; Tarn. 2561). — Chalchgruobe (§ 9, Urk. 4; Tarn. 2652). —• Kander, Bach (AT. i, Nr. 743). — Kaslegger, Casleier (§ 9, Urk. 3 1 ; Tarn. 2574). — Chirchsteig (Tarn. 2876). — Coste, Obercoste (Sant. Urk. S. 120; unten § 9, Urk. 2; Tarn. 2618). — Curvetsch, Karvesch, Grafetsch, Nachbarschaft (Wopfner, Erbleihe, S. 195; unten § 7, Urk. 16; Neust. UB. 1 9 1 ; Tarn. 2560). — Trachenleger (§ 5, Reg. 74*; Tarn. 2646). — Trunne (Wopfner, Erbleihe, S. 196; Tarn. 2611). — Egerd Weingarten (unten §9, Urk. 24). — St. Valtein Mitterlehen (§ 9, Urk. 12; Tarn. 2545). — Gassen (§ 9, Urk. 4, n , 15, 3 1 ; Tarn. 2665). — Linde (Tarn. 2584). — Lukkeben (§ 9, Urk. 8). — Markadretsch (§ 9, Urk. 17, 2 1 ; Tarn. 2718). — Mezan (§ 9, Urk. 1 1 ; Tarn. 2613). — Mingenun, Munkenun (§ 9, Urk. 4, 10, 12, 17—20f.; Tarn. 2628). — Mulsetz (Tarn. 2573). — Ramenstein (Tarn. 2649). — Razarge, Zargenbach (AT. 1, Nr. 743). -— Rambel (§ 5, Reg. 74*; Tarn. 2592). — Rusklay, Weingarten (§ 9, Urk. 31). — Rifennesch (§ 9, Urk. 16; Tarn. 2354). — Schoenigl (§ 5, Reg. 70*; Tarn. 2535). — Stange (§ 5, Reg. 71). — Stavels, Nachbarschaft (Sant. Urk. S. 1 5 1 ; Zingerle, Urbar von 1288, S. 108; Tarn. 2694/5). — Wisen (§ 5, Reg. 74*). — Nachtrag: Cumetsch § 5, Reg. 81a (vielleicht verschrieben aus Curvetsch). Siehe A T . i, Nr. 60, 1 5 2 b, 423 (für Barbian); Nr. 254, 310, 3 5 6 für Villanders. 2

) Tarneller, Hofnamen A ö G . 110, S. 242 ff. bringt diese Erwähnungen zum guten Teil n i c h t , weil die betreffenden Quellen damals noch nicht herausgegeben waren. Im obigen Verzeichnis bedeutet Tarn, das erwähnte Hofnamenverzeichnis von Tarneller mit der Nummer des betreffenden Hofes; Sant. Urk. bedeutet Santifaller, Brixner Urkunden an der betreffenden Seite, Sant. Wint. die Ausgabe des Calendarium Wintheri.

Villanders, Barbian, Karneid vom 10. —13. Jahrh.

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Als B a u l e u t e von Höfen auf B a r b i a n werden 1243 und 1253 (Sant. Urk. S. 120 und 134) genannt: Solemanus, Bonignus, Elbewinus, Bertoldus de Gusmano, Botzanus (nach ihm wohl der Boznerhof, Tarn. 2870); Penno schon 1070 (Tarn. 2896). An B e i n a m e n von Bewohnern von V i l l a n d e r s , meist Bauern, werden in Urkunden von beil. 1300 bis 1350 erwähnt: Peyrer (Wopfner, Erbleihe 196). — Chaumauf (unten §9, Reg. 17). — Cerrehelm, Ritter (Tarn. 2649). — Clokkener (§7, Reg. 16). — Choeffel (41). — Chorner (FA. 36, S. 48). — Chunne (u. § 9, Reg. 11). — Taechteller (21). — Dozzer (AT. 1, Nr. 743). — Tuker (§ 9, Reg. 4) Eisensteche (§7, Reg. 16; Tarn. 2680). — Friman (§9, Urk. 4). — Funtneller (11) — Gazzer (20). — Glaez (21). — Gugreller (4). — Hagaer (12). — Halber und abm Haus (AT. i, Nr. 743). — Hellman (§ 9, Urk. 20, 21). — Herwinne (20). — Holremus (11). — Hubman (12). — Jöchele (Sant. Urk. 134). — Runne und Merader (AT. 1, Nr. 743). — Moulrappe, Beiname im Geschlecht der Herren von Villanders (Sant. Urk. 134). — Schaphaun (§9, Urk. 10). — Schidman (FA. 36, S. 48). — Schinter (AT. 1, Nr. 743). — Schlegel (§9, Urk. 21). — Strobel (1). — Zellaer (12).

Eine Steuerbeschreibung des Gerichtes Villanders, die im 16. Jahrhundert angeblich von einer Vorlage vom Jahre 1302 abgeschrieben wurde, nennt den größten Teil der dortigen Höfe bzw. Hofbesitzer, die Tarneller in seiner Hofnamensammlung (AöG. 110, S. 242 ff.) meist aus Belegen nach der Mittendes 14. Jahrhunderts anführt.1) Doch haben die Namen in jener Abschrift die Schreibweise wie sie dem 16. und nicht dem 13. Jahrhundert entspricht. Eine nähere Mitteilung der Namen dürfte sich daher hier nicht verlohnen, ihre Grundform entspricht durchaus der deutschen Aussprache, wie diese auch die Angaben bei Tarneller zeigen. Im Gebirge östlich von Bozen öffnet sich das E g g e n t a l ; der Name Eke für einen Teil dieses Tales kommt im 12. Jahrhundert vor, aber seine Beziehung auf das ganze Tal ist weit jünger.2) Bach und Tal heißen früher K a r d a u n , wie heute die Ortschaft an deren Mündung in den Eisack; so Gurduna bereits 788, Cardun 1050, 1100 (als Grenze zwischen den Bistümern Brixen und Trient), 1192 und 1237. 3 ) Die dem mittelhochdeutschen Lautwandel entsprechende Form Cardaun ist 1263 beurkundet.4) Der Name ist der Wurzel nach jedenfalls vordeutsch, damals aber bereits eingedeutscht. Dasselbe gilt von Curneit, zum Jahre 1237 erstmals genannt, Ort und Burg K a r n e i d ober dem Kardauner Bach. Eine Urkunde von 1246 nennt uns deutsche Personenbeinamen und Flurnamen in dieser Gegend, einen Poumannus (Baumann) de Corneit und Carneidarius (d. i. Karneider), die Fluren Aichahe und me Maurahe. Auch der Name der gegenüberliegenden Burg Stainegge erscheint im Jahre 1227, Gumber 1 ) I S t A . Urb. 46/1. Die Handschrift hat nur am Ende den Hinweis auf eine Rechnungslegung vom Jahre 1 3 0 2 und darnach hat der Abschreiber des 16. Jahrhunderts die Datierung vorgenommen. 2 ) Tarneller, Hofnamen des Eisacktales, A ö G 106, S 3 1 3 ) Tarneller a. O., S. 7 1 . Dazu Redlich, A T . 1, Nr. 407 zum Jahre 1 1 0 0 Gurduna in der Passauer Urk. v. 788 wird von andern Forschern auf Gurten bei Obernberg in Oberösterreich bezogen, wo das Hochstift Passau auch später Besitz gehabt hat, während dies für die Bozner Gegend nicht nachzuweisen ist. *) S. unten § 5 , Reg 86

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I. § 2. — Die Statistik der Ortsnamen

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I191. 1 ) Etwas später der Hof Erlach und die Geschlechternamen Mutner zu Kardaun und Flosman zu Gumber.2) Die Gegend war also damals nicht weniger von Deutschen besiedelt als die andere Umgebung von Bozen. Anders verhält es sich mit dem Hintergrund des Eggentales. Hier breiten sich zwei große Gebiete aus mit dem vielsagenden Namen Nove, Nofen, d. h. Neubruche. Sie werden seit dem 12. Jahrhundert genannt, ohne daß man sie unmittelbar unterscheiden kann; seit der 2. Hälfte aber heißt die eine dieser Gemeinden, und zwar die südwärts des Talbaches, Nova Teotonica, Deutschnofen, die andere, im nördlichen Talast und über den Karerpaß mittelbar an das ladinische Gebiet von Fassa anstoßend, N o v a L a t i n a , 1286 zum erstenmal ausdrücklich so genannt, später im 14. Jahrhundert Walischnofe, Welschnofen.3) Der einzige, im 13. Jahrhundert hier genannte Hof heißt Chor, später Kar, 1300 gibt es hier auch einen Hof Riute, Reut.4) Die Bevölkerung dieses letzteren Gebietes muß im 13. Jahrhundert in der Hauptsache welsch, d. h. in diesem Falle ladinisch gewesen sein, sonst hätte sich nicht der Name Nova Latina festsetzen können. Das war also die einzige ladinische Volkssiedlung, die wir in der näheren Umgegend von Bozen in geschichtlicher Zeit nachweisen können. Für die Zeit um 1600 sagt ausdrücklich Wolkenstein, daß im Gericht Welschnofen oder Stainegg „grob welsch volckh" neben „teisch volckh" wohne und daher beide Sprachen nebeneinander gebraucht werden. Seither hat aber dort das ladinische Idiom zugunsten des deutschen ganz das Feld geräumt.5) Deutschnofen und Leifers wurde bereits im II. Bande, S. 190 ff. behandelt. Über die sprachliche Zugehörigkeit der Wortwurzeln der Hofnamen in den oben behandelten Gemeinden, so wie jene in den Sammlungen von Tarneller aufgeführt sind, hat zuerst H. Wopfner eine s t a t i s t i s c h e Zählung gemacht und dieselbe im Sammelbuche von K. Bell, Südtirol (1927), S. 54, veröffentlicht. Daraus ersehen wir, daß die Hofnamen vordeutscher Wurzel in den Gemeinden Terlan und Vilpian, Wangen und Ritten, Eggenthal und Karneid weniger als 5%, in Sarntal und Deutschnofen weniger als 1 % , in Flaas und Jenesien bei io°/0, in Mölten i6°/o, in Steinegg und Welschnofen bei und über 2O°/ 0 aller Hofnamenwurzeln ausmachen; auf die Namen deutscher Wurzel entfallen die entsprechenden Gegenwerte. Diese Zahlen geben uns einen sichern Begriff, daß die Rodungsund Siedlungsarbeit in diesem Gebiete zum allergrößten Teil von Angehörigen der deutschen Sprachgemeinschaft geleistet worden ist; daß aber die vordeutsche, rätoromanische Besiedlung in manchen Gemeinden doch *) Tarneller a. O. S. 63 und 7 1 ; unten Reg. 85. ) Unten § 5, .Reg. 87 a und deutsche Urk. § 6, Nr. 4. 3 ) Siehe Bd. II, S. 192 und 193; ferner unten Reg. 87 zum Jahre 1286 und Reg. 88 zum Jahre 1298. — Über Welschnofen im ganzen s. Tarneller AöG. 106, S. 43 ff. 4 ) S. unten Reg. 71. Tarneller a. O. Nr. 350. s ) Siehe Bd. II, S. 194 und 197. 2

nach ihrer Sprachwurzel für das Gebiet von Bozen.

53 stärker gewesen ist und unmittelbarer zur Verdeutschung übergeleitet worden ist als in anderen. C. B a t t i s t i hat ähnliche Statistiken für die Gemeinden der Bozner und Meraner Gegend in seinen Werken Prolegomini usw. S. 288 und Popoli e Lingue usw. S. 231 f. veröffentlicht und jene auch noch zeitlich gegliedert. Doch ist seine Annahme, daß die Höfe mit vordeutschen Namenswurzeln bis ins 15. Jahrhundert von Leuten ladinischer Umgangssprache angelegt und bewohnt, die Gemeinden also wesentlich gemischtsprachig gewesen seien, nicht begründet und daher abzulehnen. Zur Beurteilung des sprachlichen Zustandes der Gegend ist vielmehr nicht nur die Wurzelart, sondern auch die Formung der örtlichen und persönlichen Eigennamen zu berücksichtigen und bei solcher Betrachtung zeigen unsere Zusammenstellungen die volle Übernahme auch der vordeutschen Wurzeln in den ständigen deutschen Sprachgebrauch. (Näheres zu jener irrigen Aufstellung Battistis s". noch unten Kap. II, § 5.)

§3. Der Gebrauch einzelner deutscher Worte in lateinischen Urkunden aus dem Gebiete von Bozen im 13. Jahrhundert. Die ausschließliche Verwendimg der lateinischen Sprache zur Abfassung der Urkunden ist wie überall in Deutschland in älterer Zeit auch in unserem Gebiete festzustellen. Aber es finden sich mitunter im lateinischen Wortlaute der Urkunden einzelne Ausdrücke in deutscher Sprache eingefügt, um die Eindeutigkeit des Gesagten zu sichern. Gerade das zeigt uns aber, daß die deutsche die allgemein vorherrschende Umgangssprache damals im Gebiete von Bozen gewesen ist. Verstärkt wird dieser Hinweis noch dadurch, daß mitunter der betreffende deutsche Ausdruck durch Vorsetzung des Wortes „ v u l g o " oder „vulgariter" vorangesetzt wird. Dadurch wird also ausdrücklich betont, daß die deutsche Sprache die allgemeine Umgangs-, Volks- oder Gemeinsprache im Gegensatz zur lateinischen Schriftsprache im Gebiete von Bozen gewesen ist. Wir finden dort Belege für diesen Gebrauch seit etwa dem Jahre 1200. Die älteste auf Bozen bezügliche Urkunde, in welcher ein deutsches Wort zur Erklärung des lateinischen Textes eingesetzt wird, ist der Vertrag, den im Jahre 1202 die Bevollmächtigten der Bischöfe von Trient und Brixen in Lengenstein am Ritten über die Behandlung der beiderseitigen Untertanen einerseits an der Trientner Z o l l s t ä t t e zu Bozen und andererseits an der Brixner Zollstätte zu Klausen geschlossen haben.2) Hiebei x

) S. unten § 5, Reg. 6 a, 18, 37, 38, 40 a, 43 c, und unten S. 58f. u. 66. In Reg. 18 wird ,,vulgariter" in Verbindung mit einem Hofnamen vordeutscher Wurzel und deutscher Formung gebraucht, was bereits oben S. 38, Z. 8 unten, näher gewürdigt wurde. — Über die Bedeutung des „vulgariter" im allgemeinen s. oben Bd. 1, S. 23 f.' 2 ) Wörtlicher Abdruck bei Kink, F A . 5, 147 ff. und Schwind, Urk. öst. Verfassungsgesch. S. 29 ff. — Zum Inhalte dieses Vertrages s. Stolz, Zollwesen Tirols, AöG. 97, 771 f. und Bückling, Bozner Märkte, S. 3.,

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I. §3.

- Vulgariter; einzelne deutsche Worte

wird nämlich zweimal die Erklärung gegeben: „theloneum, quod t e u t o nice d i c i t u r zol." Die am Vertrage beteiligten Bevölkerungskreise von Bozen und Brixen waren eben deutscher Sprachzugehörigkeit, daher diese Hinzufügung: „was man auf deutsch Zoll heißt." Es ist dies nach den „Teutisci" der Trientner Gerichtsurkunde von 8 4 5 d i e erste schriftliche Verwendung des Ausdruckes „teutonice" für die deutsche Sprache und Volksart im Etschlande. Daß in der Grafschaft Bozen deutsch die Sprache des G e r i c h t e s war, wird für dieselbe Zeit in ähnlicher Weise bestätigt. So heißt es in einer beurkundeten Aussage oder Kundschaft, die im Jahre 1208 Insassen dieser Grafschaft über die gemeinsamen Hoheitsrechte des Bischofs von Trient und des Grafen von Tirol dortselbst abgegeben haben2): Der „gastaldio" (langobard. Wort für Amtmann) des Bischofs von Trient und der „sultaiz" (Schultheiß) des Grafen von Tirol sollen gemeinsam abhalten das „placitum legale, quod t e u t o n i c e a p p e l l a t u r e a l e i c h d i n g ad partem Bozani seu in comitatu ibidem pertinente." Die ordentliche Gerichtsversammlung (placitum) hatte also in der Grafschaft Bozen dieselbe Bezeichnung wie sonst in deutschen Landen, nämlich „Elichtaiding". Auch noch andere zu Bozen im 13. Jahrhundert geschriebene Urkunden enthalten deutsche Worte für Begriffe des Rechtes, des Gerichtswesens und anderer Zweige des öffentlichen Lebens. So 1237 „ r i h t a r " (Richter)3), ferner in einem Weistum über die Befugnisse und Rechte des Grafen von Tirol über die Brücke zu Bozen und das Gericht dortselbst vom Jahre 1239: „legale iudicium sive e t a i d i n c " , d. i. das Ding oder die Gerichtsversammlung, zu der alle Insassen des Landgerichts als Geschworene und Zuhörer oder Umstand zu erscheinen haben; „illi, qui dant e p f e n i n g e " , d. i. eine allgemeine Abgabe der Insassen des Gerichtes an den Inhaber desselben.4) Eine Urkunde vom Jahre 1242 erwähnt das den Grafen von Tirol gehörige Gerichtsamt zu Bozen als „iudicium, quod dicitur s c h u l t h a i z a m p t " 5 ) ; Urkunden von 1272, 1273, und 1277 bringen für das hohe Gericht in Bozen und Umgebung Ausdrücke wie das „legale iudicium seu l a n t g e r i h t e " , im Gegensatz dazu für das niedere Gericht außerhalb der Stadt „iudicium quod dicitur d o r f g e r i c h t e " , für den' Versammlungsort des Gerichtes „ d i n c s t a t " , für das Gebiet, in dem das s. Bd. 1, S. 48. 2)

Vollinhaltlich mitgeteilt bei Kink, F A . 5, 163 f. Über das Bozner s. Voltelini in A T . 2, Einl. p. C C I V ; Huter, Meßgerichtsprivileg, S. 28 f.

Gerichtswesen

3)

A T . 2, Nr. 635.

4)

Die Urkunde gedruckt bei Hormayr, Beitr. 2, 205 ff., doch mit irriger Jahreszahl

1234; die beiden bei Hormayr getrennten Stücke (Nr. C X I I I f.) sind im Original auf einem B l a t t (Or. StA. Wien, Abschrift IFerd. Hist. Kom.). Obige Ausdrücke stehen bei Hormayr, Beitr. 2, 205, Z. 4 von unten und 208, Z. 12 von oben. — Zur Sache s. Voltelini, Die Bozner Eisackbrücke in Schiernschriften 9, 164 ff. 5) Angeführt von Voltelini in A T . 2, p. CCV, Anm. 5. Scherie, d. i. Scherge (am Ritten) in einer Urk. von 1256 s. u. Heg. 74 a.

für das Gerichtswesen in Bozner Urkunden des 13. Jahrh.

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Recht der Stadt gilt, „ p u r c f r i d e burgi Bozani", sowie wiederum „epfenige" und „ehelich teidinch". 1 ) Ein Verzeichnis von Bannbußen, die im Gerichte Bozen um das Jahr 1242 verhängt wurden, enthält die Worte „ v r e v e l " und „ f r e v e l p a n " . 2 ) Das alles zeigt, wie damals das Gerichtswesen in Bozen völlig deutsch gewesen ist. Wenn in einer weiteren Ordnung für das Landgericht Bozen, die aus dem Jahre 1293 stammt, im lateinischen Texte keine solche deutsche Ausdrücke vorkommen, so ist dies gewiß nur aus dem Belieben des Schreibers zu erklären, der eben das deutsche Weistum der Gerichtsbeisitzer ins Latein der Urkunde zu übertragen hatte. 3 ) In einem zu Bozen im Jahre 1330 gefällten Schiedssprüche werden wiederum verschiedene deutsche Ausdrücke des Strafrechtes im sonst lateinischen Texte verwendet, nämlich „metze" (für Notzucht), plewat (Schläge durch Bläuen, ohne erheblichen Bluterguß), lern (Verwundungen, die Lähmungen zur Folge haben). Die gerichtlichen Schätzleute heißen „Anlaiter". 4 ) Diese Ausdrücke beweisen, wie sehr in Bozen das d e u t s c h e R e c h t mit seinen Eigentümlichkeiten eingewurzelt war. Hiefür gibt es aber außer diesen einzelnen Worten auch sehr tiefgehende und umfassende sachliche Belege. Die ganze Art der Gerichtsverfassung und Rechtspflege, wie sie sich gerade für Bozen aus einer Reihe von Urkunden des 13. Jahrhunderts ergibt, so insbesondere die Zusammensetzung der Gerichtshöfe durch Schöffen aus den Insassen der Gerichtssprengel, die Fällung der Urteile durch diesen Gerichtshof und die Stellung des Richters als bloßen Leiters des ersteren sind ausgesprochen deutschrechtlich; ferner auch im materiellen Recht, wie im Pfand- und ehelichen Güterrecht zeigen die Urkunden der Bozner Notare, obwohl gerade die äußere Einrichtung des Notariats aus Italien stammte, weitgehende Beeinflussung des deutschen Rechtes. 5 ) *) Urkunde von 1272 ein weiteres Weistum über die Hoheit des Grafen von Tirol über die Brücke zu Bozen, gedruckt von Chmel, F A . Dipl. 1, 129 f.; Urk. von 1273 Gerichtskundschaft über die Lage einiger Weinberge, a. a. O., Nr. 1 1 9 ; Urk. von 1277 ein Vertrag zwischen Graf Meinhard von Tirol und der Stadt Bozen, gedruckt Hormayr, Beitr. 2, 369. Die Or. im StA. Wien. 2 ) Eingetragen im vorderen Deckblatt der Imbreviatur des Notars Jakob von Bozen von 1242 (Cod. D), nach gef. Mitteilung von Prof. Voltelini. 3 ) Schwind und Dopsch, Urk. S. 146 f. — Franz Adam von Brandis, der Verfasser der ersten unter dem Titel „Des tirol. Adlers immer grünendes Ehrenkräntzel" im Jahre 1678 gedruckten Landesgeschichte von Tirol, bringt hier S. 1 1 7 eine sehr beachtenswerte Auslegung jener Urkunde von 1293. Diese zeige nämlich den Anfang des adeligen Hofgerichtes zu Bozen (über dieses s. unten S. 69), sie zeige aber auch, daß schon damals bei diesem Gerichte „sich menigklich m i n t l i c h (d.h. mündlich) und in T e u t s c h e r S p r a c h ohne Einführung ainig außländisches Worts beklagen und verantworten kunte". Die Urkunde enthält nun nach unserer Auffassung allerdings keiner ausdrücklichen Hinweis auf diesen Sprachgebrauch, der vielmehr aus einer anderen Urkunde vom Jahre 1327 erstmals ausdrücklich bewiesen werden kann (s. unten S. 70). Ist es daher nicht recht verständlich, wie Brandis zu dieser Auslegung gekommen ist, so ist dieselbe doch zur Beurteilung des deutschen Sprachbewußtseins in Bozen und ganz Südtirol im 17. Jahrhundert sehr zu beachten (s. dazu unten Abschnitt III § 2 Gerichtssprache) . 4 ) S. unten § 5, Reg. 43 b und 44. 6 ) Voltelini, AT. 2, p. C, CXI, CCXIV. — Vgl. dazu auch oben Bd. 1, S. 54.

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I. S 3-

-

Deutsches und römisches Recht in Bozen im 1 3 . Jahrh.

Dieses deutsche Recht war damals, um die Mitte des 13. Jahrhunderts ungeschriebenes, durch Gewohnheit und im Bewußtsein fortgepflanztes Recht, denn die Niederschrift des alten Volksrechtes der Baiern, die um das Jahr 740 erfolgt war, war nicht mehr im lebendigen Gebrauche, wohl auch inhaltlich in diesem Halbjahrtausend zum Teil überholt worden. Die Bozner aus der Zeit um 1240 taten sich was zugute auf ihr angestammtes deutsches Recht und weigerten sich, vor einen geistlichen Richter nach geschriebenem kanonischen Rechte und mit nicht öffentlichem Verfahren sich zu stellen. Laut einer Urkunde vom Jahre 1242 sollte sich Albertus Serentenarius (Sarnteiner) zu Bozen vor dem Pfarrer Albert wegen eines Vergehens an einer Frau verantworten. Der Pfarrer forderte den Meier des Hochstiftes von St. Afra, d. i. den Gutsverwalter des Hochstiftes Augsburg zu Bozen auf, über den Fall ein eidliches Weistum (laudum) abzugeben. Darauf erwiderte der Meier wörtlich: „Herr Pfarrer ich sage und weiß nicht von dem geschriebenen Rechte, ich kenne dieses Recht nicht, denn wir waren bis heute gewohnt nach unserer Gewohnheit vorzugehen." Diese Aussage haben die Ritter und Bürger und alle Pfarrgenossen (von Bozen) bestätigt und sie erklärten, wenn Sarnteiner mit sieben Zeugen erhärte, daß er hinsichtlich jener Frau keine Schuld habe, so solle er von der Klage gelöst sein. Aus diesem Vorgange ersehen wir treffend, wie stark im Bozner Volke von damals der Gegensatz zwischen dem gewohnten deutschen Recht und den fremden geschriebenen Gesetzen empfunden worden ist.1) In einigen Urkunden aus der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts erklären Einwohner von Bozen, daß sie nach römischem Rechte leben (lege Romana vivere). Allein es handelt sich dabei, wie ein näheres Zusehen ergibt, meist nur um den Vorbehalt gewisser Bestimmungen des römischen Rechtes hinsichtlich des Vermögens der Ehefrauen, nicht um das römische Recht im ganzen. Daher kann man darin auch kaum das Fortleben eines romanischen Stammesgefühles vermuten, wie ja auch die Namen der betreffenden Personen kein ausgesprochen romanisches Gepräge haben.2) Ferner findet sich in Notarsurkunden, die in der Trientner, aber auch in der Bozner Gegend im 13. Jahrhundert geschrieben wurden, eine Bezugnahme auf das alte romanische Recht von Rätien (die lex Romana Curiensis, in jenen Urkunden meist als „antiqua iurisdictio Raetie" bezeichnet) und zwar auch in dem Sinne, daß auf eine das eheliche Güterrecht der Frauen berührende Bestimmung jenes Rechtes verzichtet werde.3) Auch das 1

) Voltelini, ZFerd. 33, 1 5 7 und 180 (wörtl. Abdruck der Urk.). ) Die betreffenden Urk. von 1 2 3 7 sind bei Voltelini, A T . Nr. 592 a, 844 und 891, ferner eine Urk. von 1242, zit. von Voltelini, Ehel. Güterrecht, S. 18, endlich eine von 1207, F M G T . 1, S. 80. Auch Voltelini a. a. O. und Tir. Heimat 2, 20, betont, daß diese Bozner wie Lantemannus, Gotschalk, Leutold kaum als „ L a d i n e r " zu betrachten seien. Eher könnte Ursius, der lt. Urk. von 1 2 3 3 (Reg. 1 7 a) röm. Recht für sich bekennt, auch dem Namen nach als Romane gelten. — Vgl. zum ganzen auch oben Bd. I, S. 52 f. 3 ) Voltelini, Spuren des rätoromanischen Rechtes in Südtirol, M J ö G . 6. Ergbd., S. 1 4 7 f. mit genauer Anführung der betreffenden Urkunden. 2

Deutsche Worte in der Bozner Notarsimbreviatur von 1 2 3 7

57

ist nur als formelhaft und ohne Beziehung zu einem nation len oder stam mesmäßigen Rech sgefühle aufzufassen. In einer Notarsurkunde vom Jahre 1304, laut der der Edle Adalbero von Wanga seinen Eigenmann Tridentinus, Sohn des Heinricus von Wangen (bei Bozen), die Freiheit schenkt, wird die neue rechtliche Stellung des letzteren u.a. als die eines „ R ö m e r s " bezeichnet.1) Auch da handelt es sich natürlich nur um eine schematische Verwendung des Begriffes „Römer oder „römischer Bürger" als eines persönlich freien Mannes; da die Notarsurkunde in der Lombardei auf Grund des römischen Rechtes entstanden ist, war die Übernahme eines solchen Ausdruckes in das Formular der Freilassung unmittelbar gegeben. Keinesfalls kann und darf man aber aus dem Umstände, daß eine solche Urkunde in der Gegend von Bozen eben im Rahmen des damals dort herrschenden Notarsrechtes geschrieben wurde, schließen, daß sich die freien Leute dieser Gegend damals etwa als „Römer" gefühlt haben. Abgesehen von jenen Ausdrücken des Gerichtswesens bringt das Weistum über die Einhaltung der Bozner E i s a c k b r ü c k e vom Jahre 1239 noch deutsche Worte für t e c h n i s c h e Begriffe 2 ): Gruntpome (die Balken für die Brückenjoche); Enspome (die Längsbalken für den Oberbau); Panwerch (der Bretterbelag); Schöbe (Weiden zum Verbinden von Balken und Brettern); Werch in truchenen Lande (Brückenpfeiler am Ufer); currus sive Prozen (Wagen), catene sive Ringe; ferner Emper vini (Eimer Wein); Chamersiedel vel Lehenmann (grundherrlich abhängige Leute, und zwar erstere zu mehr engerem, letztere zu mehr selbständigem Rechte gegenüber dem Grundherren); Dremeli (Dremmel oder Prügel); Widen (Bänder aus Weiden).3) Auch in der I m b r e v i a t u r , dem Verfachbuche, des Notars Jakob Haas, das, wie gesagt, bei 400 lateinisch geschriebene Urkunden für Bozen und Umgebung aus dem Jahre 1237 enthält, erscheint eine Reihe von deutschen oder aus dem deutschen rein äußerlich latinisierten Worten, wie buta (Butte, Faß), dorfmaister, hornhut, hosa (Hose), housgeschirre (Hausgeräte), huaba (Hube, Hof), hüte (Hutweide), loatum (Lot), osbargus (Halsberge), grecivus (grießig, steinig), morgengab, pizaichen, pizun (eingefriedetes Feld), poumannus (Baumann), pruchgravius (Burggraf), rihtar (Richter), eisensacroch (Panzer), schrinium (Schrein), stifalus (Stiefel), *) Die Urk. von 1304 März 19 ( I S t A . Urk. II, 1 1 1 ) sagt, der Freigelassene habe nun dieselben rechtlichen Befugnisse wie „quilibet ingenuus et R o m a n u s ac liber homopater familias et sui iuris existens" — I n d e n Imbreviaturen derTrientner und Bozner Notare von 1236/37 kommt, soweit ich sehe, keine Urkunde über Freilassung (manumissio ex vinculo servitutis) vor und sie wird daher auch nicht von Voltelini A T . 2, in seiner Darstellung des Notarsrechtes behandelt Über ein ähnliches Stück aus der Gegend von Meran (Tarneller, Hofnamen, Nr 699) s. unten Kap. II, § 7 im 7 Absatz vom Beginn 2 3

) Wie oben S. 54, Anm. 4.

) Diese zwei letzten Ausdrücke sind enthalten in der Imbreviatur des Notars Jakob von Bozen vom Jahre 1242, deren Herausgabe Voltelini im Anschluß an A T 2 vorbereitet.

58

I- §3- - Einzelne

deutsche Worte für rechtliche und

swaihof, swaigen (Schwaighof), toetegift (Gabe auf Ableben), werchmaister (Werkmeister), zolnarius (Zollner).1) Aber nicht nur in seinen Urkunden hat der Notar Jakob Haas von Bozen deutsche Worte gebraucht, auf dem Deckel seines Verfachbuches finden sich einige deutsche Verse, die anscheinend von seiner Hand herrühren und die so zahlreichen Schreibersprüche auf und in den deutschtiroler Gerichtsbüchern des 16. und 17. Jahrhunderts eröffnen.2) Aus verschiedenen anderen Urkunden, die in Bozen im 13. Jahrhundert geschrieben worden sind, vermag; ich noch folgende deutsche Worte für rechtliche Begriffe beizubringen: 1210 morgingab (§ 5, Reg. 8), 1237 donatio antelecti, que in lingua teutonica (bzw. teutonice) dicitur morgengab (AT. 2, Nr. 592 b und 914), 1267 ebenso (unten Reg. 29), 1282 morgingab (MJöG. 6 Ergbd. S. 150), und später (unten Reg. 40 a). Die Morgengabe, welche die Frau von ihrem Gatten am Morgen nach der Hochzeit empfängt und worüber Urkunden ausgestellt wurden, war in Bozen laut des Notarsbuches von 1237 allgemein üblich, in Trient zur selben Zeit nicht; sie war eben eine Besonderheit des deutschen Rechtes, im lombardischen Recht aber nicht vorgesehen.3) Das erbliche Besitzrecht der Bürger von Bozen an ihren Häusern wird allgemein „Marktrecht" genannt: So 1290 „consuetudo fori Bozani, quod vulgo dicitur marchtrecht", ähnlich 1300 und 1307, 4 ) 1312 „usus et consuetudo recti fori Bozani, quod in vulgari thethunice dicitur ze marchtrecht" und ähnlich 1315 („detunice").5) Das Besitzrecht nach Erbleihe an Weingärten und anderen Grundstücken heißt auch hier „erberecht", so in Urkunden von 1291 und 1299. Die Vernachlässigung des Gutes durch den Leiheman „versaumpt".6) 1290 erhalten gewisse Bürger von Bozen seitens des Tiroler Landesfürsten Enthebung von der „reisa et exitus contra hostes, quod vulgo dicitur hervart"; 7 ) auch „Reise" ist das altdeutsche Wort für bewaffneten Auszug. Für die lehenrechtlichen Verhältnisse wird 1277, 1285 und 1290 „vulgo manschaft et lehenschaft" gesagt, ferner „dienstmannus" im Sinne der ritterlichen Gefolgsleute.8) „Zolstange", das Zeichen für den Ort der Einhebung des Zolles, wonach in Bozen dann ein bestimmter Platz be1 ) S. den Index bei Voltelini, AT. 2, S. 562 ff. — Wie mir Voltelini mitteilt, finden sich in der Imbreviatur desselben Notars vom Jahre 1242 außer manchen der oben mitgeteilten Worte noch „wegeschaide" und „ledice" (ledig). 2 ) Die Verse lauten: „. . .ist min laeit und min ungemach." (Voltelini, AT. 2, Einl. S. X X X V I und X X X V I I I Anm.). — Über spätere Schreibersprüche in Tirol s. Inama im Sammler (hgb. von Innerhofer, Meran) Jahrg. 1911, S. 81 ff. 3 ) S. Voltelini, AT. 2, Einl. S. CXI. 4 ) Unten § 5, Reg. 35, 38 und 42; Santifaller in Schiernschriften 9, 152. 6 ) Schadelbauer im Schiern 1928, S. 424. Wopfner, Erbleihe, S. 31, Anm. 1. — Zu diesem Leiherecht s. sachlich auch Voltelini, AT. 2, S. X L I I und Stolz, Landesbeschr., AöG. 107, 20 f. 6 ) S. unten Reg. 36, 37 und 39. Über „Erbrecht" in Tramin s. Bd. II, S. 139 f. ') Stolz, Gerichte, AöG. 102, 187. 8 ) Unten § 5, Reg. 30, 32, 34.

wirtschaftliche Begriffe in Bozner Urkunden des 13. Jahrh.

59 nannt wurde, erscheint auch um diese Zeit, ferner „ubertore" oder Überteuer, d. h. der Mehrwert, der sich bei Verkauf eines Gutes nachher für dasselbe ergibt. 1 ) An mehr w i r t s c h a f t l i c h e n Ausdrücken erscheinen: in Urkunden von beil. 1240 bis 1290 und später: „Runst", d. h. Rinnsal (§ 5, Reg. 3 1 a ) ; „Pflanzar", d. h. Anpflanzung von Reben; „Leita", d. h. Leite oder Wiesenhang (Reg. 29a); „Hoffmaz" (Reg. 31); „Vorgart" (Reg. 37), „tungen", d. h. düngen (Reg. 39); „Puint", d. i. eingezeuntes Feld (Reg. 27); „Chamerseldi", d. s. Bauerngüter von bestimmter Größe (Reg. 19); „Torkle", d. i. Torggl oder Weinkelter (Reg. 43 a u. b); „Stallmist" (Reg. 43 b); „Provanae" oder „Profen", d.s. Rebensetzlinge (Reg. 43 a u. b) 2 ); „Surchhalm", d. s. Halme einer Hirseart und „Paingalia" auch eine Art Gräser (Reg. 43 a) 3 ); „Arl", das Flächenmaß für Weingarten und Äcker (Reg. 53 b); „Ceyle", d. h. Zeile oder Ackerfurche (Reg. 35 b und 36*). Ferner „Pise«;", d.h. Mißwachs und „Opferwein" (Reg. 29c); „Semulae" und „Pachzeltae", d. s. Semmel und gebackene Zelten, das bekannte Bozner Früchtenbrot, das mithin auf ein sehr ehrwürdiges Alter zurückblickt. Auch „Fogacie" in dem ältesten Urbar der Trientner Güter bei Bozen von beil. 1 2 1 5 hat in anderen Südtiroler Aufzeichnungen des 13. Jh. bereits eine deutsche Lehnform, nämlich „Vochezen", d. s. Weizenbrote.4) In einem lateinischen Verzeichnis von Wertsachen, die 1308 dem Inhaber der Leihbank zu Bozen verpfändet worden waren, erscheint ein „taschel aureum" (d. i. ein goldenes Täschchen) und ein „ciffus mit gesmeltz" (d. i. eine Schale mit eingeschmolzenem Metall oder Glas). 5 ) Gerade weil in diesen Erzeugnissen das Vorbild und die Einfuhr aus Italien stark waren, die Leihbankinhaber Florentiner waren, um so auffallender ist die Verwendung deutscher Ausdrücke in dieser Liste. „Vilzschuhe" in einer Bozner Urkunde von 1329 betrifft wieder ein anderes Handwerk.6) Für die Gemeinden in der Umgebung Bozens finden wir an solchen deutschen Worten in lateinisch geschriebenen Urkunden des 13. Jahrhunderts: Für T e r l a n stehtin einer Urkunde von 1284 (§5 Reg. 51) „ductus qui v u l g a r i t e r dicitur riso", und „ruptura dicta Loenne", also Riesen, d. i. eine offene Gasse im steilen Wald und Lahne, d. i. ein Erdbruch oder Lawinenstrich, 1 3 1 1 (Reg. 59) das Wiesenmaß „Mannmahd". Jenes S. unten Reg. 29 a und 31 b. Über die Zollstange s. Stolz, Zollwesen, AöG. 97, S. 611, 616, 620. — Die „Zolstange" an der Töll bei Meran wird auch 1 3 1 2 erwähnt (ZFerd. 43, S. 202). 2 ) „Profen" ist ein deutsches Lehnwort vom romanischen, „provanae" eine Rückübersetzung des Lehnwortes in die lateinische Sprache der Urkunden (Turnier, Weinbau, S. 22). 3 ) S. Stolz, Landwirtschaft, S. 1 2 3 ; „Paingalia" ist wohl wie das eben erwähnte „Provanae" eine Rückangleichung des Lehnwortes „Penegalten", (s. Schöpf, Idiotikon). 4 ) Unten § 5, Reg. 21 und 12. Urbar des Klosters Sonnenburg im Pustertal (vgl. Stolz, Gesch. d. Landwirtschaft in Tirol S. 125.) 6 ) Mitgeteilt von Santifaller in Schiernschriften 12, 60. 6 ) S. unten Reg. 43 c.

6o

I- §3- - Einzelne

deutsche Worte in Urkunden des 13. Jahrh.

„vulgariter" mit Beziehung auf die deutsche als die Gemeinsprache der Gegend bringt für Terlan auch eine Urkunde von 1304 bei Nennung des „Dürrenhofes" (Reg. 57). In J e n e s i e n wird 1284 „chappen" d. h. Kapaun, für verschnittene Hähne gesagt (Reg. 52), man beachte die weiter als heute übliche Verdeutschung dieses romanischen Wortes durch Vorlegung des Tones. 1297 erscheint hier „perkchlafter" als Maß (Reg. 55). Auf Mölten treffen wir um 1290 (unten Reg. 53 b) die Worte „hirs" (Hirse), ,,geding" (Abgabe an den Grundherren), „geriht" (hier im Sinne der Einrichtung von Höfen), vochenzen (Brote). In Urkunden für den R i t t e n liegen uns an derartigen Erwähnungen vor: 1240 „emper vins" (Eimer Wein), 1256 „scherie", d. i. Scherge oder Frohnbote, latinisiert scarius, sowie plaustrum vini pluviereht", eine Abgabe an Wein; 1281 „novalia sive geruth", d. h. Gereute; 1298 Widune (Widum), das Gut der Pfarrkirche; 1314 „fractum quod v u l g a r i leunenpruch dicitur" (d. h. Lawinengang) und „pactum, quod theotonice dicitur geding." 1 ) Bereits zum Jahre 1191 findet sich zur Bezeichnung eines Hofes am Ritten das Vorwörtchen „cze", d.i. „zu"; so unscheinbar es ist, doch ein Beweis, daß die Bauleute dort und damals deutsch gesprochen haben. In demselben Sinne ist das Wörtchen „me", d. h. „deme" bzw. „in dem" vor einem Flurnamen bei K a r n e i d zum Jahre 1246 zu werten.2) Hinsichtlich des S a m t als entschädigt uns für den Mangel an solchen Erwähnungen in Urkunden das Urbar der dortigen Pfarre vom Jahre 1372. Es enthält im lateinischen Texte zwei deutsche Begriffserklärungen, die ausdrücklich mit „vulgariter" begleitet werden, nämlich: „liber censuum, qui in v u l g a r i dicitur urbarpuech" und „villa, que vulgäriter dicitur in dem Hof." Eine dem Urbare angefügte Abschrift einer Urkunde von 1328 hat die Gleichsetzungen: „ex pratulo sive auz dem Anger" und „in platea sive an dem Platze". 3 ) Dazu noch zahllose Einfügungen von Hofnamen mit deutschen Vorwörtern. Für Villanders erwähnt eine Urkunde von 1244 einen „ager in Cazlitte cum terra, que dicitur v u l g a r i t e r rain"; eine Urkunde von 1279, ausgestellt von einem Baumann auf dem Berge Villanders, spricht von Rindern, die zu dessen Hofe „pleno jure ze hofgericht sicut mos colonie exigit", d. h. wie es Baumannsrecht verlange, gehören.4) Wenn in lateinischen Urbaren der bayerischen Klöster Scheyern und Tegernsee von beil. 1200 bis 1220 (unten § 5 Reg. 3 und 7) für Güter bei Bozen und zu Sarntein Zinse in deutscher Sprache ausdrücklich unter „vulgo" angeführt werden — Star Zwiebel, Frisching, d. i. junges Lamm S. § 5, Reg. 72, 74 a, 82 bis 84. Über das „pluvium", d. i. eine herrschaftliche Weinabgabe s. Voltelini in Schiernschriften 9, 167. — „Plufwein" im Amte Gries s. im Tir. Urbar von 1288, Zingerle, S. 123, Abs. 160. 2 ) S. unten § 5, Reg. 69 und 85. 3 ) Schwitzer, Urbare S. 361 und 362. 4 ) Santifaller, Brix. Urk. S. 120; Neustifter UB. S. 153. — Die betreffenden Höfe Cazlitter und Casleier s. Tarneller Hofnamen AöG. 100, Nr. 2574 und 2829.

für Terlan, Jenesien, Ritten, Sarntal, Villanders.

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und Küchenrind — so ist anzunehmen, daß auch die Bauleute dieser Güter die deutsche Umgangssprache hatten. Auch das Urbar des Hochstiftes Augsburg vom Jahre 1316 gebraucht im lateinischen Texte für die Bozner Gegend eine Reihe deutscher Ausdrücke, wie „hofmaz, budink (Bauding), thorgel, risen, egerde, ligna que dicuntur Kien (Kienspäne), halphuobe, hueblehen, schergenampt, muttas avene, que apellatur schoet."1) Bei den landesfürstlichen Urbarämtern zu Gries und Neuhaus bei Bozen und zu Salurn wurden im Jahre 1292 Verzeichnisse der dort vorfindlichen Gerätschaften aufgenommen. Sie sind in lateinischer Sprache gehalten, aber für manche Dinge mangelten dem Schreiber lateinische Ausdrücke, so daß er dafür kurzweg die deutschen einsetzte.2) In einer romanischen Umgebung wäre das wohl nicht nötig gewesen, da hätte der Schreiber selbst dann, wenn er die schriftlateinischen Ausdrücke nicht zur Hand gehabt hätte, solche aus der romanischen Vulgärsprache genommen. Manche von den oben angeführten Ausdrücken sind Lehnworte aus dem Lateinischen bzw. Romanischen. Während hievon „zol" ein allgemein deutsches Lehnwort ist, so sind andere Tirol eigentümlich, so Torkl (Torggl), Pflanzer, Pluviereht, Profen, Arl, Mut, Schot, Surch, Vochezen, Zelten3); — Arche, Argen, Torkel, Urn, Manyl, Wal, Rigel 4 ); — Arl, Torkel, Plufwein, Pfench oder Fenich, March, Schilling/Münster5); — Luschern, Chapaun®) Lagel, längliches Weinfaß.') — Saltner, Saltnarey.8) — In den Urkunden, Urbaren, Inventaren und Weistümern aus dem 14. und 15. Jahrhundert, die ganz in deutscher Sprache abgefaßt sind, erscheinen außer diesen noch zahlreiche andere solche Lehnworte, so für die Bezeichnung der Gemeindeverbände Malgrei, Oblei, Rigel, Technei, Propstei, Terz9), sowie für andere Begriffe, Verrichtungen und Gerätschaften des ländlichen bäuerlichen Lebens. Systematische Sammlungen sind in dieser Hinsicht noch nicht veröffentlicht worden, das Glossar Mon. Boica 34, 2, 351 bis 355. ) Abgedruckt von Zingerle, F A . 45, 3 f. Solche Worte sind hier: Stricken, sturzpotigen, schuzeln (Schüsseln), platten, paynpergen (Beinschienen), ellenstap, sech (Pflugeisen), schouveln (Schaufeln), glokspise usw. 3 ) Diese oben S. 59 angeführt. 4 ) Diese im Abschnitt II Meran, § 7 Beginn, angeführt. 5 ) Diese im Urbar von 1288 Amt Gries, Zingerle, S. 123 ff. angeführt. e ) Aus einem Inventar des Amtes Neuhaus von 1 3 1 5 (§ 7, Urk. 1 a). ') Überliefert im Personennamen „Lagelvascher" zu Bozen um 1500 (Schlernschr. 9, s

S. 157).

8 ) Saltner ist der Flurwächter in Südtirol, im Burggrafenamt trägt er einen eigenartigen Kopfputz. Die deutsche Form „Saltner" ergibt sich erstmals 1302 (s. Tarneller, Hofnamen AöG. 101, S. 453). Laut des Gelt von Tirol von 1285 (IStA.) fol. 6 trug die „saltnarey ze Maerningen 20 urn win" und war von den Herrn von Leanburch dem Landesfürsten verkaijft worden, bedeutete also ein einträgliches Amt. Im Jahre 1340 erfolgte vor dem Landrichter an Meran eine eidliche Aussage über die Befugnisse und Gebühren des Saltners der Wiesen zu Niedermais (Straganz, FMGT. 1, S. 20 = AB. 4, S. 391, die Urk. ist lateinisch!). B ) Eingehende Nachweise von J . Egger, ZFerd. 41, S. 220 ff. — Andere solche Ausdrücke des Gemeindewesens für K a l t e m s. oben Bd. 2, S. 64.

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I- § 3-



Deutsche Lehnworte in Bozner Urkunden des 1 3 .

Jahrh.

der Ausgabe der Tiroler Weistümer, sowie in jener der mittelalterlichen Inventare aus Tirol von O. Zingerle würde hiezu eine gute Grundlage geben. Ferner enthält die Arbeit von Turnier, Herkunft und Terminologie des Weinbaues im Etsch- und Eisacktale eine reiche Liste von mundartlichen Ausdrücken, die für diesen Wirtschaftszweig dort üblich sind und zum guten Teil — durchaus nicht ausschließlich — deutsche Lehnworte aus dem Romanischen sind.1) Die Übernahme einer so beträchtlichen Zahl von Lehnworten aus dem Romanischen in die deutsche Mundart von Südtirol steht natürlich in Parallele zu der Übernahme rätoromanischer Ortsnamen und beweist wie diese, daß die deutschen Einwanderer in langem, friedlichem Zusammenleben mit den Rätoromanen deren Kulturgut sich angeeignet haben und andrerseits diese allmählich im deutschen Volkstum aufgegangen sind. Diese Übernahme beweist uns aber auch die Stärke des deutschen Sprachgeistes, der hier herrschend geworden ist und die Umwandlung der romanischen Worte in deutsche Lehnworte in diesem Grenzlande völlig selbständig durchgesetzt hat. Hiebei ist es wichtig, daß manche dieser Lehnworte in voll ausgebildeter Form bereits in den Urkunden des 13. und 14. Jahrhunderts nachgewiesen werden können und damit eben auch die Geltung dieses kräftigen deutschen Sprachgeistes in der Gegend von Bozen und Meran bereits zu jener Zeit.

§ 4. Der Gebrauch der deutschen Sprache für Urkunden und andere Aufzeichnungen in Bozen und Umgegend im 14. und 15. Jahrhundert. Zu Beginn dieses Abschnittes möchte ich zur richtigen allgemeinen Beurteilung der nun folgenden Ausführungen betonen: Zum Teil selbst, zum Teil durch Vermittlungen war es mir möglich, fast in allen Archiven, die dafür in Frage kommen, nach den ältesten Urkunden, die in deutscher Sprache für Leute aus Bozen und Umgebung geschrieben worden sind, Nachschau zu halten und diese in Wortlaut wiederzugeben. Die Reihe, welche ich auf diese Weise zustande brachte, und die ich dann unten näher mitteile, ist daher etwa nicht eine bloße Auswahl von solchen Urkunden, sondern eine bis zu einem gewissen Grade vollständige Sammlung derselben. Die Archive, die ich hiezu benützen konnte und die Personen, die mir hiebei durch Übermittlung von Abschriften behilflich waren, sind bei den einzelnen Urkunden angeführt. 1

) Daraus schöpft auch Battisti, Popoli S. 58. Erstmals bringt einige dieser Ausdrücke B. Weber, Meran, S. 326. J . Jung, Römer und Romanen, S. 170, hat wohl als erster auf die kulturgeschichtliche Bedeutung dieser Entlehnungen hingewiesen. Der Aufsatz von L . Mader, Roman. Elemente in der Mundart des Burggrafenamtes (Innsbr. Nachr. 1 9 1 1 , Nr. 136) bringt eine Auswahl von romanischen Lehnworten und grammatikal. Romanismen in der „Mundart des gegenwärtig rein deutschen Burggrafenamtes".

Die älteste deutsche Urkunde aus Bozen von 1289.

63 Das erste Beispiel einer ganz in deutscher Sprache geschriebenen Urkunde für Bozen stammt aus dem Jahre 1289 (unten § 6 Urk. i). 1 ) Damals erließ der L a n d e s f ü r s t von Tirol ein Gesetz über die Fristen der Ersitzung. Bei allen Klagen um Grundbesitz und Fahrhabe soll die ruhige Gewere (d. h. Besitz) während zehn Jahren für das Recht entscheiden, außer der Kläger sei früher außerhalb des Landes oder nicht volljährig gewesen. Das alte bajuwarische Stammesrecht hatte eine wesentlich längere Verjährungsfrist, nämlich von 30 Jahren, und noch im Jahre 1278 hat ein Gericht in Salzburg diesen Grundsatz für die Ersitzung von Eigen und Lehen ausgesprochen. Das Innsbrucker Stadtrecht vom Jahre 1239 hat allerdings die Ersitzungsfrist auf ein Jahr herabgesetzt, anscheinend nach dem Muster von Augsburg.2) Die Stadtrechte sind eben durchwegs in der Milderung der starren Grundsätze der alten Stammesrechte vorangegangen. Jene Verfügung Herzogs Meinhards vom Jahre 1289 ist ein Landesgesetz, ausdrücklich vom Landesfürsten nach vorheriger Beratung mit den weisen und ehrsamen Männern des Landes, das sind die Vertreter der Stände Tirols, erlassen, deren Wirksamkeit mit dieser Urkunde zum erstenmal schriftlich angedeutet wird.3) Das Gesetz war nun in Form einer Urkunde und diese ganz in deutscher Sprache ausgestellt, wie dies damals in der landesfürstlichen Kanzlei von Tirol erst sehr allmählich üblich wurde.4) Diese Urkunde wurde anscheinend von den landesfürstlichen Richtern in ihren Sprengein verlautbart und so auch vom Landrichter von Gries an der gewöhnlichen Dingstätte zu Bozen. Bei dieser Gelegenheit ließ der Landrichter von einem Notar auch eine beglaubigte Abschrift der Urkunde herstellen, ob für eigene Zwecke oder über Ersuchen von irgendwelchen Insassen seines Gerichtes, wird nicht gesagt. Die Beglaubigungsformel des Notars ist in lateinischer Sprache geschrieben, die Urkunde selbst in deutscher, wie sie eben ursprünglich lautete. Wäre in Bozen damals deutsch nicht die allgemeine Umgangssprache gewesen, so wäre wohl die Urkunde vom Notar auch ins Lateinische übersetzt oder wenigstens ihr Inhalt näher erklärt worden. So aber begnügte er sich mit der Angabe, daß das Gesetz „theotonice" geschrieben sei. Der deutsche Orden, dessen Hauptniederlassung in Tirol, die Bailei an der Etsch, ja auch in Bozen ihren Sitz gehabt hat, hat vom Grafen I- § 4-



*) Z u r B e a c h t u n g : Die Verweise „unten § 6 bzw, 7, 8, 9 Urk. . . . " (und Zahl) beziehen sich auf die Wortlaute (Texte) von Urkunden, die in den noch auszugebenden 2. Teil des vorliegenden Bandes , , U r k u n d e n - B e i l a g e n Abschnitt I Bozen und Umgebung" unter den betreffenden Paragraphen und Nummern mitgeteilt werden (vgl. oben S. 6). 2 ) Vgl. Voltelim, Das Innsbrucker Stadtrecht in der Festschrift d. Innsbr. Historikerklubs 1 9 1 3 , S. 1 2 f.; der (hier nicht erwähnte) Salzburger Gerichtsspruch von 1 2 7 8 s.Martin, Salzb. U B . 4, 103. 3 ) Vgl. Stolz, Das tirol. Landesfürstentum in Schiernschriften 9, 433. Ferner erwähnte ich die Urk. auch in A ö G . 102, 2 1 6 wegen der Gleichsetzung von „Gericht und Pfarre", „Kirche und Gasse". 4 ) Näheres darüber unten Kap. II, § 7.

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I- § 4

— Landesfürstliche Urkunden in deutscher Sprache

Meinhard im Jahre 1272 ein Gerichtsprivileg erhalten, das uns aber nicht in der Originalausfertigung vorliegt, sondern in einer Abschrift des 14. Jahrhunderts, die in deutscher Sprache abgefaßt i s t . E s ist aber nicht sicher, ob bereits die erste Ausfertigung im Jahre 1272 auch in deutscher Sprache oder in lateinischer verfaßt gewesen und erst später davon eine Übersetzung angefertigt worden ist. Sicher müssen wir diesen Vorgang feststellen bei einer Zollbefreiungsurkunde des Herzogs Meinhard für das Bürgerspital von Bozen vom Jahre 1295.2) Die Urkunde von 1272, mit der Graf Meinhard der Gemeinde Flaas ein eigenes Gericht verlieh, liegt auch nur in Abschrift vor und ist vermutlich erst für diese ins Deutsche übersetzt worden.3) Die Beglaubigungsformel des Notars in jener Urkunde von 1289 sagt ausdrücklich, daß ihm außer jenem Gesetze über die Ersitzung auch noch andere landesfürstliche Verordnungen (Statute) in deutscher Sprache vorgelegen seien. Was deren Inhalt war, oder auf welchen Empfänger sie sich bezogen, wird uns nicht mitgeteilt. Das Archiv der Stadt Bozen hat im 15. Jahrhundert durch einen Brand sehr gelitten4); dalier sind nur ganz wenige Originale der l a n d e s f ü r s t l i c h e n Verleihungen für die S t a d t Bozen heute noch erhalten, andere sind uns in Abschriften überliefert, diese stehen aber in gleichzeitig geführten Kanzleibüchern, so daß ihre ursprüngliche Fassung in deutscher Sprache ebenso außer Zweifel ist wie bei den Originalausfertigungen. In diesem Sinne sind anzuführen das Privileg des Landesfürsten K. Heinrich für den Kornmarkt zu Bozen vom Jahre 1322 5 ), die Übertragung des Andreasmarktes von Gries nach Bozen durch den Landesfürsten Markgraf Ludwig vom Jahre 1358 6 ), Steuerfreiheiten für einzelne Bozner Bürger durch denselben vom Jahre 1342 und Entscheid des Markgrafen auf Klage der Gemeinde Bozen in einer solchen Steuerfreiheit vom Jahre 1355'), ein Befehl des Landesfürsten auf allgemeine Feststellung der Steuerpflicht zu Bozen vom Jahre 1339, ein Schutzbrief für das Spital zu Bozen von 1358 8 ), die Einführung einer neuen Steuer zur Verbauung des Talferbaches 1357 9 ), endlich die Pettenegg, Urk. d. Deutschen Orden, S. 121, I. Ferd. Slg. Schönach Urk. 1272 Juni 14. 2 ) IStA. Urk. II, 5738 von 1295 Mai 20. Latein. Orig. Abschriften in deutscher Sprache IStA. Miscell. 353 und Slg. Schönach. 3 ) S. unten Beil. I, § 7, Urk. 1. 4 ) Stolz im Schiern 1921, S. 140 f. — A B T . 4. S. 432 f. 6 ) A B T . 4, S. 419, Nr. 230 (Reg. aus dem Orig.) Auszug auch bei M. Koch, Beitr. z. Gesch. d. Stadt Bozen im Nationalkalender für Tirol auf das Jahr 1848, S. 74. Unten § 6, Urk. 10a. 6 ) Stolz im Schiern 1921, S. 138, voller Abdruck nach einer Kopie in einem gleichzeitigen Kanzleibuch (StA. Wien Cod. 407). ') Näher mitgeteilt von Kogler, AöG. 90, 630 und 633. — Der Entscheid von 1355 ist vollinhaltlich in deutscher Sprache im gleichzeitigen Kanzleibuch, IStA. Cod. 109, fol. 6, enthalten. 8 ) S. unten § 6, Urk. 18 a und 39. 9 ) AB. 4, 424, Nr. 259 (Koch, Bozen, S. 75).

für Bozen aus der i. Hälfte des 14. Jahrh.

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Gesetze über die Zusammensetzung des Stadtrates von Bozen durch die Herzoge Rudolf und Leopold aus den Jahren 1363 und 1381. Durch dieses letztere Gesetz hat die Stadt Bozen auch ein neues Siegel erhalten, im Felde einen Stern auf einem Querbalken und mit deutscher Umschrift, während das bisherige Siegel den Bischof von Trient auf einer Stadtmauer thronend mit lateinischer Inschrift dargestellt hatte. 2 ) Hierin spricht sich wohl das Schwinden der Hoheit Trients über die Stadt zugunsten der Tiroler Landesfürsten aus. In deutscher Sprache sind auch alle die Urkunden abgefaßt, mit welchen der Landesfürst im Jahre 1 3 1 4 dem Heinrich Runter und dessen Witwe Kathrein die Erbauung eines neuen Weges durch die Eisackschlucht von Bozen bis Trostburg (bei Waidbruck) bewilligt und später weitere Bestimmungen zur Erhaltung und zum rechtlichen Schutze dieses Weges erlassen hat. 3 ) Auch die Stiftung, die Arnold Jaudes von Bozen zugunsten des Kuntersweges im Jahre 1360 errichtet hat, ist vom Ländesfürsten in einer deutschen Siegelurkunde bestätigt, gleich wie die Bewilligung einer Steuer zur Erbauung eines Wagenweges über den Ritten vom Jahre 1350. 4 ) Ferner sind als Siegelurkunden in deutschem Wortlaut Verleihungen des Landesfürsten an einzelne Bozner Bürger, und zwar für die Fronwaage dortselbst vom Jahre 1343, den Kornplatz von 1344 und das Weinmeßamt von 1355 5 ), für Zollfreiheit von 1327 und 1344 und für besonderen Gerichtsstand von 1342 6 ), Verleihungen von Häusern zu Bozen von 1 3 3 1 und 1334 7 ), Verleihungen von Urbargütern und Zehentrechten von 1342, 1353 und 1356 8 ), Pfandverschreibungen seitens des Landesfürsten für einzelne Bozner Bürger von 1314, 1 3 1 7 und 1357. 9 ) Umgekehrt ist in deutscher Sprache die Huldigungsurkunde, die die Stadt Bozen 1363 den Habsburgern gegeben hat. 1 0 ) Die landesfürstlichen Privilegien für das Kloster Au zu Gries bei Bozen aus den Jahren 1306, 1308 und 1327 sind in lateinischer Sprache gehalten. Als aber der Landesfürst in den Jahren 1324, 1330 und 1334 zugunsten dieses Klosters, insbesondere wegen Steuerbefreiung der Hausleute desselben, an den Landrichter von Gries Erlässe richtete, ward hiezu die deutsche *) A G T . 4, S. 342 und 393, längere Auszüge Ladurners, ebenso bei Koch, Bozen, S. 76. 2 ) Vgl. Fischnaler, Wappenbuch S. 6of. Das alte Siegel hängt noch an der Huldigungsurkunde der Stadt von 1363 (Beil. § 6, Urk. 41). 3 ) Diese Urkunden sind zwar nicht mehr im Original erhalten, wohl aber in Abschrift in gleichzeitig geführten Kanzleibüchern. Die Urkunden sind von 1314 Sept. 22, 1326 Nov. 9, 1328 Jan. 21, 1 3 3 3 Juni 22 und Juli 8 (diese alle im IStA. Cod. 18, fol. 82 ff.), 1 3 1 7 Nov. 19 (StA. Wien Cod. 389, fol. 19). — Zur Gesch. d. Kuntersweges s. Stolz im AöG. 97, 648 ff. Der volle Wortlaut dieser Urkunden ist noch nie abgedruckt worden und wird daher in den Urkundenbeilagen §6, Nr. 5a, 8a, 11 b, 1 3 a , 1 6 a u. 1 6 b gebracht werden. 4 ) Die Urk. von 1360 Nov. 15 ist enthalten im Kanzleibuch StA. Wien Cod. 402, fol. 57; die von 1350 Aug. 4 im Cod. 403, f. 43. Erstere Urk. ist vollinhaltlich im Oberbayer. Archiv Bd. 8, S. 147, abgedruckt. 6 8 ) S. unten § 6, Urk. 21, 22 a und 34. ) Unten § 6, Urk. 19, 20, 32 und 35. 6 9 ) Unten § 6, Urk. 13, 19 und 22. ) Unten § 6, Urk. 5b, 8 und 36. 10 ') Unten §6, Urk. 15 und 17. ) Unten §6, Urk. 41. Stolz, Südtirol III. 5

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I. § 4- — Die älteste Bozner Gerichtsurkunde

Sprache gewählt. Das ist ein besonderer, wenn auch unbeabsichtigter Hinweis auf die ortsübliche Geltung der deutschen Sprache in diesem Gebiete bereits zu jener Zeit.1) Sehr bedeutsam für die Beurteilung der Sprachen Verhältnisse in Bozen und Umgebung sind die Beurkundungen oder schriftlichen Ausfertigungen der von dem dortigen Gerichte gefällten Urteile, die man kurzweg auch als „ G e r i c h t s u r k u n d e n " bezeichnen kann. Bereits aus den Urkunden des 13. Jahrhunderts läßt sich, wie ich oben (S. 54 f.) ausführte, beweisen, daß das Gerichtswesen in Bozen deutsch nach Art und Sprachgebrauch gewesen ist; Beträchtlich verstärkt Wird dieser Eindruck durch einen in deutscher Sprache ausgestellten Urteilsbrief des Landgerichts GriesBozen vom Jahre 1305 (unten §6 Urk. 5). Kläger waren die Vertreter des Stiftes Georgenberg (später Fiecht) bei Schwaz im Inntal, zwei Meraner Bürger, Beklagter eine gewisse Frau Engelweis Zimmermann von Gries, der umstrittene Gegenstand ein „urwar mit wein gewachst", d.h. die gründherrlichen Rechte, insbesondere das Zinsrecht an einem Weingarten bei Gries. Den Auftrag, über die Verhandlung und Urteilsfindung eine deutsche Urkunde zu schreiben, hat laut des letzten Satzes derselben der Richter gegeben (teutsch haizzen schreiben). Der Notar, der jenen Auftrag erhielt, hat nun die Urkunde genau nach Art und Stil der lateinischen Notariatsinstrumente, aber in deutscher Sprache — also als eine Übersetzung der lateinischen Formeln ins Deutsche — verfaßt, nur seine Beglaubigungsformel in lateinischer Sprache am Ende hinzugefügt und hiebei ausdrücklich bemerkt, daß er die voranstehende Urkunde „vulgariter", in der Gemeinsprache des Volkes von Bozen-Gries niedergeschrieben habe. Diese zweimalige Betonung der Ausstellung der Urkunde in deutscher Sprache läßt annehmen, daß dies damals noch als etwas außergewöhnliches empfunden wurde. Es ist uns aus dieser Zeit und noch lange nachher aus Bozen kein anderes Notariatsinstrument in deutscher Sprache bekannt und die deutschen Siegelurkunden setzen auch erst erheblich später ein, abgesehen von jenen des Landesfürsten auch für Empfänger zu Bozen. Aber die Seltenheit deutscher Urkunden aus Bozen zu dieser Zeit mindert nicht den Wert derselben zum Beweise der deutschen Sprachgeltung. Das ist noch näher zu betrachten. Für gewöhnlich läßt der Richter auf Wunsch der Parteien, meist der siegenden, den Urteilsbrief schreiben. Das war so bei den von den Notaren in Form ihrer lateinischen Instrumente abgefaßten Gerichtsurkunden, wie auch bei jenen, die als deutsche Siegelurkunden uns seit dem 14. Jahrhundert entgegentreten. Auch bei diesen wird regelmäßig am Schlüsse die Bitte der Partei, das Urteil schriftlich und unter dem Siegel des Richters zu geben, vermerkt.2) Im vorliegenden Falle ist von einer solchen Bitte der Partei nicht die Rede, nur von der Weisung des 2

S. unten §6, Urk. n a und 17a. IStA. Cod. 41 I, Fol. 77 ff. ) S. Voltelini AT. 2, Bd. Einl. p. CCX.

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in deutscher Sprache vom Jahre 1305.

Richters. Der Urteilsbrief oder wenigstens ein Exemplar desselben wurde aber sicher der einen Partei, dem Stifte Georgenberg, eingehändigt denn in deren Archive hat er sich erhalten. Man kann bei einem Kloster nicht annehmen, daß gerade dieses selbst, aus Unkenntnis der lateinischen Sprache, auf eine deutsche Ausfertigung des Urteils gedrängt habe Eher ist es den Vertretern des Stiftes, den beiden Meranern, zuzumuten, daß sie einen deutschen Urteilsbrief verlangten, um sich zu überzeugen, daß dem Stifte der Hergang des Prozesses richtig mitgeteilt werde. Das Kloster hatte diesen verloren, berief aber an den Hof des Landesfürsten und mußte daher einen Nachweis über den ganzen Rechtsstreit haben. Es ist aber auch möglich, daß der Richter einen deutschen Urteilsbrief haben wollte, weil der Rechtsgang und seine Begründungen aus der Schablone herausfielen und ungewöhnliche Beweisgründe den Leuten verständlich gemacht werden mußten. Vielleicht hat auch der Umstand, daß in dem Rechtsgange vermutlich deutsche Briefe des Landesfürsten verlesen worden sind, die Niederschrift des Urteils in deutscher statt in lateinischer Sprache befördert. Jedenfalls wäre die Beurkundung des Urteils niemals in deutscher Sprache erfolgt, wenn diese nicht auch beim Gerichtsverfahren üblich und die Sprache der einheimischen Bevölkerung des Gerichtssprengeis gewesen wäre. Eigenartig waren, wie gesagt, die Begründungen, die in diesem Prozesse angeführt wurden und Parteien wie Richter veranlassen mochten, eine weiteren Kreisen möglichst verständliche Beurkundung des Verfahrens und des Urteils, d. h. eine solche in deutscher Sprache zu wählen. Zur Erklärung des Rechtsinhaltes der Urkunde will ich diese Begründungen in heutiger Ausdrucksweise anführen. Die Beklagte Frau Engelweis war vor vierzehn Tagen an Stelle des Wannen Wucherers, d. h. des Inhabers der Leihbank zu Gries, eines Italieners namens Vannus 1 ), in die Gewere, d. h. den Besitz des Weingartens eingetreten. Der Grundherr dieses Urbars, das Kloster Georgenberg, forderte von ihr die Leistung des davon fälligen Zinses und klagte sie nun darauf, weil sie sich dieser Leistung geweigert hatte. Sie (die Engelweis) wies auf diese Klage einen Befehl des Landesfürsten, Herzog Ottos, an den Landrichter von Gries des Inhalts vor, daß das Kloster Georgenberg den Zins für das Weingut von jenem fordern solle, der dieses zur Zeit der Fälligkeit des Zinses besessen habe, daß aber die Frau Engelweis deshalb frei aller Ansprache, d. h. Forderung bleiben solle. Dagegen brachten nun die Vertreter des Klosters einen anderen Brief aller drei, damals gemeinsam regierenden Landesfürsten, der Herzoge Otto, Ludwig und Heinrich vor, die darin dem Richter von Gries auftragen, das Kloster wegen dieses Weingartens gegen dritte, namentlich die Engelweis, in seinen Rechten zu wehren und frühere Briefe in dieser Sache widerrufen. Der Notar Otto von Bozen, den das Gericht Die Leihbank zu Gries war im Jahre 1 3 1 9 an eine Gesellschaft von Florenz gegeben, worunter einer Lappus, Sohn des Vannus heißt (Voltelini, Pfandleihbanken Tirols, S. 23 und 66). 5*

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I. § 4- — Zum Inhalt der Gerichtsurkunde von 1305.

um seine Meinung zu dem Falle befrug, sagte nun: Der Brief für die Engelweis sei nach jenem für das Kloster ausgestellt und daher muß er in Geltung bleiben, wenn er auch mit dem arideren in Widerspruch stehe, denn in diesem Briefe für den Abt sind Weisungen, die der Landesfürst später erlasse, nicht ausdrücklich vorbehalten und der Landesfürst besitze eben die Macht, seine Weisungen und Entscheidungen auch abzuändern und zu widernifen. Daher habe die Engelweis im Besitze des Urbargutes zu bleiben. Das Gericht befragte auch noch einen anderen seiner Beisitzer, den Konrad von München, um seine Meinung. Dieser erklärte: Die Engelweis müßte ihre rechte Gewere an dem Gute beweisen. Wfeil aber das Gebot des Landesfürsten bereits zugunsten der Engelweis ergangen sei, so schließe er sich der Meinung des Notars Otto an und dieser pflichtete auch die Mehrheit des Gerichtes bei. Die Vertreter des Klosters kündigten aber die Berufung an das Gericht des Landesfürsten an. Die Begründung dieses Urteils ist verfassungsgeschichtlich merkwürdig, denn es zeigt die Vorstellung, die man damals allgemein über die Machtfülle des Landesherrn oder Landesfürsten hegte. Nach der Ansicht des Notars Otto von Bozen, der jedenfalls nach seinem Berufe als besonders kundig und bewandert in Rechtsfragen galt, konnte der Landesherr nach seinem Gutdünken Entscheidungen treffen und diese auch wieder abändern. Das entsprach auch den Begriffen, die das spätere römische Recht über den Machtumfang der Herrscher aufgestellt hat und die mit dem Aufkommen des Studiums dieses Rechtes an den lombardischen Universitäten gerade in den Kreisen der Notare Schule gemacht haben. Aus solcher Quelle stammte wohl auch jene Ansicht des Notars Otto von Bozen, aber die tatsächliche Entwicklung der landesfürstlichen Macht in Tirol hat wohl die Beziehung solcher Anschauungen auf diese angeregt. Die Notare haben ja auch damals als erste in ihren Urkunden den Ausdruck und Begriff „princeps terrae" für den Grafen von Tirol angewendet.1) Doch hatte auch diese Auffassung eine gewisse Schranke, wie uns ein Entscheid des Landesfürsten' von Tirol, K. Heinrich, vom 2. Aug. 1328 zeigt. Damit widerrief derselbe nämlich eine Verfügung, die er zugunsten der Gemeinde Enn (Neumarkt) betreffs ihrer Weiderechte in den Etschauen erlassen hatte, weil darin gewisse Geldstrafen festgesetzt seien, die dem allgemeinen Rechte zuwider seien.2) *) Vgl. Stolz, Tirol. Landesfürstentum in Schiernschriften, Bd. 9, S. 448 f. Ein einschlägiger Grundsatz des röm. Rechtes lautete etwa: „quod principi placet, legis habet vigorem." *) Der Landesfürst verfügt: „Litteras, quas dedimus hominibus communitatis Egne super aliqua pascua, que iacent in paludibus Sangonario et alibi apud illos de Caldario et de Trameno, que littere ad preces ipsorum hominurn de Egna de curia nostra emanaverunt et quia alique pene pecunarie in dictis nostris litteris continebantur quasi contra formam; juris, ideo dictas litteras ipsorum hominurn de Egna volumus esse cassas ac nullius valoris seu roburis." Der Richter Gotschlin von Enn wird beauftragt, die Sache nochmals zu unter- < suchen und zwischen den Gemeinden iuxta formam juris zu entscheiden. (Nach Abschrift j Ladurners aus dem Archiv der Pfarre Kaltem.)

Weitere deutsche Urkunden des Bozner Gerichtes aus dem 14. Jahrh.

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Aus dem 14. Jahrhundert ist mir kein weiterer Urteilsbrief des Landgerichtes Gries oder des Stadtgerichtes Bozen in deutscher Sprache bekannt geworden. Es dürfte dies ein Zufall sein, wenn man bedenkt, daß von den Gerichten der Umgebung solche Urkunden mehrfach vorhanden sind (s. unten S. 76). Wohl aber sind uns noch aus dem 14. Jahrhundert einige deutsch geschriebene Urkunden des außerstreitigen V e r f a h r e n s , die sich an jene Bozner Gerichte wenden oder von ihnen ausgegangen sind, überliefert: So aus dem Jahre 1351 die Vollmacht eines Bürgers von Bozen zur Führung eines Rechtsstreites dortselbst, gesiegelt vom dortigen Richter (unten § 6 Urk. 28); von 1377 eine Kundschaftsaufnahme über das Testament des Ulrich v. Firmian gesiegelt von Niklas Vintler als Richter von Gries (Urk. 46 a); von 1387 und 1394 Abrechnungen wegen einer Schuld vor dem Landrichter von Gries (Urk. 58 und 64); von 1403 und 1412 Bestätigungen von Letztwillenserklärungen oder Testamenten von Bozner Bürgern durch den dortigen Stadtrichter (Urk. 68 und 72); 1422 eine Erklärung des Landrichters von Bozen-Gries über den erfolglosen Versuch eines Schiedsgerichtes zwischen den Stiftern Gries und St. Michael a. d. Etsch (Urk. 77); 1435 zwei Kundschaftsaufnahmen durch den Landrichter von Gries und den Stadtrichter von Bozen über die Ermordung des Bozner Bürgers Niklas Hochgeschoren durch die Kriegsleute des Wilhelm von Starkenberg auf Greifenstein.1) Außer dem Landgericht Gries und dem Stadtgericht hatte in Bozen, in älterer Zeit abwechselnd mit Meran, auch noch ein anderes Gericht seinen Sitz, nämlich das H o f g e r i c h t der Grafschaft Tirol. Es war dies deren oberstes Gericht, den Vorsitz in demselben führte der Landesfürst selbst oder in seiner Vertretung der Landeshauptmann an der Etsch. Zuständig war es für Rechtsstreitigkeiten zwischen Adeligen, geistlichen Stiftern, Städten und Landgemeinden in erster Instanz, ferner bei Berufungen aus den Land- und Stadtgerichten auch in Rechtsfällen zwischen Angehörigen des Bürger- und Bauernstandes. Nach der Verlegung des landesfürstlichen Hofes von Meran nach Innsbruck um das Jahr 1420 war der räumliche Geltungsbereich dieses Hofgerichtes, später auch landeshauptmannschaftliches Gericht genannt, auf die Landesviertel an der Etsch, im Vinschgau und am Eisack eingeschränkt, während seine Wirksamkeit im Bereiche des Inntal auf das Kammergericht in Innsbruck überging. Dieses Hofgericht war jedenfalls aus der Gerichtsbarkeit, welche die Grafen von Tirol an ihrem Hof über ihre Vasallen und Dienstmannen seit alters her eingeübt haben, hervorgegangen, jedoch sind Urkunden, welche Urteile dieses Gerichtes enthielten, vor dem 14. Jahrhundert bisher nicht bekannt geworden.2) *) Schönherrs Ges. Schriften 2, 599 ff. 2 ) Einiges zur Geschichte des tirol. Hofgerichtes s. bei Werunsky, Öst. Reichsgeschichte, S. 796. C. Moeser bereitet eine Geschichte dieses Gerichtes mit Sammlung aller einschlägigen Urkunden vor. Einzelne Urteile dieses Hofgerichtes s. Bd. 2, S. 23 (für Eppan) und



I- § 4- - Spruch

des tirol. Hofgerichtes zu Bozen von 1327

Die älteste solche Urkunde, die ich finden konnte, ist ein U r t e i l s b r i e f des T i r o l e r H o f g e r i c h t e s vom Jahre 1327 und dieser ist zugleich von größter Bedeutung für die Beurteilung der Sprachenverhältnisse, einerseits in B o z e n als dem Tagungsorte dieses Gerichtes selbst, andererseits für g a n z S ü d t i r o l und gewisse entlegene Talgebiete. Diese Urkunde (unten § 6 Nr. 12) ist zum größeren Teil in lateinischer Sprache von dem auch sonst bekannten Notar Otto von Bozen niedergeschrieben und enthält ein Urteil, das von dem Hofgerichte in mehreren Tagungen zu Bozen und Meran in einer Klage des Stiftes Sonnenburg im Pustertal gegen die Herren von Schönegg wegen deren Übergriffe auf den Besitzungen des Stiftes in Enneberg gefällt worden ist. Die erste Verhandlung fand in Bozen statt, der Gerichtshof bestand aus einigen geistlichen Würdenträgern und zahlreichen Adeligen Südtirols unter dem Vorsitze des Landesfürsten, König Heinrichs selbst. Die Äbtissin hatte die einzelnen Tatbestände ihrer Klage in einer an den Landesfürsten („herre") gerichteten Schrift in deutscher Sprache niedergelegt und ihre Vorsprecher, der Richter Christan von Neuhaus und Gottschalk von Enn (bei Bozen), wollten diese Schrift statt der frei vorgetragenen mündlichen Klage dem Gerichtshofe vorlesen. Hiezu war aber ein Entscheid des Gerichtshofes einzuholen, ob es angängig sei, daß dieses in der M u t t e r s p r a c h e („materne") verfaßte Schriftstück vorgelesen werden dürfe. Das Gericht bejahte dies mit der Begründung, daß eine solche Vorlesung dasselbe sei, als ob der Vorsprecher mit seinem Munde rede, d. h. mündlich vortrage. Demnach hat auch der Notar in den sonst lateinisch verfaßten Urteilsbrief die Klageschrift in ihrem deutschen Wortlaut eingefügt. Daraus können wir nun entnehmen: Dieses zu Bozen tagende oberste Gericht der Grafschaft Tirol und wohl auch der Schreiber des Urteils, der Notar Otto von Bozen, empfanden deutsch als ihre Muttersprache. In dieser Sprache wurden die mündlichen Verhandlungen vor jenem Gerichte geführt. Für die Schriftstücke, die diesem vorgelegt oder die über seine Verhandlungen ausgefertigt wurden, war damals vornehmlich die lateinische Sprache im Gebrauch und solche in deutscher Sprache galten als Ausnahme. Daß mit „materne" oder Muttersprache die deutsche Sprache gemeint war, ergibt sich schon daraus, daß eben die Klageschrift in deutscher Sprache verfaßt war. In einer deutschen Übersetzung dieser ganzen Gerichtsurkunde von 1327, die um das Jahr 1400 angefertigt wurde, wird dieses „materne" nicht wörtlich, sondern sinngemäß frei mit „teutsch" wiedergegeben. Das sagt uns geradewegs, daß man damals in Südtirol als Muttersprache eben die deutsche Sprache angesehen hat. Den Ausdruck „materne" finden wir sonst in Aufzeichnungen jener Zeit aus Tirol nicht verwendet, in den Urkunden sagt man in demselben Sinne stets „vulgo" oder „vulgariter", d. h. eben S. 79 (für K a l t e m ) ; eine allgemeine Bestimmung über die Berufung von den Landgerichten an das Hofgericht oder — wie der alte Ausdruck lautete — das Dingen an Hof enthält die Gerichtsordnung für Neumarkt vom Jahre 1379 (s. Bd. 2, S. 221.)

über dessen Gebrauch der deutschen Sprache und andere Urkunden desselben.

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1

auch die Gemein- oder Umgangssprache. ) Wohl aber wird der Ausdruck „lingua materna", d. h. Muttersprache, mit Beziehung auf die deutsche Sprache von manchen Schriftstellern des 13. und 14. Jahrhunderts gebraucht, so im benachbarten Kärnten von dem Geschichtsschreiber Johann von Viktring und von Jordanus von Osnabrück.2) Die Hofgerichtsurkunde von 1327 enthält weiters wichtige Hinweise darauf, daß die Bauern des Enneberg, die als Zeugen zu dem Prozesse geladen waren, in deutscher Sprache nicht auszusagen vermochten, und daher der Landesfürst als Leiter des Gerichtes Personen bestimmen mußte, welche die Sprache dieser Leute, nämlich ladinisch verstanden und dem Gerichte als Dolmetsche dienen konnten. Es waren das nicht etwa Herren aus dem Puster- oder Eisacktale, sondern aus dem oberen Vinschgau und aus der Gegend von Meran. Im oberen Vinschgau wurde ja damals neben dem Deutschen noch allgemein ladinisch gesprochen, ob in der näheren Gegend von Meran, bedarf noch weiterer Untersuchung und ist mit dieser Angabe aliein noch nicht bewiesen.3) Die nächsten Urteilsbriefe des tirolischen Hofgerichtes, die ich kenne, sind aus den Jahren 1376, 1377 u n d 1385 (unten §6 Urk. 45, 47. und 54). Sie sind als Siegelurkunden in deutscher Sprache abgefaßt, als Vorsitzender des Gerichtes und demgemäß als Aussteller jener Urkunden erscheint der Hofmeister aus Tirol und Hauptmann an der Etsch, Heinrich von Rottenburg oder sein Vertreter, einmal Arnold von Niedertor von Bozen. Die streitenden Parteien und die Zeugen, die zugleich wohl auch die Urteiler im Gericht gewesen sind, sind Adelige aus dem Etschlande, aber auch die Stadtgemeinde und einzelne Bürger von Bozen. Ort des Gerichtes und der Ausstellung der Urkunden ist Bozen. Man war also noch im Laufe des 14. Jahrhunderts davon abgekommen, die Urteile dieses Hofgerichtes oder Hofrechtes in lateinischer Sprache auszustellen, man tat dies nunmehr in deutscher. Das ist natürlich auch ein Zeichen für das sprachliche und volkliche Gepräge der nächsten Umwelt jenes Gerichtes, eben auch S. oben Bd. I, S. 23 ff. ) Johann von Viktring (Script, rer. German, ad us. schol. 1909), Bd. I, S. 222, sagt zum Jahre 1275, daß die Fürsten auf dem damaligen Reichstag „in lingua et eloquencia maternali" gesprochen hätten; ferner (S. 221) sei damals beschlossen worden, die Freiheitsbriefe „vulgariter", in der deutschen Gemeinsprache, auszustellen, weil die lateinische Sprache in diesen Urkunden Irrtümer und Zweifel hervorrufe und den Laien täuschen könne. — Zum Jahre 1338 sagt Joh. v. Viktring (a. a. O. 2, 213): Der Herzog von Kärnten habe damals die Landhandfeste in „lingua materna" ausgestellt, tatsächlich ist jene in deutscher Sprache gehalten (vgl. Wutte in Carinthia 109, S. 4). — Jordan von Osnabrück sagt, Karl der Große habe den Tagen und Monaten Namen „in lingua materna id est Teutonica" gegeben (Wilhelm MIöG. 19, 672). — Weitere Belege für den Ausdruck Muttersprache s. im Wörterbuch von Grimm. Nach Behaghel in der Behrens-Festschrift 1929, S. 13 f. kommt der Ausdruck Lingua materna erstmals in Schriften des 12. Jh. zur Bezeichnung der romanischen Umgangssprache in Italien und Frankreich vor und ist von dort nach Deutschland übertragen worden. Die von uns oben angeführten Belegstellen für den Gebrauch des Ausdruckes in deutschen Gegenden im 13. u. 14. Jh. waren Behaghel nicht bekannt. 3 ) Über diese Frage s. Näheres unten im II. Abschnitt. 2

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I- § 4- — Deutschsprachige Urkunden von Adeligen und

der Stadt Bozen. Der Form nach waren diese Hofgerichtsurteile Siegelurkunden in subjektiver Fassung, von den Leitern des Gerichts in der IchForm ausgestellt. Es war dies eben jene Urkundenfofm, die der Adel des Bozner Gebietes seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts nach dem Vorbild des mit ihm enge zusammenhängenden Eisacktaler Adels immer mehr angenommen hat. Wie A d e l i g e aus dieser weiteren Umgebung in Bozen oder Gries Urkunden in deutscher Sprache ausstellten und hiebei auch Leute von dort als Zeugen heranzogen, dadurch also zur Einbürgerung dieser Urkundenform in Bozen beitragen konnten, das zeigen die folgenden Urkunden: Die Lehensaufgabe der Herren Maulrapp von Kastelruth auf die Feste Wolkenstein in Groden vom Jahre 1293 (unten § 6 Urk. 2); Verträge zwischen den Herren von Starkenberg aus dem Inntal bei Imst und den Herren von Gernstein bei Klausen im Eisacktal von den Jahren 1320 und 1328 (Urk. 10 und 14). Verträge zwischen und mit den Herren von Villanders und Schenkenberg aus dem Jahre 1315, 1345 und 1363 (Urk. 7, 24, 40 a, 41a) und zwischen dem Deutschordenskomtur am Ritten und den Herren v. Gufidaun aus dem Jahre 1360 (Urk. 40); Baurechtsverleihung der Herren von Schenna 1351 (II., §g, Urk. 41). Weitere Urkunden von 1365, 1366 und 1386 (unten § 6, Nr. 42, 42 a und 56) enthalten Urteile von Schiedsgerichten, die zu Bozen zwischen Angehörigen verschiedener Südtiroler Adelsgeschlechter stattgefunden haben. Sie stehen inhaltlich den Hofgerichtsurkunden nahe und zeigen gleich diesen, daß in den Kreisen des Südtiroler Adels, der in Bozen seine Zusammenkünfte abhielt, die deutsche Urkundenform sich durchgesetzt hat. Eben diese zeigt auch ein Schiedsspruch, der im Jahre 1402 zu Bozen zwischen den benachbarten Gemeinden Terlan und Flaas unter Mitwirkung von Bozner Amtleuten und Bürgern gefällt worden ist (unten § 7, Urk. 12). Dies führt uns zu den Urkunden, welche A d e l i g e aus der Stadt Bozen und deren nächster Umgebung sowie B ü r g e r v o n B o z e n für ihre Zwecke in deutscher Sprache ausgestellt haben. Hiebei ist zu bemerken, daß einige Familien aus dem Bürgertum Bozens im 13. und 14. Jahrhundert adeligen Charakter angenommen haben, wie dies ja auch anderwärts beim städtischen Patriziat vorgekommen ist. Die ältesten deutschen Schriftstücke solcher Herkunft sind u r b a r i e l l e A u f z e i c h n u n g e n , also nicht Urkunden in streng formellem Sinne, wohl aber dienten auch sie den Zwecken der praktischen Vermögensverwaltung. Sie stammen aus der Zeit um 1300, die eine (unten § 6, Urk. 3) ist ein Verzeichnis der Grundstücke, welche der Meier von St. Afra, d. i. der hochstiftisch augsburgische Gutsverwalter zu Bozen, für seine Person von den Herren von Greifenstein zu Lehen getragen hat, wahrscheinlich gegen Leistung eines Grundzinses. Die andere Aufzeichnung (unten § 6, Urk. 4) ist eine Liste von Zehenten aus der Umgebung von Bozen, der Besitzer ist nicht genannt, dürfte aber dem Geschlechte Vintler angehört

Bürgern zu Bozen aus dem 14. Jahrh.

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haben. Hieher gehört auch ein Verzeichnis von Zehenten, welche der Notar Otto von Bozen in der dortigen Gegend als Lehen von den Herren von Lana besessen hat. Am Schlüsse dieses Verzeichnisses, das um 1270 in lateinischer Sprache niedergeschrieben worden ist, ist ein ziemlich langer Satz über die Verpfändung dieser Zehenten in deutscher Sprache angefügt. 1 ) Solche Güter- und Güterverzeichnisse in deutscher Sprache mögen zu Bozen damals im 14. Jahrhundert noch manche andere angefertigt worden sein, ohne daß sie erhalten blieben. Auch eine andere Art von geschäftlichen Aufzeichnungen, die nicht Urkunden in streng formellem Sinne darstellen, ist uns aus Bozen aus jener Zeit in einem einzigen Beispiele überliefert, das ist eine mit dem Jahre 1 3 1 8 bestimmt datierte Aufschreibung oder V e r r e c h n u n g eines ungenannten Bozners über die Auszahlung von Vermächtnissen aus dem Nachlasse seiner Schwester in deutscher Sprache (unten §6, Urk. 9). Das Stück ist kulturgeschichtlich deshalb merkwürdig, weil es erstmals die deutschen Bezeichnungen für die Begräbnis- („pifilde") und für die darauffolgenden Gedächtnisfeiern („der Siebente" und „Dressigste") bringt. Schließlich sei hier noch ein Verzeichnis von Gerätschaften angeführt, das für die Amtshäuser Neuhaus und Kreit bei Terlan unweit Bozen um das Jahr 1 3 1 5 in deutscher Sprache angelegt worden ist (unten §7, Urk. 1 a). Es eröffnet die Reihe von I n v e n t a r e n , die allerdings erst seit dem 15. Jahrhundert in größerer Menge einsetzen.2) Die U r k u n d e n im engeren Sinne des Wortes, das sind beglaubigte Niederschriften von zweiseitig bindenden Rechtshandlungen, die von B o z n e r A d e l i g e n und B ü r g e r n in eigenem Namen in deutscher Sprache ausgestellt wurden, sind das älteste Beispiel zwei Zahlungsquittungen vom Jahre 1 3 1 5 (unten §6, Urk. 6). Freilich sind diese zwei Urkunden in äußerlicher Hinsicht möglichst einfach gehalten, auf einem Papierstreifen in wenigen Zeilen niedergeschrieben. Man bezeichnete diese Urkundenform, soweit sie in der landesfürstlichen Kanzlei üblich war, als „litera", d. h. briefähnliches Stück, im Gegensatz zu dem „Privilegium", der besonders ausgestatteten feierlichen Urkunde.3) Aber auch die zwei erwähnten Stücke haben in ihrem Wortlaut, so kurz er auch ist, den Stil *) Unten § 5 , Heg. 29 a. Der Notar Otto wird zur Zeit der Anfertigung dieses Verzeichnisses bereits als verstorben angeführt. E r dürfte daher nicht mit dem gleichnamigen Notar Otto von Bozen, der in der Gerichtsurkunde von 1 3 0 5 (§ 6, Urk. Nr. 5) vorkommt, identisch sein; es müßte denn die Datierung jenes Zehentverzeichnisses auf die Zeit um 1270, die durch meinen Gewährsmann nach dem Gepräge der Schrift erfolgte, irrig sein. Solche Täuschungen auf einige Jahrzehnte sind nicht ausgeschlossen, da manche Schreiber in vorgerückten Jahren eine Schrift verwenden, die vom allgemeinen Schriftcharakter ihrer Zeit überholt ist. 2 ) Vgl. O. Zingerle, Mittelalterl. Xnventare aus Tirol (1909). 3 ) Vgl. Heuberger, Urkundenwesen d. Gr. v. Tirol, S. 66 ff. — Auch in einem Verzeichnis von Urkunden der Bozner Pfandleihanstalt von ca. 1 3 5 0 heißen die landesfürstlichen Verleihurkunden „ P r i v i l e g i u m cum sigillo", manche weniger auf die Dauer berechnete Anweisungen „ l i t t e r a patens", die Notarsurkunden „ i n s t r u m e n t u m publicum" (Santifaller in Schiernschriften 12, S. 53 ff.).

i. § 4- - Deutschsprachige Urkunden von Adeligen und Bürgern 74 der Urkunde, die Ich-Form des Ausstellers, die ausdrückliche Bezeichnung als „urchunde" und das besondere Beglaubigungsmittel des Ausstellers, nämlich ein Siegel, das auf der Rückseite des Papiers in Wachs aufgedrückt ist. Daß die Bürger von Bozen, — als ein solcher bezeichnet sich der Aussteller dieser zwei Stücke — damals bereits ihre eigenen Familiensiegel führten, ist besonders bemerkenswert. Solche Zahlungsbelege mögen damals in Bozen in deutscher Sprache viele ausgestellt worden sein, da aber ihr Rechtsinhalt nicht auf lange Dauer galt, sind sie nicht aufbewahrt worden, und nur in diesem einen Falle als Beilage zu einem landesfürstlichen Rechnungsbuche in dieses eingebunden worden und so erhalten geblieben.

Fast alle eigentlichen Urkunden, die aus dem Bereiche von Bozen in deutscher Sprache aus dem 14. Jahrhundert erhalten sind, knüpfen in ihrer äußeren Form an die Art der landesfürstlichen Privilegien an, sind also Pergamente mit Siegel, das am Pergamentstreifen hängt, und in der Ich-Form seitens des Ausstellers und mit einem mehr oder weniger ausführlichen textlichen Gefüge abgefaßt. Wenn wir diese unten § 6 näher mitgeteilten Stücke1) darnach sondern, ob die Aussteller und Empfänger derselben Adelige aus der Stadt Bozen oder deren nächster Umgebung, oder Bürger der Stadt sind, und welche Art von Rechtsgeschäften sie beinhalten, so ergeben sich folgende Gruppen: A. Urkunden von A d e l i g e n : Kaufbriefe: 1346 (Urk. 25), 1 3 5 8 (38). Rückkaufverträge: 1385 (Urk. 55), 1 3 8 7 (57), 1394 (63). Zahlungsbestätigungen oder Quittungen: 1380 (Urk. 50), 1391 (60a), 1394 (69). Pfandsetzungen: 1344 (Urk. 22 c), 1361 (40a), 1380 (49), 1382 (51). Schuldbriefe 1366 u. 1368 (Urk. 4 2 b u. 43b), nur der Empfänger ist aus Bozen. Heimsteuerverträge und andere Ehegutsverträge : 1345 (Urk. 23), 1 3 5 7 (3^). 1 3 7 9 (4 8 ). 1384 (5 2 ). 1388 (59 a). Verzicht auf Erbschaft: 1 3 3 1 (Urk. 16). Schiedsverträge: 1 3 5 7 (Urk. 37), 1388 (59). Hilfeleistungs vertrag : 1 3 7 5 (Urk. 44). Vollmacht für Vermögensverwaltung: 1391 (Urk. 61). Rechnungslegung: 1393 (Urk. 62). Fromme Stiftungen: 1369 (Urk. 43), 1397. a ) Besiegelung fremder Urkunden durch Arnold von Niedertor 1375 (§ 9, Urk. 51) und 1379 (unten S. 89, Anm. 3). B. Urkunden von B ü r g e r n : Käufe 1354 (Urk. 33), 1363 (41 a), 1 4 1 1 (70), 1 4 1 2 (71), 1 4 1 7 (73), 1418 (74), 1330 (14a, nur der Empfänger ist aus Bozen). Quittungen 1 3 1 5 (Urk. 6), 1350 (Urk. 26), 1391 (60), 1399 (65). Schenkungen 1352 (Urk. 29), 1369 (43a), 1385 (54), 1402 (67). x

) Betreffs dieser Zitierung s. oben S. 63 Anm. 1. ) „Ich Sigmund von dem Niderm Tor ze Pötzen . . . das ich durch meiner und meiner vodern sei hail willen aufgeben han alle mein rechte an dem hofe ze Rotenstain dem gotshaus ze der Newenstift" (bei Brixen) (Mairhofer Neust. Ub. FA. 34, S. 433). 2

und kirchlichen Anstalten zu Bozen aus dem 14. Jahrh.

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Grundherrliche Verleihungen 1 3 2 3 (Urk. n ) , 1 3 5 3 (31), 1403.*) Schuldvertrag 1 3 8 6 (Urk. 56), 1 3 5 9 (39a, Bozner Bürger Empfänger) Testamente 1403 (Urk. 68), 1 4 1 2 (72). Huldigung der Stadtgemeinde für den Landesfürsten 1 3 6 3 (Urk. 4 1 ) .

Verhältnismäßig frühe haben auch kirchliche A n s t a l t e n zu Bozen und deren Leiter Urkunden in deutscher Sprache und nach deutscher Art — in der Ich-Form und mit hängendem Siegel — ausgestellt. So errichtet in dieser Form der Guardian des Franziskanerklosters zu Bozen im Jahre 1338 ein Testament für den Nordtiroler Adeligen Ulrich v. Fragenstein (§ 6, Urk. 18) und bestätigt im Jahre 1353 dem Heinrich v. Rottenburg ein Seelgeräte (Urk. 30). Das Prediger- oder Dominikanerkloster in Bozen schenkt 1351 dem Kloster Steinach bei Meran ein Landgut (Urk. 27). Der Pfarrer von Bozen setzt im Jahre 1377 Verwalter für das Vermögen seiner Kirche ein (Urk. 46) und im Jahre 1406 überläßt der Pfarrer von Gries dem Kloster Au sein Amt und dessen Einkünfte auf zehn Jahre (Urk. 69). Dieser Gebrauch der deutschen Urkunde auf Seite der geistlichen Stellen, denen ja die Verwendung der lateinischen Sprache naheliegen würde, beweist neuerlich die deutsche Sprachzugehörigkeit derselben, die ja auch durch die Namen der kirchlichen Amtswalter und durch die Angliederung dieser Bozner Klöster an die österreichische, d. i. an eine deutsche Provinz des bezüglichen Ordens bezeugt wird2.) Die Geistlichen dieser Klöster stammten vielfach aus deutschen Gegenden nördlich von Bozen und des Landes Tirol überhaupt und daher war ihnen der dort seit der Wende des 13. zum 14. Jahrhundert durchgedrungene Gebrauch der deutschsprachigen Siegelurkunde geläufig. Geistliche Grundherrschaften aus der Gegend von Brixen und aus Bayern haben Baurechtsverleihungen zu Bozen in jener Urkundenform auch verhältnismäßig früh — erstes Beispiel 1323 — ausgestellt, und dadurch zur Verbreitung derselben in Bozen wohl auch beigetragen.3) Die Kanzlei der B i s c h ö f e von Trient hat seit etwa 1380 die Verleihungen für die Häuser und Urbargüter, die das Hochstift in und bei Bozen, sowie sonst im deutschen Etschland besessen hat, in Form von Siegelurkunden in deutscher Sprache ausgefertigt, während früher hiefür lateinische Notariatsinstrumente üblich gewesen waren. Auch politisch wichtige Urkunden, wie die Bestätigungen der von den Tiroler Landesfürsten erlassenen Ratsordnung für die Stadt Bozen, sind seitens der Bischöfe von Trient als damalige Inhaber des Stadtgerichtes in den Jahren *) „Ich Hans Gotsch, gesessen ze Bötzen in der Wangergassen, bekenn, das mein her der Brobst zu der Newenstift von alter gehabt hat vier üren wein aus ainem hof ze Perbian" (Barbian). Siegler der Aussteller. (Mairhofer, Neust. Ub. S. 452.) — In diesem Falle war das Kloster Neustift bei Brixen Grundherr, in den beiden andern das Hochstift Brixen und das Kloster Rot in Oberbayern, also stets Grundherrschaften, die in Gegenden ihren Sitz hatten, wo die Siegelurkunde in deutscher Sprache sich schon früher (seit 1300) durchgesetzt hatte. 2 ) Vgl. Bd. I, S. 1 3 1 f. 3 ) §6, Urk. 1 1 und 53. Ähnliches können wir auch für die Gegend von Meran feststellen.

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I. § 4-



Deutschsprachige Urkunden für die

1 3 9 7 und 1405 in deutscher Sprache erfolgt. 1 ) E s ist das natürlich sehr bemerkenswert, denn die bischöfliche Kanzlei von Trient hat für ihren allgemeinen Gebrauch und für die romanischen Gebiete des Fürstentums die lateinische Urkundensprache beibehalten und damit gerade den Bedarf des Bozner Gebietes nach deutsch geschriebenen Urkunden und mithin auch das deutsche Wesen desselben anerkannt. Auch für die G e r i c h t e in d e r U m g e b u n g v o n B o z e n , d. i. N e u h a u s ( T e r l a n ) , Jenesien, Mölten, Ritten und Karneid (mit Welschnofen) finden wir eine Reihe von Urkunden, die in deren Bereiche oder für Personen aus diesem im 14. Jahrhundert in deutscher Sprache und nach deutscher Art mit Siegel und in Ich-Form ausgestellt worden sind und die ich unten § 7 näher mitteile. 2 ) Wenn wir diese Urkunden in ähnlicher Weise wie jene für die Stadt Bozen in Gruppen gliedern, so ergibt sich hiefür folgendes Bild: A. L a n d e s f ü r s t l i c h e Verleihungen: Neuhaus (Terlan) vom Jahre 1320 (unten § 7, Urk. 2), 1326 (3), 1327 (3 b u. 4), 1344 (6); Flaas bei Mölten vom Jahre 1304 (Urk. 1). B. Urkunden von A d e l i g e n und Amtleuten (Pfleger oder Richter): Käufe: Mölten vom Jahre 1357 (Urk. 8); Ritten 1303 (Neust. UB. 198); Ritten 1314 (16), 1358 (21), 1358 (Neust. UB. 271). Wiederkaufsvertrag: Ritten 1367 (Urk. 16). Tausch (Wechsel): Ritten 1370 (Urk. 23a). Zinslehenverleihung: Neuhaus (Terlan) vom Jahre 1353 (Urk. 7); 1383 (Urk-9a). Bürgschaftsbrief: Neuhaus vom Jahre 1344 (Urk. 5). Vormundschaftsabrechnung: Ritten vom Jahre 1369 (Urk. 23). Fromme Stiftungen: Ritten vom Jahre 1297 (Urk. 15), 1322 (17). Inventare: Neuhaus 1 3 1 5 (Urk. 1 a). C. G e r i c h t s u r k u n d e n , d.h. Urteile der oben genannten Gerichte in Rechtsstreitigkeiten zwischen Leuten bäuerlichen Standes, wobei meist die ganze Verhandlung samt dem Endurteil dargelegt wird. Das Gericht oder Taiding (auch Ding) tagt unter freiem Himmel und ganz in den Formen des deutschen Gerichtsverfahrens. Es steht unter Leitung des Richters, das Urteil sprechen ein Ausschuß von Geschworenen, umgeben von den gesamten Insassen des Gerichtsgebietes. Solche Gerichtsurkunden liegen vor aus: Jenesien 1393 (§ 7, Urk. 10). — Ritten 1351 (AB. 2, Nr. 3060), 1381 (§ 7, Urk. 24), 1398 (28). — Steinegg und Welschnofen 1380, (§ 7, Urk. 27), 1381 und 1388 (Neust. UB. S. 354 u. 408ff.). — Schiedspruch zwischen den Gemeinden Terlan und Flaas 1402 (§7, Urk. 12). D. Urkunden von Leuten b ä u e r l i c h e n Standes: Käufe: Ritten 1303 (Neustift. UB. S. 198, Siegler die Herren von Velthurns); Vilpian 1365 (unten §7, Urk. 9); Terlan, Kirchpröbste 1416 (Urk. 14). Zahlungsbestätigungen: Terlan, Kirchpröpste zum Jahre 1393 (Urk. 1 1 ) , Jenesien 1414 (Urk. 13). Baurechtsrevers: Ritten 1351 (AB. 2, Nr. 3059; § 7, Urk. 17a). Grundherrliche Verleihungen: Ritten zum Jahre 1374 (§7, Urk. 24), 1397 (27). 1

) S. Bd. 2, S. 142, Anm 3 und Kraft in Schiernschriften, Bd. 3, S. 42, ferner AB. 4, S. 429, Nr. 292 und 294. 2 ) Betreffs dieser Zitierung s. oben S 63 Anm. 1

Umgebung von Bozen aus dem 14. Jahrh.

77

Zinslehen: Steinegg ( K a r d a u n ) z u m J a h r e 1 3 6 6 (Neustift. T J B . S . 2 9 7 ) . H e i m s t e u e r - und E h e v e r t r ä g e : R i t t e n z u m J a h r e 1 3 5 6 (§ 7, U r k . 1 9 und 20). F r o m m e S t i f t u n g e n : R i t t e n 1 3 5 3 (Urk. 1 8 ) , 1 3 8 9 (26).

Es fällt auf, daß gerade am R i t t e n von der näheren Umgebung von Bozen die deutschen Siegelurkunden besonders frühe einsetzen, nämlich im Jahre 1303 (Neust. UB. S. 198), 1297, 1314, 1322 (unten §7, Urk. 15 bis 17). An allen diesen Stücken sind aber die Herren von Velthurns oder jene von Villanders als Aussteller oder Beglaubiger unmittelbar beteiligt, nur die Empfänger haben ihren Wohnsitz am Ritten und die Gegenstände jener Urkunden liegen dortselbst. Im Gebiete von Velthurns und Villanders ist aber wie sonst im Eisacktal oberhalb Klausen die Siegelurkunde in deutscher Sprache seit dem Ende des 13. Jahrhunderts allgemein im raschen Vorschreiten und dieses Vorbild hat wohl auf die Herstellung jener Urkunden unmittelbar eingewirkt. Diese Darlegung zeigt uns, wie im Laufe des 14. Jahrhunderts für die einzelnen inhaltlichen Arten von Urkunden die deutsche Sprache in Bozen und dessen näherer Umgebung sich durchgesetzt hat. Das Bild würde aber doch unvollständig und einseitig bleiben, wenn wir nicht angeben würden, in welchem Maße die lateinische Sprache zu jener Zeit in den Urkunden dieses Gebietes üblich gewesen ist, erst eine solche Angabe zeigt uns, wie der Gebrauch der deutschen Sprache in den Urkunden sich nur allmählich Bahn gebrochen und lange mit der lateinischen Sprache um Geltung gerungen hat. Zu diesem Behufe betrachtet man am besten die größten Archive, welche in Bozen bei dortigen Anstalten aus dem normalen Vermögens- und Rechtsverkehre erwachsen sind und daher die dortselbst üblichen Urkundenformen und deren Verteilung widerspiegeln. Den stärksten derartigen Urkundenbestand hat das A r c h i v des B ü r g e r s p i t a l e s zu Bozen, das nach langer Verschollenheit vor einigen Jahren anscheinend mit guter Erhaltung seines ursprünglichen Bestandes wieder zum Vorschein gekommen ist. 1 ) Die meisten dieser Urkunden beziehen sich auf Grundbesitz, Verkauf und sonstige Übereignung von einzelnen Gütern und Verleihung derselben zu Zinsrecht u. ä. Das A r c h i v der Stadtgemeinde (des Stadtrates oder Magistrates), also das eigentliche Stadtarchiv von Bozen ist, wie oben S. 64 erwähnt, im Laufe der Zeit durch Feuer heimgesucht worden ünd daher nur zum Teil mehr erhalten. Die in den Archivberichten aus Tirol 4, 410 ff. enthaltenen Regesten desselben ermöglichen einen genauen Überblick über seinen Bestand bis gegen 1400, für die Zeit nachher gibt ein Verzeichnis seiner Notariats-, nicht aber der anderen Urkunden Spornberger, Gesch. der Dieses Archiv wird mit dem Stadtarchiv im Museum zu Bozen aufbewahrt, ein Regestenverzeichnis desselben ist noch nicht erschienen. Abschriften der Urkunden desselben bis 1300 besitzt die histor. Kommission des Ferd. zu Innsbruck. Durch einen günstigen Zufall konnte ich die unten mitgeteilte Statistik über diesen Urkundenbestand erhalten, die rasch angelegt, vielleicht nicht auf das Stück genau, wohl aber in der Hauptsache sicher stimmt.

78

I. § 4- — Statistik der Bozner Archive

Pfarre Bozen, S. 1 0 1 f. F ü r das Archiv im adeligen A n s i t z e P a y e r s b e r g in Zwölfmalgreien bei Bozen, das uns zum Unterschied von jenen städtischbürgerlichen Archiven den Urkundenbestand einer grundbesitzenden Adelsfamilie zu und bei Bozen in typischer Weise zeigt, befindet sich ein Regestenverzeichnis ebenfalls in den Archivberichten i , 1 4 5 u. bes. 4, 442 ff. Wenn wir nun für die einzelnen Jahrzehnte die Urkunden dieser drei Archive nach ihrer Form, ob Notariatsinstrumente in lateinischer oder Siegelurkunden in deutscher Sprache, bzw. für einige Stücke auch umgekehrt, aufzählen, so ergibt sich folgendes Bild: Urkundenbestand des Archivs des S p i t a l e s zu Bozen. Jahre

13OO I3IO 13II —1320 1 3 2 1 - —1330 I33I- — 1 3 4 0

34 I " —1350 I 35 I " — 1 3 6 0 I

1 3 6 1 - —137° 37I~ - 1 3 8 0 1381-—1390 1391-— 1 4 0 0 I

Zahl d. Notariats-Instrum. in latein. Sprache.

I I

(Ablaßbrief eines Bischofs, latein.). (Landesfürst).

I

(Dominikaner zu Bozen, latein.).

40

2

47 37 15

I

(bäuerl. Leute vom Ritten wie unten § 7, Urk. 19), beide deutsch. (Bischof von Brixen, latein.).

57

61

69

73 53

12

1401-— 1 4 1 0

6

1411-—1420

14

1421-—1430 1431-— 1 4 4 0

7 4 5

1441-- 1 4 5 0 1451-— 1 4 6 0 1461-- 1 4 7 0 1471-—1480 1481-—1490 1491-—1500

Zahl der Siegelurkunden (in Klammern Name des Ausstellers)

8

I 2 I 8 12 11

7

8

4 7 12 3 3 15 1 Not.-Inst.deutsch 24

(Papst, latein.). (Hans Idungspeuger, Burggraf auf Tirol, Konrad v. Umhausen), beide deutsch. (Hans v. Weineck), deutsch. (Adelige und Bürger zu Bozen, z. T. mitgeteilt unten § 6, Urk. 72 ff.), alle deutsch. (Adelige und Bürger zu Bozen), alle deutsch. (wie oben). (wie oben). (wie oben). (wie oben). (wie oben). (wie oben). (wie oben).

Urkundenbestand des S t a d t a r c h i v e s zu Bozen. 1300—1320 1321—1340 1341—1360 1361—1380 1381—1400 1401—1420 1420—1440 1440—1460 1460—1480

22

13 7 15 13 6 5 4 5 x

1 (Landesfürst). 2 (Landesfürst). 2 (Landesfürst). 1 (Bischof von Trient) nicht bekannt.

,, ,,

,, 17

nach Sprache und Art ihrer Urkunden des 14. und 15. Jahrh.

79

Urkundenbestand des Archives P a y r s b e r g in Bozen.

Jahre

Zahl d. Notariats-Instrum. in latein. Sprache.

13OO—1320 I32I—I340 1341—135

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. ö , von dem wir zu unserem Schaden schon so lange durch schwere Zölle getrennt waren. Ein großes, einiges, starkes Deutschland, das kühne Wort unseres vielgeliebten Erzherzogs Johann, soll der leitende Gedanke unserer d e u t s c h e n H e r z e n an der G r e n z m a r k v o n I t a l i e n sein! Aber wie wir mit Freuden die Hand bieten zu allen wahrhaft deutschen Interessen, so wollen wir mit gleicher Innigkeit an Österreich, an unserem Kaiser hängen und unsere inneren Angelegenheiten selbst verwalten. Nu*wenn wir, innerlich frei und unabhängig, wahrhafte Tiroler unter Österreichs Regierung bleiben, können wir mit unserer ganzen Eigentümlichkeit, mit unserem alten Mute, mit ungeschwächter Bruderliebe den deutschen Brüdern jenseits der Alpen die Hände reichen für Deutschlands Einheit, Kraft und Größe." Im Inneren soll Österreich wie jeder andere deutsche Staat unabhängig sein, in Religions- und Kirchenangelegenheiten sollen nur die Befehle der kirchlichen Oberen maßgebend sein, Tirol die hergebrachte katholische Glaubenseinheit behalten. Soll ein Kaiser von Deutschland gewählt werden, so könne es nur jener von Österreich sein. „Das sind meine Grundsätze, ihr Bauern und Bürger von Südtirol! Ich habe sie von euch gelernt und will sie für euch in Frankfurt furchtlos bekennen." Für den Sprengel von Meran hat sich auch Dr. Franz v. T a p p e i n e r beworben, gebürtig vom Laaser Berg im Vinschgau, später bekannt als Arzt und Begründer des Kurwesens in Meran, wie als Forscher auf dem Gebiete der Botanik, Anthropologie und Urgeschichte. Sein Wahlschreiben geht mehr ins einzelne als das Webers und zeigt, wie der angestrebte deutsche Staat als Zusammenfassung der Nation wirklich erreicht werden könne.2) S. Tiroler Bote 1848, S. 195 und 218. Die amtliche Bekanntmachung der Wahl und der Wahlkreise sowie der Ergebnisse derselben ebenda, S. 187 und 272. a ) Die Wahlschreiben von B. Weber und Tappeiner sind neuerdings abgedruckt in der Zeitschrift „Die Heimat", herausgegeben von Innerhofer, Meran 1912. S. 97 ff.; jenes von

Wahlaufrufe von B. Weber und Tappeiner 1848.

329

Das deutsche Volk sei trotz seiner Größe und Bildung nach außen machtlos, von seinen Nachbarn besonders an den Grenzen bedroht und gefährdet, weil es keinen einigen und daher starken Staat darstelle. Nun solle Deutschland zu einem kräftigen Bundesstaat gemacht werden, mit einem Kaiser und einer Volksvertretung an der Spitze, die äußere Politik, das Heerwesen, die Handelspolitik und das Verkehrswesen sollen Sache der Bundesgewalt sein. Dieser müssen sich wie alle anderen deutschen Fürsten und Länder auch Österreich unterordnen;•• seine Glieder nicht deutscher Zunge, Ungarn, Illyrien, Böhmen würden dann um so fester an den Thron der Habsburger zu knüpfen sein. Auch gewisse Grundzüge der inneren Verwaltung, des Gerichtswesens, des Presserechtes, des Agrar- und Arbeitsrechtes, des Schulund Kirchenwesens sind überdies in den deutschen Ländern trotz ihrer sonstigen Selbständigkeit einheitlich zu regeln. Die Niederlassung von „Andersgläubigen" in Tirol sei eine Angelegenheit, die nur sein Landtag allein zu entscheiden habe. Schließlich fordert Tappeiner „die Ausscheidung aller wälschen Ausdrücke aus unserer gemeinen Amts- und Heeressprache, auf daß jeder Deutsche wieder seine eigene Sprache verstehen kann"; das ist bezeichnend für die Stärke des deutschen Sprachgefühles hier am äußersten Rande seiner Verbreitung. Im ganzen zählte Tappeiner zur liberalen Richtung und Weber hat mit großer Mehrheit ihm gegenüber das Abgeordnetenmandat gewonnen. Von den Wahlwerbern für den Sprengel von Bozen und ¡Umgebung sind mir leider keine näheren Programme bekannt. Hier wurde nicht Streiter, aber auch nicht Giovanelli, sondern Karl v. Unterrichter, Gerichtspräsident in Klagenfurt, aber ein gebürtiger Südtiroler, gewählt, der sieh in Frankfurt einer rechtsliberalen Gruppe angeschlossen hat«1) Beda W e b e r ist in der Frankfurter Versammlung dank seiner Rednergabe stark in den Vordergrund getreten, getreu seinem Programme sprach und wirkte er für die Aufnahme von ganz Österreich — nicht nur der deutschen, sondern auch der ungarischen und slawischen Teile — i n den neuen deutschen Bundesstaat, für die Wahl des Kaisers von Österreich zum Oberhaupt desselben, für die Sonderstellung der katholischen Kirche in Tirol gegenüber der konfessionellen Gleichberechtigung im übrigen Deutschland. Immerhin lehnten er und seine Gesinnungsgenossen aus Deutschtirol in Weber auch bei Mannhardt, Südtirol (1928), S. 70 f. Eine Lebensbeschreibung Tappeiners (geb. 1816, gest. 1902) s. ZFerd. 47, 3 1 7 ff. Wackernell, B. Weber, S. 328 und 333, für das Folgende ebenda, S. 331 ff. Die einzige Zeitung, die im Jahre 1848 in Bozen erschien, das Bozner Wochenblatt (s. unten S. 336), konnte ich nicht einsehen, aus diesem wären vielleicht nähere Angaben über jene Wahlen und hierbei geäußerte politische Ansichten zu entnehmen. Streiters Abhandlung „Die Revolution ip Tirol" (1851) bringt nichts über die besonderen Bozner Verhältnisse im Jahre 1848, ist übrigens durchaus als eine zeitgenössische Publizistik, nicht als geschichtliche Darstellung zu werten, ebenso seine sonstigen historisch-politischen Schriften (s. oben S. 327, Anm. 4). Eine geschichtliche Darstellung des Jahres 1848 in Tirol ist noch nicht geliefert worden, eine urigedruckte Dissertation von Seb. Stecher über den Landtag jenes Jahres erliegt bei der phil. Fakultät d. Univ. Innsbruck 1923,

III. §5- - B. Webers Nationalpolitische Haltung in Frankfurt. 33° dieser letzteren Hinsicht scharfe Mittel ab, um nicht „als Störer der neu zu gründenden deutschen Einheit" zu erscheinen. Ein anderer Tiroler Abgeordneter, gleich Weber geistlicher Professor, nämlich Alois F l i r aus Landeck im Oberinntal, war für den Antrag der Mehrheit, nur DeutschÖsterreich in den deutschen Bund aufzunehmen und das Verhältnis zu den übrigen Ländern des Hauses Habsburg nach Art der Personalunion zu regeln. Dies entsprach der Forderung der rein nationalen Staatsbildung, während Webers Auffassung die geschichtliche Entwicklung Österreichs zu einer selbständigen ausgesprochen katholischen Großmacht und deren Erhaltung vorzugsweise im Auge hatte.1) In einer anderen Frage hat Weber mit den übrigen Tiroler Abgeordneten in Frankfurt mit mehr Erfolg das geschichtliche Staatsrecht und wie er auch in diesem Falle fest überzeugt war, die Sicherung der deutschen Nation gegen außen verfochten, nämlich in der Frage Welschtirol. Die aus diesem Landesteilgebiete nach Frankfurt abgegangenen Vertreter verlangten dort, daß jenes aus dem deutschen Bunde entlassen und eine von Deutschtirol unabhängige Verfassung erhalten solle. Beda Weber verschaffte sich Erklärungen bäuerlicher Kreise aus Welschtirol, daß sie die Trennung nicht wünschten, und in der Debatte der Nationalversammlung drang das Gewicht 4er geschichtlichen und politischen Gründe in dem Sinne durch, daß die Südgrenze Deutschlands nicht leichthin preisgegeben werden dürfe: Die Abtrennung Welschtirols ward abgelehnt, sein Anspruch auf nationale Berücksichtigung im Rahmen Österreichs aber anerkannt. Beda Weber machte noch von Frankfurt aus die österreichische Regierung darauf aufmerksam, daß eine solche Berücksichtigung nicht zu einer tatsächlichen Trennung Tirols und nicht zu einer nationalen Auslieferung der deutschen Minderheiten in Welschtirol führen dürfe.2) Diese Haltung des Abgeordneten von Meran — jener von Bozen trat wegen seines Alters nicht hervor — habe ich hier nur deshalb geschildert, um die deutschvölkische Einstellung dieser Gebiete im bewegten Jahre des „Völkerfrühlings" zu beweisen. Abgesehen von den Wahlaufrufen mit ihren ins einzelne gehenden politischen Forderungen hat in Tirol im Jahre 1848 auch die politische Dichtung manche Blüten getrieben. Sie verherrlicht die allgemeinen Gedanken der jungen deutschen Einheit und Freiheit, die Zugehörigkeit Tirols zu dieser. Als Probe teile ich einige Absätze aus einem solchen Gedichte mit, das damals Ignaz Zingerle seinen Mitbürgern von Meran gewidmet hat: 3 ) So schrieb Flir im Jahre 1848 von Frankfurt nach Innsbruck: „Wenn keine Vermittlung durchgeht, so wird entweder das Kaisertum Österreich verstümmelt oder das Deutsche Reich. Ich wähle die erstere Verstümmlung. Der Kaiserstaat ist ein zufälliges Konglomerat, Deutschland, einheitlich schon durch die Natur, scheint seine Einigung mit unaufhaltsamem Instinkte zu urgieren." (Flirs Briefe, Druck 1865, S. 180.) In einem Gedichte sagt er: „Unpolitische Politik: Deutschland, werde nicht zu klein. Werde nicht zu groß, Deutschland, Wilföt du Deutschland sein, Bleibe Deutschland bloß!" 2 ) Näheres bei Wackernell, B. Weber, S. 361 f. 3 ) Enthalten S. 71 in dem Gedichtbande „Von den Alpen, Zeitgedichte aus den Jahren 1848/49", wovon der erste „Strauss" von Vinzenz v. Erhart, der zweite von Zingerle stammt^

Nationale politische Dichtung in Südtirol 1848.

331

Z u m R ei c hs v e r w e s er f e s t e . . . . D e n M e r a n e r n . Drum schwört am Feiertage, Zusammen fest gereiht, Daß ihr mit diesem Schlage Der Hand euch D e u t s c h l a n d weiht! Was glänzen deutsche Farben, Wenn deutsch nicht euer Herz ? Für Deutschland Kampf und Narben, Für Deutschland Blut und Schmerz!

Was jubeln wir als Freie, Daß Deutschlands Fahne weht, Wenn nicht der Wahrheit Weihe In unsern Herzen steht ? Was schallen deutsche Lieder Durch unser Heimathland, Wenn wir als deutsche Brüder Nicht wandeln Hand in Hand ?

Deutsch sei des Mannes Trachten, Sein Sinnen nah' und fern; Und in der Stürme Nachten Sei Deutschland unser Stern! Was schäumen volle Kannen, Wenn uns kein Geist beseelt ? Wenn uns als deutsche Mannen Nicht Muth und Feuer stählt ?

D'rum auf und pflanzet heute In euch den d e u t s c h e n S i n n , Daß fruchtreich eure Freude, Daß hoch der Festgewinn; Dann könnt' das Hoch ihr trinken Auf unsers Führers Wohl, Dann ist's kein eitel Blinken, Kein Tönen leer und hohl.

Die Gedichte, die sich auf die Verteidigung Tirols als der deutschen Südmark im Jahre 1848 beziehen und sich daher besonders ge gen die schon damals bei den Italienern erwachten Gelüste auf die Brennergrenze wenden, habe ich bereits oben S. 279f. berührt. Auch noch im Jahre 184g brachte die in Bozen erscheinende „Südtirolische Zeitung" Gedichte zur Verherrlichung des deutschen Nationalgefühles, die aber vielleicht nicht in Bozen selbst entstanden, sondern aus andern Blättern übernommen sind, so ein Lied über die deutschen Farben „Schwarz-Rot-Gold" (S. 24), ein „Deutsches L i e d " mit dem Kehrreim „ D a s nenn ich deutsches B l u t " (S. 36), „Germania" usw. Diese Zeitung, die einzige, die damals in Südtirol erschienen ist, bezeichnete (S. 96f.) selbst als ihr Ziel: „ E i n e dem freisinnigen Geiste der Zeit entsprechende Mitte, fern den Extremen von links und rechts, die Hebung unseres Nationalgefühles, die Einigung Deutschlands, die E r haltung Österreichs im tausendjährigen Verbände mit unseren Stammesverwandten". Demgemäß sind auch ihre politischen Artikel verfaßt. 1 ) Josef P r a x m a r e r (geb. 1820 in Imst) hat in einem um 1880 in Bozen erschienenen historischen Roman „Der D e u t s c h t ü m l e r " in seiner Art die nationale Stimmung in Bozen und Innsbruck im Jahre 1848 geschildert. Er bezeichnet mit jenem Ausdruck einen jungen Doktor der Rechte namens Dr. Eisenbart, der aus Emaus (d. i. Bozen) stammte und nach dem Besuch der Universität Heidelberg im Jahre 1848 in seine Heimat zurückkehrt, um dort für die deutsche Einheit und Freiheit zu wirken. (Manche Züge erinnern an Dr. Streiter.) Jener vermochte aber seine Mitbürger nicht zu gewinnen und wurde dann später selbst wieder zum „stockkonservativen Tiroler" bekehrt. Der Verfasser des Romans (vgl. Enzinger, Tir. Lit., S. 90) steht selbst auf dieser Seite und will für sie werben, seine Auffassung legt er einem Bozner so in den Mund: „Zuerst katholischer Christ, dann Tiroler, dann kaiserlich (österreichisch), dann erst deutsch und, wenn die Deutschen fortfahren gegen den Papst zu sein, dann herab mit der deutschen Kokarde!" Oder: „Was ist das in hundert Meinungen, Religionen und Völkerschaften geteilte Deutschland gegen das schöne Ländchen Tirol mit seinem Kernvolke " Diese so weitgehende Ablehnung einer entschiedenen deutschen 1 ) Ein Exemplar dieser Zeitung Univ-Bibl. Ibk 21 701 Über die Gcschichte des Zeitungswesens in Stidtirol s unten S 336

332

n i . § 5.

- Stellung und Vertreter der k o n s e r v a t i v e n

Gesinnung entspricht aber geschichtlich nicht so sehr der katholischkonservativen Richtung in Tirol von 1848 (s. eben Beda Weber), als jener n a c h 1866 bzw. 1870, in welcher Zeit eben der Roman geschrieben wurde. Entschieden betont übrigens auch Praxmarer die Zurückweisung der italienischen Gelüste auf das deutsche Südtirol.

Jene Wahlausschreiben Webers und Tappeiners aus dem Jahre 1848 sind auf Jahrzehnte nach Inhalt und Schwung der Gedanken wohl das Bedeutendste, was in Bozen-Meran hinsichtlich deutscher Nationalpolitik geschrieben und verkündigt worden ist. Allein schon die Möglichkeit, in und an einem großen nationalen Staatswesen politisch zu wirken, scheint die Geister so mächtig emporgerichtet zu haben, freilich eben deshalb, weil die unbedingt deutschvolkliche Unterlage hier gegeben war. In den Jahren 1850 bis 1860 war infolge des damals in Österreich wieder zur Herrschaft gelangten Absolutismus die politische Meinungsäußerung unterbunden und erst die allmähliche Schaffung einer konstitutionellen Verfassung seit 1860, insbesondere seit 1867 gab jener wieder freie Bahn. Nun und seither erwachsen auch in Südtirol die p o l i t i s c h e n P a r t e i e n als Verfechter bestimmter Meinungen und Ziele zu fester Gestalt. Es war dies eine katholischkonservative Partei, von den Gegnern auch klerikal oder ultramontan genannt, und eine liberale Partei. Wenn ich im folgenden die Entwicklung der Parteien und damit überhaupt die Geschichte der tirolischen Landespolitik seit 1860 bespreche, so geschieht dies — das sei ausdrücklich betont — nicht so sehr als Selbstzweck, sondern um deren Stellungnahme zu den allgemeinen Lebensfragen des Deutschtums in Tirol aufzuzeigen. Inwieweit in Tirol und insbesondere in Südtirol der deutsche nationale Gedanke die politischen Parteien beschäftigt und auf deren Gestaltung eingewirkt hat, das ist der beherrschende Gesichtspunkt für die weiteren Betrachtungen dieses Abschnittes.1) Die k a t h o l i s c h - k o n s e r v a t i v e Partei war im Lande zahlenmäßig weitaus vorherrschend und umfaßte außer einem Teil des Adels, dessen Grundbesitz in Südtirol im Verhältnis zu ostdeutschen Gebieten übrigens ziemlich bescheiden ist, und einen Teil der städtischen Bürgerschaft die bäuerliche Bevölkerung in den Landgemeinden so gut wie durchwegs. Die Führer und Abgeordneten zum Landtag und Reichsrat waren zum Teil Geistliche, zum Teil aus jener kleinadeligen Bozner Schichte, die mit J ) Leider fehlt noch jeder Versuch einer zusammenfassenden Geschichte Tirols seit 1848 b z w . 1860 bis zur G e g e n w a r t in einigermaßen handlicher F o r m . I n d e n „ T i r o l e r S t i m m e n " erschienen zwar, durch mehrere Jahrgänge v e r t e i l t , seit A n f a n g 1906, dann 1908, N r . 195 ff. bis 1912 eine zusammenhängende Reihe v o n A u f s ä t z e n „Österreich, und tirol'. Zeitgeschichte seit 1860", aber eben w e g e n dieser Verteilung ist jene A r b e i t , die natürlich den konservativen S t a n d p u n k t v e r t r i t t , sonst aber eine g a n z g u t e Übersicht über die politische Geschichte Tirols jener Jahre bieten würde, nur sehr unbequem zu benützen. I c h habe den Stoff für die folgende Darstellung aus den Zeitungen und der übrigen tagesgeschichtlichen L i t e r a t u r in einer aller* dings mehr kursorischen A r t zusammengetragen, führe aber, u m ein Weiterarbeiten auf dieser Grundlage z u erleichtern, die einzelnen Aufsätze und sonstigen Belege, die f ü r meine Darstellung in B e t r a c h t k a m e n , genau an. Insbesondere habe ich einzelne politische Ereignisse desh a l b mit genauerem D a t u m bezeichnet, d a m i t in den Tageszeitungen das Nähere hierüber rasch aufgesucht werden k a n n

und der liberalen Partei in Südtirol 1860—1880.

333 Grundbesitz einen rechtskundigen Beruf oder ein gutes bürgerliches Geschäft verband: So der Sohn des früher genannten Josef v. G i o v a n e l l i , Ignaz v. Giovanelli, Oberlandesgerichtsrat, Landtags- und dann Reichsratsabgeordneter seit 1865, gestorben 1889 1 ); Karl v. Z a l l i n g e r , gestorben als Landeshauptmannstellvertreter 1865 und dessen Sohn Franz v. Zallinger zu Stillendorf (ein Ansitz bei Bozen) Abgeordneter seit 1875, gestorben 19072); Josef v. Dipauli, seit 1877 Abgeordneter des Landgemeindebezirkes Bozen im Reichsrat, seit 1896 Obmann der katholischen Volkspartei in diesem, 1898 Handelsminister, gestorben 1905; sein älterer Vetter Anton v. Dipauli war Landtagsabgeordneter für Meran, Kaltem und Tramin seit 1870, gestorben 1883.3) Ein eigener katholisch-konservativer V o l k s v e r e i n für Bozen und Umgebung ist am 22. Januar 1870 unter der Obmannschaft von Franz. v. Zallinger erstmals gegründet worden.4) Die liberale Partei, im Lande stets in der Minderheit, hatte ihre Anhänger in einem anderen Teile des Adels, in der Beamtenschaft und in der Oberschichte der Bürgerschaft der Städte. Da das Wahlrecht auf diese Stände zugeschnitten war, nicht nur die Städte als Gemeinden, sondern auch der adelige Grundbesitz und die Handelskammern eigene Mandate im Landtag und im Reichsrat hatten, waren die Liberalen in jenen Körperschaften auch für Tirol ziemlich stark vertreten und stellten in den Städten mit der Mehrheit des Gemeinderates auch den Bürgermeister. So wurde im Jahre 1861 nach dem Rücktritte von Anton v. Kapeller, der seit 1850 des Amtes gewaltet hatte, ein ausgesprochener Anhänger der liberalen Richtung, nämlich der Rechtsanwalt Dr. Josef S t r e i t e r zum B ü r g e r m e i s t e r von Bozen gewählt. Bei der Einsetzungsfeier bekundete Streiter, der als Schriftsteller eine gewandte Feder führte, seine Zugehörigkeit zu der damals in Deutschland und Österreich herrschenden Geistesrichtung, nämlich „verfassungsmäßige Freiheit und kultureller Fortschritt", und versprach demS. Jehly, I. Giovanelli, ein Stück Landesgeschichte in Tiroler Stimmen 1889, Nr. 221 ff. Über die Herkunft des Geschlechtes s. oben S. 324. 2 ) Nachrufe Tiroler Stimmen 1865, S. 243 f.; 1907, Nr. 277. Wurzbach, Biograph. Lex. 59, 116. Die Z a l l i n g e r sind im 16. Jahrhundert als Tuchhändler von Füssen nach Bozen gekommen, gelangten hier zu Grundbesitz und wurden um 1660 geadelt, die eine Linie mit dem Prädikat „zum T h u m " (ihr gehörten mehrere namhafte Gelehrte an, vgl. Wurzbach, Biograph. Lex. 59, S. 1 1 2 ff.), die andere Linie, der die erwähnten Politiker entstammen, nahm später (um 1880) das Prädikat Stillendorf an. 3 ) Nachrufe Tiroler Volksblatt vom n . März 1883, 1905, Nr. 9, Tiroler Stimmen 1905, Nr. 23 f, — Diese D i p a u l i von T r e u h e i m waren Enkel des Gerichtspräsidenten und landständischen Vertrauensmannes Andreas v. Dipauli, der auch der eigentliche Begründer des Landesmuseums Ferdinandeum in Innsbruck gewesen ist. (Er begegnete uns in amtlicher Eigenschaft oben S. 195.) Sein Vater war bäuerlicher Grundbesitzer in Aldein, dessen Vorfahren stammten aus dem benachbarten Fleimstal, daher der romanische, nicht eigentlich italienische Familienname. Im Jahre 1797 wurde Andreas Dipauli wegen seiner Verdienste um die Landesverteidigung in den Adelstand mit dem Prädikat Treuheim erhoben (Staffier 2, S. 1127). Durch Verheiratung mit der in Überetsch begüterten Familie von Schasser erwarben seine Nachkommen Grundbesitz dortselbst und errichteten dann in Kaltem eine bekannte Großkellerei. 4 ) S. die ..Flugblätter" des genannten Vereins 1870 ff (Umv -Bibl. Innsbruck)

334

H l . § 5.

- Die Parteistellung der Bürgermeister und Abgeordneten

gemäß auch sein Amt als Bürgermeister auszuüben. Die Eröffnung der in Bozen damals neu eingeführten Gasbeleuchtung benützte er, um einen sinnbildlichen Zusammenhang zwischen dieser Neuerung und dem Streben nach neuem Lichte im geistigen Sinne zu betonen. Dabei wurde aber auch kräftig der nationalen Zugehörigkeit Bozens und Südtirols zum gesamten Deutschland gedacht. 1 ) Bei der Wahl zum ersten, nach Erlaß der neuen Verfassung im Jahre 1 8 6 1 einberufenen T i r o l e r L a n d t a g blieb zwar Streiter gegenüber dem Kandidaten der Konservativen, der auch von den Staatsbeamten geschlossen unterstützt wurde, dem Oberlandesgerichtsrat Johann Kiechl mit einer geringen Stimmenanzahl in der Minderheit.2) Erst 1866 kam er als Vertreter der Bozner Handelskammer, dann bei der Neuwahl 1867 als Vertreter der Stadtgemeinde in den Landtag. Nach seinem Rücktritte vom Bürgermeisteramt im Jahre 1 8 7 1 wurde sein Nachfolger in diesem und auch im Landtagsmandate sein Gesinnungsgenosse, der Notar Dr. Julius W ü r z e r , und zwar als Bürgermeister bis 1873, als Landtagsabgeordneter bis 1888. Bürgermeister war weiterhin der Liberale Josef S c h u e l e r bis Ende 1879, und dann Dr. Josef v. B r a i t e n b e r g bis 1895. 3 ) Nachdem für den österreichischen R e i c h s r a t (im Jahre 1873) die direkte Wahl eingeführt war, besetzten das Mandat für die Städtekurie BozenMeran-Glurns auch die Liberalen zuerst mit Dr. Eduard v. G r e b m e r , dann 1875 mit Dr. Florian B l a a s ; 1879 trat zwar an dessen Stelle der Konservative Johann von G i o v a n e l l i . 4 ) Aber das war nur eine vorübergehende S. Bozner Zeitung, Nr. 61 bis 63 (Mai) und Nr. 129 bis 136 (Oktober). Über Streiters literarische Bedeutung s. oben S. 326. Die Ankündigung Streiters zu jener Feier lautet: „Das Licht, das künftig auf unsren Straßen die Nacht nahezu in Tag verwandelt, hat etwas Sinnbildliches, man erinnert sich an das geistige Licht, das uns eben auch in diesem Jahre aufging, an die Wiedergeburt unseres staatlichen Lebens und die Befreiung der Gewissen von jeder unwürdigen Schranke. Licht zumal ist die Himmelstochter, welche das edle Herz unseres Kaisers vermochte, uns das Patent vom 8. April v. J . zu geben, es verbürgt jedem Staatsbürger die Freiheit des Denkens und Forschens. Lassen Sie mich die Wonne, die ich darüber empfinde, mit Ihnen durch gemeinsamen Jubel feiern, lassen Sie uns die Fahnen schwingen, die Pöller lösen und ein stürmisch Hoch ausbringen dem Spender jener Freiheit, welche die Grundlage jeder anderen bildet." — Die nationale Ansprache Streiters am Schießstand und die Erwiderung des Schützenmeisters darauf s. oben S. 294. 2 ) Bozner Zeitung 1861, Nr. 38. Kiechl war dann auch Landeshauptmann bis 1867. 3 ) Von 1871 bis zu seinem Tode im Jahre 1873 hat Streiter dem Landtag noch als Abgeordneter der Bozner Handelskammer angehört. Laut der Akten der Statthalterei (Abt. Gemeinde) erfolgte die Wahl Würzers zum Bürgermeister am 23. Dez. 1870, des Kaufmannes Schueler am 21. Oktober 1873 und des Dr. med. Braitenberg am 1 1 . November 1879. Alle drei werden hiebei als der damaligen verfassungstreuen, d. h. liberalen „Regierung treu ergeben und einem gemäßigten Fortschritte zugetan" bezeichnet. (Über Würzers Vater, Peregrin, Bankprokurist zu Bozen und dessen Bild s. Schiern 1931, S. 86 und 92.) 4 ) Blaas wurde 1875 als Ersatz des vor Ablauf des Mandats verstorbenen Grebmer gewählt, er hatte sich schon vorher als liberaler Abgeordneter im Tiroler Landtag bewährt, war aber kein Bozner sondern Innsbrucker, Grebmer Brunecker (Boz. Ztg. 1875, Nr. 30 bis 42 und 206 ff.). — 1879 war liberaler Kandidat Dr. A. Hellrigl, blieb mit 34 Stimmen in Minderheit, in Bozen allein übrigens in Mehrheit (Boz. Ztg. 1879, Nr. 151 bis 153). Die Wahlen von 1879 sind auch in andern Städten ungünstig für die Liberalen ausgefallen, weil diese in sich zu wenig einig waren.

von Bozen und Meran 1860—1890 bzw. 1915.

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Schwankung, seit 1885 gewannen wieder die Liberalen die Oberhand (siehe unten S. 345). Die liberalen Aufrufe, die zu jenen Wahlen in der Bozner Zeitung erschienen, berühren nur die Schlagworte des Liberalismus, des Fortschrittes und der Verfassung, nicht aber irgendwelche nationale Belange. 1 ) In Meran stand der L i b e r a l i s m u s in einem gewissen Zusammenhange mit der Entwicklung des K u r w e s e n s . Die eigentlich führenden Konservativen waren mehr oder weniger gegen die Herbeiziehung der Fremden, insbesondere soweit diese protestantisch oder liberal waren. Andererseits haben die wirtschaftlichen Vorteile, welche für das einst so stille Städtchen der Aufenthalt von einer steigenden Zahl vermögender Kurgäste bedeutete, das Widerstreben gegen jene Haltung der konservativen und damit das Aufkommen der liberalen oder fortschrittlichen Partei verstärkt. So ist mit dem Beginn der österreichischen Verfassungsära im Jahre 1861 ein ausgesprochener Vertreter des Liberalismus, Dr. Gottlieb P u t z , zum Bürgermeister von Meran gewählt worden, an Stelle von Vinzenz Haller, der das Amt seit 1827 verwaltet hatte und übrigens persönlich dem Kurwesen zugetan war. Auch die folgenden Bürgermeister, Dr. Adalbert v. H e l l r i g l (1875 bis 1879), Dr. Josef P i r c h e r (1884 bis 1889) und Dr. Roman W e i n b e r g e r (1890 bis 1914) waren erklärte Liberale bzw. Nationale, ebenso wie die jeweilige Mehrheit des Gemeinderates.2) Für den Sitz im Tiroler L a n d t a g war Meran mit den Städten und Märkten Glums, Kaltem und Tramin zusammengekuppelt und, da in diesen Orten die Konservativen weitaus vorherrschten, belegten sie jenes Mandat meist für sich gegen die Stimmen der Meraner Liberalen. Die Dekane von Meran, S a n t ner und G l a t z , haben so längere Zeit die Stadt im Landtag vertreten. Im Jahre 1902 richtete diese an den Landtag eine Eingabe, daß sie mit Rücksicht auf ihre nunmehrige Größe ein eigenes Mandat erhalten solle. Das war freilich lange vergebens, erst anläßlich der allgemeinen Reform der Landtagswahlordnung vom Jahre 1914 ward für Meran und seine Vororte Oberund Untermais ein eigener Sitz im Landtag geschaffen. 3 ) Für das Mandat im österreichischen Reichsrat war Meran mit Bozen zusammengelegt und hat wesentlich zur liberalen und dann zur nationalen Besetzung desselben beigetragen. In den Bemühungen, die nationalpolitische Stellung des Süd') Höchstens im Wahlaufruf vom Jahre 1873 finden sich darauf bezügliche Worte: „Wir wollen mit den ü b r i g e n D e u t s c h e n Ö s t e r r e i c h s in Glück und Noth, in Sieg und Gefahr brüderlich zusammenstehen zum Heile des Reiches und zum eigenen Wohl. . . Wählen wir echt deutsche Männer, treu dem Kaiser und dem Reiche, aufrichtig ergeben dem Volke, mutige Anwälte dem Volk (Boz. Ztg. 1873, Nr. 210). 2 ) Vgl. Pokorny, Meran, S. 45 f., 51, 171, 184 und 213. Über den „Liberalismus in Meran" s. längere Artikel in den konservativen Tiroler Stimmen 1866, Nr. 84 und 1872, Nr. 85; Tiroler Bote 1866, S. 320 ff.; Tiroler Stimmen 1876, Nr. 115, „Der Bürgermeister von Meran ein junger Advokat mit hyperliberalem Eifer". Bozner Zeitung 1873, Nr. 2 1 7 und 1879, Nr. 15 bis 20. Meraner Zeitung 1884, Nr. 44 bis 50. — Nur der Bürgermeister S. T a l g u t e r (1879 bis 1884) gehörte der konservativen Richtung an. 3 ) Tiroler Tagblatt 1902, Nr. 165. Erst im Jahre 1910 ist jenes Landtagsmandat nach dem Ableben des Dekan Glatz mit einem Nationalliberalen, dem Kurvorsteher Dr. Seb. H über besetzt worden. Derselben Richtung gehörte auch Dr. Theodor C h r i s t o m a n n o s als

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III. § 5- - Die politische Presse in Südtirol seit 1860.

tiroler Deutschtums zu wahren, hat der Gemeinderat von Meran jenen von Bozen treu unterstützt, obwohl die engeren Belange der beiden Städte nicht immer gleich gerichtet waren. Beide Richtungen verfügten über eigene zu Bozen herausgegebene Zeitungen: Die liberale „Bozner Zeitung" beginnt im Jahre 1856, mit ihrem Vorläufer, dem „Bozner Wochenblatt", schon 1842; später führte sie auch den Untertitel „Südtiroler Tagblatt" und erschien zeitweise sogar zweimal täglich. Das katholisch-konservative „Tiroler Volksblatt" ward auch schon 1862 gegründet. In anderen Südtiroler Städten beginnt das selbständige Zeitungswesen etwas später, so in Meran ein Wochenblatt 1867, die liberale „Meraner Zeitung" 1880 und der konservative „Burggräfler" 1883; in Brixen die „Brixner Chronik", das älteste und führende Blatt der Christlichsozialen in Südtirol, im Jahre 1888 und dann das Wochenblatt „Tiroler Volksbote" im Jahre 1892. Seit 1900 erschienen auch in Bozen Blätter der christlichsozialen Partei, nämlich „Der Tiroler" und dann die „Tiroler Bauernzeitung".1) Von der Bozner Zeitung, dem Organ der Südtiroler Liberalen, sagt ein amtlicher vertraulicher Bericht vom 5. Mai 1866, daß dieselbe „den innigen Anschluß Österreichs an Deutschland und die Berufung eines deutschen Volksparlamentes im Programm habe" und zu diesem Zwecke Verbindungen mit den demokratischen Parteien in Süddeutschland unterhalte. Damals bestrebte sich ja die österreichische Staatspolitik ihren Einfluß in Deutschland durch eine Reform des deutschen Bundes wieder zu erhöhen, wollte aber hiebei die Einberufung einer deutschen Volksvertretung nach dem Wahlrechte von 1848 vermeiden, weil eine solche voraussichtlich die nationale Einheitsbewegung in Deutschland viel weiter getrieben hätte, als es der österreichischen Regierung erwünscht gewesen wäre. Um so bedeutsamer ist es für uns festzustellen, daß die damals in Bozen herrschende politische Richtung in der deutschen Frage so weitgehende, um andere Rücksichten unbekümmerte Ziele verfolgt hat. Nach 1867 leistete, wie es bei den Verhältnissen nicht anders denkbar war, die Bozner Zeitung der von der liberalen Partei getragenen österreichischen Regierung Gefolgschaft, wurde auch von ihr zeitweise finanziell unterstützt.2) Vertreter der Bozner Handelskammer seit 1905 an ; er war, eigentlich griechischer Herkunft, aus Wien im Jahre 1883 nach Meran gekommen und hat sich hier mit großzügigen Fremdenverkehrsunternehmungen befaßt, starb 1 9 1 1 (Pokorny, S. 159). Näheres über das Zeitungswesen in Südtirol von A. Dörrer s. bei Bell, Südtirol,? S. 229 f., ferner bei Pokorny, Meran, S. 94 f. und Schöpfer, Der Verlagsanstalt Tyrolia Werden und Wachsen, SA. aus dem „Neuen Reich" 1927. Die genauesten Angaben liefern hiezu der Aufsatz von R. Staffier, Bozner Buchdruckerei- und Zeitungswesen im Schiern, Bd. I (1920), S. 393 ff., und die Abhandlung von J . Himmelreich, Gesch. d. Deutschtiroler Presse; Maschinschrift 1927 (Univ.-Bibl. Ibk. 20342). Das Bozner Wochenblatt, das laut Staffier. 1842 beginnt, hat dieser offenbar in Bozen vorgefunden, in der Univ.-Bibl. und im Ferd-ä Innsbruck sind nur die Jahrgänge ab 1850 bzw. 1852 erhalten. 2 ) IStA. Statth. Geh. Präs. A. II, Sign. 28 D, 1866 und 1870. — Herausgeber der Bozner, Zeitung war damals der Buchdruckereibesitzer Gotthard Ferrari, leitender politischer Kopf der Rechtsanwalt Dr. Josef Gasteiger. ::

D a s R i n g e n um die österr. Staatsverfassung 1860—1880.

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Die katholisch-konservative Partei von Tirol hatte in den Jahrzehnten seit 1860 als Hauptziel die Bekämpfung der damals neuen ö s t e r r e i c h i schen S t a a t s v e r f a s s u n g , insbesondere deren Kirchen- und Schulgesetze.1) Die Partei lehnte die Gültigkeit dieser Gesetze für Tirol ab und verlangte statt der in diesen niedergelegten Gleichberechtigung der Kirchen die Anerkennung der katholischen „Glaubenseinheit", d. h. daß die Protestanten in Tirol nicht das Recht der öffentlichen Religionsübung und auch nicht das Recht des Erwerbes von Grundbesitz haben sollten. Im österreichischen Reichsrate bildeten die Konservativen Tirols mit jenen der anderen deutschen Länder eine gemeinsame Partei, und diese forderte außer der Abänderung der Kirchen- und Schulgesetze auch eine staatsrechtliche Auflockerung, Föderalisierung des österreichischen Staatsverbandes, größere Selbständigkeit der Länder, wodurch eben in manchen derselben die konservative Richtung zu stärkerem politischen Einfluß gelangt wäre. Das brachte die deutsche konservative Partei in engere politische Fühlung mit Tschechen und Polen, die in ihren Ländern die alleinige Herrschaft ihrer Nation und deshalb die Beseitigung der Verfassung von 1861 und 1867 anstrebten. Die Liberalen Tirols standen auch in einer Front mit jenen in den anderen deutschösterreichischen Ländern, wo diese Richtung ja damals die Mehrheit hatte, und verteidigten in beiderseits oftmals ziemlich hitzigen Kleinkämpfen die Geltung der österreichischen Verfassung in Tirol gegen die konservative Mehrheit im Lande. Die Partei nannte sich daher auch „konstitutionell" oder „verfassungstreu". Bozen hatte am Beginn dieser Epoche einen jener Auftritte zu verzeichnen, wie sie damals als offene Zusammenstöße zwischen Vertretern der Kirche und des Staates auch sonst in Österreich (so besonders im Jahre 1868 mit dem Bischof Rudigier von Linz) vorkamen und großes Aufsehen erregten. Der Bürgermeister Dr. Streiter richtete nämlich als Vertreter der Regierungsgewalt im Juli 1861 an den damaligen Propst und Dekan von Bozen schriftlich und mündlich in einem Art Verhör eine Verwarnung, weil er das Predigen von Geistlichen gegen die neuen Staatsgesetze und andere Beeinflussungen des Volkes dagegen dulde.2) Der Landtag von Tirol suchte zum Schutze der „ G l a u b e n s e i n h e i t " seit 1861 ein eigenes Landesgesetz zustande zu bringen. In der Tat gab schließlich der Kaiser als Landesfürst im Jahre 1866 einem vom Landtag mit 39 konservativen gegen 11 liberale Stimmen beschlossenen Entwurf, daß in Tirol evangelische Kirchengemeinden nur mit Bewilligung des Landtags gebildet werden dürfen, die Sanktion. Hingegen hat die kaiserliche Regierung eine andere nur mit 33 gegen 19 Stimmen beschlossene Anregung, daß der Ankauf von Grundbesitz im Lande durch einzelne Protestanten Zur allgemeinen Übersicht über die innenpolitische Geschichte Österreichs, insbesondere über die E n t w i c k l u n g der politischen Parteien und die T ä t i g k e i t des Reichsrates sei auf das B u c h von R . Charmatz, Österreichs innere Geschichte von 1848 bis 1907 (Aus N a t u r und Geisteswelt, Nr. 242/43) verwiesen. 2)

Tiroler Stimmen 1861, Juli 12 ff. (S. 546, 559, 573, 595). Boz. Ztg. 1861, Juli 16.

S t o l z , Südtirol III.

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33«

III. § 5- - Die konservative Forderung der Glaubenseinheit für Tirol

auch der Genehmigung des Landtages vorbehalten sein solle1), stets die Zustimmung verweigert.1) Aber auch jenes erstere Gesetz von 1866 ist durch die gesamtösterreichische Verfassung von 1867 außer Kraft gesetzt worden. Die Mehrheit des Tiroler Landtages hat sich allerdings auf den Standpunkt gestellt, daß „Landrecht vor Reichsrecht gehe", allein die österreichische Staatsregierung hat dies nicht anerkannt. So ist tatsächlich im Jahre 1875/76 durch Verordnung des Kultusministers Dr. v. Stremayr ohne Rücksicht auf den Landtag und gegen den lebhaften Einspruch der konservativen Partei die Bildung e v a n g e l i s c h e r K i r c h e n g e m e i n d e n mit dem Sitze in I n n s b r u c k und Meran genehmigt worden, die alsbald die öffentliche Religionsübung aufgenommen und dann auch eigene Kirchen erbaut haben.2) Die Errichtung einer protestantischen Kirche in Gries bei Bozen, die seit 1902 unter Förderung des Stadtrates von Bozen betrieben wurde, hat neuerdings den Widerstand der konservativen Kreise gefunden, ist aber doch kraft eines Spruches des Verwaltungsgerichtshofes im Jahre 1905 ermöglicht worden. Die Kirche ward 1908 eingeweiht und 1912 eine eigene evangelische Kirchengemeinde Bozen-Gries gebildet.3) Die Entstehung dieser p r o t e s t a n t i s c h e n Gemeinden in Meran und Gries ist hauptsächlich durch das K u r w e s e n bedingt worden, das in Meran seit etwa 1840 und etwas später auch in Gries bei Bozen einsetzte und eine stetig wachsende Zahl reichsdeutscher Gäste dorthin brachte. Den ersten, viel bemerkten evangelischen Gottesdienst hat in Meran im Jahre 1858 der Hofprediger des Königs von Preußen abgehalten, im Jahre 1861 haben gerade im Burggrafenamt die Kundgebungen für die katholische *) Die liberalen Stimmen wurden abgegeben von den Bozner adeligen Grundbesitzern v. Goldegg, v. Eyrl, v. Ferrari (Branzoll), v. Morl (Salurn), v. Ingram, vom Vertreter der Bozner Handelskammer Dr. Kinsele, der Innsbrucker Handelskammer Dr. Leonardi, vom Abgeordneten des Bezirkes Bruneck Ed. v. Grebmer, des Bezirkes Lienz AI. Röck, von dem Abgeordneten der Stadt Innsbruck Dr. Fl. Blaas, der Unterinntaler Städte Faistenberger; Dr. Pfretschner, der liberale Abgeordnete des Bezirkes Schwaz, war abwesend. Gegen die zweite Anregung stimmten auch einige Vertreter aus Welschtirol (s. Verhandl. d. Tir. Landtages 1865/66, S. 785). 2 ) Eine Übersicht über die Tatsachen des politischen Ringens um die Glaubenseinheit und über die Bildung protestantischer Kirchengemeinden in Tirol im 19. Jahrhundert bietet die vom katholisch-konservativen Standpunkt aus verfaßte Schrift von P e r e g r i n u s (Deckname für G. S c h u n t e r ) , Der Protestantismus in Tirol, Brixen 1912. Eine erschöpfende aktenmäßige Darstellung über diesen Gegenstand steht noch aus. Sehr reichlich handeln über die Glaubenseinheit die Tageszeitungen und polemische zeitgenössische Einzelschriften aus den 1860 er Jahren, so von Büß, Mazegger, Moriggl, Siegmund, Peter, Tinkhauser, ein ungenannter „rheinischer Rechtsgelehrter", Streiter in seinen Studien; Wörz (ungenannt), Rechtshistor. Bemerkungen über die österr. Toleranzgesetze und deren Wirksamkeit in Tirol (1862) bietet eine sachliche Untersuchung über die rechtliche Seite der Angelegenheit. Hofer. Zur Geschichte des Toleranzpatentes Josefs II. in Tirol im Histor. Jahrbuch, Bd. 47 (1927) bringt neue aktenmäßige Aufschlüsse, ferner F. Zimmermann, Vorgeschichte usw. des Patentes von 1861 (Steyr 1930), S. 43 und 84 ff. wichtige Aktenstücke der österreichischen Regierungsstellen über den Widerstand des Tiroler Landtages gegen das Protestantenpatent von 1861, 3 ) S. Peregrinus wie vorige Anm. Ferner Bozner Zeitung 1905, Nr. 210, Haffner, Evang. Gde. Bozen-Gries 1912 (nur kurzer Wegweiser).

und die Bildung protestant. Kirchengemeinden in Meran und Gries.

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1

Glaubenseinheit besonders große Wogen geworfen. ) Dennoch haben sich seither immer mehr Protestanten in Meran niedergelassen, Ärzte, Gasthofbesitzer, Geschäftsleute und Handwerker, aber auch manche norddeutsche Adelige und reiche Bürger, die Ansitze und Weingüter ankauften und sich in der herrlichen Gegend dauernd niederließen.2) Was aber die Wortführer der Glaubenseinheit so oft voraussagten, ist nicht eingetreten und daher verlor jenes Schlagwort auch an öffentlicher Bedeutung. Der Übertritt von Einheimischen zur protestantischen Kirche war zur liberalen Zeit wohl gleich Null, infolge der von den Radikalnationalen seit 1900 entfachten Los-von-Rom-Bewegung zahlenmäßig auch recht geringfügig, etwas stärker als in Süd- in Nordtirol.3) Die Verteidiger der tirolischen Glaubenseinheit führten für diese auch einen mehr landschaftlich-nationalen Grund an, nämlich daß sie zur inneren Stärke und Geschlossenheit des Volkes von Tirol unerläßlich sei, daß ohne sie sein kriegerisches Auftreten, insbesondere im Jahre 1809, mit allen seinen Wirkungen auf die allgemeine deutsche Freiheitsbewegung im Jahre 1813 undenkbar gewesen wäre. Sicherlich hat für die Erhebung des Volkes von Tirol im Jahre 1809 das Gefühl, für die katholische Kirche und den Glauben zu kämpfen, eine sehr starke Wirkung ausgeübt, während die Anhänger der Aufklärung meist mehr oder weniger der bayerischen Regierung zugetan waren. Doch tritt der Begriff „Glaubenseinheit" in der schriftlichen Überlieferung des Jahres 1809 noch nicht in jener scharfen politischen Ausprägung hervor wie später seit dem Jahre 1848 und besonders seit 1861. 4 ) Wenn man jene Haltung der konservativen Landtagsmehrheit vom nationalen, allgemein deutschen Gesichtspunkt betrachtet, so bedeutet sie eine wesentliche Abrückung Tirols von der sonst in deutschen Ländern damals meist durchgedrungenen bürgerlichen Gleichberechtigung der verschiedenen christlichen Bekenntnisse. Ferner bedeutete diese Haltung ein Hemmnis f ü r die neue Zuwanderung von Deutschen in Tirol, soferne sie nicht katholischer Religion waren. Gerade für den Südrand des deutschen x

) Vgl. Stampfer, Geschichte der Stadt Meran, S. 215 und 229 ff. Darnach Pokorny, Aus Merans Werdezeit, S. 39 ff. 2 ) R. Hengstenberg, Lebenserinnerungen 4. 7. (1916), zählt S. 175 f. namentlich die bekannteren Mitglieder dieser protestantischen Gemeinde in. Meran auf. H. selbst war als Erbauer des Gaswerkes aus Hamburg nach Meran gekommen. — Laut einer Feststellung im Tiroler Volksblatt vom 7. Juni 1899, Nr. 45 waren damals ein beträchtlicher Teil der Bauernhöfe in Ober- und Untermais in das Eigentum von reichsdeutschen Protestanten übergegangen und in noch größerer Zahl alte Adelssitze. Das Blatt meint, in einer protestantischen Gegend würde ein solches plötzliches Anschwellen des Grundeigentums von Katholiken großes Aufsehen und Widerspruch erregen. 3 ) Im Jahre 1910 zählten beiläufig Innsbruck und Meran unter ihrer ortsanwesenden Bevölkerung je 1500, Bozen 500, ganz Deutschtirol 5500 Protestanten, d. i. ungefähr ein Prozent der ganzen Bevölkerung. 4 ) Die Wendung, daß durch das Toleranzpatent K. Josef II. „Die Einheit der Religion" in Tirol gefährdet werde, findet sich allerdings schon in der Beschwerde, die der Bischof von Brixen im Jahre 1790 auf dem damaligen Landtag gegen die Regierung des Kaisers erhoben hat (Geschichtsfreund Brixen 1866, S. 175). 22 *

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III. § 5 .

- Nationale Bedeutung der konfessionellen Frage.

Gebietes, wo die welsche Zuwanderung von der anderen Seite kleinweise, aber andauernd vor sich ging, wäre eine ähnliche allmähliche Verstärkung der örtlichen deutschen Volksvermehrung sehr wichtig gewesen. Die Unterbindung der deutschen Zuwanderung im Etschlande im Zeitalter der Gegenreformation (d. i. seit dem 16. Jahrhundert) hatte ja damals einen Stillstand und Rückgang der deutschen Ausbreitung dortselbst verursacht (vgl. Bd. 1, S. 136). In einem gewissen Sinne stellt ja die Haltung der Tiroler Konservativen in der Protestantenfrage eine Fortsetzung der Anschauungen der Gegenreformation dar. Allein für die tatsächlichen Verhältnisse des 19. Jahrhunderts kamen solche Wirkungen nur wenig in Betracht. Denn für das flache Land, die bäuerliche Bevölkerung von Tirol ist eine Zuwanderung von außen, auch von anderen deutschen katholischen Gebieten im 19. Jahrhundert überhaupt nicht zu bemerken, da verschob sich nur innerhalb des Landes die bäuerliche Bevölkerung von den ungünstigeren in die günstigeren Lagen. In die Städte Südtirols besonders nach Bozen und Meran und deren Vororte, da war die Zuwanderung von Angehörigen geistiger und gewerblicher Berufe aus anderen deutschen Ländern sowohl Österreichs wie des Deutschen Reiches, beträchtlicher.1) In dieser Hinsicht war es von wirklicher n a t i o n a l e r B e d e u t u n g , daß die Staatsregierung die allgemeinen österreichischen Gesetze über das Niederlassungs- und Kirchenrecht der Protestanten auch in Tirol zur Geltung gebracht hat. Daß ziemlich einige begüterte Reichsdeutsche, darunter zur Mehrzahl eben Protestanten, besonders in und bei Meran Grundbesitze erwarben, hat gewiß die Stellung des Deutschtums im Etschland verstärkt. Manche von diesen reichsdeutschen Gutsbesitzern haben für die deutsche Schutzarbeit im Etschlande ein besonders warmes Herz und eine offene Hand gehabt, andere darunter, übrigens besonders ein Katholik, förderten in bedenklicher Weise die Niederlassung von Italienern.2) Nach der Einverleibung Südtirols in das Königreich Italien wurde der dortige Haus- und Grundbesitz der Reichsdeutschen (rund 600 Objekte) vom Staate beschlagnahmt, eine Gewalttat, die immerhin die Bedeutung dieses Besitzes für das Deutschtum der Gegend kennzeichnet.3) Während derart die Führung der kirchlich-konservativen Kreise die konfessionelle Frage in Tirol ohne Rücksicht auf ihren Zusammenhang mit dem allgemeinen Lebensbedürfnis der deutschen Nation behandelte, lehnte sie es auch ab, einen lediglich räumlichen Zustand der Kirchenverfassung, 1 ) Die Zahlen der Reichsdeutschen, die ständig in den Städten und Landbezirken Tirols von 1890 bis 1910 wohnten, s. oben S. 205 Ende. 2 ) So hat im Jahre 1897 Dr. H a n c k w i t z , der in Obermais seinen Ansitz hatte, in Pfatten bei Bozen einen Hof gekauft, um ihn wieder mit deutschen Bauleuten zu besiedeln (Rohmeder, D. Volkstum, S. 70). Der Genannte ermöglichte manchen jungen Leuten aus den deutschen Gemeinden in Welschtirol das Studium an deutschen Mittelschulen; er war auch an der Gründung des Tiroler Volksbundes beteiligt (s. oben S. 311). — Umgekehrt hat Baron K e t t e n b u r g in Untermais welsche Pächter und Dienstleute dorthin gebracht (s.oben S. 204. 3 ) Fingeller, Die Wahrheit über Südtirol (1926), S. 55.

Konservative gegen die nationale Trennung des Bistums Trient.

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der aber die Stellung des Deutschtums in Tirol erheblich berührte, zugunsten desselben abzuändern. Es war dies die kirchliche Zugehörigkeit des deutschen E t s c h l a n d e s — von Salurn über Bozen und Meran bis Klausen und Schlanders — zum B i s t u m T r i e n t , das mit seinem Sitze und dem weitaus größeren Teile seines Gebietes und seiner Bevölkerung in Welschtirol lag und daher unter vorherrschend italienischem Einflüsse stand. Gerade in dem erwähnten deutschen Randgebiete hatte sich seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts eine neue welsche Zuwanderung geltend gemacht und gerade jener kirchliche Zusammenhang mit Trient, die Tätigkeit von dort in das deutsche Gebiet entsendeter italienischer Geistlicher hatte die Erhaltung der italienischen Nationalität dieser Zuwanderer begünstigt, ihre Angleichung an die deutsche Grundbevölkerung aufgehalten. Daher schlugen weite Kreise in Deutschtirol, auch die Staatsregierung selbst, die Abtrennung des deutschen Etschlandes vom Bistume Trient und seine Zuweisung zum Bistum Brixen, das das übrige Deutschtirol umfaßte, vor. Allein die konservative Führung widerstrebte einer solchen Maßregel, unter anderem deshalb, weil ihr eine Umänderung des althergebrachten kirchlichen Lebens aus einem derart weltlichen Anlaß unerwünscht und unangebracht dünkte. Insbesondere hat in diesen Kreisen die von der Leitung des Erzbistums Salzburg geäußerte Meinung, daß eine Vergrößerung des Bistums Brixen im Süden eine Abgabe des bisher brixnerischen Unterinntales (d. h. von Jenbach bis Hall) nach sich ziehen solle, verstimmt. Denn man befürchtete daraus eine Schwächung des streng konservativen Widerstandes gegen die neue österreichische Volkschuleinrichtung, weil im Erzbistum Salzburg auch von geistlicher Seite dieser Widerstand nicht so kräftig und unversöhnlich geltend gemacht wurde wie im Bistum Brixen. Freilich bestand zu jener Gebietsveränderung zwischen den Bistümern Brixen und Salzburg keine unbedingte Notwendigkeit, wenn eben das nationale Bedürfnis des deutschen Anteiles des Bistums Trient für eine Abtretung desselben an Brixen als allein ausschlaggebend betrachtet wurde. Alles Nähere hierüber s. oben Bd. 1, S. 128 f. — Nur die oben zuletzt angegebene Begründung des Widerstandes der Brixner konservativen Kreise gegen jene Gebietsänderung der Bistümer ist mir erst nachher zur Kenntnis gekommen, und zwar aus einem ausführlichen Berichte, den im Jahre 1870 der damalige Statthalter von Tirol, Freiherr v. L a s s e r , ein entschiedener Vertreter der damals in Österreich herrschenden liberalen Richtung, an das Unterrichtsministerium über den Stand des Schulwesens in Tirol gerichtet hat (IStA. Statth. Reg. 1870 Präs. Nr. 1647). Die betreffende Stelle sei hier angeführt, denn sie zeigt uns in einer — allerdings etwas stark parteipolitisch gefärbten — Darstellung des höchsten Vertreters der Staatsgewalt im Lande die enge Verflechtung der Frage des nationalen Schutzes des Deutschtums in Tirol mit dem politischen Ringen zwischen der liberalen und katholisch-konservativen Richtung, wobei eben jener nationale Schutz durch das auf beiden Seiten übertriebene Hervorkehren jener politischen Prinzipien zu Schaden gekommen ist. Lasser ist übrigens auch später als Innenminister gegen jene Richtung in der liberalen Partei aufgetreten, welche mit Rücksicht auf allgemeine liberale Grundsätze, aus Doktrinarismus also, den Bestrebungen der Italiener, Welschtirol zu einer eigenen Provinz zu machen, sehr weit entgegenkommen wollte (vgl. unten S. 381). In jenem Berichte Lassers von 1870 steht also:

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III. § 5- - Liberale und konservative Einstellung

„Nicht nur im Lager der wälschtirolischen Aktionspartei sind die zu suchen, welche das Land bis zum Brenner dem Königreiche Italien einverleiben möchte, nicht nur in jenen Kreisen, welche die österreichische Fahne ostensible vorantragend, von einem ,Trentino* mit der Metropole Trient, eigenem Landtage, eigener italienischer Landesbehörden, abgesonderter Unterrichts- und Schulleitung, italienischer Lehrkanzeln an der Landeshochschule u. s. f. die vollständige Versöhnung Wälschtirols erwarten und verheißen — auch dort sind die Gegner des deutschen Elementes im Lande zu suchen, wo man die maßgebenden Befehle von Rom bekommt und das deutsche Interesse opfert, wenn ein römisches in's Spiel kommt. „ E s ist eine Tatsache, daß das Vorschreiten des wälschen Elementes nicht, wie man so gerne glauben machen möchte, lediglich in natürlichen Verhältnissen, insbesondere in der Genügsamkeit des Wälschtirolers und der Wohlfeilheit seiner Arbeit u. s. f. seinen Grund hat, sondern auf dem Gebiete der Kirche und Schule sistematisch gepflegt wurde. Es hat sich die Überzeugung Bahn gebrochen, daß die 10 deutschen Dekanate der Trientner Diözese aus derselben ausgeschieden und einer deutschen Diözese einverleibt werden müssen, wenn sich der obgedachte Verwälschungsprozeß nicht immer mehr und mehr vollziehen soll; ja es ist die dießfällige Verhandlung bereits so weit gediehen, daß Sne. k. u. k. Majestät diese Ausscheidung einzuleiten befohlen. Und dennoch ist diese als nothwendig erkannte Maßregel gescheitert, nicht etwa an der Unbeugsamkeit des Bischofs von T r i e n t ; er hatte bereits sich fügen zu wollen erklärt — sondern an dem Widerstande der B r i x n e r bischöflichen Kurie, welche lieber die 10 deutschen Dekanate dem wälschen Einflüsse preisgibt, als sie ein weiteres Hereinragen der Salzburger Diözese in das Unterinnthal gestattet, weil sie hievon eine Gefährdung der ultramontanen Richtung des Landes befürchtete. Auch haben die Verhandlungen in und außer dem Landtagssaale, wie auch die Auslassungen der Presse zur Genüge gezeigt, daß die klerikale Partei nicht zurückscheut, mit den wälschen Partheien aller Farben im Lande einen Bund einzugehen, wenn es sich darum handelt, ultramontane Interessen gegen die deutsche Verfassungspartey zu verfechten." Die verwaltungspolitische S o n d e r s t e l l u n g des d e u t s c h e n A n t e i l e s des Bistums Trient ist — das wäre Bd. 2, S. 128 Anm. 4 hinzuzufügen — u. a. auch bei der Zusammensetzung des Landesschulrates für Tirol in bemerkenswerter Weise durch Bestimmung eines eigenen Vertreters des Bischofs von Tient für jenes Gebiet gewahrt worden (Landesgesetz-Blatt für Tirol 1892, S. 23). Der Sieg P r e u ß e n s und der mit ihm verbündeten deutschen Staaten über F r a n k r e i c h im Jahre 1 8 7 0 / 7 1 ward in Bozen und Meran wie in anderen tirolischen und österreichischen Städten von den L i b e r a l e n gefeiert, in Bozen mit einem Fackelzug unmittelbar nach dem Sedanstage am 3. September 1 8 7 0 und mit einer Festversammlung nach Abschluß des Friedens am 4. März 1 8 7 1 in Meran am 6. März ebenfalls mit einem Fackelzuge und einer Festversammlung. 1 ) Man freute sich, wie auch die in Bozen damals von Dr. Huber und Dr. Kapeller gehaltenen Reden erkennen lassen, daß das deutsche Volk über seinen gefährlichsten äußeren Feind gesiegt und sich einen neuen kräftigen Staat errichtet hatte. Gleichzeitig erhoffte sich aber die Deutschliberale Partei aus dieser Steigerung des deutschen Ansehens auch eine Stärkung des österreichischen Deutschtums gegenüber den Slaven und dem damals vorübergehend in Österreich regierenden Ministerium Hohenwart, das das böhmische Staatsrecht d. h. die Herrschaft der S. Bozner Zeitung 1870, Sept. 5 und 1871, Nr. 53; Tiroler Volksblatt 1870, Sept. 7 und 1871 März. Neue Tirol. Stimmen 1870, Nr. 202 und 1871, Nr. 59 „Preußen in Bozen".

343 Tschechen in den Ländern der böhmischen Krone, auch über die ausgedehnten deutschen Gebiete derselben, herstellen wollte. Der Ministerpräsident Hohenwart war daher auch über die Abhaltung dieser „deutschen Siegesund F r i e d e n s f e i e r n " sehr unangenehm berührt und hat eine Fortsetzung derselben wie in anderen Ländern so auch in Tirol durch Erlaß vom 14. März 1871 untersagt, mit Hinweis auf den übernationalen österreichischen Staatsgedanken im allgemeinen und für Tirol mit besonderer Beziehung darauf, daß dadurch die Italiener Welschtirols zu nationalen, staatsfeindlichen Demonstrationen ihrerseits veranlaßt würden. Die Veranstaltung der Feier in Meran bezeichnete er deshalb als besonders unschicklich, weil sich damals dort die Kaiserin Elisabeth zum Kurgebrauche aufhielt. Die Rechtfertigung, die der Bürgermeister von Innsbruck über die dort abgehaltene Feier an das Ministerium gerichtet hat, betont, daß „wie bisher auch jetzt sich österreichische Staatsgesinnung mit deutschem Nationalbewußtsein wohl vereinbaren lasse, daß die meisten Einwohner der Stadt die deutschen Siege über einen alten Feind Deutschlands und Österreichs freudig begrüßt hätten und daraus die Hoffnung schöpften, daß ein dauerndes Freundschaftsbündnis zwischen Österreich und dem neuerstandenen Deutschen Reich die Ruhe Europas sichern und eine Ära friedlicher Entwicklung verbürgen würden". Diese Auffassung war jedenfalls auch für die Veranstalter der Feier in Bozen und Meran richtunggebend gewesen.1) Das Bozner konservative „Tiroler Volksblatt" und die „Tiroler Stimmen" in Innsbruck wendeten sich gegen jene Feiern, weil dieser Sieg Preußens über Frankreich nur zugunsten des preußischen Staates ausschlagen würde, der „der Todfeind nicht nur Österreichs, sondern auch Deutschlands und seit Jahrhunderten von der Bahn deutscher Treue und Ehrlichkeit abgewichen sei". Die k o n s e r v a t i v e n Kreise Tirols konnten es eben nicht verschmerzen, daß nunmehr das wesentlich protestantische Preußen die Führerrolle, die bisher das katholische Österreich in Deutschland besessen hatte, durch den Krieg von 1866 jenem entrissen hatte. Daß die deutsche Nation zum größeren Teile protestantisch sei und der preußische Staat weit mehr deutsche Einwohner hatte als Österreich mit seinen slawischen und ungarischen Ländern, daß Österreich konstitutionell in ausgesprochen deutschem Sinne kaum mehr zu regieren und daher die alte Stellung der Herrscher Österreichs gegenüber der deutschen Nation nicht mehr aufrechtzuerhalten war — all dies nicht zu beachten, das war eben die Einseitigkeit dieser sog. großdeutschen, katholisch-österreichischen Auffassung. Heute wird man diese — historisch bis zu einem gewissen Grade bedingte — Einseitigkeit wohl eher durchblicken, andererseits wird man einsehen, daß damals auch eine so weitgehende Ablehnung Preußens und seiner Führung in Deutschland keineswegs etwa eine bewußte Loslösung vom gesamtdeutschen Zusammengegenüber den Ereignissen von 1870/71.

S. die Akten IStA. Geh. Präs. II, Sign. 26/3. Der Kaiser hat übrigens mit Entschließung vom 21. März 1871 die Loyalitätserklärung des Bürgermeisters von Innsbruck, Dr. Tschurtschentaler, „allergnädigst zu Kenntnis zu nehmen geruht", womit das Ministerium die Angelegenheit für erledigt betrachtete.

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in. §5- -

Stärkere Betonung des nationalen Gedankens

gehörigkeitsgefühle bedeutet hat. 1 ) Wir haben übrigens Stimmen von Geistlichen gerade aus Südtirol, welche über diese Frage eine ganz andere Auffassung bekunden.2) Im ganzen waren aber solche Gegensätze der Weltanschauung und Politik nicht förderlich, um die rein nationale Belange des deutschen Volkstums an dessen äußerstem Südrande an der Etsch zur Geltung zu bringen, es verlor dadurch nach außenhin an der Wucht der inneren Geschlossenheit, die es gerade hier sehr nötig hatte. Denn der Deutsche ist im allgemeinen viel weniger als etwa der Italiener, Franzose oder Engländer befähigt, trotz innerer politischer Gegensätze die nationale Einheit nach außen zu wahren. Die Italiener in Welschtirol waren zwar auch in eine liberale und eine kirchlich gesinnte Partei geteilt, aber sie verstanden es trotzdem viel besser, gegen die Regierung und die deutsche Landtagsmehrheit in ihren nationalen Angelegenheiten zusammenzuspielen. Mit dem Jahre 1879, dem Antritte des Ministeriums T a a f f e , hat bekanntlich die Deutschliberale Partei ihre bisherige Stellung als bevorzugte Regierungspartei in Österreich eingebüßt, es wurde zwar nicht die Verfassung von 1867 beseitigt, aber den slawischen Völkerschaften im Wege der Verwaltung zahlreiche Zugeständnisse gemacht, was fast immer mit einer Beeinträchtigung der bisherigen nationalen Stellung der Deutschen verbunden war. So wurden diese immer mehr dazu geführt, die Verteidigung ihrer nationalen Stellung nicht allein vom Staate zu erwarten, sondern hiezu besondere Organisationen innerhalb ihrer eigenen völkischen Gemeinschaft zu schaffen. Als erster derartiger völkischer Schutzverein für die Deutschen in ganz Österreich ist im Jahre 1880 der Deutsche Schulverein gegründet worden, bereits ein Jahr darauf zu Bozen eine Ortsgruppe desselben unter der Obmannschaft von Dr. Julius P e r a t h o n e r , dem späteren Bürgermeister und deutschnationalen Abgeordneten der Stadt. Wie dieser Verein sich sonst in Südtirol entwickelt und betätigt hat, führe ich des näheren auf S. 307 f. an. Freilich beteiligten sich vorerst an dieser Bewegung meist nur die politisch liberalen Kreise, der Zwiespalt zwischen diesen und den Konservativen war gerade hinsichtlich des Schulwesens so groß, daß ein Zusammenarbeiten auf diesem Gebiete kaum möglich erschien. Nur in den Orten un*) Jene Denkweise der Konservativen Tirols gegenüber dem Aufstieg Preußens zur deutschen Vormacht entspricht durchaus den Ansichten und Gefühlen, die in dieser Sache die sog. patriotische, d. i. katholisch-konservative Partei in B a y e r n bis zum Jahre 1870/71 bekundet und bestätigt hat. (S. dazu M. Döberl, Bayern und die Reichsgründung 1925.) Die Zeitschrift „Histor.-politische Blätter", die vom Führer dieser bayerischen Partei, Dr. Jörg, geleitet wurde, war auch für die konservative Richtung in Tirol tonangebend in allen grundsätzlichen politischen Fragen. 2 ) So schrieb am 21. Januar 1871 der Pfarrer Franz Mitterer von Proveis, der bekannte Vorkämpfer des Deutschtums auf dem Nonsberg, an Ludwig Steub: „Mein Herr Kooperator Welponer aus Bozen . . . ist Großdeutscher und über die deutschen Siege ganz entzückt." 1 (Fittbogen, F . Mitterer, S. 35.) Ein Seitenstück hiezu bietet der (liberal eingestellte) Bozner Gelehrte F. v. Hausmann, der ebenfalls die Ereignisse des Jahres 1870/71 freudig begrüßte} und am Tage von Wörth ,,auf der schönsten Esche von Seis eine weiß-schwarz-rote Fahne"' hißte (ZFerd. 23, S. 28). i

bei den Liberalen Tirols seit 1880; Perathoner.

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mittelbar an der Sprachgrenze hat man, wenn auch die Gemeindevertretungen wie überall im Lande konservativ waren, nicht nur von Seite dieser, sondern auch der Geistlichkeit die vom deutschen Schulverein angebotene Hilfe gerne angenommen. Der im Jahre 1885 für die Deutschsüdtiroler Städtekurie, Bozen und Meran an Stelle des konservativen Johann v. Giovanelli gewählte liberale Reichsratsabgeordnete Dr. Joh. A n g e r e r , Sekretär der Bozner Handelskammer, hat im Jahre 1882 die erste genaue sozialstatistische Untersuchung über die Volkstumsverhältnisse in Südtirol, ein Ergebnis sehr eingehender Studien, veröffentlicht. In seinem Wahlaufruf betonte er, daß er wie für die Belange der Deutschen in Südtirol, so auch für deren Stellung in Österreich überhaupt eintreten werde. 1 ) Die veränderte Stellung der deutschliberalen Partei im österreichischen Staate und der zunehmende Kampf mit den anderen Nationalitäten, andererseits auch das Aufkommen neuer Ideen über soziale und wirtschaftliche Aufgaben der Volksgemeinschaft haben seit den 1880 er Jahren große Umschichtungen im Parteiweisen verursacht, so vor allem in der liberalen Partei selbst. Die alten Führer und Programme verloren weite Kreise ihrer bisherigen Anhängerschaft und neue Parteirichtungen gestalteten sich, die sich mit manchen Abschattierungen als „ d e u t s c h n a t i o n a l " bezeichneten. Der Leitgedanke dieser nationalen Richtung gegenüber der liberalen war der: Nicht mehr der Staat Österreich solle das oberste Endziel der Politik sein, sondern das deutsche Volkstum in diesem mehrnationalen Staate. Insbesondere dürfen auf Kosten der geschichtlichen Stellung des Deutschtums an die jeweilige Staatsregierung keine Zugeständnisse mehr gemacht werden. Eine solche Auffassung konnte natürlich bis zur Verneinung des österreichischen Staatsgedankens führen. Diese radikalste Folgerung wurde aber nur von einem Teile der Nationalen gezogen, weite Kreise waren vielmehr von einem vermittelnden Gedanken beherrscht. Der Staat Österreich werde nämlich gemäß seiner geschichtlichen Herleitung am besten gedeihen, wenn er das deutsche Element in seinem Innern fördere und kräftige. 2 ) Die staatsrechtliche Ausgliederung Österreichs nach seinen Völkerstämmen, ein eigentlich liberaler Gedanke, ward in jener Höhezeit des inneren nationalen Kampfes in Österreich wenig beachtet, parteipolitisch haben ihn zuerst die Sozialdemokraten vertreten. Ferner haben die Deutschnationalen gegenüber den Lehren des wirtschaftlichen Liberalismus den wirtschaftlichen und sozialen Schutz der bodenständigen deutschen Bevölkerung, von Gewerbe und Landwirtschaft, die Zurückdrängung des Judentums in seinem Einflüsse insbesondere auf das öffentliche und kulturelle Leben, im übrigen aber die Aufrechterhaltung der liberalen Errungenschaften auf dem Gebiete des geistigen Lebens und seiner Freiheiten gefordert. Auch in Bozen hat die neue nationale Richtung bald einen Stock von Anhängern gewonnen, die sich durch die Gründung einer Ortsgruppe des Bozner Zeitung 1885, Nr. 99 und 122. Seine Nachfolger s. S. 347. Näheres über diese politische Ideenbildung s. bei Molisch, Geschichte der deutschnationalen Bewegung in Österreich, S. 106 ff. 2)

III. § 5. — Bürgermeister und Abgeordnete von Bozen 1885—1900. 34 6 deutschen Schutzvereines „ S ü d m a r k " (im Jahre 1895), aber auch durch scharfes Auftreten nach außen bei manchen Gelegenheiten bemerkbar machten. So hatte der italienische Seelsorgeverein, „ S o d a l i z i o cattolico I t a l i a n o " zu Bozen, der außer dieser kirchlichen Seite auch eine Sammlung der in Bozen wohnenden Italiener überhaupt darstellte, am 28. Oktober 1894 die bischöfliche Musik von Trient zu einem Konzert, dessen Erträgnis zum Ankauf einer italienischen Nationalkirche in Bozen dienen sollte, nach Bozen kommen lassen. Als die uniformierte Musik vom Bahnhof in die Stadt einzog und dann besonders als sie am Schlüsse des Konzertes die „Marcia Reale", ein national-italienisches Kampflied, unter dem herausfordernden Beifall der versammelten Italiener spielte, setzte es heftige Kundgebungen seitens der Bozner Deutschnationalen ab, was sogar ein Eingreifen des Militärs zur Folge hatte. Das konservative Bozner Blatt tadelte diese Kundgebungen und versicherte die in Bozen lebenden Italiener, daß die konservativen Kreise diesem Treiben ferne stehen und es verabscheuen. Auch die liberale Bozner Zeitung bedauerte diesen Vorfall „im Interesse des bisher stets bestandenen guten Einvernehmens zwischen Deutschen und Italienern", gibt aber doch zu, daß der ganzen Veranstaltung der Italiener ein provokatorischer Charakter angehaftet habe und daher die Behörde dieselbe vom Anfang an hätte verbieten sollen. Die deutschnationale Kundgebung hatte sich übrigens auch gegen den Bürgermeister und den amtsführenden Magistratsrat gerichtet, weil sie zu dem Konzerte den Bürgersaal zur Verfügung gestellt und sich auch sonst den Italienern gegenüber allzu willfährig gezeigt hätten.1) Wie auch in den anderen alpenländischen Städten hat auch in Bozen binnen einigen Jahren die nationale Richtung der jüngeren über die liberale der älteren Generation die Oberhand gewonnen. Als im Jahre 1895 in Bozen der Bürgermeister neu zu wählen war, wurde dazu Dr. Brakenberg, gerade wegen jener schwächlichen Haltung gegenüber den Italienern, nicht wieder vorgeschlagen, sondern an seiner Stelle Dr. Julius Perathoner und auch fast einstimmig zum Oberhaupte der Stadt gewählt.2) Perathoner hatte bereits 1893 eine parteitaktische Zusammenfassung der fortschrittlichen und nationalen Elemente in Südtirol in die Wege geleitet und entwickelte sich nun immer mehr zum Führer der nationalen Bewegung dortselbst. Die Vertretung der Stadt Bozen im Tiroler Landtag hatte nach Dr. Würzer seit 1888 der ebenfalls liberale Rechtsanwalt Dr. Karl v. Hepperger, der zugleich die Würde des Landeshauptmannstellvertreters und des Vizebürgermeisters von Bozen bis zu seinem Ableben im Jahre 1905 bekleidete, geführt.3) Im österreichischen Tiroler Volksblatt und Bozner Zeitung vom 29. und 31. Oktober 1894. ) P e r a t h o n e r war 1849 zu Bruneck geboren und seit 1872 in Bozen als Rechtsanwalt ansässig. Die Familie stammt aus Groden. Bozner Zeitung vom 25. Januar und 1 1 . März 1895; Rohmeder, D. Volkstum in Südtirol (1898), S. 66. 3 ) Innsbrucker Nachrichten 1905, Nr. 15. H e p p e r g e r hat bereits von 1873 bis 1888 als Abgeordneter der Bozner Handelskammer, dann bis 1901 der Stadt Bozen und bis I9°3 als Abgeordneter des adeligen Großgrundbesitzes dem Tiroler Landtag angehört. 2

347 Reichsrate hatte nach Dr. Angerer seit dem Jahre 1893 das Mandat für die Städte Bozen und Meran Freiherr Bohuslaw v. Widmann, der im vorausgehenden Jahrzehnt Statthalter von Tirol gewesen, übernommen, seit 1897 der Bozner Handelskammerpräsident Paul Welponer. 1 ) Die genannten Vertreter standen noch im hergebrachten Verbände der deutschliberalen Partei. Die allgemeinen Aufrufe derselben, wie sie auch in der Bozner Zeitung veröffentlicht wurden, betonten, daß nur eine enge Gemeinschaft zwischen allen Deutschen Österreichs deren Stellung im Staate erhalten könne; die persönlichen Programme jener Wahlwerber für Bozen berühren allerdings nicht näher die nationale Frage. Im Jahre 1895 hat die Frage, ob in der südsteirischen Stadt Cilli, die selbst zur Mehrheit deutsch, deren ländliche Umgebung aber slowenisch bevölkert war, ein slowenisches Gymnsium errichtet werden solle, die Sprengung der damaligen, aus den Deutschliberalen (der sog. vereinigten Linken), den Konservativen und dem Polenklub bestehenden Regierungsmehrheit in Österreich herbeigeführt. Die ersteren wollten nur in der Umgebungder Stadt ein solches Gymnasium zugestehen, nicht aber in dieser selbst, um das bisherige nationale Kräfteverhältnis nicht zuungunsten der Deutschen zu verschieben. In der entscheidenden Abstimmung im Reichsrat stellten sich nur die damals zahlenmäßig noch schwachen Christlichsozialen und die Italiener auf Seite der Deutschliberalen und Deutschnationalen, während die deutschen Konservativen mit den Slawen gingen und dadurch den Ausschlag zugunsten jener slowenischen Mittelschule in Cilli gaben. Schon dieses Ereignis hat in die bisher liberalen Kreise Deutschsüdtirols im nationalen Sinne Bewegung gebracht, man rief auch dort nach einer kräftigeren Vertretung der nationalen Interessen und wendete sich gegen den konservativen Abgeordneten Dipauli, der zugunsten des slowenischen Antrages gesprochen und gestimmt hatte.2) Als im Jahre 1897 infolge der böhmischen S p r a c h e n v e r o r d n u n g e n des Ministers Badeni bei den Deutschen in Österreich die Erregung über die rücksichtslose Verletzung ihrer nationalen Rechte auf eine noch nie dagewesene Höhe gestiegen war, erreichte diese Stimmung auch Südtirol. Der Gemeinderat von Bozen beschloß einhellig eine entschiedene Einsprache gegen diese Verordnung, denn auch in Tirol, das ja auch zwei Landessprachen hatte, und besonders in der Grenzstadt Bozen könne auf solche Weise der bisherige Gebrauch der Amtssprache willkürlich und zuungunsten des Deutschtums abgeändert werden. „Den Deutschen im Süden sei es Cilli und die Sprachenverordnungen Badenis 1897.

Freiherr v. W i d m a n n , aus einer mährischen Familie, war ausgesprochener hoher Beamter der Verfassungsära, sein Wahlprogramm befaßt sich nur mit wirtschaftlichen Fragen und versichert, daß er „jeder extremen politischen und nationalen Richtung ferne stehe" (s. Bozner Zeitung 1893, Nr. 39, 43 und 54). Wer die Wahlwerbung Widmanns, der damals in Wien lebte und hiezu nicht einmal nach Bozen gekommen ist, eigentlich aufgebracht hat, geht aus der Zeitung nicht hervor. Über Widmanns Lebenslauf s. Wurzbach, Biogr. Lex. 55, 244. — Den Wahlaufruf Welponers s. Bozner Zeitung 1897, März 17. 2 ) Bozner Zeitung 1895, Nr. 157 f.

III. § 5. — Die Rückwirkung der böhm. Sprachenverordnungen von 1897

klar, welche Gefahr auch für sie in diesen Sprachen Verordnungen hege." 1 ) Bei dieser Abwehr tat sich in Südtirol auch der liberale Landtags- und Reichsratsabgeordnete des adeligen Großgrundbesitzes Dr. Karl V. G r a b m a y r hervor.2) Dieser vertrat in Tirol eine Politik des nationalen Ausgleiches mit den Italienern, einen um so stärkeren Eindruck machte daher die große Rede, die er in Meran am 15. Juni 1897 gegen jene Sprachenverordnungen als einen Versuch, in einem einsprachigen deutschen Gebiete eine zweite Amtssprache einzuführen, gehalten hat.3) Es heißt da: „Mögen die Tschechen immerhin in ihrem Gebiete sich die sprachlichen Verhältnisse nach ihrem Bedarf und Belieben gestalten! Auf den Einbruch aber in das rein deutsche Sprachgebiet (nämlich Böhmens), so wie ihn die Badenischen Ordonnanzen organisieren, müssen die Tschechen verzichten; eine solche Vergewaltigung werden sich die Deutschen nie und nimmer gefallen lassen, sie werden im äußersten Widerstand fortfahren, bis das schreiende Unrecht v e r s c h w i n d e t . . . I n dieser allgemeinen Bewegung, die das deutsche Volk in Österreich mächtig ergriffen hat, dürfen wir Tiroler nicht zurückbleiben. Wenn je, so gilt es heute, die Gemeinbürgschaft aller Deutschen in Österreich zu kräftigstem Ausdrucke zu bringen. Nicht nur das ideale Band, das alle Deutschen zusammenschließt, veranlaßt uns, f ü r die Volksgenossen in den Sudetenländern einzutreten, es sind auch unmittelbare praktische Interessen, die uns unseren Platz in diesem K a m p f e anweisen. Nicht um eine lokale F r a g e wird gekämpft, sondern um die Abwehr der slawischen Vorherrschaft, deren politische und wirtschaftliche Folgen auch w i r Tiroler empfindlich genug zu spüren bekämen. Auch in der Politik 1

) Bozner Zeitung 1897, Mai 7. ) Das Geschlecht G r a b m a y r erscheint seit dem Anfang des 17. Jahrhunderts in Lana bei Meran, seine Mitglieder bekleideten meist Amtsstellen beim dortigen Gerichte. Johann Anton Grabmayr, Richter in Lana und dann Amtmann des Deutschen Ordens in Schlanders, wurde 1779 mit dem Prädikate von Angerheim, seinem ererbten Ansitz in Lana, in den Adelstand erhoben und ließ sich im Jahre 1797, nachdem er sich mit der Tochter des in Gries bei Bozen begüterten Advokaten Stickler von Gassenfeld verehelicht hatte, als Advokat in Bozen nieder. Dessen Sohn und älterer Enkel führten die Kanzlei in Bozen weiter, während der jüngere Enkel K a r l v. G r a b m a y r , geboren zu Bozen im Jahre 1848, eine Rechtsanwaltskanzlei in Meran im Jahre 1878 eröffnete, nachdem er vorher einige Zeit in demselben Berufe in Wien tätig gewesen und aus Gesundheitsrücksichten wieder nach Südtirol zurückgekehrt war. Nach Erwerb entsprechender Liegenschaften wurde Karl v. Grabmayr im Jahre 1892 von der Kurie des Südtiroler adeligen Großgrundbesitzes in den Tiroler Landtag und im Jahre 1897 in den österreichischen Reichsrat als Abgeordneter gewählt. Nach der Einführung des allgemeinen Wahlrechtes im Jahre 1907 kandidierte er nochmals für das Abgeordnetenhaus im Wahlkreise der kleineren Südtiroler Städte und Märkte (Brixen usw.), unterlag aber gegen den christlichsozialen Bewerber A. v. Guggenberg; er wurde dann in das Herrenhaus berufen, 1905 Vizepräsident und 1 9 1 3 Präsident des Reichsgerichts. — Grabmayr galt als einer der hervorragendsten praktischen Juristen und Gesetzestechniker Österreichs, sein politisches Streben war auf große, über engere Standesinteressen weit hinaus gesteckte Ziele durch Schaffung neuer Gesetze gerichtet, so besonders in der Frage der Reform des bäuerlichen Grundbesitzund Schuldrechtes und in jener der Autonomie von Welschtirol (s. unten S. 375f. u. 388ff.). Grabmayr veranlaßte noch im Jahre 1919 die Herausgabe des Sammelbuches „Südtirol" als erste literarische Verwahrung gegen die Besitznahme des Landes durch Italien und starb im Jahre 1923. (Ein Lebensbild von ihm bei Bettelheim, Neue österr. Biographie, Bd. 6, S. 93 ff., ein Überblick über sein politisches Wirken auch bei Friedjung, Histor. Aufsätze 1919, S. 443 ff.) s ) Die Rede ist unter dem Titel K . v. Grabmayr, Die Sprachenverordnungen und die politische Lage als Sonderdruck Innsbruck 1897 erschienen, ferner auch enthalten im Buche Grabmayr, Von Badeni bis Stürgkh, ges. polit. Reden herausgegeben 1912, S. 28 ff. J 2

auf das nationalpolit. Denken in Tirol; Grabmayr.

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gilt das .Heute mir, morgen Dir'; was man heute den Deutschböhmen antut, könnte morgen uns selbst widerfahren; darum sagen wir uns: ,Was Du nicht willst, das man Dir tu', das laß' auch Deinem Bruder nicht zufügen'. . . Wir Deutschtiroler sind wahrlich keine nationalen Chauvinisten. Wir leben verträglich mit unseren italienischen Landesgenossen, treiben keine Expansivpolitik und sind zufrieden, wenn man nur auf unser Volkstum keinen Angriff versucht. Aber bei aller Mäßigung sind wir doch e c h t e , t r e u e S ö h n e des d e u t s c h e n V o l k e s und stehen mit ganzem Herzen in dieser Bedrängnis auf Seite unserer Volksgenossen. Den zahlreichen erhebenden Kundgebungen deutschen Nationalgefühls, in denen in jüngster Zeit alle Kreise des deutschen Volkes einträchtig und begeistert sich zusammenfanden, wollen auch wir deutsche Bewohner der alten tirolischen Landeshauptstadt (d. i. eben Meran) uns anschließen und auch u n s e r e Stimmen sollen den machtvollen Chor verstärken, aus dem der Regierung die Entrüstung eines schwer beleidigten Volkes entgegenbraust."

Die deutschliberale Gruppe brachte auch im Tiroler L a n d t a g am 14. Jänner 1898 die durch die Sprachenverordnungen in Österreich geschaffene politische Lage zur Sprache und auch hiebei war Grabmayr der Hauptredner. Mit eindringlichen Worten schilderte dieser nicht nur die Ungerechtigkeit und Unannehmbarkeit jener Verordnung für die Deutschen in Böhmen und Mähren, sondern auch die Gefahr, welche aus dem Grundgedanken derselben auch für Tirol als einem von zwei Sprachstämmen bevölkerten Lande erwachsen könne. Er beschwört die konservative Seite des Landtages, ihr bereits gelockertes Verhältnis zu den Slawen entgültig und ganz zu lösen und sich in dieser Frage den übrigen Deutschen anzuschließen. „Ich rufe Sie", sagte er zu den Konservativen gerichtet, „weiter an als deutsche Volksgenossen, in deren Brust wie in der unseren trotz aller politischen Meinungsverschiedenheit ein deutsches Herz schlägt, an deren Wiege, wie bei uns, eine deutsche Mutter stand, denen mit uns deutsches Blut, die edle deutsche Muttersprache gemein ist . . . Gleichviel ob, klerikal oder liberal, können und sollen wir alle national sein; dazu drängt uns das von allen anderen Völkern bereits gegebene Beispiel." Im Namen der Konservativen suchte der Abgeordnete Zallinger den Widerstand, welchen die Deutschen im Reichsrat wegen dieser Sprachen Verordnung der Regierung entgegengesetzt hatten, als eine revolutionäre Handlung hinzustellen, aber die Entschließeung, die er anstatt der von den Liberalen eingebrachten beantragte und die auch einstimmig angenommen wurde, fordert die Regierung auf, „unter Wahrung des berechtigten Besitzstandes des Deutschen eine Verständigung zwischen den beiden Volksstämmen in Böhmen zum Zwecke der gesetzlichen Regelung der Sprachenverhältnisse herbeizuführen". 1 ) Gemessen an der Sprache, die damals andere deutschösterreichische parlamentarische Körperschaften oder Gruppen führten, war der Wortlaut dieser Entschließeung gewiß sehr gemäßigt, ja schwächlich, aber er gab schließlich doch als eine einmütige Meinung des Tiroler Landtages kund, daß die Sprachen Verordnungen Badenis ungerechtfertigt seien. Im Oktober 1897 hat in Innsbruck ein deutscher Parteitag stattgefunden, der von den Deutschfortschrittlichen (Liberalen) und DeutschnationaBer. d. Tir. Landtages 1898, S. 9 und 19 bis 32.

III. § 5. — Gründung des deutschen Volksvereines für Südtirol

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len aus ganz Tirol besucht war und einen gemeinsamen „ D e u t s c h f r e i h e i t l i c h e n L a n d e s w a h l a u s s c h u ß " als oberste politische Zusammenfassung dieser Richtungen einsetzte. A m öffentlichen Festabend hielt Grabmayr die Hauptrede und legte in derselben die Berechtigung der nationalen A b wehr der Deutschen sowohl für ihr eigenes Volkstum wie für den österreichischen Staat und die Sammlung aller Kräfte für diesen Zweck dar. „Der Endzweck des Kampfes ist der Friede", schloß der Redner, „weihen wir alle unsere Kräfte der Sache des deutschen Volkes, die mit dem Wohl und Wehe des österreichischen Gesamtvaterlandes so innig verknüpft i s t . " 1 ) In Bozen stand an der Spitze der n a t i o n a l e n Bewegung Bürgermeister P e r a t h o n e r . A m 30. Oktober 1897 fand unter seiner Leitung und bei Anwesenheit führender Reichsratsabgeordneter aus anderen deutschösterreichischen Ländern in Bozen der erste „ d e u t s c h e V o l k s t a g " statt, der das Erwachen des nationalpolitischen Bewußtseins bei den freiheitlichen Deutschsüdtirolern und deren Einverständnis mit der Haltung der deutschen Abgeordneten im Reichsrat gegen das Ministerium Badeni und dessen böhmische Sprachenverordnungen zum Ausdruck bringen sollte.2) Die auf jener Tagung gefaßte Entschließeung hat folgenden Wortlaut: „Die am Volkstage in Bozen versammelten Deutschen sagen allen jenen Abgeordneten, welche in so ausdauernder Weise den Kampf gegen das derzeitige Ministerium im Interesse des deutschen Volkes in Österreich geführt haben, den aufrichtigsten Dank aus; sie fordern die Abgeordneten des deutschen Volkes auf auszuharren in diesem heiligen Kampfe, bis ein ehrenvoller Friede es ihnen ermöglicht die Streitaxt bei Seite zu legen. Sie sprechen ihr tiefstes Bedauern und ihre sittliche Entrüstung darüber aus, daß ein Theil der von den Deutschen in den Reichsrat entsendeten Abgeordneten in diesem Kampfe sich auf die Seite der Regierung und der Slawen gestellt und das deutsche Volk verrathen hat; sie verwahren sich gegen die in neuerer Zeit von den Regierungsorganen mit Vorliebe den Deutschen gemachten Vorwurf einer antiösterreichischen Gesinnung; sie verwahren sich ferner gegen jeden Versuch, durch Regierungsakte die Bestimmungen der Verfassung illusorisch zu machen, oder gar außer Kraft zu setzen; sie erwarten, daß alle Deutsche ohne Unterschied der Parteistellung die Abgeordneten des deutschen Volkes in dem gegenwärtigen schweren Kampfe für sein gutes Recht und für seine Muttersprache nach Kräften unterstützen werden." Im Jänner 1898 erfolgte die Gründung des „ D e u t s c h e n V o l k s v e r e i n e s f ü r S ü d t i r o l " , der den Aufbau der nationalen Partei vollendete und in diese auch die liberalen Reste einfügte. Nach Perathoners Programmrede solle der Verein in Glied der deutschen Volkswehr vom Riesengebirge bis zur Etsch sein, aber auch die Freiheit des Geistes verteidigen. 3 ) Dieser 1

) Tiroler Tagblatt 1897, Nr. 239. Unter den Vertretern aus Südtirol werden angeführt Perathoner (Bozen) und Lun (Meran) als deutschfortschrittlich, Wachtier (Bozen), Weinberger (Meran), Mader (Brixen), Leiter (Bruneck) als Deutschnationale. Die Rede Grabmayrs ist auch in seinen ges. polit. Reden abgedruckt. 2 ) Bozner Zeitung 1897, Nr. 248 bis 251. Bei diesem Volkstag und anderen Versammlungen der nächsten Zeit sprachen in Bozen von auswärtigen Reichsratsabgeordneten K. H. Wolf (Trautenau in Böhmen, deutschradikal), Dr. O. Lecher und Dr. G. Groß (Mähren, deutschfortschrittlich), Dr. Steinwender (Kärnten, deutschvolklich). Auch das Tiroler Volksblatt vom 8. Januar 1898 vermerkt die eifrige Teilnahme ,,der deutschnationalen Jungmannschaft Bozens" bei diesen Versammlungen. 3 ) Bozner Zeitung 1898, Nr. 21 bis 23.

und Ersetzung der liberalen durch die nationale Richtung.

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politische Verein hat sich der in Österreich, in den Alpen-wie in den Sudetenländern, damals neu gebildeten Partei der deutschen Mitte — der D e u t schen V o l k s p a r t e i — angeschlossen. Diese Partei war infolge der oben angedeuteten Abwendung von der liberalen Partei zum erstenmal im Jahre 1895 förmlich ins Leben getreten und hatte im Jahre 1896 auch im Reichsrate einen Abgeordnetenverband gebildet. 1 ) Auch in Tirol war zur Verdrängung der liberalen Organisation ein sog. Deutscher Wählerverein errichtet worden, und dieser hat gleichzeitig mit dem Zusammentritte der Deutschen Volkspartei in den übrigen österreichischen Ländern auf einer aus ganz Tirol beschickten Vertrauensmännerversammlung am 28. September 1895 beschlossen, auch hier „eine starke, auf national-reformatorischen und politisch-freiheitlichen Grundsätzen aufgebaute deutsche Volkspartei ins Leben zu rufen". Anfangs von den bisherigen liberalen Führern und Zeitungen noch mit Zurückhaltung aufgenommen, mußten aber auch diese bald in das neue Fahrwasser einbiegen.2) Annähernd zur selben Zeit wie in Bozen hatte sich (am 9. März 1898) auch in Innsbruck ein „Deutscher Volksverein" für Nordtirol gebildet, der unter der Führung von Dr. Eduard Erler ebenfalls der deutschen Volkspartei beitrat. Dadurch ist diese in beiden Städten an Stelle der bisher dort herrschenden deutschliberalen Partei getreten.8) Der Deutsche Volksverein für Südtirol hat in den nächsten Jahren eine lebhafte Versammlungstätigkeit entfaltet, zum Teil auch gemeinsam mit jenem für Nordtirol.4) Die Anhänger der schärferen nationalen Tonart hielten sich damals unter der Bezeichnung „Deutschnationale" oder auch „Deutschradikale" von der Deutschen Volkspartei noch gesondert und veranstalteten ihren ersten Parteitag am 23. April 1899 zu Gossensaß5); hiebei erscheinen als führend aus Innsbruck Dr. Hans Wenin und aus Bozen 1

) S. Molisch, Deutschnationale Bewegung, S. 177 f.

2

) Bozner Zeitung 1895 Oktober 12 und Tiroler Tagblatt 1895 Oktober 1 1 schrieben auf die Nachricht von der Bildung jener neuen Partei, daß diese „statt einer Zusammenfassung und Stärkung der nationalen und freiheitlichen Richtung eine neuerliche Zerspaltung mit sich bringe". 3 ) Tiroler Tagblatt 1898, Nr. 59 f. — Payr, Zur Gesch. konstitut. und (seit 1891) deutschliberal. Vereins in Tirol (1902) bringt eine kurze Darstellung desselben, der sich Ende 1901 aufgelöst und dem Verein der deutschen Volkspartei angeschlossen hat. Das Schlußwort in der Rede des damals abtretenden Obmannes lautete: „Die Bedürfnisse unseres politischen und nationalen Lebens haben sich geändert, gesteigert. In der hereingebrochenen nationalen Sturmflut brauchen wir ein kräftigeres Fahrzeug, einen gepanzerten Schnellsegler und junge kühne Matrosen und diesen wollen wir Alten unser Hurrah zurufen." 4 ) So hielt zu Bozen am 13. März 1899 der Deutsche Volksverein für Südtirol unter Vorsitz von Perathoner eine außerordentliche Hauptversammlung, um den Abgeordneten Dr. Grabmayr als ungeeignet zu erklären, die Südtiroler Deutschen bei der Aufstellung der allgemeinen nationalpolitischen Forderungen der Deutschen in Österreich allein zu vertreten. Am 19. September 1899 nahm der Deutsche Volksverein Stellung zur Sprachenfrage beim Kreisgeriehte in Bozen, am 21. Mai 1899 veranstaltete er eine politische Tagung in Bruneck (s. Boz. Ztg. 1899, Nr. 59 f., 1 1 7 und 214). 6 ) Boz. Ztg. und Innsbr. Nachr. 1899, Nr. 93. Die Versammlung faßte eine scharfe grundsätzliche Entschließung gegen die Autonomie von Welschtirol.

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III. § 5- - Dr. Jul. Perathoner als politischer Führer

der Gemeinderat und Weinhändler Heinrich Lun. 1 ) Als Redner trat bei dieser und den Versammlungen des Deutschen Volksvereines und der Südmark Gustav Tränkel, ein Wiener, der sich um 1880 in Südtirol niedergelassen hat, hervor und behandelte hiebei die Stellung des Deutschtums in Südtirol im allgemeinen, über das eng Parteipolitische hinaus.2) Die Schriftleitung der Bozner Zeitung hat seit 1895 der Steirer Friedrich Sueti, früher in der Leitung der Südmark tätig, übernommen und in das Blatt eine mehr scharfe nationale Tonart gebracht, was sich auch in der Gegnerschaft gegen Grabmayr auswirkte.3) Zur selben Zeit ist eine besondere nationalpolitische Frage für Tirol in ein entscheidendes Stadium getreten, nämlich die Frage, ob für W e l s c h t i r o l eine administrative und p o l i t i s c h e A u t o n o m i e zuzugestehen und wie hiebei die berechtigten völkischen Belange der Deutschen zu wahren seien. Die hierüber geführten Verhandlungen haben die politischen Kreise in Deutschsüdtirol in der angespanntesten Weise beschäftigt, wie unten § 6 näher mitgeteilt wird. Bei den nächsten R e i c h s r a t s w a h l e n (im Januar 1901) wurde P e r a t h o n e r an Stelle Welponers, dessen Haltung der erstarkten völkischen Stimmung nicht mehr genügte, für das Städtemandat Bozen-Meran vorgeschlagen und auch mit großer Mehrheit gewählt. Seine damaligen Programmreden atmen den Geist völkischer Selbstbehauptung mit einer Entschiedenheit, wie sie bisher von Tiroler Politikern nicht geäußert worden war.4) Im Wiener Reichsrat schloß sich Perathoner gleich dem damals neugewählten Innsbrucker Abgeordneten Dr. Eduard Erler naturgemäß der deutschen Volkspartei an. Die konservativen Gegner bezeichneten Perathoner damals als einen Radikalen zum Unterschiede vom Liberalen Welponer. Auch das Landtagsmandat der Stadt Bozen hat Perathoner damals (Dezember 1901) übernommen und so die gesamte politische Führung in seiner Hand vereinigt. Das Reichsratsmandat behauptet er auch bei der ersten Wahl nach dem neuen allgemeinen Wahlrechte, allerdings erst in der Stichwahl mit Hilfe der Sozialdemokraten gegen den konservativ-christlichsozialen Bewerber (Mai 1907), 1 9 1 1 übergab er jenes Mandat an seinen ParteiDie L u n sind eine alte Bozner Familie und stammen vom Lunhof in Unterplatten am Ritten, der Bruder von Heinrich Karl Lun war ein bekannter Baumeister zu Meran (Zur Familiengeschichte und Biographie der Lun s. Schiern 1925, S. 77 ff. und 1926, S. 74). 2 ) G. T r ä n k e l , geb. 1851 in Wien als Sohn eines bürgerlichen Bankhausbesitzersund als dessen voraussichtlicher Nachfolger ausgebildet, kam aus Gesundheitsrücksichten nach Südtirol, kaufte einen Hof in Algund und verehelichte sich dort mit einer Einheimischen wohnte dann in Bozen und betätigte sich dort auch als Privatlehrer in fremden Sprachen, daher in den Zeitungen meist Professor genannt; gestorben 1904. — Über seine Reden s. Boz. Ztg. 1899, Nr. 59 bis 61 und 2 1 4 , 1899, Nr. 93 bis 99 (1. Parteitag der Deutschnationalen in Tirol, Tränkel spricht über „die Lage des Deutschtums in Südtirol", 1902, Nr. 206 (Haupversammlung der Südmark in Bozen, T. spricht über „die völkischen Verhältnisse im Etsch tal"). 3 ) Angaben über Suetis Lebenslauf s. Boz. Ztg. 1899, Nr. 65 4 ) Bozner Zeitung 1901, Nr. 6 ff.

und als Bürgermeister von Bozen.

353

genossen Emil K r a f t , einem Grazer, der sich in Meran als Geschäftsmann niedergelassen hatte, das Landtagsmandat im Jahre 1908 ebenso dem Handelskammersekretär Dr. Wilhelm v. W a l t e r . Nur als Bürgermeister blieb Perathoner ununterbrochen bis 1922 im Amte und starb im Jahre 1926. Der im Jahre 1897 gegründete deutschfreiheitliche Landeswahlausschuß bestand als oberste taktische Zusammenfassung der liberalen und nationalen Elemente von Nofd- und Südtirol einschließlich des liberalen Großgrundbesitzes weiter.1) Am 1. Dezember 1907 wurde durch Vertrauensmänner aus Nord- und Südtirol die „ D e u t s c h n a t i o n a l e L a n d e s p a r t e i " für Tirol geschaffen, der sich alle örtlichen Gruppen der Deutschen Volkspartei und der Deutschradikalen abgesehen von den Anhängern Schönerers (den „Alldeutschen"), anschlössen. Letztere haben erst im Dezember 1918 ihre Sonderstellung aufgegeben. Zur Zeit der Gründung war I. Obmann jener Partei Dr. Tschan, dann bis 1918 Dr. Friedrich Mader (Innsbruck), II. Obmann Dr. Perathoner (Bozen). Ich bemerke dies hier, um zu zeigen, daß — wie auch bei den anderen politischen Parteien — auch für diese nationale Richtung Süd- und Nordtirol eine Einheit gebildet haben.2) P e r a t h o n e r hat sich nicht nur als Parteiführer, sondern in erster Linie als Haupt der Stadtverwaltung, die er seit seiner ersten Wahl im Jahre 1895 bis zu seiner gewaltsamen Absetzung durch die Italiener im Jahre 1922 geleitet hat, glänzend bewährt. Er hat in den 25 Jahren seiner B ü r g e r m e i s t e r s c h a f t den großen wirtschaftlichen Aufschwung, den Österreich und seine Städte im allgemeinen damals erlebt haben, für Bozen in hervorragendem Maße auszuwerten verstanden. Die städtischen Einrichtungen, insbesondere im Schulwesen, und die bauliche Entwicklung Bozens haben unter ihm sehr große Fortschritte gemacht.3) Die Leiter des von ihm im Jahre 1901 neu errichteten Stadtbauamtes, insbesondere Gustav Nolte, haben unter seiner verständnisvollen Förderung den starken Bedarf an neuen öffentlichen Gebäuden mit durchwegs künstlerisch hochwertigen *) Über diesen Ausschuß s. auch oben S. 350 und unten S. 396 f. 2)

S. Innsbr. Nachr. und Boz, Z t g . v o m 2. Dezember 1907. — D e m vorerwähnten D e u t -

s c h e n W ä h l e r v e r e i n für Tirol gehörten von A n f a n g an die Anhänger der schärferen nationalen T o n a r t an, infolge der Spaltung der alldeutschen Partei zwischen Schönerer und Wolf traten dessen Anhänger, die sog. Deutschradikalen aus und gründeten im Jahre 1901 einen eigenen „ V e r e i n der Deutschnationalen in Tirol", dessen O b m a n n Dr. Wenin in Innsbruck war. Derselbe näherte sich aber praktisch sehr der Deutschen Volkspartei und schloß sich dieser 1907 förmlich an. I m deutschen Wählerverein blieben so nur die A l l d e u t s c h e n v o n der Richtung S c h ö n e r e r s , die die Deutsche Volkspartei ganz allgemein als zu lau und in Innsbruck auch in Lokalfragen b e k ä m p f t e n (ihr Führer war Dr. Friedrich F r a n k in Innsbruck).

Von

1905 bis 1907 h a t t e diese R i c h t u n g auch eine eigene Wochenzeitung, die „ D e u t s c h e n Tiroler Stimmen".

Sie ist aber eigentlich stärker nur in Innsbruck zur Geltung gekommen, viel

weniger in Südtirol. 3)

Dies sei hier vermerkt, u m etwaigen Verwechslungen vorzubeugen.

Vgl. den Nachruf an Perathoner im Schiern 1926, S. 150 und R e u t , Tirol unter dem

Beil, S. 34 und 1 1 6 (an beiden Stellen Bildnisse P.s).

A u c h der Nachruf im (italienischen)

Arch. A l t o Adige, B d . 21, S. 485 erkennt Perathoners Verdienste um die wirtschaftliche E n t wicklung Bozens, sein Festhalten a m deutschen Gepräge der S t a d t sowie seine nationale Unbeugsamkeit gegenüber der italienischen Herrschaft seit 1919 an. S t o l z , Südtirol III.

23

III. § 5. — Die Haltung des Konservativen Tirols 354 Werken befriedigen können, wobei die gute bodenständige Überlieferung mit den Errungenschaften des neuen deutschen Zweckstiles in glücklicher Weise verbunden wurde.1) Die K a t h o l i s c h k o n s e r v a t i v e Partei hatte sich in der Ära Taaffe (seit 1879) der Regierungsmehrheit angeschlossen, denn sie erhoffte von dem Bündnis mit den Tschechen, die ja die staatrechtliche Sonderstellung des Königreichs Böhmen und damit ihre Vorherrschaft in diesem anstrebten, eine Änderung der österreichischen Verfassung, die Selbständigkeit der einzelnen Alpenländer und damit die Herrschaft der Konservativen in denselben, die Zurückziehung der liberalen Kirchen- und Schulgesetze. Zu dem bisherigen allgemeinen Gegensatz zwischen Liberalen und Konservativen kam nun noch der besondere Vorwurf, den jene gegen diese erhoben; daß sie kein deutsches Nationalgefühl hätten, daß sie mit den Slawen politisch verbündet seien, welche in ihrem Machtbereich das Deutschtum bekämpfen und unterdrücken. Deutsch und liberal wurden im politischen Sinne zusammengehörige Worte und demgemäß lehnten die tirolischen Konservativen damals jede bewußte Betonung des Deutschtums als eines ihren Zielen nicht zuträglichen Gedankens ab. Die deutschnationalen Ideen eines Beda Weber aus dem Jahre 1848 waren zurückgestellt gegenüber dem politischen Zustande seit 1870, denn nun könne Österreich nicht mehr als ein deutscher Staat regiert werden, sondern müsse auf seine verschiedenen Völkerstämme in gleicher Weise Rücksicht nehmen und jede Hervorkehrung eines nationalen Bewußtseins, besonders auf Seite der Deutschen sei für den Staat von Übel. Unter zahlreichen anderen derartigen Äußerungen seien als besonders kennzeichnend die Worte angeführt, mit denen das konservative Tiroler Volksblatt vom 14. September 1889 zur Enthüllung des Walter-Denkmals zu Bozen Stellung genommen hat: „ M a n hat es als wahrscheinlich gefunden, daß der Vogelweiderhof in Layen die Heimat Waithers sei. Deswegen glaubte man, daß B o z e n als die nächste größere und s ü d l i c h s t e d e u t s c h e S t a d t der geeignetste Platz für ein Denkmal Walthers sei. Dagegen haben wir nichts einzuwenden. Nur wäre es uns lieber, wenn man dabei etwas weniger von dem ewigen .Deutschtum' reden würde. D e u t s c h s i n d w i r alle u n d w o l l e n es a u c h b l e i b e n und wir haben gar keine Furcht, daß Bozen eine wälsche Stadt werde, darüber sind Conservative und Liberale vollständig eins. Aber jenes „Deutschtum" hat einen etwas bitteren Beigeschmack; es kehrt sich nämlich meistens gegen das Czechentum und gegen den sog. Romanismus und, wenn es noch spitziger wird, gegen Österreich und Rom, das möchten wir ausgeschlossen wissen." Ein Artikel d. Volksbl. vom 20. 7 . 1 8 8 7 erklärt „das bedrohte Deutschtum" als ein bloßes politisches Lockmittel der Liberalen. Erwiderung darauf Boz.Zeit. v. 2 1 . 7 . 1 8 8 7 .

Als im Juli 1895 im österreichischen Reichsrat über die Errichtung eines slowenischen Gymnasiums in der deutschen Stadt CiIii verhandelt wurde und die deutschen Konservativen, darunter auch jene aus Tirol diesen Antrag unterstützten, suchte dies der Abgeordnete Josef v. Dipauli, der damals das Mandat der kleineren südtiroler Städte bekleidete, folgenderS. Weingartner, Bozner Kunst (1928), S. 137 f. Nachruf an N o l t e , der aus Gesundheitsrücksichten von Sachsen nach Bozen gekommen ist, s. Schiern 1924 August.

gegenüber den slavenfreundl. Regierungen Taaffe und Badeni.

355 weise zu rechtfertigen: „Der Standpunkt meiner Partei ist weder ein deutscher noch ein slawischer sondern einfach ein österreichischer. Unser Österreich ist kein deutsches Reich, sondern ein vielsprachiges Reich, in dem für alle Nationen Platz ist und sie alle ihr Reicht und ihre Billigkeit finden können." Der konservative Führer betrachtete also bei den Slowenen das Streben nach Erweiterung ihres nationalen Besitzstandes für berechtigt, bei den Deutschen aber die Erhaltung ihrer bisherigen Stellung nicht.1) Allein die nationale Frage in Österreich sollte für die konservative Partei in Tirol, insbesondere in Deutschsüdtirol, doch noch viel weitergehende Folgen bringen. Schon seit Ende der 80er Jahre hatten sich im k o n s e r v a t i v e n Lager Sonderbestrebungen geltend gemacht, die man alsbald als „die s c h a r f e T o n a r t " bezeichnete.2) Sie gruppierte sich hauptsächlich um Franz v. Z a l l i n g e r , Abgeordneten der Landbezirke Bozen und Meran, und um das in Bozen erscheinende Tiroler Volksblatt und warf der Parteileitung, die in Innsbruck ihren Sitz hatte, eine zu wenig entschiedene Anwendung der katholischen Grundsätze, insbesondere in der gesetzlich noch immer nicht geregelten Schulfrage, eine zu weit gehende Rücksichtnahme auf die Regierung und eine zu wenig enge Fühlung mit den breiteren Wählerschichten vor. Andererseits zeigten sich in einer Gruppe jüngerer Geistlicher, vornehmlich in Brixen, die sich in der Brixner Chronik ein Zeitungsorgan geschaffen hatte, gedankliche Annäherungen an die neue christlichsoziale Bewegung in Niederösterreich, eine gewisse Betonung demokratischer und sozialer Anschauungen, wogegen die konservative Parteileitung die kirchliche Autorität des bischöflichen Ordinariates und der Dekane auch in diesen politischen Fragen aufzubieten suchte. Als im Jahre 1893 die konservative Partei mit den Liberalen die Regierungsmehrheit bildete, trat Zallinger aus jener aus und bei den Landtagswahlen im November 1895 wurden mit ihm S c h ö p f e r und Schorn, diese als Vertreter der werdenden christlichsozialen Richtung gegen die von der konservativen Parteileitung aufgestellten Bewerber gewählt.3) Zur selben Zeit (1895) lösten sich Josef 1

) Tiroler Volksblatt vom 18. Juli 1895. Über Cilli s. auch oben S. 347. ) Das Folgende nach der von Johann v. Dipauli ungenannt im Jahre 1909 veröffentlichten Druckschrift „Stichproben", die zwar vom konservativen Standpunkt ausgeht, aber die geschichtlich wesentlichen Vorgänge und Ideenzusammenhänge sachlich darstellt, letztere auch aus der Tagesliteratur, insbesondere den Histor.-Polit. Blättern 1 4 1 . Band eingehend belegt. — Das erste offene Auftreten Zallingers gegen die konservative Parteileitung erfolgte Ende Mai 1889 zu Bozen auf einer Generalversammlung des Kath.-pol. Volksvereines (s. auch näher bei Wurzbach 59, S. 112). Auch von sehr unterrichteter christlichsozialer Seite wird mir dieser erste anfängliche Zusammenhang der späteren christlichsozialen Politiker mit Zallinger und deren Loslösung von der Kath.VolksparteiDipaulis, wie oben angegeben, geschildert. 3 ) Dr. Aemilian S c h ö p f e r ist geboren zu Brixen im Jahre 1858 und war seit 1886 Professor der Theologie dortselbst, gründete 1888 die Zeitung „Brixner Chronik" (s. oben S. 336), wurde Landtags- und Reichsratsabgeordneter für das Pustertal, wie oben erwähnt, 1895 bzw. 1897. (Biograph. Angaben über ihn s. Tiroler Anzeiger 1930, Nr. 2 1 7 ; über seine sozialpolitischen Bestrebungen s. unten S. 3 7 5 ! ) — Dr. Johann S c h o r n , geboren 1845 zu Bozen, war politischer Beamter meist in Südtirol, und bekleidete von 1885 bis 1889 ein Mandat für die Pustertaler Landgemeinden im Tiroler Landtag, 1889 bis 1895 im Reichsrate im Ver2

23*

356

in. § 5 . - Die

Tiroler Konservativen und die Sprachenverordnungen 1897.

v. D i p a u l i und andere Tiroler Abgeordnete vom konservativen Hauptverband des Reichsrates (Hohenwartklub) wegen dessen Haltung im Streite, ob Lueger zum Bürgermeister von Wien bestätigt werden solle, los und gründete eine selbständige „ K a t h o l i s c h e V o l k s p a r t e i " . Dieser trat auch Schöpfer, 1897 zum Reichsratsabgeordneten gewählt, bei. Unter Führung Dipaulis hat die katholische Volkspartei dann aber die slawenfreundliche Politik des Ministeriums Badeni bis zu dessen Sprachenverordnung im Jahre 1897 unterstützt, allein die nationale Erregung, die durch jene bei den Deutschen ausgelöst worden war, machte auch vor ihren Reihen nicht Halt. Der ihr angehörige Abgeordnete Dr. Theodor K a t h r e i n (geb. zu Salurn 1842, dann Rechtsanwalt in Hall, seit 1904 Landeshauptmann von Tirol) legte am 26. Oktober 1897 seine Stelle als Präsident im Abgeordnetenhaus nieder, weil er nicht den Kampf der Regierung gegen die Deutschen im Parlament unterstützen wollte und wurde bei seiner Rückkehr nach Tirol von der Bevölkerung für diese Haltung ehrend empfangen.1) Die Reichsratsabgeordneten Dr. Schöpfer und Rohracher aus dem Pustertal und Dr. Max Kapferer für Innsbruck traten überhaupt aus der Katholischen Volkspartei wegen ihres Verhältnisses zur Regierung aus und „stellten sich damit auf den deutschnationalen Standpunkt", wie die Konservativen tadelten.2) D i p a u l i selbst, der damals das Mandat der allgemeinen Wählerkurie von Südtirol bekleidete, ward vom Gemeinderat der Stadt Bozen wegen seiner Haltung in einem offenen Schreiben zur Rede gestellt und erwiderte nach Zurückweisung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe, daß er „als deutschösterreichischer Abgeordneter für die nach seiner Ansicht wahren Interessen des Deutschtums" stets eintreten werde. Bald nachher brachte er einen Antrag auf Aufhebung der Sprachenverordnungen ein und das Tiroler Volksblatt begrüßte es lebhaft, daß damit seine Partei und deren Führer sich „stramm auf die Seite der Deutschen gestellt habe". 3 ) Noch stärkere Töne schlug Dipauli auf einem katholischen Volkstag an, der am 29. Juni 1898 zu Bozen abgehalten wurde, um gegen die Angriffe der Bozner Zeitung auf den Bischof von Trient, der die Lektüre derselben verboten hatte, Verwahrung einzulegen. So heftig er dabei auch der Bozner Zeitung die Befugnis absprach, im Namen des Deutschtums von Südtirol zu sprechen und so schroff er den Deutschnationalismus, der auf das Wesen des österreichischen Staates keine Rücksicht nehme und den Zielen des politischen Katholizismus gegensätzlich sei, verurteilte, so suchte er dennoch in dieser Rede den Ein* bände der Katholischkonservativen Partei. Infolge Weisung des Ministeriums mußte er dieses Mandat mit Rücksicht auf seine Eigenschaft als politischer Beamter zurücklegen, verließ aber dann diese Stellung und wurde 1895 von den Städten des Eisack- und Pustertals neuerdings in den Landtag gewählt und gehörte ihm, seit 1908 auch als Mitglied des Landesausschusses bis zu seinem Tode am 23. Juli 1914 an. Er war 1905 einer der Gründer des Tiroler Volksbundes (Nachruf im Kalender desselben 1915, S. 19; s. auch unten S. 406). ') Eine Lebensbeschreibung Kathreins (gest. als Landeshauptmann am 1. Okt. 1916) s. bei Lanner, Ehrenkranz, S. 28 f. l ) Stichproben S. 15. 3 ) Tiroler Volksblatt und Neue Tirol. Stimmen vom 9. Dezember 1897 u n d 1 1 . Mai 1898

Dipäulis Beteuerung österr.-deutscher Gesinnung 1898.

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druck zu erwecken, daß er das österreichische Deutschtum im allgemeinen verteidigen wolle. Gerade weil Dipauli von den Deutschnationalen als völlig gefühllos und gleichgiltig für die Belange des Deutschtums, ja geradezu als Verräter desselben hingestellt wurde und auch von den Christlichsozialen seine Haltung in dieser Hinsicht nicht viel anders beurteilt wurde, ist jene Rede vom Gesichtspunkt einer rein sachlichen Geschichte des Deutschtums in Bozen und Südtirol sehr beachtenswert.1) Denn ihr Inhalt zeigt uns, wie auch einer der ausgesprochensten Wortführer des katholisch-konservativen Prinzips bei aller Ablehnung des politischen Nationalismus seinen Anhängern gegenüber seine Gesinnung für das Deutschtum als allgemeine Volksart betonen wollte oder mußte, um sie nicht von sich abspenstig zu machen. Das ist wieder ein sehr gewichtiger Beweis für das Vorhandensein eines deutschen Bewußtseins bei jenen Bevölkerungsschichten Südtirols, die für Dipaulis Partei in Betracht kamen. Ich teile daher einige längere Stellen aus dieser Rede hier mit.2) Aber nicht nur für Tirol und Österreich, nein, für ganz Deutschland war Tirols Heldenkampf (im Jahre 1809) der Ruf zur Erhebung aus Deutschlands tiefster Erniedrigung . . . Und heute sollen wir katholische, kaisertreue Tiroler n i c h t m e h r d e u t s c h sein, weil wir bei aller Liebe für unsere eigene Nation nicht unsern katholischen Glauben und unsere Kaisertreue hintansetzen wollen ? Treue — deutsche Treue — war stets der Ruhmestitel der Deutschen. Und heute will man uns das Deutschthum absprechen, weil wir als wahre Tiroler vor allem die Treue gegen Gott und unsern Kaiser wahren ? Mit d e m Deutschthum haben wir allerdings nichts gemein, das den Abfall vom Glauben predigt und den gläubigen Katholiken richtet. . . Wir haben auch gezeigt, daß wir für berechtigte Forderungen der Deutschen in Österreich einstehen; sollte es Jemand einfallen, die wirklichen Rechte und Interessen der Deutschen in Österreich verletzen zu wollen, werden wir keinen Augenblick zögern, unsere Pflicht auch als D e u t s c h e i n Ö s t e r r e i c h voll zu erfüllen. Aber für das gewisse Kornblumen-Deutschtum ist kein Platz in Tirol! Unter dem Scepter unseres Jubelkaisers leben in Österreich verschiedene Nationen neben den Deutschen, und nur Gerechtigkeit von Allen gegen Alle kann dies Band zu einem glücklichen für Alle machen. Die Schürung des Racenkrieges, des Nationalitätenkampfes ist eine Sünde an Österreich, dies gilt nach allen Seiten ohne Ausnahme. Österreich kann nicht slavisch und nicht deutsch regiert werden, es muß eben österreichisch sein und bleiben. Dieser Reichsgedanke verträgt sich nicht mit Separatgelüsten. Und wenn den Deutschen der Ehrenplatz in Österreich gebührt, so ist es auch ihre Pflicht, denselben durch wahre Gerechtigkeit gegen alle Nationen und echten österreichischen Patriotismus sich zu erhalten. Auch wir Tiroler haben redlich unser Schärflein für diesen deutschen Ehrenplatz in Österreich beigetragen, auch in der neuern Zeit 1848—1859—1866 hat unser Kaiser niemals vergeblich seine Tiroler zu den Fahnen gerufen. Vielen unter euch ist wohl noch die Begeisterung in Erinnerung, die das ganze Land ergriff, als der Kaiser zu den Waffen rief zum Schutze des Vaterlandes. Nicht mit schönen Worten und Phrasen, mit seinen Armen und seinem Blute trat der Tiroler ein für den ö s t e r r e i c h i 1 ) Für die Beurteilung Dipaulis durch die Christlichsozialen s. die aus einer Flugschrift „Schraffl und Dipauli" in den „Stichproben", S. 15 angeführten Stellen: „Dipauli bringe wegen seiner Haltung mit den Tschechen gegen die Deutschen das kathol. Programm und selbst die kathol. Religion in Mißkredit." S. auch unten S. 360, Zeile 1 von oben. 2 ) Prangner, Die kath. Protestversammlung am 29. Juni 1898 in Bozen (Sonderabdruck aus dem Tiroler Volksblatt. S. 26 ff.).

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III. § 5- - Die Absonderung der Christlichsozialen

s e h e n und d e u t s c h e n C h a r a k t e r s e i n e s L a n d e s in d i e s e m K a m p f e gegen den i t a l i e n i s c h e n F e i n d . "

Dipauli hat kurz vor seinem Tode (1905) bedauert, daß er „aus taktischen Gründen nationale Konzessionen gemacht habe" (Stichproben, S. 15), er fühlte sich dazu offenbar durch äußere Rücksichten auf die Stimmung seiner Wähler, sowie durch das Auftreten der von ihm abrückenden bisherigen Parteigenossen gedrängt. Dieselben hielten unter Führung S c h ö p f e r s am 7. Januar 1898 zu Brixen einen „ c h r i s t l i c h - d e u t s c h e n V o l k s t a g " ab, um zur Frage Deutschtum und Katholizismus feierlich und öffentlich Stellung zu nehmen. Einer der Hauptredner, der Theologieprofessor Wendelin H a i d e g g e r , hob die Pflicht zu nationaler Gesinnung hervor, so wenig er der liberalen und deutschnationalen Partei die Fähigkeit, den bedrängten Deutschtum wirklich zu helfen, zubilligen wollte. Er sagte: „Unter dem Vorwande der Gleichberechtigung . . . wollen die Czechen unsere deutschen Brüder in den Sudetenländern unterdrücken. Die n a t i o nale P f l i c h t erfordert es von uns, den deutschen Brüdern in Österreich, wo immer sie Unrecht erleiden, Hilfe zu bringen, so viel wir es mit erlaubten und gesetzlichen Mitteln vermögen. Wir verurteilen die nationale Lethargie, wir anerkennen es, wie berechtigt, schön und edel der nationale Gedanke ist, und wir fordern dessen Betätigung. Aber auch er muß Schranken haben . . ," 1 ) Auch S c h ö p f e r hat im Reichsrat am 8. Mai 1898 in einer Rede, in der er zuerst die Beseitigung der Sprachenverordnungen verlangte, das Verhältnis zwischen deutschem Nationalbewußtsein und Christentum besprochen. „Es ist eine Pflicht des natürlichen Sittengesetzes, seine eigene Nation zu lieben, und zwar mehr zu lieben als die Glieder einer anderen Nation oder eine andere Nation, und zwar deswegen, weil die Nation nichts anderes ist als die natürlich, erweiterte Familie und es ist ein natürliches Gesetz, daß man seine eigenen Familienangehörigen mehr liebt als fernstehende. Mit dieser Liebe, mit dieser Achtung hat sich zu verbinden die Freude an den Vorzügen der eigenen Nation. — Es ist eine natürliche Pflicht, eine Pflicht des natürlichen Sittengesetzes, daß man Interesse hat an dem Gedeihen, an dem Wachsen, an der Entwicklung der eigenen Nation. Wie gesagt, ist alles das in dem natürlichen Sittengesetz begründet, und alles das wird von der christlichen Religion behauptet; und dieser Pflicht des Naturgefühls wird durch das Christenthum ein übernatürlicher Adel und eine neue Sanktion verliehen. „Aber nun noch etwas anderes. Wie soll dann der Christ diese Pflicht in der Praxis bethätigen ? Unter anderem durch die Hilfeleistung, und ich bitte, dieses Moment wohl zu beachten. Ebenso wie, wenn ein Familienglied in Noth ist, es die sittliche Pflicht verlangt, daß diesem Familienmitgliede beigesprungen werde, so ist es auch eine sittliche Pflicht, daß, wenn eine Nation in Noth ist, die anderen Glieder dieser Nation ihr zuhilfe kommen." 2 ) x) Die nationale Frage (Brixen 1898), eine Sammlung der Reden auf dem erwähnten Volkstage und von Schöpfer im Reichsrat, S. 10. — W. Haidegger ist geboren im Jahre 1865 in Obernberg am Brenner und seit 1895 Professor der Kirchengeschichte am theolog. Seminar zu Brixen. Er starb als Landesrat von Tirol am 1. Oktober 1930 (Tiroler Anzeiger I93°> Nr. 226). a ) Die nationale Frage (wie vor Anm.), S. 38 f.

und ihre Anerkennung nationaler Pflichten seit 1898.

359 Auf einer Tagung des Südtiroler Deutschen Volksvereins zu Bruneck am 21. Mai 1899, auf welcher der Brünner Abgeordnete Dr. Lecher die Hauptrede über die politische Gesamtlage hielt, erklärten die Professoren Schöpfer und Haidegger, daß sie die Haltung der katholischen Volkspartei in der nationalen Frage, insbesondere ihr Bündnis mit den Tschechen nicht verteidigen wollen. Sie erkannten an, daß das deutsche Volk in Österreich in einem Abwehrkampfe gegen nationale Gegner sich befinde und daß sich die deutschen politischen Parteien hiezu zusammenschließen müssen. Um dies zu erreichen, dürfe aber von Seite der Liberalen und Nationalen die kirchlich gesinnten Kreise im deutschen Volke nicht zurückgestoßen werden.1) Hat so die nationale Frage nicht unbeträchtlich mitgewirkt, daß innerhalb der kirchlich gesinnten und damit auf dem Lande allein in Betracht kommenden Wählerschaft Tirols eine neue Richtung sich immer deutlicher ablöste, so lagen aber doch die hauptsächlichen Beweggründe hiefür in den Wandlungen, die bereits oben S. 355 angedeutet wurden: Vor allem eine starke Betonung der wirtschaftlichen und sozialen Bedürfnisse des Bauernund Gewerbestandes, Verbreiterung des Wahlrechtes und Zurückdrängung des Übergewichtes der privilegierten Wählerkurien, eine mehr lebhafte und volkstümliche Art des politischen Betriebes. Insbesondere durch den Eintritt von Josef S c h r a f f l , Gastwirt und Bürgermeister in Sillian, ist dieser Zug in die neue Bewegung gebracht worden.2) Bei den Reichsratswahlen im Jänner 1901 stellte dieselbe gegenüber der von Dipauli geführten konservativen Gruppe eigene Bewerbungen auf und in der allgemeinen Kurie von Deutschsüdtirol unterlag Dipauli selbst gegen Schraffl, der auch von den Nationalen mit Absicht unterstützt wurde. In den Bezirken an der Etsch hatte Dipauli noch eine schwache Mehrheit für sich erreicht, aber jene am Eisack entschieden gegen ihn. In den Wahlaufrufen hatten die Anhänger Schöpfers ihre Bereitschaft, die Rechte der Deutschen in Österreich zu verteidigen, verkündigt, einzelne konservative Wahlwerber hatten ähnliches gesagt, der Aufruf der konservativen Parteileitung spricht aber nur von dem gleichen Recht der Völker in Österreich und vermied eine Schöpfer sagte hiebei wörtlich: „Ich wünsche, daß die Stellung des deutschen Volkes in Österreich nicht verloren gehe und daß die Kluft, welche in das deutsche Volk hineingetragen wurde, nicht noch größer werde, sondern daß man zusammenstehe, um den gemeinsamen Feind zurückzuweisen." Haidegger: „Das deutsche Volk wird überall zurückgedrängt, von den Italienern, Tschechen und Slovenen. Wenn wir nun einig werden wollen in den nationalen Fragen, dann müssen wir uns etwas entgegenkommen. Das geschieht nicht, wenn man die Klerikalen von vornherein ausschließt. Wir wollen k a t h o l i s c h und d e u t s c h sein" (Brix. Chron. 1899, Nr. 44). Die beiden Redner wurden allerdings wegen solcher Worte von der konservativen Presse heftig angegriffen, weil „sie den Liberalen auf die Leimrute des bedrohten Deutschtums gegangen seien" (Tiroler Stimmen 1899, Nr. 117). 2 ) J . Schraffl ist geboren 1855 zu Sillian, Bürgermeister dortselbst seit 1884, Landtagsabgeordneter für das östliche Pustertal seit 1897 (infolge einer Ergänzungswahl, Ber. d. Landtag 1897, S. 5), Reichsratsabgeordneter für die allgemeine Wählerkurie von Südtirol seit 1901, Landesausschuß seit 1908 und Landeshauptmann von Tirol seit 1917, gestorben am 1 1 . Januar 1922 (Nachruf Tiroler Anzeiger vom 13. Januar, Lanner, Tiroler Ehrenkranz, S. 30).

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i n . § 5- - Die Gegnerschaft zwischen Christlichsozial und Konservativ

E r w ä h n u n g des D e u t s c h t u m s . 1 ) Besonders scharf zieht ein F l u g b l a t t „ S c h r a f f l oder D i p a u l i " , das auch der B r i x n e r Chronik v o m 3 . J a n u a r 1 9 0 1 beliegt, gegen diesen auch wegen seines Verhaltens gegenüber den S p r a c h e n verordnungen los: „ E i n e n Mann, der so an uns Deutschen gehandelt h a t , können w i r kerndeutsche W ä h l e r v o n Südtirol nicht m e h r wählen, w i r wollen einen deutschen A b g e o r d n e t e n u n d keinen T s c h e c h e n b r u d e r " . N a c h der W a h l t r a t e n S c h ö p f e r u n d S c h r a f f l , deren A n h ä n g e r sich schon w ä h r e n d der W a h l b e w e g u n g als christlich-sozial bezeichnet hatten, dem V e r b a n d der c h r i s t l i c h s o z i a l e n A b g e o r d n e t e n i m R e i c h s r a t a u c h formell bei u n d zugleich w u r d e eine L e i t u n g dieser Partei f ü r N o r d - u n d Südtirol bestellt. 2 ) Die christlichsoziale Partei w a r unter der F ü h r u n g v o n D r . K a r l L u e g e r a u s den W i e n e r Verhältnissen erwachsen und trotz katholischer E i n stellung in m e h r als einer Beziehung v o n den Tiroler K o n s e r v a t i v e n recht unterschieden. S o legte sie auch W e r t d a r a u f , als deutsch zu gelten u n d der überparteilichen nationalen Z u s a m m e n f a s s u n g der deutschen A b geordneten i m österreichischen Reichsrat, der sog. deutschen Gemeinbürgers c h a f t anzugehören. 3 ) B e i den nächstfolgenden Tiroler L a n d t a g s w a h l e n E n d e 1 9 0 1 g e w a n n die christlichsoziale G r u p p e zehn M a n d a t e , meist in Südtirol. 4 ) I n den *) So wurde bei der entscheidenden Wahlbesprechung, die laut Brixner Chronik vom 4. Oktober 1900 seitens der Anhänger von Schöpfer-Schraffl zu Bozen stattfand, als Richtlinie u. a. aufgestellt: „Die neuen Abgeordneten sollen gute Deutsche sein, für die ererbte Stellung der Deutschen in Österreich eintreten und an der Einheit des Reiches festhalten. Zur Verteidigung der Rechte des deutschen Volkes in Österreich haben die Kandidaten für das Zusammengehen mit den andern deutschen Parteien einzutreten, aber ohne programmatische Verbindung mit den liberalen Parteien " Die Kandidatur Dipaulis wurde ausdrücklich zurückgewiesen. Am 27. September 1900 hatte die Brixner Chronik geschrieben: „Unsere Parole (für die Reichsratswahl) muß sein: katholisch, patriotisch, sozial, deutsch. Religion und Nation sind kein Gegensatz. Die Religion lehrt uns vielmehr die geordnete Liebe zum eigenen Volk, das uns näher steht, wie wir auch die eigene Familie mehr lieben als eine fremde Wir stehen daher jederzeit für die Rechte des deutschen Volkes in Österreich. Daher müssen wir uns auch von den Tschechen trennen." — Der Wahlaufruf des konservativen Kandidaten für die Südtiroler kleineren Städte und Märkte, des Pfarrers Christian Schrott von Margreid, sagt: „Ich werde niemals zu haben sein für eine Mehrheit auf Kosten der katholischen Grundsätze und auf Kosten der Rechte der Deutschen. Mein Programm ist: Katholisch, österreichisch, deutsch." Ähnlich auch der Wahlaufruf des konservativen Wahlwerbers für BozenMeran, Karl Huber (Tir. Volksblatt vom 5. u. 9. Januar 1901; der Wahlaufruf der kath, kons. Parteileitung für Deutschsüdtirol ebenda vom 15. Dezember 1901). 2 ) Brixner Chronik vom 26., 29. u. 31. Januar 1901. Neuerliche Erklärungen des Tiroler Landeskomitees der christlich-sozialen Partei über ihre Zugehörigkeit zur Reichspartei und deren Programm. Brix. Chron. vom 16. August 1904. 3 ) Vgl. R. Kralik, Karl Lueger und der christl. Sozialismus (1923), S. 214. 4 ) Es gab also nunmehr im Tiroler Landtag vier verschiedene Parteiklubs, nämlich auf deutscher Seite den konservativen (mit 23 Mitgliedern), den christlichsozialen (10), den deutschfreisinnigen (12) und den Klub der Italiener (19 Mitglieder meist christlichsozialer und zum. Teil nationalliberaler Richtung). Die deutschen christlichsozialen Abgeordneten waren Schorn Schöpfer und Schraffl und drei weitere für die Städte und Landgemeinden des Eisack- und Pustertales, Josef Kienzl, Gemeindevorsteher von Sarntein und Pfarrer Johann Steck von Margreid für die Landgemeinden des polit. Bezirkes Bozen, Dr. M. Kapferer und H. Arnold für jene des Bezirkes Schwaz und Hall (S. Ber. d. Landtags 1902, S. 73 und Beil. 27.)

unter Einwirkung des nationalen Kampfes in Österreich.

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folgenden Jahren erlangte dieselbe in den bäuerlichen Kreisen von ganz Deutschtirol gegenüber den jetzt sog. Altkonservativen trotz deren lebhaftem Widerstande immer mehr Anhang. Besonders wirkte in diesem Sinne der von Schraffl im Jahre 1904 gegründete und von ihm geleitete Tiroler B a u e r n b u n d , welcher bald ganz Deutschtirol und auch die ladinischen Täler mit einem Netze von Ortsgruppen und Vertrauensmännern, den sog. Bauernräten überzog. Sein Wahlspruch lautete in Anlehnung an ähnliche Bewegungen in den östlichen Alpenländern: „Der Bauernbund ist Schutz und Wehr für deutscher Bauern Recht und E h r . " 1 ) Auch in den Städten waren eigene christlichsoziale Vereine entstanden, so auch zu Innsbruck im April 1898. So hat die christlichsoziale Partei, obwohl in ihren Anfängen und mit ihren führenden Persönlichkeiten mehr in Südtirol erwachsen, sehr bald auch in Nordtirol Boden gewonnen, und so hat sich auch in dieser Hinsicht die volle Gleichartigkeit beider Landesteile wieder bewährt. Bei den programmatischen Auseinandersetzungen mit den Konservativen spielte aber immer noch das Verhältnis zur n a t i o n a l e n F r a g e in Österreich eine beträchtliche Rolle. In seiner (1901 zu Bozen ungenannt erschienenen) Schrift „Christlichsozial und Altkonservativ" bringt W. Haidegger darüber im Wesen dieselben Grundgedanken wie in seinem größeren, unten S. 363 besprochenen Werke und sagt u. a.: „Die Altconservativen sehen im nationalen Momente fast nur Schlimmes und Gefährliches, welches man kaum nennen, jedenfalls aber nicht betonen soll. Es ist vorgekommen, daß führende altconservative Blätter dem nationalen Gedanken den sittlichen Gehalt abgesprochen haben . . . Da eine solche wirkliche oder jedenfalls scheinbare Geringschätzung des nationalen Momentes hauptsächlich in den Reihen der ehemaligen Katholischen Volkspartei vorgekommen ist, konnten die Radicalnationalen die Verleumdung schmieden, daß die katholische Religion keine nationalen Pflichten kenne, daß das römisch-katholische Weltbürgerthum noch mehr national geschlechtslos sei wie das socialdemokratische Weltbürgerthum . . . Die C h r i s t l i c h s o c i a l e n anerkennen und betonen es, daß der Christ seinen Stammesbrüdern gegenüber besondere Pflichten hat, daß also n a t i o n a l e s F ü h l e n , D e n k e n und H a n d e l n eine G e w i s s e n s p f l i c h t sei. Dabei halten sich die Christlichsocialen vor Augen, daß die nationale Pflicht nicht der Pflichten höchste ist, sondern daß dieselbe an den Pflichten der Religion und an den Pflichten gegen Kaiser und Reich eine nicht zu überschreitende Grenze hat. Zugleich proclamieren die Christlichsocialen vollste Gerechtigkeit gegen alle Nationen des Kaiserstaates, denen nach christlichsocialer Auffassung der nationale Besitzstand gewahrt und alle Mittel der Bildung und Cultur, welche diese Nationen billigerweise beanspruchen können, gewährt werden sollen . . . „Wir Tiroler Christlichsocialen halten im großen nationalen Kampfe, der in Österreich zwischen Deutschen und Slaven entbrannt ist, zu den Deutschen, insoferne die Deutschen kämpfen müssen für ihre nationale Existenz, für ihren nationalen Besitzstand sowie für die nothwendige Einheit der Armee und der Verwaltung des Staates . . . Die Christlichsocialen verwerfen aber das Nationalitätsprincip in dem Sinne, als ob jede Nation die Pflicht und das Recht hätte, einen nationalen Einheitsstaat zu bilden. Die Schönereaner, welche Österreich zu einer Provinz Preußens machen möchten, haben keine entschiedeneren Gegner als die Christlichsocialen und insbesondere den gefeierten Führer derselben, den Dr. Lueger . . . Wir Christlichsocialen sind keine Alldeutschen wie Schönerer und Wolf, wir sind auch keine Radicaldeutschen, welche mit *) S. die Kalender des Bauernbundes seit 1907, eigene „Tiroler Bauernzeitung", seit 1902 in Bozen erschienen

3 6 2 III. § 5. — Die Verdrängung der Konservativen durch die Christlichsozialen 1907. .minderwertigen Nationen' herumwerfen, wir sind aber auch keine g e l e g e n t l i c h e n A u c h - D e u t s c h e n , wie es manchmal unsere Altconservativen sein zu wollen scheinen. Wir Christlichsocialen wollen Gott geben, was Gottes ist, und dem Kaiser, was des Kaisers ist; wir geben aber auch dem deutschen Volke in Österreich, was diesem gebührt." In einer konservativen Gegenschrift von Sigmund v. Kripp (ungenannt), „Die conservative Partei nicht mehr zeitgemäß?", heißt es diesbezüglich: „Wir c o n s e r v a t i v e T i r o l e r sind gewiß eben so g u t d e u t s c h wie jeder andere Deutsche und halten unsere Muttersprache und unser Volksthum hoch. Wir werden auch immer auf dem Platze sein, wenn es diese Güter zu vertheidigen gilt. Daß wir aber jeden Augenblick uns in die Brust werfen und rufen sollen: ,Wir sind auch Deutsche', weil es jetzt einmal so Mode ist, das kommt uns höchst überflüssig vor. Was sind wir Tiroler denn seit anderthalb Jahrtausenden als Deutsche und was sollen wir denn anders werden ? Auch wenn einer wollte, könnte er aus seiner guten deutschen Haut nicht herausfahren. Wir betrachten unser Deutschthum als so selbstverständlich, wie unser Menschenthum, und wie wir es nicht für nothwendig halten, jeden Augenblick zu betonen, daß wir Menschen sind, ebenso überflüssig halten wir auch fortwährend zu versichern, daß wir Deutsche sind." In anderen konservativen Äußerungen wird an der christlichsozialen Partei auch ausgestellt, daß sie sich und ihre Ziele als, .christlich-deutsch'' bezeichne, es bedeute dies eine Verwässerung des alten katholischen Programmes. Die Unterstellung unter die vorwiegend aus Wienern bestehende christlichsoziale Reichsparteileitung und deren Programm erklärten die Konservativen als einen Sieg des von der liberalen Zeit her verhaßten Zentralismus über die geschichtliche Sonderstellung und Eigenart Tirols im österreichischen Staatsgefüge (vgl. z. B. Dipauli, Stichproben, S. 16). Bei den Reichsratswahlen im Juli 1907, den ersten nach dem allgemeinen Wahlrecht, sowie bei den Landtagswahlen Ende 1907 gewannen die C h r i s t l i c h s o z i a l e n in den Landgemeinden Tirols gegenüber den Konservativen a l l e Sitze und besetzten demnach auch den Landesausschuß. Die Konservativen waren im Landtag auf eine Minderheit von Mandaten zusammengeschmolzen, die meist den privilegierten Kurien angehörten. Im Landgemeinde-Bezirk Bozen unterlag bei der Reichsratswahl Franz v. Zallinger, einer der Begründer der konservativen Partei in Südtirol und später der Führer der „scharfen" Tonart" in derselben, gegen den Bauernbündler Kienzl aus dem Sarntal. Während aber in den andern österreichischen Alpenländern die konservative Partei nach den Wahlen von 1907 sich an die christlichsoziale angeschlossen und auch deren bisherigen Namensbezeichnung sich gefügt hat, sind in Tirol die Konservativen mit Parteiorganisation und Presse auch weiterhin selbständig geblieben. Erst mit dem Niederbruch der Monarchie haben sich auch in Tirol die Konservativen der christlichsozialen Mehrheit eingeordnet, wobei der Name „Tiroler Volkspartei" angenommen wurde (formelle Gründung x. Dezember 1918). Jene W a h l vom Jahre 1 9 0 1 , welche den kommenden christlichsozialen Führer in Tirol, nämlich Schraffl, an Stelle des altkonservativen und den nationalen (Perathoner) an Stelle des altliberalen Vertreters in den Sattel gebracht hat, kennzeichnet so recht eigentlich den Umschwung, der in der öffentlichen Meinung von Südtirol bezüglich der Politik des nationalen Widerstandes erfolgt ist. Die Wahl von 1907 hat den Umschwung vollendet. Landschaftlich betrachtet, hatte die konservative Richtung im näheren

Haideggers Buch über „die nationale Frage" 1900.

363 Bozner Gebiete ihre Stammsitze, sie knüpfte hier ideell und in den Personen ihrer Wortführer an die Überlieferungen des Adelsstandes der alten Tiroler Landschaft an. Die christlichsoziale Richtung hatte sich hingegen in den Theologenkreisen von Brixen und Bauernbündlern des Puster- und Eisacktales herangebildet. Man könnte sagen, auch in der Politik und in der Beurteilung der nationalen Frage hat das Brixner Gebiet dem Bozner schließlich seine Art aufgedrängt, ähnlich wie früher in der deutschen Form und Sprache des Urkundenwesens. Die grundsätzlich neue Einstellung der christlichsozialen Partei in Tirol zum Gedanken des Deutschtums hat der bereits erwähnte Brixner Professor W. Haidegger in einer längeren Abhandlung „Der nationale Gedanke im L i c h t e des Christentums" (1. Aufl. 1900, 2. Aufl. 1902, 122 Seiten) dargelegt. Diese erhebt sich weit über den Rang einer politischen Tagesschrift und enthält eine gründliche, systematische Auseinandersetzung zwischen der katholischen Sitten- und Glaubenslehre einer- und den Forderungen des nationalen Bewußtseins andererseits. Dieses wird, soweit es mit der geschichtlichen Überlieferung in innerem Einklänge steht, als durchaus berechtigt anerkannt und auch seine Umsetzung in die Tat, der Schutz der eigenen Volksart, in diesem Falle der deutschen, im Wege der Politik und der Vereinsarbeit. Einen Begriff dieser Darstellungsweise möge folgende Stelle (S. 71 unh 75) geben: „Die nationale Thatkraft muß sich weiterhin darin zeigen, daß man der Nation und den Connationalen wirksam zuhilfe kommt, daß man die eigene Nation vertheidigt, daß man die Rechte der Nation und ihren gegenwärtigen nationalen Besitzstand gegen ungerechte Angriffe schützt, daß man die nationale Sprache, falls sie in Gefahr ist, geschmälert oder unterdrückt zu werden, sowie die berechtigte nationale Eigenart und die gerecht erworbenen Privilegien der Nation auch unter persönlichen Opfern mit erlaubten Mitteln schirmt und vertheidigt... So haben die österreichischen Deutschen die Pflicht, ihren in Österreich lebenden Connationalen, falls sie bedrückt und in ihrem nationalen Rechte und Besitzstande, nicht infolge natürlicher Entwicklung anderer Nationen, sondern durch künstliche und ungerechte Mittel bedroht werden, Hilfe zu bringen und dieselben mit erlaubten Mitteln nach Kräften zu vertheidigen. So ist es ein erlaubtes, ja sehr löbliches Werk, wenn an bedrohten Punkten für Stammesgenossen nationale Schulen errichtet und erhalten werden, wenn sich Gesellschaften oder Vereine bilden zum Ankaufe deutscher Güter, um so zu verhindern, daß bisher deutscher Boden in den Besitz einer anderen Nation übergehe. Ferners ist es erlaubt und löblich, wenn jemand connationale Arbeiter und Dienstboten den fremden vorzieht und so verhindert, daß bisher rein deutsche Gegenden zu national gemischten werden. — Aber das Bestreben, den nationalen Besitzstand zu behaupten und zu vertheidigen, muß wohlgeordnet sein, frei von jeder Ungerechtigkeit gegen andere Nationen, frei von nationaler Eroberungssucht."

Dahingegen lehnt Haidegger das engere „ N a t i o n a l i t ä t s p r i n z i p " , d. h. die Forderung, daß jedes Volk unbedingt einen eigenen Staat erhalten müsse und die Staaten mit Anteilen verschiedener Völker aufzulösen seien, als mit dem Bestände Österreichs unvereinbar ab. Doch gibt er zu, daß dieses Prinzip tatsächlich in der Geschichte stark wirksam gewesen ist und nur nicht mit unrechtmäßigen Mitteln angestrebt werden dürfe. — Wie mir von damaligen Besuchern des Brixner Priesterseminars mitgeteilt wird,

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III. § 5-

- Das Verhältnis zwischen den polit. Parteien Tirols seit 1905.

übte das Buch Haideggers bei denselben einen erheblichen Einfluß aus und hat sehr dazu beigetragen, daß in der jungen Geistlichkeit der nationale Gedanke festere Wurzel faßte. Es sollte nun allerdings auch noch untersucht werden, ob und wie weit die Darlegungen Haideggers durch ähnliche Ansichten beeinflußt waren, die damals von anderen Wortführern des Katholizismus in Österreich oder im Deutschen Reich bereits ausgesprochen waren. Der Gedanke, daß die Nationalität und das Nationalgefühl eine von Gott gewollte Eigentümlichkeit der Menschheit und die Pflege derselben berechtigt sei, wird seit der Jahrhundertwende von katholischen Autoren mit einer gegenüber früher auffallenden Nachhaltigkeit geäußert.1) Jene theoretischen Ausführungen deuten den Umschwung an, welcher nun auch in der katholisch-kirchlich gesinnten Bevölkerung Tirols gegenüber der nationalen Schutzarbeit an der Volkstums- und Sprachgrenze sich durchsetzte. Während diese bisher eine sehr kühle, zurückhaltende oder gar ablehnende Haltung gegenüber dem Deutschen Schulverein und der Südmark eingenommen hatten, beteiligten sie sich an der Gründung und Ausgestaltung eines ähnlichen, aber für die besonderen Bedürfnisse Tirols eigens aufgestellten Vereins, des Tiroler Volksbundes (gegründet im Jahre 1905), der alsbald sich in allen Teilen und Gemeinden des Landes kräftig entfaltet hat (s. oben S. 3 1 1 f.). So hat also die Bedeutung des deutschen Volkstums in Südtirol die Entwicklung der politischen Ideen und Parteien beeinflußt und selbst daraus wieder eine Stärkung erfahren. Der nationale Gedanke hat so auch hier über die weltanschauliche und politische Zerklüftung eine gewisse Brücke geschlagen. Es konnte dies nicht ohne Hemmungen erreicht werden, aber auch diese sind im Entwicklungsgang der politischen Ideen und des Volkstumsgedankens in Deutschland überhaupt gegeben. Wenn so die nationale Selbsterhaltung unter den politischen P a r teien Deutschtirols wenigstens hinsichtlich eines Endzieles eine gewisse Gleichartigkeit und Einheitlichkeit hergestellt hat, so wäre es doch irrig anzunehmen, daß die sonstigen Gegensätze zwischen jenen sich wesentlich gemindert hätten. Das war in Tirol wie im übrigen Österreich nicht der Fall, weder hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat noch jenes' zwischen Staat und Volkstum. Die Angehörigen der beiden kirchlich gesinnten Parteien warfen den Nationalen vor, daß sie durch die zu starke und einseitige Betonung des Deutschtums den Staat Österreich zur Auflösung bringen, kein bejahendes österreichisches Staatsgefühl hätten, nach dem Deutschen Reiche schielen und der österreichischen Dynastie teilnahmslos oder ablehnend gegenüberständen, daß sie mit einem Wort nicht österreichisch patriotisch und dynastisch gesinnt seien. Mit der Schwächung des österreichischen Staates beabsichtige die deutschnationale Richtung *) Belege bei Ed. Bernatzik, Die Ausgestaltung des Na ionalgefühles im 19. Jahrhundert (Bonn 1912).

Die Südtii oler polit.-nationale Dichtung seit 1896.

365 auch eine Zurückdrängung des Katholizismus und umgekehrt und stehe mit dieser Einstellung im besonderen Gegensatze auch zu den großen Überlieferungen Tirols vom Jahre 1809. Die Nationalen hielten wieder den Christlichsozialen vor, daß deren deutsche Gesinnung nur bedingt, ja nur berechnet sei, um es nicht mit den Wählern zu verderben; den Konservativen, die ja auch mit der äußeren Betonung des Deutschtums sehr sparsam waren, hielten sie ihre alte Gleichgültigkeit gegenüber den politischen Belangen des Deutschtums und die Auslieferung des Staates Österreich an die Slawen (in Tirol wohl auch an die Italiener) und dadurch Beihilfe zu einer völligen Umänderung der geschichtlichen Stellung von Österreich vor. In der Geschichte des Jahres 1809 suchten die Nationalen die allgemein deutschen Anknüpfungen vor die österreichisch-dynastischen zu setzen, was einigermaßen gezwungen erscheint. So flogen die Vorwürfe von V e r r a t am österreichischen S t a a t und seiner Dynastie und von V e r r a t am Deutschtum zwischen beiden Richtungen in der Presse und in Versammlungsreden hin und her. Wenn auch im Jahrzehnt von 1895 bis 1905 dieser Meinungskampf in Tirol — in Nord- und in Deutschsüdtirol — mit besonderer Erbitterung geführt wurde, aufgehört hat er auch nachher nicht. Dies soll hier nur ganz allgemein bemerkt, nicht aber näher ausgeführt werden, wozu die Publizistik, auch jene von Deutschsüdtirol, reichlichen Stoff bieten würde. Abgesehen von den Zeitungen und politischen Gelegenheitsschriften griff in diesen Meinungskampf auch ziemlich stark die gleichzeitige Dichtung ein, ja dieser hat — neben rein künstlerischen Antrieben — zur Entfaltung einer neuen Epoche in der tirolischen Literaturgeschichte, die sich als „Jungtirol" bezeichnete, mit Anlaß gegeben. Auch dies soll hier nicht näher dargestellt werden, der Hauptboden hiefür lag übrigens nicht so sehr in Südtirol als in der Landeshauptstadt Innsbruck.1) Doch stammen manche dieser Jungtiroler Dichter, die ihre Laute mitunter sehr stark auf den politischen Ideenstreit stimmten, aus Südtirol, so auf national-freiheitlicher Seite führend neben dem Innsbrucker Anton Renk der Eisacktaler Artur v. W a l l p a c h , auf kirchlich-patriotischer Seite Bruder Willram (Anton Müller) aus Bruneck und die als „Alttiroler" bezeichneten Karl Domanig aus Sterzing und P. Ferdinand v. Skala aus Bozen.2) Auf nationaler Seite bestand wesentlich für diese politische Dichtung eine eigene Wochenschrift „Der Scherer", die die politischen Auseinandersetzungen zwar gedanklich verallgemeinert und vertieft, aber auch sehr leidenschaftlich gestaltet hat. Ihre Mitarbeiter haben nicht nur das unbedingt Deutsch1 ) Zeitlich steht am Beginn dieser Richtung der autobiographische Roman von Franz Lechleitner, Wfe ein Tiroler Büblein deutschnational wurde (1893). 2 ) Vgl. Enzinger, Tir. Lit., S. 103 ff.; A. Dörrer in K. Bell, Südtirol, S. 219 ff. über Skala s. auch Hohenegger, Gesch. d. tirol. Kapuziner, S. 638 f. — Von A. Müller (Br. Willram) liegt außer seinen Gedichtbänden auch eine Sammlung der von ihm seit 1904 gehaltenen patriotischen Reden und Ansprachen unter dem Titel „Kennt Ihr das Land ?", Innsbruck 1914, vor. — Auch von dem hauptsächlich durch seine Novellen bekanntgewordenen Karl Zangerle von Meran liegen Gedichte deutschvölkischen Inhaltes vor (s. oben S. 300f.).

III. § 5. •— Die Südtiroler polit.-nat. Dichtung

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Völkische zum Österreichisch-Anti- und Anationalen, sondern auch das Germanisch-Heidnische und Deutsch-Protestantische zum Römisch-Katholischen in schneidenden Gegensatz gestellt und dadurch der Aufnahme des praktischen deutschen Schutzgedankens in den breiten kirchlich bestimmten Kreisen der Tiroler Bevölkerung große Schwierigkeiten bereitet. In seinen späteren Gedichten, besonders in der Sammlung „Tiroler Blut" 1908, betont Wallpach mit Vorliebe den Zusammenklang von Germanentum und Rätertum im Tirolertum und legt diesen Gedanken auch seinem Gedichte „Tirol ungeteilt", das in leidenschaftlicher Weise sich gegen die deutschen Befürworter der Autonomie Welschtirols wendet, zugrunde : „Ob deutsch, ob welsch die Zunge klingt, E s ist das Blut, das uns zusammenzwingt."

Dem Tiroler Volksbund, der die Erhaltung der alten Landeseinheit und des Deutschtums als einer Voraussetzung derselben anstrebte, widmete auch Bruder Willram ein Bundeslied: „Von deutscher Sitte und deutschem Brauch, Darfst nimmer, ja nimmer du (Tiroler) lassen, Und deutsch mußt du sein bis zum letzten Hauch, Und stark im Lieben und Hassen." (Tiroler Volksbundkalender 1908.)

Den stärksten dichterischen Ausdruck der gegen die Abtrennung Welschtirols gerichteten Stimmung der katholisch-konservativen Kreise, insbesondere von Bozen-Kaltem, schrieb Maria v. B u o i , geb. Dipauli 1 ): „Mein Land (Tirol), du bist zu groß, laß dich zerteilen . . . ! Mein Land, du bist zu schön, laß dich verwunden . . . ! Mein Land, du bist zu stark, laß dich zersplittern . . . ! " (Tir. Volksbundkalender.)

Tritt schon hier eine gewisse gedankliche Annäherung zwischen jenen Verkündern sonst gegensätzlicher Anschauungen hervor, so geschah dies in noch viel stärkerem Grade, als seit 1915 mit eisernen Waffen um das Ganze von Tirols Zukunft gerungen wurde und beide Dichter, Wallpach und Br.Willram2), den Opfermut der Kämpfer für die Freiheit und das deutsche Wesen der Tiroler Heimaterde, das Vermächtnis der Vorfahren, zu entflammen suchten.3) Nur ganz kurz soll auch hier die Stellung der politischen Parteien in. Südtirol zur a u s w ä r t i g e n P o l i t i k Österreichs in den letzten Jahrzehnten angedeutet werden. Die ausgesprochene Abneigung, die gegen das neue D e u t s c h e R e i c h bei dessen Gründung auf konservativer Seite in Tirol. 1

) Über diese besonders in der Erzählung und im Schauspiel tätige Dichterin s. Schiern 1930, S. 304 ff. 2 ) S. dazu O. F. Luchner, A. v. Wallpach im Schiern 1926, S. 109. 3 ) Br. Willram, Der heilige Kampf 1917; Wallpach, Wir brechen durch den Tod 1916., Besonders letztere Gedichtsammlung, deren Verfasser selbst an der Gefechtsfront stand, ist:1 ausgezeichnet durch die Wucht unmittelbarster Empfindung und dichterischer Ausdruckskraft.

Die Aufnahme der Dreibundpolitik in Tirol.

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bestanden hat (s. oben S. 342f.), milderte sich, als jenes mit Österreich — zuerst im Wege des Dreikaiserbündnisses (1873) und dann besonders durch den Abschluß des Zweibundes (1879) und des Dreibundes (1882) in ein immer engeres Einvernehmen auf dem Gebiete der Außenpolitik getreten ist. Die Beilegung des Kulturkampfes im Deutschen Reiche und die allmähliche Annäherung des katholischen Zentrums an die Reichsregierung, wobei dieses gerade auch das Bündnis mit Österreich befürwortete, hat natürlich jene Haltung der österreichischen und auch tirolischen Konservativen begünstigt. Die Beziehungen zwischen den führenden Kreisen des reichsdeutschen, besonders rheinländischen Katholizismus mit jenen in Tirol, schon von Görres und Josef Giovanelli angebahnt, sind stets sehr enge und vertraulich gewesen, was sich auch durch persönliches Erscheinen bei den deutschen Katholikentagen ausgedrückt hat. 1 ) Die Liberalen Tirols haben von Anfange an das Bündnis Österreichs mit dem Reiche begrüßt, es lag ja im Sinne der ganzen innen- und außenpolitischen Auffassung des deutschösterreichischen Liberalismus. So kann man im ganzen sagen, daß dieses Bündnis in den breiten Volksschichten Tirols als die natürliche Fortsetzung des geschichtlichen Verhältnisses des deutschösterreichischen Stammes zum übrigen Deutschtum, als eine neuartige politische Form seiner uralten nationalen Zugehörigkeit mit warmer und aufrichtiger Teilnahme stets empfunden worden ist.2) Wie die Regierung des Deutschen Reiches sich auch sonst jeder Einflußnahme auf die inneren nationalen Auseinandersetzungen in Österreich, sowie jeder politischen Werbung um die österreichischen Deutschen enthalten hat, so hören wir auch nichts von irgendeiner besonderen Anteilnahme der Reichsregierung an den Auseinandersetzungen zwischen den Deutschen und Italienern in Tirol. Die Einbeziehung I t a l i e n s in das Bündnis mit dem Deutschen Reich und Österreich (1882) hatte für Tirol wegen seiner Grenzlage besondere Bedeutung. Bei den L i b e r a l e n Tirols fand es eine warme Aufnahme, denn es entsprach auch ihren innenpolitischen Zielen und Auffassungen, Zusammengehen der Deutschen und Italiener gegen die Slawen, sowie einvernehmliche Abscheidung der nationalen Gebiete von Deutsch- und Welschtirol.8) Der Abgeordnete Grabmayr, der ja gerade diesen letzteren Gedanken verwirklichen wollte (s. unten § 6), hat auch nach dem Scheitern dieses Planes als Mitglied des Herrenhauses und der Delegationen im Jahre 1910/11 sich bemüht, für die Auffrischung des Bündnisses mit Italien zu wirken.4) Allein er fand damit in seinem Heimatland Tirol kein tieferes Echo. Die Bereits Graf Clemens von Brandis, 1841 — 1848 Landesgouverneur von Tirol, hat den deutschen Katholikenversammlungen zu Freiburg und Köln (1859 u. 1862) präsidiert (siehe Dörrer in der Festschrift „ 7 5 Jahre Stella Mahstina" I I 1931, S. 84). 2 ) Zeitungsstimmen hierüber aus Stidtirol müßten erst gesammelt werden. 3 ) Siehe z. B. die Ausführungen in der Meraner Zeitung von 1889, unten S. 384. 4 ) So besonders durch seine Reden in den Delegationen vom 8. November 1910 und 22. Februar 1 9 1 1 , auch abgedruckt in Grabmayrs Ges. Reden, S. 164 ff. — Alle Einzelheiten über das politische Verhältnis zwischen der deutschen und italienischen Nationalität sowie die nationale Autonomie in Tirol s. unten § 6.

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ni. § 5. - Die Sozialdemokrat. Partei in Südtirol

liberale Richtung war ja seit 1900 von der deutschnationalen abgelöst worden und diese zu einer scharf abweisenden Haltung gegenüber dem zweifellos vorhandenen Ausdehnungsbestreben der Italiener in Tirol übergegangen ; dies hat auf Seite jener Richtung dem Bündnis mit dem Königreich Italien die innere Wärme entzogen. Die K o n s e r v a t i v e n Tirols haben dasselbe wegen des Verhältnisses des Königreiches zum hl. Stuhl von Anfang an kühl aufgenommen, ja durch ihre Forderung nach Wiederherstellung des Kirchenstaates ernstlich erschwert. Besonderes Aufsehen erregte eine diesbezügliche Rede des Abgeordneten für Bozen-Land, F. Zallinger, am 27. November 1891 in den Delegationen. Praktisch aber fast noch mehr hat der Umstand, daß die italienische Regierung die irredentistische Bewegung hinsichtlich Welschtirols und des Küstenlandes duldete, ja förderte und auch in der Balkanpolitik zu Österreich in Gegensatz trat, bei den Konservativen und dann auch bei den Christlichsozialen das Bündnis mit Italien innerlich ausgehöhlt. Der Einfluß des Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand, der mit den leitenden militärischen Kreisen von der Unaufrichtigkeit Italiens überzeugt war, machte sich hierin noch besonders geltend. So kann man das außenpolitische Gefühl der Bevölkerung von Deutschtirol in den letzten Jahrzehnten vor dem Kriege in dem Sinne zusammenfassen: Warme, innere Teilnahme am Bündnis mit dem Deutschen Reiche, steigendes Mißtrauen gegenüber jenem mit Italien. Eine besondere Haltung nahm in Tirol und insbesondere im nationalen Grenzgebiet die Sozialdemokratie als politische P a r t e i ein. Diese hat sich ja gemäß der geringeren industriellen Entwicklung Tirols hier nicht mit jener Stärke entwickelt wie in anderen Gegenden, aber in kleinerem Verhältnis doch in ähnlicher Weise wie im übrigen Österreich. Auch in Bozen und Meran waren die noch von den Liberalen um das Jahr 1870 gegründeten Arbeiterbildungsvereine die ersten Sammelstätten sozialistischer Anschauungen, die zum beträchtlichen Teile durch Eisenbahner aus dem Innern Österreichs sowie sonst durch auswärtige Handwerksgesellen und Arbeiter nach Tirol gebracht worden sind. Im Jahre 1890 trat zum erstenmal in Innsbruck eine sozialdemokratische Landeskonferenz zusammen, welche auch aus Deutschsüdtirol beschickt war.2) In den nächsten Jahren (vor 1894) bildeten sich auch in Bozen und Meran freie, d. h. sozialistische G e w e r k s c h a f t e n für die verschiedenen Arbeitszweige, im Jahre 1907 zählten sie bei 2200 Mitglieder; in Bozen bestand damals ein „Arbeiter!) Im ganzen kennzeichnend hiefür ist das Buch des christlichsozialen Landtags- und Reichsratsabgeordneten Prof. Michael Mayr über den italienischen Irredentismus (i. Aufl., 1916). Die sonstigen Nachweise über die Entwicklung der öffentlichen Meinung in dieser Frage müßten auch erst gesammelt werden. Über die Gesinnung des Thronfolgers gegenüber dem Bündnis mit Italien s. Sosnosky, Franz Ferdinand (1928), S. 133. 2 ) Vgl. Brügel, Gesch. d. österr. Sozialdem. 4, 139. Über die Anfänge der Sozialdemokratie in Tirol s. die Schilderung von Holzhammer „Immer vorwärts" in der Innsbrucker Volkszeitung 1 9 1 1 , Nr. 202. Laut ders. Zeit, vom 24. Februar und 13. Dezember feierten damals die Arbeiterbildimgsvereine in Bozen und Meran ihre 25 jährigen Gründungsfeste.

und ihre Haltung zur nationalen Frage seit 1890.

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Sekretariat für Deutschsüdtirol" mit einem eigenen Gewerkschaftshause,1) P o l i t i s c h kam. die sozialdemokratische Partei seit der Einführung des allgemeinen Wahlrechtes für den österreichischen Reichsrat, besonders bei den Wahlen im Jahre 1907 und 1911 auch im Deutschsüdtiroler Städtewahlkreis Bozen-Meran ziemlich stark zur Geltung, denn sie machte mit rund 600 Stimmen beinahe ein Fünftel der Gesamtheit derselben aus und gab beide Male in der Stichwahl für den deutschnationalen Wahlwerber, der allerdings zugleich auch die fortschrittliche Richtung betonte, Perathoner und Kraft, den Ausschlag.2) Im Landtag und in den Gemeinderäten der beiden Städte konnten die Sozialdemokraten infolge der für diese Körperschaften damals gültigen Wahlrechte keinen Eingang finden, wenn sie sich auch eifrig an diesen Angelegenheiten beteiligten. An k u l t u r e l l e n sozialdemokratischen Vereinen finden wir 1911 einen Arbeitersängerbund in Bozen, den Arbeitersängerverein „Frohsinn" in Meran, die Arbeiterturnvereine „Freiheit" und „Vorwärts" sowie Ortsgruppen des Arbeitertouristenvereines „Naturfreunde" in Bozen und Meran, letztere 1903 gegründet.3) Eine eigene sozialdemokratische Zeitung hatte Deutschsüdtirol nicht, sondern hiezu diente die seit 1892 in Dornbirn und dann in Innsbruck herausgegebene „Volkszeitung". Im ganzen erscheint so die Sozialdemokratie in Bozen und Meran als eine Schichte der deutschen Bevölkerung dieser Städte, stand mit Nordtirol in enger Verbindung auf Grund einer einheitlichen Landesorganisation für Deutschtirol, gehörte mit all ihren geistigen Verbindungen und Bestrebungen zur allgemeinen deutschösterreichischen Gruppe der Sozialdemokratie von Österreich und war von jener in Welschtirol organisatorisch geschieden. Aber die sozialdemokratische Partei, die ja grundsätzlich als i n t e r n a t i o n a l e Vereinigung der „Proletarier aller Länder" gedacht war, suchte doch auch die ziemlich zahlreichen italienischen Arbeiter, die, aus Welschtirol und dem Königreich kommend, sich meist nur zeitweise in Bozen und Meran zur Arbeit aufhielten, zum Teil aber sich dort ansässig machten, für ihre gewerkschaftlichen und politischen Ziele zu gewinnen und gerade hier die über den Nationen stehende Einheit des Proletariats als sozialer Klasse zu bilden. Schon 1891 und dann 1894 versuchten die Sozialdemokraten in Bozen V o l k s v e r s a m m l u n g e n mit i t a l i e n i s c h e r V e r h a n d l u n g s sprache abzuhalten, und als der Stadtmagistrat mit Berufung auf seine deutsche Amtssprache dies ablehnte und die Versammlungen nur mit deutscher Verhandlungssprache genehmigen wollte, ergriffen dagegen erstere den Rekurs an die höheren politischen Instanzen, Statthalterei und Ministerium, und fanden hiebei Hilfe.4) Im Jahre 1894 ward auch ein eigener S. die Berichte in der Volkszeitung vom 24. Februar 1894, 15. Oktober 1895, 1907, Nr. 100. 2) Boz. Ztg. 1907, Nr.-115 und 1911, Nr. 135. Der soz. Kandidat hieß Snoy, der Gewerkschaftssekretär für Bozen und Meran Pitacco. 3) Nach gelegentl. Erwähnungen in der Volkszeitung 1911, Nr. 93; 1907, Nr. 38. 4) Näheres s. oben S. 219 ff.

S t o l z , Südtirol I I I .

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in. § 5- - Das Sozialist. Programm der nationalen Autonomie. 370 sozialdemokratischer A r b e i t e r v e r e i n italienischer Zunge für Bozen und Umgebung gegründet, weil die italienischen Arbeiter sich nicht der führenden deutschen Organisation anschließen wollten. Das war ein bedeutendes Entgegenkommen gegenüber dem nationalen Selbständigkeitsgefühl der Italiener.1) Der Arbeiterkonsumverein, der 1897 in Bozen gegründet wurde, war von Anfang an doppelsprachig.2) Bei den Maifeiern in Bozen undMeran, ebenso wie in Innsbruck wurden für die italienischen Arbeiter entweder eigene Versammlungen veranstaltet oder bei den gemeinsamen auch italienische Ansprachen gehalten. Gemäß des allgemeinen Programmes, das im Jahre 1899 die österreichische Sozialdemokratie zur Lösung der nationalen Frage in Österreich aufgestellt hatte, trat diese vorbehaltslos für eine weitgehende Autonomie des italienischen Landesteiles von Tirol — gedacht von Salurn südwärts — ein, wie sie andererseits das Gebiet nördlich davon zum deutschen Anteile des in nationale Gebietsverbände aufzulösenden österreichischen Staates rechnete. Hinsichtlich der verwaltungsrechtlichen Behandlung der italienischen Minderheiten in Deutschtirol fordert ein Leitartikel in der Innsbrucker Volkszeitung vom 17. Februar 1905 im Anschluß an die damals durch das Reichsgericht erfolgte Zurückweisung der tschechischen Ansprüche auf öffentliche Schulen in Wien, daß die sozialdemokratische Partei die Rechte der Minderheiten, welche in ihrem Nationalitätenprogramm nur ganz allgemein berührt waren, näher festsetze. Hinsichtlich Tirol wird in diesem Artikel die Anerkennung solcher Rechte der Italiener in Innsbruck — gerade auch im Hinblick auf die kurz vorher geschlossene Rechtsfakultät — abgelehnt und die Vorstellung der angestammten Gebiete der einzelnen Nationen, welche auch für jene Entscheidung maßgebend war, auch für Tirol anerkannt. Ob aber diese Auffassung auch speziell für Bozen und sein näheres Gebiet angewendet und für die dortigen Italiener Minderheitsrechte zuerkannt werden sollen, darüber sagt jener Artikel nichts, und weiterhin sind hierüber sozialdemokratische Erklärungen, sei es nun programmatischer oder auch nur vorbereitender Art, mir nicht bekannt geworden. Übrigens hat damals in Versammlungen, die sich mit den Innsbrucker Universitätsunruhen befaßten, der Führer der Sozialdemokratie von Deutschtirol ziemlich entschieden die nationalen Überhebungen des sozialistischen Führers von Welschtirol, des im Weltkrieg so bekannt gewordenen Cesare Battisti und seines Organes („II Popolo") zurückgewiesen und auch Anwandlungen im nationalsozialistischen Sinne ausgesprochen, daß es nämlich nur x

) Sehr bezeichnend ist hiefür der Bericht in der Volkszeitung von 1894, Januar 27: ,,Bisher war die deutsche Arbeiterorganisation in Bozen auf Schritt und Tritt gehemmt, weil sich ihr die italienischen Arbeiter nicht anschließen 'wollten." Nun wurde ein Arbeiterverein italienischer Zunge für Bozen und Umgebung gegründet. „Arbeiter Bozens deutscher Zunge! steht den italienischen Genossen kräftig zur Seite, damit die Gesamtorganisation gedeiht! Fort mit allem Nationaldünkel, mit altem Kastengeist! Nur das Zusammengehen beider Nationen wird Erfolg bringen." 2 ) So gemäß der Satzungen, ein Stück derselben IFerd. W. 1471.

Streben nach nationaler Zollpolitik in Tirol bis 1848.

371 angemessen sei, daß die Stadtgemeinde Innsbruck zunächst die deutschen Arbeiter berücksichtige.1) Wir haben damit die Wirksamkeit und auch die Behinderungen des deutschen Nationalbewußtseins in der allgemeinen Entwicklung der politischen Anschauungen und Bestrebungen in Südtirol im 19. Jahrhundert festgestellt. Es zeigen sich aber auch noch besondere Beziehungen zwischen der engeren l a n d s c h a f t l i c h e n W i r t s c h a f t s p o l i t i k und diesem deutschen V o l k s g e f ü h l sowie dem Streben, das deutsche Volkstum in Südtirol in seiner geschichtlichen Raumstellung zu erhalten. In dieser Hinsicht sind besonders auffallend die Bemühungen, Tirol für sich allein oder mit dem übrigen Österreich an den deutschen Zollverein und damit an das deutsche Wirtschaftsgebiet anzuschließen. Noch während der ersten Einrichtung der österreichischen Herrschaft nach der napoleonischen Epoche im Jahre 1816 hat eine Vertretung des Tiroler Handelsstandes die ihr von der Staatsregierung vorgelegte Frage, ob das Land mit dem neu zu Österreich gekommenen lombardo-venezianischen Königreich oder mit dem alten Hauptgebiete des Kaisertums Österreich zollpolitisch zu vereinigen sei, beide Aussichten als für das Land ungünstig abgelehnt, insbesondere den Anschluß an die Lombardei; denn dadurch würde die Verwertung des Südtiroler Weines zur Ausfuhr nach Deutschland außerordentlich geschädigt werden. Diese Rücksicht auf den Weinbau von Südtirol, der übrigens auch der Vorteil Nordtirols an einer möglichst unbehinderten Ausfuhr seines Zuchtviehes nach Bayern und Schwaben durchaus entsprach, hat in den folgenden Jahrzehnten den Tiroler Landtag zu wiederholten Eingaben an die Regierung veranlaßt, mit Bayern und dann mit dem deutschen Zollverein einen für diese tirolischen Erzeugungen günstigen Zoll- und Handelsvertrag abzuschließen. Freilich blieben diese Anregungen ebenso ohne Erfolg wie andere in ähnlichem Sinne, nämlich ein Ersuchen des Landtages im Jahre 1817, Tirol aus dem österreichischen Zollverbande auszuscheiden und ihm mit Rücksicht auf seine günstige Verkehrslage zwischen Deutschland und Italien wie noch in der josefinischen Zeit ein besonderes Zollsystem zu geben, oder im Jahre 1823 das Ersuchen, zwischen der Lombardei und Tirol eine Zollinie zum Schutze des Tiroler Weines zu errichten.2) Dieser letztere Wunsch wäre auch im Einklänge mit einem vom 14. bis zum 18. Jahrhundert festgehaltenen Landesgesetze gewesen, laut dessen in Deutschtirol keine südwärts vom Avisio gewachsenen Weine oder höchstens nur unter ganz bestimmten Bedingungen eingeführt werden durften.3) Gerade weil diese Fragen schon vor 1848 im Landtage oftmals erörtert worden waren, brach der Ruf nach B e s e i t i g u n g der Zollschranken gegen Deutschland in jenem Jahre in Tirol mit besonderer Stärke durch. Das zeigen die Wahlprogramme und die Veröffentlichungen der Tagespresse, wobei nicht bloß der zunächst gelegene wirtschaftliche Vorteil, sondern auch das höher 1

) Volkszeitung 1904, November 25 und Dezember 2. ) Näheres bei Gsteu, Tiroler Landtag von 1816 bis 1848, S. 132 und 138 f. 3 ) S. oben Bd. 1 , S. 100. 24* 2

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III. § 5. — Streben nach Anschluß an den deutschen Zollverein

gerichtete Sehnen nach einer allgemeinen nationalen Vereinigung der deutschen Länder sich kundgaben. So heißt es im Wahlaufruf Beda W e b e r s : „Wohl zwanzigmal hat man (d. i. seitens der Regierung und der Landschaft) Euch (den Bewohnern des Etschkreises) geschworen, Euren Weinbau gegen die wälschen Weine in Schutz zu nehmen; aber anstatt Eures alten Rechtes stand seit Jahren eine Zollschranke gegen Bayern, die jegliche Ausfuhr unmöglich machte; es stand ein Weinaccis auf Eurem Erzeugnisse, welcher jährlich mehr als ein gutes Drittel Eurer Einnahme verschlang, es wurden die Kosten des Weinbaues verdoppelt durch maßlose Holzausfuhr nach Italien. So ist es gekommen, daß Ihr im fruchtbarsten Lande der Welt mit jedem Jahre ärmer geworden seid." Im Aufrufe T a p p e i n e r heißt es: „Nur wenn Deutschland ein Reich wird, dann fallen die verwünschten Zölle auf einmal, welche unseren Weinen und unserer Seide bisher den großen Absatz in Deutschland versperrt haben, so wie auch wir dann die notwendigen Waren aus Deutschland beziehen können." (Wie oben S. 328, Anm. 2.) — Dr. J. S t r e i t e r , der spätere Bürgermeister und liberale Wortführer von Bozen, schrieb 1848 (Studien eines Tirolers 1862, S. 72): „Ein aufrichtiger A n s c h l u ß a n D e u t s c h l a n d , ein baldiger Eintritt in den deutschen Zollverein gewährt uns aber sichere Aussicht auf das Erstehen dieser Bedingungen eines möglichen Wohlstandes in nicht zu weiter Ferne. Nur ein reger Handelsverkehr mit unserem deutschen Vaterlande wird unseren Erwerb dauerhaft sichern, unsere Bildung fördern, uns glücklich, frei und stark machen durch und mit Deutschland; die Isolierung von 800000 Menschen auf einem Felseneiland heißt sie auf Hunger und Noth, auf Verwilderung und geistige Sclaverei verweisen. So vortrefflich und unentbehrlich uns die Grundrechte und die Reichsverfassung sind, die sie in Frankfurt berathen und feststellen, in ein Volk mit unseren deutschen Brüdern wachsen wir sonderungslüsternen Älpler nur dann zusammen, wenn uns materielle Interessen, belebter Durchzug, häufiger Austausch von Producten und der hiedurch bedingte höhere Preis der Liegenschaften, mit einem Worte ein fester Handelsverband an sich anschließt. Die größere Ausfuhr unserer Weine steigert nur den Werth eines Theils unseres Bodens und dürfte Viele in ihren allzugroßen Hoffnungen täuschen, da in den letzten dreißig Jahren die Rebe in Schwaben und Franken viel häufiger gepflegt wurde als ehedem; g a n z Tirol hebt sich nur durch die Ermöglichung eines vermehrten Gewerbfleißes und Transits. Unsere Lebensfrage liegt daher im Anschlüsse an den deutschen Zollverein." Auch im Tiroler Landtag vom Jahre 1848 wurde der Anschluß Tirols an den deutschen Zollverein als „ein dringender Wunsch, ja als eine Grundbedingung unseres Wohlstandes" anerkannt, es könne sich nicht mehr um die Frage dieses Anschlusses an sich, sondern nur um den näheren Weg dazu handeln. Kaum war nach der absoluten Ära der Tiroler Landtag wieder eröffnet, hat im Jahre 1863 die Stadt Bozen bei diesem ein Gesuch eingebracht, er möge bei der österreichischen Staatsregierung „ d e n A n s c h l u ß Ö s t e r r e i c h s an den d e u t s c h e n Z o l l v e r e i n als eine dringende Angelegenheit befürworten". In der ausführlichen Begründung wird darauf hingewiesen, daß durch die Zollgemeinschaft mit den deutschen Ländern die Absatzmöglichkeit und damit der Wert der in Südtirol erzeugten Weine und Südfrüchte sich sehr beträchtlich steigern und dadurch insbesondere auch den Welschtirolern die Bedeutung ihrer Zugehörigkeit zum Lande Tirol mehr zum Bewußtsein gebracht würde. Im Landtage berichtete darüber der Abgeordnete der Bozner Landgemeinden Zallinger in sehr eingehender Weise, betonte die Vorteile des Anschlusses an den deutschen Zollverein gerade für Südtirol und die Notwendigkeit, daß, bis dieser erreicht sei,

in Tirol, bes. in Bozen 1848—1866.

373 wenigstens der Einfuhrzoll für den Tiroler Wein in Deutschland ermäßigt werde. Der Landtag nahm einstimmig seinen Antrag an, in diesem Sinne bei der Wiener Regierung vorstellig zu werden.1) In der Wechselrede über jenen Antrag berief sich der liberale Abgeordnete des Großgrundbesitzes, Gutsbesitzer Dr. Heinrich v. Morl in Salurn, auf die üble wirtschaftliche Lage des Weinbaues in Südtirol, die, hervorgerufen durch Krankheiten an den Weinreben in früheren Jahren, nur durch eine Erweiterung des Absatzes behoben werden könne. Infolge der Verarmung unter den deutschen Weinbauern des Etschlandes werde ein bäuerliches Proletariat und überdies das romanische Element auf den deutschen Grund und Boden herbeigezogen. In Salurn hätten in den letzten zwei Jahren die Grundbesitzer über hundert Käufe und Pachtungen an Leute italienischer Zunge getätigt, weil die Bewirtschaftung ihrer Güter unrentabel sei. Diese Erscheinung könne aber der Staatsregierung aus politischen Gründen, aus Gründen der Erhaltung des Grenzgebietes bei Tirol und Österreich nicht gleichgültig sein, vielmehr müsse man ihr durch wirtschaftliche Maßnahmen entgegenarbeiten. Der italienische Abgeordnete Sartori verwahrte sich dagegen, daß Morl das Vordringen des romanischen Elementes im bisher deutschen Gebiete als Kalamität bezeichne, man könne dasselbe übrigens leicht vermeiden, wenn man die italienischen Bauern an Genügsamkeit, Sparsamkeit und Arbeitsamkeit nachahmen wollte. Diese Auseinandersetzung zeigt, wie der örtliche nationale Kleinkrieg mit den großen, die ganze Nation betreffenden volkswirtschaftlichen Fragen in Zusammenhange stand. Die Ereignisse von 1866 haben dann freilich die Möglichkeit einer Zollgemeinschaft Österreichs oder eines einzelnen österreichischen Kronlandes mit dem Deutschen Reiche auf lange Zeit verrammelt, doch ist die Erinnerung an diesen alten Wunsch der Bevölkerung Deutschsüdtirols in dieser keineswegs erloschen. Anderseits haben sich die Weinbauern von Deutschsüdtirol stets (s. oben S. 371) um einen hohen Zollschutz für ihren Wein gegenüber I t a l i e n bemüht. Nachdem eine Bestimmung im österr.-italienischen Handelsvertrag vom Jahre 1891 den Zoll auf Wein stark herabgesetzt hatte, war die Beseitigung dieser sog. Weinzollklausel eine besondere Forderung der von Schraffl seit etwa 1900 geführten Bauernbewegung und wurde auch anläßlich des neuen Vertrages vom Jahre 1906 erreicht.2) Schon in älterer Zeit — seit dem 15. Jahrhundert — hat die Gesetzgebung des Landes Tirol in weit stärkerem Maße als in anderen Ländern die w i r t s c h a f t l i c h e und soziale S t ä r k u n g des B a u e r n s t a n d e s , beBerichte des Tiroler Landtages 1863, S. 1 3 und 170; Streiter, Blätter aus Tirol, S. 175, schiebt Zallinger die Absicht unter, den Antrag der Stadt Bozen verwässert zu haben, damit ja der wirtschaftliche Anschluß an das zur Mehrheit protestantische Deutschland nicht zu enge werde, doch scheint diese Meinung parteipolitisch übertrieben zu sein. 2 ) Zur Orientierung hierüber s. z. B. Brixner Chronik vom 4. Oktober 1900; vom 26. Jan. 1901 (bei Eintritt der Abg. Schraffl und Schoepfer in die christl.-soz. Reichspartei beschließt diese die Aufhebung der Weinzollklausel zu betreiben); Ber. d. tir. Landtags 1903, S. 384 (Dringlichkeitsantrag auf Abschaffung derselben); Mischler, österr. Staatswörterbuch, Bd. 2, S. 7iof.

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III. § 5. — Wirtschaftpolit. Maßnahmen (Agrarreform)

sonders in seinem rechtlichen Verhältnis zur Grundherrschaft, im Auge gehabt und auch erzielt, und das ist gerade auch für die Festigung der d e u t schen S i e d l u n g im Lande von großer Bedeutung gewesen. In den ersten Jahrzehnten nach 1 8 1 5 ist auf diesem Gebiete wenig Neues erreicht, höchstens das Hergebrachte befestigt worden; um so bedeutsamer ist aber die seit 1847 bzw. 1848/49 angebahnte Regelung des bäuerlichen Waldnutzungsund W a l d b e s i t z r e c h t e s , die G r u n d l a s t e n a b l ö s u n g und die Servitutenregulierung gewesen. Mit dem Einsetzen der neuen Verfassung seit den 1860 er Jahren hat die dem Landtag eingeräumte Selbständigkeit in den Angelegenheiten der „Landeskultur", d. h. der Landwirtschaftspflege auf diesem Gebiete eine immer lebhafter werdende gesetzgeberische und praktisch durchgreifende Tätigkeit auch in Tirol ausgelöst. Insbesondere hat der im Jahre 1881 errichtete „ L a n d e s k u l t u r r a t " für die Beförderung der Landwirtschaft und damit auch für die wirtschaftliche Fortbildung und Kräftigung des deutschen Bauernstandes in Tirol eine ebenso in alle Zweige der Landwirtschaft, Ackerbau, Viehzucht, Wald- und Almenpflege, Weinund Obstbau, eindringende, wie ersprieBliche Tätigkeit entfaltet. Vom nationalen Standpunkt war hiebei beachtenswert, daß dieser Landeskulturrat, eine öffentlichrechtliche Vertretung der landwirtschaftlichen Belange, in zwei Sektionen (Abteilungen) eingerichtet worden ist, und zwar eine für das gesamte Gebiet von Deutschtirol südwärts bis Salurn und eine zweite für Welschtirol. Die landwirtschaftlichen Interessenten von Bozen und dessen näherer Umgebung wollten — wenigstens anfangs — wegen der besonderen Verhältnisse ihres Gebietes — Wein- und Edelobstbau — eine eigene Sektion für das deutsche Südtirol, doch wurde von der Mehrheit des Landtags, auch der übrigen deutschsüdtiroler Abgeordneten, dieser Gedanke abgelehnt; derselbe ist übrigens, das sei hier ausdrücklich betont, nie auf eine politische oder nationale Absonderung, sondern nur auf eine besondere wirtschaftliche Interessenvertretung des engeren Bozner Gebietes ausgegangen, wie ja auch zu Bozen eine eigene Handels- und Gewerbekammer mit der Wirksamkeit für den gesamten Bozner Kreisgerichtssprengel, das war ganz Deutschsüdtirol, bestanden hat. 1 ) Der Landeskulturrat hat sich mit seiner deutschen Sektion noch genauer an die volkliche Ausbreitung angeschlossen als die politische Einteilung, indem jener die deutschen Gemeinden am Nonsberg, die zu dem italienischen Bezirke Cles gehörten, 1884 zugeteilt wurden.2) Die Errichtung von landwirtschaftlichen V e r s u c h s - und L e h r a n s t a l t e n zu S. Michele an der Etsch und in Rothholz im Unterinntal (in den Jahren 1874 und 1880) und deren weitere TätigDie Verhandlungen des Tiroler Landtages 1881, S. 192 und 202; 1889, S. 652 ff. 1881 sind besonders der deutschliberale Großgrundbesitzer Graf Melchiori, zugleich KreisgerichtsPräsident zu Bozen, 1889 der konservative wie der liberale Abgeordnete von Bozen, Zallinger und Angerer, für eine eigene Abteilung des Landeskulturrates für Deutschsüdtirol mit dem Sitze in Bozen eingetreten, dagegen bzw. für die Beibehaltung des einheitlichen Landeskulturrates für Deutschtirol mit dem Sitze in Innsbruck der Landeshauptmann Graf Brandis, Gutsbesitzer bei Lana, sowie die Abgeordneten der Bezirke Meran, Brixen und Pustertal. 2 ) S. Bd 1, S. 123 und Bd. 2, S. 293. Ferner unten S. 382.

zur Stärkung des Bauernstandes in Tirol seit 1880.

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keit haben auch sehr zur Aufnahme und Verbreitung neuzeitlicher Errungenschaften auf dem Gebiete der Landwirtschaft in Tirol mitgewirkt. 1 ) Nicht minder bedeutsam waren mehrere neue Gesetze zur Regelung der rechtlichen Belange des bäuerlichen Grundbesitzes, des A g r a r r e c h t e s also. Durch Gesetz vom Jahre 1896 wurde in Tirol das G r u n d b u c h an Stelle des bisherigen unübersichtlichen Verfachbuches eingeführt und dadurch eine Besserung des bäuerlichen Kredites angebahnt. Zugleich beschloß damals der Landtag ein großzügiges Programm agrarrechtlicher Reformen, um dessen Ausstellung sich besonders der Abgeordnete Grabmayr bemüht hatte, während weitergehende Anträge des Abgeordneten Schöpfer in der Minderheit blieben.2) Das im Rahmen dieser Aktion begonnene und im Jahre 1900 zum Abschluß gebrachte tirolische H ö f e g e s e t z sicherte in Anlehnung an ältere Rechtsgewohnheiten und Vorschriften den Bestand der geschlossenen, meist mittelgroßen bis kleinen Höfe als Grundlage eines seßhaften, selbständigen und selbstbewußten Bauernstandes. Die diesbezüglichen älteren Bestimmungen, angefangen mit der Tiroler Landesordnung von 1532 bis zu Verordnungen aus der Zeit Maria Theresias und deren Bestätigungen um 1830, hatten stets nur in Deutschtirol, in den Kreisen Unter- und Oberinntal, Puster- und Eisacktal und Etschland, gegolten, hier hatten sich infolge dieser Grundzerstückelungsverbote seit jener Zeit die bäuerlichen Gutseinheiten oder Höfe in ihrer bisherigen Größe erhalten, während in Welschtirol die römisch-rechtliche unbeschränkte Teilbarkeit des Bodens galt und dieser meist in ganz kleinen Stücken von den Eigentümern (Signori) an die Bauern (Coloni) verpachtet wird.3) Dieser wirtschaftliche und soziale Unterschied im Bauernstand von Deutsch- und Welschtirol war und ist ein geradezu nationales Unterscheidungsmerkmal, das sich zwischen beiden Landesteilen entlang der Volks- und Sprachgrenze bemerkbar macht, und daher war die besitzrechtliche Erhaltung des bäuerlichen Höfesystems als der geschichtlichen Grundlage des deutschen Bauerntums im Etschlande auch von großer unmittelbar nationaler Bedeutung. Allerdings ist bei den langwierigen Verhandlungen, die über dieses Gesetz im Landtag geführt wurden, auf diese Seite der Frage kaum hingewiesen worden.4) Das erklärt sich wohl damit, daß damals die Abgeordneten aus Welschtirol den Landtag mieden und daher zu einer Erörterung der Frage r ) Über die eigenartige sprachliche und nationale Einrichtung der Lehranstalt in S. Michele s. S. 253 f. 2 ) Vgl. zusammenfassend die Schriften von Grabmayr, Die Agrarreform in Tirol 1896, Schuldnot und Agrarreform 1894, S. 150 ff. und Bodenentschuldung und Verschuldungsgrenze 1900, S. 18 ff. Alle diese und andere Schriften Grabmayrs stehen zwar in engem Zusammenhang mit seiner politischen Tätigkeit, sind aber weit mehr als kurze Gelegenheitsschriften, sind umfangreiche, gründliche, dabei sehr gewandt geschriebene Abhandlungen. Das agrarrechtliche Reformprogramm s. auch in den Berichten des Tiroler Landtags 1896, S. 2off. und Beil. 126. 3 ) Die genaueste Einführung in die betreffenden Vorschriften und Zustände bietet Mages, Die Güterzerstückelungsvorschriften für Tirol 1883. Darnach ein Auszug auch bei Mischler-Ulbrich, Öst. Staatshandwörterbuch, 2. Aufl., 1, S. 94 und 104 ff. 4 ) Am ehesten noch Grabmayr in seiner Schrift Schuldnot, S. 83.

III- § 5- - Höferecht und

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Bodenentschuldung.

vom nationalen Gesichtspunkt kein Anlaß gegeben war. Die jetzige italienische Fremdherrschaft in Südtirol hat im Jahre 1930 das Gesetz, in dem sie eine Stütze des deutschen Bauernstandes sehen muß, aufgehoben.1) Die Verfassung und Durchsetzung dieses tirolischen Höferechtes im Landtag war das Verdienst des liberalen Abgeordneten des Südtiroler Großgrundbesitzes, des Rechtsanwaltes Dr. Karl v. G r a b m a y r , dem wir ja auch in der Geschichte der nationalen Politik in Südtirol als führende Persönlichkeit begegnen. Sein sonstiger politischer Liberalismus hatte ihn nicht abgehalten, in dieser wirtschaftlichen und zugleich nationalen Frage von den ökonomischen Doktrinen des älteren Liberalismus abzuweichen und statt der individuellen wirtschaftlichen Freiheit Schutzmaßnahmen zur Erhaltung eines altüberlieferten sozialen Faktors, eben des deutschen Bauernstandes zu treffen. Auch der Umstand, daß ein Vertreter des Großgrundbesitzes seine volle Arbeitskraft für dieses Ziel einsetzte, zeigte die enge, im Boden des gemeinsamen Volkstumes wurzelnde Verbundenheit zwischen den verschiedenen Bevölkerungsschichten, die Macht des völkischen Gemeinschaftsgefühles im deutschen Etschland wie sonst in Tirol. Der christlichsoziale Abgeordnete Schöpfer (Pustertal) ging in ähnlichen Bestrebungen noch weiter, indem er mit dem Höferecht auch die Unverschuldbarkeit des bäuerlichen Grundbesitzes verankern wollte. Deshalb befand sich Grabmayr während dieser Verhandlungen in einem ständigen taktischen und zum Teil auch grundsätzlichen Gegensatz zu Schöpfer. Grabmayr hat dann auch dem Landtag Vorschläge wegen Einführung einer gesetzlichen Verschuldungsgrenze für die geschlossenen Höfe vorgelegt, diese haben aber ebensowenig zu einer tatsächlichen Gesetzgebung geführt wie die noch weitergehenden Anträge Schöpfers auf völlige E n t s c h u l d u n g und Unverschuldbarkeit des bäuerlichen Grundbesitzes.2) Vom Gesichtspunkte der nationalen Idee in Südtirol ist bemerkenswert, daß Schöpfer seine diesbezüglichen Darlegungen auf den Gegensatz, der zwischen der römisch-heidnischen und christlich-germanischen Auffassung von der rechtlichen und sozialen Stellung des Grundbesitzes bestehe, auf „die Geschichte des deutschen Volkes" zurückführt und eben für Tirol, insbesondere Südtirol, die Anwendung jener Grundsätze, die der deutschen Auffassung entsprechen, fordert. Hinsichtlich der landwirtschaftlichen Kredithilfe, die ebenfalls das Programm von 1896 in Aussicht genommen hatte, ward diesem durch Errichtung einer Landeshypothekenanstalt und durch Förderung des Raiffeisenwesens Folge geleistet. Endlich ist hier noch auf die wirtschaftlichen Forderungen hinzuweisen, welche die Deutschsüdtiroler im Zusammenhang mit der Frage der welschtiroler Autonomie aufgeworfen haben, das war insbeondere die Erbauung der Fleimstalbahn von Neumarkt aus (s. unten S. 411). Vgl. die Halbmonatszeitung „Der Südtiroler" 1930, Nr. 24. 2

) S. Grabmayr, Bodenentschuldung und Verschuldungsgrenze 1900; Aem. Schöpfer, Verschuldungsfreiheit oder Schuldenfreiheit 1906.

III. § 6.

- Die Stellung Welschtirols in der Tiroler Landschaft vor 1805.

377

§ 6. Die Weischtiroier Autonomiefrage ais Prüfstein der nationalen Gesinnung der Deutsdisüdtiroier. E i n politisches Problem ist nach seiner ganzen Art besonders geeignet, die nationale Einstellung verschiedener Bevölkerungsschichten und Parteien von Deutsch-Südtirol hervortreten und erkennen zu lassen, das war die Forderung der Italiener Welschtirols nach n a t i o n a l e r S e l b s t v e r waltung oder Autonomie ihres Gebietes, das sie nach der völligen Einverleibung des bisherigen Fürstentums Trient in Tirol (1803 bzw. 1815) „ T r e n t i n o " nannten und südwärts von Salurn liegt. Es zählte auf einem geschlossenen Räume von 6100 qkm rund 380 000 Einwohner meist italienischer Nationalität gegenüber dem ebenso geschlossenen Deutschtirol mit 540 000 Einwohnern auf 18 000 qkm. Die Tiroler Landschaft im allgemeinen und einzelne Stände derselben, wie gerade auch die Stadt Bozen, haben schon im 16. und 17. Jahrhundert ihre Stimme dagegen erhoben, daß das „deutsche Wesen" in Trient, das etwa um 1500 seine stärkste Entfaltung erreicht hatte und dann allmählich zurückging, von den Italienern nicht allzusehr in den Hintergrund gedrängt und in Abgang gebracht werde.1) Nach der alten Verfassung der Tiroler Landschaft hatten bei derselben die Städte und Gerichte Welschtirols im Verhältnis zu jenen Deutschtirols zahlenmäßig nur eine geringe Vertretung, und zwar sowohl bei der Vollversammlung, dem sog. offenen Landtag, wie auch in den Ausschüssen. Auf dem Landtag vom Jahre 1790 verlangten daher die Welschtiroler eine Vergrößerung der Zahl ihrer Abgeordneten. Die deutsche Mehrheit verweigerte sie mit dem Hinweis, daß das „wälsche Tirol nie jene R e c h t e beanspruchen könne, welche dem deutschen" und eigentlichen T i r o l " vorbehalten seien und welche dieses durch seine geschichtlichen Leistungen errungen habe, während Welschtirol nur als Schutzgenosse dem Lande Tirol angegliedert worden sei. Um den Preis der politischen Gleichberechtigung in der Landschaft werde diese die Welschtiroler nicht beim Lande zu halten suchen, sondern stelle ihnen die Abtrennung von Tirol und die Angliederung an die österreichische Lombardei frei. Das deutsche Tirol werde dann „um so mehr seine hergebrachte Verfassung in Ruhe genießen und mit biederer deutscher Eintracht seine Landtage und anderen Verhandlungen wie in alter Zeit abhalten können".2) Diese Auffassung, welche der Berichterstatter, ein Freiherr von Cazan aus einem dem romanischen Fleimstal entstammenden, aber in den Adel des deutschen Etschlandes hineingewachsenen Geschlechte im Namen der Landschaft vorgebracht hat, zeigt so recht ein urwüchsiges deutsches Nationalgefühl an, das in naiver Weise nur seine eigenen Belange im Auge hatte und nicht nach ähnlichen Gefühlen bei einer anders gearteten Bevölkerung fragte.3) Es 1

) S. Bd. I, S. 141 und dieser Band oben S. 217, zweiter Absatz. ) S. Mayr, Irredentismus, S. 12 ff. 3 ) Ein Josef Anton v. Cazan zu Griesfeld, kais. Oberst und Haubtmann der Bozner Stadt- und Landmiliz, hat sich 1703 als Führer des Schützenaufgebotes des Etsch- und Eisack2

378

III. § 6.

- Haltung der deutschen Landtagsmehrheit

war dies ungefähr der Standpunkt, den damals auch noch die alten Orte der Schweizer Eidgenossenschaft gegenüber ihren Schutzverwandten auf der Südseite der Alpen eingenommen haben. Auch nach der Verfassung von 1816 hatte Welschtirol beim Landtage eine verhältnismäßig geringe Zahl von Abgeordneten. Als im Jahre 1836 die Trientner um eine Vermehrung ihrer Mandate ersuchten, unterstützte sie der Vertreter der Stadt Bozen gegen die abweisende Meinung der Mehrheit des Landtages aus „Gründen der Billigkeit"; die Stadt Bozen dürfte sich hiebei hauptsächlich eine Vermehrung der städtischen Stimmen'gegenüber dem Adel erhofft haben, eine Hinneigung zum nationalen Wesen der Trientner hat dabei gewiß nicht mitgespielt.1) Anders als bisher war die deutsche Mehrheit der Landtage von 1848 und dann von 1861 bis 1866 bestrebt, die Welschtiroler durch möglichstes Entgegenkommen für ihr Verbleiben im Tiroler Landesverbände zu gewinnen; es wurde ihnen eine entsprechende Zahl von Sitzen im Landtage und volle Berücksichtigung der italienischen Sprache bei den Verhandlungen zugesichert. Die konservative und liberale Partei der Deutschen verhielten sich damals in dieser Hinsicht ziemlich ähnlich, man hatte eben bei der Entfaltung, welche damals die nationale Idee allgemein bereits erreicht hatte, das Gefühl, den Wälschtirolern entgegenkommen zu müssen, fand aber auf deren Seite schon damals wenig Gegenliebe.2) Die Italiener steiften sich eben darauf, daß sowohl die deutsche Nationalversammlung zu Frankfurt wie der österreichische Reichstag zu Kremsier im Jahre 1848 den Wünschen der österreichischen Nationalitäten nach Selbstverwaltung und Gleichberechtigung mit allgemeinen Beschlüssen sehr weit entgegengekommen sind; nur die förmliche Lostrennung Welschtirols und dessen Erhebung zu einer völlig selbständigen Provinz Österreichs haben auch damals beide Parlamente zurückgewiesen, aber nur nach sehr langen Debatten und mit geringer Stimmenmehrheit.3) Die nationale Selbstverwaltung erviertels hervorgetan, ein Dominikus v. Cazan ebenso im Kriege von 1796 und wurde mit dem Theresienorden ausgezeichnet. Beide waren aus Bozen gebürtig (vgl. Schiern 1921, S. 19). Landtagsprotokoll von 1836 (IStA. Kod. 2994, Fol. 109). Gsteu, Tiroler Heimat 8, S. 153, schreibt diese Stellungnahme der Stadt Bozen dem Walten einer „Fortschrittspartei" zu, ohne freilich andere Belege für eine derartige politische Entwicklung bereits zu jener Zeit anführen zu können. 2 ) Näheres darüber auf Grund der Landtagsverhandlungen bei Bidermann, Italiener usw., S. 208 ff. und Mayr, Irredentismus, S. 157 und 229 f. — Der liberale Wortführer Dr. Streiter aus Bozen befürwortete damals in seinen Schriften, Welschtirol wohl eine eigene staatliche Verwaltung zweiter Instanz, aber keinen eigenen Landtag zu geben, im übrigen die Belange der welschtiroler Bauernschaft zu pflegen und diese dadurch für Österreich und Tirol zu erhalten (Blätter aus Tirol, S. 257; Studien, S. 107 und 256). 3 ) Mayr, Irredentismus, S. 167 und 184 ff. Über das Eingreifen des Meraner Abgeordneten Beda Weber in Frankfurt s. auch oben S. 330. — Doch halte ich die Auslegung der Beschlüsse jener Körperschaften durch Mayr nicht für zutreffend. Jene sind vielmehr so allgemein, daß die Italiener daraus wohl einen Anspruch auf die verwaltungsrechtliche Sonderstellung Welschtirols ableiten konnten. Der Entwurf der Kremsierer Reichsverfassung bestimmte § 39 gerade die administrative Einteilung Tirols in einen deutschen und italienischen

gegenüber den Welschtirolern 1848 und 1861.

379

schien seither als eine Forderung des politischen Fortschrittes, und die I t a liener leiteten daraus einen Rechtsanspruch ab, der ihnen bedingunslos gebühre. Selbst die wenigen gemäßigten Abgeordneten aus Welschtirol, die den L a n d t a g besuchten, stellten wie im J a h r e 1 8 4 8 auch wieder 1 8 6 1 den A n trag, daß f ü r W e l s c h t i r o l e i n e i g e n e r L a n d t a g und eine entsprechende selbständige Verwaltung geschaffen werde. Die deutsche Mehrheit erklärte sich aber dagegen, daß ein so schwerwiegender Gegenstand weiter verhandelt werde. In der Wechselrede darüber hat der Abgeordnete der Bozner L a n d gemeinden, K a r l v . Zallinger, darauf hingewiesen, daß die w i r t s c h a f t lichen I n t e r e s s e n des d e u t s c h e n und des i t a l i e n i s c h e n S ü d t i r o l ä h n l i c h gegenüber Nordtirol seien, zwischen beiden aber der U n t e r s c h i e d d e r S p r a c h e walte. E s könne daher doch nur in einem einheitlichen L a n d tag von Tirol allen Belangen in gleicher Weise gedient werden, wenn auch den Italienern vielleicht ein eigener Kreistag in Unterordnung vom L a n d tag zugestanden werden könne. So fasse ich den Gedankengang der Ausführungen Z a l l i n g e r s auf, die wohl nur gekürzt und daher nicht mit der wünschenswerten Deutlichkeit im gedruckten Verhandlungsbericht des Landtags von 1861, S. 175, der Antrag der Welschtiroler S. 52 vollinhaltlich wiedergegeben sind. Erstere lauten demnach: ,,Wenn man von verschiedenen Interessen von Nordtirol und Südtirol spricht, begreife ich das ganz gut; sie sind ganz verschieden in Kultur, Entwicklung usw. Unsere I n t e r e s s e n vom d e u t s c h e n S ü d t i r o l sind aber j a ganz i d e n t i s c h mit denen des i t a l i e n i s c h e n S ü d t i r o l s . Wir in der Nähe von B o z e n , wo wir zwar n o c h D e u t s c h e sind, gehören ganz zu den Italienern, unsere Kultur, unsere Sitten und Gebräuche sind dieselben; wir gehören ganz zusammen, haben durchaus keine verschiedenen Interessen, und insoferne glaube ich nicht, daß wir sehr oft in Collision kommen werden. D i e g r o ß e C o l l i s i o n b e s t e h t in d e r S p r a c h e ; wenn dadurch abgeholfen würde, daß die Italiener ihre Kreis-Angelegenheiten vorbrächten, und wenn sie Theil nehmen würden an unserem Landtage hier durch Abgeordnete, die sie abschicken, so wäre meines Erachtens Allem abgeholfen." — B i d e r m a n n , Italiener usw., S. 243, folgert aus dieser Rede Zallingers, daß die Bozner damals geneigt gewesen wären, mit den Welschtirolern zusammen gegenüber Nordtirol eine politische und Verwaltungseinheit zu bilden. Ich halte diese Auffassung, da Bidermann dafür keine anderen Belege anführt und auch sonst keine aufscheinen, nicht für begründet. Im Gegenteil, gerade auch in dieser Rede Zallingers wird der deutsche Charakter des Bozner Gebietes entschieden betont, wie auch der Vorrang der nationalen vor den wirtschaftlichen Belangen. Unter Kultur ist hier hauptsächlich die Landwirtschaft zu verstehen, unter Sitten auch die materiellen Lebensverhältnisse. E s waltet hier ungefähr dieselbe Auffassung, welche später in dem Verlangen der Bozner nach einer eigenen Sektion des Landeskulturrates hervortritt (s. unten S. 382). Zallinger war Abgeordneter des Landgemeindebezirkes Bozen, der Abgeordnete der Stadt, Gerichtsrat Johann Kiechl, bald hernach Landeshauptmann, hat damals wesentlich deutlicher erklärt, daß „die besonderen Angelegenheiten Südtirols mit jenen Deutschtirols wenig Gemeinschaft haben" und daß daher für erstere ein eigener Kreistag, aber unter Aufrechterhaltung des Landesverbandes wohl am Platze sei (Verhandlungsbericht d. Tir. Landtag 1861, S. 168), wobei unter Kreis, was von der tatsächlichen nationalen Autonomie nicht mehr weit entfernt war. Nur der noch weiter gehende Antrag des tschechischen Politikers Palacky auf eine vollkommene Gliederung Österreichs in nationale Unterstaaten ist in Kremsier abgelehnt worden (vgl. Friedjung, Österreich 1848 bis 1866, Bd. 1, S. 154 ff.).

III. § 6.

38o

- Die eigene Statthaltereiabteilung in Trient 1868—1896.

Südtirol nach dem ganzen Zusammenhang und einem damals auch sonst üblichen Sprachgebrauch nur Welschtirol gemeint ist. Bidermann vertritt im Fortgange seiner Schrift die Ansicht, daß das deutsche Etschland wegen seiner klimatischen und wirtschaftlichen Eigenart verwaltungspolitisch besser mit Welschtirol als mit dem nördlichen Tirol zu verbinden sei. Es ist dies aber nur eine höchst persönliche Ansicht Bidermanns, der zwar eine Zeitlang Professor der Staatswissenschaften in Innsbruck gewesen ist und sich um die wissenschaftliche Erforschung der Volkstumsverhältnisse in Tirol sehr verdient gemacht hat, aber kein gebürtiger Tiroler war und mit jener Ansicht in Tirol, soweit ich sehe, ganz vereinzelt dastand. Aus Bozen selbst habe ich nicht die geringsten Belege gefunden, daß dort jemals ein solcher Wunsch aufgetaucht oder gar politisch geäußert worden wäre. Es war dies vielmehr lediglich der Einfall, um nicht zu sagen, die Grille eines Gelehrten, der mit dem betroffenen Gebiete selbst keine engere Verwachsung hatte, zur Zeit der Abfassung jenes Buches (1874) seinen Berufssitz bereits wieder außerhalb des Landes, nämlich in Graz hatte. Herre (Südtiroler Frage, S. 14 f.) berichtet ohne näheren aktenmäßigen oder literarischen Nachweis, daß im Jahre 1864 die Stadt Bozen zusammen mit der Stadt Trient in einer Eingabe an die österreichische Staatsregierung die Angliederung ihres Gebietes an die damals österreichische Provinz Venetien betrieben habe. Ich habe nirgends eine Bestätigung dieser Nachricht gefunden, weder in der Literatur (so auch nicht bei Bidermann, Italiener usw. S. 217 ff., welcher sehr genau die damaligen Bestrebungen, Welschtirol loszulösen behandelt), noch in den Akten der k. k. Statthalterei in Innsbruck. Wohl haben im Jahre 1865 die Welschtiroler Abgeordneten an das Staatsministerium eine Eingabe um Abtrennung ihres Gebietes von Tirol gerichtet (Bidermann, S. 222, Verhandl. des Tir. Landtages 1865/66, S. 207 ff.), die Stadt Bozen war aber an dieser Sache in gar keiner Weise beteiligt. Vielmehr hat gerade die Stadt Bozen im Jahre 1862/63 unter Führung des Bürgermeister Dr. Streiter in einer an den Landtag gerichteten Eingabe dem allgemeinen Wunsche nach Anschluß Tirols an den deutschen Zollverein laut Ausdruck gegeben (s. oben S. 372). Herres Angabe dürfte daher auf irgendein Mißverständnis zurückgehen. Unter dem Gesichtspunkte des deutschen Bewußtseins von Bozen ist es natürlich wichtig, die Haltlosigkeit dieser Angabe, welche auch von Günther, Die Alpenländische Gesellschaft, S. 612, Anm. 245, übernommen wurde, festzustellen. Die irredentistischen Kundgebungen in Welschtirol während des Krieges von 1866 veranlaßten die konservative Mehrheit im Landtage, der zu Ende dieses Jahres stattfand, zu einer stärkeren Betonung der E i n h e i t des Landes Tirol. Nur eine eigene politische Behörde zweiter Instanz und wirtschaftliche Erleichterungen wollte sie für Welschtirol zugestehen. Die Liberalen brachten aber durch Wegbleiben von der Sitzung den diesbezüglichen konservativen Antrag zu Fall, weil derselbe in seinem ersten Teil Wendungen gegen die österreichische Gesamtstaatsverfassung enthielt.1) Im Landtag des Jahres 1867 betrieb eine von den Italienern eingebrachte und von den Deutschen, Konservativen wie Liberalen, unterstützte Entschließung die Errichtung einer eigenen A b t e i l u n g der S t a t t h a l t e r e i f ü r W e l s c h t i r o l , um dadurch, wie sie sagt, „die berechtigten und mit der Kraft, Einheit und Ehre des Landes und der Monarchie vereinbarlichen Wünsche des treuen welschtirolischen Volkes zu befriedigen". 2 ) Der Statthalter erklärte sich hiezu zustimmend, und jene Maßregel wurde ein Jahr später wirklich durchgeführt.2) Diese Statthaltereiabteilung mit dem Sitze 2

Bidermann, Italiener, S. 222 ff. Auch für das Folgende. ) Verhandl. Tir. Landtag 1867, S. 48. Reichsgesetzblatt 1868, Nr. 1 1 5 .

Die Frage der Welschtiioler Autonomie im österr. Reichsrat 1874—1877.

381

in Trient hatte aber nur untergeordnete Angelegenheiten selbst zu entscheiden und unterstand im übrigen der Statthalterei zu Innsbruck; weil sie von einem Hofrat geleitet wurde, hieß sie allgemein der „ H o f r a t in T r i e n t " . Der Statthalter Merveldt, der überhaupt gegen die Selbständigkeit von Welschtirol war, hat im Jahre 1896 dieses Amt wieder aufgehoben, und seither war in Trient nur eine Bezirkshauptmannschaft wie alle anderen zwanzig in Tirol.1) Im Landtag von 1868 unterstützten die deutschen Liberalen sogar einen Antrag der Italiener, daß für die damals geplante Bezirksvertretung ganz Welschtirol einen einheitlichen Sprengel bilden solle, doch hat das Gesetz diese Vertretungen nach den einzelnen Bezirkshauptmannschaften bestimmt, es ist aber nie durchgeführt worden.2) Im Jahre 1870 (Anfang April) veröffentlichte der konservative Abgeordnete Greuter in den Tiroler Stimmen mehrere Aufsätze, in denen er eine gewisse administrative Selbständigkeit für Welschtirol befürwortete und hiefür — soweit ich sehe — erstmals das Schlagwort „ A u t o n o m i e " gebrauchte. Nachdem im Jahre 1874 auf Grund der neuen direkten Wahlordnung in den österreichischen Reichsrat welschtirolische Abgeordnete eingezogen waren, stellten sie dort gleich einen Antrag auf Gewährung eines eigenen L a n d t a g e s für Welschtirol. Ein Majestätsgesuch gleichen Inhaltes war bereits im Jahre 1871 überreicht worden. Das Echo im Tiroler Landtag war bei den Konservativen ein staatsrechtlicher Einspruch, daß die einheitliche Verfassung eines Landes durch einen Beschluß des Reichsrates nicht geändert werden dürfe, während die liberalen diese Begründung ablehnten; über die eigentliche welschtiroler Frage wurde dabei überhaupt nicht gesprochen.3) Im Reichsrat trat der Liberale Minister L a s s e r , früher Statthalter von Tirol, gegen eine so weit gehende Autonomie von Welschtirol auf. Denn dies sei eine europäische Frage, die man nicht leichten Herzens aufrollen solle. Auch andere österreichische Länder seien von verschiedenen Nationalitäten bewohnt, und diese könnten dann auch eine Verselbständigung ihrer nationalen Gebiete verlangen. Um den besonderen wirtschaftlichen und kulturellen Interessen des italienischen Tirol zu entsprechen, bedürfe es nicht einer völligen Zerreißung des Landes. Diese Auffassung Lassers, daß man mit Rücksicht auf den verfassungsrechtlichen Bau des übrigen Österreich Welschtirol nicht verselbständigen dürfe, hat auch in der Folgezeit die österreichischen Staatsregierungen beherrscht und eigentlich den Ausschlag gegeben, daß jener Wunsch der Italiener niemals erfüllt worden ist. Der damalige Führer der österreichischen Liberalen, Dr. H e r b s t , Abgeordneter für Tetschen und Warnsdorf in Deutschböhmen, sprach sich für eine entgegenkommende Prüfung des Antrages der Italiener aus, und es wurde hiezu ein Ausschuß eingesetzt. Erst im Jahre 1877 stellte dieser im Reichsrate einen Antrag, daß die Befugnisse des Hofrates für Trient erweitert und außerdem besondere Sektionen des Landesausschusses Mayr, Irredentismus, S. 205. ) Bidermann, Italiener usw., S. 227 ff. 3 ) Verhandl. Tir. Landtag 1874, S. 83 und 201 2

Mayr, Irredentismus, S 296

382

MI. § 6. — Die Errichtung eines eig. Landeskulturrates f. Deutsch- u. f. Welschtirol 1881

und Landesschulrates für Welschtirol zu bilden seien. Dagegen wendete sich der tirolische konservative Abgeordnete Dr. G r a f , nicht nur weil der Reichsrat hiezu nicht zuständig sei, sondern weil „in Tirol eine nationale F r a g e wie in anderen L ä n d e r n nicht e x i s t i e r e , die Trennung des Landes hingegen nationale Reibungen zwischen Italienern und Deutschen hervorrufen würde". Trotzdem Herbst wiederum für den Antrag eintrat, haben nicht alle Mitglieder seiner Partei dafür gestimmt, und dadurch kam der Antrag mit Stimmengleichheit zu Falle. 1 ) Ein gewisses Zugeständnis an die nationale Verselbständigung war es, daß im Jahre 1881 der damals neu beschlossene L a n d e s k u l t u r r a t für Tirol — eine autonome Körperschaft zur besonderen Pflege der landwirtschaftlichen Belange — in zwei Sektionen für das deutsche und italienische Tirol gebildet wurde. Diese Scheidung hat der Landtag, soweit aus den Verhandlungsberichten ersichtlich ist, ohne Widerspruch als selbstverständlich angenommen. Nur hinsichtlich der Bildung einer eigenen Sektion für Deutschsüdtirol gab es Meinungsverschiedenheiten, die aber nicht durchdrangen.2) Im Jahre 1884 beschloß der Landtag, für die deutschen Gemeinden am Nonsberg eine eigene landwirtschaftliche Bezirksgenossenschaft zu gründen und diese „aus sprachlichen und Kulturinteressen dem benachbarten deutschen Landesteil" gemäß des Wunsches jener Gemeinden zuzuweisen und mithin der Sektion Innsbruck des Landeskulturrates zu unterstellen. Der italienisch-liberale Abgeordnete Bertolini begrüßte „diese Berücksichtigung des nationalen Prinzips" und gab der Hoffnung Ausdruck, daß es auch angewendet würde, wenn die Abgeordneten des italienischen Landesteiles „die Scheidung der beiden verschiedenartigen nationalen Elemente" beantragen würden.3) Diese Hoffnung erfüllte sich vorläufig nicht, denn als im Jahre 1884 die italienischen Abgeordneten im Tiroler Landtag neuerdings die Errichtung eines eigenen Kreistages für ihren Landesteil verlangten, der allerdings bald zu einem Landtage geworden wäre, wies diesen Antrag der Statthalter Baron Widmann namens der Regierung zurück, und alle deutschen Abgeordneten, konservative und liberale, lehnten eine weitere Behandlung desselben ab.4) Der von den österreichischen Liberalen außerhalb Tirols gehegte Wunsch, mit den liberalen Italienern in nähere politische Fühlung zu kommen, diese für den liberalen österreichischen Staatsgedanken und für eine gemeinsame Abwehr gegenüber den Slaven zu gewinnen, damit auch für den x ) Kolmer, Parlament und Verfassung in Österreich, Bd. 2, S. 362 ff. Protokolle des österreichischen Reichsrates 1877, S. 8666 ff. Von den Tiroler liberaleii Reichsratsabgeordneten stimmten Dr. Florian Blaas (Südtiroler Städte), Alois v. Mackowitz (Großgrundbesitz) und Andreas v. Hof er (Enkel des Oberkommandanten vom Jahre 1809, Notar in Amstetten in Niederösterreich, Abgeordneter des Tirol. Großgrundbesitzes) für den Antrag, Hofer sprach auch für denselben. Wildauer war abwesend. Die konservativen Abgeordneten aus Tirol stimmten dagegen, soweit sie im Hause anwesend waren. 2 ) Vgl. oben S. 374 Mitte. 3 ) Verhandl. d. Tir. Landtags 1884, S. 77 ff. 4 ) Berichte des Tiroler Landtages 1884, S. 179 ff.

Der deutschliberale Vorstoß für die Autonomie Welschtirols 1889.

383

Dreibund eine festere gefühlsmäßige Grundlage zu schaffen, hat auch auf die Tiroler L i b e r a l e n eingewirkt und Ende der 1880er Jahre zu einem Haltungswechsel derselben Anlaß gegeben. Nicht nur im Wege der Presse und infolge der Zusammenarbeit im österreichischen Reichsrate sind die nationalpolitischen Gedankengänge des österreichischen Liberalismus in den Tiroler Kreisen bekannt geworden, ein besonders wirksames Mittel hiezu waren außerdem die Versammlungen, welche der deutsche Schulverein damals in Meran abhielt und auf denen hervorragende deutsch-österreichische Parlamentarier auftraten und Reden hielten in dem Sinne, daß „die Festigung des Deutschtums" und die Wahrung des Besitzstandes des deutschen Volkes gerade hier von besonderer Bedeutung seien. 1 ) In der liberalen M e r a n e r Z e i t u n g des Jahres 1889 erschien eine Reihe von Aufsätzen, in welchen die Gewährung einer „ A u t o n o m i e " , wie von jetzt ab der ständige Ausdruck hiefür lautet, für Welschtirol befürwortet wird, einerseits aus den angedeuteten allgemeinen Zielen der deutschliberalen Partei, andererseits aber auch aus Rücksicht auf die nationale Stellung des Deutschtums in Tirol selbst. Würden Deutschtirol und Welschtirol voneinander getrennt, so würde die Politik und Verwaltung in beiden Gebieten von dem nationalen Gegensatz befreit und die sachliche Arbeit befördert werden. Da ferner in Deutschtirol die politische Rücksichtnahme auf die Italiener dann wegfalle, könnte auch die Sicherung des Deutschtums am Südrande von Deutschtirol gegenüber der italienischen Einwanderung entschiedener betrieben werden. Einige der in dieser Hinsicht besonders bezeichnenden Stellen dieser A u f sätze seien hier wörtlich angeführt: „Nach unserer Anschauung wäre es politisch gehandelt, wenn wir in erster Linie auf die R e i n h a l t u n g des d e u t s c h e n E t s c h l a n d e s das Hauptgewicht legen und für die, im Interesse des Staates gelegene, Verbreitung der deutschen Sprachkenntnis in Wälschtirol in anderer, praktischerer Weise vorsorgten. Über die Tatsache, daß Wälschtirol ein geschlossenes italienisches Sprachgebiet ist, kommen wir nicht hinaus, die Italiener setzen sich mit aller Macht für die Erhaltung dieses ihres nationalen Besitzstandes ein; tun wir das Gleiche für unser Etsch- und Eisacktal und die in dieselben einmündenden Seitentäler. Die nationale Interessensphäre der Deutschen und Italiener in Tirol würde dadurch am sichersten abgegrenzt und Reibungen würden vermieden werden, die schließlich jeden Weg zu einer Verständigung ausschließen." (Mer. Zeit, v. 16. Jan. 1889, Nr. 13, „Über die Autonomie des T r e n t i n o " . Schon dieser Ausdruck war ein formelles Zugeständnis an die Italiener, vgl. Bd. x, S. 221, Anm. 2.) „Die Loslösung des Trentino von Deutschtirol muß uns zum Axiom unseres politischen Handelns werden, aus nationalen und staatlichen Rücksichten. Aus nationalen, da wir anerkennen, daß das Trentino nach Ausscheidung einiger im Fleimser- und Nonstale gelegenen deutschen Gemeinden ein rein italienisches Sprachgebiet bildet, in dem sich Überreste deutscher Bevölkerung in verhältnismäßiger Minderzahl befinden; ferner, da wir sehen, daß nur durch die gänzliche Lostrennung der fortschreitenden Verwelschung des deutschen Etschlandes Einhalt getan werden kann; endlich, weil die Gesamtheit der Deutschen in Österreich zur Erkenntnis kommt, daß die Zusammenschweißung anders nationaler Gebietsteile beiden Nationen Nachteile bringt und der l

) S. den Bericht über eine solche Versammlung und den Wortlaut der hiebei von den Abgeordneten Julius Magg und Ed. Sueß gehaltenen Reden in der Meraner Zeitung 1889, Nr. 98. Auch Ed. Herbst ist in Meran (so im Dezember 1886) aufgetreten.

3«4

III. § 6. — Nationale Begründung der

nationale Besitzstand am besten durch Abgrenzung der nationalen Interessenkreise erhalten werden kann; schließlich, weil wir Deutsche das Bewußtsein haben, daß kein Volksstamm in Österreich mit uns so vollkommen gleichgeartete politische Ziele hat wie eben die Italiener. Wenn wir Deutsche Tirols den Italienern des Trentino ein Bündnis anbieten, so ist dasselbe eine ehrliche politische Allianz . . . Denn nicht um der schönen Augen der Trentiner halber, sondern dem wohlverstandenen eigenen Interesse gehorchend, sind wir Deutsche für die Autonomie des Trentino. „Was endlich die Regierung anbelangt, . . . so können wir versichern, daß sie sich so ganz und gar im slavo-clericalen Fahrwasser befindet, ihren Halt nicht bei den fortschrittlich gesinnten, streng national denkenden Parteien hat, und — leider müssen wir es an uns selbst erproben — gerade denjenigen Nationen gegenüber, welche mit den alliirten Mächten (d. i. dem Deutschen Reich und dem Königreich Italien) stammverwandt sind, mehr oder weniger Mißtrauen entgegen bringt. Das Taaffesche Regime steuert dem Ziele eines slavo-clericalen Staates zu; es kann daher naturgemäß in seinem Programme keinen Raum haben für die volle Befriedigung der nationalen Bedürfnisse der Deutschen und Italiener. Die ersteren sollen in Böhmen, Mähren, Schlesien, Südsteiermark, Kärnten, Krain einer slavischen Majorität unterthan gemacht und zum Stamme zweiten Ranges herabgedrückt werden; die letzteren sollen im Küstenlande zur gänzlichen Unbedeutsamkeit verdammt und endlich in Tirol auf unabsehbare Zeit durch eine feudal-clericale Tiroler Partei, deren glänzende Eigenschaften die Italiener des Trentino am besten zu würdigen wissen, im Unterthanenverhältnisse gehalten werden. Dies sind die klaren Ziele der jetzigen inneren Politik . . . Wer anders sind die natürlichen Verbündeten der Italiener als die Deutschen ? Nicht die Deutschen von ehemals, die Deutschen von heute, die in Österreich die gleichen Ideale verfolgen, wie die Stammesbrüder des deutschen Kaiserreiches . . . Wie dem auch sei, unser Schlagwort ist: Deutschtirol den Deutschen; das Trentino den Italienern." (Meraner Zeitung vom 14. VI. 1889, Nr. 135.) ,,Wir Deutsche haben für die Förderung des Deutschthums im Trentino nur soweit Interesse, als der Staat Österreich in seiner Ganzheit für die Erhaltung desselben einstehen soll und muß, dagegen liegt es uns sehr nahe, einem weiteren Herübergreifen des Welschthums auf deutsches Gebiet unübersteigliche Schranken zu ziehen. Manche behaupten, dies zu erreichen sei unmöglich, da die nach dem deutschen Südtirol seit Jahrzehnten stattfindende italienische Einwanderung auf die wirtschaftlichen Ursachen zurückzuführen ist, die auch durch die Trennung des Landes nicht aus der Welt geschafft werden könne. Wir geben dies zu, allein wir behaupten, daß die Bildung wälscher Colonien und Sprachinseln inmitten deutschen Gebietes dann viel leichter wird hintangehalten werden können, wenn in Innsbruck italienische Interessen gar nicht mehr in Frage kommen, wenn insbesondere gleichzeitig mit der Landesabtretung die Eingränzung des Trienter Bischofssprengeis auf das Trentino Platz greift — eine conditio sine qua non! — da gegen die Exponirung von welschen Geistlichen auf deutsches Gebiet von uns aus nationalen Gründen ebenso Front zu machen ist, wie es die Italiener ihrerseits gegen die deutschen Priester thun. Wir müssen, dem Beispiele der Italiener des Trentino folgend, die bei uns sich seßhaft machenden Italiener germanisieren, zum mindesten aber rücksichtslos alle Mittel in Bewegung setzen, damit eine fernere Ausbreitung der italienischen Sprache als Verkehrssprache auf unserem deutschen Boden nicht mehr Platz greife. Besteht aber die Einigung Deutschtirols mit Welschtirol unter den jetzigen Verhältnissen weiter fort, so haben wir alle Ursache zu befürchten, daß gerade von Innsbruck aus, und zwar so recht von Stelle der herrschenden clericalen Partei und auch der Regierung dem Fortschreiten der Verwälschung des deutschen Südtirols Vorschub geleistet wird. Die Clericalen werden dies thun, um das Deutschthum zu schwächen, die Regierung aber wird aus Schwäche gewähren lassen, da man j a an competenter Seite der sonderbaren Ansicht huldigt, daß eine Gefahr solange nicht bestehe, als ,nur' eine Einwanderung von italienischen Bauern, Handwerkern und Händlern — nicht aber von italienischen Großgrundbesitzern und Großindustriellen stattfinde; als ob das Volk sich von Oben ergänzte

Autonomie Welschtirols seitens der Deutschliberalen 1899.

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und aufbaute, als ob einige Tausende familiengründende Bauern und Händler nicht tausend und tausendmal mehr wägen, als hunderte von Reichen." (Meraner Zeitung v. 23. V. 1889, Nr. 1x8, „Tirolische Fragen".) W e r diese und andere ähnliche Artikel von damals v e r f a ß t oder angeregt hat, vermag ich nicht sicher nachzuweisen. — Der erste in diesem Sinne gehaltene Aufsatz erschien in der Meraner Zeitung vom 30. Dezember 1888 unter dem Titel „Die Autonomie Welschtirols", die folgenden im Jahre 1889 verschiedentlich. Der Artikel vom 23. Mai weist darauf hin, daß der Verfasser erst die Annahme seiner Gedanken durch die politischen Führer erwarte. Schriftleiter der Meraner Zeitung war damals Anton E d l i n g e r aus Wien, der gerade zu Ende des Jahres 1889 Meran verlassen und die Schriftleitung des Tiroler Tagblattes in Innsbruck übernommen hat. E r hat die Meraner Zeitung durch seine Leitartikel stark gehoben (Pokorny, Meran, 3. 95); ob aber jene Aufsätze von ihm stammen, ist doch ungewiß. Man könnte als deren Verfasser nach seiner späteren Haltung auch K. v. G r a b m a y r vermuten, der seit 1878 in Meran ansässig war und 1892 ein Landtagsmandat übernommen hat. Im Verlage von Eimenreich in Meran, eben des Herausgebers der Meraner Zeitung, ist im Jahre 1887 die Schrift „ R e s Tridentinae, Studien über die nationale Bewegung in Welschtirol von Austriacus" erschienen, als Verfasser gilt der damalige k. k. Polizeikommissär in Trient A. H o c h e g g e r , der zur Abwehr des Irredentismus die Gewährung „einer erweiterten wirtschaftlichen Autonomie" für Welschtirol empfiehlt. Darauf erwiderte der konservative Abgeordnete Dr. G r a f in der (ebenfalls anonymen) Schrift „ R e s Tirolenses" in dem Sinne, daß jede Art einer Verselbständigung Welschtirols vom Standpunkte der Einheit Tirols und der Erhaltung des österreichischen Staatsgebietes zu verwerfen sei. Darauf erschien im Verlage von Eimenreich in Meran 1888 eine weitere 106 Druckseiten zählende anonyme Schrift „ I m rechten Licht, ein Beitrag zur Nationalitätenfrage von einem Zentralisten", die der konservativen Landtagsmehrheit in Tirol vorwirft, daß sie die wirtschaftliche Entwicklung Welschtirols vernachlässigt und dadurch die Entfremdung der dortigen Bevölkerung gegenüber Österreichs befördert, andererseits aber auch nichts zur nationalen Sicherung des deutschen Etschlandes gegenüber der italienischen Einwanderung in dieses getan habe. Eine gewisse Gedankengemeinschaft dieser Schrift mit den vorerwähnten Aufsätzen in der Meraner Zeitung von 1889 ist wohl vorhanden. (Über die Verfasser dieser politischen Schriften s. Mayr, Irredentismus, S. 312 Anm. und Margreiter, Tiroler AnonymenLexikon, S. 64, doch scheint mir dessen Zuweisung der letzterwähnten Schrift an Hochegger oder Graf Robert Terlago aus Trient, bis 1885 Reichsratsabgeordneter des verfassungstreuen Großgrundbesitzes, nach Inhalt und Schreibweise keineswegs sicher.) Jedenfalls hat die deutschliberale Partei Tirols seit dem Jahre 1889 ihre Politik gegenüber der Welschtiroler Autonomieforderung in auffallender Weise geändert. Während bei den Reichsratswahlen des Jahres 1 8 8 5 in der Kurie des Großgrundbesitzes, die für ganz Tirol einheitlich war, die deutschen Konservativen mit den Italienern ein Kompromiß zur gegenseitigen Sicherung der Mandate abgeschlossen haben, kam ein solches bei den Landtagswahlen des Jahres 1889 zwischen den deutschen und italienischen Liberalen zustande, wobei erstere wohl eine gewisse Unterstützung jener Autonomieforderung zusagten. Als daher die Welschtiroler im neuen Landtage einen Antrag auf Schaffung einer „ a u t o n o m e n A d m i n i s t r a t i o n f ü r I t a l i e n i s c h - T i r o l " stellten, fanden sie dafür bei den d e u t s c h e n L i b e r a l e n gegenüber dem bestimmten Einspruch der Konservativen warme Unterstützung, und da erstere zusammen mit den Italienern die Mehrheit hatten, ward auch die Einsetzung eines Ausschusses zur Ausstolz, Südtirol III. 25

III. § 6. — Die österr. Staatsregierung und bes. der Statthalter Merveldt

arbeitung näherer Vorschläge in diesem Sinne beschlossen.1) Obmann dieses Ausschusses war der liberale Abgeordnete von Bozen, Carl v. Hepperger, Berichterstatter jener von Innsbruck, Dr. Blaas. Dieser und sein Parteigenosse Prof. Wildauer suchten darzulegen, daß die Landeseinheit durch die Gewährung eigener Abteilungen der autonomen Körperschaften für Welschtirol nicht wesentlich getroffen, vielmehr die Anhänglichkeit der dortigen Bevölkerung an Tirol und Österreich aufgefrischt werde, und daß die Konservativen in den 60 er und 70 er Jahren Ähnliches befürwortet, ja der Abgeordnete Greuter im Jahre 1870 selbst in einem Zeitungsaufsatz das Schlagwort von der „nationalen Autonomie, nach welcher das Verhältnis zwischen Deutsch- und Italienisch-Tirol zu ordnen sei", geprägt habe. 2) Die nationalen Belange Deutschsüdtirols kamen in diesen Reden eigentlich nur in einer Beziehung zum Ausdruck, daß nämlich die deutschen Gemeinden im Fleims- und Nonstal vor der Gewährung der Autonomie an Welschtirol aus ihrem bisherigen administrativen Verbände mit Cavalese und Cles gelöst werden müßten. Freilich müßte man nach Meinung jener Redner auch die richtige Grenze finden, damit die bisherige Landeseinheit von Tirol nicht wirklich gefährdet werde. Das war nun allerdings damals und in den späteren Verhandlungen der wunde Punkt, denn tatsächlich ward auch durch eine beschränkte Selbständigkeit für Welschtirol dessen Loslösung vom bisherigen Landesverbände befördert und alle Versuche, das in Abrede zu stellen, machen heute wohl nur den Eindruck einer mehr oder weniger gelungenen Verschleierung. Andererseits war der Grundgedanke, selbst die historische Landeseinheit zu opfern und dafür die völkische Stellung des Deutschtums zu sichern, vom Standpunkte einer rein nationalen und fortschrittlichen Politik gewiß begreiflich und nach den heutigen Erfahrungen wohl auch richtig. Nach den damaligen Machtverhältnissen lag aber die eigentliche Entscheidung in dieser Frage nicht im Landtag, so sehr derselbe der Schauplatz der öffentlichen Verhandlungen darüber gewesen ist, sondern vielmehr im Kabinette der kaiserlichen R e g i e r u n g in Wien und bei deren Vertreter, dem kaiserüchen S t a t t h a l t e r in Innsbruck. Im Juli 1890 trat Freiherr von Widmann, der dieses Amt seit 1879 bekleidet hatte, angeblich aus Gesundheitsrücksichten zurück, aber schon damals berichteten die Zeitungen, daß „politische Friktionen" der eigentliche Anlaß hiefür gewesen ist. Möglich, daß die Regierung den altliberal gerichteten Widmann deshalb entfernte, weil er den autonomiefreundlichen Plänen der deutschtiroler Liberalen zu nachgiebig erschien. Sein Nachfolger war Graf Franz M e r v e l d t , der wie die meisten früheren Statthalter nicht aus Tirol stammte und auch nie dort, sondern bisher in der politischen Verwaltung anderer 1 ) Verhandl. Tir. Landtag 1889, S. 289 und 3 1 1 ff. — Wie der Abgeordnete Blaas in einer öffentlichen Versammlung mitteilte, hat übrigens damals auch die konservative Partei den Italienern ein Wahlkompromiß und eine gewisse Unterstützung ihrerAutonomieforderung angeboten, doch sind diese nicht darauf eingegangen (Bozner Zeitung 1889, Nr. 294). 2 ) Tiroler Stimmen vom Anfang April 1870, vgl. oben S. 381.

gegen die Gewährung einer Autonomie für Welschtirol seit 1890.

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1

österreichischer Länder gedient hatte. ) Merveldt stellte sich alsbald sehr entschieden gegen die Pläne einer politischen Sonderstellung des Trentino und beobachtete diese Haltung während der ganzen Zeit seiner Statthalterschaft. Die Bestrebungen und die Tätigkeit der italienischen Irredentisten erachtete er als eine sehr ernste Gefahr für Österreich und seinen südlichen Länderbesitz, der entschieden entgegengetreten werden müsse.2) Sicherlich war Merveldt zur Statthalterschaft in Tirol durch das persönliche Vertrauen des damaligen Ministerpräsidenten Grafen Taaffe, vielleicht des Kaisers selbst, der ja letzteren durchaus als seinen persönlichen Vertreter in der Staatsregierung betrachtete, berufen worden; ob er schon bei seiner Berufung Aufträge zur Vereitelung der Autonomie des Trentino erhalten hat, ist nicht bekannt, jedenfalls war man in den maßgebenden Kreisen in Wien mit seiner Haltung in dieser Angelegenheit lange einverstanden. Jene befürchteten eben, daß eine selbständige Provinz Trentino alsbald eine völlige Beute des italienischen Irredentismus werde, daß ferner ein solches Zugeständnis an den Nationalismus auf Kosten des alten Territorialverbandes auch auf die anderen österreichischen Kronländer übergreifen und eine allgemeine Lockerung des österreichischen Staatsgefüges herbeiführen würde. Eine grundsätzliche Änderung desselben betrachtete man als ein gefährliches Experiment, dessen Folgerungen sich nicht absehen ließen und daher am besten ganz zu vermeiden sei.3) Deshalb war die österreichische Regierung aber nicht gegen das italienische Element grundsätzlich eingestellt, ja sie begünstigte sein allmähliches Eindringen auf deutschen Boden und eine gewisse Vermischung beider Nationalitäten, wie die Haltung der Regierung S. die Artikel beim Antritte Merveldts in den Tiroler Stimmen und Tiroler Tagblatt vom Ende J u n i 1890 und bei seinem Abgang ebenda a m 10. Dezember 1901. M e r v e l d t , geb. zu Wien 1844, stammte aus einem reichsgräflichen westfälischen Geschlecht, das seit dem 18. Jahrhundert in den österreichischen Militär- und Hofdienst getreten war, sein Vater war Obersthofmeister des Erzherzogs Franz Karl, des Vaters des Kaisers Franz Josef I. 2 ) Die Berichte, die Merveldt in der Autonomiefrage an den Ministerpräsidenten gerichtet hat (gesammelt I S t A . Statth. Präs. ZI. 1 1 5 von 1901), sind alle in diesem Sinne abgefaßt. Über ihren Eindruck im Ministerrat s. E . Plener, Erinnerungen, Bd. 3, S. 177 und 2 1 4 („Die Autonomie sei eine Pflegestätte des Irredentismus und eine Vorbereitung zur Losreißung von Österreich"). — M. hat auch gleich nach seinem Amtsantritt die Geldsammlung für das DanteDenkmal in Trient untersagt, mußte aber über höhere Weisung hierin wieder nächgeben. Doch setzte er die Aufhebung der selbständigen Statthalt ereiabteilung in Trient im J a h r e 1896 durch. Über Merveldts diesbezügliche Anschauungen s. auch Mich. Mayr, der ihm als Untergebener nahestand, in dessen Buch über den Irredentismus, S. 205. 3 ) Den Bürgermeistern der welschtiroler Städte, die vom K a i s e r F r a n z J o s e f I . im Herbst 1893 empfangen wurden und um sein Wohlwollen in der Autonomiefrage baten, erwiderte der Monarch: „ I c h werde meiner Regierung den Auftrag geben, Ihre Frage neuerlich in Erwägung zu ziehen. Stets Rechnung tragend den Interessen des G e s a m t s t a a t e s , kann ich Ihnen k e i n Versprechen geben. Ich gebe Ihnen aber die Versicherung, daß die Interessen der von Ihnen vertretenen italienischen Bevölkerung Meinem Herzen ebenso nahe liegen, wie jene der übrigen Länder." (Die unten S. 389 Anm. 1 zitierte Denkschrift, S. 35.) Dieser Wortlaut zeigt mit der in den höchsten Kreisen eben noch üblichen Deutlichkeit, daß der Kaiser der Autonomie Welschtirols mit Rücksicht auf den Gesamtstaat durchaus ablehnend gegenüberstand. Wenn die Italiener aus diesen Worten einen Anspruch auf die Autonomie ableiteten, so kann das nur als ihr subjektiver Wunsch gewertet werden. Mit 25»

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III. § 6. — Betreibung der Autonomie

in der Frage der italienischen Amts-, Gerichts- und Schulsprache im Bezirke Bozen zeigt (s, oben S. 219ff.). Die Regierung wollte hiedurch die Italiener auf Kosten der Deutschen gewinnen und beide Völker gegeneinander ausspielen, um ihre eigene Stellung damit zu erhöhen. Dieses Regierungssystem war freilich nicht dazu angetan, den Staat wirklich innerlich zu gesunden und ihn auf lange Sicht weiterzuführen. Die Beratungen jenes landtäglichen Autonomieausschusses rückten übrigens nicht recht vom Flecke, und als der Landtag im Jahre 1891 mit Zweidrittelmehrheit einen Antrag auf Dringlichkeit der Sache annahm, löste die Regierung, die eine entschiedene Behandlung der Frage durchaus nicht wünschte, den Landtag ganz unerwarteterweise auf. 1 ) Die Italiener blieben nun wieder wie schon früher dem Landtag fern, trieben die sog. Abstinenzpolitik. Den deutschen Parteien war es auf die Dauer peinlich, daß sie ohne Mitwirkung und Verantwortung der Abgeordneten von Welschtirol auch für dessen Bedürfnisse sorgen mußten, die dortige Bevölkerung auf diese Weise den Landesangelegenheiten immer mehr entfremdet und andererseits den Einwirkungen des Irredentismus immer mehr ausgesetzt wurde. In diesem Gefühle gab der damals neu gewählte deutschliberale Abgeordnete des Großgrundbesitzes Dr. Karl v. G r a b m a y r (aus Meran) im Landtage des Jahres 1895 die Anregung, die Verhandlungen mit den Italienern über die Autonomie wieder aufzunehmen, und die Konservativen äußerten sich jetzt dazu nicht mehr grundsätzlich abgeneigt.2) Der Statt" halter Graf Merveldt betonte allerdings sogleich „die eminent politische Seite" der Frage und warnte geradezu den Landtag, sich damit ohne Zutun der Regierung näher zu befassen.3) Im Juni 1897 überreichten die italienischen Abgeordneten, vom damaligen Ministerpräsidenten Badeni dazu aufgefordert, einen ausgearbeiteten Entwurf zur Abänderung der Tiroler noch größerer Deutlichkeit, wie es eben dem Abstände zum Monarchen entsprach, hat der Statthalter Merveldt in der Landtagssitzung vom 14. Februar 1895 (Ber., S. 317) diesen Standpunkt der obersten Regierungskreise öffentlich gekennzeichnet: „Diese Frage ist eine eminent politische, eine in eminentem Maße das Staatsinteresse berührende Frage, die nur die Regierung in die Hand nehmen und in welcher allein diese die Führung übernehmen kann." Als hierüber am 23. April 1891 der Abgeordnete Malfatti — übrigens mit Unterstützung einiger Abgeordneten der deutschen Linken — an den Ministerpräsidenten im Reichsrat eine Interpellation einbrachte, übersandte zur Beantwortung derselben der Statthalter Graf Merveldt einen Entwurf, der mit dem Satze schließt: „Die k. k. Regierung kann nicht Bestrebungen unterstützen, die darauf abzielen, in der Verfassung und Verwaltung des Landes Tirol Institutionen einzuführen, deren Schaffung oder unvermeidliche Weiterentwicklung die in den Verfassungsgesetzen begründete Einheit des Landes gefährden und einen Teil desselben einseitig nationalen Einflüssen preiszugeben geeignet sind." Am 15. Sept, 1893 legte Merveldt dem Ministerium eine sehr eingehende Denkschrift über die Autonomiefrage vor, deren Schlußsatz lautet: „Die dauernde Befriedigung Welschtirols ist auch nicht durch die Gewährung der vollsten Autonomie zu erzielen, sondern es ist vielmehr ein Gebot der Staatsraison und liegt auch im wohlverstandenen Interesse des italienischen Landesteiles selbst, j e d e s Zugeständnis an die Forderung der Autonomie mit Entschiedenheit zu versagen" (Staatsarchiv d. Innern, Wien 54 ex 1891 u. 3221 ex 1893, 31 Tirol.) 2 ) Über Grabmayrs Herkunft und Lebenslaufs, oben S. 348, Anm. 2. Ber. Tir. Landtag 1895, S. 315 ff. S. diese Seite vor Anm. 1.

durch den Abg. Grabmayr seit 1895.

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Landesordnung im Sinne der nationalen Autonomie. Darnach sollte der Landtag und der Landesausschuß aus einer deutschen und einer italienischen Kurie bzw. Sektion mit dem Sitze zu Innsbruck bzw. Trient bestehen und diesen im weiten Umfange die selbständige Verwaltung des betreffenden Landesteiles übertragen werden. Nur für gewisse gesetzgeberische und finanzielle Aufgaben sollte der Landtag noch weiterhin einheitlich wirksam bleiben. Die Regierung ließ aber durch den Statthalter den Abgeordneten erklären, daß sie eine solche Lösung der Frage nicht billigen könne.1) Hingegen fanden hierüber im Jahre 1899 zwischen den Vertretern der deutschen und italienischen Parteien des Landtages vertrauliche, aber mcht amtliche Besprechungen statt, die einen günstigen Verlauf nahmen. Die italienischen Abgeordneten richteten im Juni 1899 an das Ministerium, das damals Dr. von K ö r b e r neu übernommen hatte, eine Anfrage über die nunmehrige Haltung der Regierung in dieser Frage, erfuhren aber auf Veranlassung des Statthalters Merveldt neuerlich eine glatte Ablehnung unter Hinweis darauf, daß die Gewährung der Autonomie nicht nur die Einheit des Landes Tirol, sondern auch das bisherige Gefüge des österreichischen Gesamtstaates gefährde und zu einer unabsehbaren Umgestaltung desselben Anlaß geben könne.2) Auch diese in ihrer Form ungewohnt deutliche Stellungnahme der Regierung hinderte den Abgeordneten G r a b m a y r nicht, seinen Plan weiter zu verfolgen. Er betrachtete eine einvernehmliche Lösung der welschtiroler Frage und die Herstellung eines friedlichen Verhältnisses zwischen den Deutschen und Italienern in Tirol auf Grundlage der gegenseitigen Anerkennung ihrer nationalen Rechte auch bei Einführung neuer staatlicher Organisationsformen als einen großen politischen Erfolg für das Land und den Staat, aber auch für die politische Richtung, der er als führende Persönlichkeit angehörte, und damit schließlich auch für sich selbst in dem Sinne, der jeden bedeutenden Politiker leitet. Wie weit Grabmayr damit den allgemeinen nationalen Anschauungen und Forderungen der Deutschen in Österreich zur damaligen Zeit, sowie den besonderen Verhältnissen des Deutschtums in Tirol entsprochen hätte, werde ich weiter unten noch näher mit Grabmayrs eigenen Worten aufzeigen. Den parlamentarischen Vorstoß gegen die Regierung unternahm Grabmayr in der Landtagssitzung vom 18. und 21. Dezember 1900, in dem er unter Verurteilung der von den Italienern damals angewandten Obstruktion die neuerliche Einsetzung eines Ausschusses zur B e r a t u n g der Autonomief r a g e beantragte. Da auch die deutschen Konservativen sich dafür erJ ) Dieser Entwurf ist vollinhaltlich abgedruckt in einer Druckschrift ,,An S. E. den Ministerpräsidenten Grafen F. Thun die Reichsratsabgeordneten des Trentino" (Trient 1899, ein Exemplar IStA. Bibl. III, 1148). Diese Schrift bringt auch — natürlich vom italienischen Standpunkt — eine Darstellung der Autonomiebestrebungen der Welschtiroler vom Ende des 18. Jahrhunderts bis damals. Die sonstige italienische Literatur hiezu s. Mayr, Irredentismus, S. 3 1 1 . 2 ) Diese Antwort erfolgte in Form eines offenen Schreibens des Ministerpräsidenten an den Obmann des italienischen Abgeordneten-Verbandes vom 2 Oktober 1900, mitgeteilt auch bei Mayr, Irredentismus, S 307

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III. §6. — Eingaben der Städte Meran und Bozen um Sicherung

klärten, wurde der Antrag einstimmig angenommen.1) Das Subkomitee dieses Ausschusses, dem außer Grabmayr die Konservativen Dr. K a t h r e i n und Dr. Wackernell und der Obmann des italienischen Klubs Brugnara angehörten, begann im April 1901 seine Beratungen zur Abänderung der Landesordnung. Offenkundig diente hiebei der italienische Entwurf von 1897 zur Grundlage, wurde aber in Einzelheiten abgeändert und näher ausgeführt. Der Grundgedanke, die Landesvertretung und Landesverwaltung in eine deutsche und italienische Abteilung zu zerlegen, ward beibehalten. Grabmayr hat den neuen Entwurf ausgearbeitet, der daher stets mit seinem Namen bezeichnet wird. Doch hat sich auch Dr. Kathrein, der Obmann des Ausschusses gewesen ist, stark für denselben eingesetzt, auch das Ministerium ist an den Beratungen durch einen hohen Beamten, den Sektionschef Graf Pace, beteiligt gewesen. Die Italiener waren befriedigt, einen wesentlichen Anfang zu ihrer Sonderstellung damit erreicht zu haben. Veröffentlicht wurde der Entwurf erst zu Beginn der neuen Landtagssession im Juni 1901. 2 ) Diese Verhandlungen der italienischen mit den deutschen Abgeordneten und mit den Vertretern der Staatsregierung in Wien haben die politischen Kreise Deutschtirols, vor allem jene Bozens in lebhafte Spannung und in das Bestreben versetzt, auf das Ergebnis auch ihrerseits Einfluß zu gewinnen. Das ist für unsere Betrachtung von besonderer Bedeutung, weil dadurch die nationalpolitischen Auffassungen des Südtiroler Bürgertums in ihrer realen Zielrichtung mit vollster Deutlichkeit sich aufzeigen. Bereits im April 1899 haben nämlich die Städte Bozen und Meran an den Tiroler Landtag eine Eingabe in dem Sinne gerichtet, daß über die Autonomie für Welschtirol nur dann näher verhandelt werde, wenn vorher gewisse völkische Sicherungen für das Deutschtum an dessem Südrande getroffen seien. Die Eingabe war nach eingehender Beratung in den Gemeinderäten jener beiden Städte, in denen die liberale und nationale Richtung die Mehrheit hatte, beschlossen worden, ferner sind ihr auch die Handelskammer von Bozen und die Gemeinderäte der Städte Bruneck, Lienz und Innsbruck, des Marktes Tramin und der beiden äußersten deutschen Dorfgemeinden im Fleimstal, Altrei und Truden, beigetreten. Sie ist natürlich ein besonders maßgebendes Zeugnis allgemein deutschvölkischer, von engerem ParteiBer. Tir. Landtag 1900/01, S. 21, 91, 107 und 136 ff. Die Reden Grabmayrs, S. 21 und 91 ff. geben auch ein gutes Bild über die bisherige Entwicklung der Autonomiefrage seit 1889. 2 ) Über diese Entstehung des Entwurfes s. die Nachrichten in Tiroler Stimmen 1901 vom 9. April und 20. Juni. Die erste Veröffentlichung des Entwurfes erfolgte als Beilage zu den Tiroler Stimmen vom 14. Juni, dann in den Innsbrucker Nachrichten vom 1 1 . und 12. Juli. — Der Entwurf wurde auch von E. Bernatzik in seiner Ausgabe der österreichischen Verfassungsgesetze (Sammlung Manz), 2. Aufl., 1 9 1 1 , S. 1 1 2 1 , als ein beachtenswerter Versuch zur Gestaltung des Nationalitätenrechtes in Österreich samt einer kurzen geschichtlichen Einleitung aufgenommen, doch ist die dortige Angabe, daß der Entwurf dem Landtag in dessen Sitzung vom 6. Juli 1901 formell vorgelegt und von ihm abgelehnt worden sei, nicht richtig, vielmehr ist er dort überhaupt nicht in Verhandlung gezogen worden (s. unten S. 407).

des Deutschtums vor Übergriffen eines autonomen Welschtirol 1899.

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belangen losgelöster Gesinnung und soll daher hier auch im Wortlaute folgen1) : Hoher Landtag! Die stete Zunahme der italienischen Bevölkerung in den deutschen Bezirken Südtirols, die wiederholten Versuche derselben, die Errichtung italienischer Schulen in deutschen Bezirken zu erwirken, die energischen und fortgesetzten Bemühungen der Stadt Trient, den deutschen Einfluß und das bisherige wirtschaftliche und commercielle Übergewicht der Stadt Bozen im Nonsberge und im Fleimsthale durch die Errichtung von Trientiner Lokalbahnen zu brechen und die genannten Täler enger und ausschließlich an Trient zu fesseln, sowie schließlich das Bestreben der Trientiner Abgeordneten, diesen ihren Wünschen durch die Erwirkung einer Autonomie für den italienischen Landestheil Vorschub zu leisten und das leider allzugroße Entgegenkommen der hohen Regierung diesen Bestrebungen der Trientiner Abgeordneten gegenüber hat in den Kreisen der deutschen Bevölkerung Südtirols ernste Besorgnisse und eine tiefgehende Beunruhigung hervorgerufen. Schon im Frühjahre vorigen Jahres und seither wiederholt haben sich stark besuchte Wählerversammlungen und die Gemeinde-Vertretungen in Bozen und Meran mit diesen besorgniserregenden Erscheinungen und diesen agressiven Vorstößen unserer italienischen Nachbarn beschäftigt und in heftigster Weise gegen dieselben Protest erhoben. Ebenso hat sich zur Paralisirung der schädlichen Folgen des Trientiner Fleimsthalbahn-Projectes, wie einem hohen Landtage bekannt, ein aus Bozner und Meraner Bürgern bestehendes Comité gebildet, welches den Ausbau einer Lokalbahn von Neumarkt a. E . nach Cavalese und Predazzo ins Auge gefaßt und die hiezu nöthigen Vorarbeiten bereits soweit durchgeführt hat, daß der Ausbau dieser Strecke bei einer nur geringen Subventionierung von Seite des Staates (es handelt sich um ca. 300000 fl. Stammactien) voll finanziert und zum Baubeginne reif wäre, wobei auch wieder die Städte Bozen und Meran sich in hervorragender Weise an der Prioritätengarantie des Projectes zu betheiligen bereits beschlossen haben. Die intensive agitatorische Thätigkeit der Trientiner hat es endlich sogar so weit gebracht, daß die bisher politisch-indifferenten neutralen Gemeinden des ladinischen Fassathales zur Abwehr derselben aus freien Stücken und ohne irgendwie von deutscher Seite dazu veranlaßt worden zu sein, lediglich in Rücksicht auf ihre guten wirthschaftüchen Verbindungen mit Deutschtirol und ihren natürlichen Sympathien folgend, einen directen Anschluß der Gemeinden des Fassathales an den politischen *) Die Originale dieser Eingabe (der Städte Bozen und Meran in Handschrift und der übrigen Gemeinden in damit übereinstimmenden Drucken) sind in der Registratur des Tiroler Landesausschusses 1899, ZI. 8969, hinterlegt. Vgl. dazu auch die Sitzungsberichte des Tiroler Landtages 1899, S. 57, 103, 267, 347, 355; ferner den Bericht über die betreffende Sitzung des Bozner Gemeinderates vom 21. April 1899 in Bozner Zeitung, Nr. 92. — Das besondere Referat über die Angelegenheit hat hiebei der Gemeinderat Dr. Kinsele geführt, die Annahme der Petition erfolgte nach längerer Wechselrede einstimmig. Der Gemeinderat Heinrich L u n , der die Anschauungen der radikalen Deutschnationalen vertrat, erklärte, daß er für die Petition stimmen werde, obwohl „ihr Inhalt das Wenigste sei, was die Deutschen zu fordern berechtigt seien". — In den Protokollen der Handels- und Gewerbekammer Bozen von 1901 (Univ. Bibl. Ibk. 19x43), S. 169 ff., ist sowohl die Petition von 1899, sowie ihre Wiederholung von 1901 wörtlich abgedruckt, ferner die näheren Ausführungen des Referenten (Dr. v. Walther) über die wirtschaftliche und nationale Bedeutung der Angliederung des Fassatales an den Bezirk Bozen und der Erbauung der Fleimstalbahn von Neumarkt aus.

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III. § 6. - Eingaben der Städte Meran und Bozen um Sicherung

Bezirk Bozen nachsuchten und um die Errichtung deutscher Schulen im Fassathale baten. Den Wünschen der deutschen Bevölkerung der Städte Bozen und Meran entsprechend, beehren sich die unterfertigten Vertreter derselben, im Namen ihrer Stadtvertretungen einem hohen Landtage diese Thatsachen zur Kenntnis zu bringen und daran das dringende Ersuchen zu stellen: Ein hoher Landtag geruhe: I. Den Autonomiebestrebungen der Trientiner Abgeordneten mit Rücksicht darauf, daß dieselben in der vorläufig angestrebten Form und ohne vorherige genaue Sicherstellung der n a t i o n a l e n , wirtschaftlichen und commerciellen Interessen des deutschen Südtirols eine überaus schwere wirtschaftliche, finanzielle und nationale Schädigung der deutschen Gebiete Südtirols unfehlbar nach sich ziehen müßten, entschiedenen Widerstand entgegenzusetzen. II. Ebenso die angestrebte Errichtung italienischer Schulen auf deutschtirolischen Gebieten (speziell auch in Pfatten) mit allen Mitteln hintan zu halten. I I I . Von der hohen Regierung als Compensation für die von derselben in Aussicht genommenen Subventionierung der Localbahn Mal6—Trient dieConcessionierung und Subventionirung des sogenannten Bozner FleimsthalProjektes, der Localbahn Neumarkt—Cavalese—Predazzo zu verlangen, und seinerseits nur eine Subventionirung der obgenannten Localbahn Male—Trient unter der ausdrücklichen Bedingung zu gewähren, daß von Seite der Trientiner auf den Ausbau der Localbahn Trient—Molina—Cavalese vorläufig verzichtet oder doch zum Mindesten die Priorität der Ausführung des Projektes Neumarkt—Cavalese—Predazzo zugestanden werde. IV. Trotz der ablehnenden Haltung der Regierung unter allen Umständen nochmals und auf das Entschiedenste die Angliederung der Gemeinden des Fassathales an den politischen Bezirk Bozen und die Errichtung deutscher Schulen daselbst zu urgiren, und zwar mit Rücksicht auf die Bedeutung dieser Maßnahmen für den deutschtirolischen wirtschaftlichen und commerciellen Einfluß auf das ganze Dolomitengebiet der ladinischen Thäler Fassa, Buchenstein und Enneberg und die Notwendigkeit derselben zur Abwehr der angestrebten Verwälschung dieser bisher neutralen ladinischen Gebiete. V. Ebenso die Angliederung der deutschen Gemeinden des Nonsberges (als Laurein, St. Felix, Proveis und Unsere Frau im Walde) und der deutschen Gemeinden des Fleimsthales (als Altrei und Truden) an die Bezirke Bozen und Meran von der hohen Regierung zu verlangen, 1 ) und zwar insoferne, als die Zusicherung und Sicherstellung der Postulate der Punkte II, I I I , IV und V von Seite der Regierung die unerläßliche conditio sine qua non bilden würde, ohne welche an eine Behandlung der Autonomiefrage von Seite eines hohen Landtages überhaupt nicht gedacht werden könne. Bozen und Meran im April 1899. Für die Städte Bozen und Meran die Bürgermeister: Dr. Julius Perathoner m. p., Dr. Roman Weinberger m. p. x ) Hierzu ist zu bemerken: Bereits am 25. Sept. 1893 haben „die vier deutschen Gemeinden des Nonsbergs" angesichts der Autonomiebestrebungen der Trientiner ein Majestätsgesuch eingebracht des Inhaltes „sie nicht einem italienischen Landtag und Landesausschuß in Trient zu unterstellen, sondern im Verbände mit Deutschtirol zu belassen". Die Gemeinden begründen dies „mit ihrem seit uralter Zeit bewahrten und durch fortgesetzten Kampf aufrecht erhaltenen Charakter des Deutschtums". Das Gesuch ist unterfertigt von den Vorstehern und Räten aller vier Gemeinden, sein Inhalt und seine Einbringung dürfte hauptsächlich auf die Anregung des Pfarrers Mitterer in Proveis zurückgehen. (Orig. d. Gesuchs im Staatsarchiv d. Innern in Wien 3306 ex 1893, 31 Tirol; über Mitterer s. oben S. 291.)

des Deutschtums vor Übergriffen eines autonomen Welschtirol 1899.

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Begründung: Die Erwägungen, resp. begründeten Befürchtungen, welche die Unterfertigten veranlassen, obige Bitte einem hohen Landtage zur geneigten Berücksichtigung zu unterbreiten, sind folgende: Die Gewährung der Autonomie an den italienischen Landestheil ohne vorherige genaue Sicherstellung der obigen nationalen wirthschaftlichen und commerciellen Postulate im Interesse der Deutschen Südtirols würde unzweifelhaft zur Folge haben: I. Daß die exponirten deutschen Gemeinden des Nonsberges und Fleimsthales (sowie alle deutschen Gemeinden des Trentino) und die bisher neutralen ladinischen Gebiete von Seite des autonomen Trento in rücksichtslosester und einschneidendster Weise italianisiert und dadurch die Angliederung dieser bisher theils deutschen, theils dem deutschen Einflüsse unterstehenden Gebiete an Deutschtirol in einem späteren Zeitpunkte direct unerreichbar wäre und dieselben vollständig für Deutschtirol verloren giengen, j a selbst die Errichtung deutscher Schulen aus privaten Mitteln daselbst unmöglich würde. II. Daß die Trientiner Localbahnen auf den Nonsberg und in das Fleimsthal mit aller Energie im eigenen Wirkungskreise des autonomen Trento (vielleicht sogar mit Staatshilfe) durchgeführt und hiedurch die Basis der Erhaltung des deutschen Einflusses im Fleimser- und Fassathale und die Durchführung der Linie Neumarkt—Cavalese—Predazzo unmöglich würden. I I I . Daß durch die Verwälschung der deutschen Gemeinden des Nonsthales und Fleimsthales, sowie der neutralen ladinischen Gemeinden des Fassathales, die bisher ein werthvolles Bollwerk gegen die Verwälschung der benachbarten Theile des deutschen Etschthales und die Verwälschung der ebenfalls bisher neutralen ladinischen Thäler Enneberg und Buchenstein bildeten, neue Fußpunkte für die stete aggressive italienische Propaganda gewonnen und die deutschtirolischen Gebiete selbst noch ernstlicher durch dieselben gefährdet würden, wobei nicht zu unterschätzen ist, daß besonders die deutschgesinnten Gemeinden des Fassathales im Vereine mit der geplanten Straße Campitello—Buchenstein—Ampezzo direkt einen Schlüsselpunkt zur Sicherung der Thäler bis St. Lorenzen, Bruneck und Toblach darstellen. Mit Rücksicht auf diese voraussichtlichen j a unausbleiblichen Folgen der Autonomie der Trientiner und in Erwägung des Umstandes, daß die Angliederung des Fassathales an Bozen unter gleichzeitiger Errichtung der von der Fassaner Bevölkerung aus eigenem Antriebe gewünschten deutschen Schulen keinerlei Gefahr für eine Vergrößerung der gemischtsprachigen Gebiete des Bozener Bezirkes bildet und des ferneren Umstandes, daß die Klarlegung dieser Verhältnisse absolut im Interesse eines wünschenswerthen friedlichen und gedeihlichen Zusammenarbeitens mit unseren italienischen Nachbarn geboten erscheint, haben sich die Unterfertigten erlaubt, diese Denkschrift einem hohen Landtage vorzulegen und hiebei lediglich den Standpunkt festgehalten einem hohen Landtage nur jene verderblichen localen Folgen vor Augen zu führen, die eine Gewährung der Autonomie an die Trientiner ohne Sicherstellung der bezogenen Punkte insbesondere für den deutschen Bezirk Bozen und Meran voraussieht lieh nach sich ziehen könnte und müßte, ohne sich hiebei in merito über die dem hohen Landtage allein zustehende Frage auszusprechen, in wie ferne und in welcher Weise die, die deutsche Bevölkerung Südtirols mit schweren Besorgnissen erfüllende Autonomiefrage für ganz Tirol vortheilhaft erscheinen dürfte oder nicht. Die Unterfertigten hoffen daher mit Zuversicht, daß ein hoher Landtag bei eventuellen Verhandlungen mit der hohen Regierung und den Trientiner Abgeordneten, insoferne sich dieselben nicht ganz ablehnen lassen, eine wohlwollende Berücksichtigung dieser ihrer gerechtfertigten lokalen Wünsche angedeihen lassen werde. Bozen und Meran im April 1899. Die Bürgermeister: Dr. Julius Perathoner m. p., Dr. Roman Weinberger m. p.

394

§



Deutsche Bedingungen vor Gewährung der Autonomie Welschtirols.

Wir sehen hieraus: die deutschsüdtiroler Nationalen waren n i c h t grundsätzlich abgeneigt, in die Autonomie für Welschtirol einzuwilligen, wenn vorher folgende Bedingungen erfüllt wären: i. Die politische Angliederung der deutschen Grenzgemeinden, die bisher zu italienischsprachigen Bezirken gehört haben, sowie des ladinischen Tales Fassa an die politischen Bezirke Bozen und Meran. 2. Hintanhaltung von Schulen mit italienischer Unterrichtssprache im Gebiete nördlich von Salurn. 3. Erbauung der Fleimstalbahn von Neumarkt aus. Ähnliches hatte wohl auch der katholischkonservative Verein für Bozen und Umgebung im Auge, wenn er (laut Tir. Volksblatt vom 6. Mai 1899) folgende Entschließung annahm: „Die konservativen Abgeordneten von Tirol mögen dafür eintreten, daß bei der Lösung der welschtirolischen Autonomiefrage die Einheit unseres Vaterlandes unangetastet bleibe und die R e c h t e des d e u t s c h e n V o l k e s gewahrt werden." Daß die Deutschen solche Bedingungen für die Gewährung der Autonomie für Welschtirol stellten, hatte seinen guten Grund, denn sie waren ja die Gebenden. Sie hatten die Mehrheit im Landtage und von ihrem guten Willen hing es daher ab, wenn sie eine solche Änderung der Landesverfassung den Italienern zugestehen wollten. Die letzteren wollten das freilich nicht einsehen, sie betrachteten die Autonomie als ihr gutes Recht, für das sie keine Entschädigung zu bieten hätten. Sie führten jenes einerseits auf die frühere innere Selbständigkeit des Fürstentums Trient zurück, das allerdings nur einen, wenn auch den größeren Teil des späteren Welschtirol umfaßt hat, andererseits auf die Entwicklung des modernen Nationalitätenprinzips, das damals allerdings in das positive Staatsrecht der europäischen Großstaaten noch kaum Eingang gefunden hatte. Daß sie, die Italiener, für die Gewährung der Autonomie in Welschtirol ihre bisherigen Ausdehnungs- und Herrschaftsmöglichkeiten auf deutschem und ladinischem Gebiete einschränken sollten, schien ihnen unbillig, weil sie eben von der absoluten Berechtigung ihrer Forderungen überzeugt waren. Die Unvereinbarkeit dieser Auffassungen auf deutscher und italienischer Seite hat schließlich, abgesehen von der ablehnenden Haltung der höchsten Träger der Staatsgewalt, das Autonomieprojekt zum Scheitern gebracht. Jenes Programm einer nationalen Mindestforderung im örtlich begrenzten Kreise von Deutschsüdtirol hat auf die weitere Behandlung derAutonomiefrage erheblich eingewirkt, wie wir noch hören werden. Gleichzeitig mit ihm wurde aber damals ein umfassendes Programm für das gesamte Deutschtum in Österreich aufgestellt. Der durch die Badenischen Sprachenverordnungen entfesselte Kampf hat nämlich die überwiegende Mehrheit der deutschösterreichischen Reichsratsabgeordneten und ihre Parteien veranlaßt, sich zu einem Verbände zum gemeinsamen Schutze der bedrohten nationalen Rechte der Deutschen in Österreich, der sog. d e u t s c h e n G e m e i n b ü r g s c h a f t zusammenzuschließen; es waren dies die deutsche Fortschrittspartei oder die Altliberalen, die deutsche Volkspartei oder Nationalen, der verfassungstreue Großgrundbesitz und die Christlichsozialen.

Das nationalpolitische Pfingstprogramm der deutschösterr. Parteien 1899.

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Hingegen haben die Radikalnationalen unter Führung Schönerers, die katholische Volkspartei oder früheren Konservativen und die Sozialdemokraten, welche aber gemäß des damaligen Wahlrechtes nur wenige Sitze im Reichsrate innehatten, niemals jener Gemeinbürgschaft angehört. Dieselbe ist zu Pfingsten 1899 auch mit einem umfassenden Programm der n a t i o n a l p o l i t i s c h e n F o r d e r u n g e n der Deutschen in Österreich hervorgetreten, das außer einem allgemeinen, den Gesamtstaat betreffenden Teil auch die besonderen Verhältnisse der einzelnen Länder behandelt und so auch jene von Tirol. Dieses sog. P f i n g s t p r o g r a m m (vom 20. Mai 1899) darf als der Ausdruck dessen gelten, was die Deutschen Österreichs als ein Mindestmaß von Rechten zur Sicherung ihres Volkstums vom Staate und gegenüber den anderen Nationalitäten zu verlangen sich berechtigt und verpflichtet fühlten. 1 ) Das Programm war von dem Gedanken getragen, zu einem Frieden mit den anderen Nationen auf Grund der Anerkennung gegenseitiger Rechte zu gelangen, es sollte die bisherige Stellung der Deutschen verteidigen, aber nicht erweitern. Die radikalnationale Gruppe hat das Programm abgelehnt, weil es zu wenig Angriffs- und Kampfmut, zu viel Abwehr- und Friedensgeist enthalte. Aber auch die anderen Nationalitäten Österreichs, insbesondere die Tschechen, erklärten sich sofort gegen dieses Programm der Deutschen, weil es die Erreichung ihrer Angriffsziele, die Durchsetzung der seit alter Zeit geschlossenen deutschen Gebiete mit sprachenrechtlich geschützten slawischen Minderheiten zu hemmen geeignet war. Die deutschen Parteien, die dieses Pfingstprogramm aufgestellt haben, haben nun allerdings dasselbe nicht zum eigentlichen Angelpunkt ihrer aktiven Politik gemacht und auf seine Durchsetzung keineswegs ihre volle Energie verwendet. Aber seine Grundgedanken kehren doch in den Entwürfen wieder, die die Regierung zur Ausgleichung der nationalen Gegensätze insbesondere in Böhmen und Mähren zur Verhandlung gestellt hat, die aber nur in letzterem Lande, nie aber im ersteren zum Abschlüsse gelangt ist. So ist dieses Pfingstprogramm von 1899 doch der Ausdruck des national politischen Wollens, Tuns und Lassens der größeren deutschösterreichischen Parteien geworden, es enthält auch die Richtlinien, nach denen sich der Fortbestand Österreichs, wenn nicht sein Zerfall infolge des Weltkrieges eingetreten wäre, voraussichtlich gestaltet hätte, und das ist seine geschichtliche Bedeutung. So heißt es in der Einleitung des Programmes (Fischl, Sprachenrecht Mat., S. 34): „Wir stellen kein Gesammtprogramm auf für die Regierung dieses S t a a t e s ; durch den Druck der Verhältnisse gezwungen, bestellen wir unser eigenes H a u s . Die Sicherung unserer Stellung ist aus nationalen Gründen, jedoch auch deswegen nothwendig, damit die politischen und wirtschaftlichen Interessen eine entsprechende Förderung erhalten können. Was wir fordern, ist ein Mindestmaß, weil es sich lediglich darauf stützt, was besteht und was zur Erhaltung unserer Nationalität in Österreich unbedingt nothwendig ist. Aber innig verknüpft mit den Schicksalen der Deutschen in Österreich ist das Schicksal Österreichs selbst, und wer den Blick auf das Ganze richtet, muß für unsere Forderungen noch andere aus dem innersten Wesen dieses Staates selbst geschöpfte Gründe den unseren hinzufügen." — Zur allgemeinen Beurteilung des Programmes s. Molisch, Deutschnationale Bewegung. S. 204 f. und Charmatz, Österreichs inn. Gesch. 2, S. 132.

i n . § 6.

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— Die Nationalpolitischen Forderungen für

Die Forderungen für die einzelnen Länder, die in diesem Programm enthalten sind, haben einzelne Abgeordnete aus demselben als Referenten zuerst entworfen, und für Tirol war der Abgeordnete G r a b m a y r hiemit betraut worden. Dieser hatte sich aber damals die Feindschaft der Radikalnationalen zugezogen, weil er sie in einer Versammlung zu Meran (am 5. Februar 1899) wegen ihres Verhaltens gegenüber dem österreichischen Staatsgedanken und der katholischen Kirche in dem Sinne scharf angegriffen hatte, daß sie dadurch weite Kreise des deutschen Volkes von der Mitarbeit an der nationalen Abwehr abhielten,1) Dadurch geriet Grabmayr in Gegensatz zur Mehrheit der obersten Zusammenfassung der Deutschfreiheitlichen Parteien in Tirol, dem Landeswahlausschuß. Dieser sowie (am 1 1 . März) auch der deutsche Volksverein für Südtirol erklärten, daß sie Grabmayr nicht als Vertrauensmann zur Aufstellung der nationalpolitischen Forderungen der Deutschen in Tirol anerkennen würden. Ja, am 22. März 1899 wurde Grabmayr mit einer geringen Mehrheit gegen die Stimmen der Altliberalen aus dem Landeswahlausschuß ausgeschlossen. Immerhin hatte hiebei der Führer der Bozner Nationalen Perathoner zugunsten Grabmayrs gestimmt, ebenso Lun (Meran). Trotz dieser Vorgänge hat Grabmayr das Referat über Tirol für das Programm der deutschen Gemeinbürgschaft, das ihm ja von der Vertretung der Reichsratsparteien übertragen war, beibehalten. Um sich eine gewisse Rückendeckung hiebei zu verschaffen, hat er sich selbst einen Mitarbeiterausschuß aus den angesehensten Männern des öffentlichen Lebens in Südtirol, nämlich Dr. Perathoner, Dr. Weinberger und Baron Longo als Nationale und Dr. v. Hepperger und Dr. v. Mayrhauser als Fortschrittliche gebildet und mit ihnen das Tiroler Programm beraten (1. März). Freilich hat Perathoner bald nachher seine Zustimmung zu den Vorschlägen Grabmayrs im allgemeinen abgeschwächt, auch sachlich dieselben in einem Punkte erweitert. In der von ihm beeinflußten Eingabe der Stadt Bozen wurde nämlich auch die Angliederung des Fassa an den Bezirk Bozen gefordert, was Grabmayr immer ausdrücklich abgelehnt hat. Nachdem der Entwurf Grabmayrs die Billigung der Parteien der deutschen Gemeinbürgschaft gefunden hatte, wurde er im Rahmen des Gesamtprogrammes zu Pfingsten (20. Mai) 1899 veröffentlicht. Dieser Vorgang muß beachtet werden, wenn man die Geltung des auf Tirol bezüglichen Teiles des Programmes im Lande selbst richtig beurteilen will.2) In Deutschtirol wurde das Programm, soweit es sich auf das Land bezog, so gut wie durchwegs mit Z u s t i m m u n g aufgenommen. Die national1

) S. Grabmayr, Reden, S. 66 ff. ) Näheres über diese Vorgänge in den Tiroler Zeitungen vom Februar und März 1899, insbesondere in der Meraner Zeitung vom 24. Februar, 17., 25. und 31. März. Tiroler Tagblatt vom 14. Februar und 18. März (Berichte Grabmayrs über seine Zusammenarbeit mit den genannten Südtiroler Vertrauensmännern), 23. und 24. März (Ausschluß Grabmayrs aus dem Landeswahlausschuß). Bozner Zeitung 1899, Nr. 30 bis 32 und 60 bis 69 ebenso. Ferner berichtet hierüber ziemlich eingehend die Lebensbeschreibung Grabmayrs wie unten S. 404, Anm. 1. — Über die Frage des Fassa s. näher unten S. 410. 2

Deutschtirol im Pfingstprogramm 1899.

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liberale „Bozner Zeitung", die christlichsoziale „Brixner Chronik" und das konservative „Tiroler Volksblatt" druckten seinen Wortlaut vollinhaltlich, aber ohne weitere Darlegung ab und wollten damit wohl ihr Einverständnis kundtun. Eine längere Besprechung widmeten ihm die „Tiroler Stimmen", auch durchwegs zustimmend, nur die Behauptung, daß die Italiener in öffentlichem Dienste bisher begünstigt worden seien, erklären sie als unrichtig; es seien ihrer nur deshalb so viele angestellt, weil sie sich eben in verhältnismäßig großer Zahl hiezu melden.1) Jenes Programm hat des näheren folgende nationalpolitische Forderungen f ü r das Deutschtum in Tirol aufgestellt2): 1. Die deutschen Grenzgemeinden des Nons- und Fleimstales, die bisher unter italienischen Ämtern standen, sind den benachbarten deutschen Bezirken anzugliedern. — 2. Im deutschen Tirol — d. h. von Salurn nordwärts, was aber im Programm merkwürdigerweise nicht ausdrücklich gesagt wird — sollen bei den Gerichten und anderen Ämtern die deutsche als die Amtssprache gelten und nur Beamte deutscher Nationalität angestellt werden, in Welschtirol umgekehrt nur die italienische Sprache und italienische Beamte. Wenn für einzelne Dienstposten im deutschen Südtirol Doppelsprachigkeit erforderlich ist, sollen hiefür entsprechend befähigte Beamte deutscher Nationalität herangezogen werden. — 3. Im Schulwesen soll der bisherige Zustand erhalten, daher in Deutschtirol, wo es bisher keine Schulen mit italienischer Unterrichtssprache gegeben hat, auch künftighin keine errichtet werden. — 4. Die von den Italienern verlangte Autonomie für Welschtirol kann nur unter der Bedingung gewährt werden, daß dadurch Deutschtirol nicht einseitig finanziell belastet und wirtschaftlich benachteiligt und vorher die obenerwähnten nationalen Forderungen der Deutschen erfüllt werden. Diese Forderungen für Tirol stehen durchaus im Einklang mit jenen für die anderen österreichischen Länder, wie sie in dem Pfingstprogramm von 1899 enthalten sind. Denn auch für diese wird eine strenge sprachenrechtliche Scheidung der seit alters einsprachig deutschen Gebiete von den gemischtsprachigen und von den einheitlich fremdsprachigen gefordert sowohl für Kärnten und Steiermark wie für Böhmen; für die Länder Niederund Oberösterreich, Salzburg und Vorarlberg die unbedingte Anerkennung ihrer seit alters feststehenden deutschen Einsprachigkeit. Der einheitliche Grundsatz, auf welchem das ganze Programm beruhte, war daher die Festhaltung und Wahrung der angestammten geschlossenen deutschen Gebiete auch für die Zukunft. Es handelte sich also bei dieser Aufrichtung der nationalen Selbstverwaltung in Tirol um eine möglichst strenge Abscheidung der betreffenden Raumgebiete, um die Erhaltung möglichst geschlossener und einheitlicher nationaler Räume auf geschichtlicher Grundlage und als Voraussetzung hiezu um die Erhaltung der natürlichen Angleichungs- oder Assimilations!) 1899, Boz. Ztg., Nr. 1 1 5 I ; Brix. Chr., Nr. 42; Tir. Vbl., N r . 4 2 ; Tir. Stim., Nr. 117. — Vgl. dazu auch oben S. 233 u. 236. a ) Den Wortlaut s. bei Fischel, Sprachenrecht, S. 38 f.

HI. § 6. — Die Prinzipien der Autonomie.

kraft der deutschen Volksart auf dem ihr von alters zugehörigen Boden und um die Unterbindung des Wachstums italienischer Minderheiten auf diesem. Man bezeichnet dieses Streben nach Vereinigung von Volkstum und Raum, von Sprachgemeinschaft und Scholle als das t e r r i t o r i a l e Prinzip in der nationalen Autonomie. Ihm steht das personale Prinzip gegenüber, das ist das Streben, innerhalb eines Staates mit mehreren Nationalitäten das Recht auf Erhaltung und Pflege derselben nicht nach geschlossenen geschichtlichen Räumen abzugrenzen, sondern es ganz dem jeweiligen Stande der Volksbewegung im einzelnen zu überlassen. Wo sich Angehörige einer Nationalität in einer gewissen, auch verhältnismäßig kleinen Anzahl im Gebiete einer anderen Nationalität ansammeln, sind ihnen auch schon öffentliche Mittel zur Erhaltung ihrer Sprache und Nationalität sicherzustellen.1) Das war in Österreich vor allem die Auffassung und der Wunsch jener Nationalitäten, die eine in das Gebiet einer anderen Nationalität gerichtete Volksvermehrung hatten, so vor allem der Tschechen gegenüber den Deutschen. Letztere, deren Volksvermehrung nicht in größerer Zahl über ihr geschichtliches Siedlungsgebiet hinausstrebte, waren durchwegs für das territoriale Prinzip hinsichtlich jener Gebiete, in denen sie seit dem Mittelalter geschlossen siedelten, für das personale Prinzip höchstens dort, wo schon seit alters eine gewisse Mischung der Nationalitäten eingetreten war. Man kann hierin eine gewisse Zwiespältigkeit, den Mangel eines einheitlichen Grundsatzes erblicken. Aber in einer so hervorragend politischen Sache, wie die damals im Werden begriffene Autonomiebewegung war, ist die Wahrung wohl begründeter Belange nicht immer unter einheitliche Formeln zu bringen, wenn dies auch sonst in politischen Fragen einen Vorzug bedeutet. Der Vorwurf, daß die Deutschen in dieser Frage je nach ihrem Vorteile ein verschiedenes Recht verlangt hätten, liegt wohl bei oberflächlicher Betrachtung nahe, bei tieferer geschichtlicher Erwägung wird aber diese Haltung verständlich.2) Nur eine politische Partei unter den Deutschen Österreichs, nämlich die sozialdemokratische, trat vorbehaltlos für das personale Prinzip in der nationalen Autonomie ein, war aber hiebei durch ihren besonderen Vorteil bestimmt, weil die Arbeiter den stärksten Anteil an dieser Volksbewegung zwischen den Gebieten der Nationalitäten hatten und eben nur durch ein gewisses nationales Entgegenkommen für die sozialdemokratische Partei zu gewinnen waren. Die grundsätzliche Internationalität der Sozialdemokratie hat natürlich auch eine solche Haltung begünstigt.3) l

) Vgl. Josef Lukas (Czernowitz), Territorialitäts- und Personalitätsprinzip im österreichischen Nationalitätenrecht im Jahrbuch für öffentliches Recht, Bd. 2 (1908), S. 333 ff., wohl die erste streng juristische Erörterung des ganzen Problems. 2 ) Bereits oben (Bd. 1, S. 202) legte ich dar, daß das Assimilationsvermögen der geschichtlich bodenständigen Nationalität seine Berechtigung habe und nicht künstlich zugunsten neu hinzuwandernder Elemente künstlich unterbunden werden dürfe, wie dies heute noch in der Schweiz so gehandhabt wird. 3 ) Des näheren wird das Personalitätsprinzip für die nationalstaatliche autonome Gliederung Österreichs nach der Ansicht der Sozialdemokratie in den Schriften von Karl R e n n e r

Grabmayrs Denkschrift 1899.

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Die Träger der S t a a t s g e w a l t in Österreich, der herrschende Geist in den Ministerien, war ebenfalls mehr für eine Nachgiebigkeit gegenüber den nationalpolitischen Wünschen der Nationalitäten, die in fremdes Gebiet vordrangen. Das zeigt — abgesehen von dem Verhalten der Regierung gegenüber den Tschechen seit 1880 — gerade auch für Südtirol die seit dieser Zeit eintretende Lässigkeit derselben hinsichtlich der Wahrung der ausschließlichen deutschen Amts- und Gerichtssprache in Bozen und Meran. Im Schulwesen hätte auch nicht die Praxis der Staatsbehörden die Errichtung von italienischen Schulen im Gebiete von Bozen aufhalten können, sondern dies bewirkte nur die drohende Abneigung der deutschen Bevölkerung gegen eine derartige Neuerung und die dadurch bedingte Zurückhaltung auf Seite der italienischen Zuzügler, mit einer solchen Forderung die Deutschen gegen sich aufzubringen.1) Wenn G r a b m a y r nun einen vollen Entwurf zu einem Gesetze über die Autonomie Welschtirols ausarbeitete und dem Landtag vorlegte, so konnte er sich hiebei auf jenes gemeinsame deutschösterreichische Pfingstprogramm und seine Grundgedanken berufen. Er hat gleichzeitig mit der Vorlage des Entwurfes in der Meraner Zeitung von 1901, Nr. 4 bis 6, eine Denkschrift über „die n a t i o n a l p o l i t i s c h e n F o r d e r u n g e n der D e u t schen in T i r o l " veröffentlicht, welche auch als eine erweiterte Darstellung des betreffenden Abschnittes in jenem Pfingstprogramm gelten kann. In ebenso klarer wie gewandter Weise entwirft hier Grabmayr die Grundsätze der Erhaltung des überlieferten nationalen Besitzstandes auf Seite der Deutschen: Es soll demnach verhindert werden, daß im Gebiete nördlich von Salurn die italienischen Minderheiten durch Zugeständnisse in der Schule und in der Verwaltung sich verstärken, vielmehr -soll die völkische Angleichung der einzelnen welschen Zuwanderer an das deutsche Grundelement der dortigen Bevölkerung möglichst gefördert werden. Nicht gegenseitige Durchdringung der nationalen Ausdehnungsgebiete, sondern räumliche Abscheidung derselben, nicht Veränderung der geschichtlichen Geltungsgebiete der beiden Nationen, sondern Erhaltung derselben, n a t i o n a l e A u t o n o m i e mit R ü c k s i c h t auf den g e s c h l o s s e n e n g e s c h i c h t lichen S i e d l u n g s r a u m , das war das Wesen dieser Auffassung und Forderung. Da diese Gesichtspunkte in den Ausführungen Grabmayrs sehr wirkungsvoll und deutlich herausgestellt sind, setze ich einen Teil derselben im Wortlaute hieher: N a c h einer Darlegung der Bevölkerungsverhältnisse v o n Südtirol und insbesondere des Anwachsens der italienisch-sprachigen Einwohner i m Bezirke Bozen in den letzten Jahrzehnten sagt G r a b m a y r : „ W e n n man auch den U m s t a n d berücksichtigt, d a ß gerade zur Zeit der letzten Volkszählung die Etschregulierung eine große A n z a h l italienischer Arbeiter ins deutsche Gebiet zog, so bleibt noch immer die enorme V e r mehrung der italienischen Bevölkerung in den deutschen Grenzbezirken eine bedrohliche Erscheinung, die uns Deutsche aus unserer erbeigenthümlichen Indolenz aufund Otto B a u e r entwickelt; darüber eine gute zusammenfassende Darlegung bei R. Wolkan, Der österreichische Staatsgedanke in MJöG., 11. Ergbd., S. 852. !) S. oben S. 259.

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III. §6. — Grabmayrs Denkschrift über die

rütteln muß und uns die energische Abwehr gegen die fortschreitende Verwälschung unserer tirolischen Südmark zur ernsten nationalen Pflicht m a c h t . . . Wir müssen uns begnügen, an dem Grundsatz festzuhalten, daß die Italiener, die auf deutschem Gebiet ihren Erwerb suchen und finden, sich in die Verhältnisse der frei gewählten neuen Heimath schicken und auf solche Einrichtungen verzichten müssen, in denen eine Beeinträchtigung des einheitlichen nationalen Charakters der deutschen Grenzgebiete zu erblicken wäre. Man kann nicht bei Salurn eine chinesische Mauer errichten. Wohl aber können wir dafür sorgen, daß auf unserem Gebiete keine nationale Züchtung fremder Elemente platzgreift, und daß der nothwendige allmähliche Prozeß der Assimilierung nicht durch zweckwidrige Eingriffe gestört wird. Gegen die drohend vorschreitende Verwälschung gibt es keinen Landes-, keinen Staatsschutz; es gibt nur S e l b s t s c h u t z . An Staat und Land können wir nur negaitive Forderungen richten, wir können nur verlangen, daß nichts auf dem Gebiet der Gesetzgebung oder Verwaltung geschehe, was uns in der Erhaltung und Vertheidigung unserer nationalen Integrität behindert. „Bei der nationalen Auseinandersetzung zwischen uns und den Italienern ist wohl zu beachten, daß eine nationale Gefährdung nur für uns, nicht aber für die Italiener besteht. Welch triftige Gründe wir haben, uns gegen den still wirkenden expansiven Druck der Nachbarnation energisch zu wehren, lehren eindringlich die angeführten Zahlen der amtlichen Statistik. Einen ähnlichen Vorstoß des germanischen Stammes haben die Italiener auf keiner Seite und in keiner Weise zu fürchten. W'.it hinter uns liegen die Zeiten, wo man vielleicht auch in Tirol an eine Germanisierurg italienischen Gebietes gedacht hat. Heute denken wir Deutsche nur ans Erhalten, nicht ans Gewinnen, rechnen aber darauf, bei den italienischen Nachbarn gleicher Gesinnung zu begegnen. Im Vergleich mit anderen Ländern, wo die verzehrende Flamme nationalen Streites hoch aufloht, kann sich die nationale Auseinandei Setzung zwischen den beiden das Land Tirol bewohnenden Volksstämmen ungleich leichter vollziehen, weil in die zwischen Deutschen und Italienern herrschende Grundstimmung keine Spur jenes nationalen Hasses gemengt ist, der anderwärts die Verständigung zwischen streitenden Nationalitäten so erheblich erschwert. Wir achten und schätzen in den Italienern die Kinder einer großen völlig ebenbürtigen Kulturnation, mit der uns, abgesehen vom politischen Bande des Dreibundes, die mannigfachsten wirtschaftlichen Kulturinteressen verknüpfen . . . Bei dieser Lage der Dinge sind die wesentlichen Gesichtspunkte für die Formulierung unserer nationalpolitischen Forderungen gegeben. Wir Deutsche wünschen den nationalen Frieden, wir hegen nicht die Absicht, unsere Mehrheitsstellung im Lande zum Nachtheil der italienischen Minderheit auszubeuten. G l e i c h e s R e c h t f ü r b e i d e V o l k s s t ä m m e , gleicher Schutz für beide Nationalitäten. Thunlichste Verminderung der nationalen Reibungsflächen! Zur Erreichung dieser Ziele möglichst r e i n l i c h e S c h e i d u n g der beiden Stämme unter Anerkennung der vollen Reciprocität im nationalen Verhältnis zwischen Italienern und Deutschen. Bei der Anwendung dieser Grundsätze ergeben sich folgende Forderungen der Deutschen: I. N a t i o n a l e A b g r e n z u n g . Die politische Grenze zwischen Deutsch- und Wälschtirol fällt fast durchwegs mit der nationalen Grenze zwischen den beiden Volksstämmen zusammen. Der Mendelkamm und die Fleimser Berge bilden unverrückbare natürliche Grenzen, zwischen denen sich nur in der Thalsohle der Etsch eine schmale Lücke befindet. Ein Antrag auf Änderung der unterhalb Salurn das Thal durchquerenden politischen Grenze wird nicht gestellt, da diese seit altersher bestehende Abmarkung den nationalen Verhältnissen durchaus entspricht. Dagegen fordern wir Deutsche eine Grenzberichtigung, die sowohl die vier deutschen Gemeinden des Nonsberg als die zwei deutschen Gemeinden des Bezirkes Cavalese in den politischen Verband des deutschen Stammes zurückbringt. Nach Blut, Sprache und Sitte gehören diese sechs Gemeinden (Laurein, Froveis, St. Felix, U. L. Frau im Wald, Truden und Altrei) zur deutschen

nationalpolitischen Forderungen der Deutschen in Tirol 1899.

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Volksgemeinschaft, und es entspricht daher die Revindikation dieser rein deutschen, mit dem übrigen Deutschtirol zusammenhängenden Gebietstheile dem oben vertretenen Grundsatz der reinlichen Scheidung . . . II. A m t s s p r a c h e . D a das ladinische Idiom sowohl wegen seiner geringen Verbreitung als wegen seiner formalen Rückständigkeit als Sprache des öffentlichen Dienstes gar nicht in Betracht kommt, so stand in Tirol nur die Konkurrenz zwischen der deutschen und der italienischen Sprache in Frage. Wesentlich erleichtert wurde die Lösung durch die ziemlich scharfe geographische und politische Abgrenzung der beiden Sprachgebiete, sowie durch den Umstand, daß es sich um zwei durchaus gleichwertige, hochentwickelte Kultursprachen handelt. Daraus erwuchs der Grundsatz, daß man im deutschen Gebiete die deutsche, im italienischen Gebiete die italienische Sprache als a u s s c h l i e ß l i c h e Amtssprache verwendet und daß bei den Landesstellen beide Sprachen nebeneinander so ziemlich gleiche Rechte genießen . . . Während man im italienischen Landestheile die geschilderte Übung streng einhält, fehlt es im deutschen Südtirol nicht an wiederholten Versuchen, das Prinzip der deutschen Amtssprache zu durchbrechen . . . Eine gewisse Konnivenz der deutschen ^Gerichte in sprachlichen Dingen erklärt sich durch den übermäßigen Prozentsatz, dem unsere Gerichte mit Beamten italienischer Abstammung besetzt sind. Wir Deutsche fordern nicht, daß an den bestehenden sprachlichen Verhältnissen Iii Tirol irgend eine grundsätzliche Änderung erfolge, wir anerkennen die Gleichberechtigung beider Sprachen in der Form, daß die italienische Sprache dieselben Rechte im italienischen Gebiete wie die deutsche Sprache im deutschen Gebiete genieße. Wohl aber fordern wir die gesetzliche Sicherstellung der ausschließlichen Geltung der deutschen Gerichtssprache im deutschen Gebiete, damit jedem möglichen Versuche, das deutsche Tirol oder Theile desselben in ein doppelsprachiges Gebiet zu verwandeln, der Weg für immer versperrt wird . . . Steht der Durchführung der vollen Reziprozität in Betreff des Sprachengebrauches bei den tirolischen G e r i c h t e n nichts im Wege, so wird dagegen auf dem Gebiet der p o l i t i s c h e n V e r w a l t u n g die deutsche Sprache auch in Tirol jene bevorzugte Stellung behaupten müssen, die sie vermöge der Natur der Dinge und kraft bestehender Übung als allgemeines Verständigungsmittel einnimmt. Nicht nur der Verkehr zwischen den Landes- und den Zentralstellen vollzieht sich ausschließlich in deutscher Sprache, sondern auch im Verkehr zwischen den Behörden I. Instanz (Bezirkshauptmannschaft) und der Statthalterei wird als Dienstsprache überwiegend die deutsche Sprache gebraucht. Für die gesicherte Fortdauer dieses nicht auf gesetzlicher Vorschrift, sondern nur auf konstanter Übung beruhenden Zustandes sprechen weit mehr als unsere nationalen die gesammtstaatlichen Interessen . . . III. N a t i o n a l e V e r w a l t u n g . Jede Nationalität hat den natürlichen Anspruch, daß sie von Beamten des eigenen Stammes administriert wird. Zu den Voraussetzungen einer guten Verwaltung gehört, daß die Beamten mit der Sprache, den Sitten und den wirthschaftlichen Verhältnissen ihres Amtssprengeis möglichst vertraut sind. Diesem Erforderniß werden in der Regel nur Beamte entsprechen, die der Nation entstammen, in deren Gebiet sie wirken sollen. Daraus resultiert für Tirol die Forderung: im italienischen Tirol italienische, im d e u t s c h e n T i r o l d e u t s c h e B e a m t e . Ausnahmen von dieser Regel werden nöthigin einzelnen Fällen, wo sich für gewisse Dienstposten dieDoppelsprachigkeit des Inhabers als unerläßlich erweist und wo sich geeignete sprachlich qualifizierte Bewerber aus dem betreffenden nationalen Gebiete nicht finden. Es geht jedoch nicht an, die Anforderungen in Betreff der Sprachkenntnisse über das wirklich vorhandene Bedürfnis hinaus zu erhöhen und hiedurch das Eindringen nationalfremder Elemente in den Beamtenstand über Gebühr zu fördern. So hat z. B. der frühere Justizminister Graf Gleispach ganz mit Unrecht den Grundsatz aufgestellt, daß bei den Gerichten S t o l z , Südtirol III.

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III. § 6. - Grabmayrs Denkschrift über die

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in Bozen ausschließlich Beamte in Verwendung kommen dürfen, die auch, die italienische Sprache vollkommen beherrschen. 1 ) Gegen einen derart ungesetzlichen Vorgang, der den Bozner Gerichtssprengel als national gemischtes Gebiet behandelt, müssen wir uns entschieden verwahren. Bozen ist ebenso eine deutsche wie Trient eine italienische Stadt, und so wenig wir verlangen, daß in Trient nur doppelsprachige Richter amtieren, eben so wenig lassen wir uns gefallen, daß für Bozen oder für irgend einen anderen deutschen Ort die Zweisprachigkeit als obligatorisch für die Erlangung einer Richterstelle erklärt wird. 1 ) Mit diesem Standpunkte verträgt sich selbstverständlich die angemessene Fürsorge für eine durch sprachliche Schwierigkeiten nicht gehinderte Amtierung der Behörden. Wie es seit jeher der Fall war, soll man auch in Zukunft die Ämter im südlichen Theile Deutschtirols mit einer solchen Anzahl zweisprachiger Funktionäre versehen, daß den realen Bedürfnissen der Bevölkerung volles Genüge geschieht. Nur können und müssen wir fordern, daß man hiebei auf die Bewerber deutscher Abstammung, die sich über die sprachliche Eignung ausweisen, zunächst Bedacht nimmt, daß man nicht umgekehrt italienische Bewerber in einer über die Dienstesrücksichten weit hinausgehenden Weise bevorzugt. Daß dies thatsächlich geschieht, davon kann man sich durch einen Blick in das Schema der tirolischen Justizbehörden leicht überzeugen. In ganz Wälschtirol findet sich kein deutscher Richter. Während der Richterstand im italienischen Gebiete seine nationale Einheitlichkeit eifersüchtig und erfolgreich bewahrt, erreicht die Verwendung italienischer Richter im deutschen Gebiete eine Ausdehnung, die man durch keinerlei Berufung auf vorhandene Bedürfnisse zu rechtfertigen oder zu erklären vermag. IV. S c h u l e . In Deutschtirol gibt es k e i n e italienischen Schulen . . . Unser Standpunkt in Betreff des Schulwesens findet in zwei Sätzen seinen Ausdruck: wir verlangen die Erhaltung des status quo und wir verwahren uns mit aller Entschiedenheit gegen jeden administrativen Zwang zur Errichtung sogenannter „ M i n o r i t ä t s s c h u l e n " . Wie es bisher im deutschen Gebiete italienische Schulen nicht gab, so soll es auch in Zukunft solche nicht geben. Wir betrachten in unseren Wohnsitzgebieten die zugewanderten Italiener als Gäste, denen wir in ihrem Erwerb, in ihrem wirthschaftlichen Fortkommen kein Hinderniß in den Weg legen. Aber gerade im Interesse dieser Gäste liegt es, daß ihre Kinder deutsche Schulen besuchen und sich die ihnen unentbehrlichen Kenntnisse der Landessprache aneignen. Man kann daher in unserer Weigerung in unserem Gebiete die Errichtung italienischer Schulen zu gestatten, keineswegs eine unduldsame Härte gegenüber den italienischen Einwanderern erblicken. Gegen die Richtigkeit dieses Standpunktes erhoben nicht nur die in unserem Gebiete ansässigen Italiener niemals einen Einspruch, sondern es unterließen auch die Führer der nationalen Bewegung in Wälschtirol bis in die neueste Zeit jeden Versuch, unser deutsches Hausrecht auf dem Gebiete des Schulwesens anzutasten. Erst in der laufenden Session des Reichsrathes fanden die Italiener die Zeit gekommen, durch die Interpellation Conci und Genossen, als gäbe es des nationalen Streites nicht schon übergenug, eine neue Streitfrage zu schaffen. 2 ) Was die deutschen Gemeindeschulen im italienischen Gebiete betrifft, so reduzieren sich diese Ausnahmen von der Regel, sobald die oben geforderte Grenzberichtigung in Fleims und Nonsberg erfolgt ist, auf wenige vereinzelte Fälle. Das verjährte Recht der uralt eingesessenen Deutschen in den Gemeinden der Mocheni und in Luserna auf deutsche Schulen anzutasten, haben die Italiener keinen begründeten Anlaß. Neben dem Gesetz hat in solchen Fällen das Herkommen vollen Anspruch auf Beachtung . . . x

) Über diese Sprachenfrage bei den Gerichten zu Bozen s. näheres oben S. 226 ff. ) NB. Diese Interpellation bezog sich auf den Plan, in der Volksschule zu P f a t t e n bei Kaltem die italienische Unterrichtssprache einzuführen und ist im Jänner 1899 erfolgt, vgl. dazu oben S. 257 f. 2

nationalpolitischen Forderungen der Deutschen in Tirol 1899.

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V. A u t o n o m i e . Dem Streben der Italiener gegenüber behaupten wir freisinnige Deutschtiroler noch immer denselben Standpunkt, den unsere Partei bei den wiederholten Verhandlungen über diese Frage seit jeher einnahm. Wir anerkennen im Prinzip die Berechtigung des italienischen Autonomiebegehrens, das sich auf die unbestrittene Thatsache der nationalen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Besonderheiten Wälschtirols gründet. Wir sind bereit, die Forderung der Italiener zu unterstützen und einverständlich mit ihnen solche Einrichtungen zu schaffen, die ihnen eine den besonderen Bedürfnissen ihres Landestheiles entsprechende Selbstverwaltung gewähren. Wir müssen jedoch, sobald es sich um die Durchführungsmodalitäten handelt, zwei Bedingungen stellen, von deren Erfüllung unsere Zustimmung zu was immer für einem Autonomieprojekte abhängt: Ausgeschlossen ist jede Lösung, die erstens uns Deutschtiroler in der eigenen freien Verfügung über die Angelegenheiten unseres Landestheiles behindert; die zweitens eine finanzielle Ausbeutung Deutschtirols zu Gunsten des italienischen Landestheiles e r m ö g l i c h t . . . " Z u s a m m e n f a s s e n d sagt Grabmayr über die Bedeutung der Autonomiefrage vom national deutschen Gesichtspunkt in der Rede, die er in der Versammlung des Bürgervereines zu Meran unter dem Titel „Nationale Autonomie" zur Verteidigung seines Entwurfes im Juni 1901 gehalten hat (Grabmayrs polit. Reden, S. 97 ff.): „Was zunächst die nationale Frage betrifft, so stelle ich das Bekenntnis voraus, daß ich als aufrichtiger Deutschnationaler stets bereit und gewillt bin, für die Interessen des Deutschtums und für die berechtigte Stellung der Deutschen in Österreich meine besten Kräfte einzusetzen. Wenn ich denken könnte, daß durch Gewährung der Autonomie unsere nationalen Interessen irgendeinen nennenswerten Schaden leiden, so wäre damit meine Stellung zur Autonomielrage in negativem Sinne entschieden. Nach meiner Überzeugung existieren aber alle diese von der Autonomie angeblich drohenden nationalen Gefahren nur in der erhitzten Phantasie einiger hyperdeutscher Schwarzseher, die in der Aufhetzung und Irreführung der öffentlichen Meinung wirklich ganz Hervorragendes leisten. Von Bozen abwärts: da gibt es in der Tat nationale Gefahren, denen wir mit aller Kraft entgegentreten sollen; dort ist deutscher Boden, der von welschen Einwanderern bedroht ist, dort konzentriere man die ganze Energie der Abwehr, um das Vordringen des fremden Elementes zu verhindern und die Rückverdeutschung der gemischten Gemeinden zu erzielen. Diese nationale Schutzarbeit wird durch die Autonomie jedenfalls nicht erschwert, sondern erleichtert, namentlich der Grundsatz .keine italienischen Schulen auf deutschem Boden' wird sich leichter durchführen lassen, wenn die Schulverwaltung national getrennt ist. Mit aller Entschiedenheit weise ich demnach die Annahme zurück, daß sich durch die administrative Autonomie die nationalen Verhältnisse für die Deutschen verschlechtern. Freilich, das eine muß ich gestehen, für die Germanisierung Welschtirols ist die Autonomie kein fördernder Vorschub, und jene Schwärmer, die z. B. von der „Rückverdeutschung des Suganertales" (Valsugana) träumen, haben einigen Grund, der bevorstehenden Neuordnung zu grollen. Aber für nüchterne, mit den realen Verhältnissen rechnende Politiker spielt dieses Moment keine Rolle. Die Zeiten, wo man in Österreich ans Germanisieren denken konnte, sind eben — tempi passati heutzutage müssen wir Deutsche zufrieden sein, wenn wir unsere nationale und politische Stellung ungeschmälert behaupten." Den obstehenden Abschnitt über das Schulwesen brachte auch die Zeitschrift „ D a s D e u t s c h t u m i m A u s l a n d " , das Organ des Allgemeinen deutschen Schulvereines (Sitz Berlin), vom Februar 1 9 0 1 wörtlich zum A b druck und hiezu eine vom damaligen Obmann Prof. Alois B r a n d l gefertigte Bemerkung, daß demnach „der bisher gewahrte deutsche Bestand und speziell das Wirkungsgebiet des Vereines gesichert sei. E s sei ferner zu wün26»

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HI- §

— Scheitern von Grabmayrs Entwurf

sehen, daß unsere Landsleute auch in anderen Orten die Gleichberechtigung in ähnlichem Sinne und mit ähnlichen Argumenten erstreben". Auch hierin erweist sich die Bedeutung jener Denkschrift Grabmayrs als grundlegendes Programm für die damalige und zukünftige Stellung des Deutschtums im Etschland. Wenn wir die wichtigsten Schriften nationalpolitischen Inhaltes, die in Südtirol um die Jahrhundertwende verfaßt wurden und aus welchen wir oben einiges mitteilten, nach ihrer Bedeutung als Zeugnisse nationalen Denkens in gegenseitiger Gegenüberstellung würdigen, so ist zu sagen: H a i d e g g e r s Buch, „Der nationale Gedanke und das Christentum", bot eine allgemeine Grundlegung dieses Gedankens vom Standpunkte der katholischen Theologie und Philosophie. Die besondere nationalpolitische Stellung des Deutschtums in Südtirol hat G r a b m a y r i n seinen Reden und Aufsätzen mit glänzender juridischer und politischer Gedankenfülle und Beredsamkeit dargestellt. Die Eingaben der Stadt Bozen, die auf P e r a thon er und K i n s e l e zurückgehen, sind als knappe Formulierungen eines auf bestimmte reale Ziele gerichteten nationalen Wollens bemerkenswert. Im Landtage des Jahres 1901 (Juni bis Juli) sollte über den A u t o n o m i e e n t w u r f G r a b m a y r s verhandelt und beschlossen werden, er ist aber gerade in dem Augenblicke g e s c h e i t e r t , da seine Verwirklichung unmittelbar bevorzustehen schien. In seiner Lebensbeschreibung erhebt Grabmayr gegen „gewisse sehr hohe K r e i s e in W i e n " , vor allem den Thronfolger Erzherzog F r a n z F e r d i n a n d , sowie gegen den Statthalter von Tirol, Graf Mer v e l d t , den Vorwurf, daß sie die Autonomie Welschtirols abgelehnt und hintertrieben hätten. 1 ) Man fürchtete eben in diesen Kreisen, daß die Autonomie der erste Schritt zur vollständigen Abtrennung Welschtirols von Österreich sein würde. Von jener Stelle aus seien nach Angabe Grabmayrs einerseits die Konservativen unter dem Gesichtspunkte der bedrohten Einheit des Landes Tirol, die Deutschnationalen andererseits wegen der Gefahr des Verlustes eines alten Vorwerkes der deutschen Nation gegen den Autonomieplan in Bewegung gesetzt worden. Diese Einwirkung hat wohl stattgefunden, es sind aber doch auch sehr schwere sachliche Hindernisse der glatten Annahme des Entwurfes entgegengestanden, nämlich jene Vorbehalte, die die Städte Bozen und Meran schon im Jahre 1899 in ihrer Eingabe an den Landtag erhoben haben und gegen die die Italiener sich nun stellten. Der deutsche Volksverein für Südtirol in Bozen, in dem L i b e r a l e und N a t i o n a l e unter der Führung von Perathoner, Kinsele und Hepperger J ) Diese Autobiographie Grabmayrs befindet sich in Handschrift im Besitze seiner F a milie. Darnach habe der Thronfolger im Juni 1901 in einer Audienz Grabmayr zur Aufgabe des Autonomieplanes, allerdings vergeblich, zu bewegen versucht, auf die konservativen Abgeordneten („die Hoftiroler") sei aber dann mit um so größerem Erfolge in diesem Sinne eingewirkt worden. In den biographischen Werken über Franz Ferdinand (von Sosnosky und Chlumetzky) wird über dieses Eingreifen des Thronfolgers und seine sonstige Stellungnahme in der Welschtiroler Autonomiefrage nicht berichtet. Allerdings haben diese Werke den eigentlichen schriftlichen Nachlaß des Thronfolgers nicht benützen können.

zum Autonomiegesetz im Landtag 1901/02.

405 politisch zusammengeschlossen waren, erklärten in einer Entschließung vom 14. Juni 1901, daß den Welschtirolern erst dann ein gewisses Maß von Selbstverwaltung eingeräumt werden könne, wenn vorher alle in jener Eingabe der Städte Bozen und Meran aufgestellten nationalen und wirtschaftlichen Forderungen der Deutschtiroler erfüllt seien. Der deutsche Volksverein für Nordtirol stellte sich auf denselben Standpunkt und erhob noch die weitere Forderung, daß die deutschen Enklaven in Welschtirol nicht nur dem Landesschulrate, sondern auch dem Landesausschusse für Deutschtirol zugewiesen werden müssen.1) In einer Versammlung des deutschen Bürgervereines zu Meran, in der Grabmayr am 15. Juni 1901 persönlich seinen Entwurf in einer groß angelegten Rede verteidigte, fand er damit nur kühle Aufnahme. Auf eine Gegenrede des Dr. Christomanos beschloß der Verein, den Landtag um die Vertagung der Angelegenheit auf die Zeit nach den Neuwahlen zu ersuchen. Eine Eingabe ähnlichen Inhaltes richtete auch die Handels- und Gewerbekammer von Bozen an den Landtag.2) Das Tiroler Tagblatt in Innsbruck und die Bozner Zeitung bringen seit dem Juni 1901 immer heftigere Angriffe gegen Grabmayr und sein Autonomieprojekt, und der Gegensatz zwischen ihm und seinen bisherigen Parteiverwandten, insbesondere auch Perathoner, verschärfte sich darüber immer mehr. Grabm a y r hatte sich bereits im Jahre 1899 wegen einer heftigen Kritik der Tätigkeit der Deutschradikalen in Tirol deren Feindschaft zugezogen und wurde auch damals mit Stimmenmehrheit aus dem Landeswahlausschuß der deutschfreiheitlichen Parteien Tirols ausgeschlossen.3) Jetzt lebte dieser alte Gegensatz neuerdings auf, Grabmayr wurde beschuldigt, daß er sein den Italienern gegenüber in manchen Punkten geübtes Entgegenkommen als eine Ansicht der gesamten liberalen und nationalen Kreise Deutschtirols hinstelle, wozu er nicht die Vollmacht und Berechtigung habe. Trotz der starken Ausdrücke, welche damals in der Erregung des politischen Getriebes gegen Grabmayr auch öffentlich von nationaler Seite fielen — selbst Verräter am Deutschtum —, darf doch die geschichtliche Betrachtung deren zeitliche Bedingtheit nicht verkennen und muß die Bedeutung Grabmayrs als eines zwar eigenwilligen, aber nicht minder folgerichtigen und geistig hervorragenden Vertreters des Gedankens der räumlichen nationalen Autonomie in Südtirol gebührend veranschlagen. Auch im k o n s e r v a t i v e n Lager regte sich immer mehr der Widerstand. Die konservativen Bürgervereine von Meran und Bozen sowie die Vorstehungen zahlreicher Markt- und Dorfgemeinden von ganz Tirol, auch die Vertretung des konservativen Großgrundbesitzes richteten an den Landtag Eingaben, die gegen jeden Versuch, die Einheit des Landes Tirol zu schwächen, sich aussprechen. Deutschnationale Bedenken wie in jenen EinBozner Zeitung und Tiroler Tagblatt 1901, Nr. 134 bis 136. ) Meraner Zeitung und Innsbrucker Nachrichten vom 16./17. Juni 1901. Einen besonders bezeichnenden Absatz aus dieser Rede Grabmayrs s. oben S. 403. Die Eingaben an den Landtag s. dessen Berichte 1901, S. 160 und 219. 3 ) S. oben S. 396. 2

S t o l z , Südtirol III.

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III. § 6. - Scheitern von Grabmayrs Entwurf

gaben der Städte Bozen und Meran sind in diesen konservativen Erklärungen aber nicht enthalten, vielmehr warnen sie davor, das nationale Prinzip in so weit gehender Weise in das österreichische Staatsleben einzuführen. Die konservativen Zeitungen Süd- und Nordtirols bringen seit dem Juni 1901 nicht minder wie jene nationaler Richtung Ablehnungen des Grabmayrischen Entwurfes und Angriffe gegen denselben. Nur der von Dr. Kathrein abhängige Unterinnthaler Bote, übrigens ein ziemlich unbedeutendes Blatt, verteidigte noch den Entwurf. 1 ) Schließlich sahen sich die konservativen Parteiführer Kathrein und Wackerneil, die ja mit Grabmayr an dem Entwürfe mitgearbeitet hatten, durch die Haltung ihrer Wählerschaft genötigt, sich von jenem zurückzuziehen. Selbst die Dichter, konservativer wie nationaler Richtung, wie Buol und Wallpach, hatten gegen die Zerreißung des Landes ihre eindrucksvolle Stimme erhoben (s. oben ' S . 365f.). Auch die c h r i s t l i c h s o z i a l e Gruppe wandte sich jetzt gegen den Entwurf Grabmayrs und schlug eine Untergliederung Tirols in vier autonome Kreise (Innsbruck, Bozen, Trient und Rovereto) als eine Art Kompromißlösung vor, betonte im übrigen, für die Einheit des Landes Tirol und die Wahrung des deutschen Volkstums in demselben eintreten zu wollen. Diesen Plan einer „Dezentralisation der autonomen Verwaltung" sprach namens der Christlichsozialen Dr. S c h o r n , Abgeordneter der Eisack- und Pustertaler Städte, im Landtage von 1902 (Berichte, S. 51 f.) aus und fügte hinzu: „Unverbrüchlich festhalten werden wir an dem Prinzip der Einheit und Unteilbarkeit des Landes, wir werden auch auf Wahrung und Sicherung des deutschen Volkstums im Lande bestehen In der Entschließung einer Versammlung der christlichsozialen Partei zu Brixen heißt es: „ D i e Versammlung begrüßt es mit großer Freude, daß zu den öffentlichen Kundgebungen, welche von deutscher Seite erfolgt sind, fast durchwegs, ohne Unterschied der Parteien die dauernde Sicherstellung der Landeseinheit und der nationale Schutz der deutschen Grenzgebiete und der deutschen Sprachinseln im italienischen Landesteile verlangt werden." (Brixner Chronik 1901, Nr. 79 v. 2. VII.) In derselben Zeitung, Nr. 70 ff., wird der Gedanke einer neuen Kreiseinteilung entwickelt, aber auch betont: „ B e i einer territorialen Abgrenzung müssen die deutschen Gemeinden des Fleims- und Nonstales sowie der Bezirk Fassa an den deutschen Landesteil angegliedert und für die Erhaltung des Deutschtums in den deutschen Sprachinseln Welschtirols gesorgt werden." — Wie mir von unterrichteter Seite mitgeteilt wird, hat unter den Christlichsozialen insbesondere der Abgeordnete Schorn, der aus seiner Tätigkeit als politischer Beamter die Verhältnisse in Welschtirol genauer kannte, jene Vorschläge eingebracht, um die volle politische Auslieferung der dortigen Bevölkerung an die Trientner Intelligenzkreise zu verhindern. So setzte sich, während der Landtag Mitte Juni 1901 zu seiner letzten Session in der damaligen Periode zusammengetreten war, bei allen deutschen Parteien die Auffassung durch, daß eine so wichtige Frage wie die Autonomie am Ende der Tagungsperiode nicht entschieden werden könne, sondern x) Eine recht übersichtliche, zusammenfassende Darstellung der Entstehung des Autonomieentwurfes von 1901 und seiner Ablehnung bis Ende dieses Jahres (mit eingehenden publizistischen Nachweisen) enthält die ungenannt erschienene Druckschrift von L. v. Biegeleben, Das Autonomieprojekt von 1901 (Bozen 1902), sie vertritt den ablehnenden konservativen Standpunkt. Hier und in den Ber. Tir. Landtag 1901, S. 289, auch die erwähnten konservativen Eingaben im Wortlaut.

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zum Antonomiegesetz im Landtag 1901/02.

erst vom neuen Landtag, daß also das Volk durch Neuwahlen die Möglichkeit erhalte, seinen Willen in dieser Angelegenheit vorher kundzutun. Der Autonomieausschuß hat zwar am 9. Juli seinen Entwurf dem Landtag vorgelegt, aber er kam im Plenum desselben nicht zur Verhandlung, übrigens hätte sich die Mehrheit sicher für die Vertagung der Angelegenheit ausgesprochen. Nur die zahlreichen Eingaben, welche deutsche Gemeindevertretungen und andere Körperschaften, wie erwähnt, gegen den Entwurf beim Landtag eingereicht haben, wurden auch im Plenum verlesen, und zwar auf Wunsch der italienischen Abgeordneten. Diese ersahen hieraus den Wahren Stand der Meinung in den breiten Wählerschichten Deutschtirols und die drohende Vereitelung ihrer Absichten, suchten aber noch den Landtag durch Obstruktion — nämlich durch möglichst weitläufige Einbringung von mehr oder weniger unerheblichen Anträgen und Interpellationen — zu einer Stellungnahme zu zwingen. Darauf hin hat die Regierung den Landtag vorzeitig, nämlich am 10. Juli 1901 geschlossen, und damit haben die Italiener, freilich ungewollt, selbst dazu beigetragen, daß der Entwurf für die damalige, damit zu Ende gegangene Landtagsperiode begraben war. 1 ) Im Dezember 1901 trat Merveldt von der Statthalterschaft zurück, wie damals die Zeitungen sagten, weil er sich in seiner Gegnerschaft gegen die Autonomie von Welschtirol zu scharf, d. h. die wahren Absichten der Regierung zu wenig verschleiernd, vorgegangen sei und sich hiebei allzu auffallend den deutschen radikalnationalen Kreisen und deren Auffassungen und Schlagworten genähert habe.2) Sein Nachfolger Erwin v. Schwarzenau hatte Weisung und Neigung, die Italiener durch entgegenkommende Verhandlungen wieder zu gewinnen. Allein der nunmehr neu gewählte L a n d t a g war auf deutscher Seite noch weniger als der frühere bereit, den italienischen Ansprüchen nachzugeben. Die früheren deutschen liberalen Abgeordneten der Städte waren durch nationale ersetzt und dadurch die Stellung Grabmayrs weiterhin empfindlich geschwächt.3) In der LandtagsSo nach dem Bericht in den Tiroler Stimmen vom 12. Juli 1901. Der Entwurf des Autonomieausschusses wird übrigens weder im Einlauf der Landtagssitzung erwähnt, noch findet er sich in den Beilagen zu den Sitzungsberichten unter den sonstigen Anträgen gedruckt. Über seine sonstige Veröffentlichung s. oben S. 390, Anm. 2. 2 ) S. die Abschiedsartikel in den Tiroler Zeitungen um den 10. Dezember 1901, bes. Tiroler Bote 1901, S. 2389 und 2430 (Abschiedsrede des Vizepräsidenten v. Hebenstreit). Hier wird auf die bedeutenden Erfolge verwiesen, die die Statthalterschaft Merveldts abgesehen von der Autonomie sonst zu verzeichnen hatte, besonders die gesetzliche Regelung und Ausgestaltung des Schulwesens, Einführung des Grundbuches, Wildbachverbauung und Flußregulierung, Erbauung neuer Straßen und Eisenbahnen und anderweitige Förderung der Landwirtschaft und des Fremdenverkehres in Tirol. 3 ) Für die Stadt Bozen erschienen jetzt als Abgeordneter an Stelle Heppergers P e r a t h o ner, für die Stadt Innsbruck an Stelle von Blaas und Falk Greil und W e n in, für die Handelskammer Innsbruck an Stelle Payers Dr. A. K o f l e r , durchwegs Angehörige nationaler Richtungen mittlerer oder radikaler Tonart. Nur für die Handelskammer Bozen war der frühere Abgeordnete Welponer geblieben und erst 1905 durch Dr. C h r i s t o m a n o s aus Meran, der auch jener nationalen Tonart angehörte, ersetzt. 27*

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III. § 6. — Ablehnende Haltung der deutschen Parteien

Sitzung vom 26. Juni 1902 kamen zwar die deutschen Parteien dem Verlangen der Italiener, neuerdings einen Ausschuß zur Beratung dqr Welschtiroler Autonomie zu wählen, entgegen, aber nur unter der Bedingung, daß dadurch „die Landeseinheit und die nationalen und wirtschaftlichen Interessen der Deutschen in Tirol" nicht verletzt werden.1) Seither hören wir aber nichts mehr von dieser Angelegenheit in den Vollsitzungen des Landtages. Die Beratungen im Ausschuß blieben stecken, hauptsächlich weil die Italiener die deutsche Forderung der Zuteilung des ladinischen Fassa zum politischen Bezirke Bozens schroff ablehnten.2) Grabmayr zog sich schwer enttäuscht von der Sache, zurück und unter den übrigen deutschen Abgeordneten fand sich keiner, der sie wieder aufgegriffen hätte. Im Gegenteil, die deutschen Parteien waren froh, auf diese Weise über einen Gegenstand, der bei ihren Wählern immer größeren Widerwillen hervorrief, hinwegzukommen. Die von jetzt ab steigende Welle des Irredentismus in Welschtirol, die Tätigkeit, die dann Tolomei zur literarischen Eroberung des „Alto Adige", d. i. Deutschsüdtirols, eröffnet hat, die Schließung der italienischen Rechtsfakultät in Innsbruck (im Jahre 1904), der erneute Kampf um die deutschen Schulen in Welschtirol machte eine friedliche Auseinandersetzung zwischen den Deutschen und Italienern in Tirol immer schwieriger und aussichtsloser. Der Tiroler Volksbund, gegründet 1905, hat die unbedingte Erhaltung der Landeseinheit Tirols sowohl vom konservativ-österreichischen, wie vom national-deutschen Gesichtspunkt zum Grundsatz erhoben, der von allen bürgerlichen Parteirichtungen Deutschtirols anerkannt wurde. Nur die sozialdemokratische Partei hat auch weiterhin offen die Forderung der nationalen Autonomie wie sonst auch für Tirol vertreten.3) J Wenn derart die deutschen Parteien nunmehr für die unbedingte Aufrechterhaltung der Landeseinheit Tirol eintraten, so wollten sie damit nicht ausschließlich auf ihre äußere politische Machtstellung pochen. Sondern sie konnten auch darauf hinweisen, daß weite Kreise der bäuerlichen Bevölkerung von Welschtirol nicht die Loslösung von Deutschtirol, geschweige denn jene von Österreich anstrebten. Vielmehr war dies nur eine Minderheit, die allerdings die intellektuellen Kreise von Welschtirol fast zur Gänze umfaßte und durch den Klerus und die von ihm geführte Popolaripartei auch die ländliche Bevölkerung politisch beherrschte und im Landtage vertrat. Wäre aber über die Frage eine unmittelbare Volksabstimmung erfolgt, so hätten voraussichtlich verschiedene Berglandschaften von Welschtirol gegen die Abtrennung von Deutschtirol und die Zerreißung des alten Landesver!) Landtagsbericht 1902/03, S. 4, 50 und 89. ) So nach der Lebensbeschreibung Grabmayrs. Die gedruckten Landtagsberichte von 1902/03 erwähnen noch Erklärungen verschiedener Gemeinden des Fassa-, Fleims- und Fersentales gegen die Autonomie. — Die nur handschriftlich geführten Sitzungsprotokolle des Autonomieausschusses, die über die Behandlung des Gegenstandes in diesem sicheren Aufschluß geben könnten, sind angeblich verschollen. 3 ) Vgl. dazu unten S. 409, Zeile 22 von oben. 2

gegen die Autonomie Welschtirols 1908—19x4.

bandes gestimmt. Es hätte sich also auch da noch um die Wahrung des Selbstbestimmungsrechtes kleinerer, aber in sich geschlossener Grenzlandschaften noch gehandelt. Die italienischen Abgeordneten haben bei der Eröffnung der neuen Landtagsperiode im Jahre 1908 (Ber., S. 15) die grundsätzliche F o r derung nach der Autonomie ihres Landesteiles erhoben, im übrigen aber keine besonderen Schritte zur Erreichung derselben gemacht. Sie haben sich auch nicht mehr vom Landtage ferngehalten, vielmehr suchten sie, insbesondere die italienische christlichsoziale Volkspartei (sog. Popolari) unter Führung von Don Gentiii und Dr.Conci, durch Mitwirkung beim Landtag und insbesondere beim Landesausschuß sehr kräftig Realpolitik zu machen und finanzielle Vorteile für ihren Landesteil zu erreichen, was ihnen dank geschickter Taktik und ihrer zahlenmäßigen parlamentarischen Stärke auch gut gelungen ist. Zum letzten Male vor Ausbruch des Weltkrieges sind bezüglich der Autonomie Welschtirols im Tiroler Landtag Ende Mai 1914 formelle Erklärungen abgegeben worden. Da Don Gentiii im Namen der Italiener deren grundsätzliche Forderung nach der „administrativen Autonomie des Trentino" wiederum betonte, verwahrten sich dagegen die Führer der deutschen Landtagsparteien im Sinne einer unbedingten „Unteilbarkeit und Untrennbarkeit des Landes Tirol" einschließlich seines italienischen Teiles, und zwar Schraffl für die christlichsoziale, Wackernell für die konservative und Greil für die deutschfreiheitliche Partei. Der deutsche Sozialdemokrat Abram, der seit kurzem als einziger Vertreter seiner Partei dem Landtag angehörte, erklärte hingegen die Forderung der Italiener als gerechtfertigt und deren Erfüllung auch für Deutschtirol als vorteilhaft. Das Ringen des Weltkrieges bestärkte natürlich die Deutschen in der Auffassung, Welschtirol dauernd in Besitz zu halten und jegliche Sonderstellung des Gebietes abzulehnen.1) Erst als die Sicherheit, die Angriffe Italiens und seiner Verbündeten auf Tirol abzuwehren, wankend geworden war, haben die vorerwähnten politischen Parteien von Deutschtirol auf einem Tag zu Brixen am 13. Oktober 1918 ihre Forderung dahin erhoben: Keine gewaltsame Zerreißung Tirols und Abtretung eines Teiles an Italien, sondern außer den Deutschen und den Ladinern muß auch der welschtirolischen Landbevölkerung das Recht der Selbstbestimmung nach Bezirken gewahrt werden.2) Dieselbe Auffassung vertrat auch die Erklärung, die in den folgenden Wochen von Bozen ausgehend, von den meisten deutschen und ladinischen Gemeinden von Südtirol unterzeichnet und dem Präsidenten der Vereinigten Staaten überreicht worden ist.3). Damit beginnt aber im Ringen um die nationale Autonomie eine Vertauschung der Rollen, die Deutschsüdtiroler, dem italienischen Staate ausgeliefert, versuchen nun in diesem eine solche Stellung zu erringen. So noch auf der Tagung des Tiroler Volksbundes im Mai 1918 (Herre, Südtiroler Frage, S. 48). 2 ) Innsbrucker Nachrichten 1918, Nr. 271. 3 ) Wortlaut s. oben S. 288 ff.

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III. § 6. — Die Zuteilung des Fassatales.

Rasch zeigt sich aber dies als unerreichbar, denn der italienische Staat verweigerte nicht nur jegliche Sonderstellung für Südtirol, sondern auch die bescheidensten Rechte des Gebrauches der deutschen Muttersprache im öffentlichen Leben und in der Schule, sucht vielmehr diese auszurotten und verfolgt das deutsche Volksbewußtsein mit den härtesten Mitteln. Das gehört der Gegenwart Südtirols an. 1 ) Zur Erklärung der Forderungen, die in der oben S. 391 f. mitgeteilten Eingabe der Städte Bozen und Meran enthalten und von den politischen Parteien übernommen worden sind, wäre noch mitzuteilen: Die Gemeinden des F a s s a t a l e s , die von einer ladinischen Bevölkerung bewohnt sind, haben im Jahre 1898 durch den christlichsozialen Abgeordneten Guggenberg (Brixen) dem Landtag ein in formeller Hinsicht allerdings nicht ganz einwandfreies Gesuch vorlegen lassen, des Inhaltes, daß ihr Gebiet von der italienischen Bezirkshauptmannschaft Cavalese abgetrennt und dem deutschen Bezirke Bozen zugeteilt sowie für ihre Volksschulen Unterricht in deutscher Sprache eingeführt werden solle. Sie begründeten dies damit, daß sie in ihren wirtschaftlichen Beziehungen auf deutsche und nicht italienische Außengebiete angewiesen seien. Auch geschichtliche Gründe hätten dafür angeführt werden können: Denn das Fassatal hat seit alters bis zum Jahre 1803 bzw. 1818 zum Fürstentum und Bistum Brixen gehört und eine deutsche Verwaltung gehabt, erst seitdem ist es dem Kreisamte und dem Bistume Trient zugeteilt und damit die italienische Verwaltungs-, Schul- und Kirchensprache dort eingeführt worden, während die ladinische Muttersprache der einheimischen Talbevölkerung zu einer bäuerlichen Mundart herabgedrückt wurde.2) Jener Antrag wurde aber von den deutschliberalen Südtiroler Abgeordneten, insbesondere Grabmayr, bekämpft, weil in Fassa die italienische Schriftsprache herrsche und die Zuteilung eines solchen Gebietes die bisher deutsche amtliche Einsprachigkeit des politischen Bezirkes Bozen in Frage stellen sowie das politische Verhältnis zu den Italienern ungünstig beeinflussen werde. Der Antrag wurde nach langer Wechselrede, die auch sehr allgemeine Beziehungen der nationalen Frage aufrollte, der Regierung zur weiteren Erwägung übergeben, was seine Einsargung bedeutete, da sich der Statthalter schon in der Debatte gegen das Ansuchen der Fassaner ausgesprochen hatte.3) Die erwähnten Eingaben aus den Jahren 1899 und 1901 haben allerdings die Fassaner Frage neuerdings aufgeworfen, aber auch in der Folgezeit ist dieselbe nicht in ihrem Sinne gelöst worden. Die Trientiner suchten mit allen S. hierüber die Darstellungen von Herre, Hennersdorf, Fingeller und Athanasius (wie oben Bd. i, S. 205, Anm. 2, näher angeführt, bis 1926/7 erschienen), dazu Reut-Niculussi, Tirol unter dem Beil (1928). Über die seitherige Gestaltung der Verhältnisse in Südtirol s. die halbmonatlich in Innsbruck erscheinende Zeitung „Der Südtiroler". 2 ) Näheres über die geschichtliche Stellung des Ladinertums im allgemeinen und des Fassatales, das in den deutschen Schriften des 18. Jahrhunderts stets als Efas bezeichnet wurde, ladinisch Fascha, im besonderen, werde ich im nächsten Bande des vorl. Werkes handeln. 3 ) Berichte des Tiroler Landtags 1898, S. 399 ff.

Die Fleimstalbahn

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Mitteln die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechtes eines ladinischen Tales, wo es sich gegen ihre Italianisierungsbestrebungen richtete, zu hintertreiben. Bezeichnenderweise war es die von Trient aus für das Fassatal ernannte Geistlichkeit, die zuerst gegen die Abtrennung desselben vom Bezirke Cavalese sich aussprach, weil die dadurch hervorgerufene Beförderung der deutschen Sprache „die sittlichen und geistigen Güter der Fassaner arg schädigen würde". 1 ) Als im Jahre 1900 einige Fassaner Gemeinden eine neue Eingabe an den Landtag richteten, daß ihnen wenigstens ein Unterricht in deutscher Sprache ermöglicht werde, haben auch dagegen die italienischen Abgeordneten, darunter ein Geistlicher, im eben angedeuteten Sinne sehr scharf Stellung genommen, und die dann beschlossene Überweisung der Eingabe an den Landesschuirat scheint dieselbe begraben zu haben.2) Bei der E i s e n b a h n ins F l e i m s t a l handelte es sich darum, ob dieselbe von La vis oder von Neumarkt aus von der Hauptstrecke abzweigen sollte. Im ersteren Falle würde das Fleimstal und die nordwärts anschließenden ladinischen Gebiete wirtschaftlich vom deutschen Etschlande und dessen Hauptort Bozen abgezogen und dem italianisierenden Einflüsse Trients preisgegeben, diesem eine bedrohliche Seitenstellung gegenüber dem deutschen Etsch- und Eisacktal eingeräumt worden sein. Daher wurde die Erbauung dieser Bahn auch zu einer nationalen Angelegenheit. Der Plan der Trientiner ist erstmals im Jahre 1894, als ein neues Lokalbahnprogramm den Tiroler Landtag beschäftigte, aufgetaucht und hat, wie der Abgeordnete Angerer im Jahre 1895 schrieb, gerade damals die Deutschen Südtirols „aus ihrer bisherigen Indolenz aufgerüttelt und ihr nationales Gewissen wachgerufen".3) Es brauchte aber noch einige Jahre, bis der deutsche Gegenplan feste Formen annahm. Der Aufruf zur Zeichnung von Aktien für das deutsche Projekt Neumarkt—Predazzo vom Oktober 1902 ist von Abgeordneten aller Parteirichtungen (national, liberal, konservativ und christlichsozial) aus Nord- und insbesondere Südtirol unterfertigt und wendet sich ') Bozner Zeitung 1897, Feber 15. — Von einem „Selbstbestimmungsrecht" der Fassaner sprach ausdrücklich der konservative Landtagsabgeordnete Abt Treuinfels. Ber. a.a.O., S. 407 oben. 2 ) Berichte des Tiroler Landtags 1900, S. 202 f. und besonders Beilage Nr. 130, wo auch der ablehnende Bescheid der Regierung hinsichtlich der Zuteilung des Fassatales an den politischen Bezirk Bozen wörtlich mitgeteilt ist. — In dem Berichte von 1901 ist von diesen Fassaner Angelegenheiten nicht mehr die Rede. 3 ) Boz. Ztg. 1895, Nr. 148. Angerer hat hiebei die Haltung, die die Deutschen in Südtirol gegenüber den Italienern bisher beobachtet haben, gekennzeichnet: „Die Deutschen haben stets getrachtet mit den Italienern in Frieden zu leben, sie gönnen ihnen eine möglichst ausgedehnte nationale Selbständigkeit. Dieser Friede darf aber nicht durch Preisgebung vitaler Interessen seitens der Deutschen erkauft werden, sondern kann sich nur gründen auf gegenseitiger Achtung der nationalen Interessen." Der Artikel ist überschrieben „Das Cilli Südtirols", womit auf die damals brennendste Streitfrage im inneren nationalen Kampfe Österreichs angespielt und gesagt werden sollte, daß auch diese Fleimstalbahn eine grundsätzliche Bedeutung für die Aufrechterhaltung der nationalen Stellung der Deutschen nicht nur an einer bestimmten einzelnen Stelle, sondern für ganz Österreich habe. (Über Cilli s. oben Seite 347.)

¿J.I2

III. § 6. — Die Fleimstalbahn.

vor allem an das deutsche Gewissen Tirols, an das Gefühl „treuer deutscher Brüderlichkeit im nördlichen und südlichen Landesteile". In einer Versammlung, die bald nachher in Bozen zur Werbung für dieses Unternehmen veranstaltet wurde, ward die Einmütigkeit aller deutschen Parteien in dieser Frage freudig begrüßt. Der konservative Abgeordnete Schrott erklärte, daß seine Gesinnungsgenossen jedes weitere Vordringen der Welschen nach Deutschtirol, insbesondere in das Etschtal zu hindern trachten werden, und daß er in diesem Sinne mit den Ausführungen seines Vorredners Perathoner völlig einverstanden sei. 1 ) Die Fleimstalbahn hat sich in den folgenden Jahren zu einer derart kritischen Streitfrage zwischen den Deutschen und Italienern in Tirol entwickelt, daß die österreichische Staatsregierung nicht zugunsten eines der beiden Teile zu entscheiden wagte, sondern Kompromisse auf Kosten der Staatsfinanzen anbot: Jenes vom 20. August 1909, das beide Linien, die von Neumarkt und die von Lavis nach Cavalese zu bauen vorsah, ward zuerst von den Abgeordneten beider Teile angenommen, wurde aber dann durch den Einspruch der gesamten deutschtiroler Öffentlichkeit vereitelt.2) Hingegen ward ein anderer Vermittlungsvorschlag zu Anfang Februar 1914 im Landtag von allen deutschen Parteien und der italienischen christlichen Volkspartei gegen die Obstruktion der italienischen Nationalliberalen angenommen, er sah eine Linie Lavis—Cembra und ohne Anschluß an diese eine Linie Neumarkt—Cavalese —Predazzo vor, schloß also den äußeren Teil des Avisiotales unmittelbar an Trient, den mittleren, das Fleims- und Fassatal, das wegen seines Holzreichtums und Fremdenverkehrs wirtschaftlich wesentlich wertvoller ist als das äußere Avisiotal, an Neumarkt und mithin näher an Bozen an. Der Bau dieser letzteren Linie ist dann auch während des Krieges im Jahre 1917/18 durchgeführt worden, aber nicht von Neumarkt, sondern von Auer aus, das noch etwas näher Bozen zu liegt. Über die Absicht der Italiener, im Bozner Unterlande und insbesondere im Dorfe P f a t t e n bei Kaltem in den Schulen die i t a l i e n i s c h e U n t e r r i c h t s s p r a c h e einzuführen, sowie über den Widerstand der Deutschen dagegen, habe ich oben S. 257 im Zusammenhange gehandelt; ebenso oben S. 2 3 4 ! über die Versuche, am B o z n e r K r e i s g e r i c h t das Italienische als zweite A m t s s p r a c h e festzulegen und damit die verwaltungsrechtliche deutsche Einsprachigkeit des Bozner Sprengeis zu durchbrechen und die dagegen gerichtete Stellungnahme der Deutschen. Im Landtage von 1901 hatte die deutschliberale Gruppe noch einen andern Vorstoß im Sinne einer einvernehmlichen nationalen Abscheidung Tirols unternommen, indem sie die Regierung aufforderte, die i t a l i e n i schen L e h r k a n z e l n , die im Laufe der letzten Jahrzehnte an der U n i Bozner Zeitung 1908, Oktober 8 und 10. ) Im Jänner 1910 haben nicht weniger als 216 deutsche Gemeinden beim Landtag gegen das Kompromiß von 1909 Einspruch erhoben. Die tirol. Zeitungen enthalten zu den erwähnten Zeitpunkten häufig Artikel über die Frage der Fleimstalbahn. a

Die ital. Rechtsfakultät zu Innsbruck igoi —1904.

413 v e r s i t ä t Innsbruck errichtet worden waren und eine sprachliche und nationale „Utraquisierung" derselben herbeizuführen drohten, von dieser abzugliedern und zu einer selbständigen italienischen Hochschule zu machen. Die Italiener begrüßten diese Anregung und fügten gleich den Standort dieser neuen italienischen Universität, welche die deutsche Anfrage noch offen gelassen hatte, hinzu, nämlich Tri e s t . T r i e s t war nämlich die größte italienische Stadt in Österreich, eine weitere Stärkung des italienischen Elements dortselbst erschien als eine Hauptfrage der italienischen Nationalpolitik, denn einerseits war dieser Haupthafen Österreichs an der Adria stets in starker wirtschaftlicher Abhängigkeit vom deutsch-österreichischen Binnengebiet, andererseits war er einer stetig zunehmenden physischen Zuwanderung aus dem unmittelbar benachbarten slawischen Siedlungsgebiet ausgesetzt. Einmal in dieser Weise öffentlich besprochen, kam die Angelegenheit begreiflicherweise nicht mehr zur Ruhe. Die Deutschen sahen die nationale Einheitlichkeit ihrer Hochschule, der alten Landesuniversität, bedroht, die Italiener suchten durch neue Forderungen die Lösung der Frage zu erzwingen. Im Mai 1903 erklärte die österreichische Staatsregierung, daß sie eine selbständige italienische Rechtsakademie zu Rovereto in Tirol errichten wolle, welcher Standort aber von den Italienern unbedingt abgelehnt wurde. Ihr Verlangen, die neue Akademie nach Triest zu verlegen, wies die Regierung zurück, da sie an diesem für den Gesamtstaat so wichtigen Platz nicht einen weiteren Herd für den italienischen Irredentismus schaffen wollte. Da die Errichtung einer selbständigen Hochschule der Zustimmung des Reichsrates bedurfte, dieser aber damals durch Obstruktion gelähmt war, griff die Regierung zu dem Auskunftsmittel, vorläufig nur eine selbständige italienische R e c h t s f a k u l t ä t an der Universität Innsbruck einzurichten (22. September 1904). Das empfanden die deutschbewußten Kreise Tirols neuerdings als eine Rücksichtslosigkeit gegenüber ihrer nationalen Stellung im Lande und insbesondere in der Landeshauptstadt und erhoben dagegen Einspruch. Bei der Eröffnung der neuen Fakultät am 3. November 1904 benahm sich die italienische Studentenschaft wieder recht herausfordernd und beschoß, ohne selbst tätlich angegriffen worden zu ') Berichte des Tiroler Landtages 1901, S. 298 ff. Jene Anfrage der deutschliberalen Gruppe an die Regierung legt zuerst die Verhältnisse dar, die sich auf der Innsbrucker Hochschule durch die Vermehrung der italienischen Lehrkanzeln geschaffen Wörden waren und wie in Prag bis zur Teilung der Hochschule in eine deutsche und tschechische eine Quelle nationaler Reibungen zu werden drohen, und sagt dann wörtlich: „Thatsächlich hat sich nicht nur der hiesigen Studentenschaft sondern auch weiterer Kreise der Bevölkerung eine tiefe Erregung wegen der Gefährdung dieses wertvollen nationalen Gutes (d. i. eben der alten deutschen Hochschule in Innsbruck) bemächtigt, und die deutsch fühlenden Tiroler sind nicht gewillt, sich dasselbe entreißen oder auch nur verkürzen zu lassen. Da wir den Anspruch der geistig und culturell so hoch stehenden italienischen Nation auf eine eigene Hochschule in unserem Reiche freudig anerkennen, sehen wir nur eine befriedigende Lösung dieser acut gewordenen Frage: die baldige gänzliche Abgliederung der italienischen Elemente von der Innsbrucker deutschen Universität und die Errichtung einer selbständigen italienischen Hochschule." — Über den Besuch der Universität Innsbruck durch Italiener in früherer Zeit s. oben S. 252, Anm. 3.

414

III. § 6 . — Südtirol und die Innsbrucker Universitätsvorfälle 1904.

sein, Deutsche, die sich vor deren Versammlungsräume eingefunden hatten. Dies sowie eine mit unnötiger Schärfe vom Militär vorgenommene Räumung der Straßen, wobei der Maler Pezzey1) durch einen Bajonettstich eines welschen Soldaten tödlich verletzt wurde, löste bei den Deutschen eine ungeheure Erbitterung aus und zwang die Regierung, die italienische Fakultät zu schließen. Hier handelt es sich nicht um jene Angelegenheit an sich, die sich ja in Nordtirol abgespielt hat, sondern um den Widerhall, den sie in Südtirol gefunden hat. Der deutsche Volksverein für Südtirol hielt in Bozen am 8. November eine Versammlung ab, um hiezu Stellung zu nehmen. An derselben beteiligten sich Angehörige aller Parteien. Das christlichsoziale Bozner Tagblatt „Der Tiroler" schreibt darüber: „Es waren nicht bloß Mitglieder und Gesinnungsgenossen des Deutschen Volksvereines (d. s. Deutschnationale) erschienen, sondern alles, was deutsch fühlt und stolz ist, ein deutsches Herz in der Brust zu tragen, hatte sich im Bürgersaal vereinigt, um in dieser allen Stammesgenossen gemeinsamen Angelegenheit mit Beiseitelassung des sonstigen Parteiunterschiedes seiner Empörung über die blutige Mißhandlung Deutscher durch Gastrecht genießende Welsche ernsten und flammenden Ausdruck zu geben. Die Versammlung verlief sehr würdevoll, und es machte einen guten Eindruck, daß hier die Deutschen von Bozen endlich einmal die Möglichkeit eines Zusammenhaltens in gemeinsamer Angelegenheit bewiesen hatten." Nach Ansprachen von Vertrauensmännern der nationalen, liberalen und christlichsozialen Parteirichtung faßte die Versammlung eine Entschließung, laut welcher die Bürgerschaft von Bozen das Vorgehen der Regierung in der Angelegenheit der italienischen Rechtsfakultät mißbilligt und erklärt, daß sie „mit den deutschen Bürgern und Studenten Innsbrucks und ihrer unbeugsamen Haltung wärmstens mitfühle und ihr vollen Erfolg in dem schweren Kampfe um die Erhaltung des rein deutschen Charakters der Landeshauptstadt wünscht". Das Blatt der Bozner Konservativen verurteilte wohl die Ausschreitungen, die bei diesem Anlasse auch die Deutschen begangen hätten, aber auch die Fehlgriffe der Regierung und die Herausforderungen der Italiener, druckte die Entschließung jener Volksversammlung wörtlich und ohne weitere Bemerkung ab und wollte damit dieser anscheinend eine gewisse Berechtigung zuerkennen. Infolge des einmütigen Widerstandes der Deutschen konnte die Regierung die italienische Rechtsfakultät auch in der Folgezeit in Innsbruck nicht wieder eröffnen und dachte nun wieder daran, sie nach Rovereto zu verlegen, aber jetzt waren weite deutsche Kreise in Tirol, insbesondere jene im Tiroler Volksbund, dagegen, daß im Lande eine „welsche Beamtenfabrik" und ein neuer Herd des Irredentismus geschaffen werde. Die Italiener selbst hielten auch an Triest fest, dagegen erklärten sich wieder Persönlichkeiten, Pezzey war ladinischer Abkunft, seine Familie in Innsbruck aber seit längerem ansässig und daher deutsch.

Die Abwehrstellung der Deutschen in Südtirol.

415

die auf die Staatsregierung großen Einfluß hatten, so der Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand, der höchstens eine Wiedereröffnung der Anstalt in Wien zugeben wollte.1) Die Frage spielte nun auch in die außenpolitischen Beziehungen zwischen der österreichisch-ungarischen Monarchie und dem Königreich Italien hinein, und wohl mit Rücksicht auf jene ward schließlich die österreichische Regierung nachgiebiger, im Jahre 1913 erbat sie sich vom Reichsrat die Mittel für eine italienische Rechtsakademie in Triest, die Eröffnung derselben verhinderte allerdings der Ausbruch des Weltkrieges.2) *

*

*

Aus dieser ganzen Darlegung ist ersichtlich, daß die n a t i o n a l e A b w e h r s t e l l u n g der S ü d t i r o l e r D e u t s c h e n gegenüber den Forderungen der Italiener um die Jahrhundertwende immer e i n h e i t l i c h e r und entschlossener geworden ist und daß in ihrem Rahmen sich auch die politischen Parteien, Liberale und Nationale einerseits, Konservative und Christlichsoziale andererseits, genähert haben. Das deutsche Volksbewußtsein hat sich derart in Südtirol auch politisch immer mehr zur Geltung gebracht, wie es der Grenzlage des Landes entsprach. Man hatte nun auf deutscher Seite immer mehr das Gefühl, daß die Italiener nicht an eine friedliche Beilegung der schwebenden Angelegenheiten, sondern an deren gewaltsame Entscheidung dachten und daß man daher die Sicherheiten, welche die administrative Zugehörigkeit Welschtirols zum Lande Tirol und zum Staate Österreich immerhin bot, nicht vorzeitig schwächen und opfern dürfe. Daher haben auch die Deutschen Tirols ihre frühere Geneigtheit, die nationale Autonomie im national geschlossenen Siedlungsgebiete zwischen Deutschund Welschtirol in vollem Maße aufzurichten, zurückgestellt. Ohne daß jemand es näher wußte, ahnte man auch in Deutschsüdtirol die kommende Schicksalswende des Weltkrieges. Die Ausführungen dieses Hauptabschnittes im Ganzen beweisen, daß das d e u t s c h e B e w u ß t s e i n unter den Südtirolern nicht nur gemäß seiner allgemeinen Entfaltung in Österreich und Deutschland w a c h gewesen ist, sondern auch im besonderen Verhältnis zur Randlage des Gebietes. Die Deutschsüdtiroler verhielten sich zwar nicht ausgesprochen feindselig, anmaßend oder herausfordernd gegen den fremdvölkischen welschen Nachbar; soferne aber dieser seinen geschichtlich vorgezeichneten Raum überschritt und auf altem deutschen Volksboden das Recht auf seine Nationalität politisch geltend machen wollte, war das Südtiroler Deutschtum von sich aus grundsätzlich ablehnend und zurückweisend. Es ist zwar nicht zu verkennen, daß der Grad der äußeren Betonung des Deutschtums bei den Südtirolern durch den Ausdehnungsdrang und die nationalpolitische Aktivität der Italiener bestimmt worden ist. Es ist auch hier in Südtirol die innere, aber gerade deshalb wesentliche und dauernde Kraft des Deutschtums, gegründet auf einen kernfesten, aber schwerblütigen und nach außen zurückx) 2)

L. Chlumecky, Erzherzog Franz Ferdinand usw., S. 113. Vgl. Reut, Nationalitätenrecht, S. 81 f.

416

III. §6.

- Die Abwehrstellung der Deutschen in Südtirol bis 1914.

haltenden Bauernschlag von höchst eigenartiger Prägung, sicher immer stärker gewesen als seine äußere Betonung. Daher hat sich gerade bei offenen kriegerischen Angriffen auf das Land und dessen Südgrenze der Abwehrwille mit der Waffe in der Faust und mit dem vollen Einsatz des Lebens im offenen Kampfe am entschiedensten und kräftigsten erwiesen, so wie es auch sonst deutscher Art entspricht. In Ruhe gelassen und aus dem gewohnten Sicherheitsgefühl der überlegenen Kraft nicht aufgestört, hat sich nach außen in Südtirol das deutsche Bewußtsein vor der Jahrhundertwende weniger gerührt als etwa in den sudetendeutschen Randgebieten. Dies machte sowohl auf Fremde wie auf Einheimische mitunter den Eindruck einer zuweitgehenden Langmut und Gleichgültigkeit in nationaler Beziehung.1) Aber jene Haltung wich bei Bedrohungen und Angriffen, wie bereits angedeutet, einem entschlossenen Abwehrwillen. Ich halte es daher für unrichtig, wenn heute angedeutet wird, daß die Besitznahme Deutschsüdtirols seitens Italien im Jahre 1918 durch die Lauheit des dortigen Deutschtums innerlich schon seit längerem vorbereitet oder geradezu veranlaßt worden sei. Daß ein solches Urteil geschichtlich nicht zutrifft, dürfte unsere beurkundete Darstellung gezeigt haben. So sagt Karl H a u s h o f e r in seinem höchst beachtenswerten Aufsatz „Zweitausend Jahre Alpenpolitik" in den Schweizerischen Monatsheften für Politik und Kultur, 9. Jahrg. (1929), H. 5/6, S. 2 3 1 : „ W e r lange vor dem Weltkrieg in Trient den gewaltigen, heischenden, vorwärts weisenden ehernen Dante als dynamischen, geradezu andrängenden Wegweiser sah und als Symptom begriff, und den mehr als bescheidenen marmornen Walther von der Vogelweide als passiven, statischen Markwächter irti sich selbst genügenden, vor sich hinträumenden Bozen, der wußte, wo die lebendigere werbende K r a f t steckte, und daß die s c h ö n e S ü d m a r k i m H e r z e n i h r e r n a t ü r l i c h e n V e r t e i d i g e r s c h o n so g u t w i e v e r l o r e n war, lange — ehe fremde Diplomatenkunst mehr als die fremde, oft genug weggeschlagene Faust sie uns entriß."

Wenn der Verfasser diese Worte auf Deutschsüdtirol bezogen haben wollte — und das scheint nach der ganzen Darlegung der Fall zu sein —, so sind sie geschichtlich wohl nicht begründet. Denn die Deutschsüdtiroler haben ebensowenig wie die Nordtiroler in ihrem Herzen ihre Heimat als ein deutsches Land jemals aufgegeben oder dem Zugriffe Italiens freiwillig eingeräumt. Aber auch von den Deutschen in ihrer Gesamtheit kann dies nicht behauptet werden. Sondern, wie Haushofer selbst weiter andeutet, ist das Schicksal des deutschen Grenzlandes Südtiröl im Jahre 1918 nicht durch dieses selbst, auch nicht im Ringen zwischen Österreich und Italien herbeigeführt worden, sondern im Ringen der Weltmächte und infolge der Entscheidung, die dieses ganz wesentlich durch das Eingreifen der Vereinigten Staaten von Nordamerika gegen die Zentralmächte gefunden hat. Diese Erkenntnis kann nicht scharf genug betont werden, sie bedeutet bei all dem Unglück, das seit 1918 über Deutschsüdtirol gekommen ist, doch auch einen gewissen Trost und eine gewisse Aussicht auf Änderung für die Zukunft. l

) S. z. B. die Bemerkungen Grabmayrs oben S. 349, Zeile 3 v.o.; S. 399, Zeile 1 v.u.; Angerers, S. 4 1 1 , Anm. 3; von Mathias Koch, S. 194, dritter Absatz; Bozner Zeitung vom 12. Sept. 1902 wie oben S. 310, Zeile 8 v. u.

Nachtrag.

417

Nachtrag. Zu S. 185, Z. 6 v. o.: Von den B o z n e r B u c h d r u c k e r n stellt A. Dörrer (in seiner gleichnamigen eingehenden Abhandlung im Gutenberg-Jahrbuch 1931, S. 221 ff.) fest, daß sie seit ihrem ersten Auftreten im 17. Jahrhundert durchwegs nur deutschsprachige Werke herausgegeben haben, abgesehen von den italienischen Fassungen des Bozner Merkantilstatuts und einigen Texten italienischer Opern (s. auch oben S. 211, Z. 6 v. u.). Z u S. 327 Ende: Ein sehr bestimmtes Zeugnis, daß selbst hochkonservative Führer Tirols im Vormärz das deutsche Wesen Tirols lebhaft empfanden und daraus auch weitgehende Folgerungen auf die nationalpolitische Zusammengehörigkeit aller deutschen Länder und Stämme ableiteten, verdanken wir dem Grafen Clemens B r a n d i s , der aus einem Etschländer Geschlecht stammend, in den Jahren 1841—1848 die beiden höchsten politischen Ämter des Landes, nämlich das eines kaiserlichen Gouverneurs oder Statthalters und das eines Landeshauptmannes als Vorsitzenden der Landschaft bekleidete. Brandis schrieb nämüch am 24. Oktober 1843 anläßlich der Verhandlungen, die damals um die Neuregelung der Landesgrenze zwischen Tirol bezw. Österreich einer j und Bayern andererseits geführt wurden, an den bayrischen Innenminister Freiherrn v. Abel 1 ): Die Reise des Hofrats R. v. Mensi nach. München zur Vollendung der Grenzberichtigung zwischen Bayern und Tirol sei ihm (dem Grafen Brandis) erwünschte Gelegenheit, seinen Dank für den Besuch des Ministers in Tirol abzustatten. Die Grenzberichtigung sei an und für sich unbedeutend und wiege die Kosten nicht auf. „ A b e r sie soll", fährt Brandis wörtlich fort, „jeden Streit zwischen zwei Grenzvölkern (Tirol u. Bayern) beseitigen, die e i n e m S t a m m e entsproßen, von der Natur an den Austausch ihrer Produkte und ein gemeinsames Band gewiesen sind und nur durch ein feindliches Geschick so lange und so oft sich entfremdet wurden. Der T a g scheint Gottlob heranzubrechen, wo e n d l i c h d i e T e u t s c h e n A l l e s i c h d e s B a n d e s b e w u ß t w e r d e n , d a s s i e u m s c h l i n g t . Noch mehr, noch insbesondere darf ich dieß in dem Verkehre zwischen Baiern und Tirol gerade jetzt erwarten, wo der Zepter jenes Landes in den Händen eines Fürsten (K. Ludwig I.) ruht, der aus allen teutschen Fürsten dieser Gesinnung am frühesten und kräftigsten aussprach, der selbst mehrere Jahre in unserer Mitte weilte und sich das vollste Zutrauen und die höchste Verehrung unseres Volkes in einer der schwierigsten Perioden zu erwerben wußte und dessen weise und glückliche W a h l so erleuchteter und wie wir mit Freude sehen, uns auch wohlwollend gesinnter Männer die obersten Zügel der Verwaltung anvertraute. Ich würde es zu den glücklichsten Aufgaben meiner Stellung ansehen, wenn es mir gelänge, dazu bei*) Den Wortlaut des Briefes sowie der Antwort Abels teilte mir Herr. Dr. A. Dörrer aus dem Familienarchive auf Schloß Brandis bei Lana mit, wofür ich bestens danke. — Über die Bedeutung jener Regulierung der tirolisch-bayrischen Landesgrenze, die im Jahre 1844 zum Abschlüsse kam, siehe meinen Aufsatz in den Verhandlungen des 18. deutschen Geographentages 1912, S. 126 f.

Nachtrag.

418

zutragen, einen möglichst freundlichen und vertrauensvollen Verkehr zwischen beiden Ländern herbeizuführen. . . "

König Ludwig I. von Bayern hat schon als Kronprinz und Statthalter in Tirol in den Jahren 1810—1812 eine gewisse Beliebtheit als Anwalt der Bevölkerung gegenüber der Bureaukratie erlangt, sein Einfluß auf die Loslösung Bayerns von Napoleon und sein Verdienst um die Erweckung deutscher u. nationaler Gesinnung in Bayern ist hinlänglich bekannt.1) Das Antwortschreiben Abels berührt weniger die von Brandis angeschlagene allgemein deutsche Note als die Verbundenheit Bayerns und Tirols im Sinne konservativer Horte in Deutschland. Hinsichtlich jener Anschauungen des Grafen Klemens Brandis ist noch daran zu erinnern, daß bereits sein Vorfahre Franz Adam v. Brandis in seinem 1678 erschienenen Geschichtswerke über Tirol die deutsche Abstammung und Muttersprache seiner Bevölkerung betont2). !) Vgl. F.Hirn, Tirol 1814, S. 152 f. u. 318 f. ) Vgl. oben Bd. 1, S. i n ; ferner diesen Band S. 55, Anm. 3.

2

Weiser für Orte, Personen und Begriffe. (Zur Benützung dieses Weisers siehe die an gleicher Stelle in Band 2, S. 238, stehende Bemerkung.) Adel, älteste Urkunden in deutscher Sprache in Bozen und Umg. S. 72—74; im Sarntal S. 80; Villanders S. 86; im Gebiete von Meran S. 165—169. Advokatenkammer Bozen, Eingabe wegen Verwelschung des Kreisgerichtes S. 232. Aeneas Sylvius, Bericht über Bozen S. 187; über Meran S. 197. Agrarreform in Tirol 1890 f. S. 375. Albert, Graf von Tirol 1156 S. 260. Algund, Ortsnamen S. 113, 135, 142; Geschlechternamen S. 146. Alpenverein, Deutscher und österreichischer, Sektionen in Südtirol, Hauptversamm- : lungen S. 302—304. Altrei, Schützenaufgebot 1866 S. 283. Amtsrechnungen der Stadt Bozen S. 98. Amtssprache in Bozen S. 208, 219; in Tirol S. 217. Andreas Hofer S. 264 f. Andrian, Ortsnamen S. 117, 126. Geschlechternamen S. 131. Angerer Joh., Abg. S. 345. Anzoletti P., Gedichte S. 316 f. Arbeitervereine S. 368 f. Arbeo, Bischof von Freising S. 107 f. Archive, Statistik der Urkundenarten für Bozen S. 77—80; Meran S. 174—178. Auswärtige Politik S. 367. Autonomie von Welschtirol S. 377—409. Baiern, Stammesherzogtum, Zugehörigkeit von Bozen S. 9; Meran S. 102; baierische Stifter als Grundherren im Gebiete von Bozen S. 24 f., von Meran S. 120—124. Bajuwaren, Baiern, Volksstamm S. 7, 18. Barbian, Hof- und Geschlechternamen S. 49 bis 51. Battisti C., Ortsnamenstatistik S. 52 f. ! Bauern (Bauleute), älteste Urkunden in | deutscher Sprache am Ritten, Jenesien j

S. 76 f., Sarntal S. 81, Villanders S. 81; in der Umgebung von Meran S. 166 und 176 f. Bauernbund, Tiroler S. 361. Bauernstand, wirtschaftliche Stärkung S. 373 bis 376. Bayern, Königreich S. 267 f., 3 . 4 1 7 ! Beatis de, Bericht über Bozen S. 189. Beaumont A., Bericht über Bozen S. 192. Beinamen s. Geschlechternamen. Benediktbeuren, Stift S. 20—25. Bergmeister A., Beschreibung von Bozen S. 196. Bevölkerungszahlen S. 3 und 207. Biegeleben, Kreisgerichtspräsident in Bozen S. 237. Botsch, Geschlecht in Bozen S. 29. Boudrand, Bericht über Bozen S. 191. Bozen, Abgeordnete und Bürgermeister seit 1860 S. 334, 345, 346 f., 352 f. — Amtssprache S. 208—237. — Bezirkshauptmannschaft S. 3, 16. — Brücke S. 57. — Bürgerrecht von Welschen S. 212 f. — Deutsches Gepräge laut Reiseberichte und Landesbeschreibungen S. 187—197. — Flurnamen S. 32—34. — Gebiet von Bozen, staatliche Zugehörigkeit S. 6—17. — Gerichtswesen S. 54—56, 208 f., 226 bis 237. — Geschlechternamen S. 28—32. — Grafschaft S. 11 f. — Geistliche deutscher Nationalität S. 239 f. — Italienischer Kaplan und Kirchenverein S. 245—247. — Kriegsläufe S. 263, 276. — Kreisgericht S. 226—237. — Märkte S. 16. — Merkantilmagistrat S. 208. — Name S . i 8 f . — Ordnungen für Gericht, Schule, Zünfte S. 96 f. — Personennamen im 11. und 12. Jahrhundert S. 20 f. — Ratsprotokolle S. 98. — Schillerfeier S. 314. — Sonnwendfeier S. 320 f. — Schulen S. 248.

420

Weiser.

bis 251. — Schützenfeste S. 293—295. — Schützenkompagnien S. 263. — Stadt, Anfänge S. 21 f. — Staatliche Zugehörigkeit S. 13—15, 267. — Stadtrecht S. 14 f. — Turnverein S. 297 f. — Urkunden, älteste in deutscher Sprache S. 61 — 78. — Statistik nach Archiven S. 78. — Walterdenkmalfeier S. 315. Bozner Chronik S. 191. — Partei S. 324. — Zeitung S. 336. Braitenberg, Bürgermeister von Bozen S. 334. Brandis Schloß, Statistik der Urkunden S. 176. — Graf Clemens Brandis S. 367, 417Brücke in Bozen, technische Ausdrücke in deutscher Sprache S. 57. Buchdrucker in Bozen S. 417. Buol M., Dichterin S. 366. Bürger, älteste Urkunden in deutscher Sprache in Bozen S. 72—75, in Meran S. 166, 172. Bürgerbuch von Bozen S. 184. Burggrafenamt, Entstehung S. 101 —106; s. auch Meran Umgebung bzw. Gebiet. Burglechner, Bericht über Bozen S. 190. Burgstall, Ortsnamen S. 138. — Deutsche Geistliche S. 241. — Italienische Niederlassung S. 202 ff. Call v., Oberlandesgerichtspräsident S. 234. Campell Ulrich, Bericht über Partschins S. 198 f. Cilli, slowenisches Gymnasium S. 347. Christlich-deutscher Volkstag in Brixen S. 358. Christlichsoziale Partei S. 237, 355—362, 406. Christomannos, Abg. S. 335 f. Chur, Hochstift und Bistum S. 104, 122. — Churrätien, Landschaft S. 102. Deuster v., Grundbesitzer S. 204. Deutschliberale Partei s. Liberal. Deutsche Nation S. 213, 243, 265. Deutschnationale Partei S. 345, 353. Deutsche Nationalfarben S. 277 f., 294. Deutscher Orden S. 24. Deutsches Recht in Bozen S. 54—56; in Meran S. 158. Deutsches Reich S. 367. Deutsche Schulen S. 254. Deutsche Sprache in Urkunden in Bozen S. 61 — 86, 92—94; in Meran S. 163—178; einzelne Worte S. 53—62; 154—157. Dichtungen, älteste deutsche in Bozen S. 99 f.; in Meran S. 182 f.; nationale S. 33° f., 365 f. Diözesanzugehörigkeit des deutschen Etschlandes S. 3^1 f.

Dipauli v. Andreas, Gerichtspräsident S. 193, 324. — Josef, Abg. S. 333; 354—36o. Dornsberg, Archiv S. 175. Dreibund S. 367. Ebersberg, Stift S. 20, 25. Eggental, Ortsnamen S. 51. Eichov, Bericht über Bozen S. 191. Eisack, Flußname S. 36. Eisacktaler Gerichte, Erklärung gegen die Zuteilung an Italien 1810 S. 267. Eisenbahn, Aufschriften S. 219. Ennemoser Josef, Freiheitskämpfer S. 270 f. Eppan, Grafen S. 105. Esterle, Gerichtspräsident S. 230, 234. Etrusker, Volk S. 6. Etsch, Name S. 35 f. — Viertel S. 16. — Kreis S. 106. — Heldenbuch S. 100. Evangelische Gemeinden in Meran und Gries S. 337 f. Faber F., Bericht über Bozen S. 187 f. Fassatal, administrative Zugehörigkeit S. 410 Fastnachtsspiele S. 100. Feste, nationale S. 293—299; 314—323. Feuerordnung für Bozen S. 98. Ficker Julius S. 284. Flaas, Hof- und Geschlechternamen S. 43. Flächenraum von Südtirol S. 3, 17. Flarer Jakob, Schützenkommandant S. 262. Flavius Blondus, Bericht über Meran S. 197. Fleimstal, Eisenbahn S. 411 f. Frankfurt, Nationalversammlung S. 275, 378 f.; Schützenfest S. 296. Franz Ferdinand, Erzherzog S. 314, 404 f. Frankreich, Kriege S. 263 f. Freising, Hochstift, Güter bei Bozen S. 9, 25 ; bei Meran S. 108, 121. Gargazon, Italienische Niederlassung S. 203 f. Geistliche, deutsche im Etschland S. 238 bis 244. Gelehrte aus Südtirol S. 185. Geographische Kennzeichnung S. 1 — 3. Gerichtsbücher s. Verfachbücher. Gerichtsordnungen s. Weistümer. Gerichtsurkunden in deutscher Sprache im Gebiet von Bozen S. 66—71, 76, 81, 86; von Meran S. 167, 173. Gerichtswesen S. 54—56; 208 f.; 226—237. Germanische Taufnamen im Gebiet von Bozen S. 20—23; Meran S. 154. — Germani, italienische Bezeichnung für Deutsche S. 187, 261. Gesangvereine S. 201. Geschlechternamen im Gebiet von Bozen S. 27—30; von Meran 129—132; 145 — 152. Gilm H., Dichter S. 281.

Weiser. Giovanelli

Josef,

Abg.

S. 324 f . ;

Ignaz

S. 333Glaubenseinheit, politische Forderung S. 337 bis 339Görres J . , Bericht über Bozen S. 193. Grabmayr K a r l v., Abg. S. 229 f., 348 f., 367. 375 f-. 3 8 8 - 4 0 8 . Grätsch, Ortsnamen S. 1 3 6 ; Geschlechternamen S. 146. Graubündner, Verbot in Meran S. 2 1 6 . Gries bei Bozen, Orts- und Personennamen S. 22 f., 3 2 — 3 4 ; Markt S. 1 5 ; Landgericht S. 54 t., 208 f . ; evangelische Gemeinde S. 338. — Kloster, Urkunden S. 79. Grundbuch, Einführung S. 375. Grundherrschaft von Stiftern bei Bozen S. 2 4 — 2 6 ; Meran S. 1 2 1 — 1 2 3 . Grundlastenablösung S. 374. Gufidaun, Gericht gegen die Zuweisung an Italien 1 8 1 0 S. 267. Haas, Notar in Bozen S. 27, 57. Hafling, Ortsnamen S. 1 1 3 , 1 3 9 ; Geschlechternamen S. 148. Haidegger W . , Politiker S. 285, 358—363. Hammer J . , B e r i c h t über Bozen S. 192. Heldenbuch a. d. E t s c h S. 100. Hepperger, Bürgermeister und Abg. von Bozen S. 269, 346 f., 386. Herbst Ed., Abg. S. 3 8 1 . Hofnamen im Gebiet von Bozen S. 32 f.; Meran S. 1 2 5 — 1 3 0 ; 1 3 4 — 1 3 9 . Höferecht S. 375. Hofgericht, deutsche Urk S. 6 9 — 7 1 . Illyrier, Volksstämme S. 6. Imbreviaturen von Notaren S. 162. Innsbruck, Universität und italienische Rechtsfakultät S. 4 1 2 — 4 1 4 . Inventare S. 6 1 , 73, 182. Italien, Kriege 274—288; Dreibund S. 367. Italiener, gegen ihre Niederlassung in Bozen S. 2 1 2 f. — Minderheiten im Etschland S. 202—206. — Kaplan in Bozen S. 245. Rechtsfakultät in Innsbruck S. 4 1 3 f. — Italienische Amtssprache S. 208—238. — R i c h t e r in Bozen S. 2 2 6 — 2 3 7 . — Autonomie in Welschtirol S. 377—409. — Italianisch S. 208. — s. auch Welsch. Jenesien, Orts- und Geschlechternamen S. 42 f. — Urkunden in deutscher Sprache S. 60, 76 f. J o h a n n , Erzherzog S. 275. Josef I I . Kaiser, Feier S. 3J5. Justizministerium S. 233 f. Kains, Ortsname S. 108; Geschlechternamen S. 147-

421

K a l t e m , Gerichtsbezirk, Forderung nach deutschen Geistlichen S. 244. Kardaun, Ortsnamen S. 5 1 . Karneid, Ortsnamen S. 5 1 ; Urkunden in deutscher Sprache S. 76. Kastelruth, Eingabe gegen Zuteilung an Italien 1 8 1 0 S. 267. Katholisch-konservative Partei s. Konservative. Kathrein Th., Abg. S. 356. Keller oder Gries bei Bozen S. 22. Kettenburg v. S. 204. Kiechl J o h . , Abg. S. 334, 379. Kirche, Sprache und Nationalität der Geistlichen S. 238—247. — S. auch Stifter. Kirchpröpste, Rechnungen S. 98; Urkunden S. 76, 81. Klöster s. Stifter. Koch M., B e r i c h t über Bozen S. 194. Konservative P a r t e i S. 236 f., 256, 3 1 0 f., 325—333. 337—362, 378—390, 450 f. Kotzebue, B e r i c h t über Bozen S. 192. K r a f t Emil, Abg. S. 353. Kreiseinteilung S. 1 6 und 106. Kreisgericht Bozen, Verhandlungssprache und Nationalität der R i c h t e r S. 226—235. Kriege und deutsches Nationalbewußtsein S. 260—288. Kulturgeschichte des Deutschtums in Südtirol S. 185. Kunstgeschichte von Deutschsüdtirol S. 185. Ladiner S. 18. L a n a , Ortsnamen S. 1 1 4 f., 1 2 8 ; Geschlechternamen S. 1 3 2 ; Vornamen S. 1 1 8 . Landesbeschreibungen S. 190, 1 9 7 f. Landesfürsten, älteste Urkunden in deutscher Sprache für das Gebiet von Bozen 63 t., 76; von Meran 1 6 3 f., 168. Landeshauptmann Sitz S. 323. Landeskulturrat, Errichtung S. 374, 382. Landessprache, landesübliche Sprache in Tirol S. 218, in Österreich S. 224 f., in Bozen S. 208, 2 1 9 f. Langobarden, Volk und Reich S. 7—9, 102, 104. Landtag, Tiroler S. 377—409. Landsturm 1866 S. 283; 1 9 1 4 / 1 5 S. 287. Lasser v., S t a t t h a l t e r S. 3 4 1 , 381. Lateinische Sprache in Urkunden im Gebiet von Bozen S. 7 7 — 8 9 ; von Meran S. 1 5 9 bis 1 6 3 ; 1 7 5 — 1 7 8 . L a t i n e im Gebiet von Bozen S. 20; Meran S. 157 fLehnworte S. 6 1 f . ; 1 5 7 . Lewald, Bericht über Bozen S. 193.

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Weiser.

Liberale Partei S. 326, 333 f., 337—343. 378—390, 404. Literaturgeschichte von Tirol S. 185. Lun H., Gemeinderat S. 352. Mais, Ortsnamen S. 107—112, 137 f.; Geschlechternamen 147 f.; Vornamen 147 f. Marienberg, Stift S. 110, 112 f. Marling, Ortsnamen S. 116, 129; Geschlechternamen S. 132; Vornamen. Martens G., Bericht über Bozen S. 193. Martiniere w. o. S. 191. Menz Anna, Heiratssache 1811 S. 269. Meran, Gebiet (Burggrafenmat), politische Zugehörigkeit S. 101 —106. — Orts- und Geschlechternamen S. 107—154. — Urkunden in deutscher Sprache S. 163—178. — Einzelne deutsche Worte in Urk. S. 154—157. — Geistliche deutscher Nat. S. 241 f. — Volkszählung S. 205—207. Meran, Landgericht und Bezirkshauptmannschaft S. 105 f. Meran, Stadt: Abgeordnete und Bürgermeister seit 1860 S. 335. Berichte über das nationale Wesen S. 197 f. — Evangelische Kirche S. 338. — Geistliche deutscher Nat. S. 241. — Italienische Predigt S. 247. — Ortsnamen S. 108, 113. — Geschlechternamen S. 149—152. — Schießstand S. 262. — Schulen, Gymnasium 250 f. — Turnverein S. 299. — Alpenverein S. 303 f. — Urkunden in deutscher Sprache S. 166—168. — Statistik S. 177 f. — Verbot der Niederlassung von Welschen S. 215 f. Mercey, Bericht über Bozen S. 193; über Meran S. 198. Merkantilmagistrat und Messe Bozen, Geschäftssprache S. 208—210. Merveldt, Statthalter S. 386—389. Messmer AI., Schützenlied S. 281. Minoritätsschulen S. 256. Motten, Orts- und Hofnamen S. 44; Urkunden in deutscher Sprache S. 76; Weistum S. 98. Montaigne, Bericht über Bozen S. 189. Muttersprache, deutsche S. 70 f., 93 f. Hals, Ortsnamen S. 117, 125; Geschlechternamen S. 130; Vornamen S.119; Forderung nach deutschen Geistlichen S. 242. Nation, deutsche S. 201, 265 — tirolische S. 269, 273. Nationale Partei S. 394—404. Nationalpolitische Forderungen der Deutschen in Österreich S. 395—397; in Tirol S. 309—403.

Nationales Bewußtsein in Tirol S. 328, 345 bis 348, 358—364. Nationalitätenrecht in Österreich S. 223; -Frage S. 344—365, 387, 394 f. — S. auch Sprachen Verordnungen. Nationalversammlungin Frankfurt S.275,328. Naturns, Ortsnamen S. 113, 134; Geschlechternamen S. 145. Neuhaus s. Terlan. Neumarkt, Deutsche Geistliche S. 244. Norital, Grafschaft S. 10. Notariatsinstrumente, allgemeines Wesen S. 87 f., Statistik im Gebiet von Bozen S. 77—81, von Meran S. 162, 175—178; in deutscher Sprache S. 63, 66, 88, 95, 163. Notitia, Beweisurkunde S. 160. Nurihtal (Eisacktal), Grafschaft S. 10 f. Oberrauch H., Aufruf S. 263. Österreich, nationale Frage s. d. Operntexte in Bozen S. 211. Ortsnamen (Hof- und Flurnamen) im Gebiet von Bozen S. 40—52; von Meran S. 107 bis 154; auswärtige S. 39, 144; Statistik und Folgerungen S. 52 f., 139—142. Osterspiele S. 100. Partschins,OrtsnamenS. 113,135; Geschlechternamen S. 145; Sprachverhältnisse S. 198; Statistik d. Urk. 178. Payrsberg, Schloß, Name S. 119; Statistik d. Urk. S. 79. Perathoner, Bürgermeister und Abg. von Bozen S. 236, 289, 307, 3x1, 315, 344—353, 404. Personennamen s. Geschlechter- und Vornamen. Pfarrer, älteste Urkunde in deutscher Sprache S. 75, 81, 85, 166, 171. Pfarrgemeinden, Forderung nach deutschen Geistlichen S. 238—243. Pfatten bei Kaltem, Schulfrage S. 257 f. Pfingstprogramm der deutschen Parteien S. 233, 395 f. Pichler Adolf als Schützenführer S. 277. Pincius P., Bericht über Bozen S. 188 f. Plaus, Ortsnamen S. 135; Geschlechternamen S. 146. Politische Parteien s. Liberal, konservativ, national, christlichsozial, sozialdemokratisch. Politisch-territoriale Zugehörigkeit von Bozen S. 6—17; Meran S. 101—106. Pons Drusi S. 6, 18. Praxmarer Jos., Romanschreiber S. 331. Primisser, Kriegslied S. 263. Provinzialisten, Partei S. 325. Protestantisch s. evangelisch.

Weiser.

423

Schützenaufgebot S. 263—28; SchützenwePutzer Joh., Schützenlied S. 279. sen S. 292; -lieder S. 279—281; -feste Raitenbuch, Stift S. 2 1 1 . S. 294—296. Räter, Rätoromanen S. 6, 17, 18; Rätien, Schutzvereine, deutsche S. 305—313. Provinz S. 6, 17, 102; rätische Urkunde Schwaben, Herzogtum S. 102 f.; schwäbische S. 159. Stifter als Grundherren S. 25, 123. Ratsprotokolle der Stadt Bozen S. 98. Schwarzenau, Statthalter S. 407. Recht, deutsches S. 55, 58, 158 ; römisches Schweiggl Jos., Schützenführer S. 266, 271. S. 56, 158. Seidenfabriken S. 214. Rechtsfakultät, italienische in Innsbruck Selbstbestimmungsrecht S. 288 f., 4 1 1 . S.4i3f. Sherer M., Bericht über Bozen S. 193. Rechtsordnungen S. 97, 180. Siedlungsgeograph, Kennzeichnung von SüdRechnungen, Rechnungsbücher S. 73, 98,182. tirol S. 1 — 3. Regensburg, Hochstift S. 122. Siegelurkunden in lateinischer Sprache im Reichsdeutsche S. 203, 340. Gebiet von Bozen S. 77—83, 89; von Reichsitaliener S. 205. Meran S. 161 ; in deutscher Sprache in Reiseberichte über Bozen und Meran S. 187 Bozen S. 77—83, 95. bis 194. Riffian, Ortsnamen S. ixo, 136. Vornamen Sieges- und Friedensfeiern 1870/71 S. 343. S. 109 f., Geschlechternamen S. 147. Sodalizio catolico ital. in Bozen S. 246 f., 346. Ritten, Ortsnamen S. 47—49; Einzelne deutSonnwendfeier S. 318—322. sche Worte in Urk. S. 60; älteste Urk. in Sozialdemokratische Partei S. 360. deutscher Sprache S. 76 f.; deutsche GeistSprache in Urkunden s. Siegelurkunden, liche S. 241. Notariatsinstrumente, deutsche Sprache. Römer S. 6 f., 17 f., 107; römisches Recht Sprachenrecht S. 223 f. S. 56, 158. Sprachenverordnungen S. 248, 347—349. Rot (Rossi), Familie in Meran S. 152. Stadt s. Bozen und Meran. Runcazi, Flurname bei Bozen S. 20. Staffier J . J . , Landesbeschreibung S. 196, 202. Sängerbund, Tiroler S. 301. Standschützen S. 287. Statistik der Urkunden im Gebiet von Bozen San Michele, landwirtschaftliche Anstalt S. 61 — 86; von Meran S. 1 7 4 — 1 7 8 ; der S. 353. 374Bevölkerung S. 205—207. Sarntal, Orts-, Hof- und GeschlechterStatuten für Bozen S. 97. namen S. 45—47; deutsche Worte in Urk. Steinegg s. Karneid. S. 66; älteste deutsche Urk. S. 80—81; Steub L „ Schriftsteller S. 326 f. Gerichtsordnung S. 98; Urbar S. 99. Stifter als Grundherren S. 24, 121 f.; UrSavoyer, Verbot der Niederlassung S. 2 1 3 kunden S. 75, 81, 85, 165, 171 f. bis 216. Streiter Jos., Bürgermeister von Bozen Schäftlarn, Stift S. 122. S. 294, 298, 326, 333, 337. Schenna, Ortsnamen S. 1 1 3 , 138; GeschlechSüdmark, Verein S. 308. ternamen S. 148; Schloßarchiv, Statistik I Sylvius Aeneas über Bozen S. 187. der Urk. S. 79, 95, 177. Taaffe, Minister S. 344. Schillerfeier S. 314. Talfer, Fluß S. 36. Schneller Christ., Schulmann S. 306. Tappeiner F . Dr., Wahlwerber S. 328 f. Schöpfer Aem. Abg., S. 228, 355—358, 376. Tauf- s. Vornamen, Schorn Joh., Abg. S. 355, 406. i Terlan, Orts- und Geschlechternamen S. 40 Schraffl Jos., Abg. S. 359—362. bis 42; einzelne deutsche Worte S. 59; Schreiber als Berufstitel S. 91, 179 f. Urkunden in deutscher Sprache S. 76 f. ; Schreibschriften, Bozner S. 184. Gerichtsordnung S. 98; italienische EinSchrott Christ., Abg. S. 257. wohner S. 202 f. Schuldengrenze für Bauerngüter S. 376. Territoriale s. politische Zugehörigkeit. Schulgesellschaft S. 305 f. Teutonica (lingua), teutonice im Gebiet von Schulordnungen für Bozen S. 97. Bozen S. 37 f., 54—60; von Meran 157 f. Schulrecht, nationales, Schulsprache S. 255, Teutsch, Teitsch (vor dem 19. Jahrhundert) 259Schulverein, Deutscher S. 307 f., 344, 403. S. 191, 208—213, 230—242, 248—250, Schulwesen in Bozen und Meran S. 248—259. 261 — 266.

4M

v, Weiser.

Tirol, Dorf, Ortsnamen S. 107, 109, 1 1 2 , 136; Geschlechternamen S. 147; Vornamen S. 109 f., 154. — Forderung nach deutschen Geistlichen S. 2 4 1 ; Vorrang der Schützenkompagnie S. 262. Tirol, Grafen S. 12 —16, 104, s. auch Landes' fürst; Schloß Tirol S. 262. Tisens, Ortsnamen S. 1 1 6 , 126 f.; Vornamen S. 120; Geschlechternamen S. 1 3 1 . — Statistik der Urk. S. 178. Todesco (ital. Bez.) S. 189, 261 — 265. Traditionsakte S. 160. Tränkel Gust., nationaler Redner S. 352. Trentinaglia J . , Bericht über Bozen S. 197. Trentino, Autonomie S. 378—409. Trient, Herzogtum S. 9 — 1 1 , 102—104; Hochstift und Fürstentum S. 9—15, 102 bis 104, 1 2 2 ; Kanzlei dess. S. 75 f.; Bistum deutsche Dekanate S. 341 f.; Hofrat S. 380; Priesterseminar S. 253. Troyer, Chronik von Bozen S. 191. Tscherms, Ortsnamen S. 1 1 6 , 129. Turnen, Turnvereine S. 297—301. Türkenkriege S. 261. Ulten, Ortsnamen S. 1 1 7 , 129; Personennamen S. 120; Forderung nach deutschen Geistlichen S. 242; sprachliche Verhältnisse S. 200 f.; Grafen S. 105. Universitätsstudium S. 251. Untermais, italienische Einwohner S. 204; sonst s. Mais. Unterrichtssprache S. 255—259. Urbare in deutscher Sprache S. 72, 98 f., 1 8 1 . Urkunden s. Siegel-, Notariats-, Statistik der Urkunden, deutsche Sprache. — Urkundenwesen in Südtirol im allg. S. 87—93. Venedig, Kriege S. 260. Vereine, nationale S. 292—314. Verfachbücher S. 96 f., 178 f. Viertelseinteilung Etschland S. 16, Burggrafenamt S. 106. Villanders, Orts-und Geschlechternamen S. 49 bis 5 1 ; einzelne deutsche Worte in Urkunden S. 60; älteste Urkunden in deutscher Sprache S. 82—86; Weistum S.98; Eingabe gegen die Zuteilung an Italien 1810 S. 276. Vilpian, Ortsnamen S. 4 1 ; italienische Einwohner S. 202 f. Vinschgau, Grafschaft S. 101 —103. Vintler Urkunden S. 69, 72; Urbar S. 99; Dichtung S. 99. Völlan, Ortsnamen S. 1 1 6 , 1 2 7 ; Geschlechter- und Vornamen S. 120, 132. Voran, Ortsname S. 1 1 3 ; Forderung nach deutschen Geistlichen S. 241.

Volksbund, Tiroler S. 3 1 1 —313. Volkskunde S. 185. Volkspartei, deutsche S. 351. Volkstag zu Bozen S. 350; zu Brixen S. 358. Volksverein, deutscher S. 350. Volkszählungen S. 204—207. Vornamen im Gebiet von Bozen S. 20—23, 32; von Meran S. 1 0 8 — 1 1 1 , 154. Vorrömisch, vorromanisch S. 18. Vulgariter, vulgo S. 53, 157, 187. Walch, Geschlechtername zu Bozen S. 28; Meran S. 1 5 3 ; Walchs Propstei S. 28. Walhen gleich Welsche. Wallpach, Dichter S. 365. Walter v. d. Vogelweide, Denkmal und Feier s. 315-317Wangergasse zu Bozen S. 15, 3 1 . Weber Beda, Landesbeschreibung S. 196, 198; Abg. S. 325—33°Weihenstephan, Stift S. 21, 25. Weihnachtsbaum in Bozen S. 319 f. Weinberger R., Bürgermeister von Meran S- 335. 390—392» Weingarten, Stift S. 1 2 1 . Weissenbach, Dichter S. 272. Weistümer S. 97, 180. Weller Ferd., Dichter S. 279, 314. Welponer, Abg. S. 347, 352; Kooperator S. 344. Welsche, Walchen, Walhen S. 29, 208, 2 1 2 bis 2 1 6 ; 239—242. Welschnofen, Ortsname S. 52. Welschtirol, Begriff S. 195; Autonomie S. 377 bis 409. Weltkrieg S. 285. Wessobrunn, Stift S. 1 1 0 . Widmann, Statthalter und Abg. S. 347, 386. Willram Br., Dichter S. 365. Wilson, Präsident S. 288. Wirtschaftsleben, einzelne deutsche Ausdrücke S. 59, 1 5 5 — 1 5 7 . Wirtschaftspolitik, nationale S. 371 — 376. Wissenschaftler aus Südtirol S. 185. Wolkenstein Marx, Landesbeschreibung S. 190; Statistik des Archivs S. 95. Worte, einzelne deutsche in lateinischen Urkunden S. 53—61, 154—157. Zallinger Karl, Abg. S. 379; Franz, Abg. S- 333. 349, 355Zeitungswesen S. 336. Zingerle Ignaz, Dichter und Gelehrter S. 280, 330 f. Zollpolitik, deutscher Zollverein S. 371 f. Zunftordnungen in Bozen S. 98; in Meran S. 1 8 1 .

Früher

erschien:

Band I: Einleitung und Geschichte der deutsch-italienischen Sprachen-, Völker- und Staatenscheide im Etschtale 263 Seiten, 1 Karte. Gr.-8°. 1927. Brosch. M. 9.40

Band II: Die Ausbreitung des Deutschtums im Bozener Unterland und Uberetsch sowie in den deutschen Gemeinden

im

Nonsberg und Fleimstal 364 Seiten, 17 Lichtdrucktafeln. Gr.-8°. 1928. Broschiert M. 1 3 . — G e h e i m r a t P r o f . D r . S c h u l t e : ,, . . . ein W e r k , das in vollem Sinne wissenschaftlichen Ernst, tiefgreifendes Studium mit sicherer Kritik vereint, alle Wissenszweige heranzieht und deshalb das Grundwerk zur Beurteilung dieser Fragen zu werden verspricht." P r o f . D r . E. S c h w a r z : , , . . . das vortreffliche Buch, eine wissenschaftliche und kulturpolitische Leistung ersten Ranges . . . eine Arbeit, die nach ihrer Beendigung beispielgebend für die Randlandschaften des deutschen Volksraumes werden dürfte . . . "

Im gleichen V e r l a g erschienen ferner:

Das Grenz- u. Auslanddeutschtum. Seine Geschichte und seine Bedeutung Von Dr. O t t o B o e l i t z V I I und 313 Seiten mit 22 Kartenskizzen, 6 tabellarischen Übersichten und 62 Bildern. 8°. 1930. In vornehmem Ganzleinenband mit Goldaufdruck M. 8 . —

E i n l e i t u n g : Die Pflege des Auslanddeutschtums vor und nach dem Weltkriege E r s t e r T e i l : Das Auslanddeutschtum im geschlossenen deutschen Sprachgebiet Z w e i t e r T e i l : Das Auslanddeutschtum außerhalb der Grenzen des geschlossenen deutschen Sprachgebietes in Europa D r i t t e r T e i l : Das Auslanddeutschtum in den außereuropäischen Ländern „ N e u ist die geschichtliche Betrachtungsweise. Man erfährt, woher die Deutschen an der Wolga oder in Südamerika kamen, wann und warum sie auszogen, wie ihr Schicksal sich gestaltete, und lernt aus ihrer Geschichte ihre Eigenart verstehen. Verständnis will das Buch erwecken für die Aufgaben der Zukunft, die gelöst werden müssen, wenn die große Kulturgemeinschaft aller Deutschen Wirklichkeit werden soll." Berliner Tageblatt

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BERLIN

Staaten und nationale Gemeinschaften Eine Lösung des Europäischen Minderheitenproblems Von D r . K u r t T r a m p l e r . Eingeleitet von Geheimem Justizrat Universitätsprofessor Dr. Fritz van Calker und Universitätsprofessor Dr. Karl Haushofer Mit 3 Kartenskizzen von Josefine Trampler, 153 Seiten. Gr.-8°. 1929. Brosch. M. 6.— D i e S t i m m e d e r M i n d e r h e i t e n : , , . . . Tramplers Buch wird sicherlich viel dazu beitragen, in weiten Kreisen die schwerwiegende, internationale Bedeutung des Minoritätenproblems und die katastrophalen Folgen erkennen zu lassen, die uns Europäer bedrohen, falls wir uns zu einer vernünftigen Lösung dieser Frage nicht rechtzeitig entschließen." G r e n z d e u t s c h e R u n d s c h a u : ,, . . . Der Mut, mit dem sowohl die Schwächen gekennzeichnet als die Zukunftsmöglichkeiten erörtert werden, berührt sympathisch. Aus den Betrachtungen und Überlegungen weht der Geist der jungen Generation, die rücksichtslos Heuchelei und Unwahrheit an den Pranger stellt und mit Fanatismus einer Idee zu dienen sucht, bei der „Macht Dienst sein soll an der Verwirklichung des lebenden Rechts".

Die Ortsnamen der Sudetenländer als Geschichtsquelle Von Dr. E r n s t S c h w a r z 5 22 Seiten, 13 Abbildungen im Text, 1 Grundkarte und z. T. mehrfarbige Deckblätter. Lex-86 1931. Broschiert M. 36.— Es ist das erstemal, daß im deutschen Osten, in den die Sudetenländer bewußt hineingestellt sind, der Namenschatz eines Landes nicht nur seiner Herkunft nach, sondern noch mehr in seinen verwickelten gegenseitigen Beziehungen in geschichtlich vertiefter geographischer Methode mit den Mitteln der modernen Sprachwissenschaft für die Geschichte verwertet wird.

Was jeder Deutsche vom Grenz- und Auslandsdeutschtum wissen muß Von G o t t f r . F i t t b o g e n 6. Auflage. 148 Seiten. Gr.-8°. 1929. Broschiert M. 2.— A c a d e m i a : . . I n bequemer Kürze, übersichtlicher Anordnung und klarer Ausführung vereinigt die kleine Schrift eine vollständige Übersicht über sämtliche Gebiete der Grenz- und Auslandsdeutschen und deren geographische, wirtschaftliche, historischpolitische und kulturelle Lebensbedingungen. In einer Einleitung werden praktische Vorschläge zur methodischen Behandlung der Kunde vom Grenz- und Auslandsdeutschtum in den Schulen gemacht.

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