Deutschland in Grün: Eine zwiespältige Erfolgsgeschichte 9783647300573

Atomausstieg, erneuerbare Energie, mitgliederstarke Umweltverbände – die ökologischen Errungenschaften der Bundesrepubli

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German Pages 294 Year 2015

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Deutschland in Grün: Eine zwiespältige Erfolgsgeschichte
 9783647300573

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Frank Uekötter

Deutschland in Grün Eine zwiespältige Erfolgsgeschichte

Vandenhoeck & Ruprecht

Mit 16 Abbildungen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-647-30057-3 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de Umschlagabbildung: Demonstration unter dem Motto Atomkraft abschalten, Atomausstieg jetzt vor dem Bundeskanzleramt am 6. Juni 2011 © ullstein bild – Boness/IPON © 2015, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, 37073 Göttingen /  Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U. S. A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Satz: textformart, Göttingen | www.text-form-art.de

Für Simona, for so many reasons

Inhalt 1. Umweltgeschichte und Umweltzukunft im 21. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2. Internationale Probleme, deutsche Antworten . 35 Das Kaiserreich als Wendezeit

3. Krisenjahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis zum Ende der nationalsozialistischen Herrschaft

4. Heimat, Schmutz und Reformpolitik . . . . . . . 81 Ambivalenzen im Wirtschaftswunderland

5. Die erste Globalisierung der Umweltdebatte . . . 103 Gemeinsame Probleme 1945 – 1973

6. Umwelten der siebziger Jahre . . . . . . . . . . . 119 Sozialliberale Reformen, gesellschaftliche Aufbrüche, Atomprotest

7. Zwischenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Wieso kam es zur Ökologischen Revolution?

8. Ein bundesdeutscher Sonderweg . . . . . . . . . 151 Die ökologischen achtziger Jahre

Inhalt 7

9. Die zweite Globalisierung der Umweltdebatte . . 169 Gemeinsame Verträge 1987–1992

10. Vom planwirtschaftlichen Aufbruch zum Raubtierkapitalismus im Dienste des Realsozialismus 177 Die seltsame Karriere der DDR

11. Konsolidierung und Krise . . . . . . . . . . . . . 191 Ökologische Fragen in Deutschland seit 1990

12. Ansichten einer Baustelle . . . . . . . . . . . . . 215 Eine Umwelt-Bilanz

Nachwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Auswahlbibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275

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Deutschland in Grün

1. Umweltgeschichte und

Umweltzukunft im 21. Jahrhundert Wer im Ausland über Umweltfragen in Deutschland spricht, hat gelegentlich mit Verständnisschwierigkeiten zu kämpfen. Die Probleme des grünen Deutschlands, aus der Binnensicht schwerwiegend und kompliziert, erscheinen manchem Zuhörer in ganz anderem Licht: Wisst Ihr eigentlich, wie gut Ihr es habt? Strenge Gesetze, Umwelttechnologie von Weltrang, der Atomausstieg, die starken Umweltverbände, die Grüne Partei – wenn Umweltbewegte aus anderen Ländern nach Deutschland schauen, spürt man häufig eine Mischung aus Bewunderung und Neid. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erklärte Deutschland zum Beispiel zu einem »Labor für grünes Wachstum« und lobte Deutschlands Unterstützung »für Umweltpolitik innerhalb der Europäischen Union und darüber hinaus«.1 Ein internationaler Bericht über erneuerbare Energien lobte Deutschland 2014 zusammen mit Dänemark und Spanien als Motor der weltweiten Entwicklung und bezeichnet die bundesdeutschen Ambitionen als »Inspiration für viele andere Länder rund um den Globus, sich für die kommenden Jahrzehnte hohe Ziele zu setzen«.2 Die Energiewende macht als Lehnwort in der englischen Sprache Karriere, und Präsident Obama erwähnte sie 2012 in seiner Rede zur Lage der Nation.3 Im globalen Environmental Performance Index, dem weltweit wichtigsten Ranking der ökologischen Leistungskraft, landete Deutschland 2014 auf dem sechsten Platz.4 Umweltgeschichte und Umweltzukunft im 21. Jahrhundert 9

Die Deutschen finden das Lob nicht allzu überraschend. Seit Jahrzehnten gibt es einen parteienübergreifenden Konsens, dass Umweltprobleme zu den zentralen Herausforderungen der Gegenwart gehören. Während Zweifel an der globalen Erwärmung in den USA und Großbritannien zum politischen Tagesgeschäft zählen, sind sie in Deutschland ein Randphänomen. Selbst die Atomkraft, die jahrzehntelang die Bundesrepublik in Befürworter und Gegner spaltete, ist seit Fukushima ein Konsensthema. Ein einflussreiches Netzwerk von Verbänden vertritt ökologische Belange auf allen Ebenen, und ihre Vorschläge finden in den meisten Behörden ein offenes Ohr. Kein Zweifel: Die Öko­ logie gehört zu Deutschland. So könnte man versucht sein, die Umweltgeschichte der jüngsten Zeit als eine Aneinanderreihung immer neuer Höhepunkte zu schreiben. Eine solche Leistungsbilanz könnte zum Beispiel in den siebziger Jahren beginnen, als in der Bundesrepublik eine der größten Anti-Atomkraft-Bewegungen der westlichen Welt entstand. Sie setzt sich in den achtziger Jahren fort, als die Angst vor dem Waldsterben und Unfälle wie das Sandoz-Feuer 1986 den Kampf gegen Umweltverschmutzung beflügelten. Seit dem Erdgipfel von Rio de Janeiro 1992 gehört die Bundesrepublik zu den energischsten Vorkämpfern einer globalen Klimapolitik. Danach boomten Solarenergie und Windkraft, und das deutsche System der Einspeisevergütungen gilt als eines der frühesten und effektivsten Instrumente zur Förderung regenerativer Energien.5 Kein anderes Land reagierte auf die Atom­katastrophe in Japan mit vergleichbarer Entschlossenheit. In jüngster Zeit scheint die Ökologie sogar Eingang ins Selbstverständnis der Deutschen zu halten. Beim Blick auf andere Länder, allen voran die USA , regt sich eine Art grüner Patriotismus: ein spürbarer Stolz darauf, Umweltprobleme ernster zu nehmen als andere. Ganz selbstverständlich erwarten die Bundesbürger von ihrer Regierung eine Führungsrolle bei internationalen Umweltverhandlungen, und wenige Dinge verletzten sie mehr als der Hinweis, dass ein anderes Land bereits weiter sei. Der gute Deutsche trennt seinen Müll, nicht selten mit abschät10 

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zigem Blick auf manche Nachbarländer, und vielleicht kann man die quasireligiöse Inbrunst, mit der sich die Deutschen dem Recycling verschrieben haben, ohne patriotische Gefühlsregungen tatsächlich nicht erklären. Man möchte es geradezu zu einem versöhnlichen Abschluss der deutschen Nationalgeschichte erklären. Am Ende eines langen, schmerzensreichen Weges haben die Deutschen endlich eine Art von Patriotismus gefunden, vor dem niemand Angst hat. Das grüne Deutschland hat international unterschiedliche Bewertungen erfahren. Eine freundliche Lesart betont, die Deutschen hätten ein Niveau des ökologischen Bewusstseins erreicht, von dem sich andere Länder ruhig eine Scheibe abschneiden könnten. Eine weniger freundliche Lesart zieht lieber eine Linie zu den finsteren Kapiteln der deutschen Geschichte, und natürlich stehen dabei die Nazis an der Spitze der Beliebtheitsskala. Oft stimmen noch nicht einmal die Fakten, und von einer Reflexion des Gesamtzusammenhangs ist bei solchen Gelegenheiten erst recht keine Rede.6 Während das grüne Deutschland internationale Anerkennung findet, ist seine Geschichte ein Steinbruch für all jene, denen es vor allem auf eine billige Provokation ankommt. Damit ist das zentrale Anliegen umrissen, das sich mit diesem Buch verbindet: eine Brücke zu bauen zwischen der aktuellen Umweltdebatte in Deutschland, die weithin intensive Beachtung findet, und ihrer Geschichte, für die das in geringerem Maße der Fall ist. Gerne werden Umweltprobleme in Deutschland diskutiert, als ginge es dabei nur um wissenschaftliche Erkenntnisse und aktuelle Interessen. Tatsächlich sind die einschlägigen Debatten intensiv von einer Geschichte geprägt, die inzwischen mehrere Generationen zurückreicht. Bei vielen Gesetzen, Verbänden und Denkmustern muss man nur ein wenig an der Oberfläche kratzen, um dahinter jahrzehntelange Traditionen zu entdecken, und das muss nicht unbedingt bedeuten, dass sich hier etwas bewährt hätte. So manche Tradition des grünen Deutschlands lohnt im 21.  Jahrhundert eine kritische Debatte. Umweltgeschichte und Umweltzukunft im 21. Jahrhundert 11

Diese Traditionen unterscheiden sich selbstredend in ihrer zeitlichen Tiefe und ihrer Wirkmächtigkeit. Beim Naturschutz geht der Weg bis ins späte 19.  Jahrhundert zurück, während Atomkraft und Klimawandel erst in bundesdeutschen Zeiten zu Streitthemen wurden. Manche Traditionen führten auch ins Nirgendwo; das ökologische Erbe der DDR , das nach einem überraschend vielfältigen Weg mit der Wiedervereinigung ein un­ glamouröses Ende fand, ist hier das prägnanteste Beispiel. Ohnehin geht es nicht um eine eingleisige Fortschrittsgeschichte, die mit dem grünen Deutschland an ein versöhnliches Ende gelangte, sondern vielmehr um einen neuen Blick auf die Umweltdebatte der Gegenwart. Wie Sedimente in einem Fluss über­ lagern sich im deutschen Umweltdiskurs ganz unterschiedliche Beiträge zu einem Gesamtzusammenhang, der sich letztlich nur mit den Mitteln des Historikers entziffern lässt. Das ökologische Deutschland mag aus der Ferne wie ein festes Gebäude erscheinen, aus der Nähe entpuppt es sich jedoch als Baustelle auf schwankendem Boden. Und jeder Bauherr weiß, dass man vor Renovierungen besser mal einen Blick aufs Fundament wirft. In anderen Ländern verbindet sich der Rückblick in die Umweltgeschichte mit einem gewissen Stolz. Am Anfang der amerikanischen Umweltgeschichtsforschung stand zum Beispiel ein Buch von Roderick Nash, das den Wurzeln der amerikanischen Liebe zur Wildnis nachspürte und prompt zum Best­seller wurde.7 In Deutschland war es eher ein dumpfes Misstrauen, zweifellos genährt durch die Erfahrung des Nationalsozialismus: Mit Traditionen, die in diese Zeit zurückreichten, wollte sich ein weltoffener linksliberaler Umweltaktivist selbstverständlich nicht identifizieren. Solche Abwehrreflexe mochten moralisch verständlich sein, und doch liefen sie letztlich auf einen leichtfertigen Verzicht auf eine wertvolle politische Ressource hinaus. Die Geschichte des grünen Deutschlands ist eben auch ein Schatz von Erfahrungen, aus denen das grüne Deutschland im 21. Jahrhundert eine Menge lernen kann. Es bedarf keiner ausführlichen Begründung, dass sich eine Geschichte, die ein gutes Jahrhundert umfasst, nicht leicht­ 12 

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zwischen zwei Buchdeckel bannen lässt. Deutschland ist ein­ großes und vielfältiges Land, und das Gleiche gilt für seine Umweltgeschichte. So ist dieser Band gewiss keine erschöpfende Darstellung, sondern eher ein breit angelegter Überblick, der die deutsche Entwicklung im internationalen Zusammenhang diskutiert. Ähnlich wie eine Landkarte bemüht sich dieses Buch, Standorte zu lokalisieren, eine Beziehung zwischen den einzelnen Entwicklungen herzustellen und Ursachen und Voraussetzungen offenzulegen. Nicht zuletzt soll das Buch auch Lust auf Umweltgeschichte machen. Umweltprobleme sind eine ernste Sache, aber manche Episoden sind nicht nur lehrreich, sondern auch unterhaltsam: zum Beispiel ein Bundeskanzler, der sich bei seinem Verkehrsminister über laute Züge beschwert, DDR-Dissidenten im Fußballglück oder auch ein mysteriöser Katzenmord im Auftrag des Freistaats Bayern.8 Manche Eigenheiten der Umweltbewegung lassen sich vielleicht etwas leichter diskutieren, wenn man sie vor dem Hintergrund einer gewundenen und manchmal auch ganz amüsanten Geschichte betrachtet.

Zeit für eine neue Geschichte Vor ein paar Jahren gab es noch einen klaren Bauplan für eine solche Übersichtsdarstellung. Man musste sich auf die Suche nach Vordenkern, wichtigen Büchern und Organisationen begeben, die Ergebnisse chronologisch sortieren und dann der Reihe nach abarbeiten. Meist war dabei ein sympathischer Grundtenor zu erkennen, und manchmal versprach schon der Buchtitel eine Darstellung über »Propheten und Pioniere«.9 Inzwischen gibt es solche Darstellungen für eine Vielzahl von Ländern von Großbritannien bis Israel.10 Für Deutschland können Leser zwischen einem halben Dutzend Büchern wählen.11 Es fällt freilich auf, dass der Erscheinungstermin bei vielen dieser Bücher schon etwas zurückliegt. Das Genre der umwelthistorischen Synthese ist ein wenig aus der Mode gekommen, und das hat vielleicht nicht nur damit zu tun, dass das Lese­ Umweltgeschichte und Umweltzukunft im 21. Jahrhundert 13

pensum mit dem Anwachsen der Literatur in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen ist. Die jüngere Forschung hat nicht nur Lücken in diesen Überblicksdarstellungen erkennen lassen, sondern auch wachsende Zweifel an der Gesamtarchitektur genährt. Die existierenden Synthesen vertreten mithin eine »Umweltgeschichte der Väter«, die die nächste Generation heute mit eher gemischten Gefühlen liest. Die Gründe sind sowohl wissenschaftlicher wie politischer Natur. Viele der Bücher präsentierten die Geschichte eines säkularen Aufstiegs. Sie spannten den Bogen von den kleinen Anfängen zur heutigen Bewegung, die das Versprechen einer besseren, grünen Zukunft birgt. Solche Teleologien haben im 21.  Jahrhundert viel von ihrem Glanz verloren. Gut zwei Jahrzehnte nach dem Erdgipfel von Rio de Janeiro, der ganz im Zeichen des drohenden Klimawandels und der schwindenden Artenvielfalt stand, sind beide Probleme gravierender denn je. Die Globalisierung der Weltwirtschaft und die Krise westlicher Wohlfahrtsstaaten haben die Spielräume der Umweltpolitik schwinden lassen. Im Vergleich mit dem Siegeszug des Neoliberalismus, der ebenfalls in den siebziger Jahren seinen Durchbruch erlebte, wirkt die Erfolgsbilanz des Umweltzeitalters überschaubar. Die Zeiten, in denen wir die Geschichte der Umweltbewegung als einen mehr oder weniger direkten Weg in ein grünes Ökotopia schreiben konnten, sind vorüber. Die Forschung hat auch einen neuen Blick auf die Personen geworfen, die in den frühen Arbeiten im Mittelpunkt standen. Hier gab es in Deutschlands stets zwei konträre Richtungen. Einerseits wurden viele umwelthistorische Bücher der ersten Generation von einer erkennbaren Sympathie getragen. Das ist auch in den ersten deutschen Gesamtdarstellungen von Ulrich Linse, Christoph Conti und Rolf Peter Sieferle zu spüren, wobei Linse eher Linke und Anarchisten, Conti die Alternativbewegungen und Sieferle das konservative Spektrum im Blick hatten.12 Andererseits stand in Deutschland der Nationalsozialismus jedem geschichtspolitischen Überschwang entgegen, und hier zeigte sich in der Literatur schon früh eine Tendenz zum Charaktermord.13 14 

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Inzwischen hat die Forschung hier eine dialektische Synthese vollzogen. Die deutsche Umweltbewegung war nie ein kleiner Zirkel von Erleuchteten, sondern ein Querschnitt der deutschen Bevölkerung mit all ihren Stärken und Schwächen. Zur deutschen Geschichte gehören Rassismus und Antisemitismus, Klassenkämpfe und regionale Divergenzen, zwei Diktaturen und zwei Weltkriege, und all dies hat auch in der Umweltgeschichte seinen Niederschlag gefunden. Die Frage ist, was solche Zusammenhänge konkret bedeuten. Zweifel regten sich nicht nur mit Blick auf die Helden der Geschichte, sondern auch bezüglich der Menschen, die nicht vorkamen. Das Personaltableau der frühen Arbeiten hatte eine deutliche Schlagseite: Die besten Chancen, in diesen Büchern vorzukommen, hatten weiße Männer aus dem Bürgertum, die ein Buch geschrieben hatten. Wo waren die Frauen, die Arbeiter, die Bauern, die ethnischen Minderheiten? In den USA war es die Environmental Justice-Bewegung, die den Finger in die Wunde legte und die soziale Schieflage des Umweltprotests aufzeigte.14 Das ließ auch die historische Forschung nicht unbeeindruckt, und eine wachsende Zahl von Forschern bemüht sich darum, diese lange vernachlässigten Stimmen aufzuspüren.15 Die Erweiterung des Blicks schuf jedoch ein neues Problem: Wo sollte man die Grenze ziehen? Viele der Gruppen, die mit einem erweiterten Verständnis von Umweltprotest in den Blick rückten, verbanden ökologische mit sozialen, ökonomischen und kulturellen Anliegen. Das war eigentlich nicht sehr über­ raschend: Nur wer materiell einigermaßen gesichert war, konnte ein von gesellschaftlichen Bezügen befreites Umweltbewusstsein überhaupt für ein sinnvolles Ziel halten. Andererseits driftet ein breites Verständnis von Umweltbewegung leicht in die Beliebigkeit ab. Man musste im 20.  Jahrhundert schon ein fanatischer Technikenthusiast sein, um nicht irgendwann auch mal Sorge um die natürliche Umwelt zu bekunden. In den USA werden die entsprechenden Probleme schon seit gut 20 Jahren diskutiert, weil sie in Robert Gottliebs Buch Forcing the Spring offenkundig wurden: einem Buch mit einem extrem weiten VerständUmweltgeschichte und Umweltzukunft im 21. Jahrhundert 15

nis von Umweltbewegungen, das einerseits viele Türen öffnete, aber andererseits auch wie die Wunschliste eines linken Aktivisten wirkte.16 Die frühen Synthesen zeigten zudem eine idealistische Schlagseite. Die meisten Punkte bekamen zumeist jene, die aus reiner Sorge um die natürliche Umwelt ihre Stimme erhoben oder das jedenfalls glaubten. Schon bei touristischen Bezügen wurde die Sache kritisch, und Karriereambitionen waren erst recht tabu. Das lief allerdings auf ein ziemlich lebensfernes Bild hinaus, bei dem am Ende nur noch eine kleine Schar Erleuchteter vor den Augen der Chronisten Gnade fand. Oft standen hinter wertvollem Engagement handfeste Motive. Die Hygienebewegung des Kaiserreichs wurde zum Beispiel zu erheblichen Teilen von den Interessen neuer Berufsgruppen beflügelt. Selbst der engagierte Studienrat für Biologie, geradezu ein Archetypus der deutschen Naturschutzbewegung, hatte meist auch im Hinterkopf, dass einem staatlichen Beauftragten zugleich eine Befreiung vom Schulunterricht winken konnte.17 Eine Geschichte, die nur selbstloses Engagement zulässt, läuft leicht auf eine säkulare Variante der klassischen Heiligenvita hinaus. Ein besonderes Problem der Umweltbewegung ist ihre enorme Vielstimmigkeit. Das Ökologische ließ sich auf viele verschiedene Arten imaginieren. Ein Vogelschützer war nicht unbedingt ein Freund der Katzen, und selbst bei den Vögeln gab es Unterschiede; in der Bewegung tobte über Jahrzehnte ein Streit, ob man Greifvögel, die Jagd auf Singvögel machten, schützen oder bekämpfen sollte. In der frühen Naturschutzbewegung gab es charismatische Netzwerker wie Lina Hähnle, die Begründerin des Bundes für Vogelschutz, aber auch scheue Menschen wie Ernst Rudorff, Professor für Klavier an der Königlichen Hochschule für Musik in Berlin, der 1880 in den Preußischen Jahr­ büchern einen fulminanten Essay »über das Verhältniß des modernen Lebens zur Natur« veröffentlichte.18 Je mehr man sich mit der Umweltbewegung beschäftigt, desto mehr löst sie sich in ihre Einzelteile auf, so dass manche Forscher fast schon die Existenz ihres Gegenstands in Zweifel ziehen: »Im eigentlichen Sinne 16 

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gibt es natürlich keine grüne Bewegung, sondern nur ein vielfältiges Spektrum von Positionen, Perspektiven und Aufforderungen zum Handeln«, schrieb Anthony Giddens.19 Eine hegemoniale Organisation oder einen starken Dachverband, durch den die einzelnen Umweltinitiativen mit gemeinsamer Stimme sprechen konnten, hat es in der deutschen Geschichte zu keinem Zeitpunkt gegeben. Bei der Umwelt muss es aber nicht zwangsläufig nur um Protest gehen. Von Anfang an war auch der Staat ein Teil des Gesamtbilds, und das keineswegs nur als Adressat zivilgesellschaftlicher Forderungen. Vor allem die Naturschutzbewegung prägte lange Zeit eine prononcierte Staatsnähe, die bis heute nicht völlig verschwunden ist. Einige Naturschutzverbände gehen sogar auf staatliche Initiativen zurück. Bei Verschmutzungsproblemen gelang es dem Staat bemerkenswert lange, das gesellschaftliche Konfliktpotenzial durch punktuelle Interventionen quasi aufzusaugen. Ohne die vielfältigen Einflüsse staatlicher Akteure ist die Geschichte der deutschen Umweltbewegungen nicht zu­ verstehen. Aber auch damit ist das Spektrum der Themen und Akteure noch nicht ausgeschöpft. Bei der natürlichen Umwelt ging es nicht nur um Verbände, staatliche Politiken und große Denker, sondern auch um die Lebensführung in ihrer ganzen Vielfalt. Das Ökologische sah man in Deutschland nicht nur in Vereinssatzungen und Eingaben, sondern auch im Alltag der Bürger: im Essen, in der Kleidung, in der Suche nach Erholung, in Mobi­ litätsbedürfnissen und so weiter. So geht es in einer solchen Überblicksdarstellung auch um vegetarisches Essen, den Kampf gegen das Korsett, das Fahrrad und viele andere Dinge, die Teile unseres Verhältnisses zur natürlichen Umwelt waren. Für die Umweltgeschichte Deutschlands waren Sandalen und Vollkornbrot vielleicht nicht weniger wichtig als Atomkraftwerke.20 Mit einer solchen Themenpalette kommt man auch zu einem weiteren Verständnis der Ausdrucksformen des Ökologischen. Es geht nicht mehr nur um jene Bücher und Pamphlete, die tradi­tionell im Mittelpunkt umwelthistorischer Studien standen, Umweltgeschichte und Umweltzukunft im 21. Jahrhundert 17

sondern um menschliches Verhalten. Seit jeher ging es bei der natürlichen Umwelt auch um den eigenen Körper und den der Mitmenschen; die heutige Begeisterung für »Wellness« ist da nur die jüngste Variante. Man kann sogar die These vertreten, dass solche habituellen Muster den Worten in vielen Fällen vorausgingen. Manche Protestnoten verraten das mühsame Ringen der Autoren, einem noch nicht verbalisierten Unbehagen Ausdruck zu verleihen. Bei einigen Vereinen entwickelte sich die Agenda erst schrittweise und unter dem Eindruck praktischer Erfahrungen. Es wäre naiv zu glauben, dass am Anfang von Umweltinitiativen stets eine fixe Idee stand, die dann nur noch in konkrete Verhaltensmuster gegossen werden musste. Eine so verstandene Umweltgeschichte ist anschlussfähig an zahlreiche andere Felder der Geschichtswissenschaft: Politik­ geschichte, Kulturgeschichte, die Geschichte der Konsumgesellschaft, Wissenschafts- und Technikgeschichte, Körpergeschichte und so weiter. Sie ist bunter und vielgestaltiger, bringt neue Themen und neue Akteure ins Bild und ist auch überraschender als eine klassische Politik- und Verbandsgeschichte. So wird erkennbar, was eine arg kleinteilige Forschung lange Zeit aus dem Blick verlor: Es geht in der Umweltgeschichte nicht um eine kleine grüne Nische, sondern um eine zentrale Dimension der deutschen Geschichte. Dieses Buch präsentiert insofern nicht nur eine Geschichte des grünen Deutschlands, sondern auch eine deutsche Geschichte in Grün. Was das Ökologische zu bestimmten Zeiten und in bestimmten Kontexten bedeutete, sagt eine Menge darüber aus, was das Leben in Deutschland ­ausmachte. Eine erweiterte Umweltgeschichte bedarf klarer methodischer Leitlinien, wenn sie sich nicht in einem Gewirr aus Einzelgeschichten verlieren soll. Deshalb greift dieses Buch auf das von Pierre Bourdieu entwickelte Konzept des Feldes zurück und unterscheidet drei Handlungsfelder des Ökologischen: das Feld der staatlichen und kommunalen Politik, das Feld der Zivilgesellschaft und das Feld der Lebenswelt.21 Auch wenn diese Felder sich im Alltag in vielerlei Hinsicht miteinander verbanden, blie18 

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ben sie kognitiv und habituell autonom. Jedes dieser drei Handlungsfelder hatte seine spezifischen Regeln von der Kleidung bis zum politischen Verhaltensstil, und diese wiesen nicht zwangsläufig in die gleiche Richtung. Ein für einen Umweltverband günstiges Verhalten konnte fatale politische Konsequenzen haben, und das Gleiche galt in umgekehrter Richtung. Der Vorzug des Bourdieu’schen Konzepts liegt in der analytischen Klärung der Bezüge. Für jedes der drei Felder lassen sich Regeln des erlaubten, erwünschten und des inakzeptablen Verhaltens identifizieren, die aufs Engste mit den jeweiligen Machtverhältnissen verbunden waren, und diese Regeln wandelten sich im Laufe der Zeit. Auf diese Weise kann man Divergenzen und Konfrontationen konzeptionell erfassen, die sonst leicht simplen politisch-moralischen Werturteilen anheimfallen. Wenn man unter diesem Blickwinkel beispielsweise den Aufstieg von Greenpeace analysiert, dann geht es nicht mehr um Sinn und Unsinn des zivilen Widerstands in der Umweltpolitik, sondern darum, wie sich dadurch die Verhaltensregeln und Machtbeziehungen im Feld der Zivilgesellschaft veränderten und wie dieser Wandel in die Felder der Politik und der Lebenswelt­ hineinwirkte. Meist gab es in der deutschen Umweltgeschichte Spannungen zwischen den drei Feldern; die Zeiten eines weitgehenden Gleichklangs waren eher die Ausnahme, auch wenn sie sich als Boomzeiten tief in das kollektive Gedächtnis einbrannten. So geht es im Folgenden um einen Gesamtzusammenhang, den man vielleicht am besten als den Strukturwandel des Ökolo­ gischen seit 1900 bezeichnen könnte. Umweltpolitik und Umweltbewegtheit waren nie einfach gegeben, sondern Ergebnis gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse.22 Die spezifischen Regeln der drei Felder sind natürlich keine freien Konstrukte, sondern tief in kulturellen Traditionen, politischen Strukturen und sozioökonomischen Realitäten verankert. So lenkt Bourdieus Konzept auch den Blick auf die bei ökologischen Themen stets mitschwingenden Interessen, die eine merkwürdige Blindstelle der umwelthistorischen Literatur darstellen. In vorliegenden Arbeiten lesen wir viel zu wenig über Umweltgeschichte und Umweltzukunft im 21. Jahrhundert 19

die Interessen von Grundeigentümern, Experten und Staats­ beamten, und wenn sie doch vorkommen, dann zumeist als eine unerfreuliche Begrenzung der Handlungsmöglichkeiten. Dabei lag ein wichtiger Grund für den Aufstieg der deutschen Umweltbewegung nach 1970 gerade in der Konvergenz von Ideen und Interessen. Diese drei Felder waren keineswegs die einzigen, die für den Umgang mit ökologischen Fragen von Bedeutung waren. Die Wissenschaft war stets auch ein eigenes Handlungsfeld mit spezifischen Gepflogenheiten und Hierarchien. Auch Medien haben ihre eigenen Regeln für die Relevanz und Aufbereitung der täglichen Geschehnisse. Seit den siebziger Jahren entstand aus der Beschäftigung mit Umweltproblemen ein eigener Zweig der bundesdeutschen Wirtschaft, dem es naturgemäß vor allem auf den Profit ankam. Zudem gab es in jedem der drei erwähnten Felder erhebliche regionale Unterschiede. In der Nachkriegszeit sah das Feld der staatlichen Luftreinhaltepolitik in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel ganz anders aus als in Oberbayern, wo in der Donau­niederung bei Ingolstadt große Raffinerien errichtet wurden. Es geht bei den drei Feldern also nicht um einen Exklusivitätsanspruch, sondern vielmehr darum, dass die Strukturen in diesen Feldern den größten Einfluss auf Verlauf und Ergebnis gesamtgesellschaftlicher Debatten hatten. Die Entwicklungen in den drei Feldern sind der Schlüssel für das Verständnis der deutschen Umweltgeschichte. Bourdieus Soziologie war stark von der Vorstellung relativ geschlossener Nationalstaaten geprägt. Sein berühmtes Buch über die Feinen Unterschiede war eine Analyse der französischen Gesellschaft in ihrer spezifischen Form sozialer Stratifikation.23 Das muss man im hiesigen Zusammenhang nicht zwangsläufig bedauern. Seit dem späten 19. Jahrhundert war der Nationalstaat in Deutschland der wichtigste Diskursraum, in dem ökologische Fragen verhandelt wurden. Aber zugleich gab es bei solchen Themen auch stets eine grenzüberschreitende Dimension. Die Grenzen des Wachstums, der Erdgipfel von Rio, das Kyo­ to-Protokoll  – die globale Dimension der Umweltdebatte steht 20 

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uns heute lebendig vor Augen. Aber das ist keineswegs eine Entwicklung der jüngsten Zeit. Umweltdebatten waren schon um 1900 international.

Deutsche Geschichte in den Zeiten der Globalgeschichte Im Herbst 1909 fuhren Hugo Conwentz und Carl Fuchs nach Paris, um dort auf dem ersten internationalen Kongress für Heimatschutz (Congrès international pour la protection des paysage) das deutsche Kaiserreich zu vertreten. Es waren nicht die besten Zeiten für die deutsch-französischen Beziehungen. Seit 1904 pflegte Frankreich die Entente Cordiale mit Großbritannien, in Afrika köchelten diverse Kolonialkonflikte, und im Hintergrund stand stets die deutsche Annexion von Elsass-Lothringen. Umso bemerkenswerter war, dass der Bericht der Deutschen Botschaft ein ausgesprochen freundliches Bild der Veranstaltung zeichnete. »Bei der Eröffnung des Kongresses wurden die deutschen Herren an erster Stelle und besonders warm begrüßt«, notierten die Diplomaten, und so ging es weiter. Conwentz durfte in der ersten Sitzung den Vorsitz übernehmen, und seinem Vortrag, den Conwentz in französischer Sprache hielt, folgte eine lebhafte Diskussion. Der französische Präsident des Kongresses lobte beim abschließenden Festbankett die Organisation der Naturdenkmalpflege in Preußen und forderte, »eine ähnliche Organisation auch in Frankreich einzurichten«.24 Die Pariser Konferenz zeigt, wie nationale und internatio­ nale Aktivitäten schon zu dieser Zeit ineinandergriffen. Als die Länder des Westens im 19.  Jahrhundert die Folgen von Urbanisierung und Industrialisierung für die natürliche Umwelt entdeckten, gehörte der Blick über die eigenen Grenzen ganz selbstverständlich zu der Suche nach Antworten. Hamburg beauftragte zum Beispiel den Engländer William Lindley mit der Planung seiner Kanalisation, einen Schüler des englischen Hygiene­papstes Edwin Chadwick, der nach seiner Hamburger Umweltgeschichte und Umweltzukunft im 21. Jahrhundert 21

Tätigkeit in Deutschland blieb und sich um die Wasserversorgung in Düsseldorf, Chemnitz, Krefeld, Elberfeld und Basel kümmerte. Gemeinsam mit seinen drei Söhnen nahm er auch Aufträge in Budapest, Warschau und St. Petersburg an.25 In den Vereinigten Staaten schauten Reformer im Kampf mit den Problemen ihrer Großstädte intensiv auf den Alten Kontinent.26 Mit dem Royal National Park im australischen Sydney begann der globale Siegeszug der Nationalparkidee.27 Diese internationalen Bezüge sind in den vergangenen Jahren verstärkt ins Zentrum der Forschung gerückt, und damit wird es möglich, deutsche Umweltgeschichte nicht mehr nur im Stile einer nationalen Nabelschau zu schreiben. Internatio­nale Entwicklungen wirkten auf Deutschland ein, während um­gekehrt deutsche Ereignisse im Ausland interessiert verfolgt wurden, und beides ist eigentlich nicht überraschend. Die ökologischen Herausforderungen westlicher Staaten waren schließlich sehr ähnlich: Verschmutzung, Landschaftsverbrauch, Schrumpfen natürlicher Lebensräume und so weiter. Der Doppelprozess von Urbanisierung und Industrialisierung schuf neuartige Herausforderungen für alle Gesellschaften des Westens, und da lag eine Verständigung nahe. Die internationalen Bezüge haben in den vergangenen Jahrzehnten eine zweite Dimension gewonnen. Seit den siebziger Jahren geht es nicht mehr nur um unverbindliche Debatten. Wie die meisten Länder hat Deutschland eine Vielzahl internationaler Vereinbarungen unterschrieben, und damit ist ein Rahmen für nationale Wege vorgegeben. Zudem ist die Bundesrepublik an die Vorgaben der Europäischen Union und ihrer Vorgängerinstitutionen gebunden. Europäische Institutionen wurden in den achtziger Jahren zu einem zentralen Akteur, und inzwischen ist die Umweltpolitik so sehr von Vorgaben aus Brüssel geprägt wie kaum ein anderes politisches Feld. Gewiss hat die Europäisierung keinen gleichförmigen Kon­ tinent geschaffen. Weiterhin gibt es Unterschiede zu anderen EU-Mitgliedern, und die Ursachen verdienen eine vertiefte Diskussion. Hier geht es zunächst um die grundsätzliche Feststel22 

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lung, dass eine Umweltgeschichte Deutschlands in einem weiteren geographischen Zusammenhang stehen sollte. Sie hat die internationalen Kontexte im Blick zu halten, ähnliche Problemlagen für vergleichende Perspektiven zu nutzen und die Wechselwirkungen zwischen deutschen und internationalen Entscheidungen zu thematisieren. So zeigt sich zum Beispiel, dass die Gedankenwelt des deutschen Naturschutzes schon vor 100 Jahren eine globale war. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg schlug der Marinearzt und Ethnograph Augustin Friedrich Krämer vor, die Pazifikinsel Palau, Teil des deutschen Schutzgebiets Neuguinea, zum Naturschutzgebiet zu erklären.28 Die kolonialen Dimensionen der deutschen Umweltgeschichte haben in den vergangenen Jahren verstärkt Beachtung gefunden.29 Darin spiegelt sich nicht nur der Boom der post­colonial studies, sondern auch eine Neujustierung unseres Bilds von deutscher Geschichte, in der die Kolonialgeschichte geradezu wiederentdeckt wurde.30 Aber bei aller Signifikanz des Globalen Südens scheint dessen Prägekraft doch hinter dem Austausch mit anderen westlichen Ländern zurückzubleiben. Die meisten Verände­rungen, die in Deutschland als Umweltprobleme klassifiziert wurden, waren letztlich das Ergebnis von Industrialisierung und Urbanisierung, und da boten sich eher Blicke auf europäische Nachbarn und die Vereinigten Staaten an. Deshalb geht dieser Band von der These aus, dass der Strukturwandel des Ökolo­gischen in Deutschland Teil  einer allgemeinen Entwicklung in der westlichen Welt war. Daraus wurde nach 1945 ein westeuropäisch-amerikanisches Modell, denn das sozialistische Ost­europa verfolgte seither einen eigenen Weg. Der besondere Weg Osteuropas ist jedoch durch die DDR auch Teil der deutschen Geschichte. Die Umweltgeschichte der DDR ist das vielleicht schwierigste Kapitel der deutschen Umweltgeschichte, denn sie lässt sich kaum auf einen Nenner bringen. Das ist lange Zeit nur deshalb nicht aufgefallen, weil zunächst die katastrophale Umweltsituation der Wendejahre alle Aufmerksamkeit reklamierte. Inzwischen hat die Forschung dieses Bild in wichtigen Punkten korrigiert: Von einem eingleisigen Weg Umweltgeschichte und Umweltzukunft im 21. Jahrhundert 23

in den Ökozid kann für die sozialistische Welt jedenfalls keine Rede mehr sein. Es ist deutlich geworden, dass der Verweis auf die ökologischen Sünden des Staatssozialismus stets auch eine exkulpatorische Funktion besaß, denn die Folgen des westlichen Kapitalismus wirkten da plötzlich gar nicht mehr so dramatisch. Inzwischen haben sich die Perspektiven verschoben. Aus Sicht des 21.  Jahrhunderts gab es lediglich einen Staatssozialismus, der in ökologischer Beziehung spektakulär scheiterte, und einen westlichen Kapitalismus, der unspektakulär scheiterte. Die Umweltgeschichte Deutschlands wird durch die DDR noch einmal komplizierter; aber das muss man nicht unbedingt als Nachteil sehen. Mit seiner Lage, seiner geographischen Vielfalt und seiner wechselhaften Geschichte hat Deutschland ziemlich viel von dem, was die Umweltgeschichte Europas im 20. Jahrhundert zu bieten hat: Demokratien und Diktaturen, internationaler Austausch und nationalistische Isolation, Autar­ kieregime und Sozialstaatlichkeit, Planwirtschaft und marktwirtschaftliche Freiheit. Deutschland war im europäischen Zusammenhang eher selten Vorreiter  – dieses Privileg genießt gewöhnlich England  –, hinkte aber auch nicht notorisch hinterher, so dass Deutschland sowohl Empfänger ausländischer Impulse wie auch Vorbild für andere Länder war. Die deutsche Umweltgeschichte steht im Zeichen von Kohle und Stahl, Wissenschaft und Technik, Industriechemie und Waldwirtschaft, Faschismus und Sozialismus, ja selbst als ein Land des Wassers lässt sich Deutschland mit Gewinn betrachten, wie David Blackbourn in seinem großartigen Buch Die Eroberung der Natur gezeigt hat.31 Wer einen Mikrokosmos der europäischen Umweltgeschichte sucht, für den präsentiert sich Deutschland als vielversprechender Kandidat. Ganz nebenbei erleichtert es diese Vielfalt auch, den Gegenstand dieses Buchs präziser zu umreißen. Im Prinzip ist das Ökologische ein Diskursprodukt, die Summe dessen, was ein Land in seinen Beziehungen zur natürlichen Umwelt für problematisch erachtete. Aber die damit theoretisch denkbare Vielfalt der Themen reduziert sich praktisch auf einen harten Kern, der 24 

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mehrere Generationen und wechselnde politische Regime überdauerte: Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden, Schutz von Naturobjekten, Tieren und Landschaften, Landwirtschaft und Ernährung, Atomkraft, Ressourcen. Seit den siebziger Jahren versammelt sich all dies in dem Begriff Umwelt. Es ist also sensu stricto ein anachronistischer Wortgebrauch, für die Zeit vor 1970 von Umweltproblemen zu reden; aber daraus muss man kein großes Problem machen. Niemand sprach von einer Industriellen Revolution, als sie in England geschah. Es ist auch nicht ungewöhnlich, dass sich die Umweltbewegung aus ganz unterschiedlichen Traditionslinien zusammenfügte, die historisch zum Teil recht wenig miteinander zu tun haben. Die wenigsten sozialen Bewegungen entstehen aus einem Guss. Auch der interne Zwist, der mit der breiten Themenpalette einherging, erscheint im Vergleich mit anderen Bewegungen nicht allzu dramatisch. Wichtig ist nur, dass der diskursive Zusammenhang der »Umweltproblematik« historisch kontingent ist. Sie ist ein unerwartetes, in mancherlei Hinsicht überraschendes Konglomerat unterschiedlicher Themen und Anliegen, die sich erst in der Nachkriegszeit in westlichen Ländern zu einer imaginierten Einheit zusammenfügten. Es ist durchaus offen, ob künftige Generationen diesen thematischen Zusammenhang ähnlich plau­ sibel finden werden.

Grün in Deutschland – Deutschland in Grün Manche Themen dieses Buches sind aus den gängigen Überblicksdarstellungen zur deutschen Geschichte wohlbekannt: der autoritäre Staat, der starke Regionalismus, der Wandel politischer Regime, die Spannungen zwischen Stadt und Land. Andere erscheinen in neuem Licht. Die fünfziger Jahre erweisen sich als gar nicht so muffig und traditionsverhaftet, wie sie in der kollektiven Erinnerung der Bundesrepublik oft wirken. Sie waren in gewisser Weise sogar agiler als die sonst so bewegten sechziger Jahre, die in der Studentenbewegung von 1968 Umweltgeschichte und Umweltzukunft im 21. Jahrhundert 25

gipfelten. Die deutsche Verwaltung wirkt hingegen deutlich schwächer, als man dies aus anderen Büchern kennt: Hinter der respektheischenden Fassade verbargen sich oft Konzeptionslosigkeit und strukturelles Versagen. Es bedurfte eines veritablen Großeinsatzes von Reform- und Symbolpolitik, um die Verwaltung zu einem halbwegs befriedigenden Vollzug der einschlägigen Vorschriften zu bewegen. Der Erfolg der Grünen ragt wie ein störrischer Block in die sonst so betuliche Parteiengeschichte der alten Bundesrepublik hinein. All dies macht es reizvoll, die Blickrichtung dieser Darstellung einmal umzukehren: Was sagt die deutsche Umwelt­geschichte eigentlich über die deutsche Geschichte aus? Die Themenpalette der Umweltpolitik spiegelt zum Beispiel eine auffallende Sorg­ losigkeit mit Blick auf Naturkatastrophen. Lag das nur daran, dass Deutschland in der Moderne eine Katastrophe wie das Erdbeben von Messina von 1908 erspart blieb, mit einer fünfbis sechsstelligen Zahl von Opfern die größte Naturkatastrophe Europas im 20. Jahrhundert?32 Und ändert sich das womöglich unter dem Eindruck der jüngsten Hochwässer an Donau, Elbe und Oder? In jedem Fall handelt es sich um eine frappierende Blindstelle in einem Land, dessen Geschichte seit 1945 bereits als kollektive Suche nach Sicherheit analysiert worden ist.33 Als gefährlich galt den Deutschen nur die vom Menschen manipulierte Natur, nicht die Natur an sich. Im internationalen Vergleich fällt auch die Marginalität von Ressourcenproblemen ins Auge. Während sich in den USA aus dem Streben nach einer effizienten Rohstoffnutzung der vielleicht wichtigste Impuls für die Umweltpolitik der amerikanischen Bundesregierung vor 1945 entwickelte, blieb das Thema in Deutschland unterbelichtet. Dabei waren die Umweltprobleme des deutschen Bergbaus keineswegs marginal. Sie werden in den kommenden Jahrzehnten vielleicht noch stärker ins Bewusstsein treten, so etwa durch die Polderlandschaften, die der Stein­ kohlenbergbau im nördlichen Ruhrgebiet hinterlassen hat, oder die Riesenlöcher der Braunkohle im Rheinland, in Mittel- und Ostdeutschland. Zeitgenössisch galt Bergbau in der deutschen 26 

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Gesellschaft jedoch offenbar als ein separierter Sonderbereich, in dem besondere Regeln galten.34 Ein dritter Punkt betrifft die Zeit nach 1970, die seit einiger Zeit verstärkt als eigene Epoche begriffen wird.35 In der Umweltgeschichte war dies stets eine wichtige Wasserscheide, denn Umweltpolitik und Umweltbewegtheit gewannen in dieser Zeit international an Bedeutung.36 Die wechselseitigen Bezüge werden uns im Folgenden noch beschäftigen. War der Aufschwung des Ökologischen im Kern anachronistisch, weil er letztlich auf eine neue Aufgabe für einen Interventionsstaat hinauslief, der in den Krisen der siebziger Jahre ohnehin mächtig ins Stöhnen kam? Oder gab es einen dialektischen Zusammenhang, weil Umwelt inmitten der allgemeinen Tristesse ein neues Spielfeld mit Möglichkeiten bot, die es bei anderen Themen nicht mehr gab? Kann man die Begeisterung für das Ökologische, die in der Bundesrepublik der achtziger Jahre zweifellos besonders ausgeprägt war, vielleicht sogar als eine sozialpsychologische Ausweich­ bewegung deuten, etwa in der Art: Wo USA und Großbritannien auf Neoliberalismus setzten, machte Deutschland auf Umwelt? In dieser Darstellung werden noch weitere Themen in den Blick kommen. Ein besonders verwickeltes Thema ist zum Beispiel der Kalte Krieg. Er setzte Themen, prägte Metaphern und Denkmuster und am Ende sogar die internationale Umweltpolitik. Wer den aktuellen Problemen der globalen Klimapolitik in ihren historischen Ursprüngen nachspürt, landet am Ende bei Weichenstellungen um 1990, die ohne das Ende des Kalten Kriegs nicht zu verstehen sind. Hier genügt der Hinweis, dass eine Umweltgeschichte Deutschlands mit solchen Fragen zu Schlüsselthemen der deutschen Zeitgeschichte führt. Diese Diskussion hat gerade erst begonnen.37

Umweltgeschichte und Umweltzukunft im 21. Jahrhundert 27

Ein Vorbild für die Welt? Eine solche Gesamtschau wirkt leicht wie eine positiv grundierte Leistungsschau, vor allem wenn es sich um die deutsche Fassung eines Buches handelt, das ursprünglich für eine interna­tio­nale Leserschaft geschrieben wurde. Natürlich hätte der Verfasser ein solches Buch nicht geschrieben, wenn er der Meinung wäre, dass andere Länder von Deutschland nichts lernen könnten. Auch das verbreitete Lob auf Deutschlands ökologische Meriten legt ein emphatisches Ende nahe. Wenn andere sehnsüchtig nach Deutschland schauen, dann muss das Land doch wohl irgend­ etwas richtig gemacht haben. Es ist leicht, den Leistungen des grünen Deutschlands eine Liste der einschlägigen Sünden entgegenzuhalten. An solchen besteht schließlich kein Mangel. Weiterhin produziert Deutschland etwa 45 Prozent seines Stroms durch die Verbrennung von Kohle, und mehr als die Hälfte ist Braunkohle, einer der klimaschädlichsten Brennstoffe überhaupt. Die meisten deutschen Flüsse sind reguliert und fließen in penibel abgegrenzten Räumen, und die Hochwässer der vergangenen Jahre haben die Konsequenzen nachdrücklich vor Augen geführt. Die Reiselust in ferne Länder ist ungebremst. Unsere Autokonzerne bauen weiterhin mit Vorliebe PS -starke Boliden. Die freie Fahrt auf den Autobahnen hat vier Jahrzehnte ökologischer Kritik und zahllose grässliche Unfälle überlebt. Nur: Was bedeutet ein solches Sündenregister? In seiner Umweltgeschichte Frankreichs hat Michael Bess seine Ergebnisse in dem Begriff der »light-green society« zusammengefasst. Im französischen Fall stehen das erste europäische Umweltministerium und eine sentimentale Verklärung des Ländlichen neben der Atomkraft und ressourcenfressenden Industriezweigen, und ähnliche Ambivalenzen lassen sich wohl für die meisten westlichen Länder aufzeigen.38 Aber ist das »blasse Grün« vielleicht doch nur eine Chiffre unserer eigenen Unschlüssigkeit, die wir einerseits um das Erreichte der vergangenen Jahrzehnte wissen, aber andererseits auch den langen Weg zur ökologischen 28 

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Nachhaltigkeit kennen? Ein wenig erinnert der Chronist da an einen lethargischen Lehrer, der einfach allen Schülern den gleichen Rat gibt: Ja, ihr habt das gut gemacht, aber ihr könnt das noch besser. Eine Umweltbilanz muss zwangsläufig ganz unterschiedliche Parameter vom Energieverbrauch bis zur biologischen Vielfalt in den Blick nehmen. Aber es gibt da noch ein zweites Problem: die Verschiedenheit der Ausgangsbedingungen. So hat Deutschland zum Beispiel das Glück, dass hier forstwirtschaftliche Methoden genutzt werden konnten, die in anderen Teilen der Welt geradewegs in die Katastrophe führen. Andererseits hat Deutschland lange Flüsse, die nacheinander durch mehrere Ballungsräume fließen, ganz anders etwa als Japan, wo der Ozean meist nicht weit ist. Mutter Natur behandelt die Menschen notorisch ungleich, und deshalb steht jede Gesamtbilanz in der Gefahr, diese Ungerechtigkeit zu reproduzieren. Soll man zum Beispiel andere Länder loben, weil sie keine Braunkohle verbrennen, auch wenn das ganz einfach daran liegt, dass sie keine Braunkohle haben? Als Ausweg bietet sich aus der Politikwissenschaft das Konzept der umweltpolitischen Handlungskapazitäten an.39 Damit verschiebt sich der Blick von den bloßen Leistungen zum Rahmen der Möglichkeiten und der Frage, inwiefern dieser durch die zeitgenössischen Bestrebungen ausgeschöpft und ausgebaut wurde. Klima, Vegetation und Landnutzung, Topographie und vorherrschende Industriezweige – all dies waren Parameter, mit denen Umweltpolitiker und Umweltbewegte operierten und die zugleich intendierten und unintendierten Veränderungen unterworfen waren. Im deutschen Fall sehen wir zum Beispiel besondere Belastungen in Form einer hohen Bevölkerungsdichte, eines großen, verschmutzungsintensiven Industriesektors und eines Winds, der nahezu unvermeidlich von Nachbarländern mit Emissionen vorbelastet wird. Wir sehen aber auch Start­ vorteile durch eine relativ korruptionsfreie Verwaltung, durch Wissenschaft und Technik von Weltrang und seit den siebziger Jahren auch durch eine starke ökologische Zivilgesellschaft. Die Frage ist, was Deutschland aus solchen Bedingungen machte. Umweltgeschichte und Umweltzukunft im 21. Jahrhundert 29

Die umweltpolitischen Handlungskapazitäten sind also kein bloßes Schicksal, sondern entwickelten sich als Produkt sozialer, politischer und ökonomischer Faktoren. Umgekehrt können Kapazitäten auch ungenutzt bleiben: Die deutschen Ingenieure, die zwar im globalen Vergleich bemerkenswerte Perspektiven für technische Lösungen eröffneten, aber zugleich in antibürokratischen Affekten gefangen waren, sind dafür ein prägnantes Beispiel. So richtet das Konzept den Blick auf die Akteure, ihre spezifischen Interessen und Einstellungen und die Bezüge zu anderen Gruppen. Damit ist Raum für unerwartete Allianzen und überraschende Wendungen, und an beidem ist die deutsche Umweltgeschichte nicht arm. Manche der Aktiven wurden von ihrem eigenen Erfolg geradezu überrollt. Wenn wir die Situation um 1914 unter diesem Blickwinkel bilanzieren, dann gibt es zweifellos einige Aktivposten. Beim Naturschutz war innerhalb weniger Jahre ein umfangreiches Netz aus Verbänden und staatlichen Initiativen entstanden. Kommunalverwaltungen unterhielten eine Vielzahl von Betrieben, um die Umweltprobleme der Großstädte in den Griff zu bekommen. Die Lebensreform strotzte vor Vitalität. Und doch blieb das kaiserliche Deutschland in einigen Punkten hinter seinen Möglichkeiten zurück. Staatsbeamte und Ingenieure beäugten einander skeptisch, obwohl die Effizienz der deutschen Verwaltung und die Cleverness der deutschen Techniker eigentlich für viele Umweltprobleme eine vielversprechende Kombination waren. Es hatte sich auch gezeigt, dass deutsche Beamte mehr Wert auf ihre tradierten Privilegien und Kontrollansprüche legten als auf innovative Lösungen. Es ist bezeichnend, dass der Kampf gegen die Rauchplage in amerikanischen Großstädten letztlich besser organisiert war als in Deutschland.40 Das Desinteresse an einer effizienten Ressourcennutzung wurde bereits erwähnt. Eine breite Allianz analog zur heutigen Umweltbewegung war fürs Erste illusorisch. Danach kamen ein Weltkrieg, eine ruhelose Republik, die Diktatur der Nationalsozialisten und noch ein Weltkrieg. Das ließ für ökologische Reformen nicht viel Raum, auch wenn es ein 30 

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paar bemerkenswerte Initiativen gab. Die Natur- und Heimatschutzbewegung arbeitete weiter und gewann 1935 das vielleicht beste Naturschutzgesetz der Zeit. In den zwanziger ­Jahren etablierte sich die biologisch-dynamische Landwirtschaft als dauerhafte Alternative zur chemieintensiven Agrarproduktion. Die Bekämpfung des Industriestaubs stand im Mittelpunkt eines neuen Wirtschaftszweigs, den wir in heutigen Begriffen als Umwelttechnik bezeichnen würden. Aber all das waren vereinzelte Errungenschaften, die nie zusammenwirkten und Synergien entfalteten. Mitte der fünfziger Jahre wäre wohl kaum jemand auf die Idee gekommen, die Bundesrepublik oder die DDR als grünes Musterland zu betrachten. In den folgenden Jahren regten sich Initiativen in wachsender Zahl. Expertenkommissionen wurden geschaffen, Gesetze verabschiedet oder verbessert, und seit 1970 gab es den Umweltschutz auch als Wort der Alltagssprache. Aber das war im Rahmen des Westens mehr oder weniger der Normalfall: Der Ruf nach weniger Schmutz und mehr Lebensqualität war in allen Wohlstandsgesellschaften mit wachsendem Nachdruck zu vernehmen. Erst in den achtziger Jahren wurde die Bundesrepublik zum ökologischen Vorreiter und gewann für seine agile grüne Partei, die ambitionierte Umweltpolitik und das durch alle gesellschaftlichen Schichten gehende Umweltbewusstsein internationale Bewunderung. Die DDR entwickelte sich unterdessen in die umgekehrte Richtung und nahm im Streben nach Devisen sogar krasse Belastungen in Kauf – ökologisch gesehen ein Raubtierkapitalismus im Dienste des Realsozialismus. Als die Mauer fiel, war die Kritik am SED -Regime in hohem Maße ökologisch gefärbt. Das Erbe dieser Jahre prägt Deutschland bis heute. Themen, Verbände, Bioläden – es ist schon verblüffend, wie oft man bei den grünen Errungenschaften auf die achtziger Jahre zurückkommt. Selbst das »Umweltschutz schafft Arbeitsplätze« wurde erstmals in diesen Jahren plausibel, als sich die ersten Konturen eines neuen Wirtschaftszweigs herausbildeten. Endlich fügten sich eine leistungsfähige Verwaltung, eine alerte Politik und Umweltgeschichte und Umweltzukunft im 21. Jahrhundert 31

die wissenschaftliche und technische Kompetenz der Bundesrepublik zu einer mächtigen Allianz zusammen – auch wenn man sich im Rückblick natürlich fragen kann, warum das nicht schon viel früher passiert war. So könnte man für die Umweltgeschichte der vergangenen Jahrzehnte von einer spektakulären Aufholjagd sprechen. Nachdem die umweltpolitischen Handlungskapazitäten durch vielfältige innere und äußere Hemmnisse über Jahrzehnte nicht ausgeschöpft wurden, wurde der Rahmen der Möglichkeiten nun systematisch genutzt und laufend erweitert. Aber eine solche Sicht war um 1990 plausibler als heute, denn das grüne Feuer lodert inzwischen nicht mehr ganz so hell wie vor einem Vierteljahrhundert. Ein Ökonom könnte da auf das Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen verweisen: Die Allianz, die in den achtziger Jahren so emsig voranschritt, weist inzwischen mancherlei Bruchlinien auf. Der Gleichklang der drei Handlungsfelder hat sich weitgehend aufgelöst, zwischen den Wünschen der Verbände und den Möglichkeiten der Politik klafft ein tiefer Spalt, und die Lebenswelt dreht zwischen esoterischen Phantasien und alltäglicher Mülltrennung ihre eigenen Kreise. So gibt es in der­ Umweltszene seit einiger Zeit ein Gefühl der Krise – aber auch eine nagende Unsicherheit, was diese Krise eigentlich ausmacht.

Eine offene Geschichte Auch in der Unsicherheit über die Zukunft des Grünen ist Deutschland im internationalen Rahmen nicht allein. In vielen Ländern des Westens sind Verbandsstrukturen, Denkmuster und Lebensstile in Bewegung gekommen, und es ist eine offene Frage, was daraus wird. Bei günstigem Verlauf wird daraus ein neuer Boom, den wir derzeit nur nicht erkennen, weil er ganz anders aussieht als der Aufschwung der achtziger Jahre: globaler, mit flexibleren institutionellen Strukturen, stärker vernetzt mit anderen Themen. Im weniger günstigen Fall handelt es sich um einen langsamen Niedergang. Vielleicht sehen wir ja sogar den 32 

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Aufstieg eines neuen Leitkonzepts, das ein Denken in Kategorien von Umwelt und Ökologie ablösen wird. Wir wissen nicht, wie das Ökologische in zehn Jahren aussehen wird, ja wir wissen noch nicht einmal, wie wir es bezeichnen werden. So steht diese Gesamtdarstellung unvermeidlich auf schwankendem Boden. Gewöhnlich schreibt sich Geschichte leichter, wenn es einen klaren Endpunkt gibt oder jedenfalls ein halbwegs klares Ergebnis; aber beides kann die deutsche Umweltgeschichte dem Historiker nicht bieten. So ähnelt das hiesige Projekt eher der Besichtigung einer Baustelle, auf der an allen Ecken und Enden renoviert, angebaut und manchmal auch abgerissen wird. Ein kluger Bauherr verliert sich in solchen Situationen nicht im Schwelgen darüber, wie das Bauwerk nach seiner Vollendung aussehen wird. Er schaut vielmehr, wo im Moment angepackt werden muss, und tatsächlich gibt es im Moment an konkreten Herausforderungen keinen Mangel: vom holprigen Generationenwechsel bei den Grünen, hinter dem der Abschied der Aktiven aus den siebziger und achtziger Jahren steckt, bis zum Atomausstieg, der der Umweltbewegung ein wichtiges Moment der Mobilisierung geraubt hat. Jeder weiß, dass Deutschland auf dem Weg zur ökologischen Nachhaltigkeit noch einen weiten Weg vor sich hat. Vielleicht geht es sogar weniger um endgültige Lösungen als darum, die Wucht kommender Probleme mit geschickten Maßnahmen ein wenig abzufedern. Aber die Ungewissheit der Zukunft öffnet auch Chancen für neue Debatten, die in anderen Ländern bereits lebhaft geführt werden. In den USA haben zwei Autoren sogar schon einen »Tod der Umweltbewegung » zwecks eigener Verjüngung propagiert: Erst wenn man die bestehenden Strukturen verbrennt, könne die neue Umweltbewegung wie ein Phönix aus der Asche erstehen.41 Aber solche Experimente enden meist anders als geplant, und Brachialrhetorik ist auch in Amerika eher Teil des Problems als Teil der Lösung. Deutschland hat in seiner Umweltgeschichte eher evolutionäre Wege verfolgt – der dra­matische Traditionsbruch am Ende der DDR war die große Ausnahme  –, und mit der umsichtigen Weiterentwicklung des Umweltgeschichte und Umweltzukunft im 21. Jahrhundert 33

Bestehenden ist man im Großen und Ganzen auch gut gefahren. Aber ein solcher Weg bedarf des Wissens um die zurückgelegte Strecke, um Voraussetzungen, Erfolge und den Preis des Erreichten. Wenn das vorliegende Buch in dieser Hinsicht etwas mehr Klarheit liefern könnte, hätte es seinen Zweck erfüllt.

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2. Internationale Probleme,

deutsche Antworten

Das Kaiserreich als Wendezeit Es ist leicht zu zeigen, dass die Beschäftigung mit Umweltfragen weit zurückreicht. Schwerer ist zu sagen, wann sie eigentlich begann. Das Wechselspiel mit der natürlichen Umwelt ist seit jeher Teil der Menschheitsgeschichte, und so eröffnen sich bei einer umwelthistorischen Spurensuche vielfältige Bezüge. Verschmutzung, Ressourcenausbeutung, Schutz von Naturobjekten und Landschaften, naturnahes Leben  – der Neologismus »Umwelt« vereint ein buntes Spektrum von Themen mit ganz unterschiedlichen zeitlichen Horizonten. So ist die heutige Umweltdebatte das kumulative Resultat von Traditionen, die sich im Laufe der Zeit wie Sedimente in einem Flussbett überlagerten. Manche dieser Traditionen reichen bis in vormoderne Zeiten zurück. Ein beliebter Referenzpunkt ist zum Beispiel das Buch Sylvicultura oeconomica des sächsischen Oberberghauptmanns Hans Carl von Carlowitz von 1713, das erstmals eine »nach­haltende Nutzung« der Wälder einforderte. Mittelalterliche Städte konzentrierten schmutzige Gewerbe in einzelnen Stadtteilen, was sich manchmal noch in heutigen Straßennamen widerspiegelt. Christen auf der Suche nach einer Schöpfungsethik zitieren gerne den »Sonnengesang« des Franz von Assisi. Aber insgesamt gesehen scheint es sinnvoll zu sein, bei der Spurensuche im späten 19. Jahrhundert einzusetzen. In diesen Jahrzehnten, geprägt von rasanter Industrialisierung, Urbanisierung Internationale Probleme, deutsche Antworten 35

und Technisierung der Lebens- und Arbeitswelt, änderte sich das Verhältnis von Mensch und Natur grundlegend. Die Verschmutzung von Wasser, Boden und Luft entwickelte sich in den wachsenden Großstädten zu einem neuartigen Problem, Epidemien verdeutlichten die Bedeutung der öffentlichen Gesundheitspflege, und unter den Stadtbewohnern zeigte sich eine Sehnsucht nach grüner Natur, die sich von den innerstädtischen Parks bis zum Naturschutz in unterschiedlichen Formen manifestierte. Viele der Fragen, die wir heute ökologisch nennen würden, stellten sich in der Zeit um 1900 neu. Diese Debatten fanden natürlich nicht in einem Vakuum statt. An schroffen Gegensätzen fehlte es der Gesellschaft des Kaiserreichs gewiss nicht. Es gab Konflikte zwischen Arbeitern und Kapitalisten, zwischen alten und neuen Eliten, zwischen Stadt und Land, zwischen Wirtschaftsbürgern und Bildungsbürgern, zwischen Preußen und den übrigen Bundesstaaten und so weiter. So gesehen waren Umweltfragen eine der vielen Herausforderungen, mit denen sich die deutsche Gesellschaft auf dem Weg in die Industriemoderne konfrontiert sah. Die Konflikt­ linien überlappten sich in vielfältiger Weise. Bei jedem Streit über Immissionen ging es stets auch um die soziale Stellung der Kontrahenten, und im Streben nach sauberem Wasser standen die Interessen der Großstädte den Interessen des Umlands gegenüber. Umweltbedingungen waren stets auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden hier und da neue Vereine, die sich der neuen Herausforderungen annahmen. Der bis heute bestehende Schwarzwaldverein wurde beispielsweise schon 1864 gegründet, und 1875 organisierte sich in Halle ein Verein für Vogelkunde, der sich drei Jahre später in Deutscher Verein zum Schutze der Vogelwelt umbenannte. Die Zahl der Initiativen verdichtete sich in den folgenden Jahrzehnten zusehends, und für die ersten Jahre des 20.  Jahrhunderts kann man von vielschichtigen landesweiten Diskussionen sprechen, die einem Vergleich mit bundesdeutschen Debatten bis in die siebziger Jahre hinein durchaus standhalten. Der Wandel natür36 

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licher und städtischer Umwelten brachte eine Vielzahl neuer Gesetze, Verbände und Behörden hervor, und manche dieser Initiativen erwiesen sich als erstaunlich langlebig. Hinter vielen der vermeintlich jungen Akteure der Umweltdebatte, vom NABU bis zum Umweltbundesamt, verbirgt sich ein Erbe des Wilhelmi­ nischen Deutschlands. All das war keine deutsche Besonderheit. In vielen westlichen Ländern markierte das 19. Jahrhundert eine Zeit des Umbruchs: Industrialisierung und Urbanisierung veränderten die Beziehun­ gen von Mensch und Natur, provozierten aber auch Gegenbewegungen. England hatte einen gewissen Vorsprung, weil sich im Mutterland der Industriellen Revolution die einschlägigen Probleme besonders rasch zuspitzten. Vor dem Hintergrund der sanitären Zustände in den englischen Großstädten wurde E ­ dwin Chadwick um die Jahrhundertmitte zum ersten internationalen Star der Stadthygiene. Das von ihm geplante Kanalisationsnetz für ganz London wurde freilich erst nach dem »Great Stink« von 1858 Wirklichkeit, als sich von der verschmutzten Themse aus ein ekelerregender Geruch über die Stadt verbreitete und das in Westminster tagende Parlament in die Flucht schlug.1 Der nordenglische Lake District, dessen ärmliche Landschaft Reisende zuvor eher abgeschreckt hatte, verwandelte sich in einen Sehnsuchtsort der britischen Romantik. 1864 wurde in Kalifornien das Yosemite-Tal unter Schutz gestellt, dem 1872 der Yellowstone-Nationalpark als erster Nationalpark der Welt folgte. Mit dem Royal National Park im australischen Sydney begann 1879 der globale Siegeszug der Nationalparkidee, was James Bryce 1912 zu seiner viel zitierten Bemerkung veranlasste, dies sei »die beste Idee, die Amerika jemals hatte«  – übrigens ein schönes Beispiel für postkolonialen Humor, denn Bryce war damals der britische Botschafter in den Vereinigten Staaten.2 1892 entstand in San Francisco der Sierra Club, der heute einer der wichtigsten amerikanischen Umweltverbände ist, und die 1903 in London gegründete Society for the Preservation of the Wild Fauna of the Empire ist im 21. Jahrhundert als Fauna & Flora International einer der Global Player des Naturschutzes. Nach 1900 zeigten Internationale Probleme, deutsche Antworten 37

sich sogar schon erste Ansätze einer internationalen Vernetzung, so etwa 1913 auf der vom Baseler Zoologen Paul Sarasin initiierten Weltnaturschutzkonferenz in Bern. Schon am Vorabend des Ersten Weltkriegs lässt sich mithin so etwas wie ein transnationaler Konsens erkennen: Die Zugehörigkeit eines Landes zur westlichen Zivilisation dokumentierte sich auch in der Einsicht, dass die Natur gezielter Schutzanstrengungen bedurfte. So sehr sich die Aktivitäten westlicher Länder im Grundsätzlichen ähnelten, so sehr zeigten sie schon bald nationale Eigenheiten. Für das Deutsche Reich fällt vor allem eine ungewöhnlich starke Heterogenität ins Auge. Während Wildnis in den USA zu einem leuchtenden Begriff des Naturschutzes wurde, gab es in Deutschland nie eine allgemein verbindliche Leitvorstellung der zu schützenden Natur. Manche träumten von großen Nationalparks, andere dagegen von kleinen Parzellen und Naturdenkmälern; manchen ging es um unberührte Natur, anderen um spektakuläre Landschaftsbilder, um Kulturlandschaften oder um einzelne Tierarten. Diese Vielfalt der Motive spiegelte sich in einer ziemlich unübersichtlichen Verbandslandschaft. Der 1904 in Dresden gegründete Bund Heimatschutz betrieb den Schutz der Natur zum Beispiel als Teil einer breit angelegten Pflege kultureller Traditionen. Fünf Jahre später entstand mit dem Verein Naturschutzpark hingegen ein Verband, der auf die Einrichtung großer Schutzgebiete drängte, »in denen die Natur im urwüch­ sigen Zustand erhalten werden« sollte. Einen dritten Weg verfolgte die vom preußischen Staat eingerichtete Staatliche Stelle für Naturdenkmalpflege, die sich unter der Leitung des Naturwissenschaftlers Hugo Conwentz auf kleinräumige Schutz­ objekte kaprizierte.3 Manche Initiativen entfalteten im regionalen Rahmen eine enorme Popularität. Das Mitgliederverzeichnis des Isartalvereins, 1902 von dem Architekten Gabriel von Seidl im Künstlerhaus der bayerischen Landeshauptstadt gegründet, las sich nach kurzer Zeit wie das »Who is Who« der Münchener Kulturszene. Auch der vom Bamberger Apotheker Carl Schmolz initiierte Verein zum Schutz und zur Pflege der Alpenpflanzen fand bald 38 

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rege Unterstützung und Anerkennung. Gelegentlich war eine Vereinsgründung allerdings eher Ausgangspunkt einer längeren Identitätssuche, so etwa beim Münsteraner Vogelschutz- und Kanarienzucht-Verein von 1898, der nach vier Namenswechseln seit 1934 als Westfälischer Naturschutzverein firmierte.4 Drei Jahre später kam es zu einer erneuten Umbenennung in Westfälischer Naturwissenschaftlicher Verein, und erst damit waren Name und Mission befriedigend umrissen. Bis heute betreibt der Verein unter diesem Namen »die naturwissenschaftliche Erforschung des westfälischen Gebietes, die Verbreitung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und die Förderung des Naturschutzes«.5 An sich war ein Pluralismus der Verbände keine deutsche Besonderheit. Vor allem die Entstehung separater Vereine für Vogelschutz fügt sich in ein westliches Muster. Der von Lina Hähnle 1899 ins Leben gerufene Bund für Vogelschutz hatte in den USA mit der Audubon Society und in England mit der Royal Society for the Protection of Birds machtvolle Pendants, wobei interessanterweise stets Frauen eine zentrale Rolle spielten. Die mit fast 40 Jahren unschlagbar lang erscheinende Amtszeit der Gründungsvorsitzenden Hähnle wurde von Winifred Duchess of Portland noch übertroffen, die die Royal Society als Präsidentin von 1891 bis zu ihrem Tod 1954 führte. Keine andere Tierart gewann eine derart agile Lobby, und Vogelschützer wurden immer wieder zu Vorkämpfern für andere Naturschützer. Die israelische Umweltbewegung entstand zum Beispiel wesentlich aus dem Kampf um die für Zugvögel wichtige Chulaebene im Norden Galiläas.6 Sonst hatte der Vogelschutz im Mittelmeerraum, wo Fang und Verzehr von Singvögeln eine hartnäckig gepflegte Tradition war, allerdings einen schweren Stand, zumal dieser »Vogelmord« von den Nachbarn nördlich der Alpen gerne mit dem Gestus zivilisatorischer Überlegenheit kritisiert wurde. Dass gebratene Lerchen und Vogelsuppe bis ins 19.  Jahrhundert hinein auch in Deutschland zum Speiseplan gehört hatten, wurde dabei gerne verdrängt.7 Der Vogelschutz war in Deutschland Teil  eines regelrechten Dickichts von Verbänden, das die umweltgeschichtliche ForInternationale Probleme, deutsche Antworten 39

schung bislang nur teilweise zu lichten vermocht hat. Die geographische Vielfalt des deutschen Reichs führte offenbar im Zusammenspiel mit dem Eigensinn der Bundesstaaten zu einer ungewöhnlich starken Zersplitterung. Hinzu kam der urdeutsche Hang zu unproduktiven Gelehrtendebatten, die manchmal in regelrechten Kleinkriegen eskalierten. Die Heimatschutz­ organisationen opponierten zum Beispiel heftig gegen die Bildung ehrenamtlicher Komitees in den preußischen Provinzen, mit denen Conwentz seine Naturdenkmalpflege vorantreiben wollte. Conwentz intrigierte seinerseits gegen die Großschutzgebiete des Vereins Naturschutzpark. Seine Vorliebe für kleinräumigen Schutz wurde wiederum von Hermann Löns in einer berühmt gewordenen Formulierung als »conwentzioneller Naturschutz« geschmäht: »Pritzelkram ist der Naturschutz, so wie wir ihn haben. […] Die Naturverhunzung arbeitet ›en gros‹, der Natur­ schutz ›en detail‹.«8 Schon in den Anfängen tobten damit die internen Konflikte, die zu einem Evergreen des deutschen Natur­ schutzes wurden. Die Vorstellung, dass unterschiedliche Ideen auch einen Reichtum der Bewegung ausmachen konnten, blieb den Streithähnen zumeist fremd. Mit viel Elan und mancherlei Begleitgeräuschen entstand so in den beiden Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg ein institutionelles Netzwerk, das danach bemerkenswert stabil blieb. Mehrere Umweltverbände konnten deshalb in der jüngsten Vergangenheit ihr 100jähriges Bestehen feiern.9 Der Bund Heimatschutz existiert weiterhin als Bund Heimat und Umwelt, während sich aus dem Bund für Vogelschutz der heutige NABU entwickelte.10 Seit mehr als einem Jahrhundert engagiert sich der Verein Naturschutzpark für die Lüneburger Heide; der 1913 gegründete Bund Naturschutz in Bayern ist heute der größte Umweltverband im Freistaat.11 Beim Tierschutz reichen die Traditionen sogar noch weiter zurück. Schon 1837 entstand in Stuttgart der erste deutsche Tierschutzverein, und auch diese Organisation besteht noch heute. 1879 schloss sich ein Teil der Vereine im Verband der Thierschutz-Vereine des Deutschen Reichs zusammen, 1913 waren 222 der 413 deutschen Tierschutzvereine korporatives Mit40 

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glied.12 Auch die Tierschutzbewegung wuchs im Kaiserreich, veränderte sich jedoch in wenig erbaulicher Weise. Sie bot ein Vehikel für die Kritik am jüdischen Schächten, und damit wurde der Tierschutz zunehmend Teil der antisemitischen Bewegung – übrigens in auffallendem Kontrast zu England, wo 1824 der erste Tierschutzverein der Welt gegründet worden war.13 Besonders drastisch zeigt sich diese deutsche Entwicklung in der Person Paul Försters, der nicht nur Begründer des Weltbunds zum Schutz der Tiere war, sondern auch für die Deutschsoziale Reformpartei im Reichstag saß  – jene anti­semitische Partei, die 1902 in einer berüchtigten Parteitagsresolution die Hoffnung ausdrückte, dass »die Judenfrage im Laufe des 20. Jahrhunderts […] durch die völlige Absonderung und (wenn die Notwehr es gebietet) schließliche Vernichtung des Judenvolkes gelöst werden« möge.14 Unter den Bestrebungen der Naturschützer gab es bei allen Meinungsverschiedenheiten aber immerhin einen Konsens: Der Schutz der Natur beruhte auf einem Schutz der Fläche. Was aus der Sicht des 21.  Jahrhunderts nicht weiter bemerkenswert erscheint, war um 1900 noch keineswegs ausgemacht, ja vielleicht sogar die wichtigste Innovation, die den Naturschutz der Jahrhundertwende von vorigen Traditionen unterschied. An Wertschätzung für die Natur hatte es dem 19. Jahrhundert eigentlich nicht gemangelt, aber sehr wohl an der Vorstellung, dass es dabei um Eigentumsrechte und staatlich protegierte Gebiete ging. So kümmerten sich die zahlreichen Verschönerungsvereine dieser Epoche vor allem um die ästhetisch ansprechende Gestaltung von Natur. Sie planten und bauten Wege, Grünanlagen und Brunnen, Denkmäler und Aussichtstürme, stets getragen von der Absicht, die natürlichen Gegebenheiten für Einheimische und Touristen aufzuhübschen. Es war überaus charakteristisch, dass der 1869 gegründete Verschönerungsverein für das Siebengebirge zunächst den Konflikt mit Steinbruchbetreibern vermied und sich stattdessen ganz auf die touristische Erschließung des Gebirges konzentrierte. Erst als sich 1886 ein neuer Verein zur Rettung des Siebengebirges formierte, der aggressiv auf ein Verbot der landschaftszerstörenden Steinbrüche drängte, Internationale Probleme, deutsche Antworten 41

begann sich der Verschönerungsverein für den Flächenschutz zu interessieren. Bis 1914 gelang es dem Verein, rund 800 Hektar Land aufzukaufen und so den Abbau von Steinen zu unterbinden. 1922 wurde das Siebengebirge schließlich von der preußischen Staatsregierung zum Naturschutzgebiet erklärt.15 Der Trend zu einem staatlich garantierten Schutz ausgewählter Flächen war in allen westlichen Ländern zu erkennen, und das lässt schon erahnen, dass es bei diesem Wandel weniger um neue Naturideale als um ein neues Verständnis der Staatsgewalt ging. Die Territorialstaaten der frühen Neuzeit waren nämlich weitaus weniger homogen, als es die farbigen Flächen in unseren Geschichtsatlanten suggerieren. Am Hof und in Jagdrevieren zeigten die Fürsten ihre Macht, während die Staatsgewalt in entlegenen Teilen ihres Herrschaftsgebiets eine eher symbolisch Präsenz zeigte. Das änderte sich in der zweiten Hälfte des 19.  Jahrhunderts. Die Eisenbahn revolutionierte den Landverkehr, Telegrafennetze erlaubten eine Verständigung in Windeseile, und so waren Regierungen erstmals in der Lage, alle Teile ihres Territoriums einer einheitlichen Kontrolle zu unterwerfen. Der Historiker Charles Maier spricht von einem neuen »Zeit­a lter der Territorialität«.16 Mit diesem Wandel von Staatlichkeit verbanden sich neue Möglichkeiten für den Naturschutz. Nun konnte ein Schutz einzelner Flächen glaubhaft verkündet und durchgesetzt werden: Das Naturschutzgebiet war geboren. Bei den ersten Ausweisungen solcher Schutzgebiete ist zu erkennen, dass sich die Menschen erst noch an die Vorstellung territorialer Macht gewöhnen mussten. Als die Abgeordneten des amerikanischen Kongresses 1872 die Einrichtung des Yellowstone-Nationalparks beschlossen, hatten sie nur eine ganz vage Vorstellung von dem in Rede stehenden Land – was in diesem Fall vielleicht auch gar kein Nachteil war: Der amerikanische Umwelthistoriker Alfred Runte hat die Vermutung geäußert, dass von den Abgeordneten womöglich eher ein Flickwerk von einzelnen Schutzobjekten als ein großes Schutzgebiet geschaffen worden wäre, wenn sie mehr über die Gegend gewusst hätten.17 42 

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Der Naturschutz, wie er um 1900 weltweit entstand, war deshalb ohne ein Bündnis mit staatlichen Autoritäten nicht zu denken. Und doch wirkt es, als sei dieses Bündnis im deutschen Fall besonders ausgeprägt gewesen: In kaum einem anderen Land reagierten staatliche Verwaltungen so rasch und entschlossen wie in Deutschland. Das zeigt vor allem der Vergleich mit den USA und Großbritannien, jenen Ländern, die vor 1914 zusammen mit Deutschland die wohl populärsten Naturschutzbewegungen besaßen. Mehr als ein halbes Jahrhundert brauchten die Vereinigten Staaten von den ersten Schutzverordnungen für das Yosemite-Tal bis zur Schaffung einer eigenen Bundesbehörde im Jahre 1916. Erst seit dieser Zeit gab es mit dem National Park­ Service einen institutionellen Garanten des Schutzes und professionellen Managements.18 Das britische Parlament beschränkte sich darauf, die Arbeit des 1894 gegründeten National Trust for Places of Historic Interest or Natural Beauty zu unterstützen, indem es dessen Erwerbungen 1907 per Gesetz für unveräußerbar erklärte. In seinen Kolonien ging Großbritannien weiter, aber auf den britischen Inseln hielt sich die Staatsverwaltung auf­ fallend zurück, bis das Unterhaus 1949 den National Parks and Access to the Countryside Act verabschiedete. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Naturschutz also zu einer Kernaufgabe der britischen Innenpolitik, dann allerdings mit Schwung: Nach wenigen Jahren standen fast zehn Prozent der Landes­fläche unter Schutz.19 In Deutschland hatte die Welle der Vereinsgründungen hingegen kaum begonnen, da suchten die Staatsverwaltungen auch schon emsig nach Wegen, das neue Thema in ihren Orbit zu ziehen. Das Großherzogtum Hessen-Darmstadt berücksichtigte in seinem Denkmalschutzgesetz von 1902 bereits den Schutz von Naturdenkmälern und ihrer Umgebung, während der preußische Landtag im gleichen Jahr ein erstes Gesetz gegen die Verunstaltung landschaftlich hervorragender Gegenden verabschiedete. Im Oktober 1905 trat in München erstmals der Landesausschuß für Naturpflege in Bayern zusammen, der auf Betreiben des Innenministeriums ein breites Spektrum von VerInternationale Probleme, deutsche Antworten 43

bänden vom Isartalverein über den Deutsch-Österreichischen Alpenverein bis zum Bayerischen Verein für Volkskunst und Volkskunde versammelte. Einen ähnlichen Weg verfolgte Württemberg seit 1908 mit seinem Landesausschuß für Natur- und Heimatschutz, der hurtig an die Rekrutierung von Bezirks­ obmännern in den 64 Oberämtern des Königreiches ging.20 Während die süddeutschen Bundesstaaten so eine Vorliebe für neue Körperschaften zeigten, in denen Staat und Zivil­ gesellschaft zur gemeinsamen Arbeit zusammenfanden, favorisierte Preußen eine engere Anbindung an die etablierten Strukturen der Verwaltung. 1906 schuf das Königreich Preußen die Staatliche Stelle für Naturdenkmalpflege, die als Organ der Beratung und wissenschaftlichen Forschung unmittelbar dem preußischen Kultusminister unterstellt war. Es waren vor allem diese Staatliche Stelle und ihr Leiter Hugo Conwentz, die über Deutschlands Grenzen hinaus das Gesicht des amtlichen Naturschutzes prägten, und das daraus erwachsende System von Provinzial- und Bezirkskomitees machte international durchaus Eindruck. 1922 titulierte ein sowjetischer Naturwissenschaftler den Leiter der preußischen Naturschutzstelle gar als »Apostel der humanen Naturschutzbewegung«.21 Ein paar Jahre später konstatierte eine niederländische Studie, nirgendwo in Europa gäbe es ein ähnlich dichtes Netz des staatlichen Naturschutzes wie in Deutschland.22 Es ist müßig zu diskutieren, ob sich hier eine bemerkenswerte Aufgeschlossenheit der preußisch-deutschen Verwaltung dokumentierte oder doch eher das Bestreben, die noch junge Bewegung zu domestizieren. Tatsächlich gingen beide Motive Hand in Hand. Gerade jene, die sich verwaltungsintern für den Naturschutz einsetzten, warnten zugleich im Stile des administra­tiven Paternalismus vor »Übertreibungen«, als handelte es sich bei den Naturschützern um gutmütige Kinder, die nur leider gelegentlich etwas über die Stränge schlugen. Die Naturschutzstellen blieben deshalb strikt auf eine Beratungsfunktion beschränkt. Entscheidungen und Vollzug verblieben in den Händen einer Staatsverwaltung, die im Zweifelsfall eher die wirtschaftlichen 44 

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Die Laufenburger Stromschnellen am Rhein zwischen Bodensee und Basel vor ihrer Zerstörung durch ein Flusskraftwerk. (Staatsarchiv Basel-Stadt)

und politischen Notwendigkeiten im Blick hatte. Das musste etwa der Bund Heimatschutz schmerzlich erfahren, als er gleich nach seiner Gründung mit großem Aufwand für den Erhalt der Laufenburger Stromschnellen kämpfte, eine Engstelle am Hochrhein zwischen Bodensee und Basel, die von einem Kraftwerksprojekt bedroht wurde. Das badische Innenministerium blieb von den Unterschriftenlisten des Verbands, die auch prominente Namen wie Friedrich Naumann, Werner Sombart und Max Weber umfassten, vollkommen unbeeindruckt und erteilte die erforderlichen Genehmigungen. Das einzig erkennbare Zugeständnis bestand im Auftrag an den Landschaftsmaler Gustav Schönleber, die Stromschnellen vor ihrer Zerstörung in Öl zu verewigen. Das Bild hängt seither in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe.23 So lief das Bündnis mit dem Staat für die Naturschützer auf eine seltsame Mischung aus Machtlosigkeit und Freiheit hinaus: Sie konnten nichts entscheiden, aber alles kritisieren. Es ist schon verblüffend, welche Freiräume der preußisch-deutsche ObrigInternationale Probleme, deutsche Antworten 45

keitsstaat den Naturschützern einräumte. Die einzige feste Aufgabe der Staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege in Preußen bestand zum Beispiel darin, alljährlich einen Tätigkeitsbericht zu schreiben. Auch Mitglieder und Geschäftsführer der Provinzialkomitees waren keinen Weisungen unterworfen. In Baden wurde die Naturschutzarbeit sogar komplett an den Badischen Landesverein für Naturkunde delegiert, Sachsen beauftragte den Landesverein Sächsischer Heimatschutz, der dafür 1912 eine Unterstützung von 37 000 Mark kassierte.24 In Bayern firmierte die Staatlich autorisierte Kommission für Vogelschutz zugleich als Landesverband für Vogelschutz in Bayern, und diese Kombination blieb über Jahrzehnte stabil.25 So entstand ein Hybrid aus staatlichem und zivilgesellschaftlichem Naturschutz, das es in dieser Form in keinem anderen europäischen Land gab. Die Grenze zwischen Verbänden und Verwaltungen wurde zunehmend unscharf, und die deutsche Naturschutzbewegung verfügte bald über institutionelle und gesetzliche Möglichkeiten, von denen Aktive in Nachbarländern kaum zu träumen wagten. Naturschutz erschöpfte sich auch keineswegs nur in jener bornierten Arbeit »en détail«, die Hermann Löns so wortgewaltig kritisierte. 1907 stellte sich zum Beispiel eine breite Allianz von Verbänden gegen Pläne der preußischen Staatsverwaltung zur Bebauung des Berliner Grunewalds und setzte sich damit auch durch  – und das, obwohl das Land dadurch enorm an Wert verlor und die Krone als Eigentümer des Waldgebiets am Ende einen Verlust von mehr als 100 Millionen Reichsmark verbuchen musste.26 Die Allianz hatte freilich auch ihren Preis. Die Nähe zum Staat prägte zunehmend Denken und Handeln, Verbote und Strafen wurden zum Mittel der Wahl, und der Naturschutz wirkte bald ziemlich autoritär. Walther Schoenichen, seit 1922 Leiter der preußischen Naturschutzstelle, klagte in einem Aufsatz ganz offen über Briefe von Bürgern, die »eine gewisse oberflächliche und laienhafte Auffassung des Begriffes Naturschutz« erkennen ließen.27 Der Berliner Vogelschutztag richtete gar eine »Kommission zur Lösung der Katzenfrage« ein, die »bis Früh46 

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jahr 1911 bestimmte Vorschläge zu machen« hatte.28 Das klang immerhin noch etwas gesitteter als die martialischen Parolen, die der Nestor des deutschen Vogelschutzes Hans Freiherr von Berlepsch in seinem Standardwerk Der gesamte Vogelschutz ausgab: »gegen alle ausserhalb der Gebäude herumlungernden Katzen der schonungsloseste Vernichtungskrieg!«29 Nur wenige sahen die Staatsnähe des deutschen Naturschutzes so kritisch wie der Vogelkundler Leo von Boxberger, der in den zwanziger Jahren wiederholt vor der »Verordnungsfreudigkeit neudeutscher Prägung« warnte. Ein Naturschutz, der vor allem auf die Sanktionsgewalt des Staates setze, arte »bei uns nur zu leicht in kleinliche Schikane und in Polizeiwillkür aus, Untugenden, zu denen der Träger staatlicher Machtbefugnisse in Deutschland um so stärker hinneigt, je kleiner er ist«.30 Manchmal erfuhren Naturschützer die Tücken eines behördlichen Rigorismus auch persönlich. Die Kommission für Vogelschutz in Bayern forderte zum Beispiel einen energischen Vollzug der Gesetze, verteilte eine Broschüre an die Gendarmerie und lobte gar Prämien für erfolgreiche Anzeigen aus.31 Aber im Dezember 1910 wandte sich der Vorsitzende Hermann von Gebsattel, aus fränkischem Uradel stammend, mit einem ganz privaten Anliegen an den Magistrat seiner Heimatstadt Bamberg. Auf seinem Anwesen vermehrten sich die Amseln und vertrieben die Singvögel, und deshalb beantragte Gebsattel die Genehmigung zum Abschuss. Selbstzweifel kannte der Freiherr, ein Generalmajor a.D., natürlich nicht: »Als Vorsitzender der staatlich autorisierten Vogelschutzkommission bin ich wohl über dem Verdacht erhaben, dass ich von der erbetenen Erlaubnis irgendwie Missbrauch mache.«32 Die Staatsnähe des deutschen Naturschutzes war eine erhebliche Bürde für die Verständigung mit anderen gesellschaftlichen Gruppen. Im internationalen Vergleich fallen vor allem die großen Vorbehalte der deutschen Naturschützer gegenüber Erholungssuchenden ins Auge. In Frankreich gehörten mit dem Touring Club de France und dem Club Alpin Français zwei de­zidiert touristisch ausgerichtete Verbände zum Netzwerk Internationale Probleme, deutsche Antworten 47

des Naturschutzes.33 Amerikanische Naturschützer warben mit freundlicher Unterstützung der Eisenbahngesellschaften für den Besuch der Nationalparks. Um den Geschmack der europäisch orientierten Klientel zu treffen, baute man Chalets im schweizerischen Stil und steckte gar die Bedienungen in pseudo-­ alpine Dirndl.34 Deutsche Naturschützer sprachen hingegen lieber über die negativen Seiten des Tourismus. Die Fremdheit des preußisch-deutschen Staates gegenüber seiner Gesellschaft paarte sich hier mit der bildungsbürgerlichen Abneigung gegenüber den Massen. Gerne lamentierten Natur- und Heimatschützer über die »Verrummelung« der Natur, und bei un­ ästhe­tischen Reklametafeln eskalierte die Tonlage bis hin zum blanken Hass. Allenfalls das einsame Wandern in freier Natur fand vor ihren Augen Gnade. Alles andere war unziemliches »Hordenwandern«.35 Die Folgen der Staatsnähe zeigten sich auch im Umgang mit Grundbesitzern, mit denen sich Naturschützer im dicht besiedelten Deutschland unvermeidlich zu arrangieren hatten. Eine Option bestand im Aufkauf schutzwürdiger Flächen. Dazu wurden etwa beim Siebengebirge und bei der Lüneburger Heide millionenschwere Lotterien aufgelegt.36 Das war jedoch ein mühseliges und zeitraubendes Verfahren, bei dem man zudem ganz vom Wohlwollen der Eigentümer abhing. Und so fragten sich die Naturschützer, ob das Bündnis mit dem Staat hier nicht auch andere Möglichkeiten eröffnete. Konnte man die Grundbesitzer nicht einfach enteignen, am besten ohne finanzielle Entschädigung? War es nicht eigentlich so, dass »der Staat – als Vertreter der Interessen der Allgemeinheit im Dienste der Kultur  – niemand Unrecht tut, wenn er einen Einzelnen daran hindert, allen jetzt und künftig Lebenden ein unersetzliches Gut wegzunehmen«? Schließlich würde man doch auch anständige Bürger nicht dafür bezahlen, dass sie sich an die Gesetze halten. Mit dieser Argumentation wandten sich jedenfalls einige prominente Heimatschützer kurz vor dem Ersten Weltkrieg an die deutschen Regierungen und forderten, per Gesetz die Möglichkeit entschädigungsloser Enteignung im Interesse des Naturschut48 

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zes zu schaffen. Allerdings dokumentierte die Petition zugleich das Bewusstsein, dass der Naturschutz hier eine sensible Grenze überschritt: Die Eingabe war von der Verwaltung unbedingt »vertraulich« zu behandeln.37 Die Autoren der Petition ahnten offenbar, dass eine Aufhebung von Eigentumsrechten Grundprinzipien der liberalen Demokratie berührte. Der Vorstoß versandete folgenlos. An Themen mangelte es dem frühen Naturschutz jedenfalls nicht. Er kümmerte sich um bedrohte Pflanzen und Kraftwerksprojekte, Talsperren und Aussichtstürme, um pittoreske Felsen und die Federmode, während Heimatschützer noch weitere Themen von traditionellen Baustilen bis zur Trachtenmode im Blick behielten. Umso deutlicher fällt die Zurückhaltung im Umgang mit den Verschmutzungsproblemen des industriellen Zeitalters ins Auge. Dass Fabriken und Großstädte die Luft verpesteten und Flüsse mit Abwässern verdreckten, kümmerte Natur- und Heimatschützer erstaunlich wenig. Dabei waren die Probleme unverkennbar: In den urbanen Ballungsräumen des Kaiserreichs konnte man die neue Zeit buchstäblich sehen, hören, riechen und schmecken. Der SPD -Politiker Philipp Scheidemann spottete etwa 1904 im Reichstag, die Wupper sei »unterhalb Solingens tatsächlich so schwarz von Schmutz, daß, wenn sie einen Nationalliberalen darin untertauchen, Sie ihn als Zentrumsmann wieder herausziehen können«.38 Im preußischen Landtag präsentierte ein Abgeordneter aus dem Rheingau eine revidierte Fassung von Heines Gedicht von der Loreley. Die zeitgemäße Fassung, so der fraktionslose Abgeordnete Georg von Kloeden, müsse wie folgt lauten: Ich sitz’ auf meinem Felsen Verräuchert und verdreckt Und halte unterm Staubtuch Mein goldenes Haar versteckt. Schon nimmt am Strom kein Ende Das Stöhnen und Gepfauch Der Dampfer und Eisenbahnen Ihr Lärm, ihr Stank und Rauch. Internationale Probleme, deutsche Antworten 49

Da nun die Autofexe Auch noch verstänkern den Rhein, So stelle ich bis auf weiteres Mein Kämmen und Singen ein.39

Aber solche Klagen führten nicht zu einer lebhaften Verbandsarbeit und schon gar nicht zur Formierung besonderer Vereine, eine Situation, die als dritte Besonderheit der deutschen Umweltbewegungen des Kaiserreichs zu vermerken ist. Die regen Aktivi­täten des Natur- und Heimatschutzes standen in auffallendem Kontrast zur zivilgesellschaftlichen Apathie angesichts der Verschmutzung von Wasser und Luft. Wiederum lohnt der Blick auf andere Länder, um die deutschen Eigenheiten zu erkennen. In Großbritannien gab es zum Beispiel mehrere einschlägige Verbände. 1876 entstand die Manchester and Salford Noxious Vapours Abatement Association, seit 1898 bemühte sich eine Coal Smoke Abatement Society um die Bekämpfung des Londoner Smogs, während der Rest des Landes seit 1909 in die Zuständigkeit der Smoke Abatement League of Great Britain fiel. Das waren einflussreiche und finanz­k räftige Verbände, die zeitweise sogar eigene Inspektoren beschäftigten und Behörden und Verschmutzer unter Druck setzten. Nach dem Sieg über den Londoner Smog wurde aus der Coal Smoke Abatement Society die National Society for Clean Air.40 Auch in den USA waren bürgerliche Reformvereine für den Kampf gegen Rauch und Ruß unverzichtbar, wobei Frauen übrigens eine wesentliche Rolle spielten. Auf dem Kontinent waren solche Verbände zwar seltener, aber es gab immerhin Organisationen wie etwa die Österreichische Gesellschaft zur Bekämpfung der Rauch- und Staubplage, die seit 1906 ein eigenes Mitteilungsblatt verlegte. Im Deutschen Reich fehlte hingegen ein vergleichbarer Verband. Dabei war der Unmut über Rauch und Staub auch in Deutschland groß. Unter den Frauen eines Frankfurter Stadtviertels kursierte zeitweise sogar der Vorschlag, »dass das gesamte Stadtviertel einen Demonstrationszug zum Magistrat unternehmen soll, um dem Magistrat die Putztücher zu zeigen«; aber zu einer 50 

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solchen Aktion kam es weder in Frankfurt noch andernorts.41 Auch städtische Reformvereine interessierten sich für das Thema nur sporadisch. Und wenn sich Land- und Forstwirte lautstark über Vegetationsschäden durch saure Gase beklagten, schielten sie dabei zumeist nur auf eine möglichst üppige Entschädigung. Der Grund lag vor allem in der Haltung der Behörden, die im Umgang mit Verschmutzungsproblemen ganz anders agierten als beim Natur- und Heimatschutz. Hier ging es nicht um ein paar seltene Pflänzchen, sondern um die öffentliche Ordnung und die Abwehr gesundheitlicher Gefahren und daher um einen Kernbereich der Polizeigewalt. Da gab es für deutsche Verwaltungen seit jeher eine klare Maxime: Wo Gesundheitsgefahren oder unzumutbare Zustände herrschten, war Abhilfe zu schaffen  – und damit hatte sich die Sache. Auf öffentliche Diskussionen über das behördliche Vorgehen reagierten die Beamten ausgesprochen allergisch, und das galt gleichermaßen für Betroffene und Verursacher. Selbst im Verein zur Beförderung des Gewerbfleißes wurde Kritik an den Behörden allenfalls in homöopathischen Dosen toleriert. Als dort 1899 über den Vollzug einschlägiger Bestimmungen durch technische Laien gemäkelt wurde, erklärte ein Berliner Gewerbeinspektor schroff: »Gegen die Art und Weise, wie über die Ausführung der Rauchverordnungen durch die Polizei geurtheilt worden ist, muß ich mich verwahren.«42 Wenn es um den Nimbus der staatlichen Autorität ging, waren die Beamten stets aufmerksam. Im Umgang mit den realen Problemen sah die Sache weniger günstig aus. Es fehlte nicht nur an einer systematischen Kontrolle, sondern schon an klaren Vorgaben. Wie erkannte man zum Beispiel die »unzumutbaren Zustände«, bei denen man nach gängiger Ansicht einschreiten musste? Da es für die meisten Probleme weder Grenzwerte noch Analysemethoden gab, lief die behördliche Arbeit häufig auf ein ziemlich hemdsärmeliges Vorgehen hinaus. Manchmal reagierten sie entschlossen bis hin zur Schließung von Betrieben, vor allem dann, wenn Unternehmer den gebotenen Respekt vor der Staatsgewalt vermissen ließen. Häufiger jedoch handelten Internationale Probleme, deutsche Antworten 51

sie ohne genuines Interesse, bekämpften das, was mit ein­fachen Mitteln zu vermeiden war, und erklärten alle übrigen Belastungen für »zumutbar« und »ortsüblich«. Die Lethargie der Behörden wird etwas besser verständlich, wenn man sich vor Augen führt, dass Beschwerden nicht zwangsläufig von einem selbstlosen Einsatz für die saubere Umwelt kündeten. Häufig waren solche Klagen Teil eines Streits unter Nachbarn, in den sich Beamte nicht hineinziehen lassen wollten. Wenn ein expandierender Industriebetrieb den Kauf benachbarter Flächen anstrebte, konnte ein Grundbesitzer versuchen, mit einer Anzeige den Preis in die Höhe zu treiben. Meist brauchte es einige Zeit, um in einem Konflikt um Immissionen wirklich durchzublicken, und diese Zeit hatten die wenigsten Beamten. In aller Regel kümmerten sich Kreisärzte, Baubeamte oder Gewerbeinspektoren um die einschlägigen Beschwerden, und diese hatten noch eine Vielzahl weiterer Aufgaben. So war es für die meisten Verwaltungen naheliegend, sich mit gelegentlichem Aktionismus und vielen faulen Kompromissen irgendwie durchzulavieren, und das hatte zumindest den Effekt, einen erheblichen Teil des öffentlichen Unmuts zu kanalisieren.43 Es wäre deshalb verfehlt, den Behörden generelle Untätigkeit vorzuwerfen, so wie es in der frühen umwelthistorischen Forschung üblich war. Zu weit klafft das Spektrum der Einzelfälle auseinander. Bei Rauch und Ruß waren die Behörden zumeist recht aufmerksam und verordneten bessere Kohlen oder höhere Schornsteine, die zumindest die unmittelbare Nachbarschaft verschonten.44 In anderen Fällen liefen Maßnahmen auf die Verlagerung des Problems hinaus. Die Nebenproduktgewinnung bei Kokereien verminderte die Luftverschmutzung im Ruhr­gebiet erheblich, belastete jedoch das Abwasser und führte zu heftigen Klagen der Rheinfischer über »Phenolfische«.45 Und dann gab es die hoffnungslosen Fälle wie etwa den Duisburger Walter Hoever, der im Abwind der Duisburger Kupferhütte das Gartenrestaurant »Zur Schönen Aussicht« unterhielt.46 Das Kernproblem war, dass das Wirken der Behörden in sozialer und politischer Beziehung sehr viel erfolgreicher war als in ökolo­ 52 

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gischer. Mit Blick auf das Gesamtproblem kamen die Behörden nie auch nur in die Nähe einer Lösung, aber sie schafften es, dem Protest die Spitze zu nehmen. Zu den Strukturproblemen des deutschen Immissionsschutzes gehörte auch das schwierige Verhältnis von Verwaltungs­juristen und Ingenieuren. Hier prallten nicht nur unterschiedliche Denkweisen aufeinander, sondern auch diametrale Interessen auf dem Arbeitsmarkt. Da für die allgemeine Verwaltung das Juristenmonopol galt, standen den Technikern im Staatsapparat nur untergeordnete Stellen offen, und dagegen protestierten die Professionsverbände der Ingenieure ebenso hartnäckig wie erfolglos. Das war wichtig, weil für die Bekämpfung von Verschmutzungsproblemen in wachsendem Umfang Expertenwissen und technische Lösungen benötigt wurden. Theoretisch wäre die erstarkende Gruppe der deutschen Ingenieure ein ideales Komplement zum starken Staat gewesen, aber praktisch sprach von einer solchen Verbindung zunächst niemand. Die Arbeit der Experten war »nicht dazu da, die Klinke der Gesetzgebung in Bewegung zu setzen«, lautete das Credo der Techniker.47 Die Vorstellung, dass dem technischen Fortschritt nur durch polizeiliche Ver­ ordnungen zum Durchbruch verholfen werden konnte, war für die stolzen Ingenieure des Kaiserreichs geradezu unerträglich. Der Aufstieg der Bakteriologie ließ die Situation noch einmal undurchsichtiger werden. Die vormals herrschende Miasmen­ theorie hatte noch einen breiten Blick auf unhygienische Zustände aller Art propagiert, der durch die zunehmende Fixierung auf die mikroskopisch kleinen Krankheitserreger mehr und mehr aus der Mode kam. Rauch, Staub und Gestank galten seither nach medizinischen Kriterien eher als Belästigungen denn als echte Gesundheitsgefahren, das Gleiche galt für die Abwässer der chemischen Industrie. Stattdessen richtete sich der Blick auf die Versorgung mit sauberem Wasser und die sichere Abfuhr der Fäkalien, und in solche Versorgungsnetzwerke investierten die Großstadtverwaltungen des Kaiserreichs erkleckliche Summen. München bezog sein Trinkwasser seit 1883 aus dem Mangfalltal, Frankfurt zapfte den Vogelsberg an, und auch Internationale Probleme, deutsche Antworten 53

Die Großstädte des späten 19.  Jahrhunderts waren stolz auf ihre Investitionen in die Stadthygiene. Dieser Stich aus den 1870er Jahren zeigt eine Gruppe von Honoratioren, darunter der preußische Kronprinz, auf einer Sielfahrt durch die Kana­lisation von Hamburg.

Hamburg investierte früh in ein unterirdisches Versorgungsnetz. Allerdings zögerte die Stadt fatalerweise beim Bau eines Sandfilters, der die verheerende Choleraepidemie von 1892 mit ihren rund 10 000 Toten wohl verhindert hätte.48 Die Großstadtverwaltungen liefen vor allem dort zu großer Form auf, wo Probleme durch die Gründung städtischer Betriebe gelöst werden konnten. So entstand im späten 19.  Jahrhundert ein breites Spektrum kommunaler Unternehmen: Wasserwerke, Schlachthöfe, Müllabfuhren, Gas- und Elektrizitätswerke, auch Gartenämter, die sich um die städtischen Parkanlagen kümmerten. Diese Betriebe wurden für die Kommunen so wichtig, dass die Zeitgenossen von »Munizipalsozialismus« sprachen, und nur ein paar dogmatische Liberale fanden diese Art von Sozialis­ mus anstößig. Der Ruf dieser leistungsfähigen und relativ kor­ ruptions­armen kommunalen Körperschaften reichte bald weit über die deutschen Grenzen hinaus. In Scharen pilgerten ame­ 54 

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ri­ka­nische Stadtreformer nach Deutschland, um mit feuchten Augen eine Kläranlage zu betrachten.49 Die Reinigung von Abwässern war freilich noch längst keine Selbstverständlichkeit. Noch um 1960 ging mehr als die Hälfte des von Haushalten und Industrie erzeugten Schmutzwassers ohne jede Klärung in die Flüsse. Daraus entwickelten sich zahlreiche Konflikte, in denen die Frontstellungen vor allem davon abhingen, wer welche Position am Wasserlauf besaß. Ein Konflikt zwischen dem Besitzer einer Wassermühle und einer Zuckerfabrik in der Nähe von Braunschweig inspirierte W ­ ilhelm Raabe sogar zum ersten Umweltroman der deutschen Geschichte. Pfisters Mühle war nach seinem Erscheinen 1884 allerdings kein großer Erfolg beschieden und ist auch heute noch eine eher dröge Lektüre, und damit entsprach das Werk in gewisser Weise seinem Gegenstand. In den Konflikten um dreckiges Wasser standen Staatsverwaltung und Großstädte dem Eigengewicht einer Kombination aus natürlichen Gegebenheiten und industriegesellschaftlichen Notwendigkeiten gegenüber, und in aller Regel behielten Letztere die Oberhand. In Pfisters Mühle endet der Konflikt mit der Verurteilung der verschmutzenden Fabrik, was sich jedoch als Pyrrhussieg erweist. Die Mühle wird ab­ gerissen, dem Müller bricht es das Herz, und seine Nachkommen ziehen in die Stadt.50 Auch sonst hatte die Macht der Großstadtverwaltungen ihre Grenzen. Bei Problemen wie Lärm und Luftverschmutzung, bei denen mit der Schaffung städtischer Körperschaften wenig zu erreichen war, agierten sie zumeist hilflos. Auch die Stadt­ planung fasste erst im 20. Jahrhundert richtig Tritt. Insgesamt ist es aber zweifellos beeindruckend, wie bereitwillig die Großstadtverwaltungen des Kaiserreichs in die urbane Infrastruktur investierten, und hier lag Deutschland auch ganz im europäischen Trend. Von Paris bis Budapest war eine regelrechte Konkurrenz um die neuesten und besten urbanen Innovationen zu spüren. Bis heute profitieren die Großstädte Mitteleuropas von diesem Erbe: Stadtparks, Verkehrswege, zuverlässige Entsorgung von Abfällen – es sind nicht zuletzt die Errungenschaften der JahrInternationale Probleme, deutsche Antworten 55

hundertwende, auf denen Lebensqualität und Attraktivität der europäischen Metropolen beruhen. Dass solche Infrastrukturen nicht selbstverständlich sind, merken Europäer oft erst in ame­ rikanischen Großstädten, von den Megastädten des Globalen Südens einmal ganz zu schweigen.51 Die kommunale Daseinsvorsorge erforderte nicht nur große Investitionen, sondern auch die Klärung vieler technischer Einzelfragen. Was war zum Beispiel der beste Weg im Umgang mit menschlichen Fäkalien: Sollte man sie in Senkgruben lagern und abtransportieren oder einfach mit den übrigen Abwässern der Stadt fortschwemmen? Als Diskussionsforen für solche Themen entstanden 1869 der Niederrheinische Verein für öffentliche Gesundheitspflege und vier Jahre später der Deutsche Verein für öffentliche Gesundheitspflege, die einen vierten Charakterzug der Umweltdebatte des Kaiserreichs beleuchten: die frühe Institutionalisierung wissenschaftlicher Expertise. In einer Zeit, in der die deutsche Wissenschaft Weltgeltung besaß, war dies ein durchaus naheliegender Trend, und so mangelt es nicht an Pionierleistungen. An der Sächsischen Forstakademie in Tharandt bewies Julius Adolph Stöckhardt um 1850 die Schädlichkeit des Schwefeldioxids für Pflanzen und begründete damit eine international beachtete Tradition der Rauchschadens­forschung.52 1910 erschien unter dem hübschen Titel Rauch und Staub die erste Fachzeitschrift zu Fragen der Luftverschmutzung. Der Arm der deutschen Wissenschaft reichte weit. Selbst bei der Schaffung der Staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege hatte der preußische Wissenschaftspapst Friedrich Althoff seine Finger im Spiel. So war es durchaus folgerichtig, dass der deutsche Naturschutz von Anfang an einen starken naturwissenschaftlichen Einschlag besaß. Gewiss waren Naturwissenschaftler in Deutschland nie so dominant wie in Russland, wo die als Schutzgebiete geschaffenen »Zapovedniki« zugleich naturkundliches Studienobjekt waren. Für eine starke Fraktion im vielstimmigen Chor des Naturschutzes langte es jedoch allemal. In langen Listen dokumentierte sich der Fleiß der Forscher, und es ist charakteristisch, dass gleich auf der ersten Konferenz für Naturdenkmalpflege 56 

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in Preußen 1908 »Inventare« auf der Tagesordnung standen (nicht ohne den tadelnden Hinweis, bisherige Veröffentlichungen entsprächen »nicht den vom Minister gegebenen Grundsätzen der Naturdenkmalpflege«).53 Manchmal spiegelte sich die Verbindung auch in institutionellen Affinitäten wider. Der Naturschutzbeauftragte für die Provinz Westfalen hatte beispielsweise seinen Sitz im Münsteraner Naturkundemuseum, und in Baden fungierten die Landessammlungen für Naturkunde in Karlsruhe zugleich als Landesnaturschutzstelle. Von Anfang an war die Verwissenschaftlichung des Naturschutzes jedoch ein ambivalenter Trend: Einerseits sicherte sie ein hohes fachliches Niveau, aber zugleich erschwerte sie die Verständigung des Naturschutzes mit dem Rest der Gesellschaft. Die Sprachprobleme heutiger Ökologen, die sich detailliert über die besonderen Merkmale weithin unbekannter Arten verbreiten können, stehen mithin in einer langen Tradition. Nicht immer war die Verwissenschaftlichung das Resultat einer gezielten Politik. Dass der preußische Staat seit 1901 über eine Versuchs- und Prüfungsanstalt für Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung verfügte, war zum Teil einem glücklichen Zufall geschuldet. Sie ging zurück auf ein Labor, das der Sonderausschuss für Abfallstoffe der Deutschen LandwirtschaftsGesellschaft 1893 eingerichtet hatte, um Verfahren der landwirtschaftlichen Verwertung städtischer Abwässer wissenschaftlich zu prüfen. Nach und nach dämmerte den Landwirten jedoch, dass sich die Städte längst auf die Schwemmkanalisation und die Einleitung der Abfallstoffe in Fließgewässer festgelegt hatten und der Sonderausschuss mithin auf verlorenem Posten stand. Als sich eine Gelegenheit ergab, das Labor an den preußischen Staat zu verscherbeln, trennte die Gesellschaft sich dankbar von der Einrichtung, und die Versuchs- und Prüfungsanstalt wurde zur Referenzinstitution für alle Fragen rund ums Wasser.54 Seit den zwanziger Jahren kümmerte sich die Einrichtung auch um Luftverschmutzungsprobleme und firmierte als Landesanstalt für Wasser-, Boden- und Lufthygiene; Insider sprachen warmherzig von der »WaBoLu«. Aber es mussten nicht immer große Internationale Probleme, deutsche Antworten 57

Landesanstalten sein, in denen sich die Verwissenschaftlichung des Umweltbereichs dokumentierte. Dass kurz vor dem Ersten Weltkrieg die ersten Elektrofilter verfügbar wurden, die Abgase mit bis dahin unerreichter Gründlichkeit von Schwebstoffen befreien konnten, war dem emsigen Experimentieren eines Erwin Möller in Brackwede bei Bielefeld zu verdanken. Das Streben nach Gesundheit und Natur blieb nicht auf die politische Sphäre beschränkt. Beides waren Leitbegriffe der Lebensreformbewegung, die sich im Wilhelminischen Deutschland zu einem festen Bestandteil der bürgerlichen Lebenswelt entwickelte. Die Lebensreformer waren eine in jeder Hinsicht bunte Bewegung. Hier kämpften Kleidungsreformer gegen das Korsett, Abstinenzler und Vegetarier warben für neue Ernährungsweisen, Naturheiler präsentierten sich als Alternative zur Schulmedizin, und der Wandervogel führte die bürgerliche Jugend aus grauer Städte Mauern hinaus. Reformpädagogen gründeten Landerziehungsheime, »Licht- und Luftbäder« luden ein zur »Freikörperkultur«, und 1893 wurde im vegetarischen Restau­ rant Ceres in Berlin-Tiergarten die Gründung einer »Obstbaukolonie Eden« in der Nähe von Oranienburg beschlossen, wo die Genossinnen und Genossen alsbald in weißen Leinengewändern der Gartenarbeit frönten (bis sich Kleidungsstil und Ernährungsgewohnheiten nach einiger Zeit lockerten).55 1901 öffnete bei Ascona die »Naturheilanstalt Monte Verità« ihre Türen für alle »Wahrheitssuchenden« – so stand es jedenfalls im Prospekt. Die Lebensreform changierte ständig zwischen provozierendem Sektierertum und populärer Befreiung, und das macht es schwer, die politische Relevanz der vielfältigen Aktivitäten zu beschreiben. Es ging um Lebensweisen, um die eigene Gesundheit und Körperlichkeit, und gesellschaftliche Reformen sollten vor allem aus der individuellen Veränderung heraus wachsen. Politisch war die Lebensreform damit nicht eindeutig festgelegt. Sie bot ein Nebeneinander von kleinen Fluchten und großen Appellen bis hin zum flammenden Essay Menschheit und Erde, den Ludwig Klages für die Festschrift zum Freideutschen Jugendtag auf dem Hohen Meißner 1913 schrieb. Im fulminanten 58 

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Rundumschlag beschrieb Klages eine »Selbstzersetzung des Menschentums«: »Vertilgte Tier- und Pflanzenarten erneuern sich nicht, die heimliche Herzenswärme der Menschheit ist aufgetrunken, verschüttet der innere Born, der Liederblüten und heilige Feste nährte, und es blieb ein mürrischkalter Arbeitstag, mit dem falschen Flitter lärmender ›Vergnügungen‹ angetan.«56 Für ökologische Realpolitik blieb bei Klages nicht viel Raum: »Zur Umkehr hülfe allein die innere Lebenswende, die zu bewirken nicht im Vermögen von Menschen liegt.«57 Solche Höhenflüge schlossen praktische Veränderungen nicht aus. Die Lebensreform nährte Ideen der Gartenstadt und der aufgelockerten Stadtplanung und leistete insofern einen wesentlichen Beitrag zur Stadtentwicklung im 20.  Jahrhundert. Die Reformhäuser wurden zu einem deutschen Spezifikum auf dem Weg in die Konsumgesellschaft. Andererseits trug manches Züge eines Eskapismus: Man konnte Vollkornbrot kaufen und Naturheiler konsultieren, ohne vom Schicksal der Laufen­burger Stromschnellen oder der Lüneburger Heide irgendetwas zu ahnen. Der ökologische Horror des Industriezeitalters war vom Monte Verità oder dem Oranienburger Eden ziemlich weit entfernt. So zeigte die Lebensreform vor allem, dass die Sehnsucht nach Natur weitaus mehr als eine blutarme politische Forderung war. Naturnähe und gesunder Lebensstil wurden populäre Ideale über bürgerliche Kreise hinaus.58 So lassen sich insgesamt fünf Charakterzüge identifizieren, mit denen das Deutschland der Jahrhundertwende im inter­ nationalen Zusammenhang herausstach: eine außergewöhnliche Vielfalt von Leitmotiven und Verbänden; die zentrale Rolle einer proaktiven Staatsverwaltung; das weitgehende Fehlen von Verbänden in Verschmutzungskonflikten; die früh einsetzende Verwissenschaftlichung; schließlich eine vielfältige Lebensreformbewegung, die der Natur in ihren zahlreichen Manifestationen eine enorme lebensweltliche Präsenz verlieh. Diese Besonderheiten sind umso wichtiger, als sie das gesamte 20.  Jahrhundert hindurch erkennbar blieben. Selbst die Umwälzungen der Nachkriegszeit vermochten diese Traditionen nur bis zu einem Internationale Probleme, deutsche Antworten 59

ge­wissen Punkt zu brechen. Verschmutzungsprobleme wurden seit 1970 zum Politikum, und an die Lebensreformbewegung er­in­nern nur noch Fragmente, aber ein starker Staat, die Prominenz wissenschaftlicher Forschung und ein verbandlicher und intellektueller Pluralismus gehören bis heute zum grünen Deutschland. All das wirft die Frage auf, inwiefern wir schon für das Kaiserreich von einer Umweltbewegung in statu nascendi sprechen können. Wie bereits erwähnt muss das Wilhelminische Deutschland von der bloßen Intensität der Debatten her den Vergleich mit der Zeit nach 1945 nicht scheuen. Es fehlte jedoch an einer inhaltlichen Klammer, so wie sie das Wort Umwelt nach 1970 bot, und an einer Vernetzung durch die Sprache der Ökologie: Die Zeitgenossen versammelten sich vielmehr um Begriffe wie Natur, Heimat, Hygiene oder Leben. Das ist durchaus mehr als ein terminologisches Problem, denn hinter den Begriffen standen unterschiedliche Problemhorizonte und Feindbilder. Manche kämpften gegen die verschmutzende Industrie, andere gegen die Auswüchse der modernen Kultur, die einen verdammten die Großstadt, die anderen wollten sie gesünder und lebenswerter machen. Und hinter diesen Gegensätzen verbargen sich wiederum die Bruchlinien der Wilhelminischen Gesellschaft: der Gegensatz von Wirtschafts- und Bildungsbürgertum, die ungelöste soziale Frage, die Spannung zwischen dem hegemonialen Preußen und den übrigen Bundesstaaten, der Stadt-Land-Gegensatz, dazu die Dauerkrise des führungslosen politischen Systems. So waren die Umweltbewegungen des Kaiserreichs letztlich Einzelbewegungen ohne gemeinsame Identität. Vor allem der Naturschutz wirkt bei näherer Betrachtung wie eine contradictio in adjecto: eine soziale Bewegung voller Individualisten. Das sorgte für Vielfalt, aber auch für Reibungsverluste. Im internationalen Vergleich stand Deutschland zweifellos nicht schlecht da. Das Reich hatte eine starke Hygienebewegung, leistungsfähige Kommunen, eine machtbewusste Staatsverwaltung und ein breites Spektrum einflussreicher, gut vernetzter Verbände. Und doch ist es ein seltsam changierendes Bild: Macht 60 

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oder Ohnmacht waren oft nur eine Frage des Blickwinkels. Deutschland hatte schon wissenschaftliche Spezialisten für Hüttenrauch, als andere Länder das Problem gerade erst erahnten – aber am Ende lief deren Rat zumeist auf Entschädigungszahlungen hinaus und nicht etwa auf eine Reduzierung der Belastung. Die Großstädte zahlten viel Geld für sauberes Trinkwasser  – aber die Aufmerksamkeit verringerte sich deutlich, sobald der Strom der Abwässer die Stadtgrenzen überschritten hatte. Und aller Enthusiasmus der Naturschützer konnte doch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Natur- und Heimatschutz zumeist ein Elitenphänomen blieben. Selbst der Bund für Vogelschutz, der wohl populärste Verband seiner Zeit, kam vor 1914 nicht über 41 000 Mitglieder hinaus. So lief es am Ende auf ein Leben in Paradoxien hinaus. Die Umweltbewegungen des Kaiserreichs waren einflussreich und zersplittert, populär und misanthrop, wissenschaftlich kompetent und ohne starke Verbündete, staatsnah und gerade deshalb gehemmt. Es ist durchaus denkbar, dass sich manche dieser Probleme im Laufe der Jahrzehnte aufgelöst hätten. Mittelfristig drängt sich jedoch der Eindruck auf, dass sich hier gewisse Grenzen der Entwicklungsmöglichkeiten zeigten. Eine Überwindung der skizzierten Bruchlinien war auf absehbare Zeit wohl utopisch. Diese Situation fiel nur deshalb zunächst nicht auf, weil es eine Erfahrung gab, die die so unterschiedlichen Bewegungen miteinander verband: das Gefühl des Aufschwungs. Von der Lebensreform bis zur Luftreinhaltung, von der wissenschaftlichen Forschung bis zum Natur- und Heimatschutz – stets lässt sich ein langfristiger Aufwärtstrend erkennen, ja oft sogar ein regelrechter Boom, der Mitglieder und Aktive begeisterte. Aber die Zeit des Aufbruchs endete plötzlich und brutal im August 1914.

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3. Krisenjahre Vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis zum Ende der nationalsozialistischen Herrschaft Wie für die meisten sozialen Bewegungen war der Erste Weltkrieg auch für die Umweltbewegungen eine schmerzliche Z ­ äsur. Die Einberufungen zum Militär waren nur der Anfang eines Jahrzehnts voller Tod, Elend und Gewalt, das erst mit dem Ende der Hyperinflation 1923 seinen vorläufigen Abschluss fand. Nach einigen Jahren relativer Stabilität, die sogleich als »Goldene Zwanziger Jahre« verklärt wurden, folgten die Weltwirtschaftskrise, die Herrschaft der Nationalsozialisten und der Zweite Weltkrieg. Zunehmend wird die Zeit von 1914 bis 1945 von Historikern als eine eigene Epoche gesehen; Eric Hobsbawm spricht in seiner Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts von einem »Katas­ trophenzeitalter«, Hans-Ulrich Wehler vom »Zweiten Dreißigjährigen Krieg«.1 Gut drei Jahrzehnte lang überschlugen und überlagerten sich die Krisen, und mancher mochte sich fragen, ob es je wieder so etwas wie Normalität geben würde. Es überrascht nicht, dass dies auch für die Umwelt keine guten Zeiten waren. Als sich im Herbst 1914 die Einsicht verbreitete, dass der Krieg nicht mit einem raschen Sieg enden würde, war jedenfalls überall die gleiche Reaktion zu erkennen. Versammlungen wurden abgesagt, Projekte und Publikationen aufgeschoben, und die Aktiven begaben sich kollektiv in eine Art unbefristeten Winter­ Krisenjahre 63

schlaf. Naturschutz war fortan ein Privatvergnügen, für das manche Bildungsbürger auch im Militärdienst noch Zeit und Muße fanden. Ein Soldat an der Westfront verfasste gar einen Aufsatz über »das durch Artilleriegeschosse verursachte Fichten­ sterben«, der 1916 in den Mitteilungen der Bayerischen Botani­ schen Gesellschaft erschien.2 Die totale Mobilisierung aller Ressourcen für den Kriegseinsatz ließ vieles von dem, worüber in Friedenszeiten ernsthaft diskutiert worden war, als entbehrlichen Luxus erscheinen. Sogar die Reichsregierung war 1918 der Ansicht, dass »unter den im Kriege entstandenen Anlagen manche sind, die den Anforderungen, welche zum Schutze der Nachbarschaft und der Arbeiter gestellt werden müssen, so wenig entsprechen, daß ihre baldige Stillegung erwünscht ist«.3 Als sich ein Erfurter Bürger über nächtlichen Lärm aus einer Motorenfabrik beklagte, antwortete der als Gutachter konsultierte Kreisarzt, der Mann möge »Gott danken, daß er während des jetzigen Krieges von unseren Feinden keine Belästigungen erfährt«.4 Nach dem Waffenstillstand im November 1918 gab es in rechtlicher Hinsicht ein paar ermutigende Signale. Die Weimarer Verfassung berücksichtigte als erste deutsche Verfassung auch den Schutz der natürlichen Umwelt. »Die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Natur sowie die Landschaft genießen den Schutz und die Pflege des Staates«, hieß es in Artikel 150. Die 1920 verabschiedete Novelle des Preußischen Feld- und Forstpolizeigesetzes erlaubte »Anordnungen zum Schutze von Tierarten, von Pflanzen und von Naturschutzgebieten« und wurde fortan als »kleines Naturschutzgesetz« bezeichnet.5 Die Länder Anhalt und Mecklenburg-Schwerin verabschiedeten sogar während der Inflationskrise im Juni 1923 Naturschutz­gesetze. Aber das waren doch letztlich nur offene Versprechen, die n ­ eben unheilvollen Entwicklungen in der freien Landschaft standen. Die Lebensmittelknappheit im Ersten Weltkrieg stärkte die Bemühungen um die Kultivierung von Ödland, das nicht selten einen besonderen ökologischen Wert besaß. Conwentz schaffte es zwar, im Dezember 1915 eine Moorschutzkonferenz in ­Berlin zu organisieren, aber diese blieb ohne nennenswerte Konsequenzen.6 64 

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Anfang 1924 spielte die preußische Regierung sogar mit dem Gedanken, die WaBoLu zwecks Haushaltssanierung zu schließen. Das immerhin konnte eine Intervention von Kommunalpoli­ tikern verhindern.7 Die »Goldenen Zwanziger Jahre« sahen für die Naturschützer kaum besser aus. Vor allem sorgte für Frust, dass weder­ Preußen noch das Reich ein Naturschutzgesetz verabschiedeten, obwohl der preußische Landtag 1920 die Regierung sogar explizit aufgefordert hatte, »mit gegebener Beschleunigung einen Gesetzentwurf vorzulegen, der den Schutz der Natur und der Heimat regelt«.8 In Berlin scheiterte der Versuch des ambitionierten brandenburgischen Provinzialkommissars Hans Klose, die proletarischen Massen mit einem Volksbund Naturschutz für das eigene Anliegen zu begeistern. Nach zehnjähriger Arbeit hatte der Volksbund nur magere 2 000 Mitglieder.9 Zu den wenigen Gewinnern der Weimarer Zeit gehörte der Bund Naturschutz in Bayern. Von lediglich 537 Personen 1918 stieg dessen Mitgliedschaft bis zum Ende der Weimarer Republik auf 18 086 Personen.10 Der Verband wuchs auch im NS -Staat weiter und bezeichnete sich 1939 stolz als »die grösste Naturschutz­ organisation Europas«.11 Im regionalen Rahmen verzeichnete der Naturschutz einige bemerkenswerte Erfolge. Pläne des Rheinisch-Westfälischen Elek­ trizitätswerks, den Laacher See in der Eifel für die Erzeugung von Spitzenstrom zu nutzen, scheiterten Mitte der zwanziger Jahre an einer Kampagne des Eifelvereins.12 In Westfalen gelang es einer besonders rührigen Verwaltung, bis 1933 nicht weniger als 56 Naturschutzgebiete auszuweisen.13 Das spektakulärste Ereignis der Weimarer Jahre war freilich ein ungeplantes Nebenprodukt der Besetzung des Ruhrgebiets durch französische und belgische Truppen 1923. Das Deutsche Reich reagierte mit pas­sivem Widerstand, und der Stillstand weiter Teile der Ruhr­industrie bewirkte eine schlagartige Verbesserung der Luftqualität. Zufällig fiel der Ruhrkampf in die beginnende Vegetationsperiode, und so erblühte das Revier in ungeahnter Pracht. Gärtner registrierten ein nie gesehenes Wachstum ihrer PflanKrisenjahre 65

zen, und Landwirte fuhren Rekordernten ein. Es war ein Real­ experiment, das für ein paar Monate ein Ruhrgebiet ohne die übliche Verschmutzung von Luft und Wasser Wirklichkeit werden ließ, auch wenn die Menschen der Region dafür keinen­ rechten Sinn hatten: Für sie brachte das Jahr 1923 Arbeitslosigkeit, Hunger und den Beinahekollaps der Weimarer Demokratie. Abgesehen von Mutter Natur kannte der passive Widerstand nur Verlierer.14 Vor diesem Hintergrund verwundert es wenig, dass viele Naturschützer der Weimarer Republik am Ende ziemlich gleichgültig gegenüberstanden. Die parlamentarische Demokratie hatte dem Naturschutz unterm Strich wenig gebracht, und bittere politische Konflikte waren ohnehin nicht nach dem Geschmack seiner Klientel. Als 1931 auf einer Versammlung im pfälzischen Bad Dürkheim die Tagespolitik überhand zu nehmen drohten, sorgte ein Teilnehmer mit folgenden Worten für ein Ende des Streits: »Wir sind nicht Partei, wir sind Unparteiische und Mittler. Wir haben nicht vor allem Weltanschauung, wir haben Menschenanschauung. Die Partei will Scheidung, wir wollen Versöhnung. […] Parteien sagen: Marx, Lenin, Hitler. Wir sagen: Pestalozzi, Goethe, Mozart.«15 Nichts beleuchtet das apolitische Selbstverständnis der Natur- und Heimatschützer besser als der »Aufruf gegen die Verschandelung des Heimatbildes durch Auswüchse der Wahlpropaganda«, den der Deutsche Bund Heimatschutz aus Anlass der Reichstagswahlen im Juli 1932 veröffentlichte. Andere mochten den Aufstieg der Nationalsozialisten oder die Gewalt auf der Straße fürchten, die Heimatschützer sorgten sich hingegen um Wahlwerbung, »die jede Rücksicht auf das Heimatbild vollständig beiseite läßt«. Hier seien »entschiedene Maßnahmen« geboten, um diesen »früher unbekannten Unsitten« entgegenzutreten: »Das deutsche Volk kann und muß aber Ehrerbietung vor der Heimat erwarten.«16 So gab es schon zu dieser Zeit jenen Tunnelblick auf das eigene Anliegen, mit dem sich Naturschützer seither immer wieder in die Nesseln setzten. Besonders nachdrücklich zeigte sich dieser Tunnelblick Anfang der dreißiger Jahre in der oberbayerischen 66 

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Gemeinde Garmisch. Dort nahm 1931 mit freundlicher Unterstützung der Kommune eine Vogelschutzwarte die Arbeit auf, deren Mitarbeiter bald eine schreckliche Entdeckung machten. Im Kurpark, den sie im Sinne des Vogelschutzes umgestalten wollten, gab es streunende Katzen. Die Herren schritten zur Tat. Die Katzen wurden gefangen, betäubt und getötet, das Fleisch an die Raubvögel verfüttert, und die verbleibenden Felle verarbeitete ein Vogelwärter zu zwei schönen Pelzumhängen. Dummerweise wurde die Sache öffentlich, und am Ende verhandelte das Amtsgericht Garmisch über Katzenmord in 80 Fällen.17 Selbst vor dem Richter zeigten die Vogelfreunde keine Reue. »Eine Vogelbrut habe einen zehnfach höheren Wert als eine streunende Hauskatze«, erklärte der Leiter der Vogelwarte.18 Am Ende wurden die Vogelfreunde aufgrund einer durchaus katzenfeindlichen Rechtslage zwar freigesprochen, aber das war nach einem verheerenden öffentlichen Echo nur noch ein juristischer Sieg. Etwas ermutigender sah die Weimarer Zeit mit Blick auf Entwicklungen in Wissenschaft und Technik aus. Ein wichtiger Trend war das Streben nach Rationalisierung, und daraus ergaben sich einige zukunftsweisende Entwicklungen. Die Kohlennot im und nach dem Ersten Weltkrieg beflügelte die Entwicklung der Wärmewirtschaft als neuem Zweig der Ingenieur­technik, die systematisch auf eine effizientere Nutzung der Brennstoffe hinarbeitete. Damit schloss sich eine frappierende Blindstelle der Technikwissenschaften in Deutschland. Es ist verblüffend, wie gering das Interesse an der Ressourceneffizienz im Industrialisierungsprozess zunächst war. Noch 1897 schrieb die Technische Deputation für Gewerbe in Preußen in einem Gutachten über den Dieselmotor, dass dessen höhere Brennstoffeffizienz ohne große Bedeutung sein würde. Es gebe schließlich »viele Fälle, in welchen der Dampfkessel zwar keine Nothwendigkeit ist, jedoch so viele Bequemlichkeiten bietet, daß die wirthschaftliche Seite deswegen vernachlässigt werden wird.«19 Im Zuge der Rationalisierung wuchs auch ein neues Interesse am Industriestaub, der bis dahin zumeist nur als lästiger Abfall gesehen worden war. Zunehmend galt er nun als wertvoller RohKrisenjahre 67

stoff, und das machte den Filterbau zu einem boomenden Wirtschaftszweig. Darauf reagierte der Verein Deutscher Ingenieure (VDI), indem er 1928 die Einrichtung eines Fachausschusses für Staubtechnik beschloss, um »die Bestrebungen auf seinem Gebiete zusammenzufassen und für Förderung dringender wissen­schaftlicher Arbeiten zu sorgen«.20 Dieser Fachausschuss entwickelte sich rasch zu einem lebendigen Treffpunkt für Ingenieure und andere Experten, 1937 zog eine Vollversammlung 260 Mitglieder und Gäste an. Strikt achtete der VDI auf fachbezogene Debatten und betonte, die Mitglieder agierten »nicht als Vertreter der Behörden, Organisationen oder Firmen, denen sie angehören, […] sondern als Sachverständige, und zwar auch dann, wenn sie etwa von einer Behörde, Firma usw. als Mitarbeiter vorgeschlagen wurden«.21 Das besaß mit Blick auf die offenkundigen Interessen etwa der Filterproduzenten immer einen Ruch von Naivität, hatte aber langfristig einen disziplinierenden Effekt, indem sich die Debatten auf wissenschaftliche Themen konzentrierten und nicht etwa auf die neuesten Produkte der Hersteller. So wurde hier erstmals eine »Gemeinschaftsarbeit« von Beamten, Experten und Industrievertretern eingeübt, aus der nach 1945 ein Muster korporatistischer Zusammenarbeit aller Beteiligten entstehen sollte. Seither sind korporatistische Strukturen ein Eckpfeiler der deutschen Umweltpolitik. Leistungsfähige Staubfilter waren in der Zwischenkriegszeit allerdings auch dringend nötig. In der Stromerzeugung ging der Trend zu Verbundnetzwerken mit Großkraftwerken, die Kohle mit hoher Effizienz verbrannten, aber zugleich Unmengen von Asche durch die Schornsteine schickten. Besonders notorisch wurden die neuen Kohlenstaubfeuerungen, bei denen der Brennstoff in den Feuerraum eingeblasen wurde, denn diese schleuderten riesige Mengen fein zermahlenen Staubs in die Umgebung. 1927 sorgte das Kraftwerk der Zeche Mont Cenis bei Herne für einen überregional beachteten Skandal, als es eine selbst nach Ruhrgebietsmaßstäben exzessive Belastung der Umgebung hervorrief. Sogar dem Oberbergamt riss der Gedulds­ faden: Wenn der Aschenauswurf nicht rasch verschwinde, würde 68 

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»die Budicke geschlossen«. Hurtig machte sich die Zeche an den Bau einer Entstaubungsanlage und versprach, dass Ansprüche der Geschädigten »loyal geprüft« würden.22 Solche Nachrüstungen waren aufwendig und teuer, und Kraftwerksbesitzer wollten sie nach Möglichkeit vermeiden. Seit den dreißiger Jahren wurden die meisten deutschen Großkraftwerke deshalb von vornherein mit Aschefiltern gebaut. Damit begann ein Streit über die erforderliche Effizienz der Rauchgasreinigung, der sich über Jahrzehnte hinzog. Mit jedem Prozentpunkt stiegen die Kosten, und so feilschten Kraftwerksbauer und Behörden verbissen um die gerade noch tolerable Aschekonzentration. Oft stand am Ende ein fauler Kompromiss, und so manches Kraftwerk gab trotz funktionierender Rauchgasentstaubung zu Beschwerden Anlass. Aber es war doch immerhin ein bemerkenswerter Fortschritt, dass seit den dreißiger Jahren nur noch über das »wie« und nicht mehr über das »ob« einer Entstaubungs­ anlage gestritten wurde.23 In der Landwirtschaft kam es unterdessen zu einem K ­ onflikt, der zur Entwicklung eines alternativen, »biologisch-dynamischen« Landbaus führte. Im Juni 1924 hatte Rudolf Steiner auf Gut Koberwitz bei Breslau acht Vorlesungen über »Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft« gehalten. Das gab den Anstoß zur Gründung eines Landwirtschaftlichen Versuchsrings, der rasch über anthroposophische Zirkel hinaus Aufsehen erregte. Dabei war die biologisch-dynamische Methode eigentlich gar nicht so neu: Sie basierte auf der klassischen Humuswirtschaft und einer ganzheitlichen Betrachtung des Betriebs als Organismus, die im 19. Jahrhundert zum Standardrepertoire der Landwirtschaftslehre gehört hatten. Ohnehin waren Steiners Überlegungen eher Gedankensplitter, die sich erst durch die Arbeit seiner Jünger im Versuchsring zu einer praktisch brauchbaren Landwirtschaftslehre entwickelten. Klar war jedoch, dass anthroposophische Bauern auf künstliche Düngemittel verzichten sollten. Für Steiner ging es beim Düngen um die »Verlebendigung der Erde«, und dafür war synthetisch erzeugter Ammoniakdünger  – in Steiners Diktion »toter Krisenjahre 69

Stickstoff« – genauso wenig geeignet wie alle anderen Mineraldünger.24 Das rief die Düngemittelindustrie auf den Plan und die eng mit ihr verbundene Agrikulturchemie, die in Deutschland seit Liebig zu den Leitdisziplinen der Agrarwissenschaften gehört hatte, aber in dieser Zeit mit diversen inneren und äußeren Krisen kämpfte. Gleichzeitig regten sich unter den Landwirten deutliche Sympathien, zumal Investitionen für Kunstdünger in den zwanziger Jahren zu den kostspieligsten Ausgaben der Landwirte zählten. Da die Anthroposophen zudem suggerierten, künstlich gedüngte Pflanzen seien qualitativ minderwertig oder gar krebserregend, gab es in der wissenschaftlichen Kritik der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise bald kein Halten mehr. Wütend sprachen Forscher von »Irrlehren«, »Scheinwissenschaft«, »99 % Humbug« sowie »einem Fanatismus, daß man sich in die finsteren Zeiten mittelalterlicher Unwissenheit zurückversetzt glaubt«. Nach der »Machtergreifung« der Nationalsozialisten forderten Vertreter des agrarwissenschaftlichen Establishments öffentlich, nunmehr hart gegen diese »Charlatane« durchzugreifen.25 Tatsächlich kam es 1933 nur zu regionalen Äußerungsverboten gegen die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise, die nach einiger Zeit wieder aufgehoben wurden. Das war freilich nur der Beginn einer turbulenten Entwicklung, in deren Folge der biologisch-dynamische Landbau gleichermaßen Opfer nationalsozialistischer Verfolgung, Steckenpferd von Nazi-Größen, autarkiepolitisches Spielfeld und Komplize der Vernichtungspolitik wurde. Zunächst war es vor allem Rudolf Heß, der seine schützende Hand über die alternativen Landwirte hielt und ein Verbot der biologisch-dynamischen Organisationen verhinderte. Seit 1940 interessierte sich auch Richard Walther Darré, als Agrar­ minister und Reichsbauernführer bereits faktisch entmachtet, für die biologisch-dynamische Methode. Praktische Konsequenzen hatte das vor allem in der Zeit nach dem Krieg, als Darré aus der Gefängniszelle heraus Kontakte zu anthroposophischen Kreisen knüpfte und dies zum Teil seiner Verteidigungsstrategie im Wilhelmstraßenprozess machte. Für die NS -Zeit war wichtiger, 70 

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dass auch Heinrich Himmler seit etwa 1940 Interesse an der biologisch-dynamischen Landwirtschaft zeigte. In der Folge experimentierte Himmler in mehreren Betrieben der SS mit biologisch-dynamischen Methoden, darunter dem berüchtigten Heilkräutergarten im Konzentrationslager Dachau.26 Diese wechselhafte Entwicklung war durchaus symptomatisch für die facettenreiche Geschichte der Umweltbewegungen im NS -Staat. Hier agierte nicht »der Nationalsozialismus«, sondern vielmehr unterschiedliche Personen und Gruppierungen, und deren Stellung im Gefüge des NS -Staats war heftigen Schwankungen unterworfen. So gab es am Ende kaum ein Themenfeld, in dem sich über die zwölf Jahre hinweg so etwas wie eine klare Linie erkennen ließ. Im August 1933 verkündete­ Göring als preußischer Ministerpräsident ein Verbot von Tierversuchen, das nach Protesten von medizinischen Forschern jedoch rasch wieder rückgängig gemacht wurde. Aggressiv betrieb Werner Haverbeck nach der »Machtergreifung« die Gleichschaltung im neu geschaffenen Reichsbund Volkstum und Heimat, bis der Verband im Herbst 1934 kollabierte. 1934 schockte Hermann Göring die deutschen Forstbeamten, als er mit Walter von Keudell einen Anhänger des Dauerwaldkonzepts, das auf Alternativen zu Monokulturen und Kahlschlagswirtschaft zielte, zum Leiter des neu geschaffenen Reichsforstamts ernannte. Nach drei Jahren hatten die Anhänger der konventionellen Lehre im Zusammenspiel mit den Zwängen der Kriegsvorbereitung gesiegt, und Keudell wich einem gefügigeren Nachfolger. Für den Auto­bahnbau beschäftigte der Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen, Fritz Todt, spezielle »Landschaftsanwälte« mit dem charismatischen Landschaftsarchitekten Alwin Seifert an der Spitze, um deren Anregungen dann weitgehend zu ignorieren.27 Eine einheitliche Linie gab es bei solchen Themen offenkundig nicht, von einer systematischen Umweltpolitik des NS Staats einmal ganz zu schweigen. Das ist vor allem deshalb mit Nachdruck zu betonen, weil diese Geschichte des Öfteren in grob vereinfachender Manier geschrieben worden ist. ZuKrisenjahre 71

meist diente dies lediglich der durchsichtigen Provokation. In den achtziger Jahren erregte zum Beispiel Anna Bramwell einiges Aufsehen mit der These, es habe im nationalsozialistischen Deutschland eine »grüne Partei« oder wahlweise eine »Steiner Connection« gegeben.28 Manchmal wurde auch versucht, Darrés Blut-und-Boden-Ideologie als faschistische Öko-Philosophie auszudeuten – womit man sie ernster nahm als mancher Nazi. Gelegent­lich wurden NS -Bezüge in Naturschutzdebatten auch als politischer Spielball missbraucht.29 Immerhin haben solche Provokationen die Forschung beflügelt und inzwischen ein ziemlich eindeutiges Ergebnis hervorgebracht: Von einer nationalsozialistischen Durchdringung der Naturschutzbewegung oder gar einem fanatisierten »völkischen Naturschutz« konnte keine Rede sein. Zwar gab es  – bei der bildungsbürgerlichen Klientel des Naturschutzes wenig über­ raschend – diverse Anschlusspunkte an die amorphe NS -Ideo­ logie, aber aus diesen entwickelte sich, manchen literarischen Ergüssen zum Trotz, zu keiner Zeit ein klares ideologisches Profil. Mit Kernthemen der nationalsozialistischen Programmatik wie Antisemitismus und Sozialdarwinismus konnte man im Naturschutz ohnehin nicht viel anfangen. Von der nationalsozialis­ tischen Bewegung wurde der Naturschutz denn auch nie als Bruder im Geiste betrachtet. Primär war die Beziehung von Naturschutz und National­ sozialismus deshalb stets von der politischen und administrativen Praxis bestimmt, und da ergab sich schnell eine Menge Konfliktpotenzial. So musste sich die Gemeinschaft der Naturschützer notgedrungen von jenen Personen verabschieden, die den Nazis aus politischen oder rassenideologischen Gründen nicht genehm waren. Als der Landrat des Kreises FreiburgLand 1936 den Geschäftsführer seiner Bezirksnaturschutzstelle entlassen musste, weil er nach nationalsozialistischer Definition »jüdisch versippt« war, klagte er lebhaft, er könne dessen Ausscheiden »vom Standpunkt der Sache aus nur auf das lebhafteste bedauern.«30 Seinem erwünschten Nachfolger, einem Parteigenossen, schrieb der Landrat aus Anlass seiner Ernennung ins 72 

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Die münsterländische Ems vor und nach dem Umbau durch den Reichs­ arbeitsdienst. Aufnahmen von Bernhard Rensch, Naturschutzbeauftragter für die Provinz Westfalen.

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Stammbuch, dieser habe ihn »nicht davon überzeugen können, daß er das Amt mit der gleichen hingebenden und opferwilligen Liebe ausfüllen wird«.31 Den bayerischen Vogelschutz lähmte ein jahrelanger Konflikt um den Landessachverständigen, der Mitglied einer Freimaurerloge gewesen war.32 Nichts weckte jedoch so große Befürchtungen wie der von den Nationalsozialisten forcierte Ausbau des Arbeitsdienstes und die damit ins Haus stehenden Veränderungen der Landschaft. Eine der ersten Äußerungen des Naturschutzes im NS -Staat war ein von Walther Schoenichen verfasster »Appell der deutschen Landschaft an den Arbeitsdienst«.33 So überwog nach der »Machtergreifung« zunächst eine gewisse Ratlosigkeit, was die neuen Zeiten für das eigene Anliegen bedeuten würden, und manche Loyalitätsbekundung wirkt bei genauerem Hinsehen ziemlich doppelbödig. »Eine Notwendigkeit, uns innerlich umzustellen, liege nicht vor«, beschloss etwa der Sauerländische Gebirgsverein auf einer außerordentlichen Hauptversammlung im August 1933 – was man auch als Absage an nationalsozialistische Umgestaltungspläne verstehen konnte.34 An der Basis weckte die versuchte Gleichschaltung im Reichsbund Volkstum und Heimat beträchtlichen Unmut: In der zersplitterten Naturschutzszene war Verbandsautonomie ein hohes Gut. Im März 1934 begann der Deutsche Bund Heimatschutz eine hastig organisierte Kampagne gegen Außenreklame, die er nach Protesten aus der Werbebranche rasch wieder ab­ blasen musste.35 Wohin man auch schaut in den ersten Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft: Der Naturschutz kam einfach nicht aus der Defensive. Es fehlten ein zündendes Thema und einflussreiche Verbündete, die dem Naturschutz im sich entwickelnden NS -Staat Gewicht verliehen hätten. Ein Kulturbaubeamter aus Neumünster bügelte den Vorschlag, ausgewählte Feuchtgebiete von Meliorationen auszunehmen, mit dem brüsken Hinweis ab, derlei würde »eine Sabotage an dem vom Führer geschaffenen Arbeitsprogramm bedeuten«.36 So deutete nach zwei Jahren viel auf eine lustlose Koexistenz von Naturschutz und Natio74 

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nalsozialismus hin, eine reserviert-distanzierte Haltung, wie sie in der NS -Forschung seit Martin Broszat als Resistenz bezeichnet wird.37 Aber das änderte sich im Juni 1935, als das NS -Regime das Reichsnaturschutzgesetz verabschiedete  – ein Gesetz, das mit Recht als eines der besten seiner Zeit bezeichnet worden ist.38 Auch beim Reichsnaturschutzgesetz waren es letztlich eher Zufälle und persönliche Interessen, die den Ausschlag gaben. Entscheidend war die Unterstützung Hermann Görings, der das Gesetz im Hauruck-Verfahren durchs nationalsozialistische Kabinett peitschte und gleichzeitig dafür sorgte, dass der Naturschutz seinem Reichsforstamt einverleibt wurde. Das hatte viel mit Görings Streben nach der Erweiterung seines Kompetenz­ bereichs zu tun, aber auch mit seinem Hang zur Schorfheide nördlich von Berlin, wo er rund um seinen Landsitz Carinhall ein quasifeudales Regiment führte. Die »Stiftung Schorfheide«, die Göring vordergründig zu Naturschutzzwecken ins Leben rief, diente in Wirklichkeit der Finanzierung seiner Jagdleidenschaft. An anderen Naturschutzgebieten zeigte Göring wenig Interesse, aber das irritierte die Naturschützer nur wenig. Für sie war das Reichsnaturschutzgesetz der seit langem ersehnte Gunst­erweis von ganz oben. »Nun hat der Reichsforstmeister Göring auch den Naturschutz in seine starke Hand genommen und unseren Bestrebungen das reichsgesetzliche Rückgrat gegeben«, jubelte der Bund Naturschutz in Bayern im August 1935.39 Drei Jahre später betonte der Naturschutzbeauftragte im Gau Hessen-Nassau in einem Rundschreiben: »Ich mache ausdrücklich noch einmal darauf aufmerksam, daß dieses Naturschutz­ gesetz auf die Initiative des Führers hin geschaffen wurde.«40 Das Reichsnaturschutzgesetz bot nahezu alles, was die Bewegung seit Jahrzehnten gefordert hatte. Es ermöglichte den Schutz von Naturdenkmälern und die Ausweisung von Natur­ schutzgebieten, schuf ein einheitliches System von Naturschutzbeauftragten in allen Teilen des Reichs und eröffnete neue Möglich­keiten für den Schutz des Landschaftsbildes. Die Behörden konnten nun Landschaftsschutzgebiete ausweisen, außerdem waren die Naturschützer bei allen Projekten zu konsultieKrisenjahre 75

ren, die einen wesentlichen Einfluss auf die Landschaft hatten. Selbst für die heikle Entschädigungsfrage gab es nun eine günstige Lösung: Gemäß dem NS -Prinzip »Gemeinnutz vor Eigennutz«, Punkt 24 im Parteiprogramm der NSDAP, erlaubte das Reichsnaturschutzgesetz die entschädigungslose Enteignung naturschutzwürdiger Flächen. Das war in den leidigen Verhandlungen mit Grundbesitzern eine wertvolle Trumpfkarte, und so gewann die Arbeit der Naturschützer nahezu über Nacht ein neuartiges Tempo. Dutzendfach wurden nunmehr Schutz­ gebiete ausgewiesen, Verhandlungen, die sich zuvor langwierig dahingeschleppt hatten, gelangten in Rekordgeschwindigkeit zum Abschluss, und mancher der neu ernannten Naturschutzbeauftragten agierte geradezu wie im Rausch. Noch ein Jahrzehnt später schwärmte Hans Klose, seit 1938 Leiter der Reichsstelle für Natur­schutz, von dieser »hohe[n] Zeit des deutschen Naturschutzes«.41 Klose war nicht der einzige, der nach dem Krieg wehmütige Erinnerungen pflegte. Der badische Naturschützer Karl Asal erklärte 1949, bei der Verabschiedung des Gesetzes habe es sich um »eine Entscheidungsschlacht« gehandelt: »Was an Fortschritt ihm verdankt wird, kann nur der richtig ermessen, der vordem schon in der praktischen Naturschutzarbeit gestanden war und mit unzulänglicher rechtlicher Wehr sich mühsam hatte be­ helfen müssen. Mit einem Schlage war der oft genug mit Geringschätzung behandelte Naturschutz eine Größe geworden, mit der man rechnen mußte.«42 Endlich besaß der Naturschutz den ihm gebührenden Platz im politischen Spiel  – so glaubte man jedenfalls. Tatsächlich trug die Begeisterung der Naturschützer Züge eines Selbstbetrugs. Die Ökobilanz war am Ende der NS -Zeit offenkundig negativ: Das Sündenregister reichte von ökologisch verheerenden Kultivierungsarbeiten und Flussbegradigungen bis zu den Folgen der Kriegswirtschaft. Spektakuläre Erfolge blieben nach der Verabschiedung des Reichsnaturschutzgesetzes selten, und im bürokratischen Alltag wurden die Stellungnahmen der Naturschutzstellen häufig ignoriert oder gar nicht erst einge76 

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holt. Der Papierkrieg wurde noch einmal verschärft durch eine notorisch überarbeitete Reichsstelle für Naturschutz, die keine Prioritäten setzen mochte und die nachgeordneten Stellen ziemlich wahllos mit immer neuen Instruktionen versorgte  – bis hin zu einem skurrilen Runderlass zum Vorkommen der Blutegel vom August 1937, der die Naturschutzbeauftragten zur auf­ opferungsvollen Feldforschung abkommandierte. (»Man wate mit nackten Beinen langsam in der Uferzone des Gewässers herum und hebe die Beine alle 1–2 Minuten hoch.«43) An empfindlichen Rückschlägen fehlte es in der Naturschutzarbeit auch nach 1935 keineswegs, aber das war für viele Naturschützer eben nur die eine Seite. Für eine kurze Zeit hatten sie tatsächlich die Aufmerksamkeit der Mächtigen gehabt und mit deren Segen eine Naturschutzarbeit betrieben, wie sie davor und danach nicht möglich und im demokratischen Rechtsstaat wohl auch undenkbar gewesen wäre. Sie hatten tatsächlich einmal durchgreifen können  – nur wurde 1945 zugleich offenkundig, dass sie damit zu Komplizen eines verbrecherischen Regimes geworden waren. So blieb nach dem Ende der zwölf Jahre eine Mischung aus sehr konträren Empfindungen, die die Naturschutzarbeit noch lange belastete. Man wusste nur zu gut, dass man sich in der »hohen Zeit« gehörig die Finger verbrannt hatte. Das galt nicht nur für jene, die den Reichskommissar für die Festigung des deutschen Volkstums Heinrich Himmler mit Plänen für die Neugestaltung der eroberten Landschaften versorgten. Diese Komplizenschaft, seit Jahrzehnten bekannt und immer wieder mahnend zitiert44, hat lange den Blick dafür verstellt, dass auch die ganz normale Naturschutzarbeit in mora­ lische Abgründe führen konnte. Es ist schon bestürzend zu sehen, wie bedenkenlos sich Naturschützer der Möglichkeiten des NS -Staats bedienten. Bei der Arisierung eines Steinbruch­ betriebs, der zum Teil  in schützenswertem Gelände operierte, bedienten sich Regensburger Naturschützer offen antisemitischer Argumente. Bei der Leitung des Konzentrationslagers Flossenbürg wurden mehrfach Naturschützer vorstellig, um die Zuweisung von Häftlingen für Pflegearbeiten in einem Schutzgebiet zu Krisenjahre 77

erreichen.45 1938 gelang es Naturschützern, Heinrich Himmler zu einer Intervention für den Schutz des Hohenstoffeln im südbadischen Hegau zu bewegen. Der Reichsführer-SS war der Ansicht, auf dem Gipfel habe »einst eine germanische Volksburg« gestanden.46 Noch nach dem Krieg verteidigte das Hans Klose als Akt des angewandten Machiavellismus: »Es war unter den damaligen Verhältnissen (1938) ein sehr geschickter Schachzug der Stoffelfreunde, sich des einflussreichen Herrn Himmler als Werkzeug ihrer guten Sache zu bedienen«, schrieb Klose und fügte in aus heutiger Sicht durchaus anfechtbarer Weise hinzu: »Einen Vorwurf kann man daraus wohl kaum konstruieren.«47 Klose pirschte sich 1943 sogar noch einmal an Himmler heran, als dieser nicht mehr nur Chef von SS und Deutscher Polizei war, sondern auch der Mann, der den Holocaust in letzter Instanz verantwortete. In diesem Fall hatte Klose jedoch keinen Erfolg: Bedauernd schrieb ein SS -Obergruppenführer, dass Himmler »gerade in letzter Zeit unerhört wichtige und vordringliche Aufgaben zu meistern hat«.48 Eine solche Vergangenheit harrte nach Kriegsende der Bewältigung, und die Naturschützer entschieden sich für den klassischen Weg so vieler Belasteter: hart arbeiten, Reihen schließen und kein Wort über dunkle Vergangenheiten. »Naturschützer an die Front«, tönte Hans Klose im Sommer 1945 im ersten Rundschreiben, das er vom improvisierten Sitz seiner Reichsstelle in der Lüneburger Heide an die Naturschutzbeauftragten sandte. Mit markigen Worten scharte er die verbliebenen Kräfte um sich: »Nur der ist heute in unseren Reihen tragbar, der fanatisch gewillt ist, sich mit aller Kraft für die heute mehr denn je bedrohte, gleichzeitig aber im Werte mehr denn je gestiegene Heimatnatur und Heimatlandschaft einzusetzen.«49 Für Klose war dies die Stunde der mannhaften Bewährung: »Es geht in diesen Monaten, und sicher noch über das nächste Jahr hinaus, um den Schutz so vieler und grosser Heimatwerte, dass keiner von uns versagen darf.«50 Bis weit in die Nachkriegszeit hinein folgten die Naturschützer Kloses Linie und präsentierten sich als verschworene Gemeinschaft, abgeschottet gegenüber einer Gesell78 

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schaft, deren Regungen sie misstrauisch verfolgten. Nach dem fatalen Bündnis mit dem NS -Staat vertraute man am besten nur noch sich selbst. So standen die Zeichen zunächst überall auf Restauration. Die Verbände der Zwischenkriegszeit organisierten sich neu, alte Netzwerke wurden reaktiviert, die im Krieg eingestellte Arbeit wieder aufgenommen. Neue Organisationen wie die Schutz­ gemeinschaft Deutscher Wald und der Deutsche Naturschutzring, die 1947 und 1950 entstanden, fügten sich nahtlos in die bestehenden Strukturen, und die Reichsstelle siedelte 1953 als Bundesanstalt für Naturschutz und Landschaftspflege nach Bonn über. Auch die Leitgedanken waren im Grundsatz altbekannt, und so strahlte der Heimatbegriff noch einmal für ein paar Jahre in voller Pracht – nicht zuletzt deshalb, weil man mit »Heimat« kollektive Identitäten bedienen konnte, für die nach der Diskreditierung des Wortes »Nation« das Vokabular fehlte.51 Einen personellen Umbruch gab es jedenfalls nicht, und so schien eigentlich alles auf eine Fortsetzung der bewährten Traditionen hinauszulaufen. Tatsächlich wurde es der letzte Tanz der alten Garde.

Krisenjahre 79

4. Heimat, Schmutz und

Reformpolitik

Ambivalenzen im Wirtschaftswunderland Kaum etwas hat die Bundesrepublik so nachhaltig geprägt wie die ungewöhnlich lange Zeit der Hochkonjunktur, die 1950 als eine Nebenfolge des Koreakriegs einsetzte und nahezu ungebrochen bis zur ersten Ölpreiskrise 1973 anhielt. Es war die deutsche Variante eines Phänomens, das alle westlichen Industrienationen erfasste. Die Wirtschaft brummte wie nie zuvor und sorgte für ein hohes Maß gesellschaftlicher Stabilität; Histo­ riker sprechen vom »goldenen Zeitalter« des westlichen Kapitalismus. Vor dem Hintergrund der Kriegserfahrung wirkte die bundesdeutsche Entwicklung geradezu märchenhaft, und es ist metapherntechnisch passend, dass sie als »Wirtschaftswunder« Eingang in den deutschen Mythenschatz fand. Im Zeichen des Massenkonsums entstand eine neue Wohlstandsgesellschaft, deren Folgen bis in die Gegenwart zu spüren sind, so etwa in der verbreiteten »Fixierung auf einen tiefverankerten Wachstums­ fetischismus«.1 Die Leitsektoren des Booms waren die klassischen Branchen des Industriezeitalters: Kohle und Stahl, Chemie und Elektrotechnik sowie mit wachsendem Gewicht die Automobilindustrie. Das lässt bereits erahnen, dass der Boom ganz erheblich auf Kosten der natürlichen Umwelt ging. Die Verschmutzungslasten schossen bedenklich in die Höhe, zahlreiche Straßen wurden erweitert oder neu gebaut, und Gewerbeflächen und Neubau­ Heimat, Schmutz und Reformpolitik 81

gebiete breiteten sich in rasantem Tempo aus. Das Häuschen im Grünen, mit Konsumprodukten vollgestopft und mit Auto vor der Tür, bescherte auch Durchschnittsverdienern einen ökologischen Fußabdruck, den vormals nur eine schmale gesellschaftliche Elite vorzuweisen hatte. Arne Andersen und Christian Pfister prägten dafür schon vor zwei Jahrzehnten den Begriff »1950er Syndrom«.2 Neuere Arbeiten unter dem Eindruck der Anthropozän-These lassen erkennen, dass es sich hier um eine welthistorische Zäsur im Verhältnis des Menschen zu seinem Planeten handelt.3 Eine Sensibilität für Umweltprobleme scheint in dieses Pano­ rama nicht so recht hineinzupassen. Solche Themen scheinen eher in die Zeit nach dem Konsumrausch zu gehören, als die Folgen ins Bewusstsein rückten. Tatsächlich gewannen Umweltthemen aber schon in den fünfziger Jahren eine neue Prominenz, und das ist auf den zweiten Blick auch gar nicht so verwunderlich. Vom Standpunkt des 21.  Jahrhunderts ist es naheliegend, ökologische Themen mit Konsumverzicht und Wachstumskritik zu assoziieren, aber diese Verbindung ist historisch keineswegs zwingend. In der Gesellschaft der fünfziger Jahre war eher der umgekehrte Zusammenhang plausibel: Umweltschutz als Teil  des gesellschaftlichen Wohlstands. Viele Umweltprobleme dieser Zeit waren noch unmittelbar sinnlich wahrnehmbar. Es ging um Entwaldung und Naturzerstörung, schmutziges Wasser und dreckige Luft. Was in Zeiten des Hungers noch notgedrungen akzeptiert worden war, störte nun die ersehnte Behaglichkeit und Gemütlichkeit. Die Umweltdebatte avant la lettre, die sich seit den frühen fünfziger Jahren in beiden deutschen Staaten zu entwickeln begann, war deshalb zunächst keine Gegenbewegung zum Wirtschaftsboom, sondern ein Komplementärphänomen. Warum sollte man die Belastung der Umwelt klaglos akzeptieren, wenn das Leben doch sonst immer angenehmer wurde? Im Zentrum der Aufmerksamkeit stand deshalb der Schutz des eigenen Lebensumfelds. Das erscheint aus heutiger Sicht leicht ein wenig borniert, wenn nicht gar als Flucht vor den großen umwelthistorischen Umbrüchen der Nachkriegszeit. Ande82 

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rerseits wäre es kurzsichtig, interessengeleiteten Protest a priori unter Generalverdacht zu stellen, zumal persönliche Interessen dem Protest eine besondere Nachdrücklichkeit verliehen. Zudem muss man das politische Klima der Adenauerzeit in Rechnung stellen. Verwestlichung und Demokratisierung waren noch uneinheitliche und umstrittene Entwicklungen, und Phänomene offener Gesellschaf­ten wie Großdemonstrationen trafen in erheblichen Teilen der Bevölkerung auf habituelle Vorbehalte. Die alte Garde des Naturschutzes war ohnehin auf die klassischen Verfahrenswege des deutschen Obrigkeitsstaates programmiert und äußerte sich vorzugsweise in Eingaben und Verhandlungen hinter den Kulissen. »Selbst das Sammeln von Unterschriften wurde von Kommunalpolitikern bisweilen schon als verdächtiger Sabotageakt aufgefasst«, schreibt Ute Hasenöhrl in ihrer Studie der bayerischen Natur­schutz­bewe­ gung.4 Als der Oberbayerische Bezirkslehrerverband 1960 gebeten wurde, für eine Demonstration gegen ein Wasserbau­projekt am Lech ältere Schüler zu mobilisieren, schloss sich sogleich die Mahnung an, die Teilnehmerzahl möge bitte nicht einen Bus überschreiten.5 So waren die Grenzen des Protests in mehrfacher Hinsicht ausgesprochen eng, und doch verdient es Beachtung, dass hier nach Jahrzehnten des Stillstands wieder etwas in Bewegung kam. Es waren nicht zuletzt Umweltthemen, mit denen sich der deutsche Untertan zum selbstbewussten Staatsbürger emanzipierte. Der Kampf um den Erhalt der Wutachschlucht im Südschwarzwald hielt zum Beispiel eine ganze Region in Atem. Auslöser war ein Staudammprojekt des Schluchseewerks, mit dem der Großteil des Wassers aus dem Tal der Wutach abgeleitet und zur Erzeugung von Spitzenstrom genutzt werden sollte. Die Wutachschlucht war ein wildes, canyonartig eingeschnittenes Flusstal, das im 19.  Jahrhundert einen Ruf als romantische Naturattraktion gewonnen hatte und seit 1939 unter Naturschutz stand. Es ging also um ein wertvolles Naturobjekt und zugleich um die Frage, wie viel Sicherheit die Ausweisung als Naturschutzgebiet tatsächlich bot, und so wurden die Pläne Heimat, Schmutz und Reformpolitik 83

des Schluch­seewerks bald aufmerksam verfolgt. Nachdem Einsprüche auf dem Verwaltungswege im Sande verlaufen waren, gründete der Naturschutzwart des Schwarzwaldvereins Fritz Hockenjos 1953 die Arbeitsgemeinschaft Heimatschutz Schwarzwald. Diese Arbeitsgemeinschaft fungierte als Dachverband und ermöglichte anderen Vereinen den korporativen Beitritt, spiegelte jedoch zugleich auch die Auffassung, dass bestehende Organisationen für den Kampf um die Wutachschlucht nicht so recht geeignet waren; Hockenjos hätte ja schließlich auch seinen Schwarzwaldverein mobilisieren können. Die Erfordernisse einer öffentlichen Kampagne standen in Spannung zur inhärenten Trägheit der be­stehenden Verbände, die traditionell auf eine freundliche Zusammenarbeit mit der Staatsverwaltung ausgerichtet waren.6 Die Auseinandersetzung zog sich über mehrere Jahre hin, und beide Seiten kämpften mit harten Bandagen. Die Arbeitsgemeinschaft machte sich mit Plakaten, Broschüren und Versammlungen sowie einer regen Pressearbeit überregional bemerkbar und ließ keinerlei Kompromissbereitschaft erkennen: »Hände weg von der Wutachschlucht« lautete das Motto der Bewegung. Schon im Januar 1954 sprach das Landeskulturamt des Regierungspräsidiums Südbaden von einer »Volksbewegung zugunsten der Erhaltung der Wutachschlucht«.7 Darauf reagierte das Schluchseewerk mit einem Flugblatt, das Fehler in den »Propaganda-Vorträgen« der Arbeitsgemeinschaft behauptete und für »Naturschutz und Technik« warb: »Die absolute Verneinung einer Kompromiß-Lösung durch private Naturschützer und der Aufruf zum Boykott dieser Entscheidung ist angesichts des Kampfes so vieler Menschen um Arbeit und Brot als eine Überspitzung des Naturschutzgedankens anzusehen, für die der schaffende Mensch kein Verständnis aufbringen kann.«8 Zu einer Protestveranstaltung an der Freiburger Universität karrte das Schluchseewerk gar zwei Busladungen Arbeiter und Angestellte, die sich mit Zwischenrufen bemerkbar machten, was wiederum die Arbeitsgemeinschaft scharf als »Propa­ganda­ methoden« attackierte: »Diese Manieren erinnern in fataler 84 

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Weise an die Saalschlachtmethoden einer nicht allzu fernen Vergangenheit.«9 Der Schatten des Nationalsozialismus hing nicht nur über dem Wutachkonflikt. Stets schwang in der Bundesrepublik bei politischen Kontroversen die unbewältigte Vergangenheit mit: Das Spektrum reichte von einer als ungehörig empfundenen Manipulation der öffentlichen Meinung bis zu Eichmann-Vergleichen im Atomkonflikt.10 Manchen Augenzeugen der dreißiger Jahre reichte schon der Anblick einer Großdemonstration, um alte Wunden wieder aufzureißen. So ging es bei der Wutachschlucht zugleich um Fragen des demokratischen Verhaltensstils: Was war legitim im Kampf um die öffentliche Meinung, und sollten überhaupt populäre Stimmungen den Ausschlag geben oder nicht besser das Urteil von Funktionseliten, die um die langfristigen Bedürfnisse der Gesellschaft wussten? Im Falle der Wutachschlucht gab es immerhin einen verlässlichen Gradmesser für die Stimmung der Bevölkerung. Die Arbeitsgemeinschaft sammelte nämlich auch Unterschriften gegen das Projekt, und nicht weniger als 185 000 Bürger bekundeten auf diesem Wege ihre Ablehnung des Staudamms.11 Am Ende lenkten Landes­ regierung und Schluchseewerk um 1960 ein und beschlossen, das Projekt ruhen zu lassen. In diesem Konflikt war der Muff der fünfziger Jahre noch deutlich zu spüren. Die Demonstrationen der Arbeitsgemeinschaft waren zum Beispiel ziemlich verhuscht: Man veranstaltete lieber »Exkursionen« in der Wutachschlucht. Als Höhepunkt der letzten großen Kundgebung im Mai 1959 sang man gemeinsam das Volkslied »Im schönsten Wiesengrunde«.12 Etwas forscher waren da jene Menschen, die in dieser Zeit um den Erhalt des Knechtsands kämpften, einer unscheinbaren Sandbank in der Wesermündung. Das war umso bemerkenswerter, als der Konflikt im niedersächsischen Wattenmeer direkt in das Minenfeld der westlichen Verteidigungspolitik in der Zeit des Kalten Kriegs führte. Bedroht wurde der Knechtsand nämlich von Flugzeugen der britischen Luftwaffe, die nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst Helgoland als Zielgebiet für Bombenabwürfe genutzt Heimat, Schmutz und Reformpolitik 85

hatten. Als die Bundesregierung auf die Rückgabe Helgolands drängte, verlangte die Royal Air Force ein neues Übungsgebiet, und die Wahl fiel auf den Knechtsand. Dieser lag freilich näher an der Küste, und so regte sich in der Region zwischen Bremerhaven und Cuxhaven erheblicher Unmut. Besonders aktiv waren zunächst die Krabbenfischer, die durch das militärische Sperrgebiet auch finanzielle Einbußen erlitten. Sie bekamen daraufhin einen Ausgleich aus dem Bundeshaushalt.13 Die Debatte gewann eine neue Qualität, als der Volksschullehrer und Hobbyornithologe Bernhard Freemann eine folgenreiche Entdeckung machte: Der Knechtsand, vom Festland nicht leicht zugänglich und deshalb kaum erforscht, diente im Sommer als Rastplatz für Brandgänse. Die Vögel verbrachten dort die Zeit der Mauser, in der sie für einen knappen Monat flugunfähig und damit wehrlose Opfer der Bomben waren. Im Spätsommer 1954 fanden Freemann und seine Mitstreiter, die sich später in einer Schutz- und Forschungsgemeinschaft Knechtsand organisierten, tausende von Kadavern. Der Befund wurde zum Politikum. Handelte es sich nur um einen Bruchteil der Opfer, da viele Brandgänse durch die Flut aufs offene Meer getragen wurden? Aber wie hoch waren dann die wirklichen Verluste? Freemann ging zunächst von 45 000 toten Brandgänsen aus, bald jedoch von mindestens 70 000, und beide Angaben blieben umstritten. Konnte man den Angaben eines Hobbyornithologen trauen, der zudem ein offenkundiges Eigeninteresse an möglichst spektakulären Zahlen hatte? Die Skepsis führte zu weiteren Untersuchungen, die Royal Air Force richtete eine eigene Brandganskommission ein, und erst nach und nach ergab sich Gewissheit: Der Knechtsand war tatsächlich ein Mauserplatz von europäischem Rang. Damit wuchs der Protest über den Rahmen der Lokalpolitik hinaus. Die Bomben waren nun ein Problem des Naturschutzes, so dass sich die einschlägigen Stellen bis hoch zur Bundesanstalt für Naturschutz und Landschaftspflege für die Sandbank interessierten. Die Londoner Times berichtete, britische Vogelschützer griffen das Thema auf, und 1956 diskutierte in Westminster 86 

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das Oberhaus. Bald mischten sich auch Reminiszenzen an den Zweiten Weltkrieg in die Debatte, so etwa in der Bild-Zeitung, die das Thema im Oktober 1954 auf ihre Titelseite hob: »Immer wieder Bombenhagel auf deutsches Vogelparadies.« All dies fiel in die Zeit der bundesdeutschen Kontroverse um die Wieder­ bewaffnung, und so zeigten plötzlich pazifistische Gruppen Interesse an Brandgänsen. Gerne schauten in den Versammlungen auch Vertreter der KPD vorbei. Der Staatsschutz mischte sich unter die Zuhörer und machte sich Notizen. Ihren Höhepunkt fand die Protestbewegung an einem trüben Sonntag im September 1957. Die Schutz- und Forschungs­ gemeinschaft lud zu einer spektakulären Demonstration auf dem Knechtsand, die ein erstaunliches Geschick im Umgang mit modernen Massenmedien verriet. 20 bunt geschmückte Kutter brachten 300 Demonstranten und Reporter auf die Insel, Redner standen barfuß auf einer angespülten Holzkiste, und über ihnen flatterte eine große Europafahne im Wind. Im Hafen empfingen Fackelträger die heimkehrenden Kutter. Für den Kam­ pagnenmanager Freemann war die Demonstration, die bundes­ weit Furore machte, gewissermaßen das Meisterstück. Mit Kompromissen, die Bombenabwürfe nur in der Zeit der Mauser einzustellen, war er nicht mehr zu besänftigen: Er forderte die Ausweisung des Knechtsands als Naturschutzgebiet, die der Regierungspräsident Stade einen Monat später tatsächlich verfügte. Im Februar 1958 ließen die Briten das Auswärtige Amt wissen, dass sie fortan auf die militärische Nutzung des Knechtsands verzichten würden.14 Wutachschlucht und Knechtsand waren nur die wichtigsten unter den gar nicht so wenigen Orten, an denen in den fünfziger Jahren Umweltkonflikte entbrannten. Das endete allerdings beileibe nicht immer mit einem Sieg. Der Kampf der bayerischen Naturschützer gegen Bergbahnen und Flusskraftwerke war zum Beispiel weitgehend erfolglos.15 Aber mit dem öffentlichen Streit um solche Projekte und der aufgeschlossenen Reaktion erheblicher Bevölkerungsteile begann doch ein neues Kapitel der deutschen Umweltgeschichte. Schon die Wortwahl ließ in vielen Heimat, Schmutz und Reformpolitik 87

Fällen eine neue Dringlichkeit erkennen. Die saarländische Gemeinde Kleinblittersdorf, die im Abwind eines Großkraftwerks lag, rief zum Beispiel nach einem behördlichen Einschreiten, »bevor unser einst so blühender Ort durch diesen verheerenden Aschenregen zu einem Pompeji wird und alles menschliche und pflanzliche Leben im Staub erstickt«.16 Eine Notgemeinschaft Kleinblittersdorf und Umgebung bündelte hier den Protest der Einwohner, wobei die Dorfgemeinschaft in diesem Fall besonders einig war. Das Staub spuckende Großkraftwerk lag nämlich auf französischem Boden in der Gemeinde Grosbliederstroff, die von Kleinblittersdorf nur durch die Saar getrennt war. Diese »Notgemeinschaften«  – in heutigen Begriffen würde man von »Bürgerinitiativen« sprechen  – spiegelten eine allgemeine Belebung des Streits um Umweltprobleme. In Wetter an der Ruhr gründete sich zum Beispiel eine Interessengemeinschaft gegen die Aschenbelästigung des Cunowerkes der Elektromark, in Hamburg ein Notverband gegen Luftverseuchung und in der Umgebung der Eisengießerei Paul Lemmerz in Königs­ winter eine Interessengemeinschaft der Lemmerz-­Geschädigten. Am Feldberg im Schwarzwald protestierte die Gemeinde Menzenschwand gegen ein Uranbergwerk und schaffte es sogar, die Förderung von 1963 bis 1972 stillzulegen, ein in der deutschen Bergbaugeschichte nicht gerade häufiges Ereignis.17 Auch der Kampf um den Hohen Meißner in Hessen, der von einem Kohlenbergwerk bedroht wurde, endete 1960 mit der Ausweisung als Naturschutzgebiet.18 Die Bochumer Stadtverwaltung kämpfte hartnäckig gegen Kleinzechen im Weitmarer Holz im Süden der Ruhrgebietsstadt, um den Wald als Naherholungsgebiet zu sichern.19 Im südhessischen Lampertheim kämpfte ein Ausschuss »Rettet die Pfalz« um die Erhaltung des Lorscher Waldes, wo das amerikanische Militär für einen Flugplatz 800 Hektar roden wollte. Als die Lübecker Polizei 1954 in einem Flüchtlingslager zehn Hunde wegen Tollwutgefahr tötete, demonstrierten 1 500 Hundebesitzer und Tierfreunde mit einem Protestzug durch die Innenstadt gegen die »Bartholomäusnacht der Hunde«.20 88 

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Gewiss war all dies noch ein gutes Stück von der breiten gesellschaftlichen Mobilisierung entfernt, die sich seit den siebziger Jahren in einer kaum noch zu überschauenden Zahl von Bürgerinitiativen dokumentierte. Manche Konflikte führten zudem zu Ergebnissen, die aus heutiger Sicht rätselhaft wirken. In Menzenschwand verlief sich der Widerstand Anfang der siebziger Jahre, als die Gemeinde ein »Radonbad« plante.21 Der Uran­ abbau ging freilich nie über Explorationen hinaus  – die Frage, was noch erlaubte »Untersuchungen« waren und was ungenehmigter »Abbau«, beschäftigte Juristen über Jahrzehnte –, wurde zu Beginn der achtziger Jahre erneut unterbrochen und 1991 endgültig beendet. Als langlebiger erwies sich kurioserweise der Traum vom Radonbad, das im 21.  Jahrhundert als »Radon­ Revital Bad« tatsächlich Wirklichkeit wurde. Was die Menschen in den sech­ziger Jahren als strahlende Gefahr fürchteten, kostet nun als Wellness ein Eintrittsgeld.22 Ein Hindernis auf dem Weg zur ökologischen Zivilgesellschaft waren überraschenderweise die etablierten Verbände, die mit dem Unmut der Bürger nicht so recht umzugehen wussten. Bei Basisarbeit hatte man bislang vor allem an Diavorträge und Jahreshauptversammlungen gedacht, und die Unter­ stützung einer Protestbewegung lief vor diesem Hintergrund auf einen regelrechten Kulturschock hinaus. Zudem hatten viele der »Not-« und »Arbeitsgemeinschaften« Mühe, ihre Arbeit zu verstetigen. Als am Knechtsand die Waffen schwiegen, wuchsen in der Schutzgemeinschaft die internen Spannungen, und am Ende wurde Freemann aus dem Vorstand geworfen und sogar am Betreten der Insel gehindert. Die Arbeitsgemeinschaft Heimatschutz Schwarzwald äußerte sich weiter zu regionalen Themen wie etwa Autobahnplanungen, aber das wirkte nach den Kämpfen der fünfziger Jahre wie ein Nachspann. Hockenjos selbst blieb jedoch weiter aktiv und amtierte von 1970 bis 1979 als Präsident des Schwarzwaldvereins. Auch den staatlichen Naturschutzbeauftragten fiel es in vielen Fällen schwer, einen Draht zu den neuen Akteuren zu finden. Staatsnähe und autoritärer Habitus, elitäres SelbstverständHeimat, Schmutz und Reformpolitik 89

nis und Skepsis gegenüber den »Massen«  – an Stolpersteinen bei der Kommunikation zwischen dem Naturschutz und dem Rest der Gesellschaft fehlte es nicht. Als sich im Rheinland um 1960 der Konflikt um den landschaftszerstörenden Braunkohlentagebau zuspitzte, war ausgerechnet von den Naturschutzbeauftragten nichts zu hören.23 Ein Referent der Bundesanstalt für Naturschutz und Landschaftspflege intrigierte im Knechtsandkonflikt sogar gegen Freemann  – ein Verhalten, dessen Motive der Umwelthistoriker Jens Ivo Engels »nicht leicht zu rekonstruieren« fand.24 Das fein ziselierte Netzwerk der Beauftragten entpuppte sich mithin als Gigant auf tönernen Füßen. Im Prinzip konnte man die Freiräume, die das Amt des Naturschutzbeauftragten bot, auch für eine aggressive Arbeit in enger Verbindung mit der Zivilgesellschaft nutzen. Zum Beispiel leitete Otto Kraus die bayerische Landesstelle für Naturschutz im Stile eines Volkstribuns und segelte dabei hart entlang der zeitgenössischen Toleranzschwellen: Nach Hasenöhrl agierte die Landesstelle »bisweilen fast im Stile einer zivilgesellschaftlichen Institution«, obwohl Kraus sie sieben Jahre lang als Allein­ unternehmer führen musste. Aber solches Engagement blieb die Ausnahme.25 Dabei fehlte es den Naturschützern gewiss nicht an rechtlichen Kompetenzen. Das Reichsnaturschutzgesetz galt auch nach 1945 weiter  – das Grundgesetz verbot allerdings die entschädigungslose Enteignung  –, und so kam es vor allem auf die energische Umsetzung an. Man staunt im Rückblick, was man schon in den ersten Nachkriegsjahrzehnten alles erreichen konnte, wenn man die geltenden Bestimmungen ausreizte. Selbst die Skyline der Bundeshauptstadt Bonn war ein Produkt des Naturschutzes. Als Bundesministerien in den sechziger Jahren mit dem Bau imposanter Hochhäuser in der Rheinaue liebäugelten, legte sich der Bezirksbeauftragte unter Verweis auf eine Landschaftsschutzverordnung quer. Nur im Konflikt mit dem Bundestagspräsidenten Eugen Gerstenmaier zog der Naturschutz den Kürzeren, und so ragte der »Lange Eugen« jahrzehntelang ziemlich einsam in den Bonner Himmel, bis sich die Deutsche 90 

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Post zur Jahrtausendwende mit einem noch höheren Büroturm in die rheinische Landschaft drängte.26 Gern klagten die amtlichen Naturschützer über den Mangel an Personal, aber das war allenfalls die halbe Wahrheit. Die Freiheit der Beauftragten ließ nämlich viel Raum, Schwerpunkte nach eigenem Belieben zu setzen, und so war jede Einheitlichkeit illusorisch. In mehr als einer Region wurde die Naturschutz­arbeit zum Spiegel persönlicher Hobbys. Es fehlte in den fünfziger Jahren aber nicht nur an einer effektiven Verzahnung der verstreuten Aktivitäten, sondern auch an einer eingängigen Philosophie. Nach 1945 hatte es zunächst eine gewisse Renaissance der kulturpessimistischen Zivilisations­ kritik gegeben, nicht zuletzt übrigens unter Vordenkern der »Sozialen Marktwirtschaft« wie Alexander Rüstow und Wilhelm Röpke. Bildungsbürger sinnierten noch einmal tiefgründig über den »Fluch den Technik« und den faustischen Drang des Menschen, ein Thema, das noch 1958 in Günthers Schwabs Roman Der Tanz mit dem Teufel nachklang, dem ersten deutschen Öko-Bestseller nach dem Krieg.27 Aber seit Mitte der fünfziger Jahre verblasste das Abendland immer mehr: Eine wolkige Fortschrittskritik klang inmitten der materiellen Segnun­ gen der Konsumgesellschaft zunehmend weltfremd.28 Das merkten auch die Vertreter des Naturschutzes, die deshalb ostentativ jedem Antimodernismus abschworen: Man wolle, so etwa der sauer­ländische Naturschutzbeauftragte Wilhelm ­Lienenkämper, »nicht die romantische Postkutsche wieder hervorholen, sondern voll und ganz in unserer Zeit leben«.29 Aber derselbe Lienen­ kämper hatte sich 1947 vor den Kreisbeauftragten seines Bezirks noch ganz anders geäußert: »Ist aber nicht die Vergottung der Technik, der Größenwahn des Menschen und der zunehmende Schwund der Ehrfurcht modernes Heidentum? Sind wir denn glücklicher geworden, seitdem wir den Schleier der Schöpfung lüfteten; seitdem wir klug sein wollen wie Gott und wissen was Gut und Böse ist? Ist uns nicht zu Mute wie bei der Vertreibung aus dem Paradiese?«30 Selbst Hockenjos waren solche Gefühle vertraut. In einem Brief an den Kultusminister klagte er einmal, Heimat, Schmutz und Reformpolitik 91

er führe seinen Kampf um die Wutach »in einer Zeit heilloser materialistischer Verseuchung«.31 Seit den fünfziger Jahren war das jedoch nur noch das ferne Echo einer Zeit, in der man mit Klagen über eine sinnentleerte »Zivilisation« unter Bildungsbürgern allgemeines Kopfnicken ernten konnte. Manches wurzelte noch in dieser Gedankenwelt. Dazu zählte eine Initiative des Hamburger Mäzens Alfred Toepfer, der 1956 in einer vielbeachteten Rede in der Bonner Universität die Schaffung von Naturschutzparks forderte.32 Am Bodensee lud Graf Lennart Bernadotte zu »Rundgesprächen« auf die Insel Mainau, aus denen die »Grüne Charta von der Mainau« vom April 1961 hervorging.33 Und dann war da noch ein Bundeskanzler, der sich durchaus für die einschlägigen Themen begeistern konnte. Als von den Alliierten eingesetzter Bürgermeister hatte sich Konrad Adenauer 1945 bei den Besatzern unbeliebt gemacht, als er sich weigerte, den Grüngürtel um die Kölner Innenstadt für die Brennholzbeschaffung zu opfern.34 Auch als Kanzler zeigte sich Adenauer umweltbewusst. Auf einem Vermerk über »die gesetzgeberischen Massnahmen zur Reinhaltung der Luft«, den das Bundeskanzleramt im Oktober 1958 für den Kanzler verfasste, notierte Adenauer eigenhändig Zusatzwünsche: »Dringend notwendig« sei »die Einbeziehung der Straßenverkehrs-Auspuffgase«, und außerdem solle man »Maßnahmen gegen Lärm einbeziehen«.35 Als Bewohner des vielbefahrenen Rheintals wusste Adenauer um die Gefahren des Verkehrslärms. Im Juli 1962 erkundigte sich der Kanzler der Bundesrepublik Deutschland sogar bei seinem Verkehrsminister: »Ich habe den Eindruck, als wenn die durch die Eisenbahnzüge verursachten Geräusche seit Einführung des elektrischen Betriebes zwischen Honnef und Rhöndorf erheblich lauter geworden wären.«36 Tatsächlich war die Höchstgeschwindigkeit auf der Strecke gerade von 100 auf 120 Stundenkilometer erhöht worden  – Adenauers Gehör war auch im 87. Lebensjahr noch in Ordnung. Gegenüber dem mächtigen Präsidenten des Bundesverbands der deutschen Industrie Fritz Berg lästerte Adenauer gar: »Wenn ich nicht Vorsitzender der 92 

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stärksten Partei innerhalb der Bundesrepublik wäre, würde ich eine Partei gründen gegen den Automobilismus, die noch stärker wäre.«37 Aber das war vielleicht eher Koketterie. Wie aber kam man von solchen Impulsen zu echten Reformen? Die Grüne Charta von der Mainau führte zur Gründung des Deutschen Rats für Landespflege unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten, ein Fachgremium, das bis heute Fragen des Natur- und Umweltschutzes kritisch reflektiert. Etwas paradoxer waren die Folgen der Toepfer’schen Rede. Die Naturschutzszene war über den Vorstoß derart perplex, dass sie hektisch taktierte und das Anliegen des Mäzens geradezu in sein Gegenteil pervertierte. In den Mühlen der Bürokratie wurde ­Toepfers Idee zu einem Naturparkprogramm eingedampft, das vor allem Tourismus und Naherholung bediente, und die geplanten »Oasen der Stille« wurden zu einem Hort des in Naturschutzkreisen gern beklagten »Rummels«.38 Für große politische Visionen waren die Zeiten noch nicht reif und die Ministerialverwaltungen erst recht nicht. Aber mit begrenzten Ambitionen konnte man durchaus etwas bewegen. Eine solche Erfolgsgeschichte begann im Mai 1955, als der Direktor des VDI Heinrich Grünewald sowie der Obmann des VDI-Fachausschusses für Staubtechnik zu einer Tagung der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft für naturgemäße Wirtschaft fuhren.39 Zwar konnte nach dem Vortrag über Luftverschmutzungsprobleme aus Zeitgründen nicht mehr diskutiert werden, aber so kannte man sich immerhin schon mal. Als wenig später in der Presse über den Gesetzentwurf eines SPD -Abgeordneten berichtet wurde, der auch »eine unabhängige Kommission von Fachleuten« vorsah, wandte sich Grünewald deshalb sogleich an den Generalsekretär der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft Wolfgang Burhenne. Dem VDI erschien eine solche Kommission als unliebsame Konkurrenz zum eigenen Fachausschuss für Staubtechnik, und auch sonst waren die deutschen Ingenieure weiterhin jeder Politisierung abhold. Im gemeinsamen Gespräch entwickelten Grünewald und Burhenne eine folgenreiche Idee. Man beschloss, die Heimat, Schmutz und Reformpolitik 93

Arbeit an neuen Gesetzen zurückzustellen und stattdessen auf die Entwicklung technischer Richtlinien zu setzen. Welchen Zweck hatten scharf klingende Gesetze, wenn am Ende niemand wusste, wie effizient die Filter sein mussten? Das Ergebnis war die VDI-Kommission Reinhaltung der Luft, die bis heute eine wichtige Rolle in der Entwicklung technischer Standards spielt und wesentlich dazu beigetragen hat, dass Grenzwerte in Deutschland nur selten zum Gegenstand politischer Konflikte wurden – sehr im Unterschied etwa zu den Vereinigten Staaten, wo die Grenzwertsetzung oft durch kostspielige Gerichtsverfahren in die Länge gezogen wurden.40 Bemerkenswert war daran nicht nur das Ergebnis, sondern auch das Verfahren. Es war die klassische Honoratiorenpolitik der Adenauerzeit: Zwei mächtige Männer trafen sich zum Gespräch unter Männern und schmiedeten einen Kompromiss, der beiden Seiten diente. Geschickt verband die Übereinkunft zwischen Grünewald und Burhenne das Interesse der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft an der Bekämpfung der Luftverschmutzung mit den Professionsinteressen der Ingenieure. Das Bündnis bestand schon bald seine erste Bewährungsprobe, als der Bundesverband der deutschen Industrie die VDI-Kommission an die Kette zu legen suchte: Die Sache habe schließlich, so das Argument der Industriellen, »nicht nur eine technische, sondern auch in ganz erheblichem Umfange eine wirtschaftliche Seite«. Das traf den Stolz der Ingenieure, die keinesfalls als »verlängerter Arm der Industrie angesehen« werden wollten. Demonstrativ forderte Grünewald »eine paritätische Zusammensetzung« der Ausschüsse, und im Übrigen sei es ja das Ziel, »Konventionen zu erreichen und nicht irgend jemandem Bestimmungen aufzuerlegen«.41 Der Vorstoß scheiterte, und damit zeigte sich, dass es tatsächlich Kräfte gab, die ein Interesse an solider, unparteiischer »Gemeinschaftsarbeit« hatten. Mit dem Fachausschuss für Staubtechnik hatte der VDI in der Zwischenkriegszeit einen ersten Schritt in Richtung Korporatismus gemacht, aber erst mit der VDI-Kommission wurde aus einer unverbindlichen Versammlung eine politische Instanz. 94 

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Bei Unternehmen mit starker Staubentwicklung wurden Elektrofilter in der Nachkriegszeit zur Selbstverständlichkeit – ein unauffälliger aber wirkungsvoller Erfolg der bundesdeutschen Reformpolitik. (Deutsches Museum)

Die Genese der VDI-Kommission war symptomatisch für die Reformen, die zu dieser Zeit in der Luftreinigung auf den Weg gebracht wurden. Es war ein ständiges Schwanken zwischen dem Wunsch nach Veränderungen und dem Bestreben, die bestehenden Strukturen so weit wie möglich zu bewahren. Einerseits zielten die Reformen mit einigem Geschick auf die unscheinbaren, aber wichtigen Stellschrauben im administrativen Getriebe wie Richtlinien und technische Standards. Andererseits suchte man aber auch, die traditionellen Freiräume für Entscheidungen zu bewahren und Vorgänge gegenüber Außen­stehenden möglichst abzuschirmen. Es war eine durch und durch defensive Modernisierung, die in dieser Form wohl nur deshalb zu denken war, weil die Insider in Politik und Verwaltung noch ziemlich autonom handeln konnten. Keine der Notgemeinschaften der fünfziger Jahre zeigte Interesse an den Strukturfragen des Immissionsschutzes, und Natur- und Heimatschützer waren an Verschmutzungsproblemen weiterhin nicht sonderlich interessiert. Heimat, Schmutz und Reformpolitik 95

Dass die Wutachschlucht nicht nur vom Schluchseewerk bedroht wurde, sondern auch von den Abwässern einer Papier­ fabrik in Neustadt, hat Hockenjos und seine Arbeitsgemeinschaft zum Beispiel nie gekümmert. Dabei gehörte auch die Verschmutzung der Flüsse zu den Themen, die schon im 19.  Jahrhundert Gegenstand kontroverser Debatten gewesen waren, aber nun eine neue Dringlichkeit gewannen. Wiederum war es ein leicht sichtbares Problem, das Verwaltung und Politik auf Trab brachte. Um 1960 zeigten sich auf vielen Flüssen aufsehenerregende Schaumberge, die auf den wachsenden Gebrauch von Detergenzien zurückzuführen waren: synthetische Waschmittelzusätze, die durch die rasch sich verbreitenden Vollwaschmaschinen in wachsenden Mengen ins Abwasser gelangten.42 Die Bundesregierung reagierte mit der Einberufung einer Expertenkommission, in die neben unabhängigen Wissenschaftlern auch Vertreter der Wasserwirtschaft und der Waschmittelindustrie berufen wurden. Auch hier ging man also betont vorsichtig vor: Man stellte niemanden an den Pranger, sondern versuchte, unter Einbeziehung aller Parteien zu einer Lösung zu kommen. Damit war das Problem aber keineswegs auf die lange Bank geschoben. Schon 1961 wurde, aufbauend auf den Befunden der Experten, das Gesetz über Detergenzien in Wasch- und Reinigungsmitteln verabschiedet, das vor allem auf biologisch schwer abbaubare Bestandteile zielte. Die Zeiten, in der man augenfällige Probleme achselzuckend ignorieren konnte, waren nun vorüber.43 Einigen Industriebetrieben fiel es zunächst nicht leicht, in behördlichen Genehmigungen mehr als bloße Formalitäten zu sehen. Zu diesen gehörte etwa die rheinische Braunkohlen­ industrie, die seit den fünfziger Jahren in neuartige Förder­tiefen vorstieß. Die Nonchalance der Industriellen überrascht nicht zuletzt, weil der Rheinische Verein für Denkmalpflege und Heimatschutz bereits 1953 mit einer Denkschrift an die Öffentlichkeit getreten war, in der eine Reihe prominenter Autoren mit scharfen Worten auf die drohenden Folgen des Braunkohlen­ abbaus hinwiesen.44 Der Finanzminister des Landes Nordrhein96 

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Westfalen Adolf Flecken, zugleich Vorsitzender des Vereins, schrieb in seinem Geleitwort, in der Braunkohleregion zeige sich »über weiteste Strecken eine deformierte und sterile Landschaft, von der man nicht weiß, ob sie jemals wieder Kulturlandschaft, geschweige denn rheinische Landschaft werden kann.«45 Was die Braunkohlenindustrie von solchen sentimentalen Tönen hielt, zeigte sich mustergültig bei der Kippe Glessen, die Mitte der fünfziger Jahre zur Deponierung der rasant wachsenden Abraummengen geschaffen wurde. Als sich das Genehmigungsverfahren verzögerte, begann die Braunkohle mit stillschwei­ gender Duldung des Ministeriums schon einmal mit der Deponierung, und so lagen nach einiger Zeit schließlich 45 Millionen Kubikmeter Abraum ohne rechtliche Grundlage in der niederrheinischen Landschaft – vermutlich der größte Schwarzbau der bundesdeutschen Geschichte. Zähneknirschend erteilte die Landesregierung im August 1959 die rückwirkende Genehmigung.46 In den sechziger Jahren entstand jedoch auch ein neuer Industriezweig, als die Müllberge des Wirtschaftswunders die tradierten Wege der Entsorgung zu überfordern begannen. Während die Großstädte zunächst fest in den Händen kommunaler Unternehmen blieben, blühte die private Müllwirtschaft auf dem Lande auf, wo Gemeinden zumeist nicht die Kraft und das Geld hatten, eigene Entsorgungsfirmen zu gründen. Hinzu kam der Bereich des industriellen Sondermülls, dessen Gefahren öffentliche Körperschaften zurückschrecken ließen. Es war die für Deutschland so typische Verschränkung von öffentlichen und privaten Akteuren, die auch hier nicht offen in ihren Vor- und Nachteilen diskutiert wurde, sondern vielmehr unter dem ­Radar der Öffentlichkeit aus den vermeintlichen Sachzwängen des Tages herauswuchs. Eine kritische Diskussion hätte sich auch deshalb gelohnt, weil hier auf lange Sicht ein Weg eingeschlagen wurde, der ein Vierteljahrhundert später im Dualen System Deutschland mit grünen Punkten und gelben Säcken seinen Abschluss fand. Kurzfristig führte die private Entsorgungswirtschaft erst mal zu zahlreichen Giftmüllskandalen, die in den frühen siebziger Jahren Schlagzeilen machten.47 Heimat, Schmutz und Reformpolitik 97

So zeigten sich in der Verwaltungspraxis gleichermaßen Aufbrüche und Versäumnisse, und von einer Einheitlichkeit des Vorgehens konnte keine Rede sein. In der Luftreinhaltung interessierte sich in den fünfziger Jahren eigentlich nur das Bundesland Nordrhein-Westfalen für Reformen. Grund war das Ruhrgebiet und hier wiederum der Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk, dessen Verbandsdirektor schon 1952 einen Gesetzentwurf vorgelegt hatte. Dahinter stand der Unmut einer empörten Öffentlichkeit, denn auch die Bewohner des Ruhrgebiets empfanden Umweltprobleme mit wachsendem Wohlstand zunehmend als lästig. Schon 1959 bezeichnete das Westdeutsche Tageblatt die Luftverschmutzung als »Ruhr-Problem Nr. 1«; in Essen-Dellwig erstattete Clemens Schmeck, homöopathischer Arzt und Vorsitzender des Bürger- und Verkehrsvereins, im gleichen Jahr Strafanzeige gegen das Hüttenwerk Oberhausen, als sich unter den Kindern seines Viertels die Bindehautentzündungen häuften. Vor dieser Kulisse konnten Beamte aggressiver vorgehen als zuvor. Schon im August 1954 warnten die Behördenvertreter in Verhandlun­ gen über Flugstaub aus niederrheinischen Braunkohlekraftwerken, es drohten »›Notwehr‹-Massnahmen des Regierungspräsidenten unter dem Druck der öffentlichen Meinung«.48 Zum Motor der Reformen wurde das Ministerium für Arbeit und Soziales. Das verriet zugleich einiges darüber, wie sehr die Kompetenzen im deutschen Behördenapparat zersplittert waren. Von der Sache her wäre eher eine Federführung des Innen- oder Wirtschaftsressorts zu erwarten gewesen. Die Arbeitsministerien waren jedoch auch für die Gewerbeaufsichtsämter zuständig, die sich seit der Jahrhundertwende zur bestimmenden Instanz im Vollzug des Immissionsschutzes entwickelt hatten. Aus der Konkurrenz mit anderen Ressorts entstand ein wichtiges Eigeninteresse der Beamten im Arbeitsministerium: Wenn es um die Verteidigung von Zuständigkeiten geht, laufen Behörden bekanntlich gerne zu großer Form auf. Tatsächlich wurden dem Arbeitsministerium bald neue Stellen und zusätzliche Gelder bewilligt, und für zwei Jahrzehnte wurde Nordrhein-Westfalen zum Taktgeber der bundesdeutschen Luftreinhaltung.49 98 

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In aller Regel besaßen die Reformen das unauffällige Flair administrativ-technischer Vorgänge. Es bedurfte schon eines gewissen Insider-Wissens, um beispielsweise die wahre Bedeutung des Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung und Ergänzung des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verstehen, das der Bundestag kurz vor Weihnachten 1959 verabschiedete. Immerhin berücksichtigte Alfred Müller-Armack in seinem berühmten Aufsatz über »die zweite Phase der Sozialen Marktwirtschaft« auch »die schon in Angriff genommene, aber sicher in Zukunft mit viel größerer Inten­sität weiterzuführende Aufgabe der Reinhaltung der Luft«.50 Von einem politischen Thema konnte man bei Luftverschmutzung wie bei den meisten Umweltproblemen jedoch nur in einem weiten Sinne sprechen. Erst im Sommer 1960 wurde man im Kanzleramt nervös und regte »auch im Hinblick auf die kommenden Bundestagswahlen« eine Prüfung weiterer Maßnahmen an.51 Die saubere Luft wurde 1961 tatsächlich ein Thema des Bundestagswahlkampfs, als der SPD -Kanzlerkandidat Willy Brandt in seiner Parteitagsrede forderte: »Der Himmel über dem Ruhrgebiet muß wieder blau werden!«52 Die Formulierung wurde legendär, allerdings auch häufig überschätzt und missverstanden, denn mit dem »blauen Himmel« verband sich kein konkretes politisches Programm. Brandt hatte das Thema aufgegriffen, um die SPD jenseits der Arbeiterschaft wählbar zu machen, und daher rührte auch der gern zitierte Spott über die Wahlkampfparole. Zwei Jahre nach dem Godesberger Programm schien die SPD ihre programmatischen Konturen zu verlieren, und ein Kanzlerkandidat, der »das Blaue vom Himmel« versprach, war da eine naheliegende Zielscheibe. Inhaltlich war die Sache unstrittig: Schon zu dieser Zeit war jeder vernünftige Politiker gegen Luftverschmutzung. Bei den fünf Landesimmissionsschutzgesetzen, die zwischen 1962 und 1970 verabschiedet wurden, gab es nicht eine einzige Gegenstimme. Dennoch wurmte es die CDU mächtig, dass die SPD das Thema zumindest rhetorisch besetzt hatte. Noch vier Jahre s­ päter schäumte der rheinland-pfälzische Abgeordnete Helmut Kohl Heimat, Schmutz und Reformpolitik 99

in einer Ausschusssitzung, Brandt habe mit seiner Wahlkampfparole »einer allgemeinen politischen Hysterie« Vorschub geleistet. Dem konnte Kohl freilich nicht mehr entgegensetzen als Ehrlichkeit und Nüchternheit: »Wenn man ernsthaft an diese Dinge herangehen wolle, müsse der Bevölkerung gesagt werden, welche Mittel die entsprechenden Maßnahmen erforderten.«53 Darin zeigte sich ein Charakterzug der Reformen dieser Zeit: Wenn sich die Öffentlichkeit zu Wort meldete, geriet die Arbeit der Insider erstaunlich rasch aus dem Takt. Auf kritische Fragen von Außenstehenden war man offenbar nicht vorbereitet, ja selbst auf freundliche Ratschläge reagierte man irritiert. Konnte sich die Öffentlichkeit nicht einfach für die geleistete Arbeit bedanken? So kann man bilanzierend sowohl für das zivilgesellschaftliche wie für das politische Feld feststellen, dass sich hier seit der Überwindung der ersten Nachkriegsnöte eine spürbare Belebung erkennen ließ. Zwar war beides relativ schwach miteinander verbunden, und Reformvorstöße waren fürs Erste eher lose Versprechen, deren Wert sich erst noch erweisen musste, und doch war hier augenscheinlich etwas in Be­wegung gekommen. Allerdings war die Reformeuphorie zumeist in Ministerien und unter Politikern deutlicher zu spüren als in der Verwaltung. Das für die bundesdeutsche Umweltpolitik so charakteristische Muster einer Reformpolitik von oben, die die Umsetzung vertrauensvoll den unteren Chargen überließ, war schon hier zu erkennen. Finsterer sah es vorerst im dritten der Bourdieu’schen Handlungsfelder aus. Die Lebenswelt stand ganz im Zeichen des Massenwohlstands in seinen zahlreichen Manifestationen. Die Reformhäuser der Jahrhundertwende öffneten weiter ihre Türen, Umsatz und Zahl stiegen sogar im Gefolge des Wirtschaftswunders, so dass 1966 in der Bundesrepublik 2 200 Verkaufsstellen für Reformwaren existierten. Deren Jahresumsatz lag zu dieser Zeit bei etwa 250 Millionen Mark, aber das machte lediglich ein halbes Prozent des gesamten Lebensmittel-Einzelhandels aus. Allein Edeka setzte in dieser Zeit 9,6 Milliarden Mark 100 

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um.54 Die meisten Kunden fanden die Supermärkte mit all ihren Verlockungen von der Banane bis zum Tiefkühlhähnchen offenbar faszinierender. Biologisch-dynamische Bauern wirtschafteten weiter nach ihren Methoden, während um sie herum die bäuerliche Welt Alteuropas der Agrarindustrie Platz machte. Bei den neuen Naturparks wurde auch auf eine hinreichende Zahl von Parkplätzen geachtet. All das änderte sich verblüffend wenig, als Zivilgesellschaft und Politik in den sechziger Jahren zunehmend in Bewegung kamen. Die gesellschaftliche Dynamik, die in der Studenten­ revolte von 1968 ihren Höhepunkt fand, veränderte anscheinend eher Verhaltensstile als politische Prioritäten. Die Ursachen harren noch der Klärung.55 War es vielleicht die noch recht verbreitete Planungseuphorie, die zur Geringschätzung von Umweltthemen verleitete? In der Grünen Charta von der Mainau hatte eine umfassende Landschaftsplanung noch wie das Allheilmittel für Probleme aller Art gewirkt.56 Oder lag es schlicht daran, dass der Protest sich auf andere Themen konzentrierte: Notstandsgesetze, die Wirtschaftskrise 1966/67, die Bildungskatastrophe, Vietnam?57 Auch in Frankreich war der Mai 1968 ganz und gar nicht grün.58 Vor dem Hintergrund der Studentenrevolte wirkte der klassische Natur- und Heimatschutz geradezu wie ein Hort der Ruhe. »Dem Naturschutz fehlt die rebellierende Jugend«, klagte ein Redner auf dem Tag der Deutschen Heimatpflege 1970 – eine interessante Sorge zu einer Zeit, als der Rest der Gesellschaft mit dieser rebellierenden Jugend ihre liebe Not hatte. Mahnend fügte der Redner hinzu, die eigene Generation habe »schon einmal kläglich versagt, als es um lebens- und zukunftswichtige Dinge ging.«59 Einen Umbruch in der Verbandslandschaft gab es jedenfalls zunächst nur im Bund Naturschutz in Bayern, wo eine vereinsinterne Revolte den Vorsitzenden Johann Mang, seines Zeichens pensionierter Regierungspräsident von Oberbayern, 1969 zum Rücktritt zwang und damit der traditionell staatsloyale Kurs des Bunds Naturschutz an sein Ende kam. Der zum Nachfolger gewählte Hubert Weinzierl war freilich mit seinen exzellenten Heimat, Schmutz und Reformpolitik 101

politischen Kontakten – sein Vater saß für die CSU im Bundes­ tag – nicht unbedingt ein Exponent der Basisdemokratie.60 Seine Antrittsrede betonte vielmehr modernes Teamwork und fachliche Kompetenz und kulminierte in dem Satz: »Ich bin der ehrlichen Überzeugung, daß der Naturschutz heute nur eine Überlebenschance hat, wenn er gemanagt wird«.61 Erst im Rückblick lassen sich punktuelle Überlappungen zwischen ökologischen Anliegen und 1968 erkennen. In ihrer Konsumkritik hinterfragten die 68er einen Wohlstandskonsens, und Vordenker der Frankfurter Schule wie Herbert Marcuse ließen sich retrospektiv grün einfärben. Damit eröffnete sich zugleich ein Raum für neue Lebensentwürfe, in dem sich in den siebziger Jahren das linksalternative Milieu entfaltete.62 Auch der Protest gegen brachiale Stadtsanierungsprojekte, den zunächst eher der Unmut über Immobilienspekulanten befeuerte, erschien gegen Ende der siebziger Jahre plötzlich auch als ökologisches Thema.63 Aber solche Uminterpretationen lagen doch Ende der sechziger Jahre noch jenseits des Horizonts, und eigentlich deutete wenig auf einen Aufschwung ökologischer Themen hin. Man musste schon den Blick über die Bundesrepublik hinaus gen Westen richten, um zu ahnen, dass sich da langsam etwas zusammenbraute.

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5. Die erste Globalisierung

der Umweltdebatte

Gemeinsame Probleme 1945 – 1973 Von der transnationalen Vernetzung der Zeit vor 1914 war nach dem Ersten Weltkrieg nicht allzu viel übrig geblieben. In einer Zeit internationaler Spannungen und Kriege hatte es die Verständigung über Grenzen hinweg naturgemäß schwer, und so blieben die Kontakte zufällig und sporadisch. Gewiss gab es manche Initiativen, so etwa beim Völkerbund, aber das ging am Ende nicht über unverbindliche Debatten hinaus. Immerhin deutete sich in Verhandlungen über die Verschmutzung der Meere durch Öl oder eine seit 1935 geltende Walfangkonvention eine transnationale Einsicht an, dass manche Probleme nach globalen Lösungen verlangten. Die endlosen Verhandlungen sowie die zahnlosen Regelungen, die daraus bestenfalls hervorgingen, ließen aber zugleich erahnen, wie lang der Weg zu einer Weltumweltpolitik sein würde.1 Am besten entwickelte sich die Kommunikation noch im bilateralen Austausch, insbesondere dort, wo es ein konkretes gemeinsames Anliegen gab. Als Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg Nordschleswig an Dänemark abtreten musste, übersandte Conwentz mit deutscher Gründlichkeit ein Verzeichnis der dortigen Schutzgebiete.2 Daran änderte sich nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst nur wenig. Zwar wurde 1948 nach einer Konferenz im französischen Fontainebleau die International Union for the Protection of Nature gegründet, die heute mehr als 1 000 staatliche und Die erste Globalisierung der Umweltdebatte 103

zivil­gesellschaftliche Organisationen zu ihren Mitgliedern zählt; aber das war doch fürs Erste kaum mehr als ein unverbindlicher Diskussionszusammenhang. Wichtiger war, dass sich auch in anderen europäischen Ländern ein verstärktes Interesse an ökologischen Themen regte: Wohlstandsgesellschaften verlangten zunehmend nach einer sauberen Umwelt und einer geschützten Natur. Seinen vielleicht spektakulärsten Ausdruck fand dies in den fünfziger Jahren in London. Seit Jahrhunderten war der Smog ein notorisches Problem der britischen Hauptstadt, und auch eine Serie dramatischer »killer smogs« im späten 19. Jahrhundert hatte nicht zu einer dauerhaften Lösung des Problems geführt. Als jedoch im Dezember 1952 eine weitere Smogepisode über die Stadt hereinbrach, die mehrere Tausend Todesopfer forderte, war alles anders. Der Clean Air Act, 1956 vom britischen Parlament verabschiedet, machte den Londoner Smog binnen weniger Jahre zu einer verblassenden Erinnerung.3 Dieser Erfolg fand auch in Deutschland Beachtung und wurde etwa von der Welt feinfühlig als »britischer Sieg« in einer »Luftschlacht um London« bejubelt.4 Darin spiegelte sich ein bemerkenswertes Phänomen: Zunehmend wurden Umweltprobleme zu einem internationalen Thema. Das war in der Zwischenkriegszeit noch anders gewesen. Als 1930 im belgischen Maastal eine Inversionswetterlage zu toxischen Schadstoffkonzentrationen führte und einige Dutzend Menschen starben, erklärte der Doyen der deutschen Luftreinhaltung Wilhelm Liesegang lakonisch, solche Ereignisse besäßen »keine allgemeine Bedeutung«.5 Nun verbreitete sich jedoch die Einsicht, dass die westlichen Konsumgesellschaften mit ähnlichen Herausforderungen kämpften, und das verschaffte den Problemen anderer Länder eine neue Relevanz. Ein Krankheitssyndrom wie das in Japan auftretende Yokkaichi-Asthma war nun kein lokales Problem mehr, sondern ein Menetekel des Industrialismus. An den Rändern der westlichen Welt nahm die Aufmerksamkeit allerdings schlagartig ab. Während eine Luftverschmutzungskatastrophe, die 1948 im amerikanischen Donora 20 Todesopfer forderte, international rezipiert wurde, fand ein ähnliches Ereignis im 104 

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mexikanischen Poza Rica zwei Jahre später trotz ähnlicher Opferzahl sogar in der Fachliteratur kaum Beachtung. Globaler Austausch und nationale Diskurse waren somit keine Gegensätze, sondern vielmehr aufs Engste miteinander verflochten: Der Blick in die weite Welt war fest in den Realitäten daheim verwurzelt. Das zeigte sich besonders nachdrücklich in der Person Bernhard Grzimeks, in den fünfziger Jahren der wohl wichtigste deutsche Kulturexport im Umweltbereich. Sein Engagement für die ostafrikanischen Wildschutzgebiete war international anerkannt, und sein Dokumentarfilm »Seren­ geti darf nicht sterben« erhielt 1960 einen Oscar. Zugleich blieb er mit seiner Sendereihe »Ein Platz für Tiere«, die von 1956 bis zu seinem Tod 1987 auf mehr als 170 Folgen kam, ganz auf eine bundesdeutsche Diskursgemeinschaft konzentriert. Dabei waren seine Fernsehbeiträge keineswegs so betulich, wie es die nüchterne Inszenierung suggerierte. Grzimek kämpfte gegen Pelzmäntel, Umweltgifte, Hormone in der Rindermast und Legebatterien für Hühner, und seine Bilder waren manchmal so drastisch, dass er Erwachsene mit Kindern zum minutenlangen Ausschalten aufforderte. Aber stets ging es dabei um Einzelprobleme und nicht um eine umfassende gesellschaftliche Herausforderung. Man musste nach einer Sendung nicht sein Leben ändern, sondern allenfalls eine Spende an die Zoologische Gesellschaft Frankfurt überweisen – die Kontonummer war fester Bestandteil des Abspanns. So schrumpfte die weite Welt der Tiere auf ein handliches bundesdeutsches Format: gemütlich, allgemeinverständlich, wohnzimmertauglich.6 Wie tragfähig die grenzüberschreitende Umweltdebatte in den fünfziger Jahren war, zeigte sich, als das japanische Fischer­ boot »Glücklicher Drache V« am 1.  März 1954 in den Abwind eines Atomtests auf dem Bikini-Atoll geriet. Die Zahl der Strahlenkranken war nicht sehr groß, und nur einer der Erkrankten starb nach sieben Monaten, so dass der Vorfall noch wenige Jahre zuvor wohl kaum internationale Beachtung gefunden hätte. Nun aber verbanden sich die Ängste vor unsichtbarer Strahlung und vor dem Atomkrieg zu einer globalen Welle des Die erste Globalisierung der Umweltdebatte 105

Protests. Der Chemienobelpreisträger Linus Pauling schätzte, dass bereits 10 000 Menschen aufgrund der oberirdischen Atomtests gestorben oder an Leukämie erkrankt seien. 1957 begann mit einer Konferenz von 22 Wissenschaftlern im kanadischen Dorf Pugwash die gleichnamige internationale Bewegung, die 1995 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Die Angst vor Strahlen war seit der Kontamination des »Glücklichen Drachen« – der Name musste fortan wie eine bittere Ironie wirken – ein Thema, das zahlreiche Menschen bewegte und auch in die Populärkultur einging. Die Macher des »Superman« änderten ihr Skript, so dass der Titelheld nun von einem Planeten stammte, der durch Atombomben zerstört worden war, und »Spiderman« erlangte seine Superkräfte durch den Biss einer radioaktiv verstrahlten Spinne (im Film von 2002 wurde daraus eine gentechnisch veränderte Spinne). 1962 erschien der erste Comic mit dem Wissenschaftler Bruce Banner, der dank einer Überdosis Gamma-Strahlen bei Wutanfällen zum rasenden Monster Hulk mutiert.7 In der Bundesrepublik begann der Protest 1955 mit der Mai­ nauer Kundgebung, die aus dem Lindauer Nobelpreisträgertreffen hervorging. Ein Meilenstein war die Göttinger Erklärung vom April 1957, in der 18 Physiker erklärten, dass sie an einem deutschen Atomwaffenprogramm nicht mitarbeiten würden. Die Göttinger Erklärung spiegelte die prekäre Koexistenz von nuklearen Ängsten und Hoffnungen, forderte sie doch im gleichen Atemzug, »die friedliche Verwendung der Atomenergie mit allen Mitteln zu fördern«. Die Forscher bewegte eben nicht nur das reine Gewissen, sondern auch die handfesten Fragen der Forschungsfinanzierung. Das amerikanische Manhattan Project im Zweiten Weltkrieg hatte gezeigt, wie unbequem wissenschaftliche Forschung unter militärischer Ägide sein konnte. Außerdem hingen die Budgets für die zivile Kernforschung nicht an den Wechselfällen der Weltpolitik. Ganz nebenbei konnten die Physiker mit ihrer Erklärung auch eine unbequeme NS -Vergangenheit entsorgen, in der sie in bis heute mythenumwobener Weise an Hitlers Bombe gearbeitet hatten.8 106 

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Dennoch war die Göttinger Erklärung nach den Maßstäben der fünfziger Jahre ein Eklat. Zu den Unterzeichnern gehörten die Nobelpreisträger Max von Laue, Otto Hahn, Werner Heisen­ berg, Max Born sowie Carl Friedrich von Weizsäcker – Forscher von Weltrang, die das wissenschaftliche Deutschland nach dem verheerenden Aderlass der NS -Zeit besonders schätzte. Adenauer lud die Physiker zum Gespräch ins Kanzleramt und schaffte es, ein gemeinsames Kommuniqué auszuhandeln, in dem beide Seiten für Abrüstung plädierten (was Adenauer freilich nicht davon abhielt, wenig später noch einmal die Finger nach der Bombe auszustrecken).9 Wie in einem Brennglas bündelten sich hier jene Motive, die seither die deutsche Nuklear­politik prägten: die Hoffnung auf das Atomzeitalter als Inkarnation des wissenschaftlich-technischen Fortschritts, aber auch die Angst vor den damit verbundenen Gefahren und schließlich – als vermeintlich zwingendes Ergebnis eines dialektischen Dreischritts – die Hoffnung auf die zivile Atomkraft. Die Göttinger Erklärung besaß in Form und Stil noch einen Hauch der Honoratiorenpolitik des 19. Jahrhunderts. Ganz anders agierte die »Kampf dem Atomtod«-Bewegung, die sich gegen die atomare Bewaffnung der Bundeswehr richtete. Das war eine von SPD und Gewerkschaften unterstützte Massenbewegung, die zunächst ein enormes Echo entfaltete, aber letztlich viel von einem Strohfeuer besaß. Die Sozialdemokraten zogen sich im Sommer 1958 aus der Kampagne zurück, nachdem sie ihnen die Niederlage in der Bundestagswahl im Vorjahr nicht erspart hatte, und am Ende blieben nur die seit 1960 stattfindenden Ostermärsche als alljährliche Erinnerung an die Gefahren des nuklearen Holocausts. Der radioaktive Fallout verlor zudem an Bedeutung, als sich die Atommächte 1963 auf ein Verbot ober­irdischer Atomtests verständigten. Im Diskurs über Umweltgefahren hinterließ die Debatte jedoch Spuren: ein welt­ umspannendes Verschmutzungsproblem, verursacht von einer fernen Macht – so etwas hatte es bis dahin nicht gegeben. Erstmals wurde hier eine apokalyptische Rhetorik eingeübt, die dann zu einem Charakterzug der ökologischen Debatte wurde.10 Die erste Globalisierung der Umweltdebatte 107

Die internationale Verständigung über Umweltfragen setzte sich auch in den sechziger Jahren fort. Mehr und mehr rückten dabei die Vereinigten Staaten in den Mittelpunkt. Das hatte nicht nur mit der herausragenden Bedeutung der westlichen Führungsmacht zu tun, sondern auch mit der Entstehung einer ökologischen Zivilgesellschaft, die in Deutschland intensiv verfolgt wurde. Auffallend rasch wurden zum Beispiel Vance Packards konsumkritische Bücher übersetzt: Die geheimen Verführer und Die große Verschwendung erschienen 1958 und 1961 in deutscher Sprache, jeweils nur ein Jahr nach dem amerikanischen Original.11 Rachel Carsons Der stumme Frühling wurde schon im September 1962 in der Zeit diskutiert, als in den USA lediglich ein Vorabdruck im New Yorker erschienen war. Wenig später räumte der Spiegel fünf Seiten für die Thesen der amerika­ nischen Autorin frei und berichtete gewohnt spöttisch über den eskalierenden Streit um die Gefahren der Pestizide, die Carson mit der Vision eines stummen Frühlings ohne Singvögel beschworen hatte: »Tatsächlich war Rachel Carsons Buch noch nicht erschienen […], als die amerikanische Chemie-Industrie bereits Beruhigungspillen zu drehen begann.«12 Auch die Zeit hatte aus ihrer Sympathie für das Anliegen keinen Hehl gemacht und gleich im ersten Satz des Beitrags erklärt: »Pflanzenschutzmittel und Chemikalien zur Insektenbekämpfung vergiften unsere Umwelt und können Krebs erzeugen!«13 Die Resonanz hatte viel damit zu tun, dass die bundes­deutsche Öffentlichkeit durch die Atomtod-Kampagne für Vorstellungen globaler Kontamination sensibilisiert worden war. »Der immer dichter werdende Giftregen gleicht der Berieselung der Erde durch radioaktiven Staub, der bei den Atom-Explosionen aufgewirbelt wird, bis ins Detail«, hieß es etwa im Spiegel.14 Da deutete sich ein neues Gefahrenprofil an, das für das ökologische Zeitalter bestimmend werden sollte. Die vormals diskutierten Verschmutzungsprobleme waren stets lokal begrenzt ge­wesen, man hatte sie zumeist sinnlich wahrnehmen können, und der zeitliche Rahmen, in dem Schädigungen eintraten, war überschaubar. Die neuen Gefahren waren hingegen geographisch, zeitlich 108 

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und sensorisch entgrenzt. Was bislang primär ein Problem einzelner Regionen wie etwa des Ruhrgebiets gewesen war, erschien nun als eine fundamentale Herausforderung, der jeder Bewohner der westlichen Welt unentrinnbar ausgesetzt war. Das bedeutete eine enorme Erweiterung des Horizonts, die in gewisser Hinsicht längst überfällig war. Es gab schließlich nicht wenige gefährliche Stoffe, über die man sich in früheren Jahrzehnten begründete Sorgen gemacht hatte, ohne dass dies zu greifbaren Maßnahmen geführt hätte. Als etwa in den zwanziger Jahren das verbleite Benzin auf den Markt kam, warnten medizinische Experten ebenso leidenschaftlich wie folgenlos, es wäre »eine unerträgliche Verirrung, unser Verkehrsleben im buchstäblichen Sinne zu ›vergiften‹«.15 Aber es ging bei dem neuen Gefahrenprofil um mehr als eine Ausweitung der Themenpalette: Die neuen Gefahren waren auch weitaus unheimlicher als alle bislang geläufigen Bedrohungen. Die Folgen von Rauch und Staub waren leicht per Augenschein zu erkennen gewesen und so zumindest visuell beherrschbar. Selbst die Cholera hatte bei allem Schrecken doch immerhin den Vorteil gehabt, dass man im Falle einer Erkrankung recht bald Klarheit über das eigene Schicksal erlangte. Über schleichende Vergiftungen, Mutationen und Krebsgefahren konnte man hingegen endlos grübeln, ohne zu einem gesicherten Resultat zu gelangen, und das brachte in die Verschmutzungsdebatten eine neuartige ­Unruhe.16 So gesellte sich zur physischen Gefährdung eine mentale Unsicherheit, die nicht mehr mit den kognitiven Instrumenten der Naturwissenschaften aufzulösen war. Das dokumentierte sich auch in einem neuen, abstrakten Tonfall. Wo zuvor handfeste Themen wie Gestank oder die Beeinträchtigung von Hab und Gut im Zentrum gestanden hatten, wurde der Diskurs nun auffallend unscharf: Es ging nun um »die Zukunft«, und der Feind war nicht mehr eine bestimmte Fabrik, sondern Kollektiv­ singulare der Marke »die Chemie«. Schon bald drohte die konkrete Gefährdung hinter der moralischen Aufladung zu verschwinden. Der Spiegel konstatierte bereits 1964 zu den Gefahren Die erste Globalisierung der Umweltdebatte 109

des DDT: »Die Waffe, die der Mensch für den Feldzug gegen Schädlinge ersann, droht sich jetzt gegen ihn zu kehren.«17 Auch in einer zweiten Beziehung war die Debatte um Rachel Carsons Stummen Frühling zukunftsweisend. Sie zeigte nämlich, wie sich ein Anliegen im Zuge einer öffentlichen Debatte ver­ ändern konnte. Die Kontroverse lief darauf hinaus, Carsons Buch auf eine Warnung vor Pestiziden zu reduzieren. Kein Geringerer als Präsident Kennedy veranlasste eine gründliche Prüfung ihrer Thesen, während sich die Chemielobby in persönlichen Angriffen erging. Ein kritisches Buch, geschrieben von einer un­ verheirateten Frau außerhalb der etablierten Forschung  – das war gleich in mehrfacher Hinsicht eine Herausforderung der herrschenden Wissensordnung. So richtete sich alle Aufmerksamkeit auf das DDT, das in den USA 1972, acht Jahre nach Carsons Tod, verboten wurde. Dabei enthielt das Buch auch eine grundsätzlichere Mahnung, die Komplexität und weltumspannende Vernetzung ökologischer Vorgänge zu achten und nur mit Vorsicht zu intervenieren – und nicht mit brachialen Maßnahmen wie dem großflächigen Versprühen von Pestiziden, mit dem das amerikanische Landwirtschaftsministerium in den fünfziger Jahren die Ausbreitung der Feuerameise hatte stoppen wollen. Der Stumme Frühling war mithin eine Mahnung zur Demut, die bestens zum bescheidenen Charakter der Autorin passte, aber im politischen Geschäft rasch in den Hintergrund rückte.18 Interessanterweise widerfuhr dem Club of Rome ein ähnliches Schicksal, als er 1972 jene Studie über die Grenzen des Wachstums publizierte, die er beim MIT-Forscher Dennis ­Meadows in Auftrag geben hatte. Auch hier ging es eigentlich um eine bestimmte Denkweise, nämlich den absurden Glauben an ex­ponen­tielle Wachstumsraten, die nach einiger Zeit unvermeidlich an die Grenzen des Planeten stießen. Rezipiert wurde die Studie freilich als Warnung vor Ressourcenerschöpfung, und diese Lesart reduzierte sich noch zusätzlich auf das Erdöl, als der erste Ölpreisschock im Herbst 1973 die Warnungen der Forscher zu bestätigen schien. Dabei hatten Meadows und sein Forscherteam überhaupt keine eigenen Untersuchungen zu den noch verfüg110 

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baren Erdölreserven angestellt, sondern vielmehr die Angaben der Ölkonzerne übernommen. Auch um die Grenzen der computergenerierten Prognosen machte die Studie keinen Hehl – in der Hochzeit von Kybernetik und Zukunftsforschung nicht unbedingt selbstverständlich. Es ging Autoren wie Auftraggebern nicht um konkrete Vorhersagen, sondern vielmehr um die Kritik eines Wachstumsdenkens, das vielen Wohlstandsbürgern nach dem Wirtschaftsboom der Nachkriegszeit zur zweiten Natur geworden war.19 Der Stumme Frühling basierte auf toxikologischen und öko­ logischen Ergebnissen, die sich noch als vergleichsweise orthodoxe disziplinäre Forschungen einordnen lassen. Die Grenzen des Wachstums waren hingegen eine Pionierstudie der computergestützten systemdynamischen Modellierung, die nicht so recht in die etablierten Kategorien der Forschungsförderung passte; am Ende übernahm die VolkswagenStiftung trotz eher mittelprächtiger Gutachten die Finanzierung.20 Hier wurde eine Wechselbeziehung von Wissenschaft und politischer Ökologie erkennbar, die noch in weiten Teilen der Erforschung harrt. Wie kaum ein anderes gesellschaftliches Anliegen hing die Umweltfrage an glaubwürdiger Forschung, aber zugleich veränderte sich die Wissenschaft unter dem Eindruck der neuen Klientel: in Leitfragen, disziplinären Grenzen, institutionellen Formen, Sozialprestige. Der Aufstieg der Umweltbewegung revolutionierte die wissenschaftliche Forschung im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts so umfassend wie sonst nur der Computer. Die Grenzen des Wachstums wurden zu einem internationalen Ereignis erster Güte. Noch im Jahr des Erscheinens wurde die Studie in zwölf Sprachen übersetzt, und der Titel wurde geradezu zur Chiffre für die Zäsur, die sich Anfang der siebziger Jahre vollzog: Nach einer Zeit der unbegrenzten Möglichkeiten begann nun eine Zeit der Grenzen und Krisen. Es ist freilich bezeichnend, dass der Auftraggeber der Studie kein genuiner Umweltverband war. Der Club of Rome, 1968 vom italienischen Industriemanager Aurelio Peccei und dem OECD Direktor Alexander King ins Leben gerufen, fühlte sich vielmehr Die erste Globalisierung der Umweltdebatte 111

für die Gesamtheit der Weltprobleme zuständig und betonte deren inneren Zusammenhang; distinguiert sprach der multinationale Zirkel von »the problématique«. Die wenigen Mitglieder des Club of Rome waren handverlesen und vorzugsweise Männer, und ohne falsche Bescheidenheit verstand man sich als globale Avantgarde. Damit ähnelte das Profil dem 1961 gegründeten World Wildlife Fund, dessen erster Präsident der niederländische Prinzgemahl Bernhard wurde. Ihm folgte 1976 der lang­jährige Chef der Royal Dutch Shell John Loudon. Grenzüberschreitend dominierte in der Verbandslandschaft noch die klassische Honoratiorenpolitik.21 In den USA war jedoch schon in den sechziger Jahren zu spüren, dass die ökologische Aufbruchstimmung auf einen Umbruch der seit der Jahrhundertwende gewachsenen Vereinsstrukturen hinauslaufen würde. Für gesellschaftliche Mobilisierung und aggressiven Lobbyismus waren die tradierten Organisationen nicht geschaffen, und mit den charismatischen Figuren, die nun zunehmend das öffentliche Erscheinungsbild der Umweltbewegung dominierten, hatten sie erst recht ein Problem. Besonders deutlich zeigte sich dies im Sierra Club, der jahrzehntelang eine ziemlich beschauliche Existenz geführt hatte. Das änderte sich, als dessen leitender Direktor David Brower den Kampf gegen Staudammprojekte in den Mittelpunkt der Vereinsarbeit stellte. Eine Kampagne gegen einen Stausee im Grand Canyon, der am Ende tatsächlich nicht gebaut wurde, verschaffte dem Sierra Club landesweites Ansehen und einen dramatischen Anstieg der Mitgliederzahlen. Verbandsintern wuchsen jedoch die Spannungen mit Brower, bis dieser schließlich 1969 das Handtuch warf und unter dem Namen Friends of the Earth eine neue Organisation gründete.22 1971 entstand durch den Zusammenschluss mit Gleichgesinnten in Großbritannien, Frankreich und Schweden Friends of the Earth International, der erste internationale Umweltverband, der tatsächlich eine Basis hatte. Seither gab es immerhin eine Alternative zur tradierten Elitenpolitik. Zu Friends of the Earth gesellte sich wenig später Greenpeace, dessen Genese auf den ersten Blick wie ein modernes Märchen 112 

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wirkt: Eine Handvoll Hippies mit Segelboot verwandeln sich in eine gesellschaftliche Avantgarde. Bei näherer Betrachtung zeigen sich allerdings auch jede Menge Spannungen, die Frank Zelko in einer umfangreichen Studie dokumentiert hat.23 Wie so viele Umweltverbände wirkte auch Greenpeace von außen deutlich beeindruckender als von innen. Nicht Personen oder Ideen machten Greenpeace zum Global Player, sondern Bilder: der Regenbogen, die Schwanzflosse eines Wals, die Schlauchboote, die waghalsigen Kletterer in schwindelnden Höhen. Der Aufstieg der Umweltbewegung fiel in die Zeit der visuellen Medien, und so entwickelte sie ihre ganz eigene Ikonographie, zunächst als Zufallsprodukt, dann zunehmend inszeniert: kein Verschmutzungsprotest ohne Gasmaske, keine Ölpest ohne Seevögel, kein Klimareport ohne Eisbären.24 Die ökologische Mobilisierung erreichte einen ersten Höhepunkt am 22. April 1970. Die Anregung eines umweltbewegten Senators, an diesem Tag einen ökologischen Aktionstag abzuhal­ ten, fand ein derart großes Echo, dass allein in New York etwa eine Million Menschen auf die Straße gingen. Insgesamt nahmen rund 20 Millionen Amerikaner an Vorträgen und Demonstrationen teil, und das zunächst als studentisches »Teach-In« geplante Ereignis ging unter dem Namen »Earth Day« in die amerikanische Geschichte ein.25 Die enorme Resonanz zeigte den Rückhalt, den Umweltproteste bereits zu diesem Zeitpunkt besaßen, hing aber auch mit der innenpolitischen Entwicklung der Vereinigten Staaten in den späten sechziger Jahren zusammen. Nicht zufällig boomten Umweltthemen just zu der Zeit, als Vietnamprotest und Bürgerrechtsbewegung ihren Höhepunkt überschritten hatten. Während diese beiden Themen die amerikanische Gesellschaft gespalten hatten, versprach die Rück­ besinnung auf das gemeinsame planetarische Erbe zumindest eine vorübergehende Versöhnung, und tatsächlich wurde der Earth Day bewusst als parteienübergreifende Veranstaltung aller Amerikaner konzipiert. Erstmals zeigte sich hier ein Phänomen, das seither immer wieder festzustellen war: Gleich einem System kommunizierender Röhren boomten ökologische Themen Die erste Globalisierung der Umweltdebatte 113

oft gerade dann, wenn andere politische Baustellen stagnierten. So fungierte Umwelt als ein alternatives politisches Spielfeld, auf dem man auch dann punkten konnte, wenn woanders Stillstand herrschte. Der Aufstieg der bundesdeutschen Umweltbewegung in den achtziger Jahren fiel zum Beispiel zeitlich mit Krise und Niedergang der Friedensbewegung zusammen, die sich gegen Neutronenbombe und NATO -Nachrüstung formiert hatte.26 Und auch der Boom der Klimadebatte im neuen Jahrtausend geschah wohl nicht ganz zufällig im Schatten des Frusts über den »Krieg gegen den Terror«. Der »Tag der Erde« war zunächst ein U. S.-amerikanisches Ereignis, das erst 1990 jenseits der Grenzen Nordamerikas Beachtung fand und heute weltweit begangen wird. Er überschnitt sich allerdings mit einer Initiative des Europarats, der das Jahr 1970 zum Europäischen Naturschutzjahr erklärt hatte. Die zahlreichen Veranstaltungen in diesem Rahmen verschafften Umweltthemen eine erhöhte Sichtbarkeit, auch wenn vieles im Vergleich mit der gesellschaftlichen Dynamik des Earth Day einen recht offiziösen Charakter trug.27 Die Aufgeschlossenheit für Umweltfragen, die viele Länder in dieser Zeit an den Tag legten, hatte viel damit zu tun, dass die Vereinten Nationen für 1972 eine große Umweltkonferenz in Stockholm planten. Diese Konferenz blieb bis zum Umweltgipfel von Rio de Janeiro 1992 die größte ihrer Art, war jedoch eine ziemlich zwiespältige Erfahrung. Einerseits dokumentierte die Anwesenheit von etwa 1 250 Delegierten aus 113 Ländern das wachsende politische Gewicht ökologischer Themen. Andererseits zeigte Stockholm aber auch, dass die Umweltdebatte zu diesem Zeitpunkt eine Ver­ anstaltung der westlichen Welt war.28 Das neue planetarische Bewusstsein wurde vom Globalen Süden nämlich keineswegs geteilt. »Ist denn nicht Armut der größte Umweltverschmutzer«, fragte die indische Premier­ministerin Indira Gandhi auf dem Umweltgipfel von Stockholm.29 Aus Sicht der Entwicklungsländer war Umweltschutz westlicher Prägung in erster Linie ein Luxus, wenn nicht gar eine neokoloniale Zumutung, die den Globalen Süden an der Ausübung seines 114 

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Rechts auf industrielle Entwicklung zu hindern drohte. Dabei war der Konflikt zwischen Umwelt und Entwicklung nur eine von mehreren Dimensionen des Nord-Süd-Gegensatzes, der die globale ökologische Debatte zu einer Kontroverse mit mehreren Fronten machte. So gehörten zu den Horrorszenarien, die in der Zeit um 1970 besonders leidenschaftlich rezipiert wurden, auch Spielarten des Neomalthusianismus, unter denen das Buch Die Bevölkerungsbombe des Amerikaners Paul Ehrlich besondere Beachtung fand.30 Tatsächlich nahm die Weltbevölkerung seit der Mitte des 20. Jahrhunderts mit rasanter Geschwindigkeit zu, aber dieses Wachstum fand vor allem in den Ländern des Globalen Südens statt. Wer in Umweltkreisen über das Bevölkerungswachstum diskutierte, stand seither leicht im Verdacht, von der überwältigenden Verantwortung des Westens für Ressourcenverbrauch und Umweltverschmutzung ablenken zu wollen. Der Umweltgipfel von Stockholm wurde aber nicht nur vom Nord-Süd-Konflikt belastet, sondern auch vom Boykott der Ostblockstaaten.31 Das hatte vordergründig mit dem Streit um den völkerrechtlichen Status der DDR zu tun, und doch zeigte sich darin zugleich, dass der Ostblock sich aus den Entwicklungen des Westens auszuklinken begann. Die Umweltgeschichte des Sozialismus wird für die letzten beiden Jahrzehnte meist als Geschichte einer sich sukzessive entfaltenden Katastrophe geschrieben. Inwiefern dies für die vorigen Jahrzehnte in gleichem Maße galt, ist Gegenstand der historiographischen Kontroverse. Der amerikanische Umwelthistoriker Stephen Brain hat jüngst sogar versucht, den berüchtigten Stalinplan zur Umgestaltung der Natur von 1948 als ökologisches Dokument zu interpretieren.32 Der Tübinger Historiker Klaus Gestwa spricht hingegen von einem »monströsen Erschließungsprojekt« im Zeichen der »Techno- und Gigantomanie«.33 Die beiden Lesarten schließen sich nicht kategorisch aus. Auch in der umwelthistorischen Imagination hat der Kalte Krieg seine Spuren hinterlassen. Die zeitgenössische Kritik diente zugleich der Legitimation der eigenen Seite: Wenn man beispielsweise die technologische Hybris des Stalinplans attackierte, Die erste Globalisierung der Umweltdebatte 115

wirkten die hydraulischen Funktionseliten des Westens plötzlich gar nicht mehr so autoritär. In den fünfziger Jahren war die DDR-Umweltpolitik jedenfalls noch deutlich innovations­ freudiger als jene der Bundesrepublik. Das dokumentierte sich neben dem schon 1954 verabschiedeten Gesetz zur Erhaltung und Pflege der heimatlichen Natur vor allem in der »Landschaftsdiagnose der DDR«, der der Westen nichts Vergleichbares entgegensetzen konnte. Etwa 90 Garten- und Landschaftsarchitekten sowie Landesplaner suchten im Rahmen dieses Großprojekts im gesamten Land nach Schäden durch Immissionen und Bergbau, Störungen des Wasserhaushalts und erosionsgefähr­ deten Gebieten. Dass das Projekt konzeptionell und personell an nationalsozialistische Traditionen anknüpfte, verwundert nur auf den ersten Blick. Beiden Systemen ging es schließlich darum, den landschaftlichen Exzessen des bürgerlichen Liberalismus planend entgegenzuwirken.34 Kein Zweifel: Eine Umweltgeschichte des Sozialismus darf nicht nur von ihrem Ende her geschrieben werden. Manches wirkt geradezu wie eine ungewollte Parodie auf die sozialistische Ideologie. In den sechziger Jahren versuchte sich die DDR im Rahmen des »Neuen Ökonomischen Systems der Planung und Leitung« gar an der Bepreisung von Emissionen – eine Idee, die später im Zeichen des Neoliberalismus als marktförmige Steuerung wiederentdeckt wurde.35 In der Sowjetunion expandierte die Geologie im Zeichen der sozialistischen Naturbeherrschung, um dann in der Praxis ungeplante Freiräume zu eröffnen.36 Andererseits gab es im Osten auch brachiale Machtpolitik: 1951 reduzierte ein Erlass Stalins die unter Naturschutz stehende Fläche auf ein Zehntel – eine Maßnahme, für die es in den Ländern des Westens kein Äquivalent gab.37 Ein qualitativer Unterschied von Ost und West begann sich erst in den siebziger Jahren mit wachsender Prägnanz abzuzeichnen. Nie jedoch entwickelte sich im Sozialismus eine umweltpolitische Philosophie, die der politischen Ökologie westlicher Prägung ernsthaft Konkurrenz machen konnte. Es sind nicht zuletzt diese Entwicklungen im Ostblock und im Globalen Süden, die den breiten Gesamttrend in den Ländern 116 

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des Westens erkennen lassen. Überall zeigte sich in den westlichen Wohlstandsgesellschaften eine erhöhte Beachtung ökologischer Probleme, eine Verbindung der vormals isolierten Debatten über Tier- und Naturschutz, Ressourcenverbrauch und Verschmutzung zu »der Umweltfrage«, ein wachsender Protest, die Gründung neuer und die Reorganisation bestehender Verbände und eine kritische Berichterstattung der Medien, und all dies verband sich zu einem wachsenden Konsens, dass es sich bei der Umweltfrage um eine zentrale Herausforderung moderner Gesellschaften handelte. Im Vorlauf zu Stockholm überschlugen sich die politischen Reaktionen geradezu. Großbritannien schuf 1970 eine Royal Commission on Environmental Pollution und ein Department of the Environment, die Vereinigten Staaten richteten im gleichen Jahr die noch heute bestehende Environmental Protection Agency ein, und in Frankreich wurde Robert Poujade 1971 der erste Umweltminister eines europäischen Landes. Dass dieser nach nur drei Jahren aufgab und unter dem Titel Das Ministerium des Unmöglichen seine Memoiren ver­ öffentlichte, unterstrich den neuen Status, den die einschlägigen Themen in der westlichen Welt erlangt hatten.38 Umwelt war nun eine ernste Sache. In dieser Ernsthaftigkeit bestand wohl auch die entscheidende Neuerung, die die Zeit um 1970 zu einer Wasserscheide in der Entwicklung der neuzeitlichen Umweltbewegungen machte. Es gab eigentlich nicht viel, was zu dieser Zeit wirklich neu war. Selbst die Ökologie, die um 1970 zum Leitmotiv der politischen Rhetorik aufstieg, hatte längst eine lange Tradition als biolo­ gischer Fachbegriff. Neu war jedoch, dass man die einzelnen Anliegen nun nicht mehr so einfach belächeln und margina­ lisieren konnte wie in früheren Zeiten. Es ging eben nicht mehr nur um gefährliche Chemikalien oder bedrohte Hamster, sondern um eine umfassende Umweltkrise, die vielfältige Facetten besaß. Dadurch gewannen die einschlägigen Debatten seit 1970 eine vormals unbekannte Brisanz, die bei allen Wandlungen des Ökologischen bis heute nicht verschwunden ist. Es ging und geht nicht mehr nur um ein Sammelsurium von Einzel­ Die erste Globalisierung der Umweltdebatte 117

problemen, sondern auch um ein großes Problem, ja die größte Herausforderung überhaupt: das Überleben der Menschheit und der Biosphäre. Diese neue Dringlichkeit war in den meisten westlichen Ländern zu spüren und insofern ein durchaus weltumspannender Prozess, implizierte aber zunächst keine grundsätzliche Herausforderung für das Machtmonopol der Nationalstaaten. Ganz im Gegenteil: Umweltpolitik blieb in den siebziger Jahren eine Angelegenheit, die fest in den Händen der Nationalstaaten verblieb. Zwar ging aus der Stockholm-Konferenz das United Nations Environment Programme mit Sitz in Nairobi hervor, und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft präsentierte im Herbst 1973 ihr erstes Umweltaktionsprogramm.39 Aber mit solchen Übereinkünften konnten die Regierungen noch ziemlich eigenmächtig verfahren. Selbst dort, wo es immerhin zu völkerrechtlich bindenden Verträgen kam, blieben die Vorgaben windelweich: Die Ramsar-Konvention von 1971, der inzwischen 168 Länder beigetreten sind, verpflichtete die Unterzeichner zum Beispiel lediglich, Feuchtgebiete von internationaler Bedeutung bei der UNESCO zu melden und gelegentlich über ihre Entwicklung und Bedeutung für den Vogelschutz zu berichten. Vorstellungen einer grenzüberschreitenden Kontrolle blieben fürs Erste illusorisch, und so blieb viel Raum für nationalstaatliche Sonder­ entwicklungen. Nachdem bis Stockholm zumindest für die westliche Welt eine gewisse Angleichung der Umweltdebatten zu konstatieren war, gab es seit 1973 für anderthalb Jahrzehnte eher eine Renationalisierung. Man blieb in Umweltfragen miteinander im Gespräch, verfolgte aber tatsächlich Wege, die vor allem von den Besonderheiten des jeweiligen Landes geprägt waren. Die bundesdeutsche Variante beschreibt das folgende Kapitel.

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6. Umwelten der siebziger Jahre Sozialliberale Reformen, gesellschaftliche Aufbrüche, Atomprotest Es gehört zu den politischen Usancen, dass Ressorts nach einem Regierungswechsel neu zugeschnitten werden. Das geschieht zumeist ohne öffentliches Aufsehen, und das nicht nur, weil Stellenpläne und Hierarchien für all jene, die nicht zufällig in einem Ministerium arbeiten, ziemlich dröge Themen sind. Beim Antritt einer neuer Regierung stehen gewöhnlich deren Reformvorhaben und die neuen Minister im Mittelpunkt. In günstigen Fällen passt dazu die Neuorganisation der Ministerien, in weniger günstigen steht eher ein Kuhhandel bei den Koalitionsverhandlungen Pate. Es war wohl eine Mischung aus beidem, die bei der Entstehung der sozialliberalen Bundesregierung im Herbst 1969 dazu führte, dass die Abteilung »Gewässerschutz, Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung« vom SPD -geführten Gesundheitsressort in das der FDP zustehende Bundesministerium des Innern verschoben wurde. Verschmutzungsprobleme waren nicht gerade die oberste Priorität der neuen Bundesregierung, die eher mit Sozial- und Bildungspolitik sowie der Brandt’schen Ostpolitik punkten wollte. Aber der neue Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher erkannte, dass sich hier neue Möglichkeiten boten, und so wurde das Thema zu einem Schwerpunkt seiner Politik. Genschers programmatische Absichten zeigten sich bereits darin, dass er nach einer Alternative zum sperrigen Namen der Abteilung suchte. Am 7.  Dezember 1969 entschied er sich für Umwelten der siebziger Jahre 119

»Abteilung U«, und dieser Buchstabe stand für einen bis dahin unbekannten Begriff: Umweltschutz. Das war eine wörtliche Übersetzung des englischen Begriffs environmental protection, der in den USA gerade eine enorme Popularität gewonnen hatte, und Umweltschutz war damit, wie Jens Ivo Engels konstatiert hat, »eine bürokratische Sprachschöpfung par excellence«.1 1970 legte Genscher ein »Sofortprogramm zum Umweltschutz« vor, dem im folgenden Jahr das erste Umweltprogramm einer Bundesregierung folgte, und all dies kam mit dem Nimbus einer entschlossenen Wende daher. Man müsse »vom nur punktuell reagierenden Umweltschutz zu einer umfassenden Umwelt­politik« kommen, erklärte Genscher 1971 im Bundestag und versprach, »die drohende Umweltkrise an der Wurzel zu packen«.2 Tatsächlich setzte die Abteilung U ein ehrgeiziges Reformprogramm um, das bis zu dieser Zeit in Deutschland ohne Vorbild war. Schon 1971 wurden ein Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm und das Benzinbleigesetz verabschiedet, es folgten das Abfall­ beseitigungsgesetz und das DDT-Gesetz (beide 1972), das Bundesimmissionsschutzgesetz (1974), das Bundeswaldgesetz (1975) und das Bundesnaturschutzgesetz (1976). Der Schwerpunkt lag auf dem Kampf gegen Verschmutzung, dem allein 34 der insgesamt 54 Gesetze und Verordnungen dienten.3 Weiterhin schuf Genscher 1971 den Sachverständigenrat für Umweltfragen und gründete das Umweltbundesamt in Berlin, das nach einigen Querelen aufgrund des Berliner Viermächtestatus 1974 seine Arbeit aufnahm. Hinzu kamen Umweltausschüsse auf Kabinetts- und Abteilungsleiterebene, eine seit 1972 tagende Umweltministerkonferenz der Länder sowie die Ernennung Bernhard Grzimeks zum Naturschutzbeauftragten der Bundesregierung.4 Die neue Politik wurde in der Öffentlichkeit mit viel Sympathie aufgenommen, und der bürokratische Neologismus »Umweltschutz« wurde zu einem Wort der Alltagssprache. Kritik gab es vor allem hinter den Kulissen, und sie kam aus zwei Richtungen. Zum einen zielte Genscher auch auf eine Neuordnung der Kooperation von Bund und Ländern und tangierte damit das vielleicht heikelste Problem des deutschen Regierungssystems. 120 

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»Wohl kein Minister zuvor hatte jemals versucht, von den Ländern für den Bund soviel Zuständigkeit zu bekommen«, schreibt Genscher in seinen Erinnerungen.5 Am Ende führte das Tauziehen zu einer Änderung des Grundgesetzes, die für Abfallbeseitigung, Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung die konkurrierende Gesetzgebung vorsah, während es für Naturschutz und Landschaftspflege sowie die Reinhaltung der Gewässer bei der Rahmenkompetenz des Bundes blieb. Es war einer jener Kompromisse, wie ihn der deutsche Föderalismus so gerne hervorbringt: für die Verhandlungsführer plausibel und rätselhaft für alle anderen. Genscher jedenfalls war mit dem Resultat nicht glücklich. Noch aus der Distanz eines Vierteljahrhunderts grämte er sich wegen »der verlorenen ›Wasserschlacht‹«.6 Zum anderen gab es parteipolitische Animositäten. So vermisste zum Beispiel das SPD -geführte Arbeits- und Sozial­ ministerium von Nordrhein-Westfalen in Genschers vollmundiger Rhetorik den Respekt für die bislang geleistete Arbeit. Das Ministerium, seit mehr als einem Jahrzehnt für den bundesdeutschen Immissionsschutz maßgebend, belehrte Genscher süffisant, »daß die Kontinuität unserer Arbeit durch mißverständliche Formulierungen oder unausgereifte Entwürfe nicht gefährdet« werden möge.7 Ein Vermerk des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge sprach gar von »Bedrohungen« durch das Bundesinnenministerium, denen »läutester Widerstand entgegengesetzt werden« müsse.8 Aber es ist doch bezeichnend, dass sich Bayern am Ende nicht zur Obstruktion entschloss, sondern vielmehr Genschers Initiative durch die Schaffung des ersten deutschen Umweltministeriums noch zu übertreffen suchte.9 Bayerischer Staatsminister für Landes­ entwicklung und Umweltfragen wurde der spätere Minister­ präsident Max Streibl, dem ein eifriger persönlicher Referent namens Edmund Stoiber zur Seite stand. In der Konkurrenz um die beste umweltpolitische Pose behielt Genscher fürs Erste die Oberhand. Etwas anders sah dies mit Blick auf die Inhalte aus: Hinter dem emphatisch verkün­ deten Aufbruch verbarg sich tatsächlich ein enormes Maß an Umwelten der siebziger Jahre 121

Kontinuität. Vor allem dort, wo es in den Jahren zuvor Reformen gegeben hatte, hielt sich das Bundesinnenministerium mit Änderungen zurück. Das 1974 verabschiedete Bundesimmissions­ schutzgesetz orientierte sich zum Beispiel ganz am Vorbild Nordrhein-Westfalens. Damit blieben auch die Probleme einer Reformpolitik von oben, wie sie seit den fünfziger Jahren praktiziert worden war: Von der Umsetzung vor Ort hatten die Akteure in Bundes- und Landesministerien eher schemenhafte Vorstellungen. Die Reformer zeigten auch kaum ein Interesse an solchen Themen, vielleicht aus einer dunklen Ahnung heraus, dass sie dann die nachgeordneten Behörden nicht mehr so einfach mit immer neuen Vorgaben bombardieren konnten. Erst der neue Sachverständigenrat für Umweltfragen brach das Schweigen der Ministerialbeamten: »Die Verwaltungsbehörden, aber auch die Staatsanwaltschaften und die Strafgerichte haben bisher nach allgemeiner Überzeugung die Rechtsvorschriften des Umweltschutzrechts nicht ernst genug genommen«, schrieb er in seinem Gutachten von 1974. In manchen Fällen grenze das behördliche Verhalten »fast an Vollzugsverweigerung«.10 Das »Implementationsdefizit im Umweltrecht« wurde zu einem stehenden Begriff. Vollzugsprobleme waren im internationalen Vergleich zwar durchaus nicht ungewöhnlich, aber die bundesdeutsche Situation wurde durch das Fehlen jeder Diskussion über die Problematik unnötig verschärft. Die Schaffung von Transparenz und öffentlicher Kontrollierbarkeit des Verwaltungshandelns gehörte jedenfalls nicht zur Umwelt­politik der sozialliberalen Bundesregierung. So blieb es beim traditionellen Nimbus bürokratischer Allgewalt und einer Realität der Kompromisse und des Durchlavierens, die kaum effektiven Kon­ trollen unterlag.11 Widerstand kam auch von Industriellen, die aus finanziellen und prinzipiellen Gründen keinen Grund für eine verschärfte Umweltpolitik sahen. Rückblickend schrieb Genscher, die Verhandlungen über das Benzinbleigesetz seien »ein Lehrstück über die umweltpolitische Uneinsichtigkeit einzelner Wirtschaftslobbyisten« gewesen.12 Allerdings wusste Genscher, dass er einen 122 

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Grundsatzkonflikt mit der Industrie schon aus Rücksicht auf seine eigene Partei vermeiden musste. Taktisch geschickt mied er deshalb den Konflikt mit den Stromkonzernen und fuhr bei der Entschwefelung der Großkraftwerke eine nachsichtige Linie. Die schädliche Wirkung des Schwefeldioxids auf Pflanzen war zwar längst unstrittig, und die ersten Pilotanlagen waren Anfang der siebziger Jahre praxisreif; das Land Nordrhein-West­ falen hatte deren Entwicklung finanziell gefördert. Die Macht der Energiekonzerne und Rücksichten auf die heimische Steinkohle machten es jedoch politisch ratsam, das Thema ruhen zu lassen. Erst 1977 wurde in Wilhelmshaven die erste kommerzielle Rauchgasentschwefelungsanlage in Betrieb genommen, und fünf Jahre später hatten erst sieben der rund 90 deutschen Großkraftwerke eine solche Einrichtung. Ähnlich zurückhaltend agierten Genschers Umweltschützer bei den Emissionen der Automobile. Sie ignorierten kurzerhand den amerikanischen Trend zum Einbau von Abgasfiltern, und so verschmutzten Autos weiterhin die bundesdeutsche Luft, während Fahrzeuge für den Export ohne viel Aufhebens mit fortschrittlichen Katalysatoren bestückt wurden. In beiden Fällen war der Konflikt damit nur aufgeschoben. In den achtziger Jahren kamen Automobilkonzerne und Kraftwerksbetreiber durch den öko­ logischen Protest arg in Bedrängnis. Das wohl folgenreichste politische Versäumnis betraf das Tempolimit. Zu den Notmaßnahmen, mit denen die Bundes­ regierung auf die Ölkrise im Herbst 1973 reagierte, gehörte nämlich neben den legendären autofreien Sonntagen auch eine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 km/h auf Auto­ bahnen und 80 km/h auf Landstraßen. Vermutlich hätte der deutsche Automobilismus eine andere Wendung genommen, wenn dieses Verbot nicht bald wieder aufgehoben worden wäre. Ein vom Bundesverkehrsministerium vorgelegter Kompromiss, der eine Begrenzung auf 120 km/h vorsah, scheiterte im März 1974 im Bundesrat. In diesem Zusammenhang prägte der ADAC den Slogan »Freie Fahrt für freie Bürger«, der seither alle ­einschlägigen Bestrebungen zu einem politischen HasardUmwelten der siebziger Jahre 123

spiel machte. So wurde die freie Fahrt auf deutschen Autobahnen zum bundesdeutschen Mythos, und der Preis sind nicht nur grausige Unfälle und horrende Emissionen, sondern auch eine technologische Hochrüstung mit schwergewichtigen Limou­ sinen, die die hohen Geschwindigkeiten überhaupt erst möglich machen.13 Das Scheitern des Tempolimits spiegelte eine Fixierung auf technische Maßnahmen, die in auffallendem Kontrast zur rhetorischen Breite des Umweltprogramms stand. Sobald es nicht mehr nur um gesetzliche Vorgaben, sondern um Einschränkungen für den gemeinen Bürger ging, verhielt sich die Bundesregierung betont vorsichtig. Gerne sprach sie programmatisch von »Lebensqualität«, aber daraus wurde nie ein verbindlicher politischer Kompass.14 Die Segnungen der Konsumgesellschaft blieben im politischen Diskurs der Bundesrepublik erstaunlich lange unangefochten, und als sich das in den frühen siebziger Jahren änderte, kam der Impuls nicht aus der Umweltpolitik, sondern von der Neuen Linken, die in der Werbung eine Manipulation aus kommerziellen Interessen, mithin also ein »besonders subtiles Instrument der Ausbeutung«, erkannte.15 Schon bei der Gründung der Stiftung Warentest 1964 war die Bundesrepublik im Vergleich mit anderen westlichen Ländern ein Nachzügler gewesen.16 Es zeigt die deutsche Vorliebe für korporatistische Strukturen, dass in den Gremien der Stiftung Warentest auch Industrievertreter Sitz und Stimme hatten, während in den USA seit Mitte der sechziger Jahre der Konsumenten­ anwalt Ralph Nader zur Attacke blies. Sein Klassiker Unsafe At Any Speed, eine fulminante Kritik der amerikanischen Auto­ mobilindustrie, ist bis heute nicht auf Deutsch erschienen.17 Am spektakulärsten scheiterte Genschers Versuch, die öko­ logische Zivilgesellschaft zu kooptieren. Dahinter stand nicht nur das Bestreben, eine regierungsfreundliche Basis für den Umweltschutz zu gewinnen, sondern auch ein strategisches Kalkül des linksliberalen Flügels der FDP. »Umweltschutz hat Vorrang vor Gewinnstreben und persönlichem Nutzen«, hatten die Libe­ralen 1971 in ihren Freiburger Thesen verkündet.18 124 

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Mit ­Peter Menke-Glückert hatte Genscher zudem einen unortho­ doxen Libe­ralen in die Abteilung U geholt, der den Wirt­schafts­ libera­len allerdings bald ein Dorn im Auge war. Als MenkeGlückert in Atomfragen von der Parteilinie abwich, zürnte Bundeswirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff, er bringe die Causa Menke-Glückert »vor das Kabinett«.19 Eine enge Zu­sam­ men­arbeit mit umweltbewegten Initiativen war zunächst jedoch reformstrategisch wie parteipolitisch ausdrücklich erwünscht, und so gehörte zu den umweltpolitischen Ini­tia­tiven auch eine Arbeitsgemeinschaft für Umweltfragen, die ausgewählten Verbänden einen direkten Draht ins Ministerium eröffnete. 1972 leistete der Bundesminister des Innern sogar tatkräftige Geburtshilfe, als sich im hessischen Mörfelden der Bundesverband verband der Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) als Dach­ sich rasant vermehrenden Umweltinitiativen gründete.20 Die FDP-nahe Friedrich Naumann Stiftung unterstützte den BBU­ finanziell.21 Die Radikalisierung der Umweltszene machte die Hoffnung auf eine staatsnahe Lobby jedoch bald zunichte. Ein Übriges tat der aggressiver werdende Tonfall in Büchern und Medien, der 1972 in düsteren Untergangsszenarien kulminierte. Der erste Vorsitzende der BBU Hans-Helmuth Wüstenhagen, zugleich Mitglied der FDP, trat schließlich 1977 auf massiven Druck linker Gruppen zurück, und als Wolfgang Sternstein, über mehrere Jahre Vorstandsmitglied im BBU, diesen später in Freiburg besuchte, traf er »einen verbitterten alten Mann, der sich über Gott und die Welt beklagte«.22 Auch solche Schicksale haben in einer Geschichte der bundesdeutschen Umweltbewegung ihren Ort, nicht zuletzt vor dem Hintergrund flott geschriebener Bücher, die den Aufstieg grüner Kämpfer wie Joschka Fischer als Symbol eines neuen Deutschlands feiern.23 Manche Menschen zahlten für das grüne Deutschland einen hohen Preis. In den Bestrebungen des Bundesinnenministeriums scheint jedoch ein Motiv durch, das in Beschreibungen der Genscher’schen Umweltpolitik gerne übersehen wird: Das Ministerium verfolgte beim Umweltschutz durchaus egoistische Interessen. Die Bürger­ Umwelten der siebziger Jahre 125

initiativen waren naturgemäß darauf erpicht, den Staat als zaudernden Leviathan zu präsentieren, der sich erst nach energischem Protest der Bürger zu gewissen Maßnahmen aufzuraffen vermochte. Tatsächlich erkannten aufgeschlossene Behördenleiter jedoch bald, dass sich mit einer energischen Umweltpolitik eine Ausweitung von Kompetenzen und Budgets erreichen ließ. Dieses Eigeninteresse spiegelt sich in dem auf den ersten Blick unzeitgemäß anmutenden Bestreben, tradierte Freiräume tunlichst zu beschränken. Das traf besonders die Naturschutzbeauftragten, deren Unabhängigkeit nun verwaltungsintern als Bedrohung galt. Ein Bürger mit Ehrenamt, der keinen Weisungen unterworfen war, konnte der Verwaltung schließlich eine Menge Ärger bereiten. So wurden die Naturschutzbeauftragten zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen 1975 durch Landschaftsbeiräte ersetzt und eine neue Landesanstalt für Ökologie, Landschaftsentwicklung und Forstplanung eingerichtet.24 Bei solchen Maßnahmen ging es nicht nur um die Stärkung wissenschaftlicher Expertise, sondern auch darum, dass solche Behörden sehr viel besser in administrative Hierarchien passten als das tradierte Beauftragtennetzwerk. Reformpolitik ging so Hand in Hand mit dem Bestreben der Verwaltung, bei aller gesellschaftlichen Dynamik möglichst die Zügel in der Hand zu behalten. Die meisten Forscher fanden die verwaltungsinternen Vorgänge jedoch weniger spannend als den Umbruch der Zivilgesellschaft. Der seit den fünfziger Jahren gärende Umwelt­protest erreichte ein neues Niveau, und seit den siebziger Jahren mussten große Industrie- und Infrastrukturprojekte mit heftigem Widerstand rechnen. In Karlsruhe verhinderte die Bürger­a ktion Umweltschutz Zentrales Oberrheingebiet die Erweiterung einer Erdölraffinerie. Am Niederrhein torpedierten örtliche Aktionsgruppen zusammen mit der Stadt Duisburg einen Industriekomplex der VEBA-Chemie im Orsoyer Rheinbogen.25 In Frankfurt wurde der Protest gegen die Startbahn West für mehr als ein Jahrzehnt zu einem Kristallisationspunkt des ökologischen Protests.26 Eine Bundesweite Aktionsgemeinschaft gegen den Rhein-Main-Donau-Kanal, die breite Unterstützung bis hin zur 126 

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Plakat für eine Demonstration gegen ein Industrieprojekt der VEBA-Chemie im Orsoyer Rheinbogen 1971. Man beachte die Offenheit für unterschiedliche Musikstile: Unter den Gegnern waren offenbar auch Freunde der Blasmusik. (Bundesarchiv)

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Schutzstation Wattenmeer gewann, erreichte einen Planungsstopp, der jedoch nach der Bonner Wende 1982 auf Betreiben der CSU wieder aufgehoben wurde.27 Kein anderes Thema bewegte jedoch so sehr wie die Atomkraft, seit Mitte der siebziger Jahre der ökologische Streitfall schlechthin. In keinem anderen Land wurde die nukleare Kontroverse so sehr zum prägenden Thema der Umweltbewegung wie in der Bundesrepublik. Es ist heute nicht mehr leicht zu verstehen, wie über­raschend der Konflikt ursprünglich war. In den sechziger Jahren war jeder, der sich für einigermaßen fortschrittlich hielt, ganz selbstverständlich für das »friedliche Atom«. Die größten Skeptiker waren ausgerechnet die großen Energiekonzerne, die später aus Sicht der Anti-Atomkraft-Bewegung zum Inbegriff des »Atomstaats« wurden.28 Zudem attackierte der Protest mit der Stromversorgung einen der wenigen gesellschaftlichen Bereiche, der in den turbulenten siebziger Jahren relativ krisenfest war. Oder war es vielleicht gerade die behäbige Stabilität der Energiewirtschaft, die zur Konfrontation reizte? Wie auch immer: Die­ nukleare Kontroverse war in der Dauer und Entschlossenheit, mit der sie auf allen Seiten geführt wurde, ein unerwartetes Ge­schehen, das sich mit wachsender Distanz immer mehr als ein Mysterium präsentiert. »Nie zuvor und danach ist in der Bundesrepublik eine so durchschlagsfähige Massenbewegung in das politische System eingebrochen«, schreibt Hans-Peter Schwarz.29 Ulrich Herbert bemerkt, der Kampf wurde »in geradezu manichäischer Frontstellung geführt  – ein Glaubenskrieg, in dem es offenbar um mehr ging als um ein Problem der Energiegewinnung.«30 Zum Fanal wurde der Protest gegen ein geplantes Atomkraftwerk im südbadischen Wyhl. Dabei hatte es schon zuvor lokal begrenzte Proteste gegeben, so etwa bei den Kraftwerksprojekten in Kahl, Gundremmingen und Würgassen.31 In Wyhl erreichte der Protest jedoch eine neuartige Qualität. Winzer vom Kaiserstuhl verbündeten sich mit Bürgern aus der Region und Studenten aus dem nahegelegenen Freiburg, und aus dem lokalen Anliegen erwuchsen grundlegende Zweifel am Atomstaat: 128 

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»Kein Atomkraftwerk in Wyhl und auch nicht anderswo« lautete die Parole. Und es ging nicht mehr nur um Protestschreiben und Demonstrationen. Als im Februar 1975 die Bauarbeiten begannen, überwanden empörte Bürger den Zaun, besetzten den Bauplatz und errichteten ein »Freundschaftshaus«, in dem alsbald eine »Volkshochschule Wyhler Wald« tagte. Ein Piratensender versorgte die Region aus dem Elsass mit einschlägigen Informationen. Längst ist der Protest von Wyhl zum bundesdeutschen Mythos geworden, der symbolträchtig verkörpert, was eine Demokratie ausmacht: Menschen finden über tiefe Gräben hinweg zusammen, kämpfen ausdauernd und solidarisch für ein gemeinsames Ziel und haben am Ende auch noch Erfolg.32 Aus der Nähe relativierte sich die zivilgesellschaftliche Idylle. Innerhalb der Protestbewegung gab es erhebliche Spannungen, wie sie bei einem Bündnis von Bauern und militanten Studenten auch kaum anders zu erwarten waren.33 Selbst der vielbeschworene Gegensatz von ruppiger Staatsmacht und gewaltfreier Opposition war eine Sache der Perspektive. Als der baden-württembergische Ministerpräsident Hans Filbinger im Oktober 1976 für Verhandlungen in den Kaiserstuhl kam, sah er sich mit einer spontan zusammengerufenen Menschenmenge konfrontiert, die ihn und seine Sicherheitsleute umzingelte und wüst beschimpfte. Weintrauben flogen, Schreckschussgeräte knallten, Leuchtraketen zischten in die Luft, und am Ende vermisste ein sichtlich schockierter Ministerpräsident seine Manschettenknöpfe.34 Die Eskalation setzte sich an anderen Bauplätzen fort. Am 13.  November 1976 tobte die »Schlacht um Brokdorf«, am 19. März 1977 die »Schlacht um Grohnde«. Beide Seiten rüsteten auf: die Polizei mit Hubschraubern und Wasserwerfern, die Demonstranten mit Schneidbrennern für den Bauzaun, koordinierten Steinwürfen, Befehlszentralen nebst Kradmeldern und eigenen Sanitätskompanien aus Medizinstudenten. Prügelnde Polizisten, Tränengas und Hubschrauber, die im Tiefflug über die Köpfe der Demonstranten hinwegrasten – es waren bürgerkriegsähnliche Szenen in einem Land, das sich doch eigentlich als »Volk der Mitte« am wohlsten fühlte.35 Umwelten der siebziger Jahre 129

Aus der Distanz eines Vierteljahrhunderts hat Andreas Pettenkofer kürzlich die Anti-Atomkraft-Demonstrationen als ein quasireligiöses, »sakrales« Erlebnis diskutiert.36 Man weiß nicht so recht, ob dahinter mehr steckt als ein Mangel an solider Empirie. Gewiss gab es Autonome, die voller Begeisterung mit Zwillen auf Polizisten schossen, aber andere kamen als Augenzeugen solcher Aktionen ins Grübeln über die eigene Rolle und die eigenen Knochen, falls die Polizei zum Gegenangriff überging.37 Für etablierte Verbände wie den Bund Naturschutz wurde die Gewaltfrage zur Zerreißprobe. Als Hubert Weiger nach einer entgleisten Großdemonstration »die Grenze zu Chaoten und Anarchisten ziehen« wollte, kam von der Landesjugendleitung heftiger Widerspruch: »Wir haben als Verband kein Recht dazu bestimmte Gruppen an den Rand zu drängen und der Polizei auszuliefern.«38 Als ein Polizeibeamter 1981 während einer Demonstration in Brokdorf von seiner Truppe getrennt wurde und in einen Graben stürzte, attackierten ihn wütende Aktivisten derart massiv, dass die Staatsanwaltschaft Anklage wegen gemeinschaftlichen Mordversuchs erhob. Das Verfahren scheiterte aus Mangel an Beweisen.39 Demonstrationen waren nur ein Teil  der Anti-AtomkraftBewegung. Zu ihr gehörte auch die Entwicklung einer Gegenexpertise. Die Kerntechnik zog unter den damaligen Studenten die klügsten Köpfe an, und doch geriet das wissenschaftliche Establishment erstaunlich rasch in die Defensive. Wer sich in den siebziger Jahren in die Details der Nukleartechnik vertiefte, dem konnte in der Tat angst und bange werden. 1973 veröffentlichte Holger Strohm unter dem Titel Friedlich in die Katastro­ phe eine kritische Dokumentation über Atomkraftwerke, die bis 1981 auf mehr als 1 200 Seiten anschwoll und eine sechsstellige Auflage erreichte.40 Unterstützung erhielt die Kernkraftkritik auch durch die Konversion einschlägiger Experten wie etwa des Atommanagers Klaus Traube.41 Seit Ende der sechziger Jahre die ersten Großkraftwerke bestellt wurden, standen Experten bei Sicherheitsfragen unter dem Druck von Milliardeninvestitionen, und kritischen Geistern blieb irgendwann nur noch der Gang in 130 

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Der »Polizeistaat in Aktion«, den dieses Plakat Mitte der siebziger Jahre kritisierte, war beim Atomkonflikt nur der eine Teil  der Geschichte. Auch die Demonstranten waren seit Wyhl auf Konfrontationskurs. Mit dem­ Brokdorf-Urteil zum Demonstrationsrecht schrieb der Protest am Ende sogar Verfassungsgeschichte. (Bundesarchiv)

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die Öffentlichkeit.42 Manche Vokabeln gingen sogar in den allgemeinen Sprachgebrauch ein, so etwa das »Restrisiko« oder der »Größte Anzunehmende Unfall« (GAU) – letzteres ursprünglich ein technischer Begriff, der zur Chiffre für die Entgrenzung der Gefahr wurde.43 Zur großen Stunde der Gegenexpertise wurde die GorlebenAnhörung der niedersächsischen Landesregierung im Frühjahr 1979. Es ging um das im Wendland geplante »Nukleare Ent­ sorgungszentrum«, das eine Wiederaufarbeitungsanlage, die Behandlung des Abfalls und die Endlagerung im Gorlebener Salzstock umfassen sollte. Seit der Standort 1977 bekanntgemacht wurde, hatte es im Wendland heftigen lokalen Widerstand gegeben. Dieser verband sich mit der überregionalen Anti-Atomkraft-Bewegung, die rasch erkannte, dass der nukleare Komplex bei der Wiederaufarbeitung besonders verwundbar war. In die gespannte Atmosphäre während der Anhörung platzten Nachrichten über einen schweren Reaktorunfall im amerikanischen Harrisburg, wo tagelang eine Explosion des Reaktorgebäudes drohte. Am Ende kapitulierte die Landesregierung vor dem geballten Protest. In einer mit Spannung erwarteten Regierungs­ erklärung empfahl der niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht, das Projekt einer Wiederaufarbeitungsanlage »nicht weiterzuverfolgen«: Sie sei vielleicht technisch, aber nicht »politisch realisierbar«.44 Handfester äußerte sich Albrecht in einer Kabinettssitzung: »Ich will keinen Bürgerkrieg im Land.«45 Das Gorleben-Hearing war der erste greifbare Erfolg der AntiAtomkraft-Bewegung. In Grohnde und Brokdorf wurden trotz des Protests Reaktoren gebaut, und die Bundesrepublik wurde zu einem der größten Atomstromproduzenten der Welt. Die politischen Funktionseliten mit Bundeskanzler Helmut Schmidt an der Spitze standen in den siebziger Jahren fest zur Atomkraft, übrigens im Unterschied zu Österreich, das 1978 per Volksentscheid aus der Atomkraft ausstieg: Das bereits fertig gebaute Kernkraftwerk Zwentendorf ging nie ans Netz.46 Im besten Fall erreichte der Protest eine aufschiebende Wirkung wie etwa in Wyhl. Erst 1982 bestätigte das Verwaltungsgericht Mannheim 132 

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die Errichtungsgenehmigung, und da war den Bauherren bereits die Lust auf das Projekt vergangen.47 Es stellte sich heraus, dass die atomaren Planungen auf überzogenen Energieprognosen beruht hatten, so dass Wyhl und andere Projekte erst einmal auf Eis gelegt und nach einiger Zeit still beerdigt wurden. Auch die Gorlebener Entscheidung war eigentlich nur ein Teilerfolg, denn am Bau eines Zwischenlagers hielt die Landesregierung ebenso fest wie an den Endlagerplänen, und so blieb Gor­leben auf der Landkarte des ökologischen Protests. Dennoch war Albrechts Entscheidung eine Zäsur, ein Schock für die Atom­manager und eine wichtige Lernerfahrung für ihre Gegner: Man konnte tatsächlich mit Argumenten etwas erreichen. Es war freilich bezeichnend, dass die vielleicht wichtigste umweltpolitische Maßnahme der späten siebziger Jahre in einem Verzicht bestand. Die umweltpolitische Offensive der Bundesregierung hatte sich längst verläppert und mit ihr die Ägide der staatlichen Verwaltungen. 1974 war Genscher ins Außenministerium gewechselt, und die Energien des Bundesinnenministe­ riums wurden zunehmend vom Terror der RAF gebunden.48 Helmut Schmidt machte als Bundeskanzler ohnehin keinen Hehl aus seiner Geringschätzung für die grüne Sache: »Konzentration auf das Wesentliche« war das Leitmotiv seiner ersten Regierungserklärung. Dass dazu mitnichten Umweltprobleme gehörten, zeigte sich im Juni 1975, als der Kanzler während einer Klausurtagung auf Schloss Gymnich mit einer aus dem Ruder laufenden Umweltpolitik ins Gericht ging. In gewisser Weise spiegelte sich darin auch ein zunehmendes Gewicht ökologischer Themen. Erstmals wurde der Schutz der Umwelt, zuvor ein volkswirtschaftlich belangloses Thema, als Wachstumsbremse wahrgenommen. Umweltpolitik war immerhin wichtig genug geworden, um vom Bundeskanzler attackiert zu werden. Nur war dies verständlicherweise ein schwacher Trost für die Umwelt­szene. Hinter dem umweltpolitischen Stillstand verbarg sich jedoch eine Kontinuität der technisch-administrativen Arbeit, die bislang kaum Beachtung gefunden hat. Die Expertenzirkel, die sich in den fünfziger Jahren gefunden hatten, arbeiteten im VerborUmwelten der siebziger Jahre 133

genen weiter, durchaus ermutigt von den bundespolitischen Impulsen der frühen siebziger Jahre. Mehr und mehr zeigten sich die Konturen eines zukunftsträchtigen Wirtschaftszweigs. Seit 1970 verlegte die Koordinierungsstelle Umwelttechnik des VDI eine eigene Zeitschrift Umwelt, 1971 erschien erstmals Das tech­ nische Umweltmagazin, 1978 Umwelt & Technik als »Zeitschrift für angewandten Umweltschutz«. Auch auf regionaler Ebene entstanden nun erste Zusammenschlüsse; so schuf der Münsterländer Bezirksverein des VDI 1974 einen Arbeitskreis Umwelttechnik. Die Bundesregierung stärkte diese Entwicklung, als sie 1979 ein bis heute laufendes Programm zur Förderung von Demonstrationsvorhaben zur Verminderung von Umweltbelastungen auflegte.49 So wurde stillschweigend Wirklichkeit, was später zum Slogan wurde: Umweltschutz schaffte Arbeitsplätze. Auch Journalisten gewannen in den siebziger Jahren als eigenständige Akteure an Profil. Seit jeher hatte die Presse Umweltthemen als klassische Gemeinwohlthemen mit Sympathie verfolgt, aber noch Anfang der siebziger Jahre wirkte der Tonfall eher pflichtschuldig. Mit der zivilgesellschaftlichen Mobilmachung erwachte jedoch der Jagdinstinkt. Die schmutzigen Geheimnisse der Industrie lockten investigative Journalisten, das Thema war frisch und neu, und es erlaubte polemische Zuspitzungen. Schon früh zeigten sich jedoch auch die Ambivalenzen medialer Kampagnen. Ein Beispiel war die sogenannte »Schwalbenkatastrophe« im Herbst 1974, als ein früher Wintereinbruch den Vogelzug gen Süden behinderte. Vereinzelte Fangaktionen, nach denen die Schwalben per Luftfracht über die Alpen kutschiert wurden, wuchsen sich nach Presseberichten zu einer großen Rettungsaktion aus, für die am Ende gar Nester zerstört wurden, um die dort nächtigenden Tiere einzufangen. Viele Schwalben verhungerten während langer Wartezeiten in Kartons oder starben durch unsachgemäße Fütterung, während Fachleute hilflos zur Zurückhaltung mahnten. Vor dem Hintergrund der medial befeuerten Empathie für unterkühlte Vögel wirkte der Rat der Experten herzlos und brutal. Am Ende war die Presse »einziger Nutznießer der Situation«.50 134 

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Man sieht: Langsam bewegte sich das Ökologische aus der gesellschaftlichen Nische heraus, aber noch war völlig offen, ob daraus mehr werden würde als ein blasser grüner Federstrich im Gesamtpanorama der Bundesrepublik. Das gilt wohl auch für das linksalternative Milieu, das Sven Reichardt in seinen vielfältigen Manifestationen vermessen hat. Alternative Läden, Müsli zum Frühstück, gesundes Essen in der Teestube, Demonstrationen gegen Startbahnen und Atomkraftwerke – immer wieder ging es beim alternativen Leben auch um die Umwelt. Manchmal gingen daraus langfristig erfolgreiche Unternehmungen hervor, so etwa das Freiburger Öko-Institut oder die dortige Ökomesse, die auf drei Solarausstellungen zurückging, die der baden-württembergische Landesverband des BUND zwischen 1976 und 1978 organisierte.51 Selektiv griffen die Alternativen auch auf Traditionen der Lebensreform zurück, und so hing dann das ikonische »Lichtgebet« von Fidus in manchen Wohngemeinschaften »neben Portraitbildern von Mao Tse-Tung und Che Guevara«.52 Freilich sollte man sich hüten, hier in teleologischer Manier von einer Saat zu sprechen, die nur noch aufgehen musste. Das alternative Milieu war ein Experimentierfeld im ständigen Wandel, und im Streben nach Authentizität zeigte sich eine Selbstbezogenheit, die sich in ganz unterschiedliche Richtungen entwickeln konnte. Ob das alternative Milieu zum Beispiel die kommenden Wirtschaftskrisen oder den Terror der RAF überleben würde, war keineswegs ausgemacht. So fügt sich das linksalternative Milieu in einen Gesamtzusammenhang, dessen zentrales Merkmal seine Unschlüssigkeit war. In allen drei Handlungsfeldern des Ökologischen war etwas in Bewegung gekommen, aber die Entwicklungen waren nur lose miteinander verbunden und manchmal auch gegenläufig. Bürgerinitiativen kämpften gegen die Staatsverwaltung, ein Teil der sozialliberalen Koalition plante eine Umweltpolitik, während ein anderer Teil Atomkraftwerke bauen ließ, und der Weg vom alternativen Milieu zum ökologischen Start-up-Unternehmen war erst recht lang und gewunden. Es bedurfte schon einer ordentlichen Portion Optimismus, um zu ahnen, dass sich all dies Umwelten der siebziger Jahre 135

in den achtziger Jahren zu einem spektakulären grünen Boom zusammenfügen würde. Die Sache der Umwelt war Ende der siebziger Jahre in der Krise, und diese Krise ist nicht nur als ein vorübergehendes Phänomen von Interesse. Leicht verführt der enge Takt der Ereignisse seit 1970 dazu, die Umweltgeschichte der jüngsten Zeit als Aufstiegsgeschichte zu schreiben, die nur von ein paar belang­ losen Schwächephasen unterbrochen wurde. Eine solche Darstellung wäre jedoch nicht nur arg eingleisig, sondern auch analytisch unbefriedigend – als sei hier der Hegel’sche Weltgeist am Werk. Die Frage nach Ursachen stellt sich gar nicht erst, wenn man davon ausgeht, dass es dem Weltgeist damals nach etwas Ökologie dürstete. Es ist bemerkenswert, dass es über die Gründe für die ökologische Revolution bislang keine große Forscherkontroverse gibt. Die meisten Studien konzentrieren sich auf die Formen und Folgen des Wandels und streifen die Frage nach den Ursachen nur en passant. Das führt leicht zu einer oberflächlichen Geschichte, in der Dinge wie Macht und Geld nie systematisch diskutiert werden. Der Aufstieg des Ökologischen war weder unvermeidlich noch unwiderstehlich, sondern vielmehr das Resultat spezifischer Akteurskonstellationen, Interessen und Kontexte – so wie das bei historischen Entwicklungen üblicherweise der Fall ist. Es lohnt sich deshalb, den Blick von der Ereignisgeschichte zu lösen und den Strukturwandel des Ökologischen einmal grundsätzlich zu thematisieren: Wie kam es eigentlich zum spektakulären Aufstieg der bundesdeutschen Umweltbewegung?

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7. Zwischenbetrachtung Wieso kam es zur Ökologischen Revolution? Der Aufstieg der Umweltbewegung ist eines jener Phänomene, die man ganz leicht erklären kann, solange man sich nicht näher mit ihnen beschäftigt. Auf den ersten Blick scheint die Sache ganz klar zu sein. Ein Umbruch, der von Verbandsstrukturen bis zu Kaufentscheidungen keine Dimension des Sozialen unberührt ließ, erscheint leicht als eine säkulare Wasserscheide, die in einem grundlegenden Wandel von Denkweisen wurzeln musste. Oft umweht den Aufstieg der Umweltbewegung ein Hauch von Unvermeidbarkeit, als ginge es dabei um den Vollzug eines historischen Gesetzes. Das öffentliche Interesse an Umweltthemen »entspringt dem Streben nach einem besseren Leben für Menschen, Familien und ihre Gemeinwesen«, schrieb zum Beispiel der amerikanische Historiker Samuel Hays.1 Die Zeit, so scheint es, war für die politische Ökologie ganz einfach reif. Eine solche Sicht kann freilich weder politisch noch historiographisch überzeugen. Die vergangenen Jahre haben nachdrücklich vor Augen geführt, dass starke und einflussreiche Umweltverbände keine Selbstverständlichkeit sind. Ein teleologisches Geschichtsbild, das einen unvermeidlichen Weg in eine grüne Zukunft suggeriert, erscheint im 21. Jahrhundert nur noch naiv. Zudem läuft das auf eine seltsam gesichtslose Geschichtsschreibung hinaus, in der es weder Akteure noch Alternativen zu geben scheint. Jeder Erklärungsversuch sollte deshalb davon ausgehen, dass der Bedeutungsgewinn der vergangenen Jahrzehnte eine ungewisse und durchaus reversible Entwicklung Zwischenbetrachtung 137

darstellte. Die Geschichte des Ökologischen in Deutschland ist genauso ­offen wie jede andere Geschichte. Eine Erklärung sollte auch stets den historischen Gesamt­ zusammenhang im Blick behalten. Das mag wie eine Trivialität klingen, aber es ist schon frappierend, wie viele Zusammenhänge und Querbezüge unter dem Eindruck linearer Aufstiegs­narrative unterbelichtet geblieben sind. Warum boomte die Umweltbewegung zu einer Zeit, als die Kluft zwischen Armen und Reichen wuchs? Wieso wurde Umweltpolitik zu einem expandierenden Politikfeld, obwohl die westlichen Wohlfahrtsstaaten nach gängiger Lesart seit den siebziger Jahren in der Dauerkrise steckten? Warum entwickelten sich Umweltbewegungen und Umweltpolitik unter den Bedingungen des Kalten Kriegs besser als danach? Und wie bringen wir den Aufstieg ökologischer Utopien mit Tony Judts These zusammen, dass kein Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts so desillusionierend war wie die siebziger Jahre?2 Solche Fragen schaffen einen weiteren Rahmen für umwelthistorische Themen und erweitern das Methodenrepertoire, und auch mit Blick auf den akademischen Status der Umweltgeschichte scheinen sie nicht ganz unwichtig zu sein. Umwelthistoriker werden es schwer haben, das Interesse der Kollegen aus der allgemeinen Geschichte zu wecken, wenn sie im Gegenzug deren Themen ignorieren. Man tut gut daran, zunächst den chronologischen, geographischen und thematischen Rahmen der folgenden Bemerkungen abzustecken. Es herrscht weithin Konsens, dass der Strukturwandel des Ökologischen in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg fiel und sich um 1970 beschleunigte. Umweltprobleme rückten auf der politischen Agenda nach oben, Verbände gewannen mehr Mitglieder und mehr Einfluss, und die Folgen zeigten sich von der Wirtschaftspolitik bis zur internationalen Diplomatie. Diese Entwicklung gab es in allen westlichen Ländern, aber zugleich sind auch bundesdeutsche Besonderheiten zu erkennen, die keinesfalls aus dem Blick geraten sollten. Das Ökologische hat in den Ländern des Westens unterschiedliche Manifestationen gefunden, und deshalb sollte es auch keine einförmigen 138 

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Erklärungen geben. Schließlich sollten Erklärungsversuche alle drei Felder des Ökologischen im Blick behalten, denn das Zusammenspiel und die wechselseitigen Verstärkungen dieser drei Felder gehören zu den zentralen Charakterzügen der Nachkriegsjahrzehnte. Politik, Zivilgesellschaft und Lebenswelt wandelten sich gleichermaßen in einer Weise, die durchaus revolutionäre Züge trug. Der Begriff der Revolution bedarf einer Präzisierung, nicht zuletzt vor dem Hintergrund eines Überhangs von Traditionen, der gerade im deutschen Fall nicht gering ist. Allzu oft verbindet sich mit dem Begriff eher eine politische Hoffnung als eine historisch nachweisbare Realität. Ein Seitenblick auf die weltweite Bedeutung des Neoliberalismus, der ebenfalls in den siebziger Jahren zu einer zentralen politischen Kraft wurde, rela­tiviert allzu emphatische Vorstellungen von den Ergebnissen der ökologischen Revolution.3 Anders sieht die Sache aus, wenn man die Revolutions-Metapher nicht auf gesellschaftliche Realitäten, sondern auf Ansprüche bezieht. Ähnlich wie der Neo­liberalismus hat auch die politische Ökologie das Ziel, alle Teile der Gesellschaft in den Blick zu nehmen, und so sehen wir heute die Folgen vom Autoverkehr bis zur Finanzierung der Renten. Es bleibt abzuwarten, ob die ökologische Nachhaltigkeit tatsächlich zum maßgeblichen Leitbild der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung wird, aber unsere Vorstellung dieser Welt prägt sie schon heute.4 Besonders unbefriedigend ist ein Erklärungsmodell, das den Aufstieg des Ökologischen aus einem objektiven »­Problemdruck« erklären möchte. Das läuft letztlich auf eine plumpe Tautologie hinaus: Die Umweltbewegung wird auf einen unspezifischen »Druck« zurückgeführt, als dessen Indikator wiederum der Protest fungiert. Aber auch wenn man »Problemdruck« als Chiffre für außergewöhnliche materielle Problemlagen interpretiert, kann die These nicht überzeugen. Viele der sinnlich wahrnehmbaren Belastungen gingen in der Bundesrepublik bereits Anfang der siebziger Jahre zurück. Mit Blick auf Lebens­erwartung und Gesundheitszustand der Bevölkerung wäre eher eine EntZwischenbetrachtung 139

spannung der Debatte zu erwarten gewesen. Anders als in den USA lassen sich Aufschwungphasen auch kaum mit spektakulären Katastrophen korrelieren. Der Unfall von Seveso fiel 1976 in eine Krisenzeit der bundesdeutschen Umwelt­politik, 1986 folgten Tschernobyl und der Sandoz-Brand in Basel auf Jahre intensiver ökologischer Debatten.5 Der erwähnte Harrisburg-Störfall machte nur durch die Koinzidenz mit dem Gor­leben-Hearing Geschichte. Bei wichtigen Debatten, so etwa über Waldsterben, Ozonloch und Gentechnik, fällt gerade die Ab­wesenheit eines schlagzeilenträchtigen Vorfalls ins Auge. Kurz: Ein schlichtes Reiz-Reaktions-Schema ist nicht nur konzeptionell primitiv, sondern auch empirisch zweifelhaft. Auch der Verweis auf zentrale Persönlichkeiten ist letztlich wenig überzeugend. Zwar konnte die Umweltbewegung in den siebziger und achtziger Jahren auf eine ziemlich beeindruckende Galerie von Exponenten verweisen. Aber schon die Vielfalt der Charaktere lässt aufmerken. Medienfiguren wie Bernhard G ­ rzimek oder Horst Stern waren etwas ganz anderes als bewegte Aktivisten vom Schlage eines Rudolf Bahro oder einer Waltraud Schoppe. Im Vergleich mit anderen sozialen Bewegungen scheint es in der Umweltbewegung eine Aversion gegenüber charismatischen Führungspersönlichkeiten zu geben. Gerade die international bekannten Figuren waren in ihren Heimatländern hochgradig umstritten und bisweilen geradezu verhasst. Das galt etwa für Petra Kelly, zweifellos die weltweit sichtbarste Vertreterin der deutschen Umweltbewegungen, die in der deutschen Umweltszene schon Jahre vor ihrem gewaltsamen Tod ­ ousteau 1992 isoliert war.6 Ähnliches lässt sich für Jacques-Yves C in Frankreich und José Lutzenberger in Brasilien sagen.7 Weiterführend sind eher Ansätze, die den komplexen Prozess der Problemdefinition im gesellschaftlichen Diskurs beleuchten. Unter diesen ragt vor allem die These eines postmateriellen Wertewandels hervor, die Ronald Inglehart schon in den siebziger Jahren entwickelte. Im Kern behauptet Inglehart, dass sich in westlichen Gesellschaften nach 1945 ein grundlegender Wandel der vorherrschenden Wertvorstellungen vollzog. Zunächst 140 

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hätten in den Nachkriegsgesellschaften basale Wünsche nach Arbeit, Ernährung und persönlicher Sicherheit im Zentrum gestanden. Nachdem diese als »materiell« klassifizierten Werte jedoch befriedigt waren und zunehmend als selbstverständlich galten, gewannen postmaterielle Werte an Gewicht. »Selbstverwirklichung« und »Lebensqualität« waren nun die Schlüsselworte. Gemessen wurden diese Werthaltungen über Umfragen, die in regelmäßigen Abständen wiederholt wurden und inzwischen als »World Values Survey« ein globales Forschungsunternehmen sind.8 Daneben hat Ingleharts These auch politisch ihren Charme. Wenn die Umweltbewegung letztlich neuen Werten entsprang, dann wirken die Aktivisten wie selbstlose Idealisten. Auf den ersten Blick scheint viel für diese Erklärung zu sprechen. Schon Zeitgenossen registrierten eine wachsende Bedeutung immaterieller Werte in der bundesdeutschen Gesellschaft. »Wer aufmerksam hinhört, spürt, wie sich in unserer Gesellschaft die Wertvorstellungen wandeln, wie die rein ökonomisch rationalen Wertvorstellungen abgelöst oder doch ergänzt werden«, erklärte zum Beispiel der nordrhein-westfälische Landwirtschaftsminister Diether Deneke 1973 in einer Rede zum zehnjährigen Jubiläum des Naturparks Rothaargebirge.9 Die zugrunde liegende Anthropologie scheint geradezu unwiderlegbar: Es ist ohne Weiteres plausibel, dass hungernde Menschen nicht nach Selbstverwirklichung streben. Aber wenn man sich der historischen Wirklichkeit annähert, wird die Inglehart-These rasch unscharf. Das beginnt schon bei der thematischen Unbestimmtheit der These. Postmaterielle Werte konnten sich in ganz unterschiedlichen Sphären entfalten, und damit bleibt die relative Bedeutung ökologischer Themen unbestimmt. Zudem bleibt eine Erklärung unbefriedigend, die nicht auch das breite Spektrum der Interessen von den betroffenen Grundstücksbesitzern bis hin zu Karriereambitionen mit in den Blick nimmt. Und war die Gesundheit, ein zentrales Anliegen zahlreicher Proteste, ein materielles oder ein postmaterielles Argumentationsmuster? Schließlich ist der theoretische Status des Wertewandels durchZwischenbetrachtung 141

aus schillernd, indem der Ansatz Erklärungen liefern möchte, aber zugleich selbst der Erklärung bedarf. Angelehnt an die Inglehart-These entstand das Theorem der Neuen Sozialen Bewegungen, das den ökologischen Protest als Teil einer allgemeinen gesellschaftlichen Mobilisierung begriff. Die Bezeichnung entstand als Selbstbeschreibung der zivilgesellschaftlichen Neugründungen der siebziger und achtziger Jahre, die sich auf diesem Wege als positives Gegenmodell zur Arbeiterbewegung als »alter« sozialer Bewegung zu profilieren suchten. Die Neuen Sozialen Bewegungen wollten basisdemokratisch und unhierarchisch, thematisch und weltanschaulich offen sein. Inzwischen ist der Zauber des Anfangs gründlich verflogen, und es hat sich gezeigt, dass auch die vermeintlich neue Politik gegen Prozesse der Formalisierung und Oligarchisierung nicht immun gewesen ist. »Einige der heute nicht mehr so neuen ›neuen sozialen Bewegungen‹ (allen voran Mobilisierung der Frauen, ökologische Proteste und die neue Friedensbewegung) haben […] Patina angesetzt; an ihrer Bewegtheit werden Zweifel geäußert«, schreiben Roland Roth und Dieter Rucht in ihrem Handbuch der sozialen Bewegungen.10 Zudem perpetuiert das Reden von Neuen Sozialen Bewegungen den Mythos, ökologische Belange seien vor den siebziger Jahren nicht ernst genommen worden. Tatsächlich bedarf eher die gegenteilige Situation der Erklärung. Die ökologische Revolution geschah, obwohl es im Umweltbereich längst feste Strukturen gab. Schließlich bleibt auch hier die Frage, ob das Theorem der Neuen Sozialen Bewegung selbst Erklärungen liefern kann oder nicht eher selbst der Erklärung bedarf. Kurz: Es gab zweifellos einen Umbruch von Wertvorstellungen und Bewegungsmustern, aber dieser ist kein magischer Schlüssel zum Verständnis der Gesamtentwicklung. Ein zweiter lohnender Erklärungsansatz stellt den bereits erwähnten Wandel der Gesundheitsängste in den Mittelpunkt. In der Nachkriegszeit verloren ansteckende Krankheiten und Epidemien ihren Schrecken, während Krebsängste ins gesellschaftliche Bewusstsein rückten, und da lag ein Bezug auf Umweltgifte auf der Hand.11 Allerdings macht es die Kluft zwischen 142 

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Die Neuen Sozialen Bewegungen im Spiegel eines T-Shirts. Umweltbewegte der achtziger Jahre wollten ganz anders sein als die Mitglieder etablierter, »alter« sozialer Bewegungen. Dieser Demonstrant engagierte sich im April 1989 für den Schutz der Ozonschicht. (Stadtarchiv München)

Umwelt- und Medizingeschichte nicht leicht, diesen Wandel in seinen konkreten Manifestationen zu verfolgen. Immerhin wissen wir, dass die Gefährdung der menschlichen Gesundheit in Lebensläufen ihre Spuren hinterlassen hat. Für Petra Kelly war der Krebstod ihrer Schwester ein Schlüsselerlebnis. ­Bärbel Höhn, zehn Jahre lang Umweltministerin in Nordrhein-WestZwischenbetrachtung 143

falen und heute Bundestagsabgeordnete der Grünen, kam über eine Bürgerinitiative gegen Giftmüllverbrennung im westlichen Ruhrgebiet in die Politik, nachdem ihr Sohn die Folgen der Umweltverschmutzung am eigenen Leib erfahren hatte. Auch der Aufschwung der alterna­tiven Medizin zeigt, dass sich hier Grundlegendes in den Vorstellungen von Gesundheit und Krankheit veränderte. Eine dritte Erklärung ergibt sich aus der Verschiebung der ökonomischen Leitsektoren. Wie in den meisten westlichen Ländern verlor die produzierende Industrie im letzten Drittel des 20.  Jahrhunderts ihre vormalige Hegemonie, während der Dienstleistungssektor expandierte. Das machte es leichter, industrielle Emissionen zu kritisieren: Protest stand nicht mehr automatisch im Verdacht, die Quelle des gesellschaftlichen Wohlstands zu gefährden. So geriet die Industrie im ökologischen Diskurs in die Defensive, und manche Reaktionen hatten den Ruch einer Verzweiflungstat. Beim Chemiegiganten Bayer formierte sich um 1980 gar eine hauseigene Bürgerinitiative mit dem charmanten Namen »Malocher gegen Schmarotzer«, die bald zu einer Peinlichkeit wurde und wieder in der Versenkung verschwand.12 Charakteristischerweise arbeiten die Anhänger der Umweltbewegung in weit überproportionalem Umfang im öffentlichen Dienst.13 Eine Schlüsselrolle spielten auch der Begriff Umwelt und die Sprache der Ökologie. Sie erlaubten es, vormals getrennte Themen miteinander zu verknüpfen und mit neuen Bedeutungen aufzuladen: Was vormals als lästiger Nachbarschaftskonflikt gegolten hatte, war jetzt eine Bürgerinitiative für die grüne Zukunft. Die meisten Themen der Umweltbewegung waren altbekannt, nur waren sie bislang nicht in großen Zusammenhängen diskutiert worden. Wichtig war hier die Rolle der Medien, die gerne von »der Umweltbewegung« sprachen. Der Zusammenhalt kam zu erheblichen Teilen als mediale Zuschreibung von außen. Dass sich dahinter ein breites Spektrum von Gruppen und Anliegen und auch ein erhebliches Maß von internem Streit verbargen, blieb im Mediendiskurs lange unterbelichtet. 144 

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Schließlich war der Aufstieg des Ökologischen auch ein sich selbst verstärkender Prozess. Man darf nicht vergessen, dass die Umweltbewegungen in den siebziger und achtziger Jahren nicht nur in der Bundesrepublik ausgesprochen erfolgreich waren. Reihenweise wurden Gesetze verabschiedet, Institutionen ge­ gründet, neue Probleme entdeckt und angegangen. Solche Erfolge steigerten auch deshalb die Attraktivität einschlägiger Themen, weil sonst in den Gesellschaften des Westens die Zeichen auf Krise standen. Die Wachstumsraten der ersten Nachkriegsjahrzehnte schwanden, Arbeitslosigkeit wurde ein Dauerproblem, und die Staatsschulden wuchsen. Das Währungssystem von Bretton Woods zerfiel, die Ölpreisschocks von 1973/74 und 1979/80 erschütterten die Volkswirtschaften des Westens, und in Ostasien drängten die Tigerstaaten auf den Weltmarkt.14 So grassierten Ratlosigkeit und Zukunftsangst, und da war ein politisches Feld, in dem es konkrete Lösungen zu vertretbaren Kosten gab, zwangsläufig attraktiv. Diese fünf Erklärungsansätze lassen sich mit gewissen Variationen für alle westlichen Länder anwenden. Die folgenden vier Punkte zielen hingegen speziell auf die bundesdeutsche Situation. So vollzog sich mit dem Aufstieg der Umweltbewegung auch »ein auffälliger Rollenwechsel von links und rechts«, wie Ulrich Herbert konstatiert hat: »Bis dahin war eher die Linke für technischen Fortschritt, Massenkultur und Modernisierung des Alltagslebens eingetreten, während die Konservativen auf Bewahrung und Zurückhaltung gegenüber Massenkultur und Fortschrittsutopien gesetzt hatten.«15 Das war ein ideologischer Kraftakt sondergleichen, der kaum ohne Verzögerungen und Überlappungen über die Bühne gehen konnte. Die konservativen Traditionen zeigten sich noch Mitte der siebziger Jahre in dem Bestseller Ein Planet wird geplündert des CDU-Bundestagsabgeordneten Herbert Gruhl.16 Umgekehrt verpasste die Parteijugend der SPD den Trend und öffnete damit einen politischen Raum für die Grünen.17 Man kann sich des Eindrucks kaum erwehren, dass der Flirt der Linken mit der Ökologie eher machtpolitischen Überlegungen als tiefen Überzeugungen geschuldet Zwischenbetrachtung 145

war – was nach den zahlreichen Enttäuschungen der sechziger und siebziger Jahre gewiss seine Plausibilität hatte. Ein wenig wirkt die bundesdeutsche Linke dieser Zeit wie ein Spieler, der sich immer wieder verzockt, bis er irgendwann aus Verzweiflung alles auf grün setzt und damit den Jackpot knackt. Die Popularität des Themas war schon bald zu erkennen, aber der ideologische Unterbau blieb wackelig.18 Die Ausbeutung der Natur war dann halt doch etwas anderes als die Ausbeutung des Proletariats. Ernst Bloch und Herbert Marcuse vermittelten einige Impulse, manche reizte auch der Links­katho­lizis­mus eines Carl Amery. Mit tiefer Dankbarkeit entdeckte man, dass Karl Marx die Arbeit im Kapital als »Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur« charakterisiert hatte.19 Den Atomprotest konnte man mit Begriffen wie »Nuklear­faschismus« ideo­logisch einpolen oder auch mit dem »Atomstaat«, denn der verkörperte jene Verschränkung von Staat und Wirtschaft im »Staatsmono­ polistischen Kapitalismus«, die gemäß der reinen Lehre das finale Stadium des Kapitalismus anzeigte.20 Und doch hatte all das nicht jene Stringenz, die man in Fragen der Theorie eigentlich erwartete. »Mit dem Siegeszug der Ökologie neigte sich die Ära der großen theoretischen Entwürfe ihrem Ende zu, und es begann die Herrschaft der kruden Empirie von ­Becquerel, Schilddrüsenwerten und Bodenproben«, schrieb kürzlich ­Philipp Felsch.21 Für theoriebegeisterte 68er war es eine ernüchternde Erfahrung. Rudi Dutschke schrieb im März 1977 in sein Tagebuch: »die ganze Atom- und Massenmobilisierung in B[rokdorf] u[nd] I[tzehoe] bereitet mir theore[tische] und politische Schwierigkeiten. ›Old Surehand II‹ mit und für die Kinder zu lesen ist leichter.«22 Ein siebter Erklärungsansatz zielt auf die Expansion von Budgets, Behörden und Kompetenzen, die das Thema im politischen Feld so attraktiv machte. Während der westliche Interventionsstaat durch die Krise von Keynesianismus und Planungs­euphorie sonst eher zu den Verlierern der siebziger Jahre gehörte, eröffneten sich bei Umweltfragen noch neue Horizonte. Wenn Verbände, Bürgerinitiativen und Medien lautstark nach Abhilfe rie146 

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fen, konnten das geschickte Politiker in die Forderung nach zusätzlichen politisch-administrativen Ressourcen ummünzen. Genscher war nicht der letzte Politiker, der so mit einer energischen Umweltpolitik zugleich die eigene Karriere beflügelte: Joschka Fischer, Jo Leinen, Klaus Matthiesen, Monika Griefahn, Jochen Flasbarth, Fritz Vahrenholt und Klaus Töpfer verfolgten nicht ohne Erfolg dieselbe Strategie. So schuf die Umweltbewegung auch ganz nebenbei neue Wege des sozialen Aufstiegs und brachte damit ein dynamisches Element in die Rekrutierungswege bundesdeutscher Funktionseliten. Ein weiterer Blickwinkel eröffnet sich, wenn man die bundesdeutsche Geschichte mit Eckart Conze als »Suche nach Sicherheit« betrachtet.23 Auf den ersten Blick waren ökologische Gefahren eine weitere Quelle der Unsicherheit; aber man kann den Akzent auch umgekehrt setzen. Für eine Gesellschaft, die sich mit verzwickten politischen und wirtschaftlichen Problemen konfrontiert sah, konnte der Verweis auf andere Heraus­ forderungen durchaus eine Art Ventil bieten. Die ökologische Frage versprach kognitive Sicherheit, indem sie den Blick von den Problemen der Tagespolitik auf eine grundsätzlichere Ebene lenkte. Für die Linke war Umwelt eine ziemlich sichere Investition knapper politischer Ressourcen. Dem gut informierten Bundesbürger bot die Mülltrennung die Chance, zumindest einmal am Tag genau das Richtige zu tun. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang der Kalte Krieg, den die umwelthistorische Forschung in den vergangenen Jahren als Thema entdeckt hat. »Die Sprache der globalen Krise des Kalten Kriegs ähnelt der Sprache der Umweltkrise auffallend«, schrieb Jacob Hamblin.24 Denkmuster und Metaphern waren wechselseitig anschlussfähig, die personellen Überschneidungen sind etwa bei den Grünen offenkundig, und zudem boten ökologische Ideen ein attraktives neues Spielfeld, als die NATO -Nachrüstung trotz vieler Großdemonstrationen Wirklichkeit wurde. Außerdem war man hier nicht so zur Passivität verdammt. Im Kalten Krieg konnte der gemeine Bundesbürger am Ende aller Demonstrationen nur ohnmächtig hoffen, dass die Zwischenbetrachtung 147

Mächtigen nicht auf den Knopf drücken würden. Aber bei der Umwelt ging noch was.25 Ein neunter Erklärungsansatz zielt auf die wirtschaftlichen Chancen, die sich schließlich im bundesdeutschen Dogma des »Umweltschutz schafft Arbeitsplätze« verdichteten. Für eine Exportnation, die auf dem Weltmarkt mit forschungsintensiven Technologien punktete, boten Umweltthemen vielfältige Chancen: für Reinigungstechnologien, für energie- und ressourcensparende Motoren und Maschinen, für Nahverkehrssysteme, in die nach Jahrzehnten des Schrumpfens wieder kräftig investiert wurde und so weiter. Hier passte einfach alles: Es gab Jobs für Ingenieure und Arbeiter, Perspektiven für den Standort Deutschland, und es war auch gut für die Umwelt. Man fragt sich im Rückblick geradezu, warum all dies erst jetzt zusammenfand. So lassen sich insgesamt neun Faktoren identifizieren, die die ökologische Revolution in Deutschland vorantrieben. Dabei handelt es sich jeweils um unabhängige Kausalreihen, die sich in relativer Autonomie zueinander entwickelten und deren Zusammenwirken ein starkes Moment des Zufalls besaß.26 Die Umweltbewegung entstand an einem Punkt, an dem binnen weniger Jahre ganz unterschiedliche Trends zusammenkamen. Sie war mithin ein historisch kontingenter Knotenpunkt, und die Permanenz der Umweltbewegung hängt auch daran, dass sich seither kein neuer Kristallisationspunkt herausgebildet hat, um den sich einschlägige Entwicklungen in neuer Form anlagern konnten. Das Gewicht der einzelnen Faktoren veränderte sich im Laufe der Zeit erheblich. Die Kopfschmerzen der geschulten Marxisten schwanden in den achtziger Jahren, während sich die wirtschaftlichen Chancen in dieser Zeit gerade erst entfalteten. Aber es geht hier ja auch nicht um ein endgültiges Verlaufsmodell, sondern eher um ein paar Vorschläge und den Versuch, eine überfällige Diskussion in Gang zu bringen. Dabei sind keineswegs nur Umwelthistoriker angesprochen. Die obigen Bemerkungen zeigen nicht nur, wie vielfältig die Wurzeln der Umweltbewegung sind, sondern auch, dass diese Wurzeln zu zentralen Entwicklungen der modernen Geschichte hinführen. 148 

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Aber mit diesen Erklärungen kommen wir doch nur bis zu einem gewissen Punkt. Sie zeigen, dass sich im Umweltbereich Handlungskapazitäten eröffneten, aber ob diese auch genutzt wurden, war keineswegs gewiss. Soweit wir wissen, gab es keinen grünen Weltgeist, der die verschiedenen Impulse mit magischer Hand verband, und tatsächlich war das grüne Deutschland lange erheblich hinter seinen ökologischen Möglichkeiten zurückgeblieben. Aber das änderte sich um 1980: Eine Serie unerwarteter Ereignisse machte Deutschland zu einem international beachteten Vorbild. Wenn Forscher sich eines Tages an einer besseren Erklärung als der hier vorgestellten versuchen, dann werden sie vielleicht noch einen zehnten Erfolgsfaktor benennen. Die deutsche Umweltszene hatte auch ganz einfach Glück.

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8. Ein bundesdeutscher Sonderweg Die ökologischen achtziger Jahre Die Zeit um 1980 präsentiert sich zunehmend als eine Zäsur der Zeitgeschichte. Was Anfang der siebziger Jahre mit Nullwachstum und Massenarbeitslosigkeit begann, setzte sich im Gefolge des Zweiten Ölpreisschocks 1979/80 in verschärfter Form fort, und damit rutschten alle westlichen Regierungen noch tiefer in die Krise. Wer bis dahin gehofft hatte, es könne sich vielleicht nur um eine kleine Formkrise des Westens handeln, musste umdenken: »Die Wirtschaftskrisen der siebziger Jahre markierten einen Abstieg des Westens, der über das Ökonomische hinausreichte.«1 In mehreren Ländern verschob sich um 1980 das Ko­ ordinatensystem der Politik. USA und Großbritannien setzten mit Reagan und Thatcher dauerhaft auf Neoliberalismus, Frankreich mit Mitterrand etwas kurzlebiger auf Sozialpolitik und Verstaatlichung. Die Weltpolitik war unterdessen geprägt von der sowjetischen Invasion in Afghanistan, dem Kriegsrecht in Polen, der »Machtergreifung« der Mullahs im Iran und brutalen Militärdiktaturen in Lateinamerika. In der Bundesrepublik entfaltete sich die politische Krise mit einer gewissen Verzögerung. Bei der Bundestagswahl im Herbst 1980 hatte die sozialliberale Koalition gegen Franz Josef Strauß noch einmal einen klaren Sieg errungen. Im Streit um Haushaltslöcher und wachsende Arbeitslosenzahlen zeigte die Koa­ lition bald Auflösungserscheinungen, aber es dauerte schließlich fast zwei Jahre, bis die FDP den Absprung wagte und Helmut Kohl zum Kanzler wählte. Dessen Versprechen einer »geistigEin bundesdeutscher Sonderweg 151

moralischen Wende« erinnerte vordergründig an die Kurswechsel anderer Länder, zerstob im politischen Alltag jedoch rasch, und damit schwand die Erwartung großer Veränderungen. Die neue Regierung war tief in ihrem Herzen überzeugt, dass die alte Bundesrepublik mit Westbindung, Parteienstaat und sozialer Marktwirtschaft schon irgendwie die beste aller möglichen Welten darstellte. Selbst den Sozialabbau betrieb sie derart behutsam, dass die Frührentner zu den großen Gewinnern der achtziger Jahre gehörten. Eine Kohl-Biographie fasste die mentale Disposition des Pfälzers in die schöne Formulierung: »Sozial­ politisches Tiefpflügen war nie sein Fall.«2 Ökologische Probleme scheinen in dieses Panorama auf den ersten Blick nicht so recht hineinzupassen. Sie waren in anderen Ländern bestenfalls ein Nebenthema und schlimmstenfalls eine Gefahr für die Freiheit  – Reagans Präsidentschaft begann mit einer Attacke auf die angeblich ausufernde umweltpolitische Regulierung, die für die amerikanische Umweltbewegung zeitweise zum Überlebenskampf wurde.3 Nur in der Bundes­republik kam es zu einem ebenso heftigen wie unerwarteten Boom grüner Themen, der mit der sozioökonomischen Krise auf paradoxe Weise verbunden war. Die lange Agonie der sozialliberalen Koalition schuf ein politisches Vakuum, eine Krisenstimmung, die sich jedoch nicht an einem politischen Projekt à la Thatcher abarbeiten konnte, und in dieses Vakuum stieß die Umweltproblematik. Irgendwie war es ja auch tröstlich zu sehen, dass sich hinter der wirtschaftlichen Krise eine noch viel tiefere ökologische verbarg. Außerdem gab es für Umweltprobleme ein paar greifbare Lösungen, sehr im Unterschied zur Massen­arbeitslosigkeit, bei der niemand eine zündende Idee hatte. Zum Fanal der grünen Wende wurde die Debatte über die »neuartigen Waldschäden«, die Medien und Öffentlichkeit zu dem plakativen Begriff »Waldsterben« verdichteten. Das Thema traf in breiten Bevölkerungskreisen einen Nerv, und vieles spricht dafür, in der Debatte »den entscheidenden Faktor für die ›Normalisierung‹ des Umweltschutzes in Westdeutschland« zu sehen.4 Rasch wies die Debatte über die erkrankten Bäume im 152 

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Schwarzwald oder im Erzgebirge hinaus, auch über den Wald an sich, und das Waldsterben wurde zur Chiffre für die ökologischen Sünden des Industrialismus schlechthin. Ein Antrag der Bundestagsfraktion Die Grünen erklärte im Mai 1983: »Das Waldsterben stellt ein Warnzeichen für eine sich anbahnende, noch größere ökologische Katastrophe dar.«5 Die Debatte kam quasi aus dem Nichts. Die Umweltbewegung war eigentlich auf die Atomkraft fixiert und sah Kohlekraftwerke notgedrungen als das kleinere Übel. Horst Stern veröffentlichte noch 1979 ein Buch mit dem kämpferischen Titel Rettet den Wald, das nur ganz am Rande von Luftschadstoffen sprach.6 Das änderte sich erst unter dem Eindruck politisch denkender Waldforscher wie Peter Schütt und Bernd Ulrich, die auch schon mal in Anhörungen verkündeten, die Waldschäden seien »Zeichen an der Wand«.7 »Wenn’s um die Bäume geht, da kriegen wir eine Volksbewegung«, bemerkte Hans-Jochen Vogel hellsichtig.8 Am Ende reichte das Spektrum der Engagierten von Robin Wood bis Franz Josef Strauß.9 Das Waldsterben brachte die stagnierende Umweltpolitik wieder auf Hochtouren. Zum 1. Juli 1983 wurde eine Großfeuerungsanlagen-Verordnung verabschiedet, die die Kraftwerksbetreiber zum Bau von Entschwefelungsanlagen innerhalb von fünf Jahren zwang, und beim Automobil wurde der Einbau von abgasreinigenden Katalysatoren zur Pflicht. Das rasche Tempo ließ allerdings schon erahnen, dass es Vorarbeiten gab. Beide Maßnahmen waren technisch längst ausgereift und nur aufgrund des Widerstands der Industrie aufgeschoben worden. Genau genommen hatte der ökologische Protest also lediglich eine hartnäckige Blockade gelöst, aber solche Nuancen gingen in der Begeisterung der Umweltbewegten unter. Für sie war das Waldsterben der Beweis, dass man mit populären Themen und eifriger Kampagnenarbeit auch mächtige Großunternehmen in die Knie zwingen konnte. Seit dem Waldsterben gehörte der Glaube an die Macht der öffentlichen Kampagne zum genetischen Code der Umweltbewegung. Zu den Folgen der Waldsterbensdebatte gehörte auch, dass die Grünen im März 1983 bei der Bundestagswahl 5,6 Prozent der Ein bundesdeutscher Sonderweg 153

Wählerstimmen erringen konnten und damit in den Bundestag einzogen. Die Grünen waren die erste erfolgreiche Parteiengründung seit den fünfziger Jahren, und ihr Aufstieg war umso bemerkenswerter, als ihre Entstehungsgeschichte eigentlich eher wie eine planlose Verkettung von Zufällen wirkt. Seit 1977 waren grüne und alternative Listen bei einzelnen Kommunalwahlen angetreten. 1978 erzielten grüne Initiativen bei Landtagswahlen Achtungserfolge, die aber sämtlich unter der Fünf-ProzentHürde blieben. Auch bei der Europawahl 1979 wurde der Einzug ins Parlament mit 3,2 Prozent der Wählerstimmen deutlich verfehlt. Die »Sonstige Politische Vereinigung/ Die Grünen«, zu deren Spitzenkandidaten Herbert Gruhl, Petra Kelly und Joseph Beuys gehörten, bekam jedoch Wahlkampfkosten in Höhe von etwa 4,5 Millionen Mark erstattet, und daraus entstand ein mächtiger Anreiz zur Konsolidierung der Strukturen. Im Januar 1980 wurde auf einem turbulenten Gründungskongress in Karlsruhe beschlossen, das provisorische Listenbündnis der Europawahl in eine förmliche Partei zu verwandeln.10 Die neue Bundespartei war freilich eher ein Sammelbecken konträrer Strömungen, wo der Exkommunist Jürgen Trittin neben dem biologisch-dynamischen Landwirt Baldur Springmann saß. Ein konservativer Flügel spaltete sich recht früh ab und sammelte sich in der von Herbert Gruhl geleiteten Ökologisch-Demokratischen Partei, aber auch nach diesem Exodus verblieb ein breites Meinungsspektrum.11 Es gab Ökosozialisten und bürgerliche Ökologen, Radikalökologen und Ökolibertäre, Anthro­ posophen und urbane Alternative, Ökobauern und Dritte-WeltAktivisten, Friedensbewegte und Tierschützer, feministische und schwule Aktivisten, religiös-spirituelle Tendenzen und K-Gruppen. Man stritt um die Trennung von Parteiamt und Mandat, die konfliktträchtige »Rotation« der Abgeordneten zur Mitte der Legislaturperiode sowie ein mögliches Bündnis mit der SPD. Hinzu kamen zahllose Konflikte um Personal- und Stilfragen. Die Sitzungsprotokolle der ersten grünen Bundestagsfraktion erwecken den Eindruck, dass die Partei mehr mit sich selbst als mit ihren Gegnern beschäftigt war.12 154 

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Als die Bundesrepublik Anfang der achtziger Jahre ergrünte, reagierte die Bundesregierung mit solchen Plakaten. Nach Ansicht des Bundesinnen­ ministeriums war Deutschlands Umwelt tatsächlich noch zu retten. »Aber wir alle müssen dafür kämpfen.« (Bundesarchiv)

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Die Partei hatte eine Menge kauziger Alternativler, aber auch eine bemerkenswerte Zahl von Berühmtheiten. Petra Kelly,­ Rudolf Bahro und Joschka Fischer waren alle auf ihre eigene Weise charismatische Figuren. Hoimar von Ditfurth, einem Millionenpublikum als Moderator der Wissenschaftssendung Quer­ schnitte bekannt, lieh der Truppe ebenso sein Prestige wie Joseph Beuys und Heinrich Böll. Die gängige Differenzierung von Realos und Fundis, die vordergründig auf die Koalitionsfrage zielte, entsprang wohl auch einem Bedürfnis, bei aller Unübersichtlichkeit wenigstens einen inhaltlichen Kompass zu besitzen.13 Es stellt sich durchaus die Frage, was dieses Konglomerat überhaupt zusammenhielt. Ein wichtiger Punkt war zweifellos die Fünf-Prozent-Hürde. Vor jeder Wahl bibberten die Grünen, ob sie das Quorum schaffen würden, und jedem war klar, dass es mit zwei grünen Parteien erst recht eng werden würde. Aber war es wirklich nur die kalte Realpolitik, die den Zusammenhalt stiftete? Man darf nicht vergessen, dass sich viele der Aktiven schon länger kannten: von Debatten und Demonstrationen, Kneipen und Kinderläden und all den anderen Orten der Vergesellschaftung, die das linksalternative Milieu im Laufe der siebziger Jahre bot.14 So gab es bei allem Streit zugleich einen gemeinsamen Wertehorizont und ein Netz persönlicher Beziehungen, das man nicht leichtfertig aufs Spiel setzte. Die Grünen zu verlassen war ein wenig so, wie aus der Familie verstoßen zu werden. Auch im Gefüge der Verbände, wo traditionelle Natur- und Heimatschutzvereine neben agilen Umweltinitiativen standen, rumorte es heftig. Häufig waren die inhaltlichen Spannungen zugleich Generationenkonflikte. Im Deutschen Bund für Vogelschutz eskalierten die Gegensätze so sehr, dass Jochen ­Flasbarth als Bundesvorsitzender der Naturschutzjugend kurz vor dem Rauswurf stand.15 Am 13. Oktober 1980 kettete sich eine Greenpeace-Gruppe um Monika Griefahn und Harald Zindler an ein Schiff im Hafen von Nordenham, mit dem die Firma Kronos Titan Dünnsäure, ein schwermetallhaltiges Abfallprodukt der Herstellung von Titandioxid, vor der Westküste Helgolands ins Meer kippte. Im folgenden Jahr besetzte Greenpeace 156 

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beim Hamburger Chemiekonzern Boehringer den ersten deutschen Schornstein, und der gewaltfreie, auf maximale mediale Sichtbarkeit ausgerichtete Kampagnenstil fand ein begeistertes Echo.16 Während man Greenpeace nicht beitreten, sondern lediglich finanziell fördern konnte, entsprach der 1975 im fränkischen Marktheidenfeld gegründete BUND dem klassischen Modell des Mitgliederverbands. Nicht alle Verbände bekamen freilich die Kurve. Die deutsche Sektion des Weltbunds zum Schutz des Lebens, die in den sechziger Jahren in ihrer Kritik der Atomkraft allein auf weiter Flur gewesen war, entwickelte sich zu einer rechtsextremen Vereinigung, die 1985 vom internationalen Dachverband ausgeschlossen wurde.17 Die ökologischen achtziger Jahre tangierten zahlreiche Themen, aber manche waren wichtiger als andere. Während auf­ geregt über Verschmutzungsgefahren diskutiert wurde, stand der Natur- und Heimatschutz ein wenig im Abseits. Die junge Bewegung liebte den globalen Ausblick und polarisierende Rhetorik, und da wirkte die traditionelle Naturschutzarbeit leicht etwas bieder. Auch der Tierschutz war nur bei einzelnen Arten wie etwa bedrohten Walen wirklich populär. Zwischen der meditativen Ruhe der Grzimek’schen Fernsehsendungen und der drastischen Rhetorik einzelner Aktivisten klaffte eine Lücke, die bis heute nicht ganz verschwunden ist.18 Nachdem Ressourcen im Gefolge der Grenzen des Wachstums noch ein Leitthema der siebziger Jahre gewesen waren, verschwand das Thema in den Achtzigern aus dem Blick, auch bedingt durch den Verfall des Ölpreises zur Mitte des Jahrzehnts. Insgesamt zeigte der ökologische Diskurs eine deutliche Vorliebe für plakative, visuell attraktive Themen, die sich leicht medial vermitteln ließen. Man brauchte nur ein paar gute Bilder und keinerlei Vorwissen, um die Verklappung von Dünnsäure oder die blutige Jagd auf Robben und Wale kritisieren zu können. Etwas komplizierter war die Sache bei der chemischen Industrie, aber hier half die Angst der chemischen Laien, die Dioxin-Katastrophe im italienischen Seveso 1976 sowie zwei Jahre später der Bestseller Seveso ist überall von Egmont Koch und Ein bundesdeutscher Sonderweg 157

Fritz Vahrenholt.19 Zusammen mit Atomkraft und Gentechnik wurde »die Chemie« zum Inbegriff der katastrophenträchtigen »Risikotechnologien«. Ein weiteres Schlüsselthema war die Gefährdung der Ozonschicht durch Fluorchlorkohlenwasserstoffe, die in den USA bereits Mitte der siebziger Jahre diskutiert worden war. Mit einem legendären Spiegel-Titel, der den Kölner Dom halb unter Wasser zeigte, begann 1986 die Debatte über die »Klima-Katastrophe« in Deutschland.20 So war am Ende der achtziger Jahre ein Themenkanon definiert, der sich seither erstaunlich wenig verändert hat. Auch die Landwirtschaft rückte nun ins Blickfeld der Umweltpolitik. Hier hatte sich in den Jahrzehnten nach 1945 ein dramatischer Umbruch der Produktionsmethoden vollzogen. An die Stelle der traditionellen Bauernwirtschaft trat eine industrieförmige Agrarproduktion mit gravierenden ökologischen Folgen, die zunächst nur zögerlich bekämpft wurden. Das lag an der Rasanz des Umbruchs und der brutalen internationalen Konkurrenz, aber wohl auch an der Ahnung mancher Reformer, dass hier eine wahre Herkulesaufgabe lauerte. In der Genscher’schen Umweltpolitik hatte die Landwirtschaft noch zu den strategischen Blindstellen gezählt. Erst als in den achtziger Jahren die ökologische Frage als umfassende Herausforderung begriffen wurde, rückte die Agrarproduktion auf die Agenda der Umweltpolitik. Die Prioritäten spiegelten die urbanen Wurzeln der Umweltbewegung. Als erstes kamen Gülle und andere Geruchsprobleme in den Blick, es folgten Nitrate und Pestizide sowie Missstände in der Tierhaltung. Stets kam die ökologische Kritik von außen: Überdüngung wurde selbstverständlich als Verschmutzungsproblem thematisiert und nicht etwa als Verschwendung von Rohstoffen. Probleme wie Erosion und Bodenverdichtung, die primär den Landwirt trafen, rangierten auf der Agenda weit unten. Die Umweltdebatte kam für die Landwirte stets von außen, vertreten von Menschen, die sich sonst nicht für agrarische Themen interessierten. Im Endeffekt schritt die Umweltpolitik in der Landwirtschaft deutlich langsamer voran als in vielen anderen Bereichen.21 158 

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Nach dem Schmelzen der polaren Eismassen versinkt der Kölner Dom im Meer. Mit diesem Titelbild des Spiegel vom August 1986 begann die Klima­ debatte in Deutschland. (Der Spiegel, Hamburg)

Ob man Umweltpolitik auch mit den Landwirten hätte machen können, erscheint im Rückblick eher zweifelhaft. Der Kontrast von Stadt und Land, lebensweltlich längst nivelliert, lebte bei solchen Themen fort bis hin zu einer regelrechten Bunker­ mentalität. Schon in den sechziger Jahren fragte die Agrarpresse Ein bundesdeutscher Sonderweg 159

plakativ: »Wer schützt uns vor Naturschützern?«22 Als Bundeslandwirtschaftsminister Josef Ertl kurz vor der Bundestagswahl 1983 den BUND ins Ministerium einlud, lehnte der Verband dankend ab. Ertl habe »während [seiner] ganzen zurückliegenden Amtszeit von nunmehr über 13 Jahren kein einziges Mal (!) Veranlassung gesehen, ein Gespräch mit den deutschen Naturschutzverbänden zu suchen.«23 Beim Bundesnaturschutzgesetz von 1976 erkämpfte die Agrarlobby eine Klausel, der zufolge die ordnungsgemäße Landwirtschaft »in der Regel den Zielen dieses Gesetzes« diente, was schon damals mehr Wunsch als Realität war und doch erst Ende der neunziger Jahre gestrichen wurde.24 Der nordrhein-westfälische Umweltminister Klaus Matthiesen schaffte es mit Ausdauer und taktischem Geschick, im Landtagswahlkampf 1985 eine gemeinsame Pressekonferenz mit den Spitzen der Landwirtschaftsverbände zu organisieren und ein ambitioniertes »Programm für eine umweltverträgliche und standortgerechte Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen« vorzustellen.25 Aber das gelang wohl nur, weil beide die Grünen bei der kommenden Wahl unter der Fünf-Prozent-Hürde halten wollten (was auch gelang). Zu den Gewinnern der achtziger Jahre gehörte auch die Ökolandwirtschaft. Hier verbanden sich Traditionen des biologischdynamischen Landbaus mit den Landkommunen der siebziger Jahre und anderen Einflüssen. Während alternative Landwirtschaft heute in erster Linie ein Geschäftsmodell ist, war sie damals ein Glaubensbekenntnis. So begann ein langfristiger Aufstieg, der bis in die Gegenwart erstaunlich stabil ist. Die »Bioprodukte« fanden neue Vertriebswege in Kooperativen und Naturkostläden, die in den achtziger Jahren vielerorts aus dem Boden schossen.26 Es ging bei Umwelt eben nicht mehr nur um spezifische Probleme wie in den Siebzigern, sondern auch um Lebensweisen. Das neue Umweltbewusstsein dokumentierte sich auch in Konsummustern und Verhaltensstilen. Nicht jeder trieb dies so weit wie die Naturburschen mit langen Haaren und Vollbart, die nun im Bundestag saßen und von manchen Abgeordneten wie Wesen von einem anderen Stern angegafft wurden. Aber 160 

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gewisse ökologische Reminiszenzen galten durchaus als schick. Wer sich vegetarisch ernährte oder Jutebeutel benutzte, Birkenstock-Sandalen trug oder recyceltes »Umweltschutz­papier« kaufte, war nicht mehr automatisch ein Sonderling. Seit der Lebensreformbewegung der Jahrhundertwende hatte Natur als Leitmotiv des persönlichen Wohlbefindens nicht mehr eine solche Ausstrahlung besessen. Die lebensweltliche Bedeutung der ökologischen Stimmung dokumentierte zugleich, wie nun vormals getrennte Themen miteinander verbunden wurden. Kaum etwas charakterisierte den Zeitenwandel so nachdrücklich wie der Umbruch der Denkmuster: Wo man zuvor eng auf Einzelthemen fokussiert ge­wesen war, dominierte nun ein vernetztes, »ökologisches« Denken. Umwelt war damit auch eine intellektuelle Herausforderung, und das trug nicht unwesentlich zur Ausstrahlung der Umweltbewegung bei. Mit Inbrunst diskutierten philosophisch interessierte Menschen über Alternativen zur Anthropozentrik, wie sie etwa Klaus Michael Meyer-Abich in Aufstand für die Natur skizzierte, oder über das vom Philosophen Hans Jonas postulierte »Prinzip Verantwortung«.27 Holistische Denker der Jahrhundertwende wie Jakob von Uexküll und Rudolf Steiner erlebten eine Renaissance.28 Grüne Ideen waren aufregend und ungewohnt, und wenn man im Überschwang der grünen Gefühle mal über die Stränge schlug, störte das kaum jemanden. 1984 schrieb Carl Amery, das Waldsterben sei »der untrügliche Versuch […] des Lebewesens Erde, sich durch eine gewaltige Operation einer mißlungenen Spezies zu entledigen«.29 Eine kulturelle Hegemonie konnten ökologische Lebensstile freilich zu keinem Zeitpunkt reklamieren. Es gab schließlich in den achtziger Jahren noch einen ganz anderen Trend. Während grüne Bundestagsabgeordnete Vorträge über »Technologieentwicklung und ihre Wirkung auf Betroffene« hielten30, nahmen andere die Technologieentwicklung einfach selbst in die Hand und legten sich einen Computer zu. In der Begeisterung, mit der Schüler in die neuen Informatikkurse strebten, zeigten sich die Anfänge einer High-Tech-Euphorie, die bis heute seltsam unver­ Ein bundesdeutscher Sonderweg 161

bunden neben ökologischen Postulaten steht.31 Für eine Gesellschaft, die ein gutes Jahrzehnt lang verbissen über »Technikkritik« gestritten hatte, war das eine merkwürdige Volte. Den Befürwortern der Atomkraft ging es seit den siebziger Jahren stets auch um die grundsätzliche Einstellung zum wissenschaftlich-technischen Fortschritt, dessen Primat nur Klein­ geister in Frage stellen würden. Auch deshalb kämpfte ein Franz Josef Strauß für Reaktoren, als ginge es um die Mosaischen Gebote – was vielleicht noch nicht einmal eine polemische Zuspitzung war. »Ein gläubiger und verantwortungsbewußter Christ kann mit guten Gründen der Überzeugung sein, daß auch ein Kraftwerk ein Teil  des göttlichen Auftrags ist«, erläuterte der bayerische Ministerpräsident dem Klerus des Freistaats, als Jugendliche am Baugelände der Wiederaufarbeitungsanlage einen ökumenischen Kreuzweg organisierten.32 Am Ende kam die Erlösung von der fatalen »Technikfeindschaft« jedoch nicht von strahlenden Milliardenprojekten, sondern von scheuen Nerds, die daheim vor dem Commodore Amiga saßen. So war die Ökologie in der Bundesrepublik längst salon­f ähig, als in der Nacht zum 26. April 1986 in der Ukraine der Reaktorblock 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl explodierte. Man ist im Rückblick versucht zu spekulieren, was eigentlich geschehen wäre, wenn der Wind zum Zeitpunkt des Unglücks zufällig gen Osten geweht hätte. Tatsächlich gelangte die radioaktive Wolke zunächst nach Schweden, wo die Bedienmannschaft des Kernkraftwerks Forsmark aufgrund der hohen Strahlungswerte zunächst ein Leck am eigenen Reaktor vermutete, und dann auch nach Deutschland. Hier bestätigte sich, was die Anti-AtomkraftBewegung immer gesagt hatte: Niemand war auf eine nukleare Katastrophe vorbereitet. Ein Gewirr widersprüchlicher Ratschläge prasselte auf die verunsicherten Bundesbürger ein, und die meisten standen ratlos vor potentiell schwerwiegenden Entscheidungen. Konnte man noch frische Milch trinken? Sollte man Konserven horten? Durften die Kinder noch draußen spielen? Oder reichte es, den Sandkasten neu zu befüllen? Es gab keine Gewissheit außer der eigenen Angst.33 162 

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Die ökologische Debatte gewann im Schatten des Super-GAUs noch einmal an Intensität. Die Risikogesellschaft des Soziologen Ulrich Beck, schon vor Tschernobyl ausformuliert, schien das Zeitgefühl auf den Punkt zu bringen. »Vieles, was im Schreiben noch argumentativ erkämpft wurde  – die Nichtwahrnehmbarkeit der Gefahren, ihre Wissensabhängigkeit, ihre Übernationalität, die ›ökologische Enteignung‹, der Umschlag von Normalität in Absurdität usw.  –, liest sich nach Tschernobyl wie eine platte Beschreibung der Gegenwart«, konstatierte Beck in seinem Vorwort.34 Unter dem Eindruck der Katastrophe schrieb­ Gudrun Pausewang den Jugendroman Die Wolke über eine Katastrophe im Atomkraftwerk Grafenrheinfeld bei Schweinfurt, der 1988 den Deutschen Jugendliteraturpreis erhielt und zur Pflicht­ lektüre an vielen Schulen wurde.35 So düster geriet das Werk, dass selbst dem Verlag mulmig wurde. »Der Lehrer muss überlegen, ob er gerade jüngeren Schülern die Lektüre der ›Wolke‹ allein zu Hause zumuten kann«, heißt es in den Ravensburger Materialien zur Unterrichtspraxis.36 Die atomfreundliche Bundesregierung geriet durch Tschernobyl in arge Bedrängnis und versuchte eifrig, ihr ökolo­gisches Image aufzupolieren. Sichtbares Zeichen war die Schaffung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktor­ sicherheit am 6. Juni 1986, mit dem die Umweltpolitik einen eigenen Platz am Kabinettstisch erhielt. Nach einer kurzen Amtszeit Walter Wallmanns, der nach zehn Monaten hessischer Ministerpräsident wurde, profilierte sich Klaus Töpfer als zweiter Bundesumweltminister durch energische umweltpolitische Initiativen.37 Auch Töpfer verzichtete jedoch auf einen Bruch mit bestehenden Traditionen der umweltpolitischen Regulierung und setzte auf eine evolutionäre Weiterentwicklung. Seit den fünfziger Jahren zog sich die Devise »Keine Experimente« durch die bundesdeutsche Umweltpolitik, und das änderte sich auch in den umweltbewegten achtziger Jahren nicht. Wozu auf gewagte Reformen mit ungewissem Ausgang setzen, wenn Insider zum Feinschliff rieten? So folgte die Bundesregierung auch nach der Gründung des Umweltministeriums weiter jener Devise, Ein bundesdeutscher Sonderweg 163

die der Ministerialdirektor im Bundesinnenministerium, Peter Menke-Glückert, 1981 so formuliert hatte: »Die Zeit der großen Gesetzgebungswerke ist vorüber – es geht in der Umweltpolitik um Vollzugsprobleme, Feinarbeit, Nachbessern in Verwaltungs­ praxis, Kooperation mit der Industrie, Stand der Technik.«38 Die bürokratische Kleinarbeit blieb nicht ohne Erfolge. Das lag allerdings nicht nur an den Impulsen der Bundes- und Landesregierungen, sondern auch an der symbolischen Aufladung, die Umweltproblemen im Verwaltungsalltag eine neue Bedeutung verlieh. Was vor 1970 oft im Ruch eines Zerwürfnisses unter Nachbarn gestanden hatte, erschien nun als Kernthema moderner Gesellschaften. Natürlich gab es trotzdem immer wieder den Ruf nach aggressiveren Vorgaben und höherem Tempo, bereitwillig verstärkt durch eine Medienlandschaft, die einschlägige Themen mit großer Begeisterung aufgriff – wenngleich die Presse erst in dem Moment hyperventilierte, als Bundesumweltminister Töpfer im Mai 1988 zur Begleichung einer Wettschuld durch den Rhein schwamm. Manche trugen sich mit Überlegungen, ob die Umweltpolitik nur durch eine Ökodiktatur auf die notwendige Geschwindigkeit gebracht werden könnte; aber dahinter stand eher eine brennende Ungeduld als prinzipielle Zweifel am demokratischen Grundkonsens.39 Jedem Aktiven war schmerzhaft bewusst, dass die deutsche Gesellschaft von ökologischer Nachhaltigkeit noch weit entfernt war. Aber im internationalen Vergleich konnten sich die Resultate der bundesdeutschen Umweltpolitik durchaus sehen lassen. Die Errungenschaften der ökologischen achtziger Jahre wirken noch beeindruckender, wenn man die Ebene der Bundesund Landespolitik verlässt und auch die Lokalpolitik in den Blick nimmt. In Kommunen und Landkreisen fanden grüne Interessen eine Vielzahl von Aufgabenfeldern: Verkehr, Müll, Energie, Abwasser, Grünflächen. Die erstaunliche Überlebensfähigkeit der Grünen hing wohl ganz wesentlich daran, dass sie diese Arbeitsfelder erschloss und damit die Kommunalpolitik gehörig aufmischte. Mehr noch als in Bundes- und Landes­ politik wirkten die Grünen hier wie eine frische Alternative zu 164 

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Protestaktion im Münchener Hofgarten. Die Radioaktivität lauerte nach Tschernobyl überall – auch im Gras der bayerischen Metropole. (Stadt­archiv München)

den etablierten Parteien. Vieles von dem, was heute die lebensweltliche Prägekraft der Ökologie dokumentiert, entstammte dieser Entwicklung. Die ökologische Kommunalpolitik hatte auch keineswegs Züge eines Rückzugs ins Private. Es ist schon bemerkenswert, wie leichtfüßig lokale Anliegen seinerzeit mit Themen der großen Politik verbunden wurden, so etwa beim Verbot von Tropenholz für kommunale Bauprojekte, um damit den Regenwald zu schonen. So gingen große und kleine Politik Hand in Hand, ganz nach dem kongenialen Motto »global denken – lokal handeln«. In Göttingen wurde beispielsweise die Erweiterung des Truppenübungsplatzes Kerstlingeröder Feld zum Politikum. Die geplante Rodung von vier Hektar Waldfläche sowie die Anlage geschotterter Fahrtrassen für Panzer waren für sich genommen keine allzu dramatischen Eingriffe, zumal sich schon damals herumsprach, dass Truppenübungsplätze auch Horte der Biodiversität sind. Aber wenn man das Kerstlingeröder Feld, fünf KiloEin bundesdeutscher Sonderweg 165

meter östlich der Universitätsstadt gelegen, zum Exempel einer »Militarisierung der Umwelt« erklärte, ging es plötzlich um die ganz großen Fragen. Entsprechend lebhaft war der lokale Protest, auch wenn sich die Bundeswehr hier am Ende durchsetzte.40 Das Zusammenspiel von großer und kleiner Politik barg freilich auch Konfliktpotenzial. Das zeigte sich etwa im Kampf um die Grube Messel, einen stillgelegten Ölschiefertagebau bei Darmstadt, der mit Hausmüll verfüllt werden sollte. Solche Großdeponien waren eine Folge des Gesetzes zur Beseitigung von Abfällen von 1972, das die Länder verpflichtete, in Abfallbeseitigungsplänen die für die Müllablagerung geeigneten Standorte auszuweisen. Das lief auf eine durchaus erwünschte Zentralisierung der Entsorgung hinaus, denn damit endete die Zeit der wilden Kippen. Fossilienfreunde machten in der Grube Messel jedoch spektakuläre Funde, und so stemmte sich das Frankfurter Forschungsinstitut Senckenberg gemeinsam mit einer Bürgerinitiative gegen das Projekt. Die folgende Auseinandersetzung erinnerte an den Kampf um Atomkraftwerke. Fast zwei Jahrzehnte tobte der Konflikt, und am Ende hing die Rettung an Verfahrensfehlern der Verwaltung.41 1995 wurde die Grube Messel von der UNESCO als Welterbe ausgewiesen. Die dankbaren Archäologen revanchierten sich, indem sie eine versteinerte Schlange auf den Namen Palaeopython fischeri tauften und damit Joschka Fischer, der sich als hessischer Umweltminister für die Rettung der Grube eingesetzt hatte, in der Systematik der Biologie verewigten. Auf der kommunalen Ebene diffundierten grüne Ideen leicht in andere politische Lager.42 Eine Fußgängerzone oder ein ordentlicher Radweg ließen sich auch konservativen Parteigängern vermitteln (zumal das Aufträge für die lokale Bauwirtschaft generierte). Aber auch in der großen Politik bewiesen ökologische Themen – wenn man einmal von Weltanschauungsthemen wie Atomkraft absieht  – eine erstaunliche Strahlkraft über politische Grenzen hinweg. Eine rot-grüne Bundesregierung galt in den achtziger Jahren in Umweltkreisen als leuchtendes Ziel der politischen Sehnsüchte, aber mit dem Abstand eines Vierteljahr166 

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hunderts kann man die These wagen, dass der Umweltszene die Distanz zur Macht gar nicht so schlecht bekam. Die schwarzgelbe Bundesregierung bemühte sich unter dem Eindruck der öffentlichen Meinung nach Kräften um ökologische Meriten, und am Ende war Kohls Kanzlerschaft sehr viel grüner als ursprünglich beabsichtigt.43 So avancierten Umweltthemen zu poli­tischen Konsensthemen. Harte anti-ökologische Rhetorik war und ist in der politischen Kultur der Bundesrepublik so sehr tabuisiert wie in kaum einem anderen Land. Im Zuge dieser Entwicklung verlor die ökologische Frage viel von ihrem linken Nimbus. Kaum eine Gruppe wirkt im Rückblick so skurril wie die »Hardcore-Konservativen« (Rüdiger Graf), die in den siebziger Jahren hinter der Umweltpolitik eine linke Verschwörung witterten.44 Für die meisten Bundesbürger war Umweltschutz nicht rechts oder links, sondern ganz einfach vernünftig. Selbst Soziologen propagierten ein von allen gesellschaftlichen Bezügen gereinigtes Grün: »Not ist hierarchisch, Smog ist demokratisch«, schrieb Beck in seiner Risikoge­ sellschaft.45 Bis heute fällt es Europäern schwer, Umweltprobleme als eine Dimension sozialer Ungleichheit zu begreifen  – während der Rest der Welt eher Probleme hat, beides zu trennen.46 Dabei musste man in den achtziger Jahren nur Günter Wallraffs Bestseller Ganz Unten lesen, den Augenzeugenbericht über das Leben türkischer Arbeiter in Deutschland, um ein Gespür für ökologische Diskriminierung zu bekommen.47 Im Lichte der sozialen Realitäten hatte der ökologische Aufbruch der achtziger Jahre einen Hauch von Eskapismus. Die damit verbundenen Probleme rückten erst um die Jahrtausendwende ins Bewusstsein, als die globalisierungskritische Bewegung sich formierte und Gruppen wie Attac das tradierte Muster separater Protestbewegungen sprengten. In den achtziger Jahren waren es eher die unvermeidlichen Grenzen jeder nationalstaatlichen Regelung, die den Aktiven Kopfschmerzen bereiteten. Schon bei der Bekämpfung des Schwefeldioxids aus Kohlekraftwerken hatte es eine internationale Komponente gegeben, und beim Automobilkatalysator war ohnehin mit Blick Ein bundesdeutscher Sonderweg 167

auf den grenzüberschreitenden Verkehr ein gemeinsames europäisches Vorgehen geboten. Für Probleme wie das Ozonloch und die globale Erwärmung war sogar eine globale Koordinierung der Anstrengungen erforderlich. Das schien nach den Erfahrungen des Stockholm-Gipfels ein hoffnungsloses Unterfangen zu sein. Aber als sich um die Mitte der achtziger Jahre plötzlich Tauwetter im Kalten Krieg ankündigte, stiegen die Chancen einer globalen Umweltpolitik deutlich. Der bundesdeutsche Sonderweg der grünen achtziger Jahre mündete in eine kurze, aber folgenreiche Hochzeit der globalen Umweltpolitik.

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9. Die zweite Globalisierung

der Umweltdebatte

Gemeinsame Verträge 1987–1992 Es ist aufschlussreich, den zweiten Globalisierungsschub der Umweltdebatte um 1990 mit den geschilderten Entwicklungen der ersten Nachkriegsjahrzehnte zu vergleichen. Damals ging es vor allem um die wachsende Einsicht in die Ähnlichkeit ökologischer Problemlagen und die gemeinsame Betroffenheit von Problemen wie Ölverschmutzung und radioaktivem Fallout. Die Welle umweltpolitischer Initiativen in der Zeit um 1970 baute auf dieser transnationalen Verständigung auf. Ganz anders war die Boomzeit um 1990. Hier ging es nicht mehr nur um gemeinsame Probleme, sondern auch um gemeinsames Handeln. Mit internationalen Verträgen sollte die Grundlage für eine globale Umweltpolitik geschaffen werden. Innerhalb weniger Jahre wurde ein politischer Rahmen geschaffen, an dem sich die Weltgemeinschaft seither eher schlecht als recht abarbeitet. Damit hatte der zweite Globalisierungsschub auch eine andere soziale Basis. Stärker als um 1970 lagen die entscheidenden Weichenstellungen in den Händen politischer Funktionseliten. Die breite Öffentlichkeit, noch um 1970 ein wichtiger Faktor, sah sich nun eher auf die Tribüne verbannt. Den Beginn dieses zweiten Globalisierungsschubs markiert das Montreal-Protokoll zum Schutz der Ozonschicht von 1987. Es zielte auf die Kontrolle einer Gruppe von Chemikalien, über die in Expertenkreisen schon länger diskutiert worden war. BeDie zweite Globalisierung der Umweltdebatte 169

reits 1974 hatten zwei amerikanische Forscherteams die These aufgestellt, dass Fluorchlorkohlenwasserstoffe in der Stratosphäre durch Sonnenlicht zerfallen und die dabei entstehenden Chlorradikale die Ozonschicht angreifen können. In den USA kam es deshalb 1978 zu einem Verbot solcher Stoffe als Treibgase in Spraydosen, aber das ließ zahlreiche andere Anwendungsfelder unberührt. Eine Lösung verlangte nicht nur ein Verbot aller wesentlichen Verwendungszwecke der Fluorchlorkohlenwasserstoffe, sondern auch ein international koordiniertes Vorgehen, und dafür sah es zunächst nicht günstig aus. Als sich 1983 eine internationale Arbeitsgruppe aus fünf Ländern zusammenfand, um die Verhandlungen unter dem Dach des Umweltprogramms der Vereinten Nationen voranzutreiben, befanden sich darunter keine Länder des Ostblocks oder des Globalen Südens, aber mit Schweden, Finnland und der Schweiz drei blockfreie Staaten. Auch die beiden übrigen Mitglieder, Kanada und Norwegen, waren keine weltpolitischen Schwergewichte. Ein erstes Ergebnis war das Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht vom März 1985, das freilich eher den Status einer unverbindlichen Absichtserklärung besaß. Zahnlose internationale Abkommen gab es zu diesem Zeitpunkt auch im Umweltbereich schon mehr als genug. Im Montreal-Pro­ tokoll verpflichteten sich jedoch 25 Staaten aus Ost und West, die Produktion ozonschädlicher Substanzen innerhalb der nächsten zehn Jahre auf die Hälfte zu reduzieren. Drei Jahre später wurde das Ziel auf einer Vertragsstaatenkonferenz in London noch höher geschraubt: Die Vertragsparteien beschlossen das Ende der gesamten Weltproduktion bis zum Jahr 2000. Eine solche Verpflichtung war in der Geschichte der Umweltdiplomatie ohne Beispiel. Nie zuvor hatte ein internationales Umweltabkommen so tief in die Souveränität der Nationalstaaten eingegriffen.1 Der Erfolg warf auch ein Schlaglicht auf die bundesdeutsche Umweltdebatte. Die grünen achtziger Jahre waren zwar sehr intensiv, aber auch sehr deutsch gewesen, und so hatte die Bundesrepublik die Entwicklung einer internationalen Ozondiplomatie zunächst verschlafen. Erst als sich die Europäische 170 

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Globale Themen, lokaler Protest: Die Aktion »Pro Regenwald« demonstriert um 1990 gegen Abholzung im malaysischen Bundesstaat Sarawak. (Stadt­ archiv ­München)

Gemeinschaft zum großen Bremser bei den Verhandlungen zu ent­wickeln drohte, wurde die Bundesregierung aktiv und löste die Blockade. Die Führungsrolle übernahmen andere. Es war US -Präsident Reagan, der auf dem G7-Gipfel von Venedig im Juni 1987 eine Übereinkunft erwirkte, die den Schutz der Ozonschicht zur dringendsten umweltpolitischen Aufgabe erhob.2 Als der BUND im Herbst 1989 den Beitritt zum internationalen Netzwerk der Friends of the Earth beschloss, bemerkte ein Vorstandsmitglied selbstkritisch, dass es bei außerdeutschen Themen »keine klare inhaltliche Schwerpunktsetzung gebe, sondern die internationale Arbeit eher auf Zufälligkeiten beruht«.3 Einmal mehr zeigte sich hier die für die alte Bundesrepublik so charakteristische Mischung aus empfundener Welt­ offenheit und faktischer Provinzialität. Der Umweltdiskurs griff ge­danklich weit aus, und das entsprach offenkundig einem tiefen Bedürfnis – aber wenn es ernst wurde, kam doch häufig der kuschelige Rahmen der alten Bundesrepublik zum Vorschein. Allzu oft lief es darauf hinaus, von bequemer Warte aus WünDie zweite Globalisierung der Umweltdebatte 171

sche an andere Länder zu formulieren. Japaner sollten keine Wale mehr schlachten, Kanadier keine Robbenbabys mehr totschlagen, Franzosen in der Südsee keine Atombomben zünden und die Brasilianer endlich den Regenwald schützen – und damit hatte sich die Sache. Zum Taktgeber des globalen Umweltbooms wurden wie schon um 1970 die Vereinigten Staaten. Dahinter stand eine spektakuläre Wende der Reagan-Präsidentschaft, die ihren Kampf gegen die Umweltbewegung nach zwei turbulenten Jahren aufgegeben hatte. 1983 machte Reagan den Gründungsdirektor der Environmental Protection Agency William Ruckelshaus erneut zum Chef der amerikanischen Umweltpolitik, und bei der Genese des Montreal-Protokolls spielten die USA eine wichtige Rolle. Als Amerika 1988 von einer Hitzewelle heimgesucht wurde, entwickelte sich der Expertendiskurs über die globale Erwärmung zu einer breiten öffentlichen Debatte, beflügelt von forschen Experten wie James Hansen, der in einer Anhörung des Senats eine »99-prozentige Sicherheit« beim Nachweis der globalen Erwärmung behauptete.4 Schließlich ernannte das Time Maga­ zine Ende 1988 anstelle des üblichen »Mann des Jahres« die bedrohte Erde zum »Planeten des Jahres«, und der neue Präsident George Bush unterstrich sein Versprechen einer grünen Präsidentschaft, indem er William Reilly zum Leiter der Environmental Protection Agency berief, der zuvor für zwei Umweltverbände, die Conservation Foundation und die amerikanische Sektion des WWF, gearbeitet hatte.5 All dies hätte aber kaum zu einem weltweiten Boom der Umweltthemen geführt, wenn sich nicht auch hinter dem Eisernen Vorhang einiges bewegt hätte. Die Dissidenten Osteuropas machten in den achtziger Jahren die Umwelt zu einem ihrer Schwerpunktthemen, teils aus taktischen Erwägungen, aber auch in Reaktion auf horrende Probleme. Man brauchte keine exakten Messungen, um die Umweltbelastung großer Industriekombinate wie Nowa Huta bei Krakau oder Copșa Mică (Kleinkopisch) in Rumänien zu erkennen. Nach der Katastrophe von Tschernobyl regte sich in den Ländern des Ostblocks ein Unmut, der sich im 172 

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Zeichen von Glasnost und Perestroika in freimütiger Kritik an der Zerstörung der Natur im Sozialismus niederschlug.6 1985 schlossen sich Umweltschützer aus Polen, Jugoslawien, der Tschechoslowakei und Ungarn zum Greenway-Netzwerk mit Sitz in Budapest zusammen, das bis 1989 auch die übrigen sozialistischen Länder mit Ausnahme von Albanien und Rumänien erreichte.7 Umweltthemen hatten schon zuvor einen gewissen Freiraum in der staatssozialistischen Diktatur geboten. Um die industrielle Entwicklung des Baikalsees hatte es in der Sowjetunion um 1960 eine heftige Kontroverse gegeben, die in Zeitungen wie der Komsomolskaja Prawda sogar öffentlich ausgetragen wurde.8 In den achtziger Jahren wuchs die Debatte über Einzelthemen hinaus, und unter Gorbatschow war die Sowjetunion nach einigem Zögern auch zu internationalen Vereinbarungen wie dem Montreal-Protokoll bereit. Vereinbarungen zum Schutz der Umwelt waren ein günstiges Komplement zu den Abrüstungs­verträgen, und außerdem besaß das Thema eine geradezu unwiderstehliche Symbolkraft. Was konnte das Ende des Kalten Kriegs besser dokumentieren als eine Menschheit, die sich gemeinsam zur Bewahrung der Lebensgrundlagen des Planeten aufraffte! Nach dem Kollaps der Sowjetunion wandte sich Gorbatschow bezeichnenderweise Umweltinitiativen zu. Es waren aber nicht nur hehre Überzeugungen, die den globalen Boom der Umweltdebatte beflügelten. Zu den versteckten Faktoren gehört der Sicherheitsapparat: Nach dem Ende des Kalten Kriegs ließen sich mit ökologischen Themen neue Bedrohungsszenarien konstruieren – eine eindringliche Warnung an die Politik, es mit der Abrüstung auf keinen Fall zu übertreiben. Die Forschung hat bislang nur sehr zögerlich begonnen, Licht in diese Allianzen zu bringen, obwohl militärische Interessen eine ganz andere Art von Druck generieren können als eine Handvoll wackerer Aktivisten. »Die Geschichte zeitspezifischer Sicherheitskulturen der Umwelt liegt nach wie vor brach«, schreibt Thorsten Schulz-Walden.9 Zum Höhepunkt der grünen Euphorie wurde der Erd­gipfel von Rio de Janeiro, die bis dahin größte Zusammenkunft ihrer Die zweite Globalisierung der Umweltdebatte 173

Art, die weltweit ein begeistertes Echo fand und die Agenda der globalen Umweltpolitik bis heute prägt. Gleich drei Verträge gingen aus den Verhandlungen hervor: die Klimarahmenkonvention, das Übereinkommen über die biologische Vielfalt sowie ein weniger bekannter Vertrag über die Bekämpfung der Wüstenbildung. Schon in Rio wurde jedoch eine Kluft zwischen der weltumspannenden Begeisterung und den Realitäten der internationalen Diplomatie spürbar. Es war eine Sache, die Rettung des Planeten mit warmen Worten zur gemeinsamen Aufgabe der Menschheit zu erklären, aber eine ganz andere, dies in völkerrechtlich verbindliche Regeln umzusetzen. In seinen Memoiren berichtet Hubert Weinzierl zwiespältig über den »Aufmarsch der Öko-Gladiatoren in Rio«. Einerseits beeindruckte ihn »eine ungeschminkte Ehrlichkeit in vielen Reden«, andererseits stieß ihn das Gefeilsche in den Verhandlungen ab: »Was an hehren Worten geredet wurde, reduziert sich in der Schlussphase aufs Bezahlen.«10 Vom Standpunkt des 21.  Jahrhunderts drängt sich der Eindruck auf, dass die Hochzeit der Umweltdiplomatie viel mit einem gewissen Vakuum zu tun hatte. Sie fiel in die wenigen Jahre, in denen die internationale Politik nicht mehr vom OstWest-Gegensatz und noch nicht von der Globalisierung der Weltwirtschaft dominiert wurde.11 Die bipolare Welt, die hinter den internationalen Vereinbarungen dieser Zeit stand, erodierte in den folgenden Jahren in rasantem Tempo, während die Länder des Globalen Südens mit wachsendem Gewicht in der Weltpolitik mitspielten. So wurde die Umweltdiplomatie zunehmend unübersichtlich. Es ging schließlich nicht nur um eine wachsende Zahl von Akteuren, sondern auch um unterschiedliche Prioritäten, ja sogar unterschiedliche Vorstellungen der einschlägigen Probleme. Das zeigte sich zum Beispiel im Umgang mit Ölverschmutzung. Auch dieses Thema rückte seinerzeit in den Fokus der Politik, nachdem der Öltanker Exxon Valdez am Karfreitag 1989 in Alaska auf Grund gelaufen war und eine verheerende Ölpest verursacht hatte. Unter dem Eindruck der Katastrophe ver­ 174 

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abschiedete der amerikanische Kongress 1990 den Oil Pollution Act, der die Ölindustrie zum Bau von Doppelhüllentankern zwang, die bei einer Kollision mehr Schutz vor Leckagen boten. Die International Maritime Organisation beschloss zwei Jahre später ähnliche Vorgaben.12 Das war zweifellos gut gemeint, ging jedoch an den Problemen eines Landes wie N ­ igeria völlig vorbei. Während die Ölpest im Westen als zeitlich und geo­graphisch begrenztes Problem gesehen wurde, war Ölverschmutzung im Nigerdelta ein chronisches Problem. Hier ging es nicht um die Vermeidung einzelner Unfälle, sondern um das Gesamtsystem der Ölförderung, um ethnische Konflikte im Vielvölkerstaat Nigeria, um Korruption und vieles mehr. Mit bloßen Ge­setzen kam man da nicht weit.13 Die Katastrophe der Exxon Valdez und ihre Folgen zeigten noch einmal die westliche Führungsmacht als Pionier der Umweltpolitik. Seit den sechziger Jahren hatten die USA bei allen wichtigen Umweltabkommen eine Schlüsselrolle gespielt, während das internationale Gewicht der Bundesrepublik jenseits der Grenzen der Europäischen Gemeinschaft doch stark abnahm. Aber schon beim Erdgipfel von Rio war ein anderes Amerika zu sehen: der Zauderer und Bremser, dem das eigene Ansehen im Rest der Welt zunehmend egal war, nicht jedoch die Interessen der eigenen Wirtschaft.14 Manchmal blitzten noch die alten Ambitionen auf, so etwa 1997 bei der Aushandlung des Kyoto-Protokolls zur Umsetzung der Klimarahmenkonvention, das  – so ein Augenzeuge der Verhandlungen  – »letztlich durch den Ergebniswillen des damaligen US -Präsidentengespanns ­ Clinton-Gore erzwungen wurde«.15 Dem verdankt die Klimapolitik die zentrale Rolle des Emissionshandels, der damals als flexibles, marktförmiges Steuerungsmittel gefeiert wurde, inzwischen jedoch durch mehrere Skandale und einen notorisch niedrigen Preis für Emissionszertifikate ins Zwielicht geraten ist. Aber das war letztlich eine Episode. Clinton wagte nie, das Kyoto-Protokoll dem US -Senat zur Ratifizierung vorzulegen, und sein Nachfolger Bush Jr. verkündete im Frühjahr 2001 den Ausstieg.16 Die zweite Globalisierung der Umweltdebatte 175

Die Abkehr von der globalen Umweltpolitik hatte sich schon unter Clinton angedeutet. Zumeist mied seine Regierung die Umweltinitiativen der Vereinten Nationen und arbeitete lieber mit der Weltbank zusammen, so dass die internationale Umweltpolitik faktisch zu einem Unterpunkt der Entwicklungspolitik wurde.17 Bei George W. Bush war die Verachtung gegenüber internationalen Instanzen unverkennbar, und der harsche Widerstand einschlägiger Kreise macht Umweltthemen in den USA zu einem notorischen Streitobjekt, das dem Spielraum jeder amerikanischen Regierung in der internationalen Umweltpolitik enge Grenzen setzt. Aber könnte eine Führungsrolle der USA in der Weltpolitik des 21. Jahrhunderts noch so aussehen wie in der Zeit des Kalten Kriegs? Es ist durchaus offen, ob in der Haltung der USA tatsächlich eine Ursache für die Krise der globalen Umweltpolitik liegt oder ob es sich eher um einen Sündenbock handelt, hinter dem sich andere Länder verstecken können. So erscheint der zweite Globalisierungsschub der Umwelt­ debatte um 1990 inzwischen als ein ambivalentes Erbe. Während man seinerzeit noch von einer »neuen Ära der internationalen Beziehungen« und einem neuen »Welt-Umweltbewußtsein« träumen konnte, herrscht inzwischen Ernüchterung.18 Im Vergleich mit den Handelsabkommen des neoliberalen Zeitalters, die sich in den Händen geschickter Anwälte zu einer Allzweckwaffe gegen staatliche Regulierung wandelten, wirken die Umweltgipfel inzwischen eher wie eine Beschäftigungstherapie für Diplomaten. Als Brasilien 2012 das 20jährige Jubiläum des RioGipfels zelebrieren wollte, geriet das Ereignis zur Farce. Zugleich bilden die Vereinbarungen von 1992 jedoch weiterhin den Rahmen der globalen Umweltdiplomatie, und dieser Rahmen hat sich gegenüber Reformen in hohem Maße als immun erwiesen. Es fällt der Weltgemeinschaft offenkundig schwer, hinter die damals vereinbarten Wege und Ziele wieder zurückzufallen. Noch schwerer fällt es ihr jedoch, sie tatsächlich mit Leben zu füllen.

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10. Vom planwirtschaftlichen

Aufbruch zum Raubtierkapitalismus im Dienste des Realsozialismus

Die seltsame Karriere der DDR In die Hochzeit der internationalen Umweltdiplomatie fiel auch die Wiedervereinigung. Damit endete ein Bündel DDR-spezifischer Traditionen, das zu den merkwürdigsten der deutschen Umweltgeschichte gehört. Für die Umweltgeschichte der alten Bundesrepublik lässt sich bei allen Ambivalenzen und Diskon­ tinuitäten doch immerhin eine klare Bilanz ziehen: Im Vergleich mit den Wirtschaftswunderjahren waren der Natur- und Umweltschutz im Jahre 1989 zweifellos besser aufgestellt, die einschlägigen Verbände schlagkräftiger und die öffentliche Debatte intensiver. Im Osten Deutschlands ist das Bild widersprüchlicher, und vor allem ist es geprägt von Bildern eines ökologischen Totalversagens. Die zerstörten Landschaften des Braunkohlentagebaus, der von Abwässern aus der Filmherstellung verseuchte Silbersee von Wolfen, die schmutzige Luft von Bitterfeld – all dies hat sich tief in das kollektive Gedächtnis des vereinigten Deutschlands eingebrannt. »Die DDR gilt in ökologischer Hinsicht als failed state«, begann jüngst ein Aufsatz zur Umweltpolitik der DDR .1 Man kann die Umweltgeschichte der DDR freilich nur verstehen, wenn man sich klarmacht, dass der Verweis auf die katastrophale Öko-Bilanz mehr war als eine bloße Zustands­ beschreibung. Sie erfüllte wichtige Funktionen in Ost und West. Vom planwirtschaftlichen Aufbruch zum Raubtierkapitalismus 177

Für die Ostdeutschen war sie Teil  eines finalen Verdikts, der giftstrotzende Beleg, dass die DDR völlig zu Recht untergegangen war. Mit wachsender zeitlicher Distanz hat dieser legitimatorische Zusammenhang eher noch an Bedeutung gewonnen. Während sich andere Hoffnungen von 1989 wie Demokratie und Massenwohlstand in den Jahren nach der Wiedervereinigung relativierten, wirkten die ökologischen Hinterlassenschaften eher noch dramatischer. Aus westlicher Sicht bot die DDR die tröstliche Einsicht, dass es offenbar Produktionsregime gab, die in ökologischer Hinsicht noch verheerender waren als der Kapitalismus. So hatten die wiedervereinigten Deutschen ein gemeinsames Interesse, das ökologische Versagen der DDR in möglichst grellen Farben auszumalen. Nur jene, die sich in der DDR für Natur- und Umweltschutz engagiert hatten, fanden sich zwischen den Stühlen wieder.2 Dabei muss man nur einmal den chronologischen Rahmen verschieben, um die Einseitigkeit einer ökologischen Katastrophengeschichte zu erkennen. Wenn die Wiedervereinigung schon 1980 stattgefunden hätte, wäre die Kritik an der DDR vermutlich nicht in solchem Ausmaß grün konturiert gewesen. Seinerzeit gab der triste Stand der Umweltdebatte in der Bundesrepublik überschwängliche Vergleiche noch nicht her. Noch unschlüssiger fällt der Vergleich um 1970 aus. Auch in der DDR gab es einen Boom der Umweltpolitik, der sich im Landes­kulturgesetz von 1970 sowie der Schaffung eines Ministeriums für Umweltschutz und Wasserwirtschaft zum Jahresanfang 1972 dokumentierte. An der Akademie der Wissenschaften wurde auf Betreiben von Hans Mottek die Umweltforschung gestärkt.3 Kein Geringerer als Erich Honecker forderte in seiner Rede auf dem VIII. Partei­ tag der SED 1971 mehr Beachtung für den Umweltschutz und appellierte sogar an seine Bürger, die staatlichen Stellen auf einschlägige Probleme hinzuweisen.4 Ähnlich wie im Westen standen Umweltprobleme als poli­ tische Themen ein wenig quer zu den üblichen politischen Konfliktlinien. Dogmatiker mochten zwar behaupten, dass die Ausbeutung der Natur im Sozialismus ebenso aufgehoben war wie 178 

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Der DDR-Umweltminister Hans Reichelt (rechts) 1972 im Gespräch mit dem Landschaftsgestalter Karl Oberle (mit Hut) über die Rekultivierung des Braunkohlentagebaus Spreetal. (Bundesarchiv)

die Ausbeutung des Proletariats, aber das war nicht das Ende aller Diskussionen. Tatsächlich konnte man über Umwelt­probleme in der DDR einigermaßen offen reden. Solange man sich im Rahmen der offiziell sanktionierten Körperschaften und Verbände bewegte und eine systemkompatible Rhetorik pflegte, ging man kein großes Risiko ein. Auch östlich des Eisernen Vorhangs galt eine gesunde Umwelt als erstrebenswertes Komplement der Wohlstandsgesellschaft. Es gibt also gute Gründe, die Umweltgeschichte der DDR nicht als eingleisigen Weg in die Umweltkatastrophe zu schreiben. Man musste ganz und gar kein Illusionist sein, um in den Vom planwirtschaftlichen Aufbruch zum Raubtierkapitalismus 179

ersten Jahrzehnten der DDR auf die Möglichkeiten sozialistischer Planung zu hoffen. Schon Anfang der siebziger Jahre gab es jedoch Strukturprobleme der DDR-Umweltpolitik, die sich seit der Mitte des Jahrzehnts mit wachsender Prägnanz zeigten und nie entschlossen angegangen wurden. In den achtziger Jahren zeigte sich dann eine wachsende und am Ende ziemlich um­fassende Sklerose. Ein Beschluss von 1973, für jeden einzelnen Betrieb bestimmte Höchstgrenzen des Schwefeldioxid-Aus­ stoßes festzulegen, wurde zum Beispiel so gemächlich umgesetzt, dass noch 1986 gerade einmal 60 Prozent der Betriebe einen solchen Bescheid erhalten hatten. Zudem waren Mess­ geräte für Schwefeldioxid Mangelware, so dass ein Betrieb statistisch gesehen nur alle 44 Jahre mit einer Inspektion zu rechnen hatte.5 Als ein Elbhochwasser im Januar 1987 das Dresdener Klärwerk beschädigte, gelang es bis zur Wende nicht, wieder für eine ordnungsgemäße Reinigung der städtischen Abwässer zu sorgen.6 Ein erstes Strukturproblem bestand in der notorischen Ressourcenknappheit, die bekanntermaßen alle Teile des gesellschaftlichen Lebens in Ostdeutschland prägte. Während die bundesdeutsche Umweltpolitik von einer robusten Volkswirtschaft getragen wurde, herrschte in der DDR chronischer Mangel. Die von Honecker propagierte Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik beschränkte den Rahmen noch einmal zusätzlich. Das Geld, das in den Konsum und Sozialprogramme floss, stand nicht mehr für produktive Investitionen zur Verfügung.7 Viele Investitionen blieben unvollendet, und wenn es in den Betrieben ans Streichen ging, war der Umweltschutz ein besonders wehrloses Opfer. Die Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik fand zwar in der proklamierten »Einheit von Ökonomie und Öko­ logie« sogar ein grünes ideologisches Pendant, aber darin zeigte sich wohl eher, wie sich das Streben nach ideologischer Konsistenz von den realen Politiken zu lösen begann.8 Zum Zweiten barg die wirtschaftliche Entwicklung der DDR außergewöhnliche ökologische Belastungen. Die DDR setzte nach dem Ölpreisschock 1973 verstärkt auf die Braunkohle als hei180 

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mischen Energieträger und reklamierte schließlich im Jahr der Wiedervereinigung 40 Prozent der Weltproduktion. Bekanntlich ist Braunkohle einer der klimaschädlichsten Brennstoffe, und deshalb betrug der ostdeutsche Kohlendioxidausstoß pro Kopf 1988 fast das Doppelte des bundesdeutschen Werts. Mit der Braunkohle verbanden sich auch eine großräumige Landschaftszerstörung sowie eine exzessive Belastung der Luft mit Staub und Schwefeldioxid.9 Ein besonders finsteres Kapitel war der Uranbergbau in Sachsen und Thüringen, wo die SowjetischDeutsche Aktiengesellschaft Wismut mit rund 45 000 Beschäftigten wie ein Staat im Staate agierte.10 In der Landwirtschaft hatten der Aufbau großbetrieblicher Strukturen und die durch den Grüneberg-Plan forcierte Trennung von Feld- und Viehwirtschaft gravierende Folgen, so etwa für die Ausbringung der Gülle. Bei Betrieben mit 10 000 Rindern und 100 000 Schweinen lief es oft auf eine ganzjährige Verkippung in der unmittelbaren Nähe der Stallanlagen hinaus.11 Drittens zeigte sich im deutsch-deutschen Vergleich mit wachsender Deutlichkeit, wie sehr eine effektive Umweltpolitik auf eine kritische Öffentlichkeit angewiesen war. Die DDR schuf zwar 1980 ein Sammelbecken für ökologisch Gesinnte, indem sie im Kulturbund eine Gesellschaft für Natur und Umwelt einrichtete. Diese Gesellschaft füllte sich rasch mit Leben, und in manchen Sektionen, so etwa denen unter dem thematisch flexiblen Rubrum »Stadtökologie«, fanden sich rührige und manchmal auch aufmüpfige Elemente zusammen. Oft war deren Aktions­ radius jedoch schon dadurch gehemmt, dass sie nur sehr begrenzt an die Öffentlichkeit gehen konnten. Baumpflanzaktio­ nen und Fahrraddemonstrationen markierten oft schon die Grenzen der Möglichkeiten.12 Von einer breiten Resonanz, wie sie die bundesdeutsche Umweltszene in den achtziger Jahren erfuhr, konnte deshalb in der DDR keine Rede sein. Eine Studie zur thüringischen Umweltgruppe Knau/Dittersdorf, die in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre gegen eine große Schweinemastanlage protestierte, konzediert freimütig, dass die Gruppe ausweislich der Teilnehmerzahlen bei Umwelttagen und UmVom planwirtschaftlichen Aufbruch zum Raubtierkapitalismus 181

weltgottesdiensten »vor dem Herbst 1989 nur mit einer begrenzten aktiven Unterstützung durch die einheimische Bevölkerung rechnen konnte«.13 Eine breitere Öffentlichkeit erreichten ostdeutsche Umweltaktivisten nur auf dem Umweg über westliche Medien. Die von Michael Beleites verfasste Samisdat-Schrift Pechblende über den Uranbergbau der Wismut, die auf eigenen Recherchen und Untersuchungen der Wasserwirtschaftsdirektion Gera basierte, war im Osten nur einem überschaubaren Kreis von meist kirchennahen Personen bekannt, bis das ARD -Magazin Kontraste am 3. November 1987 einen Bericht sendete, der die Ergebnisse in zugespitzter Form wiedergab. So wurde etwa fälschlich behauptet, dass die Regierung Bewohner der Region, die unter Haar­ausfall litten, mit Perücken ausstattete.14 Im folgenden September zeigte Kontraste die Dokumentation Bitteres aus Bitterfeld, die die katastrophale Lage in der Chemieregion mit eindrucksvollen Filmaufnahmen verdeutlichte. Die cleveren Dissidenten hatten für ihre Recherchen den 25. Juni 1988 ausgewählt, als die fußballverliebte Staatsmacht vorübergehend abgelenkt war: Die Sowjetunion spielte an diesem Tag im Finale der Europameisterschaft (wo der Realsozialismus ebenfalls eine Niederlage erlitt).15 Solche Aktionen waren riskant und selten, sie konnten jedoch erstaunliche Wirkung entfalten. So reagierte der Rat des Bezirks Karl-Marx-Stadt auf die Pechblende mit »Informationsmaterial über die Strahlenschutzsituation in den Südbezirken der DDR« und konkurrierte so mit einer Untergrundschrift um die öffentliche Meinung.16 Allerdings lief das gemeinsame Betrachten solcher Fernsehbeiträge in Ost und West nicht zwangsläufig auf eine Angleichung der Sichtweisen hinaus. Während viele DDR-Bürger die dramatischen Folgen der ostdeutschen Chemieproduktion nie aus eigener Anschauung kennenlernten, machte Bitteres aus Bitterfeld die Stadt in der Bundesrepublik zum Inbegriff der sozialistischen Umweltkatastrophe, zumal die Sicht des Westens bereits einschlägig vorgeprägt war. 1981 hatte der ­ onika Frankfurter S. Fischer Verlag den Roman Flugasche von M Maron herausgebracht, in dem eine Stadt »B.«, unschwer als 182 

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Bitterfeld zu erkennen, als »die schmutzigste Stadt Europas« bezeichnet wurde.17 Ein viertes Strukturproblem lag in der schwachen Verankerung der Umweltpolitik im Institutionengefüge der DDR begründet. Gewöhnlich wurde bei der Schaffung eines neuen Ministeriums zugleich eine Abteilung beim Zentralkomitee der SED gegründet, um die staatlichen Ministerien auch im Parteiapparat der SED abzubilden. Dem Umweltministerium fehlte jedoch eine solche Spiegelinstitution, vielmehr fiel die politische Anleitung der Abteilung für Grundstoffindustrie beim Sekretär für Wirtschaft zu. Zudem war der seit März 1972 amtierende Umweltminister Hans Reichelt Mitglied der Demokratischen Bauernpartei Deutschlands und verfügte damit nur über ein sehr beschränktes politisches Kapital.18 So fehlte es ökologischen Belangen im byzantinischen Geflecht des SED -Staats an Gewicht, und die agilen Polit-Manager, die in der Bundesrepublik die Umweltpolitik aufmischten, konnten sich in der DDR gar nicht erst entwickeln. Hier belohnte das System eher die gut vernetzten Apparatschiks, die mit begrenzten Mitteln still ihre Arbeit verrichteten und unabhängig von konkreten Ergebnissen zuverlässig auf Linie blieben. Die Folgen zeigten sich etwa im Umgang mit den landschaftlichen Folgen der Braunkohlenförderung. Die rekultivierte Fläche sank von 737 Hektar im Jahre 1980 auf 566 Hektar 1989, wobei ein erheblicher Teil  für Land- und Forstwirtschaft faktisch unbrauchbar war.19 Als die Schwefeldioxidemissionen zum Gegenstand der internationalen Umweltdiplomatie wurden, agierte die DDR notgedrungen mit gefälschten Daten.20 In ihren letzten Jahren stieg die DDR zur Devisenbeschaffung in das Müllgeschäft ein und importierte jährlich vier bis fünf Millionen Tonnen Müll aus der Bundesrepublik und West-Berlin; ein Forscher spricht von »den größten grenzüberschreitenden Mülltransporten, die bisher auf der Welt registriert wurden.«21 Das Geschäftsmodell hinterließ sogar im Völkerrecht seine Spuren, weil sich die beiden deutschen Staaten dafür einsetzten, dass die Basler Konvention zur Kontrolle des grenzüberschreitenVom planwirtschaftlichen Aufbruch zum Raubtierkapitalismus 183

den Transports gefährlicher Abfälle die Möglichkeit bilateraler Müllkooperationen außerhalb der Konvention enthielt.22 Teil des Geschäfts waren über eine halbe Million Tonnen Giftmüll, Klärschlämme und verseuchte Böden pro Jahr, die vor allem auf den Deponien Schönberg bei Lübeck sowie Vorketzin, Schön­ eiche und Deetz bei Berlin landeten. In Schöneiche baute eine Schweizer Firma eine Verbrennungsanlage für Sondermüll, die im Herbst 1988 den Probebetrieb aufnahm.23 All das lief auf eine kuriose Umkehrung der ursprünglichen Ambitionen der sozialistischen Umweltpolitik hinaus. Von einer ambitioniert planenden Landschaftspflege führte der Weg zu einem kurzfristigen Denken, geboren aus der Unmöglichkeit, an der makroökonomischen Zwangslage der DDR mit Einbindung in den Ostblock und hohen Konsumerwartungen in der Bevölkerung etwas Grundlegendes zu verändern. Im Streben nach Devisen kannte die DDR auch mit Blick auf die natürliche Umwelt kaum noch Grenzen. Von seinen ökologischen Folgen her war das im Kern ein bornierter Raubtierkapitalismus, dessen Bezug zum Sozialismus sich darin erschöpfte, das ökonomische Überleben der DDR zu sichern. Wer Ende der achtziger Jahre ein verantwortungsloses ökonomisches Denken kritisieren wollte, das ganz aufs Geld fixiert war und dabei massive Umweltbelastungen achselzuckend akzeptierte, fand dafür in der DDR mehr Anschauungsmaterial als in der Bundesrepublik. Zu den Strukturproblemen kam noch ein Informationsproblem, das 1982 in einem Beschluss des Ministerrats kulminierte, der alle wichtigen Informationen über den Zustand der Umwelt zu Staatsgeheimnissen erklärte. Im Rückblick spricht einiges dafür, dass dieser Beschluss den Punkt markiert, an dem die SED -Führung die Kontrolle über die Umweltdebatte verlor. Für zwei Jahre kollabierte das Vortragswesen im Natur- und Umweltschutz nahezu vollständig, da niemand mehr wusste, welche Informationen in den einschlägigen Veranstaltungen erwähnt werden durften. Das war umso prekärer, als das Westfernsehen just in dieser Zeit dem Waldsterben und anderen Umweltproblemen breiten Raum widmete. Zugleich traf der Beschluss des 184 

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Minister­rats die noch junge Gesellschaft für Natur und Umwelt im Kulturbund der DDR . Außerdem zeigte die Entscheidung ganz unverkennbar ein schlechtes Gewissen. Seither gärte es in der Umweltszene der DDR . Die Zahl der Aktivitäten nahm erkennbar zu, und sie bekamen neue Obertöne. Es ging jedenfalls nicht mehr nur um die materiellen Probleme, auch wenn das aus naheliegenden Gründen nicht offen ausgesprochen wurde. Für Gruppen, die dem SED -Regime distanziert gegenüberstanden, waren Umweltthemen mit relativ geringen Risiken behaftet und in jedem Fall weniger heikel als die Privilegien der Parteiführung oder gar die Überwachung durch die Stasi. Hier waren Missstände kaum von der Hand zu weisen, und manchmal standen sie sogar im Widerspruch zur Rechtslage. Zumeist ging es um kleine Probleme im unmittelbaren Gesichtsfeld: Die wenigsten hatten den Mumm und die Kontakte für heimliche Kameraaufnahmen im Raum Bitterfeld. So gab es eine spürbare Kluft zwischen den Dimensionen der Probleme und den Möglichkeiten der Gruppen, und manche Gruppen haben rückblickend eingeräumt, dass sie weniger von einer realen Hoffnung auf Wandel getrieben wurden als von der Absicht, dem eigenen Frust durch »Nadelstiche« gegen die Obrigkeit Luft zu machen: »Wenn schon nicht ins Herz, dann wenigstens ins Sitzfleisch.«24 Wie tragfähig das gewachsene Netzwerk war, zeigte sich nach dem Überfall der Stasi auf die Umweltbibliothek in der Ostberliner Zionsgemeinde in der Nacht zum 25. November 1987. Die Razzia führte zu einer spontanen Solidarisierung mit Mahn­ wachen und anderen Aktivitäten, die das Regime als oppositionell empfand. Inwiefern sie tatsächlich so gemeint waren, ist auch mit dem Abstand eines Vierteljahrhunderts schwer zu sagen. Ein Geist der Widerspenstigkeit war in Teilen der ökologischen Zivilgesellschaft zweifellos zu erkennen, aber zugleich auch ein Bestreben, Provokationen zu dosieren oder ganz zu vermeiden, und überhaupt waren die Umweltinitiativen natürlich ostentativ bestrebt, einen Beitrag zum Aufbau des Sozialismus zu leisten – auch wenn die DDR-Umweltpolitik in den achtVom planwirtschaftlichen Aufbruch zum Raubtierkapitalismus 185

ziger Jahren ideologisch längst abgewirtschaftet hatte. Erst nach der Wende wurde schließlich klar, wie hilflos die Regierung dem Protest ihrer Bürger tatsächlich gegenüberstand. Der Stasi-Überfall zielte nicht zufällig auf eine Einrichtung unter dem Dach der evangelischen Kirche. Diese war die einzige unabhängige Institution im SED -Staat und bot damit einen Raum für unzensierte Debatten und zudem Infrastrukturen bis hin zu eigenen Druckmaschinen – in der Copyshop-freien DDR eine wertvolle Ressource. Damit konnte nicht nur die Pechblende vervielfältigt werden, sondern zum Beispiel auch ein vegetarisches Kochbuch, mit dem das Kirchliche Forschungsheim Wittenberg 1983 für die fleischlose Ernährung warb.25 Damit waren aber auch schon die Grenzen eines ökologisch inspirierten Lebensstils unter den Bedingungen der DDR in Sicht. Ein Pendant zum alternativen Milieu der Bundesrepublik war schon mangels Masse illusorisch. Nach Hermann Behrens gab es in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre etwa 60 bis 65 kirchliche Umweltgruppen in 54 Orten der DDR , die zusammen zwischen 550 und 850 Mitglieder hatten.26 Die unter staatlicher Ägide organisierten Umweltgruppen waren stets deutlich größer als die kirchlichen Initiativen, und sie waren keineswegs nur handzahm. Ein Gründungsmitglied der Potsdamer Arbeitsgemeinschaft für Umweltschutz und Stadt­ gestaltung, als ARGUS ordnungsgemäß Teil  des Kulturbunds der DDR , war Matthias Platzeck, später Ministerpräsident von Brandenburg. Die dezentrale Organisation war auf Dauer freilich unbe­friedigend, und so bemühte sich das Grün-Ökologische Netzwerk Arche nach dem Vorbild von Greenway seit Anfang 1988 um die Verknüpfung der Initiativen. Im November 1989 kam aus dem Netzwerk Arche der Impuls zur Gründung einer Grünen Partei in der DDR .27 Neben den gemeinsamen Interessen gab es freilich auch jede Menge Konflikte über inhaltliche und taktische Fragen, die sich unter den Bedingungen des so­ zialistischen Obrigkeitsstaates nur begrenzt diskutieren und erst recht nicht ausräumen ließen: Eine homogene Bewegung konnte die DDR-Umweltbewegung nie sein. Die Spannungen zwischen 186 

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der Umweltbibliothek und dem Arche-Netzwerk führten gar im Mai 1988 zu einem förmlichen Unvereinbarkeitsbeschluss, der alle Mitglieder zur Entscheidung für eine der beiden Organisationen zwang.28 Als Teil der Bürgerrechtsbewegung leistete die Umweltszene der DDR 1989/90 einen Beitrag zum Sturz des SED -Regimes. Danach zeigte sich jedoch, dass die ostdeutschen Strukturen für die Herausforderungen einer Mediendemokratie denkbar ungeeignet waren. Am einfachsten fiel noch die Abnabelung von der evangelischen Kirche, die nicht länger als Schutzschirm benötigt wurde. Schwieriger war der Umgang mit den basisdemokra­ tischen Strukturen, die gewissermaßen die Seele der Umwelt­szene ausmachten. Die Grüne Liga, die sich in den Wendemonaten als Sammelpunkt der verstreuten Initiativen konstituierte, versteht sich bis heute vor allem als Netzwerk ökologischer Gruppen, Vereine und Initiativen in den fünf neuen Bundesländern und steht deshalb im Schatten der stärker zentralisierten Umweltverbände westdeutschen Typs. Schwer wog schließlich, dass sich die ostdeutsche Umweltszene nun nicht mehr einfach darauf beschränken konnte, Wünsche an eine tumbe Bürokratie zu adressieren. Sie musste jetzt selbst Lösungsvorschläge entwickeln und verantworten, und das in einem neuen rechtlichen und institutionellen Umfeld. Gab es unter diesen Bedingungen eine Alternative zum Schwinden der ostdeutschen Traditionen? Das rasante Tempo der Wiedervereinigung machte es schwierig, die Herausforde­ rungen des Wandels auch nur gründlich zu durchdenken. Schon allein die dichte Aufeinanderfolge von vier Wahlkämpfen im Laufe des Jahres 1990 bedeutete bei aller demokratischen­ Euphorie auch eine enorme Arbeitsbelastung. Manch umwelt­ politischer Aktivposten, so etwa das Recycling im SERO -System, ging im Konsumrausch der Wendemonate ohnehin rettungslos unter. Am Ende blieben vor allem materielle Hinterlassenschaften, so etwa die Altlasten, deren Sanierung Kosten in Milliardenhöhe verursachte. In der DDR hatten Mülldeponien zumeist keine orVom planwirtschaftlichen Aufbruch zum Raubtierkapitalismus 187

dentliche Abdichtung und Einrichtungen zum Sammeln des Sickerwassers (von dessen Reinigung ganz zu schweigen), und ein erheblicher Teil  der betrieblichen Abfälle schaffte es gar nicht erst auf die Deponie, sondern wurde kurzerhand »gleich um die Ecke« verbuddelt. Nach der Wende wurde die Zahl der Altlasten­ verdachtsflächen auf etwa 50 000 geschätzt, bis 1997 stieg die Zahl auf 80 000, wobei auf etwa einem Viertel der Flächen tatsächlich Kontaminationen gefunden wurden.29 Das heikelste Einzelprojekt kümmerte sich um die strahlenden Hinterlassenschaften der Wismut, was allein einen zweistelligen Milliardenbetrag verschlang. Eine Bundesgartenschau in einer Bergbaufolge­ landschaft im thüringischen Ronneburg setzte dem Kraftakt 2007 ein Denkmal.30 Die Ökobilanz der DDR tendierte ganz zum Schluss noch einmal unerwartet ins Positive, als der Ministerrat der DDR in seiner letzten Sitzung fünf Nationalparks, sechs Biosphären­ reservate und drei Naturparks schuf und damit auf einen Schlag mehr als vier Prozent der Landesfläche unter Naturschutz stellte.31 Auch wenn der Beschluss ohne vielfältige Vorarbeiten in Form jahrzehntelanger emsiger Naturschutzarbeit nicht zu denken gewesen wäre, bleibt der handstreichartige Beschluss der scheidenden DDR-Regierung ein Husarenstück, das in der Geschichte der deutschen Umweltpolitik seinesgleichen sucht.32 Damit verdoppelte sich die Zahl der deutschen Nationalparks, und die Schutzgebiete stehen seither als »Tafelsilber der deutschen Einheit« unter besonderer Beobachtung.33 Der ehemalige Todesstreifen entlang der innerdeutschen Grenze blieb in weiten Teilen als Naturreservat erhalten und ist als »Grünes Band« inzwischen Teil eines europäischen Projekts.34 Das Berliner Arche-Büro wechselte 1990 sein Tätigkeitsfeld, richtete in der Treptower Bekenntnisgemeinde eine Wärmestube ein und kümmerte sich um Obdachlose.35 Andere Bürger­ rechtler blieben der Politik treu und schlossen sich 1993 mit den westdeutschen Grünen zusammen; seither steht das »Bündnis 90« im Parteinamen an erster Stelle. Der Fusion ging freilich ein langwieriger und vor allem für die ostdeutsche Seite schmerz188 

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hafter Prozess der Annäherung voraus, und am Ende gab vielleicht eher ein Gefühl von Alternativlosigkeit mit Blick auf die nahende Bundestagswahl den Ausschlag als ein echtes Gemeinschaftsgefühl. Ein Wissenschaftler diagnostizierte, es sei »keine ›Liebesheirat‹, sondern eine ›Vernunftehe‹« gewesen.36 Ein Interviewband mit ehemals führenden Vertretern der ostdeutschen Alternativszene stand 1994 im Zeichen von Resignation und Ernüchterung: »Die Suche nach zukünftigen gesellschaftlichen Gestaltungskonzepten jenseits von Kapitalismus und Sozialismus – oft mit dem Begriff des ›dritten Weges‹ bezeichnet – ist­ offenbar ersetzt durch die pragmatische Behandlung der anfallenden Sachprobleme.«37 Nur in Nischen erwiesen sich ökologische Traditionen der DDR als überlebensfähig, so etwa in Gestalt des Fördervereins für Öffentlichkeitsarbeit im Natur- und Umweltschutz, ein bundesweit einzigartiger Arbeitskreis über Umweltliteratur, der die von Reimar Gilsenbach ins Leben gerufenen Brodowiner Gespräche fortführt. An der Universität Greifswald entstand ein Studiengang Landschaftsökologie und Naturschutz, entscheidend angetrieben von Michael Succow, der beim Nationalparkprogramm der DDR eine Schlüsselrolle gespielt hatte. Während bundesdeutsche Naturschutzgebiete durch ein etwas hoheitlich wirkendes Schild mit Seeadler markiert werden, erfüllt im Osten eine charmante Naturschutzeule die gleiche Funktion. Das Schwinden der ostdeutschen Umweltbewegung war ein für die Wiedervereinigung allzu charakteristischer Vorgang. Und doch spielte es wohl auch eine Rolle, dass die ostdeutsche Umweltszene auf eine bundesdeutsche Umweltbewegung traf, die nach den ökologischen achtziger Jahren ein enormes Selbst­ bewusstsein mitbrachte. Man war nun einmal weiter als die Brüder und Schwestern im Osten, geübter im Umgang mit den Medien, besser vernetzt mit Parteien und Ministerialbeamten – oder jedenfalls fühlte man sich überlegen. So wirft die Wiedervereinigung auch ein Schlaglicht auf eine bundesdeutsche Umweltszene, die sich um 1990 als gesellschaftliche Avantgarde fühlte und die Wiedervereinigung deshalb nie als Gelegenheit Vom planwirtschaftlichen Aufbruch zum Raubtierkapitalismus 189

zur Selbstprüfung verstand. Ganz ähnlich reagierte die Umweltbewegung dann auch auf die Krise der neunziger Jahre. Der Gegenwind mochte allerlei Gründe haben, aber an der eigenen Bewegung, ihren Inhalten und ihrem Verhaltensstil lag es ganz gewiss nicht.

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11. Konsolidierung und Krise Ökologische Fragen in Deutschland seit 1990 Bei der Bundestagswahl vom 2.  Dezember 1990 erreichten die Grünen im Gebiet der alten Bundesrepublik nur 4,8 Prozent der Zweitstimmen und scheiterten damit an der Fünf-ProzentHürde. Vorausgegangen war ein ziemlich verkorkster Wahlkampf, in dem sich die Partei als larmoyante Alternative zur Wiedervereinigungseuphorie präsentiert hatte. Die Grünen setzten auf den Klimawandel: »Alle reden von Deutschland. Wir reden vom Wetter« lautete ein eifrig plakatierter Wahlkampf­ slogan.1 Im Vorfeld der Wahl hatte es wieder einmal heftige partei­interne Konflikte gegeben, die im Übertritt einiger Vertreter der Linken zur PDS gipfelten. Zwei Wochen vor der Bundestagswahl beendete die Berliner Alternative Liste nach 20 Monaten die Koalition mit der SPD, was einmal mehr die notorische Fragilität rot-grüner Bündnisse unterstrich. Zu allem Überfluss hatten die Grünen auch noch vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich gegen ein Wahlrecht geklagt, mit dem der Einzug in den Bundestag gelungen wäre. Wieder einmal hatte die grüne Partei ihr famoses Talent gezeigt, sich selbst ein Bein zu stellen.2 Parteiintern galt die Niederlage jedoch bald als heilsamer Schock. Die Partei wurde disziplinierter und moderater, auch begünstigt durch den Exodus der Radikalökologen um Jutta­ Ditfurth im Mai 1991. In Niedersachsen amtierte seit 1990 die erste rot-grüne Landesregierung, die tatsächlich eine volle Legis­ Konsolidierung und Krise 191

laturperiode überlebte; es folgten weitere stabile Bündnisse in Hessen, Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Hamburg. Die Einheit von politischem Amt und Lebensführung lockerte sich, und grüne Politiker näherten sich dem bundesdeutschen Normprofil des Berufspolitikers mit Recht auf Privatleben – auch das übrigens ein Kulturschock für ostdeutsche Aktive, die aus der Bürgerrechtstradition heraus noch auf ganzheitliches Engagement programmiert waren.3 So wurden Debatten um ökologische Themen nun merklich ruhiger. Nachdem man in den Achtzigern noch vom großen ökologischen Aufbruch geträumt hatte, ging es nun auch ein paar Nummern kleiner. Weiterhin entstanden im Umwelt­ bereich neue Einrichtungen, Studiengänge und Zeitschriften, und Firmen für Umwelttechnologie gab es inzwischen so zahlreich, dass es für eigene Branchenbücher reichte wie etwa die seit Mitte der neunziger Jahre erscheinenden Grünen Seiten RheinNeckar. Ein neues Einspeisegesetz, das im Jahr der Wiedervereinigung unauffällig durch den Bundestag gerutscht war, schuf Garantiepreise für Strom aus erneuerbaren Quellen und löste damit einen Boom der Windkraft aus. »Das Einspeisegesetz war der Startpunkt der Energiewende Anfang der 90er Jahre«, schrieb jüngst der Energiewirtschaftler Klaus-Dieter Maubach.4 1991 wurde das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gegründet, im folgenden Jahr nahm das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung seine Arbeit auf. Rückenwind kam Anfang der neunziger Jahre auch von der Europäischen Gemeinschaft. Schon in den achtziger Jahren hatten europäische Gremien bei grenzüberschreitenden Problemen wie dem sauren Regen, Autoabgasen oder dem Schutz der Ozonschicht eine wesentliche Rolle gespielt, wobei die Bundesrepublik zumeist als Motor und das neoliberale Großbritannien als Bremser fungierte. Mit der Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei öffentlichen und privaten Projekten begann 1985 eine Serie politischer Initiativen, mit denen die EUKommission zum wichtigsten Taktgeber der Umweltpolitik in Europa wurde. Durch die Einheitliche Europäische Akte von 192 

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1987 erhielt die Europäische Gemeinschaft eine ausdrückliche Kompetenz für die Umweltpolitik, so dass entsprechende Vorstöße nicht mehr als Handelspolitik verkauft werden mussten. Ob Nitrate oder Abfälle, Biodiversität oder Vogelschutz, Lärm oder Feinstaub  – bald gab es kaum noch ein Thema, bei dem die entscheidenden Parameter nicht aus Brüssel kamen. Inzwischen ist die Umweltpolitik so stark von europäischen Vorgaben geprägt wie sonst nur die Agrarpolitik; in der 15. Wahlperiode des Bundestags von 2002 bis 2005 gingen zum Beispiel mehr als 80 Prozent der Umweltgesetze auf europäische Initiativen zurück.5 Es ist durchaus fraglich, ob heute ein europäisches Land noch so vorpreschen könnte wie die Bundesrepublik in den achtziger Jahren. Nur fand die europäische Umweltpolitik zumeist unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, die zum Beispiel beim Feinstaub erst aufschreckte, als in deutschen Großstädten plötzlich konkrete Maßnahmen anstanden.6 So deutete auf den ersten Blick viel auf eine gemächliche Fortentwicklung von Umweltpolitik und Umweltdebatte hin. Und doch machte sich in den neunziger Jahren vielerorts eine gedrückte Stimmung bemerkbar. »Umweltpolitik in der Defensive«, lautete 1994 der Titel eines Aufsatzbands in der Taschenbuchreihe fischer alternativ, die 1975 mit Herbert Gruhls Ein Planet wird geplündert begonnen hatte und wie zur Ratifizierung der Diagnose wenig später eingestellt wurde.7 Stattdessen entwickelte sich nun ein Markt für ökoskeptische Bücher, den vor allem Dirk Maxeiner und Michael Miersch eifrig bedienten.8 Auch der Spiegel reagierte auf den gewandelten Zeitgeist. Nachdem er die ökologische Stimmung in den achtziger Jahren noch mit kritischen Berichten angeheizt hatte, richtete sich der Blick nun auf die Aktiven. 1991 veröffentlichte das Hamburger Nachrichtenmagazin eine Titelgeschichte über die »Geldmaschine Greenpeace«, die das Bild eines reichen, aber intern zerstrittenen Umweltmultis zeichnete. »Schwere Zeiten für Greenpeace: Die Umweltpolitik ist komplizierter geworden, zündende Parolen treffen die Probleme nicht. Und die mit bloßem Auge wahrnehmbaren Umweltvergehen werden immer seltener«, lauKonsolidierung und Krise 193

tete die Krisendiagnose.9 Vier Jahre später legte der Spiegel mit einem Titel über den »Feldzug der Moralisten« nach, der einen Trend »vom Umweltschutz zum Öko-Wahn« behauptete. Das einstmals ehrenwerte Anliegen war hier nur noch eine Obsession der »Gutmenschen«.10 Der neue Tenor hatte viel mit der Wirtschaftskrise nach der Wiedervereinigung und dem eisigen Wind der Globalisierung zu tun. Ökologische Belange galten vor diesem Hintergrund als Hindernisse für den ersehnten Aufschwung, und so stand die Umweltpolitik nun im Zeichen von »Deregulierung« und »Beschleunigung«. Das machte es der Umweltszene leicht, den Gegenwind als Denken von gestern abzutun: Wachstumsdenken und Mobilitätswahn, Fortschritt um des Fortschritts willen, Regulierung als Bremse – man hatte das ja alles schon einmal gehört. Und waren die Bücher von Maxeiner und Miersch denn mehr als die billigen Provokationen zweier Renegaten? Eine selbstkritische Debatte löste die neue Situation der Umweltbewegung jedenfalls nicht aus, eher setzte man für den Moment auf eine weichgespülte Rhetorik und hoffte auf bessere Zeiten. Auch der Band über die Umweltpolitik in der Defensive hatte unterm Strich kaum mehr zu bieten als eine trotzige Neuformulierung der Weisheiten der achtziger Jahre: »Der Weg in die Offensive kann nur gelingen, wenn die Forderungen nach dem Primat der Ökologie eingebunden werden in eine Diskussion ganzheitlicher Gesellschaftsentwürfe«, schloss einer der Beiträge.11 Manche Traditionen der achtziger Jahre wurden zu leeren­ Ritualen, so etwa die Waldschadensberichte, die allen fachlichen Bedenken zum Trotz Jahr für Jahr vorgelegt und stereotyp kommentiert wurden. »›Wir tun weiterhin das richtige, auch wenn die Lage weiterhin ernst bleibt‹  – davon kündete jeder Waldschadensbericht aufs Neue.«12 In anderen Fällen machte der Protest einfach dort weiter, wo er in den achtziger Jahren aufgehört hatte. Als 1995 der erste Castor ins Zwischenlager Gorleben rollte, gab es nach mehrjähriger Pause wieder Massendemonstrationen gegen die Atomkraft, und danach wurde jeder weitere Transport ins Wendland von großen Protesten und massiven 194 

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Metamorphosen des Medialen: Nachdem der Spiegel sich zunächst auf die Ver­ursacher von Umweltproblemen eingeschossen hatte, rückten in den neunziger Jahren die Umweltaktivisten in den Blick. War die Bundesrepublik auf dem Weg zum »Öko-Wahn«? (Der Spiegel, Hamburg)

Polizeiaufgeboten begleitet. Immerhin verständigten sich Polizei und Zivilgesellschaft nach den Gewaltexzessen der siebziger und achtziger Jahre auf gewisse Spielregeln, so dass bei einer Sitzblockade beide Seiten über ihre Rechte und Pflichten Bescheid Konsolidierung und Krise 195

wussten. Manchmal wirkten die Gorleben-Proteste deshalb wie ein Katz-und-Maus-Spiel, dessen Ergebnis von vornherein unstrittig war. Wenn sich das Tor des Zwischenlagers hinter dem letzten Castor-Behälter schloss, notierten die Demonstranten mit mehr oder weniger großer Befriedigung, um wie viele Stunden sie diesmal den Transport verzögert hatten. Der Atomprotest konzentrierte sich auch deshalb auf Gor­ leben, weil es im Rest des Landes an geeigneten Anlässen mangelte. Die Reaktorprojekte, die in den siebziger und achtziger Jahren von Krümmel bis Kalkar im Zentrum der Proteste standen, waren entweder realisiert oder aufgegeben worden, und mit der Inbetriebnahme der letzten Kernkraftwerke Ende der achtziger Jahre herrschte in der Atomindustrie faktisch Stillstand. Man kann im Rückblick sogar die These wagen, dass der faktische Atomausstieg der Bundesrepublik in die frühen neunziger Jahre fiel. Das gilt vor allem mit Blick auf Ostdeutschland: In keinem der neuen Bundesländer entstanden neue Kernkraftwerke, obwohl diese Länder sonst händeringend nach Investoren suchten. Offenkundig galten neue Reaktorprojekte als politisch nicht durchsetzbar, und damit kam der Atomausstieg auf lange Sicht ganz von selbst, wenn die vorhandenen Reaktoren ans Ende ihrer Lebenszeit gelangten.13 Seither waren jedenfalls alle Überlegungen zu künftigen Reaktoren bloße Gedankenspiele, die manche freilich mit Begeisterung betrieben. Der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder ließ sich 1995 nach Verhandlungen mit der damaligen Bundesumweltministerin Angela Merkel mit den Worten zitieren: »Die ist von keinerlei Zweifel angerührt.«14 Mitten in dieses Geschehen platzte am 30.  April 1995 die Nachricht, dass Greenpeace-Aktivisten die Ölplattform Brent Spar besetzt hatten, um deren Versenkung im Nordatlantik zu verhindern. Nach drei Wochen räumte Shell die Plattform, zwei Wochen später gelang die Wiederbesetzung, während Medien und Öffentlichkeit das Geschehen in der Nordsee gebannt verfolgten. Ende Mai gab es die ersten Aufrufe, Shell-Tankstellen zu meiden, und bald machten alle mit: Gewerkschaften 196 

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Als Greenpeace 1981 bei Boehringer in Hamburg den ersten deutschen Schornstein bestieg, war das Echo überwiegend freundlich. Bei Brent Spar war die Sache 14 Jahre später komplizierter. (Wolfgang Hain/Greenpeace)

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und ­Kirchen, Unionspolitiker und Unternehmer. Als Shell am 20.  Juni schließlich kapitulierte, hatte Brent Spar den größten Verbraucherboykott der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte ausgelöst.15 »Das Gute siegt«, schrieb die Frankfurter Rundschau befriedigt, während Ulrich Beck in der Zeit feststellte: »Das Handeln von Weltkonzernen und nationalen Regierungen gerät unter den Druck einer sich herausbildenden Weltöffentlichkeit.«16 Als die Regenbogenkämpfer im folgenden Jahr ihr 25jähriges Bestehen feierten, schrieb der Geschäftsführer von Greenpeace International Thilo Bode zuversichtlich: »Ihre volle Wirkung als Symbol für einen verantwortungslosen Umgang der Industrie mit ihren Einrichtungen und Produkten wird die Brent Spar erst noch entfalten.«17 Zu diesem Zeitpunkt hatte die Brent Spar-Kampagne aber schon einen bitteren Beigeschmack bekommen. Nach dem unerwarteten Sieg hatte Greenpeace gleich die nächste Kampagne gegen französische Atomtests auf dem Mururoa-Atoll gestartet, die mit einer fulminanten Niederlage endete. Zerknirscht bilanzierte ein Greenpeace-Mitarbeiter, man sei im Überschwang der Gefühle dem »ganz normalen Größenwahn« erlegen. Zudem hatte sich inzwischen gezeigt, dass Greenpeace in der Kampagne mit falschen Zahlen operiert hatte; die Frage nach den Ursachen ging in einem verheerenden Presseecho unter. Und war die Ölindustrie nicht letztlich nur eine von zahlreichen Ursachen der Verschmutzung der Nordsee? Tatsächlich war die Besetzung der Brent Spar ursprünglich nur als symbolischer Protest aus Anlass der vierten Nordseeschutzkonferenz im dänischen Esbjerg gedacht gewesen. Im Laufe der fieberhaften Berichterstattung wurde das Symbol jedoch zum eigentlichen Thema, und Greenpeace wagte nicht, der aus dem Ruder laufenden Kampagne entgegenzusteuern.18 So dokumentierte die Brent Spar-Kampagne eine Kluft zwischen den Zielen der Verbände einerseits und der medialen und öffentlichen Debatte andererseits, und diese Kluft wurde für die Umweltbewegung mehr und mehr zum Problem. Das zeigte sich ­ thical auch in der Tierschutzorganisation PETA (People for the E 198 

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Treatment of Animals), deren deutscher Ableger im Vorjahr der Brent Spar-Kampagne gegründet worden war. An sich hat PETA mit ihrem Einsatz für Tierrechte und vegane Ernährung eine ziemlich ambitionierte Agenda. In den Medien dominieren jedoch Berichte über Prominente und ihren engagierten Einsatz für den Tierschutz, für den sich etwa Models im Rahmen der Kampagne »Lieber nackt als Pelze tragen« hüllenlos fotografieren ließen – gelegentlich ergänzt durch eine Extraportion Empörung, wenn Prominente ihren ethischen Vorsätzen untreu wurden. Umweltpolitische Insider zeigten sich von der billigen Moral solcher Kampagnen zunehmend genervt: »Statt die wesentlichen Prioritäten einer mo­dernen Umweltpolitik zu erkennen, läuft ununterbrochen ein grünes Geräuschband ab«, klagte Menke-Glückert 1995.19 Auch die Begeisterung für die großen philosophischen Entwürfe nahm in den neunziger Jahren spürbar ab. Manche schrieben zwar weiter an wortgewaltigen ökofeministischen Traktaten, die Kapitalismus, Naturbeherrschung und Patriarchat gleichermaßen den Kampf ansagten.20 Aber solche intellektuellen Höhenflüge standen nun ziemlich zusammenhanglos neben pragmatischen Manifesten von Unternehmern, die für eine »ökologisch orientierte soziale Marktwirtschaft« plädierten.21 Die gemeinsame Front aller Umweltbewegten, die man in den achtziger Jahren in guten Stunden zumindest erträumen konnte, zerfiel nun in eine ökologische Kakophonie mit konträren Interessen und Sichtweisen. Immerhin kam es nicht zur Abspaltung eines radikalen Flügels, wie sie etwa in den USA und anderen Ländern zu beobachten war.22 Aktionen wie die Zerstörung von Gentechnik-Feldern – im Jargon der Szene als »Feldbefreiungen« tituliert – wurden in Deutschland nie zum großen Skandal. So gesehen war die Krise der neunziger Jahre weit mehr als ein kleines Intermezzo. Sie ließ erkennen, dass in den achtziger Jahren ein Gleichklang des Ökologischen existiert hatte, der sich nun immer mehr auflöste. Das politische Feld, das Feld der Zivilgesellschaft und das Feld der Lebenswelt hatten seinerzeit noch einen gemeinsamen Aufschwung erlebt. In den neunziger Jahren Konsolidierung und Krise 199

zerbröselten die Synergien. Die populären Themen waren umweltpolitisch banal, und die wichtigen Themen waren unpopulär. Die Grünen brachen sich im Bundestagswahlkampf 1998 beinahe den Hals, als ihre Bundesversammlung in Magdeburg einen Benzinpreis von fünf D-Mark forderte.23 Der VollblutÖko mit Norweger-Pulli und Rauschebart, in den Achtzigern noch gesellschaftliche Avantgarde, war nun ein Fall für die Komiker. Das Streben nach dem richtigen Leben im Falschen, das im linksalternativen Milieu noch eine gewisse soziale und politische Kohärenz besessen hatte, faserte nun in einem unverbindlichen Körperkult aus Fitness, Wellness und Esoterik aus. Dass die Edener Mitteilungen aus Oranienburg, die das Erbe der Obstbaukolonie von 1893 vertraten, im Frühjahr 1997 eine begeisterte Rezension der »Forever Young«-Bücher des Fitnessgurus Ulrich Strunz veröffentlichten, ist da nur einer der kurioseren Belege.24 Zu den Diskrepanzen zwischen den drei Feldern kam noch die zunehmende Erosion nationalstaatlicher Politiken im Zuge der Globalisierung. Nun erwies sich als Nachteil, dass der Boom ökologischer Themen in den achtziger Jahren die nationalstaatlichen Strukturen noch einmal verfestigt hatte: Verbände, Debatten, Zeitschriften  – alles war auf die Bundesrepublik als selbstverständlichen Rahmen der Umweltpolitik hin orientiert. Für die Internationalisierung der Umweltpolitik von Montreal bis Kyoto war man damit schlecht gerüstet. Auch der Bedeutungsgewinn der Europäischen Union wurde häufig verdrängt, weil er die politischen Möglichkeiten der Bundesrepublik in ein ungünstiges Licht rückte. So manches Argument, mit dem die bundesdeutsche Umweltbewegung in die globalen Debatten zog, wirkte bei näherem Hinsehen arg national zentriert – allem voran das klassische »Umweltschutz schafft Arbeitsplätze«, bei dem der Gedanke an Exportchancen für deutsche Umwelttechnologien meist nicht fern lag. So war die Situation der Umweltbewegung Ende der neunziger Jahre in mehrfacher Hinsicht prekär. Die einschlägigen Verbände hatten zahlreiche Mitglieder, die sie aber mit radikalen Vorschlägen leicht verschrecken konnten. Sie lebten in einer 200 

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Medien­gesellschaft, die ökologischen Themen deutlich positiver gegenüberstand als ökologisch bewegten Personen. Sie hatte starke bundesdeutsche Wurzeln, wusste diese aber mit den Bedingungen der Globalisierung nicht so recht in Einklang zu bringen. Sie hatte ein breites Spektrum von Themen und Anliegen, vermochte aber kaum Prioritäten zu setzen. Und sie hatte eine grüne Partei, die allen Reformen zum Trotz immer noch Probleme hatte, tragfähige Strukturen aufzubauen: »Das Legitime ist nicht effizient, das Effiziente nicht legitim«, hatte­ Joachim Raschke das grüne Grundproblem 1993 beschrieben.25 1998 schrieb ein anderer Politologe mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl: »Die Bündnisgrünen verstehen sich zwar als eine Regierungspartei im Wartestand, sind darauf aber weder strukturell noch thematisch vorbereitet.«26 Das war, wie sich zeigen sollte, eines der kleineren Probleme in den sieben Jahren, in denen Bundeskanzler Gerhard Schröder und seine rot-grüne Koalition in Deutschland regierten. Nach dem Stahlbad des Bielefelder Kosovo-Parteitags, als die grüne Parteiführung nach bitteren, bisweilen handgreiflichen Auseinandersetzungen eine Mehrheit für die NATO -Intervention im zerfallenden Jugoslawien erringen konnte, waren es eher Konflikte um Einzelpersonen als Flügelkämpfe, die die grüne Partei in Atem hielten. Als Regierungspartei funktionierte sie aufs Ganze gesehen erstaunlich störungsfrei. Die SPD war und blieb hingegen fortwährend mit sich selbst beschäftigt: Spannungen zwischen Traditionalisten und Modernisierern, Flirten mit einer »Neuen Mitte« und einem »Dritten Weg« à la Anthony Giddens, das programmatisch leere Wahlkampfmotto »Innovation und Gerechtigkeit«, das Trauma des Lafontaine’schen Rücktritts, dazu ein spannungsreiches Verhältnis zu den Gewerkschaften, das in der zweiten Legislaturperiode durch die Hartz-Reformen in einen offenen Konflikt umschlug. Daneben gab es die Umstellungsprobleme, die eine Partei nach 16 Jahren in der Opposition unvermeidlich ereilen.27 Auch die Weltpolitik sorgte immer wieder für Turbulenzen. Auf den Kosovo-Krieg folgten die Terroranschläge des 11. SepKonsolidierung und Krise 201

tember 2001, die Stationierung der Bundeswehr in Afghanistan und der Irak-Krieg. Zugleich platzte die Internet-Blase, mit den fallenden Börsenkursen erlahmte die Konjunktur, und Firmen hielten sich mit Investitionen in Deutschland zurück und schufen lieber neue Arbeitsplätze in Tschechien, China oder irgendwo dazwischen. Ständig musste die Regierung in einer sich rasant verändernden Welt Standpunkte suchen, und Edgar Wolfrum hat Rot-Grün zu Recht als »Deutschlands erste globale Regierung« bezeichnet.28 Dabei hatten sich die ursprünglichen Ambitionen von SPD und Grünen vor allem nach innen gerichtet. Rot-Grün war stets ein sehr deutsches Projekt gewesen, und es ist gewiss kein Zufall, dass es bis heute kein Äquivalent in einem anderen westlichen Land gibt. Ein dritter Störfaktor war die Opposition, deren Taktieren zu den traurigsten Themen der rot-grünen Jahre gehört. Von einer selbstkritischen Aufarbeitung der Wahlniederlage konnte keine Rede sein, und so kam ein heilsamer Regenerationsprozess auf harten Oppositionsbänken gar nicht erst in Gang. Bisweilen wirkte es geradezu, als nähmen Christdemokraten und FDP das rot-grüne Projekt ernster als dessen Protagonisten. Fröhlich lancierten sie hohle Patriotismusdebatten und bohrten in alt­ bekannten radikalen Vergangenheiten, als ob seit den Kultur­ kämpfen der Post-68er-Ära nicht schon etwas Zeit vergangen war.29 Selbst die Ökosteuer, unter Kohl noch von Schäuble und anderen Unionspolitikern diskutiert, war nur mehr als Futter für Kampagnen von Interesse, wobei der Kampfbegriff »K. O.Steuer« sogar noch uninspirierter geriet als die Idee.30 Dass solche Inhaltsleere einen Preis hatte, merkten die Partei­soldaten erst, als sie wieder an der Macht waren. Als der Streit um den Nationalstolz mal wieder hochkochte, drehte der Bundeswirtschaftsminister Werner Müller, sonst eher für Handwerkliches bekannt, in einer fulminanten Bundestagsrede den Spieß um: Er forderte die Opposition auf, sich auf die »Sacharbeit« zu konzentrieren, »damit man in Deutschland auch auf die Opposition stolz sein kann.«31 Es ging schließlich bei solchen Debatten nicht nur um den rhetorischen Schlag­abtausch. 202 

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Wenige Monate nach dem Wahlsieg verlor Rot-Grün die Landtagswahl in Hessen und damit seine Mehrheit im Bundesrat. In den letzten Jahren der Regierung Kohl hatten die Sozialdemokraten über den Bundesrat eine ziemlich effektive Blockade der Gesetzgebung organisiert, so dass mehr Gesetze als je zuvor in der Länderkammer scheiterten.32 Das Gleiche versuchten nun auch die Christdemokraten. Erstaunlich oft gelang es der rotgrünen Bundesregierung, ihre Vorhaben trotzdem durchzubringen – vielleicht der Punkt, an dem das Erbe von 1968 am deutlichsten seine Spuren hinterließ. Die linken Überzeugungen der siebziger und achtziger Jahre hatten längst viel von ihrem Glanz verloren, aber die Zeit war eine exzellente Schule des politischen Machtspiels. Ein vierter Problemkreis war das Verhalten der Presse, das noch in weiten Teilen der Aufarbeitung harrt.33 Die Zeiten, in denen ökologische Anliegen einen progressiven Nimbus genossen, lagen definitiv in der Vergangenheit, und auch sonst kam von den Medien ungewöhnlich scharfer Gegenwind. Lag es am Umzug nach Berlin, der die Beziehungen zwischen Mächtigen und Journalisten durcheinanderwirbelte? War es die beginnende Computerisierung und die Medienkrise, die die Kampfeslust erstarken ließen? Oder war es einfach die zeittypische Persona­ lisierung politischer Kontroversen, die ganz nebenbei auch Geld für aufwendige Recherchen sparte?34 Nach der inzwischen zehn Jahre währenden Kanzlerschaft Angela Merkels registriert man jedenfalls mit Verwunderung, wie leichtfertig damalige Kommentare über Schröder das »Bild eines prinzipienlosen PolitDressmans« zeichneten.35 Man muss deshalb nicht so weit gehen wie Daniel Friedrich Sturm, dem zufolge die rot-grüne Bundesregierung »zur Unzeit« kam, »als das Herzblut dafür längst nicht mehr floss«.36 So romantisch sind politische Allianzen selten. Unstrittig ist jedoch, dass die rot-grüne Bundesregierung kein Projekt aus einem Guss war, sondern eher ein Improvisationstheater mit erheblichem Personaldurchsatz. Das konnte vielleicht auch gar nicht anders sein, denn bis zum Wahlabend musste Schröder auch mit einem Konsolidierung und Krise 203

Ergebnis rechnen, das nur eine Große Koalition ermöglichte.37 »Die erkennbare programmatische Offenheit der SPD wurde zum Schlüssel ihres Erfolges bei den Bundestagswahlen 1998«, meint Eckart Conze.38 Etwas bissiger formulierte es Heribert Prantl. »Der Hauptsatz des Wahlkampfs hieß: Erst einmal Erfolg haben, mit welchen Mitteln auch immer, und dann politisch handeln.«39 Auch nach dem Wahlsieg zeigte das Führungspersonal einen Hang zu spontanen Entscheidungen, zu besichtigen etwa im März 1999, als Schröder nach einer Intervention des VW-Chefs Ferdinand Piëch eine fertig ausgehandelte Autorichtlinie der Europäischen Union torpedierte.40 Wie unter diesen Bedingungen gute Ideen unter die Räder gerieten, zeigt das Schicksal der ökologischen Steuerreform. Sie war ein Projekt der ersten Stunde und damit in besonderem Maße ein Opfer der holprigen Anfangsmonate. Nach zahlreichen Modifikationen wurde das Gesetz zur Ökosteuer am 3. März 1999 verabschiedet. Im folgenden Monat scheiterte der Versuch, während der deutschen EU-Präsidentschaft eine Harmonisierung der Energiesteuern in die Wege zu leiten. Danach ließ die Kohlelobby ihre Muskeln spielen, der Ölpreis, Ende 1998 noch auf 20-Jahres-Tief, schoss in die Höhe, und allerlei Sonderregeln machten das Projekt nicht attraktiver. Besonders absurd wirkt im Rückblick, dass die klimaschädliche Kohle von der Besteuerung ausgenommen wurde. So wurde aus einem in anderen Ländern längst angewandten Instrument, Arbeit billiger und Ressourcenverbrauch teurer zu machen, ein politisches Ärgernis ohne Lobby.41 Im Februar 2001 erklärte Bundeskanzler Schröder, dass es nach 2003 keine weiteren Erhöhungen der Ökosteuer mehr geben würde, und damit war das Projekt für die restliche Regierungszeit gestorben.42 Auch um die Atomkraft wurde hart und kontrovers verhandelt, und auch hier war das Ergebnis ambivalent. Das lag nicht unbedingt an den Ergebnissen. Der Atomkonsens vom 14. Juni 2000 enthielt ein Verbot neuer Kernkraftwerke und legte die Regellaufzeit der bestehenden Reaktoren auf 32 Jahre fest. Restlaufzeiten sind weltweit ein wichtiges Thema der Atompolitik, denn 204 

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bei alternden Reaktoren steigen gewöhnlich die Störanfälligkeit und damit das technische Risiko. Zugleich geht es jedoch um viel Geld: Zu keinem Zeitpunkt sind Kernkraftwerke so profitabel wie am goldenen Ende. Von daher war es ein durchaus bemerkenswertes Verhandlungsergebnis, dass durch den Konsens mit den Energiekonzernen Regressansprüche entfielen.43 Aber nüchterne Abwägungen von Vor- und Nachteilen waren in einer seit Jahrzehnten polarisierten Debatte nicht zu erwarten. Die Koalition schmerzte vor allem die scharfe Kritik aus der Anti-Atomkraft-Bewegung. Der Atomkonsens verschob den ersehnten Ausstieg schließlich in eine ferne Zukunft: Die nukleare Reststrommenge entsprach fast genau der gesamten Strommenge, die bis dahin durch deutsche Atomkraftwerke produziert worden war.44 So schien es zunächst, als habe der Atomkonsens gar nichts gebracht. Erst 2003 ging in Stade das erste Atomkraftwerk vom Netz, es folgte kurz vor dem Ende der rot-grünen Epoche noch Obrigheim, aber es nützte nichts.45 Politiker von SPD und Grünen waren seither auf den einschlägigen Demonstrationen unerwünscht.46 Zugleich baute Rot-Grün die Förderung erneuerbarer Energien aus. Dabei folgten sie dem Modell des Einspeisegesetzes aus der Zeit der Wiedervereinigung. Die Tarife für regenerativ erzeugten Strom wurden gesetzlich festgelegt  – allerdings mit deutlich verbesserten Konditionen – und Netzbetreiber zur Abnahme des Ökostroms verpflichtet. Der folgende Boom übertraf alle Erwartungen. Windkraft, Solarenergie, Biomasse – die Investitionen in erneuerbare Energien stiegen rasant. Nur die großen Energiekonzerne standen abseits und konzentrierten sich lieber auf die parallel laufende Liberalisierung des Strommarkts, obwohl das vormalige Verbot von Vergütungszahlungen an die etablierte Stromwirtschaft aufgehoben worden war.47 Deshalb waren es zunächst vor allem Landwirte, Kleininvestoren und städtische Körperschaften, die die neuen Anlagen bauten; die berühmten »Stromrebellen« aus Schönau im Schwarzwald – ursprünglich eine unter dem Eindruck von Tschernobyl gegründete Selbsthilfegruppe, die 1997 die Stromversorgung Konsolidierung und Krise 205

ihrer Kleinstadt übernahm und zugleich den bundesdeutschen Markt für Ökostrom aufmischte  – sind dafür ein besonders eindrückliches Beispiel.48 So wurden die erneuerbaren Energien zugleich zu einer Herausforderung für das Kartell der alten Stromkonzerne. Transparenz bei den Kosten gehörte freilich nicht zu den Tugenden der rot-grünen Förderpolitik. Auch Infrastrukturen blieben unterbelichtet: Im Zentrum stand die Schaffung neuer Generatorkapazitäten und nicht die Verteilung des so erzeugten Stroms. Beide Themen tauchten später mit umso größerer Dringlichkeit auf und stehen heute im Zentrum des Streits um die Energiewende. Bei der Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung biss sich die Regierung am gemeinsamen Widerstand von Stromkonzernen, dem Bundesland Nordrhein-Westfalen und der Industriegewerkschaft Bergbau Chemie Energie die Zähne aus.49 Man darf freilich nicht vergessen, dass das primäre Ziel der rot-grünen Koalition darin bestehen musste, die einschlägigen Technologien durch finanzielle Anreize und Planungssicherheit überhaupt erst aus der Nische zu bekommen. Als die neue Regierung 1998 ins Amt kam, lag der Anteil der regenerativen Energien ohne Wasserkraft noch unter zwei Prozent.50 Anfang 2000 gesellte sich die Agrarwende zu den öko­ logischen Reformprojekten, als Bundeslandwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke auf dem Höhepunkt der BSE -Krise zurücktrat. Seine Nachfolgerin Renate Künast wäre eine heiße Anwärterin für einen noch zu schaffenden Orden für Tapferkeit im Amt: eine grüne Frau ohne Stallgeruch – für die Agrarwirtschaft, seit Jahrzehnten auf Klientelpolitik konditioniert, kam das einer Kriegserklärung gleich. Die neue Ministerin setzte auf Verbraucherschutz, Klasse statt Masse und das Wachstum des alternativen Landbaus, dessen Marktanteil innerhalb von zehn Jahren auf 20 Prozent steigen sollte. Das Ziel wurde weit verfehlt, und Lebensmittelskandale verdarben den Konsumenten weiterhin mit unschöner Regelmäßigkeit den Appetit. Aber war das nur ein Versagen der Politik oder auch ein Versagen der Gesellschaft? 206 

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Mehr als andere Bereiche war die Agrarwirtschaft von verkrusteten Strukturen geprägt. Mächtige Großkonzerne kontrollierten Schlüsselpositionen im Agrar- und Lebensmittelsektor. Die Landwirtschaftspolitik der Europäischen Union setzte Reformbestrebungen enge Grenzen. Unabhängige Experten w ­ aren in der Welt der Landwirtschaft nicht leicht zu finden. Die Umweltprobleme der Agrarwirtschaft lassen sich nicht durch ein paar Filter lösen, sondern nur durch komplizierte Änderungen im Produktionsprozess. Der Filz der Funktionäre war legendär.51 Hinzu kam das bemerkenswert kurze Gedächtnis der Konsumenten. Selbst der Schock der BSE -Krise verflüchtigte sich nach einer Weile und ist heute kaum noch zu spüren. Sogar unter den Verfechtern einer ökologischen Landwirtschaft hielt sich die Dankbarkeit in Grenzen. Als der kritische Agrarbericht nach fünf Jahren eine »Zwischenbilanz Agrarwende« vorlegte, lautete ein sarkastisches Fazit: »Agrarwende – war da was?«52 Unter diesen Bedingungen war ein durchschlagender Erfolg von vornherein illusorisch. Die Agrarwende war und ist ein Generationenprojekt: Es geht letztlich darum, ein Produktionsregime, das jahrzehntelang quasi Amok lief, sukzessive wieder einzufangen und auf bestimmte ökologische und tierethische Mindeststandards zu verpflichten.53 Ein nicht zu unterschätzendes Handicap war wohl auch das Fehlen attraktiver Ziele, die mittelfristig erreichbar war. So besteht die Leistung der Künast’schen Agrarpolitik aus heutiger Sicht neben vielen Einzelleistungen vor allem darin, dass sie mit den tradierten Selbstverständlichkeiten der Branche brach und den in Deutschland lange Zeit randständigen Verbraucherschutz in den Mittelpunkt der Politik rückte. Damit schlug sie eine Bresche für weitere Reformer, so etwa den seit 2013 amtierenden niedersächsischen Agrarminister Christian Meyer. In der Agrarpolitik vollzog Rot-Grün einen beherzten Kurswechsel. Anders sah dies in der Energiepolitik aus. Die Förderung regenerativer Energien fügte sich in längere Traditionen und war wohl nur deshalb so erfolgreich, weil diese Sub­ven­ tionen bereits zu praxistauglichen Technologien und agilen UnKonsolidierung und Krise 207

ternehmen geführt hatten. Selbst der Atomausstieg präsentiert sich rückblickend eher als ein Meilenstein in einem langen Abschied von der Kernenergie, der sich seit den achtziger Jahren angebahnt hatte. Bei der Ökosteuer war Deutschland im europäischen Rahmen ein Nachzügler. Von einem dezidierten Kulturbruch, wie ihn Rot-Grün etwa beim Staatsbürgerschafts- und Einwanderungsrecht, der Homo-Ehe oder (für Westdeutschland) der Kinderbetreuung durchsetzen konnte, lässt sich in der Umweltpolitik jedenfalls nicht reden. Hier ging es eher um die engagierte Fortführung eines Reformprojekts, dessen Wurzeln Jahrzehnte zurückreichten. Eine bundesdeutsche Tradition wurde in der rot-grünen Umweltpolitik geradezu bis zum Exzess getrieben. Gemeint ist die Inkorporierung gesellschaftlicher Interessengruppen in den politischen Prozess, der oben anhand der VDI-Kommission Reinhaltung der Luft umrissen wurde. Was damals ein überschau­ barer Deal unter Männern war, geriet nun zur Kakophonie: Zahllose Gremien, Expertenrunden und Gesprächskreise ließen Rollen und Kompetenzen in bedenklichem Umfang diffundieren.54 Das vielleicht spektakulärste Desaster der rot-grünen Umweltpolitik, das Dosenpfand, hatte genau hier seine Ursache. Nach endlosen Verhandlungen war die Regierung derart handlungsunfähig, dass Trittin nur noch die Umsetzung einer Verordnung übrig blieb, die Klaus Töpfer zwölf Jahre zuvor hatte entwerfen lassen, um die Getränkewirtschaft mit einer abschreckenden Lösung an den Verhandlungstisch zu bringen. In einer gut recherchierten Titelgeschichte beschrieb es der Spiegel folgendermaßen: »Eine gute Idee wird verbogen durch den Widerstand der Verbände und zur Unkenntlichkeit entstellt durch die Sonderinteressen der Landesfürsten. Den Rest erledigen der Regulierungseifer der Beamten und die Klagewut der Anwälte. Und zu guter Letzt kommt ein Brief aus Brüssel, und alles beginnt von vorn.«55 Die korporatistische Tradition eröffnete zweifellos auch Chancen. Der Politikwissenschaftler Martin Jänicke hat in einer Untersuchung umweltpolitischer Pionierländer »die Koalition zwischen 208 

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organisierten Umweltinteressen und ökonomischen Modernisierern« als zentralen Erfolgsfaktor genannt.56 So zeigt zum Beispiel der Atomkonsens nicht nur den strukturellen Zwang zum Kompromiss, sondern auch die Handlungsspielräume, die sich durch korporatistische Arrangements eröffnen.57 Aber wenn die unterschiedlichen Parteien nicht an einem Strang ziehen, kann eine Verschränkung von Staat und Gesellschaft zu einer problematischen Unschärfe der Verantwortlichkeiten und Interessen führen. In manchen Politikfeldern entstand ein schwer zu durchdringendes Konglomerat von Lobbyisten, Netzwerkern, Schwätzern und Überzeugungstätern  – wobei ein Hermann Scheer den lebenden Beweis lieferte, dass man all dies auch in einer Person vereinigen konnte. Vermutlich liegt hier ein Grund, warum nach dem Ende der rot-grünen Bundesregierung kaum kritische Selbstbespiegelungen erschienen. Nach zahllosen Gesprächsrunden gab es kaum jemanden, der noch den Durchblick hatte und unbefangen reden konnte.58 Quer zu den endlosen Verhandlungen stand das Image des Bundesumweltministers. Jürgen Trittin ist der ungewöhnliche Fall eines Politikers, der auch nach einem Vierteljahrhundert im Rampenlicht immer noch sibyllinisch wirkt. Unverkennbar hegte und pflegte Trittin linke Beißreflexe, war aber zugleich ein Politikprofi; das Ministerium für Bundes- und Europa-Ange­ legenheiten, das er in Niedersachsen von 1990 bis 1994 geleitet hatte, galt in Hannover als eines der am besten geführten Ministerien.59 Im Kabinett präsentierte er sich als professioneller und loyaler Kollege, der auch zu unpopulären Entscheidungen stand, aber das war nur die Binnensicht.60 Nach außen war er eine Reizfigur, die der Umweltpolitik noch einmal eine Aura des Aufmüpfig-Oppositionellen verlieh. So wurde hier noch einmal eine Rollenverteilung zementiert, die sich immer mehr als anachronistisch präsentiert. Umweltministerien waren ursprünglich gegründet worden, um ein Gegengewicht zu etablierten Ressorts wie Wirtschaft, Verkehr und Landwirtschaft zu schaffen. Solange Verschmutzungsprobleme im Zentrum der Umweltpolitik standen, machte ein solches Konsolidierung und Krise 209

Arran­gement durchaus Sinn. Aber diese Zeiten sind vorbei: Die verschmutzende Großindustrie, in den siebziger und achtziger Jahren der Buhmann schlechthin, hat ihre Hausaufgaben längst erledigt. Inzwischen liegt der Schwerpunkt der Umweltpolitik im umsichtigen Gestalten, und das fällt leichter, wenn alle Kompetenzen in einer Hand liegen. Das zeigte sich besonders eindrücklich, als Angela Merkel 2011 die Energiewende verkündete. Das führte nicht zu einem energischen Aufbruch, sondern vielmehr zu endlosen Streitereien zwischen Wirtschafts- und Umweltministerium. Damit ist bereits die Zeit nach Rot-Grün angesprochen, die hier nur knapp umrissen werden soll. In der ersten Großen Koalition von 2005 bis 2009, die generell im Zeichen von »Kontinuität und Konsolidierung« stand, bemühte sich Bundesumweltminister Sigmar Gabriel nach Kräften, das Erbe der rot-grünen Jahre zu bewahren.61 In einer Novelle des Erneuerbare-EnergienGesetzes bekannte sich die Regierung 2009 zu dem Ziel, den Anteil regenerativer Energien an der Stromversorgung bis zum Jahr 2020 auf mindestens 30 Prozent zu steigern und auch danach weiter auszubauen.62 Zuvor war schon in der zweiten Legislaturperiode von Rot-Grün ein auffallendes Erschlaffen der umweltpolitischen Reformfreude zu verspüren gewesen. Im Zentrum der politischen Aufmerksamkeit stand Schröders »Agenda 2010«, ein Projekt, in das kaum ökologische Aspekte eingespeist werden konnten. Die Konzeption von Umwelt­politik als eigenes politisches Feld und der Verzicht auf eine sektorenübergreifende Koordinierungen bestanden fort, und jeder Versuch, dies zu ändern, war in den Jahren nach 2002 jenseits der Diskussion: Das Letzte, was Gerhard Schröder im Kampf mit seiner Partei und den Gewerkschaften brauchte, war eine zweite Front. So wirkte es, als hätte Rot-Grün mit der Umweltpolitik der ersten vier Jahren den Rahmen seiner Möglichkeiten bereits ausgeschöpft.63 Die Bildung der zweiten Großen Koalition 2013 führte zu einem Bedeutungsverlust des Umweltministeriums, weil das Wirtschaftsministerium seither für die Energiewende federfüh­ rend ist. Dazwischen lag eine schwarzgelbe Koalition, deren her210 

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Während die Bundesregierung über die letzten Details des Atomausstiegs nach F­ ukushima verhandelte, demonstrierten Aktivisten am 6. Juni 2011 vor dem Kanzleramt. (ullstein bild)

ausragende umweltpolitische Entscheidung die Verlängerung der Laufzeiten für Kernkraftwerke im Herbst 2010 war. Dafür kassierte diese Bundesregierung heftigen Widerspruch, und die Anti-Atom-Bewegung lebte mit mehreren Großdemonstrationen noch einmal auf, bis die Entscheidung nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima noch binnen Jahresfrist wieder rückgängig gemacht wurde. Mit der Bundestagssitzung vom 30.  Juni 2011 endete ein jahrzehntelanger Konflikt: Der Beschluss, alle kommerziellen Reaktoren bis 2022 stillzulegen, war die erste mit breiter überparteilicher Mehrheit getroffene Entscheidung des Parlaments über die Atomkraft seit den achtziger Jahren. Außerdem beschloss die schwarzgelbe Bundesregierung, den für 2020 geplanten Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung auf 35 Prozent hochzuschrauben – obwohl man nach den Erfahrungen des vorigen Jahrzehnts eine gewisse Skepsis gegenüber derart präzisen Zielvorgaben hätte erwarten können.64 Für die Umweltbewegung bestand das wichtigste Ereignis dieser Jahre vielleicht eher in einem Nicht-Ereignis, nämlich Konsolidierung und Krise 211

dem Ausbleiben einer existentiellen Krise. Selbst als sich die CDU 2003 auf ihrem Leipziger Parteitag an der eigenen Reformlust berauschte, waren keine polemischen Seitenhiebe auf umweltpolitische Übertreibungen zu hören. Vielleicht hätte sich das geändert, wenn die Bundestagswahl 2005 eine schwarzgelbe Koalition ermöglicht hätte, aber als diese schließlich 2009 gewählt wurde, hatte sich die Erinnerung an die Kulturkämpfe der rotgrünen Jahre bereits verflüchtigt. Selbst der einstige Streit um die Ökosteuer hatte sich aufgelöst. Das Ökologische, jahrzehntelang ein politisches Streitobjekt, wirkte plötzlich ziemlich zahm. Zugleich blieb die Ökologie jedoch ein Thema mit hohem Mobilisierungspotenzial. »Internet- und mediengestützte Ökoaktionen charismatischer Prominenz liegen gleichsam in der Luft«, schrieb Franz Walter 2008, um im gleichen Atemzug Zweifel zu äußern, ob die schläfrig gewordenen Grünen diese Kampagnen würden anführen können.65 Die Berechtigung der Diagnose zeigte sich im folgenden Jahr, als der Klimagipfel von Kopenhagen zum Fixpunkt eines veritablen zivilgesellschaftlichen Countdowns wurde. Zehntausende Demonstranten reisten in die dänische Hauptstadt und erlebten dort hautnah, wie groß die Kluft zwischen guten Intentionen und guter Politik war: Die Verhandlungen scheiterten kläglich und mit ihnen der ersehnte Vertrag zum Schutz des Weltklimas. Der Kontrast zu den Erfolgserlebnissen der siebziger und achtziger Jahre hätte größer kaum sein können, auch wenn sich der lehrreiche Schock mit den nächsten Klimagipfeln verblüffend rasch wieder verflüchtigte. Edgar Wolfrum hat in seiner lesenswerten Geschichte der rot-grünen Regierungsjahre eine »›Entmoralisierung‹ der Umweltpolitik« konstatieren; aber das trifft die Entwicklung wohl nur zum Teil.66 Einerseits haben sich viele Konflikte auf eine tiefere Ebene verlagert. Es geht nicht mehr um das Für und Wider der Energiewende, sondern darum, wo die Stromtrassen liegen. Die tiergerechte Landwirtschaft wird allgemein gewünscht, nur ist offen, ob dazu auch kupierte Schweineschwänze und gestutzte Schnäbel gehören dürfen. Das größte Problem der Grü212 

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nen scheint im Moment darin zu bestehen, dass sie zu sehr Teil des Establishments sind. Andererseits ist die ökologische Herausforderung in ihrer Gesamtheit weiterhin unbewältigt, und so harren auch die damit verbundenen moralischen Fragen einer befriedigenden Antwort, wie überhaupt ein Ende der Geschichte auch bei Umweltfragen nicht in Sicht ist. Vielleicht ist ja sogar das Gegenteil der Fall. Erst jetzt, wo die Zeit der einfachen Parolen dem Ende entgegengeht, steht der wahre Test des grünen Deutschlands an.

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12. Ansichten einer Baustelle Eine Umwelt-Bilanz Die Königliche Hoheit geht auf ihren neunzigsten Geburtstag zu, und der Thronfolger ist unbeliebt im Volk. Die Öleinnahmen, die den Staatshaushalt seit den siebziger Jahren über Wasser halten, beginnen zu schrumpfen. Die Regierung reagiert mit einem Fracking-Gesetz, das sie als das industriefreundlichste der Welt anpreist. Außerdem baut die Regierung mit chinesischem Geld ein Atomkraftwerk an der Küste. Immerhin muss man sich keine Sorgen machen, ob das Land damit heimlich militärische Ziele verfolgt. Atombomben hat das Land nämlich schon. So sieht es aus im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland, wo der Verfasser dieser Zeilen lebt und arbeitet und sich dabei ausgesprochen wohl fühlt, jedenfalls solange er nicht über den Stand der Umweltpolitik in seiner neuen Heimat nachdenkt. Atomausstieg, Energiewende, Bioläden, Radwege  – was diese deutschen Selbstverständlichkeiten bedeuten, entdeckt man erst, wenn man seinen Lebensmittelpunkt in ein anderes Land verlagert. Jahrzehnte internationaler Debatten über ökologische Fragen haben offenkundig keine Einheitlichkeit der westlichen Umweltpolitiken hervorgebracht, und das Gleiche gilt für die Vorgaben der Europäischen Union, die bis auf Weiteres auch auf den britischen Inseln gelten. Die Frage nach einer ökologischen »Erfolgsgeschichte«, wie sie das hiesige Buch mit nota bene relativierendem Untertitel stellt, wäre auf den britischen Inseln hoffnungslos. Der englische Patriotismus leibt und lebt, aber es gibt Grenzen. Ansichten einer Baustelle 215

Natürlich hängt ein solches Image stets an einer ergebniskompatiblen Wahl der entscheidenden Aspekte. Beispielsweise schnurren entlang der britischen Küste die Windräder, während sich Deutschland bei der Offshore-Windkraft immer wieder verhaspelt. Auch bei der Zersiedelung – ein Thema, das in Deutschland notorisch unter Kurs läuft – kann Großbritannien bemerkenswerte Erfolge vorweisen. Und dann gibt es da noch jene Themen, über die sich deutsche Ökos seit Jahrzehnten beklagen und bei denen sie einfach nicht vom Fleck kommen: von der Raserei auf Autobahnen und dem Billigfleisch im Supermarkt bis zur Braunkohle. Jeder Patriotismus hat seine Blindstellen, und die grüne Variante ist keine Ausnahme. Interessant ist der deutsch-britische Vergleich vor allem vor dem Hintergrund der Geschichte. In den sechziger Jahren hätte ein unbefangener Beobachter wohl eher Großbritannien als Deutschland für das kommende grüne Musterland gehalten. Dort gab es mitgliederstarke Verbände für den Schutz von Tieren und Landschaften. In einem Akt weitsichtiger Landschaftsplanung hatte das Land Grüngürtel um die großen Städte gelegt, um deren Expansion ins Umland zu bremsen. Mit dem Nationalparkprogramm nach dem Zweiten Weltkrieg stellte Großbritannien alles in den Schatten, was der deutsche Naturschutz über ein halbes Jahrhundert hinweg mühsam erkämpft hatte. Wenn man den spektakulären Sieg über den Londoner Smog vor Augen hatte, wirkte die zeitgleiche Reformpolitik der Bundesrepublik ziemlich bieder. Und doch brauchte es nur ein paar Jahre, bis all dies nicht mehr zählte. Als die Bundesrepublik in den achtziger Jahren ergrünte, war Großbritannien »the dirty man of Europe«.1 Ein grünes Musterland kann rasch verblassen, und für die entsprechende Stimmung gilt das erst recht. Nichts wäre deshalb kurzsichtiger, als dieses Buch mit einer freundlich getönten Bilanz des Erreichten ausklingen zu lassen. Das gilt umso mehr, als der Rückblick gezeigt hat, dass die Zeit des großen Booms in­ zwischen ein Vierteljahrhundert zurückliegt. Das international bewunderte Musterland ist vor allem ein Resultat des grünen 216 

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Sonderwegs in den achtziger Jahren, und das damals angesammelte Kapital unterliegt wie alles Irdische der Inflation. So manche Stützen des grünen Deutschlands erodieren: von den Aktiven der siebziger und achtziger Jahre, die derzeit in den Ruhe­stand gehen, bis zum Ende der nuklearen Kontroverse, die ein enormes Mobilisierungspotenzial barg. Außerdem sind nach den vergangenen Jahrzehnten kaum noch Probleme übrig, bei denen sich kurzfristig große Erfolge erzielen lassen.2 Dieses Kapitel richtet den Blick deshalb in die Zukunft. Was sind derzeit die wichtigen Herausforderungen, mit denen sich Deutschland auf dem Weg zu ökologischer Nachhaltigkeit konfrontiert sieht? Und wo steht das Land dabei jeweils vor dem Hintergrund der vergangenen Jahrzehnte: Welche Chancen bieten sich für das grüne Deutschland in den kommenden Jahren, wo gibt es Probleme, und wie ließen sich diese lösen? Dabei bedarf es keiner langen Begründung, dass eine solche Bilanz einer gewissen Subjektivität unterliegt. Manche der folgenden Themen werden längst lebhaft diskutiert wie etwa die Globalisierung von Umweltpolitik und Umweltbewegung. Andere sind bislang außerhalb des Blicks wie etwa die korporatistischen Strukturen, lohnen jedoch eine vertiefte Debatte. Es geht also auch im Folgenden nicht so sehr um den absoluten Stand der Bestrebungen, sondern um Entwicklungspotenziale: Was muss geschehen, damit Deutschland auch in Zukunft zu den Ländern der Welt zählt, die Umweltfragen besonders ernst nehmen? Dabei seien gleich zu Anfang die Perspektiven zurechtgerückt. Von einer Erfolgsgeschichte mag man mit Blick auf frühere Zeiten ökologischer Gedankenlosigkeit sprechen, vielleicht auch in Abgrenzung von anderen westlichen Ländern, aber sicherlich nicht im Sinne einer umfassenden Bewältigung der ökologischen Herausforderung. Auch nach den Fortschritten der vergangenen Jahrzehnte gibt es zwischen Idealen und Wirklichkeiten eine tiefe Kluft. Es lohnt, sich daran gelegentlich zu erinnern  – und das nicht nur, wenn die Mülltrennung im Ausland mal wieder hinter den bundesdeutschen Gepflogen­ heiten zurückbleibt. Ansichten einer Baustelle 217

Jenseits der Nachrufe Zeiten des Wandels sind meist auch Zeiten der Unsicherheit. Eines scheint freilich nach den Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte gewiss: Ein Kollaps des grünen Deutschlands ist auf absehbare Zeit nicht zu erwarten. Umweltprobleme werden in Deutschland weiterhin ernst genommen, Umweltverbände wie BUND und NABU haben jeweils über eine halbe Million Mitglieder und Förderer, und Politiker jeglicher Couleur zeigen bei ökologischen Fragen wenig Kampfesmut. Es wäre sehr über­ raschend, wenn das Thema in naher Zukunft seinen Platz in der Mitte der Gesellschaft verlieren würde. Dabei war es noch vor wenigen Jahren durchaus üblich, der Umweltbewegung einen baldigen Niedergang zu prognosti­ zieren. Speziell die Grünen haben sich im Laufe der Jahre eine kaum zu überschauende Zahl von Nachrufen aus allen nur denkbaren Richtungen anhören dürfen. Erst nach der Jahrtausendwende verstummten diese Stimmen nach und nach, und als die Grünen 2010 ihr 30jähriges Jubiläum begingen, wurden sie allgemein als fester Teil des politischen Establishments gefeiert. Die traditionelle Angst vor der Fünf-Prozent-Hürde hat selbst bei Wahlen in ostdeutschen Bundesländern nachgelassen. Auch der Blick ins Ausland gibt Grund zur Beruhigung. Was in anderen Ländern die Diskussionen über Umweltfragen ver­ giftet, ist in Deutschland marginal. Die Zweifler an der anthropogenen Erwärmung, in anderen Ländern eine finanzstarke­ Clique, stehen hier im gesellschaftlichen Abseits. Auch bei der Grünen Gentechnik ist in der Gesellschaft keine Streitlust zu verspüren. Die Bildung extremistischer Initiativen, etwa nach dem Vorbild der amerikanischen Gruppierung Earth First!, ist fürs Erste unwahrscheinlich. Die deutsche Sprache hat noch nicht einmal eine eingängige Übersetzung für den englischen Ausdruck »radical ecology«. Das vielleicht größte Bauchgrimmen bereitet eine Kombination aus ökologischen und einwanderungsfeindlichen Argumenten, wie es etwa die Ecopop-Initiative in der Schweiz präsentierte; aber bislang haben rechtsextreme 218 

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Versuche, über Umweltthemen aus der gesellschaftlichen Isolation auszubrechen, noch stets im Nirgendwo geendet. Bis auf Weiteres ist die Rechte Ökologie eher ärgerlich als bedrohlich. So ist das Problem im Moment eher eine profunde Unlust, über Veränderungen überhaupt nachzudenken. Bislang dominieren im grünen Deutschland die schleichenden Entwicklungen: Der Wandel des Ökologischen wird nicht diskutiert und gelenkt – er passiert einfach. Aber was hätte die Umweltszene in solchen Debatten schon zu verlieren? Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte kann sie voreiligen Nachrufen mit einer gewissen Gelassenheit begegnen. In den siebziger und achtziger Jahren waren Umweltthemen auch deshalb attraktiv, weil sie intellektuell reizvoll waren. Es gab noch nicht für alles eine Antwort, man musste selbst suchen, diskutieren und ausprobieren. Wieso sollte sich diese Erfahrung nicht im 21. Jahrhundert wiederholen lassen? Offene Fragen gibt es in der Umweltdebatte mehr als genug.

Jenseits des politischen Feldes Unter den drei Feldern des Ökologischen war es vor allem das politische Feld, mit dem Deutschland international Furore machte. Andere Länder mochten größere und interessantere Verbände haben oder schmackhafteres Öko-Essen, aber wenn es um die Politik ging, machte den Deutschen so schnell niemand etwas vor. In den achtziger Jahren wirkten Staat und Zivilgesellschaft geradezu wie ein eingespieltes Team: Umweltverbände malten die Probleme in grellen Farben aus – Regierungen reagierten mit Gesetzen und Verordnungen. Für einige Zeit ritt die Sache der Umwelt auf einer Welle des Erfolgs. Aber irgendwann gingen Deutschland die Probleme aus, die sich auf diesem Weg tatsächlich lösen ließen. Bei Verschmutzungsproblemen war die Sache noch einfach: Bekanntlich läuft der Staat der Moderne zu großer Form auf, wenn es um das Kontrollieren und Strafen geht. Gegen den Klimawandel oder das Ansichten einer Baustelle 219

Schwinden der biologischen Vielfalt kommt man auf diesem Wege freilich nicht weit, und längst ist auch klar, dass die traditionelle Nähe der deutschen Umweltbewegungen zum Staat gewisse Nebenwirkungen mit sich bringt. Ein Umweltschutz, der vor allem auf die Sanktionsgewalt des großen Leviathans setzt, wirkt im Alltag ziemlich autoritär. Naturschützer können ein Lied davon singen, wie schnell man damit als kleinkarierter Spielverderber erscheint. Gewiss bleiben gesetzliche Beschränkungen ein wichtiger Teil  der Politik. Nur hat sich die Hoffnung, damit ans Ziel der Wünsche zu kommen, in der Umweltpolitik erledigt. Der ökologische Fußabdruck des heutigen Deutschlands wurzelt in Arbeits- und Lebensstilen, die sich der politischen Steuerung verweigern. Was will man tun, wenn ein Bundesbürger einen dicken Geländewagen fährt, ein großes Haus weit draußen vor der Stadt bezieht und regelmäßig auf die Kanaren fliegt? Nichts davon ist illegal, und doch ist es ökologisch gesehen eine ziemliche Schweinerei. Es ist an der Zeit, über eine Umweltpolitik nachzudenken, die über die klassische Sphäre der Politik hinausgreift. Gewiss kann man sich dabei gehörig die Finger verbrennen. Als der VeggieDay durch den jüngsten Bundestagswahlkampf geisterte, mussten die Grünen Federn lassen. Aber ist das Thema damit schon erledigt? Die Lust der Deutschen auf billiges Fleisch ist nicht der kleinste Fleck auf ihrer grünen Weste, und der Boom der vegetarischen Ernährung gehört zu den ermutigenden Entwicklungen der vergangenen Jahre. Die Demonstrationen für eine andere Agrarwirtschaft, die seit Januar 2011 unter dem Motto »Wir haben es satt!« in Berlin stattfinden, erfahren Jahr um Jahr wachsenden Zulauf. Landwirtschaft und Ernährung dürften in den kommenden Jahren zu den Schlüsselthemen der ökolo­ gischen Debatte gehören. Man kann die vergangenen Jahrzehnte auch als einen gesellschaftlichen Großversuch betrachten, was sich aus einer ökologisch inspirierten Lebenswelt alles an Reizvollem hervorlocken lässt. Ohne die ökologische Revolution wäre unser Leben zwei220 

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fellos ärmer: Müsli, Vollkornbrot, ordentliches Papier aus recyceltem Material, gute Radwege, eine kreative vegetarische Küche – was uns all das wert ist, merken wir meist erst im Ausland. Es waren oft gerade ökologische Belange, durch die der tumbe Wohlstandsmensch zum mündigen Konsumenten wurde, und immer ging es dabei auch um politische Rahmenbedingungen. Die Umweltpolitik ist deshalb gewiss nicht am Ende. Sie fängt vielleicht gerade erst richtig an. Arbeits- und Lebensstile waren nie unpolitisch und sind es heute erst recht nicht. Sie sind aus der Sicht der Staatsgewalt gewiss unhandlicher als ein Gift spuckender Schornstein; aber das kann man ja auch als Herausforderung an die politische Kreativität verstehen. Zum Beispiel gehen wir heute wie selbstverständlich davon aus, dass Kalorien, Inhaltsstoffe und Mindesthaltbarkeit auf Lebensmitteln wahrheitsgemäß vermerkt sind. Vielleicht werden wir schon bald das Gleiche mit Blick auf Ressourcenverbrauch, Klimabilanz und biologische Vielfalt erwarten? Entscheidend wird sein, dass Informationen, Kennzeichnungspflichten, Strafsteuern und andere Maßnahmen nicht als Selbstzweck erscheinen, sondern als Teil eines gesellschaftlichen Gesprächs über das gute Leben. Für eine Umweltszene, die bislang oft mit Beschränkungen und Verboten in Verbindung gebracht wird, eröffnen sich da ganz neue Chancen. Fragen des Lebensstils sind positive, lustbetonte Themen, jedenfalls dann, wenn man sie mit der richtigen Einstellung angeht: Zum Konsumterror gehört immer auch ein williges Opfer. So könnte das Ökologische zu einem Teil im Spiel des Lebens werden, bei dem das gute Gefühl stets auch von einem guten Gewissen kommt. Die Zukunft des Grünen, so könnte sie vielleicht ganz lustig werden.

Ansichten einer Baustelle 221

Jenseits der nationalen Politik Diskussionen über Umweltfragen wurden schon um 1900 über nationale Grenzen hinweg geführt. Aber in den vergangenen Jahrzehnten haben diese Bezüge ein neues Gewicht gewonnen. Die Zahl der internationalen Konferenzen, Abkommen und Programme ist inzwischen kaum noch zu überschauen, und es gibt nicht mehr viele Themen, die sich ausschließlich im nationalen Rahmen diskutieren lassen. Die Debatten der siebziger und achtziger Jahre über Robbenjagd und den Regenwald am Amazonas, so naiv sie im Rückblick wirken mögen, erscheinen zunehmend als Teil des bundesdeutschen Wegs auf die Bühne der Welt­gesellschaft. Die Globalisierung der Umweltdebatte steht freilich seltsam unverbunden neben der Tatsache, dass Nationalstaaten weiterhin die wichtigsten Akteure auf dem Feld der Umweltpolitik sind. Die Bedeutung bundesdeutscher Entscheidungen steht uns mit Atomausstieg und Energiewende lebhaft vor Augen. Zugleich ist die Bilanz der globalen Umweltpolitik nicht allzu beeindruckend. Es gibt zwar eine Menge Verträge und mancherlei Erfolge im Kleinen, aber bei den großen Fragen bietet die globale Politik vor allem endlose Verhandlungen und schwache Kompromisse. Der Klimagipfel von Kopenhagen, der 2009 mit großen Hoffnung auf einen »Global Deal« begann und im Fiasko endete, ist dafür ein besonders eindrücklicher Beleg. Ob das ersehnte Klimaschutzabkommen auf dem Gipfeltreffen von Paris Ende 2015 endlich Wirklichkeit wird, war zum Zeitpunkt der Drucklegung ungewiss. Dabei geht es inzwischen nicht mehr nur um die nationalen Egoismen und die Unfähigkeit der Regierungen zum Kompromiss, die sich in Leitartikeln und Protestaktionen leicht geißeln lassen. Inzwischen zeigen sich auch beunruhigende Probleme bei der Umsetzung bestehender Regelungen. Welche Hoffnungen sollen sich jedoch mit einer globalen Umweltpolitik verbinden, wenn die mühsam ausgehandelten Verträge dann nur auf dem Papier stehen? Selbst die Europäische Union, zweifellos die 222 

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stärkste Instanz der internationalen Umweltpolitik, hat mit massiven Problemen bei der Umsetzung ihrer Vorgaben zu kämpfen. Ende 2014 unterhielt die Generaldirektion Umwelt 334 Vertragsverletzungsverfahren, davon 13 gegen Deutschland.3 Natürlich gibt es Vollzugsprobleme auch bei nationalen Gesetzen. Die Geschichte der deutschen Umweltpolitik zeigt, dass man solche Probleme tatsächlich über Jahrzehnte ignorieren kann. Es bedurfte zahlreicher Reformen und einer symbol­ politischen Großoffensive, um die deutschen Behörden zu einem systematischen Kampf gegen Verschmutzungsprobleme zu bewegen. Ein ähnlicher Prozess ist im internationalen Zusammenhang bislang allenfalls ansatzweise zu erkennen. Eines der traurigsten Belege ist der europäische Emissionshandel, der einst als marktförmiges Instrument im Kampf gegen den Klimawandel gefeiert wurde. Inzwischen macht er vor allem durch den niedrigen Preis der handelbaren Zertifikate sowie immer neue Skandale von sich reden. Und doch läuft alles Klagen am Ende auf das immer gleiche Versprechen hinaus, dass man die Probleme mit ein paar Reparaturmaßnahmen schon in den Griff bekommen könne. Ein Ende des Emissionshandels steht bislang nicht zur Debatte. Es scheint, dass die internationale Umweltpolitik noch immer von der romantischen Vision einer Weltgemeinschaft profitiert, die sich zum gemeinsamen Handeln aufrafft. Die harten Faktoren der Politik – Interessen, Geld, Macht – bleiben dagegen notorisch unterbelichtet. Die Erfahrung der Bundesrepublik zeigt jedoch, dass erfolgreiche Umweltpolitik ganz wesentlich von starken und sanktionsfähigen Bündnispartnern abhängt. Wo aber sind diese Verbündeten in der internationalen Politik? Wie lassen sich globale Vorgaben so formulieren, dass sie einerseits eine hinreichende Verbindlichkeit besitzen, andererseits aber Spielräume für lokale Besonderheiten erhalten bleiben? Und wie lässt sich ein Tunnelblick verhindern, bei dem sich zum Beispiel alles auf die Klimabilanz reduziert? Das allfällige Reden über »globale Herausforderungen«, in der »global« oft nur noch ein Synonym für »wichtig« ist, lässt die zentralen Fragen unbeachtet. Ansichten einer Baustelle 223

So ist die Zeit vielleicht reif für eine globale ökologische Realpolitik. Was können wir realistischerweise von internationalen Vereinbarungen erwarten? Wie verhalten sich die unterschiedlichen Ebenen der Politik zueinander? Und welche Aufgaben überträgt man am besten nationalen und regionalen Instanzen? Wer etwa die schwindelerregenden Summen kennt, die derzeit zum Schutz der Wälder im Rahmen des REDD -Programms im Gespräch sind, der kann sich unschwer vorstellen, dass wir auf die globale Klimapolitik einmal ähnlich beschämt zurückblicken werden wie heute auf die entwicklungspolitischen Großprojekte der sechziger und siebziger Jahre. 23 Jahre nach dem Erdgipfel von Rio haben wir mit grenzüberschreitender Umweltpolitik eine Menge Erfahrungen gemacht. Die Frage ist, wie wir diese Erfahrungen nutzen werden.

Jenseits des reinen Grüns Zu den Voraussetzungen der bundesdeutschen Erfolge gehörte auch eine strenge Fokussierung des Blicks. Als ökologische Fragen in den achtziger Jahren Eingang in den gesellschaftlichen Mainstream fanden, wirkten sie wie ein isoliertes Anliegen, das sich von anderen gesellschaftlichen Problemen trennen ließ. Die konservativen Assoziationen, die sich in Deutschland traditionell mit der Konsumkritik verbanden, verflogen ebenso wie die marxistischen Theoreme der Linken: Es ging, so jedenfalls der Gestus, einzig und allein um die Rettung des blauen Planeten. Das grüne Deutschland schwebte jenseits der üblichen politischen Konfliktlinien, ganz so, wie es ein Slogan der frühen Grünen suggerierte: »Nicht rechts, nicht links, sondern vorn.«4 Ein solches Umweltbewusstsein stieß außerhalb der westlichen Welt stets auf Verständnisprobleme. Indira Gandhis Frage auf dem Stockholm-Gipfel von 1972 hat nichts von ihrer Bedeutung verloren: Die westliche Trennung zwischen Umweltproblem und sozialen, ökonomischen und kulturellen Anliegen wirkt für die Menschen des Globalen Südens bestenfalls naiv 224 

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und schlimmstenfalls als postkoloniale Zumutung. Und dabei geht es nicht nur um unterschiedliche Wahrnehmungen. Die Träger des Umweltprotests im Globalen Süden sind häufig Bauern, Fischer und andere Personen, deren Leben vom Zugriff auf natürliche Ressourcen abhängt. Die Frage nach der ökologischen Qualität von Wasser und Boden verbindet sich hier untrennbar mit der Frage, wem Wasser und Boden gehören.5 Inzwischen wachsen auch in Deutschland die Zweifel an einem engen Problemverständnis. Neue soziale Bewegungen wie Attac verbinden ökologische Anliegen mit sozialen und ökonomischen Themen. Im Protest gegen Stuttgart 21 verbanden sich Umweltthemen mit zahlreichen anderen Aspekten.6 Bei der Linkspartei ist die Umweltpolitik längst Teil eines allgemeinen Kampfes für soziale Gerechtigkeit. Man muss sich inzwischen eher fragen, wie es eigentlich gelingen konnte, die Illusion einer kontextfreien ökologischen Politik so lange am Leben zu halten. Wie nur konnten so viele Leser übersehen, dass es Günter­ Wallraff in Ganz Unten auch um ökologische Gerechtigkeit ging? Der blinde Fleck hatte viel mit der sozialen Basis der Umweltbewegung zu tun. Sie bestand ganz überwiegend aus Menschen in materiell gesicherten Lebensumständen. Etwa drei Viertel der Mitglieder der Grünen betrachteten sich 1998 als Post-Materialisten und 48 Prozent arbeiteten im öffentlichen Dienst, während der Anteil der Arbeiter bei mageren sieben Prozent lag.7 Ökologisches Bewusstsein war in der Bundesrepublik stets auch ein Weg, soziale Hierarchien zu zementieren und zugleich das eigene Selbstbild als kritischer, engagierter Bürger zu bewahren. Man kann der Umweltbewegung nicht vorwerfen, dass sie sich um die soziale Dimension ökologischer Politik nicht gekümmert hätte. 1996 veröffentlichte der BUND zusammen mit MISEREOR das Buch Zukunftsfähiges Deutschland, dem 2008 ein Gemeinschaftsprojekt mit evangelischen Organisationen folgte.8 Dahinter steckt jedoch die große und noch weithin unbeantwortete Frage, wie weit die Umweltbewegung ihren Blick erweitern sollte. Reicht es aus, für die sozialen und ökonomischen Bezüge stärker sensibilisiert zu sein, aber weiterhin vor allem Ansichten einer Baustelle 225

Umweltprobleme im Blick zu haben? Oder sollte die Umweltbewegung auf längere Sicht in einer breiteren Bewegung für Gerechtigkeit aufgehen? Der erwähnte Protest für eine Agrarwende lässt sich zum Beispiel kaum noch eindeutig als Umweltprotest verorten. Aber was bedeutet das für die Umweltpolitik, die Umweltbewegtheit und die grüne Lebenswelt? Hier gibt es Chancen für neue Bündnisse – aber auch die Möglichkeit einer Verwässerung ökologischer Anliegen in kuscheliger Wohlfühlrhetorik. Zwischen diesen beiden Polen liegt eine Vielzahl möglicher Zukünfte des Grünen.

Jenseits der korporatistischen Traditionen Der Aufstieg korporatistischer Strukturen ist ein Schlüsselthema der deutschen Umweltpolitik im 20.  Jahrhundert. Kaum ein anderes westliches Land zeigte bei ökologischen Themen eine so starke Präferenz für Verhandlungen und die Einbeziehung nichtstaatlicher Akteure. Umso überraschender ist, dass es über dieses Thema nur selten offene Debatten gab. Korporatismus war eher eine Verwaltungspraxis, die sich im politischen Alltag als Weg des geringsten Widerstands anbot. Umweltprobleme waren kompliziert, sie erforderten das Wissen von Experten, und häufig bestand die beste Lösung in einem Kompromiss – da war es am einfachsten, alle Parteien an einen Tisch zu rufen. Vergnüglich waren diese Verhandlungen in den seltensten Fällen, aber man sparte sich halt eine Menge Ärger, wenn man allen Betroffenen eine reelle Chance gab, den Prozess der Ent­scheidungs­ findung mitzugestalten. In den siebziger Jahren schien der Korporatismus in der Umweltpolitik an seine Grenzen zu kommen. Bürgerinitiativen und andere Protestgruppen waren an Kompromissen oft nicht interessiert. Viele der neuen Gefahren ließen sich nicht präzise bestimmen, so dass die Wissensbasis von Entscheidungen unsicher wurde. Industrielle achteten in wirtschaftlichen Krisenzeiten verstärkt auf die Kosten. Der Atomkonflikt eskalierte in einer 226 

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Weise, die Verhandlungslösungen von vornherein utopisch machte. Aber nach und nach öffneten sich Gremien und Gesprächskanäle, und korporatistische Verhandlungen gehörten weiterhin zur deutschen Umweltpolitik. Dieter Rucht sieht darin sogar eine neue Phase in der Geschichte des ökologischen Protests in Deutschland. Nach dem Aufschwung der ökologischen Zivilgesellschaft und der Konsolidierung der Strukturen gab es, »beginnend ab den späten 1990er Jahren«, ein neues Verhältnis von Staat und Umweltverbänden, das »durch einen Rückgang der Proteste, eine stärkere Kooperation mit der etablierten Politik und eine Verfachlichung der Auseinandersetzungen gekennzeichnet« war.9 Der Preis wurde in der Diskussion der rot-grünen Bundes­ regierung bereits erwähnt. Die Umweltbewegung wirkte plötzlich merkwürdig zahnlos, und die Politik verlor ihre Kraft zu großen Reformen bis hin zu einer völligen Unfähigkeit zur Entscheidung, dem Deutschland etwa das Dosenpfand verdankt. In den Zeiten von Twitter wirken stundenlange Verhandlungen hinter verschlossenen Türen seltsam archaisch. Aus der neuen Lust am Protest spricht auch ein Misstrauen gegenüber einer konsensseligen Politik.10 Außerdem stehen deutsche Verhandlungstraditionen in Spannung zur Internationalisierung der Umweltpolitik. All das macht korporatistische Strukturen in der Umwelt­ politik nicht obsolet. Sie haben zum Beispiel dazu beigetragen, dass Grenzwerte und technische Standards in Deutschland nur selten zum politischen Spielball wurden. Aber es ist wohl an der Zeit, das Verhältnis von Staat und Zivilgesellschaft neu zu justieren. Wo sind Verhandlungen zwischen allen Beteiligten wirklich sinnvoll? Und wo sind sie eher eine Quelle von Intrans­parenz und Entscheidungsschwäche? Der politische Diskurs lebt auch vom offenen Meinungsaustausch, von der klaren Alternative, von verantwortlichen Entscheidungen und ihrer Kritik. Wenn politische Macht in einem Geflecht von Beziehungen und Abhängigkeiten diffundiert, bekommt die Umweltpolitik auf Dauer ein Problem. Ansichten einer Baustelle 227

Der Erfolg der VDI-Kommission Reinhaltung der Luft hing auch am Misstrauen staatlicher Behörden, die es gar nicht gut fanden, dass da plötzlich ein neues Gremium in ihren Kompetenzbereichen wilderte. Das hatte aber letztlich einen heilsamen disziplinierenden Effekt: Die Leiter der VDI-Kommission wussten, dass sie unter Beobachtung standen. Schludrige Arbeit oder parteiische Grenzwerte hätten das korporatistische Experiment wohl bald wieder beendet, und das könnte vielleicht ein Leitmotiv für künftige Verhandlungsrunden sein: Wir verhandeln ernsthaft, aber wir können auch anders.

Jenseits der einfachen Lösungen Man kann die Geschichte der deutschen Umweltpolitik auch als eine Entwicklung von den einfachen zu den kniffligen Problemen beschreiben. Das soll keineswegs heißen, dass die einfachen Probleme tatsächlich leicht zu lösen waren. Der Kampf um die Wutachschlucht dauerte ein ganzes Jahrzehnt, der Kampf um die Grube Messel sogar noch länger, und in beiden Fällen handelte es sich um bittere, nervenaufreibende Auseinandersetzungen. Und doch war das Problem im Kern relativ einfach gestrickt: Es ging um das Für und Wider zweier Infrastrukturprojekte. Auch in den Konflikten um die Verschmutzung von Wasser und Luft gab es meist ein klares Ziel. In aller Regel ließen sich diese Probleme durch Filter und Kläranlagen auf ein vertretbares Maß reduzieren. Die Frage war, wie man dafür sorgen konnte, dass diese Mittel tatsächlich genutzt wurden. Im Laufe der Zeit stiegen die Kosten der Lösungen. Als man die Staubprobleme der deutschen Kohlekraftwerke nach jahrzehntelangem Kampf endlich im Griff hatte, rückte das Schwefeldioxid in den Blick. Entschwefelungsanlagen waren jedoch deutlich teurer als Staubfilter, und so war der Widerstand der Energiekonzerne enorm. Erst im Zeichen des Waldsterbens gelang der Durchbruch, und ähnlich lagen die Dinge bei den Autoabgasen. Für kampfeslustige Aktivisten war es eine Steilvorlage: 228 

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Sollte man wirklich auf diese technisch ausgereiften Lösungen verzichten, nur weil sie etwas Geld kosteten? Inzwischen liegen die Dinge komplizierter. Die globale Erwärmung und der Rückgang der Artenvielfalt sind gegen ein­ fache Antworten immun, und das Gleiche gilt für den Feinstaub, den Bodenschutz und die Zersiedelung. Schon der Anspruch, diese Probleme endgültig zu lösen, erscheint auf absehbare Zeit illusorisch. Es geht wohl eher darum, ihre Konsequenzen in bestimmten Grenzen zu halten. Während die Umweltpolitik der Vergangenheit noch auf einfache Lösungen hoffen konnte, wird die künftige Umweltpolitik im Zeichen eines weitsichtigen Managements stehen müssen. Eine sprunghafte Politik, wie sie etwa die rot-grüne Bundes­ regierung gerne praktizierte, läuft vor diesem Hintergrund leicht ins Leere. Das Schicksal der Ökosteuer, die mit ständigen Nachbesserungen quasi zu Tode reformiert wurde, mag als Mahnung für künftige Umweltpolitiker dienen. Noch größer erscheint die Herausforderung, wenn man die Handlungsfelder der Zivilgesellschaft und der Lebenswelt mit in den Blick nimmt. Beide sind schon von Natur aus kurzlebiger als die Politik, und die Aufmerksamkeitsspanne ist in jüngster Zeit eher noch weiter geschrumpft. Aber vielleicht findet sich ja ein neues Zusammenspiel von Politik, Zivilgesellschaft und Lebenswelt? Kaum jemand erwartete schließlich um 1980 einen Boom des Ö ­ kologischen. Eine auf langfristiges Management ausgerichtete Politik muss schließlich nicht unbedingt auf die gängigen Modellrechnungen für 2040 und 2050 hinauslaufen. Man kann den Ausbau der regenerativen Energien ja auch als Alternative zu potentiell folgenreichen Pfadabhängigkeiten befürworten. Wer heute zum Beispiel im großen Stil Kohlekraftwerke baut, trifft damit Entscheidungen auf Jahrzehnte hinaus. Eine weitsichtige Umweltpolitik hängt auch von der Fähigkeit ab, die richtigen Fragen zu stellen.

Ansichten einer Baustelle 229

Jenseits des Schönen Scheins Als David Cameron 2010 britischer Premierminister wurde, versprach er »die grünste Regierung aller Zeiten«. Davon war im Regierungsalltag allerdings nicht viel zu spüren, und inzwischen begegnet man dem Zitat nur noch im Zusammenhang mit sarkastischen Bemerkungen. Ganz so dreist treiben es deutsche Politiker bislang nicht, aber auch hier gibt es eine neue Kurzatmigkeit der ökologischen Rhetorik. Das war zum Beispiel im jüngsten Bundestagswahlkampf zu erleben, als Koalitionspoliti­ ker lauthals über die Kosten einer Energiewende klagten, die sie doch selbst beschlossen hatten. Beim Streit um neue Strom­ tras­sen schielen Politiker wie der bayerische Ministerpräsident Horst S­ eehofer auf kurzfristige Popularitätsgewinne im Schulterschluss mit lokalen Protestgruppen. Derselbe Horst Seehofer ließ 2009 mit fadenscheiniger Begründung das vom Bundes­ umweltminister S­ igmar Gabriel fertig ausgehandelte Umwelt­ gesetzbuch scheitern, um dem aufstrebenden SPD -Politiker einen Dämpfer zu verpassen. Vor ein paar Jahren hätten solche Spielchen mit der Umwelt noch als riskant gegolten. Jetzt kommt man damit anscheinend durch. Der schöne Schein gehört seit jeher zur Politik, aber die Umweltpolitik ist dafür im Moment besonders anfällig. Einerseits sind die Aussichten für kurzfristige Erfolge derzeit eher schlecht. Andererseits bietet die Umweltpolitik vielfältige Möglichkeiten für schöne Sprüche und schöne Bilder. Das Spektakel um den Berliner Eisbären Knut, bei dem sich Zooverwaltung, Medien und Politik gegenseitig hochschaukelten, könnte eines Tages als Menetekel eines neuen Zeitalters erscheinen, in dem sich das Ökologische in Oberflächlichkeiten erschöpfte. Es geht dabei nicht nur um schlechten Journalismus und Politiker ohne Rückgrat. Es geht auch um die Frage, welche Institutionen die Umweltpolitik der Zukunft braucht. Die Herausforderungen der Gegenwart lassen sich mit guten Bildern oder spektakulären Stunts à la Greenpeace nur noch bruchstückhaft erfassen. Sie brauchen vor allem zuverlässige Informationen und 230 

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deren umsichtige Auswertung. Im angelsächsischen Raum gibt es dafür unabhängige »Watchdogs«, die der Politik wie gut abgerichtete Wachhunde auf die Finger schauen. Eine vergleichbare Kultur der zivilgesellschaftlichen Kontrolle, die nicht gleich auf die nächste medienwirksame Kampagne schielt, gibt es in Deutschland erst in Ansätzen. Hier ist das Leitbild eher der geschmeidige, gut vernetzte Forscher, der im Zweifelsfall lieber an künftige Drittmittelanträge denkt. Solche »Watchdogs« brauchen natürlich Politiker, die nicht nur den Stimmungen des Tages hinterherlaufen. Auch deshalb sei noch einmal an die agilen Polit-Unternehmer der siebziger und achtziger Jahre erinnert. Das grüne Deutschland ver­danken wir nicht nur den bewegten Bürgern, die auf Demonstrationen gingen und die einschlägigen Protestresolutionen unterschrieben, sondern auch den Funktionseliten in Politik und Verwaltung, die diese Stimmung für Reformen nutzten. Und dabei dachten sie eben nicht nur an den bedrohten Planeten, sondern auch ganz egoistisch an die eigene Karriere. Und warum auch nicht? In der »Umweltgeschichte der Väter« waren es oft die charismatischen Mahner und Warner, die in den Gesamtdarstellungen die höchste Punktzahl erzielten. Inzwischen ist die Sturmund-Drang-Periode der Umweltgeschichte vorüber, und damit ­rücken auch andere Figuren auf die Bühne: dröge Wissenschaftler, risikofreudige Unternehmer, clevere Netzwerker und eben auch Machtmenschen mit langem Atem. Die ökologischen Herausforderungen unserer Zeit brauchen ganz unterschiedliche Arten von Menschen, und diese Menschen interessiert immer auch die eigene Zukunft. Die Umweltpolitiker der siebziger und achtziger Jahre haben nicht nur eine Menge geleistet, sondern auch eine Menge riskiert. Das tun die meisten Menschen nur, wenn sie das Gefühl haben, dass es sich lohnt. In der Wirtschaft regt es keinen auf, wenn jemand Karriere machen will. In der Umweltszene scheint das etwas anders zu sein. Immer noch haben wir das Bild des wackeren Demonstranten vor Augen, der im Kampf für das Gute die eigenen KnoAnsichten einer Baustelle 231

chen hinhält. Wer in den siebziger Jahren zur Sitzblockade ging, dachte dabei gewiss nicht an die Karriere. Aber vielleicht ist es an der Zeit, die Protestromantik ein wenig niedriger zu hängen? Immer noch umweht ökologische Fragen eine Hoffnung auf Eindeutigkeit, eine Sehnsucht nach einer moralischen Klarheit, die aus den Niederungen des Alltags herausragt; aber das ist in einer Zeit voller politisch-moralischer Ambivalenzen keine hilfreiche Vision. Man kann dieses Buch auch als Beleg lesen, dass diese moralische Klarheit in Wirklichkeit nie existiert hat.

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Deutschland in Grün

Nachwort Dieses Buch ist das Ergebnis eines doppelten Perspektivwechsels. Am Anfang dieses Projekts stand die Frage, was die Geistes­ wissenschaften zur Umwelt­debatte in Deutschland beitragen könnten. Das Resultat, beflügelt durch die Anfangsjahre des Rachel Carson Centers in München, veröffentlichte der Campus Verlag 2011 als »Am Ende der Gewissheiten. Die ökologische Frage im 21. Jahrhundert«. Aus dem ersten Kapitel dieses Buches entstand ein englisches Buch mit dem Titel »The Greenest Nation? A New History of German Environmentalism«, das im Frühjahr 2014 bei MIT Press erschien. Während sich hier die Perspektive von Deutschland in die weite Welt richtete, vollzieht dieser Band, im Kern die deutsche Fassung der »Greenest Nation«, nun die Umkehrung des Blicks. Es entstand im englischen Birmingham und schaut damit von außen auf seinen Gegenstand. Mit dem Ortswechsel veränderten sich die Arbeitsumstände, und so findet das Projekt jetzt seinen Abschluss, während ich geisteswissenschaftliche Umweltforschung an der University of Birmingham lehre – übrigens eine Stellenbeschreibung, die es an deutschen Univer­ sitäten bislang nicht gibt. Wer eines der beiden Bücher gelesen hat, wird in dem vorliegenden Band viele vertraute Ideen und Formulierungen finden, aber auch einige neue Gedanken. Die Zeitgeschichte ist in den vergangenen Jahren in erfreulicher Weise in Bewegung gekommen, und für ihren umwelthistorischen Flügel gilt das erst recht. Insbesondere die Kapitel zur Zeit nach 1970 bedurften einer grundlegenden Überarbeitung. Dabei habe ich mich bemüht, die Nachwort 233

Umweltgeschichte Deutschlands durchweg als ein dynamisches Forschungsfeld erkennbar zu machen. In einer Zeit, in der sich das ökologische Projekt immer mehr als eine Baustelle präsentiert, würde eine allzu selbstgewisse Geschichtsschreibung auch etwas seltsam wirken. Meinen Dank für die ersten beiden Etappen dieses Buch­ projekts habe ich in den jeweiligen Bänden vermerkt, so dass sich diese Bemerkungen auf die vergangenen zwölf Monate konzentrieren. Stefan Berger vom Bochumer Institut für Soziale Bewegungen gab mir gleich zweifach Gelegenheit, über die Probleme einer »new history of environmentalism« nachzudenken. Frank Bösch und Melanie Arndt verdanke ich die Gelegenheit, in einem Projekt des Zentrums für zeithistorische Forschung in Potsdam intensiv über die Verflechtungen der deutsch-deutschen Umweltgeschichten nachzudenken. Birminghams Institute for German Studies unter der Leitung meines neuen Kol­legen Nick Martin ermöglichte einen kleinen Workshop, und Silke Mende und Axel Goodbody unterzogen die »Greenest N ­ ation« einer eingehenden Kritik. Dank Richard Staley, Christian Wenkel und Isabel Heinemann konnte ich verschiedene Aspekte des Themas in Kolloquien an der Cambridge University, dem Deutschen Historischen Institut Paris und der West­fälischen WilhelmsUniversität Münster vorstellen. Der Abschluss des Projekts profitierte von einem Aufenthalt am Max-Planck-­Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin. Ein besonderes Wort des Dankes geht an den Campus Verlag und MIT Press, die dem hiesigen Projekt freundlicherweise ihr Plazet erteilten. Martina Kayser und Daniel Sander von Vandenhoeck & Ruprecht begleiteten den Entstehungs­prozess des Bandes mit Sorgfalt und Umsicht. Für hilfreiche Korrekturen danke ich Christian Möller, Veronika Schäfer, Ursula von Thadden und Sarah Waltenberger. Gewidmet ist dieses Buch der Frau, ohne die sowieso alles ganz anders wäre. Birmingham, im Frühjahr 2015 234 

Deutschland in Grün

Frank Uekötter

Anmerkungen 1. Umweltgeschichte und Umweltzukunft im 21. Jahrhundert 1 http://www.oecd.org/document/53/0,3746,en_2649_37465_50475829_1_1 _1_37465,00.html und http://www.oecd.org/document/6/0,3746,en_2649_ 37465_50066118_1_1_1_37465,00.html (zuletzt aufgerufen am 16.  April 2015). Alle Übersetzungen aus dem Englischen durch den Verfasser – F. U. 2 REN21, Renewables 2014 Global Status Report, Paris 2014, S.  103, im Internet unter http://www.ren21.net/Portals/0/documents/Resources/GSR/ 2014/GSR2014_full%20report_low%20res.pdf (zuletzt aufgerufen am 19. April 2015). 3 http://www.whitehouse.gov/the-press-office/2012/01/24/remarks-presi dent-state-union-address (zuletzt aufgerufen am 16. April 2015). 4 http://epi.yale.edu/epi (zuletzt aufgerufen am 16. April 2015). 5 Ion Bogdan Vasi, Winds of Change. The Environmental Movement and the Global Development of the Wind Energy Industry, New York 2011, S. 55. 6 Vgl. etwa James Dellingpole, The Little Green Book of Eco-Fascism. The Plan to Frighten Your Kids, Drive Up Energy Costs and Hike Your Taxes!, London 2013, S. 189 f. 7 Roderick Nash, Wilderness and the American Mind, New Haven 1967. 8 Die Auflösungen finden sich auf den Seiten 92, 182 und 67. 9 Raymond H. Dominick, The Environmental Movement in Germany. Prophets and Pioneers, 1871–1971, Bloomington 1992. 10 Brian William Clapp, An Environmental History of Britain since the Industrial Revolution, London 1994; David Evans, A History of Nature Conservation in Britain, London 1997; John Sheail, An Environmental History of Twentieth-Century Britain, Basingstoke 2002; Alon Tal, Pollu­tion in a Promised Land. An Environmental History of Israel, Berkeley 2002. 11 Rolf Peter Sieferle, Fortschrittsfeinde? Opposition gegen Technik und Industrie von der Romantik bis zur Gegenwart, München 1984; Ulrich Linse, Ökopax und Anarchie. Eine Geschichte der ökologischen Bewegungen in Deutschland, München 1986; Christoph Conti, Abschied vom Anmerkungen 235

Bürgertum. Alternative Bewegungen in Deutschland von 1890 bis heute, Reinbek 1984; Jost Hermand, Grüne Utopien in Deutschland. Zur Geschichte des ökologischen Bewußtseins, Frankfurt 1991; Dominick, Environmental Movement; Franz-Josef Brüggemeier, Tschernobyl, 26. April 1986. Die ökologische Herausforderung, München 1998; Joachim Radkau, Die Ära der Ökologie. Eine Weltgeschichte, München 2011; FranzJosef Brüggemeier, Schranken der Natur. Umwelt, Gesellschaft, Experimente 1750 bis heute, Essen 2014. 12 Linse, Ökopax; Conti, Abschied; Sieferle, Fortschrittsfeinde. 13 Einschlägig Gert Gröning, Joachim Wolschke, Naturschutz und Ökologie im Nationalsozialismus, in: Die alte Stadt 10 (1983), S. 1–17. 14 Vgl. Robert D. Bullard, Dumping in Dixie. Race, Class, and Environmental Quality, Boulder 1994; Martin V. Melosi, Environmental Justice, Poli­ tical Agenda Setting, and the Myths of History, in: ders. (Hg.), Effluent America. Cities, Industry, Energy and the Environment, Pittsburgh 2001, S. 238–262. 15 Sylvia Hood Washington, Paul C. Rosier, Heather Goodall (Hg.), Echoes from the Poisoned Well. Global Memories of Environmental Injustice, Lanham 2006; Joan Martinez-Alier, The Environmentalism of the Poor. A Study of Ecological Conflicts and Valuation, Northhampton, Mass. 2002; Chad Montrie, A People’s History of Environmentalism in the United States, London 2011; sowie die Beiträge in der Zeitschrift Environmental Justice (seit 2008). Als einen der wenigen Beiträge zu Deutschland vgl. Jeffrey K. Wilson, Environmental Chauvinism in the Prussian East. Forestry as  a Civilizing Mission on the Ethnic Frontier, 1871–1914, in: Central European History 41 (2008), S. 27–70. 16 Robert Gottlieb, Forcing the Spring. The Transformation of the American Environmental Movement, Washington 1993. 17 Almut Leh, Zwischen Heimatschutz und Umweltbewegung. Die Professionalisierung des Naturschutzes in Nordrhein-Westfalen 1945–1975, Frankfurt 2006, S. 134. 18 Ernst Rudorff, Über das Verhältniß des modernen Lebens zur Natur, in: Preußische Jahrbücher 45 (1880), S. 261–276. 19 Anthony Giddens, The Politics of Climate Change, Cambridge 2009, S. 50. 20 Die Einbeziehung der Lebenswelt krankt allerdings daran, dass hier in der interdisziplinären Forschung bislang nur erste Ansätze vorliegen. Vgl. etwa Axel Goodbody (Hg.), The Culture of German Environmentalism. Anxieties, Visions, Realities, New York 2002, und ders., Nature, Technology and Cultural Change in Twentieth-Century German Literature. The Challenge of Ecocriticism, Basingstoke 2007. 21 Zu Bourdieus Soziologie sind inzwischen mehrere Einführungen verfügbar. Vgl. Werner Fuchs-Heinritz, Alexandra König, Pierre Bourdieu. Eine Einführung, 3. Aufl. Konstanz 2014; Eva Barlösius, Pierre Bourdieu, 2. Aufl. Frankfurt 2011; Markus Schwingel, Pierre Bourdieu zur Einführung, 7. Aufl. Hamburg 2011.

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22 Im englischen Original war der Leitbegriff des Bandes »environmentalism«, ein konzeptionell offenes Wort, für das es in der deutschen Sprache kein Äquivalent gibt. Wenn in diesem Buch gelegentlich die Formulierung »das Ökologische« verwendet wird, dann handelt es sich um den Versuch, diese Offenheit von »environmentalism« abzubilden. 23 Pierre Bourdieu, Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, Frankfurt 1982. 24 Badisches Generallandesarchiv Karlsruhe Abt. 233 Nr.  3029, Kaiserlich Deutsche Botschaft in Frankreich an Reichskanzler von Bethmann Hollweg, 11. November 1909. 25 Richard J. Evans, Tod in Hamburg. Stadt, Gesellschaft und Politik in den Cholera-Jahren 1830–1910, Reinbek 1990, S. 163f, 202. 26 Daniel T. Rodgers, Atlantic Crossings. Social Politics in a Progressive Age, Cambridge, Mass. 1998, S. 131 f. 27 Bernhard Gissibl, Sabine Höhler, Patrick Kupper (Hg.), Civilizing Nature. National Parks in Global Historical Perspective, New York 2012. 28 Horst Gründer (Hg.), »…da und dort ein junges Deutschland gründen«. Rassismus, Kolonien und kolonialer Gedanke vom 16. bis zum 20. Jahrhundert, München 1999, S. 147–149. 29 Thaddeus Raymond Sunseri, Wilding the Ax. State Forestry and Social Conflict in Tanzania, 1820–2000, Athens, Ohio 2009; Thomas M. Lekan, »Serengeti Shall Not Die«. Bernhard Grzimek, Wildlife Film, and the Making of  a Tourist Landscape in East Africa, in: German History 29 (2011), S. 224–264; Bernhard Gissibl, A Bavarian Serengeti. Space, Race and Time in the Entangled History of Nature Conservation in East Africa and Germany, in: Bernhard Gissibl, Sabine Höhler, Patrick Kupper (Hg.), Civilizing Nature. National Parks in Global Historical Perspective, New York 2012, S.  102–119; Bernhard Gißibl, Frevert und die großen Tiere. Jagd, Herrschaft und der Schutz von »Urnatur« zwischen »deutschem Osten«, Schwarzwald und Ostafrika, in: Nils M. Franke, Uwe ­Pfennig (Hg.), Kontinuitäten im Naturschutz, Baden-Baden 2014, S. 111–135; Franziska Torma, Eine Naturschutzkampagne in der Ära Adenauer. Bernhard Grzimeks Afrikafilme in den Medien der 50er Jahre, München 2004. Als bemerkenswerte Pionierstudie vgl. William H. Rollins, Imperial Shades of Green. Conservation and Environmental Chauvinism in the German Colonial Project, in: German Studies Review 22 (1999), S. 187–213. 30 Vgl. etwa Sebastian Conrad, Jürgen Osterhammel (Hg.), Das Kaiserreich transnational. Deutschland in der Welt 1871–1914, Göttingen 2006; Birthe Kundrus, Moderne Imperialisten. Das Kaiserreich im Spiegel seiner Kolonien, Köln 2003; Ulrich van der Heyden, Joachim Zeller (Hg.), Kolonialismus hierzulande. Eine Spurensuche in Deutschland, Erfurt 2007. 31 David Blackbourn, Die Eroberung der Natur. Eine Geschichte der deutschen Landschaft, München 2007. 32 Die 315 Todesopfer der Hamburger Sturmflut von 1962 ließen sich als Resultat einer geographischen Sondersituation verbuchen. (Vgl. Martina Heßler, Christian Kehrt [Hg.], Die Hamburger Sturmflut von 1962. Anmerkungen 237

Risiko­bewusstsein und Katastrophenschutz aus zeit-, technik- und umweltgeschichtlicher Perspektive, Göttingen 2014.) 33 Eckart Conze, Die Suche nach Sicherheit. Eine Geschichte der Bundes­ republik Deutschland von 1949 bis in die Gegenwart, München 2009. 34 Vgl. Frank Uekötter, Bergbau und Umwelt im 19. und 20. Jahrhundert, in: Dieter Ziegler (Hg.), Rohstoffgewinnung im Strukturwandel. Der deutsche Bergbau im 20.  Jahrhundert (Geschichte des deutschen Bergbaus Bd. 4), Münster 2013, S. 539–570. 35 Anselm Doering-Manteuffel, Lutz Raphael, Nach dem Boom. Perspektiven auf die Zeitgeschichte seit 1970, Göttingen 2008. 36 Vgl. Frank Uekoetter, Thinking Big. The Broad Outlines of a Burgeoning Field, in: ders. (Hg.), The Turning Points of Environmental History, Pittsburgh 2010, S. 1–12; S. 10 f. 37 Vgl. Melanie Arndt, Umweltgeschichte, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 11. Februar 2010, online verfügbar unter http://docupedia.de/ zg/Umweltgeschichte_Version_1.0_Melanie_Arndt?oldid=86947. Bislang fehlt in Deutschland ein Äquivalent zu dem Buch, mit dem Mark Fiege kürzlich die amerikanische Geschichtswissenschaft provoziert hat. (Vgl. Mark Fiege, The Republic of Nature. An Environmental History of the United States, Seattle 2012.) 38 Michael Bess, The Light-Green Society. Ecology and Technological Modernity in France, 1960–2000, Chicago 2003. 39 Klaus Jacob, Axel Volkery, Modelling Capacities for Environmental­ Policy-Making in Global Environmental Politics, in: Martin Jänicke, Klaus Jacob (Hg.), Environmental Governance in Global Perspective. New Approaches to Ecological Modernisation, Berlin 2007, S.  67–94; S. 71–74. 40 Frank Uekötter, Von der Rauchplage zur ökologischen Revolution. Eine Geschichte der Luftverschmutzung in Deutschland und den USA 1880– 1970, Essen 2003. 41 Ted Nordhaus, Michael Shellenberger, Break through. Why We Can’t Leave Saving the Planet to Environmentalists, Boston 2009.

2. Internationale Probleme, deutsche Antworten. Das Kaiserreich als Wendezeit 1 Thomas F. Glick, Naturwissenschaft, Technik und städtische Umwelt. Der »große Gestank« von 1858, in: Rolf Peter Sieferle (Hg.), Fortschritte der Naturzerstörung, Frankfurt 1988, S. 95–117; Roy Porter, London. A Social History, London 1994, S. 263. 2 Ney C. Landrum, The State Park Movement in America. A Critical Review, Columbia, Missouri 2004, S. 4. 3 Vgl. Andreas Knaut, Zurück zur Natur! Die Wurzeln der Ökologiebewegung (Jahrbuch für Naturschutz und Landschaftspflege Supplement 1), Greven 1993; Friedemann Schmoll, Erinnerung an die Natur. Die Ge-

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schichte des Naturschutzes im deutschen Kaiserreich, Frankfurt 2004. Zitat nach Knaut, Zurück zur Natur, S. 378. 4 Westfälisches Archivamt Münster Best. 717 Zug. 23/1999 Naturschutzverein, Satzungen des Westfälischen Naturschutzvereins e. V. von 1934, S. 4. 5 Selbstbeschreibung der Ziele und Aufgaben des Westfälischen Naturwissenschaftlichen Vereins, abrufbar unter http://www.wnv-westfalen.de/ Seite3.html#Zweig12 (zuletzt aufgerufen am 16. April 2015). 6 Tal, Pollution in a Promised Land. 7 Schmoll, Erinnerung, S. 301–337. 8 Zitiert nach Walther Schoenichen, Naturschutz, Heimatschutz. Ihre Begründung durch Ernst Rudorff, Hugo Conwentz und ihre Vorläufer, Stuttgart 1954, S. 279. 9 Zwei Verbände, der Landesbund für Vogelschutz in Bayern und der Bund Naturschutz, beauftragten den Verfasser aus diesem Anlass mit der Auf­ arbeitung ihrer Vereinsgeschichte. Für die Ergebnisse siehe Frank U ­ ekötter in Zusammenarbeit mit Claas Kirchhelle und Eva Preuß, 100 Jahre Landesbund für Vogelschutz in Bayern (Umwelt und Erinnerung Bd. 3), München 2015, und 100 Jahre Bund Naturschutz in Bayern, in: Bund Naturschutz Forschung 11 (2013). 10 Bund Heimat und Umwelt in Deutschland (Hg.), Dokumentation zum Symposium Hundert Jahre für den Naturschutz – Heimat und regionale Identität, Bonn 2004; Helge May, NABU. 100 Jahre NABU  – ein histo­ rischer Abriß 1899–1999, Bonn o. J. 11 Schmoll, Erinnerung, S. 212–224; 100 Jahre Bund Naturschutz. 12 Miriam Zerbel, Tierschutz im Kaiserreich. Ein Beitrag zur Geschichte des Vereinswesens, Frankfurt 1993, S. 83, 88. 13 Mieke Roscher, Ein Königreich für Tiere. Die Geschichte der britischen Tierrechtsbewegung, Marburg 2009, S. 111–113, 227–230. 14 Miriam Zerbel, Tierschutz und Antivivisektion, in: Diethart Kerbs, Jürgen Reulecke (Hg.), Handbuch der deutschen Reformbewegungen 1880– 1933, Wuppertal 1998, S. 35–46; S. 41. Zitat nach Volker Ullrich, Die nervöse Großmacht. Aufstieg und Untergang des deutschen Kaiserreichs 1871–1918, Frankfurt 1997, S. 388. 15 Schmoll, Erinnerung, S. 198–201. 16 Charles S. Maier, Consigning the Twentieth Century to History. Alternative Narratives for the Modern Era, in: American Historical Review 105 (2000), S. 807–831. 17 Alfred Runte, National Parks. The American Experience, 2.  Aufl. Lincoln 1987, S. 47. 18 Alfred Runte, Yosemite. The Embattled Wilderness, Lincoln 1990, S. 99. 19 Karl Ditt, Vom Natur- zum Umweltschutz? England 1949 bis 1990, in: Franz-Josef Brüggemeier, Jens Ivo Engels (Hg.), Natur- und Umweltschutz nach 1945. Konzepte, Konflikte, Kompetenzen, Frankfurt 2005, S. 38–61; S. 39 f. 20 Schmoll, Erinnerung, S. 161–167. Anmerkungen 239

21 Bundesarchiv B 245/214 Bl. 50. 22 G. A. Brouwer, The Organisation of Nature Protection in the Various Countries (Special Publication of the American Committee for International Wild Life Protection Nr. 9), Cambridge 1938, S. 31. 23 Ulrich Linse, »Der Raub des Rheingoldes«. Das Wasserkraftwerk Laufen­ burg, in: ders. u. a. (Hg.), Von der Bittschrift zur Platzbesetzung. Konflikte um technische Großprojekte. Laufenburg, Walchensee, Whyl, Wackersdorf, Berlin 1988, S. 11–62. 24 Als Überblick zur Naturschutzorganisation außerhalb Preußens vgl. Schmoll, Erinnerung, S. 161–171. 25 Uekötter, 100 Jahre Landesbund für Vogelschutz in Bayern, S. 13. 26 Dominick, Environmental Movement, S. 44 f. 27 Walther Schoenichen, »Wir wollen einen Naturschutzpark gründen und…«, in: Naturschutz 15 (1934), S. 137–139; S. 137. 28 Bayerisches Hauptstaatsarchiv München MK 11729, Gebsattel an Staatsministerium des Innern, September 1910, S. 4. 29 Hans Freiherr von Berlepsch, Der gesamte Vogelschutz, seine Begründung und Ausführung, Halle 1904, S. 109. 30 Leo von Boxberger, Naturschutzbürokratie, in: Naturschutz 7 (1926), S. 187–190; S. 187; ders., Wege zum Naturschutz, in: Naturschutz 3 (1922), S. 5–8; S. 6. 31 Uekötter, 100 Jahre Landesbund für Vogelschutz in Bayern, S.20. 32 Stadtarchiv Bamberg C 2/20850, Gebsattel an Magistrat der Stadt Bamberg, 29. Dezember 1910. 33 Bess, Light-Green Society, S. 68. 34 Linda Flint McClelland, Building the National Parks. Historic Landscape Design and Construction, Baltimore 1998, S. 110–112. 35 Susanne Falk, Der Sauerländische Gebirgsverein. »Vielleicht sind wir die Modernen von übermorgen«, Bonn 1990, S. 113. 36 Hans-Werner Frohn, Naturschutz macht Staat – Staat macht Naturschutz. Von der Staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege in Preußen bis zum Bundesamt für Naturschutz 1906 bis 2006 – eine Institutionengeschichte, in: ders., Friedemann Schmoll (Hg.), Natur und Staat. Staatlicher Naturschutz in Deutschland 1906–2006, Bonn-Bad Godesberg 2006, S. 85–313; S. 112. 37 Generallandesarchiv Karlsruhe Abt. 235 Nr. 48254, Eingabe an die deutschen Regierungen, undatiert (ca. 1913). 38 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstags, XI. Legislaturperiode, 1. Session, Bd. 1, Berlin 1904, S. 774. 39 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Preußischen Hauses der Abgeordneten, XXI. Legislaturperiode, 4. Session 1911, Bd. 2, Berlin 1911, Sp. 2679. Zu Kloeden Bernhard Mann (Bearb.), Biographisches Handbuch für das Preußische Abgeordnetenhaus 1867–1918, Düsseldorf 1988, S. 218. 40 Peter Thorsheim, Inventing Pollution. Coal, Smoke, and Culture in Britain since 1800, Athens, Ohio 2006, S. 89, 103 f.

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41 Stadtarchiv Frankfurt am Main R 1528 Bd. 1, Martin Göpfert an den Magistrat der Stadt Frankfurt, 19. November 1928. 42 Sitzungsberichte des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleißes 1899, Berlin 1899, S. 134. 43 Ausführlich zu diesem Thema Uekötter, Rauchplage, Kap. 5. 44 Vgl. Frank Uekötter, Luftverschmutzung im Stuttgart der Jahrhundertwende: Von der Verwaltung eines Problems, in: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte 60 (2001), S. 241–269. 45 Franz-Josef Brüggemeier, Thomas Rommelspacher, Geschichte der Umwelt im Ruhrgebiet im 19. und 20. Jahrhundert, in: Wolfgang Köllmann u. a. (Hg.), Das Ruhrgebiet im Industriezeitalter. Geschichte und Entwicklung, Bd. 2, Düsseldorf 1990, S. 509–559; S. 538. 46 Stadtarchiv Duisburg 313/17, Walter Hoever an Oberbürgermeister Lehr, 14. November 1913. 47 Bundesarchiv R 154/92, Fachausschuss für Staubtechnik, Bericht über die Vollsitzung am 19. März 1930. 48 Zu diesen Themen Jürgen Büschenfeld, Flüsse und Kloaken. Umwelt­ fragen im Zeitalter der Industrialisierung (1870–1918), Stuttgart 1997; Evans, Tod in Hamburg; Wolfgang R. Krabbe, Die deutsche Stadt im 19. und 20. Jahrhundert. Eine Einführung, Göttingen 1989. 49 Rodgers, Atlantic Crossings, S. 123. 50 Agnes Kneitz, »As If the River Was Not Meat and Drink to You!« Social Novels as  a Means of Framing Nineteenth-Century Environmental Justice, in: Interdisciplinary Studies in Literature and Environment 22 (2015), S. 1–16; S. 9. 51 Friedrich Lenger, Metropolen der Moderne. Eine europäische Stadt­ geschichte seit 1850, München 2013, S. 149–202. 52 Zu Stöckhardt und der durch ihn begründeten Forschungstradition vgl. Arne Andersen, Historische Technikfolgenabschätzung am Beispiel des Metallhüttenwesens und der Chemieindustrie 1850–1933, Stuttgart 1996, und Martin Bemmann, Beschädigte Vegetation und sterbender Wald. Zur Entstehung eines Umweltproblems in Deutschland 1893–1970, Göttingen 2012. 53 Beiträge zur Naturdenkmalpflege 1 (1910), S. 171. 54 Frank Uekötter, City Meets Country. Recycling Ideas and Realities on German Sewage Farms, in: Journal for the History of Environment and Society (im Erscheinen). 55 John Alexander Williams, Turning to Nature in Germany. Hiking, Nudism, and Conservation, 1900–1940, Stanford 2007; Judith Baumgartner, Ernährungsreform  – Antwort auf Industrialisierung und Ernährungswandel. Ernährungsreform als Teil der Lebensreformbewegung am Beispiel der Siedlung und des Unternehmens Eden seit 1893, Frankfurt 1992, S. 125–204; Ulrich Linse (Hg.), Zurück, o Mensch, zur Mutter Erde. Landkommunen in Deutschland 1890–1933, München 1983, S. 37–61; Florentine Fritzen, Gesünder leben. Die Lebensreformbewegung im 20.  Jahrhundert, Stuttgart 2006. Anmerkungen 241

56 Ludwig Klages, Mensch und Erde, in: ders., Sämtliche Werke Bd. 3, Bonn 1974, S. 614–630; S. 622, 623. 57 Ebd., S. 628. 58 Umfassend zum Thema Diethart Kerbs, Jürgen Reulecke (Hg.), Handbuch der deutschen Reformbewegungen 1880–1933, Wuppertal 1998, und Kai Buchholz u. a. (Hg.), Die Lebensreform. Entwürfe zur Neugestaltung von Leben und Kunst um 1900, 2 Bände Darmstadt 2001.

3. Krisenjahre. Vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis zum Ende der Nationalsozialistischen Herrschaft 1 Eric J. Hobsbawm, Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, München 1998; Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Vierter Band: Vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914–1949, München 2003. 2 Rubner, Das durch Artilleriegeschosse verursachte Fichtensterben, in: Mitteilungen der Bayerischen Botanischen Gesellschaft zur Erforschung der heimischen Flora 3:13 (1916), S. 273–276. 3 Bayerisches Hauptstaatsarchiv München MWi 654, Bundesrat, Tagung 1918, Drucksache Nr. 121. 4 Stadtarchiv Erfurt 1–2/506–382 Bl. 42. 5 Institut für Umweltgeschichte und Regionalentwicklung (Hg.), Lexikon der Naturschutzbeauftragten Bd.  3: Naturschutzgeschichte und Naturschutzbeauftragte in Berlin und Brandenburg, Friedland 2010, S. 28. 6 Frohn, Naturschutz, S. 119 f. 7 Norman Fuchsloch, Sehen, riechen, schmecken und messen als Bestandteile der gutachterlichen und wissenschaftlichen Tätigkeit der Preußischen Landesanstalt für Wasser-, Boden- und Lufthygiene im Bereich der Luftreinhaltung zwischen 1920 und 1960, Freiberg 1999, S. 13. 8 Sitzungsberichte der verfassunggebenden Preußischen Landesversammlung, Tagung 1919/21, Bd. 9, Berlin 1921, Sp. 11782. 9 Dirk Lukaßen, Grüne Koalitionen. Naturkonzepte und Naturschutz­ praxis in der Weimarer Republik, Siegburg 2010, S. 51. 10 Richard Hölzl, Naturschutz in Bayern von 1905–1945. Der Landesausschuß für Naturpflege und der Bund Naturschutz zwischen privater und staatlicher Initiative (Regensburger Digitale Texte zur Geschichte von Kultur und Umwelt Nr.  1 [2005], abrufbar unter http://epub.uni-regens burg.de/10320), S. 83. Siehe auch ders., Naturschutz in Bayern zwischen Staat und Zivilgesellschaft. Vom liberalen Aufbruch bis zur Eingliederung in das NS-Regime, 1913 bis 1945, in: Bund Naturschutz Forschung 11 (2013), S. 21–60. 11 Staatsarchiv Nürnberg Rep. 212/19VII Nr. 2542, Bund Naturschutz in Bayern an die Gruppenführer und Vertrauensmänner, 10. Januar 1939. 12 Thomas M. Lekan, Imagining the Nation in Nature. Landscape Preserva­ tion and German Identity, 1885–1945, Cambridge, Mass. 2003, S. 111.

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13 Westfälisches Archivamt Münster Bestand 717 Akte »Provinzialbeauftragter«, Liste der Naturschutzgebiete der Provinz Westfalen, aufgestellt vom Kommissar für Naturdenkmalpflege der Provinz Westfalen nach dem Stande vom 1. Oktober 1933. 14 Franz-Josef Brüggemeier, Thomas Rommelspacher, Blauer Himmel über der Ruhr. Geschichte der Umwelt im Ruhrgebiet 1840–1990, Essen 1992, S. 51. 15 Pfälzisches Museum – pfälzische Heimatkunde 49 (1932), S. 84. 16 Badisches Generallandesarchiv Karlsruhe Abt. 235 Nr. 48254, Der Reichsminister des Innern an die Landesregierungen, 2. Juli 1932. 17 Uekötter, 100 Jahre Landesbund für Vogelschutz in Bayern, S. 42. 18 Staatsarchiv München LRA 62538, Artikel aus dem Garmisch-Parten­ kirchener Tagblatt Nr. 267 vom 18. November 1932. 19 Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin Rep. 120 BB II a 2 Nr. 28 Adh. 1 Bd. 4 Bl. 194. 20 Bundesarchiv R 154/92, Zwanglose Mitteilungen des Fachausschusses für Staubtechnik im Verein deutscher Ingenieure Nr. 1 (Juni 1928), S. 1. 21 Ebd., Fachausschuß für Staubtechnik, Bericht über die Vollsitzung am 5. November 1931. 22 Stadtarchiv Herne VII/247 a und b Bl. 68–69. 23 Uekötter, Rauchplage, S. 224–232. 24 Rudolf Steiner, Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft. Landwirtschaftlicher Kurs, 7.  Aufl. Dornach 1984, S. 91, 21. 25 Frank Uekötter, Die Wahrheit ist auf dem Feld. Eine Wissensgeschichte der deutschen Landwirtschaft, Göttingen 2010, S. 232–246; Zitate S. 233. 26 Vgl. Gunter Vogt, Entstehung und Entwicklung des ökologischen Landbaus, Bad Dürkheim 2000; Uwe Werner, Anthroposophen in der Zeit des Nationalsozialismus (1933–1945), München 1999; Helmut Zander, Anthroposophie in Deutschland. Theosophische Weltanschauung und gesellschaftliche Praxis 1884–1945, 2 Bände Göttingen 2007; Gesine Gerhard, Richard Walther Darré – Naturschützer oder »Rassenzüchter«?, in: Joachim Radkau, Frank Uekötter (Hg.), Naturschutz und Nationalsozialismus, Frankfurt 2003, S. 257–271; Peter Staudenmaier, Organic Farming in Nazi Germany. The Politics of Biodynamic Agriculture, 1933–1945, in: Environmental History 18 (2013), S. 383–411. 27 Ausführlich zu diesen Themen Franz-Josef Brüggemeier, Mark Cioc, Thomas Zeller (Hg.), How Green Were the Nazis? Nature, Environment, and Nation in the Third Reich, Athens, Ohio 2005; Lekan, Imagining the Nation; Willi Oberkrome, »Deutsche Heimat.« Nationale Konzeption und regionale Praxis von Naturschutz, Landschaftsgestaltung und Kultur­ politik in Westfalen-Lippe und Thüringen (1900–1960), Paderborn 2004; Thomas Zeller, Straße, Bahn, Panorama. Verkehrswege und Landschaftsveränderung in Deutschland von 1930 bis 1990, Frankfurt 2002; Frank Uekoetter, The Green and the Brown. A History of Conservation in Nazi Germany, New York 2006; Joachim Radkau, Frank Uekötter (Hg.), NaturAnmerkungen 243

schutz und Nationalsozialismus, Frankfurt 2003; Stefan Dirscherl, Tierund Naturschutz im Nationalsozialismus. Gesetzgebung, Ideologie und Praxis, Göttingen 2012. 28 Anna Bramwell, Blood and Soil. Walther Darré and Hitler’s Green Party, Abbotsbrook 1985, und dies., Ecology in the 20th Century. A History, New Haven 1989, S. 198. 29 Die naturschutzinterne Debatte, die hier nicht im Detail nachgezeichnet werden kann, präsentiert sich immer mehr als schier endlose Anein­ anderreihung von Entgleisungen und Peinlichkeiten. Jüngstes Beispiel ist ein vom rheinland-pfälzischen Umweltministerium gefördertes Projekt, das beflissen personelle und institutionelle Kontinuitäten aufzeigt, ohne die wissenschaftliche Literatur zu rezipieren, in der diese Kontinuitäten längst ausführlich dokumentiert und diskutiert worden sind. (Nils M. Franke, Uwe Pfennig [Hg.], Kontinuitäten im Naturschutz, Baden-­ Baden 2014.) 30 Badisches Generallandesarchiv Karlsruhe Abt. 235 Nr. 6550, Der Landrat als Vorsitzender der Bezirksnaturschutzstelle Freiburg-Land an den Minister des Kultus und Unterrichts, 3. Juli 1936. 31 Ebd., Der Landrat als Vorsitzender der Bezirksnaturschutzstelle FreiburgLand an den Minister des Kultus und Unterrichts, 7. Oktober 1936, S. 2. 32 Uekötter, 100 Jahre Landesbund für Vogelschutz in Bayern, S. 49 f. 33 Walther Schoenichen, Appell der deutschen Landschaft an den Arbeitsdienst, in: Naturschutz 14 (1933), S. 145–149. 34 Susanne Falk, »Eine Notwendigkeit, uns innerlich umzustellen, liege nicht vor«. Kontinuität und Diskontinuität in der Auseinandersetzung des Sauerländischen Gebirgsvereins mit Heimat und Moderne 1918– 1960, in: Matthias Frese, Michael Prinz (Hg.), Politische Zäsuren und Gesellschaftlicher Wandel im 20. Jahrhundert. Regionale und vergleichende Perspektiven, Paderborn 1996, S. 401–417. 35 Uekoetter, The Green and the Brown, S. 59 f. 36 Landesarchiv Schleswig-Holstein Abt. 734.4 Nr.  3348, Der Kulturbau­ beamte Neumünster an den Landrat in Pinneberg, 8. Dezember 1933. 37 Vgl. Martin Broszat, Resistenz und Widerstand. Eine Zwischenbilanz des Forschungsprojekts, in: Martin Broszat, Elke Fröhlich, Anton Grossmann (Hg.), Bayern in der NS-Zeit Bd. 4, München 1981, S. 691–709; S. 697–699. 38 Charles Closmann, Legalizing  a Volksgemeinschaft. Nazi Germany’s Reich Nature Protection Law of 1935, in: Brüggemeier u. a., How Green, S. 18–42; S. 18. 39 Staatsarchiv Würzburg Landratsamt Bad Kissingen Nr.  1237, Bund Natur­schutz in Bayern an die Gruppenführer und Vertrauensmänner, 28. August 1935. 40 Staatsarchiv Darmstadt G 38 Eudorf Nr. 47, Beauftragter für Naturschutz, Gau Hessen-Nassau an die Ortsringleiter, 4. Juni 1938. 41 Hans Klose, Der Weg des deutschen Naturschutzes, in: ders., Herbert Ecke (Hg.), Verhandlungen deutscher Landes- und Bezirksbeauftragter für Naturschutz und Landschaftspflege. Zweite Arbeitstagung

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24.–26. Oktober 1948 Bad Schwalbach und Schlangenbad, Egestorf 1949, S. ­30–46; S. 40. 42 Karl Asal, Bewährung und Weiterbildung des Reichsnaturschutzrechts, in: Hans Klose, Herbert Ecke (Hg.), Verhandlungen deutscher Landesund Bezirksbeauftragter für Naturschutz und Landschaftspflege. Dritte Arbeitstagung 11.  bis 13.  September 1949 Boppard am Rhein, Egestorf 1950, S. 10–20; S. 10. 43 Hauptstaatsarchiv Düsseldorf BR 1011 Nr. 43 Bl. 185. 44 Eine ausführliche Darstellung dieser Arbeit findet sich bereits bei Walter Mrass, Die Organisation des staatlichen Naturschutzes und der Landschaftspflege im Deutschen Reich und in der Bundesrepublik Deutschland seit 1935, gemessen an der Aufgabenstellung in einer modernen Industriegesellschaft, Stuttgart 1970, S.  22–29. Noch Willi Oberkromes Habilitationsschrift hebt mit dem Hinweis an, dies sei ein »Meilenstein der deutschen Naturschutzgeschichte«. (Oberkrome, Deutsche Heimat, S. 1.) 45 Hölzl, Naturschutz in Bayern (2013), S. 53 f. 46 Bundesarchiv, Berlin Document Center RSK II Nr. I 107 Bild 1586. 47 Bundesarchiv B 245/3 Bl. 54R. 48 Generallandesarchiv Karlsruhe Abt. 235 Nr. 48275, Der höhere SS- und Polizeiführer bei den Reichsstatthaltern in Württemberg und Baden im Landkreis V und beim Chef der Zivilverwaltung im Elsaß an Ludwig Finckh, 25. August 1943. 49 Westfälisches Archivamt Münster Bestand 717 Akte »Reichsstelle (Bundesstelle)  für Naturschutz (und Landschaftspflege)«, Der Direktor der Reichsstelle für Naturschutz, Denkblätter der Reichsstelle für Naturschutz über die künftige Wahrnehmung von Naturschutz und Landschaftspflege, 26. Juni 1945, S. 4. 50 Ebd., Der Direktor der Reichsstelle für Naturschutz an die Beauftragten bei den besonderen und höheren Stellen für Naturschutz, Juli 1945, S. 4. Hervorhebung im Original. 51 Alon Confino, »This lovely country you will never forget«. Kriegserinnerungen und Heimatkonzepte in der westdeutschen Nachkriegszeit, in: Habbo Knoch (Hg.), Das Erbe der Provinz. Heimatkultur und Geschichtspolitik nach 1945, Göttingen 2001, S. 235–251.

4. Heimat, Schmutz und Reformpolitik. Ambivalenzen im Wirtschaftswunderland 1 Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Fünfter Band: Bundesrepublik und DDR 1949–1990, München 2008, S. 48. 2 Christian Pfister (Hg.), Das 1950er Syndrom. Der Weg in die Konsum­ gesellschaft, Bern 1995; Arne Andersen, Der Traum vom guten Leben. Alltags- und Konsumgeschichte vom Wirtschaftswunder bis heute, Frankfurt 1997. Anmerkungen 245

3 John R. McNeill, Peter Engelke, Mensch und Umwelt im Zeitalter des Anthropozäns, in: Akira Iriye, Jürgen Osterhammel (Hg.), Geschichte der Welt. 1945 bis heute. Die globalisierte Welt, München 2013, S. 357–534. 4 Ute Hasenöhrl, Zivilgesellschaft und Protest. Eine Geschichte der Natur­ schutz- und Umweltbewegung in Bayern 1945–1980, Göttingen 2010, S. 496. 5 Ebd., S. 148. 6 Vgl. als Überblick zum Wutachkonflikt Sandra Chaney, Nature of the Miracle Years. Conservation in West Germany, 1945–1975, New York 2008, S. 85–113. 7 Hauptstaatsarchiv Stuttgart EA 3/102 Nr. 29, Regierungspräsidium Südbaden, Landeskulturamt an das Kultusministerium Baden-Württemberg, 13. Januar 1954. 8 Ebd., Schluchseewerk AG., Wozu Unterschriften zur Rettung der Wutach­ schlucht? Im April 1954. Hervorhebung im Original. 9 Ebd., Muß die Wutach abgeleitet werden? Wirtschaftliche Betrachtungen zum Plan der Wutachableitung durch die Schluchseewerk AG. Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft »Heimatschutz Schwarzwald« Heft 2, Freiburg, Im März 1955, S. 14. 10 Bernd-A. Rusinek, Wyhl, in: Etienne François, Hagen Schulze (Hg.), Deutsche Erinnerungsorte II, München 2001, S. 652–666; S. 661; Michael Schüring, West German Protestants and the Campaign against Nuclear Technology, in: Central European History 45 (2012), S. 744–762; S. 760. 11 Hauptstaatsarchiv Stuttgart EA 3/102 Nr.  29, Arbeitsgemeinschaft Heimatschutz Schwarzwald an Kultusminister Simpfendörfer, 8. Februar 1958. 12 Friedbert Zapf, »Hände weg von der Wutachschlucht!«  – Naturschützer boten Energiewirtschaft die Stirn, in: Der Schwarzwald Nr. 1 (2009), S. 4–8; S. 8. 13 Jens Ivo Engels, Naturpolitik in der Bundesrepublik. Ideenwelt und politische Verhaltensstile in Naturschutz und Umweltbewegung 1950–1980, Paderborn 2006, S. 164. 14 Anna-Katharina Wöbse, Die Bomber und die Brandgans. Zur Geschichte des Kampfes um den »Knechtsand« – eine historische Kernzone des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer, in: Günter Altner u. a. (Hg.), Jahrbuch Ökologie 2008, München 2007, S. 188–199. 15 Vgl. Hasenöhrl, Zivilgesellschaft und Protest, S. 124–187. 16 Landesarchiv Saarbrücken AA 320, Schreiben des von der Bevölkerung gewählten und bevollmächtigten Ausschusses zur Bekämpfung der Staub- und Lärmplage vom 21. Februar 1957, S. 5. 17 Dazu ausführlich Armin Simon, Der Streit um das Schwarzwald-Uran. Die Auseinandersetzung um den Uranbergbau in Menzenschwand im Südschwarzwald 1960–1991, Bremgarten 2003. 18 Ulrich Linse, Der Wandervogel, in: Etienne François, Hagen Schulze (Hg.), Deutsche Erinnerungsorte III, München 2003, S. 531–548; S. 548. 19 Stefan Nies, »Es gilt, diesen letzten Wald zu retten«. Kleinzechen im Weitmarer Holz und städtische Umweltpolitik in den 1950er Jahren, in: Bochumer Zeitpunkte 13 (2003), S. 3–21.

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20 Wolfgang Kraushaar, Die Protest-Chronik 1949–1959. Eine illustrierte Geschichte von Bewegung, Widerstand und Utopie. Bd.  2: 1953–1956, Hamburg 1996, S. 957, 1101. 21 Engels, Naturpolitik, S. 165. 22 http://www.menzenschwand-waldeck.de/urlaub/revital/index.php (zuletzt aufgerufen am 16. April 2015). 23 Frank Uekötter, Naturschutz im Aufbruch. Eine Geschichte des Naturschutzes in Nordrhein-Westfalen 1945–1980, Frankfurt 2004, S. 74 f. 24 Engels, Naturpolitik, S. 201. 25 Hasenöhrl, Zivilgesellschaft und Protest, S. 109 f. 26 Leh, Heimatschutz, S. 253. 27 Günther Schwab, Der Tanz mit dem Teufel. Ein abenteuerliches Interview, Hannover 1958. 28 Hermand, Grüne Utopien, S. 118–128. 29 Wilhelm Lienenkämper, Grüne Welt zu treuen Händen. Naturschutz und Landschaftspflege im Industriezeitalter, Stuttgart 1963, S. 181. 30 Hauptstaatsarchiv Düsseldorf NW 260 Nr. 75 Bl. 201. 31 Hauptstaatsarchiv Stuttgart EA 3/102 Nr. 29, Arbeitsgemeinschaft Heimat­ schutz Schwarzwald an Kultusminister Simpfendörfer, 8. Februar 1958, S. 3. 32 Engels, Naturpolitik, S. 97. 33 Karsten Runge, Entwicklungstendenzen der Landschaftsplanung. Vom frühen Naturschutz bis zur ökologisch nachhaltigen Flächennutzung, Berlin 1998, S. 87–89. 34 Manfred Görtemaker, Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Von der Gründung bis zur Gegenwart, München 1999, S. 83. 35 Bundesarchiv B 136/5364, Vorlage für den Bundeskanzler vom 27. Oktober 1958. 36 Ebd., Adenauer an Seebohm, 27. Juli 1962. 37 Zitiert nach Dietmar Klenke, Bundesdeutsche Verkehrspolitik und Motorisierung. Konfliktträchtige Weichenstellungen in den Jahren des Wiederaufstiegs, Stuttgart 1993, S. 164. 38 Engels, Naturpolitik, S. 97–110. 39 Zur Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft vgl. Jürgen Rosebrock, Wegbereiter der bundesdeutschen Umweltpolitik. Eine kleine Geschichte der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft, München 2014. 40 Uekötter, Rauchplage, S. 460–463. 41 Hauptstaatsarchiv Düsseldorf NW 50 Nr. 1215 Bl. 13R, 31, 14. 42 Rosebrock, Wegbereiter, S. 66 f. 43 Kai F. Hünemörder, Die Frühgeschichte der globalen Umweltkrise und die Formierung der deutschen Umweltpolitik (1950–1973), Stuttgart 2004, S. 80. In den USA wurden die Detergenzien ein paar Jahre später zum Politikum; dazu Terence Kehoe, Cleaning Up the Great Lakes. From Cooperation to Confrontation, DeKalb 1997. 44 Das Rheinische Braunkohlengebiet  – eine Landschaft in Not! Denkschrift des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Heimatschutz, Neuß 1953. Anmerkungen 247

45 Adolf Flecken, Zum Geleit, in: ebd., S. 4–5; S. 4. 46 Uekötter, Naturschutz im Aufbruch, S. 57–80. 47 Raymond G. Stokes, Roman Köster, Stephen C. Sambrook, The Business of Waste. Great Britain and Germany, 1945 to the Present, New York 2013, S. 209f, 266. 48 Bundesarchiv R 154/86, Sitzung des Staubausschusses der Braunkohlekraftwerke im Kölner Bezirk vom 3. August 1954, S. 6. 49 Uekötter, Rauchplage, S. 413 f. 50 Alfred Müller-Armack, Studien zur Sozialen Marktwirtschaft, Köln 1960, S. 35 f. 51 Bundesarchiv B 136/5364, STBK an Bundesminister für Verkehr, 27. Juli 1960. 52 Vorwärts Nr. 18 (3. Mai 1961), S. 20 Sp. 2. 53 Landeshauptarchiv Koblenz Bestand 930 Nr. 10319, Protokoll der 8. Sitzung des Wirtschafts- und Verkehrsausschusses, 11.  November 1965, S. 42. 54 Fritzen, Gesünder leben, S. 117 f. 55 Weiterhin ist die historische Forschung von einer auffallenden wechselseitigen Ignoranz der Umweltbewegungsliteratur und der Literatur zu den sechziger Jahren geprägt. Dazu Adam Rome, »Give Earth a Chance«. The Environmental Movement and the Sixties, in: Journal of American History 90 (2003), S. 525–554; S. 525. 56 Runge, Entwicklungstendenzen, S. 88 f. 57 Wolfgang Kraushaar, Achtundsechzig. Eine Bilanz, Berlin 2008; Ingrid Gilcher-Holtey, Die 68er Bewegung. Deutschland – Westeuropa – USA, München 2001; Gerd Koenen, Das rote Jahrzehnt. Unsere kleine deutsche Kulturrevolution 1967–1977, Frankfurt 2002; Martin Klimke, Joachim Scharloth (Hg.), 1968. Handbuch zur Kultur- und Mediengeschichte der Studentenbewegung, Stuttgart 2007. 58 Bess, Light-Green Society, S. 79. 59 Ernst Schröder, Dem Naturschutz fehlt die rebellierende Jugend, in: Deutscher Heimatbund (Hg.), Der Mensch im Lebensraum der Zukunft. Tag der deutschen Heimatpflege vom 25. bis 28. September 1970 in Freiburg im Breisgau, Neuss 1970, S. 35–36; S. 36. 60 Ute Hasenöhrl, Zwischen Honoratiorenverein und moderner Umweltlobby. Der Bund Naturschutz in Bayern 1945–1980, in: Bund Naturschutz Forschung 11 (2013), S. 59–96; S. 72f, 77. 61 Blätter für Naturschutz 49 (1969), S. 40. Hervorhebung im Original. 62 Sven Reichardt, Authentizität und Gemeinschaft. Linksalternatives Leben in den siebziger und frühen achtziger Jahren, Frankfurt 2014. 63 Sebastian Haumann, »Schade, daß Beton nicht brennt…«. Planung, Partizipation und Protest in Philadelphia und Köln 1940–1990, Stuttgart 2011.

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5. Die Erste Globalisierung der Umweltdebatte. Gemeinsame Probleme 1945–1973 1 Anna-Katharina Wöbse, Weltnaturschutz. Umweltdiplomatie in Völkerbund und Vereinten Nationen 1920–1950, Frankfurt 2011. 2 Landesarchiv Schleswig-Holstein Abt. 301 Nr. 4066, Staatliche Stelle für Naturdenkmalpflege in Preussen an den Oberpräsidenten in Kiel, 24. Februar 1921. 3 Clapp, Environmental History, S. 43–55. 4 Zitiert nach Hünemörder, Frühgeschichte, S. 165. 5 Wilhelm Liesegang, Die Reinhaltung der Luft (Ergebnisse der angewandten physikalischen Chemie Bd. 3, S. 1–109), Leipzig 1935, S. 9. 6 Jens Ivo Engels, Von der Sorge um die Tiere zur Sorge um die Umwelt. Tiersendungen als Umweltpolitik in Westdeutschland zwischen 1950 und 1980, in: Archiv für Sozialgeschichte 43 (2003), S. 297–323. 7 Allan M. Winkler, Life Under  a Cloud. American Anxiety About the Atom, Urbana 1999, S. 93–98. 8 Robert Lorenz, Protest der Physiker. Die »Göttinger Erklärung« von 1957, Bielefeld 2011. 9 Görtemaker, Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S.  346. Für Adenauers Versuch, gemeinsam mit Frankreich ein Atomwaffenprojekt auf die Beine zu stellen, siehe Hans-Peter Schwarz, Adenauer. Band 2: Der Staatsmann. 1952–1967, München 1994, S. 394–401. Unbefriedigend hingegen Tilmann Hanel, Die Bombe als Option. Motive für den Aufbau einer atomtechnischen Infrastruktur in der Bundesrepublik bis 1963,­ Essen 2015. 10 Holger Nehring, Cold War, Apocalypse and Peaceful Atoms. Interpreta­ tions of Nuclear Energy in the British and West German Anti-Nuclear Weapons Movements, 1955–1964, in: Historical Social Research 29:3 (2004), S.  150–170; Axel Schildt, »Atomzeitalter«  – Gründe und Hintergründe der Proteste gegen die atomare Bewaffnung der Bundeswehr Ende der fünfziger Jahre, in: »Kampf dem Atomtod!« Die Protestbewegung 1957/58 in zeithistorischer und gegenwärtiger Perspektive, München 2009, S. 39–56. 11 Zu Packard vgl. Nepomuk Gasteiger, Der Konsument. Verbraucherbilder in Werbung, Konsumkritik und Verbraucherschutz 1948–1989, Frankfurt 2010, S. 105–108, und Daniel Horowitz, The Anxieties of Affluence. Critiques of American Consumer Culture, 1939–1979, Amherst 2005, S. 108–120. 12 Der Spiegel Nr. 46 (1962), S. 121 f. 13 Godfrey Hodgson, Vergiften wir unsere Umwelt? Die Schäden der Schädlingsbekämpfung, in: Die Zeit Nr. 36 (1962). 14 Der Spiegel Nr. 46 (1962), S. 118. 15 Georg Wolff, Straßenhygiene und Automobilverkehr, in: GesundheitsIngenieur 48 (1925), S. 528–531; S. 528. 16 Grundlegend zu diesem Risikoprofil Ulrich Beck, Risikogesellschaft. Auf Anmerkungen 249

dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt 1986, und ders., Gegengifte. Die organisierte Unverantwortlichkeit, Frankfurt 1988. 17 Der Spiegel Nr. 19 (1964), S. 121. 18 David Kinkela, DDT and the American Century. Global Health, Environmental Politics, and the Pesticide that Changed the World, Chapel Hill 2011; Linda Lear, Rachel Carson. Witness for Nature, Boston 2009; Rachel Carson, Der stumme Frühling, München 2007. 19 Patrick Kupper, »Weltuntergangs-Vision aus dem Computer«. Zur Geschichte der Studie »Grenzen des Wachstums« von 1972, in: Frank Uekötter, Jens Hohensee (Hg.), Wird Kassandra heiser? Die Geschichte falscher Ökoalarme, Stuttgart 2004, S. 98–111. 20 Helga Nowotny, Vergangene Zukunft. Ein Blick zurück auf die »Grenzen des Wachstums«, in: Michael Globig (Hg.), Impulse geben – Wissen stiften. 40 Jahre VolkswagenStiftung, Göttingen 2002, S. 655–694. 21 Die offizielle Geschichte des WWF ist Alexis Schwarzenbach, Saving the World’s Wildlife. WWF  – The First 50 Years, London 2011. Der skandalträchtige Gegenentwurf ist Wilfried Huismann, Schwarzbuch WWF. Dunkle Geschäfte im Zeichen des Panda, Gütersloh 2012. 22 Stephen Fox, The American Conservation Movement. John Muir and his Legacy, Madison, Wisconsin 1981, S. 279–281, 316–322. 23 Frank Zelko, Greenpeace. Von der Hippiebewegung zum Ökokonzern, Göttingen 2014. 24 Dazu etwa Kathryn Morse, There Will Be Birds. Images of Oil Disasters in the Nineteenth and Twentieth Centuries, in: Journal of American History 99 (2012), S. 124–134. 25 Adam W. Rome, The Genius of Earth Day. How  a 1970 Teach-In Un­ expectedly Made the First Green Generation, New York 2013. 26 Vgl. Susanne Schregel, Der Atomkrieg vor der Wohnungstür. Eine Politikgeschichte der neuen Friedensbewegung in der Bundesrepublik 1970– 1985, Frankfurt 2011, S. 42–77. 27 Thorsten Schulz, Das »Europäische Naturschutzjahr 1970«. Beginn oder Wendepunkt des Umweltdiskurses?, in: Jahrbuch Ökologie 2008, München 2007, S. 200–210. 28 Dazu ausführlich Thorsten Schulz-Walden, Anfänge globaler Umwelt­ politik. Umweltsicherheit in der internationalen Politik (1969–1975), München 2013. 29 Indira Gandhi, Man and his Environment, New Delhi 1992, S. 10. 30 Thomas Robertson, The Malthusian Moment. Global Population Growth and the Birth of American Environmentalism, New Brunswick 2012; Matthew Connelly, Fatal Misconception. The Struggle to Control World Population, Cambridge, Mass. 2008, S.  89f; Thomas Etzemüller, Ein ewigwährender Untergang. Der apokalyptische Bevölkerungsdiskurs im 20. Jahrhundert, Bielefeld 2007, S. 131, 135. 31 Schulz-Walden, Anfänge globaler Umweltpolitik, S. 178–182. 32 Stephen Brain, The Great Stalin Plan for the Transformation of Nature, in: Environmental History 15 (2010), S. 670–700; ders., The Environmen-

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tal History of the Soviet Union, in: John R. McNeill, Erin Stewart Mauldin (Hg.), A Companion to Global Environmental History, Malden, Mass. 2012, S. 222–243. 33 Klaus Gestwa, Die Stalinschen Großbauten des Kommunismus. Sowjetische Technik- und Umweltgeschichte, 1948–1967, München 2010, S. 23. Vgl. auch Julia Obertreis, Der »Angriff auf die Wüste« in Zentralasien. Zur Umweltgeschichte der Sowjetunion, in: Osteuropa 58:4–5 (2008), S. 37–56. 34 Oberkrome, Deutsche Heimat, S. 341, 522. 35 Tobias Huff, Natur und Industrie im Sozialismus. Eine Umweltgeschichte der DDR, Göttingen 2015, S. 134–141. 36 Alla Bolotova, Colonization of Nature in the Soviet Union. State Ideology, Public Discourse, and the Experience of Geoogists, in: Historical Social Research 29:3 (2004), S. 104–123. 37 Douglas R. Weiner, A Little Corner of Freedom. Russian Nature Protection from Stalin to Gorbachëv, Berkeley 1999, S. 129. 38 Roger Cans, Petite Histoire du Mouvement Écolo en France, Paris 2006, S. 125. 39 Schulz-Walden, Anfänge globaler Umweltpolitik, S. 242, 249–257. Zu den Ursprüngen auch Jan-Henrik Meyer, Green Activism. The European Parliament’s Environmental Committee promoting  a European Environmental Policy in the 1970s, in: Journal of European Integration History 17 (2011), S. 73–85, und Jan-Henrik Meyer, L’européanisation de la politique environnementale dans les années 1970, in: Vingtième Siècle. Revue D’Histoire 113 (2012), S. 117–126.

6. Umwelten der siebziger Jahre. Sozialliberale Reformen, gesellschaftliche Aufbrüche, Atomprotest 1 Engels, Naturpolitik, S. 275. 2 Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 6.  Wahlperiode (Stenographische Berichte Bd. 78), Bonn 1971/72, S. 8914 f. 3 Diese Zahl bezieht sich auf die Zeit bis 1976. Eine detaillierte Übersicht bietet Hans-Peter Vierhaus, Umweltbewußtsein von oben. Zum Verfassungsgebot demokratischer Willensbildung, Berlin 1994, S. 110–114. 4 Hünemörder, Frühgeschichte, S. 155, 160. 5 Hans-Dietrich Genscher, Erinnerungen, Berlin 1995, S. 130. 6 Ebd. 7 Bayerisches Hauptstaatsarchiv MWi 28370, Der Arbeits- und Sozial­ minister des Landes Nordrhein-Westfalen an den Bundesminister des­ Innern Hans-Dietrich Genscher, 28. April 1970, S. 1. 8 Bayerisches Hauptstaatsarchiv MArb 2596/II, Vermerk vom 12. Mai 1970. 9 Monika Bergmeier, Umweltgeschichte der Boomjahre 1949–1973. Das Beispiel Bayern, Münster 2002, S. 23. 10 Deutscher Bundestag, 7. Wahlperiode, Drucksache 2802, S. 177. Anmerkungen 251

11 Klassisch zum Thema Renate Mayntz, Vollzugsprobleme der Umwelt­ politik. Empirische Untersuchung der Implementation von Gesetzen im Bereich der Luftreinhaltung und des Gewässerschutzes, Stuttgart 1978. 12 Genscher, Erinnerungen, S. 137. 13 Kurt Möser, Was macht eigentlich das Geschwindigkeitslimit?, in: Patrick Masius, Ole Sparenberg, Jana Sprenger (Hg.), Umweltgeschichte und Umweltzukunft. Zur gesellschaftlichen Relevanz einer jungen Disziplin, Göttingen 2009, S. 229–239. 14 Bernd Faulenbach, Das sozialdemokratische Jahrzehnt. Von der Reformeuphorie zur Neuen Unübersichtlichkeit. Die SPD 1969–1982, Bonn 2011, S. 228, 261. 15 Nepomuk Gasteiger, Konsum und Gesellschaft. Werbung, Konsumkritik und Verbraucherschutz in der Bundesrepublik der 1960er- und 1970erJahre, in: Zeithistorische Forschungen 6 (2009), S. 35–57; S. 50. 16 Hans-Dieter Lösenbeck, Stiftung Warentest. Ein Rückblick, Berlin 2002, S. 5–7, 12. Auch hier scheint es jedoch einen reformpolitischen Vorlauf gegeben zu haben, so etwa eine Novelle des Lebensmittelgesetzes von 1958. Dazu jüngst Heiko Stoff, Gift in der Nahrung. Zur Genese der Verbraucherpolitik Mitte des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2015. 17 Ralph Nader, Unsafe at Any Speed. The Designed-In Dangers of the American Automobile, New York 1965. 18 Karl-Hermann Flach, Werner Maihofer, Walter Scheel, Die Freiburger Thesen der Liberalen, Reinbek 1972, S. 109. 19 Gunter Hofmann, Ein aufmüpfiger Beamter, in: Die Zeit Nr. 29 (11. Juli 1980). 20 Engels, Naturpolitik, S. 287, 332, 334. 21 Chaney, Nature, S. 197. 22 Wolfgang Sternstein, »Atomkraft  – nein danke!« Der lange Weg zum Ausstieg, Frankfurt 2013, S. 106. 23 Vgl. etwa Paul Hockenos, Joschka Fischer and the Making of the Berlin Republic. An Alternative History of Postwar Germany, Oxford 2008. 24 Almut Leh, Hans-Joachim Dietz, Im Dienst der Natur. Biographisches Lese- und Handbuch zur Naturschutzgeschichte in Nordrhein-West­falen, Essen 2009, S. 61. 25 Hünemörder, Frühgeschichte, S. 304–329. 26 Vgl. Sabine Dworog, Luftverkehrsinfrastruktur. Zur Rolle des Staates bei der Integration eines Flughafens in seine Umwelt, in: Saeculum 58 (2007), S. 115–149; Redaktionsgruppe Schwarzspecht (Hg.), Turbulenzen. Widerstand gegen den Ausbau des Rhein-Main-Flughafens: Geschichten, Fakten, Facetten, Grafenau 2002. 27 Archiv des Bund Naturschutz in Bayern, Akte »RMD A Pol.« 28 Joachim Radkau, Aufstieg und Krise der deutschen Atomwirtschaft 1945–1975. Verdrängte Alternativen in der Kerntechnik und der Ursprung der nuklearen Kontroverse, Reinbek 1983. 29 Hans-Peter Schwarz, Helmut Kohl. Eine politische Biographie, München 2012, S. 297.

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30 Ulrich Herbert, Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert, München 2014, S. 918 f. 31 Hasenöhrl, Zivilgesellschaft und Protest, S.  211–216; Radkau, Aufstieg, S. 446–450. 32 Rusinek, Wyhl. 33 Vgl. Johann Vollmer, Vom »Denkmal des mündigen Bürgers« zur Besetzungsromantik. Die Grenzen symbolischer Politik in der frühen AntiAKW-Bewegung, in: Habbo Knoch (Hg.), Bürgersinn mit Weltgefühl. Politische Moral und solidarischer Protest in den sechziger und siebziger Jahren, Göttingen 2007, S. 271–293. 34 Engels, Naturpolitik, S. 350 f. 35 Schüring, West German Protestants. 36 Andreas Pettenkofer, Die Entstehung der grünen Politik. Kultursozio­ logie der westdeutschen Umweltbewegung, Frankfurt 2014. 37 Vgl. Sternstein, Atomkraft, S. 204 f. 38 Archiv des Bund Naturschutz in Bayern, Akte »WAA Briefwechsel ab 1984«, Hubert Weiger an die Mitglieder des Landesvorstands und des Landesbeirats des Bund Naturschutz in Bayern, 18. Oktober 1985, S. 3, und Jugendorganisation Bund Naturschutz, Landesjugendleitung an H ­ ubert Weinzierl, 27. Oktober 1985. 39 Semhar Amedeberhan u. a., Atomkraft? Nein danke! Der Bremer Widerstand, in: Sabine Horn u. a. (Hg.), Protest vor Ort. Die 80er Jahre in Bremen und Göttingen, Essen 2012, S. 157–190; S. 181–186. 40 Holger Strohm, Friedlich in die Katastrophe. Eine Dokumentation über Atomkraftwerke, 10. Aufl. Frankfurt 1982. 41 Martin Kohlrausch, Helmuth Trischler, Building Europe on Expertise. Innovators, Organizers, Networkers, Basingstoke 2014, S. 233. 42 Radkau, Aufstieg. 43 Joachim Radkau, Der »Größte Anzunehmende Unfall«, in: Frank Uekötter (Hg.), Ökologische Erinnerungsorte, Göttingen 2014, S. 50–59. 44 Anselm Tiggemann, Die »Achillesferse« der Kernenergie in der Bundesrepublik Deutschland. Zur Kernenergiekontroverse und Geschichte der nuklearen Entsorgung von den Anfängen bis Gorleben 1955 bis 1985, Lauf an der Pegnitz 2004, S. 42, 663. 45 Der Spiegel Nr. 21 (1979), S. 20. 46 Helmut Lackner, Von Seibersdorf bis Zwentendorf. Die »friedliche Nutzung der Atomenergie« als Leitbild der Energiepolitik in Österreich, in: Blätter für Technikgeschichte 62 (2000), S. 201–226; S. 223 f. 47 Vollmer, Denkmal, S. 271. 48 Karl Dietrich Bracher, Wolfgang Jäger, Werner Link, Republik im Wandel. 1969–1974. Die Ära Brandt (Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 5.1), Stuttgart 1986, S. 146. 49 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Innovationen für Umwelt und Wirtschaft. 30 Jahre Umweltinnovations­ programm, Berlin 2009.

Anmerkungen 253

50 Einhard Bezzel, Das aktuelle Vogelschutzproblem. Schwalbenkatastrophe 1974, in: LBV Mitteilungsblatt 4 (1974), S. 55–59; S. 56. 51 Reichardt, Authentizität und Gemeinschaft, S. 346. 52 Fritzen, Gesünder leben, S. 273.

7. Zwischenbetrachtung. Wieso kam es zur Ökologischen Revolution? 1 Samuel P. Hays in Zusammenarbeit mit Barbara D. Hays, Beauty, Health, and Permanence. Environmental Politics in the United States, 1955–1985, Cambridge 1989, S. 5. 2 Tony Judt, Postwar. A History of Europe Since 1945, New York 2005, S. 477. 3 Daniel Stedman Jones, Masters of the Universe. Hayek, Friedman, and the Birth of Neoliberal Politics, Princeton 2012. 4 In diesem Sinne lohnt auch die Auseinandersetzung mit Joachim Radkaus These einer »neuen Aufklärung«: die Ära der Ökologie als Wasserscheide kollektiver Imaginationen. (Radkau, Ära der Ökologie.) 5 Vgl. Frank Uekötter, Claas Kirchhelle, Wie Seveso nach Deutschland kam. Umweltskandale und ökologische Debatte von 1976 bis 1986, in: Archiv für Sozialgeschichte 52 (2012), S. 317–334; Melanie Arndt, Tschernobyl. Auswirkungen des Reaktorunfalls auf die Bundesrepublik Deutschland und die DDR, Erfurt 2011; Nils Freytag, Der rote Rhein. Die SandozKatastrophe vom 1.  November 1986 und ihre Folgen, Themenportal Europäische Geschichte (2010), http://www.europa.clio-online.de/portals/_ europa/documents/B2010/E_Freytag_Sandoz_Katastrophe_final.pdf. 6 Saskia Richter, Die Aktivistin. Das Leben der Petra Kelly, München 2010. 7 Bess, Light-Green Society, S. 72; Kevin Niebauer, Ökologische Krise und Umweltbewegung auf der Akteursebene. Ideenwelt, Handlungsstrategie und Selbstverständnis von José A. Lutzenberger (1968 bis 1992), Magisterarbeit Freie Universität Berlin 2012. 8 Vgl. Ronald Inglehart, The Silent Revolution. Changing Values and Poli­ tical Styles among Western Publics, Princeton 1977, und ders., Christian Welzel, Modernization, Cultural Change, and Democracy, Cambridge 2005. 9 Hauptstaatsarchiv Düsseldorf NW 453 Nr.  404, Rede des Ministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Herrn Diether Deneke, anläßlich der Feierstunde zum zehnjährigen Jubiläum des Naturparks Rothaargebirge am 5. Oktober 1973, S. 4. 10 Roland Roth, Dieter Rucht, Einleitung, in: dies. (Hg.), Die sozialen Bewegungen in Deutschland seit 1945. Ein Handbuch, Frankfurt 2008, S. 9–36; S. 10. 11 Vgl. S. 109. 12 Thilo Jungkind, Risikokultur und Störfallverhalten der chemischen Industrie. Gesellschaftliche Einflüsse auf das unternehmerische Handeln von Bayer und Henkel seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2013, S. 292.

254 

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13 Faulenbach, Das sozialdemokratische Jahrzehnt, S. 605. 14 Vgl. Doering-Manteuffel, Raphael, Nach dem Boom; Konrad H. Jarausch (Hg.), Das Ende der Zuversicht? Die siebziger Jahre als Geschichte, Göttingen 2008; Thomas Raithel, Andreas Rödder, Andreas Wirsching (Hg.), Auf dem Weg in eine neue Moderne? Die Bundesrepublik Deutschland in den siebziger und achtziger Jahren, München 2009. 15 Herbert, Geschichte Deutschlands, S. 959. 16 Herbert Gruhl, Ein Planet wird geplündert. Die Schreckensbilanz unserer Politik, Frankfurt 1975. 17 Wolfgang R. Krabbe, »Rekrutendepot« oder politische Alternative? Funktion und Selbstverständnis der Partei-Jugendverbände, in: Geschichte und Gesellschaft 27 (2001), S. 274–307; S. 299. 18 Ausführlich zu den gewundenen Wegen der Linken ins Öko-Zeitalter Silke Mende, »Nicht rechts, nicht links, sondern vorn«. Eine Geschichte der Gründungsgrünen, München 2011. 19 Karl Marx, Friedrich Engels, Das Kapital. Bd. 1 (MEW-Band 23), Berlin/ DDR 1968, S. 57. 20 Kai F. Hünemörder, Zwischen Bewegungsforschung und Historisierungsversuch. Anmerkungen zum Anti-Atomkraft-Protest aus umwelthistorischer Perspektive, in: Robert Kretzschmar, Clemens Rehm, Andreas Pilger (Hg.), »1968« und die »Anti-Atomkraft-Bewegung der 1970erJahre«. Überlieferungsbildung und Forschung im Dialog, Stuttgart 2008, S. 151–167; S. 162. 21 Philipp Felsch, Der lange Sommer der Theorie. Geschichte einer Revolte 1960–1990, München 2015, S. 154. 22 Gretchen Dutschke (Hg.), Rudi Dutschke. Jeder hat sein Leben ganz zu leben. Die Tagebücher 1963–1979, Köln 2003, S. 278. 23 Conze, Suche nach Sicherheit. 24 Jacob Darwin Hamblin, Arming Mother Nature. The Birth of Catastrophic Environmentalism, Oxford 2013, S. 8. 25 Vgl. S. 113 f. 26 Zum Begriff der unabhängigen Kausalreihen vgl. Pierre Bourdieu, Homo academicus, Frankfurt 1988, S. 275.

8. Ein bundesdeutscher Sonderweg. Die ökologischen achtziger Jahre 1 2 3 4

Herbert, Geschichte Deutschlands, S. 938. Schwarz, Helmut Kohl, S. 328. Dazu Hays, Beauty, Health, and Permanence, S. 491–526. Jens Ivo Engels, »Inkorporierung« und »Normalisierung« einer Protestbewegung am Beispiel der westdeutschen Umweltproteste in den 1980er Jahren, in: Mitteilungsblatt des Instituts für soziale Bewegungen 40 (2008), S. 81–100; S. 85. 5 Deutscher Bundestag, 10. Wahlperiode, Drucksache Nr. 67, S. 2. Anmerkungen 255

6 Horst Stern u. a. (Hg.), Rettet den Wald, München 1979. 7 Hauptstaatsarchiv Düsseldorf NW 610 AL 403, Landtag Nordrhein-­ Westfalen, 9.  Wahlperiode, Ausschußprotokoll 9/652, Ausschuß für Ernährung, Land-, Forst- und Wasserwirtschaft, 50. Sitzung, 27. Mai 1982, S. 42. 8 Der Spiegel Nr. 2 (1983), S. 32. Vgl. auch Birgit Metzger, »Erst stirbt der Wald, dann du!« Das Waldsterben als westdeutsches Politikum, Frankfurt 2015, S. 10. 9 Roderich von Detten (Hg.), Das Waldsterben. Rückblick auf einen Ausnahmezustand, München 2013; Kenneth Anders, Frank U ­ ekötter, Viel Lärm ums stille Sterben. Die Debatte über das Waldsterben in Deutschland, in: Frank Uekötter, Jens Hohensee (Hg.), Wird Kassandra heiser? Die Geschichte falscher Ökoalarme, Stuttgart 2004, S. 112–138. 10 Joachim Raschke, Die Grünen. Wie sie wurden, was sie sind, Köln 1993; Mende, Nicht rechts; Markus Klein, Jürgen W. Falter, Der lange Weg der Grünen. Eine Partei zwischen Protest und Regierung, München 2003. 11 Raphael Mankau (Hg.), 20 Jahre ödp. Anfänge, Gegenwart und Perspek­ tiven ökologisch-demokratischer Politik, Rimpar 1999; Jürgen Wüst, Konservatismus und Ökologiebewegung. Eine Untersuchung im Spannungsfeld von Partei, Bewegung und Ideologie am Beispiel der Öko­ logisch-Demokratischen Partei (ÖDP), Frankfurt 1993. 12 Josef Boyer, Helge Heidemeyer (Bearb.), Die Grünen im Bundestag. Sitzungsprotokolle und Anlagen 1983–1987, 2 Bände Düsseldorf 2008. 13 Zu den ersten Jahren vgl. insbes. Mende, Nicht rechts, und Rudolf van Hüllen, Ideologie und Machtkampf bei den Grünen. Untersuchungen zur programmatischen und innerorganisatorischen Entwicklung einer deutschen »Bewegungspartei«, Bonn 1990. 14 Vgl. Reichardt, Authentizität und Gemeinschaft. 15 May, 100 Jahre NABU. 16 Zelko, Greenpeace, S. 284–287, 290. 17 Oliver Geden, Rechte Ökologie. Umweltschutz zwischen Emanzipation und Faschismus, 2. Aufl. Berlin 1999, S. 117. 18 Vgl. Engels, Sorge um die Tiere; Frank Uekötter, Amir Zelinger, Die feinen Unterschiede. Die Tierschutzbewegung und die Gegenwart der Geschichte, in: Herwig Grimm, Carola Otterstedt (Hg.), Das Tier an sich. Disziplinenübergreifende Perspektiven für neue Wege im wissenschaftsbasierten Tierschutz, Göttingen 2012, S. 119–134. 19 Egmont R. Koch, Fritz Vahrenholt, Seveso ist überall. Die tödlichen Risiken der Chemie, Köln 1978; Uekötter, Kirchhelle, Seveso. 20 Der Spiegel Nr. 33 (1986). 21 Ausführlich zum Thema Uekötter, Wahrheit. 22 Schulze Gemen, Wer schützt uns vor Naturschützern? in: Landwirtschaftliches Wochenblatt für Westfalen und Lippe 123 (1966), Ausgabe A, Nr. 4, S. 9–13. 23 Archiv des Bund Naturschutz in Bayern, Akte »BUND Vertreterver-

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sammlung«, Lorenz Graf, Bundesgeschäftsführer des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland an den Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Josef Ertl, 17. Februar 1983. 24 Albert Lorz, Markus H.  Müller, Heinz Stöckel, Naturschutzrecht mit Artenschutz und Europarecht/Internationales Recht, 2.  Aufl. München 2003, S.  54. Vgl. auch Burkhard Werner, Die Landwirtschaftsklauseln im Naturschutzrecht. Entstehungsbedingungen, Kritik und Fortentwicklung, Tübingen 2000. 25 Hauptstaatsarchiv Düsseldorf NW 831 Paket 231, Presseerklärung des Ministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landes Nordrhein-Westfalen, Sperrfrist 25. Januar 1985. 26 Vogt, Entstehung; Reichardt, Authentizität und Gemeinschaft, S. 470. 27 Klaus Michael Meyer-Abich, Aufstand für die Natur. Von der Umwelt zur Mitwelt, München 1990; Hans Jonas, Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation, Frankfurt 1979. 28 Zu diesen Traditionen neuerdings Frank Zelko, »A Flower is Your Brother!« Holism, Nature and the (Non-Ironic) Enchantment of Modernity, in: Intellectual History Review 23 (2013), S. 517–536. 29 Carl Amery, Das Zeichen an der Wand, in: Arbeitskreis Chemische Industrie, Katalyse-Umweltgruppe Köln (Hg.), Das Waldsterben. Ursachen, Folgen, Gegenmaßnahmen, 2. Aufl. Köln 1984, S. 11–13; S. 13. 30 Boyer, Heidemeyer, Die Grünen im Bundestag, Bd. 1, S. 357. 31 Andreas Wirsching, Abschied vom Provisorium. 1982–1990 (Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 6), München 2006, S. 428. 32 Archiv des Bund Naturschutz in Bayern, Akte »WAA Pol Parteien«, Der Bayerische Ministerpräsident an den Kreisdekan im Kirchenkreis Nürnberg, 27. März 1986, S. 4. 33 Melanie Arndt, Verunsicherung vor und nach der Katastrophe. Von der Anti-AKW-Bewegung zum Engagement für die »Tschernobyl-Kinder«, in: Zeithistorische Forschungen 7 (2010), S. 240–258; Arndt, Tschernobyl; Karena Kalmbach, Tschernobyl und Frankreich. Die Debatte um die Auswirkungen des Reaktorunfalls im Kontext der französischen Atompolitik und Elitenkultur, Frankfurt 2011. 34 Beck, Risikogesellschaft, S.  10 f. Dazu aus historischer Sicht Gabriele­ Metzler, Demokratisierung des Risikos? Ulrich Becks »Risikogesell­schaft«, in: Zeithistorische Forschungen 7 (2010), S. 323–327, und Christoph Julian Wehner, Grenzen der Versicherbarkeit – Grenzen der Risikogesellschaft. Atomgefahr, Sicherheitsproduktion und Versicherungsexpertise in der Bundesrepublik und den USA, in: Archiv für Sozial­geschichte 52 (2012), S. 581–605. 35 Gudrun Pausewang, Die Wolke, Ravensburg 1987. 36 Gabriele Runge (Bearb.), Materialien zu Gudrun Pausewang: Die Wolke (Ravensburger Materialien zur Unterrichtspraxis), Ravensburg 2003, S. 3. 37 Für die amtliche Geschichte des Bundesumweltministeriums siehe Sabine Rosenbladt (Hg.), Die Umweltmacher. 20 Jahre BMU  – Geschichte und Zukunft der Umweltpolitik, Hamburg 2006. Anmerkungen 257

38 Peter Menke-Glückert, Vorhaben der Bundesregierung zur Umweltschutz-Gesetzgebung im Hinblick auf die Energiewirtschaft, in: VGB Kraftwerkstechnik 61 (1981), S. 540–542; S. 542. 39 Vgl. etwa Jonas, Prinzip Verantwortung, S. 262 f. 40 Sebastian Schlinkheider, »Soll der Wald dem Panzer weichen?« Göttingen und der Konflikt um das Kerstlingeröder Feld, in: Sabine Horn u. a. (Hg.), Protest vor Ort. Die 80er Jahre in Bremen und Göttingen, Essen 2012, S. 191–227. 41 Stokes u. a., Business of Waste, S. 185, 205; Manfred Raab, Müll oder Fossilien? Der Kampf um den Erhalt der Fossilienfundstätte Grube Messel. Eine historisch-politische Dokumentation, Messel 1996. 42 Anders war das mit Blick auf eine Erprobung neuer Koalitionen. Ähnlich wie in der Bundes- und Landespolitik war Rot-Grün auch in den Kommunen zumeist das einzig realistische Bündnis. (Bodo Zeuner, Jörg Wischermann, Rot-Grün in den Kommunen. Konfliktpotentiale und Reformperspektiven, Opladen 1995.) 43 Wirsching, Abschied vom Provisorium, S. 377. 44 Rüdiger Graf, Die Grenzen des Wachstums und die Grenzen des Staates. Konservative und die ökologischen Bedrohungsszenarien der frühen 1970er Jahre, in: Dominik Geppert, Jens Hacke (Hg.), Streit um den Staat. Intellektuelle Debatten in der Bundesrepublik 1960–1980, Göttingen 2008, S. 207–228; S. 217. 45 Beck, Risikogesellschaft, S. 48. 46 So ist zum Beispiel auffallend, dass Michael Bess in seiner ökolo­gischen Kulturgeschichte Frankreichs kein Wort über die Banlieues verliert. (Bess, Light-Green Society.) 47 Günter Wallraff, Ganz Unten, Köln 1985.

9. Die zweite Globalisierung der Umweltdebatte. Gemeinsame Verträge 1987–1992 1 Zur Genese vgl. Richard Elliot Benedick, Ozone Diplomacy. New Directions in Safeguarding the Planet, Cambridge, Mass. 1998. 2 Ebd., S. 57. 3 Archiv des Bund Naturschutz in Bayern, Akte »BUND Vorstand 1«, Protokoll der Vorstandssitzung vom 6. Oktober 1989, S. 8. 4 Spencer R. Weart, The Discovery of Global Warming, Cambridge, Mass. 2008, S. 150. 5 Jared N. Day, Bush, George H. W., in: Kathleen A. Brosnan (Hg.), Encyclopedia of American Environmental History, New York 2011, S. 216–217. 6 Weiner, Little Corner of Freedom, S. 425. 7 Carlo Jordan, Greenway. Das osteuropäische Grüne Netzwerk 1985–1990, in: Horch und Guck 15 (2006), S. 31–37. 8 Gestwa, Die Stalinschen Großbauten, S. 538. 9 Schulz-Walden, Anfänge globaler Umweltpolitik, S. 341.

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10 Hubert Weinzierl, Zwischen Hühnerstall und Reichstag. Erinnerungen, Regensburg 2008, S. 195f, 198. 11 Frank Uekoetter, The End of the Cold War: A Turning Point in Environmental History?, in: John R. McNeill, Corinna Unger (Hg.), Environmental Histories of the Cold War, Cam­bridge 2010, S. 343–351. 12 Zoran Perunovic, Jelena Vidic-Perunovic, Environmental Regulation and Innovation Dynamics in the Oil Tanker Industry, in: California Management Review 55:1 (2012), S. 130–148; S. 135–137. 13 Phia Steyn, Oil, Ethnic Minority Groups and Environmental Struggles Against Multinational Oil Companies and the Federal Government in the Nigerian Niger Delta since the 1990s, in: Marco Armiero, Lise Sedrez (Hg.), A History of Environmentalism. Local Struggles, Global Histories, London 2014, S. 57–81. 14 Mark Mazower, Governing the World. The History of an Idea, London 2012, S. 341. 15 Stefan Rahmstorf, Hans Joachim Schellnhuber, Der Klimawandel. Diagnose, Prognose, Therapie, München 2006, S. 102. 16 Jörg Waldmann, Nie mehr low politics – oder: die EU auf dem Weg zum führenden Akteur der internationalen Umweltpolitik?, in: Hans-Georg Ehrhart u. a. (Hg.), Die Europäische Union im 21. Jahrhundert. Theorie und Praxis europäischer Außen-, Sicherheits- und Friedenspolitik, Wiesbaden 2007, S. 251–268; S. 263. 17 Mazower, Governing the World, S. 341. 18 Ernst Ulrich von Weizsäcker, Erdpolitik. Ökologische Realpolitik an der Schwelle zum Jahrhundert der Umwelt, 4. Aufl. Darmstadt 1994, S. 215.

10. Vom Planwirtschaftlichen Aufbruch zum Raubtierkapitalismus im Dienste des Realsozialismus. Die seltsame Karriere der DDR 1 Tobias Huff, Über die Umweltpolitik der DDR. Konzepte, Strukturen, Versagen, in: Geschichte und Gesellschaft 40 (2014), S.  523–554; S.  523. Ähnlich Astrid M. Eckert, Geteilt, aber nicht unverbunden. Grenzgewässer als deutsch-deutsches Umweltproblem, in: Vierteljahrshefte für Zeit­ geschichte 62 (2014), S. 69–100; S. 69. 2 Diese eigentümliche Sprachlosigkeit dokumentiert sich in Institut für Umweltgeschichte und Regionalentwicklung (Hg.), Umweltschutz in der DDR. Analysen und Zeitzeugenberichte, 3 Bände München 2007: ein ungemein faktenreiches und verdienstvolles Werk, das sich jedoch jeder Kontextualisierung verweigert. 3 Jörg Roesler, Umweltprobleme und Umweltpolitik in der DDR, Erfurt 2006, S. 27. 4 Andreas Dix, Rita Gudermann, Naturschutz in der DDR: Idealisiert, ideologisiert, instrumentalisiert?, in: Frohn, Schmoll, Natur und Staat, S. 535–624; S. 574. Anmerkungen 259

5 Tobias Huff, Im Osten nichts Neues? Das Waldsterben in gesamtdeutscher Perspektive, in: Roderich von Detten (Hg.), Das Waldsterben. Rückblick auf einen Ausnahmezustand, München 2013, S. 106–119; S. 111. 6 Arnold Vaatz, Umweltpolitik, in: Rainer Eppelmann, Horst Möller, Günter Nooke, Dorothee Wilms (Hg.), Lexikon des DDR-Sozialismus. Das Staats- und Gesellschaftssystem der Deutschen Demokratischen Republik, Paderborn 1996, S. 630–638; S. 633 f. 7 André Steiner, Von Plan zu Plan. Eine Wirtschaftsgeschichte der DDR, Berlin 2007, S. 202–204. 8 Huff, Natur und Industrie im Sozialismus, S. 385. 9 Arvid Nelson, Cold War Ecology. Forests, Farms, and People in the East German Landscape, 1945–1989, New Haven 2005, S. 141 f. 10 Rudolf Boch, Rainer Karlsch (Hg.), Uranbergbau im Kalten Krieg. Die Wismut im sowjetischen Atomkomplex, 2 Bände Berlin 2011. 11 Michael Heinz, Die Konzentration und Spezialisierung des Agrarwesens in der DDR sowie ihre Auswirkungen auf Land und Umwelt, in: Horst Förster, Julia Herzberg, Martin Zückert (Hg.), Umweltgeschichte(n). Ostmitteleuropa von der Industrialisierung bis zum Postsozialismus, Göttingen 2013, S. 229–240; S. 239. 12 Christian Halbrock, Störfaktor Jugend. Die Anfänge der unabhängigen Umweltbewegung in der DDR, in: Carlo Jordan, Hans Michael Kloth (Hg.), Arche Nova. Opposition in der DDR. Das »Grün-ökologische Netzwerk Arche« 1988–90, Berlin 1995, S. 13–32; S. 27; Nathan Stoltzfus, Pub­ lic Space and the Dynamics of Environmental Action. Green Protest in the German Democratic Republic, in: Archiv für Sozialgeschichte 43 (2003), S. 385–403; S. 394 f. 13 Jan Schönfelder, Mit Gott gegen Gülle. Die Umweltgruppe Knau/Dittersdorf 1986 bis 1991. Eine regionale Protestbewegung in der DDR, Rudolstadt 2000, S. 163 f. 14 Manuel Schramm, Strahlenschutz im Uranbergbau. DDR und Bundes­ republik Deutschland im Vergleich (1945–1990), in: Rainer Karlsch, Rudolf Boch (Hg.), Uranbergbau im Kalten Krieg. Die Wismut im sowjetischen Atomkomplex. Band 1: Studien, Berlin 2011, S. 271–328; S. 322. 15 Rainer Hällfritzsch, Ulrike Hemberger, Margit Miosga, Das war Bitteres aus Bitterfeld, DVD der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur 2009. 16 Schramm, Strahlenschutz im Uranbergbau, S. 323. 17 Monika Maron, Flugasche, 19. Aufl. Frankfurt 2009, S. 32. 18 Huff, Umweltpolitik, S. 542. 19 Eckart Hildmann, Technische und historische Aspekte der Wiedernutzbarmachung, in: Wolfram Pflug (Hg.), Braunkohlentagebau und Rekultivierung. Landschaftsökologie  – Folgenutzung  – Naturschutz, Berlin 1998, S. 797–808; S. 804 f. 20 Huff, Umweltpolitik, S. 552. 21 Hannsjörg F. Buck, Umweltbelastung durch Müllentsorgung und Industrieabfälle in der DDR, in: Eberhard Kuhrt (Hg.), Die Endzeit der DDR-

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Wirtschaft. Analysen zur Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik, Opladen 1999, S. 455–493; S. 468. 22 Ulrich Petschow, Jürgen Meyerhoff, Claus Thomasberger, Umweltreport DDR. Bilanz der Zerstörung, Kosten der Sanierung, Strategien für den ökologischen Umbau. Eine Studie des Instituts für Ökologische Wirtschaftsforschung, Frankfurt 1990, S. 84. 23 Buck, Umweltbelastung, S. 468 f. 24 Wieland Berg, Das Phantom. Die Aktivitäten der Ökologischen Arbeitsgruppe (ÖAG) Halle gegen die Asphaltierung der Heidewege 1988 und die Reaktion des MfS, Halle 1999, S. 58. 25 Hubertus Knabe, Umweltkonflikte im Sozialismus. Möglichkeiten und Grenzen gesellschaftlicher Problemartikulation in sozialistischen Systemen. Eine vergleichende Analyse der Umweltdiskussion in der DDR und Ungarn, Köln 1993, S. 304. 26 Hermann Behrens, Umweltbewegung, in: Institut für Umweltgeschichte und Regionalentwicklung (Hg.), Umweltschutz in der DDR. Analysen und Zeitzeugenberichte Bd. 3, München 2007, S. 131–148; S. 138. 27 Michael Beleites, Die unabhängige Umweltbewegung in der DDR, in: Institut für Umweltgeschichte und Regionalentwicklung, Umweltschutz in der DDR, S. 179–224; S. 217–219. 28 Wolfgang Rüddenklau, Störenfried. DDR-Opposition 1986–1989, B ­ erlin 1992, S. 178. 29 Buck, Umweltbelastung, S. 461, 465, 482. 30 Michael Meissner, Schichtende. Kontroversen um Rückbau und Sanierung, in: Rainer Karlsch, Rudolf Boch (Hg.), Uranbergbau im Kalten Krieg. Die Wismut im sowjetischen Atomkomplex. Band 1: Studien, Berlin 2011, S. 355–395. 31 Hans Dieter Knapp, Das Nationalparkprogramm der DDR, in: M ­ ichael Succow, Lebrecht Jeschke, Hans Dieter Knapp (Hg.), Die Krise als Chance – Naturschutz in neuer Dimension, Neuenhagen 2001, S. 35–56; S. 50. 32 Ausführlich zu den Vorarbeiten Institut für Umweltgeschichte und Regionalentwicklung e. V. (Hg.), Naturschutz in den Neuen Bundes­ländern – Ein Rückblick, 2. Aufl. Berlin 2001. 33 Michael Succow, Lebrecht Jeschke, Hans Dieter Knapp (Hg.), Naturschutz in Deutschland. Rückblicke – Einblicke – Ausblicke, Berlin 2012. 34 Vgl. www.europeangreenbelt.org (zuletzt aufgerufen am 16. April 2015). 35 Carlo Jordan, Akteure und Aktionen der Kirche, in: ders., Hans Michael Kloth (Hg.), Arche Nova. Opposition in der DDR. Das »Grün-ökolo­ gische Netzwerk Arche« 1988–90, Berlin 1995, S. 37–70; S. 69. 36 Christoph Hohlfeld, Bündnis 90/Grüne – eine neue Partei?, in: Raschke, Die Grünen, S. 839–846; S. 839. 37 Hagen Findeis, Detlef Pollack, Manuel Schilling, Die Entzauberung des Politischen. Was ist aus den politisch alternativen Gruppen der DDR geworden? Interviews mit ehemals führenden Vertretern, Leipzig 1994, S. 5.

Anmerkungen 261

11. Konsolidierung und Krise. Ökologische Fragen in Deutschland seit 1990 1 Helge Heidemeyer, (Grüne) Bewegung im Parlament. Der Einzug der Grünen in den Deutschen Bundestag und die Veränderungen in Partei und Parlament, in: Historische Zeitschrift 291 (2010), S. 71–102; S. 88. 2 Raschke, Die Grünen, S. 178–194, 922–924. 3 Hagen Findeis u. a., Entzauberung des Politischen, S. 305. 4 Klaus-Dieter Maubach, Energiewende. Wege zu einer bezahlbaren Energieversorgung, 2. Aufl. Wiesbaden 2014, S. 47. 5 Annette Elisabeth Töller, Mythen und Methoden. Zur Messung der Europäisierung der Gesetzgebung des Deutschen Bundestages jenseits des 80-Prozent-Mythos, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 39 (2008), S. 3–17; S. 11. 6 Michael Haus, Karsten Zimmermann, Die Feinstaubproblematik als­ Governance-Herausforderung für die lokale Umweltpolitik?, in: Klaus­ Jacob u. a. (Hg.), Politik und Umwelt (Politische Vierteljahresschrift Sonderheft 39), Wiesbaden 2007, S. 243–261. 7 Eberhard Schmidt, Sabine Spelthahn (Hg.), Umweltpolitik in der Defensive. Umweltschutz trotz Wirtschaftskrise, Frankfurt 1994. 8 Dirk Maxeiner, Michael Miersch, Öko-Optimismus, Düsseldorf 1996; dies., Die Zukunft und ihre Feinde. Wie Fortschrittspessimisten unsere Gesellschaft lähmen, Frankfurt 2002; Dirk Maxeiner, Hurra, wir retten die Welt! Wie Politik und Medien mit der Klimaforschung umspringen, Berlin 2007; Torsten Mann, Rote Lügen in grünem Gewand. Der kommunistische Hintergrund der Öko-Bewegung, Rottenburg 2009; Dirk­ Maxeiner, Michael Miersch, Alles Grün und Gut? Eine Bilanz des ökologischen Denkens, München 2014. 9 Der Spiegel Nr. 38 (1991), S. 105. 10 Der Spiegel Nr.  39 (1995). Allerdings verkündete der Spiegel nach Fukushima binnen weniger Stunden »das Ende des Atomzeitalters« (Nr. 11 [2011]) – ein Eingeständnis, dass man mit der ökoskeptischen Linie doch zu hart am Zeitgeist gesegelt hatte? In den Monaten vor der Drucklegung dieses Bandes erschien eine ziemliche orthodoxe Titelgeschichte zum Klimawandel (Nr. 9 [2015]) – aber auch Titel über Zweifel an der Wärmedämmung (Nr. 49 [2014]) und den »Bio-Betrug« (Nr. 45 [2014]). 11 Thea Dückert, Umweltpolitik in Deutschland. Nur noch leere Worte in Bonn?, in: Schmidt, Spelthahn, Umweltpolitik, S. 49–53; S. 53. 12 Roderich von Detten, Umweltpolitik und Unsicherheit. Zum Zusammenspiel von Wissenschaft und Umweltpolitik in der Debatte um das Waldsterben der 1980er Jahre, in: Archiv für Sozialgeschichte 50 (2010), S. 217– 269; S. 265. 13 Frank Uekoetter, Fukushima and the Lessons of History. Remarks on the Past and Future of Nuclear Power, in: Jens Kersten u. a., Europe After Fukushima. German Perspectives on the Future of Nuclear Power (RCC Perspectives 1 [2012]), S. 9–31; S. 18.

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14 Zitiert nach Schwarz, Helmut Kohl, S. 768. 15 So jedenfalls Greenpeace (Hg.), Brent Spar und die Folgen. Analysen und Dokumente zur Verarbeitung eines gesellschaftlichen Konflikts, Göttingen 1997, S. 13. 16 Frankfurter Rundschau Nr. 142 (1995), S. 3; Ulrich Beck, Was Chirac mit Shell verbindet, in: Die Zeit Nr. 37 (1995). 17 Greenpeace Magazin Nr. 3 (1996), S. 12. 18 Vgl. Anna-Katharina Wöbse, Die Brent Spar-Kampagne. Plattform für diverse Wahrheiten, in: Frank Uekötter, Jens Hohensee (Hg.), Wird Kassandra heiser? Die Geschichte falscher Ökoalarme, Stuttgart 2004, S. ­139–160. Zitat nach ebd. S. 152. 19 Spiegel special Nr. 11 (1995), S. 64. 20 Mary Mellor, Wann, wenn nicht jetzt! Für einen ökosozialistischen Feminismus, Hamburg 1994. 21 Jürgen Hopfmann, Georg Winter, Zukunftsstandort Deutschland. Das Programm der umweltbewußten Unternehmer, München 1997, S. 13. 22 Vgl. Bron Taylor (Hg.), Ecological Resistance Movements. The Global Emergence of Radical and Popular Environmentalism, Albany 1995. 23 Conze, Suche nach Sicherheit, S. 803. 24 Fritzen, Gesünder leben, S. 334. 25 Raschke, Die Grünen, S. 33. 26 Jürgen Hoffmann, Die doppelte Vereinigung. Vorgeschichte, Verlauf und Auswirkungen des Zusammenschlusses von Grünen und Bündnis 90, Opladen 1998, S. 344. 27 Christoph Egle, Christian Henkes, Später Sieg der Modernisierer über die Traditionalisten? Die Programmdebatte in der SPD, in: Christoph Egle, Tobias Ostheim, Reimut Zohlnhöfer (Hg.), Das rot-grüne Projekt. Eine Bilanz der Regierung Schröder 1998–2002, Wiesbaden 2003, S. 67–92. 28 Edgar Wolfrum, Rot-Grün an der Macht. Deutschland 1998–2005, München 2013, S. 712. 29 Hockenos, Joschka Fischer, S. 284–288. 30 Schwarz, Helmut Kohl, S. 778. 31 Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 14/161, S. 15702. Hinweis in eigener Sache: Diese Rede verhinderte Trittins Entlassung, weshalb dieser den Fachkongress »Naturschutz und Nationalsozialismus« initiieren konnte, was dem hiesigen Verfasser, nach der Promotion ohne Stelle, eine Perspektive in der umwelthistorischen Forschung bot. Vielen Dank, Herr Müller! 32 Manfred Görtemaker, Die Berliner Republik. Wiedervereinigung und Neuorientierung, Berlin 2009, S. 104. 33 Vgl. zum Folgenden Richard Meng, Der Medienkanzler. Was bleibt vom System Schröder? Frankfurt 2002, S. 70–108. 34 Ein nachdenklich stimmendes Anschauungsbeispiel für eine Medien­ berichterstattung, in der Inhalte nur noch als Hintergrundfolie des tagespolitischen Spiels vorkommen, liefert Matthias Geyer, Dirk ­Kurbjuweit, Cordt Schnibben, Operation Rot-Grün. Geschichte eines politischen Abenteuers, München 2005. Anmerkungen 263

35 Hans Jörg Hennecke, Die dritte Republik. Aufbruch und Ernüchterung, München 2003, S. 35. 36 Daniel Friedrich Sturm, Wohin geht die SPD?, München 2009, S. 24. 37 Christoph Egle, Tobias Ostheim, Reimut Zohlnhöfer, Einführung. Eine Topographie des rot-grünen Projekts, in: dies. (Hg.), Das rot-grüne Projekt. Eine Bilanz der Regierung Schröder 1998–2002, Wiesbaden 2003, S. 9–25; S. 11. 38 Conze, Suche nach Sicherheit, S. 800. 39 Heribert Prantl, Rot-Grün. Eine erste Bilanz, Hamburg 1999, S. 61. 40 Wolfrum, Rot-Grün, S. 219. 41 Birgit Mangels-Voegt, Ökologische Modernisierung als Leitidee? Rotgrüne Umweltpolitik im Test der Nachhaltigkeit, in: Ulrich Heyder, Ulrich Menzel, Bernd Rebe (Hg.), Das Land verändert? Rot-grüne Politik zwischen Interessenbalancen und Modernisierungsdynamik, Hamburg 2002, S. 70–80; S. 73. 42 Wolfrum, Rot-Grün, S. 215–226. 43 Falk Illing, Energiepolitik in Deutschland. Die energiepolitischen Maßnahmen der Bundesregierung 1949–2013, Baden-Baden 2012, S. 193. 44 Lutz Mez, Ökologische Modernisierung und Vorreiterrolle in der Energie- und Umweltpolitik? Eine vorläufige Bilanz, in: Christoph Egle, Tobias Ostheim, Reimut Zohlnhöfer (Hg.), Das rot-grüne Projekt. Eine Bilanz der Regierung Schröder 1998–2002, Wiesbaden 2003, S.  329–350; S. 335. 45 Illing, Energiepolitik, S. 195. 46 Kristine Kern, Stephanie Koenen, Tina Löffelsend, Red-Green Environmental Policy in Germany. Strategies and Performance Patterns, in: Werner Reutter (Hg.), Germany on the Road to »Normalcy«. Policies and Politics of the Red-Green Federal Government (1998–2002), Basingstoke 2004, S. 183–206; S. 191. 47 Mez, Ökologische Modernisierung, S. 337. 48 Patrick Graichen, Kommunale Energiepolitik und die Umweltbewegung. Eine Public-Choice-Analyse der »Stromrebellen« von Schönau, Frankfurt 2003. 49 Mez, Ökologische Modernisierung, S. 338–341. 50 Maubach, Energiewende, S. 59–78. 51 Vgl. Götz Schmidt, Ulrich Jasper, Agrarwende oder die Zukunft unserer Ernährung. München 2001; Rainer Oppermann, Die Agrarwende ist ein Langstreckenlauf. Eckpunkte einer neuen Landwirtschafts- und Verbraucherpolitik, in: Ulrich Heyder, Ulrich Menzel, Bernd Rebe (Hg.), Das Land verändert? Rot-grüne Politik zwischen Interessenbalancen und Modernisierungsdynamik, Hamburg 2002, S. 81–93. 52 Onno Poppinga, Änderungen im Kleinen – weiter wie zuvor im Großen. Eine kritische Würdigung der »Agrarwende« am Beispiel zentraler Themenbereiche, in: AgrarBündnis (Hg.), Landwirtschaft 2006. Der kritische Agrarbericht. Rheda-Wiedenbrück 2006, S. 27–35; S. 34. 53 Dazu ausführlich Uekötter, Wahrheit.

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54 Dabei scheint es sich um einen allgemeinen Charakterzug der rot-grünen Bundesregierung zu handeln. Dazu Rolf G. Heinze, Die Berliner Räterepublik. Viel Rat – wenig Tat?, Wiesbaden 2002; Sven T. Siefken, Expertenkommissionen im politischen Prozess. Eine Bilanz zur rot-grünen Bundesregierung 1998–2005, Wiesbaden 2007; Sabine Kropp, »Deparlamentarisierung« als Regierungsstil?, in: Antonia Gohr, Martin Seeleib-Kaiser (Hg.), Sozialund Wirtschaftspolitik unter Rot-Grün, Wiesbaden 2003, S. 329–344. 55 Der Spiegel Nr. 32 (2003), S. 38 f. 56 Martin Jänicke, Trendsetter im »regulativen Kapitalismus«. Das Beispiel umweltpolitischer Pionierländer, in: Katharina Holzinger, Helge Jörgens, Christoph Knill (Hg.), Transfer, Diffusion und Konvergenz von Politiken (Politische Vierteljahresschrift Sonderheft 38), Wiesbaden 2007, S. ­131–149; S. 147. 57 Illing, Energiepolitik, S. 220. 58 Das schließt den hiesigen Verfasser übrigens ein; vgl. Anmerkung 31. 59 Wolfrum, Rot-Grün, S. 235. 60 Gerhard Schröder, Entscheidungen. Mein Leben in der Politik, Berlin 2007, S. 423. 61 Görtemaker, Berliner Republik, S. 175. 62 Illing, Energiepolitik, S. 228 f. 63 Klaus Jacob, Axel Volkery, Nichts Neues unter der Sonne? Zwischen Ideensuche und Entscheidungsblockade  – die Umweltpolitik der Bundesregierung Schröder 2002–2005, in: Christoph Egle, Reimut Zohlnhöfer (Hg.), Ende des rot-grünen Projektes. Eine Bilanz der Regierung Schröder 2002–2005, Wiesbaden 2007, S. 431–452. 64 Illing, Energiepolitik, S. 246. 65 Franz Walter, Baustelle Deutschland. Politik ohne Lagerbindung, Frankfurt 2008, S. 201. 66 Wolfrum, Rot-Grün, S. 268.

12. Ansichten einer Baustelle. Eine Umwelt-Bilanz 1 Vgl. John S. Dryzek u. a., Green States and Social Movements. Environmentalism in the United States, United Kingdom, Germany, and Norway, Oxford 2003, S. 183, und Chris Rose, The Dirty Man of Europe. The Great British Pollution Scandal, London 1990. 2 Environmental Rating Agency, G20 Report. AAA-DDD Ratings for National Environmental Performance, Oxford 2012, S. 11. 3 http://ec.europa.eu/environment/legal/law/statistics.htm (zuletzt aufgerufen am 16. April 2015). 4 Mende, Nicht rechts. 5 James David Fahn, A Land on Fire. The Environmental Consequences of the Southeast Asian Boom, Boulder 2003, S. 7. 6 Vgl. Volker Lösch u. a. (Hg.), Stuttgart 21, Oder: Wem gehört die Stadt, Köln 2011. Anmerkungen 265

7 Klein, Falter, Der lange Weg der Grünen, S. 105. 8 BUND, MISEREOR (Hg.), Zukunftsfähiges Deutschland. Ein Beitrag zu einer global nachhaltigen Entwicklung, Basel 2006; Bund für Umwelt und Naturschutz, Brot für die Welt and Evangelischer Entwicklungsdienst (Hg.), Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt. Ein Anstoß zur gesellschaftlichen Debatte, Frankfurt 2008. 9 Dieter Rucht, Umweltproteste in der Bundesrepublik Deutschland. Eine vergleichende Perspektive, in: Klaus Jacob u. a. (Hg.), Politik und Umwelt (Politische Vierteljahresschrift Sonderheft 39), Wiesbaden 2007, S. 518– 539; S. 535. 10 Vgl. Florian Kessler, Mut Bürger. Die Kunst des neuen Demonstrierens, München 2013.

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Staatsarchiv Basel-Stadt Die Gartenlaube, 1877 Foto: Bernhard Rensch, LWL -Archivamt für Westfalen, Archiv LWL Best. 305 Nr. 54 Foto: Bernhard Rensch, LWL -Archivamt für Westfalen, Archiv LWL Best. 305 Nr. 54 Deutsches Museum, Archiv, BN11942 Bundesarchiv, Plak 006-031-029, Grafiker: Walter Kurowski Bundesarchiv, Plak 006-031-025 Stadtarchiv München Bundesarchiv, Plak 006-031-008, Grafiker: Agentur contur © SPIEGEL -Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG, Hamburg Stadtarchiv München Stadtarchiv München Bundesarchiv, Bild 183-L0515-033, Fotograf: Werner Großmann © SPIEGEL -Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG, Hamburg © Wolfgang Hain/Greenpeace © ullstein Bild – Boness/IPON

Bildnachweis 273

Register

Seitenangaben, die sich auf die Anmerkungen beziehen, sind kursiv gedruckt. 1968  25, 101 f., 146, 202 Abrüstung 173 Abstinenz 58 ADAC  siehe Allgemeiner Deutscher Automobil-Club Adenauer, Konrad  92 f., 107 Afghanistan  151, 202 Afrika 105 Agenda 2010  210 Agrarwende  206 f., 226 Agrikulturchemie 70 Akademie der Wissenschaften  178 Alaska 174 Albanien 173 Albrecht, Ernst  132 f. Allgemeiner Deutscher Automobil-­Club  123 Alpenverein  siehe DeutschÖsterreichischer Alpenverein Alternative Listen  154, 191 Alternative Medizin  144 Alternatives Milieu  102, 135, 156, 186, 200

Althoff, Friedrich  56 Altlasten  187 f. Amery, Carl  146, 161 Anhalt 64 Anthroposophie  69–71, 154 Anthropozän 82 Anthropozentrik 161 Antisemitismus  41, 72 Apokalyptische Rhetorik  107–109 Arbeitsdienst 74 Arbeitsgemeinschaft für ­ Umweltschutz und Stadt­ gestaltung 186 Arbeitsgemeinschaft Heimatschutz Schwarzwald  84 f., 89, 96 Arbeitslosigkeit  145, 151 f. Arbeitsministerien 98 Arche  siehe Grün-Ökologisches Netzwerk Arche ARD 182 ARGUS  siehe Arbeitsgemein­ schaft für Umweltschutz und Stadt­gestaltung Register 275

Artensterben 14 siehe auch ­ Biologische Vielfalt Asal, Karl  76 Ascona 58 Assisi, Franz von  35 Asthma 104 Atomausstieg  33, 204 f., 208 f., 211, 215, 222 Atomkraft  10, 12, 85, 106 f., 128–133, 135, 146, 153, 158, 162 f., 166, 194–196, 204 f., 208 f., 211, 215, 217, 226 f. Atomstaat  128, 146 Atomtests  105–107, 172, 198 Atomwaffen  106 f. Attac  167, 225 Audubon Society  39 Ausschuss »Rettet die Pfalz«  88 Aussichtstürme 49 Australien  22, 37 Autoabgase  92, 123, 153, 167 f., 192, 228 Autobahnen  71, 89, 123 f., 216 Autofreie Sonntage  123 Automobilindustrie  81, 123 f., 153, 204 Autonome 130 Autoverkehr  28, 50, 93, 101, 123 f., 153, 164, 194, 209 Bad Dürkheim  66 Baden  45 f., 57, 76, 78, 84, 128 f. Baden-Württemberg  129, 135 Badischer Landesverein für ­ Naturkunde 46 Bahro, Rudolf  140, 156 Baikalsee 173 Bakteriologie 53 Bamberg  38, 47 Banner, Bruce  106

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Bartholomäusnacht der Hunde 88 Basel  22, 38, 140 Basler Konvention zur Kontrolle des grenzüberschreitenden Transports gefährlicher ­ Abfälle  183 f. Bayer 144 Bayerische Botanische ­ Gesellschaft 64 Bayerischer Verein für Volkskunst und Volkskunde  44 Bayern  20, 40, 43 f., 46 f., 64–67, 74 f., 83, 87, 90, 101 f., 121, 162, 230 BBU  siehe Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz Beck, Ulrich  163, 167, 198 Beleites, Michael  182 Belgien  65, 104 Berg, Fritz  92 Bergbahnen 87 Bergbau  26 f., 88, 116, 204, 206  siehe auch Braunkohle, ­ Steinkohle, Uranbergbau Berlepsch, Hans Freiherr von 47 Berlin  46, 51, 58, 64 f., 120, 184 f., 188, 191, 203, 211, 220, 230 Bern 38 Bernadotte, Graf Lennart  92 Bernhard der Niederlande, Prinz 112 Besetzung des Ruhrgebiets  65 f. Beuys, Joseph  154, 156 Bevölkerungsdichte 29 Bevölkerungswachstum 115 Bielefeld  58, 201 Bikini-Atoll 105 Bild-Zeitung 87

Bildungsbürgertum  48, 58, 60, 64, 91 f. Bioläden  31, 160, 215 Biologisch-dynamische Landwirtschaft  31, 69–71, 101, 154, 160 Biologische Vielfalt  14, 165, 174, 193, 220 f., 229 Biomasse 205 Biosphärenreservate 188 Bitterfeld  177, 182 f., 185 Blasmusik 127 Blauer Himmel über der Ruhr  99 Bloch, Ernst  146 Blutegel 77 Bochum 88 Bode, Thilo  198 Bodenschutz 229 Bodensee 92 Bodenverdichtung 158 Boehringer  157, 197 Böll, Heinrich  156 Bonn  79, 90 Born, Max  107 Bourdieu, Pierre  18–20, 100 Boxberger, Leo von  47 Boykott 198 Brackwede 58 Brandenburg  26, 65, 186 Brandgänse 86 Brandt, Willy  99 f. Brasilien  140, 172, 176 Braunkohle  26, 28 f., 90, 96–98, 177, 179–181, 183, 204, 216 Braunkohlenindustrie  96 f. Braunschweig 55 Bremerhaven 86 Brent Spar  196–198 Breslau 69 Bretton Woods  145 Brodowin 189

Brokdorf  129–132, 146 Brokdorf-Urteil 131 Broszat, Martin  75 Brower, David  112 Bryce, James  37 BSE -Krise  206 f. Budapest  22, 173 Bündnis 90  188 Bürgeraktion Umweltschutz Zentrales Oberrheingebiet  126 Bürgerinitiativen  88, 135, 144, 226  siehe auch Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz Bürgerrechtsbewegung (DDR)  181 f., 185–189, 192 Bürgerrechtsbewegung (USA) 113 Bund für Umwelt und Natur­ schutz Deutschland (BUND)  135, 157, 160, 171, 218, 225 Bund für Vogelschutz  siehe Deutscher Bund für ­ Vogelschutz Bund Heimat und Umwelt  40 Bund Heimatschutz  siehe Deutscher Bund Heimatschutz Bund Naturschutz in Bayern  40, 65, 75, 101 f., 130, 239 Bundesanstalt für Naturschutz und Landschaftspflege  79, 86, 90 Bundesgartenschau 188 Bundesministerium des Innern  119–125, 133, 155 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 163 siehe auch Umweltministerien Bundesministerium für Verkehr  123, 209 Bundespräsident 93 Register 277

Bundesrat 203 Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz 125 Bundesverband der deutschen Industrie  92, 94 Bundesverfassungsgericht  131, 191 Bundesweite Aktionsgemeinschaft gegen den Rhein-MainDonau-Kanal  126, 128 Burhenne, Wolfgang  93 f. Bush, George H. W.  172 Bush, George W.  175 f. Cameron, David  230 Carinhall 75 Carlowitz, Hans Carl von  35 Carson, Rachel  108, 110 Castor  194, 196 CDU  99, 145, 202 f., 212 Chadwick, Edwin  21, 37 Charisma  16, 71, 112, 140, 156, 212 Chemische Industrie  53, 110, 126 f., 144, 157 f., 182 Chemnitz 22 China 202 Cholera  54, 109 Christentum 162 Clean Air Act  104 Clinton, Bill  175 Club Alpin Français  47 Club of Rome  110–112 Coal Smoke Abatement ­Society  50 Computer  111, 161 f., 203 Conservation Foundation  172 Conwentz, Hugo  21, 38, 40, 44, 64, 103 Copşa Mică  172 Cousteau, Jacques-Yves  140 CSU  102, 128, 202 f. Cuxhaven 86

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Dachau 71 Dänemark  9, 103, 198, 212 Dampfkessel 67 Darmstadt 166 Darré, Richard Walther  70, 72 Dauerwald 71 DDR  12, 23 f., 31, 33, 115 f., 177–189, 196 DDT  110, 120  siehe auch Pestizide Deetz 184 Demokratie 83 Demokratische Bauernpartei Deutschlands 183 Demonstrationen  83, 85, 87, 129–131, 135, 181, 195 f., 205, 211, 220, 231 f. Deneke, Diether  141 Denkmalschutz  43, 64  siehe auch Naturdenkmäler Detergenzien 96 Deutsch-Österreichischer Alpenverein 44 Deutsche Landwirtschafts-­ Gesellschaft 57 Deutscher Bund für Vogelschutz  16, 39 f., 61, 156  siehe auch NABU

Deutscher Bund Heimatschutz  38, 40, 45, 66, 74 Deutscher Naturschutzring  79 Deutscher Rat für Landespflege  93 Deutscher Verein für öffentliche Gesundheitspflege 56 Deutscher Verein zum Schutze der Vogelwelt  36 Deutschsoziale Reformpartei  41 Dieselmotor 67 Dioxin 157 Ditfurth, Hoimar von  156

Ditfurth, Jutta  191 Donau 26 Donora 104 Dosenpfand  208, 227 Dresden 180 Duales System Deutschland  97 Dünnsäure  156 f. Düsseldorf 22 Duisburg  52, 126 Dutschke, Rudi  146 Earth Day  113 f. Earth First!  218 Ecopop-Initiative 218 Edeka 100 Eden  siehe Obstbaukolonie Eden Ehrlich, Paul  115 Eifel 65 Eifelverein 65 Ein Platz für Tiere  105 Einheit von Ökonomie und ­ Ökologie 180 Einheit von Wirtschafts- und ­ Sozialpolitik 180 Einheitliche Europäische Akte  192 f. Einspeisegesetz  10, 192, 205 Eisbären  113, 230 Elbe  26, 180 Elberfeld 22 Elektrizitätswerke 54 Elektrofilter  58, 95 Elsass 129 Emissionshandel  116, 175, 223 Ems 73 Energiekonzerne  88, 123, 128, 153, 205 f., 228 Energiewende  9, 210, 212, 215, 222, 230  siehe auch Einspeisegesetz, Erneuerbare Energien

England  siehe Großbritannien Enteignung  48 f., 76 Entgrenzung der Gefahren 108 f. Entschädigungszahlungen 61, 69, 76 Entstaubungsanlagen  68 f., 95, 228 Entwicklungspolitik  176, 224 Environmental Justice-­ Bewegung 15 Environmental Performance ­ Index 9 Environmental Protection Agency  117, 172 Epidemien 36 Erdgipfel von Rio de Janeiro  10, 14, 114, 173–176, 224 Erfurt 64 Ernährung  17, 58 f., 135, 206 f., 220 f.  siehe auch Vegane ­ Ernährung, Vegetarische ­ Ernährung Erneuerbare Energien  9 f., 192, 205–207, 210–212, 229 Erosion  116, 158 Erster Weltkrieg  63 f., 103 Ertl, Josef  160 Erzgebirge 153 Esbjerg 198 Esoterik 200 Essen 98 Europäische Gemeinschaft  170 f., 175, 192 f. Europäische Union  9, 22, 192 f., 200, 204, 207 f., 215, 222 f. Europäische Wirtschafts­ gemeinschaft 118 Europäisches Naturschutzjahr  114 Europarat 114 Register 279

Europawahl 1979  154 Evangelische Kirche  182, 186–188, 225 Exxon Valdez  174 f. Fachausschuss für Staubtechnik  68, 93 Fahrrad  17, 166 Fauna & Flora International  37 FDP  119, 123–125, 151 f., 202 Federmode 49 Feinstaub  193, 229 Feldbefreiungen 199 Feldberg 88 Feminismus  154, 199 Feuerameisen 110 Fidus 135 Filbinger, Hans  129 Finnland 170 Fischer, Joschka  125, 147, 156, 166 fischer alternativ  193 Fischerei  52, 86 f. Fitness 200 Flächenschutz  41 f. Flächenverbrauch 216 Flasbarth, Jochen  147, 156 Flecken, Adolf  97 Flossenbürg 77 Fluch der Technik  91 Flugasche (Roman)  182 Flughafen Frankfurt  126 Fluorchlorkohlenwasserstoffe  158, 169 f. Flussregulierung  28, 73, 76 Föderalismus  120 f. Förderverein für Öffentlich­ keitsarbeit im Natur- und Umweltschutz 189 Förster, Paul  41 Fontainebleau 103 Forever Young  200

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Deutschland in Grün

Forschungsinstitut Senckenberg  166 Forsmark 162 Forstakademie Tharandt  56 Forstwirtschaft  29, 51, 71, 183, 224 Fracking 215 Frankfurt  50 f., 53, 105, 126, 166 Frankfurter Rundschau  198 Frankfurter Schule  102 Frankreich  20 f., 28, 47, 65, 88, 101, 103, 112, 117, 129, 140, 151, 172, 198, 258 Frauen  15, 50, 142  siehe auch ­ Feminismus Freemann, Bernhard  86 f., 89 f. Freiburg  72, 84, 125, 128, 135 Freiburger Thesen  124 Freideutscher Jugendtag  58 Freie Fahrt für freie Bürger  123 Freikörperkultur 58 Freimaurer 74 Friedensbewegung  87, 142, 147, 154 Friedrich Naumann Stiftung  125 Friends of the Earth  112, 171 Frührentner 152 Fuchs, Carl  21 Fünf-Prozent-Hürde  156, 218 Fukushima  10, 211 Fundis 156 Funke, Karl-Heinz  206 Fußball 182 Fußgängerzonen 166 Gabriel, Sigmar  210, 230 Galiläa 39 Gandhi, Indira  114, 224 »Ganz Unten«  167, 225 Garmisch-Partenkirchen 67 Gartenstadt 59 Gaswerke 54

Gebsattel, Hermann von  47 Gemeinschaftsarbeit 68  siehe auch Korporatismus Gemütlichkeit 82 Generalinspektor für das ­ deutsche Straßenwesen  71 Genscher, Hans-Dietrich  119–125, 133, 147, 158 Gentechnik  106, 140, 158, 199, 218 Geologie 116 Gera 182 Gerechtigkeit  36, 201, 225 f. Gerstenmaier, Eugen  90 Gesellschaft für Natur und ­ Umwelt  181, 185 Gesundheitsvorstellungen  104, 108 f., 141–144  siehe auch Hygienebewegung Gewalt  129–132, 195 f. Gewerbeaufsicht 98 Gewerkschaften  196, 201, 206, 210 Giddens, Anthony  17, 201 Gießerei 88 Gilsenbach, Reimar  189 Glasnost 173 Globale Erwärmung  siehe ­ Klimawandel Globaler Süden  114–116, 170, 174, 224 f. Globalisierung  145, 194, 200–202, 217, 222–224 Glücklicher Drache V  105 f. Godesberger Programm  99 Göring, Hermann  71, 75 Goethe, Johann Wolfgang von  66 Göttingen  165 f. Göttinger Erklärung  106 f. Gorbatschow, Michail Sergejewitsch 173 Gore, Al  175 Gorleben  132 f., 140, 194, 196

Grafenrheinfeld 163 Grand Canyon  112 Great Stink  37 Greenpeace  19, 112 f., 156 f., 193, 196–198 Greenway  173, 186 Greifswald 189 Greifvögel 16 Grenzen des Wachstums  110 f., 157 Grenzwerte  51, 94 f., 227 f. Griefahn, Monika  147, 156 Größter Anzunehmender Unfall (GAU)  132, 163 Grohnde  129, 132 Grosbliederstroff 88 Großbritannien  10, 21, 24, 27, 37, 39, 41, 43, 50, 85–87, 104, 112, 117, 151, 192, 215 f., 230 Große Koalitionen  204, 210 Großfeuerungsanlagen-­ Verordnung 153 Großstädtische Umweltpolitik  siehe Kommunalpolitik Grube Messel  166, 228 Grün-Ökologisches Netzwerk Arche 186–188 Grüne Charta von der Mainau  92 f., 101 Grüne Liga  187 Grüne Partei in der DDR 186 Grüneberg-Plan 181 Grünen, Die  26, 33, 143–145, 147, 153 f., 156, 160 f., 188 f., 191 f., 200–210, 212 f., 218, 220, 225 Grünes Band  188 Grünewald, Heinrich  93 f. Gruhl, Herbert  145, 154, 193 Grundbesitzer  41, 48 f., 52, 76, 141, 225 Grundgesetz  90, 121, 131 Register 281

Grunewald 46 Grzimek, Bernhard  105, 120, 140, 157 Gülle  158, 181 Guevara, Che  135 Gundremmingen 128 »Gutmenschen« 194 Haarausfall 182 Hähnle, Lina  16, 39 Hahn, Otto  107 Halle 36 Hamburg  21, 54, 88, 92, 157, 192, 197, 237 Handlungsfelder des Ökologischen  18–20, 32, 100, 139, 199 f. Handlungskapazitäten (Konzept)  29, 149 Hannover 209 Hansen, James  172 Harrisburg  132, 140 Hartz-Reformen 201 Haverbeck, Werner  71 Hegau 78 Heimat  60, 78 f.  siehe auch ­ Heimatschutz Heimatschutz  21, 31, 38, 40, 46, 48 f., 51, 61, 66, 95, 101, 156 f. Heine, Heinrich  49 Heisenberg, Werner  107 Helgoland  85 f., 156 Herne  68 f. Heß, Rudolf  70 Hessen  88, 125, 192, 203 Hessen-Darmstadt 43 Hessen-Nassau 75 Himmler, Heinrich  71, 77 f. Hippies 113 Hitler, Adolf  66, 75 Hochwasser  26, 28, 237

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Deutschland in Grün

Hockenjos, Fritz  84, 89, 91, 96 Höhn, Bärbel  143 f. Hohenstoffeln 78 Hoher Meißner  58, 88 Holismus 161 Holocaust 78 Homöopathie 98 Homosexualität  154, 208 Honecker, Erich  178, 180 Honnef 92 Hordenwandern 48 Hormonmast 105 Hühnerhaltung 105 Hulk 106 Humuswirtschaft 69 Hygienebewegung  16, 21 f., 36 f., 53–57, 60 Implementationsprobleme im Umweltrecht 122 siehe auch Vollzugsprobleme Indien 114 Industriegewerkschaft Bergbau Chemie Energie  206 Industrielle  122–124, 144, 199, 226  siehe auch Automobilindustrie, Bundesverband der Deutschen Industrie, Chemische Industrie, Energiekonzerne Ingenieure  30, 53, 93 f., 148 Inglehart, Ronald  140–142 Ingolstadt 20 Interessen  19 f., 83 Interessengemeinschaft der ­ Lemmerz-Geschädigten 88 Interessengemeinschaft gegen die Aschenbelästigung des Cunowerkes der Elektromark 88 International Maritime Organisation 175

International Union for the ­ Protection of Nature  103 f. Internationaler Kongress für Heimatschutz 21 Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft für ­ naturgemäße Wirtschaft  93 f. Investigativer Journalismus  134 Irak-Krieg 202 Iran 151 Isartalverein  38, 44 Israel 39 Italien  26, 157 Itzehoe 146 Jagd 75 Japan  10, 29, 104–106, 172 Jonas, Hans  161 Juden  41, 72 Jugoslawien  173, 201 Juristenmonopol 53 Jutebeutel 161 K-Gruppen 154 Kahl 128 Kaiserstuhl 128 Kalifornien 37 Kalkar 196 Kalter Krieg  27, 85, 88, 105 f., 115, 138, 147 f., 168, 173 f., 176 Kampf dem Atomtod-Bewegung  107 f. Kanada  106, 170, 172 Kanalisation  21 f., 37, 54, 57, 164 Karl-Marx-Stadt 182 siehe auch Chemnitz Karlsruhe  45, 57, 126, 154 Karriereambitionen  16, 141, 231 f. Katalysatoren  123, 153, 167 f. Katholizismus 146 Katzen  46 f., 67

Kelly, Petra  140, 143, 154, 156 Kennedy, John F.  110 Kerstlingeröder Feld  165 f. Keudell, Walter von  71 Keynesianismus 146 Kippe Glessen  97 Kirchliches Forschungsheim Wittenberg 186 Kläranlagen  55 f., 180, 228 Klages, Ludwig  58 f. Kleidung  17, 58 Kleinblittersdorf 88 Kleinkopisch 172 Klimapolitik  10, 27, 168, 174 f., 212, 221–223 Klimarahmenkonvention  174 f. Klimawandel  10, 12, 14, 113 f., 158 f., 168, 172, 174, 181, 191, 218 f., 229 f. Kloeden, Georg von  49 Klose, Hans  65, 76, 78 Knechtsand  85–87, 89 f. Knut 230 Koberwitz 69 Koch, Egmont  157 Köln 92 Kölner Dom  158 f. Königswinter 88 Körpergeschichte  17 f. Kohl, Helmut  99 f., 151 f., 167, 202 f. Kohle  siehe Braunkohle, Steinkohle Kohlekraftwerke  68 f., 88, 98, 123, 153, 167, 228 f. Kohlennot 67 Kohlenstaubfeuerung 68 Kokereien 52 Kolonialismus  23, 37, 43, 114 f., 225 Kommission Reinhaltung der Luft  94, 208, 228 Register 283

Kommunalpolitik  30, 53–56, 61, 97, 164–166 Kommunisten  87, 154 Komsomolskaja Prawda  173 Konservative  145, 154, 167, 224 Konsumkritik  82, 91 f., 124, 160 f., 224  siehe auch Massenkonsum Kontraste (Fernsehmagazin)  182 Konzentrationslager  71, 77 Kopenhagen  212, 222 Korporatismus  68, 94, 97, 124, 208 f., 217, 226–228 Korsett  17, 58 Kosovo-Parteitag der Grünen 201 Krämer, Augustin Friedrich  23 Kraft-Wärme-Kopplung 206 Kraftwerke  siehe Kohle­ kraftwerke, Wasserkraft Krakau 172 Kraus, Otto  90 Krebs  109, 142 f. Krefeld 22 Kronos Titan  156 Krümmel 196 Künast, Renate  206 f. Kulturbund  181, 186 Kulturlandschaften  38, 64, 97 Kulturpessimismus 91 Kunstdünger 70 Kupferhütte Duisburg  52 Kybernetik 111 Kyoto-Protokoll  175, 200 Laacher See  65 Lärm  49, 55, 92, 120 f., 193 Lafontaine, Oskar  201 Lake District  37 Lambsdorff, Otto Graf  125 Lampertheim 88 Landerziehungsheime 58

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Deutschland in Grün

Landesanstalt für Ökologie, Landschaftsentwicklung und Forstplanung 126 Landesanstalt für Wasser-, Boden- und Lufthygiene  57, 65 Landesausschuss für Natur- und Heimatschutz 44 Landesausschuss für Naturpflege in Bayern  43 f. Landesbund für Vogelschutz in Bayern  239 Landeskulturamt (Baden)  84 Landeskulturgesetz 178 Landesstelle für Naturschutz (Bayern) 90 Landesverband für Vogelschutz in Bayern  46 Landesverein Sächsischer ­ Heimatschutz 46 Landkauf  42, 48  siehe auch Grundbesitzer Landkommunen 160 Landschaftsanwälte 71 Landschaftsdiagnose der DDR  116 Landschaftsplanung  101, 116, 180 Landschaftsschutzgebiete 75 Landtag (Preußen)  49, 65 Landwirtschaft  15, 31, 51, 66, 69–71, 101, 129, 154, 158–160, 181, 183, 205–207, 209, 212, 220, 225 f. Landwirtschaftsklausel 160 Lateinamerika 151 Laue, Max von  107 Laufenburger Stromschnellen  45, 59 Lebensmittelgesetz  252 Lebensmittelskandale 206 Lebensqualität  124, 141 Lebensreform  30, 58–61, 135, 161

Lebenswelt  17 f., 31, 48 f., 58 f., 81 f., 89, 100, 124, 135, 144, 160 f., 186, 199 f., 206 f., 215, 220 f., 226, 229, 236 Legebatterien 105 Lehrer  16, 83, 86 Leinen, Jo  147 Lenin, Wladimir Iljitsch  66 Liberalisierung des Strommarkts  205 Liebig, Justus von  70 Lienenkämper, Wilhelm  91 Liesegang, Wilhelm  104 light-green society  28 f. Lindauer Nobelpreisträgertreffen  106 Lindley, William  21 f. Linke  145–147, 167 Linkskatholizismus 146 Linksliberalismus  124 f. Linkspartei 225 Löns, Hermann  40, 46 London  37, 50, 86, 104, 170, 216 Loreley  49 f. Lorscher Wald  88 Lotterien 48 Loudon, John  112 Lübeck  88, 184 Lüneburger Heide  40, 48, 59, 78 Luftverschmutzung  36, 49–58, 65 f., 81 f., 92–95, 98 f., 104, 121, 181, 228  siehe auch ­ Umweltverschmutzung Lutzenberger, José  140 Maastal 104 Magdeburg 200 Mainau 92 Mainauer Kundgebung  106 Malaysia 171 Malocher gegen Schmarotzer  144

Malthusianismus 115 Manchester and Salford Noxious Vapours Abatement Association 50 Mang, Johann  101 Mangfall 53 Manhattan Project  106 Mannheim 132 Mao Tse-Tung  135 Marcuse, Herbert  102, 146 Marktförmige Steuerungs­ instrumente  116, 175, 223 Marktheidenfeld 157 Maron, Monika  182 Marx, Karl  66, 146 Marxismus  146, 148, 178 f., 224 Massachusetts Institute of ­ Technology 110 Massenkonsum  82, 124, 160 f., 187, 206 f., 220 f. Matthiesen, Klaus  147, 160 Maxeiner, Dirk  193 f. Meadows, Dennis  110 f. Mecklenburg-Schwerin 64 Medien  20, 87, 117, 134, 144, 152, 164, 182, 184, 193–196, 198 f., 201, 203, 212, 230 Medizin  53, 58, 98, 144 Meliorationen  64, 74 Menke-Glückert, Peter  125, 164, 199 Menzenschwand  88 f. Merkel, Angela  196, 203, 210 Messina 26 Mexiko 105 Meyer, Christian  207 Meyer-Abich, Klaus Michael  161 Miasmentheorie 53 Miersch, Michael  193 f. Migranten  15, 167 Register 285

Militär  85–88, 106, 114, 147, 165 f., 173, 201  siehe auch Kalter Krieg Ministerium für Staatssicherheit  185 f. Ministerium für Umweltschutz und Wasserwirtschaft  178 Ministerrat der DDR  184 f., 188 MISEREOR 225 Mittelalter 35 Mitterrand, François  151 Möller, Erwin  58 Mörfelden 125 Monokultur 71 Monte Verità  58 f. Montreal-Protokoll zum Schutz der Ozonschicht  169–173, 200 Moorschutz 64 Mottek, Hans  178 Mozart, Wolfgang Amadeus  66 Müll  10 f., 54, 97, 120 f., 164, 166, 183 f., 187 f., 193 Müller, Werner  202, 263 Müller-Armack, Alfred  99 Mülltrennung  147, 217 Müllverbrennung 144 Müllwirtschaft 97 München  38, 43, 53, 143, 165, 171 Münster  39, 57 Münsterland  73, 134 Müsli  135, 221 Munizipalsozialismus 54 Mururoa-Atoll 198 NABU  37, 40, 218  siehe

auch Deutscher Bund für ­ Vogelschutz Nachbarschaftskonflikte  52, 144 Nachhaltigkeit 35 Nachrüstung von Anlagen  69 Nader, Ralph  124 Nahverkehr  148, 164

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Deutschland in Grün

Nairobi 118 Nash, Roderick  12 National Park Service  43 National Parks and Access to the Countryside Act  43 National Society for Clean Air  50 National Trust for Places of ­ Historic Interest or Natural Beauty 43 Nationalparkprogramm der DDR  188 f. Nationalparks  22, 37 f., 42 f., 48, 188, 216 Nationalsozialismus  11 f., 14, 70–79, 84 f., 106 f., 116 NATO -Intervention in Jugoslawien 201 NATO -Nachrüstung  114, 147 Naturdenkmäler  21, 38, 43, 75 Naturheilkunde  58 f., 144 Naturkatastrophen 26 Naturkunde  39, 46, 57 Naturparks  93, 101, 188 Naturschutz  12, 21, 23, 30 f., 36, 40–49, 51, 60 f., 65 f., 71–79, 83–93, 95, 101, 103, 114, 120 f., 156 f., 220 Naturschutzbeauftragte  16, 40, 44, 46, 57, 72–75, 77 f., 89–91, 120, 126 Naturschutzeule 189 Naumann, Friedrich  45 Neoliberalismus  14, 27, 116, 139, 151, 176, 192 Neubaugebiete  81 f. Neue Soziale Bewegungen  142 f. Neues Ökonomisches System der Planung und Leitung  116 Neuguinea 23 Neumünster 74

Neustadt (Schwarzwald)  96 Neutronenbombe 114 New York  113 Niederlande  44, 112 Niederrheinischer Verein für öffentliche Gesundheitspflege 56 Niedersachsen  85–87, 132 f., 191, 196, 207, 209 Nigeria 175 Nitrate  158, 193 Nordenham 156 Nordrhein-Westfalen  20, 96–98, 121–123, 126, 141, 143 f., 160, 192, 206 Nordsee 198 Nordseeschutzkonferenz 198 Norwegen 170 Notgemeinschaft Kleinblittersdorf und Umgebung  88 Notverband gegen Luft­ verseuchung 88 Nowa Huta  172 Nukleares Entsorgungszentrum  132 f. »Nuklearfaschismus« 146 Obama, Barack  9 Oberbayern  20, 66 f., 83, 101 Oberhausen 98 Oberle, Karl  179 Obrigheim 205 Obstbaukolonie Eden  58 f., 200 Oder 26 OECD  siehe Organisation für wirtschaftliche Zusammen­ arbeit und Entwicklung Öffentlicher Dienst  144 Öko-Institut 135 Ökodiktatur 164 Ökofeminismus 199

Ökolandbau  31, 154, 160, 206 f.  siehe auch Biologisch-­ dynamische Landwirtschaft Ökolibertarismus 154 Ökologie  60, 117, 144, 161 Ökologisch-Demokratische Partei 154 Ökologische Revolution (Begriff)  139 Ökologische Steuerreform  202, 204, 208, 212, 229 Ökomesse Freiburg  135 Ökosozialismus 154 Ökozid 24 Ölindustrie 198 siehe auch ­ Raffinerien Ölkrise 1973/74  110, 123, 145, 180 Ölkrise 1979/80  145, 151 Ölpest  103, 113, 174 f., 198 Ölpreis, Anstieg um 2000  204 Ölpreis, Verfall in den 1980er Jahren 157 Österreich  50, 132 Österreichische Gesellschaft zur Bekämpfung der Rauch- und Staubplage 50 Offshore-Windkraft 216 Oranienburg  58 f., 200 Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 9 Orsoy  126 f. Ostblock  23 f., 115 f., 170, 172 f., 184 Ozonloch  140, 158, 168–171, 192 Packard, Vance  108 Palau 23 Papierfabrik 96 Paris  21, 222 Parkanlagen  36, 54 f., 164 Patriotismus  10 f. Register 287

Pauling, Linus  106 Pausewang, Gudrun  163 PDS 191 Pechblende  182, 186 Pelzmäntel  105, 199 People for the Ethical Treatment of Animals  198 f. Perestroika 173 Pestalozzi, Johann Heinrich  66 Pestizide  108, 110, 120, 158 PETA  siehe People for the Ethical Treatment of Animals Pfalz 66 Pfisters Mühle  55 Phenol 52 Piëch, Ferdinand  204 Piratensender 129 Planungseuphorie  101, 146 Platzbesetzung 129 Platzeck, Matthias  186 Polen  22, 151, 172 f. Polizei 129–131 Pompeji 88 Postmaterieller Wertewandel  140–142 Potsdam  186, 192 Potsdam-Institut für Klimafolgen­forschung  192 Poza Rica  105 Prantl, Heribert  204 Presse  20, 117, 134, 144, 152, 164, 182, 184, 193–196, 198 f., 201, 203, 212, 230 Preußen  38, 43 f., 46, 57, 60, 65 Prinzip Verantwortung  161 Problemdruck-These  139 f. Pugwash-Bewegung 106 Raabe, Wilhelm  55 Radikale Ökologie  154, 191, 199, 218

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Deutschland in Grün

Radioaktivität  105–108, 162, 165, 182, 188 Radonbad 89 Radwege  166, 215, 221 Raffinerien  20, 126 Ramsar-Konvention 118 Rankings 9 Rationalisierung 67 Rauch und Staub (Zeitschrift)  56 Rauchgasentschwefelung  123, 153 Rauchgasentstaubung  68 f., 228 Rauchplage  49 f., 52 f. Ravensburger 163 Reagan, Ronald  151 f., 171 f. Realos 156 Recycling  10 f., 187, 221 Rechtsextremismus  157, 218 f. REDD (United Nations Collaborative Programme on Reducing Emissions from Deforestation and Forest ­ Degradation in Developing Countries) 224 Reformhäuser  59, 100 Reformpädagogik 58 Reformpolitik von oben  100 Regenerative Energien  9 f., 192, 205–207, 210–212, 229 Regensburg 77 Regenwald  165, 171 f., 222 Regionalismus  25, 40 Reichelt, Hans  179, 183 Reichsbund Volkstum und Heimat  71, 74 Reichsforstamt  71, 75 Reichskommissar für die Festigung des deutschen Volkstums 77 Reichsnaturschutzgesetz 31, 75–77, 90

Reichsstelle für Naturschutz  76–79  siehe auch Staatliche Stelle für Naturdenkmalpflege Reichstag  41, 49 Reilly, William  172 Reklame  48, 66, 74, 124 Rekultivierung  179, 183 Rensch, Bernhard  73 Resistenz 75 Ressourcen  26, 67, 110, 157 f.  siehe auch Bergbau, Braunkohle, Landwirtschaft, Ölpest, Ölpreis, Steinkohle Restlaufzeiten  204 f. Restrisiko 132 Rhein  45, 90, 92, 126 f., 164 Rhein-Main-Donau-Kanal 126, 128 Rheinberg 127 Rheingau 49 Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk (RWE) 65 Rheinischer Verein für Denkmal­ pflege und Heimatschutz  96 f. Rheinland  26, 90, 96–98, 126 f. Rheinland-Pfalz  99 f., 244 Rhöndorf 92 Rio de Janeiro  10, 14, 114, 173–176, 224 Risikogesellschaft  163, 167 Risikotechnologien 158 Robben  157, 172, 222 Robin Wood  153 Röpke, Wilhelm  91 Romantik 37 Ronneburg 188 Rot-Grüne Bundesregierung 1998–2005  201–210, 212, 227 Rot-Grüne Koalitionen  166, 191 f., 258 Rotation 154

Rote Armee Fraktion (RAF) 133, 135 Royal Air Force  85–87 Royal Commission on Environmental Pollution  117 Royal National Park  22, 37 Royal Society for the Protection of Birds  39 Ruckelshaus, William  172 Rudorff, Ernst  16 Rüstow, Alexander  91 Ruhrgebiet  26, 52, 65 f., 68 f., 88, 98, 109, 144 Rumänien  172 f. Rummel  48, 93 Russland  22, 56  siehe auch ­ Sowjetunion Sachsen  26, 35, 46, 56, 181 Sachsen-Anhalt  26, 192 Sachverständigenrat für Umweltfragen  120, 122 San Francisco  37 Sandalen  17, 161 Sandoz-Feuer  10, 140 Sarasin, Paul  38 Sarawak 171 Sauerländischer Gebirgsverein  74 Saurer Regen  51, 192  siehe auch Schwefeldioxid Schächten 41 Schäuble, Wolfgang  202 Scheer, Hermann  209 Scheidemann, Philipp  49 Schlachthöfe 54 Schleswig 103 Schleswig-Holstein 192 Schloss Gymnich  133 Schluchseewerk  83–85, 96 Schmeck, Clemens  98 Register 289

Schmidt, Helmut  132 f. Schmolz, Carl  38 Schönau 205 Schönberg 184 Schöneiche 184 Schoenichen, Walther  46, 74 Schönleber, Gustav  45 Schoppe, Waltraud  140 Schorfheide 75 Schröder, Gerhard  196, 201, 203 f., 210 Schütt, Peter  153 Schutz- und Forschungs­ gemeinschaft Knechtsand  86 f., 89 Schutzgebiete  23, 42, 56, 64, 75–77, 83, 87 f., 103, 188 Schutzgemeinschaft Deutscher Wald 79 Schutzstation Wattenmeer  128 Schwab, Günther  91 Schwalbenkatastrophe 134 Schwarzwald  83–85, 88, 153, 205 Schwarzwaldverein  36, 84, 89 Schweden  112, 162, 170 Schwefeldioxid  51, 56, 123, 167, 180 f., 183, 192, 228 Schweinfurt 163 Schweiz  38, 140, 170, 184, 218 SED  siehe Sozialistische ­ Einheitspartei Deutschlands Seehofer, Horst  230 Seidl, Gabriel von  38 Seifert, Alwin  71 Serengeti darf nicht sterben  105 SERO -System 187 Seveso  140, 157 Shell  112, 196, 198 Siebengebirge  41 f., 48 Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk 98

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Deutschland in Grün

Sierra Club  37, 112 Silbersee 177 Singvögel  16, 47 Sitzblockaden  195, 232 Smog  50, 104, 216 Smoke Abatement League of Great Britain  50 Society for the Preservation of the Wild Fauna of the ­ Empire 37 Solarenergie  10, 205 Solingen 49 Sombart, Werner  45 Sondermüll  97, 144, 184 Sowjetisch-Deutsche Aktien­ gesellschaft Wismut  181 f., 188 Sowjetunion  44, 116, 162, 173, 182  siehe auch Russland Sozialdarwinismus 72 Soziale Marktwirtschaft  91 Soziale Ungleichheit  15, 167, 225 Sozialismus  23 f., 115 f., 172 f., 177–180, 184 f., 189 Sozialistische Einheitspartei Deutschlands  178, 183 f. Spanien 9 SPD  49, 93, 99, 107, 119, 121, 145, 151 f., 154, 191, 201–210, 230 Spiderman 106 Spiegel, Der  108 f., 158 f., 193–195, 208, 262 Spraydosen 170 Spreetal 179 Springmann, Baldur  154 St. Petersburg  22 Staat als Akteur  17, 26, 43–49, 51–53, 60, 120–122, 125 f., 133, 146, 164, 183 Staatlich autorisierte Kommission für Vogelschutz  46 f.

Staatliche Stelle für Natur­ denkmalpflege  38, 44, 46, 56  siehe auch Reichsstelle für ­ Naturschutz Staatsmonopolistischer Kapitalis­mus  146 Staatsnähe des Naturschutzes  43–49, 84, 89, 101 Stade 205 Stadt-Land-Gegensatz  25, 159 Stadtökologie 181 Stadtparks  36, 54 f., 164 Stadtplanung  55, 59 Stadtsanierung 102 Stalin, Josef  116 Stalinplan zur Umgestaltung der Natur 115 Startbahn West  126 Stasi  siehe Ministerium für Staatssicherheit Staubtechnik 67–69 Staudämme  49, 83–85, 112 Steinbrüche  41 f., 77 Steiner, Rudolf  69, 72, 161 Steinkohle  26, 28, 123, 204 Stern, Horst  140, 153 Sternstein, Wolfgang  125 Stiftung Warentest  124 Stöckhardt, Julius Adolph  56 Stockholm  114, 117 f., 168, 224 Stoiber, Edmund  121 Strauß, Franz Josef  151, 153, 162 Streibl, Max  121 Strohm, Holger  130 Stromtrassen  206, 212, 230 Strukturwandel des Öko­ logischen (Definition)  237 Strunz, Ulrich  200 Studentenbewegung  25, 101, 128 f. Sturmflut 1962  237

Stuttgart  40, 225 Stuttgart 21  225 Succow, Michael  189 Suche nach Sicherheit  147 Supermärkte 101 Superman 106 Sydney  22, 37 Tag der Deutschen Heimatpflege  101 Tagebaue  90, 96 f., 177, 179, 183 Talsperren  49, 83–85, 112 Tanker  174 f. Technikkritik 162 Technische Deputation für ­ Gewerbe 67 Teestuben 135 Tempolimit  123 f. Territorialität, Zeitalter der 42 Terroranschläge vom 11. September 2001  201 f. Tharandt 56 Thatcher, Margaret  151 f. Themse 37 Thüringen  181, 188 Tierschutz  40 f., 71, 88, 105, 154, 157 f., 198 f., 212, 216 Tierversuche 71 Time Magazine  172 Times 86 Todt, Fritz  71 Toepfer, Alfred  92 f. Töpfer, Klaus  147, 163 f., 208 Touring Club de France  47 Tourismus  16, 28, 41, 47 f., 93 Trachtenmode 49 Traube, Klaus  130 Trittin, Jürgen  154, 208 f., 263 Tropenholz 165 Tschechische Republik  202 Register 291

Tschechoslowakei 173 Tschernobyl  140, 162 f., 165, 172 f., 205 Türken 167 Überdüngung 158 Uexküll, Jakob von  161 Ukraine 162 Ulrich, Bernd  153 Umwelt (Begriff)  25, 60, 117 f., 120, 144 Umweltbibliothek  185, 187 Umweltbundesamt  37, 120 Umweltgesetzbuch 230 Umweltgruppe Knau/Dittersdorf  181 Umweltministerien  117, 121, 163, 178, 183, 209 f. Umweltministerkonferenz der Länder 120 Umweltromane  55, 163 Umweltschutz schafft Arbeitsplätze  31, 134, 148, 200 Umweltschutzpapier 161 Umwelttechnologie  31, 134, 148, 192, 200 Umweltverschmutzung  119 f., 157, 209 f., 219, 221, 225, 228  siehe auch Luftverschmutzung, Wasserverschmutzung UNESCO 166 Ungarn  22, 173 United Nations Environment Programme  118, 170 Unterschriftslisten  45, 83, 85 Uranbergbau  88 f., 181 f. USA  10, 12, 22, 26 f., 30, 33, ­37–39, 42 f., 48, 50, 54 f., 88, 94, 104, 106, 108–115, 117, 120, 123 f., 132, 140, 151 f., 158, ­170–172, 174– 176, 199

292 

Deutschland in Grün

Vahrenholt, Fritz  147, 158 VDI  siehe Verein Deutscher ­ Ingenieure VEBA-Chemie  126 f. Vegane Ernährung  199 Vegetarische Ernährung  17, 58, 161, 186, 220 f. Vegetationsschäden 51 Veggie-Day 220 Venedig 171 Verband der Thierschutz-Vereine des Deutschen Reichs  40 Verbleites Benzin  109, 120, 122 Verbraucherschutz 206 Verein Deutscher Ingenieure  68, 93, 134  siehe auch Fachausschuss für Staubtechnik, Kommission Reinhaltung der Luft Verein für Vogelkunde  36 Verein Naturschutzpark  38, 40 Verein zum Schutz und zur Pflege der Alpenpflanzen  38 Verein zur Beförderung des ­ Gewerbfleißes 51 Verein zur Rettung des Sieben­ gebirges 41 Vereinte Nationen  114, 118, 166, 170, 176 Vernichtungskrieg in Osteuropa  77 Verschönerungsverein für das Siebengebirge  41 f. Verschönerungsvereine 41 Versuchs- und Prüfungsanstalt für Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung 57 Vertragsverletzungsverfahren  223 Verwestlichung 83 Vietnamkrieg 113

Völkerbund 103 Völkischer Naturschutz  72 Vogel, Hans-Jochen  153 Vogelsberg 53 Vogelschutz  16, 39, 46 f., 67, 74, 86 f., 134, 193 Vogelschutztag 46 Vogelsuppe 39 Volksbund Naturschutz  65 Volkshochschule Wyhler Wald  129, 131 Volkswagen 204 VolkswagenStiftung 111 Vollkornbrot  17, 59, 221 Vollzugsprobleme  122, 180, 222 f. Vorketzin 184 WaBoLu  siehe Landesanstalt für Wasser-, Boden- und ­ Lufthygiene Wachstumsdenken  81, 111, 194 Wärmewirtschaft 67 Waldsterben  10, 140, 152 f., 161, 184, 194, 228 Wale  103, 113, 157, 172 Wallmann, Walter  163 Wallraff, Günter  167, 225 Wandern  48, 58 Wandervogel 58 Warschau 22 Waschmittel 96 Wasserkraft  45, 83, 87 Wasserverschmutzung 36, 49–57, 81 f., 96, 121, 164, 177, 180, 228  siehe auch Umweltverschmutzung Wasserversorgung  22, 36, 54 Watchdogs 231 Weber, Max  45 Weiger, Hubert  130

Weimarer Republik  64–70 Weimarer Verfassung  64 Weinzierl, Hubert  101 f., 174 Weitmarer Holz  88 Weizsäcker, Carl Friedrich von  107 Wellness  18, 89, 200 Weltbank 176 Weltbund zum Schutz der Tiere  41 Weltbund zum Schutz des Lebens  157 Weltkriege  siehe Erster Weltkrieg, Zweiter Weltkrieg Weltnaturschutzkonferenz 38 Wendland  132, 194 Werbung  48, 66, 74, 124 Wesermündung 85 Westfälischer Naturschutzverein  39 Westfälischer Naturwissenschaft­ licher Verein  39 Westfalen  39, 57, 65, 73 Westminster  37, 86 Wetter an der Ruhr  88 Wiederaufarbeitungsanlage  132 f., 162 Wiedervereinigung  12, 178, 187–189, 191 Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht  170 Wildnis 38 Wilhelmshaven 123 Windkraft  10, 192, 205, 216 Winifred Duchess of Portland 39 Wirtschaftliche Bedeutung der Umwelttechnik  31, 134, 148, 192, 200 Wirtschaftswunder 81 Register 293

Wismut  siehe Sowjetisch-­ Deutsche Aktiengesellschaft Wismut Wissenschaft  20, 29, 38, 56–58, 60, 67, 106 f., 110 f., 130, 166, 207, 226 Wittenberg 186 Wolfen 177 World Values Survey  141 World Wildlife Fund  112, 172 Würgassen 128 Württemberg 44 Wüstenbildung 174 Wüstenhagen, Hans-Helmuth  125 Wupper 49 Wuppertal  22, 192 Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie  192 Wutachschlucht  83–85, 96, 228

294 

Deutschland in Grün

WWF  siehe World Wildlife Fund

Wyhl  128 f., 132 f.

Yellowstone  37, 42 Yokkaichi-Asthma 104 Yosemite  37, 43 Zapovedniki 56 Zeche Mont Cenis  68 f. Zeit, Die  108, 198 Zersiedlung  216, 229 Zindler, Harald  156 Zionsgemeinde 185 Zivilisationskritik  91 f. Zoologische Gesellschaft ­ Frankfurt 105 Zuckerfabriken 55 Zukunftsforschung 111 Zweiter Weltkrieg  77 f., 87, 103 Zwentendorf 132