277 73 3MB
German Pages 835 [836] Year 2010
Deutsch als Fremd- und Zweitsprache HSK 35.2
Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschat Handbooks o Linguistics and Communication Science Manuels de linguistique et des sciences de communication Mitbegründet von Gerold Ungeheuer () Mitherausgegeben 19852001 von Hugo Steger
Herausgegeben von / Edited by / Edite´s par Herbert Ernst Wiegand Band 35.2
De Gruyter Mouton
Deutsch als Fremd- und Zweitsprache Ein internationales Handbuch Herausgegeben von Hans-Jürgen Krumm, Christian Fandrych, Britta Hueisen, Claudia Riemer 2. Halbband
De Gruyter Mouton
ISBN 978-3-11-020508-4 e-ISBN 978-3-11-024025-2 ISSN 1861-5090 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data Deutsch als Fremd- und Zweitsprache: ein internationales Handbuch / edited by Hans-Jürgen Krumm … [et al.]. p. cm. ⫺ (Handbooks of linguistics and communication science ; 35.1/35.2) Includes bibliographical references and index. ISBN 978-3-11-020507-7 (hardcover : alk. paper) ISBN 978-3-11-020508-4 (hardcover : alk. paper) 1. German language ⫺ Study and teaching ⫺ Foreign speakers. I. Krumm, Hans-Jürgen. PF3066.D462 2010 438.214⫺dc22 2010038971
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. 쑔 2010 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/New York Einbandgestaltung: Martin Zech, Bremen Satz: META Systems GmbH, Wustermark Druck: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ⬁ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Inhalt 2. Halbband XI.
Speziische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts
119.
125. 126.
Der Faktor „Lehren“ im Bedingungsgefüge des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts · Rupprecht S. Baur und Andrea Schäfer . . . . . . . . Curriculumentwicklung und Lehrziele Deutsch als Zweitsprache im vorschulischen und schulischen Bereich · Havva Engin . . . . . . . . . . . . Curriculumentwicklung und Lehrziele DaZ in der Erwachsenenbildung: Integrationskurse · Susan Kaufmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprachliche und kulturelle Vielfalt im Deutsch als Zweitsprache-Unterricht · Ingelore Oomen-Welke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alphabetisierung in der Zweitsprache Deutsch · Monika Ritter . . . . . Textkompetenz und Lernen in der Zweitsprache · Sabine SchmölzerEibinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interkulturelle Erziehung · Gabriele Pommerin-Götze . . . . . . . . . . . Berufsorientierter Deutschunterricht · Hermann Funk . . . . . . . . . .
XII.
Sprachen lehren: Einzelaspekte
127. 128. 129. 130. 131. 132. 133. 134. 135.
Motivierung · Claudia Riemer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lernerautonomie · Claudio Nodari und Cornelia Steinmann Lernberatung · Karin Kleppin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgabenorientierung · Paul Portmann-Tselikas . . . . . . . . Projektorientierung · Michael Schart . . . . . . . . . . . . . . . Sprachlernspiele · Brigita Kacjan . . . . . . . . . . . . . . . . . Sozialformen · Karen Schramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tandem-Lernen · Lars Schmelter . . . . . . . . . . . . . . . . . Distanz- und Präsenzlernen · Eva Platten . . . . . . . . . . . .
XIII.
Medien und Lehr-Lernmaterialien
136.
Die Funktion von Medien im Deutsch als Fremd- und Deutsch als Zweitsprache-Unterricht · Dietmar Rösler . . . . . . . . . . . . . . . . . Lehrwerke im Deutsch als Fremd- und Deutsch als Zweitsprache-Unterricht · Hans-Jürgen Krumm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch als Fremd- und Deutsch als Zweitsprache-Lernen in elektronischen Umgebungen · Nicola Würffel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Audiovisuelle Medien · Jörg Matthias Roche . . . . . . . . . . . . . . . . Materialien für das Wortschatzlehren und -lernen · Peter Kühn . . . . . Materialien für das Grammatiklehren und -lernen · Lutz Götze . . . . .
120. 121. 122. 123. 124.
137. 138. 139. 140. 141.
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
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1073 1085 1096 1106 1116 1130 1138 1145
1152 1157 1162 1166 1172 1177 1182 1188 1192
1199 1215 1227 1243 1252 1258
VI
Inhalt
XIV. Leistungsmessung und Leistungskontrolle 142. 143. 144. 145. 146. 147.
Kompetenzmodelle und Bildungsstandards für Deutsch als Fremd- und Deutsch als Zweitsprache · Thomas Studer . . . . . . . . . . . . . . . . . Testen und Prüfen von Sprachkenntnissen · Michaela Perlmann-Balme Sprachprüfungen für Deutsch als Fremdsprache · Manuela Glaboniat . Sprachprüfungen für Deutsch als Zweitsprache · Gabriele Kniffka . . . Sprachstandsdiagnosen · Ingrid Gogolin . . . . . . . . . . . . . . . . . . Portfolios und informelle Leistungsdiagnosen · David Little . . . . . . .
XV.
Lehrerinnen und Lehrer
148.
Die Rolle des Lehrers / der Lehrerin im Unterricht des Deutschen als Zweit- und Fremdsprache · Arnd Witte und Theo Harden . . . . . . . . Ausbildung von Lehrkräften für Deutsch als Fremdsprache und Deutsch als Zweitsprache · Hans-Jürgen Krumm und Claudia Riemer . . . . . . Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften für Deutsch als Fremdsprache · Michael Legutke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften für Deutsch als Zweitsprache · Rupprecht S. Baur und Andrea Schäfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterrichtsbeobachtung und Unterrichtsanalyse · Hans-Jürgen Krumm Aktionsforschung / Handlungsforschung · Michael Schart . . . . . . . .
149. 150. 151. 152. 153.
1264 1272 1288 1299 1305 1315
1324 1340 1351 1357 1363 1370
XVI. Kulturwissenschatliche Aspekte des Deutschen als Fremd- und Zweitsprache 154. 155. 156. 157. 158. 159.
Geschichte und Konzepte einer Kulturwissenschaft im Fach Deutsch als Fremdsprache · Claus Altmayer und Uwe Koreik . . . . . . . . . . . . . Fremdverstehen und kulturelles Lernen · Adelheid Hu . . . . . . . . . . Konzepte von Kultur im Kontext von Deutsch als Fremd- und Zweitsprache · Claus Altmayer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interkulturelle Germanistik · Bernd Müller-Jacquier . . . . . . . . . . . Fremdbilder und Fremdwahrnehmung · Hans-Joachim Althaus . . . . . Vergleichende Kultur- und Mentalitätsforschung · Gordian Wolf . . . .
1378 1391 1402 1413 1423 1431
XVII. Landeskunde 160. 161. 162. 163. 164. 165. 166.
Entwicklungslinien landeskundlicher Ansätze und Vermittlungskonzepte · Uwe Koreik und Jan Paul Pietzuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprachbezogene Landeskunde · Rainer Bettermann . . . . . . . . . . . . Informationsbezogene Landeskunde · Wolfgang Hackl . . . . . . . . . . Interkulturelle Landeskunde · Ulrich Zeuner . . . . . . . . . . . . . . . . Landeskundliche Gegenstände: Geschichte · Uwe Koreik . . . . . . . . Landeskundliche Gegenstände: Politik und Gesellschaft · Matthias Grünewald . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Landeskundliche Gegenstände: Alltagskultur, Multikulturalität und Heterogenität · Ernest W. B. Hess-Lüttich . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1441 1454 1465 1472 1478 1484 1492
Inhalt 167. 168. 169.
VII DACH-Landeskunde · Roland Fischer, Bruno Frischherz und Knuth Noke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Landeskunde in der Germanistik im nichtdeutschsprachigen Europa · Karen Risager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Landeskunde in der Germanistik außereuropäischer Länder · Rainer Kussler und Noraseth Kaewwipat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1500 1511 1520
XVIII. Die Rolle der Literatur im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache 170. 171.
172. 173. 174. 175. 176. 177. 178.
Literarische Texte im Deutsch als Fremd- und Zweitsprache-Unterricht: Gegenstände und Ansätze · Swantje Ehlers . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur, Kultur, Leser und Fremde ⫺ Theoriebildung und Literaturvermittlung im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache · Renate Riedner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literarischer Kanon und Fragen der Literaturvermittlung · Michael Ewert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur im Landeskundeunterricht · Peter O. H. Groenewold . . . . . Migrationsliteratur im Deutsch als Fremd- und Zweitsprache-Unterricht · Heidi Rösch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kinder- und Jugendliteratur im Deutsch als Fremd- und ZweitspracheUnterricht · Ulrike Eder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kreatives Schreiben und Schreibwerkstatt · Karl-Heinz Pogner . . . . . Drama- und Theaterpädagogik im Deutsch als Fremd- und Zweitsprache-Unterricht · Manfred Schewe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kunst und Musik im Deutsch als Fremd- und Zweitsprache-Unterricht · Camilla Badstübner-Kizik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XIX.
Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern: Bestandsaunahme und Tendenzen
179. 180. 181. 182. 183. 184. 185. 186. 187. 188. 189. 190. 191. 192. 193. 194.
Deutsch Deutsch Deutsch Deutsch Deutsch Deutsch Deutsch Deutsch Deutsch Deutsch Deutsch Deutsch Deutsch Deutsch Deutsch Deutsch
in in in in in in in in in in in in in in in in
Ägypten · Aleya Khattab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Argentinien · Roberto Bein . . . . . . . . . . . . . . . . . Australien · Heinz L. Kretzenbacher . . . . . . . . . . . . Belarus · Natalia Furaschowa und Dmitri Kletschko . . Belgien · Roland Duhamel . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brasilien · Paulo Soethe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bulgarien · Ana Dimova . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chile · Ginette Castro . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . China · Marcus Hernig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dänemark · Martin Nielsen . . . . . . . . . . . . . . . . . Elfenbeinküste / Coˆte d’Ivoire · Bechie Paul N’Guessan Estland · Merle Jung und Mari Tarvas . . . . . . . . . . . Finnland · Kim Haataja . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frankreich · Martine Dalmas . . . . . . . . . . . . . . . . Georgien · Anna Bakuradse und Iwa Mindadse . . . . . Ghana · Sebastian K. Bemile . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . .
1530
1544 1555 1565 1571 1577 1583 1589 1596
1602 1607 1611 1615 1619 1624 1628 1632 1637 1642 1646 1650 1654 1658 1664 1667
VIII
Inhalt 195. 196. 197. 198. 199. 200. 201. 202. 203. 204. 205. 206. 207. 208. 209. 210. 211. 212. 213. 214. 215. 216. 217. 218. 219. 220. 221. 222. 223. 224. 225. 226. 227. 228. 229. 230. 231. 232. 233. 234.
Deutsch in Griechenland · Angeliki Kiliari . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch in Großbritannien · Gertrud Reershemius . . . . . . . . . . . . Deutsch in Indien · Rekha Kamath Rajan . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch in Indonesien · Setiawati Darmojuwono . . . . . . . . . . . . . Deutsch in Irland · Joachim Fischer und Manfred Schewe . . . . . . . . Deutsch in Italien · Marina Foschi Albert und Marianne Hepp . . . . . Deutsch in Japan · Masako Sugitani . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch in Kamerun · Alexis Ngatcha . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch in Kanada · Barbara Schmenk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch in Kolumbien · Alfonso Mejı´a und Antje Rüger . . . . . . . . . Deutsch in Korea · Ok-Seon Kim und Young-Jin Choi . . . . . . . . . . Deutsch in Kroatien · Siegfried Gehrmann und Ana Petravic´ . . . . . . Deutsch in Kuba · Orquidea Pino . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch in Lettland · Ilze Kangro . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch in Litauen · Lina Pilypaityte˙ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch in Luxemburg · Peter Kühn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch in Marokko · Rachid Jai-Mansouri . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch in Mexiko · Joachim Steffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch in der Mongolei · Khalzkhuu Naranchimeg . . . . . . . . . . . Deutsch in den Niederlanden · Lisanne Klein Gunnewiek und Wolfgang Herrlitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch in Nigeria · Arnd Witte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch in Norwegen · Beate Lindemann . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch in Polen · Franciszek Grucza . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch in Portugal · Anto´nio Ribeiro . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch in Rumänien · Speranta Sta˘nescu . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch in Russland · Natalia Troshina . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch in Schweden · Christine Fredriksson . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch in Senegal · M. Moustapha Diallo . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch in Serbien · Dusˇan Glisˇovic´ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch in der Slowakei · Bea´ta Hockickova´ . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch in Slowenien · Neva Sˇlibar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch in Spanien · Lucrecia Keim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch in Südafrika · Carlotta von Maltzan . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch in der Tschechischen Republik · Eva´ Berglova´ . . . . . . . . . . Deutsch in Tunesien · Helmut Dietrich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch in der Türkei · Nilüfer Tapan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch in der Ukraine · Oksana Pavlychko . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch in Ungarn · Erzse´bet Drahota-Szabo´ . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch in den USA · Peter Ecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch in Vietnam · Ingo Schöningh . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1670 1674 1680 1686 1689 1693 1698 1702 1705 1709 1713 1717 1721 1725 1728 1732 1736 1740 1744 1747 1753 1757 1761 1767 1771 1775 1781 1785 1789 1793 1797 1801 1805 1809 1814 1817 1823 1827 1833 1839
Indices Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1843 1861
Inhalt
IX
1. Halbband Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. 1.
II. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
Deutsch als Fremd- und Zweitsprache als speziisches Lehr- und Forschungsgebiet Perspektiven und Schwerpunkte des Faches Deutsch als Fremd- und Zweitsprache · Christian Fandrych, Britta Hufeisen, Hans-Jürgen Krumm und Claudia Riemer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Strukturdebatte als Teil der Fachgeschichte · Lutz Götze, Gerhard Helbig (†), Gert Henrici und Hans-Jürgen Krumm . . . . . . . . . . . . Die Situation von Deutsch außerhalb des deutschsprachigen Raumes · Christian Fandrych und Britta Hufeisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungen von Deutsch als Fremdsprache in Deutschland nach 1945 · Hans-Jürgen Krumm, Bernd Skibitzki und Brigitte Sorger . . . . Entwicklungen von Deutsch als Fremdsprache vor 1945 · Ulrike Eder Entwicklungen von Deutsch als Zweitsprache in Deutschland · Hans H. Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungen von Deutsch als Fremd- und Zweitsprache in Österreich · Klaus-Börge Boeckmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungen von Deutsch als Fremd- und Zweitsprache in der Schweiz · Michael Langner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sprachenpolitik
9. 10.
Die Verbreitung des Deutschen in der Welt · Ulrich Ammon . . . . . . Zuwanderung und Sprachenpolitik der deutschsprachigen Länder · Verena Plutzar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die deutsche Sprache in der Sprachenpolitik europäischer Institutionen · Konrad Ehlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprachenpolitische Konzepte und Institutionen zur Förderung der deutschen Sprache in nichtdeutschsprachigen Ländern · Brigitte Ortner und Katharina von Ruckteschell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Institutionen und Verbände für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache in Deutschland · Matthias Jung, Hans-Jürgen Krumm und Rainer E. Wicke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Institutionen und Verbände für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache in Österreich · Brigitte Sorger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Institutionen und Verbände für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache in der Schweiz · Monika Clalüna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die internationale Institutionalisierung von Deutsch als Fremd- und Zweitsprache · Britta Hufeisen und Brigitte Sorger . . . . . . . . . . . .
12.
13.
14. 15. 16.
1
Entwicklungslinien des Faches
III.
11.
V
19 34 44 55 63 72 80
89 107 124
133
144 153 160 166
X
Inhalt
IV.
Linguistische Gegenstände in ihrer Bedeutung ür das Deutsche als Fremd- und Zweitsprache
17.
Grundlagen der Linguistik im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache · Christian Fandrych . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phonetik / Phonologie · Ursula Hirschfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . Orthographie · Dieter Nerius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Morphologie: Flexion · Heide Wegener . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Syntax · Cathrine Fabricius-Hansen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Morphologie: Wortbildung · Maria Thurmair . . . . . . . . . . . . . . . Wortschatz · Erwin Tschirner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phraseologismen und Kollokationen · Brigitte Handwerker . . . . . . . Linguistische Pragmatik · Gabriele Graefen und Ludger Hoffmann . . Mündliche Diskurse · Kristin Bührig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Textlinguistik · Maria Thurmair . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Textsorten · Maria Thurmair . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grammatiken · Maria Thurmair . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wörterbücher / Lernerwörterbücher · Peter Kühn . . . . . . . . . . . . . Korpuslinguistik · Anke Lüdeling und Maik Walter . . . . . . . . . . . . Übersetzen und Sprachmitteln · Juliane House . . . . . . . . . . . . . . . Interkulturelle Kommunikation aus linguistischer Perspektive · Susanne Günthner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33.
V.
Variation und Sprachkontakt
34. 35.
44.
Variation in der deutschen Sprache · Helmut Spiekermann . . . . . . . Deutsch in Österreich: Standard, regionale und dialektale Variation · Peter Wiesinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch in der Schweiz: Standard, regionale und dialektale Variation · Peter Sieber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch in Deutschland: Standard, regionale und dialektale Variation · Alfred Lameli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Deutsche außerhalb des zusammenhängenden deutschen Sprachraums · Ludwig M. Eichinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungen und Veränderungen im heutigen Deutsch · Ludwig M. Eichinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alltagsdeutsch · Stephan Elspaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Verhältnis zwischen gesprochener und geschriebener Sprache · Johannes Schwittalla . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jugendsprache · Eva Neuland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprachkontakt: Einflüsse anderer Sprachen auf das Deutsche · Albrecht Plewnia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprachkontakt: Ethnische Varietäten · Inken Keim . . . . . . . . . . . .
VI.
Fach- und Wissenschatssprachen
45. 46.
Fachsprache der Wirtschaft und des Tourismus · Ewald Reuter . . . . . Deutsch im medizinischen Kontext · Sabine Ylönen . . . . . . . . . . . .
36. 37. 38. 39. 40. 41. 42. 43.
173 189 199 206 216 227 236 246 255 265 275 284 293 304 315 323 331
343 360 372 385 398 405 418 425 431 439 447
458 467
Inhalt 47. 48. 49. 50. 51.
XI Fach- und Wissenschaftssprachen in den Naturwissenschaften · Hans-R. Fluck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fach- und Wissenschaftssprachen in den Ingenieurswissenschaften · Antje Heine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fach- und Wissenschaftssprachen in den Geistes- und Sozialwissenschaften · Heinz L. Kretzenbacher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprache der Massenmedien und der Werbung · Nina Janich . . . . . . . Wissenschafts- und Studiensprache Deutsch · Christian Fandrych und Gabriele Graefen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VII.
Kontrastivität und Sprachvergleich
52.
Nutzen und Grenzen der kontrastiven Analyse für Deutsch als Fremdund Zweitsprache · Rita Brdar-Szabo´ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrastive Analyse Arabisch⫺Deutsch · Renate Riedner und Nabil Kassem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrastive Analyse Bulgarisch⫺Deutsch · Ana Dimova . . . . . . . . . Kontrastive Analyse Dänisch⫺Deutsch · Peter Colliander . . . . . . . . Kontrastive Analyse Englisch⫺Deutsch · Christopher Hall . . . . . . . Kontrastive Analyse Estnisch⫺Deutsch · Anne Arold . . . . . . . . . . . Kontrastive Analyse Finnisch⫺Deutsch · Irma Hyvärinen und MarjaLeena Piitulainen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrastive Analyse Französisch⫺Deutsch · Martine Dalmas . . . . . . Kontrastive Analyse Italienisch⫺Deutsch · Marcella Costa . . . . . . . Kontrastive Analyse Japanisch⫺Deutsch · Christiane Hohenstein und Shinichi Kameyama . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrastive Analyse Koreanisch⫺Deutsch · Holger Steidele . . . . . . . Kontrastive Analyse Lettisch⫺Deutsch · Dzintra Lele-Rozentale . . . . Kontrastive Analyse Litauisch⫺Deutsch · Lina Pilypaityte˙ . . . . . . . . Kontrastive Analyse Madegassisch⫺Deutsch · Henning Bergenholtz und Suzy Rajaonarivo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrastive Analyse Mandarin⫺Deutsch · Jin Zhao . . . . . . . . . . . Kontrastive Analyse Neugriechisch⫺Deutsch · Eleni Butulussi . . . . . Kontrastive Analyse Niederländisch⫺Deutsch · Madeline Lutjeharms . Kontrastive Analyse Norwegisch⫺Deutsch · Cathrine Fabricius-Hansen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrastive Analyse Polnisch⫺Deutsch · Lesław Cirko und Danuta Rytel-Schwarz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrastive Analyse Portugiesisch⫺Deutsch · Göz Kaufmann . . . . . Kontrastive Analyse Rumänisch⫺Deutsch · Sperant¸a Sta˘nescu . . . . . Kontrastive Analyse Russisch⫺Deutsch · Anka Bergmann und Grit Mehlhorn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrastive Analyse Schwedisch⫺Deutsch · Christine Fredriksson . . . Kontrastive Analyse Serbisch/Kroatisch⫺Deutsch · Olivera Durbaba . Kontrastive Analyse Slowakisch⫺Deutsch · Christa Lüdtke und Katarina Savchuk-Augustinova´ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrastive Analyse Spanisch⫺Deutsch · Andreu Castell . . . . . . . .
53. 54. 55. 56. 57. 58. 59. 60. 61. 62. 63. 64. 65. 66. 67. 68. 69. 70. 71. 72. 73. 74. 75. 76. 77.
477 487 493 502 509
518 531 538 544 550 562 568 579 586 593 602 609 614 621 627 634 641 647 654 660 667 673 680 687 693 699
XII
Inhalt 78. 79. 80. 81. 82.
Kontrastive Analyse Thai⫺Deutsch · Christian Körner und Wilita Sriuranpong . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrastive Analyse Tschechisch⫺Deutsch · Peter Kosta . . . . . . . . Kontrastive Analyse Türkisch⫺Deutsch · Christoph Schröder und Yazgül S¸ims¸ek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrastive Analyse Ukrainisch⫺Deutsch · Kersten Krüger . . . . . . . Kontrastive Analyse Ungarisch⫺Deutsch · Rita Brdar-Szabo´ . . . . . .
705 711 719 726 732
VIII. Spracherwerb und Sprachenlernen: Modelle und theoretische Ansätze 83. 84. 85. 86. 87. 88. 89. 90. 91.
Spracherwerb und Sprachenlernen · Britta Hufeisen und Claudia Riemer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweitsprachenerwerb und Fremdsprachenlernen: Begriffe und Konzepte · Frank G. Königs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Empirische Forschungsmethoden in der Zweit- und Fremdsprachenerwerbsforschung · Claudia Riemer und Julia Settinieri . . . . . . . . . . Erstsprachenerwerb · Ute Schönpflug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Behavioristische Ansätze · Haymo Mitchian . . . . . . . . . . . . . . . . Nativistische Ansätze · Claudia Riemer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kognitivistische / Konstruktivistische / Konnektionistische Ansätze · Claudia Schmidt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sozial-interaktionistische Ansätze · Karin Aguado . . . . . . . . . . . . . Mehrsprachigkeitskonzepte · Nicole Marx und Britta Hufeisen . . . . .
IX.
Sprachenlernen: speziische Variablen und Faktoren
92. 93. 94. 95. 96. 97. 98. 99. 100.
Lernersprache(n) · Ernst Apeltauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lern(er)strategien und Lerntechniken · Peter Bimmel . . . . . . . . . Lernstile und Lern(er)typen · Karin Aguado und Claudia Riemer . Sprachbewusstheit und Sprachenlernbewusstheit · Claudia Schmidt Alter · Rüdiger Grotjahn und Torsten Schlak . . . . . . . . . . . . . Affektive Variablen / Motivation · Martina Rost-Roth . . . . . . . . . Lernerexterne Faktoren · Heike Rohmann . . . . . . . . . . . . . . . Subjektive (Lerner-)Theorien · Annette Berndt . . . . . . . . . . . . . Sprachlern-Eignung und Sprachlern-Bereitschaft · Gudula List . . .
X.
Sprachen lehren: Zielsetzungen und Methoden
101.
Der Faktor „Lehren“ im Bedingungsgefüge des Deutsch als Fremdsprache-Unterrichts · Hans-Jürgen Krumm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Curriculumentwicklung und Lehrziele Deutsch als Fremdsprache · Reiner Schmidt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterrichtsplanung · Rainer E. Wicke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methodische Konzepte für den Deutsch als Fremdsprache-Unterricht · Hermann Funk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regionale Lehr- und Lernkulturen · Klaus-Börge Boeckmann . . . . . .
102. 103. 104. 105.
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
738 754 764 781 793 799 807 817 826
833 842 850 858 867 876 886 895 901
907 921 933 940 952
Inhalt 106. 107. 108. 109. 110. 111. 112. 113. 114. 115. 116. 117. 118.
XIII Die sprachlichen Fertigkeiten · Renate Faistauer . . . . . . . . . . . . . . Vermittlung der Hörfertigkeit · Gert Solmecke . . . . . . . . . . . . . . . Vermittlung der Lesefertigkeit · Madeline Lutjeharms . . . . . . . . . . . Vermittlung der Sprechfertigkeit · Martina Liedke . . . . . . . . . . . . . Vermittlung der Schreibfertigkeit · Imke Mohr . . . . . . . . . . . . . . . Ausspracheerwerb und Aussprachevermittlung · Julia Settinieri . . . . . Grammatikerwerb und Grammatikvermittlung · Christian Fandrych . . Wortschatzerwerb und Wortschatzvermittlung · Lutz Köster . . . . . . . Textarbeit · Ingo Thonhauser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersetzen und Sprachmitteln im Deutsch als Fremdsprache-Unterricht · Frank G. Königs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fach- und sprachintegrierter Unterricht · Kim Haataja . . . . . . . . . . Fachsprachenvermittlung · Winfried Thielmann . . . . . . . . . . . . . . Fehleranalyse und Fehlerkorrektur · Karin Kleppin . . . . . . . . . . . .
961 969 976 983 992 999 1008 1021 1033 1040 1047 1053 1060
XI. Speziische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts 119. Der Faktor Lehren im Bedingungsgeüge des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Darstellung des Bedingungsgefüges Der Faktor ,Lerner‘ ⫺ der Faktor ,Lehrer‘ DaZ-Unterricht ⫺ Spezifika Analyse von DaZ-Unterricht Analyse von Lehrwerken Fazit Literatur in Auswahl
Wenn man den Faktor ,Lehren‘ im DaZ-Unterricht genauer betrachtet, fällt schnell auf, dass es sich hier um einen Faktor handelt, der durch zahlreiche unterschiedliche Aspekte, Bedingungen und Erwartungen geprägt ist und beeinflusst wird. U. a. gibt es Zusammenhänge mit der Lehrerausbildung bzw. Lehrerfortbildung (vgl. Art. 151). Um den komplexen Faktor ,Lehren‘ insgesamt in den Blick zu bekommen, soll zunächst das Bedingungsgefüge, in dem dieser Faktor zum Tragen kommt, dargestellt werden. Danach soll die Verbindung zu weiteren ausgewählten Bereichen näher beleuchtet werden.
1.
Darstellung des Bedingungsgeüges
1.1. Die Entwicklung von DaZ Der Faktor ,Lehren‘ ist ein eigener Faktor in der Faktorenkomplexion (Königs 1983) Sprachunterricht und bildet mit den Lernenden mit ihren unterschiedlichen Lernerzugängen, den jeweiligen adressatenspezifischen Lernzielen, den Lehrenden und den gesellschaftlichen Bedingungen ein komplexes Bedingungsgefüge. Dabei ist vorab festzuhalten, dass es ein einheitliches Lernziel, das ohne Differenzierung für alle Lerner gleichermaßen gilt, nicht gibt. Lernziele beeinflussen die Strukturierung des Lernprozesses aufgrund unterschiedlicher Bezugspunkte stark. Man kann dabei zwischen lernerbezogenen, lehrerbezogenen wie auch zielbezogenen Fragestellungen unterscheiden. Diese wiederum können individueller Natur sein, sich aber ebenso auch auf die gesamte Lernergruppe beziehen oder lerngruppenübergreifende Strukturen betreffen. Auch können Lernziele auf unterschiedlichen sprachlichen Ebenen (syntaktisch, lexikalisch, morphologisch, phonologisch, phonetisch, pragmatisch) ebenso wie die Aneignung außersprachlichen Wissens (z. B. Landeskunde) oder soziale Ziele den Lehr- und Lernprozess beeinflussen (vgl. Königs 1983). Um die Probleme mit den jeweiligen Lernzielen für alle Beteiligten, vor allem aber für
1074 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts die Lernenden, so gering wie möglich zu halten, sollten sie mit ihren Bedürfnissen von Anfang an aktiv in die Unterrichtsplanung einbezogen werden. Die Lehrenden müssen dafür die spezifischen Bedürfnisse ihrer Lerner erkennen und analysieren können. Da Deutsch als Zweitsprache im Gegensatz zu Deutsch als Fremdsprache durch das ständige Ineinandergreifen von gesteuerten und ungesteuerten Erwerbsprozessen gekennzeichnet ist, muss der Lehrer beispielsweise den Lernstand seiner Lernenden erfassen und spezifische Fördermaßnahmen ergreifen können. Dazu gehört neben der Fähigkeit zu individueller Lernstandsdiagnose auch die Entwicklung von Fördermaterialien (siehe Art. 146). Hier einfach der Progression eines Lehrwerks zu folgen, kann den individuellen Bedürfnissen der DaZ-Lernenden i. d. R. nicht gerecht werden. Nach Edmondson und House (2006) ist der Unterricht mit seinen Lehr- und Lernzielen, mit dem gesamten Lehrwerk, seinem Lehrinhalt, den Methoden und Prinzipien, seinen Übungsformen dem geltenden Curriculum unterworfen. Hier ist allerdings zu fragen, wer diese Vorgaben in den Curricula macht und inwieweit diese Vorgaben die spezifischen Bedürfnisse der Lerner berücksichtigen. Im Idealfall sollte der Lehrer (nur) das lehren, was das Curriculum als Vorgabe liefert und die Lerner sollten die im Curriculum vorgegebenen Inhalte auch wirklich lernen können (Lernerperspektive). Faktisch ist Beides nicht immer gegeben: Abweichungen des Lehrers von den curricularen Inhalten sind praktisch nicht kontrollierbar. Unrealistische Lernziele, aber auch die Anpassung an veränderte gesellschaftliche Anforderungen führen zu einer ständigen Curriculumsrevision. Die Immigration nach Deutschland und in andere deutschsprachige Länder und ein wachsender Anteil von Lernern mit Migrationshintergrund in den verschiedenen Ausbildungsgängen stellen eine gesellschaftliche Realität dar, welche die Lernbedingungen in der Schule verändert hat. Das macht es wiederum notwendig, dass sich auch die Curricula und die Lehrerausbildung verändern müssen (vgl. Beitrag 151 in diesem Band). Eine weitere, die Eigenständigkeit eines Fachs und damit auch das Fach DaZ beeinflussende Komponente ist ebenfalls die Frage, ob das Fach in Abhängigkeit von einer Bezugswissenschaft gesehen wird. In den 1970er Jahren konstituierte sich beispielsweise das Fach Sprachlehr- und Sprachlernforschung und löste diesen Gegenstandsbereich heraus aus den vermeintlichen Basis- oder Bezugswissenschaften Linguistik, Didaktik und Psychologie (vgl. Koordinierungsgremium 1983). Von dem Koordinierungsgremium im DFG-Schwerpunkt Sprachlehr- und Sprachlernforschung sind damals weitsichtig auch bereits vier Projekte aus dem Bereich DaZ gefördert worden. Das waren auf der einen Seite zwei Projekte zur Zweisprachigkeit griechischer und türkischer Migrantenkinder, also Projekte mit schulischer Relevanz (vgl. Koordinierungsgremium 1983: 93 ff.), auf der anderen Seite zwei Projekte zum Zweitspracherwerb ausländischer Arbeitnehmer (130 f. und 140 f.). Trotz dieser positiven Ansätze wurde das Fach lange Zeit hauptsächlich als Domäne der Erziehungswissenschaften im Rahmen des Faches ,Ausländerpädagogik‘ gesehen, bevor sich auch die Germanistik in den 1980er Jahren zögerlich der Zweitsprachendidaktik zuwandte (vgl. im Einzelnen Art. 6). Die Einrichtung und die Benennung von Zusatzstudiengängen können u. E. als Indikatoren auf die Sicht von DaZ in der Lehrerbildung gewertet werden. Im Jahr 1987 wurde beispielsweise an einigen Hochschulen in NRW der Zusatzstudiengang „Ausländerpädagogik einschließlich Deutsch als Fremdsprache/Zweitsprache“ eingerichtet. 1995 wurde der Zusatzstudiengang umbenannt in „Interkulturelle Pädagogik“, im Jahr 2000 in „Deutsch als Zweitsprache/Interkulturelle Pädagogik“. Diese Benennungen zeigen, dass der Zusatzstudiengang im Bewusstsein der einrichtenden Kultusadministration zunächst vornehmlich als
119. „Lehren“ im Bedingungsgefüge des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts
1075
eine pädagogische Aufgabe angesehen wurde, der auch Anteile von DaZ zugerechnet wurden. Mit dem Boom der ,Interkulturellen Pädagogik‘ zu Beginn der 1990er Jahre verschwand der sprachliche Anteil in der Benennung des Zusatzstudienganges ganz aus dem Namen; auch in Österreich wurde auf die Anwesenheit von Kindern mit Migrationshintergrund zunächst dadurch reagiert, dass 1981 für die Lehrenden an Pflichtschulen das Wahlfach „Interkulturelles Lernen“ eingeführt wurde (vgl. Art. 7). Dies zeigt, dass die Interkulturelle Pädagogik damals mit dem Anspruch auftrat, für die Integration nicht-deutschsprachiger Kinder insgesamt die angemessenen Konzepte zu entwickeln bzw. diese bereit zu halten. Seit Ende der 1990er Jahre wird zunehmend deutlich, dass der sprachlichen Seite der Integration mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Das drückt sich auch in der Umbenennung des Zusatzstudiengangs in „Deutsch als Zweitsprache/Interkulturelle Pädagogik“ aus, in welcher der sprachliche Teil ⫺ diesmal als DaZ ⫺ deutlich markiert ist. (Vgl. auch Baur 2001). Wie bildungspolitische Entwicklungen sich auf DaZ ausgewirkt haben, zeigt sich besonders in Folge der PISA-Studien 2000/2003 und der IGLU-Studie 2003. Da in allen Studien Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund erheblich schlechtere Leistungen in der Lesekompetenz als Kinder und Jugendliche mit der Muttersprache Deutsch aufwiesen, wurden in Deutschland wie in Österreich Maßnahmen zur systematischen sprachlichen Diagnose und Förderung der Migrantenkinder eingeleitet und die Forderung erhoben, DaZ-Kenntnisse in der Lehrerausbildung obligatorisch zu vermitteln. In der Erwachsenenbildung wurde die bildungspolitische Bedeutung von DaZ durch die Einrichtung von Integrations(sprach)kursen verstärkt (vgl. auch Abschnitte 2 und 5 sowie Art. 121).
1.2. Das Tätigkeitseld als Bedingungsaktor Tab. 119.1: Tätigkeitsfelder DaZ
DaZ
Schule (Kinder und Jugendliche)
Erwachsenenbildung
Lehrer
Sprachlehrer im Inland
in Schulen für Kinder mit Migrationsgeschichte
an Goethe-Instituten, Weiterbildungsinstitutionen, Sprachschulen, in Firmen und Betrieben, in Integrationskursen des BaMF bzw. ÖIF
in vorschulischen DaZ-Kursen und in der Sprachförderung in propädeutischen DaZ-Kursen im Förderunterricht für Migrantenkinder außerhalb von Schule
Wenn man sich die Adressaten von DaZ (Tabelle 119.1) vor Augen hält, wird deutlich, dass DaZ ein sehr breites Tätigkeitsfeld umfasst bzw. sehr verschiedene Tätigkeitsfelder bedienen muss. So gibt es beispielsweise extreme Unterschiede zwischen DaZ-Lernern, die als Erwachsene Alphabetisierungskurse im Rahmen der Integrationskurse besuchen, und Schülern in der Sekundarstufe II, die in eine deutschsprachige Umgebung hineingeboren wurden und die gesamte Schule bisher im deutschsprachigen Schulsystem durchlaufen haben. Das verweist auf die Notwendigkeit, dass von den Adressaten her gesehen
1076 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts verschiedene und adressatengerechte DaZ-Ausbildungen angeboten werden müssten. Faktisch ist das aber keineswegs der Fall. Die bestehenden Ausbildungsmöglichkeiten können insgesamt in vier große Bereiche eingeteilt werden, die auf die Spezifik des späteren Tätigkeitsfeldes vorbereiten sollten: 1. Ausbildungen für die vorschulische Förderung von DaZ. Diese Ausbildungen werden seit Ende des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts erst konzipiert. Sie existierten bis dahin nicht (vgl. Art. 120); 2. Ausbildungen für die Schule im Rahmen von Lehramtsstudiengängen, Zusatzstudiengängen für das Lehramt oder Lehrerfortbildungen (vgl. Art. 149 und 151); 3. Ausbildungen von DaZ-Lehrern in der Erwachsenenbildung nach den Vorgaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bzw. des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) 4. Universitäre Ausbildungen im Rahmen von Bachelor-, Master- und Magister-Studiengängen, in denen DaF und DaZ häufig miteinander verbunden werden. (vgl. Baur/Kis 2002; vgl. Art. 149) Bis heute ist es nicht gelungen, die verschiedenen Gruppen von Lehrenden gezielt auf ihr jeweiliges Tätigkeitsfeld vorzubereiten. Mehr als im schulischen Bereich hat man sich allerdings in der Erwachsenenbildung darum bemüht, Grundqualifikationen zu bestimmen, über die DaZ-LehrerInnen mindestens verfügen sollten. Nachdem in den 1990er Jahren Kenntnisse und Fähigkeiten für DaZ-Kursleiter in der Erwachsenenbildung für die Integrationskurse des Goethe-Instituts festgelegt worden waren (Schweckendieck und Tietze 1994), sind die Anforderungen noch einmal erweitert und präzisiert worden, nachdem das Integrationsgesetz 2003 verabschiedet wurde und die Integrationskurse eine neue Struktur erhalten haben (vgl. www.integration-in-deutschland.de). Diese Ausbildung enthält alle wesentlichen Inhalte (der Schwerpunkt liegt auf methodisch-didaktischen Fertigkeiten), umfasst aber nur ein Stundenvolumen von 120 Stunden, so dass Vieles nur angesprochen, aber nicht wirklich eingeübt und vertieft werden kann (vgl. Art. 151). Eine auf den Daten der Studienangebote an den deutschsprachigen Hochschulen basierende Untersuchung zur Struktur der Ausbildung in DaZ wurde 2002 von Baur und Kis veröffentlicht. Diese Studie zeigt, dass im Jahre 2002 an 45 deutschsprachigen Hochschulen in unterschiedlicher Form ein Studium DaF/DaZ angeboten wurde. Obwohl sich mit der Einführung der BA- und MA-Ausbildung die Landschaft in diesem Bereich sehr verändert hat und auch weiterhin verändert, nimmt die DaF-Ausrichtung an den deutschsprachigen Hochschulen (Stand 2010) immer noch einen wesentlich größeren Raum ein als die DaZ-Ausbildung. An vielen Hochschulen gibt es ein unspezifisches DaF-DaZ-Angebot als Folge der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen: Die Hochschulen glauben die Berufschancen ihrer Absolventen zu verbessern, wenn sie ihnen polyvalente Abschlüsse anbieten. Nur wenige Studienstandorte bieten ausschließlich Qualifikationen in DaZ an. Eine der Ursachen ist, dass DaZ in der Schule kein eigenes Fach ist. Das sollte allerdings auch nicht angestrebt werden, denn das würde ja letztendlich bedeuten, dass man zwei Lehrerprofile ausbildet: die Deutsch-als-Muttersprachen-Lehrer und die DaZ-Lehrer, die für den Unterricht der Migrantenkinder verantwortlich wären, was segregative Tendenzen verstärken könnte. Wie in Abschnitt 1.1 bereits angemerkt, muss der umgekehrte Weg eingeschlagen werden: Alle Lehrer, auch die Fachlehrer, müssen dazu befähigt werden, die spezifischen Bedürfnisse von Schülern mit Migrationshinter-
119. „Lehren“ im Bedingungsgefüge des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts
1077
grund in ihrem Unterricht zu berücksichtigen. Aufgrund der Veränderung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen müsste sich in diesem Sinne die grundständige Lehrerausbildung wesentlich verändern. Aus Gründen der Fachtradition sind Veränderungen in den Fächern und ihren Inhalten allerdings sehr langwierige Prozesse. In letzter Konsequenz müsste nicht nur die Deutschlehrerausbildung, sondern jede Fachausbildung Anteile von DaZ in die Ausbildung integrieren, was bei einem nicht erweiterbaren Gesamtstundenvolumen zur Reduktion traditioneller fachlicher Inhalte führen würde. Da diese Veränderungen schulpolitisch auf erhebliche Widerstände treffen, wird DaZ als Ausbildung für die Schule vornehmlich als Zusatzqualifikation angeboten, die unterschiedlich benannt werden kann (vgl. auch Art. 151). Zum Bedingungsgefüge des Bildungssystems in den deutschsprachigen Ländern gehört es auch, dass man Lehrer nach Abschluss ihrer Ausbildung und nach ihrer Anstellung nicht dazu verpflichten kann, sich fortzubilden, so dass ungewiss ist und bleibt, wer in welchem Maße DaZ-Qualifikationen erwirbt. Die Motivation für ein solches DaZZusatzstudium kann aus der Erkenntnis erwachsen, sich ,nachrüsten‘ zu müssen, um spezifischen Anforderungen des Unterrichts mit Schülern nicht-deutscher Herkunft gewachsen zu sein. Die Motivation ist aber bei vielen LehramtsanwärterInnen auch ,instrumentell‘, d. h. von den Einstellungschancen her gesteuert: Wenn auf dem ,Markt‘ ein Überangebot an Lehrern herrscht und sich Bewerber mit einer solchen Zusatzqualifikation bessere Einstellungschancen versprechen, steigt das Interesse an dem DaZ-Studium. Die ,schulscharfen‘ Ausschreibungen zahlreicher Schulen in Ballungsgebieten, die gezielt nach Lehrern mit einer DaZ-Qualifikation suchen, weisen in diese Richtung. In Zeiten, in denen Lehrermangel herrscht, kann man aber auch umgekehrt davon ausgehen, dass es weniger attraktiv ist, eine fakultative Zusatzqualifikation zu erwerben, da die Einstellungschancen für Lehrer ohnehin gut sind. In der o. a. Studie von Baur und Kis (2002) wurde auch untersucht, mit welchen Inhalten und mit welchen Studienvolumina DaZ-Zusatzausbildungen operieren. Auch dabei zeigten sich große Unterschiede. Das geringste Volumen lag bei 12 Semesterwochenstunden (SWS) (also sechs Veranstaltungen), das umfangreichste bei 40 SWS.
2. Der Faktor ,Lerner der Faktor ,Lehrer Betrachtet man in der Faktorenkomplexion den Lerner genauer, ist auf die große Heterogenität hinsichtlich zahlreicher Faktoren wie sozioökonomischer Status der Lernenden (oder ihrer Familien), Alter, kulturelle Unterschiede, Motivation, Lerntyp, Einstellung zur Zielkultur, Lernerfahrungen und insbesondere Kenntnisse in der Herkunftssprache, der Zweitsprache Deutsch und in weiteren Fremdsprachen hinzuweisen. Lehrende müssen sich mit den individuellen Besonderheiten der einzelnen Lernenden auseinandersetzen und diese im Lernprozess berücksichtigen. Dabei kann es für die Einschätzung des individuellen Lernprozesses von Seiten des Lehrers z. B. von großer Bedeutung sein, ob der Lerner zugewandert ist oder in Deutschland geboren wurde, ob er berufstätig oder arbeitslos ist, ob er viel Zeit oder nur wenig für den Lernprozess einsetzen kann, ob er in der Freizeit viele oder wenige Kontakte zu deutschsprachigen Kommunikationspartnern hat u. a. m. Auch familiäre, finanzielle und aufenthaltsrechtliche Probleme können den Lernprozess in erheblichem Maße beeinträchtigen.
1078 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts Neben diesen individuellen Unterschieden müssen Lehrer auch auf unterschiedliche Lernbedingungen vorbereitet sein, die durch vorschulischen, schulischen oder außerschulischen Unterricht konstituiert werden. Für alle Lernbereiche kann vorab festgehalten werden, dass die DaZ-Lerner im schulischen Ausbildungssystem in den deutschsprachigen Ländern nicht von Lehrern unterrichtet werden, die für DaZ und für die Arbeit mit Zweitsprachenlernern ausgebildet wurden. Die Defizite in der Ausbildung unterscheiden sich in den verschiedenen Segmenten des Ausbildungssystems nur graduell. 1. Bedingungen für vorschulisches Lehren: Das Lehren von DaZ in diesem Bereich setzt eine DaZ-Ausbildung von Erzieherinnen voraus, die bislang nirgendwo implementiert wurde. Dieses Defizit in der Ausbildung ist inzwischen als gesellschaftliches Problem erkannt worden, es werden neue Modelle der Ausbildung von Erzieherinnen diskutiert und erprobt (vgl. z. B. Knapp et al. 2008; vgl. auch Art. 151). D. h. der Faktor ,Lehren‘ behindert im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts das Lernen in vorschulischen Einrichtungen erheblich, da als ,Förderlehrer‘ zu einem großen Teil unqualifizierte Personen, wie z. B. Studierende des Faches Deutsch eingesetzt werden ⫺ in der irrigen Annahme, dass ein Deutschstudium allein bereits für den Unterricht in DaZ qualifiziert. Professionelle Unterstützung erwartet man sich auch durch den Einsatz von Studierenden (und später Lehrenden) mit Migrationshintergrund, ohne dass diese Personen für diese Aufgabe in der notwendigen Weise vorbereitet wären. (vgl. Baur 2009) Ob und in welcher Weise im vorschulischen Bereich bei Fördermaßnahmen differenziert werden kann und soll, muss noch erforscht werden. Allgemein wird in der Bildungspolitik angestrebt, vor der Einschulung Diagnoseinstrumente einzusetzen, die sprachliche Defizite bei Kindern aufdecken und eine Förderung vorbereiten sollen (vgl. Art. 146). 2. Bedingungen in der Grundschule: In der Grundschule steigt der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund ständig und ein großer Teil dieser Kinder wächst zweisprachig auf (vgl. Chlosta, Ostermann und Schroeder 2003). Auf diese Situation werden GrundschullehrerInnen in ihrer Ausbildung unzureichend vorbereitet (Gogolin 2006, 2008a, 2008b; Gogolin und Saalmann 2007). Hier müsste verstärkt differenziert werden. Zum einen sollte die Sprachförderung im vorschulischen Bereich mit der Förderung in den ersten Klassen der Primarstufe koordiniert und aufbauend fortgeführt werden, zum anderen muss in den oberen Klassen der Primarstufe die Lese- und Schreibkompetenz systematisch beobachtet und ggf. stabilisiert werden. Eine solche differenzierte Betrachtungsweise hat auch Auswirkungen auf das ,Lehren‘: Die Bereiche Diagnose und Förderung mit Blick auf den Übergang in die weiterführenden Schulen der Sekundarstufe I müssten gezielt ausgebaut werden (vgl. Art. 151). 3. Bedingungen im Sekundarstufenbereich I: Förderung, die in der Primarstufe eingeleitet wurde, muss in der Sekundarstufe I ziel- und adressatenspezifisch weitergeführt werden. DaZ-Unterricht darf sich nicht nur auf den vorschulischen Bereich und die Primarstufe konzentrieren, wie das von Bildungsexperten z. T. gefordert wird, sondern muss in Zukunft gerade auch in der Sekundarstufe I ausgebaut werden, da sich erst hier der besondere Förderbedarf in den Fächern bzw. den fachsprachlichen Zugängen zeigt. In der Sekundarstufe I muss daher vor allem auf den Auf- und Ausbau der fachsprachlichen Fähigkeiten geachtet werden, da diese die Grundlage für den weiteren Schulerfolg dar-
119. „Lehren“ im Bedingungsgefüge des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts
1079
stellen. Deshalb ist auch eine DaZ-Ausbildung der Fachlehrer notwendig (vgl. Chlosta und Schäfer 2008). 4. Bedingungen im Sekundarstufenbereich II: Die so genannte gymnasiale Oberstufe ist in Bezug auf DaZ in der Schulpolitik bzw. in den Curricula nur wenig beachtet worden. Eine DaZ-Förderung muss allerdings auch hier stattfinden, wenn Probleme in Studium und Beruf vermieden werden sollen. Die Erfahrungen aus den Förderprojekten der Stiftung Mercator (http://www.stiftung-mercator.org/cms/front_content.php?idcat⫽35 [10. 5. 2010]) und aus dem universitären Bereich (http://www.uni-due.de/foerderunterricht/ [10. 5. 2010]) zeigen, dass DaZ-Lerner auf dem Gebiet des wissenschaftlichen Schreibens häufig Unterstützung brauchen. Welche Förderungsmaßnahmen hier erfolgreich sein können, muss in Zukunft verstärkt erforscht werden. 5. Bedingungen in Berufskolleg/Berufsschule: Wie die gymnasiale Oberstufe wurde auch das Berufskolleg (z. T. auch unter dem Namen Berufsschule geführt) bisher bildungspolitisch hinsichtlich des DaZ-Unterrichts wenig beachtet, obwohl sich hier ein hoher Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund in der Ausbildung befindet. Die Fachsprachenförderung stellt hier eine wichtige Grundlage für eine erfolgreiche Berufsausbildung dar (vgl. Ohm, Kuhn und Funk 2008 sowie Art. 126). 6. Bedingungen in der Erwachsenenbildung: Durch Einführung der Integrations(sprach)kurse (vgl. Art. 121) hat der Faktor ,Lehren‘ eine besondere Struktur im Unterricht mit zugewanderten Erwachsenen erhalten. Diese Lerner sollen zunächst in allgemeinsprachlichen Kursen Grundkenntnisse (auf dem Niveau B1) erwerben. Darauf aufbauend müssen in weiteren Kursangeboten fachsprachliche und berufsbezogene Kenntnisse erworben werden. Eine Lehrerausbildung in diesem wichtigen weiterführenden Aufgabenbereich gibt es für DaZ bislang nicht. Eine Fokussierung dieses Bereichs fehlt erstaunlicherweise auch in den Ausbildungsrichtlinien des BAMF für die Integrationssprachenlehrer (vgl. Art. 151). Um eine Grundlage für das Lehren des berufssprachlichen Ausbildungsbereichs zu schaffen, müssen deshalb zukünftig neue Fort- und Weiterbildungsangebote entwickelt werden (vgl. Duxa 2001).
3. DaZ-Unterricht Speziika Im DaZ-Unterricht geht es immer auch um spezielle Bedingungen des Zweitspracherwerbs: Generell lässt sich als Ähnlichkeit zwischen Zweitspracherwerb und Fremdsprachenlernen herausstellen, dass es in beiden Fällen einen Transfer von den jeweiligen muttersprachlichen Fähigkeiten in die Zweit- bzw. Fremdsprache gibt. Im Unterschied zum Fremdsprachenunterricht, bei dem von altersgemäßen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Muttersprache ausgegangen werden kann, sind die Kenntnisse in der Herkunftssprache und die auf der Herkunftssprache aufbauenden Fähigkeiten bei Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund weitgehend unbekannte Größen. Obwohl die Forderung, die Muttersprachen und Herkunftskulturen in der schulischen Sozialisation von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu berücksichtigen, immer wieder erhoben wird (vgl. Ehlich et al. 2005), wird sie im DaZ-Unterricht äußerst selten einge-
1080 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts löst. Als Schwierigkeit kommt hinzu, dass das Verhältnis von Herkunftssprache und Zweitsprache Deutsch bei den Migrantenkindern sehr unterschiedlich ausgebildet ist, so dass es einen einheitlichen zweisprachigen Ansatz für alle nicht geben kann. Sprachförderung in DaZ bedeutet deshalb immer Absicherung des Lernfortschritts auf der Grundlage und mit den Mitteln der Zweitsprache Deutsch (vgl. Kap. 5). Bei der Bearbeitung konkreter Themen und Inhalte muss immer die Frage gestellt werden, welche sprachlichen Mittel notwendig sind, um sich Kenntnisse anzueignen (rezeptive Ebene) und was ein Lerner mündlich formulieren und schreiben können muss (produktive Ebene). Dies wiederum ist von den zu unterrichtenden Adressaten abhängig. Die Sprachbedarfsermittlung bestimmt die notwendigen Inhalte des Unterrichts, z. B. Kommunikation im Lebensalltag vs. Erwerb fachlichen Wissens auf der Grundlage eines entsprechenden Fachwortschatzes. Zu unterscheiden ist hier der objektive Sprachbedarf (angestrebte Handlungsfelder ⫺ Was ist zu lernen?) gegenüber dem subjektiven Sprachbedarf (Bedürfnisse des einzelnen Lerners ⫺ Wie kann und will der Einzelne lernen?). Besonders sei noch auf einen Unterschied zwischen dem DaZ-Unterricht in der Schule und in der Erwachsenenbildung hingewiesen: Auch wenn es für die Schule keine ausreichende DaZ-Vorbeitung für die Lehrenden gibt, haben die Schul-Lehrer doch alle eine grundständige Lehrerausbildung absolviert. Die Lehrqualifikation der Lehrenden in der Erwachsenenbildung beruht dagegen häufig allein auf einer Zusatzausbildung. Gerade in der Erwachsenenbildung sind Lernvoraussetzungen und Interessen der Adressaten allerdings sehr unterschiedlich, weshalb die unterrichtsmethodischen Fähigkeiten der Lehrer in der Erwachsenenbildung gut ausgebildet sein müssen. Hierbei sind folgende Aspekte besonders zu beachten: Teilnehmerorientierung (Einbeziehung von Erfahrungen und Kompetenzen der Lernenden), Wahrnehmung der Kompetenzen der Lernenden, Anregung zu Diskussionen und zu Erfahrungsaustausch, selbstständiges Arbeiten, Fähigkeit zur Anpassung der Methoden an die Teilnehmer und an die Inhalte, Binnendifferenzierung, Förderung von Spontaneität und Kreativität, Beachtung der Lerntypen (Ansprechen verschiedener Wahrnehmungskanäle bei der Präsentation und Erarbeitung des Lernstoffs), Förderung von Interaktion, Beachtung der Rollenfunktionen innerhalb der Gruppe, Förderung der Selbstidentität und Verarbeitung von Versagensängsten.
4. Analyse von DaZ-Unterricht Lehrende im DaZ-Unterricht müssen unterschiedliche Lernziele im Blick behalten. Ob und wie diese Lernziele erreicht werden, kann nur durch eine Beobachtung, Analyse und Evaluation erkannt werden. Auch Selbstbeobachtung und Selbstreflexion sind Verfahren, die zur Verbesserung des Unterrichts beitragen. Nach dem Modell der Kann-Bestimmungen, wie sie im Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen (GER) für Sprachen eingeführt wurden, sollte festgelegt werden, was der Lerner nach dem Unterricht können soll. Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten und angestrebte Qualifikationen, die im Unterricht angestrebt werden, sollen möglichst präzise formuliert werden. Nur so ist eine Lernzielkontrolle möglich. Nicht allein Lernstoff und Lerninhalt sollen evaluiert werden, sondern ebenso auch das Lernverhalten und der Lernprozess. Eine Analyse der Lernziele kann auf ganz unterschiedlichen Ebenen erfolgen. Solche Ebenen sind u. a.: abstrakte und konkrete Lernziele, über- und untergeordnete Lernziele, Leit- oder Richtziele (bildungspoliti-
119. „Lehren“ im Bedingungsgefüge des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts
1081
sche Zielsetzungen), Grob- (Hauptlernziele) und Feinziele (mit Bezug auf Unterrichtssequenzen und konkreter Bestimmung des Lernerverhaltens) und ebenso kognitive, affektive, psychomotorische, interkulturelle sowie handlungsorientierte Lernziele (Künzli David 2007). Eine Analyse kann auch auf der Grundlage der Beobachtung von Unterrichtsphasen sinnvoll sein (vgl. Art. 152). DaZ-Unterricht im Bereich der Erwachsenenbildung wird nach unterschiedlichen Modellen durchgeführt. Zu unterscheiden wären hier beispielsweise das TTT-Modell (test ⫺ teach ⫺ test) oder das PPP-Modell (presentation ⫺ practice ⫺ production) ⫺ Lehrerinput, Übungsphasen, Anwendungsphasen. Grießhaber (2005) teilt den DaZ-Unterricht (Förderunterricht für Schüler) in folgende Phasen ein: 1. Vorbereitungsphase, 2. Präsentation (Konfrontation mit dem neuen Lernstoff), 3. Verstehenskontrolle, 4. Übungsphase 1 (drill), 5. Phase der Bewusstmachung (Kognitivierung), 6. Übungsphase 2 (Festigung), 7. Transferphase, 8. Phase der freien Anwendung. Übungstypologien, die hier zur Anwendung kommen, können nach Segermann (1994) ihrerseits klassifiziert werden. Dabei entscheidet der Lehrende beispielsweise über den Ort, an dem die Übung stattfindet, über die Wahl des Mediums und des Kanals, über das Register der sprachlichen Äußerung, über die Sozialform, über den Einsatz von Hilfsmitteln, über die Lernzielkontrolle und ggf. Beurteilungsform der Leistung und letztlich auch darüber, welche Motivationsform für die Lerngruppe sinnvoll ist. Ein weiterer zentraler Faktor für die Analyse und Beurteilung des Lernprozesses ist die Progression. Bei einer steilen Progression im Bereich der Grammatik sollte darauf geachtet werden, dass die Progression im Wortschatz nicht zu stark ist (und umgekehrt), da der eine Bereich den anderen jeweils stützen oder behindern kann. Grießhaber (2005) unterscheidet dabei folgende Formen der Progression: linear (einmalige Behandlung), grammatisch (Reihenfolge nach grammatischen Gesichtspunkten), konzentrisch (mehrfache Behandlung, komplexe Bereiche werden in einfachere Teilbereiche zerlegt) und kommunikativ (kommunikative Gesichtspunkte). Durch die Lehrwerke ist die Progression vorgegeben. Lehrende sollten deshalb überprüfen können, ob es bei den für ihre Adressaten in Frage kommenden Lehrwerken Unterschiede in der Progression gibt und welche Progression für die Adressaten mehr oder weniger geeignet ist. Entscheidungen für die Auswahl von Lernmaterial im Unterricht mit fortgeschrittenen Lernern werden dabei häufig durch methodische Fragen mitbestimmt (vgl. Art. 137).
5. Analyse von Lehrwerken Im Bedingungsgefüge des DaZ-Unterrichts spielt das Lehrwerk eine zentrale Rolle. Auf dem Markt befinden sich einerseits Lehrwerke, die sowohl DaZ- als auch DaF-Lerner als Zielgruppe ansteuern, andererseits Lehrmaterialien und Lehrwerke, die sich adressatenspezifisch auf DaZ-Lerner konzentrieren, beispielsweise für Spätaussiedler und Kontingentflüchtlinge, Alphabetisierungs-Lehrwerke, Lehrwerke für Frauenkurse, Lehrwerke mit Berufsbezug u. a. m. (vgl. Art. 137). Um sich im Angebot der Lehrwerke und Lehrmaterialien besser orientieren und den Unterricht adressatengerecht gestalten zu können, sollten DaZ-Lehrende in der Ausbildung lernen, Lehrwerke zu analysieren. Das Thema ,Lehrwerksanalyse‘ ist deshalb in fast allen Ausbildungen obligatorisch. Kriterienkataloge zur Analyse von Lehrwerken
1082 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts sollen dabei helfen, wesentliche Aspekte des mit dem Lehrwerk geplanten Lehr- und Lernprozesses vorab zu klären (vgl. Kast und Neuner 1994). In der Realität erfolgt die Auswahl eines Lehrwerks allerdings kaum auf der Grundlage einer Lehrwerksanalyse. I. d. R. sind es die Schulen und Kursträger, die bestimmen, welche Werke eingesetzt werden. Ob und wie sich ein Lehrwerk bewährt und welche Vermittlungs- und Lernprobleme auftauchen (beispielsweise, weil die Progression zu steil oder das Übungsangebot zu schmal ist), lässt sich nur schwer vorab auf der Grundlage einer Lehrwerksanalyse vorhersagen. Befragungen von DaZ-Lehrenden, die wir in den letzten Jahren im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen durchgeführt haben, bestätigten, dass die Lehrenden die Vorzüge und die Nachteile eines Lehrwerks im Gebrauch entdecken und nicht eine systematische Analyse durchführen. Besonders wichtig ist es deshalb für die Lehrenden, vom Lehrwerk abhängige Mängel, die sich im Unterricht zeigen, selbstständig ,reparieren‘ zu können. Das gilt insbesondere für das Übungsangebot. Zum schrittweisen Aufbau der Kommunikationsfähigkeit hat sich die Übungstypologie zum kommunikativen Deutschunterricht von Neuner et al. (1981) bewährt: Stufe A ⫺ Übungen zur Entwicklung und zur Überprüfung von Verstehensleistungen (Heranführung an authentische Texte, Texterschließung, Textverstehen), Stufe B ⫺ Übungen zur Grundlegung von Mitteilungsfähigkeit (reproduktive Übungen; Reproduktion sprachlicher Strukturen und Redemittel, stark gesteuerte Kommunikationssituationen, korrekte sprachliche Form der Äußerungen), Stufe C ⫺ Übungen zur Entwicklung von Mitteilungsfähigkeit (reproduktive ⫺ produktive Übungen; freiere Gestaltung der Kommunikationssituationen, offene, wenig gelenkte Übungen), Stufe D ⫺ Übungen zur Entfaltung freier Äußerungen (produktive Übungen, Anregung zur sprachlichen Kommunikation, eigenständige Gestaltung der Kommunikationssituation). ⫺ Lehrende sollten überprüfen, ob in einer Übungssequenz bzw. einer Lektion alle vier Stufen vorhanden sind und ob die Fertigkeitsbereiche, die gelernt werden sollen, auch wirklich geübt werden. Eine große Unterstützung kann der Faktor ,Lehren‘ durch ein Lehrerhandbuch erfahren. Hier sind meist Vorschläge für Übungen, Projekte, Differenzierungen, Mediengebrauch, kontrastiv-linguistische Hinweise u. v. a. m. enthalten, die zur Verbesserung des Unterrichts erheblich beitragen können.
6. Fazit Die Berücksichtigung der verschiedenen Faktoren im Bedingungsgefüge des DaZ-Lernens verlangt zunächst einmal eine gute Ausbildung der Lehrenden, denn diese werden sich mit den verschiedenen Faktoren und ihrer Einschätzung in einem durch die Sprachlehr- und Sprachlernforschung abgesicherten wissenschaftlichen Kontext nur dann auseinandersetzen, wenn sie dies in der Ausbildungsphase gelernt haben. Zweitens bedarf es einer hohen Flexibilität auf Seiten der Lehrenden, wenn sie diese Faktoren im Blick behalten und in ihrem Unterricht berücksichtigen wollen. Drittens werden Lehrende, die diese Faktoren ernst nehmen, das Bedürfnis haben, sich weiterzubilden, weil sie erkennen, dass jede Ausbildung nur erste Einblicke in ihr Tätigkeitsfeld liefert und dass die Beschäftigung mit diesen Faktoren durchaus positive Auswirkungen auf ihre Tätigkeit haben kann. Einige der das Lehren beeinflussenden Faktoren betreffen den Unterricht zentral und sollten in der Ausbildung deshalb besonders beachtet werden. Dazu gehören Verfahren
119. „Lehren“ im Bedingungsgefüge des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts
1083
zur Sprachdiagnose und Sprachförderung, wobei letztere wieder mit didaktisch-methodischen Fähigkeiten verbunden ist. Hier sollten in der Ausbildung Schwerpunkte gesetzt werden.
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1084 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts Gogolin, Ingrid 2008a Durchgängige Sprachförderung. In: Christiane Bainski, Marianne Krüger-Potratz (Hg.), Handbuch Sprachförderung, 13⫺21. Essen: Neue Deutsche Schule Verlag. Gogolin, Ingrid 2008b Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund ⫺ ein länderübergreifendes Programm zur Optimierung der Sprachbildung. Gesellschaft, Wirtschaft, Politik 57(1): 65⫺75. Gogolin, Ingrid und Wiebke Saalmann 2007 Das Modellprogramm FörMig: (Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund): Konzept und Beispiel aus der Praxis im Länderprojekt Sachsen. In: Bernt Ahrenholz (Hg.), Deutsch als Zweitsprache. Voraussetzungen und Konzepte für die Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund, 187⫺208. Freiburg i. Br.: Fillibach. Grießhaber, Wilhelm 2005 Sprachstandsdiagnose im kindlichen Zweitspracherwerb: Funktional-pragmatische Fundierung der Profilanalyse. (Online): http://spzwww.uni-muenster.de/~griesha/pub/ tprofilanalyse-azm-05.pdf [2. 4. 2009]. Hölscher, Petra 2007 Lernszenarien. Sprache kann nicht gelehrt, sondern nur gelernt werden. In: Bernt Ahrenholz (Hg.), Deutsch als Zweitsprache. Voraussetzungen und Konzepte für die Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund, 151⫺171. Freiburg i. Br.: Fillibach. Hölscher, Petra, Hans Eberhard Piepho und Jörg Roche 2006 Handlungsorientierter Unterricht mit Lernszenarien. Kernfragen zum Spracherwerb. Oberursel: Finken. Kast, Bernd und Gerhard Neuner (Hg.) 1994 Zur Analyse, Begutachtung und Entwicklung von Lehrwerken für den fremdsprachlichen Deutschunterricht. Berlin: Langenscheidt. Knapp, Werner, Julia Ricart Brede, Barbara Gasteiger Klicpera, Beate Vomhof, Diemut Kucharz und Doreen Patzelt 2008 Videogestützte Analyse von inszenierten Sprachlernsituationen im Vorschulalter. In: Ahrenholz (Hg.) 2008a, 279⫺298. Königs, Frank 1983 Normenaspekte im Fremdsprachenunterricht. Ein konzeptorientierter Beitrag zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Narr. Koordinierungsgremium (⫽ Koordinierungsgremium im DFG-Schwerpunkt „Sprachlehrforschung“) (Hg.) 1983 Sprachlehr- und Sprachlernforschung: Begründung einer Disziplin. Tübingen: Narr. Künzli David, Christine 2007 Zukunft mitgestalten: Bildung für eine nachhaltige Entwicklung ⫺ Didaktisches Konzept und Umsetzung in der Grundschule. Bern u. a.: Haupt. Neuner, Gerhard, Krüger, Michael, Grewer, Ulrich 1981 Übungstypologie zum kommunikativen Deutschunterricht. Berlin/München: Langenscheidt. Ohm, Udo, Christina Kuhn und Hermann Funk 2008 Sprachtraining für Fachunterricht und Beruf. Fachtexte knacken ⫺ mit Fachsprache arbeiten. Münster: Waxmann. Rösch, Heidi 2007 DaZ-Förderung in Feriencamps. In: Bernt Ahrenholz (Hg.) Deutsch als Zweitsprache. Voraussetzungen und Konzepte für die Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund, 233⫺250. Freiburg i. Br.: Fillibach. Rösch, Heidi 2006 Das Jacobs-Sommercamp ⫺ neue Ansätze zur Förderung von Deutsch als Zweitsprache. In: Bernt Ahrenholz (Hg.), Kinder mit Migrationshintergrund. Spracherwerb und Fördermöglichkeiten, 287⫺302. Freiburg i. Br.: Fillibach.
120. Curriculumentwicklung und Lehrziele Deutsch als Zweitsprache
1085
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Rupprecht S. Baur, Andrea Schäfer, Essen (Deutschland)
120. Curriculumentwicklung und Lehrziele Deutsch als Zweitsprache im vorschulischen und schulischen Bereich 1. 2. 3. 4.
Entwicklungen im vorschulischen Bereich Entwicklungen im schulischen Bereich Ausblick Literatur in Auswahl
Während sich bis Ende der 1990er Jahre in den meisten Ländern der Bundesrepublik die bildungspolitische und administrative Bezeichnung von Kindern und Jugendlichen mit Einwanderungshintergrund an deren politischem Aufenthaltsstatus orientierte und diese in den Statistiken und amtlichen Dokumenten als Kinder ausländischer Arbeitnehmer, Aussiedlerkinder oder Kinder von Asylbewerbern bezeichnet wurden, gingen Anfang der 2000er Jahre viele deutsche Bundesländer ⫺ ähnlich die Bildungsbehörden in Österreich ⫺ dazu über, diese Gruppe als Kinder mit Migrationshintergrund zusammenzufassen und sich an der Spracherwerbsbiografie zu orientieren, was verdeutlichen sollte, dass ⫺ unabhängig vom ursprünglichen Zuwanderungsgrund und dem rechtlichen Aufenthaltsstatus ⫺ die Kinder „ähnliche Anforderungen in Bezug auf den Erwerb der deutschen Sprache zu bewältigen haben“ (Gogolin, Neumann und Roth 2003: 63). Auch Charakterisierungen wie Kinder mit nichtdeutscher Herkunftssprache, Kinder mit anderer Erstsprache oder Kinder mit Deutsch als Zweitsprache sind weiterhin üblich.
1086 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts
1. Entwicklungen im vorschulischen Bereich Die Thematik der sprachlichen Unterweisung und Förderung von Migranten in der deutschen Sprache konzentrierte sich bis Ende der 1990er Jahre auf schulische Kontexte. In Folge der Veröffentlichung der internationalen PISA-Studie 2001 trat ein bildungspolitischer Paradigmenwechsel ein, dessen wichtigstes Kennzeichen darin bestand, nunmehr auch den vorschulischen Bereich in die Sprachförderung einzubeziehen, da sich zeigte, dass eine bedeutende Zahl der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu den Verlierern im deutschen und österreichischen Bildungssystem gehört. Dass die Bildungsintegration von Kindern mit Migrationshintergrund ⫺ auch von denen in der zweiten bzw. dritten Einwanderergeneration ⫺ aufgrund fehlender bzw. nicht ausreichender Deutschkenntnisse bereits in der vorschulischen Phase nicht in erwünschtem Maße gelingt, belegen auch die bundesweiten Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchungen (vgl. Engin 2003; vgl. auch Art. 6). Der PISA-Schock bewirkte, dass die vorschulische Bildung und Erziehung in den Blick der Bildungspolitik rückte. Die Ergebnisse wurden als Aufforderung verstanden, die sprachliche Förderung insbesondere von Migrantenkindern bereits in der vorschulischen Phase beginnen zu lassen. Ähnlich den schulischen Rahmenplänen wurden Bildungs-/Orientierungspläne für die vorschulische Bildung und Erziehung in Auftrag gegeben. Ihre Entwicklung und Implementierung vollzieht sich in den verschiedenen Ländern in unterschiedlichen Zeitrahmen: so lag in Österreich Mitte 2008 erst der erste Teil des Bildungsplans, der für die „frühe sprachliche Förderung für Kinder von 3⫺6 Jahren“ (kurz Bildungsplan-Anteil Sprache), vor; die Ausarbeitung des Gesamtplans, des „Länderübergreifenden Rahmenplans (Bildungsplans) für elementare Bildungseinrichtungen“ dauert gegenwärtig noch an. In Deutschland liegen seit Mitte der 2000er Jahre erste Bildungs-/Orientierungspläne vor: Bayern stellte 2003 bzw. in seiner Endfassung 2005 einen Bildungs- und Erziehungsplan fertig. Von Nordrhein-Westfalen folgte wenig später eine Bildungsvereinbarung, Berlin erstellte 2004 einen Bildungs- und Orientierungsplan und Rheinland-Pfalz entwarf eine Bildungsempfehlung. Diese unterstreichen alle mit Nachdruck die Notwendigkeit einer Überprüfung der kindlichen Sprachentwicklung sowie einer entsprechenden Förderung der deutschen Sprachkenntnisse insbesondere von Kindern mit Migrationshintergrund in institutionellen Kontexten. Allerdings erfolgt die Bezugnahme auf die Erstsprache der Kinder mit Migrationshintergrund und die Formulierung von Lehrzielen für das Lernen des Deutschen als Zweitsprache in unterschiedlichem Maße. So verweisen insbesondere der Berliner Bildungs- und Orientierungsplan (2004), der Bremer Rahmenplan für Bildung und Erziehung im Elementarbereich (2004), der hessische Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder von 0 bis 10 Jahren (2007), der rheinland-pfälzische Bildungs- und Entwicklungsplan (2004), das sachsen-anhaltinische Bildungsprogramm für Kindertageseinrichtungen (2004) sowie der thüringische Bildungsplan für Kinder bis 10 Jahre (2008) auf die in der Praxis vorliegende Mehrsprachigkeit vieler Kindergartenkinder; sie wird als Chance und Reichtum gesehen. Des weiteren empfehlen die aufgezählten Bundesländer, die Erstsprachen der Kinder zu respektieren und wertzuschätzen; der thüringische Bildungsplan führt aus, dass „der sichere Erwerb ihrer Familiensprache ein unterstützender Faktor für den Erwerb des Deutschen als Zweitsprache [ist]“ (Thüringer Kultusministerium 2008: 47), und der rheinland-pfälzische formuliert als Aufgabe der Kindertagesstätten, „die deutsche Sprache der Kinder mit dem Ziel, einen möglichst risikolosen Übergang in die schulische Bildung zu ermögli-
120. Curriculumentwicklung und Lehrziele Deutsch als Zweitsprache
1087
chen, [ist zu] fördern. Dies geschieht unter Berücksichtigung der Mutter- bzw. Familiensprache sowie der Herkunftskultur der Kinder“ (Ministerium für Bildung, RheinlandPfalz 2004: 40). Auch in den in verschiedenen österreichischen Bundesländern gegenwärtig noch im Einsatz befindlichen Bildungsplänen wird auf die lebensweltliche Mehrsprachigkeit der Kinder mit Migrationshintergrund als Ressource verwiesen, mehr noch, „(…) stehen die lebensweltliche Mehrsprachigkeit sowie das interkulturelle Lernen als Konzept und als Bildungsziel im Vordergrund“ (De Cillia und Krumm 2009:12). Im krassen Widerspruch hierzu verhalten sich jedoch die am stärksten im Einsatz befindlichen Sprachstandsfeststellungsinstrumente BESK 4⫺5 (Beobachtungsbogen zur Erfassung der deutschen Sprachkompetenz 4,5 bis 5-jähriger Kinder) sowie SSFB 4⫺5 (Sprachstandsfeststellungsbogen), welche die individuelle Mehrsprachigkeit der Kinder komplett ausblenden. Als ein zentrales Lehrziel wird in den Bildungs-/Orientierungsplänen der Erwerb sprachlicher Handlungskompetenz im Deutschen bewertet. Sie betonen, dass „Spracherwerb ein komplexer, eigenaktiver, konstruktiver Prozess [ist]. Kinder lernen Sprache nicht nur über Nachahmung, sondern bilden, zunächst unbewusst, eigenständig Hypothesen (…) wobei auch der Prozess des kindlichen Zweitsprachenerwerbs und die besondere Rolle der Erstsprache (Muttersprache) bei Migrantenkindern zu beachten sind“ (Hessisches Sozialministerium / Hessisches Kultusministerium 2007: 66). Eine unterschiedliche Vorgehensweise zwischen den Bildungs-/Orientierungsplänen zeichnet sich auch hinsichtlich der Ausführungen bezüglich der Sprachförderung im Deutschen ab: einige Bildungs-/Orientierungspläne beziehen sich zentral auf das Thema und haben in der Zwischenzeit umfangreiche Handreichungen vorgelegt, so Niedersachsen: Handreichung Fit in Deutsch 2003; Berliner Senatsverwaltung: Handreichung Deutsch plus 2005; Ministerium für Bildung und Frauen des Landes Schleswig-Holstein: Erfolgreich starten. Integratives Sprachförderkonzept 2007; Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen: Delfin 4 ⫺ Sprachförderorientierungen 2008). Andere Bildungs-/Orientierungspläne, wie beispielsweise der bayerische, behandeln das Thema nur am Rande und allgemein. Im gegenwärtig in Österreich erarbeiteten „Länderübergreifenden Rahmenplan (Bildungsplan) für elementare Bildungseinrichtungen“ bildet die Sprachförderung einen zentralen Aspekt; ihr ist der gesamte erste Teil des Bildungsplans (Bildungsplan-Anteil Sprache), der bereits ausgearbeitet vorliegt, gewidmet. Bereits vor der Fertigstellung der Bildungs-/Orientierungspläne beschlossen nahezu alle deutschen Bundesländer ⫺ mit Verweis auf die Ergebnisse von Schuleingangsuntersuchungen ⫺ die Durchführung von Sprachstandserhebungsverfahren sowie daran anknüpfend die Entwicklung und Implementierung von Sprachfördermaßnahmen bzw. -programmen. Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg und Niedersachsen setzten dieses Vorhaben bereits Anfang der 2000er Jahre in der Weise um, dass sie selbst Verfahren entwickelten. Andere Bundesländer benötigten für die Konzeption und Implementierung mehr Zeit. Das DELFIN 4-Screening ist in Nordrhein-Westfalen seit 2008 flächendeckend verbindlich im Einsatz. Baden-Württemberg empfiehlt bis zur flächendeckenden Einführung des eigenen Verfahrens den Einsatz verschiedener auf dem Markt befindlicher Instrumente (vgl. Fried 2004: 27; vgl. auch Art. 146). Bis auf Bayern und Baden-Württemberg sind alle deutschen Bundesländer dazu übergegangen, entweder in der vorschulischen Phase, d. h. im Rahmen des Kindergartenbesuchs, oder zur Schuleingangsuntersuchung die Deutschkenntnisse aller Kinder mit und
1088 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts ohne Migrationshintergrund zu überprüfen und darauf aufbauend Sprachfördermaßnahmen einzuleiten. Diese Sprachförderprogramme finden in Berlin, Niedersachsen und Hessen in Vorlaufkursen im Umfang von 10 bzw. 12 Monaten vor der Einschulung statt. Hamburg hat für betroffene Kinder Vorschulklassen an Kindertagesstätten eingerichtet, in denen seit 2006 ein verlässliches fünfstündiges Unterrichtsangebot an fünf Wochentagen durchgeführt wird (vgl. Vorblatt zur Senatsdrucksache Nr. 2005/0706 vom 15. 06. 2005). In Schleswig-Holstein ist die Sprachförderung in den täglichen Kindergartenalltag integriert, wo die Kinder eine intensive Sprachschulung in den Monaten zwischen Einschulungsgespräch und Schulbeginn über einen Zeitraum von 20 Wochen Stunden erhalten (Ministerium für Bildung … Schleswig-Holstein 2007:5). Auch in Österreich traten in den vergangen Jahren bezüglich der Feststellung der Deutschkenntnisse von Schulanfängern zur Einschulung neue Regelungen in Kraft. Wurden bis 2008 die Deutschkenntnisse bei der Schulanmeldung seitens der Schulleitung mit Hilfe von zu diesem Zweck formulierten Deutschstandards festgestellt, werden sie künftig auf der Grundlage der „Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zur frühen Sprachförderung“ (De Cillia und Krumm 2009: 6) bereits 15 Monate vor der Einschulung mit dem Ziel einer daran anschließenden Förderphase diagnostiziert. Die verschiedenen deutschsprachigen Kantone in der Schweiz haben sich unter Federführung des Kantons Zürich ebenfalls darauf geeinigt, ab dem Schuljahr 2008/09 die Deutschkenntnisse von Kindern beim Übergang vom Kindergarten in die Grundschule mittels eines geeigneten Sprachstandserhebungsverfahrens zu messen (vgl. Bildungsdirektion Kanton Zürich 2007: 7). Ein größeres Gewicht als der Sprachstandserhebung wird seitens der Bildungsverantwortlichen jedoch der im Kindergarten von Anbeginn ansetzenden Sprachförderung durch entsprechend qualifiziertes und professionalisiertes Personal beigemessen. Die kantonale Regelung in Zürich schreibt beispielsweise vor, dass die kindliche Sprachentwicklung kontinuierlich begleitet wird und eine Reflexion der Entwicklungen im pädagogischen Team stattfindet (vgl. Bildungsdirektion Kanton Zürich 2007: 8 f.). Einige in Deutschland im Einsatz befindliche Sprachstandserhebungsverfahren wurden seit ihrer Implementierung kontinuierlich evaluiert und überarbeitet. Hierzu zählen das Bayerische DaZ-Screening, Fit in Deutsch, HAVAS 5 und DELFIN 4. Evaluiert wurden bisher auch die Sprachförderansätze SPRINT in Schleswig-Holstein und Sag’ mal was in Baden-Württemberg sowie die Vorlaufkurse in Niedersachsen. Die ⫺ personell wie zeitlich ⫺ aufwendige Beschäftigung mit Sprachstanderhebungsverfahren sowie Sprachfördermodellen macht deutlich, wie schwierig es für die Verantwortlichen ist, ein passgenaues Sprachförderkonzept zu formulieren bzw. Verfahren zu entwickeln, die erlauben, im Sinne der Gütekriterien valide und im Sinne der Sprachsozialisation der Migrantenkinder einigermaßen objektive Ergebnisse zu liefern, die wiederum die Grundlage für die Sprachförder-Curricula bilden. Zusammenfassend lässt sich für den vorschulischen Bereich hinsichtlich der Entwicklung und Implementierung von Bildungs- und Orientierungsplänen sowie von Sprachstandserhebungsverfahren und Sprachförderprogrammen festhalten, dass sie „aus pädagogischen Kontexten institutioneller Bildung heraus entstanden“ (Gogolin, Neumann und Roth 2003: 81), geleitet vom Ziel der Praktikabilität und Handhabbarkeit hinsichtlich Umfang, Durchführbarkeit und Personal. Als positiv und zukunftsweisend ist der Umstand zu bewerten, dass in die Weiterentwicklung die Ergebnisse der begleitenden Evaluationen einbezogen werden, wodurch ein entscheidender Beitrag zur Verbesserung der Testgütekriterien erwartet werden kann (vgl. Gogolin, Neumann und Roth 2003: 82).
120. Curriculumentwicklung und Lehrziele Deutsch als Zweitsprache
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Es wird abzuwarten bleiben, ob es in Deutschland mittel- und langfristig zu einer länderübergreifenden Angleichung bzw. Abstimmung hinsichtlich der verwendeten Sprachstandserhebungsverfahren und Sprachförderprogramme sowie der Formulierung einheitlicher Curricula kommen wird bzw. wie weit sich in Österreich und der Schweiz trotz der föderalen Strukturen landesweite Konzepte durchsetzen. Entscheidenden Einfluss auf solche Entwicklungen wird die Publikation von Evaluationsergebnissen einzelner Verfahren haben, die verlässliche Auskunft über die Effektivität und Nachhaltigkeit dieser erlauben werden (vgl. z. B. Klingner 2006: 10 f.).
2. Entwicklungen im schulischen Bereich Die Ergebnisse der PISA- und IGLU-Studien führten auch dazu, dass sich der bildungspolitische Blick auf eine nachhaltigere Förderung von Kindern mit Zweitsprache Deutsch in schulischen Kontexten richtete (vgl. Art. 6⫺8). Die Notwendigkeit einer im vorschulischen Bereich beginnenden und die Schullaufbahn durchziehenden Deutschförderung wird immer stärker auch in demografischer Hinsicht relevant: Nach offiziellen Zahlen des „Konsortium Bildungsberichterstattung“ haben in Deutschland bereits 2005 ein Drittel der Kinder in der Altersgruppe 0 bis 6 Jahre einen Migrationshintergrund, von denen die meisten Deutsch als Zweitsprache systematisch erst in institutionellen Strukturen erlernen (vgl. Deutsches Jugendinstitut 2001).
2.1. Rahmenpläne ür Deutsch als Zweitsprache Seit Anfang 2000 sind in mehreren deutschen Bundesländern und in Österreich neue Lehr-/Rahmenpläne für den Bereich Deutsch als Zweitsprache entwickelt und implementiert worden. Der in Deutschland am weitesten verbreitete ist der vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus 2001 herausgegebene Lehrplan Deutsch als Zweitsprache, der in den beiden Bundesländern Berlin und Niedersachsen seit 2002 und im Land Thüringen seit 2003 in seinen besonderen Teilen unverändert, jeweils ergänzt um einen landesspezifischen Teil, verwendet wird. Dieser soll im Folgenden exemplarisch vorgestellt werden: Er ist in seinen besonderen Teilen in unterschiedliche Lernfelder sowohl für die Grundschule als auch für weiterführende Schulen, jeweils nach Grundund Aufbaukurs, differenziert: „Jedes Lernfeld wird durch Kerninhalte, lexikalische und syntaktische Mittel sowie Vorschläge für Schüleraktivitäten zum Spracherwerb strukturiert. Der Lehrplan ist als Grundlage für verschiedene Unterrichtsformen konzipiert, die von Übergangs- und Eingliederungsklassen über Intensivkurse bis hin zum Förderunterricht in Grundschulen und weiterführenden Schulen reichen. Anders als der sächsische Lehrplan verfolgt er keine explizite Eingliederungsplanung“ (Gogolin, Neumann und Roth 2003: 68 f.). Der Lehr-/Rahmenplan basiert auf drei grundlegenden Zielen: Die Lernenden stehen im Mittelpunkt; der Spracherwerb ist als interaktiver Prozess angelegt und er findet als interkulturelles Lernen statt (vgl. Rösch 2009). In seiner Berliner Version wird eine enge Beziehung zur Berliner Handreichung Deutsch als Zweitsprache und dem dort entwickelten Unterrichtskonzept hergestellt, welche folgende Lehrziele enthält (vgl. Rösch 2009):
1090 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts ⫺ Ziele, Aufgaben und Lerninhalte konzentrieren sich auf sprachliche, kommunikative und interkulturelle Aspekte und benennen zu entwickelnde Lernstrategien. ⫺ Konzept des integrativen Sprachunterrichts / Sprache entdeckender Deutsch-alsZweitsprache-Unterricht. ⫺ Planungsmodelle ⫺ Darstellung einer sprachlichen Progression nach Kompetenzstufen ⫺ Überblick über Besonderheiten der deutschen Sprache. Das zahlenmäßig größte deutsche Bundesland, Nordrhein-Westfalen, hat gegenwärtig noch keinen DaZ-Lehr-/Rahmenplan; statt dessen wurden in den vergangenen Jahrzehnten für den schulischen Deutschförderunterricht eine Reihe von Handreichungen publiziert, von denen die erste ⫺ Empfehlungen für den Unterricht ausländischer Schüler Deutsch als Zweitsprache ⫺ 1983 erschien und noch heute im Einsatz ist und die erste ihrer Art bundesweit war. Die curricularen Lehrziele in den Handreichungen konzentrieren sich auf den Erwerb einer den Klassenstufen entsprechenden Lese- und Schreibkompetenz, Erwerb von Kenntnissen der grammatischen Progression des Deutschen, der Vermittlung kommunikativer Kompetenzen sowie kontrastiv angelegte Vergleiche zwischen ausgewählten Herkunftssprachen und dem Deutschen. Die aktuelle Handreichung von 2008 formuliert als zentrales curriculares Lehrziel die Entwicklung eines individuellen Förderplans auf der Grundlage entsprechender Sprachstandsdiagnoseverfahren. Auch in Österreich wurden zu den in verschiedenen Schulstufen und Schularten vorhandenen Lehr-/Rahmenplänen für das Fach Deutsch ergänzende Ausführungen „Deutsch für Schülerinnen und Schüler mit nichtdeutscher Muttersprache“ bzw. „Besondere didaktische Grundsätze, wenn Deutsch Zweitsprache ist“ herausgegeben, nach denen Schüler mit nicht ausreichenden Sprachkenntnissen Deutschförderung im Umfang von bis zwölf Unterrichtsstunden erhalten können (vgl. BMUKK 2007: 31). Ähnlich wie in Deutschland und Österreich ist auch in der Schweiz Bildungspolitik dezentral organisiert und untersteht der Verantwortung der jeweiligen kantonalen Zuständigkeit. Da sich die Schweiz jedoch als ein mehrsprachiges Land mit vier offiziellen und verfassungsrechtlich geschützten Landessprachen versteht, hat die (bildungs)politische Auseinandersetzung und Förderung von migrationsbedingter Zwei-/Mehrsprachigkeit eine andere Qualität und fand und findet einen anderen pädagogisch-institutionellen Niederschlag (vgl. EKD 2004). In der Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund in Deutsch als Zweitsprache sticht insbesondere der Kanton Zürich hervor und kann mit seinem Programm „QUIMS“ (Sprachförderung und Qualität in Schulen mit besonders multikultureller Zusammensetzung) als Vorreiter für die anderen deutschsprachigen Schweizer Kantone angesehen werden. Hierbei handelt sich um ein kantonweites Schulentwicklungsprogramm, welches sich an Schulen mit einem hohen Anteil an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund aus sozial benachteiligten Elternhäusern richtet und bei der die Förderung sowohl von Deutsch als Zweitsprache als auch der Herkunftssprachen im Zentrum steht (vgl. Bildungsdirektion Kanton Zürich 2007:15). Der DaZ-Unterricht wird von Lehrkräften erteilt, die zu diesem Zweck entweder einen Zertifikatslehrgang oder einen Nachdiplomkurs mit 450 Stunden Lernzeit durchlaufen haben oder mindestens „eine Einführung in die DaZ-Didaktik von 10 Tagen Dauer“ absolvierten (Bildungsdirektion Kanton Zürich 2007: 7).
120. Curriculumentwicklung und Lehrziele Deutsch als Zweitsprache
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Die Grundlage für die Deutschförderung bilden Handreichungen wie folgende: ⫺ „Qualität in multikulturellen Schulen QUIMS“ (2006) ⫺ „Sprachförderung für eine mehrsprachige Schülerschaft“ (2007), ⫺ Handreichung Sprachförderung in der Schulprogrammarbeit mit Fokus auf Deutsch für alle und Deutsch als Zweitsprache (2007) ⫺ „sims ⫺ Sprachförderung in mehrsprachigen Schulen“ (2007) Diese Handreichungen sind durch umfangreiche didaktische Umsetzungsvorschläge gekennzeichnet.
2.2. Organisatorische Rahmenbedingungen In Deutschland findet der Sprachförderunterricht auf der Grundlage der jeweils bewilligten Lehr-/Rahmenpläne sowie Handreichungen entweder in Förderklassen, in Übergangs- und Eingliederungsklassen, in Vorbereitungsgruppen, Vorbereitungsklassen, Vorbereitungsklassen mit berufspraktischen Aspekten oder in Regelklassen statt (Rösch 2009; Gogolin, Neumann und Roth 2003: 69). Schleswig-Holstein unterstützt darüber hinaus seit 2008 die Bildung von Deutsch-als-Zweitsprache-Zentren, die in der Praxis schulische Netzwerke darstellen, „die in einem dafür festgelegten Einzugsbereich Sprachförderangebote für interne und externe Schülerinnen und Schüler anbietet. Bisher konnten 49 DaZ-Zentren mit entsprechenden Sprachförderangeboten installiert werden“ (Ministerium für Bildung, Schleswig-Holstein 2008: 6). Für Österreich existieren unterschiedliche Sprachförderprogramme. In dem „Wiener Modell der Sprachförderung 1⫹1“ ist vorgesehen, beginnend mit dem Schuljahr 2009/ 10 Erstklässler mit nicht ausreichenden Deutschkenntnissen nicht mehr in Regelklassen zu beschulen, sondern Vorschulklassen zuzuweisen, in denen sie gemeinsam mit nichtschulreifen Kindern unterwiesen werden sollen, was nach Ansicht von Bildungsexperten eine schulische Segregation dieser Kinder von Anbeginn bedeutet (vgl. De Cillia und Krumm 2009: 11). In den verschiedenen Kantonen der Schweiz wird Sprachförderung entweder im Rahmen des Regelunterrichts oder aber ergänzend hierzu erteilt. Beispielsweise kennzeichnet sich der Kanton Zürich durch folgende amtliche Ausführungen (vgl. Bildungsdirektion Kanton Zürich 2007: 7 f.): „⫺ Der Kanton regelt, dass ab dem Kindergarten und in allen Schulstufen eine gezielte Sprachförderung in DaZ für einzelne Lernende und Gruppen, die dies nötig haben, stattfindet. Die DaZ-Förderung, die entweder den Regelunterricht ergänzt oder in diesen integriert ist, wird durch eine qualifizierte DaZ-Lehrperson erteilt. ⫺ Der Kanton definiert stufenübergreifend und wo nötig für einzelne Stufen (Kindergarten bis Sekundarstufe 2) Ziele, Anspruchsberechtigte, Mittel (Stundendotation und Finanzierung), Qualität und Evaluation des zusätzlichen DaZ-Unterrichts. Für DaZ-Anfänger wird ein intensiver DaZ-Anfangsunterricht, für andere DaZ-Lernende ein DaZAufbauunterricht vorgesehen.“ Die hohe Bedeutung, welche der Sprachförderung in den verschiedenen Schweizer Kantonen, insbesondere im Kanton Zürich, beigemessen wird, lässt sich auch daran erkennen, dass von politischer Seite die finanzielle Absicherung des DaZ-Unterrichts und anderer DaZ-Maßnahmen sowie deren personelle Ausstattung höchste Priorität genießt.
1092 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts
3. Ausblick Die Entwicklungen seit Anfang 2000 zeigen, dass nahezu alle deutschen Bundesländer und Österreich dazu übergegangen sind, der Förderung der Sprachkenntnisse bei Kindern mit Deutsch als Zweitsprache eine Sprachstandsdiagnose voranstellen. In der Zwischenzeit haben Bundesländer wie Hamburg und Schleswig-Holstein Sprachförderprogramme implementiert, welche die Ergebnisse der Sprachstandsdiagnose zur Grundlage nehmen. In Berlin und Hamburg werden die Deutsch-als-Zweitsprache-Curricula und Sprachförderprogramme im Sinne der Nachhaltigkeit als durchgängiges ⫺ d. h. alle Bildungsinstitutionen umfassendes ⫺ Konzept umgesetzt und die Qualität durch Bildungsstandards sichergestellt (Behörde für Bildung, Hamburg 2008a: 5; Senatsverwaltung für Bildung, Berlin 2009: 8). Einen entscheidenden Beitrag für diese Entwicklung leistete das von der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) zwischen 2004⫺2009 geförderte Modellversuchsprogramm „Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund FÖRMIG“, an dem zehn Bundesländer teilnahmen und dessen Ziel darin bestand, in den beteiligten Bundesländern „innovative Ansätze zur Optimierung von sprachlicher Bildung und Förderung (weiter) zu entwickeln, zu evaluieren, für einen Transfer guter Praxis zu sorgen sowie Ergebnisse für die Bildungsplanung bereitzustellen“ (vgl. www.blk-foermig.uni-hamburg.de). Trotz der positiven Entwicklungen der letzten Jahre sind noch einige Desiderata zu beklagen. So ist vielfach die Zahl der Lehrkräfte, die Kinder mit Deutsch als Zweitsprache unterrichtlich fördern (können), noch zu gering; ebenfalls unzureichend ist die Zahl derer, die bisher eine entsprechende didaktische Förderkompetenz im Rahmen von Fort-/ Weiterbildungen erworben haben. Weiterhin ist Deutsch als Zweitsprache immer noch nicht überall verpflichtender Bestandteil des Lehramtsstudiums. Oft gibt es lediglich ein bis zwei Pflichtseminare von geringem zeitlichem Umfang oder relativ kurze, nicht verpflichtende Zusatzstudien (vgl. Art. 149 und 151). Die Bezugnahme auf die Erst/-Herkunftssprachen der Schülerinnen und Schüler findet in den meisten Lehramtsstudiengängen ebenfalls nicht statt; damit fehlen angehenden Lehrkräften linguistische und didaktische Kenntnisse hinsichtlich der Fehlerschwerpunkte der Schülerinnen und Schüler im Deutschen. Der Nachweis der Effektivität laufender Sprachförderprogramme steht noch aus. Es ist daher in den kommenden Jahren verstärkt das Augenmerk auf die Quoten der erzielten höherqualifizierenden Schulabschlüsse durch Schüler und Schülerinnen mit Migrationshintergrund zu richten, um zu sehen, ob sich die Bildungsintegration dieser verbessert hat. Deutlich ist, dass die Frage einer erfolgreichen Bildungsintegration von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund in den kommenden Jahren massiv an Bedeutung gewinnen wird. Angesichts der Tatsache, dass ausreichende Deutschkenntnisse der wichtigste Prädiktor für den Bildungserfolg sind (vgl. Stanat 2003), wird die (Weiter-)Entwicklung von Deutsch-als-Zweitsprache-Rahmenplänen sowie darauf aufbauenden Sprachförderprogrammen sowohl auf der Ebene von Wissenschaft als auch auf der Ebene der Bildungspraxis noch stärkere Dringlichkeit erhalten. Die Bildungspolitik lässt bisher positive Zeichen in diese Richtung teilweise noch vermissen, was als fahrlässige Ausblendung der Thematik interpretiert werden kann.
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1093
4. Literatur in Auswahl Sprachstandserhebungsverahren (Deutschland) Berliner Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport 2001 Bärenstark. Berliner Sprachstandserhebung und Materialien zur Sprachförderung für Kinder in der Schuleingangsphase. Berlin. Hobusch, Anna 2002 Sprachstandsüberprüfung und Förderdiagnostik für Ausländer- und Aussiedlerkinder (SFD). Buxtehude: Persen Verlag. Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung Hamburg 2004 HAVAS 5 ⫺ Hamburger Verfahren zur Analyse des Sprachstandes bei 5-Jährigen. Hamburg. Ministerium für Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung des Landes NordrheinWestfalen ⫺ MSWWF 2006 DELFIN. 4.Sprachstandsfeststellung zwei Jahre vor der Einschulung. Düsseldorf. Niedersächsisches Kulturministerium 2002 Fit in Deutsch. Verfahren zur Feststellung des Sprachstandes 10 Monate vor der Einschulung. Hannover. Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung (Hg.) 2002 Kenntnisse in Deutsch als Zweitsprache erfassen. Screening-Modell für Schulanfänger. München: Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung / Stuttgart: Klett Verlag. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport Berlin 2005 Deutsch plus. Sprachstandsmessung vor Schuleintritt. Berlin. URL: http://www.berlin.de/ sen/bildung/schulqualitaet/lernausgangsuntersuchungen/ (14. 12. 2009) Ulich, Michaela und Toni Mayr 2003 Sismik. Sprachverhalten und Interesse an Sprache bei Migrantenkindern in Kindertageseinrichtungen (Beobachtungsbogen und Begleitheft). Freiburg: Herder Verlag.
Bildungs-/Orientierungspläne (Deutschland) Ein Verzeichnis aller Bildungs-/Orientierungspläne ist enthalten: Deutscher Bildungsserver. URL: http//www.bildungsserver.de/ (14. 12. 2009)
Handreichungen Bildungsdirektion Kanton Zürich 2007 Sprachförderung für eine mehrsprachige Schülerschaft. Empfehlungen an die Kantone. Erarbeitet von der Erfa-Gruppe „Migration und Integration“ und Arbeitsgruppe „Sprachen“ der EDK-Ost-Kantone und Fürstentum Liechtenstein. Zürich. Bildungsdirektion Kanton Zürich 2007 Handreichung Sprachförderung in der Schulprogrammarbeit mit Fokus auf Deutsch für alle und Deutsch als Zweitsprache. Handreichung für Schulen, die in ihrem Schulprogramm „Sprache“ als pädagogischen Schwerpunkt setzen wollen. Zürich. Hessisches Kultusministerium 2002 Deutsch-Frühförderung in Vorlaufkursen. Eine Handreichung für Grundschulen. Wiesbaden. Landesinstitut für Schule und Weiterbildung Nordrhein-Westfalen 1990 Handreichung Sprachunterricht mit ausgesiedelten Kindern und Jugendlichen. Soest.
1094 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts Niedersächsisches Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales 2002 Wie Kinder sprechen lernen. Entwicklung und Förderung der Sprache im Elementarbereich. Hannover. Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport Berlin 2001 Handreichung Deutsch als Zweitsprache. Berlin. Landesinstitut für Schule und Weiterbildung Nordrhein-Westfalen 1999 Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des Unterrichts in allen Fächern. Soest. Landesinstitut für Schule und Weiterbildung Nordrhein-Westfalen 2001 Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Familien mit Migrationshintergrund im Deutschunterricht ⫺ Texte verstehen und schreiben. Soest. Kompetenzzentrum Sprachförderung Köln 2007 Deutschlernen in mehrsprachigen Klassen der Grundschule, Handreichung Heft 1. Köln. Ministerium für Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung des Landes NordrheinWestfalen ⫺ MSWWF 1999 Förderung in der deutschen Sprache als Aufgabe des Unterrichts in allen Fächern. Empfehlungen. Schriftenreihe Schule in NRW Nr. 5008. Ministerium für Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung des Landes NordrheinWestfalen ⫺ MSWWF 2008 Von der Sprachstandsdiagnose zur Förderplanung, Instrumente zur Beobachtung und Förderung der individuellen Sprachentwicklung für die Primar- und Sekundarstufe. Düsseldorf. Ministerium für Bildung und Frauen des Landes Schleswig-Holstein 2007 Erfolgreich starten Integratives Sprachförderkonzept in Schleswig-Holstein. Kiel. Ministerium für Bildung und Frauen des Landes Schleswig-Holstein 2007 Erfolgreich starten. Handreichung für Sprache(n), Zeichen/Schrift und Kommunikation in Kindertageseinrichtungen. Kiel. Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft 2007 Handreichungen für die Praxis zum Bildungsprogramm für saarländische Kindergärten. Weimar/Berlin: Verlag das netz.
Deutsch als Zweitsprache Lehr-/Rahmenpläne Ein Verzeichnis aller Deutsch als Zweitsprache Lehr- und Rahmenpläne ist enthalten: Deutscher Bildungsserver. URL: http//www.bildungsserver.de/ (14. 12. 2009)
Sekundärliteratur Barkowski, Hans 2001 Curriculumsentwicklung und Lehrziele Deutsch als Zweitsprache. In Gerd Helbig u. a. (Hg.), Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch, 810⫺827. Bd. 2. (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 19.1⫺2). Berlin: De Gruyter. Baumert, Jürgen und Gundel Schümer 2002 Familiäre Lebensverhältnisse, Bildungsbeteiligung und Kompetenzerwerb im nationalen Vergleich. In: Deutsches PISA-Konsortium (Hg.), PISA 2000 ⫺ Die Länder der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich, 159⫺202. Opladen: Leske & Budrich. BLK-Programm Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund FörMig. URL: http://www.blk-foermig.uni-hamburg.de (14. 12. 2009) Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur (BMUKK); Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (BMWF) und Österreichisches Sprachen-Kompetenz-Zentrum 2007 Sprach- und Sprachunterrichtspolitik in Österreich. Wien.
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De Cillia, Rudolf und Hans-Jürgen Krumm in Zusammenarbeit mit Andrea Dorner 2009 Die Bedeutung der Sprache. Bildungspolitische Konsequenzen und Maßnahmen. Länderbericht Österreich. Wien: BMUKK. Gogolin, Ingrid, Neumann, Ursula und Hans-Joachim Roth 2003 Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Gutachten. URL: http://www.bmbf.de/pub/studie_foerderung_migration.pdf (14. 12. 2009). Deutsches Jugendinstitut 2001 Treffpunkt deutsche Sprache. Sprachförderung von mehrsprachigen Kindern in Tageseinrichtungen. Forschungsansätze ⫺ Konzepte ⫺ Erfahrungen. München. Ehlich, Konrad u. a. 2005 Anforderungen an Verfahren der regelmäßigen Sprachstandsfeststellung als Grundlage für die frühe und individuelle Förderung von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund. (Bildungsreform Bd. 11). Bonn/Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung. Engin, Havva 2003 „Kein institutioneller Wandel von Schule?“ Bildungspolitische Reaktionen auf Migration in das Land Berlin zwischen 1990 und 2000 im Spiegel amtlicher und administrativer Erlasse. Frankfurt a. M.: IKO-Verlag. Fried, Lilian 2004 Expertise zu Sprachstandserhebungen für Kindergartenkinder und Schulanfänger. Eine kritische Betrachtung. URL: http://www.dji.de/bibs/271_2232_ExpertiseFried.pdf (14. 12. 2009) Klingner, Bettina 2006 Die Umsetzung der Bildungspläne im frühkindlichen Bereich als Herausforderung an die Lernkultur von Erzieher/innen. Eine Untersuchung am Beispiel des Sächsischen Bildungsplans. URL: http://www.kita-bildungsserver.de/downloads/download-starten/?did⫽168 (14. 12 .2009) Konsortium Bildungsberichterstattung 2006 Bildung in Deutschland. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung und Migration. Im Auftrag der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Berlin. Neugebauer, Uwe und Dörte Schott 2006 Endbericht zur Evaluation der Multiplikatorinnen-Qualifizierung, durchgeführt im Rahmen des Programms „Sag mal was ⫺ Sprachförderung für Vorschulkinder“ der Landesstiftung Baden-Württemberg. Köln: Univation. Stanat, Petra 2003 Schulleistungen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund: Differenzierung deskriptiver Befunde aus PISA und PISA-E. In: Deutsches PISA-Konsortium, (Hg.), PISA 2000 ⫺ Ein differenzierter Blick auf die Länder der Bundesrepublik Deutschland, 243⫺259. Opladen: Leske & Budrich.
Havva Engin, Heidelberg (Deutschland)
1096 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts
121. Curriculumentwicklung und Lehrziele DaZ in der Erwachsenenbildung: Integrationskurse 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Integrationskurs: Definition und Zuständigkeiten Der Integrationskurs als Erbe der bundesdeutschen Sprachförderung Integrationskurse: Die Phase der Implementierung Curriculum der Integrationskurse in Österreich Evaluation der Integrationskurse Integrationskurs: Entwicklung eines curricularen Rahmens Literatur in Auswahl
1. Integrationskurs: Deinition und Zuständigkeiten Als Integrationskurse werden Kurse bezeichnet, die nach gesetzlichen Vorgaben für erwachsene Migrantinnen und Migranten verpflichtend zum Erwerb von Aufenthaltstiteln erforderlich sind (vgl. auch Art. 10). In Deutschland handelt es sich um Deutsch als Zweitsprache-, Alphabetisierungs- und Orientierungskurse, die durch den Bund im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes gefördert werden. Die Kurse werden durch das dem Bundesministerium des Innern unterstellte Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) verwaltet, das sie von privaten und öffentlichen Trägern durchführen lässt. In Österreich werden Integrationskurse, d. h. Deutsch- und Alphabetisierungskurse, durch das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz für Migranten und zur Erlangung der Staatsbürgerschaft vorgeschrieben und vom dem österreichischen Innenministerium zugeordneten Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) administriert, der seinerseits Träger für die Durchführung der Kurse zertifiziert.
2. Der Integrationskurs als Erbe der bundesdeutschen Sprachörderung Die Integrationskurse traten 2005 das Erbe einer bereits fast 30 Jahre existierenden, allerdings bundesweit extrem uneinheitlichen Deutschförderung für Zugewanderte an. Sie basierten auf dem sog. „Gesamtsprachförderkonzept“, das in den 1990er-Jahren die bis dahin von verschiedenen Behörden verwalteten und unterschiedlich ausgestatteten Sprachkursangebote für nach ihrem Aufenthaltsstatus differenzierte Zuwanderergruppen (vgl. Krekeler 2001: 20) zusammenfasste. Zuvor hatte es vereinzelt Planungshilfen für den Unterricht, Lehrwerke und Lehrwerksgutachten, auch Fortbildungsangebote, eine Vielzahl von Trägern und Kursleitende unterschiedlichster Erfahrung und Qualifikation gegeben, ein übergreifendes, für alle geltendes Curriculum für Deutsch als Zweitsprache existierte jedoch nicht. Dafür gab es mehrere Gründe: Einerseits war von Seiten der fördernden Ministerien mehr Aufmerksamkeit auf die Verwaltung und Kontrolle öffentlicher Mittel als auf curriculare und didaktische Fragen gelegt worden, andererseits hatte aber auch die Praxis wenig Interesse an einem einheitlichen Unterrichtsplan geäußert.
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Angesichts der großen Heterogenität der Zielgruppe ging das Bestreben vor Ort eher dahin, ein „Lerner-differenziertes Lernangebot“ (vgl. Barkowski 1982: 215) bereitzustellen, um „die nichtlineare Sprachentwicklung, die unterschiedlichen Lernerfahrungen und die verschiedenen Bedürfnisse und Interessen“ (Krumm 2007: 170) der Zugewanderten zu berücksichtigen. Eine wichtige Rolle spielte auch die Tatsache, dass eine Klärung dessen, was die Deutsch als Zweitsprache-Förderung für Erwachsene curricular bedeutete (einschließlich einer klaren inhaltlichen Trennung von Deutsch als Zweit- und Deutsch als Fremdsprache) noch ausstand und zu diesem Zeitpunkt weder durch die zerstückelte Praxis der Sprachförderung noch durch die wissenschaftliche Diskussion erbracht wurde. Seit dem Handbuch für den Deutschunterricht mit Arbeitsmigranten (Barkowski, Harnisch und Kumm 19862) waren keine umfassenden wissenschaftlichen Untersuchungen zur Deutschdidaktik für Zugewanderte mehr erschienen. Die Zeitschrift Deutsch lernen hatte sich zwar als Forum für Deutsch als Zweitsprache positioniert, grundsätzliche Fragen waren jedoch noch ungelöst: „Wissen wir genug darüber, wie im Ausland und im Inland gelernt wird und gelernt werden kann? Was ist noch zu tun, um praxisrelevante Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie gesteuertes Lernen und ungesteuerter Erwerb tatsächlich förderlich oder hinderlich ineinander greifen (…)? Wie hängen Sprache und Integration, Sprache und Lebensperspektiven miteinander zusammen?“ fragte Reich (2002: 2). Um solche und andere Fragen neu aufzugreifen und dabei die Vorarbeiten und Kenntnisse aus der Praxis der zurückliegenden Jahre zu integrieren, hätte es kaum einen günstigeren Zeitpunkt als die Einführung der Integrationskurse geben können. Eine umfassende Sprachbedarfsanalyse mit „einer Untersuchung der Sprachlerngeschichten und der Lebens- und Lernkontexte der MigrantInnen“ (Krumm 2007: 171) bot sich an. Der Sprachbedarf von Zugewanderten wurde jedoch als weitgehend bekannt und verstanden angenommen. Man bezog sich auf ⫺ den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (Europarat 2001) als zunächst ausreichende Basis für den Unterricht, ⫺ vorangegangene Evaluationen der deutschen Sprachkursförderung (Social Consult GmbH 1998 und 1999), ⫺ Erfahrungen von Trägervertretern in der „Bewertungskommission“, einem Expertengremium, das das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge berät.
3. Integrationskurse: Die Phase der Implementierung „Ausländer sollen (…) mit den Lebensverhältnissen im Bundesgebiet so weit vertraut werden, dass sie ohne die Hilfe oder Vermittlung Dritter in allen Angelegenheiten des täglichen Lebens selbstständig handeln können.“ (Bundesregierung und Bundesministerium des Innern 2004a: 1964). Dieses im deutschen Zuwanderungsgesetz verankerte politische Ziel wird später unter Bezug auf die Lernzielbeschreibungen und Prüfungen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen präzisiert: „Über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache nach Absatz 1 Nr. 1 verfügt, wer sich im täglichen Leben in seiner Umgebung selbständig sprachlich zurechtfinden und entsprechend seinem Alter und Bildungsstand ein Gespräch führen und sich schriftlich ausdrücken kann (Niveau B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen).“ (Bundes-
1098 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts regierung und Bundesministerium des Innern 2007: 2787). In der österreichischen Integrationsvereinbarung wird in vergleichbarer Weise Integration mit der Beherrschung der deutschen Sprache gleichgesetzt und wird zur Operationalisierung auf den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen Bezug genommen.
3.1. Teilnehmende: Anspruch, Berechtigung und Verplichtung Einen auf zwei Jahre befristeten, gesetzlichen Teilnahmeanspruch haben in Deutschland Neuzuwandernde, die sich dauerhaft im Bundesgebiet aufhalten, sowie Spätaussiedler und Spätaussiedlerinnen und deren Familienangehörige, wenn sie nach dem 1. Januar 2005 nach Deutschland gekommen sind. Zugewanderte, die bereits länger in Deutschland leben, Bürger der Europäischen Union und deutsche Staatsbürger sind teilnahmeberechtigt, wenn sie nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen und soweit Kursplätze verfügbar sind. Teilnahmeverpflichtet wiederum sind Zuwanderer, denen eine besondere „Integrationsbedürftigkeit“ (Bundesregierung und Bundesministerium des Innern 2004b: 3371) attestiert wird. Keine Teilnahmeberechtigung haben Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die einer schulischen Ausbildung nachgehen, und Neuzuwanderer mit erkennbar geringem Integrationsbedarf. Für den Gesetzgeber ist das wichtigste differenzierende Kriterium im Hinblick auf den Teilnahmeanspruch der Integrationsbedarf. Insbesondere Eltern minderjähriger Kinder, die sich nicht auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen können und die auf staatliche Hilfen angewiesen sind, um ihr Leben in Deutschland aufzunehmen, gelten als integrationsbedürftig. Andererseits wird von „erkennbar geringem Integrationsbedarf“ (Bundesregierung und Bundesministerium des Innern 2004b: 3370) ausgegangen, wenn der/die Zugewanderte einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluss oder vergleichbare Qualifikation vorweisen kann. Integrationsbedarf reflektiert und benennt hier keine persönliche Bedarfsäußerung, sondern spiegelt die Außensicht, d. h. ob sich der/ die Zugewanderte voraussichtlich ohne staatliche Hilfe in das deutsche (Arbeits-)Leben eingliedern wird. Ähnlich verhält es sich auch in Österreich, wo Migranten mit am Arbeitsmarkt erwünschten Qualifikationen, d. h. Inhaber der sog. „Niederlassungsbewilligung ⫺ Schlüsselkraft“, und deren Familienangehörige von der Erfüllung der Integrationsvereinbarung ausgenommen sind.
3.2. Heterogenität der Zielgruppe Der beträchtlichen Heterogenität der Zielgruppe wird im Konzept für einen bundesweiten Integrationskurs, das die Integrationskursverordnung weiter operationalisiert, durchaus Raum eingeräumt. Als Konsequenz wird auf die Notwendigkeit einer Kursdifferenzierung nach Leistung hingewiesen. Entsprechend der persönlichen Voraussetzungen der Kursteilnehmer sollen „Kurse mit langsamer, durchschnittlicher und schneller Progression“ (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2005a: 8) gebildet werden. Weiterhin werden spezielle Zielgruppen definiert, für die „ein besonderer Unterricht oder ein erhöhter Betreuungsaufwand erforderlich ist“ (Bundesregierung und Bundesministerium des
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Innern 2004b: 3373) und die daher in der Ausgestaltung des Integrationskurses besondere Berücksichtigung finden: ⫺ Zugewanderte mit Alphabetisierungsbedarf, ⫺ Frauen bzw. Eltern, die aus familiären oder kulturellen Gründen keinen allgemeinen Integrationskurs besuchen können, ⫺ nicht mehr schulpflichtige junge Erwachsene (bis 27 Jahre), die sich auf den Besuch weiterführender Schulen oder Hochschulen bzw. die Aufnahme einer Ausbildung vorbereiten, ⫺ Zugewanderte, die seit längerer Zeit in Deutschland leben, ihre Deutschkenntnisse jedoch im außerunterrichtlichen Sprachkontakt erworben haben. Es wären viele andere differenzierende Kriterien zu nennen, denn die Zielgruppe ist durch besondere Heterogenität gekennzeichnet: Ausgangssprachen, Alter, Lebensumstände, Motivation, Zielsprachenkontakt und viele mehr. Forschung dazu, welchen (unterschiedlichen) Lernbedarf diese unterschiedlichen Menschen haben und welcher Unterricht für sie angemessen ist, steht weitgehend aus. Im Rahmencurriculum für den österreichischen Integrationskurs wird keine Außendifferenzierung gefordert. Der Unterricht hat vielmehr „durch seine Methodik der Vielfalt der Lerntypen gerecht zu werden und unter Bedachtnahme auf die Binnendifferenzierung Raum für die Kursteilnehmer zu schaffen, damit sich diese durch den Unterricht persönliche Interessensprofile und Handlungsspielräume erarbeiten können.“ (Bundesministerin für Inneres 2005b: Anlage B)
3.3. Grundstruktur des Integrationskurses Der deutsche Integrationskurs umfasst einen Deutschkurs von 600 Unterrichtseinheiten (UE), unterteilt in einen Basis- und einen Aufbausprachkurs (mit jeweils drei Modulen a` 100 UE). An den Deutschkursteil schließt ein Orientierungskurs von 45 Unterrichtseinheiten zur Vermittlung von Grundkenntnissen über die deutsche Rechtsordnung, Kultur und Geschichte an. Im Vergleich dazu hat der österreichische Integrationskurs mit 300 (ursprünglich sogar nur 100) UE und einem vorgelagerten Alphabetisierungsmodul von 75 UE einen erheblich geringeren Förderumfang. Die Ziele und Inhalte des deutschen Integrationskurses orientieren sich am Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen. Im Basissprachkurs sollen die Teilnehmer Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben, die hier mit dem Niveau A2, im Aufbausprachkurs solche, die mit dem Niveau B1 definiert sind. Der thematische Schwerpunkt im Sprachkurs soll aber auch auf der „Alltagsorientierung beziehungsweise auf der Vermittlung von Alltagswissen“ liegen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2005a: 9). Methodisch wird Wert auf erwachsenengerechtes Lernen, Teilnehmerorientierung, einen partnerschaftlichen Umgang der Lernenden und Lehrenden und die Förderung der Eigenverantwortung gelegt. Dass sich hier ein Dilemma ergibt, zeigt sich beispielsweise an den angeführten Themenlisten, die sich nur geringfügig von denen unterscheiden, die der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen „für vorübergehende Besucher, die voraussichtlich nicht am Berufsund Bildungsleben des Landes teilnehmen werden“ (Europarat 2001: 58), nennt. Zahlreiche Fragen sind hier noch ungelöst: Wie verhält sich die Alltagsorientierung der Kurse zu deren Prüfungszielen? Wie ist das unterrichtliche mit dem außerunterrichtlichen Lernen
1100 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts verknüpft? Sind die Orientierungsziele im Orientierungskurs am richtigen Platz? Und vor allem: Wie soll ein teilnehmerorientierter Unterricht angesichts der Integrationslehrziele konkret aussehen?
3.4. Sprachstandseststellungen Die Integrationskursverordnung legt Sprachstandsfeststellungen zu Beginn, im Verlauf und zum Ende des deutschen Integrationskurses fest (vgl. Art. 146). Der Einstufungstest soll dazu dienen, Zugewanderte in die richtige Kursstufe, gegebenenfalls auch in einen Alphabetisierungskurs, einzustufen. Zur Überprüfung des Lernerfolgs nach dem Basisbzw. Aufbausprachkurs sieht das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Zwischentests vor und empfiehlt dafür (2005a: 16) „als nicht sanktionierte Tests“ die vom GoetheInstitut entwickelten Tests Start Deutsch 1 beziehungsweise Start Deutsch 2. Mit dem Bestehen der Abschlussprüfung zum „Zertifikat Deutsch“ hat ein Teilnehmer das Niveau B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen und damit die offiziellen Lehrziele des Integrationskurses erreicht. In Österreich wird das Ziel der Integrationskurse durch das Erreichen des A2-Niveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen in Form einer verpflichtenden Prüfung nachgewiesen.
3.5. Zusatzqualiizierung ür Kursleitende In Deutschland müssen Lehrkräfte in Integrationskursen ein DaF- bzw. DaZ-Studium abgeschlossen haben oder die erfolgreiche Teilnahme an einer Zusatzqualifizierung nachweisen. Anhand der Merkmale des DaZ-Unterrichts wurde ein differenziertes Anforderungsprofil für Lehrkräfte erstellt, das die Grundlage für die Definition der Ziele, Inhalte und Methoden dieser Qualifizierung bildet, die Konzeption für die Zusatzqualifizierung von Lehrkräften im Bereich Deutsch als Zweitsprache (vgl. Buhlmann 2005). Diese Konzeption ist für den Bereich Deutsch als Zweitsprache für Erwachsene insofern bedeutsam, als hier zum ersten Mal die inhaltlichen und methodischen Anforderungen an die Integrationskurse definiert werden (so z. B. Handlungsorientierung, Lernerorientierung, Interkulturelles Lernen), auch wenn einige für den Bereich relevante Qualifizierungsziele (Verknüpfung von unterrichtlichem und außerunterrichtlichem Lernen, Umgang mit Fossilisierungen, Einbeziehung der individuellen Mehrsprachigkeit u. a.) keine Berücksichtigung fanden (vgl. Art. 149 und 151). In der österreichischen Integrationsvereinbarung werden die Anforderungen an die Lehrenden sehr viel weniger detailliert formuliert (vgl. Bundesministerin für Inneres 2005b). Erwartet wird neben der allgemeinen Ausrichtung auf die Integration der Migranten in die österreichische Gesellschaft die Orientierung an den im Rahmencurriculum festgehaltenen Inhalten, die Bereitschaft zur Durchführung eines teilnehmerorientierten und persönlich bedeutsamen Unterrichts sowie das Verständnis von Lehren und Lernen als Kontaktprozess zur Umwelt. Eine Qualifizierung, die Lehrkräfte auf die Tätigkeit in den Integrationskursen vorbereitet bzw. sie beruflich begleitet, ist nicht vorgesehen.
121. DaZ in der Erwachsenenbildung: Integrationskurse
1101
4. Curriculum der Integrationskurse in Österreich Entsprechend seinem Auftrag, sowohl Alphabetisierungskurse für primäre und sekundäre Analphabeten und Deutsch-Integrationskurse für erwachsene Migranten zu fördern, hat der Österreichische Integrationsfonds zwei Rahmencurricula (Anlage A und Anlage B zur Integrationsvereinbarungs-Verordnung) entwickelt. Das hier betrachtete Rahmencurriculum für die Integrationskurse in Österreich (zur Alphabetisierung siehe Art. 123) bietet lediglich Leitlinien in Bezug auf Inhalte und Methoden und verweist im Übrigen auf die Lernzielbeschreibungen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen. Inhaltlich werden zwei Teilbereiche unterschieden: „Alltag“ mit den Bereichen ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Eigene Identität Wohnen (Wohnformen) Ernährung (Lebensmittel, alltägliche Versorgung, Geld) Gesundheit (Arztbesuch, Krankenhausaufenthalt) Verkehr (Verkehrsmittel, Orientierung) Ausbildung (Schule, Fortbildung) Arbeit und Beruf (Wirtschaft, spezifische Berufsbereiche) Freizeit (kulturelle Aktivitäten, Sport)
und „Staat und Verwaltung“ mit den Themen ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Grundwerte einer europäischen demokratischen Gesellschaft Staatsform Politische Institutionen Bundesländer Bürokratiebewältigung Sozialsystem in Österreich Verträge
Wie lange und in welcher Reihenfolge die Module im Unterricht behandelt werden, wird nicht festgelegt. Vielmehr wird empfohlen, „sich am Informationsbedarf der Lernenden zu orientieren“. Die Alltagsorientierung soll durch einen hohen authentischen Input gewährleistet werden. Unklar bleibt, wie auf der Niveaustufe A2 die Themen aus dem Bereich von Staat und Verwaltung sprachlich angemessen bearbeitet werden können.
5. Evaluation der Integrationskurse Wie im Gesetz vorgesehen, wurden die Integrationskurse in Deutschland im Verlauf des Jahres 2006 einer Evaluation unterzogen. Sie empfahl eine „Schwerpunktverlagerung von verfahrens- auf zielorientierte Erfolgssteuerung im Sinne von modernem, öffentlichem Management“ (Rambøll Management 2007: 162) und in diesem Sinne für alle Integrationskursteilnehmer verpflichtende Abschlusstests. Der Gesetzgeber folgte den hier ausgesprochenen Empfehlungen. Die überarbeitete Integrationskursverordnung sieht vor: a. einen für alle Teilnehmenden verpflichtenden skalierten Abschlusstest auf dem Niveau A2 und B1,
1102 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts b. eine Wiederholungsmöglichkeit des Aufbausprachkurses für Teilnehmende, die in der Abschlussprüfung das Niveau B1 nicht erreicht haben, c. eine Anhebung der Stundenzahl für den Orientierungkurs von 30 auf 45 sowie einen bundeseinheitlichen Test zum Orientierungskurs, d. eine Anhebung der Stundenzahl auf insgesamt 945 für die speziellen Integrationskurse für Eltern und Frauen, Jugendliche, Personen mit Alphabetisierungs- bzw. besonderem „sprachpädagogischen Förderbedarf “ (Bundesregierung und Bundesministerium des Innern 2007: 2790). Für die Integrationskurse in Österreich liegt keine öffentlich zugängliche Evaluation vor.
6. Integrationskurs: Entwicklung eines curricularen Rahmens Das seit 2008 für den deutschen Integrationskurs vorliegende Rahmencurriculum für Integrationskurse Deutsch als Zweitsprache wurde im Auftrag des BAMF vom GoetheInstitut entwickelt. Es sollte ein Werkzeug der Qualitätssicherung und Vereinheitlichung, eine migrantenspezifische Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und damit eine „Grundlage der Testentwicklung sowie der Qualitätskontrolle in Zusammenhang mit der Zulassung von Lehrmaterialien“ (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2005c: 2) sein. Das Rahmencurriculum zielt darauf, im Sinne gesellschaftlicher Teilhabe und Chancengleichheit die sprachliche Handlungsfähigkeit von Zugewanderten zu fördern und soll „vorrangig an den Zielen, Bedürfnissen und Lernvoraussetzungen der Zugewanderten ausgerichtet“ (Buhlmann et al. 2008: 9) sein. Im Zusammenhang mit seiner Erstellung wurden erste Sprachbedarfsanalysen durchgeführt: eine Befragung von Institutionen, Kursträgern, Kursleitenden und -teilnehmenden (Ehlich, Montanari und Hila 2007) sowie eine Befragung von Teilnehmenden (unveröffentlicht). Diese Bedarfserhebungen ergaben, dass Zugewanderte sprachliche Handlungen in den folgenden Handlungsfeldern ausführen: ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Ämter und Behörden Arbeit Arbeitssuche Aus- und Weiterbildung Banken und Versicherungen Betreuung und Ausbildung der Kinder Einkaufen Gesundheit Mediennutzung Mobilität Unterricht Wohnen
Weiterhin nennt das Rahmencurriculum auch sprachliche Kompetenzen, die in unterschiedlichen Kontexten immer wiederkehren, und ordnet diese in übergreifende Kommunikationsbereiche: ⫺ Umgang mit der Migrationssituation ⫺ Realisierung von Gefühlen, Haltungen und Meinungen
121. DaZ in der Erwachsenenbildung: Integrationskurse
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⫺ Umgang mit Dissens und Konflikten ⫺ Gestaltung sozialer Kontakte ⫺ Umgang mit dem eigenen Sprachenlernen Die den Handlungsfeldern bzw. Kommunikationsbereichen zugeordneten Lernziele wurden nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen kalibriert. Da Zugewanderte komplexe Handlungen auch schon nach kurzer Aufenthaltsdauer ausführen müssen, finden sich schon auf Stufe A1 komplexere sprachliche Handlungen, wie z. B. „Kann mit einfachen Worten über die Schullaufbahn des Kindes im Herkunftsland berichten“, die jedoch zu realisieren sind, wenn „der Partner langsam und klar spricht, zu langsameren Wiederholungen und Umformulierungen bereit ist und jederzeit beim Formulieren hilft“ (Glaboniat et al. 2002: 75). Hier sollen demnach die qualitativen Beschreibungen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen hinzugezogen werden. Die Lernziele sollen jedoch nicht nur auf einer bestimmten Stufe vorkommen, sondern in zyklischer Progression immer wieder aufgenommen werden. Das Rahmencurriculum listet darüber hinaus auch landeskundliche und interkulturelle Lernziele auf und stellt sie den Handlungsfeldern als Passepartout-Kompetenzen voran. Bei den landeskundlichen Lernzielen handelt es sich um Wissensziele, durch deren Benennung das Rahmencurriculum wesentliche Aspekte des Orientierungskurses in den Integrationskurs einbezieht. Bei den interkulturellen Lernzielen geht es darum, die Wahrnehmung zu erweitern für Vergleiche und für Handlungsmuster, die zuvor nicht bewusst waren, und das interkulturelle Verstehen zu fördern. Für die Lernziele sind Formulierungen wie „Ist sensibilisiert für den kulturellen Unterschied …“ gewählt. Das Rahmencurriculum versteht sich nicht als Lehrplan, sondern gibt ein Maximalangebot, aus dem Lehrwerksautoren, Prüfungsentwickler etc. zielgruppenbezogen auswählen können. Es bleibt den Anwendern auch überlassen, lexikalische und morphosyntaktische Lerninhalte auf der entsprechenden Niveaustufe und für die jeweilige Zielgruppe zu definieren bzw. zu beschreiben. Diese lassen sich jedoch, so die Autorinnen, leicht aus den „konkreten, durch Handlungsfeld, Situation, Beispiel und Aktivität spezifizierten Lernziel[en]“ (Buhlmann et al. 2008: 18) ableiten. Parallel und in Abstimmung zu dem Rahmencurriculum wurde vom Goethe-Institut ein neuer Deutsch-Test für Zuwanderer entwickelt, der skaliert ist, d. h. dass mit einer Prüfung zwei Niveaustufen abgedeckt werden. In jedem Prüfungsteil ⫺ Hören, Lesen, Schreiben und Sprechen ⫺ können die Teilnehmenden entweder die Stufe A2 oder B1 erreichen. Auf dem Zertifikat wird das Ergebnis differenziert dargestellt. Das Spannungsfeld, in dem sich das Rahmencurriculum bewegt, nämlich sowohl bedarfsgerecht sein zu wollen, als auch Werkzeug für die Qualitätskontrolle und Testerstellung sein zu müssen, spiegelt sich in den Herausforderungen an den Deutsch-Test für Zuwanderer als Instrument der Leistungsmessung, das gleichzeitig die Situation von Zugewanderten berücksichtigt. Jedes Prüfungsitem musste daraufhin analysiert werden, ob es authentisch und alltagsrelevant ist, ob es für alle Teilnehmenden in der heterogenen Zielgruppe geeignet ist, auch für diejenigen, die wenig Erfahrung mit schulischem Lernen haben und über ein möglicherweise geringes Wissen über deutsche Verhältnisse verfügen und ob es nicht Vorbehalte oder traumatische Erlebnisse wachruft. Dies ist eine höchst sensible Aufgabe, auch weil der Gesetzgeber einen Nachweis aufenthaltsrechtlicher Voraussetzungen mit dem Prüfungserfolg verbindet. Ob der Spagat gelingt oder eine auf Dauer nicht haltbare Zerreißprobe wird, wird sich erst in Zukunft herausstellen.
1104 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts
7. Literatur in Auswahl Barkowski, Hans 1982 Kommunikative Grammatik und Deutschlernen mit ausländischen Arbeitern. Königstein: Scriptor. Barkowkski, Hans 2001 Curriculumentwicklung und Lehrziele Deutsch als Zweitsprache. In: Gerhard Helbig, Lutz Götze, Gert Henrici und Hans-Jürgen Krumm (Hg.), Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch, 810⫺827. Bd. 2. (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 19.1⫺2). Berlin und New York: de Gruyter. Barkowski, Hans, Michael Fritsche, Richard Göbel u. a. 1986 Hans-Jürgen Krumm (Hg.), In: Deutsch für ausländische Arbeiter. Gutachten zu ausgewählten Lehrwerken. 3. Aufl. Mainz: Manfred Werkmeister. Barkowski, Hans, Ulrike Harnisch, Ulrike und Sigrid Kumm 1986 Handbuch für den Deutschunterricht mit Arbeitsmigranten. 2. bearb. Aufl. Mainz: Manfred Werkmeister. Buhlmann, Rosemarie 2005 Konzeption für die Zusatzqualifizierung für Lehrkräfte Deutsch als Zweitsprache. Erarbeitet vom Goethe-Institut im Auftrag des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Nürnberg: BAMF. Buhlmann, Rosemarie, Karin Ende, Susan Kaufmann, Angela Kilimann und Helen Schmitz 2008 Rahmencurriculum für Integrationskurse Deutsch als Zweitsprache. Erstellt im Auftrag des Bundesministeriums des Innern. Nürnberg: BAMF und München: Goethe-Institut. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2005a Konzept für einen bundesweiten Integrationskurs. Nürnberg: BAMF. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2005b Protokoll der konstituierenden Sitzung der Bewertungskommission. Nürnberg: BAMF. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2005c Protokoll der 3. Sitzung der Bewertungskommission. Nürnberg: BAMF. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2008 Liste zugelassener Lehrwerke. Nürnberg: BAMF. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2008 Liste der zugelassenen Lehrwerke für den Integrationskurs (Stand: November 2008). Nürnberg: BAMF. Bundesministerin für Inneres 2005a Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz §§ 14⫺16. In: Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich I Nr. 100. Bundesministerin für Inneres 2005b Verordnung der Bundesministerin für Inneres über die Integrationsvereinbarung (Integrationsvereinbarungs-Verordnung ⫺ IV⫺V). In: Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich, 449. Verordnung. Bundesregierung und Bundesministerium des Innern 2004a Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz). In: Bundesgesetzblatt, Teil 1 Nr. 41, 1950⫺2011. Bonn: Bundesministerium der Justiz. Bundesregierung und Bundesministerium des Innern 2004b Verordnung über die Durchführung von Integrationskursen für Ausländer und Spätaussiedler (Integrationskursverordnung ⫺ IntV). In: Bundesgesetzblatt Jahrgang 2004, Teil 1 Nr. 68, 3370⫺3375. Bundesregierung und Bundesministerium des Innern 2007 Erste Verordnung zur Änderung der Integrationskursverordnung. In: Bundesgesetzblatt, Teil 1 Nr. 61, 2787⫺2692.
121. DaZ in der Erwachsenenbildung: Integrationskurse
1105
Ehlich, Konrad, Elke Montanari und Anna Hila 2007 Recherche und Dokumentation hinsichtlich der Sprachbedarfe von Teilnehmenden an Integrationskursen DaZ ⫺ InDaZ ⫺ im Rahmen des Projektes des Goethe-Instituts zur Erstellung eines Rahmencurriculums für Integrationskurse. München: Goethe-Institut. Europarat (Hg.) 2001 Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin/ München: Langenscheidt. Glaboniat, Manuela, Martin Müller, Helen Schmitz, Paul Rusch und Lukas Wertenschlag 2002 Profile Deutsch. Lernzielbestimmungen, Kannbeschreibungen und kommunikative Mittel für die Niveaustufen A1, A2, B1 und B2 des „Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen“. Berlin/München: Langenscheidt. Krekeler, Christian 2001 Sprachförderung für Spätaussiedler: ein erfolgreiches Auslaufmodell. Deutsch als Zweitsprache 1: 13⫺22. Krumm; Hans-Jürgen 2007 Ein Curriculum für Integrationssprachkurse sollte mehr leisten als die Legitimierung von Prüfungen. In: Ruth Eßer und Hans-Jürgen Krumm (Hg.), Bausteine für Babylon: Sprache, Kultur, Unterricht. Festschrift zum 60. Geburtstag von Hans Barkowski, 170⫺182. München: iudicium. Maas, Utz und Ulrich Mehlem 2003 Qualitätsanforderungen für die Sprachförderung im Rahmen der Integration von Zuwanderern. (IMIS Beiträge 21.) Osnabrück: IMIS. Rambøll Management 2006 Evaluation der Integrationskurse nach dem Zuwanderungsgesetz. Abschlussbericht und Gutachten über Verbesserungspotenziale bei der Umsetzung der Integrationskurse. Bundesministerium des Innern (Hg.). Berlin: Rambøll Management. Reich, Hans H. 2002 Was ist Deutsch als Zweitsprache? Deutsch als Zweitsprache 4: 2. Social Consult GmbH 1998 Sprachförderung von Spätaussiedlern. Endbericht für das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Social Consult GmbH: Bonn 1998. Social Consult GmbH, Infratest Burke Sozialforschung GmbH, Fachbereich Deutsch als Fremdsprache der Universität Essen 1999 Evaluation der Sprachförderung Deutsch für ausländische Arbeitnehmer. Integrierter Endbericht für das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung. (Forschungsbericht 274). BMA: Bonn. Sprachverband Deutsch für ausländische Arbeitnehmer e. V. 1990 Fragen zur Beurteilung von Lehrwerken in Kursen, die vom Sprachverband Deutsch für ausländische Arbeitnehmer e.V. gefördert werden. Deutsch lernen 1: 43⫺68.
Susan Kaufmann, Mainz (Deutschland)
1106 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts
122. Sprachliche und kulturelle Vielalt im Deutsch als Zweitsprache-Unterricht 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Ausgangssituation Selbstbild und Zweitsprachlernen im sozialen Kontext Sprachliche Vielfalt im DaZ-Unterricht Kulturelle Vielfalt im DaZ-Unterricht Materialien und Hilfsmittel Literatur in Auswahl
1. Ausgangssituation Sprachliche und kulturelle Vielfalt sind Grundgegebenheiten der Lerngruppen in Deutsch als Zweitsprache. Kinder und Jugendliche kommen aus unterschiedlichen Kontexten und mit unterschiedlichen, teils auch problematischen Welterfahrungen in den DaZ-Unterricht, haben meist verschiedene Ausgangssprachen erworben und je eigene Sprachlernwege durchlaufen. Der Wechsel von Sprache und Milieu bringt Verunsicherungen mit sich, hinzu tritt die neue Erfahrung, dass vieles Bisherige im Zielsprachenland anders bewertet wird als in der Herkunftsgruppe, auch die lernende Person selbst wird oftmals geringer eingeschätzt. Der Anfang des Zweitsprachenlernens erfordert von den Lernenden, sich auf Neues einzulassen und sich als Lernende neu zu konzipieren, auch wenn sie in Erstsprache und Erstsprachengruppe schon altersgemäß sprechen und handeln konnten oder sogar eine stabile Identität ausgebildet hatten. Eine DaZ-Lerngruppe kann sich zusammensetzen aus Lernenden derselben Ausgangssprache und -kultur oder aus Lernenden verschiedener Ausgangssprachen und -kulturen. Im zweiten Fall bringen die Lernenden ihre Sprachen und Kulturen in den Unterricht mit und machen ihn schon dadurch sprachlich und kulturell vielfältig. Im ersten Falle begegnen die Lernenden anderer Erstsprache(n) der Sprache und Kultur des Aufnahmelandes, mit der sie sich auseinandersetzen. Es wäre jedoch ein vorschneller Schluss, diese Situation auf eine bikulturelle zu verengen, in der zwei homogene Sprachen aufeinander träfen, im Gegenteil, unsere Sprachen und Kulturpraxen weisen vielfältige interne Varianten auf, die immer zum Entdecken der Anderen auffordern (vgl. Art. 34). Im Unterricht in der Zweitsprache stellt sich von Seiten der Lernenden der Vergleich des Neuen mit dem Bisherigen zwangsläufig ein. Viele DaZ-Lernende möchten im Unterricht ihre Kulturerfahrungen, ihre bisherigen Sprachen, ihre Sprachlerntheorien und ihre Funde aus dem Sprachvergleich spontan zum Ausdruck bringen, wozu ihnen allerdings anfangs die Sprachmittel fehlen und wozu sie von den Unterrichtenden meist auch nicht ermutigt werden („Das gehört jetzt nicht hierher. Bleib beim Thema!“). Das Interesse von DaZ-Lernenden, ihre Befunde und Einstellungen bezüglich der alten und auch der neuen Sprachen und Kulturen zu besprechen, lässt sich erkennen, sobald die Lernenden in der Lage sind, sich zu artikulieren. Die folgenden Beispiele belegen das für die Sprachbereiche Lautung, Lexik und Semantik, aber auch für Grammatik und Orthografie:
122. Sprachliche und kulturelle Vielfalt im Deutsch als Zweitsprache-Unterricht
1107
7⫺8 Jahre: Lautung & Lexik S 1: bär das ist kasachisch gib mir\ S 2: und spanisch gib mir heißt dame\ Grammatik: Artikel S 3: bei deutsche mit artikel\ S 4: aber türkisch moschee schreibt man ohne artikel\ 9⫺10 Jahre: Orthografie S 4: russisch gibt’s mehr buchstaben als deutsch\ Grammatik: Wortbildung S 5: zahlen immer falsch ⫺* zwanzig vier\ Jugendliche: Grammatik: Artikel S 6: immer hab probleme mit die artikel\ Lautung und Orthografie S 7: wir haben kein w und kein y/* dafür aber mehr zischlaute\ Grammatik: Gebrauch des Pronomens und Interpretation S 8: deutsche sagen immer ich\* sagt man polnisch gar nicht\* wir sind mehr bescheiden\ Legende der Minimaltranskriptionen: S1 ⫽ SchülerIn mit Zählnummer / ⫺ \ ⫽ Intonationskurve aufwärts, gleich bleibend, abwärts * ⫽ sehr kurze Pause Transkript 122.1.
Wie die letzte Äußerung zeigt, sprechen DaZ-Lernende auch gern über ihre lebensweltlichen Erfahrungen und Vorstellungen, wenn es ihnen im Unterricht ermöglicht wird. Sie vergleichen die Lebensart im Herkunftsland mit der im Zielsprachenland: Kleidung, Essen, Familie, Wohnen, Verkehr, Berufe, Gender, Technik usw. Dazu drei kleine Textausschnitte: 9 Jahre: S 9: ich finde türkei schön weil da immer so blüten⫺* sind und da gibt’s auch viele früchte da kann man auch* viel spielen da gibt’s nicht viel autos\** die machen die da⫺* sind nicht gefährlich\ S 10: das ist ein ast\* und dann die machen den boden rein⫺* und kühe ziehen\* reißt boden auf/* aber traktor wär besser\ Jugendlicher: S 11: sport nicht schön hier\ alles muss selber machen\* zuhause diener bringen/* handtuch warmes wasser für bad\* und tee\ Transkript 122.2.
Das Bedürfnis nach der Äußerung bisheriger Erfahrungen manifestiert sich nicht nur in solchen Sprechpassagen. Beobachtungen legen nahe, dass das Unterdrücken solcher Äußerungen zu nachlassendem Interesse der Lernenden am Unterricht führt. Sie fühlen sich dann nicht wirklich akzeptiert als die, die sie sind und die etwas zu sagen haben, und vermuten daher, der Unterricht sei nicht an sie adressiert (Oomen-Welke 2008b:
1108 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts 486 f.). Die fatale Folge ist das Abwenden der Aufmerksamkeit von Unterricht und Deutschlernen. Für Modelle und theoretische Ansätze zu diesen Fragen sei auf Kap. VIII, Artikel 89⫺91 und auf Holstein und Oomen-Welke 2006 Kap. 5 verwiesen.
2. Selbstbild und Zweitsprachlernen im sozialen Kontext Gerade im DaZ-Unterricht, der für viele Lernende die erste institutionelle Begegnung mit Sprache und Kultur des Aufnahmelandes ist, müssen Befindlichkeit und bisherige Erfahrungen der Lernenden eine Rolle spielen. Der DaZ-Unterricht selbst findet meistens in Form von Vorbereitungsklassen bzw. Sprachlernklassen, in DaZ-Kursen oder in einzelnen bzw. regelmäßigen Förderstunden statt; neuerdings gibt es auch Feriencamps (Decker 2008 zu Vorbereitungsklassen und ihren Faktoren; Rösch 2007 zu Feriencamps; Rösch 2008 zu DaZ-Kurs oder Lernbegleitung). DaZ-Lernende kommen nicht als unbeschriebene Blätter, sondern als werdende oder schon reife Persönlichkeiten mit ihren eigenen Sprachen in den Kurs. Zunächst einmal haben viele Lernende Angst vor der neuen Situation. Sie geraten oft in eine Umgebung, die widerständig ist und negative Fremdbilder konstruiert. Hier sind auch Identitätsund Motivationsfragen betroffen, denn DaZ-Lernende haben Handlungs- und kulturelles Wissen, das in der deutschsprachigen Schule zunächst verborgen bleibt, jedoch ein Potenzial für den weiteren Unterricht sein kann. DaZ-Lernende können sich allerdings anfangs nur mit Schwierigkeiten sprachlich verständigen, umso mehr sind sie auf Beobachtbares und Interpretationen angewiesen, wobei Fehldeutungen nicht ausgeschlossen sind. In dieser Situation ist es schwer, bei kritischen Rückmeldungen zwischen sach- und personenbezogener Kritik zu unterscheiden; es entsteht die Gefahr der Misserfolgsmotivierung („Das kann ich wieder nicht!“ nach Schmalt 1988), die schon per se Erfolge als zufällig und Versagen als normal erleben lässt und im Weiteren den Lernerfolg zu einem großen Teil verhindert, weil die Lernenden selbst nicht daran glauben. Die seit PISA gemessenen schulischen Ergebnisse von Schülern mit Migrationshintergrund legen Rückschlüsse auf die Verbreitung dieser Haltung nahe, die dazu führt, Anerkennung außerhalb von Schule und Lernen zu suchen. Die Anfangserfahrung, willkommen zu sein, respektiert zu werden und Beiträge leisten zu können, hilft DaZ-Lernenden, sich im Unterricht zu entfalten, Verhaltenssicherheit und Stärke zu gewinnen, zu kooperieren und Wir-Identität zu entwickeln. Eine positive Aufnahme ihrer eigenen Sprachen und ihres Lernverhaltens (auch der sog. Fehler), die hier „Sinn unterstellen“ genannt wird, stärkt ihre Persönlichkeit und Rolle; ausgrenzende Erfahrungen bewirken das Gegenteil (vgl. z. B. Kniffka und Siebert-Ott 2007: 104) die Merkmale der Unterrichtsforschung für erfolgreichen Unterricht referieren). In diesem Kontext soll besonders an das Face-Konzept nach Goffman (seit 1959) erinnert werden, das einen Versuch darstellt, Probleme der „Gesichtswahrung“ auch von Kindern und Jugendlichen zu erklären. Das heißt, auch Kinder und Jugendliche im DaZErwerb wollen ihr „Gesicht“ respektiert sehen, von anderen akzeptiert und nicht eingeschränkt oder bedroht werden, z. B. durch Missachtung oder Kritik, durch strikte Anweisungen oder Verbote anstelle von Verstehensangeboten. Auch Kinder und Jugendliche möchten darüber hinaus positive Anerkennung und Wertschätzung erlangen, selbst wenn
122. Sprachliche und kulturelle Vielfalt im Deutsch als Zweitsprache-Unterricht
1109
sie (noch) nicht zielsprachlich sprechen oder nach anderen als den Maximen der Mehrheit handeln. Da Gesichtswahrung sich in der Interaktion ereignet und als ein gegenseitiger Prozess funktioniert, als Kooperation, bildet der schonende Umgang der Interaktionspartner miteinander, hier der DaZ-Lernenden, der anderen Schüler und Schülerinnen und der Lehrpersonen, eine Voraussetzung des Gelingens kommunikativer Handlungen und des schulischen Lernens. Es scheint, dass dieser Zusammenhang den Interagierenden wenig bewusst ist. Speziell im Kontext der Sprachenvielfalt in der Klasse brauchen die Schülerinnen und Schüler einen Vertrauensvorschuss z. B. in der Form, dass ihren Beobachtungen an Sprache(n) und ihren sprachvergleichenden Bemerkungen (s. Abschnitt 1) Sinn unterstellt wird, dass Sprachaufmerksamkeit und entstehendes Sprachbewusstheit in ihren Redebeiträgen erkannt werden und dass der Unterricht sich mit ihren sprachvergleichenden Fragen beschäftigt, die übrigens für alle interessant sind.
3. Sprachliche Vielalt im DaZ-Unterricht Da die Lernenden in den Prozess des Deutschlernens die schon gelernte(n) Sprache(n) mitbringen, spielen diese gleichzeitig mit der Zielsprache Deutsch eine Rolle und sollten zugleich thematisiert werden. Deren Thematisierung schafft günstige Lernvoraussetzungen, erhöht die Motivation und stärkt das Gesicht der Lernenden sowie die Beziehungen zur Lehrperson und untereinander. Außerdem werden die kognitiven Konstruktionen der Lernenden im Vergleich besprech- und rekonstruierbar, aushandelnd entwickeln sie sich weiter. Für Jugendliche und junge Erwachsene untersucht Wildenauer-Jo´zsa (2005), wann und wie DaF-Lernende ihre bisherigen Sprachen vergleichend nutzen (für Kinder s. o. und Oomen-Welke 2008a und b). Es existieren Sets von Unterrichtsroutinen, die von Lehrpersonen in DaZ genutzt werden, um den Lernenden Respekt zu erweisen und die Vielfalt der DaZ-Klassen von Anfang an erlebbar zu machen. Dazu gehören die Begrüßung und Verabschiedung in den Sprachen der Lernenden und andere kleine Alltagsroutinen wie „Guten Appetit“. In der Grundschule findet man öfter ein Klassenlied auf der Basis von „Paule Puhmanns Paddelboot“ (Neuner und Vahle 1990), das die Namen der Kinder und die Herkunftsländer nennt, z. B. Anesa kommt aus Bosnien / und Vesna aus Kosovo. / Sie wundern sich die ganze Zeit, /denn in beiden Ländern begrüßt man sich so: / Dobar dan ⫺ Dowidschenja ⫺ Guten Tag ⫺ Auf Wiedersehn … Mein Gott, was ist das für ne Schrift, / die Momoko schön schreibt? / In Japan hat sie es gelernt, / wir hoffen, dass sie bleibt. / Konitschiwa ⫺ Sayonara ⫺ Guten Tag ⫺ Auf Wiedersehn … (Brigitte Färber, Freiburg) In der Sekundarstufe beginnt der DaZ-Unterricht häufig mit Vorstellungsrunden, Herkunftsangaben der Lernenden und Landkarten, übrigens auch in Lehrwerken. Im weiteren Verlauf des Unterrichts lässt die Vielfalt der Ausgangslage zugunsten einer Einheitlichkeit im Deutschen nach. Deswegen folgen an dieser Stelle Vorschläge, wie Aspekte sprachlicher und kultureller Vielfalt immer wieder oder sogar durchgehend erhalten werden können, um den o. g. Zielen zu dienen. Denn: Sprachenvielfalt im DaZ-Unterricht
1110 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts ist nicht primär abhängig von der Sprachenkompetenz der Lernenden, sondern auch von der Einstellung der Lehrenden zu den Ausgangssprachen. Die Schülerinnen und Schüler bereitet die Vielfalt im Unterricht auf die Vielfalt der Welt vor.
3.1. Sprachdidaktische Szenarien Spracharbeit mit vielen Sprachen kann in vielerlei Lernszenarien stattfinden. Die Rollen der Lehrperson und der Lernenden sind dabei jeweils verschieden. Genannt seien die folgenden Standardszenarien: ⫺ spontane offene Sprachmitteilung durch SchülerInnen, orientiert an den Fragen und Bedürfnissen der Lernenden; etwa wie in den Beispielen 122.1 und 122.2; das setzt voraus, dass die Beobachtungen der Lernenden willkommen sind; ⫺ Vorschläge aufgreifen: Orientierung des Unterrichts an den spontanen Mitteilungen der Lernenden; Rückgriff der Lehrperson darauf; z. B. gemeinsame Lösung einer Sprachfrage (z. B. „Welche Wörter hat meine Sprache aus anderen Sprachen übernommen?“) durch Vergleich der Sprachen in der Lerngruppe; ⫺ Sprachwissen abrufen, orientiert am DaZ-Curriculum: Bitte um Beiträge aus den Sprachen der Lernenden zu einem von der Lehrperson oder dem Arbeitsmaterial aufgeworfenen Problem und seine Diskussion (z. B. Artikel; Vergangenheitstempora; Höflichkeitsanrede); ⫺ Arbeit mit Materialien wie Sprachensilhouetten, Sprachenbäumen und anderen Materialien (z. B. Moore 2000: Stammbaum der indoeuropäischen Sprachen); vgl. Sprachwelt Deutsch (2003: 199); Krumm (2001: Sprachenbilder); verschiedene Aspekte im Heft Sprachen öffnen Welten (2001); umfangreiche Materialien mit Arbeitsblättern zur Sprachen- und Kulturenvielfalt liefern KIESEL sowie Oomen-Welke u. a. 2006: Der Sprachenfächer). ⫺ Portfolio-Arbeit mit Dokumentation der eigenen Sprache(n) und der Sprachen in der Klasse (dazu Oomen-Welke 2006; Decker 2007. Vgl. zu den Methoden auch Decker und Oomen-Welke 2008.).
3.2. Stuen der Integration der Sprachenvielalt Solche Lernszenarien lassen die Modellierung in Stufenfolgen zu (Oomen-Welke 2008b: 484⫺486). Die Stufen sind nicht bedingt durch die mehr oder weniger hohen Kompetenzen der Lernenden, sondern gemeint als Programm für Lehrpersonen, die lernen mit anderen Sprachen zu arbeiten. Wenn ⫺ im Anschluss an das Face-Konzept ⫺ die Äußerungen der Lernenden über ihre Sprache(n) und das Deutsche als sinnhaltige Konstruktionen angesehen werden, dann sind sie für den Unterricht bedeutsam; die Lernenden dürfen ihre Feststellungen mitteilen, und diese werden ⫺ je nach Entscheidung der Lehrperson oder der Klasse ⫺ in den Unterricht integriert. (1) Spontane Beiträge zu äußern ist eine Art Unterrichtsszenario. Solche Beiträge verzeichnen wir vor allem von Kindern, denn Kinder thematisieren oft, was ihnen sprachvergleichend auffällt (vgl. Transkripte 122.1 und 122.2). Spontane Beiträge werden im
122. Sprachliche und kulturelle Vielfalt im Deutsch als Zweitsprache-Unterricht Unterricht akzeptiert und als bedeutsam bewertet. Andernfalls werden sie auf Dauer nicht mehr vorgetragen. (2) Lehrpersonen sind Profis darin, in den spontanen Beiträgen der Lernenden das Lern- und Reflexionspotenzial zu erkennen. Bei S. 1⫺2 geht es um Artikelsprachen und artikellose Sprachen, bei S. 6 um die Kasus- und Genusmarkierung des Artikels, bei S. 4 und S. 7 um das Grapheminventar im Vergleich usw. Die Äußerungen zeigen den Lehrpersonen, was Lernende wissen und denken, und lassen darauf schließen, was noch gelernt werden sollte (vgl. Transkripte 122.1 und 122.2). (3) An die Beobachtungen der Lernenden anknüpfend können diese Aspekte sprachvergleichend vertieft werden. Die genannten Beobachtungen werden als Vorschläge für Unterrichtsthemen aufgefasst, was ihnen mehr Bedeutung verleiht. Zu solchem die Sprachen vergleichenden Unterricht können die Lernenden viel aus ihrem Vorwissen beitragen und mit dem Neuwissen rekonstruieren. Beispiele können von den Lernenden aus verschiedenen Sprachen zusammengetragene Listen von Wörtern (z. B. für Speisen) oder kurze Sätze (z. B. Ja-Nein-Fragen) sein, die unter ausgewählten Sprachaspekten verglichen werden. (4) Sprachphänomene, deren Behandlung erforderlich ist, werden allerdings nicht immer spontan thematisiert, sondern müssen oft auch von der Lehrperson zum Thema gemacht werden. Sprachliche Vielfalt kann dabei erscheinen, wenn die Lernenden nach dem Äquivalent in ihren Sprachen gefragt werden. Lernende sind auch in der Lage, kooperativ eine Methode des Vergleichens zu finden. Es gibt eine ganze Reihe von Sprachthemen in DaZ, die sich gut für sprachliche Vergleiche eignen, z. B. die Bildung des Plurals im Deutschen, das Subjektpronomen, die Satztopologie usw. (vgl. OomenWelke 2000: 149⫺155). Erreicht wird ein hohes Maß an selektiver Sprachaufmerksamkeit sowie durch die bearbeitenden Tätigkeiten auch Orientierung im Bereich verschiedener Sprachen, mehrsprachiges Sprachwissen und metasprachliches Wissen. Beides speist die Sprachbewusstheit, die wiederum zu höherer Sprachaufmerksamkeit führt und dem Lernen dient.
4. Kulturelle Vielalt im DaZ-Unterricht Sprachgebrauch ereignet sich generell im Kontext kulturellen Handelns (s. Abschnitt 1). Die vorhandene kulturelle Praxis der Lernenden, ihr kulturelles Wissen und die Dimensionen des Gemeinsamen und der Verschiedenheit sollten in das DaZ-Lernen Eingang finden, wie auch theoretisch begründet ist (s. Abschnitt 2 und die Artikel 89⫺91 dieses Buchs). Analog zu den unter 3.2. genannten Stufen lassen sich in diesem Zusammenhang folgende Stufen beschreiben: (1 und 2) Spontane Berichte aus der lernerseitigen Lebenswelt und Wahrnehmung als bedeutsam akzeptieren, (3) die Mitteilungen der Lernenden als Vorschläge auffassen und aufgreifen, (4) in passenden Zusammenhängen nach kulturellem Wissen aus den Herkunfts- und anderen Ländern fragen und es dadurch herbeiholen, um vergleichend zu arbeiten. Das kann mit Materialien zum Vergleich kultureller Praktiken geschehen und in Portfolios integriert werden.
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1112 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts Hier seien einige Dimensionen genannt, die in den Domänen der Schule/Bildung und der Lebenswelt eine Rolle spielen und die Lernenden herausfordern. Sie können für die unterschiedlichen Altersgruppen ausgearbeitet werden und produktiv sein: ⫺ Non- und Extraverbales: Zeichensprache, Handzeichen, Mimik, Körperhaltung, Kleiderordnung bzw. Kleidermode, Wohnen usw. im Binnenvergleich (Unterschiede im selben Land zwischen Altersgruppen, Regionen, Geschlechtern, Lebensstilen usw.) sowie im Vergleich zwischen Ländern und Kontinenten (Oomen-Welke 2004a, 2004b, 2006); Bedeutung der natürlichen Gegebenheiten dabei (Klima, Bodennutzung, Siedlungsdichte usw.), Traditionen; ⫺ Texte in verschiedenen Sprachen: einfache Gedichte, Kinderreime, Märchen usw. in zwei Sprachen; Übersetzungsversuche einfacher Texte aus anderen Sprachen, dabei Nachdenken über die Bildlichkeit der Sprache, die Textform, Implikationen und Subtilitäten des Ursprungstexts und der Übersetzung (Beispiele bei Loch 1981; Dehn und Gerdzen 1981; Hüsler-Vogt 1987 und in „Sprachen in der Klasse“ Praxis Deutsch 157/1999; „Sprachenvielfalt im Klassenzimmer“ Fremdsprache Deutsch 31/2004; „Sprachliche Heterogenität“ Praxis Deutsch 202/2007); ⫺ Die Fassung von Welt durch Sprache: Ähnlichkeit und Verschiedenheit in Zahlensystemen (Zahlwörter, Einer vor oder hinter den Zehnern, Fünfersystem, Zehnersystem oder andere Systemgrundlage usw. (Oomen-Welke demn. im Sprachenfächer; OomenWelke und Kühn 2009: 163 ff.); unübersetzbare Wörter für bestimmte Sachen; sprachliche Bilder in Redewendungen und Sprichwörtern; Höflichkeitsausdrücke und gesellschaftliche Werte; Sprechen über sich und andere, gesichtsschonende Formulierungen usw.; ⫺ Verschiedene Schriften und Orthografien: Typen von Schriften (von Bilderschriften, Symbolschriften, logographischen Schriften über Silbenschriften zu alphabetischen Schriften und Stenografie); unterschiedliche Nutzung des lateinischen Alphabets in den europäischen Sprachen (Beispiel [sˇ]: dt. sch, engl. sh, frz. ch, ung. s, türk. s˛; z. B. Belke 1999); ⫺ Allgemeines und Philosophisches: Gespräche über Sprachentstehung, Sprachverschiedenheit, Sprachkontakt und Spracheinfluss (u. a. Entlehnung); Sprechen und denken; Symbole (außersprachlich, in der Schrift und in der Sprache kodiert) usw. Solche Themen lenken nicht vom Lernen des Deutschen als Zweitsprache ab, im Gegenteil ermöglichen sie, dass die Lernenden das bisher Gelernte, das neu zu Lernende und ihre subjektiven Konstruktionen in den Unterricht einbringen und gemeinsam weiterentwickeln. Die Lehrperson greift einiges vom spontan Geäußerten heraus und macht es zum inhaltlichen Unterrichtsthema oder sie schlägt solche Themen selbst vor. Die Sprachprogression in DaZ ist nämlich nicht auf Lehrbuchtexte angewiesen, sondern kann für die Lernenden interessantere und bedeutsamere Inhalte wählen; die passenden Inhalte, die sich in Lehrwerken finden, sollten selbstverständlich benutzt werden.
5. Materialien und Hilsmittel Die Phasen der Entwicklung von DaZ-Lehrmaterialien für Schülerinnen und Schüler und die Materialtypen zeichnet Kuhs (2008) nach; sie erwähnt auch die Wendung zum Interkulturellen, den nicht immer vorhandenen Lehrplanbezug und die Benutzbarkeit
122. Sprachliche und kulturelle Vielfalt im Deutsch als Zweitsprache-Unterricht sowohl für DaZ-Kurse als auch für Regelklassen. „Evaluationen über Einsatzfrequenzen und Effektivität der o. g. Lehrwerke und Unterrichtsmaterialien liegen nicht vor, eine empirische Lehrwerksforschung fehlt.“ (Kuhs 2008: 321; vgl. auch Oomen-Welke und Schnitzer 2008). Dennoch werden für den hier geforderten DaZ-Unterricht, der die sprachliche und kulturelle Vielfalt zur Grundlage des Lernens macht, Materialien und Hilfsmittel dringend benötigt. Man findet Unterrichtsvorschläge in Form von didaktischmethodischen Publikationen (z. B. Schader 2000, 2004), in Zeitschriften (s. Abschnitt 4 und Der Deutschuterricht 5/2008) oder als Hefte von Organisationen („Sprachen öffnen Welten“ 2001). Zwei Serien, KIESEL (ab 2003) und Der Sprachenfächer (Oomen-Welke u. a. ab 2006) stellen in thematischen Lieferungen Arbeitsblätter zu den o. g. Themen bereit (vgl. genauer Oomen-Welke 2008b und demn. 2010), die auch, aber nicht ausschließlich für DaZ konzipiert sind; speziell Der Sprachenfächer erfordert, dass die Lernenden ihre Sprachen und ihr Handlungswissen vergleichend integrieren. Solche Materialien können ergänzend genutzt werden. Mehr Materialentwicklung für die sprachliche und kulturelle Vielfalt ist für das effizientere Lernen erforderlich.
6. Literatur in Auswahl Ahrenholz, Bernt (Hg.) 2007 Deutsch als Zweitsprache. Voraussetzungen und Konzepte für die Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Freiburg: Fillibach. Ahrenholz, Bernt und Ingelore Oomen-Welke (Hg.) 2008/ 2009 Deutsch als Zweitsprache. 2. Aufl. Baltmannsweiler: Schneider. Belke, Gerlind 1999 Mehrsprachigkeit im Deutschunterricht. Sprachspiele ⫺ Spracherwerb ⫺ Sprachvermittlung. Baltmannsweiler: Schneider. Decker, Yvonne 2008 Deutsch als Zweitsprache in Internationalen Vorbereitungsklassen. In: Bernt Ahrenholz und Ingelore Oomen-Welke (Hg.), 162⫺172. Decker, Yvonne und Ingelore Oomen-Welke 2008 Methoden für Deutsch als Zweitsprache. In: Bernt Ahrenholz und Ingelore Oomen-Welke (Hg.), 324⫺342. Decker, Yvonne 2007 „Meine Sprachen und ich“. Praxis der Portfolioarbeit in Internationaler Vorbereitungsklasse und Förderkurs. In: Bernt Ahrenholz (Hg.), 169⫺185. Dehn, Mechthild und Rainer Gerdzen 1981 Hänsel und Gretel ⫺ Der Zwerg Veli. Praxis Deutsch 47: 46⫺50. Gamkrelidse, Thomas W. und Wiatscheslaw W. Iwanow 2007 Stammbaum der indoeuropäischen Sprachen. Spektrum der Wissenschaft Dossier: Die Evolution der Sprachen 50⫺57. Goffman, Erving 1967/dt. 1971 Interaktionsrituale ⫺ Über Verhalten in direkter Kommunikation. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Haferland, Harald und Ingwer Paul (Hg.) 1996 Höflichkeit. (⫽ Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie 52). Holstein, Silke und Ingelore Oomen-Welke 2006 Sprachen-Tandem für Paare, Kurse, Schulklassen. Ein Leitfaden für Kursleiter, Lehrpersonen, Migrantenbetreuer und autonome Tandem-Partner. Freiburg: Fillibach.
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1114 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts Hüsler-Vogt, Silvia 1987 Tres tristes trigres … Drei traurige Tiger … Zaubersprüche, Geschichten, Verse, Lieder und Spiele für die mehrsprachige Kinder(Garten)-Gruppe. Freiburg i. Br.: Lambertus. Interkulturelle Kommunikation ⫺ Interkulturalität 2008 (⫽ Der Deutschunterricht LX, 5). KIESEL Kinder entdecken Sprachen, Erprobung von Lehrmaterialien o. J. Download unter: http://www.oesz.at/sub_main.php?lnk⫽Publikationen (30. 12. 2010). Kniffka, Gabriele und Siebert-Ott Gesa 2007 Deutsch als Zweitsprache ⫺ Lehren und Lernen. Paderborn: Schöningh. Krumm, Hans-Jürgen 2001 Kinder und ihre Sprachen ⫺ lebendige Mehrsprachigkeit. Wien: eviva. Kuhs, Katharina 2008 Lehrwerke und Unterrichtsmaterialien für die schulische Vermittlung und Förderung von Deutsch als Zweitsprache. In: Ahrenholz und Oomen-Welke (Hg.), 315⫺323. Loch, Waltraud 1981 Cüce Veli, ein türkisches Märchen im Deutschunterricht. Praxis Deutsch 47: 43⫺45. Moore, Thomas C. 2000 Stammbaum der indoeuropäischen Sprachen 51. Spektrum der Wissenschaft Dossier: Die Evolution der Sprachen, 51. Neuner, Gerhard, Fredrik Vahle 1990 Paule Puhmanns Paddelboot: 10 Lieder zum Singen, Spielen und Lernen. Berlin: Langenscheidt. Oomen-Welke, Ingelore 2010 (erscheint) Sprachliches Lernen im mehrsprachigen Klassenzimmer. In: Volker Frederking, Hans Werner Huneke, Axel Krommer und Christel Meier (Hg.), Taschenbuch des Deutschunterrichts. Baltmannsweiler: Schneider. Oomen-Welke, Ingelore 2008a Präkonzepte: Sprachvorstellungen ein- und mehrsprachiger SchülerInnen. In: Bernt Ahrenholz und Ingelore Oomen-Welke (Hg.), 373⫺384. Oomen-Welke, Ingelore 2008b Didaktik der Sprachenvielfalt. In: Bernt Ahrenholz und Ingelore Oomen-Welke (Hg.), 479⫺492. Oomen-Welke, Ingelore 2006/22007 „Meine Sprachen und ich“. Inspirationen aus der Portfolio-Arbeit in DaZ für Vorbereitungsklasse und Kindergarten. In: Bernt Ahrenholz (Hg.), Kinder mit Migrationshintergrund ⫺ Spracherwerb und Fördermöglichkeiten, 115⫺131. Freiburg i. Br.: Fillibach. Oomen-Welke, Ingelore 2004a Körpersprachliches und Extrasprachliches verschiedener Kulturen in Welt, Schule und Unterricht. In: Heinz S. Rosenbusch und Otto Schober (Hg.), Körpersprache und Pädagogik. Das Handbuch, 68⫺98. Baltmannsweiler: Schneider. Oomen-Welke, Ingelore 2004b Nonverbales und Körpersprachliches aus verschiedenen Kulturen als semiotische Grundfrage. In: Otto Schober (Hg.), Körpersprache im Deutschunterricht, 19⫺33. Baltmannsweiler: Schneider. Oomen-Welke, Ingelore 2000 Umgang mit Vielsprachigkeit im Deutschunterricht ⫺ Sprachen wahrnehmen und sichtbar machen. Deutsch lernen 2: 143⫺163. Oomen-Welke, Ingelore und Peter Kühn 2009 Sprache und Sprachgebrauch untersuchen. In: Albert Bremerich-Vos, Dietlinde Granzer, Ulrike Behrens und Olaf Köller (Hg.), Bildungsstandards für die Grundschule: Deutsch konkret, 139⫺184. Berlin: Cornelsen-Scriptor.
122. Sprachliche und kulturelle Vielfalt im Deutsch als Zweitsprache-Unterricht Oomen-Welke, Ingelore und Katja Schnitzer 2008 Evaluation von Arbeitsmaterialien für den vielsprachigen Deutschunterricht. In: Eva Burwitz-Melzer, Wolfgang Hallet, Michael K. Legutke, Franz-Joseph Meißner und Joybrato Mukherijee (Hg.), Sprachen lernen ⫺ Menschen bilden. 22. Kongress für Fremdsprachendidaktik Gießen 2007, 205⫺216. Baltmannsweiler: Schneider. Oomen-Welke, Ingelore und Arbeitsgruppe 2006 ff. Der Sprachenfächer. Freiburg: Fillibach/Berlin: Cornelsen. Neu 2010 Berlin: Cornelsen. Rösch, Heidi 2007 DaZ-Förderung in Feriencamps. In: Bernt Ahrenholz (Hg.), 229⫺246. Rösch, Heidi 2008 Sprachförderung DaZ oder Lernbegleitung? In: Bernt Ahrenholz und Ingelore OomenWelke (Hg.) , 457⫺466. Schader, Basil 2000 Sprachenvielfalt als Chance. Zürich: Orell Füssli. Schmalt, Heinz-Dieter 1988 Über den Einsatz des LM-Gitters zur Messung der Leistungsmotivation in Schul- und Unterrichtssituationen. In: Ingelore Oomen-Welke und Christoph v. Rhöneck (Hg.), Schüler: Persönlichkeit und Lernverhalten, 42⫺57. Tübingen: Narr. Sprachen in der Klasse 1999 (⫽ Praxis Deutsch 157). Hartung, Regine und Krystyna Kudlinska-Stankulova 2001 Sprachen öffnen Welten (⫽ Miteinander leben in Europa Heft 7). Hamburg: Körber-Stiftung. Sprachliche Heterogenität 2007 (⫽ Praxis Deutsch 202). Sprachenvielfalt im Klassenzimmer 2004 (⫽ Fremdsprache Deutsch 31). Peyer, Ann, Daniel Friederich, Therese Grossmann und Franziska Bischofberger 2003 Sprachwelt Deutsch. Bern/Zürich: Schulbuchverlag blmv/Lehrmittelverlag des Kantons Zürich. Wildenauer-Jo´zsa, Doris 2005 Sprachvergleich als Lernerstrategie. Eine Interviewstudie mit erwachsenen Deutschlernenden. Freiburg i. Br.: Fillibach.
Ingelore Oomen-Welke, Freiburg (Deutschland)
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1116 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts
123. Alphabetisierung in der Zweitsprache Deutsch 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
Geschichte Modelle der Alphabetisierung in DaZ Begrifflichkeiten Die Lernenden Alphabetisierung im Kontext von Integrationspolitik Elementare Komponenten eines Unterrichtskonzeptes/Curriculums für die Alphabetisierung in DaZ Kompetenzbilanz, Portfolio: Wie können Kenntnisse dokumentiert und nachgewiesen werden? Beratung und Einstufung Aus- und Weiterbildung Literatur in Auswahl
1. Geschichte Ende der 1970er Jahre wird man in Deutschland, wie zuvor schon in Großbritannien, darauf aufmerksam, dass ein nicht unwesentlicher Teil der erwachsenen einheimischen Bevölkerung nicht über ausreichende Lese-Schreib-Kompetenzen verfügt. Alphabetisierungskurse richteten sich zunächst ausschließlich an Personen mit deutscher Muttersprache. Auch in Österreich und der Schweiz begann man mit einigen Jahren Verzögerung, den Bedarf an Alphabetisierung für Einheimische zunehmend zu erkennen. Alphabetierungskurse für MigrantInnen wurden im deutschsprachigen Raum bis Mitte der 1980er Jahre nur vereinzelt angeboten. 1986 nahm in Deutschland der Sprachverband Deutsch für ausländische Arbeitnehmer e.V. die Förderung von Sprachkursen mit Alphabetisierung in die Förderrichtlinien auf, nachdem sich in den zunehmend angebotenen Deutschkursen zeigte, dass viele Lernende, vor allem Frauen, nicht über ausreichende Lese- und Schreibkenntnisse verfügten. Die Entwicklung von Kursmodellen, Unterrichtskonzepten, Diskussionsbeiträgen und Materialien (Baymak-Schuldt 1985) folgte. Einen Überblick über die Entwicklung der Alphabetisierung mit MigrantInnen in Deutschland mit grundlegenden und heute noch aktuellen Fragen gibt Szablewski-C ¸ avus (1991). Auch in der Schweiz, in Österreich und in Südtirol stellte man seit den 1980er Jahren verstärkt einen Bedarf an Alphabetisierung in den Deutschkursen für MigrantInnen fest. Alphabetisierung für MigrantInnen findet heute in den deutschsprachigen Ländern Europas hauptsächlich in Integrationskursen mit Alphabetisierung statt. Die seit den 1980er Jahren entstandenen vielfältigen und differenzierenden Konzepte und Kurse (z. B. berufsbezogene Alphabetisierung) werden zunehmend auf dieses Angebot reduziert.
2. Modelle der Alphabetisierung in DaZ Neben der Alphabetisierung in der Zweitsprache Deutsch (DaZ) sind die Alphabetisierung in der Muttersprache, sowie die zweisprachige Alphabetisierung zu nennen. Beide werden sowohl im Schulbereich als auch in der Erwachsenenbildung nur vereinzelt ange-
123. Alphabetisierung in der Zweitsprache Deutsch
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boten. Problematisch ist die Situation für nicht alphabetisierte Kinder und Jugendliche über 10 Jahren (sog. Seiteneinsteiger), da nach der Grundschule in den Schulsystemen der deutschsprachigen Länder kaum Fördermöglichkeiten für Alphabetisierung existieren. Der Ansatz der Family Literacy verbindet durch den Einbezug von Familie und Umfeld zumeist isoliert nebeneinander stehende Maßnahmen in Schule, Erwachsenenbildung, Sozialarbeit und Stadteilarbeit (Elfert und Rabkin 2007). Zunehmende Aufmerksamkeit und Förderung ist der berufsorientierten Grundbildung zu wünschen, die Grundbildung, Qualifizierung und Beschäftigung von Erwachsenen miteinander kombiniert. Versuche der Alphabetisierung als Vorlaufmaßnahme vor dem Deutschkurs haben sich aus zwei Gründen als unzureichend erwiesen: Erstens kann ausreichende Lese-SchreibFähigkeit nicht in wenigen Wochen oder Monaten erworben werden. Zweitens muss ein Alphabetisierungskurs mit MigrantInnen auch die Vermittlung von DaZ enthalten. Den MigrantInnen in Alphabetisierungskursen ohne zweitsprachdidaktisches Konzept den Spracherwerb quasi „nebenbei“ abzuverlangen, ist weder realistisch noch vertretbar. Zweitschrifterwerb: Anders stellt sich die Sachlage bei MigrantInnen dar, die bereits eine nichtlateinische Schrift beherrschen. Für sie ist eine kürzere Vorlaufmaßnahme angemessen, die auf die Übertragung der erstsprachigen Schriftsprachkompetenz auf die lateinische Schrift abzielt. Ein baldiger Wechsel in einen DaZ-Kurs für literate Lernende ist für diese Gruppe sinnvoll und möglich. Allerdings muss auch in dieser Maßnahme dem Spracherwerb ausreichend Aufmerksamkeit geschenkt werden.
3. Begrilichkeiten Da die verschiedenen im Bereich der Alphabetisierung und Grundbildung verwendeten Begrifflichkeiten auch unterschiedliche Konzepte, bildungspolitische Vorstellungen und Haltungen den Betroffenen gegenüber transportieren, seien die wichtigsten hier kurz erläutert: Primärer und sekundärer Analphabetismus: Von primärem Analphabetismus spricht man, wenn eine Person keinerlei Lese- und Schreibkenntnisse erworben hat, von sekundärem Analphabetismus, wenn nach zu kurzem oder nicht erfolgreichem Schulbesuch bereits erworbene Kenntnisse wieder in Vergessenheit geraten sind. Der Begriff „funktionale Alphabetisierung“ stammt ursprünglich aus der älteren UNESCO-Diskussion der 1960er Jahre. Gemeint war eine eingeschränkte Schriftsprachvermittlung für bestimmte für ökonomisch relevant erachtete Funktionen (z. B. für die Arbeit in der Landwirtschaft) in den damals unabhängig gewordenen Kolonien. Aus dieser Verwendung entstanden die bis heute üblichen Bezeichnungen „funktionale Analphabeten“ und „funktionaler Analphabetismus“. Gemeint ist, dass die Betreffenden nicht über ausreichende Schriftsprachkenntnisse verfügen, um sie zur persönlichen, beruflichen und sozialen Partizipation in der Gesellschaft nutzen zu können (s. Kamper 2001; Bhola 1995). Im Begriff steckt insofern eine gewisse Problematik, als er einerseits reduziert auf das Erlernen der alphabetischen Schrift und andererseits für die Betroffenen durch seine Defizitorientierung stigmatisierend wirkt. Literalität: Der von engl. literacy abgeleitete Begriff Literalität (auch Literarität) wird seit etwa einem Jahrzehnt zunehmend in der Fachliteratur verwendet. Er ist positiv kon-
1118 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts notiert und schließt Elemente einer allgemeinen Grundbildung ein, die über die Grundkulturtechniken des Lesens, Schreibens und Rechnens hinausgehen. Literalitäten als soziale Praxen: Anknüpfend an Barton (1994) wird in der heutigen Diskussion vermehrt von Literalitäten im Plural gesprochen. Ausgangspunkt ist die Überlegung, was ein Mensch an literalen Grundfertigkeiten braucht, um in seinen spezifischen Lebenskontexten (privat, beruflich, in Bezug auf Weiterbildung und Teilhabe an der Gesellschaft) bestehen und sich weiterentwickeln zu können. Dies verlangt eine verstärkt lebensweltliche Situierung von Alphabetisierungs- und Grundbildungsmaßnahmen und die Koppelung an die konkreten Bedarfe der Lernenden in ihren Lebenskontexten. „Allgemeine“ Schriftsprachkompetenz wird als Abstraktion betrachtet, die sich aus einem Set literaler Praxen zusammensetzt. Alphabetisierung als Teil von Basisbildung/Grundbildung: Die aktuelle Definition von Grundbildung orientiert sich am Referenzrahmen der Europäischen Kommission (2006), der die Schlüsselkompetenzen definiert, die die Bürgerinnen und Bürger in der europäischen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts für das Bestehen am Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft sowie den Einstieg ins Lebenslange Lernen benötigen. Als Elemente der Grundbildung werden neben Lesen, Schreiben, Rechnen, Umgang mit neuen Medien auch Kommunikation, Problemlösung, Arbeiten mit anderen und Lernkompetenz gesehen, sowie Deutsch als Zweitsprache für MigrantInnen im deutschsprachigen Raum. Als problematisch kann die Tendenz der Orientierung an den Kompetenzstufen der EU gesehen werden, wenn Kompetenzmessung und Konstituierung von Leistungsstandards Bildung vorwiegend warenförmig beschreiben und in defizitär formulierte Standards umschlagen, welche die Würde und Autonomie der Betroffenen in Frage stellen (Klein und Reutter 2009: 7⫺11).
4. Die Lernenden Die Lernenden mit Alphabetisierungsbedarf in der Zweitsprache Deutsch sind erwachsene ZuwandererInnen in den deutschsprachigen Ländern Europas sowie Kinder und Jugendliche, die in ihren Herkunftsländern die Schule nicht oder nicht ausreichend lange besuchen konnten. Die Gründe der Verhinderung des Schulbesuchs sind vielfältig und reichen von Krieg und ethnischen Konflikten über individuelle und strukturelle Armut (kein Geld für Schulbesuch, Schulen sind zu weit entfernt, Benachteiligung von Minderheiten im Schulsystem, existentiell notwendige Erwerbsarbeit schon in der Kindheit). Frauen und Mädchen sind besonders stark betroffen: wenn nicht allen Kindern der Familie der Schulbesuch ermöglicht werden kann, sind meist die (ältesten) Mädchen diejenigen, die anstelle des Schulbesuchs Verpflichtungen im Haushalt und bei der Betreuung der Geschwister übernehmen müssen (Ritter 2004: 36⫺37). Der Bildungsbedarf umfasst neben Alphabetisierung (auch in der Muttersprache) und DaZ auch den Erwerb von sprach- und schriftbezogenen Lernstrategien und Strategien für den selbstbestimmten Wissenserwerb sowie auf die berufliche und private Lebenssituation bezogene Fertigkeiten, also Grundbildung im umfassenden Sinn. Die von den Lernenden mitgebrachten Kompetenzen erstrecken sich von Vorkenntnissen in Lesen und Schreiben und in DaZ über mündliche Mehrsprachigkeit und enthalten vor allem auch vielfältige informell erworbene Kompetenzen in privaten und beruflichen Bereichen.
123. Alphabetisierung in der Zweitsprache Deutsch
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Als Motivation für den Kursbesuch wird an erster Stelle der Wunsch nach Selbständigkeit im Einwanderungsland genannt: schriftliche wie mündliche Kommunikationssituationen ohne fremde Hilfe bewältigen zu können, in privaten Rollen als Eltern, Nachbarn usw. sowie in beruflichen Anforderungen und als mündige BürgerInnen agieren zu können. Auch Wünsche nach beruflicher Qualifikation und einer besseren Arbeit werden genannt (Dubis 1999). Bildung ist den illiteraten Zuwanderern als wertvolles Gut bewusst: Umfragen in Kursen zeigen, dass nicht wenige der illiteraten Mütter und Väter ihren Kindern den Besuch von Universitäten und Berufsausbildungen ermöglicht haben. Studien über Zahlen, Bildungsbedarf, Motivationen und mitgebrachte Qualifikationen von Zuwanderern mit Alphabetisierungbedarf existieren in den deutschsprachigen Ländern noch nicht. Die obigen Aussagen stammen aus langjähriger Kurs- und Beratungserfahrung.
5. Alphabetisierung im Kontext von Integrationspolitik Die Verpflichtung für Zuwanderer, für die Aufenthaltsberechtigung bzw. Staatsbürgerschaft Deutschkenntnisse nachzuweisen (vgl. Art. 10 und 121), bedeutet für Menschen mit Alphabetisierungsbedarf eine zusätzliche Hürde. Im Anschluss an die Evaluation der deutschen Integrationskurse hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge deshalb ein für die Kursträger verbindliches Konzept für einen bundesweiten Alphabetisierungskurs (BAMF 2009) entwickelt, der im Rahmen von 945 bis maximal 1245 Unterrichtseinheiten ein kombiniertes Sprachförderungs- und Alphabetisierungsprogramm umfasst, das bis zum Niveau A 2.1 bzw. A 2.2 führen soll. In Österreich dagegen ist lediglich ein vorgelagertes Alphabetisierungsmodul im Umfang von 75 Unterrichtseinheiten vorgesehen. Die Probleme lassen sich wie folgt zusammenfassen: ⫺ Wenn (wie in Österreich) Sprachprüfungen für den dauerhaften Aufenthalt und das Erlangen der Staatsbürgerschaft zu absolvieren sind, die für literate Lernende entwickelt wurden, sind Zuwanderer mit Alphabetisierungsbedarf von diesem Zugang ausgeschlossen. Fortschritte, die in jahrelangem Besuch von Alphabetisierungs- und DaZ-Kursen gemacht wurden, werden ebenso ignoriert wie die hohen Integrationsleistungen der illiteraten Zuwanderer: z. T. jahrzehntelange Berufstätigkeit, Begleitung ihrer Kinder durch Schule und Ausbildung, Integration in der Nachbarschaft. ⫺ In den Integrationspolitiken der deutschsprachigen Länder fehlen Konzepte für muttersprachliche und zweisprachige Alphabetisierung. ⫺ Die Mehrsprachigkeit der Lernenden wird ignoriert statt anerkannt, mehrsprachige Lebensrealitäten fließen nicht in Kurskonzepte ein. ⫺ Von der Integrationspolitik vorgegebene Prüfungen und Kurskonzepte beeinflussen Kursangebote und Kursinhalte: weg von lerner- und bedarfsorientierten Konzepten hin zu prüfungsorientierten Konzepten. Dies hat für Menschen mit Alphabetisierungsbedarf massivere Konsequenzen als für literate Zuwanderer: die beiden zu lernenden Gegenstände Sprache und Schrift sind zu umfangreich, als dass in einer Kursmaßnahme alle notwendigen Grundlagen vermittelt werden können, die den Lernenden den selbständigen Transfer auf die konkreten Anforderungen in Beruf und Alltag ermöglichen.
1120 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts ⫺ Geht es einer Gesellschaft um die umfassende Literalität und Grundbildung auch ihrer Zuwanderer, denen in der Kindheit kein Schulbesuch möglich war ⫺ entsprechend dem Menschenrecht auf Grundbildung ⫺ bedarf dies langfristig angelegter, modularer und berufsbegleitender Maßnahmen und immer wieder an den konkreten Bedarfen und Zielen der Lernenden orientierter Bildungsangebote, die konkrete berufliche und soziale Literalitäten fördern. Die derzeit in den deutschsprachigen Ländern Europas praktizierten vereinheitlichten Kurse, Sprachprüfungen und Staatsbürgerschaftsprüfungen erschweren dies, indem sie wertvolle Kurs- und Lernzeit mit nicht bedarfsorientierten Inhalten und Prüfungsvorbereitungen blockieren.
6. Elementare Komponenten eines Unterrichtskonzepts/ Curriculums ür die Alphabetisierung in DaZ 6.1. Koordination von Alphabetisierung und DaZ Da die Lernprozesse Schriftspracherwerb und Spracherwerb komplex sind und jeder für sich eine gewisse Zeit, meist mehrere Jahre, erfordert, und die Zuwanderer sowohl Sprache wie auch Schrift des Landes, in das sie eingewandert sind, unmittelbar und von Anfang an benötigen, ist es sinnvoll, die beiden Lernprozesse nicht aufeinander folgend, sondern koordiniert zu vermitteln. Da auch die Vorkenntnisse und Lernvoraussetzungen der Lernenden unterschiedlich sind (unterschiedliches Niveau in Schrift und Sprache, unterschiedliche schulische und außerschulische autodidaktische Lernerfahrungen sowie mitgebrachte Lernstrategien, unterschiedlich ausgeprägte Fähigkeiten der Sprachbewusstheit und Fähigkeit zur metasprachlichen Betrachtung von Sprache und Schrift), empfiehlt sich ein differenzierendes Konzept der Kombination von Alphabetisierung und DaZ. Ein seriöses didaktisch-methodisches Konzept für den Alphabetisierungsunterricht in DaZ hat somit vier Komponenten zu enthalten: a) erwachsenen- bzw. jugend- oder kindgerechten Alphabetisierungsunterricht, der die bei DaZ-AnfängerInnen erst reduziert vorhandene Lingua Franca mit einer geeigneten Didaktik zu ersetzen im Stande ist; b) ein DaZ-Unterrichts-Konzept, das mit stark reduzierten schriftlichen Materialien auskommt; c) ein mehrstufiges Konzept, das unterschiedliche Vorkenntnisse in beiden Gegenständen einbezieht sowie Offenheit für individuelle Förderung bietet; d) lernerInnenorientierten Aufbau von Lernstrategien, die das Erkennen und Erarbeiten einer Systematik bezüglich Schrift und Sprache sowie die Reflexion unterstützen.
6.2. Alphabetisierung in DaZ Der Alphabetisierungsunterricht in DaZ steht vor der Herausforderung, die komplexen Anforderungen des Schriftspracherwerbs mit einer zumindest bei DaZ-AnfängerInnen nur rudimentär vorhandenen gemeinsamen Unterrichtssprache zu vermitteln. Weiters
123. Alphabetisierung in der Zweitsprache Deutsch
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müssen auch metasprachliche Erklärungen nicht nur sprachlich erarbeitet, sondern auch von ihrer metasprachlichen Komponente her erst aufgebaut werden. Im folgenden werden einige Konzepte und Ansätze vorgestellt, die sich als nutzbringend besonders für die Alphabetisierung mit MigrantInnen (Kinder und Erwachsene) erwiesen haben und die bspw. in den Ansatz des AlfaZentrums der Wiener Volkshochschulen (www.vhs.at/alfazentrum) eingeflossen sind. Für den schulischen Schriftsprach-Anfangsunterricht entwickelten Brüggelmann und Brinkmann (1999) ein Konzept, das eine gute Grundlage für den Alphabetisierungsunterricht mit Kindern wie auch mit Erwachsenen bietet. Es verdeutlicht die Bereiche, die für den Anfangsunterricht in Lesen und Schreiben relevant sind: a) Freies Schreiben eigener Texte; b) Lesen von relevanter Literatur; c) Systematische Arbeit an Schriftelementen und Leseverfahren, Sprachreflexion und Lese- wie Schreibtechniken sowie Strategien; d) Aufbau und Sicherung eines Grundwortschatzes. Ein Stufenmodell der Entwicklung kindlicher Lese- und Schreibstrategien ist dargestellt von Günther (1995). Das Modell zeigt, dass der Erwerb der Schriftsprache kein geschlossener, ungegliederter und zeitlich eng begrenzter Vorgang ist. Es beschreibt den Schriftspracherwerb von den präliteral-symbolischen Anfängen bis zur integrativ-automatisierten Kompetenz in fünf zweistufigen Phasen. Besonders bedeutsam für die Alphabetisierung mit MigrantInnen ist an diesem Modell, dass sowohl notwendige Vorbedingungen für das Erlernen einer alphabetischen Schrift (präliteral-symbolische Phase, logographemische Phase) einbezogen sind, wie auch aufgezeigt wird, dass es mit dem Erlernen der Buchstaben nicht getan ist: neben der alphabetischen sind eine orthografische und eine Phase der Integration und Automatisierung der Lese-Schreib-Strategien strukturiert dargestellt. Weiters zeigt die Darstellung auf, wie in den beiden Modalitäten Lesen und Schreiben jeweils neue Strategien den Schriftspracherwerb auf ein höheres Niveau führen. Dies macht es Unterrichtenden leichter, problematische Phasen bei den Lernenden erkennen und zielgerichtet zu fördern. Der Spracherfahrungsansatz (beschrieben in Young und Tyre 1991) bietet eine gute Basis für lernerorientierten Alphabetisierungsunterricht. Freies sowie stellvertretendes Schreiben von Anfang an und Arbeiten an den Texten der Lernenden sind wichtige Bestandteile des Konzepts. Damit ist gewährleistet, dass die Texte relevante Lebenssituationen der Lernenden betreffen, wodurch die Schreib- und Lesemotivation von Anfang an höher ist als beim ausschließlichen Arbeiten mit Lehrbuchtexten. Im Alphabetisierungsunterricht mit MigrantInnen können diese Texte weiter für sprachliche und sprachsystematische Aktivitäten genutzt werden.
6.2.1. Phasen und Lernziele der Alphabetisierung mit MigrantInnen: Im Folgenden sind zentrale Aspekte der Phasen (die sich auch immer wieder überlappen) und exemplarisch einige Lernziele für die Alphabetisierung mit MigrantInnen beschrieben (ausführlicher in Faistauer et al. 2006: 33⫺38). Bei der Beschreibung von Lernzielen in der Alphabetisierung mit Zuwanderern kann keinesfalls undifferenziert der Bezugsrahmen des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen (Europarat 2001) verwendet werden, da dieser ausschließlich für literate Lernende entwickelt wurde sowie für das Lernen einer Fremdsprache, nicht aber für das Lernen des Deutschen als Zweitsprache.
1122 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts Kritische Phasen zu Beginn des Schriftspracherwerbs sind das Verständnis des alphabetischen Prinzips und die Aneignung des phonematischen Prinzips (Dehn 1995) mit der dafür notwendigen Fähigkeit der Lautidentifikation und -diskrimination: gesprochene Sprache aktiv auch unter dem Aspekt ihrer Einzellaute wahrzunehmen und zu betrachten. Dies kann bei Menschen, die noch nie eine Schrift erlernt haben, nicht vorausgesetzt werden, und gleichzeitig kann ein Versäumnis auf dieser grundlegenden Ebene lange Zeit Probleme beim Lernprozess Schriftsprache verursachen. Erst die Sicherheit beim Wahrnehmen der Lautgestalt des gesprochenen Wortes (Phoneme) und die Fähigkeit, dieser Lautgestalt bestimmte graphische Zeichen (Grapheme) in der richtigen Reihenfolge zuordnen zu können, bilden eine stabile Basis für die Alphabetisierung. Gut aufgearbeitete Grundlagen und methodische Anleitungen hierzu für den Alphabetisierungsunterricht in der Muttersprache Deutsch finden sich in Kamper (1997), deren Adaption auf die Lernsituation in der Zweitsprache in Ritter (2004). In der Phase des lautgetreuen Schreibens (alphabetische Strategie nach Günther 1995) können Spracherwerb und Schriftspracherwerb voneinander profitieren: das in dieser Schriftspracherwerbsphase zentrale genaue Hören und Aussprechen von Wörtern und Sätzen wird durch phonetische und phonologische Spracharbeit unterstützt und umgekehrt. Hier darf vor allem nicht mit inhaltlich unzusammenhängenden oder unbekannten phonetischen Beispielwörtern gearbeitet werden. Auch einfach erscheinende Laut-Zeichen-Beziehungen müssen sorgfältig aufgebaut werden, sodass den Lernenden sowohl die bewusste Erforschung der Phänomene wie auch die implizite Regelbildung möglich ist. Gleichzeitig ist in dieser Phase zu berücksichtigen, dass die Lesestrategie dieser Phase nach Günther im Gegensatz zur Schreibstrategie keine alphabetische, sondern noch eine logographemische ist: Die Lernenden erschließen mit Hilfe des Kontextes und teilweise „ratendem“ logographemischem Lesen bereits Texte, die sie so noch nicht zu schreiben imstande wären. Auch dies kann für den Spracherwerb genutzt werden, indem nicht vereinfachte, sondern inhaltlich interessante Texte eingesetzt werden, die sich auf die mündliche Spracharbeit beziehen und gerade nicht Wort für Wort entziffert, sondern inhaltlich erschlossen werden mit Hilfe des im vorangegangenen Sprachunterricht erarbeiteten Kontextes. So können komplexe schriftliche Texte zu einem gut bekannten Hörtext eingesetzt werden, aus denen nur bestimmte Elemente schriftlich genauer bearbeitet werden; auch in stellvertretendem Schreiben entstandene Texte eignen sich. In der orthographischen Phase geht es vor allem um Kompetenz im eigenständigen Schreiben komplexerer Texte sowie im Lesen authentischer Texte aus Alltag und Beruf (Aufbau von Lesestrategien für inhaltsorientiertes Lesen, selektives Lesen, Aufbau von Textsortenwissen, …). Grundlagen der Orthographie werden weiter ausgebaut, ebenso Strategien zum Überarbeiten eigener Texte. Auch die Differenzierung von inhalts- und formorientiertem Arbeiten ist hier noch immer zu beachten, dafür ist eine geeignete Methodik zu verwenden. Um zu vermeiden, dass die erworbenen Kenntnisse mangels ständiger Praxis wieder verloren gehen, ist die Unterstützung durch ein betreutes Setting gerade für MigrantInnen notwendig, die für das selbständige Ausüben des Lesens und Schreibens in der deutschen Sprache nicht nur mit schriftsprachlichen, sondern auch mit sprachlichen Hürden kämpfen. Die Phase der Absicherung und Automatisierung schriftsprachlicher Fertigkeiten sollte von ihrer Dauer her nicht unterschätzt werden, sie kann zusätzlich genutzt werden für den parallelen bedarfsorientierten Ausbau der Sprachkenntnisse in DaZ.
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6.3. Zweitspracherwerb im Alphabetisierungskurs: Alphabetisierungsunterricht in der Zweitsprache Deutsch beinhaltet eine ganz eigene und spannende Herausforderung: Die Kommunikationssprache, in der das Fach Alphabetisierung unterrichtet werden soll, muss insbesondere mit der Gruppe der DaZ-AnfängerInnen unter den Lernenden in der Alphabetisierung erst aufgebaut werden. Für das Erlernen eines alphabetischen Schriftsystems ist die Beherrschung der Lautsprache eine Voraussetzung: lesen und schreiben lernen kann man nur, was man auch verstehen und (aus-)sprechen kann. Andererseits ist der Erwerb mündlicher Sprachkompetenzen nicht von der Alphabetisierung abhängig, dies beweisen nicht zuletzt auch TeilnehmerInnen von Alphabetisierungskursen, die gleich mehrere Sprachen fließend sprechen. Die Lernfortschritte beim Verstehen und Sprechen können mitunter deutlich größer sein als beim Lesen und Schreiben, Unterrichtende müssen deshalb eine möglicherweise größer werdende Schere zwischen den einzelnen Fertigkeitsniveaus zulassen und darauf achten, dass sie über den zu Beginn langsameren Schrifterwerb nicht auf die Förderung mitunter schneller voranschreitender mündlicher Fertigkeiten vergessen. Um den Spracherwerb von MigrantInnen zu fördern, die noch unsicher oder gar nicht lesen und schreiben können, muss der DaZ-Unterricht also vorwiegend mit mündlichen Aktivitäten auskommen, vor allem dann, wenn es um komplexere sprachliche Ebenen wie Grammatik geht. Die im DaZ- oder Fremdsprachunterricht eingesetzten schriftlichen Lern- und Übungsmaterialien greifen hier zu kurz, da ihre Dekodierung bereits die Konzentration fordert, die ja gerade auf das Erarbeiten von Satzstrukturen, Konjugation usw. gelenkt werden soll. Bei fortgeschrittenen Lernenden mit schriftlichen Grundkenntnissen kann und soll Spracharbeit auch an schriftlichen Unterlagen vorgenommen werden, wenn für den Dekodierungsprozess genügend Zeit eingeräumt wird. Für den DaZ-Unterricht bietet sich vor allem das erwachsenengerechte, lernerorientierte Konzept des Fremdsprachenwachstums (Buttaroni 1996) an, dessen Methodik konstruktive mündliche Spracharbeit auch ohne die üblichen schriftlichen Unterrichtsmaterialien ermöglicht. Da weiters vorwiegend mit authentischen Materialien gearbeitet wird, lässt sich das Konzept gut auf die Zweitsprachsituation übertragen. Besonders die Aktivitäten zum inhaltsorientierten wie zum formorientierten (Grammatik) Erarbeiten von Hörtexten und mündlichen Dialogen (freies und gelenktes Sprechen, Gesprächskonstruktion) lassen sich erfolgreich für die Lernsituation mit AnalphabetInnen modifizieren und übertragen, ebenso das Erarbeiten von Lesetexten und das freie Schreiben. Vor allem ermöglicht die Methodik den Lernenden, die oben erwähnten Puzzleteilchen von mündlicher und auch schriftlicher Sprache konstruktiv und selbstgesteuert (innerhalb eines gelenkten Settings) zu erarbeiten. Sprachelernen wird damit spannend und lustvoll auch für nicht literate Menschen. Zum Einsatz des Fremdsprachenwachstums im Alphabetisierungsunterricht mit MigrantInnen siehe Gross (2005), Faistauer et al. (2006: 27⫺45), Ritter (2004). Die Fertigkeiten Sprechen und Verstehen für den DaZ-Teil im Alphabetisierungskurs müssen stärker auf die Lebensrealität und die Anforderungen der konkreten Lernenden bezogen sein als im DaZ-Unterricht mit literaten Lernenden. Sie werden mit vorrangig mündlicher und reduzierter schriftlicher Methodik erreicht. Weiters ist zu berücksichtigen, dass neben dem Alphabetisierungsprozess und dem Erarbeiten von geeigneten
1124 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts Sprachlernstrategien nur ein Teil der Unterrichtszeit für das Deutschlernen zur Verfügung steht. Inhaltliche Vorgaben können also nur unter den obigen Gesichtspunkten modifiziert aus DaZ-Curricula übertragen werden.
6.4. Lernerorientierung und Dierenzierung Bei der Fülle von Lerngegenständen (Schrift, Sprache, Lernstrategien) ist das Auseinanderhalten von inhalts- und formorientiertem Arbeiten wesentlich. Beide Prozesse müssen mit den geeigneten Methodiken und mit genügend Zeit sowie voneinander abgegrenzt erarbeitet werden. So erfolgt z. B. mündliche Grammatikarbeit am Hörtext erst nach seiner ausführlichen inhaltlichen Erarbeitung. Lernerorientierung ist aktives Wahrnehmen der Lernenden und ihrer Ziele, Bedürfnisse, Schwierigkeiten, sowie ihrer individuellen Lernfortschritte. Lernerorientierung bedeutet in ihrer Konsequenz auch Kreativität beim Finden von Lösungsstrategien, die den Lernenden das Lernen leichter machen und Lernschwierigkeiten überwinden helfen. Sie macht adäquate Entwicklung von Didaktik und Methodik erst möglich. Lernerorientierung in der Alphabetisierung mit MigrantInnen unterscheidet sich nicht grundsätzlich von Lernerorientierung in DaZ-Kursen oder in der muttersprachlichen Alphabetisierung in Grundschulen und lässt sich an folgenden Eckpunkten festmachen: Erheben von Bedarf und Zielen, Einbezug der Interessen und vorhandenen Ressourcen der Lernenden, sowie Abstimmen von Unterrichtsinhalten, Art und Modus der Aktivitäten auf die Lernenden. Offener Unterricht und Werkstattunterricht erleichtern lernerorientiertes Unterrichten. Lernerorientierung manifestiert sich sowohl im Unterricht wie auch in der Wahl des Unterrichtsansatzes und der Konzeption der Maßnahmen: Passgenauigkeit von Alphabetisierungs- und Grundbildungsangeboten setzt Bedarfserhebung und Einbeziehen von Erfahrungen und Sichtweisen der Betroffenen und daraus resultierend differenzierte Lernangebote voraus. Gerade Menschen ohne positive Erfahrung in formaler Bildung erleben Lernen als subjektiv sinnvoll, wenn Lernangebote lebenswelt-, kontext- und situationsadäquat sind. Die Ausrichtung an der Heterogenität der Lernenden darf nicht nur als Schlagwort im Curriculum vorkommen. In der Konsequenz von Lernerorientierung entsteht Empowerment der Lernenden durch Wertschätzung der mitgebrachten Kenntnisse und Erfahrungen, durch Autonomieförderung und adäquaten Unterricht, der sich an den Bedürfnissen und Lernzielen der Teilnehmenden orientiert.
6.5. Selbstbestimmtes Lernen, Lernstrategien Die erwachsenen Lernenden in Alphabetisierungskursen verfügen nicht über die üblichen schulischen Lernstrategien und -techniken. Sie haben aber oft schon mehrere Sprachen erfolgreich gelernt, memorieren Wichtiges, anstatt es aufzuschreiben, verfügen über Problemlösungsstrategien (die ihnen durch die Migration und beim Aufbau einer Existenz im Zielland geholfen haben), etc. Diese autodidaktisch erworbenen Lern- und Problemlösungsstrategien gilt es aufzugreifen und für den effizienten systematischen Erwerb von Sprache und Schrift zu erweitern und zu ergänzen. Zeitliche und finanzielle Ressour-
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cen der erwachsenen Lernenden lassen es meist nicht zu, dass sie über viele Jahre hinweg Kurse besuchen ⫺ umso wichtiger ist es, sie im Unterricht für das eigenständige Lernen auch nach dem Kurs zu befähigen und zu stärken. Kinder und Jugendliche profitieren von geeigneten Lernstrategien nicht nur für Alphabetisierung und Spracherwerb, sondern auch für ihren weiteren Schulbesuch. Auch für sie gilt, dass die schulischen Maßnahmen für Alphabetisierung und DaZ zeitlich beschränkt sind, also ebenfalls Eigeninitiative erforderlich ist, wollen sie erfolgreich durch Schule und Ausbildung kommen. Unterrichtsinhalte/Elemente des Curriculums sind somit auch: ⫺ Unterstützung beim Aufbau von Sprachbewusstsein und Sprachlernbewusstsein ⫺ Unterstützung beim Erwerb der notwendigen Elemente einer Metasprache, mit deren Hilfe Sprache und Schrift und deren Erlernen kommunizierbar und für die Lernenden fassbar werden ⫺ Vermittlung von Instrumenten der Ökonomisierung, Effektivierung und Automatisierung von Sprach- sowie Schriftlernprozessen ⫺ Unterstützung bei der Formulierung von Lernzielen und Teilzielen sowie deren Evaluierung durch die Lernenden selbst. (Kamper 1997: 35⫺44; Faistauer et al. 2006: 33⫺38)
6.6. Diversität als Grundhaltung und Einbezug der Muttersprachen Wenn Integration und Inklusion, nicht Assimilation als Konzept hinter den Alphabetisierungsmaßnahmen stehen, ist das respektvolle und wertschätzende Einbeziehen der Individualität und Diversität der Lernenden (und auch der Unterrichtenden) eine Möglichkeit, kulturelle, ethnische und religiöse Vielfalt im Kurs zu leben. Im Kurs spiegelt sich die multikulturelle Gesellschaft mit all ihren Chancen und Herausforderungen wider. Für Unterrichtende und Lernende ist das eine Chance, bewusster mit den eigenen Diversitäten umzugehen und das Zusammenleben mit „dem Anderen“ zu üben. So können etwa verschiedene Muttersprachen, Lebensrituale, Spiritualitäten als wertvoll und interessant thematisiert werden, ohne dass Unterrichtende oder Lernende wertend oder gar missionarisch agieren (siehe Ritter 2005). Auch wenn bei erstsprachig heterogenen Gruppen nicht zweisprachig gearbeitet werden kann, so macht es trotzdem Sinn, den Lernenden immer wieder Gelegenheit zum Wiederholen, Nachdenken und Reflektieren über Lerninhalte und Lernprozess in der Muttersprache zu geben, bspw. in Partnergesprächen mit Mitlernenden. Hier kann sich Gelerntes mit Hilfe der Muttersprache konkretisieren und festigen, Fragen können leichter formuliert und geklärt werden. So wie für das Sprachenlernen allgemein der Rückbezug zur Muttersprache notwendig ist, bewirkt fehlender Rückbezug des Erlernten zur Muttersprache auch in der Alphabetisierung ein „In der Luft hängen“ des Gelernten in Schrift und Sprache.
6.7. Materialien Bezüglich der verwendeten Materialien stellt sich die Frage, ob der Einsatz eines kurstragenden Lehrwerkes in lerner- und bedarfsorientierten Kursen sinnvoll ist. Derzeit existie-
1126 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts rende Lehrwerke können als Steinbruch genutzt werden (z. B. Vorlagen für die Buchstabenarbeit, Hörtexte aus niederschwelligen DaZ-Lehrwerken), für die Textproduktion und -rezeption empfehlen sich authentische Texte aus den Interessensgebieten der Lernenden sowie die von den Lernenden produzierten Texten, die auch als Grundlage für sprach- und schriftsystematische Übungen aufgegriffen werden können.
7. Kompetenzbilanz, Portolio: Wie können Kenntnisse dokumentiert und nachgewiesen werden? Obwohl erwachsene und jugendliche Zuwanderer zunehmend unter dem Druck stehen, sprachliche und schriftliche Kenntnisse auch formal nachzuweisen, existieren im deutschsprachigen Raum noch keine für MigrantInnen mit Alphabetisierungsbedarf geeigneten Instrumente. Die Entwicklung von Kompetenzbilanzen oder Portfolios, welche die modulare Beschreibung von mündlichen und schriftlichen Kenntnissen auf unterschiedlichen Niveaus in den verschiedenen Fertigkeiten zulassen, steht noch aus (vgl. aber Art. 147). So wie auch der GER nicht als Messlatte quer über sämtliche Fertigkeiten des Fremdsprachenlernens gelegt werden will (Europarat 2001: 28⫺29), so ist gerade bei Kompetenzdokumentationen für die Alphabetisierung in DaZ auf die Entkoppelung der Bereiche Sprache und Schrift zu achten. Nur so können die mitunter weit auseinander liegenden schriftlichen und mündlichen Kompetenzen adäquat dokumentiert werden. Die Kompetenzbilanzen sollten offen genug sein, auch informelles Lernen aus der privaten und beruflichen Lebenserfahrung einzubeziehen. Auch Lernstrategien, Umgang mit den neuen Medien, Informationsbeschaffung und -bewertung können in diese Kompetenzbilanzen einbezogen werden, ebenso die Mehrsprachigkeit der Zuwanderer, die mündlich oft mehrere Sprachen umfasst. Für Erwachsenene und Jugendliche macht weiters die berufs- bzw. tätigkeitsorientierte Situierung der Kompetenzbilanzen Sinn, die ihre sprachlichen und schriftlichen Kompetenzen auf die Bewältigung konkreter Aufgabenstellungen bezieht. Dies wird der vielschichtigen Natur von Literalität besser gerecht. Eine Orientierung können das Sprachen- und Qualifizierungs-Portfolio aus dem DaZBereich (Plutzar und Haslinger 2005) geben, im internationalen Alphabetisierungsbereich z. B. Stockmann (2006) sowie „Equipped for the Future“ (Stein 2000), ein Framework, das die Lernzielfindung und deren Evaluation mit den Lernenden einbezieht. Im Rahmen eines Projektes (2008⫺2011) wird derzeit an der Entwicklung von Kompetenzmanagement-Instrumenten für MigrantInnen in der Grundbildung gearbeitet (Kompetenzanerkennungszentrum der Volkshochschule Linz: www.kompetenzprofil.at; AlfaZentrum Wien: www.vhs.at/alfazentrum).
8. Beratung und Einstuung Beratungs- und Einstufungsgespräche für Alphabetisierungskurse in DaZ leisten ein Mehrfaches: von der Information der KursinteressentInnen über Ermutigung und Anerkennung des Bildungswillens der Betroffenen, das Erheben des Kenntnisstandes in der Zweitsprache Deutsch sowie in der Schriftsprache, bis hin zum Erheben der persönlichen
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Lernziele. Da die Betroffenen in unterschiedlichem Ausmaß Ängste und Traumata bezüglich Lernen und Schrift mitbringen, hat die Erstberatung auch eine sozialberatende Komponente. Hält man sich die existentiellen Zusammenhänge für die Betroffenen vor Augen ⫺ Sprache und Schrift sind für die tägliche Lebensbewältigung nötig, die Kommunikation mit der Mehrheitsgesellschaft läuft auf allen Ebenen über die deutsche Sprache und Schrift ⫺ wird sichtbar, dass sowohl bereits vorhandene Kenntnisse wie auch die Lernziele konkrete berufliche oder private Handlungsfelder betreffen und somit standardisierte allgemeine Tests weder für die Lernstandserhebung noch für die Erhebung von Zielen das Mittel der Wahl sein können. Standardisierte Einstufungstests würden hier nur zufällig nutzbare Ergebnisse bringen. Ein Beratungsgespräch durch qualifizierte Beratende hingegen bringt adäquate Ergebnisse für die Einstufung, der dabei in Erfahrung gebrachte Stand der Vorkenntnisse und Lernziele können zusätzlich für die Kursplanung genutzt werden (vgl. Art. 129).
9. Aus- und Weiterbildung Die Ausbildung für den Unterricht in Alphabetisierung in DaZ hat ein breites Spektrum an Know How aufzubauen: Befähigung zum koordinierten Unterricht von Sprache und Schrift, Kompetenzen in der Weiterentwicklung von Methodik und Materialien, in Förderdiagnostik, Beratungskompetenz für Erstberatung und kursbegleitende Lernberatung, aber auch soziale Erstberatungskompetenz bei sozialen Problemen der Lernenden, Begleitungskompetenz beim Integrationsprozess, interkulturelle Sensibilität und Diversität, sowie Sensibilität gegenüber gesellschaftlichen Diskriminierungen von Zuwanderern und Bildungsbenachteiligten. Bereits existierende Aus- und Weiterbildungen für die Alphabetisierung mit MigrantInnen in der Erwachsenenbildung sind bspw. der Lehrgang Alphabetisierung und Deutsch mit MigrantInnen des AlfaZentrums der Wiener Volkshochschulen (Ritter 2008b), der Schweizer Modullehrgang Literator/in für Mutter- und Fremdsprachige, der Bielefelder Lehrgang zur Alphabetisierung in der Zweitsprache Deutsch sowie der Leipziger Lehrgang für DaZ-Lehrkräfte in Integrationskursen mit Alphabetisierung. Vergleicht man die Anforderungen an die Unterrichtenden mit den Rahmenbedingungen ihrer Arbeit, ist eine massive Diskrepanz festzustellen: Die Lehrenden im Erwachsenenbildungsbereich arbeiten zum Großteil auf der Basis freier Dienstverträge mit entsprechender Unsicherheit und niedrigen Honoraren und nur zum kleinsten Teil fest angestellt. Institutionen und Auftraggeber erwarten die genannten mehrfachen Kompetenz sowie langjährige Erfahrung, können aber keine qualitätssichernden und auf Nachhaltigkeit gründenden Arbeitsbedingungen gewährleisten. Hier ist vor allem die Bildungspolitik gefragt, für angemessenere Rahmenbedingungen zu sorgen.
10. Literatur in Auswahl Barton, David 1994 An Introduction to the Ecology of Written Language. Oxford/Cambridge: Blackwell Publishers.
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123. Alphabetisierung in der Zweitsprache Deutsch
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Monika Ritter, Wien (Österreich)
1130 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts
124. Textkompetenz und Lernen in der Zweitsprache 1. 2. 3. 4. 5.
1.
Was ist Textkompetenz? Textkompetenz und Bildungserfolg Textkompetenz und Sachlernen Förderung von Textkompetenz Literatur in Auswahl
Was ist Textkompetenz?
1.1. Literacy Kontextualisierung und historische Entwicklung des Begris Der Begriff „Literacy“ wird in der angloamerikanischen Forschung generell für Schriftkundigkeit verwendet und ist auf all jene Bereiche der Bildung und Ausbildung bezogen, die für eine Wissensgesellschaft elementar sind (academic literacy, multimedia literacy etc.). Die „Literacy“-Forschung beschäftigt sich mit der Frage nach der Rolle und Funktion von Schriftkundigkeit in einer Gesellschaft und deren Einfluss auf die Möglichkeiten eines Individuums, am sozialen, politischen, ökonomischen und kulturellen Leben zu partizipieren. Ein Blick auf die historische Entwicklung dieses Begriffs zeigt, dass literacy ursprünglich vor allem als Kennzeichen westlicher, schriftkundiger Menschen betrachtet wurde, die sich von Angehörigen oraler Gesellschaften durch größere intellektuelle Fähigkeiten unterscheiden (vgl. Goody und Watt 1962). Diese Sichtweise lag zahlreichen psychologischen und anthropologischen Arbeiten zugrunde und ist als great divide-theory in die literacy-Diskussion eingegangen (vgl. Street und Lefstein 2007: 37). Seit Beginn der 1980er Jahre wird literacy nicht mehr als ein bloß individuelles, sondern vielmehr als ein gesellschaftliches und kulturelles Phänomen betrachtet und in seiner grundlegenden Bedeutung für das soziale Zusammenleben und den Fortschritt gesehen. Literat sein bedeutet demnach nicht nur lesen und schreiben zu können, sondern auch über die Fähigkeit zu verfügen, mit verschiedenen Optionen der geschriebenen und der gesprochenen Sprache in einer Schriftkultur umzugehen und über sie als ein „kulturelles Werkzeug“ zu verfügen (vgl. Brockmeier 1998: 201). Literatheit zeigt sich in der Fähigkeit, die kulturspezifischen und sozialen Gebrauchszusammenhänge dieser Optionen zu erkennen und zu berücksichtigen (Kern 2000: 4). Anfang der 1990er Jahre entstanden zahlreiche interdisziplinäre Forschungsarbeiten („New Literacy Studies“), die sich mit literalen Praktiken und ihren sozialen und kulturellen Dimensionen befassen (Street 1995, 1997)). Auch die soziokulturelle Prägung der literalen Praxis in Bildungsinstitutionen ist in diesem Zusammenhang ein Thema: So wird etwa die Schule als eine „Mittelschichtinstitution“ bezeichnet (Ehlich und Rehbein 1986: 172), die die literalen Praktiken der Mittelschichtfamilie übernimmt und zur Norm erhebt (vgl. Street 1995: 104). Neben soziokulturell ausgerichteten Forschungsarbeiten entstanden auch eine Reihe von kognitiv orientierten Literacy-Studien, die sich mit den Auswirkungen der literalen
124. Textkompetenz und Lernen in der Zweitsprache
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Entwicklung auf die Sprach- und Denkfähigkeiten eines Individuums beschäftigen. Ihr gemeinsamer Bezugspunkt besteht in der Annahme, dass Schriftlichkeit die Konzeptualisierung von Sprache grundlegend verändert und literale Fähigkeiten neue Perspektiven des sprachlichen Handelns, Denkens und Lernens eröffnen. In der neueren Literacy-Forschung spielen auch lerntheoretische und didaktische Aspekte eine zunehmend bedeutende Rolle. Ein häufig diskutiertes Thema ist kooperatives Lernen, das als sozial-konstruktivistischer Prozess der Bedeutungsaushandlung betrachtet und in seinem Potential für den Sprach- und Wissenserwerb im Unterricht ausgelotet wird. Kress et al. (2000) plädieren für eine multimodale Perspektive auf kognitive Verarbeitungsprozesse und dafür, sprachliche und nichtsprachliche Zeichensysteme aufeinander zu beziehen („multiliteracies“). „Multimodale Textkompetenz“ (Weidacher 2007) ist in der Schule vor allem in den Sachfächern gefordert, da nonverbale Zeichensysteme (Diagramme, Tabellen, Statistiken, etc.) für die Konstruktion von Bedeutungen und das Erschließen von Fachtexten eine wichtige Rolle spielen.
1.2. Textkompetenz ein neuer Begri im Zentrum der LiteracyDiskussion In der deutschsprachigen Diskussion kursiert der Begriff der „Textkompetenz“ (Portmann-Tselikas 2001, 2002; Schmölzer-Eibinger 2008) neben Begriffen wie „Bildungssprache“ (Gogolin 2004, 2007), „Sachfachliteralität“ bzw. „sachfachbezogene Diskurskompetenz“ (Vollmer 2008; Zydatiß 2002, 2005). Diese Begriffe sind in unterschiedlichen fachlichen Kontexten entstanden und durch verschiedene Zugänge gekennzeichnet. Gemeinsam ist ihr Fokus auf Lern- und Erwerbsprozesse in institutionellen Bildungskontexten. Während Gogolin eine erziehungswissenschaftliche Perspektive einnimmt und von „Bildungssprache“ als zentraler Voraussetzung für den Schulerfolg spricht, fokussieren Arbeiten zur „Diskurskompetenz“ auf sprachliche Kompetenzen in den Sachfächern. Der Begriff der Textkompetenz unterscheidet sich von soziologisch, kulturwissenschaftlich und erziehungswissenschaftlich geprägten Ansätzen vor allem durch seine Orientierung an Erkenntnissen der Textlinguistik und der Schreibforschung. Für die gegenwärtige Textkompetenzforschung ist eine Fokussierung auf Fragen des Erwerbs und der Vermittlung von Wissen in der Zweitsprache charakteristisch. Textkompetenz wird als Fähigkeit verstanden, „Texte selbständig zu lesen, das Gelesene mit den eigenen Kenntnissen in Beziehung zu setzen und die dabei gewonnenen Informationen und Erkenntnisse für das weitere Denken, Sprechen und Handeln zu nutzen. Textkompetenz schließt die Fähigkeit ein, Texte für andere herzustellen und damit Gedanken, Wertungen und Absichten verständlich und adäquat mitzuteilen“ (Portmann-Tselikas 2005: 2). Dieses Begriffsverständnis bezieht sich nicht nur auf das Lesen und Schreiben, sondern auch auf das Reflektieren, Abwägen und kritische Bewerten von schriftsprachlich gefasster Information. Aktuelle Arbeiten zur Textkompetenz beziehen sich überwiegend auf den Lernkontext der Schule und des Studiums. Im Zusammenhang mit dem Wissenserwerb in der Zweitsprache sind hier vor allem die folgenden Aspekte von Bedeutung: 1. Textkompetenz ist eine individuelle Fähigkeit, die von früher Kindheit an entwickelt und im Laufe der literalen Entwicklung entfaltet wird. Eine anregende literale Praxis
1132 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts
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in der Familie fördert die Textkompetenz eines Kindes, längst bevor es selbst lesen und schreiben kann. Nicht alle Kinder finden jedoch ein Umfeld vor, in dem sie in ihrer literalen Entwicklung ausreichend gefördert werden; das gilt für Migrantenkinder vielfach in besonderem Maße. Textkompetenz ist eine soziale Fähigkeit, die in der sozialen Praxis des Lesens und Vorlesens, des Schreibens und des Redens über Texte erworben wird. Das Erzählen und Besprechen von Alltagserfahrungen, das Aushandeln von Bedeutungen, das Reden über Geschichten, das Gespräch über Bücher ist für die literale Entwicklung eines heranwachsenden Kindes entscheidend. Diese Aktivitäten haben im Alltag längst nicht aller Lernenden einen selbstverständlichen Platz; das gilt vor allem für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund. Textkompetenz ist nicht nur eine sprachliche, sondern auch eine kognitive Fähigkeit. Wissen anhand von Texten zu erwerben bedeutet, Informationen aus Texten zu erschließen, mit dem vorhandenen Wissen zu verknüpfen und zu restrukturieren. Das aus den Texten gewonnene Wissen wird dabei „umgeschrieben“ (representational redescription, Karmiloff-Smith 1992) und muss, um für andere darstellbar zu werden, sprachlich neu konzeptualisiert werden. In diesem Prozess der Wissenskonstruktion werden „mentale Modelle“ aufgebaut, geprüft und verändert (Portmann-Tselikas 2007: 275). Auch diese Fähigkeit wird bereits in früher Kindheit angelegt und später in der Schule weiter entwickelt ⫺ und auch hier gilt, dass nicht alle Lernenden darüber in dem Maße verfügen, wie es die Schule von ihnen verlangt. Textkompetenz ist eine sozial determinierte Fähigkeit. Faktoren wie der Beruf, die soziale Positionierung und der Bildungshintergrund der Eltern spielen hier eine wichtige Rolle; ebenso die sozioökonomische Lage und die Wohnverhältnisse der Familie (vgl. Brizic´ 2003, 2007). Migrantenkinder stammen vielfach aus bildungsfernen, sozial und sozioökonomisch benachteiligten Familien und verfügen daher oft nicht über jene Voraussetzungen, die eine erfolgreiche Bildungslaufbahn ermöglichen würden. Textkompetenz ist eine transferierbare Fähigkeit, die von der Erst- auf die Zweitsprache weitgehend übertragbar ist. So können etwa Lernende, die in ihrer Erstsprache effiziente Strategien des Lesens entwickelt haben, diese auch beim Lesen in der Zweitsprache nutzen. Eine Voraussetzung dafür ist, dass sie eine sprachliche Basis aufgebaut haben, d. h. dass sie grundlegende sprachliche Mittel und Strukturen in der Zweitsprache beherrschen (vgl. Schmölzer-Eibinger 2008: 57). Viele Zweitsprachenlernende verfügen jedoch weder in ihrer Erstsprache noch in der Zweitsprache über eine gut entwickelte Textkompetenz und können Transferpotentiale daher auch nicht ausschöpfen. Textkompetenz ist eine kulturell geprägte Fähigkeit. Das betrifft das Verstehen und Interpretieren von Romanen oder Gedichten ebenso wie das Erschließen, Erklären oder Diskutieren von Sachtexten. Migrantenkindern sind die kulturgeprägten Formen der literalen Praxis in der Schule oft weder vertraut noch geläufig.
Textkompetenz wird auch verwendet, um kulturelle Standards zu definieren: Bildungsinstitutionen wie die Schule legen fest, was gute Texte sind und was einen kompetenten Umgang mit Texten ausmacht (vgl. Portmann-Tselikas 2005: 1). Kulturelle Standards bestimmen, wie die Leistungen der SchülerInnen einzustufen und zu beurteilen sind. Die Normen, die auf diese Weise zum Maßstab erklärt werden, steuern die Art des Denkens, Verstehens und der Aneignung von Wissen. Schulerfolg ist schließlich nur möglich durch eine Orientierung an den vorherrschenden kulturellen Standards. Für „bildungsferne“ SchülerInnen, und das betrifft jene mit Migrationshintergrund in besonderem Maße, werden diese vielfach zur unüberwindbaren Hürde.
124. Textkompetenz und Lernen in der Zweitsprache
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2. Textkompetenz und Bildungserolg Textkompetenz ist in der Schule nicht nur im schriftlichen, sondern auch im mündlichen Sprachgebrauch verlangt ⫺ selbst da, wo im Unterricht gesprochen wird, erfolgt der Wissenserwerb primär anhand einer textgeprägten Sprache, die anderen Charakters ist als die erfahrungs-, erlebens- und kontaktbasierte Sprache des Alltags (vgl. auch Art. 109 und 110). Die Sprache der Schule ist gekennzeichnet durch maximale Kontextentbindung, durch eine Anhäufung von Propositionen, durch sprachliche Explizitheit und Abstraktion, durch grammatisch wohlgeformte, komplexe Strukturen, durch einen fachspezifisch geprägten Wortschatz und ein differenziertes Inventar an Textverknüpfungsmitteln (vgl. Feilke 2007). Es treten gehäuft Passivkonstruktionen, Funktionsverbgefüge, Komposita und Nominalisierungen auf, alltagssprachliche Begriffe kommen zwar vor, werden aber vielfach umgedeutet und mit neuen Bedeutungen versehen. Im Laufe des Schulalters wird das situationsgebundene, mündlich geprägte Sprachvermögen der Schülerinnen und Schüler sukzessive in eine durch abstraktes Denken und fachliche Wissensschemata geprägte Sprache umgebaut. Dies zeigt sich nach PortmannTselikas (1998: 28) in einer zunehmenden Konzeptualisierung sowie in einer fortschreitenden thematischen Verknüpfung und einer immer stärker werdenden Sprachlastigkeit. Diese „Überformung“ des alltagsbezogenen Sprachgebrauchs ermöglicht eine neue Art des Denkens und des Umgangs mit Sprache (vgl. Portmann-Tselikas 1998: 26): Man kann über Dinge nachdenken und sprechen, die sich der unmittelbaren Wahrnehmung entziehen, z. B. über Vergangenes (historische Ereignisse im Geschichtsunterricht), nicht Sichtbares (Zellen und Atome im Biologieunterricht) oder nicht Erfahrbares (fremde Länder und Kulturen im Geografieunterricht). Das mündliche Sprachvermögen wird dabei nicht einfach verdrängt, sondern vielmehr ausdifferenziert, erweitert und restrukturiert. Damit wird ein sprachliches Handlungswissen eigener Art erworben, das nicht nur die schriftlichen, sondern auch die mündlichen Sprachgebrauchsweisen der Schülerinnen und Schüler tiefgreifend verändert und prägt (vgl. Feilke 1996: 1181). Die mit dem schulischen Sprachgebrauch verbundenen Anforderungen sind schon für so manche Muttersprachige, umso mehr aber für viele Zweitsprachenlernende schwer bewältigen. Die Probleme von Zweisprachenlernenden, die Leistungsanforderungen im Unterricht zu erbringen, werden im Laufe der Schulzeit oft trotz zunehmender mündlicher Sprachkompetenz nicht kleiner, sondern immer größer (vgl. De Cillia 1998: 231; Reich und Roth 2001: 22). Dies hat vor allem mit den im Laufe der Schulzeit immer komplexer werdenden Anforderungen in den Sachfächern zu tun. Textkompetenz ist daher in der Schule nicht nur im Sprachunterricht, sondern auch im Sachunterricht eine zentrale Basis des Lernens.
3. Textkompetenz und Sachlernen Die Vermittlung und der Erwerb der jeweiligen fachlichen Inhalte erfolgt im Sachunterricht primär anhand von Texten. Sachtexte erlauben es, „Welt“ in Sprache zu fassen und darzustellen, wie Phänomene zustande kommen und welche Wirkungszusammenhänge ihnen zugrunde liegen (vgl. Portmann-Tselikas und Schmölzer-Eibinger 2008: 7). Selbst dort, wo Sachtexte durch visuelle Informationen erläutert, ergänzt oder illustriert werden
1134 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts (z. B. Grafiken, Diagramme), liefern sie die zentralen Informationen, Konzepte und Kategorien für das jeweilige Fach. Sachtexte erheben Anspruch auf Objektivität, sie sind durch eine hohe Informationsdichte, begriffliche Präzision, Explizitheit und komplexe Formulierungsschemata gekennzeichnet. Im Umgang mit Sachtexten ist von den Schülerinnen und Schülern vor allem die Fähigkeit gefordert, relevante Informationen und Sinnzusammenhänge zu erkennen, zu verarbeiten und die gewonnenen Erkenntnisse nachvollziehbar darzustellen (vgl. Portmann-Tselikas und Schmölzer-Eibinger 2008: 9). Es bedarf der Kenntnis fachspezifischer Denkweisen, Kommunikationsschemata und Begriffe, des Wissens um textsortenspezifische Muster und textbildende Prozeduren sowie um die jeweils relevanten kommunikativen Funktionen und sprachlichen Mittel. Sachfachliteralität zeichnet sich nach Vollmer (2006: 211) dadurch aus, dass Lernende in der Lage sind, sich mit den fachlichen Meinungen und Konzepten anderer argumentativ auseinanderzusetzen und Bedeutungen in einem sachadäquaten Diskurs auszuhandeln. Der Wissenserwerb anhand von Sachtexten erfordert nicht nur das Verstehen und Wiedergeben von Inhalten, sondern auch die Reflexion und kritische Auseinandersetzung mit fachbezogenen Informationen (vgl. Art. 116). SchülerInnen, die nicht über diese Fähigkeit verfügen, haben vielfach Probleme, die Anforderungen an den Wissenserwerb im Sachunterricht zu bewältigen. Das betrifft das Erfassen, Darstellen und Verknüpfen von Informationen ebenso wie das Diskutieren und Reflektieren von Beobachtungen, Wahrnehmungen oder Einsichten. Eine besondere Schwierigkeit besteht vielfach darin, Bedeutungen und Sinnzusammenhänge im jeweiligen Kontext zu erkennen und Texte distanziert und aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten (vgl. Schmölzer-Eibinger 2008: 147). Das betrifft SchülerInnen, die die Unterrichtssprache als Erstsprache beherrschen, ebenso wie Lernende, für die die Unterrichtssprache eine Zweitsprache ist. Zweitsprachenlernende sind von diesen Problemen jedoch bei weitem häufiger und stärker betroffen. Sie verfügen oft nicht über die geforderten sprachlichen, kommunikativen und kognitiven Mittel, die es ihnen ermöglichen würden, mit der schriftsprachlich geprägten Sprache im Unterricht zurande zu kommen. Betrachtet man Textkompetenz als Schlüsselkompetenz des Lernens, so kann auf Förderung von Textkompetenz in den Sachfächern nicht verzichtet werden. Eine Integration des Sprach- und Sachlernens erweist sich vielmehr als zentrale Voraussetzung für den schulischen Lernerfolg (Art. 116).
4. Förderung von Textkompetenz Die Förderung von Textkompetenz zählt zu den zentralen Herausforderungen an das gegenwärtige Schul- und Bildungssystem. Aus didaktischer Perspektive sind dabei folgende Aspekte von Bedeutung: Die Förderung von Textkompetenz ⫺ ist Aufgabe des Sprachunterrichts und des Sachunterrichts: Integriertes Sprach- und Sachlernen ist in jedem schulischen Fach als zentrales Prinzip zu verankern. ⫺ ist als individuelle Förderung zu realisieren: Es gilt an den vorhandenen literalen Fähigkeiten der Lernenden anzusetzen und diese schrittweise aufzubauen und zu erweitern.
124. Textkompetenz und Lernen in der Zweitsprache
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⫺ vollzieht sich im Rahmen sozialer Interaktion: Es bedarf kooperativer, aufgabenorientierter Lernformen und einer authentischen, situationsbezogenen sprachlichen Praxis (vgl. Art. 130). ⫺ realisiert sich beim Lesen und Zuhören wie auch beim Sprechen und Schreiben: Rezeptive und produktive Sprachhandlungsaktivitäten sind in jeder Aufgabe anzuregen und aufeinander zu beziehen. ⫺ erfolgt primär in und durch Aktivitäten des Schreibens: Prozessorientierte, epistemische Schreibformen sind in ihrem Potential für den Wissenserwerb in der Zweitsprache zu nutzen (vgl. Art. 110). ⫺ ist in kulturellen Kontexten und in der vorherrschenden literalen Praxis verankert: Die Formen der Bewertung und Reflexion von Texten und die Aktivitäten des Lesens, Schreibens oder Sprechens sind daran auszurichten. ⫺ erfordert Lernaktivitäten, die eine aktive Wissenskonstruktion ermöglichen und fördern: Gefordert sind Aufgaben, die eine individuelle Aneignung und Verarbeitung von Wissen anregen und eine mehrfache Rekonzeptualisierung und Versprachlichung des neu gewonnenen Wissens erfordern. ⫺ ist an den zentralen Problemen der Lernenden im Umgang mit Texten zu orientieren: Kognitiv-sprachliche Operationen wie das Selektieren, das Fokussieren, das Gewichten oder das Rekonstruieren von Informationen sind ins Zentrum der Lernaktivitäten zu stellen (vgl. Art. 114). Mit dem literacy-based approach (Kern 2000) wurde ein erstes umfassendes didaktisches Konzept präsentiert, das die Förderung literaler Fähigkeiten in den Mittelpunkt stellt. Mit den Aufgaben und Verfahren dieses Modells sollen Studierende dabei unterstützt werden, jene kulturellen Orientierungen und Werte kennen zu lernen, die dem Gebrauch einer Fremdsprache zugrunde liegen (vgl. Kern 2000: 1). Sie sollen ein neues Denken über Sprache, Kommunikation und Kultur entwickeln und jene diskursiven Fähigkeiten ausbilden, die es ihnen ermöglichen, die Fremdsprache im jeweiligen soziokulturellen Kontext zu verstehen und zu verwenden. Lese- und Schreibaktivitäten werden dabei als kognitive und soziale Praktiken betrachtet, die die Kenntnis der soziokulturellen Konventionen des Gebrauchs von schriftlicher und mündlicher Sprache voraussetzen (vgl. Kern 2000: 111). Für den Unterricht in mehrsprachigen Klassen wurde mit der Literalen Didaktik (Schmölzer-Eibinger 2008) ein didaktisches Instrumentarium zur Verfügung gestellt, dass es ermöglicht, die Textkompetenz von Zweitsprachenlernenden schrittweise aufzubauen und zu erweitern. Es ist primär für Zweitsprachenlernende gedacht, die bereits über gute alltagssprachliche Fähigkeiten verfügen, jedoch Probleme im Umgang mit Texten haben. Mit den Aufgaben und Verfahren des „Drei-Phasen-Modells“ (Schmölzer-Eibinger 2008) werden grundlegende Strategien und Praktiken im Umgang mit Texten geschult, die unabhängig vom jeweiligen Fach, den jeweils eingesetzten Textsorten, der Komplexität und den Inhalten der Texte beherrscht werden müssen, um anhand von Texten kommunizieren und lernen zu können. Durch die in diesem Modell vorgeschlagenen Aufgaben und Lernaktivitäten soll ein zielgerichtetes, kooperatives und reflexives Handeln mit Texten in authentischen Sprachlernsituationen ermöglicht werden. Prozesse des Lesens, Verstehens und Produzierens von Texten werden dabei eng aufeinander bezogen und integriert. Dieses Modell ist vor allem durch zwei Neupositionierungen gekennzeichnet (vgl. Portmann-Tselikas 2005):
1136 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts 1) Die Arbeit der Lernenden wird ins Zentrum gestellt, und damit wird ihre Fähigkeit, sich im Lernfeld zu orientieren, zum Ausgangspunkt der sprachlichen und kognitiven Aktivitäten im Unterricht gemacht. 2) Die Aufgabe, Verständnis über die Sache zu erreichen, wird in die soziale Sphäre verlagert und ist mit dem Auftrag an die Lernenden verbunden, sich über die Sache zu verständigen; sprachliches Lernen und Wissenserwerb werden damit als kommunikative und kooperative Praxis im Unterricht verankert. Weitere theoretische, empirische und didaktische Differenzierungen, die auf diesen Grundlagen aufbauen, zählen zu den zentralen Aufgaben der gegenwärtigen Forschung im Bereich der Textkompetenz und des Lernens in der Zweitsprache ⫺ ausgehend davon, dass eine gezielte Förderung der Textkompetenz wesentlich dazu beitragen kann, den Schulerfolg und die Bildungschancen von Zweitsprachenlernenden zu erhöhen.
5. Literatur in Auswahl Brizic¸, Katharina 2007 Das geheime Leben der Sprachen. Gesprochene und verschwiegene Sprachen und ihr Einfluss auf den Spracherwerb in der Migration. Münster: Waxmann. Brockmeier, Jens 1998 Literales Bewußtsein. Schriftlichkeit und das Verhältnis von Sprache und Kultur. München: Fink. Cummins, Jim 1979 Cognitive/academic language proficiency, linguistic interdependence, the optimum age question and some other matters. Working Papers on Bilingualism (Travaux de recherches sur le bilinguisme) 19: 197⫺205. Cummins, Jim 1991 Conversational and academic language proficiency in bilingual contexts. In: Jan H. Hulstijn und Johan F. Matter (Hg.), Reading in Two Languages, 75⫺89. (AILA Review 8). Alblasserdam. De Cillia, Rudolf 1998 Mehrsprachigkeit und Herkunftssprachenunterricht in europäischen Schulen. In: Dilek C ¸ inar (Hg.), Gleichwertige Sprachen? Muttersprachlicher Unterricht für die Kinder von Einwanderern, 229⫺287. Innsbruck: StudienVerlag. Ehlich, Konrad und Jochen Rehbein 1986 Muster und Institution. Untersuchungen zur schulischen Kommunikation. Tübingen: Narr. Feilke, Helmuth 2007 Textwelten der Literalität. In: Sabine Schmölzer-Eibinger und Georg Weidacher (Hg.), Textkompetenz. Eine Schlüsselkompetenz und ihre Vermittlung, 25⫺37. Tübingen: Narr. Gogolin, Ingrid 2004 Mathematiklernen im Kontext sprachlich-kultureller Diversität. Abschlussbericht eines DFG-Forschungsprojektes (unveröff. Manuskript). Gogolin, Ingrid 2007 Herausforderung Bildungssprache ⫺ „Textkompetenz“ aus der Perspektive Interkultureller Bildungsforschung. Bausteine eines Beitrags zur 27. Frühjahrskonferenz, 15.⫺17. Februar in Schloss Rauischholzhausen. In: Karl-Richard Bausch, Eva Burwitz-Melzer, Frank G. Königs und Hans-Jürgen Krumm (Hg.), Textkompetenzen, 73⫺80. Tübingen: Narr. Goody, Jack and Ian Watt 2002 The consequences of literacy. Comparative Studies in Society and History 5(3): 304⫺345.
124. Textkompetenz und Lernen in der Zweitsprache
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Karmiloff-Smith, Annette 1992 Beyond Modularity. A Developmental Perspective on Cognitive Science. London: The MIT Press. Kern, Richard 2000 Literacy and Language Teaching. Oxford: Oxford University Press. Kress, Gunther 2000 Multimodality. In: Bill Cope und Mary Kalantzis (Hg.), Multiliteracies: Literacy Learning and the Design of Social Futures, 182⫺202. London: Routledge. Portmann-Tselikas, Paul R. 1998 Sprachförderung im Unterricht. Handbuch für den Sach- und Sprachunterricht in mehrsprachigen Klassen. Zürich: Orell Füssli. Portmann-Tselikas, Paul R. 2001 Schreibschwierigkeiten, Textkompetenz, Spracherwerb. Beobachtungen zum Lernen in der zweiten Sprache. Deutsch als Fremdsprache 1: 3⫺13. Portmann-Tselikas, Paul R. 2002 Textkompetenz und unterrichtlicher Spracherwerb. In: Paul R. Portmann-Tselikas und Sabine Schmölzer-Eibinger (Hg.), Textkompetenz. Neue Perspektiven für das Lernen und Lehren, 13⫺44. Innsbruck: StudienVerlag. Portmann-Tselikas, Paul R. 2005 Was ist Textkompetenz? In: http://elbanet.ethz.ch/wikifarm/textkompetenz/uploads/Main/ PortmannTextkompetenz.pdf [21. 03. 2007]. Portmann-Tselikas, Paul R. und Sabine Schmölzer-Eibinger 2008 Textkompetenz. Fremdsprache Deutsch 39: 5⫺16. Reich, Hans H. und Hans-Joachim Roth u. a. 2001 Zum Stand der nationalen und internationalen Forschung zum Spracherwerb zweisprachig aufwachsender Kinder und Jugendlicher. Hamburg: Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung. Schmölzer-Eibinger, Sabine 2008 Lernen in der Zweitsprache. Grundlagen und Verfahren der Förderung von Textkompetenz in mehrsprachigen Klassen. Tübingen: Narr. Street, Brian V. 1995 Social Literacies: Critical Approaches to Literacy in Development, Ethnography and Education. London/New York: Longman. Street, Brian V. und Adam Lefstein 2007 Literacy. An Advanced Resource Book. London/New York: Routledge. Vollmer, Helmut 2006 Fachlichkeit und Sprachlichkeit: Zwischenbilanz eines DFG-Projekts. Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 17(2): 201⫺244. Vollmer, Helmut 2008 Diskursfunktionen und fachliche Diskurskompetenz bei bilingualen und monolingualen Geografielernern. In: Stephan-A. Dietze und Ana Halbach (Hg.), Bilingualer Sachfachunterricht (CLIL) im Kontext von Multilingualität, Plurikulturalität und Multiliteralität, 205⫺225. Frankfurt: Lang. Weidacher Georg 2007 Multimodale Textkompetenz. In: Sabine Schmölzer-Eibinger und Georg Weidacher (Hg.), Textkompetenz. Eine Schlüsselkompetenz und ihre Vermittlung, 39⫺55. Tübingen: Narr. Zydatiß, Wolfgang 2005 Diskursfunktionen in einem analytischen curricularen Zugriff auf Textvarietäten und Aufgaben des bilingualen Sachfachunterrichts. Fremdsprachen Lehren und Lernen 34: 156⫺173.
Sabine Schmölzer-Eibinger, Graz (Österreich)
1138 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts
125. Interkulturelle Erziehung 1. 2. 3. 4. 5.
Problemaufriss Historischer Rückblick Beziehungen zwischen Multikulturalität, Transkulturalität und interkultureller Erziehung Interkulturelle Erziehung auf dem Prüfstand Literatur in Auswahl
1. Problemauriss Interkulturelle Erziehung bezeichnet pädagogische Ansätze, die von der Notwendigkeit und Chance gemeinsamer Bildung von Kindern unterschiedlicher ethnischer, sprachlicher, sozialer, kultureller und religiöser Herkunft ausgehen, Heterogenität also als gegenseitige Lernchance verstehen, von der alle Betroffenen profitieren. Während sich interkulturelle Erziehung vornehmlich in der Schule und in Bildungseinrichtungen des Elementarbereichs vollzieht, findet interkulturelles Lernen im Sinn eines lebenslangen Lernens in allen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens statt. Interkulturelle Erziehung ist in den vergangenen Jahren häufig als pädagogische Antwort auf das gesellschaftliche Phänomen wachsender Multilingualität und Multikulturalität verstanden worden. Neben Beiträgen zu Fragen von (interkultureller) Erziehung und Bildung unter historischem Aspekt (Ruhloff 2004) sind aus kulturwissenschaftlicher, gesellschafts- und bildungspolitischer Sicht systematische Grundlagen erarbeitet worden, die das Verhältnis zwischen Kultur, Politik und (interkultureller) Pädagogik untersucht haben (Götze und Pommerin 1992; Hamburger 1994). Aus der Vielfalt wissenschaftlicher Ansätze seien folgende wissenschaftliche Arbeiten genannt, die eine konsequente Implementierung interkulturellen Lernens als integralen Bestandteil aller Schulfächer sowie des gesamten Schullebens einforderten, Curriculumentwicklungen und fachdidaktische Entscheidungen zu Gunsten interkulturellen Lernens begründeten (vgl. dazu Reich, Holzbrecher und Roth 2000); bildungspolitische Diskussionen auf Anti-Rassismus- und Friedenserziehung bzw. Umgang mit Fremdenfeindlichkeit entfachten (Essinger und Uc¸ar 1993), die Implementierung der „europäischen Dimension“ (Luchtenberg und Nieke 1994) und Mehrsprachigkeit statt der Fortsetzung eines „monolingualen Habitus“ einforderten (Gogolin 1994; Krumm 2009), interkulturelle, kommunikative Kompetenz bzw. sprachliche Bildung als Schlüsselqualifikation und grundlegende Zielsetzung jeglicher interkultureller Erziehung (Luchtenberg 1999; Krüger-Potratz 2005) oder Handlungsorientierung im Rahmen interkultureller Projektarbeit als angemessenes didaktisches Prinzip auswiesen (Pommerin 1996). Empirische Untersuchungen etwa zum Integrationsverhalten Heranwachsender mit Migrationshintergrund, ihrem Sprachverhalten, Fallstudien zum Umgang von Schulen mit Multikulturalität oder zu Fragen des interkulturellen und interreligiösen Lernens wurden vorwiegend in den 1990er Jahren und Anfang 2000 durchgeführt (Kupfer-Schreiner 1994; Auernheimer et al. 1996; Fischer et al. 1996; Fürstenau, Gogolin und Yagmur (Hg.) 2003).
125. Interkulturelle Erziehung
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2. Historischer Rückblick Aus der Retrospektive zeichnen sich drei große Linien ab, die teilweise parallel zueinander in verschiedenen Bundesländern existierten (vgl. auch Art. 6): ⫺ In den 1950er und 1960er Jahren wurden „Ausländer“ ⫺ zunächst aus Italien und Spanien und später aus Griechenland und der Türkei ⫺ als „Gastarbeiter“ angeworben. Ohne besondere Fördermaßnahmen wurden deren Kinder in Regelklassen „integriert“. Ihre Herkunftskultur und ihre muttersprachlichen Ressourcen wurden in diesen Kompensationsprogrammen nicht nur nicht genutzt, sondern systematisch ausgeblendet. Die Folgen dieser gescheiterten „Ausländerpolitik“ sind bekanntermaßen katastrophal: eine hohe Zahl von Schulabgängern ohne qualifizierten Schulabschluss, ein hoher Anteil an „Sonderschülern“, Semilinguismus und Kulturverlust. ⫺ Aufgrund vehementer Kritik an der herrschenden Bildungspraxis der 1960er und 1970er Jahre wurden auf Drängen der ausländischen Eltern, der Ausländerbeiräte und WissenschaftlerInnen Konzepte des bilingualen Lernens entwickelt, die von der Hypothese ausgingen, dass Kinder aus Migrantenfamilien erst dann die Zweitsprache Deutsch erfolgreich lernen können, wenn sie ihre Muttersprache nicht nur auf dem Niveau alltagssprachlicher Kommunikation beherrschen, sondern sich auch auf einem hohen Niveau von Schul- und Fachsprachen sicher bewegen können. Es war zweifellos ein großer Verdienst der bilingualen Programme, die Muttersprachen der Kinder systematisch weiter zu entwickeln und ihre kulturellen Wurzeln im Unterricht zu berücksichtigen. Die einseitige Konzentration auf die Herkunftssprachen der Kinder und ihren Migrationshintergrund ohne nennenswerte Anbindung an die peer group der Mehrheitsbevölkerung, der Verzicht auf einen gemeinsamen Unterricht in allen Fächern ohne gezielte Fördermaßnahmen in der Zielsprache Deutsch verhinderte aber gerade das, was die Befürworter des Ansatzes intendierten, nämlich die Ausbildung einer ausbalancierten Bilingualität. Stattdessen erfolgten Segregation und Rückzug in den „Schonraum“ der eigenen Ethnie. ⫺ Als Antwort auf die gescheiterte Assimilationspolitik bzw. Ausländerpädagogik, aber auch die Segregationspolitik der späten 1970er und 1980er Jahre wurden Konzepte der interkulturellen Erziehung entwickelt (Pommerin u. a. 1996). Konstitutive Merkmale interkultureller Erziehung waren: ⫺ Anti-Rassismus bzw. Friedenserziehung ⫺ Respekt vor dem Fremden bzw. Neugier auf das Fremde ⫺ Betonung von Gemeinsamkeiten und Ausgleichen der Differenzen ⫺ Förderung von Mehrsprachigkeit ⫺ Individualisierung des Unterrichts durch offene Lernstrukturen und Handlungsorientierung ⫺ Einbezug von Stadtteilarbeit bzw. community education als „Ernstfall des Lernens“ ⫺ Neuorientierung der Lehrerrolle und Autonomie der Schule.
3. Beziehungen zwischen Multikulturalität, Transkulturalität und interkultureller Erziehung Eine grundlegende Frage aus forschungsrelevanter Perspektive betrifft die Verbindung interkultureller Erziehung mit dem Verständnis von Multikulturalität bzw. Transkultura-
1140 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts lität oder Hybridkultur: Verhält es sich tatsächlich so, dass sich die Multikulturalität ⫺ nach Ansicht der Rechtswissenschaftlerin Seyran Ates ⫺ als folgenschwerer Irrtum mit verhängnisvollen Folgen für unsere Gesellschaft erwiesen hat, weil Multikulturalität die realen Konflikte einer pluralen Gesellschaft verharmlost? Insbesondere bezichtigt sie die „Multikultis“, die Augen vor Zwangsheirat, Ehrenmord oder Rückzug in die eigene Ethnie zu verschließen. Unverbindliche Toleranz, die in Wirklichkeit Gleichgültigkeit überspiele, ermögliche erst, dass eine demokratische Grundordnung unterhöhlt werden könne und Parallelgesellschaften entstehen (Ates 2007: 92). Dennoch brauche unsere Gesellschaft, so die Autorin, eine effiziente interkulturelle Erziehung (Ates 2007: 1). Kritik am Multikulturalismus-Konzept und an interkultureller Erziehung erfolgt auch aus der Sicht der transkulturellen Pädagogik. Multikulturalität würde, so ihre Vertreter, in der Vorstellung verharren, unverändert vom „Eigenen“ und „Fremden“ auszugehen, statt den Topos des „fließenden Dazwischen“ ins Blickfeld zu nehmen, Kulturen als monolithische Blöcke wahrzunehmen statt Mischungen und Überlagerungen, die sich in einem ständigen Wandel befinden (Welsch 1997; Göhlich et al. 2006). Dass sich heterogene, kulturelle Inhalte in einem Nebeneinander drängen, kulturelle Räume sich durchdringen und überlagern, die Kulturen implodieren oder, wie es der Philosoph ByungChul Han in seiner postmodernen Kulturtheorie formuliert ⫺ zu „structangles“ formieren, stellt weder ein Novum dar noch einen Gegensatz zur Multikulturalität, die sich seit langem von einem statischen Kulturverständnis verabschiedet hat. Dieses „fließende Dazwischen“ ist ein Lebensgefühl, das vor allem die Dritte und Vierte Generation prägt. Nach Aussagen von Betroffenen löst es ambivalente Gefühle aus, da sie sowohl in Deutschland als auch in der Heimat ihrer Grosseltern als Fremde wahrgenommen werden. Allerdings berge ein Leben in Übergängen auch ungeahnte Chancen: Die fließenden Übergänge kultureller Anteile und mehrsprachiger Identitäten eröffneten auch die Perspektive größerer Flexibilität. Schriftsteller, wie etwa Alev Tekinay, Trojanow oder Jose´ F. A. Oliver haben das Potenzial einer „gemischten Identität“ bereits in den 1980er Jahren keineswegs nur als Wurzellosigkeit, sondern als „kulturelles Kapital“ und Durchbrechen starrer Systeme und Sehgewohnheiten erlebt. Aus der Vielfalt von Topographien, Sprachen und „Heimaten“, literarischen Vorbildern und eigener schöpferischer Kraft gelangten sie zu ihrer persönlichen unverwechselbaren Sprache (Oliver3 1988: 127; Pommerin-Götze 2009: 365⫺369). Der Hypothese eines Aufgebens von Alterität wurde allerdings heftig widersprochen: Die Ignoranz von Differenz führt zu einer fatalen Fehleinschätzung der Realität durch eine postmoderne Transkulturalität oder Hybridkultur. So gelangt etwa der Amerikanist Helmbrecht Breinig zu dem Schluss, an ein Verschwinden der „Eigen-Fremd-Differenz“ sei nicht zu denken; im Gegenteil, „back to the roots“ sei ein kultureller Trend, den wir als Gegenentwurf zur Globalisierung überall auf der Welt antreffen, wenn es um das kulturelle Überleben ethnischer Minderheiten gehe (Breinig 2006: 69⫺82). Wenn alle Grenzen fließend sind, sich weder in gesellschaftlichen Systemen oder Subsystemen markante Besonderheiten feststellen lassen, also alles zur „me´ttissage culturel“ wird und auch die Identitäten von Individuen in den verschiedenen Kulturen nur noch als patchwork-Identität existieren, dann erübrigt sich auch jegliche Diskussion um kulturelle, soziale und ethische Werte. „Dieser zentrale Gedanke eines Kulturbegriffs der Wertorientierung und Normalität fehlt durchgängig in allen postmodernen Kulturtheorien“ so Götze, „seien sie nun der Hybridität, dem Multikulturalismus, der Hyperkultur oder der Transkulturalität verpflichtet (Götze 2009: 6⫺7).
125. Interkulturelle Erziehung
1141
Die kritische Auseinandersetzung mit divergierenden kulturtheoretischen und pädagogischen Positionen ist insofern wichtig, als sie Einfluss auf die Konstituierung interkultureller Erziehungskonzepte ausübt.
4. Interkulturelle Erziehung au dem Prüstand Anti-Rassismus und Friedenserziehung wie auch eine Erziehung, die Respekt vor dem Anderen und Neugier auf das Andere intendieren, stellen die unverzichtbaren Leitideen interkultureller Erziehung dar. Gleichheiten und Unterschiede wahrnehmen und respektieren zu lernen sind die Grundlagen einer politischen Kultur, die Einheit in der Vielfalt beschwört, wie sie etwa von Charles Taylor bereits 1993 für Kanada gefordert wurde. Sie fordert alle Bürger und Bürgerinnen, gleich welcher Nationalität, sozialer, ethnischer, sprachlicher oder religiöser Zugehörigkeit, auf, auf der Basis anerkannter demokratischer Grundrechte den Dialog fortzusetzen, auch wenn der Konflikt temporär unlösbar scheint. In diesem Punkt treffen sich die Forderungen Taylors mit den Bemühungen von Seyran Ates, die zwar dem Multikulturalismus im Sinne eines alles akzeptierenden Nebeneinanders eine Absage erteilt, dennoch in der interkulturellen Erziehung die einzige bildungspolitische Alternative sieht. Wenden wir uns dem Aspekt der Mehrsprachigkeit, einem weiteren grundlegenden Prinzip interkultureller Erziehung zu, so wird man feststellen, dass die Fähigkeit, mehrere Sprachen zu „beherrschen“, zwar in wissenschaftlichen Fachkreisen hohes Ansehen genießt, in der konkreten Unterrichtspraxis aber nur zögerlich aufgegriffen wird, sieht man einmal von Modellversuchen zur Förderung von Fremdsprachen, zum Frühbeginn des Fremdsprachenunterricht, dem bilingualen Fach-Sprachunterricht oder dem Fremdsprachen zugewandten Konzept der Europaschulen ab (Hu 2003: 291; vgl. Art. 91). Das Erkennen von Gemeinsamkeiten und Unterschieden war seit ihrer Entstehung fester Bestandteil interkultureller Erziehung, wobei die Suche nach den Gemeinsamkeiten, vor allem im Elementar- und Primärbereich, im Vordergrund stand (vgl. Art. 158). Diese Programme zeichnete der Versuch aus, gleiche oder ähnliche Bedürfnisse Heranwachsender aufzugreifen, um gegenseitige Vorurteile gar nicht erst aufkommen zu lassen. Die Lust am Spiel, an Essen und Trinken, das Basteln multikultureller Kalender, das gemeinsame Feiern von Geburtstagen oder dem Zuckerfest, das Singen von Liedern in verschiedenen Sprachen und schließlich das gemeinsame Entdecken der neuen Wohnumgebung oder auch fremder Stadtteile waren länderübergreifend Teil aller interkulturellen Erziehungsprogramme. Differenzen zwischen den verschiedenen Kulturen, wie etwa geschlechtsspezifische Verhaltensweisen oder der Umgang zwischen Kindern und älteren Autoritätspersonen wurden als potenzielle Konfliktherde wahrgenommen und durch „Verhaltensregeln“ zu entschärfen versucht. Aus heutiger Sicht erscheinen diese interkulturellen Lernprojekte freilich einseitig auf Harmonie bedacht, zumal, wenn „Fremdheit“ allein durch rationale Erklärungen überwunden werden sollte. Weitere konstruktive Merkmale interkultureller Erziehungskonzepte, wie etwa offene Lernstrukturen, größere Autonomie von Schulen, Öffnung der Schule zur Stadtteilarbeit bzw. community education, Individualisierung und Handlungsorientierung des Unterrichts und schließlich die Neuorientierung der Lehrerrolle (vgl. Art. 149) blieben, sofern sie nur partiell erfolgten und nicht Teil einer äußeren und inneren Schulreform wurden, Kosmetik an einer sonst verfehlten Bildungspolitik.
1142 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts Deshalb ist zu fragen, welche Lösungsmöglichkeiten für eine erfolgreiche Bildungspraxis genutzt werden sollten, um heranwachsenden Generationen Zukunftschancen zu eröffnen: ⫺ Das dreigliedrige Schulsystem ist ein Anachronismus, das zu Gunsten eines flexiblen, durchlässigen Schulsystems, etwa nach skandinavischen Vorbildern, aufzugeben ist. ⫺ Je nach den strukturellen Bedingungen eines Wohngebiets und Schulbereichs sollte jede Schule ihr eigenes „interkulturelles Projekt“ entwickeln dürfen. Dazu aber bedarf es einer weitaus größeren Autonomie der Schulen wie auch die Integration stadtteilspezifischer Lern- und Ausbildungsangebote, die innerhalb einer Schullandschaft variieren: Die Kooperation mit Wissenschaftlern und Künstlern mit dem Handwerk und der Industrie sowie anderen Bereichen des öffentlichen Lebens. ⫺ Interkulturelle Lernangebote sind ⫺ unter Mitsprache der Lernenden ⫺ in allen Fächern anzubieten. Eine enge Vernetzung mit außerschulischen Fördermaßnahmen, wie etwa mit Mercator-Projekten, Sommercamps, Schreibwerkstätten mit Literaturhäusern und Theatern, Modellen zur Fortbildung von Eltern und vielen anderen Aktivitäten könnte eine Brücke schlagen zwischen staatlicher und gemeinwesenorientierter Verantwortung für interkulturelle Erziehung und Bildung. ⫺ Sitzenbleiben gehörte der Vergangenheit an, da seine Ineffizienz seit langem unbestritten ist. Stattdessen gäbe es ein differenziertes Förderangebot für Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichen Begabungen und Schwächen. ⫺ Mehrsprachigkeit hätte in einem interkulturellen Schulprofil eine für alle Fächer und für das gesamte Schulleben existenzielle Bedeutung und zwar in Form eines erweiterten Angebots von Sprachen, die in Verbindung mit verschiedenen Sachaufgaben in unterschiedlichen Niveaustufen erlernt werden könnten. ⫺ Die Förderung des Deutschen auf allen Fertigkeitsebenen hätte im Hinblick auf soziale und berufliche Chancengleich Priorität im Sprachenkanon. Dies steht in keinerlei Widerspruch zu einer mehrsprachigen interkulturellen Erziehung. ⫺ Die heterogene Lebenswelt der Schüler und Schülerinnen bietet eine Vielzahl an unterschiedlichen Sprech- und Schreibanlässen, an Situationen des genauen Zuhörens und Verstehens. Lese- und Schreibkompetenzen wären an einem breiten Repertoire von Textsorten zu entwickeln, das von Anfang an auch literarische Texte, Theaterstücke, Filme, Autorengespräche und weitere sprach-ästhetische Angebote neben Sachtexten mit einschließt. ⫺ Die geeignete Schulform wäre die Ganztagsschule, die neben strukturierten und freien Lernprozessen auch informelle Angebote des interkulturellen Austausches mit anderen und anders Denkenden bereit hielt. „Lernen im Ernstfall“ müsste sich mit Phasen der Reflexion und des Übens sinnvoll abwechseln (Pommerin-Götze 2005: 143⫺162). Wie es gelingen kann, die „Realutopie“ interkultureller Erziehung zur alltäglichen Praxis werden zu lassen und ihr den Anschein von Exklusivität zu nehmen, gehört zu den dringlichsten Aufgaben unserer Gesellschaft. Im Nationalen Integrationsplan der Bundesregierung, der 2007 in Kraft getreten ist, werden Aufgaben des Bundes, der Länder und der Kommunen zum Gelingen der Integration zu insgesamt zehn „Themenfeldern“ formuliert. Eine intensivere Sprachförderung des Deutschen, im Rahmen einer Mehrsprachigkeitserziehung in Schule und Vorschulerziehung ist herausragendes Ziel der gesamten Integrationsbemühungen (Der Nationale Integrationsplan 2007).
125. Interkulturelle Erziehung
1143
5. Literatur in Auswahl Ates, Seyran 3 2007 Der Multikulti-Irrtum. Wie wir in Deutschland besser zusammenleben können. Berlin: Ullstein. Auernheimer, Georg, Victor von Blumenthal, Heinz Stübig und Bodo Willmann 1996 Interkulturelle Erziehung im Schulalltag. Fallstudien zum Umgang von Schulen mit multikultureller Situation. Münster/New York: Waxmann. Becker, Georg E. und Ursula Coburn-Staege (Hg.) 1994 Pädagogik gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Gewalt. Mut und Engagement in der Schule. Weinheim/Basel: Beltz. Breinig, Helmbrecht 2006 Transkulturalität und Transdifferenz: Indianische Subjektkonstruktionen. In: Michael Göhlich, Hans-Walter Leonhard, Eckart Liebau und Jörg Zirfas (Hg.), Transkulturalität und Pädagogik. Interdisziplinäre Annäherungen an ein kulturwissenschaftliches Konzept und seine pädagogische Relevanz, 69⫺82. Weinheim/München: Juventa. Der Nationale Integrationsplan. Neue Wege ⫺ Neue Chancen 2007 Hrsg. vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. Berlin. Essinger, Helmut und Ali Ucar (Hg.) 1993 Interkulturell ⫺ Politisch ⫺ Antirassistisch. Felsberg: Migro. Fischer, Dietlind, Peter Schreiner, Götz Doye´ und Christoph T. Scheilke 1996 Auf dem Weg zur internationalen Schule. Fallstudien zur Situation interkulturellen und interreligiösen Lernens. Münster/New York: Waxmann. Fürstenau, Sara, Ingrid Gogolin und Kutlay Yagmur (Hg.) 2003 Mehrsprachigkeit in Hamburg. Ergebnisse einer Spracherhebung an den Grundschulen. Münster/New York: Waxmann. Göhlich, Michael, Hans-Walter Leonhard, Eckart Liebau und Jörg Zirfas (Hg.) 2006 Transkulturalität und Pädagogik. Interdisziplinäre Annäherungen an ein kulturwissenschaftliches Konzept und seine pädagogische Relevanz. Weinheim/München: Juventa. Götze, Lutz und Gabriele Pommerin 1992 Multikultur und interkulturelles Lernen. In: Gabriele Pommerin-Götze, Bernhard JehleSantoso und Eleni Bozikake-Leisch (Hg.), Es geht auch anders! Leben und Lernen in einer multikulturellen Gesellschaft, 102⫺121. Frankfurt a. M.: Dag˘yeli. Götze, Lutz 2009 Multikulturalismus, Hyperkulturalität und Interkulturelle Kompetenz. Info DaF 36(4): 325⫺334. Götze, Lutz und Claudia Kupfer-Schreiner (Hg.) 2009 Visionen und Hoffnungen in schwieriger Zeit. Kreativität ⫺ Sprachen ⫺ Kulturen. Festschrift für Gabriele Pommerin-Götze zum 60. Geburtstag. Frankfurt a. M.: Peter Lang. Gogolin, Ingrid 1994 Der monolinguale Habitus der multilingualen Schule. Münster/New York: Waxmann. Grimm, Thomas und Elisabeth Venohr (Hg.) 2009 Immer ist es Sprache. Mehrsprachigkeit ⫺ Intertextualität ⫺ Kulturkontrast. Festschrift für Lutz Götze zum 65. Geburtstag. Frankfurt a. M.: Peter Lang. Hamburger, Franz 1994 Pädagogik der Einwanderergesellschaft. Frankfurt a. M.: Cooperative Verlag. Hu, Adelheid 2003 Schulischer Fremdsprachenunterricht und migrationsbedingte Mehrsprachigkeit. Tübingen: Gunter Narr. Krüger-Potratz, Marianne 2005 Interkulturelle Bildung ⫺ Eine Einführung. Münster: Waxmann.
1144 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts Krumm, Hans-Jürgen 2009 Bunt ist besser als nur deutsch. Mehrsprachigkeit und europäische Identität. In: Thomas Grimm und Elisabeth Venohr (Hg.), Immer ist es Sprache. Mehrsprachigkeit ⫺ Intertextualität ⫺ Kulturkontrast. Festschrift für Lutz Götze zum 65. Geburtstag, 165⫺184. Frankfurt a. M.: Peter Lang. Kupfer-Schreiner, Claudia 1994 Sprachdidaktik und Sprachentwicklung im Rahmen interkultureller Erziehung. Das Nürnberger Modell; ein Beitrag gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit. Weinheim: Deutscher Studienverlag. Luchtenberg, Sigrid und Wolfgang Nieke (Hg.) 1994 Interkulturelle Pädagogik und Europäische Dimension. Herausforderungen für Bildungssystem und Erziehungswissenschaft. Festschrift für Manfred Hohmann. Münster/New York: Waxmann. Luchtenberg, Sigrid 1999 Interkulturelle Kommunikative Kompetenz. Kommunikationsfelder in Schule und Gesellschaft. Opladen/Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. Oliver, Jose´ F. A. 3 1988 Lyrik für die zweite Generation. In: Gino Chiellino (Hg.), Die Reise hält an. Ausländische Künstler in der Bundesrepublik, 126⫺138. München: Beck Pommerin, Gabriele unter Mitarbeit von Claudia Kupfer-Schreiner, Stefanie Lamprecht, Ulla Meyer, Iris Schloss, Ibrahim Akman, Johann Mayr und Hans-Martin Quiz 1996 Kreatives Schreiben. Handbuch für den deutschen und interkulturellen Sprachunterricht in den Klassen 1⫺10. Weinheim und Basel: Beltz. Pommerin-Götze, Gabriele 2001 Interkulturelles Lernen. In: Gerhard Helbig, Lutz Götze, Gerd Henrici und Hans-Jürgen Krumm (Hg.), Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch, 673⫺985. Bd. 2. (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 19.1⫺2). Berlin/New York: de Gruyter. Pommerin-Götze, Gabriele 2005 Zur Bildungssituation Jugendlicher mit Migrationshintergrund. In: Volker Frederking, Hartmut Heller und Annette Scheunpflug (Hg.), Nach PISA. Konsequenzen für Schule und Lehrerbildung nach zwei Studien, 143⫺162. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Pommerin-Götze, Gabriele 2009 Einladung zum literarischen Streifzug. Literatur der Fremde an ausgewählten Beispielen. In: Thomas Grimm und Elisabeth Venohr (Hg.), Immer ist es Sprache. Mehrsprachigkeit ⫺ Intertextualität ⫺ Kulturkontrast. Festschrift für Lutz Götze zum 65. Geburtstag, 365⫺382. Frankfurt a. M.: Peter Lang. Reich, Hans H., Alfred Holzbrecher und Hans-Joachim Roth (Hg.) 2000 Fachdidaktik interkulturell. Ein Handbuch. Opladen: Leske ⫹ Budrich. Ruhloff, Jörg 2004 Humanismus, humanistische Bildung. In: Dietrich Benner und Jürgen Oelkers (Hg.), Historisches Wörterbuch der Pädagogik, 443⫺454. Weinheim/Basel: Beltz. Taylor, Charles 1993 Multikulturalismus und die Politik der Anerkennung. Frankfurt a. M.: S. Fischer. Welsch, Wolfgang 1997 Transkulturalität. Zur veränderten Verfassung heutiger Kulturen. In: Irmela Schneider und Christian W. Thomsen (Hg.), Hybridkultur, 67⫺90. Köln: Wienand.
Gabriele Pommerin-Götze, Erlangen (Deutschland)
126. Berufsorientierter Deutschunterricht
1145
126. Berusorientierter Deutschunterricht 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Zur Entwicklung des Begriffs und des Arbeitsfeldes Begriffsbestimmung und Unterrichtsformen Teilnehmerorientierte Kursorganisation: Von der Bedarfsanalyse bis zur Evaluation Komponenten des berufsorientierten Deutschunterrichts: Wortschatz, Grammatik Schlüsselqualifikationen und Mehrsprachigkeit Literatur in Auswahl
1. Zur Entwicklung des Begris und des Arbeitseldes Die Entwicklung des berufsorientierten Deutschunterrichts lässt sich in drei Phasen unterteilen, in denen sich die ökonomischen Rahmenbedingungen und in deren Folge Sprachbedarf und Vermittlungskonzepte gewandelt haben. Dieser Prozess wurde beeinflusst von einer rasanten Weiterentwicklung der Kommunikationstechnologie mit der Möglichkeit zeitgleicher bzw. wenig zeitversetzter fremdsprachlicher Kommunikation. Obwohl diese Entwicklungsphasen nicht im Sinne chronologischer Zäsuren klar abgrenzbar sind, kann man die Entwicklungsabfolge wie folgt verdeutlichen: Tab. 126.1. Ökonomische Entwicklung
Didaktische Grundlagen
Vermittlungsmethodik
80er Jahre
Nationalökonomien, Import⫺Export Paradigma
Fachsprachlich und formorientierter Fremdsprachenunterricht
Fachwortschatzorientierung und Handelskorrespondenz
90er Jahre
Europäischer Binnenmarkt, Entwicklung der „new economy“, medial beschleunigte Kommunikation
Verbindung von Formorientierung und Pragmatik, Zertifikat Deutsch für den Beruf (1995)
Pragmatisch angereicherte oder bestimmte Wirtschaftsdeutschkurse
Gegenwart
Globalisierte und regional-komplementäre Produktion und netzbasierte Interaktion
Europäischer Referenzrahmen, Aufgaben- und Bedarfsorientierung
Individualisierte, bedarfsbasierte Trainingsformen und Kursdesigns, Qualitätsmanagement
2. Begrisbestimmung und Unterrichtsormen Berufsorientierter (oder berufsbezogener) Deutschunterricht bezeichnet eine Zielperspektive, die weder an ein bestimmtes Sprachniveau noch an eine bestimmte Schul- oder Unterrichtsform gebunden ist. Das gemeinsame Merkmal aller Formen des berufsorientierten Deutschunterrichts ist, dass er darauf abzielt, Lernende auf die kommunikativen Anforderungen ihres fremdsprachlichen Handelns in beruflichen Kontexten vorzubereiten. Die damit umrissenen Planungsvariablen verändern und erhöhen für die Lehrenden
1146 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts die Kompetenzanforderungen im Bereich der Planung und Durchführung des Unterrichts im Vergleich zum allgemeinen Deutschunterricht. Dies gilt besonders dort, wo Unterrichtsziele spezifischer und inhaltlich anspruchsvoller werden und außerschulische Instruktionsszenarien innovatives Materialdesign und flexible Lernarrangements erfordern. Da die Ausbildung von Lehrkräften für dieses Arbeitsfeld in der Regel unzureichend ist, hat ERFA-Wirtschaft-Sprache, ein Arbeitskreis von Sprachenverantwortlichen in mehr als 50 deutschen Firmen, eigene Qualitätsmerkmale für Sprachtrainer veröffentlicht. Da berufsorientierter Deutschunterricht als Unterrichtsform nicht von allgemeinem Deutschunterricht abgrenzbar ist, sind auch seine Planungskonzepte, Materialien und die Lehrpersonalausbildung zuerst dem Forschungsstand der allgemeinen Fremdsprachendidaktik und -methodik verpflichtet. Von Lehrkräften, die Sprachunterricht in der beruflichen Bildung oder in Firmen erteilen, werden also keine Kenntnisse spezieller Berufsfelder oder Fachsprachen erwartet, wohl aber die Fähigkeit des Umgangs mit den speziellen Sprachbedürfnissen konkreter Zielgruppen. Für Lernende des Deutschen als Zweitsprache, also Personen mit Migrationserfahrung und beruflichen Zielen im Zielsprachenland, steht der Aspekt der beruflichen Qualifikation oft im Mittelpunkt des sprachlichen Lerninteresses und damit auch stärker die berufssprachlichen Spezifika (Ohm, Kuhn und Funk 2007). Lernende, die Deutsch außerhalb des Zielsprachenlandes lernen, bereiten sich mehrheitlich eher unspezifisch auf fremdsprachliche Berufsanforderungen vor, wobei aber nicht zu übersehen ist, dass die Motivation zum Lernen der deutschen Sprache immer stärker von beruflichen Motiven bestimmt wird. Berücksichtigt man die vielfältigen Motivationen und differenzierten Formen global-komplementärer Produktion und Dienstleistung deutscher Firmen und einer ebenso vielgestaltigen Arbeitsmigration, so verliert die für das Fach konstitutive DaF/DaZ-Unterteilung im berufsorientierten Deutschunterricht ihre Bedeutung. Die kommunikative Kompetenz eines Sprechers ist nicht teilbar in einen privaten und einen beruflichen Teil. Der überwiegende Teil der berufsinternen Alltagskommunikation besteht aus sprachlichen Handlungen, die weder berufs- noch berufssprachenspezifisch sind: Lernende verfügen zu Beginn des Erwerbs berufsbezogener Sprachhandlungskompetenz in der Regel noch nicht über berufliche bzw. fachliche Kompetenz. Haben sie aber Berufserfahrung, so ergibt sich daraus auch eine größere Spezifik der beruflichen Kommunikationsanforderungen. Zusammenfassend kann man drei kurskonstituierende Bereiche unterscheiden: Planungsbereich 1: Berufsvorbereitender Deutschunterricht Ziel ist die allgemeine Vorbereitung auf die sprachlichen Anforderungen von Berufen allgemein. Zu dieser Kategorie gehören studienbegleitender Fremdsprachenunterricht ebenso wie DaZ-Unterricht in den berufsvorbereitenden Klassen der Berufsschulen und im weiteren Sinne jeder Sprachunterricht, in dem Deutsch mit teilweise beruflicher Motivation gelernt wird. Da die Lernenden in der Regel nicht über berufliches Fachwissen verfügen, müssen lexikalische und inhaltliche Anforderungen allgemeinverständlich und frei von beruflicher Spezifik sein. Planungsbereich 2: Berufsbegleitender Deutschunterricht Ziel ist die (bessere) Bewältigung der aktuellen oder zukünftigen sprachlichen Anforderungen in beruflichen Handlungskontexten. Hierzu gehören beispielsweise der ausbil-
126. Berufsorientierter Deutschunterricht
1147
dungsbegleitende Zweitsprachenunterricht im dualen System deutscher Berufsschulen ebenso wie lehrgangsbegleitender Unterricht in Bildungsmaßnahmen. Ein großer Teil des berufsbegleitenden Sprachunterrichts findet inner- und außerbetrieblich im Auftrag von Betrieben statt, wobei die Bewältigung konkreter kommunikativer Anforderungen aus der betrieblichen Praxis Anlass und Ziel von sprachlichen Lernvorgängen ist. In dieser Unterrichtsform korrespondieren konkrete persönliche oder betrieblich vorgegebene Zielstellungen verbunden mit klaren Zeitvorgaben mit einer in der Regel hohen Motivation. Betriebsinterne Fremdsprachenvermittlung wird in Abgrenzung zum schulischen Lernen und in Betonung des handlungsorientierten Ziels zumeist als Training bezeichnet. Planungsbereich 3: Berufsqualifizierender Deutschunterricht. Ziel dieser Unterrichtsform ist es, die rechtlichen Voraussetzungen für einen Berufsoder Studienabschluss zu schaffen. Sprachunterricht ist hier Teil der Qualifikationsanforderungen im Rahmen eins Studien- oder Ausbildungscurriculums. Sprachprüfungen sind oft Bestandteil oder Voraussetzung eines Berufs- oder Studienabschlusses. In diesen Fällen stehen weniger konkrete kommunikative Anforderungen eines Berufs als ein Lernzielkatalog und oft eine Wortschatzliste im Zentrum. Oft wird ein externes Sprachenzertifikat wie die Prüfung Wirtschaftsdeutsch verlangt. Die drei Formen unterscheiden sich in Bezug auf Inhalte, Motivation, Ziele und Rahmenbedingungen des Unterrichts erheblich. Im berufsvorbereitenden Unterricht sind die fachsprachlichen Anforderungen flach und in Bezug auf unterschiedliche Berufsfelder polyvalent zu halten, da subjektive, arbeitsmarktbedingte und technologische Veränderungen auch sprachliche Anforderungsprofile rasch verändern. Die Lernzielplanung hat zudem zu berücksichtigen, dass sich berufliche Sprachverwendung stärker als in der Vergangenheit in mündlicher und informell-schriftlicher Kommunikation manifestiert. Der GeR kann als Instrument zur differenzierten Planung und Beschreibung der fremdsprachlichen berufsbezogenen Handlungskompetenz dienen, da er sowohl in den KannBeschreibungen Bezug auf die Verwendung der Fremdsprache in der Arbeitswelt nimmt als auch den beruflichen Bereich zu den Lebensbereichen (Domänen) zählt, in denen Sprache im Kontext sozialer Situationen verwendet wird (GeR, 4.1.1). In der Broschüre „Arbeitsplatz Europa“ ist, basierend auf den Kann-Beschreibungen des GeR, niveauspezifisch ausgeführt, welche Sprachhandlungen auf den einzelnen Niveaustufen und in einzelnen Fertigkeitsbereichen von beruflicher Relevanz sind (DIHK u. a. 2007). Für den Unterricht mit Sprachanfängern stellen ein sprachhandlungsbezogenes Training, ein kultursensibler und lernerzentrierter kommunikativer Unterricht mit abwechslungsreichen Arbeits- und Sozialformen die beste Grundlage für die Kommunikation in beruflichen Kontexten dar. Darüber hinaus können eine Reihe konkreter curricularer Gestaltungsmerkmale der beruflichen Motivation von Deutschlernern vom A1-Niveau an Rechnung tragen: ⫺ das Einbeziehen beruflicher Themen und Szenarien in die Sprachhandlungsplanung auf allen Stufen, ⫺ die bewusste Vermittlung von Arbeitstechniken und Lernstrategien von besonderer beruflicher Relevanz, z. B. Umgang mit authentischen Texten, neuen Medien und großen Mengen neuen Wortschatzes, ⫺ die Thematisierung eines beruflich frequenten, fachlich polyvalenten grundlegenden Wortschatzes schon im Anfangsunterricht.
1148 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts
3. Teilnehmerorientierte Kursorganisation: Von der Bedarsanalyse bis zur Evaluation Bedarfsanalysen als empirische Verfahren zur Identifizierung berufsbezogener Sprachverwendungssituationen und der zu ihrer Bewältigung notwendigen sprachlichen und interkulturellen Qualifikationen bilden eine Grundlage institutioneller und individueller Kursplanung. Die Analyse kann sich auf den Sprachbedarf einzelner Personen, eines Unternehmens oder eines beruflichen Szenarios beziehen, auf das vorbereitet werden muss. Mourlhon-Dallies (2008: 198 ff.) unterscheidet zwischen Nachfrageanalyse, Bedarfsanalyse und systemischer Analyse. Mit der Nachfrageanalyse werden die Bereiche des kommunikativen Kontexts bzw. die konkreten Formen sprachlichen Handelns, wie sie sich aus der Sicht des Unternehmens darstellen, erfasst. Mit der Bedarfsanalyse werden berufliche Aufgaben unter dem Gesichtspunkt der sprachlichen Anforderungen erfasst und gewichtet, die systemische Analyse umfasst die zur Verfügung stehenden zeitlichen, materiellen und infrastrukturellen Ressourcen sowie die Voraussetzungen auf Seiten der Lernenden. Hyland verweist auf die Problematik der konkreten Erfassung dieser Informationen und den Unterschied zwischen Kommunikationsbedarf und subjektiven Lernbedürfnissen (Hyland 2009: 205). Bedarfsanalysen können mit Hilfe von Checklisten, Fragebögen, strukturierten Interviews, Tests, Beobachtungen oder in Kombination dieser Elemente durchgeführt werden (vgl. Mourlhon-Dallies 2008: 198 ff.). Aus didaktischer Sicht ist besonders zu betonen, dass es nur dann sinnvoll ist, Daten zu erheben, wenn anschließend auf dieser Grundlage auch ein Sprachtraining aufgebaut werden kann. Das kooperative Erfassen von Daten mit den Kursteilnehmenden zusammen schafft gleichzeitig Lernzieltransparenz als wichtigste Voraussetzung einer späteren Evaluation von Kursverlauf und -ergebnis. Die Bedarfsanalyse ist nur der Beginn einer kontinuierlich nötigen kooperativen Entscheidungsfindung in Bezug auf Inhalte und Arbeitsformen (Breen und Littlejohn 2000) Die berufsorientierte Kursplanung basiert auf der Vernetzung unterschiedlicher Informationen mit den kommunikativen Anforderungen und muss die zur Verfügung stehenden finanziellen, zeitlichen, medialen und personellen Ressourcen sowie die aktuelle Methodendiskussion berücksichtigen. An die Phase der Bedarfsanalyse schließt sich die Konzipierung des Kurses mit der Auswahl der Kursinhalte an, die sich in Themen, Materialien, Aktivitäten und dem Umgang mit unterschiedlichen Texten an den real oder potenziell zu bewältigenden kommunikativen Handlungen in der Arbeitswelt orientiert. Da Lehrpersonal in berufsorientierten Kursen oft verstärkter Rechenschaftspflicht unterliegt, gehören systematische kursbegleitende (formative) Kursevaluationen ebenso zum Alltag wie abschließende (summative) Bewertungen und Einschätzungen des Lernergebnisses. Methodisch entspricht ein Gruppenunterricht mit vielfältigen kooperativen Arbeitsformen am ehesten den kommunikativen Szenarien beruflichen Handelns. Im berufsbegleitenden Unterricht ist auch das Einzeltraining (Wilberg 2002) ein zunehmender Teilbereich des Sprachtrainingsmarktes. Hier wird ein einzelner Lernender mit einem spezifischen Sprachbedarf von einem Lehrenden betreut. Die Lernenden treten z. B. als Experten ihres Faches, als Kunden oder Studenten auf, so dass das Einzeltraining neben Rollen- und Lehr-Lernbewusstheit vor allem Improvisation und Flexibilität verlangt. Eine weitere Variante des berufsorientierten Deutschunterrichts ist das Sprachcoaching (vgl. Weber, Becker und Laue 2000: 160 ff.), ein auf eine Einzelperson oder Gruppe
126. Berufsorientierter Deutschunterricht
1149
zentrierter Beratungs- und Betreuungsprozess, der sich auf unterschiedliche Bedarfslagen des Coachingnehmers beziehen kann, zeitlich begrenzt ist und vor allem als „Hilfe zur Selbsthilfe“ dienen soll. Coaching begleitet das berufliche Handeln direkt am Arbeitsplatz, so dass Sprachprobleme von den Lernenden aufgezeigt und Lerninhalte aus den konkreten Anforderungen des Arbeitsalltags entwickelt werden. Eine besondere Form ist das Telefon-Coaching, das vor allem dann sinnvoll ist, wenn es um zielgerichtete sprachliche Nuancierungen und Effektivierungen oder die Registerwahl geht, d. h. es basiert auf einem bereits vorhandenen fortgeschrittenen sprachlichen Können.
4. Komponenten des berusorientierten Deutschunterrichts: Wortschatz, Grammatik 4.1. Wortschatz Im Mittelpunkt des berufsorientierten Deutschunterrichts standen traditionell Terminologie und das Lesen von Fachtexten. Der relativ geringe Anteil der Fachsprache in der mündlichen Fachkommunikation, das Veralten fachlicher Wortschatzbestände innerhalb nur weniger Jahre, die Problematik sachgerechter Auswahlkriterien aus umfangreichen terminologischen Listen macht eine begründete Fachwortschatzauswahl per didaktischer Reduktion unmöglich. Während deshalb der Erwerb spezifischen Fachwortschatzes außer in berufsqualifizierenden, prüfungsvorbereitenden Kursen kein Ziel sein kann, sind alle Strategien, die dazu dienen, Lernende auf den autonomen Umgang mit großen Wortschatzmengen vorzubereiten, systematisch zu trainieren, z. B. ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Erschließungsstrategien (auf der Wort-, Satz- und Textebene) Wortschatzverarbeitungsstrategien, Gebrauch von Nachschlagewerken, Bewusstmachung aller Möglichkeiten des mentalen Lexikons zur lexikalischen Koordination, ⫺ Strategien zur selbständigen Erweiterung von Wortfamilien und Wortfeldern, Obwohl bisher weder ein Korpus der gesprochenen Sprache eines Berufs noch eines Berufsfeldes vorliegt, kann davon ausgegangen werden, dass sowohl in kundenorientierten Dienstleistungs- als auch in Handwerksberufen oder im Finanz- und Verwaltungsbereich jeweils ein großer Teil des Wortschatzes berufsfeldübergreifend relevant und frequent ist. Diese Wörter sind wegen ihrer beruflichen und umgangssprachlichen Polyvalenz im berufsvorbereitenden Unterricht von besonderem Interesse. Aus didaktischer Sicht besteht hier erheblicher Forschungsbedarf. Im Hinblick auf die Gemeinsamkeiten zwischen Berufen und Berufsfeldern ist zudem weniger auf den Bereich der meist fachbezogenen Nomen als auf die Bereiche der Verben, die berufliche Handlungen beschreiben, hinzuweisen. So sind beispielsweise die Verben der Bedeutungsbereiche ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
quantitative Relationen (Vergleich, Zunahme, Abnahme) Definitionen (Gleichsetzung) Stoff- und Produktbeschreibungen (Differenzierung, Abgrenzung) Arbeitsanweisungen (sprachhandlungsbezogen, imperativisch)
1150 XI. Spezifische Bedingungen und Zielsetzungen des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts in allen Berufsfeldern in hoher Frequenz und vielen Varianten vertreten. Angesichts der Wortschatzmengen sind zudem die Wortbildungsregeln (rezeptiv) Gegenstand der systematischen Wortschatzarbeit (Ohm, Kuhn und Funk 2007).
4.2. Grammatik Das Bewusstmachen einzelner Strukturen ist nur sinnvoll, wenn die Kenntnis einer Struktur bei der Bewältigung eines beruflich-kommunikativen Handlungszusammenhangs nützt, wenn Strukturen und Regeln in beruflichen Texten und Verwendungszusammenhängen hoch frequent und breit anwendbar sind. Auf der Textebene stehen alle Formen pronominaler Referenz, berufstypischer Textstrukturen und der Bereich der Konnektoren im Mittelpunkt. Je nach kommunikativer Aufgabenstellung können darüber hinaus jene Strukturen, die der Präzisierung, der Verkürzung, der Generalisierung und der Differenzierung dienen, thematisiert werden.
5. Schlüsselqualiikationen und Mehrsprachigkeit Seit Mitte der 1980er Jahre, befördert durch sich rasch verändernde berufliche Anforderungsprofile, wurde der berufliche Kompetenzbegriff mehr und mehr durch berufsübergreifende Szenarien und transferierbare Schüsselqualifikationen ergänzt, was zu einer Konvergenz beruflicher und allgemeiner Bildung beitrug. Dies trägt der Tatsache des raschen Wandels methodischer, sozialer und arbeitstechnischer Aspekte von Berufen Rechnung. Sprachunterricht muss besonders zu den beruflichen Schlüsselqualifikationen „Eigenständiger Umgang mit Aufgaben“, „Entscheidungsfähigkeit“, „Kritikfähigkeit/ Selbstevaluation“, „Informationsverarbeitungskompetenz“, „Sozialverhalten/Teamfähigkeit“ und „Interkulturelle Kompetenz“ beitragen. Die Vorbereitung auf einen mehrsprachigen beruflichen Alltag und auf die berufliche und sprachliche Weiterqualifikation tritt in den Vordergrund. Auch Migration und Globalisierung haben die Bedeutung mehrsprachiger Arbeitsumwelten verstärkt. Monolinguale Szenarien verlieren an Bedeutung. Berufssprachliche Qualifikationsansätze müssen dieser Tatsache Rechnung tragen.
6. Literatur in Auswahl Breen, Michael P. und Andrew Littlejohn (Hg.) 2000 Classroom Decision-Making. Negotiation and Process syllabuses in practice. Cambridge: Cambridge University Press. DIHK, VDP, telc GmbG, Henkel KGaA (Hg.) 2007 Arbeitsplatz Europa. Sprachkompetenz wird messbar. A Common European Framework of Reference for Language Learning and Teaching (CEF). DIHK. Online: http://www. duesseldorf.ihk.de/produktmarken/Publikationen/AusWeiterbildung/M6_ ArbeitsplatzEuropaSprache.pdf [29. 09. 2009]. ERFA-Wirtschaft-Sprache ERFA Qualitätskriterien ⫺ Referenzrahmen für Trainerinnen und Trainer. Online unter http://erfa-wirtschaft-sprache.de/index.php/ [15. 12. 2009].
126. Berufsorientierter Deutschunterricht
1151
Europarat (Hg.) 2001 Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin: Langenscheidt. Goethe-Institut und DIHT 1995 DfB-Curriculum. München: Goethe-Institut. Hyland, Ken 2009 Specific Purpose Programms. In: Catherine J. Doughty und Michael Long (Hg.), The Handbook of Language Teaching, 201⫺217. Malden: Wiley-Blackwell. Kuhn, Christina 2007 Fremdsprachen berufsorientiert lernen und lehren. Kommunikative Anforderungen der Arbeitswelt und Konzepte für den Unterricht und die Lehrerausbildung am Beispiel des Deutschen als Fremdsprache. Phil. Diss. Universität Jena. Mourlhon-Dallies, Florence 2008 Enseigner une langue a` des fins professionnelles. Paris: Didier. Ohm, Udo; Christina Kuhn und Hermann Funk 2007 Sprachtraining für Fachunterricht und Beruf. Fachtexte knacken ⫺ mit Fachsprache arbeiten. Münster: Waxmann. Van Avermaet, Piet und Sara Gysen 2006 Language learning, teaching and assessment and the integration of adult immigrants. The importance of needs analysis. Online: http://www.coe.int/t/dg4/linguistic/Publications_ EN.asp [8. 12. 2009]. Schöpper-Grabe, Sigrid und Reinhold Weiss, 1998 Vorsprung durch Fremdsprachentraining. Ergebnisse einer Unternehmensbefragung. Köln: Deutscher Institutsverlag. Weber, Hartmut; Monika Becker und Barbara Laue 2000 Fremdsprachen im Beruf. Diskursorientierte Bedarfsanalysen und ihre Didaktisierung. Aachen: Shaker. Wilberg, Peter 2002 One to One. A Teacher’s Handbook. Boston: Heinle.
Hermann Funk, Jena (Deutschland)
XII. Sprachen lehren: Einzelaspekte 127. Motivierung 1. 2. 3. 4.
Einleitung Ansätze in der L2-Motivationsforschung Von der Einsicht in die Motivationsstruktur zur Motivierung von Lernenden Literatur in Auswahl
1. Einleitung Motivation ist zweifellos einer derjenigen Faktoren, dem die Fremdsprachendidaktik und fast alle Lehrenden gleichermaßen großen Einfluss wie auch das größte Interventionspotential (durch motivierenden Unterricht) zuweisen. Ansichten wie die, dass die (Lern)Motivation von Fremdsprachenlernenden über die Gestaltung des Unterrichts verbesserbar ist, indem z. B. gezielt Unterrichtsformen, -inhalte und -materialien an die Lernenden angepasst werden, sind von jeher Teil der Fremdsprachendidaktik. In einer Steigerung der Motivation werden Chancen für verbesserte und schnellere Lernergebnisse gesehen. Unterrichtsmodelle, die sich möglichst nah an Beweggründen von Lernenden für das Fremdsprachenlernen orientieren, gelten dabei als besonders erfolgversprechend ⫺ sie sind aber gleichzeitig auch besonders aufwendig, da nicht davon auszugehen ist, dass Motivierungsstrategien universell wirksam sind, weil die Motiv-/Motivationsstruktur von Lernenden individuell geprägt ist.
2. Ansätze in der L2-Motivationsorschung Die Einsicht, dass Motivation ein individuell unterschiedlicher, mehrdimensionaler und dynamischer Faktor ist, ist ein Hauptergebnis der internationalen L2-Motivationsforschung bis dato. Motivation ist dabei aus der Perspektive des Lernenden konzeptionalisiert und untersucht worden, d. h., Beweggründe für das Fremdsprachenlernen und Willensbildungsprozesse von Lernenden stehen im Zentrum der Aufmerksamkeit ⫺ weniger die äußeren Quellen, die diese Beweggründe und Prozesse (mit) initiieren und aufrechterhalten (bzw. hemmen und zum Erliegen bringen).
2.1. Die Rolle von Einstellungen und Orientierungen Im Rahmen des bis in die 1990er Jahre vorherrschenden und bis heute prominenten socio-educational model (vgl. exemplarisch Gardner 1985) wird die Relevanz von (positiven) Einstellungen von Lernenden zur L2 und zur damit verbundenen Kultur sowie von Orientierungen, die sich auf die Hauptbeweggründe und langfristigen Ziele zum
127. Motivierung
1153
Fremdsprachenlernen richten, betont. Dabei werden instrumentelle von integrativen Orientierungen zum L2-Lernen unterschieden: Lernende sind danach instrumentell orientiert, wenn die Annahme, dass die Zielsprache für das spätere Leben nützlich ist (z. B. Verbesserung der Berufschancen), vorrangig das Lernen steuert, während eine integrative Orientierung aus Interesse und Offenheit für fremde Kulturen erwächst ⫺ und dabei insbesondere für die Zielsprachenkultur, gegenüber der positive Einstellungen vorherrschen. Beide Orientierungen schließen sich nicht notwendigerweise aus; weitere spezifische Orientierungen wie Reisemotive, Bildungsmotive und allgemeine Kontaktmotive wurden nachgewiesen (vgl. exemplarisch Cle´ment und Kruidenier 1983). In Bezug auf Deutsch als Fremdsprache konnte im Rahmen unterschiedlicher Länderstudien ermittelt werden, dass (neben länder- und regionenspezifischen Merkmalen) allgemeine Motivationstendenzen zu beobachten sind, die insbesondere die Instrumentalität und den besonderen Status von Deutschkenntnissen (als Bereicherung des mehrsprachigen Profils, in Ergänzung zu Englischkenntnissen) betonen (vgl. Riemer 2006a).
2.2. Die Rolle der Selbstbestimmung Motivation und Motivationsintensität werden auch dadurch geprägt, dass der Anreiz zum Lernen entweder vom Lernenden selbst ausgeht oder von außen kommt. Die Selbstbestimmungstheorie, die erst seit den 1990er Jahren in der Fremdsprachenforschung Berücksichtigung findet, differenziert zwischen intrinsischen und extrinsischen Verhaltensregulationen von Lernenden und bildet diese innerhalb eines Kontinuums zu-/abnehmender Selbstbestimmung ab (vgl. exemplarisch Noels et al. 2000). Während intrinsisch motivierte Lernende aus innerem Bedürfnis (Neugier, Selbstverwirklichung, Vergnügen) eine Zielsprache lernen, benötigen extrinsisch motivierte Lernende Anreize, die außerhalb der Lernaufgabe liegen. Vier Formen extrinsischer Verhaltensregulation werden unterschieden, die durch zunehmende Selbstbestimmtheit charakterisiert sind: (a) externale Regulation (Konflikte sollen vermieden und Anerkennung gewonnen werden); (b) introjizierte Regulation (Handeln folgt äußerem Druck und wird aus Pflichtgefühl erledigt); (c) identifizierte Regulation (der Wert einer Lernaktivität wird erkannt und zum eigenen Nutzen erledigt); (d) integrierte Regulation (die Lernaktivität ist als Ausdruck eines individuellen Bedürfnisses akzeptiert).
2.3. Die Rolle von Erolgserlebnissen und Attributionen Dass Erfolg nicht nur die Folge motivierten Verhaltens ist, sondern selbst auch das weitere Lernen durch gesteigerte Motivation befördern kann, ist spätestens seit den 1980er Jahren auch für das Fremdsprachenlernen nachgewiesen. Warum und welche Erfolgserlebnisse hierfür wichtig sind, ist Untersuchungsgegenstand der Attributionstheorie, die Selbstkonzepte von Lernenden in Bezug auf ihre Wahrnehmung von Lernerfolgen/-misserfolgen (z. B. Selbstwirksamkeit, Kontrollüberzeugungen, gelernte Hilflosigkeit) ins Zentrum rückt. Danach können Erfolgserlebnisse die Motivation verstärken, Misserfolgserlebnisse sie schwächen. Erfolgserlebnisse wirken dann nachhaltig motivierend auf Lernende, wenn diese den Erfolg auf ihre eigene Persönlichkeit und ihr eigenes Handeln
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XII. Sprachen lehren: Einzelaspekte zurückführen können. Haben Lernende regelmäßig den Eindruck, durch ihr Handeln nichts bewirken zu können, kann dies ein negatives Selbstbild verstärken und die Motivation nachhaltig beschädigen (vgl. exemplarisch Williams, Burden und Al-Baharna 2001).
2.4. Motivation als Prozess Die vorgestellten theoretischen Modelle implizieren, dass gute Beweggründe in Kombination mit ausreichender Selbstbestimmung und vorhandenen Erfolgserlebnissen motiviertes Verhalten ergeben. Nach Gardner (1985: 50) besitzt motiviertes Lernen folgende Komponenten: “a goal, effortful behaviour, a desire to attain the goal and favourable attitudes toward the activity in question.” Also sind außerdem Anstrengungen erforderlich (z. B. zum Lernen von Vokabeln, beim Lösen von fremdsprachlichen Aufgaben), die Lernende tatsächlich aufbringen müssen, und zwar andauernd, oft über Jahre hinweg. Hier ansetzende Modelle beschreiben die Entwicklung motivierten Handelns als Prozess der Umwandlung von Zielsetzungen und Beweggründen in Handlungsabsichten und schließlich Handlungen, wobei Lernende z. B. zwischen konkurrierenden Zielen auswählen und eine motivationale Schwelle überschreiten müssen, um Lernhandlungen tatsächlich auch zu initiieren und beizubehalten (vgl. exemplarisch Dörnyei und Otto 1998; Riemer 2006b). Diese motivationalen und volitionalen, sich im Lernenden vollziehenden Prozesse werden beeinflusst durch das jeweilige soziokulturelle Milieu (z. B. Einfluss von Eltern und Peers), vorhandene Lernmöglichkeiten (z. B. Mediennutzung) ⫺ und im Falle gesteuerten Fremdsprachenlernens ganz maßgeblich durch die Bedingungen des Fremdsprachenunterrichts (Lehrerpersönlichkeit, Lernergruppe, Lernmaterialien).
3. Von der Einsicht in die Motivationsstruktur zur Motivierung von Lernenden Anhand der Fülle der vorhandenen, auch kontrovers diskutierten theoretischen Ansätze (vgl. auch Art. 97), Komponenten und Prozesse in Bezug auf die L2-Motivation wird deutlich, dass hieraus nicht unmittelbar Konsequenzen für die Praxis des Fremd- und Zweitsprachenunterrichts hervorgehen können in der Form, dass das motivierende Potential spezifischer Lernarrangements, -materialien und Lehrtechniken generell prognostiziert werden könnte. Ganz im Gegenteil: Einsicht in die Komplexität, Dynamik und Individualität des Faktors Motivation muss sich in der allgemeinen Erwartung von Lehrenden (aber auch von Lernenden) spiegeln, dass Motivierungsstrategien in unterschiedlichen Lernkontexten ganz unterschiedliche Auswirkungen (und Nebenwirkungen) haben können. Für jede Lernergruppe sind ⫺ jeweils neu ⫺ Lernervoraussetzungen, Motive und Variablen der Willensbildungsprozesse zu beobachten und z. B. auf der Basis gemeinsamer Unterrichtsreflexionen zu diagnostizieren. Lernende handeln auf der Basis individueller Erwartungen und Ziele; motivieren kann nur, was für den Lerner in klarem Bezug zu seinen Erwartungen, Zielen und auch Bedürfnissen steht. Motivierung impliziert also die gezielte Auswahl an den Interessen und Bedürfnissen ausgerichteter Unterrichtsgegenstände, Materialien, Medien und Lehrtech-
127. Motivierung
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niken. Eine weitere Konsequenz aus der L2-Motivationsforschung ist die Unterstützung der Lernenden bei der Festsetzung realistischer Lernziele (inkl. Zwischenziele) ⫺ gerade in Bezug auf die spezifische Sprache Deutsch, die in vielen Regionen und auch im Kontext Deutsch als Zweitsprache als besonders schwere Sprache gilt. Und dementsprechend müssen Lernende bei der Reflexion ihrer Lernfortschritte Hilfestellungen erhalten. Langfristige Ziele und Erfolgserwartungen sind regelmäßig mittels zeitnaher Erfahrungen zu aktualisieren und aufrechtzuerhalten. Lehrende sollen Lernende zu Erfolgserlebnissen führen, die diese sich selbst zuschreiben und die sie selbst kontrollieren können ⫺ also Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit der Lernenden stärken. In Kontexten, in denen extrinsische Motivationen überwiegen, sollten Lernende dabei unterstützt werden (v. a. in schulischen Pflichtkontexten), Formen stärker selbstbestimmter Lernmotivation zu entwickeln, das heißt u. a. wahrzunehmen, dass Unterrichtsaktivitäten und Lerngegenstände für ihr gegenwärtiges und mutmaßlich ihr zukünftiges Leben von wirklicher Bedeutung sind. Flankiert durch Maßnahmen, die Lernende dabei unterstützen, ihren eigenen Lernertyp besser kennenzulernen und ihr Lernstil-Repertoire wirklich auszuspielen (und behutsam zu erweitern), implizieren solche Prinzipien eine Lehrhaltung, die Lernerautonomie fördert ⫺ auch indem Lernende grundsätzlich in unterrichtliche Entscheidungsprozesse involviert werden und wirklich Verantwortung für ihr eigenes Lernen übertragen bekommen und wahrnehmen. Allgemeine Motivierungsprinzipien wie die oben genannten sind im Rahmen unterschiedlicher Modelle präzisiert worden. Wicke (2004) stellt für den DaF-Unterricht mit Jugendlichen „zehn einfache Regeln“ auf, die u. a. auch die Notwendigkeit einer gemeinsamen Zielsetzung von Lerngruppen und die Eigenmotivation der Lehrkraft betonen. DaF-Unterricht muss danach die Vorerfahrungen der Lernenden einbeziehen und an vorhandenen Lernmotivationen anknüpfen. Die Lernenden sollen von Themen, Texten und Aufgaben wirklich betroffen sein, sie müssen für die Lernenden relevant sein. Lernende müssen so oft wie möglich Gelegenheit zur Anwendung des bereits Erlernten erhalten (möglichst durch Verwendung authentischer Sprache auch in zielsprachlicher Umgebung), um dadurch auch Rückmeldung über ihren (erfolgreichen) individuellen Lernstand zu erhalten. Lehrer müssen Neugier und Interesse wecken und diese nicht einfach voraussetzen. Auch sollen sie durch angemessenes Feedback das Selbstvertrauen der Lernenden stärken und sie davon überzeugen, dass Lernen auch soziales Lernen ist (vgl. Wicke 2004: 15⫺16). Die zentrale Rolle der Lehrkraft, ihrer Vorgehensweisen sowie ihrer Haltung für den Motivationsprozess heben ebenfalls Apelt (1996), Düwell (1998) sowie Dörnyei und Csize´r (1998) hervor. Der bis heute am weitesten ausgearbeitete Vorschlag stammt von Dörnyei (2001), der insgesamt 35 (weiter unterteilte) Motivierungsstrategien unterscheidet, die Maßnahmen vorsehen zur (a) Herstellung grundlegender motivationaler Bedingungen (z. B. unterstützende Unterrichtsatmosphäre, gute Gruppendynamik); (b) Entfaltung der Ausgangsmotivation (z. B. Verbesserung der Zielorientiertheit der Lernenden, Anpassung von Lehrmaterialien); (c) Aufrechterhaltung der Motivation im weiteren Lernverlauf (z. B. motivierende Präsentation von Aufgaben, Lernerautonomieförderung); sowie zur (d) (positiven) Selbstevaluation der Lernenden (z. B. Verstärkung motivierender Attributionen, angepasste Feedbackverfahren). Maßnahmen zur Motivierung von Lernenden sind nur sehr eingeschränkt planbar, insbesondere was die Prognose von Konsequenzen und Nebenwirkungen betrifft. Bereits Solmecke (1983) hat mit seinem Motivations-Handlungsmodell verdeutlicht, dass eine Maßnahme zur Motivierung einer Gruppe immer auf unterschiedliche Fähigkeiten, Hal-
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XII. Sprachen lehren: Einzelaspekte tungen und Fertigkeiten der Lernenden trifft, nicht kalkulierbare (Selbst-)Bewertungen impliziert, die das motivierende Potential unterschiedlich zur Entfaltung bringen ⫺ oder eben nicht: Einfache Wenn-dann-Beziehungen sind also nicht herzustellen. Der Erfolg von Motivierungsmaßnahmen ist damit letztlich ein Spiegel gelungener Unterrichtsinteraktion und Gruppendynamik.
4. Literatur in Auswahl Apelt, Walter 1996 Motivation und Fremdsprachenunterricht ⫺ Bilanz und Ausblick. Fremdsprachenunterricht 40: 81⫺89, 166⫺171. Cle´ment, Richard and Bastian G. Kruidenier 1983 Orientations in second language acquisition: I. The effects of ethnicity, milieu, and target language on their emergence. Language Learning 33: 273⫺291. Dörnyei, Zolta´n 2001 Motivational Strategies in the Language Classroom. Cambridge: Cambridge University Press. Dörnyei, Zolta´n and Kata Csize´r 1998 Ten commandments for motivating language learners: results of an empirical study. Language Teaching Research 2: 203⫺229. Dörnyei, Zolta´n and Istva´n Otto´ 1998 Motivation in action: a process model of L2 motivation. Working Papers in Applied Linguistics 4: 43⫺69. Düwell, Henning 1998 Motivation und Motivierung im Fremdsprachenunterricht. In: Udo O. H. Jung (Hg.), Praktische Handreichung für Fremdsprachenlehrer, 38⫺46. 2., verbesserte und erweiterte Auflage. Frankfurt a. M. etc.: Lang. Gardner, Robert C. 1985 Social Psychology and Second Language Acquisition. The Role of Attitudes and Motivation. London: Arnold. Noels, Kimberly A., Luc G. Pelletier, Richard Cle´ment and Robert J. Vallerand 2000 Why are you learning a second language? Motivational orientations and self-determination theory. Language Learning 50: 57⫺85. Riemer, Claudia 2006a DaF-Lernende ⫺ alles Exoten? Motivationsforschung und Deutsch als Fremdsprache. In: Hans-Jürgen Krumm und Paul Portmann-Tselikas (Hg.), Innovationen ⫺ neue Wege im Deutschunterricht, 43⫺58. Innsbruck: StudienVerlag (⫽ Theorie und Praxis. Österreichische Beiträge zu Deutsch als Fremdsprache Bd. 9/2005). Riemer, Claudia 2006b Der Faktor Motivation in der empirischen Fremdsprachenforschung. In: Almut Küppers und Jürgen Quetz (Hg.), Motivation Revisited, 35⫺48. Berlin: LIT-Verlag. Solmecke, Gert 1983 Ein Motivationshandlungs-Modell für den Fremdsprachenunterricht. In: Gert Solmecke (Hg.), Motivation und Motivieren im Fremdsprachenunterricht, 271⫺278. Paderborn: Schöningh. Wicke, Rainer E. 2004 Aktiv und kreativ lernen. Projektorientierte Spracharbeit im Unterricht Deutsch als Fremdsprache. Ismaning: Hueber.
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Williams, Marion, Robert L. Burden and Safiya Al-Baharna 2001 Making sense of success and failure: the role of the individual in motivation theory“. In: Zolta´n Dörnyei and Richard W. Schmidt (Hg.), Motivation and Second Language Acquisition, 171⫺184. University of Hawaiı¨. Second Language Teaching & Curriculum Center.
Claudia Riemer, Bielefeld (Deutschland)
128. Lernerautonomie 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Gegenstandsbestimmung Begründung und Bedingungen der Autonomieförderung Anforderungen an Lernende und Lehrende Modellfunktion des Unterrichts Aufgaben Materialien Literatur in Auswahl
1. Gegenstandsbestimmung Nach Little sind Menschen beim Erfüllen einer bestimmten Aufgabe autonom, wenn sie diese ohne Unterstützung bewältigen, in anderen Kontexten erworbenes Wissen und Fähigkeiten auf diese Aufgabe übertragen und flexibel auf die speziellen Bedingungen und Anforderungen der Aufgabe eingehen können (Little 1999:22). In diesem Sinn ist Autonomie ein übergeordnetes, langfristiges Entwicklungsziel, das sich nicht auf das Lernen von Sprachen beschränkt, sondern die Entwicklung verschiedenster schulischer und persönlicher Kompetenzen mit einschließt und über den Rahmen der obligatorischen Schulzeit hinausweist. Unter Autonomie kann aber auch ein didaktisch-methodischer Ansatz, eine Fähigkeit, die ein Lernender für das Lernen mitbringt oder ein Prozess, der gestaltet werden muss, verstanden werden. Im Bereich der Didaktik des Fremdsprachenunterrichts existieren drei verschiedene Interpretationen von Autonomie: (1) Autonomie in Bezug auf Lernort, -zeit und -rhythmus (2) Autonomie als Übernahme von Verantwortung für das Lernen (3) Autonomie als Fähigkeit, eigene Lernprozesse selber zu steuern und zu reflektieren Unter die erste, technizistische Interpretation von Autonomie im Fremdsprachenunterricht fallen Selbstlernprogramme, bei denen die Anwesenheit und die Intervention einer Lehrperson nicht erforderlich ist, da in den Materialien die notwendigen Anleitungen, Entscheidungsprozesse und Korrekturhilfen enthalten sind. Im Gegensatz dazu können die Lernenden in Unterrichtsansätzen, die der zweiten Interpretation von Autonomie folgen, auf Ziele, Inhalte, Materialien, Vorgehensweisen oder den Unterrichtsablauf Einfluss nehmen. Mit zunehmender Autonomie übernehmen sie immer mehr dieser Entschei-
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XII. Sprachen lehren: Einzelaspekte dungen selbst. Bei der dritten Ausprägung von Autonomie kommt die bewusste Reflexion über eigene und fremdinitiierte Lernaktivitäten hinzu (Holec 1988: 7⫺9). Nur die beiden letzten Interpretationen entsprechen der Autonomie im Sinne Littles. Autonomiefördernder Unterricht muss es den Lernenden also ermöglichen, (1) sich im Lehr- und Lerngeschehen zu orientieren (2) Verantwortung zu übernehmen (3) über eigene und fremdinitiierte Lern- und Verhaltensweisen zu reflektieren (Nodari 1994: 39). Entsprechende unterrichtspraktische Ansätze sind in den 1970er Jahren aus Initiativen des Europarates hervorgegangen, sie knüpfen aber auch an ältere Ansätze der Reformpädagogik und der Freinet-Pädagogik an. Als Bezugswissenschaften für didaktische Konzepte zur Lernerautonomie gelten die kognitive Psychologie, die Neurowissenschaften und der Konstruktivismus.
2. Begründung und Bedingungen der Autonomieörderung Aus ökonomisch-politischer Sicht ist die Förderung autonomen Lernens im Fremdsprachenunterricht sinnvoll, um die Lernenden für die Arbeitswelt mit ihren ständig wechselnden Anforderungen zu qualifizieren, lebenslanges Lernen zu ermöglichen und die Entwicklung zu mündigen Bürgern zu unterstützen. Zu den psycholinguistisch-didaktischen Begründungen gehören die Berücksichtigung individueller Lernerbedürfnisse und -voraussetzungen und die positiven Auswirkungen, die einem Unterricht zugeschrieben werden, der auf die autonome Verwendung der Zielsprache ausgerichtet ist. Ein solcher Unterricht kann mit einer ganzheitlicheren Betrachtung von Sprache und dem Einsatz kooperativer Übungsformen erreicht werden (Weskamp 1999: 11⫺12, 16⫺17; Little 1995: 176). Autonomieförderung ist für unterschiedliche Sprachen und Altersgruppen, für Lernende mit geringer Vorbildung und im Rahmen vorgegebener Curricula umsetzbar, da man sie an vorgegebene Bedingungen flexibel anpassen kann (Gremmo und Riley 1995: 154⫺155; Little 1995: 179). Als ein universell gültiges, übergeordnetes Lehrziel kann Autonomie aber auch problematisch sein, da es ein spezifisches, (ausbildungs-)politisches Ziel impliziert, das sich auf Individualismus und Liberalismus stützt, wo vor allem die persönliche Verantwortung und die Interessen des Einzelnen in den Vordergrund gestellt werden. Aus diesem Grund sind autonomiefördernde Ansätze immer auch vor dem kulturellen Hintergrund der Beteiligten zu sehen und dementsprechend anzupassen.
3. Anorderungen an Lernende und Lehrende Verschiedene Studien zu den Eigenschaften eines guten Sprachenlernenden stimmen darin überein, dass er „ein aktiver Lernender ist, [der] seine Sprachproduktion überwacht, in der Fremdsprache kommuniziert, bestehendes Sprachwissen nutzt, verschiedene Behaltensstrategien anwendet und von sich aus bei Unklarheiten nachfragt“ (Chamot 2004: 12). Erfolgreiche Lernende suchen also möglichst vielfältige Zugänge zur Zielsprache,
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versuchen, aktiv neue Elemente der Zielsprache in ihre bestehende Lernersprache zu integrieren und die Funktionsweise der Fremdsprache zu verstehen und sie setzen Lernstrategien bewusst ein. Zwar verwenden auch weniger erfolgreiche Lernende Lernstrategien, passen sie aber weniger geschickt an die aktuellen Aufgaben an und verwenden seltener metakognitive Strategien (Neuner-Anfindsen 2005: 142⫺145). Im Unterricht werden die Planungs- und Steuerungsfunktionen normalerweise von den Lehrpersonen übernommen. Unter dieser Voraussetzung übernehmen Lernende nicht automatisch Verantwortung für das Lernen. Sie sind bereits in Lernmustern sozialisiert und müssen für neue Formen gewonnen werden (Weskamp 1999: 16). Sowohl die Übernahme von Verantwortung als auch die Reflexion über die Lernprozesse muss von den Lehrenden angeleitet werden (Little 1995: 176⫺177). Autonomieförderung ist also kein Laissez-faire, sondern bedingt, dass die Lehrenden genau auswählen, in welchen Bereichen sie den Klassen bzw. den einzelnen Lernenden Verantwortung überlassen können und wollen (Little 1995: 179). Eine weitere Aufgabe der Lehrpersonen besteht darin, im Unterricht erstens gezielt Lernstrategien zu vermitteln und zweitens ihre bewusste Anwendung zu ermöglichen. Denn Strategieinstruktion ist vor allem dann erfolgreich, wenn Gelegenheit besteht, die neuen Strategien zu üben und in das Lernverhalten zu integrieren (Neuner-Anfindsen 2005: 164). Mit der Förderung von Lernerautonomie verändert sich auch die Rolle der Lehrenden, deren Aufgabe sich von der zentralen Steuerung aller Unterrichtsabläufe und -inhalte hin zur Moderation von Unterricht, zur Schaffung von Lernsituationen und zur Beratung der Lernenden verschiebt (Bimmel und Rampillon 2000: 33).
4. Modellunktion des Unterrichts Durch Unterricht werden unbewusste Lerngewohnheiten entwickelt. Vor allem erwachsene Lernende können zwar oft ein langfristiges Lernziel definieren, die kurzfristigen Ziele innerhalb eines Kurses aber nicht mit dem langfristigen abstimmen (Crabbe, Hoffmann und Cotterall 2001: 14). Sie möchten z. B. an Alltagsgesprächen teilnehmen können, fragen im Kurs aber nach mehr Grammatikübungen. Ein autonomiefördernder Unterricht kann einerseits solche Diskrepanzen thematisieren und andererseits als Modell für eigenes, selbständiges Handeln dienen, indem er den Lernenden eine optimale Orientierung im Lehr- und Lerngeschehen ermöglicht. Das bedeutet, dass die Lernenden wissen, was sie lernen, welches Ziel auf welchem Weg erreicht werden soll und wie viel Zeit ihnen dazu zur Verfügung steht (Nodari 1994: 39). Dazu können Lehrende zum Beispiel zu Beginn einer Lerneinheit die Lernziele offenlegen und am Ende gemeinsam mit den Lernenden überprüfen oder mit den Lernenden Zeitpläne für die Unterrichtsarbeit und die Hausaufgaben festlegen bzw. abändern.
5. Augaben Autonomiefördernde Aufgaben sind eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Lernenden tatsächlich verschiedene Lernstrategien erproben und ihre eigenen Wege zum Lernen
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XII. Sprachen lehren: Einzelaspekte finden können. Genau wie der Unterricht müssen auch Aufgaben in Hinblick auf Ziele, Vorgehensweisen, mögliche Strategien usw. transparent sein. Eine Lehrperson, die ihre Lernenden auffordert, einen Text überfliegend zu lesen und einige Fragen dazu zu beantworten, schöpft das Lernpotential dieser Aufgabe nicht voll aus. Die Lernenden führen damit zwar eine spezifische Lesestrategie aus, diese wird aber nicht begründet und als Lernziel nicht bewusst gemacht. Erst wenn die Lernenden den Sinn und Zweck sowie auch die Erreichbarkeit der Ziele klar erkennen, setzen sie ihr ganzes Lernpotential ein. Baurmann (2002: 53) postuliert, dass gute Schreibaufträge eine „milde Form der Besessenheit auslösen“. Dieses Postulat gilt auch für autonomiefördernde Aufgaben. Im Bereich Orientierung im Lerngeschehen kann z. B. durch das Entwickeln einer Lehrwerksrallye die Aufmerksamkeit der Lernenden auf bestimmte Teile des Lehrwerks gelenkt werden. Übertragung von Lernverantwortung kann im Rahmen eines Lerntagebuchs eingeübt werden, in dem die Lernenden eigene Lernziele formulieren. Diese individuellen Formulierungen können später auch als Hilfsmittel für die Selbsteinschätzung erzielter Fortschritte dienen. Im Bereich Lerninhalte bietet sich das Erstellenlassen einer Übungskartei für einen ausgewählten Bereich wie etwa Grammatik an. Wahlangebote, bei denen die Aufgabenstellung zum Beispiel in der verwendeten Lerntechnik variiert, bieten den Lernenden Modelle, wie sie einen Lerninhalt unterschiedlich bearbeiten können, und erlauben es ihnen, eigene Lernvorlieben zu erproben. Zum Bereich Reflexion zählen Aufgaben, die die Wahrnehmung für verschiedene Lernweisen schulen oder zu ihrer Optimierung beitragen. Das kann zum Beispiel geschehen, indem die Lernenden einander bevorzugte Strategien vorstellen und über deren Effizienz diskutieren (Nodari 1994: 40⫺43, siehe dazu auch Rampillon 2000).
6. Materialien Gemäß Holec sollen Lernende im Umgang mit Lern- und Lehrmaterialien die Erfahrung machen können, dass „learning a language does not mean learning material but using material to learn“ (Holec 1988: 11). Ähnlich wie die Lehrerrolle verschiebt sich auch die Rolle der Materialien weg von der reinen Instruktion hin zum Hilfsmittel, das den Lernprozess in Gang bringt oder stützt. Idealtypisch sollte im Unterricht ausschließlich mit authentischen Materialien gearbeitet werden. Dies ist zwar denk- und machbar, jedoch kaum realistisch. Lehrwerke können Lehrpersonen in der Gestaltung eines autonomiefördernden Unterrichts entlasten, wenn sie es den Lernenden einerseits ermöglichen, durch offene Aufgabenformen schrittweise Verantwortung für verschiedene Lernprozesse zu übernehmen, andererseits die Reflexion über eigene Lernverhaltensweisen systematisch einzubeziehen und zudem möglichst authentische Materialien bieten (Nodari 1995: 129). Obschon neuere Lehrwerke viele Elemente zur Förderung der Lernerautonomie enthalten, scheint das Potential, insbesondere was die Orientierungsfunktion anbelangt, noch lange nicht ausgeschöpft. Der Nutzen von neuen Medien für autonomes Lernen wird allgemein als sehr hoch eingeschätzt. Insbesondere durch das Internet steht heute eine große Zahl leicht zugänglicher, authentischer zielsprachlicher Materialien zur Verfügung. Die neuen Medien sind aber nicht per se autonomiefördernd. Gerade bei Selbstlernprogrammen auf CD-ROM
128. Lernerautonomie
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beschränkt sich die Autonomie häufig auf Aspekte wie die Wahl von Ort, Zeit, Tempo oder Wiederholungsrate. Oft führen technische Einschränkungen auch zu einer ungünstigen Beschränkung von Übungsformen und Aktivitäten. Für autonomiefördernden Unterricht sind vor allem Medien geeignet, die für verschiedene Aktivitäten offen sind. Neben den bereits erwähnten authentischen Materialien gehören dazu verschiedene Softwareprodukte und Internetdienstleistungen, die nicht für den Sprachunterricht gemacht wurden, aber als Hilfsmittel beim Erstellen von Lernprodukten, als Kommunikationsmittel oder zum Nachschlagen spezifischer Informationen dienen können (E-Mail-Projekte, Skype-Kontakte, Rechercheaufgaben usw.).
7. Literatur in Auswahl Baurmann, Jürgen 2002 Schreiben, Überarbeiten, Beurteilen ⫺ ein Arbeitsbuch zur Schreibdidaktik. Seelze: Kallmeyersche Verlagsbuchhandlung. Bimmel, Peter und Ute Rampillon 2000 Lernerautonomie und Lernstrategien. Berlin u. a.: Langenscheidt. Chamot, Anna Uhl 2004 Stand der Forschung zum Einsatz von Lernstrategien im Zweit- und Fremdsprachenerwerb. In: Hans Barkowski und Hermann Funk (Hg.), Lernerautonomie und Fremdsprachenunterricht, 10⫺35. Berlin: Cornelsen. Crabbe, David, Alison Hoffmann and Sara Cotterall 2001 Examining the discourse of learner advisory sessions. AILA Review 15: 2⫺15. Gremmo, Marie-Jose´ and Philip Riley 1995 Autonomy, self-direction and self access in language teaching and learning: The history of an idea. System 23: 151⫺164. Holec, Henri 1988 Autonomy and Self-Directed Learning (Education & Culture). Strasbourg: Council of Europe Press. Little, David 1995 Learning as dialogue: The dependence of learner autonomy on teacher autonomy. System 23: 175⫺181. Little, David 1999 Autonomy in second language learning: Some theoretical perspectives and their practical implications. In: Christoph Edelhoff und Ralf Weskamp (Hg.), Autonomes Fremdsprachenlernen, 22⫺35. Ismaning: Hueber. Neuner-Anfindsen, Stefanie 2005 Fremdsprachenlernen und Lernerautonomie. Sprachlernbewusstsein, Lernprozessorganistation und Lernstrategien zum Wortschatzlernen in Deutsch als Fremdsprache. (Mehrsprachigkeit und multiples Sprachenlernen/Multilingualism and Multiple Language Acquisition and Learning 1). Baltmannsweiler: Schneider. Nodari, Claudio 1994 Autonomiefördernde Aufgaben im Fremdsprachenunterricht. Versuch einer Typologisierung. Fremdsprache Deutsch 10: 39⫺43. Nodari, Claudio 1995 Perspektiven einer neuen Lehrwerkkultur. Pädagogische Lehrziele im Fremdsprachenunterricht als Problem der Lehrwerkgestaltung (Sprachlandschaft Schweiz). Aarau: Sauerländer-Verlag.
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XII. Sprachen lehren: Einzelaspekte Rampillon, Ute 2000 Aufgabentypologie zum autonomen Lernen. Ismaning: Hueber. Weskamp, Ralf 1999 Unterricht im Wandel ⫺ Autonomes Fremdsprachenlernen als Konzept für schülerorientierten Fremdsprachenunterricht. In: Christoph Edelhoff und Ralf Weskamp (Hg.), Autonomes Fremdsprachenlernen, 8⫺19. Ismaning: Hueber.
Claudio Nodari, Zürich (Schweiz) Cornelia Steinmann, Zürich (Schweiz)
129. Lernberatung 1. 2. 3. 4.
Theoretische Grundlagen Ziele, Funktionen und mögliche Adressaten von Sprachlernberatung Durchführung und mögliche Organisationsformen Literatur in Auswahl
1. Theoretische Grundlagen Das Konzept der Lernberatung für das Fremdsprachenlernen (Sprachlernberatung) stützt sich auf folgende unterschiedliche theoretische Ansätze, Wissenschaftsdisziplinen und Annahmen: So wird davon ausgegangen, dass die Art, wie Menschen Fremdsprachen lernen, durch eine Vielzahl von individuellen Faktoren beeinflusst wird (vgl. Kap. IX). Individuelle Lernerfaktoren sind auch innerhalb einer Person als dynamisches Geflecht zu betrachten; z. B. können Bedarfe und Bedürfnisse, Motivation und Ziele von Fremdsprache zu Fremdsprache, chronologisch oder auch lernumgebungsabhängig variieren. Die Selbstwahrnehmung des Lernenden in seinem gesamten Kontext mit seinen persönlichen Eigenschaften, Einstellungen und Sichtweisen ist Grundlage einer Sprachlernberatung. ⫺ In der Diskussion um Lernerautonomie (vgl. Art. 128) wird u. a. davon ausgegangen, dass Lernende bei der Verarbeitung von Lerninhalten von außen nur eingeschränkt zu beeinflussen sind. Eine Veränderung der Lehrerrolle hin zur Lernbegleitung und Lernberatung solle allerdings dazu führen, dass bei Lernenden Reflexionen über den Lernprozess angeregt werden, damit sie Kontrolle über das eigene Lernen (Steuerung, Überwachung und Evaluation) ausüben und sich ihren individuellen Voraussetzungen gemäß weiterentwickeln können. Basierend auf Rückmeldungen aus der Beratungspraxis und gestützt auf empirische Untersuchungen (vgl. u. a. Claußen 2009) nutzt eine (individuelle) Sprachlernberatung die Reflexionen über die internen und externen Lernerfaktoren direkt, um davon ausgehend mit dem Lernenden gemeinsam ⫺ durchaus kleinschrittige ⫺ Lernverfahren und Wege hin zum Nutzen für den Lernprozess zu erarbeiten. ⫺ Weiterhin berücksichtigt das Konzept der Sprachlernberatung Erkenntnisse aus der humanistischen Psychologie, z. B. die Einsicht, dass Menschen die Lösung für ihre
129. Lernberatung
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Probleme in sich tragen (vgl. z. B. Rogers 1985). Eine strukturierte Beratung kann es dem Lernenden also ermöglichen, zu einem Verständnis seiner selbst zu gelangen und auf Grund dieser neuen Orientierung positive Schritte zu unternehmen. Noch nicht völlig geklärt ist die Frage, an welchem Punkt des Beratungsgesprächs vom Sprachlernberater basierend auf Fachwissen über Sprachlernprozesse klare Empfehlungen gegeben werden können/sollten. ⫺ Zurückgegriffen wird für den konkreten Beratungsprozess auf Arbeiten aus der (Kommunikations-)Psychologie, der allgemeinen pädagogischen Beratung und entsprechende Gesprächstechniken (vgl. u. a. Bachmair et al. 1999; Siebert 2001).
2. Ziele, Funktionen und mögliche Adressaten von Sprachlernberatung Die genannten Grundlagen werden zum Teil unterschiedlich gewichtet und führen daher auch zu unterschiedlichen Konzeptionen, Organisationsformen und Durchführungsmöglichkeiten, die u. a. von den Bedingungen vor Ort und von den entsprechenden Adressaten beeinflusst sind (vgl. hierzu z. B. die Beiträge in der Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht (Online) 11, 2, 2006; Wehmer 2003). Das hier vertretene Konzept der individuellen Sprachlernberatung wurde zunächst für das Sprachenlernen im Hochschulkontext entwickelt (vgl. u. a. Mehlhorn 2005). In, neben und außerhalb von Kursen sollen Lernende in individuellen Beratungssitzungen zur Reflexion ihres Sprachlernverhaltens angeregt werden. Als „Experte für die eigene Person“ können sie Verantwortung für ihren Sprachlernprozess übernehmen und gemeinsam mit dem Sprachlernberater als „dem Fachexperten für das Fremdsprachenlernen“ Möglichkeiten zur Optimierung finden. Berater bieten dafür individuelle Anleitung, Hilfe und Betreuung an, etwa ⫺ bei der Bewusstmachung der individuellen Voraussetzungen, der jeweiligen persönlichen Zusammenhänge und der Entscheidungsbedingungen (z. B. könnten folgende Überlegungen Ausgangspunkt für weitere Entscheidungen sein: „Ich kann schon ganz gut Diskussionsbeiträgen folgen, wenn nicht zu schnell gesprochen wird; ich kann mich noch nicht selbst beteiligen. Vielleicht wage ich es aber auch einfach nicht, weil ich Angst davor habe mich zu blamieren? [Was heißt für mich eigentlich „blamieren“?] Ich will zunächst herausfinden, was ich schon spontan äußern kann. Dafür mache ich Folgendes: ….“). ⫺ bei der möglichen Passung der gesamten den Lernprozess beeinflussenden Faktoren mit den eigenen Zielen (z. B.: „Ich habe leider nicht viel Zeit; doch auch ich lerne eine Sprache nicht im Schlaf, ich muss … tun, wenn ich … können will.“). ⫺ beim Erkennen von Lernschwierigkeiten und Lösungsmöglichkeiten (z. B.: „Ich weiß überhaupt nicht, wie ich mich auf die Prüfung vorbereiten kann; versucht habe ich schon Folgendes …. Ich weiß aber nicht mal, wie die Dozentin bei der Bewertung vorgeht. Vielleicht sollte ich das erst einmal herausfinden.“). ⫺ beim Finden geeigneter Lernwege und -strategien (als mögliche Weiterführung des obigen Beispiels z. B.: „Ich nehme mir vor die Dozentin zu fragen, worauf sie bei der Bewertung dieser Prüfung besonderen Wert legt; dann komme ich noch mal, damit wir
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XII. Sprachen lehren: Einzelaspekte
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besprechen können, wie ich mich sinnvoll in der mir verbleibenden Zeit vorbereiten kann.“). beim Finden geeigneter Lernmaterialien und -situationen (z. B. als Ausgangspunkt für einen Deutschlerner im Ausland: „Ich möchte mich auf einen Praktikumsaufenthalt in Deutschland vorbereiten; habe schon einen A2-Kurs gemacht und frage mich, wie ich mich in den verbleibenden zwei Monaten etwas besser darauf vorbereiten kann. Ich habe mir z. B. Folgendes gedacht … und wollte fragen, ob es vielleicht noch andere Möglichkeiten gibt.“). beim Motivationsaufbau, Aufbau von Selbstwirksamkeit (z. B. als Ausgangspunkt: „Ich habe das Gefühl, ich lerne überhaupt nichts mehr dazu; ich komme im Kurs immer gut klar, aber ich sehe keine Fortschritte mehr und verliere langsam die Lust, überhaupt noch am Kurs teilzunehmen. Ich frage mich, was ich tun kann, um wieder etwas zufriedener mit meinem Sprachenlernen zu sein.“). beim konkreten Umsetzen von eigenen Entscheidungen (z. B.: „Ich nehme mir für die nächste schriftliche Prüfung vor, besonders auf eine klare Argumentation (was heißt das genau?) zu achten; ich weiß ja, dass das zählt. Ich schreibe mir noch mal die wichtigsten Strukturierungsmittel auf; die suche ich aus … heraus; und dann versuche ich, schon mal ein paar einfache Argumentationen auszuprobieren.“). beim Erkennen von Lernfortschritten und bei der Evaluation des eigenen Lernens (z. B.: „Ich nehme mir vor, am Ende der nächsten Woche in Stichpunkten zu notieren, was ich dann besser kann, auch wenn es nur ein paar Ausdrücke sind, die mir wichtig sind.“).
Die Erfahrungen aus Beratungen mit erwachsenen Fremdsprachenlernern können nicht direkt auf das Sprachenlernen im schulischen Kontext übertragen werden (zu einigen Vorschlägen vgl. z. B. Kleppin und Mehlhorn 2008). Möglicherweise sollte für eine effektive Nutzung von Sprachlernberatung vor allem bei jüngeren Schülern und insbesondere beim Erlernen der ersten Fremdsprache zunächst im Unterricht z. B. durch eine Integration von Lernberatungselementen ein gewisser Grad an Lernerautonomie entwickelt werden. Beratungselemente im Unterricht könnten z. B. sein: die Anregung zur Reflexion interner Bedingungen und Voraussetzungen (z. B. Lernstile, Lernstrategien, Erfahrung von Selbstwirksamkeit, interne Motive) und Möglichkeiten der Weiterentwicklung (z. B. Entwicklung geeigneter Lernstrategien); die Auseinandersetzung mit den externen Lernbedingungen und -voraussetzungen (z. B. zu erreichende Mindeststandards, vorgegebene Lernzeiten, -orte, Elternwünsche) und Möglichkeiten des Abbaus von Lernhindernissen und Motivationsbarrieren; das Setzen eigener Lernziele, die an die Unterrichtssituation angepasst sind bzw. die außerhalb der Unterrichtssituation realistisch zu erreichen sind; das Erkennen von eigenen Lernschwierigkeiten und Lösungsmöglichkeiten (z. B. in angeleiteten und vom Lehrenden/Beratenden moderierten Gesprächen mit anderen Schülern, zu solchen Verfahren vgl. z. B. Helmling 2005); das Erkennen von eigenen Lernfortschritten und der Aufbau von Selbstwirksamkeit u. a. durch das Einbringen von Selbstevaluationsverfahren.
3. Durchührung und mögliche Organisationsormen Bei einer sich in der Regel über mehrere Beratungssitzungen erstreckenden Sprachlernberatung dient ein erstes Treffen zunächst dazu, gemeinsam mit dem Lerner die Sprachlernbiographie und die konkreten Bedingungen (Lernmöglichkeiten, zur Verfügung stehende
129. Lernberatung
1165
Lernzeit usw.) zusammenzustellen, d. h. die Ausgangsposition zu klären und für das weitere Vorgehen zu motivieren. Bei der Erhebung der Sprachlernbiographie erhält einerseits der Berater wichtige Informationen über den Lerner, andererseits wird dem Lerner selbst durch die konkreten Fragen zu seinem bisherigen Lernen selbst möglicherweise schon vieles bewusst. Das erste Treffen kann darüber hinaus dazu genutzt werden, dem Lerner die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen der Beratung aufzuzeigen. Allgemeingültige Rezepte sind nicht zu erwarten. Bei den folgenden Beratungsgesprächen wird auf konkrete Bedürfnisse und Ziele eingegangen, diese werden in Verbindung mit den Lernerfaktoren und den konkreten Bedingungen gebracht, auf Verbesserungsmöglichkeiten hingewiesen und möglicherweise ein bestimmtes Lernproblem bearbeitet. Dabei können z. B. Lernerlogbücher, Sprachenportfolios oder eigene Produktionen als Beratungsunterlagen genutzt werden (vgl. z. B. Gick 2004; Langner 2006). Die letzte Phase dient der abschließenden Evaluation. Dabei kann dem Lerner eventuell bisher Erreichtes vor Augen geführt und ein positiver Ausblick auf das weitere Vorgehen gegeben werden. Die einzelnen Beratungsgespräche können weiterhin in Phasen untergliedert werden, die in einer Sitzung mehrfach und zyklisch durchlaufen werden (zu den einzelnen Phasen vgl. Brammerts, Calvert und Kleppin 2005). Die unter 1. schon genannten Gesprächstechniken dienen als Reflexionsanstöße und Gesprächsimpulse. Dazu gehören z. B. offene Fragen, aktives Zuhören, Spiegeln durch Beschreiben und Zusammenfassen, Mitteilen von Beobachtungen, vorsichtiges Interpretieren anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse, Herstellen von Verbindungen zwischen genannten Faktoren, Akzentuieren, Erweitern und Konkretisieren von Lerneraussagen, vorsichtiges Zuschreiben von Ursachen, Initiieren und Anbieten von möglichen Schlussfolgerungen, Konfrontieren mit anderen Möglichkeiten und evaluierendes Feedback (vgl. Culley 1996 und zu konkreten Fragebeispielen für das Fremdsprachenlernen Mehlhorn 2005). Organisationsformen für Beratungen hängen von unterschiedlichen Gegebenheiten ab, wie z. B., ob Berater und Lerner sich am gleichen Ort befinden, ob der Berater gleichzeitig auch der Lehrer ist, ob der Lerner selbstgesteuert oder in einem Kurs lernt. Präsenzformen werden, soweit dies zeitlich und örtlich möglich ist, momentan noch Distanzberatungen vorgezogen, da hierbei leichter ein wirklicher Dialog mit allen nonverbalen Elementen zustande kommen kann. Dies wird sich mit den immer besseren technischen Möglichkeiten über das Internet audiovisuell zu kommunizieren, möglicherweise noch verändern (vgl. hierzu z. B. die Beiträge in der Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht (Online) 11. 2. 2006). Formen der Implementierung von Sprachlernberatung in unterschiedlichen Lernumgebungen und für unterschiedliche Adressaten sind sicherlich noch weiter zu entwickeln, was sich auch auf das Konzept auswirken wird.
4. Literatur in Auswahl Bachmair, Sabine, Jan Faber, Claudius Henning, Rüdiger Kolb und Wolfgang Willig 1999 Beraten will gelernt sein. Ein praktisches Lehrbuch für Anfänger und Fortgeschrittene. 7. Auflage. Weinheim: Beltz. Brammerts, Helmut, Michael Calvert und Karin Kleppin 2005 Ziele und Wege bei der individuellen Lernberatung. In: Helmut Brammerts und Karin Kleppin (Hg.), Selbstgesteuertes Sprachenlernen im Tandem. Ein Handbuch, 53⫺60. 2. Auflage. Tübingen: Stauffenburg.
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XII. Sprachen lehren: Einzelaspekte Claußen, Tina 2009 Strategientraining und Lernberatung. Auswirkung auf das Kommunikations- und Lernverhalten ausländischer Studierender an deutschen Hochschulen. Tübingen: Stauffenburg. Culley, Sue 1996 Beratung als Prozeß. Lehrbuch kommunikativer Fertigkeiten. Weinheim: Beltz. Gick, Cornelia 2004 Einstiege ins Europäische Sprachenportfolio. Einige Ideen aus der Praxis für die Praxis. Babylonia 46, abrufbar unter: http://www.babylonia-ti.ch/BABY204/PDF/didbeitr46.pdf. Helmling, Brigitte 2005 Peergruppenarbeit ⫺ Tandems lernen von Tandems. In: Helmut Brammerts und Karin Kleppin (Hg.), Selbstgesteuertes Sprachenlernen im Tandem. Ein Handbuch, 83⫺91. 2. Auflage. Tübingen: Stauffenburg. Kleppin, Karin und Grit Mehlhorn 2008 Sprachlernberatung im schulischen Kontext. Fremdsprache Deutsch 38: 47⫺51. Langner, Michael 2006 Dokumente zur Sprachlernberatung. Zur Vorentlastung in Sprach(lern)projekten. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 11(2). (Online). Mehlhorn, Grit (unter Mitarbeit von Karl-Richard Bausch, Tina Claußen, Beate Helbig-Reuter und Karin Kleppin) 2005 Studienbegleitung für ausländische Studierende an deutschen Hochschulen. Teil I: Handreichungen für Kursleiter zum Studierstrategienkurs. Teil II: Individuelle Lernberatung ⫺ Ein Leitfaden für die Beratungspraxis. München: iudicium. Rogers, Carl R. 1985 Die nicht-direktive Beratung. Frankfurt a. M.: Fischer. Siebert, Horst 2001 Selbstgesteuertes Lernen und Lernberatung. Neuwied: Luchterhand. Wehmer, Silke 2003 Lernberatung. In: Karl-Richard Bausch, Herbert Christ und Hans-Jürgen Krumm (Hg.), Handbuch Fremdsprachenunterricht, 344⫺346. 4., überarbeitete Auflage. Tübingen: Francke. Zeitschrift für interkulturellen Fremdsprachenunterricht 11(2). 2006 Themenheft zur Sprachlernberatung. (Online).
Karin Kleppin, Bochum (Deutschland)
130. Augabenorientierung 1. 2. 3. 4. 5.
Einleitung Aufgabenorientierung als komplexer Begriff Merkmale von Aufgaben Ergänzungen und Fragen Literatur in Auswahl
1. Einleitung Aufgabe und aufgabenorientierter Unterricht sind seit einigen Jahren zentrale Themen einer durchaus kontrovers geführten Diskussion in unterschiedlichen Bereichen der Di-
130. Aufgabenorientierung
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daktik. In Bezug auf den Fremdsprachenunterricht verbindet sich mit ihnen der Anspruch auf eine Erneuerung der unterrichtlichen Verfahren auf dem Stand des heutigen Wissens zum Spracherwerb und zum Lernen im schulischen Kontext (vgl. Skehan 1998). Auf der anderen Seite stehen Zweifel an der Neuheit und der Wirksamkeit der mit dem Ansatz verbundenen Konzepte oder an der Möglichkeit, Aufgabe als Begriff hinreichend scharf zu definieren und damit das Konzept gegenüber anderen abzugrenzen (vgl. dazu die Beiträge in Bausch et al. 2006 sowie Müller-Hartmann und Schocker-von Ditfurth 2005b). Die Beschäftigung mit Aufgaben ist nichts Neues; sie begleitet die Fremdsprachendidaktik seit jeher. Die aktuelle Ausformung, die diese Auseinandersetzung in der hier diskutierten Aufgabenorientierung gefunden hat, hat ihre Wurzeln in der angelsächsischen Diskussion, die vor allem mit den Begriffen task und task based language learning operiert (Nunan 1989, 2004; Willis 1996; Ellis 2003). Je nachdem, wie konsequent die entsprechenden Verfahren eingesetzt werden, kann man unterscheiden zwischen einem streng aufgabenbasierten und einem aufgabenorientierten Zugang. Im Folgenden wird ausschließlich der letztere Begriff verwendet.
2. Augabenorientierung als komplexer Begri Die facettenreiche Diskussion zur Aufgabenorientierung lässt sich transparenter machen, wenn zwei Aspekte klar unterschieden werden, die in fast jedem Gebrauch des Begriffs im hier interessierenden Kontext mitgedacht sind. a) Der erste Aspekt ist ein unterrichtstheoretischer, deskriptiver. Er besteht in der These, dass Aufgaben die entscheidende Schnittstelle zwischen den didaktischen Entscheidungen der Lehrkraft (und der hinter ihr stehenden Hersteller von Unterrichtsmaterialien) und den für den Unterrichtserfolg entscheidenden kognitiven Prozessen der Lernenden bilden. Zwar sind diese Prozesse von außen im Einzelnen nicht im Detail planund kontrollierbar. Aufgaben erlauben es aber, der Arbeit der Lernenden Themen und Ziele vorzugeben, damit zumindest die fokalen Punkte ihrer Arbeit zu bestimmen und darauf bezogene kognitive Prozesse anzustoßen. Man braucht den Eigenwert der verwendeten Materialien nicht zu leugnen und kann trotzdem daran festhalten, dass es die Aufgaben sind, welche die Beschäftigung damit didaktisch gestalten und die Aktivitäten der Lernenden koordinieren. Der Imperativ „Lerne die Fremdsprache“, den jeder fremdsprachliche Unterricht an die TeilnehmerInnen stellt, wird nach dieser These in jedem Moment durch die aktuelle Aufgabe konkretisiert und in eine erlebbare Inszenierung der Lernsituation umgesetzt. So gesehen beruht jeder Unterricht auf Aufgaben, unabhängig davon, welches didaktische Konzept in ihm verfolgt wird, und seine Qualität kann an ihnen gemessen werden. b) Der zweite Aspekt betrifft die didaktische und damit präskriptive Ausformung des Konzepts der Aufgabenorientierung. Es ist ausgezeichnet durch eine spezifische Kombination didaktischer Grundsätze (s. Abschnitt 3). Auch wenn die meisten davon in der einen oder anderen Form seit längerem bekannt sind, ist ihre spezielle Kombination neu, ebenso der den Namen motivierende Sachverhalt, dass diese Grundsätze explizit als Kriterien für die Konstruktion und Evaluation von Aufgabenstellungen formuliert werden.
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XII. Sprachen lehren: Einzelaspekte Das Konzept der Aufgabenorientierung kann deshalb durchaus als neuer Ansatz (der in leicht divergierenden Versionen vertreten wird) mit eigenem Profil gelten. Seine Innovationskraft, aber auch seine Brisanz gewinnt er durch die Fokussierung auf die Aufgabe als Zentrum des didaktischen Denkens, darüber hinaus durch seine Stoßrichtung, die sich nicht zuletzt in seiner didaktischen Selektivität zeigt: Wesentliche Bausteine des traditionellen Unterrichts, v. a. die lehrerzentrierte Anlage der Unterrichtsarbeit, sind in diesem Konzept nicht zu finden oder werden zumindest entscheidend marginalisiert. Eine Konsequenz aus der spezifischen Konstruktion dieses Ansatzes ist, dass der Begriff der Aufgabe nicht ein für alle Mal konkret definiert werden kann. Aufgaben spiegeln didaktische Konzepte und Überzeugungen wider, mit diesen variieren auch die Kriterien, nach denen Aufgaben angelegt und beurteilt werden. Als übergreifendes Konzept bleibt der Ansatz zudem zwangsläufig allgemein, ein Rahmen für die Entwicklung von konkreten Aufgabenstellungen und Curricula. Aufgaben sind in diesem Konzept Instrumente zur Gestaltung unterrichtlicher Lehr-/ Lernhandlungen, sie sind entscheidend für deren Professionalität und Effizienz. Es mag Gründe geben, auch das, was sich jemand individuell vornimmt, als eine (selbstgestellte) Aufgabe zu bezeichnen. Damit ist jedoch das Terrain des Unterrichts verlassen, das für die hier geführte Diskussion zentral ist.
3. Merkmale von Augaben Die Begründer des aufgabenorientierten Unterrichts stehen weitgehend in der Tradition der kommunikativen Didaktik, an deren Grundlagen und Zielen sie sich orientieren. Zusätzlich integrieren sie Einsichten, die sich aus der neueren Forschung zum Spracherwerb, aus kognitivistischen und konstruktivistischen Lerntheorien und aus der empirischen Erforschung des Fremdsprachenunterrichts ergeben haben. Skehans kurze Charakterisierung nennt die vielleicht wichtigsten Merkmale von Aufgaben, die sich vor diesem Hintergrund ergeben: „A task is an activity which requires learners to use language, with emphasis on meaning, to attain an objective.“ (Skehan 2003: 3) Es existiert eine Vielzahl von Versuchen, die wesentlichen Merkmale von Aufgaben zu erfassen. Sie unterscheiden sich sowohl in der Zahl der Merkmale wie auch in den Details der Formulierung, mit der die in der Definition Skehans festgehaltenen Umrisse eines auf Sprachgebrauch beruhenden Unterrichts im Hinblick auf seine didaktischen Implikationen entfaltet werden. Nach Ellis sind tasks durch sechs konstitutive Merkmale charakterisiert: ⫺ eine Aufgabe muss zu einem klar definierten Ziel führen; ⫺ die Aufgabe umfasst einen Arbeitsplan (oder kann in einen solchen entfaltet werden); ⫺ die Aufgabe ist bezogen auf einen Inhalt, ein sprachlich gefasstes bzw. in Sprache fassbares Thema; ⫺ die Lernenden müssen, um die Aufgabe lösen zu können, kognitive Aktivitäten ausführen (Selegieren, Evaluieren, Ordnen von Information, Schlüsse ziehen etc.); ⫺ die geforderte Sprachverwendung soll authentisch sein oder zumindest Momente authentischer Sprachverwendung erfordern; ⫺ die Aufgabe kann dazu verwendet werden, zusätzlich spezifische sprachliche Phänomene bzw. spezifische Einzelfertigkeiten zu thematisieren (nach Ellis 2003: 9⫺16).
130. Aufgabenorientierung
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In diesen Beschreibungen wird deutlicher als in der Kurzcharakterisierung Skehans, dass Aufgaben konzipiert werden als Kontexte, die die Lernenden für eine gewisse Zeit zu eigenständigem und selbstorganisiertem sprachlichem Handeln anhalten. Darin wird ein Impetus sichtbar, der diesen Ansatz in allen seinen Versionen prägt: Es geht darum, dem oft kleinschrittigen, lehrerzentrierten Unterrichtsdiskurs ein alternatives Modell des unterrichtlichen Sprachhandelns entgegenzusetzen. Dieses soll den Lernenden erlauben, sich im Lernfeld zu orientieren und den eigenen Lernprozess zu gestalten. Die Aufgabe als rahmensetzende Instanz sichert dabei einen gemeinsamen Fokus und vergleichbare Ergebnisse trotz der im Einzelnen höchst individuellen Lösungswege. Allerdings hat diese Grundlegung die Konsequenz, dass das Verhältnis dieses Ansatzes zu formaler Sprachbetrachtung und zu vielen traditionell als „Übungen“ bezeichneten Verfahren ein wichtiges und problematisches Thema ist (vgl. dazu Ellis 2003, Kap. 5; Nunan 2004: 93⫺112). Man kann Merkmalskataloge wie die von Ellis als Versuche sehen, die ideale Grundform von Aufgaben herauszuarbeiten. Dabei bleiben zwangsläufig bestimmte für den Unterricht wichtige Aspekte an der Auseinandersetzung mit Sprache eher implizit, die in anderen Zusammenhängen als besonders wichtig hervorgehoben werden. Dazu gehören etwa: ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Kommunikation zwischen den Lernenden als Bestandteil oder als Ziel von Aufgaben; die Notwendigkeit begleitender Sprachaufmerksamkeit bzw. Sprachreflexion; Fertigkeitenintegration bzw. Mehrfachverarbeitung; Differenzierung und Individualisierung im Rahmen der Gesamtaufgabe; Flüssigkeit der Sprachverwendung als Hauptziel; die Wünschbarkeit metakognitiver Momente im Rahmen der Arbeit und danach; die Unterscheidung von Arbeitsplan und letztlich realisiertem Arbeitsgang; die Unterscheidung von Resultat (dem Produkt der Arbeit) und Ergebnis (dem Lernertrag); ⫺ die Unterscheidung zwischen Aufgabenformulierung und den mit der Aufgabe verbundenen didaktischen Intentionen usw. Trotz der vielen Unterschiede im Einzelnen würden wohl die meisten VertreterInnen eines aufgabenorientierten Unterrichts dem folgenden Minimalkatalog zustimmen können. Er macht insbesondere die heute wohl weitgehend unbestrittene Einschätzung von Lernen als einem sozial situierten, aktiven (bzw. konstruktiven) und zumindest teilweise bewussten Prozess deutlich ⫺ und formuliert zugleich die didaktischen Konsequenzen daraus: a) Mit Aufgaben werden fremdsprachendidaktische Ziele verfolgt (d. h.: sie müssen curricular eingebunden oder zumindest einbindbar sein); b) Aufgaben geben ein zu erreichendes Ziel vor, sie sind produktorientiert; c) sie erlauben es den Lernenden, den Arbeitsprozess im Rahmen der Vorgaben selbst zu organisieren und zu steuern, auch müssen die Lernenden die Tauglichkeit ihrer Lösungen zunächst selber beurteilen; d) sie erfordern eine Auseinandersetzung mit einem Thema im Medium der Sprache, und sie beinhalten kommunikative Aktivitäten oder führen auf solche hin; e) sie induzieren auf dem Weg zur Erreichung des Ziels Momente der Sprachaufmerksamkeit, in denen der adäquate rezeptive oder produktive Gebrauch der Sprache thematisiert wird.
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XII. Sprachen lehren: Einzelaspekte
4. Ergänzungen und Fragen Wichtige Punkte für die weitere Beschäftigung mit dem Ansatz sind u. a.: ⫺ Aufgaben im oben diskutierten Sinn stehen im Zentrum der Diskussion. In den Überlegungen der Proponenten dieses Ansatzes spielen zusätzlich auch sog. pre-task- und post-task-Aktivitäten eine wichtige Rolle. Ohne die Berücksichtigung von deren Potenzialen ist eine sinnvolle gesamthafte Beurteilung des Ansatzes kaum möglich (vgl. dazu Müller-Hartmann und Schocker-von Ditfurth 2005a). ⫺ Authentizität gehört zu den gewichtigen Forderungen an Aufgaben. Je nachdem, wie dieser Begriff genau gefasst wird, kann die Beurteilung von Aufgaben höchst unterschiedlich ausfallen. ⫺ In den ursprünglichen Versionen des Ansatzes wird der mündliche Sprachgebrauch und die Förderung der Flüssigkeit in den Vordergrund gestellt. Angesichts der Traditionen der kontinentalen Sprachdidaktik und der sich entwickelnden Formen einer literalen Didaktik auch im fremdsprachlichen Bereich wird dieser Aspekt des aufgabenorientierten Unterrichts sicherlich noch expliziter Bearbeitung bedürfen (vgl. die Beiträge in Bausch et al. 2007). ⫺ Angesichts der Wichtigkeit, die der Bedeutungsorientierung zugemessen wird, stellt sich die Frage nach der Möglichkeit strukturierter Arbeit an Grammatik im Rahmen dieses Ansatzes (dazu auch Willis 1996; Littlewood 2000). Entsprechend wichtig werden anschließbare Zugänge, wie sie etwa in Überlegungen zur Förderung des (schriftlichen) Outputs oder zur Formfokussierung (focus on form) zum Ausdruck kommen (vgl. Swain 1995; Doughty und Williams 1998). ⫺ Ein Problem, das sich in der Entwicklung von Unterrichtsmaterial ergibt, ist die Verfolgung übergreifender curricularer Ziele über längere Sequenzen von Aufgaben hinweg. Wichtige Impulse liefern hier der Szenario- und Projektansatz (Di Pietro 1987; Legutke 1991: Kap. 5 und 6; vgl. Art. 131). ⫺ Viele Aspekte des aufgabenorientierten Unterrichts bedürfen empirischer Untersuchung. In Ansätzen sind Lernprozesse und Lerneffekte untersucht worden (z. B. Eckerth 2003). ⫺ Aufgabenorientierung ist als Thema für die Lehrerbildung ein erst in Ansätzen erschlossener Bereich.
5. Literatur in Auswahl Bausch, Karl-Richard, Eva Burwitz-Melzer, Frank G. Königs und Hans-Jürgen Krumm (Hg.) 2006 Aufgabenorientierung als Aufgabe. Arbeitspapiere der 26. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Narr. Bausch, Karl-Richard, Eva Burwitz-Melzer, Frank G. Königs und Hans-Jürgen Krumm (Hg.) 2007 Textkompetenzen. Arbeitspapiere der 27. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Narr. Di Pietro, Robert J. 1987 Strategic Interaction. Learning Languages through Scenarios. Cambridge: Cambridge University Press.
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Doughty, Catherine und Jessica Williams (Hg.) 1998 Focus on Form in Classroom Second Language Acquisition. Cambridge: Cambridge University Press. Eckerth, Johannes 2003 Fremdsprachenerwerb in aufgabenorientierten Interaktionen. Tübingen: Narr. Ellis, Rod 2003 Task-Based Language Learning and Teaching. Oxford: Oxford University Press. Legutke, Michael und Howard Thomas 1991 Process and Experience in the Language Classroom. London: Longman. Littlewood, William 2000 Task-based learning of grammar. Teaching and Learning Update 1: 40⫺57. Müller-Hartmann, Andreas und Marita Schocker-v. Ditfurth 2005a Aufgabenorientierung im Fremdsprachenunterricht: Entwicklungen, Forschung und Praxis, Perspektiven. In: Andreas Müller-Hartmann und Marita Schocker-v. Ditfurth (Hg.), Aufgabenorientierung im Fremdsprachenunterricht. Task-Based Language Learning and Teaching. Festschrift für Michael Legutke, 1⫺51. Tübingen: Narr. Müller-Hartmann, Andreas und Marita Schocker-von Ditfurth (Hg.) 2005b Aufgabenorientierung im Fremdsprachenunterricht. Task-Based Language Learning and Teaching. Festschrift für Michael Legutke. Tübingen: Narr. Nunan, David 1989 Designing Tasks for the Communicative Classroom. Cambridge: Cambridge University Press. Nunan, David 2004 Task-Based Language Teaching. Cambridge: Cambridge University Press. Skehan, Peter 1998 A Cognitive Approach to Language Learning. Oxford: Oxford University Press. Skehan, Peter 2003 Tasked-based instruction. Language Teaching 36: 1⫺14. Swain, Merrill 1995 Three functions of output in second language learning. In: Guy Cook und Barbara Seidlhofer (Hg.), Principle and Practice in Applied Linguistics, 125⫺144. Oxford: Oxford University Press. Willis, Jane 1996 A Framework for Task-Based Learning. Harlow: Longman.
Paul Portmann-Tselikas, Graz (Österreich)
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XII. Sprachen lehren: Einzelaspekte
131. Projektorientierung 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
Definition Projektunterricht in der Fremdsprachendidaktik Phasen der Projetkarbeit Inhalte Produkte Rollenverteilung und Entscheidungsprozesse Lerneffekte Literatur in Auswahl
1. Deinition Die Idee, Unterricht in Form von Projekten zu organisieren, zeichnet sich durch eine bemerkenswerte Langlebigkeit und Beharrlichkeit aus. Durch John Dewey und William Heard Kilpatrick (1935) zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Project Method in den pädagogischen Diskurs eingeführt, überstand der Projektunterricht alle didaktischen Strömungswechsel der vergangenen Jahrzehnte. Dass seine Attraktivität und Aktualität bis heute ungebrochen erscheinen, muss zu einem Teil allerdings der Unbestimmtheit des Begriffes zugeschrieben werden (Oelkers 1997: 22), denn zu keinem Zeitpunkt seiner langen Geschichte gab es eine einheitliche Theorie des Projektunterrichts. Ein weitgehender Konsens besteht jedoch darüber, Projekte als zeitlich begrenzte und auf ein bestimmtes Ziel oder Produkt gerichtete Unternehmungen im Rahmen von institutionalisierten Lehr- und Lernprozessen zu verstehen, bei denen die selbständige Aktivität der Lernenden eine herausgehobene Rolle spielt. Grundlegend ist dabei die Annahme, dass das Lernen durch eine handelnde, verschiedene Fertigkeiten integrierende Auseinandersetzung mit komplexen Situationen begünstigt wird. Die praktische Erfahrung, gewonnen in eigenverantwortlich gestalteten Problemlösungs- oder Aushandlungsprozessen, bildet daher den Dreh- und Angelpunkt von Unterrichtsprojekten.
2. Projektunterricht in der Fremdsprachendidaktik In der Fremdsprachendidaktik wurde der Projektunterricht deutlich später als in anderen Fachdidaktiken rezipiert. Zwar gab es im deutschsprachigen Raum bereits in den 1980er Jahren erste Bestrebungen, die Projektidee auch für das Lehren und Lernen von Fremdsprachen fruchtbar zu machen (vgl. Legutke 2006), aber erst die neuen Medien weckten mit ihrem Potenzial für die neuartige Gestaltung von Unterrichtsprozessen in den letzten Jahren ein nachhaltiges Interesse an diesem Thema. Die theoretische Grundlage für den Einsatz von Projekten im Fremdsprachenunterricht findet sich bereits in der für die kommunikative Fremdsprachendidaktik der 1970er Jahre zentralen Überzeugung, dass Lernende ⫺ sollen sie auf die fremdsprachliche Handlungsfähigkeit außerhalb des Klassenraums vorbereitet werden ⫺ bereits während des Unterrichts die Möglichkeit erhalten müssen, sich mit Hilfe der Fremdsprache über
131. Projektorientierung
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relevante Themen auszutauschen, eigene Intentionen, Gedanken und Gefühle auszudrücken oder in konkreten Situationen Handlungsabsichten zu realisieren. Eine von den Beteiligten als sinnvoll erlebte Interaktion und die Auseinandersetzung mit bedeutungsvollen Inhalten stellen daher die zentralen Kriterien bei der Unterrichtsplanung dar (vgl. Kumaravadivelu 2006: 134). Eine nahe liegende Möglichkeit, diese Konzeption in Praxis zu übersetzen, besteht darin, den Unterricht als eine Abfolge von Aufgaben (tasks) zu organisieren. Im Unterschied zu Übungen (exercises) handelt es sich hierbei um inhaltsbezogene und ergebnisoffene Lernaktivitäten, die ohne eine gewisse kreative Eigenleistung der Lernenden nicht bewältigt werden können. Vor diesem Hintergrund kann ein Projekt als maxi-task (Nunan 2004: 75) beschrieben werden: Einzelne Teilaufgaben werden in einem zeitlich begrenzten Rahmen derart aneinander gekoppelt, dass sie die Lerngruppe sukzessive einem vorab formulierten, gemeinsamen Ziel näher bringen. Im Kontext der kommunikativen Fremdsprachendidaktik liegt die Besonderheit des Projektunterrichts somit darin, dass er durch seine Zielorientierung bei gleichzeitiger Öffnung von Freiräumen für die Lernenden Bedingungen schafft, unter denen die Motivation zum sprachlichen Handeln von den Inhalten ausgeht. Solche kommunikativen Ernstfälle lassen sich auf sehr unterschiedliche Art und Weise verwirklichen. So können mit E-Mail- oder Interview-Projekten die Grenzen des Klassenraums durchlässiger gestaltet bzw. überschritten werden. Aber auch eine situative Einbettung des Sprachgebrauchs innerhalb des Unterrichts ist realisierbar, etwa in Form von Simulationen oder im Rahmen inhaltsorientierter bzw. themenzentrierter Arbeitsphasen. Projekte sind ein sehr flexibles Instrument der Unterrichtsgestaltung und lassen sich mit einer Vielzahl von Zielen, Aufgabentypen oder Sozialformen vereinbaren. Dies macht es einerseits zwar sehr schwierig, den Projektunterricht eindeutig begrifflich zu fassen, doch bezieht er andererseits gerade aus seiner großen Anpassungsfähigkeit an lokale Bedingungen sein besonderes Potenzial (vgl. Schart 2003: 67). Die Veröffentlichungen zum Projektunterricht können zwei Kategorien zugeordnet werden: Auf der einen Seite findet sich eine äußerst umfangreiche Zahl erzählender Beschreibungen von Unterrichtsprojekten, von denen zweifellos eine inspirierende Wirkung ausgeht. Zugleich sind diese Darstellungen aber auch problematisch, weil sie nicht auf systematisch reflektierten Beobachtungen beruhen, sich auf die Perspektive der Lehrenden beschränken und vor allem zum überwiegenden Teil nur den Erfolg, nicht aber das Scheitern thematisieren. Diesen Texten stehen auf der anderen Seite vielfältige Versuche gegenüber, den Projektunterricht in Form von Modellen und Typologien theoretisch zu fassen, was der folgende Überblick verdeutlichen soll.
3. Phasen der Projektarbeit Freys (2007) Modell einer „Projektmethode“ stellt zweifellos den bekanntesten Versuch im deutschsprachigen Raum dar, den Projektunterricht in einzelne Phasen aufzugliedern und damit Lehrenden ein Planungswerkzeug an die Hand zu geben. Der Projektunterricht wird bei Frey zu einem Algorithmus, der sich scheinbar losgelöst von Zielen und Inhalten anwenden lässt. Speziell für den Fremdsprachenunterricht entwickelte Stoller (2002: 112) ein sehr ähnliches Modell in 10 Stufen: 1. Thema verabreden; 2. Zielsetzung
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XII. Sprachen lehren: Einzelaspekte verabreden; 3. Projekt strukturieren; 4. Schritt 5 sprachlich vorbereiten; 5. Informationen einholen; 6. Schritt 7 sprachlich vorbereiten; 7. Informationen analysieren und aufbereiten; 8. Schritt 9 sprachlich vorbereiten; 9. Ergebnisse präsentieren; 10. Evaluieren. Sofern sie nicht als Rezeptologie missverstanden werden, bieten Modelle dieser Art Lehrenden und Lernenden eine hilfreiche Grundlage für die Konzeption eines eigenen, den jeweiligen Gegebenheiten angepassten Ablaufplans. Sie bergen jedoch zugleich die Gefahr, den Projektunterricht auf eine Technik zu verengen und die Phasenfolgen überzubetonen, was leicht zu routinenhaftem und monotonem Unterricht führen kann.
4. Inhalte Einen weiteren wichtigen Ansatzpunkt für eine Systematisierung bietet die Frage nach der inhaltlichen Gestaltung eines Projekts. Anhand dieses Kriteriums werden zum Beispiel Textprojekte (Erstellen einer Kurs-Homepage, globale Simulationen, u. ä.), Korrespondenzprojekte (z. B. E-Mail-Partnerschaften), Umfrageprojekte oder Begegnungsprojekte (z. B. das „Airport-Projekt“ von Legutke 2006, bei dem Schülerinnen und Schüler auf dem Flughafen in Frankfurt Interviews auf Englisch mit Passagieren führen) voneinander unterschieden. Eine Typologie, die allerdings nur bedingt überzeugen kann, denn die gebildeten Kategorien sind keineswegs trennscharf. Je nach Thema und Zielsetzung bringt die Praxis eher diverse Mischformen dieser Projekttypen hervor.
5. Produkte Zu den umstrittenen Punkten in den Debatten um den Projektunterricht zählt die Frage, ob als Ergebnis ein materielles Produkt angestrebt werden sollte. Das betrifft insbesondere den Fremdsprachenunterricht, vollzieht sich das Lernen dort doch vor allem über kommunikative Prozesse, in denen Situationen gemeinsam gedeutet und ausgehandelt werden. Die daraus resultierenden Einsichten oder Verhaltensänderungen lassen sich aber weit schwieriger dokumentieren als handwerkliche Tätigkeiten. Es erscheint somit folgerichtig, dass Stoller (2002: 111) auch Aufführungen (z. B. Theaterstücke), Veranstaltungen (z. B. Diskussionsrunden) oder organisatorische Strukturen (z. B. den Aufbau eines Austauschprogramms) als mögliche „Produkte“ der Projektarbeit im Fremdsprachenunterricht betrachtet.
6. Rollenverteilung und Entscheidungsprozesse Die Rollenverteilung gehört zu jenen Gesichtspunkten, denen in den Beschreibungen des Projektunterrichts eine zentrale Bedeutung zukommt, denn um Freiräume für die Selbsttätigkeit der Lernenden zu öffnen, müssen Lehrende ihr Planungsmonopol aufgeben. Häufig werden die daraus resultierenden neuen Rollen in Metaphern beschrieben, so etwa werden Lehrende zu Moderatoren oder Lernbetreuern. Das sind jedoch eher
131. Projektorientierung
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pädagogische Leitbilder als Planungshilfen. Beispielsweise kann das häufig thematisierte Problem der Leistungsbewertung auf dieser Ebene nicht geklärt werden. Für ein besseres Verständnis des Projektunterrichts erscheint deshalb ein deskriptiver Zugang weitaus zweckdienlicher zu sein als ein normativer. Stollers (2002) Unterscheidung in strukturierte, halbstrukturierte und unstrukturierte Projekte wirkt allerdings zu ungenau. Verständlicher lässt sich das Verhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden beschreiben, wenn man die für ein Projekt notwendigen Entscheidungsprozesse in den Blick nimmt (vgl. Hackl 1994; Schart 2003). Dabei wird deutlich, dass sich bei jedem einzelnen Schritt in einem Projektverlauf die Rollenverteilung neu gestalten kann. Wichtig bei diesem Ansatz ist die Überlegung, dass alle den Projektunterricht betreffenden Entscheidungen zwei Domänen zugeordnet werden können. Da sind zum einen die normativen Entscheidungen. Sie regeln die grundlegenden Fragen von Macht und Mitbestimmung im Klassenraum (z. B. die Orte, Zeiten und Ziele für das Lernen, die Gruppengröße, die Arbeitsformen oder die Bewertungsmaßstäbe). Diese normativen Entscheidungen lassen sich von den operativen abgrenzen, bei denen es darum geht, innerhalb bereits gesetzter Grenzen einzelne Lernprozesse zu gestalten (z. B. die Gliederung einer Aufgabe und die Verteilung von Teilaufgaben in einer Gruppe, die Zeitplanung, die Koordination oder das Konfliktmanagement innerhalb von Gruppen). Auf der Grundlage dieser Zweiteilung können die unterschiedlichen Facetten von Mitbestimmung und Autonomie für ein konkretes Projekt beschrieben bzw. geplant werden (vgl. Schart 2003: 81⫺88).
7. Lerneekte Dieser Aspekt führt zum neuralgischen Punkt des Projektunterrichts, denn der Vielzahl an theoretischen Überlegungen und Erfahrungsberichten steht nur eine verschwindend geringe Zahl empirischer Untersuchungen gegenüber. Die mit dieser Unterrichtsform verknüpften positiven Lerneffekte tragen daher häufig hypothetischen Charakter. Mit ihrem Project Framework unternehmen Beckett und Slater (2005) den Versuch, die potenziellen Lerneffekte von Projektunterricht aus der Perspektive der Beteiligten mit Hilfe eines Evaluationsbogens systematisch darzustellen. Und in einer Fallstudie machen sie deutlich, dass dieses Modell ein sehr hilfreiches Werkzeug bei der Planung und Reflexion von Projekten darstellen kann. Um zu umfassenden Aussagen über die Lernprozesse im Projektunterricht zu kommen, sind jedoch weitaus komplexere Untersuchungsdesigns notwendig, an denen nach wie vor Mangel besteht. Die Erkenntnisse, die aus den wenigen empirische Forschungen zu diesem Thema bisher hervorgegangen sind, lassen es angebracht erscheinen, den Projektunterricht nicht mit überhöhten Erwartungen zu belasten. Mit Blick auf die Lehrenden zeigen diese Studien (Schart 2003, vgl. auch Beckett 2006), dass sich Projekte aus gegensätzlichen Perspektiven sinnvoll arrangieren und mit vielen Zielen und Aktivitäten zweckmäßig verknüpfen lassen. Lehrende interpretieren die Projektidee auf der Grundlage ihres beruflichen Selbstverständnisses. Sie formen sich ihre eigene, für sie praktikable Projektkonzeption, indem sie diese weitestgehend widerspruchsfrei mit ihren Vorstellungen eines effektiven Fremdsprachenunterrichts verschmelzen. Dabei erfahren einzelne Aspekte besondere Aufmerksamkeit, während andere vernachlässigt oder weitgehend ausgeblendet werden. Entsprechend vielfältig fallen die Lehrziele aus, die mit dieser Unterrichtsform
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XII. Sprachen lehren: Einzelaspekte verbunden werden und die sich auch sehr stark von den Erwartungen unterscheiden können, mit denen die Lernenden in den Unterricht kommen. Hoffmann (2008) zeigt in ihrer Studie, wie schwierig es ist, Lerneffekte zu planen, da einzelne Lernende die komplexen Aktivitäten der Projektarbeit sehr unterschiedlich als Lernmöglichkeit auslegen und nutzen. Vor dem Hintergrund solcher Ergebnisse erscheinen longitudinale Studien notwendig, die auf das individuelle Lernen im Projektunterricht ebenso fokussieren wie auf die sozialen und kommunikativen Prozesse. Nur so wird sich klären lassen, in welcher Form Projekte tatsächlich einen Beitrag für das Erlernen einer Fremdsprache in unterschiedlichen institutionellen Kontexten leisten können.
8. Literatur in Auswahl Beckett, Gulbahar H. 2006 Project-based and foreign language education: theory, research, and practice. In: Gulbahar H. Beckett und Paul Chamness Miller (Hg.), Projct-Based Second and Foreign Language Education, 3⫺18. Greenwich: Information Age Publishing. Beckett, Gulbahar H. und Tammy Slater 2005 The project framework: a tool for language, content, and skills integration. English Language Teaching Journal 59(2): 108⫺116. Dewey, John und William H. Kilpatrick (Hg.) 1935 Der Projekt-Plan. Grundlegung und Praxis. Weimar: Böhlau. Frey, Karl 2007 Die Projektmethode. Der Weg zum bildenden Tun. 9. überarbeitete Auflage. Weinheim: Beltz. Hackl, Bernd 1994 Forschung für die pädagogische Praxis. Wien: Österreichischer Studienverlag. Hoffmann, Sabine 2008 Fremdsprachenlernprozesse in der Projektarbeit. Tübingen: Narr. Kumaravadivelu, B. 2006 Understanding Language Teaching. From Method to Postmethod. Mahwah, NJ: Lawrence Earlbaum. Legutke, Michael 2006 „Projekt Airport ⫺ Revisited: Von der Aufgabe zum Szenario.“ In: Almut Küppers und Jürgen Quetz (Hg.), Motivation Revisited. Festschrift für Gert Solmecke, 71⫺80. Berlin: LIT Verlag. Nunan, David 2004 Task-Based Language Teaching. Cambridge: Cambridge University Press. Oelkers, Jürgen 1999 Geschichte und Nutzen der Projektmethode. In: Dagmar Hänsel (Hg.), Handbuch Projektunterricht, 13⫺30. Weinheim: Beltz. Schart, Michael 2003 Projektunterricht ⫺ subjektiv betrachtet. Eine qualitative Studie mit Lehrenden für Deutsch als Fremdsprache. Baltmannsweiler: Schneider. Stoller, Fredricka L. 2002 Project work: a means to promote language and content. In: Jack C. Richards und Willy A. Renandya (Hg.), Methodology in Language Teaching, 107⫺120. Cambridge: Cambridge University Press.
Michael Schart, Tokyo (Japan)
132. Sprachlernspiele
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132. Sprachlernspiele 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
Fragmentarische Bestandsaufnahme Positionierung Begriffsbestimmung Spieltypologie und Spielarten Spielziele und Lernziele Altersgemäßer Einsatz Funktionalität und Effizienz Fazit Literatur in Auswahl
1. Fragmentarische Bestandsaunahme Lernen und Spielen im Fremd- oder Zweitsprachenunterricht? Das erste wird im Prinzip nicht angezweifelt, das zweite dagegen verursacht des Öfteren Einwände. Bereits in der Vergangenheit wurden Spiele oftmals als altersspezifische soziale Erscheinungsform der Kindheit betrachtet, was zur auch heute noch bekannten Dichotomie führte, Kinder durften spielen, Jugendliche und Erwachsene dagegen nicht (mehr). Dieser dichotome Standpunkt kann bei Kant, Buytendijk, Schaller, Stern, Schleiermacher, Freud u. a. nachgewiesen werden (vgl. Kacjan 2003: 15⫺20). Der ablehnenden Meinung schlossen sich in der Geschichte der Pädagogik auch einige bekannte Pädagogen an, wie z. B. der Gnostiker Klemens von Alexandreia (ca. 150⫺215 n. Chr.), der Spiele allgemein ablehnte, oder Jacqueline Pascal, die Spiele bzw. den Entzug der Spiele als Disziplinierungsmaßnahme missbrauchte. Dem gegenüber betont Groos (1922) vor allem die funktionalen Aspekte der Spiele, er spricht z. B. von der Einübungs-, Ergänzungs- und Erholungsfunktion der Spiele, die je nach Alter der Spielenden unterschiedlich stark in den Vordergrund treten. In der Fremdsprachendidaktik und -methodik werden spätestens seit der kommunikativen Wende und den Diskussionen um das frühe Fremdsprachenlernen didaktische Spiele thematisiert, aber ebenfalls in dichotomischer Manier. Sie wurden zwar als Lernmittel bei Kindern gepriesen, eine systematische theoretische Fundierung blieb aber aus. Selbst heute gibt es nur wenige umfassende und systematische Spieltypologien (vgl. Meyer 1987; Dauvillier und Le´vy-Hillerich 2004; Kacjan 2008), aber zahlreiche Versuche, eine begrenzte Auswahl bestimmter, im DaF-/DaZ-Unterricht einsetzbarer didaktischer Spiele sprachdidaktisch zu kategorisieren (Lohfert 1983; Behme 1988; Pfau und Schmid 2001; Europarat 2001 u. a.). Die begrenzte Spielauswahl vermittelt auf den ersten Blick zwar ein systematisches Bild, bei genauerer Betrachtung wird allerdings deutlich, dass es sich nur um einen fragmentarischen Ausschnitt aus dem Gesamtbild der Sprachlernspiele handelt. Der Einsatz von Sprachlernspielen im DaF-/DaZ-Unterricht hängt von vielen verschiedenen Aspekten ab, die wichtigsten werden im Folgenden etwas näher erläutert.
2. Positionierung Die Begriffe „Spiel“ und „spielen“ werden in sehr vielen Bereichen des Lebens verwendet. Insbesondere der Begriff „Spiel“ wird oft in Zusammensetzungen oder metaphorisch
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XII. Sprachen lehren: Einzelaspekte verwendet, dazu gehören sehr unterschiedliche Bereiche wie Kinderbeschäftigungen (Kinderspiele), Sport (Spieler), Literatur (Lustspiel ), Ästhetik (Spieltrieb), Malerei (Spiel des Lichts und des Schattens), bildende Kunst (Spiel- und Standbein einer Statue), Technik (Spielraum), Medizin (Spielsucht), Sprachphilosophie (Sprachspiel ), Mathematik (Spieltheorie), Lernen (didaktische Spiele) u. a. (vgl. Kacjan 2008). Die evidente Interdisziplinarität und weite Verbreitung des Begriffs ist ein ernst zu nehmender Hinweis, dass das Phänomen Spiel stets genau und situationsgebunden betrachtet werden muss.
3. Begrisbestimmung In Anbetracht der Vielfältigkeit der Erscheinungsformen der Spiele ⫺ auch der Sprachlernspiele ⫺ kann keine für alle Spiele gültige Definition gegeben werden, aber es soll dennoch versucht werden, den Begriff näher zu bestimmen. Spiele sind freiwillige, affektbesetzte, geistige oder körperliche Aktivitäten, die von dem/den Spielenden als Spiel bezeichnet werden. Sie werden intensiv und ernsthaft einzeln, in Paaren oder Gruppen durchgeführt. Spiele sind zweckfrei, erfüllen aber unterschiedliche Funktionen. Sie finden in einer räumlich und zeitlich festgelegten Spielwelt statt, die sich von der realen Lebenswelt unterscheidet, und haben unter normalen Umständen keine negativen Auswirkungen auf den Spielenden oder Folgen für ihn und seine Umgebung. Spiele haben keine Zeitgrenzen, sie finden zwar in der Gegenwart statt, können sich aber außer auf die Gegenwart auch auf die Vergangenheit und/oder die Zukunft beziehen. Ebenso können sie plötzlich einsetzen und abrupt aufhören, ohne dadurch an Wert zu verlieren. Wichtige Elemente der Spiele sind der Zufall, das Fällen von persönlichen Entscheidungen und häufige Wiederholungen mit variierenden Fortsetzungen, die die für Spiele typische Spannung aufbauen. Alle Spiele haben als weiteres Strukturmerkmal verbindliche Regeln, die von dem/den Spielenden entweder im Voraus bestimmt oder während des Spiels festgelegt, entwickelt und/oder variiert werden. Spiele erfüllen wichtige didaktische Funktionen: Sie befriedigen die Spiellust, erleichtern das Lernen, beschäftigen und fördern die Fantasie, steigern die Motivation und fördern das Selbstvertrauen der Spielenden (vgl. Kacjan 2003: 48⫺49). Diese Funktionen werden durch eine fremdsprachliche Didaktisierung der Spiele bewusst und verstärkt verfolgt. Die herrschende Begriffsvielfalt im Bezug auf Sprachlernspiele, die für das DaF-/ DaZ-Lernen eingesetzt werden können, weist auf ein akutes terminologisches Problem hin: Die zahlreichen Begriffe werden teilweise synonym verwendet, obwohl mit ihnen prinzipiell unterschiedliche Spiele bezeichnet werden. Das Problem gründet in der fehlenden klaren Bedeutungsbegrenzung der Begriffe, da selbst die aktuelle Fachliteratur zu den Sprachlernspielen nicht einheitlich ist. Sie werden als Spiele, Sprachspiele, spielerische Aktivitäten, aktuelle Spielformen für die Schule, Unterrichtsmittel, Aktivitäten mit bestimmten Regeln, Sprachlernspiele oder noch anders bezeichnet (vgl. Kacjan 2003, 2008). Da die Bezeichnungen Spiel und didaktisches Spiel zu allgemein sind und das Sprachspiel von Wittgenstein (1918/1989) sprachphilosophisch geprägt wurde, erscheint die Bezeichnung Sprachlernspiel am ehesten geeignet, als Sammelbezeichnung für alle diejenigen didaktischen Spiele verwendet zu werden, mit deren Hilfe eine Sprache im institutionellen Kontext erlernt wird (Kleppin 2003; Kacjan 2008).
132. Sprachlernspiele
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4. Spieltypologie und Spielarten Die Erstellung einer umfassenden Spieltypologie für das Sprachenlernen ist ein schwieriges Unterfangen, das sehr stark vom Blickwinkel des Betrachters abhängt. Aus diesem Grunde kann man auf dem Markt zwar zahlreiche gute Spielesammlungen finden, die aber nur äußerst selten theoretisch fundiert sind (vgl. Kacjan 2003: 64⫺70). Meist sind das tatsächlich nur Sammlungen von erprobten Spielen, die zwar eine interessante und brauchbare Datenbank ergeben, aber weder repräsentativ noch umfassend sind. Um dieses Desiderat zu beheben, soll versucht werden, eine systematische Einteilung der Sprachlernspiele vorzunehmen, da verschiedene von ihnen gewisse Ähnlichkeiten aufweisen, die in die Vielfalt der Sprachlernspiele zumindest ein gewisses System bringen können. Die Sprachlernspiele können in vier große Kategorien eingeteilt werden, die dann noch weiter in unterschiedlich viele Spielarten und Spielunterarten differenziert werden können. Zur ersten Kategorie gehören die Bewegungsspiele, deren gemeinsames Charakteristikum in der beteiligten Bewegung liegt, d. h. körperliche Bewegung in irgendeiner Form ist ein konstitutiver Aspekt dieser Sprachlernspiele. Je höher das Bewegungspotenzial der einzelnen Spielunterarten, desto geringer ist der Umfang des sprachlichen Materials, das in das Spiel integriert werden kann. Die zweite Kategorie bilden die so genannten Sprachelementspiele, in denen mit der Sprache selbst, also den konstruktiven und konstitutiven Elementen der Sprache gespielt wird und die vor allem in der Festigungsphase einer Unterrichtseinheit eingesetzt werden können. Die kommunikativen Spiele bilden die dritte Kategorie der Sprachlernspiele, wobei die Sprache in kommunikativer Funktion verwendet wird. Die vierte Kategorie nennt sich das darstellende Spiel, da bei diesen Spielen vor allem der Darbietungscharakter im Vordergrund steht und sie, wie die kommunikativen Spiele, überwiegend in der Transferphase einer Unterrichtseinheit eingesetzt werden können.
5. Spielziele und Lernziele Jedes Sprachlernspiel besitzt ein leicht erkennbares inhärentes Spielziel, sei es die meisten Punkte o. Ä. zu erreichen, als Erste(r) fertig zu werden oder gemeinsam etwas Neues zu schaffen. Bedeutend schwieriger und unumgänglich ist dagegen die Bestimmung des Lernziels. In den zahlreichen Spielesammlungen sind die Lernzielbestimmungen zu den Sprachlernspielen meist relativ ungenau. Ein Sprachlernspiel soll beispielweise dem Wortschatzerwerb dienen, aber es wird nicht genauer spezifiziert, welcher Teilaspekt des Wortschatzerwerbs gefördert wird. Das Lernziel kann auch genauer bestimmt werden: Ein zweiseitiges Dominospiel, bei dem Wörter und Bilder zugeordnet werden müssen (das Buch ⫺ (Bild eines Buches)), kann sich aufgrund des einfachen Inhalts und Aufbaus lediglich auf den graphemischen Aspekt des Wortschatzes beziehen. Das Lernziel wäre im Falle, dass das Sprachlernspiel in der Erwerbsphase eingesetzt wird, die Festigung des neu erworbenen Wortschatzes, bzw. genauer formuliert, die Festigung und korrekte Zuordnung der Grapheme. Das Beispiel verdeutlicht, wie präzise die Festlegung der Lernziele sein muss, um ausreichend aussagekräftig zu sein. Da diese präzise Formulierung der Lernziele von zahlreichen Faktoren wie Thema, Zielgruppe, Unterrichtsphase usw. beeinflusst wird, ist
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XII. Sprachen lehren: Einzelaspekte es unumgänglich, dass die Lehrkräfte bei der Auswahl und Anpassung der einzelnen Sprachlernspiele sehr aufmerksam die einzelnen Faktoren berücksichtigen. Obwohl die Sprachlernspiele stark situationsgebunden sind, ermöglicht es ihre große Variabilität, die sich u. a. in der außerordentlichen Variationsbreite der sprachlernspielspezifischen Lernziele zeigt, dass sie sowohl im Fremdsprachenunterricht als auch im Zweitsprachenunterricht und nicht zuletzt selbst im Muttersprachenunterricht effektiv und sinnvoll eingesetzt werden können.
6. Altersgemäßer Einsatz Unterschiedliche Sprachlernspiele sprechen unterschiedliche, zum Teil auch spezifische Altersgruppen an (vgl. Kacjan 2008), gewisse Tendenzen der vier großen Spielkategorien können aber dennoch festgehalten werden: Bewegungsspiele entsprechen vor allem dem Bewegungsdrang und den Bedürfnissen der Kinder bis zu zwölf oder höchstens vierzehn Jahren. Danach sind diese Spiele mit wenigen Ausnahmen kaum mehr einsetzbar. Sprachelementspiele und kommunikative Spiele sind altersunabhängig einsetzbar, müssen aber stets bezüglich des Themas und der Komplexität der jeweiligen Zielgruppe angepasst werden. Das darstellende Spiel ist bis zur Sekundarstufe II gut, ab der Tertiärstufe jedoch kaum mehr einsetzbar, da Erwachsene sprachökonomisch vorgehen und ihre Lernresultate mit ihrem Energieeinsatz abgleichen und bestimmte Lernformen bei nicht auf den ersten Blick evidenter Effizienz sofort aus ihrem Lernprozess ausschließen.
7. Funktionalität und Eizienz Sprachlernspiele sind multifunktional und können bzw. müssen deshalb auch den unterschiedlichsten Bedingungen angepasst werden, was aber nicht bedeutet, dass sie immer und überall einsetzbar sind. Jedes einzelne Sprachlernspiel kann nur ganz bestimmte Funktionen erfüllen, auch die Variationsbreite ist sprachlernspielspezifisch und von verschiedenen Faktoren wie dem Alter der Spieler, der Zielgruppe, dem Einsatzbereich u. a. abhängig. Die Effizienz der Sprachlernspiele hängt von ihrem bewussten und sinngemäßen Einsatz ab. Konkret bedeutet das, dass Sprachlernspiele für den DaF-/DaZ-Unterricht nur dann einen Mehrwert bedeuten, wenn sie lernzielgenau sowie themen- und zielgruppenadäquat eingesetzt werden.
8. Fazit Sprachlernspiele sind vielseitige Lern- und Lehrmittel, deren Einsatz von der Lehrkraft theoretische und praktische Grundkenntnisse, vor allem aber sehr viel Fingerspitzengefühl verlangt. Bereits die Auswahl des passenden Sprachlernspiels ist eine große Herausforderung, bei der die Interessen der Zielgruppe und die zu erreichenden Lernziele beach-
132. Sprachlernspiele
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tet werden müssen. Nicht minder wichtig sind die Anweisungen und die Leitung der Sprachlernspiele, da ohne verständliche Spielanweisungen und gerechter Spielleitung keine angenehme, lernfördernde und produktive Spielatmosphäre entstehen kann, in der mithilfe der Sprachlernspiele konstruktiv, produktiv und aktiv die gesetzten Lernziele erreicht werden können.
9. Literatur in Auswahl Behme, Helma 1988 Miteinander reden lernen. Sprechspiele im Unterricht. München: iudicium. Dauvillier, Christa und Dorothea Le´vy-Hillerich 2004 Spiele im Deutschunterricht. Fernstudieneinheit 28. Berlin u. a.: Langenscheidt. Europarat (Hg.) 2001 Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin u. a.: Langenscheidt. Groos, Karl 1922 Das Spiel. Zwei Vorträge: 1. Der Lebenswert des Spiels. 2. Das Spiel als Katharsis. Jena: Gustav Fischer. Kacjan, Brigita 2003 Spiele im frühen DaF-Unterricht/Igre pri zgodnjem poucˇevanju nemsˇcˇine. Unveröffentlichte Magisterarbeit. Ljubljana: Filozofska fakulteta. Kacjan, Brigita 2008 Sprachelementspiele und Wortschatzerwerb im fremdsprachlichen Deutschunterricht mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Maribor: ZORA. Kleppin, Karin 2003 Sprach- und Sprachlernspiele. In: Karl-Richard Bausch, Herbert Christ und Hans-Jürgen Krumm (Hg.), Handbuch Fremdsprachenunterricht, 263⫺266. 4. Auflage. Tübingen/Basel: Francke. Lohfert, Walter 1983 Kommunikative Spiele für Deutsch als Fremdsprache. München: Hueber. Meyer, Hilbert 1987 Unterrichtsmethoden II: Praxisband. Frankfurt am Main: Cornelsen. Pfau, Anita und Ann Schmid 2001 22 Brettspiele. Deutsch als Fremdsprache. Stuttgart: Klett. Wittgenstein, Ludwig 1989 Tractatus logico-philosophicus. Tagebücher 1914⫺1916. Philosophische Untersuchungen. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. [1. Aufl. 1918].
Brigita Kacjan, Maribor (Slowenien)
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XII. Sprachen lehren: Einzelaspekte
133. Sozialormen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Relevanz und Einordnung von Sozialformen Klassenunterricht Gruppenarbeit Partnerarbeit Einzelarbeit Simultaner Einsatz unterschiedlicher Sozialformen Literatur in Auswahl
1. Relevanz und Einordnung von Sozialormen Unter Sozialformen versteht man in der Regel die vier Formen des Klassenunterrichts, der Gruppenarbeit, der Partnerarbeit und der Einzelarbeit; alternativ werden sie auch als Kooperationsformen bezeichnet. Laut Meyer (1987a: 138) „regeln [sie] die Beziehungsstruktur des Unterrichts“ und „haben eine äußere, räumlich-personal-differenzierende und eine innere, die Kommunikations- und Interaktionsstruktur regelnde Seite“. Als wesentliche Elemente der Unterrichtsmethodik sind sie von Handlungsmustern, auch Aktionsformen genannt (wie beispielsweise Lehrervortrag, Rollenspiel oder Schreiben eines Diktats), von Unterrichtsschritten (wie beispielsweise Einstieg, Erarbeitung oder Auswertung) und von methodischen Großformen (wie beispielsweise Lektion, Exkursion oder Projektwoche) abzugrenzen (Meyer 1987a: 115). Ihre Variation innerhalb einer Unterrichtseinheit trägt entscheidend zu einem abwechslungsreichen Sprachunterricht bei. Wichtig erscheint dabei, die verschiedenen Sozialformen nach den ihnen jeweils eigenen sprachdidaktischen Potentialen gezielt für bestimmte Phasen auszuwählen und zu einer kohärenten Gesamtgestaltung des Unterrichts zusammenzuführen. Im gelungenen Fall stellen die Sozialformen wichtige Instrumente zur Binnendifferenzierung, zur Individualisierung von Lernen und zur Förderung der Lernerautonomie dar.
2. Klassenunterricht Dem Klassenunterricht liegt die instruktivistische Vorstellung zugrunde, dass die gesamte Lerngruppe einen gemeinsamen mentalen Fokus ausbildet und dass Lernen sich auf der Grundlage von Präsentationen und gemeinsamen Klassengesprächen vollzieht. Damit wird eine gewisse Homogenität der Lerngruppe vorausgesetzt, die durch entsprechende äußere Differenzierungsmaßnahmen herbeizuführen ist. Im Frontalunterricht steht die Darbietung im Vordergrund, die typischerweise von der Lehrperson, bei Referaten aber auch von Lernenden übernommen wird. Die charakteristische Sitzanordnung ist dabei auf die Lehrbühne ausgerichtet. Als Beispiele aus dem Sprachunterricht lassen sich Grammatikerklärungen, Strategiedemonstrationen, die Präsentation von Audio- und Videomaterialien, die Aufführung von Rollenspielen sowie auch das aktive und passive Konzert im Rahmen der suggestopädischen Methode anführen. Übergänge zum Einbezug der Lernendengruppe stellen u. a. das Erzählen von Ge-
133. Sozialformen
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schichten zur Sprachförderung (Klein und Merkel 2008), das Total Physical Response Storytelling (Davidheiser 2002) oder das audiolingual geprägte Chorsprechen dar. Von diesem darbietenden Frontalunterricht ist das fragend-entwickelnde Unterrichtsgespräch abzugrenzen, das auch als Plenumsarbeit bezeichnet wird. Eine charakteristische Sitzordnung für diese Sozialform ist das Hufeisen; typische sprachliche Handlungsmuster beim Unterrichtsgespräch sind u. a. das Aufgaben stellen/Aufgaben lösen, der Lehrervortrag mit verteilten Rollen (Ehlich und Rehbein 1986: 8⫺29, 59⫺87) und die mündliche Fehlerkorrektur (Havranek 2002). Das Unterrichtsgespräch findet im DaF-/DaZ-Unterricht beispielsweise bei lehrergesteuerten Gesprächen über Lesetexte oder bei der Auswertung von Ergebnissen aus Phasen der Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit statt. Auch im Hinblick auf den Fachunterricht mit DaF-/DaZ-Lernenden ist die sprachliche Komplexität des fragend-entwickelnden Unterrichtsgesprächs von besonderer Bedeutung (Grießhaber 2005). Beim Kreisgespräch fungiert die Lehrperson anders als im Unterrichtsgespräch nicht als Gesprächsleitung, sondern ist als gleichberechtigtes Mitglied in den Sitzkreis integriert. Diese Sozialform findet im DaF-/DaZ-Unterricht z. B. beim Meinungsaustausch oder im Erzählkreis der Grundschule (Schramm 2007) Anwendung; darüber hinaus erfährt sie beim Community Language Learning die besondere Ausprägung, dass die Lehrperson zu Zwecken der Übersetzung außerhalb des Stuhlkreises positioniert ist und den Lernenden dort flüsternd den Rücken stärkt. Der Klassenunterricht ist die am häufigsten eingesetzte Sozialform: Für den Bereich Deutsch als Zweitsprache in der Erwachsenenbildung ermittelte Demmig (2007: 137) einen Anteil von 65 Prozent der gesamten Unterrichtszeit. Die Beliebtheit des Klassenunterrichts bei Sprachlehrpersonen steht in deutlichem Widerspruch zu der kritischen Einschätzung dieser Sozialform in der pädagogischen und fremdsprachendidaktischen Diskussion, die insbesondere die Gefahr der Passivität und Unselbständigkeit der Lernenden, das Problem der hohen Redeanteile der Lehrperson und die Dominanz bestimmter Handlungsmuster thematisiert (Storch 1999: 297). Dies hat dazu geführt, dass man sich mit dem Ziel der Innovation stärker auf die Erforschung binnendifferenzierender Sozialformen konzentriert hat. Demmig (2007: 182) hält deshalb eine „detaillierte empirisch fundierte Forschungsarbeit zum Thema Unterrichtsphasen in der Großgruppe im DaF/ DaZ (bzw. Fremdsprachenunterricht allgemein) [für] längst überfällig“. Weiterer Forschungsbedarf zum Klassenunterricht ergibt sich zweifellos auch aus dem Einsatz digitaler Medien wie beispielsweise des Interactive Whiteboard oder der Videokonferenz (Schlickau 2000) sowie aus der veränderten Rolle des Frontalunterrichts bei offenen Unterrichtsformen (Gudjons 2007).
3. Gruppenarbeit Der Einsatz von Gruppenarbeit wird lerntheoretisch unter Bezugnahme auf den Konstruktivismus damit begründet, dass die Lernenden in der sozialen Interaktion jeweils individuelle Wissensstrukturen aufbauen, die aufgrund der Selbsttätigkeit und der damit einhergehenden Motivation und emotionalen Beteiligung einen höheren Grad an Komplexität und Verarbeitungstiefe aufweisen, als dies beim Klassenunterricht der Fall ist. Neben sprachlichen und kognitiven Lernzielen wird mit Gruppenarbeit auch die Förde-
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XII. Sprachen lehren: Einzelaspekte rung von Methoden- und Sozialkompetenzen und somit von Lernerautonomie verfolgt. Weitere wichtige Gründe für den Einsatz von Gruppenarbeit im Fremdsprachenunterricht sind, dass der einzelne Lernende sich häufiger äußern kann, dass Binnendifferenzierung die Berücksichtigung individueller Unterschiede erlaubt und dass deshalb insbesondere bei lernschwächeren Teilnehmenden bessere Lernfortschritte zu verzeichnen sind (Schwerdtfeger 2001: 39⫺41). Angesichts der Tatsache, dass Gruppenarbeit im Vergleich zu dieser hohen Wertschätzung seitens der Fremdsprachendidaktik in der Praxis vergleichsweise selten eingesetzt wird ⫺ in Demmigs (2007: 137) bereits genannter Untersuchung nur in 15 % des gesamten DaZ-Unterrichts ⫺ wurden häufig die Befürchtungen der Kursleitenden thematisiert (Karagiannidou 2007a: 75) und Hinweise zur Entkräftung dieser Argumente bzw. zum Umgang mit Störungen gegeben (Meyer 1987b: 254⫺277; Schwerdtfeger 2001: 51⫺67). Laut Storch (1999: 308) ist Gruppenarbeit im DaF-/DaZ-Unterricht insbesondere zum Aktivieren von Schülerwissen, für Gespräche, Diskussionen, gelenktes entdeckendes Lernen, zum Erfinden von Inhalten, für die Projektarbeit sowie für Gruppenspiele geeignet. Schwerdtfeger (2001: 41⫺43) plädiert im Hinblick auf die Gruppenarbeit für Aufgaben mit Informationslücken und für Entscheidungsaufgaben. Als weitere Beispiele lassen sich Schreibkonferenzen und Lesezirkel nennen; darüber hinaus schätzen viele Lernende das Gruppenpuzzle (Jigsaw), bei dem sie sich in einer ersten Runde in Expertengruppen über bestimmte Themenbereiche austauschen und ihr Expertenwissen in einer zweiten Runde an andere Mitlernende weitergeben. Gruppenarbeit lässt sich nach Ziebell (2002: 66) in vier Phasen unterteilen. Nach der Vorbereitungsphase durch die Lehrperson vor dem Unterricht erfolgt im Unterricht zunächst die Informationsphase, für die insbesondere verständliche, vorzugsweise schriftliche Arbeitsaufträge als essentiell erachtet werden. Bei der Gruppenbildung bietet sich die innere Differenzierung nach Themen, Leistungsniveaus, Lernstrategien, Lernstilen, Aufgabenstellung und Lernwegen an (Schwerdtfeger 2001: 105⫺118); es lassen sich neben Wahlgruppen aber auch Nachbarschaftsgruppen und Zufallsgruppen bilden (Schwerdtfeger 2001: 100⫺104). Bei der Durchführung der Gruppenarbeit wird es in der Regel als zielführend erachtet, wenn die Lehrperson sich weitestgehend zurückhält, durch unaufdringliche, auf Zuhören orientierte Besuche an den Gruppentischen jedoch deutlich ihre Beratungsbereitschaft signalisiert. In der vierten Phase der Präsentation und Auswertung stehen die Ergebnissicherung und die Integration der Ergebnisse in den Unterrichtsverlauf im Vordergrund (Schwerdtfeger 2001: 154⫺159). Empirisch wird die Gruppenarbeit schwerpunktmäßig im Hinblick auf die Interaktion der Gruppenmitglieder erforscht. So zeigt Chavez (2007) beispielsweise an amerikanischen, universitären DaF-Lernenden auf, dass sie ihre Gruppeninteraktion stark am Vorbild des jeweiligen Lehrenden im Klassenunterricht ausrichten. Schramm (2009) verdeutlicht am Beispiel einer DaZ-Fördergruppe, dass die Kinder bei Produktionsdefiziten nicht nur als Sprechende Kompensationsstrategien einsetzen, sondern dass sich auch die Zuhörenden aktiv an einem produktionssichernden Handeln beteiligen. Peuschel (2009) untersucht dagegen die Gruppenarbeit von DaF-Lernenden zur Vorbereitung eines podcasts anhand der schriftlichen Vorbereitungsstufen bzw. der daraus rekonstruierten Entwicklung des Endprodukts des Radiobeitrags. Exemplarisch für die thematische Bandbreite der zahlreichen empirischen Forschungsarbeiten zur Gruppenarbeit im DaF-/DaZUnterricht seien aber auch Studien zur Gruppenarbeit in der Lehrerausbildung (Karagiannidou 2007b), zur Projektarbeit (Hoffmann 2008) und zu Einsatzmöglichkeiten der
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Gruppenarbeit im Zusammenhang mit digitalen Medien, beispielsweise bei Webquests, Chats und Telekollaborationsprojekten, genannt (Abrams 2001; Belz und Müller-Hartmann 2002).
4. Partnerarbeit Partnerarbeit wird ähnlich häufig wie Gruppenarbeit und damit deutlich seltener als Klassenunterricht eingesetzt (Demmig 2007: 137), erfordert aber im Vergleich zur Gruppenarbeit weniger Organisationsaufwand und Störungsbearbeitungen und wird deshalb von Lehrkräften in der Regel gegenüber der Gruppenarbeit favorisiert. Als Formen der Partnerarbeit lassen sich das kooperative Lernen, Helfer- bzw. Tutorensysteme und das gegenseitige Lehren (reciprocal teaching) unterscheiden. Laut Storch (1999: 309⫺310) eignet sich die Partnerarbeit im DaF-/DaZ-Unterricht insbesondere für „natürliche Zweieraktivitäten“ wie die gemeinsame Vorbereitung oder Einübung eines Dialogs, dialogische sprechbezogene Übungen sowie auch für das gemeinsame Problemlösen beim Erarbeiten grammatikalischer Regularitäten, bei Verstehensstrategien beim Leseverstehen, bei Aufgaben zum Klassifizieren und Ordnen, bei der Fehlerbearbeitung und bei der kooperativen Produktion schriftlicher Texte. Im Unterschied zur Gruppenarbeit gehört die Partnerarbeit im Fremdsprachenunterricht laut Demmig (2007: 36) zu den sehr wenig theoretisch bearbeiteten Themen; als Forschungsdesiderat benennt sie den Wunsch der Lehrenden nach „eine[r] speziell auf die Partnerarbeit und das Helferprinzip zugeschnittene[n] Methodik-Didaktik“ (Demmig 2007: 167). Von den wenigen empirischen Studien zur Partnerarbeit im DaF-/DaZ-Unterricht sei exemplarisch die Untersuchung von Hardy und Moore (2004) bei universitären DaF-Lernenden zum Einfluss von Kontext und Aufgabenstruktur bei der Bearbeitung von Videomaterialien auf konversationelle Bedeutungsaushandlungen in Zweiergruppen genannt. Ware und Kramschs (2005) Analyse von Missverständnissen bei der telekollaborativen Partnerarbeit verdeutlicht dagegen das kulturbezogene Lernpotential eines in den Sprachunterricht integrierten E-Mail-Austauschs, bei dem anschließend eine Reflexion der Missverständnisse erfolgt.
5. Einzelarbeit Die Einzelarbeit, die auch als Still- oder Alleinarbeit bezeichnet wird, erlaubt es den einzelnen Lernenden, nach ihrem jeweiligen individuellen Lerntempo vorzugehen und ggf. aus verschiedenen Lernangeboten zu wählen. Demmig (2007: 137) benennt den Anteil am Gesamtunterricht mit 5 %. Einzelarbeit findet im DaF-/DaZ-Unterricht laut Storch (1999: 310) beim stillen Lesen, bei persönlichen schriftlichen Äußerungen, bei der Vorbereitung persönlicher Aussagen und bei der Bearbeitung von Hörverstehensaufgaben Anwendung. Weitere sinnvolle Einsatzmöglichkeiten bieten sich bei Übungen im Sprach- oder Computerlabor sowie in einem lernerzentrierten Unterricht auch bei der individuellen Zielbestimmung und bei der Selbstevaluation.
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XII. Sprachen lehren: Einzelaspekte
6. Simultaner Einsatz unterschiedlicher Sozialormen Traditionell werden zur Binnendifferenzierung einzelne Sozialformen wie die Partner-, Gruppen- oder Einzelarbeit im gesamten Kurs eingesetzt. Im Zusammenhang mit offenen Unterrichtsformen im Fremdsprachenunterricht werden dagegen zunehmend auch gleichzeitig verschiedene Sozialformen genutzt, so dass sie zum eigenen Differenzierungsaspekt werden (Tönshoff 2004: 230). So können Lernende beispielsweise bei der Arbeit mit Lernstationen (Derhartunian 2006; Salokannel 2007) oder mit Lernszenarien (Hölscher, Piepho und Roche 2006) die Arbeitsangebote u. a. auch nach der von ihnen präferierten Sozialform auswählen.
7. Literatur in Auswahl Abrams, Zsuzsanna I. 2001 Computer-mediated communication and group journals: Expanding the repertoire of participant roles. System 29(4): 489⫺503. Belz, Julie A. und Andreas Müller-Hartmann 2002 Deutsch-amerikanische Telekollaboration im Fremdsprachenunterricht ⫺ Lernende im Kreuzfeuer der institutionellen Zwänge. Die Unterrichtspraxis/Teaching German 36(1): 68⫺78. Chavez, Monika M. 2007 The orientation of learner language use in peer work: Teacher role, learner role and individual identity. Language Teaching Research 11(2): 161⫺188. Davidheiser, James 2002 Classroom approaches to communication: Teaching German with TPRS (Total Physical Response Storytelling). Die Unterrichtspraxis/Teaching German 35(1): 25⫺35. Demmig, Silvia 2007 Das professionelle Handlungswissen von DaZ-Lehrenden in der Erwachsenenbildung am Beispiel Binnendifferenzierung. Eine qualitative Studie. München: iudicium. Derhartunian, Elzbieta 2006 Einkaufen: Wortschatzwiederholung mal anders! Stationen zur Binnendifferenzierung beim Wortschatzlernen. Fremdsprache Deutsch 35: 44⫺46. Ehlich, Konrad und Jochen Rehbein 1986 Muster und Institution. Untersuchungen zur schulischen Kommunikation. Tübingen: Narr. Grießhaber, Wilhelm 2005 Sprache im zweitsprachlichen Mathematikunterricht. Verbale und nonverbale Verfahren bei der Vermittlung mathematischen Wissens. In: Sabine Braun und Kurt Kohn (Hg.), Sprache(n) in der Wissensgesellschaft, 65⫺77. Frankfurt a. M.: Lang. Gudjons, Herbert 2007 Frontalunterricht neu entdeckt ⫺ Integration in offene Unterrichtsformen. 2. durchgesehene Auflage. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. Hardy, Ilonca und Joyce L. Moore 2004 Foreign language students’ conversational negotiations in different task environments. Applied Linguistics 25(3): 340⫺370. Havranek, Gertraud 2002 Die Rolle der Fehlerkorrektur beim Fremdsprachenlernen. Frankfurt a. M.: Lang. Hoffmann, Sabine 2008 Fremdsprachenlernprozesse in der Projektarbeit. Tübingen: Narr.
133. Sozialformen
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Hölscher, Petra, Hans-Eberhard Piepho und Jörg Roche 2006 Handlungsorientierter Unterricht mit Lernszenarien. Kernfragen zum Spracherwerb. Oberursel: Finken. Karagiannidou, Evangelia 2007a In der Gruppe geht’s besser! Ein Plädoyer für mehr Gruppenarbeit im Fremdsprachenunterricht. Zielsprache Deutsch 34(1): 71⫺93. Karagiannidou, Evangelia 2007b Gruppenarbeit in der universitären FS-Lehrer-Ausbildung. Eine Chance für ihren verstärkten Einsatz in der Schule? Zielsprache Deutsch 34(2): 15⫺51. Klein, Julia und Johannes Merkel 2008 Sprachförderung durch Geschichtenerzählen. Handlungsorientierte Materialien für die gezielte Spracharbeit. Buxtehude: Persen. Meyer, Hilbert 1987a UnterrichtsMethoden I: Theorieband. Frankfurt a. M.: scriptor. Meyer, Hilbert 1987b UnterrichtsMethoden II: Praxisband. Frankfurt a. M.: scriptor. Peuschel, Kristina 2009 Integrierte Textentwicklung in einem Radioprojekt mit fortgeschrittenen DaF-Lernenden. In: Kristina Peuschel und Jan Paul Pietzuch (Hg.), Kaleidoskop der jungen DaF-/DaZForschung, 89⫺106. Göttingen: Universitätsverlag. Salokannel, Claudia 2007 Good Bye, Langeweile. Fremdsprache Deutsch 36: 36⫺41. Schlickau, Stephan 2000 Video und Videoconferencing zur Sprach- und Kulturvermittlung: Lernpotenziale und empirische Beobachtungen. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 5(2). (Online). Schramm, Karen 2007 Grammatikerwerb beim zweitsprachlichen Erzählen. In: Klaus-Michael Köpcke und Arne Ziegler (Hg.), Grammatik in der Universität und für die Schule. Empirie, Theorie und Modellbildung, 199⫺221. Tübingen: Niemeyer. Schramm, Karen 2009 Zum Konzept der Kompensationsstrategien aus soziokultureller Perspektive: Produktionssicherndes Handeln von GrundschülerInnen in einer Deutsch-als-Zweitsprache-Fördergruppe. In: Patricia Nauwerck (Hg.), Kultur der Mehrsprachigkeit in Schule und Kindergarten: Festschrift für Ingelore Oomen-Welke, 131⫺147. Freiburg i. B.: Fillibach. Schwerdtfeger, Inge C. 2001 Gruppenarbeit und innere Differenzierung. Berlin/München: Langenscheidt. Storch, Günther 1999 Deutsch als Fremdsprache ⫺ Eine Didaktik. Theoretische Grundlagen und praktische Unterrichtsgestaltung. München: Fink. Tönshoff, Wolfgang 2004 Binnendifferenzierung im lernerorientierten Fremdsprachenunterricht (I). Deutsch als Fremdsprache 41(4): 227⫺231. Ware, Paige D. und Claire Kramsch 2005 Toward an intercultural stance: Teaching English and German through telecollaboration. The Modern Language Journal 89(2): 190⫺205. Ziebell, Barbara 2002 Unterrichtsbeobachtung und Lehrerverhalten. Berlin/München: Langenscheidt.
Karen Schramm, Leipzig (Deutschland)
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XII. Sprachen lehren: Einzelaspekte
134. Tandem-Lernen 1. 2. 3. 4. 5.
Die Grundkonstellation des Tandem-Lernens Grundformen der didaktischen Nutzung Ausgestaltung der Kommunikations- und Lernsituation Tandem in der Forschung Literatur in Auswahl
1. Die Grundkonstellation des Tandem-Lernens Das Tandem-Lernen beruht auf einer einfachen Grundkonstellation, die jeweils an die personalen und kontextuellen Bedingungen angepasst werden kann: Zwei Personen mit jeweils anderen Erstsprachen kommunizieren miteinander. Sie tun dies in der Absicht, partnerschaftlich und im Wechsel von- und miteinander zu lernen, indem sie die besonderen Potenziale der Kommunikations- und Lernsituation Tandem gezielt für ihre Zwecke nutzen. Diese Potenziale ergeben sich, weil die Interaktionspartner über Kompetenzen verfügen, die der Partner bemüht ist, sich anzueignen, und weil zwischen ihnen durch die Tandem-Situation zumindest implizit ein spezifischer Gesprächs- und Handlungsrahmen geschaffen wird, der die Verbindung zwischen authentischer Kommunikation einerseits und Lehr-Lern-Interaktion andererseits erst ermöglicht. Hierzu gehört insbesondere, dass das Tandem auf Gegenseitigkeit beruht, d. h., dass beide Partner möglichst in gleichem Maße von der Kooperation im Tandem profitieren. Die große Nähe zu ,normalen‘ Kommunikationssituationen, die wechselseitige Lernabsicht und die sich daraus ergebenden Überlappungen von Interaktionszielen bedingen dabei die bisweilen schwierig zu realisierende Notwendigkeit einer weitgehenden Balancierung zwischen den Lern- und Kommunikationsabsichten sowie den jeweiligen Interessen der Tandempartner (Schmelter 2004: 120⫺126). Durch implizite Festlegung von Zweck und Ziel der Kommunikation zwischen den Tandempartnern, durch konkrete Absprache oder durch Vorgaben durch den didaktischen Rahmen (s. u.) werden zugleich herkömmliche Konventionen der Kommunikation außer Kraft gesetzt und lernförderliche ermöglicht (z. B. korrigierende Eingriffe, das Einüben und Wiederholen von spezifischen Kommunikationssituationen). Da aus der Kommunikation im Tandem selten eine unmittelbare Bedrohung von Interessen der Lernenden erwächst und die Interaktion somit zumeist nicht unter besonderem Handlungsdruck erfolgt, kann das Tandem hinsichtlich des sprachlichen und kulturellen Lernens als ein „Schonraum“ bezeichnet werden, der ein vergleichsweise gefahrloses Erproben und Einüben von sprachlichen und kulturellen Kompetenzen ermöglicht. Durch die zumeist individuelle Festlegung der Kommunikationsgegenstände ist zudem stärker als z. B. im Fremdsprachenunterricht gesichert, dass die Lernenden an den nicht-sprachlichen Inhalten der Kommunikation interessiert sind. Insofern stellt das Tandem-Lernen eine Verbindungsstelle zwischen unterrichtlich gesteuerten Lehr-Lern-Kontexten und authentischen Sprachhandlungssituationen in der Fremdsprache dar. An die Stelle von Sprachkursen wird das Tandem-Lernen aber dennoch nur sehr bedingt treten können (Schmelter 2004: 103⫺134).
134. Tandem-Lernen
1189
2. Grundormen der didaktischen Nutzung Die gezielte didaktische Nutzung des Tandem-Lernens geht vor allem auf die binationalen Sprachkurse des Deutsch-Französischen Jugendwerkes (DFJW) (1999) zurück (Schmelter 2004: 136⫺141). Weitere frühe Versuche der Nutzung erfolgten beispielsweise an einigen Goethe-Instituten sowie an Volkshochschulen und privaten Sprachschulen. Allerdings scheiterte ein Teil dieser Angebote u. a. daran, dass sie nur für jeweils eine Seite verbindlich waren und die sehr unterschiedlich ausgeprägten Notwendigkeiten und daraus erwachsenden Motivationen, die Sprache des anderen zu lernen, nicht mitbedachten. Für Deutsch als Zweitsprache scheinen insbesondere bei erwachsenen Lernern der Bildungshintergrund, der soziale Status und evtl. das Prestige der Erstsprache des Deutschlerners wichtige Persönlichkeitsfaktoren zu sein, die es zu berücksichtigen gilt (Holstein und Oomen-Welke 2006: 39⫺49). Dies erklärt in Teilen, warum die Weiterentwicklung der Grundkonstellation des Tandems zu didaktischen Zwecken zunächst in „didaktischen Rahmen“ erfolgte; d. h. in Kontexten, in denen die Organisatoren die Interaktion zwischen den Tandempartnern, die sich hinsichtlich ihres Alters, ihrer Interessen, beruflichen Erfahrungen usw. in vergleichbaren Ausgangssituationen befinden, auf bestimmte Lern- und Arbeitsziele hin zu steuern und zu kontrollieren versuchen. Typische Kontexte dieser Form der Nutzung, bei der das partnerschaftliche Lernen im Tandem zumeist in mehr oder weniger umfangreiche Plenumsphasen eingebettet ist, sind bis heute Austauschbegegnungen oder Tandemkurse. Für Deutsch als Zweitsprache sind jedoch Angebote denkbar, die für den deutschsprachigen Partner andere Lerngegenstände als rein sprachliche unterstreichen. Aus den didaktischen Rahmen heraus haben sich an unterschiedlichen Standorten, zum Teil in langjährigen Entwicklungsprozessen, „didaktisch gestaltete Umfelder“ entwickelt. In ihnen sind die Tandemlerner nicht mehr unbedingt in Kurse eingebettet. Durch die Vermittlung von Partnern, durch didaktisch aufbereitete Informations-, Lern- und Evaluationsmaterialien sowie zum Teil durch verschiedene Formen der persönlichen Beratung wird in diesen Umfeldern versucht, die Lerner zu betreuen und zu unterstützen, nicht aber sie zu steuern oder gar zu kontrollieren (Schmelter 2004: 141⫺149). Anders als in Tandem-Kursen können kursunabhängige Einzeltandems ihre Vorgehensweisen sowie ihre Kommunikations- und Lerngegenstände ohne Vorgaben und unmittelbare Kontrolle von außen absprechen und festlegen. Daher wird das Tandem-Lernen häufig in Verbindung mit Konzepten von Autonomie und selbstgesteuertem Lernen diskutiert. Um ein gezieltes Lernen im Tandem außerhalb didaktischer Rahmen bzw. über die von diesen Rahmen vorgegebenen Lehrziele hinaus zu gewährleisten, sollten die Lernenden sich ihrer Lernziele bewusst sein, diese nach Möglichkeit für die Interaktion mit den Tandempartnern in konkrete Vorgehensweisen herunterbrechen können und über Mittel verfügen, die Lernfortschritte zu diagnostizieren, um neue Lernziele festlegen zu können. Insofern werden die Tandemlerner in Einzeltandems, wenn sie ähnlich kompetenz- bzw. progressionsorientiert wie im Fremdsprachenunterricht lernen wollen, ihr eigenes Lernen stärker planen und die Lernsituation Tandem entsprechend in Absprache mit dem Tandempartner steuern (Lernaspekt der Tandemsituation), ohne damit den durch vornehmlich außersprachliche Inhalte gesteuerten Kommunikationsaspekt des Tandems zu vernachlässigen. Der Tandempartner selbst kann als Experte für angemessenes sprachliches Verhalten Beispiele geben und korrigierend eingreifen. Nur in seltenen Fällen wird er jedoch sprachliche Phänomene erklären können; dies gilt auch für die
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XII. Sprachen lehren: Einzelaspekte kulturell gebundenen Verhaltensweisen, die der Tandempartner in der Regel zwar als Experte beherrscht, zumeist auch beschreiben kann, aber nur in Ausnahmefällen reflektiert erklären kann. Hier liegen die besonderen Potenziale von Tandem-Kursen (u. a. DFJW 1999, 2005; Herfurth 1993) bzw. von Beratungsangeboten (siehe u. a. die Beiträge in Brammerts und Kleppin 2001). In ihnen kann durch spezifische Aufgabenstellungen, die von den Kursorganisatoren bzw. den Beratern vermittelt werden, das Lernen bestimmter Sprachbereiche oder interkultureller Aspekte eher erreicht werden. Darüber hinaus kann hier (z. B. in Plenumsphasen) eine Systematisierung sprachlicher Phänomene erfolgen. Da jeder Lerner im Tandem immer auch nur ein Repräsentant einer Sprache und Kultur ist, eignen sich Plenumsphasen in Tandemkursen dazu, Arbeitsergebnisse der Einzeltandems zu sammeln, Einzelaussagen zu relativieren und daraus ein komplexeres Bild der jeweils anderen Sprache(n) und Kultur(en) zu vermitteln. Die Vermittlung von erfahrungsgemäß besonders geeigneten Vorgehensweisen in der Tandem-Kommunikation (z. B. hinsichtlich der Formulierung von Lernzielen und deren Erarbeitung im Tandem, der Korrektur, der Absprache von Regeln zur Sicherung des Prinzips der Gegenseitigkeit) lässt sich in Tandem-Kursen eher sicherstellen als in didaktisch gestalteten Umfeldern mit nicht-obligatorischen Beratungsangeboten. Insofern ist die Einbettung von Einzeltandems in traditionelle Sprachkurse oder in Tandemkurse insbesondere bei jüngeren bzw. unerfahrenen Fremdsprachenlernern sinnvoll. Neben dem Präsenztandem gewann das medial vermittelte Tandem-Lernen auf Distanz mit der Verbreitung der Kommunikationsmöglichkeiten über das Internet an Bedeutung. Für den Bereich Deutsch als Fremdsprache haben sich hierdurch vielfältige neue Möglichkeiten ergeben, auch über weite Entfernungen hinweg zu einem engeren und authentischen Austausch mit deutschsprachigen Personen zu gelangen. Die diversen von der Europäischen Union geförderten, internationalen Projekte zum Tandem-Lernen über E-Mail bzw. Internet (Brammerts und Little 1996; Brammerts und Kleppin 2001) haben erheblich zur Entwicklung von geeigneten Arbeitsformen und Begleitmöglichkeiten sowie zur empiriegestützten Konzeptbildung beigetragen. In diesen Arbeiten werden auch die eventuell anderen Vorgehensweisen in der Kooperation mit dem Tandempartner, die sich aus dem veränderten Kommunikationsmedium ergeben, hervorgehoben (Kötter 2002): So sind gemeinsame Absprachen über Vorgehensweisen (s. u.) durch die asynchrone Kommunikation über E-Mail zeitaufwendiger und schwieriger als im direkten Austausch, wo visuelle Kommunikationsaspekte den Lernern das Erkennen von Missverstehen, Unbehagen etc. erleichtern können. Häufig wird daher das E-Mail-Tandem durch den zeitweiligen Rückgriff auf synchrone Kommunikationsmedien (z. B. Telefon, Chat) ergänzt.
3. Ausgestaltung der Kommunikations- und Lernsituation Die erfolgreiche Nutzung der Potenziale des Tandem-Lernens setzt ebenso wie guter Unterricht eine reflektierte Bestimmung von Lernzielen und die Wahl angemessener Vorgehensweisen voraus. Dabei müssen die Lerner sicherstellen, dass ihre jeweiligen Partner ihnen aufgrund ihrer Kompetenzen tatsächlich beim Erreichen der Ziele helfen können. Dies setzt im Idealfall regelmäßige Absprachen z. B. zur expliziten Festlegung von Hand-
134. Tandem-Lernen
1191
lungsmustern voraus. Diese betreffen u. a. die Sprachenwahl, die Aufteilung der gemeinsamen Zeit, die Wahl von Themen und Inhalten, Form und Umfang der Fehlerkorrektur, das Geben von Beispielen usw. Hierzu liegen neben den häufig über Internet zugänglichen Hilfen von Tandem-Anbietern mittlerweile eine Reihe von Handbüchern vor, die sowohl von Lernenden als auch von Tandem-Anbietern nutzbringend eingesetzt werden können (Baguette et al. 2001; Brammerts und Kleppin 2001; Brammerts und Little 1996; DFJW 1999, 2005; Holstein und Oomen-Welke 2006; Wolff 2001).
4. Tandem in der Forschung Das Tandem-Lernen ist mittlerweile unter einer Reihe von Fragestellungen empirisch untersucht worden. Am Anfang steht eine Auseinandersetzung mit den im Tandem auftretenden Sprachlehr- und -lernprozessen (Scherfer 1982). In den 1990er Jahren haben fünf Tandem-Kongresse zur Verbreitung von Untersuchungen aus linguistischen, lernpsychologischen und pädagogisch-didaktischen Perspektiven geführt (siehe zuletzt Pelz 1995). Umfangreichere diskursanalytisch begründete Arbeiten legten Apfelbaum (1993) und Rost-Roth (1995) vor. Herfurth (1993) setzt sich umfassend mit unterschiedlichen Konzeptionen von Tandemkursen auseinander. Kötter (2002) beobachtet Lernerinteraktionen, die sich in virtuellen Lernumwelten des Internets beim Tandem-Lernen ergeben. Bechtel (2003) befasst sich in seiner diskursanalytisch angelegten Arbeit mit Aspekten des interkulturellen Lernens im Tandem. Schmelter (2004) geht der Frage nach, inwiefern das selbstgesteuerte Lernen im Tandem gezielt durch Beratung in didaktischen Umfeldern gestützt werden kann. Zahlreiche weitere Untersuchungen sind im Rahmen von Qualifikationsarbeiten zumeist an Standorten didaktisch gestützter Umfelder des Tandem-Lernens entstanden (siehe hierzu die von Helmut Brammerts gepflegte Bibliographie: http://www.slf.rub.de/learning/tanbib.html).
5. Literatur in Auswahl Apfelbaum, Birgit 1993 Erzählen im Tandem. Sprachlernaktivitäten und die Konstruktion eines Diskursmusters in der Fremdsprache. (Zielsprachen: Französisch und Deutsch). Tübingen: Narr. Baguette, Friedhelm, Helmut Brammerts, Herta Fidelak und Mechthild Schlag-Redmond (Hg.) 2001 Sprachenlernen im Tandem. Ein Leitfaden für die Schule. Bönen: Verlag für Schule und Weiterbildung. Bechtel, Mark 2003 Interkulturelles Lernen beim Sprachenlernen im Tandem. Eine diskursanalytische Untersuchung. Tübingen: Narr. Brammerts, Helmut und Karin Kleppin (Hg.) 2001 Selbstgesteuertes Lernen im Tandem. Ein Handbuch. Tübingen: Stauffenburg. Brammerts, Helmut und David G. Little (Hg.) 1996 Leitfaden für das Sprachenlernen im Tandem über das Internet. Bochum: Brockmeyer. Deutsch-Französisches Jugendwerk (Hg.) 1999 Die Tandem-Methode. Theorie und Praxis in deutsch-französischen Sprachkursen. Stuttgart u. a.: Klett.
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XII. Sprachen lehren: Einzelaspekte Deutsch-Französisches Jugendwerk (Hg.) (2005) Tele-Tandem. Innovative Spracharbeit im deutsch-französischen Schulaustausch. Lernen im Tandem über Internet und in der Begegnung. Berlin/Paris: Deutsch-Französisches Jugendwerk. Herfurth, Hans-Erich 1993 Möglichkeiten und Grenzen des Fremdsprachenerwerbs in Begegnungssituationen. Zu einer Didaktik des Fremdsprachenlernens im Tandem. München: iudicium. Holstein, Silke und Ingelore Oomen-Welke 2006 Sprachen-Tandem für Paare, Kurse, Schulklassen. Ein Leitfaden für Kursleiter, Lehrpersonen, Migrantenbetreuer und autonome Tandem-Paare. Freiburg: Fillibach. Kötter, Markus 2002 Tandem learning on the Internet: Learner Interactions in Virtual Online Environments (MOOs). Frankfurt a. M.: Lang. Pelz, Manfred (Hg.) 1995 Tandem in der Lehrerbildung, Tandem und grenzüberschreitende Projekte. Dokumentation der 5. Internationalen Tandem-Tage 1994 in Freiburg i. Br. Frankfurt a. M.: Verlag für Interkulturelle Kommunikation. Rost-Roth, Martina 1995 Sprachenlernen im direkten Kontakt. Autonomes Tandem in Südtirol. Eine Fallstudie. Meran: Alpha & Beta. Scherfer, Peter 1982 Zur Erforschung von Sprachlehr- und Sprachlernprozessen auf Gegenseitigkeit. Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik (LiLi) 12(45): 72⫺99. Schmelter, Lars 2004 Selbstgesteuertes oder potenziell expansives Fremdsprachenlernen im Tandem. Tübingen: Narr. Wolff, Jürgen (Hg.) 2001 Babylonia-Tandem. Praxishilfe zur rezeptiven Mehrsprachigkeit. San Sebastia´n; Bozen: Tandem Fundazioa Donostia; Alpha & Beta.
Lars Schmelter, Wuppertal (Deutschland)
135. Distanz- und Präsenzlernen 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Fern-/Distanz- und Präsenzlernen ⫺ eine einführende Begriffsklärung Die Rolle der Medien beim Fernlernen Interaktives und kooperatives Lernen DaF/DaZ in der Fernlehre: Angebote und Studien Kombiniertes Präsenz- und Distanzlernen Literatur in Auswahl
1. Fern-/Distanz- und Präsenzlernen eine einührende Begrisklärung Die Unterscheidung Distanz- versus Präsenzlernen verweist in erster Linie auf die räumliche Dimension des Lernens. Distanzlernangebote richten sich an Lernende, die aus
135. Distanz- und Präsenzlernen
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zeitlichen, ortsbedingten oder anderen Gründen das Angebot eines Unterrichts in Bildungseinrichtungen, bei dem Lernende und Lehrende zeitgleich und in einem Raum anwesend sind, nicht annehmen können oder wollen bzw. die Lernangebote vor Ort durch Distanzlernangebote ergänzt haben möchten. Beim konventionellen Fernunterricht, also in Fernlernkursen, Fernlehrgängen und Fernstudiengängen können Lehrangebote wahrgenommen, berufliche Aus-, Fort-, Weiterbildungen und Studiengänge durchgeführt sowie Bildungsabschlüsse und Zertifikate erworben werden. Es ist eine gesellschaftlich etablierte Form des Bildungszugangs, die in Deutschland durch das Fernunterrichtsgesetz (FernUSG) gesetzlich geregelt ist. Dem Wortlaut dieses Gesetzes nach ist Fernunterricht „die auf vertraglicher Grundlage erfolgende, entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, bei der 1. der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind und 2. der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen“ (FernUSG, §1, 1). Einsendeaufgaben, die die Institution distribuiert und die Lernenden bearbeiten, stehen hierbei im Mittelpunkt des Prozesses (vgl. Kerres 1998: 299⫺305). Die Zahl der Anbieter von zugelassenen Fernlehrgängen in Deutschland sowie die Teilnehmerzahlen steigen kontinuierlich: Im Jahre 2007 zählte man bereits 335 Institute und mehr als 250.000 TeilnehmerInnen, beides Zahlen, die sich innerhalb von 10 Jahren verdoppelt hatten. Der Sprachenbereich umfasst dabei 9 % aller Fernlehrgangsangebote (Quelle: Forum DistancE-Learning ⫺ Fernunterrichtsstatistik 2007). Der Begriff des Distanzlernens kann nicht mit dem Begriff des Fernlernens und somit mit dem Konzept des Lernens im klassischen Fernunterricht gleichgesetzt werden, auch wenn der englische Begriff distance learning für Fernlernen dies nahezulegen scheint. Mit dem Einzug der digitalen Medien in unterschiedliche Lernkontexte erfährt der Begriff des Distanzlernens eine Erweiterung. Er umfasst nun alle Angebote traditioneller Fernlerneinrichtungen, wie z. B. Fernuniversitäten, bezieht aber auch Bereiche des telemedialen bzw. telematisch unterstützten Lernens außerhalb dieser Fernlernkontexte ein. Der Begriff Distanzlernen umfasst also alle Formen des Fern- und Tele-Lernens und spielt somit ebenfalls an konventionellen Universitäten, die virtuelle Seminare anbieten, oder bei Firmen, die ihren Mitarbeitern arbeitsplatznahe mediengestützte (computer- und/ oder webbasierte) Weiterbildungen anbieten, eine Rolle. Für den akademischen Bereich bedeutet dies exemplarisch, es werden: „(…) alle Formen der wissenschaftlichen Ausund Weiterbildung gefasst, die orts- und zeitunabhängiges Studieren auf der Grundlage neuer Technologien beinhalten“, also „nicht nur Angebote klassischer Fernstudieneinrichtungen, sondern auch telematisch unterstützte Lehre an Präsenzuniversitäten, da diese ehemals getrennten Bereiche ohnehin immer stärker zusammenwachsen“ (Arnold 2001: 16). Präsenzlernen oder Präsenzunterricht bezeichnet den Unterricht im Klassenzimmer, bei dem sich der Lehrende und die Lernenden zur selben Zeit an einem Ort zusammenfinden. Der Begriff des Präsenzlernens dient darüber hinaus im Kontext des mediengestützten Lernens der Abgrenzung von allen Formen des räumlich getrennten Lernens und wird meist in Zusammenhängen benutzt, in denen Formen des Präsenz- und Distanzlernens gemeinsame Lernszenarien bilden, wie beim so genannten Blended-Learning, auch hybrides oder kombiniertes Lernen genannt (vgl. Abschnitt 5). Ist davon nicht die Rede, verwendet man den Begriff Präsenzlernen in der Regel nicht, sondern benutzt den unmarkierten Begriff Unterricht (vgl. Rösler 2007: 17⫺18). Neben oben erwähnter Begriffserweiterung verschmelzen aufgrund der neuen Möglichkeiten auch die Grenzen der klassischen Funktionen unterschiedlicher Bildungsanbie-
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XII. Sprachen lehren: Einzelaspekte ter: Internationale Konsortien für wissenschaftliche Weiterbildungen für Unternehmen öffnen ihr Angebot für Privatpersonen und kooperieren mit etablierten Fernstudienanbietern, so genannte Corporate Universities größerer Unternehmen öffnen sich auch für den freien Markt (vgl. Arnold 2001: 30), Universitäten streben ins Netz und schließen sich in virtuellen Hochschulverbünden zusammen (vgl. Pförtsch 2002: 128⫺129) etc. Vor diesem Hintergrund kann eine abschließende Kategorisierung von Fern- oder Distanzlernkontexten in diesem dynamisch sich verändernden Gebiet (noch) nicht vorgenommen werden. Der Versuch der Begriffsklärung soll deutlich machen, dass die Unterscheidung Fernlernen versus Unterricht in eine Diskussion um das Begriffspaar Distanz- und Präsenzlernen, das sich jeweils auf beide Lernszenarien bezieht, übergegangen ist.
2. Die Rolle der Medien beim Fernlernen Die Geschichte des Fernunterrichts zeigt eine Entwicklung der Mediennutzung, die manche Parallele zur Mediennutzung im Präsenzunterricht beinhaltet. Medien spielen jedoch beim traditionellen Fernunterricht eine noch bedeutendere Rolle als beim klassischen Unterricht, haben sie doch neben der Aufgabe der kompletten Informationsvermittlung die Verpflichtung, die Lehrenden sowie die Kommunikation vor Ort völlig zu ersetzen. Taylor (2000) stellt fünf Modelle auf, die die fünf Generationen der Mediennutzung beim Fernlernen nachzeichnen. Es beginnt mit dem Correspondance Model, deren Medienbasis ausschließlich Print-Materialien umfasst und das zeitlich mit dem Beginn des Fernunterrichts in den 1920er Jahren bis zu den späten 1960er Jahren einzuordnen ist, und endet mit einem fünften Modell, das eine künftige Generation der Medien skizziert. Die vierte und heutige Generation des Fernlernens, das Flexible Learning Model, setzt Mitte/Ende der 1990er Jahre ein und zeichnet sich durch die Nutzung des Internet, des WWW und interaktiver multimedialer Materialien, u. a. in Form von Computersimulationen, sowie der computervermittelten Kommunikation aus. Schon seit dem dritten Modell, dem Fernlernmodell (im Original Telelearning Model), welches neben Printmaterialien, Audio- und Videokonferenzen, TV und Radio bereits die computervermittelte Kommunikation in Form von E-Mail mit einbezieht und Anfang der 1990er Jahre einsetzt, aber spätestens jedoch seit der vierten Mediengeneration wird dem Fernunterricht die Möglichkeit eröffnet, einen mündlich-visuellen Austausch der TeilnehmerInnen zu integrieren. Für den Sprachenbereich ist dies insofern bahnbrechend, als damit nun auch die interpersonale Interaktion zwischen den Lernenden und damit der kommunikative Austausch gefördert werden kann.
3. Interaktives und kooperatives Lernen Die raum-zeitliche Entkoppelung des didaktischen Dreiecks Lehrende ⫺ Lerngegenstand ⫺ Lernende (vgl. Arnold und Schüssler 1998: 95) beim Fernlernen ist verantwortlich dafür, dass das selbstständige Lernen und die Selbstorganisiertheit des Lernenden im Vordergrund stehen; und dies stellt hohe Anforderungen an den einzelnen Lernenden. Die Interaktion zwischen Lernenden fehlt in der ursprünglichen Fernlerndidaktik völlig,
135. Distanz- und Präsenzlernen
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was bedeutet, dass dort auch kommunikative und kooperative Elemente zwischen Lernenden keine Rolle spielen und somit die Möglichkeit, Wissen im Dialog hervorzubringen, kaum entwickelt ist. Das ist auch der Grund dafür, warum Fernlehrgänge häufig mit Formen des Präsenzlernens kombiniert werden (vgl. Lang 2002: 36) (siehe auch Abschnitt 5). Die in Abschnitt 2 erwähnte mediale Entwicklung des Fernlernens gibt bereits Hinweise darauf, wie sich diese Art des Lernens im Hinblick auf seine Sozialformen und die Interaktivität zwischen Lernenden und Lehrenden sowie zwischen den Lernenden untereinander verändert hat. Tenberg (2003), der Taylors Modell mit Fokus auf die Interaktionsmöglichkeiten zwischen Lernenden, Tutor und Material erweitert, kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Interaktionsmöglichkeiten mit dem Aufkommen der digitalen Medien flexibler gestalten und dass nun vor allem Interaktionen und Kooperationen zwischen den Lernenden, die in den ersten Generationen der Mediennutzung überhaupt nicht vorhanden waren, nun auch räumlich getrennt ⫺ synchron (z. B. Text- und VoiceChat, Audio- und Videokonferenz) und asynchron (z. B. E-Mail, Foren) ⫺ möglich und in ihrer Gestaltung vielfältig sind. Das gemeinsame Lernen in kooperativen Lernszenarien wie Projekten und anderen gruppenbildenden Arbeitsformen spielt nun auch beim Fernlernen durch die Verwendung digitaler Kommunikations- und Kooperationsmedien sowie interaktiver Lernplattformen eine wichtige Rolle. Tenberg stellt fest, dass diese Interaktionsformen kooperatives Lernen „im Rahmen einer reziprok multiperspektivischen Dialogstruktur“ (Tenberg 2003: 216) ermöglichen und dass sie dadurch die Voraussetzungen für Lernen als autonomen Erkenntnis- und Interpretationsprozess schaffen. Die zunehmende Verbreitung telematischer Lehr- und Lernformen im Fernunterricht liegt also sicherlich auch darin begründet, dass die Vorteile von Fernstudien nun mit kooperativen Lernformen kombiniert werden können (vgl. Arnold 2001: 24). Bereits 2001 beschreibt Arnold einen internetbasierten Kurs der Open University mit 10.000 Teilnehmenden „als richtungsweisendes Beispiel für ein kooperatives Lernszenario, da hier trotz der großen Teilnehmerzahl das Kursgeschehen um Tutorengruppen als Kristallisationspunkte organisiert ist und Kommunikation und Kooperation unter den Studierenden an zentralen Stellen in das Gesamtkonzept eingebettet ist“ (Arnold 2001: 76). Auch die FernUniversität Hagen baut seit 1996 eine virtuelle Universität aus, die sich unter anderem dadurch auszeichnet, dass nun Gruppenarbeit über das Netz unterstützt werden kann (vgl. Arnold 2001: 82). Für die Fremdsprachendidaktik ist diese Entwicklung im Bereich der Kommunikations- und Kooperationsmöglichkeiten von großer Bedeutung und begründet die verstärkte Nutzung von Fernlernangeboten sowie anderen Distanzlernangeboten auch in diesem Fachgebiet.
4. DaF/DaZ in der Fernlehre: Angebote und Studien Große Fernstudienanbieter in Deutschland, wie die Hamburger Akademie für Fernstudien (ein Unternehmen der Klett Gruppe, s. http://www.akademie-fuer-fernstudien.de) oder die Studiengemeinschaft Darmstadt (SGD, s. http://www.sgd.de) bieten Fernlernkurse im Bereich Deutsch als Fremd- und/oder Zweitsprache an. Hinzu kommen Fernstudienanbieter in anderen Ländern, wie die bereits erwähnte Open University in London, um nur eine sehr bedeutende zu nennen. Fernlernangebote im DaF-/DaZ-Bereich finden
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XII. Sprachen lehren: Einzelaspekte sich in Deutschland außerdem beim größten Mittlerinstitut der deutschen Sprache und Kultur, dem Goethe-Institut. Der Bereich Multimedia und Fernlehre des Goethe-Instituts verzeichnet ca. 2.000 Neueinschreibungen (Fernkursteilnehmer) pro Jahr und seit Jahren ist ein stetiges Wachstum zu beobachten (persönliche Mitteilung der Abteilung „Multimedia und Fernlernen“ des Goethe-Instituts). Darüber hinaus bieten auch Universitäten DaF-Fernlernkurse an, wie z. B. die Ludwig-Maximilians-Universität München mit ihrem interaktiven Deutschlernportal Deutsch-Uni-Online (DUO, s. http://www. deutsch-uni.com). Telemediale Fernlernkonzepte wie das unidirektionale Tele-Teaching, bei dem Vorlesungen per TV oder per Internet übertragen werden, spielen im Sprachlernbereich eine eher untergeordnete Rolle. Wie oben beschrieben, zieht der Sprachenunterricht vor allem aus den neueren Möglichkeiten der mündlich-visuellen Kommunikationsmedien seinen Gewinn, aber auch die medial schriftliche Kommunikation per Chat und E-Mail ermöglichen bereits seit einigen Jahren vielversprechende kommunikative Lernszenarien. Einen interessanten Einblick in die Möglichkeit der Nutzung digitaler Medien bei einem Fernlernkurs für den Anfangsunterricht DaF gibt Liebscher (2003), die beschreibt, wie ein ursprünglich klassisch organisierter Fernlernkurs mit Printmaterialien in einen aufgabenorientierten Online-Fernlernkurs übertragen wurde. Bemerkenswert bezüglich der Kursaktivitäten der TeilnehmerInnen ist die Dominanz der authentischen Kommunikation zwischen den Lernenden, die sich synchron über Chat und asynchron über ein Message Board vollzieht und damit „eine stärkere Hinwendung zum natürlichen Spracherwerb im Rahmen bedeutungsvoller Interaktion“ stattfindet (Liebscher 2003: 140). Das selbstgesteuerte Lernen sowie das gemeinschaftliche Lernen spielen bei diesem Konzept eine große Rolle. Erwähnte Kommunikationsmedien sowie neuere Medien, wie Wiki, Podcast oder Blog, die sich durch die Verbreitung des Web 2.0, dem Internet der zweiten Generation, einen Namen gemacht haben und bei denen die Inhaltsnutzer zu Produzenten werden, sind ebenfalls geeignet, das gemeinsame und projektorientierte Lernen zu fördern (vgl. u. a. Schmidt 2009; Würffel 2008). Der mündliche Austausch per Audio-Konferenz steht im Mittelpunkt der Betrachtung von Hampel (2007). Sie beschreibt eine audiographische Lernplattform, die an der Open University u. a. im DaF-Bereich zum Einsatz kommt und macht deutlich, dass die Nutzung multimedialer Lernplattformen und digitaler Lernumgebungen hohe Anforderungen an Lehrende und Lernende stellt und dass die dafür benötigten Kompetenzen (new literacies) erst erworben bzw. durch ein geeignetes didaktisches Design gefördert werden müssen.
5. Kombiniertes Präsenz- und Distanzlernen Präsenzkontakte sind, wenn auch in sehr eingeschränktem Maße, ein Merkmal klassischer Fernlernkonzepte und dienen als sozialstiftendes Mittel. Trotz vermehrter kommunikativer und kooperativer Lernmöglichkeiten durch neue Technologien darf auf sie nicht verzichtet werden. Auch Hess (2003) verweist nachdrücklich auf die dienende Funktion der Medien beim Distanzlernen, hier den teleunterstützten Präsenzunterricht im Blick, und relativiert die anfänglich große Begeisterung der Verantwortlichen didaktischer Konzeptionen im Hinblick auf technologische Lösungen. Für ihn sind Face-toface-Kontakte unverzichtbar (vgl. Hess 2003: 22).
135. Distanz- und Präsenzlernen
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Ob nun konventionelle Fernlernangebote durch Präsenzphasen unterbrochen werden oder ob klassische Präsenzkurse durch Online-Komponenten ergänzt werden, die Kombination von Präsenz- und Distanzphasen (Blended-Learning) versucht, die Vorteile beider Lernformen zu nutzen und ihre Nachteile auszugleichen. Distanzphasen können aus Selbstlernphasen im Online- und Offline-Modus sowie aus Online-Gruppenlernphasen bestehen, in allen Fällen ist eine gründliche Vor- und Nachbereitung von Nöten. Präsenzphasen nehmen bei diesem kombinierten Lernszenario eine besondere soziale und gruppenbildende Funktion ein. Darüber hinaus müssen sie „mehr noch als bisher, Raum zum interaktiven Sprechhandeln biete[n] und die kommunikative Handlungsfähigkeit der Lerner förder[n]“ (Launer 2008: 222). Eine besondere Herausforderung für Distanzlernphasen liegt in der Lernberatung bzw. der Tutorierung. Auch diesbezüglich erfahrenere Fernlerninstitute werden durch den Einsatz neuer Medien vor neue Aufgaben gestellt. Die Tatsache, dass das Distanzlernen sehr große Anforderungen an den einzelnen Lernenden in Bezug auf Selbstorganisiertheit und Selbststeuerung stellt, bedeutet auch, dass der Lehrende diesbezüglich sehr gut ausgebildet sein muss, um seinen Lernenden als Lernberater zur Seite stehen und ihnen notwendige Strategien an die Hand geben zu können (vgl. Launer 2008: 217⫺221).
6. Literatur in Auswahl Arnold, Patricia 2001 Didaktik und Methodik telematischen Lehrens und Lernens. Münster: Waxmann. Arnold, Rolf und Ingeborg Schüssler 1998 Wandel der Lernkulturen. Ideen und Bausteine für ein lebendiges Leben. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Forum DistancE-Learning ⫺ Der Fachverband für Fernlernen und Lernmedien e.V. Fernunterrichtsstatistik 2007. Online. http://www.forum-distance-learning.de/fdl_3fa8cd6be43e.htm, Abrufdatum: 23. 10. 08. Hampel, Regina 2007 New literacies and the affordance of the new media: Using audiographic computer conferencing for language learning. In: Susanne Schneider und Nicola Würffel (Hg.), Kooperation & Steuerung. Fremdsprachenlernen und Lehrerbildung mit digitalen Medien, 33⫺54. Tübingen: Narr. Hess, Hans W. 2003 Lerner als Kunden. Informationstechnologie im Alltagseinsatz. Deutsch als Fremdsprache 40(1): 14⫺23. Kerres, Michael 1998 Multimediale und telemediale Lernumgebungen. Konzeption und Entwicklung. München: Oldenbourg. Lang, Norbert 2002 Lernen in der Informationsgesellschaft. In: Ute Scheffer und Friedrich W. Hesse (Hg.), E-Learning: Die Revolution des Lernens gewinnbringend einsetzen, 23⫺42. Stuttgart: Klett-Cotta. Launer, Rebecca 2008 Blended Learning im Fremdsprachenunterricht ⫺ Konzeption und Evaluation eines Modells. Online: http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dokserv?idn⫽990295613&dok_var⫽d1&dok_ext⫽ pdf&filename⫽990295613.pdf, Abrufdatum: 23. 10. 2008.
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XII. Sprachen lehren: Einzelaspekte Liebscher, Grit 2003 Ein Modell kooperativen Lernens für einen Fernlernkurs Deutsch als Fremdsprache. Deutsch als Fremdsprache 40(3): 135⫺140. Pförtsch, Waldemar A. 2002 Lernen in der New Economy. In: Ute Scheffer und Friedrich W. Hesse (Hg.), E-Learning: Die Revolution des Lernens gewinnbringend einsetzen, 119⫺135. Stuttgart: Klett-Cotta. Rösler, Dietmar 2007 E-Learning Fremdsprachen. Eine Einführung. 2. Aufl. Tübingen: Stauffenburg. Schmidt, Torben 2009 Mündliche Lernertexte auf der Zweinull-Bühne ⫺ Mediale Inszenierungen im Englischunterricht am Beispiel eines Schulpodcast-Projekts. Forum Sprache (Online) 1: 24⫺42. Taylor, James C. 2000 New millenium distance education. In: Venugopal Reddy und Srivastava Manjulika (Hg.), The World of Open and Distance Learning, 475⫺480. Viva Books, India. Online: http://www.usq.edu.au/users/taylorj/publications_presentations/2000IGNOU.doc, Abrufdatum: 23. 10. 2008. Tenberg, Reinhard 2003 Interaktionsformen und Neue Medien aus der Sicht des Fernlernens. Deutsch als Fremdsprache 40(4): 210⫺219. Würffel, Nicola 2008 Kooperatives Schreiben im Fremdsprachenunterricht: Potentiale des Einsatzes von Social-Software-Anwendungen am Beispiel kooperativer Online-Editoren. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 13(1). (Online).
Eva Platten, Schaffhausen (Schweiz)
XIII. Medien und Lehr-Lernmaterialien 136. Die Funktion von Medien im Deutsch als Fremdund Deutsch als Zweitsprache-Unterricht 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Begriff Was gehört dazu? Medien und Methoden DaF und die digitalen Medien Primat der Didaktik Literatur in Auswahl
1. Begri Den Begriff Medien trifft man in unterschiedlichen Disziplinen, und entsprechend unterschiedlich sind die Vorstellungen, die mit ihm einhergehen. Ein Linguist versteht unter einem Medium zunächst die gesprochene oder geschriebene Substanz, die in der Sprache vorkommt; durch das Medium wird also die physikalische Vermittlung der Botschaft realisiert. In einem weitgefassten Medienbegriff kann eine Brille ein Medium sein, wenn man Medien als kompensatorische Mittel für körperliche Beschränktheiten auffasst. In den Kommunikationswissenschaften wird Medien zumeist auf die technischen Mittel bezogen, die dazu beitragen, Botschaften an ein potentiell unbegrenztes Publikum zu vermitteln, der Fokus liegt hier traditionell auf der Beschäftigung mit Massenmedien. Die unterschiedlichen Vorstellungen von Medien sind verbunden mit der Analyse unterschiedlicher Ausschnitte von Welt mit unterschiedlichen Methoden. Entsprechend problematisch ist die direkte Übernahme eines geistes- oder sozialwissenschaftlichen Medienbegriffs in die Didaktik. Nähme man z. B. die sprachwissenschaftliche Auffassung von der physikalischen Vermittlung von Botschaften als Ausgangspunkt, dann wäre in der Fremdsprachendidaktik alles unter Mediengesichtspunkten zu betrachten. Übernähme man hingegen die Fokussierung auf Massenmedien, dann spielten Medien in der fremdsprachendidaktischen Diskussion nur in bestimmten Teilbereichen eine Rolle. Die fremdsprachendidaktische Mediendiskussion hat sich aber nicht zu fragen, ob sie eher in der Tradition von Shannon und Weaver (1949), McLuhan (1964) oder wem auch immer steht. Sie kann nicht einfach aus einer linguistischen, medienwissenschaftlichen, semiotischen oder kommunikationswissenschaftlichen Perspektive abgeleitet werden, sondern muss selbst bestimmen, welcher Blick auf die Medien für ihren Gegenstandsbereich Lehren und Lernen von fremden Sprachen von Relevanz ist. Ein fremdsprachendidaktisches Medienverständnis hat als Ausgangspunkt die Idee von Medien als Mittlern, die dafür sorgen, dass Wissen und Fertigkeiten erworben werden. Für das Fremdsprachenlernen sind Medien sowohl Transporteure von Information als auch Vehikel der Kommunikation. Behandelt werden müssen deshalb auf der einen Seite die Bereitstellung und die Gestaltung von Medienarrangements, auf der anderen Seite die Integration von Medien in Lehrprozesse und die Verwendung von Medien durch die lernenden Indivi-
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XIII. Medien und Lehr-Lernmaterialien
duen. Ein Blick auf all diese Aspekte ist notwendig, um zu vermeiden, dass Medien einseitig z. B. nur als Vermittlungsinstrumente gesehen werden. Für eine angemessene Einschätzung der Funktion von Medien für das Fremdsprachenlernen ebenfalls notwendig ist eine Unterscheidung im Hinblick auf deren Verwendung innerhalb oder außerhalb des zielsprachigen Raums. Wer Deutsch als Fremdsprache außerhalb des deutschsprachigen Raums lernte, für den war eine gute Medienausstattung traditionell wichtiger als für jemanden, der Deutsch als Zweit- oder Fremdsprache innerhalb des deutschsprachigen Raums lernte (vgl. zu den Implikationen dieser Unterscheidung Rösler 1994: 5⫺13), da ihm der lebensweltliche unmittelbare Zugang zur deutschen Sprache und zur deutschsprachigen Welt fehlte. Mit Beginn des 21. Jahrhunderts nimmt der Teil des Lebens, der medial bestimmt ist, zu, so dass auch für die Lernenden außerhalb des deutschsprachigen Raums natürliche mediale Interaktionen in deutscher Sprache verstärkt zum Alltag gehören (können), dennoch ist die Unterscheidung von unmittelbarer Erfahrung des deutschsprachigen Raums vs. stärker durch Medien vermittelter Zugang zu diesem für eine zielgruppenangemessene Gestaltung des Deutschlernens weiterhin von großer Bedeutung.
2. Was gehört dazu? Auch mit einer Konzentration auf die fremdsprachendidaktische Perspektive auf die Medien ist nicht eindeutig festzuhalten, was alles zu Medien dazugehört und wie man sie kategoriell unterteilen kann. Das wird deutlich, wenn man zwei Überblicksartikel aus fremdsprachendidaktischen Handbüchern gegenüberstellt. In der ersten Auflage dieses Handbuchs wurde von Schwerdtfeger (2001) beschrieben, wie der Begriff Unterrichtsmedien ab Anfang der 1960er Jahre in der deutschen fremdsprachendidaktischen Diskussion den Begriff Unterrichtsmittel zu ersetzen begann. Als für den Unterricht Deutsch als Fremdsprache relevante Medien angeführt wurden: Lehrbuch; Bilder, Photographien, Diapositive, Filmstreifen; Tonband/-kassetten, Schallplatte, Radiosendungen, Sprachlabor; Tonfilme, Fernsehfilme, Fernsehsendungen, Videofilme; Computer und Multimedia (Schwerdtfeger 2001: 1018). Diese Medien wurden dort in technische und nichttechnische sowie in visuelle, auditive und audiovisuelle Medien unterteilt. Interessant ist an dieser Aufstellung, dass mit dem Lehrbuch zwar ein didaktisches Printmedium angeführt wird, dass aber Massenmedien in Printform wie Zeitungen und Zeitschriften nicht vorkommen, obwohl sie didaktisch ebenso relevant sein können wie auditive oder audiovisuelle Massenmedien. In Praktische Handreichungen für den Fremdsprachenlehrer stellt Jung derartigen Klassifizierungen ein seiner Auffassung nach „vom Lerner her konzipiertes Medienkategoriensystem“ (Jung 2006a) entgegen: Printmedien (Lehrbücher, Lektüren, Zeitung, Lexika), Massenmedien (Briefmarke, Plakat),
136. Medien im Deutsch als Fremd- und Deutsch als Zweitsprache-Unterricht
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Produktmedien (Audioplayer […] DVD-Player) Leer- und Transportmedien (Telefon, Internet […] Tafel), Prozessmedien (Rundfunk, Fernsehen, […] Anrufbeantworter), Speichermedien (Audiorecorder, Videorecorder), Interaktionsmedien (Lehrmaschine, Computer). (Jung 2006a: 233, Hervorhebung im Original ⫺ dr) Es ist wenig sinnvoll, einen eingeführten Begriff wie Massenmedien, bei dem die Sprachgemeinschaft an Rundfunk, Fernsehen usw. denkt, lediglich für Briefmarken und Plakate zu verwenden, aber diese überhaupt mit aufzuführen, ist sinnvoll, denn Personen und Sachen, die auf einer Briefmarke abgebildet sind, haben für Jung eine gute Chance, „sich im kollektiven Gedächtnis der Nation einzunisten oder zu verfestigen“ (Jung 2006b: 240), und können von daher durchaus einen Beitrag zur Landeskundevermittlung leisten. Die mit diesen beiden zitierten Aufstellungen angedeutete Unterschiedlichkeit der Vorstellungen von dem, was unter fremdsprachendidaktischen Gesichtspunkten alles zu den Medien gehört, macht es erforderlich, dass man bei der Rezeption von Texten zur Mediennutzung immer genau schauen muss, über welche Medien im jeweiligen Text konkret geredet wird. Im weiteren Verlauf dieses Artikels werden die gedruckten Komponenten eines Lehrwerks, also z. B. Lehrbuch, Arbeitsbuch, Lehrerhandbuch oder Glossar nicht weiter behandelt, vgl. dazu den Art. 137.
3. Medien und Methoden Seit der Erfindung des ersten Schallaufzeichnungsgerätes existiert die Möglichkeit, Fremdsprachenlernenden gesprochene Sprache sprechzeitunabhängig zur Verfügung zu stellen. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die ersten Aufnahmen für den Fremdsprachenunterricht produziert (vgl. Schwerdtfeger 2001: 1020). Mit der Bereitstellung von sprachlichen Daten auf Tonträgern war es zum einen möglich, Lehrwerktexte auch akustisch zu realisieren und den Lernenden ein Sprachvorbild zu liefern. Erstmalig konnte so theoretisch auch die gesprochene Sprache anhand von gespeichertem Material im Selbststudium erworben werden, außerdem war es möglich, muttersprachliche Sprachvorbilder und unterschiedliche Dialekte oder Soziolekte ins Klassenzimmer zu bringen, die eine einseitige Gewöhnung der Lernenden an das Sprachvorbild des Lehrers verhindern konnten. Lernende konnten diese Vorbilder imitieren, gleichzeitig war es mit Aufzeichnungsgeräten aber auch möglich, die Lernenden in ihren Versuchen, die Zielsprache auszusprechen, aufzunehmen, so dass Vergleiche zwischen Vorbild und Lernerrealisierung möglich waren, ein Verfahren, das vor allem im Sprachlabor intensiv genutzt wurde. Seit Aufkommen von Sprachlabor und audiolingualer Methode gehören Tonträger zum selbstverständlichen Bestandteil eines Lehrwerks. Geändert haben sich über die Jahre die Verwendungsweisen dieser Tonträger. Zu Kassetten, die entweder im Sprachlabor für Drillübungen verwendet wurden, oder die Lehrwerktexte medial mündlich realisierten, ist mit Beginn der Hörverstehensdidaktik (vgl. als Überblick Dahlhaus 1994) eine weitere didaktische Einsatzmöglichkeit hinzugetreten: Akustisch realisierte Texte werden mit Hilfe bestimmter Aufgaben als zu verstehende Texte behandelt, die nicht Wort für Wort bearbeitet werden müssen.
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XIII. Medien und Lehr-Lernmaterialien
3.1. Das Sprachlabor und die audiolinguale Methode In einem Sprachlabor traf ein Lerner zumeist auf einen auf Tonband bzw. Kassette aufgezeichneten Text, der Arbeitsanweisungen und zumeist auch Lösungsbeispiele enthielt. Die Übungen enthielten Pausen, in die der Lerner eine mündliche Reaktion sprechen konnte. Eine vierphasige Übung zum Beispiel besteht aus Aufgabe, versuchter Antwort des Lerners, richtiger Antwort und Wiederholung der Antwort. Zu den Sprachlaborübungen gehören Hör- und Diskriminierungsübungen, Übungen zum Hörverstehen, Nachsprechübungen und Übungen zur gelenkten Sprachproduktion vor allem in Form von Strukturübungen (pattern drills), die nach Art der vom Lerner vorzunehmenden Manipulation des Sprachmaterials klassifiziert werden konnten als Austauschübungen, Veränderungsübungen, Analogieübungen, Ergänzungsübungen oder Übersetzungsübungen (vgl. Nübold 2006: 301⫺302). Das Sprachlabor kam Anfang der 1960er Jahre in die deutschen Schulen, bereits Mitte der 1970er Jahre wurde die Frage, ob es sich um eine Fehlinvestition handele, diskutiert, seit Anfang der 1990er Jahre ist das Sprachlabor in den öffentlichen Schulen kaum noch vorhanden. Der Einzug des Sprachlabors in die Klassenzimmer war mit dem Glauben an die Überlegenheit einer bestimmten allgemeinen Methode verbunden, das Auftauchen der audiolingualen Methode wurde als Verbesserung des Fremdsprachenlernens gesehen. Die zweifelsohne vorhandenen Vorteile wie die Individualisierung des Übens und die große Sprechzeit pro Lerner innerhalb einer Unterrichtseinheit traten bald hinter eine Kritik zurück, die auf die Überforderung der Lernenden im Hinblick auf die Selbstkorrektur, die Starrheit der Unterrichtsgestaltung (ganze Stunden im Sprachlabor, starrer Ablauf, Vereinzelung der Lernenden), die Formfokussierung usw. verwies. Und so fest war die Verbindung von Sprachlabor und audiolingualer Methode, dass trotz differenzierter Versuche, über das Drillen hinausgehende Verwendungsweisen des Sprachlabors zu diskutieren (vgl. z. B. Krumm 1975), eine veränderte Einschätzung der Bedeutung der audiolingualen Methode und der mit ihr verbundenen linguistischen und psychologischen Ansätze Strukturalismus und Behaviorismus auch zur Abwertung der Sprachlaborarbeit generell führte: Die kommunikative Wende Mitte der 1970er Jahre führte zu einem Statusverlust des Sprachlabors. Gefragt wurde nicht, ob die überdimensionierten Erwartungen an das Sprachlabor auf die Einschätzung der Funktionalität bestimmter Übungen für das Lernen reduziert werden müssten, stattdessen repräsentierte das Sprachlabor nun einen falschen Ansatz, der zu überwinden war. Man kann inzwischen spekulieren, ob mit der Wiederentdeckung der Chunks in der Fremdsprachendidaktik zu Beginn des 21. Jahrhunderts auch eine Wiederentdeckung des repetitiven Übens im Sprachlabor einhergehen wird. Da das Sprachlabor inzwischen als Teilbereich eines Multimedialabors gesehen werden kann, das weitaus mehr kann, als nur Übungen zur Verfügung zu stellen, kann es sein, dass die Grundidee des Sprachlabors ⫺ ohne methodische Überhöhungen, sondern reduziert auf seine Funktionalität ⫺ wieder eine Rolle spielen könnte.
3.2. Der Einsatz visueller und audiovisueller Medien Die Bedeutung der visuellen Medien hat Schwerdtfeger (2001) für das Fremdsprachenlernen wie folgt zusammengefasst:
136. Medien im Deutsch als Fremd- und Deutsch als Zweitsprache-Unterricht
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Visuelle Medien erregen und halten die Aufmerksamkeit der Lernenden. Sie sprechen die Emotionen der Lernenden an und vermögen so, die Lernenden zu sprachlichem Handeln zu motivieren. Visuelle Medien schaffen einen Bezug zur gesprochenen und geschriebenen Zielsprache und vermögen, unbekannte mündliche und schriftliche Texte verständlich zu machen. Visuelle Medien vermögen, die regionalen und sozialen Spezifika der geschriebenen oder gesprochenen Sprache zu verdeutlichen. Gestik, Mimik und Körpersprache werden durch visuelle Medien als unverbrüchlicher Teil der zu lernenden Fremdsprache verdeutlicht. Visuelle Medien dienen als mnemotechnische Hilfe, d. h. sie fördern das Erinnerungsvermögen der Lernenden und unterstützen mündliche und schriftliche Äußerungen der Lernenden in der Fremdsprache. Sie erleichtern das Hörverstehen der zu lernenden Sprache. Visuelle Medien fördern die Erweiterung des Wortschatzes und stützen Strukturübungen. Visuelle Medien eigenen sich zum Einsatz auf jeder Stufe des fremdsprachlichen Lernprozesses. (Schwerdtfeger 2001: 1023⫺1024) Eine Verstärkung der Tendenz zur Visualisierung zeigt sich in DaF seit der kommunikativen Wende, nicht zuletzt verbunden mit dem Namen Theo Scherling (vgl. Scherling und Schuckall 1992), in der zunehmenden Visualisierung in Lehrwerken, durch Zeichnungen, die funktional und nicht ornamental sind, und durch Grammatikdarstellungen, die versuchen, Anschaulichkeit durch Visualisierung zu gewinnen. Mit dem Aufkommen der digitalen Medien ist diese Visualisierung einen Schritt vorangetrieben worden dadurch, dass zumindest in Ansätzen ersichtlich ist, welche Funktion animierte Grammatikdarstellungen übernehmen können (vgl. Roche und Scheller 2004). Am Beispiel des Einsatzes von Filmen zeigt Schwerdtfeger (2001), wie sich die didaktische Einstellung zu sich bewegenden Bildern änderte. Ehnert (1984: 7) zitierend weist sie darauf hin, dass traditionell Anforderungen an das Medium Film gestellt worden waren, die sich auf den Lernprozess bezogen und das Medium nicht in erster Linie als eigenständigen kulturellen Gegenstand betrachten wollten: das Bildobjekt soll sich möglichst ruhig verhalten oder nur langsam bewegen; bei schnellen Bewegungen muss die Einstellung entsprechend lang sein, die Perspektive soll möglichst einheitlich (Augenhöhe, keine Kamerafahrt) sein; es sollen nur wenige Einstellungen (Totale und Großaufnahme) erfolgen; der Zoom soll nicht oder wenig eingesetzt werden, und es sollen wenige Überblendungen stattfinden, die Einstellungen sollen 16 bis 20 Sekunden dauern. (Schwerdtfeger 2001: 1025) Demgegenüber beschreibt sie die Anforderungen an filmspezifische Übungen wie folgt: In den Übungen wird berücksichtigt, dass der Film eine vom Filmemacher konstruierte Wirklichkeit ist und damit nie Abbild einer wie auch immer gearteten Wirklichkeit.
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XIII. Medien und Lehr-Lernmaterialien In den Übungen wird daher berücksichtigt, dass der Film eine Zeichenkomposition ist, in der in spezifischer Weise mit Zeit und Raum umgegangen wird. Filmspezifische Zeichen sind z. B. Kameraeinstellungen, Schnitt, Kamerafahrt, Kameraperspektive, Töne, Musik, Farben, Licht etc. In den Übungen steht die in den Filmen gesprochene Sprache also nicht isoliert im Zentrum, sondern immer nur eingebunden in das Gewebe aller anderen filmischen Zeichen. In den Übungen werden die Zeichen der Filmsprache, d. h. die speziellen filmischen Erzählungen mit den Deutungen, die die Betrachter ihnen geben, konfrontiert. Die Deutungen der Lernenden sind eingebunden in ihre persönlichen emotionalen und kognitiven Prozesse, diesen wird in den Übungen Rechnung getragen. So entstehen filmspezifische Wahrnehmungsübungen, in denen für die Deutungen von filmspezifischen Zeichen und nonverbalem Verhalten durch die Lernenden immer auch der Ausdruck von Gefühlen für mündliche und schriftliche Aufgaben im Mittelpunkt stehen (sic!). (Schwerdtfeger 2001: 1025)
Diese Gegenüberstellung zeigt, dass Film und Fernsehen in der Entwicklung der Didaktik der audiovisuellen Medien als eigenständige kulturelle Produkte Raum gewannen und nicht mehr nur als Vehikel für zu lernende Sprache eingesetzt wurden. Zwei sich scheinbar widersprechende Tendenzen sind seit Anfang der 1970er Jahre auszumachen: Obwohl die Bilder nun schon seit mehr als hundert Jahren das Laufen gelernt haben, sind Filme, die Sprachverwendung situiert in Kontexten zeigen und von daher sprachliches Material hervorragend einführen könnten, im Unterricht oft ein Randphänomen; die meisten Sprachkurse haben weiterhin das Lehrbuch und nicht den Film als ihr Ausgangsmedium. Gleichzeitig hat es aber methodische Bewegungen gegeben, die mit einem erhöhten Einsatz von und vor allem mit der Kombination verschiedener Medien arbeiteten: die Arbeit mit einem Medienverbund, den man heute vom Standpunkt der digitalen Medien aus rückblickend den analogen Medienverbund nennt. In Frankreich entwickelte sich die audio-visuelle, global-strukturelle Methode. Alles kam zum Einsatz: Kassetten, Dias, Overhead-Projektor, Film, Fernsehen. Die Lernenden waren in Gefahr, medial überrollt zu werden, und die Lehrenden konnten leicht auf eine Rolle als Medientechniker reduziert werden, die Handlungsanweisungen aus Lehrerhandbüchern, die im Detail Vorgehensweisen vorschrieben, zu folgen hatten. Lernende, die über muttersprachliche Vergleiche, kognitiv oder auch nur über die analytische Kraft des Notizenmachens lernten, hatten in diesen durchorganisierten, multimedialen Sprachlernprogrammen ihre Schwierigkeiten. Festzuhalten war jedoch zumindest anfänglich meist eine erhöhte Motivation durch die zum damaligen Zeitpunkt noch sehr ungewohnte Medienüberflutung und die entsprechend geschulten, von ihrem Medienlabor zunächst begeisterten Lehrer. Gleichzeitig lag in der durchgeplanten Konfrontation mit den unterschiedlichen medialen Repräsentationen von Zielsprache und -kultur auch der Kern des Scheiterns der analogen Medienverbünde: Nicht nur wurden Lehrer vom Kabelsalat und den an sie herangetragenen technischen Ansprüchen abgeschreckt, der minutiös geplante Ablauf des Unterrichts widersprach auch den Vorstellungen eines annähernd selbstbestimmten Umgangs mit der angebotenen Vielfalt.
136. Medien im Deutsch als Fremd- und Deutsch als Zweitsprache-Unterricht
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4. DaF und die digitalen Medien Sprachlabor und analoge Medienverbünde sind Belege dafür, dass sich bereits im Verlauf des 20. Jahrhunderts eine zunehmende Medialisierung des Fremdsprachenlernens feststellen lässt. Im 21. Jahrhundert zeigt sich die zunehmende Medialisierung der Lebensverhältnisse, die auch Konsequenzen für das Fremdsprachenlernen hat, im Kontext der digitalen Medien unter anderem an den folgenden Tendenzen: ⫺ Die klassischen Massenmedien erleiden einen Bedeutungsverlust, neue Leitmedien etablieren sich. ⫺ Das klassische Sender-Empfänger-Verhältnis ist spätestens seit Web 2.0 durch den sogenannten user generated content austauschbar. ⫺ Die Medienbotschaften erreichen einen immer größeren Anteil an der Konstruktion von Wirklichkeit, die Fiktionalitätsgrenze wird immer häufiger unkenntlich. ⫺ In der Bildungsdebatte hat das Konzept der multiliteracy (vgl. New London Group 1996) als Leitkonzept den traditionellen Schriftspracherwerb abgelöst. Diese veränderte gesellschaftliche Mediennutzung führt für die Fremdsprachendidaktik zu interessanten neuen Angeboten. Es kommt zunächst zu einem motivationalen Extraprofit beim Einsatz eines neu auftretenden Mediums, der wie schon beim analogen Medienverbund auch bei den digitalen Medien vorhanden ist, aber nur kurzfristig anhält: „Der motivationale Anreiz durch die Medienverwendung im Unterricht hat sich zu allen Zeiten in dem Maße relativiert, in dem das Medium ohnehin Teil des Alltags wurde und damit nichts Außergewöhnliches mehr war“ (Funk 2000: 14). Deshalb muss in der fremdsprachendidaktischen Diskussion die Befassung mit der Funktionalität des Medieneinsatzes an erster Stelle stehen: Der Einsatz digitaler Medien ist dann sinnvoll, wenn er sinnvoll ist. Weder eine Überhöhung des Einsatzes digitaler Medien durch ein trivialisiertes Autonomiekonzept (vgl. Rösler 1998; Hess 2001 und Schmenk 2008) noch ein an den Lernerinteressen (vgl. Hess 2003) vorbei konzipierter Medieneinsatz helfen Lernenden beim Deutscherwerb. Man sollte also nicht aus dem Vorhandensein der Medien didaktische Konzepte für deren Anwendung entwerfen, sondern fragen, welchen Beitrag die Medien zur Lösung von Fragen leisten, die sich der Fremdsprachendidaktik generell stellen. Die Diskurshoheit liegt also bei der Didaktik, nicht bei den Bastlern von Anwendungen. Neue Ideen für den Medieneinsatz können das Lehren und Lernen von Fremdsprachen beflügeln, sie können aber auch didaktische Rückschritte bedeuten, wenn die Begeisterung für den Medieneinsatz die didaktische Reflexion und die Aufnahme der didaktischen Diskussion zum jeweiligen Gegenstand ausblendet.
4.1. Digitales Lehrmaterial: Übungstypen und Feedback Mit dem Aufkommen des Computers wurde versucht, diesen für das Üben von Formaspekten zu verwenden. In gewisser Weise erfolgte damit eine Wiederaufnahme der Konzeption des Sprachlabors: Individualisiert konnten die Lerner sich besser einem Lernproblem widmen als im Klassenverband. Aufgrund der programmiertechnischen Gegebenheiten und der sich entwickelnden Autorensoftware war dieses Üben zunächst
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XIII. Medien und Lehr-Lernmaterialien
eine relativ eingeschränkte Angelegenheit: Lückenübungen, Umformungsübungen, Drag and Drop-Zuordnungsübungen, also insgesamt geschlossene Übungen zur Sicherung des Formbestandes, dominierten die erste Runde der computergestützten Sprachvermittlung, für die sich die englische Abkürzung CALL (computer assisted language learning) durchsetzte (vgl. als Überblick Chapelle 2001). Aus der Perspektive der Fremdsprachendidaktik bedeutete dies zunächst einen Rückschritt hinter die Vielfalt bereits vorhandener Übungsformate, nach dem verbreitetsten Autorenprogramm konnte man von einer HotPotatoisierung der digitalen Übungswelt sprechen. Ein besonderes Problem dieser Übungen stellte die Rückmeldung an den Lerner dar. Im Gegensatz zum klassischen Sprachlabor, das dem Lerner eine richtige Antwort lieferte, die dieser selbst vergleichen und erneut nachsprechen konnte, besitzt der Computer als seinen größten Vorteil die Interaktivität: Rückmeldungen auf die Eingabe der Lerner, das sogenannte Feedback, sind möglich. Das Programm muss dabei auf die Eingaben eines Lerners in einer vorprogrammierten Weise reagieren. Diese Rückmeldung wird innerhalb des Programms durch den Abgleich von Mustern organisiert: Die Eingabe des Lerners wird mit vorgegebenen Mustern verglichen, je nach erkanntem Muster wird eine vorher festgelegte Antwort ausgegeben. Im einfachsten Fall generiert das Programm die Meldung Die Antwort ist nicht richtig, wenn vom Lerner nicht genau die antizipierte Eingabe eingegeben wurde. Ob dieser lediglich einen Tippfehler gemacht, Groß- und Klein- oder Getrennt- und Zusammenschreibung verwechselt hat oder tatsächlich einen schweren Verstoß gegen die Regeln der deutschen Morphologie begangen hat, würde in diesem Fall nicht erfasst. Diese Art der Programmierung ⫺ die ihre schlimmste Variante in der Fehlermeldung Einige der eingegebenen Antworten sind falsch hatte, wonach alle Antworten der Lernenden verschwanden ⫺ ist offensichtlich didaktisch nicht befriedigend. Wie gut oder schlecht ein automatisch generiertes Feedback ist, hängt davon ab, wie arbeitsintensiv und sorgfältig die Antizipationen der Programmersteller sind. CALLÜbungen müssen durchaus nicht so schlecht sein, wie man sie häufig im Netz antreffen kann: Zumindest bei geschlossenen Übungen sind die Eingaben der Lernenden bis zu einem bestimmten Umfang antizipierbar, Flüchtigkeitsfehler können von Kompetenzfehlern unterschieden und mit unterschiedlichen Rückmeldungen versehen werden. Die Feedbacks können sich dadurch unterscheiden, dass sie zur Selbstkorrektur anregen oder dass sie die Korrektur selbst durchführen, dass sie auf Quellen verweisen usw. Wichtig für die Sicherung der Qualität des Feedbacks ist also die Frage, wie viel Zeit und Energie in diesen auf der Oberfläche zunächst unsichtbaren Teil des Programms investiert werden (vgl. Rösler 2007: 177⫺194). Bei offenen Aufgaben, bei denen die Lernenden einen eigenen Text eingeben, versagt die programmierte Analyse jedoch; hier können für automatisch generierte Feedbacks nur Musterlösungen angegeben werden, oder die Texte werden an einen menschlichen Korrektor, der online zur Verfügung steht, weitergeleitet. Einen qualitativen Fortschritt kann das Feedback hier erst erreichen, wenn künstliche Intelligenz und Fremdsprachendidaktik in Kooperation treten, wenn die mächtigen Analysewerkzeuge der Sprachtechnologie dazu verwendet werden, Lernereingaben ernsthaft zu analysieren und auf die Fehler in angemessener Weise zur reagieren (vgl. als Beispiel Heift 2001 und als Überblick Gamper und Knapp 2002). Im Gegensatz zu klassischem Lehrmaterial, das durchgehend sichtbar ist, ist für die Einschätzung der Qualität von digitalem Lehrmaterial eine Analyse des Feedbacks, also von etwas an der Oberfläche zunächst Unsichtbarem, von besonderer Wichtigkeit. Not-
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wendig ist deshalb eine systematische Lehrmaterialanalyse auch von digitalem Lehrmaterial (vgl. Roche 2003), die stärker rezeptionsanalytisch als die traditionell eher werkanalytische Lehrwerkanalyse der Printwerke sein muss (vgl. Rösler 2008: 376⫺377).
4.2. Digitales Lehrmaterial: lehrwerkbegleitend und lehrwerkunabhängig Neben die alleinstehenden Übungen der Anfangsphase von CALL traten relativ schnell digitale Komponenten von Lehrwerken; kaum ein DaF-Lehrwerk kommt heute ohne digitale Begleitung aus, entweder dadurch, dass CDs mit Übungen und Aufgaben angeboten werden und/oder dadurch, dass Online-Aktivitäten zur Verfügung gestellt werden. Über die formbezogenen geschlossenen Übungen hinaus kann das lehrwerkbegleitende digitale Material Projektvorschläge, landeskundliche Materialien etc. liefern, die sowohl im Hinblick auf den möglichen Umfang (ausführliche Bildersammlungen, Audiound Videodateien) als auch im Hinblick auf Aktualität dem klassischen Lehrwerk überlegen sind, allerdings nur, wenn sie nach den gleichen Qualitätsstandards gepflegt werden wie klassische Print-Lehrwerke. Über die Begleitung von printgeleiteten Lehrwerken durch digitales Material hinaus entwickelt sich eine Diskussion darüber, ob und wie weitgehend in Zukunft der gesamte Lehrwerkbereich digitalisiert wird. Dies kann zum einen bedeuten, dass mit einem Konzept wie Lehrwerk on demand durch das Zusammenspiel von zentraler und peripherer Materialproduktion eine größere Zielgruppen- und Lernzielgenauigkeit von Lehrwerken erreicht wird (vgl. Rösler 2006a), zum anderen wird gefragt, ob Lehrwerke insgesamt nur noch digitalisiert als Online-Lehrwerke zur Verfügung stehen werden. Das zum Zeitpunkt der Niederschrift dieses Beitrags für DaF am weitesten fortgeschrittene Projekt in diesem Bereich ist Deutsch-Uni Online (vgl. Roche 2008). Auf der Ebene der Materialentwicklung ist aus der anfänglichen Diskussion um das Design einzelner Übungen eine über die interaktiven Qualitäten von komplexen Materialarrangements geworden, über das angemessene Feedback auf fehlerhafte Lernereingaben und über die Frage, wie adaptiv digitales Lehrmaterial sein kann, d. h., wie und wie weitgehend das Programm einen Lernenden so modellieren kann, dass es als Reaktion auf sein Verhalten in Übungen, bei der Nutzung von Hilfsangeboten usw. sich ihm durch individualisierte Hilfestellungen, Vorschläge für Übungen und Texte usw. anpassen und ihn so gezielt unterstützen kann.
4.3. Chancen und Risiken der Arbeit mit authentischen Materialien Das Üben von Formen und das Bereitstellen von Material ist aber nur ein Teilbereich der Diskussion um das Fremdsprachenlernen mit digitalen Medien. Das online verfügbare didaktisierte Material stellt nur einen kleinen Teil der im Internet vorhandenen Materialien dar, und man kann über dessen Relevanz durchaus unterschiedlicher Meinung sein: zumindest bei vielen geschlossenen Übungen und besonders bei als PDF-Dateien zur Verfügung gestellten Arbeitsblättern scheint sich der Vorteil der Digitalisierung auf die schnelle Distribution zu beschränken. Im Gegensatz dazu scheint die schier unendliche Menge von vorhandenen Texten, Bildern, Filmausschnitten usw. im Netz für das Fremdsprachenlernen eine Art Schlaraffenland darzustellen. Die Suche nach authentischen Texten, die seit der kommunikativen
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Wende ein hohes Gut für die Fremdsprachendidaktik sind, für das einst eigene didaktische Zeitschriften wie Authentik gegründet wurden, ist einfacher geworden. Besonders durch den digitalen Transport auditiver und audiovisueller Materialien haben auch weit vom Zielsprachenland entfernte Klassenzimmer einen schnellen Zugriff auf Hör- und Hörsehtexte, was sich u. a. in der wachsenden Beliebtheit von Podcasts zeigt. Die jeweils aktuellen Nachrichtensendungen aus Radio und Fernsehen sind ebenso abrufbar wie spezielle Internetdienste; YouTube u. ä. liefern von Individuen gedrehte Filme oder Auszüge aus professionellen Produktionen, immer mehr authentische Stimmen von Muttersprachlern und Deutschlernenden stehen den Lehrenden und Lernenden zur Verfügung. Diese Vielfalt produziert neue Herausforderungen für die Fremdsprachendidaktik. Während die Eingeschränktheit von Material vor dem Aufkommen des Internet je nach Sichtweise als Zensur oder qualitätssichernde Maßnahme von Verlagen beschrieben werden konnte, erlaubt die Anarchie des Netzes die Verbreitung beliebiger und beliebig vieler Texte. Dies bedeutet, dass die Qualitätssicherung auf die Rezipienten verschoben ist. Waren für einen Fremdsprachenlerner außerhalb des deutschsprachigen Raums zuvor der Lehrer und das Lehrwerk sowie, wenn er Glück hatte, eine gut ausgestattete Bibliothek und ein guter Kurzwellenempfänger seine von einer Redaktion oder einem Lektorat kontrollierten Hauptinformationsquellen, so ist er bei Texten aus dem Internet darauf angewiesen, die Quellen durch seine eigene Medienkompetenz angemessen einschätzen zu können. Für die Didaktik gilt: Die Arbeit mit authentischen Materialien aus dem Internet muss so durch auf die jeweiligen Stadien des Spracherwerbs zugeschnittene Aufgabenstellungen und Vermittlungen von Strategien begleitet werden, dass die Lernenden erfolgreich mit diesen umgehen können. Dies kann z. B. bedeuten, dass bereits im sehr frühen Anfangsunterricht stark gesteuerte Ausflüge ins Netz unternommen werden, bei denen die Zahl der anzusteuernden Seiten begrenzt ist, die Aufgabenstellung nur selektives Lesen erfordert und die schriftliche oder mündliche Mitteilung der gefundenen Lösung mit dem vorhandenen sprachlichen Können möglich sein muss (vgl. dazu ausführlicher Rösler 2007: 160⫺168). Ebenso wie im traditionellen Fremdsprachenunterricht in Bezug auf die erste Arbeit mit Ganzschriften, auf die Arbeit mit Filmen usw. ist auch bei der Arbeit mit Texten aus dem Internet also dafür zu sorgen, dass das über die Lehrwerkprogression hinausgehende Arbeit mit authentischen Texten mit Aufgabenstellungen verbunden ist, die dafür sorgen, dass Lernende so früh und so erfolgreich wie möglich mit zielsprachlichem Material umgehen lernen. Neben der Vielfalt des vorhandenen Materials ist dessen Aktualität ein weiterer Grund für die Arbeit mit dem Internet, vor allem dann, wenn es um landeskundliche Inhalte im weitesten Sinne geht. Entsprechend haben sich für diesen Bereich eine Reihe von Aufgabentypen herausgebildet, z. B. WebQuests, bei denen Lernende eine bestimmte Aufgabe durch das Aufsuchen von Seiten im Netz lösen müssen, oder kooperative Spiele wie z. B. Odyssee (vgl. Grätz 1999), bei der Gruppen von Lernenden ihren eigenen Standort anderen Lernenden in verrätselter Form präsentieren und den anderer Gruppen erraten müssen (vgl. zur Vielfalt von Aufgaben für den DaF-Unterricht unter Einbeziehung des Internets Biechele et al. 2003).
4.4. Kooperatives Lernen Die schnelle Überwindung von Zeit und Raum führt dazu, dass das fremdsprachendidaktisch bewährte Konzept der Klassenpartnerschaften quantitativ ausgeweitet werden
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kann. Für Kooperationsprojekte aller Art gilt auch weiterhin der Satz, dass es egal ist, in welchem Medium man sich nichts zu sagen hat, wenn man sich nichts zu sagen hat. Wie bei den klassischen Kooperationsprojekten sind also auch bei digitalen Kooperationsprojekten die Fragen der Inhalte, der Rahmenbedingungen der beteiligten Institutionen usw. zuerst zu klären, die Bereitstellung von Kommunikationskanälen allein hilft wenig. Reinhard Donath, einer der deutschen Pioniere des kooperativen Lernens mit digitalen Medien, hat dies in seinen zehn goldenen Regeln für die digitale Projektarbeit (http:// www.schule.de/englisch/tipps_neu.htm) festgehalten, die im folgenden in einer sprachlich leicht überarbeiteten Fassung wiedergegeben werden: 1. Partnerlehrkraft langfristig vor Projektbeginn suchen. 2. Zeit ⫺ Thema ⫺ Erwartungen ⫺ Wünsche mit Partnerlehrkraft intensiv koordinieren und dabei mit der Partnerlehrkraft „ins Gespräch“ kommen, sich kennen lernen. 3. Projekt und Zeitrahmen der Lerngruppe vorstellen: Ideen sammeln, Neugier wecken, Thema/Themen festlegen, Interessen formulieren. 4. Absprachen mit Lerngruppe zur Organisation der Arbeit im Projekt: Gruppen bilden, Gruppenregeln, Ansprechpartner in der Gruppe; E-Mail-Adressen für die Gruppen und/oder individuelle Lerner im Netz einrichten; alle E-Mails werden als Kopie (CC) an Lehrkraft geschickt. 5. Ständige Kommunikation mit Partnerlehrkraft, mindestens einmal pro Woche. 6. Lernertagebücher führen lassen (was wurde in den Gruppen gemacht, was wurde gelernt, welche Methoden sind benutzt worden, neu gelernte Wörter, unbekannte Wörter und Strukturen), Zwischenberichte über den Stand der Arbeit im Plenum. 7. Unterschiedliche Meinungen von allen ins Plenum einbringen lassen, austauschen, nicht bewerten, sondern Gründe für das Andere, Neue, Unbekannte, Verstörende finden. Wie gehe ich damit um, was bedeutet das für mich? 8. Ergebnisse zusammenfassen: Reader ⫺ Webseiten ⫺ Poster ⫺ Ausstellung im Klassenraum/Flur, andere Lerngruppen einladen und Ergebnisse vor Publikum präsentieren. 9. Evaluation: Was habe ich gelernt, was war für mich neu/verstörend, wie habe ich das mit meiner Partnerin/meinem Partner gelöst; wie habe ich methodisch gearbeitet, wie möchte ich weitermachen? 10. Auswertung mit der Partnerlehrkraft: Verlauf des Projektes inhaltlich und methodisch reflektieren; Was haben wir voneinander, miteinander und bei diesem Projekt gelernt? Wollen wir so ein Projekt noch einmal machen? Was machen wir dann genauso, was machen wir anders? Kooperationsprojekte sind durch die technischen Möglichkeiten häufiger realisierbar geworden, sowohl solche zwischen Deutschlernenden und Deutschlernenden, Deutschlernenden und Muttersprachlern als auch zwischen Deutschlernenden und zukünftigen Deutschlehrern, die in Kooperationsprojekten als Tutoren fungieren (vgl. Tamme 2001). Die Zunahme derartiger Projekte ging mit einer Zunahme der Beforschung einher (vgl. z. B. die Beiträge in O’Dowd 2007 sowie Belz und Thorne 2006). Die Beschleunigung der Interaktionsmöglichkeiten bringt dabei nicht nur Vorteile, sondern kann auch zu einer stärkeren Oberflächlichkeit oder gar zu einem interkulturellen Aneinandervorbeireden und zu interkulturellen Missverständnissen führen, wenn die Kooperationen nicht sorgfältig vorgeplant sind (vgl. dazu Müller-Hartmann 2000; Belz und Müller-Hartmann 2003 oder O’Dowd und Ritter 2006).
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XIII. Medien und Lehr-Lernmaterialien Dass Kooperationen durch die digitalen Medien leichter initiierbar geworden sind, zeigt sich neben den Klassenkorrespondenzen vor allen Dingen am Tandem-Konzept (vgl. Brammerts und Little 1996), das inzwischen im Internet auf eine gut entwickelte Kontaktbörse verweisen kann. Die Grundkonstellation des Tandem hat sich dabei nicht verändert: Weiterhin kommunizieren Personen, die Experten für ihre eigene Sprache sind, in gemeinsam ausgehandelter Weise miteinander, weiterhin gibt es kein klassisches Lehr-Lernverhältnis. Geändert hat sich die Form des Austausches, die zunächst über EMail, inzwischen per Skype oder vielleicht demnächst in virtuellen Welten stattfindet.
4.5. Von der alleinstehenden Übung zur multimedialen webbasierten Lernumgebung Zu beobachten ist beim Einsatz digitaler Medien für DaF die paradoxe Situation, dass man sowohl eine Tendenz zur weitergehenden Individualisierung des Lernens als auch zur weiteren Verbreitung kooperativen Lernens beobachten kann (vgl. Rösler 2006b). Von den ersten alleinstehenden CALL-Übungen auf dem Computer zu webbasierten multimedialen Lernumgebungen hat das Fremdsprachenlernen mit digitalen Medien in kurzer Zeit einen weiten Weg zurückgelegt. Begrifflich wird auf die neue Vielfalt zum einen weiterhin mit CALL referiert, parallel dazu hat sich CMC (computer mediated communication) als Terminus etabliert, der anzeigt, dass zwischen der Digitalisierung von Lernmaterial und den Möglichkeiten, Sprachlernende und Lehrende auf verschiedenste Weise miteinander interagieren zu lassen, zu trennen ist. Wie rasant die Entwicklung ist, zeigt ein Blick auf die nur sechs Jahre auseinanderliegenden Publikationen Platten (2003) und Biebighäuser und Marques-Schäfer (2009), die sich mit dem Potential von Chats für DaF beschäftigten. Stand im Artikel von 2003 noch das Design eines didaktischen ChatRaums im Mittelpunkt und war der Chat dort eindeutig ein getipptes Gespräch, so werden im Artikel von 2009 Daten aus diesem Text-Chatraum mit Daten aus einem VoiceChat in der virtuellen Welt Second Life kontrastiert. Die technologische Entwicklung hat es in kürzester Zeit möglich gemacht, den Chat vom Text Chat, einer medial schriftlichen, konzeptionell eher mündlichen Textsorte (vgl. Rösler 2007: 58⫺61), in eine mediale und konzeptionelle Mündlichkeit, den Voice-Chat, zu überführen, der für das Thema Förderung mündlicher Sprachproduktion im Fremdsprachenunterricht eine ganz andere Rolle spielen kann als die getippten Dialoge im Text-Chat. Die multimedialen Lernumgebungen gestatten heute die Zusammenführung unterschiedlicher Medien in das eine Medium; unterschiedliche Wahrnehmungskanäle der Lernenden können zugleich angesprochen, Inhalte gleichzeitig in geschriebener oder gesprochener Sprache, mit und ohne filmische und musikalische Realisierung präsentiert werden. Durch Voice over IP können die Lernenden miteinander und mit Muttersprachlern weltweit sprechen, Videokonferenzen führen oder sich in Gestalt von Avataren in virtuellen Welten treffen. Waren Kooperationsprojekte zunächst auf den Austausch per Mail beschränkt, steht inzwischen Kooperationswilligen z. B. in Lernplattformen über Mail, Text-Chat und Voice over IP hinaus ein reiches Repertoire an synchronen und asynchronen Mitteln zur Kommunikation zur Verfügung: Whiteboards, Foren, Wikis, Blogs, Mindmapping-Programme usw. Im Gegensatz zur getippten Mündlichkeit in Chats sind Wikis, Blogs und andere Online-Schreibaktivitäten tatsächlich technische Möglichkeiten, im
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DaF-Unterricht das Schreiben und sogar das kooperative Schreiben zu fördern (vgl. z. B. Ballweg 2008 oder Würffel 2008). Seit dem Aufkommen von Orten des kooperativen Schreibens ebenso wie von Podcasts, Social Software usw., also seit der mit dem Schlagwort Web 2.0 zusammengefassten Entwicklung, gehört es immer mehr zur Lebenswelt eines Teils der Menschheit, sich im Netz zu präsentieren und Beziehungen in Web 2.0-Anwendungen virtuell zu pflegen. Dies kann auch in Sprachlernkontexten dazu führen, dass die Lernenden selbstbestimmt Inhalte (multimedial) präsentieren und mit einem real existierenden Publikum kommunizieren (vgl. als Beispiel Schmidt 2009). Die Geschichte der Fremdsprachendidaktik ist voll von derartigen Versuchen, der Fremdbestimmung im Klassenzimmer durch inhaltliche Selbstbestimmung entgegenzuwirken, z. B. mit an Freire, Freinet und Rogers anklingenden emanzipatorischen oder gruppendynamischen Konzepten. Wie bei diesen ist auch bei Versuchen im Kontext der digitalen Medien abzuwägen, wo die Gefahr einer Verabsolutierung der inhaltlichen Selbstbestimmung besteht, die den Spracherwerb behindern könnte, und wo aufregende Publikationsmöglichkeiten im Netz problematisch sein können. Ein Lerner, der in einem Blog in einem sprachlich wenig fortgeschrittenen Zustand einen Text publiziert, kann sehr stolz darauf sein, dass er mit der Welt kommuniziert und dass die Welt ihm Kommentare schickt. Dieser Eintrag im Blog kann aber aufgrund seines Öffentlichkeitscharakters auch gegen ihn verwendet werden, wenn später evtl. ein Personalchef sich um die Sprachkompetenz eines Bewerbers kümmert. Die gesellschaftliche Debatte um die Neujustierung des Verhältnisses von Privatheit und Öffentlichkeit, die durch die digitalen Medien aufgekommen ist, ist auch für den Einsatz der digitalen Medien im Fremdsprachenunterricht ein relevantes Thema: Es ist jeweils abzuwägen, ob und wie weit die Motivation schaffende Möglichkeit, sich real der Welt mitzuteilen, von der didaktischen Schutzfunktion eines Lehrenden, dafür zu sorgen, dass sich Schüler nicht bloßstellen, gerahmt werden muss.
5. Primat der Didaktik Die Verbesserung von Kommunikationsmöglichkeiten und das Vorhandensein multimedialen Lernmaterials bilden lediglich die Voraussetzung für eine Veränderung des Fremdsprachenlernens, sie selbst sind diese Veränderungen nicht. Das Deutschlernen durch Kontakte in virtuellen Lernumgebungen oder mit Texten und Videos aus dem Netz ist unter didaktischen Gesichtspunkten kein neuer Gegenstand, sondern die technologisch neu gestaltete Verlängerung der existierenden Diskussionen um Begegnungslernen und die Rolle von authentischen Texten im Unterricht. Die seit den 1970er Jahren geführte Diskussion um authentisches vs. progressionsgeleitetes Material im Klassenzimmer im Anfängerbereich z. B. hat sich durch das Internet nicht qualitativ verändert; verändert haben sich die Menge des Angebotes und vor allem die leichte Erreichbarkeit von zielsprachigen Texten und Sprechern. Die Fremdsprachendidaktik tut deshalb gut daran, zurückliegende Phasen der Medieneuphorie genau zu betrachten, um zu vermeiden, strukturell gleiche Fehler aufs Neue zu begehen. Die anfängliche Euphorie für die neuen CALL-Übungen spiegelt schließlich die ursprüngliche Euphorie für das Sprachlabor, die für die komplexen digitalen Multimedia-Lernumgebungen die für die analogen Medienverbünde aus der Hochzeit der
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XIII. Medien und Lehr-Lernmaterialien
kommunikativen Didaktik. Solange der Blick der Didaktiker auf das Lehren und Lernen des Deutschen fokussiert bleibt und vor allem solange das Lernen mit neuen Medien durch empirische Forschung wie z. B. von Schmidt (2007, kooperatives Arbeiten mit individualisierender Lernsoftware), Würffel (2008, Strategien bei der Arbeit mit digitalem Selbstlernmaterial) und Scheller (2009, animierte Grammatikdarstellung) begleitet wird, besteht die Chance, dass weder durch immer schöner blinkende Geräte noch durch funkelnde allgemeine Konzepte, die die neuen Medien für die Durchsetzung eines schon wieder neuen Paradigmas missbrauchen, dem Fremdsprachenlernen im Namen einer technologischen Entwicklung Lehr- und Lernweisen aufgezwungen werden, die für die jeweils konkreten Lernenden nicht angemessen sind.
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Dietmar Rösler, Gießen (Deutschland)
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137. Lehrwerke im Deutsch als Fremd- und Deutsch als Zweitsprache-Unterricht 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Zur Funktion von Lehrwerken im Unterricht Lehrwerkentwicklung Lehrwerkkritik und Lehrwerkanalyse Lehrwerkforschung Regionale Lehrwerke Perspektiven Literatur in Auswahl
1. Zur Funktion von Lehrwerken im Unterricht Mit Begriffen wie Lehrbuch, Lehrwerk, Unterrichts- bzw. Lehrmedium, Lehr- und Lernmaterialien u. a. wird all das bezeichnet, was dazu dient, Lernen anzuregen, zu stützen und zu steuern. Dabei signalisiert Lehrwerk gegenüber Lehrbuch, dass außer dem schriftlichen Material auch Medien, evtl. Internet-Plattformen o. ä. dazugehören und einen Medienverbund bilden. Auch wenn die Lehrkraft die Entscheidungen über die Verwendung von Lehrmaterial trifft, so nehmen Lehr-/Lernmaterialien schon dadurch, dass aus der Vielfalt authentischer Materialien ausgewählt und das angebotene Sprachmaterial in eine Reihenfolge gebracht wird, Einfluss auf den Ablauf des Lehr-Lernprozesses. Lehrmaterialien können als Ergänzung zum Unterricht oder aber kurstragend konzipiert sein, d. h. dass sie dem vorgesehenen Curriculum entsprechen bzw. sich der Unterricht an ihrer Progression orientiert. Auch kurstragendes Lehrmaterial wird jedoch vielfach von Lehrenden als „Steinbruch“ benutzt (vgl. Rösler und Skiba 1987), um den eigenen Unterricht zu erweitern oder an die Bedürfnisse einer Lerngruppe anzupassen. Im Hinblick auf die Rolle von Lehrwerken im Deutschunterricht werden im Folgenden vier zentrale Relationen herausgehoben: 1.1. Lehrwerke und Lehr-/Lernziele: Lehrwerke orientieren sich in der Regel an vorhandenen Curricula oder Prüfungen, um damit ihre Verwendungschancen zu verbessern und eventuell vorhandene Zulassungshürden zu passieren. Sie bilden die Lehr- und Lernziele im Bereich der Texte und Themen, der Grammatik, der Vermittlung von Lernstrategien oder im Bereich des interkulturellen Lernens ab und bringen den Lehrstoff in eine Reihenfolge, die eine systematische, zielgerichtete Progression erlaubt. Sind keine Lehrpläne vorhanden, rücken Lehrwerke gelegentlich an ihre Stelle und stellen die curriculare Leitlinie für den Unterricht dar. Die Niveaustufenbeschreibungen des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GeR) dienen insbesondere im Bereich der Erwachsenenbildung als Orientierungsgröße für Prüfungen wie auch für Lehrwerke. 1.2. Lehrwerke und Lehrinhalte: Außerhalb des deutschsprachigen Raumes stellen die in Lehrwerken enthaltenen Texte und Themen den zentralen Zugang zur fremden Sprache und Kultur dar und legen damit fest, in welchen Situationen, mit welchen Texten die
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deutsche Sprache im Unterricht erlernt und praktiziert werden kann. Mit der kommunikativen Methode hat sich für Lehrwerke die Forderung nach authentischen Texten und die Orientierung an Alltagssituationen durchgesetzt, so dass literarische Texte vielfach ganz aus den Lehrwerken verschwunden waren. Seit den 1990er Jahren zeichnet sich hier jedoch eine Schwerpunktverlagerung ab: Im Hinblick auf interkulturelle Lehr- und Lernziele und Lehrinhalte haben literarische Texte wieder an wieder an Bedeutung gewonnen (vgl. Mummert 2006). Was die Landeskunde betrifft, so verträgt sich die Forderung nach Aktualität nicht mit dem klassischen Lehrbuch, das schnell veraltet. Hier erscheint das Internet als Alternative: Die Vernetzung von Daten, die Verbindung von Text, Bild und Ton und die Aktualität sind Bereiche, in denen ein klassisches Lehrwerk, auch wenn es den Medienverbund nutzt, nicht mehr konkurrenzfähig ist (vgl. Art. 138). Allerdings hapert es hier wie bei der Orientierung am GeR an der zielgruppenspezifischen Auswahl und Adaption. Aufbereitete Medien (Zeitungen wie z. B. Authentik oder der Österreich-Spiegel ) werden als ein Mittelweg zwischen authentischem Material und einer didaktisch verantworteten ziel(gruppen)orientierten Auswahl angeboten. 1.3. Lehrwerke und die Lernenden: Lehrwerke richten sich an die Lehrkräfte; Lernende erleben Lehrwerke in der Regel als eine Vorgabe, die dazu führt, eigene Interessen im Unterricht zugunsten einer Orientierung am Lehrwerk zurückzustellen (vgl. Quetz 1976). Immer wieder sind daher Versuche gemacht worden, Unterricht unter Verzicht auf Lehrwerke in stärkerem Maße an den Lernenden zu orientieren. Der französische Reformpädagoge Ce´lestin Freinet hat insbesondere die „Gleichschaltung“ und die „Indoktrination“ der Lernenden durch Lehrbücher kritisiert und den Unterricht ohne Lehrbuch, durch Handeln und Kommunikation und ein produktives Umgehen mit Medien und Materialien (z. B. durch schuleigene Druckereien, in denen schülereigene Texte „veröffentlicht“ werden), zum Programm erhoben (vgl. Dietrich 1995: 26⫺29). Mit der Forderung nach Lern(er)autonomie ist dieser Gedanke seit den 1990er Jahren wieder aufgegriffen worden: Die Übertragung unterrichtsrelevanter Entscheidungen an die Lernenden gerät in Konflikt mit der Steuerung des Unterrichts durch Lehrwerke. 1.4. Lehrwerke in Abhängigkeit von Lehrmethoden: Lehrwerke spiegeln in der Regel den jeweiligen Stand der fremdsprachendidaktischen Diskussion und sind insoweit Manifestationen der im Erscheinungszeitraum herrschenden methodischen Vorstellungen von Deutschunterricht. Götze (1994: 29⫺30) unterscheidet auf Grund der jeweiligen methodischen Ausrichtung fünf Lehrwerkgenerationen: a) Grammatikorientierte Lehrwerke in der Tradition der Grammatik-Übersetzungsmethode (z. B. Deutsche Sprachlehre für Ausländer von Heinz Griesbach und Dora Schulz, 1955); b) Audio-linguale bzw. audio-visuelle Lehrwerke im Gefolge der audiolingualen Methode (z. B. Vorwärts International von E. J. Arnold et al. 1974); c) Kommunikative Lehrwerke im Anschluss an die pragmatische Wende in der Fremdsprachendidaktik (z. B. Deutsch aktiv von Gerhard Neuner et al. 1987 ff.); d) Interkulturell ausgerichtete Lehrwerke im Gefolge der Bemühungen, die Selbst- und Fremdwahrnehmung im Unterricht zum Thema zu machen und Kulturbegegnung zu
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ermöglichen (z. B. Sprachbrücke von Gudula Mebus et al. 1989⫺1990 und Sichtwechsel von Martin Hog et al. 1984 bzw. Sichtwechsel Neu von Saskia Bachmann et al. 1995 f.); e) Als fünfte Generation bezeichnet Götze Lehrwerke, die er der ,mentalistischen Wende‘ in der Methodik zurechnet, die also in stärkerem Maße kognitives Lernen ins Zentrum rücken (z. B. Die Suche von Volker Eismann et al. 1993 f.). Die Abgrenzung dieser fünften Lehrwerkgeneration ist allerdings strittig, da von einer kognitiven Wende im Bereich der Methodik keineswegs durchgehend die Rede sein kann, eher vielleicht von einem Ende starrer Methodenkonzeptionen, was auch dazu führt, dass neuere Lehrwerke keinem einheitlichen methodischen Konzept mehr verpflichtet sind (vgl. die Diskussion in Bausch et al. 1998) und sich vor allem an Prüfungsvorgaben und dem GeR orientieren.
2. Lehrwerkentwicklung In der DDR galten Lehrwerke als wichtige Instrumente zur „Umsetzung von Grundpositionen der Erziehung und Bildung in die Praxis des Unterrichts.“ (Breitung et al. 1982: 19). Am Herder-Institut spielte die Entwicklung von Lehrmaterial daher eine wichtige Rolle; seine Entwicklung war auch Gegenstand theoretischer Reflexion. In Westeuropa dagegen war und ist die Entwicklung von Lehrwerken nur selten Gegenstand wissenschaftlicher Überlegungen. Das mag darin begründet sein, dass in die Entwicklung von Lehrmaterial in hohem Maße kommerzielle Überlegungen einfließen, auch darin, „dass sich der kreative Prozeß der Ausarbeitung eines Planungsschemas einer systematischen Beschreibung entzieht“ (Neuner 1994: 230). Insgesamt ist wohl zu bedenken, dass das Verhältnis der Fremdsprachendidaktik zur Unterrichtspraxis eher analytischer Natur ist, während Präskription, sowohl was die Unterrichtsplanung, als auch was die Lehrwerkentwicklung betrifft, als unwissenschaftlich angesehen wird. Allerdings werden immer wieder Forderungen nach stärker theoriegeleiteter Lehrwerkentwicklung erhoben (vgl. Tulodziecki 1983). Auf der Grundlage von Untersuchungen zur Textverständlichkeit und Textverarbeitung, insbesondere mit Hilfe des sog. Hamburger Verständlichkeitskonzepts (vgl. Langer et al. 1981) ist versucht worden, Grundsätze für die Gestaltung von Lehrmaterial zu entwickeln. Wißner-Kurzawa (1985) hat anhand der Konstruktion von grammatikalischen Texten für den Französischunterricht nachweisen können, dass die Verständlichkeit von Instruktionstexten unter Nutzung solcher Erkenntnisse optimiert werden kann. Konzepte des autonomen Lernens haben zu Überlegungen geführt, wie denn Lehrwerke gestaltet werden können, die den Lernenden zu mehr Selbstbestimmung beim Fremdsprachenlernen verhelfen. Nodari entwickelt entsprechende grundlegende Prinzipien der Lehrwerkgestaltung, die die Verknüpfung des Sprachenlernens mit allgemeinerzieherischen Zielen, Grundlagen für kommunikatives und kooperatives Sprachhandeln im Unterricht und die Förderung des autonomen Lernens betonen (Nodari 1995: 181⫺ 182). Auch bei diesen Grundsätzen wird deutlich, dass sich die Lehrwerkgestaltung nicht linear aus wissenschaftlichen Erkenntnissen (hier etwa der Kognitionswissenschaften) ableiten lässt, sondern in solche Grundsätze stets die bildungspolitischen Leitvorstellungen der jeweiligen Zeit einfließen (vgl. genauer Krumm und Duszenko 2001).
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3. Lehrwerkkritik und Lehrwerkanalyse Eine kritische Auseinandersetzung mit Lehrwerken findet in vielfältiger Form statt, seit es Lehrwerke gibt: Die Entscheidung eines Lehrenden oder einer Institution, ein bestimmtes Lehrwerk zu verwenden, beruht auf der Anwendung mehr oder weniger bewusster Beurteilungs- und Auswahlkriterien. Der Schulausschuss der deutschen Kultusministerkonferenz ließ z. B. 1977 die Lehr- und Lernmittel für Deutsch als Fremdsprache (gemeint waren die für den Deutsch als Zweitsprache-Unterricht in Deutschland geeigneten Lehrmaterialien) überprüfen und gab dazu eine Empfehlung ab (vgl. Schulausschuß 1977). Jedes Lehrwerk, das in Österreich an öffentlichen Schulen verwendet werden soll, unterliegt einem Prüfungsverfahren durch eine vom Unterrichtsministerium berufene Kommission; die Zulassungskriterien (u. a. Übereinstimmung mit dem Lehrplan, Berücksichtigung der Selbsttätigkeit des Schülers, Berücksichtigung österreichischer Verhältnisse, Gleichbehandlung von Mann und Frau) sind durch eine im Bundesgesetzblatt veröffentlichte Ordnung festgelegt (vgl. Müller 1976). Mit der Gründung eines „Arbeitskreises Lehrwerkforschung ⫺ Lehrwerkkritik“ haben Heuer und Müller den Anstoß zur Entwicklung einer wissenschaftlichen Lehrwerkkritik gegeben (vgl. Heuer und Müller 1973, 1975; Neuner 1979). Das Mannheimer Gutachten hat diese Impulse für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache aufgegriffen. Entstanden ist es auf Grund einer Anregung der Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland: Eine interdisziplinär zusammengesetzte Kommission von Wissenschaftlern unter dem Vorsitz von Ulrich Engel vom Institut für Deutsche Sprache in Mannheim erarbeitete einen Kriterienkatalog zur Bewertung von Lehrwerken (vgl. Krumm et al. 1975) und legte umfassende Analysen der seinerzeit gängigen, in der Bundesrepublik publizierten Lehrwerke für Deutsch als Fremdsprache vor (vgl. Engel et al. 1977, 1979). Die Kriterien des Mannheimer Gutachtens bewerten die didaktischen Konzeptionen, die linguistischen Grundlagen wie z. B. den Ausschnitt der vermittelten Sprache, die Art der Grammatikvermittlung, Texte und Kontrastivität, und die Themenplanung, wozu die Frage der Literatur und der Landeskunde gerechnet wird (zu den Kriterien im einzelnen vgl. Engel et al. 1979: 9⫺29). Lehrwerkkritik versucht, vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse, unterrichtliche Erfahrungen und didaktische Zielvorstellungen in einer hermeneutischen Lehrwerkanalyse zu bündeln. Sowohl die Auswahl der zu Grunde gelegten Kriterien als auch deren Anwendung auf konkrete Materialien stellen, selbst wenn die Lehrwerkkritik als interdisziplinäre Teamarbeit angelegt ist, Formen einer subjektiven Interpretation dar, die ⫺ auch im Falle des Mannheimer Gutachtens ⫺ durchaus kontrovers diskutiert werden können (vgl. die Diskussion in Zielsprache Deutsch 1978). Zugleich wurde mit dem Mannheimer Gutachten für das Fach eine Tradition der Lehrwerkkritik und -analyse begründet (vgl. z. B. Schmidt 1994). Gegenüber der Behauptung, nur Erfahrung erlaube eine angemessene Beurteilung von Lehrwerken (vgl. die Kritik an einer „spekulativen Lehrwerkkritik“ bei Heindrichs et al. 1980: 149⫺150) steht hinter den Lehrwerkgutachten die Überlegung, dass Erfahrung auch blind machen könne für neue Ansätze und Möglichkeiten, dass es also erforderlich sei, Lehrwerke auch unabhängig von ihrer praktischen Erprobung auf die Übereinstimmung mit didaktischen und fachlichen Konzepten zu überprüfen. Anhand von Lehrwerken für den Sachunterricht in der Schule haben Rauch und Wurster (1997) deutlich machen können, dass eine Schreibtischevaluation von
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Lehrwerken zu durchaus vergleichbaren Ergebnissen kommen kann wie eine aufwendige Praxisevaluation. Die Weiterentwicklung der Lehrwerkkritik ist insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass die Analysekriterien präziser auf unterschiedliche Lerngruppen abgestimmt wurden. So entwickelte eine Arbeitsgruppe im Rahmen des Sprachverbandes Deutsch für ausländische Arbeitnehmer 1979 Kriterien, die eine Überprüfung von Lehrwerken im Hinblick auf ihre Eignung für den Unterricht mit Arbeitsmigranten zum Ziel haben und legte ein entsprechendes Lehrwerkgutachten vor (vgl. Barkowski et al. 1980); der Sprachverband hat entsprechend den veränderten Zielgruppen und Rahmenbedingungen in regelmäßigen Abständen neue Kriterien und Lehrwerkanalysen vorgelegt. Stand 1980 noch die Gruppe der Arbeitsmigranten in ihrer „Bahnhofssituation“ im Zentrum, so stellt sich für neuere Lehrwerke die Frage, wie weit sie der mehrsprachigen Gesellschaft und der bikulturellen Identität der Zielgruppe gerecht werden (vgl. Sprachverband 1997; Kuhs 2001). Für fachsprachliche Lehrwerke haben Beier und Möhn 1982 sowie Buhlmann und Fearns 1987 Kriterien für eine Lehrwerkbeurteilung wie auch Anforderungen an Lehrwerke formuliert, allerdings keine entsprechenden Analysen vorgenommen. Neben der durch Lehrwerkgutachten repräsentierten Lehrwerkkritik, die auf eine Beurteilung von Lehrwerken im Ganzen zielt, stehen Analysen einzelner Aspekte von Lehrwerken, so z. B. die Landeskunde (vgl. Ammer 1988; Kramsch 1987; 1988; Warmbold 1993; Wegner 1999), die Grammatik (vgl. Müller-Küppers 1991; Götze 1994; Latour 1994), aber auch die Funktion von Bildern, die Rolle von Männern und Frauen u. ä. (vgl. die Beiträge in Kast und Neuner 1994 sowie Krumm und Duszenko 2001).
4. Lehrwerkorschung Im Unterschied zur Lehrwerkkritik und Lehrwerkanalyse, die das Lehrwerk als Produkt untersuchen, zielt Lehrwerkforschung im Sinne einer Wirkungsforschung auf den Lernund Unterrichtsprozess. Dabei ist zwischen einer systematischen Erprobung von Lehrwerken eventuell schon im Rahmen ihrer Entwicklung und einer Wirkungsforschung, die die Nutzung der Lehrwerke durch Lehrende und Lernende und ihre Wirkung insgesamt oder aber von einzelnen Elementen auf die Beteiligten untersucht, zu unterscheiden. Schließlich ist auch die historische Forschung in Betracht zu ziehen, geben Lehrwerke doch einen Einblick in das Verständnis des Sprachenlehrens und -lernens in der Vergangenheit. 4.1. Lehrwerkerprobung: Auch wenn Lehrwerkautoren oder -verlage immer wieder auf eine der Publikation vorausgegangene Erprobung von Lehrwerken verweisen, hat sich im Bereich des Deutschen als Fremd- und Zweitsprache kein Standard etabliert, nach dem solche Erprobungen systematisch durchgeführt und auch publiziert werden. Sie hätten Auskunft zu geben über erreichte Wirkungen, über Fehleinschätzungen und auf Grund der Erprobung durchgeführte Korrekturen (vgl. Krumm 1982). Solche Erprobungen ließen sich als erste Stufe einer unterrichtsbezogenen Lehrwerkforschung betrachten und würden vor allem die Lehrwerkentwicklung auf eine empirische Grundlage stellen. Einen Schritt in diese Richtung leistete die Darstellung der Begleituntersuchung zu dem Projekt Sprachbrücke, in dem es um die Entwicklung von Curricula und Lehrmaterialien für den Deutschunterricht mit Familienangehörigen der amerikanischen Streitkräfte in
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XIII. Medien und Lehr-Lernmaterialien
Deutschland ging (Legutke 1997a). Die Erprobung des Materials schloss die Untersuchung des Gebrauchs, den Lehrende und Lernende von dem Materialangebot machen, ein (De Leeuw und Legutke 1997; Legutke 1997b). Auch hier fehlen allerdings Auskünfte darüber, welche Konsequenzen im Konkreten für die Überarbeitung des Lehrmaterials gezogen wurden. 4.2. Lehrwerkwirkung: Die Untersuchung der Wirkungen von Lehrwerken auf den Unterrichtsprozess, ihrer Nutzung durch Lehrende und Lernende kann teilweise an Erkenntnisse in anderen Fächern (z. B. hinsichtlich der Stereotypenforschung) und anderer Fremdsprachen anknüpfen und hieraus Konsequenzen auch für den Deutschunterricht ableiten. So dürften die folgenden, in anderen Unterrichtsfächern gewonnenen Erkenntnisse durchaus auch für den Deutschunterricht zutreffen: a) Bis weit in die 1980er Jahre wird der Unterricht bis zu 80 % vom Lehrmaterial dominiert; Lehrende tendieren dazu, das Ausbrechen der Lernenden aus den Vorgaben des Lehrwerks immer wieder zu verhindern und den Unterricht am Lehrwerk zu orientieren (vgl. Quetz 1976; Niskanen 1987). Dass Lehrende den Aktualisierungsspielraum kaum nutzen, den ihnen Lehrwerke bieten, mag auch in einer fehlenden Ausbildung begründet sein. b) Die Verwendung von schriftlichem Lehrmaterial „scheint als Ergebnis das Verschwinden von schülerzentrierten und kooperativen Arbeitsformen (…) und eine deutliche Einseitigkeit im Gebrauch von Aktivitätsformen hervorzubringen“ (Koskenniemi und Koumulainen 1983: 17). Das könnte aber auch darin begründet sein, dass Lehrende Materialien vermissen, die es erlauben, unterschiedlichem Lernverhalten gerecht zu werden (vgl. Niskanen 1987: 13⫺14). c) Untersuchungen zur Entwicklung der Lernersprache legen die Vermutung nahe, Lernende würden die im Lehrwerk gelieferten Kommunikationsmodelle strukturell vereinfacht und unter Reduktion von semantischer Komplexität übernehmen (vgl. Hüllen und Lörscher 1979), wenn Lehrende nicht gegensteuern. d) Die wenigen vorliegenden Untersuchungen über die Reaktionen der Lernenden auf Lehrwerke zeigen eher negative Einschätzungen des Faktors Lehrwerk. 1986 hatten bei einer Umfrage des Goethe-Instituts 61,2 % der Befragten ihre Lehrbücher als insgesamt nicht positiv beurteilt, auch in der Studie von Slivensky, bezogen auf den Deutschunterricht in Japan, bleiben die Einstellungen zum Nutzen von Lehrwerken eher negativ. Tab. 137.1: Haben Sie mit Ihrem Lehrbuch viel gelernt? (Slivensky 1996: 210)
Ja, sehr viel ziemlich viel nicht so viel Zu wenig
Kommunikatives Lehrbuch: n ⫽ 127 in %
Grammatisch orientiertes Lehrbuch: n ⫽ 423
1,6 27,7 58 3,9
3,8 30 61,7 2,8
4.3. Historisch orientierte Lehrwerkforschung: Die historische Lehrwerkforschung betrachtet Lehrwerke als Indikatoren nicht nur des jeweiligen Standes der Sprachdidaktik, sondern zugleich als Manifestationen gesellschaftlicher Entwicklungen wie z. B. der Einstellung zur fremden Sprache und Kultur.
137. Lehrwerke im Deutsch als Fremd- und Deutsch als Zweitsprache-Unterricht
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An seinen Lehrbüchern erkennt man ein Volk. Ihre soziologische Funktion ist eine doppelte: sie spiegeln und sie prägen. Das Lesebuch gehört zu jenen institutionellen Einrichtungen, die, aus dem Nationalcharakter herausgewachsen, ihrerseits diesem zu einer festen Form verhelfen. (Minder 1953: 1) So betrachtet Karnein (1976) das Sprachbuch von Meister Jörg nicht nur als frühes Lehrwerk unter dem Aspekt der vermittelten Sprache, sondern zugleich als Dokument, das Auskunft über den Gebrauchswert der deutschen Sprache gibt. Bei Krauskopf (1985) werden französische Deutsch- und deutsche Französischlehrwerke daraufhin untersucht, wie das jeweilige Fremdbild ausgestaltet ist und ob die Aufbereitung der Themen zur Vermeidung von Missverständnissen beitragen kann. Wegner (1997) bezieht in ihre umfangreiche Studie zur Geschichte des Deutsch als Fremdsprache-Unterrichts in Frankreich und England seit 1900 auch die dort erschienenen Deutschlehrwerke ein. Ihre Analyse macht deutlich, dass sich jenseits des universalen fremdsprachendidaktischen Konsenses über eine kommunikative Orientierung des Unterrichts und der Lehrwerke nationale Traditionen und Tendenzen in den Richtlinien und Lehrwerken der beiden Länder behaupten: Während der Deutschunterricht in Frankreich sich bis in die Gegenwart als eine e´ducation civique versteht, die auch auf einer „Abgrenzung vom Anderen durch historisch-ethnische, kulturelle und literarische Konstrukte beruht“, zielen Deutschunterricht und Lehrwerke in England auf „social competence“ und interkulturelle Verständigung (alle Zitate: Wegner 1999: 426⫺427). Die Determinierung des Deutschunterrichts in Frankreich und England durch nationale Diskurse erlaubt, was die vergangenen hundert Jahre betrifft, weder die Rede von europäischen Traditionen und Modernitäten noch Spekulationen über europäische Konvergenzen in der Gegenwart. (Wegner 1999: 333) Zu einer auch andere Länder einbeziehenden historischen Lehrwerkforschung, die zusätzlich das Verhältnis zwischen den in deutschsprachigen Ländern erschienenen Lehrwerken und ihren regionalen Adaptionen einbezieht, liegen erst wenige Studien vor: Röttger (2004) z. B. untersucht die Rezeption der in Deutschland erschienenen Lehrwerke Sprachbrücke (Mebus et al. 1987 ff.) und Sichtwechsel (Bachmann et al. 1995 f.) in Griechenland, Petneki und Szablya´r (1998) entwickeln erste Strukturen einer ungarischen, Min (2001) die einer koreanischen Lehrwerkforschung (vgl. auch Abschnitt 5). Für Deutsch als Zweitsprache gibt es, von einigen Diplom- und Magisterarbeiten zu Einzelaspekten abgesehen, überhaupt noch keine entwickelte Lehrwerkforschung.
5. Regionale Lehrwerke Wie problematisch es sein kann, methodische Konzepte bzw. Lehrwerke, die im deutschen Sprachraum entwickelt wurden, direkt in andere Bildungskontexte zu übertragen, zeigen die Studie von Ngatcha (1991) zu Kamerun ebenso wie die Untersuchung von Röttger (2004) zu Griechenland: Röttger weist nach, dass bereits innerhalb Europas Selbst- und Fremdbilder, historische Konstellationen und Dominanzverhältnisse sich auch in der Reaktion auf und Arbeit mit Lehrwerken spiegeln, so dass ein Methoden-
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XIII. Medien und Lehr-Lernmaterialien
und Materialtransfer einer interkulturellen Reflexion und Didaktik bedarf. Auch Grünewald (2005), der in einer Longitudinalstudie prüft, wie sich die Deutschland- und Deutschenbilder bei japanischen Deutschlernenden verändern, arbeitet die methodischen und inhaltlichen Nachteile europäischer Lehrwerke für den Deutschunterricht in Japan heraus (vgl. auch Terada und Holzer-Terada 2002). Auch im Fach Deutsch als Fremdsprache ist daher seit den 1980er Jahren eine Debatte über Methodentransfer und die Notwendigkeit regionaler Lehrwerke entstanden (vgl. Krumm 1987 sowie im einzelnen Breitung und Lattaro 2001). Als Beitrag zu dieser Diskussion sind die Kriterien für die Lehrwerkanalyse anzusehen, die auf spezifische Lehr- und Lernbedingungen in einzelnen Ländern Bezug nehmen und in der Regel auch unter Einbeziehung von Experten und Praktikern dieser Länder entwickelt wurden: Beispiele hierfür sind der Stockholmer Kriterienkatalog (vgl. Krumm et al. 1987 und 1994), dem die Situation in den nordischen Ländern zu Grunde liegt, und der Brünner Kriterienkatalog, der in der tschechischen Republik erarbeitet wurde (vgl. Jenkins 1997). Als beispielhaft kann auch das von der Europäischen Union geförderte Projekt „Interkultureller Dialog durch regionalisierte Lehrwerke (idial)“ angesehen werden, in dem regionalspezifische interkulturelle Lehrmaterialien für den Deutschunterricht bulgarisch-, polnisch- und slowakischsprachiger Lernender sowie umgekehrt Material für Bulgarisch, Polnisch, Russisch und Slowakisch für deutschsprachige Lernende entwickelt wurde. Die Erkenntnis, dass eine Anpassung von Methoden und Lehr-Lernmaterial an Lernende mit anderen sprachlichen, kulturellen und Lernerfahrungen nicht nur in anderen Kulturräumen, sondern ebenso für den Deutsch als Zweitsprache-Unterricht bei Lernenden mit Migrationshintergrund im deutschen Sprachraum erforderlich ist, setzt sich gerade erst durch, wobei die Lehrwerkentwicklung für Deutsch als Zweitsprache den Ansprüchen an eine interkulturelle, angepasste Methodik noch nicht immer gerecht wird (vgl. Art. 6).
6. Perspektiven Lehrwerkforschung und Lehrwerkanalyse verfolgen stets mehrere Zwecke: die Weiterentwicklung unserer Kenntnisse über Sprachlehr- und -lernprozesse ebenso wie eine konkrete Verbesserung des vorhandenen Lehrmaterials. Folgende Gesichtspunkte könnten für die weitere Entwicklung leitend sein: 1. die Weiterentwicklung von Analysekriterien, um Lehrenden für die Lehrbuchauswahl und Lehr-Lernmaterialautoren für die Entwicklung von Lehrwerken begründete und dem jeweiligen Erkenntnisstand entsprechende Gesichtspunkte an die Hand zu geben; 2. die vorausgehende Erprobung und begleitende Evaluierung von Lehr-Lernmaterialien im Sinne einer Praxisforschung, die die Lehrenden und, soweit möglich, auch die Lernenden in den Erprobungs-Entwicklungs-Zyklus einbezieht (vgl. März 1996); 3. die weitere Erforschung der Wirkungen von Lehrwerken, wobei es zunächst einmal darum geht zu untersuchen, wie Lehrende und Lernende überhaupt das Material nutzen, ob sie die Aktualisierungsspielräume ausschöpfen; auch die Klärung der Rolle zahlreicher Einzelfaktoren steht weiterhin aus: so die Rolle von visuellen Darstellungen, der graphischen Aufbereitung und technischen Konfektionierung ebenso wie insbesondere der Zusammenhang zwischen Lehrwerkgestaltung und Lernerwartungen;
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schließlich wären längerfristige Fallstudien und Begleituntersuchungen zu wünschen, da die Arbeit mit Lehr-Lernmaterial sich ja erst in einem langfristigen Lehr-Lernprozess auswirkt; 4. besondere Defizite bestehen noch hinsichtlich der Eignung von Lehrwerken im Bereich Deutsch als Zweitsprache, d. h. mit multilingualen und multikulturellen Lerngruppen, wo Lehrwerke einen Beitrag sowohl zur Sprachförderung als auch zur Integration leisten müssen (vgl. Art. 10, Art. 120⫺122); 5. außerdem stellt sich die Aufgabe, die Lehrenden zu befähigen, die Lehrbuchdominanz zurückzudrängen, was eine erhöhte Lehrerkompetenz voraussetzt. Das bedeutet, dass Lehrwerkanalysen in Verbindung mit autonomiefördernden Übungsaktivitäten bereits in der Lehrerausbildung praktiziert werden sollten, damit Lehrende das Angebot an schülerzentrierten und kooperativen Arbeitsformen, das neuere Lehrwerke bereitstellen, auch nutzen können.
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138. Deutsch als Fremd- und Zweitsprache-Lernen in elektronischen Umgebungen
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Zielsprache Deutsch 1978 Sonderteil: Kritische Beiträge zum Mannheimer Gutachten. Heft 2.
Hans-Jürgen Krumm, Wien (Österreich)
138. Deutsch als Fremd- und Deutsch als Zweitsprache-Lernen in elektronischen Umgebungen 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Einleitung Bestandteile elektronischer Umgebungen beim DaF-/DaZ-Lernen: ein systematischer Überblick Offline-Anwendungen Online-Anwendungen Fazit Literatur in Auswahl
1. Einleitung In ihrem Buch „Fremdsprachenlernen in der Wissensgesellschaft“ formulierten Rüschoff und Wolff die These (und ihre Hoffnung), dass die „Neuen Technologien“ dazu prädestiniert seien, Veränderungen im Fremdsprachenunterricht einzuleiten, Veränderungen in dem Sinne, dass „etablierte Positionen der Fremdsprachendidaktik in Frage gestellt werden“ oder dass der „Einsatz der Neuen Technologien vielleicht sogar zu einer völligen Neubewertung herkömmlicher Positionen bzw. zu einer Abkehr von ihnen führen“ könnten (Rüschoff und Wolff 1999: 51⫺52). Sie waren außerdem der Ansicht, dass die Neuen Technologien durch ihre Multimedialität, Multimodalität und Hypertextualität lerneffizienter sein können als herkömmliche Medien, dass sie ein hohes Potenzial als Lernressourcen darstellen, zeitliche und örtliche Flexibilität unterstützen und Diversifizierung in Hinblick auf individuelle Lernende (und z. B. ihre Lerngeschwindigkeit) ermöglichen (vgl. Rüschoff und Wolff 1999: 52⫺54). Knapp zehn Jahre später muss man feststellen, dass sich ein nachhaltiges Infragestellen etablierter Positionen, welches man noch dazu in einen direkten Zusammenhang mit dem Einsatz elektronischer Medien bringen könnte, nicht beobachten lässt. Die genannten Potenziale aber lassen sich durchaus nachweisen ⫺ bei einem didaktisch sinnvollen Einsatz. Dieser bemisst sich zum einen ⫺ wie bei allen methodisch-didaktischen Entscheidungen ⫺ an der Kontext-, Lernziel-, Lernform- und Zielgruppenspezifik. Zum anderen wird ein didaktischer Mehrwert dann erreicht, wenn die Medien in Bezug auf das jeweils spezifische Medium wie auf den Medienverbund mediengerecht benutzt werden. Im Folgenden wird ein Überblick darüber gegeben, welche Medien und Werkzeuge in elektronischen Umgebungen für das DaF-/DaZ-Lernen eingesetzt werden können und
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XIII. Medien und Lehr-Lernmaterialien
worin der Mehrwert der jeweiligen Medien oder Werkzeuge bestehen kann bzw. nach ersten Forschungsergebnissen besteht. Unter dem Begriff der elektronischen Umgebung wird in einem sehr weiten Sinne jede Kontaktmöglichkeit des Lernenden mit der Sprache verstanden, die über einen Computer hergestellt wird. Ein kurzes Fazit schließt den Artikel ab.
2. Bestandteile elektronischer Umgebungen beim DaF-/DaZLernen: ein systematischer Überblick Versuche einer systematischen Darstellung der in elektronischen Umgebungen für das DaF-/DaZ-Lernen einsetzbaren Medien und Werkzeuge gibt es inzwischen mehrere (vgl. u. a. Rüschoff und Wolff 1999; Rösler 2004; Roche 2008a). Dabei werden meist verschiedene Unterscheidungskriterien benutzt, z. B. technische Merkmale, methodische Ansätze, einzuübende Fertigkeiten, Kompetenzen, Wissensgebiete, Lernformen (Alleinlernen mit und ohne Unterstützung durch Online-Tutor, kooperatives Lernen mit und ohne Unterstützung durch Online-Tutor, vollvirtuelles Lernen, Blended Learning, Präsenzlernen). Die hier gewählte Systematisierung folgt in weiten Teilen der Systematisierung von Mitschian (2004: 26) und versucht, didaktisch-methodische Aspekte mit technischen Unterscheidungsmerkmalen zu verbinden. Sie differenziert erstens ⫺ auf der technischen Ebene ⫺ hinsichtlich der Frage, ob für die Anwendung ein Internetzugang vorhanden sein muss oder nicht, ob die Anwendung also offline oder online benutzt wird/werden muss (was vor allem für Praktiker in Institutionen häufig eine spannende Frage sein kann). Zweitens wird danach systematisiert, ob es sich um ein Medium (mit Inhalt) oder ein Werkzeug (ohne Inhalt) handelt (vgl. hierzu Mitschian 2004: 14⫺15). Medium wird dabei als Informationsträger verstanden, der „aus Verbindungen von Zeichen- und Symbolsystemen mit einer jeweils dazu passenden Präsentationsform“ (Mitschian 2004: 13) besteht; erstelle ich z. B. eine Lückentextübung mit einem Autorenprogramm (vgl. 3.2.2.) und biete sie Lernenden einmal ausgedruckt an und ein anderes Mal auf dem Computer, lasse ich sie mit zwei unterschiedlichen Medien arbeiten: Das Zeichensystem bleibt gleich (geschriebene Sprache), aber die Präsentationsform ändert sich (gedruckt auf Papier vs. digital). Schließlich wird drittens unterschieden, ob es sich um authentisches Material (ohne didaktische Ausgangsqualität) handelt, ob das Medium bzw. das Werkzeug ein adaptiertes (für Lernzwecke hergestelltes) und/oder ein methodisiertes (d. h. mit einem Lernverfahren verknüpftes) ist (vgl. Mitschian 2004: 20⫺28). Ein gefüllter Vokabeltrainer im Lernprogramm ist in diesem Sinne ein adaptiertes und methodisiertes Medium, ein leerer Vokabeltrainer, den ich als Lernende/r selbst mit Inhalten fülle, ein adaptiertes und methodisiertes Werkzeug. Eine vierte denkbare Unterscheidungsebene könnte sein, ob sich die benutzen Medien oder Werkzeuge auf einem fest installierten Computer oder auf einem tragbaren Gerät (Laptop, Handy etc.) befinden. Da dieser Aspekt in der Forschungsliteratur zum DaF-/DaZ-Lernen bisher aber noch keine Rolle spielt, wird er in diesem Artikel nicht berücksichtigt. Aus den Unterscheidungsebenen ergibt sich folgendes Raster, in das zur Illustration Beispiele von digitalen Medien und Werkzeugen für den DaF-/DaZ-Unterricht eingetragen worden sind.
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Tab. 188.1: Elektronische Anwendungen für den DaF-/DaZ-Unterricht Offline
Online
Authentische Medien
Lexika; Hörbücher; Spielfilme/ Dokumentationen auf CD-ROM/ DVD
Weblog-Tagebücher; Wikipedia; Online-Lexika; Videoclips; Sprachkorpora
Adaptierte Medien
Elektronische Wörterbücher oder Kinderlexika auf CD-ROM/DVD
Online-Grammatiken; Online-Wörterbücher
Methodisierte Medien
Lernsoftware auf CD-ROM/DVD
Lernprogramme; Lehrbucherweiterungen
Authentische Werkzeuge
Textverarbeitungsprogramme; Präsentationsprogramme; Strukturierungsprogramme (zum Erstellen von Mindmaps)
E-Mail; Foren; Chats; Instant Messaging mit Sprach- oder Videomessaging; Audio- oder Videokonferenzen; Kooperative Editoren (u. a. Wikis); Weblogs; Podcasts
Adaptierte Werkzeuge Methodisierte Werkzeuge
3.
Lernplattformen Autorenprogramme; Vokabeltrainer
Autorenprogramme; Vokabeltrainer; E-Portfolio
Oline-Anwendungen
3.1. Oline-Medien 3.1.1. Authentische Oline-Medien Elektronische Lexika Ein Beispiel für authentische elektronische Medien sind die elektronischen Versionen von Lexika, die inzwischen zu fast allen Papierversionen alternativ zur Verfügung stehen. Der große Vorteil einer elektronischen Version im Vergleich mit der Papieralternative besteht in ihrer Datenbankbasierung, die z. B. differenzierte Suchfunktionen erlaubt, wodurch Lernende große Mengen von Informationen gezielt nach den von ihnen gesuchten durchforsten können. Mitschian weist (im Zusammenhang mit dem Gebrauch von elektronischen Wörterbüchern, vgl. Mitschian 2004: 56) aber zu Recht darauf hin, dass der vermeintliche Vorteil einer Suchfunktion sich gerade im Bereich des Lernens auch als Nachteil erweisen kann: Im Fall der Lexika wird die Möglichkeit eines inzidentellen Lernens möglicherweise reduziert, da Lernende sich nicht durch das Lexikon blättern müssen (und dabei vielleicht zufällig andere spannende Einträge entdecken, in Bezug auf das Lesen von Hypertexten auch als Mitnahme- bzw. serendipity-Effekt bezeichnet, vgl. Eibl 2004: 135), sondern gezielt zur gesuchten Information kommen und auch nur diese präsentiert bekommen. Gleichzeitig bietet die Hypertext- und Multimediastruktur vieler digitaler Lexika jedoch auch Anreize zum Weiterlesen, die ein traditionelles Lexikon nicht in gleicher Weise zur Verfügung stellen kann (z. B. komfortablere Nutzung von Verweisen durch Hyperlinks; zusätzlich zu Bildmaterialien auch Videos oder Audiodateien etc.).
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XIII. Medien und Lehr-Lernmaterialien
Sprachkorpora Einen weiteren, zunehmend wichtigeren Bereich bilden Sprach- (und spezifische Lerner-) Korpora. Die größte Sammlung von Sprachkorpora zur deutschen Sprache bietet zurzeit das Institut für Deutsche Sprache in Mannheim (http://www.ids-mannheim.de/kl/ projekte/korpora/). Sprachkorpora (wie z. B. auch das WWW) können unter Verwendung von korpuslinguistischen Analyseprogrammen von Lernenden für die selbstgesteuerte Auseinandersetzung mit Wortschatz oder bestimmten sprachlichen Strukturen eingesetzt werden (vgl. zu Möglichkeiten der Nutzung der Ergebnisse der Korpuslinguistik für den DaF-Unterricht die in der Zeitschrift Deutsch als Fremdsprache eröffnete Reihe von Beiträgen, u. a. Fandrych und Tschirner 2007; ein kostenloses Analyseprogramm bietet z. B. das IDS zum kostenlosen Download an: http://www.ids-mannheim.de/ cosmas2/web-app/). Hörbücher/Audiovisuelles Material Andere interessante Möglichkeiten bietet der Einsatz von Hörbüchern oder von audiovisuellem Material auf CD-ROM oder DVD. Im Vergleich zu den entsprechenden traditionellen Medien auf Kassette oder Video liegen die Vorteile der digitalen Varianten darin, dass Lernende innerhalb der Texte leichter navigieren können, dass sie im Rahmen von Unterricht nicht auf eine zentrale Bedienung durch die Lehrperson angewiesen sind, sondern die Audio- und Videodateien in ihrem Lernrhythmus abspielen können (größere Lernerkontrolle), und dass sie bei Filmen häufig zwischen mehreren Sprachversionen wählen können (zum Einsatz audiovisuellen Materials vgl. Art. 139).
3.1.2. Adaptierte Oline-Medien Elektronische Wörterbücher Zu den adaptierten Medien können elektronische Wörterbücher oder auch Lexika gezählt werden, die in Form von Schülerwörterbüchern oder Kinderlexika für eine ganz spezifische Lern- bzw. Zielgruppe konzipiert worden sind. Zum Teil finden sich elektronische Wörterbücher auch als ein Element von Lernsoftwareprogrammen auf CD-ROM oder DVD (siehe 3.1.3.).
3.1.3. Methodisierte Oline-Medien Lernsoftware Symptomatisch für die Einschätzung von Lernprogrammen durch die Forschung erscheint die Äußerung Roches (2008b), der kritisiert: Die äußere Steuerung des Lernerfolgs durch maschinelle Impulsgeber entpuppt sich somit als mehr oder weniger verkappte behavioristische. So gibt es unzählige Übungsprogramme, die außer bunten Farben und einer vordergründigen Klickbarkeit dem Lerner nicht viel zu bieten haben. Zwar lassen sich selbst diese Materialien dann lernfördernd einsetzen, wenn sie richtig situiert, dosiert und kontextualisiert sind, aber als Selbstläufer sind sie in der Regel nicht brauchbar oder gar kontraproduktiv. Die spielerische Faszination für das Neue, die vor allem zu einer unspezifischen Abwechslung im Unterricht führen soll, führt nicht zur Nachhaltigkeit. (Roche 2008b: 357)
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Dieser Einschätzung Roches kann man nur zustimmen, auch wenn man einschränkend sagen muss, dass solche Produkte natürlich auch bei Alleinlernenden ⫺ in sicherlich spezifischen Bereichen wie z. B. dem Wortschatzerwerb, dem Erwerb grammatischer Strukturen oder der Aneignung von Faktenwissen (vgl. Rüschoff und Wolff 1999: 79) ⫺ durchaus lernfördernd wirken können, vor allem dann, wenn die Lernenden eine ausreichend hohe Motivation mitbringen. Dem Autor ist auch darin zuzustimmen, dass der Umfang der wissenschaftlichen Forschung zu diesen Programmen in keiner Weise ihrer hohen Verbreitung entspricht; der von ihm angemerkte mangelnde Nachweis nachhaltiger Lerneffekte (vgl. Roche 2008b: 357) kann also auch darauf zurückgeführt werden, dass der Einsatz von Lernsoftware in verschiedenen Lernkontexten bisher viel zu selten in quantitativen und qualitativen Langzeitstudien untersucht worden ist ⫺ weder in Hinblick auf Lernerfolge noch auf individuelle Bearbeitungen durch einzelne Lernende. Schon kleinere qualitative Erhebungen machen deutlich, wie unterschiedlich Lernende mit dem gleichen Material umgehen (vgl. Nandorff 2004) und welche Potenziale der Einsatz von Lernsoftware z. B. im Unterricht bieten kann, wenn sie dort in Partnerarbeit eingesetzt wird (vgl. Schmidt 2007). Geforscht wird außerdem mit Bezug auf einzelne Aspekte von Lernsoftware, die als besonders medienspezifisch und als Quelle für einen Mehrwert im Vergleich zur Bearbeitung ähnlicher Materialien auf Papier angesehen werden: Dazu zählen die Bereiche der integrierten Wörterbücher und Glossare, der Grammatikanimation, der Fehleranalyse und des Feedbacks sowie der programminternen Lernsteuerung, wobei sich die Forschung nicht nur auf den Bereich der geschlossenen Multimediaprogramme auf CD-ROM oder DVD bezieht, sondern auch auf vergleichbare Programme, die im Internet angeboten werden. Integrierte Wörterbücher und Glossare Forschung zum Einsatz von elektronischen Wörterbüchern, Glossaren und dem Gebrauch der sogenannten Glossing-Funktion (beim Anklicken eines markierten oder zum Teil auch unmarkierten Wortes in einem digitalen Text erscheint in einem Extrafenster eine Worterklärung in Textform, als Bild oder Video, mit oder ohne Audiodatei zur Aussprache und gegebenenfalls mit Kontextbeispielen) gibt es seit über zehn Jahren, leider mit sehr uneinheitlichen Ergebnissen: Meist wird beim Einsatz von digitalen Wörterbüchern eine höhere Lesegeschwindigkeit nachgewiesen (aufgrund der komfortableren Suchmöglichkeiten, siehe 3.1.1), nicht aber immer ein besseres Verständnis der gelesenen Texte. Eine Glossing-Funktion wird von den Lernenden dem Gebrauch eines externen Online-Glossars vorgezogen, aber auch sie hilft nicht immer beim Verstehen, wobei Worterklärungen in den o.g. unterschiedlichen Modi eher zu einem tiefergehenden Verstehen führen als reduzierte Worterklärungen (vgl. für einen ausführlicheren Überblick Würffel 2006: 119⫺121). Grammatikanimation Bisherige Forschungen zu den Möglichkeiten und Lerneffekten animierter Grammatikanwendungen finden sich vor allem im Bereich der Wechselpräpositionen, des Pronomens es, der Wortbildung und der Satzklammer. Studien haben gezeigt, dass die Animationen bei individuell Lernenden zu einer besseren Verarbeitung der Inhalte führen können; dabei muss aber gesichert sein, dass es tatsächlich zu einer Entnahme aufgabenrelevanter Informationen kommen kann und nicht stattdessen der Lernprozess durch die Visualisierung zusätzlich erschwert wird, weil die Animation die Lernenden kognitiv stär-
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ker belastet (vgl. Scheller 2009). Rösler plädiert zu Recht dafür, Grammatikanimationen in Zukunft stärker zu Bereichen zu entwickeln, die kognitiv nicht so einfach zu vermitteln sind (vgl. Rösler 2008: 378). Fehleranalyse und Feedback Sind in jeder Form von internetgestütztem Selbstlernen auch direktere und in der Darstellungsart vielfältigere Formen der Tutorierung durch einen menschlichen OnlineTutor (siehe 4.2.1.) möglich, so liefern Lernprogramme auf CD-ROM oder DVD nur direktes computergestütztes Feedback (wobei viele Programme inzwischen die Möglichkeit offerieren, einen menschlichen Online-Tutor dazu zu buchen, der dann z. B. für die Korrektur von offenen Aufgaben zuständig ist). Diese Formen des direkten Feedbacks reichen von verschiedenen Arten des programmierten Feedbacks bis hin zu ersten Versuchen, Ergebnisse aus der Forschung zur künstlichen Intelligenz (KI, siehe unten) für die Fehleranalyse und das Feedback zu nutzen. Beim programmierten Feedback unterscheidet man einfache Formen des Richtig/Falsch-Feedback von elaborierteren Formen, bei denen Fehler nicht nur kommentiert, sondern bei denen zum Teil auch Hilfsangebote gemacht oder Lerntipps gegeben werden (für verschiedene Formen von Feedback vgl. Biechele et al. 2003: 18⫺25). Die Forschung zum Einfluss verschiedener Feedbackformen auf unterschiedliche Lernende beschränkt sich noch immer auf eine überschaubare Anzahl von Studien. Untersucht werden dabei die Zusammenhänge zwischen Qualität und Umfang des Feedbacks und der Lernleistung, der Einfluss verschiedener Feedbackformen (direktes vs. zusammenfassendes; programmiertes vs. menschliches Tutor-Feedback; geschriebenes vs. gesprochenes; negatives vs. positives; selbstentdeckendes vs. programmgesteuertes; explizites vs. implizites, Richtig/Falsch vs. informatives) und das Timing auf den Lernerfolg sowie der Umgang der Lernenden mit verschiedenen Feedbackformen (für einen Überblick vgl. Würffel 2006: 116⫺119 und Schmidt 2007: 72⫺78). Eine breitere Forschung zum Einfluss der verschiedenen Feedbackformen in unterschiedlichen Lernkontexten (bisher bezieht sich fast alle Forschung auf den Bereich des Grammatikerwerbs) erscheint dringend wünschenswert (vgl. auch Rösler 2008: 382). Intelligente Lernersteuerung und -unterstützung Der Aspekt von Lernsoftware, der sich durch die höchsten Erwartungen und die niedrigste Wunscherfüllung auszeichnet, ist der der Lernersteuerung oder -unterstützung durch die Nutzung von Ergebnissen aus dem Forschungsfeld der KI. Auf der Wunschliste steht ein Programm, das sich optimal den Bedürfnissen, Fähigkeiten und Lernprozessen der Lernenden anpasst, indem es auf der Grundlage einer Analyse ein für sie adaptiertes Lernpaket zusammenstellt und sie in spezifischer Weise, z. B. durch ein adaptiertes, elaboriertes Feedback, unterstützt: ein Programm also, dass alle Fähigkeiten und Handlungen guter Lehrender abbildet und übernimmt. In der Realität sind alle verfügbaren Lernprogramme von dieser Wunschvorstellung weit entfernt; nichtsdestotrotz hat die Forschung zur KI Einfluss auf die Gestaltung von Lernprogrammen genommen: So wurde versucht, wenigstens einige Elemente zu integrieren wie z. B. Formen der automatisierten Spracherkennung, der Generierung natürlicher Sprache (durch einen virtuellen Tutor; vgl. für einen Überblick Schmidt 2007: 66⫺70), der intelligenten Fehleranalyse und des intelligenten Feedbacks sowie der Modellierung der Lernenden (hinsichtlich ihrer Kompetenzen oder ihres Lernstils). Erste Erfolge zeigen sich bei der Fehleranalyse und dem intelligenten Feedback auf der Ebene der Lexik und der Syntax durch den Einsatz von Parsern (vgl. Heift und Schulze 2007; Puska´s 2008). Die Langsamkeit, mit der Forschung
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und Entwicklung auf diesem Gebiet voranschreiten, hat dabei vor allem, aber nicht nur, mit der Komplexität des Gegenstands (der natürlichen Sprache) zu tun. Das Gebiet zeichnet sich auch durch die in der Fremdsprachenforschung eher ungewohnte Situation aus, dass Fortschritte und Ergebnisse nicht offen kommuniziert werden, da die Entwicklung eines funktionierenden intelligenten Sprachanalysesystems hohe Renditen verspricht. Einen Einblick in tatsächlich vorliegende Produkte (und vor allem in die dahinter liegende Technik) zu erhalten, ist deshalb nicht ohne Weiteres möglich (ein Beispiel für solch ein Programm ist der German Tutor, der maßgeblich durch Heift entwickelt und von dieser in mehreren Studien beforscht worden ist, vgl. Heift und Schulze 2007).
3.2. Oline-Werkzeuge 3.2.1. Authentische Oline-Werkzeuge Zu den sicherlich am häufigsten genutzten authentischen Offline-Werkzeugen gehören Textverarbeitungsprogramme, Präsentationsprogramme oder Strukturierungswerkzeuge zum Erstellen von Mindmaps. Von besonderem Interesse für DaF-/DaZ-Lernende sind hierbei die in viele dieser Programme integrierte Korrekturfunktion und der Thesaurus (vgl. u. a. Ritter 1995: 163).
3.2.2. Methodisierte Oline-Werkzeuge Autorenprogramme Durch bestimmte sogenannte Makros können Textverarbeitungsprogramme zu methodisierten Werkzeugen werden: So bietet das kostenpflichtige Programm ZARB Lehrenden die Möglichkeit, in Word unterschiedliche Übungstypen zu erstellen. Programme, mit denen das Erstellen interaktiver Aufgaben und Übungen ermöglicht wird, die offline oder online am Computer oder zum Teil ausgedruckt auf Papier bearbeitet werden können, nennt man Autorenprogramme. Das zurzeit bekannteste Programm ist HotPotatoes. Daneben existieren kommerzielle Programme, mit denen eine Vielzahl verschiedener Aufgabenformate umgesetzt werden können, die aber aufgrund ihrer Komplexität häufig eine hohe Einarbeitungszeit notwendig machen und für Laien deshalb eher ungeeignet sind (vgl. Ulrich 2005: 9).
4.
Online-Anwendungen
4.1. Online-Medien 4.1.1. Authentische Online-Medien Im WorldWideWeb (WWW) gibt es eine inzwischen fast unübersehbare Menge an authentischem Informationsmaterial, das von Lehrenden und von Lernenden für die Vorbereitung des Unterrichts und für den Einsatz im Unterricht bzw. für das Lernen eingesetzt werden kann. Bei den verschiedenen Informationsmedien lassen sich unterschiedliche Textsorten unterscheiden. Zwei sollen im Folgenden beispielhaft vorgestellt werden.
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Hyperfiction Merkmale der medienspezifischen Textsorte Hyperfiction sind ihre Hypertextstruktur, ihre Offenheit und zum Teil auch ihre Multimedialität. Das Lesen von Hyperfiction stellt die Lesenden vor besondere Herausforderungen, da die Rezeption dieser Texte anders verläuft bzw. verlaufen muss als die Rezeption linearer Texte auf Papier: Den Lesenden wird kein kohärenter Text präsentiert, sondern diese schaffen sich ihren Text durch das Anklicken bestimmter Links selbst; sie sind also ständig zum Treffen von Entscheidungen gezwungen und darüber hinaus mit den Schwierigkeiten der Kohärenzbildung konfrontiert (vgl. Gölitzer 2003: 127). Lernertexte Eine andere Textsorte, die zwar keineswegs medienspezifisch ist, die aber im Zuge des Einsatzes digitaler Medien im DaF-/DaZ-Unterricht an Bedeutung gewonnen hat, ist die der Lernertexte. Durch die digitalen Verbreitungsmöglichkeiten haben Lernende (privat oder in institutionellen Kontexten) die Möglichkeit gewonnen, ihre neu erworbenen Sprachenkenntnisse z. B. in eigenen Blogs oder Podcasts (vgl. 4.2.1.) auszuprobieren und zu hoffen, dass die Welt auf sie reagiert und sie Zugang zu einer authentischen Kommunikation erhalten, die ihnen das Klassenzimmer nie in gleicher Weise bieten kann (vgl. Rösler 2008: 384). Gleichzeitig können solche Texte von anderen Lernenden wiederum für das eigene DaF-/DaZ-Lernen genutzt werden ⫺ entweder, indem Lernende auf solche von anderen Lernenden im Internet eingestellte Texte reagieren, oder auch, indem solche Texte Teil der von ihnen benutzten digitalen Lehrwerke werden, wodurch diese wiederum an „didaktischer Authentizität“ gewinnen könnten (Rösler 2004: 387). Mit Social Software hergestellte Informationsmedien Besondere Aufmerksamkeit wird in letzter Zeit Informationsmedien geschenkt, die mit Hilfe von Social Software erstellt worden sind. Zu diesen gehören Videoclips in Videoportalen wie YouTube, journalistische und tagebuchartige Blogs, enzyklopädische Wikis wie Wikipedia, Pod- oder Videocasts, die man abonnieren kann, sodass man jeden Tag die neuesten Folgen bekommt. Während es unter diesem Punkt um die mit diesen Werkzeugen erstellten Medien geht, wird unter 4.2.1. ausgeführt, was man sich unter den einzelnen Werkzeugen vorzustellen hat und wie sie produktiv für den DaF-/DaZ-Unterricht genutzt werden können. Zum besseren Verständnis erfolgt aber schon hier eine kurze Definition von Social Software-Anwendungen (häufig auch subsumiert unter dem inzwischen überstrapazierten Schlagwort Web 2.0-Anwendungen): Unter Social Software werden alle „Publikations- und Kommunikationsformen [verstanden], die nicht nur als Instrumente für das individuelle und kollaborative Wissensmanagement eingesetzt werden, sondern die neben der reinen Informationsverknüpfung auch dabei helfen, eine soziale Beziehung zwischen ihren Nutzenden zu unterstützen“ (Büffel et al. 2007). Zur Social Software gehören Kommunikations-Anwendungen wie E-Mail, Foren und Chats, die es schon seit langem gibt, und neuere Entwicklungen wie Wikis, Blogs, Podcasts. Das Spezifische der Anwendungen bzw. der Webseiten, in die die Anwendungen integriert werden, ist, dass es bei allen Anwendungen bzw. Seiten nicht nur darum geht, anderen Informationen zukommen zu lassen (bzw. solche zu lesen), sondern auch oder vor allem darum, an einer Gemeinschaft, an (zum Teil weltweiten) Netzwerken teilzuhaben (vgl. ausführlicher Würffel 2008: 3). Für den DaF-/DaZ-Unterricht bedeutet dies, dass bei der Arbeit mit solchen Medien die Rezeption häufig direkt mit einer Produktion verbunden
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wird, die noch dazu nicht in einem anderen Medium, sondern in demselben erfolgt. Lernende rezipieren also z. B. nicht nur die Einträge eines enzyklopädischen Wikis, sondern verfassen auch eigene Einträge, sie verfolgen nicht nur Blog-Tagebücher von Gleichaltrigen aus dem Zielsprachenland, schauen sich deren Videoclips an oder hören deren Schulpodcast, sondern sie nehmen über die Kommentarfunktion Kontakt auf, fragen nach, verweisen vielleicht auf eigene oder andere für sie interessante Blogs, Videoclips, Fotos, Podcasts etc.
4.1.2. Adaptierte Online-Medien Wie schon unter 3.1.3. angesprochen, existieren viele der Offline-Medien im Bereich der adaptierten Medien auch online ⫺ so gibt es zahlreiche kostenlose wie auch kommerzielle Online-Wörterbücher oder auch Online-Lexika für bestimmte Zielgruppen. Zu den online verfügbaren adaptierten Medien gehören zahlreiche (kleinere oder umfangreichere) Online-Grammatiken. Daneben gibt es auch sogenannte Wörternetze, d. h. elektronische Wortschatzressourcen, die auf dem Prinzip der semantischen Vernetzung aufbauen und dem Lernenden beim Wortschatzerwerb helfen sollen, indem sie den Aufbau des mentalen Lexikons simulieren. Informationen aus semantischen Datenbanken werden hier in dynamisch visualisierten Wörternetzen zugänglich gemacht. Jeder Eintrag ist ein Hyperlink, der zu einem neuen Teilnetz führt; außerdem können Zusatzinformationen zu jedem Eintrag eingestellt werden (wie Bedeutungsumschreibungen, Kontexte, Audiofiles etc.). „Auf diese Weise werden verschiedene lexikalische Informationsebenen ausgehend von der semantischen Verknüpfung verfügbar, was in der linearen Darstellungsweise eines Print-Wörterbuches so nicht geleistet werden kann“ (Plieger 2007: 192). Ein weiteres Beispiel sind die Podcasts der Deutschen Welle, die tagesaktuelle Nachrichten in kurzen Audiodateien liefern und in zwei Versionen, einer normal gesprochenen und einer langsam gesprochenen, existieren. In den Bereich der adaptierten Medien gehören schließlich noch Sprachlernportale, die als Einstieg in den Internet-Dschungel dienen können. Für den Bereich des schulischen Lernens sind z. B. die Internetseiten der Zentrale für Unterrichtmedien (ZUM; http://www.zum.de/) oder das facettenreiche Portal von Lehrer-Online (http://www.lehrer-online.de/) zu nennen, auf denen Lehrende und Lernende systematische Übersichten zu nichtdidaktisierten (wie auch didaktisierten) Materialien finden; für den außerschulischen Bereich bieten sich die Seiten des GoetheInstituts (http://www.goethe.de) oder das DaF-Portal des IIK (http://www.iik.de/ indiik.html) als Ausgangspunkte an.
4.1.3. Methodisierte Online-Medien Auch das Angebot an methodisierten Medien ist vielfältiger und unübersichtlicher geworden. Es gibt einzelne Übungen und Aufgaben, Aufgaben- und Übungssammlungen und kleinere bis größere Projekte (vgl. Biechele et al. 2003), die von den unterschiedlichsten Anbietern kostenlos oder kommerziell, mit den unterschiedlichsten Schwerpunkten für verschiedene Zielgruppen und Lernziele, mit und ohne Progression etc. angeboten werden. Es gibt Umgebungen, in denen gezielt einzelne Fertigkeiten gefördert werden (vgl. z. B. zu Kursen zum Erwerb einer Lesekompetenz u. a. Würffel 2006 oder zum Online
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Writing Lab an der TU Darmstadt u. a. Ballweg 2008), sowie Portale von Verlagen, in denen diese in unterschiedlichem Umfang und unterschiedlicher Qualität lehrwerkbegleitendes Online-Material anbieten (vgl. dazu die jeweiligen Verlagsseiten im Internet), zum Teil kostenfrei, zum Teil aber auch kostenpflichtig. Vieles von dem, was unter 3.1.3 zur Lernsoftware auf CD-ROM oder DVD gesagt worden ist, gilt auch für Online-Lernprogramme oder Aufgaben- und Übungssammlungen. Eine Integration innovativerer Medien oder Werkzeuge findet sich aber eher in internetgestützten Angeboten, u. a. weil diese häufiger aktualisiert, überarbeitet, ergänzt, neu gestaltet werden bzw. werden können und in dieser Form dann allen Anwendern ⫺ anders als vergleichbare Angebote auf CD-ROM oder DVD ⫺ allen Nutzenden direkt zur Verfügung stehen. Ebenso finden sich im WWW deutlich vielfältigere Formen von didaktischen Materialzusammenstellungen, z. B. solche, die im Blended Learning-Modus benutzt werden sollen (also Formen des Online-Lernens und des Präsenzlernens verbinden, vgl. das Themenheft von Fremdsprache Deutsch 42/2010), oder solche, die der Lernende ⫺ angeleitet oder mit Unterstützung durch einen Online-Tutor (vgl. dazu 4.2.1.) ⫺ benutzen soll bzw. benutzt. In einer Zwischenbilanz zum Einsatz digitaler Medien im Bereich DaF im Jahr 2008 versucht Rösler, die erfolgten bzw. die möglicherweise in naher Zukunft zu realisierenden Veränderungen zu beschreiben. Die umfassendsten scheinen für ihn dabei die im Bereich der Lehrmaterialerstellung und die sich daraus ergebenden Konsequenzen im Bereich der Lehrmaterialanalyse zu sein: So sieht er die Möglichkeit, dass es in der Lehrmaterialerstellung (begünstigt u. a. durch die Möglichkeiten digitaler Distributionsweisen) endlich zur „zielgruppengenaueren Produktion eines Lehrwerks on demand“ (Rösler 2008: 375) kommen könnte ⫺ und damit die in der fremdsprachendidaktischen Forschung lange geforderte Regionalisierung von Lehrwerken in zufriedenstellender Weise realisiert werden könnte. Gleichzeitig könnte und sollte die steigende Komplexität der Lehrmaterialverbünde sinnvollerweise dazu führen, dass die Lehrmaterialanalyse in naher Zukunft in einer empirischen Unterrichtsforschung aufgeht (vgl. Rösler 2008: 377).
4.2. Online-Werkzeuge Eine besonders bedeutsame Rolle kommt den Online-Werkzeugen im DaF-/DaZ-Lernen für Kommunikations- und Kooperationszwecke zu, denn hier lässt sich am deutlichsten und in größtem Umfang ein Mehrwert gegenüber einem DaF-/DaZ-Lernen ohne Integration des Internets erkennen (vor allem natürlich für den Bereich DaF): Die Möglichkeiten für Lernende, mit Sprechern oder mit anderen Lernenden der Zielsprache (außerhalb ihrer eigenen Lerngruppe) in einen (authentischen) Kontakt zu treten, waren noch nie so zahlreich und einfach zu realisieren wie heutzutage ⫺ wobei die Entwicklung des WWW zum Mitmachnetz diese Möglichkeiten (zumindest theoretisch) noch einmal erweitert hat. Im Folgenden werden sowohl die Werkzeuge als auch mögliche Einsatzszenarien beschrieben.
4.2.1. Authentische Online-Werkzeuge E-Mail Das bekannteste asynchrone Online-Werkzeug ist wahrscheinlich die E-Mail. E-MailAnwendungen können für das DaF-/DaZ-Lernen zu unterschiedlichsten Zwecken für die
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Kommunikation zwischen Lehrendem bzw. Tutor und Lernenden, zwischen Lernenden oder zwischen Lernenden und Sprechern der Zielsprache eingesetzt werden. In der Lehrer/Tutor-Lerner-Beziehung dient der E-Mail-Einsatz zur Ausführung klassischer LehrerLerner-Interaktionen wie der Übermittlung von Aufgaben und Übungen in die eine und zum Einsenden von Lösungen in die andere Richtung, zum Zurücksenden von Korrekturen, zum Stellen von Fragen und für deren Beantwortungen etc.; möglich sind auch Formen der Sprachlernberatung (vgl. zur Distanzlernberatung Saunders 2009). Je nach Lernform kann die E-Mail-Kommunikation dabei eine die Kommunikation in den Präsenzphasen erweiternde Funktion haben oder ⫺ in vollvirtuellen Kontexten ⫺ die vornehmliche Kommunikationsform darstellen (wobei die Kommunikation auch vermittelt durch andere mediale oder konzeptionell mündliche Formen wie der Nutzung von Instant Messaging mit Sprachmessaging und/oder Chat, siehe unten, stattfindet). In Bezug auf die Kommunikation zwischen Lernenden können E-Mail-Anwendungen u. a. dazu dienen, Projekte mit zwei oder mehr Partnergruppen im In- und Ausland durchzuführen oder den Lernenden die Durchführung individueller E-Mail-Tandems (vgl. Brammerts und Kleppin 2001) oder E-Mail-Tutorien (in denen ein Deutsch-Lernender durch einen angehenden DaF-Lehrenden betreut wird, vgl. Rösler und Würffel 2010) zu ermöglichen. Da gruppenübergreifende E-Mail-Projekte im Fremdsprachenunterricht schon seit mehr als zehn Jahren in verschiedenen Lehr-/Lernkontexten durchgeführt sowie häufig auch wissenschaftlich begleitet und ausgewertet worden sind, sind die Vorteile und Schwierigkeiten der mit Hilfe von E-Mail durchgeführten Projekte gut erforscht. Die Vorteile solcher E-Mail-Projekte (wie auch von internationalen Projekten, die außerdem oder vollständig mit anderen Werkzeugen arbeiten) werden vor allem im Bereich des interkulturellen und des sprachlichen Lernens (bisher vor allem im Bereich des Schriftlichen) gesehen (vgl. u. a. die vielen Veröffentlichungen von Donath, z. B. 1998). Eine interessante Übersicht bezüglich der Schwierigkeiten bietet der Artikel von O’Dowd und Ritter (2006), in dem die Autoren auf der Grundlage einer Auswertung der bisherigen Forschungsliteratur zu E-Mail-Projekten ein Inventory of Reasons for Failed Communication in Telecollaborative Projects erstellen. Die Nennung der vielen Ebenen, auf denen Schwierigkeiten auftreten können (um nur einige zu nennen: Interkulturelle Kompetenz, Motivation und Erwartungen, Lehrer-Lehrer-Beziehung, Aufgabendesign, Gruppendynamik in den lokalen Gruppen und zwischen den Gruppen, Technik etc., vgl. O’Dowd und Ritter 2006: 7), dient dabei keineswegs der Entmutigung aller engagierten Lehrenden: Es den Autoren vielmehr darum, durch das Aufzeigen der Fallgruben die Lehrenden zu sensibilisieren und dadurch mögliche Abstürze zu vermeiden oder zumindest abzufedern (vgl. O’Dowd und Ritter 2006: 17). Foren Erstaunlich wenig Forschung gibt es im Bereich DaF/DaZ bisher zum spezifischen Einsatz von asynchronen Diskussionsforen im Fremdsprachenunterricht, obwohl auch dieses Werkzeug schon lange existiert, fester Bestandteil jeder Lernplattform ist und seinen Platz im computergestützten Fremdsprachenunterricht gefunden hat ⫺ sei es zur Fortführung von im Präsenzunterricht begonnenen Diskussionen, sei es für reine OnlineMeinungsaustausche etc. Forschungsergebnisse aus Nachbardisziplinen weisen u. a. auf die Bedeutung der Betreuung durch Lehrende hin; so kann z. B. deren inhaltlich strukturierende Moderierung von Foren helfen, die Kohärenzbildung und mentale Vernetzung bei den Lernenden zu unterstützten (vgl. u. a. Berkemeyer 2008).
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Chat, Video- und Audiokonferenzen, 3-D-Welten Auch schon seit längerer Zeit wird in der Fremdsprachendidaktik über den Einsatz synchroner Werkzeuge wie Chats (vgl. den Überblick bei Rösler 2004: 58⫺65) diskutiert. Bei den Chats hat sich vor allem ein adaptierter Gebrauch bewährt: Anders als authentische Chats im WWW, die natürlich von Lernenden für die Kontaktaufnahme mit Zielsprachensprechern und zur Förderung ihrer Sprachenkompetenzen genutzt werden können, bieten sogenannte didaktische Chats eine Schutzzone: Lernende bleiben hier unter sich, häufig unter der Betreuung eines Tutors, der bei Bedarf moderierend oder, je nach Kontext, auch stärker steuernd eingreift bzw. lenkt und/oder Fragen der Lernenden beantwortet (vgl. zur Rolle der Tutoren im Chat Platten 2003); die Kommunikation ist langsamer als in authentischen Chats, und es wird auch seltener in parallel ablaufenden und/oder sich überkreuzenden Kommunikationssträngen kommuniziert; außerdem wird häufiger (auch orthografisch) korrektes Schreiben angestrebt etc. (vgl. u. a. Steinig et al. 1998 oder Engler 2003). Die Fachliteratur diskutiert im Zusammenhang mit dem Werkzeug Chat und der Frage, ob Lernende beim Chatten eher in ihren mündlichen oder ihren schriftlichen Kompetenzen gefördert werden, vor allem den Aspekt der konzeptionellen Mündlichkeit von Chatkommunikation (vgl. den Überblick bei Rösler 2004: 59⫺61). Eine tatsächliche Förderung der mündlichen Kompetenzen kann mit dem Einsatz von Werkzeugen des Instant Messaging mit Video- oder Sprachmessaging (wie z. B. Skype) erfolgen. Diese werden vermehrt in elektronischen Tandems eingesetzt, die früher nur über E-Mail oder das Telefon erfolgten, oder auch in Austauschprojekten, die den mündlichen Austausch für schnellere und unkompliziertere Aushandlungsprozesse nutzen. Schließlich gibt es die Möglichkeit, Video- und Audiokonferenzen für das Sprachenlernen einzusetzen. Den Videokonferenzen wird dabei zwar durchaus ein hohes Potential zugesprochen (vgl. u. a. Schlickau 2000), sie werden aber wegen der aufwendigeren technischen Voraussetzungen bisher für größere Gruppen eher selten realisiert. Einfacher und technisch relativ unkompliziert sind Konferenzen mit einer geringen Anzahl von Teilnehmern, bei denen die Videoübertragung über eine einfache Webcam erfolgt oder die als reine Audiokonferenzen durchgeführt werden: Die Lernenden benötigen nur ein Headset mit Mikrofon und Kopfhörer, eine Webcam und einen Zugang zum Internet. Bei einem kommerziellen Anbieter kann man dann stundenweise einen virtuellen Lehrraum mieten (für bis zu drei Personen sogar kostenfrei), der den Vorteil hat, dass Lernende und Lehrende (oder auch nur Lernende untereinander) miteinander reden, sich dabei sehen und gleichzeitig gemeinsam auf Dokumente zugreifen sowie diese bearbeiten können (application sharing). Schon seit Jahren träumen einige Fremdsprachendidaktiker vom quasi-authentischen Sprachenlernen in 3-D-Welten (wie z. B. Second Life), also von der „komplett fremdgesteuerten, vom individuellen Lernenden subjektiv als komplett selbstgesteuerte wahrgenommene Lernwelt“ (Rösler 2004: 22) ⫺ ein Wunsch, der bisher noch immer nicht Realität geworden ist. Versuche gibt es inzwischen, 3-D-Welten wie Second Life für die Durchführung von Sprachunterricht zu nutzen (vgl. u. a. http://www.goethe.de/frm/sec/ deindex.htm). Wikis, Blogs und Podcasts Neuere asynchrone Social Software-Werkzeuge wie Wikis, Weblogs (bzw. Blogs) und Podcasts gewinnen an Bedeutung. Sie sind leicht und (in bestimmten Versionen) kostenlos zu erhalten, einfach zu bedienen und damit (zumindest technisch gesehen) relativ
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problemlos zum DaF-/Daz-Lernen einsetzbar. Wikis gehören zu den kooperativen Editoren, also zu den Textverarbeitungsprogrammen, mit denen online asynchron (wie bei Wikis) oder fast synchron (wie z. B. bei Google Text und Tabellen) Texte erstellt werden können. Blogs sind regelmäßig aktualisierte Webseiten, auf denen die Einträge in umgekehrter chronologischer Reihenfolge erscheinen. Viele Blogger kategorisieren ihre Einträge, sodass Nutzende die Möglichkeit haben, in dem bei jedem Blog vorhandenen Archiv Einträge sowohl nach ihrem zeitlichen Erscheinen als auch nach den zugeordneten Kategorien zu suchen. Podcasts sind zumeist privat produzierte Beiträge in Audio- (Audiocast) oder Videoform (Videocast), häufig auch mit Transkripten. Podcasts können auf einem Computer oder mit einem mobilen Abspielgerät synchronisiert und dann zeitversetzt sowie mehrmalig angehört bzw. angesehen werden. Wie viele Social SoftwareAnwendungen verfügen auch die meisten Blogs und Podcasts über die Möglichkeit, sie zu abonnieren, d. h. neue Einträge können über sogenannte Really Simple SyndicationFeeds in standardisiertem Format automatisch bezogen werden ⫺ entweder mit speziellem Programm (RSS-Reader oder Feed-Aggregatoren) oder aber mit in Browsern eingebauten Funktionen. Darüber hinaus gibt es meist die Möglichkeit, über eine Kommentarfunktion z. B. mit den Verfassern des Blogs oder den Produzenten der Podcasts in Kontakt zu treten. Kooperative Editoren eignen sich zur Unterstützung kooperativen Schreibens oder kooperativer Prozesse ⫺ z. B. können Lernende kooperative Editoren einsetzen, um gemeinsam Texte zu verfassen und eventuell zu veröffentlichen (zu den Vor- und Nachteilen des Einsatzes kooperativer Editoren zur Unterstützung des kooperativen Schreibens siehe ausführlich Würffel 2008) oder auch zur internen Organisation ihrer kooperativen Arbeit. Blogs können ebenfalls kooperativ produziert werden (z. B. Führen eines Gruppen-Austauschtagebuchs in Form eines Blogs; vgl. zur Unterstützung des kooperativen Lernens durch Social Software Würffel 2007: 26⫺27). Meist steht bei Blogs aber eher ein individueller Gebrauch im Vordergrund, der häufig einen Schwerpunkt in der Förderung metakognitiver Strategien hat (z. B. Führen eines Lesetagebuches, vgl. Raith 2008). Gerade für einen solchen Gebrauch bietet sich die Nutzung eines geschützten Blogs an und nicht die eines tatsächlich für alle zugänglichen (vgl. zur Frage, ob und wann man Social Software-Anwendungen in offener oder in geschützter Form anwenden sollte, Würffel 2008: 17⫺18). Anders als bei kooperativen Editoren und Blogs, in denen es um das Schreiben geht, bieten Podcasts die Möglichkeit, Sprechen (wobei es sich häufig um geskriptete und damit auch nicht um originär mündliche Texte handelt) und Hören zu trainieren (vgl. Schmidt 2009). Um eine Nachhaltigkeit bei der Herstellung und Veröffentlichung von mit internetgestützten Werkzeugen erzeugten Lernerprodukten zu erreichen, erfolgt die Produktion und Präsentation im besten Fall im Rahmen eines Austauschprojektes mit Lernenden im In- oder Ausland. Eine andere Möglichkeit kann in institutionellen Kontexten darin bestehen, die erstellten Produkte einer Lernergeneration mit einer späteren weiter zu bearbeiten (z. B. in Form eines landeskundlichen Wikis, das im Laufe der Zeit von mehreren Lernergenerationen immer weiter ausgebaut, spezifiziert und/oder aktualisiert wird).
4.2.2. Adaptierte Online-Werkzeuge Lernplattformen Bei Lernplattformen handelt es sich um auf einem Server installierte Software, die sowohl Zugriff auf unterschiedliche Formen von Daten ermöglicht als auch Organisati-
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XIII. Medien und Lehr-Lernmaterialien
ons-, Kommunikations- und Kooperationsmöglichkeiten zur Verfügung stellt, um auf diese Weise ein Lernen zu ermöglichen. Lernplattformen bieten also zum einen eine Datenbank, in der die Informationen eingestellt und von der sie abgerufen werden können, außerdem eine Reihe der oben beschriebenen Social Software-Werkzeuge und häufig Autorenprogramme (vgl. 3.2.2.). Charakteristisch für Lernplattformen ist außerdem, dass sie über Funktionen wie Benutzer- und Kursverwaltung, Vergabe differenzierter Rechte für unterschiedliche Nutzende (Administratoren, Dozenten, Autoren etc.), Kalender, internes Nachrichtensystem, Abstimmungswerkzeuge, Literatur-, Link-, Lesezeichenverwaltung und ein Awareness-Tool (wer ist gerade online?) verfügen. Lernplattformen gibt es als kostenlose Open-Source-Produkte, die die nutzende Institution selbst hosten, betreuen und weiterentwickeln muss, oder als kostenpflichtige Mietlösungen, bei denen solche Dienste mit angeboten werden (vgl. Ulrich 2005). Bekannte Open SourceLernplattformsysteme sind Moodle, ILIAS, StudIP, ein bekanntes lizensiertes System ist z. B. Blackboard.
4.2.3. Methodisierte Online-Werkzeuge E-Portfolios Ein Beispiel für methodisierte Werkzeuge sind die E-Portfolios, die die Vorteile digitaler Medien mit denen der Papierportfolio-Idee verbinden. E-Portfolio-Software wird ähnlich wie eine Lernplattform von einer Institution auf einem eigenen Server installiert und kann von den Lernenden per Browser erreicht werden; E-Portfolios bieten sowohl die Möglichkeit zur Sammlung und Darstellung eigener Produkte als auch die der Selbsteinschätzung (vgl. zum allgemeinen Einsatz von E-Portfolios und speziell zum Europäischen Sprachenportfolio die Beiträge in Hornung-Prähauser et al. 2008).
5. Fazit DaF-/DaZ-Lernen kann durch einen didaktisch sinnvollen Einsatz elektronischer Umgebungen bereichert, erleichtert, verändert werden. Eine der wichtigsten Funktionen besteht darin, durch die Integration des Internets die Künstlichkeit des Fremdsprachenunterrichts (zumindest in Teilen) hintergehbar zu machen (vgl. Rösler 2008: 374). Die letzten Jahre des vermehrten Internetgebrauchs haben aber auch gezeigt, dass es für einen gelingenden Einsatz des Engagements, des Mutes und der Kompetenz der Lehrenden bedarf. Diese brauchen dafür vor allem eine angemessene mediendidaktische Aus- und Fortbildung; über deren sinnvolle Konzeptionierung muss intensiver nachgedacht werden.
6. Literatur in Auswahl Ballweg, Sandra 2008 Wann ist die nächste Sprechstunde? Betreuung und Beratung im Online Writing Lab. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 13(1), 18. S. (Online).
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XIII. Medien und Lehr-Lernmaterialien
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Würffel, Nicola 2006 Strategiengebrauch bei Aufgabenbearbeitungen in internetgestütztem Selbstlernmaterial. Tübingen: Narr. Würffel, Nicola 2007 Kooperatives Lernen im Fremdsprachenunterricht. In: Susanne Schneider und Nicola Würffel (Hg.), Kooperation & Steuerung. Fremdsprachenlernen und Lehrerbildung mit digitalen Medien, 1⫺32. Tübingen: Narr. Würffel, Nicola 2008 Kooperatives Schreiben im Fremdsprachenunterricht: Potentiale des Einsatzes von Social Software-Anwendungen am Beispiel kooperativer Editoren. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 13(1), 26 S. (Online).
Nicola Würffel, Heidelberg (Deutschland)
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Einleitung Perspektivenwechsel in Audiovisualität und Audiolingualität Kognitive Aspekte der Visualisierung Audiovisualität in Landeskunde, Ästhetik und Transkulturalität Literatur in Auswahl
1. Einleitung Sagt ein Bild wirklich mehr als 1.000 Worte? Oder kann etwa ein Laut mehr als 1.000 Bilder zeigen? Über die Rolle audiovisueller Medien im Fremdsprachenunterricht ist jedenfalls viel spekuliert worden. Viele Lehrwerke orientieren sich an der Annahme, dass Bilder per se eine universelle Sprache darstellen, die lautliche und graphemische Systeme ersetzen kann, und ein paar alternative Methoden basieren umgekehrt auf der Annahme, mit lautmalerischen Verfahren ließen sich semantische und funktionale Eigenschaften von Sprachen vermitteln (direkte Methode, total physical response, vgl. Lado 1977). Empirische Untersuchungen gibt es jedoch nur zu einzelnen Aspekten der Medialität, meistens zur Ausspracheschulung (vgl. Richter 2002; Lewalter 1997) und erst seit relativ kurzer Zeit zum Einsatz von Computeranimationen im Spracherwerb (Scheller 2009, kritisch zum Einsatz auditiver Verfahren in suggestiven Methoden Baur 1996). Während die bisherige Beschäftigung mit Medien im Spracherwerb verbreitet behavioristische, motivationale oder missionarische Züge trug, geht es in diesem Beitrag um die Darstellung von Prinzipien, Potenzialen und Problemen des Einsatzes von Medien unter dem Aspekt der Mehrwerterzielung. Hieraus lassen sich in der Folge Verfahren für Unterricht und Erwerb ableiten.
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XIII. Medien und Lehr-Lernmaterialien
2. Perspektivenwechsel in Audiovisualität und Audiolingualität Der Begriff audiovisuell (AV) ist im Umfeld des Sprachenlernens mit einer Methode bekannt geworden, die im lerntheoretischen Rahmen des Behaviorismus in den 1940⫺ 50er Jahren entwickelt wurde. Primär sollen mit den AV-Verfahren rezeptive Fertigkeiten vermittelt werden. Produktive Fertigkeiten ergeben sich in der Regel aus der Imitation auditiver und visueller Stimuli. Spracherwerb wird in diesen Verfahren vor allem als Aufgabe der Automatisierung behandelt. Demnach geht es bei den AV-Methoden vorwiegend um das Automatisieren von kürzeren oder längeren Formeln (patterns) und Versatzstücken (chunks). Auch in neuen Lehrverfahren, Lehrmaterialien und digitalen Lernprogrammen finden sich gehäuft AV-Komponenten und behavioristische Verfahren, allerdings in unsystematischer und meist unreflektierter Form (Roche 2008b). Unter audiovisuellen Medien dürfte man streng genommen nur die Medien versammeln, die sowohl Ton als auch Bild transportieren, also Fernsehen, CD ROMs, DVDs, VideoDiscs und ähnliches. Dabei wird oft übersehen, dass das wichtigste Lern- und Lehrmedium, nämlich Lehrerinnen und Lehrer, auch in der voraudiovisuellen Epoche durchaus audiovisuelle Eigenschaften besaß und das auch heute noch hat. Die Kombination verschiedener Medien, die Anfang und Mitte des letzten Jahrhunderts noch als Novum erschien, ist mittlerweile weitestgehend zum Standard geworden (vgl. den Modalitätsbegriff bei Sauer 2004 und s. Scheller 2009). Daher ist der ehemals innovative, auf die Funktion der Medien abhebende Begriff in seiner unterrichtsspezifischen Verwendung nur noch dort angemessen, wo die örtlichen Gegebenheiten oder begründete didaktische Zielsetzungen wie die (re-)konstruktive Arbeit mit Bildern die Einschränkungen erfordern. In der Kommunikationswissenschaft bezeichnet AV-Kommunikation eine theoretisch begründete, wenn auch in der Reichweite nicht immer klar umrissene Bedeutung im Sinne kommunikativen Alltagshandelns mit medial vermittelten Angeboten der Massenkommunikation (Paus-Hasebrink et al. 2006). Mit dem Perspektivenwechsel von den funktionalen zu den technischen Standards hat sich inzwischen der Begriff digitale Medien durchgesetzt. Entscheidend bei den Medien wäre aber die stärkere Betonung der Lerner- statt der Technikperspektive. In einem handlungsorientierten Unterricht, wie ihn die moderne Sprachdidaktik begründet, geht es darum, mit Sprache authentische kommunikative Ziele zu erreichen. Gerade jüngere Generationen von Lernenden bedienen sich in diesem auf kommunikative Ziele ausgerichteten Kontext ganz pragmatisch verschiedener elektronischer Medien. Die von Softwareentwicklern und Didaktikern oft überbewertete technologische Neuigkeits- und Unterhaltungsperspektive von Medien verdeckt dagegen meist didaktische Rückständigkeit und bewirkt nur kurzlebige Effekte. Sie kann schnell zu einer aktionistischen Beschäftigungstherapie führen, die in Langeweile mündet und zu Ablenkung führt. Die Ausstattung von Klassenzimmern mit elektronischen Medien bringt insofern nur bedingt Erfolge, wenn damit sinnvolle, d. h. authentische Kommunikations- und Lernaufgaben verbunden werden können. Was liegt daher näher, als Sprache und Kultur in der Vielfalt ihrer natürlich vorkommenden Medien zu vermitteln? Wenn man diese authentisch-didaktische Ausgangsbasis akzeptiert, dann stellen sich die Fragen zu den AV-Medien ganz anders, als sie verbreitet in Literatur und Lehrerausbildung gestellt werden. Es geht also nur in besonderen Fällen um die Fragen, wie und wann man einen Overheadprojektor oder ein handfestes oder virtuelles Aufnahmegerät einsetzen kann. Dafür gibt es mehr oder weniger lesbare Bedienungsanleitungen vom Hersteller. Es geht um die Bestimmung
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des Mehrwertes verschiedener auditiver und visueller Medien im Fremdsprachenerwerb und Fremdsprachenunterricht, und dafür sind zwei Funktionen relevant: die des authentischen Kommunikationsmittels und die der Lernhilfe (zur Messbarkeit des Mehrwertes elektronischer Medien mittels Rasterverfahren vgl. Roche 2008b; Bauer 2007 und Hampel 2007 zur Architektur neuester e-Plattformen).
2.1. Medien als authentisches Kommunikationsmittel Wenn es ⫺ wovon heute alle Welt ausgeht ⫺ Ziel des Unterrichts ist, kommunikative Kompetenzen für Alltag und Beruf zu vermitteln, dann kann dies nur unter Berücksichtigung authentischer Rede- und Schreibanlässe, Situationen, Kontexte und Kommunikationsziele geschehen. Da die verschiedenen Medien in der Kommunikation in Alltag und Beruf pragmatisch verwendet werden und dabei unterschiedliche Gattungen hervorbringen (in direkter monologischer oder dialogischer Kommunikation, in elektronischer Kommunikation über Telefon, Chat, E-Mail, Foren, Blogs, Wikis, Video-Konferenzen etc.), lassen sich diese Medien ganz natürlich auch im Unterricht verwenden. Nur die technische Ausstattung muss dafür vorhanden sein, entweder vorinstalliert oder ⫺ zunehmend ⫺ von den Lernenden mitgebracht. Entscheidend für den Medieneinsatz sind die angestrebten Kompetenzen, die Interessen der Lernenden und die Themen. Besonders eignen sich die elektronischen Medien als Arbeitswerkzeuge, wie sie in elektronischen Textverarbeitungsprogrammen, Ressourcen (Wörterbüchern, Thesauri, Rechtschreibprüfungen etc.), Fahrplänen, Fragebögen, Design- und Konstruktionsprogrammen, Bestellformularen, Auskunftsprogrammen (z. B. Wetterberichten) und interaktiven Spielprogrammen und vielem mehr zur Verfügung stehen. Diese Nutzungsmöglichkeiten sind unter anderem im aufgabenbasierten und fallbasierten Lernen, in der Szenariendidaktik, der interkulturellen Sprachdidaktik und dem konstruktionistischen Lernen bereits angelegt (vgl. Roche 2008a; Fischer et al. 2007; Hölscher, Piepho und Roche 2006; Piepho 2003; Hölscher 2005, 2004, 2003; Fischhaber 2002; Beers 2001; Mayer et al. 1999; Issing 1997; Goldman-Seagall 1998; Papert 1980). Auch die Nutzung der Medien selbst und die kulturspezifischen Differenzierungen der Textgattungen können dabei zu einem Thema der Beschäftigung in der Fremdsprache werden. Ansonsten bedarf es eigentlich keines gesonderten Aufwandes.
2.2. Auditive und visuelle Medien als Lernwerkzeug Zur Erzielung von Lerneffekten werden auditive und visuelle Medien bisher vorwiegend in illustrativen, unterhaltenden und automatisierenden Funktionen eingesetzt. Mit Hilfe von Bildern können beispielsweise außersprachliche Referenzen zu Gegenständen, Ereignissen und Abläufen hergestellt werden. Das schließt so unterschiedliche Dinge wie die Illustration von semantischen Merkmalen, landeskundlichen Gegebenheiten und Orten der Lautproduktion mit ein. Diese Darstellungen können schließlich im Sinne behavioristischer Lernverfahren als Referenz (Stimuli) für die Sprachproduktion dienen. In welchem Medium die visuelle Information dargeboten wird, ist dabei meist zweitrangig. Das Verfahren bleibt das gleiche. Inwieweit diese Verfahren aber tatsächliche Lerneffekte erzielen, ist weitestgehend unbekannt. Zwischen didaktischer Intention und Lerneffekt
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XIII. Medien und Lehr-Lernmaterialien
klafft meist eine große Lücke (vgl. den folgenden Abschnitt). Neuere Trainingsprogramme für die Aussprache etwa stellen nicht nur den Ort der Lautproduktion im MundRachenraum dar, sondern vergleichen darüber hinaus die Lautproduktion des Lerners mit der eines Mustersprechers und visualisieren die Abweichungen und Übereinstimmungen mittels oszillographischer Aufzeichnungen. Diese sollen dem Lerner zur Fehleranalyse und -korrektur dienen. Auch wenn diesen Darstellungen ein heuristischer Wert nicht abgesprochen werden kann, so muss doch auf zwei gewichtige Beschränkungen hingewiesen werden: Erstens lässt sich das Lautsignal mit der heute verfügbaren Technologie nicht so akkurat analysieren, wie es die Trainingsprogramme suggerieren (Harrington 2009 i.V.). Die Folge: Die Analyse ist oft ungenau. Zweitens ist es auch versierten Sprechern kaum möglich, die visuelle Darstellung steuernd auf die lautliche Produktion zu übertragen. Die Lautproduktion ist höchst automatisiert und entzieht sich weitestgehend der bewussten Kontrolle. Die Folge: Korrekturversuche basieren auf dem Zufallsprinzip. Zur systematischen Schulung der Aussprache sind auditive Trainingsverfahren am ehesten geeignet, wenn Ort und Zeit des Trainings sinnvoll in eine Handlungskette integriert und die Trainingsgegenstände semantisiert sind, das Training also Bedeutung hat und nicht als mechanische Drillübung verstanden wird (z. B. bei den Bedeutungsunterschieden des Pluralmorphems ü oder ä). Das schließt nicht aus, dass es in einem solchen Handlungsumfeld auch kurze, fokussierte Auszeiten für grammatische und phonetische Übungen geben kann. Aber auch hier ist eine Anbindung und Rückkoppelung an die Bedeutung und den pragmatischen Kontext angeraten (vgl. hierzu etwa die lautliche Darstellung/Visualisierung verschiedener Telefonzeichen in deutschen Telefonbüchern oder die Möglichkeiten theatralischer, comichafter und literarischer Lautmalereien und Texte in Konkreter Poesie).
3. Kognitive Aspekte der Visualisierung Nach der kognitiven Theorie multimedialen Lernens (cognitive theory of multimedia learning, vgl. Mayer 2005; Mayer und Sims 1994) und der dualen Kodierungstheorie (dual coding theory, vgl. Paivio 1986; Sadoski und Paivio 2004) erfolgt die Verarbeitung (laut-)sprachlicher und bildlicher Information in zwei unterschiedlichen Subsystemen des semantischen Gedächtnisses. Bei der gleichzeitigen Verarbeitung von sprachlichem und visuellem Material entstehen zwei unterschiedliche mentale Repräsentationen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder zusammengeführt werden müssen. Da die Genese der Schrift meist auf bildlichen Darstellungen fußt, kann davon ausgegangen werden, dass graphemische und bildliche Repräsentationen gleichermaßen über visuelle Prozesse verarbeitet werden. Die gleichzeitige Verarbeitung von laut-sprachlicher und bildlicher Information ist demnach mit erhöhtem Aufwand verbunden, beim Lernen mit multimedialen Materialien aber auch effizienter als die nachgeordnete Kombination gelesener Wörter und Bilder. Je länger die Information getrennt verarbeitet und gespeichert werden muss, desto größer ist die Inanspruchnahme der limitierten kognitiven Ressourcen. Engelkamp und Rummer (1999) und Engelkamp und Zimmer (2006) gehen daher davon aus, dass die Koordination der separaten Verarbeitung ein kontinuierlicher Prozess ist, der bei der Rezeption und Produktion von Äußerungen früh beginnt. Um Effekte der Überbelastung zu vermeiden (die cognitive load theory, vgl. Sweller 2005) muss also eine
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zeitlich und semantisch gut abgestimmte Koordination der Verarbeitungsprozesse und ggf. eine Einteilung in kleinere Aufgaben erfolgen (Kontiguitätseffekt, vgl. Seel 2000). Eine verfrühte oder verspätete Illustration landeskundlicher Information, z. B. durch Abbildungen, die am Anfang und Ende eines Lehrbuches oder Kapitels oder durch Filmausschnitte ohne Bezug zur Lektion präsentiert werden, kann daher den beabsichtigten positiven Effekt verfehlen. Nur wenn sprachliche und visuelle Information in eine gemeinsame Repräsentation integriert werden können, kann sinnstiftendes und nachhaltiges Lernen stattfinden (generative learning principle, vgl. Mayer 2005; Schnotz 2005). Die spärlichen Wirkungsstudien im Bereich des Sprachenlernens zeigen, dass sich Entwickler von Sprachlernprogrammen bisher kaum mit der Thematik befasst haben (vgl. den Forschungsüberblick in Rösler 2004 und die Beiträge in Roche 2007). Eine rühmliche Ausnahme sind die eingehenden Untersuchungen von Scheller 2009 zur Wirkung von Grammatikanimationen, die auf der Basis eines konzeptuellen Modells von Grammatik (vgl. Langacker 1999) entwickelt und nach den Parametern der Theorien des multimedialen Lernens gestaltet wurden. Hieraus lassen sich didaktische und pädagogische Kriterien für den gezielten Einsatz von Animationen ableiten (Roche und Scheller 2008, 2004; vgl. auch die Beiträge in der Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 2004): Animationen erlauben als zusätzliche Semantisierungshilfe Informationen zu veranschaulichen, die sonst nur mit größerem textlichen Aufwand geliefert werden könnten, zum Beispiel die Veranschaulichung syntaktischer und morphologischer Prinzipien. Die abgestimmte Kombination von bildlichen und sprachlichen Informationen führt darüber hinaus zu einer tieferen Verarbeitung und Herausbildung mehrerer Abrufwege (Ballstaedt 1997; Sutcliffe 1999). Die Visualisierung von Strukturen kann mit Hilfe von Animationen lernfreundlich und verständlich erfolgen: Die phasenweise Präsentation ist in vielen Fällen besser nachzuvollziehen als eine statische, weil die Lerner nicht die fertigen Äußerungen, sondern deren sukzessiven Aufbau vor sich sehen. Animationen können vor allem da eingesetzt werden, wo grammatische Umstrukturierungsprozesse (Bewegungen) verdeutlicht und dynamisch dargestellt werden können. Auch bei der Aktivierung des mentalen Lexikons spielen lautliche, visuelle, graphemische und andere Faktoren eine Rolle. Hört ein Sprecher beispielsweise eine Silbe au, so werden alle Wörter mit diesem Anlaut aktiviert, also Au, Auto, autonom, Aurora, Aurelia und andere (vgl. das Kohortenmodell, Marslen-Wilson 1987; Aitchison 1997). Allerdings ist die Stärke der Aktivierung je nach Kontext unterschiedlich. Das heißt, dass semantische und pragmatische Aspekte bei der Auswahl der aktivierten Lemmata und Lexeme eine wesentliche Rolle spielen. Zentrale semantische Elemente (Knoten) werden dabei stark aktiviert, entferntere werden mitaktiviert oder ko-aktiviert, aber durch den Kontext gefiltert. Diese Vernetzungsprozesse erklärt das activation spreading model (Dell und O’Seaghdha 1992; Roelofs 1992). Dabei spielen passende visuelle Elemente offenbar eine wichtige Rolle, denn visuelle Information bewirkt bei der Aktivierung und Selektion ähnliche Effekte wie sprachlicher Kontext. In kontrastiven Studien konnte zudem gezeigt werden, dass selbst bei der Aktivierung von abstrakten Begriffen semantische Konkretisierungen durch Metaphorisierungen eine große Rolle spielen (Roche und Roussy-Parent 2006). Diese Verbildlichungsprozesse bei Abstrakta lassen sich in verschiedenen Sprachen gleichermaßen beobachten, sind aber kulturspezifisch jeweils anders ausgeprägt. Kulturspezifische Metaphorisierungsprozesse sind daher für die Vermittlung von abstraktem Wortschatz ein geeignetes Mittel und können durch visuelles Material unterstützt werden.
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XIII. Medien und Lehr-Lernmaterialien
4. Audiovisualität in Landeskunde, Ästhetik und Transkulturalität Beim Einsatz in der Landeskundevermittlung spielen visuelle und auditive Medien oft eine vorwiegend illustrierende und folkloristische Rolle, die auch aus plurizentrischen Motiven begründet wird (vgl. die DACHL-Initiative www.dachl.net). Lerntheoretisch ist dieser Einsatz weniger begründet. Hieraus entsteht jedoch oft ein Widerspruch zur Effizienz des Unterrichts, da die Materialien meist bereits wichtige Grundlagenkenntnisse zum Verstehen voraussetzen, die den Lernern aber erst mit dem Material vermittelt werden sollen. So wie sich die Bildhaftigkeit für die Vermittlung von Sprache als Vorteil erweisen kann, so kann sie auch zu einem Hindernis in der Kommunikation werden. Zum einen verfestigen sich Bilder in der Entwicklung einer Sprache in gewissem Maße, zum anderen korrespondieren kulturspezifische Wahrnehmungsmuster verschiedener Kulturen nur teilweise und unterliegen selbstverständlich der Variation. Mit dem Medium der visuellen Übertragung zu Illustrationszwecken verbinden sich in der interkulturellen Kommunikation daher oft unrealistische Vorstellungen über die Kommunikationserleichterung. Andererseits werden die rezeptionsästhetischen Potenziale des Mediums zu wenig für didaktische Zwecke genutzt (vgl. die instruktiven und praxistauglichen Beiträge in Hölscher und Hunfeld 2001 der LIFE-Reihe, die exemplarischen Problematisierungen in BehalThomsen, Lundquist-Mog und Mog 1993 sowie die Ausführungen zu interkulturellen Aspekten der medial gestützten Lehre in Roche und Macfadyen 2004). Die zunehmende Visualisierung der Kommunikation und die Synergiebildung von visuellen, graphemischen und lautlichen sprachlichen Zeichen bieten für den Unterricht eine Fülle von authentischen Kommunikations- und ästhetischen Gestaltungsmitteln, z. B. Graffiti, Schriftzüge, visuelle/konkrete Poesie oder Musik, Klangexperimente und Lautspielereien, Schriftfilme und Schriftanimationen in künstlerischen Filmen, Vor- und Abspannen, Werbespots und Musikvideos (Packard 2006, besonders Kap. 2.3 und Kap. 7). Die Wahrnehmung von Bild und Ton variiert von Betrachter zu Betrachter und bildet kulturspezifische Gemeinsamkeiten aus. Als solche Konstrukte eröffnen sie ungeahnte Einblicke in die Denkweisen anderer Menschen und Kulturen, sind also ein ausgesprochen gut geeignetes Mittel, um sich Bilder von Kulturen zu machen. Die Aufgaben der Sprach- und Kulturvermittlung in Bezug auf die Nutzung semiotischer Verfahren werden durch die Medien nicht notwendigerweise vereinfacht. Vielmehr verlangt die Medialität verschiedener sprachlicher Systeme den Abschied von rudimentären kommunikativen, didaktischen und medialen Konzepten und eine Hinwendung zu wissenschaftlich grundierter Forschung sowie sorgsamer Planung, Koordination und didaktischer Kompetenz für die Lehrpraxis.
5. Literatur in Auswahl Aitchison, Jean 1997 Wörter im Kopf. Tübingen: Niemeyer. Ballstaedt, Steffen P. 1997 Wissensvermittlung. Die Gestaltung von Lernmaterial. Weinheim: Psychologie Verlags Union.
139. Audiovisuelle Medien
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Bauer, Wolfgang 2007 Zur Konzeption von Lernmanagementsystemen am Beispiel des basiX-Lernmanagementsystems ⫺ Interaktivität, Flexibilität, Kompatibilität und internationale Standards. In: Jörg Roche (Hg.), Fremdsprachen lernen medial ⫺ Entwicklungen, Forschungen, Perspektiven, 17⫺31. Berlin: Lit. Baur, Rupprecht S. 1996 Die Suggestopädie. Fremdsprachen Lehren und Lernen 25: 106⫺137. Beers, Maggie 2001 A media-based approach to developing ethnographic skills for second language teaching and learning. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 6(2), 26 S. Behal-Thomsen, Heinke, Angelika Lundquist-Mog und Paul Mog 1993 Typisch Deutsch? Arbeitsbuch zu Aspekten deutscher Mentalität. Berlin: Langenscheidt. Dell, Gary S. und Padraig G. O’Seaghdha 1992 Stages of lexical access in language production. Cognition 42: 287⫺314. Engelkamp, Johannes und Hubert D. Zimmer 2006 Lehrbuch der kognitiven Psychologie. Göttingen: Hogrefe. Engelkamp, Johannes und Ralf Rummer 1999 Die Architektur des mentalen Lexikons. In: Angela D. Frederici (Hg.), Enzyklopädie der Psychologie. Sprachrezeption C III, Sprache 2, 155⫺193. Göttingen: Hogrefe. Fischer, Frank, Ingo Kollar, Heinz Mandl und Jorge M. Haake (Hg.) 2007 Scripting Computer-Supported Collaborative Learning. New York: Springer-Kluwer. Fischhaber, Kathrin 2002 Digitale Ethnographie: Eine Methode zum Erlernen interkultureller Kompetenz im Fremdsprachenunterricht. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 7(1), 23 S. Goldman-Seagall, Ricki 1998 Points of Viewing Children’s Thinking: A Digital Ethnographer’s Journey. Mahwah: Erlbaum. Haller, Johann 2007 Elektronischer Tutor: Intelligente Werkzeuge für computerunterstütztes FremdsprachenLernen. In: Jörg Roche (Hg.), Fremdsprachenlernen medial ⫺ Entwicklungen, Forschungen, Perspektiven, 72⫺88. Berlin: Lit. Hampel, Thorsten 2007 Zukunft des E-Learning und der Wissensorganisation ⫺ Interoperabilität durch serviceorientierte Architekturen. In: Jörg Roche (Hg.), Fremdsprachenlernen medial ⫺ Entwicklungen, Forschungen, Perspektiven, 32⫺60. Berlin: Lit. Harrington, Johnathan 2009 i.V. The Phonetic Analysis of Speech Corpora. Blackwell. Manuskript im Internet verfügbar: http://www.phonetik.uni-muenchen.de/~jmh/research/pasc010808/pasc.htm, 3. 9. 2008. Hölscher, Petra 2005, 2004, 2003 Lernszenarien. Ein neuer Weg, der Lust auf Schule macht. Teil 1: Vorkurs; Teil 2: Sprachhandeln in den Klassen 1 bis 4 interkulturell ⫺ integrativ ⫺ interaktiv; Teil 3 Sprachhandeln in den Klassen 5 bis 9 interkulturell ⫺ integrativ ⫺ interaktiv. Oberursel: Finken. Hölscher, Petra, Hans E. Piepho und Jörg Roche 2006 Handlungsorientierter Unterricht mit Lernszenarien. Kernfragen zum Spracherwerb. Oberursel: Finken. Hölscher, Petra und Hans Hunfeld 2001 LIFE ⫺ Bilder der Kulturen. München: BMW Group. Issing, Ludwig 1997 Instruktionsdesign für Multimedia. In: Ludwig J. Issing und Paul Klimsa (Hg.), Information und Lernen mit Multimedia, 151⫺178. Weinheim: Beltz Psychologie Verlags Union.
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XIII. Medien und Lehr-Lernmaterialien
Lado, Robert 1977 Moderner Sprachunterricht. München: Hueber. Langacker, Ronald W. 1999 Grammar and Conceptualization. Berlin: de Gruyter. Lewalter, Doris 1997 Lernen mit Bildern und Animationen. Studie zum Einfluß von Lernermerkmalen auf die Effektivität von Illustrationen. Münster: Waxmann. Marslen-Wilson, William D. 1987 Functional parallelism in spoken word-recognition. Cognition 25: 71⫺102. Mayer, Richard E. und Valerie K. Sims 1994 For whom is a picture worth a thousand words? Extensions of a dual-coding theory of multimedia learning. Journal of Educational Psychology 86(3): 389⫺401. Mayer, Richard E., Roxana Moreno, Michelle Boire und Shannon Vagge 1999 Maximizing constructivist learning from multimedia communications by minimizing cognitive load. Journal of Educational Psychology 91(4): 638⫺643. Mayer, Richard E. 2005 Cognitive theory of multimedia learning. In: Richard E. Mayer (Hg.), The Cambridge Handbook of Multimedia Learning, 31⫺48. New York: Cambridge University Press. Packard, Stephan 2006 Anatomie des Comics. Psychosemiotische Medienanalyse. Göttingen: Wallstein. Paivio, Allan 1986 Mental Representations: A Dual-Coding Approach. New York: Oxford University Press. Papert, Seymour 1980 Mindstorms: Children, Computers, and Powerful Ideas. New York: Basic Books. Paus-Hasebrink, Ingrid, Jens Woelke, Michelle Bichler und Alois Pluschkowitz 2006 Einführung in die audiovisuelle Kommunikation. München: Oldenburg. Piepho, Hans E. 2003 Lerneraktivierung im Fremdsprachenunterricht. ,Szenarien‘ in Theorie und Praxis. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. Richter, Regina 2002 Konstruktivistische Lern- und Medien-Design-Theorie und ihre Umsetzung in multimedialen Sprachlernprogrammen. Deutsch als Fremdsprache 39(4): 201⫺207. Roche, Jörg und Leah Macfadyen (Hg.) 2004 Communicating across Cultures in Cyberspace: A Bibliographical Review of Intercultural Communication Online. Hamburg: Lit. Roche, Jörg und Julia Scheller 2008 Grammar animations and cognitive theory of multimedia learning. In: Beth Barber und Felicia Zhang (Hg.), Handbook of Research on Computer Enhanced Language Acquisition and Learning, 205⫺219. Hershey: IGI Global. Roche, Jörg und Julia Scheller 2004 Zur Effizienz von Grammatikanimationen beim Spracherwerb ⫺ Ein empirischer Beitrag zu einer kognitiven Theorie des multimedialen Fremdsprachenerwerbs. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht, 9(1), 15 S. Roche, Jörg und Me´lody Roussy-Parent 2006 Zur Rolle der kontrastiven Semantik in interkultureller Kommunikation. Fremdsprachen Lernen und Lehren 35: 228⫺250. Roche, Jörg (Hg.) 2007 Fremdsprachen lernen medial ⫺ Entwicklungen, Forschungen, Perspektiven. Berlin: Lit. Roche, Jörg 2008a Fremdsprachenerwerb und Fremdsprachendidaktik. Tübingen: UTB Basics. Roche, Jörg 2008b Handbuch Mediendidaktik. Ismaning: Hueber.
139. Audiovisuelle Medien
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Roelofs, Ardi 1992 A spreading-activation theory of lemma retrieval in speaking. Cognition 42: 107⫺142. Rösler, Dietmar 2004 E-Learning Fremdsprachen ⫺ eine kritische Einführung. Tübingen: Stauffenburg. Sadoski, Marc und Allan Paivio 2004 A dual coding theoretical model of reading. In: Robert B. Ruddell und Norman J. Unrau (Hg.), Theoretical Models and Processes of Reading, 1329⫺1362. Newark: International Reading Association. Sauer, Christoph 2004 Der Stoff, aus dem die Texte sind. Vorläufige Betrachtungen zu Erscheinung und Materie von Texten. In: Dirk Röller (Hg.), Dinge ⫺ Zeichen ⫺ Gestalten. Tagungsdokumentation Internationale Semiotische Herbstakademie, (CD-Rom-Publikation, online: http://www. semiose.de/index.php?id⫽291,53, Zugriff 04. 01. 10). Lüneburg: Jansen Verlag. Scheller, Julia 2009 Animationen in der Grammatikvermittlung: Multimedialer Spracherwerb am Beispiel von Wechselpräpositionen. Berlin: Lit. Schnotz, Wolfgang 2005 An integrated model of text and picture comprehension. In: Richard E. Mayer (Hg.), The Cambridge Handbook of Multimedia Learning, 49⫺69. New York: Cambridge University Press. Seel, Norbert M. 2000 Psychologie des Lernens. München: Reinhardt. Sutcliffe, Alistair G. 1999 A design method for effective information delivery in multimedia presentations. The New Review of Hypermedia and Multimedia 5: 29⫺58. Sweller, John 2005 Implications of cognitive load theory for multimedia learning. In: Richard E. Mayer (Hg.), The Cambridge Handbook of Multimedia Learning, 19⫺30. New York: Cambridge University Press. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 2004 9(1).
Jörg Matthias Roche, München (Deutschland)
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XIII. Medien und Lehr-Lernmaterialien
140. Materialien ür das Wortschatzlehren und -lernen 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Didaktik und Methodik der Wortschatzarbeit Rezeptive Wortschatzarbeit Reflexive Wortschatzarbeit Produktive Wortschatzarbeit Lehrmaterialien und Lernerorientierung Literatur in Auswahl
1. Didaktik und Methodik der Wortschatzarbeit Die Wortschatzdidaktik und -methodik ist im Bereich Deutsch als Fremd- und Zweitsprache revisionsbedürftig. Die meisten Arbeiten sind sprachstrukturell motiviert (vgl. z. B. Löschmann 1993), zudem ist es bislang nicht gelungen, die wenigen nützlichen Arbeiten (vgl. z. B. zur Kontextualisierung der Wortschatzarbeit Neuner 1990, zur Semantisierung Köster 1994 oder zur interkulturellen Semantik Müller[-Jacquier] 1994) zu einem konsensfähigen didaktischen Wortschatzkonzept zusammenzufügen. Auch im Bereich des muttersprachlichen Deutschunterrichts gibt es wenige konzeptionelle Anregungen, die Praxis der Wortschatzarbeit folgt den Vorgaben der traditionellen Lexikologie, wobei die Aufgaben und Übungen isoliert und kontextfrei präsentiert werden (vgl. z. B. Ulrich 2007). Neue konzeptionelle Anregungen kommen vor allem aus den Fremdsprachenphilologien und den kognitivistisch-konstruktivistisch orientierten Nachbardisziplinen (vgl. z. B. Rohrer 1985; Kielhöfer 1994; Börner und Vogel 1993, 1994; Quetz 1998). Zusammenfassend muss konstatiert werden: Es fehlt in den Bereichen Deutsch als Fremd- und Zweitsprache eine kohärente, erwerbsorientierte und kompetenzbezogene wortschatzdidaktische Konzeption, die darauf abzielt, die Sprachhandlungskompetenzen der Schüler aufzubauen und zu fördern (vgl. die Vorschläge bei Kühn 2000 und Steinhoff 2009). Es ist daher auch nicht verwunderlich, wenn es an der methodischen Umsetzung mangelt und eine stärkere Wortschatzförderung angemahnt wird (vgl. Willenberg 2008). Die bisherigen Ansätze zur Wortschatzdidaktik sind zu statisch: Wörter und Wortschatz sind weniger Besitz, sondern eher Werkzeuge zum Aufbau von Textverstehensund Textproduktionskompetenzen. Aus diesem Grunde sollte man auch auf die Redeweise vom (aktiven und passiven) Wortschatz(besitz) oder von Wortschatzkenntnissen verzichten; dies gilt auch für die Diskussion um den sogenannten Grundwortschatz, der unzutreffender Weise als lexikalisches Lernquantum aufgefasst wird (vgl. zur Kritik Kühns 2007a: 161⫺162). Solche Begriffe suggerieren eine nicht vorhandene Wortschatzautonomie und die Illusion, man könne den Wortschatz (aus)lernen. Der Wortschatz ist jedoch nicht lernbar ⫺ so lautet die provozierende und plausible These Hausmanns (1993: 479): „Die Sprache ist nur in den Texten Sprache. Der Rest ist Konstrukt. Der Sprachschatz ist also kein Wortschatz, sondern ein Formulierungsschatz.“ Dies bedeutet: Wortschatzarbeit darf somit nicht an isolierten Wörtern oder Sätzen erfolgen und rein sprachsystematisch angelegt sein, sondern an authentischen Texten. Die Wortschatzarbeit steht damit in enger Verbindung mit dem Lesen und Hören sowie dem Sprechen
140. Materialien für das Wortschatzlehren und -lernen
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und Schreiben von Texten und ist entweder auf das Lese- und Hörverstehen oder auf die Textproduktion bezogen. Es empfiehlt sich deshalb von rezeptiver und produktiver Wortschatzarbeit zu sprechen. Wortschatzarbeit muss beim Sprachgebrauch der Lernenden ansetzen und auf den Ausbau und eine Verbesserung ihrer schriftlichen und mündlichen Sprachhandlungskompetenz hin funktionalisiert sein. Eine kompetenzorientierte Wortschatzarbeit sollte also von Texten ausgehen und auch wieder zu Texten führen. Eine solche erwerbsbezogene, textfundierte und kompetenzorientierte Wortschatzdidaktik und -methodik lässt sich als Dreischritt modellieren (vgl. Kühn 2000b): Wörter semantisieren (rezeptive Wortschatzarbeit), vernetzen (reflexive Wortschatzarbeit) und gebrauchen (produktive Wortschatzarbeit).
2. Rezeptive Wortschatzarbeit Die rezeptive Wortschatzarbeit bezieht sich auf das Verstehen und Erklären von Wörtern und Formulierungen aus Texten. Dabei lassen sich unterschiedliche Semantisierungsverfahren und -prozesse denken: Lehrergesteuerte Semantisierungstechniken wie z. B. (1) über lexikalische Mittel (Wortbildung, Wortfeldeinordnung (Nennung von Synonymen, Antonymen, Hyponymen), Vergleich mit Internationalismen oder Fremdwörtern, Übersetzungsäquivalente, lexikalische Paraphrase oder Definition, Kollokationsangaben), (2) über visuelle, auditive oder gestische Mittel (Anschauungsobjekt, Zeichnung, Bild, Foto, Video, Handlungen, Gestik, Mimik), (3) über die Situationsspezifik (Bezug auf Teilnehmer, ihr Vorwissen, Situationsbeschreibung, Bezug auf vorangegangen Unterricht) oder (4) über Alltagserfahrungen (Final-, Kausal-, Temporalkonsequenz) (vgl. Müller[-Jacquier] 1994: 99⫺100). Als besonders effektiv werden Semantisierungstechniken betrachtet, die die Lernenden in die Lage versetzen, selbständig unbekannte Wortbedeutungen aus Texten zu entschlüsseln: (1) Semantisierungsdiskurse zwischen Lehrendem und Lernenden, in denen die Lernenden aktiv ihre Semantisierungsbedürfnisse äußern und aus Mehrfacherklärungen die passende auswählen können (vgl. Köster 1994: 44⫺76). (2) In der Diskussion um die Semantisierungstechniken wird ⫺ besonders aus lernpsychologischer Perspektive ⫺ das eigenständige Inferieren und Rekonstruieren aus dem Kontext herausgestellt. Auf Grund der Textumgebung und des Sprachen- und Weltwissens besteht die Möglichkeit, das zu erschließende Wort semantisch genauer zu bestimmen. Nicht zu unterschätzen ist in diesem Zusammenhang das im Fremdsprachenunterricht bekannte incidental vocabulary learning, bei dem über das Texte-Lesen neue Wörter semantisch erschlossen und gelernt werden. (3) Semantisierungstechniken müssen die Fähigkeit einschließen, kulturspezifische Bedeutungen zu entschlüsseln. Hier geht es insbesondere darum, am Beispiel sogenannter Hotwords (z. B. Kopftuch, Gastarbeiter oder Heimat) aber auch im Alltagswortschatz (z. B. Brot vs. pain) kulturspezifisch bedingte Bedeutungsunterschiede aufzudecken und zu thematisieren (vgl. Müller[-Jacquier] 1994; Luchtenberg 2000; Kühn 2006), um die Lernenden für interkulturelle Fragestellungen zu sensibilisieren; hierzu
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XIII. Medien und Lehr-Lernmaterialien
ließen sich auch Wörterbücher heranziehen (vgl. Kühn 2002). Durch eine kultursensitive Semantisierung lassen sich kulturspezifische Erfahrungen, Alltagsgewohnheiten, Wertvorstellungen oder Stereotype der Wortverwendung thematisieren. (4) Wenn im Kontext von Semantisierungen das autonome Lernen im Vordergrund stehen soll, kommt der Benutzung von (Lerner-)Wörterbüchern eine herausragende Bedeutung zu. Die Wörterbuchbenutzungsforschung hat allerdings gezeigt, dass Lerner bei weitem nicht in der Lage sind, die Möglichkeiten, die (Lerner-)Wörterbücher bieten, auszunutzen. Dies kann einerseits an der mangelhaften Nachschlagefertigkeit liegen ⫺ insbesondere im Bereich Deutsch als Zweitsprache ⫺ oder andererseits durch die Konzeption der auf dem Markt befindlichen Wörterbücher verursacht sein: allgemeine einsprachige Wörterbücher des Deutschen sind für Semantisierungszwecke in der Regel ungeeignet, Lernerwörterbücher weisen ebenfalls noch viele Schwachstellen auf (z. B. komplizierte Wortdefinitionen, unverständliche Erklärungen, mangelhaftes Definitionsvokabular, unbefriedigende Kultursensitivität.
3. Relexive Wortschatzarbeit Seit Beginn der 1980er Jahre hat die Wortschatzarbeit und -vermittlung eine neue theoretische Fundierung erfahren und eine neue Qualität gewonnen: Die Linguistisierung der Wortschatzdidaktik im Sinne einer systematischen Darstellung und Vermittlung lexikalischer Wortschatzstrukturen (klassische Wortfeldtheorie) hat das Augenmerk zu stark auf das Was gelenkt. Dies führte zur Verdrängung der Frage, wie Lernende Wörter und Formulierungen lernen, behalten, erinnern und abrufen können. Im Mittelpunkt dieser Diskussion steht die Modellierung des mentalen Lexikons, in dem der Wortschatz netzartig strukturiert ist. Die Netzwerkmodellierung ist vielseitig: Sachnetze, Kollokationsnetze, affektive Wortnetze, Wort-Frames und Skripts, Wortfelder, Wortfamilie, Klangnetze usw. Je strukturierter und vielseitiger ein Wort vernetzt ist, desto sicherer ist es abgespeichert und desto besser kann es abgerufen werden. Zur Wortschatzarbeit gehört in einer reflexiven Phase also auch das Notieren, Sammeln und Ordnen der Wörter und Formulierungen. Methodisch ist dies denkbar in Form netzwerkartiger Gruppierungen (Diagramme, Wortbilder, Wortigel, Mindmaps) in einer lernerautonomen Wörterwerkstatt (vgl. Wolff 2000). Während die traditionellen Aufgaben und Übungen zum Wortschatz in einer logisierenden Rekonstruktion der lexikalischen Beziehungen bestehen, ergeben sich für eine lernerpsychologisch orientierte Wortschatzarbeit neue, kreative und konstruktive Aufgaben- und Übungstypen. Auch bei der reflexiven Wortschatzarbeit können Lernerwörterbücher nützliche Hilfestellungen anbieten ⫺ sofern sie nach dem Modell des mentalen Lexikons konzipiert sind (vgl. für Deutsch als Zweitsprache z. B. Kühn 2007/2009).
4. Produktive Wortschatzarbeit Bei der produktiven Wortschatzarbeit geht es um die Anwendung und den Gebrauch des Wortschatzes in entsprechenden Texten und Situationen. So wie die Semantisierung mit der Lesedidaktik korreliert, so muss die produktive Wortschatzdidaktik mit der Sprech-
140. Materialien für das Wortschatzlehren und -lernen
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und Schreibdidaktik in Beziehung gesetzt werden. Dabei geht es um die Reaktivierung des aufbereiteten Wortschatzes durch seine adressaten-, intentions- und situationsspezifische Verwendung in Texten und Textsorten, insbesondere in Schreibprozessen. Als geeigneter Ort für die produktive Wortschatzarbeit kann die sogenannte Schreibwerkstatt angesehen werden, in der Texte in Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit geplant, formuliert und überarbeitet werden. Wortschatzarbeit in der Schreibwerkstatt verläuft dabei lernschrittprogressiv: In der Planungsphase wird der Wortschatz aus Texten oder Wörterbüchern gesammelt und geordnet, bei der Formulierung und Überarbeitung wird er angewendet und in Texte umgesetzt. In allen Phasen lassen sich Wörterbücher einsetzen: In der Planungsphase lassen sich z. B. mit Hilfe onomasiologischer Wörterbuchtypen (z. B. Thesauri, Bildwörterbücher, bedeutungsgeschichtliche oder sprachkritische Wörterbücher) Wörter sammeln und zu Wörternetzen ordnen. In der Formulierungsphase helfen Konstruktionswörterbücher (Kollokationswörterbücher, Stilwörterbücher), bei der Überarbeitung distinktive Synonymiken, Antonymiken, Kollokationswörterbücher, Stilwörterbücher oder bei der orthographischen Kontrolle Rechtschreibwörterbücher. Lernerwörterbücher können ebenfalls für die prozesshafte Textherstellung eingesetzt werden, sofern sie die entsprechenden Informationsbausteine enthalten (vgl. Wolff 2000).
5. Lehrmaterialien und Lernerorientierung Sichtet man auf der Basis der skizzierten kompetenzorientierten Wortschatzdidaktik die Lehrmaterialien, so lässt sich kritisch Folgendes festhalten: (1) Der stetigen Nachfrage von Lehrenden und Lernenden nach Lehrmaterialien steht ein Defizit an geeigneten Übungsmaterialien gegenüber. (2) In vielen Lehrwerken und speziellen Übungsbüchern zur Wortschatzarbeit dominieren immer noch sprachsystematische Übungen, mit deren Hilfe isoliertes Wortschatzwissen abgeprüft wird. Die Übungen suggerieren, der Wortschatz sei ein geschlossenes Inventar, und logisches System: Es geht vor allem um Beziehungen der Überund Unterordnung, um Identitäts- und Äquivalenzrelationen oder um Relationen der Gegensätzlichkeit. Die kommunikative Verwendung des einzuübenden Wortschatzes spielt keine Rolle, die dargebotenen Kontexte sind minimal. Geübt wird der Wortschatz an kontextlosen Einsetz-, Ergänzungs- oder Zuordnungsübungen (vgl. z. B. Ferenbach und Schüßler 2007); diese Kritik gilt uneingeschränkt auch für die Arbeit im muttersprachlichen Deutschunterricht (vgl. z. B. Ulrich 2007). (3) Im Zuge der Erarbeitung digitaler Lehr- und Lernmittel sind auch für den Bereich des Wortschatzes computerunterstützte Übungen (auf CD, DVD oder im Internet) konzipiert worden. Auch die digital gestützte Wortschatzarbeit bringt keine qualitative Verbesserung ⫺ im Gegenteil: Es handelt sich um traditionelle Ansätze mit den bekannten kontextisolierten Einsetz-, Ergänzungs- oder Zuordnungsübungen. Die Standardisierung digitaler Wortschatzaufgaben scheint geradezu eine Renaissance der sprachsystembezogenen Wortschatzarbeit zu fördern. (4) In neueren Lehrwerken zeigt sich ein Perspektivenwechsel: weg von der lexikalsemantischen Wortschatzvermittlung hin zu einer lern(er)psychologisch fundierten Wortschatzarbeit. Diese Lehrwerke enthalten Aufgaben zur Semantisierung und Übungen zum Sammeln und Ordnen von Wörtern. Die textbezogene, produktive
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XIII. Medien und Lehr-Lernmaterialien
Wortschatzarbeit wird in den Lehrwerken allerdings sträflich vernachlässigt (musterhaft die Vorschläge bei Honnef-Becker 2000). (5) Eine Wortschatzarbeit, in der die autonom arbeitenden Lernenden oder die kreative Wortschatzarbeit die entscheidende Rolle spielen, gilt als Ausnahme (vgl. Bohn und Schreiter 2000: 92, 95). (6) Vollkommen unzureichend in der bisherigen Wortschatzarbeit ist die Berücksichtigung von Phraseologismen bzw. eine entsprechende Phraseodidaktik (vgl. Ettinger 2007; Kühn 2007b). (7) Dem (Lerner-)Wörterbuch kann bei der Wortschatzarbeit insofern eine bedeutende Rolle zugewiesen werden, als Wörterbücher sowohl bei der rezeptiven und reflexiven als auch bei der produktiven Wortschatzarbeit gewinnbringend eingesetzt werden könnten. Die bisherigen Vorschläge zur Wörterbucharbeit beschränken sich allerdings fast ausschließlich auf die Handhabung eines bestimmten Wörterbuchtyps (vgl. z. B. Schneider 1993; Schaeder 2000). Praktische Hinweise zum funktionalen Einsatz des Wörterbuchs bei Textrezeption und -produktion gibt es kaum (vgl. richtungsweisend Honnef-Becker 1999, 2000, 2002).
6. Literatur in Auswahl Bohn, Rainer und Ina Schreiter 2000 Wortschatzarbeit in den Sprachlehrwerken Deutsch als Fremdsprache: Bestandsaufnahme, Kritik, Perspektiven. In: Peter Kühn (Hg.), Wortschatzarbeit in der Diskussion, 57⫺98. Hildesheim: Olms. Börner, Wolfgang und Klaus Vogel (Hg.) 1993 Wortschatz und Fremdsprachenerwerb. Bochum: AKS. Börner, Wolfgang und Klaus Vogel (Hg.) 1994 Kognitive Linguistik und Fremdsprachenerwerb: Das mentale Lexikon. Tübingen: Narr. Burger, Harald, Dmitrij Dobrovol’skij, Peter Kühn und Neal R. Norrick (Hg.) 2007 Phraseologie. Ein internationales Handbuch der zeitgenössischen Forschung. Bd. 2. (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 28.1⫺2). Berlin: de Gruyter. Ettinger, Stefan 2007 Phraseme im Fremdsprachenunterricht. In: Harald Burger, Dmitrij Dobrovol’skij, Peter Kühn und Neal R. Norrick (Hg.), Phraseologie. Ein internationales Handbuch der zeitgenössischen Forschung, 893⫺908. Bd. 2. Berlin: de Gruyter. Ferenbach, Magda und Ingrid Schüßler 2007 Wörter zur Wahl: Wortschatzübungen. Deutsch als Fremdsprache. 3. Aufl. Stuttgart: Klett. Hausmann, Franz Josef 1993 Ist der deutsche Wortschatz lernbar? Oder: Wortschatz ist Chaos. Informationen Deutsch als Fremdsprache 20: 471⫺485. Honnef-Becker, Irmgard 1999 Der Duden als Malkasten? Zum Wörterbuchgebrauch beim kreativen Schreiben in Deutsch als Fremdsprache. Lexicographica 14: 14⫺33. Honnef-Becker, Irmgard 2000 Wortschatzarbeit in der Schreibwerkstatt: Plädoyer für eine textbezogene Wortschatzdidaktik. In: Peter Kühn (Hg.), Wortschatzarbeit in der Diskussion, 149⫺177. Hildesheim: Olms. Honnef-Becker, Irmgard 2002 Die Benutzung des „de Gruyter Wörterbuchs Deutsch als Fremdsprache“ in Situationen der Textproduktion. In: Herbert Ernst Wiegand (Hg.), Perspektiven der pädagogischen
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Lexikographie des Deutschen II. Untersuchungen anhand des „de Gruyter Wörterbuchs Deutsch als Fremdsprache,“ 623⫺646. Tübingen: Niemeyer. Kielhöfer, Bernd 1994 Wörter lernen, behalten und erinnern. Neusprachliche Mitteilungen 47: 211⫺220. Köster, Lutz 1994 Semantisierungsprozesse im Unterricht Deutsch als Fremdsprache. Frankfurt a. M.: Lang. Köster, Lutz 2001 Wortschatzvermittlung. In: Gerhard Helbig, Lutz Götze, Gert Henrici und Hans-Jürgen Krumm (Hg.), Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch, 887⫺893. Bd. 2. (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 10.1⫺2). Berlin: de Gruyter. Kühn, Peter (Hg.) 2000 Wortschatzarbeit in der Diskussion. Hildesheim: Olms. Kühn, Peter 2000 Kaleidoskop der Wortschatzdidaktik und -methodik. In: Peter Kühn (Hg.), Wortschatzarbeit in der Diskussion, 5⫺28. Hildesheim: Olms. Kühn, Peter 2002 Kulturgebundene Lexik und kultursensitive Bedeutungserläuterungen im „de Gruyter Wörterbuch Deutsch als Fremdsprache“. In: Herbert Ernst Wiegand (Hg.), Perspektiven der pädagogischen Lexikographie des Deutschen II. Untersuchungen anhand des „de Gruyter Wörterbuchs Deutsch als Fremdsprache“, 161⫺200. Tübingen: Niemeyer. Kühn, Peter 2006 Interkulturelle Semantik. Nordhausen: Bautz. Kühn, Peter 2007a Rezeptive und produktive Wortschatzkompetenzen. In: Heiner Willenberg (Hg.), Kompetenzhandbuch für den Deutschunterricht. Auf der empirischen Basis des DESI-Projekts, 160⫺167. Baltmannsweiler: Schneider. Kühn, Peter 2007b Phraseme im Muttersprachenunterricht. In: Harald Burger, Dmitrij Dobrovol’skij, Peter Kühn und Neal R. Norrick (Hg.), Phraseologie. Ein internationales Handbuch der zeitgenössischen Forschung, 881⫺893. Bd. 2. (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 19.1⫺2). Berlin: de Gruyter. Kühn, Peter 2007/2009 Mein Schulwörterbuch. Troisdorf: Bildungsverlag Eins [digitalisiert 2009]. Löschmann, Martin 1993 Effiziente Wortschatzarbeit. Alte und neue Wege. Frankfurt a. M.: Lang. Luchtenberg, Sigrid 2000 Interkulturelle Wortschatzarbeit. In: Peter Kühn (Hg.), Wortschatzarbeit in der Diskussion, 209⫺222. Hildesheim: Olms. Müller[-Jacquier], Bernd-Dietrich 1994 Wortschatzarbeit und Bedeutungsvermittlung. (Fernstudieneinheit 8). Berlin: Langenscheidt. Neuner, Gerhard 1990 Mit dem Wortschatz arbeiten. Systematisches Wörterlernen im Deutschunterricht ⫺ neu zu entdecken. Fremdsprache Deutsch 3: 4⫺11. Quetz, Jürgen 1998 Der systematische Aufbau eines „mentalen Lexikons“. In: Johannes-Peter Timm (Hg.): Englisch lernen und lehren ⫺ Didaktik des Englischunterrichts, 272⫺290. Berlin: Cornelsen. Rohrer, Josef 1985 Lernpsychologische Aspekte der Wortschatzarbeit. Die Neueren Sprachen 84: 595⫺611. Schaeder, Burkhard 2000 Wörterbucharbeit im Unterricht Deutsch als Fremdsprache. In: Peter Kühn (Hg.), Wortschatzarbeit in der Diskussion, 249⫺280. Hildesheim: Olms.
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XIII. Medien und Lehr-Lernmaterialien
Schneider, Klaus Peter 1993 Wörterbucharbeit als Lernprozeß. In: Wolfgang Börner und Klaus Vogel (Hg.), Kognitive Linguistik und Fremdsprachenerwerb: Das mentale Lexikon, 87⫺109. Tübingen: Narr. Steinhoff, Torsten 2009 Wortschatz ⫺ eine Schaltstelle für den schulischen Spracherwerb? Siegener Papiere zur Aneignung sprachlicher Strukturformen 17: 1⫺66. Ulrich, Winfried 2007 Wörter, Wörter, Wörter. Wortschatzarbeit im muttersprachlichen Deutschunterricht. Anleitung und praktische Übungen mit 204 Arbeitsblättern in Form von Kopiervorlagen. Baltmannsweiler: Schneider. Wiegand, Herbert Ernst (Hg.) 2002 Perspektiven der pädagogischen Lexikographie des Deutschen II. Untersuchungen anhand des „de Gruyter Wörterbuchs Deutsch als Fremdsprache“. Tübingen: Niemeyer. Willenberg, Heiner 2008 Wortschatz Deutsch. In: DESI-Konsortium (Hg.), Unterricht und Kompetenzerwerb in Deutsch und Englisch. Ergebnisse der DESI-Studie, 72⫺80. Weinheim: Beltz. Wolff, Dieter 2000 Wortschatzarbeit im Fremdsprachenunterricht: Eine kognitivistisch-konstruktivistische Perspektive. In: Peter Kühn (Hg.), Wortschatzarbeit in der Diskussion, 99⫺124. Hildesheim: Olms.
Peter Kühn, Trier (Deutschland)
141. Materialien ür das Grammatiklehren und -lernen 1. 2. 3. 4.
Linguistische Grammatiken Didaktische Grammatiken Pädagogische Grammatiken Didaktisch orientierte Darstellungen zur Gesamtheit oder zu Einzelproblemen der deutschen Sprache 5. Literatur in Auswahl
Die Materialien für die Vermittlung von Grammatik im fremdsprachlichen Deutschunterricht gliedern sich in vier Kategorien: Linguistische Grammatiken (Grundlagendarstellung) Didaktische Grammatiken (Anwendungsorientierte Grammatiken) Pädagogische Grammatiken (Grammatiken in Lehrwerken/Übungsgrammatiken) Didaktisch orientierte Darstellungen der Gesamtheit oder von Einzelproblemen der Grammatik der deutschen Sprache
1. Linguistische Grammatiken Linguistische Grammatiken sollen ihren Gegenstand umfassend, widerspruchsfrei und auf der Grundlage einer einheitlichen Theorie beschreiben. Diesem Postulat genügen
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freilich nur selten Grammatiken. Zu den im Deutschen als Fremdsprache/Deutschen als Zweitsprache benutzten einsprachigen und kontrastiven Grammatiken gehören: Gerhard Helbig/Joachim Buscha: Deutsche Grammatik. Ein Handbuch für den Ausländerunterricht. Ulrich Engel: Deutsche Grammatik. Lutz Götze/Ernest W. B. Hess-Lüttich: Grammatik der deutschen Sprache. Harald Weinrich u. a.: Textgrammatik der deutschen Sprache. Peter Eisenberg: Grundriß der deutschen Grammatik. Gisela Zifonun u. a.: Grammatik der deutschen Sprache. Ulrich Engel/Rosemaria Tertel: Kommunikative Grammatik Deutsch als Fremdsprache. DUDEN. Grammatik der deutschen Sprache. Elke Hentschel/Harald Weydt: Handbuch der deutschen Grammatik. Alle diese Grammatiken bieten einsprachige oder zweisprachig-kontrastive Erklärungen der häufigsten und wichtigsten grammatischen Phänomene des Deutschen. Sie beschränken sich im Regelfall auf den Kernbereich jeglicher Grammatik, also Morphologie und Syntax. Lediglich Weinrich, Zifonun u. a. sowie Götze und Hess-Lüttich beziehen den Text als nächsthöhere Kategorie mit ein. Mit Abstand am häufigsten verwendet wird das Standardwerk, also die Grammatik von Helbig und Buscha. Sie bietet, zusammen mit einer Schülergrammatik, eine umfangreiche und leicht benutzbare Darstellung der Regeln von Formen- und Satzlehre. Für tiefer gehendes Studium von Einzelproblemen sind die Grammatiken Engel, Eisenberg, Zifonun u. a., Götze und Hess-Lüttich und Hentschel und Weydt geeignet. Als Beispiel einer Kontrastiven Grammatik gilt das Werk von Engel und Mrazovic zum Vergleich des Deutschen und des Serbokroatischen. Hier werden, basierend auf der Kontrastiv-Hypothese der Zweitspracherwerbsforschung, Gemeinsamkeiten, Ähnlichkeiten und Unterschiede der beiden Sprachen analysiert und wird im Einzelfall auf Interferenzmöglichkeiten hingewiesen. Eine Weiterentwicklung der Kontrastiv-Hypothese ist der Sammelband von Götze und Müller-Liu und Traore´: Kulturkontrastive Grammatik. Konzepte und Methoden. Hier werden, auf der Grundlage der Sprachphilosophie Wilhelm von Humboldts, Sprachen als Ausdruck unterschiedlicher Weltansichten begriffen, verglichen und auf Probleme beim Erwerb der Grammatik der deutschen Sprache hingewiesen. Zu den Defiziten aller vorliegenden Grammatiken gehört die allenfalls in Ansätzen vorgenommene Beschreibung der gesprochenen deutschen Gegenwartssprache: Eine Grammatik der gesprochenen Sprache liegt bislang nur von Henning (2006) vor. Die Schwierigkeiten einer solchen Grammatik liegen bei der Erstellung einschlägiger und aussagekräftiger Korpora als Grundlage der Grammatik, weiterhin bei der Entscheidung, welches Register (Standardsprache, regionale Varianten, Alltagssprache usw.) zugrunde gelegt werden sollte, sowie bei der Schnelllebigkeit zahlreicher Phänomene der gesprochenen Sprache. Eine interessante Alternative, weil aus der Sicht der Auslandsgermanistik geschrieben, ist die Gruppengrammatik von Franc¸ois Schanen 1995 (Paris). Sie ist vor allem für Germanisten und Studierende auf fortgeschrittenem Niveau geeignet. Ausführliche Analysen linguistischer und didaktischer Grammatiken finden sich bei Hennig (2006).
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2. Didaktische Grammatiken Didaktische Grammatiken wählen aus dem Gesamtbereich der Grammatik einer natürlichen Sprache die häufigsten, schwierigsten und fehlerträchtigsten Teile aus und stellen diese dar. Dazu ziehen die Autoren häufig unterschiedliche Grammatiktheorien heran und wenden diese auf ihren Gegenstand an. Gelegentlich gibt es zweisprachig-kontrastive didaktische Darstellungen. Didaktische Grammatiken werden oft adressatenorientiert geschrieben: So gibt es Lehrergrammatiken (Häussermann und Kars, Latour, Buscha) und Schülergrammatiken (Dreyer und Schmitt, Reimann, Götze), daneben Produktionsgrammatiken (Rug und Tomaszewski, Fandrych und Tallowitz) und Rezeptionsgrammatiken, zumal zur Entwicklung des Leseverstehens (Heringer). Kontrastive Darstellungen finden sich häufig: Als Beispiel sei die Grammatik von Msia Gwenzadse (Tbilissi) genannt. Hier werden, in Anlehnung an funktional-kommunikative Darstellungen bei Engel, Buscha und Götze, Funktionen sprachlichen Handelns und deren sprachliche Ausdrucksmittel im Deutschen und Georgischen verglichen und durch Übungen ergänzt. Die früher gebrauchte Unterscheidung von Resultatsgrammatiken (Normative Grammatiken) und Prozessgrammatiken (Grammatiken der Beschreibung von Erwerbsprozessen/Erwerbssequenzen) wird heute nicht mehr vorgenommen, da sich die Hoffnung, Erwerbsprozesse (Artikelsystem, Endstellung des finiten Verbs in abhängigen Sätzen, Stellung der Negationspartikel nicht, Bildung zusammengesetzter Tempusformen usw.) ließen sich generalisieren und in Grammatiken beschreiben, nicht erfüllt hat: Die Hirnforschung hat nachgewiesen, dass alle Spracherwerbsprozesse individuell unterschiedlich und allenfalls in Ansätzen verallgemeinerbar sind. Zu den häufig gebrauchten didaktischen Grammatiken gehören: Gerhard Helbig/Joachim Buscha: Schülergrammatik. Lutz Götze u. a.: SchülerWAHRIG: Deutsche Grammatik. Joachim Buscha: Grammatik in Feldern. Wolfgang Rug/Andreas Tomaszewski: Grammatik mit Sinn und Verstand. Hans Barkowski u. a.: Kommunikative Grammatik und Deutsch lernen mit ausländischen Arbeitern. Diese didaktischen Grammatiken orientieren ihre Darstellungen am Interesse der Benutzer. Sie bieten daher überschaubare, auch für den Nichtmuttersprachler verständliche und mit Beispielen und häufig Übungen versehene Texte. In jüngster Zeit ist dabei eine Hinwendung zu funktional-kommunikativen Beschreibungen erkennbar. (Buscha, Götze, Rug und Tomaszewski): Im Zentrum der Darstellung steht die Funktion sprachlicher Zeichen und nicht die Form, also die Frage, welche sprachlichen Funktionen mit welchen Formen ausgedrückt werden. Als Beispiel diene das Passiv: Traditionell wird es als Umkehrung des Aktivs (Aktiv-Passiv-Konverse) verstanden und gelehrt. Beim funktionalen Ansatz hingegen wird nach Textsorten und Intentionen geforscht und entsprechend klassifiziert: Das Passiv als täterabgewandte oder den Urheber der Handlung nicht benennende Struktur wird im Deutschen häufig gebraucht, wenn das Agens (der Handelnde) nicht wichtig bzw. allgemein bekannt ist, oder aber, wenn es aus taktischen oder ideologischen Gründen nicht genannt werden soll oder darf: Im Kabinett wurden Steuersenkungsvorschläge diskutiert. Nicht genannt wird hier, welches Kabinettsmitglied welche
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Vorschläge oder Ablehnungen formuliert hat. Das Ziel ist, die Öffentlichkeit bewusst oder unbewusst falsch zu informieren oder zu verschweigen, wer was gesagt hat, oder es wird vorausgesetzt, dass die Mitglieder des Kabinetts bekannt sind.
3. Pädagogische Grammatiken Pädagogische Grammatiken sind Teile oder Zusätze (Zusatzbände) von Lehrwerken, also grammatische Erklärungen in Lehrwerken des Deutschen als Fremdsprache/Deutschen als Zweitsprache, versehen mit Übungsbeispielen. Alle Lehrwerke verfügen über solche Pädagogischen Grammatiken, die in jüngster Zeit auch mit neuen Medien (Tonträger, CD-Rom, Videomaterialien) ausgestattet sind. Besonderer Beachtung erfreut sich dabei das so genannte E-learning, also das individuelle Lernen von Sprache und Grammatik mit elektronischen Medien. Zu den pädagogischen Grammatiken gehören auch die Übungsgrammatiken: Beispielhaft werden hier genannt: Axel Hering/Magdalena Matussek/Michaela Perlmann-Balmem: Übungsgrammatik Hilke Dreyer/Rainer, Schmitt: Lehr- und Übungsbuch der deutschen Grammatik Renate Luscher: Übungsgrammatik für Anfänger Christian Fandrych/Ulrike Tallowitz: Klipp und Klar. Diese pädagogischen Grammatiken sind stufenorientiert (Anfänger/Fortgeschrittene), bieten Übungen mit einem Lösungsschlüssel und sind damit für das autonome Lernen oder Lernen in Gruppen geeignet. Ihr Schwerpunkt liegt auf den Grundregeln von Morphologie und Syntax, weniger im kommunikativ-funktionalen Sprachlernen.
4. Didaktisch orientierte Darstellungen zur Gesamtheit oder zu Einzelproblemen der deutschen Sprache Eine Vielzahl von Publikationen zu Einzelphänomenen der Vermittlung und des Lernens von Grammatik liegt vor. Dazu gehören die Beiträge in einschlägigen Zeitschriften wie Deutsch als Fremdsprache, Fremdsprache Deutsch oder Deutschprima(r), regelmäßige Publikationen wie die Materialien Deutsch als Fremdsprache, das Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache und InfoDaF, weiterhin die Fernstudieneinheiten „Grammatik lehren und lernen“ (Funk und König) sowie das Aufgabenhandbuch von Häussermann und Piepho. Die Fülle der Einzeldarstellungen zu Problemen von Morphologie, Syntax, Semantik, Pragmatik und Textlinguistik im Deutschen als Fremdsprache ist heute unüberschaubar und allenfalls über das Internet erschließbar.
5. Literatur in Auswahl Barkowski, Hans 1986 Kommunikative Grammatik und Deutschlernen mit ausländischen Arbeitern. Königstein: Athenäum.
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Bausch, Karl-Richard und Gabriele Kasper 1979 Der Zweitspracherwerb: Möglichkeiten und Grenzen der großen Hypothesen. Linguistische Berichte 64: 3⫺35. Buscha, Joachim 1998 Grammatik in Feldern. Ein Lehr- und Übungsbuch für fortgeschrittene Deutschlerner. Ismaning: Hueber. Dreyer, Hilke und Rainer Schmitt 1999 Lehr- und Übungsbuch der deutschen Grammatik. Ismaning: Verlag für Deutsch. Duden 2007 Grammatik der deutschen Sprache. Mannheim: Dudenverlag. Eisenberg, Peter 1999 Grundriß der deutschen Grammatik. Stuttgart: Metzler. Engel, Ulrich und Pavica Mrazovic (Hg.) 1986 Kontrastive Grammatik Deutsch-Serbokroatisch. 2 Halbbände. NoviSad und München: Sagners Slavistische Sammlung. Engel, Ulrich und Rosamaria K. Tertel 1993 Kommunikative Grammatik Deutsch als Fremdsprache: Die Regeln der deutschen Gebrauchssprache in 30 gemeinverständlichen Kapiteln. München: iudicium. Engel, Ulrich 1996 Deutsche Grammatik. Heidelberg: Groos. Fandrych, Christian und Ulrike Tallowitz 2000 Klipp und Klar. Übungsgrammatik Deutsch. München: Klett. Flämig, Walter 1991 Grammatik des Deutschen: Einführung Struktur und Wirkungszusammenhänge; erarbeitet auf der theoretischen Grundlage der „Grundzüge der deutschen Grammatik“. Berlin: Akademie-Verlag. Funk, Hermann und Michael König 1995 Grammatik lehren und lernen. München: Langenscheidt. Götze, Lutz 1993 Lebendiges Grammatiklernen. Anmerkungen zu einem modernen Grammatikunterricht. Fremdsprache Deutsch 2: 4⫺9. Götze, Lutz 1999 Eine funktionale Grammatik für Deutsch als Fremdsprache. In: Skibitzki, Bernd und Barbara Wotjak (Hg.), Linguistik und Deutsch als Fremdsprache. Festschrift für Gerhard Helbig zum 70. Geburtstag, 81⫺94. Tübingen: Narr. Götze, Lutz und Ernest W. B. Hess-Lüttich 1999 Grammatik der deutschen Sprache. Sprachsystem und Sprachgebrauch. Gütersloh: Bertelsmann. Götze, Lutz, Gabriele Pommerin und Ulla Mayer 2009 Schüler WAHRIG. Deutsche Grammatik. Gütersloh: WissenMedia. Götze, Lutz, Particia Mueller-Liu und Salifou Traure (Hg.) 2009 Kulturkontrastive Grammatik. Konzepte und Methoden. Frankfurt a. M.: Lang. Gwenzadse, Msia 2000 Deutsche Grammatik. 1. Lerngrammatik für Deutsch als Fremdsprache. Tiblisi: Bakur Sulakauri. Häussermann, Ulrich und Hans-Eberhard Piepho 1996 Aufgaben-Handbuch Deutsch als Fremdsprache. München: iudicium. Häussermann, Ulrich und Jürgen Kars 1997 Grundgrammatik Deutsch. Frankfurt: Diesterweg. Helbig Gerhard und Joachim Buscha 2001 Schülergrammatik. München: Langenscheidt.
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Helbig, Gerhard und Joachim Buscha 2004 Deutsche Grammatik. Ein Handbuch für den Ausländerunterricht. München: Langenscheidt. Hennig, Mathilde 2001 Welche Grammatik braucht der Mensch? Grammatikenführer für Deutsch als Fremdsprache. München: iudicium. Hennig, Mathilde 2006 Grammatik der gesprochenen Sprache in Theorie und Praxis. Kassel: kassel university press. Hentschel, Elke und Harald Weydt 1994 Handbuch der deutschen Grammatik. Berlin: de Gruyter. Heriger, Hans-Jürgen 1987 Wege zum verstehenden Lesen. Lesegrammatik für Deutsch als Fremdsprache. München: Hueber. Latour, Bernd 1988 Mittelstufengrammatik für Deutsch als Fremdsprache. Ismaning: Hueber. Luscher, Renate 1907 Übungsgrammatik für Anfänger. Lehr- und Übungsbuch Deutsch als Fremdsprache. Ismaning: Verlag für Deutsch. Nieder, Lorenz 1987 Lernergrammatik für Deutsch als Fremdsprache. Ismaning: Hueber. Reimann, Monika 1997 Grundstufen-Grammatik für Deutsch als Fremdsprache. Ismaning: Hueber. Rug, Wolfgang und Andreas Tomaszewski 1993 Grammatik mit Sinn und Verstand. München: Klett. Schanen, Franc¸ois 1995 Grammatik Deutsch als Fremdsprache. München: iudicium. Weinrich, Harald 1993 Textgrammatik der deutschen Sprache. Mannheim: Dudenverlag. Zifonun, Gisela, Ludger Hoffmann und Bruno Strecker 1997 Grammatik der deutschen Sprache. 3 Bände. Berlin: de Gruyter.
Lutz Götze, Saarbrücken (Deutschland)
XIV. Leistungsmessung und Leistungskontrolle 142. Kompetenzmodelle und Bildungsstandards ür Deutsch als Fremd- und Deutsch als Zweitsprache 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Einleitung Zu den Begriffen Kompetenz und kommunikative Kompetenz Kompetenzmodelle Bildungsstandards Bilanz Literatur in Auswahl
1. Einleitung Bildungsstandards konkretisieren Bildungsziele, denen schulisches Lernen folgen soll, in Form von Kompetenzanforderungen. Von der sog. Kompetenzorientierung erwartet man eine Qualitätsverbesserung des schulischen Fremdsprachenunterrichts. In diesem Beitrag wird zuerst kurz rekapituliert, was unter den Schlüsselbegriffen Kompetenz und kommunikative Kompetenz verstanden wird (Abschnitt 2). Gegenstand von Abschnitt 3 sind Modellierungen kommunikativer Kompetenz. Genauer diskutiert wird das Kompetenzmodell des Europäischen Referenzrahmens, weil davon der grösste Einfluss auf Bildungsstandards in den Fremdsprachen ausgeht. Abschnitt 4 stellt grundlegende Konzepte von Bildungsstandards vor, informiert über die einschlägigen Projekte in den deutschsprachigen Ländern und führt summarisch einige Risiken und Chancen von Standards an.
2. Zu den Begrien Kompetenz und kommunikative Kompetenz In der Diskussion um Bildungsstandards in den deutschsprachigen Ländern wurde der sonst sehr verschieden gebrauchte Begriff Kompetenz besonders durch die Expertise von Klieme et al. (2003) für das deutsche Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die deutsche Kultusministerkonferenz (KMK) geschärft und geprägt. Im Klieme-Gutachten wird Kompetenz (in Übereinstimmung mit Weinert 2001) definiert als die bei Individuen verfügbaren oder von ihnen erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können. (Klieme et al. 2003: 72)
142. Kompetenzmodelle und Bildungsstandards für Dt. als Fremd- und Zweitsprache 1265 Kompetenz wird hier als kognitive Problemlösungsfähigkeit aufgefasst, die v. a. durch drei Merkmale näher bestimmt ist: Erstens werden Kompetenzen als etwas Erlerntes und Erlernbares konzipiert: „Kompetenz hat wohl eine materielle Basis in den Genen, aber sie entwickelt sich aufgrund von Lernprozessen (…) je verschieden“ (Oelkers und Reusser 2008: 26). Zweitens werden Kompetenzen auf wissensbasierte Fähigkeiten in bestimmten Handlungsbereichen (Domänen) und Kontexten bezogen (im Gegensatz zur klassischen Vorstellung von Intelligenz als kontextfreier kognitiver Disposition) (vgl. Oelkers und Reusser 2008: 24). Und drittens bedeutet Kompetenz eine Verbindung von Wissen und Können, die mit Einstellungen, Werten und Motiven interagiert. Dieser Kompetenzbegriff steht dem soziolinguistisch begründeten von Dell Hymes (1972) viel näher als dem universalgrammatischen von Chomsky (1965). Chomskys Kompetenz ist auf die Beherrschung eines abstrakten grammatischen Regelsystems beschränkt, und dieses System wird klar vom effektiven Sprachgebrauch (Performanz) als etwas Zweitrangigem abgegrenzt. Hymes stellte diesem Kompetenzbegriff eine umfassend konzipierte kommunikative Kompetenz entgegen, die sowohl Wissen (tacit knowledge) als auch die Fähigkeit zum Sprachgebrauch (ability to use) umfasst, wobei auch diese Sprachgebrauchsfähigkeit auf der Ebene der Kompetenz verortet wird und also nicht mit effektivem Gebrauch gleichzusetzen ist. Hymes’ ability to use umfasst zunächst, wie bei Chomsky, grammatisches Urteilsvermögen, geht dann aber weit darüber hinaus: Eingeschlossen wird die Fähigkeit, Sprache auch kontextspezifisch und sozial angemessen zu produzieren und zu rezipieren. Einen noch umfassenderen Kompetenzbegriff als Dell Hymes setzt der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen (Europarat 2001, in der Folge abgekürzt GER) an. Dieser Kompetenzbegriff wird hier zitiert und im nächsten Abschnitt genauer erläutert. Kompetenzen sind die Summe des (deklarativen) Wissens, der (prozeduralen) Fertigkeiten und der persönlichkeitsbezogenen Kompetenzen und allgemeinen kognitiven Fähigkeiten, die es einem Menschen erlauben, Handlungen auszuführen. (GER 2001: 21)
3. Kompetenzmodelle Drei Modellierungen kommunikativer Kompetenz sind in der Fremdsprachendidaktik und im Bereich des language testing besonders einflussreich geworden: das Modell von Canale und Swain (1980; Canale 1983), dasjenige von Bachman und Palmer (1996; Bachman 1990) und das Modell des GER (2001). Das Modell von Canale und Swain und der GER sind deskriptive Modelle. Bachmanns Modell ist hingegen als Funktionsmodell intendiert, indem strategische Kompetenzen eine zentrale Stellung einnehmen. Aus Platzgründen wird hier nur der Ansatz des GER genauer besprochen. Zur vergleichenden Diskussion der drei Modelle siehe u. a. Lenz (2006), Harsch (2006), Schneider und North (2000) und die dort zitierte Literatur. Mit dem GER (2001) liegt ein sehr umfassendes und differenziertes Kategoriensystem zur Beschreibung von kommunikativen Kompetenzen vor, das verschiedene Tendenzen und Entwicklungen aufnimmt, systematisiert und z. T. weiter ausdifferenziert. Sehr klar herausgearbeitet wird im GER die Handlungsorientierung von Kompetenz. Das ist eine
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XIV. Leistungsmessung und Leistungskontrolle
deutliche Parallele zu Klieme (vgl. oben, Abschnitt 2), wobei die Handlungsorientierung im GER mit dem Konzept kommunikativer Aufgaben (tasks) und deren Bewältigung verknüpft ist. Im GER werden Sprachenlernende in erster Linie als sozial Handelnde betrachtet, die „unter bestimmten Umständen und in spezifischen Umgebungen und Handlungsfeldern kommunikative Aufgaben bewältigen müssen“ (GER 2001: 21). Zur Bewältigung dieser Aufgaben greifen Lernende auf eine Vielzahl von Kompetenzen (!) zurück, darunter allgemeine Kompetenzen, die bei sprachlichen und nicht sprachlichen Handlungen eingesetzt werden (savoir, savoir faire, savoir eˆtre und savoir apprendre; vgl. GER 2001: 22⫺23 und Abschnitt 5.1.1⫺5.1.4) und kommunikative Sprachkompetenzen, welche zum Handeln mit Hilfe von spezifischen sprachlichen Mitteln befähigen (linguistische, soziolinguistische und pragmatische Kompetenzen; GER 2001: 24⫺25 und Abschnitt 5.2). Weiterhin gehören sprachliche Aktivitäten resp. kommunikative (Sprach-) Aktivitäten (die Terminologie ist hier schwankend) zum Ansatz des GER, worunter „die Ausübung der kommunikativen Sprachkompetenz eines Menschen in einem bestimmten Lebensbereich“ verstanden wird und zu denen rezeptive, produktive, interaktive und sprachmittelnde Aktivitäten sowie damit einhergehende Strategien gezählt werden (GER 2001: 21, 25 und Abschnitt 4.4). Die Beschreibung der kommunikativen Sprachkompetenzen im GER ist Bachmans Sprachwissen (language knowledge) recht ähnlich, doch es zeigen sich auch Unterschiede, u. a. im Pragmatikverständnis der beiden Ansätze. Strategien des Sprachgebrauchs spielen im GER eine ebenso wichtige Rolle wie bei Bachman, doch werden sie im GER auch konkret und in der gleichen Weise ausformuliert und sogar skaliert, wie die kommunikativen Aktivitäten selbst. Beispielsweise werden im Anschluss an die Skalen zur mündlichen und schriftlichen Interaktion drei Skalen zu Interaktionsstrategien präsentiert: „Sprecherwechsel“, „Kooperieren“ und „um Klärung bitten“ (GER 2001: 88⫺89). Die grosse Wirkung des GER ging und geht allerdings nicht von diesem umfassenden Beschreibungssystem für Kompetenzen aus, auch nicht von der durchgängigen Fragestruktur, mit der die Kompetenzen für die verschiedenen Benutzer des GER (z. B. Curriculumsverantwortliche) präsentiert werden, sondern von den illustrativen Beispiel-Skalen, d. h. von denjenigen Kompetenzbeschreibungen oder „Deskriptoren“ („Kann …“), die in einem Schweizer Forschungsprojekt empirisch validiert und skaliert, d. h. einem von sechs Niveaus (A1 bis C2) zugeordnet werden konnten (vgl. Schneider und North 2000) und die aus diesem Projekt in den GER übernommen wurden. Skalierte Deskriptoren bietet der GER sowohl für „kommunikative Aktivitäten und Strategien“ als auch für „kommunikative Sprachkompetenzen“ an. Erstere setzen konsequent die Handlungsorientierung um (was können Lernende auf einem Niveau typischerweise tun?) und sind zu Einzelskalen wie z. B. „Gespräche zwischen Muttersprachlern verstehen“ zusammengestellt, die ihrerseits den klassischen vier Fertigkeiten (hier dem Hörverstehen) zugeordnet sind. Demgegenüber fokussieren die Deskriptoren zu den kommunikativen Sprachkompetenzen Merkmale der sprachlichen Qualität der Handlungen (wie gut kann jemand auf einem Niveau sprachlich handeln?) und sind zu Einzelskalen wie z. B. „Grammatische Korrektheit“ oder „soziolinguistische Angemessenheit“ zusammengestellt. ⫺ Zur Kritik am GER, die indessen kaum das Kompetenzmodell, sondern u. a. Aspekte der Skalen betrifft, vgl. Bausch et al. (2003) und dagegen Schneider (2003). Festzuhalten ist, dass ein erheblicher Unterschied zwischen dem GER als umfassendem Beschreibungssystem für Kompetenzen und dem GER als Sammlung illustrativer Beispielskalen besteht und dass die starke Wirkung des GER zu einem grossen Teil auf
142. Kompetenzmodelle und Bildungsstandards für Dt. als Fremd- und Zweitsprache 1267 letzteren basiert ⫺ und/oder auf den (nie empirisch validierten) Konkretisierungen und Ergänzungen dieser Skalen in Profile Deutsch (Glaboniat et al. 2005), mit denen die GER-Skalen oft verwechselt oder in eins gesetzt werden. Wie GER-Deskriptoren für spezielle Kontexte und Zielgruppen adaptiert und weiter entwickelt werden können, zeigen beispielsweise die folgenden Veröffentlichungen: für junge Lernende in der öffentlichen Schule ⫺ Lenz und Studer (2004); für das berufsorientierte Fremdsprachenlernen ⫺ Vogt (2007); für den Bereich Deutsch als Zweitsprache ⫺ das Rahmencurriculum für Integrationskurse Deutsch als Zweitsprache (Goethe-Institut 2008). Das Rahmencurriculum illustriert sehr gut, wie das Konzept von Sprachenlernenden als sozial Handelnden für die heterogene Gruppe „MigrantInnen in Deutschland“ umgesetzt werden kann. Im Zuge einer umfassenderen Bedarfserhebung wurden Handlungsfelder bestimmt, die entweder für die gesamte Zielgruppe oder aber nur für eine Gruppe von MigrantInnen relevant sind (z. B. Umgang mit der Migrationssituation vs. Betreuung und Ausbildung von Kindern). Als Lernziele werden Sprachhandlungen präsentiert, die innerhalb dieser Handlungsfelder bedeutsam sind. Die Lernziele verstehen sich als Maximalangebot, aus denen für drei verschiedene Migrationsgruppen ausgewählt werden kann. Die Sprachhandlungen selbst, etwa „Auskunft geben“, werden a) durch KannBeschreibungen konkretisiert (z. B. „Kann einfach und kurz von seinen/ihren Erfahrungen berichten, z. B. über Unterstützung durch Familienangehörige in Deutschland.“), b) der jeweils vorrangigen Aktivität zugewiesen (hier dem Sprechen) und schliesslich c) immer auf demjenigen Niveau situiert, auf dem die Handlungen zuerst sinnvoll umgesetzt werden können (hier A2; insgesamt werden die GER-Niveaus A1, A2 und B1 berücksichtigt). ⫺ Zu bedenken ist dabei, dass die Deskriptoren des Rahmencurriculums eine Achievement-Perspektive spiegeln. Dies schränkt ihre direkte Verwendbarkeit für Tests, die eine Aussenperspektive an das Gelernte herantragen (proficiency tests), ein. Vor diesem Hintergrund soll nun ein Blick auf Bildungsstandards für Fremdsprachen in den deutschsprachigen Ländern geworfen werden. Die Grundfrage von Bildungsstandards lautet: Über welche Kompetenzen müssen die SchülerInnen zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Schullaufbahn verfügen, wenn wichtige Bildungsziele der Schule als erreicht gelten sollen?
4. Bildungsstandards In den angloamerikanischen und in wenigen europäischen Ländern (z. B. Grossbritannien, Niederlande) sind Standards in unterschiedlicher Form seit Längerem feste Steuerungsgrössen im Bildungssystem. In den deutschsprachigen Ländern dagegen sind Bildungsstandards ein Kernelement aktueller Reformentwicklungen, für die sich v. a. drei Gründe bezeichnen lassen (vgl. u. a. Timm 2006): erstens die grossen internationalen Leistungsvergleichsstudien wie TIMSS und PISA, zweitens die Diskussion um Qualitätsmanagement, die zunehmend auch auf pädagogischem Gebiet geführt wird, und drittens die bereits 1991 vom Europarat beschlossene Entwicklung eines Europäischen Referenzrahmens (zum GER siehe oben, Abschnitt 3). Vor dem Hintergrund v. a. der angloamerikanischen Erfahrungen und bezogen auf das Klieme-Gutachten (vgl. oben, Abschnitt 2) geht man in den deutschsprachigen Ländern davon aus, dass das Setzen von Zielen, welche die Schulen erreichen sollen, für das
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XIV. Leistungsmessung und Leistungskontrolle
Erreichen dieser Ziele effektiver ist als die Steuerung (allein) auf der Basis von Lehrplänen und Lehrmitteln. Formuliert werden daher Erwartungen an die Lernergebnisse der SchülerInnen (performance standards) und man nimmt an, dass Regulierungen auf der Seite der Ergebnisse (der SchülerInnen) bzw. des Outputs (der Schulen) einen wichtigen Beitrag zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen leisten können. Komplementär dazu soll den Schulen in verschiedenen Bereichen eine grössere Autonomie zugestanden werden, zum Beispiel auf unterrichtsmethodischer Ebene. Allerdings ist die gebräuchliche Formel „Regulierung des Outputs statt Inputsteuerung“ in doppelter Weise ungenau, denn einerseits wird, parallel zur Entwicklung von Standards, an neuen Lehrplänen und Lehrmitteln gearbeitet, also auf der Input-Seite (zum Verhältnis von Standards, Curricula und Lehrmitteln vgl. Bausch et al. 2005), und andererseits entspricht die Einführung von Bildungsstandards erst in Kombination mit externen Monitoringverfahren, im Zuge derer systematisch erfasste Lernergebnisse an die Standards rückgebunden bzw. mit diesen verglichen werden, einem outputorientierten Steuerungskonzept (siehe u. a. Labudde 2007). Und schliesslich ist auch der Begriff Output selbst zu präzisieren: Gemeint ist eine Ergebnisorientierung im Sinne einer Orientierung an vergleichbaren Zielvorgaben, die als wesentlich erachtete Fachinhalte explizieren. Das ist ein grundsätzlicher Unterschied zu Schulnoten: Zwar ist auch das traditionelle Notenschema ergebnisorientiert, jedoch sind Schulnoten auf Gruppennormen bezogen und ihnen fehlt der Bezug auf ein fachinhaltliches Lernzielkriterium, das über den Rahmen eines zufällig zusammengesetzten Klassenzimmers hinaus gültig und akzeptiert ist. Insofern geben Noten kaum Aufschluss über die in einem Fach oder einem Lerngebiet erreichten tatsächlichen Kompetenzen. Genau das sollen Standards in Verbindung mit Monitoringverfahren leisten: Sie sollen aufzeigen, was die SchülerInnen am Ende einer Lernperiode tatsächlich wissen und können, wobei dieses Wissen und Können auf Kernbereiche ausgewählter Fächer bezogen wird. Insgesamt ergeben sich somit sehr hohe Ansprüche an die Entwicklung von Bildungsstandards: Bildungsstandards sollen fachliche Kerninhalte als vergleichbare Lehrziele vorgeben. Sie sollen auf Kompetenzmodellen basieren, die, Klieme et al. (2003: 74) folgend, sowohl die verschiedenen Anforderungen beschreiben, deren Bewältigung von den SchülerInnen erwartet wird (Kompetenzmodell als Komponentenmodell; primär eine didaktische Aufgabe), als auch Abstufungen dieser Anforderungen aufzeigen, auf denen die Schülerleistungen situiert werden können (Kompetenzmodell als Stufenmodell; eine komplexe empirisch-psychometrische Aufgabe, die über die Entwicklung von Testaufgaben zu den Kompetenzkomponenten läuft). Und schliesslich sollen Bildungsstandards niveaubezogene Vorgaben machen, was gleichzeitig kontroverse pädagogische und bildungspolitische Fragen aufwirft. In Bezug auf diese hohen, wohl generell nur partiell erfüllbaren Ansprüche und bei der konkreten Ausgestaltung der Bildungsstandards sind die deutschsprachigen Länder bisher recht unterschiedliche Wege gegangen. Für Einzeldarstellungen vgl. Oelkers und Reusser (2008); aktuelle Tendenzen besprechen u. a. Harsch (2007) (Deutschland) sowie Lenz und Studer (2008) (Schweiz). Ein grosser Teil der Informationen über die Standards, einschliesslich der gesetzlichen Grundlagen und Beispielen für Testaufgaben, finden sich jetzt auch auf den Websites der für die Entwicklung der Standards zuständigen Institutionen, für Deutschland: http://www.iqb.hu-berlin.de/bista; für Österreich u. a.: http://www.bifie.at/bildungsstandards; für die Schweiz: http://www.edk.ch/dyn/20692. php. Im Bereich der Fremdsprachen wurden bis jetzt Bildungsstandards für Englisch und Französisch sowie ⫺ in der Schweiz ⫺ auch für Deutsch entwickelt. Die Standards fo-
142. Kompetenzmodelle und Bildungsstandards für Dt. als Fremd- und Zweitsprache 1269 kussieren die Abschlussphase der obligatorischen Schule und betreffen die erste (in der Schweiz auch die zweite) schulische Fremdsprache. (Parallel dazu wurden auch Standards für die Schulsprache Deutsch entwickelt, die ⫺ und das wird noch zu wenig diskutiert ⫺ auch SchülerInnen betreffen, die Deutsch als zweite oder dritte Sprache lernen.) Die derzeit vorliegenden Standards in Deutschland und in Österreich sind als Regelstandards konzipiert. Mit diesen Standards, deren empirische Abstützung erst begonnen hat, wird ein durchschnittliches Anforderungsniveau fokussiert (in Deutschland z. B. A2/ B1 für die klassischen vier Fertigkeiten; ohne Niveauangabe wurden von der KMK auch Standards für sprachliche Mittel sowie für interkulturelle und methodische Kompetenzen gesetzt). Im Gegensatz dazu hat man sich in der Schweiz für Basisstandards entschieden. Basisstandards zielen auf ein Mindestniveau, das (fast) alle SchülerInnen erreichen können sollten. Anders als in Deutschland und in Österreich wurden im Schweizer Projekt bereits in der Erarbeitungsphase der Standards repräsentative und kleinere empirische Untersuchungen durchgeführt, die zwei Ziele hatten: Sie dienten einerseits sowohl der Validierung von Aspekten des gewählten Kompetenzmodells (das sich an den GER anlehnt; Lenz und Studer 2008) als auch der Testaufgaben, durch die das Modell operationalisiert wurde, und andererseits der Feststellung der in den Schülerpopulationen tatsächlich vorhandenen Kompetenzen. Aufbauend darauf wurde in Zusammenarbeit mit Fachdidaktikern ein Expertenvorschlag für Standards ausgearbeitet, der in den Kategorien des Kompetenzmodells formuliert ist und der sich bezüglich der Anforderungsniveaus an den in den Untersuchungen festgestellten Leistungen orientiert. Beispielsweise bewegt sich der Vorschlag für einen Basisstandard in DaF am Ende der obligatorischen Schulzeit (7 Lernjahre in der Westschweiz) im Bereich des Niveaus A2, wobei beim Sprechen und bei den rezeptiven Fertigkeiten höhere Erwartungen angesetzt werden als beim Schreiben. Im Schweizer Standard-Projekt erfolgte auch eine ausführliche Auseinandersetzung mit interkulturellen und methodischen Kompetenzen, jedoch wurde bewusst darauf verzichtet, für diese (überfachlichen!) Kompetenzbereiche Bildungsstandards vorzuschlagen, die im Sinne von separaten outcomes und in der Art der Fertigkeiten überprüfbar sind. Kritisch diskutiert werden Bildungsstandards für den Fremdsprachenunterricht im Sammelband von Bausch et al. 2005 (vgl. auch Timm 2006). Zu den hauptsächlich angemahnten Risiken der Standards gehören: die Reduktion von Lehrzielen und weiter des Lehrens und Lernens auf das, was sich in Sprachprüfungen erfassen lässt (verbunden oft mit dem Teaching-to-the-test-Argument), die Nivellierung von Leistungen (mit der Variante „Nivellierung nach unten“ bei Basisstandards), die Einzelfach-Orientierung, die Vermischung von Testfunktionen. Zu einigen dieser Punkte gibt es durchaus gute Gegenargumente (vgl. u. a. Schneider 2007). So können Tests zu Bildungsstandards, die handlungsorientierte Aufgaben u. a. zum Hörverstehen und zum Sprechen umfassen, auch einen wünschbaren Reformeffekt auf grammatik- und wortschatzlastige Schul(übertritts)prüfungen haben und einen aufgabenorientierten Unterricht stärken. Andere Punkte dagegen sind nicht einfach von der Hand zu weisen, z. B. ist die ,Arbeitsteilung’ bisheriger Standard-Projekte mit Projekten für die Schulsprache hier und die Fremdsprachen dort nicht geeignet, die Entwicklung einer ,eigentlichen‘ (d. h. integrativen) Mehrsprachigkeit zu fördern. Auf der anderen Seite sind Bildungsstandards zweifellos auch mit Chancen verbunden. Z. B. können Standards zu mehr curricularer Kohärenz in den Schulen führen, weil der Bezug der Standards auf gestufte Kompetenzmodelle die schulstufenübergreifende
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XIV. Leistungsmessung und Leistungskontrolle Curriculumsarbeit erleichtern sollte. Kaum kontrovers ist auch, dass Bildungsstandards durch die Fokussierung tatsächlicher Kompetenzen die Durchlässigkeit von sonst häufig impliziten Erwartungen verbessern können, wohingegen die Hoffnung, dass kompetenzorientierte Standards zu mehr Bildungsgerechtigkeit führen, verschieden eingeschätzt wird.
5. Bilanz Für eine genauere Einschätzung der Projekte zu den Bildungsstandards in den deutschsprachigen Ländern ist es zweifellos noch zu früh. Feststellen lässt sich einstweilen die Tendenz, Bildungsstandards zu überschätzen. Ob die Standards zur intendierten Qualitätsverbesserung des Fremdsprachenunterrichts beitragen, hängt nicht nur von den Standards ab, sondern insbesondere auch davon, was auf Seiten der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen, der Lerngelegenheiten und -bedingungen sowie der Lehrpläne und Lehrmittel getan wird.
6. Literatur in Auswahl Bachmann, Lyle F. 1990 Fundamental Considerations in Language Testing. Oxford: Oxford University Press. Bachman, Lyle F. und Adrian S. Palmer 1996 Language Testing in Practice: Designing and Developing Useful Language Tests. Oxford: Oxford University Press. Bausch, Karl-Richard, Eva Burwitz-Melzer, Frank G. Königs und Hans-Jürgen Krumm (Hg.) 2005 Bildungsstandards für den Fremdsprachenunterricht auf dem Prüfstand. Tübingen: Narr. Bausch, Karl-Richard, Herbert Christ, Frank G. Königs und Hans-Jürgen Krumm (Hg.) 2003 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen in der Diskussion. Tübingen: Narr. Canale, Michael 1983 On some dimensions of language proficiency. In: John W. Oller (Hg.), Issues in Language Testing Research, 333⫺342. Rowley, Mass.: Newbury House. Canale, Michael und Merrill Swain 1980 Theoretical bases of communicative approaches to second language teaching and testing. Applied Linguistics 1: 1⫺47. Chomsky, Noam 1965 Aspects of the Theory of Syntax. Cambridge, Mass.: MIT Press. Europarat 2001 Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin: Langenscheidt. Glaboniat, Manuela, Martin Müller, Paul Rusch, Helen Schmitz und Lukas Wertenschlag 2005 Profile Deutsch. Berlin: Langenscheidt. Goethe-Institut und Bundesministerium des Innern 2008 Rahmencurriculum für Integrationskurse Deutsch als Zweitsprache. München: Fell. Online: http://www.integration-in-deutschland.de/ [Suche „Rahmencurriculum für Integrationskurse“] (18. 06. 2009). Harsch, Claudia 2006 Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen: Leistung und Grenzen. Die Bedeutung des Referenzrahmens im Kontext der Beurteilung von Sprachvermögen am Beispiel des
142. Kompetenzmodelle und Bildungsstandards für Dt. als Fremd- und Zweitsprache 1271 semikreativen Schreibens im DESI-Projekt. Online-Publikation: http://opus.bibliothek. uni-augsburg.de/volltexte/2006/368/ (18. 06. 2009) Harsch, Claudia 2007 Was können die fremdsprachlichen Bildungsstandards der KMK leisten? Praxis Fremdspracheunterricht 6: 2⫺11. Hymes, Dell H. 1972 On Communicative Competence. In: Janet B. Pride und Janet Holmes (Hg.), Sociolinguistics. Selected Readings, 269⫺293. Harmondsworth: Penguin. Klieme, Eckhard, Hermann Avenarius, Werner Blum, Peter Döbrich, Hans Gruber, Manfred Prenzel, Kristina Reiss, Kurt Riquarts, Jürgen Rost, Heinz-Elmar Tenorth und Helmut J. Vollmer 2003 Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards. Eine Expertise. Bonn: BMBF. Labudde, Peter (Hg.) 2007 Bildungsstandards am Gymnasium ⫺ Korsett oder Katalysator? Bern: h.e.p. verlag ag. Lenz, Peter 2006 Überlegungen zur Sprachkompetenzbeschreibung und Testvalidierung im Projekt HarmoS/Fremdsprachen. Bulletin Suisse de Linguistique applique´e 84: 191⫺227. Lenz, Peter und Thomas Studer 2004 Sprachkompetenzen von Jugendlichen einschätzbar machen. Babylonia 12: 21⫺25. Lenz, Peter und Thomas Studer 2008 Zur Entwicklung der Basisstandards in den Fremdsprachenfächern. Beiträge zur Lehrerbildung 26: 361⫺371. Oelkers, Jürgen und Kurt Reusser 2008 Expertise: Qualität entwickeln ⫺ Standards sichern ⫺ mit Differenz umgehen. Bonn: BMBF. Schneider, Günther 2003 Der Europäische Referenzrahmen und die Mehrsprachigkeit. In: Gerhard Neuner und Ute Koithan (Hg.), Tagungsbeiträge und Arbeitsberichte zum Thema „Mehrsprachigkeit im Bereich Deutsch als Fremdsprache“, 87⫺108. Kassel: Kassel University Press. Schneider, Günther 2007 Der Referenzrahmen und Bildungsstandards für Fremdsprachen. Feindbild, Vorbild, Wunschbild? Babylonia 15: 9⫺13. Schneider, Günther und Brian North 2000 Fremdsprachen können ⫺ was heisst das? Skalen zur Beschreibung, Beurteilung und Selbsteinschätzung der fremdsprachlichen Kommunikationsfähigkeit. Chur: Rüegger. Timm, Johannes-Peter (Hg.) 2006 Fremdsprachenlernen und Fremdsprachenforschung: Kompetenzen, Standards, Lernformen, Evaluation. Tübingen: Narr. Vogt, Karin 2007 Anpassung von Skalen und Deskriptoren des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens. Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 18: 43⫺66. Weinert, Franz E. 2001 Vergleichende Leistungsmessung in Schulen ⫺ eine umstrittene Selbstverständlichkeit. In: Franz E. Weinert (Hg.), Leistungsmessungen in Schulen, 17⫺31. Weinheim: Beltz.
Thomas Studer, Freiburg (Schweiz)
1272
XIV. Leistungsmessung und Leistungskontrolle
143. Testen und Prüen von Sprachkenntnissen 1. 2. 3. 4.
Einleitung Testen und Prüfen im internationalen Vergleich Bildungsstandards und internationale Leistungsstudien Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen und die Qualität von Sprachprüfungen 5. Funktionen des Prüfens und Testens 6. Computerbasierte Testverfahren 7. Literatur in Auswahl
1. Einleitung Eine Prüfung, gesehen von einem unbekannten Maler im 18. Jahrhundert: Ein junger Mann steht in der Mitte eines Raumes ⫺ das Haupt demutsvoll gesenkt, die Hände ungeschickt vom Körper gestreckt. Ihm gegenüber eine vielköpfige Jury aus perückengeschmückten Figuren. Mit einer Mischung aus Schadenfreude und Verachtung blicken die Herren Prüfer auf den armen Prüfling im Kreuzverhör. Klar wird hier, dass Prüfen kein wertfreier Vorgang ist, sondern mit Macht zu tun hat. Bevor die Geprüften einen würdigen Platz in der Gesellschaft zugewiesen bekommen, haben sie sich diesem schmerzhaften rite de passage zu unterziehen. Nicht nur in der Vergangenheit hat das Thema Leistungsmessung negative Gefühle aller Schattierungen in uns hervorgerufen. Da Tests und Prüfungen in vielen Schulen zum Taktgeber des Unterrichts geworden sind, belasten sie auch heute das Klima des Lehrens und Lernens. Das hat damit zu tun, dass hier zwei Funktionen des Prüfens und Beurteilens im Widerstreit miteinander liegen: die Entwicklungsfunktion und die Steuerungs- bzw. Auswahlfunktion. Während die Entwicklungsfunktion die Evaluation der Lernentwicklung zum Ziel hat, um daraus Informationen für weiteres Vorgehen zu gewinnen, somit also eine zutiefst pädagogische Aufgabe beinhaltet, geht es bei der Steuerungsfunktion darum, gesellschaftlich relevante Entscheidungen wie Versetzungen, Übergänge im Schulsystem oder den Eintritt in Berufswege und Studiengänge zu begründen. Wo begrenzte Kapazitäten zur Verfügung stehen ⫺ Stichwort Numerus-clausus-Fächer an den Hochschulen ⫺ mündet diese Steuerung in eine Auslese. Der negative Beigeschmack, den die Begriffe Leistungsmessung und -kontrolle heutzutage bei vielen fortschrittlichen Pädagogen haben, rührt daher, dass im Schulalltag die Steuerungsfunktion die Entwicklungsfunktion häufig überlagert. Sie erkennen allzu deutlich, dass Tests als unerwünschten Nebeneffekt eine Einengung der Lernziele mit sich bringen. Gelernt wird häufig nur noch der Prüfungsstoff. Im Erwachsenenunterricht dagegen ändert sich das Bild allmählich. Hier tritt der Aspekt der Freiwilligkeit stärker in den Vordergrund. Leistungskontrollen erfolgen im Rahmen des Schulunterrichts meist auf unfreiwilliger Basis. Tests und Prüfungen in der Erwachsenenbildung erfüllen dagegen zunehmend die Funktion einer Serviceleistung, für die vom Kunden ein expliziter Bedarf angemeldet wurde. Hinzu kommt noch ein weiterer wesentlicher Unterschied: Während Prüfungsinhalte und -verfahren im Schulsystem noch weitestgehend von nationalen Traditionen geprägt sind, orientiert man sich im Erwachse-
143. Testen und Prüfen von Sprachkenntnissen
1273
nenbildungsbereich zunehmend an transnationalen Standards. Wenn in jüngster Zeit in deutschen Gymnasien auch vereinzelt bereits die Prüfungen internationaler Anbieter von Zertifikaten angeboten werden, dann zeigt sich, dass diese Entwicklung von der Erwachsenenbildung in das Schulsystem hinübergleitet.
2. Testen und Prüen im internationalen Vergleich Die ersten Fremdsprachentests im modernen Sinne entstanden in den Vereinigten Staaten vor dem Ersten Weltkrieg (Spolsky 1995: 50⫺51). Ebenfalls in den USA begann die Tradition von Sprachtests zum Zweck der Reglementierung der Einwanderströme, die noch heute etwa in Australien lebendig ist. Seit dem Beginn dieses Jahrtausends wurden in den Vereinigten Staaten immer wieder neue Tests entwickelt, bei denen höchster Wert auf empirisch belegbare Ergebnisse, Effizienz und kommerzielle Verwertbarkeit gelegt wurde. Das zur Universität von Princeton gehörige Institut English Testing Service (ETS) ist der Herausgeber des in den 1960er Jahren entwickelten und heutzutage teilnehmerstärksten Fremdsprachentests der Welt, des TOEFL (Test of English as a Foreign Language). Ein weiterer Meilenstein in der Entwicklung von Fremdsprachenprüfungen wurde in Großbritannien gelegt. Das University of Cambridge Examination Syndicate (UCLES) widmet sich seit dem Jahr 1913 der Aufgabe, Prüfungen für Englisch als Fremdsprache zu entwickeln, um in den Schulen der Commonwealthländer ein einheitliches Bildungsniveau zu gewährleisten. Bereits im Jahre 1924 legte diese mit der Universität assoziierte Institution das zu jener Zeit mit einem anderen Namen versehene Certificate of Proficiency in English (CPE ) vor, eine Prüfung, der ein umfassendes Sprachverständnis jenseits von Vokabellisten und Übersetzungen zugrunde liegt. Während in Europa der humanistisch-skeptizistische Ansatz mit der Bevorzugung von offenen Aufgaben zum Teil bis heute anhält, schlug sich der Einfluss der rationalistisch-empirischen Schule, wie sie in den USA zu Hause war, im Fach Deutsch in der Entwicklung des Zertifikats Deutsch als Fremdsprache (ZDaF ) Ende der 1960er Jahre nieder. Nicht nur die ungleich größere Bedeutung des Englischen als Fremdsprache, sondern darüber hinaus die in England und den Vereinigten Staaten verankerte Tradition von zentral gestellten Prüfungen hat dafür gesorgt, dass angelsächsischen Institutionen auch heute noch eine Vorreiterrolle in der Entwicklung von Fremdsprachentests zukommt. Das in den Vereinigten Staaten vorherrschende Misstrauen gegenüber intuitiv korrigierten Aufsätzen sowie die Skepsis hinsichtlich der Objektivität von Lehrkräften bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit ihrer eigenen Schüler teilen vor allem Lehrende und auch zahlreiche Fachleute im deutschsprachigen Raum nicht. In Deutschland herrschte bis vor kurzer Zeit vielfach sogar ein Vorbehalt gegenüber zentral verordneten Prüfungen. Deutsche Autoren werfen den englischsprachig orientierten Testkonstrukteuren gern eine Überbewertung der vom Behaviorismus geprägten Formen der Leistungsmessung vor, und wenden dagegen ein, dass sie die ganzheitliche Lernerpersönlichkeit außer Acht lasse (Macht 1995: 283). Doch diese Ablehnung weicht allmählich der Erkenntnis, dass gemeinsame, objektive Maßstäbe notwendig sind, will man Leistungen vergleichen.
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XIV. Leistungsmessung und Leistungskontrolle
3. Bildungsstandards und internationale Leistungsstudien Fragt man in den Ländern der Europäischen Union nach, welches sprachliche Niveau die Schulabgänger erreichen, fällt es Lehrkräften und Schulleitern häufig nicht leicht, dies in wenige Worte zu fassen. Deutsche Schüler, die nach ihrem Leistungsniveau in einer Fremdsprache gefragt werden, antworten zum Beispiel: „Ich habe eine Zwei im Abitur, Leistungskurs“. Für die Welt jenseits des eigenen nationalen Bildungssystems sind solche Angaben kaum aussagekräftig und damit inadäquat für die Mobilität in Europa und der Welt. Mit dem Voranschreiten der Globalisierung und Mobilität von Arbeitskräften nimmt der Bedarf an Transparenz zu. Nicht nur ein internationaler Vergleich, sondern schon der Vergleich der Bildungsabschlüsse verschiedener Bundesländer ist nicht eins zu eins möglich. Aus diesem Grund erarbeiten die Bundesländer so genannte Bildungsstandards für die verschiedenen Schulfächer. Bezogen auf die modernen Fremdsprachen beschreiben die Bildungsstandards den Grad des Sprachkönnens, den die Lernenden in verschiedenen Schularten und Klassenstufen erreichen sollen. Die Urheber dieser Idee internationaler Leistungsvergleiche bzw. eines einheitlichen Bezugsrahmens arbeiten für internationale Institutionen ⫺ die OECD und den Europarat. Die OECD setzt auf die normative Kraft eines standardisierten Tests, dem sich die Schülerinnen und Schüler aller teilnehmenden Länder unterziehen. Der Europarat setzt auf die normative Kraft eines gemeinsamen Bezugsrahmens. Die OECD überträgt die Denkweise der Ökonomie auf den Bildungssektor. Schulleistungen haben den Stellenwert einer Ressource. Sie sind Voraussetzung für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Landes. Mittels standardisierter Tests werden Leistungen von 15-jährigen Schülerinnen und Schülern gemessen. Die Studie vergleicht so unterschiedliche Bildungssysteme wie die Japans, Finnlands, Mexikos und Deutschlands vermittels ein und derselben Messlatte und stellt danach eine Rangordnung her. Die beiden bisher durchgeführten PISA-Untersuchungen beschäftigten sich mit den Fächern Naturwissenschaften, Mathematik und Lesefähigkeit. Um Fremdsprachenkenntnisse ging es dagegen bereits bei DESI (Deutsch Englisch Schülerleistungen International ). Allerdings beschränkte sich diese Studie entgegen dem Namen mit den Schülerleistungen der 9. Klasse in allen Schularten auf Deutschland. Die Erhebung Surveylang im Auftrag der EU-Kommission soll dagegen im Jahr 2011 europaweit die Fremdsprachenkenntnisse von 15-Jährigen in Englisch, Deutsch, Französisch, Spanisch und Italienisch untersuchen.
4. Der Gemeinsame europäische Reerenzrahmen ür Sprachen und die Qualität von Sprachprüungen Die Strategie des Europarats ist offener angelegt als die internationalen Vergleichsstudien. Es geht um das Etablieren eines gemeinsamen Bezugssystems für alle europäischen Sprachen. Dazu dient die Publikation Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen (GER), der zunächst auf Englisch (2000) und 2001 in deutscher Sprache erschien. Der Referenzrahmen stellt eine Art Werkzeugkasten dar. Mit Hilfe von Skalen definiert er,
143. Testen und Prüfen von Sprachkenntnissen
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⫺ was man unter Beherrschung einer Fremdsprache versteht, ⫺ wie gut diese Beherrschung ist, d. h. welche Stufen der Sprachbeherrschung es gibt. In dem Grundlagenwerk Profile Deutsch haben Experten aus den deutschsprachigen Ländern die für alle Sprachen zutreffenden Kann-Beschreibungen des Referenzrahmens für die deutsche Sprache interpretiert (Glaboniat et al. 2005). Außerdem enthält Profile Deutsch Auflistungen aller sprachlichen Mittel, die zur Erfüllung dieser Aktivitäten notwendig sind. Dem Ziel der Transparenz hinsichtlich von Fremdsprachenkenntnissen will man durch ein kohärentes Beschreibungssystem näher kommen. Sprachliches Können definiert sich innerhalb eines sechsstufigen Systems ⫺ A1, A2, B1, B2, C1, C2. Die vier deutschsprachigen Testinstitutionen ⫺ Goethe-Institut/Zentrale München, Österreichisches Sprachdiplom/Wien, telc GmbH/Frankfurt und TestDaF-Institut/Hagen ⫺ haben ihre international angebotenen Zertifikate sofort nach Einführung des Referenzrahmens auf die Stufen A1 bis C2 hin orientiert. Gleichzeitig haben sie die Qualitätsansprüche, die an Prüfungen angelegt werden, erhöht. Im sogenannten Manual (2003) gibt ein vom Europarat eingesetztes Autorenteam dazu detaillierte Vorgaben für die methodischen Schritte der Zuordnung einer Prüfung zu einer Niveaustufe. Dabei geht es darum, eine Behauptung, z. B. „das ist eine Prüfung auf dem Sprachniveau B1“ durch qualitative und empirische Daten zu untermauern. Der Europarat veröffentlicht zu den produktiven Fertigkeiten Schreiben und Sprechen inzwischen auch illustrative Beispiele von Kandidatenbeispielen zu den verschiedenen Niveaustufen in den verschiedenen Sprachen. Mit diesen prüfungsunabhängigen und damit neutralen Beispielen werden die Interpretationsspielräume eingegrenzt. Die erste Publikation von mündlichen Beispielen auf Deutsch zeigt erwachsene Lernende (Bolton u. a. 2008). Solche Beispiele ermöglichen ein Training von Lehrkräften. Außerdem lassen sich im Verfahren des sog. Benchmarking lokale Prüfungsleistungen auf den Referenzrahmen eichen. Um Qualität in Bezug auf Validität und Reliabilität zu gewährleisten, wird zunehmend mehr in die Garantie der statistisch ermittelten Zuverlässigkeit der Ergebnisse investiert. Das heißt: Die in Prüfungen verwendeten Aufgaben werden vor dem Einsatz umfangreichen Erprobungen unterzogen, um ihre Qualität zu garantieren. Erst wenn sich in den Erprobungen gezeigt hat, dass die Aufgaben vom Schwierigkeitsgrad angemessen, unmissverständlich und trennscharf sind, finden sie Aufnahme in die endgültige Fassung der Prüfung. Die Vorgaben des Referenzrahmens haben bei denjenigen Institutionen, die zum Teil ja schon seit Jahrzehnten Sprachzertifikate ausgeben, zu einer Neufassung der Urkunden geführt. Deren Aussagekraft hat sich zum einen durch Angaben zu den erzielten Ergebnissen in den verschiedenen Fertigkeiten ⫺ Stichwort: Profil sprachlichen Könnens ⫺ vereinheitlicht und verbessert. Als zentrale Aussage weist das Zeugnis aus, welche Kompetenzstufe in den vom Referenzrahmen definierten Fertigkeiten der/die Geprüfte erreicht hat. Damit gelingt es, EU-weit zukünftig Prüfungsergebnisse zu vergleichen. Die breite Rezeption des Referenzrahmens hat dazu geführt, dass bereits Anfänger sich ihr erreichtes Niveau gern durch ein Zertifikat bestätigen lassen. Während traditionell eine „offizielle“ bzw. „umfassende“ Sprachprüfung am Ende des Sprachlernprozesses vorgesehen war, setzt sich damit das Konzept vom Erreichen der einzelnen Stufen durch. Ähnlich wie bei den asiatischen Kampfsportarten arbeitet sich der Lernende im Verlauf
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XIV. Leistungsmessung und Leistungskontrolle des unter Umständen lebenslangen Lernens von Gürtel zu Gürtel hoch. Dabei ist jeder Gürtel ein klar definiertes Ziel. Auf einmal zum schwarzen Gürtel zu gelangen, wäre ein demotivierend langer Weg.
5. Funktionen des Prüens und Testens Leistungsmessung in Form von Tests und Prüfungen ist zunächst neutral zu verstehen, als Sammlung von Informationen über den Kenntnisstand der geprüften Personen. Diese Informationssammlung wird mit einem bestimmten Ziel vor Augen vorgenommen. Ein solches Ziel kann darin bestehen, Entscheidungen über das Lehr- bzw. Kursprogramm zu begründen. Ein anderes Ziel wäre, eine Voraussage über die sprachliche Leistungsfähigkeit einer Person in der realen Welt zu treffen. Je nachdem, wer die Leistungsmessung auswertet und verwendet, unterscheidet man Selbstevaluation und Evaluation durch andere. Je nachdem, zu welchem Zweck im letzteren Fall die gesammelte Information verwendet werden soll, unterscheidet man als wichtigste Funktionen Ein- und Weiterstufung, Eignung und Zulassung, Lernerfolgskontrolle, Abschlussprüfung und Sprachstandsmessung. Diese unterschiedlichen Ziele der Leistungsmessung bedingen die jeweils gewählten Formen, die in Prüfungen bzw. Tests eine Rolle spielen. Die abwechselnde Verwendung der Begriffe Test und Prüfung bedeutet keine strukturelle Differenzierung. Vielmehr werden beide Begriffe im Deutschen mittlerweile häufig synonym gebraucht. Format, Auswahl der Fertigkeiten, Prüfungsdauer sowie Aufgabentypen lassen sich erst entscheiden, wenn klar ist, zu welchem Zweck ein Test verwendet wird. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass nicht jeder Aufgabentyp bzw. jeder Testaufbau für jede Funktion gleich gut geeignet ist. Im Folgenden sollen die oben genannten Prüfungsarten kurz charakterisiert und diskutiert werden. Fünf Fragen helfen, die Prüfungsarten voneinander abzugrenzen: 1. Worauf bezieht sich der Inhalt der Prüfung (z. B. auf die Inhalte des vorausgegangenen Unterrichts)? 2. Für wen sind die Ergebnisse bestimmt (z. B. für die geprüfte Person, die Lehrkräfte bzw. für außen stehende Entscheidungsträger)? 3. Welche Entscheidungen werden auf der Basis der Ergebnisse getroffen (z. B. Zulassung zum Studium an einer Hochschule)? 4. Wie aufwendig ist das Verfahren im Hinblick auf die Faktoren Zeit, Arbeitsmittel etc.? 5. Wie aufwendig ist das Verfahren im Hinblick auf die vorgesehenen Korrekturverfahren? Die Fragen 1, 2 und 3 lassen sich unter das Kriterium der Validität von Tests bzw. Prüfungen subsumieren. Prüfungen und Tests nennen wir valide, wenn sie angemessene, sinnvolle und nützliche Schlussfolgerungen zu den vorher definierten Zielen und Intentionen zulassen. Bei einer Prüfung, deren Ziel das Feststellen von sprachlichen Fähigkeiten auf einem bestimmten Sprachniveau ist, sollte dieses Niveau durch ein externes Bezugssystem wie den GER klar definiert sein. Darüber hinaus sollten andere Kenntnisse und Fähigkeiten, wie z. B. Intelligenz, Weltwissen oder Konzentrationsfähigkeit, nicht die ausschlaggebenden Faktoren sein. Ein Kursabschlusstest ist nur dann valide, wenn
143. Testen und Prüfen von Sprachkenntnissen
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er mit den Zielen, die im Lehrplan formuliert sind und dem Unterricht zugrunde liegen, übereinstimmen. Mit der Frage 1 ist ein weiteres Gütekriterium verbunden, das die Qualität von Tests und Prüfungen bestimmt, nämlich die Forderung, dass die gewählten Testverfahren die Formen und Inhalte des vorausgegangenen Unterrichts angemessen widerspiegeln und u. U. sogar positive Rückwirkungen auf den Unterricht haben. In der englischsprachigen Literatur ist dieser Aspekt mit dem Terminus back-wash- bzw. wash-back-Effekt eingeführt (Wall und Alderson 1993). So ist es gelungen, den wenig kommunikativen Fremdsprachenunterricht durch die Einführung des Referenzrahmens und (mündlicher) Prüfungen zu modernisieren. Der Weg einer Lehrplanreform ist vergleichsweise langwieriger. Freilich gibt es auch eine Kehrseite der Medaille. Die formulierten Ziele, eine bestimmte Niveaustufe zu erreichen, sollen ⫺ ja müssen ⫺ in immer knapperer Zeit, mit weniger Lehrenden und weniger Geld erreicht werden. Denn bei der fortwährenden Reform von schulischen Lehrplänen treten neue Fächer, wie z. B. Computereinsatz in Konkurrenz zu den traditionellen Fächern, wozu die zweiten Fremdsprachen zählen. Dort, wo Deutsch als zweite Fremdsprache ⫺ wenn auch oft mit reduziertem Stundendeputat ⫺ erhalten geblieben ist, stehen die Lehrkräfte unter dem Druck, ihren Unterricht zu optimieren. Prüfungen erhöhen den Effizienzdruck auf Lehrkräfte und Schüler, Lern- und Prüfungsstrategien stehen zunehmend im Mittelpunkt des Unterrichts. Prüfungsvorbereitung bedeutet damit Einüben von Strategien. Die Fähigkeit zum Aktivieren von Vorwissen hilft beim Entschlüsseln von Lese- oder Hörtexten oft mehr als die Kenntnis der einen oder anderen Vokabel, der Einsatz von Ratetechniken bei geschlossenen Auswahlantworten als letzte Rettung ist hinlänglich als test wiseness bekannt. Die Fragen 4 und 5 berühren die Reliabilität und die Praktikabilität. Das Kriterium der Reliabilität beinhaltet die Forderung nach der Zuverlässigkeit der Leistungsmessung. Ein reliabler Test misst sprachliche Fähigkeit zuverlässig und genau. Der ⫺ in jedem Test ⫺ enthaltene Messfehler hält sich in engen, akzeptablen Grenzen. Die Zuverlässigkeit von Testergebnissen hängt in hohem Maße von der eingesetzten Bewertungsmethode ab. Wird das Testergebnis durch das subjektive Urteil eines oder mehrerer Prüfer ermittelt, ist Zuverlässigkeit ein besonders wichtiges Thema. Wünschenswert ist eine möglichst hohe Übereinstimmung zwischen verschiedenen Bewertern sowie eine möglichst hohe Stabilität der Ergebnisse eines Bewerters zu verschiedenen Zeitpunkten. Idealerweise sollte ein Test wie ein Metermaß funktionieren: So wie dieses auch bei wiederholter Messung eines Gegenstandes immer die gleichen Maße anzeigt, so sollte ein Test für eine bestimmte Leistung immer die gleiche Punktzahl oder Note ergeben. In der Praxis der Testkonstruktion berührt das Kriterium der Reliabilität Fragen wie die Anzahl von Aufgaben, d. h. wie viele einzelne Messungen muss man durchführen, um zuverlässige Ergebnisse zu erhalten, oder die Frage der Korrektur- und Bewertungsverfahren, d. h. bei welchen Verfahren können sich Messfehler einschleichen, die das Ergebnis verfälschen, und dergleichen. Das Kriterium der Praktikabilität bezieht sich auf den Bedarf an Zeit, Raum und personellen Ressourcen, wobei sowohl an die Korrekturzeiten als auch an die Qualifizierung der Korrigierenden bzw. Prüfenden zu denken ist. Leistungskontrolle sollte möglichst zeitökonomisch sein. Erfahrungswerte aus der Praxis zeigen, dass 90 Minuten ohne Pause für die geprüften Personen das Maximum an Belastung darstellen. Geht die gesamte Testzeit darüber hinaus, wie etwa bei breit angelegten Feststellungsprüfungen, sollte die Dauer für einzelne Testteile dieses Maß nicht überschreiten. Nach jedem Testteil gibt es dann Pausen.
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XIV. Leistungsmessung und Leistungskontrolle
5.1. Ein- und Weiterstuung Einstufungstests helfen bei der Einteilung von Lernenden in Gruppen unterschiedlichen Niveaus und unterschiedlicher Vorkenntnisse. Mit Hilfe dieser sehr weit verbreiteten Prüfungsart werden die sprachlichen Vorkenntnisse der Einzustufenden ermittelt. Bei Weiterstufungstests, wie sie in Institutionen mit einem ausdifferenzierten Kursangebot üblich sind, soll nach dem Besuch eines Kurses festgestellt werden, welchen weiteren Lernweg im Kursangebot die Teilnehmenden nehmen sollen. Die besondere Bedingung der Ein- und Weiterstufungstests liegt in der Forderung nach strenger zeitlicher Begrenzung: Ein mehrstündiger Einstufungstest wäre u. U. eine Überforderung für die Teilnehmenden und würde dadurch möglicherweise die Ergebnisse sogar verfälschen, wäre also nicht zuverlässig. Denn nicht selten müssen sich die Einzustufenden aus logistischen Gründen unmittelbar bei der Anreise an den Kursort und damit in manchen Fällen unmittelbar nach langen Flugreisen dem Test unterziehen. Mit Rücksicht auf die zeitliche Beschränkung sind Ein- und Weiterstufungstests in der Praxis häufig als Stichprobenkontrollen angelegt. Testkonstrukteure orientieren sich beim Erstellen eines Ein- bzw. Weiterstufungstests an Kurs- bzw. Lehrplänen für die entsprechenden Stufen. Aufgaben zum Lesen, zu Wortschatz und Grammatik und kurze Schreibaufgaben kommen am häufigsten zum Einsatz. Seltener enthalten Einstufungstests Teile zum Hörverstehen, was vor allem technische Gründe hat. Die mündliche Kommunikationsfähigkeit ermittelt eine Lehr- bzw. Prüfungskraft in der Regel in einem authentischen Gespräch zur Feststellung der Personalien, persönlicher Interessen und Lernziele.
5.1.1. Testverahren zur Einstuung Da die Testergebnisse innerhalb kurzer Zeit verfügbar sein müssen, wird bei der Wahl der Aufgabentypen weitgehend auf korrekturfreundliche Verfahren zurückgegriffen. Deshalb bestehen Einstufungstest meist aus geschlossenen Aufgaben. Im Gegensatz zu offenen Aufgabentypen ist die sprachliche Reaktion bei geschlossenen Aufgaben nicht frei ausgeführt. Vielmehr beschränkt sich die Aktivität der Geprüften bei geschlossenen Aufgaben auf das Auffinden, Ankreuzen, Ordnen, Zuordnen oder Hervorheben der richtigen Lösungen. Die Bewertung solcher Aufgaben ist zeitsparend und praktisch unabhängig vom subjektiven Urteil des Korrektors. Geschlossene Aufgaben können mit Hilfe von Schablonen oder Computerprogrammen schnell ausgewertet werden. Sie eignen sich zur Überprüfung der rezeptiven Fertigkeiten, denn sie überprüfen lediglich das Erkennen der richtigen Lösung. Eine klassische geschlossene Aufgabe ist die Multiple-Choice-Aufgabe. Sie besteht in der Regel aus einem einleitenden Satz bzw. einer einleitenden Frage und mehreren (häufig vier, gelegentlich aber auch nur drei, seltener mehr als vier) Auswahlmöglichkeiten. Eine der Auswahlantworten ist die richtige Lösung, alle anderen dienen als sogenannte Distraktoren und sind falsch. Um zu unterstreichen, dass die Anordnung von richtigen und falschen Auswahlantworten dem Zufallsprinzip unterliegt, wird meist eine alphabetische Reihenfolge gewählt. Von ihren Befürwortern sind Multiple-Choice-Aufgaben wegen der Möglichkeit geschätzt, zu realistischen Voraussagen über den Schwierigkeitsgrad und die Trennschärfe
143. Testen und Prüfen von Sprachkenntnissen
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der einzelnen Aufgaben zu gelangen. Diesen Aufgabentyp setzen sowohl ETS und UCLES als auch das niederländische Centraal Instituut voor Toetsontwikkeling (CITO) in Fremdsprachentests regelmäßig ein. Auf der anderen Seite steht die Kritik an der Validität der Multiple-Choice-Aufgabe. Zum einen wird beanstandet, dass die Aufgaben in der Praxis häufig schlecht konstruiert, d. h. unnötig kompliziert sind und die Distraktoren bewusst auf die falsche Fährte lenken. Dadurch werden den Geprüften Fehler geradezu untergeschoben. Verfechter von offenen Aufgabentypen kritisieren überdies, dass mit Multiple-Choice nur das Erkennen der richtigen Lösung überprüft und somit eine relativ geringe Leistung verlangt wird. Geübte nutzen zudem den Faktor Ratewahrscheinlichkeit aus, d. h. die Möglichkeit, auch durch zufälliges Ankreuzen noch einen gewissen Prozentsatz an richtigen Lösungen zu erzielen. Bei einem Test, der genügend Aufgaben umfasst und eine Bestehensgrenze von über 50 Prozent setzt, ist die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Teilnehmenden durch Raten statistisch gesehen jedoch sehr gering. Bei Einstufungstests taucht neben der Multiple-Choice-Aufgabe eine Vielzahl von weiteren geschlossenen Aufgabentypen auf. Bei dem folgenden Beispiel handelt es sich um textunabhängige Einzelaufgaben, in denen es um das Erkennen der richtigen Struktur bzw. der geeigneten Ausdrucksweise geht: Herstellen der richtigen Wortfolge der Fehler / er / gehabt / hätte / mehr / nicht / passiert / wäre / Zeit Lösung: Hätte er mehr Zeit gehabt, wäre der Fehler nicht passiert. Unbefriedigend an dieser Art von kontextunabhängigen Aufgaben ist, dass jeglicher kommunikative Rahmen fehlt. Sie wirken genauso trocken und wirklichkeitsfern wie die Lückentexte der strukturalistischen Ära. In der strukturalistischen Testtheorie ging man davon aus, dass die Beherrschung der Fremdsprache sich nicht direkt, d. h. in realen Verwendungssituationen überprüfen lässt, sondern nur auf dem Weg über die Messung isolierter Elemente der Sprache. Die Summe dieser isolierten Elemente erlaube Rückschlüsse auf die Fähigkeit des Lernenden, Sprache auch in realen Situationen außerhalb des Unterrichts verwenden zu können. Im Zuge der sogenannten „kommunikativen Wende“ in der Fremdsprachdidaktik wurde deutlich, dass Wortschatz- und Strukturentests nur einen Aspekt der Kommunikationsfähigkeit in der Fremdsprache erfassen (Canale und Swain 1980; Bachman und Palmer 1996). Solche Aufgaben überprüfen nur die Wissenskomponente der Sprache, d. h. die Fähigkeit, Regeln der Grammatik und Vokabeln richtig einzusetzen. Nicht überprüft werden dagegen die diskursive und die soziokulturelle Kompetenz. Um zum Beispiel verschieden strukturierte Lesetexte zu bearbeiten oder um die Informationen eines gehörten Gesprächs zu notieren, benötigen die Geprüften auch Wissen darüber, wie Texte aufgebaut sind. Ein Verfahren, das die lexikalische und grammatische Kompetenz mit Hilfe von kontextualisierten Aufgaben erfassen will und dazu kurze Lesetexte auf zeitökonomische Weise einbezieht, ist der Cloze-Test. Das Verfahren wurde in den 1950er Jahren zunächst als Instrument zur Bestimmung der Schwierigkeit von Texten entwickelt (Taylor 1953). Daraus entstand in der Folge ein Verfahren zum Überprüfen des Leseverstehens. Es geht von der Annahme aus, dass die lexikalische und grammatische Kompetenz ein Indikator für die Sprachbeherrschung ist und über das Lesen zu erfassen ist. Ein klassischer ClozeTest besteht aus einem längeren Text, bei dem in festgelegten regelmäßigen Abständen Wörter gelöscht sind (z. B. jedes fünfte Wort). Die Lücke ist zu ergänzen. Im Gegensatz zum Lückentext herkömmlicher Art, in dem die Lücken nach didaktischen Gesichts-
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XIV. Leistungsmessung und Leistungskontrolle punkten gelöscht werden, um ganz gezielt bestimmte Themen der Grammatik bzw. bestimmte Wortschatzbereiche zu überprüfen, handelt es sich beim Cloze-Test um eine streng mechanische Tilgung, wobei die Tilgungsfrequenz im ganzen Text beibehalten wird. Im folgenden Beispiel wurde jedes achte Wort gelöscht (Abb. 143.1). Der erste Satz, der den Kontext vorgibt, bleibt bei einem Cloze-Test immer intakt.
Abb. 143.1: Cloze-Test
In diesem Testverfahren wird die Tatsache genutzt, dass Informationen in einem Text durch mehrere Signale realisiert werden, die sich wechselseitig ergänzen. Eine Kenntnis von den Aufbaukriterien eines Textes ist zum Lösen dieser Aufgabe also unabdingbar. Das mechanische Tilgungsprinzip sorgt beim klassischen Cloze-Verfahren dafür, dass ein Querschnitt von sprachlichen Phänomenen getestet wird. Alle Wortarten sind in den Lücken gelöscht und nicht nur solche, mit denen Lernende des Deutschen besondere Schwierigkeiten haben. Gleichzeitig treten die Grenzen seiner Verwendbarkeit im Rahmen eines Einstufungstests deutlich hervor. Definiert man Klassen- bzw. Kursstufen nach der Beherrschung bestimmter grammatischer Strukturen, muss ein lehrzielvalider Test genau diese Strukturen testen. Das Zufallsprinzip des Cloze-Tests ist hier eher kontraproduktiv. Forschungsergebnisse zeigen überdies, dass bei sogenannten „natural cloze“-Tests, bei denen weder auf die Auswahl der Texte noch der Lücken Rücksicht genommen wird, Vorbehalte bezüglich der Validität angebracht sind (Brown 1993). Deshalb wurde als Alternative zum klassischen Cloze-Verfahren der modifizierte Cloze-Test entwickelt, bei denen die Lücken mit Bedacht gewählt werden. Damit können lexikalische oder grammatische Aspekte gezielt abgefragt werden. Flexibel ist das Cloze-Verfahren im Hinblick auf den Schwierigkeitsgrad. Je nachdem, ob eine leichtere oder schwierigere Version gewünscht wird, können Auswahlantworten als Schüttelkasten oder Multiple-Choice-Auswahl vorgegeben bzw. keine Vorgaben für die Antworten gemacht werden. Ein weiteres Testverfahren, das mit ganzen Texten und kontextualisierten Aufgaben arbeitet, ist der sogenannte C-Test. Das Verfahren wurde in den 1980er Jahren entwickelt. Es zielt auf das Überprüfen der allen Fertigkeiten zugrundeliegenden sprachsystematischen Kompetenz ab. Lesekompetenz steht als Mittlerfertigkeit im Mittelpunkt, eine hohe Kompetenz im Verständnis von Textkohärenz spielt in einem C-Test eine wichtige Rolle. Genauso wie das Cloze-Verfahren beruht es auf dem Konzept der reduzierten Redundanz. Beim C-Test ist jeweils die Hälfte von jedem zweiten Wort ⫺ vom Wortende ausgehend ⫺ gelöscht. Hier ein Beispiel von der Homepage des TestDaF-Instituts (2008). „Fit für TestDaF“ soll eine erste grobe Einschätzung darüber liefern, ob Interessenten schon über eine ausreichende Sprachkompetenz verfügen, um bei der Prüfung TestDaF erfolgreich abzuschneiden (Abb. 143.2).
143. Testen und Prüfen von Sprachkenntnissen
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Abb. 143.2: C-Test
Die Vorteile des C-Testverfahrens liegen in der Testökonomie ⫺ mit geringem Aufwand erhält man eine relativ große Menge an Daten. Zudem sind C-Tests vergleichsweise leicht zu entwickeln und zu bewerten. Die wissenschaftliche Diskussion merkt allerdings kritisch an, dass es dem C-Test an Augenscheinvalidität mangelt. Bei einer Versuchsreihe mit Englischlernenden in Mexiko hat sich zum Beispiel gezeigt, dass mit dem Verfahren nicht vertraute Prüfungsteilnehmende erhebliche Schwierigkeiten damit haben können und nicht einsehen, dass ihre sprachlichen Fähigkeiten darin adäquat zum Ausdruck kommen (Jafarpur 1995: 194; Grotjahn 1992).
5.2. Eignung und Zulassung Von Einstufungstests zu trennen sind Eignungstests. Diese wurden entwickelt, um die Erfolgsaussichten einer Person auf einem bestimmten Lerngebiet zu prognostizieren. In den Vereinigten Staaten gibt es seit den 1930er Jahren Versuche, Tests zu entwickeln, um damit Entscheidungen über Zulassung oder Ausschluss von Lernenden beim Fremdsprachenunterricht an High Schools zu rechtfertigen (Michel 1936: 275⫺287). Im deutschsprachigen Raum ist der TestAS als neueres Beispiel für Eignungstests zu nennen. Dieser zentrale, standardisierte Test prognostiziert die Studierfähigkeit ausländischer Studienplatzbewerber für die Studienfächer, also z. B. geisteswissenschaftliche Fächer, Ingenieurwissenschaften, Mathematik und naturwissenschaftliche Fächer. Der Test kann sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache abgelegt werden. Die deutschen bzw. englischen Sprachkenntnisse werden in Form eines Screening mit einem C-Test geprüft, um festzustellen, inwieweit fehlende Sprachkenntnisse die Leistung im Studierfähigkeitstest beeinträchtigt haben. Die Testergebnisse sollen es Hochschulen ermöglichen, Bewerberinnen und Bewerber mit verschiedenartigen Schulabschlüssen miteinander zu vergleichen, sie in eine Rangreihenfolge zu bringen und die Studierenden zu ihren Studienangeboten auszuwählen. Nur um Zulassung geht es bei den Aufnahmeprüfungen, die ausländische Studienplatzbewerber an deutschen Hochschulen absolvieren müssen. Denn nach dem Hochschulrahmengesetz haben Studienbewerber mit nichtdeutscher Muttersprache den Nachweis hinreichender Sprachkenntnisse zu erbringen. Dabei sollen sie zeigen, dass sie genügend Sprachkenntnisse mitbringen, um an dem Vorlesungs- und Seminarprogramm teilnehmen zu können. Diese Aufnahmeprüfungen sind für die Geprüften mit einem ho-
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XIV. Leistungsmessung und Leistungskontrolle
hen Risiko verbunden, da aufgrund des Prüfungsergebnisses die folgenreiche Entscheidung über ihre Zulassung getroffen wird. Sprachliche Aufnahmeprüfungen für ausländische Studienplatzbewerber bieten das TestDaF-Institut sowie eine Reihe von Studienkollegs an Hochschulen an. Der TestDaF sowie die Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang ausländischer Studienbewerber (DSH ) sind eigens für diesen Zweck entwickelte Prüfungen, wobei erstere zentral erstellt und ausgewertet wird. Die DSH ist eine dezentral erstellte und ausgewertete Prüfung. Unter Vorgabe einer gemeinsamen Rahmenordnung, in der die Prüfungsinhalte umrissen werden, kann jede Hochschule eine eigene Aufnahmeprüfung erstellen. Um eine gegenseitige Anerkennung zwischen den lokalen, in ihren Prüfungsaufgaben also abweichenden DSH-Prüfungen unter den Hochschulen zu erreichen, registriert inzwischen die HRK (Hochschulrektorenkonferenz) in Zusammenarbeit mit dem FaDaF (Fachverband Deutsch als Fremdsprache) alle DSH-Prüfungen.
5.3. Selbstevaluation Im Kontext des selbstgesteuerten Lernens haben in jüngster Zeit auch die Begriffe Leistungsmessung und -bewertung eine neue Konnotation erhalten. Die Lernenden sollen in die Lage versetzt werden, ihre Leistungen selber einzuschätzen. Damit verlagert sich der Schwerpunkt von der Lehrkraft hin zu den Lernenden, die selber Informationen über ihren Kenntnisstand und Lernfortschritt sammeln, um weitere Lernschritte gezielt zu steuern. Die Beteiligung des Lernenden an den Verfahren der Leistungsmessung fördert bei ihm die Einsicht in das Lernziel und die nötigen Fähigkeiten. Wichtigster erster Schritt beim selbstgesteuerten Lernen ist die Selbstdiagnose, d. h. die Evaluation und Analyse eigener Stärken und Schwächen. Daran schließt sich idealerweise ein gezielteres d. h. strategisch richtiges Lernen an, bei dem systematisch Lücken gefüllt werden. Das gezielte Training von Lerntechniken, z. B. zur Verbesserung der Schreibfertigkeit durch bewusste Korrekturgänge (Rampillon 1996: 38⫺39) kann dabei zur Verbesserung der Resultate eingesetzt werden. Selbstevaluation als Analyseinstrument ist weniger eine Frage der Aufgabentypen als vielmehr eine Frage der Organisation. Die Lernenden erhalten nicht nur die Aufgaben, sondern die dazugehörigen Antworten bzw. Lösungen sowie Erläuterungen in Form einer Lernnavigation. Dem Gedanken der Selbsteinschätzung sowie dem europäischen Gedanken verpflichtet ist DIALANG, ein frei im Internet verfügbares computerbasiertes Evaluationsinstrument, das es Fremdsprachenlernenden in 15 Sprachen ermöglicht, sich selbst einzuschätzen. DIALANG wurde im Auftrag der Europäischen Kommission entwickelt. Grundlage dieses Systems ist eine Datenbank von kalibrierten Aufgaben. Die Testergebnisse sind nach jedem Testmodul (Lesen, Hören, Schreiben, Strukturen, Wortschatz) in Form der Stufen A1 bis C2 ausgedrückt. Zum Einsatz kommt DIALANG beispielsweise an Universitäten zur Einstufung von Studienplatzbewerbern.
5.4. Lernortschritt Versteht man die Instrumente der Leistungsmessung als ein System, bei dem es von einfachen zu immer komplexeren Prüfungstypen geht, dann lässt sich der Lernfort-
143. Testen und Prüfen von Sprachkenntnissen
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schrittstest am Anfang der Skala einordnen. Es handelt sich dabei um ein Kontrollinstrument, das an geeigneter Stelle während eines Kurses eingesetzt wird, um der Lehrkraft Informationen darüber zu liefern, wie effektiv ihr Unterricht war. Den Geprüften bietet er Informationen darüber, wie effektiv der individuelle Lernprozess war. Der Inhalt der Tests knüpft in der Regel unmittelbar an den in der vorangegangenen Unterrichtsphase bearbeiteten Stoff an, ist somit abhängig vom Kurs- bzw. Lehrplan. Wenn das Lehrwerk solche Tests nicht bereits liefert, erstellt die Lehrkraft diese passend zu den aktuellen Unterrichtsinhalten. Hier stellt sich die Frage nach dem Unterschied zwischen Lehrbuchaufgabe und Testaufgabe. Im Gegensatz zu Übungsaufgaben im Unterricht unterliegen Testaufgaben höheren Ansprüchen bei den Gütekriterien Unabhängigkeit und Eindeutigkeit. Bei einem Test sollten die Geprüften bei jedem Item eine neue Chance erhalten ⫺ zur Differenzierung zwischen einer Aufgabe und einem Einzelelement eines Tests hat sich im Deutschen inzwischen die englische Bezeichnung Item durchgesetzt. Eine falsch gelöste Aufgabe darf also nicht automatisch einen weiteren Fehler nach sich ziehen. Lehrkräfte greifen häufig zu dem Instrument der offenen Aufgabe vom Typ Fragen zum (Lese- bzw. Hör-)Text, da diese zu jedwedem Inhalt einfach zu erstellen sind:
Die Lösungen zu einer solchen Frage variieren sowohl inhaltlich als auch formal. Bei der Beurteilung bereiten Lösungen, die zu knapp sind oder zu viele grammatische bzw. orthographische Fehler enthalten, Probleme. Das Prüfungsziel Rezeption eines Textes (egal ob Lese- oder Hörtext) gerät in Konflikt mit dem impliziten Prüfungsziel Produktion von frei formulierten schriftlichen Äußerungen. Zwar sollten orthographische und grammatische Fehler bei Aufgaben zur Rezeption keine Rolle spielen, doch fällt es Korrektoren meistens schwer, Lösungen mit der vollen Punktzahl zu bewerten, die zwar inhaltlich adäquat aber formal fehlerhaft sind. Halboffene Aufgabentypen haben gegenüber diesen völlig offenen Aufgaben den Vorteil, dass die verlangte produktive Leistung innerhalb eng gesteckter Grenzen bleibt. Ein halboffenes Verfahren zum Überprüfen des Leseverstehens ist zum Beispiel die mit Lü-
Abb. 143.3: „summary cloze“-Aufgabe
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XIV. Leistungsmessung und Leistungskontrolle cken versehene Textzusammenfassung, die sogenannte „summary cloze“-Aufgabe. Dabei muss die Textzusammenfassung nicht komplett erstellt werden, was eine Transferleistung vom Lesen zum Schreiben wäre, sondern die Lehrkraft bzw. der Testautor verfasst die mit Lücken versehene Textzusammenfassung, in der die Kerninformationen des Textes abgefragt werden. Die vorgegebenen Lücken reißen den Kontext auf und schränken die Bandbreite möglicher Lösungen inhaltlich ein. Bei Aufgaben dieses Typs geht es um das Überprüfen der Rezeption. Die Lücken sind daher so gesetzt, dass sie nicht bereits von grammatischen Strukturen determiniert sind (z. B. ein Nomen im Dativ-Plural erforderlich machen). Bei der Korrektur müssen formale Fehler unberücksichtigt bleiben.
5.5. Kursabschluss Am Ende eines Kurses besteht bei einer großen Zahl von erwachsenen Kursteilnehmenden das Bedürfnis nach einer Dokumentation des Fortschritts, den sie im Verlauf des Kurses gemacht haben. Bei fremdfinanzierten Kursen hat der Geldgeber häufig ein Interesse daran, den Erfolg der geförderten Maßnahme in Form eines Abschlusstests zu überprüfen. Ein Beispiel dafür ist die Einführung der weitestgehend durch Steuergelder finanzierten Integrationskurse für Zuwanderinnen und Zuwanderer in Deutschland im Jahr 2005. Diese Sprachkurse sind differenziert nach Teilzielgruppen, z. B. schnelle Lernende, Elternkurse, Jugendkurse, Kurse zur Alphabetisierung. Sie umfassen in der Regel 600 Unterrichtseinheiten mit der Möglichkeit einer Verlängerung. Alle Kurse wurden bis 2009 mit dem Zertifikat Deutsch abgeschlossen, seit 2009 kommt ein speziell für diesen Zweck entwickelter Deutschtest für Zuwanderer (dtz) zum Einsatz. Intendiert ist eine enge Verbindung mit dem Lernstoff des vorausgegangenen Kurses. Das Bindeglied für die Anbindung der Sprachprüfung an den Kurs ist das Curriculum. Das sog. Rahmencurriculum (Goethe-Institut 2007) beschreibt repräsentative Lernziele für die Sprachkurse. Diese Lernziele sind zugleich Prüfungsziele. Geprüft wird ein Kernbereich, der in allen Kursarten Unterrichtsgegenstand und für alle Teilzielgruppen relevant ist. Das sind zum Beispiel Themen wie die Ausbildung und Betreuung von Kindern. Eine Prüfungszielbeschreibung legt eine Definition des sprachlichen Niveaus aufgefächert nach sprachlichen Mitteln im Bereich Sprachhandlungen, Intentionen, Notionen, grammatischen Strukturen und Wortschatz vor und entspricht damit den Anforderungen, die auch an eine Feststellungsprüfung gestellt werden. Rahmencurriculum und Prüfungszielbeschreibung bilden die Grundlage für Unterrichtsmaterialien und Lehrwerke, die in den Kursen eingesetzt werden. Die Kursabschlussprüfung dtz unterscheidet sich von Feststellungsprüfungen wie dem weltweit seit dem Jahr 2000 für alle Zielgruppen eingesetzten Zertifikat Deutsch durch den engen inhaltlichen Bezug zu den vorausgegangenen Kursen und zu den Bedürfnissen der Zielgruppe.
5.6. Sprachstandsmessung Die Funktion einer Feststellungsprüfung ist es, die sprachlichen Fähigkeiten der Geprüften zu einem bestimmten Zeitpunkt zu bestimmen. In der Regel melden sich Interessenten zu einer solchen Prüfung aus freien Stücken an und bezahlen für diese Dienstleistung
143. Testen und Prüfen von Sprachkenntnissen
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eine Gebühr. Als Gründe, warum sie sich einer Prüfung unterziehen, nennen Lernende in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit: a) b) c) d)
aus persönlichem Interesse als Nachweis beruflicher Qualifikation als Nachweis im Rahmen der Studienplatzbewerbung als Nachweis im Rahmen des Einreise- und Visarechtes
Was die Prüfungsinhalte angeht, so beschränkt sich die Feststellungsprüfung nicht auf den Stoff eines bestimmten Kurses oder Lehrplans, sondern legt eine detaillierte Prüfungszielbeschreibung zugrunde. Bei einer allgemeinsprachlichen Prüfung orientiert sich diese an der zukünftigen Sprachverwendung im privaten, beruflichen und öffentlichen Leben. Im Falle einer fachsprachlich ausgerichteten Prüfung sind die Prüfungsinhalte auf das jeweilige Fachgebiet, zum Beispiel berufsbezogene Verwendungssituationen, eingegrenzt. Die Prüfungszielbeschreibung gibt Auskunft über Prüfungsziele und -inhalte, sprachliche Funktionen, Intentionen bzw. Handlungsfelder, den zugrunde gelegten Wortschatz und die grammatischen Strukturen, das sprachliche Niveau etc. Seit Veröffentlichung des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens und der Profile Deutsch beziehen sich solche Prüfungsbeschreibungen für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache in der Regel auf die Niveaustufen A1 bis C2 (Grotjahn 2007). Feststellungsprüfungen umfassen in der Regel Testaufgaben zu allen vier Fertigkeiten, d. h. Leseverstehen, Hörverstehen, Schriftlicher Ausdruck und Mündlicher Ausdruck. Prüfungsaufgaben zu der Fertigkeit der Mediation sowie spezielle Grammatik-Teile sind dagegen selten. Da die Prüfungsergebnisse sich an Endabnehmer, also zum Beispiel Arbeitgeber oder Bildungseinrichtungen, außerhalb der prüfenden Institution richten, entstehen besondere Ansprüche an die Augenschein-Validität. Beim Durchsehen der Prüfungsaufgaben sollte der gebildete Laie den Eindruck erhalten, dass Testaufgaben für ihre Zwecke relevante Inhalte und Fertigkeiten überprüfen. Im Zuge der sogenannten kommunikativen Wende spielt dabei die Verwendung (semi-)authentischer Texte und handlungsorientierter Aufgabenformen eine entscheidende Rolle. Bei der Formulierung von Testaufgaben zum Schreiben etwa sollte die kontextuelle Einbettung realistisch sein. Vor allem muss der Adressat klar sein. Realitätsnahe Schreibaufgaben richten sich nicht an den Prüfenden/Korrigierenden, sondern zum Beispiel an einen Brieffreund. Überdies muss in der Aufgabe definiert sein, welche Form der zu schreibende Text annehmen soll, d. h. welche Textsorte produziert werden und wie lang der Text sein soll. Aus Gründen der Fairness sollte den Geprüften bei einer produktiven Aufgabe, die nach bestimmten Kriterien beurteilt wird, außerdem bekannt sein, worauf bei der Korrektur Wert gelegt wird. Bei der Feststellungsprüfung ist außer der Augenscheinvalidität die sogenannte „Kontentvalidität“ von Bedeutung. Sie betrifft die Frage der Testziele. Während die Auffassung, dass Feststellungsprüfungen alle vier Fertigkeiten überprüfen sollen, inzwischen historisch gewachsen ist, gibt es keinen Konsens darüber, wie jede einzelne Fertigkeit getestet wird. Dies hängt von den jeweiligen Feinzielen ab. So legt zum Beispiel das Hörverstehen im TestDaF Wert auf das Verstehen von vorlesungsähnlich strukturierten Texten. Eine Prüfung zur Fachsprache Wirtschaftsdeutsch wie das vom Deutschen Volkshochschul-Verband und vom Goethe-Institut gemeinsam entwickelte Zertifikat Deutsch für den Beruf (ZDfB) (1995) räumt berufsspezifischen Sprechanlässen und Aspekten inter- bzw. metakultureller Kommunikation eine große Bedeutung ein.
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XIV. Leistungsmessung und Leistungskontrolle In Feststellungsprüfungen spielen mündliche Prüfungsteile meist eine wesentliche Rolle. Entscheidend für das Testformat ist die Zahl der gleichzeitig Geprüften. In jüngerer Zeit greifen Testentwickler dabei häufiger auf das Format der Paar- oder sogar Gruppenprüfung zurück. Aufgaben zur Problemlösung und Diskussion lassen sich unter gleichberechtigten Teilnehmenden besser bearbeiten als zwischen Teilnehmenden und Prüfenden. Teilnehmende sollen miteinander eigene Gedanken entwickeln und artikulieren. Doch das gleichzeitige Prüfen von mehreren Personen bringt besondere Probleme mit sich. Intellektuell überlegene und reife Persönlichkeiten haben es bei solchen Testformen leichter als Personen, die aus kulturspezifischen oder persönlichen Gründen nicht daran gewöhnt sind, eigene Ideen im Gespräch zu entwickeln. Dieser Unterschied muss sich in den dazugehörigen Bewertungskriterien niederschlagen. Aufgabe und Bewertung gehören also zusammen. Je offener ein Test zur mündlichen Kommunikation angelegt ist, umso größer ist der Handlungs- und Entscheidungsspielraum der Prüfenden. In der Praxis nutzen Prüfende diesen Spielraum allerdings nicht selten in einer Weise, dass von den ursprünglichen Prüfungszielen wenig übrigbleibt. Dadurch werden die Prüfungsergebnisse unzuverlässig. Prüferverhalten sowie die Praktikabilität von Bewertungskriterien sind die beiden zentralen Facetten des komplexen Prüfungsgeschehens bei mündlichen Prüfungen. Sie berühren sowohl die Frage der Validität wie der Reliabilität von Tests. Je freier ein Prüfender die Aufgabenstellung interpretiert oder je unübersichtlicher die Bewertungskriterien, die er heranziehen soll, umso größer die Fehlerquelle. Der Relevanz von Prüferverhalten und der Bewertung von mündlichen Leistungen ist eine Vielzahl von Einzeluntersuchungen gewidmet (Lumley und McNamara 1995). Auch hinsichtlich der Reliabilität werden an Feststellungsprüfungen die höchsten Anforderungen gestellt. Zuverlässige Tests dieses Typs müssen zunächst eine Mindestzahl an Items anbieten, wobei jedes Item als Einzelmessung zu betrachten ist, das unabhängig von anderen wertvolle Daten liefert. Um gesicherte Aussagen über den Sprachstand machen zu können, sollte beim Lesen und Hören eine Mindestzahl von Aufgaben vorhanden sein. Diese wird gegenwärtig zwischen 20 und 30 gesehen. Eine Konsequenz daraus ist zum Beispiel, dass die von europäischen Prüfungsinstitutionen angebotenen Feststellungsprüfungen in der Regel mehrere Stunden dauern. Die Resultate dieser Sprachstandsmessung sollen differenziert und fundiert genug sein, um den Endabnehmern eine begründete Entscheidung zu ermöglichen, ob die nachgewiesenen Sprachkenntnisse für die anvisierte Tätigkeit ausreichen.
6. Computerbasierte Testverahren Die Vorgabe, in möglichst kurzer Zeit ein möglichst genaues Bild des sprachlichen Kenntnisstandes der Teilnehmenden zu erhalten, hat in den 1990er Jahren zur Entwicklung von computergestützten Testverfahren geführt. Ein Beispiel dafür ist das sogenannte BUSINESS LANGUAGE TESTING SYSTEM (BULATS). Das Instrument wird in vier Sprachen angeboten: Englisch, Deutsch, Französisch und Spanisch. Ein Prüfender ist bei diesem Computertest nicht beteiligt. Die Ergebnisse werden unmittelbar nach dem etwa 15-minütigen Verfahren in Form eines Protokolls bekanntgegeben. Im Hintergrund dieses Testsystems steht eine Bank von kalibrierten, d. h. erprobten und damit im Schwierigkeitsgrad definierten Aufgaben zu den rezeptiven Fertigkeiten, d. h. Lesen und Hören sowie Strukturen und Wortschatz.
143. Testen und Prüfen von Sprachkenntnissen
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Im Gegensatz zum traditionellen Verfahren in Papierform wird beim computeradaptiven Testsystem nicht jedem Teilnehmenden die gleiche Testbatterie vorgelegt. Der Computer errechnet vielmehr nach jedem gelösten Item, zu welchem Item die geprüfte Person weitergeschickt wird. Hat er das vorhergehende richtig gelöst, wird der Schwierigkeitsgrad erhöht, hat er es falsch gelöst, bekommt er ein Angebot mit geringerem Schwierigkeitsgrad. Vorteile eines computergesteuerten Systems sind neben dem geringen Zeitaufwand die Genauigkeit der Ergebnisse, der Abwechslungsreichtum der kontextualisierten Aufgaben, die auch das Hörverstehen integrieren, sowie die weite Streuung der Aufgaben vom Anfängerniveau bis zu weit fortgeschrittenem Kenntnisstand.
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XIV. Leistungsmessung und Leistungskontrolle Macht, Konrad 1995 Leistungsmessung und Curriculum. In: Karl-Richard Bausch, Herbert Christ und HansJürgen Krumm (Hg.), Handbuch Fremdsprachenunterricht, 282⫺285. 3. Aufl. Tübingen: Narr. Michel, Sister Virgil 1936 Prognosis in German. Modern Language Journal 20: 275⫺87. Rampillon, Ute 1996 Schüler beurteilen sich selbst. Ein Zugang zum selbstgesteuerten Lernen. Friedrich Jahresheft 14: 38⫺39. Spolsky, Bernard 1995 Measured Words. The Development of Objective Language Testing. Oxford: Oxford University Press. Taylor, Wilson L. 1953 Cloze procedure: a new tool for measuring readability. Journalism Quaterley 30: 414⫺38. Wall, Diane und J. Charles Alderson 1993 Examining wash-back: the Sri Lanka Impact Study. Language Testing 10(1): 41⫺69.
Michaela Perlmann-Balme, München (Deutschland)
144. Sprachprüungen ür Deutsch als Fremdsprache 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Einleitung Testarten Merkmale standardisierter Zertifikatsprüfungen Internationale DaF-Prüfungen Zusammenfassung Literatur in Auswahl
1. Einleitung In einer Zeit der Globalisierung und eines zusammenwachsenden Europas spielen nicht nur Fremdsprachenkenntnisse eine immer größere Rolle, sondern zunehmend auch deren Zertifizierung. Die internationale Mobilität in Berufs- und Bildungskontexten erfordert objektive, aussagekräftige, transparente und vergleichbare Nachweise von Sprachkompetenzen. Entsprechend der erhöhten Nachfrage ist in den letzten Jahren auch der internationale Prüfungsmarkt in Bewegung geraten. Ein deutlicher Meilenstein in Richtung erhöhter Vergleichbarkeit und Transparenz wurde dabei durch das Erscheinen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (⫽ GER, Europarat 2001) gesetzt. Beinahe alle größeren internationalen Zertifikatsanbieter und Testorganisationen haben ihre Sprachprüfungen gemäß den darin festgelegten Referenzniveaus analysiert, adaptiert bzw. in Anlehnung daran neue entwickelt. Dies gilt ganz besonders auch für den deutschsprachigen Prüfungsbereich und betrifft nicht nur allgemeinsprachliche Tests und Prüfungen, sondern auch Prüfungen für besondere Zielgruppen, wie z. B. Prüfungen für Kinder und
144. Sprachprüfungen für Deutsch als Fremdsprache
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Jugendliche, studien- oder berufsbezogene Prüfungen oder spezifische Prüfungen für MigrantInnen (vgl. Art. 145). Im folgenden Beitrag soll nach einer kurzen Definition verschiedener Test- und Prüfungsverfahren geklärt werden, welche Art von Prüfungen und Zertifikaten im Zentrum dieses Beitrags stehen und durch welche Merkmale sie sich charakterisieren lassen. Anschließend stellt eine Übersicht die aktuelle DaF-Testlandschaft dar, gefolgt von einer kurzen Beschreibung der diversen Prüfungen. In diesem Zusammenhang wird auch auf die Rolle des GER für den Bereich der Sprachzertifizierung eingegangen.
2. Testarten Das Überprüfen von Sprachkompetenzen kann je nach Testziel und Funktion in unterschiedlichster Art und Weise vorgenommen werden. In der Testtheorie unterscheidet man prinzipiell zwischen diagnostischen Verfahren, wie z. B. den Einstufungstests (placement tests), den auf einen Unterricht bzw. Kurs bezogenen Leistungs- bzw. Lernfortschrittsmessungen (achievement tests) und den an vorgegebenen Kompetenz- bzw. Niveaubeschreibungen orientierten Feststellungsprüfungen, die auch als Niveauprüfungen bzw. Qualifikationstests (proficiency tests) bezeichnet werden. Letztgenannte Prüfungen erfassen den Ausprägungsgrad von vorab definierten Anforderungen sprachlicher Handlungsfähigkeit in Bezug auf abschätzbare bzw. mögliche zukünftige Verwendungssituationen. Sie sind als solche, wie später noch ausgeführt wird, meist performanz- bzw. sprachhandlungsorientiert und überprüfen unabhängig von Kursen oder Lehrwerken den momentanen Sprachstand eines Kandidaten, indem sie sich an vorher festgelegten Spezifikationen, Niveau- und Kompetenzbeschreibungen orientieren. Standardisierte, internationale Zertifikate sind den Definitionen zufolge in diese Kategorie der Niveauprüfungen einzuordnen, weshalb im Folgenden ausschließlich auf diese Prüfungen eingegangen wird.
3. Merkmale standardisierter Zertiikatsprüungen 3.1. Kommunikatives Testen Die meisten in diesem Beitrag erwähnten Prüfungen lassen sich als kommunikativ orientierte Sprachprüfungen bezeichnen. Kommunikative Prüfungen setzen (vereinfacht ausgedrückt) nicht sprachliches Wissen, sondern Können, also sprachliche Handlungsfähigkeit in den Mittelpunkt und sind daher zum größten Teil auch als Performanztests anzusehen. Im Gegensatz zu sog. Kompetenztests (die meist mit theoretischen Modellen „tieferliegender Grundfähigkeiten“ arbeiten) spiegeln Performanztests realitätsnahes zielsprachiges Verhalten in realitätsnahen, wahrscheinlichen und relevanten Situationen wider (real life approach, vgl. dazu Bachman 1990; Weir 1993; Glaboniat 1998). Vom Verhalten und den Leistungen der Testteilnehmenden in diesen Situationen wird abgeleitet, wie sich eine Person außerhalb des Testzusammenhangs verhalten könnte. Dazu werden die TestkandidatInnen in möglichst realitätsnahe und kommunikative Akte involviert und müssen innerhalb einer vorgegebenen Situation und sozialen Rolle unterschiedliche
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XIV. Leistungsmessung und Leistungskontrolle
sprachliche Handlungsaufgaben erfüllen. Die kommunikative Orientierung findet sich dabei aber nicht nur in der Kontextualisierung der Aufgabe, sondern auch in der Authentizität der (Input-)Texte, in der Berücksichtigung der kommunikativen Lernerbedürfnisse, in der repräsentativen Auswahl der Aufgaben, in der Alters-, Sozialisations- und Kulturadäquatheit der Themen sowie in der Berücksichtigung von Kommunikationsstrategien. Kommunikativ orientierte Sprachprüfungen ⫺ das gilt auch für alle hier angeführten ⫺ gehen von einem sehr breit gefassten, pragmatisch orientierten Konzept der Sprachkompetenz aus (vgl. v. a. Modell von Bachmann 1990; Glaboniat 1998: 53⫺62; GER: 21⫺29, 51⫺102) und differenzieren in der Regel nach den vier sprachlichen Hauptaktivitäten bzw. Fertigkeiten Leseverstehen, Hörverstehen (⫽ mündliche und schriftliche Rezeption), Schreiben und Sprechen (⫽ mündliche und schriftliche Produktion bzw. Interaktion). Linguistische Kompetenzen, wie Grammatik und Lexik, werden teilweise implizit miterfasst (v. a. innerhalb des Schreibens, Sprechens), teilweise in entsprechenden Subtests eigens getestet (vgl. z. B. „Sprachbausteine“ in der Prüfung B1 Zertifikat Deutsch).
3.2. Direktes Testen Um eine möglichst hohe Validität zu erreichen, versuchen kommunikative Tests möglichst direkt zu testen. Dies ist bei produktiven Aktivitäten wie Schreiben und Sprechen relativ leicht zu realisieren und führt zu sehr offenen Aufgaben wie z. B. dem Verfassen von Briefen oder E-Mails im schriftlichen Teil oder dem Führen eines alltäglichen Gesprächs im mündlichen Teil einer Prüfung. Die testtheoretische Herausforderung bei diesen Testformaten liegt v. a. in der Gewährleistung der Auswertungsreliabilität und -objektivität. Bei den rezeptiven Hör- und Leseverstehensaufgaben ist dies genau umgekehrt. Zwar wird grundsätzlich versucht, möglichst direkt zu testen, d. h. sämtliche für Hörbzw. Lesekompetenz irrelevante Faktoren auszublenden. Dennoch wird letztlich immer ein indirektes Antwortformat gebraucht, auf der die jeweilige ⫺ innerlich ablaufende und daher an sich nicht direkt beobachtbare ⫺ Verstehensleistung nach außen nachgewiesen wird. Diese Antwortformate können im Grad ihrer Direktheit sehr unterschiedlich sein. Ein Beispiel für nicht-direktes, nicht-valides und nicht-zuverlässiges Testen wäre, dass die TestkandidatInnen Gehörtes in Form einer schriftlichen Zusammenfassung in der Zielsprache wiedergeben müssen. Hinzukommende, verfälschende Faktoren wären hier, 1) die geforderte Merkleistung, 2) die Wiedergabe in der Zielsprache und 3) das alles in schriftlicher Form (sprachliche Korrektheit, Textsortenkompetenz „Wie schreibt man eine Zusammenfassung?“). Im Bemühen um möglichst hohe Direktheit und Reliabilität werden in standardisierten Tests daher meist geschlossene Formate wie Richtig-Falsch oder Multiple Choice verwendet ⫺ auch wenn solche Auswahlmöglichkeiten in realen Situationen natürlich nicht vorkommen. Selbstverständlich liegt hier als verfälschender Faktor auch immer noch die Abhängigkeit vom (Lese-)Verstehen der Aufgaben (Items) vor, aber im Vergleich zu den schriftlichen Anforderungen im o. a. Beispiel ist dieser Kompromiss innerhalb des Spannungsfelds zwischen Validität und Reliabilität von Testaufgaben vertretbar.
144. Sprachprüfungen für Deutsch als Fremdsprache
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3.3. Qualitätsstandards und die Zuordnung zu den Europaratsstuen Internationale Sprachprüfungen und Zertifikate werden auch als Qualifikations- oder high stakes tests bezeichnet, da sie als Selektionsinstrumente oder im Zusammenhang mit Entscheidungen eingesetzt werden, die weitergehende Konsequenzen für die TestkandidatInnen haben (z. B. Anstellung, Beförderung, Zulassung zur Universität, Staatsbürgerschaft, Visumsverlängerung). Es versteht sich daher von selbst, dass solche Prüfungen höchsten Qualitätsstandards gerecht werden müssen. Das betrifft nicht nur die klassischen Testgütekriterien Validität, Objektivität und Reliabilität, sondern auch andere Qualitätsmerkmale wie Praktikabilität, Fairness, Nützlichkeit und Transparenz. Die meisten der hier angeführten Prüfungsorganisationen stellen diesbezüglich an sich selbst sehr hohe Ansprüche bzw. fühlen sich internationalen Standards verpflichtet, wie z. B. dem Code of Practice der Association of Language Testers in Europe (ALTE). Eine der wichtigsten Voraussetzungen für standardisiertes Prüfen ist das kriterienoder sachorientierte Messen. Im Gegensatz zu norm- oder individualorientiertem Vorgehen in nicht standardisierten Verfahren (z. B. in schulischer Leistungsmessung, vgl. dazu Glaboniat 2002), erfordert standardisiertes Testen, dass der Testgegenstand (das Testkonstrukt bzw. das Testkriterium) vorher festgelegt ist und als Bezugsgröße für jede Messung gilt. Demnach wird die Leistung einer Person weder in Bezug auf Leistungen anderer Personen (Norm), noch in Bezug auf eigene, vorangegangene Leistungen (Individuum) bewertet, sondern lediglich in Bezug auf das vorgegebene Lernziel (Kriterium). Nur so ist eine transparente und aussagekräftige Beurteilung der Sprachbeherrschung eines Lernenden gewährleistet. Standardisierte Prüfungen und Tests müssen somit über klar definierte Beschreibungen der gewünschten Kompetenzen und Fähigkeitsgrade und, davon abgeleitet, über transparente Prüfungsziele und Beurteilungskriterien verfügen. Der GER und die anderen in seinem Umfeld stehenden Europaratsinstrumentarien, wie z. B. „Profile deutsch“ (Glaboniat et al. 2005) für die deutsche Sprache, haben in diesem Zusammenhang nicht nur wesentliche Hilfsmittel für kriterienorientiertes Testen geschaffen, sondern ⫺ zumindest auf den ersten Blick ⫺ auch den Weg zu mehr Transparenz und schneller Vergleichbarkeit geebnet. Mittlerweile gibt es keine internationale Sprachprüfung mehr, die sich nicht niveaumäßig innerhalb des Bezugsystems des Europarats einordnet und auch die Bezeichnungen A1 bis C2 wählt. Um die Qualität der Prüfungen und die Gültigkeit in Hinblick auf die Niveauzuordnung zu gewährleisten, unterziehen bzw. unterzogen sich seriöse Prüfungen einer intensiven Auseinandersetzung mit dem GER, die in vielen Fällen zu Revisionen, Adaptionen oder Neuentwicklungen führt/geführt hat. In diesem Zusammenhang erwähnenswert sind v. a. zwei Publikationen des Europarats, die Testinstitutionen bei der Erstellung und Zuordnung von Tests behilflich sein sollten. Während die Publikation „Common European Framework of Reference for Languages: Learning, Teaching, Assessment: Language Examining and Test Development“ (vgl. Council of Europe 2002) eine allgemeine Einführung in den Bereich des Sprachentestens darstellt, unterstützt das „Manual for Relating Language Tests to the CEFR“ (vgl. Council of Europe/Relating Language Tests to the CEFR, Manual 2009) v. a. den Zuordnungsprozess: Durch das Vergleichen, Analysieren und Abgleichen von Prüfungszielen und -inhalten mit den detaillierten Niveaubeschreibungen des GER (und deren sprachlicher Konkretisierung, wie sie z. B. für die deutsche Sprache durch „Profile deutsch“ vorliegt), werden die einzelnen Prüfungen mit
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XIV. Leistungsmessung und Leistungskontrolle dem GER verlinkt, validiert und evaluiert. Bei aller Euphorie muss aber auch betont werden, dass der GER in der Fachdiskussion durchaus nicht unumstritten ist, dass er viele Schwachstellen aufweist und es eine Menge offene und ungeklärte Fragen gibt (vgl. Bausch et al. 2003). Hinzu kommt, dass die Niveauzuordnung hie und da ⫺ sei es bei Lehrwerken oder nicht-standardisierten Tests im Internet ⫺ nicht nachvollziehbar ist und Etikettenschwindel angenommen werden muss. Internationale Sprachprüfungen nehmen die Zuordnung in der Regel jedoch sehr ernst, womit für den Bereich des Sprachentestens durch den GER tatsächlich ein wichtiger Meilenstein gesetzt wurde. Es existieren nun zumindest Anhaltspunkte, die die Prinzipien wie Vergleichbarkeit, Transparenz und Kohärenz erstmals wirklich ermöglichen.
4. Internationale DaF-Prüungen 4.1. Beispiel Zertiikat Deutsch als Fremdsprache Bevor im Folgenden die gängigsten DaF-Prüfungen vorgestellt werden, soll die weltweit am meisten frequentierte Deutschprüfung, das auf dem Niveau B1 angesiedelte Zertifikat Deutsch (kurz: ZD), beispielhaft etwas detaillierter skizziert werden. Gemäß den Beschreibungen des GER sollen Lernende auf diesem Niveau zur „selbstständigen Sprachverwendung“ in Alltagssituationen fähig sein, d. h. sie können u. a. sprachlich „die meisten Situationen bewältigen, denen man auf Reisen im Sprachgebiet begegnet“ und „sich einfach und zusammenhängend über vertraute Themen und persönliche Interessengebiete äußern“ (GER B1). Konzipiert ist das ZD für Lernende ab 16 Jahren, für jüngere DeutschlernerInnen zwischen 12 und 16 Jahren wird zusätzlich das Zertifikat Deutsch für Jugendliche (ZDj) angeboten. Das ZDj unterscheidet sich vom ZD lediglich in der Auswahl der Themen und Texte; Umfang und Format der Aufgaben sowie die Bewertung und letztlich auch die ausgestellte Zertifikatsurkunde sind identisch. Erstellt und herausgegeben werden beide Prüfungen (ZD und ZDj) in trinationaler Zusammenarbeit vom Goethe-Institut (GI) und der telc GmbH/Deutschland, dem Österreichischen Sprachdiplom Deutsch (ÖSD) und dem Lern- und Forschungszentrum der Universität Freiburg/Schweiz. Der trinationalen Kooperation zu Grunde liegt die plurizentrische Sprachauffassung des Deutschen, wonach die Standardvarietäten aus Deutschland, Österreich und der deutschsprachigen Schweiz gleichberechtigt nebeneinander gestellt sind. In den Prüfungen finden sich daher v. a. in den rezeptiven Teilen Hör- und Lesetexte aus den drei Ländern. Die Aufgabenstellungen, d. h. die in der Prüfung zu bewältigenden Situationen mit unterschiedlichen rezeptiven (Hör- und Lesetexte) und produktiven Anforderungen (Sprech- und Schreibanlässen) orientieren sich an eigens für das ZD erstellten Spezifikationen, die „Szenarien“, Strategien, Notionen und Themen sowie detaillierte Sprachhandlungs-, Wortschatz- und Grammatikinventare (Zertifikat Deutsch Lernzielkatalog 1999: 26 und 61⫺371) umfassen. Dieser ZD-Lernzielkatalog geht in großen Teilen wiederum auf die 1980 im Umfeld des Europarats erschienene „Kontaktschwelle“ von Baldegger et al. 1980 (bzw. dem 1975 erschienenen „Threshold Level“ von Van Ek) zurück. Somit orientiert sich das ZD nicht wie andere, neuere Prüfungen direkt an den Bestimmungen des GER bzw. Profile deutsch, sondern geht noch auf deren Vorarbeiten zurück.
144. Sprachprüfungen für Deutsch als Fremdsprache
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Auf Grund dieser Zusammenhänge lässt sich zwar generell annehmen, dass sich die meisten der ZD-Spezifikationen mit den Niveaubeschreibungen und Skalen des GER bzw. den Konkretisierungen in Profile deutsch decken, eine detaillierte Prüfung bzw. Analyse sowie daraus resultierende Überarbeitung wird in Fachkreisen als längst fällig angesehen. Erste Schritte in diese Richtung wurden 2008 gesetzt, eine Revision dürfte in den nächsten Jahren zu erwarten sein. Tabelle 144.1 zeigt u. a. den Aufbau des ZD (auch ZDj) mit den einzelnen Prüfungsteilen, deren Aufgabenformate und Gewichtung. Tab. 144.1: Übersicht über das Zertifikat Deutsch Übersicht über das Zertifikat Deutsch Fertigkeiten/ Kompetenzen
Überprüfungsdomäne/ Subtests
Aufgabentypen/ Antwortformate
Schriftliche Prüfung Leseverstehen LV1: Globalverstehen LV2: Detailverstehen LV3: Selektives Verstehen Sprachbausteine SB1: Lexik; v. a. Morphosyntax SB2: Lexik; v. a. Semantik Hörverstehen HV1: Globalverstehen HV2: Detailverstehen HV3: Selektives Verstehen Schreiben Schriftliche Interaktion; In-, halbformeller Antwortbrief
Punkte
150ⴕ
225
90ⴕ
75 25 25 25 30
Zuordnung (5)* Mehrfachauswahl (5) Zuordnung (10) Mehrfachauswahl (10)
15 75 25 25 25 45
ca. 30ⴕ Richtig-Falsch (5) Richtig-Falsch (10) Richtig-Falsch (5) 30ⴕ 4 Leitpunkte bearbeiten
Paar- oder Einzelprüfung
ZERTIFIKAT DEUTSCH
gesamt
25 %
10 %
25 %
15 %
45 ca. 15ⴕ
v. a. mündliche Interaktion, tlw. mündliche Produktion MA 1: Kontaktaufnahme MA 2: Gespräch über ein Thema MA 3: Gem. eine Aufgabe lösen
rel. Gewichtung
15
Mehrfachauswahl (10)
Mündliche Prüfung Sprechen (Mündlicher Ausdruck)
Zeit
75
25 %
15 30 30 300
* ⫽ Anzahl der Items pro Subtest
4.2. Überblick über internationale DaF-Zertiikate und kurze Beschreibung In der Tabelle 144.2 finden sich die gegenwärtig am internationalen Prüfungsmarkt angebotenen, standardisierten DaF-Zertifikate. DaZ-Prüfungen, die nur im deutschsprachigen Inland angeboten werden, sind hier bewusst ausgespart (vgl. Art. 145).
1294
XIV. Leistungsmessung und Leistungskontrolle Studienspezifische Prüfungen wie TestDaF, DSH oder DSD wurden in die Tabelle 2 nicht aufgenommen, weil sie entweder über mehrere Niveaus gehen (vgl. TestDaF 3⫺5) oder nicht in dem Ausmaß standardisiert sind wie die anderen. Tab. 144.2: Standardisierte DaF-Zertifikate Zielgruppe
Träger2
Start Deutsch 1 A1 Grundstufe Deutsch 1 (A1 GD 1) Fit in Deutsch 1 A1 Kompetenz in Deutsch 1 (A1 KID 1)
Erwachsene Erwachsene Kinder/Jugendliche Kinder/Jugendliche
Gl; TELC ÖSD GI ÖSD
Start Deutsch 2 A2 Grundstufe Deutsch 2 (A2 GD 2) Fit in Deutsch 2 A2 Kompetenz in Deutsch 2 (A2 KID 2)
Erwachsene Erwachsene Kinder/Jugendliche Kinder/Jugendliche
Gl; TELC ÖSD GI ÖSD
B1 Zertifikat Deutsch (B1 ZD)
Erwachsene
B1 Zertifikat Deutsch für Jugendliche (ZDJ)
Jugendliche (12⫺16 J.)
Gl; TELC; ÖSD; EDK Gl; TELC; ÖSD; EDK
Goethe Zertifikat B2 B2 Mittelstufe Deutsch (B2 MD) telc Deutsch B2 (⫽ früher: Zertifikat Deutsch plus) Zertifikat Deutsch für den Beruf (ZDfB)
Erwachsene Erwachsene Erwachsene
GI ÖSD TELC
Erwachsene
Gl; TELC
Goethe Zertifikat C1 C1 Oberstufe Deutsch (C1 OD) telc Deutsch C1 Prüfung Wirtschaftsdeutsch International (PWD)
Erwachsene Erwachsene Erwachsene Erwachsene
GI ÖSD TELC GI und Partner3,
Zentrale Oberstufenprüfung (ZOP) Kleines Deutsches Sprachdiplom (KDS) C2 Wirtschaftssprache Deutsch (C2 WD) Großes Deutsches Sprachdiplom (GDS)
Erwachsene Erwachsene Erwachsene Erwachsene
GI GI ÖSD GI
Niv1. Prüfung
A1
A2
B1
B2
C1
C2
1
2
3
Diese Niveauzuordnung erfolgt meist durch Selbsteinstufungen der Prüfungsanbieter, die auf diversen qualitativen und quantitativen Verfahren (Expertengutachten, Benchmarking-Verfahren, psychometrische Linkingprozesse) basieren. Trägerorganisationen: GI ⫽ Goethe-Institut; TELC ⫽ früher: Weiterbildungs-Testsysteme GmbH; ÖSD ⫽ Österreichisches Sprachdiplom Deutsch; EDK ⫽ Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren. GI in Kooperation mit dem Deutschen Industrie- und Handelstag und den Carl Duisberg Centren
4.3. Kurzcharakteristik: internationale DaF-Zertiikate (Prüungen des GI, ÖSD und TELC) Auf den Stufen A1 und A2 werden weltweit einerseits die Prüfungen Start Deutsch 1 und 2 des GI und TELC sowie andererseits die Prüfungen Grundstufe Deutsch 1 und 2 des ÖSD angeboten. Die einzelnen Prüfungen sind kommunikativ aufgebaut und doku-
144. Sprachprüfungen für Deutsch als Fremdsprache
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mentieren auf dem Niveau A1, dass die Teilnehmenden „vertraute, alltägliche Ausdrücke und ganz einfache Sätze verstehen und verwenden können“ bzw. auf A2-Niveau, dass sie sich u. a. „in einfachen, routinemäßigen Situationen verständigen können“. (Es gibt von Start 1 und 2 auch die Inlandsvarianten für Zuwanderer Start Deutsch 1(z) und Start Deutsch 2(z), die in den vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) geförderten Integrationskursen durchgeführt werden. In Österreich ersetzt die ÖSD-Prüfung A1 Grundstufe 1 den früheren Sprachkenntnisnachweis, eine österreichische DaZPrüfung, die bis 2006 als Nachweis zur Erfüllung der Integrationsvereinbarung/Niederlassungsbewilligung ausreichte. Seit 2006 ist dafür das Niveau A2 erforderlich. Für beide A-Stufen liegen auch spezifische Prüfungen für Kinder und Jugendliche vor. So können junge LernerInnen entweder die Prüfungen des Goethe-Instituts Fit für Deutsch 1 und 2 (v. a. in Italien und Frankreich angeboten) oder die des ÖSD KID 1 und 2 absolvieren. Während sich auf der Stufe B1 wie oben erwähnt nicht nur die größte, sondern auch die am längsten existierende Prüfung, das Zertifikat Deutsch (vor 1999: Zertifikat Deutsch als Fremdsprache) befindet, sind die Prüfungen der drei großen Testanbieter GI, ÖSD und telc auf den Stufen B2 und C1 relativ neu. Im Zuge der Zuordnungs- und Anpassungsprozesse der DaF-Prüfungen an den GER wurde die Zentrale Mittelstufenprüfung (ZMP) des GI 2008 durch zwei neue Prüfungen abgelöst: das Goethe Zertifikat B2 einerseits und das Goethe Zertifikat C1 andererseits. Eine ähnliche Entwicklung erfuhr die frühere ÖSD-Prüfung Mittelstufe Deutsch. Sie wurde Ende 2007 ebenfalls durch zwei neue Prüfungen ersetzt, die B2 Mittelstufe Deutsch und die C1 Oberstufe Deutsch des ÖSD. Auch Telc bietet seit einiger Zeit Prüfungen auf diesen Niveaus an, nämlich telc Deutsch B2 (früher: Zertifikat Deutsch plus) und telc Deutsch C1. Kenntnisse der Niveaustufe C2 können Lernende beispielsweise durch die Zentrale Oberstufenprüfung (ZOP), das Kleine Deutsche Sprachdiplom (KDS) und das Große Deutsche Sprachdiplom (GDS) unter Beweis stellen. Durch die ZOP wird sprachliches Handeln innerhalb eines breiten Spektrums von Situationen und Themen überprüft. Von den KandidatInnen werden differenzierte sprachliche Mittel, eine starke Nuancierung beim Ausdruck und ein breites Repertoire an idiomatischer Ausdrucksweise erwartet. Der Test für das etwa auf dem gleichen Niveau angesiedelte KDS wird vom GI in Zusammenarbeit mit der Ludwig-Maximilian-Universität München (LMU) entwickelt; so auch das GDS, welches als höchstqualifizierender Abschluss im Bereich DaF außerhalb einer universitären oder einer Dolmetscher-/Übersetzer-Ausbildung gilt. Im berufsbezogenen Kontext finden sich auf den höheren Stufen folgende Prüfungen: Auf B2 ist das vom GI angebotene Zertifikat Deutsch für den Beruf angesiedelt. Dies ist eine am Arbeitsalltag orientierte Sprachprüfung, die die Kommunikationsfähigkeit in Situationen des täglichen Berufslebens überprüft. Das GI bietet in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Industrie- und Handelstag sowie den Carl Duisberg Centren die Prüfung Wirtschaftsdeutsch International (PWD) an. Geprüft wird die Kommunikationsfähigkeit in Geschäftssituationen. Das Zeugnis bescheinigt angemessene Kommunikationskompetenz auf der Niveaustufe C1 in typischen Situationen des Geschäftslebens, also bei Präsentationen, in schriftlichen und mündlichen Verhandlungen, u. Ä. Eine Prüfung mit ähnlicher Ausrichtung, aber auf noch höherer Stufe ist die Prüfung C2 Wirtschaftsprache Deutsch (WD) des ÖSD. Das Diplom dient als Nachweis von kom-
1296
XIV. Leistungsmessung und Leistungskontrolle petenter Sprachverwendung auf der höchsten Stufe des GER und erfordert überdies fachsprachliche Kompetenz in Wirtschaftsberufen und wirtschaftsnahen Bereichen. Die Prüfung wurde in Kooperation mit der Wirtschaftskammer Österreich entwickelt. Die genannten berufsbezogenen Prüfungen werden sowohl von Fach- und Führungskräften als auch von Wirtschaftsstudenten gerne bei Bewerbungen eingesetzt.
4.4. Speziische Prüungen ür den Studienzugang Speziell für studienspezifische Zwecke entwickelt wurde der TestDaF, eine vom TestDaFInstitut entwickelte und herausgegebene Prüfung zur Eignungs- und Leistungsfeststellung im Hochschulbereich. Der TestDaF wird weltweit angeboten und von allen Hochschulen in Deutschland als Sprachtest für die Zulassung ausländischer Studierender anerkannt. Die TestDaF-Niveaustufe 3 entspricht der Stufe B2, die Stufe TestDaF 4 der Stufe C1 des GER. Zusätzlich werden an Deutschlands Auslandschulen die DSD-Prüfungen der deutschen Kultusministerkonferenz (KMK) angeboten. Von den beiden Prüfungsstufen DSD 1 und DSD 2 garantiert das DSD 2 den Hochschulzugang in Deutschland. Es setzt ungefähr 1600 Stunden Schulunterricht (in der Regel 7 Jahre) voraus und lässt sich ⫺ in der seit 2008 vorliegenden, ebenfalls nach dem GER revidierten Version ⫺ auf dem Niveau C1 einordnen. Ebenfalls für die Zulassung zum Hochschulzugang in Deutschland wurde die Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang (DSH ) entwickelt. Die DSH-Prüfungen werden ausschließlich in Deutschland, jeweils vor Beginn eines Studiensemesters, angeboten. Der Unterschied zu den oben angeführten Prüfungen, die alle unter hohen Qualitätsanforderungen zentral erstellt und teilweise auch zentral ausgewertet werden, liegt bei der DSH im geringeren Grad ihrer Standardisierung: Zwar gibt es eine für ganz Deutschland geltende Rahmenordnung für die DSH, allerdings gestalten die einzelnen Universitäten die Prüfungen, d. h. Inhalte und Aufgabenstellungen, selbstständig. Ein vergleichbares Modell stellt das UNIcert “-Zertifikatssystem dar, das auf einer Rahmenvereinbarung deutscher Universitäten und Hochschulen beruht. Träger von UNIcert “ ist der Arbeitskreis für Sprachenzentren (AKS). Ähnliches gilt auch für universitätsinterne/-eigene Prüfungen oder Tests in Österreich und der deutschsprachigen Schweiz (z. B. Ergänzungsprüfung Deutsch in Österreich, der Deutschtest der Universität Bern, die Deutschprüfung der Universität Zürich usw.) oder für die (Abschluss-)Prüfungen der an den Universitäten angebotenen, studienvorbereitenden Deutschkurse (z. B. Vorstudienlehrgänge, Hochschulkurse, Studienkollegs u. Ä.): Sie unterscheiden sich ⫺ trotz wachsender Bezugnahme auf den GER ⫺ in Schwierigkeitsgrad, Inhalten, Aufbau und v. a. im Ausmaß ihrer Standardisierung und Qualitätssicherung immer noch so sehr voneinander, dass sie nur sehr eingeschränkt vergleichbar sind. Für den Hochschulzugang stehen somit verschiedene Prüfungen zur Verfügung. Neben den letztgenannten, studienspezifischen Prüfungen werden aber je nach Universität und Hochschule bzw. Studienrichtung auch die anderen, oben erwähnten Prüfungen akzeptiert. Entsprechende Informationen findet man für Deutschland im Internet unter www.sprachnachweis.de. In Österreich werden die ÖSD-Prüfungen an allen Universitäten anerkannt, es werden allerdings je nach Universität unterschiedliche Sprachniveaus
144. Sprachprüfungen für Deutsch als Fremdsprache
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gefordert und diesen Niveaus entsprechend auch die anderen oben angeführten standardisierten Prüfungen akzeptiert. Informationen zur Anerkennung des ÖSD an Österreichs bzw. auch Schweizer und deutschen Universitäten sind unter www.osd.at abrufbar. Für die Schweiz findet man die entsprechenden sprachlichen Aufnahmevoraussetzungen im Internet unter „Studieren in der Schweiz“ (www.crus.ch) und in allen drei Ländern selbstverständlich auch auf den entsprechenden Informationsseiten jeder einzelnen Universität.
5. Zusammenassung Der Überblick über die verschiedenen DaF-Prüfungen spiegelt nicht nur das immer größer werdende Angebot am (internationalen) Prüfungsmarkt wider, sondern zeigt die Prüfungen auch in ihrer jeweiligen Niveauzuordnung. Dies wäre noch bis vor einigen Jahren kaum möglich gewesen, bestand doch seit jeher beim Ein- und Zuordnen von Sprachzeugnissen das fundamentale Problem der fehlenden Bezugsgröße. Da verschiedene Prüfungen naturgemäß verschiedene Inhalte überprüfen, unterschiedliche Schwerpunkte setzen und für unterschiedliche Zielgruppen konzipiert sind, war eine Vergleichbarkeit der Beurteilungen immer sehr schwierig. Erst durch die Entwicklung eines gemeinsamen Referenzrahmens erfolgte eine grundsätzliche Neuorientierung. Es wurde ein gemeinsames Bezugssystem geschaffen, an welchem sich kommunikativ orientierte Prüfungen beim Analysieren, Festlegen oder Interpretieren der eigenen Lern- und Prüfungsziele orientieren können. Wie die bisherige Erfahrung bereits zeigt, wurde durch den GER für den Bereich des Prüfens und Zertifizierens ein durchaus hilfreiches und taugliches Instrument geschaffen, das sowohl innerhalb der Sprachen als auch sprachenübergreifend deutlich mehr Vergleichbarkeit, Transparenz und Kohärenz ermöglicht.
6. Literatur in Auswahl Bachman, Lyle F. 1990 Fundamental Considerations in Language Testing. Oxford: Oxford University Press. Baldegger, Markus, Martin Müller und Günther Schneider 1980 Kontaktschwelle Deutsch als Fremdsprache. Strassburg: Langenscheidt. Bausch, Karl-Richard; Herbert Christ, Frank G. Königs und Hans-Jürgen Krumm (Hg.) 2003 Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen in der Diskussion. Arbeitspapiere der 22. Frühjahreskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Narr. Council of Europe 2002 Common European Framework of Reference for Languages: Learning, Teaching, Assessment: Language Examining and Test Development. Prepared under the direction of Michael Milanovic /A.L.T.E), Strasbourg: Council of Europe, Language Policy Division. Verfügbar unter http://www.coe.int/T/DG4/Portfolio/documents/Guide%20October%202002 % 20revised%20version1.doc (30. 11. 2009). Council of Europe 2009 Relating Language Examinations to the Common European Framework of Reference for Languages: Learning, Teaching, Assessment (CEF). Manual. Strasbourg: Council of
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XIV. Leistungsmessung und Leistungskontrolle Europe, Language Policy Division. Verfügbar unter http://www.coe.int/T/DG4/Portfolio/ documents/Manual%20Revision%20-%20proofread%20-%20FINAL.pdf (30. 11. 2009).
Europarat 2001 Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: Lernen, lehren und beurteilen. Hrsg. vom Goethe-Institut, der KMK, der EDK und dem BMBWK. Berlin etc.: Langenscheidt. Glaboniat, Manuela 1998 Kommunikatives Testen im Bereich Deutsch als Fremdsprache. Innsbruck etc.: Studienverlag. Glaboniat, Manuela 2002 Schulnoten versus standardisierte Prüfungen ⫺ Gedanken zum Neben- und Gegeneinander schulischer und standardisierter Leistungsmessung im DaF-Bereich. In: Hans Barkowski und Renate Faistauer (Hg.): … in Sachen Deutsch als Fremdsprache, 217⫺230. Baltmannsweiler: Schneider. Glaboniat, Manuela; Martin Müller, Paul Rusch, Helen Schmitz und Lukas Wertenschlag 2005 Profile deutsch A1⫺C2 (Version 2.0). Berlin etc.: Langenscheidt. Van Ek, Jan 1975 The Threshold Level, with an appendix by L.G. Alexander. Strasbourg: Council of Europe. Weir, Cyril 1993 Understanding and Developing Language Tests. New York: Prentice Hall. Zertifikat Deutsch. Lernziele und Testformat (⫽ Lernzielkatalog) 1999 Hrsg. von Weiterbildungs- und Testsysteme GmbH, Goethe-Institut, Österreichisches Sprachdiplom Deutsch, Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren. Quellen für Prüfungen und Prüfungsanbieter (Zugriff am 30. 11. 2009) Goethe-Institut: www.goethe.de ÖSD: www.osd.at telc: www.telc.net TestDaf: www.testdaf.de DSD: www.dsd-kmk.de DSH: Informationen unter www.daad.de oder www.fadaf.de
Manuela Glaboniat, Klagenfurt (Österreich)
145. Sprachprüfungen für Deutsch als Zweitsprache
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145. Sprachprüungen ür Deutsch als Zweitsprache 1. 2. 3. 4. 5.
Einleitung Bundesrepublik Deutschland: Deutschtest für Zuwanderer (dtz ) Österreich: Test des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF-Test) Fazit Literatur in Auswahl
1. Einleitung Sprachprüfungen Deutsch als Fremdsprache haben eine lange Tradition. Es gibt ein Spektrum an standardisierten DaF-Prüfungen für verschiedene Zielgruppen, zu unterschiedlichen Zwecken und auf allen Niveaus des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens (GER) (vgl. Art. 144). Im Gegensatz dazu ist das Angebot an standardisierten Deutsch als Zweitsprache-Prüfungen sehr begrenzt. Allgemeines Merkmal von Zweitsprachenprüfungen ist, dass sie Sprachkompetenzen von Sprachminderheiten in einem Umfeld überprüfen, in dem die entsprechende Sprache die der Bevölkerungsmehrheit ist, und dass die Prüfungsinhalte Bezug auf dieses Umfeld nehmen. Für Zweitsprachenprüfungen sind ebenso viele Varianten denkbar wie für Fremdsprachenprüfungen, jedoch ist weltweit der zunehmend häufigere Kontext für Zweitsprachenprüfungen der Bereich der Regulierung von Zuwanderung und Einbürgerung. Viele Staaten verlangen von Zuwanderern den Nachweis von Kenntnissen in der Nationalsprache. Begründet wird dies damit, dass hinreichende Sprachkenntnisse die Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen und dass über die Sprache eine erfolgreiche Integration in die Aufnahmegesellschaft möglich ist. Oft werden Zweitsprachenprüfungen als Instrument der Zuwanderungsbeschränkung eingesetzt. Auch in den drei deutschsprachigen Ländern gelten seit einigen Jahren Zuwanderungsgesetze. In Deutschland und in Österreich wurden in diesem Kontext in öffentlichem Auftrag Prüfungen entwickelt, in der Schweiz ist eine offizielle Prüfung zum Nachweis von (deutschen) Sprachkenntnissen nicht vorgesehen.
2. Bundesrepublik Deutschland: Deutschtest ür Zuwanderer (dtz ) In der Bundesrepublik Deutschland trat am 01.01.2005 das neue Zuwanderungsgesetz in Kraft. Es schreibt vor, dass Zuwanderer zur Erteilung der Niederlassungserlaubnis u. a. Sprachkenntnisse nachweisen müssen (vgl. § 9 Zuwanderungsgesetz): „(2) Einem Ausländer ist Niederlassungserlaubnis zu erteilen, (…) wenn er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt.“ Als ausreichend werden Kenntnisse auf dem Niveau B1 des GER angesehen. Erworben werden können diese in so genannten Integrationskursen, die die Eingliederung von MigrantInnen in das gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Leben der Bundesrepublik Deutschland fördern sollen (vgl. § 43 Zuwanderungsgesetz). Integrationskurse bestehen aus einem 45-stündigen Orientierungskurs und einem 600-stündigen Sprachkurs. Sie basieren auf einem eigens für die Zielgruppe der Migran-
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XIV. Leistungsmessung und Leistungskontrolle tInnen erarbeiteten Rahmencurriculum (Buhlmann et al. 2007). Der Orientierungskurs wird mit einem Test abgeschlossen, der Sprachkurs mit dem „Deutschtest für Zuwanderer“ (dtz). Der dtz wurde im Auftrag des Bundesinnenministeriums vom Goethe-Institut (München) und der Telc GmbH (Frankfurt), einer Tochtergesellschaft des Deutschen Volkshochschulverbandes, gemeinsam entwickelt. Der dtz ist eine standardisierte skalierte Feststellungs- bzw. Kursabschlussprüfung, die zentral erstellt und dezentral an durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) autorisierten Institutionen durchgeführt wird. Die schriftlichen Prüfungsteile werden zentral (durch die Telc GmbH) ausgewertet, die mündliche Prüfung von lizenzierten PrüferInnen vor Ort durchgeführt und bewertet. Der dtz überprüft sprachliche Kompetenzen auf mehr als einem Niveau, nämlich auf den Stufen A2 und B1 des GER. Er wird in einer Variante für Erwachsene und einer für Jugendliche angeboten.
2.1. Zielgruppe der Prüung Zielgruppe des dtz sind Zuwanderer ab 16 Jahren, die die lateinische Schrift beherrschen. Die KandidatInnen haben freiwillig oder obligatorisch einen Integrationskurs besucht und schließen den Kurs mit dem dtz ab. Zugelassen sind auch MigrantInnen, die nicht an einem Kurs teilgenommen haben.
2.2. Prüungsinhalte Die Prüfungsinhalte basieren auf dem „Rahmencurriculum für Integrationskurse Deutsch als Zweitsprache“ (vgl. o.), welches an der (bundesdeutschen) Lebenswirklichkeit der Zuwanderer orientiert ist. Für das Rahmencurriculum wurden Bedarfsanalysen zur Ermittlung sprachlicher Handlungsfelder, die für MigrantInnen relevant sind, durchgeführt. Ermittelt wurden u. a. die Handlungsfelder Ämter und Behörden, Arbeit, Einkauf, Wohnen. Außerdem wurden fünf Handlungsfelder für übergreifende Kommunikationsbereiche definiert, z. B. Gestaltung sozialer Kontakte, Realisierung von Gefühlen, Haltungen und Meinungen. Auf dieser Basis wurden Lernziele formuliert, von denen ein Kernbereich für die Prüfungsinhalte relevant ist (vgl. Goethe-Institut 2009: 30 ff.), beispielsweise „Kann einfache mündliche Anleitungen verstehen, z. B. zum Gebrauch eines Gerätes“ oder „Kann schriftlichen Aufforderungen der Behörden relevante Informationen entnehmen, z. B. Fristen“.
2.3. Prüungsteile Der dtz besteht aus vier Subtests, in denen die Fertigkeiten, Hören, Lesen, Schreiben und Sprechen getrennt überprüft werden. Der Subtest Hören enthält vier Aufgaben in geschlossenen Formaten mit insgesamt 20 Items. Ziel ist es zu überprüfen, inwieweit die TestteilnehmerInnen in der Lage sind, unterschiedlichen kürzeren Hörtexten selektiv Informationen zu entnehmen. In der ersten Aufgabe werden Telefonansagen oder öffent-
145. Sprachprüfungen für Deutsch als Zweitsprache
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liche Lautsprecherdurchsagen präsentiert, Aufgabe zwei enthält (Kurz-)Informationen aus dem Radio, z. B. einen Wetterbericht. Grundlage der dritten Aufgabe sind vier Gespräche, zu denen jeweils zwei Aufgaben zu lösen sind. In Aufgabe vier bilden verschiedene Meinungsäußerungen zu einem Thema die Textgrundlage, z. B. obligatorischer Kindergartenbesuch. Der Subtest Hören dauert 25 Minuten. Der Subtest Lesen umfasst fünf Aufgaben in geschlossenem Format mit insgesamt 25 Items. Ziel ist es zu überprüfen, inwieweit die TestteilnehmerInnen in der Lage sind, (semi-)authentische Texte unterschiedlicher Länge global bzw. selektiv zu verstehen. Textgrundlage der ersten Aufgabe sind Verzeichnisse, z. B. Kaufhaustafeln. Die KandidatInnen sollen zeigen, dass sie sich im Text orientieren und ihm Informationen entnehmen können. In der zweiten Aufgabe werden mehrere Kurztexte präsentiert, z. B. Kleinanzeigen, denen spezifische Informationen zu entnehmen sind. In Aufgabe drei sind die KandidatInnen gefordert, Mitteilungen oder Briefe global oder detailliert zu verstehen. Die vierte Aufgabe enthält einen längeren Text, etwa einen Beipackzettel zu einem Medikament, dem selektiv Informationen oder Anweisungen entnommen werden sollen. Im fünften Teil des Subtests Lesen müssen einzelne Wörter in einem Brief ergänzt werden. In dieser Aufgabe sind Elemente von Schreibkompetenz enthalten, da die Wörter und Wortformen adressatengerecht ausgewählt werden müssen. Für den Subtest Lesen sind 45 Minuten vorgesehen. Im Subtest Schreiben werden den TeilnehmerInnen zwei Aufgaben zur Auswahl vorgelegt. Anhand von vier Leitpunkten ist eine kurze Mitteilung zu verfassen. Die KandidatInnen sollen zeigen, dass sie in der Lage sind, relativ einfache Korrespondenz auf Deutsch zu führen, etwa eine Entschuldigung für Fehlen im Sprachkurs. Der Prüfungsteil Schreiben dauert 30 Minuten. Der Subtest Sprechen findet in der Regel als Paarprüfung mit zwei PrüferInnen statt. Die KandidatInnen sollen nachweisen, dass sie in Alltagssituationen sprachlich handeln können. Dabei werden monologisches Sprechen und Interaktion gefordert. Die KandidatInnen bearbeiten drei Aufgaben, in denen unterschiedliche Sprachhandlungen zu realisieren sind. In der ersten Aufgabe sollen sie sich vorstellen und auf Fragen des Prüfers reagieren können. Aufgabe zwei fordert von den KandidatInnen, dass sie ⫺ auf der Basis von Text- oder Bildimpulsen ⫺ über Gegebenheiten im Heimatland berichten und diese mit der Situation in Deutschland vergleichen, z. B. Mülltrennung. In der dritten Aufgabe sollen die KandidatInnen gemeinsam etwas planen oder aushandeln, etwa ein Nachbarschaftsfest. Der Subtest Sprechen dauert ca. 10 Minuten pro KandidatIn.
2.4. Bestehensbedingungen Der dtz ist durch komplexe Bestehensbedingungen gekennzeichnet. Die rezeptiven Subtests Hören und Lesen werden in der Bewertung zusammengefasst. Bei einer maximalen Punktzahl von 45 Punkten wird das Ergebnis des rezeptiven Prüfungsteils als A2-Niveau gewertet, wenn 20 Punkte erreicht worden sind. Ab einer Punktzahl von 33 wird ein Prüfungsergebnis auf der Niveaustufe B1 eingeordnet. Die produktiven Prüfungsteile werden ⫺ kriteriumsorientiert ⫺ von zwei Prüfern unabhängig voneinander bewertet. Zur Bewertung des Subtests Schreiben werden die
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XIV. Leistungsmessung und Leistungskontrolle Kriterien Vollständigkeit, kommunikative Gestaltung, Korrektheit und Wortschatz herangezogen, beim Sprechen die Kriterien Aufgabenbewältigung, Intonation/Aussprache, Flüssigkeit, Korrektheit und Wortschatz. Die Prüfer entscheiden bei jedem der qualitativen Kriterien, ob eine Prüfungsleistung dem Deskriptor für A1, A2 oder B1 zuzuordnen ist. Liegt die Mehrheit der gewählten Deskriptoren bei B1, so wird das Ergebnis des Subtests Sprechen bzw. Schreiben dem Niveau B1 zugewiesen, sonst darunter. Zum Prüfungsergebnis tragen die Subtests in unterschiedlichem Maße bei: Besonderes Gewicht kommt dem Sprechen zu. Wenn im Subtest Sprechen und in mindestens einem der schriftlichen Prüfungsteile die Stufe B1 erreicht wurde, wird die gesamte Prüfungsleistung mit B1 bewertet.
3. Österreich: Test des Österreichischen Integrationsonds (ÖIF-Test) In Österreich regelt das Bundesgesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (NAG), das am 01. 01. 2006 in Kraft trat, die Zuwanderung von Menschen, die nicht aus dem EWR-Gebiet stammen (Drittstaatsangehörige). Wollen sich diese MigrantInnen dauerhaft oder längerfristig in Österreich niederlassen, müssen sie deutsche Sprachkenntnisse auf dem Niveau A2 des GER nachweisen, um „am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich“ (NAG § 14) teilnehmen zu können. Dieser Nachweis kann über den ÖIF-Test, der den Abschluss eines Integrationskurses (Modul 2) bildet, erbracht werden. Die Prüfung soll dabei „die Besonderheiten des Sprachenlernens von Migranten sowie deren spezifische Lernvoraussetzungen“ (BGBI.II, Absatz I.5) berücksichtigen. Beim ÖIF-Test, entwickelt vom Österreichischen Integrationsfonds, Fonds zur Integration von Flüchtlingen und Migranten, handelt es sich um eine nach einheitlichen Standards konzipierte Feststellungsprüfung. Die Testsätze werden zentral erstellt, die Prüfungen werden dezentral, an zertifizierten Instituten von zertifizierten PrüferInnen durchgeführt und ausgewertet.
3.1. Zielgruppe der Prüung Zielgruppe des ÖIF-Tests sind erwachsene MigrantInnen, die einen dauerhaften Aufenthalt in Österreich anstreben.
3.2. Prüungsinhalte Die Inhalte der Prüfung basieren auf dem Rahmencurriculum für die Deutsch-Integrationskurse und sind am Alltag der MigrantInnen („Lebensraum Österreich“) orientiert. Es werden authentische Situationen aus dem sozialen und beruflichen Alltag abgebildet (u. a. Wohnen, Arbeit, Beruf/Ausbildung, Einkauf). Die TeilnehmerInnen sind gefordert, dem A2-Niveau entsprechend situationsadäquat zu agieren und reagieren, u. a. die eigene Meinung und Bedürfnisse zu vertrauten Themen zu äußern, Auskünfte einzuholen oder
145. Sprachprüfungen für Deutsch als Zweitsprache
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zu geben. Sie sollen nachweisen, dass sie authentische Texte im Rahmen von Sprachkenntnissen auf A2-Niveau lesend verstehen und Hörtexten in deutlich artikulierter (österreichischer) Standardsprache folgen können.
3.3. Prüungsteile Der ÖIF-Test setzt sich aus vier Subtests (Modulen) zusammen, in denen die Fertigkeiten Lesen, Hören, Schreiben und Sprechen getrennt überprüft werden. Das Modul Lesen umfasst drei geschlossene Aufgaben mit insgesamt 10 Items zu unterschiedlichen Kurztexten. Ziel ist zu überprüfen, inwieweit die TestteilnehmerInnen in der Lage sind, einen Text global, selektiv bzw. detailliert zu verstehen. In den beiden ersten Aufgaben werden jeweils mehrere semi-authentische Kleinanzeigen, z. B. Mietangebote oder Stellenanzeigen, präsentiert, denen Aussagen bzw. Personenprofile zugeordnet werden sollen. Die dritte Aufgabe besteht aus einem kurzen (adaptierten) Zeitungstext zu einem Alltagsthema, z. B. Gesundheit, zu dem Mehrfachwahlaufgaben gestellt werden. Das Modul Lesen dauert 30 Minuten. Das Modul Hören enthält drei Aufgaben in unterschiedlichen Formaten (halb-offen und geschlossen). Ziel ist zu überprüfen, inwieweit die KandidatInnen in der Lage sind, einen kurzen monologischen Hörtext selektiv zu verstehen. In der ersten Höraufgabe sollen Informationen aus einer Mobilbox-Nachricht entnommen und auf einem Notizblatt notiert werden, z. B. Tag und Uhrzeit eines Arzttermins. Basis der zweiten Aufgabe ist eine mündliche Wegbeschreibung, anhand derer die Testteilnehmer den Weg in einem Stadtplan einzeichnen müssen. In der dritten Aufgabe hören die KandidatInnen vier unterschiedliche Kurzmeldungen aus dem Radio, zu denen jeweils eine Mehrfachwahlaufgabe zu lösen ist. Das Modul Hören dauert ca. 20 Minuten. Der Subtest Schreiben besteht aus zwei Aufgaben. Ziel ist es zu überprüfen, inwieweit die KandidatInnen in der Lage sind, ein einfaches Formular mit personenbezogenen Daten auszufüllen. In der ersten Aufgabe sollen fünf Lücken in einem Formular mit den persönlichen Daten des Testteilnehmers ergänzt werden. Die zweite Aufgabe fordert von den KandidatInnen, fünf Ergänzungen für eine fiktive Person in einem Formular vorzunehmen. Die zweite Schreibaufgabe ist anspruchsvoller als die erste, da sie auf zwei Texten basiert, z. B. einer Rechnung und dem dazu gehörenden Überweisungsvordruck, und ein gewisses Maß an Lesekompetenz voraussetzt. Der Subtest Schreiben dauert 20 Minuten. Das Modul Sprechen ist eine Einzelprüfung mit zwei PrüferInnen und enthält drei Aufgaben zum monologischen und dialogischen Sprechen. Ziel ist zu überprüfen, inwieweit die KandidatInnen in der Lage sind, über ihre eigene Person Auskunft zu geben und einen einfachen Alltagsdialog zu führen. Für die erste Aufgabe werden dem Prüfling Impulswörter vorgelegt (z. B. Namen, Ausbildung), anhand derer er über sich Auskunft gibt. In der zweiten Aufgabe soll der Kandidat aus drei Bildkarten, die eine Alltagssituation darstellen (z. B. im Bus), eine auswählen, die dargestellte Situation benennen und einen fiktiven Dialog führen. Die Rolle des Gesprächspartners wird dabei von einem Prüfer übernommen. Im Anschluss daran soll der Kandidat, ausgehend vom Bildimpuls, über die eigene Situation berichten. Das Modul Sprechen dauert ca. 10 Minuten.
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XIV. Leistungsmessung und Leistungskontrolle
3.4. Bestehensbedingungen Der ÖIF-Test gilt als bestanden, wenn in jedem Modul die vorgegebene Mindestpunktzahl erreicht wurde. Dabei tragen die Module in unterschiedlichem Maße zum Bestehen bei: Lesen und Schreiben wiegen weniger als Hören und Sprechen. Wird in einem Modul die Mindestpunktzahl nicht erreicht, so muss der gesamte Test wiederholt werden. Der Zielgruppe und dem A2-Niveau entsprechend wird der formalen Richtigkeit ein weit geringerer Stellenwert zugewiesen als dem erfolgreichen kommunikativen Handeln.
4. Fazit Beide Prüfungen sind vor dem Hintergrund ihrer sozialen und politischen Implikationen zu sehen. Sie wurden unter bestimmten gesetzlichen Vorgaben erstellt, finden in einem institutionellen Rahmen statt und tragen zur Regulierung von Zuwanderung bei. Damit gehören der dtz und der ÖIF-Test in die Kategorie der high stakes tests: Die Testergebnisse bilden die Basis für weitreichende Entscheidungen seitens der Ausländerbehörden. Werden in Deutschland keine Sprachkenntnisse auf B1-Niveau nachgewiesen, wird die Frist zur Erlangung der Niederlassungserlaubnis u. U. nicht verkürzt oder eine beantragte Staatsbürgerschaft wird (vorerst) nicht erteilt. Prüfungen dieser Tragweite haben hohe Anforderungen an die Testgütekriterien zu erfüllen: Sie sollen objektiv, reliabel, valide, aber auch ökonomisch, fair und transparent sein. Die an der Entwicklung des dtz beteiligten Institutionen, beide Mitglied der Association of Language Testers in Europe (ALTE), bekennen sich explizit zum ALTE Code of Practice, in dem Qualitätsstandards von Sprachtests und deren Entwicklung niedergelegt sind, zu deren Einhaltung sich die ALTE-Mitglieder verpflichten. Der Österreichische Integrationsfonds ist kein ALTE-Mitglied, jedoch ist auch hier ein Bemühen zu erkennen, Qualitätsstandards zu erfüllen. Der ÖIF-Test ist aufgrund der geschlossenen Aufgabenformate in den rezeptiven Teilen als ökonomisch und auswertungsobjektiv zu bezeichnen. Die stark gesteuerten Aufgaben in den produktiven Teilen, die ausführlichen Durchführungs- und Auswertungsanleitungen sowie die genauen Bewertungskriterien fördern die Auswertungsobjektivität in den produktiven Testteilen. Für beide Prüfungen sind die Anforderungen klar definiert und dokumentiert. Modellsätze und die Rahmencurricula sind öffentlich zugänglich. Damit sind auch die Anforderungen hinsichtlich der Transparenz erfüllt (zur kritischen Diskussion vgl. Art. 10, Abschnitt 5).
5. Literatur in Auswahl Buhlmann, Rosemarie, Karin Ende, Susan Kaufmann, Angela Kilimann und Helen Schmitz 2007 Rahmencurriculum für Integrationskurse Deutsch als Zweitsprache. München: Goethe-Institut. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Goethe-Institut, Telc 2009 Deutschtest für Zuwanderer. Modellsatz Jugendintegrationskurs. München: Goethe-Institut.
146. Sprachstandsdiagnosen
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Bundesgesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (NAG). Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich, BGBI.I Nr. 100/2005 geändert durch BGBI.I Nr. 157/2005, BGBI.I Nr. 31/2006 und BGBI.I Nr. 99/2006. Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich. Jahrgang 2005. Teil II. Ausgegeben am 27. Dezember 2005. Nr. 449. Integrationsvereinbarungs-Verordnung ⫺ IV⫺V. Bundesrepublik Deutschland Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderergesetz) vom 30. Juli 2004. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2004. Teil I Nr. 41, herausgegeben zu Bonn am 5. August 2004. Europarat 2001 Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: Lehren, lernen, beurteilen. Berlin/München: Langenscheidt. Goethe-Institut/Telc GmbH 2009 Deutschtest für Zuwanderer A2⫺B1. Prüfungsziele, Testbeschreibung. München: GoetheInstitut. Österreichischer Integrationsfonds 2006 ÖIF Modelltest. Kommentierter Modelltest 001. Wien. Österreichischer Integrationsfonds 2006 Testcurriculum. ÖIF-Test. Wien. Schweizerische Eidgenossenschaft 2009 SR 142.20 Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer vom 16. Dezember 2005 (Stand 1. Januar 2009). Link Association of Language Testers in Europe (ALTE): http://www.alte.org/cop/index.php (30. 11. 2009)
Gabriele Kniffka, Freiburg (Deutschland)
146. Sprachstandsdiagnosen 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Sprachdiagnostik: Stellenwert in Wissenschaft und Praxis Sprachdiagnostik im bildungspolitischen Kontext Anforderungen an die Qualität von Sprachdiagnostik Szenarien der Sprachdiagnostik und Anforderungen an die dabei eingesetzten Verfahren Fazit Literatur in Auswahl
1. Sprachdiagnostik: Stellenwert in Wissenschat und Praxis Sprachdiagnostische Tätigkeiten ⫺ also das Beobachten, Interpretieren und Bewerten von sprachlichen Fähigkeiten, Leistungen oder Entwicklungen ⫺ machen einen beträchtlichen Teil der Lehrarbeit aus. Sie werden begleitend zur alltäglichen Unterrichtsroutine
1306
XIV. Leistungsmessung und Leistungskontrolle
ausgeführt, und sie finden im Rahmen von expliziten, oft ritualisierten Momenten des Lehr-Lern-Prozesses statt: bei der Einteilung von Lernenden in Gruppen oder zum Abschluss eines Lehrgangs. Dabei ist man auf das Ermitteln und Interpretieren von Indizien (Indikatoren) angewiesen, um ein Urteil abzugeben: Sprachfähigkeit oder Leistung ist nicht messbar wie Größe, Gewicht oder Geschwindigkeit, sondern es muss von beobachteten Phänomenen auf eine ihnen zugrundeliegende allgemeinere Kompetenz geschlossen werden. Die hohe Praxisbedeutung sprachdiagnostischer Tätigkeiten korrespondiert weder mit einer entsprechend regen Forschung noch mit einer gründlichen Qualifizierung des pädagogischen Personals für die diagnostischen Tätigkeiten. Entwicklungen in den 1970er und 1980er Jahren, hauptsächlich im Kontext der Einschätzung von Deutschkenntnissen zugewanderter Kinder und Jugendlicher, kamen weitgehend zum Erliegen, bis nach der Wende zum 21. Jahrhundert die Aufmerksamkeit für das Thema wieder wuchs ⫺ erneut im Kontext von Migration. In der Ausbildung zum Lehramt wird der Bereich der Sprachdiagnostik im Allgemeinen nach wie vor nur gestreift. Wie kommt es zu dieser Diskrepanz zwischen praktischer Relevanz und wissenschaftlicher Aufmerksamkeit sowie angemessener Qualifikation für die praktischen Tätigkeiten? Zu den Gründen dafür gehört, dass der Bereich der Sprachdiagnostik, einschließlich der Entwicklung der dafür geeigneten Instrumente, traditionell in der Sprachdidaktik und Sprachlehrforschung eher randständig ist. Für den Bereich des fremdsprachlichen Lernens wird die Notwendigkeit, wissenschaftlichen Standards standhaltende Instrumente zur routinemäßigen Überprüfung von Lernprozessen und -Ergebnissen einzusetzen, vielfach nicht gesehen: Die sogenannte Lernzielkontrolle wird gleichsam als dem, was gelehrt wurde, immanent aufgefasst. So werden etwa die Kontroll-Tests zu Lehrbuchlektionen vielfach in den Handreichungen für Lehrende mitgeliefert. Für die Überprüfung fremdsprachlicher Leistungen, die nicht zur Routine des Unterrichtsalltags gehört, hat sich eine Tradition der (semi-)kommerziellen Entwicklung und Verbreitung von Tests etabliert. Ein Beispiel dafür ist die Produktion von Sprachtests und Zertifikaten im Anschluss an den „Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen“, wie sie u. a. von den Goethe-Instituten und ihren internationalen Pendants betrieben werden. Die Expertinnen und Experten für die Entwicklung von Tests für Zertifizierungszwecke haben sich zu einer spezialisierten Vereinigung ALTE ⫺ The Association of Language Testers in Europe zusammengeschlossen, zu deren Zielen die Verbesserung und Sicherung von Standards für die Sprachtestentwicklung gehört, die für die Zertifizierung von Sprachkenntnissen verwendet werden (http://www.alte.org/). Hierneben hat sich ein zweiter Bereich der spezialisierten Beschäftigung mit Sprachdiagnostik in der Spracherwerbsforschung etabliert. Hier werden in der Regel wissenschaftliche Ziele der Beobachtung von Sprachentwicklungsverläufen verfolgt. Die darauf bezogenen Instrumente werden üblicherweise nicht mit der Intention einer Praxisrelevanz entwickelt. Eine Ausnahme hiervon bildet die Ermittlung von Störungen in der kindlichen Sprachentwicklung. Hierfür liegen wissenschaftlich geprüfte, standardisierte Tests vor, die von dafür speziell qualifiziertem Personal in Praxiskontexten eingesetzt und ausgewertet werden können. Zu den bekanntesten Instrumenten für das Deutsche gehört der „Heidelberger Sprachentwicklungstest ⫺ HSET“ (vgl. Grimm und Schöler 21991: 129). Mit Instrumenten wie diesen ist es möglich, eine auf spezifische, eng umgrenzte Aspekte konzentrierte Diagnostik durchzuführen ⫺ wie beispielsweise die Überprüfung des Vorliegens einer Entwicklungsstörung. Sie eignen sich nicht für den Einsatz im üblichen
146. Sprachstandsdiagnosen
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Lehr-Lern-Kontext, in dem es nicht um das Überprüfen spezieller, klar eingegrenzter sprachlicher Phänomene geht, sondern um eine Diagnostik, die die komplexen LehrLern-Prozesse von Sprache(n) unterstützt.
2. Sprachdiagnostik im bildungspolitischen Kontext Die Entwicklung sprachdiagnostischer Verfahren, die für die Unterstützung im LehrLern-Prozess geeignet sind, ist stärker im Bereich Deutsch als Zweitsprache verankert als im Bereich Deutsch als Fremdsprache. Dies ist aufgrund der Kontextbedingungen, in die die Bereiche eingebettet sind, auch leicht nachvollziehbar. Während für das fremdsprachliche Lernen vom Regelfall des kontrollierten sprachlichen Inputs durch Unterricht ausgegangen wird ⫺ auch wenn dies der Realität nur bedingt entspricht ⫺, war bei der Konzeptionierung des zweitsprachlichen Lehrens und Lernens von vornherein die Vorstellung leitend, dass unterrichtlich geleiteter und außerunterrichtlicher, ungezielter sprachlicher Input zusammenkommen. Sprachstand und Sprachentwicklung am Lernenden selbst zu beobachten war naheliegend oder geboten, da es beim Unterrichten ⫺ mindestens den Konzeptionen nach ⫺ darum gehen musste, den ungesteuerten und den durch Unterricht gesteuerten Spracherwerb miteinander in Einklang zu bringen. Trotz dieser Notwendigkeit in der Sache war es eine Zeit lang relativ still um die Entwicklung sprachdiagnostischer Verfahren im Kontext des Deutschen als Zweitsprache. Seit Anfang der 2000er Jahre aber ist ein wahrer Entwicklungseifer zu beobachten. Ausschlaggebend dafür war, dass die Forderung nach verstärkten Maßnahmen der Förderung des Deutschen als Zweitsprache im Anschluss an die Ergebnisse der PISA-Studien auf die Tagesordnung kam. Seit der Studie PISA 2000 wurden zwei sprachbildungsrelevante Ergebnisse breit diskutiert: zum einen der hohe Stellenwert von Sprachfähigkeiten für das schulische Lernen generell; zum anderen der große Nachteil, den Schülerinnen und Schüler mit Migrationsbiographie, die das Deutsche als Zweitsprache lernen, in allen deutschsprachigen Staaten für ihre Bildungschancen besitzen. Zum Ausgleich dieses Nachteils wurden in Deutschland, Österreich und der deutschsprachigen Schweiz Maßnahmen zur Förderung der Deutschkenntnisse etabliert, und zwar im Schwerpunkt im vorschulischen Bildungsraum. Hierhinter steht das ⫺ allerdings unzutreffende ⫺ Verständnis, dass die Frühförderung des Deutschen als Zweitsprache die sprachlichen Bildungsvoraussetzungen so verbessere, dass eine weitere Förderung an der Bildungskarriere entlang überflüssig werde (zur Kritik dieses Verständnisses, vgl. Gogolin 2007). Die Entwicklung sprachdiagnostischer Verfahren war eine Folge dieser Ereignisse: Es wurde bildungspolitisch die Notwendigkeit gesehen, Entscheidungshilfen dafür zu erhalten, ob ein Kind einen Anspruch auf Aufnahme in eine (Früh-)Fördermaßnahme erhalten sollte oder nicht. In einigen deutschen Bundesländern wurde der Anspruch in eine Verpflichtung uminterpretiert: Hier sollte mit Hilfe von Sprachstandsmessungen ermittelt werden, ob Kinder aufgrund unzureichender Deutschkenntnisse vor Schuleintritt ⫺ spätestens im fünften Lebensjahr ⫺ eine Maßnahme der Deutschförderung besuchen müssen. Vor diesem Hintergrund kam es vor allem in Deutschland zu sprachdiagnostischen Entwicklungen in bildungspolitischem Auftrag; ein sehr bekannt gewordenes Beispiel hierfür ist das im Land Nordrhein-Westfalen eingesetzte Verfahren „Delfin 4“, mit dem seit 2007 jährlich eine flächendeckende Untersuchung der Deutschkenntnisse der vierjäh-
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XIV. Leistungsmessung und Leistungskontrolle rigen Landeskinder durchgeführt wird, um „Förderbedürftige“ zu ermitteln und den Fördermaßnahmen zuzuführen (vgl. Fried 2009). Parallel zu diesen bildungspolitischen Auftragsarbeiten entfalteten sich verstärkt wissenschaftliche Aktivitäten, die darum bemüht sind, gesicherte Grundlagen für die Entwicklung von sprachdiagnostischen Verfahren zu gewinnen und Standards für ihre Qualität zu formulieren. Der Stand der Dinge mit Bezug auf das Deutsche wurde in einem umfassenden Gutachten dokumentiert, in dem neben Übersichten über vorhandene Verfahren und deren Einschätzung ein Referenzmodell für Phasen des Sprachausbaus vorgestellt wird, das der künftigen Entwicklung sprachdiagnostischer Verfahren zugrunde gelegt werden kann; allerdings steht eine empirische Absicherung dieses Modells noch aus (Ehlich 2005). Kennzeichnend für diese grundlegende Arbeit ebenso wie für andere jüngere Entwicklungen ist, dass der Blick nicht nur auf die Lernenden des Deutschen als Zweitsprache gerichtet wird, sondern auch auf jene, die einsprachig im Deutschen leben. Dahinter steht die Vermutung, dass eine zunehmende Zahl einsprachig lebender Kinder kein sprachanregungsreiches Milieu erlebt, so dass auch sie Schwierigkeiten haben, schulischen Sprachanforderungen gerecht zu werden. Allerdings zeigt der Beitrag von Reich (2005) im erwähnten Band klar auf, dass Verfahren unterschiedliche Anforderungen erfüllen müssen ⫺ je nachdem, ob sie bei einsprachigen oder bei zwei- bzw. mehrsprachigen Kindern eingesetzt werden.
3. Anorderungen an die Qualität von Sprachdiagnostik Das Problem der Qualität von Verfahren der Sprachdiagnostik, das direkt mit ihrer Aussagekraft verbunden ist, wird in der Bildungspraxis oft unterschätzt. Hier ist es üblich, zwischen sogenannten formellen und informellen Verfahren der Diagnostik zu unterscheiden. Mit informell werden Vorgehensweisen bezeichnet, die meist mehr oder weniger spontan entwickelt und eingesetzt werden. Bei diesen ist weder daran gedacht noch praktisch möglich, eine Güteprüfung vorzunehmen. Ohne solche Prüfung aber ist die Aussagekraft der erzielten Ergebnisse ungesichert. Man erhält zwar ein Resultat, aber es gibt keine fundierten Anhaltspunkte für Antworten auf die Frage, was genau dieses Resultat eigentlich bedeutet ⫺ anders gesagt: Man erzeugt die Illusion einer relevanten Information über den Sprachstand einer lernenden Person. Als formelle Verfahren werden solche aufgefasst, deren Güte in angemessener Weise kontrolliert wurde und die sich zum wiederholten Einsatz eignen. Sie werden deshalb auch als standardisierte Verfahren bezeichnet; damit ist angezeigt, dass sie in einer Form vorliegen, die ihren wiederholten (standardmäßigen) Einsatz erlaubt. Üblich ist es im pädagogischen Alltagsjargon, beide Typen von Verfahren auch als Tests zu etikettieren. Dies ist nicht angemessen. Mit dem Begriff Test verbinden sich Ansprüche an eine Güteprüfung, die nicht hintergangen werden dürfen. Die wissenschaftliche Güteprüfung eines sprachdiagnostischen Verfahrens nach den Regeln der Kunst verbindet sich traditionell mit der Überprüfung von drei hierarchischen Anforderungsbereichen: Objektivität; Reliabilität und Validität (vgl. Artikel 143). Sprachdiagnostische Verfahren gehören zu der größeren Klasse der Verfahren zur Kompetenzfeststellung (vgl. Prenzel, Gogolin und Krüger 2008). Bei ihrer Konstruktion ist es erforderlich, vorweg genau zu bestimmen, an welcher Bezugsnorm das Ergebnis gemessen werden soll. Hier gibt es drei Möglichkeiten:
146. Sprachstandsdiagnosen
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⫺ eine soziale Norm; sie erlaubt den Vergleich des Resultats mit den Resultaten der Angehörigen einer definierten Gruppe (also z. B. einer Schulklasse); ⫺ eine kriteriale Norm; hier wird der Vergleich mit einem allgemeingültigen Kriterium ermöglicht (also z. B. einer empirisch geprüften Auskunft darüber, über welche Sprachfähigkeiten Kinder einer bestimmten Altersgruppe normalerweise verfügen); ⫺ eine ipsative Norm; hier geht es um den Vergleich von Resultaten einer Person, die entweder zu verschiedenen Zeitpunkten oder zu verschiedenen Kompetenzbereichen überprüft wird. Es kann also entweder um die Frage gehen, welche Entwicklungen bei dieser Person im gemessenen Leistungsbereich über eine Zeitspanne hinweg verzeichnet werden können, oder darum, ob eine Person in den Leistungsbereichen X und Y ähnlich oder unterschiedlich abschneidet. Sprachdiagnostisch relevante Fragen sind z. B., ob eine Person im rezeptiven Bereich, also beim Verstehen, andere Fähigkeiten zeigt als im Produktiven, also bei Sprechen oder Schreiben. Nicht nur aus formalen, sondern auch aus inhaltlichen Gründen sind sog. informelle Verfahren in der Regel ungeeignet für fundierte Aussagen über Sprachstand oder Sprachentwicklung eines Menschen ⫺ mit Ausnahme der Situation, in der die Überprüfung genau identisch ist mit dem sprachlichen Input, der vorab gegeben wurde (also z. B. beim Abfragen von Vokabeln; dies würde aber auch bei großzügiger Auslegung üblicherweise nicht zur Sprachdiagnostik gerechnet). Zu den Gründen dafür gehört die Komplexität des Geschehens bei der Diagnose sprachlicher Fähigkeiten. Wenn die Verfahren nicht nach den Regeln der Kunst entwickelt sind, besteht zum einen die Gefahr, dass etwas überprüft wird, das mit Blick auf die intendierte Zielsetzung der Prüfung irrelevant ist. Ein Beispiel hierfür ist das in der Praxis oft beobachtbare Vorgehen, dass das Auftauchen spezieller sprachlicher Formen ⫺ etwa Artikel oder Pronomen ⫺ kontrolliert wird, weil diese der Beobachtung leicht zugänglich sind. Dabei wird die Relevanz der Verwendung dieser Formen für Aussagen über Sprachkompetenz oft unterstellt, aber weder sichergestellt, dass sie für die Sprachentwicklung in einem bestimmten Erwerbsalter auch tatsächlich gegeben ist, noch hinterfragt, ob sie in bestimmten situativen Kontexten als Äußerungen überhaupt erwartet werden können. Zum anderen besteht bei sog. informellen Verfahren die Gefahr, dass die Aufgabe, sprachliche Phänomene zu identifizieren und richtig einzuschätzen, zu vielschichtig und daher nicht angemessen bewältigbar ist. Beispiele hierfür bieten die zahlreichen Beobachtungsverfahren, die in der Literatur beschrieben oder die zum Kauf angeboten werden. Hier ist das Risiko hoch, dass das komplexe Sprachgeschehen, das beobachtet werden soll, verzerrt wahrgenommen wird, weil die Beobachtungsaufgabe selbst die Kompetenz der Beobachtenden übersteigt. Schulz, Kersten und Kleissendorf (2009) diskutieren solche Verzerrungen am Beispiel des Beobachtungsverfahrens SISMIK (Ulich und Mayr 2003) ⫺ eines Verfahrens, das von Erzieherinnen in Kindertagesstätten eingesetzt werden soll. Zur Illustration dient eine Beispielaufgabe aus dem Fragebogen zu SISMIK: „Im Hauptsatz steht das Verb an der richtigen Stelle, z. B. ,der macht immer so‘, ,… ich habe Durst‘, ,… ich muss (auf die) Toilette‘ a) nie, b) selten, c) manchmal, d) häufig, e) das Kind bildet keine Sätze.“ Schulz, Kersten und Kleissendorf weisen darauf hin, dass es nicht nur eines gründlichen Wissens über den linguistischen Hintergrund solcher Äußerungen bedarf ⫺ etwa: eines
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XIV. Leistungsmessung und Leistungskontrolle Bewusstseins für die Differenz der Verbstellung in Haupt- und Nebensätzen ⫺, sondern auch einer gezielten Quantifizierung von Situationen, in denen ein beobachtetes Kind entsprechende Äußerungen potentiell tun kann; ohne diese ist die Aufforderung zur Einschätzung der Häufigkeit des Vorkommens unsinnig (vgl. Schulz, Kersten und Kleissendorf 2009: 130). Hinzu kommt, dass die dieser Beobachtungsaufgabe implizite kriteriale Norm fragwürdig ist. Die Beobachtung soll dem mündlichen Sprachverhalten von Kindern gelten. Im Mündlichen ist es aber (nicht nur bei Kindern) durchaus üblich, pragmatisch angemessene satzförmige Äußerungen ohne Verb zu formulieren oder das Verb in einer quasi infinitivischen Form zu verwenden. Schulz, Kersten und Kleissendorf (2009: 129) nennen als Beispiel die Verwendung des Imperativstils: Die Aufforderung „Reinkommen, Jacke ausziehen“ als Äußerung einer Lehrerin, die Kinder bewegen will, vom Pausenhof in die Klasse zu kommen, ist dem Kontext angemessen und in diesem Sinne korrekt. In sprachdiagnostischen Beobachtungen und unzulänglichen Verfahren aber wird nicht selten eine pragmatisch unangemessene Form als die gesuchte angenommen. Eine übliche Testfrage könnte etwa lauten: „Was macht das Kind?“ Als „korrekt“ vorgegeben wird eine Antwort des Typs: „(Das Kind / Es) zieht die Jacke aus“. Pragmatisch angemessen und im Mündlichen geläufig wäre aber auch hier die Antwort: „Jacke ausziehen“. Es sind mithin zahlreiche Stolpersteine aufgestellt, was die Qualität von sprachdiagnostischen Verfahren und die Aussagekraft ihrer Ergebnisse anbelangt. In der Praxis benötigen Fachkräfte, die sie einsetzen, nicht nur fundiertes linguistisches Wissen, sondern darüber hinaus zumindest Grundkenntnisse der Psychometrie ⫺ also des Wissenschaftsbereichs, dessen Methodenrepertoire für die Güteprüfung relevant ist ⫺, damit es nicht zu unbrauchbaren oder gar unsinnigen Resultaten der Sprachdiagnostik kommt.
4. Szenarien der Sprachdiagnostik und Anorderungen an die dabei eingesetzten Verahren Der angemessene Einsatz von Verfahren der Sprachdiagnostik in der Praxis ist also von der Güte der Verfahren ebenso wie von der Qualifikation der sie einsetzenden Fachkräfte abhängig. Da das Thema in der Ausbildung bislang randständig ist, wird es vor allem auf breit angelegte Weiterbildung ankommen, um den Bedarf der Praxis zu decken. Entsprechende Aktivitäten sind vorerst vor allem im Bereich der Qualifizierung für den Elementarbereich zu finden; hier folgen die Angebote den bildungspolitischen Prioritätensetzungen (vgl. als Beispiele Jampert et al. 2009; Reich 2008). Eine Hilfestellung für die Praxis sind Szenarien des Einsatzes von Verfahren, in denen die jeweilige Eignung der sprachdiagnostischen Verfahren angezeigt wird.
Szenario 1: Screening Unter Screening (Reihenuntersuchung) versteht man die Testung einer größeren Zahl von Probanden mit dem Ziel, bestimmte Risiken abzuschätzen. Am bekanntesten sind Screenings aus der Medizin: Hier werden sie eingesetzt, um Krankheiten frühzeitig zu diagnostizieren oder Krankheitsrisiken zu ermitteln.
146. Sprachstandsdiagnosen
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Im Bereich der Sprachdiagnostik ist der Begriff Screening im Zusammenhang mit den bildungspolitischen Aktivitäten populär geworden, die dazu führen sollen, dass Kinder ⫺ insbesondere mit Migrationsbiographie ⫺ möglichst frühzeitig in Sprachfördermaßnahmen aufgenommen werden. In den meisten deutschen Bundesländern werden inzwischen bei Vier- oder spätestens Fünfjährigen solche Verfahren durchgeführt, teilweise flächendeckend, teilweise nur bei ausgewählten sogenannten Risikogruppen. Ein öffentlich breit und kontrovers diskutiertes Screening-Verfahren ist das erwähnte nordrhein-westfälische „Delfin 4“. Kennzeichnend für Screenings ist, dass sie zu einer ja- oder nein-Antwort führen müssen: etwa zu der Aussage, ob Förderbedarf besteht oder nicht. Sie müssen ferner sehr ökonomisch, d. h. ohne großen Zeitaufwand durchführbar und auswertbar sein, da es in der Regel um den Einsatz bei größeren Gruppen geht. Voraussetzung für ihren Einsatz ist, dass sie standardisiert und normiert sind ⫺ sie müssen also eine den Regeln der Kunst gemäße Güteprüfung durchlaufen haben, und sie müssen die Norm, an der gemessen ein Risiko oder eine Abweichung identifiziert wird, eindeutig erklären. Der Vorzug von Verfahren für Screenings ⫺ vorausgesetzt, sie erfüllen die Qualitätsanforderungen ⫺ besteht darin, rasch zu einem begründeten Urteil zu kommen: Die Werte eines Probanden liegen über oder unter einer festgelegten Grenze oder Norm. Dieser Vorzug ist zugleich ihr Nachteil mit Blick auf den Einsatz im Kontext der Sprachförderung, sei es im Unterricht von Gruppen oder im Einzelfall. Die mit screening-geeigneten Verfahren verbundenen Ansprüche erlauben es nicht, differenziert über die Sprachfähigkeiten der Getesteten Auskunft zu geben; dem stehen die Wünsche nach zeitsparendem Einsatz und Eindeutigkeit der Ergebnisformulierung entgegen. Eindeutigkeit wird dadurch erreicht, dass ein zusammenfassendes Maß formuliert wird (z. B. 30 von 100 Punkten ⫽ Förderbedarf). Darin aber gehen die differenzierten Auskünfte über die vom Getesteten aktualisierten sprachlichen Mittel verloren, an die bei der Förderung oder im Unterricht angeknüpft werden kann.
Szenario 2: Diagnostik als Grundlage der Förder- oder Unterrichtsplanung ür Deutsch als Zweitsprache Bei der Sprachdiagnostik, die der Gestaltung von Förderung oder Unterricht zugrunde gelegt werden kann, ist es das Ziel, möglichst genaue Kenntnisse über die sprachlichen Voraussetzungen zu erlangen, die Lernende für das, was gelehrt werden soll, mitbringen. Es soll sich ein Bild von den spezifischen Eigenschaften ergeben, die das sprachliche Wissen und Können des Probanden in einem gegebenen Augenblick und im Hinblick auf ein Ziel mitbringen. Sprachdiagnostik mit diesem Zweck wird auch als pädagogische Diagnostik oder Förderdiagnostik bezeichnet. Im Kontext des Deutschen als Zweitsprache ist Bestandsaufnahme der sprachlichen Fähigkeiten am Anfang einer Maßnahme ein verbreiteter Fall, also z. B. bei Aufnahme in einen Kindergarten oder eine Schulklasse. Je allgemeiner das Förder- oder Unterrichtsziel gehalten ist, desto breiter muss die Auskunft sein, die sich durch ein Verfahren gewinnen lässt. Sprachliches Wissen und Können umfasst verschiedene sprachliche Teilbereiche; sprachwissenschaftlich unterschieden werden die Bereiche der Lautung (Phonologie), der Bedeutung (Semantik), der Wortbildung (Morphologie) und der Bildung von Satzstrukturen (Syntax). Um eine Aus-
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XIV. Leistungsmessung und Leistungskontrolle kunft über die Sprachfähigkeiten eines Getesteten zu erlangen, müsste aus jedem dieser Bereiche ein repräsentativer Ausschnitt abgeprüft werden. Zudem ist nach dem situativen Charakter einer Sprachverwendung zu differenzieren. So ist es unangemessen, eine Norm des Schriftdeutschen anzulegen, wenn die Fähigkeit zur mündlichen Sprachproduktion überprüft werden soll. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die verschiedenen sprachlichen Teilbereiche nicht unbedingt füreinander repräsentativ sind. So kann etwa von der Sprachverstehensleistung eines Getesteten nicht auf seine Fähigkeit zur Sprachproduktion geschlossen werden und umgekehrt. Für schulische Erfolgschancen besonders relevant ist es, dass von der Beherrschung eines sprachlichen Registers nicht auf andere Register geschlossen werden kann. Das Verfügen über alltägliche Verständigungsfähigkeit ist z. B. nicht aussagekräftig im Hinblick auf die Frage, ob ein Lernender die spezifischen Redemittel der schulischen Lernbereiche oder Fächer, also „bildungssprachliche“ Fähigkeiten, besitzt (Gogolin 2006). Die Komplexität des Sprachgeschehens und die linguistische Expertise, die für seine Einschätzung erforderlich sind, lassen es ratsam erscheinen, in ihrer Qualität geprüfte Verfahren, deren Reichweite genau benannt ist, bei der Sprachdiagnostik im Kontext von Förder- oder Unterrichtsplanung einzusetzen. Der Vorzug dieser Verfahren ist es, dass eine wohlfundierte Interpretation der Ergebnisse und Einschätzung ihrer Aussagekraft möglich ist. Als Nachteil kann angesehen werden, dass ihre Durchführung mit einigem Zeitaufwand verbunden ist. ⫺ Bedauerlicherweise ist die Auswahl an solchen Verfahren nicht groß: Zwar existiert eine große Menge an Angeboten, aber nur ein kleiner Teil der Instrumente hat angemessene Güteprüfungen durchlaufen (vgl. Übersicht über den Stand der Entwicklung bei Lengyel, Reich, Roth und Döll 2009). Bei der Auswahl eines Verfahrens zum Deutschen als Zweitsprache ist es ein Qualitätskriterium, ob bei der zugrunde gelegten Norm angemessen berücksichtigt ist, dass sich die Spracherwerbskonstellationen einsprachiger und zweisprachiger Getesteter grundlegend unterscheiden. Schulz, Kersten und Kleissendorf (2009: 133⫺134) machen auf den wichtigen Aspekt der Dauer des Sprachkontakts aufmerksam, der bei der Interpretation von Diagnoseergebnissen zu beachten ist. Für Lerner des Deutschen als Zweitsprache ist es nicht angemessen, eine an einsprachigen Lernenden entwickelte Altersnorm als Maßstab zu verwenden; vielmehr muss die Dauer der Kontaktzeit mit der Zweitsprache berücksichtigt werden.
Szenario 3: Diagnostik zum Zwecke grundlegender Aussagen über die Sprachkompetenz Zweisprachiger Ein weiterer Gesichtspunkt bei der Auswahl eines Verfahrens ist die Zweisprachigkeit selbst: Wenn es das Ziel einer Diagnose ist, grundlegende Aussagen über die generelle Sprachfähigkeit der Probranden zu treffen, ist es erforderlich, dass beide Sprachen in die Prüfung einbezogen werden (vgl. hierzu Reich 2005). Spracherwerbstheoretische Erkenntnisse besagen, dass die Sprachfähigkeiten Zwei- oder Mehrsprachiger nicht als voneinander getrennte Systeme aufzufassen sind. Vielmehr stehen sie miteinander in Kontakt, und es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass sie einander wechselseitig beeinflussen. So muss ein zweisprachiger Mensch nur einmal das grundlegende Konzept der Zeit erwerben ⫺ also beispielsweise das Wissen darüber, dass man etwas als in der Vergangenheit, der Gegenwart oder der Zukunft geschehend ausdrücken kann. Bei weiteren Spra-
146. Sprachstandsdiagnosen
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chen muss dann nicht mehr das Konzept als solches erworben werden, sondern es geht lediglich noch um die einzelsprachlich unterschiedlichen Weisen, das Konzept zum Ausdruck zu bringen (Tracy 2007). Um also Grundlegendes über die Sprachkompetenz Zweisprachiger zu erfahren, ist es notwendig, ihre Fähigkeiten in beiden Sprachen vergleichend zu beurteilen. Auch hierbei sollten nach den Regeln der Kunst geprüfte Instrumente zum Einsatz kommen, bei deren Entwicklung berücksichtigt wurde, dass in beiden Sprachen einander funktionale Äquivalente überprüft werden. Bei der Güteprüfung der Verfahren ist zudem das Problem der angemessenen Normierung zu berücksichtigen. Für beide Sprachen gilt: Ein Verfahren, das an einer einsprachig in einsprachigem Kontext lebenden Stichprobe normiert worden ist, ist für den Einsatz bei Kindern, die dieselbe Sprache als Zweisprachige in einer mehrsprachigen Umgebung erlernen, ungeeignet. Diese Qualitätsansprüche erfüllen im deutschsprachigen Raum bis dato nur einzelne Verfahren (vgl. Reich, Roth und Neumann 2007). Hier besteht eine besonders empfindliche Lücke in Forschung und Entwicklung.
5. Fazit Sprachdiagnostische Tätigkeiten erfordern ein vertieftes Wissen über linguistische Zusammenhänge ⫺ etwa über Gesetzmäßigkeiten des Spracherwerbs, über die Gestalt der Sprache selbst, über die Vielfalt, die Funktionsweisen und die Bedeutung der unterschiedlichen Register für Sprachaneignung und Sprachgebrauch. Hierfür müssen Pädagoginnen und Pädagogen gründlich qualifiziert werden. Dies gilt auch für den Fall, dass in ihrer Qualität geprüfte Instrumente zur Verfügung stehen, die bei der sprachdiagnostischen Tätigkeit Hilfestellung leisten. Die Einschätzung der Angemessenheit für einen gegebenen Einsatzzweck, die adäquate Durchführung, Auswertung und Interpretation der Ergebnisse sind nur möglich, wenn hierfür profunde Kenntnisse mitgebracht werden. Die vielfach an sprachdiagnostische Verfahren geknüpfte Erwartung, dass sie ohne weiteres von nur oberflächlich qualifizierten Personen sinnvoll eingesetzt werden können, ist nicht erfüllbar ⫺ ebenso wenig wie die Erwartung, mittels ungeprüfter (informeller) Verfahren, deren Einsatz wenig Zeit und Aufwand kostet, verlässliche sprachdiagnostische Ergebnisse zu erzielen. Es sind also erhebliche Investitionen zu leisten, bis davon gesprochen werden kann, dass im sprachdiagnostischen Feld ein zufriedenstellender Stand erreicht ist.
6. Literatur in Auswahl Ehlich, Konrad 2005 Anforderungen an Verfahren der regelmäßigen Sprachstandsfeststellung als Grundlage für die frühe und individuelle Förderung von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund. Bonn: Bundesministerium für Bildung und Forschung. Fried, Lilian 2009 Sprachkompetenzmodell Delfin 4. Testmanual. Dortmund: Technische Universität; auch unter http://www.delfin4.fb12.uni-dortmund.de/; Juli 2009.
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XIV. Leistungsmessung und Leistungskontrolle
Gogolin, Ingrid 2006 Bilingualität und die Bildungssprache der Schule. In: Paul Mecheril und Thomas Quehl (Hg.), Die Macht der Sprachen. Englische Perspektiven auf die mehrsprachige Schule, 79⫺ 85. Münster etc: Waxmann. Gogolin, Ingrid 2007 Institutionelle Übergänge als Schlüsselsituationen für mehrsprachige Kinder. Expertise für das Deutsche Jugendinstitut. Hamburg: Universität Hamburg. Grimm, Hannelore und Hermann Schöler 2 1991 Heidelberger Sprachentwicklungstest HSET. Göttingen: Hogrefe; auch unter http://www. testzentrale.de/?id⫽1&mod⫽detail; Juli 2009. Jampert, Karin, Anne Zehnbauer, Petra Best, Andrea Sens, Kerstin Leuckefeld und Mechthild Laier (Hg.) 2009 Kinder-Sprache stärken! Sprachliche Förderung in der Kita: das Praxismaterial. Weimar/ Berlin: Verlag das Netz. Lengyel, Drorit, Hans H. Reich, Hans-Joachim Roth und Marion Döll (Hg.) 2009 Von der Sprachdiagnose zur Sprachförderung. Münster etc.: Waxmann. Prenzel, Manfred, Ingrid Gogolin und Heinz-Hermann Krüger (Hg.) 2008 Kompetenzdiagnostik. (Zeitschrift für Erziehungswissenschaft. Sonderheft. 08/2007). Wiesbaden: VS Verlag. Reich, Hans H. 2005 Forschungsstand und Desideratenaufweis zu Migrationslinguistik und Migrationspädagogik für die Zwecke des „Anforderungsrahmens“. In: BMBF (Hg.), Anforderungen an Verfahren der regelmäßigen Sprachstandsfeststellung als Grundlage für die frühe und individuelle Förderung von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund, 121⫺169. (Reihe Bildungsreform Band 11). Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung. Reich, Hans H. 2008 Sprachförderung im Kindergarten. Grundlagen, Konzepte und Materialien. Weimar/Berlin: Verlag das Netz. Reich, Hans H., Hans-Joachim Roth und Ursula Neumann (Hg.) 2007 Sprachdiagnostik im Lernprozess. Verfahren zur Analyse von Sprachständen im Kontext von Zweisprachigkeit. Münster etc.: Waxmann. Schulz, Petra, Anja Kersten und Barbara Kleissendorf 2009 Zwischen Spracherwerbsforschung und Bildungspolitik: Sprachdiagnostik in der frühen Kindheit. Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation (ZSE) 29(2): 122⫺ 140. Tracy, Rosemarie 2007 Wie Kinder Sprachen lernen. Und wie wir sie dabei unterstützen können. Tübingen etc: Francke. Ulich, Michaela und Toni Mayr 2003 SISMIK. Sprachverhalten und Interesse an Sprache bei Migrantenkindern in Kindertageseinrichtungen. Freiburg: Herder.
Ingrid Gogolin, Hamburg (Deutschland)
147. Portfolios und informelle Leistungsdiagnosen
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147. Portolios und inormelle Leistungsdiagnosen 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Einleitung: Lernen und Beurteilung mit Portfolios Das Europäische Sprachenportfolio als Konzept Das Europäische Sprachenportfolio und informelle Leistungsdiagnosen Das Europäische Sprachenportfolio und eine neue Beurteilungskultur Schluss: Zukunftsaussichten Literatur in Auswahl
1. Einleitung: Lernen und Beurteilung mit Portolios „Ein Portfolio bezeichnet eine sinnvolle Sammlung von Arbeiten, mit denen Engagement, Leistungen, Erkenntnisse und Entwicklungen in einem oder mehreren Lernbereichen transparent gemacht werden“ (Müller 2005: 9⫺10). Wie diese Definition impliziert, kann ein Portfolio in dieser allgemeinen pädagogischen Bedeutung dreierlei Funktionen erfüllen. Erstens kann es dazu dienen, den Lernprozess zu strukturieren; so können Lernende z. B. ein Portfolio verwenden, um die Materialien, welche sie für ein bestimmtes Projekt zusammentragen, zu sammeln und zu gestalten. Zweitens kann es die Grundlage für eine Beurteilung liefern, die das Lernen als Produkt ebenso wie als Prozess in den Mittelpunkt stellt; diese Funktion setzt voraus, dass Schüler im Voraus über die Beurteilungskriterien informiert sind. Drittens können Portfolios dazu verwendet werden, Lernerfolge zu präsentieren. Die Konzepte des Portfolio-Lernens sowie der Portfolio-Beurteilung erlangten zum ersten Mal in den Vereinigten Staaten Bedeutung, wo sie in Opposition zur Beurteilung durch standardisierte Tests entwickelt wurden. Die Befürworter der Portfolios argumentierten, dass standardisierte Tests wenig dazu beitrügen, den Lernvorgang zu unterstützen, sondern im Gegenteil die Annahme förderten, dass Lehren/Lernen und Testen grundverschiedene Aktivitäten seien. Portfolios dagegen ermöglichen es, Lernen und Beurteilung in eine positive Interaktion zueinander zu setzen: Die Beurteilung des Lernens kann auch eine Beurteilung für das Lernen sein. Sie verkörpern daher eine Philosophie, die mit der Diskussion „formativer Bewertung“, die im Großbritannien der 1990er Jahre (Black und Wiliam 1998) lanciert wurde, sowie mit dem in vielen europäischen Ländern aktuellen Interesse am dialogischen Lernen (z. B. Winter 2004; Alexander 2006; Ruf, Keller und Winter 2008) eng verwandt ist. In der Sprachpädagogik wurde der Gebrauch von Portfolios, und insbesondere von Lerntagebüchern, in enge Verbindung mit der Förderung von reflexivem Lernen und Lernerautonomie gebracht (z. B. Dam 1995). Wie in anderen pädagogischen Bereichen blieb diese Herangehensweise bisher das Interesse und die Leistung einer Minderheit. Im Lauf der ersten zehn Jahre des 21. Jahrhunderts jedoch hat das Europäische Sprachenportfolio (ESP) des Europarates dem Portfolio-Lernen und der Portfolio-Beurteilung zu einer weiteren Verbreitung verholfen, obwohl seine Wirkung auf den Unterrichtsraum nach wie vor zu wünschen übrig lässt. Dieser Artikel beschäftigt sich aus drei Gründen mit dem ESP: Es ist ausführlicher durchdacht als andere Portfolio-Konzepte und ist auf einzigartige Weise auf den Spracherwerb zugeschnitten; als pädagogisches Werkzeug unterstützt es Formen des reflexiven Lernens auf innovative Art; und es liefert als alter-
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XIV. Leistungsmessung und Leistungskontrolle natives Beurteilungsinstrument triftige Gründe für die Entwicklung einer neuen Beurteilungskultur, zumindest im Sprachunterricht. Der Artikel ist dementsprechend in drei Hauptabschnitte unterteilt: das ESP als Konzept, das ESP als pädagogisches Werkzeug, und das ESP als Schlüsselkomponente für eine neue Sichtweise auf die Beurteilung von Zweit-/Fremdsprachenkompetenz.
2. Das Europäische Sprachenportolio als Konzept Das Europäische Sprachenportfolio hat drei obligatorische Komponenten: einen Sprachenpass, eine Sprachenbiographie und ein Dossier. Der Sprachenpass fasst die sprachliche Identität seines Inhabers oder seiner Inhaberin zu bestimmten Zeitpunkten zusammen, indem er erlernte Zweit-/Fremdsprachen, formale Sprachqualifikationen, für den Zweit-/Fremdsprachengebrauch wichtige Erfahrungen und die Beurteilung des Inhabers/ der Inhaberin seines/ihres aktuellen Leistungsstandes in Zweit-/Fremdsprachen kurz dokumentiert. Die Sprachenbiographie dient dazu, Sprachlernziele zu setzen, Fortschritte zu überwachen, Ergebnisse zu beurteilen und über verschiedene Dimensionen des Spracherwerbs und Sprachgebrauchs zu reflektieren, darunter der Aspekt der Interkulturalität und des Lernen-Lernens. Das Dossier kann entsprechend der Bedürfnisse und Prioritäten spezieller Kontexte gestaltet werden; es enthält immer praktisches Beweismaterial, um die Selbstbeurteilung, welche in der Sprachenbiographie und im Sprachenpass dokumentiert ist, zu stützen. Das ESP ist dahingehend konzipiert, eine protokollierende und eine pädagogische Funktion zu haben. In seiner protokollierenden Funktion ergänzt es die Zertifikate und Diplome, die auf der Basis formaler Prüfungen verliehen werden, indem es zusätzliche Informationen über die Sprachlernerfahrung des Inhabers/der Inhaberin sowie konkrete Nachweise von Zweit-/Fremdsprachenkompetenz und -leistungen liefert. Darüber hinaus erlaubt es dem Inhaber/der Inhaberin, Sprachlernerfahrungen sowohl außerhalb als auch innerhalb des formalen Bildungssystems zu dokumentieren. In seiner pädagogischen Funktion soll das ESP Mehrsprachigkeit fördern, kulturelles Bewusstsein anheben, den Sprachlernprozess für den Inhaber/die Inhaberin transparenter machen und das Entstehen von Lernerautonomie anregen. Die protokollierende und pädagogische Funktion stehen offensichtlich in engem Zusammenhang und gehen im kontinuierlichen Prozess der Selbstbeurteilung, der für einen effektiven ESP-Gebrauch grundlegend ist, ineinander über. Der Anstoß zur Entwicklung des ESP ging vom Europaratssymposium in Rüschlikon („Transparency and coherence in language learning in Europe“, Council for Cultural Cooperation 1992) im Jahr 1991 aus. Dort wurde die Empfehlung ausgesprochen, dass der Rat für kulturelle Kooperation des Europarats die Entwicklung eines Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER) fördern und einen Arbeitskreis ins Leben rufen sollte, um mögliche Formen und Funktionen eines Europäischen Sprachenportfolios zu erwägen. Selbstbeurteilung im Rahmen des ESP basiert auf dem GER, welcher Zweit-/Fremdsprachenkompetenz in Bezug auf fünf kommunikative Aktivitäten (hˆren, lesen, an gespr‰chen teilnehmen, zusammenh‰ngend sprechen, schreiben) auf sechs Niveaus beschreibt (A1, A2, B1, B2, C1, C2). Checklisten bestehend aus „Ich kann“-Deskriptoren, die nach Aktivität und Kompetenzniveau angeordnet sind, lenken
147. Portfolios und informelle Leistungsdiagnosen
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Zielsetzung, Überwachung und formative Selbstbeurteilung in der Sprachenbiographie, während das sogenannte Raster zur Selbstbeurteilung des GER (Europarat 2001: 36) das Maßsystem darstellt, gegen das der Lernende in periodischen Abständen eine summative Selbstbeurteilung ausführt. Das Projekt „Language learning for European citizenship“ brachte zwei Entwürfe für den GER und eine Reihe von Vorschlägen bezüglich des ESP (Council for Cultural Cooperation 1997a) hervor. Der Abschlussbericht des Projekts empfahl, dass der GER in die Probephase gehen und das ESP weitergehend entwickelt werden sollte (Council for Cultural Cooperation 1997b: 73). Zwischen 1998 und 2000 wurden ESP-Pilotprojekte in 15 Europarats-Mitgliedstaaten und von drei internationalen Nichtregierungsorganisationen durchgeführt (Schärer 2000); die Prinzipien und Richtlinien, die das ESP und seinen Zweck bestimmen, wurden weiter ausgearbeitet (Council of Europe 2006). Im Jahr 2000 begründete der Europarat ein Validations-Komitee, dessen Rolle darin besteht, ESPs in Empfang zu nehmen und zu entscheiden, ob diese den Prinzipien und Richtlinien folgen; bis zum Sommer 2010 waren 104 ESPs für gültig erklärt worden.
3. Das Europäische Sprachenportolio und inormelle Leistungsdiagnosen Obwohl grundlegend für den effizienten Gebrauch des ESP, war Selbstbeurteilung während der Pilotphase dennoch Anlass zur Sorge und Kontroverse (Schärer 2000: 10). Einige LehrerInnen bezweifelten, dass ihre Schüler in der Lage wären, ihre eigene Kompetenz akkurat einzuschätzen, andere vermuteten, dass Lernende versucht sein könnten, ihre Errungenschaften überzubewerten. Es gibt drei Möglichkeiten, auf diese Befürchtungen einzugehen. Erstens, was die Fähigkeit der Lernenden zur Selbsteinschätzung betrifft, so besteht die Grundlage für die Selbstbeurteilung im ESP in „Ich kann“-Aussagen, die kommunikatives Verhalten beschreiben ⫺ z. B. Ich kann einfache Wendungen und Sätze gebrauchen, um Leute, die ich kenne, zu beschreiben und um zu beschreiben, wo ich wohne (A1 zusammenh‰ngend sprechen; Europarat 2001: 36). Im Großen und Ganzen ist es wahrscheinlich, dass Lernende wissen, ob sie in der Lage sind, die Aufgaben zu bewältigen, die von solchen Deskriptoren spezifiziert werden. Zweitens sollte es, im Hinblick auf die Ehrlichkeit der Lernenden, ein Leichtes sein, erhebliche Diskrepanzen zwischen der Selbstbeurteilung einerseits und ihren (im Sprachenpass dokumentierten) Prüfungsnoten oder dem in ihrem Dossier erbrachten Kompetenznachweis andererseits festzustellen. Drittens neigten die Befürchtungen der LehrerInnen hinsichtlich Selbstbeurteilung dazu, sich auf deren summative Funktion zu konzentrieren, doch ist dies nur ein Teil des Gesamtbildes. Es ist wahr, dass jedes Mal, wenn Lernende ihren Sprachenpass aktualisieren, ihre Selbstbeurteilung nahezu die gleiche Funktion erfüllt wie wenn ein Lehrer zu Ende einer Lernphase eine Prüfung abhält. Doch die Selbstbeurteilung, welche ins Spiel kommt, wenn ein ESP-Inhaber die Sprachenbiographie verwendet, um Lernziele zu identifizieren oder Fortschritte zu überwachen, ist formativ, nicht summativ: Sie unterstützt und leitet das Lernen, indem es stattfindet ⫺ sie bestätigt Leistungen, identifiziert aber auch Schwächen sowie Gebiete, die verstärkter Arbeit oder größeren Einsatzes bedürfen. Natürlich rekurriert Selbstbeurteilung, unabhängig davon, ob ihre Funktion summativ oder formativ ist, immer auf denselben Komplex von Wissen, Selbst-
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XIV. Leistungsmessung und Leistungskontrolle erkenntnis und Fähigkeiten. Das bedeutet, dass die ESP-Inhaber umso geübter in summativer Selbstbeurteilung sein sollten, je mehr sie sich auf formative Selbstbeurteilung einlassen. Dieses Argument impliziert, dass ein effizienter Gebrauch des ESP auf reflexivem Lehren und Lernen beruhen muss, welches von Verfechtern von Portfolio-Lernen und -Beurteilung (Müller 2005), formativer Bewertung (Black und Wiliam 1998) and dialogischem Lernen (Winter 2004) befürwortet wird. Die Bildungsprojekte des Europarats im Allgemeinen und seine Fremdsprachenprojekte im Besonderen haben von jeher die Bedeutung der Lernerautonomie hervorgehoben. Lernende können dann als autonom bezeichnet werden, wenn sie explizit Verantwortung für ihr eigenes Lernen auf sich nehmen und diese Verantwortung in dem kontinuierlichen Bestreben praktizieren, zu verstehen, was, warum, wie und mit welchem Erfolg sie lernen (siehe z. B. Holec 1979; Little 1991). Wie diese Arbeitsdefinition nahelegt, hängt Lernerautonomie wesentlich von Reflexion und Selbstbeurteilung ab. Wir machen Lernende nicht auf einen Schlag autonom, indem wir ihnen mitteilen, dass sie für ihr Lernen verantwortlich sind; sie werden allmählich autonom, indem sie die reflexiven Fähigkeiten zur Planung, Überwachung und Bewertung ihres Lernens entwickeln und ausüben. Dies nämlich ist der Kern reflexiven Lehrens und Lernens. Eine der besten Darstellungen reflexiven Sprachunterrichts/-lernens findet sich bei Leni Dam (1995). Sie beschreibt, wie sie dänische Englischlernende der unteren Sekundarstufe in zunehmend anspruchsvolle Reflexion einband, indem sie wiederholt die folgenden fünf Fragen stellte: Was lernen wir? Warum lernen wir es? Wie lernen wir? Wie erfolgreich ist unser Lernen? Was werden wir als nächstes lernen? Diese fünf Fragen treiben einen Lernkreislauf an, in dem Planung von Durchführung gefolgt ist, nach welcher Beurteilung zu weiterer Planung führt. Bemerkenswert ist, dass Reflexion in jeder dieser Phasen eine Rolle spielt; ebenfalls bemerkenswert ist, dass formative Selbstbeurteilung ein wesentlicher Bestandteil sowohl der Planungs- und Durchführungsphase als auch der Beurteilungsphase ist. Denn um effizient zu sein, muss die Planung der Lernenden realistisch sein, was bedeutet, dass sie ihre Absichten ständig gegen entwickelte Kompetenzen messen müssen; erfolgreiche Durchführung wiederum ist abhängig von effizienter Überwachung, welche als „on-line“ Selbstbeurteilung beschrieben werden könnte. Der Schwerpunkt des ESP auf Selbstbeurteilung und den reflexiven Prozessen, die sich daran anschließen, fordert die Frage heraus: Wird das Lernen, wie man Sprachen lernt, dem (eigentlichen) Sprachlernen im Weg stehen? Schließlich ist die Zeit, die Lernende damit verbringen, über ihre Fertigkeiten in ihren Zielsprache(n) zu reflektieren, Zeit, die sie nicht darauf verwenden können, weitere Fertigkeiten zu erlernen. Doch dieser Einwand ist nur dann gültig, wenn die Prozesse der Reflexion und Selbstbeurteilung in der Muttersprache ausgeführt werden. Wenn sie andererseits in der Zielsprache ausgeführt werden (wie bei Dam 1995), werden sie zu einem wesentlichen und äußerst wichtigen Bestandteil des Sprachlernens; denn nur wenn Lernende allmählich die Fähigkeit entwickeln, sich mit Reflexion und Bewertung in ihren Zweit-/Fremdsprachen zu befassen, können wir von ihnen erwarten, dass sie zu einem der gehobenen Kompetenzniveaus fortschreiten, welche eine ebensolche Fähigkeit voraussetzen. Dieses Argument hat eine klare Implikation für die Gestaltung des ESP: Um den Gebrauch der Zielsprache für Reflexion und Selbstbeurteilung zu ermöglichen, sollten Selbstbeurteilungs-Checklisten in jeder Sprache, die ein ESP-Inhaber lernt, verfügbar sein. An diesem Punkt ist es angemessen, zwei Beispiele zu geben. Das erste betrifft die Entwicklung der Fähigkeit zur Produktion gesprochener Sprache (zusammenh‰ngend
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sprechen) auf dem ersten Niveau des GER. Ich habe den zusammenfassenden Deskriptor im Raster zur Selbstbeurteilung bereits zitiert: Ich kann einfache Wendungen und Sätze gebrauchen, um Leute, die ich kenne, zu beschreiben und um zu beschreiben, wo ich wohne. Im irischen ESP für die Sekundarstufe I und Sekundarstufe II (Authentik 2001) weitet die Checkliste für A1 zusammenh‰ngend sprechen diese Zusammenfassung auf drei Deskriptoren aus: ⫺ Ich kann einfache Angaben zu meiner Person machen (z. B. Alter, Adresse, Familie, Hobbies) ⫺ Ich kann in einfachen Worten und Sätzen beschreiben, wo ich wohne ⫺ Ich kann in einfachen Worten und Sätzen Personen beschreiben, die ich kenne Jeder dieser Deskriptoren definiert eine einfache kommunikative Aufgabe, und jeder kann verwendet werden, um eine Lernphase zu gestalten. So kann zum Beispiel die Aufgabe, persönliche Angaben zu machen, als Lernziel in der Sprachenbiographie identifiziert werden; Lernende können in ihrem Dossier Vokabular und einfache Satzstrukturen notieren, die sie benötigen, um diese Aufgabe auszuführen; sie können sich in der Aufgabe individuell und in Kleingruppen üben; und sie können ihre Fähigkeit, die Aufgabe durchzuführen, in der Checkliste festhalten, sobald der Lehrer oder einer ihrer Klassenkameraden bestätigen, dass sie dazu in der Lage sind ⫺ nach dieser Herangehensweise besteht Selbstbeurteilung darin, Behauptungen aufzustellen, deren Gültigkeit von anderen bezeugt werden kann. In der Beurteilungsphase können Lernende darüber hinaus in ihrer Sprachenbiographie alles das festhalten, was sie über das Sprachenlernen als solches gelernt haben. Das zweite Beispiel bezieht sich auf Niveau B2 und ist dementsprechend komplexer. Auf diesem Niveau definiert das Raster zur Selbstbeurteilung die Schreibfähigkeit der Lernenden wie folgt: Ich kann über eine Vielzahl von Themen, die mich interessieren, klare und detaillierte Texte schreiben. Ich kann in einem Aufsatz oder Bericht Informationen wiedergeben oder Argumente und Gegenargumente für oder gegen einen bestimmten Standpunkt darlegen. Ich kann Briefe schreiben und darin die persönliche Bedeutung von Ereignissen und Erfahrungen deutlich machen (Europarat 2001: 36). Die korrespondierende Checkliste im irischen ESP für Sekundarstufe I und Sekundarstufe II (Authentik 2001) schließt die folgenden Deskriptoren mit ein: ⫺ Ich kann zu sehr vielen persönlichen, kulturellen, interkulturellen und sozialen Themen klare, detaillierte Beschreibungen abgeben ⫺ Ich kann einen Standpunkt zu einem aktuellen Thema erläutern und die Vor- und Nachteile verschiedener Standpunkte erörtern ⫺ Ich kann eine Argumentationskette klar aufbauen, die Ideen logisch verknüpfen und die verschiedenen Punkte mit entsprechenden Beispielen untermauern Hier haben wir es nicht, wie im ersten Beispiel, mit einer Liste klar abgegrenzter Aufgaben zu tun, sondern mit allgemeineren Funktionen des geschriebenen Textes: detaillierte Beschreibungen abgeben, Standpunkte erläutern und erörtern, Argumentationsketten klar aufbauen, Ideen logisch verknüpfen, Punkte mit Beispielen untermauern. Und die viel größere Komplexität der kommunikativen Fähigkeit der Lernenden auf diesem Niveau impliziert eine weitaus größere Komplexität der Lernaktivität. Im Rahmen einer Portfolio-Herangehensweise wird die Entwicklung dieser Fähigkeit mit großer Wahrscheinlichkeit durch eine Folge von projektbasierten Lernkreisläufen verfolgt. Der erste
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XIV. Leistungsmessung und Leistungskontrolle Schritt in jedem Keislauf besteht darin, mithilfe der Checkliste Schwerpunkt und Reichweite des Projekts zu identifizieren. Wird das Thema persönlich, kulturell, interkulturell oder sozial sein? Welche Art von Texten wird verwendet werden, um thematischen und linguistischen Input zu liefern? Werden sie deskriptiv oder argumentativ sein, oder beides? Was werden die strukturellen Eigenschaften der Texte sein, die die Lernenden produzieren werden? Wie genau werden detaillierte Beschreibungen artikuliert werden? Welche Hilfsmittel hinsichtlich Lexik und Syntax benötigt man, um die Vor- und Nachteile verschiedener Standpunkte zu erörtern oder eine Argumentationskette klar aufzubauen? Diese und viele andere Fragen, die die Deskriptoren implizieren, werden zu Beginn jeden Projektkreislaufs gestellt und von Lehrer und Lernenden interaktiv ergründet, und zwar in der Zielsprache. Als Teil dieses Prozesses können spezifische Kriterien etabliert werden, um die Effizienz einer Beschreibung oder Argumentationskette zu beurteilen. Daraufhin werden die Projekte entwickelt, evtl. im Rahmen von (Klein-)Gruppenarbeit. Reflexivität ⫺ Selbstbeurteilung, aber auch Peer-Beurteilung, welche beide als mentale Gewohnheiten kultiviert werden ⫺ wird dadurch gewährleistet, dass die Lernenden zu keinem Zeitpunkt die aus der Planungsphase hervorgegangenen Kriterien und die Notwendigkeit, mit der das Projekt diesen Kriterien entsprechen muss, aus den Augen verlieren. Am Ende des Kreislaufs, wenn die Projekte dem Rest der Klasse präsentiert werden, kann es eine Phase der Peer- und Selbstbeurteilung geben, die sich auf die kommunikative Effizienz der produzierten Texte konzentriert, aber auch auf ihre formale Genauigkeit. Angenommen, dass der Ausgangspunkt der Lernenden der B1 Kenntnisstand im Schreiben war ⫺ Ich kann über Themen, die mir vertraut sind oder mich persönlich interessieren, einfache, zusammenhängende Texte schreiben. Ich kann persönliche Briefe schreiben und darin von Erfahrungen und Eindrücken berichten (Europarat 2001: 36) ⫺, so werden sie eine Reihe von Projektzyklen durchlaufen müssen, ehe sie zuversichtlich und plausibel von sich behaupten können, dass sie die allgemeinen Kriterien textueller Kompetenz, wie sie die Checklisten-Deskriptoren definieren, erfüllen.
4. Das Europäische Sprachenportolio und eine neue Beurteilungskultur Portfolio-Beurteilung wurde ursprünglich als Gegenmaßnahme zu standardisierten Tests entwickelt, deren Form und Inhalt Lehre und Lernen nur allzu leicht einschränken. Jedoch gab es stets nicht nur pädagogische, sondern auch politische Einwände gegen standardisierte Tests. Die kritische Bewegung im Sprachtesten, insbesondere in der englischsprachigen Welt (z. B. Shohamy 2001; McNamara und Roever 2006), fand ihre Inspiration teilweise in Foucaults Auffassung (1976) von Prüfungen als Instrumenten der Kontrolle und Bestrafung. Aus dieser Perspektive waren auch Schritte in Richtung kommunikativer Sprachtests nicht frei von Verdacht. Doch entgegen dieser negativen Tendenz bietet das ESP einen Weg, eine neue Komplementarität zwischen Lehren/Lernen und Beurteilung zu entwickeln und die Entstehung einer neuen Beurteilungskultur anzuregen. Zu Beginn des GER ist zu lesen: „Der Gemeinsame Referenzrahmen stellt eine gemeinsame Basis dar für die Entwicklung von zielsprachlichen Lehrplänen, curricularen Richtlinien, Prüfungen, Lehrwerken usw. in ganz Europa“ (Europarat 2001: 14). Die Anord-
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nung der Elemente im Untertitel ⫺ „lernen, lehren, beurteilen“ ⫺ ist kein Zufall und lenkt die Aufmerksamkeit auf den vielleicht innovativsten Charakterzug des GER. Sein handlungsorientierter Ansatz beschreibt Kommunikation im Hinblick darauf, was der Lernende/Benutzer mit Sprache tun kann; jeder „Ich kann“-Deskriptor kann drei sich gegenseitig beeinflussende Funktionen erfüllen. Er kann dazu verwendet werden, ein Lernziel zu spezifizieren, einen Schwerpunkt für die Lernaktivität zu identifizieren und Kriterien zur Beurteilung von Lernergebnissen zu generieren. Die Selbstbeurteilungsfunktion des ESP ist abhängig von der Tatsache, dass Lernende in der Lage sind, akkurate Urteile über ihre Verhaltensfähigkeiten zu fällen, insbesondere wenn diese Urteile von dem reflexivem Diskurs unterstützt werden, welcher das Portfolio-Lernen prägt. Wenn Struktur und Inhalt von Tests und Prüfungen das gleiche handlungsorientierte Verständnis des Sprachgebrauchs widerspiegeln, dann sollten sie das Portfolio-Lernen unterstützen und die Selbst- and Peer-Beurteilung, die für den ESP-Gebrauch von so zentraler Bedeutung ist, ergänzen. Verwenden Lernende das ESP, um ihr Sprachlernen zu planen, zu überwachen und zu überprüfen, so bringen sie ihre Subjektivität in explizite Interaktion mit objektiven (empirisch gewonnenen) Beschreibungen von Sprachkompetenz. Lernende konstruieren nach und nach ein Bild ihrer sich erweiternden sprachlichen und kulturellen Identität, das Zeugnis ihrer Errungenschaften wie auch Ansporn zu weiterführender Reflexion ist. Sie entwickeln ein gesteigertes Verständnis ihrer selbst, insbesondere was ihre Fähigkeiten in Zweit- und Fremdsprachen betrifft, und werden zunehmend sensibler mit Blick auf die sprachlichen und kommunikativen Komplexitäten, die scheinbar einfachen Deskriptoren zugrunde liegen. Doch Lernende verstehen ebenfalls den Sinn von Sprachtests, die auf der Grundlage des handlungsorientierten Ansatzes des GER erdacht und somit für ihre eigenen Lernziele relevant sind.
5. Schluss: Zukuntsaussichten Die Art der Beurteilungskultur, die ich soeben skizziert habe, in welcher Selbst- und Peer-Beurteilung einerseits und formale Tests und Prüfungen andererseits einander ergänzen, liegt in der Zukunft. Die Wirkung des GER war bisher eher partiell als holistisch. Seine Kompetenzniveaus wurden von Institutionen, die Sprachtests durchführen, europaweit (und zum Teil darüber hinaus) eifrig übernommen, hauptsächlich, weil sie den Vergleich zwischen Tests ermöglichen. Doch zu behaupten, dass ein Test einem bestimmten GER-Niveau entspricht, ist nicht das gleiche, wie zu behaupten, dass dieser Test unter Berücksichtigung des deskriptiven Apparates des GER entworfen wurde. Die Kompetenzniveaus sind außerdem in Curricula und Lehrbücher eingegangen, doch sagt dies wenig darüber aus, in welchem Ausmaß die betrachteten Curricula kommunikativen Inhalt vorgeben oder die Lehrbücher einen pädagogischen Ansatz verkörpern, für den Sprachlernen eine Variante der Sprachverwendung ist (Europarat 2001: 21). Mir ist lediglich ein Fall bekannt, in dem ein Zweitsprachen-Curriculum als kommunikatives Repertoire definiert ist, welches durch „Ich kann“-Deskriptoren zum Ausdruck gebracht, durch eine Version des ESP vermittelt, und unter Verwendung von handlungsorientierten und aufgabenbasierten Tests bewertet wird. Bei diesem Curriculum handelt es sich um das zum Unterricht von Englisch als Zweitsprache an irischen Grundschulen (IILT 2003)
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XIV. Leistungsmessung und Leistungskontrolle verwendete. Das ESP (IILT 2004) wurde teilweise als Verbreitungsinstrument für das Curriculum konzipiert und wurde sehr weitreichend verwendet; und in Umfang und Inhalt spiegeln die Tests die „Ich kann“-Deskriptoren des Curriculums wider. Unter den Herausforderungen, mit denen DaF/DaZ als Disziplin in den deutschsprachigen Ländern zu Beginn des 21. Jahrhunderts konfrontiert ist, stechen zwei besonders hervor: die Notwendigkeit, sicherzustellen, dass eine große Anzahl von Kindern und Jugendlichen mit Migrantionshintergrund die Deutschkenntnisse entwickeln, die ihnen vollen Zugang zu Bildung ermöglichen; und die Übernahme von Bildungsstandards, die eine Bewegung weg von schulbasierter Beurteilung und hin zu einer stärker zentralisierten Kontrollinstanz mit sich bringen. Um diese Probleme erfolgreich anzusprechen, wird es unter anderem nötig sein, gegen die großflächige Entfremdung der Lernenden vom Bildungssystem und damit von der Hauptströmung der Gesellschaft anzugehen. In der Auseinandersetzung mit diesen Herausforderungen haben Portfolios und andere Versionen informeller Beurteilung eine wichtige Rolle zu spielen.
6. Literatur in Auswahl Alexander, Robin 2006 Towards Dialogic Learning. Rethinking Classroom Talk. York: Dialogos. Authentik 2001 European Language Portfolio/Punann na dTeangacha Eorpacha. Dublin: Authentik. Black, Paul und Dylan Wiliam 1998 Inside the Black Box. London: King’s College London. Council for Cultural Cooperation 1992 Transparency and Coherence in Language Learning in Europe: Objectives, Evaluation, Certification. Report on the Rüschlikon Symposium. Strasbourg: Council of Europe. Council for Cultural Cooperation 1997a European Language Portfolio: Proposals for Development. With contributions by I. Christ, F. Debyser, A. Dobson, R. Schärer, G. Schneider/B. North & J. Trim. Strasbourg: Council of Europe (CC-LANG 97. 1). Council for Cultural Cooperation 1997b Language Learning for European Citizenship. Final report (1989⫺96). Compiled and edited by John Trim, Project Director. Strasbourg: Council of Europe. Council of Europe 2006 European Language Portfolio: Key Reference Documents. Strasbourg: Council of Europe. Dam, Leni 1995 Learner Autonomy 3: From Theory to Classroom Practice. Dublin: Authentik. Europarat 2001 Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin: Langenscheidt. Foucault, Michel 1976 Überwachen und Strafe. Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Holec, Henri 1979 Autonomy and Foreign Language Learning. Strasbourg: Council of Europe. IILT 2003 English Language Proficiency Benchmarks for Non-English-Speaking Pupils at Primary Level. Dublin: Integrate Ireland Language and Training.
147. Portfolios und informelle Leistungsdiagnosen
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IILT 2004
European Language Portfolio (Primary): Learning the Language of the Host Community. Dublin: Integrate Ireland Language and Training. Little, David 1991 Learner Autonomy 1: Definitions, Issues and Problems. Dublin: Authentik. McNamara, Tim und Carsten Roever 2006 Language Testing: The Social Dimension. Malden, MA/Oxford: Blackwell. Müller, Andreas 2005 Erlebnisse durch Ergebnisse. Das Lernportfolio als multifunktionales Werkzeug im Unterricht. Grundschule 6: 8⫺18. Ruf, Urs, Stefan Keller und Felix Winter (Hg.) 2008 Besser Lernen im Dialog. Dialogisches Lernen in der Unterrichtspraxis. Seelze-Velber: Klett/Kallmeyer. Schärer, Rolf 2000 European Language Portfolio: Final Report on the Pilot Project. Strasbourg: Council of Europe. (http://www.coe.int/T/DG4/Portfolio/documents/DGIV_EDU_LANG_2000_31 Erev.doc ⫺ 16. 12. 2008) Shohamy, Elana 2001 The Power of Tests: A Critical Perspective on the Uses of Language Tests. London: Pearson. Winter, Felix 2004 Leistungsbewertung. Eine neue Lernkultur braucht einen anderen Umgang mit den Schulleistungen. Baltmannsweiler: Schneider. Portfolios für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache Für den Unterricht DaF/DaZ werden in vielen Ländern Portfolios genutzt, die die Pilotversionen des Europäischen Portfolios der Sprachen jeweils altersgemäß adaptieren und in die Landessprache übertragen (vgl. die Liste der vom Europarat validierten Portfolios in den einzelnen Ländern: Europarat, Validated Portfolios: http://www.coe.int/T/DG4/Portfolio/?L⫽E&M⫽/main_pages/portfolios.html). Zunehmend bieten Lehrbuchverlage begleitend bzw. integriert in das Lehrwerk eigene Versionen an, vgl. z. B. die Portfolios in zu den Lehrwerken „Optimal“ (Langenscheidt Verlag): http://www.langenscheidt-unterrichtsportal.de/sprachenportfolio_1457.html und „Team Deutsch“ (Klett Verlag): http://www.klett.de/sixcms/media.php/71/352641/A08089_ 67594001_PORTFOLIO_TD.pdf. Die Universitäten Bremen und Stuttgart bieten inzwischen auch ein elektronisches Portfolio (EPOS) an: http://epos21.demo.fremdsprachenzentrum-bremen.de/portfolio/. Eine spezifische, sprachliche und beruflichbezogene Dimensionen integrierende Form stellt das „Sprachen- & Qualifikationsportfolio für MigrantInnen und Flüchtlinge“ (Plutzar und Haslinger 2005: http://www.integrationshaus.at/portfolio/) dar.
David Little, Dublin (Irland) Übersetzung aus dem Englischen von Cordula Politts
XV. Lehrerinnen und Lehrer 148. Die Rolle des Lehrers/der Lehrerin im Unterricht des Deutschen als Zweit- und Fremdsprache 1. Einleitung 2. Der Einfluss kognitionspsychologischer und konstruktivistischer Ansätze auf die Rolle der Lehrkraft 3. Subjektive Unterrichtstheorien 4. Rollenverhalten von Lehrkräften 5. DaF/DaZ-Ausbildung 6. Institutionelles Umfeld 7. Berufsanforderungen und Berufsbild 8. Ausblick 9. Literatur in Auswahl
1. Einleitung Obwohl die unterrichtlichen Tätigkeiten von Lehren und Lernen in Terminus und Forschungsfeld der Sprachlehr/lernforschung nominell gleichberechtigt verwendet werden, ist in den letzten Jahrzehnten wesentlich mehr Fachliteratur über den Lern- als über den Lehrprozess publiziert worden (vgl. Art. 119). Dies ist nicht zuletzt ein Resultat des seit Beginn der 1980er Jahre dominanten lernerzentrierten Ansatzes, der ⫺ völlig zu Recht ⫺ alle unterrichtlichen Maßnahmen einschließlich des Lehrens am Lerner und seinen Bedürfnissen ausrichtet. Dennoch steht außer Zweifel, dass der Lehrkraft im institutionellen Lehr-Lernprozess eine zentrale Rolle zukommt, ist sie es doch, die die komplexe alltägliche Unterrichtspraxis auf verschiedenen Ebenen maßgeblich gestaltet. Insbesondere das Lehrerverhalten, die Unterrichtsstruktur, die Sprachkompetenz sowie die Stoffdarstellung sind Unterrichtsvariablen, deren Einfluss auf das Lernverhalten der Schüler empirisch gesichert gilt (Bromme 1997: 195). Im Fremd/Zweitsprachenunterricht ist die Lehrkraft zudem die kulturkompetente Interpretin und einfühlsame Vermittlerin zwischen den in den Unterrichtssprachen repräsentierten Kulturen sowie ⫺ insbesondere aus Lernerperspektive ⫺ die Personifizierung der Institution. Nachdem die behavioristisch orientierte Sprachlehrforschung hauptsächlich den Einfluss beobachtbarer Variablen auf das Lehrverhalten und den Lehrprozess untersucht hatte, gewannen mit dem Paradigmenwechsel vom Behaviorismus zum Kognitivismus in den 1970er Jahren die subjektiven Auffassungen und Interpretationen des Unterrichtsgeschehens seitens der Lehrkraft eine große Bedeutung für die Analyse ihres faktisches Verhaltens im Lehr-Lernprozess (vgl. Art. 99). Diese Tendenz wurde durch den seit den 1990er Jahren zunehmenden Einfluss des Sozialen Konstruktivismus noch verstärkt, indem die vielfältigen Einflüsse des soziokulturellen und institutionellen Umfeldes auf die konkrete Tätigkeit von Lehrkräften aus subjektiver Perspektive untersucht werden (vgl. Art. 89 und 90). Angesichts der Komplexität dieser Einflussfaktoren auf den Unterricht
148. Die Rolle des Lehrers/der Lehrerin im Unterricht
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konzentrieren sich wissenschaftliche Untersuchungen über DaF- und DaZ-Lehren bzw. über schulische Lehr-Lernverfahren in der Regel auf bestimmte isolierbare Aspekte, insbesondere des Lehrerverhaltens, des Lehrerbewusstseins, der Lehrerrolle, der Aus- und Fortbildung sowie der Qualifikation.
2. Der Einluss kognitionspsychologischer und konstruktivistischer Ansätze au die Rolle der Lehrkrat 2.1. Kognitionspsychologische Ansätze Die kognitive Wende der 1960er Jahre brach mit dem Diktum des Behaviorismus, dass man das Verhalten des Menschen nur im Sinne kontrollierter Reiz-Reaktions-Ketten beobachten und erklären könne, jedoch das Gehirn des Menschen als unerforschbare Black Box verstehen müsse, da sich die darin ablaufenden Prozesse einem wissenschaftlichen Zugriff entzögen. Kognitionspsychologische Ansätze überwinden dieses mechanistische Menschenbild, indem sie den Menschen als erkennendes Subjekt verstehen, das sich aktiv mit seiner Umwelt auseinandersetzt, nämlich durch Prozesse von Wahrnehmung, Vorstellung, Denken, Urteilen, Schließen und sprachlichem Ausdrucks (Edelmann 2000: 114). Der kognitive Ansatz befasst sich also nicht mehr mit dem Erlernen von Verhaltensweisen, sondern mit dem Erwerb von Wissen, seiner Enkodierung und Speicherung sowie seinem Abruf. Dabei wird davon ausgegangen, dass der Mensch über informationsverarbeitende kognitive Strukturen verfügt, um überhaupt lernen zu können (vgl. Art. 89). Um diese komplexen kognitiven Abläufe erklären zu können, greift die kognitive Psychologie auf die Metapher des Input-Output- Informationsverarbeitungsmodells eines Computers zurück, wobei das Gehirn die Hardware und die Kognition die Software darstellt; von besonderem Interesse sind die internen kognitiven Verarbeitungsprozesse, die als regelgeleitet verstanden werden. Daher ist es das Hauptanliegen der kognitionspsychologischen Forschung, diese Regeln, die auch das Fremdsprachenlernen determinieren, experimentell aus dem komplexen Kognitionsapparat heraus zu destillieren, indem Tests zum optimalen fremdsprachlichen Regellernen durchgeführt werden mit dem Ziel der Erstellung eines optimalen Instruktionsinventars für die Lehrkraft(für eine umfassende Darstellung dieser Forschungsrichtung vgl. Johnson 2004: 46⫺84); dabei werden jedoch die Probanden ihrer subjektiven Stimme beraubt und als Objekte des jeweiligen Lehr-Lernexperimentes instrumentalisiert. Das informationstheoretische Lehr-Lernmodell versteht die Lehrkraft vorwiegend als Lieferantin bedeutungsvoller Informationen, die hauptsächlich sprachlich vermittelt werden. Diese werden von dem informationsverarbeitenden System des Schülers aufgenommen, in ihrer Bedeutung entschlüsselt, an das vorhandene Vorwissen angekoppelt und aufgrund bestimmter kognitiver Regeln verarbeitet, um dann als Wissen im Langzeitgedächtnis gespeichert zu werden, so dass es jederzeit von dort abgerufen werden kann, z. B. in einer Prüfung. Dabei wird die Rolle des Lernenden nicht mehr nur als die eines passiven Rezipienten aufgefasst, sondern er wird auch als aktiver Gestalter des Lernprozesses verstanden, der die Lerninhalte letztlich subjektiv im Prozess der Informationsverarbeitung strukturiert und rekonstruiert. Die Lehrkraft fungiert im Lehr-Lernprozess als eine Art Lernberater, indem sie zunächst einmal die der jeweiligen Lerngruppe angemessenen Lehrmethoden,
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XV. Lehrerinnen und Lehrer Unterrichtsinhalte und didaktischen Verfahren auswählen muss, bevor sie von den Lernenden in gezielten problemlösenden Übungen angewendet werden. Während der Übungsphasen kommt der Lehrkraft die Funktion zu, die Lernenden bei ihrer Arbeit zu beobachten, um ihnen ggf. Hilfestellungen zu geben, damit der angestrebte Lernerfolg eintreten kann. Aufgrund der Komplexität der fremden/zweiten Sprache und ihres soziokulturellen Kontextes gilt für den kognitiv orientierten Fremd/Zweitsprachenunterricht, dass die Lehrkraft bemüht sein muss, erfahrungsbezogene Lernsituationen zu schaffen, in denen die Lernenden nicht nur die Regeln der anderen Sprache und ihrer kommunikativen Verwendung, sondern auch die konzeptuelle und kategoriale Organisation des soziokulturellen Wissens der anderen Sprachgemeinschaft erlernen können, indem es zu muttersprachlichen und eigenkulturellen Normen, Mustern und Kategorien in Beziehung gesetzt wird. In der kognitiven Lernpsychologie geht man davon aus, dass zu erlernende Inhalte lediglich geeignet strukturiert und repräsentiert werden müssen, um von dem Lerner adäquat aufgenommen zu werden. Sollte der Lernprozess nicht erfolgreich verlaufen, werden die Ursachen dafür der unpassenden Repräsentation (Didaktik, Methodik), dem Medium (Lehrbuchdesign, Unterrichtsstil) oder dem Lernenden (Motivation, Aufmerksamkeit) zugeschrieben. Allerdings senden diese kognitiven Informationsverarbeitungsmodelle ein falsches Signal für den Fremd- und Zweitsprachenunterricht. Es wird nämlich impliziert, dass ein sukzessives Erlernen der relevanten Regeln automatisch zu einer angemessenen fremd/ zweitsprachlichen Performanz in lebensweltlichen Situationen der fremden Sprachgemeinschaft führt. Jedoch liegen diesen Verarbeitungsmodellen idealisierende und homogenisierende Sichtweisen hinsichtlich menschlicher Kommunikation zugrunde, die die jeweilige Ambiguität sowie die pragmatische und soziokulturelle Kontextabhängigkeit des subjektiven Bedeutungsaushandlungsprozesses nicht erfassen können (Bruner 1996: 5). Die individuelle Kognition ist eben nicht eine autonome, in sich selbst abgeschlossene Einheit, sondern sie ist in fundamentaler Weise ein soziales Konstrukt. Daher können die generalisierten kognitiven Regeln, auf denen die Lehrkraft ihre Unterrichtsbemühungen aufbaut, nur bedingt relevant sein, wenn das erlernte fremdsprachliche Wissen tatsächlich in der alltäglichen Lebenspraxis des fremden Landes angewendet werden soll (Donato 2000). Wells (1999: 90) kommentiert: [S]uch knowledge, however carefully sequenced and authoritatively presented, remains at the level of information that has little or no impact on students’ understanding until they actively engage in collaborative knowledge building to test its relevance in relation to their personal models of the world and, where possible, its practical application in action.
2.2. Konstruktivistische Ansätze Es wäre daher geboten, die Annahmen der Uniformität regelgeleiteter menschlicher kognitiver Prozesse, des Strebens nach Generalisierbarkeit experimentell gewonnener Forschungsergebnisse, der Existenz einer Wirklichkeit für alle Menschen sowie des idealen Menschen, der sich in einer externen Realität vermittels eines enormen Informationsprozessors mit einer Stimme verhält, zu hinterfragen (Kukla 2000).
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Ein Ansatz, der dies zu leisten versucht, ist der Soziale Konstruktivismus, der seit den 1990er Jahren in Europa und in den USA an Bedeutung für die Erforschung und Praxis des Fremd/Zweitsprachenunterrichts gewinnt und u. a. auf den lerntheoretischen Theorien Jean Piagets, Lev Vygotskijs und Jerome Bruners basiert. Im Gegensatz zum Kognitivismus geht der Soziale Konstruktivismus von der Einzigartigkeit menschlichen Verstehens und Handelns aus, von der Existenz multipler Realitäten und dem menschlichen Gehirn als autopoetischem System, das jedoch perturbierbar ist. Lernen findet nicht aufgrund hypostasierter kognitiver Regularitäten statt, sondern Lernen wird als ein konstruktiver Prozess verstanden, der auf den subjektiven Erfahrungen und Interessen jedes einzelnen Lerners aufbaut, der eigene Werte, Überzeugungen, Muster, Gefühle und Vorerfahrungen in den Lernprozess einbringt. Wissen existiert also nicht unabhängig vom einzelnen Lerner; es wird vielmehr immer intersubjektiv-dynamisch generiert und subjektiv konstruiert. Daher wird das instruktionistische Lehrparadigma zunehmend durch das konstruktivistische Lernparadigma abgelöst. Lernen entwickelt sich aus subjektiven, letztlich jedoch soziokulturell induzierten Handlungsintentionen, und Handeln vollzieht sich in sozialen Situationen; es ist somit immer situativ und kontextuell gebunden. Wenn Lernen als aktives Konstruieren von Wissensstrukturen verstanden wird, bedingt dies eine Neudefinition sowohl der Rolle des Lerners als auch des Lehrers in konstruktivistischen Lehr-Lernsituationen. Da Wissen nicht direkt vermittelt werden kann, soll der Lerner dazu angeregt werden, sein Wissen aktiv und konstruktiv zu erweitern, d. h. das Konstruktionspotenzial des Lernenden soll im Unterricht durch reichhaltige, vielfältige, erfahrungsbezogene und bedeutungsvolle Lern- bzw. Konstruktionsmöglichkeiten gefördert werden. Dabei muss auch die Affektlage des Lernenden berücksichtigt werden, denn: „Affekte wirken wie Schleusen oder Pforten, die den Zugang zu unterschiedlichen Gedächtnisspeichern öffnen oder schließen“ (Ciompi 1997: 97). Aufgrund der hohen Individualität von Konstruktionsprozessen kann die Lehrkraft im Klassenzimmer nicht mehr nur von einem richtigen Weg der Wissensvermittlung ausgehen, sondern sie muss ein Spektrum verschiedener Lernmöglichkeiten und Lernwege anbieten, aus dem die Lernenden individuell auswählen und kombinieren können. Der Lehr-Lernprozess muss daher inhaltlich wie auch methodisch-didaktisch flexibel und vielseitig gestaltet werden. Erfolgreiches Lernen setzt eine hohe Motivation des Lerners voraus, die auch durch den Lehrprozess generiert und aufrechterhalten wird, indem Lernende stets zum Hinterfragen angeregt werden, um so ihr Interesse am Lernstoff zu fördern. Je besser die Lehrkraft den individuellen Lerner kennt, desto besser wird sie die Lernangebote an seinen spezifischen Erfahrungen, Interessen und Bedürfnisse ausrichten können. Es wird also kein Transfer fertigen Wissens betrieben, sondern die Auseinandersetzung mit Erklärungsansätzen regt Lernende dazu an, eigenes Wissen zu konstruieren, das wiederum auf andere Kontexte übertragen werden kann. Lehren und Lernen sind somit eher prozess- als produkt- orientiert (vgl. Art. 90). Lerninhalte stellen nur einen Anreiz zur explorierenden Auseinandersetzung mit ihnen dar; sie sollten nicht zu sehr didaktisch reduziert werden, da dann der Aspekt der interessierten und explorierenden Auseinandersetzung mit ihnen potenziell limitiert wird. Daher gilt der Grundsatz, dass die Lerninhalte im Prinzip so komplex sein sollten wie sie in der Wirklichkeit außerhalb des Klassenzimmers bzw. in der fremden Sprachgemeinschaft existieren; sie können jedoch gerade im Anfängerunterricht entsprechend der Vorerfahrungen und des Vorwissens des Lernenden lernfördernd strukturiert werden.
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XV. Lehrerinnen und Lehrer Eventuell auftretende Lernschwierigkeiten sollten nicht unterdrückt werden, denn sie sind ein Indikator für die Lehrkraft, sich intensiver und für den Lernenden effizienter mit dem jeweiligen Thema methodisch-didaktisch auseinanderzusetzen und konstruktiveres Feedback zu geben. Eine Progression der Lehr-Lerninhalte im Sinne eines schrittweisen Voranschreitens vom Einfachen zum Komplexen (Harden, Witte und Köhler 2006) gibt es im Sozialen Konstruktivismus nur sehr bedingt in Form einer Grobstruktur im Sinne einer „Zone der nächsten Entwicklung“ (Vygotskij 2002: 326), da der Lernende und sein aktuelles Konstruktionsvermögen im Zentrum des explorierenden Lernens stehen ⫺ und nicht der Unterrichtsstoff. Das Theorem der „Zone der nächsten Entwicklung“ besagt, dass die Lerninhalte moderat über den aktuellen Konstruktionshorizont des Lernenden hinausweisen sollten, so dass der Lerner das neue Wissen auf der Basis bekannten Wissens zwar noch nicht selbständig erschließen kann, es jedoch unter einfühlsamer Anleitung der Lehrkraft und in Zusammenarbeit mit den Mitlernenden für sich selbst entdeckt und entsprechend (re)konstruiert. Insofern, so formuliert Vygotskij gegen Piagets kognitives Entwicklungsmodell, „hat die Zone der nächsten Entwicklung unmittelbarere Bedeutung für die Dynamik der intellektuellen Entwicklung und des Lernerfolgs als das aktuelle Entwicklungsniveau“ (Vygotskij 2002: 327). Die Informationen werden im Unterricht nicht von der Lehrkraft vorgegeben, sondern sie werden von den Lernenden kollektiv und individuell, zusammen mit der Lehrkraft, in verschiedenen Formen und Herangehensweisen aufgearbeitet, um ein möglichst umfangreiches Repertoire von Lernwegen bereitzustellen. Dabei wird auf das Kollektiv der Lerngruppe rekurriert, denn die Mitlernenden können gegebenenfalls kollektiv ein alters- und problembezogen adäquateres Lerngerüst effektiver konstruieren und dann individuell umsetzen, als es die Lehrkraft kann, da alle Lernenden mit verschiedenen Perspektiven und unterschiedlichem Konstruktionspotenzial (Lernstrategien, Problemlösungsstrategien, soziale Strategien usw.) das gleiche Problem diskursiv und argumentativ in Prozessen der kooperativen Bedeutungsaushandlung zu lösen versuchen (Donato 1998); dabei können die Lernenden im problembezogenen Austausch ihren jeweiligen Erfahrungsschatz einbringen. Durch die Wiedergabe von Einsichten und Erkenntnissen in eigenen Worten sowie Kommentare und Korrekturen von Mitlernenden wird eine Neustrukturierung der Erkenntnisse gefördert, die auch den leistungsfähigeren Lernenden hilft (Mercer 1995: 89). Dieses Konzept der Ko-Konstruktion von Wissen, das von kognitiven Lernmodellen ignoriert wird, ist besonders relevant für den Fremd/Zweitsprachenunterricht, da sprachliches Wissen nicht nur durch kognitive Anstrengung erworben wird, sondern auch durch sozial-affektive Interaktionsprozesse. Das Klassenzimmer wird somit zu einem soziokulturellen Raum, in dem aktive Teilhabe an der Fremd/Zweitsprache und deren soziokulturellen Kontext ermutigt, erprobt und kultiviert wird; daher muss das Klassenzimmer so gut wie möglich die soziokulturellen Wirklichkeiten reflektieren. Ein so angelegter kooperativer und explorativer Fremd- oder Zweitsprachenunterricht hat das Potenzial, die linguistisch konzeptualisierten und kulturell präfigurierten narrativ-diskursiven Typen von monokulturellen Identitätskonstrukten grundlegend zu erschüttern und in interkultureller Weise zu beeinflussen (Block 2007, Witte 2008). Daher ist seitens der Lehrkraft sicherzustellen, dass den fremdkulturellen Deutungsmustern und gesellschaftlichen Handlungsnormen gebührender Raum und vor allem erfahrungsbezogene Lernmöglichkeiten eingeräumt werden, damit den Lernenden die Handhabe zur bewussten Konstruktion einer sinnvollen polyphonen Identität vermittelt wird ⫺ verstanden als permanenter
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kognitiver, affektiver sowie sozialer und psychischer Prozess, nicht als statische Gegebenheit (Altmayer 2004; Witte 2009). Die Verantwortung für das Lernen wird allmählich vom Lehrer auf den Lerner verlagert, der seinen konstruktiven Lernprozess zunehmend selbst steuert. Eine ideale Lehrkraft, die diese Art von Lernerautonomie ermöglicht, verfügt über die Fähigkeit, Aufgaben zielgruppengerecht auszuwählen und aufzubereiten, den Zeitpunkt von Interventionen angemessen auszuwählen, mit den Lernenden auszuhandeln, wie (und was) sie lernen möchten, ehrliches und unterstützendes Feedback zu leisten, auf einzelne Lerner einzugehen, andere Ansichten gelten zu lassen sowie sprachbezogene (accuracy) und mitteilungsbezogene (fluency) Aufgaben ausgewogen zu verwenden. Die hohe Individualität von Sprachlernprozessen lässt aus konstruktivistischer Sicht kollektive Lernkontrollen wie Tests, Klassenarbeiten oder Prüfungen unsinnig erscheinen, sofern sie an alle Lernenden die gleiche Erwartungshaltung stellen. Eine Bewertung subjektiver Leistungen nach objektiven Urteilskriterien ist bezüglich des tatsächlich erweiterten subjektiven Konstruktionspotenzials jedes einzelnen Lernenden wenig aussagekräftig; sie könnte höchstens Indikatoren für die Lehrkraft bieten, wo die Lehr-Lernsituationen noch optimierbar ist. Daher sind die Desiderate eines genuin konstruktivistischen Lehr-Lernmodells nur schwer mit der gesellschaftlichen Selektionsfunktion der Institution Schule vereinbar.
3. Subjektive Unterrichtstheorien Obwohl also die Stellung und Funktion der Lehrkraft nun als weniger wichtig für den Lernerfolg angesehen wird als noch im Kognitivismus, hat dennoch die Persönlichkeit der Lehrkraft samt ihrer Einstellungen, Handlungen und Haltungen einen zentralen Einfluss auf das Lehr-Lern-Arrangement, ist sie es doch, die die lerngünstigen Arrangements vorbereitet und zur Verfügung stellt. Auch wenn sie dabei wissentlich schülerorientiert vorgeht, wird sie in nicht unerheblicher Weise von bestimmten biografisch konstituierten Motiven, Erwartungen und Werten sowie von ihrem fachlichen und psychologischen Wissen geleitet (Krapp und Weidenmann 2001: 299⫺304). Aspekte von individuellem Lehrerbewusstsein und -handeln rücken daher im konstruktivistischen Lehrparadigma ins Zentrum des Interesses, das den mentalen und affektiven Konstruktionsprozessen der individuellen Lehrkraft einen entscheidenden Einfluss auf ihr Lehrverhalten zubilligt. Forschungsarbeiten dieser Richtung haben ergeben, dass für das faktische Unterrichtshandeln der Lehrkräfte ihre subjektiven Unterrichtstheorien (auch psychologisches Alltagswissen, naive Verhaltenstheorie, träges Wissen, implizite Theorie, intuitive Theorie, pragmatische Alltagstheorie, Berufstheorie, Lehrertheorie u. a. genannt) von zentraler Bedeutung für ihr faktisches Lehrverhalten sind. Das Theorem der subjektiven Unterrichtstheorie basiert auf der Prämisse, dass im Rahmen des zielgerichteten Handelns die Lehrkraft ihren Handlungsraum aktiv-kognitiv konstruiert; das heißt, dass sie die oft mehrdeutigen, rasch wandelbaren, teilweise unvorhersehbaren und immer kontextabhängigen Situationen, mit denen sie im Unterrichtsprozess konfrontiert wird, fortlaufend analysiert, interpretiert und in bestimmter Weise rekonstruiert, um schließlich eine subjektive Handlungslinie zu entwickeln, die durch ihre Realisierung wiederum neue Unterrichtssituationen schafft.
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XV. Lehrerinnen und Lehrer
Bei diesem komplexen Handlungsprozess und unter akutem Handlungsdruck greifen die Lehrkräfte spontan auf Wissensbestände zurück, die nur zu einem Teil in der formalen Lehrerausbildung, teilweise auch schon vorher durch Erfahrungen in der eigenen Schulzeit und zum großen Teil erst durch die eigene Lehrpraxis erworben wurden (Dann 1989: 82). Diese subjektiven Konstrukte der unterrichtsbezogenen Selbst- und Weltsicht der Lehrkräfte bilden ein komplexes Aggregat mit zumindest impliziter Argumentationsstruktur, das durch die alltägliche Unterrichtspraxis permanent modifiziert wird. Sie haben sich als erstaunlich resistent gegenüber der Vielzahl von theoretischen Ansätzen und Impulsen in der Fremdsprachendidaktik erwiesen. Der Terminus „Theorie“ impliziert, dass die subjektiven Konstrukte untereinander in Verbindung stehen und strukturell wie funktional Schlussfolgerungen wie bei wissenschaftlichen Theorien zulassen (Groeben 1988: 18). Subjektive Unterrichtstheorien werden jedoch im Unterrichtshandeln ohne bewusste Steuerung eingesetzt. Sie werden im Verlauf der beruflichen Karriere durch Wiederholungen immer stärker komprimiert und stehen der Lehrkraft als Situationsund Handlungsklassen (Wahl 1991) zum schnellen Abruf zur Verfügung. Grotjahn (2005: 42) listet sieben Definitionsmerkmale des Konstrukts „Subjektive Theorie“ auf, nämlich 1. ihre relativ stabilen kognitiven Strukturen der Selbst- und Weltsicht; 2. ihre nur teilweise bewusstseinsfähigen Kognitionen; 3. ihre wissenschaftlichen Theorien analoge Struktureigenschaften (z. B. Argumentationsstruktur); 4. ihre analog zu wissenschaftlichen Theorien zu erfüllenden Funktionen (a) der Realitätskonstituierung in Form von Situationsdefinitionen, (b) der Erklärung (und auch Rechtfertigung) von Sachverhalten; (c) Vorhersage von Sachverhalten; (d) Konstruktion von Handlungsentwürfen zur Herbeiführung von Sachverhalten; 5. ihre im Zusammenspiel mit anderen Faktoren (z. B. Persönlichkeitsmerkmale, Emotionen) beobachtbare Beeinflussung von Verhalten/Handeln (verhaltens- bzw. handlungsleitende Funktion); 6. ihre aktualisierund rekonstruierbare Qualität; 7. die Notwendigkeit der Prüfung der Akzeptabilität von Subjektiven Theorien als ,objektive‘ Erkenntnis. Da die subjektiven Unterrichtstheorien entsprechend der unterschiedlichen soziokulturellen, institutionellen und sozialisatorischen Bedingungen individuell verschieden determiniert sind ⫺ eben subjektiv ⫺, kann man sie nur höchst problematisch erheben und validieren. Dies trifft umso mehr zu, da jeder Augenblick des Unterrichts eine Vielzahl von simultanen kognitiven, affektiven und motorischen Handlungen sowohl auf Schülerals auch auf Lehrerseite enthält, die nicht nur in sich außerordentlich komplex geartet, sondern auch in einem vielschichtigen Beziehungsgeflecht miteinander verwoben sind. Die wissenschaftlichen Zugriffsmethoden konzentrieren sich daher nur auf bestimmte Aspekte der komplexen subjektiven Unterrichtstheorien in der Annahme, sich diesen so weit annähern zu können, dass sie für den wissenschaftlichen Diskurs bis zu einem bestimmten Grad verwendbar und verallgemeinerbar zu machen seien; so wurden wissenschaftliche Arbeiten vorgelegt zu Themen wie „Förderung von Schülern“ (Treiber 1980), „Aggression in der Schule“ (Dann et al. 1985), „Leistungs- und Störungsepisoden im Unterricht“ (Wahl et al. 1983), „Bewusstseinskonflikte im Schulalltag“ (Wagner et al. 1984), „Aufgreifen von Schüleräußerungen“ (Koch-Priewe 1986) u. a. Die Entwicklung subjektiver Unterrichtstheorien verläuft durchaus nicht immer gradlinig und unproblematisch, sondern auch zirkulär und „verknotet“, wie Wagner (1984, 2003) in ihren Untersuchungen nachgewiesen hat. Gerade in schwierigen Situationen der Unterrichtsführung versuchen Lehrkräfte, sich an selbst erstellte Imperative zu halten („Ich muss diese Stunde pünktlich beenden“ oder „Ich darf nicht unsicher wirken“), die
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auf eine eingeschränkte subjektive Wahrnehmung und Analyse der aktuellen Gesamtsituation zurückzuführen sind, was wiederum zu verstärkter, oft selbst inszenierter Spannung und Angst führt, die eine differenzierte Wahrnehmung und Lösung von Unterrichtsproblemen erschwert. Auch wenn die subjektiven Unterrichtstheorien einer Lehrkraft im Prinzip veränderungsresistent sind, können sie dennoch modifiziert werden (Dann 1994: 174⫺175). Dazu ist eine gründliche Explizierung des subjektiv-theoretischen Wissens der Lehrkraft ebenso eine Voraussetzung wie eine nachhaltige Konfrontation des Lehrenden mit neuen Theoriebeständen zu der jeweiligen Thematik bzw. Problematik, ggf. auch in Form von neuem Wissen anderer Lehrkräfte, so dass sie auch als subjektiv relevant von der betreffenden Lehrkraft rekonstruiert werden. Schließlich muss sich das neue Wissen als geeigneter für die Problemlösung als die bisherigen Subjektiven Unterrichtstheorien bewähren, indem sie in gezielt herbeigeführten Situationen angewendet werden. Dann (1994: 174) nennt in diesem Zusammenhang gedankliches Vorwegnehmen, Beobachtung von Modellpersonen, spielerisches Handeln in hypothetischen Situationen und Probehandeln unter erleichterten sowie realen Situationen, so dass nach entsprechender Einübung und Bewährung es schließlich zu einer Routinisierung der nunmehr verbesserten Handlungsvollzüge kommen kann.
4. Rollenverhalten von Lehrkräten Während Lehrkräfte durch routiniertes Verhalten ihre bewusste Aufmerksamkeit entlasten können, um sich bewusst bestimmten Teilaspekten des Unterrichts widmen zu können (Bromme 1992), ist für die Lernenden eine gewisse wahrnehmbare Stabilität und Vorhersagbarkeit des Lehrerverhaltens gegeben, die einen Teil des beiderseitigen Rollenverhaltens begünstigt. Dabei hat die Lehrerrolle eine prägende Funktion für die Schülerrolle im Sinne einer Bezug nehmenden definitorischen Reaktion, während dies umgekehrt nur in einem eingeschränkten Maße gilt (Gößling 1978: 121). Der soziologische Begriff der Rolle wurde aus der Schauspielkunst abgeleitet: Ein guter Schauspieler bringt einen Teil seiner Persönlichkeit in die Darstellung einer Rolle ein, ohne sich jedoch dabei als Person aufzugeben oder gar in der Rolle zu verlieren; nach der Vorstellung ist er wieder „er selbst“. Das Manuskript schreibt vor, wie er in der Rolle zu handeln hat und wie die anderen handeln werden; gegenseitige Erwartungen werden nicht enttäuscht, denn das Handeln ist von vornherein geregelt. Wie vom Schauspieler wird vom Träger einer sozialen Rolle verlangt, dass er diese Rollenerwartungen unbedingt erfüllt; tut er dies nicht, sinkt sein Prestige und er wird dazu angehalten, ein rollenadäquates Verhalten auszuüben. Die Rolle existiert also unabhängig vom jeweiligen Träger, ihr Inhalt wird von der Gesellschaft bestimmt und rollenabweichendes Verhalten wird ggf. mit Sanktionen belegt. Lehrer und Schüler definieren sich nicht nur durch ihre individuelle Begegnung im aktuellen Lehr-Lernprozess, sondern auch und gerade als Inhaber sozial und institutionell vermittelter Rollen. Viele verschiedene und komplexe Faktoren sowohl hinsichtlich interpersonaler Aspekte (Status, Position, Haltungen und Werte) als auch aufgabenbezogener Aspekte (Erwartungen bezüglich der Art von Lernaufgaben, Wege zur Bewältigung der Lernaufgaben, Lernkontrolle und -bewertung) beeinflussen die Rollen, die Lehrer
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XV. Lehrerinnen und Lehrer
und Schüler im Klassenzimmer einnehmen (Wright 1987). Eine Würdigung dieser Faktoren ist grundlegend für das Verständnis von Lehr- und Lernaktivitäten, denn Kommunikation in Rollenverhältnissen geschieht oft in spezieller Weise, indem ihre Form standardisiert und ritualisiert ist (McCarthy 1991). Gerade Lehrkräfte, die langfristig in der Praxis tätig sind, beklagen sich über die massiven Einschränkungen des Lehr-Lernprozesses, denen sie ⫺ zumindest im öffentlichen Schulwesen Deutschlands ⫺ als vereidigte Staatsbeamte unterworfen sind. Ihnen wird lediglich eine moderate pädagogische Freiheit im Rahmen staatlich genehmigter Lehrwerke und zu erfüllender Lehrpläne gewährt. Schüler nehmen die Lehrkraft als mit Disziplinargewalt versehene Repräsentantin der Institution Schule wahr, deren Interesse nicht der Person des individuellen Schülers gilt, sondern der Erfüllung eines abzuarbeitenden vorgegebenen Lehrplanprogramms sowie der Kontrolle und Bewertung von Schülerleistungen. Nach einem etwa zwanzigjährigen Rollentraining als Schüler haben einige Lehrkräfte, insbesondere in der beruflichen Anfangsphase, wiederum Probleme mit dieser reziproken Rollenzuweisung, die sich in Rollenunsicherheit und Rollenkonflikten niederschlagen kann (Mönnighoff 1992). Darüber hinaus werden Lehrkräfte permanent mit einer Vielzahl divergierender Rollenerwartungen von ihren Interaktionspartnern (Schüler, Eltern, Kollegen, Vorgesetzte, Schulaufsichtsbeamte u. a.) konfrontiert, was sich im Kontext mangelnder Möglichkeiten der Überprüfung, inwieweit sie persönlich diesen Erwartungen entsprechen, konflikthaft auf die eigene Rollenwahrnehmung und -ausübung auswirken kann. Die rollenbedingte Auseinandersetzung der Lehrkraft mit diesen diversen Interaktionspartnern kann widersprüchliche Rollenerwartungen hervorrufen, was wiederum den Rolleninhaber unter Rollendruck setzen kann. Eine Lehrkraft, die z. B. das Kind eines engen Freundes oder des Schuldirektors in der Klasse unterrichtet, muss sich diesem Schüler gegenüber genauso verhalten wie gegenüber allen anderen Schülerinnen und Schülern, ohne sich von seinen Abhängigkeiten korrumpieren zu lassen; dies kann Rollenkonflikte bis hin zum Rollenstress verursachen. Rollenkonflikte können jedoch auch aus der Rolle selbst entstehen. Während sich die Lehrerrolle in dem kognitivistischen Lehr-Lernmodell hauptsächlich auf Instruktion und Beurteilen beschränkte (Gudjons 2001: 257), sind die Rollenerwartungen inzwischen wesentlich erweitert worden, da die Lehrkraft als Lern-Initiator nunmehr auch geplante und organisierte Lerngelegenheiten schaffen muss. Gleichzeitig muss sie sensibel für das Konstruktionspotenzial jedes einzelnen Lernenden sowie für seine außerschulischen Probleme sein; zudem muss sie konsequent in der Notenvergabe, konstruktiv in ihrem Feedback sowie jederzeit souverän und beherrscht in ihrem Verhalten sein. Dies kann zu einer permanenten Rollenüberforderung führen, die sich häufig in einem Burn-Out Syndrom niederschlägt. Lehrer und Schüler begegnen sich in der Institution Schule nicht auf freiwilliger Basis, sondern in einem vorweg definierten Beziehungsverhältnis, das höchst asymmetrisch ist. Auch wenn die Lehrkraft bereit wäre, ihre sozial-institutionelle Rolle als Lehrkraft zugunsten ihrer didaktischen Lehrerrolle im Interesse eines emanzipatorischen Unterrichts zurückzunehmen, so kann sie dennoch nicht mit ihren Schülerinnen und Schülern auf wirklich gleicher Ebene interagieren, da die Lehrkraft immer zugleich als Bewertungsund Kontrollinstanz fungiert; zumindest aus Lernerperspektive nimmt sie die Äußerungen der Lernenden stets auch unter dem Aspekt einer gewissen Notenrelevanz auf. An diesem institutionell begründeten Rollendilemma können letztlich progressive Konzepte eines kommunikativen DaF/DaZ-Unterrichts scheitern, die von einer symmetrischen
148. Die Rolle des Lehrers/der Lehrerin im Unterricht
1333
Kommunikationsbasis der Beteiligten ausgehen, denn der fremd/zweitsprachliche Dialog im Klassenzimmer ist zumeist ein elliptischer Pseudodialog. Eine stabile Rollenerwartung, die Lehrkräfte, Eltern, Vorgesetzte und Lernende gleichermaßen an die Fremd/Zweitsprachenlehrkraft stellen, ist jene als selbstbewusste und interkulturell kompetente Fremd/Zweitsprachenbenutzerin. Die sichere Beherrschung der Zielsprache samt ihres soziokulturellen Kontextes ist die allgemeinste und wichtigste Grundlage jeglichen Bewusstseins von Fachkompetenz, die sich nicht nur in konstruktivem Selbstrespekt der Lehrkraft, sondern auch in der Anerkennung der Lehrerpersönlichkeit von Lernern, Kollegen und im außerschulischen Bereich manifestiert sowie motivationale Bedeutung für Lernende hat, sofern die Sprach- und Kulturkompetenz nicht von der Lehrkraft als Mittel zur Demonstration eigener Überlegenheit missbraucht wird (Wright 1991: 68⫺69). Sichere Sprachbeherrschung und ein hohes Maß an interkultureller Kompetenz machen die Lehrkraft zudem im Unterrichtsprozess frei für ein einfühlsames didaktisch-methodisches Eingehen auf die Lernergruppe bzw. auf einzelne Lernende und deren Lernprobleme, während sich andererseits Sprachunsicherheit und mangelnde interkulturelle Kompetenz verhängnisvoll auswirken kann: Sie kann auf Lehrerseite zu Rollenunsicherheit und Angst führen, während sie auf Lernerseite in Gleichgültigkeit gegenüber der anderen Sprache und ihrem kulturellen Kontext umschlagen und entsprechend demotivierend wirken kann. Insofern trägt die sichere Beherrschung der Zielsprache und ihres soziokulturellen Kontextes nicht nur zu einem stabilen Rollenverständnis bei, sondern sie nimmt auch eine wichtige Funktion als Faktor zur Schaffung und Beibehaltung lernerseitiger Motivation im Lernprozess ein (Alfes 1982). Es ist daher erstaunlich, dass es bislang kaum Untersuchungen gibt, die sich mit den Auswirkungen zielsprachlicher und zielkultureller (In-)Kompetenz der Lehrkraft auf den Unterricht und den Lehr-Lernprozess befassen.
5. DaF/DaZ Ausbildung Ausbildungsmöglichkeiten im Bereich Deutsch als Fremdsprache (DaF) und Deutsch als Zweitsprache (DaZ) existieren an fast allen Universitäten im deutschsprachigen Raum (vgl. Art. 149). Im Hinblick auf die skizzierten Rollenanforderungen wäre es wichtig, dass folgende Bereiche durch das Studium abgedeckt werden: Spracherwerbstheorien, Erstsprachenerwerb, Zweitsprachenerwerb (gesteuert und ungesteuert), Fremdsprachenerwerb/Fremdsprachenlernen (gesteuert), linguistisches sowie psychologisches und pädagogisches Grundlagenwissen, Didaktik des Deutschen als Fremdsprache (Grammatik, Wortschatz, Aussprache, Lektüre), Unterrichtsplanung, Unterrichtsbeobachtung und ⫺ analyse, Lehr- und Lernmittelanalyse, Landeskunde der deutschsprachigen Länder, Interkulturalität, Literatur, Fachsprachendidaktik, Fehleranalyse und -korrektur, Testen und Bewerten. Spezifische Ausbildungsangebote für Deutsch als Zweitsprache existieren überwiegend in Form von Zusatzausbildungen, d. h. als Qualifikationsmöglichkeit für angehende oder bereits praktizierende Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen. Ihre Einrichtung ist motiviert durch die Tatsache, dass der Unterricht im Regelfall von Schülern und Schülerinnen unterschiedlicher ethnischer Herkunft besucht wird (vgl. Art. 122 und Art. 124). Die Absolventen dieser Studiengänge sollen in die Lage versetzt werden, Unterricht in multi-ethnischen Lernumgebungen zu erteilen. Eine derartige Lehr-Lernsitua-
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XV. Lehrerinnen und Lehrer tion mit ihrer z. T. extremen sprachlichen und kulturellen Heterogenität stellt in zweifacher Hinsicht eine Herausforderung für die Lehrkraft dar: Der Unterricht muss einerseits garantieren, dass alle Lernenden in der multikulturellen Gesellschaft handlungsfähig sind, und er muss andererseits den jeweils spezifischen Bedürfnissen eines jeden Schülers Rechnung tragen. Daraus ergibt sich ein pädagogischer Maßnahmenkatalog, der neben der Entwicklung des Deutschen als Zweitsprache und der Förderung muttersprachlichen Lernens auch die Problematisierung von Ethnozentrismus, die Analyse unterschiedlicher Wertekanons und Verhaltensnormen umfassen muss. Die Erwartungen im Bereich der Pädagogik sind ähnlich anspruchsvoll. Die Konzepte von Erziehung und Sozialisation müssen aus einer interkulturellen Perspektive analysiert werden können und ihre Auswirkung auf die institutionellen Bedingungen und die pädagogischen Vorgaben sollen auf dieser Basis evaluiert werden können. Hinzu kommen noch alltagspraktische Überlegungen hinsichtlich der aktuellen Gestaltung eines Unterrichts in multilingualen und multikulturellen Lerngruppen (vgl. Art. 125). Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, muss die Lehrkraft Kenntnisse bezüglich der sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen, rechtlichen, religiösen und politischen Folgen von Migration erwerben. Eine Beschäftigung mit der Theorie und Geschichte der Migration, mit Fragen der Nation und des Rassismus werden daher als Grundlagenwissen vorausgesetzt. Während für die Schule erst in jüngster Zeit nicht nur Zusatzangebote, sondern auch Pflichtmodule im Bereich Deutsch als Zweitsprache angeboten werden, ist die Erwachsenenbildung einen Schritt weiter: Für das Unterrichten in den sog. Integrationskursen wird in Deutschland, Österreich und der Schweiz zunehmend eine entsprechende Fachqualifikation vorausgesetzt (vgl. Art. 121 und 151).
6. Institutionelles Umeld Das institutionelle Umfeld von DaF und DaZ ist sehr unterschiedlich. Während bei Deutsch als Zweitsprache sämtliche Lebensstadien vom Kindergarten bis zur Erwachsenenbildung abgedeckt werden müssen (Billmann-Macheta und Kölbl 2007: 684⫺685), beschränkt sich die Vermittlung von Deutsch als Fremdsprache weitestgehend auf den Sekundarbereich und die sich daran anschließenden Felder der Fort- und Weiterbildung. Diese Unterschiede sind jedoch von geringerer Relevanz als die jeweiligen Lernerpopulationen. Der DaF-Unterricht wendet sich zumeist an homogene Gruppen von Schülern in Regelschulen, die bereits über eine gewisse Grundausbildung verfügen (d. h. in ihrer jeweiligen Muttersprache die entsprechenden Curricula durchlaufen haben) oder an Lernende, die freiwillig an den entsprechenden Institutionen (z. B. Goethe-Institut) Deutsch lernen. Da die deutsche Sprache nach wie vor den Ruf hat, schwierig zu sein, hat man bei DaF-Lernenden im Ausland häufig bereits eine motivierte, ehrgeizige und z. T. sehr leistungswillige Lernerpopulation mit oft auch einem überdurchschnittlichen Bildungshintergrund (Harden 1989). Neben fundierten Kenntnissen der deutschen Grammatik erwarten Lernende dieses Typs dementsprechend umfassende Kenntnisse vor allem der deutschen Geschichte, Kultur und Politik sowie der der Sprache unterliegenden kulturellen Deutungsmuster (Altmayer 2004). Die Lernergruppen bei Deutsch als Zweitsprache sind dagegen meist deutlich verschieden von den oben beschriebenen, was sich häufig bereits innerhalb der Vorschulerziehung zeigt, die in vielen Bundesländern in der Form von Sprachförderprogrammen
148. Die Rolle des Lehrers/der Lehrerin im Unterricht
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integraler Bestandteil der Curricula ist (vgl. Art. 120). Nicht nur die teilweise extreme linguistische Heterogenität hinsichtlich der Muttersprachen in den Lerngruppen stellt ein Problem dar. Darüber hinaus gibt es Schwierigkeiten, die in den sozialen und ethnischen Unterschieden ihre Wurzeln haben. Die DaZ-Lehrkraft muss daher auf jeden einzelnen Schüler eingehen und seine Lernprobleme diagnostizieren, um ihn sodann von dort abzuholen, wo er sich im Lernkontext gerade befindet. Dies ist umso schwieriger, als Lernende sich immer auch in einer ungesteuerten Spracherwerbssituation befinden, da sie im Alltag vielerlei Kontakt mit der Zweitsprache haben. Daher kann der DaZ-Unterricht keine systematisch lineare Progression verfolgen, sondern muss durch eine zyklische Progression sicherstellen, dass die Lehrkraft tatsächlich alle Lernenden erreicht. Weitere wichtige, allerdings häufig unterschätzte Faktoren sind die geplante Verweildauer, die Situationsdefinition der Beteiligten sowie die Freiwilligkeit des Aufenthaltes. Das Verlassen der Heimat geschieht nicht selten unter Zwängen, über deren Natur zu spekulieren hier nicht der Ort ist. Manchmal ist eine Rückkehr geplant, was die aktuelle Situation als vorübergehendes Provisorium erscheinen lässt. Die Motivation, sich mehr als gerade überlebensnotwendig auf die Zielsprache und -kultur einzulassen, ist dann möglicher Weise relativ gering. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn sich bereits sprachlich-kulturelle „Sub-Kulturen“ gebildet haben, d. h. ein gewohntes soziales Umfeld in der Herkunftssprache existiert (Kniffka und Siebert-Ott 2008). Werden in einer solchen Situation von staatlicher Seite weitergehende Integrationsbemühungen verlangt, z. B. durch die Bindung von Aufenthaltsbewilligungen an bestimmte sprachliche Mindestanforderungen, dann kann mit einer eher defensiven, dem Lernprozess wenig förderlichen Haltung seitens der Lernenden gerechnet werden. Diese Ablehnung kann durch religiöse und weltanschauliche Grundmuster verstärkt werden, vor deren Hintergrund die Zielkultur (und damit auch die Sprache) nicht nur als äußerst fragwürdig erscheint, sondern darüber hinaus möglicherweise sogar mit dem gewohnten Wertekanon derart kollidiert, dass eine grundsätzliche Ablehnung zwangsläufig ist (vgl. dazu auch Bommes und Radtke 1993; Harden 2000; vgl. Art. 121). Der Lehrer kann dann in eine Situation geraten, von den Lernenden vor allem als Repräsentant der staatlichen Institutionen betrachtet zu werden, was negative Rückwirkungen auf die Offenheit der Lehr-Lernsituationen haben kann.
7. Berusanorderungen und Berusbild Die Anforderungen, die an Unterrichtende von Deutsch als Fremd- und Deutsch als Zweitsprache gestellt werden, sind also bei weitem nicht so einheitlich, wie es der gemeinsame Nenner, nämlich das Vermitteln der deutschen Sprache, vielleicht vermuten lässt.
7.1. Deutsch als Fremdsprache Im Bereich DaF stehen die konzeptionellen, theoretischen und methodischen Grundlagen von Interkulturalität, von Sprach- und Kulturbeschreibung sowie von Sprach- und Kulturvermittlung in interkulturellen Kontexten im Vordergrund. Besondere Bedeutung haben die Reflexion und Analyse der kontextspezifischen Adaption von Methoden und
1336
XV. Lehrerinnen und Lehrer wissenschaftlichen Erkenntnissen in den Problemfeldern der interkulturellen Sprach- und Kulturvermittlung. Die einschlägigen DaF-Studiengänge bereiten die Absolventen vor allem auf Tätigkeiten innerhalb von privaten und öffentlichen Institutionen der Sprachund Kulturvermittlung vor (z. B. Goethe-Institut, Volkshochschule, Lektorate an Universitäten). Besonderes Gewicht wird in der Regel auf fundierte Kenntnisse hinsichtlich der Fragestellungen zu Konzepten, Methoden und theoretischen Grundlagen von Interkulturalität, Sprach- und Kulturbeschreibung und -vermittlung gelegt mit dem Ziel, auf dieser Basis fachwissenschaftlicher Kenntnisse und Methodenkompetenz in der Entwicklung und Evaluation von Programmen und Projekten in der internationalen Zusammenarbeit mitzuwirken. Da die Vermittlung des Deutschen als Fremdsprache zumeist im Ausland stattfindet, ist neben der oben erwähnten fachlichen Kompetenz für die erfolgreiche Ausübung der Tätigkeit ein hohes Maß and Einfühlungsvermögen, Flexibilität und Belastbarkeit erforderlich. Die DaF-Lehrkaft muss über gute Sprachkenntnisse hinaus auch über eine fundierte soziokulturelle Doppelkompetenz in beiden beteiligten Sprachkulturen verfügen, so dass sie im Sinne des konstruktivistischen Lehr-Lernparadigmas den Lernenden in einfühlsamer Weise Möglichkeiten nicht nur einer zielsprachlichen, sondern auch einer interkulturellen Progression eröffnen kann (Witte 2006, 2009).
7.2. Deutsch als Zweitsprache Wie bereits oben ausgeführt, werden Lehrende des Deutschen als Zweitsprache mit deutlich anderen Problemfeldern konfrontiert. Lehrende in diesem Bereich müssen in der Lage sein, sprachlich und kulturell z. T. extrem heterogene Gruppen zu unterrichten. Sie müssen zudem über Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, die es ihnen erlauben, die sprachlichen Leistungen der Lernenden vor dem Hintergrund ihrer jeweils spezifischen Situation zu beurteilen und angemessene Fördermaßnahmen zu initiieren. Darüber hinaus müssen sie in der Lage sein, die kulturellen Voraussetzungen des Lernerverhaltens zu verstehen und in multilingualen und multikulturellen Gruppen gemeinsames Lernen zu ermöglichen. Duxa (2001) hebt in ihrer Studie zum professionellen Selbstverständnis von DaZ-Lehrenden in der Weiterbildung das spezifische Anforderungsprofil hervor und weist auf den Widerspruch zwischen den zunehmenden Anforderungen und den faktischen Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten hin. Sie plädiert für eine „kollaborative Lehrerforschung“ als entscheidenden Beitrag zur professionellen Entwicklung (Duxa 2001: 462⫺467; vgl. auch Art. 153).
8. Ausblick Die Erforschung der Rolle des Lehrers und der Lehrerin im Unterricht insbesondere des Deutschen als Fremdsprache ist immer noch sehr eurozentrisch ausgerichtet, was sich u. a. in Publikationen niederschlägt, die Kompetenzen und Funktionen einer idealen Lehrkraft in einem Kontext der Ersten Welt postulieren, der jedoch keine universale Gültigkeit beanspruchen kann. Es wäre also notwendig, erstens auf die Realität der Fremd/Zweitsprachenlehrkraft samt den restriktiven Umweltbedingungen vor Ort zu fokussieren und zweitens empirische Untersuchungen zu kulturangemessenen Adaptionen
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1337
von Unterrichtsverfahren durchzuführen, die die alltägliche DaF/DaZ-Unterrichtspraxis in ihrem soziokulturellen Bedingungsgefüge einschließlich der subjektiven Interpretationen des Unterrichts analysieren (vgl. Art. 105). Geschähe dies auf konsistenter Basis für bestimmte Regionen der Welt, könnte man zu neuen Einsichten über Kategorien faktischen fremdkulturellen Lehrerverhaltens kommen, die wiederum Rückwirkungen auf eine weniger eurozentrisch geprägte Theoriebildung einerseits sowie auf die faktische Lehreraus- und Fortbildung vor Ort andererseits haben. In der Sprachlehrforschung müssen theoretische Erkenntnisse und aus ihnen abgeleitete Forderungen für eine konstruktive Lehrerrolle in der konkreten Unterrichtspraxis auch in realistischer, d. h. unmittelbar umsetzbarer Weise ausgerichtet sein. Es wäre wichtig, dass Lehrkräfte durch Aus- und Fortbildungsmaßnahmen veranlasst werden, ihre Professionalität nicht als internes individuelles Persönlichkeitsmerkmal zu betrachten, sondern sie so weit wie möglich mit Kollegen und Forschern zu teilen, so dass ihre Einsichten und Erfahrungen auf breiter Basis zugänglich gemacht werden können, was wiederum dem wissenschaftlichen Diskurs zugute käme. Die Fremd- und Zweitsprachenlehr- und -lernforschung sollte also DaF/DaZ-Lehrkräfte sowie auch DaF/DaZ-Lernende stärker in die Forschung einbeziehen und nicht nur als Versuchsobjekte betrachten; damit könnte die Kluft zwischen Theorie und Praxis überwunden werden und die Lehrenden und Lernenden als Forschungssubjekte befähigt werden, ihre eigene Rolle in der Lehr-Lernpraxis konstruktiv zu verändern (Johnson 2004: 1⫺5).
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XV. Lehrerinnen und Lehrer Wright, Tony 1987 Roles of Teachers and Learners. Oxford: Oxford University Press. Wright, Tony 1991 Language Awareness in Teacher Education Programmes for Non-Native Teachers. In: Carl James und Peter Garrett (Hg.), Language Awareness in the Classroom. London: Longman, 62⫺77.
Arnd Witte, Maymooth (Irland) Theo Harden, Dublin (Irland)
149. Ausbildung von Lehrkräten ür Deutsch als Fremdsprache und Deutsch als Zweitsprache 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Vorbemerkung Entwicklung der Fremdsprachenlehrerausbildung Die Rolle der Deutschlehrerausbildung im Rahmen der Germanistik Akademische DaF-/DaZ-Ausbildung an deutschen und österreichischen Universitäten Kernelemente der Ausbildung von DaF-/DaZ-Lehrkräften Perspektiven der Lehrerausbildung Literatur in Auswahl
1. Vorbemerkung Bei der Ausbildung von Lehrkräften für Deutsch als Fremd- und Deutsch als Zweitsprache ist zwischen Ländern, in denen schulischer Deutschunterricht und die entsprechende Lehrerausbildung durch staatliche Regelungen bestimmt sind, und solchen, wo dies nicht der Fall ist und wo jede Schule eigene Anforderungen an die Lehrkräfte artikuliert, zu unterscheiden. Aber selbst in den Ländern, die die Lehrerausbildung staatlich regeln, herrschen höchst unterschiedliche lokale, regionale und nationale Strukturen. Schließlich ist zu beachten, dass es je nach Land und Situation gemeinsame oder unterschiedliche Strukturen für die Ausbildung zum Deutsch-, Englisch- oder Spanischlehrer etc. gibt, abhängig davon, ob die jeweilige Sprache zum Pflichtangebot gehört, ob sie bereits in der Primarstufe oder nur an bestimmten weiterführenden Schulen angeboten wird. Ein grundsätzlicher Unterschied ist schließlich im Hinblick auf den Zweitsprachenunterricht im deutschen Sprachraum und den Fremdsprachenunterricht in nichtdeutschsprachigen Ländern zu machen. Der vorliegende Beitrag muss sich auf Grundsätzliches mit Schwerpunkt auf Deutschland und Österreich konzentrieren. Für Spezifika der einzelnen Länder sei daher auf die Länderberichte im XIX. Kapitel verwiesen.
2. Entwicklung der Fremdsprachenlehrerausbildung Die Vermittlung von Fremdsprachen war bis in das 18. Jh. hinein eine Aufgabe von Gouvernanten und Sprachmeistern, also muttersprachlichen Autodidakten ⫺ eine Tradi-
149. Ausbildung von Lehrkräften für Deutsch als Fremdsprache und Zweitsprache
1341
tion, die bis heute in der Beliebtheit von native speakers als Sprachlehrkräften fortbesteht. Die Muttersprache ⫺ so der Gedanke ⫺ beherrsche jeder Mensch so gut, dass er sie auch als Fremdsprache vermitteln könne. Erst mit dem Ende des 18. Jhs., im Zuge einer stärkeren staatlichen Regulierung des Unterrichtswesens, entstehen Regelungen für eine systematische, fachlich fundierte Lehrerausbildung (zur Geschichte der Lehrerausbildung allgemein vgl. Gerner 1975; zur Entwicklung der Fremdsprachenlehrerausbildung vgl. von Bhück 1995). Die heute weitgehend übliche Ausbildung von FremdsprachenlehrerInnen (für die Sekundarstufe) im Rahmen der Philologien entwickelte sich in Parallelität zu den Studien in Griechisch und Latein, um für die lebenden Fremdsprachen ein ähnliches Prestige zu etablieren. Die Neuphilologie an den Universitäten verdankt der Lehrerausbildung weitgehend ihre Institutionalisierung, ohne allerdings die Studieninhalte auf die künftige Berufsrolle ihrer Absolventen abzustimmen. Universitäten sahen und sehen sich teilweise noch heute nicht als Ausbildungsstätten, sondern orientieren sich in ihrem Unterrichtsprogramm an der Fachsystematik: Wer sein Fach versteht, so der Grundgedanke, könne es dann auch gut unterrichten. So berechtigt auch heute noch in zahlreichen Ländern ein vorwiegend philologisch orientiertes Germanistikstudium, in dessen Zentrum Mediävistik, Sprach- und Literaturwissenschaft stehen, zu einer Tätigkeit als Deutschlehrer, auch wenn inzwischen zum Teil ergänzende pädagogische Studien (pädagogisches Begleitstudium, Referendariat, Unterrichtspraktikum o. ä.) hinzugekommen sind und in den letzten Jahren v. a. im europäischen Raum im Rahmen des BolognaProzesses Germanistikstudiengänge deutlicher berufsorientierend konturiert werden. Während die Lehrerausbildung in Westeuropa seit den 1950er Jahren zunächst stagnierte ⫺ erst mit dem Bologna-Prozess und der Entwicklung von Bildungsstandards sind neue Entwicklungen in Gang gekommen ⫺, sind mit dem durch die Öffnung des „Eisernen Vorhangs“ entstandenen großen Bedarf an qualifizierten Fremdsprachenlehrern in zahlreichen mittel- und osteuropäischen Ländern neue Wege der Lehrerausbildung beschritten worden. Mit dem Wegfall des Russischen als Pflichtfremdsprache und der Öffnung nach Westeuropa explodierte die Nachfrage nach Fremdsprachenunterricht vor allem in Englisch und anfänglich auch in Deutsch; die mittel- und osteuropäischen Reformstaaten standen vor der Notwendigkeit, rasch möglichst viele Lehrkräfte zu qualifizieren. Da die Universitäten mit ihrer philologischen Tradition als zu schwerfällig erschienen, wurde in manchen Ländern ein neuer Weg beschritten: In Polen und in der Tschechischen Republik z. B. wurden unabhängig von den Universitäten Kurzstudien an eigens gegründeten Lehrerkollegs bzw. Zentren eingeführt, die mit einer dreijährigen Ausbildung (gegenüber dem traditionell fünfjährigen Universitätsstudium) Deutschlehrer qualifizieren sollten. In Ungarn wurden solche Kurzstudiengänge an den Hochschulen etabliert (vgl. zur Übersicht Kast und Krumm 1994; Krumm 1999; Krumm und Legutke 2001).
3. Die Rolle der Deutschlehrerausbildung im Rahmen der Germanistik Dass ein germanistisches Studium allein nicht diejenigen Fähigkeiten und Fertigkeiten vermittelt, die ein Lehrer braucht, um zu unterrichten, liegt auf der Hand. Insofern bestimmt die Frage, welche Inhalte unverzichtbar sind und wie die einzelnen Ausbildungskomponenten zu gewichten seien, ohne das Studium zu überfrachten, die Diskussion
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XV. Lehrerinnen und Lehrer um die Fremdsprachenlehrerausbildung seit den 1970er Jahren. Eine Ausrichtung der Lehrerausbildung auf das künftige Berufsfeld bedeutet vor allem, außer den sprach- und literaturwissenschaftlichen auch sprachdidaktische und landeskundliche Studienelemente einzubeziehen, was nicht ohne eine Überprüfung auch der germanistischen Ausbildungsinhalte erfolgen kann. Damit ist, auch wenn Kritiker dies gelegentlich unterstellen (so etwa Glück 1997: 60 ff.), nicht gemeint, auf eine solide germanistische Ausbildung zu verzichten; vielmehr geht es darum, diese durch eine ebenso fundierte, auf die Lehraufgaben zugeschnittene Ausbildung zu komplettieren. Die Dynamik des Lehr-Lern-Prozesses bildet einen eigenständigen Studienbereich, in dem neben sprachbezogenen auch die Vielfalt lerner- und interaktionsbezogener Aspekte zu berücksichtigen sind, d. h. dass ein berufsorientiertes Lehrerstudium interdisziplinär anzulegen ist (vgl. auch Helbig 1997: 93). Seit Ende der 1980er Jahre wird unter den Anforderungen an Fremdsprachenlehrende verstärkt ihre besondere Rolle als Mittler zwischen den Kulturen betont. Die Außenperspektive ist das unterscheidende Merkmal zwischen einer Lehrerausbildung für den muttersprachlichen und den fremdsprachlichen Deutschunterricht (vgl. Krumm 1993: 281⫺ 282; Helbig 1997). Insgesamt hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Ausbildung allein überfordert wäre, alle diese Qualifikationen in umfassender Weise zu vermitteln, dass es vielmehr einer Kombination von Lehreraus- und Fortbildung bedarf, eines lebenslangen Lernens, damit Lehrende den Anforderungen an ihre Tätigkeit gerecht werden können (vgl. Art. 150 und 151). Ein solches nicht bloß philologisches, sondern auch die Vermittlung von Lehrfähigkeit einschließendes Verständnis der Lehrerausbildung hat in einigen Ländern zur Einrichtung fremdsprachendidaktischer Abteilungen im Rahmen der Germanistik bzw. zu integrierten germanistisch-erziehungswissenschaftlichen Ausbildungskonzeptionen und zur verstärkten Einbeziehung praktischer Phasen in die Lehrerausbildung geführt (vgl. Krumm und Legutke 2001).
4. Akademische DaF-/DaZ-Ausbildung an deutschen und österreichischen Universitäten 4.1. Überblick Für die Ausbildung zur Lehrkraft für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache im deutschsprachigen Raum gelten besondere Bedingungen: Zum einen sind die Studierenden überwiegend solche, die es lernen wollen, ihre Muttersprache als Fremd- und Zweitsprache zu unterrichten, zum andern ist Deutsch an deutschen und österreichischen Schulen keine Fremdsprache, so dass die Studiengänge für Deutsch als Fremdsprache in beiden Ländern nicht als Lehramts-, sondern als Magister- bzw. Diplomstudien angelegt sind. Davon zu unterscheiden sind Qualifikationen, die Lehrende im Schulbereich für den Unterricht mit Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund benötigen, die in Studienangeboten für Deutsch als Zweitsprache vermittelt werden (für die wiederum anders gelagerte Situation in der Schweiz vgl. Art. 8). Die Situation der DaF-/DaZ-Lehrerausbildung in Deutschland ist ein Spiegel der Entwicklung des akademischen Fachs Deutsch als Fremdsprache (vgl. Art. 1 und 2). Galt
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das Fach DaF in seiner Gründungsphase als „Kind der Praxis“, dann lag das daran, dass die Notwendigkeit der fachdidaktischen und wissenschaftlich fundierten Qualifizierung von Lehrkräften für den DaF-Unterricht ein wesentlicher Grund für die Einrichtung von akademischen Studiengängen an deutschen Universitäten war. Das Ergebnis eines Entwicklungsprozesses bis Ende der 1990er Jahre waren akademische Studiengänge im Rahmen von Magister-, Diplom-, Ergänzungs- und Zusatzstudiengängen bzw. die Berücksichtigung von DaF-Studienelementen als Teil von anderen Studiengängen (insbesondere Germanistik, aber auch Erziehungswissenschaften sowie Sprachlehrforschung), die ein höchst heterogenes Gesamtbild und Qualifikationsprofile mit je nach Studienort unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunktsetzungen und Studienvolumina ergaben (vgl. Henrici und Koreik 1994; Baur und Kis 2002). Diese für Außenstehende und potentielle ArbeitgeberInnen eher undurchschaubare Situation ist durch die Einführung von unterschiedlichen Bachelor- und Masterstudiengängen nicht unbedingt besser geworden (vgl. die Bemühungen des Fachverbands Deutsch als Fremdsprache [FadaF], eine größere Transparenz durch die Pflege von aktuellen Informationen zu den Studiengängen in den und außerhalb der deutschsprachigen Länder durch DaF-Wikis herzustellen: http:// www.fadaf.de/wiki/). Versuche der Fachvertreter, sich auf überregionale Standards und Kerncurricula zu einigen, sind bisher über Anfangsdiskussionen und schmale Einigungen nicht hinausgekommen (vgl. das Grundsatzpapier zur curricularen Basis von Bachelorund Masterstudiengängen DaF des FaDaF o. J. sowie die Beiträge in Casper-Hehne, Koreik und Middeke 2006). Die Gründe dafür reichen von berechtigten Schwerpunktsetzungen und Fachegoismen auf der Basis unterschiedlicher Forschungsprofile bis zur Problematik notwendiger Polyvalenz von akademischen Studiengängen, die die Vielschichtigkeit und Wandelbarkeit möglicher Berufsfelder in der Sprach- und Kulturvermittlung im In- wie Ausland erfordert. An vielen Universitätsstandorten wird Deutsch als Fremd- und Zweitsprache (zukünftig) im Rahmen des Masterstudiums angeboten, meist auf der Basis eines germanistischen Bachelorabschlusses (u. a. Berlin, Gießen, Göttingen, Marburg, Wien), nur an den etwas größeren und besser ausgestatteten Standorten (Bielefeld, Jena, Leipzig) werden konsekutive Bachelor- und Masterstudiengänge angeboten. Gerade im Rahmen von Bachelorstudiengängen wird die Berufsorientierung als zentrales Ausbildungsziel beschrieben. Hierfür bringen die DaF-/DaZ-Studiengänge in der Regel recht gute Voraussetzungen mit; die Berufsfelder Tätigkeiten in der Sprach- und Kulturvermittlung sowie DaF-/ DaZ-LehrerIn ⫺ mit Schwerpunkt in der Erwachsenenbildung ⫺ waren in fast allen bisherigen Studienordnungen beschrieben und deutlich ernster gemeint und umgesetzt als in anderen geisteswissenschaftlichen Studiengängen. Die akademische Ausbildung von Lehrkräften für den Unterricht Deutsch als Zweitsprache und weitere Aktivitäten in der sprachlichen Bildung für Migranten, Flüchtlinge und Lernende der Folgegenerationen mit Zuwanderungsgeschichte fand in Deutschland bislang im Rahmen der DaF-Studiengänge, mitunter ⫺ und je nach Engagement und Möglichkeiten der Akteure an den unterschiedlichen Studienorten ⫺ in Form von Studienelementen im Rahmen der Lehramtsstudiengänge und der Interkulturellen Pädagogik statt. Die Situation der DaZ-Ausbildung ist mehr als unbefriedigend; erst in der letzten Zeit werden hier unterschiedliche Anstrengungen unternommen. So finden im Rahmen der bisherigen DaF-Studiengänge Module und Lehrveranstaltungen zu DaZ stärkere Berücksichtigung. DaZ wird in einigen deutschen Bundesländern und an den Pädagogischen Hochschulen in Österreich zukünftig ein (eher kleines) Pflicht- oder Wahlpflichtele-
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XV. Lehrerinnen und Lehrer ment in den Studiengängen für ein Lehramt sein, z. B. müssen im Rahmen des ab 2011 gültigen Lehrerausbildungsgesetzes in Nordrhein-Westfalen sämtliche Studierende aller Lehrämter (inkl. aller Schulformen, inkl. aller Sachfächer) mindestens sechs Leistungspunkte in „Deutsch für Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungsgeschichte“ erbringen. Eine ähnliche Festlegung existiert für Bremen und Berlin, für Studierende des Lehramts Deutsch in Sachsen; andere Bundesländer werden auf der Basis des Nationalen Integrationsplans für Deutschland (Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration 2007) nachziehen. In Bayern wird derzeit das neue Unterrichtsfach Deutsch als Zweitsprache eingerichtet. In Österreich ist die Neuordnung der Lehrerausbildung im Jahr 2009 noch nicht abgeschlossen, doch drängt das zuständige Unterrichtsministerium darauf, Module zu Deutsch als Zweitsprache in alle Lehramtsstudiengänge, insbesondere aber in die für die Grundschule aufzunehmen (vgl. Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur und Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung 2008). Noch ausgeprägter föderalistisch bedingte Heterogenität herrscht in der Ausbildung von Lehrkräften für den Elementarbereich, der in immer mehr deutschen Bundesländern als Kernaufgabe der Länder und Kommunen im Bereich der Sprachförderung wahrgenommen wird ⫺ hier liegt derzeit noch der Schwerpunkt auf der (leider zentral wenig abgestimmten) Entwicklung von Instrumenten der frühen Sprachstandsdiagnose (vgl. Art. 146) und weniger auf der dringlich zu erweiternden Aus- und Weiterbildung von Erzieherinnen und weiterem Personal von Kindergärten und Kindertagesstätten. In Österreich fällt die Ausbildung von Kindergarten- und SozialpädagogInnen in die Bundeskompetenz: Der Lehrplan Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik (BAKIP) enthält seit 2007 einen Themenbereich Deutsch als Zweitsprache, der allerdings nur für die Kollegs für Kindergartenpädaogik (2. Bildungsweg) mit einer Wochenstunde verpflichtend sind (vgl. De Cillia und Krumm 2009).
4.2. Struktur und Reorm der DaF-/DaZ-Studiengänge Bis zur Jahrtausendwende konnten akademische DaF-/DaZ-Angebote folgendermaßen differenziert werden: (a) grundständige DaF-/DaZ-Studiengänge: DaF/DaZ als Hauptund/oder Nebenfach v. a. in Magister- und Diplomstudiengängen; (b) DaF/DaZ als Schwerpunkt im Rahmen anderer grundständiger Studiengänge (z. B. Germanistik, Sprachlehrforschung); und (c) DaF/DaZ als Ergänzungs-, Aufbau- und Zusatzstudiengang. Die Studienangebote unterschieden sich stark voneinander, von einer einheitlichen DaF-/DaZ-Lehrerausbildung konnte nicht die Rede sein. Die aktuelle Situation der Umstrukturierung der Studiengänge zu Bachelor- und Masterstudiengängen ist in einer fortgeschrittenen Phase (vgl. den Bericht über den Zwischenstand im Jahr 2005 in Riemer 2006). An den deutschen Universitäten sind die neuen Studienangebote für DaF/DaZ folgendermaßen zu differenzieren: Es gibt (a) das Angebot eines konsekutiven Bachelor-/Masterstudiengangs DaF/DaZ; (b) das Angebot eines Bachelorstudiengangs DaF/DaZ (nur Bachelorstudiengang); (c) das Angebot eines Masterstudiengangs DaF/DaZ (nur Masterstudiengang); und (d) DaF-/DaZ-Angebote (Module, Schwerpunkte) im Rahmen anderer Studiengänge (häufig im Rahmen von Germanistikstudiengängen). Im Rahmen der Hochschulautonomie muss sich jeder DaF-/DaZStudiengang zunächst an der eigenen Hochschule behaupten und ein Akkreditierungsver-
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fahren erfolgreich durchlaufen. Die Entscheidung für einen Studiengangstyp einschließlich spezifischer Profilbildungen spiegelt daher neben Überlegungen zu Bedarfen der DaF-/DaZ-Ausbildung auch die Bedingungen in verschiedenen Bundesländern und an den einzelnen Hochschulen bis hin zur Balance zwischen Forschungs- und (Aus-)Bildungsprofil wider. In Österreich besteht nur an der Universität Wien ein Masterstudium DaF/DaZ; die Universität Graz bietet einen Universitätslehrgang Deutsch als Fremd- und Zweitsprache als kostenpflichtiges Aufbaustudium an, das entweder einen Bachelorabschluss oder aber eine mindestens dreijährige Berufserfahrung an öffentlichen oder privaten Schulen voraussetzt. Germanistische Bachelorstudiengänge an den österreichischen Universitäten enthalten in der Regel ein Modul aus Deutsch als Fremd- und/oder Zweitsprache, teilweise gibt es weiterhin entsprechende Zusatzstudien (vgl. Boeckmann 2009). Die im Verlauf des Jahres 2009 insbesondere im Verlauf des Bildungsstreiks in Österreich und Deutschland deutlich artikulierte Kritik an der Unterfinanzierung der Universitäten sowie Übersprunghandlungen im Verlauf der Studienstrukturreform (insbesondere was Prüfungsvolumina, Überstrukturierung und Überfrachtung der Studienangebote betrifft), wird notwendige Nachjustierungen auch im Rahmen der DaF-/DaZStudiengänge bewirken. Angesichts der vielfältigen zu berücksichtigen Kernelemente der DaF-/DaZ-Lehrerausbildung (s. Abschnitt 5) ist dies eine Herausforderung, die die Studiengangskonzeption noch lange beschäftigen und verschiedene Zwischenlösungen nötig machen wird.
5. Kernelemente der Ausbildung von DaF-/DaZ-Lehrkräten Die Diskussion um das Anforderungsprofil an Fremd- und ZweitsprachenlehrerInnen hat sich in einer Reihe von Grundsätzen niedergeschlagen, die zumindest ansatzweise in neueren Curricula aufgegriffen werden. Mit der Forderung nach einem stärkeren Berufsbezug der Deutschlehrerausbildung hat die Bedeutung der unterrichtsbezogenen Fragestellungen in lehrerausbildenden Studiengängen zugenommen, wobei sich die Situation je nach Land höchst unterschiedlich darstellt: In den Studiengängen für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache in Deutschland und Österreich stehen Fremd- bzw. Zweitsprachendidaktik und Sprachlehrforschung vielfach im Zentrum, in der Auslandsgermanistik hängt dies vom Stand der Studienreform bzw. der traditionellen Rolle von Glottodidaktik bzw. Angewandter Linguistik im Rahmen des Germanistikstudiums ab. Drei Gesichtspunkte spielen bei der Einbeziehung methodisch-didaktischer Aspekte in die Deutschlehrerausbildung eine besondere Rolle: (a) die Verknüpfung von Theorie und Praxis: Zu den sprachdidaktischen Lehrveranstaltungen gehören daher in der Regel Unterrichtspraktika, die es den angehenden Lehrern erlauben, die Umsetzung von Konzepten in die Unterrichtspraxis zu beobachten bzw. selbst zu erproben; (b) die Verknüpfung des fachwissenschaftlichen mit dem fremdsprachendidaktischen Studium, so dass die Studierenden aus der didaktischen Perspektive heraus Rückfragen an die Spracherwerbsforschung, Sprachlehr- und -lernforschung sowie Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaft stellen können; (c) die Einbeziehung des forschenden Lernens: Die künftigen Lehrer sollen lernen, selbst ein Stück weit Klassenzimmerforschung zu betreiben, d. h. die ablaufenden Lehr- und Lernprozesse zu analysieren, um den besonderen Lehr- und Lernproblemen auf die Spur zu kommen (vgl. Art. 153).
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XV. Lehrerinnen und Lehrer Trotz aller Unterschiede lassen sich folgende Bereiche als Kernelemente der Ausbildung von DaF- und DaZ-Lehrkräften beschreiben (vgl. auch Krumm 1994; Neuner 1994; Krumm und Legutke 2001): (1) Ausbildung von Kenntnissen in Bezug auf die deutsche Sprache (sprachwissenschaftliche Kompetenz), wobei Bewusstheit und Kenntnisse der (Ir-)Regularitäten in den linguistischen Gegenstandsbereichen und die Kompetenz zu entwickeln sind, Formen und Funktionen der deutschen Sprache im phonetisch-phonologischen, grammatischen und lexikalischen sowie pragmatischen und textuellen Bereich mit fremden Augen sehen, analysieren und beschreiben zu können. (2) Wer Sprache(n) lehren will, muss wissen, wie Sprache(n) gelernt werden, welche Prozesse und Lernschwierigkeiten dabei natürlich auftreten, welche individuellen Unterschiede sich bemerkbar machen werden. Dies impliziert die Notwendigkeit der Ausbildung von Kenntnissen in Bezug auf Prozesse des Lernens von Deutsch als Fremd- und Zweitsprache sowie einer Kompetenz zur kritischen Rezeption und Reflexion aktueller Forschungsergebnisse mit dem Ziel, diese Kenntnisse bei der Evaluation, Planung und Durchführung von Unterricht anwenden zu können. Dass dies noch nicht ausreichend in den DaF-Studiengängen verankert ist, haben Blex und Schlak (2001) in einer Analyse der Studienangebote in Deutschland ermittelt. (3) Ausbildung von Kenntnissen in Bezug auf die Kultur und Gesellschaft (Landeskunde) des deutschsprachigen Raums mit Berücksichtigung deutschsprachiger Literatur einschließlich der damit verbundenen Textsorten und Medien (vgl. Art. 160). (4) Die Ausbildung interkultureller Kompetenz ist als eine Schlüsselqualifikation zu betrachten, wobei Prozesse des Fremdverstehens, kulturellen Lernens und der interkulturellen Kommunikation reflektiert werden. (5) Zentrales Ziel der DeutschlehrerInnenausbildung ist die Ausbildung von Kenntnissen und berufsorientierten Kompetenzen in Bezug auf Prozesse des Lehrens von Deutsch als Fremd- und Zweitsprache einschließlich weiterer Maßnahmen der sprachlichen und interkulturellen Bildung (fachdidaktische Kompetenz). Hierzu gehört das weite Feld der Methodik/Didaktik (vgl. Kapitel X). (6) Eng mit der Lehrtätigkeit verbunden ist die Durchführung von informellen und formellen Tests und Prüfungen zur Sprachstands- und Sprachentwicklungsmessung bzw. die Vorbereitung der Lernenden auf standardisierte Tests (vgl. Kap. XIV). Insbesondere für den Bereich Deutsch als Zweitsprache ist die Notwendigkeit der Ausbildung sprachdiagnostischer Kompetenzen erkannt worden, da ungesteuerte und gesteuerte Lernprozesse zusammenkommen bzw. die Heterogenität der Lernenden erheblich ist. (7) Noch zu wenig berücksichtigt, aber von zunehmender Relevanz sowohl für Deutsch als Fremd- wie für Deutsch als Zweitsprache ist die Ausbildung von Kenntnissen über grundlegende sprachenpolitische, bildungs- und sozialpolitische Entwicklungen (z. B. europäische Sprachenpolitik und ihr Stellenwert für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, Zuwanderungsgesetze und ihre Konsequenzen für Deutsch als Zweitsprache) und damit verbundene Akteure und Institutionen mit dem Ziel, diese Kenntnisse bei der Planung, Durchführung und Evaluation von Unterricht und Fördermaßnahmen zu reflektieren und einzubringen (vgl. Kap. III). (8) Für deutschsprachige Studierende sind sprachpraktische Studienanteile in einer weiteren Fremdsprache als Kontrastsprache (insbesondere Migrantensprachen, nicht indoeuropäische Sprachen) eine gut erprobte Möglichkeit, aktuelle Lernerfahrungen und dabei erfahrene Lernschwierigkeiten mit fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen In-
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halten abzugleichen und fachliche Studieninhalte erfahrbar zu machen. Vielfach wird von den Studierenden dabei verlangt, ein Lerntagebuch als Grundlage für weitere fachwissenschaftliche und fachdidaktische Reflexionen zu führen. (9) Dass für nichtmuttersprachliche DeutschlehrerInnen eine möglichst umfassende Beherrschung der Zielsprache wünschenswert ist, steht außer Frage. Die Sprachvermittlung dominiert daher zumindest die erste Studienphase in den meisten auslandsgermanistischen Studiengängen (vgl. die Beiträge in Casper-Hehne und Middeke 2009). Dabei ist zu unterscheiden zwischen Studiengängen, in denen Studierende ohne nennenswerte sprachliche Vorkenntnisse ein Deutschlehrer-/Germanistikstudium aufnehmen ⫺ in der Regel dort, wo Deutsch nicht an Schulen angeboten wird ⫺, und jenen, in denen eine relativ gute Sprachbeherrschung Voraussetzung für die Aufnahme des Studiums ist und daher von Anfang an das Studium stärker fachliche Akzente setzen kann (vgl. auch Art. 3). Bei der Gestaltung der sprachpraktischen Ausbildung muss es darum gehen, die Isolierung der Sprachkurse vom übrigen Lehrangebot zu überwinden, befindet sich der Lehrerstudent doch in einer spezifischen Doppelrolle als Sprachlernender einerseits und (angehender) Sprachlehrer andererseits. Lehrende unterrichten so, wie sie selbst eine Sprache gelernt haben. Auch in den DaF-/DaZ-Studiengängen der deutschsprachigen Länder ist studienbegleitende Förderung der sprachpraktischen Kompetenz in Deutsch als fremder Sprache, insbesondere auch in Deutsch als fremder Wissenschaftssprache, für Studierende mit Herkunft aus nichtdeutschsprachigen Ländern von großer Bedeutung, da das geforderte Spracheingangsniveau (häufig TestDaF 4444) allein nicht ausreicht; entsprechend integrierte Angebote im Rahmen der Studiengänge sind leider nicht der Regelfall. (10) In Bezug auf die Entwicklung dieser Kompetenzen sind Erfahrungen der Studierenden in der Planung, Durchführung und Evaluation von Unterricht im Rahmen von Hospitationen und Praktika von besonderer Bedeutung. In vielen europäischen Ländern, so auch in Deutschland und Österreich, ist die Ausbildung von LehrerInnen für öffentliche Schulen zweiphasig angelegt: An das philologische (und eventuell auch fachdidaktische) Studium schließt sich eine Phase der Praxiseinführung und Praxiseinübung an (Referendariat, unterrichtspraktisches Jahr o. ä.), die in der Regel nicht mehr in der Verantwortung der ausbildenden Hochschule, sondern spezieller Institutionen (in Deutschland z. B. der Studienseminare) durchgeführt wird. Die Überwindung dieser starken Trennung in eine wissenschaftlich-theoretische und eine praktische Ausbildungsphase in einer einphasigen Lehrerausbildung ist seit langem als Notwendigkeit erkannt (vgl. Krumm 1976) und wurde im Bereich der Deutschlehrerausbildung insbesondere in den mittel- und osteuropäischen Reformprojekten realisiert (vgl. Kast und Krumm 1994). In Westeuropa ist es dagegen weitgehend bei einer zweiphasigen Ausbildung geblieben, allerdings haben auch hier in unterschiedlicher Form Praxisphasen Eingang in die Ausbildung gefunden. Insgesamt zeigt die Praxis der Lehrerausbildung eine Vielfalt von Formen, den künftigen Lehrern Erfahrungen mit ihrem künftigen Berufsfeld bereits im Rahmen der Erstausbildung zu ermöglichen: (a) Unterrichtsbeobachtung und Hospitationen: Angehende Lehrerinnen und Lehrer müssen es zunächst lernen, ihr künftiges Praxisfeld, das sie bislang nur aus der Schülerperspektive kennen, aus der Lehrperspektive, d. h. auch unter fachlichen und didaktischen Aspekten, wahrzunehmen (vgl. Art. 152). (b) Microteaching und Unterrichtspraktikum: Beobachten allein befähigt nicht zu Handlungskompetenz. Im Rahmen von Microteaching können Studierende erste
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XV. Lehrerinnen und Lehrer Schritte des Unterrichtens unter Reduktion der Komplexität des Unterrichtsprozesses und mit wenigen gutwilligen Lernenden (meist ihren Mitstudenten) ausprobieren und gezielt einzelne Lehrfertigkeiten trainieren, ehe in einem Unterrichtspraktikum reale Unterrichtserfahrungen gesammelt werden. (c) Bei den Studiengängen für Deutsch als Fremdsprache im deutschsprachigen Raum geben neben Inlands- auch Auslandspraktika den Studierenden Gelegenheit, Unterrichtserfahrungen in einem anderen kulturellen Kontext zu sammeln (vgl. die Beiträge in Ehnert und Königs 2000). (d) Eine Sonderform der praktischen Lehrerausbildung in Vorbereitung auf die mehrsprachige Realität der Schule bieten seit einigen Jahren etliche deutsche Universitäten (Stand 2009: 35 Studienstandorte in 14 Bundesländern). Im Rahmen von „Förderunterricht für Schülerinnen und Schüler nicht deutscher Herkunftssprache“ der Sekundarstufen I und II können i. d. R. Lehramtsstudierende umfangreichere studienbegleitende (betreute) außerschulische Unterrichtserfahrungen in Kleingruppen mit SchülerInnen sammeln. Dieser Modellversuch wird von der Stiftung Mercator unterstützt (http://www.stiftung-mercator.org/foerderunterricht/) und hat vielfach Bewegung in die Lehreraus- und -weiterbildung mit Bezug auf diese Zielgruppe gebracht.
6. Perspektiven der Lehrerausbildung Seit Einsetzen des Bologna-Prozesses ist sehr viel Bewegung auch in die Reform der akademischen DeutschlehrerInnenausbildung gekommen. Allerdings stellen sich zwei Fragen: Die eine betrifft den Übergang vom Studium in den Lehrberuf ⫺ auf Grund der schlechten Bezahlung der Lehrer und des großen Bedarfs an sprachkundigen Mitarbeitern in der Wirtschaft nehmen teilweise nur ca. 30 % der AbsolventInnen der auslandsgermanistischen Studiengänge eine Tätigkeit als DeutschlehrerIn auf (vgl. Art. 3). Eine Verbesserung der Ausbildungsqualität allein reicht also nicht aus, die Lehrtätigkeit attraktiver zu machen. Die zweite Frage gilt der Überwindung der Zweigleisigkeit von Deutschlehrer- und Germanistenausbildung: Wie weit können Studiengänge der Lehrerausbildung (z. B. die Kollegausbildung) und die germanistischen Studiengänge in Zukunft integriert werden? Das könnte die durchaus positive Folge haben, dass die germanistischen Studiengänge sich verstärkt auch methodischen und schulpraktischen Fragestellungen öffnen müssten, während die Deutschlehrerausbildung den sprach- und literaturwissenschaftlichen Studieninhalten mehr Gewicht einräumen müsste. Die allgemeinere Frage, die sich auch den Studiengängen für Deutsch als Fremdsprache in den deutschsprachigen Ländern stellt, liegt in der Zukunft einer stark spezialisierten Ausbildung insgesamt: Innerhalb der deutschsprachigen Länder existiert Deutsch als Fremdsprache nicht als Schulfach, so dass hier nur eine Tätigkeit im außerschulischen Sprachunterricht in Frage kommt ⫺ diese aber wird überwiegend in der Form stundenweiser und befristeter Arbeitsverträge angeboten, da Volkshochschulen und private Kursanbieter kaum feste Lehrer anstellen. Solche Tätigkeiten können i. d. R. in keiner Weise ein für HochschulabsolventInnen angemessenes und in Bezug auf die Ansprüche an eine professionelle Lehrtätigkeit erwartbares Einkommen garantieren. Viele AbsolventInnen in den deutschsprachigen Ländern verlassen nach einigen Jahren wechselnder ungesicherter und unzureichend bezahlter Honorartätigkeiten das Berufsfeld. Ernüchternde Be-
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funde ermittelt derzeit eine Absolventenverbleibstudie für die deutschen DaF-Studiengänge, die auch den Werdegang von BachelorabsolventInnen in den Blick nehmen wird (für einen ersten Zwischenstand vgl. Hunstiger und Koreik 2006): Nur wenige AbsolventInnen ⫺ und dann v. a. die, denen auf Umwegen und mit Nachqualifikationen der Seiteneinstieg in das öffentliche Schulsystem gelingt ⫺ können langfristig ein zufriedenstellendes Einkommen erreichen; im Rahmen von Auslandslektoraten ist dies zumindest für einige Jahre möglich. Qualifikationen im Bereich Deutsch als Zweitsprache in Kombination mit einem Lehramtsstudium verbessern in einigen Regionen die Möglichkeiten für eine Stelle im Schulsystem. Auch der Lehrer-Arbeitsmarkt in den mittel- und osteuropäischen Ländern ist zunehmend gesättigt, so dass für die AbsolventInnen auch andere Berufsfelder (Erwachsenenbildung, Kulturaustausch) eröffnet werden müssen. Bei allem Interesse an einer professionellen Lehrerausbildung müssen die lehrerausbildenden Studiengänge daher auch berufsunabhängige Qualifikationen vermitteln und dürfen sich nicht ausschließlich als Lehrerausbildung verstehen (vgl. Roggausch 1997).
7. Literatur in Auswahl Baur, Rupprecht und Marta S. Kis 2002 Lehrerausbildung in Deutsch als Fremdsprache und Deutsch als Zweitsprache. Fremdsprachen Lehren und Lernen 31: 123⫺150. Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration 2007 Der Nationale Integrationsplan. Neue Wege ⫺ neue Chancen. Online: http://www. bundesregierung.de/Content/DE/Publikation/IB/Anlagen/nationaler-integrationsplan, property⫽publicationFile.pdf (03. 01. 2010). Blex, Klaus und Torsten Schlak 2001 Fremdsprachenerwerbsforschung im Hochschulfach Deutsch als Fremdsprache: Bestandsaufnahme und Perspektiven. In: Karin Aguado und Claudia Riemer (Hg.), Wege und Ziele. Zur Theorie, Empirie und Praxis des Deutschen als Fremdsprache (und anderer Fremdsprachen), 103⫺116. Baltmannsweiler: Schneider. von Bhück, Karlhans Wernher 1995 Fremdsprachenlehrer-Ausbildung an Hochschulen. In: Karl-Richard Bausch, Herbert Christ und Hans-Jürgen Krumm (Hg.), Handbuch Fremdsprachenunterricht, 548⫺551. 3. Aufl. Tübingen/Basel: Francke. Boeckmann, Klaus-Börge 2009 Ausbildungsangebote und Qualifikationsmaßnahmen für Unterrichtende in Österreich: Die Ausbildungssituation von Lehrenden an Schulen. In: Verena Plutzar und Nadja Kerschhofer-Puhalo (Hg.), Nachhaltige Sprachförderung. Zur veränderten Aufgabe des Bildungswesens in einer Zuwanderungsgesellschaft, 64⫺75. Innsbruck: Studienverlag. Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur und Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (Hg.) 2008 Sprach- und Sprachunterrichtspolitik in Österreich. Language Education Policy Profile: Länderbericht. Online: http://www.coe.int/t/dg4/linguistic/Source/Austria_Country Report_final_DE.pdf (30. 12. 2009). Casper-Hehne, Hiltraud, Uwe Koreik und Annegret Middeke (Hg.) 2006 Die Neustrukturierung von Studiengängen „Deutsch als Fremdsprache“. Probleme und Perspektiven. Göttingen: Universitätsverlag. Casper-Hehne, Hiltraud und Annegret Middeke (Hg.) 2009 Sprachpraxis der DaF- und Germanistikstudiengänge im europäischen Hochschulraum. Göttingen: Universitätsverlag.
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XV. Lehrerinnen und Lehrer
De Cillia, Rudolf und Hans-Jürgen Krumm 2009 Die Bedeutung der Sprache. Bildungspolitische Konsequenzen und Maßnahmen. Länderbericht Österreich. Wien: Bundsministerium für Unterricht, Kunst und Kultur (erscheint). Ehnert, Rolf und Frank G. Königs (Hg.) 2000 Die Rolle der Praktika in der DaF-Lehrerausbildung. (Materialien Deutsch als Fremdsprache 59.) Regensburg: Fachverband Deutsch als Fremdsprache. FaDaF, Fachverband Deutsch als Fremdsprache o. J. Grundsatzpapier des Fachverbands Deutsch als Fremdsprache (FaDaF) zur curricularen Basis der BA/MA-Studiengänge „Deutsch als Fremdsprache“ (DaF). Online: http:// www.fadaf.de/de/daf_angebote/studieng_nge/grundsatzpapier.pdf (03. 01. 2010). Gerner, Berthold 1975 Literatur über den Lehrer. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Glück, Helmut 1997 Das Deutsche als Fremdsprache, die Politik und die Turbodidaktik: Konturen eines alten Problems. Germanistische Linguistik 137/138: 55⫺70. Helbig, Gerhard 1997 Kontroversen um das akademische Fach „Deutsch als Fremdsprache“. Germanistische Linguistik. 137/138: 83⫺115. Henrici, Gert und Uwe Koreik 1994 Zur Konstituierung des Fachs Deutsch als Fremdsprache. Eine Einleitung und Bestandsaufnahme. In: Gert Henrici und Uwe Koreik (Hg.), Deutsch als Fremdsprache. Wo warst Du, wo bist Du, wohin gehst Du? 1⫺42. Baltmannsweiler: Schneider. Hunstiger, Agnieszka und Uwe Koreik 2006 „Wohin führt das DaF-Studium?“ ⫺ Zu einer Absolventenverbleibstudie im Fach DaF. In: Hiltraud Casper-Hehne, Uwe Koreik und Annegret Middeke (Hg.), 163⫺174. Kast, Bernd und Hans-Jürgen Krumm (Hg.) 1994 Neue Wege in der Deutschlehrerausbildung. (Fremdsprache Deutsch, Sondernummer 1994.) München: Klett. Krumm, Hans-Jürgen 1976 Lehrfähigkeit als Ziel des Fremdsprachenstudiums/Die Integration von Sprachkursen in die Fremdsprachenlehrerausbildung mit Hilfe von Mediensystemen. In: Hans-Jürgen Krumm und Bernd-D. Müller (Hg.), Praxis im Fremdsprachenstudium, 9⫺45. (Methoden und Modelle 5.) Tübingen: Rotsch. Krumm, Hans-Jürgen 1993 Grenzgänger. Das Profil von Deutschlehrern in einer vielsprachigen Welt. Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 19: 277⫺286. Krumm, Hans-Jürgen 1994 Neue Wege in der Deutschlehrerausbildung. In: Bernd Kast und Hans-Jürgen Krumm (Hg.), 6⫺11. Krumm, Hans-Jürgen (Hg.) 1999 Sprachen ⫺ Brücken über Grenzen. Deutsch als Fremdsprache in Mittel- und Osteuropa. Wien: eviva. Krumm, Hans-Jürgen und Michael Legutke 2001 Ausbildung und Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache: Inhalte und Formen. In: Gerhard Helbig, Gert Henrici, Lutz Götze und Hans-Jürgen Krumm (Hg.), Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch, 1121⫺1139. Bd. 2. (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 19.1⫺2.) Berlin/New York: de Gruyter. Neuner, Gerhard 1994 Germanisten oder Deutschlehrer? ⫺ Zur curricularen Planung einer wissenschaftlichen Deutschlehrerausbildung. In: Bernd Kast und Hans-Jürgen Krumm (Hg.), 12⫺15.
150. Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften für Deutsch als Fremdsprache
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Riemer, Claudia 2006 DaF-/DaZ-Studiengänge und Studiengänge mit DaF/DaZ in Deutschland: Versuch eines Berichts zum Stand der Studienstrukturreform. In: Hiltraud Casper-Hehne, Uwe Koreik und Annegret Middeke (Hg.), 55⫺63. Roggausch, Werner 1997 Deutschlehrerausbildung: Thesen zur Curriculum-Planung. Info DaF 24: 470⫺479.
Hans-Jürgen Krumm, Wien (Österreich) Claudia Riemer, Bielefeld (Deutschland)
150. Fort- und Weiterbildung von Lehrkräten ür Deutsch als Fremdsprache 1. 2. 3. 4. 5.
Einführung Theoretische Grundlagen und Problemstellungen Prinzipien und Praxisansätze Brennpunkte der Lehrerfortbildung Deutsch als Fremdsprache Literatur in Auswahl
1. Einührung Lehrerfortbildung wird in Deutschland und Österreich auch als die dritte Phase der Lehrerbildung bezeichnet. Während die beiden vorangegangenen Phasen (Universitätsstudium und Referendariat/Unterrichtspraktisches Jahr) durch Studiengänge und Examina strukturiert und zeitlich begrenzt sind, erstreckt sich die dritte Phase über das gesamte Berufsleben der Lehrenden, die für die Strukturierung dieser Phase in der Regel selbst verantwortlich sind. Gewöhnlich werden unter Lehrerfortbildung alle jene Prozesse gefasst, die die erworbenen Qualifikationen (Wissen und Können) erhalten, aktualisieren und dem gesellschaftlichen Wandel anpassen helfen. Neben die persönliche Tätigkeit (wie reflektierende Unterrichtsvor- und -nachbereitung, Studium von Fachliteratur, Gespräch mit Kollegen) tritt die veranstaltete Fortbildung. Letztere versteht sich immer auch als gesellschaftlich notwendiger Beitrag zur Innovation institutioneller Lehr- und Lernprozesse (Edelhoff 1999). Der Begriff „Lehrerweiterbildung“ (wird häufig synonym zu Lehrerfortbildung verwendet, meint im strengeren Sinne aber, über die Aktualisierung des in der Ausbildung erworbenen Wissens hinausgehend, den Erwerb zusätzlicher Qualifikationen. In der Praxis spielt diese Unterscheidung in der Regel keine Rolle, so dass auch der folgende Beitrag beide Aspekte zusammenfasst. Die Veranstaltungsformen reichen ⫺ je nach regionalen Möglichkeiten und Angeboten ⫺ von mehrwöchigen Intensivkursen an Akademien, Universitäten oder GoetheInstituten bis hin zu zweistündigen Seminaren an einer Schule (SCHILF: schulinterne
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XV. Lehrerinnen und Lehrer Fortbildung), von der lokalen Arbeitsgruppe bis hin zur Deutschlehrertagung oder regionalen Deutschlehrertagen, die vielfach das einzige anerkannte Fortbildungsangebot darstellen (zu den Spezifika von Deutsch als Zweitsprache vgl. Art. 151).
2. Theoretische Grundlagen und Problemstellungen Unter dem Einfluss neuerer Ansätze der Kognitions- und Professionstheorie sowie der Erwachsensenbildung und gestützt durch empirische Studien auf diesen Feldern sowie in den Fachdidaktiken haben die Diskussionen der letzten 15 Jahre zu einer markanten Differenzierung des Handlungsfelds Lehrerfort- und -weiterbildung geführt, die sich nicht zuletzt in Vorschlägen für eine veränderte Fortbildungspraxis niederschlägt (Burns und Richards 2009; Mann 2005; Legutke 1999). Noch bis in die 90er Jahre waren Konzepte veranstalteter Lehrerfort- und -weiterbildung an Denkweisen technischer Rationalität orientiert (vgl. Schön 1987), die davon ausgehen, dass für Lehrende relevantes Wissen vorwiegend jenseits von deren Handlungskontexten, etwa an den Universitäten, erzeugt werde. Lehrerfort- und -weiterbildung hat in diesem Modell dafür zu sorgen, dass Lehrende die Erkenntnisse der Wissenschaften in richtige Praxis umsetzen. Nicht nur die Wissensbestände von Lehrenden erscheinen bei solchen Grundannahmen als defizitär, sondern auch ihre Praxis, da sich die von Forschern erarbeiteten Modelle kaum in der erwarteten Weise in die Praxis umsetzen lassen. Lehrende sind folglich immer noch nicht oder noch nicht ganz da, wo sie nach Vorstellungen der Wissenschaft sein sollten. (vgl. Legutke 1999; Altrichter und Posch 2007). Der rationalistischen Vorstellung vom Wissenstransfer durch Fort- und Weiterbildung entsprach in der Regel eine dreischrittige Vermittlungsform: (i) der Vortrag durch einen ausgewiesenen Experten, (ii) die anschließende Diskussion und (iii) die erwartete praktische Umsetzung der neuen Erkenntnisse durch die Lehrenden. Ergebnisse der Lehrerwissensforschung (vgl. Schocker-von Ditfurth 2001: 17⫺30; Woods 1996) zeigen, dass Lehrende in ihren Entscheidungen auf ein komplexes Bündel von Wissensbeständen, Meinungen und durch die Berufbiographie geprägten Erfahrungen zurückgreifen. Solche handlungsleitenden Konzepte, die entscheidend das berufliche Selbstverständnis von Lehrkräften bestimmen (Duxa 2001), werden als „Alltagswissen“ (Bach 2009), „subjektive Theorien“ (Caspari 2003) oder „Erfahrungswissen“ (Appel 2000) gefasst und müssen in der Fort- und Weiterbildung ernst genommen werden. Sie hat nicht die Aufgabe, Defizite zu beheben, sondern einen Dialog über Unterricht zu ermöglichen, in dem Vertreter beider Bereiche, der Wissenschaft und der Unterrichtspraxis, sich um ein Verständnis und eine Verbesserung fremdsprachlicher Lehr- und Lernprozesse bemühen. Lernpartnerschaft kann nur gelingen, wenn die Interpretationen, die die Lehrenden zu ihrer eigenen Praxis liefern, als eigenständige und gleichwertige Argumente im Diskurs akzeptiert werden. Die entscheidende Frage ist, wie ein solcher Dialog unter den je konkreten Bedingungen möglich ist. Erkenntnisse der Handlungs- und Professionsforschung (Schön 1987; Tsui 2003) besagen, dass Berufstätigkeit in komplexen Situationen nicht allein als „Anwendung generellen Wissens“ konzipiert werden kann. Um die „nicht-routinehaften“, komplexen, ambivalenten und durch Wert- und Interessenkonflikte geprägten Anforderungen ihrer Praxis zu bewältigen, müssen hochqualifizierte Professionelle, zu denen auch Fremdsprachen-
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1353
lehrende gehören, in einer Art „Forschung im Kontext der Praxis“ lokales Wissen produzieren, in der „Anwendung“ evaluieren und ständig weiterentwickeln. Daraus ergibt sich zwingend, dass Fort- und Weiterbildung stärker als forschende Weiterentwicklung von Praxis gesehen wird und die Fähigkeit der Lehrenden zu einem reflektierenden Umgang mit Unterricht fördern muss (Krumm und Portmann-Tselikas 2003). Lehrerfortbildung ist dann gleichzeitig auch praktische Entwicklung von Theorien (Altrichter und Posch 2007). Da lokales Wissen nicht zuletzt von kulturspezifischen Konzepten und Wertvorstellungen zu Bildungsprozessen und Lernformen geprägt wird, ist Lehrerfort- und -weiterbildung in besonderer Weise gefordert, dialogische Lernformen zu entwickeln, die diesen Bedingungen Rechnung tragen und damit verhindern, dass einem unreflektierten Methodenexport Vorschub geleistet wird (Hann 2002; Krumm 1987; Meyermann 1995). Entscheidende Impulse liefert ferner die Ausrichtung von Lehrerbildung an (Schlüssel-)Kompetenzen, die die komplexe und für Bildungsprozesse notwendig integrierte Förderung von fachlichen, fachdidaktischen, sprachlichen, sozialen sowie medialen Teilkompetenzen hervorhebt und deren Entwicklung im Handlungsfeld eines konkreten Klassenzimmers als individuelle und kooperative Lernprozesse situiert (Hallet 2006). Eine solche Situierung von Lehrkompetenz in der Lernwelt des Klassenzimmers (Legutke 2009) weist der Fähigkeit der Lehrenden zum analytisch reflektierenden Umgang mit eigenem und fremdem Unterricht eine Schlüsselrolle zu. Denn nur wenn das Vertraute des eigenen Unterrichts in neuem Licht wahrgenommen werden kann, besteht eine Chance, etablierte Handlungsroutinen zu erweitern und langfristig zu verändern.
3. Prinzipien und Praxisansätze Aus der Differenzierung des Handlungsfelds Lehrerfort- und -weiterbildung lässt sich unschwer eine Reihe von Prinzipien ableiten, welche Planung und Durchführung konkreter Maßnahmen und Initiativen leiten sollten. Diese Prinzipien liegen auch dem von der Europäischen Union in Auftrag gegebenen „Europäischen Profil für die Aus- und Weiterbildung von Sprachenlehrkräften“ (Kelly und Grenfell 2004) zugrunde. Gruppiert nach den Feldern Struktur, Wissen und Verstehen, Strategien und Fertigkeiten sowie Werte werden insgesamt 40 Teilelemente beschrieben, die in ihrer Gesamtheit ein differenziertes und interdisziplinär ausgerichtetes Lehrerbildungsprogramm ausmachen können. Als besonderes Merkmal sind die konsequente Integration unterrichtspraktischer Erfahrungen und deren kontinuierliche Reflexion in allen Teilbereichen hervorzuheben. Für die Lehrerfort- und -weiterbildung ist entsprechend zu fordern: (1) Sie muss nicht nur in der Wahl der Themen und Lernformen den lokalen Bedingungen Rechnung tragen, sondern auch den Raum schaffen, damit das Alltagswissen der Teilnehmenden Gegenstand des Fortbildungsdiskurses werden kann. (2) Sie muss erwachsenengemäße Lernerfahrungen im Umgang mit relevanten Themen und Aufgaben ermöglichen, die in einem erkennbaren Bezug zur konkreten Unterrichtspraxis stehen und ermöglichen, dass letztere aus einer neuen Perspektive wahrgenommen werden kann. (3) Sie muss begleitende Reflexionen ermöglichen und unterstützen, die helfen, konkrete Erfahrungen zu verallgemeinern und auf bestehende Wissens- und Erfahrungsbestände zu beziehen. (4) Sie muss dazu beitragen, dass Lehrende auf der Basis der Erfahrungen und ihrer Reflexion neue Handlungsmöglichkeiten für die eigene Praxis entwerfen und in der Lage sind, diese im eigenen
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XV. Lehrerinnen und Lehrer Unterricht zu erproben. (5) Sie muss kontinuierlich sein und die Gelegenheit zur Überprüfung neuer Konzepte und Handlungsangebote über einen längeren Zeitraum möglich machen. Sie muss folglich zyklisch angelegt sein. (6) Punktuelle und diskontinuierliche Angebote sind wenig geeignet Kompetenzentwicklung zu befördern. (7) Sie muss sich ferner darum bemühen, der notorischen Vereinzelung von Lehrenden entgegenzuwirken, indem sie die Entwicklung der Kooperationsfähigkeit von Lehrern an ihrem Handlungsort befördert, verbunden mit dem Aufbau von kollegialen Netzwerken mit Ideenbörsen, Materialaustausch und partnerschaftlicher Supervision, aber auch mit gemeinsamer Zieldefinition, Handlungsplanung und Evaluation geleisteter Arbeit. Diese Prinzipien werden in den Seminar- und Arbeitsformen der Lehrerfort- und -weiterbildung in sehr unterschiedlicher Weise zum Tragen kommen. Der starke Erfahrungsund Handlungsbezug, den die Prinzipien fordern, schließt weder den Vortrag eines angereisten Experten noch die klassische Fachtagung aus. Vielmehr stellt sich die Frage, wie letztere so zur Lernwerkstatt werden kann, dass sie mit ihren Angeboten tatsächlich Teil eines Gesamtangebots beruflichen Lernens bildet. So wie die Frage berechtigt ist, ob und wenn ja, in welcher Weise der Vortrag des aus Deutschland, Österreich oder der Schweiz angereisten Experten wirklich verdient, als Baustein eines regionalen Fortbildungsangebots bezeichnet zu werden. Vielversprechend für die kontinuierliche Professionalisierung von Lehrkräften sind Fortbildungsinitiativen, die sich Formen der Aktions- und Lehrerforschung bedienen (vgl. Art. 153). Die Forschungstätigkeiten sind so in die Gesprächskultur einer „professionellen Gemeinschaft“ am Handlungsort Schule integriert; Beginn, Steuerung und Beendigung der Prozesse liegen bei den forschenden Lehrern. Die Interpretation von Ergebnissen wird im kollegialen Gespräch ausgehandelt. Die Beteiligten werden ermutigt, ihre eigenen Erfahrungen zu veröffentlichen. Die Forschungstätigkeiten unterliegen einem „ethischen Code“. Externe Kursleiter, Fortbilder, Wissenschaftler haben lediglich die Rolle von Beratern, Moderatoren und kritischen Freunden, die ihre eigene Aktionsforschung betreiben können (Burns 2009). Die verschiedenen Praxisansätze von Lehrerfort- und -weiterbildung, die nach solchen Prinzipien gestaltetet sind, rechnen mit höchst aktiven und kooperativen Teilnehmenden und weisen den Experten eine neue, partizipatorische und dialogische Rolle zu, die hohe Anforderungen an deren fortbildungsdidaktische Kompetenz stellt (vgl. Legutke 1995: 7⫺11).
4. Brennpunkte der Lehrerortbildung Deutsch als Fremdsprache (1) In vielen Bildungskontexten arbeiten Lehrkräfte für DaF, die keine fachdidaktische Ausbildung durchlaufen haben. Der Fortbildung fällt dort die Aufgabe der Nachqualifikation von Lehrkräften zu. Welche Inhalte und Kernkompetenzen solche nachqualifizierende Fort- und Weiterbildung berücksichtigen soll, ist nicht geklärt. (2) Kaum bearbeitet ist die Frage nach den Fortbildungscurricula, die regional und kooperativ zu entwickeln sind. Solche Curricula müssten nicht nur Antworten auf den erstgenannten Brennpunkt anbieten, sondern Standards und Qualitätsmerkmale für die Fort- und Weiterbildung formulieren. (3) Angesichts der Anforderungen einer regionalisierten Fremdsprachendidaktik (vgl. Art. 105) und im Hinblick auf die generelle Aufwertung der unterrichtlichen Lehr- und Lernprozesse muss die Rolle der nationalen Mittlerorganisationen der
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deutschsprachigen Länder und ihrer Fachexperten neu diskutiert und bestimmt werden, um Gefahren eines didaktischen Imperialismus durch Methoden- und Materialexport zu begegnen (vgl. Art. 12). (4) Die Institutionalisierung von Fortbildung, die Bündelung und Vernetzung von Ressourcen, Kompetenzen und Ideen ist ein weiterer Brennpunkt, denn eine staatlich finanzierte, organisierte und flächendeckende, veranstaltete Lehrerfortund -weiterbildung ist für Deutsch als Fremdsprache die Ausnahme. (5) Von vordringlicher Bedeutung für viele Bildungskontexte ist die Zertifizierung von Fortbildung. (6) Obwohl der Fortbildung der Fortbilder eine zentrale Bedeutung zukommt, wurden folgende Fragen bisher kaum bearbeitet: Wer sind die Fortbilder? Wer bildet sie aus und fort? Welche Curricula und Standards müssen für diese Gruppe entwickelt werden und wie werden regionale Belange berücksichtigt ? (Legutke 1994). (7) Es besteht ferner wenig Klarheit über den Zusammenhang von didaktisch-methodischen und sprachlichen Aspekten von Fortbildung. Die Annahme, dass Fort- und Weiterbildung in der Zielsprache sinnvoll sei, weil sie zugleich die Chance nutze, die sprachliche Kompetenz zu fördern, muss zumindest so lang als problematisch gelten, wie die notwendigen Sprachhandlungsund Bezeichnungsmittel nicht systematisch erschlossen sind. (8) In den 1990er Jahren startete das Goethe-Institut ein Fortbildungsprojekt (Legutke 1995), welches das Ziel verfolgte, die Fortbilder dazu anregen, eigene Lernprozesse zu rekonstruieren, zu dokumentieren und zu analysieren. Durch systematische Spurensicherung, verbunden mit Materialangeboten, sollten besondere Kontextbedingungen transparent, übergreifende Fragestellungen zugänglich gemacht und ein professioneller Diskurs über Lehrerfortbildung gefördert werden. Dieses Projekt ist über einen erfolgreichen Start kaum hinausgekommen. Ob es angesichts der Möglichkeiten der digitalen Medien als Datenbanklösung mit einer interaktiven Lernplattform wiederbelebt und weiterentwickelt werden kann, wäre zumindest zu prüfen. Mit diesen Brennpunkten sind Aufgabenfelder einer Fort- und Weiterbildungsdidakitk für Deutsch als Fremdsprache benannt, die neben theoretischen Bemühungen einer empirisch ausgerichteten Fort- und Weiterbildungsforschung bedarf, die ⫺ von wenigen Ausnahmen abgesehen ⫺ bis heute kaum entwickelt ist (Ehlers und Legutke 1999).
5. Literatur in Auswahl Altrichter, Herbert und Peter Posch 2007 Lehrer erforschen ihren Unterricht. 4. Auflage. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. Appel, Joachim 2000 Erfahrungswissen und Fremdsprachendidaktik. München: Langenscheidt. Burns, Anne 2009 Action Research in Second Language Teacher Education. In: Anne Burns und Jack Richards, 289⫺298. Burns, Anne und Jack Richards (Hg.) 2009 Second Language Teacher Education. Cambridge: Cambridge University Press. Bach, Gerhard 2009 Alltagswissen und Unterrichtspraxis: der Weg zum reflective practioner. In: Gerhard Bach und Johannes-Peter Timm (Hg.), Englischunterricht. Grundlagen und Methoden einer handlungsorientierten Unterrichtspraxis, 304⫺320. Tübingen: Francke UTB. Caspari, Daniela 2003 Fremdsprachenlehrerinnen und Fremdsprachenlehrer: Studien zu ihrem beruflichen Selbstverständnis. Tübingen: Narr.
1356
XV. Lehrerinnen und Lehrer Duxa, Susanne 2001 Fortbildungsveranstaltungen für DaF-/DaZ-Kursleiter aus der Weiterbildung und ihre Wirkungen auf das professionelle Selbst der Lehrenden. Regensburg: FaDaF. Edelhoff, Christoph 1999 Lehrerfortbildung in Deutschland. Instrument zur Veränderung der Schule oder ServiceEinrichtung für Schule und Lehrer. Fremdsprache Deutsch. Sondernummer „Lehrerfortbildung“, 34⫺37. Ehlers, Swantje und Michael Legutke 1999 Forschungsmethodologische Ansätze in der Fortbildungsdidaktik. Zeitschrift für Fremdsprachenforschung, 9(1): 11⫺34. Freeman, Donald und Karen Johnson 1989 Reconceptualizing the knowledge-base of language teacher education. TESOL Quarterly 32: 397⫺417. Hann, Stephanie 2002 Konstruktion und Bearbeitung von Bildern zum deutschsprachigen Raum: eine Fallstudie in der Lehrerfortbildung Deutsch als Fremdsprache zu Landeskunde und interkulturellem Lernen am Beispiel Mexiko. Gießen [Elektronische Ressource], http://geb.uni-giessen.de/geb/ volltexte/2002/833/ (gepr. 02. 11. 09). Hallet, Wolfgang 2006 Didaktische Kompetenzen ⫺ Lehr- und Lernprozesse erfolgreich gestalten. Stuttgart: Klett Kelly, Michael and Michael Grenfell 2004 Europäisches Profil für die Aus- und Weiterbildung von Sprachenlehrkräften: ein Referenzrahmen. Southampton: University of Southampton: http://ec.europa.eu/education/ languages/pdf/doc477_de.pdf (07. 11. 2009) Krumm, Hans-Jürgen 1987 Lehrerfortbildung. Hilfe zur Selbsthilfe oder Methodenexport? In: Dietrich Sturm (Hg.), Deutsch als Fremdsprache ⫺ weltweit, 11⫺122. München: Hueber. Krumm, Hans-Jürgen und Paul R. Portmann-Tselikas (Hg.) 2003 Lernen im Beruf (Theorie und Praxis. Österreichische Beiträge zu Deutsch als Fremdsprache, Bd. 7). Innsbruck: Studienverlag. Legutke, Michael 1994 Teachers as researchers and learners. An inservice project for German in the Pacific Northwest. Unterrichtspraxis. Teaching German 27: 56⫺76. Legutke, Michael (Hg.) 1995 Handbuch für Spracharbeit. Teil 6: Fortbildung. München: Goethe-Institut. Legutke, Michael 1999 Fort- und Weiterbildung. Einflussfaktoren und Brennpunkte. Fremdsprache Deutsch. Sondernummer „Lehrerfortbildung“, 5⫺11. Legutke, Michael 2009 Lernwelt Klassenzimmer, Szenarien für einen handlungsorientierten Fremdsprachenunterricht. In: Gerhard Bach und Johannes-Peter Timm (Hg.), Englischunterricht. Grundlagen und Methoden einen handlungsorientierten Unterrichtspraxis, 91⫺121. Tübingen: Francke UTB. Mann, Steve 2005 The language teacher’s development. Language Teaching 38: 103⫺118. Meyermann, Paul 1995 Die Fortbildung für Lehrende des Deutsch als Fremdsprache im Ausland. Fallstudie zu Costa Rica, Zentralamerika. Saarbrücken: Verlag für Entwicklungspolitik. Schocker-von Ditfurth, Marita 2001 Forschendes Lernen in der fremdsprachlichen Lehrerbildung: Grundlagen, Erfahrungen, Perspektiven. Tübingen: Gunter Narr.
151. Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften für Deutsch als Zweitsprache
1357
Schön, Donald 1987 Educating the Reflective Practitioner. San Francisco: Jossey-Bass. Tsui, Amy 2003 Understanding Expertise in Teaching. Case Studies of ESL Teachers. Cambridge: Cambridge University Press. Woods, Devon 1996 Teacher Cognition in Language Teaching. Beliefs, Decision-Making and Classroom Practice. Cambridge: Cambridge University Press.
Michael Legutke, Gießen (Deutschland)
151. Fort- und Weiterbildung von Lehrkräten ür Deutsch als Zweitsprache 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Einleitung Fort- und Weiterbildung für den Bereich der Schule Fort- und Weiterbildung im Bereich der Erwachsenenbildung Inhalte der Qualifizierung für DaZ Schlussbetrachtung Literatur in Auswahl
1. Einleitung Bis heute ist eine genaue Differenzierung der Aus-, Fort- und Weiterbildungsangebote von Deutsch als Fremdsprache (DaF) und Deutsch als Zweitsprache (DaZ) allein von der Benennung her nicht möglich, da DaF häufig als Oberbegriff von DaF und DaZ benutzt wird (vgl. auch Art. 149). DaZ ist heute eine von DaF zu unterscheidende Lehrqualifikation, die für den Unterricht mit Arbeitsmigranten und ihren Kindern qualifizieren soll. Dabei sind die Bereiche der vorschulischen Erziehung, der schulischen Erziehung und der Erwachsenenbildung zu unterscheiden. Erst in den 1970er Jahren ist in das öffentliche Bewusstsein gedrungen, dass es für DaZ eine spezifische Qualifikation geben muss (vgl. Mahler 1974; Meyer-Ingwersen et al. 1977). Eine eigene grundständige Ausbildung für das Tätigkeitsfeld DaZ hat es an deutschen Hochschulen bis zur Umstellung auf die Bachelor-Master-Strukturen zu Beginn des 21. Jahrhunderts allerdings nicht gegeben (vgl. auch Baur 2001). Das lag vor allem daran, dass eine DaZ-Qualifikation zunächst fast ausschließlich als Zusatzqualifikation für die Schule (Schwerpunkt Primarstufe) gesehen wurde. Erst allmählich setzte sich die Erkenntnis durch, dass sich eine DaZ-Ausbildung auch auf die vorschulische Erziehung und zweitens in der Schule auch auf die Sekundarstufe I und II sowie zusätzlich auch auf die Sprachlichkeit des Fachunterrichts erstrecken muss und dass auch die Lehrkräfte in der Erwachsenenbildung eine spezifische berufsorientierte Aus- oder zumindest Fort- und Weiterbildung erhalten müssen.
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XV. Lehrerinnen und Lehrer
2. Fort- und Weiterbildung ür den Bereich der Schule Auch nach fast 50 Jahren stetiger Immigration gilt, dass die Lehrenden in Deutschland und Österreich weiterhin fast ausschließlich im Rahmen von Curricula ausgebildet werden, die für eine (monolinguale) deutschsprachige Schule konzipiert sind und die Mehrsprachigkeit der Lernenden wenig oder gar nicht berücksichtigen (vgl. Gogolin 1994; vgl. auch Art. 149). Bis in die Gegenwart war und ist DaZ vornehmlich eine Domäne der Zusatzausbildungen und -qualifikationen. Zusatzausbildungen erreichen jedoch nur einen Bruchteil der Lehrerschaft, da sie nicht obligatorisch sind und an die Eigeninitiative der Lehrenden und Studierenden gebunden sind. Solche Zusatzausbildungen für Lehrerinnen und Lehrer aller Schulstufen, wie sie seit Mitte der 1980er Jahre an zahlreichen deutschen Hochschulen angeboten werden, seien am Beispiel von Nordrhein-Westfallen konkretisiert: Verlangt wird ein Studium von mindestens 34 Semesterwochenstunden mit folgender Struktur: Das Studium gliedert sich in vier Teilbereiche A (DaZ und Mehrsprachigkeit), B (Interkulturelle Pädagogik), C (Migration und gesellschaftliche Partizipation) und D (Sprachen der Migrantinnen und Migranten). Zusätzlich wird einer dieser Teilbereiche von den Studierenden als Vertiefungsgebiet gewählt. Dabei stehen folgende Lernziele im Mittelpunkt: ⫺ die Fähigkeit, die sprachlichen Leistungen der Schülerinnen und Schüler nicht deutscher Muttersprache auf dem Hintergrund ihrer spezifischen sprachlichen Sozialisation zu verstehen und angemessene Fördermaßnahmen durchzuführen; ⫺ die Fähigkeit, durch andere Kulturen geprägtes Verhalten zu verstehen und in mehrsprachigen und multikulturellen Lerngruppen gemeinsames Lernen zu fördern; ⫺ die Fähigkeit, aufgrund der Kenntnis von Ursachen und Folgen von Migration die Lebenslage von Kindern nicht deutscher Muttersprache zu verstehen; ⫺ die Fähigkeit, die personale Entwicklung von Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Nationalitäten im Spannungsfeld von kulturellem Widerspruch und Integration zu verstehen und zu fördern. Die Aufmerksamkeit sei hier besonders auf den Bereich D „Erlernen einer Herkunftssprache der Migranten“ gelenkt, der mit 8 SWS studiert werden muss und zusätzlich als Vertiefungsgebiet gewählt werden kann. Es hat sich gezeigt, dass DaZ-Lehrende vom Erlernen einer ihnen unbekannten Herkunftssprache nicht nur linguistisch, sprachkontrastiv und sprachmethodisch profitieren, sondern auch ihre Lehr- und Lernperspektive nachhaltig beeinflusst wird. Mit der Einführung von neuen Lehrerausbildungsstrukturen und der Umstellung auf Bachelor- und Master-Studiengänge ändert sich die Ausbildungssituation inzwischen dahingehend, dass einige Grundelemente von DaZ in geringem Umfang in der grundständigen Lehrerausbildung Aufnahme finden werden. Lehrerfort- und -weiterbildung können unseres Erachtens aber die mangelnde grundständige Ausbildung für DaZ auch in Zukunft nicht kompensieren (vgl. für Deutschland Baur und Kis 2002, für Österreich Boeckmann 2009). Auch in der Schweiz wurden inzwischen Weiterbildungsmöglichkeiten geschaffen: An den Pädagogischen Hochschulen Bern und Zürich gibt es seit 2006 schweizweit die umfassendsten Zertifikatslehrgänge Deutsch als Zweitsprache, die auf die Didaktik des Deutschen als Zweitsprache im Kontext von Zwei- und Mehrsprachigkeit fokussieren. Diese Lehrgänge haben einen Umfang von 10 Modulen a` 45 Stunden. In Zürich wird
151. Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften für Deutsch als Zweitsprache
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der Lehrgang zur Zeit in sechs parallelen Durchgängen und insgesamt zum 9. Mal durchgeführt. Das neue Volksschulgesetz des Kantons Zürich (2005 angenommen) sieht vor, dass der Unterricht von Deutsch als Zweitsprache nur noch von Lehrpersonen erteilt wird, welche sich im Rahmen einer Weiterbildung im Umfang eines Zertifikatslehrgangs nachqualifizieren.
3. Fort- und Weiterbildung im Bereich der Erwachsenenbildung Für die Erwachsenenbildung existieren in Deutschland und Österreich keine systematischen Ausbildungsmöglichkeiten (Christ 1990), allerdings sind seit ca. 2000 zahlreiche Bachelor- und Masterstudiengänge entwickelt worden, in denen auch spezifische Qualifikationen für DaZ vermittelt werden (Baur und Kis 2002; vgl. auch Art. 149). Gerade angesichts der kulturellen und sprachlichen Heterogenität der Lernenden müssen DaZLehrende über zentrale Grundqualifikationen verfügen: sprachsystematische Kenntnisse des Deutschen und methodisch-didaktische Kompetenzen wie die Fähigkeit zur Binnendifferenzierung/Individualisierung beim Unterricht in stark heterogenen Lernergruppen; die Fähigkeit zur Durchführung von Sprachstandsanalysen und -diagnosen; die Fähigkeit, den Lernenden Lernstrategien und Lerntechniken zu vermitteln; die Fähigkeit zur Analyse und zum Herstellen von Unterrichtsmaterialien; die Kenntnis der Zweitsprachenerwerbsmodelle; die Fähigkeit, Übungs- und Sozialformen geeignet einzusetzen (auch Projektarbeit) und die Fähigkeit, didaktisch orientierte Sprachvergleiche durchführen zu können (Schweckendieck und Tietze 1994: 39). Das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), das im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes von 2003 die Aufgabe übernommen hat, die Integrationskurse bundesweit zu finanzieren und zu administrieren (vgl. Art. 121), hat mit Zustimmung der Fachverbände Folgendes festgelegt: ⫺ Lehrkräfte, die im Integrationskurs Deutsch als Zweitsprache unterrichten, müssen ein erfolgreich abgeschlossenes Studium Deutsch als Fremdsprache oder Deutsch als Zweitsprache vorweisen (Integrationskursverordnung § 15 Absatz 1). ⫺ Soweit diese fachlichen Qualifikationen nicht vorliegen, ist eine Zulassung zur Lehrtätigkeit nur möglich, wenn die Lehrkraft an einer vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorgegebenen Zusatzqualifizierung teilgenommen hat (IntV § 15 Absatz 2). In Österreich werden ein abgeschlossenes DaF/DaZ-Studium, ersatzweise aber auch eine Fremdsprachenlehrerausbildung oder eine 10jährige Unterrichtserfahrung als Qualifikation für den Unterricht in Integrationskursen verlangt (vgl. Plutzar 2009). Das bedeutet, dass erstmalig die Qualifikation der Kursleiter für Integrationskurse einer zentralen Qualitätskontrolle unterworfen wird. Für die Thematik der Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften für Deutsch als Zweitsprache ist außerdem von Relevanz, dass als Qualifikation der Kursleiter entweder ein grundständiges DaZ/DaF-Studium oder ⫺ in Deutschland ⫺ eine Zusatzqualifizierung nachgewiesen werden muss. Aus diesem Grunde etabliert sich seit 2006 ein großer Markt für den Bereich der Fort- und Weiterbildung von DaZ in der Erwachsenenbildung.
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XV. Lehrerinnen und Lehrer
4. Inhalte der Qualiizierung ür DaZ Das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat festgelegt, welche Inhalte von den Lehrenden im Rahmen einer 140 Stunden umfassenden Zusatzqualifizierung für DaZ behandelt werden müssen. Die folgende Tabelle 151.1 ist dem vom BAMF vorgegebenen Curriculum entnommen: Tab. 151.1: Inhalte der unverkürzten Zusatzqualifizierung/Seminarbausteine Thema Migration und Migranten Merkmale des DaZ-Unterrichts Selbsterfahrung der Seminarteilnehmer durch Fremdsprachenanfängerunterricht Unterrichtsbeobachtung und -beurteilung im Rahmen der angebotenen Hospitation Analyse von DaZ-Unterricht Methodische Ansätze im DaF- und DaZ-Unterricht Unterrichtsmaterialanalyse und -beurteilung Wortschatzvermittlung Lesen Hören Phonetik Sprechen Schreiben Kombinierte Fertigkeiten Grammatik Übungstypologien, Sozialformen und Arbeitsanweisungen Spielerische Übungen, Sprachlernspiele und Spiele Projektarbeit Visualisierung Fehler und Fehlerkorrektur Kommunikationsmittel Heterogenität und Binnendifferenzierung Interkulturelles Lernen Lernen lernen Testen und Prüfungen Planen, Vorbereiten und Erteilen von DaZ-Unterricht Evaluation Kursteilnehmerberatung
Unterrichtseinheiten 4 UE 4 UE 4 UE 2 UE 4 UE 2 UE 4 UE 6 UE 6 UE 6 UE 4 UE 6 UE 6 UE *) 6 UE 4 UE 4 UE 4 UE 2 UE 2 UE 2 UE 6 UE 4 UE 2 UE 6 UE 16 UE 4 UE 2 UE
Institutionen, die eine solche Zusatzqualifikation anbieten wollen, werden vom BAMF geprüft und zertifiziert. So bietet z. B. das Goethe-Institut, das an der Entwicklung dieser Zusatzqualifikation federführend mitgewirkt hat, je nach Voraussetzung der Teilnehmenden eine volle und eine auf 70 Unterrichtseinheiten verkürzte Form der Qualifizierung an. Auch der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF), der in Österreich im Auftrag des Innenministeriums für die Integrationskurse zuständig ist, zertifiziert und evaluiert die anbietenden Institutionen, wobei auch die Qualifikation der dort tätigen Lehrkräfte geprüft wird. Mit der Studie von Duxa (2001) liegt eine erste Aufarbeitung der Situation und Problematik von Fort- und Weiterbildung im DaZ-Bereich vor. Duxa macht darauf aufmerksam, dass die methodischen Fähigkeiten nur durch die Integration von unterrichtsprakti-
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schen Erfahrungen vermittelt und erworben werden können. Diese würden in der universitären Ausbildung häufig vernachlässigt. Hier liegt sicher die Stärke der vom BAMF vorgeschriebenen Zusatzqualifikation. Positiv ist zu vermerken, dass das Erlernen einer fremden Sprache zumindest in einer Kurzform hier enthalten ist und sich auch in den universitären Studiengängen durchzusetzen scheint. Durch die Selbsterfahrung beim Lernen einer fremden Sprache wird bei (künftigen) LehrerInnen sowohl die Lernerperspektive (Wie lerne ich? Wie fühle ich mich als Lerner in der Lerngruppe? Welche Schwierigkeiten habe ich?) als auch die Lehrperspektive (Wie würde ich unterrichten? Was finde ich gelungen, was weniger gelungen?) angesprochen. Diese bewusste Sprachlernerfahrung ist für DaZ-Lehrende auch deswegen so wichtig, weil sie in der Regel als Muttersprachler des Deutschen eine Sprache unterrichten, für deren Besonderheiten und Schwierigkeiten sie oft selbst nicht sensibilisiert sind (vgl. Baur 2000). Um die gewünschten Reflexionsprozesse zu unterstützen, kann das Erlernen einer (neuen) fremden Sprache sinnvoll mit dem Führen eines Lernertagebuchs verbunden werden.
5. Schlussbetrachtung Die Tatsache, dass an den meisten Studienstandorten in Deutschland und Österreich heute eine Ausbildung sowohl für DaF als auch für DaZ angeboten wird, kann als ein Anzeichen für die Aufhebung der Trennung der Fächer gewertet werden. Andererseits wird die Trennung aber auch aufrecht erhalten, indem die Lehrerausbildung für den schulischen Bereich ein eigenes Profil verlangt. Soweit es sich nicht um integrierte Studiengänge handelt, kommt DaZ als eigenes Profil fast ausschließlich in Zusatzstudien vor. Allerdings können an einigen Studienstandorten auch in der grundständigen Lehrerausbildung Studienanteile DaZ im Wahlpflichtbereich absolviert werden und Lehramtsstudierende können dort auch einen Schwerpunkt setzen, indem sie linguistische, literaturwissenschaftliche oder fachdidaktische Veranstaltungen aus diesem Bereich wählen oder ihre Examensarbeit im Bereich DaZ schreiben. Solche Möglichkeiten werden auch von Lehrenden genutzt, die bereits über einen Studienabschluss verfügen. Auch Institutionen der Lehrerfortbildung in verschiedenen Bundesländern bieten ⫺ oft in Verbindung mit Hochschulen ⫺ entsprechende Lehrgänge an. Trotz einiger Spezialisierungen auch an Hochschulen findet eine vertiefte Ausbildung in DaZ für den vorschulischen und schulischen Bereich ausschließlich im Rahmen von Fort- und Weiterbildung statt. Das insgesamt reichhaltige und beeindruckende Angebot verschiedener Träger soll dabei nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass im Hinblick auf eine professionelle Lehrerausbildung die Standards sehr unterschiedlich definiert werden. Das gilt sowohl im Hinblick auf die obligatorischen Studienanteile wie auch im Hinblick auf die Studienvolumina. Durch Festlegung essentieller Ausbildungsbereiche und eines Mindestumfangs des Studiums sollte versucht werden, Qualitätskriterien und Standards in der Lehreraus- und Lehrerfortbildung von DaZ zu definieren. In den deutschsprachigen Ländern ist bis heute ein kaum erklärbares und unentschuldbares Versäumnis zu konstatieren: Mehr als 40 Jahre nach Beginn der kontinuierlichen Einwanderung ausländischer Arbeitnehmer gibt es weder ein obligatorisches Teilfach Deutsch als Zweitsprache im Rahmen einer grundständigen Lehrerausbildung, noch
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XV. Lehrerinnen und Lehrer eine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit für angehende Lehrkräfte in der Erwachsenenbildung. In der Lehrerfort- und -weiterbildung sind zwar inzwischen entsprechende Angebote entwickelt worden, sie erreichen aber nur einen Teil der Lehrenden.
6. Literatur in Auswahl Baur, Rupprecht S. 2000 Deutsch als Fremdsprache ⫺ Deutsch als Zweitsprache ⫺ Deutsch als Muttersprache. Felder der Begegnung. InfoDaF 5. 467⫺482. Baur, Rupprecht S. 2001 Deutsch als Fremdsprache-Deutsch als Zweitsprache. In: Gerhard Helbig, Lutz Götze, Gert Henrici, Hans-Jürgen Krumm (Hg), Handbuch Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch, 617⫺628. Bd. 1. (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 19.1⫺2). Berlin/New York: de Gruyter, Baur, Rupprecht S. und Marta Kis 2002 Lehrerausbildung in Deutsch als Fremdsprache und Deutsch als Zweitsprache. Fremdsprachen Lehren und Lernen 31: 123⫺150. Boeckmann, Klaus-Börge 2009 Ausbildungsangebote und Qualifikationsmaßnahmen für Unterrichtende in Österreich: Die Ausbildungssituation von Lehrenden an Schulen. In: Verena Plutzar und Nadja Kerschhofer-Puhalo (Hg.), Nachhaltige Sprachförderung. Zur veränderten Aufgabe des Bildungswesens in einer Zuwanderungsgesellschaft, 64⫺74. Innsbruck: Studienverlag. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF): Integrationskurse: http://www.integration-in-deutschland.de (Zugriff am 30. 10. 2009). Christ, Herbert 1990 Der Fremdsprachenlehrer in der Weiterbildung. Tübingen: Narr. Duxa, Susanne 2001 Fortbildungsveranstaltungen in der Weiterbildung und ihre Wirkungen auf das professionelle Selbst der Lehrenden. (Materialien Deutsch als Fremdsprache 57). Regensburg: Universität. FörMig 2008 http://www.blk-foermig.uni-hamburg.de/web/de/all/lpr/nordrhein_westfalen/index.html (Zugriff am 10. 5. 2010). Gogolin, Ingrid 1994 Der monolinguale Habitus der multilingualen Schule. Münster: Waxmann. Mahler, Gerhart 1974 Zweitsprache Deutsch ⫺ Die Schulbildung der Kinder ausländischer Arbeitnehmer. Donauwörth: Auer. Meyer-Ingwersen, Johannes, Rosemarie Neumann und Matthias Kummer 1977 Zur Sprachentwicklung türkischer Schüler in der Bundesrepublik. Kronberg: Scriptor. Österreichischer Integrationsfonds (ÖIF): http://www.integrationsfonds.at/integrationsvereinbarung/ (Zugriff am 30. 10. 2009). Plutzar, Verena 2009 Aus- und Weiterbildung für PädagogInnen im außerschulischen Bereich. In: Verena Plutzar und Nadja Kerschhofer-Puhalo (Hg.), Nachhaltige Sprachförderung. Zur veränderten Aufgabe des Bildungswesens in einer Zuwanderungsgesellschaft, 115⫺135. Innsbruck: Studienverlag Prenzel, Manfred, Cordula Artelt, Jürgen Baumert, Werner Blum, Marcus Hammann, Eckhard Klieme und Reinhard Pekrun (Hg.) (2007) PISA 2006. Die Ergebnisse der dritten internationalen Vergleichsstudie. Münster: Waxmann.
152. Unterrichtsbeobachtung und Unterrichtsanalyse
1363
Schweckendieck, Jürgen und Ulrike Tietze 1994 Die Seminare zur Kursleiterqualifizierung im Bereich DaF. Deutsch lernen 1: 33⫺42.
Rupprecht S. Baur, Andrea Schäfer, Essen (Deutschland)
152. Unterrichtsbeobachtung und Unterrichtsanalyse 1. 2. 3. 4. 5.
Zielsetzungen von Unterrichtsbeobachtung und Unterrichtsanalyse Verfahren der Unterrichtsbeobachtung und Unterrichtsanalyse Unterrichtsbeobachtung und Unterrichtsanalyse in der Lehreraus- und Lehrerfortbildung Unterrichtsbeobachtung und Unterrichtsanalyse als Forschungsverfahren Literatur in Auswahl
1. Zielsetzungen von Unterrichtsbeobachtung und Unterrichtsanalyse Unter Bezeichnungen wie Unterrichtsbeobachtung, Kommunikationsanalyse und Interaktionsanalyse ist die Beobachtung und Analyse von Unterrichtsprozessen Gegenstand verschiedener Disziplinen, so der Kommunikationstheorie und Diskursforschung, der Wahrnehmungspsychologie, der interkulturellen Kommunikation und der Erziehungswissenschaft und gehört auch zu den zentralen Ausbildungs- und Forschungsverfahren für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Im Zentrum stehen dabei Beobachtung, Analyse und Beurteilung des Verhaltens von Lehrenden und Lernenden; die verschiedenen, sich in der Praxis durchaus überlagernden, Erkenntnisinteressen lassen sich wie folgt systematisieren: 1.1. Die empirische Unterrichtsforschung hat die Unterrichtsbeobachtung als wichtiges Forschungsinstrument (wieder)entdeckt, um mehr über Lehr-Lernprozesse zu erfahren und um Schwachstellen im Lehr-Lernprozess aufzudecken (vgl. Abschnitt 3). 1.2. Im Zusammenhang mit der empirischen Wende der Unterrichtsforschung hat auch die Lehreraus- und Lehrerfortbildung eine ,empirische Wende‘ vollzogen und nutzt Verfahren der Unterrichtsbeobachtung (vgl. Abschnitt 4). Die reflexive Didaktik sieht den Unterrichtsprozess als eine zyklische Abfolge von Planung ⫺ Durchführung ⫺ Evaluation ⫺ Reflexion ⫺ Planung usf. Damit sich die hierfür nötige Reflexivität bei Lehrenden entwickelt, müssen sie es lernen, eigenen Unterricht bewusst wahrzunehmen und zu analysieren (vgl. die Beiträge in Krumm und Portmann-Tselikas 2003 sowie Art. 101). 1.3. Versuche, die Qualität von Unterricht und Lehrkräften zu messen und zu beurteilen, haben sich seit den 1970er Jahren unter Stichworten wie Professionalisierung, Lerner-/
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XV. Lehrerinnen und Lehrer Teilnehmerorientierung, Supervision und Evaluation im Bereich von Unterricht und Weiterbildung etabliert und werden zunehmend auch im Bereich Deutsch als Fremd- und Zweitsprache praktiziert.
2. Verahren der Unterrichtsbeobachtung und Unterrichtsanalyse Im Zentrum der Diskussion über Verfahren der Unterrichtsbeobachtung und -analyse steht die Frage nach Beobachtungskategorien, die geeignet sind, einerseits Einsichten in den Sprachlehr- und Sprachlernprozess zu gewinnen, und andererseits Lehrenden Einsichten in die Konsequenzen des eigenen Lehrerhandelns zu vermitteln (vgl. Allwright 1988, Kap. 1 und 2), wobei die Verquickung beider Zielrichtungen bis heute dem Ziel einer „Klassenzimmerforschung“ der Lehrenden selbst entgegenkommt, andererseits aber auch die einseitige Fixierung der Beobachtungs- und Analyseverfahren auf das Lehrverhalten mit verursacht (vgl. z. B. Flanders 1970; zur Rezeption von Flanders im deutschen Sprachraum vgl. Zifreund 1976; zu den Weiterentwicklungen Allwright 1988: 125⫺195). Abgesehen von den generellen Problemen, die die Beobachtung von Verhalten mit sich bringt (vgl. hierzu Greve und Wentura 1997: 44⫺99), besteht im Zusammenhang mit Ausbildung und Lehrerbeurteilung die Gefahr, dass Unterrichtsbeobachtung zu einer verkürzten, eindimensionalen Vorstellung von Unterricht, zu einem linearen UrsacheWirkungs-Denken führt, nach dem das Lehrverhalten allein ursächlich für Lernverhalten sei (vgl. Krumm 2003). Für den Fremdsprachenunterricht hat Moskowitz schon 1967 eine Adaption des Flanders’schen Verfahrens vorgelegt, in dem sie spezifische Elemente des Fremdsprachenunterrichts wie z. B. den Gebrauch von Mutter- und Fremdsprache berücksichtigt. Einen Schritt weiter in dieser Hinsicht gehen Jarvis (1968) und Krumm (1973): Beide Kategoriensysteme gehen davon aus, dass auch die Lernenden einen stärkeren aktiven Anteil am Unterricht haben, der in der Analyse darzustellen ist. In der Studie von Peck (1988) wie bei Malamah-Thomas (1987) finden sich zahlreiche Vorschläge, Einzelaspekte von Fremdsprachenunterricht unter der Fragestellung zu analysieren, was Lehrverhalten im Unterricht bewirken kann und welche Rolle das Lehrerhandeln in der unterrichtlichen Interaktion spielt. Diese ,klassischen‘ Analysesysteme basieren darauf, dass das Unterrichtsgeschehen durch Beobachter interpretiert oder aber vom Lehrenden selbst unter vorgegebenen Kriterien reflektiert wird. Die Unterrichtsforschung hat seit den 1980er Jahren deutlich gemacht, dass eine solche Außensicht auf Lehr-Lernprozesse nicht ausreicht, um das unterrichtliche Wirkungsgefüge zu analysieren. Beobachtung muss durch introspektive Daten wie z. B. Lerntagebücher, Lautes Denken u. ä. ergänzt werden (vgl. Huber und Mandl 1994; Grotjahn 1993). Die Außensicht durch ,objektive‘ Kategorien und Beobachtungsraster muss zur Innensicht der Betroffenen und Beteiligten in Beziehung gesetzt werden. Unterricht besteht ja nicht aus in sich abgeschlossenen Stunden, sondern aus übergreifenden Einheiten, von denen in der einzelnen Stunde jeweils nur ein Teil sichtbar wird. Ferner muss bedacht werden, dass die Interaktion zwischen Lehrer und Schüler nicht nur eine Interaktion zwischen zwei Personen, sondern zwischen dem Lehrer und der Lerngruppe, also eine Interaktion in und mit Gruppen ist, was sich, z. B. in der Angst vor Fehlern, direkt auf das Kommunikationsverhalten auswirken kann. Dieser Aspekt
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wird in vielen unterrichtsanalytischen Systemen vernachlässigt; Studien zur Beobachtung von Gruppenprozessen liegen nur vereinzelt vor (vgl. Art. 133). Für die Analyse pädagogischer Interaktionen ergibt sich, sollen die verschiedenen Sichtweisen und Wahrnehmungen einbezogen werden, die Notwendigkeit einer kommunikativen Validierung, d. h. einer Aushandlung der Rekonstruktion von Unterricht durch den Außenbeobachter/Interpreten mit den Agierenden (vgl. Thiemann 1979: 86 ff.), wie dies Mummert (1984) bei der vergleichenden Untersuchung von Deutschunterricht in Frankreich und Französischunterricht in Deutschland mit Hilfe eines spezifischen Instrumentariums der „kommunikativen Unterrichtsbeobachtung“ realisiert hat. Sie hat die Unterrichtsbeobachtungen in ein Konzept der Handlungsforschung integriert: Lehrende und Lernende reflektieren die Beobachtungsergebnisse gemeinsam mit dem Beobachter, um sich über die je subjektiven Interpretationen des Beobachteten zu verständigen. An die Stelle der Suche nach möglichst allgemeingültigen Beobachtungskategorien ist heute der Versuch getreten, Unterricht aus einer Vielzahl von Perspektiven heraus als mehrdimensionalen, dynamischen Prozess zum Gegenstand der Forschung und der Reflexion in Aus- und Fortbildung zu machen; das hat die Bedeutung von Beobachtungsrastern relativiert und dazu geführt, dass für spezifische Zwecke in Forschung und pädagogischer Praxis je unterschiedliche Beobachtungsverfahren zusammengestellt bzw. selbst entwickelt werden (vgl. Krumm 1982). D. h. die Wahl der Analysekategorien ist abhängig vom jeweiligen Forschungs- und Erkenntnisinteresse und den praktischen Zielsetzungen: Die Diskursanalyse etwa rückt neuralgische Aspekte der verbalen Interaktion wie z. B. Sprecherwechsel und Korrekturverfahren in den Mittelpunkt; die psychologisch fundierte Interaktionsanalyse macht Fragen der (wechselseitigen) Wahrnehmung der beteiligten Personen zum Thema, die stärker soziologisch orientierte Rollenanalyse fragt (unter anderem) nach dem Rollenverständnis von Lehrenden oder dem Funktionieren der Zusammenarbeit in Lerngruppen; eine sprachdidaktisch motivierte Unterrichtsanalyse schließlich untersucht die Abfolge methodischer Schritte und Unterrichtsphasen oder die Wirkungen einzelner Lehr- und Lernverfahren. Verfahren der Methodentriangulierung wie z. B. die Kombination von Fremdbeobachtung und Selbstaussagen (vgl. Grotjahn 1995) bieten sich hierfür an.
3. Unterrichtsbeobachtung und Unterrichtsanalyse in der Lehreraus- und Lehrerortbildung Unterrichtsbeobachtung und Unterrichtsanalyse haben in der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften einen festen Stellenwert (vgl. Art. 149⫺151): In der Lehrerausbildung wird die Beobachtung meist mit fachdidaktischen Seminaren gekoppelt und stellt die Vorstufe zu eigenen Unterrichtsversuchen angehender Lehrer dar. Mit Hilfe von Videoaufzeichnungen kann im Rahmen der pädagogischen oder sprachdidaktischen Lehrerausbildung eine systematische Hinführung zur komplexen Unterrichtssituation bewirkt und ein Beobachtungstraining etabliert werden (vgl. Boocz-Barna 1997). Im Verfahren des Microteaching (vgl. Krumm 1973; Nehm 1976; Kast 1994) werden kleinschrittige Unterrichtsversuche (mit wenigen Schülern und bezogen auf Teillernziele) mit einer genauen Analyse und Wiederholung der Lehrversuche kombiniert.
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XV. Lehrerinnen und Lehrer Für die Lehrerfortbildung stellen Unterrichtsbeobachtung und -analyse einerseits Möglichkeiten einer gezielten Auseinandersetzung mit dem eigenen Unterricht bis hin zur Aktionsforschung bereit und entwickeln die Reflexivität der Lehrenden (vgl. Krumm und Portmann-Tselikas 2003), sie können jedoch auch im Rahmen der Qualitätssicherung der jeweiligen Institution als objektivierende Verfahren eingesetzt werden. Hier liegt ihre besondere Bedeutung darin, dass die Lehrsituationen professionelle Deformationen produzieren, denen aktiv entgegengearbeitet werden muss. Die eigene Wahrnehmung der Lehrkraft reicht schon in einer Gruppe mit 10 bis 15 Teilnehmern nicht aus zu erfassen, ob alle Lernenden durch Aufrufen und Drankommen, Lob und Aktivierung die gleichen Kommunikationschancen bekommen, und zusätzlich zu prüfen, ob dabei auch alle gleichermaßen relevante Sprechanlässe erhalten und nutzen. Lehrtätigkeit ist gekennzeichnet durch ein weitgehendes Fehlen von Rückmeldungen über den Erfolg der Arbeit und die tatsächliche Wirkung des eigenen Verhaltens. Feedback-Elemente und Verfahren der Selbstevaluation sind nötig, um Lehrenden Rückmeldungen über ihre Lehrtätigkeit und deren (oft unerwartete, manchmal auch unerwünschte) Nebenwirkungen zu verschaffen. Als hilfreich haben sich in diesem Zusammenhang Portfolios erwiesen, die die Fähigkeit zur Selbstbeurteilung entwickeln helfen und insofern als Vor- und Nachbereitung für Unterrichtsbeobachtungen genutzt werden können (vgl. z. B. Europäisches Portfolio für Sprachlehrende in Ausbildung, 13⫺61). In der Kombination von Lehrtagebüchern, Portfolio und Unterrichtsbeobachtung, insbesondere in der Form der kollegialen Beobachtung (vgl. Hrubesch und Wurzenrainer 2007) können unterschiedliche Formen der Unterrichtsgestaltung und die Auswirkung des (eigenen) Lehrverhaltens im Unterricht präziser reflektiert und damit die Reflexivität und Flexibilität der Lehrenden erhöht werden: Kritik ist bedrohend, wird abgewehrt und führt zur Verteidigung bzw. Legitimation des eigenen Verhaltens ⫺ oder aber sie destabilisiert und verunsichert (Wagner 1976). Lehrverhalten ändert sich, wenn wünschenswerte Modelle beobachtet und die Diskrepanzen zum eigenen Verhalten bewusst gemacht werden (vgl. Ziebell 1998). Während Unterrichtsbeobachtung zum Zwecke der Aus- und Fortbildung im Regelfall auf Kooperation zwischen Beobachter und Beobachtetem basiert und Beobachtungsfehler möglicherweise in einem Nachgespräch aufgelöst werden können, sind Fehler in einem Beurteilungsverfahren (vgl. Thiemann 1979; Tilmann 1981) gravierender und auch schwerer zu erkennen und auszuräumen. Insbesondere in folgenden Bereichen treten systematische Fehler auf:
1. Verwechslung von Unterrichts- und Lehrerbeurteilung; 2. Verwechslung von Lehrer- und Persönlichkeitsbeurteilung: Zwar gibt es Persönlichkeitsmerkmale, die auch für die Beurteilung der Lehrqualifikation heranzuziehen sind ⫺ etwa, dass es nützlich ist, sachlich zu sein, die Namen der Lernenden zu kennen, Sinn für Humor zu haben usw., aber insgesamt ist darauf zu achten, dass es nicht um eine Beurteilung der Lehrperson, sondern um deren professionelles Handeln im Unterricht geht; 3. Verwechslung von Planung und Realisierung: Eine Unterrichtsskizze ist wichtiger Bestandteil einer Beurteilung von Lehrqualifikation, sie darf aber nicht die Folie für die Beurteilung der Unterrichtsdurchführung darstellen, sondern ist in ihrem Eigenwert zu sehen, schließlich kann die Abweichung vom zugrunde liegenden Plan eine wichtige Form der Adaptivität von Unterricht sein; 4. Die Selektivität der Beobachtung: Beobachtung ist notwendig selektiv ⫺ eine unbewusste Selektion kann über das strikte Verfolgen der Vorgaben auf Beobachtungsbö-
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gen ein Stück weit vermieden werden. Noch besser ist es, durch einen zweiten Beobachter ein Korrekturelement einzubauen, wie dies z. B. bei amtlichen Lehrproben im Schulwesen meist der Fall ist. Auch der Videomitschnitt gibt Gelegenheit, Wahrnehmungen durch wiederholte Beobachtung zu überprüfen.
4. Unterrichtsbeobachtung und Unterrichtsanalyse als Forschungsverahren Unter den divergierenden Forschungsrichtungen, die sich der Unterrichtsbeobachtung und -analyse bedienen, sind für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache insbesondere die folgenden Akzentuierungen von Bedeutung: 4.1. Die Kommunikationsforschung, insbesondere die Diskursanalyse, untersucht die Unterrichtskommunikation als Beispiel von „Sprache in Institutionen“ (z. B. im Vergleich mit der Arzt-Patienten-Kommunikation), um institutionentypische sprachliche Handlungsmuster herauszuarbeiten (vgl. Ehlich und Rehbein 1983; Henrici 1995; Sinclair und Coulthard 1977). Verbale Muster unterscheiden sich aber auch von Kultur zu Kultur, sodass die Untersuchung interkultureller und kulturgeprägter Kommunikationsstrukturen und Verhaltensweisen gerade im Bereich der Unterrichtskommunikation deutlich gemacht hat, wie z. B. native speakers durch unbewusste Übertragung von Rollenverhalten und Sprachhandlungen im Fremdsprachenunterricht Missverständnisse produzieren (vgl. u. a. Boeckmann 2006; House und Blum-Kulka 1986; Rehbein 1985). Im Gefolge des Konstruktivismus relativiert die Diskursanalyse den institutionellen Kontext (ohne ihn ganz zu negieren) und interpretiert den Unterrichtsprozess noch stärker als Produkt der Interaktion der Beteiligten: Die Mikroanalyse der (verbalen) Interaktion von Lehrenden und Lernenden soll Aufschluss darüber geben, mit welchen Strategien diese den Unterrichtsprozess strukturieren und welche Handlungsmuster die unterrichtliche Interaktion erfolgreich gestalten (vgl. z. B. Lauerbach 1997). 4.2. Die Unterrichtsforschung hatte sich zunächst zum Ziel gesetzt, Merkmale ,guten Unterrichts‘ zu erarbeiten (vgl. Brophy und Good 1974/1976). Unterrichtsbeobachtung spielte daher in den Vergleichsuntersuchungen zur Effektivität von Unterrichtsmethoden eine wichtige Rolle (vgl. von Elek und Oskarsson 1973). Wichtige Fragestellungen waren die Auswirkungen des Lehrverhaltens auf die Lernergebnisse und Lernprozesse, um Charakteristika eines ,guten Fremdsprachenlehrers‘ empirisch zu ermitteln (vgl. Allwright 1988; Peck 1988), ebenso wie die Suche nach den Bedingungen für gute Lernergebnisse auf Seiten des ,guten Sprachenlerners‘ (vgl. Naiman u. a. 1978). Im Bereich der Lehrerausbildung entwickelten Krumm (1973) und Nehm (1976) Verfahren der Evaluation von Ausbildungskonzepten mit Hilfe von Microteaching und Unterrichtsbeobachtung. 4.3. Für die Aktions- oder Handlungsforschung (vgl. Art. 153) ist die Analyse von Unterrichtsprozessen mit dem Ziel einer gezielten Unterrichtsentwicklung insbesondere im angelsächsischen Raum, aber auch in Österreich, fester Bestandteil der Lehrerfortbildung (Legutke und Thomas 1991: 304 ff.).
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XV. Lehrerinnen und Lehrer 4.4. Mit den 1980er Jahren ist an die Stelle einer mehr oder weniger ausschließlich auf Beobachtungsdaten basierenden Forschung die Kombination der Fremdbeobachtung mit introspektiven Daten getreten (vgl. Abschnitt 2) und auch die Sprachlehrforschung hat ihr Methodenrepertoire entsprechend erweitert. Zimmermann (1984, 1990) kombiniert z. B. Unterrichtsbeobachtungen mit Lehrer- und Schülerinterviews, um dem Widerspruch zwischen methodischen Einsichten und konkretem Lehr- und Lernverhalten bei der Grammatikvermittlung auf die Spur zu kommen. Im Bochumer Tertiärsprachenprojekt (Kleppin und Königs 1991; Bahr u. a. 1996) wurden Unterrichtsbeobachtungen und ⫺aufzeichnungen im Verbund mit introspektiven Daten genutzt, um Spezifika des Lehrverhaltens und der Lernenden beim Umgang mit Fehlern und Korrekturen, bei der Semantisierung, im Hinblick auf die Einsprachigkeit und die Kognitivierung herauszuarbeiten. Unterrichtsbeobachtung hat sich im Bereich der Sprachlehrforschung als Bestandteil eines forschungsmethodischen Gesamtkonzepts etabliert (vgl. Bahr u. a. 1996: 24 ff.; vgl. auch Krumm und Portmann-Tselikas 2003).
5. Literatur in Auswahl Allwright, Dick 1988 Observation in the Language Classroom. London: Longman. Bahr, Andreas, K.-Richard Bausch, Beate Helbig et al. 1996 Forschungsgegenstand Tertiärsprachenunterricht, Ergebnisse eines empirischen Projekts. Bochum: Brockmeyer. Boeckmann, Klaus Börge 2006 Kommunikativer Fremdsprachenunterricht und regionale Lehr- und Lernkultur. Innsbruck: Studienverlag. Boocz-Barna, Katalin 1997 Erfahrungsbericht über die Entwicklung und Anwendung der Videoreihe „DaF-Stunden in Ungarn. Mit der Kamera unterwegs“. In: Hans-Jürgen Krumm und Paul PortmannTselikas (Hg.), Theorie und Praxis. Österreichische Beiträge zu Deutsch als Fremdsprache 1, 163⫺172. Innsbruck: Studienverlag. Brophy, Jere E. und Thomas L. Good 1976 Die Lehrer-Schüler-Interaktion. Dt. hg. von Dieter Ulich. München: Urban und Schwarzenberg. Ehlich, Konrad und Jochen Rehbein (Hg.) 1983 Kommunikation in Schule und Hochschule. Tübingen: Narr. Europäisches Portfolio für Sprachlehrende in Ausbildung (EPOSA/ EPOSTL): http://www.ecml.at/mtp2/publications/C3_Epostl_D_internet.pdf (Zugriff am 20. 8. 2009) Flanders, Ned A. 1970 Analysing Teaching Behavior. Reading: Addison-Wesley. Greve, Werner und Dirk Wentura 1997 Wissenschaftliche Beobachtung. Eine Einführung. (2. Aufl.). Weinheim: Beltz. Grotjahn, Rüdiger 1993 Qualitative vs. Quantitative Fremdsprachenforschung: Eine klärungsbedürftige und unfruchtbare Dichotomie. In: Johannes- Peter Timm und Helmut Johannes Vollmer (Hg.), Kontroversen in der Fremdsprachenforschung, 223⫺248. Bochum: Brockmeyer. Grotjahn, Rüdiger 1995 Empirische Forschungsmethoden: Überblick. In: Karl-Richard Bausch; Herbert Christ und Hans-Jürgen Krumm (Hg.), Handbuch Fremdsprachenunterrich, 457⫺46. 3. erw. Aufl. Tübingen: Francke.
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Henrici, Gert 1995 Spracherwerb durch Interaktion? Baltmannsweiler: Schneider. House, Juliane und Shoshana Blum-Kulka (Hg.) 1986 Interlingual and Intercultural Communication. Tübingen: Narr. Hrubesch, Angelika und Martin Wurzenrainer 2007 Unterrichtsbeobachtung ⫺ einmal anders. In: Thomas Fritz (Hg.), What Next? Trends, Traditionen und Entwicklungen in der LhrerInnen-Ausbildung, 147⫺159. Wien: Edition Volkshochschule. Huber, Günter L. und Heinz Mandl 1994 Verbale Daten. Eine Einführung in die Grundlagen und Methoden der Erhebung und Auswertung. (2. Bearb. Aufl.). Weinheim: Beltz. Jarvis, Gilbert A. 1968 A Behavioral Observation System for Classroom Foreign Language Skill Acquisition Activities. Modern Language Journal 52: 335⫺341. Kast, Bernd 1994 Lehrertraining durch Microteaching. In: Fremdsprache Deutsch, Sondernummer 1994: 59⫺65. Kleppin, Karin und Frank G. Königs 1991 Der Korrektur auf der Spur. Untersuchungen zum mündlichen Korrekturverhalten von Fremdsprachenlehrern. Bochum: Brockmeyer. Krumm, Hans-Jürgen 1973 Analyse und Training fremdsprachlichen Lehrverhaltens. Weinheim: Beltz. Krumm, Hans-Jürgen 1982 Unterrichtliche Interaktion als Problem des kommunikativen Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachenlehrerausbildung. In: Goethe-Institut (Hg.), Pariser Werkstattgespräch 1980. Interaktion im Fremdsprachenunterricht, 17⫺31. München: Goethe-Institut. Krumm, Hans-Jürgen 2003 Lernen im Beruf oder: vom Umgang mit den Widersprüchen der LehrerInnenrolle. In: Hans-Jürgen Krumm und Paul R. Portmann-Tselikas (Hg.), 17⫺32. Krumm, Hans-Jürgen und Paul R. Portmann-Tselikas 2003 Theorie und Praxis. Österreichische Beiträge zu Deutsch als Fremdsprache, Bd. 7 ⫺ Schwerpunkt: Lernen im Beruf. Innsbruck: Studienverlag. Lauerbach, Gerda 1997 Fünf Mikro-Analysen unterrichtlicher Interaktion aus dem Goethe-Institut Projekt „Sprachbrücke“. In: Michael K. Legutke (Hg.), Sprachenlernen ⫺ Primarschule ⫺ Unterrichtsanalyse, 133⫺176. München: Goethe-Institut. Legutke, Michael und Howard Thomas 1991 Process and Experience in the Language Classroom. London, New York: Longman. Malamah-Thomas, Ann 1987 Classroom Interaction. Oxford:Oxford University Press. Moskowitz, Gertrude 1967 The Foreign Language Teacher Interacts. Minneapolis: Association for Productive Teaching. Mummert, Ingrid 1984 Schüler mögen Dichtung ⫺ auch in der Fremdsprache. Frankfurt a. M.: Lang. Naiman, Neil, Maria Fröhlich, H. H. Stern et al. 1978 The Good Language Learner. (Research in Education Series 7). Toronto: The Ontario Institute for Studies in Education. Nehm, Ulrich 1976 Microteaching als Ausbildungs- und Forschungsverfahren der Fremdsprachendidaktik. Kronberg: Scriptor.
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XV. Lehrerinnen und Lehrer Peck, Anthony 1988 Language Teachers at Work. New York: Prentice Hall. Rehbein, Jochen (Hg.) 1985 Interkulturelle Kommunikation. Tübingen: Narr. Sinclair, John McH. und Malcolm Coulthard 1977 Analyse der Unterrichtssprache (übersetzt u. bearb. v. Hans-Jürgen Krumm). Heidelberg: Quelle & Meyer. Thiemann, Friedrich 1979 Kritische Unterrichtsbeurteilung. München: Urban u. Schwarzenberg. Tilmann, Heribert 1981 Lehrerbeurteilung. Heidelberg: Quelle u. Meyer. von Elek, Tibor und Mats Oskarsson 1973 Teaching Foreign Language Grammar to Adults. A comparative study. (Gothenburg Studies in English 26). Stockholm: Almqvist u. Wiksell. Wagner, Angelika C. 1976 Ist Übung wirklich notwendig? Theoretische Überlegungen und experimentelle Ergebnisse zur Rolle des Diskriminationslernens bei Verhaltensänderungen. In: Walther Zifreund (Hg.), 633⫺657. Ziebell, Barbara 1998 Materialien zur Unterrichtsbeobachtung. München: Goethe-Institut. Zifreund, Walther (Hg.) 1976 Training des Lehrverhaltens und Interaktionsanalyse. Weinheim: Beltz. Zimmermann, Günther 1984 Erkundungen zur Praxis des Grammatikunterrichts. Frankfurt a. M.: Diesterweg. Zimmermann, Günther 1990 Grammatik im Fremdsprachenunterricht der Erwachsenenbildung. Ergebnisse empirischer Untersuchungen. Ismaning: Huber.
Hans-Jürgen Krumm, Wien (Österreich)
153. Aktionsorschung/Handlungsorschung 1. 2. 3. 4. 5.
Definition Quellen der Aktionsforschung Aktionsforschung im Bereich des Lehrens und Lernens von Fremdsprachen Kontroversen Literatur in Auswahl
1. Deinition Aktionsforschung ⫺ auch als Handlungs- oder Praxisforschung bezeichnet ⫺ ist ein Oberbegriff für eine heterogene Gruppe von Forschungsmodellen aus den empirischen Sozialwissenschaften, denen die grundlegende Auffassung gemeinsam ist, dass Menschen im Prozess der Bewältigung alltäglicher Lebenspraxis Erkenntnisse von wissenschaftli-
153. Aktionsforschung/Handlungsforschung
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cher Bedeutung hervorbringen. Die Generierung dieses Wissen erfolgt in einem Kreislauf von Aktion und Reflexion, der die zielgerichtete Veränderung eines sozialen Geschehens und deren systematische Analyse aneinander koppelt. Der Perspektivenvielfalt und der Wertgebundenheit des Handelns in sozialen Gruppen gilt dabei eine besondere Aufmerksamkeit. Von der Unterrichtsforschung lässt sich die Aktionsforschung vor allem dadurch abgrenzen, dass es sich nicht um Untersuchungen an Lehrenden oder über Lehrende handelt, sondern um eine Form von Forschung, die von Lehrerinnen und Lehrern selbst betrieben wird (vgl. Altrichter und Posch 2007: 15). Die Lernenden sowie das weitere soziale Umfeld wie etwa Eltern und das Verwaltungspersonal der betreffenden Bildungseinrichtung in die Forschung einzubeziehen, kann je nach Fragestellung sinnvoll oder sogar unerlässlich sein. Darüber hinaus stellt die Zusammenarbeit mit Forschenden aus dem akademischen Bereich eine Möglichkeit dar, begrenzte zeitliche Ressourcen auszugleichen, auf methodisches Expertenwissen zurückzugreifen und über die Konfrontation mit einer externen Sicht Distanz zu den eigenen Interpretationen zu gewinnen. Für die Disziplin Deutsch als Fremd- und Zweitsprache kann die Aktionsforschung somit als eine systematische Untersuchung alltäglicher Lehr- und Lernprozesse durch die Lehrenden selbst beschrieben werden. Sie zielt auf das Verstehen einer konkreten Unterrichtssituation und deren kontinuierliche Verbesserung und vollzieht sich in einem zyklischen Wechsel von Forschungs- und Entwicklungsphasen. Die Aktionsforschung stellt eine methodische Erweiterung alltäglicher Denkprozesse dar. Im Unterschied zur intuitiven Interpretation des Unterrichtsgeschehens führt sie zu einer selbstkritischen Reflexion auf der Grundlage von Informationen, die mit Hilfe bestimmter Strategien gewonnen werden (Anderson und Herr 2005: 3). Vor allem qualitative Methoden der empirischen Sozialforschung wie Tagebücher, Interviews oder Gruppendiskussionen finden dabei Verwendung, weil diese das Erfassen komplexer Situationen begünstigen, aber auch quantitative Instrumente und Verfahren wie etwa standardisierte Fragebögen oder Quasi-Experimente können sinnvoll eingesetzt werden. Für eine angemessene Methodenwahl bieten zahlreiche Veröffentlichungen der letzten Jahre umfassende Hilfestellungen (z. B. Burns 2009; Richards and Farrell 2005).
2. Quellen der Aktionsorschung Die Aktionsforschung wurde erstmals in den 1940er Jahren von dem Sozialpsychologen Kurt Lewin programmatisch gefasst. Lewins Anspruch war es, eine Sozialtechnologie zu entwickeln, um soziale Konflikte besser verstehen und lösen zu können (Lewin 2007). Seine Konzeption des zirkulären Forschungsprozesses, die kontextbedingt den professionell Forschenden die dominierende Rolle zuweist, wurde zu einer Blaupause für die Aktionsforschung auf vielen anderen sozialwissenschaftlichen Gebieten. Für den Bereich Deutsch als Fremd- und Zweitsprache ist sein Modell jedoch nur von beschränkter Relevanz, denn im Zusammenhang mit institutionalisierten Lehr- und Lernprozessen ist die Aktionsforschung sehr eng mit der Debatte um eine Professionalisierung des Lehrberufs verknüpft, was den Einfluss professionell Forschender tendenziell zurückdrängt (vgl. Art. 148). Historisch betrachtet erscheinen daher die Ideen von John Dewey einflussreicher, dessen Arbeiten zum Verhältnis von akademischer Wissenschaft und unterrichtlicher Praxis
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XV. Lehrerinnen und Lehrer bereits vor Kurt Lewin wichtige Argumente für den Einsatz von Aktionsforschung lieferten (siehe Dewey 1984). So räumte Dewey den Erfahrungen der Lehrenden den zentralen Stellenwert bei der Generierung von handlungsrelevanten Theoremen und Konzepten ein und plädierte deshalb für ein reflexives Lehren, bei dem die Praktikerinnen und Praktiker in einem forschenden Habitus die Motive, Folgen und Beschränkungen ihres alltäglichen Handelns selbst ergründen. Weitere bedeutsame gedankliche Grundlagen für die Aktionsforschung stammen von Donald Schön (1983), der das Zusammenwirken von verschiedenen Wissenstypen beim Handeln in mehreren Feldern professioneller Praxis anschaulich beschrieb und daraus die Notwendigkeit ableitete, eine forschende Haltung als notwendiges Element professionellen Lehrens zu betrachten. Schöns Kritik galt vor allem dem Versuch, soziales Geschehen nach dem Vorbild technologischer Prozesse zu gestalten. Einerseits, so Schön, überschätze dieses „Modell technischer Rationalität“ die Möglichkeiten theoretischen Wissens und instrumentellen Handelns bei der Bewältigung praktischer Probleme in komplexen Kontexten, die eher von Ungewissheiten als von Kausalzusammenhängen geprägt seien. Andererseits blende es das Potenzial und die Individualität der beteiligten Personen aus. Dem setzte Schön seine Vorstellung von reflektierenden Praktikerinnen und Praktikern entgegen, die angesichts der Instabilität und Einzigartigkeit sozialer Konstellationen die Fähigkeit entwickeln, eigene Handlungsmuster und Situationsdefinitionen beständig zu hinterfragen. Zu vergleichbaren Konsequenzen gelangte auch die englische Curriculumbewegung, die sich Ende der 1960er Jahre herausbildete und mit Lawrence Stenhouse (1985) und John Elliott (2007) zwei wichtige Mentoren der Aktionsforschung hervorbrachte. Stenhouse setzte mit seiner Argumentation an der Erfahrung an, dass Implementionsstrategien für curriculare Innovationen häufig zum Scheitern verurteilt sind, weil sie die akademische Forschung idealisieren und zugleich den Bildungsprozess trivialisieren. Das Curriculum kann für ihn deshalb immer nur eine hypothetische Realisierung von Theorien über die Natur von Wissen und das Wesen von Lehr- und Lernprozessen darstellen, die einer praktischen Überprüfung durch forschend tätige Lehrende bedarf. John Elliott schließlich erwarb sich das Verdienst, Lehrende in zahlreichen Kooperationsprojekten bei dieser Form von Forschung unterstützt zu haben. Sein Plädoyer für eine „evidenzbasierte Praxis“ nimmt bei der Wertgebundenheit aller pädagogischen Tätigkeiten ihren Ausgang. Da normative Setzungen immer mehrere Varianten der praktischen Umsetzung zuließen, so sein Ansatzpunkt, sollten Lehrende bestrebt sein, die Passung zwischen ihren Werten und Handlungen kontinuierlich und mit Hilfe wissenschaftlicher Methoden zu untersuchen. Elliott lenkte damit den Blick auf den besonderen Stellenwert, der den praktischen bzw. subjektiven Theorien von Lehrerinnen und Lehrern bei der Gestaltung von Unterricht zukommt.
3. Aktionsorschung im Bereich des Lehrens und Lernens von Fremdsprachen Seit einigen Jahren lässt sich für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache ⫺ ebenso wie in der gesamten Fremdsprachenforschung (Burns 2007) ⫺ ein zunehmendes Interesse an der Aktionsforschung ausmachen, welches in theoretischen Arbeiten zum Thema (z. B.
153. Aktionsforschung/Handlungsforschung
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Boeckmann 2002; Riemer 2002) ebenso seinen Ausdruck findet wie in empirischen Studien (z. B. Ngatcha 2004; Schart 2008; Rankin und Becker 2006; Warneke 2007). Dass sich im Bereich des Lehrens und Lernens von Fremdsprachen erst relativ spät ein Bewusstsein für das Potenzial von Aktionsforschung herausbildete, lässt sich unter anderem auf den Einfluss der bis in die 1990er Jahre dominierenden Forschungsperspektive zurückführen, aus der das Lernen vor allem als ein individueller, kognitiver und weniger als ein sozialer Prozess konzipiert wurde. Nicht zuletzt aus der Erfahrung heraus, dass sich viele der Implikationen, zu denen die Ergebnisse kognitiv orientierter Studien führen, nicht mit den Anforderungen der alltäglichen Unterrichtspraxis in Einklang bringen lassen, gewann in den 1990er Jahren der soziokulturelle Ansatz an Zuspruch. Dieser versucht ein Licht auf eben jene Aspekte zu werfen, die zuvor weitgehend ausgeblendet blieben: die enge Bindung des Lernens an die lokalen Gegebenheiten und die Bedeutung der subjektiven Situationsdeutungen der am Unterricht beteiligten Personen (Block 2003; van Lier 2004). Das Lernen wird aus soziokultureller Sicht als ein dynamischer, durch wechselseitige Abhängigkeiten der Beteiligten geprägter und damit tendenziell unkontrollierbarer Prozess betrachtet. Er lässt sich also nicht losgelöst von den Lerngemeinschaften verstehen, in denen er sich vollzieht. Eine schlüssige Folge dieses Perspektivenwechsels ist das verstärkte Interesse an der Rolle der Lehrenden im Gesamtgefüge Unterricht. Parallel dazu überwand die Fremdsprachendidaktik ihre Fokussierung auf den methodischen Aspekt des Unterrichts (Kumaravadivelu 2006). Die Aufmerksamkeit verschob sich dadurch von der Effizienz des Lehrens nach einer universal anwendbaren Methode auf die Qualität jedes einzelnen Lernumfeldes. Lehrende werden nun als Spezialisten für die Gestaltung anregender Unterrichtsumgebungen und reichhaltiger Lernmöglichkeiten gesehen und sollen mit Flexibilität, Offenheit und Sensitivität auf die örtlichen Gegebenheiten reagieren (Allwright 2005; Breen 2007). Das wiederum verstärkt den Ruf nach einem professionellen Handeln, bei dem sich Intuition und systematische Formen der Erkenntnisgewinnung über das eigene Tätigkeitsfeld ergänzen.
4. Kontroversen Der Aufschwung, den die Aktionsforschung in den zurückliegenden Jahren erlebte, wurde von mehreren Kontroversen begleitet, die zum einen der Heterogenität des Ansatzes geschuldet sind, zum anderen von etablierteren Forschungsrichtungen an sie herangetragen werden. Ein wichtiges Beispiel für eine intern ausgetragene Diskussion stellt die Frage dar, ob sich die Aktionsforschung in ihrem Kern als ein problemlösender oder als ein problematisierender Ansatz definieren sollte. Die Forschungspraxis selbst kann zwar nur selten trennscharf einer dieser beiden Positionen zugeordnet werden, doch tendenziell ergeben sich aus ihnen unterschiedliche Zielsetzungen und Vorgehensweisen. Steht das Lösen praktischer Probleme im Vordergrund, wird die Aktionsforschung eher als ein individueller, zeitlich begrenzter Prozess verstanden, der mit Hilfe bestimmter Techniken durchgeführt wird und auf die Verbesserung einzelner Aspekte von Unterricht zielt. Allwright (2005) kritisiert dieses Verständnis von Aktionsforschung, weil es der Arbeit von Lehrenden einen defizitären Charakter verleihe und zugleich überhöhte Ansprüche an das me-
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XV. Lehrerinnen und Lehrer thodische Vorgehen stelle. Angesichts der beschränkten Ressourcen an Zeit und Energie, über die Lehrende verfügen, plädiert er statt dessen mit seiner Konzeption einer Exploratory Practice für eine pragmatische Herangehensweise: Lehrende sollten die alltäglichen Lehr- und Lernaktivitäten dazu nutzen, gemeinsam mit ihren Lernenden Ungewissheiten und neue Möglichkeiten zu erkunden und die unterschiedlichen Sichtweisen auf das Geschehen zu thematisieren. So entstehe lokales Wissen, das zur Weiterentwicklung des Unterrichts genutzt werden könne (Allwright und Hanks 2009). Autoren wie Carr und Kemmins (1986) oder Greenwood und Levin (1998) vertreten dagegen einen dezidiert problematisierenden Ansatz. Aus ihrer Perspektive vernachlässigt die Konzentration auf individuelle Probleme oder auf Forschungstechniken die Wahrnehmung der historisch und kulturell bedingten Rollen- und Kräfteverteilungen in Institutionen. In ihrer Variante einer kritischen Aktionsforschung ist es entscheidend, dass sich Lehrende zu Forschungsgruppen zusammenschließen und gemeinsam die Verantwortung für eine systematische Verbesserung ihres Arbeitsumfeldes übernehmen. Die Aktionsforschung wird deshalb als ein lebenslanger, emanzipatorischer Prozess beschrieben, der nicht nur zu Einblicken in die eigenen Werte, pädagogischen Vorstellungen und Rituale verhilft, sondern zugleich auch die Identität der gesamten Berufsgruppe stärkt. Das professionelle Selbstbewusstsein der Lehrenden gilt als wichtige Voraussetzung, um innerhalb von Bildungsinstitutionen demokratischere Strukturen zu erreichen und darüber hinaus auch das traditionelle Hierarchie- und Prestigefälle zwischen Theorie und Praxis zu überwinden. Dieser Aspekt verweist auf eine weitere zentrale Kontroverse um die Aktionsforschung, denn ihr adäquates Verhältnis zum akademischen Wissenschaftsbetrieb ist ein seit langem intensiv diskutierter Gegenstand. Von Anfang an musste sich die Aktionsforschung mit Zweifeln an ihrer Wissenschaftlichkeit auseinandersetzen (vgl. Blum 1955). Dass sie nicht danach strebt, einen methodisch kontrollierten Abstand zwischen Forschenden und Beforschten, Fakten und Werten oder Denken und Handeln zu halten, macht zugleich ihre besondere Stärke und Schwäche aus. Einerseits lässt sich nur auf diesem Weg Wissen generieren, das für den betreffenden Kontext von unmittelbarer Relevanz ist. Andererseits setzt genau an diesem Punkt der häufig eingebrachte Vorwurf unzureichender Generalisierbarkeit und mangelnder Objektivität an. Es kann als ein Konsens innerhalb der Aktionsforschung gelten, dass bestimmte Standards erfüllt sein müssen, um überhaupt von Forschung sprechen zu können. Allerdings treffen die traditionellen Gütekriterien empirischer Sozialforschung auf breite Ablehnung. Die Forderung nach Generalisierbarkeit beispielsweise verkennt das Wesen der Aktionsforschung, der es gerade darum geht, Singuläres zu verstehen und kontextgebundenes Wissen zu generieren. Die Nachvollziehbarkeit und Glaubwürdigkeit der Darstellung, die Vertrauenswürdigkeit der Erkenntnisse oder die umfassende Transparenz im Hinblick auf den gesamten Forschungsprozess werden als jene alternativen Qualitätsmerkmale gesehen, an denen es sich entscheidet, ob die Ergebnisse einer Untersuchung für andere Kontexte Relevanz gewinnen können. Die Generalisierung wird demnach als ein kommunikativer Prozess zwischen Produzenten und Rezipienten von Aktionsforschung konzipiert (Duff 2008: 42; Greenwod und Levin 1998: 68). Der Vorwurf mangelnder Objektivität wiederum bezieht sich auf die logistische Schwierigkeit forschender Lehrender, sich als Handelnde und Beobachtende an zwei Orten zugleich aufhalten zu müssen. Die Befangenheit gegenüber den eigenen Werten und Urteilen, die für jede Form von Forschung eine Herausforderung darstellt und sich in
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keinem Fall vollends überwinden lässt, ist für die Aktionsforschung daher ein besonders sensibler Bereich. Neben dem Einsatz von Forschungsmethoden, die die Perspektivenvielfalt berücksichtigen und damit Werte- und Interessenkonflikte zugänglich machen, stellt die Kooperation mit externen Forschenden einen nahe liegenden Weg dar, um eine kritische Distanz zu den eigenen Situationsdeutungen aufzubauen. Kontrovers diskutiert wird jedoch der Anteil, den beruflich Forschende in diese Partnerschaft einbringen sollten (z. B. Stewart 2006). Augenfällig ist, dass nach wie vor nicht nur die theoretischen und methodischen Arbeiten zur Aktionsforschung häufig aus dem akademischen Bereich kommen, sondern auch die Impulse für konkrete Untersuchungen. Die Diskussionen über eine sinnvolle Aufgabenteilung zwischen internen und externen Forschenden werden sich aber erst dann als fruchtbar erweisen, wenn weitaus mehr Studien vorliegen, an denen sich die Vor- und Nachteile unterschiedlicher Kooperationsformen nachvollziehen lassen. Auch eine Antwort auf die Frage, welchen Beitrag die Aktionsforschung zur Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Disziplin Deutsch als Fremd- und Zweitsprache insgesamt zu leisten im Stande ist, scheitert derzeit noch daran, dass viel mehr über sie geschrieben als mit ihr gearbeitet wird. Und so gilt es bereits als ein Topos in den Veröffentlichungen zur Aktionsforschung, in einem Atemzug deren Potenzial zu betonen und zugleich auf den Mangel an Beispielen zu verweisen (z. B. Dörneyei 2007: 191⫺196; Greenwood 2002). Neue Modelle der Ausbildung, in denen Phasen systematisch reflektierter Praxis eine zentrale Rolle spielen (z. B. Schocker-von Ditfurth 2001; Warneke 2007), werden möglicherweise dazu beitragen, dass künftige Lehrende die Aktionsforschung als festen Bestandteil ihrer professionellen Identität betrachten.
5. Literatur in Auswahl Allwright, Dick 2005 Developing Principles for Practitioner Research: The Case of Exploratory Practice. Modern Language Journal 89(3): 353⫺366. Allwright, Dick und Judith Hanks 2009 The Developing Language Learner: An Introduction to Exploratory Practise. New York: Palgrave Macmillan. Altrichter, Herbert und Peter Posch 2007 Lehrerinnen und Lehrer erforschen ihren Unterricht. 4., überarbeitete und erweiterte Auflage. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. Anderson, Gary L. und Kathryn Herr 2005 The Action Research Dissertation: A Guide for Students and Faculty. Thousand Oaks: Sage. Block, David 2003 The Social Turn in Second Language Acquisition. Washington, D.C.: Georgetown University Press. Blum, Fred H. 1955 Action Research ⫺ a Scientific Approach? Philosophy of Science 22: 1⫺7. Boeckmann, Klaus-Börge 2002 Forschung in der Unterrichtspraxis. FremdsprachenlehrerInnen als ForscherInnen. In: Hans Barkowski und Renate Faistauer (Hg.), … in Sachen Deutsch als Fremdsprache, 180⫺190. Baltmannsweiler: Schneider Verlag.
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XV. Lehrerinnen und Lehrer Burns, Anne 2009 Doing action research in English language teaching: A guide for practioners. New York: Routledge. Burns, Anne 2007 Action Research: Contributions and Future Directions in ELT. In: Jim Cummins und Chris Davison (Hg.), International Handbook of English language Teaching, 987⫺1002. New York: Springer. Carr, Wilfred und Stephen Kemmins 1986 Becoming Critical: Education, Knowledge and Action Research. London: Falmer Press. Dewey, John 1984 The sources of a science in education. In: John Dewey, The later works 1925⫺1953, 1⫺ 40. Carbondale: Southern Illinois University Press. Dörneyei, Zolta´n 2007 Research Methods in Applied Linguistics. Oxford: Oxford University Press. Duff, Patricia A. 2008 Case Study Research in Applied Lingusitics. New York: Lawrence Erlbaum Associates. Elliott, John 2006 Reflecting Where the Action Is: The Selected Works of John Elliott. (World Library of Educationalists). Routledge: New York. Greenwood, Davydd J. 2002 Action Research: Unfulfilled Promises and Unmet Challenges. Concepts and Transformation 7(2): 117⫺139. Greenwood, Davydd J. and Morten Levin 1998 Introduction to Action Research. Social Research for Social Change. Thousand Oaks: Sage. Kumaravadivelu, B. 2006 Understanding Language Teaching. From Method to Postmethod. Mahwah, NJ: Lawrence Earlbaum. Lewin, Kurt 1997 Resolving Social Conflicts and, Field Theory in Social Science. Washington, D.C.: American Psychological Association. Ngatcha, Alexis 2004 Was kann Aktionsforschung zur Praxis des Fremdsprachenunterrichts Deutsch beitragen? Info DaF 4(31): 422⫺430. Rankin, Jamie and Florian Becker 2006 Does Reading the Research Make a Difference? A Case Study of Teacher Growth in FL German. The Modern Language Journal 90: 353⫺369. Richards, Jack C. and Thomas S. C. Farrell 2005 Professional Development for Language Teachers. Strategies for Reacher Learning. Cambridge: Cambridge University Press. Riemer Claudia 2002 Für und über die eigene Unterrichtspraxis forschen: Anregungen zur Lehrerhandlungsforschung. In: Rüdiger Schreiber (Hg.), Deutsch als Fremdsprache am Studienkolleg. Unterrichtspraxis, Tests, Evaluation, 129⫺143. (Materialien Deutsch als Fremdsprache 63). Regensburg: Fachverband Deutsch als Fremdsprache. Schart, Michael 2008 What Matters in TBLT⫺TBLT, Teacher or Team? An Action Research Perspective from a Beginning German Language Classroom. In: Johannes Eckerth & Sabine Siekmann (Hg.), Task-Based Language Learning and Teaching: Theoretical, Methodological, and Pedagogical Perspectives, 41⫺60. Frankfurt: Peter Lang. Schocker-von Ditfurth, Marita 2001 Forschendes Lernen in der fremdsprachlichen Lehrerbildung. Grundlagen, Erfahrungen, Perspektiven. Narr: Tübingen.
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Michael Schart, Tokio (Japan)
XVI. Kulturwissenschatliche Aspekte des Deutschen als Fremd- und Zweitsprache 154. Geschichte und Konzepte einer Kulturwissenschat im Fach Deutsch als Fremdsprache 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Von der Landeskunde zur Kulturwissenschaft Kulturtheoretische Positionierung Fragestellungen und Gegenstände Methoden kulturwissenschaftlicher Forschung im Fach DaF Ausblick Literatur in Auswahl
1. Von der Landeskunde zur Kulturwissenschat Die Herausbildung einer spezifisch kulturwissenschaftlichen Komponente des Faches Deutsch als Fremdsprache ist eine vergleichsweise neue Entwicklung und soll hier im Zentrum der Betrachtung stehen. Zwar fanden die kulturellen Aspekte des Deutsch als Fremdsprache-Lernens insbesondere auf der Ebene des Unterrichts und in der Lehre immer schon gebührende Berücksichtigung, diese wurden aber der Fachkomponente Landeskunde überantwortet, die in aller Regel als bloßes Anwendungsfach verstanden wurde und deren Status als Fach oder Disziplin und deren Verhältnis zu ihren traditionellen Bezugsdisziplinen wie der Soziologie, der Geschichts- oder der Politikwissenschaft oder auch der Kulturanthropologie letztlich immer ungeklärt und in einzelnen Studien stecken geblieben sind. Auch Versuche der Anbindung an Teilgebiete der Erkenntnistheorie wie der Semiotik (Köhring und Schwerdtfeger 1976; Casper-Hehne 2006) oder die Orientierung an kulturellen Symbolen (Schwerdtfeger 1991) haben keine weit reichenden Folgen gehabt. Insbesondere mangelte es der Landeskunde immer an einer eigenen wissenschaftlichen Dignität, die sie anderen Bereichen wie der Linguistik, der Zweitspracherwerbsforschung oder der Literaturwissenschaft gleichstellen würde. Die seit ca. Mitte der 1990er Jahre andauernde Diskussion über die Weiterentwicklung und Transformation der Landeskunde zur Kulturwissenschaft, die im Übrigen nicht nur im Fach Deutsch als Fremdsprache, sondern in allen Fremdsprachenwissenschaften stattfindet, kann dabei zwar auf ältere Fachtraditionen zurückgreifen, die teilweise verschüttet, teilweise aber durch die politischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts auch dauerhaft desavouiert sind (vgl. Art. 160). Aber erst mit dem viel beschworenen cultural turn in den Geistes- und Sozialwissenschaften seit etwa Mitte der 1980er Jahre, der damit einhergehenden grundlegenden Infragestellung allgemeingültiger nomothetischer Erklärungsmodelle menschlichen Verhaltens und der Hinwendung zu verstehenden, die Rolle symbolischer Ordnungen und subjektiver Sinnzuschreibungen in den Vordergrund stellenden Ansätzen ergab sich eine neue wissenschaftliche Konstellation, die her-
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gebrachte disziplinäre Grenzziehungen und Zuordnungen nachhaltig erschütterte und in Frage stellte und nicht zuletzt dadurch auch einer Weiterentwicklung und Transformation der traditionellen Landeskunde zu einem eigenständigen, aber gleichwohl vielfach vernetzten Bereich spezifisch kulturwissenschaftlicher Forschung völlig neue Perspektiven eröffnete. Dieser Transformationsprozess ist immer noch im Gang, derzeit ist ein Abschluss, mit welchem Resultat auch immer, nicht absehbar. Verschiedene wissenschafts- und bildungspolitische Entwicklungen, etwa die Einrichtung entsprechender Professuren an mehreren Universitätsstandorten seit 2005 oder auch die zunehmende Rolle, die den Aspekten des kulturellen Lernens beim Fremdsprachenunterricht im Allgemeinen und im Rahmen des Integrationsprozesses von Zuwanderern in den deutschsprachigen Ländern im Besonderen zuerkannt wird, sprechen dafür, dass wir es hier mit einem unumkehrbaren Prozess zu tun haben.
2. Kulturtheoretische Positionierung Kulturwissenschaftliche Theoriebildung gehört bislang nicht unbedingt zu den Stärken des Faches Deutsch als Fremdsprache. An den vielfältigen disziplinenübergreifenden Diskussionen um eine Konstituierung des neuen kulturwissenschaftlichen Paradigmas in den Geistes- und Sozialwissenschaften, wofür hier exemplarisch das Handbuch der Kulturwissenschaften (Jaeger und Liebsch 2004) stehen mag, ist das Fach, wenn überhaupt, allenfalls am Rande beteiligt und beschränkt sich ansonsten auf eine bloß passiv-rezeptive Haltung dazu. Umgekehrt werden aber die ja seit vielen Jahren weltweit ausgetragenen und zunehmend diversifizierten kulturtheoretischen Debatten im Fach Deutsch als Fremdsprache nur höchst selektiv und eklektisch wahrgenommen und zu eigenen Forschungs- und Theorieansätzen verarbeitet. Die schon vor einigen Jahren formulierte Diagnose, wonach in unserem Fach die falsche Erwartung vorherrscht, man könne als Fremdsprachenforscher(in) „sozusagen ,nebenbei‘ schnell ein paar kulturwissenschaftliche Arbeiten (…) lesen, um die eigene Forschung damit ein wenig anzureichern“ (Schmenk 2006: 270), hat sicherlich wenig an Brisanz und Aktualität eingebüßt. Die vielfach geforderte und in mancher Hinsicht ja auch ansatzweise schon realisierte Weiterentwicklung der herkömmlichen Landeskunde zu einer kulturwissenschaftlichen Forschungsdisziplin wird nur nachhaltig erfolgreich sein, wenn das Fach auch in diesem Bereich eine Reflexions- und Diskussionskultur auf Augenhöhe entwickelt, sich mit den erwähnten kulturtheoretischen Positionen auf angemessenem Niveau und in nennenswertem Umfang auseinandersetzt und sich dabei, ausgehend von den eigenen erkenntnisleitenden Interessen, innerhalb des kulturtheoretischen Diskurses auch positioniert. Dabei wird in nächster Zeit die kritische Auseinandersetzung mit dem im Kontext von Pädagogik und Fremdsprachendidaktiken nach wie vor sehr einflussreichen Paradigma der Interkulturalität von besonderer Wichtigkeit sein. Dieses Paradigma, das von der grundlegenden Dichotomie zwischen eigener und fremder Kultur ausgeht und Kultur als hinter dem Rücken der Subjekte und insofern nicht unmittelbar reflexiv verfügbares, wohl aber hochgradig handlungswirksames Orientierungssystem auf vorrangig ethnonationaler Ebene ansieht, hat ja einerseits eine reichhaltige Forschungsaktivität angeregt und hervorgebracht, die von der empirischen kontrastiven Kulturforschung in Ethnologie und Sozialwissenschaften über kommunikations- und sprachwissenschaftlich orien-
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tierte Forschungen zur interkulturellen Kommunikation (zum Überblick vgl. Straub, Weidemann und Weidemann 2007) bis hin zu ganzen Disziplinausgründungen wie der Interkulturellen Germanistik reicht (vgl. Art. 157) ⫺ alles Forschungsbereiche, die aus dem Kontext des Faches Deutsch als Fremdsprache nicht wegzudenken sind. Andererseits ist das Interkulturalitätsparadigma mit seinen deutlich unterkomplexen und simplifizierenden Vorstellungen vom Eigenen und Fremden und seinem homogenisierenden und essentialistischen Kulturbegriff, belehrt nicht zuletzt durch Überlegungen zu den kulturellen Auswirkungen der Globalisierung und die zunehmend auch in den Fremdsprachenwissenschaften heimisch werdende Begrifflichkeit der Postcolonial Studies (Hybridität, Thirdspace u. a.), in letzter Zeit stark unter Druck geraten und teilweise heftiger und grundsätzlicher Kritik ausgesetzt (zur Kritik am Interkulturalitätsparadigma im Kontext von DaF vgl. Altmayer 2006a: 45⫺50). Dabei ist allerdings im Fach Deutsch als Fremdsprache wie in anderen Fremdsprachenwissenschaften ein unklares bis widersprüchliches Verhältnis zu den angesprochenen Positionen des Interkulturalitätsparadigmas zu konstatieren. Während nämlich auf theoretischer Ebene der Konstruktcharakter von Nationalkulturen meist gesehen und die Notwendigkeit zu stärkerer Differenzierung eingeräumt wird, setzen eher anwendungsorientierte Positionen gleichwohl und nicht selten wider besseres Wissen doch die vereinfachenden kulturkontrastiven Kategorien des Interkulturalitätsparadigmas als selbstverständliche Annahmen voraus; und andererseits bieten kulturtheoretisch differenziertere Positionen bislang auch selten konkrete Ansatzpunkte für forschungs- oder unterrichtspraktische Umsetzung (vgl. Hu und Byram 2009: XII). Hier ist zweifellos noch weitere Klärung notwendig; insbesondere muss die kulturtheoretische Reflexion stärker als bisher mit forschungspraktischen Belangen verzahnt werden. Dabei könnte sich eine Anknüpfung an aktuelle kulturtheoretische Überlegungen etwa zur kulturellen Komplexität und zum cultural flow von Hannerz (1992) bzw. Risager (2006), zur komplexen Verschachtelung kollektiver Zugehörigkeiten von Hansen (2009) sowie insbesondere zu einem bedeutungs- und wissensorientierten Kulturbegriff, wie er sich in aktuellen kulturtheoretischen Debatten auch in den Sozialwissenschaften durchzusetzen scheint (vgl. Reckwitz 2000: 84⫺86.; vgl. Art. 156), als besonders fruchtbar erweisen.
3. Fragestellungen und Gegenstände 3.1. Landeskunde der deutschsprachigen Länder Gegenstand einer Kulturwissenschaft im Kontext von Deutsch als Fremdsprache, die sich als Weiterentwicklung der herkömmlichen Landeskunde sieht, ist zunächst einmal das Land bzw. sind die Länder, in denen die betreffende Sprache, in unserem Fall Deutsch, als offizielle oder gar einzige Sprache gesprochen wird. Anzustreben wäre hier beispielsweise ein Gesamtüberblick über die den jeweiligen Sprachraum betreffenden Teilaspekte von Geschichte, Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur, wie sie für andere Länder bzw. Sprachräume vorliegen (vgl. z. B. zu Frankreich Große und Lüger 2008; zu Großbritannien Kamm und Lenz 2004). Solche Kompendien, die das verfügbare Wissen über Deutschland bzw. den deutschsprachigen Raum zusammentragen, liegen vor allem außerhalb des deutschen Sprachraums vor und wenden sich dort an Lernende
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bzw. Studierende des Faches Deutsch in der betreffenden Region. Auch im Fach Deutsch als Fremdsprache innerhalb des deutschen Sprachraums werden vergleichbare Anstrengungen gelegentlich unternommen (vgl. z. B. Mog und Althaus 1992 oder in jüngster Zeit von Schilling 2006). Dabei zeigt sich gerade in diesen Darstellungen ein grundsätzliches Problem: Sie beruhen nicht auf eigener gemeinsamer Forschung, sondern greifen mehr oder weniger selektiv auf Forschungsarbeiten und -ergebnisse verschiedener Disziplinen wie der Geschichtswissenschaft, der Soziologie oder der Geographie zurück und entwerfen auf dieser Basis ein Bild des Zielsprachenlandes, das nicht selten eher das subjektive ⫺ auch durch die jeweilige Fachperspektive bestimmte ⫺ Bild der jeweiligen Autoren ist, dessen tatsächlich wissenschaftliche Fundiertheit für die Landeskunde in Deutsch als Fremdsprache jedenfalls häufig zweifelhaft bleibt. Vor allem aber bieten sich einer Landeskunde, die sich lediglich als Anwendungsfach für wissenschaftliches Wissen begreift, das anderswo und auf der Basis anderer, von landeskundlichen Lehr- und Lernkontexten völlig unabhängiger Erkenntnisinteressen erarbeitet wird, keine Perspektiven für die Entfaltung ihrer eigenen spezifischen Forschungsinteressen. Ähnlich unklar bleibt das hier erwähnte Verhältnis zwischen erkenntnisleitendem Interesse und Gegenstandsperspektivierung auch in neueren Ansätzen einer Aufwertung und Verwissenschaftlichung der herkömmlichen Landeskunde, etwa in Wierlachers Konzept essayistisch verfahrender „Landesstudien“ (vgl. Wierlacher 2006) oder in Wormers Überlegungen zu einer xenologisch-transkulturellen und transdisziplinär-vergleichenden Landeskundewissenschaft (vgl. Wormer 2004). So sinnvoll und richtig die von Wierlacher wie Wormer geforderte und bislang sicherlich eher unterentwickelte Kooperation zwischen Vertretern des Faches Deutsch als Fremdsprache und anderen Fachwissenschaften zweifellos ist (vgl. Koreik 2009: 25⫺28), so wenig lässt sich doch daraus allein eine eigenständige wissenschaftliche Perspektivierung des Gegenstandsbereichs der Landeskunde und damit deren Anspruch auf Wissenschaftlichkeit herleiten. Insgesamt wird man in Bezug auf das wissenschaftliche und disziplinäre Selbstverständnis einer sich zur Kulturwissenschaft weiter entwickelnden Landeskunde und auf die damit ja eng zusammenhängende Frage der Gegenstandskonstituierung einer solchen Wissenschaft noch einigen Diskussionsund Klärungsbedarf konstatieren dürfen.
3.2. Kulturelle Deutungsmuster Im Gegensatz zu den erwähnten Ansätzen einer an den Gegenständen orientierten Landeskundewissenschaft versteht sich das in den letzten Jahren entwickelte und vergleichsweise elaborierte Konzept einer spezifischen Kulturwissenschaft im Kontext von Deutsch als Fremdsprache von Altmayer insofern als primär lernprozessorientiert, als hier das erkenntnisleitende Interesse an der Initiierung und Optimierung kulturbezogener Lernprozesse bei Lernenden des Deutschen als Fremdsprache nicht als nachrangiger Anwendungsaspekt gilt, sondern als gegenstandskonstitutive Forschungsperspektive im Zentrum steht (vgl. dazu und zum Folgenden Altmayer 2004: 33⫺35, 2006b: 183⫺184). Kulturwissenschaftliche Forschung beschäftigt sich demnach nicht mit der Kultur der deutschsprachigen Länder schlechthin, sondern mit dieser Kultur im Hinblick auf kulturbezogene Lehr- und Lernprozesse im Kontext von Deutsch als Fremdsprache. Um den so beschriebenen Gegenstandsbereich kulturwissenschaftlicher Forschung genauer zu fassen, legt Altmayer zunächst einen „bedeutungs- und wissensorientierten“
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(Reckwitz 2000: 84) Begriff von Kultur zugrunde, wonach diese nicht in einem Set mehr oder weniger gleichförmiger Verhaltensweisen oder Mentalitäten besteht, sondern uns mit einem Fundus an (kollektivem) Wissen versorgt, das uns in die Lage versetzt, der Welt um uns herum, aber auch unserem eigenen Leben Sinn und unserem Handeln Orientierung zu geben (vgl. dazu und zum Folgenden Altmayer 2004: 147⫺165, 2006a, 2006b, vgl. auch Art. 156). Unter Verwendung (und Umdeutung) eines Begriffs, der ursprünglich aus der objektiven Hermeneutik stammt, aber auch in anderen soziologischen und pädagogischen Kontexten heimisch geworden ist, werden die musterhaft verdichteten und im kulturellen Gedächtnis gespeicherten Einzelelemente dieses Wissens als kulturelle Deutungsmuster bezeichnet. Der für den DaF-Kontext konstitutive Bezug zur Sprache und damit zum Fremdsprachenlernen besteht dabei insbesondere darin, dass wir im Sprachgebrauch, d. h. in alltäglicher, aber auch in medialer und schriftlicher Kommunikation, in hohem Maß auf solche kulturellen Deutungsmuster zurückgreifen, sie bei unseren Gesprächspartnern oder den Adressaten von Texten oder Medienangeboten aller Art in der Regel implizit und selbstverständlich als allgemein bekannt und akzeptiert voraussetzen. Die Aufgabe kulturwissenschaftlicher Forschung in Deutsch als Fremdsprache besteht nach diesem Konzept dann vor allem darin, die im alltäglichen Sprachgebrauch in aller Regel implizit bleibenden kulturellen Deutungsmuster, die wir im Deutschen verwenden, zu rekonstruieren, d. h. sie auf die Ebene des Expliziten zu heben, sie sichtbar und damit auch lernbar zu machen.
3.3. Kulturspeziische Lehr- und Lerntraditionen Während die bisher diskutierten Forschungsansätze eher die Frage nach den Inhalten eines kulturbezogenen Lernens fokussieren, beschäftigen sich die im Folgenden dargestellten Konzepte und Ansätze mit den vielfältigen Bezügen zwischen Kultur und fremdsprachlichen Lernprozessen. Dabei spielt Kultur in (mindestens) zweierlei Hinsicht eine Rolle: Zum einen nämlich als Gegenstand des Lernens und zum anderen als kulturelle Orientierung, die die Lernenden selbst mitbringen, die ihre Perspektiven auf den Gegenstand und ihre Lernprozesse selbst wesentlich mitkonstituieren und beeinflussen. Letzteres wird in einer nicht nur, aber auch im Fach Deutsch als Fremdsprache angesiedelten Forschungsrichtung auf die Frage zugespitzt, inwieweit sich hier von kulturspezifischen Lehr- und Lerntraditionen sprechen lässt und in welcher Weise diese Traditionen tatsächlich fremdsprachliche Lernprozesse negativ oder positiv beeinflussen. Nicht zuletzt liegen dieser Frage vielfältige Erfahrungen westlicher Lehrkräfte in nicht-westlichen, insbesondere asiatischen und afrikanischen Bildungsinstitutionen und die offenbar immer wieder auftauchenden Schwierigkeiten bei der Realisierung der als modern und westlich angesehenen Unterrichtsmethoden (z. B. der kommunikativen Didaktik oder des autonomen Lernens) zugrunde, die auch immer wieder zur Problematisierung des „Methodenexports“ und zur Forderung nach angepassten Unterrichtsformen geführt haben (vgl. u. a. Gerighausen und Seel 1986). Dabei setzte sich im Zusammenhang mit dem interkulturellen Paradigma in den Fremdsprachenwissenschaften zunächst die Tendenz durch, diese Schwierigkeiten auf unterschiedliche, insbesondere kulturell bedingte und in diesem Sinn kulturspezifische Lehr- und Lerntraditionen eines Landes oder gar einer ganzen Region zurückzuführen. Allerdings haben die Versuche, diesen Zusammenhang durch entsprechende empirische Daten zu belegen, bisher nicht zu entsprechenden Ergebnissen ge-
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führt, vielmehr hat sich in letzter Zeit eher eine gewisse Ernüchterung in dieser Frage ausgebreitet. So haben Barkowski und Eßer (2005) beispielsweise erneut auf die Schwierigkeiten hingewiesen, den Faktor Kultur in diesem Kontext als eine Kategorie mit wissenschaftlicher Aussage- und Erklärungskraft operationalisieren zu können, und Guest (2006) für den Kontext des Englischen und im Anschluss daran Boeckmann (z. B. 2007) für Deutsch als Fremdsprache haben gezeigt, dass viele Arbeiten in diesem Bereich sich unreflektiert auf teilweise fragwürdige Quellen berufen, deutlich unterkomplexe kulturtheoretische Kategorien zugrunde legen und insgesamt Tendenzen der Dichotomisierung, Stereotypisierung und Essentialisierung von Kulturen aufweisen. Hier sind zweifellos noch erhebliche theoretische und empirische Anstrengungen erforderlich, um zu einigermaßen zuverlässigen und auch für didaktische Zwecke belastbaren Ergebnissen zu kommen.
3.4. Einstellungen, Bilder, Stereotype Zu den eher traditionellen Fragen, mit denen sich die kulturwissenschaftliche Forschung im Kontext Deutsch als Fremdsprache von jeher beschäftigt hat, gehört auch die nach Einstellungen zum und stereotypischen Bildern und Vorstellungen vom Zielsprachenland. Dabei ist für den Kontext des Faches Deutsch als Fremdsprache allerdings die literatur- oder medienwissenschaftlich orientierte imagologische Forschung, die nach Deutschlandbildern in Literatur und/oder Medien anderer Länder fragt (vgl. dazu z. B. Stierstorfer 2003), weniger relevant. Von weitaus größerer Bedeutung sind empirische Ansätze, die nach dem Einfluss stereotypischer Bilder auf die fremdsprachlichen und kulturbezogenen Lernprozesse (vgl. Art. 158) und nach Veränderungen solcher Bilder bei Lernern des Deutschen als Fremdsprache, bedingt durch Aufenthalte im Zielsprachenland, durch mediale Einflüsse oder durch entsprechende Interventionen im Unterricht, fragen.
3.5. Interkulturelle Kompetenz Das Schlagwort interkulturell prägt seit den späten 1980er Jahren als Ausdruck eines dominant gewordenen Lehr- und Forschungsparadigmas im kulturwissenschaftlich-landeskundlichen Bereich nicht nur zahlreiche Auseinandersetzungen im Fach Deutsch als Fremdsprache. Die Diskussionen reichen dabei einerseits von einem interkulturellen Ansatz in der Landeskundevermittlung über interkulturelle Kommunikation bis zur interkulturellen Kompetenz und andererseits von der grundsätzlichen Frage, wie der Begriff interkulturell präzise zu erfassen sei bis zur Auseinandersetzung über Sinn und Unsinn von Begriffen wie interkulturelles Lernen. Gelegentlich wird sogar das Konzept interkulturelle Kompetenz als grundsätzlich überflüssig angesehen, da es durch das Konzept der sozialen Kompetenz bereits ausreichend abgedeckt sei, und es angesichts der Tatsache, dass Kulturen keine in sich abgeschlossenen Entitäten darstellen, keineswegs möglich sei, hier eine größere Präzision zu erlangen. Gerade jedoch die letztliche Vagheit des Begriffs interkulturell und die Tatsache, dass je nach wissenschaftlicher Disziplin die Begrifflichkeit enger oder weiter gefasst wird,
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XVI. Kulturwissenschaftliche Aspekte des Deutschen als Fremd- und Zweitsprache
wird die globale Verbreitung des Begriffs in einer Zeit der Globalisierung, in der weltweiter Handel und Austausch zu einer umfassenden Grunderfahrung geworden sind, begünstigt haben. Mag die Kritik am Interkulturalitätskonzept auch noch so begründet sein, so wird man dennoch davon ausgehen müssen, dass die Auseinandersetzung damit noch auf längere Sicht sehr facettenreich und Fächer übergreifend stattfinden wird. Insbesondere die aktuelle Tendenz zur empirischen „Messung“ interkultureller Kompetenz anhand von Stufenmodellen (vgl. die entsprechenden Beiträge in Schulz und Tschirner 2008) wird angesichts eines Bedarfs aus der Wirtschaft einerseits und andererseits dem allgemeinen Trend zu Kompetenzbeschreibungen, der Festlegung von Bildungsstandards und deren Evaluationen eine zunehmend größere Rolle spielen, auch wenn bisher weder die Kriterienraster und Stufenbeschreibungen allgemein zu überzeugen vermögen, noch Messinstrumente entwickelt wurden, die eine „Messung“ interkultureller Kompetenz operationalisierbar erscheinen lassen ⫺ und sowieso noch weitgehend ungeklärt ist, wie sich die Erfassung interkultureller Kompetenz mit didaktischen Ansprüchen im Fremdsprachenunterricht in Einklang bringen lässt. Interkulturell wird jedenfalls ein wichtiges Schlagwort und der damit zusammenhängende Gesamtkontext ein Forschungsfeld für das Fach Deutsch als Fremdsprache bleiben, bei dem es viele Berührungspunkte mit kultur- und sozialwissenschaftlichen Fächern geben wird und geben muss. In der Literaturdidaktik hat sich beispielsweise vor dem Hintergrund eines prozesshaften, hybriden und diskursiven Kulturbegriffes eine die Philologien übergreifende Diskussion um neue interkulturelle Ansätze oder auch Transkulturalität als kulturelles Phänomen und didaktisches Konzept entwickelt (z. B. Hallet 2002), wobei der Sprachunterricht als Handlungsraum gestaltet werden soll, in dem die Lerner an kulturellen Veränderungsprozessen diskursiv beteiligt werden.
3.6. Landeskundliche Lernmaterialien Landeskundliche bzw. kulturbezogene Inhalte sind aus den Lehrwerken bzw. Lernmaterialien für Deutsch als Fremdsprache heute nicht mehr wegzudenken. Auch eher allgemeinsprachliche Lehrwerke für den Anfänger- oder Fortgeschrittenenunterricht orientieren sich mehr oder weniger deutlich an interkulturellen Zielsetzungen und fordern die Lernenden gerne zu Vergleichen zwischen der deutschen Wirklichkeit und ihren „eigenkulturellen“ Erfahrungen auf. In jüngster Zeit sind in der Lehrwerkentwicklung im Bereich der Landeskunde vor allem drei Tendenzen erkennbar: Lehrwerke, die dem landeskundlichen DACH-L-Konzept verpflichtet sind und neben der Landeskunde Deutschlands auch Österreich und die Schweiz gleichberechtigt einbeziehen (vgl. Nitzschke 1998; Clalüna et al. 1998; Fischer et al. 1998; Matecki 2006; vgl. auch Art. 167), Lehrwerke für die neuen Orientierungskurse des BAMF (vgl. Kaufmann et al. 2006; Kilimann et al. 2008; Gaidosch und Müller 2009) sowie Lehrwerke, die neuere kulturwissenschaftliche Diskussionen etwa zur kulturellen Bedeutung von Erinnerung und Erinnerungsorten aufgreifen und in konkrete Lernmaterialien umsetzen (vgl. Schmidt und Schmidt 2007). Vergleichsweise ruhig geworden ist dagegen die Diskussion über das landeskundliche Potenzial des Internet bzw. digitaler Medien, das noch in den 1990er Jahren allgemein als sehr hoch eingeschätzt wurde; hier hat sich eine durchaus heilsame Ernüchterung breit gemacht.
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Die Erforschung spezifisch landeskundlicher bzw. kulturbezogener Lehrwerke und Lernmaterialien gehört zweifellos zu den zentralen Forschungsaufgaben der Kulturwissenschaft im Fach Deutsch als Fremdsprache. Allerdings ist in diesem Bereich in den letzten Jahren nicht sehr viel passiert. Die Arbeit von Ammer (1988) zum Deutschlandbild in den Lehrwerken hat hier zwar modellbildend gewirkt, aber nur wenige Nachahmer gefunden. Insbesondere die Darstellung historischer Inhalte in Lehrwerken fand in einigen Arbeiten wissenschaftliches Interesse (vgl. Koreik 1995; Thimme 1996; Maijala 2004). Andere Fragen, etwa die Umsetzung einzelner aktueller Themen in Lehrwerken, die Angemessenheit der Lehrwerke für Orientierungskurse oder auch die Entwicklung einer über die klassischen Kriterienraster hinausgehenden Forschungs- und Analysemethode bleiben dagegen ein dringendes Desiderat. Neues Interesse der Forschung findet in letzter Zeit die Frage nach dem Potenzial einzelner Medien insbesondere für kulturbezogene Lernprozesse im Kontext von Deutsch als Fremdsprache: Kunst, Bilder, Musik (vgl. Badstübner-Kizik 2007; vgl. auch Art. 178), aber auch die Rolle literarischer Texte wird im Rahmen einer stärker kulturwissenschaftlich orientierten Landeskunde wieder neu diskutiert (vgl. Dobstadt 2009; vgl. auch Art. 173); hier könnten sich in absehbarer Zukunft auch interessante neue Forschungsperspektiven herausbilden.
3.7. Empirische Erorschung kultureller Lernprozesse im Kontext DaF und DaZ Die Erforschung kultureller Lernprozesse ist im Grunde genommen das größte Desiderat in diesem Bereich des Fachs. Erst langsam hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Darstellung einzelner in der Regel gelungenerer Unterrichtsprojekte zwar didaktische Anregungen zu geben vermag, aber keine gesicherten Erkenntnisse über den Lernprozess und seinen Ertrag liefert. Klar ist dabei, dass eine derartige empirische Forschung im Wesentlichen nur im Rahmen von Longitudinalstudien erfolgen kann und damit auf Qualifikationsarbeiten und drittmittelfinanzierte Forschungsprojekte ⫺ von denen es in diesem Bereich des Fachs bisher kaum welche gab und gibt ⫺ begrenzt ist.
4. Methoden kulturwissenschatlicher Forschung im Fach DaF 4.1. Diskursanalytische Methoden Kultur gilt im Kontext der Kulturwissenschaft des Faches Deutsch als Fremdsprache als ein Vorrat an vorgängigem, in Tradition und Sprache gespeichertem und überliefertem Wissen (Deutungsmustern), das innerhalb sozialer Gruppen zirkuliert und auf das die Individuen zum Zweck der deutenden Herstellung einer gemeinsamen Welt und Wirklichkeit und einer gemeinsamen Handlungsorientierung zurückgreifen können und müssen. Sie ist ein sprachlich-diskursives Phänomen, das sich nicht mittels empirisch-quantitativer, sondern nur mittels rekonstruktiv-qualitativer Forschungsmethoden erschließt. Die inhaltliche Erforschung der Kultur der deutschsprachigen Länder sollte sich daher auch nicht als eine Forschungsrichtung konstituieren, die es mit beobachtbaren und em-
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pirisch beschreib- und messbaren Verhaltensweisen zu tun hat, sondern als eine Wissenschaft, die es mit zeichenhaften Sinnzuschreibungsprozessen, also mit Kommunikation, Sprache, Texten, kurz: mit Diskursen zu tun hat. Als eine auf Diskurse im Sinne der geistes- und sozialwissenschaftlichen Diskursforschung bezogene Forschungsrichtung aber kann sich die Kulturwissenschaft an hochgradig innovative und im besten Sinne transdisziplinäre methodische Entwicklungen anschließen, wie sie derzeit zwischen Linguistik, Literaturwissenschaft, Geschichtswissenschaft und Sozialwissenschaften stattfinden und die auf die Erarbeitung verschiedener und jeweils disziplinspezifischer, aber auch disziplinenübergreifender diskursanalytischer Forschungsmethoden hinauslaufen. Dabei ist allen derzeit vorliegenden Konzepten und Forschungsansätzen dieser Richtung die Grundannahme gemeinsam, dass sich die gesellschaftliche und geschichtliche Realität nicht unmittelbar, sondern nur über die Analyse und Rekonstruktion von diskursiven Deutungsprozessen erschließt (vgl. u. a. Keller 2005). Die Aufgabe diskursanalytischer Forschung besteht vorrangig darin, thematisch definierte deutschsprachige Diskurse daraufhin zu untersuchen, von welchen kulturellen Deutungsmustern sie Gebrauch machen, wie diese Muster im betreffenden Diskurs repräsentiert sind und wie sie verwendet werden. Die übergeordnete Zielsetzung besteht dabei darin, durch diskursanalytische Forschung die ja in aller Regel in alltäglicher und medialer Kommunikation implizit bleibenden, als allgemein und selbstverständlich bekannt vorausgesetzten kulturellen Deutungsmuster in einem rekonstruktiven Zugang sichtbar und damit letztlich auch erlernbar zu machen. Dabei kann die kulturwissenschaftliche Forschung an die teilweise recht elaborierten methodischen Konzepte anderer Disziplinen wie der Geschichtswissenschaft, der Linguistik oder der Soziologie anknüpfen und viele weiterführende Anregungen von daher beziehen, sie muss sich aber darüber hinaus auch und vor allem als spezifisch kulturwissenschaftliche Diskursanalyse begreifen, für die insbesondere die Frage nach der diskurskonstituierenden Rolle bzw. der Präsenz kultureller Deutungsmuster in Diskursen im Vordergrund steht. Methodische Modelle liegen dafür bislang erst in Ansätzen vor (vgl. Altmayer 2007; Maringer 2009) und bedürfen noch der genaueren Ausarbeitung und Verfeinerung. Über den im engeren Sinne inhaltlichen Kontext der Kulturforschung im Fach Deutsch als Fremdsprache hinaus sind diskursanalytische Methoden in der letzten Zeit auch für die Analyse von Lehrwerken und Lernmaterialien bedeutsam geworden. Hintergrund ist dabei die in der Schulbuchforschung entstandene thematische Diskursanalyse, die Lehrwerke und Lernmaterialien in einen größeren thematischen Diskurszusammenhang eingebettet sieht und nach den gesellschaftlichen Wissensordnungen fragt, die in Lehrwerke eingehen und mit ihnen hervorgebracht und distribuiert werden (vgl. Höhne 2004; Ucharim 2009).
4.2. Quantitative empirische Methoden Die bisher eindrucksvollste Langzeitstudie (Grünewald 2005), in der „eine analytischnomologische, sprich quantitative Richtung gewählt“ (151) wurde, ist im Bereich der Stereotypenforschung oder ⫺ wie es der Autor auch benennt ⫺ „Nation(alität)enbildforschung“ (315) angesiedelt und beruht auf einer umfassenden und akribisch ausgewerteten Fragebogenerhebung, bei der eine Kontrollgruppe, die Chinesisch und nicht Deutsch lernte, zur Validierung der Ergebnisse beitragen sollte. Das Problem dieser Studie ist
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allerdings einerseits, dass wer nach Stereotypen fragt (und das trifft angesichts des Erkenntnisinteresses auf einen Großteil der Fragen zu), auch Stereotypen als Antwort erhält. Andererseits hat bereits Picht (1980: 122) darauf hingewiesen, dass eine derartige Befragung die Form des Urteils bereits vorstrukturiere, indem sie die Verallgemeinerung von Eigenschaften auf ganze Nationen bereits als möglich voraussetze. Über den Prozess der Aneignung von Kenntnissen oder sogar der Veränderung von Einstellungen lassen sich mit einem quantitativ angelegten Untersuchungsdesign kaum wesentliche Erkenntnisse gewinnen; allenfalls indirekt, wenn wie in dieser Studie zusätzliche Parameter wie die Befragung der Lehrkräfte, Lehrwerkanalyse und eine Analyse der Medienberichterstattung, also qualitative Untersuchungsmethoden, hinzugezogen werden. Auch wenn wie in diesem Fall eine quantitativ ausgerichtete Studie durchaus zu interessanten Ergebnissen kommt wie die wenn auch nur geringfügige Veränderung von Werturteilen nach einem Jahr Deutschunterricht, so bleibt festzuhalten, dass ein ausschließlich quantitativ angelegter Untersuchungsansatz in diesem Zusammenhang kaum geeignet scheint, der wichtigen Frage nach den kulturellen Lernprozessen Antworten zu liefern, was allerdings auch nicht das Erkenntnisinteresse des Verfassers war. Der Einsatz quantitativer Erhebungsverfahren ⫺ und hier gibt es in der Ausbildung in den DaF-/ DaZ-Studiengängen noch einen erheblichen Nachholbedarf an solider Schulung in statistischen Verfahren ⫺ scheint in diesem Kontext eher sinnvoll zur Überprüfung bereits anderweitig entwickelter begründeter Hypothesen, wofür sich qualitative Untersuchungen anbieten.
4.3. Qualitative empirische Methoden Ein qualitativer empirischer Methodeneinsatz findet sich im Kontext der kulturellen Lernprozesse beispielweise in Ansätzen bei Röttger (2004), indem Leitfaden-Interviews mit Lehrenden durchgeführt wurden, die im Kontext mit den gleichfalls analysierten Unterrichtsmaterialien ausgewertet wurden, oder bei Ertelt-Vieth (2005), die im Rahmen von deutsch-russischem Schüleraustausch Daten durch eine Fragebogenerhebung, durch Interviews und teilnehmende Beobachtung gewonnen hat und in Einzelfallanalysen mit der zentralen Fragestellung nach den Bildern, die russische Schüler entwickeln, systematisch analysiert. „Anliegen dieser Studie ist der Nachvollzug individueller und kulturspezifischer Bedeutungszuweisungen“ (Ertelt-Vieth 2005: 44). Angestrebt wird also nicht eine Repräsentativität in der Gesamtaussage, sondern mit Hilfe von Daten- und Methodentriangulation die möglichst genaue Nachvollziehbarkeit individueller Haltungen und Einstellungen sowie darauf bezogene Einflüsse durch Kontaktsituationen. Sinnvoll erscheinen hinsichtlich kultureller Lernprozesse und der differenzierten Erfassung von Einstellungen, die in Kombination zu gegebenen Wissensbeständen zu speziellen Deutungsmustern führen, qualitative Erhebungen nach den methodologischen Prinzipien der Grounded Theory (vgl. Art. 85). Hierzu gehören umfassende Erhebungen von Daten, die entsprechend der wissenschaftstheoretischen Vorgehensweise systematisch ausgewertet und analysiert werden müssen. Der Abgleich einzelner qualitativer Studien ⫺ aus möglichst vielen verschiedenen Ländern und unterschiedlichen Kontexten ⫺ könnte eine fundierte Theoriebildung ermöglichen, die über die jeweiligen empirischen Studien hinaus geht und damit gleichzeitig die Basis für gezielte und ertragreichere quantitative Untersuchungen ermöglichen würde.
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XVI. Kulturwissenschaftliche Aspekte des Deutschen als Fremd- und Zweitsprache
5. Ausblick Wenn es, wie es sich andeutet, gelingt, verstärkt solide empirische Forschungsarbeiten ⫺ und da solche mit einem qualitativen Ansatz gefolgt von eher quantitativ ausgerichteten Studien ⫺ vorzulegen, und es zudem dabei gelingt, am Diskurs in den Kulturwissenschaften zu partizipieren, dürfte die kulturwissenschaftliche Komponente des Fachs Deutsch als Fremdsprache in Zukunft eine deutlich größere Rolle spielen als bisher.
6. Literatur in Auswahl Altmayer, Claus 2004 Kultur als Hypertext. Zu Theorie und Praxis der Kulturwissenschaft im Fach Deutsch als Fremdsprache. München: iudicium. Altmayer, Claus 2006a Kulturelle Deutungsmuster als Lerngegenstand. Zur kulturwissenschaftlichen Transformation der Landeskunde. Fremdsprachen Lehren und Lernen 35: 44⫺59. Altmayer, Claus 2006b Landeskunde als Kulturwissenschaft. Ein Forschungsprogramm. Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 32: 181⫺199. Altmayer, Claus 2007 Kulturwissenschaftliche Diskursanalyse im Kontext des Faches Deutsch als Fremdsprache ⫺ Ziele und Verfahren. In: Angelika Redder (Hg.), Diskurse und Texte. Festschrift für Konrad Ehlich zum 65. Geburtstag, 575⫺584. Tübingen: Stauffenburg. Ammer, Reinhard 1988 Das Deutschlandbild in den Lehrwerken für Deutsch als Fremdsprache. Die Gestaltung des landeskundlichen Inhalts in den Deutschlehrwerken der Bundesrepublik Deutschland von 1955⫺1985 mit vergleichenden Betrachtungen zum Landesbild in den Lehrwerken der DDR. München: iudicium. Badstübner-Kizik, Camilla 2007 Bild- und Musikkunst im Fremdsprachenunterricht. Zwischenbilanz und Handreichungen für die Praxis. Frankfurt a. M.: Lang. Barkowski, Hans und Ruth Eßer 2005 Wie buchstabiert man K-u-l-t-u-r? Überlegungen zu einem Kulturbegriff für Anliegen der Sprachlehr- und -lernforschung. In: Susanne Duxa, Adelheid Hu und Barbara Schmenk (Hg.), Grenzen überschreiten. Menschen, Sprachen, Kulturen. Festschrift für Inge Christine Schwerdtfeger zum 60. Geburtstag, 88⫺99. Tübingen: Narr. Boeckmann, Klaus-Börge 2007 Kultureller Kontext, Forschung, Fremd- und Zweitsprachenunterricht. In: Ruth Eßer und Hans-Jürgen Krumm (Hg.), Bausteine für Babylon. Sprachen, Kultur, Unterricht, 73⫺81. München, iudicium. Casper-Hehne, Hiltraud 2006 Konzepte einer Kulturlehre und Kulturwissenschaft im Fach Interkulturelle Germanistik/ Deutsch als Fremdsprache. Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 32: 101⫺112. Clalüna, Monika et al. 1998 Landeskunde deutschsprachiger Länder: Schweiz. Regensburg: Dürr ⫹ Kessler. Dobstadt, Michael 2009 ,Literarizität‘ als Basiskategorie für die Arbeit mit Literatur in DaF-Kontexten. Zugleich ein Vorschlag zur Neuprofilierung des Arbeitsbereichs Literatur im Fach Deutsch als Fremdsprache. Deutsch als Fremdsprache 46: 21⫺30.
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Ertelt-Vieth, Astrid 2005 Interkulturelle Kommunikation und kultureller Wandel. Eine empirische Studie zum russisch-deutschen Schüleraustausch. Tübingen: Narr. Fischer, Roland et al. 1998 Landeskunde deutschsprachiger Länder: Österreich. Regensburg: Dürr ⫹ Kessler. Gaidosch, Ulrike und Christine Müller 2009 Zur Orientierung. Basiswissen Deutschland. 3. Auflage. Ismaning: Hueber. Gerighausen, Josef und Peter C. Seel (Hg.) 1986 Methodentransfer oder angepasste Unterrichtsformen? München: Goethe-Institut. Große, Ernst Ulrich und Hans-Helmut Lüger 2008 Frankreich verstehen. Eine Einführung mit Vergleichen zu Deutschland. 6., vollst. überarb. Auflage. Darmstadt: Primus. Grünewald, Matthias 2005 Bilder im Kopf. Eine Longitudinalstudie über die Deutschland- und Deutschenbilder japanischer Deutschlernender. München: iudicium. Guest, Michael 2006 Culture research in foreign language teaching: Dichotomizing, stereotyping and exoticizing cultural realities? Zeitschrift für interkulturellen Fremdsprachenunterricht 11(3). (Online). Hallet, Wolfgang 2002 Fremdsprachenunterricht als Spiel der Texte und Kulturen. Intertextualität als Paradigma einer kulturwissenschaftlichen Didaktik. Trier: Wissenschaftlicher Verlag Trier. Hannerz, Ulf 1992 Cultural Complexity. Studies in the Social Organization of Meaning. New York: Columbia University Press. Hansen, Klaus P. 2009 Kultur, Kollektiv, Nation. Passau: Stutz. Höhne, Thomas 2004 Die Thematische Diskursanalyse ⫺ dargestellt am Beispiel von Schulbüchern. In: Reiner Keller, Andreas Hirseland, Werner Schneider und Willy Viehöver (Hg.), Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse. Band 2: Forschungspraxis. 2. Aufl., 389⫺419. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften. Hu, Adelheid und Michael Byram 2009 Introduction. In: Adelheid Hu und Michael Byram (Hg.), Interkulturelle Kompetenz und fremdsprachliches Lernen. Modelle, Empirie, Evaluation. Intercultural Competence and Foreign Language Learning. Models, Empiricism, Assessment, VII⫺XXV. Tübingen: Narr. Jaeger, Friedrich und Burkhard Liebsch 2004 Handbuch der Kulturwissenschaften. Band 1: Grundlagen und Schlüsselbegriffe. Stuttgart/ Weimar: Metzler. Kamm, Jürgen und Bernd Lenz 2004 Großbritannien verstehen. Darmstadt: Primus. Kaufmann, Susan, Lutz Rohrmann und Petra Szablewski-C ¸ avus 2006 Orientierungskurs Deutschland. Geschichte, Kultur, Institutionen. Berlin etc.: Langenscheidt. Keller, Reiner 2005 Wissenssoziologische Diskursanalyse. Grundlegung eines Forschungsprogramms. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften. Kilimann, Angela, Ondrej Kotas und Johanna Skrodzki 2008 45 Stunden Deutschland. Materialien für den Orientierungskurs. Politik, Geschichte, Kultur. Stuttgart: Klett. Köhring, Klaus-Heinrich und Inge Christine Schwerdtfeger 1976 Landeskunde im Fremdsprachenunterricht: Eine Neubegründung unter semiotischem Aspekt. Linguistik und Didaktik 25: 55⫺80.
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Koreik, Uwe 1995 Deutschlandstudien und deutsche Geschichte. Die deutsche Geschichte im Rahmen des Landeskundeunterrichts für Deutsch als Fremdsprache. Baltmannsweiler: Schneider. Koreik, Uwe 2009 „Und dann plötzlich (…) war Kulturkunde Trumpf“. Zur zukünftigen Rolle der Landeskunde bzw. Kulturstudien im Fach Deutsch als Fremdsprache in einer veränderten Hochschullandschaft. Info DaF 36: 3⫺34. Maijala, Minna 2004 Deutschland von außen gesehen. Geschichtliche Inhalte in Deutschlehrbüchern ausgewählter europäischer Länder. Frankfurt a. M.: Lang. Maringer, Isabell 2009 Kulturelle Deutungsmuster in deutschsprachigen Medienbeiträgen zum EU-Beitritt der Türkei. In: Kristina Peuschel und Jan P. Pietzuch (Hg.), Kaleidoskop der jungen DaF-/ DaZ-Forschung. Dokumentation der zweiten Nachwuchstagung des Fachverbandes Deutsch als Fremdsprache, 67⫺88. Göttingen: Universitätsverlag. Matecki, Ute 2006 Dreimal Deutsch. In Deutschland, in Österreich, in der Schweiz. Stuttgart: Klett. Mog, Paul und Hans-Joachim Althaus 1992 Die Deutschen in ihrer Welt: Tübinger Modell einer integrativen Landeskunde. Berlin etc.: Langenscheidt. Nitzschke, Volker 1998 Landeskunde deutschsprachiger Länder: Deutschland. Regensburg: Dürr ⫹ Kessler. Picht, Robert 1980 Interesse und Vergleich: zur Sozialpsychologie des Deutschlandbilds. Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 6, 120⫺132. Reckwitz, Andreas 2000 Die Transformation der Kulturtheorien. Zur Entwicklung eines Theorieprogramms. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft. Risager, Karen 2006 Language and Culture. Global Flows and Local Complexity. Clevedon etc.: Multilingual Matters. Röttger, Evelyn 2004 Interkulturelles Lernen im Deutschunterricht. Das Beispiel Deutsch als Fremdsprache in Griechenland. Hamburg: Kovacˇ. Schilling, Klaus von 2006 Das politisch-soziale System der Bundesrepublik Deutschland. Ein Landeskunde-Kompendium. Köln: Saxa-Verlag. Schmenk, Barbara 2006 Kraut und Rüben? Kulturwissenschaftliche Ansätze und Implikationen für die Fremdsprachenforschung. In: Friederike Klippel und Angela Hahn (Hg.), Sprachen schaffen Chancen, 267⫺278. München: Oldenbourg. Schmidt, Karin und Sabine Schmidt (Hg.) 2007 Erinnerungsorte. Deutsche Geschichte im DaF-Unterricht. Berlin: Cornelsen. Schulz, Renate A. und Erwin Tschirner (Hg.) 2008 Communicating across Borders: Developing Intercultural Competence in German as a Foreign Language. München: iudicium. Schwerdtfeger, Inge Christine 1991 Kulturelle Symbole und Emotionen im Fremdsprachenunterricht: Umriß eines Neuansatzes für den Unterricht von Landeskunde. Info DaF 18: 237⫺251. Stierstorfer, Klaus 2003 Deutschlandbilder im Spiegel anderer Nationen. Literatur, Presse, Film, Funk, Fernsehen. Reinbek: Rowohlt.
155. Fremdverstehen und kulturelles Lernen
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Straub, Jürgen, Arne Weidemann und Doris Weidemann (Hg.) 2007 Handbuch interkulturelle Kommunikation und Kompetenz. Grundbegriffe ⫺ Theorien ⫺ Anwendungsfelder. Stuttgart: Metzler. Thimme, Christian 1996 Geschichte in Lehrwerken Deutsch als Fremdsprache und Französisch als Fremdsprache für Erwachsene. Ein deutsch-französischer Lehrbuchvergleich. Baltmannsweiler: Schneider. Ucharim, Anja 2009 Die traditionelle Lehrwerkanalyse und die Diskursanalyse. Zwei Methoden zur inhaltlichen Analyse von Lehrwerken für Integrationskurse. In: Kristina Peuschel und Jan P. Pietzuch (Hg.), Kaleidoskop der jungen DaF-/DaZ-Forschung. Dokumentation der zweiten Nachwuchstagung des Fachverbandes Deutsch als Fremdsprache, 149⫺167. Göttingen: Universitätsverlag. Wierlacher, Alois 2006 Landesstudien als kulturwissenschaftliche Essayistik. Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 32: 165⫺179. Wormer, Jörg 2004 Landeskunde ⫺ eine transkulturelle, vergleichende Wissenschaft. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 9(3). (Online).
Claus Altmayer, Leipzig (Deutschland) Uwe Koreik, Bielefeld (Deutschland)
155. Fremdverstehen und kulturelles Lernen 1. 2. 3. 4. 5.
Einleitung „Didaktik des Fremdverstehens“: Ziele und zentrale Konzepte Weiterführende Fragestellungen Kulturelles Lernen ⫺ zur aktuellen Diskussion Literatur in Auswahl
1. Einleitung Um den Begriff des Fremdverstehens im Kontext des Sprachenlehrens- und -lernens ist es in den letzten Jahren ruhig geworden. Vielmehr haben sich seit Erscheinen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen und in Deutschland den Bildungsstandards für die erste Fremdsprache durchaus auch im Bereich Deutsch als Fremdsprache andere Themen in den Vordergrund geschoben: Kompetenz- und Outputorientierung, Niveaustufen, Testbarkeit, Standards (vgl. für Deutsch als Fremdsprache z. B. Glaboniat et al. 2005). Aktuell spricht man somit eher von interkulturellen Kompetenzen als von Fremdverstehen. In diesem komplexen Bereich der interkulturellen Kompetenz spielt aber durchaus auch das Verstehen bzw. das Fremdverstehen eine Rolle ⫺ allerdings hat sich der Fokus der Betrachtung seit Anfang der 1990er Jahre verschoben: Ging es damals in erster Linie um eine differenzierte, gerade auch theoretische Ausleuch-
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tung von kulturellen Verstehensprozessen im Kontext fremdsprachlichen Lernens und Lehrens, so steht heute eher die Frage im Vordergrund, wie interkulturelle Lernprozesse auf der Wissens-, der Einstellungs- und der Verhaltensebene empirisch rekonstruiert werden und vor allem, ob bzw. wie interkulturelle Kompetenzen evaluiert oder sogar gemessen werden können. Ich werde in diesem Beitrag zunächst auf das Konzept des Fremdverstehens eingehen, so wie es vor allem in den Arbeiten des Giessener Graduiertenkollegs „Didaktik des Fremdverstehens“ zu Beginn der 1990er Jahre entwickelt wurde. In einem zweiten Teil diskutiere ich einige weiterführende Fragestellungen und eng verwandte Konzepte: Kultur und Interkulturalität ebenso wie die Problematik der Dichotomie von eigen und fremd ⫺ insbesondere im Kontext didaktischer Zusammenhänge. Schließlich skizziere ich Schwerpunktthemen des aktuellen Forschungsdiskurses um Interkulturelle Kompetenzen bzw. kulturelles Lernen. Es wird deutlich werden, dass die Arbeiten zum Fremdverstehen der 1990er Jahre auch für die heutige Diskussion eine wichtige Grundlage bilden.
2. Didaktik des Fremdverstehens: Ziele und zentrale Konzepte Für das Thema Fremdverstehen im Kontext (fremd-)sprachlichen Lernens war die Arbeit des Giessener Graduiertenkollegs „Didaktik des Fremdverstehens“ von zentraler Bedeutung. Zwar wurde und wird Fremdverstehen auch in anderen Disziplinen reflektiert wie z. B. in der Hermeneutik (Bubner 1983; Kögler 1992) oder der Ethnologie (Berg und Fuchs 1993) ⫺ für den Bereich des sprachlichen Lernens und den damit verbundenen kulturellen Verstehensprozessen spielte jedoch das Kolleg mit seinen zahlreichen Veröffentlichungen und Forschungsarbeiten eine herausragende Rolle. In einer relativ frühen Publikation beschreiben Lothar Bredella und Herbert Christ (1995: 17) die leitenden Ideen einer Didaktik des Fremdverstehens als „regulative Idee des Lehrens und Lernens fremder Sprachen“. Eine Hauptmotivation, „Fremdverstehen“ in den Mittelpunkt sprachlichen Lernens zu rücken, das wird in diesem Text deutlich, besteht in dem Willen, trivialen Vorstellungen von fremdsprachlichem Lernen entgegenzuarbeiten: Dem kommunikativen Unterricht wird in letzter Zeit wiederholt vorgeworfen, dass er den Begriff der Kommunikation trivialisiert habe. Der Vorwurf trifft insofern zu, als die im Fremdsprachenunterricht angestrebte Kommunikation selten die Lerner anregte, das, was der andere sagt, daraufhin zu befragen, was er mit seinen Äußerungen intendiert und meint, und damit keinen Interpretationsprozess auslöste, bei dem der Lerner sein Weltwissen und seine Wertvorstellungen aktivieren und aufs Spiel setzen musste. Erst wenn man das Moment der Interpretation in den Mittelpunkt rückt, wird deutlich, dass das Verstehen ein nicht abschließbarer, risikoreicher Vorgang ist, bei dem man sowohl etwas über den anderen als auch über sich selbst erfahren kann. (Bredella und Christ 1995: 10) Verstehen wird also hier nicht als ein lediglich „regelgeleitetes Dekodieren“ (Bredella und Christ 1995: 10) aufgefasst, sondern als ein kreativer Akt, der zu Identitätsveränderungen führen kann. In dieser Enttrivialisierung fremdsprachlichen Lernens liegt aus meiner Sicht ⫺ neben den differenzierten Arbeiten zum Verstehensprozess selbst ⫺ der Hauptverdienst dieser Forschergruppe.
155. Fremdverstehen und kulturelles Lernen
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Im Folgenden gehe ich auf einige Konzepte ein, die für die Entwicklung des Fremdverstehenskonzept Anfang der 1990er Jahre von besonderer Bedeutung waren (zur Weiterentwicklung dieser Konzepte vgl. Abschnitt 4).
2.1. Fremdheit Der Kategorie der Fremdheit wurde von Beginn an eine zentrale Bedeutung zugeschrieben. Fremdheit, so Bredella und Christ, manifestiere sich in dreifacher Weise für die Lernenden: Sie lernen eine fremde Sprache, die fremde Sprache ist Teil und Ausdruck einer fremden Kultur, und sie begegnen Personen, die ihnen als Angehörige einer anderen Kultur und einer anderen Sprachgemeinschaft fremd sind (Bredella und Christ 1995: 11). Das Fremde wurde dabei nicht als ein objektiver Tatbestand, sondern als eine relationale Kategorie des Bewusstseins aufgefasst. Auf jeden Fall erfährt die Fremdartigkeit im Hinblick auf Sprache, Kultur und Repräsentanten dieser Kultur eine herausragende Bedeutung für die Begründung des Fremdverstehenskonzepts.
2.2. Verstehen Bereits in der grundlegenden Publikation zur Didaktik des Fremdverstehens, auf die ich mich hier beziehe (Bredella und Christ 1995), wird das Kernproblem benannt, das im Laufe der Jahre immer wieder bearbeitet, diskutiert und verfeinert wurde (vgl. z. B. die Ausführungen in Bredella, Christ und Legutke 1997: 11⫺33): Wie kann man Fremdes verstehen, ohne dass man es auf das Eigene reduziere? Inwieweit ist Verstehen an das Vorverständnis des Verstehenden gebunden und somit nicht in der Lage, voraussetzungslos den Anderen in seiner Andersheit zu verstehen? Inwieweit ist Verstehen gar lediglich ein Akt der Projektion und verstärkt ethnozentrische Sichtweisen, anstatt sie zu überwinden? (vgl. Bredella 1994: 21⫺23; für eine sehr grundlegende Diskussion dieser Thematik aus hermeneutisch-philosophischer Perspektive vgl. Kögler 1992). Während andere Verstehen als zentrales didaktisches Konzept in Frage stellten (vgl. z. B. Hunfeld 1993), wurde insbesondere von Bredella bis in die jüngste Zeit hinein ein Konzept von Verstehen vertreten, das über eine solche Vereinnahmung hinausgeht und Fremdverstehen im Sinne eines Wechselspiels zwischen Innen- und Außenperspektive als „dynamischen unabschließbaren Bildungsprozess mit Rückwirkung auf das eigene Selbst- und Weltverständnis“ (Bredella 2007: 11) konzipiert.
2.3. Perspektivwechsel Eine Grundannahme war, dass der Verstehensprozess zwischen zwei Perspektiven oszilliert, einer angenommenen „Innenperspektive“ und einer „Außenperspektive“. Mit Innenperspektive, so Bredella und Christ (1995: 16), war gemeint, dass eine fremde Kultur von innen heraus verstanden werden soll, d. h., es wird versucht, die fremde Kultur mit den Augen der Mitglieder dieser Kultur zu sehen. Dies bedeute, die eigenen Werte, Normen und Verhaltensweisen temporär zu suspendieren und quasi in die fremde Kultur
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„einzutauchen“ (vgl. dazu auch Bechtel 2009: 142). Eine Außenperspektive einzunehmen hingegen bedeutete, dass die fremde Kultur immer auch mit den eigenen Augen, basierend auf dem jeweiligen unhintergehbaren Vorverständnis, verstanden wird. Dies impliziere, dass man sich der anderen Kultur nicht vorbehaltlos anpasst, sondern die Phänomene aus einer kritisch distanzierten Haltung zu deuten lernt. Das Wechselspiel und Ineinandergreifen dieser Perspektiven machen nach Bredella und Christ ein produktives Fremdverstehen aus, das gekennzeichnet ist von Empathie, aber eben auch von kritischer Reflexion. In seinem Beitrag von 2007 differenziert Bredella die Idee der Außenperspektive noch weiter aus: Er unterscheidet hier zwischen Außenperspektive I und II: Außenperspektive I bezieht sich auf das Begreifen fremdkultureller Phänomene auf der Basis des eigenen Vorverständnisses. Die Außenperspektive II komme dann dadurch zustande, dass Außenperspektive I durch den Versuch der Einnahme der Innenperspektive modifiziert wird: Dabei (bei der Einnahme von Außenperspektive I, AH) erfahren wir jedoch, dass wir lernen müssen, unsere Vorstellungen und Auffassungen einzuklammern und eine Innenperspektive zu entwickeln, um das Fremde in seiner Verschiedenheit vom Eigenen in den Blick zu bekommen. Auf diese Weise lernen wir, dass die fremde Sprache und die fremde Kultur nicht nur verzerrte Formen unserer eigenen Sprache und Kultur darstellen, sondern ihrer jeweiligen eigenen Logik folgen. Aber damit sind unsere Vorstellungen und Auffassungen nicht verschwunden, sondern kommen auf einer reflektierten Stufe wieder ins Spiel, die nun auch die Auffassungen und Sichtweisen des Anderen umgreift, die ich als Außenperspektive II bezeichnen will. (Bredella 2007: 24) Wird diese Außenperspektive II eingenommen, bedeutet dies, dass nicht nur eine Angleichung an das eigene Vorverständnis geschehen ist, sondern ein Drittes entstehen kann, das über Fremdes und Eigenes hinausgeht. Die Idee der Außenperspektive II bringt zum Ausdruck, dass der Verstehensprozess immer von dem eigenen Bezugspunkt ausgeht, auch bei der Einnahme der Innenperspektive, dass aber dadurch eine Horizonterweiterung bzw. ein Drittes entstehen kann.
2.4. Verstehen Verständigung In den verschiedenen Arbeiten zum Fremdverstehen spielte auch immer der Aspekt der Verständigung eine zentrale Rolle. Einerseits ist Verständigung eng mit dem Verstehenskonzept verbunden, andererseits stehen die beiden Konzepte in einem deutlichen Spannungsverhältnis zueinander (Bredella, Christ und Legutke 1997: 17): Verstehen schließt keineswegs automatisch Verständigung mit ein, und Verstehensprozesse implizieren oft auch explizit ein Nicht-Einverstandensein. Verstehen und Verständigung stehen in direktem Zusammenhang mit der oben dargestellten Innenperspektive und den Außenperspektiven. Verstehen komme, so Bredella, durch das Einnehmen der Innenperspektive zustande, während Verständigung die Vermittlung zwischen Innen- und Außenperspektive darstelle.
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Ich muss zunächst eine Innenperspektive einnehmen: Ich muss verstehen, was der Andere meint, ohne gleich die Frage zu beantworten, ob das, was er meint, auch wahr ist und ob ich es für mich übernehmen kann. Um Naturreligionen zu verstehen, muss ich sie von innen verstehen, ohne die Frage zu stellen, ob ich mich zu ihnen bekenne. Das Verstehen des Fremden hat somit seine Berechtigung, wenn man das Fremde in seiner Andersheit wahrnehmen will. (Bredella 2002: 148) Was ist nun für das Lernen von Sprachen das wichtigere Ziel? In Bredella und Christ (1995: 15) wird Verstehen als für den Fremdsprachenunterricht wichtigeres Ziel benannt; allerdings ermögliche Fremdverstehen oft auch Verständigung, und stellt somit eine Voraussetzung dafür dar. In Bredella (2002) wird jedoch nicht nur Verstehen im Sinne des Einnehmens der Innenperspektive als wichtiges Ziel von Fremdverstehen im Unterricht dargestellt, sondern explizit auch das Einnehmen der Außenperspektive, und zwar mit dem ausdrücklichen Anspruch auf Verständigung.
3. Weiterührende Fragestellungen Neben der theoretischen Ausdifferenzierung des Konzepts Fremdverstehen und der Bearbeitung der Einwände gegen dieses Konzept, insbesondere dem Vorwurf der Projektion eigener Vorstellungen auf Andersartigkeit und der Durchsetzung eigener Interessen durch den Verstehensprozess, kristallisierten sich auch schon während der 1990er Jahre andere Themen heraus, die mit dem Fremdverstehenskonzept indirekt in Zusammenhang stehen. Beispiele sind die Konzeptualisierung von Kultur bzw. Fremdkultur im Kontext interkulturellen Verstehens sowie die Frage nach der Angemessenheit der Dichotomie des Eigenen und Fremden für Sprachlernprozesse in kulturell und sprachlich heterogenen Gesellschaften.
3.1. Interkulturelles Verstehen und das Konzept Kultur Neben dem Konzept Fremdverstehen wurde und wird auch aktuell das Konzept des Interkulturellen Verstehens verwendet, so z. B. von Bredella (2002). Damit steht nicht nur die Kategorie der Fremdheit zur Debatte, sondern ebenfalls die Kategorie der Kultur sowie der Interkulturalität. Vor allem Anfang der 1990er Jahre wurde im Kontext des Giessener Kollegs Kultur in erster Linie als Fremdkultur verstanden und zunächst wenig im Hinblick auf epistemologische Fragen problematisiert (im Mittelpunkt stand die Arbeit am Verstehenskonzept). Hingegen wurde in der Kulturtheorie und den Kulturwissenschaften das Konzept bereits damals intensiv bearbeitet und reflektiert. Ich kann hier zu dieser komplexen Thematik nur einige kurze Anmerkungen machen (vgl. für ausführlichere Darstellungen Hu 1995, 1999, 2003: 52⫺78). Seit den 1990er Jahren ist in den Kulturwissenschaften sowie verwandten Disziplinen eine Dekonstruktion essentialistischer Kulturkonzepte zu beobachten (vgl. auch Risager 2009). Es herrscht weitgehend Konsens darüber, dass Kulturen nicht unabhängig von der Perspektive der Betrachter existieren. Auch die lange Zeit herrschende Vorstellung von Kulturen als kohärenten und voneinander abgrenzbaren Entitäten mit jeweils kulturspezifischen Charakteristika, die
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in Alltagstheorien auch durchaus immer noch lebendig ist, gilt weitgehend als obsolet. Vertreten wird dagegen ein diskursiv-reflexives Konzept von Kultur, das als Vermögen zur Bedeutungsstiftung angesehen wird: „Kultur erscheint als ein Prozess fortschreitender reflexiver Semantisierung, durch welche ununterbrochen Sinnressourcen geschaffen und distribuiert, aber auch subvertiert und zerstört werden“ (Böhme 2000). Kultur und Sprache sind somit untrennbar. Bei Göller wird dies auch explizit auf das Phänomen der interkulturellen Kommunikation bezogen: Menschliche Sinnstiftung, intra- und interkulturelle Kommunikation und Interaktion wie auch menschliches Selbst-, Fremd- und Weltbezüglichkeit bzw. menschlich-kulturale Sinnbestimmung überhaupt, ist in erster Linie an die Sprache gebunden bzw. sprachlich vermittelt. Das gilt für alle Formen intra- wie interkulturellen Austauschs. (…) Sprache und Kultur sind aufs engste miteinander verbunden. (Göller 2000: 330 ff.) Gleichzeitig wird neben diesem epistemologischen Wechsel der Blickrichtung der Akzent nicht mehr auf den kollektiven Konsens gelegt, sondern vielmehr stehen Differenzen, Widerstreit, Synkretismus und Hybridität sowie idiosynkratische Deutungsmuster und Verarbeitungen im Mittelpunkt. Kultur wird nicht mehr als „integrativer Kitt“ der Gesellschaft (Hörning und Winter 1999: 8) gesehen, sondern im Gegenteil ist nun die Entlarvung von kultureller Homogenität als Inszenierung Ziel der reflexiv-kritischen Arbeit (zur gewandelten Metaphorik in der Beschreibung kultureller Phänomene vgl. auch Hu 2005). Schließlich hat auch die Kategorie der Macht für kulturelle Zusammenhänge an großer Bedeutung gewonnen. Bei Wägenbaur (1995: 23) z. B. werden insbesondere objektivierende und essentialisierende Kulturkonzepte „als metaphorisch-metonymische Vehikel zur Durchsetzung von Machtinteressen“ bezeichnet. Dieser neue Blick auf das Kulturkonzept hat auch Konsequenzen für die Rede von interkulturellem Verstehen und interkultureller Kommunikation bzw. stellt eine Herausforderung für traditionelle Sichtweisen dar, die gerade in der Fremdsprachendidaktik wenig hinterfragt weiterzuleben scheinen (vgl. Risager 1998). Die Kategorie der Herkunft rückt nun in den Hintergrund zugunsten des in der Interaktion stattfindenden Diskurses: Interkulturelle Kommunikation, in der interkulturelle Verstehensprozesse angebahnt werden können, findet dann statt, wenn sich GesprächspartnerInnen über kulturelle Entwürfe, Abgrenzungen, Werte oder Normen austauschen, streiten oder wenn sie sich selbst innerhalb dieser Entwürfe verorten. Interkulturelle Kommunikation in diesem Sinne kann also durchaus auch zwischen SprecherInnen derselben Sprache oder desselben Landes stattfinden. Die Möglichkeit, dass Menschen, die in verschiedenen und weit voneinander entfernten Regionen der Welt leben und sich in unterschiedlichen Sprachen zu Hause fühlen, eher und intensiver auf im oben genannten Sinne kulturelle Themen zu sprechen kommen, ist dabei durchaus nachvollziehbar, keineswegs aber selbstverständlich (vgl. Hu 1999: 297⫺298). Für die Didaktik des Fremdverstehens bzw. interkulturellen Verstehens stellten diese kulturtheoretischen Entwicklungen durchaus eine Herausforderung dar. Die Frage der Interkulturalität wie auch das Konzept der Fremdkultur wurden dadurch ihrer Selbstverständlichkeit enthoben und erfuhren im Laufe der Zeit zusehends mehr Aufmerksamkeit.
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3.2. Zur Dichotomie des Eigenen und Fremden: die Geahr der Überbetonung von Fremdheit Obwohl ⫺ wie oben erwähnt ⫺ das Konzept des Fremdverstehens aus Gründen der Vereinnahmung des Fremden immer wieder in Frage gestellt wurde, wurde die Kategorie der Fremdheit auch von diesen Kritikern nicht in Frage gestellt. Fremdheit blieb eine zentrale Kategorie, die sogar noch mehr an Gewicht hinzugewann, als nun das Fremde als nicht verstehbar fremd belassen werden sollte und als ein Wert hervorgehoben wurde (Hunfeld 1993). Von anderen wurde aber Fremdverstehen aus anderen Gründen kritisiert, nämlich im Hinblick auf eine Überbetonung des Fremden. Dies geschah insofern indirekt, als sich die Kritik auf die Dichotomie „eigen“ vs. „fremd“ bezog, das Konzept „Fremdverstehen“ aber genau diese Dichotomie mit beinhaltet bzw. voraussetzt. Die Polarisierung zwischen Fremdem und Eigenem wurde als künstliche Dichotomie in Frage gestellt; es wurde gefragt, ob andere Menschen nicht dadurch erst fremd gemacht, Gemeinsamkeiten ausgeblendet, Menschen mit ihren komplexen Persönlichkeiten durch Betonung ihrer ethnischen Fremdheit um entscheidende Facetten verkürzt gesehen werden (vgl. z. B. Hamburger 1990; Zimmermann 1989). Auch die Forschungen von Seiten der Psychoanalyse, insbesondere Julia Kristevas Buch „Fremde sind wir uns selbst“ (Kristeva 1990) sowie die erkenntnistheoretischen Reflexionen in den Sozialwissenschaften und der Philosophie stellten die Polarisierung zwischen „eigen“ und „fremd“ in Frage (z. B. Waldenfels 1990, 1997). Gerade für die Fremdsprachendidaktik musste kritisch gefragt werden, inwiefern es tatsächlich sinnvoll ist, das Konzept „Fremdverstehen“ zu einer leitenden sprachendidaktischen Kategorie zu erheben. Angesichts meiner eigenen empirischen Studien (Hu 1996, 2003), in denen kulturelle Heterogenität eine wichtige Rolle spielte, habe auch ich die Frage gestellt, inwieweit durch eine starke Betonung der Fremdheit bei Sprachlern- und -lehrprozessen die Gefahr besteht, im Hinblick auf konkrete, in der Lebenspraxis sich vollziehende Verstehensprozesse im Vorhinein die Kategorie des Fremden zu betonen, obwohl sie von den betroffenen Personen möglicherweise nicht als zentrales Moment ihres Diskurses angesehen wird (vgl. Hu 1997: 37). Fremdverstehen sollte von daher keine normative didaktische Kategorie darstellen, die jegliche Verstehensprozesse von Lernenden unter der Perspektive der Fremdheit betrachtet. Ob die Lernenden in einer konkreten Situation jemand anderes als fremd empfinden, ist im Allgemeinen nicht im Voraus zu bestimmen.
4. Kulturelles Lernen zur aktuellen Diskussion Das Konzept des Fremdverstehens, so wie es in dem Giessener Graduiertenkolleg entwickelt wurde, war für die Entwicklung der Fremdsprachendidaktik der 1990er Jahre und auch die Jahre nach dem Jahrtausendwechsel in vieler Hinsicht einflussreich. Viele junge FremdsprachendidaktikerInnen gingen aus dieser Schule hervor und haben, wenn auch nicht unbedingt direkt das Konzept des Fremdverstehens, so dennoch verwandte Konzepte wie z. B. das Interkulturelle Lernen in jeweils spezifischer Weise weiterbearbeitet bzw. sich für diese Aspekte fremdsprachlichen Lernens eingesetzt (z. B. Bechtel 2003; Caspari 2003; Schinschke 1995). Konzepte wie Perspektivwechsel wurden durchaus breit rezipiert und flossen teilweise sogar in fremdsprachliche Curricula ein (KMK 2003: 12).
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Das Konzept des Fremdverstehens selbst hat sich allerdings weniger durchgesetzt ⫺ viel häufiger ist dagegen die Rede von Interkulturellem Lernen oder aktuell von Interkultureller Kompetenz im Fremdsprachenunterricht. Kennzeichnend ist der Titel des von Lothar Bredella und Herbert Christ im Jahr 2007 herausgegebenen Sammelbandes „Fremdverstehen und Interkulturelle Kompetenz“ ⫺ denn das Konzept der Interkulturellen Kompetenz ist es, das zurzeit eine zentrale Rolle in den Curricula, aber auch in der theoretischen und empirischen Arbeit spielt. Fremdverstehen oder interkulturelles Verstehen ist dabei ein Teil dieses wesentlich weiteren und durchaus auch erklärungsbedürftigen Konzepts der interkulturellen Kompetenz (vgl. Rathje 2006; Fleming 2009; Risager 2009). So taucht z. B. in dem Modell interkultureller kommunikativer Kompetenz von Michael Byram (1997) savoir comprendre als ein Teilbereich interkultureller Kompetenz auf, und in den Bildungsstandards für die erste Fremdsprache werden in dem Bereich der Interkulturellen Kompetenzen u. a. folgende Ziele formuliert, die deutliche Bezüge (wenngleich hier sehr plakativ und wenig problembewusst) zur Didaktik des Fremdverstehens aufweisen: Die SchülerInnen ⫺ können sich in Bezug auf die Befindlichkeiten und Denkweisen in den fremdkulturellen Partner hineinversetzen, ⫺ kennen gängige Sicht- und Wahrnehmungsweisen, Vorurteile und Stereotype des eigenen und des fremdkulturellen Landes und setzen sich mit ihnen auseinander, ⫺ können kulturelle Differenzen, Missverständnisse und Konfliktsituationen bewusst wahrnehmen, sich darüber verständigen und gegebenenfalls gemeinsam handeln. (KMK 2003: 18) Die aktuelle Situation ist dabei durch folgende Besonderheit gekennzeichnet: Obwohl Interkulturelle Kompetenz aktuell als Schlüsselqualifikation hervorgehoben wird, erscheint paradoxerweise die Entwicklung und Förderung gerade dieser Domäne sprachlich-kulturellen Lernens in einem standard- und kompetenzorientierten Unterricht insofern bedroht, als sie zu den wenig operationalisierten und schwer ⫺ möglicherweise zum Teil gar nicht ⫺ messbaren Bereichen gehört. Vorstellbar sind nun zwei Szenarien: Entweder hofft man darauf, dass neben den leichter testbaren Kompetenzen wie z. B. dem informationsentnehmenden Lese- oder Hörverstehen genügend Freiräume für interkulturelle, reflexive, ethische und ästhetische Aspekte sprachlichen Lernens bleiben, so dass diese noch einen ihnen gebührenden Raum behaupten können ⫺ auch wenn sie sich nicht der Philosophie der Niveaustufung und Outputorientierung unterwerfen. Die andere Option besteht darin, auch die schwer messbaren Kompetenzen so weit zu operationalisieren, zu stufen und durch Aufgaben zu normieren, dass sie ⫺ zumindest in einem gewissen Maße ⫺ evaluierbar werden. Wolfgang Zydatiß fordert dies eindringlich, da er sonst diese Lernbereiche in großer Gefahr sieht, denn es stellt sich der Fremdsprachendidaktik in ihrer Gesamtheit die Frage, ob sie sich diesem ergebnisorientierten Denken (⫽ outcome matters) ⫺ zumindest in Teilbereichen (z. B. in der Literaturdidaktik oder der Inhaltsdimension des interkulturellen Lernens) ⫺ grundsätzlich verweigert, oder ob sie sich im ureigenen Interesse (z. B. um nicht gänzlich aus dem Curriculum hinauskatapultiert zu werden) in diesen Prozess aktiv einbindet. (…) Wenn die Literaturdidaktik und die Didaktik des interkulturellen Lernens ihre Ziele im Fremdsprachenunterricht verankern wollen, dann müssen sie aktiv an der Konzeption und Validierung von Überprü-
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fungsaufgaben mitwirken bzw. ihre diesbezüglichen Ansprüche gegenüber der Bildungspolitik überhaupt erst einmal mit Nachdruck anmelden. (Zydatiß 2006: 258⫺259) Angesichts dieser Situation sind in der aktuellen Forschung andere Aspekte in den Mittelpunkt gerückt: Zum einen die Frage der empirischen Erforschung kultureller Lernprozesse und zum anderen die Frage der Evaluation interkultureller Kompetenzen (vgl. Hu 2009). In einem interdisziplinär angelegten und länderübergreifenden Band (Hu und Byram 2009) ist der aktuelle Forschungsstand zu diesen Entwicklungen niedergelegt. Zentrale Gesichtspunkte der aktuellen Forschungen sind z. B. die kritische Sichtung von theoretischen Modellierungen von Interkultureller Kompetenz und ihrer Entwicklung, die empirische Rekonstruktion von kulturellen Lernprozessen, die Verzahnung fremdsprachenerwerbstheoretischer und entwicklungspsychologischer Forschungen zu kulturellen Lernprozessen bei Kindern und Jugendlichen sowie die Möglichkeiten der Evaluation und psychometrischen Messung von Interkultureller Kompetenz. Für die aktuelle Situation, die sich durch den Trend zur Kompetenzorientierung stärker mit der empirischen Rekonstruktion kultureller Lernprozesse befasst und vor allem auch mit deren Evaluation und Messbarkeit, stellt die Ausschärfung des Verstehenskonzepts, so wie sie in den 1990er Jahren vorangetrieben wurde, eine nach wie vor wertvolle Basis dar. Verstanden als explizit unabschließbarer fragiler Bildungsprozess mahnt das Konzept des Fremdverstehens gerade in der heutigen Diskussion an, nicht allzu simplifizierend Festschreibungen interkultureller Kompetenzstufen vorzunehmen.
5. Literatur in Auswahl Bechtel, Mark 2003 Interkulturelles Lernen beim Sprachenlernen im Tandem. Eine diskursanalytische Untersuchung. Tübingen: Narr. Bechtel, Mark 2009 Empirische Untersuchung zu interkulturellem Lernen in deutsch-französischen Tandemkursen mit Hilfe der Diskursanalyse. In: Adelheid Hu und Michael Byram (Hg.), Interkulturelle Kompetenz und Fremdsprachliches Lernen. Modelle, Empirie, Evaluation [Intercultural Competence and Foreign Language Learning. Models, Empiricism, Assessment], 139⫺ 158. Tübingen: Narr. Berg, Eberhard und Martin Fuchs 1993 Kultur, Soziale Praxis, Text. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Böhme, Hartmut 2000 Was ist Kulturwissenschaft? Eine Einführung. [http://www.culture.hu-berlin.de/lehre/ kulturwissenschaft.pdf] (Zugriff am 22. 07. 09). Bredella, Lothar 2002 Literarisches und interkulturelles Verstehen. Tübingen: Narr. Bredella, Lothar 2007 Die Bedeutung von Innen- und Außenperspektive für die Didaktik des Fremdverstehens. In: Lothar Bredella und Herbert Christ (Hg.), Fremdverstehen und interkulturelle Kompetenz, 11⫺30. Tübingen: Narr. Bredella, Lothar und Herbert Christ (Hg.) 1995 Fremdverstehen und kulturelles Lernen. Tübingen: Narr.
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Hu, Adelheid 2003 Schulischer Fremdsprachenunterricht und migrationsbedingte Mehrsprachigkeit. Tübingen: Narr. Hu, Adelheid 2005 Grenzüberschreitung durch Aufbrechen erstarrter sprachlicher Konventionen: Neuinszenierungen von ,Kultur’ und ,Sprache’ in der Rhetorik postkolonialer Theoriebildung. In: Susanne Duxa, Adelheid Hu und Barbara Schmenk (Hg.), Grenzen überschreiten. Menschen, Sprachen, Kulturen, 101⫺114. Tübingen: Narr. Hu, Adelheid 2009 Interkulturelle Kompetenz. Ein Leitziel sprachlichen Lehrens und Lernens im Spannungsfeld von kulturwissenschaftlicher Didaktik, pädagogischer Psychologie und Testtheorie. In: Renate A. Schulz und Erwin Tschirner (Hg.), Communicating across Borders: Developing Intercultural Competence in German as a Foreign Language, 294⫺309. Munich: iudicium. Hu, Adelheid und Michael Byram (Hg.) 2009 Interkulturelle Kompetenz und Fremdsprachliches Lernen. Modelle, Empirie, Evaluation [Intercultural Competence and Foreign Language Learning. Models, Empiricism, Assessment]. Tübingen: Narr. Hunfeld, Hans 1993 Zur Normalität des Fremden. Der fremdsprachliche Unterricht Englisch 3(3): 50⫺52. KMK ⫺ Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, Beschlüsse der Kultusministerkonferenz 2003 Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (Englisch/Französisch) für den Mittleren Schulabschluss. [http://www.kmk.org/fileadmin/doc/Bildung/IVA/IVA-Beschluesse/ Bildungsstandards/103-3_MSA-1Fremdspr.pdf] (Zugriff am 23. 04. 09). Kögler, Hans Herbert 1992 Die Macht des Dialogs. Kritische Hermeneutik nach Gadamer, Foucault und Rorty. Stuttgart: Metzler. Kristeva, Julia 1990 Fremde sind wir uns selbst. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Rathje, Stephanie 2006 Interkulturelle Kompetenz. Zustand und Zukunft eines umstrittenen Konzepts. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 11(3). (Online). Risager, Karen 1998 Language teaching and the process of European integration. In: Michael Byram and Mike Fleming (Hg.), Language Learning in Intercultural Perspective. Approaches through Drama and Ethnography, 242⫺254. Cambridge: Cambridge University Press. Risager, Karen 2009 Intercultural competence in the cultural flow. In: Adelheid Hu und Michael Byram (Hg.), Interkulturelle Kompetenz und Fremdsprachliches Lernen. Modelle, Empirie, Evaluation [Intercultural Competence and Foreign Language Learning. Models, Empiricism, Assessment], 15⫺30. Tübingen: Narr. Schinschke, Andrea 1995 Literarische Texte im interkulturellen Lernprozeß. Zur Verbindung von Literatur und Landeskunde im Fremdsprachenunterricht Französisch. Tübingen: Narr. Wägenbaur, Thomas 1995 Kulturelle Identität oder Hybridität? Aysel Özakins Die blaue Maske und das Projekt interkultureller Dynamik. Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 97: 22⫺47. Waldenfels, Bernhard 1990 Der Stachel des Fremden. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Waldenfels, Bernhard 1997 Die Topographie des Fremden. Studien zur Phänomenologie des Fremden. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
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Zimmermann, Peter (Hg.) 1989 Interkulturelle Germanistik. Dialog der Kulturen auf Deutsch? Frankfurt a. M.: Lang. Zydatiß, Wolfgang 2006 Stehen wir vor einem meltdown der Persönlichkeitsbildung im schulischen Fremdsprachenunterricht? ⫺ Vermutlich ja, aber gerader deshalb sollten empirisch erprobte, integrierte Lern- und Überprüfungsaufgaben für diese Bereiche entwickelt werden! In: KarlRichard Bausch, Eva Burwitz-Melzer, Frank G. Königs und Hans-Jürgen Krumm (Hg.), Aufgabenorientierung als Aufgabe, 256⫺264. Tübingen: Narr.
Adelheid Hu, Hamburg (Deutschland)
156. Konzepte von Kultur im Kontext von Deutsch als Fremd- und Zweitsprache 1. 2. 3. 4.
Kultur: ein Kernbegriff des Faches Deutsch als Fremd- und Zweitsprache Kultur als Prozess: normative Konzepte Kulturen als homogene Ganzheiten: klassisch-ethnologische Konzepte Kultur als Bedeutung und geteiltes Wissen: hermeneutische und sozialkonstruktivistische Konzepte 5. Ausblick 6. Literatur in Auswahl
1. Kultur: ein Kernbegri des Faches Deutsch als Fremd- und Zweitsprache Die Weiterentwicklung der kommunikativen Didaktik zu einem interkulturellen Ansatz, insbesondere aber die zunehmende Relevanz kulturwissenschaftlicher Forschungsansätze im Fach DaF/DaZ haben den Begriff Kultur in den letzten Jahren zu einem der Schlüsselbegriffe des Faches werden lassen. Keine Beschreibung des wissenschaftlichen Selbstverständnisses und der praktischen und wissenschaftlichen Aufgabenstellungen des Faches kommt mehr ohne diesen Begriff aus, und sämtliche DaF/DaZ-Studiengänge sehen selbstverständlich immer auch Module und Lehrveranstaltungen zu kulturbezogenen Themen und Fragestellungen vor. Lernzielbestimmungen wie interkulturelles Lernen, Kulturverstehen oder Kulturbewusstheit sind aus aktuellen Curricula für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache nicht mehr wegzudenken. Dabei korrespondiert die Allgegenwart von Kultur in den Fachdiskursen in Deutsch als Fremd- und Zweitsprache mit einer merkwürdigen Zurückhaltung und einer nur sehr gering ausgeprägten Bereitschaft, sich auf die Komplexität und den semantischen Variantenreichtum einzulassen, die mit diesem Begriff verbunden sind. Zwar fehlt in kaum einer einschlägigen Veröffentlichung zum Thema der Hinweis auf die über 150 Begriffsdefinitionen, die die amerikanischen Kulturanthropologen Alfred L. Kroeber und Clyde Kluck-
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hohn schon Mitte des 20. Jahrhunderts ausgemacht haben wollten (vgl. Kroeber und Kluckhohn 1952); eine gründliche, der ganzen Komplexität des Begriffs und zugleich dem Stand der begriffsgeschichtlichen Forschung und der kulturtheoretischen Diskussion gerecht werdende Auseinandersetzung, die sich um eine Einengung und Nutzbarmachung des Begriffs für die spezifischen wissenschaftlichen und praktischen Belange des Faches ernsthaft bemühen würde, ist aber immer noch die eher seltene Ausnahme (vgl. z. B. Barkowski 2001; Altmayer 1997). Vielmehr herrscht immer noch ein naiver, d. h. nicht weiter begründeter oder theoretisch hergeleiteter Gebrauch vor, der in aller Regel Kultur im Sinne eines auf Nationen oder ethnisch definierte Gruppen bezogenes und als nach innen homogen, nach außen different gedachtes Orientierungssystem versteht, das das Verhalten der einer Gruppe zugehörigen Individuen weitgehend determiniert. Im besten Fall stützt man sich bei der Verwendung dieses Begriffsverständnisses auf einschlägige Definitionen, wie sie beispielsweise der Psychologe Alexander Thomas oder der Kulturanthropologe Geert Hofstede vorgelegt haben (vgl. z. B. Thomas 1993: 380; Hofstede 2001: 9). Erst in jüngster Zeit deutet sich ein größeres Problembewusstsein in dieser Frage an, das sich in dem Bemühen äußert, unterschiedliche begriffsgeschichtliche Traditionen und kulturtheoretische Ansätze in die eigenen Überlegungen einzubeziehen. Allerdings ist auch hier bislang die Tendenz vorherrschend, möglichst die ganze Breite der Begriffsbedeutung trotz ihrer offenkundigen Inkomplementaritäten für die insbesondere praktischen Belange des Faches nutzbar zu machen (vgl. Biechele und Padro´s 2003: 21, 40; Skiba 2007; Eßer 2006: 3⫺7). Im Folgenden soll daher versucht werden, die verschiedenen Bedeutungsvarianten von Kultur, ausgehend von der etymologischen und begriffsgeschichtlichen Entwicklung und auf der Basis vorhandener Typologien (vgl. Busche 2000; Reckwitz 2000: 64⫺90), zunächst in aller Deutlichkeit als verschieden herauszuarbeiten und jeweils auf ihre Verwendbarkeit für den Kontext des Faches DaF/DaZ zu prüfen. Dabei sind mit diesem Kontext vor allem die wissenschaftlichen und erst in zweiter Linie die praktischen Interessen und Aufgabenstellungen unseres Faches angesprochen.
2. Kultur als Prozess: normative Konzepte 2.1. Kultivierung und Kultiviertsein Etymologisch geht Kultur auf lat. colere (,pflegen‘, ,anbauen‘) zurück, ein Wort, das ursprünglich aus dem landwirtschaftlichen Kontext kommt und sowohl den Prozess als auch das Ergebnis der Pflege und der Bebauung der Felder meint. Von hier aus wurde der Ausdruck bereits in der lateinischen Antike vom landwirtschaftlichen auf den menschlichen Bereich übertragen und konnte dort dreierlei bedeuten: Erstens die Sorge des Menschen um sich selbst, die Pflege seines äußeren Erscheinungsbildes, aber auch seines Charakters; zweitens die Pflege von Tugenden, Wissenschaft und geistigen Anlagen (cultura animi); drittens die Pflege des religiösen Brauchtums und die Verehrung der Götter (vgl. Fisch 1992: 684⫺685). Alle drei Bedeutungsvarianten finden wir auch im heutigen Sprachgebrauch noch wieder, etwa wenn wir davon sprechen, jemand sei kultiviert oder unkultiviert oder auch in Ausdrücken wie Kulturbeutel oder Kult.
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2.2. Kultur und Zivilisation als Ausdruck eines europäischen Überlegenheitsanspruchs Die eigentliche Karriere des spezifisch neuzeitlichen Begriffs Kultur (und seines inhaltlich zunächst weitgehend bedeutungsgleichen Parallelbegriffs Zivilisation) ist aber eng mit dem Prozess der gesellschaftlichen Modernisierung in Europa und mit der Kolonisierung der außereuropäischen Welt seit dem 17. Jahrhundert verbunden. Der während des Mittelalters weitgehend vergessene antike Begriff wird aufgegriffen und erlebt zunächst eine beispiellose Ausweitung auf nahezu sämtliche Bereiche des menschlichen Lebens. Angelegt ist dies bereits bei dem deutschen Naturrechtslehrer Samuel Pufendorf, bei dem Kultur erstmals absolut, d. h. ohne ein Genitivattribut gebraucht wird, das angibt, was Gegenstand der Pflege und Kultivierung ist. Kultur gilt hier ganz allgemein als Gegensatz zum vorgesellschaftlichen Naturzustand des Kampfes aller gegen alle, aus dem sich der Mensch durch eigene Anstrengung, nämlich durch Bearbeitung der ihn umgebenden wie der eigenen Natur, herausarbeiten muss. Das bei Pufendorf angelegte Potenzial des Begriffs kommt aber erst dadurch zur Entfaltung, dass im Lauf des 18. Jahrhunderts der dem Begriff ursprünglich inhärente Gedanke der Pflege und Bearbeitung natürlicher Anlagen vom Individuum auf Gesellschaften, Nationen, ja die ganze Menschheit übertragen wird. Im Kontext der aufklärerischen Geschichtsphilosophie gewinnt der Begriff nun zusätzlich eine zeitliche Dimension, er bezeichnet den Prozess der fortschreitenden Entwicklung der gesellschaftlichen Verhältnisse des Menschen zum immer Besseren, und er bezeichnet darüber hinaus auch die Resultate bzw. Zwischenetappen dieses Prozesses selbst. In diesem sehr weiten Sinn brachte der Begriff Kultur (und vielleicht stärker noch der Parallelbegriff Zivilisation) das Bewusstsein und den Anspruch der europäischen Gesellschaften zum Ausdruck, dem als wild, kulturlos oder unzivilisiert geltenden Rest der Welt überlegen zu sein, und wurde für lange Zeit zum wichtigen Legitimationsmuster für die Kolonisierung, Ausbeutung und Versklavung eben dieser außereuropäischen Welt.
2.3. Kultur vs. Zivilisation Die begriffsgeschichtlichen Belege aus den wichtigen europäischen Sprachen zeigen, dass entgegen früheren Annahmen (vgl. z. B. Elias 1976, Bd. 1: 3⫺6) die Ausdrücke Kultur und Zivilisation zwar auf sehr unterschiedliche wortgeschichtliche Ursprünge zurückgehen, aber in den Diskursen der europäischen Aufklärung weitgehend bedeutungsgleich verwendet wurden (vgl. Fisch 1992: 681⫺682). Dies ändert sich erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts zunächst insbesondere im deutschen Sprachraum, wo die eher äußeren, auf das gesellschaftliche Leben bezogenen Aspekte des bisherigen gemeinsamen Bedeutungsumfangs der Zivilisation, die inneren, auf die geistige Bildung und Entwicklung des Individuums bezogenen Aspekte hingegen der Kultur zugesprochen werden. Zugleich wird Zivilisation als äußerlich gegenüber der Kultur abgewertet und zur bloßen Vorstufe der Kultur in der menschlichen Entwicklung herabgesetzt. Am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, insbesondere im Kontext des Ersten Weltkriegs, werden diese unterschiedlichen Entwicklungsstufen gar zu einem scharfen Gegensatz umgedeutet und mit nationaler Bedeutung aufgeladen, wonach Kultur für die vermeintlich deutsche Orientierung an inneren Werten, Zivilisation hingegen für die westliche Bevorzugung des
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Äußerlichen, der gesitteten Umgangsformen und des gesellschaftlichen Lebens, der Politik, der Ökonomie und der Technik stehen sollte (vgl. Pflaum 1967; Fisch 1992: 746⫺ 752; Bollenbeck 1994: 268⫺277).
2.4. Der sektorale Kulturbegri in Landeskunde und auswärtiger Kulturpolitik Die scharfe Differenzierung zwischen Kultur und Zivilisation, zumal in ihrer extremen nationalpolitischen Aufladung, darf heute zweifellos als überholt gelten. Relevant ist sie allerdings insofern immer noch, als die damit einhergehende Einengung des Bedeutungsumfangs von Kultur auf hochwertige künstlerische und intellektuelle Betätigung und deren Produkte in Kunst, Literatur, Musik und Philosophie, wie sie zunächst speziell im deutschen Sprachraum vorgenommen wurde, bis heute im alltäglichen Sprachgebrauch Bestand hat und sich in den meisten anderen Sprachen ebenfalls eingebürgert hat (Culture with a capital ,C‘, vgl. Eagleton 2001: 26⫺27). Darüber hinaus ist dieses Verständnis von Kultur auch die Basis für den nunmehr wertneutral verstandenen sektoralen Begriff von Kultur, der das neben Politik, Wirtschaft und Sozialstruktur stehende gesellschaftliche Teilsystem der institutionalisierten Produktion, Distribution und Diskussion von Weltdeutungen bezeichnet (vgl. Reckwitz 2000: 79⫺84) und der in mindestens zweierlei Hinsicht auch im Kontext von Deutsch als Fremd- und Zweitsprache bzw. der Fremdsprachenwissenschaften nach wie vor Verwendung findet: Zum einen nämlich gilt Kultur in diesem Sinn als ein Gegenstand der traditionellen Landeskunde neben Geschichte, Politik, Geographie und Wirtschaft (vgl. u. a. Luscher 2008; Lüsebrink 2003: 157⫺184; Nitzschke 1998); und zum anderen haben wir es auch im Rahmen der auswärtigen Kulturpolitik mit Kultur in dem hier angesprochenen sektoralen Sinn zu tun, auch dann, wenn man, wie seit den 1970er Jahren weitgehend üblich, von einem erweiterten Kulturbegriff ausgeht (vgl. Kretzenbacher 1992). Denn dieser erweitert zwar den Gegenstandsbereich des Begriffs über die kanonisierte Hochkultur der Madrigalchöre, der klassischen Literatur und der Malerei hinaus auf eher alltagskulturelle Phänomene wie Arbeiterlieder, Comics und Graffiti, verbleibt damit aber wie der engere Begriff der deutschen Tradition auch im Bereich der Artefakte und stellt auch den grundsätzlich normativ-wertenden Charakter des Begriffs nicht in Frage.
3. Kulturen als homogene Ganzheiten: klassisch-ethnologische Konzepte Die bisher diskutierten Konzepte von Kultur finden zwar teilweise, wie gesehen, auch im Kontext von DaF/DaZ eine gewisse Anwendung, es handelt sich aber durchweg um vorwissenschaftliche Konzepte, denen insbesondere aufgrund ihrer teilweise deutlich wertenden Funktion nur geringes analytisches Potenzial innewohnt. Als ein wissenschaftlicher Begriff, der sich für die Analyse und Erforschung fremdsprachlicher Lernprozesse eignet, muss Kultur aber als deskriptive und prinzipiell pluralische Kategorie aufgefasst werden, wonach es sich bei Kultur nicht um den Prozess und die Resultate einer eindimensionalen und vorbestimmten Emanzipation des Menschen von seiner eigenen und der
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ihn umgebenden Natur handelt, auch nicht um den Inbegriff besonders herausgehobener Ergebnisse („Werke“) menschlicher Geistestätigkeit, sondern um eine Vielzahl teilweise recht unterschiedlicher Formen des Umgangs mit der Natur und der Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens. Diese Pluralisierung und Relativierung von Kultur zu Kulturen, die bei Autoren wie Herder bereits am Ende des 18. Jahrhunderts angelegt war, kommt vor allem in der englischsprachigen Ethnologie bzw. Kulturanthropologie des 19. und 20. Jahrhunderts zur vollen Entfaltung. Als maßgeblich gilt dabei bis heute die Begriffsdefinition des britischen Ethnologen Edward B. Tylor aus dem Jahr 1871: „Culture or Civilization, taken in its wide ethnographic sense, is that complex whole which includes knowledge, belief, art, morals, law, custom, and any other capabilities and habits acquired by man as a member of society“ (zit. nach Fisch 1992: 757). Zwar können sich Tylor und seine Zeitgenossen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein von einer normativen und prozesshaften Vorstellung von Kultur und von der Überzeugung von der Überlegenheit westlich-europäischer Kultur bzw. Zivilisation gegenüber den „Primitiven“ oder „Naturvölkern“ nicht nachhaltig lösen, gleichwohl ist die für die Herausbildung des wissenschaftlichen Kulturbegriffs notwendige Pluralisierung und Relativierung in dieser Definition bereits deutlich angelegt, gilt Kultur (bzw. Zivilisation) hier doch als Kennzeichen jeder Form menschlicher Vergesellschaftung und nicht mehr nur einer besonderen und in bestimmter Weise ausgezeichneten oder höherwertigen. Entscheidend für die Durchsetzung eines pluralischen und relativistischen Konzepts von Kultur war jedoch weniger die britische als vielmehr die amerikanische Ethnologie bzw. Kulturanthropologie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die vor allem mit Namen wie Franz Boas, Alfred Kroeber, Ruth Benedict und Margaret Mead verbunden ist. Kultur wird in der dezidiert anti-evolutionistischen und anti-rassistischen Orientierung der Boas-Schule zum Gegenbegriff zu der auch in den USA in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts sehr populären Kategorie der Rasse aufgebaut und dient dazu, Verhaltensunterschiede zwischen Angehörigen unterschiedlicher ethnischer Gruppen nicht auf (pseudo-)biologische, sondern auf soziale Ursachen zurückführen zu können (vgl. Hauck 2006: 63⫺66). Auf der Basis umfangreicher Feldforschungen insbesondere bei verschiedenen Gruppen amerikanischer Ureinwohner gehen die Vertreter und Vertreterinnen der Boas-Schule davon aus, dass jede ethnische Gruppe ein spezifisches Orientierungssystem entwickelt, das sich durch durchgängige und homogene, nur für diese Gruppe charakteristische Muster auszeichnet. „A culture, like an individual“, so heißt es beispielsweise in dem Klassiker Patterns of Culture (1934) von Ruth Benedict, „is a more or less consistent pattern of thought and action“ (Benedict 1952: 33). Individuen gelten nach dieser Auffassung als vollständig durch ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe und damit einer bestimmten Kultur determiniert: The life-history of the individual is first and foremost an accomodation to the patterns and standards traditionally handed down in his community. From the moment of his birth the customs into which he is born shape his experience and behavior. By the time he can talk, he is the little creature of his culture, and by the time he is grown and able to take part in its activities, its habits are his habits, its beliefs his beliefs, its impossibilities his impossibilities. Every child that is born into his group will share them with him, and no child born into one on the opposite side of the globe can ever achieve the thousandth part. (Benedict 1952: 2)
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Die hier zum Ausdruck kommende Auffassung von Kultur als einem mehr oder weniger geschlossenen und homogenen System von standardisierten Mustern, die den einer ethnischen Gruppe angehörigen Individuen gemeinsam sind und wodurch diese sich von den Angehörigen anderer ethnischer Gruppen mehr oder weniger deutlich unterscheiden, wurde zwar zunächst am empirischen Material aus kleinen und überschaubaren Gruppen entwickelt, aber schon bald ⫺ angeregt durch die Bedürfnisse des amerikanischen Militärs während des II. Weltkriegs und in der Nachkriegszeit ⫺ im Rahmen der so genannten „Nationalcharakterstudien“ auf ganze Nationalstaaten wie Japan (vgl. Benedict 1946) oder Russland (Gorer und Rickman 1949) übertragen. Dieses Konzept von Kultur wurde später auch zur Grundlage der Erforschung interkultureller Kommunikation und spielt, vermittelt über Autoren wie den amerikanischen Kulturanthropologen Edward T. Hall, den niederländischen Sozialanthropologen Geert Hofstede oder den deutschen Psychologen Alexander Thomas, auch in den verschiedenen Fremdsprachenwissenschaften und deren Überlegungen über den kulturellen Faktor beim Fremdsprachenlernen, über interkulturelles Lernen, interkulturelle Kompetenz oder eine interkulturelle Landeskunde, bis heute eine herausragende Rolle. In letzter Zeit wird allerdings auch die Kritik an diesem Verständnis von Kultur immer lauter, das die Widersprüche und Heterogenitäten moderner Gesellschaften und die gerade im Zeitalter der Globalisierung immer deutlicher werdenden Vermischungen und Verwischungen kultureller Orientierungen unterschlägt, die Individuen auf völlig einseitige und unangemessene Weise auf ihre nationale bzw. ethnische Identität festlegt und zudem das Denken in pauschalisierenden und stereotypischen Kategorien eher fördert als hinterfragt (vgl. z. B. Hu 1995: 21⫺22; Hansen 2000: 247⫺266; Altmayer 2003: 122⫺ 126; Altmayer 2006a: 48⫺50; Küster 2005: 59⫺63). Bislang allerdings ist es im Kontext von DaF/DaZ, aller Bemühungen um größere Differenzierung zum Trotz, nicht gelungen, die Vorherrschaft dieses homogenisierenden und essentialistischen Kulturkonzepts nachhaltig zu erschüttern. Dabei liegt mit dem bedeutungsorientierten Verständnis von Kultur, das sich vor allem im Kontext aktueller kulturwissenschaftlicher Positionen in Disziplinen wie der Soziologie, der Ethnologie oder den Geschichtswissenschaften weitgehend durchgesetzt hat, längst eine Alternative vor, die auch für die wissenschaftlichen und praktischen Belange des Faches Deutsch als Fremdsprache interessante Perspektiven bietet.
4. Kultur als Bedeutung und geteiltes Wissen: hermeneutische und sozialkonstruktivistische Konzepte Der bedeutungs- und wissensorientierte Kulturbegriff ist keinesfalls als eine einfache Weiterentwicklung und Differenzierung des bislang auf ganze Nationalstaaten bezogenen und in diesem Sinn homogenisierenden Begriffs zu verstehen, von dem vorher die Rede war. Es kann also nicht darum gehen, die Bezugsgrößen dieses Begriffs durch die Einbeziehung regionaler, sozialer oder zeitlicher Differenzierungen und Dynamisierungen zu variieren, wie dies z. B. bei Hansen mit der Einführung der Kategorie des Kollektivs auf unterschiedlichen Ebenen der Vergesellschaftung und der Multikollektivität versucht wird (vgl. Hansen 2000: 193⫺216). Vielmehr haben wir es mit einem grundlegenden Paradigmenwechsel zu tun, der in der einschlägigen Fachliteratur schon seit längerem
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als cultural turn beschrieben wird (vgl. u. a. Bachmann-Medick 2006) und der die Forschungsperspektive in den Sozial- und Kulturwissenschaften von allgemeingültigen nomothetischen Erklärungsmodellen menschlichen Verhaltens auf die Ebene der symbolischen Ordnungen und subjektiven Sinnzuschreibungen verschiebt. Unter Rückgriff auf unterschiedliche Theorietraditionen, die von Phänomenologie, Hermeneutik und Verstehender Soziologie bis zu Symbolischem Interaktionismus, (Post-)Strukturalismus und Sozialkonstruktivismus reichen, gehen die Vertreter und Vertreterinnen aktueller kulturwissenschaftlicher Forschungsansätze davon aus, dass die (soziale) Wirklichkeit nicht unmittelbar gegeben, sondern in Akten diskursiver Deutung und Sinnzuschreibung von den Akteuren selbst erst konstituiert wird, dass demnach die Aufgabe kultur- und sozialwissenschaftlicher Forschung vorrangig darin besteht, diese sinnkonstituierenden Akte in einem nicht etwa kausal erklärenden, sondern verstehenden Zugriff zu rekonstruieren. Im Hinblick auf die Neubestimmung des Begriffs Kultur kommt dabei der interpretativen Ethnologie, die vor allem mit dem Namen Clifford Geertz verbunden ist, eine entscheidende Rolle zu. In Geertz’ bis heute höchst einflussreichem Buch Dichte Beschreibung (1973; dt. 1983) findet sich die bekannte Definition von Kultur als „selbstgesponnenem Bedeutungsgewebe“: „Der Kulturbegriff, den ich vertrete […], ist wesentlich ein semiotischer. Ich meine mit Max Weber, daß der Mensch ein Wesen ist, das in selbstgesponnene Bedeutungsgewebe verstrickt ist, wobei ich Kultur als dieses Gewebe ansehe. Ihre Untersuchung ist daher keine experimentelle Wissenschaft, die nach Gesetzen sucht, sondern eine interpretierende, die nach Bedeutungen sucht“ (Geertz 1995: 9). Allerdings erweist sich diese auch im Kontext von DaF/DaZ häufig (und meist unkritisch) zitierte Auffassung von Kultur bei genauerem Hinsehen als problematisch, weil die Metapher vom „Bedeutungsgewebe“ zwar prinzipiell die subjektive Sicht der Beteiligten hervorhebt, allerdings viel zu allgemein und ungenau ist, als dass sie für konkrete Kulturanalysen, insbesondere in Bezug auf komplexe Industriegesellschaften, wirklich taugen würde. Hinzu kommt, dass Geertz aus methodischen Gründen dazu neigt, Kulturen aus der Sicht des Kultur gleichsam als Text interpretierenden Ethnografen doch wieder zu harmonisieren und zu homogenisieren, wenn auch nicht mehr auf der Ebene des beobachtbaren Verhaltens, so doch auf der Ebene der zu interpretierenden Bedeutungszuschreibungen. Deutlich wird dies vor allem an Geertz’ Analyse des balinesischen Hahnenkampfs, dem der Ethnograf wie einem Text eine bestimmte soziale Bedeutung zuschreibt, dabei eine vermeintliche Einheitlichkeit dieser Bedeutung unterstellt und damit die sozialen Differenzen und Konflikte zwischen den eine Gesellschaft ausmachenden Individuen und Gruppen, die sich immer auch in Konflikten um die „richtige“ Deutung von Wirklichkeit niederschlagen, ausblendet (vgl. dazu Geertz 1995; Berg und Fuchs 1993; Lenk 1996; Altmayer 2004: 132⫺135). Insofern spricht vieles dafür, bei der Reformulierung eines für den Kontext von DaF/DaZ brauchbaren, hinreichend differenzierten und gleichwohl noch handhabbaren Begriffs von Kultur auf Theorieansätze und Konzepte zurückzugreifen, die über Geertz hinausgehen. Hier bieten insbesondere die Diskursforschung im Anschluss an Foucault und die neuere Kultur- und Wissenssoziologie interessante Anknüpfungspunkte. Ein in den letzten Jahren innerhalb des Faches DaF/DaZ entwickeltes Konzept von Kultur, das sich an den erwähnten Theorieansätzen orientiert, diese aber nicht einfach für die Forschung und/oder Praxis anwendet oder übernimmt, sondern ⫺ ausgehend von den spezifischen Interessen des Faches ⫺ auf ihre Eignung hin prüft, legt einen Begriff von Kultur zugrunde, wonach diese nicht in einem Set mehr oder weniger gleichförmiger
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Verhaltensweisen oder Mentalitäten besteht, sondern uns mit einem Fundus an (kollektivem) Wissen versorgt, das uns in die Lage versetzt, der Welt um uns herum, aber auch unserem eigenen Leben Sinn und unserem Handeln Orientierung zu geben (vgl. dazu und zum Folgenden Altmayer 2004: 147⫺156, 2005: 156⫺157, 2006a, 2006b). Unter Verwendung (und Umdeutung) eines Begriffs, der ursprünglich aus der objektiven Hermeneutik stammt, mittlerweile aber auch in anderen kultur- und wissenssoziologischen, aber auch pädagogischen Kontexten heimisch geworden ist, kann man die musterhaft verdichteten und im kulturellen Gedächtnis gespeicherten Einzelelemente dieses Wissens kulturelle Deutungsmuster nennen. Der für den DaF/DaZ-Kontext konstitutive Bezug zur Sprache und damit zum Fremdsprachenlernen besteht dabei insbesondere darin, dass wir im Sprachgebrauch, d. h. in alltäglicher, aber auch in medialer und schriftlicher Kommunikation, in hohem Maß auf solche kulturellen Deutungsmuster zurückgreifen, sie bei unseren Gesprächspartnern oder den Adressaten von Texten oder Medienangeboten aller Art in der Regel implizit und selbstverständlich als allgemein bekannt und akzeptiert voraussetzen. Die Aufgabe kulturwissenschaftlicher Forschung in Deutsch als Fremdund Zweitsprache besteht nach diesem Konzept dann vor allem darin, die im alltäglichen Sprachgebrauch in aller Regel implizit bleibenden kulturellen Deutungsmuster, die wir im Deutschen verwenden, zu rekonstruieren, d. h. sie auf die Ebene des Expliziten zu heben, sie sichtbar und damit auch lernbar zu machen.
5. Ausblick Nach einem viel zitierten Bonmot des Soziologen Niklas Luhmann handelt es sich bei Kultur um „den schlimmsten Begriff, der je gebildet wurde“ (Luhmann 1995: 398). Man wird die spezifisch systemtheoretischen Gründe, die Luhmann zu diesem Verdikt veranlasst haben, nicht bemühen müssen, um ihm angesichts der Allgegenwart des Begriffs in wissenschaftlichen und medialen Diskursen auf der einen und seiner semantischen Vagheit, Vieldeutigkeit und Unübersichtlichkeit auf der anderen Seite eine gewisse Berechtigung zubilligen zu können. Es war allerdings nicht zuletzt diese Vieldeutigkeit und Vagheit, die dem Begriff zu seiner geradezu beispiellosen medialen und wissenschaftlichen Karriere verholfen und ihn zu einem der Leitbegriffe unserer Zeit gemacht haben. Darin besteht sicherlich auch eine Chance insofern, als unter der weitgehend bedeutungsoffenen Kategorie der Kulturwissenschaft(en) traditionelle Fächergrenzen gesprengt und völlig neue transdisziplinäre Koalitionen und Vernetzungen gebildet werden können (vgl. Art. 154). Hier liegt aber andererseits auch ein Problem insofern, als die Vagheit ihres Kernbegriffs der begrifflichen Präzision kulturwissenschaftlicher Diskurse nicht unbedingt förderlich ist. Insofern sind Zweifel, ob wir es bei Kultur überhaupt noch mit einem wissenschaftlichen Begriff zu tun haben, mit einem Begriff also, dem eine erklärende oder zumindest analytische Kraft für wissenschaftliche Problemstellungen zukommt, angesichts der Allgegenwart dieses Begriffs, seiner Funktionalisierungen und Inanspruchnahmen für die unterschiedlichsten Zwecke nicht nur erlaubt, sondern geradezu geboten. Dies gilt auch und nicht zuletzt für den Kontext des Faches DaF/DaZ, das sich ⫺ wie schon gesagt ⫺ in Sachen Begriffsreflexion und Theoriebildung gerade im Bereich der Kulturstudien bzw. Landeskunde bisher nicht unbedingt besonders hervorgetan hat. Es wird für die weitere Entwicklung des wissenschaftlichen Begriffs Kultur im Kontext von Deutsch als Fremd- und Zweitsprache vor allem auf dreierlei ankommen:
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XVI. Kulturwissenschaftliche Aspekte des Deutschen als Fremd- und Zweitsprache 1. Die in vielen einschlägigen Publikationen der letzten Zeit erkennbare Bereitschaft, über die dichotomischen Kategorien von „eigener“ und „fremder Kultur“ und über die homogenisierenden und essentialistischen Konzepte von Kultur hinaus zu denken und die Heterogenitäten, Hybriditäten und Vernetzungen von Kultur stärker zu berücksichtigen, beschränkt sich bislang meist auf die Ebene der Theorie, wohingegen in eher anwendungsorientierten Ansätzen nach wie vor die traditionellen kulturkontrastiven Positionen vorherrschen. Hier wird es darauf ankommen, Konzepte zu entwickeln, die einerseits den Anforderungen nach Differenzierung auf theoretischer Ebene entsprechen, die sich aber andererseits auch für forschungs- und nicht zuletzt auch unterrichtspraktische Zwecke operationalisieren lassen, ohne dass dies wieder mit den bekannten Simplifizierungen einher geht. 2. Das Fach sollte sich im Bereich von Kulturstudien bzw. Landeskunde künftig nicht mehr als bloßes Anwendungsfach begreifen, das seine theoretischen und begrifflichen Grundlagen aus anderen Disziplinen und Forschungsrichtungen bekommt und das jeder kultur- oder sozialwissenschaftlichen Mode (Poststrukturalismus, kulturelles Gedächtnis, Postcolonial Studies usw.) hinterher läuft, es sollte vielmehr die eigenen fachlichen und wissenschaftlichen Interessen an kulturwissenschaftlichen Fragen in den Vordergrund stellen und daraus eigene Theorien und Methoden für kulturwissenschaftliche Fragen entwickeln. Dies setzt zum einen eine verstärkte Reflexion und Diskussion über die eigenen kulturwissenschaftlichen Interessen des Faches voraus, zum anderen aber auch die intensive Auseinandersetzung auf Augenhöhe mit aktuellen kulturwissenschaftlichen Debatten, Positionen und Forschungsansätzen, die anderswo geführt und entwickelt werden. Nur dann wird es gelingen, ein zugleich hinreichend differenziertes, im Hinblick auf konkrete Forschungs- und Praxisinteressen operationalisierbares und an die internationale und interdisziplinäre Diskussion anschlussfähiges Konzept von Kultur im Kontext von Deutsch als Fremd- und Zweitsprache zu entwickeln. 3. Dieses Konzept muss nicht nur für konkrete Forschung operationalisierbar sein, es muss sich in der Forschung auch allererst bewähren und sich über die Forschung auch weiter entwickeln. Es wird daher in Zukunft vor allem darauf ankommen, die konkrete und insbesondere empirische Forschung im Bereich Kulturstudien bzw. Landeskunde voranzutreiben. Die wissenschaftliche Brauchbarkeit und analytische Kraft theoretischer Konzepte wie Kultur lässt sich am Ende nicht rein theoretisch beurteilen, sie bemisst sich vielmehr an den Forschungsergebnissen, die auf der Grundlage dieser Konzepte zustande gekommen sind.
6. Literatur in Auswahl Altmayer, Claus 1997 Zum Kulturbegriff des Faches Deutsch als Fremdsprache. Zeitschrift für interkulturellen Fremdsprachenunterricht 2(2). (Online). Altmayer, Claus 2003 Deutsch als Fremdsprache und Kulturwissenschaft. In: Claus Altmayer und Roland Forster (Hg.), Deutsch als Fremdsprache: Wissenschaftsanspruch ⫺ Teilbereiche ⫺ Bezugsdisziplinen, 109⫺134. Frankfurt a. M.: Lang. Altmayer, Claus 2004 Kultur als Hypertext. Zu Theorie und Praxis der Kulturwissenschaft im Fach Deutsch als Fremdsprache. München: iudicium.
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Altmayer, Claus 2005 Kulturwissenschaftliche Forschung in Deutsch als Fremdsprache. Acht Thesen zu ihrer Konzeption und zukünftigen Entwicklung. Deutsch als Fremdsprache 42(3): 155⫺160. Altmayer, Claus 2006a ,Kulturelle Deutungsmuster‘ als Lerngegenstand. Zur kulturwissenschaftlichen Transformation der ,Landeskunde‘. Fremdsprachen Lehren und Lernen 35: 44⫺59. Altmayer, Claus 2006b Landeskunde als Kulturwissenschaft. Ein Forschungsprogramm. Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 32: 181⫺199. Bachmann-Medick, Doris 2006 Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften. Reinbek: Rowohlt Barkowski, Hans 2001 Esskultur, Subkultur, Kulturbeutel … Annäherungen an einen Kulturbegriff im Kontext des fremdsprachendidaktischen Paradigmas Interkulturelles Lernen und Lehren. In: Karin Aguado und Claudia Riemer (Hg.), Wege und Ziele. Zu Theorie, Empirie und Praxis des Deutschen als Fremdsprache (und anderer Fremdsprachen). Festschrift für Gert Henrici zum 60. Geburtstag, 297⫺312. (Perspektiven Deutsch als Fremdsprache 15.) Baltmannsweiler: Schneider. Benedict, Ruth 1946 The Chrysanthemum and the Sword. Patterns of Japanese Culture. Boston: Houghton Mifflin. Benedict, Ruth 1952 Patterns of Culture. 5. Aufl. London: Routledge & Kegan. Berg, Eberhard und Martin Fuchs 1993 Phänomenologie der Differenz. Reflexionsstufen ethnographischer Repräsentation. In: Eberhard Berg und Martin Fuchs (Hg.), Kultur, soziale Praxis, Text. Die Krise der ethnographischen Repräsentation, 11⫺108. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Biechele, Markus und Alicia Padro´s 2003 Didaktik der Landeskunde. (Fernstudienangebot Germanistik: Deutsch als Fremdsprache, Fernstudieneinheit 31). Berlin etc.: Langenscheidt. Bollenbeck, Georg 1994 Bildung und Kultur. Glanz und Elend eines deutschen Deutungsmusters. Frankfurt a. M.: Insel. Busche, Hubertus 2000 Was ist Kultur? Erster Teil: Die vier historischen Grundbedeutungen. Dialektik 1: 69⫺90. Eagleton, Terry 2001 Was ist Kultur? 2. Aufl. München: Beck. Elias, Norbert 1976 Über den Prozeß der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen. 2 Bände. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Eßer, Ruth 2006 „Die deutschen Lehrer reden weniger und fragen mehr …“ Zur Relevanz des Kulturfaktors im DaF-Unterricht. Zeitschrift für interkulturellen Fremdsprachenunterricht 11(3). (Online). Fisch, Jörg 1992 Zivilisation, Kultur. In: Hans-Otto Brunner, Werner Conze und Reinhart Koselleck (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, 679⫺774. Stuttgart: Klett-Cotta. Geertz, Clifford 1995 Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme. 4. Aufl. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
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Thomas, Alexander 1993 Psychologie interkulturellen Lernens und Handelns. In: Alexander Thomas (Hg.), Kulturvergleichende Psychologie. Eine Einführung, 377⫺424. Göttingen: Hogrefe.
Claus Altmayer, Leipzig (Deutschland)
157. Interkulturelle Germanistik 1. 2. 3. 4.
1.
Entwicklungsetappen Studienanlage: mögliche Fachkomponenten Entwicklungslinien Literatur in Auswahl
Entwicklungsetappen
1.1. Kontexte Ausgehend von der Grundannahme, eine deutsche Germanistik decke als Muttersprachen- bzw. Nationalphilologie grundsätzlich die Lerninteressen und Ausbildungsziele ausländischer Studierender nicht hinreichend ab, entwickelten Wierlacher (zusammenfassend in 2003b: 2⫺3) und Thum (u. a. 1993) die Kontur des kulturwissenschaftlich ausgerichteten Lehr- und Forschungsgebiets Interkulturelle Germanistik (IG) und gründeten 1984 mit einer Gruppe von Kollegen die gleichnamige Gesellschaft. Angesichts der mannigfaltigen Manifestationen von Interkulturalität fragten die BeiträgerInnen in den Hauptpublikationsorganen für interkulturelle Germanistik, dem Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache (JbDaF) und in der Reihe Publikationen der GiG nach möglichen Mittlerfunktionen des Faches und seiner AbsolventInnen und wie kulturwissenschaftlich das oftmals philologisch-sprachdidaktisch verstandene Fach ausgerichtet sein müsse. Angestoßen durch kontinuierliche Selbstreflexionen und „weltoffene und selbstbewußte“ (Wierlacher 1987: 149) Positionierungen der IG sowie sicherlich dadurch provoziert, dass sie „nicht die Linguistik, sondern die Textwissenschaft und ihre Einbettung in eine vergleichende Fremdkulturwissenschaft zum zentralen Forschungs- und Lehrgebiet“ machte (Wierlacher 1987: 145), eröffneten bundesrepublikanische Fachgebiete DaF einen ähnlichen, jedoch plurizentrischen Positionierungsdiskurs (vgl. die Beiträge zur sog. „Strukturdebatte“ in der Zeitschrift Deutsch als Fremdsprache 1994⫺1999; vgl. Art. 2). In den teils 100 Jahre länger bestehenden germanistischen Instituten im Ausland wurden die bundesrepublikanischen Selbstverständnisdiskurse und fremdheitswissenschaftlichen Einforderungen nur vereinzelt und kaum als konstruktive Anstöße zu polylogischen Erkenntnisprozessen (Wimmer 2003) aufgenommen (vgl. u. a. Kreutzer 1996 und die Polemik in Zimmermann 21991), insbesondere dann, wenn die Ziele der IG an übersteigerte Anforderungen geknüpft wurden wie exzellente Fremdsprachen- und Literaturkenntnisse
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XVI. Kulturwissenschaftliche Aspekte des Deutschen als Fremd- und Zweitsprache
eines anderen Kulturraums (Lämmert 1996: 13⫺14), eigen- und fremdkulturelle Doppelkompetenzen (Ihekweazu 1985) oder fremdsprachenerwerbsspezifische Vorerfahrungen der Lerner (Pleines 21991: 136). So sinnvoll solche Kompetenzen sind, ihre Einforderung illustriert die Annahme, IG hätte die Aufgabe, Kulturvergleiche zu erstellen ⫺ was nötigenfalls germanistische Abteilungen im Ausland fachkundiger erfüllen ⫺ statt verschiedene Perspektiven auf Manifestationen deutschsprachiger Kulturen methodisch und vergleichend zur anreichernden Beschreibung zu nutzen und somit eine Koordination von Perspektiven, Interpretationen und Resümees zu fördern. Der angestoßenen Debatte folgten Versuche, auf einer Meta-Ebene zu einer konstruktiven Streitkultur bezüglich bildungspolitischer Ausrichtungen zu finden (Hu 1999), die auf kulturelles Mitteln ohne heimliche Kolonialisierungstendenzen angelegt sind und interdisziplinäre Perspektiven auf bislang philologisch gefasste Lehr- und Forschungsgegenstände miteinander verbinden.
1.2. Positionierungen und Terminologien Zur Illustration der Fach- und Abgrenzungsgeschichte seien hier eine Auswahl von Fachbezeichnungen zusammengestellt: Als Distanzierung zur damaligen Nationalphilologie wird Deutsche Germanistik als Überbegriff eingeführt. Diese gliedere sich zum einen in Deutsche Muttersprachen-Germanistik (auch bezeichnet als: binnenkulturelle deutsche Germanistik; deutsche Germanistik mit primärsprachenphilologischem Charakter; Muttersprachenphilologie/Binnenwissenschaft; Muttersprachen-/Öko-Germanistik; Nationalphilologie neuerer Art; Schulsprachenphilologie in Deutschland) und zum andern in Deutsch als Fremdsprache. Dessen Variante IG erschien auch als Fremdsprachen- oder Xeno-Germanistik, Fremdsprachenphilologie Deutsch oder kulturkontrastive Germanistik) und definierte sich wie folgt: Der Ausdruck Interkulturelle Germanistik ist ein Dach- und Fachbegriff. Er bezeichnet eine interdisziplinäre germanistische Fremdkulturwissenschaft, die in Forschung, Lehre, Organisation von der Kultur(en)gebundenheit germanistischer Arbeit ausgeht, kulturelle Vielfalt der Ausgangspositionen, Fragestellungen und Annäherungsweisen nicht für ein Handicap, sondern für einen Vorteil hält, im Dialog der Kulturen praktisch werden und zur internationalen Zusammenarbeit befähigen will. Leitziel interkultureller Germanistik ist, der kulturellen Vielfalt des Interesses am Deutschen und den deutschsprachigen Ländern sowie dem Bedarf an transkultureller Verständigung besser gerecht zu werden als es bisherige Modelle von Germanistik vermochten. Zu diesem Zweck erhöht interkulturelle Germanistik ihre Komplexität, indem sie sozial- und geisteswissenschaftliche mit xenologischen Fragestellungen im Sinne einer angewandten Kulturwissenschaft zusammenführt, der es um wechselseitige Aufklärung von Theorie und Praxis geht. Als interdisziplinäre Fremdkulturwissenschaft mit Eigenschaften einer vergleichenden Kulturanthropologie stellt interkulturelle Germanistik ein Netz aus sachlichen und dialogischen Bezügen dar. (Wierlacher 2003a: IX; Hervorh. im Original) Solche, oftmals wörtlich repetierten und defensiv-polarisierenden Selbst- und Fremdkategorisierungen, Ab- und Ausgrenzungen von Positionen, attribuierten Ansprüche und
157. Interkulturelle Germanistik
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Ziele dokumentieren eine Phase ausführlicher Selbstreflexionen. Verwirrung stifteten sie u. a. dadurch, dass sich die IG bewusst zwischen Germanistik und Deutsch als Fremdsprache (DaF ), sich auch als Variante von DaF verstand und gleichzeitig außerhalb platzierte, nämlich in eine Brückenstellung zwischen Inlands- und Auslandsgermanistik, die separiert und als u. a. Fremdsprachengermanistik des Auslands, Internationale Germanistik, (germanistische) Auslandsgermanistik(en) oder einfach ausländische Germanistik tituliert wurde. Zudem pflegen viele ausländische Institutionen sowohl zu der kritisch evaluierten deutschen Muttersprachengermanistik als auch zu ausgewählten Fremdsprachenphilologien wissenschaftliche Kontakte und waren teilweise bis Anfang der 1990er Jahre auch politisch gespalten, wenn ein Teil der KollegInnen wissenschaftliche Beziehungen vornehmlich zu germanistischen Abteilungen in der DDR (vgl. u. a. Sadji 1993; vgl. Art. 4) und ein anderer zu westlichen Partnern pflegte. Die Auslandsgermanistiken hatten also sehr heterogene wissenschaftliche Quellen und Interessen (u. a. Földes 2003). Doch die IG-Positionen weisen auch Entwicklungsetappen auf. So konstatierte Thum (1993) mit Verweis auf entstandene Kooperationen der GiG mit Vertretern anderer Gesellschaften, Verbände und Disziplinen eine neue Entwicklungsphase. Wierlacher setzte dem Bayreuther Beispiel 2002 ein Ende (2003b: 14) und öffnete damit konzeptuelle Freiräume, die von der angesprochenen Interpretationsgemeinschaft zu vielfältigen, auch empirischen Studien genutzt wird, um eine plurizentrische interkulturelle Germanistik zu verfolgen.
1.3. Schlüsselthemen Die Notwendigkeit empirisch begründeter Zugänge zu Konstruktionen von Fremdheit in interkultureller interpersonaler Kommunikation, zu literarischen Interpretationen oder zur kulturwissenschaftlichen Landeskunde betrifft insbesondere die fachspezifischen, fälschlicherweise an Goffman angelehnten Rahmenbegriffe, denen laut Wierlacher (2003a: X⫺XI; Hervorheb. im Original) „nach strenger Prüfung eine tragende Funktion in der Architektur interkultureller Germanistik zukommt: Anerkennung, Bildung, Blickwinkel, Dialog, Distanz, Empathie, Fremdheit, Grenze, Höflichkeit, Interdisziplinarität, Interkulturalität, Kritik, Kultur, Lernen, Lesen, Professionalität, Schweigen, Tabu, Toleranz, Vergleichen, Vermittlung, Wissen. Zusätzlich gelten weiterführende Leitbegriffe wie Internationalität der Wissenschaft, Aneignung oder Kommunikation (…)“. Solche standardisierenden Aufzählungen bieten der IG allerdings keine konzeptuellen Perspektiven. Erweitert man sie um bislang kaum wahrgenommene Themenkreise in nicht-deutschsprachigen Ländern, ergibt sich eine weniger programmatisch als thematisch agierende interkulturelle Germanistik (iG). Diese entwickelt sich inzwischen als Gegenstandsbestimmung von unten, gespeist auch durch empirisch ausgerichtete Ansätze (vgl. einzelne Beiträge in Kuruyazici et al. 1998; Wierlacher und Bogner 2003; Riemer 2008 oder Hess-Lüttich et al. 2009).
2. Studienanlage: mögliche Fachkomponenten Die bis 2001 „klar umgrenzte Komponentenzahl und deren stringente Binnengliederung“ (Wierlacher 2003b: 15) der IG, und zwar in (a) Sprachforschung/Sprachlehrforschung, (b) Literaturforschung/Literaturlehrforschung, (c) Landeskunde, (d) Fremdheitslehre
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und (e) Komparatistik, ergänzt um Medien- und Übersetzungswissenschaft, erwies sich letztendlich, v. a. bei der Anlage von BA- und Masterstudiengängen, als unpraktikabel. Denn sie verweist auf außerhalb der Germanistik etablierte Fachdisziplinen ohne fremdheitswissenschaftliche Profilierungen (vgl. Komponente a, c oder auch d), legt methodische Doppelungen an (Komponente c⫺e), verlagert die fachkonstitutiven Aufgaben der Vermittlung der deutschen Sprache und Kultur in die Sprach- und Literaturwissenschaften und vernachlässigt die berufsbezogenen Anwendungsbereiche wie die Vermittlung didaktischer und moderierender Fähigkeiten für die Bereiche DaF-Unterricht, interkulturelles Training oder Mediation. In neueren Curricula wird daher ein breites Spektrum iG entworfen, das sich ohne Anspruch auf Vollständigkeit, jedoch Interkulturalität mit Pluralität verbindend wie folgt gliedern lässt: 1. Fremdverstehen und kulturelles Mitteln (übergreifende xenologische Komponente): Xenologische Herangehensweisen bilden die spezifische Grundlage iG. Ihre methodischen, komponentenübergreifenden Ziele dienen weniger der Erarbeitung eines fachspezifischen Konzepts von Kultur/Fremdkultur (vgl. divergierende Definitionen in Wierlacher und Bogner 2003), sondern der Erarbeitung von Grundbegriffen wie kulturelle Fremdheit, Interkulturalität oder Fremdverstehen (u. a. Wierlacher und Albrecht 1995; Matusche 1989; Cappai 2008), einschließlich methodischer, empirischer Zugänge zur interaktiven Konstruktion von Fremdheit (u. a. Müller[-Jacquier] 2003; Kotthoff 2002), zum Kulturvergleich (Müller[-Jacquier] 1986; Matthes 1992) oder zur Rekonstruktion von Fremderfahrungsdarstellungen deutschsprachiger Agenten. Gegenstand sind auch fallübergreifende Prozesse interkulturellen Lernens sowie die Anlage einer interkulturellen Didaktik (Kramsch 1991). Hinzukommen müssten Analysen kulturell beeinflusster Zeichenproduktionen und -rezeptionen (zum Teilbereich Xenismen vgl. Müller-Jacquier 2007), also eine Semiotik mit Anwendungspotenzialen in allen Fachkomponenten. 2. Die deutsche als fremde Sprache und ihre Verwendung (linguistische Komponente): Ziel der linguistischen Komponente ist nicht die Beschreibung der deutschen Sprache, sondern ihrer Verwendung unter Fremdheitsbedingungen. Bezüglich der gesprochenen Sprache (Fiehler 2008) geht es also um Prozesse interaktiv gesteuerter Zeichenproduktion und -erschließung im sprachlichen Handeln (vgl. Knapp-Potthoff und Liedke 1997), um interkulturelle Kommunikation mit Deutschsprachigen. Methodisch werden Spezifika, Muster oder Maximen interpersonaler Kommunikation zwischen deutschen Muttersprachlern und Nicht-Muttersprachlern (Fallstudien) rekonstruiert, ergänzt um Verfahren der Bedeutungsaushandlung, Formen interaktiver Konstruktion kommunikativer Gattungen oder des Wissenstransfers (vgl. Günthner und Luckmanns Gattungsanalysen 2002 oder allgemein Földes 2007; Kotthoff und Spencer-Oatey 2007) und Formen der Mehrsprachigkeit (Lüdi 2005). Bezüglich der geschriebenen Sprache geht es vor allem um Analysen kulturspezifischer Vertextungen und deren Rezeptionen, beispielsweise in der deutschen Wissenschaftssprache (vgl. Clyne und Kreutz 2003). Kontrastive linguistische Vergleiche dienen hier eher der Bestimmung sprachlich-kultureller Normalitätserwartungen und der Erstellung analytischer Kategorien für Beschreibungsinventarien. 3. Erwerb und Vermittlung der deutschen als fremden Sprache (angewandt-linguistisches Modul: Als fachkonstitutives Praxisfeld iG dient das Modul der Erforschung pädagogischer Lehr-/Lernprozesse unter Fremdheitsbedingungen (vgl. Boeckmann 2006; vgl. auch Art. 105). Ziele sind die Beschreibung sprachlicher und interaktionaler Lernprozesse im Bereich Deutsch als Fremdsprache, einschließlich des außerinstitutionellen Ler-
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nens (z. B. im Tandem, vgl. Art. 134). Aus ihr ergeben sich sowohl Hinweise für die Darstellung grammatischer Regeln als auch für Verfahren einer interkulturellen Didaktik (Müller[-Jacquier] 1992), die eine systematische Ausbildung interkultureller Verstehensund Handlungskompetenzen anstrebt. 4. Landeskunde, Kulturvergleich und internationaler Kulturaustausch (kulturwissenschaftliches Modul): Kulturwissenschaftlich geht es der iG weniger um möglichst objektive landeskundlich-institutionenbezogene Beschreibungen von Manifestationen deutscher Kultur, als um Fallstudien zu ausgewählten fremdkulturellen Rezeptionen und um die Erarbeitung entsprechender Perspektiven auf Deutsches. Auf der Grundlage von geschichtlichem, institutionellem und soziologischem Wissen sowie von Kenntnissen im Bereich der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik dient diese Komponente der Entwicklung von Fähigkeiten, kulturell Fremdes und Eigenes in ihrer Wechselwirkung praktisch zu erfahren, zu beschreiben und zu analysieren. Empirisch-methodisch werden dazu auch Feldforschungen durchgeführt, in deren Rahmen ethnographische Methoden durch praktische Fremderfahrungen erarbeitet und auf ausgewählte Diskurse zu spezifischen Formen des Alltagslebens in Deutschland ⫺ einschließlich der Erinnerungskulturen ⫺ zurückgespiegelt werden (vgl. das Fortbildungsmodell Erlebte Landeskunde in Bachmann et al. 1995). 5. Deutschsprachige Literatur als fremde Literatur (literaturwissenschaftliches Modul): Die Literaturwissenschaft iG beschäftigt sich mit fremdperspektivischen Interpretationen deutschsprachiger Literatur. Das interkulturelle Potenzial der Literatur (Mecklenburg 2003: 434; Krusche 2003: 467⫺468 unterscheidet genauer zwischen leserund textseitigen Reflexionen „kulturbedingter Lese-Differenz“) wird also nicht nur aus literarischen Texten gewonnen. Vielmehr ergeben sich Analyse-Daten aus den Manifestationen von Wirkungen, auch aus ad hoc-Deutungen durch Nichtmuttersprachler (vgl. das Verfahren „interkultureller Lesergespräche“, Krusche 21993). Ziel ist es, ein textbezogenes oder kulturthemenorientiertes Verständigungshandeln (Thum und Lawn-Thum 1982) zu erzeugen, das Ausgangspunkt, Forschungsgegenstand und auch Ziel literarischer Interpretation ist. 6. Interkulturelle Kompetenzen (berufsorientierendes Modul): In allen Komponenten iG wird das erworbene Wissen mit berufsbefähigenden analytischen Strategien und handlungsbezogenen Kompetenzen in interkulturellen Situationen verbunden. Ziel ist es, komponentenspezifische Fertigkeiten auszuweisen und mit Blick auf interpersonale Interaktionen hin zu operationalisieren. Als typische Praxisanforderungen gelten der Sprachunterricht als multikulturelle Lernsituation, die Herausbildung spezifischer Kooperationsformen in internationalen Teams, der Wissenstransfer fremdkultureller Erfahrung (Hormuth 2009) oder Mediationsprozesse in kulturell bedingten Konfliktsituationen (Busch und Schröder 2005). Eine besondere Stellung nimmt die Vermittlung interkultureller Kompetenzen in der Weiterbildung ein (interkulturelles Training). Diese gilt als wichtiger, praxisbezogener Forschungsgegenstand (Nazarkiewicz 2002) und bietet Studierenden ⫺ auch an Hochschulen, vgl. die Aktivitäten von Hochschul-Netzwerken (Bosse 2009) ⫺ die Möglichkeit, berufsrelevante Erfahrungen zu sammeln und an der Internationalisierung der Hochschulen mitzuwirken. 7. Forschungspositionen und -methoden interkultureller Germanistik (forschungsorientierendes Modul): Die interdisziplinäre Anlage interkultureller Germanistik verlangt nach klaren Positionierungen bezüglich gegenstandsspezifischer, methodischer empirischer Verfahren. Bislang wird z. B. unter dem Stichwort Professionalität die Frage nach
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spezifischen Methoden metaphorisch mit Verweisen auf „wissenschaftliches ,Handwerk‘ und transsubjektiv und transkulturell gültige Maßstäbe“ thematisiert (Wierlacher 2003c: 296⫺297). Die ausstehende Methodendiskussion iG ist insofern von Bedeutung, weil xenologisches Arbeiten nicht auf Anwendungen bestehender theoretischer Konstrukte auf die interkulturelle Praxis vertrauen kann. Vielmehr muss sie über kontrastive Studien hinausgehen und beispielsweise ethnomethodologisch (u. a. Aktionsforschung) die Herausbildung von Interkulturalität in der Praxis zu erfassen suchen. Verweist die IG auf Arbeiten der Cultural Studies, so muss sie auch deren „Werkzeugkiste“ mit ihren Forschungsanlagen, d. h. die am jeweiligen Objekt ausgerichteten pragmatisch, strategisch und gesellschaftskritisch ausgerichteten Rekonstruktionen sozialer Praxis akzeptieren (Göttlich, Mikos und Winter 2001). 8. Komplementäre Studien (vertiefendes Modul): IG bietet ⫺ je nach den örtlichen disziplinären Kooperationen ⫺ thematische Optionen, durch die die Studierenden gemäß den Studienzielen ihr Wissen vertiefen und komplementär erweitern können.
3. Entwicklungslinien Bislang kommen empiriebasierte Theoriebildungen den bisherigen Auflistungen möglicher Forschungsthemen und Verweisen auf Forschungsdesiderate nicht nach. Andererseits werden einschlägige empirische Arbeiten nicht als interkulturell-germanistisch geführt. Bis auf die linguistische und den leserbezogenen Anteil der literaturwissenschaftlichen Komponente, die Interkulturalität nicht voraussetzen, sondern Prozesse ihrer CoKonstruktion nachzeichnen (u. a. Krusche 2003; Hausendorf 2002), operiert die Mehrzahl der Beiträge mit Vergleichen und einem mit Nation verwobenen Kulturbegriff. Dies ist dann unerheblich, wenn die Analysen nicht kontrastiv als Beschreibung eigener und fremder Gegenstände, Verhältnisse oder Mentalitäten angelegt sind, sondern als Aufzeigen „kommunizierter Fremdheit“ (Hausendorf 2002), als Fallstudie zur Gewinnung von Analysekategorien oder als Identifikation spezifischer Prozesse zur Herstellung co-konstruierter Interkulturen (Müller-Jacquier 2004). Dienen Vergleiche nur zu Gegenüberstellungen von Fremdem und Eigenem und werden die xenologisch relevanten Wirkungen aufgefasster kultureller Differenz ausgespart, verbleibt ihr Erkenntniswert im Rahmen seit langem praktizierter kontrastiver Studien. So mehren sich selbst fachintern Forderungen, die Reduzierung der Vielfalt kulturell tradierter wissenschaftlichen Verfahren und Interessen auf eine „doppelte Optik“ (Wierlacher 2003c: 296), also das „europäische Verfahren der Dichotomisierung von fremd-eigen, Selbst-Anderer, West-Ost (…)“ (Bachmann-Medick 2003: 445) zugunsten von Hybridität, Inter-Kultur und Mehrfachzugehörigkeit zu relativieren und sich auf Manifestationen und Herausbildungsprozesse der letzteren und ihre Interpretationen in verschiedenen Rezeptionskontexten zu konzentrieren. Bezogen auf Ziele interkulturell-germanistischer Ausbildung bedeutet dies, dass iG neben der Kenntnis fachrelevanter wissenschaftstheoretischer Positionen die Fähigkeit vermitteln möchte, xenologischen Forschungsfragen empirisch-methodisch nachzugehen. Als Minimalanforderungen sollten Studierende ⫺ eine diskurslinguistisch ausgerichtete Methodenkompetenz zur Analyse interkultureller interpersonaler Kommunikation,
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⫺ eine hermeneutische Textkompetenz mit kulturthematischen und -vergleichenden Schwerpunkten sowie ⫺ kulturwissenschaftlich-ethnographische Methoden zur Erschließung alltagsweltlicher und historisch-politischer Phänomene, einschließlich ihrer Darstellungen in den Medien oder durch kulturelle Mittler-Organisationen erwerben, wissenschaftliche Kenntnisse und Fertigkeiten also, die sich durch vielerlei Praxisbezüge auch als berufsbefähigend ausweisen lassen. Weltweit entsprechen verschiedene Kombinationen der aufgeführten Lehr- und Forschungsbereiche lokalen und nationalen Bedürfnissen, auch bezüglich der Theorie-Praxis-Gewichtung. Konstitutiv ist jedoch ihr fremdheitswissenschaftlicher Fokus. Auf seiner Grundlage setzen die Fachgebiete international unterschiedliche Schwerpunkte bezüglich theoretischer Fragen, empirischer Erhebungen und/oder berufsrelevanter Fertigkeiten und lassen angesichts begrenzter personeller Ressourcen vor Ort und einer Vielzahl an Fördermöglichkeiten zur internationalen Zusammenarbeit (Dozentenmobilität; Doppelabschlüsse) thematische Forschungsnetze und integrierte, länderübergreifende Studienanlagen entstehen. Eine konzeptuell-begriffsgeschichtlich ausgerichtete Strömung (IG) und eine empirisch-pragmatisch motivierte (iG) bestehen zurzeit nebeneinander. Sie können sich dann wechselseitig Anregungen geben, wenn Ergebnisse und validierte Forschungsmethoden der Empirie systematisch Einzug in die bislang vortheoretisch beschriebenen Konzepte finden. ⫺ Interkulturelle Germanistik stellt sich zwar schwierigen Forschungsgegenständen, doch sind diese im Grunde auf die Bewältigung einer recht einfach beschreibbaren Aufgabe gerichtet: die Beschreibung, Analyse und Bewältigung interkultureller Prozesse, in denen zwei oder mehrere kulturell geprägte Konventionssysteme gleichzeitig gültig sind. Theoretische Zugänge dazu, wie Sinn setzende Personen mit Mehrfach-Lesarten selbst- oder fremdreferentieller Handlungen umgehen, finden sich in der xenologischen Komponente. Ihre Praxisrelevanz erfahren diese Aufgaben in den komplementären Komponenten, einschließlich des Anspruchs, dass die Beschäftigung mit Interkulturalität im Studium auch die Entwicklung persönlicher interkultureller Kompetenzen fördert.
4. Literatur in Auswahl Bachmann, Saskia, Markus Biechele, Monika Bischof und Beatrix Borchard 1995 Erlebte Landeskunde. (Handbuch für Spracharbeit 5). München: Goethe-Institut. Bachmann-Medick, Doris 2003 Kulturanthropologische Horizonte interkultureller Literaturwissenschaft. In: Alois Wierlacher und Andrea Bogner (Hg.), Handbuch interkulturelle Germanistik, 439⫺448. Stuttgart/Weimar: Metzler. Boeckmann, Klaus-Börge 2006 Fremdsprachenunterricht und regionale Lehr- und Lernkultur. Eine empirische Untersuchung zum Deutsch-als-Fremdsprache-Unterricht in Japan. Innsbruck: Studienverlag. Bosse, Elke 2009 Interkulturelle Qualifizierungsangebote für Studierende: mehrstufig, studienbegleitend und nachhaltig. In: Oliver Eß (Hg.), Das Andere lehren ⫺ Handbuch zur Lehre interkultureller Handlungskompetenz, 33⫺45. Münster: Waxmann.
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Bernd Müller-Jacquier, Bayreuth (Deutschland)
158. Fremdbilder und Fremdwahrnehmung
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158. Fremdbilder und Fremdwahrnehmung 1. 2. 3. 4.
Begriffsverständnis Fremdbild-Konzept für das Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache Schlussfolgerungen für den Unterricht Deutsch als Fremd- und Zweitsprache Literatur in Auswahl
1. Begrisverständnis Mit der kommunikativen Wende in der Methodik des Fremdsprachenunterrichts und seiner Ausrichtung auf das Lernziel interkulturelle Kommunikation rücken nicht nur die Sachthemen der Landeskunde stärker in den Blick des Fachs Deutsch als Fremdsprache, sondern auch das Verhältnis zwischen der Herkunftskultur der Lernenden und der Zielsprachenkultur. Damit erhalten auch die Vorstellungen voneinander, die Erwartungen an und die Bilder vom Anderen Bedeutung in Wissenschaft und Unterricht. Teil des zugrundeliegenden Kulturverständnisses ist eine reflexive Betrachtung des Selbst- und Fremdbildes, also die Reflexion des Eigenen und des Fremden. Bewusste und unbewusste Bilder von den Fremden und dem Fremden, vom Eigenen und den Eigenen bedürfen als Grundlage gelingender interkultureller Begegnung der Thematisierung. Fremdbilder und ihre Reflexion werden damit zum Thema der Wissenschaft, zu einem didaktischen Mittel und zum Gegenstand von Lehrwerken und Unterricht. In der vierten der 1990 veröffentlichten ABCD-Thesen zur Landeskunde wird dies programmatisch formuliert: Primäre Aufgabe der Landeskunde ist nicht die Information, sondern Sensibilisierung sowie die Entwicklung von Fähigkeiten, Strategien und Fertigkeiten im Umgang mit fremden Kulturen. Damit sollen fremdkulturelle Erscheinungen besser eingeschätzt, relativiert und in Bezug zur eigenen Realität gestellt werden. So können Vorurteile und Klischees sichtbar und abgebaut sowie eine kritische Toleranz entwickelt werden. (ABCD-Thesen 1990: 16) Stereotypen und Vorurteile werden in den folgenden Bereichen des Fachs thematisiert: Landeskunde, das Deutschlandbild in Lehrwerken und Unterrichtsmaterialien, literarische Selbst- und Fremdbilder, (Selbst-)Erfahrungsberichte von Fremdsprachenvermittlern, die Kulturkontraste jedoch mehr verarbeiten als analysieren sowie Einstellungen von Deutschlernern zum Zielsprachenland (vgl. Grünewald 2005). Die Beschäftigung mit den Begriffen Stereotyp, Vorurteil oder (Fremd-)Bild weist eine gewisse Unschärfe auf, die aber auch die wissenschaftliche Diskussion insgesamt widerspiegelt. Ein Rückgriff auf die umfangreiche sozialpsychologische Literatur über Vorurteile und Stereotype kann diese Unschärfe nicht beseitigen, konkurrieren doch eine große Zahl von Ansätzen und Methoden miteinander (vgl. Petersen und Six 2008). Kompliziert wird die Begriffsfrage nicht zuletzt dadurch, dass sich Alltags- und wissenschaftlicher Sprachgebrauch unentwirrbar ineinander verwoben haben. Ein knapper, verkürzender Überblick setzt dennoch eine genauere Bestimmung dessen voraus, was unter Stereotyp und Vorurteil bzw. unter Fremdbildern zu verstehen ist,
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wenngleich ein Überblick über die soziologische, sozialpsychologische, xenologische oder psychoanalytische Forschung angesichts jeweils hoch spezialisierter Fachdiskussionen hier nicht geleistet werden kann. Vielmehr soll die neuere Beschäftigung mit den Begriffen Stereotyp, Vorurteil und (Fremd-)Bild im Umkreis des Fachs Deutsch als Fremdsprache skizziert werden. Eine solche Definition ist unauflöslich mit der Frage verbunden, ob Landeskunde als Kontextwissenschaft einer strikt linguistisch und behavioristisch ausgerichteten Fremdsprachenvermittlung definiert oder als multidisziplinärer, integraler Bestandteil (Picht 1980) des fremdsprachlichen Lernens im Sinne einer Auseinandersetzung mit fremder Kultur zu verstehen ist. Inzwischen hat sich nicht nur ein auf einem weiten Kulturbegriff basierendes Landeskunde-Konzept durchgesetzt, es wurde im Zuge dessen auch der Begriff des Stereotyps neu gefasst und bewertet. Die häufig gebrauchte Formel vom Abbau von Stereotypen und Vorurteilen verweist darauf, dass beide Begriffe ursprünglich negativ konnotiert waren. Einerseits wird Stereotyp als ein falsches Verhältnis seines Trägers zur Wirklichkeit, als Fehlperzeption gesehen, andererseits als Defizit an richtigem Wissen. Abgebaut wird ein Stereotyp in diesem Konzept durch Auffüllen der Wissensdefizite; affektive oder konative, also gefühlsbedingte oder auf Handlungskompetenz gerichtete Faktoren bleiben unterbewertet oder ausgegrenzt (vgl. Ropers 1990). Falsche Wirklichkeitskenntnis soll durch Vermittlung der richtigen korrigiert werden. Die Definitionsmacht darüber bleibt bei Vermittlungsinstanzen wie Pädagogen, Politikern, Medien. In die Kritik geraten solche eindimensionalen Modelle durch zwei theoretische Überlegungen: Erstens führt eine differenziertere Rezeption der Arbeiten von Lippmann ([1922] 1964) und Allport ([1950] 1971) mit einem differenzierten Stereotypen- bzw. Vorurteilsbegriffs zu einer Neubewertung. Stereotypen gelten nunmehr auch als soziale und psychologische Phänomene, die der alltäglichen Orientierung dienen. Ihnen werden positive Teilfunktionen zugeschrieben. Aus wissenssoziologischer Perspektive wird zweitens der Wirklichkeitsbegriff in Frage gestellt. Wirklichkeit als soziales Konstrukt erscheint nun als eine stärker subjektivierte Kategorie der Weltwahrnehmung und -deutung, jedenfalls nicht mehr als a priori gegebene Objektivität. Zu Beginn der Debatte um Definition und Wert von Stereotyp und Vorurteil schreibt Picht (1980: 121): Im landläufigen Verständnis sind Vorurteile etwas im doppelten Sinne Schlechtes: schlecht für den Beurteilten, da der Begriff ,Vorurteil‘ fast synonym mit ,negatives Urteil‘ gebraucht wird, schlecht aber auch für den Urteilenden, der sich bei mangelnder Objektivität ertappt fühlt, wenn man ihm Vorurteile vorwirft, diese Objektivität aber auch beim bestem Willen nicht dauerhaft leisten kann. Noch unklarer, so Picht, sei der Gebrauch des Begriffs Stereotyp. Er entwickelt dann eine auf die Sozialpsychologie des Deutschlandbildes zugeschnittene Definition: Vorurteile sind demzufolge Einstellungen zu einem Gegenstand, die schon vor einer intensiven Beschäftigung mit diesem (fremdkulturellen) Gegenstand vorhanden seien. Vorurteile, damit folgt er cum grano salis den Überlegungen von Allport ([1950] 1971), dienen dem Individuum bei der „Orientierung und Auswahl auf dem Weg durch die verwirrende und bedrohliche Fülle der Erscheinungen“ (Picht 1980: 121). Entscheidend für die Abkehr von älteren, rein kognitiven Modellen ist die These, dass ein Abbau von Vorurteilen
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„illusionär“ sei, zumal für Picht Fremd- und Selbstbild, das Urteil über die eigene wie über fremde Gruppen untrennbar verbunden sind (Picht 1980: 121⫺122). Seine Kritik richtet sich zugleich auch gegen eine Übernahme von Umfrageergebnissen aus der Stereotypenforschung, gegen deren quantifizierende Auflistung und Abfrage von Einstellungen anhand vorgegebener Eigenschaftslisten wie sie seit den 1930er Jahren immer wieder variiert wurden: „Die Art der Befragung strukturiert die Form des Urteils, das sie selbst zu ermitteln versucht, selbst vor. Sie setzt die Verallgemeinerung von Eigenschaften auf ganze Nationen als gegeben voraus, die dann als Vorurteil festgestellt wird“ (Picht 1980: 122). Um die „Subjekt-Objekt-Relation in der Beschäftigung mit anderen Ländern (…) sozialwissenschaftlich lokalisierbar und didaktisch nutzbar“ zu machen, fordert Picht, nicht ganze Länder oder grob bestimmte Sozialgruppen zu untersuchen, sondern „das Verhältnis zum Ausland in den Zusammenhang der sozialen und kulturellen Abläufe zu stellen“ (Picht 1980: 126). Damit sind sowohl soziale als auch psychologische Differenzierungen in die Stereotypenüberlegungen des Fachs Deutsch als Fremdsprache eingezogen. Stereotypen bzw. Vorurteile werden in ihrem sozialisatorischen Kontext, in ihrer sozialen Gebundenheit, in ihren psychologischen Gehalten und Funktionen, in ihrer Kommunizierbarkeit gesehen. Erweitert wird dieses Modell von Bausinger (1988). In einer kulturwissenschaftlich ausgerichteten Stereotypentheorie fragt er nach dem Wechselverhältnis von beobachteter Wirklichkeit ⫺ hier verstanden als Alltagsphänomene oder anthropologische Gegebenheiten ⫺ und Stereotypie. Er sieht in diesem Verhältnis weniger Prozesse der Fehlwahrnehmung, spricht im Gegenteil dem Subjekt das Recht auf seine subjektive Wahrnehmung zu. Stereotypen werden von Bausinger als „unkritische Verallgemeinerungen verstanden, die gegen Überprüfung abgeschottet, gegen Veränderungen relativ resistent sind. Stereotyp ist der wissenschaftliche Begriff für eine unwissenschaftliche Einstellung“ (Bausinger 1988: 160). Die Mängel dieser Form der nichtreflexiven Wahrnehmung und Verarbeitung der Außenwelt werden auch hier als solche anerkannt: Übergeneralisierung, Erstarrung, Immunisierung bleiben problematische sozialpsychologische Mechanismen des Alltagsbewusstseins und der Wahrnehmung. Stereotype enthalten für Bausinger jedoch durchaus auch positive Elemente: (1) Stereotypen sei ein relativer Wahrheitsgehalt beizumessen, (2) Stereotype könnten als Ordnungskategorien gesehen werden, die Komplexität reduzieren und somit eine wichtige Orientierungsfunktion für das Subjekt besitzen, (3) sie böten Identifikationsmöglichkeiten an, Stereotype haben so auch eine „realitätsstiftende Wirkung“. (Bausinger 1988: 161) Mit diesem Paradigmenwechsel, mit der Anerkennung der Komplexität einerseits und der Enttabuisierung sowie Entmoralisierung andererseits, werden ⫺ wie dies auch von Picht aufgezeigt wird ⫺ Stereotype, Fremdbilder selbst zu einem Unterrichtsgegenstand. Das Ziel ist nun nicht mehr Vermeidung oder Eliminierung; Stereotype, so Bausinger, „sind aufzuheben (…) im dreifachen Sinne: Sie sollen beseitigt werden, aber auch aufbewahrt und auf eine höhere Stufe gehoben. Diese höhere Stufe ist dann erreicht, wenn ihnen mehr Komplexität zugeführt, wenn sie relativiert und erklärt werden“ (Bausinger 1988: 168⫺169). Diese Forderungen scheinen, wenigstens partiell, in der Unterrichtspraxis und in der Lehrwerksentwicklung rasch aufgenommen worden zu sein. Die in dieser Zeit erschienenen Lehrwerke wie „Sichtwechsel (neu)“ (Bachmann, Gerhold, Müller und Wessling
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1995/96) oder das kontrastiv ausgerichtete deutsch-amerikanische Landeskundelehrwerk „Typisch deutsch?“ (Behal-Thomsen, Mog und Lundquist-Mog 1993) nutzen wie viele nachfolgende Lehrwerke die Thematisierung gegenseitiger Wahrnehmung und zwischenkultureller Beziehungen als Einstieg in eine Auseinandersetzung mit der Zielsprachenkultur und den eigenen Bildern von ihr. Einmal relativiert oder fast schon enttabuisiert, können Stereotype auch unkritisch zum Unterrichtsgegenstand ohne weitergehende Zielsetzung erhoben werden (vgl. Steinmann 1992: 222). Die Einebnung des Postulats nach einer möglichst vorurteilsfreien Kommunikation (vgl. Götze 1993) als Voraussetzung zu dieser und dem Postulat der Berücksichtigung von Stereotypen als Erkenntnismittel im Unterricht zeigt die Crux eines theoretisch wie empirisch wenig fundierten Problembereichs des Fachs. Eigenschaftslisten, um ein gar nicht so seltenes Beispiel zu nennen, die der sozialpsychologischen Empirie als längst nicht mehr unumstrittenes methodisches Werkzeug dienen, werden im Unterricht zu einer bloßen Reproduktion von Stereotypie.
2. Fremdbild-Konzept ür das Fach Deutsch als Fremdund Zweitsprache Kennzeichnend für die meisten theoretischen Ansätze zu Stereotypen und Vorurteilen im Fach Deutsch als Fremdsprache ist eine Betonung sehr allgemeiner sozialpsychologischer Phänomene und die Orientierung an klassischen sozialpsychologischen Studien bzw. an Ergebnissen der publizistisch orientierten Demoskopie. Aufgrund der Wahl dieser Zugänge bleibt ihr Aussagewert vergleichsweise gering. Um es pointiert zu fassen: Die Amerikaner, die Polen, die Afrikaner etc. haben kein jeweils so homogenes Bild, dass sich daraus sprach- und landeskundedidaktische Schlüsse ziehen ließen, ganz abgesehen davon, dass diese Stereotype eben abstrakte Forschungskonstrukte, Produkte spezifischer sozialwissenschaftlicher Methodiken sind. Aus diesem Grund wird hier eine um eine historisch-kulturelle und individualpsychologische Dimension erweiterte Konzeption der Fremdbilder und Fremdwahrnehmung vorgeschlagen, die sowohl subjektive als auch kollektive Dimensionen berücksichtigt und Fremdbilder somit aus einer engen, nationalkulturellen Sicht herauszulösen vermag. Zu fragen ist nach der Genese von Bildern, nach den sozialen und kulturellen Bedingungen des Bilderwerbs, ihrer Tradierung, den kultur- und gruppenspezifischen Bedingungen der Fremdwahrnehmung, nach ihrer sozialen und kulturellen Ausprägung sowie ihrer individuellen wie kollektiven Funktion (vgl. Mog und Althaus 1992: 20⫺29).
2.1. Genese und Tradierung von Fremdbildern Die „Bestimmung des Charakters einer Person nach ihrem Herkunftsland“ gewinnt im Übergang zur Neuzeit eine immer größere Bedeutung (Stanzel 1997: 19). Traditionelle, meist sozial geprägte Charakter- oder Verhaltenstypen werden ethnisiert, formen sich in der Epoche des Nationbuilding zu Nationalcharakteren. Quellen dieser Auto- und Heterosterotype sind unterschiedliche, oft weit zurückreichende Wahrnehmungsmuster, die auf christliche Morallehre (Sieben Todsünden) ebenso rekurrieren wie auf die antike Vorstel-
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lung vom Barbar, auf vormoderne Wissenschaftskonzepte wie die Humoral- oder Klimazonenlehre (vgl. Stanzel 1997). Tradiert werden solche ethnisch-nationalen Charaktertypen über bildliche und schriftliche Medien (erstmals in nuce in den Eigenschaftslisten der Völkertafeln des 18. Jahrhunderts), Reiseberichte und ethnographische Literatur ebenso wie (Typen-)Komödien oder Malerei etc. Fremdbilder „sind notwendigerweise immer um Grade stereotyper“ als Bilder von der eigenen Gesellschaft, „d. h. das Ausmaß der ihnen zugrundeliegenden Verallgemeinerungen ist größer als beim Selbstbild, bei dem ja immer die autoptische Erfahrung des Beobachters an seiner unmittelbaren heimatlichen Umgebung zumindest partiell und lokal als Korrektiv gegen die Verallgemeinerung wirksam wird. Räumliche Distanz und Grad der Fremdheit sind also als Parameter der Stereotypie zu berücksichtigen“ (Stanzel 1997: 33). Hinter dieser historisch-literarischen Dimension macht Stanzel auch eine psychologische aus: Stereotype, Fremdbilder lassen „zwei konträre Manifestationen eines psychischen Grundmusters, nämlich der Unsicherheit über die eigene Identität, erkennen: Aversion gegenüber und Furcht vor dem Fremden, Xenophobie, und Überzeugung von der eigenen moralischen Überlegenheit, Ethnozentrik“ (Stanzel 1997: 33). Dieser literaturwissenschaftlichen und geistesgeschichtlichen Analyse von Fremdbildern entsprechen zwei weitere Ansätze, die über die Genese von Fremdbildern und deren Tradierung Auskunft geben können. Die Überlegungen zum „kollektiven Gedächtnis“ von Maurice Halbwachs (1985) und darauf aufbauend die zum „kulturellen Gedächtnis“ der Forschergruppe um Jan und Aleida Assmann (1988, 1991) können die Frage der Genese von Fremdbildern weiter klären. A. Assmann (1991, 2008), wie auch Weinrich (1964) gehen davon aus, dass Gedächtnis sich in Form eines „Magazins“, eines (imaginären) Raums, manifestiere. Soziale Kommunikation oder künstlerische Objektivationen speichern und tradieren Erinnerung, die mit dem Gedächtnis ein Begriffspaar bildet, wonach unter Erinnerung der „akute Vorgang des Einprägens und Rückrufens spezifischer Inhalte“ zu verstehen wäre, unter Gedächtnis eine „virtuelle Fähigkeit“, ein „organisches Substrat“ (A. Assmann 1991: 14). „Das ,kollektive Gedächtnis‘ ist ein Oberbegriff für all jene Vorgänge organischer, medialer und institutioneller Art, denen Bedeutung bei der wechselseitigen Beeinflussung von Vergangenem und Gegenwärtigem in soziokulturellen Kontexten zukommt“ (Erll 2005: 5⫺6). Entsprechend wird der Oberbegriff des kollektiven Gedächtnisses ausdifferenziert in kulturelle, kommunikative, historische, soziale, mediale Gedächtnisse (Erll 2005). Wie in einem Magazin, einem „Archiv“ (J. Assmann 1988), sind im kommunikativen Gedächtnis alltägliche, im kulturellen Gedächtnis alltagsferne Wissensbestände aufbewahrt. Erinnerung wird durch Riten, Feste, Bilder, Texte wach gehalten und aktualisiert. Neuere Definitionen von Stereotypie in der Sozialpsychologie weisen bei allen sonstigen Unterschieden hier auch eine Konvergenz mit der kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung auf, indem Stereotype als „kognitive Strukturen“ verstanden werden, „die sozial geteiltes Wissen über die charakteristischen Merkmale von Angehörigen sozialer Kategorien enthalten“ (Eckes 2008: 97).
2.2. Wahrnehmungsmuster Fremde und Fremdes werden in tradierten, sozial und kulturell vermittelten Mustern wahrgenommen. Dabei spielt die direkte wie die mediale Kommunikation in spezifischen sozialen Feldern, Gruppen, Milieus eine ebenso große Rolle wie gruppen- oder indivi-
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dualpsychologische Mechanismen. Offenheit gegenüber dem oder Abwehr des Fremden entscheidet sich entlang zweier Grundlinien: Xenophobie oder Faszination. Sie werden sozial als Habitus (im Sinne Bourdieus) vermittelt, sind normativ bestimmt als grundlegende politische, soziale, ethische, religiöse Einstellung. Die Ethnopsychoanalyse, insbesondere Erdheim (1988), sieht hierin die Wurzeln des Verhältnisses zum Fremden. Ausgehend von der Beobachtung, dass die erste Erfahrung des Fremden in der frühkindlichen Phase angstauslösend ist, wobei alles fremd ist, was Nicht-Mutter, genauer: nicht Mutterrepräsentanz, ist und die Vaterrepräsentanz als erste Kulturimago erscheint, ist anzunehmen, dass die „Repräsentanz des Fremden ebenso entwicklungsfähig oder stagnierend sein kann wie diejenigen von Mutter und Vater; sie kann ⫺ kontaminiert von den elterlichen Repräsentanzen ⫺ die archaischen Züge behalten, die wir in vielen Feindbildern erkennen können, oder sie reift mit der Ich-Entwicklung heran zu einem das Interesse und die Neugier wachhaltenden Moment des Lebens“ (Erdheim 1988: 240). Fremdes kann demnach in zwei prototypischen Formen wahrgenommen und erlebt werden: als Bedrohung des eigenen Ichs oder als Faszination. Auf das individuelle Verhältnis zum Fremden übertragen heißt das jedoch, dass eine Trennung zwischen richtigen, d. h. positiven, und falschen, d. h. negativen Fremdbildern analytisch falsch ist. Auch bei positiv gefärbten Fremdbildern kann es sich um Projektionen handeln, wie z. B. der Topos von den „edlen Wilden“ zeigt: Diese haben offensichtlich die Angstschwelle der europäischen Seefahrer und v. a. der Leser ihrer Reiseberichte nicht überschritten; dienen ihnen als Objekt kultureller, politischer, sozialer und auch männlich-sexueller Projektion. Im Falle der Xenophobie wie der Xenophilie finden sich wesentliche Elemente des Fremdbilds, die nicht dem Objekt (dem Fremden), sondern dem Subjekt (dem Individuum) eignen. Hierin liegt einer der entscheidenden Gründe für die Resistenz von Stereotypen und Vorurteilen gegen Aufklärung.
2.3. Kulturspeziik, Funktionen von Fremdbildern Als Sozialisationsprodukt ist das Verhältnis von Individuen zum Fremden in kulturelle und soziale Strukturen eingeflochten. Die unbewussten Reaktionsweisen in der Begegnung mit dem Fremden, die affektiven Anteile, die psychischen Mechanismen wie Projektionen, Gegenübertragungen, Angst, Abwehr, Faszination etc. stellen mithin nichts anderes dar als eine offene Matrix, die mit einer gesellschaftlich vorgeprägten Bildwelt gefüllt wird. Man bedient sich vorgefundener, medial vermittelter Bilder. Gebunden an das soziale Gedächtnis einzelner Gruppen, werden komplexe Vorstellungen von anderen Ländern, sozialen Gruppen, Gegenständen etc. übermittelt, perspektiviert und in das eigene Sinnsystem integriert. Familienmythologien, mediale Informationsversatzstücke, auch Wunschbilder, werden im Laufe der Sozialisation nur bedingt zusammenhängende Bildelemente angesammelt und formen komplexe Fremdbilder, die Teil des Habitus, also inkorporiert sind. Die zentrale Frage der sozialpsychologischen Stereotypenforschung lautet: Wie kongruent oder inkongruent sind Äußerungen über Fremdes mit der Wirklichkeit? Indem sich Wirklichkeit jedoch erst aus der Erfahrung der Subjekte und gesellschaftlichen Gruppen, aus ihrer Kommunikation konstituiert und damit ein sich wandelndes Konstrukt ist, muss die Fragerichtung umgekehrt werden. Entscheidend ist nicht die Distanz zu einer normativ festgelegten Wirklichkeit, entscheidend ist die psychologische, soziale,
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kulturelle Funktion der Bilder für das Individuum bzw. für die Gruppe, der das Individuum angehört. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um nationalkulturelle Stereotype handelt. Nicht der Wahrheitsgehalt selbst ist entscheidend, vielmehr sind es die identitätsstiftenden oder -stabilisierenden Funktionen der Fremdbilder, sei es für die Nation als Ganze, die sich in der Diskriminierung anderer selbst erhöht, sei es in der Faszination an der Exotik, die individuell unterdrückte Wünsche auf den anderen projiziert.
3. Schlussolgerungen ür den Unterricht Deutsch als Fremd- und Zweitsprache Diese hier nur grob skizzierten Erscheinungsformen und Funktionen von Fremdbildern sind nicht unmittelbar auf die Unterrichtspraxis, die Konzeption von Lehrwerken oder die Formulierung von Unterrichtszielen zu übertragen. Wenn der Einstein zugeschriebene Satz zutrifft, dass Atome leichter zu spalten seien als Vorurteile, dann ist zu erahnen, wie groß (sprach-)pädagogische Anstrengungen zur Korrektur sozial unerwünschter Fremdbilder sein müssten. Der Unterricht Deutsch als Fremd- und Zweitsprache hat mit den genannten, fest verankerten, teils über lange Zeiträume tradierten Vorstellungen vom Fremden zu rechnen; das gilt für Lernende nicht weniger als für Lehrende. Fremdbilder entstammen einem weit zurückreichenden „Archiv“, dem kulturellen, kommunikativen und sozialen Gedächtnis. Daher unterliegen sie einer starken Abhängigkeit von gesamtgesellschaftlichen Faktoren. Die individuelle Korrektur von Fremdoder gar Feindbildern kann ohne Berücksichtigung politischer Rahmenbedingungen nicht gelingen. Gerade politische Umbrüche bewirken immer auch kollektive Umbrüche von Bildern. Fremdbilder sind sozial als Habitus verankert. Die Zugehörigkeit zu sozial definierten Großgruppen (und in westlichen Industriegesellschaften im Zuge der Individualisierung zunehmend zu Milieus oder Szenen) bedingt bestimmte Haltungen und Einstellungen, die kognitiver Korrektur kaum zugänglich sind. Bildveränderungen sind hier untrennbar mit weitergehenden Reflexionen über den eigenen Habitus verbunden, sie fordern eine Reflexion der eigenen Kultur. Wo Sprache und Kultur integriert vermittelt werden, besteht die Chance, Fremdes und Eigenes im Vergleich zu relativieren. Fremdbilder haben eine ambivalente Struktur. Faszination und Angst, Offenheit und Abwehr sind die beiden Seiten einer Medaille. Fremd- und Zweitsprachenunterricht, insofern er zur interkulturellen Kommunikation anleitet, hat somit auch die Chance, Ängste abzubauen, Faszination zu nutzen, Handlungsfähigkeit in der Fremde und mit den Fremden aufzubauen. Sprachkompetenz und Sachwissen für sich genommen reichen dazu ebenso wenig aus wie Diskretion und Höflichkeit als Prinzipien des Umgangs in der interkulturellen Kommunikation. Sie sind jedoch unverzichtbare Voraussetzungen. Fremdbilder sind auch variabel und in der Interaktion labil, sind Veränderungen somit prinzipiell zugänglich. Aufklärung, Wissen und Sprachkompetenz allein, Austausch und autoptische Anschauung bleiben für sich genommen untaugliche Mittel. Akzeptiert man jedoch die psychischen, sozialen und kulturellen Wurzeln und interpretiert sozial unerwünschte Fremdbilder nicht als bloß falsche Wirklichkeitssicht, lassen sich gerade in der sprachlich vermittelten Auseinandersetzung mit anderen Kulturen Toleranzkonzepte entwickeln.
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4. Literatur in Auswahl ABCD-Thesen zur Rolle der Landeskunde im Deutschunterricht 1990 IDV-Rundbrief 45, Sept. 1990: 15⫺18. Allport, Gordon W. 1971 Die Natur des Vorurteils. Hg. u. komm. v. Carl Friedrich Graumann. Köln: Kiepenheuer & Witsch [1950]. Assmann, Aleida 1991 Zur Metaphorik der Erinnerung. In: Aleida Assmann und Dietrich Harth (Hg.), Mnemosyne. Formen und Funktionen der kulturellen Erinnerung, 13⫺35. Frankfurt a. M.: Fischer Wissenschaft. Assmann, Aleida 2008 Einführung in die Kulturwissenschaft. Grundbegriffe, Themen, Fragestellungen. 2. Aufl. (Grundlagen der Anglistik und Amerikanistik 27). Berlin: Erich Schmidt Verlag. Assmann, Jan 1988 Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität. In: Jan Assmann und Tonio Hölscher (Hg.), Kultur und Gedächtnis, 9⫺19. Frankfurt a. M.: Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft. Bachmann, Saskia, Sebastian Gerhold, Bernd-Dietrich Müller und Gerd Wessling 1995/1996 Sichtwechsel. Mittelstufe Deutsch als Fremdsprache. 3 Bde. München etc.: Klett. Bausinger, Hermann 1988 Stereotypie und Wirklichkeit. Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 14: 157⫺170. Behal-Thomsen, Heinke; Angelika Lundquist-Mog und Paul Mog 1993 Typisch deutsch? Arbeitsbuch zu Aspekten deutscher Mentalität. München/Berlin: Langenscheidt. Eckes, Thomas 2008 Messung von Stereotypen. In: Lars Eric Petersen und Bernd Six (Hg.), Stereotype, Vorurteile und soziale Diskriminierung. Theorien, Befunde und Interventionen, 97⫺110. Weinheim/Basel: Beltz. Erdheim, Mario 1988 Die Psychoanalyse und das Unbewußte in der Kultur. Aufsätze 1980⫺1987. Frankfurt a. M.: Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft. Erll, Astrid 2005 Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Eine Einführung. Stuttgart/Weimar: Metzler. Götze, Lutz 1993 Kultur, Kulturbegriff, Kulturpolitik. Zielsprache Deutsch 24(1): 52⫺56. Grünewald, Matthias 2005 Bilder im Kopf. Eine Logitudinalstudie über die Deutschland- und Deutschenbilder japanischer Deutschlernender. München: iudicium. Halbwachs, Maurice 1985 Das kollektive Gedächtnis. Mit einem Geleitwort zur deutschen Ausgabe von Hans Maus. Frankfurt a.M: Fischer Wissenschaft. Lippmann, Walter F. 1964 Die öffentliche Meinung. München: Rütten & Loening [1922, Public Opinion. New York: Macmillan]. Mog, Paul, in Zusammenarbeit mit Hans-Joachim Althaus (Hg.) 1992 Die Deutschen in ihrer Welt. Tübinger Modell einer integrativen Deutschlandkunde. Berlin etc: Langenscheidt. Petersen, Lars Eric und Bernd Six (Hg.) 2008 Stereotype, Vorurteile und soziale Diskriminierung. Theorien, Befunde und Interventionen. Weinheim und Basel: Beltz.
159. Vergleichende Kultur- und Mentalitätsforschung
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Picht, Robert 1980 Interesse und Vergleich: zur Sozialpsychologie des Deutschlandbilds. Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 6, 120⫺132. Ropers, Norbert 1990 Vom andern her denken. Empathie als paradigmatischer Beitrag zur Völkerverständigung. In: Reiner Steinweg und Christian Wellmann (Red.), Die vergessene Dimension internationaler Konflikte: Subjektivität, 11⫺150. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Stanzel, Franz K. 1997 Europäer: ein imagologischer Essay. Heidelberg: Winter. Steinmann, Siegfried 1992 Vorurteile? Ja, bitte! Plädoyer für den redlichen Umgang mit Vorurteilen im Fremdsprachenunterricht. Zielsprache Deutsch 23(4): 217⫺224. Weinrich, Harald 1964 Typen der Gedächtnismetaphorik. Archiv für Begriffsgeschichte 9: 23⫺26.
Hans-Joachim Althaus, Hagen (Deutschland)
159. Vergleichende Kultur- und Mentalitätsorschung 1. 2. 3. 4.
Kultur, Mentalität, Vergleich Forschungsansätze einer vergleichenden Kultur- und Mentalitätsforschung Kultur als Kultext Perspektiven einer vergleichenden Kultur- und Mentalitätsforschung in Deutsch als Fremdund Zweitsprache 5. Literatur in Auswahl
1. Kultur, Mentalität, Vergleich Mit der anhaltenden weltweiten Migration, bedingt durch die zunehmende Eskalation ethnischer, religiöser, wirtschaftlicher, sozialer und politischer Spannungen und Konflikte, ökologischer Probleme sowie einer globalen Vernetzung differenziert sich auch unsere Gesellschaft in vielfältig multikulturell beeinflusste Orientierungssysteme (Thomas 1993: 380) aus. In Kontakt mit Menschen anderer Kulturen, dem Austausch von implizit kulturell belegten Informationen und Eindrücken wachsen die Anforderungen an den Einzelnen und die Gesellschaft, das Fremde in seiner kulturellen Prägung wahrzunehmen, im interkulturellen Dialog Differenzen abzubauen und das Gemeinsame zu fördern. Die vergleichende Kultur- und Mentalitätsforschung beabsichtigt, die inneren Beziehungen, den Zusammenhalt und die Veränderung von Gesellschaft bzw. eines typischen Orientierungssystems herauszuarbeiten und vergleichend einem (oder mehreren) weiteren Orientierungssystem(en) gegenüberzustellen. Sie bietet in Deutsch als Fremd- und Zweitsprache die Möglichkeit, Fremdkulturelles und Eigenkulturelles wahrzunehmen, zu erkennen und folgend in der Auseinandersetzung mit Angehörigen anderer Kulturen die
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individuelle Kompetenz ⫺ das (implizite) Wissen als Mitglied einer Kultur um die zentralen Bedeutungen und Regeln der eigenen und fremden Kultur, die nicht abfragbar oder reflektiert, sondern im Handeln erkennbar sind (Vester 1996: 99⫺101) ⫺ auszubauen und ein erweitertes Kulturverständnis aufzubauen. Die Debatte, an welchem Ort die Erkenntnisse einer vergleichenden Kultur- und Mentalitätsforschung im fremdsprachlichen Unterricht Einzug finden sollten, muss über die Erörterung der nicht unproblematischen und in den letzten Jahren viel diskutierten Begriffe von Kultur und Mentalität erfolgen. Dies wird in der Vielfalt der Kulturdefinitionen deutlich. Der Kulturpsychologe Thomas definiert in Weiterentwicklung des Kulturstandardmodells von Hofstede (1980/1993) Kultur als ein Orientierungssystem, das aus spezifischen Symbolen gebildet und in der jeweiligen Gesellschaft tradiert wird. Sie strukturiert „ein für die sich in der Gesellschaft zugehörig fühlenden Individuen spezifisches Handlungsfeld und schafft damit die Voraussetzung zur Entwicklung eigenständiger Form der Umweltbewältigung“ (Thomas 1993: 380). Über die Beachtung zentraler Merkmale des kulturspezifischen Orientierungssystems, den sog. „Kulturstandards“, d. h. allen „Arten des Wahrnehmens, Denkens, Wertens und Handelns […], die von der Mehrzahl der Mitglieder einer bestimmten Kultur als für sich persönlich und andere als normal, selbstverständlich, typisch und verbindlich angesehen werden“ (Thomas 1993: 381; 1999: 109⫺110) können im interkulturellen Vergleich Unterschiede und Gemeinsamkeiten festgestellt werden. Altmayer wendet sich gegen dieses von Hofstede und Thomas entwickelte Konzept einer Kulturstandardtheorie und kritisiert die Festlegung von Kulturstandards als zu weit homogenisierend, (stereo-)typisierend und die Individuen determinierend. Zugleich betont er weniger einen normativ gefassten Kulturbegriff etwa wie ihn Götze vertritt (Götze 2005: 131⫺135), sondern sieht Kultur in einer Trägerfunktion, die „uns vor allem mit einem Repertoire an gemeinsamen Wissen versieht, das dazu dient, uns selbst, unsere Umwelt und unserem Handeln Sinn zu geben“ (Altmayer 2006: 184). Hier nähert sich Altmayer Bausinger, der mit dem Begriff der kulturellen Komplexität auch abweichenden Kulturwerten, Werten, die von alterierenden Verhaltensformen ganzer Gruppen in unserer Gesellschaft ständig von Neuem definiert werden (intragesellschaftlicher Kulturbegriff) und die durch die Aktivitäten aller Mitglieder als Mitgestalter der kulturellen Einmaligkeit einer Gruppe geformt wird, ihr eigenes Recht zuerkennt und eben damit einem mehr subjektorientierten, vom jeweiligen Angehörigen einer Kultur her zu denkenden, Kulturverständnis den Weg bahnt (Bausinger 1999: 227⫺228). Hansen differenziert in diesem Zusammenhang in Mono-, Multi-, Super- und Globalkollektive mit jeweils bestimmenden kulturellen Identifikationsangeboten und verweist so auf die Pluralität von Kollektiven (2003: 194⫺206). Zugleich trägt dieser Ansatz der Entwicklung des Individuums in einer postmodernen Gesellschaft Rechnung, da es sich je nach Kontext mit wechselnden Gruppen/Kollektiven identifiziert und somit eine Identität entwickelt, die eine hybridhafte Kombination oder Konstellation von Identitätsbruchstücken darstellt. Individuen können als Mitglieder verschiedener Kollektive eine außerordentliche Heterogenität und Diversität aufweisen und sich dennoch mit ihrer Sprach- und Kulturgemeinschaft identifizieren. „In unterschiedlichen Kommunikationssituationen kann das Individuum jeweils neue Formen der Identität testen“ (Teske 2002: 173). Kultur wird damit zu einer imaginären Konstruktion „aus einer Vielzahl von Praktiken, die potentiell vieldeutig sind und erst in ihrer Realisierung (u. a. mit Blick auf Sprecher und Kontext) eine Bedeutungseinschränkung erfährt“ (Teske 2002: 24).
159. Vergleichende Kultur- und Mentalitätsforschung
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Wenn Altmayer Kultur also definiert als einen „Vorrat an vorgängigem, in Tradition und Sprache gespeichertem und überliefertem Wissen (Deutungsmuster) (…), das innerhalb sozialer Gruppen zirkuliert und auf das die Individuen zum Zweck der deutenden Herstellung einer gemeinsamen Welt und Wirklichkeit und einer gemeinsamen Handlungsorientierung zurückgreifen können und müssen“ (2006: 191), so betont er in erster Linie die eigenverantwortlich intendierte Entscheidungsfreiheit des Subjektes in jeder Phase seines Seins, in dem das Individuum auf einen Vorrat an kulturellem Wissen zurückgreifen kann (2006: 186) und bewusste Entscheidungen über seine Handlungsweisen trifft, die sinngebend sind. Dieses eher vom Individuum her gedachte, subjektorientierte Verständnis von Kultur birgt allerdings in strikter Abgrenzung zur objektivistischen Determinierung das Risiko, eine mehr oder weniger starke Prägung der individuellen Mentalität bzw. Weltsicht durch gemeinsame, spezifisch kulturelle Phänomene der Geschichte, Geographie, Religion, Sitten, Bräuche, Politik usw. zu vernachlässigen. Die Konstruktion der individuellen Identität ist ein sozialer Prozess, vermittelt durch die kulturell vorgegebenen Sozialisierungsinstanzen bzw. -institutionen wie Familie, Schule, Peer Group, Berufsfeld, wobei wesentliche Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmuster als kollektivinterne Emotionen, Wertvorstellungen und Normen in das individuelle Bewusstsein aufgenommen und internalisiert werden. Kultur ist zusammenfassend zu verstehen als etwas Dynamisches, vielfach Differenziertes, Prozesshaftes und Deskriptives, als ein bestimmtes Repertoire an Bedeutungsmustern und Zeichensystemen (Kulturstandards wie Werte, Normen, Bräuche und allgemeine Wissensbestände wie Traditionen, Rituale, Glaubensvorstellungen, Mythen), über das Gruppen, Kollektive, Organisationen oder Gesellschaften zu einem bestimmten, immer wieder neu zu definierenden Zeitpunkt ihrer Entwicklung verfügen und damit Orientierungsfunktion besitzen. In ihrer Orientierungsfunktion sind Bedeutungs- und Zeichensysteme bzw. Symbolsysteme fortwährend Veränderungen der Lebensverhältnisse unterworfen, wobei Elemente einer Kultur in unterschiedlichen Situationen unterschiedlich eingebracht werden („kulturelle Flexibilität“) und ein ständiger Austausch von kulturellen Informationen zwischen Kulturen stattfindet. Kulturelle Bedeutungsmuster lassen Raum für Deutungen und Interpretationen. Der Einzelne wird durch die intrakulturellen Bedeutungsmuster beeinflusst, aber nicht völlig dominiert, indem er seine Umwelt, seinen sozialen Kontext beeinflusst und in ständigem Austausch mit diesen (historische) Bedeutungsmuster mehr oder weniger verändert (Biechele und Leiprecht 1996: 33⫺35; Wolf 2001: 1182). Mit dem Begriff der Kultur eng verbunden ist der der Mentalität. Kultur verbindet mit Mentalität, dass sie „keine historische, gleichsam naturhafte Größe darstellt, sondern selbst ein Produkt sozialer Prozesse und damit eine historische (…) veränderliche Größe ist“ (Vester 1996: 14). Der Bestand dessen, womit eine jeweilige Gesellschaft und deren soziale Gruppen sowie deren Individuen stillschweigend rechnen, wird zum Gegenstand einer Mentalitätsforschung. Nicht mehr das Handeln der als fertig unterstellten Menschen, sondern der Prozess der Menschwerdung, der „subjektive Faktor“, wird zum Inhalt der Forschung, was u. a. dem lateinischen Wort mens als Wortwurzel von Mentalität zu entlehnen ist, dem neben der Bedeutung von Geist und Verstand ebenfalls der Gedanke der Sinnesart, des Gemüts bzw. der Gemütsaffekte zu Grunde liegt. Diese kollektiv geprägten individuellen Affekte und Sensibilitäten, der Bereich des Pathos, meinen demnach nicht nur Vorstellungen, Einstellungen und evtl. Regeln, sondern auch gefühls-
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mäßig getönte Orientierungen, die, wie Ortega y Gasset schreibt, profunde Glaubensgewissheiten des Menschen sind, die er kaum bewusst denkt, die er aber lebt, die er ist (Ortega y Gasset 1951: 20⫺24). Die Ideen eines Menschen sind austauschbar, während das Mentale, das Unmittelbare, das in seinem Ursprung Freiliegende der Person betrifft, und damit nicht nur sein Denken, sondern auch Empfindungen und Verhaltensweisen offenbart. „,Mentalität‘ meint etwas langfristiger und in ,tieferen‘ Schichten des (Un)Bewußtseins Angelegtes, das vor allem auch Affekte und Emotionen einbezieht“ (Vester 1999: 437). Dies verweist rückwirkend aber auch auf die nur begrenzte Freiheit des Individuums, sich eine kollektive Identität und Mentalität auszusuchen (Vester 1999: 440). Das Mentale manifestiert sich in Kommunikation und Verhalten (Gestik, Mimik, Proxemik, Prosodie usw.), aber auch in kulturell immanenter, charakteristischer Artikulation in Form von Artefakten und Mentefakten, deren individuelle Kulturträger das Individuum, und deren kollektiver Kulturträger die Gruppe ist. Der Vergleich ist, wie bereits Pauldrach (1992: 12) feststellt, die beliebteste Methode einer Gegenüberstellung von Kulturen. Im Vergleich von Mentalität und Weltsicht verschiedener Kulturen erfolgt vor dem Hintergrund des Wissens um die zu vergleichenden Phänomene und des Vergleichs unterschiedlicher individueller und kollektiver Sicht- und Deutungsweisen einer sich ständig verändernden Lebenswirklichkeit eine Kontrastierung explizit differenzierter kultureller Deutungsmuster sinngebenden Handelns. Der Vergleich in der landeskundlich orientierten Kultur- und Mentalitätsforschung ist als Mittel zur Erkenntnisgewinnung mit seiner Konnotation „Bewertung“ und der Gefahr der Typisierung (Stereotypenbildung) nur bedingt heranziehbar, insofern als verschiedene Orientierungssysteme, wie sie Kulturen darstellen, nie ein und derselben Ebene entstammen können (Wolf 2001: 1180). Wenn Pauldrach also den „alltäglichen“ Vergleich als Methode der Erkenntnisgewinnung kritisiert und aus diesem Grund das Wissen um die zu vergleichenden Gegenstände voraussetzt, die im interkulturellen Vergleich kontrastiert werden, so muss der Erkenntnis Raum gegeben werden, dass viele Erscheinungen in anderen Kulturen und Mentalitäten nicht vergleichbar sind, uns daher immer fremd, aber auch anziehend bleiben werden. Als Ziel der Erkenntnisgewinnung findet der Vergleich „seinen Platz am Ende des Verstehens- und Verständigungsprozesses zwischen zwei Gesellschaften und Kulturen“ (Pauldrach 1992: 13).
2. Forschungsansätze einer vergleichenden Kultur- und Mentalitätsorschung Gegenstand und Grundlage eines Vergleichs verschiedener Kulturen, Orientierungssysteme und Mentalitäten sind elementare Bedürfnisse und Erfahrungsbereiche, die alle Menschen betreffen und unabhängig vom Kulturkreis in jeder Kultur zu finden sind. In einer richtungsweisenden Studie vergleicht Hofstede (nationale) Kulturen „hinsichtlich ihrer grundlegenden Wertorientierungen“ miteinander, wobei er vier Strategien der Operationalisierung „mentaler Programme“ durchführt (Vester 1996: 60). So lasse sich eine nationale Kultur bzw. die Mentalität eines nationalen Kollektivs in vier Dimensionen beschreiben, die ein charakteristisches Profil dieser Kultur entwerfen: Individualismus/ Kollektivismus, Unsicherheitsvermeidung, Machtdistanz und Maskulinität/Feminität.
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Die vier Dimensionen erweiterte er in weiteren empirischen Arbeiten um eine fünfte, das Zeitbewusstsein (Hofstede 1993: 190, 2001: 79⫺372). Diese Dimensionen, die Neuner als „Universalien“ bzw. universelle/elementare Daseinserfahrungen ausdifferenziert (Neuner 1989: 361⫺362) unterscheiden sich in ihren Erscheinungsformen von Kultur zu Kultur z. T. erheblich. Sie gewinnen als Grundlage für die vergleichende Kultur- und Mentalitätsforschung im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache ihre Relevanz. Die konkreten Ausprägungen der typisierten anthropologischen Grundkategorien beschreiben Lebensweise, Denken und Fühlen der Menschen in der jeweiligen Zielkultur und geben damit als „tertia comparationi“ Inhalte vor, die mit den konkreten Ausprägungen der Ausgangskultur vergleichbar werden, wobei allerdings der eher eurozentrische Vergleich sehr unterschiedlicher Kulturen als nicht angemessen erkenntnisfördernd in Frage gestellt wird (Wormer 2007: 11). Ertelt-Vieth (2005) greift, diese Kritik beinhaltend und kulturtheoretisch aufbauend auf Geertz‘ semiotisches Verständnis von Kultur als „selbstgesponnenem Bedeutungsgewebe“ (Geertz 1999: 9) im Sinne einer vergleichenden Symbol- und Ritualforschung der interpretativen Kulturanthropologie, das in der russischen Ethnopsycholinguistik entwickelte Modell der „Lakunen“ auf und versucht in ihren empirischen Arbeiten zum russisch-deutschen Schüleraustausch interkulturelle Wahrnehmungs- und Lernprozesse verständlicher zu machen. Lakunen sind „kulturspezifische Elemente (Realia, Prozesse, Zustände) eines Textes (im weitesten Sinne), die den Erfahrungen der Träger einer anderen Kultur nicht entsprechen. Sie können das Verstehen erschweren, aber auch motivieren“ (2005: 74), und werden in subjekt-kulturpsychologische Lakunen, in Lakunen der Kommunikationsfähigkeit und Lakunen des kulturellen Raums eingeteilt und dabei vielfach differenziert (Ertelt-Vieth 2005: 75). Für die vergleichende Kultur- und Mentalitätsforschung sind sie insofern interessant, als sie per definitionem interkulturell ausgerichtet sind, weil sie nur in der Begegnung von Vertretern mindestens zweier Kulturen auftreten und als Basis der kulturvergleichenden Analyse von Verhalten, Sprache und Bedeutungen Anwendung finden (2005: 73⫺75), die Gefahr einer Subjektivierung aber nicht ganz ausschließen können. Ähnlich verweist Müller-Jacquier, auf die Interaktions- und Kommunikationsdynamik interkultureller Prozesse Bezug nehmend, auf den Begriff „Interkultur“, der eine kommunikative „Zwischenkultur“ bezeichnet, „die durch Kulturkontakt konstruiert wird“ (1999: 37). Demnach haben interkulturelle Kommunikationssituationen eine eigene, interaktive Dynamik, „in der Kommunikations- und Verhaltensregeln ausgehandelt werden und deren Verlauf durch diese Kommunikations- und Kulturstandards der Beteiligten nur in begrenztem Maße gesteuert wird und demzufolge vorhersehbar ist“ (Lüsebrink 2003: 314⫺315). Das von Müller-Jacquier entworfene, auch für kultur- und mentalitätsvergleichende Forschung interessante Raster für die Analyse interkultureller Kommunikationssituationen umfasst zehn Komponenten, die kultur- und mentalitätsbedingte Verhaltens- und Handlungsweisen, Unterschiede, aber auch Fehlinterpretationen und Missverständnisse, „Critical Incidents“, verständlich und damit über den Vergleich erklärbar und behandelbar machen können (1999: 57⫺99): soziale Bedeutung/Lexikon, Sprachhandlungen/Sprechhandlungssequenzen, Gesprächsorganisation, Themen, Direktheit/Indirektheit, Register, paraverbale und nonverbale Faktoren, kulturspezifische Werte/Einstellungen, kulturspezifische Handlungen (Lüsebrink 2003: 315⫺316). Mit der aktuellen Debatte um die Etablierung der Landeskunde als Kulturwissenschaft gewinnen Konzepte wie das einer xenologisch-transkulturellen (-transnationalen),
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vergleichenden, wissenschaftlichen Landeskunde von Wormer für die vergleichende Kultur- und Mentalitätsforschung an Interesse. In Abwendung der Gefahr der „Aporie der Totalität“ (Picht) fordert Wormer Forschungen zu „Phänomenen partieller gesellschaftlicher Wirklichkeit, verstanden als konkret faßbare Gegenstände“ (2007: 9), die die Lebenswirklichkeit individuellen und institutionellen Handelns aus pluriperspektivischer Tätigkeit kulturenübergreifend und disziplinkooperativ beschreibt. Eine eher vom Lerner her gedachtes Konzept verfolgt Altmayer, der die Landeskundeforschung „nicht primär über ihre Forschungsgegenstände, sondern über ihre erkenntnisleitenden Interessen“ (Altmayer 2006: 184) definiert und damit die Perspektive der Lernenden und die Lernprozesse in den Vordergrund rückt. In Anlehnung an Teske (2002: 63⫺186) schlägt er als Themenplanung einer diskursanalytischen Forschung im Rahmen der Kulturwissenschaft des Faches Deutsch als Fremdsprache ein Modell aus den vier übergeordneten Kategorien „Raum“, „Zeit“, „Identität“ und „Wertorientierungen“ vor, erweitert und mit jeweils wiederum spezifischen Themenzuordnungen versehen (z. B. bei der Kategorie „Identität“ mit Themen wie „nationale“, „regionale“, „soziale“ oder „Geschlechteridentität“). Dies stelle eine offene, klar strukturierte Liste dar, bei der die Einzelthemen durchaus das klassische Repertoire der Landeskunde abdecken, aber auch darüber hinausgehen und „kulturelle Deutungsmuster in einem rekonstruktiven Zugang sichtbar und dann letztendlich auch erlernbar“ (2006: 193) und vergleichbar machen können. Wenn Hofstedes Dimensionen, und damit auch implizit Daseinserfahrungen, Lakunen und andere interkulturelle Komponenten als strategisch günstige Ausgangspunkte für einen Kulturvergleich begrüßenswert sind, so dürfen u. a. folgende Kritikpunkte an Hofstedes Arbeit nicht außer Acht gelassen werden: Trotz eines gemeinsamen Fundus aus kollektiven und individuellen mentalen Mustern kann nicht von einer gemeinsamen, relativ homogenen nationalen Kultur ausgegangen werden. Transnationale Organisationen, wie sie Hofstede oder Thomas (Thomas 1999: 116⫺120) untersuchen, stehen nicht repräsentativ für mentale Programme der Bevölkerung bzw. eines definierten Kollektivs wie das der Nation. Die Entwicklung der letzten zwei Jahrzehnte hat gezeigt, dass eine Ausdifferenzierung der Gesellschaft erfolgte, die eine repräsentative empirische Erhebung im Bereich der Kultur und Mentalität erschwert. Weiterhin mag die „Konzentration auf Wertorientierungen (…) einen Ausgangspunkt für vielschichtigere Kulturvergleiche“ (Vester 1996: 78⫺79) darstellen, doch ob sie individuelle wie kollektive Mentalitäten in ihrer Dynamik ausführlich erfassen, sei dahin gestellt. Das Interesse, kulturelle Unterschiede kontrastreich gegenüberzustellen, birgt in der Praxis die Gefahr, „daß Kulturen auf dichotomisch konstruierte Leistungen gespannt werden (monochron vs. polychron, low-context culture vs. high-context culture etc.) mit der Tendenz zur Stereotypisierung oder Karikierung kultureller Vielschichtigkeit.“ (Vester 1999: 443) Sicher dient eine wissenschaftliche Vorgehensweise den Inhalten eines Unterrichts in Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, doch muss eine Konkretisierung und Didaktisierung der vorliegenden kultur- und mentalitätsvergleichenden Konzepte erfolgen, die nicht nur im Singulären verhaftet bleiben, sondern übergreifend ein System von Verbindungen schaffen, die die Lebenswirklichkeit der Lerner integrieren. Hier bieten beispielsweise die vergleichenden Modelle von Neuner, Müller-Jacquier und Altmayer auf Grund ihrer differenzierenden Offenheit viele Möglichkeiten und Ansätze zum kontrastiven Vergleich. Wichtig wird aber bleiben, ein Beschreibungsmodell zu entwickeln, das die vielfältigen Aspekte anthropologischer Grundkategorien bzw. übergeordneter Katego-
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rien netzwerkartig miteinander verbindet und damit die Verflechtung menschlicher Lebenswirklichkeit aufzeigt. Dies muss unter besonderer Berücksichtigung unseres deutschsprachigen Kulturraums in seiner Verschiedenheit erfolgen.
3. Kultur als Kultext Der Integration und Akkulturation der in Deutschland lebenden Migranten stehen häufig unüberwindbare Barrieren gegenüber, weil deren lebensweltliche Voraussetzungen völlig andere Implikationen mit sich führen als die, die in deren soziokultureller Wirklichkeit gegeben sind. Soziokulturelle Wirklichkeit wird als die Gesamtheit der auf ein Individuum einwirkenden Prozesse verstanden, die sein Leben und Handeln prägend beeinflussen, im Wechselspiel von elementaren Erfahrungs- und Sozialisierungsprozessen sein Bewusstsein formen und als Mentalität konstruieren sowie sein kulturelles Wissen in einer Gesellschaft entwickeln. Diese Inkongruenz, in der die Menschen leben, verstärkt die Ausprägung jeweilig spezifischer Denk- und Handlungsmodelle, denen unterschiedliche Parallel-Welten bzw. Konzeptionen von Lebenswirklichkeit zu Grunde liegen. Für einen interkulturellen Unterricht in Deutsch als Fremd- und besonders Zweitsprache stellt sich die Frage, wie die in einer vorgegebenen Lebenswirklichkeit zu vermittelnden Kenntnisse von Regeln, Normen, Werten einer Gesellschaft, einer Kultur und die daraus resultierenden Verhaltens- und Handlungsmuster, die sich in den unterschiedlichen Alltagssituationen manifestieren, zu didaktisieren sind. Dies setzt ein Beschreibungsmodell voraus, das von einem kulturellen Fundament ausgeht, das einerseits die Basis für die im Interkulturellen geforderte Empathie, Ambiguitätstoleranz und Sensibilisierung bietet, Gemeinsames betont und Unterschiede benennt, andererseits aber auch auf kulturellem und mentalitätsorientiertem Feld Möglichkeiten für Vergleiche erschließt, das jeweilige kulturelle Wissen systematisiert und dadurch eine Didaktisierung ermöglicht. Ein solches Modell ist Kultur als Kultext. Kultext meint in diesem Zusammenhang die Verflechtung von Bestandteilen des kulturellen Wissens und des Bewusstseins eines Individuums und Kollektivs, ein Netzwerk aus Wissensbeständen aller Art, das nicht nur die kognitive Komponente umfasst, sondern auch Erfahrungen, Erwartungen, Einstellungen, Wahrnehmungs-, Denk- und Verhaltensweisen beinhaltet, die vom Mentalen konstruiert werden und damit nicht unmittelbar offen liegen. Gleichsam synaptischen Konnektoren beeinflussen und bedingen sie sich wechselseitig und bringen sich zugleich gegenseitig hervor, erzeugen einander. Hinter dem Terminus Kultext verbirgt sich die Erkenntnis, dass alle Aspekte der Lebenswirklichkeit auf enge Weise miteinander verflochten sind und einen Gesamtkomplex an Wissens- und Bewusstseinsbeständen ergeben, dessen Beschreibung sehr schwer im Einzelnen greifbar und festzuhalten ist. Kultext wird damit einerseits zum Synonym für die Verstrickung aller Aspekte von Lebenswirklichkeit, will andererseits aber auch ein Beschreibungskonzept sein, eine Deskription von Leben als „selbstgesponnenem Bedeutungsgewebe“ (Geertz). Das kulturelle Fundament bestimmt als suprakulturelle Dimension die Grundpfeiler von Orientierungssystemen, grundlegende Normen, Werte und Konzepte des Handelns, Lebensziele, die die in einem definierten Kollektiv existierenden kulturspezifischen Ausprägungen von Kulturstandards ummanteln. Es bestimmt die Einstellung zu Erziehung, Krankheit, Kleidung, Psyche usw. und wird in seiner Konkretisierung durch Faktoren wie Klima, geomorphologi-
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sche Gegebenheiten oder Naturkatastrophen beeinflusst. Jede Kultur entwickelt auf der Grundlage dieses kulturellen Fundaments eine charakteristische Sicht der Welt, die das kulturelle Bewusstsein des Einzelnen, aber auch das kollektive Wissen bestimmt. Zeitund Raumverständnis, Individualität und Kollektivität formen und prägen unter Einbezug vielfältiger weiterer Prozesse und Faktoren auch hier die Herausbildung des kulturellen Wissens und Bewusstseins. Mit dieser kulturspezifischen Weltsicht verknüpft sind Dimensionen menschlicher Existenz (Mueller-Liu 2009: 121⫺122). Ziel des Beschreibungs- bzw. Erfassungsmodells ist ein Konzept, das von der Gleichheit aller zu beschreibenden Varianten ausgeht und das kultur- und mentalitätsvergleichende Kategorien wie sie z. B. Teske, Altmayer und Neuner vorschlagen in ihren Bestandteilen und Strukturen zwar aufgreift, seinen Schwerpunkt aber in einem übergreifenden kulturellen Fundament gründet und dadurch die Möglichkeit der Übertragung auf andere Weltsichten bietet. Die Struktur des Modells ist ausgelegt auf zahlreiche Querverbindungen und Schnittflächen zwischen den einzelnen Bestandteilen, Ebenen und Schichten des fundamentalen Grundkonzeptes, den Grundeinstellungen menschlicher Existenz, dem kulturellen Basiswissen und Bewusstsein, dem kulturellen Wissen usw., die noch konkretisiert werden müssen (Wolf und Mueller-Liu i.V.). Das Beschreibungsmodell beabsichtigt ebenso wie alle kulturellen Modelle sowohl im Detail wie auch in der Struktur/im Aufbau einer leichteren, systematischeren und zweckdienlicheren Erfassung und Didaktisierung der Landeskunde in Deutsch als Fremd- und Zweitsprache und damit auch der vergleichenden Kultur- und Mentalitätsforschung zu dienen.
4. Perspektiven einer vergleichenden Kultur- und Mentalitätsorschung in Deutsch als Fremd- und Zweitsprache Durch die zunehmende Gewichtung der Landeskunde als Kulturwissenschaft gewinnt auch die vergleichende Kultur- und Mentalitätsforschung in Deutsch als Fremdsprache und insbesondere, angesichts überregionaler politischer Forderungen und Erfordernisse, in Deutsch als Zweitsprache an Bedeutung. Voraussetzung für ihre Etablierung ist die Erarbeitung einer empirischen Basis, die die vergleichende Kultur- und Mentalitätsforschung von Ergebnissen fachfremder Forschungsfelder zunehmend unabhängiger macht, ohne dass der interdisziplinäre Blick verloren geht. Die aus kulturwissenschaftlicher Forschung gewonnenen Erkenntnisse bedürfen einer Systematisierung und Didaktisierung, die die Lebenswirklichkeit des Lerners mit einbeziehen. Mit der Akzentuierung eines lerner- und lernprozessorientierten Unterrichts von Landeskunde wird die Erlangung von konkretem, spezifisch kulturellem Wissen notwendig, welches die vom Individuum/vom Lerner her zu konkretisierenden, regional- und bedürfnisorientierten Alltagswissensbestände auf der Basis der sozio-kulturellen Wirklichkeit mit den im Vergleich von Kultur und Mentalität zu eruierenden Welt- und Lebenswissen in Bezug setzt und sie rekonstruiert, berücksichtigt und selektiv einbringt. Dabei müssen individuelle wie generationsübergreifende Faktoren, aber auch kurzfristige, die Aktualität des Geschehens betreffende Momente und ungesteuertes Lernen aufgenommen werden. Hierzu wird die vergleichende Kultur- und Mentalitätsforschung in Zukunft einen wesentlichen Beitrag leisten können.
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5. Literatur in Auswahl Altmayer, Claus 2006 Landeskunde als Kulturwissenschaft. Ein Forschungsprogramm. Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 32: 181⫺199. Bausinger, Hermann 1999 Da capo: Germanistik als Kulturwissenschaft. Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 25: 213⫺231. Biechele, Markus und Rudolf Leiprecht 1996 Interkulturelles Lernen durch Erlebte Landeskunde. Ein Handbuch für Fortbildungsseminare mit Deutschlehrern aus mehreren Ländern. München/Amsterdam/Budapest: Goethe-Institut. Ertelt-Vieth, Astrid 2005 Interkulturelle Kommunikation und kultureller Wandel. Eine empirische Studie zum russisch-deutschen Schüleraustausch. Tübingen: Narr. Geertz, Clifford 1999 Dichte Beschreibung. Bemerkungen zu einer deutenden Theorie von Kultur. In: Clifford Geertz: Dichte Beschreibung, Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme, 7⫺43. 6. Aufl. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Götze, Lutz 2005 Zum Kulturbegriff. Mount Cameroun. Afrikanische Zeitschrift für interkulturelle Studien im deutschsprachigen Raum 2: 125⫺141. Hansen, Klaus P. 2003 Kultur und Kulturwissenschaft. Eine Einführung. 3. Aufl. Tübingen/Basel: Francke. Hofstede, Geert 1993 Interkulturelle Zusammenarbeit. Kulturen Organisationen Management. Wiesbaden: Gabler. Hofstede, Geert 2001 Culture’s Consequences: Comparing Values, Behaviors, Institutions, and Organizations across Nations. 2. Aufl. Thousand Oaks/London/New Delhi: Sage. Lüsebrink, Hans-Jürgen 2003 Kulturraumstudien und Interkulturelle Kommunikation. In: Ansgar Nünning und Vera Nünning (Hg.), Konzepte der Kulturwissenschaften. Theoretische Grundlagen Ansätze Perspektiven, 307⫺328. Stuttgart/Weimar: Metzler. Müller-Jacquier, Bernd 1999 Interkulturelle Kommunikation und Fremdsprachendidaktik. Studienbrief Kulturwissenschaft. Koblenz: Universität Koblenz-Landau. Mueller-Liu, Patricia 2009 Kultur, Sprache und Wirklichkeit ⫺ Grundlagen der Kulturkontrastivität. In: Lutz Götze, Patricia Mueller-Liu und Salifou Traore´ (Hg.), Kulturkontrastive Grammatik ⫺ Konzepte und Methoden, 85⫺163. Frankfurt a. M.: Lang. Neuner, Gerhard 1989 Zur Lehrplanentwicklung für den Deutschunterricht an Sekundarschulen in zielsprachenfernen Ländern. Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 15: 348⫺373. Ortega y Gasset, Jose´ 1951 Ideen und Glaubensgewissheiten. In: Jose´ Ortega y Gasset, Vom Menschen als utopisches Wesen, 7⫺54. Stuttgart: Kilpper. Pauldrach, Andreas 1992 Eine unendliche Geschichte. Anmerkungen zur Situation der Landeskunde in den 90er Jahren. Fremdsprache Deutsch 6: 4⫺15. Teske, Doris 2002 Cultural Studies: GB. Berlin: Cornelsen.
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XVI. Kulturwissenschaftliche Aspekte des Deutschen als Fremd- und Zweitsprache
Thomas, Alexander 1993 Psychologie interkulturellen Lernens und Handelns. In: Alexander Thomas (Hg.), Kulturvergleichende Psychologie: Eine Einführung, 377⫺424. Göttingen/Bern/Toronto/Seattle: Hogrefe. Thomas, Alexander 1999 Handlungswirksamkeit von Kulturstandards: Beispiele aus deutsch-amerikanischen und deutsch-chinesischen Interaktionen. In: Heinz Hahn (Hg.), Kulturunterschiede. Interdisziplinäre Konzepte zu kollektiven Identitäten und Mentalitäten, 109⫺120. Frankfurt a. M.: IKO-Verlag für Interkulturelle Kommunikation. Vester, Heinz-Günter 1996 Kollektive Identitäten und Mentalitäten. Von der Völkerpsychologie zur kulturvergleichenden Soziologie und interkulturellen Kommunikation. Frankfurt a. M.: IKO-Verlag für Interkulturelle Kommunikation. Vester, Heinz-Günter 1999 Mentalitätsforschung in Deutschland ⫺ ein mentales Problem. In: Heinz Hahn (Hg.), Kulturunterschiede. Interdisziplinäre Konzepte zu kollektiven Identitäten und Mentalitäten, 435⫺450. Frankfurt a. M.: IKO-Verlag für Interkulturelle Kommunikation. Wolf, Gordian 2001 Vergleichende Kultur- und Mentalitätsforschung. In: Gerhard Helbig, Lutz Götze, Gert Henrici und Hans-Jürgen Krumm (Hg.), Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch. Bd. 2. (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 19.1⫺2.), 1179⫺1193. Berlin/New York: Walter de Gruyter. Wolf, Gordian und Patricia Mueller-Liu i.V. Kultur als Kultext ⫺ soziokulturelle Wirklichkeit und landeskundliches Lernen. Wormer, Jörg 2007 Transkulturelle Kompetenz und Landeskunde. Chancen der deutschen Sprache im 21. Jahrhundert ⫺ aufgezeigt am Beispiel einer wissenschaftlichen Landeskunde. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 12(2). (Online).
Gordian Wolf, Saarbrücken (Deutschland)
XVII. Landeskunde 160. Entwicklungslinien landeskundlicher Ansätze und Vermittlungskonzepte 1. 2. 3. 4.
Prämissen der historisch-systematischen Ordnung Landeskunde im Kontext Herausforderungen Literatur in Auswahl
1. Prämissen der historisch-systematischen Ordnung Die Historisierung und Systematisierung landeskundlicher Ansätze und Konzepte stellt einen konstruktiven Vorgang dar, dem Entscheidungen in der Interpretation, Auswahl und Kombination einschlägiger Positionen sowie spezifische gegenstandstheoretische Vorannahmen zugrunde liegen. Diese müssen unter den Gesichtspunkten des fachsystematischen Bezugsrahmens sowie der strukturellen und historischen Dimension von Landeskunde als Begriff und Gegenstand transparent gemacht werden.
1.1. Zum ach- und orschungssystematischen Bezugsrahmen Von zentraler Bedeutung für das Verständnis von Landeskunde im Fach Deutsch als Fremdsprache ist die Aufteilung des Fachs in eine linguistische, lehr-/lernwissenschaftliche, literaturwissenschaftliche und eben auch landeskundliche Ausrichtung (vgl. Henrici und Koreik 1994: 16⫺19; vgl. Art. 2). Diese Aufteilung sei, so Altmayer (2004a: 14), „mittlerweile weithin akzeptiert“, die Wirklichkeit aber sehe für die landeskundliche Ausrichtung angesichts mangelnder institutioneller Anbindung, fehlender wissenschaftlich fundierter Ausbildung von Lehrkräften und nicht ausreichend ausgeprägter wissenschaftlicher Forschung anders aus. Inzwischen lassen entsprechend denominierte Lehrstühle, ein Zuwachs an einschlägigen Ausbildungsangeboten (vgl. Althaus 2009: 131; Koreik 2009: 5) und eine intensivierte forschungsmethodologische Diskussion für die Zukunft hoffen. Das Problem der Aufteilung des Fachs in Ausrichtungen und das damit einhergehende Verständnis von Landeskunde als wissenschaftlicher Teildisziplin ist mittlerweile jedoch viel grundsätzlicher. Was für die Beschreibung der sich entwickelnden DaF- und auch DaZ-Studiengänge und damit auch des Fachs einmal sinnvoll war, war seinerzeit schon nicht ganz unproblematisch, da sich die Systematisierung weitgehend an den Denominationen der Lehrstühle sowie dem Lehrangebot an den einzelnen existierenden Studiengängen orientierte. Ein Blick in die landeskundliche Diskussions- und Forschungslandschaft, auf die sich weiter vertiefenden fächerübergreifenden Debatten und auf die damit zunehmende theoretische und thematische Komplexion verdeutlicht jedoch, dass sich
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eine solche strukturale Sicht auf DaF und Landeskunde als Fach und Teildisziplin als zu schablonenhaft erweist. Nicht nur stellt sich die Landeskunde bereits seit den 1980er Jahren mit entscheidenden Anregungen aus der Romanistik und Anglistik als eine die Philologien übergreifende Diskussion dar, auch erscheint eine trennscharfe Abgrenzung der Landeskunde von Konzepten wie z. B. interkulturelles Lernen bzw. interkulturelle Kompetenz kaum noch möglich. Zudem sind spätestens seit den cultural turns deutliche Schnittmengen in Forschungsfragen und -methodologien zwischen den Bereichen des Fachs einerseits und den Philologien und den Sozial- und Kulturwissenschaften andererseits zu beobachten (vgl. Art. 154). Landeskunde lässt sich nicht länger als eine klar abgrenzbare wissenschaftliche Teildisziplin des Faches DaF/DaZ darstellen, vielmehr als ein theoretisch-begriffliches Konzept, das im Rahmen fremdsprachendidaktischer Debatten als ein Interpretations- und Argumentationsmuster zur Bezeichnung (und Konturierung) der soziokulturellen Dimensionen von Sprache, Spracherwerb und Sprachgebrauch dient. Der fach- und forschungssystematische Bezugsrahmen kann also weder Landeskunde als wissenschaftliche Teildisziplin noch Landeskunde als Konzept, sondern nur jener fremdsprachenwissenschaftliche Diskurs sein, in dem der Nexus von Sprache und Kultur unter Erwerbs- und Vermittlungsperspektive den zentralen Begründungszusammenhang für theoretische, didaktisch-methodische oder unterrichtspraktische Positionen darstellt. In diesem Diskurs stellt Landeskunde als ebenso wirkmächtiges wie tradiertes Konzept schließlich nur eines von sechs Kernkonzepten dar, die durch die Begriffe Realienkunde, Kulturkunde, Landeskunde, interkulturelles Lernen, interkulturelle Kompetenz und kulturwissenschaftliche Ansätze gekennzeichnet werden können.
1.2. Begri und Gegenstand strukturelle Dimension Die Auseinandersetzung mit Landeskunde auf den Ebenen des internationalen, des deutschsprachigen und des im engeren Sinne landeskundlichen Diskurses führt schnell zu einer gewissen Ratlosigkeit, scheint die Vielzahl an Begriffen doch mit der Vielzahl an Versuchen zu korrelieren, „typologische Klarheit in die ausufernde LandeskundeDebatte zu bringen“ (Veeck und Linsmayer 2001: 1161). So stehen sich im internationalen Diskurs Bezeichnungen wie civilisation, culture e´trangere, cultural studies, area studies, realia, kulturorientering, kulturkunnskap, kulturforsta˚else oder auch culture pedagogy (vgl. Risager 2007) gegenüber, während sich im deutschsprachigen Diskurs scheinbare Synonyme wie Landeswissenschaften, Deutschlandstudien, Leutekunde oder Kulturstudien finden. Nicht zuletzt ist die engere Landeskunde-Diskussion geprägt durch ⫺ meist als Ansätze propagierte ⫺ Attribuierungen wie pragmatisch oder sozialwissenschaftlich, kognitiv, kommunikativ oder interkulturell, sprach- oder informationsbezogen, implizit oder explizit usw., die es in ihrer Reinform nicht gibt (vgl. Art. 161⫺163). Dabei wird schnell offensichtlich, dass sich das Problem der Begrifflichkeiten, gekennzeichnet durch einen „nicht unwichtigen, aber ermüdenden Kampf um den richtigen bzw. durchsetzbaren Begriff“ (Koreik 2009: 3), nicht in der Frage der diversen Benennungen erschöpft, sondern sich hinter den Begriffen jeweils spezifische Konzeptualisierungen des Gegenstandes verbergen. Indem Kramsch (1991: 219⫺26) die nicht unerheblichen Unterschiede zwischen US-amerikanischen, französischen und deutschen Diskussionen zur
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Vermittlung von Sprache und Kultur herausarbeitet, verdeutlicht sie, dass es sich bei civilisation, cultural studies und Landeskunde nicht um äquivalente Begriffe, sondern um Konzepte handelt, die in unterschiedlichen bildungspolitischen, theoretischen und didaktischen Begründungszusammenhängen stehen und nur bedingt übersetzbar sind. Zudem liegen die terminologischen Schwierigkeiten in der häufig unklaren Bezugnahme auf die verschiedenen Ebenen der Landeskunde begründet, die von Simon-Pelanda (2001: 42) „als Gegenstandsbereich in der Forschung, als Inhalt in der Ausbildung der Lehrenden, als thematische Progression im Unterricht und als Ergebnis staatlicher Fremdsprachenpolitik“ differenziert wurden. In welchen Dimensionen der Differenz Begriffsdebatten als Sachdebatten über Ziele, Wege und Mittel der Landeskunde als Konzept geführt werden, lässt sich an folgenden vier Spannungsfeldern verdeutlichen: Erstens verweisen Begriffe wie Landeskunde, -wissenschaft oder -studien auf unterschiedliche Ansichten über den Grad an Wissenschaftlichkeit bzw. Praxisbezug und auf den jeweils vorrangig betonten Anwendungsbereich. So ist zum einen die Forderung charakteristisch, zwischen Unterrichts- und Forschungsebene ⫺ z. B. mittels der Begriffspaare Landeskunde/-wissenschaft (Höhne und Kolboom 1982) oder Kulturlehre/-wissenschaft (Casper-Hehne 2006) ⫺ auch terminologisch zu unterscheiden. Zum anderen ist die weiterhin unklare fach- und wissenschaftssystematische Verortung der Landeskunde angesprochen, die Altmayer (2004a) in einem Verständnis von Wissenschaft begründet sieht, das sich über Forschungsgegenstände der Bezugswissenschaften (u. a. Politik- und Geschichtswissenschaften) und nicht über das eigene erkenntnisleitende Interesse (Unterstützung landeskundlicher Lernprozesse) definiert. Zweitens werden mit Konzepten wie Kultur-, Landes- oder Leutekunde jeweils unterschiedliche Lehr-, Lern- bzw. Forschungsgegenstände fokussiert, die u. a. aus der Totalität der gesellschaftlichen Wirklichkeit eines Landes, aus den pragmatischen Erfordernissen des Fremdsprachengebrauchs oder aus den semantischen Bezügen des zu lernenden Sprachmaterials abgeleitet werden. Zugleich steht den divergierenden Gegenstands- und Inhaltsbezügen eine vergleichbar divers interpretierte Lerner- und Lernprozessorientierung gegenüber, mit der die Frage notwendigen soziokulturellen Hintergrundwissens hinter die interessen- und bedarfsorientierte Entwicklung lernfördernder Curricula und Verfahren tritt. Drittens impliziert die Rede von landeskundlichen Modellen, Ansätzen und Konzepten die jeweils sehr unterschiedliche Berücksichtigung dreier Argumentationsebenen, die sich mit Richards und Rodgers (2007: 18⫺35) als Approach (u. a. sprach-, kultur- und lerntheoretische Bezüge), Design (v. a. curriculare bzw. didaktisch-methodische Fragen) und Procedure (u. a. Lehr-/Lerntechniken, Übungsformen) bezeichnen lassen. Hier ist zu beobachten, dass sich ⫺ dem für DaF/DaZ konstitutiven Praxisbezug entsprechend ⫺ ein großer Teil der Landeskunde-Diskussion auf Design- und ProcedureEbene bewegt und die Konzeptionsebene häufig nur fragmentarisch entwickelt bleibt. Gleichzeitig wird in der aktuelleren Diskussion die traditionell unterbelichtete ApproachEbene zum Ausgangspunkt genommen, um teils grundsätzliche Kritik an den kulturtheoretischen Grundannahmen älterer Ansätze zu üben und theoretisch differenziertere Modelle zu entwickeln, die als Grundlage intensivierter empirischer Forschung oder innovativer didaktischer Konzeptionen dienen (sollen). Viertens ist der Diskurs Sprach- und Kulturerwerb im Allgemeinen und Landeskunde im Speziellen seit jeher durch ein mehr oder minder reibungsloses Ineinandergreifen (u. a. sprach-, lehr-/lern-)wissenschaftlicher Diskurse und (u. a. bildungs-, sprach-, kultur-)politischer Diskurse geprägt. Während ältere und aktuelle Bestrebungen, die Landeskunde sozial- oder kulturwissenschaftlich
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bzw. forschungsmethodologisch zu fundieren, als Versuche gelesen werden können, sich als ernstzunehmender Wissenschaftsbereich von politischen Diskursen zumindest partiell zu emanzipieren, weist Althaus (2009: 136) mit Blick auf die „Konzeption 2000“ des Auswärtigen Amtes auch auf die diesbezüglichen Implikationen und zugleich Aufgaben des Faches hin. Auch wenn man staatliche Fremdsprachenpolitik als zwar wichtigen Einflussfaktor für landeskundliche Konzepte ansieht, als die wesentlichen Hauptebenen jedoch Forschung, Ausbildung und Unterricht begreift (vgl. Koreik 2009: 12), bleibt das Problem einer alle Ebenen abdeckenden zufriedenstellenden Begrifflichkeit, welche auch die so oft geforderte wissenschaftliche Bedeutung signalisieren könnte. Es ist nicht auszuschließen, dass sich der Begriff Kulturstudien durchsetzen könnte.
1.3. Begri und Gegenstand historische Dimension „Die ,Landeskunde-Diskussion‘ könnte man seit ihren Anfängen als Abfolge exklusiv behaupteter Ansätze kennzeichnen, als ,Pendelschwungbewegungen‘ von realistischen zu idealistischen Zielen, von anwendbarem Wissen zu individueller Bildung, von Fertigkeiten zu Fähigkeiten, von pädagogisch zu politisch legitimierten oder gesetzten Zielen ⫺ und vice versa“ (Simon-Pelanda 2001: 48). Diese zutreffende ⫺ und vermutlich auch für die Zukunft gültige ⫺ Feststellung lässt eine Darstellung der Entwicklungslinien der Landeskunde in linear aufeinanderfolgenden, klar abgrenzbaren Epochen und Phasen von vorneherein als problematisch erscheinen, wenngleich auch nur der differenzierte Blick auf die mäandernde Entwicklung Fortschritte, Defizite wie auch sich überschneidende und wiederholende Diskurse offenbart. Schaut man sich ältere Darstellungen landeskundlicher „Entwicklungslinien“ (u. a. Christ 1979; Neuner 1994; Koreik 1995) an, scheint sich eine historisierende Perspektive durchgesetzt zu haben, in der die Entwicklung der Landeskunde als fremdsprachenwissenschaftliche Teildisziplin zwar immer wieder von Kontroversen geprägt ist, letztlich jedoch als linear-progressiver Fortschritt von klassischen zu aktuellen Ansätzen und Konzepten zu beschreiben ist. Der jeweils stark konventionalisierte Erzählstrang folgt folgendem Muster: Der ursprünglichen Realienkunde des späten 19. Jahrhunderts folgt die stärker komparatistisch angelegte Kulturkunde der ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts, die ⫺ zwischen 1933 und 1945 als Volkstumkunde instrumentalisiert ⫺ in der Nachkriegszeit neben Re-Education (BRD) und der Erziehung zur sozialistischen Persönlichkeit (DDR) weiter besteht und erst in den späten 1960er Jahren durch die Landeskunde abgelöst wird. Während die 1960er bis 1980er Jahre von einem Spannungsfeld zwischen sprachimmanenten (pragmatischen) und sozialwissenschaftlichen Landeskunde-Konzepten geprägt ist, wird aus Sicht der 1990er Jahre der traditionellen kognitiven Landeskunde (1960er) eine kommunikative (ab den 1970ern) und schließlich eine interkulturelle Landeskunde (ab den 1990ern) nachgeordnet, die zur Jahrtausendwende den Status quo markiert. Führte man diesen Erzählstrang bis zur Gegenwart fort, wäre im Folgenden ⫺ ebenso vereinfacht ⫺ der Übergang von einer interkulturellen Landeskunde hin zu einer kulturwissenschaftlichen Landeskunde nachzuzeichnen, in dessen Verlauf sich die Landeskunde seit den 1990er Jahren nicht nur verstärkt Diskussionen über interkulturelle Kommunikation, interkulturelles Lernen und interkulturelle Kompetenz(en) anschließt, sondern in
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den letzten Jahren durch theoretische Paradigmenwechsel und forschungsmethodische Entwicklungen in den Sozial-, Kultur- und Sprachwissenschaften grundlegende Modernisierungsschübe erfährt. Diese Modernisierungen zeigen sich auf der konstruktiven Ebene in Form neuer Fragestellungen, Gegenstände und Forschungsmethoden, wie auch auf der rekonstruktiven Ebene, auf der eine erhöhte Sensibilität hinsichtlich der kultur-, sprach- und lerntheoretischen Vorannahmen interkultureller Argumentationen zu beobachten ist, auf der sich aber auch maßgebliche Konsequenzen für einen historischen und systematischen Ordnungsversuch der Landeskunde ergeben. So legt insbesondere die neuere Wissenschaftsforschung nahe, Landeskunde nicht länger als eine in der Fach- und Wissenschaftssystematik mehr oder minder etablierte Teildisziplin, sondern als einen Diskursstrang (unter anderen) zu verstehen, der in der Auseinandersetzung um Sprach- und Kulturerwerb eine spezifische Version dieses Zusammenhangs sowie spezifische didaktisch-methodische Implikationen entwirft und damit (un-)mittelbare materielle und (unterrichts-)praktische Bezüge aufweist.
2. Landeskunde im Kontext 2.1 Realienkunde Konzept und Prinzip Wesentliches Grundmerkmal der Realienkunde der ca. letzten drei Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts war die Betonung utilitaristischen Wissens über Land und auch Leute im Gegensatz zum bis dahin vorherrschenden Prinzip der Sprachvermittlung, bei dem in Tradition des altphilologischen Sprachunterrichts nach der Grammatikvermittlung die Übersetzung literarischer Klassiker als höchstes Ziel galt. Ein sich verstärkt internationalisierender Handel und Verkehr (und weniger offen genannt militärische Aspekte) dienten als Argumentationsfolie für die Forderung nach einer fortschrittlicheren realistischen Sprachausbildung, in der alle wichtigen Fakten über Staat und Gesellschaft vermittelt werden sollten. Kenntnisse über den Alltag im Zielsprachenland und insbesondere Wissensbestände über Geographie, Geschichte, den Staatsaufbau und die Wirtschaftszusammenhänge sollten vermittelt werden. Diese Zielsetzung wurde als pragmatischer Fortschritt hin zu einem modernen Sprachunterricht gesehen und war dabei stark dem positivistischen Denken des 19. Jahrhunderts und einer enzyklopädischen Betrachtungsweise verpflichtet. Der zu einem Konzept verdichtete Diskursstrang Realienkunde kann entweder zur Abgrenzung einer Kulturkunde oder Landeskunde dienen ⫺ oder ist aber als realienkundliches Prinzip auch in aktuellen Diskussionen und Entwicklungen (Renaissance des Faktischen in Lehrwerken, u. a. für Orientierungskurse; vgl. Art. 164) zu rekonstruieren.
2.2. Kulturkunde Konzept und Prinzip Das Grundprinzip der vor allem in den 1920er Jahren in zahlreichen Veröffentlichungen und auf vielen Tagungen propagierten Kulturkunde war der angestrebte Vergleich der Kulturen, der zum methodischen Bildungsprinzip erhoben wurde und alle Bereiche des
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neusprachlichen Unterrichts durchdringen sollte. Ziel war es nun nicht mehr, enzyklopädische Wissen, d. h. additiv zusammengefügte Realien, über das Zielsprachenland zu vermitteln, sondern die fremde Kultur in ihrer Gesamtheit zu betrachten und damit das Wesen des fremden Landes und Volkes im Kontrast zum eigenen zu verstehen, den Volkscharakter zu erfassen. Eine gewisse, die Auseinandersetzung von Anfang an mit prägende, stereotypisierende Stilisierung des deutschen Wesens im Kontrast zum sogenannten Wesen anderer Völker führte in den 1930er Jahren zu einer nahtlosen Überführung der Kulturkunde in eine der nationalsozialistischen Rassenideologie entsprechenden deutschen Wesensschau. Entsprechend erscheint auch der Diskursstrang Kulturkunde konzeptuell verdichtet entweder als historische Kontrastfolie nunmehr landeskundlicher Ansätze ⫺ oder aber als kulturkundliches Prinzip, das auch aktuelle Diskussionen über interkulturelles Lernen oder Fremdverstehen (in der Auseinandersetzung mit dem Fremden das Eigene reflektieren) durchzieht.
2.3. Landeskunde Konzept und Prinzip Seit Ende der 1960er Jahre hat sich ⫺ nachdem nach dem Krieg zunächst an Ideen der Kulturkunde der 1920er Jahre angeknüpft wurde sowie Fakten vermittelt wurden ⫺ der Begriff Landeskunde durchgesetzt und trotz aller Kritik bisher hartnäckig gehalten. Dies ist zum einen auf die konzeptionelle Vagheit des zunächst als Ersatz für den als belastet erachteten Begriff Kulturkunde zurückzuführen, zum anderen auf die Vielfalt und Variationsbreite dessen, was unter diesem Begriff schrittweise subsumiert und entwickelt wurde. Der Abschied von der traditionellen Kulturkunde war zugleich zunächst verknüpft mit einem nicht nur auf Kommunikation ausgerichteten, sondern auch auf Emanzipation der Lerner zielenden Fremdsprachenunterrichts als ein Reflex auf eine kritische Gesellschaftstheorie. Innerhalb des gut dreißigjährigen Diskurses über Landeskunde haben sich zahlreiche der Pendelschwünge erneut gezeigt, die seit dem 19. Jahrhundert die Diskussion bestimmen. Dazu gehört das die Landeskunde in ihren Zielen und Inhalten prägende Spannungsfeld zwischen Nützlichkeits- und Bildungsprinzip (vgl. Rössler 2007), das sich in den 1970er Jahren in einem pragmatischen und einem sozialwissenschaftlichen Ansatz der Landeskunde, wie auch in den 1990er Jahren in einem pragmatischen und einem pädagogischen Verständnis von interkulturellem Lernen widerspiegelt. Bereits in den Stuttgarter Thesen (Robert Bosch Stiftung und Deutsch-Französisches Institut 1982) wird Kritik an einer einseitig sprechfertigkeitsorientierten und faktenorientierten Vermittlung landeskundlicher Inhalte als erster Schritt hin zu einer transnationalen Ausrichtung geübt und die Synthese des pragmatischen und sozialwissenschaftlichen Ansatzes versucht. Ein kulturkontrastives Vorgehen und lernerzentrierter landeskundlicher Unterricht sollte von der Wahrnehmung als kulturell geprägtem Prozess ausgehen und auf authentische Kommunikationssituationen sowie „auf das Verstehen und Erörtern dargestellter fremder und eigener Wirklichkeit in sprachlichen und nichtsprachlichen Dokumenten“ vorbereiten (Robert Bosch Stiftung und Deutsch-Französisches Institut 1982: 11). Jedoch bleibt auch in den 1990er Jahren die Frage nach einem landeskundlichen Themenkatalog im Vagen, wobei Neuners Versuch, elementare Daseinserfahrungen als anthropologische Grundkategorien als Themen festzulegen (Neuner 1994: 23) zumindest auf
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die Lehrwerkproduktion Auswirkungen gehabt hat. Landeskundevermittlung schließt sich insgesamt (fremd-)sprachendidaktischen Strömungen an, richtet sich kommunikativ und später interkulturell aus, und der Einbezug der Lerner durch erlebte Landeskunde oder eigene Recherchearbeit kennzeichnet einen Fortschritt (vgl. Biechele und Padros 2003). Innerhalb des bisherigen Diskursstrangs Landeskunde spiegeln sich ältere Auseinandersetzungen, zugleich werden Themenkomplexe wie interkulturelles Lernen frühzeitig, wenn auch häufig kritisch, aufgegriffen.
2.4. Interkulturelles Lernen Konzept und Prinzip Der Zusammenhang zwischen Landeskunde und interkulturellem Lernen wird je nach argumentativem Standpunkt ganz unterschiedlich bestimmt. Während Krumm (1995: 157⫺58) die Landeskunde neben der fremdverstehensorientierten Literaturdidaktik und der sogenannten Ausländerpädagogik als einen von drei Diskussionssträngen versteht, aus denen sich die frühe fremdsprachendidaktische Diskussion über interkulturelles Lernen speist, betrachten andere Autoren interkulturelles Lernen als historischen Nachfolger der Landeskunde, welche nunmehr vollständig im neuen Diskussionsfeld aufgeht und durch dieses ersetzt wird (z. B. Eckerth und Wendt 2003). Skeptische Beobachter konstatieren, dass das „Chamäleon ,Landeskunde‘ mit der Entdeckung des ,interkulturellen Lernens‘ wieder einmal seine Farbe gewechselt hat, aber ansonsten doch das gleiche Tier geblieben ist“ (Solmecke 1994: 165). In moderateren Positionen wird interkulturelles Lernen als übergeordnetes fremdsprachendidaktisches Konzept gesehen, das Landeskunde als einen Baustein integriert, in dem ⫺ neben der Reflexion und Relativierung „eigenkultureller Wissensbestände“ ⫺ der „Wissenserwerb über die fremde Kultur“ im Vordergrund steht (Röttger 2004: 26). Auf diese Weise etabliert sich die Differenzierung zwischen einer primären Produktorientierung der Landeskunde und einer vorrangigen Prozessorientierung des interkulturellen Lernens (Gnutzmann und Königs 2006). Zwar gibt Grünewald (2002: 160) zu bedenken, dass die Landeskunde sich „schon seit geraumer Zeit nicht mehr auf die Vermittlung von kulturspezifischen Sachfragen und Informationen beschränkt, sondern kulturkontrastive und methodische Fragestellungen in ihre Konzeptionen einbezieht“, auch er sieht jedoch die Tendenz, „der Landeskunde den inhaltlichen, deklarativen Teil und dem interkulturellen Lernen den methodischen, prozeduralen Teil zuzusprechen“. Während eine linguistische Sicht auf interkulturelles Lernen an pragmatisch-kommunikative Prinzipien anknüpft und das interkulturelle Moment durch Einbezug der Herkunftssprache und -kultur, durch die kontrastive Erforschung und Vermittlung kulturspezifischer Kommunikationsstile und durch eine stärkere Lernerorientierung fokussiert, deutet eine zweite Position die Innovation des Interkulturellen als revitalisiertes politisches Engagement des Faches. (Durch) interkulturelles Lernen gewinnt der Fremdsprachenunterricht eine soziale und pädagogische Dimension zurück, die audiolingualen wie teilweise auch kommunikativen Ansätzen fehlte (…), nämlich die Entwicklung von Empathie, kritischer Toleranz und die Fähigkeit zur Konfliktbewältigung; als Element politischer Bildung steht eine antirassistische, auf Aufklärung über soziale, wirtschaftliche
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XVII. Landeskunde und politische Ursachen von Ethnozentrismus und Kulturkonflikten gerichtete Zielsetzung im Mittelpunkt. (Krumm 1995: 159)
Allerdings verdrängen dominante sozialpsychologische Bezüge und Verweise, eine starke pragmalinguistische Ausrichtung und die literaturdidaktisch orientierte Diskussion der Fremdverstehensproblematik anfänglich durchaus deutliche Verweise auf politische Dimensionen interkulturellen Lernens. In der Gesamtschau zeigt sich folgende paradoxe Situation: Während die Landeskunde-Diskussion bereits in den 1980er und 1990er Jahren durch die konzeptuelle und (unterrichts-)methodische Integration interkultureller Denkprämissen ihren Gegenstandsbereich erweitert, erfährt das Konzept Landeskunde im fremdsprachendidaktischen Diskursstrang interkulturellen Lernens eine deutliche Begriffs- und Gegenstandsverengung. Eine als realienkundliches Prinzip gedeutete Landeskunde, die sich auf die Vermittlung historischen, geografischen und politischen Fakten- und Orientierungswissens beschränkt, dient nicht zuletzt als Kontrastfolie zur Abgrenzung und Konturierung des aktuell(er)en, gleichermaßen bildungspolitisch motivierten Diskursstrangs.
2.5. Interkulturelle Kompetenz Konzept und Prinzip Im Diskurs Sprach- und Kulturvermittlung/-erwerb, konkret im theoretischen und/oder empirisch fokussierten Fragenkomplex nach Zielen, Verläufen, Medien, Inhalten und der Evaluation (inter-)kultureller Lernprozesse im Kontext des institutionalisierten Fremdsprachenerwerbs, war bis zur Jahrtausendwende ein Verständnis von interkultureller Kompetenz als ein Lernziel interkulturellen Lernens kennzeichnend. Hierbei kann Byrams (1997) Modell einer interkulturellen kommunikativen Kompetenz als maßgeblich gelten, da es nicht zuletzt die pragmatischen, pädagogischen und hermeneutischen sowie auch kritisch-emanzipatorische Positionen integriert. Durch Standard- und Kompetenzorientierung auf bildungspolitischer Ebene entwickelt sich interkulturelle Kompetenz zu einem relativ eigenständigen Diskursstrang, der die Debatten über interkulturelles Lernen, insbesondere die dort zentrale Lerner- und Prozessorientierung stark überformt (vgl. Hu et. al 2008). Auch wenn es zum Teil enthusiastische Befürworter einer testtheoretischen Operationalisierung und Messung interkultureller Kompetenz gibt, ist zugleich offensichtlich, dass es gegenwärtig noch keine ausreichend solide Konzeptualisierung von interkultureller Kompetenz gibt und es zudem an geeigneten Messinstrumenten mangelt (vgl. die Beiträge in Schulz und Tschirner 2008). Erste Anzeichen einer substantiellen Verschiebung auf der Lernzielebene von kommunikativer Kompetenz als angemessenem Handeln in Alltagssituationen hin zu interkulturell orientierten Lernzielen finden sich bereits bei Bocks (1974) kritisch-emanzipatorischem und sozialwissenschaftlich fundiertem Konzept einer transnationalen Kommunikationsfähigkeit. Dieses fließt bereits ⫺ wenn auch in abgeschwächter Form ⫺ in die Stuttgarter Thesen (Robert- Bosch-Stiftung und Deutsch Französisches Institut 1982) ein und wird mit weiteren Modifikationen zu einem Kernkonzept der ABCD-Thesen (1990). Gleichzeitig legen schon Knapp und Knapp-Potthoff (1990) einen linguistisch und kommunikationswissenschaftlich orientierten Forschungsüberblick zum Thema interkulturelle Kommunikation vor, deren Konzeption einer interkulturellen Kommunikationsfähigkeit für die pragmatisch ausgerichtete Diskussion maßgeblich bleibt.
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Auch wenn gelegentlich nicht von interkultureller Kompetenz, sondern vom Lernziel Kulturkompetenz (Buttjes 1996) die Rede ist, scheint sich interkulturelle Kompetenz als zentrale Begrifflichkeit durchzusetzen und ersetzt frühe Diskussionen über interkulturelle Kommunikation, welche Knapp und Knapp-Potthoff bereits (1990: 66) als „die interpersonale Interaktion zwischen Angehörigen verschiedener Gruppen, die sich im Blick auf die ihren Mitgliedern jeweils gemeinsamen Wissensbestände und sprachlichen Formen symbolischen Handelns unterscheiden“, definiert haben. Hier knüpfen einige der kulturwissenschaftlichen Ansätze (vgl. u. a. Altmayer 2004a) an, während die als Landeskunde bezeichnete Diskussion über spracherwerbsrelevantes soziokulturelles (Hintergrund-)Wissen unter erheblichen Handlungsdruck gerät, einer „Entkulturalisierung und Preisgabe der Inhalte“ (Rössler 2007: 9) im Rahmen standard- und kompetenzorientierter Curricula mit neuen Konzepten zur Auswahl und Sequenzierung von Inhalten zu begegnen.
2.6. Kulturwissenschatliche Ansätze Auch wenn die wissenschaftliche Fundierung der Landeskunde bereits ein zentrales Desiderat älterer Debatten darstellt (vgl. u. a. Wormer 2004) bildet sich im Zuge disziplinübergreifender Entwicklungen (vgl. Art. 154) unter dem Terminus kulturwissenschaftliche Ansätze seit der Jahrtausendwende ein eigenständiger fremdsprachenwissenschaftlicher Diskursstrang heraus, der sich einerseits nur noch partiell auf landeskundliche Fragestellungen und Inhalte bezieht, der andererseits neben interkulturellem Lernen und interkultureller Kompetenz das Konzept Landeskunde in seiner tradierten Bedeutung als Lehr-/ Lern- und Forschungsgegenstand grundsätzlich herausfordert, wenn nicht gar abzulösen im Begriff ist. Dabei stellen kulturwissenschaftliche Ansätze kein klar zu erfassendes, methodisch oder inhaltlich definierbares Paradigma, sondern vielmehr ein komplexes Konglomerat unterschiedlichster Forschungsschwerpunkte und -gegenstände dar, denen u. a. „der Blick auf die Konstruktion kollektiver Sinnstiftung bzw. Orientierungsmuster (und) das Aufbrechen der unglücklichen Verquickung von Kultur, Nation und Sprache“ gemeinsam ist (vgl. Schmenk 2006: 267). Kulturwissenschaftliche Ansätze in den Philologien sind auf zumindest drei Diskussionsebenen zu verorten: Neben der v. a. in der Anglistik mittlerweile etablierten Diskussion über eine kulturwissenschaftlich ausgerichtete Literatur- bzw. Textdidaktik stehen die unter den Konzepten sociocultural paradigm und language socialization insbesondere im angloamerikanischen Kontext betriebene, kulturwissenschaftlich fundierte Spracherwerbsforschung sowie schließlich die Versuche einer kulturwissenschaftlichen Transformation der Landeskunde im deutschsprachigen Raum (vgl. Hu 2005). In der stark literaturwissenschaftlich orientierten, kulturwissenschaftlichen Textdidaktik werden die neueren Literatur- und Kulturwissenschaften als Bezugswissenschaften der Literatur- und Textdidaktik verstanden, um über theoretisch-konzeptionelle Bezüge auf cultural studies, gender studies und postcolonial studies das Verhältnis von Literatur, Kultur und Fremdsprachendidaktik neu zu bestimmen. Vereinzelte Konzepte ⫺ z. B. Intertextualität, Narrativität, Performativität ⫺ werden in ihrem Nutzen für die (Fremdsprachen-)Didaktik als theoretische Disziplin und für die Unterrichtspraxis reflektiert (vgl. exemplarisch Hallet 2002), wobei die kulturtheoretische Aktualisierung des fremdsprachendidaktischen
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Begriffs- und Kategorieninventars mehr oder minder direkt in didaktisch-methodische Ansätze überführt wird, während die Reflexion kulturtheoretischer Impulse in ihrer Rückwirkung auf methodologische Fragestellungen und empirisch fundierte Modellbildung einen eher sekundären Stellenwert einnimmt. Insbesondere im angloamerikanischen Diskurs kommt der sozial- und kulturtheoretischen Rekonzeptualisierung des Zusammenhangs von individuellen Sprachlernprozessen, sozial-kommunikativen Praktiken und kulturellen Kontexten mittlerweile ein zentraler Stellenwert zu. Nicht mehr interkulturelles (Fremdsprachen-)Lernen, sondern sprachliches Lernen als sozial-kommunikative Praxis in kulturell heterogenen Feldern (vgl. Phipps und Gonzales 2004) steht im Zentrum der Diskussion. Mit der Etablierung des soziokulturellen Paradigmas der Spracherwerbsforschung (vgl. exemplarisch Lantolf 2000; vgl. auch Art. 83 und 90) und in verwandten Forschungsansätzen wie den language socialization studies (vgl. exemplarisch die Beiträge in Kramsch 2002), rücken soziale, kontextuelle und kulturelle Faktoren des Spracherwerbs, v. a. der Zusammenhang von Sprachlernprozessen, soziokultureller Partizipation und personaler Identitätskonstruktion ins Zentrum des theoretischen und empirischen Interesses der neueren Fremdsprachenlehr-/-lernforschung (vgl. u. a. Levine 2008; Pietzuch 2009). In weitaus stärkerem Maße, als dies im Bereich DaF/DaZ geschehen ist, findet in der Anglistik bereits seit den 1980er Jahren eine kulturwissenschaftliche Transformation der Landeskunde über die Adaption von Fragestellungen, Gegenständen und Methoden der cultural studies statt. Auch wenn Altmayer (2004b) diese, in ihrem Birminghamer Ursprung mit politischen Engagement auftretende Forschungsprogrammatik für DaF-spezifische Erkenntnisinteressen und Praxisbedarfe nur als bedingt geeignet einschätzt, könnte die macht- und ideologiekritische Fokussierung migrations- und integrationsbezogener Fragestellungen vor allem der DaZ-Landeskunde neue Anregungen verleihen. Schließlich beziehen aktuell VertreterInnen der Romanistik eine explizit kulturwissenschaftliche Position, hierbei steht die kulturwissenschaftliche Fundierung der romanistischen Landeskunde im Fokus der Diskussion. Insbesondere die Arbeit von Schumann (2000) zeigt in ihrer Abkehr von kognitivistischen, verhaltensorientierten oder essentialistischen Referenzkonzepten und ihrer sozialkonstruktivistischen Akzentuierung der Genese und Funktion kollektiver Be-/Deutungssysteme innovative Wege zur Weiterentwicklung der Landeskunde und interkulturellem Lernens auf, wobei sie eher unterrichtspraktische Fragestellungen verfolgt. Im Bereich DaF/DaZ nimmt der texttheoretisch und hermeneutisch fundierte, empirisch ausgerichtete Ansatz von Altmayer (2004a) eine prominente Stellung ein.
3. Herausorderungen Es wird die Aufgabe der nächsten Jahre sein, die unterschiedlichen Diskursstränge auch über die Fächergrenzen hinaus zusammenzuführen, egal unter welchem begrifflichen Etikett dies geschieht. Der Bereich, durch den die verschiedenen Ebenen der Landeskunde dabei zusammengeführt werden müssen, ist die Forschung. Der Landeskunde ⫺ wie auch den Diskurssträngen interkulturelles Lernen, interkulturelle Kompetenz und den diversen kulturwissenschaftlichen Ansätzen ⫺ mangelt es vor allem an empirischer Grundlagenforschung mit der beispielsweise anhand qualitativer Studien (möglichst Longitudi-
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nalstudien) Wirkungsweisen und Nachhaltigkeit der Vermittlung landeskundlicher Themen im Sprachunterricht untersucht oder etwa dem komplexen Feld interkulturellen Lernens und interkultureller Kompetenz verstärkt substantielle und weniger spekulative Erkenntnisse abgerungen werden. Auch wenn die Forschung das zentrale Element darstellen wird, muss dabei klar sein, dass es letztlich um theoretischen Erkenntnisgewinn, vor allem aber auch um die Optimierung der Vermittlung geht.
4. Literatur in Auswahl ABCD- Thesen 1990 Zur Rolle der Landeskunde im Deutschunterricht. Fremdsprache Deutsch 3: 60⫺61. Althaus, Hans-Joachim 2009 Was müsste man nicht alles wissen! ⫺ Landeskunde als Teildisziplin im Studium Deutsch als Fremdsprache. In: Jürgen Joachimsthaler und Eugen Kotte (Hg.), Theorie ohne Praxis ⫺ Praxis ohne Theorie? Kulturwissenschaften im Spannungsfeld zwischen Theorie, Didaktik und kultureller Praxis, 131⫺142. München: Meidenbauer. Altmayer, Claus 2004a Kultur als Hypertext. Zu Theorie und Praxis der Kulturwissenschaft im Fach Deutsch als Fremdsprache. München: iudicium. Altmayer, Claus 2004b ,Cultural Studies‘ ⫺ ein geeignetes Theoriekonzept für die kulturwissenschaftliche Forschung im Fach Deutsch als Fremdsprache? Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 9(3). (Online). Biechele, Markus und Padro´s, Alicia 2003 Didaktik der Landeskunde. (Fernstudieneinheit 31). Berlin etc.: Langenscheidt. Bock, Hans Manfred 1974 Zur Neudefinition landeskundlichen Erkenntnis-Interesses. In: Robert Picht (Hg.), Perspektiven der Frankreichkunde: Ansätze zu einer interdisziplinär orientierten Romanistik, 13⫺22. Tübingen: Niemeyer. Buttjes, Dieter 1996 Lernziel Kulturkompetenz. In: Gerhard Bach und Johannes-Peter Timm (Hg.), Englischunterricht, 69⫺102. 2. Aufl. Tübingen/Basel: Francke. Byram, Michael 1997 Teaching and Assessing Intercultural Communicative Competence. Clevedon: Multilingual Matters. Casper-Hehne, Hiltraud 2006 Konzepte einer Kulturlehre und Kulturwissenschaft im Fach Interkulturelle Germanistik/ Deutsch als Fremdsprache. Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 32: 101⫺112. Christ, Herbert 1979 Landeskundeunterricht im Rahmen des Fremdsprachenunterrichts. In: Winfried Kleine (Hg.), Perspektiven des Fremdsprachenunterrichts in der Bundesrepublik Deutschland, 74⫺ 83. Frankfurt a. M. etc.: Diesterweg. Eckerth, Johannes und Michael Wendt 2003 Brauchen wir einen inter- und/oder transkulturellen Fremdsprachenunterricht? In: Johannes Eckerth und Michael Wendt (Hg.), Interkulturelles und transkulturelles Sprachenlernen, 9⫺24. Frankfurt a. M. etc.: Lang. Gnutzmann, Claus und Frank G. Königs 2006 ,A long and winding road.‘ ⫺ Von der ,Landeskunde‘ zur interkulturellen Sprachdidaktik. Überlegungen zur Einführung in die Thematik und eine Einleitung zu einem Themenheft. Fremdsprachen Lehren und Lernen 35: 3⫺27.
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XVII. Landeskunde
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160. Entwicklungslinien landeskundlicher Ansätze und Vermittlungskonzepte
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Veeck, Reiner und Linsmayer, Ludwig 2001 Geschichte und Konzepte der Landeskunde. In: Gerhard Helbig, Lutz Götze, Gert Henrici und Hans-Jürgen Krumm (Hg.), Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch, 1160⫺1168. Bd. 2. (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 19.1⫺2). Berlin/New York: de Gruyter. Wormer, Jörg 2004 Landeskunde ⫺ eine transkulturelle, vergleichende Wissenschaft. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 9(3). (Online).
Uwe Koreik, Bielefeld (Deutschland) Jan Paul Pietzuch, Bielefeld (Deutschland)
161. Sprachbezogene Landeskunde 1. 2. 3. 4. 5.
Begriffsverständnis Begriffsgeschichtliche Aspekte Inhaltliche Aspekte Methodische Aspekte Literatur in Auswahl
1. Begrisverständnis Sprachbezogene Landeskunde kann als ein Oberbegriff verstanden werden, unter dem integrative Unterrichtskonzepte für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache zusammengefasst werden, welche die Berücksichtigung des Zusammenhangs von Sprachenlernen und Kulturvermittlung/Kulturverstehen im Fremdsprachenunterricht (Interdependenz) zum zentralen Anliegen haben. Eine solche Landeskunde ist kommunikativ und interkulturell konzipiert und unterscheidet sich in dieser Akzentuierung von einer eher explizit angelegten, gegenstandsbezogenen oder auch problemorientierten Landeskunde. Sprachbezogene Landeskunde im engeren Sinne wird auch als implizite, sprachinhärente oder sprachimmanente Landeskunde bezeichnet (Lüger 1991: 14⫺15). In der auf Lernstufen gerichteten Unterrichtspraxis wird sprachbezogene Landeskunde häufig nur mit der ersten Lernstufe (frühes Deutsch) verbunden, die sich besonders mit dem Kulturwortschatz im Sinne der kulturellen Dimension sprachlicher Zeichen befasst. In der weiteren Progression ist die ausgeprägte Verknüpfung von sprachbezogener Landeskunde mit funktional-expliziter Kontext-Landeskunde eine Voraussetzung für kulturelles Verstehen. Als Ort der Begegnung mit Zielsprache und Zielkultur ist der Deutschunterricht zwar immer auch implizit landeskundlich, aber erst durch methodische Implikationen kann Landeskunde im Sinne von Sprachenlernen als „Kulturlernen“ realisiert werden (Krumm 1999: 32). Ihre konsequente Ausprägung findet die sprachbezogene Landeskunde daher im interkulturellen Ansatz der Landeskunde im Kontext der Erweiterung der kommunikativen zur interkulturellen Didaktik (Pauldrach 1992: 7).
161. Sprachbezogene Landeskunde
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Sprachbezogene Landeskunde ist nicht nur für den Fremdsprachenunterricht, sondern auch für den Unterricht in Deutsch als Zweitsprache relevant. In den Integrationskursen findet das Prinzip z. B. Anwendung, um in Sprachkursen den Kursteilnehmern mit der zweiten Sprache zugleich Wissen und Fertigkeiten hinsichtlich alltagskultureller Kommunikation zu vermitteln. In darauf aufbauenden Orientierungskursen verschiebt sich der Schwerpunkt hin zur Behandlung von Themen, welche eher der kognitiven Landeskunde nahestehen wie Kultur, Geografie, Geschichte, Politik, Recht, Wirtschaft (Bundesamt 2009). Didaktisches Ziel einer integrativ konzipierten sprachbezogenen Landeskunde ist es, in jeder Lernstufe den Lernprozess zu optimieren und die Motivation der Lernenden zu erhöhen, indem Interesse und Neugier an der Erschließung fremdkultureller Inhalte geweckt werden. In Abgrenzung zu systematischen, primär auf komplexe Darstellung einer objektiven Wirklichkeit der Länder der Zielsprache gerichteten Konzepte geht es bei der sprachbezogenen Landeskunde sozusagen um den bewusst „in den Lernprozess inkorporierten landeskundlichen Stoff“ (Helbig 1986: 45). In methodischer Hinsicht steht der Erwerb von Strategien und Techniken zur Erschließung der in Sprache gefassten landeskundlichen Elemente als Beitrag zur Entwicklung der interkulturellen Kompetenz durch die Lernenden im Mittelpunkt. Dieses Begriffsverständnis ist von einem seit den 1970er Jahren sich vollziehenden Paradigmenwechsel geprägt, der sich durch die Hinwendung zur Alltagskultur als einer alle Lebensbereiche, -gewohnheiten und -äußerungen zwischenmenschlicher Beziehungen einschließenden Kulturauffassung auszeichnet und dadurch die sinnvolle Verknüpfung des auf kommunikative Fertigkeiten zielenden Spracherwerbs mit kulturellen Zielen und Inhalten erst möglich macht. Landeskunde ist demnach an den Sprachunterricht gebunden, geht entweder von Sprache in ihren verschiedenen Präsentationsformen aus oder führt zu ihr hin, weil im Interesse der Entwicklung von kommunikativen Fertigkeiten nicht nur die fremdsprachlichen Mittel und die Regeln des situativen Gebrauchs, sondern auch die soziokulturellen Bezüge, Hintergründe und Kontexte von Bedeutung sind. Sprachbezogene Landeskunde muss nicht unbedingt auf ein bestimmtes methodisches Konzept festgelegt werden oder allein Gegenstand der Linguistik sein, sondern kann sich auf die ganzheitliche Tradition des Fremdsprachenunterrichts in Deutschland berufen, die bis an das Ende des 19. Jahrhunderts zurückreicht. Im Hinblick auf einen modernen Fremdsprachenunterricht sollte der Spracherwerb statt eines Neben- oder Nacheinanders „als Prozess der gleichzeitigen Integration sprachlichen und soziokulturellen Wissens angesehen werden“ (Buttjes 1989: 84). Sprachbezogene Landeskunde kann somit als ein didaktisches Prinzip charakterisiert werden, das sich nicht nur durch die Kombination von Sprachvermittlung und kultureller Information konkretisiert (…)“ (ABCD 1990: 60), sondern generell auf einen integrativen und ganzheitlichen Lernprozess abzielt, der die erkenntnis- und handlungsorientierte Erschließung der fremden Welt in Bezug auf die eigene Welt zum Ziel hat. In der seit den 1980er Jahren einsetzenden interkulturellen Akzentuierung wurden sprachliches und kulturelles Lernen als gleichberechtigte Lernziele behandelt. Die konfrontative Semantik war für diese Phase eine der wissenschaftlichen Grundlagen des organisierten sprachbezogenen interkulturellen Lernens. In das Zentrum der didaktischen Überlegungen rückte „insbesondere der Zusammenhang zwischen kulturspezifischer Wertorientierung, sprachlichem Handeln und Sozialisation“ (Müller-Jacquier 2001: 1230). Sprache muss in ihrer Kontaktfunktion, der Herstellung von Beziehungen zwi-
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XVII. Landeskunde
schen Kulturen unter Berücksichtigung der zeitlichen, räumlichen und sozialen Bedingungen, vermittelt werden und ist auf die Entwicklung sprachlicher und sozialer Kompetenz gerichtet. In einem ganzheitlich und integrativ verstandenen interkulturellen Konzept von Landeskunde wird in der Aneignung landeskundlichen Wissens eine wesentliche Bedingung für adäquate Sprachverwendung gesehen (Weimann und Hosch 1993: 516). Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts sind in der Fremdsprachendidaktik verschiedene, nicht strikt voneinander zu trennende Grundpositionen auszumachen: a) eine eher kulturwissenschaftlich begründete Position, die sich aufgrund der Vieldeutigkeit des Kulturbegriffs in verschiedene Richtungen auffächert (Altmayer 2004: 51). Sie stellt sich beispielsweise als Konzept kulturwissenschaftlicher Textanalyse dar, das u. a. beim Zusammenhang zwischen Wortbedeutungen und soziokulturellem Rahmen ansetzt (Altmayer 2004: 225); b) eine fremdsprachendidaktische, lerntheoretische Richtung, in der z. B. wie im D-A-CH-Konzept (vgl. Art. 167) vom Lernprozess als Integration von landeskundlichem Lehren und Lernen im Kontext interkulturellen Lernens ausgegangen wird (Hackl, Langner und Simon-Pelanda 1998: 7⫺8). Auch die Interkulturelle Sprachdidaktik reklamiert die Integration der Landeskundevermittlung in den Spracherwerb als nicht unerheblichen Beitrag für die Prägung des Begriffs „Interkulturelles Lernen“ (Gnutzmann und Königs 2006: 6). „Landeskunde“ gilt in interkulturellen fremdsprachendidaktischen Ansätzen auch als ein Element interkultureller Kompetenz, wobei traditionelle landeskundliche Inhalte als facts & figures mit fremdsprachlicher Kompetenz verbunden werden (Volkmann 2002: 28); c) in primär kommunikationstheoretischen Ansätzen tritt zum Beispiel an die Stelle von landeskundlichem das kulturspezifische Wissen, welches als funktionales spezifisches Wissen über andere Kommunikationsgemeinschaften angenommen wird und prinzipiell unvollständig ist. Die Beziehung zur Sprache stellt sich hierbei als Wissen über Sprache und kulturadäquater Sprachverwendung dar (Knapp-Potthoff 1997: 200⫺202).
2. Begrisgeschichtliche Aspekte Die Frage nach der Verbindung von Sachlichem und Sprachlichem im Fremdsprachenunterricht geht bis zu dessen Anfängen zurück, z. B. in der natürlichen Grundorientierung mit dem methodischen Aspekt der sinnlichen Anschauung als Ausgang des fremdsprachigen Lehrprozesses (Apelt 1991: 118). Man kann die Wurzeln sprachbezogener Landeskunde mit Christ (1979: 80) bis Wilhelm von Humboldt zurückverfolgen, „der von der Grundannahme ausgeht, dass alle Sprachen historische und soziale Phänomene sind und dass sie folglich Kenntnisse und individuelle und kollektive Erfahrungen aufbewahren und somit einen großen Teil der Reichtümer einer Kultur“ darstellen. Ihre Vorläufer findet die sprachbezogene Landeskunde insbesondere bei den Verfechtern der natürlichen Lernmethode in der Zeit der Reform des neusprachlichen Unterrichts in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit deren Forderung nach Verbindung von Sprach- und Sachunterricht in Studientexten für den Fremdsprachenunterricht. Parallel zu den sprachintegrativen Ansätzen und teilweise in Konkurrenz zu ihnen existierten solche Ansätze fort, in denen die Landeskunde als eigenständiges Element behandelt wurde, aber zugleich auch als Anwendungsfeld für erworbene Sprachfertigkeiten galt und sich in kulturellen Inhalten von Sprachlerntexten
161. Sprachbezogene Landeskunde
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manifestierte. In einer als „Wesenskunde“ verstandenen kulturkundlichen Landeskunde, seit etwa dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, offenbarte sich deren Anfälligkeit für ideologische Instrumentalisierung, was in der Zeit der Herrschaft des Nationalsozialismus in Deutschland extrem in pseudowissenschaftlichen kulturvergleichenden Methoden zur Beweisführung einer angeblich moralisch-kulturellen Überlegenheit des „deutschen Wesens“, in biologistischen Typologisierungen von Rassen und Völkern zum Ausdruck kam. Dadurch wurden aufklärerisch humanistische Ansätze zurückgedrängt, und in der Konsequenz erschien die kulturkundliche Landeskunde noch lange Zeit nach dem Ende des 2. Weltkrieges in einem anrüchigen, manipulatorischen Licht (Briesemeister 1976: 169), was zugleich die Annahme bestärkte, dass mit dem Sprachunterricht kulturelle Aspekte automatisch realisiert würden. Nach 1945 war in der Bundesrepublik Deutschland die Kulturkunde noch einige Jahre vom Fremdsprachenunterricht getrennt. Man verzichtete angesichts der negativen Erfahrungen aus der ethnozentrischen und chauvinistischen Kulturkunde zunächst völlig auf curricular fixierte kulturelle Zielstellungen im Fremdsprachenunterricht. In der Deutschen Demokratischen Republik wurde der Fremdsprachenunterricht frühzeitig nach dem Muster des Russischunterrichts auch zur Vermittlung marxistisch-leninistisch gedeuteten Sachwissens und sozialistischer Wertevermittlung benutzt. Der Landeskunde wurde offiziell aus diesem Grund, aber auch aus fachlichen Erwägungen heraus ein hoher Stellenwert zugemessen, was nicht nur für ihre gegenstandsbezogene, sondern auch für ihre sprachbezogene Variante zutraf. In der Bundesrepublik Deutschland wurde der Fremdsprachenunterricht in den 1950er Jahren durch die Übernahme von Wertvorstellungen des englisch-amerikanischen Kulturkreises durch das Partnerschaftskonzept geprägt, wodurch kulturelle und pädagogische Lernziele wieder verstärkt ins Blickfeld rückten (Neuner 1994: 19). In den 1960er Jahren entwickelte sich parallel mit neuen Sprachvermittlungsmethoden und in Verbindung mit demokratischen und weltoffenen bildungsreformerischen Ansätzen das Konzept einer in den Sprachunterricht integrierten situativen und dialogisierenden Landeskunde. Der u. a. durch Lado inspirierten audiolingualen Methode waren kulturelles Kolorit (cultural notes) und explizite landeskundliche Themen (cultural matters) im Sinne der Einheit von expressions und content immanent (Apelt 1991: 189). Dieser Ansatz einer sprachbezogenen Landeskunde brachte zwar kein geschlossenes methodisches Konzept hervor, leitete aber eine Trendwende ein, indem die individuellen sozialen Erfahrungen der Lernenden über kulturelle Alltagsthemen ein zunehmend wichtiger Aspekt zur Zielund Inhaltsbestimmung des Fremdsprachenunterrichts Deutsch wurden, in ihrer Wirkung allerdings eingeschränkt durch lebensferne Lehrbuchtexte und die durch pattern drill schematisierten und stereotypisierten landeskundlichen Elemente. Die entscheidende Zäsur auch für die sprachbezogene Landeskunde ist gegen Ende der 1960er Jahre als pragmatische oder kommunikative Wende bekannt geworden, und zwar im Zusammenhang mit einer Konstellation für „eine neue Konzeption des fremdsprachlichen Unterrichts“ (Neuner und Hunfeld 1993: 83), die zur Durchsetzung eines funktional-pragmatischen kommunikativen Unterrichts auf der inhaltlichen Basis alltagskultureller Themen und authentischer Texte und Materialien führte. Zu den wissenschaftlichen Entwicklungen, welche diese Konstellation bewirkten, gehörten Erkenntnisse der pragmatischen Linguistik, die auf die Erschließung der soziokulturellen Bedeutung sprachlicher Erscheinungen und auf wirklichkeitsadäquaten Sprachgebrauch hinwiesen und die angewandte Linguistik zu einer wichtigen Bezugswissenschaft sprach-
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XVII. Landeskunde
bezogener Landeskunde werden ließ. Verschiedene Einflüsse und Impulse sozialwissenschaftlicher und kulturanthropologischer Richtungen aus der Romanistik und der Anglistik/Amerikanistik trugen dazu bei, eine einseitig sprachdidaktisch und sprachwissenschaftliche Sicht auf landeskundliches Lernen zu verhindern. Situativität, Kontextualität, Aktualität und Authentizität wurden zu Schlagworten, in denen der stärkere Wirklichkeitsbezug des Sprachunterrichts und die Einheit von Verstehen und Handeln als Ziel des Fremdsprachenunterrichts zum Ausdruck kamen. Sprachbezogene Landeskunde wurde als eine implizite Landeskunde verstanden, die „im Vokabular, in der Idiomatik und in den Texten einer Sprache“ (Firges und Melenk 1982: 119) vorhanden ist. Das in der sowjetischen Linguistik maßgeblich durch E.M. Verescagin und W.G. Kostomarow Ende der 1960er Jahre entwickelte Konzept einer Linguolandeskunde, von denselben auch als sprachbezogene Landeskunde bezeichnet, kann als ein Versuch angesehen werden, eine Brücke zwischen expliziter und impliziter bzw. immanenter Landeskunde zu bauen. Der linguolandeskundliche Ansatz geht davon aus, dass die nationalkulturelle Semantik alle sprachlichen Ebenen durchdringt und damit auch erschließbar sein müsste. Am deutlichsten käme diese national geprägte Kultursemantik in sprachlichen Einheiten zum Ausdruck, „die unmittelbar die außersprachlichen Realitäten widerspiegeln, indem sie die Gegenstände und Erscheinungen der Umwelt begrifflich prägen und benennen. Zu diesen Einheiten gehören Wörter, stehende (oder feste) Wortfügungen und sprachliche Aphorismen“ (Bogatyrewa 1994: 99⫺100). Anliegen des auch von der Fremdsprachendidaktik in der DDR aufgegriffenen Konzepts war es, den Studierenden „die Bekanntschaft mit dem Land der Zielsprache, mit seinen Menschen und ihrer Kultur im Prozess der Sprachaneignung ⫺ ausgehend von der Wortbedeutung ⫺ zu vermitteln“ (Herrde und Marnette 1989: 24). Dieser Ansatz bedeutete jedoch keine linguistisch und didaktisch begründete Integration, erwies sich zudem als ideologiebetont und setzte bei der Umsetzung gesellschaftlich relevanter landeskundlicher Ziele auf vordergründig landeskundliche Materialien (Helbig 1983: 95). In der aus fremdsprachendidaktischer Perspektive geführten Auseinandersetzung mit der Linguolandeskunde kristallisierte sich in den 1980er Jahren in der DDR das „landeskundliche Prinzip“ des Fremdsprachenunterrichts heraus, das sich nicht primär an einem wissensorientierten „Landesbild“ orientierte, sondern von der kommunikativen Kompetenz der Lernenden als zentralem Lernziel ausging und auf methodische Wege zur Integration von Landeskunde und Spracherwerb hinwies (Uhlemann 1982: 157). Sozialwissenschaftliche Ansätze beeinflussten den landeskundlichen Sprachunterricht auf der Suche nach begründeten integrativen Konzepten, in dem sie den Fremdsprachenunterricht z. B. „als Verständigung über Bedeutungen und deren historischen, gesellschaftlichen, schichtenspezifischen, gruppenspezifischen und individuellen Sinn“ (Baumgratz 1982: 182⫺183) ansahen. Auch die Bedeutung eines von der Semiotik beeinflussten landeskundlichen Ansatzes liegt weniger in einer methodisch praktikablen Überwindung der Trennung von sprachlichen und landeskundlichen Zielen, sondern in der Argumentation für eine auf den Grundbegriffen Syntax, Semantik und Pragmatik beruhende Dekodierungsstrategie von verbalen und nonverbalen Zeichen, die für die sprachbezogene Landeskunde nutzbar gemacht werden könnte. Dieser Ansatz galt vor allem als ein für kognitive Lernertypen geeigneter Weg, um kulturelle Missverständnisse zu vermeiden, indem kulturelle sets (Kleidung, Frisur, Benehmen etc.) in ihrem kulturspezifischen Zusammenschluss zu pattern erkennbar werden und so eine sinnstiftende „Syntax der Kultur“ aufgebaut werden könnte (Köhring und Schwerdtfeger 1976: 60).
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Im Ergebnis der miteinander konkurrierenden und sich gegenseitig beeinflussenden konzeptionellen Ansätze setzte sich für den Fremdsprachenunterricht Deutsch letztlich eine integrative Richtung durch, die von Weimann und Hosch (1993) als kommunikativer Ansatz bezeichnet wurde. Der Landeskunde wurde in einem informations- und handlungsorientierten Fremdsprachenunterricht die Funktion zugewiesen, das „Gelingen sprachlicher Handlungen im Alltag und das Verstehen alltagskultureller Phänomene“ zu unterstützen (Weimann und Hosch 1993: 516). In einer zweiten Phase der kommunikativen Periode, ihrer interkulturellen Akzentuierung, wurde vor allem unter dem Einfluss von Kulturanthropologie, Linguistik und Psychologie die auf alltagskulturellen Inhalten basierende „thematisierend informativ-interaktive“ Landeskunde (Koreik 1995: 34) um die Sicht auf eigenkulturell geprägtes Wahrnehmen der fremden Welt und die Entwicklung entsprechender Lernstrategien ergänzt. Damit wurde eine wichtige Voraussetzung zum vertieften Verständnis der sprachbezogenen Landeskunde als ein fremdsprachendidaktisches Prinzip geschaffen. Landeskundliches Lernen wurde nun selbst zum Thema und zwar als „Aneignung fremder soziokultureller Bedeutungen unter den Bedingungen des gesteuerten Fremdsprachenerwerbs“ (Buttjes 1982: 146) und als Fremdverstehen über die Ausprägung von Fähigkeiten zur Empathie, des Perspektivwechsels, der Einsicht in die Vielfalt der Kulturen. Eine Folge der daraufhin immer intensiveren Verflechtung von Landeskunde und Spracherwerb war eine Neubestimmung des Stellenwerts der Landeskunde als Bestandteil eines interkulturellen Lernprozesses, durch den die Kultur der Zielsprache in Auseinandersetzung mit den Normen der eigenen Kultur zum Thema gemacht wird (Krumm 1992: 16).
3. Inhaltliche Aspekte Wenngleich sprachbezogene Landeskunde nicht die landeskundlichen Gegenstände als Ausgangspunkt der Didaktik und Methodik setzt, kann sie nicht auf mehr oder weniger zufällige landeskundliche Inhalte vertrauen, welche dem präsentierten Sprachlernstoff innewohnen, da dieser Automatismus die Einheit der kulturellen und sprachlichen Lernziele gefährden, wenn nicht gar verhindern würde. Dass die für den Gegenstand der Landeskunde charakteristische inhaltliche Komplexität und Weite nicht auf den Sprachunterricht übertragen werden kann, ist ebenso allgemein anerkannt wie die daraus zu schließende Erkenntnis, dass der landeskundliche Stoff ausgehend von den Sprachlernzielen ausgewählt werden muss. Die bewusst auszuwählenden Inhalte werden durch das jeweilige dem Fremdsprachenunterricht zugrundeliegende Konzept und dem damit korrespondierenden landeskundlichen Ansatz bestimmt. Die Inhalte stellen sich zunächst als landeskundliche Themen und Texte dar, die dazu beitragen sollen, „(…) dass nicht nur die Bedeutungen und Regeln der Sprache erlernt werden, sondern die Lernenden auch die fremde Realität kennen lernen“ (Simon-Pelanda 2001: 931). Diese Realität manifestiert sich nicht nur in komplexen landeskundlichen Einheiten, sondern auch in kleineren textlichen sowie in syntaktischen, morphologischen und lexikalischen Phänomenen. Schon wegen der Vielfalt der didaktischen Rahmenbedingungen und Sprachlernkonzepte kann es keine universell gültigen landeskundlichen Themenkataloge geben. Konsequent auf die Lernenden bezogene Inhalte einer sprachbezogenen Landeskunde erfor-
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XVII. Landeskunde
dern neben der Berücksichtigung allgemeiner Determinanten zur Themenermittlung und Stoffauswahl wie übergreifende repräsentative gesellschaftlich-politische und institutionelle Faktoren, fachwissenschaftliche und wissenschaftsintegrative Vorleistungen und fachdidaktische Konzepte den Blick auf allgemeine Sozialisation und individuelle Faktoren der Lernenden. Die unter solchen Kriterien abgeleiteten alltagskulturell-kommunikativen Themen werden auf der Basis elementarer Daseinserfahrungen wie z. B. personale Identität, Familie, Partnerschaft, Wohnen, Umwelt, Arbeiten, Bildung, Erholung, Versorgung, Mobilität, Kommunikation, Gesundheit, Normen, Werte, Zeiterfahrung etc. (Neuner 1994: 23⫺28) didaktisiert. Für den interkulturell konzipierten Fremdsprachenunterricht dienen Themen und Subthemen, die auf solchen anthropologischen Grundkategorien beruhen, als wichtige Orientierungen für die thematische Gestaltung eines kommunikativen Fremdsprachenunterrichts (Europarat 2001: 58) und sollten auch als Kriterium für die Auswahl nicht vordergründig landeskundlicher Texte und Materialien dienen. Alltagskulturelle und kulturanthropologisch begründete Inhalte können im Unterschied zu den objektiven Themen der kognitiven Landeskunde auch nach altersspezifischen Kriterien zugeschnitten werden. Für die Phase der Adoleszenz wären solche eingegrenzten Themen beispielsweise: „Geschlechterrolle, Partnerschaft und Rivalität; Zusammenleben in Gruppen und Ablösung von Autoritäten; Zukunftsperspektiven als individueller Lebensentwurf und als kollektive Lebensbedrohung“ (Buttjes 1989: 87). Die institutionelle Vorgabe von Inhalten durch thematische Orientierungen bedarf eines lernerspezifischen Transfers, welche die aktive Beteiligung der Lernenden einschließt. Zu den wichtigen Inhalten der sprachbezogenen Landeskunde gehört schließlich auch die Sprache selbst als Ausdruck der soziokulturellen Vielfalt des deutschsprachigen Raums.
4. Methodische Aspekte Es gibt für die sprachbezogene Landeskunde keine spezifischen, von den allgemeinen Methoden des Fremdsprachenunterrichts unabhängigen Methoden. Für den integrativen Fremdsprachenunterricht kann generell geltend gemacht werden, dass modernes landeskundliches Lernen „auf die Kombination von (kognitivem) Wissenserwerb, dem Erfassen von (affektiven) Steuerungsmechanismen und der Regeln (operativen) Handelns“ zielt (Hackl, Langner und Simon-Pelanda 1998: 103). Letztlich vollzieht sich der integrative Spracherwerb über Texte, die als Lerntexte mit landeskundlicher Thematik oder als explizit landeskundliche Verstehenstexte Äußerungsanlass sind oder landeskundliches Wissen vermitteln (Storch 1999: 157). Nach Penning (1995: 632) können explizit landeskundliche Texte und Materialien in informationsbetonte und meinungsbetonte Texte unterschieden werden. Hierbei handelt es sich um authentische Texte und Materialien, welche sich besonders für die Realisierung der landeskundlichen Seite des Lernens eignen. Für diesen Typ von Texten gibt es spezifische Erschließungsstrategien zur Informationsentnahme, wie sie etwa von Delmas und Wendt entwickelt worden sind (Bettermann 2001: 1259) oder komplexe integrative Verfahren wie z. B. das von Zeuner (2008: 75) dargestellte Modell zur integrativen Didaktisierung landeskundlicher Texte. Auch für das Verstehen literarischer Texte sind spezifische sprachlich-landeskundliche Strategien, z. B. auf der Sprach- und Stilebene, erforderlich (Ehlers 1998: 433).
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Bestimmte Strategien und Techniken eignen sich besonders für einen landeskundlich orientierten Sprachunterricht, der es den Lernenden ermöglicht, die in das Sprachmaterial inkorporierten landeskundlichen Inhalte zu erkennen und zu verstehen. Dazu gehören u. a. Strategien und Techniken der konfrontativen Bedeutungsermittlung in der Wortschatzarbeit. Hierbei wird die Semantisierung nicht isoliert sprachanalytisch durchgeführt, sondern als integrativer Lernprozess organisiert, in dessen Ergebnis landeskundliche Komponenten von Einzelbedeutungen und Bedeutungsbeziehungen erschlossen werden können (Müller[-Jacquier] 1994: 63). Im Hinblick auf den Umgang mit kulturspezifischen Texten im fortgeschrittenen Niveau bietet sich der kulturtheoretische Ansatz „kulturelle Deutungsmuster“ an, der kulturelles Lernen an den Kategorien Raum, Zeit, Identität und Wertorientierungen festmacht (Altmayer 2006: 50⫺56). Die sprachbezogene Landeskunde wird in der Unterrichtspraxis auch mit expliziter Landeskunde und kontextualen Verfahren verbunden, die zum Verstehen der zentralen Lerngegenstände beitragen. Verstehen entsteht allerdings nicht allein über die Ebenen Lexik, Wortbildung, Syntax und Textstruktur, sondern bedarf auch des Einbeziehens von Kontextwissen in engerem und weiterem Sinne als landeskundliches Hintergrundwissen (Lüger 1991: 32). Daher kommen auch solche Strategien, Techniken und Verfahren in Betracht, die insbesondere der Sprachanwendung dienen, wie z. B. die Suchfragen-Strategie (Müller[-Jacquier] 1994: 82⫺83). Die Arbeit mit landeskundlicher Lexik fokussiert auf den Umgang mit kulturellen Schlüsselwörtern und -wendungen, in denen kulturelle Inhalte amalgamiert sind. Die Kenntnis solcher kulturell angereicherter Begriffe hilft den Lernenden, komplexe Zusammenhänge herzustellen und den kulturellen Dialog erfolgreicher zu gestalten. Ausgangspunkt für die Identifizierung von Schlüsselwörtern können kommunikative Kategorien sein, die von thematischen Bereichen (z. B. Öffentlich) ausgehen, als Subthemen kategorisiert und schließlich in Texten präsentiert werden (Europarat 2001: 54⫺58), welche kulturspezifischen Wortschatz enthalten (Glabionat u. a. 2005: 216⫺226). Schlüsselwörter haben in der Regel längerfristigen Bestand, können aber durch aktuelle Verständigungswörter konkretisiert oder variiert werden (z. B. Arbeitslosengeld ⫺ Hartz IV; Kindergeld ⫺ Kindergeldsünder; Finanzkrise ⫺ Rettungspaket). Wie komplex landeskundliche Spracharbeit sein kann, zeigt sich am Beispiel der Arbeit mit idiomatischen Wendungen, Sprichwörtern, Redensarten, Parolen und Losungen, die meist einer historischen und aktuellen Bedeutungs- und Gebrauchsperspektive bedürfen. Ihr Ziel ist jedoch nicht der Aufbau komplexen Wissens, sondern die Ermöglichung von Einsichten in die Weite, Vielfalt und Einzigartigkeit der Welt. Die Schlüsselphänomene können in Texten und Materialien identifiziert werden, welche sich darauf beziehen, wie Leute wohnen, sich erholen, kontaktieren, am gesellschaftlichen Leben partizipieren, sich versorgen, arbeiten, sich bilden und vergnügen, wovon Leute träumen, wovor sie Angst haben usw. (Weimann und Hosch 1993: 515). Die Sprache wird in dieser Sichtweise konsequent in ihrer Kontaktfunktion und in ihren Impulsen zur Identitätsfindung gesehen. Handlungs- und Verhaltensweisen werden als Erweiterung landeskundlicher Inhalte verstanden. Um sprachlich und nonverbal ausgedrückte Verhaltensweisen in interkulturellen Begegnungssituationen geht es auch im von Heringer generalisierten Rich Point-Konzept Michael Agars, gekennzeichnet durch sogenannte „heiße Stellen“ (Hotspots) wie z. B. „Ja und Nein sagen“ und kulturspezifisch angereicherte „heiße Wörter“ (Hotwords) wie z. B. „Schmäh“ und „Heimat“ (Heringer 2004: 162⫺175). Derartige konzeptionelle Ansätze können als sprachlich-kulturelles Erklä-
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XVII. Landeskunde
rungs- und Verstehensmuster für den Lernprozess adaptiert und angewendet werden. Ansätze für einen integrativen Fremdsprachenunterricht bietet auch die Kulturemtheorie an, welche „das Zusammenwirken von informationstragenden Einheiten in der zwischenmenschlichen Kommunikation“ in Kulturemen wie z. B. „Begrüßen“ verdeutlicht und analysiert (Oksaar 2003: 38⫺39). Eine wichtige Lernunterstützung ist der Einsatz landeskundlich relevanter Bilder (Fotos von Kulturlandschaften und Personen, Kunstbilder, Landkarten, Schaubilder etc.). Diese dienen nicht nur der Illustration von Texten oder der reinen landeskundlichen Information. Sie können beispielsweise zu bestimmten landeskundlichen Themen als motivierender Sprech- und Schreibanlass eingesetzt werden (Macaire und Hosch 1996: 75⫺ 98), aber ihre eigentliche Bedeutung für eine sprachbezogene Landeskunde liegt wohl in der Sensibilisierung für subjektive und verschiedene, oft überraschende Sichtweisen auf die eigene und fremde Kultur, aber auch in der bildhaften Unterstützung für die Erklärung schwer erschließbarer sprachgebundener „bildhafter“ Sachverhalte oder Symbolwörter. Eine besondere Rolle bei der Gestaltung eines Fremdsprachenunterrichts, in dem kulturelles Lernen und Sprachlernen sinnvoll miteinander verbunden werden und zwar nicht nur als Wahrnehmungsschulung, sondern auch als Verbindungsmöglichkeit von sprachlichem und inhaltlichem Lernen über authentische Kommunikationsanlässe kommt dem Einsatz von Musik- und Bildkunst zu (Badstübner-Kizik 2007: 28). In der Bildhaftigkeit von Sprache und der Sprachlichkeit von Bildern sowie der Musikalität von Sprache und der Sprache der Musik, überhaupt im Zusammenspiel der wichtigsten Formen menschlicher Kommunikation liegen noch zu erschließende Potenzen für einen ganzheitlichen Prozess des Spracherwerbs.
5. Literatur in Auswahl ABCD-Thesen zur Rolle der Landeskunde im Deutschunterricht 1990 Fremdsprache Deutsch 3: 306⫺308. Altmayer, Claus 2004 Kultur als Hypertext. Zu Theorie und Praxis der Kulturwissenschaft im Fach Deutsch als Fremdsprache. München: iudicium. Altmayer, Claus 2006 ,Kulturelle Deutungsmuster‘ als Lerngegenstand. Zur kulturwissenschaftlichen Transformation der ,Landeskunde‘. Fremdsprachen Lehren und Lernen 35: 44⫺59. Apelt, Walter 1991 Lehren und Lernen fremder Sprachen. Grundorientierungen und Methoden in historischer Sicht. Berlin: Volk und Wissen. Badstübner-Kizik, Camilla 2007 Bild- und Musikkunst im Fremdsprachenunterricht. Frankfurt a. M.: Lang. Baumgratz, Gisela 1982 Die Funktion der Landeskunde im Französischunterricht. Ergebnisse des Arbeitskreises „Landeskunde“ im Projekt „Frankreichkunde im Französischunterricht“ des DeutschFranzösischen Instituts Ludwigsburg. Praxis des neusprachlichen Unterrichts 29(2): 178⫺183. Bettermann, Rainer 2001 Texte als Träger von landes- und kulturwissenschaftlichen Informationen. In: Gerhard Helbig, Lutz Götze, Gert Henrici und Hans-Jürgen Krumm (Hg.), Deutsch als Fremdspra-
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Herrde, Dietrich und Hans Marnette (Hg.) 1989 Landeskunde. Überlegungen zur Theorie und Methode. Potsdam: Pädagogische Hochschule. Knapp-Potthoff, Annelie 1997 Interkulturelle Kommunikationsfähigkeit als Lernziel. In: Annelie Knapp-Potthoff und Martina Liedke (Hg.), Aspekte interkultureller Kommunikationsfähigkeit, 181⫺205. München: iudicium. Köhring, Klaus Heinrich und Inge Christine Schwerdtfeger 1976 Landeskunde im Fremdsprachenunterricht: Eine Neubegründung unter semiotischem Aspekt. Linguistik und Didaktik 25(7): 55⫺80. Koreik, Uwe 1995 Deutschlandstudien und deutsche Geschichte. Die deutsche Geschichte im Rahmen des Landeskundeunterrichts. Baltmannsweiler: Schneider. Krumm, Hans-Jürgen 1992 Bilder im Kopf. Interkulturelles Lernen und Landeskunde. Fremdsprache Deutsch 6: 16⫺20. Krumm, Hans-Jürgen 1999 Landeskunde Deutschland, D-A-CH oder Europa? Über den Umgang mit Verschiedenheit im DaF-Unterricht. In: Hans Barkowski und Armin Wolff (Hg.), Alternative Vermittlungsmethoden und Lernformen auf dem Prüfstand. Wissenschaftssprache ⫺ Fachsprache ⫺ Landeskunde aktuell. Interkulturelle Begegnungen ⫺ Interkulturelles Lernen, 31⫺61. Regensburg: Fachverband Deutsch als Fremdsprache. Lüger, Heinz-Helmut 1991 Landeskunde ⫺ Aspekte eines problematischen Begriffs. Beiträge zur Fremdsprachenvermittlung aus dem Konstanzer SLI 22: 4⫺37. Macaire, Dominique und Wolfram Hosch 1996 Bilder in der Landeskunde. Berlin etc.: Langenscheidt. Müller[-Jacquier], Bernd-Dietrich 1994 Wortschatzarbeit und Bedeutungsvermittlung. Berlin etc.: Langenscheidt. Müller-Jacquier, Bernd-Dietrich 2001 Interkulturelle Landeskunde. In: Gerhard Helbig, Lutz Götze, Gert Henrici und HansJürgen Krumm (Hg.), Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch, 1230⫺ 1234. Band 2. (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft Bd. 19.1⫺2.) Berlin/New York: de Gruyter. Neuner, Gerhard 1994 Fremde Welt und eigene Erfahrung ⫺ Zum Wandel der Konzepte von Landeskunde für den fremdsprachlichen Unterricht. In: Gerhard Neuner (Hg.), Fremde Welt und eigene Wahrnehmung. Konzepte von Landeskunde im fremdsprachlichen Unterricht, 14⫺39. Kassel: Universität Gesamtschule. Neuner, Gerhard und Hans Hunfeld 1993 Methoden des fremdsprachlichen Unterrichts. Eine Einführung. Berlin etc.: Langenscheidt. Oksaar, Els 2003 Zweitsprachenerwerb. Wege zur Mehrsprachigkeit und zur interkulturellen Verständigung. Stuttgart: Kohlhammer. Pauldrach, Andreas 1992 Eine unendliche Geschichte. Anmerkungen zur Situation der Landeskunde in den 90er Jahren. Fremdsprache Deutsch 6: 4⫺15. Penning, Dieter 1995 Landeskunde als Thema des Deutschunterrichts ⫺ fächerübergreifend und/oder fachspezifisch? Info DaF 22(6): 626⫺640. Simon-Pelanda, Hans 2001 Landeskundliches Lernen und Lehren. In: Gerhard Helbig, Lutz Götze, Gert Henrici und Hans-Jürgen Krumm (Hg.), Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch,
162. Informationsbezogene Landeskunde
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Rainer Bettermann, Jena (Deutschland)
162. Inormationsbezogene Landeskunde 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
Einleitung/Vorbemerkung Historische Entwicklung Landeskunde in der DDR Landeskunde in der kommunikativen Wende ABCD-Thesen Lernort Wissenschaftliche Fundierung und Kulturwissenschaft Informationskompetenz als Medienkompetenz Literatur in Auswahl
1. Einleitung/Vorbemerkung Ein Blick in die Geschichte des DaF-/DaZ-Unterrichts bestätigt, dass der Landeskunde im Kontext unterschiedlichster Leitvorstellungen zwar sehr verschiedenartige Aufgaben zugeschrieben worden sind, die Notwendigkeit von Information und kognitivem Wissen stand und steht jedoch durchwegs außer Zweifel. Selbst die Reduktion auf ein praktischinstrumentelles Verständnis des Sprachunterrichts kann auf die kulturelle Einbettung der Sprache nicht ganz verzichten, erst recht muss bei der expliziten Verschränkung von Sprach- und Kulturvermittlung oder in Hinblick auf allgemeine Bildungsziele reflektiert werden, was aus der/den zu vermittelnde(n) Realität(en) unter welchen Gesichtspunkten
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XVII. Landeskunde
auszuwählen ist. Informationsbezogene Landeskunde bedeutet daher den Versuch, das Wissen, die Analyse- und Verstehenskompetenz von der Fähigkeit zum Sprachhandeln und von der Kommunikationskompetenz abzuheben.
2. Historische Entwicklung Informationsbezogene Landeskunde, die sich von einer handlungsorientierten oder interkulturellen Landeskunde abgrenzt, hat ihre historische Grundlage im Wesentlichen in der Realienkunde. Damit opponierte die Reformbewegung am Ende des 19. Jahrhunderts gegen das altphilologische Erbe, gegen die Ausrichtung auf Sprachwissen und Grammatikdrill für das Sprachkönnen und entsprechendes Wissen. Die Realienkunde blieb freilich dem positivistischen Ideal des 19. Jahrhunderts und ihren Wurzeln im enzyklopädischen Denken und dem Kanon der Bezugswissenschaften verpflichtet. Im Umfeld historischer und bildungspolitischer Entwicklungen wurde die Realienkunde in den 1920er Jahren zum Kontrastbegriff der sich entwickelnden Kulturkunde. In der Gegenüberstellung von Realien und Kultur ist damit früh die Polarisierung zwischen einem wissensorientierten und einem wertorientierten landeskundlichen Sprachunterricht zu erkennen, der die Kulturkunde für politische und ideologische Vereinnahmung durch den Nationalsozialismus anfällig machte. Anfang der 1970er Jahre bekam der Fremdsprachenunterricht mehrfach neue Impulse. Gefördert von den gesellschaftlichen Umbrüchen Ende der 1960er Jahre kam es auch in der Bundesrepublik Deutschland zur breiten Etablierung der Sozialwissenschaften und in den landeskundlichen Referenzwissenschaften selbst zu entscheidenden methodischen und inhaltlichen Neuorientierungen. Lehrstühle für Zeit- oder Wirtschaftsgeschichte wurden gegründet, Alltagsgeschichte und oral history sollten den erstarrten Wissenschaftsbetrieb aufbrechen, die Angewandte Geographie und die Kulturgeographie etablierten sich, in der Literaturwissenschaft herrschten rezeptionsästhetische und sozialgeschichtliche Arbeiten vor. Schließlich begann sich der Studienbereich DaF/DaZ auch in der Bundesrepublik als Wissenschaft zu etablieren.
3. Landeskunde in der DDR In der DDR galt der landeskundlich orientierte Sprachunterricht als wichtiges Werkzeug, um die DDR als eigenen Staat mit normalen völkerrechtlichen Beziehungen zu verankern. Die DDR verfocht in der Landeskunde ihre staatliche Souveränität und verwehrte sich gegen die abwertende Darstellung ihres Landes in der Deutschlandkunde nichtsozialistischer Länder. Die Landeskunde beschränkte sich deshalb nicht nur konsequent auf die Selbstdarstellung, sondern erhielt dazu die Aufgabe, die Verzerrungen des Landesbildes zu korrigieren und bestehende Informationsdefizite abzubauen. Die ideologische Funktionalisierung des Deutschunterrichts verhinderte eine differenzierte und problemorientierte Darstellung landeskundlicher Sachverhalte zugunsten der Politpropaganda, freilich kam es Ende der 1980er Jahre im Kontext der internationalen Forschung auch innerhalb der DDR zu einer kontroversiellen Landeskundediskussion. (Vgl. Zeuner 1994).
162. Informationsbezogene Landeskunde
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4. Landeskunde in der kommunikativen Wende Die kulturkundlichen Positionen der 1950er Jahre gerieten in der Bundesrepublik Deutschland in den 1960er Jahren zunehmend in eine Krise. Das didaktische Interesse galt nicht mehr allgemeinen, neuhumanistischen Bildungsidealen, sondern die Nützlichkeit der Fremdsprache, ihr Gegenwartsbezug trat wieder in den Vordergrund. In der Didaktik wurde in der Diskussion wieder auf Elemente der Reformbewegung zurückgegriffen, wobei die Sprechfertigkeit zur Kommunikationsfähigkeit erweitert wurde. Damit galt auch das landeskundliche Interesse wieder verstärkt der gegenwartsbezogenen Sachinformation, die pragmatisch orientierte Landeskunde (Melde 1987: 22⫺23) begann sich zu etablieren. Denn Kommunikation findet in konkreten Situationen statt, deren Verständnis Hintergrundinformation nötig macht. Sehr deutlich lässt sich das in der bis dahin einzigen Landeskundemonographie von Erdmenger und Istel (1973) erkennen. Sie definieren Kommunikationsfähigkeit als die „Beherrschung der sprachlichen Fertigkeiten und die Kenntnis über den die fremde Sprache verwendenden Kulturbereich“, Landeskunde ist daher „Wissensvermittlung für die Bewältigung dieses Prozesses“. Sie bedient sich dazu „geographischer, geschichtlicher, soziologischer Inhalte, soweit sie der Kommunikationsfähigkeit dienlich sind.“ (Erdmenger und Istel 1973: 21). Im Sprachunterricht folgt daraus die Konzentration auf faktenorientiertes Hintergrundwissen und nicht zufällig wird wiederholt die „dienende Funktion“ (Erdmenger 1996: 61) der Landeskunde betont. Da im didaktischen Konzept die individuelle Kommunikation dominiert und im Unterrichtskonzept außerdem die Wortschatzvermittlung eine zentrale Rolle einnimmt, reduziert sich die Landeskunde allerdings über weite Strecken auf linguolandeskundliche Erklärungen. Landeskunde wird damit zu einem, wenn auch als notwendig angesehenen, Anhängsel des Sprachunterrichts, womit eine Einschätzung der Landeskunde gefestigt wird, die sich als „Kontextwissen“ (S. J. Schmidt 1980: 290) bis in die Gegenwart herauf wiederfindet (vgl. Altmayer 2004). Einen weiteren Anstoß für die Aufwertung der Landeskunde hat schließlich die Neuorientierung der Außenkulturpolitik in der Bundesrepublik gebracht, die in den 1970er Jahren durch die Vermittlung der deutschen Sprache den Aufbau eines positiven Deutschlandbildes zum Ziel hatte. Die Politik reagierte damit auf Veränderungen des Kulturbegriffs in der wissenschaftlichen Diskussion. Denn in ihr kam es zu einer Erweiterung des Kulturbegriffs: quantitativ, indem die hohe Kultur um die „Literatur und Kunst in ihrem ganzen Umfang“ und „ein weiteres Verständnis der Lebensverhältnisse“ (Dahrendorf, zit. nach Kretzenbacher 1992: 180) ergänzt wurde; qualitativ, wenn der erweiterte Kulturbegriff „gegenüber dem traditionellen Kulturbegriff als unlösbarer Bestandteil des individuellen Lebens wie der sozialen Beziehungen und der dynamischen gesellschaftlichen Entwicklung [erscheint]. Kultur steht dem Menschen nicht gegenüber, sondern ist Teil seines Menschseins“ (Kretzenbacher 1992: 177). Doch wie Melde nachweist, führen diese Anstöße vorerst nur zu einer kommunikativen Orientierung instrumenteller Ansätze und außersprachlicher Globalziele und nicht wirklich zu einer Integration von Landeskunde in den kommunikativen Fremdsprachenunterricht. Landeskundliche Kenntnisse werden auf die „Zulieferfunktion von ,instrumentellem Kontextwissen‘“ (Melde 1987: 57) reduziert. Im Zuge der kommunikativen Wende hat man in der Diskussion landeskundlicher Unterrichtsziele und der damit verbundenen Inhalte auch die explizite Abgrenzung einer informationsbezogenen Landeskunde versucht. Verlief die Diskussion bis dahin zwischen
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realkundlichen und kulturkundlichen Ansätzen, die beide die Notwendigkeit kognitiver Inhalte als selbstverständlich voraussetzten, so führte der kommunikative Ansatz in seiner Konzentration auf Alltagserfahrungen und Alltagssituationen und in Verbindung mit seinem emanzipatorischen Ziel zur Hinwendung auf praktische Probleme und deren sprachliche Bewältigung. Dieser handlungsorientierte Aspekt wurde in der Folge von der informationsbezogenen Landeskunde abgehoben, deren Aufgabe „in der Entwicklung von Verstehensfähigkeit der fremden Realität gegenüber [liegt]“ (Deutschmann 1982: 246). Die landeskundlichen Informationen werden sozusagen als kognitives Fundament für erfolgreiches Handeln angesehen. Was der kommunikativen Handlung des Muttersprachlers als implizites Wissen zugrunde liegt, soll durch explizite Information dem Fremdsprachenlerner nachgeliefert werden, damit sich dieser ebenso erfolgreich im Alltag des Zielsprachenlandes behaupten kann. Nun war man zwar nicht mehr der externen Sachlogik eines kanonisierten Wissens oder der hohen Kultur verpflichtet, es blieb dennoch bei der Weiterführung von nur unwesentlich modifizierten Themenkatalogen. Vor allem aber geht auch dieses Konzept noch immer von einer der Kommunikation vorgelagerten objektiven Wirklichkeit aus, die es sich anzueignen gilt, will man in der fremden Sprache erfolgreich kommunizieren. In der Folge werden die landeskundlichen Inhalte zunehmend in die Lehrwerke integriert. Im Unterschied zur Einteilung in „Tatsachen über Deutschland“, dem Inbegriff faktenorientierter Zusatzinformation, stellt nun das Alltagsleben eine wichtige Ergänzung dar. Die Ergebnisse von Ammers Lehrwerksanalyse (Ammer 1988) zeigen allerdings, wie hoch der Anteil an Informationen auch in kommunikativ orientierten Lehrwerken ist.
5. ABCD-Thesen Vor diesem Hintergrund verweisen die ABCD-Thesen (1980) auf den prozesshaften und dynamischen Charakter der Landeskunde und verzichten bewusst auf „Vollständigkeit der Informationen im Hinblick auf ein hypothetisches Landesbild“ (These 2). Die Thesen bilden also den Versuch, die zukunftsweisenden Aspekte der Landeskundediskussion der 1980er Jahre zusammenzufassen und als Aufgabe zu formulieren. Daher plädieren sie auch im Sinne neuer Orientierungen im Fremdsprachenunterricht für die Abkehr von enzyklopädischen Ansätzen. Die Landeskunde mahnt damit die weitgehend vernachlässigte Herausforderung der kommunikativen Wende ein, dass nämlich in einem handlungs- und erfahrungsorientierten Fremdsprachenunterricht auch unbestritten notwendige Kenntnisse konsequenterweise weder als Faktenwissen noch als authentischer Kontext im Rahmen des Sprachunterrichts nachgeliefert werden dürfen. Wenn Verstehen ein dialogischer Prozess im Gefüge von Wissen, Verstehensmöglichkeiten und den Verstehensvoraussetzungen ist, dann genügt es nicht, semantische Einheiten zu entschlüsseln. Vielmehr wird dieses Gefüge selbst Teil des Verstehensprozesses, umso mehr, wenn es sich um kulturell differente Lebenswelten der Dialogpartner handelt. Für den Unterricht bedeutet dies, dass die Lernenden mittels Projekten die Chance erhalten müssen, selbst und autonom ein Bild der Zielsprachenkultur entwickeln zu können und sich dabei sowohl der eigenen kulturellen Prägung als auch der fremdkulturellen Perspektiven dieses Bildes bewusst zu werden. Wird die Lernerzentrierung ernst genommen, müssen die Lernprozesse und die Eigen- und Fremdperspektiven bewusst gemacht und reflektiert
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werden, muss auf strategisches Wissen mindestens soviel Wert gelegt werden wie auf Sachinformationen. (Vgl. Hackl, Langner und Simon-Pelanda 1997, 1998). Krusche betont deshalb das „Prinzip des konkreten Ausgangspunkts“ (Krusche 1997: 77): Denn nicht spezialwissenschaftliche Abhandlungen, sondern der Einstieg über anschauliche Details führt zu einem facettenreicheren und komplexeren Bild. Dabei spielt die Literatur eine zentrale Rolle, jedoch nicht mehr als Objekt und Ziel des Landeskundeunterrichts, sondern als ein Mittel, mit dem „die Unterschiede von eigener und fremder Wirklichkeit und subjektiver Einstellungen bewußtgemacht [!] werden, zumal literarische Texte gerade dadurch motivieren, daß sie ästhetisch und affektiv ansprechen“ (ABCD 1990: 28). Literatur wird also für den landeskundlich orientierten Sprachunterricht nicht bloß wegen allfälliger Referenzen zur Wirklichkeit und der in ihr enthaltenen Realitätspartikel wichtig. Da wir trotz aller Bemühungen um Authentizität und umfassende Information nicht die Wirklichkeit selbst vermitteln, sondern höchstens die Lernenden darauf vorbereiten können, mit der Wirklichkeit zurechtzukommen, kommen wir im Umgang mit Fakten und Informationen nicht ohne Interpretationsvorgang zurecht, brauchen wir Orientierungsfähigkeiten, die sich gerade im Umgang mit Literatur erarbeiten und üben lassen.
6. Lernort Der Erwerb landeskundlicher Kompetenz als umfassender kommunikativer und interkultureller Kompetenz ist notwendig auf den Ort des Lernens bezogen. Dies gilt nicht nur für das spezielle landeskundliche Lernen als erlebter Landeskunde, des konfrontativen Lernens in Nachbarländern oder in Lernsituationen, in denen das fremdsprachliche Lernumfeld zu konstruieren ist (vgl. Hackl, Langner und Simon-Pelanda 1998: 5), sondern besonders für den Bereich Deutsch als Zweitsprache. Hier verlaufen ja nicht nur die Sprachenlern- und -erwerbsprozesse nichtlinear und im Nebeneinander von ungesteuertem und gesteuertem Erwerb, sondern auch die Aneignung von Orientierungen, Verhaltensweisen und notwendigem Wissen zur Teilhabe an den Rechten und gesellschaftlichen Möglichkeiten. Dass zur Erreichung dieser Ziele vor allem in Integrationskursen die überholten Themenkataloge erst recht nicht ausreichen, weil „Sprachlern- und -spracherwerbsprozesse [!] nur dann erfolgreich [sind], wenn sie die nicht nur sprachliche, sondern auch kulturelle, lebensgeschichtliche, familiale und soziale Heterogenität der Zielgruppe zum Ausgangspunkt von Lernprogrammen machen“ (Krumm 2007: 176), hat Krumm in seinem Plädoyer für ein modulares Curriculum überzeugend skizziert.
7. Wissenschatliche Fundierung und Kulturwissenschat Eine neue Dimension erhält die Frage nach dem Stellenwert von Information und kognitivem Wissen in neueren Bemühungen, das Fach Landeskunde als wissenschaftliche Disziplin innerhalb der Deutsch als Fremdsprache-Philologie zu fundieren und im fachwissenschaftlichen Kontext zu systematisieren. Altmayer bietet hier einen ambitionierten Vorschlag, Landeskunde zu einer „Kulturwissenschaft als transdisziplinärer Forschungspraxis“ (Altmayer 2004: 28) zu entwickeln, wobei Kultur als gemeinsamer Wissensbe-
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XVII. Landeskunde
stand begriffen wird, der sich in „Texten“, also in kommunikativen Handlungen einer Sprachgemeinschaft manifestiert. Diese weitgefassten „Texte“ werden dahingehend analysiert, inwiefern sie „von jenen als gemeinsam unterstellten lebensweltlichen Wissensbeständen Gebrauch gemacht haben, die wir (…) als ,Kultur‘ ausgemacht haben. ,Kultur‘, so zeigt sich, besteht nicht aus den ,Texten‘, sie gibt sich aber darin zu erkennen“ (Altmayer 2004: 145). Wie Wormer, der „die Tatsache perspektivierter individueller Bedeutungen und Wahrheiten (einschließlich vermeintlicher Fakten), die immer wieder neu ausgehandelt werden müssen, in den Vordergrund [rückt]“ (Wormer 2007: 11), geht es auch bei Altmayer um eine ⫺ in diesem Fall ⫺ kulturwissenschaftliche Textanalyse, die er als „Rekonstruktion präsupponierter Deutungsmuster“ (Altmayer 2004: 244⫺250) versteht.
8. Inormationskompetenz als Medienkompetenz Für die daraus resultierende Interpretations- und Orientierungsleistung ist die Beachtung der Neuen Medien und der Medienvielfalt selbstverständlich unabdingbar. Allerdings besteht die Gefahr, dass die Faszination der problemlosen Verfügbarkeit von vielfältigen Informationen zu einer neuen Diktatur der Fakten führt und uns die Fülle von authentischen und aktuellen Texten den Blick darauf trübt, dass die Aufgabe des Fremdsprachenunterrichts nicht das Zur-Verfügung-stellen von Material ist, sondern die didaktische Reflexion und die methodische Umsetzung der selbstgesteckten und/oder im Curriculum vorgegebenen Lehr- und Lernziele. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass der Medienwandel auch Auswirkungen auf die Schulung der Informationsentnahme haben muss, dass z. B. das informationsorientierte Lesen des 19. Jahrhunderts als Grundlage des Wissenserwerbs nicht mehr ausreicht. Wenn wir von einem erweiterten Textbegriff ausgehen, müssen wir auch eine erweiterte Lesekompetenz im Sinne einer Medienkompetenz ins Auge fassen, die neben der sprachorientierten Informationsentnahme das Erschließen von Grafiken und Tabellen ebenso berücksichtigt, wie das Dechiffrieren visueller oder habitueller Kodierungen, um auch das Erfassen der inhärenten Deutungsmuster mit ihren kognitiven Wissensaspekten vermitteln zu können.
9. Literatur in Auswahl ABCD-Thesen zur Rolle der Landeskunde im Deutschunterricht 1990 ÖDaF-Mitteilungen 2: 26⫺29. Altmayer, Claus 2004 Kultur als Hypertext. Zur Theorie und Praxis der Kulturwissenschaft im Fach Deutsch als Fremdsprache. München: iudicium. Ammer, Reinhard 1988 Das Deutschlandbild in den Lehrwerken für Deutsch als Fremdsprache. Die Gestaltung des landeskundlichen Inhalts in den Lehrwerken der Bundesrepublik Deutschland von 1955 bis 1985 mit vergleichenden Betrachtungen zum Landesbild in den Lehrwerken der DDR. (Studien Deutsch 6.) München: iudicium. Deutschmann, Andreas 1982 Überlegungen zur Landeskundeplanung im Fach „Deutsch als Fremdsprache“ (mit besonderer Berücksichtigung der Studienvorbereitung). In: Rolf Ehnert (Hg.), Einführung
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in das Studium des Faches Deutsch als Fremdsprache, 223⫺274. (Werkstattreihe Deutsch als Fremdsprache 1). Frankfurt a. M.: Lang. Erdmenger, Manfred und Hans Wolf Istel 1973 Didaktik der Landeskunde. (Hueber-Hochschulreihe 22). München: Hueber. Erdmenger, Manfred 1996 Landeskunde im Fremdsprachenunterricht. Ismaning: Hueber. Hackl, Wolfgang, Michael Langner und Hans Simon-Pelanda 1997 Integrierende Landeskunde ⫺ ein (gar nicht so) neuer Begriff. Das D-A-CH-Konzept. Theorie und Praxis ⫺ Österreichische Beiträge zu Deutsch als Fremdsprache/A. I: 17⫺34. Hackl, Wolfgang, Michael Langner und Hans Simon-Pelanda 1998 Landeskundliches Lernen. Fremdsprache Deutsch 18: 5⫺12. Kretzenbacher, Heinz Leo 1992 Der „erweiterte Kulturbegriff“ in der außenkulturpolitischen Diskussion der Bundesrepublik Deutschland. Ein Vergleich mit der öffentlichen/innenkulturpolitischen und kulturwissenschaftlichen Begriffsentwicklung von den sechziger bis zu den achtziger Jahren. In: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 18: 170⫺196. Krumm, Hans-Jürgen 2007 Ein Curriculum für Integrationskurse sollte mehr leisten als die Legitimierung von Prüfungen. In: Ruth Eßer und Hans-Jürgen Krumm (Hg.), Bausteine für Babylon: Sprache, Kultur, Unterricht … Festschrift zum 60. Geburtstag von Hans Barkowski, 170⫺183. München: iudicium. Krusche, Dietrich 1997 Fremderfahrung und -begriff oder: Vom Sprechen über ,andere Kultur‘ In: Alois Wierlacher und Georg Stötzel (Hg.), Blickwinkel: kulturelle Optik und interkulturelle Gegenstandsdiskussion. Akten des III. Internationalen Kongresses der Gesellschaft für Interkulturelle Germanistik. Düsseldorf 1994, 65⫺80. (Publikationen der Gesellschaft für interkulturelle Germanistik 5). München: iudicium. Melde, Wilma 1987 Zur Integration von Landeskunde und Kommunikation im Fremdsprachenunterricht. (TBL 301). Tübingen: Narr. Schmidt, Siegfried J. 1980 Was ist bei der Selektion landeskundlichen Wissens zu berücksichtigen? In: Alois Wierlacher (Hg.), Deutsch ais Fremdsprache. Grundlagen und Verfahren der Germanistik ais Fremdsprachenphilologie, 289⫺299. Bd. I (UTB 916). München: Fink. Wormer, Jörg 2007 Transkulturelle Kompetenz und Landeskunde. Chancen der deutschen Sprache im 21. Jahrhundert ⫺ aufgezeigt am Beispiel einer wissenschaftlichen Landeskunde. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 12(2). (Online). Zeuner, Ulrich 1994 DDR-Landeskunde. In: Gerhard Neuner unter Mitarbeit von Monika Asche (Hg.), Fremde Welt und eigene Wahrnehmung. Konzepte von Landeskunde im fremdsprachlichen Deutschunterricht. Eine Tagungsdokumentation, 117⫺127. (Kasseler Werkstattberichte zur Didaktik „Deutsch als Zweit- und Fremdsprache“ 3). Kassel: Universität Gesamthochschule Kassel.
Wolfgang Hackl, Innsbruck (Österreich)
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163. Interkulturelle Landeskunde 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Einführung Kulturbegriff und interkulturelles Lernen Lehr- und Lernziele interkultureller Landeskunde Inhalte interkultureller Landeskunde Methodische Zugangsweisen Literatur in Auswahl
1. Einührung Das Konzept der interkulturellen Landeskunde entstand ⫺ obwohl auch kritisiert (vgl. Thimme 1995) ⫺ in den 80er und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts. Es wurde erkannt, dass Verständigungsfähigkeit in einer Fremdsprache nicht auf die korrekte Verwendung eines fremden sprachlichen Systems oder die situationsadäquate Verwendung von Sprache allein reduziert werden kann. Damit erhielt die Landeskunde eine Aufwertung, denn Kulturverstehen und Fremdverstehen trat als gleichberechtigtes Lernziel neben das Ziel fremdsprachlich-kommunikativer Kompetenz. So definierte Buttjes: „Landeskunde meint alle Bezüge auf die Gesellschaften, deren Sprache im Fremdsprachenunterricht gelernt wird.“ Dabei „geht es aber weniger um einen Raum oder eine Region (,Land‘) als um eine sprachlich artikulierte kulturelle Praxis. Es geht auch weniger um einen abgrenzbaren Wissensbestand (,Kunde‘), als vielmehr um eine sprachlich vermittelte interkulturelle Kompetenz“ (Buttjes 1989: 113). Der didaktischer Ort des interkulturellen Ansatzes von Landeskunde ist im Fremdsprachenunterricht, sein übergeordnetes Ziel besteht in der gleichberechtigten Entwicklung von kommunikativer und kultureller Kompetenz im Sinne von Fremd- und Kulturverstehen, Inhalte dieser Landeskunde können alle Repräsentationen der Zielkultur im Unterricht sein, soweit sie für die Lernenden bedeutsam sind (Pauldrach 1992: 6). Auch im interkulturellen Ansatz ist Wissen über die andere Kultur die Grundlage für Verstehen, aber zum einen wird dieser Wissensstoff nicht aufgrund möglichst vollständiger Landesbilder wie beim kognitiven Ansatz gewonnen, sondern interkulturelle Landeskunde nutzt andere Selektionskriterien für ihre Inhalte. Zum anderen bleibt interkulturell ausgerichteter Fremdsprachenunterricht nicht bei der Wissensvermittlung stehen und er will auch nicht in erster Linie Informationen vermitteln. Es geht ihm vor allem um die Entwicklung von Fähigkeiten, Strategien und Fertigkeiten im Umgang mit fremden Kulturen und Gesellschaften. Das Wissen über die fremde Welt wird immer vor dem Spiegel der eigenen sozio-kulturell geprägten Erfahrungen der Lernenden gewonnen. Bekannte und eingeübte Lebenskontexte des Alltags (Kommunikationssituationen, Rollen, Verhalten) werden konfrontiert mit den relevanten Alltagskontexten für das Handeln in der fremden Sprache und Kultur (Neuner 1994). Dadurch sollen ethnozentrische Sichtweisen relativiert, Vorurteile abgebaut und Fremdverstehen (Altmayer 2004: 70⫺71) entwickelt werden.
163. Interkulturelle Landeskunde
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2. Kulturbegri und interkulturelles Lernen Interkulturelle Landeskunde nutzt einen weiten Kulturbegriff, der über das Verständnis von Kultur als Resultat menschlicher Tätigkeit hinausgeht und die Perspektive des Menschen auf die Welt, übereinstimmende und sich unterscheidende Verhaltens-, Denk-, Empfindungs- und Wahrnehmungsweisen von Menschen und Menschengruppen terminologisch zu fassen versucht (Altmayer 1997). In der Literatur zur interkulturellen Landeskunde häufig verwendet wird der Kulturbegriff von Alexander Thomas, der Kultur als ein für eine Gesellschaft, Organisation und Gruppe typisches Orientierungssystem definiert, das das Wahrnehmen, Denken, Werten und Handeln aller ihrer Mitglieder beeinflusst und deren Zugehörigkeit zur Gesellschaft, Organisation oder Gruppe definiert (Thomas 1993: 380). Zentrale Merkmale einer Kultur nennt Thomas Kulturstandards: „Unter Kulturstandards werden alle Arten des Wahrnehmens, Denkens, Wertens und Handelns verstanden, die von der Mehrzahl der Mitglieder einer bestimmten Kultur für sich persönlich und andere als normal, selbstverständlich, typisch und verbindlich angesehen werden. Eigenes und fremdes Verhalten wird auf der Grundlage dieser Kulturstandards beurteilt und reguliert“ (Thomas 1993: 380⫺381). Die Kritik an diesem Kulturbegriff fasst u. a. Altmayer (2002) zusammen, der moniert, dass dieses Konzept „nicht in der Lage ist, zwischen einem vermeintlich wissenschaftlichen ,Kulturstandard‘ auf der einen Seite und einem verwerflichen, jedenfalls aber nicht wissenschaftlichen ,Klischee‘ oder ,Stereotyp‘ zu unterscheiden und statt dessen althergebrachte Stereotype unter dem Deckmantel des Kulturstandardbegriffs mit neuer pseudowissenschaftlicher Dignität versieht“ (Altmayer 2002: 8). Er versteht Kultur demgegenüber als „jenes ,selbstgesponnene Bedeutungsgewebe‘ […], in das Menschen als Mitglieder sozialer Gruppen ,verstrickt‘ sind. […] Mit ,Kultur‘ wären demnach vor allem diejenigen Bestände eines ,lebensweltlichen‘, d. h. von uns als ,normal‘, ,selbstverständlich‘ und allgemein bekannt angenommenen Wissens gemeint, das wir in unseren alltäglichen Lebensvollzügen immer schon verwenden, auf das wir aber in aller Regel erst dann reflektieren, wenn es ⫺ aus welchem Grund auch immer ⫺ in Frage gestellt ist. Kultur, so könnte man mit der Forschungsrichtung der ,cognitive anthropology‘ auch sagen, ist geteiltes Wissen (‘shared knowldege‘)“ (Altmayer 2002: 8). Interkulturelles Lernen als ein zentraler Begriff der interkulturellen Landeskunde steht für einen mehrstufigen Prozess, der ausgehend von einer kulturellen Begegnungssituation oder von einem Lehr-Lern-Arrangement zu interkultureller Kompetenz bzw. Fremdverstehen führen soll, indem durch die Lernenden Fremderfahrungen gemacht werden (Müller[-Jacquier] 1994a: 155). Voraussetzung ist nach Thomas (1993: 382) ein Nachdenken über das eigenkulturelle Orientierungssystem, um Eigenes und Fremdes in Beziehung setzen zu können.
3. Lehr- und Lernziele interkultureller Landeskunde Das übergeordnete Lehr- und Lernziel interkultureller Landeskunde ist die Entwicklung interkultureller Kompetenz, die über rein affektive Lernziele wie den Aufbau von Empathie, Offenheit und Toleranz hinausgeht und nach Schinschke (1995: 36⫺38) folgende
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XVII. Landeskunde
eng miteinander verbundenen Fähigkeiten beinhaltet: die Fähigkeit, eigenkulturelle Konzepte zu reaktivieren, die Fähigkeit zur Vermittlung zwischen eigener und fremder Kultur, die Fähigkeit, bei Missverständnissen kommunikativ vermitteln zu können und die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme. Neuner (1994: 29⫺32) und andere konkretisieren dieses übergreifende Lernziel, so zum Beispiel im Lehrbuch „Sichtwechsel Neu“ (Bachmann, Gerhold, Müller[-Jacquier] und Wessling 1995, 1996) unter anderem in die Teilziele ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Einsicht in die Bedingungen der Wahrnehmung gewinnen, Vergleichskompetenz erwerben, Formen und Methoden des Umgangs mit dem Fremden kennenlernen, Metakommunikationsfähigkeit erwerben.
In der Auseinandersetzung mit rein affektiven Lernzielen, die im Zusammenhang mit interkultureller Landeskunde genannt werden (vgl. die Kritik daran in House 1996), nennt Altmayer (2004) Fremdverstehen im Sinne eines verstehenden Umgangs mit kommunikativen Handlungen einer anderen Sprach- und Kulturgemeinschaft als übergreifendes Lernziel, das er als einen Prozess der kognitiven und auch kritischen Auseinandersetzung begreift, „der zwar von der Erwartung ausgeht, dass die kommunikative Handlung eines ,Fremden‘ eine prinzipiell rationale und sinnvolle Handlung ist und mir möglicher Weise (sic!) etwas Wichtiges zu sagen hat, in dessen Verlauf sich diese Erwartung aber auch als unbegründet erweisen kann.“ (Altmayer 2004: 70⫺71).
4. Inhalte interkultureller Landeskunde Landeskundliches Lernen wird als exemplarisches Lernen gesehen, das nicht auf die Totalität seines Gegenstandes abhebt. Bei der Stoffauswahl für eine Lernergruppe geht eine interkulturell verfahrende Landeskunde konsequent von der Erfahrungs- und Lebenswelt der Lernenden aus. Themen entstehen idealerweise als generative Themen, die im Lehr- und Lernprozess gefunden werden und sich im Verlauf des Unterrichts zu Themennetzen entfalten können (Badstübner-Kizik und Radziszewska 1998: 13⫺14). Mit Hilfe anthropologischer Grundkategorien wie zum Beispiel „personale Identität“, „Familie“, „Partnerbeziehungen“, „Wohnen“ und anderer, die elementare Daseinserfahrungen des Menschen benennen (Neuner 1994: 23) lassen sich konkrete Themen für interkulturelles Lernen finden: Die konkreten Ausprägungen dieser Grundkategorien in der Zielkultur und die Auswirkungen dieser konkreten kulturspezifischen Ausprägungen auf das Leben, Denken und Fühlen ganz konkreter Menschen ermöglichen Inhalte, die vergleichbar werden mit den konkreten Ausprägungen der Grundkategorien in der Ausgangskultur der Lernenden. Als spezifische Lerninhalte für interkulturelles Lernen wären zusätzlich Fragen und Probleme denkbar, die durch unterschiedliches Kommunikationsverhalten entstehen, wie zum Beispiel: ⫺ Sprachliche Indikatoren für den Kulturvergleich: Hinterfragen von Begriffsinhalten, Kommunikationsabläufe und kommunikative Stile, Register und Textsorten; ⫺ Nonverbales Kommunikationsverhalten; ⫺ Interaktionsrituale;
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⫺ Interpersonelle Wahrnehmung und deren Auswirkung auf Kommunikationsabläufe; ⫺ Sprachliche Mittel und Abläufe von Metakommunikation zur Bewältigung und Analyse kommunikativer Situationen.
5. Methodische Zugangsweisen Ein grundlegendes Konzept interkultureller Landeskunde ist die Organisation von „Begegnung als reale Face-to-Face-Situation oder über Simulationen, Texte, Lehrwerke“ (Krumm 1998: 528). Diese Begegnung mit der Kultur des Zielsprachenlandes wird über die drei klassischen Zugänge zur Landeskunde ermöglicht, den Zugang über die Sprache, den Zugang über die Menschen und ihr Handeln und den Zugang über exemplarische Manifestationen (Krumm 1998: 537). Zugang über die Sprache zur Kultur lässt sich finden durch die Vermittlung von Wissen über sprachliche und kulturelle Kommunikationsnormen und -gewohnheiten (z. B. in Rollenspielen) sowie Sprachaufmerksamkeitsübungen (House 1996), durch das Hinterfragen der kulturellen Bedeutungsebene von Wörtern (Müller[-Jacquier] 1994b), durch Entdecken kulturbedingter Unterschiede in Textstrukturen. Textverstehen selbst kann auch als „Dekodierung von Kultur“ (Hennecke und Schröder o. J.: 10) verstanden werden, Texte eröffnen über das unter ihrer Oberfläche liegende präsupponierte Wissen Zugang zur Kultur, in der sie entstanden sind (Altmayer 2002, 2004). Fremderfahrungen im interkulturellen Lernprozess (vgl. Müller[-Jacquier] 1994a: 155) lassen sich im Unterricht besonders gut über handlungsorientiertes Arbeiten machen. Handlungsorientierter Unterricht ist ein ganzheitlicher und lerneraktiver Unterricht, in dem die zwischen dem Lehrer und den Lernern vereinbarten Handlungsprodukte die Gestaltung des Lernprozesses leiten, so dass Kopf- und Handarbeit in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander gebracht werden (Jank und Meyer 1991). Er ermöglicht es besonders gut, das Konzept der Begegnung mit der fremden Kultur (Krumm 1998: 528) zu verwirklichen, denn Begegnung bedeutet auch immer ein aktives Zugehen auf das, dem begegnet werden soll. Eine wichtige Methode handlungsorientierten Arbeitens ist die Projektarbeit (vgl. dazu u. a. Krumm 1991: 5⫺6), die vielfältige Formen und Möglichkeiten der Begegnung mit dem Anderen, Fremden und damit Fremderfahrungen als Voraussetzung für interkulturelles Lernen ermöglichen. Exemplarische Manifestationen beschreibt Krumm als diejenigen institutionellen, historischen und kulturellen Gegebenheiten, die das Beziehungsgefüge für unsere Alltagskultur herstellen. Als Beispiel nennt er „die Mauer“ in Deutschland: Zweiter Weltkrieg und Teilung, Ostpolitik und Wiedervereinigung, Fall der Mauer, Mauer im Kopf, Wohlstandsgraben. Eine der zentralen Manifestationen für den Begegnungsansatz in der Landeskunde stellen für Krumm „Grenzen“ und Grenzerfahrungen dar (Krumm 1998: 537). Krumm hält Netzwerkbildung in diesem Zusammenhang für ein wichtiges Konzept der Landeskunde. Ausgehend von der Alltagserfahrung der Lernenden können so systematische Verknüpfungen entstehen, die „die Gefahr eines “ verhindern können (Krumm 1998: 539). Ein weiteres wichtiges methodisches Feld für interkulturelle Landeskunde ist die Arbeit mit Stereotypen, d. h. mit dem Bild vom Zielsprachenland, das die Lernenden im Kopf haben und in den Unterricht mitbringen. Dabei geht es wegen der verschiedenen
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Funktionen von Stereotypen (vgl. u. a. Brunzel 2002: 85⫺89) nicht darum, diese zu bekämpfen, sondern die Lernenden „zu einer selbstreflektierenden und intersubjektiven Herangehensweise [an Stereotype] anzuregen und ihnen somit zu ermöglichen, die Faktoren, Mechanismen und Reaktionen besser zu verstehen, welche innerhalb der interkulturellen Kommunikation zum Tragen kommen“ (Lipiansky o. J.). Eine weitere wichtige Methode ist das Vergleichen, eine komplizierte sprachliche und kognitive Tätigkeit, die ein Identifizieren (Gleichheit feststellen), Differenzieren (Unterschiede/Nichtgleichheit feststellen) und eine Komparation (Verschiedenheit in der Gleichheit messen) einschließt. Damit ist nicht der alltägliche Vergleich, wie ihn Menschen ständig mehr oder weniger bewusst vollziehen, gemeint, sondern eine bewusste Vergleichshandlung, die am Ende des Verstehensprozesses steht (Pauldrach 1992: 13). Diese methodischen Zugangsweisen wurden in der einen oder anderen Form in unterschiedlichen Lehrwerken für Deutsch als Fremdsprache umgesetzt, die als interkulturelle Lehrwerke zu einer in den 80er und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts neuen Lehrwerkgeneration gehörten. Dies sind zum Beispiel „Sprachbrücke“ (Mebus et al. 1987), „Sichtwechsel. Elf Kapitel zur Sprachsensibilisierung“ (Hog, Müller[-Jacquier] und Wessling 1984) und „Sichtwechsel Neu“ (Bachmann et al. 1995). Die Lehrbücher „Typisch deutsch? Arbeitsbuch zu Aspekten deutscher Mentalität“ (Behal-Thomsen, LundquistMog und Mog 1993) und „Spielarten. Arbeitsbuch zur deutschen Landeskunde“ (Lundquist-Mog 1996) stehen dabei in engem Zusammenhang mit dem in der Reihe „Fremdsprachenunterricht in Theorie und Praxis“ erschienenen Band „Die Deutschen in ihrer Welt ⫺ Tübinger Modell einer integrativen Landeskunde“ (Mog und Althaus 1992).
6. Literatur in Auswahl Altmayer, Claus 1997 Zum Kulturbegriff des Faches Deutsch als Fremdsprache. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 2(2). (Online). Altmayer, Claus 2002 Kulturelle Deutungsmuster in Texten. Prinzipien und Verfahren einer kulturwissenschaftlichen Textanalyse im Fach Deutsch als Fremdsprache. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 6(3). (Online). Altmayer, Claus 2004 Kultur als Hypertext. Zur Theorie und Praxis der Kulturwissenschaft im Fach Deutsch als Fremdsprache. München: iudicium. Bachmann, Saskia, Sebastian Gerhold, Bernd-Dietrich Müller und Gerd Wessling 1995/1996 Sichtwechsel Neu Band 1⫺3. Mittelstufe Deutsch als Fremdsprache. München: Klett. Badstübner-Kizik, Camilla und Krystina Radziszewska 1998 Österreichische, deutsche und polnische Identitäten. Zum neuen Landeskunde-Curriculum an den Lehrerkollegs in Polen. Fremdsprache Deutsch 18: 13⫺17. Behal-Thomsen, Heinke, Angelika Lundquist-Mog und Paul Mog 1993 Typisch deutsch? Arbeitsbuch zu Aspekten deutscher Mentalität. Berlin/München: Langenscheidt. Brunzel, Peggy 2002 Kulturbezogenes Lernen und Interkulturalität: Zur Entwicklung kultureller Konnotationen im Französischunterricht der Sekundarstufe I. (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik.) Tübingen: Narr.
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Buttjes, Dieter 1989 Landeskunde-Didaktik und landeskundliches Curriculum. In: Karl-Richard Bausch, Herbert Christ, Werner Hüllen und Hans-Jürgen Krumm (Hg.), Handbuch Fremdsprachenunterricht, 112⫺119. Tübingen: Francke. Hennecke, Angelika und Hartmut Schröder o. J. Theoretische und methodologische Überlegungen zum Forschungsgebiet „Interkulturelle Wirtschaftskommunikation“. Verfügbar unter: http://lipas.uwasa.fi/comm/publications/ interkult/extdoc/4henschro.pdf (09. 09. 2008) Hog, Martin, Bernd-Dietrich Müller und Gerd Wessling 1984 Sichtwechsel. Elf Kapitel zur Sprachsensibilisierung. Ein Deutschkurs für Fortgeschrittene. München: Klett Edition Deutsch. House, Juliane 1996 Zum Erwerb Interkultureller Kompetenz im Unterricht des Deutschen als Fremdsprache. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 1(3). (Online). Jank, Werner und Hilbert Meyer 1991 Didaktische Modelle. Frankfurt a. M.: Cornelsen Scriptor. Krumm, Hans-Jürgen 1991 Unterrichtsprojekte ⫺ praktisches Lernen im Deutschunterricht. Fremdsprache Deutsch 4: 4⫺9. Krumm, Hans-Jürgen 1998 Landeskunde Deutschland, D-A-CH oder Europa? Über den Umgang mit Verschiedenheit im DaF-Unterricht. Info DaF 25: 523⫺544. Lipiansky, E. Marc o. J. Heißt interkulturelle Ausbildung Bekämpfung von Stereotypen und Vorurteilen? Verfügbar unter: http://www.ofaj.org/paed/texte/stereot/stereot.html (10. 09. 2008). Lundquist-Mog, Angelika 1996 Spielarten. Arbeitsbuch zur deutschen Landeskunde. Berlin/München: Langenscheidt und Warszawa: Wydawnictwo „Rea“ s. j. Mebus, Gudula, Andreas Pauldrach, Marlene Rall und Dietmar Rösler 1987 Sprachbrücke 1. Deutsch als Fremdsprache. München: Klett Edition Deutsch. Mog, Paul und Hans-Joachim Althaus 1992 Die Deutschen in ihrer Welt. Tübinger Modell einer integrativen Landeskunde. Berlin/München: Langenscheidt. Müller[-Jacquier], Bernd-Dietrich 1994a Fremdsprachenunterricht als Ausgangspunkt für interkulturelles Lernen. In: Karl Richard Bausch, Herbert Christ und Hans-Jürgen Krumm (Hg.), Interkulturelles Lernen im Fremdsprachenunterricht. Arbeitspapiere der 14. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts, 155⫺164. Tübingen: Narr. Müller[-Jacquier], Bernd-Dietrich 1994b Wortschatzarbeit und Bedeutungsvermittlung. Fernstudieneinheit 8, Berlin/München: Langenscheidt. Neuner, Gerhard 1994 Fremde Welt und eigene Erfahrung ⫺ Zum Wandel der Konzepte von Landeskunde für den fremdsprachlichen Deutschunterricht. In: Gerhard Neuner und Monika Asche (Hg.), Fremde Welt und eigene Wahrnehmung. Konzepte von Landeskunde im fremdsprachlichen Deutschunterricht. Eine Tagungsdokumentation, 14⫺39. Kasseler Werkstattberichte zur Didaktik „Deutsch als Fremdsprache“ Heft 3, Universität Gesamthochschule Kassel. Pauldrach, Andreas 1992 Eine unendliche Geschichte. Anmerkungen zur Situation der Landeskunde in den 90er Jahren. Fremdsprache Deutsch. Zeitschrift für die Praxis des Deutschunterrichts 6: 4⫺15. Schinschke, Andrea 1995 Perspektivenübernahme als grundlegende Fähigkeit im Umgang mit Fremden. In: Lothar Bredella und Herbert Christ (Hg.), Didaktik des Fremdverstehens, 36⫺50. Tübingen: Narr.
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Thimme, Christian 1995 Interkulturelle Landeskunde. Ein kritischer Beitrag zur aktuellen Landeskunde-Diskussion. Deutsch als Fremdsprache 32: 131⫺137. Thomas, Alexander 1993 Psychologie interkulturellen Lernens und Handelns. In: Alexander Thomas (Hg.), Kulturvergleichende Psychologie ⫺ Eine Einführung, 377⫺424 . Göttingen: Hogrefe.
Ulrich Zeuner, Dresden (Deutschland)
164. Landeskundliche Gegenstände: Geschichte 1. Die Rolle der Geschichte in der Landeskunde 2. Geschichte in Lehrwerken für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache 3. Stellung und Funktion der Geschichtswissenschaft innerhalb des Fachs Deutsch als Fremdund Zweitsprache 4. Vermittlung historischer Themen im Unterricht 5. Literatur in Auswahl
1. Die Rolle der Geschichte in der Landeskunde Es ist in der Fachdiskussion unstrittig, dass zu den zu vermittelnden landeskundlichen Inhalten im Sprachunterricht auch historische Themen gehören. So kann auch weiterhin folgende These als maßgeblich gesehen werden: Landeskunde ist in hohem Maße auch Geschichte im Gegenwärtigen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, auch historische Themen und Texte im Deutschunterricht zu behandeln. Solche Themen sollten Aufschluß geben über den Zusammenhang von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, über unterschiedliche Bewertungen sowie über die Geschichtlichkeit der Bewertung selbst. (ABCD-Thesen 1990: 307) Zugleich ist damit ein äußerst hoher Anspruch formuliert, der sich je nach Lernergruppe und sprachlichem Niveau nur begrenzt wird einlösen lassen. Gerade auch bei der Einbeziehung historischer Themen in den Deutschunterricht spielen Lernort, Vorbildung, Zusammensetzung der Lernergruppe (national homogen oder nicht?), das Alter der Lernenden, die Motivation für den Spracherwerb, zur Verfügung stehende Medien und die Qualifikation der Lehrenden eine bedeutende Rolle. Immer wieder wird betont, dass die Vermittlung historischer Themen im DaF- und DaZ-Unterricht der Erklärung der Gegenwart zu dienen habe, also kein Geschichtswissen um des Faktenwissens willen zu vermitteln sei. Dabei bieten sich eher Themen der
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jüngeren Geschichte an, also Themen wie Nachkriegszeit in den deutschsprachigen Ländern, Teilung der deutschen Staaten, Mauerfall und deutsche Vereinigung. Gleichzeitig werden der Nationalsozialismus und seine verheerenden Folgen immer wieder auch Thema in bestimmten Kontexten sein müssen, weil diese Jahrhundertkatastrophe nach wie vor die Gegenwart prägt (dazu Ghobeyshi 2002). Phänomene der Gegenwart lassen sich allerdings häufig nur erklären, wenn man weiter in die Geschichte zurückblickt. So ist die weltweit einzigartige Theaterdichte im deutschsprachigen Raum ohne die bis ins zweite Drittel des 19. Jahrhunderts reichende Vielstaaterei und den durch das Bürgertum geschaffenen Zusammenhang von Stadt und Theater und der Einrichtung von Stadttheatern als Symbol für die Emanzipation vom Adel nicht zu erklären. In den ABCD-Thesen wird nicht nur der Zusammenhang von Vergangenheit und Gegenwart betont, sondern zudem die Zukunft und die Relativität der Bewertung geschichtlicher Ereignisse und Prozesse angesprochen. Aus der Geschichte lässt sich zwar vielleicht lernen ⫺ der Umgang mit der Weltwirtschaftskrise in der ausgehenden ersten Dekade des 21. Jahrhunderts zeigt, dass aus den Erfahrungen von 1929 gelernt wurde ⫺ jedoch einen konkreten Zusammenhang zur Zukunft herzustellen, ist eine Forderung, der sich Historiker in der Regel verweigern, und eine Umsetzung im Sprachunterricht dürfte allenfalls Gesprächsanlässe bieten, welche lediglich zu Spekulationen einladen. Die Relativität geschichtswissenschaftlicher Darstellungen hingegen hat nicht nur einen hohen erkenntnistheoretischen Stellenwert, sondern ist zudem je nach Zusammensetzung der Lernergruppe von einiger Brisanz, da Lerner nicht selten aus Lernkulturen kommen, in denen Geschichtskenntnisse weitgehend unhinterfragt als positivistisch gesichertes Wissen vermittelt werden. Dabei ist eindeutig, „(…) dass Geschichte immer wieder aus einem bestimmten Blickwinkel wahrgenommen und überliefert wird“ (Sauer 2008: 17). Die Auswertung neu zugänglicher Quellen, andere geschichtswissenschaftliche Ansätze und auch jeweils vorherrschende gesellschaftspolitische Strömungen führen nicht selten dazu, dass historische Ereignisse und Prozesse neu bewertet werden und sich eine andere Lehrmeinung durchsetzt, wie beispielsweise die Nachwirkung der „Fischer-Kontroverse“ um das Ausmaß der deutschen Schuld am Ausbruch des 1. Weltkriegs deutlich gezeigt hat. Eine derartige Meta-Ebene der Betrachtung lässt sich im Landeskundeunterricht allenfalls in Ansätzen realisieren, allerdings kann „[m]ithilfe multiperspektivischer Zugänge (bei der Auswahl der Themen, bei der Auswahl und Bearbeitung historischer Quellen, bei der Bewertung von Ereignissen, …) [versucht werden] historische und gegenwärtige Konflikte von verschiedenen Seiten zu betrachten und sich dabei der Relativität der eigenen (nationalen, geschlechtsspezifischen, sozialen, …) Sichtweise bewusster zu werden“ (Grabe 2004: 25). Auch wenn die Geschichte der deutschsprachigen Länder im Gesamtspektrum landeskundlicher Themen im Deutschunterricht eine sehr wichtige Rolle spielt, da sich tatsächlich Phänomene der Gegenwart häufig gut aus der Vergangenheit ableiten lassen und damit Land und Leute in den Gesamtzusammenhängen verständlicher werden, und auch wenn hervorragende mit vielen Zusatzmaterialien versehene Unterrichteinheiten in aller Welt durchgeführt werden, die über Geschichtsthemen im Sprachunterricht kulturelle Deutungsmuster (Altmayer 2004: 147⫺158) verdeutlichen helfen, so ist doch die am häufigsten praktizierte Realität die des Unterrichts mit Lehrwerken, in denen Geschichtsthemen meist nur kurz behandelt werden (können).
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2. Geschichte in Lehrwerken ür Deutsch als Fremd- und Zweitsprache Eine umfassende Analyse für Lehrwerke in Deutsch als Fremdsprache zum Deutschlandbild wie die von Ammer (1988) hat es seit dieser Publikation nicht mehr gegeben, was auch damit zusammenhängen wird, dass der Lehrbuchmarkt im Bereich Deutsch als Fremdsprache seit dieser Publikation eine außerordentliche Ausweitung erfahren hat und in immer schnelleren Zyklen neue oder aktualisierte Lehrwerke sowie zahlreiche Speziallehrwerke auf den Markt kommen, die zudem mit zum Teil umfangreichen Zusatzmaterialien (CD-Rom, DVD) ausgestattet sind. Ammer hatte seinerzeit festgestellt, dass eine in den Lehrwerktexten vorkommende Figur mit einer eigenen historischen Dimension erstmals in dem Lehrwerk „Deutsch ⫺ 3“ von 1974 auftauchte. Die Herangehensweise an historische Themen ist seitdem facettenreicher und moderner geworden. Kapitel zur Geschichte sind auffällig häufig bunt bebildert, es werden vielfach verschiedene Zugänge gewählt: kurze Sachtexte, statistische Angaben, biographische Informationen (auch als Hörtexte). In den Darstellungen von Thimme (1994, 1996: 97⫺131) und Koreik (1995: 71⫺77) wurde deutlich, welche teilweise eklatanten Fehler aus geschichtswissenschaftlicher und geschichtsdidaktischer Sicht den Autoren und Autorinnen von Lehrbuchkapiteln zu historischen Themen in älteren Lehrwerken anzulasten sind. Allerdings verdeutlichen Aufgaben und Sätze wie „Am 9. November 1989 wurde von der Regierung der DDR die Mauer 첸 geschlossen 첸 geöffnet?“ in „Schritte international 6“ (Hilpert et al. 2008: 142) oder „9. November 1989: Die DDR-Regierung öffnet die Mauer. Ostberliner und Westberliner liegen sich in den Armen (…)“ im „Orientierungskurs“ (Kilimann und Plisch de Vega 2005: 40), dass es auch in neueren Lehrwerken möglicherweise der Zwang zur sprachlichen Reduktion oder aber auch nicht ausreichende fachwissenschaftliche Kompetenz ist, die weiterhin immer wieder zu nicht akzeptablen Darstellungen in DaFund DaZ-Lehrwerken führt. Ein besonders fragwürdiges Beispiel ist eine fiktive „private Geschichte im November“ in „Berliner Platz 3“ (Köker et al. 2004: 45), in die auf der Basis eines Hörtextes die korrekten Präteritumformen in einen Lückentext eingesetzt werden sollen. Die Geschichte handelt vom Trennungsstreit eines Paares, das, als es in den Nachrichten vom Mauerfall hört, dann auch eine private Wiedervereinigung in Erwägung zieht. Für die DaF-Lehrwerke aus Estland, Finnland, Frankreich, Großbritannien und Norwegen liegt die umfangreiche Studie von Maijala (2004) vor, in der sie die „Rückkehr der Geschichte in die europäischen Deutschlehrwerke“ konstatiert und zugleich feststellt, „dass der kognitive Ansatz der Landeskunde in den Mittelpunkt des Fremdsprachenunterrichts gerückt ist“ (Maijala 2004: 345). Sie kann „national geprägte(n) Darstellungsweisen der geschichtlichen Informationen“ ausmachen, indem der „Blick auf die deutschsprachigen Länder (…) durch die Muster, Normen und Werte des Heimatlandes“ (344) beeinflussbar sei. Die Schweiz und Österreich kämen nur vereinzelt in diesen Lehrwerken vor, und ihre Darstellung sei oft klischeehaft und konzentriere sich auf touristische Attraktionen und Persönlichkeiten (Maijala 2007: 178). Völlig neue Geschichtskapitel sind in Deutschland seit 2005 in speziellen Lehrwerken für Deutsch als Zweitsprache entstanden. Mit der Einrichtung von Integrationskursen durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), die mit einer Prüfung abgeschlossen werden (seit 1. 7. 2009 die neue skalierte Sprachprüfung „Deutsch-Test für
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Zuwanderer [A2⫺B1]“ ⫺ kurz DTZ genannt), entstand der Bedarf an gezielt einsetzbarem Unterrichtsmaterial. Während für den (im Jahr 2009) 600 Stunden umfassenden Sprachkurs verschiedene der gängigen Lehrwerke aus den DaF-Verlagen zugelassen sind, mussten für den anschließenden zunächst 30, dann 45 Stunden umfassenden „Orientierungskurs“ neue Unterrichtsmaterialien entwickelt werden, die auf die inhaltlichen Vorgaben des BAMF ⫺ einer der vier Themenschwerpunkte lautet: „Überblick über die jüngere deutsche Geschichte“ ⫺ zugeschnitten sind und auf den abschließenden Test vorbereiten. Die fünfundzwanzig Fragen des Tests, von denen dreizehn richtig beantwortet werden müssen, beinhalten Fragen wie: Welche Gruppe leistete Widerstand gegen Hitler und die Nationalsozialisten? oder: Wie wurden die Bundesrepublik Deutschland und die DDR zu einem Staat? Da immer vier Antwortvorgaben gemacht werden, hatte und hat der Test einen Rückkoppelungseffekt auf das Unterrichtsmaterial, mit dem gezielt Faktenwissen vermittelt werden muss. Welche Erträge der Orientierungskurs mit dieser faktenorientierten Geschichtsvermittlung erbringt, ist bislang nicht untersucht worden. Die mit dem Bereich der Landeskunde befassten Vertreterinnen und Vertreter im Fach DaF/DaZ sind von dieser Entwicklung überrascht worden. Eine völlig andere Neuerung stellt das von Schmidt und Schmidt (2007) herausgegebene Lehrwerk „Erinnerungsorte. Deutsche Geschichte im DaF-Unterricht“ dar. Aus der Erfahrung heraus, dass es für eine bestimmte Art der Landeskunde- und Geschichtsvermittlung keine geeigneten Materialien gab, haben fünfzehn ehemalige Lektorinnen und Lektoren in Anlehnung an das Konzept des französischen Historikers Pierre Nora zu dreizehn deutschen Erinnerungsorten Unterrichtseinheiten erstellt. Diese „eröffnen exemplarisch Wege in und durch die deutsche Geschichte und sind als Zusatzmaterialien für den Sprach- und Landeskundeunterricht gedacht“ (Schmidt und Schmidt 2007: 6). Zwei dem Buch beigefügte CD-Roms bieten eine Fülle an Zusatzmaterialien ⫺ auch Hörtexte ⫺ und erlauben eine vielschichtige Herangehensweise in jeweils mehreren Unterrichtsstunden an deutsche Erinnerungsorte wie den Kölner Dom oder Weimar ⫺ Buchenwald. Die Auswahl ist auf materielle Erinnerungsorte beschränkt und berücksichtigt vor allem den Norden und Osten Deutschlands. Die Arbeit mit dem Unterrichtsmaterial setzt zumindest Sprachkenntnisse auf dem Niveau B1, meistens jedoch auf B2 oder C1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER) voraus.
3. Stellung und Funktion der Geschichtswissenschat innerhalb des Fachs Deutsch als Fremd- und Zweitsprache Insgesamt wurde die Geschichtswissenschaft innerhalb der Landeskundevermittlung meist unreflektiert als ein weitgehend homogenes Gebäude aus einzelnen Bausteinen gesehen, derer man sich für den Unterricht in Deutsch als Fremd- und Zweitsprache funktional bedienen kann. Bereits der Geschichtsdidaktiker Bergmann (1988: 333) formulierte diese Position: „Die Landeskunde bedient sich der Geschichte, wo historisches Wissen als abrufbare Dienstleistung der Historie in der Form des Erklärungswissens für das sonst unverständliche Andere benötigt wird“. Zugleich macht er jedoch darauf aufmerksam, dass Ergebnisse der Geschichtswissenschaft „innerfachlich höchst kontrovers diskutiert“ (336) werden und auch eine an den gültigen und allgemein anerkannten methodischen Standards des Fachs orientierte Analyse „zu unterschiedlichen ,Geschichten‘ führt,
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die in sich legitim und gut begründbar sind“ (337). Es ist nachvollziehbar, dass weiterhin im Sprachunterricht ein politikgeschichtlicher Ansatz dominiert, um wesentliche Grundinformationen zu vermitteln und damit ein Bezugsraster herzustellen; für das Verständnis der Gegenwart sind jedoch weiterhin verstärkt sozial- und alltagsgeschichtliche Fragestellungen zu berücksichtigen. Die Kategorien Erinnerung und kollektives Gedächtnis haben dabei in den letzten Jahren zu Recht auch im Fach DaF/DaZ einen gewissen Stellenwert bekommen, da Sprachunterricht kein Geschichtsunterricht ist und die Näherung an die Menschen im Zielsprachenland das vorrangige Ziel sein muss ⫺ und diese sind geprägt durch ihr Geschichtsbewusstsein. Hier werden allerdings die harten geschichtswissenschaftlichen Deutungen verlassen, und Erkenntnisse aus der oral history oder sozialwissenschaftliche Studien (z. B. Welzer, Moller und Tschuggnall: 2002) bilden die Basis für fundierte Materialerstellung. Insgesamt muss die Forderung bestehen bleiben, dass nicht nur die Lehrenden, sondern vor allem die Ersteller von Lehrmaterialien in ausreichendem Maße auf die Erkenntnisse aus der Geschichtswissenschaft zurückgreifen und ggf. die Unterstützung von Historikern suchen.
4. Vermittlung historischer Themen im Unterricht Welche Rolle welche historischen Themen im jeweiligen Unterricht spielen sollen und in welcher Herangehensweise sie vermittelt werden können, wird nur adressatenspezifisch vor dem jeweiligen Lernerhintergrund zu entscheiden sein, wobei der Sprachstand angesichts vieler nur sehr differenziert zu behandelnder Themen von besonderer Bedeutung ist. Die Basis bei der Vermittlung historischer Themen im Landeskundeunterricht werden in den meisten Fällen die Texte, Bilder, Diagramme, Statistiken und gelegentlich auch Karten in den Lehrbüchern bilden. Weitreichende Möglichkeiten bieten auch Simulationen fiktiver Personen (vgl. Groenewold 1988; Koreik 1993), durch welche die Einflüsse geschichtlicher Ereignisse und Strukturen durch partielle Identifikation und vor allem selbständige Recherchearbeit, die durch das Internet unerschöpfliche Möglichkeiten erhalten hat, nachvollziehbar werden. Hinzu kommen in zunehmendem Maße Dokumentarfilme und Filmsequenzen, die zunehmend leichter als DVD zugänglich werden (man denke allein nur an die Dokumentationen, die regelmäßig dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel beigefügt sind) und die Geschichtsereignisse teilweise eindrucksvoll visualisieren. Gerade beim Einsatz von Bildmaterialien gilt es jedoch, aufgrund der Wirkmächtigkeit von Bildern den Unterricht mit komplementär eingesetzten Texten, Statistiken u. a. zu effektivieren.
5. Literatur in Auswahl ABCD-Thesen zur Rolle der Landeskunde im Unterricht 1990 Deutsch als Fremdsprache 27(2): 306⫺308. Altmayer, Claus 2004 Kultur als Hypertext. Zur Theorie und Praxis der Kulturwissenschaft im Fach Deutsch als Fremdsprache. München: iudicium.
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Ammer, Reinhard 1988 Das Deutschlandbild in den Lehrwerken für Deutsch als Fremdsprache: die Gestaltung des landeskundlichen Inhalts in den Deutschlehrwerken der Bundesrepublik Deutschland von 1955⫺1985 mit vergleichenden Betrachtungen zum Landesbild in den Lehrwerken der DDR. München: iudicium. Bergmann, Klaus 1988 Landeskundliches Lernen und historisches Lernen. Bemerkungen eines Geschichtsdidaktikers. In: Peter Doye´, Hartmut Heuermann und Günter Zimmermann (Hg.), Die Beziehung der Fremdsprachendidaktik zu ihren Referenzwissenschaften. Dokumente und Berichte vom 12. Fremdsprachendidaktikerkongreß, 333⫺337. Tübingen: Narr. Ghobeyshi, Silke 2002 Nationalsozialismus und Schoah als landeskundliche Themen im DaF-Unterricht. Frankfurt a. M.: Lang. Grabe, Daniela 2004 Immer dieselbe Geschichte? Konfliktbearbeitungsmethoden im DaF-Unterricht. In: Hans-Jürgen Krumm und Paul R. Portmann-Tselikas (Hg.), Theorie und Praxis. Österreichische Beiträge zu Deutsch als Fremdsprache 8, 25⫺38. Innsbruck etc.: Studienverlag. Groenewold, Peter 1988 Simulationen für interkulturelles Lernen. Landeskundliches Lernen und Spracharbeit mit Hilfe erfundener Figuren. Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 14: 259⫺281. Hilpert, Silke, Anne Robert, Anja Schümann, Franz Specht, Barbara Gottstein-Schramm, Susanne Kalender und Isabel Krämer-Kienle 2008 Schritte international 6 ⫺ Kursbuch und Arbeitsbuch. Ismaning: Hueber. Kilimann, Angela und Stefanie Plisch de Vega 2005 30 Stunden Deutschland. Materialien für den Orientierungskurs. Stuttgart: Klett. Köker, Anne, Christiane Lemcke, Lutz Rohrmann, Paul Rusch, Theo Scherling und Ralf Sonntag 2004 Berliner Platz 3. Lehrbuch. Berlin und München: Langenscheidt. Koreik, Uwe 1993 Biographiesimulationen im Landeskundeunterricht. Deutsch als Fremdsprache 30(4): 219⫺226. Koreik, Uwe 1995 Deutschlandstudien und deutsche Geschichte. Die deutsche Geschichte im Rahmen des Landeskundeunterrichts für Deutsch als Fremdsprache. Baltmannsweiler: Schneider. Maijala, Minna 2004 Deutschland von außen gesehen. Geschichtliche Inhalte in Deutschlehrbüchern ausgewählter europäischer Länder. Frankfurt a. M.: Lang. Maijala, Minna 2007 Zur Analyse von landeskundlichen bzw. geschichtlichen Inhalten in Lehrwerken für Deutsch als Fremdsprache. Deutsch als Fremdsprache 44(3): 174⫺180. Sauer, Michael 2008 Geschichte unterrichten. Eine Einführung in die Didaktik und Methodik. Seelze: Kallmeyer. Schmidt, Sabine und Karin Schmidt (Hg.) 2007 Erinnerungsorte. Deutsche Geschichte im DaF-Unterricht. Berlin: Cornelsen. Thimme, Christian 1994 Zeitgeschichte in Lehrwerken Deutsch als Fremdsprache. Informationen Deutsch als Fremdsprache 21(4): 456⫺474. Thimme, Christian 1996 Geschichte in Lehrwerken. Deutsch als Fremdsprache und Französisch als Fremdsprache. Ein deutsch-französischer Lehrbuchvergleich. Baltmannsweiler: Schneider. Welzer, Harald, Sabine Moller und Karoline Tschuggnall 2002 „Opa war kein Nazi“. Nationalsozialismus und Holocaust im Familiengedächtnis. Frankfurt a. M.: Fischer.
Uwe Koreik, Bielefeld (Deutschland)
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165. Landeskundliche Gegenstände: Politik und Gesellschat 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
Einleitung Begriffliches Politik und Gesellschaft in der Fremdsprachendidaktik Ziele, Themen, Methoden, Materialien, Lehrerausbildung Deutsch im Zielsprachenland Auswahl- und Vermittlungsprinzipien Perspektiven Literatur in Auswahl
1. Einleitung Sprache beschreibt die historisch gewachsenen kulturellen, politischen und sozialen Verhältnisse, zudem kommen Sprachlernende früher oder später direkt oder indirekt mit diesen Bedingungen in Berührung ⫺ aus diesem Grund stellen Politik und Gesellschaft zwei zentrale Themenfelder der Landekundevermittlung von Fremdsprachen und eo ipso von Deutsch als Fremd- und Zweitsprache dar. Eine Fremdsprachenwissenschaft, die dies als Basis nimmt, kommt nicht umhin, auf die Fragen, welche politischen und gesellschaftlichen Aspekte welchen Lernenden wann und auf welche Art vermittelt werden sollen bzw. von den Lernenden zu erarbeiten sind, zielgruppenspezifische Antworten zu entwickeln und in konkrete Methoden und Materialien umzusetzen.
2. Begriliches Die Frage nach der didaktisch-methodischen Handhabung im DaF- und DaZ-Unterricht hat zuerst die Begriffe Politik und Gesellschaft zu klären. Einheitliche Definitionen sind jedoch in den relevanten Disziplinen nicht zu finden, zu breit ist das Spektrum der theoretischen wie praktischen Interessenfelder. So reicht der Politikbegriff von Kernfragen wie Macht, Herrschaft und Konflikt bis zur Frage rechtlicher Regelungsmechanismen gesellschaftlicher Aspekte. Perspektivisch wäre evtl. eine im Englischen zu findende idealtypische Differenzierung in polity als formale Dimension politischer Institutionen, Parteien usw., politics als prozessuale Dimension in Form von Entscheidungsprozessen oder Lobbyismus und policy im Sinne von Programmen, Ideologien und Wertemustern hilfreich (Fritzsche 2003). Unter Gesellschaft werden alle Bereiche des Soziallebens von Erziehung, Bildung, Arbeit, sozialer Schichtung, Altersgruppen, Religionen, Siedlungsformen, Wohnverhältnissen, Nationalität und Migration, Minderheiten, Lebensstil, Konsum, Freizeit, Medien, Transport oder Umwelt verstanden. Es stellt sowohl den Gesamtbegriff für Institutionen des übergemeinschaftlichen Zusammenlebens dar wie auch die Summe der Beziehungen und der Verhältnisse unter den Individuen. Die Über-
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gänge des Gesellschaftlichen zum Politischen sind dabei ⫺ wie etwa im Bereich der Sozialpolitik ⫺ ebenso fließend wie die zur Alltagskultur als Spielregeln und Verhaltensnormen, die eine Gruppe von Menschen verbinden.
3. Politik und Gesellschat in der Fremdsprachendidaktik So selbstverständlich heute die postulierte Verknüpfung von Sprach- und Landeskundebzw. Kulturvermittlung zu sein scheint, so wenig war sie dies in der Geschichte der Fremdsprachendidaktik und -methodik. In den drei intensiven Perioden der Realienkunde Ende des 19. Jahrhunderts sowie der Kulturkunde in den 1920er und der Landeskunde seit den 1970er Jahren spielten politische und soziale Aspekte eine je unterschiedliche und hier nicht im Einzelnen nachzuzeichnende ideologisch-inhaltliche Rolle innerhalb der Fremdsprachendidaktik (Simon-Pelanda 2001). In der letzten Phase, geprägt durch ein neues politisches und soziales Selbstverständnis im Anschluss an Entkolonialisierung und zunehmende Arbeitsmigration, spielten die Sozialwissenschaften eine zentrale Rolle, ohne dass sich jedoch eine Disziplin als Bezugswissenschaft etablieren konnte. Für das entstehende Fach Deutsch als Fremdsprache waren dabei adaptierte Konzepte aus der Anglistik und Romanistik und bei letzterer v. a. das romanistische Deutsch-Französische Institut um Forscher wie Robert Picht oder Peter Doye´ von besonderer Bedeutung. Ein deutlicher Wechsel sowie eine sukzessive Zurückdrängung politischer und sozialer Themen ergab sich, ausgehend v. a. von der Soziologie und Sozialanthropologie, durch die kulturalistische Wende seit etwa Mitte der 1980er Jahre mit einem Fokus auf kulturell bedingte Handlungs- und Verhaltensmuster. Nicht mehr primär politische Konflikte sowie soziale Entwicklungen standen nun im Vordergrund, sondern interkulturelle Fragestellungen und Aspekte zwischenmenschlicher Kommunikation. Als Ursache konstatiert Nolte (2004: 40) retrospektiv gerade bei progressiven Intellektuellen die Abkehr von „harschen materiellen Realitäten“ und Flucht in die kulturelle „Welt der Symbole und Imaginationen“. Dieser Prozess verstärkte sich noch durch die überraschende globalpolitische Beendigung der West-Ost-Systemopposition. Trotz intensiver Diskussionen im Verlauf der 1990er Jahre führte die Abwendung von der Darstellung politisch-sozialer Realitäten hin zu fremdkultureller Sensibilisierung und strategischen Kompetenzen jedoch eher zu einer Schwächung der fachimmanenten Position der Landeskunde. Als dezidierter Vertreter einer kulturwissenschaftlichen Ausrichtung der Landeskunde versucht Altmayer (2004) den Gordischen Knoten von zirkulären Debatten mit einer Verlagerung von Lerngegenständen zu tiefer liegenden kulturellen Deutungsmustern zu durchschlagen, kann dabei jedoch die Synthese zwischen prozeduralem und deklarativem Wissen ebenfalls nur bedingt herstellen. Vergleichbares ist für die von Wierlacher (2003) angeregte und im Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache (2006) fortgeführte Modifizierung der Landeskunde zu essayistisch ausgerichteten Landesstudien zu sagen, die sich zwar explizit die Suche nach Vermittlungsmöglichkeiten politischer und gesellschaftlicher Aspekte zur Aufgabe gesetzt hat, konkrete Umsetzungsformen in die Unterrichtspraxis jedoch nicht erkennen lässt. Während einerseits also eine gewisse Orientierungslosigkeit angesichts der nach wie vor bestehenden Grundsatzdebatten festzustellen ist, gibt es andererseits ein wachsendes Forschungsinteresse, das sich in mehreren größeren Untersu-
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chungen mit unterschiedlicher Ausrichtung niederschlägt (z. B. Röttger 2004; Ertelt-Vieth 2005; Grünewald 2005). Es bleibt aber der Arbeit von Pietzuch (2004) vorbehalten, eine Gesamtschau der „politisch-sozialen Dimension der landeskundlichen Theorie und Praxis“ in interkultureller Perspektive vorzulegen. Resümierend stellt er dabei eine „intensivierte kultur- bzw. wirtschaftspolitische Instrumentalisierung und gleichzeitige Entpolitisierung, mentalistisch-kulturalistische Subjektzentrierung sowie methodisch-strategische Technologisierung der Landeskunde“ (Pietzuch 2004: 166) fest. Diese von ihm kritisierte Achsenverschiebung ⫺ auch gekennzeichnet durch die teils unverhohlen vorgetragene Forderung, dem Ansehen Deutschlands als internationalem Technologie- und Wirtschaftsstandort nicht durch selbstkritische Aspekte zu schaden (Duesberg 2006) ⫺ kann jedoch nicht im Interesse eines Faches liegen, das neben der Sprachvermittlung auch das kritische Denken und die Reflexion über nationalkulturelle Fremdbilder und Stereotypen fördern will. Nach Löschmann (1998: 29) muss dieser „Umgang mit Stereotypen geübt werden“, da sich „interkulturelles Lernen auf der kognitiven, affektiven und verhaltensmäßigen Ebene“ vollzieht.
4. Ziele, Themen, Methoden, Materialien, Lehrerausbildung Tatsächlich werden als Lernzielbereiche u. a. im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER) (Costa, North und Trim 2004) folgende Aspekte genannt: 1. Deklaratives Wissen (savoir) mit den Unterpunkten „Weltwissen“, „Soziokulturelles Wissen“ und „Interkulturelles Bewusstsein“ 2. Fertigkeiten und prozedurales Wissen (savoir-faire) mit den Bereichen „Praktische Fertigkeiten“ und „Interkulturelle Fertigkeiten“ 3. Persönlichkeitsbezogene Kompetenz (savoir-eˆtre) mit Faktoren wie Einstellungen, Werten und Überzeugungen Ergänzt werden sollten diese Ziele noch durch savoir s’engager als Fähigkeit der Entwicklung einer kritischen Beurteilung der Fremd- und Eigenkultur sowie des eigenen soziopolitischen Engagements. Ein fester allgemein gültiger Themenkanon für die Landeskundevermittlung wird allgemein zu Recht abgelehnt. Zum einen verbietet dies die Spezifizierung hinsichtlich der jeweiligen Lernsituation, zum anderen die Fülle relevanter Inhalte bei der Themenauswahl. Dennoch hat es aus lernpragmatischen Gründen in der Vergangenheit Versuche gegeben, Themenlisten zu erstellen. Am überzeugendsten gelang dies zuletzt Penning (1995), der rekursiv aus zahlreichen Mittelstufenlehrwerken eine Aufstellung der Bereiche Land und Leute, Alltag und gesellschaftliches Leben, Massenmedien und öffentliche Meinung, Bildung und Wissenschaft, Wirtschaft und Technik, Staat und Politik, Historisches sowie Kultur mit jeweils zahlreichen Unterpunkten destillierte. Die im Rahmen des alltagskulturellen kommunikativen Ansatzes in die Landeskundediskussion eingebrachten “universellen Daseinserfahrungen“ werden hier ergänzt durch die Aufnahme faktischer und objektivierbarer Elemente und Informationen, die noch heute unberechtigterweise oft einer klassischen enzyklopädisch ausgerichteten, jedoch von niemandem mehr vertretenen Realienkunde zugeordnet werden (Altmayer 2006). Zu Recht wird i. a. darauf
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hingewiesen, wie wichtig faktische Kenntnisse über objektiv bestehende politisch-soziale Realitäten sind, auf deren Basis sich erst Erkenntnis einstellen kann (z. B. Koreik 1995: 30⫺32; Grünewald 1996: 39; Reinbothe 1997; Löschmann 1998; Althaus 1999). Ausgeklammert werden dürfen dabei auch nicht Institutionen in materialisierter (z. B. Parlament) oder nicht-materialisierter (z. B. Ehe) Form als geronnene gesellschaftliche Erfahrungen (Ramin 1989). Sie sollten in ihrer aktuellen Rolle und Bedeutung, aber exemplarisch möglichst auch in ihrer Entstehung und Entwicklung behandelt werden, soweit sie als für die spezifischen Lernenden und ihre Lernziele relevante Einrichtungen isoliert wurden und hinreichend Lernzeit zur Verfügung steht. Allerdings ist die u. a. von Altmayer (2004: 36) angemahnte Beachtung der diskursiven Konstruktion politischer und gesellschaftlicher Realitäten zu beachten, ohne die wiederum ein tatsächliches „Fremdverstehen als Zielorientierung des landeskundlichen Lernens“ unmöglich ist. Schließlich stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis politisch-soziale Themen der deutschsprachigen Länder oder auch einzelner Regionen zueinander stehen sollen. Die von Reinbothe (1997) vorgeschlagene und von Krumm (1999) kritisierte Exemplifizierung an einem Land ließe sich dahingehend modifizieren, dass die drei Länder einen ihnen jeweils angemessenen Darstellungsraum erhalten sollten. Eine besondere Beachtung spielt sicher das nach wie vor schwierige Verhältnis zwischen Ost- und Westdeutschland, da auch 20 Jahre nach dem Beitritt erhebliche wechselseitige Vorbehalte sowie sozioökonomische und politische Strukturunterschiede bestehen. Bedenkt man zudem, dass mehr als 60 % aller nationalen Gesetze in Mitgliedsländern der Europäischen Union unmittelbar mit den Institutionen der EU verknüpft sind, sowie, dass Fragen wie Migration, Umweltschutz, Wirtschaft oder Militär und Krieg in einer globalisierten Welt nicht auf einer nationalen Folie betrachtet werden können, so wird klar, dass die Anforderungen an eine Lehrkraft hinsichtlich einer angemessenen soziographisch-thematischen Auswahl immens sind (Steinig 2001). Als weitere, bereits ins Methodische übergehende Auswahlaspekte lassen sich nennen: 1. „Generative Themen“ als an die Pädagogik Paulo Freires anknüpfende und auch von der politischen Bildung aufgenommene Kernbegriffe, die das Potenzial besitzen, weitere anknüpfende Themen und Assoziationen hervorzubringen. Beispiele aus dem politisch-sozialen Sektor wären etwa „Partizipation“ oder „Grenzen“. Penning (1995) führt dies exemplarisch mit einem Netzwerk zu ,Berlin Hauptstadt‘ vor. 2. Leitthema vs. Gegenthema (Ramin 1989) als oppositionelle Begriffe, anhand derer Themenfelder wie z. B. „Föderalismus vs. Zentralismus“ oder „Familie vs. Single-Leben“ entwickelt werden können. Es stellt sich dabei insgesamt die sicher nur situativ zu beantwortende Frage, ob eher ein breites Spektrum relevanter Themen angesprochen oder beispielhaft ein enger inhaltlicher Fächer in die Tiefe verfolgt werden soll mit dem Ziel, den Lernenden v. a. strategische Kompetenzen zur Eigenrecherche zu vermitteln. Die Unmöglichkeit, die Totalität politischer und gesellschaftlicher Phänomene und Strukturen zu behandeln, führt zwingend zur Begrenzung auf Exemplarität als zentralem Lernprinzip. Relevante methodische Verfahren der Landeskunde stellen darüber hinaus dar: Integration des Vorwissens, Anregung zum Perspektivenwechsel, Kontrastivität und Vergleich. In praktischer Hinsicht sind Planspiele, Simulationen, Rollenspiele und v. a. die produktorientierte Projektarbeit zu nennen. Eine Mischung verschiedener Vermittlungsmodi, Medien und Textsorten fördert ebenso wie unterschiedliche Quellen, widersprüchliche Blickwinkel und mehrper-
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spektivische Sichtweisen die Entwicklung von Ambiguitätstoleranz, Empathiefähigkeit und das Aufbrechen bestehender Stereotypen und Klischees. Pauldrach (1992) favorisiert über einen längeren Zeitraum gültige Materialien und Darstellungsweisen, an denen gesellschaftliche Entwicklungen und Verhältnisse exemplarisch verdeutlicht werden können, allerdings sollten daneben aus motivationalen Gründen auch Materialien über aktuelle Geschehnisse verwendet werden. Besondere Aufmerksamkeit wurde schon früh dem sozialwissenschaftlichen Ländervergleich gewidmet, der als Verfahren auch in der interkulturellen Pädagogik ein intensiv diskutiertes Verfahren darstellt (Cappai 2007). Pauldrach (1992: 13) betont aber die Untauglichkeit des Vergleichs „als Methode der Erkenntnisgewinnung“ und sieht ihn bei Akzeptanz der Unvergleichbarkeit vieler gesellschaftlicher Phänomene erst „am Ende des Verstehens- und Verständigungsprozesses zwischen zwei Gesellschaften und Kulturen“ ⫺ wahrnehmungspsychologisch jedoch eine schwierig zu verordnende Maßgabe. Naheliegender und realistischer wäre es dagegen, Verfestigungen durch eine kontinuierliche Dialektik des Aufbaus und der Brechung von Typischem und Typisiertem zu begegnen. Schließlich bemerken Edmondson und House (1998: 180), dass im Unterricht wirksame Verfahren, Themen und Fragestellungen ohnehin erst dann entwickelt werden können, wenn „relevantes empirisch abgestütztes Wissen über sprachlich-kulturelle Normen und interkulturelle Erwartungen bzw. Stereotypen/Vorurteile vorliegt“. Vergleichbares gilt für die Frage der Integration von landeskundlichen Aspekten in Testformate, da grundsätzlich Unklarheit über das Verhältnis von allgemeinpädagogischen zu fremdsprachlichen Lernzielen besteht. Kooperative Evaluationsformen sind hier ebenso interessant wie das im Zusammenhang mit dem GER stehende INCA-Projekt (2004), welches den Niveaustufen des GER entsprechende interkulturelle Kompetenzstufen definiert. Grundkenntnisse über Politik und Gesellschaft der deutschsprachigen Länder gehören zum unverzichtbaren Rüstzeug von DaF-/DaZ-Lehrkräften, können jedoch nicht vorausgesetzt werden. Die von Koreik (1995) bei deutschen AbiturientInnen festgestellten Defizite in Geschichte lassen sich auch für Politik und Gesellschaft annehmen. Fachspezifische Landeskundekompendien für die Ausbildung von Lehrkräften, wie Lüsebrink (2003) sie für die Romanistik vorgelegt hat, wären sicher hilfreich, um ein landeskundliches Basiswissen zu vermitteln. Durch exemplarische Studien über politisch-soziale Phänomene im Sinne von Dossiers, Materialsammlungen oder Landeskundeprojekten, wie sie an mehreren Universitäten existieren, könnte neben kognitiven und strategischen Kompetenzen zumindest eine Sensibilisierung für die Bedeutung diesbezüglicher Kenntnisse erreicht werden.
5. Deutsch im Zielsprachenland Für die Landeskunde DaZ hat es durch die migrationspolitischen Entscheidungen der politischen Institutionen sowohl in Deutschland wie auch in Österreich seit Anfang des neuen Jahrtausends erhebliche Veränderungen gegeben. Die Neuordnung der Zuwanderungs- und Einbürgerungsgesetzgebung beinhaltet dabei teils obligatorische, teils fakultative Sprachkurse mit landeskundlichen Komponenten und Tests. Das staatliche Vorgehen, u. a. die Auflösung des seit 1974 bestehenden Sprachverbandes als Organisator von Deutschsprachkursen für ImmigrantInnen, wurden zwar im Vorfeld u. a. von Krumm (2003) für Deutschland und Österreich kritisiert, letztlich hatten akademische Kreise jedoch keinen angemessenen Einfluss auf die migrationsspezifischen Entwicklungen der
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letzten Jahre. Für Deutschland gilt, dass für die landeskundlichen Orientierungskurse, die im Rahmen der im Zuge des Zuwanderungsgesetzes 2005 institutionalisierten sprachlich fokussierten Integrationskurse abgehalten werden, von Seiten des Bundesministeriums für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ein aus drei Modulen bestehendes Curriculum im Umfang von 45 Unterrichtseinheiten (UE) festgelegt wurde. Als Leitziel ist die „Vermittlung von Alltagswissen sowie von Kenntnissen der Rechtsordnung, der Kultur und der Geschichte in Deutschland, insbesondere auch der Werte des demokratischen Staatswesens der Bundesrepublik Deutschland und der Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, Gleichberechtigung, Toleranz und Religionsfreiheit“ (BAMF 2007: 6) vorgesehen. Eine „positive Bewertung des deutschen Staates“ im Rahmen der als „maßgeblich“ bezeichneten affektiven Lernziele wird ideologisch unverhohlen angestrebt, wobei der Gefahr einer explizit angesprochenen „falschen Ausrichtung der Unterrichtskonzeption durch einzelne Lehrkräfte“ mittels einer engen didaktisch-methodischen Vermittlungsvorgabe begegnet werden soll (BAMF 2007: 7). Im Einzelnen umfassen die Module inhaltlich die Themen „Politik in der Demokratie“ (19 UE, Modul I), „Geschichte und Verantwortung“ (9 UE, Modul II) und „Mensch und Gesellschaft“ (13 UE, Modul III). So positiv die durch diese Entwicklung induzierte, lange Zeit angemahnte Entwicklung von landeskundlichen Lehrmaterialien für Anfänger zu sehen ist, so bedenklich erscheint es, dass die von den Verlagen herausgegebenen Lehrmaterialien deutlich gesellschaftskritische Töne vermeiden. Da diese Materialien teilweise auch im Ausland eingesetzt bzw. punktuell von den Verlagen in nur leicht veränderter Form für den Auslandseinsatz angeboten werden, sind Auswirkungen auf die auswärtige Landeskundevermittlung in Form einer affirmativen Darstellung der deutschsprachigen Länder zu prognostizieren.
6. Auswahl- und Vermittlungsprinzipien Aus der Erkenntnis, dass es keinen für alle Lernsituationen im In- und Ausland festzulegenden theoretisch motivierten Kanon oder auch nur Korpus an Themen, Methoden und Materialien geben kann, ergibt sich die Notwendigkeit, allgemeine Prinzipien zu bestimmen, die eine flexible Handhabung ermöglichen. Genannt werden können die sieben Leitprinzipien Realitätsnähe, Richtigkeit, Repräsentativität, Relevanz, Relationalität, Regionalisierung und Reflexion. Letzteres stellt, sowohl antizipierend als auch begleitend, das wichtigste und übergeordnete Prinzip dar, und zwar für die anthropogenen und soziokulturellen Voraussetzungen der Lernenden, die Lernziele, die Lerntraditionen, die institutionellen, gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen der Lernsituation sowie die Selbstreflexion der Lehrkraft bzgl. des eigenen Hintergrunds als Kulturträger und Lehrperson. Sie sollte zudem sowohl bei der Betrachtung der eigenen Lehrpraxis verwendet als auch den Lernenden für die Begegnung mit fremdkulturellen Phänomenen nahegelegt werden. Sinnvoll wäre es darüber hinaus, in landeskundliche Planungen auch eine radiale Komponente einzubeziehen, d. h. situationsadäquat einen zentralen, einen expandierten und einen peripheren Themenkomplex zu definieren. Zum Kernbereich würden Themen zählen, die für das Verständnis der Politik und Gesellschaft der deutschsprachigen Länder zentral erscheinen, der erweiterte Komplex könnte sich als Vertiefung aus diesen generativen Themen ergeben oder andere Aspekte integrieren, während der Randbereich Fragen behandelt, die bereits gute Landes- und Kulturkenntnisse voraussetzen und als Expertenwissen zu klassifizieren sind.
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7. Perspektiven Konzeptionell-theoretisch bietet sich das primär für die Lehrkraftausbildung gedachte, aber auch allgemeiner zu interpretierende Konzept des „adaptiven Oszillierens“ an (Demorgon und Molz 1996). Gemeint ist damit die Vermittlung der Fähigkeit zur flexiblen Austarierung kultureller Spannungsgegensätze von u. a. Kontinuität und Wandel, Vereinheitlichung und Differenzierung, Öffnung und Abgrenzung. Des Weiteren könnte eine Adaption und Weiterentwicklung der Theorie sozialer Repräsentationen (Moscovici 2000) als System von Ideen, Werten und Praktiken, das Individuen und Gruppen die Konstruktion einer Sinnstruktur über Personen und Geschehnisse in ihrer sozialen Umgebung ermöglicht, fruchtbar sein. Dringend erforderlich ist zudem eine umfassende Lehrwerkanalyse über landeskundliche und hierbei insbesondere soziale und politische Inhalte und Vermittlungsaspekte. Die operationalen Probleme angesichts eines zunehmend unübersichtlichen und schnelllebigen Lehrwerkmarktes könnten dabei durch ein mosaikartiges Analysepuzzle z. B. im Rahmen von Qualifizierungsarbeiten gelöst werden. Deutlich intensivere Anknüpfungspunkte, Verbindungen und Allianzen in eher unterrichtspraktischer Hinsicht müssten schließlich zur politischen Bildung und Forschungen über politische Kulturen deutschsprachiger Länder hergestellt werden. Diese sind von beiden Seiten bislang nur wenig entwickelt, obwohl eine deutliche Überlappung hinsichtlich der zentralen Fragen von themenspezifischen Auswahlkriterien, exemplarischem und interkulturellem Lernen, Vergleichsmethodik usw. besteht (Sander 2005). Auch die Wiederaufnahme und Aktualisierung bereits existierender, jedoch in Vergessenheit geratener Konzepte kritisch-politischer Landeskunde erscheint sinnvoll.
8. Literatur in Auswahl Althaus, Hans-Joachim 1999 Landeskunde. Anmerkungen zum Stand der Dinge. Info DaF 1: 25⫺36. Altmayer, Claus 2004 Kultur als Hypertext. Zur Theorie und Praxis der Kulturwissenschaft im Fach Deutsch als Fremdsprache. München: iudicium. Altmayer, Claus 2006 ,Kulturelle Deutungsmuster‘ als Lerngegenstand. Zur kulturwissenschaftlichen Transformation der ,Landeskunde‘. Fremdsprachen Lehren und Lernen 35: 44⫺59. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 2007 Curriculum für einen bundesweiten Orientierungskurs. Nürnberg: BAMF. Cappai, Gabriele 2007 Vergleichen. In: Jürgen Straub, Arne Weidemann und Doris Weidemann (Hg.), Handbuch interkulturelle Kommunikation und Kompetenz. Grundbegriffe ⫺ Theorien ⫺ Anwendungsfelder, 94⫺101. Stuttgart/Weimar: Metzler. Coste, Daniel, Brian North und John Trim 2004 Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin: Langenscheidt. Demorgon, Jacques und Markus Molz 1996 Bedingungen und Auswirkungen der Analyse von Kultur(en) und interkulturellen Interaktionen. In: Alexander Thomas (Hg.), Psychologie interkulturellen Handelns, 147⫺164. Göttingen/Bern/Toronto/Seattle: Hogrefe.
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Duesberg, Peter 2006 Aktuelle Tendenzen weltweit und Herausforderungen für die deutschsprachigen Länder. Info DaF 33/5: 411⫺437. Edmondson, Willis und Juliane House 1998 Interkulturelles Lernen: ein überflüssiger Begriff. Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 2: 161⫺188. Ertelt-Vieth, Astrid 2005 Interkulturelle Kommunikation und kultureller Wandel. Eine empirische Studie zum russisch-deutschen Schüleraustausch. Tübingen: Narr. Fritzsche, Peter K. 2003 Politische Landeskunde. In: Alois Wierlacher und Andrea Bogner (Hg.), Handbuch Interkulturelle Germanistik, 519⫺527. Stuttgart/Weimar: Metzler. Grünewald, Matthias 1996 Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland. Theorie und Didaktisierung für den Landeskundeunterricht. Baltmannsweiler: Schneider. Grünewald, Matthias 2005 Bilder im Kopf. Eine Longitudinalstudie über die Deutschland- und Deutschenbilder japanischer Deutschlernender. München: iudicium. INCA-Project 2004 INCA (Intercultural Competence Assessment) (Online: http://www.incaproject.org/ contact.htm; 13. 5. 2010). Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 2006 Landesstudien Bd. 32. München: iudicium. Koreik, Uwe 1995 Deutschlandstudien und deutsche Geschichte. Die deutsche Geschichte im Rahmen des Landeskundeunterrichts. Baltmannsweiler: Schneider. Krumm, Hans-Jürgen 1999 Landeskunde Deutschland, D-A-CH oder Europa? Über den Umgang mit Verschiedenheit im DaF-Unterricht. Info DaF 26(5): 523⫺544. Krumm, Hans-Jürgen 2003 Integration durch Sprache ⫺ ein falsches Versprechen? Oder: Bedingungen für einen integrationsfördernden Sprachunterricht. Info DaF 30(5): 413⫺427. Löschmann, Martin 1998 Stereotype, Stereotype und kein Ende. In: Martin Löschmann und Magda Sroinska (Hg.), Stereotype im Fremdsprachenunterricht, 7⫺33. Frankfurt a. M. u. a: Lang. Lüsebrink, Hans-Jürgen 2003 Einführung in die Landeskunde Frankreichs. Stuttgart/Weimar: Metzler. Moscovici, Serge 2000 Social Representations: Explorations in Social Psychology. Cambridge: Polity Press. Nolte, Paul 2004 Generation Reform: jenseits der blockierten Republik. München: Beck. Pauldrach, Andreas 1992 Eine unendliche Geschichte. Anmerkungen zur Situation der Landeskunde in den 90er Jahren. Fremdsprache Deutsch 6: 4⫺15. Penning, Dieter 1995 Landeskunde als Thema des Deutschunterrichts ⫺ fächerübergreifend und/oder fachspezifisch? Info DaF 22/6: 626⫺640. Pietzuch, Jan Paul 2004 Zur politisch-sozialen Dimension der landeskundlichen Theorie und Praxis. Eine Untersuchung zu Lage und Möglichkeiten politischen Lernens im universitären Landeskundeunterricht Deutsch als Fremdsprache. Unveröffentl. Magisterarbeit im Fach Deutsch als Fremdsprache, Universität Leipzig.
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XVII. Landeskunde
Ramin, Andreas 1989 Landeskunde im Rahmen Interkultureller Germanistik. Info DaF 16(2): 228⫺243. Reinbothe, Roswitha 1997 Landeskunde in der Deutschlehrerausbildung. Info DaF 24(4): 499⫺513. Röttger, Evelyn 2004 Interkulturelles Lernen im Fremdsprachenunterricht: das Beispiel Deutsch als Fremdsprache in Griechenland. Hamburg: Kovac. Sander, Wolfgang (Hg.) 2005 Handbuch politische Bildung. 3. Aufl. Schwalbach/Ts.: Wochenschau. Simon-Pelanda, Hans 2001 Landeskundlicher Ansatz. In: Gerhard Helbig, Lutz Götze, Gert Henrici und HansJürgen Krumm (Hg.), Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch, 41⫺55. Band 1. (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 19.1⫺2.) Berlin/ New York: Mouton de Gruyter. Steinig, Wolfgang 2001 Politik und Landeskunde. In: Gerhard Helbig, Lutz Götze, Gert Henrici und Hans-Jürgen Krumm (Hg.), Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch, 1285⫺1294. Band 2. (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 19.1⫺2.) Berlin/ New York: Mouton de Gruyter. Wierlacher, Alois 2003 Landeskunde als Landesstudien. In: Alois Wierlacher und Andrea Bogner (Hg.), Handbuch interkulturelle Germanistik, 504⫺513. Stuttgart: Metzler.
Matthias Grünewald, Bielefeld (Deutschland)
166. Landeskundliche Gegenstände: Alltagskultur, Multikulturalität und Heterogenität 1. 2. 3. 4.
Alltagskultur Multikulturalität Heterogenität Literatur in Auswahl
1. Alltagskultur Der Alltag der deutschsprachigen Gesellschaften ist im 21. Jahrhundert in vielen gesellschaftlichen Subsystemen geprägt durch eine kulturelle Pluralität, die in DaF-Curricula und landeskundlichen Lehrmaterialien ihren Niederschlag finden muss, insofern und insoweit diese ein realistisches Bild des Alltags vornehmlich der kontemporären urbanen Regionen in Deutschland, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz zu zeichnen streben. Im Zeichen weltweit rückläufiger Studierendenzahlen im Fache verschärft sich zunehmend die Frage nach der Rechtfertigung für die Empfehlung, Deutsch zu lernen, um möglicherweise davon leben zu können (Hess-Lüttich, Colliander und Reuter 2009). Man
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darf vermuten, dass das nur dann der Fall ist, wenn Deutsch (als Fach, als Gegenstand, als Fertigkeit usw.) in einer jeweiligen Region der Welt als relevant empfunden wird. Deshalb richtet sich der Blick nicht nur nach innen (auf Kanon und Kernbestand) und zurück (auf die Fachgeschichte), sondern auch auf Fragestellungen, die gleichsam von außen (aus der Gesellschaft) an das Fach herangetragen werden (vgl. Art. 165). Sie erwachsen aus der Problematisierung von Gegenständen und Sachverhalten, die auch das Lernumfeld des Lernenden in dessen Alltag wesentlich bestimmen. Dazu gehören zentrale Problemfelder wie Migrationsfolgen und die kulturellen Gewinne/Kosten globaler Vernetzung in den deutschsprachigen Gesellschaften, die sich nicht zuletzt auch in (zunächst oft unmerklichen oder kaum bewussten) Veränderungen von Zeichenpraxis und Kommunikationsroutinen im Alltag ausweisen. Auf allen Zeichenebenen werden solche Veränderungen kommunikativ relevant. Akzente, Xenismen, sprachliche Schemata und dialogische Rituale, subkulturell geteilte Gesteninventare, gruppentypische oder regionspezifische Jargons etc. gewinnen den Status als beziehungsdefinierende und interaktionsregelnde Sinn-Systeme des Alltags, die über ihre Symptomfunktion hinaus ikonische Funktionen als Mitgliedschaftsausweis oder Ausgrenzungsimpuls übernehmen können (vgl. Müller-Jacquier 2008: 21⫺22). Bei Begegnungen von Kommunikatoren verschiedenkultureller Sozialisation neigen nicht wenige der Teilnehmer (zumal in bestimmten Subkulturen) zur Homogenisierung ihrer Zeicheninventare als Symbol ihrer Kollektividentitäten. Zu den Migrationsfolgen gehört auch in den deutschsprachigen Gesellschaften die Zunahme solcher kulturellen Überschneidungssituationen im Alltag, in denen über die eigenkulturell internalisierten Zeichengebrauchs- und -deutungskompetenzen hinaus fremdkulturelle gefordert sind, die als systematisch falliblere konfliktträchtiges Potential bergen. Dies rechtfertigt nicht nur, sondern erzwingt den Erwerb (bzw. die Vermittlung) von Handlungskompetenzen, die gerade in interkulturellen Situationen teildivergierende Zeichengebrauchsinventare zu ermitteln und ggfs. metakommunikativ zu explizieren erlauben. Für die Außensicht auf die Kultur(en) des deutschsprachigen Raums in Mitteleuropa hat das die Konsequenz, im Kanon der Gegenstände einer theoretisch fundierten und empirisch aktualisierten Landeskunde dem Umstand der kommunikativ alltagsrelevanten Binnendifferenzierung systematisch Rechnung zu tragen. Wo der Kommunikationsalltag u. a. von Multikulturalität und Heterogenität geprägt ist, lernen die Interagierenden in ihrem Zeichengebrauch mit komplexeren Überlappungssituationen sensibler umzugehen oder sich auf mutuell geteilte Regeln erst zu verständigen. Für den wissenschaftlichen Zugang bedeutet dies, sich auf einen Diskurs der Differenz einzulassen, in dem divergierende Prämissensysteme der Interaktion zur Disposition stehen. Im Rahmen eines in der Denktradition von Wilhelm v. Humboldt stehenden dialogbasierten Kommunikationsmodells (vgl. Hess-Lüttich 1981) richtet sich das Interesse also auf das Gemeinschaftshandeln von in verschiedenen Kulturen sozialisierten Kommunikatoren, das in potentiell heterogenen Semiosen Bedeutung generiert (vgl. MüllerJacquier und ten Thije 2005). Die mittlerweile sehr elaborierten Verfahren der kritischen Diskursanalyse und der linguistischen Gesprächsanalyse können dazu eine Fülle von empirischen Daten liefern, um den komplexen Prozess der Ko-Konstruktion alltäglichen Verständigungshandelns besser zu verstehen (und ggfs. für die L2-Didaktik fruchtbar zu machen). Interkulturelles Missverstehen wird damit ex negativo zum Impuls für die schärfere Einsicht in die Bedingungen, Mechanismen und Wirkungen eines Zeichenaustauschs, der sich aus divergierenden Code-Repertoires speist.
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Die im (individuellen, gruppentypischen, kulturspezifischen) Alltagswissen (i. S. v. Alfred Schütz, vgl. Schütz 1974) sedimentierten Wissensbestände über allgemeine Regularitäten dialogförmiger Kommunikation ermöglichen erst die wechselseitigen Antizipationen, Präsuppositionen und Adaptionen der dialogisch Handelnden, aber umgekehrt sind Kommunikationskonflikte erst aus der (partiellen) Divergenz solcher Wissensbestände erklärbar. Unter „alltagsweltlich-dokumentarischem Paradigma“ (Richter und Schmitz 1980) zielt das Interesse einer empirisch basierten Landeskunde also eher auf die Erstellung eines Corpus von Dokumenten zur Erschließung der sozialen Lebenswelt von Interaktanten unterschiedlicher kultureller Herkunft als auf die Konstruktion universalistischer Regelapparate zur Modellierung des Austauschs ihrer Symbolgesten. Die theoretischen Grundlagen dazu sind u. a. in der Wissenssoziologie seit langem gelegt (vgl. Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen 1973). Freilich darf die Analyse vornehmlich situativer Zeichengebrauchsbedingungen und alltagsweltlicher Wissensbestände nicht dazu verleiten, die „quasi-objektiven“ sozio-strukturellen Bedingungen individuellen Zeichenhandelns (vgl. Bourdieu 1987) aus dem Blick zu verlieren, wenn der Ansatz nicht in neue Einseitigkeiten münden soll. Kommunikative Konstellationen, in denen eine Pluralität von Zeicheninventaren (z. B. Mehrsprachigkeit) und kulturellen Konventionssystemen (z. B. Kleidersemiotik, religiöse Symbole) Geltung heischt, sind also im Alltag vieler Teilkulturen nicht selten durch eine doppelte strukturelle Asymmetrie der Kompetenz- und Machtverteilung geprägt, die wiederum zur Quelle von Konflikten werden kann. Der multikulturelle Kommunikationsalltag erfordert daher von allen Beteiligten neue und zusätzliche Qualifikationen, die in den Bildungsinstitutionen bewusst gemacht und vermittelt werden müssen. Solche Zusatzqualifikationen werden häufig unter dem mittlerweile ubiquitären Etikett interkulturelle Kompetenz gehandelt, deren Bedarf freilich nicht nur kommerziell kalkulierenden Instituten neue Märkte eröffnet, sondern die als Objekt wissenschaftlichen Interesses bereits seit einem halben Jahrhundert auch ein Thema der internationalen seriösen Forschung in mehreren Theorie- und Praxisfeldern ist (vgl. Luchtenberg 1999; Volkmann, Stierstorfer und Gehring 2002; Straub, Weidemann und Weidemann 2007). Ansätze der kulturkontrastiven Psychologie und Anthropologie, der sozial- und sprachwissenschaftlich instrumentierten Diskursanalyse beginnen allerdings erst in jüngerer Zeit in transdisziplinären Forschungsverbünden zu kooperieren, von deren Erträgen wiederum die Praxis theoriefundierter Kulturvermittlung und Landeskunde profitieren kann. Das für die interdisziplinäre Wissenschaftskommunikation bei solchen Bemühungen nötige gemeinsame Theorie-Fundament und fachneutrale Beschreibungsinstrumentarium könnte m. E. die Semiotik Peircescher Provenienz bieten, da sie Zeichenprozesse gleich welcher Medialität und Materialität thematisiert (anschauliche Beispiele zur Anwendung bietet für den hier thematisierten Zusammenhang der Alltagskultur u. a. Müller-Jacquier 2008: 29 ff.).
2. Multikulturalität Die meisten westlichen Gesellschaften entwickeln sich im 21. Jahrhundert als Folge der technologischen und ökonomischen Globalisierung und damit einhergehenden Migrationsbewegungen zu multikulturellen Gemeinschaften. Der deutschsprachige Raum in Mitteleuropa ist da keine Ausnahme. Den tatsächlichen Anteil der Fremden in den
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DACHL-Ländern (Deutschland, Österreich, Schweiz, Liechtenstein) genau festzulegen ist nicht ganz leicht, da die verfügbaren Statistiken je nach Definition, Kriterien, politischen Interessen und Zählweise stark variieren und daher schwer vergleichbar sind. Zur Ermittlung der jeweils aktuellen Daten dürften die statistischen Bundesämter dieser Länder noch die seriöseste Quelle sein (www.destatis.de; www.bfs.admin.ch; www.statistik. at). Sie publizieren die Ergebnisse ihrer Erhebungen regelmäßig im Internet, weshalb hier auf Momentaufnahmen verzichtet werden kann. Nur um die Relationen zu veranschaulichen, seien grob die jeweiligen Anteile nicht eingebürgerter Ausländer für das Jahr 2008 zitiert: Deutschland ca. 9 %, Österreich ca. 14.5 %, Schweiz ca. 22 %, Liechtenstein ca. 35 %. Solche Zahlen besagen aber wenig über das, was in diesen Ländern als Multikulturalität Gegenstand anhaltenden öffentlichen Interesses ist. Je höher der Ausländeranteil, desto gelassener die Debatte darüber, so scheint ein Vergleich der einschlägigen Medienberichterstattung in diesen Ländern nahezulegen (vgl. Hess-Lüttich 2002; Bonfadelli und Moser 2007). In Deutschland ist Multikulturalität seit den 1960er Jahren Gegenstand kontroverser Diskussion in Wissenschaft und Wirtschaft, in Politik und Bildung (in Schlagworten: Leitkultur vs. Multikulti). Jahrzehntelang wurden die mit ihr einhergehenden Probleme von den konservativen Mehrheiten in der Politik verdrängt, während andere die durch sie eröffneten Chancen beschworen. Die öffentlichen Debatten über Fragen der sozialen und kulturellen Herkunft der Migranten, der Zuwanderungsgründe und -berechtigung (Asyldebatte), der Religion (Kopftuchdebatte, Moscheedebatte), der Sprache (Spracherwerbspflicht, Schulsprache Deutsch vs. Heterogenität der Schulpopulationen), Rituale und Tabus (Schächten, Schleierzwang, Blutrache, Beschneidung von Mädchen) u. v. a. verlaufen in der Regel nicht wertneutral, sondern eher emotional, unabhängig von den darin vertretenen Standpunkten. Die soziale Brisanz und anhaltende Aktualität des Themas wird dadurch nur bestätigt. In der Begegnung zwischen Angehörigen verschiedener Kulturen wird das Medium ihrer Verständigung problematisch, insofern die Regeln seines Gebrauchs wechselseitig in Frage stehen. Gegenseitiges Verstehen kann dadurch beeinträchtigt, aber auch bereichert werden. Indem etwa das automatische Routinehandeln im alltäglichen Gespräch durch die Konfrontation mit anderen, fremden Routinen desautomatisiert wird, werden seine Strukturen und Prozesse, Muster und Schemata, Zeichen-Einheiten und Verknüpfungsregeln schärfer ins eigene Bewusstsein gehoben (vgl. Gumperz 1982). Desautomatisation aber wird seit den im Umkreis der Prager Schule entstandenen Arbeiten zur linguistischen Poetik auch als Merkmal ästhetischen Sprachgebrauchs beschrieben. Die Erforschung interkultureller Kommunikation in ihren alltäglichen wie ästhetischen, historischen, medialen und institutionellen Aspekten kann im Zeichen global zunehmender transkultureller Kontakte, Kontexte, Konflikte auch in der Germanistik nur an Bedeutung gewinnen (Hess-Lüttich, Siegrist und Würffel 1996). Dies gilt auch und erst recht im Blick auf die multikulturellen Segmente der deutschsprachigen Gesellschaften. Der Ausdruck Multikulturalität bezeichnet zunächst nur das Nebeneinander-Bestehen unterschiedlicher Kulturen und Milieus innerhalb einer Gesellschaft (vgl. Supper 1999: 47); deshalb werden westliche Gesellschaften heute als multikulturelle bezeichnet, sofern und soweit es in ihnen (neben der Mehrheitsbevölkerung) autochthone oder immigrierte (ethnische) Minoritäten gibt, die sich definieren durch „Vorstellungen gemeinsamer Herkunft, ein Zusammengehörigkeitsbewußtsein, Gemeinsamkeiten von Kultur und Sprache, eine auf ,eigenen‘ und ,fremden‘ Zuschreibungen beruhende kollektive Identität“ (Schulte 1992: 94). Wie stark die Identifikation empfunden und zeichenhaft entäußert
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wird, hängt u. a. ab von Faktoren wie Nationalität, Generation, Erziehung, Religion, Gruppenbindung, Normen und Wertsystemen. Da diese konkurrieren mit denen der Mehrheitskultur, kommt es nicht selten zu Konflikten zwischen subjektiven (Familie, Geschlecht, Generation etc.) und kollektiven Identitäten (Religionsgemeinschaften, Berufsvereinigungen, Parteien, Freizeitvereinen etc.). Das bikulturelle Individuum bewegt sich also permanent in einer Pluralität potentiell konfligierender Wert- und Symbolsysteme, was Identifikationsprozesse instabil werden lässt. Umso wichtiger ist die Erfahrung sozialer Anerkennung zur Entwicklung stabil positiver Selbstbilder. Den rechtlichen Rahmen dafür bieten in Mitteleuropa die Grundrechte und Antidiskriminierungsgesetze. In der Alltagspraxis multikultureller Gesellschaften trifft freilich der Rechtsrahmen einer „Politik der universellen Würde“ auf eine die Eigenheit und Andersartigkeit der Minorität respektierende „Politik der Differenz“ ⫺ ein strukturelles Dilemma und eine weitere Quelle potentieller Konflikte: „Die erste Konzeption wirft der zweiten vor, sie verstoße gegen den Grundsatz der Nicht-Diskriminierung. Die zweite wirft der ersten vor, sie negiere die Identität, indem sie den Menschen eine homogene, ihnen nicht gemäße Form aufzwinge“ (Taylor 1993: 34). Dieses StrukturDilemma kennzeichnet noch immer die heutige Debatte zwischen Universalisten und Differentialisten: diese werfen jenen vor, sie betrieben die Assimilierung und Homogenisierung der Minorität, das Etikett universeller Gleichheit maskiere nur ihren „diskriminierenden Partikularismus“ (Lützeler 1995: 99); jene werfen diesen vor, sie förderten in Wahrheit Diskriminierung und Segregation, das Etikett des Rechts auf Andersartigkeit verdecke die Praxis subkultureller Aus- und Abgrenzung (vgl. Pommerin-Götze 2001: 1199). Die bildungspolitischen Konsequenzen dieses Dilemmas lassen sich in jeweils ehrenwert begründeten, aber einander widersprechenden Schulkonzepten und Lehrplänen besichtigen. Freilich werden auch weniger ehrenwert begründete Konsequenzen gezogen, wenn die eine Position politisch zu Anti-Multikulturalismus und Xenophobie, die andere zu utopischem Kultur-Relativismus mit der Preisgabe eines in der Gesellschaft geteilten Rechts- und Wertekonsensus‘ missbraucht wird. Beide Wege führen in die Irre. In Äquidistanz zu solchen Positionen formuliert der Göttinger Politologe (syrischer Herkunft) Bassam Tibi (1998) am Beispiel muslimischer Migranten seine Kritik an einem progredienten Kommunitarismus, der Kohäsion und Zivilität des Gemeinwesens bedrohe: Parallelgesellschaften ließen es in „Kulturghettos der Kollektive“ zerfallen, die communities folgten eigenen Gesetzen und Leitlinien, was ihrer Inklusion in die Majoritäts- oder Residenzgesellschaft zuwiderlaufe. Aus dieser Kritik entwickelt er sein Konzept einer (in der Tradition der europäischen Aufklärung wurzelnden) citizenship, das auch muslimische Migranten als europäische Bürger integriert. Integration in diesem Sinne beschreibt indes ⫺ in Abgrenzung zu andern Akkulturationstypen wie Assimilation, Segregation oder Marginalisierung ⫺ einen Idealzustand multikultureller Gesellschaften, die ihren Bürgern unter dem gemeinsamen Dach der demokratischen Verfassung dieselben Grundrechte, gleiche Chancen und plurale Optionen auf Kultur(en) gewährt im Klima mutueller Akzeptanz. Dies setzt jedoch nach Auffassung des britischen Soziologen (südafrikanischer Herkunft) John Rex eine klare Trennung öffentlicher und privater Sphäre, zwischen Staat und Kirche, zwischen Kultur und Subkultur voraus: „multiculturalism in the modern world involves on the one hand the acceptance of a single culture and a single set of individual rights governing the public domain and a variety of folk cultures in the private domestic and communal domains“ (Rex, zit. n. Hoffmann-Nowottny 1996 [2009]).
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Anders als in laizistischen Ländern wie Frankreich führt die diffuse Verflochtenheit von Staat und christlichen Kirchen (mit ihren starken politischen Lobbys) in Deutschland immer wieder zu Abgrenzungsproblemen und juristischen Auseinandersetzungen mit z. T. widersprüchlichen Urteilen etwa zu Fragen religiöser Manifestationen von Minoritäten (besonders muslimischen) in öffentlichen und beruflichen Sphären (Kopftuch vs. Nonnenhabit, Minarettstreit, Muezzinruf vs. Glockengeläut, Teildispens vom Schulunterricht usw.). Solange der politische Wille zur Durchsetzung einer solchen Trennung fehlt, wird sich die Hoffnung auf allgemeine Akzeptanz eines übergreifenden Dachs, unter dem sich wie im umbrella-Modell des australischen Soziologen (polnischer Herkunft) Jerzy Smolicz die verschiedenen Subkulturen mit ihren divergierenden Perspektiven und religiösen Prämissen versammeln und entfalten können, kaum erfüllen (vgl. Watts und Smolicz 1997). Umso dringlicher wäre ein verbindlicher Orientierungsrahmen an öffentlichen Institutionen und Bildungseinrichtungen, der im Respekt vor kultureller Diversität der Tradition der europäischen Aufklärung verpflichtet bleibt und der Freiheit individueller Selbstentfaltung erst das Fundament von Grundrechten und Bürgerpflichten, Recht und Verfassung und gemeinsamer Sprache bietet. Für das Schul- und Bildungssystem mit der zunehmenden kulturellen Heterogenität seiner Populationen ist das eine ernste Herausforderung.
3. Heterogenität Im letzten Quartal des 20. Jahrhunderts stieg die Zahl der Immigranten in den DACHLLändern kontinuierlich an, bis Einschränkungen des Asylrechts und Einwanderungsbegrenzungsgesetze in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts diese Zahl stabilisiert hat. Dies gilt auch für die Kinder der Einwanderer an den Schulen. In Deutschland etwa registriert das Statistische Bundesamt für das Schuljahr 2007 an allgemeinbildenden Schulen 9,6 % ausländische Schüler, allerdings in gegenüber deutschen Schülern deutlich unterschiedener Verteilung auf die Schularten (19,2 % an Hauptschulen; 4,3 % an Gymnasien): Während mehr als ein Viertel der deutschen Schüler die Hochschulreife erreicht, gelingt dies nur 3,6 % der ausländischen Schüler; während 8 % der deutschen Schüler die Schule ohne Abschluss verlassen, sind es 20 % der ausländischen. Dem aus solchen Befunden abzuleitenden Handlungsbedarf sucht die interkulturelle Erziehung Rechnung zu tragen (vgl. Pommerin-Götze 2001). Dabei ist (in Deutschland) über Jahre hinweg mit jeweils guten Argumenten die Frage kontrovers erörtert worden, ob dem Erwerb zuerst des Deutschen (als Öffentlichkeitssprache) oder der Erziehung zur Mehrsprachigkeit von vornherein der Vorzug zu geben sei. Die Alternative ist m. E. falsch gestellt. Von der Pflicht, die deutsche Sprache zu erwerben, kann kein Schüler entbunden werden, der in Deutschland zu leben und zu arbeiten wünscht (sonst kann er sich nicht integrieren und wird keine Stelle finden). Die Gesetzgebung trägt dem heute endlich Rechnung. Andererseits ist Mehrsprachigkeit offizielle EU-Bildungspolitik, die mehreren Modellen Raum gibt (z. B. Muttersprache L1 ⫹ Nachbarsprache L2 ⫹ Englisch L3 oder ⫺ in welcher Reihenfolge auch immer ⫺ romanische Sprache L1 ⫹ germanische Sprache L2 ⫹ slawische Sprache L3 oder Deutsch L1 ⫹ Englisch als lingua franca L2 ⫹ Herkunftssprache L3 in den Dachl-Ländern oder
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XVII. Landeskunde
in der Schweiz 3 Landessprachen (wenn man vom Rumantsch Grischun in Graubünden absieht) ⫹ Englisch L4 ⫹ ggfs. Herkunftssprache L5 usw.; vgl. Hess-Lüttich 2006). Das Ziel der Dreisprachigkeit erscheint vielen Eltern als zu anspruchsvoll. Andererseits ist sie die Norm in vielen Weltgegenden; es ist nicht anzunehmen, dass europäische Kinder so viel dümmer sind als etwa afrikanische, dass ihnen eine angemessene frühe Unterweisung in mehreren Sprachen nicht zuzumuten wäre. Dabei ist gleichzeitig zu beachten, dass die muttersprachliche Identitätsbildung darüber nicht vernachlässigt und die doppelte Halbsprachlichkeit vieler Migrantenkinder überwunden wird. Die Alltagserfahrung sprachlicher Heterogenität darf nicht als Hürde und Hindernis, sondern muss als Spiel und Bereicherung empfunden werden. Zudem mildert sie die Asymmetrie sprachlicher Kompetenzen in Klassenverbänden, die sich aus deutschen und ausländischen Schülern zusammensetzen. Deutschen Schülern kann die Erfahrung kaum schaden, dass ausländische Mitschüler über (Sprach-)Kompetenzen verfügen, über die sie nicht verfügen. Umgekehrt dispensiert das Ziel, Sprachenvielfalt zum Objekt der Reflexion zu machen, die Schüler nicht-deutscher Muttersprache keineswegs von der Pflicht, das Hoch- oder Standarddeutsche (woran Schweizer Lehrer gelegentlich erinnert werden müssen) als offizielle Schul- und öffentliche Verkehrssprache im deutschsprachigen Raum zu lernen. Die Lehrer sind im Berufsalltag mit der (ethnischen, sprachlichen) Heterogenität ihrer Schüler konfrontiert, ohne in ihrer eigenen Fachausbildung hinlänglich darauf vorbereitet worden zu sein, was im übrigen seit Jahrzehnten bekannt ist (s. Hess-Lüttich 1983), woraus aber erst jetzt die nötigen bildungspolitischen und curricularen Konsequenzen gezogen zu werden beginnen. Sie lernen meist erst in der Praxis, Multikulturalität weder als Bedrohung oder Hindernis zu empfinden noch paternalistisch-karitativ zu verbrämen, sondern kritisch-realistisch als kulturellen Mehrwert pädagogisch zu nutzen. Deshalb wird inzwischen immer nachdrücklicher gefordert, angehende Lehrkräfte schon in ihrer Ausbildung auf die Heterogenität ihrer Schüler vorzubereiten (z. B. Engin 2003: 170) ⫺ als Antwort auf die Realität einer multikulturellen Gesellschaft und Beitrag zur Friedenserziehung durch Konfliktlösung (vgl. Lischke und Rögl 1993: 106⫺107), in der es nach dem Plädoyer des amerikanischen Philosophen (ostjüdischer Herkunft) Michael Walzer nicht nur um den Austausch von Argumenten geht, sondern auch um die gemeinsame Suche nach Lösungen und Kompromissen im Geiste „aktiver Toleranz“: „Toleranz macht Differenz möglich, Differenz macht Toleranz notwendig“ (Walzer 1998: 8). Oft scheint indes weniger die Differenz das Problem zu sein als vielmehr die Indifferenz, der Mangel an Interesse am Anderen.
4. Literatur in Auswahl Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hg.) 1973 Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit. 2 Bde. Reinbek: Rowohlt. Bonfadelli, Heinz und Heinz Moser (Hg.) 2007 Medien und Migration. Europa als multikultureller Raum? Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Bourdieu, Pierre 1987 Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
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Engin, Havva 2003 Kein institutioneller Wandel von Schule? Frankfurt a. M.: Verlag Interkulturelle Kommunikation. Gumperz, John J. 1982 Discourse Strategies. Cambridge: Cambridge University Press. Hess-Lüttich, Ernest W. B. 1981 Grundlagen der Dialoglinguistik. Berlin: Erich Schmidt. Hess-Lüttich, Ernest W. B. 1983 Handlungsorientierter Deutschunterricht im Kontrast der Kulturen [mit einem Exkurs in die Khmer-Grammatik]. In: Albert Raasch (Hg.), Handlungsorientierter Fremdsprachenunterricht und seine pragmalinguistische Begründung, 21⫺38. Tübingen: Narr. Hess-Lüttich, Ernest W. B. 2002 Interkulturelle Medienwissenschaft und Kulturkonflikt. In: Andreas Hepp und Martin Löffelholz (Hg.), Grundlagentexte zur Transkulturellen Kommunikation, 67⫺94. Konstanz: UVK. Hess-Lüttich, Ernest W. B. 2006 Die Schweiz als mehrsprachige Gesellschaft ⫺ ein Modell für Europa? In: Konrad Ehlich (Hg.), Germanistik [in und für] Europa. Faszination ⫺ Wissen. Texte des Münchener Germanistentages 2004, 219⫺239. Bielefeld: Aisthesis. Hess-Lüttich, Ernest W. B., Peter Colliander und Ewald Reuter (Hg.) 2009 Wie kann man vom „Deutschen“ leben? Zur Praxisrelevanz der interkulturellen Germanistik. Frankfurt a. M. etc.: Lang. Hess-Lüttich, Ernest W. B., Christoph Siegrist und Stefan Bodo Würffel (Hg.) 1996 Fremdverstehen in Sprache, Literatur und Medien. Frankfurt a. M. etc: Lang. Hoffmann-Nowotny, Hans-Joachim 1996 Multikultur: Analytisch alter Wein in ideologisch neuen Schläuchen. Magazin der Universität Zürich 2. Online: http://www.kommunikation.uzh.ch/static/unimagazin/archiv/2-96/ multikulturalitaet.html [Zugriff am 27. 08. 2009]. Lischke, Ursula und Heinz Rögl 1993 Multikulturalität. Diskurs und Wirklichkeit. Wien: Institut für Kulturstudien. Luchtenberg, Sigrid 1999 Interkulturelle kommunikative Kompetenz. Kommunikationsfelder in Schule und Gesellschaft. Opladen/Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. Lützeler, Paul Michael 1995 Vom Ethnozentrismus zur Multikultur. Europäische Identität heute. In: Michael Kessler und Jürgen Wertheimer (Hg.), Multikulturalität. Tendenzen, Probleme, Perspektiven, 91⫺ 105. Tübingen: Stauffenburg. Müller-Jacquier, Bernd und Jan D. ten Thije 2005 Interkulturelle Kommunikation: interkulturelles Training und Mediation. In: Dominic Busch und Hartmut Schröder (Hg.), Perspektiven interkultureller Mediation. Grundlagentexte zur kommunikationswissenschaftlichen Analyse triadischer Verständigung, 367⫺382. Frankfurt a. M. etc.: Lang. Müller-Jacquier, Bernd 2008 Interkulturelle Kompetenz als Entschlüsselung von Zeichenbedeutungen. Der Deutschunterricht 5: 21⫺34. Pommerin-Götze, Gabriele 2001 Multikulturelle Gesellschaften als Gegenstand der Landeskunde. In: Gerhard Helbig, Lutz Götze, Gert Henrici und Hans-Jürgen Krumm (Hg.), Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch, 1194⫺1204. Bd. 2. (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 19.1⫺2). Berlin/New York: de Gruyter. Richter, Helmut und H. Walter Schmitz 1980 Funktionale Kontexte von Gesprächsanalyse. In: Ernest W.B. Hess-Lüttich (Hg.), Literatur und Konversation. Sprachsoziologie und Pragmatik in der Literaturwissenschaft, 22⫺ 39. Wiesbaden: Athenaion.
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XVII. Landeskunde
Schulte, Axel 1992 Multikulturelle Gesellschaft, Integration und Demokratisierung. In: H. Elcin Kürsat-Ahlers (Hg.), Die multikulturelle Gesellschaft: Der Weg zur Gleichstellung? 94⫺128. Frankfurt a. M.: Verlag Interkulturelle Kommunikation. Schütz, Alfred 1974 Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt. Eine Einleitung in die verstehende Soziologie. Frankfurt a. M.: Suhrkamp [1. Aufl. 1932, Wien: Springer]. Straub, Jürgen, Arne Weidemann und Doris Weidemann (Hg.) 2007 Handbuch interkulturelle Kommunikation und Kompetenz. Stuttgart/Weimar: Metzler. Supper, Sylvia 1999 Minderheiten und Identität in einer multikulturellen Gesellschaft. Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag. Taylor, Charles 1993 Multikulturalismus und die Politik der Anerkennung. Frankfurt a. M.: S. Fischer. Tibi, Bassam 1998 Europa ohne Identität? Die Krise der multikulturellen Gesellschaft. München: Bertelsmann. Volkmann, Laurenz, Klaus Stierstorfer und Wolfgang Gehring (Hg.) 2002 Interkulturelle Kompetenz. Konzepte und Praxis des Unterrichts. Tübingen: Narr. Walzer, Michael 1998 Über Toleranz. Von der Zivilisierung der Differenz. Hamburg: Rotbuch. Watts, Richard J. und Jerzy J. Smolicz (Hg.) 1997 Cultural Democracy and Ethnic Pluralism. Multicultural and multilingual policies in education. Frankfurt a. M.: Lang.
Ernest W. B. Hess-Lüttich, Bern (Schweiz)
167. DACH-Landeskunde 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Einleitung Geschichte und Prinzipien Lehrerfortbildung Lehrmaterialien Unterrichtsmethoden Bilanz und Ausblick Literatur in Auswahl
1. Einleitung Landeskunde in Deutsch-Lehrbüchern in und vor den 1980er Jahren war vor allem eine Landeskunde der damals existierenden beiden deutschen Staaten, später wurde daraus eine Landeskunde Deutschlands. Österreich, die Schweiz oder Liechtenstein wurden ⫺ wenn überhaupt ⫺ meist nur anekdotisch, nicht aber systematisch in die Lehrwerke und den Unterricht integriert. Umgekehrt betrieben die Lernmaterialien, die in verschiedenen
167. DACH-Landeskunde
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schweizerischen und österreichischen Sprachschulen bzw. Universitätskursen zum Einsatz kamen, fast ausschließlich Landeskunde aus der Innenperspektive dieser Länder. Deutschland und die jeweils anderen deutschsprachigen Regionen fanden hier auch kaum Berücksichtigung. Als Themen landeskundlicher Auseinandersetzungen dienten vor allem Sitten und Gebräuche, Institutionen, Topografisches oder auch bestimmte sprachliche Besonderheiten.
2. Geschichte und Prinzipien Die allgemeine Unzufriedenheit über diese Situation führte im Oktober 1988 zu einem ersten Treffen von Expertinnen und Experten der Deutschlehrerverbände aus der Bundesrepublik Deutschland, aus der Deutschen Demokratischen Republik, aus Österreich und der Schweiz mit dem Ziel, Möglichkeiten der Kooperation in der Lehrerfortbildung zu suchen, länderübergreifendes Landeskundematerial zu konzipieren und schließlich Unterrichtsprinzipien zu entwickeln, die ⫺ den Anfangsbuchstaben der Herkunftsländer der beteiligten ExpertInnen nachempfunden ⫺ als „ABCD-Thesen zur Rolle der Landeskunde im Deutschunterricht“ 1990 schließlich publiziert wurden. Durch die „Thesen“ wurde der Landeskunde im Sprachunterricht eine neue Orientierung und Schwerpunktsetzung gegeben. Primäre Aufgabe der Landeskunde ist demnach nicht die Vermittlung von Informationen über Tatsachen und Zahlen, sondern „Sensibilisierung sowie die Entwicklung von Fähigkeiten, Strategien und Fertigkeiten im Umgang mit fremden Kulturen“ (These 4). Lernende sollen darüber hinaus in die Lage versetzt werden, (fremd-)kulturelle Phänomene entsprechend einzuschätzen, die Koordinaten der fremden Kultur zu erkennen, um auf dieser Basis selbständig Bezüge zur eigenen Realität herzustellen. Schließlich wird auch das Ideal einer „objektiven“ Darstellung zugunsten von vielfältigen, exemplarischen und auch kontroversiellen (Die Verfasser dieses Artikels kommen aus den DACH-Ländern. Ihre jeweiligen lexikalischen und orthographischen Standardvarietäten wurden im Text beibehalten.) Sichtweisen zurückgestellt und subjektiven, emotionalen Zugängen entsprechender Raum gegeben. Nach den Thesen widerspricht es dem Sinn der Landeskundevermittlung, sich im Unterricht nur auf eine deutschsprachige Region zu beschränken. Stattdessen wird das Prinzip „D-A-CH“ propagiert, bezeichnet nach den internationalen Autokennzeichen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. In manchen Publikationen bzw. landeskundlichen Projekten wird DACH auch durch „L“ zu DACHL erweitert, eine etwas präzisere Beschreibung des deutschsprachigen Raumes durch die Hereinnahme des „L“ für Liechtenstein. DACH(L)-Landeskunde versteht sich aber nicht als länderanteiliger Verteilungsschlüssel. Lernende sollen ihre sprachliche Kompetenz anhand von Materialien aus dem gesamten deutschen Sprachraum erwerben. Es ist keine Quotenregelung nach Größe oder etwa politisch-wirtschaftlicher Bedeutung der einzelnen deutschsprachigen Länder vorgesehen, die eingesetzten Materialien folgen vielmehr den kommunikativen bzw. thematischen und methodischen Anforderungen des Unterrichts. Durch das DACH-Prinzip wird die Palette der Möglichkeiten allerdings entscheidend erweitert, wodurch schließlich die Vielfalt in den Materialien von den Lernenden als „selbstverständlich“ wahrgenommen werden sollte. Das DACH-Prinzip steht auch für die Berücksichtigung einer plurizentrischen Phonetik, das heißt, die Lernenden sollten mit unterschiedlichen Aussprachemerkmalen ver-
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XVII. Landeskunde
traut gemacht werden bzw. lernen, dass in DACH auch unterschiedliche Aussprachestandards existieren. DACH-Materialien schließen leichte regionale Färbungen bei Hörtexten mit ein; im rezeptiven Bereich geht es um Sensibilisierung und die Entwicklung von flexiblen Verstehensfertigkeiten. Im sprachproduktiven Bereich sieht der DACH-Ansatz kein spezielles Phonetiktraining vor. Schließlich ist DACH-Landeskunde auch im Kontext von Mehrsprachigkeit zu sehen, das heißt, Deutsch als Fremdsprache wird nicht als Einzelphänomen verstanden, sondern eingebettet in den Rahmen von Mehrsprachigkeit und einer multikulturellen Welt. Darin ergeben sich vielfältige Möglichkeiten, „sich sowohl den DACH-Kulturen zu nähern als auch Anregungen aufzugreifen, die eigene(n) Kultur(en) etwas differenzierter zu sehen“ (Clalüna, Fischer und Hirschfeld 2007). Neben Anregungen in Bezug auf die methodisch-didaktische und inhaltliche Ausrichtung des Landeskunde- bzw. Sprachunterrichts werden in den Thesen auch organisatorische und sprachenpolitische Forderungen erhoben: DACH-Landeskunde bedingt enge Kooperationen unter Fachleuten der deutschsprachigen Länder insbesondere bei der Entwicklung landeskundlicher Materialien, bei der Ausbildung von Lehrenden, bei Lehrbuchprojekten, bei der Förderung bi- und multilateraler Fortbildung.
3. Lehrerortbildung Die ABCD-Thesen und das DACH-Konzept zeigten zuerst in der Lehrerfortbildung konkrete Ergebnisse. Auf Initiative des Internationalen Deutschlehrerverbandes (IDV) und der nationalen Deutschlehrerverbände wurde seit 1992 eine Reihe von DACH-Seminarien zur erlebten Landeskunde konzipiert und in den drei deutschsprachigen Ländern durchgeführt. Ziel dieser Seminarien ist es, dass die Teilnehmenden die plurizentrische Soziokultur konkret erleben und für den eigenen landeskundlichen Unterricht nutzbar machen. Unter Soziokultur wird hier in Anlehnung an die Soziologie und Sozialpsychologie die Gesamtheit der operativen, kognitiven und affektiven Kenntnisse und Fähigkeiten verstanden, die für das Handeln im Zielsprachengebiet nötig sind (Simon-Pelanda 2001: 932). In den trinationalen DACH-Seminarien erfahren die Teilnehmenden erlebte Landeskunde in den drei deutschsprachigen Ländern und setzen sich mit gemeinsam festgelegten Themen auseinander. Der DACH-spezifische Ansatz der Lehrerfortbildung ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet (Goethe-Institut 2001: 2): ⫺ Zielsprachenkultur(en): Die Zielkultur der Landeskunde ist nicht allein Deutschland. Im Seminar erwerben die Teilnehmenden ein differenziertes Bild des deutschsprachigen Raumes auf nationaler und regionaler Ebene. ⫺ Binnendifferenzierung: Im Verlaufe des Seminars vergleichen die Teilnehmenden neben der Ausgangs- und Zielsprachenkultur auch verschiedene deutschsprachige Länder oder Regionen. ⫺ Perspektivierung von Wirklichkeit: Es gibt nicht nur eine Sicht auf die deutschsprachige Wirklichkeit. Im Seminar machen sich die Teilnehmenden Selbst- und Fremdbilder bewusst und reflektieren Stereotypen im Kontext. ⫺ Wissen und Erfahrung: Bei der erlebten Landeskunde geht es weniger um Faktenwissen, als vielmehr um reflektierte Erfahrungen in der Zielsprachenkultur.
167. DACH-Landeskunde
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⫺ Handlungsorientierung: Die Teilnehmenden realisieren während des Seminars ein Projekt, das eigene Recherchen und ethnographische Interviews umfasst. ⫺ Generative Themen: Den Seminarien liegt ein übergeordnetes Thema zugrunde, das den Rahmen für die Recherchen bildet. Die Teilnehmenden legen jeweils in Gruppen ausgewählte Aspekte fest, an denen sie während des Seminars arbeiten. Die DACH-Seminarien tragen in der Regel einen starken Projektcharakter. Die folgende Ablaufskizze (Tab. 167.1) zeigt prototypisch die einzelnen Projektphasen mit den entsprechenden Tätigkeiten (Goethe-Institut 2001: 4): Tab. 167.1: Ablaufskizze DACH-Seminar Projektphase
Tätigkeiten
1. Start
⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Eigene Erwartungen formulieren Ziel des Seminars diskutieren und festhalten Landeskundliches Arbeiten diskutieren Rahmenthema klären
2. Themenwahl
⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Teilaspekte des Themas identifizieren Ideen sammeln Erfahrungen austauschen Interessen und Motive klären Gruppen bilden
3. Planung
⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Thema präzisieren Ziele der Gruppenarbeit diskutieren Geplantes Produkt festlegen Unterschiedliche DACH-Orte einplanen Projektplan erstellen: wer, was, wo, wann
4. Durchführung
⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Recherchieren Materialien sammeln Interviews führen Materialsammlung auswerten Materialien didaktisch aufbereiten Arbeit dokumentieren und reflektieren
5. Präsentation
⫺ Präsentation und Hilfsmittel planen ⫺ Ergebnisse präsentieren
6. Evaluation
⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Ergebnisse und Projektmethode reflektieren Umsetzung im Landeskundeunterricht diskutieren Feedback geben und nehmen Seminar auswerten
Die Rollen der Teilnehmenden und die Rollen der Moderierenden werden im DACHSeminar ausdrücklich thematisiert und geklärt. Die DACH-Seminare zeichnen sich dadurch aus, dass Orte und auch Moderierende wechseln. Die Teilnehmenden bilden mithin die Konstante des Seminars, weshalb ihnen eine besondere Bedeutung zukommt. Entsprechend ihrer Herkunft haben die Teilnehmenden unterschiedliche Blickwinkel auf das Rahmenthema. Durch mitgebrachte Gegenstände und persönliche Erzählungen werden kulturelle Unterschiede erkennbar. Die Vielfalt der Perspektiven auf das Thema ermuntert dazu, bestimmte Aspekte auch in den DACH-Ländern zu erforschen. Das persönliche Interesse der Teilnehmenden am Rahmenthema bildet die Grundlage für die Bildung der Arbeitsgruppen. Die Projektarbeit verlangt von den Teilnehmenden die Bereitschaft,
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XVII. Landeskunde
in interkulturell zusammengesetzten Gruppen zu arbeiten, Offenheit für neue Erfahrungen in den DACH-Ländern und Kontaktfreudigkeit im Umgang mit deren Bewohnern. Die Gruppen arbeiten in grosser Eigenständigkeit. Sie müssen dabei Flexibilität, Einfühlungsvermögen, aber auch Mut zeigen. Bei Bedarf können sie auf die Unterstützung eines Moderators zurückgreifen. Während der Projektarbeit reflektieren die Teilnehmenden zudem laufend die Ziele, die Arbeitsweise und die Ergebnisse. In der Sensibilisierung für kulturelle Unterschiede im deutschsprachigen Raum und der daraus resultierenden Erarbeitung konkreter Unterrichtsvorschläge bzw. Unterrichtssequenzen besteht eine der Hauptleistungen dieser Seminare.
4. Lehrmaterialien Im unmittelbaren Zusammenhang mit der Veröffentlichung der ABCD-Thesen steht das „Lehrbuchautorensymposium“ 1994 in Linz, Österreich, auf dem die Prinzipien einer „DACH-Landeskunde“ von einer breiteren Fachwelt diskutiert wurden. Etwas später als geplant kommt es 1998 noch zur Veröffentlichung der schon in den Thesen angekündigten Buchreihe „Landeskunde ⫺ deutschsprachige Länder“, bei der viele der Beiträge auch von den VerfasserInnen der Thesen stammen (Goethe-Institut 1998; Koch 1999). Seit Anfang der 1980er Jahre bahnen sich allmählich plurizentrische Elemente ihren Weg in verschiedene Deutschlehrwerke. Zunächst allerdings nur vereinzelt, als Zusatzinformationen und weniger als (DACH-)Prinzip. Als eines der ersten weltweit verbreiteten Lehrwerke bot Deutsch aktiv in den 1980er Jahren ein „Österreichisches Beiheft“ zum Lehrbuch als Zusatzmaterial an, in dem die in unterschiedlichen Kapiteln erwähnten deutschen Realien durch österreichische ergänzt bzw. ersetzt wurden (Baktir und Waitzbauer 1982). Andere Lehrwerke, wie etwa Stufen, starteten von Anfang an Versuche, den
Abb. 167.1: Häublein et al. (1995: 136)
167. DACH-Landeskunde
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Abb. 167.2: Österreichisches Sprachdiplom, B2 Mittelstufe Deutsch (http://www.osd.at; 10. 11. 2009)
gesamten deutschsprachigen Raum mehr einzubeziehen. Einen eigenen Weg ging das Wortschatzlehrwerk Memo (Häublein et al. 1995), das in seinen „Regioboxen“ der binnendeutschen Lexik jeweils österreichische und schweizerische Vokabel gegenüberstellte, allerdings ohne auf semantisch-kulturelle „A“ und „CH“- Spezifiken näher einzugehen (vgl. Abb. 167.1). An den zuletzt erschienenen Mittelstufenlehrwerken Ziel (Dallapiazza et al. 2008 und 2009), Aspekte (Koithan et al. 2007) und Mittelpunkt (Daniels et al. 2007) lässt sich ablesen, dass auch Alltagsthemen, die Darstellung von Persönlichkeiten aus Geschichte und Wissenschaft, Kunst und Kultur aus allen deutschsprachigen Regionen fallweise berücksichtigt werden. Hör- und Printtexte aus DACH sind inzwischen regelmäßiger Bestandteil in den vom Goethe-Institut und dem Österreichischen Sprachdiplom angeboten standardisierten Sprachprüfungen (vgl. Abb. 167.2). Die Berücksichtigung von Standardvarietäten betrifft hier allerdings nur den rezeptiven Bereich und bewegt sich innerhalb der entsprechenden Lernzielkataloge und Referenzsysteme (Profile Deutsch, Lernziel-Katalog Österreichisches Sprachdiplom Deutsch, Lernziel-Katalog Zertifikat Deutsch). Systematisch und am umfassendsten ist der DACH-Ansatz bisher im Lehrwerk „Dimensionen“ (Jenkins et al. 2002, 2003, 2006) verwirklicht worden. In diesem Lehrwerk wechseln reine Informationsaktivitäten (auch in Bezug auf unterschiedlichen Sprachgebrauch) mit Sensibilisierungsübungen zu Sprachaufmerksamkeit, findet sich Realienkunde mit Einblicken in historische Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede neben Hörverstehensaufgaben mit Sprecherinnen und Sprechern aus verschiedenen DACH-Regionen (vgl. Abb. 167.3 und 167.4). Hin und wieder werden exemplarische Einblicke in dialektalen Sprachgebrauch vorgeführt, allerdings ohne Anspruch, als produktives Lernziel zu dienen. Journalistische und literarische Texte, Fotos, Interviews und andere Hörtexte gewähren in verschiedenen Abschnitten des Lehrwerks beispielhafte Einblicke in den Alltag von Menschen aus DACH.
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Abb. 167.3: Jenkins et al. (2006: 11)
Abb. 167.4: Jenkins et al. (2003: 42)
XVII. Landeskunde
167. DACH-Landeskunde
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5. Unterrichtsmethoden Die Ziele und Unterrichtsmethoden des Landeskundeunterrichts sind stark geprägt vom jeweiligen Lernort. Grundsätzlich kann man drei Lernsituationen unterscheiden: Lernen im Zielsprachenland, Lernen in Nachbarländern und Lernen in weit(er) entfernten Ländern (Hackl, Langner und Simon-Pelanda 1998: 5). Beim Lernen in einem deutschsprachigen Land wenden die Lernenden Strategien des Verstehens und des Wissenserwerbs im Kontakt mit Muttersprachlern an. Sie lernen soziokulturelle Codes im Alltag als erlebte Landeskunde und machen sich ungewohnte Perspektiven und fremde Bilder bewusst. Beim Lernen in Nachbarländern findet das landeskundliche Lernen vor allem in interkulturellen Kontaktsituationen statt. Die kontrastierende Landeskunde arbeitet dann Ähnlichkeiten und Unterschiede der Soziokultur zweier Länder heraus und bietet den Lernenden Orientierungswissen zu den Kulturen der deutschsprachigen Länder. In weiter entfernten Ländern sind unmittelbare landeskundliche Begegnungen eher selten. Im Landeskundeunterricht müssen die Lehrenden Kulturkontakte zuerst möglich machen. Die erlebbare Landeskunde vermittelt Begegnungen mit Muttersprachlern oder macht die Soziokulturen der deutschsprachigen Länder über Medien verfügbar. Oft finden Lernende auch kulturelle Berührungspunkte mit deutschsprachigen Ländern im eigenen Land. Es gibt bis heute keine ausgearbeitete DACH-Übungstypologie. Trotzdem lassen sich einige typische und erprobte Aktivitäten einer DACH-Landskunde beschreiben. Eine erste Gruppe von Aktivitäten lässt sich unter dem Titel „interkulturelle Sensibilisierung“ zusammenfassen. Das Ziel dieser Aktivitäten ist es, die unterschiedlichen Lebenswelten in den deutschsprachigen Ländern überhaupt erst wahrzunehmen. Je nach Auswahl des Wirklichkeitsausschnittes treten nationale, regionale, aber auch soziale Unterschiede der Lebenswelten zu Tage. Die Lernenden erkennen oder erfahren Unterschiede und entwickeln durch binationale oder trinationale Kulturkontraste ein differenzierteres Bild der deutschsprachigen Länder. Aus fremdsprachendidaktischer Sicht sind besonders Sprichwörter, Redewendungen und traditionelle Geschichten ergiebige Quellen für Vergleiche von Menschen- und Weltbildern. Die interkulturelle Sensibilisierung betrifft nicht nur verschiedene Wirklichkeitsausschnitte, sondern auch unterschiedliche Beobachterstandpunkte. Bei der Analyse von Fremd- und Selbstbildern werden Vorurteile, Stereotypen und Klischees nicht etwa verbannt, sondern dazu genutzt, den perspektivischen Blick auf kulturelle Phänomene deutlich zu machen. Interessante interkulturelle Erkenntnisse ergeben sich aus dem Vergleich von Assoziationsnetzen zu zentralen Begriffen, z. B. zu abstrakten Begriffen wie „Freiheit“, „Bildung“, „Reichtum“, aber auch zu alltäglichen Begriffen wie „Strasse“, „Brot“, „Spiel“. Gemeinsam ist diesen Aktivitäten, dass die Lernenden ethnozentrische Beschränkungen überwinden sollen und Offenheit für neue Interpretationen und Erfahrungen gewinnen. Sowohl in der Lehrerfortbildung zur Landeskunde wie auch im landeskundlich orientierten Fremdsprachenunterricht selbst gehört die thematische Recherche zu den wichtigsten Aktivitäten. Die Recherche ist projektorientiert, da die Aufgabenstellung die Planung und Bearbeitung eines Themas umfasst und auf ein konkretes Produkt ausgerichtet ist. Die Recherche ist zudem lernerorientiert, da sie den Lernenden die Möglichkeit bietet, mitzuentscheiden und mitzugestalten. Durch die Recherche entwickeln die Lernenden Fertigkeiten im Umgang mit der fremden Kultur und sie erwerben ein Orientierungs-
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XVII. Landeskunde
wissen, das nicht nur Fakten, sondern auch Interpretationen und Wertungen beinhaltet. In der DACH-Lehrerfortbildung hat sich bewährt, ein generatives Thema als Ausgangspunkt für die Recherche zu setzen. Ein Thema eignet sich dann als generatives Thema, wenn es interessant, thematisch offen, sprachlich ergiebig und kulturell differenzierbar ist. So wurden beispielsweise DACH-Seminarien zu Rahmenthemen „Grenzen“ oder „Brücken“ durchgeführt. Das Thema liegt in unterschiedlichen Kodierungen vor, in der Form von historischen Dokumenten, Filmen, Fotos, literarischen Texten, Liedern usw. Durch Recherche und Interpretation erschliessen die Lernenden verschiedene Facetten des gemeinsamen Rahmenthemas. Entscheidend für den Erfolg der Recherche ist einerseits die Kunst des (Nach-)Fragens und andrerseits die Kunst des Infragestellens (Fischer 2007: 20). Landeskundliche Recherche benötigt authentische Materialien und geeignete Kulturkontakte. In entfernten Ländern bietet das Internet oft die einzige Quelle für solche Informationen und Kontakte. Die virtuelle Landeskunde spielt deshalb in den letzten Jahren eine zunehmend wichtige Rolle. Die verschiedenen nationalen Deutschlehrerverbände haben strukturierte und kommentierte Linklisten zur Landeskunde zusammengestellt, die sich als Ausgangsbasis für selbständige Recherchen eignen. Im projektorientierten Landeskundeunterricht stellt die Recherche den ersten Schritt bei der Bearbeitung des Themas dar. Bei den weiteren Schritten geht es darum, die Informationen zu interpretieren, zu kategorisieren, zu vergleichen, zu kontrastieren und zu generalisieren. Die Lernenden bereiten die Ergebnisse der Recherche zu einem Produkt auf, das innerhalb oder ausserhalb der Schule präsentiert werden kann. Produktideen für landeskundliche Projekte sind beispielsweise (Goethe-Institut 2001): ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Text: Bericht, Dossier, Essay, Wandzeitung, Leseheft, Infoblätter, Webseiten … Bild: Diashow, Fotogalerie, Bilderbogen, Collage … Audio: Interview, Feature, Nachrichten, Radiosendung, Umfrage … Video: Kurzfilm, Nachrichten, Fernsehsendung, Interview … Spiel: Rollenspiel, Talkshow, (verstecktes) Theater, Kartenspiel, Brettspiel …
Eine häufig verwendete Form der Präsentation ist das Themendossier, zu dem auch Checklisten für Lehrende und Lernende existieren. Beurteilungskriterien für Themendossiers sind die Qualität der Information, Leserfreundlichkeit, inhaltlicher Zusammenhang, persönliche Auseinandersetzung, Gestaltung usw. (Koch 1999). Vereinzelt werden auch komplexe Lernumgebungen im Landeskundeunterricht eingesetzt, wie z. B. Planspiele oder Simulationen. Dabei übernehmen die Lernenden vorgegebene Rollen und versuchen sie angemessen zu interpretieren und zu spielen. Die komplexen Lernumgebungen sind zwar aufwendig in der Vorbereitung und in der Betreuung, gestatten aber den Lernenden, mit Verhaltensweisen zu experimentieren und so die eigene Phantasie bei der Lösung der Aufgaben einzusetzen. Der landeskundlich orientierte Unterricht nach den DACH-Prinzipien ist immer auch begleitet von Reflexion und Evaluation. Die Lernenden dokumentieren die Reflexion in einem Arbeitsjournal oder abschliessend im Dossier. Die Evaluation umfasst sowohl Selbst- wie auch Fremdevaluation. Die zentralen Evaluationsbereiche sind die Ziele, das Vorgehen, das Verhalten der Gruppe und die Ergebnisse, wobei jeweils Erfolge und Probleme thematisiert werden. Abschliessend lässt sich der Entwicklungsstand einer DACH-Unterrichtsmethodik folgendermassen zusammenfassen: Es gibt eine Reihe sinnvoller und erprobter Aktivitäten, die, abgeleitet aus den allgemeinen Prinzipien landeskundlicher Arbeit, auch auf das
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DACH-Konzept angewendet werden können. Recherchearbeit unter DACH-Perspektive zeichnet sich besonders dadurch aus, dass sie Vergleiche zwischen den deutschsprachigen Ländern ermöglicht. Dabei ist nicht eine Quotenregelung anzustreben, die absolute Parität und Gleichberechtigung der zu behandelnden Themen für die deutschsprachigen Länder vorschreibt. Ebenso strebt das DACH-Prinzip auch keine Vollständigkeit bei den landeskundlichen Informationen an. Die Lebenswelt der deutschsprachigen Länder lässt sich nur exemplarisch erfassen. Der Anspruch auf Vollständigkeit überfordert Lehrende und Lernende. Dabei sollen und müssen die modernen Kommunikationsmittel (besonders des Internets) genutzt werden. Sie dürfen jedoch nicht zu einer neuen Diktatur der Fakten führen. Zudem müssen Kulturkontraste nicht immer trinational durchgeführt werden, sondern können sich auch auf zwei Länder oder auf mehrere Regionen beziehen. Bisher fehlen Standards und Testformen für landeskundliche Kompetenz weitgehend. Diese Tatsache muss aber nicht als Mangel betrachtet werden, solange dafür Raum für Recherche, Reflexion und Phantasie offen bleibt.
6. Bilanz und Ausblick Blickt man auf die letzten Jahre DACH-landeskundliche Aktivitäten zurück, ist festzustellen, dass sich die oben genannten Ansätze im landeskundlich orientierten Fremdsprachenunterricht etabliert haben. Eine eigene DACH-Methodik existiert allerdings nicht. Allgemeine Prinzipien landeskundlichen Arbeitens und Unterrichtens (wie z. B. Projektarbeit, Themenrecherchen, unterschiedliche Präsentationsformen der Ergebnisse) lassen sich problemlos unter DACH-Perspektive erfolgreich anwenden. Dabei bleibt festzuhalten, dass die Sensibilisierung für intrakulturelle Probleme des deutschsprachigen Raumes und das Arbeiten mit kulturellen Varietäten Hauptprinzipien der DACH-Landeskunde sind, denn „nationalkulturelle Fixierungen und Stereotypisierungen durch Kontrastierung, Regionalisierung und Vergleich zu vermeiden“ (Biechele und Padro´s 2003: 106), gehört zum Kernbereich des DACH-Konzepts. Der landeskundlich orientierte Fremdsprachenunterricht unter DACH-Perspektive legt generell Wert auf Vergleiche zwischen den deutschsprachigen Ländern. Noch wenig Beachtung finden bisher intra-intrakulturelle Differenzen, also Unterschiede innerhalb zweier oder mehrer Regionen eines DACH-Landes. Besonders bezüglich der deutschen Realität (nach 1990) ist bisher im Rahmen von DACH wenig Konkretes geleistet worden. Zukünftige DACH-Seminare sollten in angemessenem Umfang auch deutsch-deutsche Kulturunterschiede thematisieren, insbesondere die Ost-West-Problematik. Damit wird auch an das angeknüpft, was bei den ABCD-Thesen zu Beginn der 1990er Jahre eine wichtige Rolle spielte. Aktuelle DaF-Lehrwerke verweisen auf lexikalische Unterschiede in der Schweiz, in Österreich und Deutschland (Paradebeispiele: Matura ⫺ Abitur; Paradeiser ⫺ Tomate, Jänner ⫺ Januar), zuweilen begegnet uns der Wiener Stephansdom anstelle des Kölner Doms in DaF-Lehrwerken. Bei diesen plurizentrischen Elementarbeispielen bleibt es allerdings in der Regel. Damit verbundene, wirklich kulturelle Unterschiede in den deutschsprachigen Ländern werden selten thematisiert. Klar sein muss in diesem Zusammenhang folgendes: „DACH ist einer unter vielen Aspekten, den Deutsch-Lehrende und Lehrbuchautorinnen und -autoren zu berücksich-
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tigen haben. Nicht in jeder Phase des Lernens und Lehrens ist Sensibilisierung für die Vielfalt des deutschsprachigen Kulturraumes bzw. für die Varietäten der deutschen Sprache gleichermaßen relevant. DACH ist auch nicht ,Deutsch mal 3‘ oder gar als Schikane zu verstehen, sondern kann auch eine tolle Bereicherungsmöglichkeit sein.“ (Clalüna et al. 2007: 45). Mit einer bloßen numerischen Addition lexikalischer bzw. soziokultureller Varietäten des deutschsprachigen Raums ist jedoch niemandem gedient, einer quantitativen Abfrage derselben in diversen Tests schon gar nicht. Dies sei an dieser Stelle ausdrücklich erwähnt, stellen uns doch die europäischen Reformprozesse im Hochschulkontext der letzten Jahre mehr und mehr unter Zertifizierungs- und Testzwang. Wünschenswert für die Zukunft ist, dass sich „DACH“ als Begriff im landeskundlichen Kontext weiter etabliert wie Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre der Begriff „ABCD“. Dabei scheint notwendig, dass der DACH-Begriff, neben der Vermittlung von kultureller Vielfalt im deutschsprachigen Raum im Rahmen von Lehrwerken bzw. Fortbildungsseminaren, auch eine sprachpolitische Komponente für Österreich, die Schweiz und Deutschland erfährt, indem sich die drei Länder die weltweite Förderung von Deutsch als Fremdsprache in eine gemeinsame Agenda schreiben.
7. Literatur in Auswahl ABCD-Thesen zur Rolle der Landeskunde im Deutschunterricht 1990 Fremdsprache Deutsch 3: 60⫺61. Baktir, Elfi und Manfred Waitzbauer 1982 Deutsch aktiv. Österreichisches Beiheft 1; Materialien zur Landeskunde. Berlin/München: Langenscheidt. Biechele, Markus und Alicia Padro´s 2003 Didaktik der Landeskunde. (Fernstudieneinheit 31). München: Langenscheidt. Clalüna, Monika, Roland Fischer und Ursula Hirschfeld 2007 Alles unter einem D-A-CH-L? Fremdsprache Deutsch 37: 38⫺46. Dallapiazza, Rosa-Maria, Sandra Evans, Roland Fischer, Angela Kilimann, Anja Schürmann und Maresa Winkler 2008 Ziel B2/1. München: Hueber. Dallapiazza, Rosa-Maria, Sandra Evans, Roland Fischer, Angela Kilimann, Anja Schürmann und Maresa Winkler 2009 Ziel B2/2. München: Hueber. Daniels, Albert, Stefanie Dengler, Renate Köhl-Kuhn, Monika Lanz, Ilse Sander, Wolfram Schlenker und Ulrike Tallowitz 2007 Mittelpunkt. Stuttgart: Klett. Fischer, Roland 2007 Landeskunde im DaF-Unterricht ⫺ wohin geht die Reise? Ausblicke 25: 19⫺23. Goethe-Institut (Hg.) 1998 Landeskunde ⫺ deutschsprachige Länder. 4 Bände. Regensburg: Dürr und Kessler. Goethe-Institut (Hg.) 2001 Erlebte Landeskunde. Handbuch für Spracharbeit. Teil 5. München: Goethe-Institut. Hackl, Wolfgang, Michael Langner und Hans Simon-Pelanda 1998 Landeskundliches Lernen. Fremdsprache Deutsch 18: 5⫺12. Häublein, Gernot, Martin Müller, Paul Rusch, Theo Scherling und Lukas Wertenschlag 1995 Memo. Wortschatz- und Fertigkeitstraining zum Zertifikat Deutsch als Fremdsprache. Lehrund Übungsbuch. Berlin/München: Langenscheidt.
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Jenkins, Eva-Maria, Roland Fischer, Ursula Hirschfeld, Maria Hirtenlehner und Monika Clalüna 2002 Dimensionen 1. Lernstationen 1⫺5. München: Hueber. Jenkins, Eva-Maria, Roland Fischer, Ursula Hirschfeld, Maria Hirtenlehner und Monika Clalüna 2003 Dimensionen 2. Lernstationen 6⫺10. München: Hueber. Jenkins, Eva-Maria, Monika Clalüna, Roland Fischer und Ursula Hirschfeld 2006 Dimensionen 3. Lernstationen 11⫺18. München: Hueber. Koch, Leo 1999 Landeskunde ⫺ deutschsprachige Länder. Begleitband. Anregungen ⫺ Arbeitsformen ⫺ Merkblätter. Regensburg: Wolf. Koithan, Ute, Helen Schmitz, Tanja Sieber, Ralf Sonntag und Nana Ochmann 2007 Aspekte Mittelstufe Deutsch. Berlin/München: Langenscheidt. Simon-Pelanda, Hans 2001 Landeskundliches Lernen und Lehren. In: Gerhard Helbig, Lutz Götze, Gert Henrici und Hans-Jürgen Krumm (Hg.), Deutsch als Fremdsprache: Ein internationales Handbuch, 931⫺941. Band 1. (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 19.1⫺2). Berlin/New York: de Gruyter.
Roland Fischer, Fischlham (Österreich) Bruno Frischherz, Luzern (Schweiz) Knuth Noke, München (Deutschland)
168. Landeskunde in der Germanistik im nichtdeutschsprachigen Europa 1. Deutsch als Fremdsprache im europäischen Kontext 2. Landeskundedidaktik in europäischen Ländern ⫺ Unterschiede und Gemeinsamkeiten 3. Neuausrichtungen in der Landeskunde ⫺ die kulturelle Dimension in Schulen und in der Germanistik 4. Literatur in Auswahl
1. Deutsch als Fremdsprache im europäischen Kontext Im europäischen Kontext befinden sich Deutsch als Fremdsprache und somit auch Studien zur Landeskunde und Literatur zur Zeit in einer recht widersprüchlichen Situation. Einerseits hat die Sprachenvielfalt Europas Auswirkungen auf der allgemeinen politischen Ebene, wo eine prinzipielle Sprachenpolitik geschaffen wurde mit dem Ziel, alle EU-Bürger sollten eine Kompetenz in zwei Fremdsprachen neben ihrer Erstsprache entwickeln (Europäische Kommission 2003). Es wurde ein EU-Kommissar mit besonderer Verantwortung im Bereich Mehrsprachigkeit ernannt, und Projekte zur Erfassung von Sprachkompetenzen in der EU wurden gestartet, z. B. der Europäische Indikator für Sprachenkompetenz. Diese politischen Initiativen stellen eine Fortführung und Ausweitung der langjährigen Arbeit des Europarats zur Entwicklung gemeinsamer europäischer
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Instrumente zur Beschreibung der Sprachkompetenzen dar, und dies hat unter anderem zu dem Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen (Goethe-Institut Inter Nationes 2001) sowie im Jahr 2000 zu der Entscheidung der Bildungsminister über die Einführung des Europäischen Sprachenportfolios (vgl. Ballweg und Stork 2008) geführt. Andererseits gibt es die aktuelle sprachensoziologische Entwicklung, in deren Kontext diese politischen Ziele formuliert werden: Nämlich eine europäische Sprachenlandschaft, in der Englisch als allgemeines Kommunikationsmittel und als erste Fremdsprache in den Bildungssystemen immer mehr an Bedeutung gewinnt, und in der immer weniger Menschen Deutsch als Fremdsprache lernen oder studieren wollen oder Deutsch in der internationalen Kommunikation benutzen ⫺ und dies trotz der zentralen und wirtschaftlich sehr bedeutenden Position Deutschlands in Europa und trotz der Tatsache, dass Deutsch diejenige Sprache ist, welche die meisten Europäer als Erstsprache sprechen. Diese Entwicklung wird noch begünstigt durch die Sprachen- und Bildungspolitik in den diversen Mitgliedsstaaten, die typischerweise Englisch in den Vordergrund stellt und es daneben in vielen Fällen den Schülern/Eltern und Studierenden selbst überlässt zu entscheiden, welche Sprache sie als ihre eventuelle zweite Fremdsprache erlernen möchten. Duesberg (2006) bietet einen Überblick über die Lage für Deutsch als Fremdsprache in ausgewählten Ländern Europas und der übrigen Welt. Danach befindet sich Deutsch überall quantitativ auf dem Rückzug, außer in China, wo der Technologietransfer aus Deutschland immer noch als entscheidend angesehen wird. Was Europa angeht, so behandelt der Artikel Frankreich, Italien, Türkei, Ungarn, Russland, Schweden und Großbritannien. Der allgemeine Trend ist ein Rückgang für Deutsch als erste Fremdsprache, und an den meisten Orten auch als zweite Fremdsprache. Duesberg betont, dass vielerorts in dem Bemühen, diesen Trend umzukehren, mit Revisionen des Faches Deutsch im Hochschulangebot experimentiert wurde, damit es in geringerem Maße mit Literaturund Kulturgeschichte identifiziert wird und stattdessen öfter als Deutschstudien im Rahmen von Studiengängen in Wirtschaft, Handel, Naturwissenschaften und Technologie erscheint. Er sieht dies als eine notwendige Entwicklung, um das Prestige der Disziplin zu steigern und mehr Studierende zu erreichen. Diese Entwicklung ist auch im Rahmen des vorliegenden Beitrags interessant, denn sie bedeutet, dass Studierende, die sich tatsächlich entschließen Deutsch zu studieren, in vielen Fällen nicht die Gelegenheit erhalten, eine tiefere, wissenschaftlich fundierte Einsicht in die Geschichte, Kultur, Literatur und Sprache Deutschlands (und der übrigen deutschsprachigen Länder) zu gewinnen. Kenntnisse von der Gesellschaft und interkulturelle Kompetenzen erhalten unter diesen Umständen eventuell geringere Priorität. Gleichzeitig kann man gerade in Europa relativ leicht Erfahrungen vom Leben in den deutschsprachigen Ländern insgesamt sammeln. Für diejenigen, die es sich leisten können (und EU-Bürger sind), gibt es viele Möglichkeiten für persönliche Kontakte und erlebte Landeskunde durch touristische Reisen, Austauschprogramme und Studienaufenthalte in deutschsprachigen Ländern. Hinzu kommen noch die besonderen Möglichkeiten des Unterrichts in Nachbarsprachen in den Grenzregionen. Die widersprüchliche Situation für Deutsch als Fremdsprache in Europa bedeutet, dass alle, die mit dem Fach zu tun haben, SchülerInnen, Lehrende, StudentInnen und WissenschaftlerInnen, sich unter einem realen oder potentiellen Argumentationsdruck befinden: Sie müssen ihre Wahl von Deutsch einer Öffentlichkeit gegenüber verteidigen, die es nicht als selbstverständlich ansieht, dass jemand ein besonderes Interesse an der
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deutschen Sprache und an den literarischen, kulturellen und sozialen Bedingungen in Deutschland und den deutschsprachigen Ländern hat. Außerdem werden sie in vielen Ländern auch gezwungen, sich relativ zu einem negativen Stereotyp Deutschlands und der Deutschen zu verhalten. (Die Bedeutung dieses traditionellen Stereotyps in Europa geht nun vielleicht zurück und wird durch ein gleichermaßen fragwürdiges negatives Stereotyp vom Islam und den Muslimen ersetzt.)
2. Landeskundedidaktik in europäischen Ländern Unterschiede und Gemeinsamkeiten 2.1. Begrisdiskussion Landeskunde ist ein Begriff mit vielen verschiedenen Bedeutungen, was sich deutlich in der Geschichte und der fortdauernden Diskussion des Terminus spiegelt. Landeskunde (genauso wie Realienkunde, Kulturkunde, Wesenskunde usw.) hat eine spezifische Bedeutungsgeschichte, die stark von vermeintlichen Äquivalenten in anderen Sprachen, wie zum Beispiel civilisation im französischen Sprachunterricht oder cultural studies in britischen Sprachunterricht, abweicht. Landeskunde ist ein Ausdruck, der nicht nur in Bezug auf Deutsch als erste und zweite Fremdsprache verwendet wird, sondern bisweilen auch im Rahmen des Unterrichts anderer Sprachen, und zwar als internationaler Fachterminus, der sich insbesondere auf elementare geographische und (zeitgenössische) historische Kenntnisse sachlicher Natur über die zielsprachigen Länder bezieht, ein Wissen also, das notwendige Voraussetzung für sinnvolle sprachliche Kommunikation und auch für ein tieferes Verständnis von Kulturen und Gesellschaft ist. Von diesem sachlicheren Ausgangspunkt her erwarb der Begriff ein immer breiteres Bedeutungsfeld und erfährt gleichzeitig Konkurrenz durch andere, wissenschaftlicher orientierte Termini. In der Germanistik wird üblicherweise zwischen drei Ansätzen der Landeskunde unterschieden: dem kognitiven, dem kommunikativen und dem interkulturellen Ansatz (Weimann und Hosch 1993). Wissenschaftstheoretisch kann man die drei Ansätze auch als positivistisch, pragmatisch und hermeneutisch charakterisieren. Speziell im interkulturellen Ansatz sind aber mehrere Fachausdrücke im Spiel: Kulturverstehen, kulturelle Bewusstheit, Fremdverstehen, Kulturwissenschaft, interkulturelles Lernen, interkulturelle Kompetenz, Wahrnehmung nationaler Stereotypen. Eine Einführung in diesen Ansatz der Landeskundedidaktik ist Biechele und Padro´s (2003). Als relevante Publikationen auf dem Feld interkultureller Kompetenz sind auch zwei neuere Anthologien zu nennen: Bredella und Christ (2007) sowie Hu und Byram (2009). Ein spezielles Thema ist die Frage der geographischen Referenz von Landeskunde: Genügt es auf Deutschland einzugehen, oder sollen alle deutschsprachigen Länder behandelt werden? Diese Thematik, die unter dem Begriff D-A-CH-L (Deutschland, Österreich, die Schweiz, Liechtenstein) bekannt ist (vgl. Art. 167) und wo es auch um Fragen der Identität geht, wurde beispielsweise von Krumm (1999) diskutiert, der unterstreicht, dass der Unterricht die innere Diversität des deutschen Sprachraums als Ganzem sowie die entsprechenden unterschiedlichen Beziehungen zu Europa und zur EU sichtbar machen sollte.
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XVII. Landeskunde In der Landeskundedidaktik herrscht eine fortgesetzte Diskussion darüber, welche Wissensgebiete oder Themen als besonders wichtig für bestimmte Lernergruppen hervorgehoben werden sollten. In diesem Fall haben wir es mit positiven Definitionen über die Eingrenzung der Landeskunde zu tun (Mog und Althaus 1992; Li 2007). Andere ziehen es vor, mit einer negativen, jedoch völlig offenen Definition zu arbeiten, so zum Beispiel Maijala (2007: 175), die Landeskunde definiert als: „Bestandteil des Sprachunterrichts (…), der über die Vermittlung von reinen Sprachkenntnissen hinausgeht“. Im Folgenden wird ein solch inklusives und negativ definiertes Konzept von Landeskunde verwendet, ein Konzept, das in der Praxis, ganz einfach ausgedrückt, das Lehren von Sprachkultur (Kultur in der Sprache), Literatur, Alltagsleben, Gesellschaftsverhältnissen und Geschichte umfasst. Es ist ein Landeskunde-Konzept, das dem teaching about culture and society oder the cultural dimension entspricht (ohne allerdings dieselben Konnotationen zu haben).
2.2. Nationale Politikansätze zu Deutsch als Fremdsprache In den europäischen Ländern liegen ganz unterschiedliche nationale Traditionen hinsichtlich des Deutschunterrichts einschließlich seines landeskundlichen Anteils vor (Wegner 1999; Byram und Risager 1999). Um nur die Situation in einem Land zu erwähnen: Französische Behörden entschieden im Jahr 2005, den gesamten Fremdsprachenunterricht durch eine detaillierte Beschreibung der Sprachkompetenzen auf allen Ebenen, von der Grundschule bis zum Gymnasium, mit Bezug auf den vorgenannten Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen zu reformieren. Dazu gehört, dass auch Landeskunde nach einem pragmatisch-linguistischen Prinzip strukturiert wird, wobei allerdings die Gefahr besteht, dass Landeskunde auf die praktischen und sachlichen Wissensbestände reduziert wird, die man benötigt, um effizient bei der Erfüllung verschiedener Aufgaben zu kommunizieren ⫺ das heißt, wir hätten es mit dem kommunikativen Landeskunde-Ansatz zu tun. Gleichzeitig betonen andere Teile der amtlichen Texte das kulturelle Verständnis und die interkulturelle Perspektive, unter anderem dadurch, dass ein übergreifendes Thema vorgeschlagen wird: L’ici et l’ailleurs (Hier und anderswo) (Ministe`re de l’E´ducation Nationale 2007: 47). Die Einführung des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen wurde in Frankreich breit diskutiert, und Teile dieser Diskussion sind nachzulesen in Les Langues Modernes 2, 2008. In dieser Ausgabe findet sich auch ein Artikel (Delouis 2008), der über die ziemlich heftige Kritik berichtet, auf die der Gemeinsame europäische Referenzrahmen in Deutschland stieß (mit Verweis auf Bausch et al. 2003).
2.3. Deutschlandbilder bei SchülerInnen und in Lehrwerken Zahlreiche Analysen des Deutschlandbilds in Lehrwerken liegen schon vor (vgl. Ammer 1988; Friz 1991; Byram 1993; Tenberg 1999; Wegner 1999). Im Folgenden soll auf einige neuere Untersuchungen näher eingegangen werden (Sercu 2000; Fink 2003 und Maijala 2007, wobei Sercu 2000 auch eine Untersuchung der Einstellungen von SchülerInnen und ihrer Vorstellungen von Deutschland einschließt).
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Die Untersuchung von Sercu (2000) basiert auf einem großen empirischen Forschungsprojekt zum Deutschunterricht im flämischsprachigen Belgien. Die Untersuchung bezog 592 SchülerInnen in sechs Schulen ein und konzentrierte sich auf zwei Klassenstufen, die eine mit SchülerInnen im Alter von 15 Jahren und die andere mit SchülerInnen von 18 Jahren. Die Schulen lagen in zwei verschiedenen Gegenden in Belgien: zum einen in Luxemburg nahe der deutschen Grenze, zum anderen in Westflandern, das am weitesten von Deutschland entfernt liegt. Die Untersuchung behandelte sowohl die Vorstellungen der SchülerInnen von Deutschland als auch den kulturellen Inhalt sechs verschiedener Lehrbücher, die in den betreffenden Klassen verwendet wurden. Sercu fokussierte die Analyse nur auf Deutschland allein, nicht auf die deutschsprachigen Länder. Die Analyse der interkulturellen kommunikativen Kompetenz der SchülerInnen wies Variationen nach Geschlecht, Alter und geografischem Gebiet nach, doch das allgemeine Bild zeigte, dass die SchülerInnen nicht sehr viel über Deutschland wussten und die deutsche Kultur als nicht besonders interessant ansahen. Das Schema Deutschland ⫽ Krieg kam häufig vor, besonders wenn sie anscheinend ihnen Mangel an speziellem Wissen kaschieren wollten. Bei der Analyse der Lehrwerke gab es im Ergebnis eine analytische Unterscheidung zwischen zwei Sichtweisen auf den Kulturunterricht in den Lehrbüchern: die Touristenperspektive von außen und die Familienperspektive von innen. Die erstere Sicht tendiert zur Hervorhebung kultureller Unterschiede, sie enthält viele informative Details über Gesellschaft und Kultur und weist eine relativ flache Beschreibung von Personen auf. Die andere tendiert zur Betonung von Unterschieden und Ähnlichkeiten, es finden sich weniger Informationen über Gesellschaft und Kultur, doch die Beschreibung von Personen ist runder. Sercu gelangt unter anderem zu dem Schluss, dass interkulturelle Kompetenz am besten unterstützt wird, wenn Lehrbücher viele verschiedene Sichtweisen enthalten, solche von innen und solche von außen, und wenn Themen klar auf das Wissen und die Interessen von SchülerInnen ausgerichtet sind. Fink (2003) berichtet über eine kleinere Untersuchung dreier Lehrbücher für DeutschAnfänger (13 Jahre) in Dänemark. Er ging von gegebenen Kriterien zur Lehrbuchanalyse, wie den in Ammer (1988), aus und folgert, dass das Deutschlandbild in den betreffenden Lehrbüchern sehr allgemein und oberflächlich sei. Es ist von Tourismus und Alltagsleben beherrscht und liefert kein differenziertes Bild des Landes. Anstatt neue Bilder und Eindrücke vorzuschlagen, behalten die Lehrbücher die vorhandenen Schemata und Stereotypen bei und entwickeln sie weiter oder verstärken sie noch. Maijala (2007) behandelte Deutsch-Lehrbücher für 16⫺19-Jährige in Frankreich, Finnland, Norwegen, Estland und Großbritannien. Maijala betrachtet historische Themen in den Lehrbüchern und zeigt, wie historische Themen mit den verschiedenen internationalen Beziehungen dieser Länder zu Deutschland in Verbindung gebracht werden können.
2.4. Sichtweisen der kulturellen Dimension unter DeutschlehrerInnen und Germanistikstudierenden Ein größeres Forschungsprojekt auf diesem Gebiet ist das von Byram und Risager (1999), das dänische und britische FremdsprachenlehrerInnen als Kulturvermittler und politische Akteure im europäischen Integrationsprozess behandelt. Im Folgenden wird jedoch auf ein jüngeres Projekt eingegangen, nämlich das von Sercu et al. (2005). Ferner
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sollen zwei kleinere Projekte zu Germanistikstudenten erwähnt werden: Basteck (2004) und Trad (2001). Sercu et al. (2005) betrachten die Auffassung von der kulturellen Dimension des Sprachunterrichts bei Sprachenlehrern sowie deren Sicht des Wissens ihrer SchülerInnen über und ihre Einstellung zu zielsprachigen Ländern. Die Untersuchung wurde in Zusammenarbeit mit ForscherInnen in mehreren europäischen Ländern durchgeführt: Belgien, Bulgarien, Polen, Griechenland, Spanien und Schweden, plus Mexico. Empirisch erfasst sie 424 FremdsprachenlehrerInnen, die in diesen sieben Ländern tätig sind. Nicht alle waren DeutschlehrerInnen, 79 % gaben an, sie unterrichteten überwiegend Englisch, während 9 % dies für Deutsch angaben, 7 % für Französisch und 2 % für Spanisch. Die Untersuchung baut auf Daten in Gestalt von Antworten auf einen elektronisch verteilten Fragebogen auf (Datenerhebung im Jahr 2001). Die Zahl der Antworten aus den verschiedenen Ländern ist zu gering, um etwas über nationale und disziplinäre Unterschiede aussagen zu können, aber die Untersuchung liefert ein staatenübergreifendes Bild der beruflichen Identität von SprachlehrerInnen, und sie bezeugt eine Reihe von Unterschieden zwischen den Lehrenden. Das Projekt identifiziert zwei eindeutig unterscheidbare Typen von SprachlehrerInnen, was die kulturelle Dimension angeht: der wohlwollend eingestellte Fremdsprachenlehrer, der meint, dass das Lernen einer Sprache und einer Kultur nicht voneinander getrennt werden könne, und der ablehnend eingestellte Fremdsprachenlehrer, der meint, es sei unmöglich, den Sprachunterricht und den Kulturunterricht zu integrieren und der die Ansicht vertritt, in der Schule könne man keine interkulturellen Fähigkeiten entwickeln. Gleichzeitig liefert das Projekt eine Vorstellung davon, wie das durchschnittliche Profil eines Sprachlehrers definiert werden könnte. Basteck (2004) untersucht Germanistikstudendierende an spanischen Universitäten. Es handelt sich um eine empirische Studie, die 2001/02 an 12 Universitäten durchgeführt wurde. 282 Germanistikstudierende auf allen Ebenen des Studiums beantworteten einen Fragebogen über ihre Wünsche, die sie mit dem Landeskundeteil ihres Studiums verbanden. Die Wünsche gingen in die Richtung, dass die Studierenden gerne besser auf einen möglichen ERASMUS-Aufenthalt in Deutschland oder in einem anderen deutschsprachigen Land vorbereitet seit wollten; sie wünschten sich besonders Kenntnisse der Alltagskultur und Fähigkeiten der interkulturellen Kommunikation. Trad (2001) greift eine weitere Frage auf, nämlich Tabuthemen in der interkulturellen Kommunikation. Trad führte eine Fragenbogenstudie bei Germanistik-Studiengängen an mehreren polnischen Universitäten durch, und 154 Studierende gaben an, welche Themen ihrer Meinung nach in der interkulturellen Kommunikation mit Deutschen tabu wären. Darunter wurden genannt: der Zweite Weltkrieg, Korruption der Politiker, Gehalt/Vermögen, Steuerhinterziehung, Schmuggel, Schwarzarbeit, Ausländerfeindlichkeit und Sexualität. Trad zeigt in dem Buch außerdem, wie man durch Projektarbeit Strategien der Kommunikation über Tabus entwickeln kann, z. B. durch Umformulierung und Humor.
3. Neuausrichtungen in der Landeskunde die kulturelle Dimension in Schulen und in der Germanistik Seit den 1990er Jahren, und besonders seit 2000, erschienen mehrere Forschungsarbeiten, in denen versucht wird, ein neues wissenschaftliches Verständnis von Landeskunde in
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Theorie und Praxis aufzubauen. Im Folgenden werden einige dieser Arbeiten benannt, mit einem Schwerpunkt auf denjenigen, die in anderen europäischen als den deutschsprachigen Ländern erschienen sind. Einige dieser Arbeiten behandeln speziell das Fach Deutsch, andere behandeln allgemeiner das Sprachstudium und sind so potentielle Inspirationsquellen für das Fach Deutsch. Drei Hauptpunkte in dieser Entwicklung könnten genannt werden: ⫺ Wie kann man Landeskunde theoretisch erfassen und sie wissenschaftlicher gestalten? ⫺ Wie kann man Interdisziplinarität entwickeln und nutzen? ⫺ Wie kann man mit Multikulturalität und Globalität umgehen? Die folgenden Wissenschaftler behandeln diese Punkte alle auf unterschiedliche Weise. Zunächst sind einige der auf diesem Feld im deutschsprachigen Raum besonders aktive Autoren zu erwähnen, nämlich Altmayer (Altmayer 2004), Bredella (Bredella und Christ 2007) und Wierlacher (Wierlacher 2006). Sie befassen sich sämtlich mit Fragen des interkulturellen oder Fremdverstehens, und speziell Altmayer betont die globale Perspektive und einen kulturwissenschaftlichen Ansatz, der Dynamik, Heterogenität und Polyvalenz im Verstehen von Kulturen und Texten herausarbeitet. Zu wichtigen Publikationen in Europa außerhalb des deutschsprachigen Bereichs sind folgende Arbeiten zu rechnen: Hansen (2002, 2004), Kundrus (2008), Guilherme (2002), Byram (2008) sowie Risager (2006, 2007). Die Arbeiten von Hansen (2002, 2004) sind zwei Anthologien, die eine neue Definition der Sprachstudien als „neue Philologien“ behandeln. Die Autoren argumentieren, dass ein humanistischer Ansatz bei der Globalisierung sowohl Sprachkompetenz als auch eine Kritik des Eurozentrismus verlange. Laut einem Vorschlag geht es bei Interdisziplinarität nicht nur um Zusammenarbeit zwischen der spezifischen Sprachdisziplin und benachbarten Disziplinen wie Geschichte und Politik, sondern auch um die Zusammenarbeit zwischen Sprachfächern, zum Beispiel vermittels Übersetzungsprozessen nicht nur im sprachlichen Sinn, sondern auch allgemeiner im kulturellen Sinn. Die Kritik am Eurozentrismus ist auch das Thema bei Kundrus (2008), einer Einführung zu einem Abschnitt über deutschsprachige postkoloniale Literatur, der als Teil eines größeren Werks über Kontinentaleuropa und seine Kolonien publiziert wurde. Guilherme (2002) ist von kritischer Pädagogik und der deutschen kritischen Tradition inspiriert, und sie argumentiert auf der Grundlage einer empirischen Untersuchung in Portugal, dass die Sprachfächer mehr als heute zur Entfaltung eines kritischen kulturellen Bewusstseins beitragen sollten, einschließlich eines Bewusstseins von den Menschenrechten und der Diskriminierung. Der Unterricht sollte SchülerInnen und Studierende dazu erziehen, partizipierende BürgerInnen in einer multikulturellen und multiperspektivischen Welt zu werden. Auch Byram (2008) betont, unter anderem auf Grund einer ausgedehnten Tätigkeit im Europarat, eine interkulturelle Bürgerschaft als allgemeines Ziel des Sprachunterrichts und von Sprachstudien; und vor diesem Hintergrund würde er Deutschstudien nicht nur auf die deutschsprachigen Länder beziehen wollen, sondern auch auf Europa und die EU. Risager (2006) präsentiert ein neues Verständnis vom Verhältnis zwischen Sprache und Kultur in globaler Perspektive. Es ist dies eine theoretische Arbeit, in der nicht nur die Konzepte von Sprache und Kultur dekonstruiert werden, sondern auch ein Verständnis der Schnittstelle zwischen Sprache und Kultur in Anerkennung von Dynamik und Komplexität aufgebaut wird. Risager (2007) stellt eine Fortsetzung dar, in welcher der
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Schwerpunkt auf der Geschichte der internationalen Kulturpädagogik mit besonderer Berücksichtigung der Beziehungen zwischen Sprache, Kultur und Nation liegt. In dieser Arbeit wird Landeskunde in einen weiteren historischen und begrifflichen Kontext gestellt und aufgezeigt, wie man Landeskunde als Teil eines möglichen transnationalen Paradigmas verstehen kann. Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Landeskunde in der Germanistik im nichtdeutschsprachigen Europa ein weites Feld ist, auf dem eine ganze Reihe kulturwissenschaftlicher Ansätze im Deutschunterricht zum Tragen kommt. Dieser internationale Arbeitsbereich profitiert stark von der kulturellen und geschichtlichen Vielfalt der europäischen Länder.
4. Literatur in Auswahl Altmayer, Claus 2004 Kultur als Hypertext. Zu Theorie und Praxis der Kulturwissenschaft im Fach Deutsch als Fremdsprache. München: iudicium. Ammer, Reinhard 1988 Das Deutschlandbild in den Lehrwerken für Deutsch als Fremdsprache. Die Gestaltung des landeskundlichen Inhalts in den Deutschlehrwerken der Bundesrepublik Deutschland von 1955 bis 1985 mit vergleichenden Betrachtungen zum Landesbild in den Lehrwerken der DDR. München: iudicium. Ballweg, Sandra und Antje Stork 2008 DaF-Lehrende und das Europäische Sprachenportfolio. Info DaF 35(4): 390⫺400. Basteck, Elisabeth F. 2004 Zwischen Geschichtsunterricht und Auslandsvorbereitung: Landeskunde-Unterricht an spanischen Universitäten. Info DaF 31(1): 29⫺51. Bausch, Karl-Richard, Herbert Christ, Frank G. Königs und Hans-Jürgen Krumm (Hg.) 2003 Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen in der Diskussion. Tübingen: Narr. Biechele, Markus und Alicia Padro´s 2003 Didaktik der Landeskunde. Berlin etc.: Langenscheidt. Bredella, Lothar und Herbert Christ (Hg.) 2007 Fremdverstehen und interkulturelle Kompetenz. Tübingen: Narr. Byram, Michael (Hg.) 1993 Germany: Its Representation in Textbooks for Teaching German in Great Britain. Frankfurt a. M.: Diesterweg. Byram, Michael und Karen Risager 1999 Language Teachers, Politics and Cultures. Clevedon: Multilingual Matters. Byram, Michael 2008 From Foreign Language Education to Education for Intercultural Citizenship. Essays and Reflections. Clevedon: Multilingual Matters. Delouis, Anne Friederike 2008 Le CECRL: compte rendu du de´bat critique dans l’espace germanophone. Les Langues Modernes 2: 19⫺31. Duesberg, Peter 2006 Aktuelle Tendenzen weltweit und Herausforderungen für die deutschsprachigen Länder. Info DaF 33(5): 411⫺437. Europäische Kommission 2003 Promoting Language Learning and Linguistic Diversity: an Action Plan 2004⫺2006. (Communication 449). Brussels.
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Fink, Matthias C. 2003 Das Deutschlandbild in dänischen Lehrwerken für den Deutschunterricht in der Folkeskole. Info DaF 30(5): 476⫺488. Friz, Susanne 1991 Das Bild von England, Amerika und Deutschland bei Fremdsprachenlernern und in Fremdsprachenlehrwerken. Ein Beitrag zur komparativen Landeskunde. München: Tuduv-Verlagsgesellschaft. Goethe-Institut Inter Nationes et al. (Hg.) 2001 Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen. (Europarat). Berlin: Langenscheidt. Guilherme, Manuela 2002 Critical Citizens for an Intercultural World. Foreign Language Education as Cultural Politics. Clevedon: Multilingual Matters. Hansen, Hans Lauge (Hg.) 2002 Changing Philologies: Contributions to the Redefinition of Foreign Language Studies in the Age of Globalisation. Copenhagen: Museum Tusculanum Press. Hansen, Hans Lauge (Hg.) 2004 Disciplines and Interdisciplinarity in Foreign Language Studies. Copenhagen: Museum Tusculanum Press. Hu, Adelheid und Michael Byram (Hg.) 2009 Interkulturelle Kompetenz und fremdsprachliches Lernen. Modelle, Empirie, Evaluation. Intercultural Competence and Language Learning. Models, Empiricism, Assessment. Tübingen: Narr. Krumm, Hans-Jürgen 1999 Landeskunde Deutschland, D-A-CH oder Europa? Über den Umgang mit Verschiedenheit im DaF-Unterricht. In: Hans Barkowski und Armin Wolff (Hg.), Alternative Vermittlungsmethoden und Lernformen auf dem Prüfstand, 31⫺61. Regensburg: Fachverband Deutsch als Fremdsprache. Kundrus, Birthe 2008 Germany and its Colonies: Introduction. In: Prem Poddar, Rajeev S. Patke und Lars Jensen (Hg.), A Historical Companion to Postcolonial Literatures. Continental Europe and its Empires, 199⫺204. Edinburgh: Edinburgh University Press. Li Yuan 2007 Integrative Landeskunde. Ein didaktisches Konzept für Deutsch als Fremdsprache in China am Beispiel des Einsatzes von Werbung. München: iudicium. Maijala, Minna 2007 Zur Analyse von landeskundlichen bzw. geschichtlichen Inhalten in Lehrwerken für Deutsch als Fremdsprache. Deutsch als Fremdsprache 44(3): 174⫺180. Ministe`re de l’E´ducation Nationale 2007 Programmes de l’enseignement de langues vivantes e´trange`res au colle`ge, allemand. (Le Bulletin Officiel 7, 26 avril, hors se´rie). Mog, Paul und Hans-Joachim Althaus (Hg.) 1992 Die Deutschen in ihrer Welt. Tübinger Modell einer integrativen Landeskunde. Berlin etc.: Langenscheidt. Risager, Karen 2006 Language and Culture: Global Flows and Local Complexity. Clevedon: Multilingual Matters. Risager, Karen 2007 Language and Culture Pedagogy: From a National to a Transnational Paradigm. Clevedon: Multilingual Matters. Sercu, Lies 2000 Acquiring Intercultural Communicative Competence from Textbooks. The case of Flemish adolescent pupils learning German. Leuven: Leuven University Press.
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Sercu, Lies mit Ewa Bandura, Paloma Castro, Leah Davcheva, Chryssa Laskaridou, Ulla Lundgren, Maria del Carmen Me´ndez Garcı´a und Phyllis Ryan 2005 Foreign Language Teachers and Intercultural Competence. An International Investigation. Clevedon: Multilingual Matters. Tenberg, Reinhard (Hg.) 1999 Intercultural Perspectives. Images of Germany in Education and the Media. München: iudicium. Trad, Ahmed Rafik 2001 Tabuthemen in der interkulturellen Kommunikation. Ein Beitrag zur Landeskundedidaktik im DaF-Studium. Frankfurt a. M.: Peter Lang. Undervisningsministeriet 2004 Fælles ma˚l. Faghæfte 17. Tysk. Copenhagen. Wegner, Anke 1999 100 Jahre Deutsch als Fremdsprache in Frankreich und England. München: iudicium. Weimann, Gunther und Wolfram Hosch 1993 Kulturverstehen im Deutschunterricht. Ein Projekt zur Lehrerfortbildung. Info DaF 20(5): 514⫺523. Wierlacher, Alois 2006 Landesstudien als Kulturwissenschaftliche Essayistik. Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 32: 165⫺179.
Karen Risager, Roskilde (Dänemark) Übersetzung aus dem Englischen von Radegundis Stolze
169. Landeskunde in der Germanistik außereuropäischer Länder 1. 2. 3. 4.
1.
Begriffsklärungen und Vorbemerkungen Landeskunde in der außereuropäischen Germanistik Fazit und Ausblick Literatur in Auswahl
Begrisklärungen und Vorbemerkungen
1.1. Germanistik außereuropäischer Länder (außereuropäische Auslandsgermanistik) Der Ausdruck Germanistik außereuropäischer Länder ersetzt hier den Begriff außereuropäische Auslandsgermanistik, der in der vorigen Ausgabe dieses Handbuchs verwendet wurde. (Vorliegender Beitrag ist eine um etwa die Hälfte gekürzte und aktualisierte Fassung des ursprünglichen Artikels [Kussler 2001].) In der neueren Diskussion hält man die Unterscheidung zwischen Inlandsgermanistik und Auslandsgermanistik von der Sache
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her zwar mehrheitlich für brauchbar, hinsichtlich der Begrifflichkeit aber für unzureichend (vgl. u. a. Sitta 2004; Helbig 2005; Fabricius-Hansen 2006; Fandrych 2006; Petkov 2005; Grucza 2006). Unscharf ist das Begriffspaar deshalb, weil es in den deutschsprachigen Ländern neben der Germanistik als Grundsprachenphilologie zahlreiche Institute bzw. Studiengänge für Deutsch als Fremdsprachenphilologie gibt (vgl. Petkov 2005: 70⫺71), die ⫺ ebenso wie die Germanistik in den nichtdeutschsprachigen Ländern ⫺ von vornherein „zweisprachig und interkulturell bzw. kulturkontrastiv ausgerichtet sind“ (Fandrych 2006: 77). Zu unterscheiden sind also drei Versionen des Fachs: die Germanistik in den deutschsprachigen Ländern (Inlandsgermanistik) als Grundsprachenphilologie, die Germanistik im deutschsprachigen Raum (Inlandsgermanistik) als Fremdsprachenphilologie und die Germanistik in den nichtdeutschsprachigen Ländern (Auslandsgermanistik) als Fremdsprachenphilologie. Diese drei Varianten haben zwar denselben Gegenstand: die deutsche Sprache, Literatur und Kultur; aber während für die Grundsprachengermanistik in erster Linie dieser Gegenstandsbereich konstitutiv ist, sind es für die Fremdsprachengermanistiken die Lehrenden und Lernenden, für die dieser Gegenstandsbereich ein fremder ist oder die sich mit diesem als einem fremden beschäftigen. Die Grundsprachengermanistik setzt die Kompetenz der Studierenden in ihrer eigenen Sprache und ihrer eigenen Kultur voraus (vgl. Helbig 2005: 5; Wierlacher 2003: 504), in den Fremdsprachengermanistiken müssen die Kompetenzen in der für die Studierenden fremden Sprache und der korrespondierenden fremden Kultur in der Regel erst entwickelt werden. Die Fremdsprachengermanistiken im In- und Ausland sind somit im Unterschied zu den Grundsprachengermanistiken grundsätzlich adressatenorientierte Fächer und als solche konzeptionell näher verwandt. Sie unterscheiden sich dadurch, dass die Inlandsvariante innerhalb des Zielsprachenraums und der Zielkultur operiert, so dass ihre Studierenden auf ihre unmittelbare Erfahrung der fremden Um- und Sprachwelt zurückgreifen können.
1.2. Kultur und Kulturvermittlung (landeskundlicher Unterricht) Kultur meint in diesem Zusammenhang die Realität (auch wenn es sich um eine vorgestellte Realität, also Fiktion, handelt), in Gegenwart und Geschichte, der Menschen, die sich vermittels dieser Sprache tagtäglich verständigen. Die Vermittlung dieser fremdkulturellen Realität ist das Ziel des landeskundlichen Unterrichts, der sehr verschieden konzipiert und durchgeführt werden kann: Die Landeskunde kann in den Sprach- und Literaturunterricht eingebunden werden und hauptsächlich die von den Lernenden benötigten Informationen zu den jeweiligen Unterrichtsgegenständen bereitstellen, oder sie kann als selbständige Komponente des Fachs neben Sprache und Literatur auftreten und in besonderen Veranstaltungen vermittelt werden. Diese beiden grundsätzlichen Unterrichtsmodi lassen sich natürlich auch kombinieren. Die Begegnung mit den Grundsprachenkulturen kann heutzutage durch Computerprogramme (vgl. Kussler 2003) und das Internet wesentlich erleichtert werden.
1.3. Germanistik in den nichtdeutschsprachigen Ländern Europas vs. außereuropäische Germanistik Die Unterscheidung zwischen der Germanistik in den nichtdeutschsprachigen Ländern Europas und der Germanistik außerhalb Europas ist nicht weniger problematisch als
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diejenige zwischen Inlands- und Auslandsgermanistik. Sie beruht wohl auf der Annahme, dass Lehrende und Studierende im Fach Germanistik in den europäischen Ländern besser über den deutschen Sprachraum im Zentrum Europas informiert sind als solche außerhalb Europas: „In den europäischen Ländern ist die Begegnung mit (…) der deutschen Sprache und Kultur schon seit langem soziale interkulturelle Realität, während man in vielen nichteuropäischen Ländern auf diese Begegnung erst vorbereitet werden muss“ (Petkov 2005: 72). Die außereuropäische Germanistik ⫺ mit ihrer von Land zu Land nach Sprache, Kultur, Wissenschaftsstil, sozialen, ökonomischen und institutionellen Bedingungen unterschiedlichen Prägung ⫺ ist ein außerordentlich komplexes, uneinheitliches Gebiet. Generell zu beobachten ist allenfalls, dass sich die Germanistiken in den sog. „westlichen“ außereuropäischen Ländern (z. B. USA, Kanada, Australien) z. T. erheblich von denen in anderen Teilen der Welt unterscheiden und dass man sich im Ausland nach wie vor an der Germanistik im deutschsprachigen Raum orientiert, und zwar zunehmend an der fremdphilologischen Variante. Dabei ist zu bedenken, dass sich die Germanistik in vielen außereuropäischen Ländern ursprünglich in Anlehnung an Varianten der europäischen Auslandsgermanistik etablierte. So entstand z. B. in Kanada (vgl. Batts 1993), Australien (vgl. Stoljar 1993) und Indien (vgl. Ganeshan 1991) zunächst eine Germanistik englischer Prägung, im frankophonen Afrika eine an Frankreich orientierte (vgl. Sturm 1987: 13). Im Laufe der Entwicklung kam es dann wiederholt zu Um- und Neuorientierungen, aus denen weitverzweigte und vielschichtige Wechselbeziehungen resultierten; und zwar sowohl zwischen einzelnen Ländern und der europäischen In- und Auslandsgermanistik als auch innerhalb einzelner Länder und Regionen. So ist die Germanistik heute international durch ein engmaschiges Netz institutioneller und individueller Beziehungen verknüpft.
2. Landeskunde in der außereuropäischen Germanistik Wie die Landeskunde jeweils konzipiert und gelehrt wird, hängt von zahlreichen äußeren Faktoren ab. Dazu gehören u. a. das sozio-ökonomische Umfeld, die Funktion und der Stellenwert der Germanistik im lokalen Bildungssystem, die Entfernung vom deutschsprachigen Raum, die Landessprache, Herkunft und Ausbildungsstand der Dozenten, die Vorbildung der Lerner, Aufbau, Inhalt und Länge des Studiums sowie Art und Umfang der verfügbaren Unterrichtsmaterialien und -hilfsmittel. (Relevant ist in diesem Zusammenhang u. a., ob und ggf. wie nah die Sprache mit dem Deutschen verwandt ist und ob sie sich ⫺ wie die deutsche ⫺ der lateinischen Schrift bedient. Wenn es sich ⫺ wie etwa in Nord- und Südamerika und in Afrika ⫺ um eine europäische Sprache handelt, sind Orientierungen an den entsprechenden Grundsprachenländern wahrscheinlich.) Was zur Funktion der Landeskunde von der einschlägigen Diskussion abgehoben werden kann, sind Tendenzen, die sich allenfalls zu einem groben Umriss zusammenfügen.
2.1. Landeskunde im DaF-Unterricht Eine grundlegende Gemeinsamkeit der deutschen Seminare außerhalb Europas besteht darin, dass sie ihre Studierenden in der Regel vollends selbst ausbilden. Das Germanistik-
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studium beginnt im Allgemeinen mit dem Anfängerunterricht, wird aber zumeist erst im Gradiertenprogramm als solches im engeren Sinne realisiert. Das Undergraduate-Programm besteht überwiegend aus sprach- und textdidaktischen Veranstaltungen, in denen es ⫺ wie etwa an der Chulalongkorn Universität in Thailand, einem typischen Beispiel (vgl. die zahlreichen Länderberichte, die regelmäßig in der Zeitschrift InfoDaF erscheinen) ⫺ um Aussprache, Satzbau, Grammatik sowie Hör-, Lese-, Sprech- und Schreibfähigkeit geht (vgl. Saengaramruang 2007). Speziell zur Landeskunde gibt es dort im Undergraduate-Programm nur zwei Kurse: „Introduction to German Civilization“ and „Present Day Germany“ (vgl. http//www.arts.chula.ac.th/⬃west/German/BA_index.html [10. 5. 2010]). In neueren Curricula findet die Landeskunde mehr Berücksichtigung; und zwar als praktische Grundlage für künftige berufliche Aufgaben. Interkulturelle Perspektiven werden stärker einbezogen, wenn auch noch nicht systematisch). Das M.A.-Programm folgt dann der herkömmlichen Einteilung in Sprache, Literatur und Kultur, ergänzt durch zwei Veranstaltungen zur Einführung in die DaF-Didaktik. Dem Themenbereich Kultur sind fünf (von insgesamt 24) Veranstaltungen gewidmet: „Politics, society and culture in Germany“ I und II; „Seminar on special topics in German culture“; „German art, music and literature“ sowie „Germany after unification“ (Vgl. http://www. academic.chula.ac.th/search/showprograms.asp?ID_Program⫽322320 [Online 19. 12. 2008]). Dieses Beispiel belegt eine Auffassung, über die ⫺ zumal außerhalb Europas ⫺ weitgehend Konsens besteht: dass die fremde Kultur im DaF-Unterricht nur exemplarisch und tatsachenorientiert umrissen werden kann (s. oben 1.2). Aber selbst diese verkürzte Landeskunde stellt hohe Anforderungen an die Lehrenden. Handelt es sich um Ortskräfte, die vielleicht selber noch nie in einem deutschsprachigen Land waren, besteht die Gefahr einer Simplizifierung oder Stereotypisierung der fremden Kultur. Verlässt man sich bezüglich der Landeskunde auf ein Lehrwerk oder Materialien aus dem deutschsprachigen Raum, bleibt die Ausgangslage der Lerner unberücksichtigt. Beschränkt man sich auf reine Faktenvermittlung, wird „die Einführung (…) stärker an Mentalitäten ausgerichteter Zugänge (…) erschwert“ (Krumm 1996: 564). Diesen Problemen kann z. T. durch regionale Lehrwerke abgeholfen werden, wie sie in vielen Ländern entwickelt wurden. Auch das WWW mit seinen vielfältigen authentischen Informations- und Anschauungsmöglichkeiten kann den Landeskunde-Unterricht wesentlich bereichern.
2.2. Landeskunde als Hauptsäule der Germanistik Im Verlauf der Diskussion um die Ausrichtung der Germanistik im nichtdeutschsprachigen Raum ist die Landeskunde immer mehr ins Zentrum fachkonzeptioneller Überlegungen gerückt. Dabei wurde ihr Geltungsbereich neu bestimmt. Verstand man unter Landeskunde zunächst „alle Bezüge auf die Gesellschaft(en), deren Sprache im Fremdsprachenunterricht gelernt wird“ (Buttjes 1995: 142), so umfasste sie nun auch alle Gesellschaft(en), denen die jeweiligen Fremdsprachenlerner und -lehrer angehören. Eine Auffassung, die mit Begriffen wie „Interkulturalität und (…) Alterität, (…) Interdisziplinarität, Lernerzentriertheit“ (Prokop 1996: 35) operiert und zusätzlich zu der fremden Kultur die jeweils eigene mit berücksichtigt wissen will, setzte sich immer mehr durch. Diese Besinnung auf die eigene Situation, die eigene Kultur, die eigene Identität im Vergleich mit oder in ⫺ produktiver ⫺ Opposition zu den deutschsprachigen Ländern ist
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ein auffallender gemeinsamer Nenner dieses Diskurses (vgl. z. B. Batts 1993: 178; Hallet 2001: 113; Hohendahl 1996: 530; Prokop 1996: 35; insbesondere Wierlacher und Bogner (2003: 595⫺665, Kapitel 5). Daraus resultierte eine stark kulturvergleichende Tendenz, die eine Verschiebung von der Philologie zu interdisziplinären (überwiegend soziologischkulturwissenschaftlichen) Regionalstudien bewirkte. Was ehedem „Germanistik“ hieß, wurde in „German Studies“, „Deutschlandstudien“, „Deutsche Studien“, „Area Studies“, „Cultural Studies“ oder „European Studies“ umbenannt. Diese Entwicklung tendierte dazu, die Geltungsreichweite des Landeskundebegriffs ins Grenzenlose auszudehnen, wenn er u. a. sowohl „die Sozialisationsstruktur“ der Lerner als auch „typische Sozialisationsmuster“ und „die Kollektivgeschichte“ der Zielkultur(en) wie auch der Ausgangskultur(en) umfasst, und wenn alle diese Bereiche darüber hinaus „unbedingt der fächerübergreifenden, interdisziplinären und interfakultativen Ergänzung (…) nicht nur (…) durch Geschichte, Soziologie, Anthropologie etc., sondern auch durch Natur- und Technikwissenschaften“ bedürfen (vgl. Ramin 1989: 233⫺235). Man bezeichnete die Landeskunde deshalb als „(Un-)Fach“ (Schmidt 1977: 25), den Terminus als „Monsterbegriff“ (Ramin 1989: 231) und empfahl der Fremdsprachengermanistik „pragmatische Teillösungen“ (Weinrich 1980: 44) durch eine Verknüpfung der Landeskunde mit der Textlinguistik und der Literaturwissenschaft. Einen dieser beiden Wege sind zahlreiche Germanisten bzw. Institute in der Tat (zunächst) gegangen. Wichtige Anstöße gaben in diesem Zusammenhang Köhring und Schwerdtfeger (1976) und Schmidt (1977).
2.2.1. Interkulturell ausgerichtete Landeskunde-Konzepte Die Realisierung des interkulturellen Ansatzes (vgl. Wierlacher und Bogner 2003) erfolgte am ausgeprägtesten in sog. German-Studies- oder Cultural-Studies-Programmen, die sich vielerorts etabliert haben, z. B. in Australien (vgl. Kretzenbacher 2004), Kanada (vgl. Prokop 1996), Südkorea und Japan (vgl. Duesberg 2006) sowie in den USA (vgl. Seeba 2003). Das früheste Modell dafür stammt interessanterweise aus einem nichtdeutschsprachigen Land Europas. Es wurde in den 1960er Jahren von Pierre Bertaux an der Sorbonne entwickelt; und zwar als „kritische Deutschlandkunde“, die nach dem Prinzip der „integrierten Pluridisziplinarität“ funktioniert: d. h., es lehren „nicht nur Literaturwissenschaftler als Germanisten, sondern auch jüngere deutschsprachige Historiker, Politologen, Wirtschaftswissenschaftler, Kunsthistoriker usw.“ (Witte 1976: 160⫺ 164). Diese „Pluridisziplinarität“ ist im außereuropäischen Ausland allerdings schwer zu realisieren, weil Nichtgermanisten, die ein anschließbares Fach kompetent in deutscher Sprache vertreten können, dort selten sind. Deshalb werden German-Studies-Programme oft nicht in deutscher Sprache angeboten. Trotzdem hat Bertaux’ Modell international nachhaltig gewirkt, vor allem in den USA, wo es seit 1970 entsprechende Programme gibt (vgl. Lützeler 1987: 679), aber z. B. auch in Kanada (vgl. Prokop 1996) und Australien (vgl. Kretzenbacher 2004). Nach Lützeler (1987: 679⫺680) sind die Deutschlandstudiengänge in den USA aus „einer Krisensituation an den amerikanischen Universitäten (…)“ seit Ende der 1960er Jahre hervorgegangen, „als das studentische Interesse an Fremdsprachen (…) merklich nachließ“; u. a. weil die sog. language requirements abgeschafft wurden (vgl. Hohendahl
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1996: 528). Dies gilt ⫺ zeitversetzt ⫺ für viele entsprechende Entwicklungen in der Germanistik außerhalb Europas. Interkulturell ausgerichtete German-Studies-Programme resultierten freilich nicht nur aus Krisensituationen. Auch ⫺ und vor allem ⫺ die interkulturelle Germanistik sowie textwissenschaftliche Ansätze, die in den 1970er Jahren den Leser in den Mittelpunkt des Interesses rückten (Rezeptionsästhetik und empirische Leserforschung), und die damit korrespondierende Übernahme erziehungswissenschaftlicher Kategorien wie Lernerorientierung (nach Robinsohn 1972) haben in diesem Zusammenhang nachhaltig gewirkt (vgl. auch Wierlacher 1980). So ähnlich die Ausgangssituationen in den einzelnen Ländern auch gewesen sein mögen, so unterschiedlich waren die Maßnahmen, mit denen man darauf reagierte. Von der einfachen Zusammenlegung, z. T. ohne Programmänderungen, von Deutsch mit anderen Fremdsprachen zu „(Modern) Foreign Languages“ über Gruppierungen unter neuem Namen wie „Europe Studies“ und unter Hinzufügung entsprechender neuer Veranstaltungen zum bestehenden Programm bis zu völlig neu konzipierten German-Studies-Studiengängen mit interdisziplinärer Ausrichtung und eigenen akademischen Abschlüssen ist eine Vielfalt von Möglichkeiten nachzuweisen. Auch im engeren Bereich der Literaturwissenschaft haben sich neue Formen der interfachlichen Kooperation herausgebildet (vgl. Adolphs 1992). Entsprechend vielfältig sind die möglichen Abschlüsse (vgl. Prokop 1996: 34). Trotzdem gilt bis heute Lützelers kategorische Feststellung: „Eine Theorie von German Studies gibt es nicht“ (Lützeler 1987: 685).
2.2.2. Zur Kritik interkulturell ausgerichteter Landeskunde-Konzeptionen Einwände begleiteten den interkulturellen Ansatz und die auf ihm fußenden Studiengänge von Anfang an. Sie richteten sich einerseits gegen die Betonung der Unterschiede zwischen den Kulturen, durch die das Gemeinsame und Verbindende verdeckt werde, andererseits gegen die Art der Unterscheidung, die das Fremde dem Eigenen subsumiere (vgl. Simo 1987: 696⫺697). Zumal die Ineinssetzung von „Kultur“ mit „Nation“ oder „Sprache“ wird mit der Begründung abgelehnt, die meisten Menschen seien heute ⫺ infolge von „Migrationsprozessen sowie von weltweiten (…) Kommunikationssystemen (…) und von ökonomischen Interdependenzen“ ⫺ transkulturell geprägt, ja „kulturelle Mischlinge“. Deshalb könne man nicht mehr von der „Existenz klar unterschiedener, in sich homogener Kulturen“ ausgehen, sondern müsse „auf ein vielmaschiges und inklusives, nicht auf ein separatistisches und exklusives Verständnis von Kultur“ abzielen (Welsch 1995: 40⫺43). Schon 1980 hatte Bausinger (1980: 61) festgestellt, dass „wesentliche Muster (…) der Kultur längst übernational geworden“ seien; und Baumgratz und Neumann (1980: 165⫺167) wollten entsprechend transnationale statt interkultureller Kommunikationsfähigkeit zum Ziel des Fremdsprachenunterrichts erhoben wissen. Auch Kelletat und Siegel (1990: 191) plädierten dafür, „den zu engen Begriff ,interkulturell ‘ durch ,transkulturell ‘ zu ersetzen“. Der Begriff „Transkulturalität“ kennzeichnet somit die „Hybridisierung“ heutiger Kulturen, in der die herkömmliche Kategorisierung „Eigenes“ und „Fremdes“ nicht mehr trennscharf ist (vgl. Eckerth und Wendt 2003: 11⫺12) und globale und kulturübergreifende Phänomene und Fragestellungen von großer Bedeutung sind (vgl. Hallet 2001: 117⫺120). Eine „xenologisch-transkulturelle, vergleichende wissenschaftliche Landeskunde“ stellte ⫺ auf der Basis dieses Konzepts ⫺ Wormer (2004: 5) vor, deren Untersuchungsgegenstände zivilisatorisch-kulturelle Handlungen, Phänomene
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und Strukturen sind, die sich in Texten und Bildern aller Art manifestieren (vgl. Altmayer 2004a: 7). In diesem Rahmen wird dem Verfahren der (kulturwissenschaftlichen) Textanalyse, die konzeptuell und methodisch auf Hermeneutik, Handlungstheorie und Semiotik Bezug nimmt (vgl. Wormer 2007: 10), große Bedeutung beigemessen. Altmayer (2004b) hat die Konzepte und Methoden der kulturwissenschaftlichen Textanalyse in die Forschungspraxis umgesetzt und die Ergebnisse ausführlich dokumentiert. Der transkulturelle Ansatz hebt allerdings deutlich auf Situationen ab, wie sie besonders in Europa und im nordamerikanischen Raum bestehen. Es kann daher nicht verwundern, dass das Konzept der Transkulturalität bislang wenig Verbreitung gefunden hat. Für die Länder der Dritten Welt kann es allenfalls eine zukunftsweisende Funktion beanspruchen, auch bezüglich der Implementierung und evtl. Adaptierung des Ansatzes an die Gegebenheiten im jeweiligen Kulturkreis. Außerdem scheint es „nach den neuesten empirischen Untersuchungen (…) fraglich (…), ob Mobilität, direkter Kontakt und globale Mediendurchdringung zu einem besseren Verständnis anderer Menschen führt“ (Bolten 2006: 12⫺13). Der Ertrag des transkulturellen Ansatzes für die Fremdsprachenphilologien besteht insbesondere in der Erkenntnis, dass es „unterschiedliche Grade von Vertrautheit und Fremdheit zwischen den Kulturen und damit auch unterschiedliche Grade von Verstehensmöglichkeiten“ gibt (Epp 1989: 109).
3. Fazit und Ausblick Festgehalten werden kann, dass interkulturell geprägte German-Studies-Programme, in denen die Landeskunde im Zentrum steht, in der außereuropäischen Germanistik weithin etabliert sind und dass die Landeskunde als Kernbereich solcher Programme weiterhin an Bedeutung gewinnt. Die Probleme, die der Landeskunde seit eh und je anhaften, sind damit freilich nicht gelöst worden: „Die Inhalte des (…) landeskundlichen Lernens sind diffus (…); die Ziele (…) weitgehend unklar, an interkultureller Verständigung orientierte Zielsetzungen stehen gleichberechtigt neben rein faktenorientierten Konzepten; von einer praxisnahen und wissenschaftsbasierten Ausbildung der für die Landeskunde zuständigen Lehrkräfte kann nicht die Rede sein, der in der Landeskunde-Diskussion immer schon beklagte Dilettantismus ist nach wie vor die Regel“ (Altmayer 2004a: 1). Umso mehr ist zu hoffen, dass Fandrych (2006: 77) Recht behalten wird, wenn er konstatiert: „In den deutschsprachigen wie nichtdeutschsprachigen Ländern entwickelt sich die Germanistik (…) zu einem (auch) kontrastiv, interdisziplinär und pluralistisch angelegten Fach. Es ist zu hoffen, dass sich die Germanistik insgesamt deutlich stärker in diese Richtung weiterentwickelt (…). Die Unterscheidung in eine „Inlands-“ und eine „Auslandsgermanistik“ wird umso obsoleter, je weiter diese Entwicklung fortschreitet.“
4. Literatur in Auswahl Adolphs, Dieter W. 1992 Neue Wege des Deutschstudiums in den USA. Zur Beteiligung interkultureller Germanistik an einem fächerübergreifenden Modell zum Studium fremdsprachlicher Literatur. Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 18: 108⫺119.
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Altmayer, Claus 2004a ,Cultural Studies‘ ⫺ ein geeignetes Theoriekonzept für die kulturwissenschaftliche Forschung im Fach Deutsch als Fremdsprache? Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 9(3). (Online). Altmayer, Claus 2004b Kultur als Hypertext. Zu Theorie und Praxis der Kulturwissenschaft im Fach Deutsch als Fremdsprache. München: iudicium. Batts, Michael S. 1993 Fremdsprachenphilologie und ,Nationalphilologie‘ in einer multikulturellen Gesellschaft. Das Beispiel Kanada. In: Bernd Thum und Gonthier-Louis Fink (Hg.), Praxis interkultureller Germanistik: Forschung ⫺ Bildung ⫺ Politik. Beiträge zum II. Internationalen Kongreß der Gesellschaft für Interkulturelle Germanistik, 177⫺179. Straßburg 1991. München: iudicium. Baumgratz, Gisela und Wolfgang Neumann 1980 Der Stellenwert des Vergleichs im landeskundlich orientierten Fremdsprachenunterricht. Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 6: 161⫺180. Bausinger, Hermann 1980 Zur Problematik des Kulturbegriffs. In: Alois Wierlacher (Hg.), Fremdsprache Deutsch: Grundlagen und Verfahren der Germanistik als Fremdsprachenphilologie, 57⫺69. Bd. 1. München: Fink. Bertaux, Pierre 1975 ,Germanistik‘ und ,germanisme‘. Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 1: 1⫺6. Bolten, Jürgen 2006 Die Entwicklung von Nationalstereotypen im Globalisierungsprozess. Hypothesen zum Auftakt einer international durchgeführten Langzeituntersuchung zu Veränderungen des Deutschlandbildes bei Studierenden. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 11(3). (Online). Buttjes, Dieter 1995 Landeskunde-Didaktik und landeskundliches Curriculum. In: Karl-Richard Bausch, Herbert Christ und Hans-Jürgen Krumm (Hg.), Handbuch Fremdsprachenunterricht, 142⫺ 149. Tübingen und Basel: Francke (3. Aufl.). Duesberg, Peter 2006 DaF International. Internationale Tendenzen weltweit und Herausforderungen für die deutschsprachigen Länder. Info DaF 33(5): 411⫺437. Eckerth, Johannes und Michael Wendt 2003 Brauchen wir einen inter- und transkulturellen Fremdsprachenunterricht? In: Johannes Eckerth und Michael Wendt (Hg.). Interkulturelles und transkulturelles Lernen im Fremdsprachenunterricht, 9⫺21. Frankfurt a. M.: Peter Lang. Epp, Rainer 1989 Eine Schneise ins Gestrüpp der Kulturen? Über Doppelkompetenz, transkulturelle Konstanten und den Transfer fremdkultureller hermeneutischer Entwürfe. In: Peter Zimmermann (Hg.), „Interkulturelle Germanistik“. Dialog der Kulturen auf Deutsch? 101⫺112. Frankfurt a. M.: Peter Lang. Fabricius-Hansen, Cathrine 2006 Auslandsgermanistik ⫺ Germanistik im Ausland? Deutsch als Fremdsprache 43(2): 67⫺ 70. Fandrych, Christian 2006 Germanistik ⫺ pluralistisch, kontrastiv, interdisziplinär. Deutsch als Fremdsprache 43(2): 70⫺78. Ganeshan, Vridhagiri 1991 Zur Forschungslage der indischen Germanistik. Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 17: 335⫺354.
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169. Landeskunde in der Germanistik außereuropäischer Länder
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Rainer Kussler, Stellenbosch (Südafrika) Noraseth Kaewwipat, Bangkok (Thailand)
XVIII. Die Rolle der Literatur im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache 170. Literarische Texte im Deutsch als Fremd- und Zweitsprache-Unterricht: Gegenstände und Ansätze 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
Literatur im Unterricht Deutsch als Fremdsprache Spezifika einer fremdsprachlichen Literaturdidaktik Hermeneutik des kulturell Fremden Kulturwissenschaftliche Neuorientierung Ansätze einer interkulturellen Literaturdidaktik Kompetenzorientierung in der fremdsprachlichen Literaturdidaktik Lesetheoretische Fundierung der Literaturdidaktik Zur Methodik des fremdsprachlichen Unterrichts Literatur in Auswahl
1. Literatur im Unterricht Deutsch als Fremdsprache Seit Mitte der 1970er Jahre hat sich die Fremdsprachendidaktik verstärkt literarischen Texten zugewandt. Dieses neue Interesse an Literatur resultiert zum einen aus der Unzufriedenheit mit dem bisherigen Fremdsprachenunterricht, seiner Schwerpunktsetzung und seinem Lehrtextangebot, zum anderen aus einer Neugewichtung dessen, was literarische Texte im Fremdsprachenunterricht leisten können. Die Fremdsprachendidaktik war wesentlich beeinflusst von der Pragmatik und ihrer Perspektive auf Sprache als ein soziales Handeln. Auf dieser Grundlage hat die Fremdsprachendidaktik die Fähigkeit der Lernenden, sich in verschiedenen Situationen des Alltags im Zielsprachenland zurechtfinden und verständigen zu können, zu einem obersten Lehr- und Lernziel erklärt. Zusammengefasst wurde der Komplex von zu erwerbenden Fähigkeiten in dem Konzept der kommunikativen Kompetenz. Entsprechend dieser Zielorientierung wurden mündliche Sprechfertigkeiten fokussiert; der Dialog und alltagspraktische Texte waren die bevorzugten Textsorten. Literarische Texte waren weitgehend verbannt, da sie als zu schwierig, zu lang und zu weit weg von den Anforderungen alltäglicher Kommunikation galten, oder aber sie wurden für Sprachlernzwecke eingesetzt, ohne ihrem literarisch-ästhetischen Charakter Rechnung zu tragen. An diesem Konzept der Fremdsprachenvermittlung setzte die Kritik an. Sie galt zum einen der Vorrangstellung des mündlichen Sprechens. Da in vielen Kontexten das Lernen der Fremdsprache und der Kontakt mit der Zielsprachenkultur primär über Texte erfolgen, sollte ein breites Angebot von Textsorten gesichert sein und vor allen die Lesefähigkeit entwickelt werden. Die Neugewichtung der Fertigkeiten zeigt sich in einschlägigen Artikeln wie denen von Piepho (1974), Kast (1980) und Löschmann (1975). Zum anderen wurde die Trennung von Sprachlernen und Literatur und die Abwertung von Literatur kritisiert. Im Unterschied zu Lehrbuchtexten bieten literarische Texte mehr Anreiz für
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eine echte Kommunikation und tragen damit auch zur Realisierung des kommunikativen Ansatzes im Klassenraum bei. Betont wurden ebenso die Lust am Lesen und damit der Motivationsfaktor für das Lernen im Fremdsprachenunterricht. Literarische Texte dienen nicht nur der Informationsentnahme, sondern wollen unterhalten und ein Vergnügen am Lesen bereiten und sind daher nicht einer pragmatisch-instrumentellen Funktionalisierung unterzuordnen. Ein weiteres Argument zur Legitimierung des Einsatzes literarischer Texte war pädagogisch motiviert und stammte vor allem aus dem schulischen Kontext. In dieser Sicht fördern literarische Texte die soziale, emotionale und kognitive Entwicklung von SchülerInnen, indem sie zur Identifikation anregen, zum Abarbeiten und Ausdifferenzieren von Inhaltskonzepten (Figuren, Situationen, Geschehnisse) und zu Korrekturen dessen, was ein Schüler an Weltsicht und Haltung mitbringt. Auf der Suche nach Merkmalen, die den fremdsprachlichen Literaturunterricht vom muttersprachlichen unterscheiden, werden als erstes die Fremdsprache, die damit einhergehende größere Distanz zwischen Text und Leser sowie Leseunterschiede zwischen mutter- und fremdsprachigem Leser genannt. Einige Autoren sehen die Andersheit des fremdsprachigen Lesens vor allem in der Lesegeschwindigkeit (Hunfeld 1980; Weinrich 1981). Der fremdsprachige Leser liest langsamer, weil die Fremdsprache nicht so geläufig ist und weil die Gegenstände unvertraut, fremd und nicht ohne weiteres zugänglich sind. Literarische Texte entschädigen den Leser jedoch für seinen Mehraufwand durch reichere Inhalte und schaffen eine Brücke, um die Diskrepanz zwischen beschränktem Sprachvermögen einerseits und dem bereits entwickelten kognitiven Apparat der Lernenden und ihren Inhaltsbedürfnissen andererseits überwinden zu helfen. Hunfeld (1980) und Weinrich (1981) heben die Korrespondenz zwischen dem fremdsprachenspezifischen Leseverhalten und der Eigenschaft literarischer Texte, den Leser zu irritieren und seinen ungebrochenen Lesefluss durch Techniken der Deautomatisierung und Verfremdung zu hintertreiben, hervor und plädieren dafür, dieses Potential im Fremdsprachenunterricht produktiv zu nutzen. Die Neusituierung von literarischen Texten im Deutschunterricht führte dazu, den Zusammenhang von Sprachenlernen, Literatur und Landeskunde neu zu bestimmen. Während in der einen Richtung literarische Texte eher Spracherwerbszielen untergeordnet wurden, betonte eine andere Richtung den Eigenwert literarischer Texte (Bredella 1985) und formulierte Lehr- und Lernziele, die sowohl dem ästhetischen Charakter literarischer Texte als auch ihrer Erkenntnisfunktion, Wissen über die fremde Wirklichkeit zu erlangen, gerecht zu werden versuchen. Da literarische Texte eine Fülle von Weltaspekten und Perspektiven auf die Welt enthalten, bieten sie dem fremdsprachigen Lerner die Möglichkeit, seinen eigenen Wahrnehmungs- und Erkenntnishorizont zu erweitern, den eigenen Blickpunkt zu relativieren und mehr von der Zielsprachenkultur und ihren Angehörigen verstehen zu lernen.
2. Speziika einer remdsprachlichen Literaturdidaktik Mit der Anerkennung von Literatur im Fremdsprachenunterricht in den 1980er Jahren setzte eine verstärkte Diskussion um die Frage ein, wie sich die Literaturdidaktik wissenschaftstheoretisch fundieren lässt (Bredella 1985) und worin das Spezifische einer fremdsprachlichen Literaturdidaktik besteht (Hunfeld 1980). Die Rezeptionsästhetik, insbesondere in der Ausprägung von Iser (1976), war von entscheidendem Einfluss auf die
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XVIII. Die Rolle der Literatur im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache
Neubegründung des fremdsprachlichen Literaturunterrichts, der sich abgrenzte von einer traditionellen Literaturdidaktik, die Texte zum Exerzierfeld für Sprachübungen und Verfahren der formalen und inhaltlichen Textanalyse machte. Die Rezeptionsästhetik rückte den Leser als die Instanz, die Sinn bildet, und seine Tätigkeiten in den Mittelpunkt und beschrieb die vielfältigen kooperativen Aktivitäten des Lesers, um das nur Angedeutete zu realisieren und sog. Leerstellen zu füllen. Die Beziehung zwischen Text und Leser wurde als ein dialogisches Verhältnis konzipiert. Aus der Lern- und Verstehenstheorie ergeben sich mehrere didaktische Konsequenzen. Sie zielen darauf ab, die Verantwortung für den eigenen Leseprozess dem Lerner in die Hand zu geben und seine Fähigkeit, Sinnzusammenhänge zu konstituieren, zu schulen. Entsprechend sollte das methodische Vorgehen auf den Offenheiten des Textes aufbauen und eine vielfältige Interaktion des Lerners mit einem Text in Gang setzen. Der Lerner soll befähigt werden, seine Fragen zu stellen und damit seinen Leseprozess zu strukturieren. Des Weiteren soll sein Vorwissen aktiviert werden, damit Neues mit dem, was ein Lerner bereits mitbringt, verknüpft werden kann. Die verschiedenen Entwicklungslinien in der Fremdsprachendidaktik verbinden sich in der bemühten Anstrengung um die Konturierung einer Literaturdidaktik als ein Fach mit eigenen Fragestellungen und einem eigenen Gegenstandsbereich. Im Unterschied zur Literaturwissenschaft thematisiert die Literaturdidaktik den literarischen Text im Lehrund Lernzusammenhang und stellt ihn damit in einen anderen Analyserahmen als die Fachwissenschaften. In ihm wird der Text in seinem Bezug zum Lerner, zu den Lernkontexten und -traditionen, seinem Schwierigkeitsgrad, seinem Aufbau und seinen Inhalten analysiert und im Hinblick auf Lehr- und Lernziele bewertet. In der zentralen Fragestellung, worin sich eine fremdsprachenspezifische Literaturdidaktik von einer muttersprachlichen unterscheidet, werden in der Fachliteratur mehrere Merkmale ins Spiel gebracht: Als erstes, wie bereits erwähnt, die Fremdsprache und ihre Erschwernisse, die sie dem Lesen und Verstehen auferlegt, und zweitens der größere kulturräumliche Abstand zwischen Text und fremdsprachigem Leser. Vom Muttersprachenunterricht unterschieden ist auch die Unterrichtssituation, zumal wenn die Kommunikation sich in der Fremdsprache vollzieht und dadurch die Möglichkeiten des Sprechens über Leseerfahrungen eingeschränkt sind. Die Fremdsprachlichkeit und der verlangsamte Lesefluss begrenzen den Umfang der Lektüre und die Menge der zu bearbeitenden Texte. Für die Auswahl der Texte sind daher die Vertrautheit mit Themen, sprachliche Schwierigkeiten, das vorausgesetzte kulturelle Vorwissen und die Länge der Texte zu berücksichtigen. Angewandte Verständlichkeits- und Lesbarkeitskriterien variieren ebenfalls zwischen Mutter- und Fremdsprachenunterricht. Da sich Verständlichkeit und Lesbarkeit nicht nur an Textmerkmalen, wie syntaktische Komplexität, bemessen, sondern in Abhängigkeit vom Leser und seinen Voraussetzungen bestimmt werden müssen, kommen fremdsprachenspezifische Differenzfaktoren ins Spiel. An dieser Stelle bedarf es einer Differenzierung einer fremdsprachlichen Literaturdidaktik des Faches Deutsch als Fremdsprache gegenüber einer Didaktik von Deutsch als Zweitsprache (DaZ), die an andere curriculare Vorgaben gebunden ist und mit einer sprachlich und kulturell heterogenen Lerngruppe konfrontiert ist. Der Lehr- und Lernzusammenhang, in dem ein literarischer Text steht, ist nicht homogen, sondern durch kulturelle Diversifikation der RezipientInnen gekennzeichnet. Gegenüber DaF kommen bei SchülerInnen mit Migrationshintergrund andere Variablen ins Spiel, die das Leseverständnis beeinflussen, insbesondere der sozioökonomische Status und das Bildungsmilieu
170. Literarische Texte im Deutsch als Fremd- und Zweitsprache-Unterricht
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der Eltern, die Abkapselung in Wohngebieten, die Kommunikationssprache (Erstsprache L1 vs. Zweitsprache L2), die Medienpraxis (L1 vs. L2) und die Sprachfertigkeiten der Eltern in der L2. Wohngebiete mit hohen Anteilen an sprachlich homogenen Migrantengruppen schränken die Kontaktmöglichkeiten zu deutschsprachigen Kindern/Jugendlichen ein und damit die Lernmöglichkeiten für die Zweitsprache. Das hat u. a. zur Folge, dass sich der Wortschatz zu wenig entwickeln kann und teilweise auch kulturelles Wissen der Mehrheitskultur nicht angeeignet werden kann. Im Zusammenspiel mit sozialen Faktoren wirken sich die Spracherfahrung und literale Praxis im Elternhaus (Vorlesen, Geschichten Erzählen, Zugang zu Gedrucktem) auf den zweitsprachlichen Leseerwerb aus (Ehlers 2008). Aufgrund einer mangelnden literalen Erfahrung zu Hause entwickelt sich nur wenig Verständnis für die Bedeutung schriftlicher Sprache und können sich Voraussetzungen für einen erfolgreichen Leseerwerb in der L2 nicht genügend entwickeln, was wiederum nachteilige Folgen für die gesamten Schulleistungen hat. DaZ fordert insofern eigene Interventionsmaßnahmen, wie z. B. vorschulische Sprachförderung und Ausgleichen einer fehlenden literalen Sozialisation im Elternhaus. Mit den Kontexten ändert sich die didaktische Analyse ein und desselben literarischen Textes, da ein Text je nach kulturellen Voraussetzungen und individueller Interessenlage der Zielgruppe verschiedene Anknüpfungsmöglichkeiten an Erfahrungen und Alltagswissen von Lernern bietet und andere Inhaltsaspekte eine Relevanz gewinnen, um Fremdheitserlebnisse auszulösen, zu vergleichen und, im Wechsel zwischen Eigenem und Fremdem, Verstehensmöglichkeiten zu erweitern. Die Neugewichtung von literarischen Texten im Fremdsprachenunterricht und die Entwicklung von Zielkomponenten, die auf Verstehen der fremden Kultur und ihrer Angehörigen ausgerichtet sind, schlagen sich ebenfalls in Lehrwerken, die ab den 1980er Jahren entstanden sind, nieder. „Sichtwechsel“ (Hog, Müller[-Jacquier] und Wessling 1984) arbeitet mit literarischen Texten und gibt vielfältige Anregungen, um perspektivisches Sehen und Fremdwahrnehmung zu fördern. „Die Suche“ (Eismann, Enzensberger und v. Eunen et al. 1994) arbeitet mit einer Detektivgeschichte, die sich durch die Lektionen zieht, begleitet von vielen Aufgaben, die den Leser veranlassen, den Text fragend, erwartend, suchend und entdeckend zu erarbeiten. Die Jugendliteratur wurde vor allem für junge Lerner als leicht lesbare und inhaltlich ansprechende Lektüre für den Fremdsprachenunterricht entdeckt (Kast 1985). Unterrichtsvorschläge wurden hinsichtlich verschiedener Gattungen und Genres differenziert. Texte der konkreten Poesie wurden als besonders geeignet empfohlen, da sie den spielerischen Umgang mit Sprache fördern. Auch wurde gezeigt, wie sich größere Textmengen, im Unterschied zu kleinen Prosaformen und Textauszügen, durch Entwicklung geeigneter Lesestrategien bewältigen lassen. Die Kinder- und Jugendliteratur hat inzwischen einen festen Platz im DaF-Unterricht erhalten mit Binnendifferenzierungen nach Genres, wie z. B. Kinderlyrik, und einer Anreicherung der Methoden, wie grenzüberschreitende Projekte (O’Sullivan und Rösler erscheint).
3. Hermeneutik des kulturell Fremden Eine andere Richtung, die auf dem Gedankengut der Rezeptionsästhetik und unterschiedlichen Theorien zum Fremdverstehen, wie der philosophischen Hermeneutik und der verstehenden Soziologie, aufbaut, ist die Interkulturelle Germanistik, die sich seit
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XVIII. Die Rolle der Literatur im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache
den 1970er Jahren zu einen eigenen Fach entwickelt hat (vgl. Art. 157). Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, deutsche Literatur als eine fremdkulturelle zu thematisieren und eine Hermeneutik kulturräumlicher Fremde zu entwickeln. Ihre Vertreter (Krusche 1985; Wierlacher 1980a, 1980b, 1985) betonen, dass LeserInnen unterschiedlicher sprachlicher und kultureller Herkunft gegenüber einem deutschsprachigen literarischen Text ihre eigenen Perspektiven einnehmen, die von ihrem kulturellen Hintergrund bestimmt sind. Die kulturräumliche Distanz zwischen Text und Leser ist das besondere Merkmal, das fremdsprachiges Lesen charakterisiert, im Unterschied zum muttersprachigen Lesen, bei dem vorrangig die zeitliche Distanz innerhalb eines Kulturraumes hermeneutisch reflektiert wurde. Verstehen vollzieht sich in dieser Perspektive in einer Dialektik von Eigenem und Fremdem. Kulturmündigkeit und das Gelten Lassen kultureller Andersheiten bilden die obersten Leitziele (Wierlacher 1980b). Zu den Aufgabenstellungen einer fremdkulturellen Literaturvermittlungslehre gehört es, kulturspezifische Lektüren und Rezeptionsbedingungen zu erforschen und zu klären, wie Distanzen zwischen Eigenem und Fremdem durch Vermittlungsarbeit überbrückt werden können. Literarische Texte nehmen Bezug auf verschiedene außertextuelle Wirklichkeitsbereiche und überlassen es dem Leser, Verbindungen zwischen ihnen herzustellen. Damit sind für den fremdkulturellen Leser erhöhte Anforderungen verbunden, da einige Bezüge kulturgeschichtliche Kenntnisse und literarisches Bildungswissen voraussetzen und somit nicht auf der Basis universaler Konzepte erschlossen werden können. Kulturelle Kompetenz, als ein anzustrebendes Lernziel, entwickelt sich durch solche zu erbringenden Verknüpfungs- und Integrationsleistungen in Auseinandersetzung mit literarischen Texten (Krusche 1985). Die Interkulturelle Germanistik hat durch ihre Thematisierung fremdkultureller Leseweisen, Perspektiven und Rezeptionsbedingungen den Blick auf deutschsprachige Literatur gegenüber der Inlandsgermanistik erweitert und eine hermeneutische Reflexion des Verstehens unter kulturräumlichen Bedingungen ausgelöst, die im Bereich von Deutsch als Fremdsprache produktiv wirksam geworden ist. Die konkreten Fragestellungen der literarischen Praxis hat sie jedoch weniger zu ihrem Thema gemacht. Auch steht der Nachweis kulturspezifischer Lektüren bislang aus. Der Versuch, anhand der Keller-Novelle „Pankraz“ kulturdifferente Deutungen zu erzeugen (Wierlacher und Eichheim 1992), zeigt die methodischen Schwierigkeiten eines solchen Bemühens. Kulturspezifische Merkmale waren in den Lektüren kaum zu erkennen. Entweder fanden sich Textinterpretationen bei allen Lesergruppen, oder es überwogen die individuellen und geschlechterdifferenten Merkmale gegenüber den gruppenunterscheidenden kulturellen Merkmalen (I˙ps¸irog˘lu und Mecklenburg 1992). Um in Textdeutungen fremdsprachiger Leser kulturspezifische Elemente identifizieren zu können, müsste geklärt werden, was ein Element der jeweiligen Ausgangskultur ist und wie und nach welchen Kriterien es in Textdeutungen identifiziert werden kann, im Unterschied zu persönlich geprägten oder intersubjektiven Elementen. Ebenfalls müsste die Vergleichbarkeit von Lektüren in den verschiedenen kulturellen Kontexten durch ein einheitliches methodisches Vorgehen gesichert sein.
4. Kulturwissenschatliche Neuorientierung Gegenüber einem traditionellen Landeskundeverständnis, das sich auf die Vermittlung von Fakten über die Zielsprachenkultur beschränkte, hat sich seit den 1990er Jahren ein
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neues Landeskundekonzept durchgesetzt, das auf Reflexion und Wahrnehmung setzt, die Funktion von Wissen im Erkenntnisprozess herausstellt und auf ein Verstehen von Angehörigen der Zielsprachenkultur, ihren Äußerungen, Lebensformen, sozialen Einbindungen, Verhaltensweisen und kulturellen Erzeugnissen zielt. Einem atomistischen Ansatz steht ein auf systematische Zusammenhänge ausgerichteter Landeskundeansatz gegenüber, der Hintergründe aufspürt, auf Fragen nach dem Warum und Woher eingeht und über die Aktualität von Geschehnissen hinaus eine Geschichtsdimension aufzeigt. Hinzukommt als Lernzielbereich der Komplex von Haltungen, Vorurteilen, Bildern und Stereotypen. In diesem Rahmen haben literarische Texte auch unter landeskundlichem Aspekt zunehmend an Bedeutung gewonnen, da gerade literarische Texte Unterschiede zwischen eigener und fremder Kultur verdeutlichen können und einen Zugang zum subjektiven Erleben fremden Handelns und Denkens ermöglichen. Fähigkeiten wie Empathie oder Perspektivenwechsel sind als Teile landeskundlicher Kompetenzen besonders gut über literarische Texte zu verwirklichen. In ihrer Bezugnahme auf Wirklichkeit sind literarische Texte Träger landeskundlicher Inhalte (vgl. Art. 173). Sie sind Zeugnisse fremden Lebens, geben Einblick in Schicksalszusammenhänge, Glaubensvorstellungen, Wertsysteme und soziale Hierarchien. Doch thematisch werden nicht nur materielle Lebensbedingungen und soziale Strukturen, sondern auch der Bereich des Mentalen mit seinen Wertvorstellungen, Glauben, Ideen, Meinungen, die das Verhalten von Individuen bestimmen und in verschiedenen Texten symbolisiert werden, wie z. B. Glücksvorstellungen in Utopien, Idyllen oder Märchen. Eine zentrale Frage ist dabei, wie kulturelles Hintergrundwissen, das für das Textverständnis notwendig ist, organisiert und vermittelbar ist. Ein Vorschlag von S. J. Schmidt (1980) geht dahin, dieses Wissen als Kontextwissen zu konzeptualisieren, das jedoch in Bezug auf den konkreten Text und in Abhängigkeit von der Zielgruppe und ihren Vorkenntnissen zu spezifizieren ist. Das Verständnis von Landeskunde, deren Verhältnis zur Literatur und das Konzept von Hintergrundwissen haben in jüngerer Zeit neue Impulse durch die Kulturwissenschaften erfahren. Seit den 1990er Jahren steht die Wende und postulierte Orientierung der Literaturwissenschaften zur Kulturwissenschaft (Bachmann-Medick 1996) im Mittelpunkt der Diskussion in den philologischen Disziplinen. Infrage gestellt wurde der tradierte Wissens- und Theoriekanon, um sich kulturellen Formen der Selbstauslegung, Inszenierung, Medialität und transkulturellen Kommunikationsprozessen zuzuwenden. Die Gegenstandsbestimmung der Kulturwissenschaft beruht wiederum auf unterschiedlichen Kulturtheorien, wie der Kultursemiotik. Ihr Ziel ist es, kulturelle Sinnkonstruktionen, Denkformen, Empfindungsweisen und Werte, wie sie sich in Symbolsystemen manifestieren, zu untersuchen. Der cultural turn hat auch zu einem Fokuswechsel und einer kulturwissenschaftlichen Neufundierung der Landeskunde- und Literaturdidaktik im Bereich DaF geführt. Einflussreich ist insbesondere der Aspekt der kulturellen Implikationen literarischer Texte, der lebensweltlichen Bezüge in der Literatur und der kulturell geprägten Rezeptionen. In Weiterentwicklung der Metapher „Kultur als Text“ von Geertz (1983) spricht Altmayer von „Kultur als Hypertext“ (2004) und grenzt sich damit von S. J. Schmidts Konzept von Kontextwissen als einem objektiven Wissen, das sich auf eine faktisch gegebene Wirklichkeit bezieht, ab. Nach Altmayer ist Wirklichkeit nur als gedeutete und textvermittelte zugänglich. Formen kultureller Deutungsmuster gehen in die Texte ein, die ihrerseits wiederum in Beziehung zu Texten stehen, in denen solche Deutungsmuster thematisiert und reflektiert werden, so dass eine netzartige Struktur
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entsteht. Aufgabe einer kulturwissenschaftlichen Textanalyse besteht darin, diese Verknüpfungen und Deutungsmuster herauszuarbeiten, um lebensweltliche Denk- und Wahrnehmungsmuster, die unserem Zugang zur Wirklichkeit zugrunde liegen, aufzuschließen und sie für fremdkulturelle Verstehensprozesse nachvollziehbar zu machen
5. Ansätze einer interkulturellen Literaturdidaktik Parallel zu diesen Entwicklungen in den fremdsprachenphilologischen Didaktiken hat sich eine als „interkulturell“ zu apostrophierende Literaturdidaktik herausgebildet. Sie subsumiert eine Reihe von Ansätzen, denen gemeinsam ist, dass sie das Aufeinandertreffen verschiedenen Kulturen in sprachlicher, biographischer und inhaltlicher Hinsicht mit den vielen Kontakt- und Überschneidungssituation thematisieren (s. Honnef-Becker 2007). Das betrifft die Darstellung kulturell fremder Welten in den Texten, die Thematisierung von Kulturkontakten mit ihren vielfältigen Formen von Identifikation, Abwehr, Konflikten und Toleranz, der Autorschaft (Autor als Angehöriger einer anderen Kultur und zugleich Leben in kulturellen Räumen von Minderheiten) sowie des Rezipienten und seiner textvermittelten Begegnung mit anderen Kulturen, insbesondere im Kontext von gesellschaftlicher Mehrsprachigkeit, wie sie aufgrund von Migrationsbewegungen entstanden ist. Die interkulturelle Literaturdidaktik macht das Schreiben in einer fremden Sprache, die Verwendung mehrerer Sprachen in den Texten, z. B. bei Özdamar, die migrationsbedingte Fremdheitserfahrung, das Leben in kulturellen Zwischen- und Grenzräumen, die verschiedenen kulturellen und sozialen Milieus innerhalb einer Gesellschaft zu ihrem Gegenstand. In Abgrenzung von Theorien, die Kultur als homogene und in sich geschlossene Räume konzipieren, werden hier Kontaktschwellen, Grenzüberschreitungen und die Pluralisierung von Kulturen betont. Das Konzept der Hybridisierung von Identität durch Teilhabe an mehreren Kulturen hat in diesem Diskurs eine Prominenz gewonnen. Zur ausgewählten Literatur gehören zum einen die Migrationsliteratur als die Literatur von Minderheiten, die spezifische Erfahrung von Migration thematisiert (vgl. Art. 174), zum anderen postkoloniale Literatur, Exil- und Reiseliteratur und Kinder- und Jugendliteratur (vgl. Art. 175), die die kulturelle Fremdheit aus der Perspektive des Kindes und Jugendlichen behandelt. Migrationsliteratur ist von der Autorschaft, den verwendeten Sprachen und der Thematik von Fremderfahrung ein relevantes Thema einer Didaktik des Deutschen als Zweitsprache (Rösch 1992), findet aber auch zunehmend Beachtung im Kontext von DaF (Esselborn 1997, 2007; Schenk 2003; Wintersteiner 2003). Migrationsliteratur ist kein rein binnenliterarisches Thema, sondern immer auch ein politisches, da sich in ihr Fremdheitserfahrungen, kulturelle Konflikte und sozialpolitische Realitäten, wie Ausländer- und Sprachpolitik oder Dominanzverhältnisse von Mehrheiten und Minderheiten, spiegeln und Prozesse der Selbstdefinition und kulturellen Verortung von Autoren nicht losgelöst von gesellschaftspolitischen Zusammenhängen zu sehen sind. Die Texte sind daher nicht unabhängig von dem öffentlichen Diskurs um den Status der Literatur, die Autoren, ihre kulturelle Zugehörigkeit und die Zuschreibungen, die von außen vorgenommen werden, um kulturelle Grenzverschiebungen und fraglich gewordene Identitätsbestimmungen zu reflektieren, zu behandeln.
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6. Kompetenzorientierung in der remdsprachlichen Literaturdidaktik Im Brennpunkt der Literaturdidaktik in den fremd-/zweitsprachlichen Fächern in den Schulen steht die derzeitige Bildungsdebatte um Kompetenz- und Outputorientierung. Hintergrund dieser Debatte ist der seit geraumer Zeit konstatierte Rückgang in der Lesekompetenz von Risikoschülern, zu denen vor allem Schüler mit Migrationshintergrund gehören, und den daraus resultierenden Folgen von Leistungs- und Bildungsheterogenität in der Gesellschaft (Lehmann et al. 1995; Deutsches PISA-Konsortium 2001). Diese Befunde haben zu einer Umorientierung in der Bildungspolitik und der Forderung nach Kompetenzorientierung in den Fächern geführt, die derzeit kontrovers geführt wird, wie der Sammelband von Lothar Bredella und Wolfgang Hallet (2007) dokumentiert. Die hier eingenommenen Positionen wenden sich gegen einen verengten und auf testbare, operationale Fertigkeiten reduzierten Literaturbegriff und -unterricht sowie die zunehmende Marginalisierung von Literatur (auch im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen). Dem wird einerseits der spezifische Bildungsinhalt literarischer Texte, der nicht zuletzt in ihrer welterzeugenden und -erschließenden Kraft liegt (Bredella 2007: 65), entgegengehalten, andererseits bemühen sich mehrere Beiträge um einen differenzierten Kompetenzbegriff, indem z. B. die Besonderheit narrativer Verstehensfähigkeiten und deren Bedeutung für den Fremdsprachenunterricht herausgearbeitet werden (Ehlers 2007; Nünning und Nünning 2007). Erzählungen kommt insofern eine hohe Bedeutung zu, als im Erzählen persönliche und soziale Erfahrungen, Erlebnisse, Interaktionen und Wissen über die Welt organisiert und tradiert werden. Da erzählten Geschichten Handlungsstrukturen zugrunde liegen und der Leser Motive und Absichten von Figuren, Konflikte und mögliche Erzählpläne rekonstruieren muss, die ihrerseits wiederum Kenntnisse z. B. über eine geltende normative Ordnung oder soziale Verpflichtungen voraussetzen, kommt eine epistemische Komponente ins Spiel. Auf der Grundlage narrativer Strukturen und einer handlungstheoretischen Fundierung von Erzählkategorien lässt sich eine narrative Verstehenskompetenz beschreiben, die Lehr-/Lernziel für den fremdsprachlichen Literaturunterricht bildet. Erzählstrukturen bieten zudem die Möglichkeit, Fremdverstehen zu operationalisieren. Eine theoretische Grundlage dafür bieten Handlungstheorien von Piaget (1936/1969) und Geulen (1982), die das Verstehen als einen komplexen Wahrnehmungsvorgang der Dezentrierung, Rekonstruktion der Perspektive des Anderen und der Koordination mit der eigenen beschreiben. Bezogen auf Erzähltexte besteht ein erster Handlungsschritt darin, die Perspektiven von Figuren zu ermitteln: ihre Weltorientierung, Motive, inneren Gefühlslagen. Die Einzelperspektiven müssen im zweiten Schritt aufeinander bezogen werden, um Figurenanordnung und Polaritäten zwischen Figuren herauszuarbeiten. Eine weitere Perspektive betrifft die Ebene des erzählerischen Diskurses, insbesondere den Erzähler und seine Wertungen und Haltungen sowie seine Motivation, eine Geschichte zu erzählen, aber auch Reflektorfiguren innerhalb der erzählten Welt.
7. Lesetheoretische Fundierung der Literaturdidaktik In einer anderen Richtung wird von einer lesetheoretischen Fundierung einer fremdsprachlichen Literaturdidaktik ausgegangen, um den zweit-/fremdsprachlichen Lesebedingungen Rechnung zu tragen (u. a. Kast 1980, 1985). Im Unterricht müssen neben
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elementaren Lesekompetenzen und literarischen, interkulturellen Kenntnissen (Texte, Autoren, Weltbezüge) auch höherstufige Fähigkeiten zum Textverstehen aufgebaut werden. Die Strukturierung des Erwerbs und der Aneignung von Lese-/Deutungskompetenzen erfolgt in curricularer Abstufung vom beginnenden Lesen in der L2 bis zur Entwicklung elaborierter Verstehensfähigkeiten, die einen selbstständigen und reflektierten Umgang mit fremdsprachlicher Literatur ermöglichen. Grundlage für eine Literaturdidaktik, die vom Lesen ausgeht, ist die kognitionspsychologisch fundierte und empirisch arbeitende Leseforschung, die Lesen als eine komplexe Fähigkeit, die in einzelne Teilfähigkeiten untergliedert werden kann, betrachtet (Ehlers 1998). Kennzeichen moderner Lesetheorien ist die Hinwendung auf den Prozess des Lesens gegenüber dem Produkt, seine Untergliederung in mehrere Ebenen, die parallele Verarbeitung auf diesen Ebenen und die Interaktivität von Prozesskomponenten. Der Prozess, der mit primären Wahrnehmungsvorgängen beginnt, über die Worterkennung, die syntaktische und semantische Verarbeitung bis zur Textverarbeitung läuft, zielt auf das Verstehen eines Textes. Der Leser macht dabei zu verschiedenen Zeitpunkten von verschiedenen Wissensquellen Gebrauch (mitgebrachtes Wissen, Textdaten). In einer älteren Terminologie hat man die Verfügbarkeit und Nutzung verschiedener Wissensquellen als Richtungsverlauf des Verstehens von unten (bottom up) und von oben (top-down) beschrieben (Rumelhart 1980), das der Beziehung von Teil ⫺ Ganzes in der Hermeneutik entspricht. Eine Schlüsselrolle beim Leseverstehen spielen selektive Mechanismen. Der Leser muss Wichtiges von Unwichtigem trennen und fortlaufend den Fokus wechseln, um Informationen behalten und zugleich Neues aufnehmen und mit dem Alten verknüpfen zu können. Leitbildend ist das Thema, aber auch kulturelle Regeln und Konventionen lenken die Aufmerksamkeit des Lesers. Gegenüber diesen objektiven Selektionskriterien kommen subjektive ins Spiel, indem der Leser seine Perspektive und seine Interessen an den Text heranträgt. Die Vertrautheit mit Textinhalten kann den Leser entlasten, ebenso wie die Vertrautheit mit formalen Strukturen, da sie dem Leser signalisieren, wo relevante Informationen in einem Text zu finden sind und wonach er suchen könnte. Konventionen entlasten den Leser und bilden zugleich den Grund, vor dem Unvertrautes und Unerwartetes hervortritt und damit höhere Aufmerksamkeit beansprucht. Auch Emotionen steuern die Aufmerksamkeit: Je nach Sympathie oder Antipathie, nach Identifikation und emotionaler Beteiligung mit Geschehnissen, wendet sich der Leser Gegenständen zu oder von ihnen ab, nimmt er etwas auf, erinnert oder vergisst er. Ein zentraler Faktor ist zudem die Motivation: Sie bestimmt den Grad der Aufmerksamkeit und den kognitiven Aufwand, den ein Leser zu investieren bereit ist. Lesen ist des Weiteren dadurch charakterisiert, dass der Leser fortlaufend über das Gedruckte und wörtlich Gesagte hinausgeht und mehr liest, als in einem Text geschrieben steht. Informationen, die der Leser beisteuert, um zu kohärenten Zusammenhängen und damit zu einem Verstehen zu gelangen, nennt man Inferenzen. Um notwendige Informationen abzuleiten, stützt sich der Leser auf Weltwissen und auf explizite Informationen in einem Text. Sie sind von unterschiedlichem Typ (Herstellen anaphorischer Beziehungen oder Ableiten von Handlungsmotiven), treten zu unterschiedlichen Zeitpunkten und mit unterschiedlicher Schnelligkeit auf. Inferenzen sind eine Quelle für kulturelle Missverständnisse. Selektionen und das Ausmaß der Inferiertätigkeit, die zu einer armen oder reichen Bedeutungsstruktur führt, sind einerseits von der Aufgabenstellung und den Textstrukturen bestimmt, andererseits von dem Interesse und der Perspektive des Lesers. Es
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gehört zu den Eigenschaften der Texte, dass sie an der Textoberfläche vieles ungesagt lassen und nicht explizieren, was zum Verständnis erforderlich ist. Das geschieht im Vertrauen darauf, dass Leser über die Voraussetzungen verfügen, um verborgene Zusammenhänge zu erfassen. Unterstellt wird ein geteiltes Wissen über die Welt, Sprache, Texte und Gattungen; diese gemeinsame Verständigungsbasis steht unter den Bedingungen von Fremdsprachlichkeit und zeitlicher, kultureller Distanz zwischen Text und Leser in Frage. Sie herzustellen, fordert Interpretationsarbeit. Insofern ist das Lesen ein interaktiver und konstruktiver Akt, als der Leser Informationen beisteuern muss, um zu einer kohärenten Struktur und damit zu einem Verstehen zu gelangen. Zu den Grundannahmen der Literaturwissenschaft und einer didaktisch geleiteten Lesepraxis gehört, dass Gattungskonventionen und Textsortenspezifika das Verstehen lenken, eine je eigene Lesehaltung fordern und die Interpretationsspielräume wiederum begrenzen. Das Lesen und Verstehen erzählender Texte fordert eine spezifisch narrative Kompetenz, die beim Lesen aber auch in anderen medialen Präsentationen des Narrativen, wie Film, zur Anwendung kommt. Ein Bindeglied zwischen einem kognitionspsychologisch fundierten Lesekonzept und dem Narrativem bieten selektive und inferentielle Aktivitäten des Lesers, jene Schlüsselkompetenzen, ohne die ein Verstehen von Erzähltexten nicht möglich ist Sie bieten eine operationale Grundlage für die Beschreibung von Leserhandlungen, die auf die Herstellung von Kohärenz zielen, wie z. B. Motive und Beziehungen zwischen Figuren ableiten. Eine Lese- und Literaturdidaktik des Faches Deutsch als Fremdsprache muss die Besonderheiten des fremdsprachlichen Leseprozesses berücksichtigen, der durch eine eigene Dynamik und ein eigenes Zusammenspiel verschiedener Variablen bestimmt ist, wie das Verhältnis von Mutter- und Fremdsprache, die Fremdsprachenkenntnisse, die Leseflüssigkeit und das kulturelle Wissen.
8. Zur Methodik des remdsprachlichen Unterrichts Aufbauend auf den Prämissen der Rezeptionsästhetik und literaturdidaktischen Reflexionen, wurde eine Reihe von konkreten Methodenvorschlägen für die Unterrichtspraxis entwickelt, um den Leser zu sinnbildenden Prozessen anzuregen und dabei auch der Diskrepanz zwischen fremdsprachlichem Text und Leser Rechnung zu tragen. Es ist nicht nur die Sprache, die fremd ist, und die immer wieder Aufmerksamkeit beansprucht, sondern es sind vor allem die kulturspezifischen Inhalte, die somit in Vermittlungsschritten erschlossen werden müssen. Unter methodischem Aspekt gilt es einmal, das Vorwissen des Lesers zu einem Thema zu aktualisieren oder durch andere Quellen zugänglich zu machen, vor allem geht es darum, an der Erfahrung des Lesers anzusetzen und das Vorgehen im Unterricht so zu gestalten, dass der Lernende seine Erfahrungen ausdrücken (Bredella 1985, 1986), spontan auf Texte reagieren und seine Meinungen und persönlichen Eindrücke einbringen kann. Die schöpferischen Momente des Lesens literarischer Texte sollten durch Anschlusshandlungen, wie Schreiben, Umgestalten von Texten, zu Ende führen einer Geschichte, Ausdenken, was wäre wenn oder was eine Figur denkt, Rollenspiele und Unterrichtsprojekte gefördert werden (Mummert 1984; Kast 1994). Die Handlungs- und Produktionsorientierung, die seit den 1980er Jahren zu einem Kernbestand der Fachdidaktik Deutsch gehört (Haas 1984), hat auf die konkreten unterrichtspraktischen Vorschläge zur Arbeit mit literarischen Texten im fremdsprachlichen
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Deutschunterricht einen maßgeblichen Einfluss ausgeübt. Handlungsorientierung bedeutet, dass der Leser gestalterisch in Texte eingreift, indem er sie fort- und umschreibt, verändert, alternative Perspektiven durchspielt und Offenheit phantasievoll füllt. Die Ausubel-Forschung (Ausubel 1968) war von großem Einfluss auf die Lese- und Literaturpädagogik. Sie hat die Bedeutung des Vorwissens für das Textverstehen hervorgehoben. Die sogenannten prereading activities, die vor der Lektüre erforderliches Hintergrundwissen bereitstellen oder wachrufen möchten, finden sich in vielen unterrichtspraktischen Vorschlägen der Fremdsprachendidaktik. Jedoch ist Skepsis gegenüber dem positiven Effekt solcher Maßnahmen im Unterricht geboten. Das Bereitstellen von Vorwissen für literarische Texte ist nicht unbedingt eine empfehlenswerte Lehrstrategie, da der Deutungsprozess dadurch determiniert wird. Zudem besteht in der Unterrichtspsychologie Uneinigkeit über die positiven Effekte dieser Maßnahme, weil unklar ist, ob das Wissen, das der Lehrer bereitstellt, das ist, was für das Textverstehen gebraucht wird, und ob es das ist, das der Lerner verwendet, um zu einem Verstehen zu gelangen (zur kritischen Diskussion s. Ausubel 1978). Die Förderung verschiedener Leseformen, die der abgestuften und auf die eigenen Leseziele bezogenen Informationsentnahme aus Texten dienen, wie Texte überfliegen oder genau lesen, wurde in Verbindung mit literarischen Texten als Übungsmöglichkeiten und zur Phasierung des Unterrichts vorgeschlagen. Das Vergleichen wurde zu einem bevorzugten Verfahren zur Förderung fremd- und eigenkultureller Verstehensfähigkeiten. Es bezieht sich sowohl auf Texte, die das gleiche Thema/Motiv gestalten, um darin Perspektiven und ihre Veränderung innerhalb des deutschsprachigen Raumes herauszuarbeiten, als auch auf eigen- und fremdkulturelle Erfahrungen und Konzepte. Weitere methodische Empfehlungen, wie das Hypothesenbilden und Testen, die Unterbrechung und -untergliederung des Lesevorganges, das Motivieren von Schülern, Empfehlungen zur Hauslektüre, ergänzende Texte, um Hintergrundwissen zur Verfügung zu stellen, Integration mit anderen Medien wie Film und Video und Verständniskontrollen wurden im Zusammenhang mit theoretischen Reflexionen zur Arbeit mit literarischen Texten gegeben oder in konkreten Arbeitsvorschlägen und Didaktisierungen praktisch vorgeführt (Kast 1980, 1985; Bredella 1986; Ehlers 1992). In der fremdsprachlichen Literaturdidaktik (Ehlers 1998; Hunfeld 1980) ist wiederholt auf die Funktion der Interaktion und des Gesprächs im Klassenraum hingewiesen worden. Teilnehmer brauchen nicht nur eine Sprache, um sich und ihre Erfahrungen ausdrücken zu können, sondern auch literarische Beschreibungskategorien (Reim, Vers, Erzähler etc.). Der Lehrer muss über ein Repertoire an methodischen Verfahren verfügen, damit innere Vorgänge öffentlich und Verständigungshandlungen zwischen den TeilnehmerInnen ermöglicht werden. Geeignet sind Leseprotokolle, Fragebögen zur Ermittlung von verwendeten Lesestrategien, Strategien der Aufmerksamkeitslenkung und der Perspektivenverschiebung. Der Dialog im Klassenraum mit seinen wechselseitigen Bezugnahmen der TeilnehmerInnen aufeinander gewinnt eine Lernqualität, indem das Lesen in einen kommunikativen Rahmen eingebettet wird und Prozesse der Verschiebung von Perspektiven, des Infragestellens des eigenen Blickpunktes, des Wahrnehmens anderer Aspekte als der, die im bisherigen Sehfeld lagen, das Offenhalten von Alternativen, des imaginativen Durchspielens anderer Lebensformen, der Selbstüberprüfung und des Aushandelns von Bedeutungen in Gang gesetzt werden können. Grundlage für die verschiedenen Lese- und Deutungsaktivitäten sind immer wieder Auslassungen in den Texten, die aus den Zwängen der Schreibökonomie resultieren und
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im Vertrauen darauf, dass Leser über das vorausgesetzte Wissen verfügen, um fehlende Verbindungsstücke, ausgesparte Selbstverständlichkeiten und unausgesprochene Absichten zu erschließen. Diesen Vertrag, den die Lesenden stillschweigend eingehen, der auf Ketten von Annahmen über ein gemeinsames kulturelles Wissen und wechselseitigen Erwartungen beruht, sollte nicht einseitig zugunsten des Lesers aufgelöst werden, damit Textverstehen nicht in Beliebigkeit zerfällt, sondern immer auch den Konventionen und Regeln der Erzeugung von Texten und ihren Welten folgen, um das Textverständnis zu objektivieren und den Lerner mit den erforderlichen Kompetenzen für den Umgang mit fremdliterarischen Texten auszustatten. Eine Didaktik des Buches empfiehlt sich auch als ein Beitrag zur fremd- und insbesondere zweitsprachlichen Lesesozialisation und einer Buch- und Lesekultur. Dazu gehören z. B. Besuche von Bibliotheken und Buchhandlungen mit Arbeitsaufträgen, Kooperationen mit Autoren, Lesekisten, freie Lesestunden, Erstellen einer Schülerzeitung, Vorbereiten einer Buchausstellung, Nutzen des Internets für die Literaturarbeit, Romanverfilmungen, Anfertigen eines Literaturkalenders und eine Jugendbuchwoche.
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Swantje Ehlers, Gießen (Deutschland)
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Einleitung Hermeneutik kulturräumlicher Distanz und kulturspezifische Lektüren Neuere Ansätze einer Didaktik deutschsprachiger Literatur als fremdkultureller Literatur Literatur und kulturelles Lernen im Zeichen eines nicht-essentialistischen Kulturbegriffs Literatur in Auswahl
1. Einleitung In der Debatte um die Konturierung einer eigenständigen literaturwissenschaftlichen Perspektive im Fach zu Beginn der 1980er Jahre hat man sich sehr früh auf zwei Paradigmen festgelegt, in deren Denkzusammenhängen sich auch neuere Arbeiten zumeist bewegen. So wurde zum einen ⫺ vor dem Hintergrund des im kommunikativen Fremdsprachenunterricht zentralen Prinzips der Lernerorientierung ⫺ das literarische Kommunikationsmodell der Rezeptionsästhetik zur Grundlage der wissenschaftlichen Reflexion von Literatur und Literaturvermittlung im Fach erklärt, in dem das Verhältnis von Text und Leser als ein dialogisches konzipiert und dem Leser eine zentrale Rolle bei der Konstitution der Bedeutung literarischer Texte zugewiesen wird. „Bedeutungen literarischer Texte werden überhaupt erst im Lesevorgang generiert; sie sind das Produkt der Interaktion von Text und Leser und keine im Text versteckten Größen (…)“ (Iser [1970] 1975: 229) ⫺ so das von Iser formulierte Credo der Rezeptionsästhetik, das einer Literaturwissenschaft und -didaktik, die sich allein auf die Autorität des Autors oder des Textes beruft, den Boden entzog. In literaturwissenschaftlichen und -didaktischen Konzepten im Fach Deutsch als Fremdsprache wurde der Lerner dementsprechend primär als Leser in den Blick genommen, dessen Auseinandersetzung mit dem Text sich vor dem Hintergrund individueller, aber auch kulturell geprägter Erfahrungen vollzieht. In der Engführung von Lerner und Leser wurde dabei allerdings eine gesonderte Reflexion der Lernerperspektive vernachlässigt. Darüber hinaus wurden grundlegende Unklarheiten der Rezeptions- und Wirkungstheorie, die u. a. die Frage nach dem Stellenwert der Textvorgabe für
178. Literatur, Kultur, Leser und Fremde ⫺ Theoriebildung und Literaturvermittlung 1545 die Rezeption und Fragen des genauen Zusammenspiels von Textvorgabe und Leseraktivität betreffen, kaum diskutiert, sondern oftmals weitgehend unreflektiert in Konzepte der Arbeit mit Literatur im Fach Deutsch als Fremdsprache transferiert. Zum anderen postulieren die meisten Ansätze die Kategorie kulturelle Fremdheit als Basiskategorie. Damit legen sie für die Auseinandersetzung mit Literatur im Fach ein interkulturelles Paradigma zugrunde, das diese mit dem Ziel verbindet, Unterschiede von eigener und fremder Wirklichkeitssicht bewusst zu machen. In der dichotomen Gegenüberstellung von eigen- und fremdkultureller Literatur, einer eigen- und einer fremdkulturellen Perspektive auf literarische Texte und von jeweils quasi hinter den Texten liegenden und die Auseinandersetzung mit Texten bestimmenden fremden und eigenen Kulturräumen zeichnet sich ein essentialistischer Kulturbegriff ab. Dieser wird jedoch der inneren Differenzierung und äußeren Verflechtung von Kulturen sowie der Komplexität und Dynamik kultureller Prozesse nicht gerecht. Vor dem Hintergrund wirtschaftlicher und kultureller Globalisierung und dem Phänomen weltweiter Migration wurde deshalb in den letzten 20 Jahren im Zusammenhang unterschiedlicher Disziplinen ein dynamischer Kulturbegriff ausgearbeitet, der die Denkkategorien interkultureller Ansätze radikal in Frage stellt und deren Ablösung oder zumindest Neubestimmung erforderlich macht. Während hieraus in der Fremdsprachendidaktik im Allgemeinen (vgl. z. B. Hu 2007) und in der Diskussion um neue Landeskundekonzepte im Fach Deutsch als Fremdsprache im Besonderen (z. B. Altmayer 2006) bereits Konsequenzen gezogen wurden, steht die Entwicklung von Konzepten für die Arbeit mit Literatur, die dem Rechnung tragen, noch am Anfang.
2. Hermeneutik kulturräumlicher Distanz und kulturspeziische Lektüren Dass sich die Rezeption literarischer Texte aus der Perspektive der eigenen Kultur und der Perspektive „kulturräumlicher Distanz“ (Krusche 1985) unterscheiden, dass mithin fremdsprachige und in anderen kulturellen Kontexten sozialisierte Leser, die sich mit deutschsprachiger Literatur auseinandersetzen, eine eigene Rezeptionsposition einnehmen, die es zu berücksichtigen und produktiv zu machen gilt, stellt die grundlegende These des Anfang der 1980er Jahren entwickelten literaturwissenschaftlichen Ansatzes der interkulturellen Germanistik dar. Der Begriff der interkulturellen Germanistik stand dabei für Bestrebungen, das damals neue universitäre Fach Deutsch als Fremdsprache als ein germanistisches Fach zu konzipieren. Im Zusammenhang der 1984 gegründeten Gesellschaft für Interkulturelle Germanistik und deren zahlreichen Publikationen wurde jedoch schon bald der Anspruch zur Entwicklung einer umfassenden Fremdkulturwissenschaft vertreten (vgl. Art. 157). In ihrem literaturwissenschaftlichen und -didaktischen Ansatz knüpft die interkulturelle Germanistik an theoretische Grundlagen der philosophischen Hermeneutik Gadamers an. Durch die Postulierung einer „Hermeneutik kulturräumlicher Distanz“ (Krusche 1985) setzt sie sich jedoch gleichzeitig von deren ausschließlicher Ausrichtung auf das Verstehen von Texten ab, die in einer historischen Distanz zum Rezipienten liegen.
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Während bei Gadamer die Möglichkeit des Verstehens an das Bestehen eines wirkungsgeschichtlichen Kontinuums zwischen Rezipient und Text gebunden ist, wirft die interkulturelle Germanistik in der Polarisierung von Fremd- und Eigenkultur die Frage nach dem Verstehen von Texten auf, die aufgrund ihrer Zuordnung zu einem fremden Kulturraum gerade nicht bruchlos an eigene Traditionszusammenhänge angeschlossen werden können. Da Fremdverstehen, wie Wierlacher (1985) hervorhebt, immer nur auf der Basis des eigenen Vorverständnisses erfolgen könne, Texte also auf der Grundlage eigener kultureller Erfahrungszusammenhänge jeweils unterschiedlich konkretisiert werden, komme es darauf an, kulturdifferente Lektüren nicht unter dem Verdikt eines falschen Verstehens zu unterbinden. Fremdkulturelle Lektüren seien vielmehr für eine „Hermeneutik des Komplements von kulturell differenten Außenansichten und kultureller Innendeutung“ (Wierlacher 1985: 11⫺12) produktiv zu machen. GermanistInnen verschiedener Herkunftsländer mit Interesse am kulturellen Austausch, aber auch Lehrenden und Lernenden im interkulturellen Literaturunterricht im Fach Deutsch als Fremdsprache biete die Zusammenschau von kultureller Innen- und Außenperspektive die Einnahme verschiedener kultureller Verstehensrollen. Dies ermögliche ein umfassendes Kulturverstehen, in dem Fremdheit zum „Ferment“ der Kulturentwicklung werde (Wierlacher 1985). Oberstes Lernziel bilde der Aufbau von „Kulturmündigkeit“, die über die Auseinandersetzung mit „fremdkulturellen“ Zusammenhängen auch die Erkenntnis der eigenen kulturellen Voraussetzungen umfassen sollte (Wierlacher 1980: 157). Die zentrale Mittlerrolle zwischen Kulturen, die literarischen Texten hier zugewiesen wird, leitet sich dabei aus einem rezeptionsästhetisch begründeten Literaturverständnis ab, das von einer grundlegenden Deutungsoffenheit literarischer Texte ausgeht, deren Bedeutungspotential es in der Interpretation durch den Anschluss an mögliche, außerhalb des Textes liegende Referenzrahmen zu konkretisieren gelte (Steinmetz 1992). Literaturdidaktisch umgesetzt findet sich dieser Ansatz in Krusches Konzept des interkulturellen Lesergesprächs (Krusche 1985), das darauf abzielt, Leser aus verschiedenen „Kulturkreisen“ mit dem literarischen Text ins „Gespräch“ zu bringen, ihnen subjektive Lese-Erfahrung zu ermöglichen und in der gemeinsamen Auseinandersetzung mit dem Text kommunizierbar und untereinander vergleichbar zu machen. In der Akzentuierung subjektiver Lese-Erfahrung knüpft Krusche an die Leseakt-Theorie Isers an, die davon ausgeht, dass literarische Texte Wirklichkeit nicht abbilden, sondern dem Leser Einstellungen und Perspektiven anbieten, „in denen eine durch Erfahrung gekannte Welt anders erscheint“ (Iser 1975: 233). Aufgrund der für literarische Texte charakteristischen strukturellen Unbestimmtheit ist der Leser ⫺ will er die ihm vom Text angebotenen Einstellungen und Perspektiven konkretisieren ⫺ jedoch auf seine eigene Erfahrung verwiesen. Im Akt des Lesens vollzieht sich also eine „Verflechtung von Fremd- und Selbsterfahrung“ (Krusche 1985: 141). Ziel der Arbeit mit Literatur im Fremdsprachenunterricht müsse es dementsprechend sein, dem Leser Texte so zu vermitteln, dass er ⫺ ohne sein Lesen durch zu viele Zusatzinformationen zu hemmen ⫺ „diese Fremde für sich entdecken, sie im Leseakt selbst realisieren kann“ (Krusche 1985: 186). Fremdverstehen vollzieht sich also nach Krusches Konzept sowohl in der Auseinandersetzung des Lesers mit dem fremden Text als auch in der Kommunikation über verschiedene fremdkulturelle Lektüren. In der Ausrichtung auf die Formulierung von Unterschieden in der Reaktion auf Texte, die in eine Reflexion von unterschiedlichen kulturellen Voraussetzungen der Lektüre einmündet, ist das interkulturelle Lesergespräch dabei unmittelbar auf Wierlachers
178. Literatur, Kultur, Leser und Fremde ⫺ Theoriebildung und Literaturvermittlung 1547 Konzept der interkulturellen Hermeneutik bezogen. Eine kausale Ableitbarkeit differenter Lektüren aus kulturspezifischen hermeneutischen Voraussetzungen, die den Kern von Wierlachers hermeneutischem Konzept bildet, wird bei Krusche jedoch in Zweifel gezogen (Krusche 1985: 144 und 149). Dass es sich bei der Festlegung kulturspezifischer Lektüren bzw. Textinterpretationen um ein höchst problematisches Unterfangen handelt, hat sich nicht zuletzt an dem von Wierlacher und Eichheim (1992) initiierten Versuch gezeigt, den „Pluralismus kulturdifferenter Lektüren“ am Beispiel von Gottfried Kellers Novelle Pankraz der Schmoller zu dokumentieren. Abgesehen von der fragwürdigen methodischen Basis des Versuchs machen viele der Beiträge vor allem die Willkürlichkeit und Zirkularität der Identifizierung kulturspezifischer Lektüren deutlich, setzt diese ja bereits feste Vorannahmen über die Spezifik der jeweiligen Ausgangskultur der Leser voraus. Der methodisch fundierte Vergleich von Leseprotokollen türkischer und deutscher Studierender, den I˙ps¸irog˘lu und Mecklenburg (1992) vorlegen, zeigt darüber hinaus eine deutliche Dominanz individueller, alters- und geschlechtsspezifischer Lesarten gegenüber kulturbestimmten Lesarten. Die größte Differenz in den Lektüren ist dabei offensichtlich auf die unterschiedliche Ausbildung einer kritisch-ästhetischen Lesekompetenz zurückzuführen. Neben dem fehlenden Nachweis der Kulturspezifik von Lektüren wurden in der bereits Mitte der 1980er Jahre einsetzenden kritischen Auseinandersetzung mit Positionen der interkulturellen Germanistik eine Reihe von weiteren Problempunkten des Konzepts deutlich: 1. Über der einseitigen Konzentration auf kulturspezifische Lektüren wurden (abgesehen von den von Krusche entwickelten Beiträgen und Materialien) Fragen der konkreten Praxis des Literaturunterrichts weitgehend vernachlässigt (z. B. Altmayer 1997: 201). 2. Speziell den von Wierlacher vertretenen Konzepten wurde eine einseitige Ausrichtung auf inhaltlich-semantische Aspekte vorgeworfen, mit der Tendenz, die „Differenz zwischen Text-Welt bzw. Kunstwelt und Lebenswelt“ (Ehlers 1988: 171) zu überspringen und das ästhetische Potential literarischer Texte zu wenig zu beachten. 3. Zwar postuliert die interkulturelle Hermeneutik die Pluralität kultureller Lektüren, setzt jedoch mit der rezeptionsästhetischen Akzentuierung subjektiven Lesens eine Norm des Lesens absolut, die „das historische Produkt eines jahrhundertelangen abendländischen Domestizierungsprozesses des Lesens“ ist (Schmidt: 1995: 343). Die Kulturspezifik unterschiedlicher Konventionen des Lesens (Müller-Peisert 2006) bleibt unreflektiert. 4. Insbesondere aus dem Arbeitszusammenhang der afrikanischen Germanistik wurde Wierlachers Konzept Unhistorizität und eine Verschleierung real bestehender Machtverhältnisse vorgeworfen (Zimmermann 1989; Ndong 1993). Ein von deutschen Fachvertretern formuliertes Lernziel fremd- und eigenkultureller Kompetenz erscheint dabei insbesondere im Zusammenhang der Germanistik außerhalb der deutschsprachigen Länder deplaziert. 5. In der polaren Gegenüberstellung von kulturell eigenen und kulturell fremden literarischen Texten und Deutungen, der Annahme von Kulturräumen mit klar modellierten Grenzen und der Unterstellung einer konsistenten Innenperspektive auf Literatur vertritt die interkulturelle Germanistik einen weitgehend unreflektierten, objektivistischen, letztlich national definierten Kultur- und Literaturbegriff, auf dessen Überwindung sie doch erklärtermaßen gerade abzielt (Altmayer 1997: 201).
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3. Neuere Ansätze einer Didaktik deutschsprachiger Literatur als remdkultureller Literatur Von der Idee der systematischen Erfassung und Festschreibung kulturspezifischer Lektüren hat sich die Forschung inzwischen verabschiedet. Aufrechterhalten wird jedoch auch in neueren Konzepten zumeist das Anknüpfen an leserorientierte Literaturtheorien und an das interkulturelle Paradigma der Entgegensetzung von kulturell Fremdem und Eigenem ⫺ bei durchaus unterschiedlicher Schwerpunktsetzung in der Frage nach den hermeneutischen Voraussetzungen und Konsequenzen kulturdifferenter Rezeption. So steht im Mittelpunkt der im Folgenden exemplarisch dargestellten Ansätze wechselweise die Fremdheit des Handelns der im Text dargestellten Figuren (Mummert 2006), die Fremdheit der ästhetischen Gestaltungsmittel (Ehlers 1992 und 1994) und die Fremdheit der Konventionen des Umgangs mit literarischen Texten (Müller-Peisert 2006). Mummert zielt mit ihrem didaktischen Konzept einerseits darauf ab, die Lerner zu ermutigen, ihre eigene Erfahrung in die Lektüre einzubringen und über die Einführung rezeptionsästhetischer Begrifflichkeit formulierbar und reflektierbar zu machen. Andererseits geht es ihr darum, die Empathiefähigkeit der Lerner in Bezug auf das Verhalten und die Weltsicht der literarischen Figuren gezielt zu fördern, um sich in die fremde Welt, die ihnen im Medium des Textes entgegentritt, hineinzuversetzen. Dabei ist das von Mummert vertretende Interpretationskonzept stark inhaltsorientiert: Im Zentrum der von ihr angeleiteten Lerner-Interpretationen steht die Beschreibung und Beurteilung von Figurenverhalten sowie die sich daraus ableitende „Gesamt-Deutung“ der Texte (Mummert 2006: 44). Angestrebt werden dabei „Erkenntnisse über die fremde fiktionale, die fremde reale Welt“ sowie eine Erweiterung des eigenen Bewusstseins über den „Prozess der Assimilation des bisher Fremden in den eigenen Erfahrungshorizont“ (Mummert 2006: 23⫺24). Kulturelles Lernen ist bei Mummert also nicht über den Umweg der Generierung und des Vergleichs kulturspezifischer Lektüren angestrebt, sondern über die unmittelbare Auseinandersetzung mit der fremden Kultur im Medium der Texte, die jedoch auf einer literatur- und kulturtheoretisch problematischen Gleichsetzung des literarischen Textes mit der „fremde(n), reale(n) Welt“ fußt. Zwar geht auch Ehlers in ihrem für die Fortbildung von DaF-Lehrenden entwickelten Ansatz zur Didaktisierung narrativer literarischer Texte (Ehlers 1992) von der Notwendigkeit aus, den Leser zu ermutigen, seine eigene, subjektive Vorerfahrung bei der Lektüre literarischer Texte zu aktivieren, dieses bildet jedoch nur den ersten Schritt in ihrem Konzept der gezielten Schulung ästhetischer Wahrnehmungsfähigkeit, das den Hauptfokus auf die Erschließung der Spezifik der ästhetischen Gestaltungsmittel der Texte legt. Eine Didaktik, die allein auf die Füllung der Unbestimmtheitsstellen des Textes aus der Vorerfahrung des Lesers ausgerichtet sei, verfehle, so Ehlers, die im Text angelegte Fremdheitserfahrung, da der Leser mit ihr „nur die eigene Welt in den fremden Text hinein[projiziert]. Das aber wäre kein Lernen, kein Sehen und kein Verstehen“ (Ehlers 1992: 13). In ihrem Ansatz zur Schulung ästhetischer Lesekompetenz stützt sich Ehlers auf Isers Konzept des impliziten Lesers (Iser 1972), das von einer weitgehenden Steuerung der Sinnbildung durch textuelle Vorgaben ausgeht und damit das u. a. im Begriff der Unbestimmtheit angelegte Missverständnis der beliebigen Konkretisierung des Textes aus der Erfahrung des Lesers auszuräumen sucht, das auch Mummerts Ansatz sowie weite Teile
178. Literatur, Kultur, Leser und Fremde ⫺ Theoriebildung und Literaturvermittlung 1549 der rezeptionsästhetisch orientierten Literaturdidaktik prägt. Um den im Text angelegten Prozess der Sinnbildung vollziehen zu können, muss der Leser, so Ehlers, also über eine ästhetische Kompetenz bzw. über ein Wissen über literarische „Konventionen“ und „handlungsleitende Normen“ des literarischen Systems verfügen, mit denen „unter fremdsprachlichen Lernbedingungen“ nicht zu rechnen sei (Ehlers 1994: 60). Kulturelle Fremdheit manifestiert sich in literarischen Texten dabei vor allem in den ästhetischen Gestaltungsmitteln des Textes, sowie in den (kultur)spezifischen Konventionen der Deutung, auf die hin der Text angelegt sei: „In der Art und Weise, wie der Leser angesprochen und miteinbezogen wird, spiegeln sich Seh- und Erfahrungsmuster eines bestimmten kulturellen Raums“ (Ehlers 1992: 13). Auch Ehlers Konzept setzt damit an einer kultur- wie literaturtheoretisch problematischen Polarisierung von fremdem und eigenem kulturellen Raum an, wobei kulturelle Fremde bei ihr primär in der literarischästhetischen Gestaltung selbst verortet wird. Die Frage der Universalität von Literatur bzw. deren „Kulturen überschreitende(r) Wirkung“ (Mecklenburg 2008: 13) wird dabei jedoch ebenso selbstverständlich ausgeblendet, wie ein Mangel an ästhetischer Kompetenz fremdsprachiger Lerner unterstellt und mit ihrer Fremdkulturalität begründet wird. Die spezifische Leistung von Ehlers Konzept liegt jedoch darin, das ästhetische Potential literarischer Texte wieder in den Vordergrund der Diskussion um die fremdsprachliche Literaturdidaktik gerückt zu haben. Während bei Ehlers (1992) die ästhetische Struktur literarischer Texte im Mittelpunkt der didaktischen Überlegungen steht, wird die Existenz einer solchen in Müller-Peiserts Arbeit zum „Verstehen fremdkultureller Literatur“ (2006) negiert: Auf der Grundlage der empirischen Rezeptionsforschung und ihres radikalkonstruktivistischen Erkenntnismodells werden literarische Texte bei ihr nicht als substantielle Größen, sondern ausschließlich als Funktionen des Lesens und Verstehens erfasst. Lesearten seien zwar zunächst Ergebnis eines individuellen kognitiven Prozesses, jedoch im kommunikativen Austausch über Literatur nicht beliebig, sondern an kulturell unterschiedlichen Konventionen orientiert. Ziel des fremdkulturellen Literaturunterrichts müsse es deshalb sein, dem Lerner durch vergleichende Beobachtung des Leseprozesses und der Leseresultate ein „Differenzbewusstsein“ (Müller-Peisert 2006: 295) zu vermitteln und ihn auf dieser Basis dazu anzuleiten, „Perzepte zu entwickeln, die helfen, die subjektiv und eigenkulturell bestimmten Bedeutungszuordnungen in Richtung von Leseresultaten zu bewegen, die von der Literaturwissenschaft anerkannt sind“ (Müller-Peisert 2006: 276). So richtig Müller-Peiserts Anliegen ist, auf die wichtige Rolle von Konventionen des Lesens und Verstehens literarischer Texte für den Rezeptionsprozess aufmerksam zu machen, so problematisch erscheint doch gleichzeitig deren Absolutsetzung im Rahmen ihres Konzeptes. In der Akzentuierung der Differenzqualität literarischer Konventionen in Deutschland und China, deren eigener Konstruktionscharakter jedoch gerade nicht reflektiert wird, wird die Problematik des Konzepts dabei ebenso deutlich, wie in dessen einseitigen Ausrichtung auf die Einübung in literarische Konventionen der Zielkultur: An die Stelle der „Autorität des Textes“ (Müller-Peisert 2006: 15), deren Postulierung bei Ehlers von Müller-Peisert kritisiert wird, tritt letztlich die Autorität zielkultureller literarischer Konventionen, die es zu erlernen gilt, wenn man aktiv am Literatursystem der Zielkultur teilnehmen will.
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XVIII. Die Rolle der Literatur im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache
4. Literatur und kulturelles Lernen im Zeichen eines nichtessentialistischen Kulturbegris Durch die einseitige Orientierung auf Prämissen der Rezeptionsästhetik wurde der Zusammenhang von Literatur und Kultur in der Fachdiskussion bisher weitgehend auf die (kulturell distante) Leserperspektive bzw. auf die Wirkungsstrukturen der Texte als Bedingung kultureller Lesedifferenz eingeengt. Die Frage nach der Beziehung literarischer Texte zu den kulturellen Zusammenhängen, in die sie von ihrer Entstehung her eingebunden sind, wurde entweder nicht gestellt oder zum Teil sogar im Sinne eines einfachen Entsprechungsverhältnisses präsupponiert. Da, wo sie dennoch Beachtung fand, wurde sie ausschließlich unter dem Aspekt diskutiert, inwieweit es sich dabei um Elemente eines für gelingendes Verstehen notwendigen Hintergrundwissens handle. Darüber hinaus wurde in der Fixierung auf die Frage der Fremdkulturalität die Frage nach der transkulturellen Lesbarkeit und Wirkungsmacht literarischer Texte ebenso übersprungen, wie auch die Tatsache meist unreflektiert blieb, dass jeder literarische Text gegenüber jedem Leser potentiell fremd ist. Dass das Verhältnis von Literatur und kulturellem Kontext keineswegs so einfach ist, wie einschlägige Veröffentlichungen zu Landeskunde und Literaturdidaktik glauben machen wollen (vgl. u. a. die Fernstudieneinheit von Bischof, Kessling und Krechel 1999 sowie deren Kritik bei Altmayer 2001: 108), haben vielfältige Forschungsarbeiten der in den letzten 20 Jahren auch in der Germanistik zunehmend kulturwissenschaftlich ausgerichteten Literaturwissenschaft gezeigt (einen Überblick gibt Schößler 2006). In ihnen wird das Verhältnis von Literatur und Kultur im Zusammenhang eines text- und deutungsbasierten Kulturbegriffs untersucht, der in der Metapher der „Kultur als Text“ den grundsätzlichen Deutungscharakter kulturellen Handelns ebenso betont, wie die Tatsache, dass Kultur nur über Texte zugänglich ist. Literarische Texte werden dabei als Teil von kulturellen Bedeutungsbildungsprozessen verstanden, die in Texten verhandelt werden, die an öffentlicher und medial vermittelter Kommunikation teilhaben und als solche untereinander in komplexen Verweiszusammenhängen stehen. Da die vermeintlichen kulturellen Kontexte selbst wiederum nur in zu interpretierenden Texten existieren, können kulturelle Bedeutungen nicht vereindeutigt, sondern nur in einem offenen Spiel wechselseitiger Bedeutungserhellung von Texten lesbar gemacht werden. Von Interesse sind kulturwissenschaftliche Ansätze der Literaturwissenschaft insbesondere für ein auf autonome, individuelle Lernprozesse hin ausgerichtetes Landeskundekonzept für DaF und DaZ, das an die Stelle der Vermittlung eines „einheitlichen und ,richtigen‘ Landesbildes“ ein offenes Konzept der Arbeit mit kulturellen Deutungsmustern setzt (Altmayer 2001: 108). Vorschläge zur didaktischen Nutzung eines kulturwissenschaftlichen Ansatzes intertextueller Verweiszusammenhänge finden sich bei Hallet (2002) für den Bereich der anglistischen Schuldidaktik ausgearbeitet, die ihren Schwerpunkt jedoch nicht primär auf die konkrete Arbeit mit Texten legen, sondern aus verschiedenen Ansätzen der Kulturwissenschaft ein neues Modell für den Fremdsprachenunterricht insgesamt entwerfen. Neben der Frage nach der kulturellen Repräsentanz stellt sich in jüngster Zeit zunehmend auch die Frage nach der Bedeutung von Literatur im Zusammenhang neuer Lernzielbestimmungen, die die Vermittlung allgemeiner kultureller Kompetenzen akzentuieren. Von besonderem Interesse ist dabei das Konzept der „symbolic competence“ bei Kramsch, das die Komponenten „production of complexity“, „tolerance of ambiguity“
178. Literatur, Kultur, Leser und Fremde ⫺ Theoriebildung und Literaturvermittlung 1551 und „appreciation of form as meaning“ (Kramsch 2006: 251) umfasst und darauf abzielt, dem Lerner Fähigkeiten und Strategien zum Umgang mit der grundlegenden Offenheit, Veränderbarkeit und Ambivalenz kultureller Deutungsmuster zu vermitteln. Unter der Bedingung der zunehmenden Komplexität kultureller Bedeutungsbildungsprozesse müsse der Lerner nicht nur Bedeutungen verstehen und kommunizieren, sondern auch die Praxis der Bedeutungsbildung selbst erfassen können. Dabei komme der Arbeit mit Literatur ein zentraler Stellenwert zu: „Through literature, they [learners; R. R.] can learn the full meaning making potential of language“ (Kramsch 2006: 251). Literatur müsse wieder stärker in den (universitären) Fremdsprachenunterricht einbezogen werden, jedoch nicht mit dem Fokus auf ihre geschichtliche Einbindung, sondern auf ihre spezifisch literarische Qualität. In ähnlicher Weise plädiert Nünning dafür, in der Arbeit mit Literatur die „spezifisch literarischen Formen fiktionaler Wirklichkeitsdarstellung“ (Nünning 2001: 8) und die „Perspektivenvielfalt“ von Literatur zu nutzen, um die Fähigkeit zu fördern, mit konkurrierenden und möglicherweise auch konfligierenden Deutungsmustern umzugehen. Darauf, dass Literarizität für die Arbeit mit Literatur in DaF-Kontexten auch im Zusammenhang ihrer Funktionalisierung für Prozesse des kulturellen Lernens eine Basiskategorie bilden muss, weist auch Dobstadt (2009) hin. Unter Literarizität versteht er dabei im Rückgriff auf Jakobson (1972) die Einstellung des Rezipienten bzw. Produzenten eines Textes auf die Nachricht als solche und die daraus resultierende Lockerung der vermeintlich engen Verbindung von Signifikant und Signifikat, die Derrida in der Formulierung der „suspended relation to meaning and reference“ (zitiert nach Dobstadt 2009: 24) gefasst hat. Daraus resultiert zum einen ein Netz interner Äquivalenzbeziehungen und Verweisungen (der Aspekt der „form as meaning“ bei Kramsch 2006: 251), das für die „besondere Lesbarkeit“ (Dobstadt 2009: 25) von Literatur verantwortlich sei. Zum anderen bieten literarische Texte aufgrund der gelockerten, aber nicht gänzlich aufgehobenen Verbindung von „meaning und reference“ die Möglichkeit, potentiell unendliche referentielle Bezüge an sie anzuschließen, ohne dass diese jemals ganz vom Text gedeckt wären. In ihrer prinzipiellen Un(aus)deutbarkeit und Ambiguität entziehen sie sich letztlich jedoch einem völligen Verstehen. Gerade dieses Spiel der Bedeutungen gelte es im Zusammenhang eines Landeskundekonzeptes zu nutzen, das sich der Tatsache stellt, dass „,Fremdverstehen‘ von einem selbstverständlich gegebenen Ziel zu einem immer wieder neu zu reflektierenden, nie zu Ende kommenden Prozess geworden ist“ (Dobstadt 2009: 23). In der Arbeit mit Literatur gelte es dementsprechend, den Lerner über die Verfolgung möglicher Referenzbezüge gezielt in das im literarischen Text angelegte Spiel der Konstituierung und Suspendierung von Bedeutung hineinzuführen. Auch in dem theoretisch fundierten und didaktisch differenziert ausgearbeiteten Konzept von Belke (u. a. 2007) bildet Literarizität bzw. Poetizität die Basis für die Spracharbeit in multilingualen Lerngruppen im Primarschulbereich. Dabei wird die Universalität elementarer poetischer Strukturen, wie Reim, Rhythmus, Parallelismus und Reihenbildung, und deren ästhetische Funktion, die die Aufmerksamkeit in spezifischer Weise auf die Sprache selbst lenkt, gezielt zum impliziten Erwerb grammatischer Strukturen genutzt. Ähnlich wie Dobstadt unterscheidet auch Krusche (u. a. 2001, 2003) in seinen neueren Publikationen zwischen zwei in ihrer Wirkung interagierenden Textangeboten, zu deren analytischen Erfassung er ⫺ im Gegensatz zu seinem früheren Ansatz ⫺ nicht auf Kategorien der Wirkungsästhetik Isers zurückgreift, sondern auf die grundlegende Differen-
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zierung von Symbolfeld und Zeigfeld in Karl Bühlers Sprachtheorie. Dabei versteht Krusche literarische Texte gleichermaßen als „prägnantes Sprachkonstrukt“, das als solches in seiner Wirkung nicht zuletzt auch über linguistisch basierte Analysen erschlossen werden könne (zur linguistischen Analyse literarischer Wirkungsbedingungen siehe u. a. Riedner 1996), und als „Anlaß zu uneinheitlichen Reaktionen darauf“ (Krusche 2001: 12). Während mögliche Kontextbezüge literarischer Texte sich aus den im Text eingesetzten nennenden sprachlichen Mitteln des Symbolfeldes ergäben, das durch die Lockerung des Verhältnisses von Signifikant und Signifikat im literarischen Text für das potentiell unendliche Spiel möglicher Bedeutungskonstitutionen verantwortlich sei, stelle sich die innertextliche Kohärenz primär über deiktische Sprachmittel her, die der Orientierung des Lesers in Bezug auf die „Sprecher-Hörer-Konstellation und die Nähe-Ferne-Relation in Zeit und Raum“ dienen (Krusche 2003: 471). Während die intra- wie auch interkulturelle Differenz von Deutungen an die sprachlichen Mittel des Symbolfelds gebunden sei, resultiere eine (relative) Konstanz von Lektüren aus den deiktisch realisierten anschaulichen Orientierungen im Text. In der Unterscheidung beider Wirkungsdimensionen literarischer Texte zielt Krusche auf eine Didaktik, die es dem Leser erlaubt, im Lesergespräch individuelle Leseerfahrungen zu formulieren, die dabei jedoch an die Matrix der anschaulichen Orientierungen im Text rückgebunden werden können und einer intersubjektiven Verständigung zugänglich sind. Dabei geht es darum, die poetische Fremdheit des Textes nicht auflösen, sondern aufrechtzuerhalten und einsehbar zu machen. An die Stelle der Fokussierung kultureller Alterität tritt in Krusches Neukonzeption des Lesergesprächs der Austausch über die poetische Alterität des literarischen Textes, der damit Teil der „Fremdsprache Literatur“ im Sinne Hunfelds (2004) bleibt. Erste Ansätze zu einer Didaktik, die die Fremdheit des Textes in seiner literarischen Qualität für die Zwecke des DaF-Unterrichts nutzt, entwickelt Schiedermair (2010) im Rückgriff auf Krusches Theorie literarischer Wirkung. Auf der Phänomenologie des Fremden von Waldenfels basiert das Modell zu Literatur und Fremdheit von Leskovec (2009), das Fremdheit (in Form von alltäglicher, struktureller und radikaler Fremdheit) als grundlegendes Element von Literatur versteht. Welche Funktionen diese Konzepte im Zusammenhang von kulturwissenschaftlich ausgerichteten Lernzielen des Fremdsprachenunterrichts im Einzelnen übernehmen können, bleibt jedoch noch zu reflektieren.
5. Literatur im Auswahl Altmayer, Claus 1997 Gibt es eine Literaturwissenschaft des Faches Deutsch als Fremdsprache? Ein Beitrag zur Strukturdebatte. Deutsch als Fremdsprache 34(4): 198⫺203. Altmayer, Claus 2001 Landeskunde mit literarischen Texten. Zu einer neuen Fernstudieneinheit. Deutsch als Fremdsprache 38(2): 104⫺109. Altmayer, Claus 2006 Landeskunde als Kulturwissenschaft. Ein Forschungsprogramm. Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 32: 181⫺199. Belke, Gerlind 2007 Poesie und Grammatik. Kreativer Umgang mit Texten im Deutschunterricht mehrsprachiger Lerngruppen. Baltmannsweiler: Schneider.
178. Literatur, Kultur, Leser und Fremde ⫺ Theoriebildung und Literaturvermittlung 1553 Bischof, Monika, Viola Kessling und Rüdiger Krechel 1999 Landeskunde und Literaturdidaktik. (Fernstudieneinheit 3.) Berlin etc.: Langenscheidt. Dobstadt, Michael 2009 ,Literarizität‘ als Basiskategorie für die Arbeit mit Literatur in DaF-Kontexten. Zugleich ein Vorschlag zur Neuprofilierung des Arbeitsbereichs Literatur im Fach Deutsch als Fremdsprache. Deutsch als Fremdsprache 46(1): 21⫺30. Ehlers, Swantje 1988 Sehen lernen. Zur ästhetischen Erfahrung im Kontext interkultureller Literaturvermittlung. Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 14: 171⫺197. Ehlers, Swantje 1992 Lesen als Verstehen. Zum Verstehen fremdsprachlicher literarischer Texte und ihrer Didaktik. (Fernstudieneinheit 2.) Berlin etc.: Langenscheidt. Ehlers, Swantje 1994 Gegenrede. Fremdsprache Deutsch 11: 60. Hallet, Wolfgang 2002 Fremdsprachenunterricht als Spiel der Texte und Kulturen. Intertextualität als Paradigma einer kulturwissenschaftlichen Didaktik. Trier: Wissenschaftlicher Verlag. Hu, Adelheid 2007 Kulturwissenschaftliche Ansätze in der Fremdsprachendidaktik. In: Wolfgang Hallet und Ansgar Nünning (Hg.), Neue Ansätze und Konzepte der Literatur- und Kulturdidaktik, 13⫺30. Trier: Wissenschaftlicher Verlag. Hunfeld, Hans 2004 Fremdheit als Lernimpuls. Skeptische Hermeneutik ⫺ Normalität des Fremden ⫺ Fremdsprache Literatur ⫺ Hermeneutisches Lehren und Lernen. Meran/Klagenfurt: Alpha Beta/Drava. I˙ps¸irog˘lu, Zehra und Norbert Mecklenburg 1992 „Und wenn er nicht gestorben ist, dann schmollt er auch noch heute.“ Türkisch-deutsche Pankraz-Notate. Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 18: 449⫺464. Iser Wolfgang 1972 Der implizite Leser. Kommunikationsformen des Romans von Bunyan bis Beckett. München: Fink. Iser, Wolfgang 1975 Die Appellstruktur der Texte. In: Rainer Warning (Hg.), Rezeptionsästhetik, 228⫺252. München: Fink [1970]. Jakobson, Roman 1972 Linguistik und Poetik. In: Jens Ihwe (Hg.), Literaturwissenschaft und Linguistik. Eine Auswahl. Texte zur Theorie der Literaturwissenschaft, 99⫺135. Band 1. Frankfurt a. M.: Athenäum. Kramsch, Claire 2006 From communicative competence to symbolic competence. The Modern Language Journal 90: 249⫺252. Krusche, Dietrich 1985 Literatur und Fremde: Zur Hermeneutik kulturräumlicher Distanz. München: iudicium. Krusche, Dietrich 2001 Zeigen im Text. Anschauliche Orientierungen in literarischen Modellen von Welt. Würzburg: Königshausen & Neumann. Krusche, Dietrich 2003 Lese-Differenz: Der andere Leser im Text. In: Alois Wierlacher und Andrea Bogner (Hg.), Handbuch Interkulturelle Germanistik, 467⫺474. Stuttgart: Metzler. Leskovec, Andrea 2009 Fremdheit und Literatur. Berlin: LIT Verlag.
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Mecklenburg, Norbert 2008 Das Mädchen aus der Fremde. Germanistik als interkulturelle Literaturwissenschaft. München: iudicium. Mummert, Ingrid 2006 Begegnungen mit „Gertrud“ und „Elsa“. Mündliche und schriftliche Interpretation deutschsprachiger Literatur mit ausländischen Studierenden. Eine Studie. Baltmannsweiler: Schneider. Müller-Peisert, Gabriele 2006 Zum Verstehen fremdkultureller Literatur. Ein Vergleich der Konventionen im Umgang mit literarischen Texten am Beispiel Deutschland und China. Kassel: University press. Ndong, Norbert 1993 Entwicklung, Interkulturalität und Literatur. Überlegungen zu einer afrikanischen Germanistik als interkultureller Literaturwissenschaft. München: iudicium. Nünning, Ansgar 2001 Fremdverstehen durch literarische Texte: von der Theorie zur Praxis. Der fremdsprachliche Unterricht Englisch 53: 4⫺9. Riedner, Ursula Renate 1996 Sprachliche Felder und literarische Wirkung. Exemplarische Analysen an Brigitte Kronauers Roman „Rita Münster“. München: iudicium. Schiedermair, Simone 2010 „… wie wenn Nähe und Ferne übereinander herfallen und sich zerschneiden“. Literarische Texte als fremde Texte im Unterricht Deutsch als Fremdsprache. Deutsch als Fremdsprache 47(1): 31⫺38. Schmidt, Hans-Walter 1995 Kulturspezifische Lektüren. Interkulturelle Hermeneutik oder Ethnographie des Lesens? In: Miltos Pechlivanos, Stefan Rieger, Wolfgang Struck und Michael Weitz (Hg.), Einführung in die Literaturwissenschaft, 340⫺346. Stuttgart: Metzler. Schößler, Franziska 2006 Literaturwissenschaft als Kulturwissenschaft. Eine Einführung. Tübingen/Basel: Francke. Steinmetz, Horst 1992 Kulturspezifische Lektüren. Interpretation und fremdkulturelle Interpretation literarischer Werke. Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 18: 384⫺401. Wierlacher, Alois 1980 Deutsche Literatur als fremdkulturelle Literatur. Zu Gegenstand, Textauswahl und Fragestellung einer Literaturwissenschaft des Faches Deutsch als Fremdsprache. In: Alois Wierlacher (Hg.), Fremdsprache Deutsch. Grundlagen und Verfahren der Germanistik als Fremdsprachenphilologie. Band 1, 146⫺165. München: Fink. Wierlacher, Alois 1985 Mit fremden Augen oder: Fremdheit als Ferment. Überlegungen zur Begründung einer interkulturellen Hermeneutik deutscher Literatur. In: Alois Wierlacher (Hg.), Das Fremde und das Eigene. Prolegomena zu einer interkulturellen Germanistik, 3⫺27. München: iudicium. Wierlacher, Alois und Hubert Eichheim (Bearb.) 1992 Der Pluralismus kulturdifferenter Lektüren. Zur ersten Diskussionsrunde am Beispiel von Kellers Pankraz der Schmoller. Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 18: 373⫺540. Zimmermann, Peter (Hg.) 1989 „Interkulturelle Germanistik“. Dialog der Kulturen auf Deutsch? Frankfurt a. M. etc.: Lang.
Renate Riedner, Leipzig (Deutschland)
172. Literarischer Kanon und Fragen der Literaturvermittlung
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172. Literarischer Kanon und Fragen der Literaturvermittlung 1. 2. 3. 4. 5.
Begriffs- und Sachgeschichte Formen und Funktionen des Kanons Kanonbildung, Kanondebatten und -revision Der literarische Kanon im Fach Deutsch als Fremdsprache / Interkulturelle Germanistik Fragen der Literaturvermittlung ⫺ Aufgaben einer Interkulturellen Literaturwissenschaft im Fach Deutsch als Fremdsprache 6. Literatur in Auswahl
1. Begris- und Sachgeschichte Das aus dem Semitischen stammende Wort Kanon (griech.: Maßstab, Richtschnur, ursprünglich Schilfrohr, Messrute) bezeichnete in der Antike Zusammenstellungen von Regeln für verschiedene Fachgebiete sowie bestimmte Ziel- und Idealvorstellungen (Weber 1986: 1⫺87; Moog-Grünewald 1997: vii). Gleichzeitig etablierte sich die Bedeutung ,maßgebliche Textsammlung‘ (Auerochs 2007: 372); sie verdeutlicht, dass das Phänomen in seinem heute vorherrschenden Sinn bereits im Altertum bekannt war, wie sich auch an den von hellenistischen und römischen Grammatikern und Rhetoriklehrern verfassten Namenskatalogen nachahmenswerter Dichter, Redner, Philosophen und Historiker ablesen lässt. Eine besonders einflussreiche Anwendung fand das Kanonkonzept dann im theologischen Bereich, in der Übertragung auf ausgewählte Schriften des Alten und Neuen Testaments, die im Unterschied zu den ,Apokryphen‘ als Grundlage des christlichen Glaubens galten (Rosenberg 2000: 224, 225), darüber hinaus für Rechtsvorschriften, Formen der Heiligsprechung und Elemente der Messfeier. 1670 legte der Bischof von Avranches, Pierre-Daniel Huet (1630⫺1721), unter dem Titel Traite´ de l’origine des romans den ersten modernen Kanon der Weltliteratur vor, dessen deutsche Übersetzung allerdings ohne große Resonanz blieb. Nachhaltige Wirkung hatte dagegen die Einführung eines Schulkanons, einer verbindlichen Auswahl klassischer Autoren, zunächst des griechisch-römischen Altertums, die auf den Göttinger Philologen und Pädagogen David Ruhnken (1723⫺1798) zurückgeht (Rosenberg 2000: 224). Ein Kanon der Literaturwissenschaft kristallisierte sich erst im 19. Jahrhundert mit der nationalen Literaturgeschichtsschreibung heraus. Aus dem Kanon der Weltliteratur ließ sie einen Kanon nationaler Literaturen werden. Die Voraussetzung dafür bildete das Modell nationaler Literaturentwicklungen mit jeweils als nationale Klassik ausgewiesenen Höhepunkten, die frühere oder spätere Literaturepochen in eine Vor- oder Nachläuferrolle drängten. In der deutschen Literaturgeschichte rückten Goethe und Schiller in den Mittelpunkt, um den herum Lessing, Klopstock, Wieland und Herder gruppiert wurden. Ergänzend kamen später in zweiter Reihe namhafte Schriftsteller des späten 18. und 19. Jahrhunderts, darunter auch die Romantiker, hinzu, während Autoren von epochaler Bedeutung wie Heine und Büchner, die sich heute in den meisten Kanones der deutschen Literatur finden, bis weit ins 20. Jahrhundert ausgeschlossen blieben (vgl. Rosenberg 2000: 224⫺226).
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2. Formen und Funktionen des Kanons Ein Kanon beruht im Allgemeinen auf der Übereinkunft einer Gruppe oder ganzen Kultur, die ausgewählte Texte als herausragend und normsetzend klassifiziert und für wert befunden hat, überliefert und vermittelt zu werden. Im Unterschied zum ,materialen Kanon‘, der die kanonisierten Werke umfasst, versteht man unter einem ,Deutungskanon‘ die in einer Institution zu einem bestimmten Zeitpunkt fixierten Interpretationen. Da sich literarische Werke nicht aufgrund allgemeinverbindlicher, zeitloser Qualitäten naturwüchsig durchsetzen, stellt ein Kanon keine starre, verbindliche Instanz dar (Winko 2008: 344). Er basiert auf der Gesamtheit literarischer Werke und ihrer Rezeption, wie sie in den jeweiligen Bildungsinstitutionen, in der Wissenschaft und in den Medien stattfindet, und unterliegt komplexen Auswahl- und Deutungsmechanismen, in denen innerund außerliterarische Faktoren, soziokulturelle und institutionelle Prozesse Geltung erlangen. Die Selektions- und Deutungskriterien hängen von dem jeweiligen Trägerkollektiv oder der betreffenden Gesellschaft ab und sind historisch und kulturell wandelbar (Assmann und Assmann 1987; Heydebrand 1998). Neben der Literaturwissenschaft und Literaturgeschichtsschreibung, Schulbehörden, Schulen, Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen fungieren Theater, Verlage, der Buchhandel und seine Organisationen, Bibliotheken, literaturvermittelnde Redaktionen in Presse, Funk und Fernsehen, literarische Gesellschaften, kulturelle Vereine und Mittlerorganisationen als wichtige Vermittlungsinstanzen (vgl. Heydebrand 2003: 15, 16). Alle diese Organe tragen in der einen oder anderen Form, z. B. durch Veranstaltungen, Lehrpläne und Prüfungsordnungen, Diskussionen, öffentliche Lesungen, Empfehlungen, Rezensionen, Bestenlisten, Kritik, Marketingstrategien, kulturpolitische Entscheidungen, Literaturförderung etc., zu einer gesamtgesellschaftlichen Kanonbildung und -diskussion bei. Ein literarischer Kanon korrespondiert mit individueller Bildung und der historischen Erfahrung einer Gruppe oder Gesellschaft. Er repräsentiert grundlegende Normen und Werte, häufig auch programmatische Ideale, die tradiert und vermittelt werden sollen. Diese Funktion ist nicht zu trennen von seiner Aufgabe als Organ der kollektiven Identitätsstiftung und kulturellen Selbstdarstellung. Dadurch legitimiert er seine Trägergruppe in Form von Rechtfertigung oder Abgrenzung nach außen hin. Schließlich bietet er ästhetische und moralische Handlungsorientierungen (Winko 2007: 258), indem er das Feld literarischer Traditionen markiert, Maßstäbe und Lektüreanregungen bietet, Autoren, Verleger, Literaturvermittler und Leser zu einer produktiven Auseinandersetzung über den Umgang mit den durch Literatur repräsentierten Wissensbeständen animiert. Erkenntnis-, Orientierungs- und Kommunikationsfunktionen sind auch für den Bereich der Wissenschaft zu veranschlagen, wobei Verständigung und Selbstverständigung unmittelbar ineinander greifen. So sind alle literaturwissenschaftlichen Ansätze und Theorien implizit einem Kanonwissen verpflichtet. Prinzipiell gilt, dass die Kanonisierung von literarischen Texten eine Form der Wertzuschreibung bedeutet (Grübel 1996: 601⫺619). Da die Aneignung eines Kanons zumeist an anspruchsvolle Sozialisationsvoraussetzungen geknüpft ist, stellt er immer auch einen Bildungskanon dar (Auerochs 2007: 372). Gerade hier aber setzte die Kritik an, denn bis in die 1960er Jahre war der bildungsbürgerliche bzw. akademische Kanon allzu selbstverständlich mit einem Allgemeinverbindlichkeitsanspruch verknüpft, der Assoziationen von Hierarchie, Ausschließlichkeit und Nicht-Zugehörigkeit weckte (Schmidt 2007: 9). Die Ablehnung reichte von dem Nachweis, dass ein Kanon als Machtinstrument diene
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und bloß gesellschaftliche Partialinteressen verkörpere, wohingegen die Literatur die Aufgabe habe, alle Teile der Gesellschaft demokratisch zu repräsentieren, über eine generelle Kritik am Konzept der Repräsentativität (vgl. Heydebrand und Winko 1994: 148⫺ 156) bis zu der Auffassung, dass der implizierte Ausschluss von Werken aus der literarischen Tradition einer Gesellschaft per se eine Form von Zensur darstelle. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang, dass ein einheitlicher Kanon von der Verbindlichkeit, wie er für das Bildungsbürgertum maßgeblich war, heute kaum mehr existiert. An seine Stelle ist in modernen Gesellschaften mit relativ inhomogenen sozialen Schichten und hoher Binnendifferenzierung eine Kanonpluralität getreten, d. h. ein Neben- und Gegeneinander heterogener Kanones, in dem sich wandelnde Legitimationsbedürfnisse verschiedener Gruppen und subkultureller Gruppierungen manifestieren (Winko 1996: 599). Dem entsprechen offene, prozessuale Kanonkonzepte und -formen. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich ergänzen, korrigieren und revidieren lassen, wobei je nach Zielgruppe konkurrierende oder alternative Kanones berücksichtigt oder einbezogen werden können. So besteht die Möglichkeit, auf neue Problemlagen und sich verändernde Rezeptionssituationen zu reagieren. Damit geht eine Deutungsoffenheit einher, denn die kanonisierten Werke sind nicht als unhinterfragbares Bildungsgut legitimiert, sondern als hochkomplexe Kunstwerke, die vielschichtige Leseerfahrungen und Auslegungen zulassen. Nur unter diesen Bedingungen vermag ein Kanon seiner Aufgabe gerecht zu werden, literarische Traditionen problemorientiert und lebendig zu vergegenwärtigen. Solche Ansprüche laufen indessen weder auf eine unbegrenzte Aufnahmefähigkeit von Texten noch auf Zugeständnisse an einen kurzlebigen Zeitgeschmack hinaus, da dadurch jede Orientierungsfunktion verloren ginge. Zu unterscheiden und zu berücksichtigen sind vielmehr vier Kategorien: 1) der Kernkanon (zentrale Werke der literarischen Tradition, ohne die das Kanonkonzept keinen Bestand hätte), 2) der Subkanon (Maßstäbe für bestimmte Epochen, Gattungen, Stile etc.), 3) der Gegenkanon (in Opposition zur Mehrheitskultur von benachteiligten oder unterrepräsentierten Gruppen favorisierte Kanones, z. B. Literatur von Frauen, der Arbeiterklasse, Migranten, ethnischen Minderheiten), 4) der Negativkanon (Autoren, Texte, literarische Gruppierungen und Entwicklungen, die aus ideologischen Gründen explizit aus dem Kanon ausgeschlossen wurden, z. B. Literarischer Jakobinismus, Vormärz, Expressionismus). Kriterien für die Aufnahme bzw. den Verbleib eines Werks im literarischen Kanon können sein: Exzeptionalität (z. B. herausragende ästhetische Qualitäten), Repräsentanz (z. B. der Stellenwert für eine Epoche, Gattung, literarische Strömung oder soziale Bewegung), die Aktualität eines Textes in der jeweiligen Gegenwartskultur (z. B. Rezeption in Schulen und Universitäten, Theateraufführungen, Adaptionen, intertextuelle Bezüge, neue Editionen, Jubiläen, Medienereignisse) (Korte 2002: 34⫺37; Auerochs 2007: 372, 373). ,Innovation‘ und ,Originalität‘ im Verhältnis zur literarischen Tradition stellen weitere Beurteilungsmaßstäbe dar. Für alle genannten Kriterien gilt, dass sie in ihrer inhaltlichen Relevanz und Tragweite historisch veränderbar sind (Winko 1996: 594, 595).
3. Kanonbildung, Kanondebatten und -revision Obwohl Kanonbildungen und -revisionen die Literaturwissenschaft und -geschichte von Anfang an begleiten und mit unterschiedlichen Begründungen prägen, hat sich eine Kanon-Forschung im eigentlichen Sinne erst seit den 1960er Jahren mit dem Aufkommen
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XVIII. Die Rolle der Literatur im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache
von Sozialgeschichten der Literatur und später im Kontext einer Fachgeschichtsschreibung der Germanistik herausgebildet (Rosenberg 2000: 226, 227). Noch immer mangelt es aber an Untersuchungen zu den Bedingungen für die Aufnahme eines Werks in einen literarischen Kanon wie zum Gesamtprozess der Kanonbildung. Eine Erklärung bietet in dieser Hinsicht das von Winko (2002) herangezogene invisible-hand-Modell, das kausale und kontextorientierte, finale Ansätze verbindet. Kanonbildung stellt sich demnach als ein kontingent sich entwickelnder Prozess dar, an dem neben Instanzen, die dezidiert Kanonbildung und -pflege betreiben, zahlreiche, nicht dieser Intention verpflichtete Handlungen beteiligt sind, die aber gleichwohl auf der Makroebene einen Kanon generieren. Wenn Kanon-Debatten und literarische Kanones heute wieder Konjunktur haben, so beruht das gerade auf der vorausgegangenen Infragestellung, partiellen Abschaffung und dem massiven Verbindlichkeitsverlust, der in den bildungspolitischen Diskussionen der späten 1960er und 1970er Jahre seinen Ausgang nahm. Den heftigsten Ausschlag fand diese Entwicklung in der poststrukturalistischen Kritik am Konzept der Repräsentativität und der daraus resultierenden Forderung nach einem generellen Verzicht auf Kanones. Daneben standen am Anfang der Debatten intensive Bemühungen um Korrekturen und Erweiterungen des Literaturkanons. Ein früher Impuls ging etwa von den Forschungen zu den verfemten und verdrängten demokratischen Traditionen der deutschen Literatur aus. So zielten, ausgehend von der Erkenntnis, dass auch die Literaturgeschichte Gegenstand einer Konstruktion ist, bestärkt durch den Appell des Bundespräsidenten Gustav Heinemann, die Freiheitsregungen deutscher Geschichte zu ehren (13. 2. 1970, Bremen), viele Untersuchungen auf die Wiederentdeckung und Kanonisierung „vergessener“ Autoren. Damit einher ging teilweise eine Relativierung des Vorbildcharakters der Weimarer Klassik und im weiteren Sinne der klassischen Literatur, deren programmatischer Anspruch, Normen und Funktionen als Moment nationalkultureller Identitätsstiftung in Frage gestellt wurden. Für den Schulunterricht in der Bundesrepublik ergaben sich daraus meist nur vorübergehende Konsequenzen, während sich die ebenfalls durch die Debatten angestoßene Einbeziehung von Trivial- oder Unterhaltungsliteratur, Zweck- und Gebrauchsformen sowie moderner Medien als relativ dauerhaft erwies. Nachhaltige Auswirkungen hatte auch die Erweiterung des Kanons um bislang nicht als kanonisch angesehene Genres wie Reiseberichte, Essays, Briefe, Tagebücher, Aphorismen, Kalendergeschichten, Feuilletonbeiträge etc. Kanonkritik stand ebenfalls am Ausgangspunkt einer feministischen Literaturwissenschaft, die der männlichen Dominanz in der herkömmlichen Literaturgeschichtsschreibung das Projekt einer Rekonstruktion weiblicher literarischer Traditionen entgegensetzte. Von Anfang an ging es dabei nicht bloß um eine Integration von Autorinnen in den Kanon, sondern um eine Offenlegung einseitiger Kanonisierungsprozesse und eine Neuformulierung literaturhistorischer Prinzipien. Während zunächst spezifische Frauenbilder in kanonischen Texten männlicher Autoren einen zentralen Untersuchungsgegenstand bildeten, entwickelte sich im Kontext der zuerst in den USA initiierten gender studies ein zunehmendes Erkenntnisinteresse an den kultur- und diskursgeschichtlichen Bedingungen einer mythischen Präsenz des Weiblichen in der Literatur. Von Bedeutung für die Kanondiskussion waren darüber hinaus die in diesem Rahmen erörterten Affinitäten zwischen bestimmten Schreibformen ⫺ als bevorzugte Genres weiblichen Schreibens wurden Briefe, Gedichte und Autobiographien analysiert ⫺ und Männlichkeitsbzw. Weiblichkeitskonstruktionen und -entwürfen (vgl. Heydebrand und Winko 1994).
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Besondere Heftigkeit gewann der Kampf um den Kanon in den USA in einer Identitätspolitik, die seit den 1980er Jahren um die Begriffe race, class und gender kreiste (Assmann 2006). Vertreter sozialer und kultureller Minderheiten, die den gesellschaftlichen Ausschluss nicht-dominanter Kulturen und Gruppierungen monierten und ihr Recht auf jeweils eigene Traditions- und Identitätswahrung und -erforschung reklamierten, kritisierten den literarischen Kanon als Aushängeschild kultureller Hegemonieansprüche einer europäisch geprägten, weißen Bürgerschicht. Unterstützung leistete eine weit verbreitete Kritik an einer eurozentrischen Perspektive und an linearen Geschichtsbildern. Die Ablehnung des herausragenden Stellenwerts der westlichen Kultur an den Universitäten spitzte sich zu in der Parole von den „toten weißen europäischen Männern“ (vgl. Grimm 2002: 41). Als Reaktion formierte sich vornehmlich auf dem nichtakademischen Buch- und Zeitschriftenmarkt eine neo-orthodoxe Opposition, die durch das zunehmende Gewicht minoritärer Diskurse und das verbreitete „Canon Bashing“ (Bromwich 1988) die große Literatur auf den Lehrplänen bedroht sah und den Verlust des staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrags befürchtete. Teilweise erweiterte sich die Diskussion zu einer generellen Auseinandersetzung mit dem Werterelativismus und der pluralistischen Ausrichtung der Universitäten. In der Verteidigung einer europäisch geprägten Tradition klassischer Literatur, wie sie Harold Bloom vortrug (vgl. Grimm 2002: 43⫺47), konnte dabei noch einmal die Vorstellung eines Kanons als eines zeitlosen, quasi naturwüchsigen Gebildes Gestalt annehmen. Auf eine andere Ebene gehoben wurde das Thema erst durch eine wissenschaftliche Aufarbeitung der KanonDebatten, indem gezeigt werden konnte, welche Rolle die Nation als imaginierte Gemeinschaft (Anderson 1996), die institutionellen Rahmenbedingungen und die soziale Prägung der Beteiligten im Prozess der Kanonbildung spielen (Gorak 1991: 221⫺260; Gorak 2001). Die amerikanischen Kanon-Debatten hatten bildungspolitische Rückwirkungen auf die Curricula und Leselisten an Schulen und Universitäten und trotz der Tendenz zur Parzellierung auch auf die Herausbildung von erneuerten und erweiterten Kanones, die inzwischen viel stärker als früher nicht-europäisch geprägte Literaturen und Kulturen sowie Migrantenliteratur berücksichtigen. Unter adressaten- und rezeptionsspezifischen Gesichtspunkten fanden auch die geforderte Kolonialismuskritik und polyethnische Betrachtungsweisen Eingang in führende Literaturgeschichten und Anthologien. Dass sich daraus Auswirkungen auf das Selbstverständnis nationalstaatlicher Identität ergeben, liegt nahe. Insgesamt lässt sich aber eine Neigung zum Ausgleich feststellen. Auf der anderen Seite ist nämlich in letzter Zeit eine Tendenz zur Rückkehr zu klassischen Autoren und zum Klassiker-Studium zu vermerken (vgl. Grimm 2002: 47⫺51). Überhaupt scheinen auch im internationalen Maßstab ⫺ ungeachtet der Diskussionen, die weiterhin über die Vor- und Nachteile von Kanones geführt werden ⫺ pragmatische Lösungen heute am ehesten Akzeptanz zu finden (Winko 2007: 264). Generell ist die Notwendigkeit, literarische Traditionen zu rekonstruieren und in Form von Kanones oder Leselisten zu vermitteln, im akademischen Bereich weithin unumstritten. Zugleich haben Literaturwissenschaft und -kritik im Nebeneinander von Sub-, Gegen- und Alternativkanones, die sich für die verschiedenen sozialen und ästhetischen Teilbereiche von Kultur herausgebildet haben, ein kreatives Potential erkannt, das vermittelt und erforscht wird.
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XVIII. Die Rolle der Literatur im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache
4. Der literarische Kanon im Fach Deutsch als Fremdsprache / Interkulturelle Germanistik Von Globalisierungs- und Migrationsprozessen gehen heute Herausforderungen aus, die den Begriff Interkulturalität zu einem forschungsleitenden Paradigma innerhalb der neueren Literaturwissenschaft haben werden lassen (Gutjahr 2006b: 105⫺114). So befasst sich die Interkulturelle Literaturwissenschaft unter Bezug auf einen offenen, prozessualen und dialogischen Kulturbegriff mit interkulturellen Aspekten der Literatur, mit literarischen Themen, Texten, Textgattungen und Motiven, die kulturelle Unterschiede reflektieren und über Kulturgrenzen hinausführen. Eine besondere Rolle nehmen dabei Darstellungen und Verarbeitungen von Kulturkontakten und -konflikten, von Fremdheitserfahrungen, -darstellungen und kulturellen Selbstauslegungen, des Kulturtransfers, -austauschs, der Mehrsprachigkeit und Übersetzung ein. Zu den zentralen Themen, Verfahrensweisen und Arbeitsfeldern zählen neben Fragen der Lehr- und Vermittlungspraxis die interkulturelle Hermeneutik, Theorien der kulturellen und poetischen Differenz und Alterität, postkoloniale Kritik und Globalisierung, Transnationalität und -kulturalität, Imagologie, Intertextualität und Hybridität. Unter ästhetischen, historisch-gesellschaftlichen und rezeptionsgeschichtlichen Gesichtspunkten werden die interkulturellen Potentiale und Wirkungen literarischer Texte untersucht, wie sie kulturelle Differenzen bearbeiten, d. h. fixieren, umschreiben oder transformieren (vgl. Mecklenburg 2003: 435⫺438, 2008: 11⫺38; Hofmann 2006: 9⫺60). Konstitutiv für solche Verfahrensweisen ist die Annahme einer zeit- und kulturspezifischen Gebundenheit der jeweiligen Positionen. Das gilt auch für das gerade im Rahmen des Fachs Deutsch als Fremdsprache zentrale Kanonproblem (Wierlacher 1987: 194). Da sich je nach lokalem und historischem Betrachterstandpunkt unterschiedliche Perspektiven auf die betreffenden Gegenstände ergeben, kann es keinen überzeitlichen, überregionalen oder gar weltweit verbindlichen Literaturkanon geben. Ebenso unangemessen ist eine Ausrichtung auf Literaturkanones der Muttersprachengermanistik, zumal diese teilweise noch immer Züge einer nationalkulturell und -philologisch geprägten Identitätsstiftung tragen. Andererseits sind Gesichtspunkte wie „Exzeptionalität“, „Innovation“ und „Repräsentanz“ auch aus der Außensicht nicht außer Acht zu lassen. So stimmt man in weiten Teilen der Auslandsgermanistik darin überein, dass ein Literaturkanon die für Geschichte, Tradition und Selbstverständnis einer Gesellschaft maßgeblichen Werke umfassen soll (vgl. z. B. Huntemann 1997: 115⫺117), darüber hinaus solche, die relevante zeitgenössische Debatten repräsentieren. Ein Kanon, der die deutschsprachige Literatur aus der Fremdperspektive als Teil der Weltliteratur vermitteln soll, muss also auch diesen Ansprüchen gerecht werden. Die Herausbildung einer Interkulturellen Literaturwissenschaft hat eine ihrer Wurzeln in der Migrationsliteratur bzw. inter- oder multikulturellen Literatur, d. h. literarischen Arbeiten von Autorinnen und Autoren, die aus einer von zwei oder mehreren Kulturen geprägten Sichtweise schreiben. In der Bundesrepublik trugen dazu schon früh die sog. ,Gastarbeiter‘ bei, die seit den 1960er Jahren nach Deutschland kamen (vgl. Ackermann und Weinrich 1986; Chiellino 2000). Inzwischen bildet die Migrationsliteratur (vgl. Art. 174), deren Erforschung ⫺ noch unter der vorläufigen Bezeichnung ,Ausländerliteratur‘ ⫺ seit den späten 1970er Jahren vom Institut für Deutsch als Fremdsprache der Ludwig-Maximilians-Universität München ausging, einen weithin respektierten Gegenstand der Literaturwissenschaft. Auch auf dem Buchmarkt findet sie zunehmende Aner-
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kennung ⫺ zu nennen wären viel beachtete Autoren wie Rafik Schami, Tere´zia Mora, Feridun Zaimog˘lu, Zafer Senocak und Ilja Trojanow. Problematisch erscheint indessen, dass in der Rezeption z. T. biographische und persönliche Aspekte dominieren und dem Phänomen eine umfriedete Sonderstellung innerhalb der deutschsprachigen Literatur zugewiesen wird. Dabei bleibt mitunter unberücksichtigt, dass die Texte mit Blick auf das Ineinander von Fremdheitserfahrungen und kulturellen Selbstwahrnehmungen faszinierende ästhetische Erfahrungen vermitteln, die weit über die konkrete Migrationsthematik hinausführen. Sinnbild der Präsenz von Migrationsliteratur in Deutschland ist der renommierte Adelbert-von-Chamisso-Preis. Der Namensgeber dieser Ehrung verweist auf die Traditionslinien interkultureller Literatur, auf Migrations- und Exilerfahrungen von Menschen, die in Zeiten von Repression, Vertreibung und Verfolgung im Ausland oder in Deutschland Aufnahme fanden ⫺ zu denken wäre an die deutschen Emigranten in Frankreich vom Ende des Ancien Re´gime bis zur Restauration, an die französischen Revolutionsflüchtlinge in Deutschland, an die großen Auswanderungsbewegungen im 19. Jahrhundert, an den breiten Strom von Künstlern und Schriftstellern, die vor den Nationalsozialisten in viele Länder der Erde flüchteten. Im gleichen Zusammenhang anzuführen sind Vertreter der deutschen Literatur mit nichtdeutscher Herkunft oder Nationalität wie Nikolaus Lenau, Rainer Maria Rilke, Franz Kafka, Franz Werfel, Joseph Roth, Paul Celan, Elias Canetti, Libusˇe Monı´kova´, Emine Sevgi Özdamar, Herta Müller und viele andere, des weiteren die deutschsprachigen Minderheitenliteraturen im Ausland, im Elsaß, im Baltikum, in Belgien, Luxemburg, Rumänien, Ungarn, Russland, Israel, Kanada, Brasilien, Argentinien, Südafrika und den USA, schließlich literarische Werke von Autoren wie Horst Bienek, Günter Grass, Siegfried Lenz, Peter Härtling, Christa Wolf, die das Thema Umsiedlung, Flucht und Vertreibung behandeln (Esselborn 2001: 342, 343). Aus der Sicht einer Interkulturellen Literaturwissenschaft innerhalb und außerhalb des Fachs Deutsch als Fremdsprache verdienen es alle diese Literaturen, stärker ins Blickfeld gerückt zu werden. Das gleiche gilt für koloniale und postkoloniale Literaturen (Madsen 1999), das ganze Gebiet der Reiseliteratur, Utopien, Abenteuerromane, Robinsonaden und andere Genres, die ein hohes kulturreflexives Potential aufweisen (Gutjahr 2002: 357). Gleichwohl kann die Aufgabe nicht bloß darin bestehen, nationalkulturell geprägte Kanones um interkulturelle Literatur zu ergänzen; zur Diskussion steht vielmehr das interkulturelle und ästhetische Potential der gesamten älteren und neueren deutschen Literatur. Eine solche Perspektivierung wäre verbunden mit einer Öffnung hin zu Literaturen der europäischen Nachbarländer, zu kleinen Literaturen sowie zum weiten Feld einer nicht mehr eurozentrisch konfigurierten Weltliteratur. Mit Blick auf die Kanondebatten sind schließlich die Aufgaben einer solchen Forschungsrichtung im Verhältnis zur Germanistik zu benennen, die sich nicht erst durch den Bologna-Prozess und immer enger werdende weltweite Verflechtungen vor die Aufgabe gestellt sieht, das Konzept „Nationalphilologie“ zu überwinden (Gutjahr 2006a). Die Interkulturelle Literaturwissenschaft kann mit den ihr eigenen Forschungsparadigmen dazu beitragen. Für das Fach Deutsch als Fremdsprache liegt dabei eine Chance in der Etablierung einer transnationalen Germanistik, wie Ehlich (2007: 430⫺459) sie entworfen hat. Den Bezugs- und Orientierungsrahmen bietet die multikulturelle, -linguale und perspektivische Vielfalt Europas, eines Kontinents, der die Voraussetzungen hat, neue Formen gesellschaftlicher Interaktion und kulturellen Austauschs realisieren zu können, ohne dass kulturelle Differenzen einer universalistischen Homogenisierung preisgegeben werden.
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XVIII. Die Rolle der Literatur im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache
5. Fragen der Literaturvermittlung Augaben einer Interkulturellen Literaturwissenschat im Fach Deutsch als Fremdsprache Im Rahmen des breiten Spektrums an Modellen, Konzepten und Arbeitsfeldern, das die interkulturelle Literatur- und Literaturlehrforschung inzwischen umfasst, dominieren im Fach Deutsch als Fremdsprache anwendungsorientierte Verfahrensweisen mit didaktischem, rezeptionstheoretischem, kulturthematischem und empirischem Profil. Ein Problem besteht dabei, wie unter anderen Vorzeichen teilweise auch in der grundsprachlichen Germanistik, in der Tendenz, die Literatur bloß als äußeres Vehikel zu behandeln und ihren ästhetischen Charakter auszublenden. So werden literarische Texte häufig bloß auf ihre Funktion als Medium der Kulturvermittlung reduziert. Demgegenüber ist mit Mecklenburg (1987) darauf zu bestehen, dass poetischer Alterität auch im Kontext kultureller Alterität eine konstitutive Rolle zukommt. Qua ihrer Differenz zur empirischen Lebenswirklichkeit erfüllt sie eine tragende Rolle für das Verständnis von kultureller Differenz und interkulturellen Konstellationen. Überhaupt scheint es auch im Rahmen des Fachs Deutsch als Fremdsprache an der Zeit ⫺ wie gerade auch Vertreter der Auslandsgermanistik fordern ⫺, neben Vermittlungsaspekten die Literatur selbst wieder stärker in den Blick zu nehmen, und zwar unter Wahrung ihres Kunstcharakters. Die Debatten über literarische Kanones und die interkulturellen und ästhetischen Potentiale von Literatur können dazu einen gewichtigen Beitrag leisten. Zwei Aspekte verdienen in diesem Zusammenhang exemplarisch hervorgehoben zu werden, nicht zuletzt um grundlegende Einsichten und ihren historischen Bezugsrahmen noch stärker zu profilieren: Zum einen scheint es geboten, wie es Gutjahr (2002: 356, 357) für eine interkulturelle Literaturgeschichte vorschlägt, einen der Germanistik vorausgehenden Traditionsstrang kulturwissenschaftlicher Schriften zu rekonstruieren, der mit Johann Gottfried Herder, Georg Forster und Alexander von Humboldt beginnt und sich kontinuierlich fortsetzt bis hin zu „den kulturkritischen Schriften von Sigmund Freud, Georg Simmel und Max Weber, Ernst Cassirer, Walter Benjamin, Max Horkheimer, Theodor W. Adorno und Norbert Elias“. Zum anderen zeigt sich sehr deutlich, dass neuere interkulturelle Ansätze, wie auch ihre praktischen Applikationen, rückgebunden sind an historische Problemkonstellationen und Konzepte. So zeichnet sich schon in älteren Texten wie den oben genannten direkt oder indirekt die Erkenntnis ab, dass Kulturen grundsätzlich auf Offenheit und einen grenzüberschreitenden Austausch im Weltkontext angewiesen sind. Dazu gehört ein Bewusstsein für den relationalen Charakter des Fremden und die Interdependenz der Standpunkte. In der Konsequenz bedeutet das eine Aufhebung der Opposition von Fremdem und Eigenem. Anhand ausgewählter Texte lässt sich veranschaulichen, wie tradierte Bewertungsmuster aufgebrochen werden durch Annäherungen an ein Wissen um das Neben- und Ineinander von Fremderfahrungen und kulturellen Selbstwahrnehmungen (Ewert 2006: 516⫺522). Dieses Terrain wäre im Hinblick auf das Projekt einer interkulturell orientierten Literaturgeschichte noch intensiver zu erschließen. Die dabei zutage tretenden Einsichten eröffnen nicht selten einen Blick auf heutige Fragen und Probleme interkultureller Kommunikation. Im Einzelnen könnten sich sogar Perspektiven ergeben, die eine frappierende Aktualität besitzen.
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6. Literatur in Auswahl Ackermann, Irmgard und Harald Weinrich (Hg.) 1986 Eine nicht nur deutsche Literatur. Zur Standortbestimmung der ,Ausländerliteratur‘. München: Piper. Anderson, Benedict 1996 Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts. Erweiterte Neuausgabe. Frankfurt a. M.: Campus. Assmann, Aleida und Jan Assmann (Hg.) 1987 Kanon und Zensur. Beiträge zur Archäologie der literarischen Kommunikation; II. München: Fink. Assmann Aleida 2006 Der Kampf um den Kanon ⫺ Identitätspolitik im Medium der Literatur. In: Aleida Assmann, Einführung in die Kulturwissenschaft. Grundbegriffe, Themen, Fragestellungen, 223⫺227. Berlin: Erich Schmidt. Auerochs, Bernd 2007 Kanon. In: Dieter Burdorf, Christoph Fasbender und Burkhard Moennighoff (Hg.), Metzler Lexikon Literatur. Begriffe und Definitionen, 372⫺373. 3. völlig neu bearb. Aufl. Stuttgart: Metzler. Bromwich, David 1988 Canon bashing. Dissent 35: 479⫺481. Chiellino, Carmine (Hg.) 2000 Interkulturelle Literatur in Deutschland. Ein Handbuch. Stuttgart, Weimar: Metzler. Ehlich, Konrad 2007 Transnationale Germanistik. München: iudicium. Esselborn, Karl 2001 Autoren nichtdeutscher Muttersprache im Kanon deutscher Literatur? Zur Erweiterung des Kanons deutscher ,Nationalliteratur‘ um Texte der Interkulturalität. In: Michaela Auer und Ulrich Müller (Hg.), Kanon und Text in interkulturellen Perspektiven: „Andere Texte anders lesen“, 335⫺351. Stuttgart: Heinz. Ewert, Michael 2006 Zum Konzept der Transnationalisierung in historischer und aktueller Perspektive. In: Konrad Ehlich (Hg.), Germanistik in / und / für Europa. Faszination ⫺ Wissen. Texte des Münchener Germanistentages 2004, 513⫺522. Bielefeld: Aisthesis. Gorak, Jan 1991 The Making of the Modern Canon. Genesis and Crisis of a Literary Idea. London: Athlone. Gorak, Jan 2001 Canon vs. Culture. Reflections on the Current Debate. New York: Garland. Grimm, Erk 2002 Bloom’s Battles. Zur historischen Entfaltung der Kanon-Debatte in den USA. In: Heinz Ludwig Arnold (Hg.), Literarische Kanonbildung, 39⫺54. (text ⫹ kritik; Sonderband). München: edition text ⫹ kritik. Grübel, Rainer 1996 Wert, Kanon, Zensur. In: Heinz Ludwig Arnold und Heinrich Detering (Hg.), Grundzüge der Literaturwissenschaft, 601⫺622. München: dtv. Gutjahr, Ortrud 2002 Alterität und Interkulturalität. Neuere deutsche Literatur. In: Claudia Benthien und Hans Rudolf Velten (Hg.), Germanistik als Kulturwissenschaft. Eine Einführung in neue Theoriekonzepte, 345⫺369. Reinbek: Rowohlt. Gutjahr, Ortrud 2006a Interkulturelle Literaturwissenschaft als Europäische Kulturwissenschaft. In: Nicole Colin, Joachim Umlauf und Alain Lattard (Hg.), Germanistik ⫺ eine europäische Wissenschaft? Der Bologna-Prozess als Herausforderung, 110⫺145. München: iudicium.
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XVIII. Die Rolle der Literatur im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache
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173. Literatur im Landeskundeunterricht
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Michael Ewert, München (Deutschland)
173. Literatur im Landeskundeunterricht 1. Literarische Texte im Landeskundeunterricht: zur Theoriediskussion 2. Literarische Texte im Landeskundeunterricht: Themenbereiche und Unterrichtspraxis 3. Literatur in Auswahl
1. Literarische Texte im Landeskundeunterricht: zur Theoriediskussion Literarischen Texten wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten in der Fremdsprachendidaktik im allgemeinen und in der Landeskundedidaktik im besonderen von den Theoretikern des Faches eine besondere Bedeutung zugesprochen (Groenewold 1997; Koppensteiner 2001; Altmayer 2004). Hierbei wird seit den 1990er Jahren ein breiter Literaturbegriff verwendet, der auch autobiographische Texte, Zeitzeugenberichte, Reportagen, reflexiv-essayistische Texte und Reisebeschreibungen umfassen kann. Die Übergänge zu nicht-fiktiven Texten sind dabei fließend. Der Mehrwert der Literatur wird
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XVIII. Die Rolle der Literatur im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache
in ihrer das rein Kognitive übersteigenden, multiperspektivischen und das ganze Spektrum der Lebenswelt umfassenden Qualität gesehen. Die quantitativ und qualitativ stark angewachsene Jugendliteratur eröffnet zudem verstärkt die Möglichkeit, mit lernerorientierten Erlebnisperspektiven zu arbeiten. Sie entspricht damit als Medium in idealer Weise den Forderungen der modernen Landeskundedidaktik. Dennoch sind zwischen den einzelnen Landeskundekonzepten deutliche Unterschiede hinsichtlich der Rolle der Literatur zu konstatieren: In einer mehr traditionellen kognitiven Landeskunde, die sich monodisziplinär an der Geschichte als Leitwissenschaft orientiert (Koreik 1995), sind literarische Texte ein didaktisches Mittel, in einer kulturwissenschaftlichen und interkulturellen Landeskunde dagegen sind sie Teil eines erkenntnistheoretischen Konzepts (Altmayer 2004). Altmayer (2002) erläutert auf hohem theoretischen Niveau den Begriff der „kulturellen Deutungsmuster“. Dabei handelt es sich um „selbstverständlich bekannte Wissenselemente“ innerhalb einer Kommunikationsgemeinschaft, die aber für Mitglieder einer anderssprachigen Gemeinschaft nicht ohne weiteres verständlich sind. Die von Altmayer (2004) ausgearbeitete Hypertext-Methode ähnelt dem „Prinzip der kommunizierenden Texte“, mit dem Groenewold zu vernetzten Textfeldern gelangt (Groenewold 1997, I: 239⫺244), die direkt als Ausgangsmaterial für einen auf Deutungsmuster abzielenden interkulturellen Landeskundeunterricht verwendbar sind. Im Unterschied zu Altmayer geht es bei Groenewold jedoch um den Kontrast und die vergleichende Analyse von Deutungsmustern in der interkulturellen Begegnung zwischen Angehörigen zweier Nationen (Groenewold 1997, I: 172⫺185), wozu auch ein Anhang mit Textbeispielen und einer Unterrichtseinheit gegeben wird (Groenewold 1997, I: 327⫺376). Es werden also auch fremdsprachige Texte einbezogen, die eine Außenperspektive auf die Zielkultur eröffnen. Dahinter steht der Anspruch auf die Entwicklung einer binationalen Begegnungsgeschichte der jeweiligen Selbst- und Fremdbilder über mehrere Generationen hinweg, die sich in Texten repräsentieren. Für die Unterrichtspraxis wird hierzu mit kurzen, meist literarischen Textfragmenten gearbeitet, die gezielt auf kulturelle Deutungsmuster hin ausgewählt werden. In den Praxisfeldern des Unterrichts Deutsch als Fremdsprache und Deutsch als Zweitsprache ist die postulierte Bedeutung der Literatur nur vereinzelt in Konzepte übersetzt worden, die den theoretischen Ansprüchen gerecht werden. Bei den Bestrebungen, die Landeskunde als interdisziplinäres wissenschaftliches Fach zu etablieren, kommt die didaktische Umsetzung der Theorie in Unterrichtsmaterial oft zu kurz. Sobald Literatur im Landeskundeunterricht einen Stellenwert erhalten soll, der über formale Qualitäten wie die Abwechslung von Textsorten hinausgeht, sollte die Frage beantwortet sein, welcher Konzeption der Landeskunde sich der Unterricht verpflichtet fühlt: Bei einem expliziten und kognitiven Landeskundeverständnis mit thematischer Orientierung auf historische, gesellschaftliche und lebensweltliche Elemente der Zielgesellschaft kommen andere Texte zum Zuge als bei einer sich kulturwissenschaftlich und interkulturell verstehenden Landeskunde, die auf die verschiedenen Perspektiven und Wahrnehmungsweisen in einer multikulturellen Gesellschaft abzielt. Die beiden Konzeptionen schließen sich jedoch nicht aus. Sie können auch im Wechsel angeboten werden und sich im Idealfall sogar sinnvoll ergänzen. Auf der anderen Seite bieten die Autoren von Lehrwerken und Unterrichtsmaterialien ein vielfältiges Spektrum von Beispielen für den Einsatz von Literatur im Landeskundeunterricht. Sie sehen sich jedoch immer wieder mit dem Problem der Komplexität und
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des Umfangs literarischer Texte konfrontiert, die die Verwendung vieler interessanter Texte unmöglich macht bzw. einen unrealistischen Zeitaufwand erfordern würde. Daher finden sich im unterrichtspraktischen Material der Verlage viele theorieunabhängige Sammlungen und Didaktisierungen bewährter Kurztexte, die in eher zufällige Zusammenhänge eingebettet sind. Die Arbeit mit Jugendliteratur wird bei Didaktikern als zielgruppenadäquater Ausweg gesehen, stößt aber was Komplexität und Umfang betrifft, letztlich auf dieselben Probleme. Auch dezidierte Befürworter der Literatur im DaF-Unterricht widmen dem Pro und Contra ausführlich Raum (Koppensteiner 2001: 11⫺22) und entscheiden sich auch bei landeskundlichen Themen oft für die kürzeste aller Gattungen, die Lyrik (Koppensteiner 2001: 129⫺141). Die gleichzeitige Bedienung aller Aspekte von Landeskunde und Literaturdidaktik für verschiedenste DaF-/DaZ-Zwecke kann zum Verlust von Konzeptionsschärfe führen und den Unterricht seiner Effektivität berauben. Bischof, Kessling und Krechel (1999) bieten gut ausgearbeitete Unterrichtsbeispiele vom impliziten über den expliziten bis zum interkulturellen Landeskundeunterricht an. Lehrer können diese Beispiele direkt anwenden, sie erhalten jedoch keine Handreichungen zur Entwicklung kohärenter Unterrichtskonzeptionen, in denen Literatur nicht als mehr oder weniger zufällig zu bearbeitendes Material dasteht.
2. Literarische Texte im Landeskundeunterricht: Themenbereiche und Unterrichtspraxis Die geschichtlichen und kulturgeschichtlichen Themen, die in der expliziten Landeskunde vornehmlich angesprochen werden, konzentrieren sich auf die Zeitgeschichte seit dem Zweiten Weltkrieg, literarisch betrachtet auf die Erlebnis- und Erinnerungsperspektive der gegenwärtig lebenden Generationen. Schwerpunktthemen, die auch literarisch vielfach repräsentiert sind, sind: Nationalsozialismus, Krieg und Stunde Null; das wechselvolle Schicksal Berlins (deutsche Teilung, Mauer); der Terrorismus der 1970er Jahre; die Wende (deutsche Einheit, das Zusammenwachsen von Ost und West); Rechtsextremismus/Rassismus; Migration und multikulturelle Gesellschaft; Erinnerung an den Holocaust sowie an die deutschen Opfer von Bombenkrieg, Flucht, Vertreibung und Massenvergewaltigungen. Zu allen Themenbereichen finden sich auch in der seit den 1970er Jahren sprunghaft angewachsenen sozialrealistischen Jugendliteratur viele Beispiele. Die deutsche Einheit und die Wende werden ein neues Großthema in Literatur (Grub 2003) und Landeskunde. Dagegen ist bis in die 1990er Jahre hinein eine gewisse Scheu in der Behandlung des Holocaust zu konstatieren. Wahrscheinlich hängt dies mit dem Unbehagen zusammen, das sich aus der Funktionalisierung dieses Themas im Fremdsprachenunterricht ergibt. Eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung bringt hier Veränderung: Nach dem Ende des Kalten Krieges wächst die Aufmerksamkeit für Opfer in unterschiedlichen gesellschaftlich-historischen Zusammenhängen. Die langjährige Tabuisierung der deutschen Opfer des Krieges weicht den Versuchen zu einer politisch korrekten Thematisierung. Damit einher geht ein ungeheures Wachstum in der Erhebung und Archivierung von Zeitzeugenberichten, die zunehmend auch in digitalen Archiven zugänglich sind bzw. in didakti-
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sierter Form öffentlich präsentiert werden (Museen, Ausstellungen, Fernsehdokumentationen). Über die „biographische Konkretion“ dieser authentischen Texte (Ghobeyshi 2002) kann der Holocaust aus unterschiedlichen Perspektiven (Täter, Opfer, Zuschauer und Retter) vermittelt werden. Auf der Website der Hamburger Forschungs- und Arbeitsstelle „Erziehung nach/über Auschwitz“ (www.fasena.de) finden sich zahlreiche Downloads von Artikeln und Unterrichtsmaterialien, z. B. eine Unterrichtseinheit zu Paul Celans Gedicht „Todesfuge“ (Koch 2006). In der Kinder- und Jugendliteratur der 1990er Jahre gibt es zahllose Beispiele einer altersgerechten Darstellung des Holocaust (Dahrendorf 1999). Auch in der Geschichtsdidaktik wird seit Jahrzehnten über den Nutzen der Literatur diskutiert. In den Handbüchern der Geschichtsdidaktik ist allerdings über die verschiedenen Auflagen hinweg eine relative Zurückhaltung zu konstatieren (z. B. Sauer 2007: 280⫺ 290). Wohl lässt sich eine Hinwendung zu kurzen, leicht funktionalisierbaren Textformen wie Liedern (Sauer 2007: 231⫺237) und insbesondere Zeitzeugenaussagen (Sauer 2007: 238⫺245) feststellen. Lieder sind in den DaF-Lehrbüchern bereits prominent vertreten; eine für den Geschichtsunterricht didaktisierte Auswahl historischer Lieder findet sich in Sauer 2008 (mit CD). Autobiographische Texte sind Teil der Literatur und haben in der Form relativ kurzer Zeitzeugenberichte augenblicklich auf vielen Websites Konjunktur. Hier lassen sich zu Ereignissen und Themen der Zeitgeschichte schnell geeignete Texte für landeskundliche Unterrichtssequenzen finden (z. B. http://einestages.spiegel.de; www.kaleidos.de). Ein Vergleich mit der Didaktik der Kinder- und Jugendliteratur im Geschichtsunterricht (z. B. Zimmermann 2004 und Rox-Helmer 2006) kann für den DaF-Dozenten sehr nützlich sein. Seit den 1960er Jahren entsteht auch eine deutsch- und fremdsprachige Literatur, in der Migranten ihre Erfahrungen in den Gesellschaften der deutschsprachigen Länder und Kulturen formulieren. Die Außenperspektiven dieser Texte transportieren viel Fremdheit, negative Erfahrungen und Kontraste zur jeweiligen Eigenkultur. Seit den 1970er Jahren werden Anthologien mit kurzen Texten herausgegeben, die auch Eingang in den sich zunehmend interkulturell definierenden DaF-/DaZ-Unterricht finden. Seitdem ist der Anteil von Migranten im Unterricht konstant gestiegen und in den 1990er Jahren mit neuen Gruppen von Flüchtlingen (Jugoslawienkriege) und Aussiedlern (Russland- und Rumäniendeutsche) erweitert worden. Zunehmend ist nicht mehr von einer Außenperspektive die Rede, sondern von einer multiplen Innenperspektive deutschsprachiger und ausländischer Lerner der zweiten und dritten Generation mit Migrationshintergrund. Dieser Perspektivenwechsel macht sich auch in der literarischen Produktion bemerkbar (Arnold 2006). Eine ausführliche Bibliographie zur Thematik interkultureller Lebensläufe gibt Chiellino (2000: 447⫺523). Zu ihrer Verwendung im DaF-Unterricht finden sich Beispiele bei Lintfert (1998). Migration und Multikulturalität werden Thema auch in der Kinder- und Jugendliteratur, deren Texte in den Literatur- und Landeskundeunterricht der wachsenden Gruppen, die Deutsch als Zweitsprache erlernen, aufgenommen werden (Rösch 2006). Rösch (2000) diskutiert auch die Thematik des (Anti-)Rassismus. In vielen Praxissituationen scheitert die Einsetzbarkeit der Texte im institutionellen Zeitrahmen und ihre Akzeptanz bei den Lernern an formalen und inhaltlichen Problemen: zu lang, zu kompliziert, zu ungewohnt. Einen Ausweg aus diesem Dilemma bietet die im deutschsprachigen Raum noch relativ neue Gattung der Graphic Novels. Bei diesen handelt es sich im Prinzip um nichts anderes als lange Comics. Der neue Begriff
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rechtfertigt sich aber im Hinblick auf das höhere Niveau in Anspruch, Thematik und Wirklichkeitsnähe der Erzählungen und der künstlerischen Qualität und realitätsgetreuen Sorgfalt der Zeichnungen. In der angelsächsischen Fremdsprachendidaktik häufen sich die Veröffentlichungen zur Arbeit mit Graphic Novels im Unterricht für Englisch als Fremd- und Zweitsprache und im Geschichtsunterricht. Der Mehrwert des neuen Genres besteht in der Vertrautheit jedes Lernenden mit dem Medium und in dem für den Unterricht idealen Umstand, dass sich Text und Bild die Aufgabe des Erzählens teilen, dass also trotz des fremdsprachlichen Textes immer schon ein miterlebendes und mitgestaltendes Verständnis des Geschriebenen durch den betrachtenden Leser gewährleistet ist. Cary (2004) zeigt die didaktischen Möglichkeiten, die sich daraus auch für multilinguale Lernergruppen ergeben; Morrison, Bryan und Chilcoat (2002) bieten eine ausgezeichnete Anleitung für die Selbstproduktion von Comics im landeskundlich-geschichtlichen Unterricht, Munier (2000) für den breiteren Einsatz von Comics im Geschichtsunterricht. Für den Landeskundeunterricht bieten sich mehrere Typen der Graphic Novel an: in erster Linie zeichnerische Umsetzungen von deutschen Romanen, die starke landeskundliche Komponenten enthalten. So ist Uwe Timms in viele Leselisten aufgenommener Roman „Die Entdeckung der Currywurst“ von der Zeichnerin Isabel Kreitz (2005) in eine adäquate Bildergeschichte übersetzt worden. Auch für jüngere Lerner geeignet ist ihre Adaption von Erich Kästners „Pünktchen und Anton“ (Kreitz 2009). Der 500-Seiten-Roman „Der erste Frühling“ des Jugendbuchautors Klaus Kordon wurde vom Zeichner Christoph Heuer und der Autorin Gerlinde Althoff in realistisch-harte Bildsequenzen vom Frühjahr 1945 in Berlin umgewandelt (Kordon, Althoff und Heuer 2007). Auch einzelne Kapitel und Sequenzen lassen sich gut im Landeskundeunterricht verwenden. Es gibt keinen didaktischen Grund, hier auf ursprünglich deutscher Literatur zu beharren, da auch qualitativ hervorragende übersetzte Graphic Novels mit landeskundlicher Thematik zur Verfügung stehen wie die in den Jahren zwischen 1928 und 1933 spielenden Berlinromane des Amerikaners Jason Lutes (2003⫺2008). Die HolocaustThematik findet eine eindringliche und anspruchsvolle Behandlung in Art Spiegelmans „Maus“ (2008) und Joe Kuberts „Yossel“ (2005). Kubert wählt die Form eines Skizzenbuchs: Ein Fünfzehnjähriger zeichnet im Warschauer Ghetto das ihm widerfahrende Elend und die Geschichten, die ein Rabbi ihm von den Vernichtungslagern erzählt. Die Texte sind hier länger, informativer und weniger der im Comic vorherrschenden Dialogform verpflichtet.
3. Literatur in Auswahl Altmayer, Claus 2002 Kulturelle Deutungsmuster in Texten. Prinzipien und Verfahren einer kulturwissenschaftlichen Textanalyse im Fach Deutsch als Fremdsprache. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 6(3): 1⫺25. Altmayer, Claus 2004 Kultur als Hypertext. Zu Theorie und Praxis der Kulturwissenschaft im Fach Deutsch als Fremdsprache. München: iudicium.
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Arnold, Heinz Ludwig (Hg.) 2006 Literatur und Migration. München: edition text ⫹ kritik. Bischof, Monika, Viola Kessling und Rüdiger Krechel 1999 Landeskunde und Literaturdidaktik. (Fernstudieneinheit 3). Berlin etc.: Langenscheidt. Cary, Stephen 2004 Going Graphic. Comics at Work in the Multilingual Classroom. Portsmouth: Heinemann. Chiellino, Carmine 2000 Interkulturelle Literatur in Deutschland. Ein Handbuch. Stuttgart/Weimar: Metzler. Cromer, Michael und Penney Clarke 2007 Getting graphic with the past. Graphic novels and the teaching of history. Theory and Research in Social Education 35: 574⫺591. Dahrendorf, Malte (Hg.) 1999 Die Darstellung des Holocaust in der Kinder- und Jugendliteratur. Beiträge Jugendliteratur und Medien, 10. (Beiheft). Weinheim: Juventa. Ghobeyshi, Silke 2002 Nationalsozialismus und Schoah als landeskundliche Themen im DaF-Unterricht. (Werkstattreihe Deutsch als Fremdsprache 72). Frankfurt a. M.: Lang. Groenewold, Peter 1997 ,Land in Sicht‘. Landeskunde als Dialog der Identitäten am Beispiel des deutsch-niederländischen Begegnungsdiskurses. 2 Bde. Diss. Rijksuniversiteit Groningen. Grub, Frank Thomas 2003 ,Wende‘ und ,Einheit‘ im Spiegel der deutschsprachigen Literatur. Ein Handbuch. Band 1: Untersuchungen. Band 2: Bibliographie. Berlin/New York: de Gruyter. Koch, Leo 2006 Unterrichtseinheit zu Paul Celans ,Todesfuge‘ für den DaF-Unterricht. Hamburg: Forschungs- und Arbeitsstelle Erziehung nach/über Auschwitz (www.fasena.de). Koppensteiner, Jürgen 2001 Literatur im DaF-Unterricht. Eine Einführung in produktiv-kreative Techniken. Wien: öbv und hpt. Kordon, Klaus, Gerlinde Althoff und Christoph Heuer 2007 Der erste Frühling. Hamburg: Carlsen. Koreik, Uwe 1995 Deutschlandstudien und deutsche Geschichte. Die deutsche Geschichte im Rahmen des Landeskundeunterrichts für Deutsch als Fremdsprache. Baltmannsweiler: Schneider. Kreitz, Isabel 2005 Die Entdeckung der Currywurst. Nach einem Roman von Uwe Timm. Hamburg: Carlsen. Kreitz, Isabel 2009 Pünktchen und Anton. Hamburg: Dressler. Kubert, Joe 2005 Yossel, 19. April 1943. Eine Geschichte des Aufstands im Warschauer Getto. Köln: Ehapa Comic Collection. Lintfert, Marita 1998 Migrantenbiographien: Kultur und Migration als Inhalte in der Deutsch als FremdspracheAusbildung. Frankfurt a. M.: Lang. Lutes, Jason 2003⫺2008 Berlin 01. Steinerne Welt und Berlin 02. Bleierne Welt. Hamburg: Carlsen. Morrison, Timothy G., Gregory Bryan und George W. Chilcoat 2002 Using student-generated comic books in the classroom. Journal of Adolescent and Adult Literacy 45: 758⫺767. Munier, Gerald 2000 Geschichte im Comic. Aufklärung durch Fiktion? Über Möglichkeiten und Grenzen des historisierenden Autoren-Comic der Gegenwart. Hannover: Unser.
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Rösch, Heidi 2000 Jim Knopf ist nicht schwarz. Anti-/Rassismus in der Kinder- und Jugendliteratur. Baltmannsweiler: Schneider. Rösch, Heidi 2006 Migration in der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur. In: Heinz Ludwig Arnold (Hg.), Literatur und Migration, 222⫺232. München: edition text ⫹ kritik. Rox-Helmer, Monika 2006 Jugendbücher im Geschichtsunterricht. Schwalbach: Wochenschau-Verlag. Sauer, Michael 2007 Geschichte unterrichten. Eine Einführung in die Didaktik und Methodik. Stuttgart: KlettKallmeyer. Sauer, Michael 2008 Historische Lieder. Stuttgart: Kallmeyer. Spiegelman, Art 2008 Maus. Frankfurt a. M.: Fischer. Zimmermann, Holger 2004 Geschichte(n) erzählen. Geschichtliche Kinder- und Jugendliteratur und ihre Didaktik. Frankfurt a. M.: Lang.
Peter O. H. Groenewold, Groningen (Niederlande)
174. Migrationsliteratur im Deutsch als Fremd- und Zweitsprache-Unterricht 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Einleitung Die PoLi-Kunst-Bewegung in den 1980er Jahren Die jungen Wilden der Migrationsliteratur Merkmale der Migrationsliteratur Didaktik der Migrationsliteratur Literatur in Auswahl
1. Einleitung Migrationsliteratur ist ein gattungsübergreifender Begriff und kann auch als literaturhistorische Epoche verstanden werden, denn im Zentrum stehen Lyrik, Prosa und einige wenige dramatische Werke aus der Zeit nach der Arbeits- und Systemmigration nach Deutschland, also seit den 1970er Jahren. Den Auftakt bildet Aras Örens Berlin-Trilogie Was will Niyazi in der Naunynstraße (1973), Der kurze Traum Kagithane (1974) und Die Fremde ist auch ein Haus (1980), die er als Poem in türkischer Sprache verfasst und ins Deutsche übersetzt publiziert, bevor sie Jahre später auch in türkischer Sprache erscheint. Daran wird ein wichtiges Merkmal deutlich: Die Schreib- und Publikationssprache sind nicht immer identisch.
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Im Unterschied dazu publiziert Franco Biondi bereits seinen ersten Gedichtband „nicht nur gastarbeiterdeutsch“ (1979) in deutscher Sprache, um ein deutsches Lesepublikum anzusprechen. Beide Autoren thematisieren Arbeitsmigration und das Zusammenleben in einer multiethnischen Gesellschaft, was ihre Literatur gleichermaßen zu Migranten- und Migrationsliteratur macht. Während der Begriff Migrantenliteratur die Autorenbiographie zum zentralen Zugehörigkeitskriterium erklärt, verweisen Begriffe wie „Migrationsliteratur“ (Rösch 1992, 2008) oder „Literatur der Migration“ (Amirsedghi und Bleicher 1997) auf das Thema, das heißt die Problematik, das Anliegen oder den gedanklichen Hintergrund des Textes. Damit ist das Genre nicht mehr an die Autorenbiografie gebunden, denn es gibt AutorInnen mit Migrationshintergrund, die sich diesem Thema verweigern, und AutorInnen ohne Migrationshintergrund, die sich ihm zuwenden. Auch wenn die Migrationsliteratur von AutorInnen mit Migrationshintergrund nach wie vor im Zentrum der Literaturwissenschaft und -didaktik steht, erfolgt durch die Fokussierung auf das Thema eine Öffnung hinsichtlich des historisch-politischen Diskurses um Migration und die Folgen für Individuen, Gesellschaft/en, Kultur/en und Sprach/en. Migrationsliteratur wird im Unterschied zum Begriff Exilliteratur in der Aufnahmegesellschaft verortet; sie ist Teil der deutschen Literatur und bleibt doch etwas Besonderes: Während zunächst das Nicht-Deutsche betont wurde (vgl. Ackermann und Weinrich 1986), verweist „Literatur der Fremde“ (Biondi 1991) auf eine Verortung jenseits von Nationalliteraturen. Sie wird als „kulturübergreifende und vielsprachige Literaturbewegung“ zur „Interkulturellen Literatur“ (Chiellino 2000: 389) und zeigt als „Offene Randliteratur in der Fremde“ (Amodeo 1996) periphere und deterritorialisierte literarische Erscheinungen von großer Heterogenität, Dynamik und unberechenbarer Entwicklung, wodurch Migrationsliteratur zum Bestandteil der „Poetik der Verschiedenheit“ (Wintersteiner 2006) wird.
2. Die PoLi-Kunst-Bewegung in den 1980er Jahren In den 1980er Jahren erscheint eine Vielzahl von Anthologien und Einzelwerken (Die Literaturangaben zu den genannten Primärtexten finden sich unter: „Bibliografie Migrationsliteratur: Kurzporträts und Veröffentlichung von und zu AutorInnen der deutschsprachigen Migrationsliteratur“. Im Internet verfügbar unter: http://www.ph-karlsruhe. de/cms/index.php?id⫽roesch, Link zu Literaturlisten, Bibliografie Migrationsliteratur); 1985 wird der Adelbert-von-Chamisso-Preis der Robert Bosch Stiftung für AutorInnen etabliert, deren Muttersprache und kulturelle Herkunft nicht die deutsche ist und die mit ihrem Werk einen wichtigen Beitrag zur deutschsprachigen Literatur leisten. Der polynationale Literatur- und Kunstverein nimmt 1980 seine Arbeit auf und beendet sie 1987 wieder. Dennoch hat die PoLiKunst-Bewegung die Migrationsliteratur nachhaltig beeinflusst: Die Gedichtbände von Gino Chiellino Mein fremder Alltag (1984), Sehnsucht nach Sprache (1987) und Sich die Fremde nehmen (1992) zeigen die Entwicklung von einer Außenperspektive über die Reflexion der migrationsspezifischen Sprachsozialisation zur dominanzkritischen Innenperspektive. Letzteres zeigt sich auch in Franco Biondis Orientierung an der Arbeiterliteratur naturalistischer Prägung, die Unterprivilegierten einen Platz in der Kunst verschafft, indem er „Gastarbeiterdeutsch“ zur Literatursprache er-
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hebt, Minderheitenangehörige als handelnde und reflektierende Subjekte gestaltet und strukturellen Rassismus in der Einwanderungsgesellschaft entschlüsselt. Gegenmodelle liefern die Märchen, Fabeln und phantastischen Geschichten (seit 1982) und Romane wie Erzähler der Nacht (1989) von Rafik Schami: Er greift arabische Erzähltraditionen auf und lässt seine (deutschen) Leser in eine ihnen fremde Welt ⫺ die seiner Kindheit und Jugend in Syrien ⫺ eintauchen. Auch Libusˇe Monı´kova´ erzählt episodenhaft von einer Welt, die Westeuropäern eher fremd ist. Ihre Romanfiguren sind meist Exilanten oder Reisende, die die Idee von Mitteleuropa und die Sehnsucht nach Osteuropa mit sich tragen und in sich zusammenzubringen versuchen. Die Migrationslyrik von in Deutschland aufgewachsenen AutorInnen wie Zehra C ¸ irak und Jose´ F. A. Oliver trägt expressionistische Züge, denn es geht ihr um den Aufbruch in eine neue Zeit, in der die Situation von Migranten nicht mehr nur politisch korrekt nachgebildet wird, sondern sich eine Vorstellung von multiplen Identität/en, Minderheitenmehrsprachigkeit und Multiethnizität (als Gegenmodell zur Dominanzkultur) im Kontext von Migration herausbildet. Sie lebt von semantischen und syntaktischen Sprachreflexionen (aus fremdkultureller oder dominanzkritischer Perspektive), (interlingualen) Wortneuschöpfungen, einer fremd-, trans- oder auch interkulturell geprägten Metaphorik und oftmals von einem äußerst verknappten Sprachstil. Auf diesem basiert auch Yoko Tawadas Kurzprosa, die die deutsche Sprache, Deutschland und Europa aus asiatischer Perspektive betrachtet.
3. Die jungen Wilden der Migrationsliteratur Bereits Ende der 1980er Jahre gelingt Akif Pirinc¸ci mit Felidae (1989), einem Katzenkrimi, ein kommerzieller Bestseller, der auch als Zeichentrickfilm und Comic gestaltet wurde. Dieser Roman trägt ähnlich wie die Werke Rafik Schamis phantastische Züge und bewegt sich demzufolge scheinbar außerhalb der realistischen Migrationsliteratur. Durch die fabelhafte Verfremdung ist der Text nicht sofort als Migrationsliteratur erkennbar. Doch der Autor inszeniert das Leben in einer Parallelgesellschaft und wird mit diesem Werk zum jungen Wilden der Migrationsliteratur, der nicht nur der Einwanderungsgesellschaft, sondern auch den Minderheiten einen Spiegel vorhält. Er thematisiert Rassismus und die Folgen von Rassismus, die sich als Fundamentalismus äußern (können). Im Unterschied zu den PoLi-Künstlern klagen die jungen Wilden nicht mehr an, sondern rücken das Leben der Minderheiten ins Zentrum, ohne Rücksicht auf politische Korrektheit, die sich aus einer bewussten Minderheitenperspektive ergeben kann. Dabei spielt die Mehrheitsbevölkerung nur noch indirekt eine Rolle: So thematisiert Zoran Drvenkar mit Niemand so stark wie wir (1998) mit großer sprachlicher Authentizität und rasantem Erzähltempo das Lebensgefühl pubertierender Jugendlicher in einer multiethnischen Gesellschaft, in der Menschen ohne Migrationshintergrund höchstens Randfiguren darstellen. Seine Protagonisten bewegen sich in einer Spirale von Gewalt, der sie kaum entrinnen können. Fatih Akin taucht in seinen Filmen Getürkt (1996), Im Juli (1999), Solino (2000) und auch Gegen die Wand (2003) ebenfalls in das Leben von (türkischen) Migranten ein und zeigt es schonungslos. Doch er bezieht anders als Zoran Drvenkar Position und lässt im
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deutlichen Unterschied zu den aufklärerischen Texten der PoLi-Künstler am Ende Hoffnung aufscheinen. Dass er sie an die Herkunftskultur bindet, lässt den Eindruck entstehen, er gehe in seiner Literatur den umgekehrten Weg von der Aufnahme- in die Herkunftsgesellschaft und lotet aus, was diese für das Leben in der Aufnahmegesellschaft zu bieten hat. Daneben verkörpert Tere´zia Mora aus Ungarn wie vor ihr Libusˇe Monı´kova´ aus Tschechien oder Herta Müller aus Rumänien eine Literatur, die auf eine klar strukturierte Handlung sowie erklärende oder kommentierende Passagen verzichtet und die Lesenden in eine scheinbar wirre Welt holt, aus der die Ich-Erzählerin in ein anderes Land, einen anderen Körper oder eine andere Zeit flieht und doch immer wieder zurückkommt, um aus der vorhandenen Materie im Spannungsfeld mit ihrem Gegenüber etwas Neues zu schaffen, die seltsame Materie eben, die nicht zuletzt darauf abzielt, der deutschen Literatur durch die andere Sprache und Perspektive eine besondere Prägung zu verleihen.
4. Merkmale der Migrationsliteratur Der Ort der Handlung ist das Herkunfts- und/oder Aufnahmeland oder aber ein fiktiver Ort. Zentral sind dabei die Übergänge zwischen Orten, oft auch das Dazwischen, das immer seltener als Problem, sondern als Chance und Aufbruch in eine neue Dimension beschrieben wird. Die Figurenkonstellation ist häufig multiethnisch, wobei MigrantInnen oft zu Trägern der Zukunftsideen werden. Neben flächenhaften, dichotomen Figurenzeichnungen etwa bei Franco Biondi gibt es multiperspektivische Ansätze zur Vermeidung von Kulturalisierungen etwa bei Rafik Schami. Die Figuren werden doppelt, das heißt aus der Eigenund einer Fremdperspektive, oder als transkulturelle GrenzgängerInnen gezeichnet, die sich nicht mehr über das Eigene und das Fremde definieren lassen. Die Zeit der Handlung konzentriert sich auf Migrations- und Globalisierungsprozesse der Gegenwart, zum Teil auch auf die Zeit vor der Migration und beleuchtet diese in ihrer gesellschaftlichen, politischen und historischen Bedeutung. Dabei werden etwa von Gino Chiellino auch aktuelle politische Ereignisse (wie die deutsche Einheit) lyrisch kommentiert. Die Sprache der Migrationsliteratur ist im Plural zu denken. Vor allem in der Lyrik erscheinen neben zweisprachigen Paralleltexten mehrsprachige Gedichte, die den LeserInnen keine Übersetzungen liefern. Interlinguale Texte bzw. Textstellen liefern türkische AutorInnen wie Emine Sevgi Özdamar in ihrer Berlin-Istanbul-Trilogie Sonne auf halbem Weg (2006). Die Autorin, die in deutscher Sprache schreibt, integriert die bildhaftere türkische Ausdruckweise ins Deutsche und schafft damit eine Interlingualität, die von den Märchen, Mythen, Sprichwörtern und Metaphern ihrer türkischen Herkunft geprägt ist und punktuell bewusst gegen die Semantik und Grammatik des Deutschen verstößt. Damit funktioniert ihre Sprachkraft auf einer ganz anderen Ebene als die, die Feridun Zaimog˘lu in dem Erzählband Kanak Sprak (1995) zutage fördert, indem er Minderheitenangehörige in ihrer Sprache zu Wort kommen lässt und ihre Aussagen ⫺ im Unterschied zu Franco Biondi, der den Ethnolekt als Literatursprache nutzt ⫺ ohne literarische Verdichtung einfach stehen lässt.
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Eine weitere Besonderheit ist die ethnische Mehrfachadressiertheit: Migrationsliteratur bietet Minderheitenangehörigen Identifikationsangebote und provoziert, informiert und fordert Einheimische auf, sich mit dem Leben von MigrantInnen zu befassen. Einzelne Texte wie Bitte nix Polizei von Aras Ören sehen spezifische Leserrollen für minderheiten- und mehrheitsangehörige LeserInnen vor, Aysel Özakin bietet ihren Roman mavi mask / Die blaue Maske nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich in zwei Fassungen, für ihr türkisches und ihr deutsches Lesepublikum, an. Die Botschaften der Migrationsliteratur reichen von politisch motivierter Dominanzkritik über psychologisch gestaltete Identitäts-, Sozialisations- und Enkulturalisationsangebote vor allem für Minderheitenangehörige und eine pädagogisch motivierte multiperspektivische Wahrnehmung von Fragen des Zusammenlebens vor allem für Mehrheitsangehörige bis hin zu einer inter- oder auch transkulturellen Gestaltung der Welt(-literatur).
5. Didaktik der Migrationsliteratur Konzeptionell wird Migrationsliteraturdidaktik an Ansätze interkulturellen Lernens gebunden. Dabei sind grob zwei Richtungen zu unterscheiden: eine literatur- und eine kulturwissenschaftlich determinierte Herangehensweise. Literarisches Lesen bedingt eine Orientierung an den Merkmalen von Literatur, die auch Merkmale ihres Gebrauchs sind (vgl. Abraham und Kepser 2006: 26) und sich daran orientieren, dass literarische Texte fiktional bzw. imaginativ, selbstreferentiell und intertextuell (das heißt auf sich selbst bzw. andere Medien bezogen), mehrdeutig und konnotativ (das heißt individuelle, emotionale Nebenbedeutungen anstoßend) sowie sprachlich verfremdet und einen nichtpragmatischen (das heißt von einem unmittelbaren Zweck losgelösten) Diskurs führen. LeserInnen literarischer Texte werden im Unterricht angeleitet zu imaginieren, zu deuten, Verfremdungen aufzubrechen, den nicht-pragmatischen Diskurs aufzugreifen und intertextuelle und ⫺ so möchte ich für Migrationsliteratur ergänzen ⫺ interkulturelle und interlinguale Bezüge im Text zu entdecken. Während hier Figurengestaltung, Erzählweise und andere Formelemente, Sprache/n und andere Stilmittel sowie Ort, Zeit und Verlauf der Handlung im Vordergrund stehen, konzentriert sich kulturwissenschaftliches Lesen auf die Bearbeitung des Themas, die Entschlüsselung (inter-)kultureller Phänomene (bei der Figurengestaltung, im Handlungsverlauf etc.) und favorisiert ein problemorientiertes Vorgehen, das der Migrationsliteratur sehr entgegenkommt und Aspekte kultureller, sprachlicher und manchmal auch literarischer Interdependenzen in den Blick nimmt. Für die Arbeit mit Migrationsliteratur im Unterricht eignen sich sowohl text- als auch leserorientierte Verfahren: Textnahes Lesen (vgl. Paefgen 1997) unterstützt die Dekonstruktion von Dominanzverhältnissen im Text oder in seiner Rezeption, produktive Verfahren (vgl. Spinner 2006) unterstützen die Auseinandersetzung mit dem Befremden, das solche Texte auslösen (können), und das Besetzen der ethnischen Leserollen. Im DaF- und im DaZ-Unterricht bieten migrationsliterarische Texte besondere Möglichkeiten zur Sprach- und Grammatikreflexion, da die AutorInnen die deutsche Sprache als fremde Sprache betrachten, das Dominanzverhältnis zwischen Erst- und FremdsprachsprecherInnen thematisieren und interlinguale Bezüge herstellen. Hinzu kommen landeskundliche Aspekte, die sich nicht auf das Leben von MigrantInnen in Deutschland
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beschränken sollten, sondern den in der Literatur geführten Diskurs über Migration, Multiethnizität etc. nachvollziehen und damit auch den interkulturellen Gehalt des Textes in den Blick nehmen sollten. Damit ihre besondere Perspektive und Stellung innerhalb der deutschen Literatur und Gesellschaft deutlich wird, ist es vor allem im Ausland sinnvoll, einen Transfer auf das Land der Lernenden und deren Literatur anzuleiten und das Thema Migration als weltweites Phänomen zu behandeln. In der Inlandssituation des DaZ-Unterrichts bietet sich eine vierdimensionale Betrachtung an (vgl. Klettenhammer 1994): Auf außertextueller Ebene wird die Herkunftskultur im Vergleich zur Aufnahmegesellschaft betrachtet. Die inhaltliche Ebene bezieht sich auf Formen kultureller Repräsentation im Text, die zur Bewusstmachung eigener und fremder kulturspezifischer Regeln und Umgangsformen herangezogen werden. Auf thematischer Ebene werden Rollenklischees im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Veränderungen und Bedingungen hinterfragt und schließlich wird auf ästhetischer Ebene die Form des Textes z. B. als Satire herausgearbeitet. Vor allem dieser letzte Punkt birgt Ansätze einer Didaktik der Migrationsliteratur, die von der Spezifik ausgewählter Werke ausgeht und diese für Unterrichtsprozesse nutzbar machen will ⫺ egal ob im DaF-, DaZoder im gemeinsamen DaZ-DaM-Unterricht. Grundlegend ist das Verständnis von Literatur und speziell von Migrationsliteratur als Grenzgängerin der Kulturen, das Interkulturalität nicht nur auf der Ebene der LeserText-Beziehung, der Rezeption, sondern als Dimension versteht, die bereits die Produktion des Textes bestimmt. Ihr auf die Spur zu kommen ist Aufgabe der Literaturwissenschaft; sie für den Unterricht erfahrbar zu machen ist Aufgabe der Literaturdidaktik (vgl. Wintersteiner 2010).
6. Literatur in Auswahl Abraham, Ulf und Mathis Kepser 2006 Literaturdidaktik Deutsch: eine Einführung. Berlin: Schmidt. Ackermann, Irmgard und Harald Weinrich 1986 Eine nicht nur deutsche Literatur. Zur Standortbestimmung der „Ausländerliteratur“. München: Piper. Amirsedghi, Nasrin und Thomas Bleicher (Hg.) 1997 Literatur der Migration. Mainz: Kinzelbach. Amodeo, Immacolata 1996 „Die Heimat heißt Babylon“. Zur Literatur ausländischer Autoren in der Bundesrepublik Deutschland. Opladen: Westdeutscher Verlag. Biondi, Franco 1991 Arbeitsthesen zur Literatur der Fremde. Die Brücke 7(5): 14. Chiellino, Carmine (Hg.) 2000 Interkulturelle Literatur in Deutschland. Stuttgart: Metzler. Klettenhammer, Sieglinde 1994 Brücke zwischen den Kulturen. Migrantenliteratur als Beitrag zur Friedenserziehung. ide 18(1): 64⫺77. Paefgen, Elisabeth 1997 Textnahes Lesen. 6 Thesen aus didaktischer Sicht. In: Jürgen Belgrad und Karlheinz Fingerhut (Hg.), Textnahes Lesen. Annäherungen an Literatur im Unterricht, 14⫺23. Baltmannsweiler: Schneider.
175. Kinder- und Jugendliteratur im Deutsch als Fremd- und Zweitsprache-Unterricht
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Rösch, Heidi 1992 Migrationsliteratur im interkulturellen Kontext. Frankfurt a. M.: Verlag für interkulturelle Kommunikation. Rösch, Heidi 2008 „deutsche Sprache gute sprache“ ⫺ Migrationsliteratur und ihre Didaktik. In: Sigrid Thielking (Hg.), Lesevermögen ⫺ Lesen in allen Lebenslagen, 151⫺169. Frankfurt a. M.: Lang. Spinner, Kaspar H. 2006 Kreativer Deutschunterricht. Identität ⫺ Imagination ⫺ Kognition. 2. Aufl. Seelze: Kallmeyer. Wintersteiner, Werner 2006 Poetik der Verschiedenheit. Literatur, Bildung, Globalisierung. Klagenfurt/Celovec: Drava. Wintersteiner, Werner 2010 Transkulturelle Literaturdidaktik. In: Heidi Rösch (Hg.), Literarische Bildung im kompetenzorientierten Deutschunterricht, 33⫺48. Freiburg: Fillibach.
Heidi Rösch, Karlsruhe (Deutschland)
175. Kinder- und Jugendliteratur im Deutsch als Fremd- und Zweitsprache-Unterricht 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Einleitung Kinder- und Jugendliteratur im aktuellen Fachdiskurs Die spezifische Einfachheit kinderliterarischer Texte Interkulturelle Kinder- und Jugendliteratur Ausblick Literatur in Auswahl
1. Einleitung Seit den 1960er Jahren setzte sich der Begriff Kinder- und Jugendliteratur als Bezeichnung für ein Teilsystem der Literatur durch, das viele verschiedene Texte und Buchgenres (Bilderbücher, Kinderlyrik, Adoleszenzromane etc.) umfasst, wobei Texte für Kinder bis zum Alter von 12 Jahren zumeist als Kinderliteratur bezeichnet werden, während der Begriff Jugendliteratur ältere Lesende als Zielgruppe fokussiert (für eine genauere Begriffsbestimmung vgl. Eder 2007: 286; Ewers 2000: 2⫺14).
2. Kinder- und Jugendliteratur im aktuellen Fachdiskurs Bereits in den 1980er Jahren interessierten sich einzelne Expertinnen und Experten für die besonderen Möglichkeiten der Arbeit mit Kinder- und Jugendliteratur im DaF- und
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XVIII. Die Rolle der Literatur im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache
DaZ-Unterricht und legten entsprechende Untersuchungen vor (vgl. etwa für DaF: Kast 1985, für DaZ: Belke und Lypp 1985). Kast entwirft in Jugendliteratur im kommunikativen Deutschunterricht eine Vielzahl von Unterrichtsmodellen zu unterschiedlichen Texten der damals aktuellen Kinder- und Jugendliteratur (z. B. zu Jugendromanen, Hörspielen, Liedern, Gedichten und Comics). Die damit initiierte Beschäftigung mit der Thematik wurde in den letzten Jahrzehnten zwar nur fragmentarisch, aber doch kontinuierlich weitergeführt. Diverse Fachzeitschriften veröffentlichten eigene Hefte zur Kinderliteratur im Fremdsprachenunterricht (vgl. Fremdsprache Deutsch 1994; ÖDaF-Mitteilungen 2000) und seit 1997 ist dem Thema regelmäßig im Rahmen der Internationalen Deutschlehrertagung (IDT) eine eigene Sektion gewidmet. Mit ihrem Aufsatz Fremdsprachenlernen und Kinder- und Jugendliteratur legten O’Sullivan und Rösler (2002) zudem eine kritische Bestandsaufnahme der didaktischen Publikationen zum Einsatz von Kinderund Jugendliteratur im Fremdsprachenunterricht vor. Der deutliche Schwerpunkt der Auseinandersetzung liegt bei der Erarbeitung und Darstellung konkreter Unterrichtsmaterialien. So erschienen beispielsweise mehrere Didaktisierungen von kinder- und jugendliterarischen Ganzschriften für den DaF- bzw. DaZ-Unterricht (für DaF etwa Ehlers 1993 und Jenkins et al. 1998, für DaF und DaZ: Villarme´ 2001). Im Rahmen des aktuellen theoretischen Fachdiskurses lenkt Rösch den Fokus auf die spezifischen Möglichkeiten, die die Arbeit mit Kinder- und Jugendliteratur für das interkulturelle Lernen im Unterrichtskontext bietet. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt zwar im Bereich der allgemeinen Literaturdidaktik, sie berücksichtigt dabei aber immer wieder auch die Lesesituation von Kindern, die Deutsch als Zweitsprache erlernen (vgl. Rösch 1997, 2000). Auch O’Sullivan und Rösler wollen in Kinder- und Jugendliteratur im Fremdsprachenunterricht (erscheint voraussichtlich 2011) zeigen, wie kinder- und jugendliterarische Texte den Spracherwerb und die Herausbildung interkultureller Sensibilität fördern können. Eder bringt in ihren Arbeiten aktuelle Erkenntnisse zur Literaturvermittlung in der Fremd- bzw. Zweitsprache mit ausgewählten Aspekten der allgemeinen wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Kinder- und Jugendliteratur in Verbindung. Während sie in Die Komplexität der Einfachheit ⫺ Kinder- und Jugendliteratur im Unterricht Deutsch als Fremdsprache (2007) deutlich macht, inwiefern die spezifische Einfachheit kinderliterarischer Texte für den Fremdsprachenunterricht genützt werden kann, fokussiert sie in Mehrsprachige Kinder- und Jugendliteratur für mehrsprachige Lernkontexte (2009) auf den Unterricht des Deutschen als Zweitsprache. Sie zeigt, wie mehrsprachige Texte der Kinder- und Jugendliteratur als Sprachlerntexte genützt werden können (vgl. Eder 2009: 37⫺63) und greift damit einen Themenbereich auf, der trotz der ansonsten äußerst differenzierten fachlichen Diskussion zum Thema Mehrsprachigkeit in der Fremd- und Zweitsprachenforschung bislang kaum wahrgenommen wurde. Gleichzeitig mit der ersten theoretischen und literaturdidaktischen Auseinandersetzung mit Kinder- und Jugendliteratur im DaF-/DaZ-Unterricht begannen auch einzelne Institute bereits in den 1980er Jahren, entsprechende Lehrschwerpunkte in die universitäre Ausbildung von Lehrenden zu integrieren. So initiierte etwa eine niederländische Arbeitsgruppe, die sich aus Vertretern des Goethe-Instituts Amsterdam zusammensetzte, die Integration eines Curriculum-Bausteins Jugendliteratur in den Studiengang Deutsch als Fremdsprache (vgl. Kast 1985: 13). Heute gehören entsprechende Lehrveranstaltungen bereits an einigen Universitäten (u. a. Dresden, Erlangen, Gießen, Hamburg, Jena, Trier, Wien) zum Lehrangebot.
175. Kinder- und Jugendliteratur im Deutsch als Fremd- und Zweitsprache-Unterricht
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3. Die speziische Einachheit kinderliterarischer Texte In mehreren literaturwissenschaftlichen Untersuchungen prägte Lypp den Begriff der Einfachheit als Kategorie der Kinder- und Jugendliteratur (vgl. Lypp 1984, 1994/1995). Sie versteht Einfachheit als spezifische Form der Komplexitätsreduzierung: Durch eine reflektierte Vereinfachung komplexer innerer und äußerer Realität, die auch mit entsprechend vereinfachten sprachlichen und literarischen Mitteln umgesetzt wird, entsteht Lypp zufolge eine Spannung, die das besondere ästhetische Potential der Kinderliteratur ausmacht (vgl. Lypp 1994/1995: 45). Diese komplexe Einfachheit von Kinder- und Jugendliteratur kann beim Literaturunterricht in der Fremd- bzw. Zweitsprache genützt werden: Allzu oft geht Einfachheit in Sprachlerntexten mit inhaltlicher Oberflächlichkeit und formaler Reizlosigkeit einher. Aufgrund der spezifischen Komplexitätsreduzierung in vielen Texten der Kinder- und Jugendliteratur haben Lernende bei der Arbeit mit diesen Texten die Möglichkeit, auch in der Fremd- oder Zweitsprache die Vielfalt sprachlicher und literarischer Ausdrucksmöglichkeiten zu erfahren und nachzuvollziehen. So ist etwa die Wiederholung von Textelementen in der Kinderliteratur ein beliebtes Darstellungsmittel, das der kindlichen Freude an wiederkehrenden sprachlichen Strukturen gerecht wird. Eine entsprechende Dominanz der Form gehört zu den Grundgegebenheiten der Kinderliteratur (vgl. Lypp 2000: 199). Diese formale Deutlichkeit vieler kinderliterarischer Werke kann auch DaFund DaZ-Lernende bei der Aneignung formaler Prinzipien und Regularitäten in der Zielsprache unterstützen. Sprachliche Parallelismen bieten auf der Ebene der Lexik die Möglichkeit, den im fremdsprachlichen Wörterbuch mental noch nicht ausreichend repräsentierten Wortschatz auf lustbetonte Weise zu automatisieren. Bereits beim frühen Sprachenlernen kann die Dekodierung von einfachsten, sinntragenden Textstrukturen (Worterkennung, syntaktische Analyse) zu einer differenzierten Auseinandersetzung mit dem Text führen. Aber auch fortgeschrittenen Lernenden hilft die paradigmatische Struktur vieler Texte der Kinder- und Jugendliteratur bei der semantischen Verarbeitung des Gelesenen: Textstellen, die sich als Parallelismus oder Opposition aufeinander beziehen, lösen Wiedererkennungseffekte aus. Durch die somit verdichteten Textinformationen fällt es den Lesenden leichter, die jeweiligen Texte unter Zuhilfenahme ihres bereits vorhandenen Vorwissens zu entschlüsseln.
4. Interkulturelle Kinder- und Jugendliteratur Seit den 1970er Jahren werden in Kinder- und Jugendbüchern vermehrt gesellschaftspolitische Themen literarisch aufgearbeitet (vgl. Eder 2007: 287). In diesem Zusammenhang wurde in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich Interkulturelle Kinder- und Jugendliteratur publiziert. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie Migration, Fremdheitserfahrung, interkulturelle Begegnungssituationen und den Umgang mit Vielfalt und Differenz thematisiert (vgl. Luchtenberg 1999: 178⫺179). Ein sehr anschauliches Beispiel für die Darstellung von Fremdheitserfahrung in der Kinderliteratur ist das Bilderbuch Das Land der Ecken von Ulitzka und Gepp (vgl. Ulitzka und Gepp 1993). Gepps Illustrationen versetzen die Lesenden hier in eine Bilderwelt der Ecken und Kanten. Als eines Tages das Fremde in Form eines runden Kinderballs in diese Welt kommt, begegnen die erwachse-
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XVIII. Die Rolle der Literatur im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache
nen Protagonisten ihm mit Ablehnung und Hass, die sich auch in ihrer kantigen Sprache widerspiegeln und sie schließlich dazu bringen, den Ball „Rack-Zack-Ecktum“ zu vernichten (Ulitzka und Gepp 1993: o. S.). Doch der kleine, eckige Junge, der den Ball gefunden hat, ist nun neugierig geworden. Er folgt einem Luftballon und entdeckt ein Kind, das ihm mit seinem runden Gesicht zulächelt. Gemeinsam fahren sie auf einem Tretroller in eine Welt, die nicht nur aus Ecken besteht. Luchtenberg (1999: 188⫺191) verweist auf die „doppelte Ebene interkultureller Kommunikation“, die sich ergibt, wenn im Rahmen interkultureller Lernkonzepte eine differenzierte interkulturelle Unterrichtskommunikation über die interkulturellen Kommunikationssituationen in literarischen Texten in Gang kommt. Da aber auch die Interkulturelle Kinder- und Jugendliteratur selbst nicht selten diskriminierende Textelemente enthält, ist eine kritische Auseinandersetzung mit den Texten bei der Auswahl und im Unterricht unumgänglich. In ihrem Buch Bilderbücher zum interkulturellen Lernen (1997) entwickelt Rösch (1997: 25⫺26) hierfür eine Kriterienliste: 1. Wie werden Angehörige ethnischer Minderheiten oder diskriminierter Gruppen charakterisiert ⫺ als Opfer, als Täter, als handelnde Subjekte, als Individuum oder als Repräsentant der Gruppe? 2. Werden ethnische Gruppen monolithisch oder multiperspektivisch dargestellt? Stehen sie für eine bestimmte Werthaltung, die positiv oder negativ besetzt wird (Die Fragen gelten gleichermaßen für Minderheiten und Angehörige der Mehrheit oder dominanter Gruppen!) 3. Enthält die Geschichte interethnische Begegnungssituationen? Wie sind diese gestaltet ⫺ konfliktreich, zukunftsweisend, dynamisch? Welche Konfliktlösungsstrategien werden aufgezeigt? Von wem gehen sie aus? Haben sie nur eine individuelle oder auch eine gesellschaftliche Dimension? 4. Wie wird Verschiedenheit konstruiert? Spielen dabei Stereotypien, Vorurteile, Ethnisierung oder Kulturalisierung eine Rolle? Zeigt die Handlung Ansätze für eine Dekonstruktion von Klischees oder den genannten Phänomenen? 5. Werden interkulturell relevante Aspekte bearbeitet? Sind diese problembeladen wie Rassismus, Eurozentrismus, Diskriminierung usw. oder sind sie positiv besetzt wie Mehrsprachigkeit, Multiethnizität, Migration als Aufbruch usw. Auf welcher Ebene werden sie behandelt ⫺ auf der inhaltlichen, sprachlichen oder ästhetischen? 6. Unterstützt die Geschichte Fremdverstehen ⫺ einseitiges oder gegenseitiges? Gibt die Geschichte über den Problemaufriss hinaus Anregungen, mit dem eigenen Befremden konstruktiv umzugehen? Vermittelt die Geschichte Einblicke in interkulturelle Lernprozesse? 7. Leistet die Geschichte einen altersentsprechenden Beitrag zur kulturellen Selbstreflexion? Für welche Gruppen ⫺ Mehrheitsangehörige oder Minderheiten? Lässt sie sich in multiethnischen Gruppen einsetzen oder eignet sie sich für das Arbeiten mit ethnisch homogenen Gruppen? (Rösch 1997: 25⫺26). Ein entsprechend differenzierter und kritischer Diskurs über Interkulturelle Kinder- und Jugendliteratur fördert die interkulturelle Wahrnehmungsfähigkeit und das interkulturelle Verständnis nachhaltig.
175. Kinder- und Jugendliteratur im Deutsch als Fremd- und Zweitsprache-Unterricht
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5. Ausblick Aufgrund ihrer spezifischen Einfachheit eignen sich zahlreiche Texte der Kinder- und Jugendliteratur hervorragend für den Einsatz im DaF- und DaZ-Unterricht. Wenn die jeweiligen Texte sorgfältig und dem Lernkontext entsprechend ausgewählt werden, kann Kinder- und Jugendliteratur sowohl beim Sprachenlernen mit Kindern als auch im Unterricht mit erwachsenen Lernenden sinnvoll eingesetzt werden (vgl. Eder 2007: 293⫺ 295). So ist etwa die Didaktisierung zu Hackls Erzählung Abschied von Sidonie (Jenkins et al. 1998) nicht nur im Hinblick auf fortgeschrittene jugendliche Lernende, sondern durchaus auch für die Arbeit mit Erwachsenen konzipiert. Mit Hilfe konkreter Arbeitsaufträge trainieren die Lernenden hier wichtige Techniken für das Lesen und Verstehen fremdsprachiger Literatur, wie etwa das Bilden von Hypothesen über den weiteren Verlauf der Handlung oder das Erschließen einzelner Wörter und Sinneinheiten aus dem Kontext. Im Laufe der Lektüre erfahren sie viel über das Leben im Nationalsozialismus. Zugleich werden die Lernenden anhand der Erzählung über das tragische Schicksal des Roma-Mädchens Sidonie dazu motiviert, sich mit Vorurteilen gegenüber Minderheiten und deren Folgen in Vergangenheit und Gegenwart sowie mit verschiedenen möglichen Verhaltensweisen von Menschen in Extremsituationen auseinanderzusetzen. Leider gibt es bislang kaum derartige Unterrichtsmaterialien, die Kinder- und Jugendliteratur für erwachsene Lernende aufarbeiten. Das Potenzial kinderliterarischer Texte für den Fremdsprachenunterricht spricht einerseits für die Etablierung des Themas im aktuellen Fachdiskurs und andererseits für eine breite Einführung entsprechender literaturdidaktischer Lehrveranstaltungen in der Ausbildung von DaF- und DaZ-Lehrkräften und KindergartenpädagogInnen, die diese zu einer zielgruppenorientierten Auswahl und Verwendung von Kinder- und Jugendliteratur befähigen und sie mit geeigneten Unterrichtsmaterialien vertraut machen.
6. Literatur in Auswahl Belke, Gerlind und Maria Lypp 1985 Kinderliteratur im Unterricht ,Deutsch als Zweitsprache‘. Informationen Jugendliteratur und Medien 5: 82⫺96. Eder, Ulrike 2007 Die Komplexität der Einfachheit. Kinder- und Jugendliteratur im DaF-Unterricht. Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 33: 285⫺306. Eder, Ulrike 2009 Mehrsprachige Kinder- und Jugendliteratur für mehrsprachige Lernkontexte. Wien: praesens. Ehlers, Swantje 1993 Christine Nöstlinger: Die Ilse ist weg. Vorschläge zur Lektüre eines Jugendbuchs im Unterricht Deutsch als Fremdsprache. (Literatur im Unterricht.) München/Berlin: Langenscheidt. Ewers, Hans-Heino 2000 Was ist Kinder- und Jugendliteratur? Ein Beitrag zu ihrer Definition und zur Terminologie ihrer wissenschaftlichen Beschreibung. In: Günter Lange (Hg.), Taschenbuch der Kinder- und Jugendliteratur, 2⫺16. (2., korr. Aufl.) Baltmannsweiler: Schneider.
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XVIII. Die Rolle der Literatur im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache
Fremdsprache Deutsch 1994 Themenheft: Literatur im Anfängerunterricht. Fremdsprache Deutsch 11. Jenkins, Eva-Maria, Margit Doubek, Susanna Gratzl-Ploteny, Silvia Rief und Stefanie Villarme´ 1998 Erich Hackl: Abschied von Sidonie. Erzählung. Didaktische Bearbeitung für den Unterricht Deutsch als Fremdsprache mit fortgeschrittenen Jugendlichen und Erwachsenen. Text und Arbeitsaufträge für die Lernenden ⫹ Informationen für Lehrerinnen und Lehrer. Wien: eviva. Kast, Bernd 1985 Jugendliteratur im kommunikativen Deutschunterricht. (Fremdsprachenunterricht in Theorie und Praxis.) Berlin et al.: Langenscheidt. Luchtenberg, Sigrid 1999 Interkulturelle kommunikative Kompetenz. Kommunikationsfelder in Schule und Gesellschaft. Opladen: Westdeutscher Verlag. Lypp, Maria 1984 Einfachheit als Kategorie der Kinderliteratur. (Jugendliteratur und Medien 9.) Frankfurt a. M.: Lang. Lypp, Maria 1994/1995 Zum Begriff des Einfachen in der Kinderliteratur. Ein Diskussionsbeitrag. Kinderund Jugendliteraturforschung 1: 43⫺45. Lypp, Maria 2000 Vom Kasper zum König. Studien zur Kinderliteratur. (Kinder- und Jugendkultur, -literatur und -medien 8.) Frankfurt a. M.: Lang. O’Sullivan, Emer und Dietmar Rösler 2002 Fremdsprachenlernen und Kinder- und Jugendliteratur. Eine kritische Bestandsaufnahme. Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 13(1): 63⫺111. ÖDaF 2000 Themenheft: Kinder- und Jugendliteratur. ÖDaF-Mitteilungen 2. Rösch, Heidi 1997 Bilderbücher zum interkulturellen Lernen. Baltmannsweiler: Schneider. Rösch, Heidi 2000 Entschlüsselungsversuche. Kinder- und Jugendliteratur und ihre Didaktik im globalen Diskurs. Baltmannsweiler: Schneider. Rösler, Dietmar und Emer O’Sullivan erscheint Kinder- und Jugendliteratur im Fremdsprachenunterricht. (Standardwissen Lehramt 2993). Stuttgart: UTB. (erscheint voraussichtlich 2011). Ulitzka, Irene und Gerhard Gepp (Ill.) 1993 Das Land der Ecken. Wien: Picus. Villarme´, Stefanie 2001 Renate Welsh: Das Vamperl. Didaktische Bearbeitung für den Unterricht Deutsch als Fremdsprache/Deutsch als Zweitsprache. Primarstufe. Sekundarstufe I. Arbeitsblätter und Hinweise für den Unterricht. Wien: eviva.
Ulrike Eder, Wien (Österreich)
176. Kreatives Schreiben und Schreibwerkstatt
1583
176. Kreatives Schreiben und Schreibwerkstatt 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Einleitung Kreatives Schreiben Schreibwerkstätten Kommunikativ-funktionale Textproduktion Zusammenfassung Literatur in Auswahl
1. Einleitung Schreiben ist im Bereich der Fremd- und Zweitsprachendidaktik (L2) lange Zeit stiefmütterlich behandelt worden. Oft als eine Art verkappter Rechtschreib- und Grammatikunterricht mehr gehasst als geliebt, hat die sogenannte vierte Fertigkeit sich aber seit den 1990er Jahren zu einer anerkannten Disziplin gemausert (Krumm 1989, vgl. auch Artikel 110). Großen Anteil an dieser Entwicklung haben die kognitive, kommunikative und kreative Prozessdidaktik und die Unterrichts- und Sozialform der Schreibwerkstatt, die sich als mehr oder weniger feste Bestandteile des Muttersprachenunterrichts eingebürgert haben. Sie sind spätestens seit der Rezeption der L2-Produktionsmodelle von Börner (1992) und Krings (1994) und den didaktischen Initiativen von Mummert (1989) und Pommerin, Kupfer-Schreiner und Lamprecht (1996) auch im DaF-Unterricht und seit dem Projekt von Stippinger (1996) auch im DaZ-Bereich angekommen. Texte als komplexe Zeichen haben gemäß Bühlers (1978 [1934]) semiotischem Organonmodell neben der Darstellungs- und Appellfunktion eine Ausdrucksfunktion, verstanden als Symptom für den Sprecher/Schreiber, der u. a. Gefühle oder Meinungen kundtut. Eine Funktion, die Jakobson (1960) in seinem Kommunikationsmodell als emotive Funktion neben die referentielle, poetische, konative und phatische Funktion stellt. Diese Ausdrucks- oder emotive Funktion steht im Mittelpunkt jener Varianten der Prozessdidaktik und Schreibwerkstatt, die das freie und literarische Schreiben propagieren, während kommunikativ-funktionales Schreiben die Darstellungs- und Appellfunktion im Rahmen einer stärker pragmatischen, Textsorten-orientierten und sozial-interaktiven Schreibdidaktik hervorhebt.
2. Kreatives Schreiben 2.1. Kreativität und Schreiben Pope (2005), einer der führenden Erforscher der Geschichte, Theorie und Praxis des Konzeptes Kreativität, liefert eine respektable Arbeitsdefinition, die auch für den Bereich des L2-Lernens äußerst relevant ist. Für ihn ist Kreativität „(…) die Fähigkeit, etwas Frisches zu machen, zu tun oder zu werden; etwas, das wertvoll für andere oder für uns selbst ist [wobei es mehr als nur ein ,Selbst‘ per Person gibt]“ (Pope 2005: XVI). Pope
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XVIII. Die Rolle der Literatur im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache
wählt bewusst den Ausdruck „etwas Frisches“, um klarzustellen, dass es um mehr als nur „etwas Neues“ geht, und weist mit den Verben „machen“, „tun“, „werden“ darauf hin, dass Kreativität mittels eines Objekts (gemacht), einer Handlung (getan) oder eines andauernden Prozesses (geworden) realisiert werden kann. Kreatives Schreiben umfasst das freie Schreiben als Mittel der Selbsterfahrung und Selbstdarstellung und das personale Schreiben, mit dem SchreiberInnen Individuelles, Emotionales und zutiefst Eigenes erforschen und preisgeben. Kreativität ist aber auch generell mit im Spiel, wenn LernerInnen eigene Texte ohne Vorlagen (aber nicht notwendigerweise ohne Schreibanstöße und Formvorgaben) verfassen und damit etwas „Frisches“ hervorbringen, das wertvoll für sie selbst und andere ist. Kreatives, im Sinne von „natürlichem Schreiben“ soll laut Rico (1983) beide Hirnhälften, besonders die oft vernachlässigte rechte Hirnhälfte zum Einsatz bringen. Rico baut auf Erkenntnissen der Hirnforschung auf, die bis zum Ende der 1990er Jahre vom Hemisphärenmodell (vgl. Rico 1983: 67) geprägt waren. In dem Modell werden den Hirnhälften unterschiedliche Funktionen zugeordnet: Die rechte Hälfte steht für ganzheitliches, emotionales „Designdenken“ (bildliches Denken und Analogien), die linke für rationales „Zeichendenken“ (lineares, begriffliches und logisches Denken). Obwohl die neuere Hirnforschung gezeigt hat, dass dieses Modell stark revidiert werden muss, hat es großen Einfluss auf die kreative Schreibbewegung gehabt, die wiederum nicht ohne Einfluss auf die L1- und später die L2-Schreibdidaktik blieb. Unter der Aufnahme reformpädagogischer Ansätze werden auch im Bereich der L2-Deutschdidaktik vor allem subjektorientierte Texte (durchaus auch mit literarischen Ansprüchen an „Nachwuchspoeten“, vgl. Mummert 1989) mit dem Ziel der eigenen Identitätssuche und -findung propagiert ⫺ frei nach dem Motto „Lass Deinen inneren Schreiber los!“ (Rico 1983: 15). Beim kreativen Schreiben soll mit Mitteln der freien Assoziation und der Ideenverknüpfung (Mind Mapping und Clustering), der Phantasiereise, aber auch des Schreibens nach literarischen Modellen (von 1,2,3,4,1-Gedichten über Haikus zu Kurzgeschichten oder Theaterstücken) „lustbetontes Schreiben“ (Schreiter 2002: 15) ermöglicht werden, so dass der Spaß am Erlernen einer L2 nicht bei der Fertigkeit Schreiben verloren geht.
2.2. Kritik Die didaktischen Ansprüche an das kreative Schreiben, wie es vor allem im anglo-amerikanischen Raum in Werkstätten im schulischen und universitären Lern-/Lehrkontext praktiziert wird, sind nicht ohne Kritik geblieben. So kritisiert Wandor (2008) in scharfen Worten die Werkstattpraxis dafür, dass sie als kreatives Schreiben von zwei widersprüchlichen, unvereinbaren ideologischen Konzepten geprägt sei. Dies führe zu einer widersprüchlichen Mischung von Extrempositionen: dem Double-bind von romantischer Muse und professionellem Schreiber auf der einen Seite und der Überbetonung des psychotherapeutischen Prozesses als Selbstsuche und -darstellung auf der anderen. Die Doublebind-Situation erwecke bei den LernerInnen darüber hinaus den Eindruck, dass der Kern des kreativen Schreibens eigentlich nicht gelehrt werden kann, aber gleichzeitig, dass sie mit dem Ziel trainiert werden, professionelle SchreiberInnen zu werden (vgl. Wandor 2008: 218⫺219). Wahres kreatives Schreiben, für Wandor eine Form imaginativen Denkens (Wandor 2008: 7), müsse die komplexen Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Quellen und Mitteln des imaginativen Denkens einerseits und dem Streben nach
176. Kreatives Schreiben und Schreibwerkstatt
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Wissen und Quellen in der Welt „out there“ andererseits berücksichtigen ⫺ einschließlich stilistischer und Textsortenkonventionen. Im L2-Unterricht, wo nicht professionelle SchreiberInnen oder LiteratInnen das exklusive Ziel der Lehr-/Lernprozesse sind oder nicht nur das Ich der SchreiberInnen im Vordergrund steht, sondern es vor allem um die Produktion schriftlicher Texte in einer anderen Sprache geht, lassen sich die Ziele Wandors wahren kreativen Schreibens durchaus erreichen ⫺ sowohl beim kreativen als auch beim kommunikativen Schreiben.
3. Schreibwerkstätten 3.1. Ziele von Schreibwerkstätten Schreibwerkstätten verfolgen unterschiedliche Ziele: ⫺ konkrete LeserInnen informieren und zu bestimmten Einsichten, Gedanken, Meinungen und Handlungen animieren, ⫺ Meinungen und Gedanken ausdrücken, die schwer auszudrücken sind, ⫺ seine kulturellen Wurzeln erforschen, ⫺ sich mit dem Fremden auseinandersetzen, ⫺ sich der eigenen „kreolisierten“ (Hannerz 1996) Identität als MigrantIn, Angehöriger einer sogenannten sprachlichen oder ethnischen Minderheit bewusst werden, ⫺ sich seiner eigenen Schreibprozesse bewusst werden und diese verbessern, ⫺ Textsortenkonventionen kennenlernen, oder ⫺ eine andere Sprache lernen, erwerben und benutzen. Für das Gelingen von (L2-)Schreibwerkstätten müssen eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sein (vgl. Swarbrik 1994): ⫺ eine Atmosphäre, die zum gemeinsamen Austausch von Ideen ebenso ermuntert wie zu Unabhängigkeit und gegenseitigem Respekt für kreative Ideen, ⫺ die Fähigkeit, in Arbeitsteilung und in Zusammenarbeit zu schreiben, ⫺ LehrerInnen, die nicht so sehr als RichterInnen, sondern mehr als BeraterInnen gesehen werden, ⫺ Bedarf und Grund für das Schreiben. Das Hauptziel ist es, den Lernenden eine Stimme zu verleihen. Dabei stehen Textsortenkonventionen und ihre Erforschung sowie feste Vorgaben für die Form der Texte nicht im Widerspruch zur Kreativität. Ganz im Gegenteil: Sie machen diese oft erst möglich. Wie selbst bei einfachen formellen Vorgaben Kreativität zum Ausdruck kommen kann, zeigt folgendes 1,2,3,4,1-Gedicht einer dänischen Deutschstudentin. Die Studentin folgt hier zunächst dem vorgegebenen Muster (1. Zeile: 1 Wort, 2. Zeile: 2 Wörter etc.;. letzte Zeile: das gleiche Wort wie in der 1. Zeile), um eine Stimmung poetisch auszudrücken. Sie spielt aber auch kreativ mit dem Muster durch die Erweiterung der Anzahl der Zeilen und mit Hilfe von Zeilensprüngen sowie (ironischen?) literaturgeschichtlichen Anspielungen.
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XVIII. Die Rolle der Literatur im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache Herbst und Regen Schönheit und Wehmut Freude und Nieseln, Freude und Tod, Freude und Leid; Und Königreiche entstehen und Königreiche fallen Ein Schritt auf dem Weg des Lebens Und du bist konkret und du bist Poesie Herbst
3.2. Prozessdidaktik Wichtiger Baustein der Methodik der Schreibwerkstätten ist die Prozessdidaktik. Aufbauend auf kognitiven Problemlösungsmodellen liegt das Hauptgewicht dieser Didaktik nicht auf dem Endprodukt, sondern auf dem Prozess der Textproduktion mit den Hauptkomponenten Ideengenerierung, Planung, Umsetzung und Bearbeitung. Obwohl diese Komponenten in den Modellen der SchreibforscherInnen nicht linear angeordnet sind, werden sie in der Praxis oft weniger als rekursive Prozesse als aufeinander folgende Phasen (miss-)verstanden. Es finden sich aber auch Werkstattmodelle, die die Rekursivität der Prozesse ernst nehmen und darüber hinaus für unterschiedliche Schreibertypen oder -profile offen sind. In ihnen üben die SchreiberInnen Teilprozesse und Teilfertigkeiten einzeln und/oder integrieren sie in einem komplexen Projektverlauf (Pogner 1994). In komplexen Unterrichtsprojekten mit arbeitsteiliger oder gemeinsamer Textproduktion erhalten die SchreiberInnen die Möglichkeit, in didaktischen Schleifen und Reflexionsphasen eigenen Sprachgebrauch und eigene Schreibprozesse zu beobachten ⫺ und zu verbessern (Pogner 1991). Die meisten schreibdidaktischen Werkstattmodelle gehen von dem Grundgedanken aus, dass Probleme von LernerInnen beim Produzieren von Texten in einer fremden oder sogenannten zweiten Sprache in erster Linie Schreibprobleme sind. Doch auch Probleme mit der Sprache (Wortschatz, Rechtschreibung und Grammatik) werden in den Werkstätten aufgegriffen, wenn beim Feedback und in Revisions- oder Umschreibprozessen neben Adäquatheit der Sprache auch Korrektheit thematisiert und eingeübt wird. Vor allem Krings (1994) und Börner (1992) betonen im Übrigen die fremdsprachlichen Komponenten des L2-Schreibprozesses. Krings (1994) moduliert die L2-Komponente als eine kognitive Schleife, bestehend aus Identifikation des L2-Prozesses, Aktivierung von L2Strategien, Bewerten der Problemlösung und der Entscheidung über die Lösung in L2. Börner (1992) beschreibt die Selbststeuerung der SchreiberInnen anhand einer Anzahl von Schreibmaximen und Schreibstrategien. Zu ihnen zählen ⫺ Linearitätsmaximen (z. B. „Überprüfe den laufenden/letzten/vorletzten Satz“ oder „Revidiere zum Schluss“), ⫺ Textplanungsmaximen (z. B. „Berücksichtige deine Leser“ oder „Sei kohärent“), ⫺ Ausdrucksmaximen (z. B. „Suche den bestpassenden Ausdruck für das, was du meinst“) , ⫺ sprachbezogene Maximen (z. B. „Misstraue ,falschen Freunden‘“; „Schreib grammatisch korrekt“; „Vermeide Wiederholungen“),
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⫺ Strategien (z. B. „Durchsuche Alternativen in der L2“; „Bilde L1-Alternativen, wenn du in der L2 nicht weiterkommst“; „Suche einen besonders schönen Ausdruck“). Diese L2-Komponenten bzw. Maximen und Strategien sollten neben Reflexionen über Sprachkonventionen, Textsortenkonventionen (Cope und Kalantzis 1993; Freedman und Medway 1994) sowie Erwartungen der jeweiligen Diskursgemeinschaft (vgl. Pogner 2007) in die didaktischen Schleifen und Feedback-Auszeiten in Werkstätten eingebaut werden ⫺ selbstverständlich im Verhältnis zu (d. h. ein wenig über) der aktuellen L2-Kompetenz und der jeweiligen kognitiven Entwicklung der Lernenden.
4. Kommunikativ-unktionale Textproduktion Seit der sogenannten pragmatischen Wende werden Texte vor allem als eine komplexe sprachliche Handlung gesehen, mit der SchreiberInnen versuchen, eine kommunikative Beziehung zu ihren RezipientInnen (LeserInnen) aufzubauen (Brinker 1988: 6). SchreiberInnen wenden sich an (potentielle) LeserInnen, weil sie bestimmte Intentionen verfolgen; sie schreiben, um etwas zu erreichen. Gute Texte sind geprägt vom Ausbalancieren der reziproken Bedürfnisse der SchreiberInnen, etwas mitzuteilen, und der LeserInnen, das Geschriebene zu verstehen, um etwas zu erfahren. Dieser dialogistische und sozialinteraktive Ansatz, zusammengefasst in dem Satz „Schreiben begleitet nicht nur Handeln (…), sondern ist selbst eine Form des Handelns“ (Pogner 1999: XII), betont die kommunikative Funktion von Texten und die Wichtigkeit der Anpassung an die LeserInnen. Im Vordergrund stehen deshalb die Intentionen der SchreiberInnen und die Adäquatheit des kommunikativen Angebots, das der Text den LeserInnen macht. Auch beim kommunikativen Schreiben müssen SchreiberInnen kreativ sein, d. h. Frisches jenseits von Reproduktion und Routine hervorbringen, und von ihnen bisher nicht hervorgebrachte sprachliche Lösungen produzieren, um ihre Ziele zu erreichen. Man bekommt keine sprachlich bewussten SchreiberInnen ohne echte LeserInnen, und es gibt keine leserfreundlichen Texte ohne interessierte LeserInnen. Deshalb sollten kommunikative L2-Werkstätten im Sinne des entdeckenden Lernens so eingerichtet sein, dass die LernerInnen für reale LeserInnen (inner- und außerhalb des Unterrichtsraumes) und in Respons zu realen Schreibanlässen schreiben. Die LeserInnen sollten darüber hinaus Teile des Feedbacks für die oben genannten didaktischen Schleifen und Reflexionsphasen in individuellen und/oder kollektiven Textproduktionsprozessen der LernerInnen liefern. Die sogenannten neuen Medien und elektronischen Schreibumgebungen (E-Mail, Wikis, Social Software) ermöglichen virtuelle Schreibwerkstätten, bei denen die TeilnehmerInnen nicht unbedingt am gleichen Ort (zur gleichen Zeit) sein müssen, um an kooperativer oder kollaborativer Textproduktion teilzunehmen (vgl. Platten 2008; Würffel 2008).
5. Zusammenassung Schreibwerkstätten ⫺ egal ob sie mit expressiver oder kommunikativ-funktioneller Textproduktion arbeiten ⫺ verlangen von den SchreiberInnen Kreativität, d. h. die Sprache in einer weniger gelenkten Art zu benutzen als in einer Lückentext-, Drill- oder anderen
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XVIII. Die Rolle der Literatur im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache
Lehrbuchübung. Sie motivieren dazu, „(…) mit der Sprache zu experimentieren, um eine Idee auszudrücken oder die gleichen Ausdrücke in verschiedenen Kontexten zu verwenden“ (Swarbrik 1994: 143). Darüber hinaus stellen sie einen Lehrraum dar, in dem sprachliches Bewusstsein, Können und Wissen mit der Reflexion über und Verbesserung von Schreibprozessen kombiniert werden können. Sprachliches Können schließt dabei auch das Kennen und Beherrschen von Textsortenkonventionen ein, das bei fortgeschritten LernerInnen und fortgeschrittenem Spracherwerb mit dem Bewusstsein von Konventionen und Erwartungen von bestimmten Diskursgemeinschaften (Pogner 2007) ergänzt werden kann.
6. Literatur in Auswahl Börner, Wolfgang 1992 Selbststeuerung durch Schreibmaximen im fremdsprachlichen Schreiben. In: Karl-Heinz Pogner (Hg.), At skrive, schreiben, writing, 67⫺82. (OWPLC 1.) Odense: Odense University. Brinker, Klaus 1988 Bedingungen der Textualität. Der Deutschunterricht 3: 6⫺18. Bühler, Karl 1978 Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache. [1. Aufl. 1934]. Frankfurt a. M. etc.: Ullstein. Cope, Bill and Mary Kalantzis 1993 The Power of Literacy: A Genre Approach to Teaching Writing. Pittsburgh, PA: University of Pittsburgh Press. Freedman, Aviva and Peter Medway (Hg.) 1994 Learning and Teaching Genre. Portsmouth, NH: Boynton/Cook. Hannerz, Ulf 1996 Transnational Connections, Culture, People, Places. London: Routledge. Jakobsen, Roman 1960 Closing statement: Linguistics and poetics. In: Thomas A. Seboek (Hg.), Style in Language, 350⫺377. Cambridge, MA: MIT Press. Krings, Hans P. 1994 What do we know about writing in L2? In: Karl-Heinz Pogner (Hg.), More about Writing, 83⫺115. (OWPLC 6.) Odense: Odense University. Krumm, Hans-Jürgen 1989 Thema: Schreiben. Fremdsprache Deutsch 1: 5⫺8. Mummert, Ingrid 1989 Nachwuchspoeten. Jugendliche schreiben literarische Texte im Fremdsprachenunterricht Deutsch. München: Klett. Platten, Eva 2008 Gemeinsames Schreiben im Wiki-Web. Aktivitäten in einer untutorierten Schreibwerkstatt für fortgeschrittene Deutschlerner. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 13(1). (Online). Pogner, Karl-Heinz 1991 Raus aus der Alltagskiste! Schreibwerkstatt in Dänemark. Fremdsprache Deutsch 4: 80⫺81. Pogner, Karl-Heinz 1994 Text-ing: Toward a didactics of (second language) writing. In: Karl-Heinz Pogner (Hg.), More about Writing, 115⫺139 (OWPLC 6.) Odense: Odense University.
177. Drama- und Theaterpädagogik im Deutsch als Fremd- und Zweitsprache-Unterricht 1589 Pogner, Karl-Heinz 1999 Schreiben im Beruf als Handeln im Fach. Tübingen: Narr. Pogner, Karl-Heinz 2007 Text- und Wissensproduktion am Arbeitsplatz. Zeitschrift Schreiben [http://www. zeitschrift-schreiben.eu/cgi-bin/joolma/index.php?option⫽com_content&task⫽view& id⫽35&Itemid⫽33; Zugriff am 12. 10. 2009]. Pommerin, Gabriele; Claudia Kupfer-Schreiner und Stephanie Lamprecht 1996 Kreatives Schreiben. Handbuch für den deutschen und interkulturellen Sprachunterricht in den Klassen 1⫺10. Weinheim/Basel: Beltz. Pope, Rob 2005 Creativity: Theory, History, Practice. Abingdon: Routledge. Rico, Gabriele Lusser 1983 Writing the Natural Way: Using Right-Brain Techniques to Release your Expressive Powers. Los Angeles, CA: Tarcher. Schreiter, Ina 2002 Schreibversuche. Kreatives Schreiben bei Lernern des Deutschen als Fremdsprache. München: iudicium. Stippinger, Christa (Hg.) 1996 JEDER IST anderswo EIN FREMDER. Anthologie. Wien: Amerlinghaus. Swarbrik, Ann 1994 A la recherche du stylo perdu. In: Ann Swarbrik (Hg.), Teaching Modern Languages, 16⫺ 150. London/New York, NY: Routledge. Wandor, Michelene 2008 The Author is Not Dead, Merely Somewhere Else: Creative Writing Reconceived. Basingstoke/New York, NY: Palgrave Macmillan. Würffel, Nicola 2008 Kooperatives Schreiben im Fremdsprachenunterricht. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 13(1). (Online).
Karl-Heinz Pogner, Kopenhagen (Dänemark)
177. Drama- und Theaterpädagogik im Deutsch als Fremd- und Zweitsprache-Unterricht 1. 2. 3. 4. 5.
Einleitung Historische Perspektive und gegenwärtiger Entwicklungsstand Extracurriculare Inszenierungsformen Intracurriculare Inszenierungsformen Literatur in Auswahl
1. Einleitung In englischsprachigen Ländern wird zunehmend der Fach- und Sammelbegriff Applied Drama bzw. auch synonym dazu Applied Theatre (Taylor 2003; Nicholson 2005) verwendet, um ein eigenständiges Forschungs- und Praxisfeld zu bezeichnen. Er bezieht sich
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XVIII. Die Rolle der Literatur im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache
auf Bereiche, in denen die dramatische Kunst bzw. Theaterkunst nicht rein ästhetischer Selbstzweck ist, sondern Bezugspunkt und Inspirationsquelle für performative Aktivitäten, mit denen in diversen Anwendungsbereichen, z. B. in der politischen Bildung oder in (sozial-)pädagogischen Feldern, ganz bestimmte Ziele erreicht werden sollen. Im konkreten Anwendungsbereich des fremd- und zweitsprachlichen Unterrichts geht es dabei um sprach-, literatur- und kulturbezogene Ziele. Im Bildungssystem Großbritanniens ist die Dramapädagogik (Drama in Education) als erziehungswissenschaftliche Teildisziplin fest verankert (zu disziplintypischen Forschungskonzepten vgl. Ackroyd 2006). Ebenso ist Drama als eigenständiges Schulfach seit etlichen Jahrzehnten etabliert, und eine Fachdebatte um Drama als Unterrichtsmethode wird dort schon seit langem geführt (vgl. Bolton 1979, 1984). Von dieser Debatte ist die deutsche Fremd- und Zweitsprachendidaktik seit den 1990er Jahren beeinflusst worden. Der Begriff dramapädagogisch, in der Fachdiskussion erstmalig in der Zeitschrift Info DaF (1988/4) verwendet, ist nach wie vor üblich zur Kennzeichnung eines DaF-/DaZUnterrichts, in dem Mittel des Theaters eingesetzt werden, um allgemeinpädagogische und bestimmte fachbezogene Ziele zu erreichen (vgl. z. B. den thematischen Schwerpunkt „Dramapädagogik und fremdsprachlicher Deutschunterricht“ in Ausgabe 2004/1 der Internet-Zeitschrift German as a Foreign Language (www.gfl-journal.com)). Seitdem allerdings immer mehr Bundesländer die Einführung des Schulfaches Darstellendes Spiel voran treiben, an den Hochschulen entsprechende Lehreraus- und -fortbildungsprogramme etabliert werden und eine in ihrer Fachidentität gestärkte deutsche Theaterpädagogik sich zunehmend für diverse Anwendungsfelder, einschließlich Fremd- und Zweitsprachenunterricht, öffnet, wird gelegentlich auch der Begriff „theaterpädagogisch“ in eng verwandtem Sinne verwendet (verwiesen sei hier auf das Fachorgan Zeitschrift für Theaterpädagogik ⫺ Korrespondenzen; http://www.theaterpaedagogik.org).
2. Historische Perspektive und gegenwärtiger Entwicklungsstand Wie sich der Bereich Drama/Theater in der Fremd- und Zweitsprachenlehre von 1850 bis heute entwickelt hat, wurde von Schewe (2007) detaillierter dargestellt. In diesem Überblick bezieht er sich auf historische Vorläufer einer unterrichtlichen Inszenierung von Fremdsprache, beleuchtet reformpädagogische Impulse aus den 1920er Jahren und besonders das verstärkte fremdsprachendidaktische Interesse am Bereich Drama/Theater seit Ende der 1970er Jahre. Seit Anfang der 1990er Jahre ist im deutschsprachigen Raum eine intensivere wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Wechselbeziehung zwischen dem Bereich Drama/ Theater und dem Bereich Fremd-/Zweitsprachenunterricht zu beobachten (z. B. Schewe 1993; Schewe und Shaw 1993; Dufeu 2003; Mayrose-Parovsky 1997; Tselikas 1999; Schlemminger, Brysch und Schewe 2000; Bräuer 2002; Even 2003; Huber 2003, Feldhendler 2007; Kessler 2008). Die einander ergänzenden theoretischen Fundierungen eines drama- bzw. theaterpädagogischen DaF-/DaZ-Unterrichts umfassen dabei Erkenntnisse aus der britischen Drama- und deutschen Theaterpädagogik, den Sprach-, Literatur-, Landeskundewissenschaften und -didaktiken sowie Forschungsperspektiven aus weiteren Bezugsfeldern, etwa Lernpsychologie, Neuropsychologie, Sozial- und Individualpsychologie, Psycholin-
177. Drama- und Theaterpädagogik im Deutsch als Fremd- und Zweitsprache-Unterricht 1591 guistik, Soziologie, Sozialpsychologie, Anthropologie, Intelligenz- und Kreativitätsforschung. Dass die Drama-/Theaterpädagogik inzwischen zu einer festen Bezugsdisziplin für die Fremd- und Zweitsprachendidaktik avanciert ist, spiegelt sich beispielsweise in den Themen von Magisterarbeiten und Promotionen, in universitären Lehrangeboten, regelmäßigen (Intensiv-)Fortbildungen für DaF-/DaZ-Lehrer (z. B. im Rahmen von Sommerkursen am Goethe-Institut Berlin) und einem allgemein zunehmenden Interesse, drama-/ theaterpädagogische Ansätze stärker in der Lehrerausbildung und Hochschuldidaktik zu verankern (Wildt, Hentschel und Wildt 2008). Seit Ende der 1990er Jahre ist auf größeren Konferenzen oftmals ein drama-/theaterpädagogischer Themenschwerpunkt vertreten, oder es werden spezielle Fachtagungen ausgerichtet (z. B. Internationale Deutschlehrertagung 2007 in Graz, Österreich; 23. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Fremdsprachenforschung (DGFF) 2009 in Leipzig, Deutschland; 2. Kongress der International Association of Performing Language (IAPL) in Victoria, Kanada 2009). Im Jahre 2007 wurde an der germanistischen Abteilung der Universität Cork Scenario gegründet, eine bilingual (deutsch⫺englisch) ausgerichtete Fachzeitschrift für Drama- und Theaterpädagogik in der Fremd- und Zweitsprachenvermittlung. Auf der Scenario-Homepage (http:// scenario.ucc.ie) findet sich eine umfangreiche, regelmäßig aktualisierte Forschungsbibliographie. Die skizzierten Entwicklungen unterstreichen, dass sich innerhalb der Fremdund Zweitsprachendidaktik nunmehr ein eigenständiger drama-/theaterpädagogischer Fachschwerpunkt gebildet hat. Inzwischen werden drama-/theaterpädagogische Arbeitsformen in allen Teilbereichen des DaF-/DaZ-Unterrichts (Sprache, Literatur, Kultur) praktiziert, auf Primar-, Sekundar- und Hochschulebene wie auch in der Erwachsenenbildung. Um die Bandbreite anzudeuten, seien in diesem Kontext neuere Beispiele erwähnt: Wardetzky und Weigels (2008) preisgekröntes Projekt zur Sprachförderung von Migrantenkindern im Rahmen des Unterrichts an einer Berliner Grundschule, Bertinos (2008) Bericht über ein ebenfalls mit einem Preis ausgezeichnetes Erzähltheaterprojekt mit italienischen Sekundarschülern und Retzlaffs (2008) innovativ-dramapädagogische Annäherung an Thomas Brussigs Roman Am kürzeren Ende der Sonnenallee im Rahmen der Germanistik-Ausbildung an einer kanadischen Universität. Die genannten Unterrichtsprojekte verbindet, dass sie einen Literaturbezug haben. Im Folgenden soll weiter beleuchtet werden, wie die Drama-/Theaterpädagogik speziell im Bereich der Literaturvermittlung eine wichtige Rolle spielen kann. Dabei gilt es, zwischen extracurricularen und intracurricularen Formen zu differenzieren.
3. Extracurriculare Inszenierungsormen An vielen Schulen und Hochschulen ist es gängige Praxis, dass SchülerInnen und Studierende sich außerhalb des regulären Unterrichtsprogramms freiwillig an einem Projekt beteiligen, das sie in autonomer Regie oder unter Anleitung von Lehrpersonen und/oder professionellen Theatermachern durchführen mit dem Ziel, vor einem kleinen, internen oder auch breiteren öffentlichen Publikum ein Theaterstück aufzuführen. Diese ⫺ an auslandsgermanistischen Abteilungen oft von LektorInnen geleitete ⫺ produktorientierte Arbeit ist in der Regel sehr zeitaufwändig, kann sich über mehrere Wochen und Monate erstrecken und erfordert daher hohe Motivation und großen Arbeitseinsatz auf Seiten
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XVIII. Die Rolle der Literatur im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache
der Beteiligten. In der Regel wird ein kanonisches deutsches Drama inszeniert. Erste Versuche, allgemeine Kriterien für die Auswahl geeigneter Stücke zu bestimmen, finden sich in dem vom DAAD (o.J.) Anfang der 1980er Jahre herausgegebenen Theaterhandbuch. Es wäre an der Zeit, auf dieser Grundlage eine neue Kriterienliste zu erstellen, die der gegenwärtigen Vielfalt gerecht wird. Denn inzwischen dienen vielerorts lyrische und/ oder epische Texte deutschsprachiger Autoren, aber durchaus auch von den Projektbeteiligten selbst verfasste Texte als Inszenierungsgrundlage. In enger Orientierung an der Praxis des professionellen Gegenwartstheaters wird mit frischen Inszenierungsformen experimentiert. So erarbeitet zum Beispiel Zimmermann (2007) mit kanadischen Germanistik-Studierenden eine literatur-, kultur- und musikwissenschaftlich sorgfältig recherchierte szenische Collage, die eine besondere Energie durch die bewusste Nutzung der produktiven Spannung zwischen den Kunstformen Theater und Oper bezieht. In einem von Fischäss (2008) geleiteten Projekt bilden Texte, die von den Studierenden selbst verfasst wurden, das Grundmaterial für die Erarbeitung von Szenen, die sich in eine vorgegebene Handlungsstruktur einfügen. Die Konzeption des Stückes verfolgt das Ziel, neben der Erweiterung theoretischer Kenntnisse in der Fremdsprache auch Lernfortschritte der Kursteilnehmer im Sprachhandeln und in der szenischen Interpretation literarischer Texte zu erzielen. Dass die Beteiligten im Laufe der Probenarbeit und Aufführungen nebst nachhaltig wirksamen Lernerfahrungen in Bezug auf Sprache, Literatur und Kultur auch für die persönliche Entwicklung bedeutsame Selbsterfahrungen machen, ist bereits oft dokumentiert worden (z. B. Bourke 1993). Matthias (2008), die für den Zeitraum 1992⫺2006 auswertet, welchen Stellenwert Formen aufführungsbezogener Theaterarbeit an den deutschen Abteilungen in den USA und Kanada hatten, hält es für angemessen, solche Projekte aufgrund ihres enormen Potentials aus dem extracurricularen Schatten heraus zu holen und stärker in das Curriculum einzubinden.
4. Intracurriculare Inszenierungsormen Literaturvermittlung ist in vielen DaF-/DaZ-Kontexten integraler Teil des regulären Unterrichts bzw. Studienprogramms. Je nach Kontext gibt es dafür entsprechende Begründungen, ebenso für die Wahl bestimmter Arbeitsformen (vgl. z. B. Tütgen 2006). Ähnlich wie im muttersprachlichen Deutschunterricht (vgl. z. B. Scheller 2004) lässt sich beobachten, dass handlungs- und produktionsorientierte Arbeitsformen auch im fremdsprachlichen Unterricht nunmehr weit verbreitet sind. Ausgehend von der These, dass heutige Studierende, deren Sozialisation stark von den neuen (Internet-)Medien geprägt wurde, anders wahrnehmen als frühere Generationen, plädiert z. B. Schewe (2003) für handlungsorientierte Formen des Umgangs mit Literatur, die sich eng an Formen ästhetischer Praxis orientieren (in diesem Kontext sei speziell auf das Konzept von Huber 2003 verwiesen). Inspirationsquelle ist dabei insbesondere die Theaterkunst, durchaus aber im Zusammenspiel mit anderen ästhetischen Feldern (Musik, Bildende Kunst, Tanz). So wird zum Beispiel in Schewe und Wilms’ (1995) dramapädagogischer Bearbeitung von Alfred Anderschs Roman Sansibar oder der letzte Grund Ernst Barlachs Skulptur „Der Lesende Klosterschüler“, der als Bindeglied der spannenden Romanhandlung fungiert, zu einem Ausgangs- und Bezugspunkt im Unterricht, in dessen Verlauf Schüler bzw. Studierende z. B. Romanfiguren in Farbe und Form übersetzen und zueinander
177. Drama- und Theaterpädagogik im Deutsch als Fremd- und Zweitsprache-Unterricht 1593 positionieren, Schlüsselszenen in Standbilder verwandeln, Körperhaltungen von Romanfiguren nachstellen und Masken basteln, um diese in einer szenischen Improvisation einzusetzen. In direktem Bezug auf diese Bearbeitung stellen Brisson (2007) und Even (2008) im Rahmen ihrer Erweiterungsvorschläge zusätzliche Arbeitsformen vor, wobei Brisson auch filmische Mittel einbezieht und Even nochmals das Potential dramapädagogischer Basistechniken wie Einfühlung, Doppeln, Standbild, Teacher in Role und Hot-Seating an konkreten Beispielen demonstriert (in Bezug auf solch unterrichtliches Handwerk von Dramapädagogen s. auch Neelands und Goode 2000). Die genannten Bearbeitungen von Anderschs Roman muss man sich als längere Unterrichtseinheiten vorstellen, die den jeweiligen institutionellen Rahmenbedingungen anzupassen sind. Eine solch intensive Arbeit an deutschsprachiger Literatur bzw. die noch zeitaufwändigere semesterlange literaturbezogene Projektarbeit (vgl. Schewe und Scott 2003) ist eher die Ausnahme als die Regel. Allerdings ist der Einsatz von drama-/theaterbezogenen Arbeitsformen grundsätzlich in allen Lehr-/Lern-Kontexten möglich in dem Sinne, dass einzelne Stunden bzw. kurze Phasen einer DaF-/DaZ-Stunde dramapädagogisch gestaltet werden. Dies kann abschließend lediglich angedeutet werden: Als Einstieg in ein Reim-Gedicht könnte beispielsweise eine 10-minütige Bewegungsübung eingesetzt werden, um zunächst den Fokus auf rhythmisches Sprechen zu richten und dabei gleichzeitig die Aussprache zu üben (zur Arbeit an Gedichten vgl. Tselikas 1999: 121⫺130), bei der Arbeit an einem dramatischen Text könnten die Lerner etwa ⫺ zur Vorbereitung auf eine szenische Improvisation ⫺ Rollenbiographien verfassen, um sich eine genauere Vorstellung von den Figuren zu machen und dabei das Schreiben in der Fremdsprache zu üben. Die Drama-/Theaterpädagogik hat inzwischen viele Anstöße dafür gegeben, wie ein literaturorientierter DaF-/DaZ-Unterricht motivationsfördernd und zielgruppengerecht gestaltet werden kann. In etlichen der genannten Publikationen finden sich entsprechende Konzeptualisierungen und konkrete Vorschläge, die allerdings in den kommenden Jahren weiterer Systematisierung bedürfen.
5. Literatur in Auswahl Ackroyd, Judith 2006 Research Methodologies for Drama Education. Stoke on Trent: Trentham Books. Bertino, Marina 2008 Niklas der Fisch. Bericht über ein Erzähltheaterprojekt mit italienischen Sekundarschülern. Scenario 1(2). (Online; http://scenario.ucc.ie). Bolton, Gavin 1979 Towards Drama as a Theory of Drama in Education. Harlow: Longman. Bolton, Gavin 1984 Drama as Education. An Argument for Placing Drama at the Centre of the Curriculum. Harlow: Longman. Bourke, Eoin 1993 Work at the coalface: An empirical approach to foreign language theatre for students. In: Manfred Schewe und Peter Shaw (Hg.), Towards Drama as a Method in the Foreign Language Classroom, 227⫺248. Frankfurt a. M.: Lang. Bräuer, Gerd (Hg.) 2002 Body and Language. Intercultural Learning Through Drama. Advances in Foreign and Second Language Pedagogy Series, Volume 3. Westport, Conn.: Ablex Publishing.
1594
XVIII. Die Rolle der Literatur im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache
Brisson, Ulrike 2007 Sansibar oder der wirkliche Grund: Drama in a College German Language Class. Scenario 1(1). (Online; http://scenario.ucc.ie). DAAD (Hg.) (o. J.) Theaterhandbuch. Ein Leitfaden für Lektoren. Bonn: DAAD. Dufeu, Bernard 2003 Wege zu einer Pädagogik des Seins. Mainz: Editions Psychodramaturgie. Even, Susanne 2003 Drama Grammatik. Dramapädagogische Ansätze für den Grammatikunterricht Deutsch als Fremdsprache. München: iudicium. Even, Susanne 2008 Moving in(to) imaginary worlds: Drama pedagogy for foreign language teaching and learning. Unterrichtspraxis 41(2): 161⫺170. Feldhendler, Daniel 2007 Playback theatre: A method for intercultural dialogue. Scenario 1(2). (Online; http:// scenario.ucc.ie). Fischäss, Frank 2008 O.S.K.A.R. ⫺ Fremdsprachentheater spielt Zeitumwandlung. Scenario 2(1). (Online; http://scenario.ucc.ie). Huber, Ruth 2003 Im Haus der Sprache wohnen. Wahrnehmung und Theater im Fremdsprachenunterricht. Tübingen: Niemeyer. Kessler, Benedikt 2008 Interkulturelle Dramapädagogik. Dramatische Arbeit als Vehikel des interkulturellen Lernens im Fremdsprachenunterricht. Frankfurt a. M.: Lang. Matthias, Bettina 2008 German theater at Northern American colleges and universities: A survey. Scenario 2(2). (Online; http://scenario.ucc.ie). Mayrose-Parovsky, Angelika 1997 Transkulturelles Sprachhandeln. Bild und Spiel in Deutsch als Fremdsprache. Frankfurt a. M.: Lang. Neelands, Jonothan und Tony Goode 2000 Structuring Drama Work. A Handbook of Available Forms in Theatre and Drama. Cambridge: Cambridge University Press. Nicholson, Helen 2005 Applied Drama: The Gift of Theatre. Basingstoke: Palgrave. Retzlaff, Steffi 2008 Fitness for the muscles and the mind: Incorporating Nia (neuromuscular integrative action) into a drama-pedagogical teaching unit on Thomas Brussig’s „Am kürzeren Ende der Sonnenallee“. Scenario 1(2). (Online; http://scenario.ucc.ie). Scheller, Ingo 2004 Szenische Interpretation. Theorie und Praxis eines handlungs- und erfahrungsbezogenen Literaturunterrichts in Sekundarstufe I und II. Seelze-Velber: Kallmeyersche Verlagsbuchhandlung. Schewe, Manfred 1993 Fremdsprache inszenieren. Zur Fundierung einer dramapädagogischen Lehr- und Lernpraxis. Oldenburg: Didaktisches Zentrum, Universität Oldenburg. Schewe, Manfred 2003 Literaturvermittlung auf dem Wege von gestern nach morgen: eine auslandsgermanistische Perspektive. In: Armin Wolff und Ursula Renate Riedner (Hg), Grammatikvermittlung ⫺ Literaturreflexion ⫺ Wissenspropädeutik ⫺ Qualifizierung für eine transnationale Kommunikation, 33⫺55. Regensburg: Fachverband Deutsch als Fremdsprache.
177. Drama- und Theaterpädagogik im Deutsch als Fremd- und Zweitsprache-Unterricht 1595 Schewe, Manfred 2007 Drama und Theater in der Fremd- und Zweitsprachenlehre: Blick zurück nach vorn. Scenario 1(1). (Online; http://scenario.ucc.ie). Schewe, Manfred und Trina Scott 2003 Literatur verstehen und inszenieren: Foreign language literature through drama. German as a Foreign Language 3: 56⫺83. (Online). Schewe, Manfred und Peter Shaw (Hg.) 1993 Towards Drama as a Method in the Foreign Language Classroom. Frankfurt a. M.: Lang. Schewe, Manfred und Heinz Wilms 1995 Literatur verstehen und inszenieren: Sansibar oder der letzte Grund. Stuttgart: Edition Klett. Schlemminger, Gerald, Thomas Brysch und Manfred Schewe (Hg.) 2000 Pädagogische Konzepte für einen ganzheitlichen DaF-Unterricht. Berlin: Cornelsen. Taylor, Philip 2003 Applied Theatre. Creating Transformative Encounters in the Community. Portsmouth, NH: Heinemann. Tselikas, Elektra I. 1999 Dramapädagogik im Sprachunterricht. Zürich: Orell Füssli. Tütgen, Gisela 2006 Literatur im Unterricht Deutsch als Fremdsprache an der Hochschule im Ausland ⫺ aber wie? Ein Vorschlag am Beispiel Rußlands. Info DaF 33(1): 52⫺90. Wardetzky, Kristin und Christiane Weigel 2008 Sprachlos? Erzählen an der Hochschule im Ausland ⫺ aber wie? Ein Projekt zur Sprachförderung von Kindern mit Migrationshintergrund. Scenario 2(2). (Online; http://scenario. ucc.ie). Wildt, Beatrix, Ingrid Hentschel und Johannes Wildt (Hg.) 2008 Theater in der Lehre. Verfahren, Konzepte, Vorschläge. Berlin, LIT. Zimmermann, Alexandra 2007 Nach einem Duett mit Julia höchste Exaltation: Zur Rolle von Literatur, Kultur und Musik im E. T. A. Hoffmann-Fest der Wilfried Laurier Universität, Waterloo Kanada. Scenario 1(2). (Online; http://scenario.ucc.ie).
Manfred Schewe, Cork (Irland)
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XVIII. Die Rolle der Literatur im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache
178. Kunst und Musik im Deutsch als Fremd- und Zweitsprache-Unterricht 1. 2. 3. 4. 5.
Begriffsbestimmung Wahrnehmung, Verarbeitung, Funktionen Präsenz und Nutzung in Lehrwerken Kunst und Musik im Kontext inhaltsorientierten, intermedialen und interkulturellen Lernens Literatur in Auswahl
1. Begrisbestimmung Die Begriffe Kunst und Musik erweisen sich einerseits als sehr komplex, andererseits als ungenau. Im allgemeinen wird Kunst als Sammelbegriff für bildende (Malerei, Graphik, Collage, Photographie, Plastik, Objektkunst), bauende (Architektur) und angewandte (Kunsthandwerk, Design) Künste gebraucht, weiter gefasste Definitionen schließen darstellende Künste (Theater, Tanz, Film), Kombinationen aus den genannten Bereichen (Aktionskunst) und Musik ein. Die Grenzen zur Literatur sind durchlässig. Im Kontext des Fremdsprachenunterrichts wird Kunst aus Gründen der Reproduzier- und Handhabbarkeit meist auf „Bildkunst“ und letztlich auf Bilder reduziert. Damit sind im Unterschied zu logischen und analogen Bildern in der Regel Abbildungen, konkret die Bildsorten Photographie, Zeichnung, Gemälde und Collage, gemeint und zwar unabhängig vom Bildträger (Original vs. Reproduktion: Kopie, website, Diapositiv, Folie, Prospekt, Kalender, Ansichtskarte, Plakat, Briefmarke, Buch usw.), von Form, Entstehungszeit, Autor, Inhalt oder künstlerischem Gehalt. Mit Musik werden gestaltete akustische Impulse bezeichnet, der Begriff umfasst Instrumental- wie Vokalmusik unterschiedlicher Funktion sowie Klänge und Rhythmen. Die Grenzen zu den darstellenden Künsten (Bühnenmusik, Tanzmusik, Filmmusik) sowie zur Literatur (Vokalmusik) sind durchlässig. Im Fremdsprachenunterricht werden unter Musik im Allgemeinen Lieder im weitesten Sinne sowie kurze Instrumental- oder Rhythmussequenzen verstanden. Neben „Bild-, Musikund Geräuschmedien“ werden auch „Verbundmedien“ (Bilder bzw. Töne/Klänge mit Textpassagen, illustrierte bzw. vertonte Texte) unterschieden, letztere enthalten einen deutlichen Sprachzusatz (z. B. Textillustration, beschriftete Karikatur, Comic, Sprechgesang, Film usw.). Das Kunstkriterium wird bei beiden Medien großzügig gehandhabt, nach allgemeinem Konsens gelten Authentizität, Gestaltetheit, Bedeutungstiefe (Bedeutungsvielfalt) und Mehrdeutigkeit (subjektive Deutbarkeit, Offenheit, Problemhaftigkeit) neben einer gewissen Repräsentativität als entscheidende Merkmale, ebenso ein Mehrwert gegenüber der Realität, der Fragen und Reflexion initiieren kann (Hellwig 2000). In der Praxis werden die in fremdsprachendidaktischen Materialien enthaltenen (gestalteten) Photographien, Karikaturen und Bildgeschichten mit unter Kunst subsumiert.
2. Wahrnehmung, Verarbeitung, Funktionen Medien- und Kommunikationswissenschaften sowie Teilgebiete der Kunst- und Musikwissenschaften bieten eine Fülle von Versuchen, die bei der Wahrnehmung und Verarbei-
178. Kunst und Musik im Deutsch als Fremd- und Zweitsprache-Unterricht
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tung von Bildern und Tönen ablaufenden Prozesse zu systematisieren und daraus einzelne Verwendungsfunktionen abzuleiten. Nach dem in der Fremdsprachendidaktik am häufigsten zitierten Modell des Bildverstehens (Weidenmann 1994) werden in einer Vorphase kontextabhängige Konzepte und Schemata aktiviert, die durch Instruktionen und Erwartungshaltungen moduliert werden können. Der dann einsetzende Wahrnehmungsprozess ist durch automatische Normalisierungsversuche der Bildbotschaft geprägt (Initialphase, präattentative Phase). Ist der Normalisierungsbedarf gedeckt, nimmt die Aufmerksamkeit rapide ab. Nur die Zufuhr neuer Informationen kann den Kontakt mit einem Bild weiter rechtfertigen. Die Wahrnehmung erfolgt bis dahin weitgehend unbewusst und sprachunabhängig, ihr Ziel ist „natürliches Bildverstehen“, eine Gesamtwahrnehmung, die sich auf verinnerlichte Wissensstrukturen stützt („ökologischer“ Verstehensmodus „erster Ordnung“). Auf einer höheren Stufe wird die Wahrnehmung durch Interessen, Vorwissen, Sehaufgaben und hervorgehobene Details gesteuert, es kommt zu einem fakultativen „indikatorischen“ Bildverstehen „zweiter Ordnung“ (attentative, elaborative Phase). Die Wahrnehmung wird systematischer und entwickelt sich entlang der Bedeutung des Dargestellten und seiner Anordnung, der mentale Verarbeitungsaufwand wächst, es wird zusätzliches Wissen aktiviert. Diese Verstehensstufe ist erlernbar. Sie impliziert ein Hinausgehen über inhaltliche und eine Einbeziehung formaler Gestaltungsmerkmale (ikonischer Code). Verbalisierung gilt auf dieser Stufe als eine der wichtigsten Bildverarbeitungsstrategien. Sie kann unterschiedliche Formen annehmen und ist aufgabenabhängig (z. B. Benennen, Beschreiben, Interpretieren). Ein sprachlicher Kontext (z. B. Titel, Aufgabenstellung, Begleittext) kann die Bildwahrnehmung entscheidend steuern. Eine Ergänzung hierzu bildet das Modell interkulturellen Bildverstehens (Sturm 1990). Semantisches Verstehen läuft über eine rasche Normalisierung und oberflächliche Interpretation der als bekannt wahrgenommenen Objekte und ihrer Merkmale ab. Die Erkenntnis (und Reflexion) eines Widerspruches zwischen „Augenschein“ und verschlossenem Sinn kennzeichnet das hermetische Bildverstehen. Entsprechende Zusatzinformationen bzw. Instruktionen können in hermeneutisches Bildverstehen überleiten, das durch weiterführende Such- und Frageaktivitäten gekennzeichnet ist. Als entscheidende Funktionen und Leistungen von Bildern verdienen Visualisierung, Informationsübermittlung, Hilfe zur Organisation und Intensivierung von Lernprozessen und enrichment (Einstimmung, Motivation, Belohnung, Dekoration) im Kontext der Fremdsprachendidaktik als besonders relevant hervorgehoben zu werden. Für die Phase des sprachgebundenen (indikatorischen/attentativen/elaborativen) Bildverstehens kann in Aktivierungsfunktion, Konstruktions- und Instruktionsfunktion sowie Anwendungs- und Kontrollfunktion differenziert werden (z. B. Biechele 1998; Doelker 1998). Seit Beginn der 1990er Jahre wird im Rahmen der (für die anglistische Fachdidaktik entwickelten) prozessorientierten Mediendidaktik die Hauptleistung künstlerischer Medien in der Initiierung sprachproduzierender Prozesse gesehen, gekoppelt an einen auf der Grundlage neuhermeneutischer Erkenntnisse entwickelten Bildungsbegriff (z. B. Gienow und Hellwig 1993; Blell und Hellwig 1996; Küster 2003). Die Rolle von Kunst (und Musik) wird dabei vor allem als Auslöser von in einzelne Prozesse aufgefächerten, persönlich bedeutungsvollen fremdsprachlichen Schreibvorgängen gesehen, die relevante Bildungsanlässe in den Fremdsprachenunterricht hineintragen können, im Mittelpunkt stehen damit sprachevozierende, orientierende sowie persönlichkeitsbildende Funktionen. Daneben spielte immer schon die Entdeckung der deutschsprachigen Kultur(en) eine Rolle (z. B. Charpentier, Cros, Dupont und Marcou 1995).
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XVIII. Die Rolle der Literatur im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache
Die Wahrnehmung von Musik ist vor allem durch die Temporärität des akustischen Reizes determiniert. Grundlegende Merkmale des Wahrnehmungsverhaltens gelten auch hier: In einer Phase der Präperzeption werden Erwartungen, Wissen und Erfahrungen aktiviert, während des Perzeptionsvorgangs wird das Gehörte schrittweise, oft unbewusst, kategorisiert und kann in einer Postperzeption über (nachträgliche) Assoziationen, musikbezogene Beobachtungen (z. B. zu Instrumenten, Gattung, Form) und Wertungsversuche (Geschmacksurteil, ästhetisches Urteil, Sachurteil) vertieft und transferiert werden. Fehlende Erwartungen und Erfahrungen können den Perzeptionsvorgang extrem verkürzen bzw. abbrechen, es sei denn, es kommt zu dominanten außermusikalischen Assoziationen („Abdriften“). Höraufgaben können die Wahrnehmung ebenso wie begleitende Aktivitäten (z. B. Malen, Bewegen) lenken und intensivieren, dosierter Informationsinput und mehrmaliger Kontakt wirken sich ebenso wie die strukturelle oder thematische Gruppierung von Höreindrücken positiv auf die Wahrnehmungsleistung aus (z. B. Kleinen 1994). Musik kann im Fremdsprachenunterricht eine simulative (akustische Präsentation fremder Kultur) und dekorative (illustrative) Funktion erfüllen. Besonders häufig sind daneben persönlichkeitsbildende (Wecken von Vorstellungskraft und Kreativität), sozialpsychologische (Aufbau und Intensivierung von Kontakt-, Erlebnisund Empathiefähigkeit) und lernpsychologische Funktion. Letztere kann in eine physiologische („Ohrenöffner“), psychohygienische (Entspannung/Aktivierung), suggestivkognitionsfördernde (Optimierung von Wissensaufnahme und -verankerung), emotivmotivatorische (Auslösen von lern- und erkenntnisfördernden Emotionen) und assoziationsauslösende Funktion (Vorbereitung und Intensivierung sprachlicher Kreativität) differenziert werden (z. B. Quast 2005).
3. Präsenz und Nutzung in Lehrwerken Kunst und Musik scheinen in Lehrwerken und Lehrmaterialien für DaF/DaZ in der Dichotomie Lernvehikel vs. Lerninhalt / methodisches vs. didaktisches Potenzial befangen. In den 1970er und 1980er Jahren hielten authentische Bilder als themenbezogene Sprechanlässe („situative Ikones“) in die Lehrwerke Einzug (Photographien, Werbeanzeigen, Karikaturen). Kunstbilder spielen in der DaF-Didaktik seit Ende der 1980er Jahre eine verstärkte Rolle, bis heute mit dem dominierenden Ziel, einerseits Phantasie und Kreativität in mündliche und schriftliche Sprachproduktion zu bringen, andererseits landeskundliche Informationen (mit dem Fokus auf Architektur und Malerei) zu vermitteln. Die visuellen Schwerpunkte liegen in Deutschland (Architektur) sowie in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts (Malerei des Jugendstil und Expressionismus). Auf Architekturabbildungen bezogene Aufgabenstellungen bewegen sich meist im lexikalischen und kommunikativen Umfeld von „Reisen/Orientierung in der Stadt“, „Wohnen“, häufig sind daneben Einzelgebäude in symbolischer Funktion (Brandenburger Tor, Stephansdom). Malerei und Graphik treten vermehrt im Kontext „Lesen/Literatur/Märchen“, „Gesundheit/Körper“, „Kleidung/Farben“ auf, die Aufgabenstellungen sind meist lexikbezogen, auf ein komplexes Fertigkeitentraining oder auf die Erarbeitung landeskundlicher Informationen ausgerichtet („Berühmte Künstler und ihre Werke“). Musik existiert in DaF-Lehrwerken überwiegend als „musikalisch verpackter Text“. Seit den 1970er Jahren ist eine Erweiterung des (Lied-)Repertoires um Rock und Pop deutlich, klassische Musik bleibt nach wie vor selten und ist auf wenige Werke und Personen
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beschränkt (Dominanz Wiener Klassik). Bei Komponisten und Interpreten überwiegt die landeskundliche Repräsentations- und Symbolfunktion, bei Liedern das inhaltliche Potenzial (z. B. „Freizeit/Feste“, „Jugend/Beziehungen“). Die Aufgaben beziehen sich meist auf rezeptive Fertigkeiten (Hörverstehen) oder (themenbezogene) Kommunikation, präsent sind daneben Wortschatz- und Ausspracheübungen sowie (seltener) landeskundliche Information. Das eigentliche Hören von Musik wird, ebenso wie das Sehen von Bildern, selten gefordert oder thematisiert (Badstübner-Kizik 2006). Auf Kunst und Musik bezogene handlungsorientierte Arbeitsformen (kreatives Arbeiten, Projekte) finden am Rande des institutionalisierten Fremdsprachenunterrichts sowie im bilingualen Unterricht ihren festen Platz (z. B. Wicke 2000). Seit Beginn der 1990er Jahre kann man insgesamt eine zunehmende Lehrwerkpräsenz von Kunst und Musik beobachten, sei es in Form von Lernplateaus oder Zusatzkapiteln (Galerieseiten, Länderseiten), Leitfiguren und -themen oder einer zunehmenden Anzahl an einschlägigen Illustrationen. Auf künstlerische Medien wird immer dann zurückgegriffen, wenn sie einen kreativen, lernerorientierten und ganzheitlich ausgerichteten Fremdsprachenunterricht versprechen (methodisches Potenzial). Diesbezüglich interessante und originelle Unterrichtskonzepte, meist sprach- und kulturübergreifend gültig, sind in der Fachliteratur zahlreich zu finden. Geht es um Kunst und Musik als kulturspezifischen Lerninhalt (didaktisches Potenzial), so erscheint die tatsächliche Rezeption und Reflexion durch Fragen, Interpretationen und Hilfen in der Regel so stark gelenkt, dass ein nachhaltiger individueller Zugang zum Kunstwerk und seinem historisch-kulturellen Kontext nur selten wirklich möglich ist. Gegenwärtig lassen sich vier Hauptrichtungen für die Nutzung von Kunst und Musik im Kontext DaF/DaZ erkennen: (1) Kunst und Musik erscheinen als originelle Impulse zu einer überschaubar bleibenden Sprachrezeption und -produktion, vor allem im Bereich Wortschatzarbeit, mündliche und schriftliche Textproduktion sowie Hör- (und Lese-)Verstehen. Beiden Medien wird die Fähigkeit zuerkannt, einzelne Wahrnehmungs-, Er- und Verarbeitungs- sowie Interpretations- und Wertungsprozesse für Lernende bewusst, nachvollziehbar und damit transferierbar zu machen sowie Entwicklungs- und Bildungsanstöße zu geben (prozessorientierte Mediendidaktik). Musik wird daneben reproduktiv genutzt (Singen). (2) Kunst und Musik vermitteln über Namen, Begriffe, Daten, Orte sowie konkrete Kunstwerke landeskundliche Informationen sowie den Anstoß zur Entdeckung der eigenen und fremden Kultur („Fensterfunktion“). Darüber hinaus können sie eine orientierende Funktion übernehmen, indem sie Themen, Phänomene und Wahrnehmungsvorgänge als Gegenstände der Reflexion etablieren. (3) Kunst und Musik können handlungsorientiertes Lernen induzieren sowie (4) den fremdsprachlichen Lernprozess insgesamt anregen und intensivieren. Mit Ausnahme von (2) müssen die konkreten künstlerischen Impulse nicht unbedingt kulturspezifisch gewählt werden (z. B. S. Dali, B. Smetana im DaF-Unterricht).
4. Kunst und Musik im Kontext inhaltsorientierten, intermedialen und interkulturellen Lernens Um Kunst und Musik im Fremdsprachenunterricht auch inhaltlich verbindlich zu etablieren und sie von dem Etikett einer „Bonbon- oder Feiertagsdidaktik“ zu befreien, müssen kulturspezifischer und interkultureller Gehalt stärker berücksichtigt werden. Als au-
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XVIII. Die Rolle der Literatur im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache
thentische, vielschichtige, (potenziell) subjektiv relevante, in einem nationalen, historischen oder sozialen Kontext situierte Objekte, die Reflexion, Interpretation und Stellungnahme fordern, können sie (neben literarischen Texten) interkulturelles Lernens in idealer Weise konkretisieren und exemplarische Zugänge zur eigenen und fremden Kultur bieten. Zukunftsträchtige Impulse in diesem Sinne liegen in der Fremdsprachendidaktik selbst (Interkulturalitätsdebatte, Didaktik des Fremdverstehens, hermeneutischer Ansatz, Literaturdidaktik, Bilingualer Sachunterricht), in der Kunst- (ikonografisch-ikonologische Methoden der Kontextbildung) und Musikpädagogik (Lebensweltdebatte, Rezeptionsästhetik, Hörkonzepte, Hörertypologie), Ästhetischen Bildung (PolyaisthesisKonzeption, intermedialer Ansatz), Muttersprachendidaktik (Schreib- und Lesedidaktik), Geschichtsdidaktik (Kontextbildung) und Museumspädagogik (Handlungs- und Produktorientierung: z. B. Marx 2008). Durch die Fokussierung auf den Prozess einer (verlangsamten) Wahrnehmung und Urteilsbildung sowie einer auf Reflexions- und Fragehaltung beruhenden Kontextbildung können wichtige Strategien und Methoden interkulturellen Lernens vermittelt werden (z. B. Badstübner-Kizik 2007). Werden sie an kulturspezifische Inhalte gekoppelt, so wird interkulturelles Lernen direkt erlebbar. Neben Alter, Interessen und persönlichen Erfahrungshintergrund (individuelles Reizpotenzial) sollte die Intensität des Kontaktes zwischen eigener und fremder Kultur, wie sie sich im jeweiligen konkreten Kunstwerk oder Musikstück spiegelt (z. B. Person des Künstlers, Thema, Rezeption), als entscheidendes Auswahlkriterium treten (kulturspezifisches Reizpotenzial). Das würde eine Differenzierung in DaF und DaZ notwendig machen (Kriterium der Präsenz und Verfügbarkeit) sowie einen global gültigen Kanon an Kunstwerken für DaF/DaZ und den Fremdsprachenunterricht generell ausschließen (vgl. zum Konzept der Kontaktdidaktik, Badstübner-Kizik 2006). Vielversprechend dürfte sich in den nächsten Jahren die Einbeziehung von Plastik, Architektur, Gebrauchskunst, Film und Tanz in die Fremdsprachendidaktik gestalten. DaF/DaZ muss hier engen Anschluss an Bezugswissenschaften und Nachbardisziplinen halten.
5. Literatur in Auswahl Badstübner-Kizik, Camilla 2006 Fremde Sprachen ⫺ fremde Künste? Bild- und Musikkunst im interkulturellen Fremdsprachenunterricht. Das Fallbeispiel Deutsch als Fremdsprache in Polen. Gdan´sk: Wydawnictwo Uniwersyteckie. Badstübner-Kizik, Camilla 2007 Bild- und Musikkunst im Fremdsprachenunterricht. Zwischenbilanz und Handreichungen für die Praxis. Frankfurt a. M.: Lang. Biechele, Barbara 1998 Wahrnehmen, Verstehen, Lernen ⫺ Implikationen für einen Paradigmenwechsel beim Arbeiten mit Bildmedien. ÖDaF Mitteilungen 1: 18⫺27. Blell, Gabriele und Karlheinz Hellwig (Hg.) 1996 Bildende Kunst und Musik im Fremdsprachenunterricht. Frankfurt a. M.: Lang. Doelker, Christian 1998 Bilder lesen. Bildpädagogik und Multimedia. Donauwörth: Auer. Charpentier, Marc, Rotraud Cros, Ute Dupont und Carmen Marcou 1995 Ihr glücklichen Augen ⫺ Zum Einsatz von Kunstbildern im Fremdsprachenunterricht. In: Friedrich W. Block und Hermann Funk (Hg.), Kunst Sprache Vermittlung. Zum Zu-
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sammenhang von Kunst und Sprache in Vermittlungsprozessen, 247⫺263. (Standpunkte zur Sprach- und Kulturvermittlung 3). München: Goethe-Institut. Gienow, Wilfried und Karlheinz Hellwig (Hg.) 1993 Prozessorientierte Mediendidaktik im Fremdsprachenunterricht. Frankfurt a. M.: Lang. Hellwig, Karlheinz 2000 Bildkunst ⫺ auch interkulturell? Fremdsprachenunterricht 5: 329⫺336. Kleinen, Günter 1994 Die psychologische Wirkung der Musik. Wahrnehmung und Deutung im Alltag, Kassel: Bosse. Küster, Lutz 2003 Plurale Bildung im Fremdsprachenunterricht. Interkulturelle und ästhetisch-kulturelle Aspekte von Bildung an Beispielen romanistischer Fachdidaktik. Frankfurt a. M.: Lang. Marx, Carola 2008 Fremdsprachendidaktik und Museumspädagogik. Empirische Untersuchungen am Beispiel von Kunstmuseen. Berlin: Dissertation.de Verlag im Internet. Quast, Ulrike 2005 Leichter lernen mit Musik. Theoretische Prämissen und Anwendungsbeispiele für Lehrende und Lernende. Bern: Huber. Sturm, Dietrich 1990 Zur Visualisierung von Lehrwerken für Deutsch als Fremdsprache. Historische und kulturkontrastive Aspekte. Dissertation, Universität Kassel. Weidenmann, Bernd 1994 Lernen mit Bildmedien: psychologische und didaktische Grundlagen, 2. neu ausgestattete Aufl. Weinheim/Basel: Beltz. Wicke, Rainer Ernst 2000 Grenzüberschreitungen. Der Einsatz von Musik, Fotos und Kunstbildern im Deutsch-alsFremdsprache-Unterricht in Schule und Fortbildung. München: iudicium.
Camilla Badstübner-Kizik, Poznan´ (Polen)
XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern: Bestandsaunahme und Tendenzen 179. Deutsch in Ägypten 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Entwicklungslinien Staatliche Schulen Germanistik an den ägyptischen Universitäten Aus- und Fortbildung der Deutschlehrer Probleme Perspektiven Literatur in Auswahl
Die Verbreitung der deutschen Sprache nimmt in Ägypten, im Vergleich zu allen anderen arabischen Nachbarländern in Afrika und Asien, eine herausragende Stellung ein. Dieses starke Interesse ist aufgrund der traditionell engen Beziehungen zu Deutschland zu sehen.
1. Entwicklungslinien Gegenwärtig steigt die Nachfrage nach Deutsch als Fremdsprache und der Bedarf an qualifizierten AbsolventInnen. Auf der einen Seite nimmt die Zahl der deutschen Touristen stetig zu, andererseits verstärken sich die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Ägypten und Deutschland. Die Kursteilnehmerzahl am Goethe-Institut in der Region Nordafrika betrug 2006/2007 als höchste in der Welt 25.099, davon 5.244 in Marokko und 6.065 in Ägypten. Damit beträgt die Zahl ägyptischer Lerner mehr als ein Viertel aller eingeschriebenen Kursteilnehmer. (Nach Angaben des Goethe-Instituts wurden im oben genannten Zeitraum 363 Kurse abgehalten.) Daneben trägt in der Erwachsenenbildung eine große Zahl privater Sprachzentren zur Verbreitung der deutschen Sprache im Land bei.
2. Staatliche Schulen Im Schuljahr 2007/08 unterrichteten den Angaben des Ministeriums für Erziehung und Unterricht zufolge 735 Lehrer an insgesamt 456 staatlichen Schulen rund 40.000 Schüler. In vielen anderen Teilen des Landes wird traditionell Französisch als zweite Fremdsprache unterrichtet. Der Deutschunterricht findet in den zwei letzten Jahren der Oberstufe statt. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wird Deutsch auch als erste Fremdsprache in den drei Deutschen Schulen, der DEO (Deutsche Evangelische Oberschule), der
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DSB (Deutsche Schule der Borromäerinnen) Alexandria und DSB Kairo unterrichtet. Das besondere an diesen Schulen ist, dass die deutschen Abiturfächer hier Kernfächer sind und auf Deutsch gelehrt werden. Arabisch und andere Fächer werden in der Muttersprache unterrichtet. Die DSB Kairo ist eine Mädchenschule. Sie führt nach jeweils einjährigem Kindergarten- und Vorschulbesuch und anschließenden zwölf Schuljahren zum deutschen Abitur sowie zum FOS-Abschluss (seit 2004), der zur Fachhochschulreife führt. Im Schuljahr 2007/08 betrug die Zahl der Schülerinnen insgesamt 798, die der Lehrkräfte 64: davon 15 deutsche Auslandsdienstkräfte, 21 deutsche und 28 ägyptische Ortskräfte. An der DSB Alexandria, ebenfalls eine Mädchenschule, betrug die Zahl der Schülerinnen im selben Jahr insgesamt 786. 33 deutsche und 32 ägyptische Lehrer unterrichten hier. Das Curriculum und der Unterrichtsaufbau sind mit dem der DSB Kairo identisch. Die DEO ist eine gemischte Schule, die ähnlich wie die beiden oben genannten Schulen zum deutschen Abitur führt. Das Spezifische an diesem Schulsystem ist die Einführung der so genannten „Neuen Sekundarstufe“ von der 4. bis zur 9. Klasse. Hier werden ausgezeichnete SchülerInnen aus den ägyptischen staatlichen Schulen gewählt, die den „DaF-Zweig“ besuchen, um von der zehnten bis zwölften Klasse mit den Muttersprachlern im „DaM-Zweig“ das deutsche Abitur zu absolvieren. Die drei Deutschen Schulen veranstalten gemeinsam pro Jahr ca. zwölf Lehrerfortbildungsseminare mit pädagogischer und fachspezifischer Ausrichtung. In den vergangenen Jahren sind in Verbindung mit der ZfA neun weitere so genannte „Neue Partnerschulen“, die ca. 1.600 SchülerInnen in Deutsch als erster Fremdsprache unterrichten, in Kairo, Alexandria, auf dem Sinai und am Roten Meer entstanden.
3. Germanistik an den ägyptischen Universitäten An sieben staatlichen ägyptischen Universitäten existieren neun Abteilungen für Deutsch, die insgesamt elf germanistische Studiengänge mit ca. 5.000 Studierenden (2007/08) anbieten. Jede dieser Abteilungen hat eine spezifische inhaltliche Ausrichtung und rekrutiert ihre Studenten nach unterschiedlichen Maßgaben in Bezug auf die Beherrschung der deutschen Sprache. Der erste Deutschunterricht in Ägypten wurde 1863 an der Sprachenschule „Madrasat-Al-Alsun“ in Kairo abgehalten. Deutsch wurde damals al-Lugha en-nimsaweya (österreichische Sprache) genannt, da El-Nimsa (Österreich) zu diesem Zeitpunkt für Ägypten allgemein den deutschsprachigen Raum bezeichnete. 1956/57 wurde die erste Deutschabteilung an der Sprachenfakultät der Alsun an der Universität Ain-Schams gegründet. Die Studierenden sind Abiturienten von den ägyptischen Schulen mit Deutsch als zweiter Fremdsprache. Der Schwerpunkt des vierjährigen Studiums liegt in den ersten zwei Jahren zunächst im DaF-Unterricht und anschließend in Übersetzung, Sprachwissenschaft und Literatur. 2007/08 betrug die Studentenzahl 2.062. Gegenwärtig besteht der Lehrkörper aus vier Professoren, drei Assistenzprofessoren und 13 promovierten Dozenten. 1975 wurde an der Pädagogischen Fakultät eine zweite Deutschabteilung aufgebaut. Das Studium ist vornehmlich didaktisch-methodisch ausgerichtet und qualifiziert für den Lehrerberuf. 2007/08 gab es 200 Studierende, fünf Professoren, zwei Assistenzprofessoren und neun Dozenten.
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
1965 folgte die Gründung der Abteilung für Germanistik der Universität Kairo, die nur Absolventen der drei Deutschen Schulen, maximal 30 pro Jahr, aufnimmt. Das Curriculum ist vorrangig literarisch orientiert und befasst sich mit Titeln und Inhalten vom Mittelalter bis zur Neuzeit. Zudem werden auch sprachwissenschaftliche Fächer und Übersetzung unterrichtet. 2007/08 arbeiteten hier sechs Professoren, fünf Assistenzprofessoren und 13 Dozenten. 1969 wurde die Deutschabteilung für Männer an der Sprachen- und Übersetzerfakultät der Azhar Universität gegründet, deren Studenten aus den Azhar-Oberschulen ohne Vorkenntnisse in Deutsch kommen. Daher liegt der Fokus auf dem DaF-Unterricht, der in den höheren Semestern durch Sprachwissenschaft und Literatur ergänzt wird. Es studieren hier ca. 450 Männer, die von zehn Professoren, drei Assistenzprofessoren und sechs Dozenten unterrichtet werden. Seit 1993 gibt es eine Abteilung für Deutsch mit linguistischem Schwerpunkt an der Helwan Universität, zunächst an der Pädagogischen Fakultät und seit 2003 auch an der Philosophischen Fakultät. Ebenfalls 1993 entstand an der Sprachen- und Übersetzungsfakultät der Azhar-Universität der Studiengang Islamwissenschaft auf Deutsch, der in die dortige Deutschabteilung integriert ist. Zugelassen werden nur Absolventen der Azhar-Oberschulen, die über Deutsch-Vorkenntnisse verfügen. Die Studentenzahl in diesem Fachbereich, in dem drei Professoren lehren, beläuft sich auf 250. Schwerpunkte der Lehre sind DaF sowie islamwissenschaftliche Fächer. Desweiteren gibt es einen Deutsch-Studiengang an der Sprachen- und Übersetzungsfakultät der Universität des 6. Oktober, eine Deutschabteilung für Frauen an der Sprachen- und Übersetzungsfakultät der Azhar-Universität, eine Deutschabteilung an der Philosophischen Fakultät der Universität Menoufia sowie den Germanistikbereich an der Alsun-Fakultät der Universität Minia. Darüber hinaus verfügen eine Reihe von privaten Sprachlerninstituten über Deutschabteilungen mit Literatur bzw. Linguistik als Schwerpunkten. An der 2003 gegründeten GUC (Deutsche Universität Kairo) findet zwar der Unterricht in allen Fachbereichen auf Englisch statt, gleichwohl ist für die 6.000 Studierenden das Erlernen der deutschen Sprache obligatorisch. Die Absolventen dieser o.g. Studiengänge haben die Möglichkeit, nach dem B.A.Abschluss ein postgraduales Studium anzuschließen und einen Master- und Doktorgrad zu erwerben. Forschungsschwerpunkte sind deutsch-arabische kontrastive Untersuchungen in den Bereichen Sprach- und Literaturwissenschaft sowie interkulturelle Themen. Man kann bei all diesen Studiengängen von einem klassischen Studientyp sprechen, der bislang lediglich der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses diente. Diese Studieninhalte sind der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation im Land allerdings nicht mehr angemessen. Mit dem Wegfall der Arbeitsplatzgarantie im öffentlichen Dienst 1998 wurde es für Germanistikabsolventen schwieriger, einen Beruf zu finden. Dies erfordert, dass neue Schwerpunkte gesetzt und Studiengänge entwickelt werden, die eine berufsbezogene Ausbildung fördern und Praxisbezug aufweisen. Dies ist gerade angesichts der steigenden Zahl der Germanistikstudierenden unabdingbar. Wie kann die Germanistik hierzulande den schwierigen Herausforderungen gerecht werden? Als Ziel der Reform sollte ein wettbewerbsfähiger, kommunikativer, offener, vernetzter und berufsbezogener Fachbereich geschaffen werden. Bestehende inhaltliche
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Lücken und Desiderate sollten in den Curricula gefüllt werden. Ein weiteres zentrales Anliegen sollte die Modifizierung der Lern- und Lehrstrategien sowie der Leistungsmessungsmethoden sein.
4. Aus- und Fortbildung der Deutschlehrer Das Goethe-Institut Ägypten bietet Weiterbildungsmaßnahmen für Deutschlehrkräfte an, in deren Mittelpunkt der Ausbau der didaktischen Fähigkeiten steht. Die Fortbildung dauert ein Jahr und schließt mit dem „Grünen Diplom“ ab. Zum praktischen Teil gehören u. a. Hospitationen mit Vor- und Nachbesprechungen sowie eigene Lehrversuche, die theoretische Basis stellen die Fernstudieneinheiten.
5. Probleme Die größte Herausforderung der Germanistik in Ägypten besteht im eklatanten Mangel an qualifiziertem Lehrpersonal. Die meisten der jährlich ca. 1.000 AbsolventInnen der Germanistik sind nicht praxisnah und berufsfeldbezogen ausgebildet und mit Nachwuchsförderung überfordert. Obwohl die Regierung seit 1990 mehrere Reformversuche zur Verbesserung der Bildungsstrukturen unternommen hat, bleibt dieses Problem auch angesichts des starken Bevölkerungswachstums bestehen. Hinzu kommt die geringe Attraktivität des Lehrerberufs, nicht zuletzt aufgrund der geringen Gehälter. Es findet häufig ein lehrerzentrierter Frontalunterricht statt mit Lehrmethoden basierend auf Auswendiglernen und einer Leistungsmessung in Form einer schriftlichen Prüfung am Ende des Schuljahres. Die mangelnde Kreativität im Unterricht hat zur Folge, dass kommunikative und soziale Kompetenzen sowie die individuelle Fähigkeit, Zusammenhänge zu erkennen, zu benennen, Problemlösungen zu erarbeiten und kritisches Denkvermögen ungenügend ausgeprägt werden.
6. Perspektiven Zu den bedeutenden Schritten zur Förderung der Qualität der ägyptischen Lehrer zählt der Masterstudiengang „Deutsch als Fremdsprache im arabisch-deutschen Kontext“ (binationaler Studiengang) am Exzellenzzentrum für Deutsch und Arabisch als Fremdsprachen an der Pädagogischen Fakultät der Ain-Schams Universität Kairo, der in Kooperation mit dem Herder-Institut der Universität Leipzig entstanden ist und den Lehrbetrieb im Wintersemester 2008/09 aufgenommen hat. Der Studiengang besteht aus vier Modulbereichen: Linguistik, Methodik/Didaktik, Landeskunde, Literatur und einem obligatorischen Unterrichtspraktikum, das an einer Deutschen Schule in Ägypten zu absolvieren ist. Das Konzept des Studiums legt großen Wert auf die deutsch-arabischen Beziehungen, weshalb die Studierenden ein Semester an der jeweiligen Partneruniversität verbringen sollen. Der Studiengang könnte beispielgebend sein für die Vernetzung und Modernisierung weiterer Studiengänge.
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
7. Literatur in Auswahl Ägyptisches Ministerium für Erziehung und Unterricht (Hg.) 2000 Kairo⫺Frankfurt und zurück. Lehrbuch für die 11. und 12. Klasse. 2 Bde. Kairo. Arras, Ulrike 2001 Deutschunterricht und Germanistikstudium in Ägypten. In: Gerhard Helbig, Lutz Götze, Gert Henrici und Hans-Jürgen Krumm (Hg.), Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch, 1602⫺1609. Band 2. (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 19.1⫺2.) Berlin/New York: de Gruyter. El-Nady, Maha 2006 Deutschunterricht in Ägypten. Grundlegung eines didaktischen Konzepts zur Entwicklung des Hörverstehens. Universität Kassel: Kassel University Press. Goethe-Institut e.V. (Hg.) 2007 Jahrbuch 2006/2007. http://www.goethe.de/uun/pub (3. 6. 2010). Kassem, Nabil 1988 Germanistikstudium, Deutschlehrerausbildung und Deutschunterricht in Ägypten von der Perspektive der Entwicklung des Landes aus betrachtet. In: Norbert Oellers (Hg.), Germanistik und Deutschunterricht im Zeitalter der Technologie. Selbstbestimmung und Anpassung. Vorträge des Germanistentages Berlin 1987, 425⫺433. Tübingen: Niemeyer. Khattab, Aleya 2004 Meine Jahre an der DSB [Deutschen Schule der Borromäerinnen]. Gelebter Dialog der Kulturen. In: Deutsche Schule der Borromäerinnen (Hg.), 100 Jahre DSB Kairo 1904⫺ 2004, 124⫺126. Kairo. Khattab, Aleya 2007 Schule, Kosmopolitismus und Menschlichkeit. Deutsche Lehrer im Ausland 3: 251⫺257. Maher, Moustafa 2008 Die ägyptische Germanistik zwischen historischem Momentum und Suche nach neuen Perspektiven. Kairoer Germanistische Studien 17: 3⫺17. Winkler, Stefan 2002 Germanistik in den arabischen Staaten und im Iran. In: Deutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD) (Hg.), Germanistentreffen Deutschland ⫺ Arabische Länder, Iran, 2.⫺7. 10. 2002. Dokumentation der Tagungsbeiträge, 11⫺24. Bonn: DAAD.
Aleya Khattab, Kairo (Ägypten)
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180. Deutsch in Argentinien 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Sprachlich-demographische und wirtschaftliche Aspekte Deutschunterricht Vereinsleben und Presse Germanistik Prognose Literatur in Auswahl
1. Sprachlich-demographische und wirtschatliche Aspekte Die deutschsprachige Immigration erfolgte in Argentinien in drei Phasen: Die erste, ca. 1840 bis 1930, war vor allem wirtschaftlich bestimmt; sie bestand aus Reichsdeutschen, Österreichern und Deutsch-Schweizern, sowie aus Russlanddeutschen, Donauschwaben und Sudetendeutschen. Die Verteilung Hochdeutsch/Dialekte entsprach ihren Ursprungsländern. Die zweite Phase, zwischen 1933 und 1945, bestand aus 45.000 deutschen Juden und anderen politisch Verfolgten. Nach dem 2. Weltkrieg kamen nochmals einige Tausende Einwanderer, darunter einige ehemalige nationalsozialistische Funktionäre. 1960 hat die Einwanderung praktisch geendet. Jetzt leben wohl an die 500.000 Deutschstämmige in Argentinien; die Schätzungen variieren allerdings stark (zwischen 300.000 und einer Million). Die Bedeutung Deutschlands als Handelspartner Argentiniens ist in den letzten Jahren zurückgegangen: Während es noch 1997 das 3. Zielland argentinischer Exporte war, steht es jetzt an 9. Stelle, bei den Wareneinfuhren an 4. Stelle. Diese trotz des Rückgangs wichtige Position sowie die Präsenz von Filialen wichtiger deutscher Firmen tragen jedoch kaum zur Stärkung der deutschen Sprache bei, da die deutschen Unternehmen zunehmend Englischkenntnisse von ihren Angestellten verlangen.
2. Deutschunterricht 2.1. Deutsch an öentlichen Schulen und Hochschulen Im öffentlichen Bereich wird Deutsch als Wahlfach an Schulen gelehrt, die ein auf „lebende Sprachen“ orientiertes Abitur anbieten. Gegen Anfang der neunziger Jahre wurde fakultativer Deutschunterricht an berufsbildenden Schulen eingeführt. Einige Universitäten bieten ihren Studierenden fachorientierte Deutschlesekurse an. Diese Universitäten und auch andere Hochschulen bieten auch deutsche Sprachkurse als Service-Leistung für Erwachsene in Nachmittags- und Abendkursen an, meist nicht über B1.
2.2. Privatschulen Zwischen 1890 und 1930 entstanden zahlreiche deutsche Privatschulen; 1932 zählte man 176 deutsche Schulen mit insgesamt 13.200 Schülern. Ab 1933 erhielten fast all diese
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
Schulen außer u. a. der Cangallo-Schule und der 1934 von Gegnern des Nazi-Regimes gegründeten Pestalozzi-Schule eine nationalsozialistische Prägung; 1945 wurden sie von der argentinischen Regierung enteignet und geschlossen; an die fünfzehn wurden später, oft mit Unterstützung der BRD, unter demokratischen Richtlinien wieder eröffnet. Gegenwärtig haben die 27 Privatschulen (18 im Großraum Buenos Aires, 9 im Landesinnern), die der Arbeitsgemeinschaft deutscher Schulen in Argentinien angehören, an die 20.000 Schüler; 21 davon werden von der bundesdeutschen Zentrale für Auslandsschulwesen (ZfA) personell, materiell und finanziell gefördert. Deutschland entsendet an die vier „Schulbeihilfeschulen“, die außer der Sprache auch Fächer auf Deutsch lehren, einen Gesamtschulleiter und mehrere Lehrer; die 17 „Sprachbeihilfeschulen“ werden von der ZfA durch einen Fachberater und Bundesprogrammlehrkräfte gefördert. Durch die bundesdeutsche Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“ (Pasch) wird jetzt Deutschunterricht an weiteren 15 Schulen gefördert. An zwei deutschen Schulen gibt es zweisprachig orientierte Berufsausbildungsgänge. Auch Österreich und die Schweiz unterstützen Schulen. Die Schüler können die Sprachdiplomprüfungen der bundesdeutschen Kultusministerkonferenz ablegen. Die Goethe-Schule bietet die allgemeine deutsche Reifeprüfung in einem Zusatzjahr an. Seit 1998 nehmen die Schulbeihilfeschulen sowie die deutschen Schulen in Montevideo (Uruguay) und Asuncio´n (Paraguay) an der von der ZfA koordinierten regionalen Fortbildung teil; auch die Sprachbeihilfeschulen können daran teilnehmen. Die schulinterne Fortbildung (SCHILF) läuft in Eigenregie der Schulbeihilfeschulen. In Coronel Sua´rez (im Süden der Provinz Buenos Aires) gibt es gegenwärtig von der Deutschen Botschaft unterstützte Bestrebungen, sowohl Hochdeutsch als auch Wolgadeutsch auf einer Schule zu lehren. (Das Projekt war 1994 von Arnd Schmidt initiiert worden, s. Rosenberg 2001.) Es finden jedes Jahr eine Deutschlehrertagung und alternierend dazu ein Deutschlehrerkongress statt, an denen die deutschen Institutionen sowie der argentinische Deutschlehrerverband und das Lenguas Vivas (siehe 4.1.) zusammenarbeiten.
2.3. Außerschulischer Deutschunterricht Die Hauptinstitution für außerschulischen Deutschunterricht ist das Goethe-Institut in Buenos Aires, das Kurse bis zur Stufe C2 sowie Prüfungen bis zum großen Sprachdiplom anbietet. Vor einigen Jahren wurden die Filialen in den Provinzhauptstädten Mendoza und San Juan geschlossen; in der Filiale in Co´rdoba gesellt sich zur Kulturarbeit ab 2009 wieder der Sprachunterricht. Die Kulturarbeit des Goethe-Instituts nimmt auch einen wichtigen Platz in der allgemeinen argentinischen Kulturszene ein; es zeichnete sich als demokratisches Diskussionsforum nach der letzten argentinischen Diktatur aus. In mehreren Städten gibt es Sprachinstitute und Kulturgesellschaften, die z. T. Prüfungslizenzen vom Goethe-Institut haben. Die auf 6.000 Schüler geschätzte Teilnehmerzahl an Erwachsenenkursen könnte aus beruflichem, wirtschaftlichem und wissenschaftlichem Interesse an Deutschland noch anwachsen.
3. Vereinsleben und Presse Die Einwanderergeneration entwickelte ein reges deutschsprachiges Vereins- und Kulturleben; z. B. entstand neben Kulturgemeinschaften schon 1881 der Verein „Vorwärts“ als
180. Deutsch in Argentinien
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erste sozialistische Gruppe Argentiniens; es erschienen Zeitungen, Zeitschriften und Bücher auf Deutsch (siehe 4.2.); Gegner des NS-Regimes gründeten die „Freie Deutsche Bühne“, die 1940⫺1962 hunderte Theaterstücke auf Deutsch inszenierte. Heute gliedern sich die an die 200 Vereine der Deutschstämmigen in Kulturgemeinschaften (z. T. Schulträger), gemeinnützige Institutionen, Religionsgemeinden, Landsmannschaften, Sportklubs, Chöre, Exschülervereine usw. Mehrere veröffentlichen kleinere Zeitschriften mit einigen Artikeln auf Deutsch; auch gibt es Rundfunksendungen, die dieses Gemeindeleben widerspiegeln, das auch in der jetzt einzigen deutschsprachigen Zeitung neben Nachrichten zu Wirtschaft, Politik und Kultur zur Sprache kommt: Im Argentinischen Tageblatt (seit Jahren eigentlich ein Wochenblatt).
4. Germanistik 4.1. Lehrer- und Übersetzerausbildung Die Ausbildung von Sekundarschullehrern für Deutsch erfolgt an zwei öffentlichen Institutionen: Am Instituto Superior de Ensen˜anza en Lenguas Vivas „Juan Ramo´n Ferna´ndez“ (das „Lenguas Vivas“) in Buenos Aires und an der Sprachenfakultät der Nationaluniversität Co´rdoba. Am Lenguas Vivas, das seit Schließung des von deutschen Privatschulen gegründeten Deutschen Pädagogischen Seminars (1958⫺1998) auch die DaFPrimarlehrerausbildung übernommen hat, studieren zur Zeit ca. 50 Lehramtskandidaten. Die Deutschabteilung wird gegenwärtig von einem Lektor und zwei Sprachassistenten des Deutschen Akademischen Austauschdiensts (DAAD) und einem von der ZfA entsandten Methodikspezialisten unterstützt. Die ZfA unterstützt bedürftige Studierende finanziell; zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft fördert sie Studienreisen nach Deutschland. An der Sprachenfakultät der Universität Co´rdoba wählen nur einige der Studierenden die fünfjährige Lehrerausbildung, da es in der Region wenige deutsche Schulen gibt. Ausbildung und Abschluss sind denjenigen des Lenguas Vivas vergleichbar; die Abteilung wird von einem DAAD-Lektor unterstützt. Beide Institutionen und die Rechtsfakultät der Universität Buenos Aires bilden auch deutsch-spanische Übersetzer aus; die Abgänger der Universitäten Co´rdoba und Buenos Aires werden als vereidigte Übersetzer anerkannt. (Die deutsche Übersetzerausbildung des Lenguas Vivas hatte bis Ende 2008 einen vom DAAD geförderten fünfjährigen Dozenten- und Studentenaustausch mit der Universität Hildesheim.) Die Übersetzerabschlüsse des Lenguas Vivas und der Universität Co´rdoba berechtigen auch zur Lehre in Sekundarschulen.
4.2. Germanistik an Universitäten Die Sprachenfakultät der Universität Co´rdoba bietet eine licenciatura (ungefähr: Magister) für Deutsch an. Obwohl man an den philologischen Fakultäten Argentiniens in Themen der Germanistik promovieren kann, gibt es kein spezifisches Germanistikstudium, sondern Seminare zu deutscher Literatur innerhalb der Literaturstudien an den National-
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
universitäten Buenos Aires, Co´rdoba, Cuyo und La Plata sowie an den katholischen Privatuniversitäten del Salvador und Cato´lica. Es werden auch germanistische Postgraduiertenseminare, Forschungsprojekte und Vorträge veranstaltet, u. a. vom 2004 durch ein Abkommen zwischen der Universität Buenos Aires und dem DAAD geschaffenen Centro Germano-Argentino. Für Mitte 2010 ist an der Universität Buenos Aires eine maestrı´a in ausländischen Literaturen geplant, worin die deutsche Literatur in Seminaren sowohl gesondert als auch komparatistisch vertreten sein wird. Die Asociacio´n Argentina de Germanistas (AAG) veranstaltet alle zwei Jahre eine Tagung; Schwerpunkte sind Literatur, Lehrerausbildung und Übersetzung; die Beiträge werden in Buchform veröffentlicht. Die AAG publiziert auch seit 2005 das Jahrbuch Anuario Argentino de Germanı´stica, dessen 4. Band 2008 erschienen ist. (Als Sonderausgabe des AAG erschien 2006 die Dissertation von Lila Bujaldo´n de Esteves über die Geschichte der argentinischen Germanistik.) Das Ibero-amerikanische Jahrbuch für Germanistik wird von Miguel Vedda (Argentinien) und Isabel Herna´ndez (Spanien) herausgegeben. Die zahlreichen in Argentinien auf Deutsch veröffentlichten Bücher ⫺ u. a. die Erstausgabe von Stefan Zweigs Schachnovelle ⫺ vermitteln einen Einblick in die Geschichte der deutschen Sprache und Kultur und in die verschiedenen ideologischen Lager. (Regula Rohland erstellt gegenwärtig einen Katalog dieser Veröffentlichungen; er hat bis jetzt ca. 1.300 Einträge, davon 700 unter Autorennamen eingetragene Werke und der Rest meist von mehreren Autoren oder anonym verfasste; es handelt sich um Romane, lyrische Dichtung, Zeitungen, Zeitschriften, Statuten, Kinderbücher, Liederbücher usw.; die meisten zwischen 1935 und 1950, Rohland 2004 und persönliche Kommunikation.) Es gibt eine rege spanischsprachige Forschung zu verschiedensten Aspekten der deutschen Literatur.
5. Prognose Quantitativ erleiden die Deutschkenntnisse in Argentinien seit einem halben Jahrhundert einen ständigen Rückgang: Nach dem 2. Weltkrieg war Deutsch die Haussprache von rund 300.000 Menschen, also ca. 1,8 % der damaligen 17 Mio. Argentinier; heute dürfte diese Zahl auf unter 200.000 gesunken sein, d. h. auf ca. 0,5 % der jetzigen 39 Mio. Argentinier. Deutsch ist auch an den deutschen Schulen fast ausschließlich zur Fremdsprache geworden. Die Mercosur-Integration hat zur sprachlichen Folge, dass nach Englisch Portugiesisch in den spanischsprachigen Ländern und Spanisch in Brasilien zunehmend an Bedeutung gewinnen (Ende 2008 wurde in Argentinien ein Gesetz verabschiedet, das alle öffentlichen Sekundarschulen verpflichtet, ab 2015 Portugiesisch anzubieten), was die Lernerpräferenzen anderer Fremdsprachen (Französisch, Italienisch und auch Deutsch) beeinflusst. Qualitativ dagegen kann das Deutsche in den nächsten Jahren vom Interesse an deutscher Technologie, Wissenschaft und Forschung sowie an der Gestaltung der EU-Institutionen und an innovativen Ausbildungsgängen begünstigt werden.
6. Literatur in Auswahl Arbeitsgemeinschaft deutscher Schulen in Argentinien: http://www.agds.org.ar (9. 5. 2010).
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Born, Joachim und Sylvia Dickgießer 1989 Deutschsprachige Minderheiten. Mannheim: Institut für Deutsche Sprache. Centro Germano-Argentino: http://www.daad.org.ar/index_cga.htm (9. 5. 2010). Deutschabteilung, Lenguas Vivas: http://aleman.llvv.org (9. 5. 2010). Galle, Helmut 2000 Deutsch in Argentinien: Schwierige Passage ins 21. Jahrhundert. Vortrag auf dem 2. Regionalen Germanisten- und Deutschlehrerkongress, Humboldt-Lehrstuhl, Havanna, Kuba. Hipperdinger, Yolanda 2005 Die Sprache(n) der Wolgadeutschen in Argentinien. (Beihefte zu Quo Vadis Romania? 20). Wien: Edition Praesens. Rohland de Langbehn, Regula 2004 El proyecto de un cata´logo de libros en alema´n editados en la Argentina. In: Georg Kremnitz und Joachim Born (Hg.), Lenguas, literaturas y sociedad en la Argentina, 123⫺ 132. Wien: Ed. Praesens. Rosenberg, Peter 2001 Deutsche Minderheiten in Lateinamerika. Frankfurt/Oder: Europa Universität Viadrina. Saint Sauveur-Henn, Anne 1995 Un sie`cle d’e´migration allemande vers l’Argentine (1853⫺1945). Köln: Böhlau. Universität Co´rdoba, Deutschabteilung: www.lenguas.unc.edu.ar/ofertaacad/ carreradegradoaleman.html (9. 5. 2010).
Roberto Bein, Buenos Aires (Argentinien)
181. Deutsch in Australien 1. 2. 3. 4. 5.
Situation des Deutschen in Australien Deutschunterricht an Schulen und Universitäten German Studies an australischen Universitäten Zahlen und Tendenzen Literatur in Auswahl
1. Situation des Deutschen in Australien Australien ist ein multikulturelles Einwanderungsland, und Deutschsprachige gehörten stets zu den europäischen Einwanderern. Bei der letzten Volkszählung 2006 gaben 4,1 % der Bevölkerung an, deutsche (und 0,2 % österreichische) Vorfahren zu haben. Damit steht Deutschland an sechster, Österreich an 33. Stelle der Herkunftsländer der Vorfahren (DIAC 2008). Obwohl noch keine detaillierten Untersuchungen zur letzten Volkszählung von 2006 vorliegen, ist aus den in DIAT (2008) angegebenen Tabellen zu schließen, dass sich die Stellung des Deutschen seit der Volkszählung von 2001 nicht wesentlich geändert hat. Damals gaben 16 % der australischen Bevölkerung an, zuhause anstatt
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
oder neben Englisch eine von ca. 240 anderen Sprachen zu sprechen (Clyne 2005: 11). Durch die Änderungen der Einwanderungsströme in den letzten Jahrzehnten haben manche Sprachen, vor allem asiatische, deutliche Zuwächse erfahren, während andere stagnieren oder gar abnehmen. Deutsch gehört hier mit einer Abnahme der Sprecherzahl um 33 % von 1991 bis 2001 zu den Verlierern. Im Jahr 2001 befand es sich mit 76444 Sprechenden auf Rang 9 aller in Australien gesprochenen Sprachen außer Englisch (Clyne 2005: 12). Der Verlust der Muttersprache ist unter deutschsprachigen Einwanderern und deren Nachkommen besonders hoch, und so weist Deutsch eine stark überalterte Sprechergruppe auf (Clyne 2005: 14⫺21). Wegen der gegenwärtig geringen Einwanderung Deutschprachiger ist mit einer weiteren starken Abnahme muttersprachlicher Deutschsprechender in Australien zu rechnen.
2. Deutschunterricht an Schulen und Universitäten Muttersprachenunterricht des Deutschen findet in geringem Umfang in Samstagsschulen privater und kirchlicher Trägerschaft statt, und es gibt neben Zusatzunterricht an einigen Primarschulen in Sydney und Melbourne auch zwei offizielle deutsche Schulen. Der Unterricht des Deutschen als Fremdsprache hat eine starke Tradition und hat sich auch über die sowohl für Deutsch als Fremdsprache besonders in englischsprachigen Ländern als auch für den Fremdsprachenunterricht in Australien insgesamt katastrophalen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte hinweg relativ gut gehalten. So war z. B. weltweit zwischen 2000 und 2005 ein Rückgang von Germanistikstudierenden um 27,4 % zu beobachten, während der Rückgang in Australien nur 18 % betrug (StADaF 2006: 8 und 15; Jäger und Jasny 2007: 472). Die Zahl der Fremdsprachenlernenden des Deutschen im Schulbereich ging weltweit im gleichen Zeitraum um 15,5 % zurück, während sie in Australien gleichblieb (StADaF 2006: 8 und 15). Allerdings sind genaue Zahlen für Australien nicht leicht zu eruieren und die publizierten Angaben widersprechen einander bisweilen.
2.1. Träger des Deutschunterrichts Neben den Angeboten privater Sprachenschulen und der Goethe-Institute in Sydney und Melbourne wird Deutsch als Fremdsprache in allen Staaten und Territorien Australiens außer im Northern Territory an Schulen und Universitäten unterrichtet. Das Angebot an Sprachen (Languages Other Than Englisch, LOTE) und die curriculare Situation ist dabei recht unterschiedlich. Universitäten sind traditionell sehr unabhängig in ihrem Lehrangebot; im Schulbereich liegt die Verantwortung für staatliche Schulen bei den einzelnen Staaten und Territorien, außerdem gehen etwa ein Drittel der australischen SchülerInnen auf Privatschulen, die nur in geringem Umfang an staatliche curriculare Vorgaben gebunden sind. Obwohl Deutsch seit den 1990er Jahren zu den 14 australienweit als priority languages geförderten LOTEs und zu den sechs am häufigsten in Schulen unterrichteten Sprachen gehört (MCEETYA 2005: 4), wird es an Schulen in sehr unterschiedlichem Umfang angeboten. So werden zwar in Victoria die Sprachangebote der staatlichen Schulen jährlich dokumentiert (vgl. DEECD 2007), und das schulische Spra-
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chenangebot wird auch durch Kontakt- und Fernunterricht der Victorian School of Languages so ergänzt, dass 43 Sprachen bis zum Sekundarschulabschluss unterrichtet werden, aber andere Staaten und Territorien bieten weder in der Dokumentation noch in ihrem schulischen Sprachenangebot Vergleichbares (einen Überblick über Regelungen in den einzelnen Staaten und Territorien geben Jäger und Jasny 2007: 477).
2.2. Lehrerausbildung und Germanistik Auch die Lehrerausbildung ist einzelstaatlich unterschiedlich geregelt. Meist wird für den Sprachunterricht an Schulen ein einjähriges Aufbaustudium nach einem einschlägigen (z. B. germanistischen) Bachelor-Abschluss verlangt. In der Praxis herrscht besonders an Primarschulen, aber auch an manchen Sekundarschulen ein solcher Mangel an qualifizierten Sprachenlehrkräften, dass Lehrkräfte anderer Fachrichtungen den Unterricht in einzelnen Sprachen oft mit übernehmen müssen. Das kommt selbst bei häufiger unterrichteten Sprachen wie Deutsch vor. An den germanistischen Instituten australischer Universitäten gibt es in der Regel keine spezifischen Lehrgänge zur Sprachlehrausbildung, so dass fachdidaktische Kenntnisse durch LOTE-Didaktik-Seminare während des pädagogischen Aufbaustudiums und durch Schulpraktika erworben werden.
3. German Studies an australischen Universitäten Wie die anderen Philologien hat die Germanistik an australischen Universitäten in den letzten Jahren zunehmend an organisatorischer Selbständigkeit verloren und findet sich als Program in größeren Einheiten (Schools of Languages, Schools of European Studies u. ä.) wieder. In der Forschung hat sich die australische Germanistik innerhalb der letzten Generation vom Ideal einer dem traditionellen inlandsgermanistischen Spezialistentum nacheifernden Auslandsgermanistik weitgehend verabschiedet und bringt seitdem in ihren Spezialgebieten fest begründete, aber zugleich interdisziplinär und interkulturell orientierte German Studies hervor (Kretzenbacher 2006: 26⫺28). Da die deutschen Sprachkenntnisse von Germanistikstudierenden auch bei denen, die ihre Sekundarschulabschlussprüfung im Fach Deutsch abgelegt haben, keineswegs für ein Germanistikstudium in höheren Semestern ausreichen, und auch um die Zielgruppe der Germanistikstudierenden zu erweitern, bieten alle Universitäten mit germanistischem Programm (und auch einige weitere) tertiäre Deutschkurse auch auf Anfängerniveau an (Nettelbeck u. a. 2008: 29⫺30). Der tertiäre Deutschunterricht ist ein auch ökonomisch bedeutender Teil der germanistischen Lehre geworden. Dies führte zu einem gewissen Prestigegewinn des akademischen Deutschunterrichts, der noch in den neunziger Jahren oft als untergeordnete Aufgabe betrachtet wurde (Truckenbrodt und Kretzenbacher 2001: 1657; Kretzenbacher 2006: 25)
4. Zahlen und Tendenzen Wie erwähnt, ist die Stellung des Deutschen als Fremdsprache in Australien relativ gut im Vergleich zu einem starken weltweiten Rückgang des Deutschunterrichts, der in eng-
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
lischsprachigen Ländern besonders ausgeprägt ist (StADaF 2006). Auch im Vergleich mit einer insgesamt bedrückenden Entwicklung des LOTE-Unterrichts in Australien hat sich das Deutsche als LOTE relativ gut gehalten: In den 1960ern, als eine Fremdsprache Pflichtvoraussetzung für ein Hochschulstudium war, haben 40 % der Sekundarschüler im letzten Schuljahr eine LOTE gelernt; aber in den letzten Jahren waren es weniger als 15 %, in manchen Staaten sogar weniger als 6 % (Group of Eight 2007: 2). Nur etwa die Hälfte aller australischen Schüler lernen überhaupt eine Fremdsprache (MCEETYA 2005: 4), und in den letzten Jahren der Sekundarschule sinkt ihr Anteil drastisch. Während 1997 noch 66 verschiedene Sprachen an australischen Universitäten unterrichtet wurden, waren es 2007 nur noch 29 (Group of Eight 2007: 4) und 2008 nur 24 (Nettelbeck u. a. 2008: 8), von denen acht jeweils nur an einer Universität unterrichtet werden (Nettelbeck u. a. 2008: 30). In diesem Klima hat sich Deutsch als erstaunlich widerstandsfähig gezeigt. So hat Deutsch an staatlichen Schulen in Victoria von 2002 bis 2007 zwar 20 % der Lernenden verloren (DEECD 2009: 20), aber es steht immer noch an fünfter Stelle der meistunterrichteten Sprachen. Eine vergleichbare Überlebensfähigkeit zeigt Deutsch an Universitäten, wo nur zwischen 5 und 10 % der Studierenden des ersten Studienjahres eine Sprache lernen (Nettelbeck u. a. 2008: 11). Der Rückgang des universitären Deutschunterrichts seit den 1960er Jahren hat sich zwar zwischen 2000 und 2005 fortgesetzt, aber die Zahl der Germanistikprogramme und Deutschkurse an universitären Sprachenzentren ist über ein Vierteljahrhundert hinweg relativ stabil geblieben (Jäger und Jasny 2007: 472⫺473). Zwischen 2005 und 2007 gab es sogar einen Zuwachs von 11,9 % bei universitären Anfängerkursen (Nettelbeck u. a. 2008: 12). Die universitären Deutschkurse sind in Australien auch besonders eng mit dem Germanistikstudium verbunden: Mehr als 50 % der Lernenden in akademischen Deutschkursen strebten 2005 auch einen germanistischen Studienabschluss an, was nicht nur einen beträchtlichen Anstieg seit dem Jahr 2000 darstellte, sondern dem weltweiten Trend seit 2000 und dem weltweit niedrigen Prozentsatz von 8 % aller Teilnehmer an akademischen Deutschkursen gegenüber außerordentlich ist (vgl. Jäger und Jasny 2007: 474⫺475). Alles in allem ist Deutsch als Fremdsprache in Australien also vergleichsweise robust.
5. Literatur in Auswahl Clyne, Michael 2005 Sprachdemographie und Sprachpolitik in Australien: Das wechselhafte Schicksal von Einwanderersprachen. IMIS-Beiträge 26: 11⫺28. DEECD 2009 Victorian Department of Education and Early Childhood Development: Languages Other Than English in Victorian government schools. Melbourne: DEECD. DIAC 2008 Department of Immigration and Citizenship: The people of Australia -statistics from the 2006 census. Canberra: Commonwealth of Australia. Group of Eight 2007 Languages in crisis: A rescue plan for Australia. Manuka. ACT: The Group of Eight. Jäger, Andreas und Sabine Jasny
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Zur Lage der Germanistik in Australien. Informationen Deutsch als Fremdsprache 34(5): 472⫺486. Kretzenbacher, Heinz L. 2006 Deutsche Sprache und Germanistik in Australien ⫺ ein paar vorsichtig-subjektive Perspektiven. Jahrbuch für Internationale Germanistik 38(2): 11⫺33. MCEETYA 2005 Ministerial Council on Education, Employment, Training and Youth Affairs: National statement for languages education in Australian schools: National plan for languages education in Australian schools 2005⫺2008. Carlton South: MCEETYA. Nettelbeck, Colin, John Byron, Michael Clyne, John Hajek, Mike Levy, Joe Lo Bianco, Anne McLaren und Gillian Wigglesworth 2008 Beginners’ LOTE (Languages Other than English) in Australian universities: an audit survey and analysis. Report to the Council of the Australian Academy of the Humanities. Canberra: Australian Academy of the Humanities. StADaF 2006 Ständige Arbeitsgruppe Deutsch als Fremdsprache: Deutsch als Fremdsprache weltweit: Datenerhebung 2005. http://www.goethe.de/mmo/priv/1459127-STANDARD.pdf. Truckenbrodt, Andrea und Heinz L. Kretzenbacher 2001 Deutschunterricht und Germanistikstudium in Australien. In: Gerhard Helbig, Lutz Götze, Gert Henrici und Hans-Jürgen Krumm (Hrsg.), Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch, 1651⫺1658. Band 2. (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 19.1⫺2). Berlin: de Gruyter. 2007
Heinz L. Kretzenbacher, Melbourne (Australien)
182. Deutsch in Belarus 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Deutsch als Schulfach an belarussischen Schulen Lehrerausbildung und Lehrerfortbildung Forschungsschwerpunkte in der Germanistik und im Bereich Deutsch als Fremdsprache Zur Situation der deutschen Sprache im Hochschulbereich Positionierung des Goethe-Instituts in der belarussischen DaF-Landschaft Literatur in Auswahl
1. Deutsch als Schulach an belarussischen Schulen Die deutsche Sprache erfreut sich in Belarus (Weißrussland) nach wie vor großer Beliebtheit. Genaue Angaben über die Zahl der Schüler, die Deutsch als erste Fremdsprache lernen, liegen nicht vor. Landesweit folgt Deutsch dem Englischen auf Platz zwei. Dies entspricht einem prozentualen Anteil von ca. 18⫺20 % aller Schüler. In den letzten Jahren ist eine verstärkte Nachfrage seitens der Eltern nach Englisch als erster Fremdsprache zu verzeichnen, die sich allerdings noch nicht merklich auf die prozentuale Verteilung des Deutschunterrichts ausgewirkt hat, was mit den speziellen Strukturen des Deutsch-
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
unterrichts in Belarus zu tun hat. Die im Jahre 2008 durchgeführte Bildungsreform, die die Abschaffung einer obligatorischen zweiten Fremdsprache zur Folge hatte, beeinflusste die Positionierung des Deutschen in der belarussischen Bildungslandschaft negativ. Inzwischen gibt es Orte, in denen nur Englisch als Schulfach angeboten wird. Fremdsprachen wurden in Belarus bis 2008 mit unterschiedlicher wöchentlicher Stundenzahl auf drei Niveaustufen angeboten. Im Rahmen von Modellprojekten wurde die Einführung der ersten Fremdsprache ab dem ersten Schuljahr erprobt. Infolge der Bildungsreform wurde dann aber an allen Mittelschulen der erweiterte Fremdsprachenunterricht abgeschafft. Die Schulen, an denen verstärkt Fremdsprachenunterricht angeboten wurde, verloren ihren Sonderstatus. Eine Fremdsprache wird seitdem erst ab der dritten Klasse unterrichtet. Die Stundenzahl für den Fremdsprachenunterricht an den Mittelschulen in den 3.⫺11. Schulklassen beträgt zwei Wochenstunden, an den Gymnasien in den 5.⫺9. Klassen vier Wochenstunden, in der gymnasialen Oberstufe (10. und 11. Klassen) drei bis vier Wochenstunden (je nach dem Typ des Gymnasiums). Laut belarussischem Bildungsstandard erreichen die SchülerInnen der Mittelschulen in der 11. Klasse das A1-Niveau nach dem GER, die AbsolventInnen der belarussischen Gymnasien das B1-Niveau. Einen kurzen Einblick in die Situation zur deutschen Sprache ermöglicht die Zahl der AbiturientInnen, die die zentrale Deutschprüfung in den letzten fünf Jahren absolviert haben: 2005 waren es 3.500 Personen, 2006⫺2009 im Durchschnitt 5.500 Personen. Das Jahr 2007 bildete mit 6.700 Prüflingen einen Höhepunkt, was darauf zurückgeführt werden kann, dass ein geburtenstarker Jahrgang die Schule absolvierte. Die Lehrwerksituation im Fach Deutsch als Fremdsprache ist trotz Bemühungen des Bildungsministeriums nicht zufriedenstellend. Für die oben beschriebenen Niveaustufen gibt es keine geeigneten, geschweige denn durchgängige Lehrbücher. Es gibt lediglich zwei „Autorenkollektive“, die maximal zwei Lehrbücher pro Jahr schreiben können. Adaptionen deutscher DaF-Lehrwerke werden seitens des Bildungsministeriums nicht gewünscht.
2. Lehrerausbildung und Lehrerortbildung Die Linguistische Universität in Minsk, die seit 1948 FremdsprachenlehrerInnen (darunter auch DeutschlehrerInnen) ausbildet, ist die führende Bildungsinstitution in Belarus, die einen gewissen Qualitätsstandard gewährleistet. An drei Fakultäten ⫺ Fakultät für Deutsch, Dolmetscherfakultät und Fakultät für interkulturelle Kommunikation ⫺ studieren knapp 2.400 Personen Deutsch, davon 1.260 als erste und über 1.000 als zweite Fremdsprache (Stand: September 2009). Die Tendenz ist in den letzten fünf Jahren leicht steigend. Außerdem wird Deutsch als dritte Fremdsprache angeboten. Seit 1991 wurden an vielen regionalen Hochschulen neue Studiengänge „Deutsch als Fremdsprache“ eingerichtet. Da die meisten Hochschulen und Universitäten den Status einer klassischen Universität erlangen wollen, vollzieht sich die Umwandlung der DaFStudiengänge in philologisch orientierte Studiumsangebote, so wie Deutsche Philologie, so dass die Methodik und Didaktik des DaF-Unterrichts zu kurz kommt. Angesehene Bildungsinstitutionen, an denen die DaF- bzw. Germanistenausbildung stattfindet, sind die Belarussische Staatliche Universität und Belarussische Pädagogische Maxim-Tank-
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Universität in Minsk, die Alexander-Puschkin-Universität in Brest, die Janka-KupalaUniversität in Grodno sowie weitere Universitäten in Mogiljow, Polozk und Mozyr. Im Bereich der Lehrerfortbildung ist man allerdings von den stark zentralisierten Strukturen abgegangen, man bildet zusätzlich zur Hauptstadt Minsk jetzt auch dezentral in den Gebietshauptstädten Deutschlehrer aus. Die Lehrerfortbildung obliegt in erster Linie dezentral den Lehrerfortbildungsinstituten in den Gebieten. Die methodisch-didaktischen Kenntnisse vieler DeutschlehrerInnen sind nicht durchgängig auf dem aktuellen fremdsprachendidaktischen Stand. Legt man die Kriterien eines modernen, kommunikativ und handlungsorientiert ausgerichteten Deutschunterrichts an, muss festgestellt werden, dass die Qualität den europäischen Standards nicht entspricht. Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen ist zwar an den Schulen und Hochschulen bekannt, findet bisher aber keine gewünschte Umsetzung in den nationalen Lehrwerken, Lehrplänen und einheitlichen Abschlussprüfungen.
3. Forschungsschwerpunkte in der Germanistik und im Bereich Deutsch als Fremdsprache Forschungen auf den Gebieten germanistische Sprachwissenschaft, Literaturwissenschaft, Methodik/Didaktik konzentrieren sich hauptsächlich an der Minsker staatlichen linguistischen Universität. In den letzten fünf Jahren wurde überwiegend im Bereich Textlinguistik geforscht, es gibt einzelne Untersuchungen zur Semantik der deutschen Sprache, langsam entwickelt sich der kognitive Forschungsansatz (vgl. exemplarisch Gluschak 2008; Gorlatov 2005; Furaschowa 2008). Das Land verfügt nur über zwei habilitierte Professoren für Germanistische Sprachwissenschaft. Die nicht optimalen Rahmenbedingungen erschweren für viele angehende DeutschdozentInnen den Zugang zum Promotionsstudium in der Germanistik und DaF-Didaktik. Seitdem das Problem an den Universitäten vor einigen Jahren erkannt wurde, wird mit allen möglichen Kräften versucht, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern, was aber noch zu keinen bemerkenswerten Ergebnissen geführt hat. Eine große Hilfe leistet in dieser Hinsicht der DAAD in Minsk, der seit 1991 insgesamt ca. 4.000 Stipendiaten der Republik Belarus gefördert hat. Jährlich werden vom DAAD ca. 100 individuelle und über 60 Gruppenstipendien vergeben. Es werden über 15 Programme für Studierende, Absolventen der Hochschulen, Doktoranden, Wissenschaftler und Hochschullehrer angeboten.
4. Zur Situation der deutschen Sprache im Hochschulbereich Die meisten Hochschulen und Universitäten bieten Deutsch als studienbegleitendes Fach (wie z. B. Deutsch als Berufssprache oder Deutsch als Fachsprache) an. Die deutsche Sprache im Hochschulbereich ist nach dem Englischen sehr gefragt. Die meisten Hochschulen und Universitäten im Land haben eigene Lehrstühle für Deutsch oder Lehrstühle für Fremdsprachen, die Deutsch als erste oder zweite Fremdsprache anbieten. Die Situation wird dadurch erschwert, dass die meisten SchulabsolventInnen vorrangig über
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Kenntnisse in der englischen Sprache verfügen, so dass die Bildung von Seminargruppen mit Deutsch als studienbegleitendem Fach für Fortgeschrittene nicht immer möglich ist. Die Stundenzahl bewegt sich zwischen 260 und 1200 UE. Verbindlich für alle Studierenden ist ein Fremdsprachenkurs mit dem Stundenvolumen in Höhe von 260⫺350 UE. Zur Zeit spricht man über einen Stundenabbau bis auf 130⫺160 UE. Im Jahr 2006 wurde eine Arbeitsgruppe zur Entwicklung eines neuen Rahmencurriculums für den studienbegleitenden Deutschunterricht an den belarussischen Hochschulen gegründet. Dieses Projekt wurde inhaltlich und logistisch vom Goethe-Institut Minsk und dem DAAD in Belarus betreut. Das Rahmencurriculum wird seit 2009 als Pilotprojekt an ausgewählten belarussischen Universitäten implementiert.
5. Positionierung des Goethe-Instituts in der belarussischen DaF-Landschat Das Goethe-Institut Minsk hat seine Arbeit im Jahr 1993 aufgenommen und sich inzwischen als ein wichtiger Akteur in der belarussischen DaF-Landschaft etabliert. Neben zahlreichen privaten Sprachschulen bietet das Goethe-Institut Minsk eigene Deutschkurse auf verschiedenen Niveaustufen (ca. 1.500 Sprachkursteilnehmer im Jahr) an. Das Goethe-Institut Minsk ist eine der wenigen Institutionen in Belarus, deren Curricula in Anlehnung an den Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen entwickelt wurden. Das Spektrum der anzubietenden Kurse ist differenziert und an verschiedene Zielgruppen angepasst. Kennzeichnend für das Goethe-Institut Minsk ist die Umsetzung innovativer didaktischer Ansätze im Deutschunterricht. Seit 2008 werden am Institut neue internetgestützte Kurse entwickelt, die als Blended-Learning-Kurse auf der MoodleLernplattform angeboten werden. Das Goethe-Institut Minsk hat seit 2005 seine Bildungskooperation in Belarus wesentlich ausgebaut. Die Sprachabteilung pflegt aktive Kontakte zu allen regionalen Lehrerfortbildungsinstituten und zu den meisten Lehrstühlen, an denen Deutschdozenten tätig sind. Unterstützend wirkt ein Multiplikatorennetz von 25 Deutschlehrenden, die im Zeitraum 2003⫺2008 aus- und fortgebildet wurden. Seit 2004 veranstaltet das GoetheInstitut Minsk in Kooperation mit dem Deutschlehrerverband der Stadt Minsk eine Deutschlehrer- und Germanistentagung, die ab 2007 alle zwei Jahre stattfindet. „Studientage Deutsch“ zu aktuellen Themen wie „Übersetzen im Fremdsprachenunterricht“, „Interkulturelles Lernen und DaF-Unterricht“, „Studienbegleitender Deutschunterricht“, „Berufsorientierter Deutschunterricht“ usw. sind inzwischen zu einer begehrten Marke geworden und werden vom Fachpublikum gerne und positiv wahrgenommen. Aktiv ist das Goethe-Institut auch im schulischen Bereich tätig. Mit der 2007 ins Leben gerufenen Initiative des Auswärtigen Amts „Schulen: Partner der Zukunft“ werden vier belarussische Schulen auf verschiedene Weise unterstützt.
6. Literatur in Auswahl Furaschowa, Natalia V. 2008 Lingvokulturnaja specifika vtorichnyh znachenij lexicheskih jedinic (na primere glagolov fizicheskogo dejstvija v sovremennom nemeckom jazyke) [Sprachkulturelle Besonderhei-
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ten der sekundären Bedeutungen von lexikalischen Einheiten (am Beispiel der Handlungsverben in der deutschen Gegenwartssprache)]. Zameshnyja movy u Respublicy Belarus 1: 3⫺8. Gluschak, Tamara S. 2008 Intertextualnost’ kak konstitutivnyi factor textoobrazovanija [Intertextualität als konstitutiver Faktor der Textgestaltung]. Minskij gos. lingvist. un-t. Vestnik MGLU Ser. 1, Filologia 1(32): 23⫺28. Gorlatov, Anatoli M. 2005 Aspekty vzaimodejstvija reklamnoj kommunikacii s meshkulturnoj kommunikaciej [Aspekte der Wechselwirkung von Werbe- und zwischenkultureller Kommunikation], 6⫺9. In: Nacionalno-kulturnyj komponent v texte i jazyke: Mater. dokl. Meshdunar. nauch. konf., 7⫺9 aprela 2005 g. Ch. 1. Minsk: MGLU.
Natalia Furaschowa, Minsk (Belarus) Dmitri Kletschko, Minsk (Belarus)
183. Deutsch in Belgien 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Einleitung Deutsch an belgischen Schulen Deutsch an belgischen Universitäten Lehramtsausbildung in Belgien Fort- und Weiterbildung für Deutsch in Belgien Literatur in Auswahl
1. Einleitung Als kleines Land ohne nennenswerte Bodenschätze lebt Belgien von seiner Lage zwischen gesegneten Nachbarn. Da aber je verschiedene Sprachen Spiegel dieser Nationen sind (Niederländisch, Französisch, Deutsch, Englisch), bilden solide Fremdsprachenkenntnisse seit eh und je die Voraussetzung gedeihlichen Zusammenlebens und blühender Handelsbeziehungen. Belgische Betriebe sind nicht nur auf die Beherrschung der jeweiligen anderen Landessprache (Französisch bzw. Niederländisch), sondern auch auf Englischund Deutschkenntnisse angewiesen. Der Fremdsprachenunterricht nimmt traditionell im belgischen Schulwesen einen je nach Schultyp und Abteilung mehr oder weniger stattlichen Platz ein. Fast alle Sekundarschüler lernen zwei, viele auch drei Fremdsprachen. Das Sprachenstudium hat die Rolle einer sog. Hilfswissenschaft abgelegt, die den anderen, eigentlichen Fächern zu dienen habe, und hat innerhalb des Curriculums einen grundlegenden Platz inne mit eigenen Bildungszielen und autonomer Lernzielbestimmung. Die verschiedenen Fremdsprachen sehen Belgier als grundsätzlich, nicht nur politisch, gleichwertig an. Die Arroganz einer sog. lingua franca schreckt ihn ⫺ nach einschlägigen historischen Erfahrungen ⫺ ab. Belgien ist ein flächenmäßig kleines, aber auf Grund seiner Mehrsprachigkeit reichlich kompliziertes Land. Als Bundesland besteht es aus drei sog. Gemeinschaften: die flämi-
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sche (d. h. niederländischsprachige) umfasst etwa 56 %, die französische 40 %, die deutschsprachige knapp 1 % der Gesamtbevölkerung (10 Millionen Einwohner). Da seit 1988 die Unterrichtshoheit bei diesen Gemeinschaften liegt, ist auch der belgische Fremdsprachenunterricht nicht mehr einheitlich strukturiert. Außerdem gibt es in jeder Gemeinschaft mindestens vier verschiedene Unterrichtsträger, und zwar sowohl öffentliche (die Gemeinschaften, Provinzen und die Kommunen) als auch private (hauptsächlich die katholische Kirche).
2. Deutsch an belgischen Schulen Da Deutsch meistens erst als dritte Fremdsprache gelernt wird, nimmt es im belgischen Schulwesen keineswegs die Stellung ein, die ihm zukäme. Viele bedauern dies: Beim Studium bleibt ein Teil der Fachliteratur verschlossen und bei Vorstellungsgesprächen in Handel und Industrie fehlt oft der entscheidende Trumpf. Auf Grund mangelnder deutscher Sprachenkenntnisse ist es für manchen Exporteur schwierig, die Schwellenangst zu überwinden. Dabei ist nicht zu übersehen, dass der jährliche Warenaustausch allein schon mit Deutschland um 30 % größer ist (Tendenz abfallend) als mit den französischen oder niederländischen Nachbarn. Obwohl sich Deutsch in der Sekundarschule gegen Spanisch oder Italienisch zu behaupten wusste und obwohl Deutsch hier zu über 80 % als erste oder zweite Fremdsprache gewählt wird, sank der Anteil der französischsprachigen Deutschschüler auf gut 3 %. In keinem Nachbarland Deutschlands ist er vergleichbar niedrig. Im Schuljahr 1976⫺ 1977 hatte es noch einen Schüleranteil von 22,5 % gegeben. Dies hängt damit zusammen, dass der Unterricht der dritten Fremdsprache in der französischen Gemeinschaft seit 1994 abgebaut wird, so dass die Entscheidung für Deutsch einer Entscheidung gegen Niederländisch oder Englisch gleichkommt. Der Einbruch des Deutschunterrichts wird von öffentlicher Seite bedauert. Die große Mehrheit der DaF-Schüler ist in Flandern zu suchen. Trotzdem bleibt auch hier der Deutschunterricht großem Druck ausgesetzt. Als ausschließlich dritte Fremdsprache blieb das Fach in der Sekundarschule Orchideenfach und Spielball der Reformen. Um 1970 war Deutsch im Rahmen einer solchen zum Wahlfach degradiert worden. Gleichzeitig wurden die Alternativen Spanisch, Italienisch und Russisch eingeführt. 1980 wurde, oft auf Kosten von Deutsch, die Schulwoche auf 32 Stunden begrenzt. 1982 wurden sowohl für die Gründung als auch für den Fortbestand eines Wahlfaches minimale Klassengrößen festgelegt. 1985 erschien ein neues Fach auf dem (Stunden)Plan, das mit Sprachen nicht einmal etwas zu tun hatte, Informatik, häufig zu Ungunsten der Deutschstunden. Mit einer weiteren Unterrichtsreform, der sog. Einheitsschule (1989⫺ 1994), ging ⫺ trotz flexiblerer Kombinationsmöglichkeiten der Grundwahlfächer und einer besseren Ausgangsposition für Deutsch (wohlgemerkt ausschließlich als dritte Fremdsprache) ⫺ ein Abbau der Wochenstundenzahl um ein bis drei Einheiten im katholischen Unterrichtswesen einher. An den pädagogischen Hochschulen, an denen Mittelschullehrer ausgebildet werden, wurde Deutsch abgeschafft. Auf Grund einer ab 1997 (nur in Flandern) eingeführten Aufnahmeprüfung mit (allgemeinbelgischem) Numerus Clausus für Medizin und Zahnmedizin war ein neuartiger Andrang der Sekundarschüler in die naturwissenschaftlichen und mathematischen Abteilungen wahrnehmbar. 2003 trat
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eine Reduktion der Grundwahlfächer in Kraft, was dazu führte, dass im katholischen Unterricht Deutsch in den Klassen 4 aller Abteilungen des weiterführenden Unterrichts erstmals seit Jahrzehnten mit einer Wochenstunde wieder als Pflichtfach eingeführt wird. In allen höheren Klassen dagegen bleibt Deutsch nach wie vor Wahlfach und wird außerdem ab dem 1. 9. 2004 im Rahmen der Einführung eines sog. freien ⫺ bzw. leeren ⫺ Raumes, auf zwei Wochenstunden eingedämmt. Die Entwicklung und Aufgliederung der Wochenstundenpläne haben mit dem Sprachenwahlverhalten der Schüler so gut wie nichts zu tun. Inzwischen liegen die Schülerzahlen seit dem Schuljahr 2002⫺2003 unter der 20 %-Marke (Schuljahr 2008⫺2009 19 %), was sich nur im oberflächlichen Vergleich mit dem wallonischen Landesteil gut anhört. Im katholischen Unterricht, der auch die weitaus meisten Schüler beherbergt, gab es im selben Schuljahr 22,8 % Deutschlernende (vor zehn Jahren noch 26,45 %, vor 25 Jahren 33,70 %), im staatlichen Gemeinschaftsunterricht allerdings nur 7,23 % (vor zehn Jahren mit 12,08 % das Doppelte, vor 25 Jahren mit 23,24 % das Vierfache; vgl. Statistische Jahrbücher des flämischen Unterrichts 2008).
3. Deutsch an belgischen Universitäten Im belgischen Hochschulbereich sind die Studentenzahlen für Deutsch und Germanistik in den letzten 15 Jahren und seit den durch die Einigung erweckten falschen Hoffnungen rapide gesunken. Die wichtigsten deutschen Abteilungen besitzen die acht germanistischen Lehrstühle der Universitäten Antwerpen, Brüssel (2), Gent, Löwen, Lüttich, Neulöwen (Louvain-la-Neuve) und Namür, die acht Dolmetscherhochschulen sowie einige betriebswirtschaftliche Fakultäten und Handelshochschulen. Die Fachhochschulen mit den Studiengängen Hotelfach, Tourismus, Sekretariat und Kommunikation bieten Deutsch an. Ein Germanistikstudium absolvieren z. Z. knapp 500 (vorwiegend weibliche) Studierende, womit der entsprechend gesunkene schulische Bedarf abgedeckt ist. Alle kombinieren Deutsch mit einer weiteren Sprache. Diesen Germanistikstudierenden stehen landesweit je 20 Professuren (bzw. Dozenturen) und Assistenzen zur Verfügung. Die Absolventinnen und Absolventen sind zu 40 % im Sekundarunterricht (Stufe II) tätig, zu 20 % im Hochschul- oder Forschungsbereich, die anderen in Bibliotheks- und Verlagswesen, Handel und Industrie, Informatik, Verwaltung, als Journalist, Übersetzer oder Dolmetscher. Das Studium nimmt mindestens fünf Jahre in Anspruch und umfasst zu ungefähr gleichen Teilen Literatur, Sprachpraxis und Linguistik. Erst im Magisterium ist eine Schwerpunktwahl möglich. Das Universitätsstudium bildet die Fortsetzung der belgischen Schule, d. h. es ist leistungsbezogen und selektiv, im internationalen Vergleich verschult. Die Vorlesungen zur deutschen Literatur führen zunächst einmal in den (den Studenten vorerst unbekannten und aus dem deutschsprachigen Ausland übernommenen) Kanon ein. Literatur aus Österreich und der Schweiz erscheint gleichberechtigt neben Texten aus dem gegenwärtigen Deutschland, wobei die belgische Germanistik alle diese Literaturen gemeinhin als deutsch bezeichnet, wie es hierzulande bei den niederländischen und französischen Literaturen ähnlich gehandhabt wird. Das linguistische Pensum besteht während des Grundstudiums weitgehend aus Spracherwerb und Grammatik, und zwar muss auf Grund der erörterten Entwicklungen zunächst einmal Anfängerunterricht
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erteilt werden. Da kann auch an Dolmetscherhochschulen bzw. an Wirtschaftsfakultäten von Fachsprachenunterricht kaum die Rede sein. Von dieser Einschränkung ist der Literaturunterricht an flämischen Universitäten auszunehmen, da die Studierenden auf Grund der verwandten Sprachen Deutsch und Niederländisch praktisch ab dem zweiten Semester im Stande sind, (mit Wörterbuchunterstützung) den Zugang zu klassischen Texten der letzten Jahrhunderte zu finden. Frankophone Studierende brauchen da in der Regel ein Jahr länger, haben aber ihrerseits den nicht geringen Vorteil, ihr sog. Lernplateau nicht nach etwa zwei Jahren schon zu erreichen und die Motivierung damit vorzeitig einzubüßen. Alle Vorlesungen und Seminare werden auf Deutsch abgehalten. Viele Universitäten bieten auch Kultur- oder Landeskunde an.
4. Lehramtsausbildung in Belgien Die Lehramtausbildung für die Sekundarstufe II findet an den Universitäten statt (in Flandern 60, in der französischen Gemeinschaft 30 ECTS-Punkte), was Vor-, aber auch Nachteile hat. Zu den Nachteilen gehören die Tatsachen, dass sie sich nur am Rande der Fachausbildung abspielt und außerdem oft von Hochschullehrenden bestritten wird, die kaum über eigene pädagogische Erfahrung verfügen. Was hat Deutsch in Belgien zunehmend unbeliebt gemacht? Es gibt erstens eine Reihe von innerbelgischen Gründen. Schon die belgische Staatsstruktur legt die Wahl der großen anderen Landessprache (Niederländisch bzw. Französisch, Letzteres in Flandern sogar obligatorisch) nahe, was diese, allerdings auch die dritte Landessprache Deutsch (im Gegensatz zu Englisch und Spanisch), nicht unbedingt beliebt macht. Für diese Entwicklung zeichnen erstaunlicherweise die Medien mit verantwortlich, die eigentlich einen pädagogischen Auftrag zu erfüllen hätten und die Jugend mit den anderen belgischen kulturellen Hintergründen vertraut machen sollten. Trotzdem bestehen hierzulande den Deutschsprachigen (und Frankophonen) gegenüber kaum Aversionen. Im Gegenteil, Österreich und die Schweiz, auch Deutschland gehören mindestens in Flandern zu den gern gesehenen Reisezielen. Für den Widerspruch zwischen dem ausgesprochen hohen Prestige gerade der deutschsprachigen Länder und dem niedrigen Prestige ihrer Sprache wird man eine Erklärung suchen müssen. Typisch belgisch ist außerdem immer noch eine weit verbreitete veraltete, an Latein und Griechisch sowie vorrangig der Schriftsprache geschulte Methodik. Dabei hatte das Unterrichtsministerium bereits 1895 die direkte Methode empfohlen. Dies mag mit der Tatsache zusammenhängen, dass Deutsch in Belgien, wie gesagt, meistens dritte Fremdsprache ist, was dazu führt, dass Zielsetzungen und Lernstrategien der ersten oder zweiten Fremdsprache (etwa ein hoher Anteil grammatikalischen Wissens) allzu oft kritiklos auf die dritte übertragen werden. Es gibt zweitens auch allgemeinere Gründe, die eine Sprache wie das Deutsche unpopulär machen. Nun ist zumindest die deutsche Morphologie ⫺ im Gegensatz etwa zu der Lexik für Niederländischsprachige ⫺ im europäischen Vergleich komplex, d. h. schwierig (drei Genera sind komplexer als zwei; zwei komplexer als eins; neun Möglichkeiten der Pluralbildung sind komplexer als zwei, geschweige eine oder gar keine usw.). Diese schreckt so manche potentielle Deutschlernende ab. Außerdem ist an dieser Stelle die Frage zu stellen, ob der Ausbau und die Fortentwicklung der internationalen Institutionen im allgemeinen wie des Europarates und der EU insbesondere der Verbreitung
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der deutschen Sprache ⫺ und übrigens aller Sprachen bis auf eine einzige ⫺ paradoxerweise nicht eher schadet als nützt. Tatsächlich war im Europa der 1950er und 1960er Jahre das Klima fremdsprachenfreundlicher als heute.
5. Fort- und Weiterbildung ür Deutsch in Belgien Der BGDV (Belgischer Germanisten- und Deutschlehrerverband) vertritt als politisch neutraler Dachverband seit 1974 die Interessen des Faches und gibt die einzige belgische Fachzeitschrift, die Germanistischen Mitteilungen, heraus. Als einzige noch existierende gesamtbelgische Lehrervereinigung richtet sie für etwa 300 ⫺ es waren mal über 1000 ⫺ Mitglieder Fortbildungsveranstaltungen in In- und Ausland aus. Sie arbeitet regelmäßig mit dem Goethe-Institut zusammen, bietet allerdings jährlich auch Seminare in Österreich (früher ebenfalls in der DDR) an. Aus der Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut und der deutschen Botschaft ging 1981 bzw.1990 die Stiftung zur Förderung von Deutsch als Fremdsprache in Belgien hervor. Diese wird durch ein aus angesehenen, mehrheitlich belgischen Persönlichkeiten zusammengesetztes Kuratorium unterstützt, die sich bereit erklärt haben, die Stiftungsziele zu fördern. Die Stiftung setzt sich dafür ein, dass jedem Sekundarschüler wenigstens die Möglichkeit geboten wird, Deutsch zu lernen. Auf Anregung des BGDV stellt die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen in Köln (D) den belgischen Deuschlehrern seit 1987 einen Fachberater zur Verfügung. Schließlich hat auch der „Dortmunder“ Verein Deutsche Sprache in Belgien 300 Mitglieder.
6. Literatur in Auswahl Kern, Rudolf 2005 Es steht nicht gut um die deutsche Sprache: Eine kritische Rückschau. In: Eva C. Leewen (Hg.), Sprachenlernen als Investition in die Zukunft. Wirkungskreise eines Sprachlernzentrums. Festschrift für Heinrich P. Kelz zum 65. Geburtstag, 219⫺254. Tübingen: Narr. Nelde, Peter Hans 2001 Europäische Sprachpolitik und Neue Mehrsprachigkeit. Spieghel Historiael: 65⫺82. Quell, Carsten 1995 Die Europäische Union 1995 ⫺ Mehr Länder, weniger Sprachen? Die Sprachen der europäischen Institutionen zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Germanistische Mitteilungen 41: 25⫺45. Statistische Jahrbücher des flämischen Unterrichts 2008. Brüssel.
Roland Duhamel, Antwerpen (Belgien)
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
184. Deutsch in Brasilien 1. 2. 3. 4. 5.
Zur Situation Zur Geschichte der deutschen Sprache in Brasilien Deutsch an Hochschulen Perspektiven Literatur in Auswahl
1. Zur Situation An Spracheninstituten (insgesamt 129, die meisten im Erwachsenenbereich) lernten nach Angaben des Goethe-Instituts Sa˜o Paulo im Jahr 2008 in Brasilien 12.777 Schüler bei 531 Lehrern. 29 Universitäten boten Studiengänge im Bereich Deutsch (Letras Alema˜o) bzw. Deutsch-Kurse an: Dozenten und Lehrkräfte an diesen Einrichtungen gab es insgesamt 217, die Lernerzahl betrug 10.501 Personen (inkl. in allgemeinen Sprachkursen). An den 311 Schulen (privat und öffentlich), an denen Deutsch angeboten wurde, unterrichteten 684 Lehrer 59.017 Schüler. Fazit: 479 Institutionen, 1.432 Lehrer, 82.295 Lerner. Brasilien hat 190 Mio. Einwohner. Allein im Bundesstaat Sa˜o Paulo (die folgenden Daten des GI Sa˜o Paulo beziehen sich ab jetzt auf das Jahr 2007) unterrichteten 607 Lehrer 28.309 Schüler. Der Großraum der gleichnamigen Hauptstadt Sa˜o Paulo konzentriert knapp 10 Prozent der brasilianischen Bevölkerung (ca. 18,5 Mio. Einwohner) und ist außerdem die größte „deutsche“ Industriestadt weltweit mit über 1.000 Niederlassungen von deutschen Unternehmen. Dort liegt auch die größte deutsche Schule der Welt mit 12.500 Schülern. Im Bundesstaat Rio de Janeiro (die gleichnamige Hauptstadt hat ca. 6 Mio. Einwohner, hier konzentrierten sich die meisten Schüler) wurden 11.091 Lerner von 151 Lehrern unterrichtet. In den Bundesstaaten der Region Süd (Parana´, Santa Catarina, Rio Grande do Sul, mit insgesamt 26,7 Mio. Einwohnern), wo sich die deutsche Immigration konzentrierte (ca. 350.000 Einwanderer von 1824⫺1952), waren es 43.304 Schüler und 644 Lehrer. In Nordostbrasilien (insgesamt 51,5 Mio. Einwohner, wichtige Städte sind z. B. Salvador, Recife und Fortaleza) waren insgesamt 59 Lehrer tätig, sie unterrichteten 3.501 Schüler. In den restlichen Bundesstaaten waren es insgesamt 4.221 Schüler bei 69 Lehrern (davon 42 im Bundesstaat Minas Gerais). Die Daten im Jahr 2007 umfassten eine Gesamtzahl von 90.426 DaF-Lernern. Sa˜o Paulo und Rio haben durch die wirtschaftliche Bedeutung der Städte eine Eigendynamik, in den nördlicheren Regionen sind die Zahlen verhältnismäßig sehr gering. Eine Sondersituation kennzeichnet jedoch den Süden des Landes. Die Schulen, an denen Deutsch angeboten wird, sind in verschiedenen Städten gut verteilt, die Regierungen auf Landes- und Gemeindeebene treffen hin und wieder administrative Maßnahmen zur Förderung des Angebotes von Deutsch an Schulen, die allerdings nur selten über eine Amtsperiode hinaus effektiv gehalten werden. Angestrebt wird ⫺ zumindest offiziell ⫺ Mehrsprachigkeit im schulischen Angebot angesichts der ethnischen Vielfalt in der Region, und das entspricht einer latenten Erwartung der Bevölkerung. Denn nach demoskopischen Schätzungen sind heute ca. 5 Mio. Brasilianer zumindest teilweise deutsch-
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stämmig. Die meisten leben in der Region Süd, wo sich zur Zeit der Einwanderung die Siedlungsgebiete konzentrierten: In Rio Grande do Sul beträgt die deutschstämmige Bevölkerung 12 % der gesamten Einwohnerzahl.
2. Zur Geschichte der deutschen Sprache in Brasilien Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die deutsche Sprache zu einem wichtigen Bestandteil des kulturellen Lebens in Südbrasilien. Bis 1937 gab es dort ein gut ausgebautes Schulwesen (ca. 1.000 Schulen), auch eine deutschsprachige Presse. Deutsche Musik-, Turn- und Theatervereine prägten das soziale und kulturelle Leben der Städte. Die deutsche Kultur genoss ein hohes Ansehen. Eine strenge, ab 1938 aus innenpolitischen Gründen vom Diktator Getulio Vargas durchgeführte Nationalisierungspolitik und die Naziherrschaft in Übersee veränderten die Situation tiefgreifend. Die brasilianisch-nationalistische Unterdrückung der deutschen Sprache führte zur Diskriminierung von vielen Menschen in den Siedlungsgebieten, was sich mit dem Kriegseintritt Brasiliens auf Seiten der Alliierten nur verschärfte. Deutschstämmige Einwanderer wurden zu „Feinden“, der Kollaboration mit Hitler verdächtig. Es wurde verboten, Deutsch zu sprechen, obwohl viele der Einwanderer, vor allem im Hinterland, z. T. nur über sehr rudimentäre oder keine Portugiesischkenntnisse verfügten (Altenhofen 1996). Nach Kriegsende wurden die Unterdrückungsmaßnahmen nur allmählich aufgehoben. Das Weiterbestehen einer deutschsprachigen Szene in den 50er und 60er Jahren verdankte sich der Präsenz von exilierten Intellektuellen, die in Brasilien geblieben waren, und der Tatsache, dass trotz der Jahre der Nationalisierungspolitik ein großes Interesse an Deutsch unter der allgemeinen Bevölkerung und besonders unter Deutschstämmigen weiterhin vorhanden war. Mitte der 60er Jahre suchte Brasilien erneut eine rechtskonservative Militärdiktatur heim. An den Schulen wurde als Fremdsprache fast ausschließlich Englisch angeboten, die meisten Deutschstämmigen verloren fast vollständig den muttersprachlichen Kontakt mit Deutsch. Trotzdem gibt es außerhalb Europas nirgendwo so viele Sprecher des Deutschen wie im Süden Brasiliens (Kaufmann 2003: 29). Die Sprache lebte zumeist auf dem Lande weiter, sowie in einigen wenigen mittleren Städten in dialektalen, vom Portugiesischen beeinflussten Varianten. Insbesondere durch die Erinnerungskultur in den Familien blieb eine vage „deutsch-brasilianische“ Identität im Gedächtnis vieler Menschen erhalten. Insbesondere ab 1989 wuchs durch die mediale Präsenz vom vereinigten Deutschland das Interesse für die Sprache wieder. Dies führte in Südbrasilien zu einem deutlichen Anstieg der Lernerzahlen. Doch unter Nicht-Deutschstämmigen ließ sich das ebenfalls spüren: Die seit Jahrzehnten bestehende wirtschaftliche Zusammenarbeit und der ständig erweiterte, partnerschaftlich geförderte wissenschaftlich-technologische Austausch zwischen den Ländern brachten nach der ökonomischen und politischen Stabilisierung Brasiliens seit Mitte der 1990er Jahre gute Folgen für die Präsenz des Deutschen hervor. Heute stellt der Fremdsprachenunterricht eine große Herausforderung für die brasilianische Bildungspolitik dar (Spinasse´ 2005). Von wenigen guten Schulen abgesehen weisen Lehrer nicht selten einen mangelhaften Ausbildungsstand auf, auch unzulängliche Sprachkenntnisse. In den Schulen werden im Normalfall Fremdsprachen mit nur zwei Stunden pro Woche unterrichtet. Der Lehrerberuf ist wenig attraktiv, weil schlecht be-
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zahlt. Die Diagnose von Kaufmann (2003: 33) gilt noch heute: Deutsch wird in Brasilien „bis auf den Süden fast ausschliesslich in oft sehr teuren Privatschulen unterrichtet“; in Südbrasilien bieten zwar auch konfessionelle Privatschulen Deutsch an, vorwiegend aber öffentliche Schulen. Auch in Brasilien ist Englisch die am häufigsten erlernte Fremdsprache. Doch Deutsch kann im Süden den Rang als zweite Fremdsprache beanspruchen.
3. Deutsch an Hochschulen In der Hochschulausbildung bieten sich folgende Möglichkeiten des Studiums im Bereich Deutsch als Fremdsprache (Letras Alema˜o): Lehrerausbildung, Übersetzerausbildung, Ausbildung als Bachelor in Literatur-, Sprach- oder Übersetzungswissenschaft. An vielen Universitäten bieten Sprachenzentren Deutschkurse für allgemein Interessierte an. Dort unterrichten zumeist fortgeschrittene Studierende, so besteht für viele die Möglichkeit, ein Praktikum am Sprachenzentrum der jeweiligen Universität zu absolvieren und schon während der Ausbildung regelmäßigen Unterricht zu erteilen. Trotz der eher schlechten Stellung des Lehrerberufs erlebt Südbrasilien einen Anstieg der Studentenzahlen und eine Erweiterung des Studiengangs Letras auf postgradualer Ebene. Neben dem bereits traditionellen Master- und Doktoratsprogramm für Deutsch und deutschsprachige Literatur an der Universität Sa˜o Paulo (USP) bieten seit 2007 die Bundesuniversität in Porto Alegre (UFRGS) einen Master in deutschsprachiger Literatur, die Bundesuniversität in Curitiba (UFPR) seit 2009 einen bilateralen Master in DaF (mit der Universität Leipzig) an. In Magister- und Promotionsprogrammen in Literatur-, Sprach- und Übersetzungswissenschaft werden ansonsten an verschiedenen Einrichtungen, wie der Bundesuniversität in Floriano´polis (UFSC), Forschungsvorhaben im Kontext der deutschen Sprache und Literatur angenommen.
4. Perspektiven Heute steht in Brasilien eine sprachpolitische Wende in Aussicht. Nachdem in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts die ca. 180 Sprachen der Indios an Prestige gewonnen haben, und deren Anwendung, Verbreitung und Erforschung dezidiert durch den Staat unterstützt wurde, behauptet sich zur Zeit eine sprach- und bildungspolitische Initiative zum Schutz und zur Anerkennung der circa 30 alochtonen Sprachen, d. h. der Immigrantensprachen. Dadurch wird das Programm eines mehrsprachigen Fremdsprachenunterrichts wiederbelebt. Gleichzeitig gewinnt brasilianisches Portugiesisch als internationale Sprache an Bedeutung. Für die zumeist kleinen Deutschabteilungen an den Universitäten geht es daher in der integrierten Zusammenarbeit mit den Portugiesischabteilungen um den Gewinn von politischer Relevanz und Legitimität innerhalb der jeweiligen eigenen Universität, um den Gewinn an Bedeutung und Visibilität in der Beziehung mit Ministerien auf Landes- und Bundesebene, sowie um die Etablierung des Faches Deutsch als Fremdsprache in der wissenschaftlichen Szene. Dem brasilianischen Bildungssystem steht eine Erweiterung und qualitative Umgestaltung bevor. Millionen Brasilianer in wirtschaftlich bedeutenden Regionen (vor allem im Süden) weisen eine immer noch effektive Sympathie für die deutsche Sprache auf.
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Die Arbeit von gut ausgebildeten Lehrern und sprachpolitischen Entscheidungsträgern im Bereich DaF kann in den nächsten Jahren die brasilianische Szene mitbestimmen. Initiativen zur Förderung des Deutschen werden von der Bevölkerung in diesen Regionen willkommen geheißen. Doch die Zeit drängt. Anwendungsbezogen strukturierte Studiengänge mit verstärkten sprachlichen, bildungspolitischen und methodologisch-didaktischen Anteilen sind gerade jetzt gefragt. Denn die Strukturierung des Schulwesens im ganzen Bereich Fremdsprachen steht eigentlich noch bevor. Entscheidungen für die Zukunft des Unterrichts werden in den nächsten Jahren auf vielen Ebenen getroffen, sei es in der Regierung (in Kommunen und Bundesstaaten), sei es auf der Ebene der Schulverwaltung, wo die Präsenz von engagierten Lehrern bestimmen kann, in welcher Form mit welchem Qualitätsanspruch welche Sprachen angeboten werden.
Danksagung Der vorliegende Beitrag ist teilweise auf der Basis einer gemeinsamen Arbeit mit Markus Weininger (UFSC) enstanden.
5. Literatur in Auswahl Altenhofen, Cle´o Vilson 1996 Hunsrückisch in Rio Grande do Sul. Ein Beitrag zur Beschreibung einer deutschbrasilianischen Dialektvarietät im Kontakt mit dem Portugiesischen. Stuttgart: Franz Steiner. Kaufmann, Göz 2003 Deutsch und Germanistik in Brasilien. In: Jahrbuch für Internationale Germanistik 35(1): 29⫺39. Spinasse´, Karen Pupp 2005 Deutsch als Fremdsprache in Brasilien. Eine Studie über kontextabhängige unterschiedliche Lernersprachen und muttersprachliche Interferenzen. Frankfurt a. M.: Lang.
Paulo Soethe, Curitiba (Brasilien)
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
185. Deutsch in Bulgarien 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Einleitung Deutsch an bulgarischen Schulen Deutsch an bulgarischen Universitäten Deutsch in der Fort- und Weiterbildung Die politische Entwicklung nach 1989 Literatur in Auswahl
1. Einleitung Deutsch ist in Bulgarien traditionsgemäß eine der wichtigen Schulsprachen. Auch nach 1990 konnte der Deutschunterricht durch die Konkurrenz des Englischen nicht in den Hintergrund gedrängt werden (Dimova 2001; Kamburova-Milanova 2005b). Die Bevorzugung des Deutschen als Fremdsprache in Schule und Hochschule ist durch die traditionell guten wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen Bulgariens zu den deutschsprachigen Ländern bedingt. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen dabei Mittlerorganisationen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.
2. Deutsch an bulgarischen Schulen Das Erlernen von zwei Fremdsprachen ist in der bulgarischen Schule seit Anfang des 20. Jhs. Pflicht. 2003 wurde der Unterricht in der ersten Fremdsprache ab der 2. Klasse der Grundschule obligatorisch eingeführt. Als erste Sprache wird gewöhnlich Englisch gewählt. Laut Angaben des Nationalen Statistikinstituts steht Deutsch an dritter Stelle nach Englisch und Russisch. Von 2003 bis 2008 nimmt die Anzahl der deutschlernenden Schüler ab. Die Tendenz ist aber bei allen Sprachen zu beobachten, da die Geburtenrate in Bulgarien 1994⫺2001 sehr niedrig war. Deutsch steht landesweit an dritter Stelle nach Englisch und Russisch, da in kleineren Orten und vor allem in der Primarstufe nur Russisch angeboten wird, um die vorhandenen Lehrkräfte einsetzen zu können. In der Sekundarstufe (an allen Schultypen) steht Deutsch an zweiter Stelle nach Englisch. Im Schuljahr 2007/2008 sind die Deutschlerner folgendermaßen verteilt: 1.⫺4. Klasse ⫺ 8928; 5.⫺8. Klasse ⫺ 32827; 9.⫺12. Klasse ⫺ 60065, an Berufsschulen ⫺ 48058. Im Jahre 2008 unterrichten in Bulgarien 2010 Lehrer Deutsch als Fremdsprache, davon 140 in den Klassen 1.⫺4., 550 in den Klassen 5.⫺8., 840 in den Klassen 9.⫺12. und 480 in Berufsschulen (alle Angaben von Anna Arsenieva, Hauptexpertin für Deutsch am Bildungsministerium). Früher Deutschunterricht wird auch an vielen Privatschulen angeboten. Im Sekundarbereich wird Deutsch als erste und und zweite Fremdsprache erlernt. Ein bewährtes Modell für einen intensiven Deutschunterricht (19 Stunden obligatorisch und 3 bis 4 Wahlstunden wöchentlich) bieten die profilierten Gymnasien mit intensivem
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Fremdsprachenunterricht (Fremdsprachengymnasien), wo die Aufnahme der Schülerinnen und Schüler nach der 7. Klasse erfolgt und im ersten Schuljahr vorwiegend das Fach Deutsch vermittelt wird. In den Klassen 9. bis 11. werden je nach vorhandenen Lehrkräften ein, zwei oder mehrere Fächer in der Fremdsprache unterrichtet. Auf Grund einer Umstrukturierung des Bildungssystems haben viele allgemeinbildende Sekundarschulen ein fremdsprachiges Profil vorgezogen.
3. Deutsch an bulgarischen Universitäten Nach wie vor ist Deutsch eine unter den anderen Fremdsprachen, die studienbegleitend an den Universitäten für alle Studiengänge angeboten werden. Als Lermziel werden grundlegende Fachsprachenkenntnisse im jeweiligen Fachbereich angestrebt. Abgesehen von Studiengängen wie Internationale Beziehungen, Tourismus und Journalistik, wo mehrere Fremdsprachen obligatorisch gelernt werden, tritt das Interesse für Deutsch als Fremdsprache in den Natur- und Humanwissenschaften zugunsten von Englisch zurück. Deutschlehrende werden im Rahmen des Bachelorstudiums (8 Semester) des Germanistik- und des Lehramtstudiums (Kombinationen aus Deutsch und einem anderen Sprachenstudium oder Primarschulpädagogik) ausgebildet. Das Germanistikstudium mit integriertem DaF-Modul wird an den Universitäten Sofia, Veliko Tarnovo und Schumen angeboten. Das Deutschlehramtsstudium in Kombination mit einer anderen Sprache wird in Veliko Tarnovo, Plovdiv und Blagoevgrad angeboten. Primarschulpädagogik mit einer Fremdsprache (darunter auch Deutsch) wird an allen Universitäten Bulgariens angeboten. Sowohl im Germanistik- als auch im Deutsch als Fremdsprache-Studium werden folgende Fächer angeboten, die zur Lehrberechtigung führen: Pädagogik, Psychologie, Audio-visuelle und Informationstechnologien im Unterricht, Methodik des Fremdsprachenunterrichts, zwei Wahlfächer im Bereich Methodik/Didaktik (gewöhnlich zum interkulturellen Lernen und zum frühen Fremdsprachenlernen), Hospitationspraktikum, Vordiplomspraktikum an der Schule. Insgesamt werden durch den Block pädagogisch-methodischer Fächer 60 Kreditpunkte erworben, 10 davon bringt das Staatsexamen, das aus einem theoretischen und einem praktischen Teil (dem Halten einer Unterrichtsstunde) besteht.
4. Deutsch in der Fort- und Weiterbildung Für die Lehrerfortbildung sind das Ministerium für Bildung und Wissenschaft, die ihm untergeordneten pädagogischenn Zentren und spezielle Departements zuständig, die der Struktur der Universitäten in Sofia, Schumen und Stara Zagora angegliedert sind. Seit 2003 wird die Qualifikation von vielen Primarlehrern durch ein Nationalprogramm finanziell unterstützt. Die Finanzierung der Fortbildung insgesamt bleibt jedoch problematisch und wäre ohne die Unterstützung der D-A-CH-Mittlerorgansationen nicht zu verwirklichen. Effektive Formen der Lehrerfortbildung sind in letzter Zeit europäische (Comenius-)Projekte sowie Fortbildungsinitiativen der Gemeinden und öffentlicher Bildungsträger (Kamburova-Milanova 2005b).
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
5. Die politische Entwicklung nach 1989 Die politische Entwicklung nach 1989 hat die Situierung von Deutsch im Land grundlegend beeinflusst. Das Interesse an Deutsch ist in der Schule nach wie vor groß. Besonders an den profilierten Gymnasien (52 Gymnasien im Land) und in den Berufsgymnasien (43 im Land) mit intensivem Sprachenunterricht steht Deutsch an zweiter Stelle nach Englisch. An 22 Sprachengymnasien kann das Deutsche Sprachdiplom Stufe II der Kulturministerkonferenz erworben werden. Das Niveau der Sprachenbeherrschung wird nach den Abschlussergebnissen als sehr hoch eingeschätzt, weil die Motivation ausgeprägt ist: der Zugang zu den Universitäten in den deutschsprachigen Ländern. Die Folgen dieser Entwicklung sind aber für die bulgarischen Universitäten eher negativ, und die Studiengänge Germanistik und Deutsch als Fremdsprache sind am stärksten von dieser Tendenz betoffen (Dimova 2006). Deutsch wird zwar nicht so häufig gewählt, es mangelt aber trotzdem an qualifizierten Deutschlehrern in der Grundschule, da der Bedarf an Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrern in der Primarstufe durch die obligatorische Einführung des frühen Fremdsprachenunterrichts enorm gestiegen ist: Im Schuljahr 2007/2008 lernten 8928 Schüler in der 1. bis 4. Klasse Deutsch. Die neu etablierten Studiengänge Primarschulpädagogik mit einer Fremdsprache erfreuen sich jedoch keines großen Interesses (besonders in Bezug auf Deutsch), so dass momentan intensive Umschulungslehrgänge durchgeführt werden, um berufstätige Primarlehrende zu befähigen, auch die (am häufigsten gewünschten) Fremdsprachen Englisch oder Deutsch zu unterrichten. Die Chancen des Deutschen liegen in der Tendenz, den Intensivunterricht an den profilierten Gymnasien weiter zu fördern sowie die Möglichkeiten von Deutsch als zweiter Fremdsprache effektiver zu nutzen. An den Universitäten ist eine Diskussion im Gange, die germanistischen Studiengänge durch verschiedene Fächerkombinationen attraktiver zu gestalten. Inhaltlich hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten sowohl die linguistische und die literaturwissenschaftliche als auch die pädagogisch-didaktische Komponente im Germanistik- und DaF-Studium in Richtung Anwendungsorientiertheit und Interkulturalität entwickelt. Obligatorische Elemente des Curriculums sind an allen Universitäten Textund Pragmalinguistik sowie Landeskunde und Kulturgeschichte der deutschsprachigen Länder. Als Wahlfächer (ca. 25 % der Lehrveranstaltungen im Curriculum) werden angeboten: Interkulturelle Kommunikation, Interkulturelles Lernen, Interkulturelle Literatur, Frühes Fremdsprachenlernen, Mehrsprachigkeitskonzepte, Kontrastive Linguistik. Schwerpunkte der Forschung stehen in Zusammenhang mit der Lehre und sind vor allem gerichtet auf Lehrwerkanalyse (Stefanova 2007a), Lernen, Lehren und Bewerten (Stefanova 2007b), Aspekte der Interkulturalität (Kamburova-Milanova 2005a), frühes Fremdsprachenlernen (Stojcˇeva 2005; Miteva 2002), einzelne Fertigkeiten und Lernstrategien (Savova 2007; Stojcˇeva 2005; Miteva 2008), Handlungsorientierung des Sprachunterrichts (Stojcˇeva 2004) sowie lexikographische Erfassung von Lernerschwieriugkeiten ˇ uzˇdoezikovo obu(Drumeva 2006). Wichtige Publikationsorgane sind die Zeitschriften C cˇenie [Fremdsprachenunterricht] und Sa˘postavitelno ezikoznanie [Kontrastive Linguistik]. Für den wissenschaftlichen Nachwuchs im Bereich Deutsch als Fremdsprache werden Masterstudiengänge vor allem an der Universität Sofia angeboten.
185. Deutsch in Bulgarien
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Tab. 185.1: Anzahl der Fremdsprachenlerner an bulgarischen Schulen Sprache/ Schuljahr Englisch Deutsch Russisch Französisch Spanisch Italienisch
2003/2004
2004/2005
2005/2006
2006/2007
2007/2008
464516 123396 137077 68137 16199 4038
494126 128499 147040 65002 16305 4511
529078 129155 154273 62174 17435 5520
523261 116470 143284 54364 18003 4339
518631 101820 129893 46373 17753 3460
6. Literatur in Auswahl Dimova, Ana 2001 Deutschunterricht und Germanistikstudium in Bulgarien. In: Gerhard Helbig, Lutz Götze, Gert Henrici und Hans-Jürgen Krumm (Hg.), Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch, 1551⫺1555. Band 2. (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 19.1⫺2). Berlin: de Gruyter. Dimova, Ana 2006 Buridans Esel zwischen Europäisierung und Globalisierung oder: Warum lernt man in Bulgarien Deutsch. In: The Language Policy of the EU and European University Education, Volume 2, 285⫺291. Veliko Ta˘rnovo: PIC. Drumeva, Stanislava 2006 Zweisprachige Schulwörterbücher ⫺ Ja oder Nein. In: Zweisprachige Lexikographie und Deutsch als Fremdsprache, 85⫺100. (Germanistische Linguistik 184⫺185). Hildesheim: Georg Olms. Hockickova, Beata und Ljubov Mavrodieva 2001 Arbeitsfeld: Deutschlehrerausbildung. In: 10 Jahre DaF in Bulgarien nach der Wende ⫺ Wo stehen wir, wohin gehen wir?, 62⫺85. Goethe-Institut Sofia/Plovdiv: Lettera. Kamburova-Milanova, Ivanka 2005a Vermittlungsmodelle interkultureller Kompetenz im Fremdsprachenunterricht. In: Fremdsprache-Deutsch-Europäisch ⫺ 2. Internationale Konferenz des DaF-Netzwerks in Szigetszentmiklos/Budapest 08.⫺11. September 2005, 15⫺23. Athen/Pallini: Ellinogermaniki Agogi. Kamburova-Milanova, Ivanka 2005b Deutsch als Fremdsprache in Bulgarien. Bestandsaufnahme und Perspektiven. In: Symposium Deutsch als Fremdsprache in Südosteuropa 18⫺20. November 2005, 83⫺92. Tessaloniki: Kornelia Sfakianaki Editions. Miteva, Neli 2002 Probleme und Schwierigkeiten bei der Alphabetisierung in Deutsch als Fremdsprache in ˇ uzˇdoezikovo obucˇenie [Fremdsprachenunterricht]: 2: 32⫺51. der Primarstufe. C Miteva, Neli 2008 Die Methode „Dynamisch-integratives Sprechen ⫺ Schreiben ⫺ Lesen“ von Heide ˇ uzˇdoezikovo obucˇenie [Fremdsprachenunterricht] 1: 33⫺35. Buschmann. C Savova, Elena ˇ uzˇdoezikovo obucˇenie 2003 „Literaturdidaktik“ im Unterricht Deutsch als Fremdsprache. C [Fremdsprachenunterricht] 3: 3⫺4. Savova, Elena 2007 Lesen als Prozess und als Fertigkeit. Aktivno ucˇene i kriticˇesko mislene [Aktives Lernen und kritisches Denken]. Sofia: Bulgarische Lesen-Assotiation, CD-ROM: 166⫺203.
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
Stefanova, Pavlina ˇ uzˇdoezikovoto obucˇenie. Ucˇene, prepodavane, ocenjavane [Fremdsprachenunterricht Ler2007a C nen, Lehren, Bewerten]. Sofia: Siela. Stefanova, Pavlina 2007b Ucˇebnijat kompleks v teorijata i praktikata na cˇuzˇdoeyikovoto obucˇenie [Lehrwerktheorie und -praxis des Fremdsprachenunterrichts]. Sofia: Anubis. Stojcˇeva, Daniela ˇ uzˇdoezikovo obucˇenie [Fremdsprachen2004 Handlungsoientierter Fremdsprachenunterricht. C unterricht] 6: 37⫺43. Stojcˇeva, Daniela ˇ uzˇdoezikovo obucˇenie [Fremdsprachen2005 Schreiben lernen ⫺ spannend und motivierend. C unterricht] 6: 24⫺33.
Ana Dimova, Schumen (Bulgarien)
186. Deutsch in Chile 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Einleitung Deutschunterricht Sprachvermittler: Lehrer-, Übersetzer- und Dolmetscherausbildung Überregionale Vernetzung und Kooperation Andere Anbieter und Organisationen Entwicklungslinien und Perspektiven Literatur in Auswahl
1. Einleitung Chile war und ist ein Einwanderungsland. Insbesondere im 19. und 20. Jahrhundert gab es unter anderen viele Einwanderer aus Europa. Deutschsprachige Migranten hinterließen mit der deutschen Sprache im Süden des Landes ein bis heute einflussreiches kulturelles Erbe. Die diversen Einwanderungsetappen, die jede für sich betrachtet verschiedene Erwartungen und Herausforderungen an die Einwanderer stellte, führten zu soziopolitischen, soziokulturellen und ökonomischen Situationen, welche einen intensiven finanziellen und kulturellen Austausch zwischen Chile und Deutschland begünstigten. Aus diesem Grund gewann das Deutsche in den Dörfern und Städten des Südens sowie in den großen Zentren Mittelchiles an Bedeutung. Innerhalb der deutschen Kolonie wie auch in anderen Einwanderergruppen bestand das Interesse, die Muttersprache im familiären Kontext zu erhalten und die systematische Vermittlung in Schulen zu etablieren. Daraus folgend entstanden die Kolonieschulen, unter ihnen die Deutschen Schulen.
186. Deutsch in Chile
1633
2. Deutschunterricht 2.1. Die Deutschen Schulen in Chile Die Deutschen Schulen sind ein Aushängeschild der deutschen Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik (Dohmen 2009, briefl. Mitteilung). Dies gilt insbesondere für Chile angesichts der beeindruckenden Zahl von insgesamt 22 Deutschen Schulen. Über die sogenannten Begegnungsschulen möchte man junge Chilenen erreichen und ihnen ein aktuelles Deutschlandbild sowie natürlich die deutsche Sprache vermitteln. Qualität ist dabei eine wichtige Voraussetzung. Gute (Schul)Bildung und Mehrsprachigkeit sind wesentliche Bedingung, um auf dem Arbeitsmarkt gute Chancen zu haben. Über die Deutschen Schulen haben junge Chilenen einen guten Einstieg, besonders nach der Verabschiedung des Aktionsprogramm der Bundesregierung ⫺ Beitrag der Arbeitsmigration zur Sicherung der Fachkräftebasis in Deutschland, durch das Absolventen Deutscher Auslandsschulen bevorzugt zum deutschen Arbeitsmarkt zugelassen werden. Im Jahr 2008 hatten die Deutschen Schulen eine Zahl von 15.120 Schülern in der Grund- und Sekundarstufe, die zum DSD I und DSD II führen.
2.2. Kaumännisches Berusbildungszentrum (INSALCO) Das Institut bietet nach deutschem Vorbild die Ausbildungsberufe Bürokommunikation, Groß- und Außenhandel, Industrie-, Schifffahrts- sowie Speditionskaufmann an. Die zweijährige praxisnahe Ausbildung wird von der Deutsch-Chilenischen Industrie- und Handelskammer unterstützt. Somit werden dreisprachige (Spanisch-Deutsch-Englisch) qualifizierte junge Absolventen für die mittlere kaufmännische Führungsebene ausgebildet. Insalco ist seit 2000 als Deutsche Berufliche Schule (Berufsschule) im Ausland anerkannt.
3. Sprachvermittler: Lehrer-, Übersetzer- und Dolmetscherausbildung 3.1. Deutsches Lehrerbildungsinstitut Wilhelm von Humboldt (LBI) Das 1988 gegründete Institut, dessen Auftrag und Ziel war und ist, ausreichenden Nachwuchs an qualifizierten Lehrkräften für den Deutschunterricht an den Deutschen Schulen Chiles auszubilden (Schraut 2009, briefl. Mitteilung), bietet zwei Studiengänge an: das Erzieherinnenstudium für die Arbeit im Kindergarten ⫺ in Chile ist der Kindergarten integraler Bestandteil der Schule ⫺ und das Studium für das Lehramt an Grundschulen für die Jahrgangsstufen 1.⫺6. Die beiden bilingualen Studiengänge sind gezielt handlungs- und praxisorientiert organisiert. In den 20 Jahren seines Bestehens absolvierten am LBI 42 Erzieherinnen und 125 Grundschullehrerinnen ihr Studium.
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
3.2. Deutschausbildung an Universitäten ´n (UMCE) 3.2.1. Universidad de Ciencias de la Educacio Aufgrund verschiedener Faktoren (Cziesla 2001: 1457⫺1458) wurde ab 1980 die Deutschlehrerausbildung an den Universitäten schrittweise eingestellt. Momentan bildet einzig die UMCE Deutschlehrer für die Oberstufe (die Ausbildung von Oberstufenlehrern der 7.⫺12. Jahrgangsstufe obliegt in Chile allein den Universitäten) aus und verleiht den akademischen Grad Licenciado en Educacio´n. Der Studienplan umfasst zehn Semester, und bietet Kurse in den Gebieten Sprache, Kultur und Literatur, sowie Linguistik, Didaktik und Methodik und beinhaltet ein obligatorisches Schulpraktikum. Die Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Angewandten Linguistik, Kulturund Landeskundestudien und den Erziehungswissenschaften. Zu betonen ist die Entwicklung des Arbeitsbuchs Pusteblume (Cox und Bascun˜a´n 2008).
´n (UdeC) 3.2.2. Universidad de Concepcio An der UdeC wurde die Lehrerausbildung im Jahr 2003 eingestellt. Alternativ bietet man ein Aufbaustudium an, dessen Ziel die Erlangung des Lehrertitels sowie des akademischen Grades Licenciado en Educacio´n ist. Der Studienplan beinhaltet Sprach-, Literaturund Kulturkurse sowie Didaktik und Methodik des Deutschen als Fremdsprache. Das letzte Semester ist dem Praktikum gewidmet. Seit 2004 bietet die UdeC einen trilingualen Übersetzer- und Dolmetscherstudiengang an, der einzige seiner Art in ganz Südamerika (Castro 2005), der den akademischen Grad Licenciado en Traductologı´a oder Licenciado en Translatologı´a verleiht. Derzeit gibt es etwa 350 Immatrikulierte, von denen 260 Deutsch als eine der beiden Arbeitssprachen wählten. Die Schwerpunkte der Ausbildung sind neben dem Erwerb der beiden Fremdsprachen die Vertiefung der muttersprachlichen Kenntnisse, Literatur- und Kulturkurse, (Psycho)linguistik und Translationswissenschaft und ein Praktikum. Die Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Translationswissenschaften, der Lexikologie, der Angewandten Linguistik und der Psycholinguistik.
3.2.3. Universidad de Playa Ancha (UPLA) An der UPLA werden zwei Studiengänge angeboten: Tourismuskaufmann und Internationaler Handelskaufmann. Die Grundlage beider Studiengänge bildet ein Übersetzerstudium Deutsch-Spanisch, das mit dem akademischen Grad Licenciado en Lengua y Cultura Alemana abgeschlossen wird. Die Schwerpunkte des Studiums bestehen aus dem Erlenen der Fremdsprache, Linguistik-, Kultur- und Übersetzungskursen sowie der fachlichen Spezialisierung.
4. Überregionale Vernetzung und Kooperation Hervorzuheben ist die Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure für den schulischen, den universitären und den außeruniversitären Bereich. Zum einen sind die Deutschen
186. Deutsch in Chile
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Schulen auf nationaler Ebene in einer Direktorenkonferenz organisiert, die unter einem gemeinsam vereinbarten Rahmenleitbild die Qualität der Vermittlung der deutschen Sprache sichert und durch das LBI permanent Lehrerfortbildungen für die Lehrkräfte anbietet. Zum anderen arbeitet das Goethe Institut eng mit den Lehrerorganisationen zusammen und trägt mit Fortbildungskursen ebenso zur Weiterbildung aller DaF-Lehrkräfte bei. Das GI Santiago mit den beiden Goethe Zentren in Concepcio´n und Vin˜a del Mar bietet Kurse unterschiedlicher Niveaus und Internationale Prüfungen an. Es bildet auf chilenischer Ebene ein Netzwerk, welches interessante Kulturangebote der Gesellschaft offeriert.
4.1. DAAD-Lektoren: Deutsch als Fremdsprache und Verbindungsarbeit Vier Lektoren mit dem klassischen Format eines DaF-Lektors arbeiten derzeit an den Universitäten von La Serena, Talca, Concepcio´n und Pontificia Universidad Cato´lica de Valparaı´so. Der Aufgabenbereich der Lektoren richtet sich nach den Bedürfnissen der Universitäten, die zum Teil sehr variieren (Babel 2009, briefl. Mitteilung). Darüber hinaus gibt es einen Fachlektor im Bereich Jura und den Leiter des IC-Büros in Santiago, beide sind jedoch nicht im Bereich DaF tätig. Derzeit gibt es außerdem drei Sprachassistentenstellen: Santiago, Concepcio´n und Valdivia. Vereinzelt gibt es Stipendienprogramme im Bereich DaF: für Studenten im grundständigen Studium gibt es z. B. den Hochschulkundlichen Winterkurs, darüber hinaus fördert der DAAD auch Sommerkurse an deutschen Universitäten, die DaF-Kurse anbieten.
5. Andere Anbieter und Organisationen Neben den genannten gibt es noch weitere Institutionen, die Deutschkurse unterschiedlicher Niveaus anbieten, unter ihnen das Heidelberg Center Lateinamerika, das Instituto Chileno Suizo de Idiomas y Cultura und die Berlitz-Sprachschulen. Viele Universitäten bieten Deutschkurse für Hörer aller Fakultäten an, wobei hier die Universidad de Concepcio´n mit einem ab 2009 eingeführten speziellen Programm Deutsch für akademische Zwecke (A1, A2, B1) hervorzuheben ist.
6. Entwicklungslinien und Perspektiven Die aktuellen Daten zeigen eine Zahl von etwa 18.500 Deutschlernenden, größtenteils an den Deutschen Schulen und den Universitäten. Die ständig steigende Zahl von Lernenden beweist das noch immer bestehende große Interesse an der deutschen Sprache, trotz der langjährigen bildungspolitisch geförderten ersten Fremdsprache Englisch. Im Rahmen des Leitbilds der staatlichen und staatlich anerkannten chilenischen Universitäten (CRUCH, chilenische Hochschulrektorenkonferenz) wird derzeit die Internationalisierung der Hochschulen sowie die Mobilität der Studierenden und der Akademiker gefördert, wobei Deutschland dank seiner Exzellenzinitiative eines der beliebtesten Ziele
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
ist. Gleichzeitig wählen immer mehr deutsche Studierende Chile als das Ziel ihres Auslandsemesters bzw. Praktikums. Dieser aktive Austausch fördert nicht nur Wissens- und Technologietransfer, Forschung und Begegnung, sondern dient auch dem Erhalt der bestehenden sehr guten akademischen Beziehungen. Auch auf politischer Ebene wurden durch staatliche Maßnahmen (Sistema Bicentenario Becas Chile) und Abkommen, u. a. mit dem DAAD, Voraussetzungen geschaffen, die gut qualifizierten Studierenden den Zugang zu dem Tertiärbereich in Deutschland ermöglichen. Wünschenswert wäre es, dass die deutsche Sprache wieder an allen öffentlichen Schulen als alternative zweite Fremdsprache gelehrt werden könnte. Mit dem vom Bildungsministerium geförderten Programm Deutsch öffnet Türen (El alema´n Abre Puertas http:// www.aleman.mineduc.cl/deutsch.html) als Teil des Programms Sprachen öffnen Türen (Los Idiomas Abren Puertas) gibt es gute Perspektiven, Deutsch wieder in das chilenische Schulsystem zu integrieren.
7. Literatur in Auswahl ´ ngel und Luz Cox Bascun˜a´n, A 2008 Manual de estudio Pusteblume, Lehrbuch für Deutsch als Fremdsprache. Santiago: Fondo Editorial UMCE. Castro, Ginette 2005 Disen˜o de una malla curricular para la carrera de Traduccio´n/Interpretacio´n en Idiomas Extranjeros. Una adecuacio´n para Chile. In: Eliana Fischer, Eva Glenk und Selma Meireles (Hg.), Akten des XI. Lateinamerikanischen Germanistenkongresses, 413⫺418. Band 3. Sao Paulo: Monferrer. Cziesla, Wolfgang 2001 Deutschunterricht und Germanistikstudium in Chile. In: Gerhard Helbig, Lutz Götze, Gert Henrici und Hans-Jürgen Krumm (Hg.), Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch, Band 2, 1457⫺1464. Berlin: de Gruyter. Aufgesuchte Webseiten Programm El Alema´n Abre Puertas: http://www.aleman.mineduc.cl/deutsch.html.
Ginette Castro, Concepcio´n (Chile)
187. Deutsch in China
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187. Deutsch in China 1. Deutsch an Hochschulen 2. Deutsch an Schulen 3. Literatur in Auswahl
1.
Deutsch an Hochschulen
1.1. Anänge und Entwicklung Die Geschichte von Deutsch als Fremdsprache in China reicht bis in das Jahr 1871 zurück. Mit dem Ziel, Dolmetscher für den diplomatischen Dienst auszubilden, wurde Deutsch in den Fächerkanon der im Jahre 1862 gegründeten kaiserlichen Pekinger Fremdsprachenhochschule (Tongwenguan) integriert. Dort lehrte man die deutsche Sprache neben Englisch, Russisch, Französisch und später auch Japanisch eng verknüpft mit anwendungsorientierten Fächern aus den Bereichen Mathematik, Naturwissenschaften, Jura und Ökonomie. Nachdem Deutschland 1897 die Jiaozhou (Kiautschou)-Bucht in der Provinz Shandong besetzt hatte, entstanden Schulen und Hochschulen nach dem deutschen Bildungssystem in Qingdao, Hankou und Shanghai. Ihre Absolventen sollten der deutschen Industrie neue Absatzmärkte erschließen und langfristig sichern. Deutsch als Fremdsprache erfüllte dafür eine Art Zubringerfunktion. Einen Sonderfall, der von diesem Muster abwich, bildete die Germanistik vor 1949: Sie war eng mit der Bewegung des Vierten Mai (Wu-si yundong) von 1919 verbunden: Die Aufwertung der Umgangs- gegenüber der alten Literatursprache, eine neue umgangssprachliche Literatur, die Betonung des Individuums und die umfassende Verbreitung westlicher Philosophie und Erziehungswissenschaft waren nur einige Eckpunkte auf dem Weg in eine moderne, westlich orientierte Gesellschaft, die den Intellektuellen als einzige Chance für die Zukunft erschien. Das Studium deutscher Literatur in einem ersten Germanistik-Studiengang, der 1922 an der Universität Peking eingerichtet worden war, verfolgte diesen anspruchsvollen Weg: Nach einem zweijährigen Sprachenpropädeutikum bildeten deutsche Klassiker, zum Beispiel Goethe, Lessing aber auch Theodor Storm sowie mediävistische Inhalte (Gotisch, Althochdeutsch) die Hauptinhalte des damaligen, vier weitere Studienjahre umfassenden Germanistikstudiums. Doch ehe das Fach Deutsch und die Germanistik als Institutionen in China richtig Fuß fassen konnten, verschwanden sie in den 1930er Jahren unter dem Regime der Guomindang Tschiang Kai-Sheks (1887⫺1975) bereits wieder. Aus dieser Zeit blieb vor allem Schriftliches: Literaturlexika und Literaturgeschichten wie Deguo wenxue (Das ABC der deutschen Literatur) von Li Jinfa (1928) oder Deyizhi wenxue shi (Die Geschichte der deutschen Literatur) von Xu Xiangsen, Übersetzungen und interpretatorische Auseinandersetzungen mit Faust, Werther, Wallenstein, Immensee und den Heine-Gedichten. Probleme, die sich aus der täglichen Sorge um den Lebensunterhalt ergaben, zwangen die damaligen Germanisten, Unterricht in der deutschen Sprache als zweite oder dritte Fremdsprache zu geben. Ihr eigentliches, institutionsloses Fach, die Germanistik, konn-
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
ten sie dabei allerdings nicht lehren. Unterricht in Deutsch als Fremdsprache wurde zum Alltag. Das hat sich bis heute für die überwiegende Zahl chinesischer Germanisten nicht geändert. Mit der Gründung der Volksrepublik China 1949 verschmolzen Germanistik und Deutsch als Fremdsprache zusehends. Der Aufbau des neuen sozialistischen Staates stand in den frühen 1950er Jahren in fester ökonomischer wie politischer Abhängigkeit von der UdSSR. Damit war der Weg geebnet für eine Zusammenarbeit auch mit den sozialistischen Staaten Ost- und Mitteleuropas, u. a. auch mit der DDR, die sich an der geografischen Grenze zur amerikanischen „Ideologie des Imperialismus“ (Machetzki 1982) befand. An der Fremdsprachenhochschule Peking (1949), der heutigen FremdsprachenUniversität, der Universität Nanjing (1947 bzw. 1952), der Universität Peking (1952) und der Fremdsprachenhochschule und jetzigen Fremdsprachen-Universität Shanghai (1956) wurden die ersten Germanistik-Abteilungen eingerichtet. Konferenzen zur Übersetzungsarbeit (1951) und zur literarischen Übersetzung förderten die Übersetzungstätigkeit als Schwerpunkt der jungen volksrepublikanischen Germanistik. In Zusammenarbeit mit der DDR wurde sozialistische deutsche Literatur wie zum Beispiel Werke von Anna Seghers, Berthold Brecht, dem jungen Stefan Heym oder Friedrich Wolfs Dramen übersetzt und ein umfassender Überblick über die deutsche Literatur vom Hochmittelalter bis in die Gegenwart zu entwerfen. Mit der ersten Phase der Kulturrevolution (1966⫺1976) zwischen 1966 und 1970 kam der Hochschulbetrieb faktisch zum Erliegen. Germanisten und Deutschlehrer wurden wie die meisten Intellektuellen zur körperlichen Arbeit auf das Land geschickt, wo sie weiter übersetzten und sich mit der deutschen Sprache beschäftigten. Nach 1970, in der zweiten Kulturrevolutionsphase, erteilte man an den sogenannten Arbeiter-Bauern-Soldaten (ABS)-Hochschulen wieder deutschen Sprachunterricht, um sprachkundige Mittler für den Maoismus-Export in die deutschsprachigen Länder auszubilden. Damit erhielt der Deutschunterricht wieder einen neuen praktischen Zweck.
1.2. Gegenwärtige Situation und Tendenzen In den 1980er und 1990er Jahren hatte das Fach Deutsch wieder einen festen Platz an den Hochschulen. In China besteht bis heute keine strikte Trennung zwischen DaF und Germanistik, denn Germanisten sind in der Regel immer auch als Deutschlehrer aktiv ⫺ lehrend und forschend. DaF blieb jedoch ein „Orchideenfach“, das fast nur als Hauptfachstudiengang (Germanistik) mit konstant ca. 1200⫺1600 Studierenden (Hernig 2000: 137) eine fachwissenschaftliche Bedeutung hatte. Chinesischen Statistiken zufolge lernten Mitte der 1990er Jahre rund 16500 Hochschulstudierende studienbegleitend Deutsch. Im Rahmen germanistischer Forschung wurden erstmals Publikationen rund um Fragestellungen der Methodik und Didaktik Deutsch als Fremdsprache verfasst. Insgesamt traten drei Arbeitsschwerpunkte auf: ⫺ Rezeption und Anwendung westdeutscher Didaktik und Methodik in China ⫺ Versuche zur Nutzbarmachung kontrastiver Linguistik für Sprachlernprozesse ⫺ Curriculumforschung einschließlich Fehleranalyse mit der Lehrwerkentwicklung als Abschluss.
187. Deutsch in China
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Im 21. Jahrhundert hat sich DaF als Hauptfach numerisch stark entwickelt. Gegenwärtig studieren nach Schätzungen des Goethe-Instituts Peking knapp 6000 Chinesen als Hauptfach-Deutschlernende an 46 Hochschulen und Universitäten (www.germancn. com), weitere 20.000 Studierende lernen in Intensiv- und Extensivkursen Deutsch. Daten über aktuelle Lernerzahlen sollen nach 2009 erhoben werden. Hochschuldeutschunterricht in China verfolgt vor allem vier Ausbildungsziele: ⫺ Mittler in Sachen Sprache und Kultur für die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen zu qualifizieren ⫺ Deutschlehrer auszubilden ⫺ Studierende und Graduierte auf ein Fachstudium in den deutschsprachigen Ländern vorzubereiten ⫺ eine zusätzliche Sprachprüfung (Nebenfach) zu bestehen, nicht unbedingt mit dem Ziel eines Auslandsstudiums verbunden. Für die unterschiedlichen Formen von Deutschunterricht an Hochschulen: a) DaF als Hauptfachstudium (Germanistik), b) DaF als anwendungsorientiertes Nebenfach, c) DaF in Intensivkursen richtete das Pekinger Bildungsministerium (jiaoyu bu) eigene Kommissionen ein, die neue Curricula entwickeln, landeseinheitliche Prüfungen ausarbeiten oder neue Lehrwerke konzipieren. Wichtige Lehrwerke sind Studienweg Deutsch, das neue landesweit eingesetzte Standardlehrwerk für Hauptfach-Deutschstudenten und Klick auf Deutsch, das vor allem für Lerner, die studienbegleitend Deutsch lernen, in enger Kooperation mit dem Goethe-Institut erstellt wurde. Grundsätzlich sind es die Lehre der deutschen Sprache und die mit ihr verbundenen kulturellen Besonderheiten der deutschsprachigen Länder, denen das Interesse chinesischer Fachvertreter heute gilt. Junge Deutschlerner und Germanisten sollen verstärkt sprachliche Handlungsfähigkeit und Handlungsfähigkeit zwischen den Kulturen erwerben. Hauptfachgermanisten wie Absolventen von Intensiv- wie Extensivkursen sollen verstärkt befähigt werden, den kulturellen Gewohnheiten der deutschsprachigen Länder gemäß sprachlich angemessener agieren zu können. Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen (GER), der in chinesischer Übersetzung vorliegt, gilt als mittlerweile weit verbreitete Richtlinie dafür, wie diese Handlungsfähigkeit in allen Formen des Deutschunterrichts an Hochschulen, verbessert werden kann, ohne dass eine vollständige Ausrichtung des Hochschuldeutschunterrichts nach dem GER erwünscht ist (Qian, Wei, Wei und Kong 2008: 35⫺37 In Bildungsfragen liegt die Betonung sehr stark auf eigenen Bedürfnissen, denen ausländisches Material oder auch Richtlinien anzupassen sind. Zweiter Schwerpunkt in China ist seit einigen Jahren die Diskussion um verstärkte Einbeziehung eigenkultureller Besonderheiten in den interkulturellen Vergleich mit den deutschsprachigen Ländern, etwa in Form einer wissens- und handlungsorientierten interkulturellen Landeskunde, wie u. a. Li (2009) sie vertritt. Vor dem Hintergrund eines starken kulturellen Eigengefühls in China, das sich nach Öffnung des Landes und den anschließenden wirtschaftlichen Erfolgen der letzten Jahre verstärkt hat, wirkt diese Tendenz konsequent. Entsprechend neu ausgerichteter DaF-Unterricht soll Wissen und Bewusstsein für eigene und fremde Verhaltensweisen erzeugen, um selbständiger im Ausland oder im Direktkontakt mit Muttersprachlern zu handeln.
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
2. Deutsch an Schulen 2.1. Anänge und Entwicklung Der schulische Deutschunterricht in China war und ist eng verbunden mit den Bedürfnissen des Hochschulwesens. Schulen, die Sprachenunterricht außer Englisch anbieten, erfüllen bis heute häufig die Funktion einer Vorbereitungsanstalt (prepschool, yubei xuexiao) für einschlägige Fremdsprachen- oder Technikstudiengänge. Dieses Modell ist rund 100 Jahre alt und begann mit den ersten polytechnischen Mittelschulen, die mit deutscher Initiative zwischen 1907 und 1910 in verschiedenen Städten entstanden (Hess 1992: 370). Die erste wirtschaftliche Expansion Deutschlands in China mit Hochschulgründungen im noch kolonialen Qingdao, in Hankou und in Shanghai benötigte sprachlich gut vorgebildete Kandidaten. Mit dem Niedergang der ausländischen Bildungsinstitutionen bzw. der Eingliederung in das sozialistische Bildungswesen nach 1949, verlor der Deutschunterricht als Vorbereitungsfach zum Studium stark an Substanz. Autoren wie KahnAckermann (1991) zogen daher zu Beginn der 1990er Jahre noch die Bilanz, dass DaF an Schulen „praktisch nicht mehr angeboten“ (Hess 1992: 374) werde. Das stimmte nicht ganz, denn immerhin hatte sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts an jenen, damals wenigen, Schulen, die den Fremdsprachenuniversitäten angeschlossen waren, Deutsch als erste und zweite Fremdsprache erhalten bzw. nach 1949 etabliert. Das System dieser Schulen funktioniert nach dem System des Drachens (yi tiao long xitong). Vom Schwanz des Drachens, also der Schule an, sollen fremdsprachenkundige Mittler mit hohem Sprachniveau bis zur Graduiertenstufe an der Hochschule (Master), dem Kopf des Drachens also, ausgebildet werden (vgl. Hess 1992: 374).
2.2. Gegenwärtige Situation und Tendenzen Dieses System, das Deutsch als erste Fremdsprache in den Mittelpunkt stellt, wird bis heute erfolgreich fortgeführt. Im Jahr 2005 durften erstmals Absolventen einer Fremdsprachenmittelschule in Shanghai nach bestandenem Deutschen Sprachdiplom Stufe 2 (DSD II) ohne die obligatorische Hochschulaufnahmeprüfung und ein Studienjahr in China direkt an deutschen Hochschulen studieren. Bis 2009 wurde nach Informationen der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) an 28 Fremdsprachenschwerpunktschulen Deutsch als erste Fremdsprache für 2500 Deutschlerner erteilt. Ein weiterer Ausbau wird in den nächsten Jahren erfolgen und von der ZfA gefördert. Die Deutschen Sprachdiplome Stufe I und II (DSD I und DSD II) der Kultusministerkonferenz werden flächendeckend eingeführt und der Deutschunterricht mit neuen Materialien, Fachberatern und Programmlehrkräften intensiviert. Seit den ersten Jahren des 21. Jahrhundert setzen auch das Bildungsministerium in Peking und einzelne regionale Bildungsbehörden auf Mehrsprachigkeit an allgemeinbildenden Mittelschulen von Klasse 7⫺12. Nur zwei Jahre nach dem europäischen Jahr der Sprachen 2001 begann die Erziehungsbehörde Shanghai, als sogenannte kleine Sprachen vor allem die europäischen Sprachen Deutsch, Französisch und Spanisch neben dem Japanischen, Koreanischen und Arabischen verstärkt an den Schulen zu etablieren. Das Konzept Deutsch nach Englisch ist daher seit einigen Jahren für eine zunehmende Zahl
187. Deutsch in China
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von Mittelschulen relevant, die mit wenig Raum im dichten Curriculum Deutsch als zweite Fremdsprache eingeführt haben. Zwischen 2003 und 2005 begannen in Shanghai allein 17 allgemeinbildende Schulen offiziell (Zhao Caixin auf dem Chinesisch-Deutschen Bildungsforum vom 3.März 2005 in Hamburg) mit dem Deutschunterricht. Mit dem weltweiten Projekt Schulen ⫺ Partner der Zukunft (www.pasch.de) der deutschen Bundesregierung wurde der Unterricht des Deutschen als erster und zweiter Fremdsprache an allgemeinbildenden Mittelschulen seit 2008 in ganz China weiter gefördert und verstärkt. Shanghai begann im Jahre 2004 als Provinz Chinas das Konzept der Mehrsprachigkeit mit Wahlkursangeboten in den kleinen Sprachen (xiao yuzhong) außer Englisch flächendeckend durchzusetzen. Allein die Abteilung Kultur und Bildung des Deutschen Generalkonsulats Shanghai, die die Aufgaben eines Goethe-Instituts wahrnimmt, betreute bis Ende 2008 20 Mittelschulen allein in Shanghai, an denen 2550 Schülerinnen und Schüler Deutsch in der Regel als zweite Fremdsprache nach Englisch lernten. Bemerkenswert daran ist, dass diese Entwicklung an den allgemeinbildenden Schulen Chinas eine Bildungsbewegung von unten war. Besorgt und entschlossen zugleich schauten die ehrgeizigen Eltern vieler Einzelkinder auf die mehr als 1200 deutschen Unternehmen allein im Großraum Shanghai (rund 45 % aller deutschen Unternehmen in China) und forderten die Einführung der deutschen Sprache an der Schule ihrer Kinder. Die Schulleiter folgten dem Interesse der Erziehungsberechtigten und räumten ⫺ meist auf Versuchsbasis ⫺ Platz für Deutsch in den oft rund 40 Unterrichtseinheiten pro Woche umfassenden Stundeplänen frei. Die meisten der neuen Deutsch-Lernangebote sind an den Oberschulen angesiedelt, die Unterricht für die Klassen 10⫺12 anbieten. Hier wurden für besonders begabte Englisch-Schülerinnen und -Schüler Möglichkeiten eingeräumt, zwei bis max. sechs Wochenstunden Deutsch zu lernen. Weitere Angebote Deutsch als zweite Fremdsprache findet man an den sogenannten Junior High Schools, den Unterstufenschulen, die Unterricht der Klassen 7⫺10 anbieten und, sehr vereinzelt, sogar in den letzen Klassen 4⫺6 von Grundschulen. Die beste Grundlage, extensiven und daher vom Lernumfang halbwegs ausreichenden Deutschunterricht anzubieten, bieten Mittelschulen, die sowohl über Unter- als auch Oberstufen verfügen. Sie bieten ihren Schülern Angebote von 2⫺4 Stunden Deutsch pro Woche. Nur an solchen Schulen kann mit max. 800 Stunden Deutsch über fünf Jahre ein Niveau erreicht werden, das Mittelstufen-Deutsch-Prüfungen oder ersten Sprachdiplomen ausreichend Stoff gibt. Viele Schulen können wegen des Drucks der obligatorischen Hochschulaufnahmeprüfung (gaokao) nach Klasse 12 gerade einmal 160 Stunden oder noch weniger Deutsch über 2 Jahre anbieten. Außer muttersprachigen Lehrkräften unterschiedlicher Qualifikation haben erste Germanistik-Absolventen Teile des schulischen Deutschunterrichts übernommen. Allerdings fehlt es ihnen in der Regel an methodisch-didaktischer Ausbildung und einem soliden Stellenprofil, das das Lehramt an Schulen attraktiv macht. Da es kaum Möglichkeiten gibt, sich mit dem Fach Deutsch für die Hochschulaufnahmeprüfung zu qualifizieren oder sich darin prüfen zu lassen, ist der Erfolg des neuen Faches zumindest in der Oberstufe der Schulen ohnehin fraglich. In Shanghai machen sich immerhin erste Vereinheitlichungstendenzen bemerkbar: Ein erstes Lehrwerk für Lernanfänger wurde von der Erziehungskommission der Stadt verbindlich für alle Schulen mit Deutsch-nach-Englisch-Unterricht vorgeschrieben.
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3. Literatur in Auswahl Hernig, Marcus 2000 China und die interkulturelle Germanistik ⫺ Kulturvergleich, Interkulturalität und Interdisziplinarität im Rahmen der chinesischen „Wissenschaft vom Deutschen“. Einzelfallstudien zur Situation und Entwicklung der chinesischen Germanistik. München: iudicium. Hess, Hans Werner 1992 Die Kunst des Drachentötens. Zur Situation von Deutsch als Fremdsprache in der Volksrepublik China. München: iudicium. Kahn-Ackermann, Michael 1991 Der Stand der Deutschausbildung in China. Prisma 1: 33⫺35. Li, Yuan im Druck Interkulturelle Landeskunde ⫺ Eine kritische Analyse. Tagungsband „Deutsch als Fremdsprache aus internationaler Perspektive“. München: iudicium. Machetzki, Rüdiger 1982 Geschichte und Gegenwart der deutsch-chinesischen Kulturbeziehungen. In: Rüdiger Machetzki (Hg.), Deutsch⫺chinesische Beziehungen ⫺ Ein Handbuch, 207⫺249. Hamburg: Institut für Asienkunde. Qian, Minru, Maoping Wei, Yuqing Wei und Deming Kong 2008 Dangdai Zhongguo Deyu zhuanye gangling yu moshi [Richtlinien und Formen des Deutschstudiums in China heute]. In: Minru Qian, Maoping Wei, Yuqing Wie und Deming Kong (Hg.), Dangdai Zhongguo Deyu zhuanye jiaoyu yanjiu baogao [Forschungsbericht zur Lage der Lehre im Rahmen des heutigen Deutschstudiums in China], 1⫺103. Shanghai: Foreign Language Education Press. Webseite chinesischer Germanisten und Deutschlerner rund um die deutsche Sprache in China (30. 12. 2009). http://www.germancn.com/?Lang⫽de.
Marcus Hernig, Shanghai (China)
188. Deutsch in Dänemark 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Regionalbezug und Rolle des Deutschen in Dänemark Träger von Deutschunterricht, Deutschlehrerausbildung, Deutschlehrerfortbildung Entwicklungslinien, Chancen und Probleme Schwerpunkte in der Lehrerausbildung und Germanistik-/DaF-Ausbildung Wichtige Schwerpunkte der Forschung Kurze Einschätzung von Zahlen und Tendenzen Literatur in Auswahl
1. Regionalbezug und Rolle des Deutschen in Dänemark Seine Bedeutung verdankt Deutsch in Dänemark einer Reihe von Umständen: Positiv zu Buche schlagen die Nachbarschaft (Sprachkontakt im Grenzraum); der massive Un-
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terschied in der Sprecheranzahl (etwa 5,5 Mill. SprecherInnen im dänischen gegenüber schätzungsweise 100 Mill. im deutschen Sprachraum), der dazu führt, dass ⫺ außer Englisch als lingua franca kommt zum Einsatz ⫺ die Kommunikation i. d. R. in der Sprache des größeren Sprachraums erfolgt; die wirtschaftlichen Beziehungen (Deutschland ist Dänemarks wichtigster Handelspartner); die ökonomische Stärke von Deutsch; und eine enge Verwandtschaft der dänischen und der deutschen Sprache, die vor allem durch das für Dänisch zu erheblichen Teilen aus unterschiedlichen Formen des Deutschen stammende Wortgut zum Vorschein kommt und Ausdruck eines jahrhundertealten kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Austausches ist. Allerdings halten kriegerische Auseinandersetzungen der Vergangenheit sowie eine Voreingenommenheit gegenüber der perzipierten (mangelnden) Ästhetik und der schwierigen Erlernbarkeit ein überwiegend negativ besetztes Image der deutschen Sprache am Leben (Bense 2003). Alles in allem kann sich die Beliebtheit der deutschen Sprache in Dänemark daher nicht mit dem ihr gebührendem Stellenwert (vgl. zum immer wieder nachgewiesenen Fremdsprachenbedarf, insbesondere für Deutsch, auch Verstraete-Hansen 2008: 10⫺16) messen.
2. Träger von Deutschunterricht, Deutschlehrerausbildung, Deutschlehrerortbildung Deutsch muss an allen Grundschulen (dänische Einheitsschule 1.⫺9./10. Klasse) Dänemarks ab der 7. Klasse als Pflichtwahlfach (als erste Fremdsprache ist Englisch ab der 3./4. Klasse Pflichtfach) angeboten werden. Trotz Rückgangs und der Alternative Französisch nehmen über 80 % der SchülerInnen dieses Angebot wahr, so dass prinzipiell die weiterführenden Bildungswege (Gymnasium, Pädagogische Hochschule (dän.: seminarium), Universität) auf einer breiten Basis stehen. Allerdings leidet der Deutschunterricht in der Grundschule aus den in Abschnitt 1 erwähnten Gründen sowie wegen der Tatsache, dass viele LehrerInnen, die Deutsch unterrichten, aus der Pädagogischen Hochschule ausschließlich pädagogische, aber keine deutschspezifischen Qualifikationen mitbringen, unter Qualitätsengpässen (Bense 2003). Im Gymnasium (10./11.⫺13./14. Klasse) wird Deutsch entweder als Anfänger- oder als Fortgeschrittenenunterricht angeboten. Da Deutsch trotz aller rückläufigen Tendenzen nach Englisch doch eine relativ solide Position als zweite Fremdsprache hat, wird Deutsch von vielen gewählt. DeutschlehrerInnen werden an Pädagogischen Hochschulen in einer 4-jährigen Ausbildung qualifiziert. Ein Hochschulstudium in Deutsch lässt sich an den Universitäten und Wirtschaftsuniversitäten absolvieren und ist normalerweise eine Voraussetzung für die Lehrtätigkeit an Gymnasien. Die Fortbildung von DeutschlehrerInnen erfolgt vornehmlich im Rahmen der Pädagogischen Universität Dänemarks.
3. Entwicklungslinien, Chancen und Probleme Angesichts der Wichtigkeit von Deutsch in Dänemark lässt die Entwicklung der letzten Jahre Besorgnis von Seiten unterschiedlicher Akteure zum Ausdruck kommen. Auf breiter Front ist die Fremdsprachenausbildung im Gymnasialbereich empfindlich beschnitten
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worden, so dass beispielsweise der Anteil von Deutsch-Lernenden dramatisch gesunken ist (Nielsen 2007) sowie auch das Volumen (Stundenanzahl) in Deutsch erheblich reduziert worden ist. Obwohl der von der Politik in diesem Jahrzehnt konsequent vorangetriebene Neoliberalismus u. a. die Umstellung der Hochschulforschung auf „gesellschaftlichen Nutzwert“ (vgl. Zint-Dyhr und Colliander 2006: 8⫺9) nach sich gezogen hat, haben die Deutschausbildung und das Fach Deutsch, vor allem im Grundschul- und Gymnasialbereich, deutlich unter den Reformen auf diesem Gebiet gelitten. Nicht nur die Fach- und Verbandsmedien der Lehrerverbände (Meddelelser fra Tysklærerforeningen, WissensWert, SPROGFORUM ) äußern vehement Kritik, sondern auch Behörden und Ministerien selbst räumen nun teilweise ein, dass eine Anpassung bzw. Abfederung der Reform notwendig ist. Verstärkt wird die reformbedingte Abwertung von Deutsch zusätzlich sowohl durch die ständige quantitative Aufwertung von Englisch zu Lasten anderer Fremdsprachen als auch durch die rückläufige Berücksichtigung von grundlegendem linguistischen Metawissen sowie Können zu Gunsten von pragmatisch-kommunikativen Fertigkeiten. Hoffnung verspricht in diesem Zusammenhang u. U. eine sich zurzeit vollziehende kleine didaktische Revolution, bei der unterschiedliche Wissenserwerbsformen (Lernstile, Dunn und Griggs 2003) als gleichwertig akzeptiert werden. Gerade für den Deutschunterricht, der traditionell mit grammatisch-morphologischem Drill konnotiert wird, könnte eine solche didaktische Neuorientierung eine Chance für die Entrümpelung eines Faches mit konservativ-negativem Image bieten.
4. Schwerpunkte in der Lehrerausbildung und Germanistik-/DaFAusbildung In gewisser Weise hat sich die pragmatische Wende auch im Deutsch-Unterricht niedergeschlagen. Lehrpläne für das Gymnasium betonen ⫺ wenn auch DaF in der ministeriellen Bekanntmachung als gleichwertiges Fertigkeits-, Wissens- und Kulturfach ausgewiesen wird ⫺ zusehends die kommunikativen Fähigkeiten auf Kosten der eigentlichen Sprachkorrektheit, vor allem der Morphologie (Bense 2003: 39⫺45, 49⫺56). Die oft mangelhaften Grundkenntnisse (Fabricius-Hansen 2006: 68) ziehen sich durch das gesamte Bildungssystem hindurch (Bense 2003) und müssen an den Hochschulen mit entsprechenden Auffangmaßnahmen nachgeholt werden. Bei der insgesamt rückläufigen Stundenanzahl im gesamten Bildungssystem wird den deutlich beliebteren Teilelementen wie Landeskunde oder interkultureller Kommunikation mehr Platz eingeräumt als den deutlich notwendigeren sprachlichen Fähigkeiten.
5. Wichtige Schwerpunkte der Forschung Obwohl DaF in Dänemark durchaus den Stellenwert einer eigenen Disziplin besitzt, ist die Forschung in diesem Bereich dennoch schwierig einzugrenzen. Daher werden im Folgenden DaF-relevante Forschungsbereiche exemplarisch aufgeführt. Grammatik ist die klassische Forschungsdisziplin von DaF in Dänemark, vgl. z. B. Übersichtsdarstellungen wie die Grammatik von Lauridsen und Poulsen (1995), rezeptionsgrammatische
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Arbeiten (Ditlevsen 2000) oder etwa für das Sprachenpaar Deutsch-Dänisch spezifische syntaktische Problembereiche (z. B. Bruun Hansen 2001). Im Zuge der wirtschaftlichen Nutzbarmachung von akademisch erworbenen Deutschkenntnissen spielt die Forschung im Bereich Wirtschaftskommunikation eine immer größere Rolle (Überblick bei Nielsen 2003). Colliander und Hansen (2002) mit ihrem sprechakttheoretischen Herangehen an Geschäftsbriefe seien hier exemplarisch genannt. Ein Vertreter der text(sorten)linguistischen Forschung, die sich auch didaktisch umsetzen lässt, ist Nielsen (2006). Auch lexikographische Forschung ist für DaF ein wichtiges Gebiet (z. B. Barz, Bergenholtz und Korhonen 2005). Kultur (z. B. Bohnen und Schlosser 2004) und Literatur (z. B. Pinkert 2008) gehören ebenfalls zum Inventar dänischer DaF-Forschung. DaZ ist vor allem im Grenzland, wo eine deutsche Minderheit von etwa 15.000 Deutsch eher als DaZ denn als DaF erwirbt, von Bedeutung, vgl. dazu im Überblick Pedersen (2001).
6. Kurze Einschätzung von Zahlen und Tendenzen Aufgrund der Geburtenzahlen dürfte zumindest mittelfristig der Zufluss von Deutschlernenden in der Grundschule konstant bleiben oder gar ansteigen. In den Gymnasialstufen ist dafür der Effekt der Reform in der Form von stark rückläufigen Deutschlernerzahlen sehr deutlich zu spüren. Im Hochschulwesen ist die Anzahl von Deutschstudenten schwankend, aber auf einem akzeptablen Niveau, obwohl bereits einzelne Masterstudiengänge in Deutsch stillgelegt wurden. Hier lässt sich hier u. U. ein weiterer Rückgang erwarten, weil sich die rückläufige Quote aus den Gymnasien erst mit einigen Jahren Verspätung in der Anzahl der Studienanfänger niederschlägt.
7. Literatur in Auswahl Barz, Irmhild, Henning Bergenholtz und Jarmo Korhonen 2005 Schreiben, Verstehen, Übersetzen, Lernen. Frankfurt a. M.: Lang. Bense, Elisabeth 2003 Tysk i Danmark ⫺ Perspektiver for fagets udvikling. Roskilde: Roskilde Universitetscenter. Bohnen, Klaus Wilhelm A. und Jan Tødtloff Schlosser (Hg.) 2004 Übersetzung als Kulturvermittlung ⫺ im deutsch-dänischen Kontext. København, München: Fink. Bruun Hansen, Agnete 2001 Zum Problem einer Grammatik für den DaF-Unterricht des Grundstudiums an dänischen Hochschulen ⫺ demonstriert am Beispiel es. In: Peter Colliander (Hg.), Linguistik im DaF-Unterricht, 77⫺99. Frankfurt a. M.: Lang. Colliander, Peter und Doris Hansen 2002 Sproghandlinger i tysk. 2. Auflage. København: Handelshøjskolens Forlag. Ditlevsen, Marianne Grove 2000 Die Verständlichkeit von deutschen Fachtexten am Beispiel der Substantivphrase. Deutsch als Fremdsprache 2: 82⫺86. Dunn, Rita und Shirley A. Griggs (Hg.) 2003 Synthesis of the Dunn and Dunn Learning-Style Model Research. Who, What, When, Where, and So What? New York: St. John’s University.
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
Fabricius-Hansen, Cathrine 2006 Auslandsgermanistik ⫺ Germanistik im Ausland? Deutsch als Fremdsprache 2: 67⫺70. Lauridsen, Ole und Sven-Olaf Poulsen 1995 Tysk Grammatik. København: Munksgaard. Nielsen, Lars 2007 Reformundersøgelse. WissensWert 1: 14⫺16. Nielsen, Martin 2003 Internationale Wirtschaftskommunikation auf Deutsch: Forschung und Lehre in Dänemark ⫺ eine Bestandsaufnahme. In: Ewald Reuter und Marja-Leena Piitulainen (Hg), Internationale Wirtschaftskommunikation auf Deutsch, 103⫺124. Frankfurt a. M.: Lang. Nielsen, Martin 2006 Speech acts in sales letters. In: Inger Askehave und Birgitte Norlyk (Hg.), Meanings and ˚ rhus: Academica. Messages. Intercultural Business Communication, 151⫺170. A Pedersen, Karen Margrethe 2001 Sprog og identitet i grænseregionen. In: Susanne Bygvra˚, Carsten Yndigegn Hansen, Jørgen Kühl, Karen Margrethe Pedersen, Troels Rasmussen und Michael Schack (Hg.), Grænseregionsforskning 1976⫺2001, 221⫺240. Aabenraa: Institut for Grænseregionsforskning. Pinkert, Ernst-Ullrich 2008 Ach die Dänen mit ihrem ewigen Heine: Aspekte der Wirkungsgeschichte Heines in Dänemark im 19. Jahrhundert. In: Christa Grimm, Ilse Nagelschmidt und Ludwig Stockinger (Hg.), Exemplarische AutorInnen und Texte in der interkulturellen Kommunikation, 63⫺ 75. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag. Verstraete-Hansen, Lisbeth 2008 Hvad skal vi med sprog? Holdninger til fremmedsprog i danske virksomheder i et uddannelsespolitisk perspektiv. København: Copenhagen Business School. Zint-Dyhr, Ingeborg und Peter Colliander 2006 Auslandsgermanistik ⫺ Inlandsgermanistik ⫺ Interferenz ⫺ Disjunktivität ⫺ Komplementarität. Deutsch als Fremdsprache 1: 7⫺13.
Martin Nielsen, A˚rhus (Dänemark)
te d Ivoire 189. Deutsch in Elenbeinküste/Co 1. 2. 3. 4.
Deutschunterricht in der Sekundarstufe Deutschlehrerausbildung und Germanistik an der Hochschule Entwicklungslinien, Chancen und Probleme des Deutschangebots Literatur in Auswahl
1. Deutschunterricht in der Sekundarstue In Coˆte d’Ivoire/Elfenbeinküste ist Französisch Unterrichtssprache auf allen Schulebenen. Bisher ist keine einheimische Sprache in das Schulsystem aufgenommen worden, obwohl die Machthaber den Willen haben, die wichtigsten lokalen Sprachen wie etwa
189. Deutsch in Elfenbeinküste/Coˆte d’Ivoire
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Baoule´, Be´te´ und Dioula unterrichten zu lassen. Da die Schule in Coˆte d’Ivoire dem französischen System folgt, stehen europäische Fremdsprachen auf dem Schulprogramm. Seit 1957 wird Deutsch als zweite Fremdsprache nach Englisch in den ivorischen Schulen unterrichtet. In den Anfangsjahren wurde es sogar in manchen Schulen als erste Fremdsprache vor Englisch angeboten. Seit der Schulreform im Jahr 1977 ist Englisch alleinige erste Fremdsprache ab der ersten Klasse der allgemeinen Sekundarschule (6e`me), Deutsch oder Spanisch werden als zweite Fremdsprache ab der dritten Klasse (4e`me) erlernt. In den staatlichen Schulen ist die Wahl der zweiten Fremdsprache zwischen Deutsch und Spanisch nicht möglich; die Schüler werden von der Schulleitung einer deutschen oder spanischen Klasse zugewiesen, damit kein Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage beider Fremdsprachen entstehen kann. In den Privatschulen, wo die Lernenden jedoch die Wahl haben, lässt sich feststellen, dass Spanisch stärker nachgefragt wird als Deutsch, denn diese ⫺ wie Französisch ⫺ romanische Sprache erscheint den Eltern und damit auch den Schülern einfacher als Deutsch. Das Monopol des Englischen als alleinige erste Fremdsprache wird seit dem Schuljahr 2008⫺2009 wieder langsam aufgebrochen. In einigen Schulen wurde Deutsch als erste Fremdsprache unterrichtet und weitere Schulen werden in den nächsten Jahren folgen. Wie lange und in welchem Zeitvolumen pro Woche Deutsch als zweite Fremdsprache bisher nach dem BEPC (Brevet d’Etudes du Premier Cycle) angeboten wird, hängt von dem Schulzug ab. In den Zügen A und B wird Deutsch drei Stunden pro Woche unterrichtet und bleibt Pflichtfach bis zum Abitur. Hier ist Deutsch auch Abiturprüfungsfach. In den Zügen C und D wird Deutsch dagegen nur ein bis zwei Stunden pro Woche unterrichtet und bleibt nur bis zur Seconde (dritte Klasse der Sekundarschule) obligatorisch, danach ist es nur noch fakultativ (Böhm 2003: 283). Von seiner Einführung bis Ende der 1960er Jahre wurde der Deutschunterricht von französischen Deutschlehrenden abgehalten. Im Rahmen des „Frankophonen Programms“ der Bundesrepublik Deutschland traten deutsche Deutschlehrende die Nachfolge der Franzosen an. Zur gleichen Zeit unterstützte Deutschland die Deutschlehrerausbildung an der Pädagogischen Hochschule (Ecole Normale Supe´rieure). Dank dieser Kooperation liegt der Deutschunterricht heute ausschließlich in den Händen ivorischer Deutschlehrender. Von den ersten DeutschlehrerInnen sind manche inzwischen als Fachberater für Deutsch tätig. Ihre Arbeit besteht darin, die Deutschlehrenden landesweit bei methodisch-didaktischen Schwierigkeiten bei der Durchführung des Deutschunterrichts zu unterstützen. Im Rahmen der Lehrerfortbildung vor Ort arbeiten sie mit einem deutschen Fachberater und dem Goethe-Institut eng zusammen. Am Anfang wurde Deutsch mit französischen Lehrwerken unterrichtet, Ende der 1970er Jahre wurden sie durch das in deutsch-afrikanischer Kooperation entstandene regionale Lehrwerk „Yao lernt Deutsch“ abgelöst. Wegen dessen methodisch-didaktischen Mängeln und problematischen landeskundlichen und kulturellen Ansätzen wurde 1991⫺1995 in gleicher Kooperation das 4-bändige Lehrwerk „Ihr und Wir“ entwickelt. Anders als in Ländern wie etwa Algerien oder Südafrika, wo es nationale Lehrwerke gibt, wurden die angesprochenen Lehrbücher einheitlich für die Länder des frankophonen Afrika südlich der Sahara erstellt und dann manchmal mit landesspezifischen Varianten verwendet. „Yao lernt Deutsch“ hieß z. B. in Senegal „Abdou lernt Deutsch“. Das Goethe-Institut ist zurzeit der einzige Anbieter von Deutschkursen im außerschulischen Bereich. Die A1-Stufe ist aufgrund der deutschen Gesetze hinsichtlich der Familienzusammenführung und der Eheschließung sehr gut besucht. Die Stufen A2 und B1 können dagegen wegen geringer Nachfrage nur unregelmäßig stattfinden.
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
2. Deutschlehrerausbildung und Germanistik an der Hochschule Zehn Jahre nach der Einführung von Deutsch im ivorischen Schulsystem wurde 1967 die Deutschabteilung an der Universität Cocody-Abidjan gegründet. Im Rahmen des „Frankophonen Programms“ der Bundesrepublik Deutschland wurde diese Universität zu einem Standort für Germanistikstudierende aus dem frankophonen Schwarzafrika. Seit der Eröffnung einer eigenen Deutschabteilung sind ausschließlich ivorische Studierende für Deutsch an der Universität Cocody-Abidjan eingeschrieben. Als Folge der positiven Entwicklung des Germanistikstudiums in Coˆte d’Ivoire wurde im akademischen Jahr 1994⫺1995 eine Deutschabteilung an der Universität Bouake´ im Zentrum des Landes eröffnet. Die Universität Cocody-Abidjan hat das gleiche Curriculum wie die Universität Bouake´; letztere ist auf erstere angewiesen, denn sie hat nicht genügend Lehrende. Das Lehrangebot beider Deutschabteilungen deckt folgende Fachbereiche ab: Literaturwissenschaft, Sprachwissenschaft und deutsche Landeskunde. Um diese drei Fachbereiche organisiert sich auch die Forschung. Das Deutschstudium besteht aus drei Stufen: dem Grund-, Haupt- und Promotionsstudium. Grund- und Hauptstudium dauern jeweils zwei Jahre. Im letzten Jahr des Hauptstudiums (Maıˆtrise) haben die Studierenden die Wahl zwischen einem berufsbezogenen und einem forschungsorientierten Magisterstudium. Die Zulassung zum forschungsorientierten Magisterstudium, das mit dem Verfassen einer schriftlichen Abschlussarbeit endet und zum Promotionsstudium berechtigt, ist an bestimmte Bedingungen gebunden. Seit der Einführung des Promotionsstudiums 2003 sind im Februar 2009 die ersten beiden Dissertationen abgeschlossen worden (Diaby 2009; Souanga 2009). Die Deutschlehrerausbildung erfolgt hauptsächlich an der Pädagogischen Hochschule. Die Studierenden der Pädagogischen Hochschule müssen vorher an der Universität studiert haben. Das Lehramtstudium dauert zwei weitere Jahre und besteht aus literatur- und sprachwissenschaftlichen Fächern, wobei der Schwerpunkt auf Didaktik, Methodik und Pädagogischer Psychologie liegt. Nach einem theoretischen Jahr machen die Studenten während des zweiten Jahres ein Praktikum in einer Sekundarschule.
3. Entwicklungslinien, Chancen und Probleme des Deutschangebots Innerhalb des frankophonen Afrika nimmt Coˆte d’Ivoire eine besondere Stellung im Deutschunterricht und in der Germanistik ein, obwohl es kein Kulturabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und diesem westafrikanischen Land gibt. Als Schulfach konnte Deutsch seit der politischen Unabhängigkeit von Coˆte d’Ivoire (1960) seine Stellung ständig ausbauen, nicht zuletzt seit den 1980er Jahren. Böhm (2003: 282) zufolge stieg die Zahl der Deutschschüler von 40.983 Schülern im Jahre 1983 bis 1993 auf 72.000 Schüler und bis 1999 auf 113.552 Schüler. Im Jahre 2009 beträgt die Zahl der Deutschschüler wohl über 200.000. Wegen der militärisch-politischen Krise seit 2002 ist heute die Zahl der Deutschlernenden nicht ganz aktuell, da keine exakte Statistik für die Zone der Rebellion vorliegt. Aus der Statistik einer Forschungsarbeit von Bedi (2006: Anhang) geht deutlich hervor, dass Coˆte d’Ivoire im afrikanischen Vergleich die meisten
189. Deutsch in Elfenbeinküste/Coˆte d’Ivoire
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Deutschschüler hat. Mit der Wiedereinführung von Deutsch als erster Fremdsprache in der Sekundarschule ist mit einer raschen Progression der Deutschschülerzahl in den kommenden Jahren zu rechnen. Wie die Zahl der SchülerInnen hat sich auch die Zahl ihrer BetreuerInnen verändert. Allein in den staatlichen Schulen stieg die Zahl der Deutschlehrenden in den Jahren von 1995 bis 2001 von 533 auf 660 an. Unter Berücksichtigung der Lehrenden der Privatschulen, deren Zahl nicht genau bekannt ist, geht die Gesamtzahl der Deutschlehrenden in Coˆte d’Ivoire nach Schätzungen über 1.000 hinaus. Auch im Hochschulbereich hat Coˆte d’Ivoire die größte Anzahl von Deutschstudierenden im Afrika südlich der Sahara. 1999 studierten 1.250 Studenten Germanistik. Im Jahre 2009 erreicht allein die Zahl der Deutschstudierenden an der Universität CocodyAbidjan 1.200. An der Universität Bouake´ sind ungefähr 300 Deutschstudierende immatrikuliert. Die Pädagogische Hochschule hatte im akademischen Schuljahr 2008⫺2009 150 Studierende bzw. Praktikanten. In dieser Hochschule steigt die Zahl der Studierenden nicht konstant, sie geht manchmal sogar zurück, wenn der Lehrerbedarf nicht so akut ist oder wenn die finanzielle Situation des Landes die Einstellung einer großen Lehrerzahl nicht zulässt. Weil nicht alle Studierenden den Lehrerberuf ergreifen wollen bzw. werden, bietet die Deutschabteilung im Hauptstudium erste berufsbezogene Zusatzqualifikationen an. So werden einerseits fachspezifische Sprachkenntnisse für die Bereiche Tourismus und Wirtschaftsgeschichte vermittelt. Andererseits können die Studierenden Kurse für Verwaltungsrecht oder Kommunikation belegen. Ein Problem betrifft die Lehrwerke und die Unterrichtsmethoden, die nicht sehr kommunikativ orientiert sind, so dass die meisten Deutschlernenden trotz ihrer Deutschkenntnisse in einer kommunikativen Alltagssituation nicht immer erfolgreich sind. Mit dem regionalen Lehrwerk „Ihr und Wir Plus“, das zur Zeit bearbeitet wird, werden zukünftig kommunikativere Akzente im Unterricht gesetzt werden können. Trotz der angesprochenen Probleme hat Deutsch in Coˆte d’Ivoire Zukunft. Mit der Globalisierung der Welt lässt sich erwarten, dass die Zahl der Deutschlernenden weiter ansteigt. Nur eine fremdsprachenunfreundliche Schulreform, ein Rückgang der Geburten oder schlechte Berufsaussichten könnten die Zunahme der Zahl der Deutschlernenden und -studierenden in diesem Land bremsen.
4. Literatur in Auswahl Bedi, Lasme Elvis 2006 Deutsch in Afrika: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft. Hamburg: Verlag Dr. Kovac. Böhm, Michael Anton 2003 Deutsch in Afrika. Die Stellung der deutschen Sprache in Afrika vor dem Hintergrund der bildungs- und sprachpolitischen Gegebenheiten sowie der deutschen Auswärtigen Politik. Frankfurt a. M.: Lang. Diaby, Brahima 2009 La vocation de l’homme dans les œuvres d’Amadou Hampate´ Baˆ et dans „Individu et cosmos dans la philosophie de la renaissance“ d’Ernst Cassirer. Disseration, De´partement d’Allemand, Universite´ Cocody-Abidjan.
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
Souanga, Kouadio Denis 2009 La gene`se des conflits et les conditions d’une paix sociale durable chez Rolf Hochhuth. Disseration, De´partement d’Allemand, Universite´ Cocody-Abidjan.
Bechie Paul N’Guessan, Abidjan (Coˆte d’Ivoire)
190. Deutsch in Estland 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Rolle des Deutschen in Estland Träger des Deutschunterrichts Germanistik-/DaF-Studium Lehrerausbildung Forschung Zahlen und Tendenzen Literatur in Auswahl
1. Rolle des Deutschen in Estland Estland gehört zu den Ländern, in denen die deutsche Sprache auf eine lange Tradition zurückblicken kann: Seit dem 12. Jh. war das Deutsche hier die Sprache der Oberschicht. Als seit dem 19. Jh. eine estnische Intelligenz aufkam, spielte für sie das Deutsche bei der Vermittlung der Kenntnisse die entscheidende Rolle. Zu dem Zeitpunkt spielte in dieser Funktion die ebenfalls sehr dominante russische Sprache eher eine bescheidenere Rolle. Auch die Verselbstständigung der estnischen Sprache, ihre Entwicklung als Sprache der Wissenschaft, der Bürokratie etc. erfolgte vielfach in der Einflusssphäre des Deutschen. Im 20. Jh. ist die Rolle des Deutschen in Estland kontinuierlich zurückgegangen. Andere Sprachen, vor allem das Englische und das Russische, haben als Inspiratoren vielfach die frühere Rolle des Deutschen übernommen. Nach einer relativ stabilen Entwicklung des Deutschunterrichts nach dem Zweiten Weltkrieg, wo Deutsch neben Englisch und Französisch einen festen Platz unter den wählbaren Fremdsprachen einnahm ⫺ als erste Fremdsprache bzw. Staatssprache wurde an allen estnischen Schulen Russisch unterrichtet ⫺ kann man Mitte der 1990er Jahre in Estland einen kurzen Anstieg des Deutschunterrichts feststellen. Seit dem Ende der 1990er Jahre, Anfang des 21. Jhs. folgt dem Anstieg des Deutschen ein starker Rückgang, zugleich eine Konzentration auf die englische Sprache. Die staatlichen Curricula für die Hauptschule und das Gymnasium ermöglichen die Wahl der ersten Fremdsprache unter den vier folgenden Sprachen: Englisch, Deutsch, Russisch und Französisch. Obligatorisch ist für die Schüler auch die zweite Fremdsprache, fakultativ kann die Schule noch weitere Fremdsprachen (meistens auf der Gymnasialstufe) anbieten. Die erste und zweite Fremdsprache werden von den Schulen gewählt je nach ihren Möglichkeiten und den Wünschen der Schüler bzw. ihrer Eltern. Heutzutage ist das Englische den internationalen Tendenzen entsprechend fast konkurrenzlos die erste Fremdsprache (71 % als erste Fremdsprache, neben dem Estnischen als Zweitsprache in den russischsprachigen Schu-
190. Deutsch in Estland
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len mit 23 %), der Anteil des Deutschen beträgt zur Zeit lediglich 3 % als erste Fremdsprache. Da aus geopolitischen Gründen in Estland die russische Sprache verstärkt als zweite Fremdsprache gewählt wird (59 %), kommt das Deutsche vor allem als dritte Fremdsprache in Frage (56 %) (vgl. So˜star 2008).
2. Träger des Deutschunterrichts Es gibt in Estland einige allgemeinbildende Schulen mit erweitertem Deutschunterricht, die diese Tradition schon jahrzehntelang verfolgen. In einer von ihnen ⫺ im Deutschen Gymnasium Tallinn ⫺ ist eine sog. deutschsprachige Abteilung eingerichtet. Dieses Gymnasium ist die einzige Schule in den baltischen Ländern, an der es möglich ist, in der deutschen Sprache nach deutschen Lehrplänen zu lernen. Geregelt ist dies in einem Vertrag zwischen der Republik Estland und der Bundesrepublik Deutschland über schulische Zusammenarbeit vom 3. Juni 2002 (vgl. Tallinna Saksa Gümnaasium, Website). Als weitere Träger des Deutschunterrichts und der Fortbildung für die Deutschlehrer sind das Deutsche Kulturinstitut/Goethe-Institut Tallinn (DKI/GI Tallinn) und das Deutsche Kulturinstitut Tartu zu nennen, die Sprachkurse auf allen Niveaus und mit verschiedenster Ausrichtung anbieten. Ebenso können am DKI/GI Tallinn die international anerkannten Prüfungen des Goethe-Instituts abgelegt werden. Für Lehrer werden Workshops und Seminare im Bereich DaF und Methodik-Didaktik des DaF-Unterrichts angeboten (vgl. Goethe-Institut Estland, Website). Darüber hinaus existieren verschiedene Vereine, die sich für die deutsche Sprache und Kultur einsetzen, z. B. der Estnische Deutschlehrerverband, die Gesellschaft für deutsche Sprache/Zweig Tallinn, die Gesellschaft für Deutschbaltische Kultur. In der Nationalbibliothek gibt es Lesesäle aller deutschsprachigen Länder. Auch verschiedene Sprachschulen und Sprachenzentren der Hochschulen bieten Deutschkurse an. Einen Teil des Deutschunterrichts führen Muttersprachler durch (z. B. Programmlehrer an den Schulen, DAAD-Lektoren an den Universitäten).
3. Germanistik-/DaF-Studium Seitdem Deutsch vor allem als dritte Fremdsprache gelernt wird, sind die Deutschkenntnisse der Germanistikstudenten im Vergleich zu den 1990er Jahren stark gesunken. Da in Estland zugleich der Zugang zu den Universitäten in allen Bereichen erleichtert worden ist, werden auch keine Aufnahmeprüfungen durchgeführt und alle, die das Staatsexamen im Fach Deutsch auf einem durchschnittlichen Niveau abgelegt haben und durchschnittliche Leistungen in anderen Bereichen vorweisen sowie ihr Studium selbst bezahlen wollen bzw. können, können immatrikuliert werden. Da nach der Reform der Curricula entsprechend dem Bologna-Abkommen der vormals sehr hohe Anteil des praktischen Deutschunterrichts im Germanistikstudium zurückgegangen ist, ist die Beherrschung der deutschen Sprache gesunken. Auch wenn im Sinne der Verwissenschaftlichung der Lehre parallel dazu die Kenntnisse in der Linguistik und in der deutschen Literatur gestiegen sind, bereitet die mangelhafte Sprachkompetenz im Studium sowie im beruflichen Umfeld Probleme.
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
Germanistik als Hauptfach wird in Estland gegenwärtig an zwei Universitäten unterrichtet (in Tartu und in Tallinn). An beiden Universitäten gibt es auch aufgrund unterschiedlicher Curricula staatlich finanzierte Studienplätze in der Germanistik. In den 1980er Jahren betrug die Aufnahmequote auf das Land bezogen 26, in den 1990er Jahren wurde sie auf etwa 50 erhöht, seit Anfang des Jhs. beträgt sie stabil etwa 25. Diese Reduktion betrifft nicht nur das Germanistikstudium an den Universitäten, sondern entspricht den allgemeinen bildungspolitischen Entscheidungen, die in den letzten Jahren in Estland den technischen und naturwissenschaftlichen Fächern mehr Aufmerksamkeit widmen. Trotz der geringeren Quote ist die allgemeine Anzahl der Germanistikstudenten seit Mitte der 1990er Jahre weitgehend stabil geblieben. Es besteht in Estland die Möglichkeit, das Studium selbst zu finanzieren; die zunehmende Anzahl der zahlenden Studienanfänger gleicht den Rückgang der staatlichen Finanzierung der letzten Jahre aus (landesweit 46 Studienanfänger in der Germanistik 2008). Im Herbst 2002 wurden in Estland modularisierte Curricula eingeführt. Die neuen Bachelorstudiengänge in der Germanistik sind auf dieser Ebene sowohl in Tartu als auch in Tallinn nicht auf eine berufliche Profilierung konzentriert, vielmehr wird eine breite philologische Ausbildung mit Schwerpunkt auf der deutschen Sprache und Literatur vermittelt. In Tallinn ist Germanistik kombinationspflichtig, in Tartu kann sie auch ohne ein Nebenfach studiert werden. An beiden Universitäten wird einerseits die Beherrschung der deutschen Sprache ausgebaut, wobei sowohl die Grammatik, Phonetik als auch allgemeine Textkompetenz berücksichtigt werden. Weitere Teile machen Landeskunde, germanistische Linguistik und Literaturwissenschaft aus. Alle Masterlehrgänge sind zweijährig. Im Vergleich zu den Bachelorlehrgängen sind sie stärker berufsorientiert. Für die angehenden Germanisten bestehen mehrere Möglichkeiten. Nach dem allgemeinen Lehramtsstudium, wie es bis Mitte der 1990er Jahre üblich war, bestehen gegenwärtig weitere Qualifikationsmöglichkeiten. Die Universitäten (Tartu, Tallinn) bieten folgende zum Teil berufsbezogene Curricula an: Dolmetschen, Übersetzen, Lehramtsstudium, Germanistik. Damit hat sich das Fach Germanistik weitgehend den Anforderungen des Arbeitsmarktes angepasst, wo gute Deutschkenntnisse und philologische Kompetenz nicht nur in der Schule erwartet werden, sondern auch in anderen Lebensbereichen benötigt werden.
4. Lehrerausbildung Die Lehrerausbildung in Estland weist ein dreigliedriges System auf: 1. Grundausbildung an der Universität (pädagogische und methodisch-didaktische Fächer und pädagogisches Praktikum). 2. Praktisches Jahr an der Schule unter mentorieller Betreuung durch Schule und Universität. 3. Fortbildung (160 Stunden im Zeitraum von 5 Jahren). Die Deutschlehrerausbildung an der Universität besteht aus Fachstudien (deutsche Sprache, Literatur, Landeskunde), allgemeindidaktischen und pädagogischen Fächern, fachdidaktischen Fächern (Grundlagen des Deutschunterrichts, Methodik und Didaktik), pädagogischen Praktika (Hospitationspraktikum und zwei Hauptpraktika). Die Ausbil-
190. Deutsch in Estland
1653
dung wird mit einer Masterarbeit zu einem allgemein- oder fachdidaktischen Untersuchungsthema abgeschlossen. Der Übergang auf die neuen Curricula hat auch für die Deutschlehrerausbildung in den letzten Jahren eine Neuorientierung bedeutet. Da der Lehrerberuf im Land allgemein kein Prestigeberuf ist, entscheiden sich immer weniger (Germanistik-)Studenten für die Lehrerausbildung. So mangelt es an Nachwuchs an Deutschlehrern und das wiederum bringt eine Reduktion des Deutschunterrichts an allgemeinbildenden Schulen mit sich.
5. Forschung Die estnische Hochschulgermanistik ist eine ausgesprochen kleine Disziplin. Es gibt insgesamt knapp 20 einheimische MitarbeiterInnen (vgl. Tarvas 2005). Da dieser Personenkreis im Lehrangebot die ganze Breite des Faches abdecken soll, ist das Spektrum der Forschungsinteressen und der Publikationen sehr bunt. Es gibt sowohl linguistische als auch didaktische und literaturwissenschaftliche Arbeiten, aber auch Publikationen, die eher im Kontext der Kulturwissenschaft oder Wissenschaftsgeschichte stehen. Wenn man die traditionell stärkste Richtung, die Linguistik, betrachtet, so stehen hier Forschungen im Bereich der Systemlinguistik und Angewandten Linguistik im Zentrum, indirekt sind dazu auch lexikographische Projekte zu zählen. Am größten ist die thematische Vielfalt aber im Bereich der Literaturwissenschaft, dort gibt es auch die meisten Promotionen. Die Literaturwissenschaftlerinnen untersuchen vor allem kontrastiv die Literatur aller deutschsprachigen Länder und berücksichtigen auch die Tradition der deutschbaltischen Literatur. Im Bereich Literaturtheorie spielt die Autobiografieforschung eine wichtige Rolle. Die didaktische Forschung konzentriert sich auf kreative und interaktive Methoden und die Problematik der personalen Faktoren im Fremdsprachenunterricht. Im neu entstehenden Bereich Übersetzungswissenschaft werden unter anderem die translatorischen Entscheidungen untersucht.
6. Zahlen und Tendenzen Im Schuljahr 2007/2008 lernten in den allgemeinbildenden Schulen Estlands insgesamt 155.071 Schüler, von denen 5.020 (3,2 %) Deutsch als erste Fremdsprache, 11.103 (7,1 %) als zweite Fremdsprache und 9.942 (6,4 %) als dritte Fremdsprache (vgl. Eesti Hariduse Infosüsteem, Website), was im Vergleich zu den vorangegangenen Jahren einen drastischen Rückgang bedeutet. 2007/2008 arbeiteten in den allgemeinbildenden Schulen Estlands 463 Deutschlehrkräfte (im Vergleich zu 1.851 Englischlehrkräften), von denen 90,5 % eine entsprechende fachlich-pädagogische Hochschulausbildung absolviert haben (vgl. Keelehariduspoliitika ülevaade 2008: 39). Im Jahr 2008 haben 566 Schüler die zentrale Schulabschlussprüfung für das Fach Deutsch abgelegt. 2005 betrug diese Zahl vergleichsweise 1.053, 1997 aber 2.028 (vgl. Riiklik Eksami- ja Kvalifikatsioonikeskus, Website).
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
7. Literatur in Auswahl Eesti Hariduse Infosüsteem. [Informationssystem des Estnischen Bildungswesens]. http://www.ehis.ee [Zugriff am 30. 11. 2008] Goethe-Institut Estland. http://www.goethe.de/ins/ee/tal/uun/deindex.htm [Zugriff am 30. 11. 2008] Keelehariduspoliitika ülevaade. Eesti. Raport. [Übersicht über die Sprachbildungspolitik. Estland. Bericht]. 2008 Tartu: Haridus- ja Teadusministeerium. So˜star, Kersti 2008 Vo˜o˜rkeelte o˜pe Eesti üldhariduskoolides ⫺ nüüd ja tulevikus. [Fremdsprachenunterricht in estnischen allgemeinbildenden Schulen ⫺ heute und in Zukunft.] http://www.koolielu.ee/pages.php/0710,20181 [Zugriff am 30. 11. 2008] Riiklik Eksami- ja Kvalifikatsioonikeskus. [Staatliches Prüfungs- und Qualifikationszentrum]. http://www.ekk.edu.ee [Zugriff am 30. 11. 2008] Tallinna Saksa Gümnaasium. [Das Deutsche Gymnasium Tallinn]. http://www.saksa.tln.edu.ee/de/index.php?option⫽com_content&task⫽section&id⫽6& Itemid⫽30 [30. 11. 2008] Tarvas, Mari 2005 Zu den Publikationen estnischer Germanisten. Eine Bestandsaufnahme. Triangulum. Germanistisches Jahrbuch für Estland, Lettland und Litauen 10: 234⫺243.
Merle Jung, Tallinn (Estland) Mari Tarvas, Tallinn (Estland)
191. Deutsch in Finnland 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Einführung und Problemaufriss Deutsch als Schulfremdsprache ⫺ bisherige Entwicklungen und der status quo Aus- und Fortbildung der DaF-Lehrkräfte Deutsch und Germanistik im Hochschulbereich Ausblick Literatur in Auswahl
1. Einührung und Problemauriss Bemühungen um Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeitserziehung zählen zu den Schwerpunkten der gegenwärtigen Sprachenbildungspolitik in Europa. Mit der Favorisierung einer eindimensionalen Verkehrssprachenpolitik ist jedoch gleichzeitig in vielen Ländern ein Gegentrend zu verzeichnen. So auch in Finnland ⫺ und betroffen ist nicht zuletzt Deutsch als Fremdsprache (DaF). Kontrovers und besorgniserregend ist, dass diesen Verhältnissen gerade im Bereich der Bildung und Erziehung sowie auch dem der Wirtschaft ein hoher Bedarf an Expertinnen und Experten gegenübersteht, die auch künftig u. a. die in Europa meist gesprochene Erstsprache auf professionellem Niveau beherrschen müssen.
191. Deutsch in Finnland
1655
2. Deutsch als Schulremdsprache bisherige Entwicklungen und der status quo Im 19. Jahrhundert, sowie noch bis zum Zweiten Weltkrieg hatte Deutsch den Status der wichtigsten Schulfremdsprache in Finnland. Auch nach dem Krieg hielt es noch seine dominante Stellung unter den in den damaligen (höheren) Mittel- und Oberschulen unterrichteten Fremdsprachen. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und einer allgemeinen Verbreitung des Lebensstils und der Sprache der neuen Weltmacht USA hat sich diese Situation jedoch geändert: Der Bedarf an einer festen Allgemeinbildung der Bevölkerung, sowie die hohe Geburtenrate haben in den 1950er Jahren vielerorts zur Gründung neuer Schulen geführt. Im zeitgemäßen Trend ist an diesen Schulen als einzige Fremdsprache Englisch eingeführt worden (vgl. u. a. Korhonen 2008). Tab. 191.1: Deutsch und Englisch als erste Fremdsprache (1. FS) in % im finnischen Abitur von 1945 bis 1980 (nach Haataja, 2005). Sprache
1945⫺47
1950
1960
1970
1980
Deutsch Englisch
94,4 2,8
56,9 39,2
47,2 50,3
40,1 59,1
2,8 96,5
Inzwischen ist Finnland seit knapp 15 Jahren Mitglied der Europäischen Union. Der 1995 erfolgte Beitritt hat sich in der schulischen Fremdsprachenlandschaft deutlich sichtbar gemacht, und zwar nicht zuletzt mit Blick auf DaF. Zudem ist in Finnland bei der Erneuerung der Rahmenlehrpläne für den grundlegenden Fremdsprachenunterricht (FSU) im Jahr 1994 als ein fakultatives Fach die zweite Fremdsprache im Primarschulbereich eingeführt worden. Als Begleitmaßnahme hat das finnische Zentralamt für Unterrichtswesen im Jahr 1996 ein Projekt zur Vervielfältigung und Entwicklung des FSU gestartet. Zu Beginn des Projekts haben ca. zwei Drittel aller finnischen Kommunen im Primarbereich eine zweite Fremdsprache angeboten; Deutsch wurde zu dieser Zeit von 16,9 % der Lernenden gewählt. Gegen Ende der Projektlaufzeit (2000/2001) haben insgesamt 12,8 % aller Schüler im Primarunterricht eine fakultative FS gelernt, darunter fast 40 % DaF. Die weiteren Tendenzen der letzten Jahre sind Tab. 191.2 zu entnehmen: Tab. 191.2: Wahl v. Deutsch als 1. und 2. FS und Englisch als 1. FS in % von 1994 bis 2006 (nach Haataja 2005). Sprache
1994
2000
2004
2006
Deutsch Deutsch Englisch
4,0 15,9 86,9
2,8 38,7 87,6
1,6 9,6 90,7
1,1 7,2 91,7
Solche Entwicklungen lassen sich auch für weitere Fremdsprachen (z. B. Französisch, Russisch) verzeichnen. Gründe hierfür sind u. a. die Entscheidung vieler Elternhäuser für ausschließlich Englisch, sowie die beträchtlichen Sparmaßnahmen vieler Kommunen, die sich ausgerechnet im Bereich der schulischen Sprachenerziehung in Form einer schwindenden Vielfalt der Sprachlernangebote niederschlagen: Heute kann in ganz Finnland nur noch in zwei Kommunen die erste Fremdsprache aus fünf Alternativen ausgewählt
1656
XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
werden. Eine erneute nationale Fördermaßnahme zur Beibehaltung und Stärkung der Sprachenvielfalt scheint auch dringend notwendig; eine solche ist im finnischen Bildungsministerium für die Jahre 2009 bis 2011 angekündigt worden.
3. Aus- und Fortbildung der DaF-Lehrkräte Die grundlegende Ausbildung der DaF-Lehrkräfte liegt in Finnland bei den Universitäten: Parallel zu bzw. im Anschluss an ein i. d. R. linguistisch orientiertes Fachstudium der Germanistik bzw. der deutschen Sprache und Kultur wird am Institut für Lehrerausbildung eine gesonderte Ausbildung im Gesamtumfang von 60 ECTS absolviert. Diese besteht aus pädagogischen, psychologischen und (fremdsprachen-)didaktisch-methodischen Kursen, die teilweise für ReferendarInnen aller Fächer und weitestgehend für solche verschiedener Fremdsprachen gemeinsam in finnischer Sprache organisiert werden. Hinzu kommen unterrichtspraktische Studienabschnitte, die u. a. Unterrichtsversuche und -hospitationen enthalten und an den Ausbildungsschulen der Universitäten stattfinden. Heute erwerben ca. 50 % der Germanistik-Absolvent/-innen in Finnland die schulische Lehrqualifikation für DaF. I.d.R. wird diese zugleich auch für eine weitere (Fremd-)Sprache erworben, die Kombination von einer Fremdsprache und einem Sachfach ist heute noch vergleichsweise selten. Im Zuge der gesamteuropäischen Diskussion um eine curriculare Verankerung und Verbreitung des integrierten Sprachen- und Sachfachunterrichts (CLIL) finden die Fragestellungen u. a. um die doppelte Fakultas jedoch immer mehr Berücksichtigung. Strukturell gesehen stellen wiederum Maßnahmen zur Kontinuität zwischen Aus- und Fortbildung, sowie die Intensivierung von Zusammenarbeit zwischen den fremdsprachlichen Fachdisziplinen und der Fachlehrerausbildung aktuelle Entwicklungen dar. Die Organisation der Lehrerfortbildung durchläuft in Finnland momentan einen Reformprozess. Neben den Kontinuitätsbemühungen zwischen den Aus- und Fortbildungsstrukturen werden strukturelle und inhaltliche Vielfalt, Systematisierung und Nachhaltigkeit, sowie Zugänglichkeit und Erreichbarkeit der Fortbildungsmaßnahmen angestrebt. Veranstaltungen für DaF werden im Moment insb. vom Goethe Institut, der Fachberatung für Deutsch der Zentralstelle für das Ausslandsschulwesen, sowie vom Staatlichen Fortbildungsinstitut für Bildungswesen in Finnland getragen. Darüber hinaus bieten vereinzelt auch das Zentralamt für Unterrichtswesen, die Ausbildungsschulen und Fortbildungszentren der Universitäten sowie die kommunalen und regionalen Ämter für Schule und Bildung Fortbildungskurse an. Inhaltlich standen in den letzten Jahren neben Adaptierung des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen u. a. Förderung und Bewertung von mündlichen Sprachfertigkeiten sowie diverse Themen der fächerübergreifenden Sprachvermittlung im Mittelpunkt. Im Jahr 2007 wurde zudem eine Seminarreihe zum Aufbau eines Multiplikatorennetzwerks für DaF in Finnland initiiert, u. a. mit dem Ziel, der o. g. Fortbildungsreform nachzukommen. Insgesamt geht mit dem Reformprozess für die Zukunft die wichtige Herausforderung einher, eine Konsolidierung und synergetische Weiterentwicklung von Kooperationsstrukturen zu erwirken. Unter dem Motto des lebenslangen Lernens wird im Bereich DaF auf eine kontiuierliche und regelmäßige Fortbildungsteilnahme und damit auf eine ganzheitliche Festigung und Förderung der beruflichen Professionalität der Deutschlehrkräfte abgezielt.
191. Deutsch in Finnland
1657
4. Deutsch und Germanistik im Hochschulbereich Für Studierende aller Fachrichtungen sind Lernangebote für Deutsch an den universitären Sprachenzentren bzw. den Spracheninstituten der Wirtschaftsuniversitäten vorhanden. Ferner werden tutoriell betreute Möglichkeiten zum Selbststudium angeboten. Der Umfang der studienbegleitenden Pflichtkurse und -sprachen variiert je nach Studienfach und Hochschule, beträgt aber in aller Regel ca. 10 % vom Gesamtumfang des Fachstudiums. Deutsch wird vor allem an den technischen Universitäten gewählt, sowie an den Wirtschaftshochschulen bzw. den wirtschaftlichen Fakultäten der Universitäten, wo für den Abschluss im Verhältnis zu vielen anderen Fachbereichen umfangreichere Fremdsprachenkenntnisse nachzuweisen sind. Grundsätzlich werden studienbegleitende Sprachkurse für unterschiedliche Sprachniveaus angeboten. Im Zuge der rückläufigen DaFTendenzen an Schulen sind jedoch in letzter Zeit vor allem Anfangskurse gefragt, während vertiefende, fachspezifischere Kurse immer seltener gewählt werden (können). Durch eine weitere Vernetzung und Kooperation zwischen Hochschulen im In- und Ausland wäre hierzu Hilfestellung zu leisten; Lehrangebote verschiedener Einrichtungen könnten von den Studierenden immer mehr z. B. über Internetplattformen orts- und teils auch zeitunabhängig wahrgenommen werden. Das universitäre Fachstudium der Germanistik kann in Finnland nach einer erfolgreichen Aufnahmeprüfung z.Z. an insg. acht Universitäten aufgenommen werden. Zu den curricularen Schwerpunkten zählen je nach Studienziel und -profil u. a. sprachpraktische Kurse, theoretische und angewandte Linguistik, Literatur und Kultur, oder aber auch Übersetzen und Dolmetschen. Die Grund- und Fachstudien umfassen 180 ECTS und werden im Rahmen des Bachelor-Studiums absolviert, die vertiefenden Hauptstudien (120 ECTS) wiederum im anschließenden Master-Studiengang. In beiden Studienabschnitten werden neben den Hauptfachstudien ein oder mehrere Nebenfächer studiert, hinzu kommen weitere sprach- und kommunikationspraktische Kurse. Die germanistische Forschung zeichnet sich in Finnland in letzter Zeit durch eine thematische Vielfalt aus. Als Schwerpunkte der Linguistik sind neben den mehr traditionellen Bereichen der Dependenz- und Valenztheorie, sowie der Lexikologie und Phraseologie u. a. kontrastive Linguistik, interkulturelle Wirtschaftskommunikation und Fachsprachenforschung zu erwähnen. Im Bereich der Literaturwissenschaft können wiederum z. B. historische Erzähl- und Märchenforschung, Literatur im interkulturellen Kontext, sowie Reiseliteratur angeführt werden. Positiv ist anzumerken, dass in der linguistischen Forschung vor allem mit Blick auf die Hochschulebene Bezüge zu DaF immer deutlicher erkennbar sind (vgl. z. B. Korhonen 2008).
5. Ausblick Gegenwärtige Tendenzen der finnischen Germanistik-Forschung lassen künftig auf eine noch stärkere Berücksichtigung von DaF auch auf der Schulebene schließen. Diese Entwicklung ist nicht nur für die Forschung per se ein Gewinn, sondern vielmehr für den gesamten Fachbereich und dessen Förderung und Präsenz über Domänen- und Institutionsgrenzen hinweg. Es lässt sich auch im Zeichen der plurilingualen Sprachenerziehung insgesamt ein Plädoyer aussprechen für die Festigung von Kooperationen und Dialog-
1658
XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
strukturen zwischen der (Sprachen-) Bildungspolitik, der Spracharbeit der Schulpraxis und der Erforschung der schulischen Sprachenvermittlung ⫺ und dies (ziel-)sprachenübergreifend.
6. Literatur in Auswahl Haataja, Kim 2005 Integriert, intensiviert, oder nach ,altbewährten‘ Rezepten? Über Auswirkungen der Lernumgebung und Unterrichtsmethodik auf den schulischen Fremdsprachenerwerb. Marburg: Tectum. Korhonen, Jarmo 2008 Deutsche Sprache und Germanistik in Finnland. Jahrbuch für internationale Germanistik XXXIX Heft 2: 61⫺72. Frankfurt a. M.: Lang.
Kim Haataja, Tampere (Finnland)
192. Deutsch in Frankreich 1. 2. 3. 4. 5.
Vorbemerkungen Das deutsch-französische Tandem Deutsch an Schulen Deutsch an Hochschulen Literatur in Auswahl
1. Vorbemerkungen Die heutige Situation des Deutschunterrichts an französischen Schulen wie auch des Germanistikstudiums an den Universitäten ist das Ergebnis verschiedener Faktoren, die einerseits im Zuge der sogenannten Globalisierung europaweit sichtbar werden, andererseits aber auch auf landesspezifische Gegebenheiten zurückzuführen sind, welche sich wiederum zum Teil aus der Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen ergeben. Die Entwicklung in den letzten Jahren lässt sich durch eine Reihe von Feststellungen beschreiben, die zwar als relativ paradox betrachtet werden können aber eben deshalb sowohl die schwierige Lage der deutschen Sprache in Frankreich besser erklären als auch gleichzeitig mögliche Auswege zeigen können.
2. Das deutsch-ranzösische Tandem 2.1. Wo ein politischer Wille ist
Die deutsch-französischen Beziehungen sind in den letzten Jahrzehnten durch zwei wichtige politische Ereignisse geprägt worden, die sich mit einem Abstand von 35 Jahren auf
192. Deutsch in Frankreich
1659
den Status der Partnersprache jeweils anders ausgewirkt haben. Gemeint ist zunächst der E´lyse´e-Vertrag, der 1963 den Weg für eine intensive bilaterale Kultur- und Sprachenpolitik geöffnet hat und dadurch wesentlich zur Aussöhnung der beiden Völker nach fast einem Jahrhundert feindlicher Beziehungen beigetragen hat. Der zweite politische Akt ist ein Ereignis von internationaler Tragweite: Durch den Fall der Mauer und den Einigungsprozess erhielt das vereinigte Deutschland ab 1990 ⫺ und in den nachfolgenden Jahren durch die EU-Erweiterung ⫺ ein neues Bewusstsein und eine neue Position in Europa, machtpolitisch, wirtschaftlich, aber auch kulturell. Dass das deutsch-französische Tandem dadurch aus dem gewohnten Rhythmus seiner Konsenskultur gebracht wurde und erst wieder Tritt fassen musste, darf nicht wundern; dass im Schul- und Hochschulwesen sowie im öffentlichen Leben die neu gewonnene Position der deutschen Sprache weitgehend verkannt blieb, gehört hingegen zu jenen paradoxen Wendungen der Geschichte, die sich erst aus einer Analyse des politischen Umfelds erklären lassen.
2.2. ist manchmal auch ein konkreter Weg Die ersten offiziellen (kultur)politischen Erklärungen und Stellungnahmen in den 1960er Jahren haben schnell zu konkreten Maßnahmen geführt, und die Besonderheit des deutsch-französischen Verhältnisses hat sich mehrfach in einschneidenden Aktionen zur Stärkung der Partnerschaft zwischen beiden Ländern niedergeschlagen. So wurde im Zuge des E´lyse´e-Vertrags 1963 das Deutsch-französische Jugendwerks (DFJW) / Office franco-allemand pour la jeunesse (OFAJ) gegründet, das bis heute rund 8 Millionen junge Menschen aus beiden Ländern gefördert hat, die an rund 300000 Begegnungen und Austauschprogrammen für Schule, Beruf, Wissenschaft, Kultur oder Sport teilgenommen haben. Im Hochschulbereich unterstützt der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) in Frankreich seit über 40 Jahren die deutsch-französische Kooperation in Lehre und Forschung. Im Studienjahr 2009⫺2010 werden an französischen Universitäten 52 LektorInnenstellen vom DAAD finanziell unterstützt. Hinzu kommen weitere 17 vom DAAD vermittelte LektorInnen. Eine weitere, für die deutsch-französische Annäherung und Zusammenarbeit wichtige Institution ist die 1997 durch das Weimarer Abkommen ins Leben gerufene Deutsch-französische Hochschule / Universite´ franco-allemande, die das 10 Jahre zuvor eingerichtete Deutsch-französische Hochschulkolleg / Colle`ge franco-allemand pour l’enseignement supe´rieur abgelöst hat. Ihre Hauptziele sind die Steigerung der Mobilität von Studierenden und Dozenten, die Durchführung integrierter Studiengänge in allen Fächern mit doppeltem Abschluss und die Stärkung binationaler Fachkompetenzen bei den Absolventen. Auch von der Republik Österreich bekommt Frankreich Unterstützung im Bereich Sprache: Als Fortsetzungsorgan zum 1993 gegründeten Verein Österreich Kooperation hat seit Januar 2010 der Österreichische Austauschdienst GmbH sowohl das Lektoratsprogramm übernommen (im Studienjahr 2009⫺2010 sind 15 Lektoren aus Österreich an französischen Universitäten tätig) als auch weitere Aufgaben wie DaF-Praktika und das Sprachassistenzprogramm, das FremdsprachenassistentInnen an Schulen vermittelt.
2.3. und nun? wohin? Solche Wege in Form von Organisationen, Institutionen oder Anstalten haben zwar vieles möglich gemacht und anfangs zweifellos zur Beibehaltung bzw. Etablierung des Deut-
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
schen an französischen Schulen beigetragen, dennoch bleibt heute nach der Überwindung der Zweiteilung Deutschlands und Europas die erwartete Auswirkung der langersehnten politischen Versöhnung auf das Sprachverhalten aus. Deutsch hat in den letzten zwanzig Jahren trotz Einigungsprozess und neu behaupteter Rolle der deutsch-französischen Partnerschaft und bei allen großzügigen institutionellen Fördermaßnahmen weiter an Ansehen verloren und hat an den Schulen seinen zweiten Platz nach Englisch längst eingebüßt. Die Gründe für den Rückgang sind vielfältig und reichen von mentalitätsgeschichtlichen und sprachenpolitischen zu (schul)systembedingten Faktoren. In den letzten drei Jahren lässt sich allerdings ein Aufwärtstrend verzeichnen, der optimistisch interpretiert werden könnte, wenn die materiellen Bedingungen für einen sinnvollen Sprachunterricht in den Schulen (Primar- und Sekundarstufe) gegeben wären.
3. Deutsch an Schulen Deutsch gehört in Frankreich zu dem offiziellen Sprachenangebot und kann ⫺ zumindest theoretisch ⫺ fast überall als erste, zweite oder dritte Fremdsprache gelernt werden. Die konkrete Wirklichkeit ist aber alles andere als positiv, auch wenn seit Kurzem ernst zu nehmende Indizien auf eine Verbesserung der Lage deuten. Im Jahr 2008 lernten knapp 8 % aller Schüler Deutsch als erste Fremdsprache und 14 % hatten es als zweite Fremdsprache gewählt. Insgesamt sind es 823389 Deutschlerner, d. h. 15,4 % der Schüler in der Sekundarstufe (MEN 2009, 123). Der Prozentsatz hat sich im Vergleich zu den vorhergehenden Jahren stabilisiert; die ersten Zahlen seit dem Herbst 2009 deuten sogar einen unverkennbaren Aufwärtstrend an.
3.1. Primarstue Die größte Sorge vor allem für die Zukunft bereitet die Primarstufe: Hier sind für Deutsch bis heute überall nur rückwärtige Zahlen zu verzeichnen. Englisch hat seine vorherrschende Stellung nun zum Quasimonopol ausgebaut, zumal an vielen Schulen die entsprechende Lehrkraft für Deutsch fehlt oder versucht wird (und zwar mit Erfolg), die Eltern umzustimmen, die sich für ihr Kind ursprünglich Deutsch gewünscht hatten. Dass der frühe Fremdsprachenunterricht (eigentlich eher eine Sensibilisierung als ein richtiger Unterricht) sich als ein Hindernis für das spätere Erlernen des Deutschen erweist, ist um so bedauerlicher, als die Ergebnisse bei nur anderthalb Stunden pro Woche bis heute ⫺ auch für eine angeblich einfache Sprache wie Englisch ⫺ insgesamt ziemlich dürftig bleiben.
3.2. Sekundarstue Nach den fünf Jahren in der Grundschule kommen alle Schüler ins Colle`ge, nach dessen Absolvierung die meisten das Lyce´e besuchen, entweder das Lyce´e professionnel (Berufsschule) oder das Lyce´e d’enseignement ge´ne´ral et technologique (Gymnasium). Aus Prestigegründen entscheiden sich heute nur wenige nach dem Colle`ge für eine Lehre. Dies
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bedeutet, dass viele Jugendliche sich auf das Abitur vorbereiten, was zwangsläufig zu einer starken Differenzierung beim Abitur und bei den entsprechenden Zweigen an den Gymnasien geführt hat. Sprachen haben dabei einen unterschiedlichen Stellenwert.
3.2.1. Colle`ge Als einheitliche Schulform nach der Grundschule ist das Colle`ge in den letzten Jahren mehrfach ins Feuer der Kritik geraten. Gleichzeitig ist man dort aber besonders um Innovationen und Anpassungen bemüht, die dem Fremdsprachenunterricht zugute gekommen sind. Um dem Trend entgegenzuwirken, der durch die Vorherrschaft des Englischen an den Grundschulen entstanden ist und die Wahl von Deutsch als erste Fremdsprache bedroht hat, sind seit 2000 sogenannte classes bilangues eingerichtet worden, in denen die Schüler ab der 6. Klasse zwei gleichgestellte Sprachen parallel lernen können (mit jeweils 3 Wochenstunden). Diese Maßnahme hat sich vielerorts zunächst sehr positiv auf die Zahl der Deutsch lernenden Schüler ausgewirkt. 2008 haben 8,3 % der Sextaner eine solche Klasse mit Deutsch und Englisch gewählt; im Elsass (Acade´mie de Strasbourg) waren es gar 49,4 %. Im Herbst 2009 haben die classes bilangues noch einmal deutlich zum Anstieg der Zahl der Deutschlerner beigetragen und für Optimismus gesorgt. Zu den positiven Paradoxen, die trotz jahrelangem Abwärtstrend zu erwähnen sind, gehört der eher rege Lehrbüchermarkt. Noch bevor die classes bilangues eingerichtet wurden, wurde beim Didier Verlag ein neues Konzept in die Wege geleitet, aus dem das Lehrwerk Aufwind entstand (6.⫺9. Klasse), das den Lernenden als Mitwirkenden in den Lehrprozess einbezieht. Auch für Deutsch als zweite Fremdsprache war dieser Verlag bahnbrechend. Die zwei Bände der Reihe Zusammen (8. und 9. Klasse) enthalten erste Schritte in Richtung Sprachenvergleich (Deutsch⫺Englisch).
3.2.2. Lyce´e Neben den zwei bzw. drei Haupttypen (lyce´e d’enseignement ge´ne´ral et technologique und lyce´e professionnel), die auf drei Abitur-Typen vorbereiten: allgemeinbildend, technologisch und berufsorientiert (2009 waren es jeweils 53 %, 26 % und 21 % der Kandidaten), gibt es auch beim baccalaure´at ge´ne´ral drei Hauptausrichtungen: literarisch, naturwissenschaftlich und mathematisch, mit unterschiedlichem Ansehen (in der hier gewählten Reihenfolge steigend). Auch wenn Fremdsprachen ⫺ d. h. auch Deutsch ⫺ beim literarisch orientierten Abitur und in den entsprechenden Klassen eine wesentlich größere Rolle spielen, bestehen bis heute strukturell bedingte Probleme, die die Effizienz des Unterrichts stark beeinträchtigen. ⫺ Zum einem ist die Zahl der Wochenstunden stark reduziert worden; zum anderen herrscht in vielen Klassen ⫺ zumal bei Sprachen mit kleinen Schülerzahlen ⫺ oft eine große Heterogenität. ⫺ Auf der oberen Stufe wird immer öfter ohne Lehrbuch gearbeitet, was ein systematisches und systembezogenes Lernen stark einschränkt oder sogar unmöglich macht ⫺ Dass die Lehrbücher für Deutsch in den letzten Jahren ohne das Mitwirken von Sprachspezialisten (aus den Bereichen Sprachwissenschaft, Spracherwerb, Sprachdi-
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
daktik) entstanden sind, zeigt auch, wie wenig die Rolle von Sprachstrukturen und die systematische Arbeit an der Sprache beim Lehren und Lernen berücksichtigt werden. ⫺ Seit 1992 sind an vielen Schulen der Sekundarstufe sog. sections europe´ennes eingerichtet worden, in denen eine Fremdsprache besonders gefördert wird. Auf dem colle`ge erhalten die Schüler einer solchen Europaklasse einen umfassenderen Sprachund Landeskundeunterricht; auf dem lyce´e werden bestimmte Fächer wie Geschichte, Erdkunde oder Biologie in der Fremdsprache unterrichtet. Ein wichtiger Meilenstein der deutsch-französischen Annäherung und Zusammenarbeit ist in diesem Zusammenhang das gemeinsame Geschichtsbuch, das von den Verlagen Klett (Stuttgart/Leipzig) und Nathan (Paris) realisiert wurde. Im Mittelpunkt steht die europäische Geschichte, die aus zwei Perspektiven betrachtet wird. ⫺ Als weiteres markantes Ergebnis der deutsch-französischen Kooperation im Schulwesen muss hier noch das 1994 eingeführte Abibac, der gleichzeitige Erwerb des deutschen Abiturs und des französischen baccalaure´at, erwähnt werden. Der Unterricht in der Partnersprache beträgt mindestens 9 Wochenstunden und muss in der Regel drei Jahre lang vor dem Erwerb des Abschlusses belegt werden.
4. Deutsch an Hochschulen Die Lage der Germanistik an den französischen Universitäten ist seit einigen Jahren ziemlich gespannt und für viele Institute besorgniserregend. Der zur Zeit zu verzeichnende Aufwärtstrend in der Sekundarstufe hat sich für die Germanistik an den Hochschulen (noch) nicht positiv ausgewirkt, aber Studiengänge mit Deutsch als zweitem Hauptfach und vor allem die Besucherzahlen von Deutschkursen für Hörer aller Fakultäten erlauben eher eine optimistische Sicht auf die nächsten Jahre.
4.1. Germanistik Dass die Germanistik in den letzten Jahren den erhofften Sprung nach oben nicht geschafft hat, hat unterschiedliche Gründe. Interessant sind hier vor allem die internen Gründe, denn sie erlauben einen Blick in das Fach selbst, seinen Status und sein Erneuerungspotential. Das traditionelle Germanistikstudium in Frankreich ist durch zwei wichtige Merkmale charakterisiert: Es ist sehr stark literatur- bzw. kulturwissenschaftlich geprägt und verläuft auf einem sehr hohen Niveau. Seit einigen Jahren wird die Kluft zwischen dem Deutschunterricht an den Gymnasien und den Erwartungen an den Universitäten immer größer, und die Studienanfänger haben es oft sehr schwer. Die Sprachwissenschaft fristet an vielen Universitäten ein kümmerliches Dasein. Dass viele Germanistikstudierende keinen systematischen Einblick in die Linguistik und ihre Fragestellungen bekommen und somit auch keinen sprachwissenschaftlichen Zugang zur Sprache, ist überhaupt sehr problematisch, nicht nur für angehende Lehrer, sondern auch bei anderen Berufsbereichen, in denen Sprache und Kommunikation im Mittelpunkt stehen. Auch die Didaktik des Deutschen ist an den Universitäten kaum vertreten; durch die Anbindung der pädagogischen Institute (IUFM / Instituts universitaires pour la formation des maıˆtres) an
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die Universitäten könnte sich das Fach etablieren ⫺ allerdings müssten dann Stellen geschaffen werden. Der Bologna-Prozess hat jedoch viele Institute dazu ermuntert, ihr Angebot zu erneuern bzw. zu erweitern. In den letzten Jahren sind Doppelstudiengänge mit Germanistik als zweitem Hauptfach eingerichtet worden: so z. B. jeweils in Kombination mit Französisch, Geschichte, Kunstgeschichte, oder auch mit Jura oder Wirtschaft. Wichtig ist immer, dass die beiden Fächer mit möglichen Berufsbereichen in Verbindung gesetzt werden. Germanistik-Institute, die diesen Weg gewählt haben, verzeichnen zurzeit steigende Studentenzahlen.
4.2. Angewandte Fremdsprachen Der Studiengang LEA (Langues e´trange`res applique´es), der Deutsch mit einer anderen Sprache (meistens Englisch) und einem praxisorientierten Unterricht von sog. Sachfächern (Jura und Wirtschaftswissenschaft bzw. BWL) kombiniert, hat sich seit seiner Gründung Anfang der 1970er Jahre zahlenmäßig sehr gut etabliert. Was Deutsch betrifft, so enthält der Studiengang außer den Sprachkursen, die sich auf Gebrauchstexte stützen und die Lerner in mündlicher sowie schriftlicher Fachkommunikation trainieren sollen, auch landeskundliche Kurse sowie Kurse über die Geschichte der deutschen Wirtschaft. Ab dem 5. Semester wird intensiver mit Fachtexten gearbeitet. Die Masterstudiengänge bieten meistens eine Spezialisierung in den Bereichen Außenhandel und Finanzen oder im Fachübersetzen. Anvisiert wird eine spätere Anstellung in Industrie und Handel oder auch in anderen Dienstleistungsbereichen. Der Studiengang LEA ist im Prinzip für Studierende gedacht, die von Anfang an in mindestens zwei Sprachen sehr motiviert und sehr gut sind. Dies bedeutet auch, dass Studierende mit exzellenten Voraussetzungen nach Abschluss eines solchen Studiums entsprechend gute Aussichten auf dem Arbeitsmarkt haben. In Frankreich bleiben heute noch in Industrie und Handel viele Stellen frei, weil die Bewerber die erwarteten nötigen Deutschkenntnisse nicht mitbringen.
4.3. Deutsch ür Hörer aller Fakultäten Der Deutschunterricht für Hörer aller Fakultäten, LANSAD genannt (langue pour spe´cialistes d’autres disciplines) erfährt seit kurzer Zeit an vielen Universitäten einen Aufwärtstrend. Dies ist zum großen Teil darauf zurückzuführen, dass seit der Neuregelung der Studiengänge jedes Diplom den Unterricht in mindestens einer Sprache enthalten soll. Dass viele Studierende Deutsch weiterlernen oder ⫺ sehr oft ⫺ als Anfänger lernen wollen, hängt damit zusammen, dass sie im Laufe der (Schul)jahre eingesehen haben, wie wichtig die Kenntnis dieser Sprache für ihre weitere universitäre Ausbildung (etwa in den Fächern Musikwissenschaft, Geschichte oder Archäologie) bzw. für ihren Verkaufswert auf dem Arbeitsmarkt sein kann. Die germanistischen Institute haben inzwischen begriffen, welch große Chance ihnen durch die neue Nachfrage gegeben wird. Es werden oft Kurse angeboten, die auf das Herkunftsfach der Teilnehmer zugeschnitten sind und nach deren Interessen und Bedürfnissen gestaltet werden.
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
An diesem Punkt lässt sich nur eine zwiespältige Bilanz ziehen: In der globalisierten Welt und in einem Europa, das immer noch nach seiner Identität sucht, werden Sprachen ⫺ in erster Linie Englisch ⫺ nach ihrer Nutzbarkeit eingeschätzt und bewertet. Deshalb bleibt auch die Attraktivität des Deutschen an seiner möglichen Anwendung haften. Durch die Einrichtung bilingualer Schulklassen, durch den persönlichen Einsatz vieler Deutschlehrer, die immer wieder vor den Schülern und ihren Familien für die Wahl des Deutschen als erste oder zweite Fremdsprache plädieren, haben sich die Zahlen in der Sekundarstufe verbessert. Es muss zweifellos noch an den Inhalten und Unterrichtsformen in der Oberstufe (lyce´es) gearbeitet werden, damit die Schüler bessere Fertigkeiten erreichen, die ihnen später das Studium (und das Leben) erleichtern. Dass die germanistischen Institute sich auch erneuern müssen, ist eine wichtige Herausforderung und Chance der kommenden Jahre, die nicht verpasst werden darf. Vor dem Hintergrund der heutigen Fächerstruktur und -hierarchie an den Schulen muss die Nachfrage nach Deutsch für Anfänger an den Hochschulen als deutliches Zeichen für das weiter bestehende Interesse an dieser Sprache gedeutet werden. Die Hoffnung, dass die deutsche Einigung ihre Zeichen auch nach zwanzig Jahren noch setzen könnte, ist vielleicht gar nicht so unrealistisch.
5. Literatur in Auswahl Association pour le de´veloppement de la langue allemande en France (A.D.E.A.F.) (Hg.) 2009 Les classes bilangues. Bulletin n∞ 104/juin 2009. Ministe`re de l’Education nationale (MEN) (Hg.) 2009 Repe`res et re´fe´rences statistiques. Chapitre 4: Les e´le`ves du second degre´.
Martine Dalmas, Paris (Frankreich)
193. Deutsch in Georgien 1. 2. 3. 4.
Zur Rolle der deutschen Sprache in Georgien Zur Situation des Deutschstudiums und Deutschunterrichts in Georgien Probleme und Perspektiven Literatur in Auswahl
1. Zur Rolle der deutschen Sprache in Georgien Deutschunterricht und germanistische Studien haben eine lange Tradition in Georgien. Sie geht im Wesentlichen auf deutsche Auswanderer zurück, die am Anfang des 19. Jahrhunderts in vielen georgischen Dörfern und Städten ihr Zuhause gefunden haben. Die Georgiendeutschen waren bis Anfang des 20. Jahrhunderts die wichtigsten Träger der
193. Deutsch in Georgien
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deutschen Sprache und Kultur. Sie trugen entscheidend dazu bei, dass sich die deutsche Sprache lange Zeit als wichtigste Fremdsprache (nach dem Russischen, aber vor dem Englischen) und vor allem als Bildungssprache etablieren konnte. Die Nachfrage nach deutschen Gouvernanten war ziemlich groß, Deutsch spielte eine ähnliche Rolle wie Französisch in vielen anderen Ländern. Sogar in der sowjetischen Zeit schickten viele Tbilisser ihre Kinder zur Erziehung in deutschsprachige Kindergärten. Nach 1941 wurden viele Erzieherinnen, die man nach der württembergischen Tradition „Tanten“ nannte, samt anderer Deutschstämmiger ins Wolga-Gebiet und nach Kasachstan deportiert. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts studierten und promovierten viele Jugendliche aus wohlhabenden Familien in Deutschland, und auch später, in den kurzen Unabhängigkeitsjahren Georgiens (1918⫺1921), hat die damalige georgische Regierung das Studium von über 100 jüngeren Leuten in Deutschland finanziert. Entsprechend haben viele Gründer der ersten georgischen Universität 1918 ihre Ausbildung in Deutschland bekommen. Deswegen ist es nicht verwunderlich, dass die Tbilisser Universität nach dem Muster deutscher Hochschulen aufgebaut war. Trotz der Deportation der Georgiendeutschen im Jahre 1941 wurde Deutsch als zweite Fremdsprache in vielen Schulen weiterunterrichtet. 1947 wurde die erste germanistische Fakultät gegründet, an der bis heute Germanisten im Bereich Germanistische Sprach- und Literaturwissenschaft ausgebildet werden.
2. Zur Situation des Deutschstudiums und Deutschunterrichts in Georgien Momentan wird das Germanistikstudium mit unterschiedlichen Abschlüssen (BA, MA, PhD) an mehreren Hochschulen angeboten, in denen insgesamt über 500 Germanistikstudenten und über 50 Magistranten und Doktoranden betreut werden. An diesen Fakultäten werden auch künftige Deutschlehrerinnen und -lehrer ausgebildet. Allerdings gab es bis 2007 keine spezielle Fachrichtung Deutsch als Fremdsprache in Georgien. Die Einführung eines spezifischen DaF-Studiums wird als eine adäquate Antwort auf die Verlagerung der primären Unterrichtsziele auf die Vermittlung von kommunikativen Fertigkeiten betrachtet. Im Rahmen der Bildungsreform 2008/2009 wurden neue Anforderungen an Deutschlehrende gestellt, deren Umsetzung entsprechendes methodisches Wissen voraussetzt. Im Jahr 2009 wird an 1.258 Schulen (51 % der georgischen Schulen) Deutsch unterrichtet, allerdings muss betont werden, dass Deutsch meist in ländlichen Gebieten unterrichtet wird, weshalb insgesamt nur knapp 18 % aller Schüler Deutsch lernen. Außerdem ist zu sehen, dass der Deutschunterricht in vielen Schulen darunter leidet, dass viele Lehrende selbst mangelnde Sprachkenntnisse haben, was die Qualität des Deutschunterrichts stark beeinträchtigt. An 48 Schulen gibt es einen erweiterten Deutschunterricht, der dagegen meist in hochqualifizierter Form angeboten wird. Dank mehrerer Partnerinitiativen haben Schüler gute Möglichkeiten, ihre Sprachkenntnisse zu verbessern. So haben z. B. viele Schüler die Möglichkeit, in Zusammenarbeit mit der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen ein deutsches Sprachdiplom zu erwerben; seit 2008 sind auf Anregung des deutschen
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
Auswärtigen Amtes sogenannte PASCH-Schulen gegründet worden, die gleichzeitig auch als ein Begegnungsort für die Lehrerfortbildung gesehen werden (vgl. Art. 12). Neben dem schulischen Deutschunterricht bieten viele nationale und internationale Organisationen Sprachkurse an, darunter ist das Goethe-Institut Tbilissi ohne Zweifel die wichtigste Institution, die jährlich fast 2000 Studierende unterrichtet. Das GoetheInstitut bietet Sprachprüfungen auf unterschiedlichen Niveaus sowie regelmässige Lehrerfortbildungskurse an.
3. Probleme und Perspektiven Ein großes Problem stellt die niedrige Attraktivität des Lehrerberufs dar. Das Durchschnittsalter von Lehrern wird immer höher, da die hohe Arbeitsbelastung bei niedrigen Gehältern nur wenige junge Leute zur Wahl dieses Berufs motiviert. Der Staat hat zwar zweimal Gehälter der Lehrer erhöht (2009 beträgt das Gehalt des Lehrers durchschnittlich 200 Lari ⫺ ca. USD 130), das reicht aber für die Veränderung der Einstellung zu diesem Beruf eindeutig nicht aus. 2005 wurden einheitliche Nationale Aufnahmeprüfungen in Georgien eingeführt. Um einen Studienplatz zu erwerben, müssen alle Abiturienten eine von vier Fremdsprachen (Englisch, Russisch, Deutsch oder Französisch) ablegen. 2009 haben fast 3.600 Abiturienten Deutsch gewählt, 17.000 Englisch, 8.000 Russisch, 1.000 Französisch. Die Zahl der Deutschstudierenden geht allerdings langsam zurück, 2005 hatten sich noch fast 5.000 Abiturienten für Deutsch entschieden. Im georgischen Deutschlehrerverband, der 1993 gegründet wurde und der seit 1994 Mitglied des Internationalen Deutschlehrerverbandes (IDV) ist, sind fast 200 Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer vereinigt. Das Hauptziel des Verbandes besteht in der Förderung des Deutschunterrichts in Georgien. Vielfältige Aktivitäten des Verbandes zielen auf die regelmässige Lehrerfortbildung im Bereich DaF. In Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut bringt der Verband eine Fachzeitschrift für Deutschlehrer heraus, in der aktuelle Aspekte des Fremdsprachenunterrichts behandelt werden. Der Wunsch, in Deutschland zu studieren, wird meistens als Hauptgrund für das Erlernen dieser Sprache genannt. Deutsch als eine Bildungssprache steht in harter Konkurrenz mit dem Russischem und dem Englischem. Der Hauptanziehungspunkt für das Deutschlernen sind, neben dem guten Ruf der deutschen Hochschulen, die relativ niedrigen Studien- und Aufenthaltskosten in Deutschland. Viele Jugendliche versuchen daher, ihr Studium in Deutschland fortzusetzen. Sogar die zahlreichen Au-Pairs fahren nicht nur nach Deutschland, um neue Kontakte zu knüpfen, ein bisschen Geld zu verdienen und mehr Selbständigkeit zu genießen, sondern vor allem, um besser Deutsch zu lernen und später ihre Ausbildung in Deutschland abzuschließen. Dieser Prozess bildet eine feste Basis für die weitere Entfaltung der traditionellen Bindung Georgiens an die deutsche Sprache und Kultur.
4. Literatur in Auswahl Glück, Helmut, Fried H. Nielsen und Manana Paischadse (Hg.) 1995 Deutsch in Georgien. Bamberg: Collibri-Verlag.
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Ministerium für Erziehung und Wissenschaft in Georgien (in englischer Sprache): http://www.mes.gov.ge/?lang⫽eng (Zugriff am 10. 12. 2009) National Examinations Center (in englischer Sprache): http://www.naec.ge/index.php?lang⫽eng (Zugriff am 10. 12. 2009) Teacher Professional Development Center (in englischer Sprache): http://www.tpdc.ge/index.php?&hl⫽en (Zugriff am 10. 12. 2009)
Iwa Mindadse, Anna Bakuradze, Tbilissi (Georgien)
194. Deutsch in Ghana 1. 2. 3. 4.
Geschichtlicher Hintergrund und sprachliche Situation Sprachenpolitik in der Gegenwart Entwicklungstendenzen Literatur in Auswahl
1. Geschichtlicher Hintergrund und sprachliche Situation Die jetzigen geographischen Grenzen Ghanas wurden zum größten Teil während der „Berliner Konferenz“ von 1884⫺1885 endgültig festgelegt, von den Briten kolonisiert und als „Goldküste“ bezeichnet. Kurz vor ihrer Unabhängigkeit annektierte die Goldküste den britischen Teil der früheren deutschen Kolonie Togo. Mit der Unabhängigkeit 1957 erfolgte die Umbenennung in Ghana. In Ghana sind zahlreiche ethnische Gruppen zu Hause, weshalb es bei einer Bevölkerung von ca. 22 Millionen Menschen mehr als 60 einheimische Sprachen gibt (vgl. Bemile 1994: 42; Bemile 2001: 1631). Elf dieser Sprachen (einschließlich Dialekte), Akuapem, Dagaare (Dagara), Dagbani, Dangme, Ewe, Fante, Ga, Gonja, Kasem, Nzima und Twi, werden seit 1989 vom Staat als die wichtigsten Sprachen Ghanas betrachtet und gefördert. Diese Sprachen werden in den Schulen gelehrt; Schulbücher werden in diesen Sprachen verfasst und verbreitet. Diese Sprachen werden auch in einigen Lehrerausbildungsstätten gelehrt und gelernt. Außer den einheimischen Sprachen gibt es viele nichtghanaische afrikanische Fremdsprachen, z. B. Hausa, Fulfulde und Moore, europäische (u. a. Deutsch) und asiatische Sprachen. Ghana ist dementsprechend ein multikulturelles und mehrsprachiges Land. Während der Kolonialzeit wurde das britische Schulsystem in Ghana eingeführt, Englisch wurde und wird immer noch als Amts- und Unterrichtssprache gebraucht. Ghana ist umgeben von ehemaligen französischen Kolonien, Togo, Burkina Faso und Coˆte d’Ivoire, die Französisch als Amts- und Unterrichtssprache haben. Zwar betraten bereits 1882 deutschsprachige Händler, nämlich die Brandenburger, den Boden des heutigen Ghana, doch konnte die deutsche Sprache in der britischen Kolonie nicht Fuß fassen. Erst im 19. Jahrhundert wurden Elemente der deutschsprachigen Kultur und der deutschen Sprache durch deutschsprachige Missionare nach Ghana gebracht ⫺ doch erst 1961 wurde Deutschunterricht an einigen Schulen versuchsweise offiziell eingeführt.
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
2. Sprachenpolitik in der Gegenwart Die Militärregierung des Provisional National Defence Council führte 1987 eine Schulreform durch, die nicht nur das Schulsystem änderte, sondern auch Französisch als zweite Fremdsprache im Schulunterricht festlegte, weil Ghana von französischsprachigen Ländern umgeben ist. Deutsch verschwand zu Gunsten der stärkeren Förderung der einheimischen Sprachen aus dem Schulsystem. Dennoch besteht ein reges Interesse an der deutschen Sprache und viele Institutionen haben aus den verschiedensten Gründen den Fortbestand des Deutschunterrichts gewährleistet. Viele Privatschulen und staatliche Institutionen lehren weiterhin Deutsch. Auf Grund des Einsatzes des Ghanaischen Deutschlehrerverbandes und des Goethe-Instituts Accra teilte 1996 das Erziehungsministerium mit, dass der Deutschunterricht als Pilotprojekt an den Schulen wieder eingeführt werden könne, die über Deutschlehrer und Lehrmaterialien verfügten. Staatliche Schulen, die z. Z. Deutsch unterrichten, wenn auch teilweise nur in Form von Deutschclubs, sind das St. Augustine’s College in Cape Coast, die Accra Academy in Accra, die Mawuli Senior High School in Ho und die Opoku Ware Senior High School in Kumasi. Hinzu kommen private Schulen. Im Hochschulbereich wurde Deutsch zusammen mit anderen Fremdsprachen wie Arabisch, Englisch, Französisch und Russisch durch die erste nachkoloniale Regierung in dem im Jahre 1961 Jahr gegründeten Ghana Institute of Languages (z. Z. mit drei Zweigstellen in Accra, Kumasi und Tamale) eingeführt. Seit den 1990er Jahren wird Deutsch auch als Wahlfach der University of Ghana und der University of Cape Coast angeboten. Während die übrigen staatlichen Hochschulen Deutsch nicht fördern, haben private Hochschulen wie z. B. das Methodist University College und die Regent University Deutsch offiziell eingeführt.
3. Entwicklungstendenzen Das Goethe-Institut in Accra, die Ghanaian-German Economic Association, der Ghanaische Deutschlehrerverband u. a. Einrichtungen versuchen, durch kulturelle Angebote die Beziehungen zwischen Ghanaern und Deutschen aufrechtzuerhalten, was allerdings nicht immer gelingt. Nach einer aktuellen Untersuchung des Verfassers haben Ghanaer und Deutschsprachige, die insbesondere in deutschsprachigen Firmen zusammenarbeiten, kaum die Gelegenheit, sich auf Deutsch zu unterhalten. Ghanaer haben auch wenig Chancen, ein deutschsprachiges Land zu besuchen, wo sie sich Deutschkenntnisse aneignen oder schon vorhandene Kenntnisse auffrischen könnten. Für manche Firmen sind die Deutschkenntnisse von Ghanaern und Aufenthalte in einem deutschsprachigen Land unwichtig, da alle oder die meisten geschäftlichen Verhandlungen auf Englisch abgewickelt werden. Es ergibt sich ein zwiespältiges Bild: Der Mangel an Praxis bzw. Konversation mit Muttersprachlern, der Mangel an Lern- und Lehrmitteln und der Mangel an Lesematerialien zur weiteren Förderung der erworbenen Sprachkenntnisse führen dazu, dass die Nachfrage nach Deutsch aktuell stagniert bzw. sinkt. Die deutsche Sprache gilt als sehr oder zu schwer und nicht erlernbar. Auch das Bild der Deutschen ist vielfach negativ (zu kriegerisch, kalt und unfreundlich).
194. Deutsch in Ghana
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Gleichzeitig kann der bestehende Bedarf an Deutschlehrern und Germanisten in den Schulen und Hochschulen nicht gedeckt werden. Zwar bemüht sich das Goethe-Institut, Deutschlehrer auszubilden, aber das reicht nicht aus. Das Ghana Institute of Languages bildet Übersetzer für die deutsche Sprache, aber keine Deutschlehrer aus. Gleichwohl unterrichten seine Absolventen eventuell Deutsch an demselben Institut oder in anderen Institutionen. Das österreichische Bildungsministerium hat gelegentlich Deutschlehrer aus Ghana für kurze Sprach- und Landeskundekurse nach Österreich eingeladen. Diese Möglichkeit scheint derzeit nicht mehr zu existieren. Besonders groß ist der Mangel an Germanisten, die an den Universitäten Deutsch als Fremdsprachenphilologie oder Germanistik lehren könnten. Dadurch, dass Deutsch und Germanistik offiziell nicht an den staatlichen Hochschulen angeboten werden, finden viele junge Leute, die sonst an Deutsch interessiert sind, keine Möglichkeit, Deutsch zu studieren. Ausländische Lehrkräfte, die in Ghana Deutsch unterrichten, kommen entweder als Lektoren durch den DAAD oder als Praktikanten von Universitäten in Deutschland und Österreich. Das reicht nicht aus, so dass auch auf Nichtmuttersprachler und auf nicht entsprechend Ausgebildete zurückgegriffen werden muss. Die Einführung eines germanistischen Studiengangs an den Universitäten bleibt daher auch aus diesem Grunde Zukunftsmusik. Trotz dieser eher trüben Lage gibt es viele Perspektiven zur Förderung der deutschen Sprache in Ghana. Zum einen gibt es in Ghana auf Grund seiner Vielsprachigkeit eine große Offenheit gegenüber dem Sprachenlernen (vgl. Bemile 2004). Zum andern ist aufgrund der vielen engen wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Beziehungen zwischen Ghana und Deutschland der Erwerb der deutschen Sprache wichtig, um solche Beziehungen aufrechtzuerhalten. Mangels geeigneter Ausbildungsmöglichkeiten für Lehrer in Ghana werden Möglichkeiten geprüft, ghanaische Deutschlernende in Nachbarländer wie Togo, Burkina Faso, Nigeria und vor allem Kamerun zu schicken, wo Germanistik und Deutsch als Fremdsprache studiert werden könnten. So bemüht sich das Goethe-Institut Accra, um eine engere Beziehungen zwischen ghanaischen Deutschlehrenden und Deutschlehrenden aus diesen Ländern zum Zwecke der Ausbildung von Deutschlehrern herzustellen. Auch ist zu hoffen, dass kürzere Kurse, eventuell auch komplette Studiengänge in deutschsprachigen Ländern (wieder) genutzt werden können. Auch die Zusammenarbeit zwischen ghanaischen und deutschen bzw. österreichischen Universitäten muss fortgesetzt werden. Solch eine Zusammenarbeit würde naturgemäß nicht nur der Förderung der deutschen Sprache in Ghana dienlich sein, sondern auch die Beziehungen zwischen Ghana und den betroffenen deutschsprachigen Ländern fördern. Als einen weiteren Ansporn für Deutschlehrer, Deutschlernende und die Förderung der deutschen Sprache in Ghana ließen sich noch weitere Ansätze ins Spiel bringen: Viele deutschsprachige Institutionen, Firmen, Organisationen, Verbände und Stiftungen in Ghana bleiben für die meisten Deutschlernenden unbekannt. Mit Hilfe der Ghanaian-German Economic Association könnten viele von ihnen erreicht werden. Der Ghanaische Deutschlehrerverband hat in den vergangenen Jahren Exkursionen zu Stätten der deutschen Vergangenheit durchgeführt. Es ist vonnöten, solche Exkursionen wieder aufzunehmen. Seit einiger Zeit veranstalten das Goethe-Institut, der Ghanaische Deutschlehrerverband und der DAAD jedes Jahr Wettbewerbe für Lernende und Studierende der deutschen Sprache in Ghana. Die regelmäßige Teilnahme der Deutschlehrer an nationalen, regionalen und internationalen Deutschlehrerkonferenzen sowie mehr
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
Kontakte zu deutschsprachigen Muttersprachlern in Ghana wären wünschenswert und würden auch dazu dienen, die ghanaischen und deutschen Gemeinschaften zusammenzufügen, um ein besseres Verständnis untereinander herzustellen und zu pflegen.
4. Literatur in Auswahl Bemile, Sebastian K. 1994 Multilingualism in Ghana. In: Thomas Bearth, Wilhelm J. G. Möhlig, Beat Sottas und Edgar Suter (Hg.), Perspektiven afrikanistischer Forschung, 39⫺55. Köln: Köppe. Bemile, Sebastian K. 2001 Deutschunterricht und Germanistikstudium in Ghana. In: Gerhard Helbig, Lutz Götze, Gert Henrici und Hans-Jürgen Krumm (Hg.), Deutsch als Fremdsprache, ein internationales Handbuch, Bd. 2. (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 19.1⫺ 2). 1631⫺1634. Bemile, Sebastian K. 2004 Sprachenvielfalt in Ghana ⫺ auch im Deutschunterricht. Fremdsprache Deutsch 31: 52⫺55.
Sebastian K. Bemile, Accra (Ghana)
195. Deutsch in Griechenland 1. 2. 3. 4.
Rahmenbedingungen Gegenwärtiges Profil Perspektiven Literatur in Auswahl
1. Rahmenbedingungen Fremdsprachen haben traditionell eine feste Position im griechischen Bildungswesen, denn fremdsprachliche Kompetenzen stellen in Griechenland nach wie vor einen zusätzlichen Wert der beruflichen Qualifikation dar. Die griechische Politik zum Fremdsprachenlernen wird heutzutage durch die europäische Politik zur Mehrsprachigkeit bedingt; daher werden innovative curriculare Maßnahmen getroffen, neue Lehrmaterialien entwickelt und weitere Sprachen in die Schule eingeführt. Die deutsche Sprache wird zwar traditionell sehr hoch in der griechischen Gesellschaft angesehen, steht aber nicht auf dem ersten Platz auf der Liste der gefragten Fremdsprachen. Deutsch wird als Verkehrs- und Wissenschaftssprache durch Englisch verdrängt und weitere Sprachen, wie Italienisch, Spanisch u. a., beteiligen sich aktiv am Spiel (Kiliari 2004); demzufolge schwächt sich allmählich die ehemals starke Nachfrage nach Deutschunterricht ab (StADaF 2006: 25).
195. Deutsch in Griechenland
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Das griechische Schulwesen unterscheidet 3 Stufen: a) Primarbereich: Grundschule (Dimotiko), sechs Jahre; b) Sekundarstufe I: Gymnasium (Gymnasio), drei Jahre; c) Sekundarstufe II: Lyzeum (Lykion: Geniko oder Techniko), drei Jahre. Grundschule und Sekundarstufe I ergeben insgesamt neun Jahre Schulpflicht. Der von der Europäischen Kommission weit geförderten plurilingualen Kompetenz (Muttersprache plus zwei Fremdsprachen; vgl. Europäische Kommission 2004: 16 ff.) entgegenkommend erfolgt im staatlichen Bildungswesen ab der dritten Schulklasse das Erlernen des Englischen als erste Fremdsprache, ab der fünften das Erlernen der zweiten obligatorischen Fremdsprache, je nach Nachfrage seitens der Schüler alternativ des Deutschen oder des Französischen. Vor kurzem (Schuljahr 2008/09) wurden in einigen Schulen der Sekundarstufe I in einer Probephase Italienisch, Spanisch, Russisch und Türkisch als weitere Wahlpflichtfremdsprachen eingeführt. Im schulischen Bereich wird das obligatorische Fremdsprachenlernen Ende der Sekundarstufe I abgeschlossen, in der Sekundarstufe II wird Fremdsprachenunterricht in allen o. g. Fremdsprachen als Haupt- oder Wahlfach angeboten. Die Teilnehmerzahl nimmt aber sehr stark ab (vgl. www.deutsch.gr). Im privaten Bildungswesen sieht die Situation ähnlich aus. In der Erwachsenenbildung wird im privaten wie im staatlichen Sektor eine breitere Palette von Sprachen angeboten. Deutschlehrende für alle Stufen verfügen über ein Germanistik-/DaF-Diplom einer griechischen oder ausländischen Universität. Weiterhin darf man im privaten Sektor als Deutschlehrende tätig sein, wenn man über die Lehrgenehmigung (eparkia) verfügt, die Zeugnisse für Sprachkenntnisse höheren Grades voraussetzt und nach Interessentenantrag vom Erziehungsministerium vergeben wird.
2. Gegenwärtiges Proil 2.1. Deutschunterricht Deutsch wird im staatlichen wie im privaten Sektor landesweit unterrichtet. Im schulischen Bereich wird nach den für diese Zwecke entwickelten Nationalcurricula vorgegangen (vgl. www.pi-schools.gr). Die in den letzten Jahren revidierten Curricula gehen von dem kommunikativen Ansatz unter Berücksichtigung der interkulturellen Dimension aus, formulieren konkrete Lerninhalte und -ziele und bauen auf die regionalen Lehrund Lerntraditionen auf. Es wird großer Wert darauf gelegt, dass der Deutschunterricht den Schülern tatsächlich Spaß bereitet und, wenn erwünscht, sie zum Erwerb eines standardisierten Sprachzeugnisses führt. Im Schuljahr 2006/07 wurde in allen öffentlichen Schulen ein in Griechenland entwickeltes Lehrwerk eingeführt. Es wird dabei versucht, durch Binnendifferenzierung, Projektarbeit und Berücksichtigung von Lernstrategien die Lernenden zu motivieren und die vier Fertigkeiten einzuüben. Allerdings wird Hörverstehen nicht ausreichend trainiert, da keine CD bzw. kein Hörmaterial das Lehrbuch begleitet. Der zweistündige Fremdsprachenunterricht in den staatlichen Schulen wird mehr oder weniger als ineffizient empfunden; deshalb streben die meisten Schüler an, an privaten Sprachschulen die schulischen Fremdsprachen oder eine weitere Fremdsprache intensiver zu lernen, obwohl auch dort der Unterricht nicht immer hohen Qualitätsstandards entspricht. Institutionelle und/oder individuelle Voraussetzungen der Lehrenden spielen dabei eine wichtige Rolle.
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
In der Erwachsenenbildung wird Deutschunterricht zunächst an allen staatlichen Universitäten und Fachhochschulen für die Studierenden aller Fakultäten als ein Wahlfach angeboten, das den Erwerb weit führender Sprachkompetenzen und der jeweiligen Fachterminologie ermöglichen soll. Im außerschulischen Bereich im privaten Sektor wird Deutsch auf allen Stufen angeboten. Die Inhalte und die didaktisch-methodische Konzeption stimmen sich auf das jeweilige Lehrwerk ab; Lernziele richten sich meistens nach den jeweiligen Prüfungsanforderungen (ZD, ZMP, KDS und/oder GDS, GSZFS (⫽ Griechisches Staatszertifikat für Fremdsprachen; vgl. http://www.kpg.ypepth.gr), welche auf verschiedenen Sprachbeherrschungsniveaus nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen verlaufen und zum Erwerb eines entsprechenden Zertifikats führen. Weiterhin gibt es ein steigendes Interesse an Übersetzungskursen. Öfters werden aus privaten oder öffentlichen Initiativen zeitbegrenzte Deutschkurse mit konkreten Lernzielen organisiert, um aktuellen Marktbedürfnissen nachzukommen. Es versteht sich, dass solche Kurse sich an ausgewählte Zielgruppen wenden, von denen jedoch keine konkrete Bestandsaufnahme gemacht werden kann.
2.2. Lehreraus- und -ortbildung Deutschlehrende für alle Stufen werden an den Philosophischen Fakultäten der Universität Athen und Universität Thessaloniki in den Abteilungen für deutsche Sprache und Literatur (vgl. http://www.gs.uoa.gr und http://web.auth.gr/del) ausgebildet. In beiden Fällen handelt es sich um einen Diplomstudiengang, der acht Studiensemester umfasst und sich in ein Grund- und ein Hauptstudium gliedert. In beiden Abteilungen werden nach erfolgreichem Ablegen der Panhellenischen Hochschul-Aufnahmeprüfung, bei der außer fachlichen Kenntnissen auch Deutsch-Kenntnisse auf dem B1-Niveau nachgewiesen werden müssen, jährlich je etwa 150 Studierende neu immatrikuliert. Studierende weisen wegen des unterschiedlichen Erwerbs deutscher Sprachkenntnisse auch sehr unterschiedliche sprachliche Voraussetzungen auf. Da die meisten Lehrveranstaltungen in der Sprach- und Literaturwissenschaft bereits ab dem ersten Semester in deutscher Sprache abgehalten werden, ist Sprachpraxis in den ersten vier Semestern von großer Wichtigkeit und deren erfolgreicher Abschluss ist sowohl in Thessaloniki als auch in Athen Voraussetzung für den Übergang zum Hauptstudium. Darüber hinaus bilden eine interkulturelle Ausrichtung für die Kultur- und Literaturwissenschaft sowie ein komparativer Ansatz zur Sprachwissenschaft wichtige Orientierungen für das Gesamtstudium. Angesichts der Perspektive, dass die überwiegende Mehrheit der Absolventen DaF unterrichtet, besitzt auch das Kursangebot zur Fremdsprachendidaktik einen besonderen Stellenwert. Sowohl in Thessaloniki als auch in Athen wird der Bezug zur DaF-Lehrpraxis auch durch ein Hospitationspraktikum während des Hauptstudiums hergestellt. Mittlerweile gibt es im Bereich des Postgraduierten-Aufbaustudiums mehrere zweijährige Studiengänge mit Schwerpunktsetzungen vor allem in der Sprach- und Literaturwissenschaft, die von beiden Abteilungen selbstständig oder in Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen der Philosophischen Fakultät durchgeführt werden. Außerdem wird an der Griechischen Fernuniversität Patras ein ebenfalls zweijähriges Postgraduiertenstudium angeboten, das speziell die „Didaktik des Deutschen als Fremdsprache“ betrifft (vgl. http://www.eap.gr). Der erfolgreiche Abschluss eines Aufbaustudienganges ist Vorausset-
195. Deutsch in Griechenland
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zung für die Aufnahme eines Promotionsstudiums, mit einer Mindestdauer von drei Jahren. Die Thematik der Dissertationen bewegt sich zumeist im literatur- oder sprachwissenschaftlichen Bereich. Fortbildungsseminare vor allem mit methodisch-didaktischen Schwerpunkten werden vom Goethe-Institut, von den Griechischen Deutschlehrerverbänden und zusätzlich für die Lehrkräfte im staatlichen Bildungswesen von den staatlichen Fortbildungsinstitutionen unter Mitwirkung zahlreicher Mitglieder des Lehrkörpers beider Germanistik-Abteilungen und von den Schulräten für Deutsch angeboten. Lehre und Forschung werden vorwiegend in Linguistik, Methodik und Didaktik des Deutschen als Fremdsprache und Literaturwissenschaft verbunden, wenngleich auch die Fachrichtungen Übersetzungswissenschaft sowie Kultur- und Geistesgeschichte und Sprachpraxis vertreten sind.
3. Perspektiven Die Zahl der Deutschlernenden und entsprechend die der Deutschstudierenden nimmt weltweit ab (vgl. StADaF 2006: 25; Frankfurter Allgemeine, 20. 03. 2008: 8). Das betrifft auch die Nachfrage nach dem Erlernen der deutschen Sprache in Griechenland. Immerhin könnte Deutsch als Sprache mit ökonomischer Stärke und kulturellem Prestige über die Konkurrenz anderer Sprachen hinweg als zusätzliche Berufsqualifikation anerkannt werden, wenn auch die deutsche Sprachpolitik viel konsequenter Maßnahmen und dynamische Aktionen zur Förderung der deutschen Sprache im Ausland ergreifen würde, um ihre Stellung als Amts-, Arbeits- und Verkehrssprache in Europa zu stärken. In einem solchen Zusammenhang könnte das Deutsche in einem Land wie Griechenland, welches aus langer Tradition wirtschaftliche, kulturelle und vor allem durch die griechischen Arbeitnehmer menschliche Kontakte zu Deutschland hat, eine zweite unentbehrliche Wahl von vielen Lernern sowohl im schulischen wie im außerschulischen Bildungsbereich sein, wenn motivierende Voraussetzungen für zukünftige praxisbezogene berufliche Perspektiven hergestellt werden. Im Hinblick darauf wäre m. E. eine Akzentuierung der Ausbildung in Athen und Thessaloniki vor allem im Bereich DaF, und zwar Deutsch als Zweit- oder Tertiärsprache, oder vor allem als Sprache für den Beruf sinnvoll, um durch ein erweitertes, vielfältiges Profil der Deutschlehrenden den zunehmenden Marktbedarf effizient zu decken. Weiterhin sollte man die Lehrenden auf die Anforderungen des Deutschunterrichts in griechischen multikulturellen und multilingualen Klassen hinsichtlich einer plurikulturellen Kompetenz sensibilisieren. In Richtung Forschung sollte man den interkulturellen Blick auf beide Sprachen und die deutschsprachigen Kulturen interdisziplinär intensivieren und berufsbezogene Kenntnisse in europäische Kontexte integrieren, um diesbezüglich eine vertiefte Kooperation im europäischen Hochschulraum anzuregen.
4. Literatur in Auswahl Europäische Kommission 2004 Förderung des Sprachenlernens und der Sprachenvielfalt: Aktionsplan 2004⫺2006. Brüssel.
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
Kiliari, Angeliki 2004 Die deutsche Sprache in Griechenland. In: Hans-Gert Roloff (Hg.), Jahrbuch für Internationale Germanistik. Jahrgang XXXVI, Heft 1: 13⫺22, Bern: Lang. StADaF (Koord.) 2006 Deutsch als Fremdsprache. Datenerhebung 2005. Auswärtiges Amt, DAAD, Goethe-Institut, Zentralstelle für das Auslandwesen.
Angeliki Kiliari, Thessaloniki (Griechenland)
196. Deutsch in Großbritannien 1. 2. 3. 4.
Deutsch als Fremdsprache im Schulunterricht Die Entwicklung an den Universitäten Zusammenfassung und Ausblick Literatur in Auswahl
1. Deutsch als Fremdsprache im Schulunterricht Das Fach Deutsch kann im britischen Schulsystem nicht isoliert betrachtet werden, da es im Rahmen von schulpolitischen Entscheidungen, Trends und Entwicklungen immer in die Kategorie Modern Languages fällt. Die erste und zahlenmäßig stärkste moderne Fremdsprache ist Französisch. Deutsch rangierte lange Zeit an Platz zwei, wird aber gegenwärtig von Spanisch überholt. Mit der Einführung eines allgemein verbindlichen Lehrplans (National Curriculum) wurde seit 1988 der Unterricht in wenigstens einer modernen Fremdsprache Pflicht für Schüler an staatlichen Sekundarschulen. Eine Studie der Nuffield Foundation, die von der Frage ausging, ob die Ausbildung in modernen Fremdsprachen den Bedürfnissen der britischen Wirtschaft und Gesellschaft der Gegenwart entspreche, kam 2002 zu dem Schluss, dass es Großbritannien auf allen Ebenen an qualifizierten Sprechern moderner Fremdsprachen mangele, dass die Wirtschaft des Landes deswegen schwere Einbußen erleide und dass es zu wenig qualifizierte Fremdsprachenlehrer gebe. Man plädierte für eine Erweiterung des Spektrums moderner Fremdsprachen, die gelehrt und gelernt würden („French is not enough“) und für eine Einbeziehung des schulischen Primarbereichs in den Fremdsprachenunterricht. Kurz darauf wurde die National Language Strategy ,Languages for All: Languages for Life‘ der Regierung vorgestellt. Zu den wichtigsten Punkten dieser Initiative gehören der Ausbau des Fremdsprachenunterrichts im Primarbereich und die Etablierung von Schulen mit speziellen Ausrichtungen, darunter auch solche mit einem Schwerpunkt auf Sprachen. Vor allem aber wurde der Unterricht in modernen Fremdsprachen ab September 2004 an staatlichen Gesamtschulen zur Option. Für viele Schulen war dies eine willkommene Möglichkeit zu sparen, und tatsächlich haben die staatlichen Gesamtschulen ihr Lehrangebot in den Modernen Fremdsprachen drastisch reduziert, während es für die Privatschulen und Grammar Schools des Landes nach wie vor zum obligatorischen Bil-
196. Deutsch in Großbritannien
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dungskanon gehört. Deutsch gilt mehr als andere Fremdsprachen als anspruchsvolles Fach, für das man nur mit besonderem Arbeitseinsatz gute Ergebnisse erzielen kann. Viele Schulen, die für die jährlichen League Tables und die regelmäßigen Schulinspektionen gute Prüfungsergebnisse vorweisen müssen, ermutigen daher nur besonders leistungsstarke Schüler dazu Deutsch zu wählen. Aus Kostengründen und weil qualifizierte Fremdsprachenlehrer rar sind, bieten viele Gesamtschulen das Fach Deutsch erst gar nicht an. Französisch ist traditionsgemäß die erste Fremdsprache und Spanisch erfreut sich immer größerer Beliebtheit als Sprache, die man mit Urlaubserlebnissen oder dem als exotisch empfundenen Lateinamerika verbindet. Deutsch dagegen wird in Großbritannien schlimmstenfalls mit dem Zweiten Weltkrieg in Verbindung gebracht, meistens aber mit dem Bild von Deutschen als humorlosen, wenn auch effektiven Zeitgenossen, die sich über die EU in die Belange Großbritanniens einmischen wollen. Derartige Stereotype und Vorurteile werden immer dann ausgeräumt, wenn es zu tatsächlichen Begegnungen kommt, etwa durch Schulaustauschprogramme (Elspaß 1999).
1.1. Entwicklungen im Primarbereich Im Primarbereich hat sich durch die Einführung der National Language Strategy am meisten getan: 2009 boten 92 Prozent aller Grundschulen des Landes Unterricht in einer oder in mehreren modernen Fremdsprachen an, 22 Prozent mehr als 2006. Dieser Unterricht konzentriert sich allerdings in überwältigendem Ausmaß auf Französisch; Spanisch folgt mit 25, Deutsch mit lediglich zehn Prozent (Wade, Marshall und O’Donnell 2009). Es ist aus den Statistiken nicht zu ersehen, wie viele qualifizierte Fremdsprachenlehrer es für Grundschulen gibt. Zur Zeit wird ein Lehrplan für den Fremdsprachenunterricht in der Grundschule entwickelt und in Pilotprojekten getestet. Die Evaluierung eines solchen Projektes kam zu dem Ergebnis, dass der Fremdsprachenunterricht an Grundschulen in den meisten Fällen nicht von qualifizierten Lehrern erteilt wird, sondern von Grundschullehrern, die gewisse Kenntnisse in einer Fremdsprache haben, von ausländischen Sprachassistenten oder von Fachlehrern, die stundenweise von benachbarten Sekundarschulen ausgeliehen werden. Der Bericht bemängelt das Fehlen eines Konzeptes von Progression und dass man sich bisher kaum Gedanken über den Übergang zum Sekundarbereich gemacht habe (Wade, Marshall und O’Donnell 2009).
1.2. Entwicklungen im Sekundarbereich I Im Sekundarbereich I hat das Fach Deutsch seit dem Ende der 1990er Jahre einen dramatischen Einbruch erlitten. Nach Statistiken, die vom britischen Department for Children, Schools and Families (DCSF) erhoben und vom National Centre for Languages (CILT) ausgewertet wurden, ergibt sich, dass der Anteil von englischen Schülern eines Jahrgangs, der eine GCSE-Prüfung (den Sekundarstufe-I-Abschluss) in Fremdsprachen ablegt, seit 2001 von 78 Prozent auf 44 Prozent gefallen ist. Ein deutlicher Einschnitt ist zwischen 2004 und 2006 zu erkennen, also nach dem Inkrafttreten der National Language Strategy (CILT secondary stats 1). Für das Fach Deutsch zeigt sich zwischen 1999 und 2007 ein Rückgang von 40 Prozent im gesamten Großbritannien (CILT secondary stats 1).
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
Die Trends für die Fächer Französisch, Deutsch und Spanisch an staatlichen Schulen in England zeigen, dass 1994 21 Prozent eines Schülerjahrgangs Deutsch lernten. Dieser Anteil fiel bis 2009 auf 11 Prozent. Die Entwicklungen in Schottland entsprechen diesem Trend (CILT secondary stats 1).
1.3. Entwicklungen im Sekundarbereich II Für den Sekundarbereich II gelten ähnlich beunruhigende Tendenzen. Spanisch hat Deutsch im Sekundarbereich II inzwischen als zweitstärkste Sprache abgelöst. 1992 wurde Deutsch als Abiturfach (A-Level) in England und Wales von 4,3 Prozent eines Schülerjahrgangs gewählt, 2007 waren es noch 2,2 Prozent (British Academy 2008). Die Zahlen für Schottland zeigen dieselben Trends (Canning 2008: 8). Die Bildungspolitik scheint sich der Probleme allmählich bewusst zu werden und versucht vorsichtig, zu Gunsten des Fremdsprachenunterrichts auf Schulen einzuwirken (Smith 2006). Es ist jedoch für die Schulen schwer, qualifizierte Sprachlehrer zu finden. In den vergangenen Jahren konnten nie so viele Sprachlehrer ausgebildet werden, wie als Bedarf zentral festgelegt worden war (CILT trainee teachers). Um Lehrer für moderne Fremdsprachen zu werden, muss man nach dem Hochschulstudium einer Sprache einen einjährigen Zusatzkurs an einer Universität belegen, der mindestens zur Hälfte aus Unterrichtspraktika besteht. Fachdidaktik für Deutsch als Fremdsprache existiert nur in Ausnahmefällen und in sehr eingeschränkter Form. Es gibt gegenwärtig 6.600 Deutschlehrer an Sekundarschulen in Großbritannien, etwa 300 weniger als vor fünf Jahren. Für die berufliche Weiterbildung von Sprachlehrern gibt es die Angebote des National Centre for Languages (CILT) und der Goethe-Institute in London und Glasgow sowie die vor einigen Jahren ins Leben gerufene Netzwerkinitiative Links into Languages (Links).
2. Die Entwicklung an den Universitäten Das Fach Germanistik erhielt an britischen Universitäten erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Status einer autonomen wissenschaftlichen Disziplin (zur Geschichte der britischen Germanistik im 20. Jahrhundert vgl. Ortmanns 1993 und Rösler 2001). Nach Kolinsky (1994) machte das Fach in den frühen 1980er Jahren eine Krise durch. Seit Mitte der 1980er Jahre jedoch nahm die Anzahl der Studierenden stetig zu und in der daran anschließenden Phase erfand sich die Germanistik vielerorts im Lande neu. Entsprechend wird das Fach Deutsch heutzutage an den Universitäten Großbritanniens in sehr verschiedenen Formen verstanden und gelehrt. An den ältesten und traditionsreichsten Instituten des Landes wird eine dem deutschen Vorbild nachempfundene Germanistik betrieben, mit einem Schwerpunkt auf dem Studium der deutschen Literatur sowie Mediävistik und in eingeschränktem Maße Sprachwissenschaften. In den letzten Jahren haben auch an diesen Instituten Filmstudien an Bedeutung gewonnen. Unterrichtssprache ist normalerweise Englisch, und auch die Prüfungen werden, von spezifischen Sprachprüfungen abgesehen, in englischer Sprache durchgeführt. Am anderen Ende der Skala steht das Konzept der German Studies, vor allem von den moderneren Universitäten und den seit 1992 in den Universitätsstand erhobenen Fachhochschulen (Polytechnics) angewandt. Mit diesem Ansatz bemüht man sich, das Deutschstudium den Gegebenheiten
196. Deutsch in Großbritannien
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der modernen Gesellschaft anzupassen und legt großen Wert auf aktive Sprachkompetenz, ein Auslandsjahr, in dem praktische Berufserfahrung gesammelt werden kann, und Inhalte, die auf die Vermittlung von kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen in den deutschsprachigen Ländern zielen. Hier ist die Unterrichtssprache weitgehend Deutsch, und alle Prüfungen werden in deutscher Sprache abgehalten. Die 65 Universitäten, die Deutsch als vollwertiges Studienfach anbieten, gestalten ihre Lehrpläne entweder nach einem dieser beiden Muster oder finden eine eigene Lösung dazwischen (Jaworska 2009). Wie in der Schule hat das Fach Germanistik / German Studies auch an den Universitäten gegenwärtig einen schweren Stand: Im Jahre 2000 boten in Großbritannien 126 Universitäten Studiengänge in Germanistik / German Studies an, 2006 waren es noch 65, was einen Rückgang von 48 % bedeutet (AHRC Review of Research in Modern Languages 2006). Tendenziell sind es eher die jüngeren Universitäten und vor allem die früheren Fachhochschulen, die sich ihrer Studiengänge in modernen Fremdsprachen aus Kostengründen entledigen. Für Universitäten am anderen Ende der Skala gehören diese Studiengänge dagegen zu einem akademischen Profil in den Geisteswissenschaften, das man nicht verlieren will. Dies bewirkt, dass die Studiengänge, in denen traditionellere Germanistik gelehrt wird, wieder an Dominanz gewinnen. Auch die Studentenbewegungen gehen deutlich in diese Richtung. Nur noch wenige germanistische Institute im Land werden als German Departments verwaltet. Das Fach Deutsch ist vorwiegend als Teil einer School of Modern Languages repräsentiert. Nach der Higher Education Statistics Agency (HESA) waren im akademischen Jahr 2003/04 286 forschungsaktive Wissenschaftler und Dozenten im Bereich German Studies / Germanistik an britischen Hochschulen beschäftigt. Noch im Vorjahr waren es 58 mehr, was auch hier auf einen deutlichen und rapiden Rückgang schließen lässt. 37 Prozent der Universitätslehrer in den modernen Fremdsprachen sind keine Briten (AHRC Review of Research in Modern Languages 2006). Dies hat seine Ursache ebenfalls in der Krise der modernen Fremdsprachen in Großbritannien, denn über Jahrzehnte waren zu wenige britische Hochschulabsolventen an einer wissenschaftlichen Karriere in diesem Bereich interessiert. Die Lücke wird seither mit Bewerbern vor allem aus dem europäischen Ausland gefüllt. Hier entstehen oft Probleme, die auf unterschiedliche akademische Traditionen zurückzuführen sind. Das deutsche System bildet Spezialisten aus, während der britische Hochschulalltag All Rounder mit Interesse am interdisziplinären Arbeiten fordert. Der 2006 vom Arts and Humanities Research Council (AHRC) publizierte Bericht Review of Research in Modern Languages hat ergeben, dass trotz der insgesamt schwierigen Lage für die modernen Fremdsprachen die Forschungsleistungen beeindruckend sind. Der Bericht konstatiert jedoch ebenfalls, dass es in den modernen Fremdsprachen in Großbritannien immer weniger Sprachwissenschaftler gibt. Als akademische Interessenvertretung der britischen und irischen Germanistik fungiert die Association for German Studies in Great Britain and Ireland (ASG), die einmal jährlich zu Konferenzen einlädt, auf denen aktuelle Forschung vorgestellt und allgemeine Anliegen diskutiert werden. Die Österreich-Kooperation (ÖK) und der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) unterstützen die britische Germanistik insbesondere mit ihren Lektorenprogrammen: Zu Beginn des akademischen Jahres 2008/09 arbeiteten 20 Lektoren der ÖK und 50 DAAD-Lektoren an britischen Universitäten. Von den DAAD-Lektoraten sind elf sogenannte Fachlektorate, d. h. Spezialisten für Jura, Politik oder Wirtschaftswissenschaften. Die Zahl der DAAD-Lektoren ist damit seit 1994 um 27,5 Prozent zurückgegangen (Rösler 2001: 1470).
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
Die große Mehrheit der britischen Studierenden schreibt sich für einen Bachelor-Studiengang ein. Im Fach Germanistik / German Studies dauert dieses Studium vier Jahre, von denen das dritte Studienjahr normalerweise im deutschsprachigen Ausland verbracht wird. Nur wenige Studierende entscheiden sich anschließend zu einem weiterführenden einjährigen Masterstudium. Im akademischen Jahr 2006/07 studierte etwa ein Drittel aller Sprachstudierenden eine Sprache (Single Honours), die Mehrheit kombinierte zwei Sprachen oder eine Sprache mit einem anderen Fach. Die Mehrheit der Studierenden waren gebürtige Briten (89 %) und weiblich (69 %) (CILT higher education stats 1). Die Statistiken zeigen, dass es im akademischen Jahr 2006/07 in Großbritannien etwa 5.400 Studierende der Germanistik / German Studies gab, wenn man die Masterstudenten mitzählt. Seit 1997 hat das Fach Deutsch damit 33 Prozent seiner Studentenzahlen verloren. Dieser Rückgang hat sich in den letzten Jahren etwas verlangsamt, verglichen mit dem dramatischen Verlust von 17 Prozent zwischen 1998 und 2001 sanken die Studentenzahlen zwischen 2002 und 2007 nur um zehn Prozent. Spanisch hat auch an den Universitäten das Fach Deutsch als zweitstärkste Sprache abgelöst (CILT higher education stats 2; diese Statistik berücksichtigt allerdings nicht die 1.540 Sprachstudenten der Open University). Zusätzlich zu den schwindenden Studierendenzahlen gilt es im Universitätsalltag auch noch andere Schwierigkeiten zu bewältigen: Universitätslehrer beklagen seit einiger Zeit einen deutlichen Rückgang der Deutschkenntnisse, mit denen britische A-LevelAbsolventen ihr Studium an der Universität beginnen (Kolinsky 1994: 43). Ein auf mündliche Kommunikationsfähigkeit ausgerichteter Schulunterricht führt dazu, dass durchschnittliche Studienanfänger kaum Grammatikkenntnisse, große Wortschatzprobleme und wenig Allgemeinwissen über die deutschsprachigen Länder mitbringen. Viele Universitäten haben daher ihre Lehrpläne umgestellt und konzentrieren sich im ersten Studienjahr auf die Vermittlung von sprachlichen Grundlagen und fachspezifischem Allgemeinwissen.
3. Zusammenassung und Ausblick Das Fach Deutsch in Großbritannien befindet sich gegenwärtig in einer Krise: Die Zahlen zeigen, dass Deutsch in Großbritannien seinen Status als zweitwichtigste moderne Fremdsprache an Spanisch abtreten musste, dass die Zahl der Germanistikstudierenden zwischen 1997 und 2007 um ein Drittel zurückgegangen ist und dass fast die Hälfte der noch 2002 angebotenen Studiengänge inzwischen nicht mehr existieren. Die Entwicklung an den Schulen des Landes geht in dieselbe Richtung. Verschiedene Faktoren beeinflussen diese Trends: Deutsch gilt als schweres Fach, in dem man nicht ohne Aufwand gute Ergebnisse erzielt. Es wird daher weder von Schülern noch von Schulleitern favorisiert. Zum anderen ist das Image Deutschlands in Großbritannien nicht besonders gut und stetigen Schwankungen unterworfen, manchmal allerdings auch zum Positiven, wie das Beispiel der Fußballweltmeisterschaft 2006 gezeigt hat. Drittens gibt es Probleme und Engpässe bei der Deutschlehrerausbildung, und schließlich war die britische Bildungspolitik der vergangenen fünfzehn Jahre im Hinblick auf eine Konsolidierung der modernen Fremdsprachen an Schulen und Universitäten eher kontraproduktiv. Gleichzeitig ist aber relativ deutlich, was getan werden müsste, um diese Situation nachhaltig zu verbessern: Austauschprogramme aller Art ⫺ Schüleraustausch, Erasmus-
196. Deutsch in Großbritannien
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Programme, die ÖK- und DAAD-Lektorenprogramme etc. ⫺ sollten unterstützt und erweitert werden. Verschiedene Studien und auch die britischen Reaktionen auf die Fußballweltmeisterschaft 2006 haben gezeigt, dass Deutschland und die deutsche Sprache durch direkten Kontakt zwischen Individuen sofort in einem besseren Licht erscheinen. Dann sollte es eine gezieltere Informationspolitik an Schulen geben, die unter anderem die beruflichen Chancen betont, die ein Abschluss in Deutsch als Fremdsprache bietet. Schließlich müsste die Aus- und Weiterbildung der Deutschlehrer in Großbritannien verbessert werden, zum Beispiel durch stärkere Integration von Fachdidaktik für Deutsch als Fremdsprache.
4. Literatur in Auswahl AHRC 2006
Review of research in modern languages. http://www.llas.ac.uk/projects/archive/2498 (29. 11. 2009). The British Academy 2008 Language Matters 5. Background paper. http://www.britac.ac.uk/reports/language-matters/ position-paper.cfm (29. 11. 2009). Canning, John 2008 Five years on. The language landscape in 2007. Subject Centre for Languages, Linguistics and Area Studies. http://www.llas.ac.uk/resources/publications.html (29. 11. 2009). CILT higher education stats 1. http://www.cilt.org.uk/home/research_and_statistics/statistics/higher_education_statistics/ he_learning_trends_in_uk.aspx (29. 11. 2009). CILT higher education stats 2. http://www.cilt.org.uk/home/research_and_statistics/statistics/higher_education/student_ number_levels.aspx (29. 11. 2009). CILT secondary stats 1. http://www.cilt.org.uk/home/research_and_statistics/statistics/secondary_statistics/gcse_ exam_entries.aspx (29. 11. 2009). CILT secondary stats 2. http://www.cilt.org.uk/home/research_and_statistics/statistics/secondary_statistics/as_a2_ exam_entries.aspx (29. 11. 2009). CILT trainee teachers. http://www.cilt.org.uk/home/research_and_statistics/statistics/higher_education_statistics/ trainee_teacher_trends.aspx (29. 11. 2009). Elspaß, Stephan 1999 Zum Selbstbild von Deutschlernern ⫺ Ergebnisse einer Befragung britischer und irischer Studierender. Info DaF 26(5): 458⫺467. Jaworska, Sylvia 2009 The German language in British Higher Education. Problems, challenges, teaching and learning perspectives. Wiesbaden: Harrassowitz. Kolinsky, Eva 1994 Studienfach Deutsch. Ergebnisse einer empirischen Untersuchung zu Stand und Entwicklung der Germanistik in Großbritannien. Info DaF 21(1): 25⫺44. Links: Links into languages. http://www.linksintolanguages.ac.uk (29. 11. 2009). Ortmanns, Karl Peter 1993 Deutsch in Großbritannien. Die Entwicklung von Deutsch als Fremdsprache von den Anfängen bis 1985. Stuttgart: Steiner.
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
Rösler, Dietmar 2001 Deutschunterricht und Germanistikstudium in Großbritannien. In: Gerhard Helbig, Lutz Götze, Gert Henrici und Hans-Jürgen Krumm (Hg.), Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch, 1464⫺1471. Band 2. (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 19,1⫺2.) Berlin/New York: de Gruyter. Smith, Jacqui 2006 Letter to secondary schools. www.teachernet.gov.uk/_doc/9522/Letter%20from% 20Jacqui%20Smith.pdf (29. 11. 2009). Wade, Pauline, Helen Marshall und Sharon O’Donnell 2009 Primary Modern Foreign Languages. http://www.dcsf.gov.uk/research/data/uploadfiles/ DCSF-RR127.pdf (29. 11. 2009). Worton, Michael 2009 Review of Modern Foreign Languages Provision in Higher Education. (HEFCE). http:// www.hefce.ac.uk/Pubs/HEFCE/2009/09_41/09_41.pdf (29. 11. 2009).
Gertrud Reershemius, Birmingham (Großbritannien)
197. Deutsch in Indien 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Fremdsprachen in Indien Deutschunterricht in Indien Germanistikstudium in Indien Überregionale Vernetzungen Organisationsfragen Perspektiven, Möglichkeiten, Probleme Literatur in Auswahl
1. Fremdsprachen in Indien In den letzten fünf Jahren ist der Bedarf an Fremdsprachenkenntnissen in Indien durch die Globalisierung sprunghaft gestiegen. Die Auslagerung vieler Geschäftszweige von ausländischen Firmen nach Indien hat dazu geführt, dass junge Inder mit Fremdsprachenkenntnissen mit relativer Leichtigkeit in den Arbeitsmarkt einsteigen. Diese Situation, die vor etwa fünf Jahren unvorstellbar war, betrifft auch die Rolle des Deutschen in Indien. Die günstigen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt spiegeln sich in einer gestiegenen Nachfrage nach Deutschunterricht und einer konkreteren Motivation seitens der Deutschlerner und der Studierenden wider. Nach einer Erhebung der Ständigen Arbeitsgruppe Deutsch als Fremdsprache (StDaF) von 2005 wird in Indien Deutsch als Fremdsprache an 136 Schulen und an 85 Hochschulen angeboten. Die Zahl der DaF-Lerner im Schulbereich lag 2005 bei 14.900, während die Zahl von Deutschstudierenden an den Hochschulen 4.500 betrug. 230 Studierende waren 2005 in den verschiedenen Germanistik-Abteilungen eingeschrieben, d. h. die Zahl der Deutschlernenden insgesamt betrug 21.470.
197. Deutsch in Indien
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2. Deutschunterricht in Indien Nach dem angelsächsischen Modell kann man in Indien an Colleges nur den BachelorGrad erwerben, während der Magisterstudiengang an den Universitäten absolviert wird. Ausnahmen liegen lediglich in den Fremdsprachenphilologien vor, in denen an einigen Universitäten auch ein Bachelorgrad erworben werden kann. Die Trennung von Deutschstudierenden an Hochschulen und Studenten der Germanistik ergibt sich aus der Tatsache, dass an vielen Colleges und Universitäten Zusatzkurse, die auch Teilzeitkurse sind, in Deutsch (und in anderen Fremdsprachen) für Studierende anderer Fächer angeboten werden. In der Regel sind es drei Kurse: Certificate of Proficiency, Diploma of Proficiency und Advanced Diploma of Proficiency. Die Kurse gehen über je ein akademisches Jahr und schließen jeweils mit einer schriftlichen und einer mündlichen Prüfung ab. Durchschnittlich werden zwischen 4 und 6 Wochenstunden unterrichtet. Die beiden erstgenannten Kurse bestehen aus reinem Sprachunterricht und nur im Advanced Diploma werden kurze literarische Texte behandelt. Neben den Colleges und den Universitäten bieten auch die fünf Zweigstellen des Goethe-Instituts in Indien, die hier nach dem berühmten Indologen Max Mueller Bhavans heißen, verschiedene Sprachkurse an, die sich trotz relativ hoher Kursgebühren großer Beliebtheit erfreuen. Seit einigen Jahren bieten die Max Mueller Bhavans auch Kurse an, um vor allem auf spezielle Erfordernisse der Wirtschaft einzugehen. Neben „extensiven“, „intensiven“ und „superintensiven“ Sprachkursen werden auch Spezialkurse wie z. B. Deutsch für den Beruf, Wirtschaftsdeutsch, Techniken des Übersetzens, Fernlernkurse und individuell gestaltete Firmenkurse angeboten. Diese breite Palette, die nicht nur inhaltlich die Wünsche der potentiellen Teilnehmer berücksichtigt, sondern auch die Zeitvorstellungen in Betracht zieht, ist eine deutliche Reaktion auf die gewachsene und noch wachsende Nachfrage nach Deutschunterricht.
3. Germanistikstudium in Indien 3.1. Das Lehrangebot Während das Angebot an Teilzeitkursen in Fremdsprachen an den Hochschulen in den letzten Jahren gestiegen ist, ist die Zahl der Universitäten, die einen Abschluss in Germanistik anbieten, bei neun geblieben. Die Ausbildungsinhalte in diesen neun Zentren des Germanistikstudiums in Indien sind allerdings sehr unterschiedlich und richten sich, den jeweiligen institutionellen Bedingungen gemäß, entweder auf einen traditionellen Literaturunterricht mit einem Landeskundeanteil oder auf eine erweiterte Kulturwissenschaft bzw. auf European Studies. Allen Universitätskursen auf der Anfängerstufe ist gemeinsam, dass sie mit dem Sprachunterricht beginnen müssen. Obwohl die Zahl der Schulen, die Deutsch als Fremdsprache anbieten, in den letzten Jahren gestiegen ist, ist deren geografischer Raum auf einige wenige Städte in Indien wie Delhi, Mumbai oder Pune beschränkt, während das Einzugsgebiet der Studierenden sich viel weiter erstreckt. Im ersten von drei Jahren, die den Bachelorkurs ausmachen, werden durch intensiven Sprachunterricht (18⫺20 Wochenstunden) die erforderlichen sprachlichen Fertigkeiten vermittelt, die es den Studierenden ermöglichen, im zweiten Studienjahr kurze literari-
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
sche und andere Texte zu lesen. Zum fortgeschrittenen Sprachunterricht kommen im zweiten Jahr Literatur und Landeskunde hinzu, wobei an einigen Abteilungen unter „Landeskunde“ eine Einführung in die Geschichte der deutschsprachigen Länder verstanden wird. Das zweijährige Magister-Programm bildet den wichtigen Kern des Germanistikstudiums in Indien. Auch hier weisen die Ausbildungsinhalte deutliche Unterschiede auf. Allen gemeinsam ist jedoch die Beschäftigung mit Theoriemodellen als Grundlage für ein systematisches Studium der Literatur. Neu ist eine stärkere Berücksichtigung der Kulturwissenschaften mit ihrem speziellen theoretischen Apparat, die an einigen Abteilungen neu eingeführt worden ist. Während an einigen Universitäten Theorie und Praxis der Übersetzung als eines unter anderen Modulen angeboten wird, bietet einzig die Jawaharlal Nehru University (JNU) in Neu-Delhi einen vollen Studiengang in Übersetzung und Dolmetschen mit einem entsprechenden Abschluss an. Neben den üblichen Modulen eines Literaturstudiums ist das weiterführende Lehrangebot auch von den Forschungsinteressen der Lehrkräfte abhängig. Es entsteht daher ein breites Spektrum, das von der neueren und neuesten deutschsprachigen Literatur über Kunst-und Kulturgeschichte, Sprache der Medien, interkulturelle Beziehungen und vergleichende Literaturwissenschaft bis hin zu Filmstudien reicht. In fast allen Abteilungen wurden in den letzten Jahren mindestens einmal die Curricula grundlegend geändert und erneuert, womit neueren Entwicklungen im Fach Germanistik Rechnung getragen wurde, allerdings innerhalb des von den jeweiligen Institutionen gesetzten Rahmens. Die Zahl der Studenten, die in der Germanistik forschen wollen, schwankt in den letzten Jahren. Dies hängt einerseits mit den erwähnten neuen Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt zusammen, andererseits aber auch damit, dass die Zahl der Lehrerstellen an Colleges und Universitäten nicht im gleichen Maße wie in der Wirtschaft gewachsen ist. Da die Forschung für eine akademische Laufbahn unabdingbar ist, für den globalisierten Arbeitsmarkt jedoch nicht nötig ist, sind die Studentenzahlen auf dieser Ebene eher gering. Eine Ausnahme bildet die Abteilung an der University of Pune, die auf der M. Phil Stufe, einer Zwischenstufe zwischen dem Magister und der Promotion, eine Zahl von 29 eingeschriebenen Studenten vorweist.
3.2. Forschungsschwerpunkte Wichtige Forschungsschwerpunkte sind u. a. im Bereich der Komparatistik angesiedelt, wobei es sich um einen literarischen, kulturwissenschaftlichen oder sprachlich-linguistischen Vergleich handeln kann. Aspekte der deutsch-indischen Beziehungen bilden weiterhin einen Teil der Forschungslandschaft an vielen Abteilungen, wobei der Untersuchungszeitraum sowohl zeitlich als auch in textueller Hinsicht erweitert worden ist, um einerseits die neueste deutschsprachige Literatur mit einem Indienbezug als auch Briefe und Berichte deutscher Missionare aus Südindien vom frühen 18. Jahrhundert mit einzuschließen. Neuere Forschungsschwerpunkte erweitern dieses Thema auch in theoretischer Hinsicht, um Beziehungen zwischen Europa und der postkolonialen Welt zu betrachten. Nach wie vor stellt auch die Methodologie des Fremdsprachenunterrichts einen wichtigen Forschungsschwerpunkt dar.
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3.3. Lehreraus und -ortbildung Obwohl die Didaktik und Methodik des Deutschen als Fremdsprache auch in den Lehrplänen vertreten und mehrfach Forschungsgegenstand ist, ist sie vom Umfang des Lehrangebots her nicht geeignet, als Lehrerausbildung zu gelten. Zwar wurde in den 1970er Jahren das Central Institute of English and Foreign Languages in Hyderabad (CIEFL, heute UEFL ⫺ University of English and Foreign Languages) schwerpunktmäßig mit der Aufgabe der Lehrerfortbildung beauftragt, aber einschlägige Fortbildungskurse werden seit vielen Jahren wegen des angeblichen Fehlens einer „kritischen Masse“ nicht mehr angeboten. Neben Fortbildungsmöglichkeiten für existierende Lehrer muss die Deutschlehrerausbildung insgesamt erweitert werden. Eine Ausbildung, die diesen Namen verdient, wurde bislang nur von einigen Max Mueller Bhavans angeboten. Diese Kurse sind jedoch vorrangig auf die Bedürfnisse des Sprachunterrichts in den Goethe Instituten gerichtet und sind daher für angehende Lehrer an Germanistik-Abteilungen nur vom begrenzten Nutzen. Da aber die Nachfrage für Fremdsprachen in Indien gewaltig gestiegen ist, müssen auch Fremdsprachenlehrer gesondert ausgebildet werden, zumal das Goethe Institut in Indien z. Zt. auch dabei ist, Schulen für den Deutschunterricht zu gewinnen. In diesem Kontext hat sich die Department of Germanic and Romance Studies an der University of Delhi bereit erklärt, einen Teilzeitkurs mit einer Dauer von einem Jahr einzuführen, der 2008 begonnen hat (Diploma in Foreign Language Education). Konzipiert wurde dieser Kurs in einer einzigartigen Zusammenarbeit zwischen der Abteilung und den Kulturinstituten Deutschlands, Österreichs, Frankreichs, Italiens, Portugals und Spaniens. An der dreijährigen Planungsphase waren auch Experten aus den verschiedenen Ländern beteiligt. Diese Zusammenarbeit zwischen Institutionen und über die jeweiligen Sprachgrenzen hinaus bietet die Möglichkeit, vorhandene Ressourcen optimal zu benutzen und sowohl methodologisch als auch in Sachen Lehrmaterialien voneinander zu profitieren. Der Theorieanteil in diesem Kurs beträgt 116 Stunden, während für die praktische Arbeit 120 Stunden vorgesehen sind. Dabei wird das wissenschaftliche Studium an der Universität, teils auch in sprachenübergreifenden Kursen, unterrichtet, während die Kulturinstitute die Praxisphasen betreuen. Einen weiteren Versuch, die Ausbildung von Deutschlehrkräften auch quantitativ auszuweiten, stellt ein Fernstudienprojekt zur Lehrerausbildung dar, das von der Indira Gandhi National Open University, dem Goethe-Institut und der Universität Wien entwickelt wird und 2010 beginnen soll.
4. Überregionale Vernetzungen Seit einigen Jahren wächst auch die überregionale Vernetzung der einzelnen Abteilungen. Interessant ist jedoch, dass nicht die einzelnen Abteilungen innerhalb des Landes vernetzt sind, sondern sie jeweils nur international durch Partnerschaftsabkommen mit Universitäten in den deutschsprachigen Ländern kooperieren. Während die Abteilung in Pune mit den Universitäten in Tübingen und Göttingen Partnerschaftsabkommen hat, hat die University of Delhi ein ähnliches Abkommen mit der Universität in Heidelberg. Erstmalig 2008 läuft eine Germanistische Institutspartnerschaft (GIP) zwischen dem Institut für
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
Deutsche und Niederländische Philologie der Freien Universität Berlin, dem Department of Germanic and Romance Studies der University of Delhi sowie dem Centre of German Studies der Jawaharlal Nehru University, Neu-Delhi. Dieses Programm, das vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) finanziert wird, sorgt sowohl für den personellen Austausch auf allen Ebenen wie auch für gemeinsame Seminare und workshops, die dem Ideenaustausch und gemeinsamen Projekten dienen. Einen begrenzten, aber wichtigen Austausch innerhalb der indischen Germanistik gibt es seit fünf Jahren auch in Form des jährlich vom DAAD unterstützten Symposiums für Nachwuchswissenschaftler. Das Symposium wird von einem indischen Team (meistens auch mit einem DAAD-Lektor) und einem hierzu eingeladenen deutschen Experten geleitet. Das Symposium, zu dem M. Phil. und Ph. D.-Studenten aus ganz Indien aufgrund eines eingereichten Forschungsplans eingeladen werden, besteht einerseits aus der Präsentation und Diskussion der einzelnen Forschungsprojekte und andererseits aus Vorträgen zu ausgewählten Themen. Auf diese Weise ist es möglich, einen Überblick über Forschungsthemen an den einzelnen Abteilungen zu gewinnen. Einer gewissen inner-indischen Vernetzung wird auch Vorschub geleistet, indem die Studierenden Lehrkräfte aus anderen Universitäten kennenlernen und sich auch später an sie wenden können. Schließlich sind indische Universitäten in die deutschen und österreichischen Praktikantenprogramme für Deutsch als Fremdsprache eingebunden.
5. Organisationsragen International ist die indische Germanistik auch in der Internationalen Vereinigung der Germanistik (IVG) sowie in der Gesellschaft für Interkulturelle Germanistik (GIG) vertreten. Gegenwärtig gibt es jeweils ein indisches Mitglied im Ausschuss der IVG und im Vorstand der GIG. Zahlreiche indische Germanisten sind Mitglieder dieser internationalen Vereinigungen. Innerhalb Indiens fungiert die Goethe Society of India (GSI) als Plattform für die indische Germanistik, obwohl die Mitgliedschaft auch für Vertreter anderer Fachrichtungen offen ist (www.geocities.com/goethe-india/). In regelmäßigen Abständen werden durch die GSI internationale Konferenzen veranstaltet und die Papers solcher Konferenzen erscheinen anschließend in einem Jahrbuch. Sowohl die Konferenzen als auch das Jahrbuch werden vom Deutschen Akademischen Austauschdienst mitfinanziert. 2006 erschien auch der Sammelband German Studies in India (iudicum) als Nachfolgepublikation einer Zeitschrift, die in Indien erschien, aber vor vielen Jahren ihre Publikation eingestellt hatte. Der Wunsch indischer Germanisten nach einem eigenen Publikationsorgan führte zu dem oben erwähnten Band, der aktuelle Beiträge aus der indischen Germanistik enthält. Der zweite Band in dieser Reihe erschien 2008. Die Bände geben einen Einblick in verschiedene Aspekte der germanistischen Forschung in Indien, wobei der zweite Band auch Rezensionen zu interessanten Neuerscheinungen enthält. Die Bände werden von einem Team indischer Germanisten mit einem DAAD-Lektor / einer Lektorin zusammen herausgegeben und der DAAD zeichnet sich als Herausgeber dieser Bände. 2005 wurde die IndoGerman Teachers Association mit dem Ziel gegründet, die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Praxisfeld zu verbessern (http://indaf.in/). Dieser Verband ist über die Mitgliedschaft im Internationalen Deutschlehrerverband (IDV) auch in die internationale Fachdiskussion zu Deutsch als Fremdsprache eingebunden.
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6. Perspektiven, Möglichkeiten, Probleme Der eingangs erwähnte rasche Anstieg des Interesses an Fremdsprachen, darunter auch an Deutsch, bedeutet insofern einen Gewinn, als die Zahl der Deutschlernenden stetig steigt. Dies zeigt sich besonders bei den angebotenen Sprachkursen in den Max Mueller Bhavans in Indien wie auch in den Teilzeitkursen in den Colleges. Da aber die Nachfrage von den Bedingungen des Arbeitsmarktes abhängig ist, ist zu befürchten, dass Änderungen in diesem Bereich auch seismografisch im anderen registriert werden. Interessanterweise hat das gestiegene Interesse an Deutsch nicht zu einem entsprechenden Zuwachs im Germanistik-Studium geführt. Obwohl in Indien noch lange nicht, wie andernorts, von einem möglichen „Tod der Germanistik“ gesprochen werden kann, wird das Fach durch die neuen Bedingungen mit Problemen eigener Art konfrontiert. Das dreijährige Bachelor-Studium erfüllt derzeit den Wunsch der Studenten nach einem Hochschulabschluss einerseits und Grundkenntnissen in der Fremdsprache andererseits. Unter diesen Umständen verringert sich die Zahl der Magisterstudierenden. Diese praxisorientierte Ausrichtung stellt eine Herausforderung für die Germanistik in Indien dar. Gleichzeitig können aber die Abteilungen nicht nur Sprachunterricht anbieten wie an den GoetheInstituten, denn sie müssen auch die Anforderungen an ein Universitätsstudium erfüllen. Um die Spanne zwischen diesen beiden Gegebenheiten zu überbrücken, sind kreativere Methoden und größere Flexibilität der Lehrpläne erforderlich, damit das Interesse der Studenten geweckt werden kann und die Motivation auf ein weiterführendes Studium gelenkt werden kann.
7. Literatur in Auswahl Bhatti, Anil 2007 Germanistik in Indien. Eine Miszelle vom Umgang mit dem Sprachrepertoire. In: Christian Bode und Dorothea Jecht (Hg.), 20 Jahre „Wandel durch Austausch“. Festschrift für Prof. Dr. Theodor Berchem. 236⫺242. Bonn: DAAD. Jecht, Dorothea (Hg.) 2006 German. studies in India. Aktuelle Beiträge aus der indischen Germanistik. Müchen: iudicium. Kamath Rajan, Rekha 2001 Deutschunterricht und Germanistikstudium in Indien. In: Gerhard Helbig, Lutz Götze, Gert Henrici, Hans-Jürgen Krumm (Hg.), Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch. Band 2. (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 19.1⫺ 2). 1570⫺1575. Berlin/New York: De Gruyter. Mohr- Sobkowiak, Saskia 2005 Deutsch als Fremdsprache und Germanistik in Indien. Diss., Universität Karlsruhe.
Rekha Kamath Rajan, New Delhi (Indien)
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
198. Deutsch in Indonesien 1. 2. 3. 4.
Deutsch als Fremdsprache in Indonesien Germanistikstudium in Indonesien Herausforderungen für das Germanistikstudium in Indonesien Literatur in Auswahl
1. Deutsch als Fremdsprache in Indonesien Die deutsche Sprache als Fremdsprache wird wie die anderen europäischen Sprachen in der letzten Zeit in Indonesien stark von asiatischen Sprachen wie Chinesisch, Koreanisch und Japanisch verdrängt. Diese Tendenz kann man anhand der Studienbewerberzahl in der kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universitas Indonesia Jakarta beobachten, an der sowohl europäische als auch asiatische Sprachen als Studiengänge angeboten werden. Im Studienjahr 2007/2008 wählten neben der englischen Sprache viele Studienbewerber der fremdsprachlichen Studiengänge Japanisch, Chinesisch und Koreanisch. Trotzdem hatte im Vergleich zu den anderen europäischen Studiengängen, ausgenommen des Englischen, die Deutschabteilung die meisten Studienbewerber (634 Studienbewerber) (Direktorat Pendidikan UI 2007). Im Vergleich zu den 1990er Jahren (Darmojuwono 2001: 1598), zeigt sich, dass das Interesse für Deutsch als Folge der ständig wichtiger werdenden Rolle der asiatischen Länder China, Korea und Japan in der indonesischen Wirtschaft etwas nachlässt, da Absolventen leichter eine Stelle finden, wenn sie Englisch und eine asiatische Fremdsprache beherrschen. Der Studiengang Germanistik in Indonesien kann von dem Deutschunterricht in der Oberschule (Klassen 10, 11, 12) nicht getrennt betrachtet werden. Indonesien gehört zum Netzwerk „Schulen: Partner der Zukunft“, in dem vorläufig zehn Schulen im ganzen Land mit vielen Schulen aus der ganzen Welt vernetzt werden. Außerdem hat sich auch durch Wettbewerbe in Deutsch als Fremdsprache für Schüler auf nationaler und internationaler Ebene (Olympiade für DaF) das Ansehen von Deutsch in Indonesien erhöht. Deutsch wird als Schulfach genauso ernst genommen wie Physik, Mathematik usw. Gegenwärtig gibt es in Indonesien 435 Oberschulen und ca. 50 Fachoberschulen, die Deutsch als Fremdsprache anbieten. Außerhalb der formellen Bildungsinstitutionen ist das Goethe-Institut seit fast 50 Jahren das wichtigste Zentrum für den Deutschunterricht. Laut Umfrage des Goethe-Instituts Jakarta im Jahr 2007 sind die Mehrheit der Kursteilnehmer Schüler und Studenten (im Alter von 15 bis 23), die mit dem Ziel, ein Studium in Deutschland aufzunehmen, Deutsch lernen. Noch vor 15 Jahren waren die Verwendungsmöglichkeiten der deutschen Sprache im Alltagsleben in Indonesien beschränkt, die Mehrheit der Deutschlerner konnte Deutsch hauptsächlich nur im Unterricht anwenden. Mit der raschen Entwicklung der elektronischen Kommunikationstechnologie gehört Deutsch aber inzwischen zu den Fremdsprachen, die im Alltag in verschiedenen Bereichen relevant sind, z. B zur Informationssuche in elektronischen Zeitungen/Zeitschriften, im Fernsehen, Kommunikation per E-Mail, Chatten usw.
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2. Germanistikstudium in Indonesien Gegenwärtig gibt es 14 Hochschulen in Indonesien (12 staatliche Universitäten, 1 private Universität und 1 Fachhochschule), die sich mit der deutschen Sprache, Literatur und Kultur beschäftigen. Die Deutschstudiengänge in Indonesien haben kein einheitliches Curriculum. Zwei Orientierungen sind aber zu unterscheiden, nämlich (a) an den Universitäten, die die Fächer deutsche Literaturwissenschaft, Sprachwissenschaft und Deutschlandkunde als Schwerpunkte vorsehen, und (b) die ehemaligen Pädagogischen Hochschulen, die in Universitäten umgewandelt wurden und ursprünglich stärker pädagogische Komponenten im Curriculum vorsahen (Darmojuwono 2001: 1595). Das Fach Germanistik in Indonesien (außer an den Pädagogischen Hochschulen) orientierte sich bis in die 1980er Jahre am Curriculum des Germanistikstudiums in Deutschland und war entsprechend philologisch ausgerichtet. Wie in vielen Ländern befand sich das Fach Germanistik in Indonesien in einem Dilemma, nämlich Ansprüchen eines philologischen und eines berufsorientierten fremdsprachlichen Studiengangs gerecht zu werden. Angesichts der Berufschancen der AbsolventInnen haben die Universitäten in das BachelorProgramm berufsorientierte Ausbildungselemente aufgenommen, wie z. B. Deutsch für den Tourismus, Wirtschaftsdeutsch, Übersetzung. Da die Mehrheit der Germanistik-Studiengänge an den ehemaligen Pädagogischen Hochschulen angesiedelt ist, arbeiten mehr als die Hälfte der Absolventen der Deutschabteilungen nach dem Studium als Deutschlehrer. Dagegen liegen die Tätigkeitsfelder der Absolventen der klassischen Universitäten in der Mitarbeit bei deutschen Institutionen und Wirtschaftsunternehmen (Verwaltung, Dolmetschen, Übersetzern, Marketing, Management), bei internationalen und indonesischen Firmen, im Tourismus, im Medienbereich, in der staatlichen Verwaltung und Diplomatie sowie im selbständigen Bereich (z. B. als Übersetzer, Reiseleiter). Da nicht alle Studierenden mit Deutschvorkenntnissen in das Studium eintreten, ist der Sprachunterricht an den Deutschabteilungen für Studierende ohne Vorkenntnisse konzipiert. Hier gibt es eine enge Zusammenarbeit der Deutschabteilungen der ehemaligen Pädagogischen Hochschulen mit dem Goethe-Institut; eine gemeinsame Prüfung wurde entwickelt, die sich nach dem Zertifikat Deutsch richtet, um die Grundkenntnisse der Studierenden festzustellen. An der Universitas Indonesia liegen die Schwerpunkte des Curriculums in der Sprachund Literaturwissenschaft und seit ca. 5 Jahren können Studierende ihre Examensarbeit wieder in Kulturwissenschaft wie in den 1970er und 1980er Jahren schreiben. Deswegen liegt der Schwerpunkt des Sprachunterrichts am Anfang des Studiums stärker auf der rezeptiven Komponente. Da seit 2006 die Universitas Indonesia ein lizenziertes TestDaFZentrum in Indonesien geworden ist, besteht für die Studierenden die Möglichkeit, die TestDaf-Prüfung abzulegen. Nach den Ergebnissen von TestDaF und TestDaF-Erprobungen haben die Studierenden im dritten Studienjahr (6. Semester) im Durchschnitt das Niveau B2 abgeschlossen. Im Leseverstehen und Hörverstehen wurden im Jahr 2007 die TestDaF-Niveaustufen 3 und 4 und im schriftlichen und mündlichen Ausdruck wurde durchschnittlich das TestDaF-Niveau 3 erreicht. Die linguistischen Fächer an der Deutschabteilung der Universitas Indonesia bestehen aus Phonetik/Phonologie, Morphologie, Syntax, Semantik und Pragmatik; außerdem gibt es Wahlfächer in Fachsprache, Soziolinguistik, Textlinguistik, Methodik und Didaktik DaF sowie Interkultureller Kommunikation. Die Wahlfächer ermöglichen den Stu-
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dierenden eine Erweiterung ihrer linguistischen Kenntnisse sowie eine Vorbereitung auf Probleme und Aufgaben im späteren Berufsleben. Die Schwerpunkte in der Literaturwissenschaft sind literarische Werke nach 1945, deren Themen für Indonesien aktuell sind, aber gleichzeitig ein Bild von Deutschland repräsentieren können. Themen wie Hungersnot, Toleranz, das Fremde und das Eigene etc. werden aus der interkulturellen Perspektive diskutiert. Die Auswahl der literarischen Werke richtet sich nicht nach der Berühmtheit eines Autors, sondern eher nach dem Interesse am Thema. Behandelt werden auch klassische Werke, deren Themen Anknüpfungspunkte zu Erfahrungen der Studierenden besitzen; zu deren besseren Verständnis werden oft Filme als Unterrichtsmaterial eingesetzt. Die Kulturwissenschaft beschäftigt sich mit Themen wie Multikulturalität, Pop-Kultur und Medien, die mit interkulturellen Methoden analysiert werden.
3. Herausorderungen ür das Germanistikstudium in Indonesien Im Jahr 1999 wurde auf dem südostasiatischen Germanistentreffen in Bangkok von Roggausch (2000: 9) festgestellt, dass an einer großen Zahl von Hochschulen die philologischen Studiengänge im Umbruch seien. Mit dieser Problematik ist auch das Germanistikstudium in Indonesien konfrontiert. Auf der einen Seite soll das Germanistikstudium die philologischen Komponenten, nämlich die deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft im Curriculum behalten, da sie einen gründlichen Zugang zu den deutschen Lebenswelten und Denkweisen ermöglichen. Auf der anderen Seite müssen die AbsolventInnen berufsorientierte Fertigkeiten im Rahmen des Studiums entwickeln, so dass sie nicht nur Kenntnisse über die deutsche Sprache und Literaturwissenschaft vorweisen können, sondern diese Kenntnisse auch in die Praxis bei der Vermittlung zwischen zwei Kulturen umsetzen können. In Zeiten von Internationalisierung und Globalisierung wird es immer wichtiger, dass die Studierenden nicht nur fließend Deutsch sprechen lernen. Vielmehr müssen sie die Fähigkeit entwickeln, interkulturell zu kommunizieren, was u. a. mit Hilfe elektronischer Kommunikationsmedien angestrebt werden kann, z. B. durch direkte Kommunikation mit Studierenden in deutschsprachigen Ländern zur Verbesserung der Sprachkenntnisse und Anwendung von Kenntnissen über die deutsche Kultur in der Kommunikation. An allen Universitäten Indonesiens liegt der Schwerpunkt der Beschäftigung mit den deutschsprachigen Ländern auf Deutschland, so dass literarische Werke und Kulturen Österreichs und der Schweiz nur am Rande oder überhaupt nicht erörtert werden. Die Erweiterung des Lehr- und Forschungsgegenstands um die anderen deutschsprachigen Länder wäre eine Bereicherung für das Germanistikstudium in Indonesien, v. a. im Hinblick auf die Vielfalt der deutschen Sprache. Der Fortbestand des Germanistikstudiums in Indonesien hängt von verschiedenen Faktoren ab: von der Lehr- und Forschungsqualität der DozentInnen, die zur Zeit durch DAAD-LektorInnen unterstützt werden; von attraktiven Curricula, die sowohl philologische als auch berufsorientierte Komponenten beinhalten; von Netzwerken und von der Zusammenarbeit zwischen den DozentInnen in Lehre und Forschung innerhalb des Indonesischen Germanistenverbands, der im Jahr 2007 gegründet wurde; von der Zu-
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sammenarbeit mit den Institutionen, Firmen und Industriebetrieben, die deutschsprachige Mitarbeiter einstellen; und zuletzt von den wirtschaftlichen, politischen und soziokulturellen Beziehungen zwischen den deutschsprachigen Ländern und Indonesien.
Danksagung Ich danke Herrn Gerhard Jaiser, TestDaF-Prüfungsbeauftragter an der Universitas Indonesia; Frau Indrawidjaja und Frau Daskiwitsch vom Goethe-Institut, die mir Informationen und Daten über den Deutschunterricht in den Schulen gegeben haben, und meinen Kolleginnen Frau Hilman und Frau Kurnia, Koordinatorinnen für Literaturwissenschaft und Kulturwissenschaft in der Deutschabteilung der Universitas Indonesia (Jakarta, November 2008).
4. Literatur in Auswahl Darmojuwono, Setiawati 2001 Deutschunterricht und Germanistikstudium in Indonesien. In: Gerhard Helbig, Lutz Götze, Gert Henrici und Hans-Jürgen Krumm (Hg.), Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch, Band 2, 1594⫺1604 (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 19.1⫺2). Berlin/New York: de Gruyter. Direktorat Pendidikan UI 2007 Statistik Mahasiswa Baru Program Sarjana Jalur PPKB dan UMPTN Depok. Roggausch, Werner 2000 Vorwort zur Eröffnung des Germanistentreffens in Bangkok. In: DAAD (Hg.), Germanistentreffen Tagungsbeiträge, Bangkok 1999, 9. Bonn: DAAD.
Setiawati Darmojuwono, Depok/Jakarta (Indonesien)
199. Deutsch in Irland 1. 2. 3. 4. 5.
Überblick Deutsch an der Schule Deutsch an der Universität Ausblick Literatur in Auswahl
1. Überblick Das Fach Deutsch hat in Irland stets im Schatten des Französischen gestanden (zur Geschichte des Deutschen in Irland vgl. Fischer (2000, 461⫺508 und 2003)). Dies wurde
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in den 1980er Jahren zunehmend als Problem gesehen, weil es der wachsenden wirtschaftlichen Verflechtung mit Deutschland auffällig widersprach. Als Resultat spezieller Förderungsprogramme stieg die Zahl der Deutschlernenden im Sekundar- und Tertiärbereich zunächst stark an (1985: 3,5 % aller Schüler; 1995: 18.4 %). Seit den späten 1990er Jahren ist jedoch ein nachlassendes Interesse an modernen Fremdspachen zu verzeichnen, im tertiären Bereich noch deutlicher als an den Schulen. Als Gründe für diese fachbedrohende Entwicklung wären u. a. zu nennen: ⫺ kein Zwang zur Arbeitsmigration mehr in den Jahren des ökonomischen Booms zwischen Mitte der 1990er Jahre und Mitte 2008; ⫺ die zunehmende Bedeutung des Englischen als Weltsprache, auch in deutschen Firmen und Institutionen; ⫺ eine stärkere wirtschaftspolitische Orientierung am Neoliberalismus US-amerikanischer Prägung und eine wachsende Indifferenz der Europäischen Union gegenüber. In den letzten Jahren hat das Fach Spanisch an Attraktivität gewonnen und insbesondere an den Universitäten Deutsch zahlenmäßig überflügelt. Die Entwicklung einer nationalen Sprachenpolitik bleibt ein Desiderat, wenn auch in dieser Richtung deutliche Fortschritte zu verzeichnen sind (vgl. den Bericht Language Education Policy Profile IRELAND, gemeinsam herausgegeben vom Department of Education and Science und der Language Policy Division Strasbourg: http://www.education.ie/servlet/blobservlet/ language_education_policy_profile.pdf).
2. Deutsch an der Schule Im Primarschulcurriculum ist, neben der Unterrichtssprache Englisch, Irisch als zusätzliche Sprache und Pflichtfach fest verankert. Der Raum für weitere Sprachen ist dadurch zusätzlich limitiert. Der frühe Erwerb von Deutsch und anderen Fremdsprachen ist allerdings seit 1998 an Primarschulen möglich. Das von der irischen Regierung damals zunächst auf zwei Jahre konzipierte Pilotprojekt unter dem Titel Modern Languages in Primary Schools Initiative (www.mlips.ie) verlief so erfolgreich, dass nunmehr steigende Zahlen von Primarschulen von dieser Initiative profitieren. Welches Fremdsprachenspektrum an Sekundarschulen angeboten wird, hängt von der jeweiligen Schulleitung ab. Nach den aktuellsten Zahlen (2007/08) lernen hier ca. 19 % aller Schüler Deutsch, 64 % Französisch und etwa 9 % Spanisch (1996/97: 3 %). In Zukunft werden die Fremdsprachen verstärkt um ihren Platz im Sekundarschulcurriculum kämpfen müssen, da seitens der vier Universitäten der National University of Ireland (www.nui.ie) die Bestimmung, wonach die Beherrschung einer dritten Sprache für die Zulassung obligatorisch ist, zusehends gelockert wird. Die Sekundarlehrer-Ausbildung ist in der Regel zweiphasig angelegt. Zukünftige Deutschlehrer erwerben zunächst nach einem drei- bzw. vierjährigen Studium einen Honours Bachelor of Arts-Abschluss, um im Anschluss daran ein einjähriges Zusatzstudium zu absolvieren, das mit dem Higher Diploma in Education (HDip) abschließt. Ein solches Aufbaustudium wird von den erziehungswissenschaftlichen Abteilungen der Universitäten angeboten. Zur Struktur der Ausbildung, in deren Rahmen die Studierenden etwa 100 Unterrichtsstunden erteilen, sei beispielhaft auf die Webseite des Department of
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Education an der Universität Cork verwiesen: http://www.ucc.ie/en/education/Education Studies/hdiped. In Anbetracht des Fehlens einer klaren nationalen Sprachenpolitik darf es nicht verwundern, dass eine systematische, national koordinierte Deutschlehrerfortbildung nicht existiert. In diesem Bereich wirken sich die diversen Initiativen des Goethe-Instituts, vereinzelter universitärer Fremdsprachen- und Pädagogikabteilungen und der Gesellschaft der Deutschlehrer Irlands (Webseite der GDI: http://www.germanteachers.ie) hilfreich aus.
3. Deutsch an der Universität In Irland gibt es sieben Universitäten sowie 16 Institutes of Technology, die den deutschen Fachhochschulen vergleichbar sind; an all diesen staatlichen Institutionen wird Deutsch ⫺ mit unterschiedlicher Akzentuierung im Curriculum ⫺ als Haupt- oder/und Nebenfach angeboten. Eine erste Übersicht über das tertiäre Bildungssystem liefert der DAAD Studienführer Großbritannien und Irland (Kypker 2004). In der Regel werden an den irischen Fachhochschulen Deutschkurse innerhalb wirtschafts-, natur- und ingenieurwissenschaftlicher Studiengänge angeboten. Insbesondere im Bereich der Institutes of Technology ist es zu einem starken Einbruch der Studierendenzahlen für alle modernen Fremdsprachen gekommen. Hier sind auf Druck der Fachwissenschaften hin die Fremdsprachen aus einer Vielzahl besagter Kurse eliminiert worden. Die universitären Germanistik-Curricula sind nicht mehr so dominant literaturwissenschaftlich ausgerichtet, und immer öfter wird der Oberbegriff German Studies verwendet, um die eindrucksvolle Bandbreite von germanistischen Aktivitäten zu charakterisieren. Allgemein ist der Bereich interkulturelle Studien gestärkt worden, der steigende Einbezug visueller Medien (insbes. Film) ist auffällig, ebenso die Bildung von sprachpädagogischen bzw. kulturwissenschaftlichen/landeswissenschaftlichen Studienschwerpunkten. Die gleiche Tendenz lässt sich auch bei den postgradualen M.A. bzw. M.Phil.Kursen erkennen, die derzeit an den germanistischen Abteilungen von vier irischen Universitäten (Cork, Dublin (UCD und Trinity College), Maynooth) angeboten werden. Exemplarisch sei das M.A.-Programm in German Studies an der Universität Cork genannt, in dem die Studierenden Module aus den Studienrichtungen Literature-Art-MediaTheatre-Film und Language, Drama and Intercultural Pedagogy kombinieren können. Zwar erwartet die Higher Education Authority (www.hea.ie) von den Hochschulen verstärkte Initiativen im Postgraduiertenbereich, doch können germanistische Abteilungen solche Erwartungen in Anbetracht allgemein rückläufiger Zahlen zumindest kurzfristig kaum erfüllen. An allen Universitäten werden germanistische Inhalte zusätzlich (meist auf Englisch) innerhalb interdisziplinärer Studiengänge, etwa in den Bereichen Übersetzungswissenschaft, Drama und Theater, Sprachlehr-/lernforschung oder Komparatistik, vermittelt. Nachdem irische Germanisten jahrzehntelang im Berufsverband der Conference of University Teachers of German of Great Britain and Ireland organisiert waren, entwickelte sich das Bedürfnis nach einer eigenständigen Organisation, die in den späten 1990er Jahren zur Gründung der Association of Third Level Teachers of German in Ireland (ATLTGI ) führte (s. www.germaninreland.ie). Dieser Verband entwickelt sich zur Fach-
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vertretung und zu einer Lobby im Bereich der modernen Fremdsprachen. Seit 2006 gibt die Organisation das Jahrbuch Germanistik in Ireland heraus. Die Zahl der Lehrenden ist wie die der Studierenden rückläufig. In den letzten Jahren sind, vor allem auch aus Gründen der Mitteleinsparung, Universitäten umorganisiert worden. Im derzeitigen Rezessions-Klima wird auf den Führungsetagen von Universitäten durchaus laut über die Schließung universitärer Sprachenabteilungen nachgedacht. Ein bleibendes Resultat sind größere Einheiten, in denen traditionelle Germanistikabteilungen zum Teil ihre Budgetautorität und damit relative Unabhängigkeit an übergeordnete Schools abgeben mussten. Dies hat in vielen Fällen die Modernen Fremdsprachen in eine multidisziplinäre Struktur eingeordnet, in der andererseits auch die Chance einer verstärkten Kooperation zwischen den modernen Fremdsprachen und/oder mit der Muttersprachenphilologie Englisch bzw. Irisch liegt. DaF als Schwerpunkt existiert insbesondere an den Universitäten Cork, Maynooth und Dublin (UCD). Beispielhaft seien die folgenden Publikationen genannt, um Schwerpunktbildungen in der Forschung anzudeuten: An der Universität Cork wird SCENARIO (http://scenario.ucc.ie) herausgegeben (Schewe und Even), eine bilinguale, referierte Internet-Zeitschrift für Drama- und Theaterpädagogik in der Fremd- und Zweitsprachenvermittlung; im Peter Lang Verlag hat sich die Reihe Intercultural Studies and Foreign Language Learning etabliert (Harden und Witte). Fasst man DaF weiter und versteht die Disziplin als Fremdkultur-Wissenschaft, dann gehören auch kulturkontrastive Arbeiten ganz direkt zu ihrem Forschungsbereich. Insbesondere am Centre for IrishGerman Studies an der Universität Limerick werden die kulturellen Verbindungen zwischen beiden Ländern sowie die gegenseitigen Bilder, seien sie literarischer oder nichtliterarischer Art, erforscht. Zunehmend werden germanistische Inhalte auch auf Englisch unterrichtet bzw. basierend auf Texten in englischer Übersetzung. Hier setzt die aktuelle Kontroverse an, ob diese Entwicklung dem zentralen Aufgabenbereich der Germanistik, nämlich dem der Vermittlung deutscher Sprache und fremdsprachlicher Kultur, dienlich ist oder ihn eher unterminiert.
4. Ausblick Die Rolle des Deutschen in Irland ist immer eng mit politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen verknüpft gewesen. Welche Folgen die gegenwärtige Finanzkrise für Irland hat, ist kaum abzusehen. Es ist zu erwarten, dass das abrupte Ende des langjährigen Wirtschaftsbooms im Jahre 2008 zu einer Neubewertung des Verhältnisses zwischen der Republik Irland und der EU führen wird, nicht zuletzt als Folge einer voraussichtlich wachsenden wirtschaftlichen und finanziellen Abhängigkeit von der EU. Schlimmstenfalls wird man auch wieder mit erhöhter Auswanderung rechnen müssen. Aus einer möglichen Rückbesinnung auf die traditionelle irische EU-Freundlichkeit könnte durchaus auch wieder ein verstärktes Interesse an europäischen Fremdsprachen resultieren. Inwiefern davon der Deutschunterricht profitieren wird, hängt nicht zuletzt auch von wirtschaftlichen (und kulturellen) Entwicklungen in den deutschsprachigen Ländern ab.
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5. Literatur in Auswahl Fischer, Joachim 2000 Das Deutschlandbild der Iren 1890⫺1939. Geschichte ⫺ Form ⫺ Funktion. Heidelberg: Winter. Fischer, Joachim 2003 The Eagle That Never Landed: Uses and Abuses of the German Language in Ireland. ´ Cuilleana´in (Hg.), The Languages of Ireland, 93⫺111. In: Michael Cronin und Cormac O Dublin: Four Courts Press. Kypker, Nicole 2004 Studienführer Großbritannien, Irland. 2. völlig überarb. Auflage. Bielefeld: Bertelsmann. Schewe, Manfred und Susanne Even (Hg.) SCENARIO ⫺ Zeitschrift für Drama- und Theaterpädagogik in der Fremd- und Zweitsprachenvermittlung. (http://scenario.ucc.ie).
Joachim Fischer, Manfred Schewe, Limerick/Cork (Irland)
200. Deutsch in Italien 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Vorbemerkung DaF im italienischen Bildungssystem DaF-Lernende in Italien Die italienische Germanistik Nationale und internationale Vernetzungen Literatur in Auswahl
1. Vorbemerkung Der Italien-Beitrag der ersten Ausgabe dieses Werks (Ponti 2001) widerspiegelt eine Situation, die einem vergangenen Jahrhundert anzugehören scheint. In den letzten Jahren haben sich enorme soziale Veränderungen ergeben, deren Ursachen u. a. in der kulturellen Globalisierung, im Internet, den Billigflügen, der weltweiten Finanzkrise zu suchen sind. In Italien werden die Deutschen (von den Österreichern und Schweizern nicht immer richtig auseinander gehalten) nicht mehr dem negativen Bild gemäß wahrgenommen, das die geschichtlichen Ereignisse der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ins kollektive Gedächtnis gespeichert hatten. Die deutschsprachigen Touristen, die regelmäßig die italienischen Kunststädte bevölkern, erscheinen heute als europäische Bürger, die effizient handeln und kluge politische Leiter wählen. Eine gewisse Anziehungskraft üben zudem deutsche Städte ⫺ vor allem Berlin und München ⫺ als Urlaubsziele für junge Italiener aus: Im Zeitraum 1996⫺2005 soll sich die Anzahl der italienischen Touristen in Deutschland um ein 139 % erhöht haben (Statistisches Bundesamt 2006: 34); auf historischer Ebene lässt sich hiermit eine Gegentendenz verzeichnen: seit dem Mittelalter, als Kriegs-
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leute, Händler, Studenten und Abenteurer von einem Land ins andere zogen, wurde überwiegend von Deutschland nach Italien gereist (Glück 2002: 245 u. 260). Die globale Finanzkrise hat kulturpolitisch bewirkt, dass zunehmend weniger Geld in das italienische Bildungssystem investiert wird. Parallel dazu erleiden Fachbereiche wie Fremdsprachen und Philologien, die traditionell den Zugang zur Schulkarriere verschaffen, in den letzten Jahren einen leichten, aber steten Zahlenrückgang.
2. DaF im italienischen Bildungssystem Das Grundschema des italienischen Schulsystems ist seit 1963 folgendermaßen gegliedert: Tab. 200.1: Schulsystem Bezeichnung
Dauer
Alter der Schüler
Scuola primaria (Grundschule) Scuola secondaria di primo grado (Sekundärstufe I) Scuola secondaria di secondo grado (Sekundärstufe II)
5 Jahre 3 Jahre 5 Jahre
6⫺11 11⫺14 14⫺19
Das Diploma di Maturita` (Zeugnis der Allgemeinen Hochschulreife) erlaubt seit 1968 freien Zugang zur Hochschulausbildung. Das Universitätssystem in Italien ist seit der Hochschulreform 2001 auf die europaweit angeglichenen Studiengänge hin dreistufig gestaltet: Tab. 200.2: Universitätssystem Bezeichnung (Abschlussqualifikation)
Dauer / Pflichtleistung
Alternative Curricula
(I)
Laurea
3 Jahre / 180 ECTS
Corso di Laurea a ciclo unico
(II)
Laurea Magistrale
2 Jahre / 120 ECTS
(III) Dottorato di Ricerca
3 Jahre
⫺ nach dem alten System ⫺
Master di I livello Corso di Specializzazione
Master di II livello
Die Hochschulreform führte zur Etablierung des akademischen Fachs Lingua e Traduzione Tedesca, d. h. der Deutschen Sprach- und Übersetzungswissenschaft. Diesem, nicht dem literaturwissenschaftlichen Germanistikbereich, gehört seither der DaF-Bereich an. Diese Entwicklung könnten die neuesten ministeriellen Richtlinien (vom 27. März 2009) (Quelle: www.miur.it/0006Menu_C/0012Docume/0015Atti_M/7680Modali_cf2.htm.) auf die Dauer wieder rückgängig machen. Da das Promotionsstudium (Dottorato di ricerca) in Italien eine relativ neue Einrichtung darstellt (seit 1984), bilden die Promotionsstudiengänge der Germanistik bei 7,3 % der Doktoranden im gesamten humanistischen Bereich bisher noch eine Art Nische in
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der Nische, die aber für die Bildungssituation des Fachs seit Jahren von zunehmender Bedeutung werden wird (Matteocci 2008: 59). Was die Lehrerausbildung angeht, wurde der erst 2000 eingeführte Lehramtsstudiengang (die Scuola di Specializzazione per l’Insegnamento Secondario) acht Jahre später schon wieder abgeschafft. Ein derzeitiger Gesetzesentwurf (Proposta di legge Aprea Nr. 953 vom 12. Mai 2008) (Quelle: http://new.camera.it/dati/leg16/lavori/stampati/ 16pdl0001960.pdf.), der im Jahr 2011 verabschiedet werden soll, sieht einen spezifischen Aufbaustudienkurs mit Magisterabschluss (Laurea Magistrale) vor.
3. DaF-Lernende in Italien Nach Bekanntgabe des Auswärtigen Amts (Länderinformationen, Teiltext Italien) sind nicht nur die politisch-wirtschaftlichen Verbindungen, sondern auch die kulturellen Beziehungen zwischen Italien und Deutschland als gut fundiert anzusehen (Quelle: www.auswaertiges-amt.de.). Letzteres zeigt sich auch durch die Präsenz der ⫺ traditionsbedingt ⫺ weltweit höchsten Anzahl an von Deutschland geförderten kulturellen Institutionen, darunter die derzeit sieben, in den fünfziger und frühen sechziger Jahren gegründeten Goethe-Institute. In den Jahren 2007⫺2008 ist die Anzahl der Teilnehmenden an ihren Deutschkursen stabil geblieben: ungefähr 5.500 (berechnet nach Angaben vom Goethe-Institut 2009: 130). Nach aktuellen Angaben des Bildungsministeriums (Quelle: http://pubblica.istruzione.it.) umfasst hingegen das schulische Bildungssystem ungefähr 400.000 Deutschlerner, was zeigt, dass die Deutschvermittlung in Italien vor allem hier ihren Platz hat: Tab. 200.3:
Deutsch Englisch Französisch Spanisch
Grundschule
Sekundärstufe I
Sekundärstufe II
total
2004
2008
2004
2008
2004
2008
2008
55.392 2.660.299 98.586 4.713
55.959 2.901.541 42.731 8.603
87.316 1.599.428 830.700 64.538
148.470 1.723.615 1.294.015 276.298
196.631 2.399.043 735.000 79.911
198.365 2.584.617 749.339 124.525
402.794 7.209.773 2.086.085 409.426
Die Verbreitung des schulischen Deutschunterrichts ist vorwiegend auf den Norden/ Nord-Osten konzentriert, mit Schwerpunktsetzung auf die Autonome Provinz BozenSüdtirol, in der Deutsch offizielle Amtssprache ist. Die derzeit insgesamt relative Stabilität ist allerdings gewissen Gefahren ausgesetzt: Einerseits werden zunehmend neue Fremdsprachen wie Arabisch und Chinesisch eingeführt und stellen sich neben das weiterhin beliebte Spanisch; andererseits erlaubt ein Ende 2007 verabschiedetes Gesetz, „potenziertes“ Englisch als zweite schulische Fremdsprache anzurechnen. Bei der Immatrikulation ist deshalb künftig mit einer größeren Zahl von Anfängern der deutschen Sprache zu rechnen, während der tendenziell ansteigende Ausländeranteil (der gegenwärtig 2,8 % der Studierenden ausmacht) (Matteocci 2008: 63) derzeit vor allem fortgeschrittene Deutschlernende aus den osteuropäischen Ländern mit sich bringt. Was allgemein die Geschlechterverteilung angeht, stellen im Sprachbereich die Studentinnen mit 82,4 % im Jahr 2006 die Mehrheit (Matteocci 2008: 42).
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
Obwohl die Deutschvermittlung ursprünglich eine vorwiegend berufsbezogene war (Glück 2002: 259), hat sich die akademische Tradition seit Anfang des 20. Jahrhunderts entschieden an den Humanistischen Fakultäten etabliert. Nach Angaben des Universitätsnetzes Alma Mater (Quelle: http://statistiche. almalaurea.it.) wäre ungefähr die Hälfte der AbsolventInnen des Germanistikstudiums gern im Ausbildungsbereich tätig, wobei nur ein knappes Fünftel Aussicht auf eine Verwirklichung dieses Plans hat. Berufliche Aussichten haben sie vor allem im Tourismusmanagement, im Industriebereich (Geschäftskorrespondenz) und als Übersetzer und Konsulenten; nach dem jüngsten Bericht des Istituto Nazionale di Statistica (2006: 18⫺19 u. 45⫺47) erhält derzeit insgesamt ca. 30 % der Studienabgänger innerhalb von drei Jahren eine Stelle.
4. Die italienische Germanistik Die traditionsreiche literarische Germanistik, die mit dem DaF-Bereich einst eng verbunden war, sah ihre Hauptforschungsgebiete in der literarischen Übersetzung und philologischen Textarbeit, in Epochen- und Werkbeschreibungen, während gegenwärtig die Wiederherstellung des streng philologischen Ansatzes und die kulturwissenschaftliche Orientierung als Haupttendenzen aufscheinen (Foschi Albert 2005: 169⫺172). Als 2001 an den italienischen Universitäten systematisch Lehrstühle für Lingua e Traduzione Tedesca geschaffen wurden, konnte die institutionell reglementierte wissenschaftliche Beschäftigung mit der deutschen Sprache einen großen Aufschwung verzeichnen, der auch heute noch anhält. Die Lehrstühle wurden anfänglich nicht nur von speziell ausgebildeten germanistischen Linguisten, sondern oft auch von Vertretern der deutschen Literaturwissenschaft, der Deutsch-Italienischen Übersetzungswissenschaft, der älteren deutschen Sprach- und Literaturwissenschaft wie der allgemeinen Linguistik eingenommen (Foschi Albert 2005: 172⫺174). Die heutige italienische germanistische Linguistik passt zunehmend ihre überlieferte Tätigkeit im DaF- und Übersetzungsbereich sowie ihre Beschäftigung mit Grammatik und Texten den neuesten Erkenntnissen der sprachwissenschaftlichen Theorien an, fächert dabei ihre Forschungstätigkeit zunehmend auf und bezieht auch nationalspezifische Fragestellungen mit ein. Neue Forschungsprojekte sind u. a. der Korpuslinguistik und der kognitiven wie interkulturellen Linguistik gewidmet, wobei oft eine deutsch-italienisch-kontrastive und/oder DaF-didaktisch zentrierte Perspektive eingebracht wird (Hepp 2006: 349).
5. Nationale und internationale Vernetzungen Auf das Jahr 1947 geht die Vertretung der Deutschlehrer Italiens im nationalen Verband für Lehrer der modernen Fremdsprachen ANILS-Associazione Nazionale Insegnanti Lingue Straniere zurück (www.anils.it). Seit 1996 ist die italienische Germanistik in einem universitären Verband (AIG-Associazione Italiana di Germanistica) (www.humnet.unipi.it/aig/) vertreten, der seit 2008 mit dem IDS (Institut für Deutsche Sprache) Mannheim kooperiert. Die im italienischen DaF-Bereich Tätigen pflegen einen regen Austausch mit Kollegen der deutschsprachigen Länder und mit weiteren Auslandsgermanistiken. Diesbezügliche feste Einrichtungen im Lande sind: a) der ERASMUS-Austausch auf Schü-
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ler-/Studenten- und auf Lehrer-/Dozentenebene; b) der Dozenten- und Lektorenaustausch mit Unterstützung des DAAD und des italienischen Außenministeriums; c) internationale Fachtagungen, darunter die wissenschaftlichen Tagungen des AIG und die sprachwissenschaftliche Tagung Deutsche Sprachwissenschaft in Italien in Rom (seit 2004) (www.dswi.org) zu nennen. Zahlreiche weitere Tagungen werden an unterschiedlichen Universitäten mit jeweils standortspezifischen Themenschwerpunkten veranstaltet.
6. Literatur in Auswahl Foschi Albert, Marina 2005 „Andere Länder, andere Sitten“. Germanistik in Italien und ihr Verhältnis zur Inlandsgermanistik. In: Deutsche Sprache 33: S. 169⫺181. Glück, Helmut 2002 Deutsch als Fremdsprache in Europa vom Mittelalter bis zur Barockzeit. Berlin/New York: Walter de Gruyter. Goethe-Institut e.V. (Hg.) 2009 Jahrbuch 2008/2009. München. Hepp, Marianne 2006 Vielfalt durch Austausch ⫺ Ein Ausblick. In: Marina Foschi Albert, Marianne Hepp und Eva Neuland (Hg.), Texte in Sprachforschung und Sprachunterricht, S. 347⫺349. München: iudicium. Istituto Nazionale di Statistica (Hg.) 2006 I laureati e il mercato di lavoro. Inserimento professionale dei laureati. Indagine 2004. Roma. www.istat.it. Matteocci, Giuliana (Hg.) 2008 L’Universita` in cifre 2007. Roma: Ministero della Pubblica Istruzione. http://www.pubblica. istruzione.it. Ponti, Donatella 2001 Deutschunterricht und Germanistikstudium in Italien. In: Gerhard Helbig, Lutz Götze, Gert Henrici und Hans-Jürgen Krumm (Hg.) Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch, 1509⫺1515. Bd. 2. (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 19.1⫺2). Berlin/New York: Walter de Gruyter. Statistisches Bundesamt (Hg.) 2006 Im Blickpunkt: Verkehr in Deutschland 2006. Wiesbaden. https://www-ec.destatis.de.
Marina Foschi Albert und Marianne Hepp, Pisa (Italien)
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
201. Deutsch in Japan 1. 2. 3. 4.
Die deutsche Sprache und der Stand des Deutschunterrichts Germanistikstudium und Deutschlehreraus- und -fortbildung Neue Entwicklungen und Ausblick Literatur in Auswahl
1. Die deutsche Sprache und der Stand des Deutschunterrichts Deutschland spielte für Japan neben England, Frankreich und den USA nach der Öffnung des Landes 1868 für die Modernisierung eine führende Rolle. Als Beispiel kann das japanische Justizwesen sowie die Ausbildung der Staatsbeamten genannt werden (vgl. Miyanaga 1993; Kühn 2006). Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Japan allein von den USA besetzt, unter deren Einfluss der gesellschaftliche Aufbau erfolgte. Seitdem ist die englische Sprache mit wenigen Ausnahmen fast die einzige Schulsprache. Sprachen außer Englisch wurden und werden meistens an der Hochschule im Bereich Allgemeinbildung als zweite Fremdsprache unterrichtet. Die meist angebotenen Sprachen sind hier: Chinesisch, Deutsch, Französisch, Koreanisch, Spanisch und Russisch. Im Zuge der Internationalisierung in den 1980er und 1990er Jahren werden zunehmend asiatische Sprachen gewählt, so dass heute Chinesisch die meist gewählte zweite Fremdsprache ist. Das neue Rahmengesetz für die Hochschulbildung schreibt seit 1991 die Verpflichtung, eine Fremdsprache im Studium zu lernen, nicht mehr zwingend vor, und an manchen Hochschulen ist die zweite Fremdsprache kein Pflichtfach mehr. Mit fortschreitender Globalisierung wird allgemein Kritik an mangelnder Fremdsprachenbeherrschung und veralteter Methodik des Fremdsprachenunterrichts laut, was in einer Förderung des Englischen und eine Konzentration auf den Englischunterricht mündet. Das Ministry of Education, Culture, Sports, Science and Technology (MEXT, ehemaliges Kultusministerium) fördert u. a. im tertiären Bereich eine Verstärkung des Faches Englisch sowie English for Specific Purposes. Mit der Reform der Lehrerbildung sind neue Masterkurse für die Englischdidaktik an mehreren Hochschulen neu eingerichtet worden. Die Zahl der Deutschlernenden sowie der Stundenumfang für Deutsch gingen an vielen Hochschulen zurück. Diese Tendenz nimmt u. a. deshalb zu, weil die Aufnahmeprüfung für den Masterkurs in vielen Fachbereichen nur eine Fremdsprache, oft Englisch, vorschreibt. Selbst im Jura-Studium setzt sie sich durch, auch deshalb, weil die seit 2004 eingeführte, berufsorientierte Law School, die mit dem Masterkurs vergleichbar ist und auch Berufstätige besuchen können, fast nur Englisch als obligatorische Fremdsprache verlangt. In einzelnen Fachbereichen wie Chemie, Umwelt/Naturschutz, Stadtplanung u. a. sowie bei Kunst und Musik oder Philosophie wird die deutsche Sprache weiter neben Englisch gelernt (vgl. Hirataka 2007). In den Sozialwissenschaften und Internationalen Studien spielt Deutsch weiter eine wichtige Rolle, wie dies u. a. die Arbeiten des 2005 gegründeten Zentrums für Deutschland und Europastudien, Universität Tokyo, Komaba (DESK) zeigen. Im Hinblick auf die Lage Ostasiens werden die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit sowie die Annäherungspolitik Deutschlands und der Prozess der europäischen Vereinigung in den Medien aufmerksam verfolgt.
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Im Sekundarbereich kann tendenziell ein wachsendes Interesse an der zweiten Fremdsprache, in der Regel als freies Wahlfach, beobachtet werden. Viele Oberschulen streben mit dem Angebot der zweiten Fremdsprache die Internationalisierung des Curriculums an. Manche unternehmen Schüleraustausch und/oder Klassenreisen ins Zielsprachenland, auch nach Deutschland.
2. Germanistikstudium und Deutschlehreraus- und -ortbildung Da der Hauptort des Deutschunterrichts an der Hochschule war und ist, sind die Träger des Deutschunterrichts ProfessorInnen, die sich meist als Literatur- oder SprachwissenschaftlerInnen definieren. Die Studieninhalte der Germanistik im Master- und Doktorkurs sind entsprechend philologisch orientiert. Die Schwerpunkte liegen einerseits auf traditionellen Dichterstudien und der Mediävistik. Anderseits werden kulturwissenschaftliche Themen wie Landschaftsdarstellungen, Reiseliteratur, Theater, Medien, Rezeption literarischer und ästhetischer Werke, Interkulturalität u. a. m. behandelt. In der Linguistik werden neben sprachwissenschaftlichen Themen verschiedene Bereiche der Soziolinguistik, Korpuslinguistik, Kognitiven Linguistik u. a. zum Gegenstand gewählt. Im Bereich der Interkulturellen Kommunikation sind linguistische Dialoganalysen relativ verbreitet, während interdisziplinär angelegte, sozialpsychologische oder kommunikationstheoretische Arbeiten im Vergleich zum englischen Bereich weniger vorkommen. Psycholinguistik, Zweitspracherwerbsforschung und Bilingualismusforschung sind seltener vertreten. Die Vielfalt des Arbeitsgebiets der heutigen Germanistik spiegelt das Organ der Japanischen Gesellschaft für Germanistik (JGG) in jährlich mehrmals erscheinenden Sammelbänden. Der Begriff „DaF“ ist zwar etabliert, wird jedoch oft noch als ein Anwendungsbereich von linguistischen Fachkenntnissen verstanden. Selten verfügen Lehrende über ein Lehrpraktikum, nach dem bei der Einstellung kaum gefragt wird. Auf der anderen Seite gibt es Versuche von an der Lehrqualifikation Interessierten, die Lehrerbildung zu verbessern. Sie kooperieren sprachen- und/oder universitätsübergreifend. Beim sprachenübergreifenden Vorgehen erweist sich, wenn die traditionelle nationalsprachliche Einteilung institutionell aufgehoben werden kann, die Zusammenarbeit mit der Englischdidaktik als hilfreich, wobei einige Fachbegriffe mit unterschiedlichen Definitionen, Schwerpunkten sowie der Stellenwert der „Kultur“ berücksichtigt werden müssen (Sugitani 2004). Seit 2003 bietet die JGG mit Unterstützung des Goethe-Instituts einen Fortbildungskurs auf Semesterbasis an, der durch die Lernmöglichkeit per Internet in Ost- und Westjapan unter jüngeren Germanisten Teilnehmende findet (vgl. http://www.dokkyo.net/~dafkurs/, 28. 11. 2008). Als Themen wurden 2008 u. a. Lehrmethodik, Lernstrategien, kooperatives Lernen/autonomes Lernen, Curriculum-Design gewählt. Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen (vgl. Yoshijima et al. 2004) und der Plurilingualismus werden einbezogen. Zunehmend wird der Einsatz von Neuen Medien (ICT) diskutiert und praktiziert. Von einigen Mitgliedern der JGG werden Lernprogramme für japanische Studierende entwickelt und im Internet frei zur Verfügung gestellt (vgl. Sakai 2004). Für DaF/Sprachlehrforschung veranstaltet die JGG seit 1992 mit Unterstützung des DAAD sowie des Goethe-Instituts jährlich ein Fachseminar mit ExpertInnen aus Deutschland. Diskutierte Themen in den letzten Jahren waren z. B. Lernen mit alten und
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
neuen Medien ⫺ Zur Entwicklung regionaler Lehrmaterialien und technologiegestützter Konzepte (JGG 2005), Sprachprüfung und Sprachenpolitik (JGG 2007). Es gibt an einigen wenigen Hochschulen, an denen DaF mit zunehmender Stundenzahl, ggf. als freies fakultatives Fach, unterrichtet wird, Versuche, empirisch orientierte Forschungen zu entwickeln (vgl. Schart und Hoshii 2004). Der Japanische Deutschlehrerverband (JDV), Suborganisation der JGG, gibt die Fachzeitschrift Der Deutschunterricht in Japan einmal pro Jahr heraus. Er spielt sowohl im tertiären als auch im Sekundarbereich eine wichtige Rolle. Er gibt mit dem Verband der Deutschlehrer an den Oberschulen in Japan, der 1988 gegründet und mit Unterstützung des Goethe-Instituts eigene Fortbildungskurse veranstaltet, jährlich eine Stellungnahme zu den Testaufgaben des National Center for University Entrance Examinations ab und trägt damit trotz des Fehlens eines eigenen Lehrplans zur Optimierung des Standardtests für die Aufnahmeprüfung bei. In Bezug auf die Fortbildung der LehrerInnen an allgemeinen Schulen ist seit 2008 (Erlass des MEXT Nr. 51 vom 31. 3. 2008) ein Kursbesuch im Umfang von 30 Stunden alle zehn Jahre vorgeschrieben; nach dem Regierungswechsel 2009 wird u. a. die Verlängerung des Lehramtsstudiums um zwei Jahre diskutiert.
3. Neue Entwicklungen und Ausblick Die problematische Lage der institutionalisierten Fremdsprachenbildung betrifft nicht nur DaF, sondern auch andere Sprachen. Selbst für Englisch wird das Fehlen bildungspolitischer Entscheidungen kritisiert, was z. B. kontroverse Diskussionen um den Frühbeginn des Fremdsprachenunterrichts, landesweit fast nur Englisch, zeigen. Vor diesem Hintergrund wurde die Japanese Association for Language Policy gegründet, in der zum ersten Mal sprachenübergreifend, Japanisch als Zweit- und Fremdsprache einbegriffen, gearbeitet wird. Durch die Kooperation mit anderen Sprachen entstehen neue Interessen an Deutschland. Im Bereich der Sprachdidaktik interessiert bspw. die Konkretisierung des GER in Profile deutsch (Glaboniat et al. 2005) die Bereiche Englisch und Japanisch. Methodische Konzepte und textlinguistische Ansätze für den Aufbau der Sprachkompetenz des Deutschen als Muttersprache finden Resonanz in der Curriculumdiskussion zum Muttersprachenunterricht (vgl. MEXT: Shiryoˆ, 12. 6. 2006; Sammori 1996). Darüber hinaus verfolgt man die Einwanderungspolitik sowie bildungspolitischen Verfahren in Deutschland mit zunehmendem Interesse, weil es, anders als die USA u. a., ursprünglich kein Einwanderungsland war und der Weg dorthin in der japanischen Gesellschaft heute intensiv diskutiert wird. Letztgenannte Beispiele sollen zeigen, dass mit dem gesellschaftlichen Wandel neue Themen und Fachgebiete beim Deutschlernen Bedeutung gewinnen können. DaF als Fach in der Allgemeinbildung nach Englisch kann in Zukunft mehr an der Oberschule seinen Ort finden, während im Hochschulbereich seine Verankerung mit landeskundlichen Themen sowie dem Fachstudium gestärkt werden kann. Dafür sollte die Lehrerbildung einerseits mit Englisch kooperativ, anderseits mit sachfachlichen Themen erweitert und vertieft werden. Dies könnte eine neue Herausforderung sowie Chance für die Germanistik in Japan darstellen.
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4. Literatur in Auswahl Glaboniat, Manuela, Martin Müller, Paul Rusch, Helen Schmitz und Lukas Wertenschlag 2005 Profile deutsch. Berlin etc.: Langenscheidt. Hirataka, Fumiya 2007 Plurilingualismus im Fremdsprachenunterricht und Chancen des Deutschunterrichts in Japan. In: Japanische Gesellschaft für Germanistik (JGG) (Hg.), Neue Beiträge zur Germanistik (Neue Beiträge). Bd. 6 (2): 103⫺114. Tokyo. JGG (Hg.) 2005 Lernen mit alten und neuen Medien ⫺ Zur Entwicklung regionaler Lehrmaterialien und technologiegestützter Konzepte. Neue Beiträge Bd. 4(4). Tokyo. JGG (Hg.) 2007 Sprachprüfung und Sprachenpolitik. Neue Beiträge Bd. 6(2). Tokyo. JGG (Hg.) 2007 Medien und Sprache. Neue Beiträge Bd. 6(4). Tokyo. Kühn, Christine (Hg.) 2006 Deutsche Spuren in Japan. Ottrau: Schenk. Miyanaga, Takashi 1993 Nichidoku-bunka-jinbutsu-koˆryuˆshi [Geschichte des kultur- und Personenaustausches zwischen Japan und Deutschland]. Tokyo: Sanshuˆsha. Sakai, Kazumi 2004 Die Deutschlehrerausbildung in der informations- und kommunikationstechnologischen Landschaft. In: JGG (Hg.), Neue Beiträge. Bd. 3(1): 111⫺122. Sammori, Yurika 1996 Gengo gijutsu no taikei to shidoˆnaiyoˆ. [Language Arts ⫺ Ihre systematische Förderung]. Tokyo: Meiji-tosho. Schart, Michael und Makiko Hoshii 2004 Die wissenschaftliche Disziplin Deutsch als Fremdsprache in Japan ⫺ Blick auf eine Forschungslandschaft. In: Japanischer Deutschlehrerverband (Hg.), Deutschunterricht in Japan 9: 4⫺20. Tokyo. Sugitani, Masako 2004 Deutsch als eine zweite Fremdsprache nach Englisch ⫺ Zur Profilbildung in der Sprachlehrforschung in Japan. In: JGG (Hg.), Neue Beiträge Bd. 3(4): 57⫺72. Yoshijima, Shigeru et al. 2004 Gaikokugono gakushuˆ, kyoˆjuˆ, hyoˆkano tameno yoˆroppa kyoˆtsuˆsanshoˆwaku (Übersetzung des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens). Tokyo: Goethe-Institut/Asahi Verlag.
Masako Sugitani, Osaka (Japan)
1702
XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
202. Deutsch in Kamerun 1. 2. 3. 4. 5.
Die Entwicklung des Deutschunterrichts und der Germanistik seit der Kolonialzeit Lehrwerke für den Deutschunterricht in Kamerun Germanistik und Deutschlehrerausbildung an den Hochschulen Perspektiven Literatur in Auswahl
1. Die Entwicklung des Deutschunterrichts und der Germanistik seit der Kolonialzeit Die dreifache Kolonialisierung Kameruns durch die Deutschen, die Engländer und die Franzosen hat in vielen Bereichen deutliche Spuren hinterlassen. Dies betrifft insbesondere das Erziehungssystem und Bildungssystem, das sich weniger aufgrund von Bedürfnissen der kamerunischen Gesellschaft herausgebildet hat, sondern vielmehr die Perspektivübernahme westeuropäischer Bildungsübernahme widerspiegelt. Dass Französisch und Englisch als Amts- und Kommunikationssprachen gelten, hat ebenfalls mit der Übernahme einer von kolonialen Interessen geleiteten Sprachenpolitik zu tun. Fonlon (1976: 199) führt drei Merkmale an, die in Kamerun für eine Sprachenpolitik zugunsten des Englischen und Französischen gesprochen haben: (a) Die Erfahrung nach dem Abzug der Deutschen sollte nicht wiederholt werden, dass nämlich eine technisch und philosophisch so entwickelte Sprache wie das Deutsche, ein Zugang zu Fortschritt und Kultur, über Nacht wieder verschwindet. Die Eliminierung von Französisch und Englisch hätte das Land etwa 40 Jahre zurückgeworfen; (b) die einheimischen Sprachen konnten die Rolle der Kolonialsprachen im Hinblick auf die Modernisierung des Landes nicht übernehmen; (c) Englisch und Französisch hatten sich für ganz Afrika zu den Sprachen entwickelt, die für die weltweite Zusammenarbeit ebenso wie für die afrikanische Einheit unentbehrlich geworden waren. Diese Position lässt nicht erkennen, dass irgendein Versuch unternommen wurde, einige der vielen Landessprachen (ca. 260) zu Kommunikationssprachen der rund 200 ethnischen Gruppen zu entwickeln. Anstelle einer besonderen Planung beschloss die erste Regierung eine „Sprachenpolitik per Unterlassung“ (vgl. Pleines 1985) Vor dem Hintergrund des Vorausgegangenen kann zweifelsohne gesagt werden, dass die Aufnahme des Fachs Deutsch als Fremdsprache in die Lehrpläne der Sekundarschulen und der Universitäten auch in der postkolonialen Ära ebenfalls in die Sprachenpolitik per Unterlassung einzuordnen ist. Denn diese Aufnahme hängt mit der Übernahme des französischen Schulsystems zusammen (vgl. Ngatcha 2002). Für die Bundesrepublik Deutschland dagegen ordnet sich die Aufrechterhaltung und Durchführung des Deutschunterrichts bzw. Germanistik an Schulen und Hochschulen in Kamerun in den Kreis jener Bemühungen ein, die eigene kulturelle Präsenz zu sichern und Sympathien für Deutschland zu gewinnen (vgl. Auswärtiges Amt 1985: 15). Aus kulturellen und politischen Gründen werden also der Deutschunterricht und das Germanistikstudium aufrechterhalten und sowohl von deutscher wie auch von kamerunischer Seite getragen. Deutschland fördert den Deutschunterricht an Schulen finanziell und personell durch die Entsendung von Fachberatern. Diese Experten für Unterricht ⫺ wie
202. Deutsch in Kamerun
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sie vom Goethe-Institut genannt werden ⫺ arbeiten Hand in Hand mit den einheimischen Inspektoren, indem sie u. a. gemeinsam Fortbildungsseminare für DeutschlehrerInnen veranstalten und an Schulen hospitieren. Seit 2007 werden Lehrmittelzentren in einigen Großstädten eingerichtet, um dem Mangel an geeigneter aktueller Fachliteratur entgegenzuwirken. Aus kamerunischer Sicht liegt seit 1996 eine offizielle Stellungnahme zum Bereich der Vermittlung und Aneignung der deutschen Sprache vor, die dem Erlass des Erziehungsministeriums für das Curriculum für den Deutschunterricht an Sekundarschulen zu entnehmen ist. Leitziel des Deutschunterrichts ist es, die Entfaltung der Persönlichkeit der Lernenden zu fördern sowie kritisches Denken und Handeln zu unterstützen. Ferner sollen auf der unterrichtlichen Ebene sprachliche, kognitive, affektive, (inter-)kulturelle und psychomotorische Ziele angestrebt werden. Des Weiteren legt das Curriculum die zu erwerbenden Kompetenzen in den jeweiligen Klassen, die Lerninhalte, die methodischen Ansätze, die Testformate und die Bewertungskriterien in der Unter- und in der Oberstufe fest. Derzeit lernen bei 1.200 LehrerInnen ca. 130.000 SchülerInnen ab der 9. Klasse Deutsch. Auch am Goethe-Institut und an vielen Privatschulen sowie an den neulich vom Goethe-Institut eingerichteten Sprachlernzentren in Douala und Bafoussam absolvieren ca. 2.500 TeilnehmerInnen Deutschkurse im Hinblick auf die Aufnahme bzw. Fortsetzung des Studiums in Deutschland. Es ist zu erwarten, dass die Nachfrage nach mehr Deutschkursen steigt, da die Erteilung eines Visums zwecks der Familienzusammenführung u. a. mit dem Nachweis des Bestehens der Prüfung „Start Deutsch 1“ zusammenhängt. Diese Zielgruppe stellt eine nicht zu vernachlässigende Klientel dar.
2. Lehrwerke ür den Deutschunterricht in Kamerun Für die Vermittlung und Aneignung deutscher Sprache und Kultur wurden bis 1975 für Französisch sprechende Deutschschüler Lehrbücher (L’Allemand Facile, Collections Deutschland etc.) an Kameruner Sekundarschulen eingesetzt, die Prinzipien der Grammatik-Übersetzungsmethode folgen. Für die 1980er Jahre wurde ein regionales Lehrwerk („Yao lernt Deutsch“) entwickelt, welches von der Konzeption her auf den Prinzipien des audio-oralen Ansatzes fußte, bei dem Hören und Sprechen Vorrang vor den Fertigkeiten Lesen und Schreiben haben. Doch aufgrund der geographischen Entfernung zum Zielsprachenland und der Umwelt, in der die Schüler aufwachsen und die Sprache lernen, stieß die vorgenommene Gewichtung der Fertigkeiten auf heftige Kritik (vgl. Ngatcha 1991). Dies mündete in den 1990er Jahren in die Entwicklung und Aufnahme des regionalen Lehrwerkes „Ihr und Wir“, das Prinzipien des interkulturellen Ansatzes beachtet. In sprachlicher Hinsicht strebt das Lehrwerk „Ihr und Wir“ die Entwicklung der Fertigkeiten Leseverstehen, Schreiben, Sprechen und Übersetzen an. Ein größeres Gewicht wird jedoch auf die Schulung von Schreiben und Leseverstehen gelegt, weil die Lernenden bei Prüfungen diese Kompetenzen an den Tag legen müssen. Unter der Schirmherrschaft des Goethe-Instituts wurde inzwischen eine Revision von „Ihr und Wir“ vorgenommen, das nun „Ihr und Wir Plus“ heißt und anstrebt, dass Themen und Fotos die Schüler emotional mehr ansprechen. Der landeskundliche Teil wurde vollständig aktualisiert und erneuert. Das Lehrwerk will zum autonomen Arbeiten und zur Kreativität anregen.
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
3. Germanistik und Deutschlehrerausbildung an den Hochschulen In den letzten zehn Jahren hat sich die Hochschullandschaft in Kamerun sehr verändert. Denn zusätzlich zu der Universität zu Yaounde´ I wurden fünf weitere Hochschulen in Soa (bei Yaounde´), Douala, Dschang, Ngaounde´re´ und Maroua gegründet. Vier Hochschulen bieten Germanistik an. Schätzungsweise beträgt die Zahl der Studierenden 1.153. Was die Berufsfelder angeht, so streben 90 % der AbsolventInnen den Lehrberuf an, können also an Sekundarschulen die deutsche Sprache und Kultur vermitteln. Die restlichen 10 % kommen bei Ämtern und Behörden unter, wo sie von den erworbenen Deutschkenntnissen kaum Gebrauch machen. Zu den zentralen Schwerpunkten des Studiums gehören Literaturwissenschaft (6 Professoren), Sprachwissenschaft (1 Professor), Didaktik DaF (1 Professor) und Landeskunde (1 Professor); in denen auch die entsprechenden Forschungsschwerpunkte angesiedelt sind (vgl. exemplarisch Gomsu 2006; Ngatcha 1991; Simo 2006; Sow 2003). Als selbständige Sektion, in der Lehramtsstudierende für Deutsch ausgebildet werden, existieren die Fremdsprachenabteilung an der Universität Yaounde I / Ecole Normale Supe´rieure seit der Hochschulreform vom 1975 und eine andere an der Universität zu Maroua / Ecole Normale Supe´rieure seit 2009. Davor oblag die Ausbildung von Deutschlehrern der Englisch-Französisch-Abteilung der Ecole Normale Supe´rieure bzw. der Philosophischen Fakultät der Universität. Was man unter „Ausbildung“ verstand, waren im Grunde nur zwei bis vier Wochenstunden sprachliche Übungen im Nebenfach Deutsch ohne großen Einfluss auf den Abschluss in den Hauptfächern. In den nun existierenden Abteilungen werden DeutschlehrerInnen für die Unter- und Oberstufe der Sekundarschulen ausgebildet. Das neue Curriculum verfolgt konzeptionell das Ziel, den Lehramtsaspiranten eine fachwissenschaftliche Ausbildung zu vermitteln und zugleich auf die Berufspraxis vorzubereiten. Im Vergleich zu sprachwissenschaftlichen, literaturwissenschaftlichen und landeskundlichen Seminaren nimmt das Fach Didaktik/Methodik Deutsch als Fremdsprache eine immer größere Stellung ein. Didaktik-/Methodikseminare werden durch Hospitationen an Schulen ergänzt, bei denen angehende Lehrer mit der konkreten Unterrichtswirklichkeit konfrontiert werden.
4. Perspektiven Neben dem Erwerb methodisch-didaktischen Wissens, dessen Reflexion sowie der Entwicklung didaktischen Könnens muss sich der afrikanische Fremdsprachenlehrer seiner aufklärerischen, gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sein. Im Zuge der Demokratisierung in den afrikanischen Ländern macht sich eine nie dagewesene, besorgniserregende Intoleranz und Welle von Menschenrechtsverletzungen breit. Will der Lehrer die Heranwachsenden dazu animieren, dem Zerfall der Gesellschaft nicht gleichgültig zuzuschauen, muss er selber eine ethnophobie- und diskriminierungsfreie Haltung seinen Schülern gegenüber entwickeln. Demnach sollten stärker Interaktionsformen eingesetzt werden, bei denen die Lernenden eine größere solidarische Kompetenz entwickeln. Denn innerhalb von Gruppen kann man Probleme adäquater angehen und zu konsensfähigeren Lösungen kommen. Dies impliziert, dass der Lehrer den Mut haben muss, einen Deutschunterricht zu erteilen, in dem schonungslos über gesellschaftliche Missstände gesprochen wird, mit dem Ziel, nach Lösungsansätzen zu suchen.
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5. Literatur in Auswahl Auswärtiges Amt der Bundesregierung 1985 Die Stellung der deutschen Sprache in der Welt. Bericht der Bundesregierung. Bonn. Fonlon, Bernard 1976 The language problem in Cameroon: a historical perspective. In: David R. Smock and Kwamena Bentsi-Enchill (Hg.), The Search for National Integration in Africa, 189⫺205. London: MacMillan. Goethe-Institut 2008 Ihr und Wir plus. München: Les Classiques Camerounais. Gomsu, Joseph 2006 „Über lokale und allgemeine Bildung“: Georg Forster Projekt einer anderen Moderne. Georg-Forster-Studien XI: 246⫺264. Ngatcha, Alexis 1991 Inhalte und Methoden des Deutschunterrichts an Kameruner Sekundarschulen. Bestandsaufnahme und Möglichkeiten der interkulturellen Kommunikation. Hamburg: Verlag an der Lottbeck. Ngatcha, Alexis 2002 Der Deutschunterricht in Kamerun als Erbe des Kolonialismus und seine Funktion in der postkolonialen Ära. Frankfurt a. M.: Lang. Pleines, Jochen 1985 Sprachkonkurrenz und gesellschaftliche Planung. Das Erbe des Kolonialismus. (Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie 31). Osnabrück: Redaktion Obst. Simo, David 2006 Suchen und Lernen als Wiedererinnern. Zur Problematik der Erfahrung des Fremden bei Hubert Fichte. In: Leo Kreutzer und David Simo (Hg.), Weltengarten. Deutsch-Afrikanisches Jahrbuch für Interkulturelles Denken, 42⫺54. Hannover: Revonnah. Sow, Alioune 2003 Entwicklungsoptionen der Goethe-Zeit. München: iudicium.
Alexis Ngatcha, Yaounde´ (Kamerun)
203. Deutsch in Kanada 1. 2. 3. 4. 5.
Rolle des Deutschen Deutschunterricht und Deutschlehreraus- und -fortbildung Germanistik und DaF Tendenzen Literatur in Auswahl
1. Rolle des Deutschen In Kanada gibt es mit dem Englischen und Französischen zwei Amtssprachen. Aufgrund der ungleich weiteren Verbreitung des Englischen wird die Fremdsprache Französisch in besonderem Maße gefördert. Das Deutsche als Fremdsprache ist, wenn es angeboten
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
wird, erst die zweite oder gar dritte Fremdsprache für kanadische Lernende. Es wird jährlich von ca. 20.000 kanadischen Lernenden in Kindergärten, Primar- und Sekundarschulen sowie von ca. 17.000 Studierenden an Universitäten und Colleges gelernt und steht damit nach Französisch und Spanisch auf Platz drei der meist gewählten Fremdsprachen. Bislang ist Deutsch in Kanada auch als Heim- oder Alltagssprache noch eine der am meisten verwendeten Sprachen; allerdings ist die Einwanderung aus deutschsprachigen Ländern seit den 1960er Jahren rapide zurückgegangen. Der kanadische Census von 2006 hat ergeben, dass Deutsch nach den beiden Amtssprachen sowie Chinesisch und Italienisch nur noch den fünften Platz unter den in Kanada verwendeten Sprachen einnimmt. Zum Vergleich: Anfang der 1990er Jahre war es noch der dritte Platz. Tendenz weiterhin fallend: Die deutschsprachigen Einwanderergruppen in Kanada verlieren kontinuierlich Mitglieder; einfache demoskopische Hochrechnungen zeigen, dass dies weiter anhalten wird. Deutsch als Erbsprache (heritage language) gehört damit zu den gefährdeten Sprachen, und zwar sowohl aufgrund der stark sinkenden Anzahl seiner Sprecher, als auch aufgrund der Verteilung der deutschsprachigen Personen im Land: Es sind insbesondere die Religionsgemeinschaften der Hutterer und Mennoniten, die weiterhin die deutsche Sprache pflegen, während in den Städten eine entgegen gesetzte Entwicklung zu beobachten ist. Dort drohen mit dem Verschwinden deutschsprachiger Gruppierungen eine reduzierte Sichtbarkeit und der Verlust der Lebendigkeit des Deutschen im multikulturellen Leben. Somit ist absehbar, dass die deutsche Sprache nicht mehr primär als Erstsprache oder Erbsprache in Kanada angesehen werden kann; sie wird in Zukunft in erster Linie eine Fremdsprache sein.
2. Deutschunterricht und Deutschlehreraus- und -ortbildung Der schulische Unterricht des Deutschen erfolgt in Kanada mehrheitlich an Sekundarschulen. Die Sprachangebote an öffentlichen Schulen variieren von Provinz zu Provinz, doch insgesamt lässt sich festhalten, dass der Deutschunterricht in erster Linie für Anfänger (Niveaustufen A1 und A2) angeboten wird und als Wahlfach dann häufig in Konkurrenz zu anderen Sprachen, Kunst und Musik steht. Daneben gibt es bilinguale Bildungsangebote an Schulen in den Provinzen Alberta und Manitoba. Neben den öffentlichen Schulen bieten auch Privatschulen Deutschunterricht an; u. a. ca. 30 deutsche Sprachschulen (Saturdayschools). Vereinzelt wird Deutsch außerdem in playschools und Kindergärten angeboten. Die Lehrerausbildung für Deutsch umfasst in Kanada ein Bachelor-Studium sowie eine (teils integrierte) pädagogische Ausbildung an einer Hochschule, die aus Praxis- und Theorieeinheiten besteht und die je nach Provinz variiert. Mit der Einrichtung des Institute for Innovation in Second Language Education in der Provinz Alberta ist zudem jüngst ein Schritt gemacht worden, der eine weitere Professionalisierung auch von DaF-Lehrenden möglich machen könnte. Ein Graduiertenstudium der Germanistik ist für den Eintritt in das Lehramt nicht erforderlich. Derzeit gibt es in Kanada insgesamt ca. 500 Deutschlehrende an privaten und öffentlichen Schulen, wobei diese sich hauptsächlich auf die Provinzen Ontario, Alberta, British Columbia und Manitoba verteilen. Die Lehrerfortbildung ist den einzelnen Lehrenden und ihrem Engagement überlassen. Es existiert eine Reihe von Netzwerken, die zum Teil selbst mit geringen finanziellen
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Mitteln sehr erfolgreich Seminare und Fortbildungen organisieren. Insbesondere durch die pädagogische Verbindungsarbeit der Goethe-Institute und das Engagement der beiden Fachberater der ZfA ist es gelungen, kontinuierliche Fortbildungsarbeit und Moderatorenaus- und -fortbildung zu leisten und zu unterstützen. Die seit 1997 existierende Vereinigung kanadischer Deutschlehrender (CATG, Canadian Association of Teachers of German) organisiert eine jährliche nationale Konferenz und gibt eine Zeitschrift für Deutschlehrende heraus, die hauptsächlich vom Goethe-Institut finanziert wird (Forum Deutsch). Daneben gibt es Deutschlehrerverbände in einzelnen Provinzen sowie den Kanadischen Verband Deutscher Sprachschulen (KVDS), der jährliche Treffen zur Lehrerfortbildung im Osten und Westen Kanadas sowie regionale Fortbildungen organisiert. Mit einer Mailingliste sowie Internetseiten und DaF-Materialsammlungen sind auch neue Möglichkeiten zum kollegialen Austausch gegeben ⫺ im großflächigen Kanada ist es z. T. erst so möglich geworden, Verbindungen zwischen Deutschlehrenden auch an entlegenen und sehr weit voneinander entfernten Orten herzustellen. Speziell für Lehrende an Colleges und Universitäten ist der kanadische Hochschulgermanistenverband (CAUTG, Canadian Association of University Teachers of German) zuständig. Er widmet sich hauptsächlich der Forschung und Vernetzung von GermanistInnen, veranstaltet jedoch auch in Kooperation mit dem Goethe-Institut anlässlich seiner jährlichen Tagungen regelmäßig Workshops zur Lehrerfortbildung. Neben öffentlichen und privaten Schulen sind Colleges und Universitäten die größten Anbieter des Deutschen als Fremdsprache. An den meisten Universitäten ist der Teilnahmenachweis an Sprachenkursen für Studierende der Humanwissenschaften Pflicht, so dass die Germanistik mehrheitlich Kurse für Studierende anbietet, die nicht Germanistik studieren.
3. Germanistik und DaF Der weitaus größte Teil der Einschreibungen in germanistischen Veranstaltungen entfällt auf Sprachenkurse. Die Anzahl derjenigen, die Deutsch als Haupt- oder Nebenfach im Bachelor-Studium studieren, ist dem gegenüber gering: 2007/08 waren das insgesamt 1050 Studierende an 31 Universitäten; 143 davon beendeten ihr Germanistikstudium mit dem Grad des Bachelor im Jahr 2008. Im Bereich des Graduiertenstudiums gab es 2007/08 insgesamt 136 eingeschriebene Master- und PhD-Kandidatinnen und -Kandidaten an 11 kanadischen Universitäten. Die tatsächlich vergebenen Abschlüsse entfielen seit 2002/03 auf jährlich zwischen 28 und 36 Master und 1⫺6 Doktorate. Die Germanistik in Kanada ist damit insgesamt eine kleine akademische Disziplin, die sich jedoch bislang erfolgreich auch in Krisensituationen hat behaupten können. Dabei haben nicht alle Selbstbehauptungsversuche zu dauerhaften Änderungen geführt. So hat sich etwa Wirtschaftsdeutsch als Hoffnungsträger zur Stabilisierung der Studierendenzahlen im Fach Deutsch nicht behaupten können und ist heute deutlich weniger verbreitet als noch vor der Jahrtausendwende. Kurse in Film und Literatur in englischer Übersetzung hingegen haben sich im germanistischen Kursangebot in den letzten Jahren an vielen Universitäten etabliert. Zum Kanon der Kursangebote im Bachelorstudium gehört in Kanada ansonsten traditionell die Literatur (im Original); daneben gibt es Kurse im Bereich (Angewandte) Linguistik.
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
Im Bereich der Graduiertenstudiengänge dominieren Veranstaltungen zur Literatur, allerdings zunehmend ergänzt um Kurse in Film und Kulturwissenschaften sowie angewandte Linguistik und DaF. Seit Ende der 1990er Jahre bietet man Lehrassistenten (Graduate teaching assistants) an kanadischen Hochschulen auch vermehrt Kurse mit den Schwerpunkten Fremdsprachenerwerb und Unterrichtsmethodik an. An den Universitäten von Alberta und Waterloo stehen auch weitere Kurse in DaF/Angewandter Linguistk zur Auswahl. Dort ist ein Graduiertenstudium mit Schwerpunkt Literatur/Film oder Linguistik/DaF möglich. Studierende können sowohl Masterarbeiten als auch Dissertationen zu einem der beiden Bereiche verfassen. Diese Tendenz zeichnet sich im Bereich der germanistischen Forschung noch deutlicher ab. Hier sind neben der traditionellen Literaturwissenschaft vermehrt Forschungsschwerpunkte in den Bereichen Kultur und Film sowie Angewandte Linguistik anzutreffen. Während in der von der CAUTG vier Mal jährlich herausgegebenen Zeitschrift Seminar nahezu ausschließlich literatur- und filmwissenschaftliche, aber selten linguistische Beiträge veröffentlicht werden (die Zusendung didaktischer Beiträge ist explizit ausgeschlossen), zeigt das Programm der CAUTG-Tagungen schon ein anderes Bild: 2008 etwa lagen 75 % der Präsentationen im Bereich Literatur/Kultur/Film, 25 % im Bereich DaF/Angewandte Linguistik.
4. Tendenzen Die größte Herausforderung ist weiterhin der Erhalt der Relevanz des Deutschen in Kanada. Der derzeitige Übergang von Deutsch als Einwanderersprache zum Deutschen als Fremdsprache birgt dabei Gefahren, eröffnet aber auch Chancen. Neben den traditionellen privaten und öffentlichen Bildungsträgern engagieren sich weitere Einrichtungen in der Verbreitung und Pflege von Kultur und Sprache deutschsprachiger Länder. Aktiv an der Entwicklung eines möglichst regen inter- und transkulturellen Austauschs beteiligt sind v. a. die Goethe-Institute Toronto, Montreal und Ottawa, das u. a. mit Hilfe des DAAD geförderte Canadian Centre for German and European Studies an den Universitäten York und Montre´al, das Institute for European Studies an der Universität British Columbia sowie das seit 2004 bestehende Waterloo Centre for German Studies. Von der Kooperation und dem Engagement all dieser Beteiligten wird es abhängen, ob es gelingt, das Interesse am Deutschen als einer lebendigen modernen Sprache sowohl zu erhalten als auch zu wecken.
5. Literatur in Auswahl Prokop, Manfred 2005 DaF an kanadischen Schulen und Hochschulen. Jahrbuch für Internationale Germanistik 37: 63⫺82. Prokop, Manfred 2008 The dynamics of German language maintenance in Canada. Forum Deutsch 16, Ms., 78 S. (http://www.forumdeutsch.ca/) (Zugriff am 30. 12. 2009).
204. Deutsch in Kolumbien
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Prokop, Manfred und Britta Hufeisen 2001 Deutschunterricht und Germanistikstudium in Kanada. In: Gerhard Helbig, Lutz Götze, Gert Henrici und Hans-Jürgern Krumm (Hg.), Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch, 1431⫺1438. Band 2. (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 19.1⫺2). Berlin/New York: Gruyter. Plews, John 2007 The core, the outside, and the borders: A critical curriculum history of postsecondary German in Canada. In: Christoph Lorey, John Plews und Caroline L. Rieger (Hg.), Interkulturelle Kompetenzen im Fremdsprachenunterricht. Intercultural Literacies and German in the Classroom. Festschrift für Manfred Prokop, 1⫺29. Tübingen: Narr. Rollmann, Marcella 2008 CAUTG Enrolment Report 2007⫺8. (http://www.cautg.ca) (Zugriff am 30. 12. 2009). Statistics Canada 2007 Census 2006. (http://www.statcan.ca/start.html) (Zugriff am 30. 12. 2009).
Barbara Schmenk, Waterloo (Kanada)
204. Deutsch in Kolumbien 1. 2. 3. 4. 5.
Einleitung Deutsch lernen und lehren in Kolumbien Fortbildung und Bildungskooperation Tendenzen und Aufgaben Literatur in Auswahl
1. Einleitung „Englisch ist unangefochten erste Fremdsprache in Lateinamerika. Allerdings besteht eine hohe Bereitschaft, kulturelle Angebote aus dem europäischen Raum anzunehmen. […] Dadurch erklärt sich eine vergleichsweise gute Position für die deutsche Sprache.“ Diese Feststellung des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland (2010) besitzt auch für Kolumbien volle Gültigkeit. Die positive Haltung gegenüber „dem Deutschen“ in Kolumbien geht jedoch im Gegensatz zu anderen Ländern Lateinamerikas nicht auf einen nennenswerten Einfluss deutschsprachiger Einwanderer zurück. Nach Harnisch und Sagawe (2003: 296) gilt Kolumbien „sowohl aus historischer, als auch aktueller politischer, wirtschaftlicher und sozialer Perspektive nicht als Einwanderungsland“. Obwohl also der Einfluss von Migranten quantitativ nahezu unbedeutend war und ist, gibt es eine lange Tradition kultureller, wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Kontakte zwischen Kolumbien und den deutschsprachigen Ländern, die die Entwicklung Kolumbiens in verschiedenen Bereichen entscheidend beeinflusst haben (Ba´ez Osorio 2004; Biermann Stolle 2001; Hofer 2000; Tapias Ospina 1993).
1710
XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
2. Deutsch lernen und lehren in Kolumbien 2.1. Deutschunterricht an Schulen Die vier deutschen Auslandsschulen (Bogota´, Barranquilla, Cali, Medellı´n) und das Colegio Helvetia, eine von weltweit 17 Schweizer Schulen im Ausland, stellen mit etwa 5000 Schüler/innen rund 85 % der Deutschlerner an Schulen in Kolumbien. Diese Schulen gelten in Kolumbien als qualitativ sehr hochrangig und werden vorwiegend von Kindern der wirtschaftlichen und intellektuellen Elite des Landes besucht. Neben der kolumbianischen Hochschulreife verleihen sie auch international gültige Abschlüsse. Besonders für Abgänger dieser deutschsprachigen Schulen steht außerdem eine Berufsausbildung nach dem Dualen System an dem eng mit deutschen Firmen zusammen arbeitenden Kaufmännischen Berufsbildungsinstitut ICAFT (Instituto Colombo-Alema´n para la Formacio´n Tecnolo´gica) offen. Außer den fünf Auslandsschulen bieten laut StADaF-Erhebung von 2005 weitere elf Schulen im Land Deutschunterricht an, darunter noch andere mehrsprachige Eliteschulen. Erwähnenswert sind auch die staatlichen INEM-Schulen (Instituto Nacional de Educacio´n Media) in verschiedenen Städten, die 1972 aufgrund der Zusammenarbeit mit der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen und dem Goethe-Institut Deutschunterricht einführten und ihn teilweise trotz ungünstiger fremdsprachenpolitischer Regelungen und schulinterner Schwierigkeiten aufrecht erhalten konnten. Ein wesentlicher Grund dafür, dass sich der Deutschunterricht an kolumbianischen Schulen bisher nicht stärker durchsetzen konnte, war und ist der Mangel an qualifizierten Deutschlehrern. Wichtig ⫺ nicht nur für Deutsch ⫺ war in diesem Sinne in den 1980er und 1990er Jahren die Fortbildungs- und Beratungstätigkeit des Pädagogischen Zentrums Bogota´. In den 1990er Jahren war es das Fortbildungszentrum für 5 Länder der Region.
2.2. Deutsch als Studienach Vor allem den Bestrebungen deutscher Institutionen und kolumbianischer Geisteswissenschaftler ist die Einrichtung eines deutschen Zweiges im neustrukturierten Studiengang Philologie und Fremdsprachen an der Nationaluniversität Kolumbiens im Jahr 1989 zu verdanken. Durch einen deutlichen Anstieg der Absolventenzahlen seit 2005 zählt dieser Studiengang inzwischen etwa 150 Absolvent/innen, von denen ein Großteil als Deutschlehrer/in tätig ist. Das Studium führt zu dem Abschluss Licenciado en Filologı´a e Idiomas, was in Kolumbien einer Lehrbefähigung entspricht. Der geringe Anteil pädagogischdidaktischer Inhalte verrät allerdings, dass der Studiengang aus der philologischen Tradition der Universität entstanden ist: Rund 30 % der Pflichtkurse fallen in den Bereich Spanisch und Sprachwissenschaft, den weitaus größten Anteil der germanistischen Fächer stellt der Sprachunterricht (einschließlich Übersetzen). Dazu kommen Kurse zur Linguistik der deutschen Sprache, Literatur/Landeskunde, Didaktik (einschließlich Praktikum) und Forschungsmethodik (einschließlich Examensarbeit). Dieser Studienplan erfuhr 2009 wesentliche Veränderungen, deren Ziel die Stärkung der fremdsprachendidaktischen Komponente war. Ein deutscher Zweig besteht auch in einem Ergänzungsstudiengang Übersetzen an derselben Universität. Es erfolgt allerdings keine regelmäßige Immatrikulation neuer Studierender.
204. Deutsch in Kolumbien
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Neben dem Deutschstudiengang an der Nationaluniversität Kolumbiens wird an der bedeutendsten Privatuniversität des Landes, der Universidad de los Andes, ebenfalls in Bogota´ im Rahmen des Studienganges Lenguajes y Estudios Socioculturales (Sprachen und soziokulturelle Studien) das Schwerpunktfach Deutsch angeboten. Die Studierenden können zwischen dem kulturwissenschaftlichen und dem fremdsprachendidaktischen Profil wählen, wobei aber für das didaktische Profil keine speziellen Kurse auf Deutsch angeboten werden. Der Studienabschluss Profesional en Lenguajes y Estudios Socioculturales ermöglicht ein breites Berufsprofil und entspricht einem geisteswissenschaftlichen Grundlagenstudium.
2.3. Deutschunterricht im Erwachsenenbereich Zu diesem Bereich zählen die etwa 40 Universitäten, an denen Deutsch im Rahmen von Wahlpflicht- oder fakultativen Kursen für Hörer aller Fakultäten bzw. auch freie Kurse für Interessenten von außerhalb der Hochschulen angeboten werden. Die StADaF-Erhebung von 2005 zählte über 2100 Deutschlerner/innen in solchen Kursen. Die Tendenz ist hier steigend, was auch in Kolumbien im Zusammenhang mit den „zunehmend häufigeren bilateralen Verträgen zwischen südamerikanischen und deutschen Universitäten“ zu sehen ist (Dietrich 2007: 10). Zu den universitären Angeboten kommen Deutschkurse an etwa 30 Sprachinstituten mit insgesamt ca. 1400 Kursteilnehmern (StADaF 2005⫺2006). Die Zahl der Einschreibungen am Goethe-Institut Bogota´, das seit 1957 hier die führende Rolle spielt, stieg von 2005 bis 2009 um mehr als 35 %. Eine besondere Stellung nehmen auch die drei Kulturgesellschaften in Medellı´n, Cali und Cartagena ein, die vom bundesdeutschen Auswärtigen Amt und vom Goethe-Institut finanziell und akademisch unterstützt werden.
3. Fortbildung und Bildungskooperation Viele Deutschlerner brauchen die Sprache zum Studieren, für wissenschaftliche oder geschäftliche Kontakte. Die Zahl der Kolumbianer/innen, die an einer deutschen Hochschule eingeschrieben waren, stieg nach Informationen des DAAD in Kolumbien von 544 (2000/2001) auf 1261 Studierende im Wintersemester 2006/2007. Der somit erforderliche qualitativ hochwertige und effektive Deutschunterricht stellt an die Aus- und Fortbildung von Deutschlehrern hohe Anforderungen. Entscheidende Impulse werden hierbei von der Stärkung der Forschung und der Entwicklung postgradualer Studienangebote ausgehen. Der DAAD und das Goethe-Institut sind neben den schon genannten Universitäten und dem seit 2000 existierenden Kolumbianischen Deutschlehrerverband (APAC ⫺ Asociacio´n de Profesores de Alema´n en Colombia) die wichtigsten Akteure bei der Erfüllung dieser Aufgaben. Der DAAD hat in den letzten Jahren seine Präsenz in Kolumbien kontinuierlich ausgebaut. Das Lektorat in Bogota´, das von Anfang an eine wesentliche Stütze des Studienganges Deutsch an der Nationaluniversität ist, wurde 2005 in ein DAAD-Informationszentrum umgewandelt. Durch verschiedene neue Programme, teilweise in Kooperation mit kolumbianischen Institutionen, können wesentlich mehr Sti-
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
pendien vergeben werden. Im August 2007 nahm ein Lektorat an der Universidad de Antioquia in Medellı´n seine Arbeit auf, dessen Ziel die Einrichtung des binationalen Master-Studienganges „Interkulturelle Sprachwissenschaft ⫺ Deutsch als Fremdsprache“ mit der Pädagogischen Hochschule Freiburg ist. Im August 2008 kam noch ein drittes DAAD-Lektorat an der Universidad del Valle in Cali hinzu. Dort ist ein interdisziplinärer Masterstudiengang „Europastudien“ mit dem Schwerpunkt Deutschlandstudien geplant.
4. Tendenzen und Augaben Neben den vielfältigen Initiativen der genannten Institutionen wären längerfristige, mit allen Akteuren in Kolumbien abgestimmte Strukturentwicklungspläne für Deutsch als Fremdsprache im Land erforderlich, um die folgenden Aufgaben zu erfüllen: ⫺ Verankerung des Deutschunterrichts an weiteren Institutionen und Qualitätssicherung ⫺ landesweite Koordination bei der Planung grundständiger und postgradualer Studienangebote in curricularer, finanzieller und personeller Hinsicht ⫺ zielgerichtete Fortbildungen und Erhöhung ihrer Nachhaltigkeit ⫺ Aufbau solider Forschungslinien ⫺ Verstärkung des regionalen und internationalen Austausches Die schon jetzt ständig wachsende Gruppe gut ausgebildeter und erfahrener DaF-Lehrer/ innen und die oben erwähnten Absprachen werden entscheidend zur weiteren Stärkung der Position von Deutsch als Fremdsprache in Kolumbien beitragen.
5. Literatur in Auswahl Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland 2010 Die Verbreitung und Förderung der deutschen Sprache in Lateinamerika (Stand 23. 2. 2010). http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Aussenpolitik/RegionaleSchwerpunkte/ Lateinamerika/DtSprache.html (18. 5. 2010). Ba´ez Osorio, Myriam 2004 Las Escuelas Normales de Varones del siglo XIX en Colombia. Revista Historia de la Educacio´n Latinoamericana, Vol. 6: 179⫺208. Biermann Stolle, Enrique 2001 Distantes y distintos. Los emigrantes alemanes en Colombia 1939⫺194, 26⫺42. Bogota´: Universidad Nacional de Colombia. Dietrich, Eduard Georg 2007 Qualität versus Quantität? Ein Beitrag zur Sprachpolitik des Goethe-Instituts in Südamerika. DaF-Brücke. Zeitschrift der Deutschlehrer und Deutschlehrerinnen in Lateinamerika, Nr. 9: 10⫺12. Goethe-Institut 2005⫺2009 Jahrbücher. http://www.goethe.de/uun/pub/deindex.htm (18. 5. 2010). Harnisch, Astrid und Thorsten Sagawe 2003 Kolumbien. In: Wolfgang Gieler (Hg.), Handbuch der Ausländer- und Zuwanderungspolitik: Von Afghanistan bis Zypern, 295⫺299. Berlin u. a.: LIT-Verlag.
205. Deutsch in Korea
1713
Hofer, Andreas 2000 Karl Heinrich Brunner und die Rolle des Europäischen Städtebaus in Lateinamerika in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dissertation. Technische Universität Wien. Ständige Arbeitsgruppe Deutsch als Fremdsprache (Hg.) 2006 Deutsch als Fremdsprache weltweit. Datenerhebung 2005. Berlin/Bonn/Köln/München: Auswärtiges Amt, DAAD, Goethe-Institut, Zentralstelle für das Auslandsschulwesen. Tapias Ospina, Claudia (Hg.) 1993 Presencia Alemana en Colombia. Bogota´: Mayr & Cabal.
Alfonso Mejı´a, Bogota´ (Kolumbien)/Bielefeld (Deutschland) Antje Rüger, Bogota´ (Kolumbien)/Leipzig (Deutschland)
205. Deutsch in Korea 1. 2. 3. 4. 5.
Die Rolle des Deutschen in Korea Die Träger des Deutschunterrichts und der Deutschlehreraus- und -fortbildung Wichtige Schwerpunkte der Forschung Chancen und Probleme Literatur in Auswahl
1. Die Rolle des Deutschen in Korea Deutsch war noch in den 1980er Jahren die zweitwichtigste Fremdsprache nach Englisch, bis Anfang der 1990er Jahre die Nachfrage nach den Sprachen der Nachbarländer Koreas, d. h. Chinesisch und Japanisch, erheblich wuchs. Die 1995 vom Erziehungsministerium durchgeführten Bildungsreformen beschleunigten die Schrumpfung der Zahl der Deutschlernenden. Im Zuge der Globalisierung, die in Korea generell als Dominanz des Englischen als Lingua Franca verstanden wird, verliert das Deutsche als zweite Fremdsprache immer mehr an Bedeutung. Für Schüler und Studierende scheint Deutsch, das vor allem zu den schwer zu erlernenden Sprachen zählt, heutzutage keine Verwertbarkeit zu haben. Die Schuld an der mangelnden Attraktivität der deutschen Sprache wird nicht selten den deutschen Unternehmen in Korea zugewiesen, die beim Einstellungsverfahren die Bewerber mit sehr guten Englischkenntnissen bevorzugen, wobei (sehr) gute Deutschkenntnisse kaum eine Rolle spielen (vgl. Menke 2006: 36).
2. Die Träger des Deutschunterrichts und der Deutschlehrerausund -ortbildung In Korea hat man verschiedene Möglichkeiten, die deutsche Sprache zu lernen. Es gibt dafür öffentliche Institutionen wie Mittelschulen (middle schools), Oberschulen (high schools) und Universitäten und private Lehreinrichtungen wie das Goethe-Institut und
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
einige private Sprachenschulen. Neben diesen Institutionen wird auch ein Radio- und Fernsehsprachprogramm von einem staatlichen Rundfunk (Educational Broadcasting System EBS) veranstaltet.
2.1. Deutschunterricht an Schulen Seit dem Jahre 2000 können die Mittelschüler eine zweite Fremdsprache als Wahlfach auswählen. Aber an den tatsächlich ausgewählten Wahlfächern ist der fremdsprachliche Anteil sehr gering (von ca. 2,8 bis 4,6 %), wobei der deutsche Anteil nicht nennenswert ist. An Oberschulen ist eine zweite Fremdsprache ein Pflichtfach. Allerdings entscheidet der Schuldirektor, welche Sprachen an seiner Schule unterrichtet werden ⫺ in der Tat werden häufig Chinesisch und Japanisch gewählt. Die Zahl der Deutschlernenden an Oberschulen wird von Jahr zu Jahr immer weniger, so dass Deutsch von den vier am häufigsten gelernten zweiten Fremdsprachen (Deutsch, Französisch, Chinesisch, Japanisch) inzwischen am seltensten gelernt wird. 1999 waren die Zahlen der Deutschlernenden an Oberschulen 397.424, 2001 256.759, 2003 57.742 und 2008 21.004 (Center for Education Statistics http://cesi.kedi.re.kr/index.jsp). Dem Unterricht der zweiten Fremdsprachen werden durchschnittlich nur noch 2 Wochenstunden für den Zeitraum von 2 bis 4 Schulhalbjahren zugeteilt. Langsam hat sich im schulischen Deutschuntericht die kommunikative Methode durchgesetzt. Heute zielen die Deutschlehrenden vor allem darauf, dass sich die Schüler aus eigenem Interesse mit der deutschen Sprache und Kultur beschäftigen. Die Fremdsprachenoberschulen, an denen Deutsch angeboten wird, verfügen über MuttersprachlerInnen, die für Konversationskurse zuständig sind. Noch vor dem Schulabschuss erreichen viele Schüler mit Hauptfach Deutsch das Niveau B1 des europäischen Referenzrahmens.
2.2. Deutsch an Universitäten in Korea An koreanischen Universitäten wird nach dem amerikanischen Vorbild ein verschultes vierjähriges Studium angeboten. Alle Studierenden müssen eine bestimmte Anzahl der Credits jeweils im Fachstudium und in der Allgemeinbildung (Studium Generale) erwerben. Deutschkurse gibt es sowohl im Rahmen des Fachstudiums Germanistik/Deutsch als auch im Rahmen der Allgemeinbildung. Die Ziele der allgemein bildenden Deutschkurse sind nicht einheitlich festgelegt und von Universität zu Universität verschieden. Immer mehr Kursteilnehmer planen Aufenthalte in einem deutschsprachigen Land, sei es als Rucksacktourist oder sei es für ein Studium in absehbarer Zukunft. Die stärksten Interessentengruppen sind Studierende aus den Fachbereichen Jura, Philosophie und Musik. Seit den Bildungsreformen 1995 sinkt die Zahl der germanistischen Abteilungen und dementsprechend die der Germanisten. Die sprachpraktische Ausbildung ist ein wichtiger Bestandteil des Fachstudiums, zumal die meisten Erstsemester faktisch über keine Deutschkenntnisse verfügen. Integrativer Deutschunterricht scheint schwer zu verwirkli-
205. Deutsch in Korea
1715
chen zu sein. So gibt es z. B. Grammatikkurse, Konversationskurse und Lesekurse, aber keine integrativen Deutschkurse. Tab. 205.1: Zahl der germanistischen Abteilungen und Germanistikstudierenden
1990 1996 2002 2008
Germanistische Abteilungen
Germanistikstudierende
72 72 69 65
15.992 13.750 6.329 8.046
(Quelle: Center for Education Statistics http://cesi.kedi.re.kr/index.jsp)
2.3. Aus- und Fortbildung von Deutschlehrenden Es gibt in Korea 7 Abteilungen, in denen man Deutsch für das Lehramt studieren kann. Die Lehramtsstudierenden mit Hauptfach Deutsch müssen eine bestimmte Anzahl von Credits in den Bereichen Pädagogik und Fachdidaktik erwerben und im 7. Semester ein fünfwöchiges Praktikum absolvieren. Bei der sinkenden Attraktivität von Deutsch als zweiter Fremdsprache und einem rapiden Schülerrückgang werden seit über 10 Jahren kaum noch ganze Stellen an öffentlichen Oberschulen ausgeschrieben. Die Fortbildungen für Deutschlehrende werden vom Goethe-Institut und vom Erziehungsministerium zusammen veranstaltet. Es geht in erster Linie um die Verbesserung der Sprachfertigkeiten und den Erwerb landeskundlichen Wissens. Darüber hinaus gibt es Seminare zu Methodik und Didaktik für den Deutschunterricht.
3. Wichtige Schwerpunkte der Forschung Die Krise der koreanischen Germanistik führt zu einem Boom der Forschung. Die Schwerpunkte lassen sich in den folgenden vier Kategorien zusammenfassen: (1) Konzepte für die sprachpraktische Ausbildung: Es werden innovative Unterrichtsmethoden wie z. B. Einsatz von neuen Medien, Verbindung von Sprache und Kultur im Deutschunterricht, Projektunterricht mithilfe eines E-Mail-Tandemkurses usw. angewendet. (2) Vermittlung der Landes- und Kulturkunde: Das Germanistikstudium, das traditionell stark von der Literatur- und Sprachwissenschaft dominiert war, wird zunehmend um die Bereiche Landeskunde bzw. German Studies erweitert. (3) Interdiszipliäre bzw. fächerübergreifende Forschung: In der Literaturwissenschaft ist man besonders auf die Bezugswissenschaften wie Medienwissenschaft, Mythologie und Gender Studies aufmerksam geworden. In der Sprachwissenschaft werden Mediensprache, Werbesprache, Textanalyse, Gesprächsanalyse, Kontrastive Studien, Übersetzungsprobleme usw. thematisiert. (4) Curriculare Entwicklung in Hinsicht auf die interkulturelle Kommunikation: Durch einen stärkeren Zuzug von ausländischen Arbeitnehmern und deren Familienange-
1716
XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern hörigen in Korea ist die Diskussion um das harmonische Zusammenleben aktuell geworden. So sind die Themen interkulturelle Erziehung und interkulturelle Kommunikation bedeutsam geworden.
4. Chancen und Probleme Die schrumpfende Zahl der Deutschlernenden und Germanistikstudierenden wird wie schon erwähnt überall als Krise betrachtet. Dagegen werden Stimmen auch lauter, diese Krise als Chance wahrzunehmen. Es gibt folgende Vorschläge: ⫺ über die Identität der koreanischen Germanistik als Auslandsgermanistik nachzudenken, ⫺ regionenspezifische Konzepte für Deutsch als Fremdsprache zu entwickeln, ⫺ bei der Lehre und Forschung die Qualität über die Quantität zu setzen.
5. Literatur in Auswahl Ammon, Ulrich und Si-Ho Chong (Hg.) 2003 Die deutsche Sprache in Korea. Geschichte und Gegenwart. München: iudicium. Korean Educational Development Institute and Ministry of Education 2008 Statistical Yearbook of Education. Seoul. Lie, Kwang-Sook 2003 Stellung der deutschen Sprache an koreanischen Universitäten. Koreanische Zeitschrift für Germanistik 86: 103⫺120. Menke, Michael 2006 Fragebogen zum Stellenwert der deutschen Sprache. DaF-Szene Korea 24: 29⫺37. Shin, Hyung-Uk 2006 Deutschunterricht in Korea. Entwicklungstendenzen und Herausbildung von ,Deutsch als Fremdsprache‘. Deutsch als Fremdsprache in Korea 19: 29⫺52.
Ok-Seon Kim, Young-Jin Choi, Seoul (Korea)
206. Deutsch in Kroatien
1717
206. Deutsch in Kroatien 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Status und Rolle der deutschen Sprache Deutsch im öffentlichen und privaten Bildungssektor Deutschlehreraus- und -fortbildung Forschungsschwerpunkte Entwicklungslinien Literatur in Auswahl
1. Status und Rolle der deutschen Sprache Der jetzige Status und die Rolle der deutschen Sprache in Kroatien werden durch ein komplexes Gefüge von historischen und gegenwärtigen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Kontakten mit dem deutschsprachigen Raum bestimmt. Im wirtschaftlichen Austausch Kroatiens mit dem EU-Ausland kommt Deutschland und Österreich nach wie vor eine zentrale Rolle zu. Die meisten ausländischen Touristen kommen aus dem deutschsprachigen Raum. Deutschland und Österreich sind wichtige Handelspartner Kroatiens und gehören zu den wichtigsten Investoren. Gleichzeitig sind sie auch Hauptmigrationsländer kroatischer Arbeitnehmer und werden von kroatischen Studierenden prozentuell am häufigsten als Studienstandort nachgefragt. Diese Situation muss vor dem Hintergrund der historischen Verflechtung Kroatiens mit dem deutschsprachigen Raum gesehen werden (Zˇepic´ 2001a). Während der Zugehörigkeit Kroatiens zum Habsburger Reich fungierte Deutsch als überregionale Verkehrssprache mit einem bedeutenden Einfluss auf das Theater-, Presse- und Bildungswesen. Auf dem Gebiet der Militärgrenze zum Osmanischen Reich war Deutsch sowohl Kommando- und Amtssprache als auch seit der Mitte des 18. Jhs. von Schulbeginn an Unterrichtssprache (Häusler 1998). Eine über mehrere Jahrhunderte dauernde deutschsprachige Buchproduktion (Gehrmann und Skender 2001) zeugt von der herausragenden Stellung des Deutschen. Seit dem Zerfall der Österreichisch-Ungarischen Monarchie wurde diese immer schwächer und kam mit dem Ende des II. Weltkrieges und der Gründung des sozialistischen jugoslawischen Staates zu einem vorübergehenden Tiefpunkt. Deutsch wurde in den nachfolgenden Jahrzehnten zwar „rehabilitiert“, aber in der Funktion der ersten Fremdsprache zunächst durch das Russische und danach durch das Englische verdrängt. Dennoch haben sich zahlreiche deutschsprachige Begriffe, Redewendungen und Lehnwörter in der kroatischen Umgangssprache bis heute erhalten. Weitere für den Status von Deutsch wichtige Rahmenbedingungen sind die geographische Nähe zum deutschsprachigen Raum sowie ein nach der Unabhängigkeit 1991 sich durchsetzendes Selbstverständnis als ein mitteleuropäisches und mediterranes Land im Raum Südosteuropa. Dank dieser Faktoren kann sich Deutsch als zweitwichtigste Fremdsprache nach dem Englischen in Kroatien behaupten.
2. Deutsch im öentlichen und privaten Bildungssektor Deutsch wird im öffentlichen und im privaten Bildungssektor in der gesamten Vertikale des Bildungswesens einschließlich Erwachsenenbildung angeboten. Im öffentlichen Schulwesen werden seit Schuljahr 2003/04 an der 8-jährigen kroatischen „Grundschule“,
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
die als Pflichtschule die Primar- und die Sekundarstufe I umfasst, in der Regel zwei Fremdsprachen unterrichtet: eine erste obligatorische Fremdsprache ab Klasse 1 und eine zweite, fakultative Fremdsprache als Wahlpflichtfach ab Klasse 4. Im Vergleich mit anderen in der Pflichtschule vertretenen Fremdsprachen nimmt Deutsch bezogen auf die Lernerzahlen die zweite Stelle nach Englisch ein. Die Sprachenfolge im Primarbereich ist nicht festgelegt; sie kann je nach Elternwunsch, Lehrerangebot und sprachenpolitischer regionaler Schwerpunktsetzung variieren. Dies ermöglicht es, Deutsch in der Sprachenfolge als erste Fremdsprache in den Regionen mit traditionell großer Nachfrage nach Deutsch zu erhalten. In den berufsqualifizierenden Mittelschulen und in den Gymnasien (Sekundarstufe II) wird Deutsch sowohl als weiterführende Fremdsprache als auch als Anfängersprache angeboten. Besondere Entwicklungen im Schulbereich stellen bilinguale Zweige in Gymnasien dar, die in einigen Fächern Deutsch als Unterrichtssprache anbieten, das an zahlreichen Gymnasien und Mittelschulen eingeführte Zusatzprogramm zur Vorbereitung auf das Deutsche Sprachdiplom sowie die Gründung einer deutschen internationalen Schule im Jahre 2003.
3. Deutschlehreraus- und -ortbildung Die Deutschlehrerbildung erfolgt in Kroatien an den germanistischen Abteilungen der Universitäten Zagreb, Osijek, Zadar und Rijeka sowie an der Fakultät für Lehrerbildung der Universität Zagreb. Von zentraler Bedeutung für die germanistische Ausbildung und Forschung ist die Germanistische Abteilung der Philosophischen Fakultät der Universität Zagreb. Nach dem Universitätsgesetz von 2003 sind alle Lehramtsstudiengänge als 5-jährige wissenschaftliche Masterstudiengänge ausgewiesen. Mit Einführung der gestuften BA- und MA-Studiengänge im Jahre 2005 wurden auch die Deutschlehrer bildenden Studiengänge reformiert, in der Regel nach dem System 3⫹2. Nach diesem Modell werden im Rahmen einer polyvalenten dreijährigen BA-Phase sprachpraktische und fachwissenschaftliche germanistische Grundlagen vermittelt, während die eigentliche Deutschlehrer bildende Phase mit Lehrveranstaltungen in den Bereichen Methodik/Didaktik einschließlich Schulpraktikum sowie Pädagogik und Psychologie in der zweijährigen Masterphase stattfindet, hier mit der Befähigung für das Deutschlehramt für alle Schulformen und Altersgruppen. Weitere Masterstudiengänge betreffen die Ausbildung von Fach-Germanisten und von Dolmetschern/Übersetzern. Eine Ausnahme in diesem System ist die 5-jährige Deutschlehrerbildung an der Fakultät für Lehrerbildung der Universität Zagreb. Dieser Studiengang bildet im Rahmen eines integrierten MA-Studiums (ohne BA-Abstufung) DaF-Lehrer ausschließlich für die Pflichtschule in Kombination mit Grundschulpädagogik und -didaktik aus; es ist der erste Versuch, im Sinne des Professionalisierungsansatzes eine berufsfeldbezogene-wissenschaftliche und zielgruppenspezifische Deutschlehrerbildung für die Altersgruppe zwischen 7⫺14 Jahren mit dem Schwerpunkt frühes Deutschlernen in Kroatien einzuführen. Kernelemente dieses Studiengangs sind im Bereich Deutsch: Fremdsprachendidaktik/Sprachlehrforschung einschließlich Schulpraktika, interkulturelles Lernen/Sprachenpolitik, Kinder- und Jugendliteratur, eine sozialwissenschaftlich orientierte Landeskunde sowie die Ausbildung von sprachlichen Fertigkeiten und Schlüsselqualifikationen. Zu den charakteristischen Merkmalen der kroatischen Deutschlehrerbildung und Germanistik gehört, dass Deutsch Unterrichtsprache in allen Lehrveranstaltungen ist.
206. Deutsch in Kroatien
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Die wichtigsten Akteure der Deutschlehrerfortbildung sind die staatliche Agentur für Erziehung und Bildung (Schulamt), der 1992 gegründete Kroatische Deutschlehrerverband-KDV (www.kdv.hr) und das Goethe-Institut. Als weitere Anbieter treten private Fremdsprachenschulen oder DaF-Lehrbuchverlage auf. Von zentraler Bedeutung für die Fortbildung sind ferner die einmal jährlich stattfindenden, internationalen Tagungen des KDV zu theoretischen und unterrichtspraktischen Fragestellungen des Deutschunterrichts sowie deutschsprachige Fachzeitschriften: im Bereich der germanistischen Forschung/Fremdsprachendidaktik die international ausgerichteten Zagreber Germanistischen Beiträge, im Bereich der Unterrichtspraxis der KDV-Info des Kroatischen Deutschlehrerverbandes.
4. Forschungsschwerpunkte Traditionelle Forschungsschwerpunkte der kroatischen Germanistik liegen vor allem in der Erforschung und Rezeption der deutschen Sprache (Glovacki-Bernardi 2005; Petrovic´ 2002; Pisˇkorec 1997; Zˇepic´ 2001b) und Literatur (Bobinac 2008; Lacko Vidulic´ 2007) ˇ mein Kroatien sowie in einer europäisch orientierten Literaturgeschichtsschreibung (Z gacˇ 1978⫺1984, 1995). Weitere Schwerpunkte bilden Grammatiken, Deutsch-Lehrwerke und Wörterbücher sowie auf dem Gebiet der Fremdsprachendidaktik Arbeiten zur Lehrwerkforschung (Häusler 1998) und Curriculumentwicklung (Gehrmann 2007). Neuere Forschungsschwerpunkte betreffen Deutsch und Kroatisch im Kontakt aus soziolinguistischer, didaktischer und psycholinguistischer Perspektive (Glovacki-Bernardi 2006), interkulturelle Aspekte des Fremdsprachenunterrichts (Petravic´ 2007) und des Übersetzens (Gojmerac 2008) sowie den deutsch-kroatischen Kulturtransfer in der Literatur.
5. Entwicklungslinien Betrachtet man die Entwicklungslinien, Chancen und Probleme von Deutsch in Kroatien, ist festzustellen, dass trotz einer gegenwärtigen Gesamtzahl von ca. 900 Studierenden der deutschen Sprache die Anzahl der Germanistikstudenten und der Deutschlerner an Schulen und Hochschulen kontinuierlich zurückgeht. Als Wissenschaftssprache außerhalb der Germanistik taucht Deutsch an den Hochschulen kaum auf. Um diesem Trend nachhaltig entgegenzuwirken, müsste bereits im Kindergarten und in der Pflichtschule an das Konzept europäischer Mehrsprachigkeit angeknüpft werden; vor allem müsste die zweite Fremdsprache in der Pflichtschule zu einem obligatorischen, nicht mehr abwählbaren Fachangebot aufgewertet werden. Fremdsprachenlehrerbildung und -fortbildung, Lehrwerkproduktion und der Unterricht in Fremdsprachen müssten ferner verstärkt schulform- und altersgruppenspezifisch ausgerichtet und curricular so reformiert werden, dass das Erlernen verschiedener Fremdsprachen aufeinander bezogen und mit den Sprachlernerfahrungen der Lerner verknüpft wird. In einem solchen Konzept, in dem Mehrsprachigkeit bereits im Schulsystem fest verankert wäre, hätte Deutsch auch wieder Chancen, Eingang zu finden in den für die Nachfrage nach Deutsch zentralen Bereich der beruflichen und universitären Fort- und Weiterbildung. Hier vor allem gilt es, für die beruflichen Perspektiven der Studierenden attraktive, mehrsprachige Angebote
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
mit Deutsch zu schaffen. Mit dem 2007 von den Universitäten Münster und Zagreb gemeinsam gegründeten, internationalen Lehr- und Forschungszentrum „Zentrum für Europäische Bildung“ in Zagreb (www.lecee.eu) sind hierzu institutionell erste Schritte getan.
6. Literatur in Auswahl Bobinac, Marijan 2008 Zwischen Übernahme und Ablehnung. Aufsätze zur Rezeption deutschsprachiger Dramatiker im kroatischen Theater. Wrocław/Dresden: Neisse. Gehrmann, Siegfried und Dubravka Skender (Bearb.) 2001 Kroatien. In: Bernhard Fabian (Hg.), Handbuch deutscher historischer Buchbestände in Europa, 19⫺146. Bd 9. Kroatien, Slowenien, Italien. Hildesheim: Olms. Gehrmann, Siegfried 2007 Mehrsprachigkeit, Sprachenpolitik und DaF-Lehrerbildung im Wandel. In: DAAD (Hg.), Germanistentreffen Deutschland ⫺ Süd-Ost-Europa. Dokumentation der Tagungsbeiträge, 181⫺202. Bonn: DAAD. Glovacki-Bernardi, Zrinjka 2006 Forschungsprojekte zu deutsch/österreichisch-kroatischem Sprachkontakt ⫺ theoretische Profilierung und ideologische Positionen. Zagreber Germanistische Beiträge, Beiheft 9: 3⫺10. Glovacki-Bernardi, Zrinjka 2005 Österreichisch-kroatische Sprachbeziehungen als Spiegel der Kulturgeschichte. In: JeanMarie Valentin unter Mitarbeit von Konrad Harrer (Hg.), Akten des XI. Internationalen Germanistenkongresses Paris 2005, 95⫺99. Bd. 5. Frankfurt a. M.: Lang. Gojmerac, Mirko und Pavao Mikic´ 2008 Kroatische Touristenwerbung in deutscher Übersetzung. Jastrebarsko. Häusler, Maja 1998 Zur Geschichte des Deutschunterrichts in Kroatien seit dem 18. Jahrhundert. Frankfurt a. M.: Lang. Lacko Vidulic´, Svjetlan 2006 Imaginierte Gemeinschaft. Peter Handkes jugoslawische „Befriedungsschriften“ und ihre Rezeption in Kroatien. In: DAAD (Hg.), Germanistentreffen Deutschland ⫺ Süd-OstEuropa, 127⫺151. Bonn: DAAD. Petravic´, Ana 2007 Interkulturelle Kompetenz im DaF-Unterricht in der kroatischen Pflichtschule, In: DAAD (Hg.), Germanistentreffen Deutschland ⫺ Süd-Ost-Europa, 234⫺263. Bonn: DAAD. Petrovic´, Velimir 2002 Das Verb im Osijeker Deutsch. In: Zsuzsanna Gerner, Manfred Glauninger und Katharina Wild (Hg.), Gesprochene und geschriebene deutsche Stadtsprachen in Suedosteuropa und ihr Einfluss auf die regionalen deutschen Dialekte, 223⫺252. Wien: Praesens. Pisˇkorec, Velimir 1997 Deutsches Lehngut in der kajkavisch-kroatischen Mundart von ÍurIevic in Kroatien. Frankfurt a. M.: Lang. Zˇepic´, Stanko 2001a Deutschunterricht und Germanistikstudium in Kroatien. In: Helbig, Gerhard, Lutz Götze, Gert Henrici und Hans-Jürgen Krumm (Hg.), Deutsch als Fremdsprache: ein internationales Handbuch, 1677⫺1682. Band 2. (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 19.1⫺2). Berlin: de Gruyter.
207. Deutsch in Kuba
1721
Zˇepic´, Stanko 2001b Das Vokabular des Essekerischen. In: Velimir Petrovic´ (Hg.), Essekerisch. Das Osijeker Deutsch, 79⫺98. Wien: Praesens. Zˇmegacˇ, Viktor 1995 Der europäische Roman. Tübingen: Niemeyer Zˇmegacˇ, Viktor 1978⫺1984 Geschichte der deutschen Literatur vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. 3 Bde. Königstein/Ts: Athenäum.
Siegfried Gehrmann, Zagreb (Kroatien) Ana Petravic´, Zagreb (Kroatien)
207. Deutsch in Kuba 1. 2. 3. 4. 5.
Entwicklungslinien Germanistik- und Deutschlehrerausbildung Forschungsschwerpunkte Ausblick Literatur in Auswahl
1. Entwicklungslinien Die Beschäftigung mit der deutschen Sprache hat in Kuba eine lange Tradition. Zeugnisse aus dem 17. und dem 18. Jahrhundert belegen Kontakte mit deutschem Handel und Kultur. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts besuchten renommierte Persönlichkeiten wie Alexander von Humboldt die Insel, der bis heute als der „2. Entdecker Kubas“ hoch in Ehren gehalten wird. Die Beschäftigung mit der deutschen Sprache, mit deutschsprachiger Literatur und Kunst erfuhr im 19. Jahrhundert eine erste Blütezeit. Kuba pflegte den kulturellen und wirtschaftlichen Austausch mit vielen Ländern, was dazu führte, dass man sich immer intensiver auch mit Fragen der Übersetzung und Lehre von fremdsprachlichem Gut beschäftigte. Eine universitäre Ausbildung im Fach Deutsch als Fremdsprache wurde allerdings erst nach 1959 Wirklichkeit. An der Universität Havanna wurde erstmalig im Jahre 1971 das Studium der Germanistik als Vollstudium eingeführt. Mit der Gründung des Fremdspracheninstituts „Maxim Gorki“ explizit zur Ausbildung von FremdsprachenlehrerInnen erfolgte ein weiterer Schritt in Richtung Institutionalisierung auch der deutschen Sprache im universitären Fächerkanon. 1973 schließlich wurde das Dolmetscher- und Übersetzungsinstitut „Pablo Lafargue“ eröffnet, wo ebenfalls Deutsch gelehrt wurde. Außerhalb des Campus entstanden die dem Kultusministerium (MINED) untergeordneten sogenannten Abendschulen, an denen bis heute auch Sprachen wie Deutsch und Englisch unterrichtet werden. Das deutschsprachige Land, mit dem Kuba engste Kontakte unterhielt, war die damalige Deutsche Demokratische Republik (DDR). Im Jahre 1979 wurde das Deutschlekto-
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
rat der Botschaft der DDR an der Universität Havanna eingerichtet. Spezialisten, hauptsächlich entsandt von der Universität Leipzig und dem Herder-Institut, leisteten in Lehre und Fortbildung einen wesentlichen Beitrag. In der Folge erfuhr die kubanische Germanistik eine stete Weiterentwicklung und Bereicherung. Als große Meilensteine seien hier u. a. genannt: die Georg-Weerth-Tagung 1982, die Humboldt-Konferenz 1984, die erste Nationalkonferenz kubanischer Germanisten und Deutschlehrer 1986, die erste Regionalkonferenz von 1990 (vgl. Wotjak 1990) und die Folgekonferenz 2000, und nicht zuletzt die Nationalkonferenzen der Jahre 2001 und 2002. 2006 schließlich krönte der XII. ALEG-Kongress (Kongress des lateinamerikanischen Germanistenverbandes) die erfolgreiche Arbeit der kubanischen Germanistik. Die Umwälzungen der 1990er Jahre auf der ganzen Welt und in Deutschland insbesondere hatten auch logische Konsequenzen für die kubanische Germanistik (vgl. Herna´ndez Eduardo und Pipping de Serrano 2002). Nach einer Periode der Anpassung an die neuen Verhältnisse begann sich die akademische Zusammenarbeit unter den neuen Vorzeichen zu etablieren. Der DAAD trat die Nachfolge der Deutschlektorate an und unterstützt die Germanistikabteilung der Fakultät für Fremdsprachen der Universität Havanna (FLEX/UH) mit der Entsendung eines Lektors/einer Lektorin, sowie von SprachassistentInnen und PraktikantInnen. Auch wenn das Goethe-Institut vor Ort über kein eigenes Institut verfügt, leisten zwei Repräsentanten praktische Unterstützung in Form von Weiterbildungsseminaren für DeutschlehrerInnen. Außerdem bereichert das Goethe-Institut durch eine aktive Kulturarbeit, insbesondere die Organisation von Kultur- und Filmwochen das deutschsprachige Spektrum vor allem in Havanna. Besonders hervorzuheben ist die seit den1970er Jahren bestehende enge Zusammenarbeit der Germanistikabteilung (FLEX/UH) mit den Universitäten Leipzig und Humboldt-Universität Berlin. Mit diesen werden Kontakte unter anderem in Form von jährlich stattfindenden Alumni-Treffen gepflegt. Besonders die Zusammenarbeit mit der Universität Leipzig hat eine langjährige Tradition und großen Stellenwert: Ihre Fortbildungsveranstaltungen vor Ort erfreuen sich großer Beliebtheit; im Gegenzug gehen kubanische DozentInnen zu Forschungs- und Fortbildungszwecken an die Universität Leipzig. Weitere Alumni sowohl der Universität Leipzig als auch anderer deutscher Hochschulen, die insbesondere als Multiplikatoren in verschiedenen Bereichen von Hochschule, Politik, Wirtschaft usw. tätig sind, sowie Vertreter von Universitäten und Ministerien ⫺ die häufig gleichzeitig zum Kreis der Alumni zählen ⫺, versammeln sich einmal im Jahr zu einem Alumnitreffen und Seminar. Außerdem können jedes Jahr zwei Studenten für ein Jahr Studium an die Humboldt-Universität Berlin geschickt werden.
2. Germanistik- und Deutschlehrerausbildung Die landesweite Leitung der Ausbildung in Deutsch und Germanistik ist nach wie vor an der Fremdsprachenfakultät der Universität Havanna angesiedelt. Hier hat das leitende Organ für die Hochschulausbildung im Land, die „Comisio´n Nacional de Carrera“, seinen Sitz. Die Comisio´n, ein hochrangiges Gremium, das sich aus den erfahrensten DozentInnen zusammensetzt, bestimmt verbindlich für alle Bildungseinrichtungen z. B. die Entwicklungslinien für Deutschstudien, die Inhalte der Weiterqualifizierungsangebote, aber auch die zu verwendenden Lehrwerke.
207. Deutsch in Kuba
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Die Leitung des kubanischen Deutschlehrer- und Germanistenverbandes ACEG („Asamblea Cubana de Estudios Germanı´sticos“), der alles, was mit Deutsch zu tun hat, integriert, und im internationalen Deutschlehrerverband Kuba repräsentiert, befindet sich ebenfalls an der Germanistikabteilung. Die Germanistikabteilung der FLEX/UH setzt sich aktuell zusammen aus 18 fest angestellten Hochschullehrern. Davon sind 5 Doktoren und 5 Master in Sciencia. Viele der KollegInnen absolvieren das (teilweise gelenkte) Studium der Maestrı´a (2⫺3 Jahre) oder arbeiten an ihrer Promotion. Der Nachwuchs rekrutiert sich aus den besten Studierenden, die bereits ab dem 4. Studienjahr den Wunsch äußern, als Lehrer zu arbeiten. Ihnen wird ein Betreuer zugewiesen, der sie begleitet und auf ihre zukünftigen Aufgaben als Dozenten und Forscher vorbereitet. Das Studium zum Übersetzer und Dolmetscher dauert 6 Jahre, da den eigentlichen 5 Studienjahren der Licenciatura ein „Aufbaukurs“, vorgeschaltet wird, der fast ausschließlich dem Erwerb der Fremdsprache dient, da nur Englisch an den Schulen als Fremdsprache angeboten wird. Die Ausbildung zum Licenciado umfasst 15 Disziplinen, u. a. eine 2. und 3. Fremdsprache sowie 8 Fächer, die der Spezialisierung dienen: Sprachpraxis DaF (1 bis 6 Semester); linguistische Studien: deutsche Phonetik, deutsche Grammatik (Morphologie und Syntax), Lexikologie und Textlinguistik; deutsche Literatur; deutsche Geschichte; Übersetzung; Dolmetschen; Didaktik des Deutschen als Fremdsprache; Einführung in die Arbeit mit dem Computer. Für Deutsch als 2. Fremdsprache: linguistische Studien bei Deutsch als 2. Fremdsprache; Dolmetschen und Übersetzen bei Deutsch als 2. Fremdsprache; kulturelle Studien bei Deutsch als 2. Fremdsprache. Das Studium endet mit einem Staatsexamen im Fach Dolmetschen und Übersetzen bzw. mit einer Diplomarbeit. In Anschluss daran bietet die Fakultät die Möglichkeit des Studiums einer Maestrı´a auf dem Gebiet der angewandten Sprachwissenschaft sowie eines modularisierten Promotionsstudiums an. Die oben erwähnte Hochschullehrergruppe ist zuständig für über 160 Studierende, die DaF als erste Fremdsprache erlernen, und für über 100 Studierende, die DaF als zweite Fremdsprache erwerben. Der Fremdsprachenfakultät untergeordnet bietet die „Ca´tedra Humboldt“ Deutschkurse für alle Interessierten an. Sie leistet damit einen wesentlichen Beitrag als Multiplikator der deutschen Sprache.
3. Forschungsschwerpunkte Zu den wichtigsten Forschungslinien der Germanistikabteilung der FLEX/UH gehören unter anderem: Audiodeskription, eine neue Übersetzungsart, im Rahmen des Projektes TRACCE in Zusammenarbeit mit der Universität Granada; Untersuchungen zu theoretisch-praktischen Grundlagen des Fernsehens als audiovisuelles Mittel; Untersuchungen zu den Möglichkeiten der Arbeit mit Paralleltexten im Unterricht Deutsch als Fremdsprache; aber auch Fragen zur Interkulturalität und Textanalyse (vgl. exemplarisch Pino Madron˜al und Sanchez 2009; Valde´s 2006; Toledo Gonza´lez 2006; Dı´az Garcı´a 2006).
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
4. Ausblick Mit Blick auf eine breite Öffentlichkeitswirkung zur Verbreitung der deutschen Sprache spielt der von den HochschullehrerInnen der Germanistikabteilung konzipierte und gestaltete Fernsehsprachkurs Deutsch für Kubaner eine große Rolle. Hinzu kommen die Präsenz deutscher Verlage und Autoren auf der großen, jährlich stattfindenden Buchmesse oder die deutschsprachigen Beiträge bei den Theaterwochen und dem Filmfestival, die Deutschland ins Bewusstsein rücken lassen. Die kubanische Germanistik an der Universität Havanna und Deutsch als Fremdsprache im Allgemeinen stehen auf festem Boden. Die deutsche Sprache erfreut sich immer größerer Beliebtheit in der Bevölkerung. Neben dem bereits erwähnten Fernsehsprachkurs, der im nächsten Jahr fortgesetzt werden soll, und einem anwachsenden deutschen Tourismus, der Kuba als beliebtes Reiseziel wahrnimmt, wird Deutsch weiterhin als Wissenschaftssprache auf der Insel nachgefragt, z. B im Rahmen der International Summer School in Economics and Management (ISSEM ) und für die Arbeit mit Fachliteratur (u. a. zu Fragen der Mathematik, der Chemie).
5. Literatur in Auswahl Dı´az Garcı´a, Neyda 2006 Textlinguistik als Universitätsdisziplin in der Ausbildung von Übersetzern und Dolmetschern. In: ALEG (Hg.), Akten des XII. ALEG-Kongresses Havanna und Leipzig. Deutsch in Lateinamerika: Ausbildung, Forschung und Berufsbezug. CD-ROM-Ed. Herna´ndez Eduardo, Jorge und Monika Pipping de Serrano 2002 Die Kubanische Germanistik und die Deutsche Sprache auf Kuba. In: DAAD (Hg.), Germanistentreffen. Tagungsbeiträge Deutschland ⫺ Argentinien ⫺ Brasilien ⫺ Chile ⫺ Kolumbien ⫺ Kuba ⫺ Mexiko ⫺ Venezuela in Sao Paulo 2001, 77⫺84. Bonn: DAAD. Pino Madron˜al, Lucı´a und Adam Concepcio´n Sanchez 2009 Cruzando fronteras sensoriales: la audiodescripcio´n. In: ALEG (Hg.), Akten des XIII. ALEG-Kongresses in Co´rdoba, Argentinien. CD-ROM-Ed. Toledo Gonza´lez, Clara Julia 2006 Acerca de la comunicacio´n no verbal como expresio´n de interculturalidad entre representantes de las culturas cubana y alemana. In: ALEG (Hg.), Akten des XII. ALEG-Kongresses Havanna und Leipzig. Deutsch in Lateinamerika: Ausbildung, Forschung und Berufsbezug. CD-ROM-Ed. Valde´s, Vero´nica 2006 Fundamentos teo´ricos para un curso de televisio´n de Lengua alemana. In: ALEG (Hg.), Akten des XII. ALEG-Kongresses Havanna und Leipzig. Deutsch in Lateinamerika: Ausbildung, Forschung und Berufsbezug. CD-ROM-Ed. Wotjak, Gerd (Hg.) 1990 Regionalkonferenz Zielsprache Deutsch im regionalen und internationalen Kontext. CDROM-Ed., Universität Leipzig.
Orquidea Pino, Havanna (Kuba)
208. Deutsch in Lettland
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208. Deutsch in Lettland 1. 2. 3. 4.
Einleitung Deutsch an Schulen und in der Erwachsenenbildung Deutschlehrerausbildung und Germanistik an den Hochschulen Literatur in Auswahl
1. Einleitung Die Bedeutung der deutschen Sprache in Lettland ist im vergangenen Jahrhundert stark gesunken. Vor einem Jahrhundert war ein gebildeter Rigenser ohne Deutschkenntnisse nicht denkbar, heute sprechen vor allem ältere Menschen noch Deutsch. Bis zum Zweiten Weltkrieg war Deutsch eine wichtige Minderheitssprache in Lettland. Entsprechend der Volkszählung von 1993 leben noch 2.600 Deutsche in Lettland, während es vor dem Zweiten Weltkrieg noch erheblich mehr waren (1935: 62.000). Mit Beginn des 13. Jahrhunderts hat Deutsch eine zunehmend wichtige Rolle im wirtschaftlichen wie im kulturellen und seit dem 18. Jahrhundert auch im wissenschaftlichen Leben Lettlands gespielt. Historische Einflüsse hatte das Wirken von Ernst Glück, Garlieb Merkel, Wilhelm Ostwald, Friedrich Zander u. a. Der Aufenthalt von Herder in Riga ist bis in die heutige Zeit von großer Bedeutung. An der 1919 gegründeten Universität Lettlands (LU) gab es eine große Zahl deutschbaltischer Professoren, wie Leonid Arbuzov Jr. (Historiker), Karl Blacher (Chemiker) oder Alwil Buchholtz (Geodät). Die aktuelle Situation für Deutsch in Lettland ist widersprüchlich: Es gibt viele historische, kulturelle und persönliche Verflechtungen sowie jahrhundertealte Traditionen, die beide Völker vereinen. Etwa 1.000 deutsche Firmen haben ihre Zweigstellen in Lettland (Stand: 2008) und es gibt ca. 1.000 gemeinsame deutsch-lettische Unternehmen. Die Deutsch-Baltische Handelskammer in Estland, Lettland, Litauen leistet seit Jahren erfolgreiche Arbeit. Deutschland zählt zu den größten ausländischen Investoren in Lettland (8,3 % der Direktinvestitionen 2008) und gehört mit einem Volumen von 1.533 Mio. LVL (Lat) im Jahr 2007 zu den wichtigsten Handelspartnern Lettlands. Die deutschen Firmen nutzen im internationalen Geschäftsverkehr allerdings hauptsächlich Englisch, und die Zahl der Deutschlernenden an Schulen und Hochschulen Lettlands sinkt von Jahr zu Jahr deutlich. Deutsch als Fremdsprache ist nicht mehr so populär wie in den 1950⫺70er Jahren, wobei auch die demografische Situation in Lettland eine wichtige Rolle spielt. Verschiedene deutsche, österreichische und schweizerische Einrichtungen in Lettland leisten wichtige Unterstützung für die Stärkung und Verbreitung der deutschen Sprache, darunter das Baltisch-Deutsche Hochschulkontor, die Robert Bosch Stiftung, die Fernuniversität Hagen, die diplomatischen Vertretungen deutschsprachiger Länder, das Goethe-Institut Riga. Regelmäßig werden in Lettland in Partnerschaft mit den deutschsprachigen Ländern wirtschaftliche, wissenschaftliche und kulturelle Veranstaltungen organisiert. Es bestehen 25 Städtepartnerschaften und 5 Kreispartnerschaften zwischen Lettland und Deutschland. Viele Universitäten und Hochschulen in Lettland haben Kooperationsverträge mit Universitäten und Fachhochschulen deutschsprachiger Länder.
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
2. Deutsch an Schulen und in der Erwachsenenbildung In Lettland sind vor allem staatliche Schulen, aber auch einige Privatschulen die Träger des Deutschunterrichts. Deutsch als Fremdsprache wird an einigen Fach- und Berufsschulen und Hochschulen Lettlands unterrichtet, jedoch ist die Zahl der Deutschlernenden relativ niedrig. In Lettland existieren drei Schulen mit erweitertem Deutschunterricht: das Gymnasium Agenskalns (Riga), die Herderschule (Riga) und das 5. Gymnasium (Liepa¯ja). An diesen Schulen werden zahlreiche Fächer in der Unterrichtssprache Deutsch unterrichtet, darunter Geschichte, Geografie und Literatur. Im Jahr 2008 haben 99 Schüler das Deutsche Sprachdiplom (DSD) erhalten. Derzeit beteiligen sich 15 Schulen Lettlands am DSD-Programm. Im Schuljahr 2007/08 lernten 212.675 Schülerinnen und Schüler an den Schulen Lettlands Fremdsprachen. Englisch als erste Fremdsprache lernten 207.000 Schüler (97 %), Deutsch als erste Fremdsprache lernten 3.500 Schüler (1,7 %), Deutsch als zweite Fremdsprache 30.000 Schüler (25 %) und Deutsch als dritte Fremdsprache 2.900 Schüler (45 %). (Die aktuellen Statistiken zum Fremdsprachenunterricht an Schulen wurden mit freundlicher Genehmigung des Zentrums für Curricula und Prüfungen des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft der Republik Lettlands benutzt.) In den letzten drei Jahren hat sich die Zahl der Schüler, die die zentralisierte Deutschprüfung abgelegt haben, drastisch von 2.113 (2006) auf 801 (2008) verringert. Die Gründe dafür sind unterschiedlich, so schrumpft die Zahl der Schüler an allgemeinbildenden Schulen in Lettland, und Deutsch als Fremdsprache liegt jetzt auf Platz drei. Deutsch wird in den allgemeinbildenden Schulen in Lettland also v. a. als zweite oder dritte Fremdsprache unterrichtet; insbesondere als dritte Fremdsprache hat die deutsche Sprache Entwicklungschancen. Eine geeignete Ausgangssituation dafür bilden die gut ausgebildeten Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer und die langjährige Tradition des Deutschen und des Deutschunterrichts in Lettland. Eine mögliche Lösung der derzeitigen Krise der deutschen Sprache in Lettland könnte ein früher Deutschunterricht an ausgewählten Schulen und Kindergärten sein (wie in Riga, Kuldı¯ga u. a.). Die Entscheidung über die Wahl der Fremdsprache unterliegt den Schulämtern der Kreise, Schuldirektoren und Eltern und wird vom Bildungs- und Wissenschaftsministerium nicht beeinflusst. Ein Rückgang des schulischen Angebots hat in Lettland zu einer verstärkten Nachfrage in der Erwachsenenbildung geführt. Eine besondere Rolle spielt das Angebot des Goethe-Instituts Riga. Im Laufe von 15 Jahren (zwischen 1993⫺2008) haben 10.000 Teilnehmer an den angebotenen Sprachkursen teilgenommen. Ein besonderes Interesse an Deutsch kann auf das breite Angebot der Studienmöglichkeiten für Absolventen in Deutschland und anderen deutschsprachigen Ländern zurückgeführt werden. Der Deutschlehrerverband Lettlands vereint 205 Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer (Stand: 2009), die an allgemeinbildenden Schulen Lettlands Deutsch unterrichten. Der Verband organisiert jährlich eine Mitgliedervollversammlung des Deutschlehrerverbands, gibt die Zeitschrift Mein Fach Deutsch heraus und organisiert zahlreiche gut besuchte Weiterbildungsveranstaltungen. Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen werden außerdem vom Goethe-Institut Riga, der Robert Bosch Stiftung, dem Ministerium für Bildung und Wissenschaft und von den Universitäten angeboten.
208. Deutsch in Lettland
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3. Deutschlehrerausbildung und Germanistik an den Hochschulen An der Universität Lettlands (40 Studierende im Studienjahr 2008/09) und an den Universitäten in Liepa¯ja (10 Studierende) und Daugavpils (28 Magisterstudenten mit der Kombination Deutsch/Englisch) werden Deutschlehrer ausgebildet. Germanistik als Hauptfach wird an der Universität Lettlands (80 Studierende) und an der Universität Daugavpils (20 Studierende) im Studienjahr 2008/09 angeboten. Mit Unterstützung des DAAD wird das Studium eng mit der Forschungsarbeit verbunden. Den Studierenden werden Studienkurse zur deutschen Literaturgeschiche, Sprachgeschichte, zu interkulturellen Studien etc. angeboten. Das Diplomstudium Dolmetschen/Übersetzen mit der Arbeitssprache Deutsch wird an der Universität Lettlands, der Hochschule Ventspils und der Universität Daugavpils angeboten (ca. 80 Studierende im Studienjahr 2008/2009). Nach den 1990er Jahren hat sich ein Wechsel der didaktischen Perspektive im DaFUnterricht und der DaF-Lehrerausbildung in Lettland vom Lehrgegenstand und den Lehrern hin zum aktiven selbstgeplanten und gesteuerten Lernprozess vollzogen. Ein wesentliches Merkmal ist auch die zielgruppenspezifische Planung des Unterrichts unter Einbeziehung der Voraussetzungen der Lernenden, der Entwicklung von Sprachbewusstsein und Sprachlernbewusstsein. Im Zentrum des Kurses Methodik des DaF-Unterrichts stehen Theorien und Modelle des Lehrens und Lernens, orientiert an den unterschiedlichsten Bedürfnissen, Lernmöglichkeiten der Lernenden und persönlichkeitsbildenden Kompetenzen. Besondere Aufmerksamkeit wird der Entwicklung von Schlüsselqualifikationen der Studierenden (wie emotionale Intelligenz, Empathie, Ambiguitätstoleranz und soziale Kompetenz) geschenkt. Dank der Finanzierung über die europäischen Förderprogramme ERASMUS, SOCRATES oder Campus Europae studieren ca. 50 % der Lehramtsstudenten ein bis zwei Semester in den deutschsprachigen Ländern und ca. 40 % der Studierenden absolvieren ihr Schulpraktikum als Fremdsprachenassistenten im Ausland. Viele Studierende im Fachbereich Deutsch als Fremdsprache haben die deutsche Sprache nicht als erste Fremdsprache in der Schule gelernt; diese Tendenz ist steigend, deshalb müssen die Studienprogramme für die Deutschlehrerausbildung entsprechend modifiziert werden, damit die künftigen Deutschlehrer über stabile und solide Kenntnisse des Deutschen verfügen, eine korrekte Aussprache erwerben und Deutsch adäquat verwenden können. Die aktuelle Forschung auf dem Gebiet Deutsch als Fremdsprache konzentriert sich vor allem an den Hochschulen, die Deutschlehrer ausbilden. Die wichtigsten Forschungsgebiete sind Lehrbuchentwicklung und Lehrbuchanalyse, Untersuchungen zur Ausbildung und Fortbildung von DaF-Lehrern, die Entwicklung von Konzepten und Verfahren zum Einsatz von neuen Medien. Im Germanistischen Jahrbuch für Estland, Lettland und Litauen Triangulum (1995⫺ 2006) werden regelmäßig aktuelle Forschungsergebnisse veröffentlicht. Das Baltische Germanistische Zentrum (BGZ) hat Konferenzen organisiert und Sammelbände zu folgenden Themen veröffentlicht: Deutsche Literatur und Kultur im Ostseeraum und Geschichte der deutschen Sprache im Ostseeraum; vgl. exemplarisch Brandt und Balode 2005, 2007). Das BGZ verwirklicht mehrere Forschungsprojekte, z. B. Multilingualismus in Lettland in der Zeit der ersten Republik (1918⫺1940), eine annotierte Bibliografie zur deutschen Sprache im Baltikum u. a. Wichtige Forschungsschwerpunkte lettischer Germanisten liegen im Bereich Lexikographie und Literaturwissenschaft (vgl. exemplarisch Balode 2002; Pasˇkevica 2006).
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
4. Literatur in Auswahl Balode, Ineta 2002 Deutsch-lettische Lexikographie. Eine Untersuchung zu ihrer Tradition und Regionalität im 18. Jahrhundert. (lexicographica series maior 111). Tübingen: Niemeyer. Brandt, Gisela und Ineta Balode (Hg.) 2005 Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache im Baltikum IV. Stuttgart: Heinz Akademischer Verlag. Brandt, Gisela und Ineta Balode (Hg.) 2007 Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache im Baltikum V. Stuttgart: Heinz Akademischer Verlag. Pasˇkevica, Beate 2006 In der Stadt der Parolen: Asja Lacis, Walter Benjamin und Bertolt Brecht. Essen: KlartextVerlagsgesellschaft.
Ilze Kangro, Rı¯ga (Lettland)
209. Deutsch in Litauen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Einleitung Rolle des Deutschen im Land Träger des Deutschunterrichts und der Deutschlehreraus- und -fortbildung Entwicklungslinien, Chancen und Probleme Schwerpunkte in der Lehrerausbildung und Germanistik Ausblick Literatur in Auswahl
1. Einleitung Das südlichste baltische Land Litauen durchlief in der Geschichte des letzten Jahrhunderts mehrere Phasen der politischen und ideologischen Neuorientierung, wodurch sich auch die Dichte und die Ausrichtung sprachlicher Kontakte zum europäischen Ausland und zu Deutschland änderten. Heute zählt Litauen etwa 3,4 Millionen Einwohner, davon 84,3 % Litauer, 6,2 % Polen, 5 % Russen, 1,1 % Weißrussen, 3,4 % Vertreter anderer Ethnien. Die letzten zwei Jahrzehnte waren von starker Emigration gekennzeichnet: Nicht nur gingen viele russische, ukrainische und weißrussische Einwohner nach der Wende zurück in ihre Herkunftsländer, sondern die Litauer suchten nach der Öffnung der Grenzen auch nach Alternativen für eine ökonomisch schwache Arbeitsmarktsituation. Diese leichte Wandlung der ethnischen Zusammensetzung des Landes hatte Einfluss auf die Vielfalt und die Verbreitung von Sprachen sowie auch auf ihre Nachfrage in der Gesellschaft und im Bildungssystem.
209. Deutsch in Litauen
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2. Rolle des Deutschen im Land Die Rolle des Deutschen hat sich im Laufe der Geschichte geändert. War die deutsche Sprache nach der Wende mit der Westorientierung des Landes aufgelebt und hatte einen festen Platz im schulischen Fremdsprachenangebot eingenommen, so kann man jetzt zusammen mit der weitgehenden Festigung des Englischen als erster Fremdsprache auch die Rückkehr des Russischen als zweiter Fremdsprache im schulischen Kontext beobachten (vgl. Country Report Lithuania 2003/2004: 52⫺53). Trotzdem bleibt das Deutsche als zentrale europäische Sprache insbesondere aus wirtschaftlichen Gründen gefragt, 61 % aller Deutschlernenden in Litauen wählen es als erste Fremdsprache (vgl. Country Report Lithuania 2003/2004: 49). Insgesamt lernen 123 629 Personen Deutsch, was 3,64 % der Landesbevölkerung ausmacht (vgl. StADaF 2005: 2). Diese Werte sind erfreulich und trotzdem ernüchternd, wenn man den Rückgang der Deutschlernenden in den letzten 5 Jahren bedenkt (vgl. StADaF 2005: 11). Die meisten Deutschlernenden befinden sich im Schulbereich, in dem sie in der 2. (Frühbeginn des Fremdsprachenunterrichts) oder in der 4. Klasse (Pflichtfremdsprachenunterricht) mit dem Erlernen der ersten Fremdsprache (Englisch, Deutsch oder Französisch) beginnen. Die 2. Fremdsprache setzt in der 6. Klasse obligatorisch ein und kann frei aus dem schulischen Fremdsprachenangebot gewählt werden. In der Sekundarstufe II sind das Weiterlernen der 2. und das Lernen einer 3. Fremdsprache freigestellt, mit Ausnahme der verpflichtenden 2. Fremdsprache für SchülerInnen in geisteswissenschaftlichen Schulzweigen (vgl. Country Report Lithuania 2003/2004: 54). Im Schuljahr 2003/ 04 lernten 14,1 % aller SchülerInnen Deutsch als erste Fremdsprache (83,2 % lernten Englisch), 15,3 % als 2. Fremdsprache (8,2 % Englisch und 74 % Russisch); 19,6 % als 3. Fremdsprache. Außer Englisch, Deutsch, Russisch und Französisch werden in Litauen kaum andere Fremdsprachen in der Schule angeboten und gelernt. Auch im Hochschulbereich haben Fremdsprachen einen festen Stellenwert, die Zahl der Deutschlernenden beläuft sich auf 21 174. Die Zahl der Deutschlernenden im Erwachsenenbereich ist mit 600 Lernenden in 15 Erwachsenenbildungseinrichtungen relativ gering (vgl. StADaF 2005: 11). Das Erlernen der deutschen Sprache ist eine der Voraussetzungen für eine berufliche Laufbahn in der Wirtschaft, im Tourismus und in den sprachenaffinen Berufen der Fremdsprachenlehrenden und ÜbersetzerInnen/DolmetscherInnen. Ein weiterer wichtiger Grund, Deutsch zu lernen, ist ein Hochschulstudium oder ein anderer Bildungsweg in deutschsprachigen Ländern.
3. Träger des Deutschunterrichts und der Deutschlehreraus- und -ortbildung Der Fremdsprachenunterricht wird hauptsächlich von den Einrichtungen des litauischen Bildungssystems getragen. Die außerschulische Fremdsprachenvermittlung beschränkt sich auf relativ wenige private oder öffentliche Einrichtungen, wie das Goethe-Institut in Vilnius, das durch eine Kooperation mit der öffentlichen Einrichtung Valstybe˙s instituciju˛ kalbu˛ centras ([Sprachenzentrum der öffentlichen Institutionen]) Deutsch-Sprachkurse
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
unterstützt (http://www.vikc.lt) und bei der Fortbildung von Deutschlehrenden sowie bei der Organisation verschiedener Lern- und Kulturprojekte aktiv ist. Studiengänge in Germanistik und für die Deutschlehrerausbildung werden zurzeit von sechs litauischen Universitäten durchgeführt. Ein kompletter Bildungsgang in Germanistik (BA, MA, Promotion) kann jedoch nur an der Universität Vilnius und an der Pädagogischen Universität Vilnius durchlaufen werden; andere Universitäten bieten ausschließlich BA-Studiengänge an (vgl. Racˇiene˙ 2004: 311). Der Lehrerberuf erfordert eine Lehrerqualifikation, die nach einem klassischen Germanistikstudiengang durch eine Zusatzausbildung erworben werden kann. Allerdings können FremdsprachenspezialistInnen (AbsolventInnen von germanistischen BA-Studiengängen) zurzeit auch ohne formale Lehrerqualifikation an der Schule arbeiten (vgl. Country Report Lithuania 2003/2004: 82). Einige Kollegien (vergleichbar mit Pädagogischen Hochschulen) bilden ebenfalls Fremdsprachenlehrende aus, die jedoch ausschließlich an Grundschulen arbeiten können (vgl. Country Report Lithuania 2003/2004: 83). Lehrerfortbildungsangebote werden hauptsächlich von dem Pedagogu˛ profesine˙s raidos centras ([Zentrum der Berufsentwicklung der LeherInnen], http://www.pprc.lt/ english.html) getragen. Darüber hinaus und konkret für die Fortbildung in der Didaktik und Methodik des Deutschen als Fremdsprache sind insbesondere das Goethe-Institut in Kooperation mit dem Valstybe´s instituciju˛ kalbu˛ centras in Vilnius und das Regionale Fortbildungszentrum für Deutsche Sprache und Landeskunde Kaunas (http://www. kpkc.lt/) tätig. Für den fachlichen Austausch und die Kontaktpflege zu den deutschsprachigen Ländern wurde 1993 der Verband der Deutschlehrenden Litauens (VdDL) gegründet (http:// www.vdl.lt/), der auch die Verbandszeitschrift Miteinander zu Themen der Didaktik und Methodik der deutschen Sprache herausgibt.
4. Entwicklungslinien, Chancen und Probleme Das litauische Bildungs- und Wissenschaftsministerium (www.smm.lt) verfolgt die gemeinsamen Ziele der europäischen Sprachenpolitik und ist um eine Förderung der Mehrsprachigkeit in den litauischen Schulen und Hochschuleinrichtungen bemüht, indem es die Verbreitung und den Einsatz europäischer Instrumente und Konzepte fördert. Jedoch ist in der Schulfremdsprachenwahl eine Konzentration auf Englisch und Russisch zu beobachten. In dieser Frage ist noch Bewusstmachungsarbeit zu leisten, um für die sprachliche Vielfalt zu sensibilisieren und eine Lernmotivation für weitere Fremdsprachen zu wecken. Die Situation der litauischen FremdsprachenlehrerInnen ist verbesserungsbedürftig. Wegen der geringen Bezahlung sind viele LehrerInnen gezwungen, weiteren Beschäftigungen zum Bestreiten des Lebensunterhalts nachzugehen, AbsolventInnen der fremdsprachlichen oder pädagogischen Studiengänge wählen oft andere Berufswege als den des Lehrers/der Lehrerin und setzen ihre Fremdsprachenkompetenzen in der freien Wirtschaft ein. Im Zusammenhang mit der finanziellen Situation hat der Lehrerberuf sein Prestige verloren, der soziale Status der Lehrenden ist gefährdet (vgl. Racˇiene˙ 2004: 312).
209. Deutsch in Litauen
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5. Schwerpunkte in der Lehrerausbildung und Germanistik Die litauische Germanistik setzt an unterschiedlichen Universitäten unterschiedliche Schwerpunkte, jedoch bleibt sie hauptsächlich den klassisch germanistischen Teilbereichen verbunden. Das Berufsfeld der GermanistikabsolventInnen ist nicht fest definiert. Eine Ausnahme bildet die Pädagogische Universität Vilnius, wo Lehrende für Deutsch ausgebildet werden. Die Ausbildung konzentriert sich ebenfalls auf traditionell germanistische Inhalte, ergänzt durch die allgemeine Pädagogik und Psychologie. Viel Wert wird auf die Sprachpraxis und die strukturelle Auseinandersetzung mit der deutschen Sprache gelegt. Darüber hinaus studiert man einige didaktische Fächer und muss ein Unterrichtspraktikum absolvieren. Einen beträchtlichen Teil des Studiums machen auch allgemeinbildende Fächer aus. Der wissenschaftliche Diskurs innerhalb von Germanistik und Deutschlehrerausbilˇ mogus ir zˇodis, Miteinander) und auf dung wird in einigen Fachzeitschriften (Kalbotyra, Z Fachtagungen geführt.
6. Ausblick Der Rückgang der Lernerzahlen und der Nachfrage in den germanistischen Studiengängen zeigt eine negative Tendenz für die deutsche Sprache in Litauen. Notwendige Maßnahmen sind in der Finanzierung und der Modernisierung des Bildungsbereichs zu sehen. Eine inhaltlich aktuelle Fremdsprachenlehrerausbildung müsste auch die neueren Erkenntnisse der Sprachlehr- und -lernforschung sowie der Fremdsprachendidaktik berücksichtigen, um die Bedürfnisse der LernerInnen zu befriedigen und ihre Motivation zu fördern. Bauzˇiene˙ (2007) stellt in den Ergebnissen einer Umfrage fest, dass in den litauischen Schulen noch wenig mit dem Konzept der Mehrsprachigkeit gearbeitet wird, und versucht dies auf die fehlende Qualifikation der FremdsprachenlehrerInnen und das Ausbleiben von mehrere Fremdsprachen integrierenden Curricula, Lehrplänen sowie Lehrmaterialien zurückzuführen (vgl. Bauzˇiene˙ 2007: 73⫺74). Auch das integrierte Sachfachund Fremdsprachenlernen findet bisher keine Anwendung. Dafür sind in erster Linie die Qualifikationen der Lehrenden nicht ausreichend (AbsolventInnen der Pädagogischen Universität sind nur für ein Unterrichtsfach qualifiziert). Weitere Widerstände findet dieser Ansatz auch in der Auffassung von LituanistInnen, durch das Unterrichten von weiteren Sachfächern in einer Fremdsprache würde die litauische Sprache gefährdet, die muttersprachliche Kompetenz würde zurückgehen (vgl. z. B. Country Report Lithuania 2003/2004: 8). Zusammenfassend lässt sich ein großer Handlungsbedarf auf mehreren Ebenen feststellen: Entsprechend der Empfehlungen der europäischen Sprachenpolitik ist die Umsetzung neuerer didaktischer, methodischer und struktureller Konzepte fällig und wird erst gegenwärtig in Angriff genommen.
7. Literatur in Auswahl Bauzˇiene˙, Ru¯ta 2007 Deutsch als Fremdsprache im Rahmen schulischer Mehrsprachigkeit in Litauen. Kalbu˛ studijos. Studies about languages 10: 68⫺74.
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
Country Report Lithuania 2003/2004 Language Education Policy Profile. The Ministry of Education and Science of the Republic of Lithuania, Vilnius. Racˇiene˙, Ernesta 2004 Deutschunterricht und Germanisten-/Deutschlehrerausbildung in Litauen. In: Dietmar Goltschnigg und Anton Schwob (Hg.), Zukunftschancen der deutschen Sprache in Mittel-, Südost- und Osteuropa, 309⫺313. Wien: Edition Praesens. Ständige Arbeitsgruppe Deutsch als Fremdsprache (StADaF) 2005 Deutsch als Fremdsprache weltweit. Erhebung 2005.
Lina Pilypaityte˙, Darmstadt (Deutschland)
210. Deutsch in Luxemburg 1. 2. 3. 4.
Deutsch in der Luxemburger Mehrsprachigkeit Die Rolle des Deutschen an den Luxemburger Schulen Bildungsstandards Sprachen Literatur in Auswahl
1. Deutsch in der Luxemburger Mehrsprachigkeit Luxemburg ist multilingual und multikulturell zugleich, denn das Besondere des Landes ist gerade seine spezifische kultur- und sprachensoziologische Situation. Die Luxemburger Mehrsprachigkeit ist historisch gewachsen (vgl. z. B. Kühn 2005a; Fehlen 2008) und sprachenpolitisch geregelt: Luxemburgisch (Le¨tzebuergesch), Französisch und Deutsch gelten nach dem Sprachengesetz (loi sur le re´gime des langues) vom 24. Februar 1984 als langues administratives et judiciaires. Luxemburgisch ist zudem Nationalsprache (langue nationale). Die sprachensoziologische Verteilung und der kommunikative Gebrauch der drei Landessprachen sind äußerst vielschichtig. Das Luxemburgische ist vor allem die mündliche Sprache im täglichen Leben und gleichzeitig Symbol nationaler Identität. Trotz seiner sprachgenealogischen Verwandtschaft darf das Luxemburgische allerdings nicht als bloße Variante des Deutschen angesehen werden. Es handelt sich vielmehr um eine etablierte, standardisierte und kodifizierte Ausbausprache und ist heute ⫺ insbesondere unter funktionaler Perspektive ⫺ als neue germanische Nationalsprache anzusehen. Dem Deutschen begegnet man in Luxemburg in erster Linie als Schriftsprache: Es wird vor allem gelesen (z. B. in Zeitungen, Zeitschriften, Büchern) und ferngesehen. Französisch ist zum einen Verwaltungs- und Gesetzessprache. Zum anderen trifft man allerdings auch im Alltag auf das Französische, z. B. bei Straßennamen, im Geschäftsbereich oder im Restaurant, so dass man im Alltagsleben in Luxemburg dem Eindruck unterliegt, man sei in einem französischsprachigen Land. Auffällig an der augenblicklichen Sprachensituation ist die Progression des Luxemburgischen gegenüber der Regression des Deutschen und Französischen (vgl. z. B. besonders den Bereich der persönlichen
210. Deutsch in Luxemburg
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Kommunikation über neue Medien: E-Mail, SMS oder Blogs). Für Luxemburgischsprechende ist das Luxemburgische trotzdem selten Schriftsprache, diese Funktion nehmen entweder das Französische oder das Deutsche ein. Das Besondere an der Situation in Luxemburg ist nun, dass mehrere Sprachen am gleichen Ort sowie im gleichen Gespräch gesprochen werden können ⫺ allerdings ist das Nebeneinander, Miteinander und Gegeneinander von Luxemburgisch, Deutsch und Französisch verflochten, komplex und dynamisch. Zum einen ist der jeweilige Sprachengebrauch bzw. der Sprachenwechsel nicht willkürlich und zufällig, sondern durch ein kompliziertes Zusammenspiel von kulturspezifischen, sozialen, psychologischen, adressatenspezifischen und sprachfunktionalen Faktoren geregelt. Zum anderen kommt es innerhalb der einzelnen kommunikativen Domänen und Funktionsverteilungen häufig zu Sprachenwechseln oft sogar mitten in einem Satz (codeswitching bzw. code hopping). Die verschiedenen Sprachen werden zudem oft komplementär benutzt: Es gibt Personen, die Luxemburgisch sprechen/hören, auf Deutsch lesen und auf Französisch schreiben. Hinzu kommt eine weitere Entwicklung: Seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wächst der Anteil hauptsächlich romanischsprachiger Bürger, die zum überwiegenden Teil nur wenig oder kein Luxemburgisch sprechen und für die Deutsch eine fremde Sprache darstellt. Interessant ist in auch die Einstellung der Luxemburger zu den drei Landessprachen: Das Deutsche wird von den Luxemburgern gegenüber dem Französischen, Luxemburgischen und Englischen nicht nur als altmodisch, hässlich und grobschlächtig angesehen, sondern auch noch als eine überflüssige Sprache ⫺ eine frappierende Bewertung angesichts des doch hohen Stellenwertes des Deutschen in der Luxemburger Schriftlichkeit oder der starken Rezeption deutscher Medien. Das Deutsche hat vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg an Ansehen verloren. Französisch wird als die schönste und kultivierteste Sprache, Englisch als die modernste bezeichnet. Das Luxemburgische gilt als die vertrauteste Sprache (vgl. hierzu Fehlen 2007). Die Sprachensituation verkompliziert sich nun zusätzlich durch die besonderen demografischen und sozialen Entwicklungen: In Luxemburg leben 476200 Personen, davon sind 198 300 Ausländer. Auf Grund dieser Entwicklungen zielen alle sprach- und kulturpolitischen Konzepte auf die Wertschätzung und den Erhalt der Mehrsprachigkeit: Die Mehrsprachigkeit gilt als „ve´ritable langue maternelle des Luxembourgeois“ (Berg und Weis 2007: 19). Im gleichen Zusammenhang erfährt das Luxemburgische als Integrationssprache zunehmende Relevanz. Aufschlussreich für die Sprachensituation in Luxemburg ist auch ein Blick auf die Literaturen im Land. In mehreren Sprachen zu schreiben, ist für Luxemburger Autorinnen und Autoren eine Selbstverständlichkeit. Luxemburg ist somit ein Land mit einer ausgesprochenen „Tri-Literalität“ mit historischen, sozialkritischen und interkulturellen Schwerpunkten (vgl. Honnef-Becker und Kühn 2004).
2. Die Rolle des Deutschen an den Luxemburger Schulen Die Mehrsprachigkeit prägt auch das Schulsystem: 1912 wird für Luxemburg ein Schulgesetz erlassen, nach dem neben Deutsch und Französisch auch Luxemburgisch offizielles Schulfach ist. Im luxemburgischen Schulsystem spiegelt sich also die grundsätzliche
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
Mehrsprachigkeit des Landes, wobei ⫺ nicht allein in Bezug auf den zeitlichen Umfang ⫺ das Deutsche bevorzugt scheint. Die Alphabetisierung erfolgt konsequent auf Deutsch. Deutsch ist in der Primarschule (Enseignement primaire) zudem auch Unterrichtssprache in den Fächern Mathematik und Sachkunde. Im Sekundarunterricht (Enseignement secondaire und secondaire technique) erfolgt der Sach- und Fachunterricht mit Ausnahme der Mathematik auf den untersten Klassen ebenfalls auf Deutsch. Der Französischunterricht beginnt im zweiten Halbjahr der zweiten Klasse der Primarschule. Im Sekundarbereich erhöht sich die Stundenzahl des Französischunterrichts leicht gegenüber dem Deutschunterricht. Das Luxemburgische spielt im Unterrichtssystem so gut wie keine Rolle. 2009 wird vom Luxemburger Parlament ein neues Schulgesetz erlassen. Die Reform wird kulturpolitisch als Jahrhundertreform bezeichnet. Wichtige Änderungspunkte sind ⫺ neben schulorganisatorischen Neuerungen ⫺ die Einbindung der Früherziehung (e´ducation pre´coce) und Vorschule (e´ducation pre´scolaire) in den unterrichtlichen Primarbereich, die Abschaffung der Noten in den Vor- und Grundschulen, die Einführung von zweijährigen Zyklen statt Schuljahren sowie die grundsätzliche Kompetenzorientierung aller Unterrichtsfächer. Ziel der Reform ist unter anderem die bessere Integration der Zuwanderer. Am Prinzip der Mehrsprachigkeit wird ausdrücklich festgehalten. Ausdruck der Mehrsprachigkeit sind auch die Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund bzw. die unterschiedlichen Sprachen, die diese Lernenden als Muttersprache sprechen. Im Rahmen der PISA-Studie 2006 betrug der Anteil an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund 33,5 %, nach der PIRLS-Studie 2006 wachsen etwa sechs von zehn Schülerinnen und Schülern in Familien mit Migrationshintergrund auf. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Luxemburger Schülerinnen und Schüler in der internationalen Leseuntersuchung PIRLS 2006 als bestes europäisches Land auf Rang sechs von insgesamt 39 Teilnehmerstaaten rangierte, obwohl der Lesetest nicht in der Muttersprache, sondern auf Deutsch durchgeführt wurde (vgl. Berg et al. 2007). Die grob geschilderte vielschichtige Sprachensituation darf allerdings nicht als Sprachenidylle missverstanden werden, denn in allen Schulformen gibt es multilinguale Klassen, in denen Kinder mit Migrationshintergrund zunehmend größere Schulschwierigkeiten haben. Daher gerät gerade die schulpolitische Umsetzung des Luxemburger Sprachenmodells zunehmend in die Kritik: Es sei vor allem das Deutsche, das als frühes Selektionskriterium ⫺ vor allem für Migrantenkinder ⫺ eine Barriere beim Zugang zu den weiterführenden Schulen bilde. Die PISA- und PIRLS-Studien, an denen Luxemburg teilgenommen hat, zeigen allerdings eindeutig, dass mangelnde schulische Erfolge und unzulängliche Fähigkeiten im Deutschen nicht in erster Linie auf die Anderssprachigkeit der Schüler zurückzuführen sind. PIRLS 2006 hat beispielsweise bewiesen, dass die Grenze zwischen leseschwachen und lesestarken Schülerinnen und Schülern nicht zwischen Luxemburgern und Migranten oder zwischen den Landes- und Migrantensprachen verläuft, es sind vielmehr interdependente sozioökonomische und migrationsspezifische Faktoren, die eine Leseschwäche oder Lesestärke nach sich ziehen (vgl. Freiberg, Hornberg und Kühn 2007: 183⫺196). In der bildungspolitischen und curricularen Diskussion über die Sprachen- und Schulsituation in Luxemburg wird daher konsequenterweise am Prinzip der Mehrsprachigkeit festgehalten ⫺ allerdings mit neuen Vorzeichen: Mit dem Plan d’action von 2007 liegt ein Rahmen für die Neuorientierung des Unterrichts vor (Berg und Weis 2007). Die Umsetzung dieses Rahmenplans orientiert sich an
210. Deutsch in Luxemburg
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der Konzeption des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen und ist für die Unterrichtssprachen durch die Aufstellung von Bildungsstandards konkretisiert worden (Kühn 2008).
3. Bildungsstandards Sprachen Auf der Basis der skizzierten multikulturellen und multilingualen Situation sowie des schulischen Bildungsauftrags werden in den Bildungsstandards Sprachen des Luxemburger Erziehungsministeriums folgende Zielsetzungen verfolgt: (1) Das Sprachenlernen steht im Kontext einer sprachpolitisch gewollten Mehrsprachigkeit sowie im Kontext interkultureller Bezugsfelder. Die Kultur der Mehrsprachigkeit gilt damit als Unterrichtsprinzip an Luxemburger Schulen. (2) Dem Luxemburgischen fällt in dieser Sprachensituation als Integrationssprache eine besondere Rolle zu. Daneben kann das Luxemburgische auch als Vehikularsprache den Spracherwerb des Deutschen in Vor- und Grundschule fördern. (3) Auf Grund der besonderen Sprachensituation in Luxemburg ist es müßig und vergebliche Liebesmüh, die verschiedenen Sprachen mit linguistischen Begriffen wie Muttersprache, Fremdsprache, Erstsprache, Zweitsprache, Herkunftssprache, Familiensprache, Begegnungssprache, Partnersprache, Umgebungssprache usw. beschreiben zu wollen. Dies gilt besonders auch für das Deutsche, das auf Grund der Verwandtschaft zum Luxemburgischen keine tatsächliche Fremdsprache ist. Es ist jedoch auch keine Zweitsprache, da das Deutsche in Luxemburg nicht als kommunikative Verkehrssprache gebraucht wird. Allerdings wird das Deutsche via Medien stark rezipiert. (4) Seine besondere Bedeutung hat das Deutsche als Alphabetisierungssprache, als Sozialisationssprache sowie als Kommunikationssprache in der Schule, besonders auch in den Sachfächern. Im Deutschen werden zum einen sprachliche Handlungskompetenzen vermittelt, zum anderen hat das Deutsche auch grundlegende Bedeutung für die kognitive, emotionale und soziale Entwicklung der Kinder. Auf Grund der genannten Besonderheiten ist der Deutschunterricht in Luxemburg daher nicht mit dem Deutschunterricht in anderen Ländern vergleichbar. Der Deutschunterricht erfolgt grundsätzlich handlungsbezogen und kompetenzorientiert: Den Schülern sollen Kompetenzen vermittelt werden, die sie in die Lage versetzen, Lese- oder Hörtexte zu verstehen, sich an Gesprächen aktiv zu beteiligen sowie Texte zu schreiben; Grammatik- und Wortschatz sind in diese zentralen Kompetenzbereiche integriert. Von einer kompetenzbezogenen Bewertung von Schülerleistungen erhofft man sich ein differenziertes Bild von Stärken und Schwächen in verschiedenen Kompetenzbereichen.
4. Literatur in Auswahl Berg, Charles, Wilfried Bos, Sabine Hornberg, Peter Kühn, Pierre Reding und Renate Valtin (Hrsg.) 2007 Lesekompetenzen Luxemburger Schülerinnen und Schüler auf dem Prüfstand. PIRLS 2006. Ergebnisse, Analysen und Perspektiven zu PIRLS 2006. Münster: Waxmann.
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
Berg, Charles und Christiane Weis 2007 Re´ajustement de l’enseignement des langues. Plan d’action 2007⫺2009. Luxemburg: E´ditions du CESIJE. Fehlen, Fernand 2007 Der geheime Lehrplan des Luxemburger Sprachenunterrichts. Forum 264 (3): 33⫺37. Fehlen, Fernand 2008 Multilingualismus und Sprachenpolitik. In: Wolfgang H. Lorig und Mario Hirsch (Hg.), Das politische System Luxemburgs. Eine Einführung, 45⫺61. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Freiberg, Martin, Sabine Hornberg und Peter Kühn 2007 Mehrsprachigkeit, Migration und soziale Heterogenität im Spiegel der Lesekompetenzen. In: Charles Berg, Wilfried Bos, Sabine Hornberg, Peter Kühn, Pierre Reding und Renate Valtin (Hg.), Re´ajustement de l’enseignement des langues. Plan d’action 2007⫺2009, 169⫺ 218. Luxemburg: E´ditions du CESIJE. Honnef-Becker, Irmga`rd und Peter Kühn (Hrsg.) 2004 Über Grenzen. Literaturen in Luxemburg. Esch/Alzette: e´ditions phi. Kühn, Peter 2005 Die Stellung der deutschen Sprache in der luxemburgischen Mehrsprachigkeit. In: Ministe`re de l’E´ducation nationale de la Formation professionnelle (Hg.), Culture Luxembourgeoise, 3⫺23. Luxemburg: MENFPS. Kühn, Peter 2008 Bildungsstandards Sprache. Leitfaden für den kompetenzorientierten Sprachenunterricht an Luxemburger Schulen. Luxembourg: Ministe`re de l’E´ducation nationale.
Peter Kühn, Trier (Deutschland)
211. Deutsch in Marokko 1. 2. 3. 4.
Deutsch an öffentlichen Schulen Deutsch an privaten Sprachschulen Germanistik in Lehre und Forschung Literatur in Auswahl
1. Deutsch an öentlichen Schulen Aus historischen, politischen und kulturellen Gründen gilt Französisch immer noch als erste Fremdsprache in Marokko. So wird es in den öffentlichen Schulen ab der 3. Klasse, in Privatschulen sogar schon im Kindergarten parallel zum Standardarabischen gelehrt. Ab der 9. Klasse ⫺ bis zum Jahr 2005 erst ab der 10. Klasse ⫺ muss man eine weitere Fremdsprache als Wahlpflichtfach lernen: Englisch, Spanisch, Italienisch oder Deutsch. Während Französisch und Englisch den ersten bzw. den zweiten Platz in den Schulen bewahrt haben, versucht Deutsch, sich im Zuge der allgemeinen Diversifizierung vor Spanisch und Italienisch als dritte Fremdsprache zu etablieren. Lernten im Schuljahr
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1996/97 insgesamt 4.685 Schüler Deutsch, so stieg diese Zahl bis zum Jahr 2007/08 um etwa 400 % auf genau 18.513. Im selben Zeitabstand stieg die Zahl der Deutschlehrer von 100 auf genau 199 und hat sich somit verdoppelt. Seit 2005 erfahren die Deutschkurse mit ihrer Einführung in die Unterstufe eine massive Verbreitung, sodass im Schuljahr 2007/2008 genau 10.111 Schüler verzeichnet wurden, die Deutsch an 56 Unterstufenklassen bei 43 Lehrern lernten. Diese Zahlen dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Deutsch nach wie vor vielen Schülern an öffentlichen Schulen aufgezwungen wird. Hier spielen im Sprachenunterricht im Allgemeinen traditionelle Medien immer noch eine entscheidende Rolle. Der Einsatz von audiovisuellen oder elektronischen Medien, die sich für den Sprachunterricht eignen, also die Verwendung von Rundfunk- und TVKursen, Computern und Internet, ist wegen fehlender angemessener Infrastruktur nur in seltenen Ausnahmefällen möglich. Die Arbeit mit Hörtexten muss daher oft ausfallen. Deshalb sieht der vor Kurzem vom Ministerium akkreditierte und als innovativ bezeichnete „Referenzrahmen für die Abiturprüfung im Fach Deutsch als 2. Fremdsprache“ bei der Leistungsmessung nur das Leseverstehen und den schriftlichen Ausdruck neben Grammatik und Wortschatz als Prüfungsteile vor.
2. Deutsch an privaten Sprachschulen Seit Anfang der 1990er Jahre verlangt das deutsche Konsulat von den marokkanischen Antragstellern Sprachdiplome als Nachweis ausreichender Sprachkenntnisse zur Beantragung eines Studienvisums. Seitdem bieten Privatschulen mit Deutschunterricht hauptsächlich Intensivkurse an, in denen sie ihre Kursteilnehmer auf das Zertifikat Deutsch und, seit September 2003, auf die Mittelstufe vorbereiten. Es handelt sich dabei vorwiegend um Abiturienten, die andere Sprachen auf dem Gymnasium gelernt haben und am Studium in einem deutschsprachigen Land interessiert sind. Diese Lernergruppe macht in der Regel schnellere Lernfortschritte als Gymnasialschüler, denn sie lernen Deutsch freiwillig und in unvergleichbar besseren Lernbedingungen, da die Privatschulen oft technisch besser ausgestattet sind als öffentliche Schulen. Ihre Kursteilnehmer lernen alle Fertigkeiten, und es ergibt sich für sie der Vorteil, dass sie in Intensivkursen von insgesamt 400 Stunden die Schüler einholen, die ⫺ oft gezwungen ⫺ bereits 3 Jahre Deutsch mit 5 Wochenstunden an den öffentlichen Gymnasien gelernt haben. Seitdem das neue Zuwanderungsrecht vom Juli 2007 in Kraft getreten ist, wird vom deutschen Konsulat in Marokko im Visumverfahren im Rahmen des Ehegattennachzugs der Nachweis über Sprachkenntnisse auf dem Niveau A1 verlangt. Infolgedessen bot sich für private Sprachschulen eine neue Zielgruppe, die sich auf diese Sprachprüfung vorbereiten lässt. Die Lerngruppen setzen sich jedoch meistens aus Kursteilnehmern mit großen Alters- und Bildungsunterschieden, respektive mit unterschiedlichen rezeptiven und produktiven Fähigkeiten, zusammen, sodass der Lernprozess manchmal erheblich gestört wird. Lehrerfortbildung kommt meistens erst in Frage, wenn sich ausländische Institutionen dafür einsetzen und Seminare in dieser Hinsicht organisieren. Jährlich können einige Lehrer mit Hilfe von deutschen und österreichischen Mittlerorganisationen an Fortbildungsveranstaltungen in Deutschland bzw. in Österreich teilnehmen.
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
3. Germanistik in Lehre und Forschung Die Germanistik wurde 1976 zum ersten Mal als Studienfach an der Universität Rabat eingeführt und wird seit 1983 auch in Fes ebenso wie in Casablanca seit 1986 als voller Studiengang angeboten. Im Studienjahr 2008/09 sind insgesamt ca. 600 Studenten in der Germanistik immatrikuliert, davon etwa 400 in Fes, 120 in Casablanca und 80 in Rabat. Ihnen stehen insgesamt 23 Universitätslehrkräfte zur Verfügung. Seit der Durchsetzung der Studienreform im Jahr 2003 dauert die Ausbildung in der Regel sechs Semester. Die vier ersten Semester bilden das Grundstudium und werden mit dem Vordiplom DEUG (Diploˆme des Etudes Universitaires Ge´ne´rales) abgeschlossen. Hier wird der Akzent auf die Verbesserung der sprachlichen Fähigkeiten durch die Vermittlung von Grammatik und Wortschatz ebenso wie durch die Einübung im Leseund Hörverstehen gelegt. Durch diese intensive Sprachpraxis sollen die Studierenden befähigt werden, eine Fachveranstaltung im Hauptstudium zu besuchen und wissenschaftliche Arbeiten zu verfassen. Nach dem Studienabschluss mit der Licence (⫽ Bachelor) haben die Absolventen die Möglichkeit, eine einjährige Referendarausbildung an der Ecole Normale Supe´rieure (ENS) oder am Centre Pe´dagogique Re´gional (CPR) zu machen, um die Lehrbefähigung für Deutsch als Fremdsprache in der Sekundar- bzw. Unterstufe zu bekommen. Mit der Einführung des Studienganges Deutsch für Übersetzen und Dolmetschen an der Übersetzer- und Dolmetscherhochschule in Tanger (E´cole Supe´rieure Roi Fahd de Traduction) wurde gegen Ende der 1990er Jahre erstmals ein berufsorientierter Studiengang für Deutsch eingeführt. Die Absolventen germanistischer Abteilungen haben seit dem Wintersemester 2007/08 auch die Möglichkeit, ein postgraduiertes Studium im Masterstudiengang an der Universität Fes zu absolvieren und anschließend zu promovieren. Die Hochschulreform hat den Vorteil gebracht, dass das Modulsystem adoptiert und damit hinsichtlich der Studieninhalte auf Grund der erlaubten Flexibilität eine entscheidende Verbesserung gegenüber dem alten System gewährleistet wurde. Eigentlich strebte Marokko durch frühere Projektentwürfe längst danach, die Hochschulen nach Marktprinzipien zu reformieren und die Universitätsausbildung den Arbeitsmarktanforderungen anzupassen. Schließlich adoptierte es das Studienmodell LMD (Licence, Master und Doctorat) dem Bologna-Modell entsprechend, das eine Internationalisierung der Hochschulsysteme und eine Vereinheitlichung der Abschlüsse empfiehlt. Die Entwicklungen der Germanistik sind auf Grund der Studienreform stärker in einen interdisziplinären Diskurs über Inhalte und Ziele eingetreten, die den gesellschaftlichen Nutzen dieser Disziplin berücksichtigen und das Fach dementsprechend inhaltlich neu konzipieren. Gefragt ist nun ein Studium mit innovativen Lehr- und Lernmethoden, das die Berufsperspektiven der Absolventen berücksichtigt und diesen dementsprechend eine adäquate Fachausbildung bietet. Es ist daher notwendig, verschiedene Schwerpunkte anzubieten, dahingehend, dass nicht nur ein Fachstudium aus interkulturellen und interdisziplinären Gesichtspunkten angeboten, sondern auch auf den Lehrberuf ebenso wie auf Tätigkeiten in der Industrie, im Handel und im Tourismus vorbereitet wird. Auf diese Weise könnte sich der Studierende den Schwerpunkt aussuchen, der ihn motiviert und von dem er begründet meint, dass er ihm für sein späteres Berufsleben nützt. In diesem Fall können gewiss Prioritäten festgelegt werden, die den Arbeitsmarktanforderungen am besten entsprechen würden.
211. Deutsch in Marokko
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Die Tatsache, dass wir in der Auslandsgermanistik keine reine deutsche Philologie mehr zu betreiben brauchen, war uns ebenso wie anderen Kollegen bei Curriculumsdiskussionen längst bewusst. Dies mag der Grund dafür sein, dass der Hauptschwerpunkt in den Publikationen vieler marokkanischer Germanisten im Bereich der interkulturellen Germanistik (vgl. exemplarisch Boubia 1987, 1993; Lamrani 1993, 2003; Lazaare 1998, 2005) und der vergleichenden Literatur- und Sprachwissenschaft (vgl. exemplarisch JaiMansouri 2002, 2005) liegt. Aus dieser knappen Darstellung der Stellung der deutschen Sprache in Marokko lässt sich das Fazit ziehen, dass die gesetzlichen Regelungen und sprachenpolitischen Rahmenbedingungen einerseits die Entwicklung des Faches Deutsch als Fremdsprache entscheidend bestimmen. Andererseits ist es den Universitätslehrkräften teilweise gelungen, im Rahmen der Hochschulreform die Studieninhalte neu zu definieren, das Germanistikstudium den Arbeitsmarktanforderungen besser anzupassen und damit einen entscheidenden Beitrag zur weiteren Entwicklung des Faches zu leisten.
4. Literatur in Auswahl Boubia, Fawzi 1987 Die Verfremdung der Verfremdung. Thesen zu einer interkulturellen Germanistik im arabischen Raum. Info DaF 14(1): 28⫺33. Boubia, Fawzi 1993 Legitimationsgrundlagen europäischer Studien im Maghreb. In: Bernd Thum und Gonthier-Louis Fink (Hg.), Praxis interkultureller Germanistik. Forschung, Bildung, Politik, 181⫺183. (Publikationen der Gesellschaft für Interkulturelle Germanistik 4). München: iudicium. Jai-Mansouri, Rachid 2002 Das arabische Majnun-Thema bei Andre´ Miquel. In: Dirk Winkelmann und Alexander Wittwer (Hg.), Von der ars intelligendi zur ars applicandi, 299⫺312. München: iudicium. Jai-Mansouri, Rachid 2005 Deutsch und Arabisch ⫺ Eine kontrastive Sprachbetrachtung? Informationen zur Deutschdidaktik 29(2): 44⫺54. Lamrani, Rachid 1993 Europa und der deutschsprachige Raum als Denkhorizont? Ansichten und Ansätze zu einer interkulturell und interdisziplinär orientierten Germanistik im Maghreb. In: Bernd Thum und Gonthier-Louis Fink (Hg.), Praxis interkultureller Germanistik. Forschung, Bildung, Politik, 323⫺326. (Publikationen der Gesellschaft für Interkulturelle Germanistik 4). München: iudicium. Lamrani, Rachid 2003 Translation und Kulturtransfer. Hermeneutische Modalitäten des Übersetzens als Umgang mit dem Anderen. In: DAAD (Hg.), Germanistiktreffen Deutschland ⫺ Arabische Länder, Iran, 231⫺250. Siegburg: Daemisch Mohr. Lazaare, Khalid 1998 Marokko in deutschen Reiseberichten des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Vorstudien zur deutschen Wahrnehmung einer islamischen Region. (Studien zur neueren Literatur 7). Frankfurt a. M. u. a.: Lang. Lazaare, Khalid 2005 Das/Ein Bild Marokkos in deutschen Reiseberichten des 19. Jahrhunderts. In: Jean-Marie Valentin (Hg.), Germanistik im Konflikt der Kulturen, 323⫺330. (Akten des XL Internationalen Germanistenkongresses 9). Bern u. a.: Lang.
Rachid Jai-Mansouri, Fes (Marokko)
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
212. Deutsch in Mexiko 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Einführung Deutschsprachige Gruppen in Mexiko Deutschunterricht Deutschlehrerausbildung und Germanistikstudium Fachverbände Literatur in Auswahl
1. Einührung Auch wenn in Mexiko über 60 indigene Sprachen gesprochen werden, wird der Bereich der öffentlichen Kommunikation fast ausschließlich vom Spanischen dominiert. Unter den Fremdsprachen hingegen genießt das Englische durch die vertieften Wirtschaftsbeziehungen mit den Nachbarn im angelsächsischen Norden eine unbestrittene Vorrangstellung. Daneben erfreut sich jedoch auch Deutsch einer beständigen und sogar anwachsenden Beliebtheit, was sicher nicht zuletzt auf die eindrückliche Präsenz deutscher Firmen in Mexiko zurückzuführen ist, sowie auf die Tatsache, dass Deutschland der drittgrößte Handelspartner Mexikos in der Welt und der größte innerhalb der Europäischen Union ist. Zugleich bewirkt die Steigerung des akademischen und kulturellen Austausches zwischen Mexiko und Deutschland, dass der Bereich Deutsch als Fremdsprache von einer spürbaren Dynamik geprägt ist. Insgesamt wird die Zahl der Deutschlerner vom mexikanischen Deutschlehrerverband inzwischen auf 40.000 bis 45.000 geschätzt, die von ca. 1.300 Lehrern unterrichtet werden (Dettmer 2007: 26).
2. Deutschsprachige Gruppen in Mexiko Hauptsächlich im Norden des Landes gibt es zahlreiche mennonitische Siedlungen, in denen die allgemeine Umgangssprache das mennonitische Plautdietsch, eine Varietät des Niederpreußischen, ist. Bei den meisten dieser deutschstämmigen Gruppen wird zwar Hochdeutsch in den Schulen gelehrt und als offizielle Sprache für Amtsgeschäfte und in der Kirche verwendet, jedoch ist das allgemeine Niveau in der Standardsprache auf ein Mindestmaß gesunken. In jüngerer Zeit gibt es allerdings Bestrebungen einzelner fortschrittlicher Gemeinden, die Annäherung zur modernen hochdeutschen Sprache wieder ´ lvaro-Obrego´n-Oberschule zu suchen und das Deutschniveau zu heben. Besonders die A in Blumenau nahe der Stadt Cuauhte´moc im Bundesstaat Chihuahua erfüllt hier eine Vorreiterrolle durch Curriculumreformen sowie Fortbildungs- und Kooperationsmaßnahmen mit deutschen Einrichtungen (Steffen 2008: 69⫺72). Mittlerweile hat sich das Hochdeutsche in der Gegend von Cuauhte´moc wieder als echte High-Varietät etabliert und wird in einigen Familien sogar als Umgangssprache gesprochen.
212. Deutsch in Mexiko
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3. Deutschunterricht 3.1. Schulen Bereits 1894 wurde das Colegio Alema´n Alexander von Humboldt in Mexiko-Stadt gegründet. Heute wird die Deutsche Auslandsschule (DAS) der Hauptstadt von ca. 3.400 Schülern besucht, die sich mittlerweile auf drei Standorte, den Campus Lomas Verdes (1.129 Schüler), den Campus Xochimilco (1.397 Schüler) und den noch im Aufbau befindlichen Campus La Herradura (825 Schüler), verteilen (derzeit insg. 100 aus Deutschland stammende Lehrkräfte, 220 mexikanische Lehrkräfte). Zudem gibt es eine DAS in Puebla (1.436 Schüler) und eine weitere in Guadalajara (961 Schüler). Insgesamt beläuft sich die Zahl der Auslandsdienstlehrkräfte auf 47, die der Bundesprogrammlehrkräfte auf 17. Bis auf die deutsche Schule in Guadalajara besteht an allen DAS die Möglichkeit, neben dem mexikanischen Abschluss (CCH) auch das Abitur zu machen. Am Colegio Suizo mit insg. drei Zweigstellen (Mexiko-Stadt, Cuernavaca, Quere´taro) besteht die Möglichkeit, die Prüfung zum Sprachdiplom I und II der KMK abzulegen. Neben diesen etablierten Auslandsschulen haben mittlerweile das Colegio Alema´n Cuauhte´moc Hank in Tijuana, Baja California Norte, sowie die oben erwähnte Mennonitenschule Escuela A´lvaro Obrego´n in Blumenau, Chihuahua, den Status von DSD-Schulen erlangt. Darüber hinaus hat besonders die vom Auswärtigen Amt ins Leben gerufene Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“ für Dynamik bei der Förderung von Deutsch an mexikanischen Schulen gesorgt. Zu den im Rahmen der Initiative geförderten Partnerschulen gehören bislang die Escuela Nacional Preparatoria (ENP) der UNAM in Mexiko-Stadt, zwei Preparatorias der Universität Guadalajara (UdeG), das Instituto para Formacio´n y Desarrollo Volkswagen in Puebla und die Mennonitenschule La Esperanza im Bundesstaat Chihuahua.
3.2. Goethe-Institute und andere Sprachlehrinstitute Es gibt in Mexiko zwei Goethe-Institute, eines in der Hauptstadt und eines in Guadalajara. Das GI Mexiko-Stadt verfügt über fünf Stellen für Entsandte und 41 Ortslehrkräfte, einschließlich der Sprachlehrer. Die Zahl der eingeschriebenen Deutschlerner hat in den letzten fünf Jahren abgenommen. Dies liegt jedoch nicht an einem schwindenden Interesse an Deutsch, sondern an der steigenden Zahl konkurrierender kommerzieller Anbieter, zu denen in zunehmendem Maße auch die Universitäten gehören. Das GI Guadalajara bietet zur Zeit des Verfassens dieses Artikels keinen Sprachunterricht an, da für diesen Zweck erst ein neues geeignetes, d. h. erdbebensicheres, Gebäude gefunden werden muss. Die Kulturarbeit wird jedoch ununterbrochen fortgesetzt. Neben den Goethe-Instituten gibt es noch zwei lokale Kulturgesellschaften in Monterrey und San Luis Potosı´, die Deutschunterricht anbieten. Im zum Volkswagenwerk gehörenden Centro de Idiomas Volkswagen wird Deutsch in mittlerweile fünf Zweigniederlassungen in Puebla unterrichtet (insg. knapp 2.000 Schüler, 45 Lehrkräfte, Zahlen nach Dettmer 2008: 60).
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
3.3. Deutsch an Universitäten Bot eine Vielzahl der Universitäten in der Vergangenheit fast ausschließlich Englischunterricht an, so hat in den vergangenen Jahren auch an den privaten Hochschulen eine Erweiterung des Sprachkursangebots auch um Deutschunterricht stattgefunden. Bezogen auf Studierendenzahl, Frequenz der Kurse und Dauer der Sprachausbildung gibt es folgende Schwerpunkte (Zahlen nach Dettmer 2008, wenn nicht anders erwähnt): MexikoStadt: Centro de Ensen˜anza de Lenguas Extranjeras (CELE), Universidad Nacional Auto´noma de Me´xico (UNAM), Semester 2009/02: 732 eingeschriebene Deutschlerner; die Nachfrage ist deutlich größer, ein DAAD-Lektorat und ein österreichisches Lektorat, angestrebtes Sprachniveau ist C1; Campus FES Acatla´n (zur UNAM gehörig): ca. 1.100 Deutschlerner pro Semester, ein DAAD-Lektorat, eine Sprachassistenz, bis Mittelstufe; Centro de Lenguas Extranjeras (CENLEX) Zacatenco und CENLEX Santo Toma´s des Instituto Polite´cnico Nacional (IPN): je ca. 400 Schüler, bis Zertifikat Deutsch; Campus Azcapotzalco der Universidad Auto´noma Metropolitana (UAM): ca. 150 Schüler. Guadalajara: Departamento de Lenguas Modernas der Universidad de Guadalajara (UdeG), ca. 150 Deutschlerner, 10 Lehrer, ein DAAD-Lektorat, ein DAAD-Ortskraftlektorat, ein österreichisches Lektorat, bis Mittelstufe (pers. Mitteilung Gräfe), Monterrey: Facultad de Filosofı´a y Letras der Universidad Auto´noma de Nuevo Leo´n (UANL), ca. 500 Lerner, 12 Lehrer, ein DAAD-Lektorat, eine Sprachassistenz; Beneme´rita Universidad Auto´noma de Puebla (BUAP), ca. 550 Schüler und 15 Lehrer an drei verschiedenen Einrichtungen; Universidad Auto´noma de Chiapas (UNACH), Tuxtla Gutie´rrez, ca. 130 Schüler, 5 Lehrer; Centro de Idiomas der Universidad Veracruzana in Xalapa, ca. 200 Schüler. Daneben gibt es noch an folgenden weiteren Universitäten größere Deutschabteilungen: Mexicali, La Paz, Morelia, Quere´taro, Villahermosa. Insgesamt schätzt das Goethe-Institut die Zahl der Deutschlerner an Universitäten auf 12.000, die der Lehrkräfte auf 400 (Dettmer 2008: 58). Fandrych (2001: 1440) identifiziert in seinem Überblicksartikel zu DaF in Mexiko folgende Probleme: „Allgemein leidet der Deutschunterricht an den meisten Institutionen an den niedrigen Gehältern der Lehrenden, den fehlenden Planstellen (meist wird auf Honorarbasis gearbeitet), an der daraus resultierenden Arbeitsüberlastung der Lehrenden und den in den Großstädten schwierigen Arbeitsbedingungen, was zu großer Fluktuation im Lehrpersonal führt.“ Zehn Jahre später hat sich an dieser Situation noch wenig geändert, auch wenn mittlerweile gewisse Anstrengungen zur Professionalisierung der Ausbildung unternommen werden (siehe 4.), die in der Zukunft zur Aufwertung des Lehrberufs und zur Verbesserung der Arbeitssituation der Deutschlehrer in Mexiko führen könnten. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg.
4. Deutschlehrerausbildung und Germanistikstudium Das CELE der UNAM bietet eine Deutschlehrerausbildung (Curso de Formacio´n de Profesores, eröffnet 1978, Deutsch seit 1979) an. Der zweisemestrige Kurs behandelt sowohl theoretisch-linguistische Themen als auch praktische Aspekte des Fremdsprachenlehrens. An der Facultad de Estudios Superiores (FES) Acatla´n der UNAM gibt es seit 2004 die Möglichkeit, ein grundständiges Studium in der Licenciatura en Ensen˜anza de Len-
212. Deutsch in Mexiko
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guas mit der Spezialisierung für Deutsch zu belegen. Der Studiengang ist als Fernstudium konzipiert, das in acht Semestern absolviert werden kann. Mit dem Wintersemester 2008/09 hat ein gemeinsamer Masterstudiengang in Deutsch als Fremdsprache der Universität Guadalajara mit dem Herder-Institut der Universität Leipzig begonnen. Schwerpunkte der zweijährigen Ausbildung, die jeweils zur Hälfte an beiden Hochschulen absolviert wird, sind kontrastive Fragestellungen sowie Aspekte des sprachlich-kulturellen Kontakts zwischen der deutsch- und der spanischsprachigen Welt. Die einzige Variante des Germanistikstudiums in Mexiko stellt das 1955 eingerichtete achtsemestrige grundständige Studium „Letras Alemanas“ an der philosophischen Fakultät der UNAM dar. Das Studium besteht aus einem Pflichtprogramm in deutscher Literaturwissenschaft, welches durch Wahlpflichtkurse in Linguistik, europäischer Geschichte und Kultur sowie mexikanischer Literatur- und Kulturgeschichte ergänzt wird (Rall 2002: 92). Im Hauptstudium (Semester 5⫺8) ist eine Spezialisierung in Übersetzung, Literaturwissenschaft oder Didaktik möglich.
5. Fachverbände Die wichtigste Körperschaft der Deutschlehrer in Mexiko stellt der 1992 gegründete mexikanische Deutschlehrerverband (Asociacio´n Mexicana de Profesores de Alema´n, AMPAL) dar. Ihm gehören ca. 150 Mitglieder an. Zu den Zielen des Verbandes zählen die Förderung von Lehre und Forschung im Bereich Deutsch als Fremdsprache in Mexiko und die Vernetzung der Deutschlehrer in Mexiko untereinander sowie mit ähnlichen Organisationen im Ausland. Dazu organisiert AMPAL im jährlichen Wechsel Fachtagungen (Jornadas AMPAL) und Deutschlehrertreffen (Encuentros AMPAL), die der Fortbildung und dem kollegialen Austausch dienen sollen.
6. Literatur in Auswahl Dettmer, Martin 2008 Deutsch lehren in Mexiko ⫺ ein aktueller Überblick. In: Memorias del VII Encuentro AMPAL, Universidad de Guanajuato, Escuela de Idiomas, 3 al 6 de mayo de 2005, 57⫺63. Mexiko-Stadt: AMPAL. Dettmer, Martin 2007 El alema´n en Me´xico analizado por la Asociacio´n Mexicana de Profesores de Alema´n. In: El idioma alema´n en Me´xico. Medio de enlace, oportunidades y prestigio, 25⫺28. Mexiko-Stadt: AMPAL. Fandrych, Christian 2001 Deutschunterricht und Germanistikstudium in Mexiko. In: Gerhard Helbig, Lutz Götze, Gert Henrici und Hans Krumm (Hg.), Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch, 1438⫺1445. Band 2. (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 19.1⫺2.) Berlin: de Gruyter. Rall, Dietrich 2002 Situation und Perspektiven der Germanistik in Mexiko. In: Deutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD) (Hg.), Germanistentreffen Deutschland ⫺ Argentinien, Brasilien,
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
Chile, Kolumbien, Kuba, Venezuela 8.⫺12. 10. 2001, Tagungsbeiträge, 85⫺96. Bonn: DAAD. Steffen, Joachim 2008 A vantagem de falar dialeto: aproveitar as variedades na˜o-padra˜o para a construc¸a˜o de comunidades multilı´ngües [Der Vorteil Dialekt zu sprechen: Nichtstandardvarietäten für die Konstruktion von mehrsprachigen Gemeinschaften nutzen]. Revista Contingentia 3(2): 67⫺76.
Joachim Steffen, Mexiko-Stadt (Mexiko)
213. Deutsch in der Mongolei 1. 2. 3. 4. 5.
Die bildungspolitische Situation in der Mongolei Tradition und Geschichte von Deutsch als Fremdsprache in der Mongolei Der heutige Stand der Deutschausbildung Perspektiven für Deutsch in der Mongolei Literatur in Auswahl
1. Die bildungspolitische Situation in der Mongolei Mit dem Sieg der Mongolischen Volksrevolution 1921 wurde die Mongolische Volksrepublik (MVR) als zweiter sozialistischer Staat der Welt gegründet. Bis Ende der 1980er Jahre unterhielt die MVR vielseitige Beziehungen vorwiegend mit den Ländern des ehemaligen sozialistischen Blocks, darunter besonders mit der ehemaligen UdSSR. Daher verfügte das Land über ein ähnliches Bildungssystem wie das in der Sowjetunion. In der sozialistischen Zeit wurde Russisch als erste Fremdsprache sowohl in Schulen als auch in der Erwachsenenbildung unterrichtet, d. h. Russisch war lange Jahre ein Pflichtfach für alle SchülerInnen ab der 4. bis zur 10. Klasse und im Grundstudium an Hochschulen. Gleich nach der politischen Wende 1990 stieg das Interesse an anderen europäischen und asiatischen Fremdsprachen schlagartig an, es wurden zahlreiche private Sekundarschulen, Hochschulen und Sprachkurse gegründet, in denen man die Fremdsprachen ⫺ Englisch, Deutsch, Französisch, Japanisch, Chinesisch und Koreanisch ⫺ lernen und studieren kann. Gleichzeitig wurden an diesen Hochschulen und Universitäten neue Studiengänge für Fremdsprachenlehrer und Übersetzer/Dolmetscher eröffnet. Anfang 2000 wurden Reformen im Bildungswesen vorgenommen. Im Rahmen dieser Bildungsreformen arbeitete eine vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur beauftragte Arbeitsgruppe von WissenschaftlerInnen Standards und Curricula für die Fremdsprachenausbildung aus, anhand derer man neue nationale Schullehrbücher aller Lernstufen für Englisch und Russisch entwickelte. Um das allgemeinbildende Schulsystem an den weltweiten Bildungsstandard anzunähern, wurde 2009 das 12-jährige allgemeinbildende Schulsystem eingeführt. Laut dem nationalen bildungspolitischen Konzept von 2001 soll Englisch ab 2008 als erste obligatorische Fremdsprache in den Sekundar-
213. Deutsch in der Mongolei
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und Hochschulen angeboten werden. Im Bezug auf das gesellschaftliche Leben ist das Erlernen von Deutsch als Fremdsprache mit seinen weitaus kleineren Dimensionen mit Englisch kaum zu vergleichen.
2. Tradition und Geschichte von Deutsch als Fremdsprache in der Mongolei Die mongolische Nationaluniversität ist die erste staatliche Universität, an der man in den 1960er Jahren Deutsch als Fach unterrichtete, allerdings nur mit wenigen Stunden. 1975 wurde an derselben Universität ein Studienvorbereitungskurs für Studierende etabliert, die nach einem Jahr der Deutschausbildung im Land ihr zukünftiges Studium in der damaligen DDR aufnehmen sollten. Mit der demokratischen Wende eröffnete man auch in anderen Bildungsinstitutionen Deutschabteilungen. Die erste Abteilung bzw. der erste Lehrstuhl für Deutsche Sprache wurde 1990 an der damaligen Hochschule für Fremdsprachen (heute Universität für Geisteswissenschaften), die zweite DaF-Abteilung 1991 an der mongolischen Nationaluniversität gegründet.
3. Der heutige Stand der Deutschausbildung Deutsch wird heute (2009) an 8 Hochschulen und Universitäten, sowie an 9 Sekundarschulen unterrichtet. Etwa 1800 Schüler und Schülerinnen und etwa 400 Studierende lernen landesweit Deutsch. In 2 Sekundarschulen, und zwar der staatlichen mongolisch-deutschen gemeinsamen Sekundarschule Nr. 38 sowie an der privaten Goethe-Schule, beginnen SchülerInnen mit 6 Jahren Deutsch zu lernen, hingegen wird Deutsch in den übrigen 7 Schulen ab der 8.⫺9. Klasse gelehrt. Deutschunterricht im Hochschulbereich gibt es vor allem in zwei Formen: 1. als vierjähriges Bachelorstudium für Germanistik- und Deutschlehrerstudierende sowie als Übersetzer-/Dolmetscherausbildung, 2. in Form von studienbegleitenden Deutschkursen. Von den genannten 8 Hochschulen und Universitäten bieten die mongolische Nationaluniversität ein Germanistikstudium, die Universität für Geisteswissenschaften und die 1990 gegründete private Universität Orkhon ein Übersetzer/Dolmetscherstudium an. Die Orkhon-Universität ist die einzige private Universität, an der Deutsch kontinuierlich unterrichtet wird. Die Lehrerausbildung gibt es an der Pädagogischen Universität. Studienbegleitende Deutschkurse bzw. Deutschkurse für Studiengänge in Ingenieur-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften werden an der Universität für Wissenschaft und Technologie, der Universität für Geisteswissenschaften, an der militärischen Akademie und an den Filialen der mongolischen Nationaluniversität und der Pädagogischen Universität in Khovd und Erdenet angeboten.Im Rahmen des vierjährigen Bachelorstudiums werden folgende Pflicht- und Wahlfächer in deutscher Sprache empfohlen:
1746 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern Sprachtheorie und Sprachpraxis Literaturwissenschaft Übersetzungstheorie und Übersetzungspraxis Fachspezifische Übersetzungskurse (Übersetzen von Fachtexten) Landeskunde Interkulturelle Kommunikation Methodik und Didaktik des Deutschen als Fremdsprache
Die wöchentliche Stundenverteilung des jeweiligen Faches hängt von der Spezifik der Universität bzw. des angebotenen Studiengangs ab. In den studienbegleitenden Deutschkursen wird auf der Basis der im Grundstudium erworbenen Sprachkenntnisse Deutsch als Fachsprache vermittelt, und zwar als Nebenfach. In diesen Kursen werden Grundkenntnisse in etwa 400 Stunden und Fachsprachenkenntnisse in etwa 200 Stunden vermittelt. Zur Verbreitung und der nachhaltigen Pflege der deutschen Sprache und der deutschsprachigen Kultur tragen in der Mongolei deutsche und österreichische Institutionen wie der DAAD, das Goethe-Institut, die Zentralstelle für Auslandsschulwesen, das TestDaF-Institut, die Österreich-Kooperation, die Prüfungszentrale des Österreichischen Sprachdiploms Deutsch (vgl. Art. 12) und mongolische Institutionen wie der Mongolische Deutschlehrerverband, die Mongolisch-Deutsche Brücke sowie die Gesellschaft der Freunde der deutschen Sprache gewichtig bei. Der Mongolische Deutschlehrerverband ist auch Mitglied des Internationalen Deutschlehrerverbandes (IDV).
4. Perspektiven ür Deutsch in der Mongolei Wie in den Ländern der Europäischen Union wird auch in der Mongolei die Mehrsprachigkeit zum bildungspolitischen Schlagwort. Die Sprachen unserer Nachbarländer ⫺ Russisch und Chinesisch ⫺ werden genauso mit großem Interesse und intensiv gelernt und gelehrt wie Englisch. Auch im Rahmen des bildungspolitischen Konzepts, das bis zum Jahr 2015 realisiert werden muss, wird die deutsche Sprache ihre bedeutende Stellung unter den europäischen Sprachen nicht verlieren. Die langjährigen traditionellen Beziehungen zwischen der Mongolei und Deutschland werden weiter vertieft. Die in den letzten Jahren zwischen den beiden Staaten und Regierungen abgeschlossenen Verträge zeigen deutlich, dass ein größerer Akzent auf die Zusammenarbeit in Wirtschaftsbereichen wie Bergbau, Straßenbau und Bauwesen gelegt wird. Dadurch entsteht ein sehr großer Bedarf an Fachkräften mit Deutschkenntnissen. Infolgedessen erhöht sich die Notwendigkeit, konkurrenzfähige junge Mongolen auszubilden. Die gegenwärtige Deutschausbildung an den mongolischen Hochschulen und Universitäten ist eher sprach- und kulturorientiert. Die Tendenz der letzten Jahre zeigt, dass Deutsch als Fremdsprache mit anderen Fächern kombiniert vermittelt werden sollte, und zwar mit Tourismus, Ökologie, Wirtschaft, Jura etc. Entsprechend den sich erneuernden gesellschaftlichen Verhältnissen und Bedürfnissen sollte die Deutschausbildung auf ein weiteres, höheres Niveau gebracht werden. Im engeren Sinne bedeutet dies, die Studieninhalte und -programme zu verändern und zu verbessern, und im weiteren Sinne, wissenschaftliche Lehre und Forschung mehr zu fördern.
214. Deutsch in den Niederlanden
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5. Literatur in Auswahl Bolormaa, Baljir und Bishbat Batsuren 2007 DaF-Ausbildung in der Mongolei. In: Deutsch in Zentral- und Ostasien: Erfahrungen, Partnerschaften und neue Herausforderungen der Zeit, 15⫺23. Ulan-Ude: Druckerei der burjatischen Staatsuniversität. Naranchimeg, Khalzkhuu 2007 Die Fremdsprachenpolitik im Bildungsbereich. In: Wissenschaftliche Publikationen der Universität für Geisteswissenschaften, 48⫺50. Ulaanbaatar: Universitätsdruckerei. Naranchimeg, Khalzkhuu 2008 Zu Fragen der Fremdsprachenpolitik in der Mongolei. In: Wissenschaftliche Publikationen der Universität für Geisteswissenschaften, 29⫺35. Ulaanbaatar: Universitätsdruckerei.
Khalzkhuu Naranchimeg, Ulaanbaatar (Mongolei)
214. Deutsch in den Niederlanden 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Rolle des Deutschen Träger des Deutschunterrichts und der Deutschlehreraus- und -fortbildung Entwicklungslinien, Chancen und Probleme Schwerpunkte in der Lehrerausbildung und Germanistik/Deutsch-Ausbildung Wichtige Schwerpunkte der Forschung Einschätzung von Fakten und Tendenzen, Anzahl von Lernenden und Lehrenden Literatur in Auswahl
1. Rolle des Deutschen Im niederländischen Bildungswesen spielt der Unterricht in fremden Sprachen seit Jahrhunderten eine wichtige Rolle. Während die altsprachlichen Gymnasien neben Griechisch und Latein moderne Fremdsprachen unterrichten, gehören an den allgemeinbildenden weiterführenden Schulen Englisch, Deutsch und Französisch zum Grundbestand des Stundenplans; allerdings steht seit Ende des vorigen Jahrhunderts die Verbindlichkeit der Fächer Deutsch und Französisch zunehmend zur Diskussion. Im Gegenzug werden die Fremdsprachen Spanisch, Italienisch, Türkisch, Arabisch und Russisch vermehrt angeboten. In Kürze das niederländische Bildungssystem: An eine achtjährige Grundschule (4- bis 11-Jährige) schließt sich die Sekundarbildung an: der vierjährige VMBO (vorbereitende mittlere Berufsausbildung; der VMBO ist wiederum in vier Niveaus unterteilt), der fünfjährige HAVO (höherer allgemeinbildender Ausbildungsgang; das HAVO-Zeugnis ist mit der deutschen Fachhochschulreife zu vergleichen) und der sechsjährige VWO (vor-universitärer Bildungsgang). Traditionell besuchten 40 % eines Schülerjahrganges den VWO/ HAVO und 60 % den VMBO; in den letzten Jahren hat sich dieses Verhältnis umgekehrt.
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
Auf die Sekundarbildung bauen folgende Ausbildungsgänge auf: der ein- bis vierjährige MBO, der vier- bis fünfjähriger HBO und die drei- bis fünfjährige Universiteit. Die Bildungsgänge sind horizontal durchlässig: Man kann (mit einem Jahr Zurückstufung) von dem VMBO in den HAVO, von dem HAVO in den VWO, von dem MBO in den HBO und von dem HBO in die Universiteit wechseln. Das Deutsche hat ⫺ neben dem Pflichtfach Englisch ⫺ im niederländischen Fremdsprachenunterricht eine prominente Rolle als typische zweite Fremdsprache. Seine Popularität und die Zahl der Deutschstudierenden nehmen ⫺ nach einem historischen Tiefpunkt zum Ende des 20. Jahrhunderts ⫺ wieder zu, insbesondere wegen der entscheidenden ökonomischen Beziehungen zu Deutschland (Ministerie van OCW 2009). Im Grenzbereich (u. a. in Nijmegen und Maastricht) gibt es Internationale Studiengänge auf Deutsch (nach einer Pressemitteilung von Edu-Con Strategic Education Consulting GmbH am 20. 01. 09 studieren 20.000 Deutsche in den Niederlanden), wie z. B. International Business Economics, Industrielles Produktdesign, Maschinenbau, Software Engineering, Sozialpädagogik, Physiotherapie. Deutsch ist in den Niederlanden auch wegen der Migration bedeutsam: Zu Anfang des 21. Jahrhunderts kamen 14 % der Migranten der 1. und 2. Generation aus Deutschland (NIDI 2003).
2. Träger des Deutschunterrichts und der Deutschlehreraus- und -ortbildung Neben den weiterführenden Schulen, die sich um die Entwicklung der allgemeinen Sprachfertigkeiten des Deutschen kümmern, ist der MBO (Mittlere Berufsausbildung), und zwar besonders in den Ausbildungsgängen der Wirtschaftssektoren, wichtiger Träger des Deutschunterrichts. Dazu wird Deutsch auch, jedoch mit geringerer Lernerzahl, an Hogescholen (HBO) und Universiteiten unterrichtet. An den Hogescholen wird Deutsch vorwiegend entweder auf Lehramt studiert oder in den Wirtschafts- und Managementstudiengängen gelernt; die Universiteiten bieten germanistische Studiengänge an. Für die Ausbildung der Deutschlehrenden sind neun Hogescholen und sechs Universiteiten zuständig. Verantwortlich für die Lehrerfortbildung sind: die ausbildenden Institutionen, die drei Pädagogischen Zentren des Landes, das der Universität Leiden angegliederte Expertisezentrum Fremdsprachen sowie das Landescurriculuminstitut in Enschede. Die Hogescholen bieten eine vierjährige Deutschlehrerausbildung (in einem Schulfach) an, deren Bachelor-Abschluss zum Unterrichten in der Sekundarstufe I aller Schultypen, in der Sekundarstufe II des VMBO und in den MBO-Ausbildungsgängen berechtigt; 2008 begannen landesweit 230 Studenten dieses Lehramtstudium (vgl. www.hbo-raad.nl). Immer mehr Hogescholen bieten Masterstudiengänge an, deren Abschlüsse zum Unterrichten in der Sekundarstufe II der Schultypen HAVO und VWO berechtigt. Das Lehramtstudium findet vorwiegend auf Deutsch statt und setzt Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 voraus; am Ende des Studiums auf Bachelor-Niveau soll das Niveau C1 erreicht sein. Das Lehramtstudium besteht aus einem allgemeinpädagogisch-didaktischen und einem fachspezifischen Teil; jedes Studienjahr soll ein Praktikum in einer weiterführenden Schule absolviert werden, und im sechsten Semester ist ein Auslandssemester an einer deutschsprachigen Hochschule obligatorisch.
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Die Universiteiten bieten dreijährige Bachelor- und ein- bis zweijährige Masterstudiengänge Deutsche Sprache und Kultur an; 2008 begannen landesweit ca. 100 Studenten dieses Studium (Commissie Cohen 2008). Das Fachstudium findet auf Deutsch statt, setzt Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 voraus, nimmt zwei Drittel des dreijährigen Bachelorprogramms ein und besteht zu 25 bis 30 % aus Seminaren zur Sprachfähigkeit (Endniveau rezeptiv C1/2; produktiv B2/C1), während 70 bis 75 % dem wissenschaftlichen Studium der Landeskunde, der Literatur- und der Sprachwissenschaft gewidmet sind; ein Auslandssemester an einer deutschsprachigen Hochschule ist obligatorisch. Das ein- bis zweijährige Masterstudium in der Germanistik erlaubt Spezialisierungen in der Sprach- und Literaturwissenschaft, der Mediävistik, der Übersetzungswissenschaft und interkulturellen Germanistik, der Sprachlehrforschung und der Niederlande-/Deutschlandstudien; auch zweijährige Forschungsmaster in der allgemeinen Sprach- und Literaturwissenschaft stehen Deutschstudenten offen. Studenten mit einem einjährigen Master in Deutsch können danach die einjährige universitäre Lehrerausbildung (ULO) absolvieren; der Abschluss dieser Ausbildung berechtigt zum Unterricht des Schulfaches Deutsch in der Sekundarstufe II. Die Universität Utrecht bietet Bachelorstudierenden außerdem einen zweijährigen Master Sprachunterricht, der Sprachlehrforschung mit Lehrerausbildung kombiniert; auch dieser Studiengang führt zur Lehrbefugnis Sekundarstufe II.
3. Entwicklungslinien, Chancen und Probleme Die Position des Deutschen in den Niederlanden lässt sich durch folgende Tendenzen charakterisieren: ⫺ Deutsch entwickelt sich Schritt für Schritt von einem obligatorischen zu einem fakultativen Schulfach. ⫺ Einer großen Zahl von bilingualen Schulen mit Englisch als Unterrichtssprache steht bisher nur eine Schule mit Deutsch gegenüber. ⫺ An den Hochschulen nimmt die Zahl der Deutschstudierenden wieder zu. Durch den geringen Lehrernachwuchs ist der Mangel an Deutschlehrern groß, und dies wird vermutlich trotz der wachsenden Studentenzahlen so bleiben. ⫺ Angesichts der weiter zunehmenden beruflichen Beziehungen mit deutschsprachigen Partnern steigt die Bedeutung der Beherrschung des Deutschen erheblich. ⫺ Die Hogescholen bieten vermehrt Studiengänge auf Deutsch für deutsche Muttersprachler an. Zurzeit wird die Lehreraus- und fortbildung in den Niederlanden grundlegend verändert. Bis 2007 bildeten die Universiteiten nur Lehrende für die Sekundarstufe II und die Hogescholen nur Lehrende für die Sekundarstufe I aus. Seitdem zerfließt diese deutliche Aufgabentrennung, denn beide bieten zurzeit Ausbildungsgänge und Fortbildungen für (zukünftige) Lehrende der Sekundarstufen I und II an. Zusätzlich hat das Ministerie van OCW seit einigen Jahren mehrere Programme zur Steigerung der Qualität und Quantität der Lehrenden ins Leben gerufen, wodurch z. B. die Forschung in den Hogescholen akzentuiert und in ihre curricularen Vorgaben integriert wird, während die Universiteiten vom Ministerium angespornt werden, ihre Bachelor-Abgänger in einem verkürzten Programm für die Sekundarstufe I auszubilden (Ministerie van OCW 2008b). Dazu soll ab
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
2009 landesweit jeder Berufsanfänger in der Sekundarstufe über die Kennisbasis (Wissensgrundlage) für sein Unterrichtsfach verfügen. Diese umfasst alle erforderlichen Kenntnisse, sowohl auf allgemeinpädagogischem und -didaktischem als auch auf schulfachspezifischem Gebiet. An der Entwicklung von gemeinsamen, landesweiten Abschlusstests wird gearbeitet. Für alle universitäre Lehrerausbildungen (ULO’s) formuliert die Interdisciplinaire Commissie Lerarenopleiding gültige Eingangsvoraussetzungen und Qualifikationsniveaus (vgl. www.universitairelerarenopleidingen.nl). Nach dem Beispiel der Registrierung anderer Berufsgruppen in Registern der zur Ausübung eines Berufs Berechtigten (z. B. der Ärzte) wird auf der Grundlage des Gesetzes BIO (Beroepen In het Onderwijs) eine Registrierung der Lehrberufe auf der Basis bestimmter professioneller Standards vorbereitet (De Graaff 2009). In dieser Situation profitiert der Beruf des Deutschlehrers von zwei allgemeinen Entwicklungen, die in den Niederlanden von einem wachsenden Konsens getragen werden: Die Wertschätzung des Lehrberufs muss ⫺ auch durch eine bessere Bezahlung ⫺ grundlegend verbessert werden (Ministerie van OCW 2008b); die professionellen Qualitäten und insbesondere die fachinhaltlichen und -didaktischen Kompetenzen jedes Fachlehrers müssen über jeden Zweifel erhaben sein (Ministerie van OCW 2008a). Damit kommt der Professionalisierung von Deutschlehrenden in Aus- und Fortbildung eine entscheidende Rolle zu. Trotz all dieser Bemühungen werden nach aller Wahrscheinlichkeit die Ausbildungen an den Hochschulen den Bedarf an Deutschlehrern (und auch an anderen Experten des Deutschen) nicht decken können. Damit hängt die Zukunft des Faches Deutsch an niederländischen Schulen und Hochschulen stark von der Immigration von Studenten und Fachleuten ab, die in deutschsprachigen Ländern studiert haben.
4. Schwerpunkte in der Lehrerausbildung und Germanistik/ Deutsch-Ausbildung 4.1. Lehrerausbildung Alle Lehrerausbildungen an den Hochschulen arbeiten mit den im Gesetz BIO (Beroepen In het Onderwijs) festgelegten sieben Fachkompetenzen, die auf den Lehrberuf SI und SII zugeschnitten sind (vgl. www.lerarenweb.nl). Es handelt sich um folgende Kompetenzen: 1. interpersonelle, 2. pädagogische, 3. fachinhaltliche und fachdidaktische, 4. organisatorische, 5. kollegiale, 6. in Zusammenarbeit mit der Umgebung, 7. in Reflexion und Entwicklung. Zur Sicherung des Niveaus beziehen sich die Abschlussprüfungen der Lehramtstudierenden sowohl auf diese sieben Fachkompetenzen als auch auf die sogenannten Dublin Descriptors für Bachelor- und Master-Abschlüsse (Inspectie van het Onderwijs 2008). Die neun Hogescholen haben 2008 die Kennisbasis, die vom Verband der Deutschlehrerausbilder (VLoD) entwickelt wurde, in ihr Curriculum integriert. Der allgemeinpädagogische und -didaktische Bereich der Kennisbasis besteht zusammengefasst aus Pädagogik und Psychologie für den Lehrberuf in der Sekundarstufe; der schulfachspezifische Bereich Deutsch beinhaltet in groben Zügen Lerntheorien, Fachdidaktik, Sprachfertigkeit, sprachwissenschaftliche Themen, Literatur, soziales und kulturelles Wissen. Ansons-
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ten hat jede Hogeschool im Curriculum Inhalte aufgenommen, die entweder charakteristisch für die einzelnen Hogescholen oder abhängig von personellen Besetzungen sind. Seit 2004 haben die Schulen eine bedeutendere Stelle in der Lehrerausbildung bekommen, denn sie tragen eine zunehmende Verantwortlichkeit in der Ausbildung der Lehramtstudierenden; diejenigen Schulen, die den Stempel Opleidingsschool bekommen haben, sind in Zusammenarbeit mit den Hochschulen zuständig für die Lehrerausbildung (vgl. www.deopleidingsschool.nl). Diese Verlagerung erfordert ein Überdenken des Curriculums, der Ausbildungsqualitätssicherung und der geteilten Verantwortung der Lehrerausbildungen und Schulen. In dieser Praxis des Opleiden in de School (Ausbildens in der Schule) sehen viele der Beteiligten, d. h. Lehrerausbildungen und Opleidingsscholen einen Mehrwert, denn durch diese Professionalisierung des Personals sowohl in der Schule als auch in den Lehrerausbildungen wird eine Brücke zwischen Theorie und Praxis geschlagen; Innovationen können schneller in der Praxis umgesetzt werden.
4.2. Germanistik/DaF-Ausbildung Alle sechs germanistischen Studiengänge weisen eine Bachelor-Master-Struktur auf. Die Bachelor-Studiengänge spiegeln die entsprechenden Ausbildungen deutschsprachiger Hochschulen, allerdings mit drei wichtigen Unterschieden: Niederländische Studiengänge sind Ein-Fach-Studien; 25 bis 30 % des Faches sind der Sprachfähigkeit gewidmet; angesichts der kleinen Studentenzahlen und des entsprechend sehr begrenzten wissenschaftlichen Personals bestehen kaum Wahlmöglichkeiten zwischen sprachwissenschaftlichen, literaturwissenschaftlichen, mediävistischen und landeskundlichen Seminaren mit alternativen Themen. Masterprogramme werden an allen sechs germanistischen Studiengänge angeboten; breitere Spezialisierungsmöglichkeiten sind vor allem dann gegeben, wenn man alle Programme des Landes zusammennimmt: germanistische Sprach- und Literaturwissenschaft, Mediävistik, Interkulturelle Germanistik, Übersetzungswissenschaft, Sprachlehrforschung, Niederlande-/Deutschlandstudien. Die Germanistiken in Amsterdam, Leiden und Utrecht verpflichten ihre Masterstudenten, ein Sechstel des Studiums an einer Partneruniversität zu absolvieren (vgl. http://cf.hum.uva.nl/vgnu). Die Germanistiken in Nijmegen und Utrecht haben mit deutschen Universitäten Verträge zum Doppelabschluss abgeschlossen, die ihren Studenten erlauben, zusätzlich zu den eigenen Abschlüssen Bachelor- und Master-Diplome deutscher Universitäten zu erlangen.
5. Wichtige Schwerpunkte der Forschung Seit einigen Jahren hat Forschung einen höheren Stellenwert in den Hogescholen. Dies zeigt sich in der verhältnismäßig großen Anzahl an sogenannten Lectoraten, die in den letzten Jahren eingerichtet wurden. Ein Lectoraat besteht aus einem Lector (einer Art Professor) und einem Kenniskring (d. h. einer zusammenhängenden Forschungsgruppe); gemeinsam führen sie praxisorientierte Forschung (practitioner research) durch, die un-
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terrichtsnah ist und einen Beitrag zu Unterrichtsaktivitäten, curricularen Erneuerung und zur Professionalisierung der Lehrenden leistet. Die germanistische Forschung an den Universiteiten ist ⫺ wie die anderer Disziplinen auch ⫺ in Forschungsinstituten unterschiedlicher Themen organisiert; die Forschungsschwerpunkte in der Germanistik sind stark von der personellen Besetzung der Institute sowie der Lehrstühle abhängig. Besondere Akzente werden in der Literaturwissenschaft auf die Literatur des Mittelalters, des 18. und 19. Jahrhunderts und der Moderne, auf die Theorie der literarischen Übersetzung und auf die Medienforschung, in der Sprachwissenschaft auf Grammatik, Soziolinguistik, Pragmatik und Sprachlehrforschung sowie auf Niederlande-/Deutschlandstudien gelegt.
6. Einschätzung von Fakten und Tendenzen, Anzahl von Lernenden und Lehrenden Deutsch ist in den Niederlanden die Sprache des großen Nachbarn mit entsprechender kultureller, gesellschaftlicher und ökonomischer Bedeutung, traditionell aber auch mit den Belastungen der nationalsozialistischen Besetzung im 2. Weltkrieg. In der Sekundarstufe ist Deutsch die klassische zweite Fremdsprache, die für HAVO- und VWO-Schüler zwei Jahre lang obligatorisch ist und danach von ca. 80 % dieser Schüler gewählt wird; durchschnittlich lernen ca. 30 % der VMBO-Schüler drei Jahre lang Deutsch. In der Aus- und Fortbildung von Deutschlehrern spielen neun Hogescholen eine zentrale Rolle; hier arbeiten insgesamt ca. 65 KollegInnen (zum Teil in Teilzeit). In den letzten Jahren steigt die Zahl der Lehramtstudenten Deutsch an, u. a. weil auch Deutsche sich vermehrt für dieses Studium immatrikulieren; zurzeit absolvieren pro Jahr ca. 100 Lehramtstudierenden (Voll- und Teilzeitstudium) (vgl. www.hbo-raad.nl) das Lehramtstudium Deutsch (Tendenz steigend). Sechs Universiteiten bieten Bachelor- und Masterstudiengänge der Germanistik an, die durchschnittlich von insgesamt 60 Studierenden pro Jahr absolviert werden. An den Master schließt die universitäre Lehrerausbildung an, die jährlich von ca. 25 Germanisten absolviert wird. An den acht germanistischen Lehrstühlen des Landes sowie in der universitären Lehrerausbildung arbeiten ca. 30 KollegInnen (zum Teil in Teilzeit). Deutsch ist in den Niederlanden ein kleines Fach, das sich um die Ausbildung von Experten auf hohem Niveau bemüht und dabei sprachlich wie wissenschaftlich der Nähe zu den deutschsprachigen Ländern und ihren wissenschaftlichen Einrichtungen eine zentrale Rolle einräumt. Dass voraussichtlich der Bedarf an Deutsch-Experten die Zahl der Absolventen weit übersteigt, bleibt eine Herausforderung für das Fach.
7. Literatur in Auswahl Commissie Cohen 2008 Duurzame Geesteswetenschappen. Amsterdam: Amsterdam University Press. De Graaff, Rick 2009 Professionele talendocenten in een meertalige Europese samenleving [Professionelle Sprachenlehrer in einer mehrsprachigen europäischen Gesellschaft]. In: Rick de Graaff und
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Dirk Tuin (Hg.), De Toekomst van het Talenonderwijs: Nodig? Anders? Beter? 295⫺296. Enschede: NaB-MVT & Utrecht: Universiteit Utrecht ⫺ IVLOS. Inspectie van het Onderwijs 2008a Monitor Beleidsagenda lerarenopleidingen 2005⫺2008 [Politische Agenda der Lehrerausbildungen 2005⫺2008]. Den Haag: Inspectie van het Onderwijs. Ministerie van OCW 2008b Krachtig Meesterschap ⫺ Kwaliteitsagenda voor het opleiden van leraren 2008⫺2011 [Qualitätsagenda für das Ausbilden von Lehrenden 2008⫺2011]. 1. Aufl. Den Haag: Ministerie van Onderwijs, Cultuur en Wetenschap. Ministerie van OCW 2008 Nota Werken in het Onderwijs 2009 [Nota Arbeiten im Bildungswesen]. 2. Aufl. Den Haag: Ministerie van Onderwijs, Cultuur en Wetenschap. Ministerie van OCW 2009 Parlamentsdokument vom 04. 03. 09: [http://www.minocw.nl/documenten/106136a.pdf] (Zugriff am 30. 12. 2009). NIDI (Nederlands Interdisciplinair Demografisch Instituut) 2003 Bevolkingsatlas van Nederland. Demografische ontwikkelingen van 1850 tot heden, 148⫺ 161. Rijswijk: Elmar.
Lisanne Klein Gunnewiek, Nimwegen (Niederlande) Wolfgang Herrlitz, Nimwegen (Niederlande)
215. Deutsch in Nigeria 1. 2. 3. 4.
Entwicklungslinien des Faches German in Nigeria Gegenwärtige Situation Probleme und Ausblick Literatur in Auswahl
1. Entwicklungslinien des Faches German in Nigeria Die Fremdsprache Deutsch gibt es formal in den Lehrplänen nigerianischer Schulen seit 1859, als die erste Sekundarschule von britischen Missionaren im heutigen Nigeria gegründet wurde (Omolewa 1984: 416). Da die frühen Missions- und Kolonialschulen englische Curricula direkt übernahmen, gelangten die modernen Sprachen Deutsch und Französisch sowie die klassischen Sprachen Griechisch und Latein in den Fächerkanon nigerianischer Sekundarschulen. Allerdings wurden weder die deutsche noch die französische Sprache von der britischen Kolonialregierung gefördert, so dass beide Sprachen faktisch nicht unterrichtet wurden. Erst in der Nachkriegszeit erfuhr im Gefolge der Gründung des University College Ibadan (1948) als eines der Colleges der University of London die deutsche Sprache in Nigeria bildungspolitische Anerkennung, indem dort seit Beginn der fünfziger Jahre ein deutscher Sprachkurs für Studierende der Naturwissenschaften angeboten wurde.
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
Die aufstrebende Bundesrepublik Deutschland hatte ein großes ökonomisches Interesse an Nigeria als potentiell größtem Absatzmarkt Afrikas, während die junge Republik Nigeria sich von dem übermächtigen britischen Einfluss auch auf sprachlicher Ebene befreien wollte. Deshalb entsandte der Deutsche Akademische Austauschdienst DAAD schon im nigerianischen Unabhängigkeitsjahr 1960 den ersten Lektor für deutsche Sprache und Literatur nach Nigeria, um einen Studiengang German an der Universität Ibadan aufzubauen und ein Interesse an deutscher Sprache, Literatur und Kultur zu stimulieren. Diese Bemühungen waren insofern erfolgreich, als an der Universität Ibadan 1967 der erste vollwertige vierjährige Bachelor of Arts (B.A.)- Studiengang mit German etabliert wurde, der sowohl einen Single Honours (nur German) und einen Combined Honours Studiengang beinhaltete (Feuser 1979: 27). 1968 wurde in Ibadan dem ersten Studenten in Nigeria überhaupt ein akademischer Grad verliehen, der das Fach German (als eine Komponente des Combined Honours) einschloss (Feuser 1992: 23). Seit 1968 wurde auch an der benachbarten Universität Ile-Ife ein DaF-Studiengang aufgebaut, der sich sehr eng am Ibadaner Curriculum orientierte. An der University of Nigeria in Nsukka bestand auch schon in den sechziger Jahren das Fach German als Wahlfach (Service Course), aber es wurde hier erst nach dem Ende des Biafra-Krieges als B.A.-Kurs aufgebaut (Ihekweazu 1984: 267). Die drei Universitäten in Ibadan, IleIfe und Nsukka bilden seither die Zentren des Faches German in Nigeria. In Nsukka wurde 1985 der erste Master of Arts (M.A.)-Studiengang German in Nigeria etabliert, der allerdings Anfang der 1990er Jahre eingestellt wurde; im Jahre 2007 wurde jedoch sowohl in Ile-Ife als auch in Nsukka wieder ein M.A.-Studiengang eingerichtet. Ein großes Problem stellte die Abschaffung des bis 1987 an den Universitäten Jena und Saarbrücken regelmäßig durchgeführten Year Abroad wegen der massiven Abwertung der nigerianischen Währung dar. Anfang der 1990er Jahre wurde als Ersatz ein Equivalent Year Abroad Programme eingerichtet, das seither am Goethe-Institut Lagos absolviert wird. Angesichts des schwindenden deutschen Interesses an DaF-Fördermaßnahmen in Nigeria wurde 1987 die Nigerian Association of Teachers of German (NATOG) gegründet mit der Zielsetzung, den Unterricht des Deutschen und entsprechende Forschungsaktivitäten in Nigeria zu koordinieren und auszubauen, insbesondere hinsichtlich einer vergleichenden Vorgehensweise zu einheimischen Sprachen und Kulturen, sowie Nachwuchsarbeit zu fördern. Seit 1989 hat NATOG regelmäßig Kongresse auf nationaler Ebene zu Themen und Problemen des universitären DaF-Unterrichts in Nigeria bzw. Afrika abhalten können. Damit ist der Anstoß zu einer fachlichen Diskussion über Fragen der Germanistik, seiner Methodik und Didaktik auf nationaler Ebene gegeben, die eine gewisse Eigendynamik entfalten und sich so von der Dominanz eurozentrischer Vorstellungen und Konzepte befreien oder zumindest lösen kann. Diese Tendenz konkretisierte sich u. a. in der Erstellung des „kritischen Lesebuch[s] für den Literaturunterricht an afrikanischen Universitäten“ Die fremden Werte (Benninghoff-Lühl et al. 1990) sowie dem seit 1992 unregelmäßig erscheinenden NATOG Journal. Trotz der langjährigen Präsenz des Faches German im tertiären Sektor ist es bislang nicht gelungen, das Fach Deutsch an Sekundarschulen zu etablieren, auch wenn das West African School Certificate, ein in den anglo- und frankophonen Ländern Westafrikas anerkannter Sekundarschulabschluss mit landesweit zentralisierten und international standardisierten Prüfungsfragen, Deutsch ausdrücklich als Prüfungsfach vorsieht. Von deutscher Seite wurde zuletzt in den 1980er Jahren ein explizites Interesse an einer Förderung der deutschen Sprache an nigerianischen Schulen bekundet. In der offi-
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ziellen auswärtigen Kulturpolitik der Bundesrepublik Deutschland rangierte Nigeria sogar neben Kenia als Kernland deutschen kulturellen Engagements im anglophonen Afrika: „Wichtige Partner der Bundesrepublik Deutschland in Afrika sind Nigeria und Kenia, in denen der Deutschunterricht verstärkt gefördert werden soll“ (Auswärtiges Amt 1985: 31). Diese programmatische Aussage wurde jedoch in Nigeria nicht in die Praxis umgesetzt, denn die deutsche Seite pochte auf nigerianische Vorleistungen, während sich die nigerianische Seite gänzlich desinteressiert zeigte (Witte 1996: 130⫺131). Zwar gab und gibt es vereinzelt Privatschulen, die Deutsch als Wahlfach anbieten, jedoch bislang ohne dauerhafte Basis.
2. Gegenwärtige Situation Gegenwärtig studieren etwa 170 Studenten German im Hauptfach des B.A.-Studiengangs an drei von insgesamt 37 nigerianischen Universitäten, nämlich in Ibadan, Ile-Ife und Nsukka, unterrichtet von 18 Lehrkräften. Weitere neun Universitäten bieten DaF als Wahlpflichtfach (Elective) an. An Sekundarschulen und Pädagogischen Hochschulen wird kein Deutschunterricht erteilt, jedoch veranstaltet das Goethe-Institut in Lagos Sprachkurse und betreut die Universitäten im Rahmen der Bildungskooperation. Der DAAD unterhält zwei Lektorate im Süden des Landes, in Ibadan und Ile-Ife; außerdem vergibt der DAAD seit 2007 jährlich drei Stipendien zum Besuch von Hochschulsommerkursen in Deutschland. Da es keinen schulischen Deutschunterricht in Nigeria gibt, liegt der Schwerpunkt der vierjährigen B.A.-Studiengänge German auf dem Sprachunterricht, während landeskundliche und literaturwissenschaftliche Kurse größtenteils auf Englisch unterrichtet werden. Eine komparatistisch-literaturwissenschaftliche Komponente, die sich auf die Modelle der Interkulturellen Germanistik sowie der Germanistik als Entwicklungswissenschaft stützt, ist allenfalls im letzten Studienjahr entfaltungsfähig. In den M.A.-Studiengängen (im Jahre 2009 insgesamt 9 Studierende) wird hauptsächlich komparatistisch vorgegangen, sei es linguistisch oder literaturwissenschaftlich-kulturell; eine in Bielefeld eingereichte Dissertation behandelt die Fehleranalyse von nigerianischen Deutschlernenden mit Igbo als Muttersprache (Uzuegbu 2003).
3. Probleme und Ausblick Obwohl das Fach German in den fast fünfzig Jahren seines Bestehens in Nigeria eine fruchtbare Eigendynamik entwickeln konnte, war gegen Ende des letzten Jahrhunderts eine Überlebensgarantie keineswegs gegeben, da die miserablen ökonomischen Rahmenbedingungen, die sprachpolitischen Prioritäten Nigerias sowie die Reduktion deutscher Fördermaßnahmen einen sehr negativen Einfluss auf das Fach und seine Akteure hatten. Das größte Problem des Faches German in Nigeria bestand von Beginn an in der außerordentlich hohen Fluktuation seiner Lehrkräfte bei gleichzeitiger extremer Abhängigkeit des Lehrangebotes von der Verfügbarkeit qualifizierter Lehrkräfte vor Ort. Seit der Jahrtausendwende ist jedoch zu beobachten, dass qualifizierte nigerianische Germanistinnen und Germanisten nach Nigeria zurückkehren, um als Dozenten zu ar-
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
beiten, was eine gewisse Stabilität des Faches für die Zukunft erwarten lässt. Insofern scheint sich die Krisensituation aufzulösen. Hoffnung macht zudem das nach wie vor starke studentische Interesse am Fach German. Wenn sich diese Stabilisierung, die das Fach seit der Jahrtausendwende erfahren hat, fortsetzen ließe, sind die Zukunftsaussichten des Faches German in Nigeria durchaus positiv zu bewerten. Zudem kann sich durch die neu geschaffenen M.A.-Studiengänge eine eigene Forschungstradition nigerianischer German Studies etablieren, die nicht nur sprach- und kulturvergleichend im Sinne eines bloßen Austausches von je kulturell Eigenem vorgeht, sondern ein intermediäres Feld etablieren kann, das sich im Austausch der Kulturen als Gebiet eines neuen Wissens herausbildet und erst danach wechselseitige Differenzidentifikation ermöglicht. Es bleibt allerdings ein Desiderat, dass Germanisten in Afrika ⫺ einschließlich der nigerianischen ⫺ stärker kooperieren, um dieses intermediäre Feld im Sinne einer genuin afrikanischen Germanistik ⫺ statt einer Germanistik in Afrika ⫺ zu etablieren (Witte 2003).
Danksagung Ich bin Ifeyinwa Ezeorah und Shaban Mayanja für ihre bereitwilligen und hilfreichen Auskünfte zu Dank verpflichtet.
4. Literatur in Auswahl Auswärtiges Amt (Hg.) 1985 Die Stellung der deutschen Sprache in der Welt. Bericht der Bundesregierung. Bonn: Bonner Universitäts-Buchdruckerei. Benninghoff-Lühl, Sibylle, Edith Ihekweazu, Eva Kammler, Christoph Ludszuweit und Arnd Witte 1990 Die fremden Werte. Ein kritisches Lesebuch für den Literaturunterricht an afrikanischen Universitäten. Band I: Lehrerhandbuch; Band II: Textbuch. Bonn: DAAD. Feuser, Willfried F. 1979 The Role of German Studies in West Africa. In: Willfried F. Feuser (Hg.), Twenty Years of German Study in Nigeria, 25⫺38. Port Harcourt: Uniport Press. Feuser, Willfried F. 1992 30 Years of Modern Language Teaching in Nigeria. In: Iroko. Journal of the Nigerian Association of Teachers of German 1: 14⫺26. Ihekweazu, Edith 1984 Länderbericht Nigeria. Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache, 10: 264⫺274. Omolewa, Michael A. 1984 French and German Languages in the Nigerian Secondary School Curriculum: 1859 ⫺ 1959. In: Pai Obanya (Hg.), Curriculum in Theory and Practice, 416⫺438. Ibadan: ERSC. Uzuegbu, Ifeyinwa 2003 Ich kann nicht warten, eine ,graduate‘ zu werden. Eine fehleranalytische Untersuchung schriftlicher Texte von Igbo Deutschlernenden mit Englisch als Zweitsprache. Frankfurt a. M.: Peter Lang. Witte, Arnd 1996 Fremdsprachenunterricht und Eigenkultur. Kulturgeprägte Bedingungen, kulturangemessene Unterrichtsmethoden und subjektive Lehrtheorien von DaF-Lehrkräften in Nigeria. München: iudicium.
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Witte, Arnd 2003 Germanistik und DaF in Afrika (Subsahara) ⫺ Geschichte, Bestandsaufnahme, Aussichten. Acta Germanica 30(31): 169⫺179.
Arnd Witte, Maynooth (Irland)
216. Deutsch in Norwegen 1. 2. 3. 4.
Deutschunterricht an norwegischen Schulen Deutsch an norwegischen Universitäten und Hochschulen Zur Forschung und Lehre an norwegischen Hochschulen und Universitäten Literatur in Auswahl
1. Deutschunterricht an norwegischen Schulen Deutsch ist im heutigen Norwegen eine der drei bedeutendsten 2. Fremdsprachen an den Schulen. Während alle norwegischen Schülerinnen und Schüler schon ab der 1. Klasse Englisch lernen, ist die 2. Fremdsprache ab der 8. Klasse allerdings weiterhin nur ein Wahlfach, d. h. dass das Erlernen einer 2. Fremdsprache nicht obligatorisch ist. Entscheidet sich der Schüler für eine 2. Fremdsprache, stehen an den meisten Schulen Kurse in den Sprachen Spanisch, Französisch und Deutsch für die Schüler bereit. Im Schuljahr 2007/2008 wählten ca. 33 % der Achtklässler Spanisch, 25 % Deutsch und 15 % Französisch. Die verbleibenden ca. 27 % des Jahrgangs entschieden sich gegen eine 2. Fremdsprache (www.fremmedspraksenteret.no). An kleineren Schulen auf dem Lande wird noch immer fast ausschließlich Deutsch als einzige 2. Fremdsprache angeboten, aber auch dort ändert sich mehr und mehr die Nachfrage. In den letzten Jahren hat sich die Nachfrage nach Spanisch stark erhöht, während das Interesse für Deutsch eher abgenommen hat. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass spanischsprachige Reiseziele in Europa und Südamerika bei vielen Norwegern für kürzere und längere Aufenthalte sehr beliebt geworden sind. Die deutsche Sprache und das deutschsprachige Ausland werden von norwegischen Jugendlichen dagegen oft als langweilig und wenig ansprechend aufgefasst (Andersen 2005; Gstöttner 2008; Hellekjær 2007; Kristensen 2005; Lindemann 2006; 2007a und b, 2008b und c). Die Schüler erhalten dann ab der 8. Klasse drei Jahre lang Unterricht in der von ihnen gewählten Sprache (8.⫺10. Klasse). Die Schülerinnen und Schüler, die daran anschließend einen Schultyp besuchen, der mit einer gymnasialen Oberstufe vergleichbar ist, müssen während dieser dreijährigen weiterführenden Ausbildung (11.⫺13. Klasse) eine weitere Fremdsprache neben Englisch erlernen. Dies kann eine bisher nicht gelernte, aber auch die eventuell bereits ab der 8. Klasse gelernte Sprache sein. Auch hier ist Deutsch wieder eine der Sprachen, die an den Schulen angeboten werden, jedoch ist auch auf dieser Altersstufe das Interesse an Deutsch in den letzten Jahren immer geringer geworden, da vor allem das Spanische die Schüler und Schülerinnen weit mehr zu interessieren scheint.
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
In den letzten Jahren wurden mehrere vielversprechende Schulprojekte mit dem so genannten „Frühen Start“ durchgeführt. Hierbei bekommen die Schülerinnen und Schüler bereits ab der 3. bzw. 5. Klasse Deutschunterricht. Außerdem gibt es erste Versuche mit CLILiG, d. h. deutschsprachigem Fachunterricht an norwegischen Berufsschulen und Grundschulen (Lindemann 2006 und 2009). Diese Maßnahmen sind jedoch noch nicht fest im Ausbildungssystem verankert.
2. Deutsch an norwegischen Universitäten und Hochschulen Auch an den Hochschulen und Universitäten geht das Interesse für Deutsch stetig zurück. Vor allem an den großen Universitäten in Oslo und Bergen mussten in den letzten Jahren starke Rückgänge bezüglich der Studentenzahlen verzeichnet werden. Während es noch in den 1990er Jahren Deutschstudiengänge auch an vielen kleineren Hochschulen gab, wird nun Deutsch als Studienfach nur noch an den über das ganze Land verteilten sechs Universitäten (Agder (Kristiansand), Bergen, Oslo, Stavanger, Tromsø und Trondheim), an der Norwegischen Wirtschaftsuniversität in Bergen und an den Hochschulen in Østfold (Südostnorwegen) und Volda (Nordwestnorwegen) angeboten. Sowohl an den Universitäten als auch an den Hochschulen sind die Studierendengruppen eher klein und erreichen nur selten mehr als 30 Teilnehmende (Lindemann 2008a). Es gibt Ausbildungsangebote auf Bachelor- und auf Masterniveau. Diese Angebote sind, von Studienort zu Studienort in unterschiedlicher Weise, in Kurse eingeteilt, die mit Leistungsnachweisen evaluiert und mit Studienpunkten belohnt werden. 60 Studienpunkte (ECTS credits) entsprechen einem einjährigen Vollzeitstudium und gelten normalerweise als Mindestqualifikation für eine spätere Lehrertätigkeit. In die meisten Bachelorstudiengänge können bis zu 90 Studienpunkte (ECTS credits) Deutsch eingebracht werden. An den Universitäten besteht auch die Möglichkeit, ein Masterstudium in Deutsch (entweder im Bereich der deutschen Sprach- oder Literaturwissenschaft) an ein Bachelorstudium anzuschließen. Die Ausbildungsangebote sind zumeist neutral gehalten und wenden sich an Studierende mit den unterschiedlichsten Berufswünschen. Jedoch lässt sich weiterhin festhalten, dass ein Großteil derjenigen, die ein mindestens einjähriges Deutschstudium auch mit Prüfungen abschließen, nach einer später folgenden pädagogischen Zusatzausbildung (pedagogisk seminar) im Schuldienst tätig wird. Darüber hinaus kombinieren die Studierenden ihr Deutschstudium mit anderen Studiengängen, beispielsweise einem Jurastudium oder einem Studium im Bereich der Wirtschaftswissenschaften oder Gesellschaftswissenschaften. Dabei kommt es auch häufig vor, dass die Studierenden nur einzelne Kurse besuchen und nicht das gesamte Kursprogramm des einjährigen Deutschstudiums (60 ECTS credits) absolvieren. Allerdings werden auch regelmäßig maßgeschneiderte Deutschprogramme (ebenfalls 60 ECTS credits) für zukünftige Deutschlehrende angeboten. Diese Kurse wenden sich meist an oft bereits unterrichtende Lehrkräfte, die eine Zusatzausbildung in Deutsch anstreben, um danach auch in diesem Fach unterrichten zu können. Damit die Lehrenden ein solches Studium neben der Lehrtätigkeit durchführen können, werden diese speziellen Studiengänge zumeist als zweijähriges Fernstudium angeboten. Diese Programme sind oftmals internetunterstützt, oder das gesamte Unterrichtsangebot findet im Internet
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statt (e-Learning-Angebote). In den letzten Jahren wurden auch mehrere solcher Studiengänge als nationale Kooperationsprojekte entwickelt und durchgeführt. An der Handelsuniversität Bergen kann ein eventuelles Deutschstudium in die dortigen wirtschaftswissenschaftlichen Studienprogramme integriert werden und ist inhaltlich auf diese Studien zugeschnitten. Außerdem werden an allen Institutionen noch zusätzlich deutschsprachige Kurse zu unterschiedlichsten Themen (10 oder 15 ECTS credits) angeboten, die in andere, nichtsprachliche Studienprogramme eingepasst werden können.
3. Zur Forschung und Lehre an norwegischen Hochschulen und Universitäten Die an den Universitäten und Hochschulen Lehrenden im Bereich Deutsch beschäftigen sich in ihrer Forschung mit vielen verschiedenen Gebieten. Dabei kann man sowohl auf Themengebiete der traditionellen Germanistik, d. h. der deutschen Sprach- und Literaturwissenschaft, stoßen als auch mehr und mehr auf Fragestellungen aus dem Forschungsgebiet Deutsch als Fremdsprache. Außerdem gibt es Forschungsprojekte, die eher im Bereich der allgemeinen Linguistik und der allgemeinen Literaturwissenschaft angesiedelt werden müssten. Zurzeit findet an den norwegischen Universitäten ein Generationenwechsel statt, da viele der langjährigen Professoren und Akademischen Räte das Rentenalter erreicht haben. Durch den Rückgang der Studierendenzahlen lässt sich die relativ häufig vorkommende Einsparung der Stellen erklären, die im Zuge von Pensionierungen frei werden. Dies traf und trifft noch immer vor allem die großen Universitäten Oslo, Bergen und Trondheim. An den einzelnen Institutionen kann deshalb zurzeit nur von einer personellen Minimalausstattung ausgegangen werden. Außerdem wurden an den Institutionen im letzten Jahrzehnt große strukturelle Veränderungen durchgeführt, die dazu geführt haben, dass die ursprünglichen Deutschen / Germanistischen Institute (Tysk institutt / Germanistisk institutt) in größere Einheiten integriert wurden und somit nicht mehr als eigenständige Bereiche bestehen. Oftmals arbeiten die Beschäftigten der ehemaligen Deutschen Institute jetzt sogar an verschiedenen neuen Instituten, und es besteht nur eine Zusammenarbeit bezüglich des Unterrichts für Deutschstudierende.
4. Literatur in Auswahl Andersen, Karen Steinsvik 2005 „Det var ikke sa˚ artig med tysk som jeg trodde“. [Es machte nicht so viel Spaß mit Deutsch, wie ich dachte.] Eine Studie zur Motivation bei norwegischen DaF-Anfängern. Masteraufgabe, Universität Tromsø. Gstöttner, Anna ˚ rsaker, konsekvenser 2008 „Jeg gidder ikke a˚ lære tysk“. Interessen for tysk ga˚r ned i Norge ⫺ A og tiltak. [„Ich habe keine Lust, Deutsch zu lernen“. Das Interesse für Deutsch wird gerin-
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
ger in Norwegen ⫺ Ursachen, Konsequenzen und Maßnahmen.] Magisterarbeit, Universität Erlangen-Nürnberg. Hellekjær, Glenn Ole 2007 Fremmedspra˚k i norsk næringsliv ⫺ engelsk er ikke nok! [Fremdsprachen in der norwegischen Wirtschaft ⫺ Englisch ist nicht genug!] Fokus pa˚ spra˚k 3/2007. Halden: Fremmedspra˚ksenteret (gesamte Publikation). Kristensen, Inger 2005 Die Latinowelle. Warum wählen so viele Schüler Spanisch statt Deutsch? In: Beate Lindemann (Hg.), ISIS 4, Elevenes spra˚k ⫺ elevenes tekster, 91⫺96. Universität Tromsø. Lindemann, Beate 2006 CLILiG in Norwegen ⫺ Situationsbeschreibung per 1. 1. 2006. www.opeko.fi/clilig. Lindemann, Beate 2007a Motiviert für Deutsch? Eine qualitative Studie zum Anfängerunterricht DaF in Norwegen. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 12(1): 1⫺21. Lindemann, Beate 2007b Er norske ungdomsskoleelever motiverte til a˚ lære 2. fremmedspra˚k? [Sind norwegische Schüler der ungdomsskole motivert, eine 2. Fremdsprache zu lernen?] Spra˚k og spra˚kundervisning 2007 (1): 22⫺27. Lindemann, Beate 2008a Zur Entwicklung des Faches Deutsch an norwegischen Universitäten und Hochschulen. In: John Ole Askedal, Burkhard Issel und Otto Erlend Nordgreen (Hg.), Deutsch in Norwegen, 105⫺118. Frankfurt a. M.: Lang. Lindemann, Beate 2008b Læring av fremmdspra˚k og motivasjon for spra˚klæring etter innføring av Kunnskapsløftet. [Das Erlernen von Fremdsprachen und die Motivation für das Sprachenlernen nach Einführung der Reform Kunnskapsløftet.] Fokus pa˚ spra˚k 11/2008. Halden: Fremmedspra˚ksenteret (gesamte Publikation). Lindemann, Beate 2008c Motivasjon i spra˚klæringen ⫺ Noen tanker omkring spra˚kvalg og god spra˚kundervisning sett fra elevenes og lærernes sta˚sted. [Motivation beim Sprachenlernen ⫺ Einige Gedanken zur Sprachenwahl und zu gutem Sprachunterricht vonseiten der Schüler und Lehrer]. Spra˚k og spra˚kundervisning 2008 (1): 19⫺24. Lindemann, Beate 2009 Möglichkeiten und Grenzen für deutschsprachigen Fachunterricht (CLILiG) in skandinavischen Ländern am Beispiel Norwegen. Fremdsprache Deutsch 2009 (40): 14⫺18.
Beate Lindemann, Tromsø (Norwegen)
217. Deutsch in Polen
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217. Deutsch in Polen 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Zum Status des Deutschen in Polen Überblick über den institutionellen Zustand der polnischen Germanistik Zur Gliederung der Germanistik in Polen aus der Sicht ihrer Forschung Spezifische Aspekte der polnischen Germanistik Derzeitige Probleme ⫺ künftige Chancen des Faches Literatur in Auswahl
1. Zum Status des Deutschen in Polen Während des 17. und der ersten Hälfte des 18. Jh. hat Deutsch in Polen den Status einer hoch geschätzten Sprache errungen. Geschwächt wurde seine Position in diesem Land zum ersten Mal gegen Ende des 18. Jh. infolge der Beteiligung Preußens und Österreichs an der Teilung Polens und dann durch die repressive Sprachpolitik, die Preußen um die Wende vom 19. zum 20. Jh. führte. Einen Zusammenbruch der traditionell positiven Einstellung der Polen zu der deutschen Sprache bewirkte das Verhalten der Deutschen gegenüber den Polen während des Zweiten Weltkrieges. Man glaubte damals, es würden viele Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte, vergehen müssen, bis die Abneigung der Polen gegenüber dem Deutschen wenigstens soweit abgebaut sei, dass man es wieder in polnischen Schulen unterrichten könne. Es kam aber anders: Mancherorts konnte der Deutschunterricht schon 1945 aktiviert werden, nach 1956 wurde er nach und nach nicht nur zu einem geduldeten, sondern wieder zu einem gewünschten Unterrichtsfach. Jedenfalls hatte Deutsch in Polen schon lange vor der Wende von 1989 einen überaus bedeutenden Stellenwert ⫺ sowohl im schulischen als auch im außerschulischen Bereich, und nicht zuletzt auch in den Hochschulen ⫺ gewonnen. In den zwei letzten Jahrzehnten hat sich Deutsch landesweit als die nach Englisch am meisten gewählte Fremdsprache etabliert. Es wird gegenwärtig auf allen Ebenen des polnischen Schulsystems wie auch in einer Vielzahl von außerschulischen Einrichtungen angeboten. Der letzte im Juli 2008 von der polnischen Zentralstelle für Lehrerweiterbildung (CODN) veröffentlichte Bericht über den Fremdsprachenunterricht in Polen ergab, dass der Deutschunterricht in den Jahren 1996⫺2000 stark anstieg. 2004 lernten etwas mehr als 2,7 Millionen Schüler Deutsch. Die Jahre 2005⫺2008 brachten leider einen leichten Rückgang dieser Zahl. Jetzt sind es ungefähr 2,5 Millionen, oder anders gefasst knapp 42 % aller polnischen Schüler, die Deutsch im obligatorischen bzw. fakultativen Sprachunterricht lernen. Stark differenziert ist jedoch die territoriale Verteilung der Deutschlernenden: Deutsch wird naturgemäß am häufigsten in den westlichen Gebieten Polens, insbesondere an der polnisch-deutschen Grenze, gewählt. In den Sprachlehrerkollegs lernen nicht nur die Studenten, die DaF-Lehrer werden wollen, Deutsch, sondern auch jene, die zu Englischlehrern ausgebildet werden. Mit einem ähnlichen Sachverhalt haben wir es in den philologischen Fakultäten polnischer Hochschulen zu tun. Auch hier werden Deutschkurse nicht nur von Germanistik-, sondern auch von Anglistik-, Romanistik- und Russistik-Studenten sowie von Studierenden anderer philologischer Fächer intensiv besucht. An den polnischen Sprachlehrerkollegs studieren zur Zeit ungefähr 2500 Deutschlehrer- und etwa drei Mal so viel Englischlehrer-Kandidaten. Insgesamt lernen also an ihnen etwa 10.000 junge Polen Deutsch. An
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
den Hochschulen lernen zur Zeit ebenfalls 10.000 Studenten der Germanistik und etwas mehr als 132.000 Studierende anderer philologischer und nicht-philologischer Fächer Deutsch. Insgesamt lernen demzufolge etwa 150.000 junge Polen in den Sprachlehrerkollegs und polnischen Hochschulen Deutsch. Der außerschulische Deutschunterricht in Polen wurde bislang von niemandem zahlenmäßig erfasst. Fest steht nur, dass insbesondere nach der Wende 1989 das Interesse an Deutsch auch in diesem Bereich stark zugenommen hat und dass infolgedessen die Zahl der kommerziellen Sprachschulen rapide angestiegen ist. Die Zahl der Deutschlernenden lässt sich mit schätzungsweise 700.000 beziffern. Deutsch lernen also zur Zeit insgesamt etwas mehr als 3,5 Millionen Polen, d. h. etwa 9,5 % aller Polen. Keine Frage, das ist immer noch eine stolze Zahl, wenn auch zu bedenken ist, dass sie in knapp 10 Jahren um eine halbe Million gefallen ist.
2. Überblick über den institutionellen Zustand der polnischen Germanistik Gleich nach dem Kriegsende begann man in Polen auch die Germanistik wieder auf-, ja sogar auszubauen. Schon 1945 wurde entschieden, nicht nur ihre alten Standorte in Krako´w (Krakau) und Poznan´ (Posen) wiederzubeleben, sonder zwei neue in Wrocław (Breslau) und Torun´ (Thorn) einzurichten. Kurz danach wurde auch an der Katholischen Universität zu Lublin der germanistische Betrieb aufgenommen. Diese Gründerleistung der Polen wirkt um so bemerkenswerter, als die Vorkriegskapazität sowie -ausstattung der polnischen Germanistik während und infolge des Krieges weitgehend vernichtet wurde bzw. verloren ging. Leider wurde dieser Aufbau wenige Jahre später weitgehend rückgängig gemacht ⫺ und zwar infolge politisch-ideologischer Entscheidungen, die durch den sog. kalten Krieg hervorgerufen wurden. Zwischen 1949 und 1952 wurden im Zuge einer von oben angeordneten Reduzierung aller „West-Philologien“ die Standorte der polnischen Germanistik in Thorn, Warschau, Lublin und Krakau aufgelöst bzw. stillgelegt. Lediglich die Lehrstühle in Poznan´ (Posen) und Wrocław (Breslau) durften ihre Aktivitäten fortsetzen, allerdings in einem stark limitierten Maße. Nach 1956 hat sich die Situation der polnischen Germanistik positiv geändert. Seitdem entwickelt sie sich bis in die Gegenwart ungehemmt. Besonders fruchtbar waren trotz personeller Engpässe die 1960er und 1970er Jahre. 1960 wurde die Germanistik in Warschau wiederbelebt und 1964 neu in Ło´dz´ eingerichtet; 1965 wurde der Lehrstuhl in Krakau und 1968 der in Torun´ wieder aktiviert. Die 1970er Jahre bescherten der polnischen Germanistik eine Reihe von weiteren Neugründungen: 1974 in Katowice (Kattowitz) und Lublin (staatliche Universität), 1975 in Rzeszo´w, 1979 in Zielona Go´ra (Grünberg), Gdan´sk (Danzig) und Opole (Oppeln). Nach der Wende kamen einige weitere Standorte hinzu: 1983 in Lublin (katholische Universität), 1991 in Bydgoszcz (Bromberg), 1992 in Szczecin (Stettin) und 1996 in Olsztyn (Allenstein). Außerdem wurden 1996 an den Pädagogischen Hochschulen (jetzt Akademien) in Słupsk (Stolp) und Cze˛stochowa (Tschenstochau) und nach 1995 an mehreren privaten Hochschulen germanistische Aktivitäten, jedoch in der Regel nur angewandter Art, aufgenommen. Eine Art angewandter Germanistik wird auch in den erwähnten Sprachlehrerkollegs betrieben. Ihre Hauptaufgabe, die ihnen zu Beginn der 1990er Jahre in die Wiege gelegt wurde, ist es, Lehrer für den Englisch- und Deutschunterricht auszubilden. Allein für Deutsch exis-
217. Deutsch in Polen
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tieren derzeit 62 Kollegs. Das Studium beträgt drei Jahre (BA-Diplom). Nach Ablauf dieser Zeit besteht die Möglichkeit, an einer Hochschule den Magisterabschluss zu erwerben.
3. Zur Gliederung der Germanistik in Polen aus der Sicht ihrer Forschung Die ersten Professoren, die Mitte des 19. Jh. auf die damals auf polnischem Gebiet gegründeten germanistischen Lehrstühle berufen wurden, interessierten sich wissenschaftlich fast ausschließlich für die Geschichte der deutschen Literatur, obwohl sie in der Lehre die gesamte thematische Bandbreite des Faches Germanistik abzudecken hatten. Doch schon zu Beginn des 20. Jh. traten in Polen Germanisten in Erscheinung, die sich vor allem der Sprachwissenschaft verschrieben hatten und Deutsch im Zusammenhang mit Polnisch zu behandeln versuchten. Auch bei den vor allem an der Literatur interessierten Germanisten nahm schon zu jener Zeit das Interesse zu, in ihrer Forschung und Lehre vergleichende (kontrastive) Gesichtspunkte einzusetzen. Eine erste institutionelle Etablierung der sprachwissenschaftlichen Germanistik und damit zugleich eine formale Gliederung der Germanistik in eine Sprach- und eine Literaturwissenschaft wurde in Polen 1952 vollzogen, als in Poznan´ neben einem Lehrstuhl für germanistische Literaturwissenschaft ein eigenständiger Lehrstuhl für germanistische Sprachwissenschaft ins Leben gerufen wurde. Seit 1957 sind in Polen nur noch in Sprach- und Literaturwissenschaft getrennte ⫺ und damit keine gesamtphilologischen ⫺ Promotionen und Habilitationen möglich. Zu einer Ausweitung des traditionellen Gegenstandsbereichs der polnischen Germanistik kam es infolge der nach 1956 unternommenen Bemühungen, die Studienprogramme gezielt den Bedürfnissen einer modernen Deutschlehrerausbildung anzupassen. Das Novum der reformierten Programme bestand in ihrer Erweiterung um sprachpraktische, pädagogisch-methodische und gegenwartsbezogene sprach- und literaturwissenschaftliche Komponenten und einer gleichzeitigen Reduzierung ihrer traditionellen, historisch ausgerichteten Anteile. Die intensive Auseinandersetzung polnischer Germanisten mit dem Bereich sprachpraktischer Unterricht und der Komponente pädagogisch-methodische Ausbildung führte letztendlich zur Begründung nicht nur einer germanistischen, sondern auch einer allgemeinen Glottodidaktik. Schon Ende der 60er Jahren des vorigen Jh. wurde sie neben der Sprach- und der Literaturwissenschaft zur dritten Säule aller neuphilologischen Fächer. Etwas später hat sich auch die germanistische Landes- und Kulturkunde zu einem relativ selbständigen Forschungs- und Lehrzweig entwickelt. Während der 1980er Jahre ist sie zu einer vierten tragenden Säulen des Faches geworden. Inzwischen hat auch die germanistische Translatorik (Übersetzungswissenschaft und -didaktik) diesen Status erreicht, und zwar infolge einer nach 1990 ständig wachsenden Nachfrage nach professionell ausgebildeten Übersetzern und Dolmetschern (vgl. Grucza 2008).
4. Speziische Aspekte der polnischen Germanistik Spätestens 1956 begann sich die polnische Germanistik intensiver mit der Frage auseinanderzusetzen, was zu unternehmen sei, um (a) negative Einstellungen der Polen zum Deutschen abzubauen, (b) bei jungen Polen Interesse am Deutschlernen sowie (c) am
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Germanistik-Studium zu wecken bzw. es zu intensivieren. Recht schnell haben die damaligen Vertreter der Germanistik in Polen eingesehen und Einigkeit darüber erzielt, dass sich diese Ziele nur erreichen lassen, wenn man nicht nur die schon vor dem Krieg in das Programm des Faches aufgenommene vergleichende Perspektive zu einem Grundstein des Faches ausbaut, sondern darüber hinaus versucht, bei der Gestaltung seiner Lehr- und Forschungsaufgaben die Spezifik sowie die Bedürfnisse ihrer (polnischen) Umwelt und damit auch die künftigen beruflichen Aufgaben der Studierenden systematisch zu berücksichtigen. Infolge dieser Einsichten begann sich die polnische Germanistik zunächst in ein Fach „mit einer doppelten Nabelschnur“ (vgl. Orłowski 1987) und dann in eine wirkliche Auslandsgermanistik (vgl. Grucza 2006) zu verwandeln (vgl. auch Art. 3). Infolge dieses Wandlungsprozesses wurden nach und nach sowohl die Lehr- als auch Forschungstätigkeit der polnischen Germanistik neu definiert. Ihre derzeitige Lehr-Spezifik besteht darin, dass sie (a) sich ausdrücklich als ein Fach präsentiert, das nicht Philologen, sondern in erster Linie DaF-Lehrer und/oder Übersetzer/Dolmetscher ausbildet; (b) außer rein germanistischen auch solche Veranstaltungen bietet, in denen Faktoren des Berufes ihrer Absolventen sowie Faktoren der Umwelt, in der sie diesen ausüben werden, behandelt bzw. geübt werden. Die Forschungsspezifik der polnischen Germanistik besteht darin, dass sie sich nicht bloß mit sprach-, literatur- und kulturbezogenen, sondern auch mit Fragen auseinandersetzt, die den jeweiligen Beruf und/oder die Umwelt betreffen. Infolge einer systematischen Analyse germanistischer Berufe wurden zunächst die Glottodidaktik und dann auch die Translatorik im Sinne eines forschenden Teilbereiches des Faches gegründet. Die Forschungsspezifik der polnischen (Auslands-)Germanistik besteht aber auch in der Thematisierung des sog. Deutsch-vor-Ort, das sich in vielen Fällen weder als eine „echte“ Mutter-, noch als eine Fremdsprache auffassen lässt, weshalb sie in toto schwerlich mit einer „fremdsprachlichen“ Germanistik gleichgesetzt werden kann. Außerdem unterscheidet sie sich (wie jede echte Auslandsgermanistik) von der Binnengermanistik auch dadurch, dass sie in ihrer Lehre und Forschung systematisch versucht, zum Abbau bestehender deutsch-polnischer sprachlich-kommunikativer Barrieren (etwa Vorurteile und sonstige Stereotype) und zum Schlagen verbindender Brücken sowie Wissenstransfer in beide Richtungen beizutragen. Und nicht zuletzt besteht ihre Spezifik auch darin, dass sie es mit (vorsichtig ausgedrückt) „anderen“ Studenten zu tun und innerhalb eines anderen sprachlich-kulturellen Kontextes zu wirken hat. Eine Lehr-Eigenart der polnischen Germanistik bilden auch die sprachpraktischen Komponenten ihrer Studienpläne, die darin bestehen, festgestellte sprachpraktische Defizite der Abiturienten zu kompensieren.
5. Derzeitige Probleme küntige Chancen des Faches Wie sich die polnische Germanistik in den kommenden Jahren entwickeln wird, hängt sowohl von der Gesamtentwicklung des Landes als auch davon ab, ob bzw. inwiefern es ihr gelingt, einen „sicheren“ Weg einzuschlagen. Zu den ihre Existenz von außen bedrohenden Faktoren gehört zum einen die Tatsache, dass begabte junge Menschen in Polen zurzeit wegen der schlechten Besoldung generell schwer für eine wissenschaftliche Laufbahn zu begeistern sind. Zwar war die Entlohnung von Akademikern auch vor der Wende sehr bescheiden, doch damals konnte man auch woanders nicht viel mehr verdie-
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nen. Jetzt können Absolventen der Germanistik außerhalb der Hochschulen besser besoldete Stellen finden. Zum anderen wird ihre Existenz durch den bereits angesprochenen Rückgang des Interesses an der deutschen Sprache unter den jungen Polen gefährdet. Die wichtigste interne Bedrohung für die Zukunft sehe ich darin, dass die Zahl der Befürworter einer Re-Philologisierung und Rückwandlung des Faches in eine Art Binnengermanistik immer noch „ausbaufähig“ ist: sollten sie die Oberhand gewinnen, dann wird das Fach wieder Philologen oder bestenfalls Lehrer für den Unterricht des Deutschen als Muttersprache ausbilden, für die es in Polen aus selbstverständlichen Gründen kaum Arbeitsstellen gibt. Lehrer für den Unterricht des Deutschen als Fremdsprache, Übersetzer, geschweige denn Dolmetscher professionell auszubilden wird eine solche Germanistik nicht in der Lage sein. Ihre an der Glottodidaktik bzw. Translatorik interessierten Mitglieder werden aus den re-philologisierten germanistischen Instituten auswandern (müssen). Stark schrumpfen werden dann auch die derzeitigen sprach- sowie literaturwissenschaftlichen Teilbereiche des Faches: verlassen werden sie ihre an soziologischen, philosophischen oder psychologischen und weniger an rein philologischen Themen interessierten Mitglieder. Wie jede andere Auslandsgermanistik wird auch die polnische Germanistik ihre derzeitige Position halten und vielleicht sogar stärken können, wenn sie beim Aufbau ihrer Lehr- und Forschungsprogramme die Tatsache beachtet, dass sie in einem Land zu wirken hat, in dem sie vor allem von der Leistung des Deutschunterrichts an den Schulen des Landes abhängig ist; dass sie deshalb, im Gegensatz zur Inlandsgermanistik, den praktischen Deutschunterricht im Sinne einer „konstitutiven“ Aufgabe des Faches zu behandeln und dafür zu sorgen hat, dass er brauchbare Ergebnisse zeitigt; dass sie den Schulen Lehrer des Deutschen als Fremdsprache zur Verfügung stellt, die die deutsche Sprache und Kultur genügend beherrschen und über eine entsprechende fachbezogene kognitive und praktische (glottodidaktische) Kompetenz verfügen; dass sie die als Philologen ausgebildeten Absolventen auch nicht unter dem Etikett „Übersetzer“ oder „Dolmetscher“ anbieten darf, da die Übersetzer- und Dolmetscherausbildung heute ein ebenso anspruchsvolles Unterfangen wie die Ausbildung von Deutschlehrern ist ⫺ dass jede von diesen Ausbildungen anders zu gestalten ist und anderer Fachleute benötigt; dass sie sich als ein akademisches Fach darum bemühen muss, die Gestaltung und Realisierung all ihrer Ausbildungsprogramme wissenschaftlich zu fundieren und zu Gegenständen einer systematischen Forschung zu machen hat und sich nicht von vorneherein auf Sprach- und Literaturwissenschaft einschränken darf. Längerfristig würde es der polnischen Germanistik auf jeden Fall mehr schaden als Vorteile bescheren, wenn sich das Fach von solchen Aufgaben wie der Ausbildung von DaF-Lehrern und/oder von Übersetzern bzw. Dolmetschern distanzierte. Vielmehr sollten sich seine Vertreter darum bemühen, die sich mit diesen Aufgaben beschäftigenden Teilbereiche des Faches zu stärken, die Fortbildung von Deutschlehrern sowie von Übersetzern und Dolmetschern zu einer von ihren Hauptaufgaben zu machen und beide Bereiche mit besseren Arbeitsmitteln als bisher auszustatten.
6. Literatur in Auswahl Cies´la, Michał 1974 Dzieje nauki je˛zyko´w obcych w zarysie [Abriss der Geschichte des Fremdsprachenunterrichts]. Warszawa: PWN.
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Bericht der CODN vom Juli 2008: http://bc.codn.edu.pl/dlibra/docmetadata?id⫽64 (Zugriff am 3. 10. 2009). Grucza, Franciszek, Hans-Jürgen Krumm und Barbara Grucza 1993 Beiträge zur wissenschaftlichen Fundierung der Ausbildung von Fremdsprachenlehrern. Warszawa: Wydawnictwa Uniwersytetu Warszawskiego. Grucza, Franciszek (Hg.) 1998 Deutsch und Auslandsgermanistik in Mitteleuropa: Geschichte ⫺ Stand ⫺ Ausblicke. Warszawa: Graf-Punkt. Grucza, Franciszek 2006 In- und Auslandsgermanistik: Zur Notwendigkeit ihrer Unterscheidung. Deutsch als Fremdsprache 4: 195⫺207. Grucza, Franciszek, (Hg.) 2008 Translatorik in Forschung und Lehre der Germanistik. Beiträge der Jahrestagung und internationalen wissenschaftlichen Konferenz des Verbandes Polnischer Germanisten. Warszawa: Euro-Edukacja. König, Christoph (Hg.) 1995 Germanistik in Mittel- und Osteuropa 1945⫺1992. Berlin: De Gruyter. Kuczyn´ski, Krzysztof A. (Hg.) 1991 Z dziejo´w germanistyki historycznoliterackiej w Polsce. [Zur Geschichte der historisch-literarischen Germanistik in Polen]. Ło´dz´: Wydawnictwo Uniwersytetu Ło´dzkiego. Marciniak, Graz˙yna, u. a., 2009 Szkoły wyz˙sze i ich finanase w 2008 r. [Higher Education institutions and their finances in 2008]. Warszawa: Gło´wny Urza˛d Statystyczny. Orłowski, Hubert 1987 Die doppelte Nabelschnur fremdsprachlicher Germanistik. In: Alois Wierlacher (Hg.), Perspektiven und Verfahren interkultureller Germanistik, 113⫺124. München: iudicium. Zawadzka, Elz˙bieta 2004 Nauczyciele je˛zyko´w obcych w dobie przemian. [Die Fremdsprahenlehrer in der Zeit der Transformation]. Krako´w: Oficyna Wydawnicza „Impuls”. Z˙ygulski, Zdzisław 1991 Sto lat filologii german´skiej w Polsce (1870⫺1970) [Hundert Jahre der germanischen Philologie in Polen (1870⫺1970)]. In: Krzysztof A. Kuczyn´ski (Hg.), Z dziejo´w germanistyki historycznoliterackiej w Polsce, [Zur Geschichte der historisch-literarischen Germanistik in Polen], 7⫺26. Ło´dz´: Wydawnictwo Uniwersytetu Ło´dzkiego.
Franciszek Grucza, Warschau (Polen)
218. Deutsch in Portugal
1767
218. Deutsch in Portugal 1. 2. 3. 4. 5.
Einleitung Situation in der Lehre Bestandsaufnahme in der Forschung Schlussbemerkung Literatur in Auswahl
1. Einleitung Deutsch als Fremdsprache ist in Portugal vom Studium der Germanistik nicht zu trennen, das auf eine fast hundertjährige Geschichte zurückblicken kann ⫺ die ersten germanistischen Lehrstühle wurden schon 1912 an der Universität Coimbra und 1913 an der Universität Lissabon gegründet. Ab Anfang der 1970er Jahre, mit der Gründung neuer Universitäten bzw. mit der Erweiterung des bestehenden Angebotes, ist die Zahl der Universitäten mit germanistischen Studiengängen deutlich gestiegen. 1998 gab es an den portugiesischen Universitäten zwölf germanistische Fachbereiche mit insgesamt 3.215 StudentInnen (Dreischer 2001: 1524). In den letzten zehn Jahren haben an den Schulen und Hochschulen zum Teil recht drastische Umwälzungen stattgefunden, so dass sich eine vollkommen veränderte Landschaft im Rahmen schwieriger gewordener institutioneller Bedingungen darstellt. Sie wird einerseits durch einen merklichen Rückgang der Studentenzahlen, andererseits durch neue Ausrichtungen in Forschung und Lehre charakterisiert.
2. Situation in der Lehre Im portugiesischen Schulsystem ist die Lage des Deutschen als Fremdsprache zur Zeit schwierig: neben der ersten Fremdsprache Englisch müssen die Schüler eine zweite Fremdsprache lernen, diese ist aber nur von der 7. bis zur 9. Klasse obligatorisch. Die Wahl einer weiteren, dritten Fremdsprache, die bis zur Schulreform vor 2 Jahren in der Fachrichtung „Humanwissenschaften“ der Sekundarstufe noch Pflicht war, ist inzwischen nur noch eine Optionsmöglichkeit unter anderen. Das Angebot von Deutsch an den Schulen geht dementsprechend merklich zurück; dadurch (von dem prononcierten demographischen Schwund noch verstärkt) wird die Rekrutierungsbasis der Hochschulgermanistik immer schmaler. Als Folge davon sind sämtliche germanistische Fachbereiche seit wenigen Jahren dazu übergegangen, auch Bewerber ohne vorherige Deutschkenntnisse anzunehmen, was notwendigerweise schwerwiegende inhaltliche und methodische Konsequenzen mit sich bringt. Traditionell erfolgte das germanistische Studium in Portugal im Rahmen von Studiengängen, die Deutsch mit einer anderen Sprache (in der Regel Portugiesisch, Französisch oder, mehrheitlich, Englisch) als gleichwertiges Nebenfach kombinierten und die in erster Linie auf die Ausbildung von Sprachlehrerinnen und -lehrern ausgerichtet waren. Da die Nachfrage nach Lehrkräften an den Schulen zur Zeit praktisch nicht vorhanden ist, ist
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die Zahl der Lehramtsstudierenden in den letzten Jahren drastisch zurückgegangen. Die Hochschulgermanistik orientiert sich dementsprechend weg von der Lehrerausbildung, da das bestehende Angebot (nach den Bologna-Reformen im Rahmen eigener Masterstudiengängen) nur noch wenig wahrgenommen wird (nach den neuesten Schätzungen im Sommersemester 2009 gibt es derzeit nur ca. 20 Deutschreferendare in Portugal). Im Zuge der Umstrukturierung im Zusammenhang des Bologna-Prozesses haben die germanistischen Fachbereiche aktiv an einer Curriculums-Reform teilgenommen, welche, von der Definierung von Schlüsselkompetenzen und einer in der Regel flexibleren Auffassung der Gestaltung der Studienpläne ausgehend, darauf hinauslief, neue Möglichkeiten der Mitwirkung des Faches an einem breiteren Spektrum von Studiengängen zu öffnen. Dadurch konnte der Rückgang des herkömmlichen germanistischen Angebots einigermaßen kompensiert werden, freilich meistens um den Preis einer merklichen Reduzierung von sprach-, literatur- und kulturwissenschaftlichen Inhalten. Es gibt zur Zeit in Portugal germanistische Fachbereiche an 11 Universitäten. Im Sommersemester 2009 beträgt die Gesamtzahl der Studierenden, die an einer Hochschule einen Studiengang mit germanistischer Komponente (als Haupt- oder Nebenfach) belegt haben, knapp unter 1.000. Weit weniger als die Hälfte davon hat jene Studienrichtungen gewählt, die unter verschiedenen Benennungen („Moderne Sprachen“, „Sprachen, Literaturen und Kulturen“, „Europäische Sprachen und Literaturen“) das ganze Spektrum an sprach-, literatur- und kulturwissenschaftlichen Inhalten anbieten. Beliebter sind Studiengänge wie „Angewandte Fremdsprachen“, „Sprachen und Management“, „Verlagswesen“, die in den Augen der Studentierenden stärker praxisbezogen erscheinen und in denen die Haupt-Orientierung eher auf die Sprache als auf wissenschaftlich-germanistische Inhalte erfolgt. Bei anderen Studiengängen wiederum („Internationale Beziehungen“, „Presse und Informationswissenschaft“, „Kommunikationswissenschaft“, „Europastudien“, „Tourismus und Kulturerbe“) ist Deutsch bloß ein Wahlfach bzw. ein tendenziell wenig gewichtiges Pflichtfach. Darüber hinaus wird eine elementare Ausbildung in der deutschen Sprache an einigen rechtswissenschaftlichen Fakultäten inzwischen als curriculares Fach vorgesehen. Besonders hervorzuheben ist das Angebot an Übersetzungsstudiengängen, das an vielen Universitäten (als Lizentiatur- oder Masterstudium) weiterhin besteht und in dem eine Ausbildung in Deutsch als eine der Wahlmöglichkeiten eine wichtige Komponente darstellt. Zu bemerken ist auch, dass die meisten Universitäten im Rahmen des immer wichtiger werdenden Bereichs der Fortbildung seit einigen Jahren über Sprachenzentren mit der Aufgabe der Vermittlung von Fremdsprachen verfügen. Deutsch für Hörer aller Fakultäten und für ein allgemeines Publikum wird regelmäßig angeboten. Die Gesamtzahl der Teilnehmer an diesen so genannten „freien Kursen“ im ganzen Land liegt im Sommersemester 2009 bei geschätzten 700. Auch im Bereich des E-learning sind verschiedene erfolgreiche Versuche nachzuweisen, die sich in der nahen Zukunft voraussichtlich weiter konsolidieren werden. Die germanistischen Fachbereiche an den Universitäten haben auf diese Art und Weise als Teil ihrer Orientierung in Richtung neuer Tätigkeitsbereiche die Rolle eines Anbieters von deutschen Sprachkursen, welche traditionell von Privatschulen wahrgenommen wurde, übernommen, wobei in Lissabon und Porto das Goethe-Institut der größte Anbieter auf diesem Gebiet überhaupt bleibt. Auffallend ist das dürftige Angebot im Rahmen des so genannten Bologna- „zweiten Zyklus“. Da es sich aber um eine verhältnismäßig neue Entwicklung handelt, ist es zu erwarten, dass in den nächsten Jahren sich einiges in dieser Hinsicht ändern wird.
218. Deutsch in Portugal
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Zusammenfassend kann behauptet werden, dass die institutionelle Stellung der Germanistik als Hochschulfach vor allem in den letzten fünf Jahren eindeutig an Relevanz verloren hat. Andererseits bleibt ihr eigenständiger Beitrag im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit mit anderen Fächern und Wissensbereichen in Lehre und Forschung unverzichtbar und wird als solcher auch anerkannt, zumal die Nachfrage nach der deutschen Sprache unvermindert anhält. Somit birgt die gegenwärtige Krise durchaus auch Chancen, die von den verschiedenen Universitäten nach Möglichkeit wahrgenommen werden.
3. Bestandsaunahme in der Forschung Der Aufschwung an den portugiesischen Hochschulen in den 1970er und 1980er Jahren hat zu einschneidenden quantitativen und qualitativen Veränderungen auch in der germanistischen Forschungslandschaft geführt, was sich in zahlreichen Dissertationen und überhaupt im deutlichen Anwachsen der Publikationen, aber auch in einer Vielzahl von Initiativen ausdrückte. Die Internationalisierung des Faches wurde konsequent angetrieben und bleibt bis zum heutigen Tag ein wichtiges Merkmal. 1984 wurde die Zeitschrift Runa ⫺ Revista Portuguesa de Estudos Germanı´sticos auf Grund der Zusammenarbeit der meisten germanistischen Fachbereiche als Organ der portugiesischen Germanistik gegründet. Das halbjährliche Erscheinen der Zeitschrift musste im Jahre 2002 eingestellt werden, nachdem insgesamt 29 zum Teil umfangreiche Hefte erschienen waren, die einen guten, wenn auch bei weitem nicht allumfassenden Einblick in den jeweiligen Stand der germanistischen Forschung im Land vermitteln; in dieser Hinsicht hervorzuheben sind die Hefte 25 und 26, die den ersten Internationalen Kongress des Portugiesischen Germanistenverbandes 1996 in Coimbra auf fast 1000 Seiten dokumentieren. Das erste Heft einer Nachfolgepublikation, wiederum unter Beteiligung sämtlicher germanistischen Fachbereiche, wird voraussichtlich im September 2009 erscheinen. Der Portugiesische Germanistenverband (Associac¸a˜o Portuguesa de Estudos Germanı´sticos ⫺ APEG) hat im Jahre 1993 die Arbeit aufgenommen und bleibt bis zum heutigen Tag ein wichtiger Ort des Dialogs und des Zusammenschlusses. Der Verband organisiert unter anderem regelmäßig wissenschaftliche Treffen, z. B. 2008 die Tagung „Kulturbau: Aufräumen, Ausräumen und Einräumen” in Lissabon. Außer APEG sind andere Verbände in dem Bereich des Deutschen als Fremdsprache auch aktiv. Erwähnt sei insbesondere der Portugiesische Deutschlehrerverband (Associac¸a˜o Portuguesa de Professores de Alema˜o ⫺ APPA), der vor allem die Deutschlehrer an den Schulen organisiert. Auch in anderen Fremdsprachen-Verbänden ist Deutsch präsent. Die Deutschlektoren an den Hochschulen betreiben seit 2003 die Arbeitsgruppe GLAUP (Grupo dos Leitores de Alema˜o nas Universidades Portuguesas), die die Lage des Deutschunterrichts regelmäßig verfolgt und aktiv Analysen und Materialien zur Reflexion beisteuert. Die germanistische Forschung in Portugal ist recht breit gefächert und umfasst neben der Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaft auch die Fachdidaktik und die Übersetzungswissenschaft. Die komparatistische Ausrichtung ist aus verständlichen Gründen ein wichtiges, bei weitem aber nicht ausschließliches Merkmal. Institutionell ist die For-
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
schung in vom Staat finanzierten Forschungszentren verankert. Bezeichnenderweise wird die germanistische Forschung inzwischen an vielen Universitäten im Rahmen von Forschungszentren betrieben, die eine umfassendere Ausrichtung haben: die Zentren für Komparatistik an den Universitäten Porto und Lissabon, das Zentrum für Humanwissenschaften an der Universität Minho, das Zentrum für Kommunikations- und Kulturstudien an der Katholischen Universität Lissabon, das Zentrum für Sozialforschung an der Universität Coimbra. Bloß das 1994 in Coimbra gegründete Interdisziplinäre Zentrum für Germanistische Studien (CIEG) definiert sich weiterhin über die fachliche Ausrichtung. Im Ganzen macht sich die Tendenz bemerkbar, germanistische Forschung stärker integrativ zu betreiben; dabei wird die Identität des Faches nicht in Frage gestellt, aber notwendigerweise neu definiert.
4. Schlussbemerkung Wie schon erwähnt leidet Deutsch als Fremdsprache in Portugal seit Jahren unter einer verfehlten Sprachenpolitik, welche, anstatt auf eine bewusste Förderung von Mehrsprachigkeit auf breiter Grundlage zu setzen, eher restriktiv verfährt. Die Zukunft wird von einem neuen Kurs in dieser Hinsicht sehr stark abhängen, auf den die verantwortlichen Lehrinstitutionen seit langem drängen. Auf der wissenschaftlichen Ebene bleibt eine solide Grundlage bestehen, die aber von dem Fehlen an Nachwuchs im Zuge rückläufiger Studentenzahlen in absehbarer Zeit ernsthaft bedroht werden kann.
5. Literatur in Auswahl Delille, Karl Heinz et al. (Hg.) 2006 A lı´ngua alema˜: situac¸a˜o e perspectivas. Coimbra: CIEG. Delille, Maria Manuela Gouveia 1998 Germanistik in Portugal. Aktuelle Situation und Perspektiven. In: DAAD (Hg.), Germanistentreffen Deutschland ⫺ Spanien ⫺ Portugal. Tagungsbeiträge, 17⫺32. Bonn: DAAD. Dreischer, Anita 2001 Deutschunterricht und Germanistikstudium in Portugal. In: Gerhard Helbig et al. (Hg.), Deutsch als Fremdsprache: ein internationales Handbuch, 1523⫺1528. Band 2. (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 19.1⫺2). Berlin/New York: Walter de Gruyter. Hanenberg, Peter 1997 Germanistik in Portugal. In: Dietrich Briesemeister und Axel Schönberger (Hg.), Portugal heute. Politik. Wirtschaft. Kultur, 847⫺855. Frankfurt am Main: Vervuert Verlag.
Anto´nio Ribeiro, Coimbra (Portugal)
219. Deutsch in Rumänien
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219. Deutsch in Rumänien 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Rumäniendeutsch Deutsch im Unterricht Germanistik Lehreraus-, -fort und -weiterbildung Lehrwerkentwicklung und Forschung im DaF-Bereich Literatur in Auswahl
1. Rumäniendeutsch Rumäniendeutsch „steht in erster Linie für die relativ einheitliche, vor allem als Schrift-, Unterrichts- und Kirchensprache gebrauchte Standardvarietät, die ⫺ trotz ihrer Ausrichtung an der in Deutschland gebrauchten Standardsprache ⫺ ihre Eigenheiten auf beinahe allen Ebenen aufweist“; sie wird als „regionale Standardvarietät“ mit geschriebenen und gesprochenen Varianten beschrieben (Bottesch 2008: 349). Dazu gehören heute außer den von L1-Sprechern gebrauchten Varietäten auch das Deutsch zahlreicher Sprecher mit rumänischer und ungarischer Erstsprache, die an Schulen mit deutscher Unterrichtssprache lernen sowie die in den Siedlungsgebieten der Rumäniendeutschen (Siebenbürgen, Banat, Sathmarer Gegend, Oberwischau, Bukowina) gebrauchten, gruppenintern differenzierten Dialekte, die nach 1990 wegen der verstärkten Aussiedlung ihrer Sprecher nach Deutschland stark zurückgehen. (Bottesch 2008: 349, 351⫺352). Bei der Volkszählung 2002 haben knapp 60.000 Personen angegeben, der deutschen Minderheit anzugehören, und davon etwa 45.000, Deutsch als Muttersprache zu haben. Heute wird von einer „Sprachgemeinschaft in Auflösung“ gesprochen. Das jahrhundertelange Nebeneinander wird zu einem Miteinander der Sprachgruppen, demographische und soziale Veränderungen wirken sich auf den Sprachgebrauch und das Bewusstsein der Sprecher aus (Bottesch 2008: 366⫺367). Die Zukunft des Rumäniendeutschen hängt mit der Präsenz der deutschen Minderheit zusammen. Sprachfördernde und -pflegerische Bemühungen sind vor allem wegen Mangel an muttersprachlichen Lehrern im Deutsch- und Fachunterricht zunehmend auf den familiären und kirchlichen Bereich reduziert (Bottesch 2008: 384).
2. Deutsch im Unterricht In Rumänien ist allen Minderheiten der Unterricht in der Muttersprache verfassungsrechtlich gesichert. So gibt es Kindergärten und Schulen aller Stufen in deutscher Sprache. Die Kennzeichnung dieses Unterrichts als Deutsch-als-Muttersprache-Unterricht ist nach 1990 eher unzutreffend, da 90 % der Schüler dieser Klassen Rumänisch als Muttersprache haben (Bottesch 2008: 347). Die Abiturienten der deutschsprachigen Lyzeen erhalten vom Ministerium für Bildung und Forschung das „Kompetenzzertifikat für die deutsche Sprache” und von Deutschland das Deutsche Sprachdiplom I/II. Dem Mangel an muttersprachlichen Lehrern wird vom deutschsprachigen Ausland über Lehrerentsen-
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deprogramme sowie über Programme zur Lehrerfortbildung entgegengewirkt, vom rumänischen Bildungsministerium über das Zentrum für Fortbildung in deutscher Sprache in Mediasch und über ein Umqualifizierungprogramm. In den Kindergärten wird fakultativ eine Fremdsprache gelernt. In der 1. Klasse wird die erste, in der 5. Klasse eine zweite Fremdsprache gewählt. Deutsch steht dabei nach Englisch und Französisch, wird meist als zweite Fremdsprache gewählt, was sich auf die Anzahl der DaF-Klassen und -Lehrer langfristig negativ auswirkt. Es gibt neben dem gängigen DaF-Unterricht auch Klassen mit „Deutsch intensiv“, d. h. mit mehr Wochenstunden DaF, bzw. bilinguale Klassen, in denen auch einige Schulfächer deutsch unterrichtet werden. Deutsch wird an den staatlichen und privaten Hochschulen in der Germanistik als Erst- oder Zweitfach in Kombination mit einer anderen Fremdsprache, mit Theologie oder studienbegleitend an nichtphilologischen Fakultäten, in deutschsprachigen Studiengängen an geistes-, natur- sowie wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten, in deutschsprachigen Masteraten in der Germanistik oder interdisziplinär an zahlreichen anderen Fakultäten gelernt bzw. studiert. Neben Englisch als Sprache der ersten Wahl bleibt Deutsch sehr attraktiv, einerseits wegen der erhofften besseren Berufschancen in der Marktwirtschaft, andererseits wegen der tradierten, nicht zuletzt dank der Rumäniendeutschen bestehenden Verbundenheit zur deutschen Kultur.
3. Germanistik Das Studium verläuft nach Bolognavorgaben (Gesetz 288/2004). Die rumänische Germanistik verharrt in einem philologischen Konzept und ist eher umfassend berufsvorbereitend als gezielt berufsbildend. Das Rahmencurriculum sieht obligatorische Vorlesungen zur Sprachwissenschaft (Grammatik der deutschen Gegenwartssprache, deutsche Sprachgeschichte, vergleichende Sprachwissenschaft) und zur Literaturwissenschaft vor. Die Literatur wird teils in ihrem geschichtlichen Werden, teils nach Gattungen dargestellt. Es gibt außerdem obligatorische Vorlesungen und Seminare zur deutschen Landeskunde und einige Wahlvorlesungen zu spezielleren linguistischen, literarischen und kulturellen Themen. Parallel zu diesen theoretisierenden Veranstaltungen gibt es das Seminarbündel „Sprachpraxis“ zur Verbesserung der Sprachkompetenz in allen Fertigkeiten. Im Allgemeinen sind die Deutschkenntnisse der Germanstikstudenten im Rückgang, verglichen mit den Jahren vor 1990, als die meisten Studierenden hauptsächlich L1-Sprecher oder in deutschen Schulen gelernte L2-Sprecher waren und als der Unterricht ausschließlich in deutscher Sprache erfolgen konnte. Das Curriculum sieht für das Hauptfach Deutsch B1/B2 als Ausgangsniveau, C1 als Zielniveau vor. Im Nebenfach Deutsch sind die Ansprüche auf A1/A2 bzw. B2 tiefer gestellt. Die Zulassung zum Studium und die spätere Differenzierung in Arbeitsgruppen erfolgt meist aufgrund einer schriftlichen Sprachprüfung. Die Germanistik muss sich auf dem Arbeitsmarkt der Konkurrenz der an den Fremdsprachenfakultäten neu gegründeten berufsorientierten Abteilungen für Dolmetscher, Übersetzer, Journalisten stellen. In diesem Wettlauf ist es allerdings die Germanistik allein, die Deutschlehrer ausbilden darf (Sta˘nescu 2006).
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4. Lehreraus-, -ort und -weiterbildung Es gibt in Rumänien keinen Studiengang für die DaM- oder DaF- Lehrerausbildung. Ein einziges mit Abitur endendes Kolleg in Sibiu/Hermannstadt bildet LehrerInnen für DaM-Grundschulen und Kindergärten aus. Für die anderen DaM-/DaF-Schultypen kommen die Sprach- und Literaturlehrer aus der Germanistik (Sta˘nescu 2006). Zum Lizenziat-Curriculum jeder Fremdsprachenausbildung (180 ECTS) wird ein fakultatives Lehrerausbildungsmodul von 30 ECTS vorgesehen, das bei den Departments für Erziehungswissenschaften der Universitäten Vorlesungen zu Pädagogik (z. B. in Bukarest: Curriculumtheorie 4 ECTS, Lerntheorie und Leistungsmessung 4 ECTS, Psychologie 5 ECTS) und bei den Fremdsprachenlehrstühlen der zwei Studiensprachen Vorlesungen zur Fachmethodik (4 ECTS) und das Unterrichtspraktikum (8 ECTS) und einen anwendungsorientierten IT-Kurs vorsieht. Die Praktika bestehen aus einer Hospitationsphase und aus eigenen Unterrichtsversuchen. Tutoren sind die Lehrer in den Hospitationsklassen, Mentoren die Methodiker der Fremdsprachenlehrstühle. Sie alle werden in Fortbildungskursen eigens dazu fortgebildet und akkreditiert. Nach Abschluss dieses Moduls wird von den Universitäten ein Zeugnis ausgestellt, das die Ausübung des Sprachlehrerberufs bis zur 10. Klasse gestattet. Um im Lyzeum (9.⫺12. Klasse mit Abiturabschluss) und an der Hochschule unterrichten zu dürfen, müssen ein Masterat-Diplom und zusätzliche 30 methodisch-didaktische ECTS nachgewiesen werden (Gesetz 288/2004; UG 2008). Die Philologieabteilungen der staatlichen Universitäten sind es auch, die als einzige die Prüfungen für das „Definitivat“ (endgültige Bestätigung zum Lehrer) und die beiden höheren, optionalen Lehramtsgrade abnehmen und die Diplome dazu vergeben dürfen. Das Gesetz (UG 1995, 2008) fordert außerdem den periodischen, alle fünf Jahre fälligen Nachweis von 90 ECTS für Fort- und Weiterbildungsaktivitäten. Diese können erbracht werden im Rahmen von Vorlesungen, Tagungen, Workshops, Seminaren, Sommerkursen und sonstigen unterrichtspraktischen Aktivitäten im In- und Ausland, die zum größten Anteil schulpolitische und erziehungswissenschafliche, aber auch methodisch-didaktische Themen behandeln. Träger solcher Aktivitäten sind die staatlichen Universitäten, die Schulinspektorate, für Deutsch speziell das Zentrum für Fortbildung in deutscher Sprache in Mediasch, das Goethe-Institut und andere deutsche, von rumänischer Seite anerkannte unterrichtsfördernde Institutionen (UG 2008).
5. Lehrwerkentwicklung und Forschung im DaF-Bereich Nach 1990 wurde ein neues Rahmencurriculum erstellt. Inhaltlich und methodisch neue Lehrwerke waren notwendig. In einem deutsch-rumänischen Gemeinschaftsprojekt entstand die kommunikativ orientierte Lehrwerkreihe „Deutsch mit Spaß“, doch wurden auch alternative Lehrwerke des Binnen- und ausländischen Angebots zugelassen; ihr Einsatz muss allerdings über Ausschreibungen vom Bildungsministerium bewilligt werden. Forschung erfolgt in Projekten im Zusammenhang mit Lizenziats- oder Masteratsabschlüssen, vor allem aber mit Diplomarbeiten zum I. Lehramtsgrad, seltener zum Doktorat. Sie betreffen die Analyse methodisch-didaktischen Vorgehens im Sprachunterrichts,
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
teils in geschichtlichem Rückblick, teils komparativ anhand von rumänischen und/oder deutschen Lehrwerken und Curricula, aber auch theoretische und praktische Aspekte des Spracherwerbs. Eine Beziehung der Methodik mit z. B. kontrastiver und/oder Kontaktlinguistik ist selten, eher implizit (Koch 2008). Das liegt auch am Standort der Lehrerausbildung teils in der Germanistik, teils in den mit ihr konkurrierenden Departments für Erziehungswissenschaften an den Universitäten.
6. Literatur in Auswahl Bottesch, Johanna 2008 Rumänien. In: Ludwig M. Eichinger, Albrecht Plewia und Claudia Maria Riehl (Hg.), Handbuch der deutschen Sprachminderheiten in Mittel- und Osteuropa, 329⫺392. Tübingen: Narr. Gesetz 288 2004 Organizarea ˆınva˘t¸a˘maˆntului superior [Organisierung der akademischen Studien]. In: Monitorul Oficial, Partea I nr. 614, 07. 07. 2004. Koch, Marianne 2008 Grammatik im rumänischen DaF-Unterricht. Standort des Sprachvergleichs. In: Speranta Sta˘nescu und Ulrich Engel (Hg.), Sprachvergleich ⫺ Kulturvergleich. Quo vadis KGdr? 259⫺273. München: iudicium. Sta˘nescu Sperant¸a 2006 Die rumänische Germanistik und der Bologna-Prozess. In: Hochschulrektorenkonferenz (Hg.), Germanistik im Europäischen Hochschulraum. Studienstruktur, Qualitätssicherung und Internationalisierung, 32⫺52. Beiträge zur Hochschulpolitik 6/2006. HRK ServiceStelle Bologna. UG 1995 Legea ˆınva˘t¸a˘maˆntului [Unterrichtsgesetz] nr. 84/1995. In: Monitorul oficial, Partea I, VII/ 167, 31. 07. 1995. UG 2008 OMECT nr. 6319/19. 12. 2008. [Verordnung des Ministers für Bildung und Forschung zur Änderung und Ergänzung des UG 1995 die Anerkennung von ECTS für Fort- und Weiterbildungsaktivitäten betreffend].
Sperant¸a Sta˘nescu, Bukarest (Rumänien)
220. Deutsch in Russland
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220. Deutsch in Russland 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Die Rolle des Deutschen DaF-Unterricht in Russland im Globalisierungszeitalter Träger des DaF-Unterrichts und der Deutschlehreraus- und -fortbildung Schwerpunkte in der DaF-Lehrerausbildung Inhalte der germanistischen Ausbildung Chancen von DaF und Germanistik in Russland Literatur in Auswahl
1.
Die Rolle des Deutschen
1.1.
Russlanddeutsche
1.1.1. Geschichtliches Das nachhaltige Interesse an DaF in Russland blickt auf eine alte Tradition zurück, die schon im 15. Jh. mit den Handelsbeziehungen begann und sich im 18. Jh. verstärkte, als Katharina II. deutsche Bauern (vor allem aus dem Süden Deutschlands) nach Russland rief. Sie sollten das fruchtbare brachliegende Land nutzbar machen und damit die Agrarwirtschaft im Süden Russlands verbessern. 1924 entstand die Autonome Sozialistische Sowjetrepublik der Wolgadeutschen mit der Hauptstadt Engels, deren Einwohner aber nach Deutschlands Überfall auf die Sowjetunion 1941 nach Sibirien, Kasachstan und in den Ural deportiert wurden ⫺ unter dem Vorwurf der Kollaboration mit dem Nazi-Deutschland. Heute wird unter dem Begriff „Russlanddeutsche“ (RD) (russ. роики ц rossijskije nemci) vor allem die ethnisch deutsche bzw. deutschstämmige Minderheit in Russland verstanden, aber auch die deutschstämmigen Einwohner der anderen ehemaligen Sowjetrepubliken. Zur Zeit leben 842.300 Russlanddeutsche in Russland. 41,8 % von ihnen nennen Deutsch ihre Mutersprache, 58 %. Russisch. Prozentual gesehen machen Deutsche rund 0,41 % der Gesamtbevölkerung Russlands aus. In Sibirien leben proportional mehr Deutsche als in anderen Regionen. Es gab zwei Ausreisewellen von Russlanddeutschen nach Deutschland: 1) Ende der 1960er Jahre nach dem Abkommen Willy Brands mit der Sowjetunion über die Heimberechtigung und Aussiedlerbestimmungen; 2) in den 1980er Jahren nach der Selbstauflösung der Sowjetunion. Seit Ende der 1990er Jahre nimmt die Anzahl der Aussiedler von Jahr zu Jahr ab (was auch die Statistiken des Deutsch-Russischen Hauses Moskau bestätigen).
1.1.2. Die Situation heute Die Begegnungsstätte russlanddeutscher, deutscher und russischer Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft ist heute das Deutsch-Russische Haus Moskau ⫺ die Institution, die eine breitgefächerte Programmarbeit der BRD zugunsten der Russlanddeutschen bietet. Sie unterstützt Russlanddeutsche darin, ihre ethnische und kulturelle Identität zu erhalten
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
und weiterzuentwickeln sowie einen Beitrag dazu leisten, dass sie als eigenverantwortliche Bürger ihres Staates an dessen Aufbau mitwirken und gleichzeitig aktiv an den Bindungen zu Deutschland teilhaben, d. h. eine Brückenfunktion zwischen Deutschland und Russland erfüllen können. Bessere Lebens- und Zukunftsperspektiven sollen somit auch eine Alternative zur Emigration bieten. Diese Arbeit ist ein Teil des „Programms für nationale Minderheiten“ und wird von der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) realisiert. Die Koordinationstätigkeit wird von der autonomen nichtkommerziellen Organisation „ANO Breitenarbeit“ sowie von weiteren Tochtergesellschaften der GTZ in Halbstadt (Nationalkreis im Altai), Kaliningrad, Nowosibirsk und Saratow übernommen. 1998 wurde im Rahmen des soziokulturellen Programms „Breitenarbeit“ das Projekt „Hallo Nachbarn“ gestartet ⫺ ein Grundkurs Deutsch für Erwachsene, der zum Niveau A1.2⫺A2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER) führt. Ein bedeutender Teil der Kursteilnehmer sind Russlanddeutsche, denn obwohl 41,8 % von ihnen Deutsch als ihre Muttersprache bezeichnen, ist das meistens eine stark dialektal gefärbte Sprache in der veralteten Form, in der sie die ältere Generation spricht. Deshalb lernen auch Russlanddeutsche Deutsch als eine Fremdsprache (DaF), v. a. mit dem Schwerpunkt auf Kulturpragmatischem. Das ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Integration der Aussiedler in ihrer neuen deutschen Heimat, wo sie dann DaZ lernen werden, das zum täglichen Gebrauch notwendig ist. Deshalb bildet die Analyse von Wünschen, Bedürfnissen und Lebenserfahrungen der ehemaligen Russlanddeutschen die Grundlage für das Lehrwerk „Hallo Nachbarn Neu!“. Tab. 220.1: Anzahl der Kursteilnehmer im Deutsch-Russischen Haus Moskau Schuljahr
2005⫺2006 2006⫺2007 2007⫺2008
Kursanfang
Davon RD
486 80 93
170 76 78
Abschlusstest Basiskurs bestanden
Abschlusstest Aufbaukurs bestanden
187 58 33
193 30 43
Die Arbeit der Sprachbüros in den anderen Städten Russlands koordiniert das SprachDidaktische Zentrum an der Petri-Kirche in St. Petersburg, das auch regelmäßig Lehrerseminare für Multiplikatoren des Projekts organisiert.
2. DaF-Unterricht in Russland im Globalisierungszeitalter 2.1. DaF vs. Englisch Die heute in Russland am meisten gefragte und deshalb vor allem gelernte Fremdsprache ist zweifellos Englisch, was durch die Einbindung des Landes in die Globalisierungsprozesse zu erklären ist. Nicht nur in den internationalen Konzernen wie Nokia, Sony Ericsson, Samsung, Microsoft, die auf den russischen Markt gekommen sind, sondern auch in den großen deutschen Firmen wie Audi, Siemens, Bosch, Lufthansa, Deutsche Post erfolgt die Wirtschaftskommunikation meistens auf Englisch. Bei der Stellenausschreibung werden vor allem gute Englischkenntnisse verlangt. Eine Ausnahme wird nur für sehr gesuchte hoch qualifizierte Fachleute gemacht, die aber sofort nach der Anstellung
220. Deutsch in Russland
1777
in Business-Englisch-Kurse geschickt werden, was in der Regel in den firmeneigenen Räumen durchgeführt und von der Firma auch bezahlt wird. Für eine weitere Beförderung und erfolgreiche Karriere gelten aber Deutschkenntnisse als eine wichtige Voraussetzung. Mittelständische deutsche Firmen aber, die in Russland ihre Niederlassungen oder Vertretungen haben, verlangen Deutschkenntnisse bzw. sie schicken ihre Angestellten in Geschäftsdeutsch-Kurse, weil die Geschäftskorrespondenz in solchen Firmen auf Deutsch geführt wird und weil russische Angestellte dieser Firmen mit den deutschen Fachleuten auf Deutsch kommunizieren müssen. Deutschkenntnisse werden auch von den russischen Firmen geschätzt, weil solche Kenntnisse für die Kontakte zu ihren deutschen Geschäftspartnern vorteilhaft sind.
2.2. DaF-Unterricht im Kontext des GER 2001 wurde in Lind bei der offiziellen Eröffnung des Europäischen Jahres der Sprachen die russische Version des GER vorgelegt, die an der Moskauer Staatlichen Linguistischen Universität übersetzt wurde. Als Vorbereitung darauf wurde 1998⫺2001 das Projekt „Sprachportfolio Russlands“ erfolgreich durchgeführt. Der im GER gewählte handlungsorientierte Ansatz, der die Entwicklung kommunikativer Kompetenz als Zusammenwirken von linguistischen, soziolinguistischen und pragmatischen Kompetenzen voraussetzt, wird sowohl im schulischen als auch im universitären DaF-Unterricht realisiert, nach Niveaustufen differenziert, was in den Modulen zum Ausdruck kommt ⫺ in der Organisationsstruktur von Lernzielen, Lehrinhalten und Kriterien. Die linguistische Komponente der kommunikativen Kompetenz ist auf den funktionalen Sprachgebrauch orientiert und nicht auf die Rolle der sprachlichen Einheit bzw. Erscheinung im Sprachsystem. Letzteres (wie auch die Sprachkompetenz in verschiedenen kommunikativen Bereichen) wird von Germanistikstudenten verlangt, nicht aber von Studierenden anderer Fachbereiche. Insgesamt beläuft sich die Zahl der DaF-Lerner in Russland auf ungefähr 4,7 Mio. DaF wird heute in allgemeinbildenden Schulen, Schulen mit erweitertem Deutschunterricht, Gymnasien, Lyzeen, an Universitäten und Hochschulen unterrichtet.
2.3. DaF-Unterricht im schulischen Bereich (allgemeinbildende Schulen, Schulen mit erweitertem Deutschunterricht, Gymnasien, Lyzeen) Für den DaF-Unterricht in diesem Bereich liegen beim Russischen Ministerium für Bildung und Wissenschaft folgende Statistiken vor: Tab. 220.2: Anzahl der DaF-Lerner im voruniversitären Bereich Schuljahr
2006⫺2007 2007⫺2008
allgemeinbildende Schule (Schulabgänger)
Schulen mit erweitertem DaF-Unterricht (Schulabgänger)
Gymnasien (Abgänger)
Lyzeen (Abgänger)
382.133 309.280
4.993 5.461
4.058 3.493
1.069 711
1778
XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
Tabelle 2 ist durch folgende Informationen zu ergänzen: 1. Bezogen auf alle Fremdsprachenlerner in Russland lernen DaF 15,3 %, davon 54 % in den Städten und 46 % auf dem Lande; 2. Deutsch als zweite Fremdsprache lernen 34,5 % aller Schüler (vgl. Französisch ⫺ 26 %); 3. geographische Verteilung von DaF (Russland besteht aus 85 Föderationssubjekten) am Beispiel von: Zentrum 16 %, Wolga-Gebiet 16,5 %, Sibirien 18,3 %. Für Schulen mit erweitertem DaF-Unterricht, Gymnasien und Lyzeen gibt es Lehrwerke für Fortgeschrittene (bestehend aus Lehrbüchern, Arbeitsheften, Lehrerhandbüchern, CDs und Videos). Speziell für geisteswissenschaftliche Gymnasien und Lyzeen ist auch eine Einführung in die allgemeine Sprachwissenschaft (Drozdova 2001) herausgegeben worden, in der die Stellung der deutschen und anderer germanischer Sprachen in einer für die Schüler zugänglichen Form erklärt ist.
2.4. DaF-Unterricht an den Universitäten und Hochschulen In den philologischen Fakultäten sinkt die Zahl der Immatrikulierten, die eine Aufnahmeprüfung in DaF bestanden haben, um weiter Germanistik zu studieren. Es werden zusätzliche Anfängergruppen für die Studenten organisiert, die Prüfungen in anderen Sprachen abgelegt haben. In nicht-philologischen Fakultäten lässt sich seit den 1990er Jahren folgende Tendenz beobachten: Studenten bilden auf eigene Initiative Gruppen, in denen sie Deutsch als Wahlsprache lernen (Pflichtsprache ist meistens Englisch). Diese Wahl ist durch die Realitäten des Berufslebens bedingt. Über genaue Statistiken für den DaF-Unterricht an den Universitäten und Hochschulen verfügt das Ministerium für Bildung und Wissenschaft aber nicht, weil diese Bildungseinrichtungen nicht nur dem genannten Ministerium unterstehen, sondern auch anderen Ministerien für spezielle Bereiche (z. B. dem Ministerium für Justiz, für Gesundheits- und Sozialwesen, dem Verteidigungsministerium etc.).
2.5. Alternative Möglichkeiten des DaF-Unterrichts Obwohl die Zahl der Deutschlernenden und -studierenden abnimmt, sehen sich viele Menschen später im persönlichen und beruflichen Leben mit Situationen (Ausreise, Studium in Deutschland, Karriere) konfrontiert, zu deren Bewältigung sie Deutschkenntnisse brauchen. Der DaF-Unterricht in der Erwachsenenbildung wird dann mithilfe alternativer Möglichkeiten realisiert ⫺ in Deutschkursen und im privaten Einzelunterricht. Den Informationen des Goethe-Instituts in Moskau zufolge bleibt die Zahl der Interessenten und Kursabsolventen stabil hoch, besonders für die Grundstufe, was aus den Tabellen 3 und 4 ersichtlich ist: Tab. 220.3: Deutschkursabsolventen im Goethe-Institut Moskau
2006 2007 2008
A1
A2
B1
B2
C1
C2
606 702 1350
1003 1026 468
837 756 792
621 756 756
486 234 360
126 180 96
220. Deutsch in Russland
1779
Tab. 220.4: Zertifikate und Diplome des Goethe-Instituts Moskau Jahr
A1
A2
ZD
2006 2007 2008
302 550 735
17 49 38
110 143 85
ZMP ZOP 95 61 ⫺
30 57 45
ZDfB KDS GDS Fit in Dt. 1 14 6 9
2 7 ⫺
2 2 3
20 ⫺
Fit in Dt. 2 ⫺ 4 14
GZB2 GZC1 PWD ⫺ 6 27
8 25
⫺ 11 9
3. Träger des DaF-Unterrichts und der Deutschlehreraus- und -ortbildung Die Träger des DaF-Unterrichts in den Schulen, Gymnasien, Lyzeen und Deutschkursen sind überwiegend russische Germanisten, die Germanistik an den Universitäten und Fremdsprachenhochschulen in Russland studiert haben und anschließend ein Aufbaustudium oder Praktika in Deutschland absolvierten. Sie fahren auch regelmäßig als Teilnehmer von Austauschprogrammen in deutschsprachige Länder. An den Universitäten und Fremdsprachenhochschulen unterrichten sowohl russische Professoren, Dozenten und Lektoren als auch Gastdozenten, -lektoren und Sprachassistenten. Zur Zeit (Stand November 2008) unterrichten in Russland 3 DAAD-Dozenten (2 in Moskau, 1 in St.Petersburg), 29 DAAD-Lektoren (davon 7 in Moskau, 4 in St. Petersburg), 6 DAAD-Sprachassistenten (davon 1 in Moskau).
4. Schwerpunkte in der DaF-Lehrerausbildung Die Schwerpunkte in der DaF-Lehrerausbildung sind von den Prinzipien des GER geprägt. Das bedeutet: Kenntnisse der Lehrenden über soziokulturelle Hintergründe sollen vertieft, ihre Fähigkeiten, diese zu vermitteln, entwickelt, ihre Fähigkeiten, individualisiertes Lernen, Partner- und Gruppenarbeit zu organisieren, entwickelt werden. Diesen Prinzipien entsprechend gehören folgende, didaktisch wichtigste Inhalte zur DaF-Lehrerausbildung: 1. Ansätze der interkulturellen Didaktik, durch deren Anwendung die interkulturelle Kompetenz der Lernenden gefördert wird „einschließlich Relativierung von ethnozentrischen Sichtweisen sowie Abbau von Vorurteilen“ (Donec 2002: 73); 2. kognitive Methodik, die darauf gerichtet ist, „bei den Lernenden kognitive Strukturen herauszubilden, die nicht nur sprachliche Kenntnisse umfassen, sondern auch enzyklopädische, und bei diesen letzten vor allem Kenntnisse über die nationalen und folglich mentalen Besonderheiten der Zielkultur“ (Trochina 2002: 65); 3. reflexiv-kommunikativer (bzw. lernerorientierter) Ansatz, der auf die Entwicklung persönlichkeitsbezogener Kompetenz gerichtet ist als „Summe der individuellen Eigenschaften, der Persönlichkeitsmerkmale und Einstellungen“ (GER; Kamenskaja 2008); 4. kommunikativer Ansatz zur Entwicklung linguistischer Kompetenz, besonders aktuell sind Probleme der Interferenzbeseitigung auf allen Sprachebenen, der Sensibilisierung von Lernern für die funktionale und soziokulturelle Variativität der Sprachverwendung (Jakovleva 2008).
1780
XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
5. Inhalte der germanistischen Ausbildung Schwerpunkte in der DaF-Lehrerausbildung korrelieren mit einem großen Teil der inhaltlichen Schwerpunkte in der Germanistenausbildung (obwohl es eine ganze Reihe von Forschungsproblemen gibt, die die Lehrerausbildung nur indirekt beeinflussen). Zu betonen ist hier, dass vor allem kulturwissenschaftliche Probleme intensiv in den DaFUnterricht einbezogen werden, was dem pragmatischen und dem kognitiven Forschungsparadigma durchaus entspricht. Somit gehören heute zu den wichtigsten Forschungsgebieten der russischen Germanistik (nur mit wenigen bibliographischen Titeln illustriert): 1. Linguokulturologie (Bykova 2005); 2. Soziolinguistik (Sˇovgenin 2007); 3. Pragmalinguistik (Reukova 2005); 4. Lexikologie/Lexikographie (Markina, Muravlova und Muravlova 2006; Dobrovol’skij 2008); 5. Grammatik (Kurakov, Valt und Volohova 2007); 6. Dialektologie ⫺ ein Projekt zur Erforschung der Dialekte, deren Träger heutige Russlanddeutsche sind; 7. Übersetzungswissenschaft (Alekseeva 2006).
6. Chancen von DaF und Germanistik in Russland Für die Weiterenwicklung der Traditionen des DaF-Unterrichts und der Germanistik in Russland bestehen gute Chancen, weil dieses Wissen gefragt ist. Dafür sorgt auch der 2002 gegründete Russische Germanistenverband (RGV) als eine unabhängige Selbstorganisation russischer Hochschullehrer aus den Gebieten der deutschen Literatur-, Kulturund Sprachwissenschaft einschließlich der Übersetzungswissenschaft.
7. Literatur in Auswahl Alekseeva, Irina S. 2006 Vvedenije v perevodovedenije. [Einführung in die Übersetzungswissenschaft]. Moskva: Academia. Bykova, Olga I. 2005 Etnokonnotacija kak vid kul’turnoj konnotacii. [Ethnische Konnotation als kultureller Konnotationstyp]. Voronezˇ: Voronezˇ. gos.univ. Dobrovol’skij, Dmitij (Hg.) 2008 Novyj bol’sˇoj nemecko-russkij slovar‘ v trjoh tomah. [Neuses deutsch⫺russisches Großwörterbuch in drei Bänden], Band 1. Moskva: AST-Astrel. Donec, Pavel N. 2002 Grundzüge einer allgemeinen Theorie der interkulturellen Kommunikation. Aachen: Shaker. Drozdova, Olga J. 2001 Uroki jazykoznanija dlja sˇkol’nikov [Sprachwissenschaft für Schüler]. Moskva: Vlados. Jakovleva, Emma B. 2008 Jayzk kak predmet opisanija i prepodavanija [Sprache als Gegenstand der Beschreibung und Lehre]. In: Jazyk. Kul’tura. Obsˇcˇenije. [Sprache. Kultur. Kommunikation], 362⫺372. Moskva: Gnozis. Kamenskaja, Natalja V. 2008 Problemy formirovanija samokontrolja i samoocenki pri obucˇenii inostrannym jazykam v nejazykovom vuze. [Probleme der Bildung von Selbstkontrolle und Selbsteinschätzung
221. Deutsch in Schweden
1781
beim Fremdsprachenlernen in einer nicht-philologischen Hochschule]. In: Klavdia G. Pavlova (Hg.), Kompetentnostnyj podhod kak osnova soversˇenstvovanija metodiki obucˇenija inostrannomu jazyku: problemy i perspektivy. [Kompetenzansatz als Grundlage zur Vervollkommnung der Fremdsprachenlehre: Probleme und Perspektiven], 87⫺100. Moskva: Rema. Kurakov, Valentin I., Alina V. Valt und Vera V. Volohova 2007 Kognitivnyje aspekty nemeckoj grammatiki. [Kognitive Aspekte der deutschen Grammatik]. Volgograd: Peremena. Markina, Ludmila G., Eugenia N. Muravlova und Natalia V. Muravlova 2006 Kul’tura Germanii: Lingvostranovedcˇeskij slovar’ [Kultur Deutschlands: Realienwörterbuch]. Moskava: AST, Astrel, Hranitel. Reukova, Natalia V. 2005 Leksiko-grammaticˇeskije sredstva vyrazˇenija vezˇlivosti v sovrremennom nemeckom jazyke. [Lexisch-grammatische Höflichkeitsmittel im heutigen Deutsch]. Moskva: MGU. Sˇovgenin, Aleksandr N. 2007 Sociolingvisticˇeskoje prostranstvo russkojazysˇnoj diaspory Germanii: Na materiale russkojazysˇnoj pressy FRG. [Soziolinguistischer Bereich der russischsprachigen Diaspora in Deutschland: Analyse der russischen Presse in der BRD]. Promotionsschrift. Wolgograder Staatliche Pädagogische Universität. Trochina, Natalia 2002 Nationalkulturelle Spezifik der Framestruktur in der interkuturellen Komminikation als Problem des DaF. In: Peter Wiesinger (Hg.), Akten des X. Internationalen Germanistenkongresses Wien 2000 „Zeitwende ⫺ Die Germanistik auf dem Weg vom 20. ins 21. Jahrhundert“. Band 4, „Lehr- und Lernprozesse des Deutschen als Fremdsprache in kognitiver Perspektive“, 64⫺69. Bern/Berlin etc.: Lang.
Natalia Troshina, Moskau (Russland)
221. Deutsch in Schweden 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
Zur Rolle des Deutschen Träger der DaF-Ausbildung Entwicklungslinien, Chancen und Probleme Schwerpunkte in der Ausbildung Inhalte in der Ausbildung Schwerpunkte in der Forschung Einschätzung von Zahlen Literatur in Auswahl
1. Zur Rolle des Deutschen Deutsch hat in Schweden eine lange Tradition als akademisches Fach (seit 1694) und Unterrichtsfach. Bis 1946 besaß es sogar den Rang der ersten Fremdsprache und wird heute nach Englisch an Grundschulen und Gymnasien alternativ zu Französisch und
1782
XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
Spanisch als zweite oder dritte Fremdsprache angeboten. Obwohl Englisch inzwischen in der schwed. Gesellschaft als lingua franca anerkannt und praktiziert wird, kommt dem Deutschen aufgrund der kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen beider Länder große Bedeutung zu: Deutschland gilt als wichtigster Handelspartner Schwedens. Auch nimmt die Zahl von Tochtergesellschaften und Neuetablierungen deutscher Unternehmen in Schweden und umgekehrt kontinuierlich zu (vgl. Breckle 2005).
2. Träger der DaF-Ausbildung Die übergreifende Verantwortung für den DaF-Unterricht an der neunjährigen schwed. Grundschule (7.⫺9. Klasse) und am Gymnasien (10.⫺12. Klasse) trägt das Zentralamt für Schule und Erwachsenenbildung (Skolverket), das landesweit nach den Vorgaben der Regierung und des Reichstags Kursziele, -pläne und Richtlinien für die Bewertung vorgibt (vgl. Skolverket 2000) und das auch Aufsicht über die Qualität der Ausbildungen im öffentlichen Bildungswesen führt. In seinem Verantwortungsbereich liegen außerdem Schulentwicklung, Lehrerfort- und Rektorenausbildung. Träger dieser Schulen, die in der Regie von Gemeinden und in wachsender Zahl auch von unabhängigen Anbietern (Friskolor) betrieben werden, sind die einzelnen Kommunen. Innerhalb des staatlichen schwed. Hochschulwesens wird Deutsch an Hochschulen und Universitäten auf Grundniveau (führt zum Bachelorabschluss) und auf Fortgeschrittenenniveau (führt zum Magister- bzw. Masterabschluss) unterrichtet (seit Herbst 2007 gilt diese an das Bolognaabkommen angepasste Gliederung). Die Kurse können jeweils einzeln oder eingebunden in Programme wie z. B. die Lehrer- oder Übersetzerausbildung studiert werden. Über Angebot, Inhalte und Ausführung der Ausbildungen, auch im Rahmen der Lehreraus- und -fortbildung, entscheiden die einzelnen Hochschulen über die zuständigen Fakultäten und Institutionen. Sie werden auf zentraler Ebene von der schwed. Hochschulbehörde (Högskoleverket) beaufsichtigt. Die übergreifenden Regeln und die Verteilung von Geldern verantwortet der Staat. Im Rahmen der Erwachsenenbildung werden auch von mehreren unabhängigen Akteuren Deutschkurse veranstaltet wie z. B. Fokluniversitetet, Medborgarskolan oder der Deutsch-Schwedischen Handelskammer.
3. Entwicklungslinien, Chancen und Probleme Landesweit ist seit Jahren ein Abwärtstrend festzustellen, was das Interesse und die Bereitschaft von Jugendlichen betrifft, Deutsch zu lernen (vgl. Thorsson et al. 2003; Högskoleverket 2005). Im Glauben, Englischkenntnisse reichten aus, lernen viele SchülerInnen an der Grundschule erst gar keine zweite Fremdsprache, oder sie brechen ihren Unterricht vorzeitig ab. Auf dem Gymnasium werden andere Kurse gewählt, um leichter eine bessere Abiturnote zu bekommen. Für die Universitäten und Hochschulen schwindet damit der Nachwuchs im Fach Deutsch. Allein zwischen 1998 und 2003 ist die Zahl der StudentInnen von 1500 auf ca. 1100 zurückgegangen, was mit Kürzungen im Budget und Sparmaßnahmen einhergeht, die zu Zusammenlegungen von Institutionen oder zur Streichung des Faches geführt haben. Laut Bericht der Hochschulbehörde
221. Deutsch in Schweden
1783
(2005) betreiben 2004 nur noch 12 von 17 Hochschulen Deutschausbildung auf höherem Niveau (C- oder D-Kurs). Mittlerweile haben mehrere Hochschulen, darunter die Universität Karlstad, ihre Ausbildungen völlig eingestellt. Besonders alarmierend ist jedoch die sinkende sprachliche Kompetenz von AbiturientInnen, die von den Hochschulen nur mit Sondereinsätzen oder Abstrichen in den Anforderungen an die StudentInnen kompensiert werden kann. Dass gerade die Lehrerausbildung durch eine stärkere pädagogische und didaktische Gewichtung umfassende Kürzungen in der Sprachausbildung erfahren hat, wird als besonders bedenklich gesehen (Högskoleverket 2005: 9; Enkvist 2005). Universitäten und Hochschulen bieten inzwischen praxisbezogene Kurse und Anfängerkurse an oder knüpfen Deutschkurse an andere Fachrichtungen (z. B. Jura) an, um ein größeres Klientel zu erreichen. Auch durch die Erneuerung von Ausbildungsinhalten und -methoden, mit Austauschprogrammen (ERASMUS) oder der Verlegung eines Teils des Studiums ins deutschsprachige Ausland wird versucht, das Studium attraktiver zu machen. Mittlerweile hat der Staat die ersten Weichen gestellt, um die Stellung der modernen Sprachen zu stärken. Ab 2007 werden im Abiturzeugnis für Kurse bis zum Niveau Steg 2 in der dritten und ab Steg 3 in der zweiten Fremdsprache Bonuspunkte vergeben, die den Notenschnitt erhöhen. Für das Jahr 2011 ist außerdem eine umfassende Schulreform geplant, die den modernen Sprachen innerhalb der theoretischen gymnasialen Programme einen höheren Stellenwert einräumt.
4. Schwerpunkte in der Ausbildung Im DaF-Unterricht an schwed. Grundschulen und Gymnasien liegt der Schwerpunkt auf Fertigkeiten in Hör-, Leseverstehen, Sprechen und Schreiben, die nach dem Vorbild des europäischen Referenzrahmens auf sieben Kompetenzstufen (Steg 1 bis Steg 7) festgelegt sind. Tatsächlich erreichen AbiturientInnen aber häufig nur Kenntnisse entsprechend Steg 3 (A2). Im Grundstudium im Fach Deutsch und in der Lehrerausbildung werden in den ersten beiden Semestern (A- und B-Kurs) kommunikative Fertigkeiten, Grammatik, Kulturund Literaturstudien betont. Die StudentInnen sollten am Ende eine Kompetenz entsprechend dem Niveau C1 entwickelt haben. In die Ausbildung von DeutschlehrerInnen (für das Lehramt an der Grundschule A- und B-Kurs) sind Sprachdidaktik und kürzere Praktika integriert. Erst im dritten Semester (C-Kurs) beginnt das eigentliche Germanistikstudium mit Schwerpunkten auf Literaturwissenschaft und Linguistik. Einzelne Hochschulen bieten im Rahmen der Lehrerausbildung auch didaktisch orientierte Kurse an. Eine erste Spezialisierung in eine der drei Fachrichtungen Sprach-, Literaturwissenschaft und Didaktik (für Anwärter auf ein Lehramt am Gymnasium) erfolgt durch eine selbstständige wissenschaftliche Examensarbeit. Auf dem fortgeschrittenen Niveau (D-Kurs) werden diese Fachrichtungen weiter vertieft und mit einer Examensarbeit auf Magister- oder Masterniveau abgeschlossen. An sechs Universitäten, Göteborg, Lund, Umea˚, Uppsala, Stockholm und Växjö, kann derzeit eine Forscherausbildung absolviert werden, die zu einem Lizenziat oder einem Doktorexamen in einer dieser Fachrichtungen führt.
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
5. Inhalte in der Ausbildung Die Ausbildungsinhalte der Universität Göteborg werden hier stellvertretend für andere Institutionen angeführt: Auf dem Grundniveau (A, B) werden in der Sprachwissenschaft aus einer kontrastiven Perspektive Wortschatz, Morphologie und Syntax sowohl in der Theorie als auch in der Praxis fundiert. Darüber hinaus gibt das Studium Einblicke in die Sprachgeschichte. Auf höherem Niveau (C, D) werden linguistische Theorien und Modelle vorgestellt und in einzelnen Bereichen (Semantik, Pragmatik) vertieft. Im Literaturstudium liegt der Fokus auf moderner Literatur (nach 1945) und der Rezeption von Werken aus verschiedenen literarischen Epochen. Auf höherem Niveau stehen Literaturtheorie, Literaturästhetik und Literaturgeschichte im Vordergrund. Aus einer kontrastiven Perspektive werden außerdem Einblicke in Geschichte, Kultur und Gesellschaft der deutschsprachigen Länder gegeben. Inhalte in der Sprachdidaktik sind Unterrichtstraditionen, Spracherwerbsforschung und lehr- und lerntheoretische Fragestellungen (vgl. Tornberg 2009).
6. Schwerpunkte in der Forschung Traditionell dominiert in der schwedischen Germanistik der sprachwissenschaftliche Bereich mit Schwerpunkten auf Grammatik, Lexikologie, Phraseologie, Pragmatik, Stilistik und Textlinguistik. Göteborg, Uppsala und Lund betreiben auch Spracherwerbsforschung. Forschungsbereiche in der Literaturwissenschaft sind Narratologie, Fiktionstheorie, Rezeptionsstudien und das Werk einzelner Schriftsteller. Die kulturkontrastive Forschung bildet eine relativ neue Disziplin wie auch die interdisziplinäre didaktisch orientierte Forschung, die verschiedene Aspekte der Unterrichtssituation untersucht. Göteborg und Uppsala sind in allen Bereichen vertreten, während sich Lund sprachwissenschaftlich und Stockholm und Växjö literaturwissenschaftlich profiliert haben. Erst in jüngster Zeit wird durch eine fächer- und institutionsübergreifende Zusammenarbeit und die Etablierung von Forscherschulen versucht, die an den verschiedenen Institutionen betriebene Forschung besser zu koordinieren. Man erhofft sich einen größeren wissenschaftlichen Austausch auf nationaler und internationaler Ebene.
7. Einschätzung von Zahlen Laut Bericht der Hochschulbehörde (Högskolverket 2005) sind im Jahr 2004 an den zwölf erfassten Institutionen ca. 80 Lehrende beschäftigt gewesen. Von ihnen hat etwa die Hälfte promoviert und vertritt die Fachrichtungen Sprachwissenschaft (29) und Literaturwissenschaft (17). Bei insgesamt dreizehn Professoren, 7 Dozenten, 21 Lektoren, 3 Forschungsassistenten, einer Postdoc-Stelle und 57 Doktoranden (32 in Sprachwissenschaft, 22 in Literaturwissenschaft und 3 in Didaktik) werden wissenschaftliche Kompetenz und Ausbildungsqualität im Fach Germanistik als hoch bewertet.
222. Deutsch in Senegal
1785
Auf längere Sicht könnte sich dies jedoch ändern, denn im Jahr 2003 war die Mehrzahl der StudentInnen (636/1061) im A-Kurs registriert, was mit entsprechend niedrigen Zahlen in Kursen auf höherem Niveau (B, C und D) korreliert und selbst bei den großen Universitäten Uppsala (88/180), Stockholm (103/203), Göteborg (116/158) und Lund (74/ 119) zu einer verhältnismäßig niedrigen Teilnahme in diesen Kursen geführt hat.
8. Literatur in Auswahl Breckle, Margit 2005 Deutsch-schwedische Wirtschaftskommunikation. Werkstattreihe Deutsch als Fremdsprache. Frankfurt a. M.: Lang. Enkvist, Inger 2005 Trängd mellan politik och pedagogik. Svensk spra˚kutbildning efter 1990. Hedemora: Gedlunds förlag. Högskoleverket 2005 Utvärdering av grund- och forskarutbildning i tyska vid svenska universitet och högskolor. Stockholm: Högskoleverket. Skolverket 2000 Spra˚k: kursplaner, betygskriterier och kommentarer. 2000: 18. Stockholm: Fritzes. Skolverket 2001 Spra˚kboken, en antologi om spra˚kundervisning och spra˚kinlärning. Stockholm: Skolverket. Thorsson, Staffan, Marianne Molander Beyer, Sigrid Dentler 2003 Spra˚klig enfald eller ma˚ngfald …? En studie av gymnasieelevers och spra˚klärares uppfattningar om elevers val av moderna spra˚k. Göteborg: UFL-rapport Göteborgs universitet 2003: 06. Utbildningsdepartementet 1998 Läroplan för det obligatoriska skolväsendet, förskoleklassen och fritidshemmet, Lpo 94. Utbildningsdepartementet 2000 Läroplan för de frivilliga skolformerna, Lpf 94. Tornberg, Ulrika 2009 Spra˚kdidaktik. Malmö: Gleerups.
Christine Fredriksson, Trollhättan (Schweden)
222. Deutsch in Senegal 1. 2. 3. 4.
Die Rolle des Deutschen und Träger des DaF-Unterrichts in Senegal Entwicklungslinien, Probleme und Chancen Schwerpunkte der Lehrerausbildung, Germanistik und Forschung Literatur in Auswahl
Die Vermittlung der deutschen Sprache in Senegal geht auf die Kolonialzeit ⫺ 1922 ⫺ zurück und wurde bis 1967 von Franzosen bestimmt. Nach dem Kulturabkommen von
1786
XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
1969 zwischen der BRD und Senegal wurde Deutsch ab 1972 ⫺ neben Englisch ⫺ auch als erste Fremdsprache angeboten. Seit 1992 wird das Fach, außer an der Kadettenschule, nur noch als zweite Fremdsprache angeboten. Dies hat jedoch keine Auswirkungen auf die Attraktivität des Faches, wie die wachsende Zahl der DeutschlernerInnen und Germanistikstudierenden zeigt: zwischen 1998 und 2001/02 ein Anstieg von 9.100 auf 9.500 bzw. von 200 auf 285 zwischen 1998 und 2007/08 bei den Studierenden (Auskunft Universität Dakar).
1. Die Rolle des Deutschen und Träger des DaF-Unterrichts in Senegal Mit der Gründung des Germanistikinstituts an der Universität Dakar 1973 haben sich die Fächer Deutsch als Fremdsprache und Germanistik im senegalesischen Bildungssystem etabliert. So rangiert Deutsch als zweite Fremdsprache bei den Schülern an dritter Stelle ⫺ nach Spanisch und Arabisch. Auf Hochschulebene wird es als Nebenfach an anderen fremdsprachenphilologischen Abteilungen und den ⫺ jüngeren ⫺ Instituten für Angewandte Fremdsprachen in Dakar und Saint-Louis gewählt. Der letztgenannte Studiengang, der auf den Wirtschaftssektor ⫺ Touristik ⫺ abzielt, stellt eine signifikante Erweiterung des Faches dar. Die größte Rolle spielt die deutsche Sprache am Germanistikinstitut in Dakar, an dem die wissenschaftliche Ausbildung der Lehrer und Germanisten ⫺ einschließlich Habilitation ⫺ stattfindet. Die pädagogische Ausbildung der DeutschlehrerInnen erfolgt an der Ecole Normale Supe´rieure (ENS). Nach dem Erwerb der Licence (3. Studienjahr) bzw. Maıˆtrise (Magister ⫺ 4. Studienjahr) am Germanistikinstitut wird ein zweijähriges Referendariat absolviert: Neben den Seminaren sind Hospitationen und eigenverantwortlicher Unterricht Bestandteile der Ausbildung. Der ENS kommt auch die Fortbildung der Lehrer zu. Diese Aufgabe wird faktisch von der 1986 gegründeten Association des Professeurs d’Allemand du Secondaire au Se´ne´gal (APASS), dem Deutschlehrerverband, erfüllt. Schließlich bietet das 1973 gegründete Goethe-Institut in Dakar Sprachkurse für Schüler, Studenten und andere an. Die Kurse werden mit den einschlägigen Zertifikaten abgeschlossen. Darüber hinaus ist das Goethe-Institut in der pädagogischen Koordination aktiv.
2. Entwicklungslinien, Probleme und Chancen Die Entwicklung des schulischen Deutschunterrichts in Senegal ist von Bemühungen um eine Anpassung der Lehrwerke an den afrikanischen Kontext gekennzeichnet. 1975 wurde das von deutschen Autoren für Westafrika konzipierte Lehrwerk Yao lernt Deutsch (Schröder und Beissner 1975) eingeführt. In diesem Lehrwerk wurde die afrikanische Lebenswelt als Handlungsort einbezogen, eine Integration, die der Adressatenorientierung und dem kontrastiven Ansatz entsprach. Aufgrund der massiven Kritik (vgl. Gue`ye 1982) an der oralen Methode und der unvorteilhaften Darstellung des Afrikaners zugunsten seines deutschen Dialogpartners wurde 1993 das regionalspezifische und
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hauptsächlich von Autoren aus neun so genannten frankophonen Ländern West- und Zentralafrikas entwickelte Lehrwerk Ihr und Wir (Boly et al. 1992⫺95) eingeführt. Dieses Lehrwerk zeichnet sich durch eine dezidierte Schülerorientierung und einen interkulturellen Ansatz aus. Auf akademischer Ebene ist eine ähnliche Entwicklung zu beobachten: Während das Lehrangebot in den ersten beiden Jahrzehnten so gut wie keinen Bezug zur Lebenswelt der Studierenden aufwies, hat sich mittlerweile eine stärkere Berücksichtigung des afrikanischen Kontextes durchgesetzt. Diese Hinwendung zum Eigenen äußert sich im deutlich größeren Interesse für interkulturelle Fragestellungen seit Mitte der 1990er Jahre. Zu den Problemen der Fächer DaF und Germanistik in Senegal gehören die in vergleichbaren Ländern üblichen Einschränkungen durch mangelnde Mittel für die Ausstattung und Unterrichtsgestaltung. Ein weiteres Problem ist die sehr begrenzte Möglichkeit zur Verbesserung der Sprechfertigkeit ⫺ auch für Lehrer, die selten deutschsprachige Länder besuchen können. Hinzu kommt, dass die Aufnahme in der ENS keine Garantie mehr für eine Einstellung im öffentlichen Dienst ist. Da der Lehrerberuf die Hauptperspektive ist, steigert die drohende Arbeitslosigkeit die Attraktivität des Faches nicht. Gewichtiger als die strukturellen Probleme ist jedoch ein konzeptionelles Defizit, das die positiven Entwicklungen untergräbt. Auf schulischer Ebene ist die Unterrichtsgestaltung durch das Lehrwerk bestimmt, das z. T. gravierende Unzulänglichkeiten aufweist: Das betrifft nicht nur die idealisierende Darstellung der Zielgesellschaft, sondern vor allem die verfälschende Darstellung der Tragödie in Rwanda (Boly et al. 1995, IV: 48) und die rassistischen Klischees des „kriegslustigen“ Afrikaners (Boly et al. 1995, IV: 115⫺116), um nur diese Beispiele zu nennen. Auch auf Hochschulebene fehlt ⫺ trotz der seit den 1980er Jahren geführten Diskussion über die gesellschaftspolitische Legitimation des Faches (vgl. Sow 1986) ⫺ immer noch eine Definition von didaktischen Prinzipien, die den akademischen Deutschunterricht zu einem Ort interkultureller Begegnung und nicht der Festigung der Nord-SüdAsymmetrie (vgl. Diallo 2006) machen könnten. Ein signifikantes Beispiel für dieses Versäumnis ist das unzulängliche Verständnis von Interkulturalität, das sich in der Beschränkung der Fragestellungen auf Kurse im kulturwissenschaftlichen Bereich offenbart: Auf diese Weise verfehlen die neuen Akzente nicht nur den Hauptteil des Studienganges, den Literaturunterricht, sondern auch die Linguistik- und Übersetzungskurse. So wie die Literatur sich als Reflexionsmedium eignet und die entsprechende Behandlung gesellschaftskritischer und interkulturell relevanter Werke zur erforderlichen Auseinandersetzung mit Entwicklungsprozessen und (welt-)gesellschaftlichen Zusammenhängen beitragen würde, so könnte der konkrete Bezug zu den lokalen Sprachen die notwendige Aufwertung der dominierten Kulturen fördern und das interkulturelle Bewusstsein schärfen, das auf eine herrschaftsfreie Kommunikation abzielt. Am deutlichsten wird dieses grundlegende Problem der unzureichenden Integration des Eigenen in der Lehrerausbildung, die eine dezidierte Förderung der kulturellen Selbstbehauptung verfolgen soll (vgl. Livret Guide o. J.: 13). Bezeichnend ist die Kritik des Leiters der Deutschabteilung an der mangelnden Berücksichtigung der Bedürfnisse in der Ausgangsgesellschaft (vgl. Diop 2000: 119). Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass die Lehrenden in Bezug auf die Akzentuierung im Unterricht den emanzipativen Erwartungen an eine interkulturell ausgerichtete Fremdsprachenvermittlung in einer asymmetrischen Konstellation nicht gerecht werden, wie die Ansätze in der Zeitschrift des Deutschlehrerverbandes verdeutlichen (APASS-Bericht 2000: 14⫺15, 33⫺38).
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
Gleichwohl stellt die APASS eine Chance zur Korrektur dar. Dafür spricht nicht nur ihre Bemühung um regelmäßige Fortbildungsveranstaltungen und um einen Austausch mit afrikanischen und deutschen Partnern, sondern auch ihre Eigenschaft als Verband, in dem nahezu alle Deutschlehrenden organisiert sind, so dass die Entwicklung eines didaktischen Modells mit der nötigen Akzentuierung auf dieser Struktur aufbauen könnte. Eine weitere Chance für die Fächer bieten die Paradigmen der Interkulturalität und Postkolonialität, die zur konsequenten Perspektivierung der Inhalte beitragen können. Der anzustrebenden kritisch-emanzipatorischen Kulturvermittlung entspricht das grundsätzliche Potential der deutschen Sprache und Kultur in einem Land wie Senegal, dessen Beziehungen zur Zielgesellschaft nicht kolonial belastet sind wie im Fall der Frankophonie, der der tradierte Anspruch auf kulturelle Dominanz anhaftet. In dieser Hinsicht sind die Fächer DaF und Germanistik auch als Beitrag zur Diverzifizierung angesichts der fortschreitenden Expansion des Englischen anzusehen, die den Gedanken der kulturellen Vielfalt und der herrschaftsfreien Kommunikation widerspricht.
3. Schwerpunkte der Lehrerausbildung, Germanistik und Forschung An der ENS stehen Pädagogik, Methodik und Didaktik im Mittelpunkt der Lehrerausbildung. Ein Teil der Seminare ist der internationalen Diskussion über das Fach DaF und dem Konzept Interkulturelle Germanistik gewidmet. Im senegalesischen Germanistikstudium umfasst das Curriculum vier Bereiche: Literatur, Sprachwissenschaft, Landeskunde und Sprach- bzw. Übersetzungsübungen. Der Schwerpunkt liegt auf der Literaturvermittlung, an zweiter Stelle steht die Landeskunde: In diesen Kursen werden vornehmlich klassische Werke der deutschen Literatur und die wichtigsten Epochen der deutschen Kulturgeschichte behandelt. Ab dem dritten Studienjahr setzen sich die Studenten mit methodologischen, interkulturellen und kulturwissenschaftlichen Fragen auseinander. In der Forschung dominiert die Literaturwissenschaft: Nach imagologischen Studien sowie Untersuchungen zur Praxis des Unterrichts ist seit den 1990er Jahren eine Schwerpunktverlagerung zugunsten interkultureller Textanalysen festzustellen. Um so dringender ist die Ausrichtung der literaturwissenschaftlichen Kurse auf jene transkulturelle Relevanz deutscher Literatur, die der Dialektik von Selbst- und Fremdverstehen entspricht.
4. Literatur in Auswahl APASS-Bericht 2000 Dakar (Association des Professeurs d’Allemand du Secondaire au Se´ne´gal). Boly, Mamoudou et al. 1992⫺1995 Ihr und Wir. 4 Bde. Hamburg: Otto Heinevetter. Diallo, M. Moustapha 2006 Interkulturalität in einer Nord-Süd-Konstellation. Thesen zu einer Reform in der Germanistik im frankophonen West- und Zentralafrika. In: Leo Kreutzer und David Simo
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(Hg.), Weltengarten. Deutsch-Afrikanisches Jahrbuch für Interkulturelles Lernen, 136⫺148. Hannover: Revonnah. Diop, El Hadj Ibrahima 2000 Das Selbstverständnis von Germanistikstudium und Deutschunterricht im frankophonen Afrika. Vom kolonialen Unterrichtsfach zu eigenständigen Deutschlandstudien und zum praxisbezogenen Lernen. Frankfurt a. M.: Lang. Gue`ye, Moussa 1982 Ansätze einer Ideologiekritik des Deutschunterrichts in der Republik Senegal. Dissertation, Universität Osnabrück. Livret-Guide de l’Ecole Normale Supe´rieure o. J. Dakar. Schröder, Manfred und Rolf Beissner 1975. Yao lernt Deutsch. 3 Bde. Dakar/Abidjan/Lome´: Nouvelles Editions Africaines. Sow, Alioune 1986 Germanistik als Entwicklungswissenschaft? Überlegungen zu einer Literaturwissenschaft des Faches Deutsch als Fremdsprache in Afrika. Hildesheim: Olms.
M. Moustapha Diallo, Paderborn/Dakar (Senegal)
223. Deutsch in Serbien 1. 2. 3. 4. 5.
Die Anfänge Deutschunterricht in Serbien Hochschulen und Hochschulgermanistik Schritte und Vorschläge zur Verbesserung des Deutschunterrichts Literatur in Auswahl
1. Die Anänge In Sremski Karlovci in der nördlichen serbischen Provinz Vojvodina, dem Sitz des serbisch-othodoxen Metropoliten, wurde Deutsch als Schulfach bei den Serben am 1. Oktober 1753 am damaligen Priesterseminar und der allgemein bildenden lateinischen Schule eingeführt. In Zentralserbien jedoch ließ der Deutschunterricht auf sich warten und wurde erst mit dem Aufkommen einer bürgerlichen Gesellschaftsordnung in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts in der damaligen serbischen Hauptstadt Kragujevac (1871) und in den im Süden des Landes gelegenen Städten Nisˇ (1881) und Aleksinac (1906) eingeführt und war zu Beginn die einzige Fremdsprache im Unterricht (Kostic´ 1985; Zˇiletic´ 1998). Für Deutsch als Schulfach bestand schon 1830 Anlass, als die beiden österreichischen Ingenieure Frantz Janke und Baron Frantz Cordon als „offizielle Ingenieure“ beamtet für das Bauwesen im Fürstentum Serbien eingesetzt wurden. Was immer auch die Beziehungen Serbiens zu Österreich bzw. Deutschland in den letzten zwei Jahrhunderten zu trüben vermochte, der Anteil von Technik und Technologien aus den beiden deutschspra-
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
chigen Ländern nahm ständig zu, so dass er seit mehr als dreißig Jahren bei etwa 70 % liegt. In enger Verbindung mit dem deutschsprachigen Raum, vor allem mit Wien, stehen auch die Anfänge der serbischen neuzeitlichen Philologie und der Aufschwung der serbischen Kultur. Deutsch hätte ohne den kulturpolitischen Einfluss der Donaumonarchie im südslawischen Raum bei weitem nicht die heutige Bedeutung.
2. Deutschunterricht in Serbien Für die folgende Darstellung musste auf Zahlen von 2002 zurückgegriffen werden (vgl. Glisˇovic´ 2004), weil das serbische Bildungsministerium aktuelle Zahlen nicht herausgab bzw. begründete Zweifel an dem veröffentlichten Zahlenmaterial bestehen. 2002 veröffentlichte das serbische Ministerium für Bildung und Sport eine Erhebung über den Fremdsprachenunterricht in den Grund- und Mittelschulen Serbiens. Vorausgeschickt sei, dass die Schulausbildung aus einer schulpflichtigen achtjährigen Grundschule mit einer Fremdsprache ab der dritten Klasse besteht, die zweite Fremdsprache wird ab der fünften Klasse Grundschule gelehrt. Am Gymnasium sind dann zwei Fremdsprachen Pflichtfächer, an anderen Mittelschulen ist meist eine Fremdsprache Pflichtfach. In der achten Klasse Grundschule ist Englisch mit 60,21 %, Russisch mit 22,0 %, Französisch mit 9,66 % und am wenigsten Deutsch mit 8,13 % vertreten. Die genannten Werte gelten für Serbien mit der Provinz Vojvodina, jedoch ohne die Provinz Kosovo und Metohija. In der nördlichen Vojvodina, die geographisch nicht der Balkanhalbinsel angehört und kulturell mitteleuropäische Kulturzüge trägt, schneidet Deutsch als Unterrichtsfach günstiger ab: Dort gibt es Englisch in einer Größenordnung von 57,64 %, Russisch 21,0 %, Deutsch 18,33 % und Französisch nur 2,51 %. Bei der zweiten Fremdsprache in den Grundschulen konnte das Deutsche punkten: Englisch liegt bei 51, 28 %, Russisch bei 19,23 %, Deutsch knapp mit 14,74 % vor Französisch mit 14,71 %. Diese Werte gelten für Serbien mit der Vojvodina. In der Vojvodina selbst liegen die Werte für Deutsch mit 16,93 % und für Englisch mit 74,69 % höher, jedoch für Russisch mit 6,73 % und für Französisch mit 1,58 % tiefer. Wahrscheinlich wegen des Missverhältnisses der einzelnen Fremdsprachen zu den wirklichen Anforderungen des Alltagslebens verlautbarte das serbische Bildungsministerium Richtlinien für den künftigen Fremdsprachenunterricht. Demnach sollen unter anderem zwei Fremdsprachen obligatorisch in der anstehenden neunjährigen Grundausbildung werden. Damit ist allerdings ein leidiges Thema des serbischen Schulsystems angeschnitten. Es ist ein teures System, weil es für ein Schulfach an der jeweiligen Schule jeweils einen Lehrer benötigt. Lehrer für zwei oder mehrere Fächer sind in der Reform des Schulwesens vorgesehen. Die relativ niedrigen Prozentsätze des Russischen, Französischen und Deutschen sind daher auch sozial bedingt. Da für jedes einzelne Fach jeweils ein Fachlehrer benötigt wird, reichen die Klassen einer Schule oft nicht aus, das volle Stundenpensum für eine Fremdsprache abzudecken. Wenn dabei die Zweitschule, wo das Pensum ergänzt werden kann, entlegen ist, verzichtet auch der arbeitslose Philologe auf eine Anstellung, was dann ein falsches Bild von Angebot und Interesse für die jeweilige Fremdsprache liefert. Das noch immer teure sozialistische Vollbeschäftigungsmodell (ein Lehrer ⫺ ein Fach) wird selbst von den Lehrern aufrechterhalten, die bei kleinen Gehältern nicht gewillt sind, sich für weitere Schulfächer ausbilden zu lassen.
223. Deutsch in Serbien
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3. Hochschulen und Hochschulgermanistik Die 1905 gegründete Belgrader Universität setzt sich aus 30 Fakultäten zusammen, wobei die Kunstakademien eine eigene Universität bilden. Von diesen 30 Fakultäten, die Philologische ausgenommen, bieten 19 Fremdsprachenunterricht in Englisch, Französisch, Russisch und Deutsch an. Die anderen zehn vorwiegend naturwissenschaftlichen Fakultäten bieten nur Englisch, eine auch Französisch an. Im Durchschnitt sind 300 Studenten am Lehrstuhl für Germanistik in Belgrad in allen vier Studienjahren immatrikuliert. Hinzukommen noch etwa 200 Studenten, die Deutsch als zweijähriges Wahlfach haben. Die Germanistik in Novi Sad weist gleiche Zahlen auf. In Kragujevac wird Germanistik mit Unterstützung der Belgrader Kollegen angeboten. In der serbischen Provinz Kosovo und Metohija gibt es in der Hauptstadt Prisˇtina seit 1999 eine albanische Universität und einen Germanistiklehrstuhl, wobei die ehemalige serbische Prisˇtiner Universität, die sich derzeit in dem von den Serben dominierten Nordteil von Kosovska Mitrovica befindet, weiterhin keine Germanistik hat. (Diese hauptsächlich von Albanern besiedelte Provinz proklamierte ihre Selbständigkeit 2008, diese wird aber nur von 65 der 192 UN-Mitgliedstaaten anerkannt. Serbien betrachtet die Provinz Kosovo und Metohija weiterhin als eigenes Territorium.) Die Zahl der Germanistik-Studenten in Prisˇtina beträgt das Zweifache jener von Belgrad: nämlich 600 Studenten bei nur 10 Lehrkräften, was um die Hälfte weniger ist als in Belgrad. Bei den albanischen Studenten ist Deutsch ein beliebtes Fach, obwohl in der Zeit vor der UNOVerwaltung des Kosovo (1999) an insgesamt 144 Grundschulen kein Deutsch gelehrt wurde. Russisch war dagegen an 84 Schulen reichlich vertreten. Diplom-Germanisten gelten als begehrte Fachkräfte auf dem serbischen Arbeitsmarkt. Sie sind seit mehr als 20 Jahren ein defizitärer Beruf. Das soll nicht heißen, dass die Germanisten die Spitzenreiter unter den angestellten Philologen sind; dieser Posten gebührt den Anglisten, von denen jedoch im Unterschied zu den Germanisten ein Überschuss herrscht, während der Arbeitsmarkt durchaus mehr Germanisten verkraften könnte. Gegenüber den etwa 80 Germanistikstudenten, die zur Zeit jährlich immatrikuliert werden, erreichen aber nur etwa 20 pro Jahr den Hochschulabschluss.
4. Schritte und Vorschläge zur Verbesserung des Deutschunterrichts Das serbische Staatsfernsehen RTS strahlte ab November 2002 den TV-Deutschkurs „Redaktion D“ aus. Dieser Schritt zeugte von einer weiteren Öffnung der serbischen Medien für die deutsche Sprache, denn deutschsprachige Filme ⫺ wie fremdsprachliche Filme überhaupt ⫺ werden in Serbien grundsätzlich im Originalton mit Untertiteln gezeigt, Theaterstücke selten und deutsche Unterhaltungsmusik fast nie gesendet. Als Ansporn für einen besseren Kulturaustausch zwischen Deutschland und Serbien sollten die drei Monate lang stattfindenden Deutschen Kulturwochen im ehemaligen Jugoslawien (September⫺November 2002) und eine Deutsche Kulturwoche Ende 2009 beitragen. Abgesehen von den Bemühungen der deutschen und österreichischen Institutionen, einen Beitrag in Form von Geräte- und Buchspenden, Stipendien, Lektorenaustausch
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
und diversen Anregungen zur Förderung des Deutschunterrichts zu leisten, ist und bleibt der schulische Unterricht einer Fremdsprache beim zur gleichen Zeit vorhandenen wirtschaftlichen und kulturellen Bedarf, der in Serbien im Falle des Deutschen durchaus gewährleistet ist, die wichtigste und sicherste Methode ihrer Verbreitung. Heißt es in der „Länderkonzeption zur Förderung der deutschen Sprache und der damit verbundenen Wissenschaftsdisziplinen für die Bundesrepublik Jugoslawien“ (Stand 1998), einer Studie, die von der Deutschen Botschaft, dem Goethe-Institut in Belgrad und dem DAAD erarbeitet wurde, „Deutsch ist [in Serbien und Montenegro] keine beliebte Fremdsprache, sie gilt als schwer und wird aus psychologischen und politischen Gründen vom Staat kaum gefördert“, so ist dem Folgendes entgegenzuhalten: Deutsch wird nicht als unbeliebt empfunden. Für mehr als 700.000 jugoslawische Staatsbürger, die in Deutschland, und 400.000, die in Österreich als Gastarbeiter leben, wurde Deutsch in der zweiten Generation zur zweiten Muttersprache. Eine interne, vom serbischen Bildungsministerium 2001 durchgeführte Untersuchung außerschulischer Fremdspracheninstitute in Serbien umfasste 236 Institute, von denen nur 28 Deutschkurse anbieten. Genau 57 % dieser Institute verbuchten einen Zuwachs an Deutschlernenden, 10,7 % halten das Interesse für die deutsche Sprache für rückgängig, während ein Drittel die Lage als gleich bleibend bewertete. Der wunde Punkt des serbischen Schulsystems und somit des Deutschen als Schulfach ist das erwähnte „Ein-Fach-ein-Lehrer-Prinzip“. Erschwert wird eine angestrebte Lehrertätigkeit auch durch die Verordnung, dass man ein Philologiestudium einer Fremdsprache, die in serbischen Grund- und Mittelschulen als Schulfach angeboten wird, nur dann immatrikulieren kann, wenn man die jeweilige Fremdsprache bereits als Schulfach absolviert hatte. Damit kommt es zum Engpass für die deutschinteressierten Studienanwärter. Der richtige und erfolgreiche Weg wäre, die serbischen Bildungsbehörden zu überzeugen, Haupt- und Mittelschullehrer für mehrere Fächer und Philologen in zumindest zwei Sprachen auszubilden, damit auch der Deutschunterricht zunimmt. Erst dann ließe sich der Unterricht flexibler gestalten und die Schüler bekämen in der Tat eine Auswahl an Fremdsprachen, die ihren Affinitäten und Bedürfnissen entsprechen. Dies jedoch setzt voraus, dass an den Philologischen Fakultäten in Serbien alle vier „Weltsprachen“ (Englisch, Deutsch, Französisch und Russisch) als weiterführendes und auch als Beginnerfach im Angebot stehen.
5. Literatur in Auswahl Glisˇovic´, Dusˇan 2004 Zukunftschancen der deutschen Sprache in Serbien. In: Dietmar Goltschnigg und Anton Schwob (Hg.), Zukunftschancen der deutschen Sprache in Mittel-, Südost- und Osteuropa, 351⫺356. Wien: Edition Praesens. Kostic´, Strahinja K. 1975 Wien und die serbische Schule und Literatur am Ende des 18. und zu Anfang des 19. Jahrhunderts. In: Anzeiger der phil.-hist. Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 112: 354⫺364. Kostic´, Strahinja K. 1985 Kulturorientierung und Volksschule der Serben in der Donaumonarchie zur Zeit Maria Theresias. In: Richard Georg Plaschka (Hg.), Österreich im Europa der Aufklärung, Konti-
224. Deutsch in der Slowakei
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nuität und Zäsur in Europa zur Zeit Maria Theresias und Josephs II., 847⫺866. Wien: Verlag der Akademie der Wissenschaften. Zˇiletic´ Zoran 1998 Deutschlernen und Deutschunterricht in Restjugoslawien. In: Franciszek Grucza (Hg.), Deutsch und Auslandsgermanistik in Mitteleuropa: Geschichte ⫺ Stand ⫺ Ausblicke, 148⫺ 157. Warszawa: Graf-Punkt.
Dusˇan Glisˇovic´, Belgrad (Serbien)
224. Deutsch in der Slowakei 1. 2. 3. 4. 5.
Die Rolle des Deutschen in der Slowakei Träger des Deutschunterrichts und der Deutschlehreraus- und -fortbildung Lernende und Lehrende in Deutsch als Fremdsprache Probleme und Entwicklungslinien Literatur in Auswahl
1. Rolle des Deutschen in der Slowakei Die geographische Lage und die historischen Gegebenheiten sowohl vor als auch nach dem gesellschaftlichen Umbruch im Jahre 1989 beeinflussten die sprachliche Situation und Entwicklung in der Slowakei maßgeblich. Die fast tausendjährige slowakisch-ungarische Geschichte, der massive Zuzug von Deutschen in das Gebiet Oberungarns, der heutigen Slowakei, um das Jahr 1200 und die Blütezeit der deutschen Bergstätte auf dem Gebiet der Slowakei Ende des 15. Jhs. und Anfang des 16. Jhs. und die 106 im Jahre 1927/1928 bestehenden deutschen Volksschulen, deutschen Bürgerschulen und deutschen Gymnasien waren Ausdruck dafür, dass Mehrsprachigkeit auf dem Gebiet der Slowakei seit Jahrhunderten eine Selbstverständlichkeit war. Heutzutage bekennen sich etwa 6.000 Bürger der Slowakei zur deutschen Nationalität (Trosˇok 1996: 102⫺103). Deutsch spielte und spielt in der Slowakei zweifellos noch immer eine bedeutende Rolle. Zwischen 1918 und 1939 boten zumindest die Gymnasien ein relativ breites Spektrum von Fremdsprachen an, wie z. B. Deutsch, Französisch, Italienisch, Englisch und Russisch. In den Jahren 1939 bis 1945 wurde Deutsch in der Slowakei an Hand von nationalen Lehrwerken unterrichtet. Aufgrund der veränderten politischen Verhältnisse in der damaligen Tschechoslowakei (1949⫺1989) kam es zu einem massiven Rückgang des Fremdsprachenangebots, Russisch war fortan die erste Fremdsprache. Deutsch wurde als eine der obligatorischen Fremdsprachen an den Gymnasien jedoch weitergeführt. Bis 1976 bildeten die Lehrstühle für Fremdsprachen an den Pädagogischen Hochschulen der Slowakei Fremdsprachenlehrkräfte für die Sekundarstufe I aus. Nach 1976 wurden sie alle ⫺ mit Ausnahme der Lehrstühle für Russistik ⫺ aufgelöst, die Fremdsprachenlehrerausbildung für die Sekundarstufe I und II erfolgte nur mehr an den Philosophischen Fakultäten von zwei slowakischen Universitäten ⫺ in Bratislava und Presˇov.
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
An den Grundschulen wurde außer Russisch keine Fremdsprache obligatorisch unterrichtet, an den weiterführenden Schulen wurde neben Russisch noch eine weitere Fremdsprache (meistens ausgewogen Deutsch und Englisch) als Pflichtfach unterrichtet. Die politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen in Mittelosteuropa nach dem Jahre 1989, die Um- oder Neustrukturierung des Schulwesens, der Beitritt der Slowakei zur Europäischen Union im Jahre 2004, die Dokumente der Europäischen Union und des Europarates sowie auch die slowakischen staatlichen Dokumente beeinflussten das Schulwesen hinsichtlich des Fremdsprachen- bzw. Deutschunterrichts in der Slowakei sehr stark.
2. Träger des Deutschunterrichts und der Deutschlehreraus- und -ortbildung Nach der Wende 1989 wurden Fremdsprachen in der Slowakei nach mehreren Modellen unterrichtet. Abgesehen davon, dass Fremdsprachen (meistens Englisch und Deutsch) schon in vielen Kindergärten unterrichtet werden, wird die 1. Fremdsprache meistens ab der 5. Klasse unterrichtet. Ziemlich populär wurde das Modell für Grundschulen mit erweitertem Fremdsprachenunterricht, wonach die 1. Fremdsprache ab der 3. Klasse unterrichtet wird. Seltener wird die 1. Fremdsprache ab der 1. Klasse unterrichtet. Die 2. Fremdsprache wird als Wahlpflichtfach in der 7. Klasse eingeführt. Die Lernenden haben die Möglichkeit, sich für Englisch, Deutsch, Französisch, Russisch, Spanisch oder Italienisch zu entscheiden. Die Wahl der Fremdsprache hängt mit vielen Faktoren zusammen wie den Interessen der Eltern und der Lerner, vorhandenem qualifizierten Fremdsprachenlehrerpotential, etc. An der 1. Stelle steht Englisch, gefolgt von Deutsch. An den weiterführenden Schulen (Gymnasien, Fachmittelschulen, Berufsschulen usw.) sind zwei Fremdsprachen obligatorisch. Außerdem unterrichtet man Fremdsprachen in vielen Sprachschulen und Akademien. Die neue, vom Ministerium für das Schulwesen der Slowakischen Republik genehmigte Schulreform, die mit dem Schuljahr 2008/09 eingeführt wurde und bis spätestens 2017⫺2019 das Zielmodell vollständig umsetzen soll, sieht einige wichtige Veränderungen und Ziele vor: U. a. wird anstatt der großen Variabilität der Lehrpläne im Schulfach Fremdsprache eine einheitliche Variante eingeführt, wonach mit der 1. Fremdsprache in der 3. Klasse Grundschule (Primarbereich) und mit der 2. Fremdsprache in der 6. Klasse Grundschule (Sekundarstufe I) begonnen wird. Die Einführung der neuen Konzeption soll über einen Zeitraum von 5⫺8 Jahren erfolgen. 1998 wurde an allen slowakischen Hochschulen und Universitäten mit der Einführung des Credit-Systems ECTS begonnen (Hockickova´ 2005: 136). Im Sinne des Bologna-Prozesses sind alle universitären Studienprogramme auf das Modell 3 ⫹ 2 ⫹ 3 (Bakkalaureat- ⫹ Magister- ⫹ Doktorandenstufe) übergegangen (Hockickova´ und Gadusˇova´ 2007: 65). Die Ausbildung von qualifizierten Deutschlehrerinnen und -lehrern erfolgt gegenwärtig an neun Universitäten in der Slowakei. Neben den linguistischen, literaturwissenschaftlichen, kulturwissenschaftlichen und methodisch-didaktischen Fächern ist das pädagogische Praktikum fester Bestandteil des Lehramtsstudiums Deutsch. Im Jahre 1991 wurde der Verband der Deutschlehrer und Germanisten der Slowakei (SUNG), Mitglied des Internationalen Deutschlehrerverbandes, gegründet, der ein wich-
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tiges Verbindungsglied zwischen Deutschlehrenden und Germanisten an allen Schulen und Universitäten in der Slowakei und darüber hinaus ist. Seit 1992 findet alle 2 Jahre an einer anderen slowakischen Universität (Lehrstuhl für Germanistik) eine internationale Tagung mit unterschiedlichen aktuellen Schwerpunkten statt. Auch die Universitäten selbst (Lehrstuhl für Germanistik) organisieren abwechselnd Fachtagungen.
3. Lernende und Lehrende in Deutsch als Fremdsprache In der Slowakei werden in allen Schulstufen und ⫺typen Fremdsprachen unterrichtet, das entspricht etwa 920 000 FremdsprachenlernerInnen. Im Primarbereich (1.⫺4. Klasse) lernen etwa 23,5 % Deutsch im Vergleich zu 75,9 % Englisch. Der Anteil der anderen Sprachen liegt unter 1 %. In der Sekundarstufe I (5.⫺9. Klassse) lernen 37 % Deutsch und 57,9 % Englisch. Die anderen Fremdsprachen sind mit 1,5⫺1,5,3 % vertreten. In den 8-jährigen Gymnasien (1.⫺4. Klasse) lernen 30,6 % Deutsch im Vergleich zu 60,7 % Englisch (Französisch 6,5 %, Spanisch und Russisch je etwa 1 %). An den Gymnasien (Sekundarstufe II) beträgt der Anteil von Deutsch 39,37 % und von Englisch 49,7 %, der Anteil der anderen Sprachen liegt zwischen 1,7⫺7 %. An anderen weiterführenden Schulen ⫺ Fachmittelschulen, Berufsschulen u. a. (10.⫺13.Klasse) lernen 45,5 % der Lerner Deutsch, 46,7 % Englisch, 6,912 % Französisch, 3,179 % Russisch und 0,2 % Spanisch (Koncepcia vyucˇovania cudzı´ch jazykov v za´kladny´ch a stredny´ch sˇkola´ch 2007: 13⫺29). Die Anzahl und die Qualifizierung der Fremdsprachenlehrenden in der Slowakei ist im Allgemeinen nicht befriedigend. Von den insgesamt 19.026 Fremdsprachenlehrkräften sind 5.358 DeutschlehrerInnen, davon 71,3 % mit Qualifikation (im Vergleich zu den 62,8 % qualifizierter EnglischlehrerInnen, 95,8 % FranzösischlehrerInnen usw.). Im Primarschulbereich und in der Sekundarstufe I (insgesamt 1.726 Fremdsprachenlehrende, davon 697 für Deutsch) unterrichten etwa 57 % qualifizierte Lehrkräfte. Englisch unterrichten auf derselben Stufe etwa 48,5 % Lehrkräfte mit Qualifizierung. In den weiterführenden Schulen ist die Situation besser, dort liegt ihr Anteil z. B. an Gymnasien über 96 % und an Fachmittelschulen über 95 %. In anderen, weniger unterrichteten Sprachen (Französich, Spanisch, Italienisch und Russisch) sind über 70 % der Lehrkräfte an allen Schulstufen qualifizierte Lehrkräfte. Die Anzahl der Lehramtsabsolventen in Fremdsprachenfächern beträgt jährlich etwa 490. Davon liegt der Anteil der qualifizierten Deutschlehrkräfte (im Vergleich zu 240 für Englisch) bei etwa 120. Wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass für die erfolgreiche Anwendung des neuen Schulgesetzes im Bezug auf den Fremdsprachenunterricht insgesamt etwa 14.000 FremdsprachenlehrerInnen requalifiziert werden müssen, ist diese Anzahl der Absolventen ungenügend, um die Qualifizierung der Lehrkräfte an den Grundund weiterführenden Schulen voranzutreiben. Deswegen ist es nötig, den Lehrkräften in der Praxis genügend Raum für ihre Requalifizierung einzuräumen, eine zu große Fluktuation zu verhindern und die Absolventen des Lehramtsstudiums zum Lehrerberuf zu motivieren.
4. Probleme und Entwicklungslinien Auf Grund der jahrelang fehlenden Forschung, einer geringen Effektivität des Fremdsprachenlernens an den Grund- und Mittelsschulen, einer fehlenden Kontinuität im
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
Übergang von der Grundschule auf die jeweilige weiterführende Schule und anderer Mängel in der Schulpolitik erarbeitete das Staatliche Pädagogische Institut in Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Fakultät der Comenius-Universität in Bratislava, der Philosophischen Fakultät der Konstantin-Universität in Nitra und mit Fachleuten auf dem Gebiet des Fremdsprachenlernens und -lehrens ein neues Fremdsprachenmodell für den Fremdsprachenunterricht an Grund- und Mittelschulen. Allgemeines Ziel ist es, dass alle Lernenden nach Abschluss der weiterführenden Schulen in der 1. Fremdsprache das Niveau B1/B2 und in der 2. Fremdsprache das Niveau A2/B1 des GeR sowie die Anerkennung ihrer Sprachbildung in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und des Europarates erreichen. Die konkreten Schritte lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Reduktion der großen Variabilität des Lehrplans für das Schulfach Fremdsprache, Vorschläge für konkrete Lösungen zum Abbau von unqualifizierten Lehrkräften im Fremdsprachenunterricht, Senkung der Fluktuationsrate von Fremdsprachenlehrenden, langfristige Lösung von Fragen der Sprachpolitik nach dem ausgearbeiteten Konzept, Definition des Kompetenzniveaus der Lerner im Fremdsprachenunterricht, Einführung des Unterrichts in zwei Fremdsprachen in allen Schultypen im Einklang mit der Bildungsreform in der Slowakischen Republik, Gestaltung wichtiger pädagogischer Dokumente für Grund- und Mittelschulen, so dass die Prinzipien der Kontinuität im Fremdsprachenunterricht berücksichtigt werden und die Herausarbeitung von Kriterien für die Erstellung von nationalen Lehrwerken nach dem vorgeschlagenen Modell. Für die Universitäten mit Lehramtsstudium Germanistik ist es erforderlich, die Studienprogramme in Bezug auf die neue Konzeption der Sprachausbildung zu ändern und die Motivation für Deutsch sowohl bei den Lernenden als auch bei den Studierenden und den zukünftigen Deutschlehrerkräften zu steigern.
5. Literatur in Auswahl Butasˇova´, Anna, Zdenka Gadusˇova´, Ruzˇena Zˇilova´ et al. 2007 Koncepcia vyucˇovania cudzı´ch jazykov v za´kladny´ch a stredny´ch sˇkola´ch. [Konzeption des Fremdsprachenunterrichts an den Grund- und Mittelschulen.] Bratislava: Sˇta´tny pedagogicky´ u´stav. Hockickova´, Bea´ta 2005 Inhalte, Ziele und Institutionalisierungsformen der Deutschlehrerausbildung im europäischen Vergleich. Slowakei im Kontext der V-4 Länder und Bulgarien. In: Eva Neuland, Konrad Ehlich und Werner Roggausch (Hg.), Perspektiven der Germanistik in Europa. Tagungsbeiträge, 132⫺141. München: iudicium. Hockickova´, Bea´ta und Zdenka Gadusˇova´ 2007 Neue Konzeption der Studienprogramme im Studienfach Lehramtsstudium der akademischen Fächer im Bereich des pädagogischen Praktikums. In: Veränderungen im Studium der deutschen Sprache, 65⫺76. Olomouc: Univerzita Palacke´ho v Olomouci, Pedagogicka´ fakulta. Trosˇok, Roman 1996 Zur Stellung des Deutschen als Fremdsprache in der Slowakischen Republik. In: Hermann Funk und Neuner Gerd (Hg.), Verstehen und Verständigung in Europa. Konzepte von Sprachenpolitik und Sprachdidaktik unter besonderer Berücksichtigung des Deutschen als Fremdsprache, 102⫺110. Berlin: Cornelsen.
Bea´ta Hockickova´, Nitra (Slowakei)
225. Deutsch in Slowenien
1797
225. Deutsch in Slowenien 1. 2. 3. 4. 5.
Zur Rolle des Deutschen in Slowenien Deutschunterricht in Slowenien Die slowenische Germanistik Kulturvermittlung Literatur in Auswahl
1. Zur Rolle des Deutschen in Slowenien Die slowenische Germanistik wird an den beiden größten Universitäten des Landes, in Ljubljana (UL) und Maribor (UM), gepflegt (UL um 62.000, UM um 25.000 Studierende). Deutsch wird auch im Rahmen von Übersetzerstudien ebenso wie an zahlreichen anderen Fakultäten als Fremd- und Fachsprache in nicht linguistischen Studiengängen unterrichtet. Außerdem spielt Deutsch in allen Sektoren des Schul- und Bildungswesens, auf dem Arbeitsmarkt, in der Wirtschaft und zu einem geringen Teil auch in der privaten Kommunikation als Fremdsprache eine beträchtliche Rolle. Slowenien ist seit 1991 selbständig und wurde 2004 EU-Mitglied. Es umfasst etwa 20.000 km2 und hat ca. 2 Millionen Einwohner. An den Grenzen zu Ungarn und Italien leben eine ungarische und eine italienische Minderheit, slowenische Minderheiten gibt es in Italien, Österreich und Ungarn. Slowenien ist ethnisch ziemlich homogen, trotzdem gibt es Gruppen, die andere Sprachen sprechen, vor allem serbisch, kroatisch, bosnisch und albanisch. 499 Staatsbürger haben sich bei der Volkszählung im Jahre 2002 als deutschsprachig bezeichnet (vor allem in der deutschen Sprachinsel Gotschee, in Celje und Maribor, wo es früher größere Zahlen an Deutschsprachigen gab). Die offizielle Sprache, auch des tertiären Bildungssektors, ist Slowenisch, in den ethnisch gemischten Regionen, wo es auch zweisprachige Kindergärten und Schulen gibt, wird überdies Ungarisch bzw. Italienisch gesprochen. Das heutige slowenische Staatsgebiet wurde 600 Jahre lang bis 1918 von den Habsburgern regiert, an die im 14. Jh. der Großteil des slowenischen Gebietes fiel. Das bedeutet auch, dass Deutsch in öffentlichen Institutionen gesprochen wurde und Verwaltungssprache war. Der Schriftverkehr, vielfach auch im Privatbereich und in der familialen Kommunikation, verlief bis etwa Ende des 19. Jhs in hohem Maße auf Deutsch, aber auch wissenschaftliche Texte, Lyrik und Prosa wurden auf Deutsch verfasst; die deutschsprachige Literatur wurde meist im Original rezipiert. Doch muss auch darauf verwiesen werden, dass sich das Verhältnis der Slowenen zu den deutschsprachigen Kulturen spätestens seit dem nationalen Frühling im 19. Jh. und verstärkt durch die Okkupation im II. Weltkrieg alles andere als unproblematisch erwiesen hat. Obwohl das Englische Deutsch schon sehr bald nach 1945 verdrängt hat, nimmt Deutsch als eine der Nachbarsprachen, wegen der langen und vielfältigen Kontaktgeschichte und der intensiven Geschäftskontakte noch immer den zweiten Rang unter den gelernten Fremdsprachen ein. Nach dem Stand von 2005 kommen etwa 26 % der Direktinvestoren aus Österreich, 16 % aus der Schweiz und 9 % aus Deutschland.
1798
XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
2. Deutschunterricht in Slowenien Das Schulsystem in den slowenischen Ländern entwickelte sich bis zum Ende der Habsburger Monarchie nach deren Bildungsvorgaben und -richtlinien. Deutsch spielte darin verständlicherweise eine zentrale Rolle als Unterrichtssprache ⫺ mit der Ausnahme zweier kleiner, national freilich sehr bedeutender Einbrüche während der Reformation und der Ära Napoleons, als Slowenisch als Amts- und Unterrichtssprache eingesetzt wurde. Im Zweiten Weltkrieg wurde in den deutsch besetzten Gebieten Deutsch als Unterrichtssprache aufgezwungen, in den italienisch okkupierten Zonen Italienisch, während das Partisanenschulsystem beim Slowenischen mit Russisch, Serbokroatisch und Latein als angebotenen Fremdsprachen blieb. In der Föderativen Republik Jugoslawien mussten alle Kinder ein Jahr lang Serbokroatisch lernen und vier Jahre Fremdsprache als Pflichtfach bereits in der Grundschule. Russisch und Französisch verloren bereits in den fünfziger Jahren rasch an Popularität, so dass meist nur Englisch und Deutsch unterrichtet wurden. Auf der Sekundarstufe kamen dann noch die zweite und eventuell auch eine dritte Fremdsprache hinzu: Englisch, Deutsch, Französisch und Russisch, heute auch Italienisch, Spanisch, im klassischen Gymnasium auch Griechisch und Latein. Heute beginnen Kinder Fremdsprachen zunehmend im Kindergarten zu lernen; das Interesse am Fremdsprachenlernen hält bis ins hohen Lebensalter an. Die am weitesten verbreitete Fremdsprache in Slowenien ist Englisch, Deutsch liegt an zweiter Stelle. Heute besuchen alle Kinder eine 9-jährige Pflichtschule, wo sie als erste Fremdsprache ab der 4. Klasse Englisch oder Deutsch wählen können. In der 7. Klasse können sie sich als Wahlpflichtfach eine zweite Fremdsprache aussuchen; in den ethnisch gemischten Gebieten wird jeweils die Zweitsprache unterschiedlich in das Angebot eingebaut. In Gymnasien sind zwei Fremdsprachen verpflichtend, wobei als zweite Fremdsprache auch hier Deutsch überwiegt. Allgemein ist die Tendenz, Deutsch als Fremdsprache zu wählen, deutlich fallend. So gibt es immer weniger Schulen im Primar- und Sekundarbereich, etwa im Grenzgebiet zu Österreich, in denen Deutsch als erste Sprache mit einem höheren Stundendeputat und folglich besserer Sprachkompetenz gelehrt wird. Um den relativ hohen Ansprüchen eines kommunikativen und lernerinnenzentrierten DaF-Unterrichts gerecht zu werden, gibt es intensive Lehrerfortbildungsmöglichkeiten auch der beiden Germanistiken und des Schulamtes. Zahlenmäßig ergibt sich folgendes Bild: 2006/07 gibt es in den Kindergärten 1.381 Vorschulkinder, die eine Fremdsprache lernen. Für die Grundschulen gibt es folgende Zahlen: Pflichtfach ⫺ 7.042 (Englisch: 97. 653), Wahlfach ⫺ 18.134, zusätzliches Wahlfach 3.519 (Englisch: 9.243). Das Interesse am Fremdsprachenlernen im Primarbereich steigt, wobei auch für Deutsch ein Anstieg von 7,4 % verbucht werden konnte, im Vergleich zum Englischen ist Deutsch jedoch deutlich zurückgefallen, da es unter die 10 % Schwelle abgesunken ist. Auf der Sekundarstufe sieht es folgendermaßen aus: Die Gesamtzahl der SchülerInnen mit Deutschunterricht im Jahr 2006/2007 betrug 48.956 (Englisch: 84.643), davon als erste Fremdsprache 10.361 (Englisch: 80.063), als 2. Fremdsprache insgesamt 38.146 und als 3. Fremdsprache 329, was einen teils auch demographisch bedingten Rückgang von 25 Prozent allein in zwei Jahren darstellt. In der Erwachsenenbildung steht Deutsch für 2005/2006 mit 17.990 Lernenden nach Englisch (39.137) deutlich an der Spitze. Diese Tatsache bestätigt die Beobachtung einer widersprüchlichen Beziehung zur deutschen Sprache: obwohl sie als eine schwer zu erlernende Sprache mit einem geringen „Sympathiefaktor“ gilt, sichern die wirtschaftlichen,
225. Deutsch in Slowenien
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traditionell kulturellen und auch oft familiären Bande ein gleich bleibendes, relativ hohes Interesse an der Sprache und ihren Kulturen. Vom Standpunkt öffentlicher Akzeptanz ist die Tendenz zur „Privatisierung“ des Deutscherwerbs nicht erfreulich, denn es ist ein Unterschied, ob eine Sprache im regulären schulischen Bereich gepflegt wird, oder ob sie zum verzichtbaren Luxus gehört.
3. Die slowenische Germanistik „Die slowenische Germanistik ist genauso alt wie die erste und lange Zeit einzige Universität des Landes, diejenige der Hauptstadt Ljubljana. Gegründet wurde sie 1919, ein Jahr danach war bereits der erste Lehrer für germanische Philologie, Jakob Kelemina, ernannt, der den Grundstein zu einem Institut für Germanistik legte. Es hieß „Germanski seminar“ (Janko 1995: 239) Davor sei kein angesehener Germanist nachzuweisen, mit Ausnahme des „Proto-Germanisten“ (Janko 1995) J. S.V. Popovitsch (1705 bei Celje ⫺ 1774 Perchtoldsdorf bei Wien). Dieser verbrachte seine prägenden Jahre in Leipzig, er wurde dann als Professor für Deutsche Sprache und Beredsamkeit nach Wien berufen. Er versuchte „die süddeutsche Sprachvariante als einen gleichberechtigten Bestandteil der deutschen Schriftsprache zu etablieren.“ (Janko 1995) ⫺ Kelemina (1882⫺1957) hingegen war in erster Linie Mediävist. Ebenso wie sein Schüler Janez Stanonik (geb. 1922) verschrieb er sich bald seiner Vorliebe, der Anglistik, während Dusˇan Ludvik (geb. 1914⫺2001), der Lehrstuhlleiter für deutsche Sprache und Literatur, sich neben der Altgermanistik vor allem Untersuchungen deutsch-slowenischer kultureller Beziehungen, etwa dem deutschen Theater in Ljubljana bis 1790, widmete. Vom heutigen, auf den Erwerb von Kompetenzen zentrierten Standpunkt aus, erscheint die starke pragmatische Orientierung in den germanistischen Studienprogrammen der 1960er und 1970er Jahre ⫺ die zu jener Zeit auch lediglich als Lehrerausbildung in zwei Fächern studiert werden konnten ⫺ positiver, als sie zu jener Zeit erfahren wurde. Ein deutliches Manko bildete damals die Vermittlung sowohl moderner linguistischer wie auch literaturwissenschaftlicher theoretischer Zugänge und entsprechender Forschung. Mit der dritten und vierten Germanistengeneration etablierte sich ein durchaus international vergleichbares Niveau in Forschung und Lehre. Darauf konnte die nun intensiv tätige fünfte Generation aufbauen; die slowenische Germanistik bietet ein breites, buntes Spektrum von Fächern und Forschungsschwerpunkten und stellt damit die besten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Durchführung der nach Bologna-Richtlinien erneuerten oder neuen Studiengänge dar. Die traditionelle Aufteilung auf drei bzw. vier curriculare Bereiche (Linguistik, Literaturwissenschaft, Spracherwerb und Landeskunde sowie methodische und fachdidaktische Fächer für das Lehramt) wurde vertieft und ausgebaut. Seit Mitte der 1970er Jahre, als die Universität Maribor gegründet wurde und dort an der Pädagogischen Fakultät Maribor auch Deutschlehrer ausgebildet wurden, bot die Philosophische Fakultät Ljubljana zusätzlich Germanistik (ohne Lehrerausbildung) an, später, in den 1980er Jahren, mit einem intensiven Übersetzungsmodul. Als Einzelfach mit einem Lektorat in den drei anderen germanischen Sprachen (Niederländisch, Schwedisch und Englisch) wird „Deutsche Sprache und Literatur“ seit Anfang 1990 angeboten. Die Fakultät in Maribor, die zunächst stark pädagogisch ausgerichtet war, folgte etwas später dieser Entwicklung und
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
nennt sich seit 2006 gleichfalls Philosophische Fakultät. Die Abteilung für Übersetzen und Dolmetschen wurde in Ljubljana 1997 eröffnet, in Maribor hingegen 2005, lediglich mit der Option für Deutsch. Obwohl die Anzeichen für einen Rückgang der Immatrikulationszahlen ziemlich deutlich sind, gibt es,im Vergleich zu westeuropäischen Staaten noch keinen Grund zu tieferer Besorgnis, weil ja das Sinken auch auf die innergermanistische Konkurrenz und die demographisch sinkenden Studierendenzahlen zurückzuführen ist. Im Studienjahr 2008/09 beträgt die Zahl der Germanistikstudierenden (mit Absolventen) insgesamt 736 (479 UL, 257 UM) und 472 in den Übersetzerprogrammen (mit Deutsch ⫺ 308 UL, 164 UM). Die Neugestaltung der Programme im Sinne des Bologna-Prozesses hat zu einer intensiven Erneuerung und Modernisierung der Studieninhalte und Studienprozesse geführt. Ljubljana bietet auf dem Masters-Niveau ein 60-Punkte-Modul Österreichische Kulturstudien an und ermöglicht den Studierenden auch das Absolvieren des internationalen Studienganges Deutsche Literatur des Mittelalters im europäischen Kontext, während sich die Mariborer Germanistik stärker interkulturellen Themen widmen möchte. Die Fächer und Forschungsschwerpunkte der slowenischen Germanisten können den im Internet vorliegenden Vorlesungsverzeichnissen und der nationalen Bibliographie COBIB entnommen werden. Es sei hier lediglich auf die Hauptschwerpunkte hingewiesen, die Erforschung der Kultur des Kontaktraumes, kontrastive Studien sowie einen deutlichen Schwerpunkt auf theoretischer Modellierung und einen weiteren auf zeitgenössischer Literatur, wobei genderspezifische, poststrukturalistische, interkulturelle u. a. Ansätze ausgebaut werden. Auch in der Fachdidaktik gibt es mittlerweile relevante Untersuchungen .
4. Kulturvermittlung Die Kulturvermittlung in beide Richtungen war immer schon eine der selbstverständlichen Aufgaben ausländischer Philologien, die oft auch in Zusammenarbeit mit dem österreichischen Kulturforum, der Österreich-Bibliothek, dem Deutschen Lesesaal und mit dem Goethe-Institut sowie dem Österreich-Institut durchgeführt wird. In erster Linie geschieht Literaturvermittlung durch literarisches Übersetzen.
5. Literatur in Auswahl Janko, Anton 1995 Germanistik in Slowenien. In: Christoph König (Hg.), Germanistik in Mittel- und Osteuropa 1945⫺1992, 239⫺247. Berlin/New York: de Gruyter. Kondricˇ Horvat, Vesna und Neva Sˇlibar 2006 Zum Deutschunterricht in Slowenien. In: Paraschos Berberoglu, Angeliki Kiliari, Georgios Perperidis und Jutta Wolfrum (Hg.), Symposium Deutsch als Fremdsprache in Südosteuropa, 143⫺148. Thessaloniki: Sfakianaki Kosevski Puljic´, Brigita 2008 Povezovanje teorije in prakse v zacˇetnem in stalnem izobrazˇevanju ucˇiteljev nemsˇcˇine. [Verbindung von Theorie und in der Erst- und Fortbildung der DeutschlehrerInnen]. Diss., Ljubljana: Filozofska fakultet.
226. Deutsch in Spanien
1801
Thomas, Heidrun 1997 Das Germanistikstudium an der Universität Ljubljana (Slowenien). Systemwandel, Bildungspolitik und Sprachplanung zwischen 1945 und heute. Diplomarbeit, Universität Wien.
Neva Sˇlibar, Lubljana (Slowenien)
226. Deutsch in Spanien 1. 2. 3. 4.
Angebot an Deutschunterricht Hochschulbereich Lehreraus- und -fortbildung Literatur in Auswahl
1. Angebot an Deutschunterricht Die Rolle des Deutschen in Spanien kann und muss aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet werden. Im schulischen Bereich spielt die deutsche Sprache, abgesehen von regional bedingten Ausnahmen, eine bescheidene Rolle. Auch wenn das neue seit 2005 bestehende Bildungsrahmengesetz die Einführung einer zweiten Fremdsprache in der Schule vorsieht, wird dies regional und lokal unterschiedlich gehandhabt. Wenn das Angebot gemacht wird, steht Deutsch, was Schülerzahlen angeht, oftmals hinter Französisch (vgl. Goethe-Institut 2007). Allerdings hat es in den letzten Jahren nach Angaben des spanischen Erziehungsministeriums einen Zuwachs an Deutschlernern von 407 % gegeben, so dass im Jahr 2005/06 63.308 Deutschlerner verzeichnet wurden, die Deutsch an über 20.000 staatlichen und privaten Schulen lernten. Vorgezogener Deutschunterricht ab der 5. Klasse wurde im Jahr 2005/06 nur in drei autonomen Regionen (Comunidades Auto´nomas) angeboten. Das Angebot an Deutschunterricht ist auch von der Mehrsprachigkeitsdebatte, die zurzeit sehr stark an Schulen durchgeführt wird, betroffen. Der rapide Zuwachs der Migrantenzahlen in ganz Spanien in den letzten 10 Jahren, die Präsenz von zwei Erstsprachen im Baskenland und in Katalonien, die schlechten Ergebnisse der Pisa-Studie, was die Kompetenzen in der ersten Fremdsprache Englisch angeht, lassen die Einführung einer zweiten Fremdsprache in vielen Schulen in den Hintergrund treten. In dieser Hinsicht wird sich in der kommenden Zeit wohl nicht viel ändern. Im Bereich der offiziellen Anbieter in der Erwachsenenbildung sind die Goethe-Institute, die staatlichen Sprachschulen und die Fremdsprachenzentren der Hochschulen wohl die wichtigsten Träger. Abgesehen von Sprachkursen bietet das Goethe-Institut in Spanien Lehrerfortbildung an. Im kulturellen Bereich leistet das Goethe-Institut einen unverzichtbaren Beitrag zur Verbreitung und Bekanntmachung der deutschen Kultur und Gesellschaft. Zu betonen ist, dass seit einiger Zeit das Goethe-Institut in all seinen Aktivitäten großen Wert auf
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
Zusammenarbeit mit den lokalen Institutionen, Hochschulen und Kulturanbietern legt, so dass oftmals in deren Veranstaltungen Fragestellungen aus deutscher und spanischer Sicht betrachtet werden. Die „Staatlichen Sprachschulen“ (Escuelas Oficiales de Idiomas) bieten als Ausnahme in Europa Sprachkurse für Erwachsene und Jugendliche (ab 16 Jahren) zu einem subventionierten Preis an und geben staatlich anerkannte Zertifikate aus. Sie richten sich bei ihrem Sprachangebot nach staatlichen Rahmenverordnungen. In ganz Spanien gibt es zurzeit ca. 170 solcher Schulen. Man kann davon ausgehen, dass mindestens ein Deutschkurs an fast jeder Schule angeboten wird. Nach informellen Angaben der Schulen sind meistens nur die Kurse der ersten Niveaus (A1 und A2) gut besucht, während eine bedeutend geringere Nachfrage nach höheren Niveaus zu verzeichnen ist. Was Schülerzahlen angeht, gibt es hier regionale Unterschiede. So wurde 2005/06 nur an den staatlichen Sprachschulen (Escuelas Oficiales de Iidomas) der Balearen und Kanarischen Inseln eher Deutsch als Französisch gelernt (Goethe Institut 2007). Das Angebot der Deutschkurse an den Hochschulsprachenzentren richtet sich zwar vornehmlich an Studierende (Kurse für Hörer aller Fakultäten) und Universitätsangehörige, sie sind jedoch auch für das breite Publikum offen. Oftmals ist ein Sprachenselbstlernzentrum an diese Einrichtungen gekoppelt. Die Nachfrage nach Deutschkursen in diesem Bereich richtet sich nach ähnlichen Kriterien wie bei den staatlichen Sprachschulen.
2. Hochschulbereich Zurzeit kann Germanistik (Deutsche Philologie/Filologı´a Alemana) als Hauptfach an 8 staatlichen Universitäten in Spanien studiert werden (Ordun˜a 2006). Darüber hinaus kann man an vielen anderen Hochschulen Veranstaltungen im Bereich der deutschen Sprache und Literatur besuchen, und zwar als Wahlpflichtveranstaltungen oder Wahlfächer anderer philologischer Studiengänge, in der Regel der Anglistik. Andererseits kann Deutsch als erste bzw. als zweite Fremdsprache im Rahmen des Studiengangs für Übersetzung und Dolmetschen an insgesamt 22 staatlichen und privaten Hochschulen gewählt werden, wobei Deutsch als erste Arbeitssprache nur an 6 Hochschulen angeboten wird. Im Zuge des Bolognaprozesses erfahren die Studiengänge im Bereich der Germanistik, der Philologie sowie auch Übersetzung und Dolmetschen eine deutliche Umstrukturierung. Der Prozess wird erst im Studienjahr 2010⫺11 ganz abgeschlossen sein. Fest steht, dass alle Bachelorstudiengänge mit 240 ECTS versehen sein werden. Eine mögliche Folge dieser Umstrukturierung könnte sein, dass es abgesehen von Ausnahmen zur Eingliederung der Germanistik als Nebenfach in einen Fremdsprachen- und Literaturstudiengang (Lenguas modernas y sus literaturas) kommen wird. Das wird sich noch herausstellen. Es ist des Weiteren davon auszugehen, dass neben den traditionellen Modulen zur Literatur, Linguistik und Landeskunde auch Module zur Didaktik, zur Übersetzung und zu Fachsprachen (Wirtschaft, Recht, Technik) stärker vertreten sein werden als bisher mit dem Ziel, die Grundlagen für breitere Berufsprofile zu legen. Was Übersetzung und Dolmetschen angeht, wird sich scheinbar wenig ändern im Vergleich zum heutigen Modell, wobei sich mehrere Universitäten für eine Kombination von Übersetzung und interkulturellen Studien entschieden haben. Auch hier werden die Studiengänge auf der
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Grundlage von 240 ECTS aufgebaut sein. Es besteht eine große Besorgnis unter Hochschuldozenten und Forschern wegen der zunehmenden Orientierung des Hochschulangebotes an den Bedarf des Arbeitsmarktes. Was Germanistik angeht, hat das zwar den Vorteil, dass die Absolventen auf ihre realen Chancen auf dem Arbeitsmarkt im Rahmen des Studiums vorbereitet werden können (ExpertInnen in internationaler Kommunikation, VerlagslektorInnen, DeutschlehrerInnen, ÜbersetzerInnen und DolmetscherInnen, technische RedakteurInnen usw.). Aber ein Hochschulfach ohne eine breitgefächerte Forschung ist nicht denkbar. Die große Frage also für die Zukunft ist, ob im Rahmen der Masterstudiengänge und verschiedener Forschungsprojekte genug Raum für alle fachspezifischen Linien geschaffen werden kann. Hierzu wird auf jeden Fall eine viel engere Zusammenarbeit als bisher der betroffenen Personen und Institutionen vonnöten sein. Trotz großer institutioneller Barrieren (geringe Anzahl der Germanistiklehrstühle oder auch der Professuren, Schwierigkeiten an öffentliche Fördermittel heranzukommen usw.) bieten sich den an germanistischen Studien interessierten ForscherInnen doch eine Vielzahl an Forschungsgebieten. Zurzeit laufen Projekte besonders in folgenden Feldern: ⫺ Literaturwissenschaft, Komparatistik, Literatur- und Kulturstudien. Hier ist die Forschungsaktivität der Goethegesellschaft Spaniens besonders hervorzuheben [http:// www.ub.es/filoal/Sge.htm], deren Wirkung über die goethespezifische Thematik hinausgeht (vgl. auch Riutort und Jane´ 2005) ⫺ Sprachwissenschaft (Lexikographie, morphosyntaktische Studien, Phonemik, Pragmatik), Fachsprachenforschung, kontrastive Linguistik, Phraseologie, Korpuslinguistik (vgl. Riutort und Jane´ 2005; Gil und Gimber i. D.) ⫺ Übersetzungswissenschaft (Aspekte der literarischen, technischen und wissenschaftlichen Übersetzung sowie kontrastive Studien) (vgl. Santana, Roiss und Recio 2007) ⫺ Didaktik des Deutschen als Fremdsprache (Lernersprache, Lehrerdiskurs, Strategiengebrauch, Spracherwerb, Phonemik) (vgl. unten ausgewählte Internetseiten). Die Gewichtung dieser Gebiete ist unterschiedlich, wobei die Didaktik DaF bzw. Sprachlehrforschung deutlich unterrepräsentiert ist; es gibt an den Hochschulen kaum Forschungsprojekte in diesem Bereich. Seit dem Jahr 2000 sind an vier der acht staatlichen Universitäten laut Angaben der entsprechenden Abteilungen insgesamt 46 Dissertationen vorgelegt worden, davon die Mehrheit in den Bereichen Literatur- und Sprachwissenschaft. Spezifisch an Germanisten und Deutschlehrkräfte gerichtete überregionale Tagungen und Kongresse werden vom Dachverband spanischer Germanistenverbände (Federacio´n de Asociaciones de Germanistas en Espan˜a, http://www.fage.es/), von der Goethegesellschaft sowie auch auf Initiative verschiedener Germanistikabteilungen in zwei- oder vierjährigem Abstand veranstaltet. In den regelmäßig erscheinenden Fachzeitschriften, die sich gleichzeitig als Sprachorgan der Verbände bzw. der herausgebenden Germanistikabteilungen verstehen, lagen die inhaltlichen Schwerpunkte in den letzten Jahren entweder bei Beiträgen zur Literatur- und Sprachwissenschaft, zur Übersetzungswissenschaft oder Fachsprachenforschung oder bei der Vorstellung von Unterrichtsvorschlägen und -materialien
3. Lehreraus- und -ortbildung Hier besteht ein enormer Nachholbedarf. Für den Primarstufenbereich ist kein Seminar zur Fachdidaktik Deutsch als Fremdsprache in der Lehrerausbildung vorgesehen. Für
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
den Sekundarstufenbereich besteht zurzeit und bis zum Jahr 2009⫺10 eine einjährige Ausbildung (Curso de Adaptacio´n Pedago´gica), die zur Ausübung einer Lehrertätigkeit an staatlichen Schulen befähigt. In diesem Rahmen kann ein Seminar in der Fachdidaktik Deutsch als Fremdsprache inklusive Praktikum gewählt werden. Außerdem kann man an mehreren der Germanistik anbietenden Hochschulen eine oder zwei Veranstaltungen zur DaF-Didaktik im Laufe des Studiums besuchen. Diese Ausbildungsform, die von allen Betroffenen als völlig unzureichend angesehen wird, soll ab dem kommenden Studienjahr durch einen staatlich anerkannten Masterstudiengang ersetzt werden. Es ist noch unklar, welche Rolle dort der Fachdidaktik DaF zukommen wird. Aus diesem Grund erfreuen sich die Fortbildungsangebote im Bereich DaF großer Beliebtheit. Meistens handelt es sich um Seminarangebote (Tages- oder Wochenendseminare), die vom Goethe-Institut, von Fachverbänden spanischer Germanisten bzw. von Bildungseinrichtungen der regionalen Erziehungsbehörden angeboten werden. Dazu kommen vereinzelt längere Fortbildungen, die als Weiterentwicklung des Modells des Fernstudienangebots DaF der Universität Kassel betrachtet werden können (vgl. dazu http:// www.ucm.es/info/aleman/24experto.php und http://antalya.uab.es/ice/form_ins/actualiza_ alemany/metodologia.htm).
4. Literatur in Auswahl Gil, Marı´a Jesu´s und Arno Gimber im Druck Los paı´ses germanohablantes en Europa: lengua, literatura y cultura. Madrid: Ediciones Orto. Goethe-Institut Madrid 2007 Deutschlernen in Spanien (Schuljahr 2005⫺06). Madrid (Manuskr.). Ordun˜a, Javier 2006 Aus der Peripherie des Netzwerkes. Inlands- und Auslandsgermanistik aus spanischer Sicht. Deutsch als Fremdsprache 3: 131⫺137. Riutort, Macia` und Jordi Jane´ (Hg.) 2005 Deutsch-spanische Zwischenwelten ⫺ neue Horizonte für die spanische Germanistik zu Beginn des 21. Jahrhunderts. (Forum 10). Associacio´ de Germanistes de Catalunya: Tarragona. ´ ngeles Recio Santana, Bele´n, Roiss, Silvia und A 2007 Puente entre dos mundos: u´ltimas tendencias en la investigacio´n traductolo´gica alema´n. Salamanca: Universidad de Salamanca [CD-ROM]. Ausgewählte Webseiten (Zugriff am 30. 12. 2009) Forschungsgruppe „Lingüı´stica Aplicada“ (LADA, Universidad de Barcelona) http://www.ub.es/lada/ Forschungsgruppen der deutschen Abteilung in der Universidad Complutense de Madrid http://www.ucm.es/info/aleman/_dmc/4investigacion.php Forschungsgruppe „Filologı´a Alemana“ (Universidad de Sevilla) http://grupo.us.es/gfilalem/
Lucrecia Keim, Vic (Spanien)
227. Deutsch in Südafrika
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227. Deutsch in Südarika 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Rahmenbedingungen und Kontext Hintergrund und Entwicklung des Faches Deutsch an Schulen Deutsch an Hochschulen Ausblick Literatur in Auswahl
1. Rahmenbedingungen und Kontext Die Bedeutung der Fremdsprachen an Schulen und Hochschulen in Südafrika hat sich nach 1994 und der Transformation von einem Apartheidsstaat in eine demokratische Gesellschaftsordnung entscheidend verändert. Das gilt auch für die deutsche Sprache, die neben elf offiziellen Sprachen zusammen mit zwölf anderen nicht-offiziellen Sprachen in der südafrikanischen Verfassung von 1997 in Art. 6, Abs. 5 ausdrücklich als zu fördernde Sprache aufgeführt wird. Die Festschreibung von Mehrsprachigkeit in der neuen Verfassung entsprang dem südafrikanischen Selbstverständnis als „Regenbogennation“. Neue Bildungsstrukturen sollten helfen eine bessere und für alle Südafrikaner geltende, deshalb auch multilinguale und multikulturelle Gesellschaftsordnung aufzubauen. Doch weder die Bildungsreform noch die Umsetzung der Mehrsprachigkeit oder die Förderung der Fremdsprachen ist reibungslos verlaufen oder kann als abgeschlossen gelten. Die Einführung des National Curriculum 2005 war nicht nur für das Fach Deutsch eine Herausforderung, denn Stellenstreichungen an Schulen und Hochschulen, Einsparungen und mangelnder Nachwuchs verlangen eine kreative Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen Umfeld von Lernern und Studierenden. Lehrinhalte und Lernziele mussten im Zuge der Qualitätssicherung im Sinne einer outcomes based education neu bestimmt werden. Neue Prüfungsbestimmungen, ein allgemein gehaltener Lehrplan für Deutsch (nur auf der Webseite des Erziehungsministeriums, aber nicht in Druckfassung erhältlich), mangelnde oder unzureichende Kommunikation zwischen Erziehungsministerium, Prüfungsbehörden und Schulen, Unklarheiten über Zuständigkeitsbereiche, kurzfristige Planung führen bei Lehrern und Fachberatern zu Unsicherheit und sogar zu der pessimistischen Einschätzung, dass „das Ende des Weges erreicht sei“ (Rode 2008: 27). An Universitäten ist die Lage für das Hochschulfach Deutsch ähnlich komplex, erlaubt aber einen vorsichtigen Optimismus.
2. Hintergrund und Entwicklung des Faches Schon 1830 kann in Südafrika erster „institutionalisierter Deutschunterricht“ nachgewiesen werden (Kussler 2001: 1609). Nachhaltig geprägt und gestärkt wurde der Deutschunterricht durch eine bis ins 20. Jh. anhaltende Einwanderung Deutschsprachiger, die Etablierung eines öffentlichen Prüfungsausschusses (public examination board ), der an
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
Schulen „Deutsch 1858 als Prüfungsfach anerkannte und 1860 auch zum erstenmal examinierte“ (Kussler 2001: 1610). Die erste Professur für Moderne Sprachen (u. a. Deutsch) wurde 1880 am South African College (gegründet 1828) eingerichtet. Aus diesem ging 1918 die University of Cape Town hervor, wie auch im gleichen Jahr aus dem Victoria College die Universiteit van Stellenbosch entstand, beide sogleich mit eigenen Lehrstühlen in Französisch und Deutsch. Parallel dazu wurde das für alle provinzialen Erziehungsbehörden maßgebliche Joint Matriculation Board aus der Taufe gehoben. Es legte Prüfungsvorschriften sowie Bestimmungen für Universitätszulassung fest. Das damals entstandene Bildungssystem hielt sich abgesehen von einigen Erneuerungen Anfang der 80er Jahre bis zur politischen Wende 1994.
3. Deutsch an Schulen Im Zuge der Apartheidspolitik wurde mit der Verabschiedung des Bantu Education Act (No. 47) von 1953 die Ausbildung der südafrikanischen Bevölkerung nach Rassenzugehörigkeit organisiert, nach der „Weiße“, „Schwarze“, „Coloureds“ und „Inder“ getrennt ausgebildet wurden. Bis in die 70er Jahre bedeutete Deutschlernen (vornehmlich an „weißen“ Schulen und in der Kapprovinz an einigen Schulen für „Coloureds“) die Grammatik zu lernen, sich mittels des Studiums kanonischer Werke der Literatur Wissen über die Sprache zu erwerben, denn „der Nachdruck lag eher auf dem Lernprozess“ (Kussler 2001: 1612), nicht auf der Anwendung. 1985 trat eine Lehrplanreform in Kraft, die Kommunikationsfähigkeit, interkulturelles Lernen und Landeskunde ins Blickfeld rückte. Durch den Blick auf die deutschsprachigen Länder und dem damit verbundenen Vergleich mit der Situation vor Ort entfaltete sich DaF in Südafrika von einem „intrakulturellen Bildungsfach zu einem interkulturellen Verständigungsfach“, fand dadurch den „Anschluss an die internationale Entwicklung“ und gewann schließlich in der „angespannten politischen Situation“ der späten 80er Jahre zugleich eine „emanzipatorische Funktion“ (Kussler 2001: 1613). Diese Entwicklung spiegelte sich in Fördermaßnahmen von außen wieder, die bis heute anhalten. Zu nennen wären Materialienspenden, Schüleraustauschprogramme, vom Goethe-Institut durchgeführte Lehrerfortbildungen und Multiplikatorentreffen sowie Vermittlung von Stipendien. Seit 1995 ist das Goethe-Institut (GI) mit einem Sitz in Johannesburg und 1999 einem Zentrum in Kapstadt vertreten. In Südafrika gibt es drei Fachberater für Deutsch, davon sind zwei aus Deutschland entsandt. Der am GI tätige Fachberater betreut als Experte für Unterricht DaF in ganz Südafrika, während die vom BVA entsandte Fachberaterin, angebunden an die zentrale Erziehungsbehörde in Pretoria, für den muttersprachlichen Unterricht an den vier deutschen Schulen (Hermannsburg, Johannesburg, Pretoria und Kapstadt) zuständig ist. Der für das Westkap zuständige Fachberater, als einziger von einer Provinzbehörde angestellt, ist für Fremdsprachen, darunter Deutsch, verantwortlich. Gab es 1982 noch 32 000 Deutschlerner und 511 Deutschlehrende, ist die Zahl der Lehrer inzwischen auf ca. 80 geschrumpft. 2008 belegen landesweit noch 8406 DaF als Schulfach, von denen etwa 10 % die Abschlussprüfung in der 12. Klasse antreten (Rode 2008: 26). Der stetige Rückgang von DaF-Lernern begann Ende der 70er Jahre mit der Abschaffung der sog. dritten Sprache (nach Englisch u. Afrikaans) als Bedingung für eine Universitätszulassung. Ob-
227. Deutsch in Südafrika
1807
gleich im Curriculum 2005 Fremdsprachen wieder aufgenommen wurden, ist problematisch, dass südafrikanische Lerner während der gesamten Schulzeit kaum 400 Unterrichtsstunden DaF absolvieren und damit nur knapp ZD-Niveau erreichen, derzeit die Prüfungsverantwortung für die „non-official languages“ über das Jahr 2010 hinaus ungeklärt ist und das „Problem des mangelnden Lehrernachwuchses ungelöst“ (Rode 2008: 28) bleibt. Die jüngste vom Auswärtigen Amt koordinierte und weltweit angelegte Partnerschulinitiative, der inzwischen vier südafrikanische Schulen angehören, bietet durch Lernplattformen, Kulturprojekte, Fortbildungen, Sprachkurse und Prüfungen sowie regionale und internationale Vernetzung dringend benötigten Aufwind. Eine wichtige, wenn auch schwierige Aufgabe der 1926 gegründeten Deutschen Pädagogischen Vereinigung (DPV), seit 1993 Mitglied des Internationalen Deutschlehrerverbandes mit derzeit ca. 90 Mitgliedern, wird sein, in Zusammenarbeit mit dem Erziehungsministerium die andauernde Präsenz von DaF an Schulen sowie eine nachhaltige Lehrerausbildung zu sichern.
4. Deutsch an Hochschulen Auch an den Universitäten hat sich das Fach Deutsch inhaltlich und strukturell in den letzten 20 Jahren erheblich verändert und ist durch eine sichtbare Präsenz des DAAD (seit 1995 Informationsbüro mit Lektorat an der Witwatersrand Universität, Stipendien, Austauschprogramme, Kurzzeitdozenturen, ein weiteres Lektorat soll am Kap eingerichtet werden) punktuell gestärkt worden. Bis in die 70er Jahre wurde an allen „weißen“ sowie an vier „nichtweißen“ Universitäten vor allem Literaturwissenschaft mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung im Rahmen eines dreijährigen B.A.-Studiengangs unterrichtet. Umstrukturierungen ab Mitte der 80er Jahre hingen z. T. mit Neubesetzung von Lehrstühlen zusammen ⫺ in Stellenbosch z. B. wurden „alle Studiengänge nach Maßgabe eines fremdphilologisch-interkulturellen Ansatzes“ neu konzipiert (Kussler 2001: 1615) ⫺ oder entstanden aufgrund von Rationalisierungsmaßnahmen. Im Laufe der Jahre wurden alle eigenständigen Seminare meist mit anderen europäischen Sprachen (z. B. Französisch o. Italienisch) zunächst in Departments, später in noch größere Einheiten, meist „Schools“ zusammengelegt. Interessant ist jedoch, dass die Gesamtanzahl der Deutschstudierenden im Bachelorstudiengang zwischen 1994 und 2003 mit ca. 1200 Studierenden landesweit gleich geblieben ist (Annas 2004: 190). Auch 2008 gibt es insgesamt noch 1195 Studierende: im 1. Studienjahr 70,4 %, im 2. Studienjahr 22 % und im 3. Studienjahr nur 7,6 %. Nach 1994 haben nur vier Abteilungen (Stellenbosch, University of the North, Rhodes und Free State) einen deutlichen Zuwachs an Studierenden zu verzeichnen, während die Umstrukturierung an Hochschulen bei den meisten Abteilungen sinkende Studierendenzahlen zur Folge hatte. Einige wurden deshalb geschlossen (Port Elizabeth) oder stehen kurz davor (Pietermaritzburg), das Deutschstudium wurde abgebaut und auf zweijährigen Spracherwerb reduziert (vorübergehend an der University of the North, in Zukunft an UNISA und Kapstadt). Es überrascht deshalb nicht, dass sinkende Studentenzahlen gerade bei den Fremdsprachen zu enormem Stellenabbau führten. 1994 gab es an 15 der 21 Universitäten 56 Planstellen für Deutsch (davon acht Lehrstühle), mit drei bis sechs Dozenten an jeder Deutschabteilung. 2008 besteht nur mehr ein Lehrstuhl in Stellenbosch, die Planstellen schrumpften auf 24, so dass die
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
Deutschlehre meist von ein oder zwei Dozenten und ggf. Teilzeitkräften bestritten wird. Eine wichtige Rolle spielt seit 1965 der südafrikanische Germanistenverband (SAGV). Er veranstaltet für seine ca. 80 Mitglieder alle zwei Jahre internationale Tagungen, die neben literaturwissenschaftlichen Fragen auch DaF berücksichtigen. Die zwei Zeitschriften des SAGV sind das wissenschaftliche Jahrbuch Acta Germanica und die seit 2006 auf der Webseite des SAGV im Halbjahresturnus veröffentlichte elektronische Zeitschrift eDUSA, die sich mit DaF befasst.
5. Ausblick Die südafrikanische Germanistik kann sich zukünftigen Herausforderungen durch regionale Zusammenarbeit der Abteilungen und landesweite Schwerpunktsetzungen im Studienangebot, mit der Bereitstellung von fachsprachlichen Kenntnissen und Fertigkeiten stellen, indem sie sich im „pragmatischen Verständnis auf ihr gesellschaftliches Umfeld besinnt“ (Kussler 2001: 1617). So bietet die University of Johannesburg mit dem GI und DAAD Anfängerkurse auf dem Campus in Soweto an. Mitarbeit an gemeinsamen Modulen mit anderen Fächern zur Förderung hermeneutischer und kulturwissenschaftlicher Fertigkeiten können eine „Teilhabe des Faches Deutsch am intra-südafrikanischen transkulturellen Kommunikationsprozess“ (Laurien 2006: 444) stützen, ebenso wie Partnerschaftsprogramme mit deutschsprachigen Universitäten und der mögliche Aufbau von gemeinsamen postgraduierten Studiengängen. Wie Netzwerkbildungen und erste gemeinsame, vom GI oder DAAD gestützte Forschungsprojekte schon gezeigt haben, kann DaF in Lehre und Forschung durch länderübergreifende Zusammenarbeit nicht nur im Blickfeld auf Europa, sondern auch auf den afrikanischen Kontinent nur gestärkt werden.
6. Literatur in Auswahl Annas, Rolf 2004 Zur Situation des Faches Deutsch an südafrikanischen Universitäten. Acta Germanica 30(31): 181⫺191. Rode, Rudolf 2008 Deutsch an südafrikanischen Schulen. Eine Bestandsaufnahme. eDUSA 3(2): 26⫺29. Kussler, Rainer 2001 Deutschunterricht und Germanistikstudium in Südafrika. In: Gerhard Helbig, Lutz Götze, Gert Henrici, Hans-Jürgen Krumm (Hg.), Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch, 1609⫺1619. Band 2. (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 19.1⫺2). Berlin/New York: De Gruyter. Laurien, Ingrid 2006 Das Fach Deutsch an Universitäten im „Neuen Südafrika“ ⫺ Eine „Laborsituation“ für Europa? Info DaF 33(5): 438⫺445.
Carlotta von Maltzan, Stellenbosch (Südafrika)
228. Deutsch in der Tschechischen Republik
1809
228. Deutsch in der Tschechischen Republik 1. 2. 3. 4. 5.
Die Rolle der deutschen Sprache in der Tschechischen Republik Deutsch an Schulen und Hochschulen Entwicklungstendenzen Forschungsschwerpunkte Literatur in Auswahl
1. Die Rolle der deutschen Sprache in der Tschechischen Republik Die 2004 der EU beigetretene Tschechische Republik hat eine Fläche von 78.866 Quadratkilometern, auf der 10.290.000 Einwohner leben. Laut Volkszählung aus dem Jahre 2001 sind davon 9.270.000 (90,1 %) Tschechen mit der Muttersprache Tschechisch, zur deutschen Nationalität mit der Muttersprache Deutsch bekannten sich 38.300 Personen (0,4 %). (Quelle: Tschechisches Statistisches Amt). Das Recht auf Bildung in der eigenen ˇ SSR erst 1968, aber es wurden Sprache erwarben die Deutschen in der ehemaligen C keine Schulen für sie geschaffen, da sie laut der damaligen Staatsführung hochgradig in die damalige tschechisch ⫺ slowakische Gesellschaft integriert gewesen seien. Laut Neustupny´ und Nekvapil (2003: 280) besuchten zum Beispiel 1990 nur 585 deutsche Schüler die Grundschulen. Infolge der politisch ⫺ gesellschaftlich ⫺ wirtschaftlichen Wende nahmen zahlreiche deutschsprachige Institutionen ihre Arbeit im Land auf, u. a. die Deutsch ⫺ Tschechische Industrie- und Handelskammer mit Sitz in Prag (seit 1993), das Österreichische Ost- und Südosteuropa-Institut, Außenstelle Brünn (seit 1991), die Tschechisch-Deutsche Gesellschaft Prag und die Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia (seit 1992). Sehr bedeutende Handelspartner Tschechiens sind Deutschland und Österreich. Daher finden wir im Land eine bedeutende Anzahl deutscher und österreichischer Firmen, Banken und Investoren, die zugleich Arbeitsplätze für Tschechen (unten anderem auch für einen hohen Prozentsatz von Absolventen des Germanistikstudiums und leider auch der Absolventen der Deutschlehrerausbildung) geschaffen haben. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass ein deutscher Arbeitgeber sich nicht als Garant für die Verwendung der deutschen Sprache sieht. Die Tatsache, dass in den in Tschechien tätigen deutschen Firmen sehr oft auf Englisch kommuniziert wird, trägt nicht gerade dazu bei, Deutsch beherrschen zu wollen/müssen (in den Firmen RWE Transgas oder der österreichischen Erste Bank Group zum Beispiel ist das Nichtbeherrschen der deutschen Sprache kein Hindernis (Vgl. Böhm 2007: 4). Zur Verbreitung der deutschen Sprache tragen weiter die 14 im Lande existierenden Deutsch ⫺ Tschechischen Begegnungszentren bei. Der Tschechische Rundfunk-Radio Prag ⫺ Deutsches Programm sendet täglich viermal eine halbe Stunde auf Kurzwelle und zweimal täglich über Satellit. Die Zeitung Lidove´ noviny bringt wöchentlich eine deutsche Seite („Deutsches Blatt“) mit aus der deutschen Presse übernommenen authentischen Texten. Seit 1991 wird wöchentlich die „Prager Zeitung ⫺ Die deutschsprachige Zeitung für Mitteleuropa“ herausgegeben, die durch ihre regelmäßig erscheinenden Beilagen Prager Wirtschaftszeitung, Prager Tagblatt mit Literatur-, Immobilien- und Regionalbeilagen sehr attraktiv ist. Für die deutsche Minderheit erscheint die Deutsche Volkszeitung.
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
Großes Verdienst um die Pflege und Verbreitung der deutschen Sprache in Tschechien haben das Goethe ⫺ Institut und das Österreichische Kulturforum. Von den professionellen Verbänden ist der 1999 gegründete Germanistenverband der Tschechischen Republik, der seit dem Jahre 2000 Mitglied der Internationalen Vereinigung der Germanisten ist und in dem 90 Hochschullehrende organisiert sind, zu erwähnen. Die Deutschlehrer haben ihren eigenen Verband, den Verein der Deutschlehrer und Germanisten, der sich 2006 auf seiner Jahresversammlung mit der Gesellschaft Medeus zusammenschloss. Das Aufgabenfeld besteht in der Absicherung der Fortbildung der Deutschlehrer in hoher Qualität und Beratertätigkeit. Auch die 1999 gegründete Goethe-Gesellschaft in der Tschechischen Republik hilft durch ihre Vortragstätigkeit, Ausstellungen, Kolloquien und publizistischen Aktivitäten bei der Popularisierung der deutschen Sprache.
2. Deutsch an Schulen und Hochschulen 2.1. Schulischer Deutschunterricht Der Hauptanteil an der Vermittlung der Deutschkenntnisse kommt der institutionellen Bildung zu. Der Fremdsprachenunterricht (also auch Deutsch als Fremdsprache) wird vom Ministerium für Schulwesen, Jugend und Körpererziehung gelenkt und geleitet. Es ist verantwortlich für die Rahmenpläne, die Stundentafeln und die Aus- und Fortbildung der Lehrer (Akkredierung der Studienprogramme). Das Ministerium leitet die staatlichen bilingualen Grundschulen und Gymnasien und unterstützt und kontrolliert die privaten Schulen des gleichen Typs. In der Tschechischen Republik gibt es staatliche bilinguale Grundschulen und Gymnasien (Liberec, Znojmo) und private bilinguale Grundschulen und Gymnasien (Bernardo-Bolzano-Grundschule Ta´bor, Grundschule der deutsch-tschechischen Verständigung und Thomas-Mann-Gymnasium Prag, Österreichische Schule Prag, Deutsche Schule Prag). Aufgrund der Tatsache, dass Tschechien mit Deutschland eine gemeinsame Grenze hat, gibt es noch zwei interessante Ausbildungsmöglichkeiten. Das ist zum einen die Grenzenlose Schule in Hartau/Hradek nad Nisou: Deutsche und tschechische Kinder erlernen die Sprache des anderen als Voraussetzung für die selbstverständlicheVerständigung und als Ausgangspunkt zwischenmenschlicher und kultureller Kontakte. Die zweite binational ⫺ bilingual ausgerichtete Schule ist das Friedrich-Schiller-Gymnasium in Pirna/Sachsen, das Schülern aus der EUROREGIO Elbe/Labe ermöglicht, ein in Deutschland und Tschechien gleichermaßen anerkanntes Abitur zu erwerben. Ein zweiter Träger des Deutschunterrichts sind private Institutionen. Nach 1990 schossen private Sprachschulen unterschiedlichen Niveaus wie Pilze aus dem Boden. Inzwischen haben sich die soliden herauskristallisiert und versorgen hauptsächlich die Erwachsenenbildung. Die dritte Gruppe der Fremdsprachenunterricht / Deutsch als Fremdsprache gewährenden Schulen sind ausländische private Träger. (z. B.: Berlitz, Caledonian School).
2.2. Deutsch im Hochschulbereich An den Hochschulen der Tschechischen Republik wird Deutsch in Form des studienbegleitenden Unterrichts gelehrt, da die Kenntnis zweier Fremdsprachen eine zentrale
228. Deutsch in der Tschechischen Republik
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Komponente in den akademischen Qualifikationsprofilen darstellt. Die Ausbildung erfolgt auf der Grundlage eines gemeinsamen Rahmencurriculums. In der Tschechischen Republik gibt es 15 öffentliche Universitäten, die ein Deutschstudium anbieten. In Prag, Brno, Olomouc und Plzenˇ existieren je zwei germanistische Arbeitsstellen nebeneinander, jeweils die philosophische und die pädagogische Fakultät. ˇ eske´ Budeˇjovice, U ´ stı´ nad Labem, Pardubice, Hradec Kra´love´, Je ein Institut ist in C Liberec, Ostrava, Opava angesiedelt. Alle germanistischen Institute sind in den Prozess der Umgestaltung des Studiums in BA-und MA-Studiengänge eingebunden. Ein rein philologisches Germanistikstudium konnte/kann in Prag, Olomouc und Brno absolviert werden. Die Folgen der Umstrukturierung sind in der Lehrerausbildung spürbar. Während bis vor kurzem die Grundschullehrer für Deutsch ein acht Semester dauerndes Studium absolvierten und die Mittelschullehrer zehn Semester, wurde nach der Realisierung der Bologna-Beschlüsse das Lehramtsstudium auf insgesamt 10 Semester vereinheitlicht. Allerdings ist der Weg dahin unterschiedlich: Version 1: Pädagogisch-psychologische Disziplinen werden neben der fachspezifischen Ausbildung bereits im BA-Studium gelehrt. Da aber zehn Semester und der MA-Abschluss Bedingung für die Arbeit als Deutschlehrer sind, muss das Studium im Mastergang fortgesetzt werden. Version 2: Das BA-Studium ist rein fachspezifisch ausgerichtet. Erst Im MA-Studiengang erfolgt die Spezialisierung auf Pädagogie, Psychologie, Allgemeine Didaktik und Fachdidaktik. Version 3: Die fachspezifische Ausbildung erfolgt im BA-, MA-Studiengang. Daran anschließend kann in einem dreijährigen Kurs im Rahmen des sog. Lebenslangen Lernens die Lehrbefähigung für Deutsch erworben werden (allerdings gegen Entgelt). Die Lehrerfortbildung wird vom Ministerium für Schulwesen, Jugend und Körperkultur durch Vergabe von Stipendien in Deutschland, Österreich und der Schweiz gefördert. Auf die gleiche Weise tragen dazu das Goethe-Institut und das Österreichische Kulturforum bei. Besonders das Goethe-Institut hat sich in Zusammenarbeit mit dem österreichischen Bildungsministerium und der deutschen Zentralstelle für das Auslandsschulwesen um die Ausbildung von Multiplikatoren verdient gemacht, die im Trainingszentrum CDVU der Universität Brno und den Pädagogischen Zentren der einzelnen Regionen ihr in den Kursen des Goethe-Instituts erworbenes Wissen und Können weitergeben. Die Multiplikatorenausbildung (ca. 300 Stunden) ist vom tschechischen Schulministerium akkreditiert. Den BA-Studiengang versucht man attraktiv zu gestalten, indem man auf die Bedürfnisse der Praxis eingeht. So werden an den Universitäten folgende BA-Studiengänge angeboten: Universität Hradec Kra´love´: Deutsch für den Fremdenverkehr; Westböhmische Universität Plzenˇ: Deutsch in der Kommerzpraxis: Universität Pardubice: Deutsch für die ´ sti nad Labem: Interkulturelle GermanisWirtschaftspraxis; Universität J. E. Purkyneˇ U tik; Schlesische Universität Opava: Deutsch im Bereich der Wirtschaft; Karlsuniversität Prag: Deutsche Sprache und Literatur.
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
3. Entwicklungstendenzen Die Tschechische Republik grenzt an zwei deutschsprachige Länder: an die Bundesrepublik Deutschland (gemeinsame Grenze 810 Kilometer) und die Republik Österreich (gemeinsame Grenze 466 Kilometer). Man sollte also annehmen, dass der deutschen Sprache als der nächst gelegenen Fremdsprache ein priviligierter Status zukommt. Noch 2000 gab Houska (2000: 93) an, dass 1997/1998 Deutsch insgesamt gesehen mit 681.751 Lernern vor Englisch mit 665.225 Lernern einen geringen Vorsprung hat. In der Gegenwart sieht es aber anders aus. Wie aus den statistischen Erhebungen hervorgeht, wird Deutsch zur Tertiärsprache. Die Tabellen 228.1 bis 228.3 geben beredt Auskunft: Tab. 228.1: Fremdsprachen an tschechischen Grundschulen ⫺ Auswahl Sprache/Jahr
2000/ 2001
2001/ 2002
2002/ 2003
Englisch 432 920 453 174 473 448 Französisch 7 890 8 229 7 189 Deutsch 298 285 272 285 244 599 Russisch 1 035 1 680 1 946 ´ IV ⫽ Institut für Information im Bildungswesen) (Quelle: U
2003/ 2004
2004/ 2005
2005/ 2006
489 073 7 032 216 028 2 890
493 795 8 997 185 556 3 974
500 566 7 201 165 743 5 641
2003/ 2004
2004/ 2005
2005/ 2006
376 294 33 758 308 210 10 820
388 747 38 966 298 563 12 472
399 351 40 370 287 799 14 325
Tab. 228.2: Fremdsprachen an tschechischen Mittelschulen ⫺ Auswahl Sprache/Jahr
2000/ 2001
2001/ 2002
2002/ 2003
Englisch 334 672 346 752 360 043 Französisch 29 062 31 826 31 826 Deutsch 319 423 313 791 310 253 Russisch 7 556 7 813 8 918 ´ (Quelle: UIV ⫽ Institut für Information im Bildungswesen)
Tab. 228.3: Fremdsprachen an tschechischen Fachschulen ⫺ Auswahl Sprache/Jahr
2000/ 2001
2001/ 2002
2002/ 2003
2003/ 2004
2004/ 2005
Englisch 17 063 16 409 17 006 Französisch 865 865 1 749 Deutsch 12 846 12 130 11 904 Russisch 511 469 472 ´ (Quelle: UIV ⫽ Institut für Information im Bildungswesen)
19 447 1 048 14 764 631
19 195 1 382 14 053 838
Auf den Trend Deutsch nach Englisch gehen auch die Verlage ein. So erscheint zur Zeit im Verlag Fraus Plzenˇ das Lehrbuch Prima, das auf diese Adressaten zugeschnitten ist. Ein in den letzten zehn Jahren heftig diskutiertes Problem ist das neue Abitur. Bis 1989 gab es das Zentralabitur. Es wurde nach der „samtenen“ Revolution abgeschafft. Jede Schule konnte frei über die Form und den Inhalt der Abiturprüfung entscheiden. Mitte 2007 wurde die Novelle des Schulgesetzes angenommen, demzufolge der Beginn der Reform des Abiturs auf das Jahr 2010 verschoben wurde. Der Staat hat die Pflicht, den Abiturienten im Pflichtteil der Prüfung zwei unterschiedliche Niveaus anzubieten.
228. Deutsch in der Tschechischen Republik
1813
Im Basisniveau ⫺ im Gemeinsamen europäischen Rerenzrahmen das Niveau B1 ⫺ wird vom Abiturienten ein nicht zu unterschreitendes Minimum an Fertigkeiten verlangt, ohne dabei auf den besuchten Schultyp Rücksicht zu nehmen. Das höhere Niveau entspricht dem Niveau B2. Der Lernende kann frei entscheiden, ob er Niveau B1 oder B2 auswählt.
4. Forschungsschwerpunkte Die einzelnen Universitäten sind in nationale und internationale Forschungsprojekte eingebunden: Hier die wichtigsten: Masaryk-Universität Brno, Philosophische Fakultät: Mährisch deutsche Dramen und Dramatiker; diachrone Sprachforschung (historische Entwicklung des Deutschen); synchrone Sprachforschung (Wortschatz-Wortbildung); ˇ eske´ Budeˇjovice: Deutsche Literatur des Mittelalters in und Südböhmische Universität C über Böhmen; Interkulturelles Lernen ⫺ Module zur Aus- und Weiterbildung von Fremdsprachenlehrern; Palacky´-Universität Olomouc, Philosophische Fakultät: Untersuchung der Geschichte der deutschmährischen Literatur, Kanzleisprache im 15. und 16. Jh., Universität Ostrava: Schlesische sudetendeutsche Literatur 1918⫺1938; Schweizer Gegenwartsliteratur; Erforschung von Texten aus dem Frühneuhochdeutschen; korpusbasierte Interferenzforschung; Karlsuniversität Prag, Philosophische Fakultät: Ein literarischer Atlas (Kooperation Zürich⫺Prag⫺Göttingen, Deutschsprachige Literatur aus Böhmen im 19. und 20. Jh.; Germanistik in den böhmischen Ländern im Kontext der europäischen Wissensgeschichte; Wörterbuch der deutschen Schriftsteller (Kooperation mit der Pädagogischen Fakultät); Wörterbuchprojekt: Das Große Deutsch⫺Tschechische Akademische Wörterbuch; Projekt INTERCORP; Sprachnormen und Sprach´ stı´ nad normenwandel; soziolinguistisches Projekt LINEE. Universität J. E. Purkyneˇ U Labem: Moderne österreichische Literatur, deutschsprachige Gegenwartsliteratur, deutsche Phraseologie. Die Lehr- und Forschungstätigkeit der nicht erwähnten Universitäten ist durch intensive Kooperation mit deutschsprachigen Universitäten charakterisiert. Die Forschungsergebnisse erscheinen regelmäßig in den Publikationen Germanistica Pragensia (Prag), Brünner Beiträge zur Germanistik und Nordistik, Facultas philosophica. Philologica (Olomouc).
5. Literatur in Auswahl Böhm, Jirˇ´ı 2007 V neˇmecky´ch firma´ch mluvı´ anglicky. [In deutschen Firmen spricht man Englisch]. In: Lidove´ noviny 26. 9. 2007. Houska, Leosˇ 2000 Die Situation des Deutschunterrichts in Tschechien. In: Materialien Deutsch als Fremdsprache, Sprache-Kultur-Politik. Heft 53: 93⫺97. Nekvapil, Jirˇ´ı 2003 On the Role of the Languages of Adjacent States and the Languages of Ethnic Minorities in Multilingual Europe: the Case of the Czech Republic. In: Juliane Besters-Dilger u. a. (Hg.), Mehrsprachigkeit in der erweiterten Europäischen Union, 76⫺94. Klagenfurt: Drava.
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
Neustupny´, Jirˇ´ıV. und Jirˇ´ı Nekvapil 2003 Language Management in the Czech Republik. In: Current Issues in Language Planning 4(3) und 4(4): 181⫺366.
Eva Berglova´, Prag (Tschechische Republik)
229. Deutsch in Tunesien 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Situation des Deutschen in Tunesien Träger des Deutschunterrichts und der Deutschlehreraus- und -fortbildung Entwicklungslinien, Chancen und Probleme Inhalte der Ausbildung (Linguistik, Kulturwissenschaften, Didaktik/Methodik) Schwerpunkte der Forschung Kurze Einschätzung von Zahlen und Tendenzen, Umfang der Lernenden und Lehrenden Literatur in Auswahl
1. Situation des Deutschen in Tunesien Tunesien betont seine starken Bezüge nach Europa. Im Nord-Süd-Verhältnis nimmt es eine Brückenfunktion ein. Historisch wie kulturell liegt es im Schnittpunkt zwischen magrebinisch-andalusischen und östlichen Einflüssen aus Ägypten und den Golfstaaten. Die Emigration (10 % der Bevölkerung) richtet sich vor allem nach Europa (v. a. Frankreich, Italien, Deutschland), nach Kanada (Quebec) und in geringerem Maße nach Libyen und auf die arabische Halbinsel. Einwanderung gibt es kaum, wohl aber Massentourismus. Die Touristen kommen gleichermaßen aus Europa (v. a. Deutschland und Frankreich) wie aus den beiden maghrebinischen Nachbarländern. Französisch blieb auch nach der Unabhängigkeit Zweitsprache. Erst nach einer Arabisierungskampagne wurde es für die jüngere Generation zur ersten Fremdsprache. Englisch steht an zweiter Stelle. Deutsch und Italienisch liegen an dritter und vierter Stelle. Auch Spanisch gewinnt an Bedeutung. Die Präsenz deutscher Touristen bietet eine Möglichkeit für ungesteuertes DaF-Lernen. Deutsch ist in Tunesien nicht ausschließlich Fremdsprache: Die Rückkehr von Migranten führt dazu, dass manche deutsch-tunesischen Kinder zur Einschulung nach Tunesien gehen. Im Germanistikstudium machen diese deutsch-tunesischen GastarbeiterKinder bis zu 10 % der Studierenden aus. Sie verfügen über gute Reisemöglichkeiten nach Deutschland, haben täglich deutschsprachiges Fernsehen und bewegen sich in bikulturellen Gruppen. Auch in allgemeiner Hinsicht gilt, dass DaF-Lernende in Tunesien oft migrantische Familienkontakte nach Deutschland haben. Die mündliche Erstsprache der DaF-Lerner ist die tunesische Umgangssprache, die nicht kodifiziert ist. Die Derija unterscheidet sich stark von der arabischen Standardund Hochsprache. Sie weist entlehnte französische und italienische Ausdrücke auf, die man je nach Register mehren oder mindern kann. Offizielle Kommunikation findet auf
229. Deutsch in Tunesien
1815
Standardarabisch (Verwaltung) oder auf Französisch (Wirtschaft) statt. Im Mündlichen gibt es also eine ausgeprägte Mehrsprachigkeit, die dem DaF-Lernen zuträglich ist, aber zugleich eine allgemeine Unschärfe im Ausdruck und Schwächen in der Rechtschreibung befördern mag.
2. Träger des Deutschunterrichts und der Deutschlehreraus- und -ortbildung Der Deutschunterricht hat seit den 1970er Jahren mit dem Ausbau des Schulsystems und seit den 1990er Jahren mit der rasanten universitären Bildungsausweitung (World Bank 1997) einen Aufstieg erfahren, der in der Region einmalig ist. In Verbreitung und Niveau entspricht Deutsch in Tunesien heutzutage den südwesteuropäischen Verhältnissen. (Allerdings nimmt das Land nicht an den OECD-Bildungsvergleichen teil, wissenschaftliche Vergleichsdaten gibt es noch nicht.) Fast die Hälfte der jungen Generation macht Abitur, und in den letzten zwei Jahren vor dem Abitur kann man Deutsch als Wahlpflichtfach belegen. Die meisten Sekundarschulen bieten Deutsch an (MEF 2009). Die überwiegend jungen Deutschlehrer stellen eine wichtige Basis für die Präsenz des Deutschen in Tunesien dar. Sie haben nach dem Germanistikstudium ein einjähriges Referendariat durchlaufen. Die Zulassung zum Referendariat, die landesweite Versetzung und die Fortbildung der Lehrer organisiert das Ministerium für Schule und Ausbildung. Diese zentralisierten Veranstaltungen des Ministeriums geben zugleich Einblick in die Qualität der Studienabschlüsse je nach Universität. Die Germanistik hat sich seit 1977 an der Universität Tunis entwickelt. Universitäre Neugründungen, Verlagerungen in die Vororte der Hauptstadt und eine landesweite Dezentralisierung haben die Germanistik vor allem geographisch diversifiziert. Inzwischen kann man an vier Hochschulen Deutsch bzw. Germanistik als Hauptfach studieren. Als Nebenfach wird es an acht Hochschulen angeboten. Das Goethe-Institut in Tunis ist mit Kursangebot, kulturellen Veranstaltungen und Fortbildungen für Deutschlehrer fest im Lande verankert und bekannt. Darüber hinaus gibt es eine Reihe privater Sprachschulen unterschiedlicher Qualität. Eine Deutsche Schule ist in Tunis im Aufbau begriffen.
3. Entwicklungslinien, Chancen und Probleme Der Zuwachs an Deutschlernern, -lehrern und Germanisten ist seit den 1990er Jahren enorm, wenn man ihn in absoluten Zahlen misst. Im Vergleich zu anderen Sprachen und vor allem zu den Natur- und Technikwissenschaften bleibt die Bedeutung aber bescheiden, da es einen rasanten Wachstum des Schul- und Bildungssektors gegeben hat (MES 2005). Eine weitergehende quantitative Ausweitung ist nicht zu erwarten (MESRST 2009). Damit beginnt für das Fach Deutsch und für die Germanistik eine Phase der Erneuerung auf gutem Niveau. Zukünftige Anstrengungen dürften in die Qualität gehen: Mehr Fortbildung, Öffnung der Schulen und Universitäten zur Gesellschaft, Annahme wissenschaftlicher Herausforderungen und Umbau der Lehre. Das tunesische Schul- und
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
Hochschulwesen wird allerdings staatlich eng gelenkt, es gibt durchaus repressive Züge. Die intellektuelle Selbständigkeit wird nicht gepflegt. Das mag zu einem Problem für die anstehende Neuausrichtung werden. Außerdem müssten neue Berufsfelder für Germanisten erschlossen werden. Auch dazu taugt das traditionelle Korsett des Studiums wenig. Die Bildungsreform scheint nicht sehr deutlich auf diese Desiderata ausgerichtet zu sein. Sie dient derzeit vor allen als Instrument, um die qualifizierten Studienplätze (Master) zu verknappen. Die Berufsperspektiven der Bachelor-(Licence-)Absolventen sind nicht geklärt (MEIPJ; Banque mondiale 2008).
4. Inhalte der Ausbildung (Linguistik,Kulturwissenschaten, Didaktik/Methodik) Literaturwissenschaft, Grammatik und Landeskunde bilden den Lernkanon. Linguistik und interdisziplinäre Einflüsse aus der Medienpädagogik, den Kommunikationswissenschaften und den cultural studies sind schwach ausgeprägt. Selbst wenn es vereinzelt entsprechende Lehrveranstaltungen gibt, fehlt für einen entsprechenden Master- oder Doktoratsabschluss die fachlich zugelassene Prüfungskommission. Die Lehrveranstaltungen finden überwiegend auf Deutsch statt. Die Lernprogression ist vergleichsweise hoch und stark auf das individuelle Erlernen der Sprache ausgerichtet. Universitäre Sprachenlernzentren gibt es nicht. Bis in die 1990er Jahre mussten alle Germanistikstudierenden ein Auslandssemester in Deutschland absolvieren. Die Einführung der Schengen-Visapflicht und eine wachsende staatliche Orientierung auf die Bildungskapazitäten im eigenen Lande behindern inzwischen die studentische Mobilität. Die Diskussion über ein stärker anwendungsorientiertes Deutsch hat begonnen. Berufsbezogenes Deutsch gibt es beispielsweise an den Hotelfachschulen. Die allgemeine Bildungsreform (LMD ⫺ Licence, Master, Doctorat) erfasst seit 2000 nach und nach alle Studiengänge. Sie führt dazu, dass die Lernziele der Lehrveranstaltungen beschrieben werden, und dient vor allem der Steuerung des künftigen Studienangebots. Für Praktika während des Studiums fehlen nicht nur an der Universität integrierte Betreuungsstrukturen. Auch die Wirtschaft und die Verwaltung öffnen sich nur langsam.
5. Schwerpunkte der Forschung Neben den philologischen Themen der Literaturwissenschaften sind Reiseliteratur und kontrastive Untersuchungen zu grammatikalischen Phänomenen zu nennen. Aus der jüngeren Generation wird Interesse an interdisziplinären Forschungen geäußert, wie sie sich im Rahmen von German Studies entwickeln könnten.
6. Kurze Einschätzung von Zahlen und Tendenzen, Umang der Lernenden und Lehrenden In Tunesien gibt es derzeit ungefähr 24.000 DaF-Lernende an den Oberschulen. Sie werden von fast 400 Deutschlehrern unterrichtet (MEF 2009). Fünf Gymnasien entwickeln
230. Deutsch in der Türkei
1817
sich mit ihrem DaF-Zweig zu Schulen: Partner der Zukunft. 20 % der Abiturienten haben eine Privatschule besucht. Landesweit gibt es ungefähr 1.000 Germanistikstudierende (bei insgesamt 360.172 Studierenden), unterrichtet von schätzungsweise 40 Dozenten. Ungefähr 85 % der DaFStudierenden sind weiblich (59 Prozent aller tunesischen Studierenden) (MESRST 2009). Seit den 1980er Jahren gibt es an der Deutsch-Sektion der Universite´ Tunis I / La Manouba ein DAAD-Lektorat. Zu erwähnen ist der Tunesische Germanisten- und Deutschlehrerverband, der einmal im Jahr Deutschtage veranstaltet.
7. Literatur in Auswahl MEF 2009 MEIPJ 2008
Ministe`re de l’Education et de la Formation: Auskunft von der Inspektion für Deutsch. Oktober 2009. Ministe`re de l’Emploi et de l’Insertion Professionnelle des Jeunes; Banque mondiale Dynamique de l’emploi et adequation de la formation parmi les diploˆme´s universitaires. Vol. I: Rapport sur l’insertion des diploˆme´s de l’anne´e 2004. Ministe`re de l’Enseignement Superieur: Les indicateurs de l’enseignement superieur.
MES 2005 MESRST Ministe`re de l’Enseignement Supe´rieur, de la Recherche Scientifique et de la Technologie 2009 L’enseignement supe´rieur et la recherche scientifique en chiffres. Anne´e universitaire 2008/2009. World Bank 1997 Republic of Tunisia Higher Education: Challenges and Opportunities (Report No. 16522TUN) May 8, 1997.
Helmut Dietrich, Oran (Algerien)
230. Deutsch in der Türkei 1. 2. 3. 4. 5.
Einleitung: Fremdsprachenpolitische Tendenzen Der Stellenwert der deutschen Sprache im türkischen Schulwesen Deutsch an der Hochschule am Beispiel der Ausbildung türkischer DeutschlehrerInnen Schlussbemerkung Literatur in Auswahl
1. Einleitung: Fremdsprachenpolitische Tendenzen Wenn wir die türkische Fremdsprachenpolitik im Hinblick auf die übergreifenden gesellschaftlich-politischen und historischen Faktoren betrachten, so lässt sich erkennen, dass es in der Türkei seit Mitte des 19. Jahrhunderts Interesse und Bedarf am Erlernen der westlichen Sprachen wie Deutsch, Französisch und Englisch gibt. Rückblickend ist je-
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doch zu bemerken, dass sich die Gewichtung dieser Sprachen in der türkischen Öffentlichkeit je nach den herrschenden politisch-gesellschaftlichen und ökonomischen Bedingungen verschoben hat. Die Dominanz des Englischen als die Sprache der globalisierten Welt ist gegenwärtig auf der fremdsprachlichen Landschaft der Türkei eindeutig zu erkennen. Sie ist im schulischen sowie auch im außerschulischen Bereich mit großem Abstand die meistgelernte Fremdsprache. Die Spitzenstellung des Englischen hat ohne Zweifel einen negativen Einfluss auf das Erlernen anderer Sprachen, und diese verlieren zunehmend an Attraktivität. Auf der anderen Seite ist die Türkei interessiert an einem Beitritt zur Europäischen Union, und sie ist voll in die akademischen Austausch- und Förderprogramme des Europarats integriert. Dementsprechend sollte das Erlernen weiterer Fremdsprachen neben dem Englischen gefördert werden, damit die durch die europäische Sprachenpolitik geforderte sprachliche und kulturelle Vielfalt in der Türkei realisiert werden kann. Gerade in diesem Punkt soll der Stellenwert der deutschen Sprache hervorgehoben werden. Denn Englisch ist zwar mit Abstand die meistgelernte Fremdsprache in der Türkei, ihr folgt jedoch nicht mehr die französische Sprache, die lange Zeit in der türkischen Sprachenpolitik einen festen Platz hatte. In der türkischen Sprachenskala ist heute die deutsche Sprache sowohl im schulischen als auch im außerschulischen Bereich an die zweite Stelle gerückt. Dafür gibt es einige nahe liegende Gründe: Historisch gesehen haben die Beziehungen zwischen den beiden Ländern auf politischer, kultureller und wirtschaftlicher Ebene eine lange und gut entwickelte Tradition. Auch heute existieren vielfältige Verbindungen zwischen den deutschsprachigen Ländern und der Türkei weiter. Die deutschsprachigen Länder sind wichtige Handelspartner der Türkei. Die Zahl der deutschen Unternehmen in der Türkei und die Zahl der türkischen Unternehmen in Deutschland erhöhen sich ständig. Die Zahl der deutschsprachigen Touristen ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Auch die Folgen der Migrationsbewegung sind in diesem Zusammenhang nennenswerte Faktoren. Fast drei Millionen Menschen türkischer Abstammung leben heute in Deutschland und über zwei Millionen sind nach einem Lebensabschnitt in Deutschland wieder in die Türkei zurückgekehrt. Durch diese beiden Gruppen werden die Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland weitergepflegt. Diese Voraussetzungen zeigen uns, warum sich heutzutage in der Türkei der Bedarf am Erlernen der deutschen Sprache im Vergleich zu anderen Sprachen, abgesehen vom Englischen, im positiven Sinne entwickelt.
2. Der Stellenwert der deutschen Sprache im türkischen Schulwesen 2.1. Die Situation des Fremdsprachenunterrichts an den türkischen Schulen Die oben kurz skizzierten gesellschaftlich-politischen Rahmenbedingungen, die die Gewichtung der Fremdsprachen in der türkischen Öffentlichkeit bestimmen, haben unmittelbare Auswirkungen auf die Strukturierung des Fremdsprachenunterrichts an den türkischen Schulen. Mit dem neuen Schulreformgesetz von 1997 änderten sich grundlegende Parameter des türkischen Schulwesens. Damit wurde die Schulpflichtzeit von fünf auf
230. Deutsch in der Türkei
1819
acht Jahre verlängert. Anstelle der fünfjährigen Grundschule wurde verbindlich für die ganze Türkei die achtjährige allgemeinbildende Pflichtschule eingeführt, die die Primarstufe und die Sekundarstufe 1 umfasst. Daran schließt sich das vierjährige Gymnasium an (Sekundarstufe 2), das in Bezug auf die berufliche Orientierung und auf ihr fremdsprachliches Angebot in unterschiedliche Schultypen ausdifferenziert ist. Diese Neustrukturierung hat sich unter anderem auch auf die Planung des Fremdsprachenunterrichts ausgewirkt. Die erste Fremdsprache wird bereits auf der Primarstufe in der 4. Klasse mit 4 Wochenstunden landesweit obligatorisch gelernt. Dabei stehen Deutsch, Englisch oder Französisch zur Auswahl. Ab der 6. Klasse haben die SchülerInnen die Möglichkeit, eine zweite Fremdsprache zu erlernen. Die Vorverlegung des Fremdsprachenunterrichts auf die früheren Jahrgangsstufen (4. Klasse) und die Einführung einer zweiten Fremdsprache (6. Klasse) ist für die Sprachenpolitik der Türkei insofern wichtig, weil dadurch der Zugang zur Sprachenvielfalt in einer relativ frühen Lebensphase eröffnet werden kann. Der Fremdsprachenunterricht wird im Sekundarbereich 2 weitergeführt. Hier gibt es in Bezug auf den Fremdsprachenunterricht unterschiedliche Schultypen. In den staatlichen allgemeinbildenden Gymnasien wird die erste Fremdsprache nur in den 9. und 10. Klassen obligatorisch mit 3 Wochenstunden angeboten, während die zweite Fremdsprache fakultativ angeboten wird. Bei den staatlichen Anadolugymnasien mit fremdsprachlichem Schwerpunkt wird der Fremdsprachenunterricht obligatorisch mit hohen Stundenzahlen und unter besseren Bedingungen durchgeführt. Demgemäß wird die erste Fremdsprache an den Anadolugymnasien in der 9. Klasse mit 10 Wochenstunden und in den Klassen 10, 11 und 12 mit je 4 Wochenstunden und die zweite Fremdsprache, auch obligatorisch mit 2 Wochenstunden unterrichtet. Die Privatschulen sind im Vergleich zu den staatlichen Schulen in ihren Entscheidungen freier. Sie können je nach ihren Bedingungen den Umfang des Fremdsprachenunterrichts erweitern und selbst über Beginn, Dauer und die Wochenstundenzahlen entscheiden. Wenn wir nun die Gewichtung der einzelnen Schulsprachen untersuchen, so ist festzustellen, dass die eingangs erwähnten sprachenpolitischen Entwicklungen in der Türkei auch in der Schulsprachenpolitik Niederschlag finden. Dieses Faktum ist auch an den folgenden Daten zu erkennen: Im Schuljahr 2007/08 haben im Primarbereich 6 392 318 SchülerInnen Englisch, 33 060 Deutsch und 9 382 Französisch als erste Fremdsprache gelernt. Dieselbe Tendenz zeigt sich auch im Sekundarbereich 2. Hier haben im selben Schuljahr 2 530 286 SchülerInnen Englisch, 258 089 Deutsch und 22 580 Französisch als erste Fremdsprache gelernt (vgl. National Education Statistics 2007). Schon dieser kurze Überblick der Zahlenrelationen ist ein Beleg dafür, dass Englisch die meistgelernte erste Fremdsprache sowohl im Primar- als auch im Sekundarbereich ist.
2.2. Die Situation des Deutschunterrichts an den türkischen Schule 2.2.1. Deutsch als erste Fremdsprache Deutsch wird im türkischen Schulwesen als erste und als zweite Fremdsprache angeboten. Als erste Fremdsprache hat Deutsch an den staatlichen Schulen im Primarbereich einen eher geringen Stellenwert. An einigen wenigen Privatschulen des Primarbereichs in den Metropolen wird Deutsch als erste Fremdsprache angeboten und hat ein hohes Gewicht. Auch im Sekundarbereich sind ähnliche Entwicklungen zu erkennen. Während
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Deutsch in den staatlichen Gymnasien und auch in den Berufsgymnasien als erste Fremdsprache einen Rückgang erlebt, hat es als erste Fremdsprache in einigen wenigen deutschsprachigen Anadolugymnasien und Privatgymnasien ein hohes Prestige. Diese Gymnasien haben wegen ihrer guten Unterrichtsqualität ein hohes Ansehen in der Öffentlichkeit und werden von vielen Eltern bevorzugt, selbst wenn hier nicht Englisch, sondern Deutsch als erste Fremdsprache angeboten wird. So erfüllen diese Schulen bezüglich der sprachenpolitischen Entwicklungen der Türkei eine bedeutende Funktion, da mit ihnen eine andere Sprache als Englisch die Möglichkeit bekommen hat, sich in der Schulwirklichkeit auszubreiten. Allerdings ist hier gleich zu unterstreichen, dass die Zahl dieser Schulen landesweit relativ gering ist. Von den 823 Anadolugymnasien türkeiweit bieten 30 Deutsch als erste Fremdsprache an und relativ wenige Schüler haben die Möglichkeit, von diesem Schultyp zu profitieren, da der Zugang in diese Schulen durch eine zentrale Aufnahmeprüfung erschwert wird.
2.2.2. Deutsch als zweite Fremdsprache Deutsch hat im türkischen Schulwesen als zweite Fremdsprache beachtenswerte Chancen. In den meisten Schulen des Primar- und Sekundarbereichs, wo Englisch als erste Fremdsprache angeboten wird, wird gegenwärtig von den meisten SchülerInnen als die zweite Fremdsprache Deutsch gewählt. Diese Position des Deutschen zeigt sich besonders an den fremdsprachlich orientierten Gymnasien des Sekundarbereichs 2, an denen die zweite Fremdsprache seit dem Schuljahr 2004/2005 als obligatorisches Fach eingeführt wurde. Die sprachenpolitischen Entscheidungen der Europäischen Union, dass den SchülerInnen mehr als eine Fremdsprache im Schulwesen angeboten werden sollte, hat in der Türkei gerade für die deutsche Sprache eine große Bedeutung, weil der Fremdsprachenbedarf des Landes gegenwärtig die Konstellation Deutsch nach Englisch fordert. Wenn wir von der These von Bausch (1990: 12) ausgehen, dass „die schulische Ausbildung ,individueller Mehrsprachigkeiten‘ mit dem Erlernen der zweiten Fremdsprache ihren Anfang nimmt“, so ist es zu sagen, dass in der Türkei dem Deutschen eine Schlüsselfunktion zukommt. Denn die Förderung der Konstellation Deutsch nach Englisch könnte „als ein[en] Beitrag zur Förderung der Mehrsprachigkeit und als eine Voraussetzung für die angestrebte Sprachen- und Kulturenvielfalt betrachtet werden“ (Tapan 2004: 310). Resümierend lässt sich sagen: Als erste Fremdsprache kann Deutsch im türkischen Schulwesen mit dem Englischen nicht konkurrieren und hat einen vergleichsweise geringen Stellenwert. Als zweite Fremdsprache nach dem Englischen hat es jedoch beträchtliche Entwicklungschancen, und keine andere Sprache kann zurzeit noch im türkischen Schulwesen mit dem Deutschen als zweite Fremdsprache konkurrieren. Für die gegenwärtigen schulsprachenpolitischen Diskussionen um die Realisierung neuerer Konzepte wie schulische Mehrsprachigkeit und um die Umsetzung neuer didaktisch-methodischen Richtlinien wie die Tertiärsprachendidaktik in die schulische Praxis ist es relevant, dass Deutsch seine gegenwärtige Position bewahrt und sich weiterentwickelt. Zu den Maßnahmen für einen effektiveren Deutschunterricht gehört unter anderem auch die Verbesserung der Unterrichtsqualität. Die Diskussion um die Verbesserungsmöglichkeiten des Deutschunterrichts muss die Ausbildung der DeutschlehrerInnen einbeziehen, weil die Effektivität im schulischen Bereich in erster Linie von gut qualifizierten
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1821
LehrerInnen abhängt. Wie werden die türkischen Deutschlehramtstudierenden qualifiziert? Diese Frage wird hier mit der Beschreibung des Ausbildungsprozesses der türkischen DeutschlehrerInnen beschrieben.
3. Deutsch an der Hochschule am Beispiel der Ausbildung türkischer DeutschlehrerInnen 3.1. Curriculare Entwicklungen au institutioneller Ebene Durch die Reformen im Jahre 1997 erfuhr das türkische Schulwesen eine Neustrukturierung, deren Konsequenzen sich im universitären Bereich bei der Lehrerausbildung zeigten. Im Studienjahr 1998/99 wurden vom Hochschulrat verbindlich für alle Pädagogischen Fakultäten der Türkei, wo Lehrer ausgebildet werden, Curricula eingeführt, durch die die Lehrerausbildungsprogramme (auch die Programme für Deutschlehrerausbildung) grundlegend reformiert wurden. Bis 1998 konnten in der Türkei sowohl die Absolventen der Germanistikabteilungen an den Philosophischen Fakultäten als auch die Absolventen der Deutschlehrerausbildung an den Pädagogischen Fakultäten nach dem vierjährigen Studium gleich mit dem Lehrberuf anfangen.1998 löste sich die Deutschlehrerausbildung als eine unabhängige Fachrichtung von der Germanistik. Zwischen den beiden Studiengängen gibt es jetzt eine klare Trennung sowohl auf struktureller als auch auf inhaltlich-fachdidaktischer Ebene. Alle Absolventen der Deutschlehrerausbildung haben das Recht, nach dem Studium gleich mit dem Lehrberuf anzufangen und sowohl auf der Primar- als auch auf der Sekundarstufe als DeutschlehrerInnen tätig zu werden. Dagegen müssen diejenigen Germanistikabsolventen, die als DeutschlehrerInnen arbeiten wollen, nach dem traditionellen Germanistikstudium noch ein dreisemestriges Zusatzstudium im Rahmen der pädagogischen Fakultäten absolvieren, wo die Gewichtung auf pädagogischen Fächern und der Fachdidaktik liegt. Das Zusatzstudium wird aber erst dann genehmigt, wenn sich im Lande Bedarf an DeutschlehrerInnen zeigt. Außerdem können nicht alle Absolventen der Germanistik an dem Zusatzstudium teilnehmen, weil das Kontingent begrenzt ist. Diese Voraussetzungen stellen sicherlich einen Nachteil für die Germanistikabsolventen dar. Deshalb haben die germanistischen Studiengänge seit dem Strukturwandel einen Rückgang erlebt. Die Position des Studienganges für Deutschlehrerausbildung wendete sich hingegen zum Positiven, weil hier die Absolventen eine Berufsperspektive als DeutschlehrerInnen haben. Zurzeit gibt es an den 67 Pädagogischen Fakultäten der Türkei 17 Abteilungen für den Studiengang Deutschlehrerausbildung, die jährlich jeweils circa 50 Studierende aufnehmen. Das Vorhandensein derartiger Studiengänge zeigt, dass in der Türkei ein beträchtlicher akademischer Bereich besteht, um Deutschlehrer auszubilden. Hier stellt sich nun die Frage, ob diese Absolventen die Möglichkeit haben, nach dem Studium als DeutschlehrerInnen tätig zu werden. Ausgehend von der gegenwärtigen Sprachenpolitik der Türkei ist es schwierig, diese Frage mit Ja zu beantworten. Die Konsequenzen wirken sich im Allgemeinen negativ auf die Berufsaussichten der DeutschlehrerInnen aus. Eine geringe Anzahl von Absolventen der Deutschlehrerausbildung hat die Chance, in einer Schule mit Deutsch als erster Fremdsprache eine Stelle zu finden. Durch die Einführung der zweiten Pflichtfremdsprache in den Gymnasien ändern sich jedoch,
1822
XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
wenn auch langsam, die Bedingungen des Deutschunterrichts im positiven Sinne. Dadurch ist die Zahl der Deutschlernenden an den Schulen erheblich gestiegen, womit sich auch der Bedarf an DeutschlehrerInnen erhöht hat. Folglich können die Absolventen der Studiengänge für Deutschlehrerausbildung jetzt mit besseren Berufsaussichten rechnen, wenn auch als LehrerInnen für Deutsch als zweite Fremdsprache.
3.2. Curriculare Entwicklungen au achlicher Ebene Mit der Neustrukturierung 1998 wurden die Lehrprogramme für die Ausbildung der DeutschlehrerInnen radikal erneuert. Der Ausgangspunkt für diese Revision war die Überlegung, dass die Lehrprogramme vor 1998 in Bezug auf den Lehrberuf einige Mängel aufwiesen und die Lehramtsstudierende nicht zureichend auf ihren Beruf vorbereiteten, weil sie stark germanistisch ausgerichtet waren. Bei einer effektiven Deutschlehrerausbildung darf aber das germanistische Fachwissen kein Selbstzweck sein, das Lehrprogramm sollte bezüglich des Lehrberufs strukturiert werden. Neuner (2003: 25) weist in diesem Zusammenhang auf ein integratives Modell hin und spricht von zwei Ausbildungsfeldern: „das der Vermittlung fachsystematischen Wissens und das der Vermittlung berufsorientierten Wissens und Könnens“. Bei dem revidierten Lehrprogramm für die Ausbildung der türkischen DeutschlehrerInnen ist es durchaus möglich, von einem solchen integrativen Modell zu sprechen. Der wichtigste Unterschied zwischen dem früheren und dem revidierten Curriculum liegt darin, dass die Schwerpunktsetzung des neuen Programms spezifisch die angehenden Deutschlehrer im Blick hat, und „der Aspekt der Berufsorientiertheit jetzt als klares Leitbild im Vordergrund steht“ (Polat und Tapan 2002: 56). Folglich könnte hier behauptet werden, dass das neue Curriculum ein Potential darstellt, das es ermöglicht, die angehenden türkischen DeutschlehrerInnen auf ihre zukünftige Berufstätigkeit effektiv vorzubereiten. Die Effektivität im Ausbildungsprozess der LehrerInnen wirkt sich sicherlich auch auf die Effektivität im schulischen Deutschunterricht aus.
4. Schlussbemerkung Ausgehend von der hier beschriebenen Situation der deutschen Sprache im Schul- und Hochschulbereich ist zu sagen, dass der Bereich Deutsch als Fremdsprache in der Türkei einen festen Platz hat. Von der gegenwärtigen Position des Deutschen sollte bei den sprachenpolitischen Entwicklungen profitiert werden, wenn man die Sprachenpalette in der Türkei ausweiten und zeitgemäße Ausbildungskonzepte in die Praxis umsetzen möchte. Eine zeitgemäße Ausbildung der DeutschlehrerInnen würde dabei zur Weiterentwicklung des Deutschen in der Türkei und zur Realisierung solcher Konzepte beitragen.
5. Literatur in Auswahl Bausch, Karl-Richard und Karin Kleppin 1990 Thesen und Empfehlungen zu den Besonderheiten des Lehrens und Lernens von Deutsch als zweiter Fremdsprache. In: Karl-Richard Bausch und Manfred Heid (Hg.), Das Lehren
231. Deutsch in der Ukraine
1823
und Lernen von Deutsch als zweiter oder weiterer Fremdsprache: Spezifika, Probleme, Perspektiven, 11⫺18. Bochum: Brockmeyer. National Education Statistics, Formal Education 2007 Ankara (http://oks2007.meb.gov.tr). Neuner, Gerhard 2003 Curriculumentwicklung für die Ausbildung von DeutschlehrerInnen und HochschuldozentInnen im Bereich Deutsch als Fremdsprache. In: Gerhard Neuner (Hg.), Internationales Qualitätsnetz Deutsch als Fremdsprache, Tagungsdokumentation 2002, 15⫺26. Kassel: Druckerei der Universität Kassel. Polat, Tülin und Nilüfer Tapan 2003 Neustrukturierungen im Prozess der Deutschlehrerausbildung in der Türkei. In: Gerhard Neuner (Hg.), Internationales Qualitätsnetz Deutsch als Fremdsprache, Tagungsdokumentation 2002, 53⫺66. Kassel: Druckerei der Universität Kassel. Tapan, Nilüfer 2004 Überlegungen zur Realisierung eines mehrsprachigen Ausbildungskonzepts im türkischen Schulwesen. In: Manfred Durzak und Nilüfer Kuruyazıcı (Hg.), Interkulturelle Begegnungen, 303⫺316. Würzburg: Könighausen-Neumann.
Nilüfer Tapan, Istanbul (Türkei)
231. Deutsch in der Ukraine 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Stellenwert und Rolle der deutschen Sprache in der Ukraine Die Bildungsreform 2002 Deutsch an Schulen Hochschulwesen, Bologna-Reformen und das DaF-Studium Spezifische Probleme Erwachsenenbildung Literatur in Auswahl
1. Stellenwert und Rolle der deutschen Sprache in der Ukraine Intensive wirtschaftliche, politische und wissenschaftlich-technische Beziehungen zwischen Deutschland und der Ukraine erklären die große Bedeutung des Deutschen an den ukrainischen Schulen und Universitäten. Die Deutschkenntnisse verbessern in der Ukraine die Berufschancen; 2007 haben in der Ukraine ca. 1500 deutsche Firmen gearbeitet, ins Land sind etwa 6,5 Md. Euro Investitionen aus Deutschland eingegangen. Der zweite Grund, warum die deutsche Sprache immer attraktiver für die Ukrainer wird, ist die Möglichkeit, in Deutschland zu studieren oder Forschung zu betreiben, besonders nachdem die Gebühren für das Studium in der Ukraine gestiegen sind.
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
2. Die Bildungsreorm 2002 Das Bildungssystem der Ukraine hat sich seit Beginn der Unabhängigkeit verändert und sich dabei zunehmend an Westeuropa orientiert. Den Rahmen für die Bildungsreform bildet seit April 2002 die nationale Doktrin zur Entwicklung der Bildung. Zuständig ist auf allen Ebenen von der Vorschulerziehung bis hin zu den Universitäten das Ministerium für Bildung und Wissenschaft, das die Bildungsstandards und -programme entwickelt und vorgesetzte Behörde für die Institutionen und deren Schnittstelle zu staatlichen und internationalen Organisationen ist.
3. Deutsch an Schulen Die Anteile der Fremdsprachen im sowjetischen schulischen Betrieb wurden in Form von Quoten festgelegt (50 % Englisch, 20 % Deutsch, 20 % Französisch, 10 % Spanisch). In der unabhängigen Ukraine nimmt die deutsche Sprache unter den in den Schulen erlernbaren Fremdsprachen weiter den zweiten Platz ein, allerdings mit großem Abstand hinter Englisch, aber deutlich vor Französisch. Tab. 231.1: Verteilung der Schüler nach der Anzahl der Fremdsprachen Studienjahre
2000/01
2002/03
2004/05
2006/07
Zahl der Schüler, die eine Fremdsprache lernen
4.774.992
5.003.541
4.876.795
4.175.003
Schüler mit zwei und mehr Fremdsprachen
216.539
275.818
318.888
460.134
Tab. 231.2: Verteilung nach Fremdsprachen Fremdsprachen/Anzahl der Schüler Englisch Deutsch Französisch Spanisch andere Sprachen*
2000/01
2002/03
2004/05
2006/07
3.972.482 820.992 364.484 12.953 13.109
4.417.174 903.633 347.824 13.469 30.169
4.426.821 767.140 284.499 12.640 18.836
4.048.551 737.409 257.241 14.391 21.359
* zu den anderen Sprachen gehören Chinesisch, Japanisch, Indisch, Türkisch, Latein.
Deutsch wird heute an 7.641 Schulen (37 % aller Schulen) angeboten, an denen etwa 10.000 Deutschlehrer tätig sind. Insgesamt gibt es in der Ukraine 29 Schulen mit erweitertem Deutschunterricht, darunter 17 Schulen, die am Programm des Deutschen Sprachdiploms (DSD) teilnehmen. An diesen Schulen arbeiten 16 Lehrkräfte aus Deutschland. Im Moment erhalten jedes Jahr etwa 200 Schüler das DSD-Diplom, Tendenz steigend. Es werden auch Schulpartnerschaften aufgebaut, z. B. von Münchner und Kiewer Schulen. Die Ursachen für die im Vergleich zur Größe und Bevölkerung relativ niedrige Zahl von deutsch-ukrainischen Schulpartnerschaften liegen in der schwierigen sozioökonomischen Situation der Durchschnittsbevölkerung der Ukraine, die einen Aus-
231. Deutsch in der Ukraine
1825
tausch auf der Basis der Gegenseitigkeit erschweren. Hinzu kommen das marginale Wissen über das Land sowie das Problem der Sprache: Ukrainisch ist in den Schulen die Staatssprache. Die deutschen Gymnasien, die Russisch-Unterricht anbieten, wählen als Partner meistens die Russische Föderation, da die Ukraine und ihre kulturellen Potentiale für eine Zusammenarbeit oft nicht bekannt sind.
4. Hochschulwesen, Bologna-Reormen und das DaF-Studium Zur Zeit wird in der Ukraine die Studienlandschaft weiter umgekrempelt. Seit 2003 werden an den 50 ukrainischen Hochschulen die Studiengänge auf das gestufte BA/MASystem umgestellt und modularisiert. Es ist allerdings fraglich, ob externe Hindernisse für eine weitgehende Mobilität von Studierenden durch die Umsetzung der BolognaBeschlüsse wirklich abgeschafft werden können: Für Austauschprogramme müssen die Studierenden aus der Ukraine ein Einreisevisum für das betreffende Land beantragen, das nicht immer bewilligt wird. Außerdem gelten die Sokrates- und Erasmusprogramme für die Ukraine nicht, was zur Folge hat, dass viele Germanistikstudierende und Deutschlehrende kaum Möglichkeiten zur Weiterbildung haben. Stipendien, die einen Auslandsaufenthalt überhaupt ermöglichen, werden nur in begrenzter Anzahl angeboten. Derzeit sind an 61 ukrainischen Hochschulen und Universitäten DaF-Studiengänge eingerichtet (Stand 2004). Die häufigsten Profile und Abschlüsse sind: Germanist und/ oder Fremdsprachenlehrer für zwei Fremdsprachen (meistens ist die zweite Fremdsprache Englisch, aber auch Schwedisch, Holländisch, Griechisch); Theorie und Praxis des Dolmetschens/Übersetzens; Deutsch in Kombination mit einem anderen Fach (Psychologie, Jura, Wirtschaft, Diplomatie etc.). An einigen Hochschulen werden Zusatzqualifikationen angeboten, wie z. B. Weltliteratur; an manchen pädagogischen Universitäten ⫺ Fachlehrer für Ukrainisch, Kunst oder für andere Fächer. Diese Zusatzqualifikationen werden in einem integrierten Studium erworben. Die Zahl der Fremdsprachenstudierenden ist beträchtlich. Das bestätigen auch die Zahlen der Bewerber um die fremdsprachlichen Studienplätze an den großen Universitäten (2008 bis elf Bewerber pro Studienplatz). Die Eingangskontrolle für das Bachelor-Studium Deutsch als Fremdsprache besteht in Form der Aufnahmeprüfungen. Ab 2009 sollen statt der Prüfungen die Noten der Unabhängigen Außenprüfung angerechnet werden. Diese Prüfung sollte ein ukrainisches Pendant zum deutschen Prüfunssystem darstellen. Es besteht auch die Möglichkeit bei erfolgreich bestandenen Aufnahmeprüfungen im Falle des Misserfolgs beim Studienplatzwettbewerb kostenpflichtig zu studieren. Als Zulassungsvoraussetzung für das Master-Studium Deutsch als Fremdsprache gilt ein erfolgreicher BA-Abschluss (gute und ausgezeichnete Noten in Zwischenprüfungen und in der BA-Abschlussprüfung). Die Dauer des Studiums beträgt für BA-DaF 8 Semester, für MA-DaF 2 Semester. Die Magisterstudienplätze sind begrenzt; 50 % sind gebührenpflichtig und 50 % werden vom Staat finanziert. Zu den Studienschwerpunkten gehören: sprachpraktischer Unterricht in Deutsch (1. FS) und die 2. FS; philologische Fächer: kontrastive Linguistik, allgemeine Sprachwissenschaft, Literaturwissenschaft, Gotisch, Geschichte der linguistischen Theorien, germanistische Sprachwissenschaft, kontrastive Sprachwissenschaft, theoretische Phone-
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
tik, Grammatik, Lexikologie, Stilistik, Geschichte der Weltliteratur, Literaturtheorie, Latein (Vorlesungen und Seminare); Lehr-/Lerntheoretische Fächer: Methodik/Didaktik, Theorie und Praxis des Übersetzens/Dolmetschens, Pädagogik, Psychologie; allgemeinbildende Fächer: ukrainische Literatur, Grundlagen der Rhetorik und Soziologie. Alle oben genannten Fächer gehören zu den Pflichtmodulen. Es gibt keine Möglichkeit zu einem selbstgesteuerten Studienverlauf. Zu den Wahlpflichtmodulen gehören nur die 3. FS und die Module, die dem Thema der Masterarbeit entsprechen. Für beide Studiengänge ist das Unterrichtspraktikum an Schulen und Hochschulen obligatorisch. Die Studienfächer in den ersten 6 Semestern sind modularisiert. In bestehenden Curricula werden semesterbezogen alle Prüfungen und Testate vorgeschrieben. Das bedeutet, dass Studierende diese Prüfungen und Testate im entsprechenden Semester ablegen müssen, sonst werden sie exmatrikuliert. Die Forschungslandschaft ist mannigfaltig. Meistens sind es aktuelle Probleme der Germanistik, der interkulturellen Kommunikation, sowie allgemeine Probleme der Optimierung des fremdsprachlichen Deutschunterrichts an unterschiedlichen Bildungseinrichtungen. Seit 1993 ist in der Ukraine der Ukrainische Deutschlehrer- und Germanistenverband tätig. Seine Hauptziele bestehen in der Qualitätspflege des Deutschunterrichts in der Ukraine, in fachspezifischer Entwicklung, Aus- und Fortbildung von Lehrkräften und des wissenschaftlichen Nachwuchses sowie der Förderung der interkulturellen Begegnungen innerhalb und außerhalb der Ukraine sowie die Herausgabe der Fachzeitschrift Deutsch als Fremdsprache in der Ukraine (DaFiU).
5. Speziische Probleme Unter den spezifischen Problemen sind folgende zu nennen ⫺ administrative: ungenügende staatliche Finanzierung der Bildungseinrichtungen und der Wissenschaft; die Abwertung des sozialen Status der Forschung- und Lehrtätigkeit; soziale Folgen der Einführung der gebührenpflichtigen Hochschulbildung; der Bachelor-Abschluss gilt laut der geltenden Gesetzgebung nicht als berufsqualifizierendes Studium, dementsprechend ist der rechtliche Status des Bachelors nicht geregelt ⫺ 2006 wurden nur 13,9 % der Bachelors angestellt; curriculare: starrer Aufbau der Curricula, ein winziger Spielraum für wahlweise obligatorische Fächer, unausgewogenes Verhältnis zwischen fach-/berufsbezogenen und allgemeinbildenden Fächern; fehlende Bildungsstandards für fremdsprachliche Studiengänge und als Folge keine Gesamtkonzeption für die Philologen- und Fremdsprachenlehrerausbildung.
6. Erwachsenenbildung Die begrenzten Möglichkeiten des Erlernens der deutschen Sprache in den Schulen haben zu einer verstärkten Nachfrage in der Erwachsenbildung geführt. Als zusätzliche Möglichkeiten des Deutschlernens gibt es zahlreiche private Sprachkurse. Dort werden sowohl die traditionellen als auch alternative Methoden des Fremdsprachenerlernens angeboten. Die Qualität der Vermittlung der Fremdsprachen in solchen Kursen bleibt frag-
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1827
lich. Die größte Anziehungskraft übt das Angebot des Goethe-Instituts aus, das 1993 die Arbeit in der Ukraine aufgenommen hat: Jährlich besuchen über 3000 Menschen diese Kurse in Kiew. In 16 weiteren ukrainischen Städten arbeiten Sprachlernzentren, die autonome Partner des Goethe-Instituts sind und Deutschkurse nach den Qualitätsstandards des Goethe-Instituts anbieten.
7. Literatur in Auswahl Borisko, Natalia 2006 Ukrainische DaF-Studiengänge im Bologna-Prozess. In: Hiltraud Casper-Hehne, Uwe Koreik und Annegret Middeke (Hg.), Die Neustrukturierung von Studiengängen „Deutsch als Fremdsprache“: Probleme und Perspektiven, 81⫺90. Göttingen: Universitätsverlag. Kyjak, Taras 2007 Was ist „Germanistik in der Ukraine“? In: Germanistik in der Ukraine. Jahrheft 1: 6⫺10. Oguy, Oleksandr 2003 Germanistik und Deutsch als Fremdsprache in der Ukraine. In: Info DaF 30: 447⫺466.
Oksana Pavlychko, Kiew (Ukraine)
232. Deutsch in Ungarn 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Zum Wert der Fremdsprachen in Ungarn Der Grundschul- und Mittelschulbereich Der Hochschulbereich Der Bereich der Forschung Organisationen und Organe der überregionalen Zusammenarbeit Die Ungarndeutschen Literatur in Auswahl
1. Zum Wert der Fremdsprachen in Ungarn Bis zum politischen Systemwechsel im Jahre 1989 fungierte in Ungarn das Russische in allen Schulen und Schultypen als Pflichtfach. Mit der Abschaffung des Russischen als Pflichtsprache fanden die westlichen Fremdsprachen Eingang in die Schule. Der von einem Tag auf den anderen entstandenen großen Nachfrage stand am Anfang ein mageres Angebot gegenüber, denn bis 1989 wurden für die Grundschulen nur Russischlehrer ausgebildet. Der gestiegenen Nachfrage versuchte man durch unterschiedliche Maßnahmen gerecht zu werden, z. B. durch Umschulung der Russischlehrer; durch Erhöhung der Zahl der Studierenden im Fach Deutsch, Englisch usw.; durch Gründung neuer Fremdsprachenlehrstühle, d. h. durch institutionellen sowie personellen Umbau des Hochschulwesens und durch die schnellere (6-semestrige) Ausbildung von Fremdspra-
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chenlehrern (vgl. Forga´cs 1999: 33). Mehr Russischlehrer haben in der Umschulung das Deutsche anstelle des Englischen gewählt, was damit erklärt werden kann, dass sie bereits in der Mittelschule Deutsch gelernt hatten. In der sozialistischen Ära wurde nämlich neben dem obligatorischen Russisch Deutsch bevorzugt gewählt, meist weil die ehemalige DDR als Reiseziel für Touristen oder für Gastarbeiter erreichbar war. Dies hatte eine deutliche Auswirkung auf die Russischlehrerumschulung, die die Fremdsprachenlandschaft auf Grundschulebene anfangs wesentlich bestimmt hat: In vielen Schulen, besonders in kleineren Orten, wurde deshalb Deutsch „gewählt“, weil keine andere Sprache angeboten werden konnte. Bis heute hat sich jedoch die Fremdsprachenlandschaft wesentlich verändert: Auf allen Unterrichtsebenen ist Englisch die Fremdsprache Nummer eins (vgl. Oktata´sstatisztikai e´vkönyv 2007/2008: 23⫺24; Petneki 2006). Das Deutsche kann zwar seinen zweiten Platz behaupten, aber der Abstand wird immer größer (vgl. Forga´cs 2002). Einerseits wegen der Maßnahmen, die man nach der politischen Wende für die Verbesserung der Fremdsprachensituation im Lande eingeführt hat, andererseits wegen der negativen demographischen Tendenzen gibt es keinen Mangel mehr an Fremdsprachenlehrern.
2. Der Grundschul- und Mittelschulbereich In den ungarischen Grundschulen ist Fremdsprachenunterricht erst ab der vierten Klasse obligatorisch und in manchen Schulen wird nur eine Fremdsprache angeboten. Diese Fremdsprache ist dann Englisch, denn die Schulen sind verpflichtet, ihren Schülern die Möglichkeit zu geben, Englisch lernen zu können. Dies bedeutet, dass Englisch praktisch als obligatorische Fremdsprache unterrichtet wird (vgl. Hessky 2008: 15). Deutsch wurde bereits 1999 durch das Englische überholt (vgl. Csize´r, Dörnyei und Ne´meth 2001; vgl. auch Petneki 2007: 10⫺13). Das Englische hat ein höheres Prestige, daneben gilt es als morphologisch nicht so komplex wie das Deutsche, es gilt daher auch als leichter erlernbar. Die Unterrichtsmethoden haben sich sowohl im Grundschul-, als auch im Mittelschulbereich wesentlich verändert: Die konventionelle Grammatik-Übersetzungsmethode mit dem expliziten Grammatiklernen im Mittelpunkt ist in den Hintergrund geraten. Nun sind die kommunikative Methode und der interkulturelle Ansatz richtungsweisend (kritisch dazu Hessky 2008: 14): Das Ziel sollte sein, brauchbare Sprachkenntnisse zu vermitteln (vgl. können statt kennen). Die Stichwörter sind dabei u. a. Projektarbeit, Dramenpädagogik und Lernerorientiertheit. Zwischen 2004 und 2007 sind eine Reihe neuer Lehrwerke und Unterrichtsmaterialien entstanden, welchen diese neue Fremdspachenkonzeption zu Grunde liegt. Problematisch erscheint, dass man auf die altbewährten Unterrichtsmethoden verzichtet, die Lehrtraditionen als überholt betrachtet und dass zwischen dem schulischen Fremdsprachenunterricht und den Erwartungen auf dem Arbeitsmarkt weiterhin eine Kluft besteht (vgl. Petneki 2007: 33⫺37).
3. Der Hochschulbereich Das Hochschulwesen hat in Bezug auf Deutsch sowohl mit quantitativen als auch mit qualitativen Problemen zu kämpfen. Diese Probleme betreffen sowohl Deutsch als Fremdsprache in den unterschiedlichsten Ausbildungen (Jura, Medizin, Wirtschaft usw.),
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als auch die germanistische Ausbildung. Die Zahl der Studienanfänger im Fach Germanistik verringert sich von Jahr zu Jahr deutlich: Im Frühling 2008 haben landesweit nur gut 250 Direktstudenten Germanistik im Hauptfach gewählt, ein gutes Drittel davon in Budapest, der Rest an weiteren 6 Universitäten und Hochschulen in anderen Städten (vgl. Kegelmann 2008: 21). Der Rückgang zeichnete sich bereits im Studienjahr 2002/2003 deutlich ab, als die ⫺ im Jahre 1991 eingeführte ⫺ dreijährige Fremdsprachenlehrerausbildung landesweit eingestellt wurde. Es handelte sich dabei um ein intensives Ein-Fach-Studium mit etwa 16 fachgebundenen Wochenstunden. Trotz der zahlreichen Vorteile und Beliebtheit dieser Ausbildungsform bei den Studierenden wurde sie abgeschafft. Während dieses dreijährige Studium ein einjähriges integriertes Schulpraktikum beinhaltete und Lehrbefähigung erteilte, enthält das jetzige dreijährige Grundstudium (Bachelor) in seinen 180 ECTS insgesamt nur 10 ECTS, die auf Fachdidaktik bezogen und nicht obligatorisch sind. Der Widerspruch ist deutlich: Die Fremdsprachenkenntnisse der ungarischen Bevölkerung lassen vieles zu wünschen übrig. In den Studienabteilungen der Universitäten und Hochschulen stapeln sich die Diplome, die deshalb nicht vergeben werden können, weil die Absolventen die obligatorische(n) Sprachprüfung(en) noch immer nicht abgelegt haben. Um diese Defizite auszugleichen, brauchte man berufsorientiert ausgebildete Sprachlehrer. Eine professionelle, auf den Lehrerberuf ausgerichtete Fremdsprachenlehrerausbildung sollte schon von Anfang an eine fremdsprachendidaktische Komponente enthalten. Dazu kommt noch ein anderes qualitatives Problem: Es gibt große Divergenzen bei den Studienanfängern sowohl in den Sprachkenntnissen als auch in ihren kognitiven Fähigkeiten und in der Leistungsbereitschaft. Die Einführung des neuen Ausbildungssystems hatte auch für die germanistischen Lehrstühle schwerwiegende Konsequenzen: Da sowohl das Bachelor- als auch besonders das Master-Studium an den philosophischen Fakultäten der Universitäten etabliert wurden, wurden Lehrstühle mit wertvollen Traditionen an pädagogischen Hochschulen einfach geschlossen oder der Lehrkörper drastisch reduziert (vgl. z. B. Hessky 2008: 16; Szendi 2008: 25). Das neue Ausbildungssystem im Sinne des Bologna-Vertrages wurde in Ungarn im Studienjahr 2006/2007 eingeführt: Das Fach Germanistik musste an allen germanistischen Lehrstühlen des Landes neu akkreditiert werden, neue Curricula mussten erarbeitet werden, vorerst nur für das Bachelor-Studium mit 6 Semestern Studienzeit und mit 180 ECTS (davon 120 fachgebundene ECTS im Hauptfach Germanistik). Gleichzeitig mussten auch das Curriculum für Deutsch als Minorfach (50 ECTS) bzw. die Curricula für die verschiedenen Spezialisierungen (jeweils 50 ECTS) ausgearbeitet werden. Die Lehrerausbildung für den Primarbereich ist von der Umstellung nicht betroffen. Die Umstellung und der Start nach dem neuen System war ⫺ und ist immer noch ⫺ mit zahlreichen Schwierigkeiten verbunden (vgl. z. B. Szendi 2008). Die Reformmüdigkeit war und ist ebenfalls ein sehr wichtiger Faktor (vgl. Hessky 2008: 14). Wie erläutert ist der Bedarf an Deutschlehrern im Lande gedeckt. Hinzu kommt, dass viele Absolventen auch dann nicht unterrichten würden, wenn sie eine Stelle in einer Schule bekämen: Der Lehrerberuf hat ⫺ wegen der schlechten Bezahlung und der fehlenden gesellschaftlichen Anerkennung ⫺ kein hohes Prestige (vgl. Feld-Knapp 2004: 441). Deshalb müsste man in der neuen Ausbildungsform auch solche Angebote haben, die den BA-Absolventen ermöglichen, auf dem Arbeitsmarkt eine Stelle zu bekommen. In Wirklichkeit sieht es jedoch so aus, dass die traditionellen philologischen Kurse des alten
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Angebots vielfach in einen neuen Rahmen „hineingepresst“ wurden, von „Output-Orientierung“ ist oftmals keine Spur (vgl. auch Kegelmann 2008: 22). Das wird weder den sprachlichen Defiziten der Studienanfänger noch ihrer Berufsorientierung gerecht. Das Grundstudium endet mit einem berufsqualifizierenden Abschluss „germanistischer Fachreferent“ mit der jeweiligen Ausrichtung, wobei diese Bezeichnung vielfach kritisiert wird, und es ist fraglich, was der Wert eines solchen Bachelor-Abschlusses sein wird. Im Antrag für die Gründung des Bachelor-Studienganges Germanistik wird die Notwendigkeit der Ausbildung sog. germanistischer Referenten damit begründet, dass auf dem Arbeitsmarkt vielfältig qualifizierte und mit sehr guten Deutschkenntnissen ausgerüstete Fachleute benötigt werden, die z. B. in der Presse, im Fremdenverkehr oder in unterschiedlichen Bereichen der Wirtschaft eingesetzt werden können. Sie sollen sich im Studium nicht nur allgemeine philologische, germanistische Fachkenntnisse und Sprachkenntnisse auf hohem Niveau (Stufe C1 nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen) aneignen, sie sollen nicht nur über übergreifende Kenntnisse über die Geschichte, Kultur und Literatur der deutschen Sprachgemeinschaft verfügen, sondern auch mit anderen Kenntnissen und Kompetenzen ausgerüstet sein, z. B. im Bereich Übersetzen, Dolmetschen oder Lexikographie. Diese letztgenannten praxisorientierten Kompetenzen kommen allerdings zu kurz.
4. Der Bereich der Forschung Mit der Umstrukturierung des Hochschulwesens und somit auch der germanistischen Ausbildung sind neben den traditionellen Forschungsthemen auch neue, vor allem interdisziplinäre Fragestellungen ins Zentrum der wissenschaftlichen Forschungen gerückt. In Sprachgeschichte, Phonetik, Phonologie, Grammatik, Lexikologie, Phraseologie und (formaler und kognitiver) Semantik wird nach wie vor Forschung betrieben, allerdings mit neuen Forschungsmethoden. Akzentuierte Bereiche sind die Varietätenlinguistik, im Bereich der Dialektologie vor allem die ungarndeutsche Dialektforschung. Im Rahmen der interkulturellen Linguistik werden Zwei- und Mehrsprachigkeitsphänomene untersucht, auf dem Gebiet der Kontaktlinguistik Deutsch als Minderheitensprache, z. B. Sprachenmischungsphänomene. Interkulturalität und Kontrastivität haben sich als zwei Schlüsselwörter herauskristallisiert. Die kontrastiven Untersuchungen erleben einen Aufschwung sowohl im Bereich der Grammatik (Morphologie und Syntax) als auch in dem der Lexikologie und der Textlinguistik. In der kontrastiven Grammatik seien die Valenzforschungen besonders hervorgehoben. Im Sinne der pragmatischen Wende in der Lehre zeigen sich auch in der Forschung neue Akzentsetzungen: Die Translatologie blüht, und dementsprechend auch die ⫺ vor allem zweisprachige ⫺ Lexikographie. In den letzten Jahren sind eine Reihe wertvoller Lernerwörterbücher und Fachlexika publiziert worden. Die Forschungen im Bereich der Literaturwissenschaft erstrecken sich von der älteren bis hin zur zeitgenössischen deutschsprachigen, vor allem österreichischen Literatur. Die ungarndeutsche Literatur wird ebenfalls intensiv erforscht. Hervorzuheben sind die semiotischen, intertextuellen und narratologischen Analysen literarischer Texte sowie Komparatistik bzw. auch die kulturwissenschaftlich akzentuierten literaturwissenschaftlichen Forschungen. Auch im Bereich der Fachdidaktik zeichnen sind neue Trends ab: Im Mittelpunkt der Forschung stehen Themen wie z. B. Projektunterricht, Dramenpädagogik und vor allem
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interkulturelle Kommunikation, genauer: Vermittlung von interkultureller Kompetenz in den DaF-Lehrwerken und im DaF-Unterricht, Landeskunde im Dienste der interkulturellen Kommunikation usw.
5. Organisationen und Organe der überregionalen Zusammenarbeit Seit Beginn der 1990er Jahre existiert der Ungarische Deutschlehrerverband (UDV ) mit dem Ziel, im schulischen Deutschunterricht eine landesweite Kooperation zu sichern (vgl. Feld-Knapp 2004: 441⫺442). Der Verband organisiert Tagungen, Konferenzen, Lehrerfortbildungen und gibt die Zeitschrift Deutschunterricht für Ungarn (DUfU ) aus und ist Mitglied des Internationalen Deutschlehrerverbandes (IDV). Die Organisation im wissenschaftlichen Bereich trägt den Namen Gesellschaft ungarischer Germanisten (GUG). Diese organisiert ebenfalls wissenschaftliche Konferenzen, hält den Kontakt zu internationalen Organisationen bzw. veröffentlicht in Zusammenarbeit mit dem DAAD das Jahrbuch der ungarischen Germanistik. Dieses überaus renommierte Periodikum enthält nicht nur wissenschaftliche Beiträge zu Sprach- und Literaturwissenschaft und Didaktik, sondern gibt auch umfassende Informationen über Aktivitäten aller germanistischen Lehrstühle in Ungarn: über veranstaltete Konferenzen, über Lehraufträge und Forschungsaufenthalte ungarischer Germanisten im Ausland, über die Aufenthalte ausländischer Germanisten im Lande. Des Weiteren enthält das Jahrbuch die bibliographischen Angaben aller Publikationen zu Germanistik/DaF im Lande vom vorhergehenden Jahr.
6. Die Ungarndeutschen In Ungarn leben 12 nationale Minderheiten, unter denen die Deutschen nach der Volkszählung von 2001 die größte Gruppe bilden. Man könnte annehmen, dass dieser Umstand einen positiven Einfluss auf die Position des Deutschen als Fremdsprache ausüben würde. Tatsächlich aber ist das Ungarndeutschtum durch ein abgeschwächtes Nationalitätenbewusstsein und fortgeschrittene Assimilation zu charakterisieren. Ihre diasporische Lage, die Altersstruktur dieser Minderheitengruppe und das Zurückdrängen des Deutschen in die Privatsphäre beschleunigen die Assimilation der Ungarndeutschen in die ungarische Mehrheitsbevölkerung. Oft bildet sich nicht einmal eine doppelte, sondern nur eine singuläre Identität aus, nämlich eine ungarische. Für das Ungarndeutschtum insgesamt ist eine Triglossie charakteristisch, es werden nämlich drei sprachliche Codes verwendet: 1) das Ungarische; 2) die deutsche Hochsprache und 3) der ungarndeutsche Dialekt, wobei die Priorität bei der Verwendung dieser Codes stark generationsabhängig ist. Die ungarndeutsche Mundart wird durch die deutsche Standardsprache ersetzt, weil sie nur in informellen Kommunikationssituationen verwendet werden kann und weil sie nicht weiter tradiert und mit dem Absterben der alten Generation einfach zum Erinnerungsgut wird. Die ungarndeutsche Mundart ist von der Muttersprache zur „Großmuttersprache“ geworden (vgl. Forga´cs 2002: 20⫺23). Nun lernt die jüngste ungarndeutsche Generation in der Schule Hochdeutsch. Wie weit das Standarddeutsche zur „Mutterspra-
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che“ und dadurch zum Identitätsfaktor der Ungarndeutschen werden kann, ist schwer zu prognostizieren, wie es auch überaus fraglich ist, ob die Ungarndeutschen zur Verbesserung der Position des Deutschen als Fremdsprache beitragen können (vgl. Forga´cs 2004). Hinter die optimistische Äußerung von Knipf-Komlo´si würden wahrscheinlich viele ein virtuelles Fragezeichen setzen. Sie ist nämlich davon überzeugt, „dass die deutsche Sprache in Ungarn in der nahen wie auch in einer weiteren Zukunft ihre gegenwärtige doppelte Rolle als Fremdsprache und als Minderheitensprache beibehalten kann und diese zweifache, oft nicht leichte Aufgabe auch meistern wird“ (Knipf-Komlo´si 2004: 446). Seit dieser hoffnungsvollen Äußerung sind allerdings 6 Jahre vergangen, und die heutige Diagnose ist besorgniserregend. Es ist eine dringende, wirkungsvolle „Therapie“ erforderlich (vgl. Hessky 2008: 13, 15).
7. Literatur in Auswahl Csize´r, Kata, Zolta´n Dörnyei und No´ra Ne´meth 2001 Az idegen nyelvek tanula´sa´val kapcsolatos attitu˝dök va´ltoza´sa az a´ltala´nos iskola´sok köre´ben az 1990-es e´vek Magyarorsza´ga´n. [Die Veränderung der Attitüden in Bezug auf den Fremdsprachenerwerb unter Grundschülern im Ungarn der 1990er Jahre]. In: Modern Nyelvoktata´s 4: 19⫺30. Erb, Ma´ria und Erzse´bet Knipf ´ j leheto˝se´gek e´s kihı´va´sok ⫺ u´j kommunika´cio´s strate´gia´k? A magyarorsza´gi ne´metek 1999 U köre´ben ve´gzett nyelvismereti felme´re´s tanulsa´gai. [Neue Möglichkeiten und Herausforderungen ⫺ neue Kommunikationsstrategien? Aufschlüsse einer unter Ungarndeutschen durchgeführten Studie über Sprachkenntnisse]. In: Kisebbse´gkutata´s 2: 176⫺187. Feld-Knapp, Ilona 2004 Zukunftschancen der deutschen Sprache in Ungarn. In: Goltschnigg, Dietmar und Anton Schwob (Hg.), Zukunftschancen der deutschen Sprache in Mittel-, Südost- und Osteuropa. Grazer Humboldt-Kolleg 20.⫺24. November 2002, 137⫺140. Wien: Edition Praesens. Forga´cs, Erzse´bet 1999 Deutsch und Deutschlehrerausbildung in Ungarn. In: Didaktik Deutsch 6: 76⫺84. Forga´cs, Erzse´bet 2002 Das Deutsche als Weltsprache, Fremdsprache und Minderheitensprache an der Jahrtausendwende. In: Erzse´bet Forga´cs (Hg.), Die deutsche Sprache im vielsprachigen Europa des 21. Jahrhunderts. Vorträge der internationalen germanistischen Konferenz in Szeged, 3.⫺5. September 2001, 8⫺28. Szeged: Grimm Verlag. Forga´cs, Erzse´bet 2004 Zum Status des Deutschen als Nationalitätensprache und Fremdsprache in Ungarn. In: Österreichische Osthefte 4: 463⫺483. Gehl, Hans 2007 Zum Gebrauch der deutschen Sprache in Ostmitteleuropa. In: Studia Germanica Universitatis Vesprimiensis 2: 97⫺112. Hessky, Regina 2008 Wo liegt der Hund begraben? Ein Beitrag von der Grenzlinie. In: Jahrbuch der ungarischen Germanistik 2007: 13⫺20. Kegelmann, Rene´ 2008 Nicht ganz subjektive Bemerkungen zum Zustand der Germanistik in Ungarn nebst einigen Vorschlägen. In: Jahrbuch der ungarischen Germanistik 2007: 21⫺24.
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Kerte´sz, Andra´s 2008 Sind germanistische Forschungen noch zu retten? Bemerkungen zur Situation der Geisteswissenschaften im Ungarn der Jahrtausendwende. In: Jahrbuch der ungarischen Germanistik 2007, 30⫺44. Knipf-Komlo´si, Erzse´bet 2004 Zur Variabilität der deutschen Sprache im heutigen Ungarn. In: Dietmar Goltschnigg und Anton Schwob (Hg.), Zukunftschancen der deutschen Sprache in Mittel-, Südost- und Osteuropa. Grazer Humboldt-Kolleg 20.⫺24. November 2002, 443⫺456. Wien: Edition Praesens. Szendi, Zolta´n 2008 Wohin steuert die ungarische Germanistik? In: Jahrbuch der ungarischen Germanistik 2007, 25⫺29. Petneki, Katalin 2006 Mit e´r a nyelvtuda´s, ha nem angol? [Was ist die Fremdsprache wert, wenn es nicht Englisch ist?]. In: Modern Nyelvoktata´s 2: 50⫺56. Petneki, Katalin 2007 Az idegen nyelvek oktata´sa Magyarorsza´gon az ezredfordulo´n. [Der Fremdsprachenunterricht in Ungarn an der Jahrtausendwende]. Szeged: JATE Press.
Erzse´bet Drahota-Szabo´, Szeged (Ungarn)
233. Deutsch in den USA 1. 2. 3. 4. 5.
Rolle des Deutschen und Deutschunterricht DaF-Lehrer, Lehrerausbildung und Fortbildung Forschung und Publikation Probleme und Perspektiven des Fachs Literatur in Auswahl
1. Rolle des Deutschen und Deutschunterricht In der letzten Volkszählung aus dem Jahre 2000 gaben 1.383 Millionen Einwohner der Vereinigten Staaten von Amerika an, Deutsch als Primär- bzw. Familiensprache zu nutzen. Deutsch lag damit auf dem fünften Platz der in den USA am häufigsten gesprochenen Erstsprachen (nach Englisch, Spanisch, Chinesisch und Französisch). Der Stellenwert des Deutschen als Muttersprache von Einwanderern ist jedoch rückläufig. Anfang des letzten Jahrhunderts war Deutsch noch neben Englisch die am häufigsten gesprochene Sprache amerikanischer Immigranten. In einer im Jahre 2000 durchgeführten landesweiten Umfrage im Rahmen des General Social Survey gaben 26 % von 1.398 Befragten an, eine weitere Sprache neben Englisch zu sprechen. 9 % von diesen 26 % gaben an, Deutsch zu sprechen. Damit war Deutsch die am dritthäufigsten genannte Sprache nach Spanisch und Französisch, die von jeweils 20 % bzw. 15 % der zweisprachigen Befragten angegeben wurden. Allerdings gaben nur
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weniger als die Hälfte der Deutschkundigen an, Deutsch gut bzw. sehr gut zu beherrschen (Robinson, Rivers und Brecht 2006). Aufgrund des dezentralisierten Bildungssystems der USA ist es schwierig, verlässliche Daten zur Anzahl fremdsprachenlernender Schüler an den regional verwalteten Schulen zu bekommen. An den öffentlichen Schulen werden Fremdsprachen meist erst in der Sekundarstufe angeboten, so dass amerikanische Kinder und Jugendliche, wenn überhaupt, erst relativ spät mit dem Lernen einer Fremdsprache beginnen. Oft werden auch nur eine oder zwei Fremdsprachen angeboten. An vielen Sekundarschulen gelten Fremdsprachen nicht als Pflichtfach und werden allenfalls als Wahlfach geführt. Als Gründe für den vergleichsweise niedrigen Stellenwert von Fremdsprachen im amerikanischen Bildungssystem werden meist andere Prioritäten in der schulischen Ausbildung (wie z. B. naturwissenschaftliche Fächer), finanzielle Engpässe und Mangel an qualifizierten (zertifizierten) Lehrern angegeben. Eine auf das Jahr 2000 zurückgehende Untersuchung zum Fremdsprachenunterricht an öffentlichen Schulen zeigt, dass 33,8 % der fast sieben Millionen Schüler der Klassenstufen 7⫺12 einen Fremdsprachenkurs belegten. Davon waren 68,7 % Spanisch-, 18,3 % Französisch- und 4,8 % Deutschkurse (Draper und Hicks 2002). An den High Schools (in den Klassenstufen 9⫺12) belegten 43,8 % der Schüler Fremdsprachenkurse. 2,1 % aller High School Schüler lernten Deutsch, wiederum die am dritthäufigsten gelernte Sprache. Deutsch war vor dem Eintritt der USA in den ersten Weltkrieg noch die an den High Schools am häufigsten unterrichtete moderne Fremdsprache. Im Jahre 1915 belegten beachtliche 24,4 % aller High School Schüler Deutschkurse. Eine Folge des (wenn überhaupt, dann) spät einsetzenden, wenig kontinuierlichen und nicht immer optimal durchgeführten Fremdsprachenunterrichts an den Sekundarschulen ist, dass Studierende an den Hochschulen mit einem relativ niedrigen Niveau ihr Fremdsprachenstudium fortsetzen bzw. ganz neu beginnen. Fast 80 % der im Jahre 2006 deutschlernenden Studierenden waren in Anfängerkursen (dem ersten bzw. zweiten Jahr DaF-Unterricht) eingeschrieben. Nur 20,6 % der eingeschriebenen Studierenden belegten Deutsch auf fortgeschrittenem Niveau, d. h. ab drittem Jahr aufwärts (Furman, Goldberg und Lusin 2007). Es kann davon ausgegangen werden, dass die DaF-Lernenden mit den fortgeschrittensten Kenntnissen während ihrer High School- oder Hochschulausbildung einen längeren Auslandsaufenthalt in einem deutschsprachigen Land absolviert haben. Leider gibt es keine Angaben zur Anzahl amerikanischer High School-Schüler, die ein Schuljahr in deutschsprachigen Ländern absolviert haben. Eine solche frühe Auslandserfahrung scheint jedoch besonders prägend und effektiv für die sprachliche und kulturelle Entwicklung der Lernenden zu sein. Im universitären Bereich steht Deutschland als Auslandsstudienland an 8. Stelle nach Großbritannien, Italien, Spanien, Frankreich, China, Australien und Mexiko. Im Studienjahr 2007/2008 absolvierten 8.253 amerikanische Studierende ein kurz- oder längerfristiges Auslandsstudium in Deutschland. Das sind 3,1 % von insgesamt 262.416 amerikanischen Studierenden, die in jenem Jahr einen Auslandsaufenthalt absolvierten (Institute of International Education 2009). Der Anteil der Einschreibzahlen für DaF-Kurse am Gesamtangebot für Fremdsprachen an amerikanischen Hochschulen ist seit Jahrzenten rückläufig, was der seit 1958 regelmäßig durchgeführten Untersuchung der Modern Language Association (MLA) zu den Einschreibzahlen amerikanischer Universitätsstudenten in Fremdsprachenkursen entnehmbar ist. Mit 6 % der eingeschriebenen Fremdsprachenstudierenden liegt Deutsch
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auf dem dritten Platz wiederum hinter Spanisch (52,2 %) und Französisch (13,1 %) und dicht gefolgt von American Sign Language (der amerikanischen Gebärdensprache), Italienisch (beide jeweils 5 %) und Japanisch (4,2 % der eingeschriebenen Studierenden). Obgleich sich die Einschreibzahlen in DaF in den letzten 10 Jahren stabilisiert haben und sich die Gesamtzahl der in Deutschkursen geführten Studenten sogar erhöht hat, ist zu erwarten, dass der Anteil des DaF-Unterrichts an den Hochschulen weiter rückläufig sein wird, einerseits wegen der wachsenden Dominanz des Spanischen als Fremdsprache und andererseits wegen der aus sicherheitspolitischen Gründen initiierten Förderung von Sprachprogrammen für Arabisch, Chinesisch, Russisch sowie seltener unterrichtete Sprachen Mittelasiens und Afrikas (Robinson, Rivers und Brecht 2006), welche sich negativ auf etablierte Programme traditionell unterrichteter Sprachen auszuwirken beginnt. Als Motive für das Deutschlernen geben High School- und Universitätsstudenten meist affektive Faktoren an (Andress et al. 2002; Sinka und Zachau 2005). Instrumentelle Motive (wie Relevanz des Deutschen für Arbeit oder Karriere) sind von sekundärer Bedeutung. Im schulischen wie universitären DaF-Unterricht dominieren seit Mitte der 1980er Jahre kommunikative Ansätze die Unterrichtsmethodik. Es kann davon ausgegangen werden, dass die meisten amerikanischen DaF-Lehrerinnen und Lehrer eine Variante des kommunikativen Sprachunterrichts praktizieren, in dem sprachlicher Input, Interaktion und Kommunikation als wichtigste Aspekte des Unterrichts angesehen werden und Grammatik unterstützend vermittelt wird (Schulz 2002: 12).
2. DaF-Lehrer, Lehrerausbildung und Fortbildung Mit ihren etwa 5.000 Mitgliedern (Stand 2008) ist die American Association of Teachers of German (AATG) eine der größten DaF-Lehrerorganisationen der Welt. 42 % der Mitglieder unterrichten an Sekundarschulen (Senior High Schools), 14 % in der Mittelstufe (Middle School und Junior High), 4 % an Grundschulen, 32 % an Hochschulen, und 20 % stehen in keinem Arbeitsverhältnis (AATG). Fast die Hälfte aller AATG-Mitglieder sind im mittleren Westen und der zentralen Region des Landes tätig ⫺ die Regionen, die traditionell auch den größten Anteil an deutschsprachigen Einwanderern aufweisen und in denen auch am häufigsten Deutsch gelernt wird. Das Durchschnittsalter der Mitglieder ist relativ hoch, was zeigt, dass auch die Nachwuchszahlen der Deutschlehrenden zurückgehen. Etwa 400 Mitglieder nehmen im Durchschnitt an der Jahresversammlung der AATG teil, die gemeinsam mit dem Kongress der Fremdsprachenlehrerorganisation ACTFL (American Council on the Teaching of Foreign Languages) gehalten wird. Die AATG unterteilt sich in 61 regionale Sektionen (Local Chapters), deren Aufgabe es ist, Kontakte zwischen DaF-Lehrern der verschiedenen Bildungseinrichtungen und -stufen herzustellen bzw. aufrecht zu halten sowie die DaF-Lehrerweiterbildung zu koordinieren. Sieben Goethe-Institute (in Atlanta, Boston, Chicago, Los Angeles, New York, San Francisco und Washington DC) unterstützen die Arbeit dieser Sektionen v. a. durch in den letzten Jahren geschaffene Trainer-Netzwerke, die verstärkt in der DaF-Lehrerweiterbildung aktiv werden sollen. Um als Deutschlehrer an einer öffentlichen Schule arbeiten zu können, absolvieren Studierende meist universitäre Studiengänge in German Studies (vgl. Hohendahl 2003), die mit einem Bachelor of Arts (BA) oder Master of Arts (MA) abgeschlossen werden.
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Zusätzlich müssen die Studierenden bzw. Absolventen in der Regel ein Kursprogramm in Pädagogik sowie ein Unterrichtspraktikum absolvieren, das zu einem Lehrzertifikat führt, welches es ihnen ermöglicht, an öffentlichen Schulen im jeweiligen Bundesstaat zu arbeiten. Die Studiengänge in German Studies beinhalten in erster Linie Sprach-, Literatur- und Kulturkurse. Lehrveranstaltungen in angewandter Linguistik und Didaktik sind seltener, obwohl sich deren Anzahl in den letzten Jahren erhöht hat.
3. Forschung und Publikation Wer Fremdsprachenerwerbsforschung und/oder Didaktik zu DaF betreiben bzw. im Hochschulsystem lehren möchte, absolviert entweder ein Doktorandenprogramm in Applied Linguistics, Second Language Acquisition, Foreign Language Education oder German(ic) Linguistics und bewirbt sich dann an Deutschabteilungen für eine Stelle als (angewandter) Linguist und/oder Direktor des deutschen Sprachprogramms, wo man oft für die Betreuung und Ausbildung der Graduate Teaching Assistants (GTAs) verantwortlich ist. GTAs sind Master- und Ph.D.-Studierernde, die sich durch Unterrichtstätigkeit ihr Studium finanzieren und den Großteil der Sprachkurse an den größeren amerikanischen Universitäten unterrichten. Die Mehrheit der in den USA abgeschlossenen Promotionen zur deutschen Sprache und Kultur beschäftigen sich mit literatur- bzw. kulturwissenschaftlichen Themen. In mehreren Bestandsaufnahmen von „U.S. Doctoral Degrees Related to the Teaching of German“ (Benseler 2007: 78), wurden 312 in den Jahren 2003 bis 2006 erschienene Dissertationen aufgenommen (Benseler 2005, 2006, 2007). Von diesen Arbeiten befassten sich meiner Ansicht nach 145 mit literarischen Themen, 60 mit kulturtheoretischen Problemen (z. B. Film, Geschichte, Philosophie) und 107 mit Fragen der theoretischen oder angewandten Linguistik. Allerdings wurden in der letztgenannten Kategorie auch 77 Arbeiten zu anderen (Fremd)sprachen mit einberechnet. Nur etwa 30 Dissertationen untersuchten Aspekte der deutschen Sprache: 11 waren allgemeinsprachwissenschaftlicher Natur, und 19 (nur 6,1 % der 312 erfassten Arbeiten) beschäftigten sich explizit mit Deutsch als Fremdsprache. Die AATG ist Sponsorin zweier Fachzeitschriften: Die seit 40 Jahren erscheinende Unterrichtspraxis: Teaching German ist die Zeitschrift, die sich am intensivsten mit Praxis, Theorie und Forschung des Fachs Deutsch als Fremdsprache in den Vereinigten Staaten auseinandersetzt. Behandelte pädagogisch-didaktische Themen der letzten Jahre waren u. a. die Analyse von Lehrbüchern und Materialien, curriculare Entwicklungen und Vorschläge, innovative Lehrtechniken, Auslandsstudium, Lehrerausbildung, Internet, Kultur, Musik und Literatur im Unterricht, die Entwicklung der vier Fertigkeiten sowie das Verhältnis von Grammatikunterricht zu kommunikativem Unterricht. Studien zur Zweitsprachenerwerbsforschung befassten sich z. B. mit dem Erwerb der Aussprache, des Kasus, der Wortstellung in Nebensätzen, der Pluralformen, der Vergangenheitsbildung, mit Lernfortschritten im Auslandsstudium, der Rolle metalinguistischer Bewusstheit, der Effektivität des Grammatikunterrichts, sowie mit natürlichen Erwerbssequenzen für Morphologie und Syntax. Das ebenfalls von der AATG geförderte und seit 1928 erscheinende German Quarterly widmet sich interdisziplinären Studien der German Studies, wobei literaturwissenschaftli-
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che Beiträge dominieren. Weitere in den USA herausgegebene Zeitschriften zur Germanistik/German Studies sind The German Studies Review, Monatshefte und Die Schatzkammer. Artikel in den genannten Zeitschriften erscheinen überwiegend auf Englisch, obwohl auch deutschsprachige Manuskripte eingereicht werden können. Beiträge zur Fremdsprachenerwerbsforschung und Methodik/Didaktik in DaF werden gelegentlich auch in englischsprachigen Zeitschriften wie z. B. der Modern Language Review, den Foreign Language Annals und Studies in Second Language Acquisition sowie deutschsprachigen Zeitschriften wie der Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht publiziert.
4. Probleme und Perspektiven des Fachs Auf Probleme des DaF-Unterrichts in den USA wurde an unterschiedlichen Stellen hingewiesen (Byrnes 1996; Davidheiser 2000; Schulz 2002). Die vier wichtigsten Probleme können wie folgt zusammengefasst werden: Das erste und existenziellste Problem des Fachs ist der sinkende Anteil von DaF-Studierenden im Verhältnis zu den Studierenden anderer Fremdsprachen. Im Zusammenhang damit stehen Kürzungen im Budget der Bildungseinrichtungen und ein relativ hohes Durchschnittsalter der DaF-LehrerInnen des Landes. Finanzielle Engpässe, Förderung von neuen sicherheitspolitisch motivierten Sprachprogrammen (z. T. auf Kosten etablierter Sprachprogramme) sowie Pensionierung älterer Kollegen und folgender Nichtwiederbesetzung ihrer Stellen führen nicht selten zur Schließung deutscher Sprachprogramme an Schulen und Universitäten. Als zweites Problem kann die relativ niedrige erreichte Sprachkompetenz der DaFLernenden angesehen werden. Diese hat ihre Ursachen in einem relativ spät einsetzenden, diskontinuierlich durchgeführten DaF-Unterricht an den öffentlichen Schulen und Universitäten. Dem Sprachlernen im deutschsprachigen Ausland käme dementsprechend eine besondere Bedeutung zu, um die Zahl von Deutschsprechern mit fortgeschrittenen Kenntnissen zu erhöhen. Vor allem Schüler der High Schools und Studierende am Anfang ihres universitären Studiums (Juniors) sollten verstärkt für Auslands- bzw. Austauschprogramme gewonnen werden. Das dritte Problem betrifft die Lehrerausbildung. Sie dauert relativ lange, v. a. wenn man den oft nicht im eigentlichen Studium integrierten Zertifizierungsprozess in Pädagogik und Unterrichtspraxis mit einberechnet. Die Fremdsprachenkompetenz der Lehrer ist ebenfalls nicht immer befriedigend, was zum Teil auf den Mangel an sprachlichen Anforderungen und Standards in den Studienprogrammen zurückzuführen ist. Im Zusammenhang mit der Lehrerausbildung steht ein viertes Problem: Die relativ traditionell ausgerichteten Germanistik- bzw. Deutschabteilungen der Universitäten, in denen reine Sprachkurse die unteren Semester und Literaturkurse die höheren Semester dominieren, sehen die Ausbildung von DaF-Lehrern nur selten als eine Priorität ihrer Lehre an. Veranstaltungen zur angewandten Linguistik und Fremdsprachendidaktik werden für auszubildende Lehrer zu wenig angeboten. Diese nicht nur für Germanistikprogramme typische Struktur wurde kürzlich von einer Kommission der Modern Language Association als veraltet und den gegenwärtigen Anforderungen nicht gerecht werdend kritisiert (MLA Ad Hoc Committee on Foreign Languages 2007). Entsprechend bestehen die wichtigsten Aufgaben für die Disziplin darin, (1) DaF-Lernende zu gewinnen, zu motivieren und in den Sprachprogrammen zu halten,
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
(2) früh einsetzende DaF-Programme zu schaffen, die auf der jeweils höheren Bildungsstufe ihre Fortsetzung finden sowie Schüleraustausch und Auslandsstudien vermehrt anzubieten und mittels Stipendien zu fördern, (3) die Lehreraus- und Weiterbildung zu verbessern und (4) sie zu einer Priorität der universitären Germanistik/German Studies Abteilungen zu machen.
5. Literatur in Auswahl AATG Membership statistics for 2008. http://www.aatg.org/membership/217-statistics. 2009 Andress, Reinhard, Charles J. James, Barbara Jurasek et al. 2002 Maintaining the momentum from High School to College: Report and recommendations. Die Unterrichtspraxis: Teaching German 35: 1⫺14. Benseler, David P. 2007 Survey of U.S. Doctoral degrees related to the teaching of German ⫺ 2006. Die Unterrichtspraxis: Teaching German 40: 78⫺81. Benseler, David P. 2006 Survey of U.S. Doctoral degrees related to the teaching of German ⫺ 2003 and 2005. Die Unterrichtspraxis: Teaching German 39: 100⫺106. Benseler, David P. 2005 Survey of U.S. Doctoral degrees related to the teaching of German ⫺ 2004. Die Unterrichtspraxis: Teaching German 38: 84⫺86. Byrnes, Heidi 1996 The future of German in American education: A summary report. Die Unterrichtspraxis: Teaching German 29: 253⫺261. Davidheiser, James D. 2000 Deutschunterricht in den USA. Muttersprache 1: 12⫺24. Draper, Jamie B. und June H. Hicks 2002 Foreign language enrollments in public secondary schools, fall 2000. Summary report. Yonkers, N.Y.: ACTFL. Furman, Nelly, David Goldberg und Natalia Lusin 2007 Enrollments in languages other than English in United States institutions of higher education, fall 2006. Web publication, 13 November 2007: The Modern Language Association of America. Hohendahl, Peter U. (Hg.) 2003 German Studies in the United States. New York: The Modern Languages Association. Institute of International Education 2009 Open Doors report on international educational exchange (online): http://opendoors. iienetwork.org/. MLA Ad Hoc Committee on Foreign Languages 2007 Foreign languages and higher education: New structures for a changed world. New York: The Modern Languages Association. Robinson, John P., William P. Rivers und Richard D. Brecht 2006 Speaking foreign languages in the United States: Correlates, trends, and possible consequences. The Modern Language Journal 90: 457⫺472. Schulz, Renate A. 2002 German teaching in the United States: Past, present, and future. In: George F. Peters (Hg.), Teaching German in America: Past Progress and Future Promise: A Handbook for
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Teaching and Research, 3⫺18. Cherry Hill, N.J.: American Association of Teachers of German. Sinka, Margit, M. und Reinhard Zachau 2005 An articulation study of post-secondary German students: Results, implications, and suggestions. In: Catherine M. Barrette und Kate Paesani (Hg.), Language program articulation: Developing a theoretical foundation, 94⫺108. Boston/M.A.: Heinle.
Peter Ecke, Tucson (USA)
234. Deutsch in Vietnam 1. 2. 3. 4. 5.
Migrationsprozesse und Stellung des Deutschen Institutionelle Förderung des Deutschen in Vietnam Deutschunterricht und Germanistikstudium Motive und Probleme vietnamesischer Deutschlerner Literatur in Auswahl
1. Migrationsprozesse und Stellung des Deutschen Die neuere Geschichte des Kulturaustauschs zwischen der Sozialistischen Republik Vietnam und Deutschland beginnt in den Jahren 1955/56 mit der Entsendung von ca. 300 vietnamesischen Schülern auf Einladung der damaligen DDR. Viele dieser Kinder, inzwischen in Vietnam bekannt als die „Moritzburger“ nach dem Ort des Schulheims in der Nähe von Dresden, haben im Anschluss an ihre Beschulung Studienabschlüsse in der DDR erworben und sind in bedeutende Positionen innerhalb der vietnamesischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft vorgerückt. Sie bilden immer noch ein wichtiges Fundament der deutsch-vietnamesischen Zusammenarbeit (vgl. Freytag 1998). Die vietnamesische Zuwanderung in die DDR ist einerseits geprägt von der Entsendung von ca. 5.000 vietnamesischen Studenten, andererseits vom 1980 einsetzenden Zuzug vietnamesischer Vertragsarbeiter (1990 befanden sich fast 60.000 Vietnamesen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR; vgl. Dennis, Kolinsky und Weiss 2005: 8). Der Zuzug von Vietnamesen in die alten Bundesländer (Westdeutschland und Westberlin) basiert hingegen auf Flüchtlingsströmen nach dem Anschluss der südlichen Republik Vietnams an die nordvietnamesische Sozialistische Republik und vollzog sich ungelenkt. Bedingt durch die Fluchtsituation war Deutschland für die Migranten in den seltensten Fällen intendiertes Ziel, sondern ergab sich als Aufnahmeland eher zufällig, beispielsweise durch den humanitären Einsatz des Schiffes Cap Anamour, welches gegen Ende der 1970er Jahre um die 10.000 Flüchtlinge aus dem südchinesischen Meer rettete. Bis 1982 gelangten „weit über 22.000“ (Beuchling 2003: 21) Vietnamesen als Bootsflüchtlinge in die alten Bundesländer. Inklusive nachgezogener Familienangehöriger kann man von ca. 45.000 Personen ausgehen, die 1990 in Westdeutschland lebten.
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XIX. Deutsch an Schulen und Hochschulen in nichtdeutschsprachigen Ländern
Während die Bootsflüchtlinge zur Wendezeit bereits überwiegend erfolgreich in Deutschland integriert waren, zogen zahlreiche Vertragsarbeiter nach der deutschen Wiedervereinigung aufgrund ihres zunächst ungeklärten Aufenthaltstatus und daraus resultierenden politischen Drucks wieder nach Vietnam. Viele gelangten jedoch später über Umwege wieder zurück nach Deutschland; wieder andere kamen aus angrenzenden osteuropäischen Ländern hinzu, so dass sich Ende 2005 ca. 83.500 Vietnamesen auf dem Bundesgebiet aufhielten. In dieser Zahl noch nicht erfasst sind ca. 45.000 vietnamesische Staatsangehörige, die inzwischen in Deutschland eingebürgert wurden. Insgesamt ist zu konstatieren, dass diese quantitativ bedeutsame Zuwanderung das Verhältnis von Deutschland und Vietnam maßgeblich geprägt hat. Nur vor diesem Hintergrund ist nachzuvollziehen, dass die deutsche Sprache in Vietnam nach Englisch als erster Fremdsprache inzwischen nahezu gleichauf liegt mit dem aufgrund der Kolonialgeschichte weit verbreiteten Französisch als zweiter westlicher Fremdsprache. Dabei ist das Französische wie auch das Japanische und das Russische tendenziell rückläufig, während das Deutsche konstant nachgefragt wird. Mit Nastansky sei jedoch einschränkend hinzugefügt, dass der von deutscher Seite häufig vernommene Hinweis, „dass fast 100.000 Vietnamesen in Vietnam Deutsch sprechen (…) sehr wahrscheinlich übertrieben ist“ (Nastansky 2008: 138).
2. Institutionelle Förderung des Deutschen in Vietnam Bereits ab Mitte der 1960er Jahre betrieben die DDR und Vietnam einen paritätischen Austausch von Lektoren zur Unterstützung kooperierender Philologien (vgl. Praxenthaler 2002: 124), der freilich mit der Wende zum Erliegen kam. Die Sprachverbreitungspolitik der Bundesrepublik Deutschland nach der Wiedervereinigung begann 1992 mit der Eröffnung eines DAAD-Lektorats in Ho-Chi-Minh-Stadt (HCMS). Dieses ursprüngliche Sprachlektorat wurde inzwischen in ein IC-Lektorat umgewandelt und wird von einer Sprachassistenz unterstützt. In Hanoi wurde im Jahr 1999 ein Vietnamesisch-Deutsches Zentrum an der Technischen Universität Hanoi eingerichtet, welches eine gut ausgestattete Deutschabteilung mit ca. 400 Studierenden und, seit 2003, eine DAAD-Außenstelle beherbergt. Zudem sind drei DAAD-Lektorate und eine Sprachassistenz in Hanoi angesiedelt. Das Goethe-Institut Hanoi als größter und wichtigster Anbieter von Sprachkursen in Vietnam eröffnete im Jahr 1997; eine gemeinsame Dependance vom DAAD und GoetheInstitut in HCMS folgte 2003. Im Jahr 2008 wurden vom Goethe-Institut Vietnam ca. 4.500 Kursbuchungen verzeichnet. Auch die methodisch-didaktische Lehrerausbildung liegt maßgeblich in der Verantwortung des Goethe-Instituts. Darüber hinaus existiert seit 2008 eine Vietnamesisch-Deutsche Hochschule in HCMS, deren Unterrichtssprache zwar Englisch ist, allerdings sind dort ab 2009 auch fakultative Deutschkurse geplant. Neben diesen institutionellen Anbietern agieren zahlreiche private Sprachschulen; so verzeichnet im Jahr 2008 allein das „Deutschzentrum“ in HCMS 1.300 Kursbuchungen. Da diese privaten Institute ihre Lehrkräfte gelegentlich unter den methodisch-didaktisch unerfahrenen vietnamesischen Deutschland-Rückkehrern rekrutieren, kann wenig über die Qualität der Ausbildung an diesen Schulen ausgesagt werden.
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3. Deutschunterricht und Germanistikstudium 3.1. Deutsch als Fremdsprache an vietnamesischen Schulen Eine Tradition des Deutschunterrichts an Schulen existiert in Vietnam lediglich an der Vietnamesisch-Deutschen Oberschule (Vieeˆø t-Íu´c) und am Sprachbegabtengymnasium in Hanoi, welches der Nationaluniversität angegliedert ist. Im Jahr 2008 konnte dort erstmalig Deutsch als Abiturfach belegt werden. Inzwischen haben sechs weitere Schulen ebenfalls Deutsch als zweite Fremdsprache eingeführt (Stand: August 2010). Sowohl das Goethe-Institut als auch die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen streben an, im Rahmen der Initiative „Schulen ⫺ Partner der Zukunft“ an jeweils fünf Schulen Deutschunterricht einzuführen. Für diesen Zweck wurden bereits sowohl eine Fachberaterin als auch eine Bundesprogrammlehrkraft von der Zentralstelle für das deutsche Auslandsschulwesen entsandt. Darüber hinaus ist geplant, dass ab dem Schuljahr 2009/2010 eine „Deutsche Schule Vietnam“ den Unterrichtsbetrieb in HCMS aufnehmen wird, allerdings vorerst ausschließlich für deutsche Staatsangehörige.
3.2. Deutsch als Fremdsprache und Germanistik an vietnamesischen Universitäten In HCMS gibt es lediglich eine Deutschabteilung, die an der Universität für Sozialund Geisteswissenschaften, einer zur Nationaluniversität HCMS gehörenden Institution, angesiedelt ist. Insgesamt sind dort ca. 250 Studierende eingeschrieben. Für 880 weitere Studierende werden zusätzlich vom Lehrpersonal Abendkurse angeboten. In Hanoi wird ein grundständiges Deutschstudium an zwei öffentlichen Hochschulen angeboten. Über 200 Studierende werden an der ambitionierten Deutschabteilung der dortigen Nationaluniversität unterrichtet, welche mittelfristig den ersten Master im Fach Deutsch mit einem Schwerpunkt auf Germanistischer Linguistik anbieten will. Hier liegt, neben der Lehrbucherstellung, auch das wissenschaftliche Interesse des z. T. promovierten Lehrpersonals. Die Studierenden erreichen nach dem zweiten Semester ein B1-Niveau, nach drei Studienjahren wird ein C1-Niveau angestrebt. Dies ist insbesondere deshalb bemerkenswert, da die Fachausbildung ⫺ wie in vielen grundständigen Studiengängen an öffentlichen vietnamesischen Hochschulen ⫺ lediglich etwas mehr als die Hälfte des Curriculums einnimmt. Hinzu treten zu jeweils knapp einem Viertel berufsbezogene und fachfremde Lerninhalte (Methodik/Didaktik, Bildungsverwaltung; Ideologie Ho Chi Minhs, Wehrerziehung usw.). Bei der anderen Hochschule mit einer Deutschabteilung handelt es sich um die Universität Hanoi. Dort werden bei leicht zurückgehenden Einschreibungen ca. 300 Studierende von 18 Lehrkräften unterrichtet, die größtenteils einen Mastertitel führen. Schwerpunkt an dieser Hochschule ist Übersetzen/Dolmetschen.
4. Motive und Probleme vietnamesischer Deutschlerner Jenseits der Auslandsgermanistik dominieren zwei Motive, in Vietnam Deutsch zu lernen: Erstens benötigen seit Änderung der Vorschriften bei geplanter Eheschließung in
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Deutschland („Nachzug zum zukünftigen Ehepartner“) zahlreiche Vietnamesen das zur Visumserteilung notwendige Zertifikat „Start Deutsch 1“ des Goethe-Instituts (Niveaustufe A1). Zweitens ist nach wie vor für viele Vietnamesen ein Studium in Deutschland attraktiv; somit wird von zahlreichen Lernern ein zum Studium (bzw. zum Studienkolleg) in Deutschland qualifizierendes Niveau angestrebt. Die größten Schwierigkeiten beim Erwerb des Deutschen treten einerseits beim Erwerb der vergleichsweise komplexen Morphosyntax des Deutschen auf, andererseits bei der Aussprache (vgl. Kelz 1982: 38). Dies mag wenig überraschen, da das Vietnamesische als morphologisch isolierende Tonsprache mit sechs Tönen hinsichtlich Phonetik und Syntax in großem Kontrast zum Deutschen steht.
5. Literatur in Auswahl Beuchling, Olaf 2003 Vom Bootsflüchtling zum Bundesbürger. Migration, Integration und schulischer Erfolg in einer vietnamesischen Exilgesellschaft. (Interkulturelle Bildungsforschung, Bd. 11). Münster u. a.: Waxmann. Dennis, Mike, Eva Kolinsky und Karin Weiss 2005 Erfolg in der Nische? Die vietnamesischen Vertragsarbeiter in der DDR und in Ostdeutschland. In: Karin Weiss und Mike Dennis (Hg.), Erfolg in der Nische? ⫺ Die vietnamesischen Vertragsarbeiter in der DDR und in Ostdeutschland, 7⫺13. (Studien zu Migration und Minderheiten, Bd. 13). Münster: Lit. Freytag, Mirjam 1998 Die „Moritzburger“ in Vietnam: Lebenswege nach einem Schul- und Ausbildungsaufenthalt in der DDR ⫺ Vermitteln in interkulturellen Beziehungen. Frankfurt a. M.: IKO. Kelz, Heinrich P. 1982 Deutschunterricht für Südostasien. Analysen und Konzepte. Bonn: Dümmler. Nastansky, Heinz-Ludwig 2008 Hanoi. In: Deutscher Akademischer Austauschdienst (Hg.), Berichte der Außenstellen 2007, 127⫺149. Bonn: DAAD. Praxenthaler, Martin 2002 Die Sprachverbreitungspolitik der DDR. Die deutsche Sprache als Mittel sozialistischer auswärtiger Kulturpolitik. (Duisburger Arbeiten zur Sprach- und Kulturwissenschaft 47). Frankfurt a. M.: Lang.
Ingo Schöningh, Seoul (Republik Korea)
Indices Sachregister A Anfängergrammatik 301 ABCD-Thesen 25, 52, 168, 1423, 1468, 1501, 1502 Ableitung (Wortbildung) 229, 232, 240, 369, 469, 482, 483, 533, 534, 785, 948, 1055 affektive Faktoren 746, 1835 agensabgewandt 470, 512, 513 Agensneutralität 512 agglutinierend(e Sprachen) 207, 562, 594, 602, 719, 733 Akkomodation 904 Akkulturation 1437 Akkulturationsmodell/-hypothese 746, 761, 867, 887 Aktionsart 484, 588, 716, 727 Aktionsforschung 765, 848, 1366, 1370, 1371, 1372, 1373, 1374, 1375, 1418 Akzentuierung (Phonetik) 190, 196, 332, 364, 409, 570 akzentzählend(e) Sprache 197, 588, 662, 674, 727 Alexander von Humboldt-Stiftung 134 Allgemeinwortschatz 237, 238, 239 Alphabetisierungskurs 64, 158, 1075, 1096, 1100, 1101, 1117, 1119, 1123, 1124, 1126 Ambiguitätstoleranz 5, 746, 855, 1437, 1488, 1727 American Association of Teachers of German (AATG) 1835, 1836 American Council on the Teaching of Foreign Languages (ACTFL) 1835 Anglizismen 415, 435, 443, 506 Anglophonisierung 493 Angst 746, 795, 827, 876, 877, 879, 880, 881, 934, 973, 986, 987, 988, 989, 1060, 1069, 1080, 1108, 1127, 1163, 1331, 1333, 1364, 1428, 1429 Antizipation 324, 971, 974, 1206 Arbeitskreis Deutsch als Fremdsprache / Deutsch als Zweitsprache in der Schweiz (AkDaF) 21, 161, 163, 164 Artikelsprache 539, 1111
Asociacio´n Argentina de Germanistas (AAG) 1610 Asociacio´n de Profesores de Alema´n en Colombia (APAC) 1711 Asociacio´n Mexicana de Profesores de Alema´n (AMPAL) 1743 Aspekt 209, 256, 588, 596, 636, 656, 675, 690, 694, 695, 716, 721, 723, 727, 728, 785 Assimilation (gesellschaftlich) 58, 887, 904, 1125, 1139, 1496, 1548, 1831 Assimilation (Phonetik) 196, 420, 421, 451, 570, 588, 675, 689, 695, 727, 1003 Associac¸a˜o Portuguesa de Estudos Germanı´sticos (APEG) 1769 Associac¸a˜o Portuguesa de Professores de Alema˜o (APPA) 1769 Association for German Studies (AGS) 1677 Association of Language Testers in Europe (ALTE) 114, 118, 171, 916, 929, 1291, 1304, 1306 Attributionen 1153, 1155 Audiolinguale Methode (ALM) 541, 796, 902, 941, 983, 1201, 1202, 1216, 1457 Audiovisuelle Medien 1200, 1207, 1243 Aufgabenorientierung 943, 997, 1943, 1167, 1168, 1170 Ausdrucksgrammatik 299 Ausdrucksökonomie 460, 478, 484 Auslandsgermanistik 3, 19, 20, 36, 37, 136, 1259, 1345, 1415, 1520, 1521, 1522, 1560, 1613, 1696, 1716, 1739, 1764, 1765, 1841 Auslandsschulen 27, 47, 48, 58, 59, 89, 103, 104, 141, 147, 1050, 1633, 1710, 1741 Aussprache 57, 190, 191, 193, 229, 231, 238, 241, 310, 349, 350, 353, 362, 364, 365, 369, 377, 378, 390, 420, 422, 429, 443, 482, 524, 540, 551, 552, 563, 569, 570, 588, 603, 604, 616, 621, 635, 636, 649, 661, 669, 675, 682, 689, 706, 714, 727, 728, 734, 745, 831, 836, 838, 839, 869, 871, 873, 902, 903, 964, 970, 974, 980, 983, 984, 999, 1000, 1001, 1002, 1003, 1004, 1005, 1231, 1243, 1246, 1302, 1501, 1502, 1523, 1593, 1599, 1727, 1836, 1842 Austriazismen 360, 366, 367, 691
1844
Indices Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik (AKBP) 134, 135, 137, 146, 150 Auswärtiges Amt (AA) 45, 1702, 1755 Automatisierung 525, 528, 797, 808, 809, 817, 943, 944, 947, 949, 950, 973, 974, 976, 983, 986, 989, 1004, 1014, 1042, 1063, 1122, 1244, 1531 Autonomes Lernen 163, 918, 981, 1160
B Basic Interpersonal Communicative Skills (BICS) 744, 745, 749 Bedarfsanalyse 1054, 1097, 1102, 1148, 1300 Belgischer Germanisten- und Deutschlehrerverband (BGDV) 1623 Berufsausbildung 162, 1055, 1079, 1119, 1604, 1608, 1710, 1747, 1748 Berufsfeld 13, 14, 15, 17, 28, 42, 1055, 1147, 1149, 1150, 1342, 1343, 1343, 1347, 1348, 1349, 1433, 1704, 1718, 1731, 1816 Bewusstmachung (implizit, explizit) 175, 181, 318, 520, 525, 526, 527, 528, 557, 846, 847, 859, 860, 863, 950, 974, 1045, 1081, 1149, 1576 Bild(er) (Arbeit mit B.) 275, 287, 306, 311, 504, 511, 595, 506, 796, 821, 949, 961, 978, 1027, 1179, 1200, 1203, 1204, 1207, 1216, 1219, 1231, 1243, 1244, 1245, 1246, 1248, 1253, 1254, 1385, 1388, 1462, 1482, 1508, 1526, 1569, 1596, 1597, 1598, 1599 Bildungskooperation 46, 135, 141, 1618, 1681, 1711, 1755 Bildungssprache (Deutsch als) 35, 40, 65, 179, 181, 496, 892, 1035, 1047, 1048, 1131, 1665 Bildungssprache (Latein als) 468 Bildungsstandards 3, 81, 762, 763, 910, 934, 1034, 1035, 1264, 1267, 1268, 1269, 1270, 1274, 1322, 1341, 1384, 1398, 1735, 1824, 1826 bilinguale Schulen 47, 148, 1664, 1749, 1810 bilinguale Studiengänge 1633 bilingualer Unterricht / b. Angebote 15, 39, 40, 566, 586, 879, 898, 899, 1038, 1050, 1139, 1141, 1599, 1600, 1706, 1772 Bilingualismus 67, 131, 610, 730, 805, 891 Bilingualismusforschung 67, 747, 764, 1699 binationale Schule 1810 binationale Studiengänge 14, 17, 39, 1712
Binnendifferenzierung 510, 857, 1182, 1186, 1360, 1439, 1502, 1533, 1557, 1671 Blended Learning 7, 1048, 1051, 1193, 1197, 1228, 1236, 1618 Bologna-Prozess 104, 1341, 1348, 1561, 1663, 1768, 1800 Bund-Länder-Ausschuss für schulische Arbeit im Ausland (BLASCHA) 137 Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 67, 110, 111, 115, 144, 147, 149, 151, 1076, 1079, 1096, 1097, 1100, 1102, 1119, 1295, 1300, 1359, 1360, 1361, 1384, 1480, 1481, 1489
C C-Test 775, 1280, 1281 Centro Germano-Argentino 1610 Chat-Kommunikation 426, 436 Cloze-Test 1279, 1280 Code-shifting 374, 434 Codeswitching/Code-switching 333, 374, 506, 1733 Cognitive Academic Language Proficiency (CALP) 744, 745, 749 Computer Assisted Language Learning (CALL) 1206, 1210, 1211 Computer Mediated Communication (CMC) 1210 Computerunterstützes Feedback 1206 Content and Language Integrated Learning (CLIL) 1040, 1050, 1053, 1656 Content and Language Integrated Learning in German (CLILiG) 40, 1050, 1051, 1052, 1758 critical period hypothesis 867, 868 Cultural Studies 1418, 1442, 1443, 1449, 1450, 1513, 1524, 1816 Curriculumentwicklung 2, 63, 64, 68, 147, 921, 923, 924, 925, 929, 930, 953, 1085, 1096, 1719 Curriculumtheorie 921, 922, 923, 924, 927, 1773
D DACH(L) 76, 85, 86, 142, 170, 1248, 1495, 1500, 1501, 1502, 1504, 1509 DaF-/DaZ-Ausbildung 13, 60, 75, 83, 145, 155, 1076, 1077, 1078, 1079, 1082, 1333,
Sachregister 1340, 1342, 1343, 1344, 1345, 1357, 1361, 1387, 1581 Deixistheorie 256, 262 Deklination 206, 208, 209, 225, 229, 231, 552, 554, 571, 596, 609, 617, 642, 669, 700, 708 Dependenzgrammatik / Valenzgrammatik 295, 654, 667, 926 Derivation 228, 239, 553, 572, 590, 676, 691, 696, 716 Destandardisierung 346, 350, 391 Deutsch als dritte Fremdsprache 1616, 1726 Deutsch als zweite oder weitere (dritte) Fremdsprache 25, 826, 827, 1269 Deutsch als Zweitsprache (Fach) 183, 307, 744, 749, 805, 925, 928, 933, 987, 1042, 1046, 1054, 1074, 1085, 1089, 1090, 1091, 1092, 1096, 1097, 1100, 1106, 1188, 1155, 1183, 1189, 1199, 1221, 1222, 1223, 1254, 1267, 1299, 1307, 1311, 1333, 1334, 1336, 1346, 1349, 1357, 1348, 1455, 1469, 1480, 1568, 1578 Deutsch als Zweitsprache in der Schweiz 80, 83, 114, 163, 167, 1358, 1359 Deutsch als Zweitsprache in Deutschland 2, 3, 4, 9, 14, 19, 23, 54, 63, 55, 66, 67, 68, 167, 1344, 1359, 1361 Deutsch als Zweitsprache in Österreich 73, 74, 75, 76, 77, 78, 154, 155, 167, 1342, Deutsche Pädagogische Vereinigung (DPV) 1807 Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang (DSH) 148, 490, 1282, 1292, 1296 Deutsche Welle (DW) 134, 144 Deutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD) 2, 10, 38, 45, 46, 47, 135, 136, 144, 147, 150, 151, 166, 1592, 1609, 1610, 1617, 1618, 1635, 1659, 1669, 1678, 1684, 1688, 1691, 1697, 1708, 1711, 1712, 1722, 1727, 1742, 1746, 1754, 1755, 1779, 1807, 1808, 1817, 1831, 1840 Deutscher Volkshochschulverband (DVV) 925, 926 Deutschlandbild 134, 1383, 1423, 1424, 1467, 1514, 1515, 1633 Deutschlehrerausbildung 13, 14, 54. 60, 77, 693, 694, 697, 1076, 1077, 1345, 1346, 1347, 1348, 1609, 1634, 1647, 1648, 1652, 1653, 1656, 1678, 1683, 1690, 1704, 1706, 1722, 1727, 1730, 1742, 1745, 1746, 1748, 1749, 1763, 1765, 1773, 1779, 1786, 1794, 1809, 1811, 1820, 1821, 1822
1845 Deutschsprachiger Fachunterricht (DFU) 40, 147, 1050 Deutschtest für Zuwanderer (DTZ) 150, 1103, 1284, 1299, 1300, 1301, 1304, 1481 Dialekt 80, 84, 85, 161, 117, 178, 191, 237, 344, 345, 346, 347, 348, 349, 350, 351, 353, 354, 360, 362, 363, 364, 373, 374, 375, 380, 382, 385, 386, 387, 388, 389, 390, 392, 394, 395, 400, 401, 402, 403, 415, 420, 422, 428, 439, 531, 533, 602, 628, 642, 668, 677, 692, 903, 1201, 1505, 1667, 1771, 1776, 1780, 1830, 1831 Dialektbewertung 394 Dialekte, deutsche 346, 347, 388 Dialekte, deutschschweizer 373 digitale Medien 15, 1185, 1193, 1203, 1204, 1205, 1207, 1210, 1211, 1228, 1244, 1355 Diglossie 83, 114, 161, 162, 346, 374, 377, 381, 532 Digressivität 499 Diskurs (Gesprächsführung als Lerngegenstand) 265, 266, 267, 269, 270, 276, 287, 327, 328, 406, 412, 498, 505, 510, 512, 891, 928, 933, 935, 984, 987, 1131, 1134, 1386 Diskursanalyse, funktional-pragmatische 258, 265, 267, 692, 777, 1365, 1367, 1386, 1436, 1493, 1494 Diskursarten 182, 183, 509, 510, 512, 514, 536, 598, 599 Diskurskompetenz 1131 Diskurslinguistik 177, 181, 275, 1418 Distanzlernen 1193, 1196, 1197 Distanzsprachlichkeit 419 Dolmetscherausbildung, s. Übersetzerausbildung Doppelterminologie 483 Drama / Dramapädagogik 1589, 1590, 1591, 1592, 1593, 1691, 1692, 1813 Dualform 534
E E-Mail-Kommunikation 266, 285, 353, 414, 415, 419, 422, 426, 436, 461 Eidgenössische Kommission für Migrationsfragen (EKM) 113, 161, 165 Einzelarbeit 1182, 1185, 1186 Emigration 89, 1728, 1776, 1814 Emotion 332, 574, 674, 729, 798, 827, 828, 876, 877, 881, 898, 1010, 1035, 1037, 1183,
1846
Indices 1203, 1204, 1330, 1433, 1434, 1501, 1538, 1584, 1598, 1703, 1727 Englisch (Einfluss auf Deutsch) 415, 441, 442, 443, 444, 460, 469, 477, 481, 482 Entlehnung 197, 240, 362, 410, 411, 433, 435, 441, 442, 443, 444, 565, 612, 657, 668, 684, 691, 1056 ERFA-Wirtschaft-Sprache 146, 1145 Erstsprache 4, 10, 39, 58, 64, 67, 80, 152, 157, 519, 521, 522, 523, 524, 525, 526, 528, 667, 742, 747, 808, 837, 838, 986, 988, 993, 997, 1010, 1011, 1012, 1086, 1087, 1132, 1134, 1189, 1512, 1533, 1654, 1706 Erstspracherwerb 528, 759, 789, 795, 827, 835, 901, 903, 965, 1060 Erstspracherwerbsforschung 738 Erwerbssequenzen 175, 180, 528, 642, 674, 741, 777, 1011, 1260, 1836 Ethnographie der Kommunikation 331 Ethnolekt 338, 352, 447, 448, 449, 450, 451, 452, 453, 454, 455, 890, 1574 EU-Erweiterung 151 Eurolatein 444 Europäisches Sprachenportfolio (ESP), s. auch Portfolio 85, 130, 762, 763, 912, 913, 1315, 1316, 1317, 1318, 1319, 1320, 1321, 1322, 1366, 1512 Europarat 22, 76, 100, 124, 129, 130, 159, 171, 261, 915, 927, 928, 930, 1158, 1267, 1274, 1275, 1291, 1292, 1315, 1316, 1317, 1318, 1511, 1622, 1796, 1818 European Association for Quality Language Services (EAQUALS) 171, 915 European Studies 37, 38, 1524, 1613, 1681, 1708 European Union of National Institutes of Culture (EUNIC) 135
F Fachausbildung 1498, 1622, 1811, 1841 Fachkompetenz (Deutschlehrer) 1750 Fachlehrerausbildung 1656 Fachsprache 17, 23, 28, 29, 239, 317, 351, 353, 355, 458, 467, 468, 469, 473, 478, 480, 484, 487, 493, 494, 505, 510, 511, 513, 831, 1053, 1054, 1055, 1056, 1139, 1146, 1149, 1285, 1333, 1617 Fachsprachenvermittlung 1053, 1054, 1055, 1056
Fachverband Deutsch als Fremdsprache (FaDaF) 21, 47, 144, 145, 148, 150, 151, 1282, 1343 Fachverbände 46, 51, 145, 150, 166, 1359, 1734 Fachwortschatz 237, 238, 239, 351, 468, 469, 480, 482, 496, 670, 1080, 1149 Faktorenkomplexion 765, 907, 1060, 1073, 1077 Falsche Freunde 637, 684, 691, 1045 Fehleranalyse 319, 523, 532, 777, 981, 1003, 1060, 1231, 1232, 1333, 1638 Fehlerannotation 319 Fehlerbewertung 1069 Fehlererklärung 1064 Fehlerkorrektur 914, 1069, 1061, 1065, 1067, 1068, 1183, 1191 Fehlerwörterbücher 309 Feldergrammatik 674 Feldunabhängigkeit 746, 854, 1001 Feministische Linguistik 557 Fernstudium 14, 1193, 1743, 1758 Fernunterricht 1193, 1194, 1195, 1613 Fertigkeiten, s. auch Hören, Lesen, Sprechen, Schreiben 7, 9, 114, 116, 155, 180, 252, 262, 270, 290, 478, 575, 651, 685, 710, 745, 778, 787, 808, 809, 829, 830, 831, 880, 918, 927, 928, 944, 945, 961, 962, 963, 964, 965, 966, 967, 968, 977, 983, 992, 995, 1036, 1037, 1040, 1042, 1045, 1047, 1048, 1049, 1118, 1123, 1126, 1156, 1169, 1172, 1228, 1235, 1244, 1264, 1265, 1266, 1269, 1275, 1276, 1278, 1280, 1285, 1290, 1300, 1318, 1348, 1360, 1417, 1423, 1455, 1467, 1472, 1486, 1502, 1530, 1537, 1598, 1599, 1644, 1656, 1681, 1688, 1703, 1715, 1783 Festigkeit (Wortschatz) 247, 248, 249 Feststellungsprüfung 148, 1277, 1284, 1285, 1286, 1289, 1302 flektierend(e Sprachen) 207, 208, 210, 212, 533, 562, 609, 616, 655, 668, 716, 727, 733, 762 Flexionsklasse 207, 208, 209, 210, 213, 215 Flexionsmorpheme 564, 604, 605, 669, 682, 690, 980 focus on form, s. Formfokussierung formelhafte Ausdrücke 7, 246, 253, 257, 514, 1011, 1023 Formfokussierung 943, 947, 1170, 1202 Forschungsansätze 11, 352, 519, 748, 765, 767, 768, 872, 943, 1382, 1386, 1402, 1408, 1410, 1450
Sachregister Forschungsmethoden 748, 764, 767, 768, 793, 1375, 1385, 1386, 1419, 1445, 1830 Fortbildung 21, 45, 50, 68, 75, 76, 78, 100, 110, 136, 140, 141, 147, 155, 156, 158, 164, 170, 847, 926, 1015, 1051, 1082, 1142, 1351, 1352, 1353, 1354, 1355, 1361, 1355, 1367, 1417, 1501, 1502, 1507, 1508, 1548, 1591, 1605, 1608, 1617, 1618, 1623, 1629, 1635, 1643, 1647, 1651, 1656, 1666, 1673, 1683, 1691, 1699, 1700, 1703, 1705, 1710, 1715, 1719, 1722, 1730, 1737, 1748, 1765, 1768, 1772, 1773, 1786, 1798, 1801, 1804, 1810, 1811, 1815 Fossilisierung 401, 757, 804, 812, 890, 1023, 1100 Französisch (Einfluss auf Deutsch) 439, 440, 441, 442, 444 Fremdbild 1108, 1221, 1423, 1425, 1426, 1427, 1428, 1429, 1486, 1507, 1566 Fremdheit 333, 334, 533, 972, 1141, 1393, 1395, 1397, 1415, 1416, 1418, 1419, 1427, 1526, 1536, 1545, 1546, 1548, 1549, 1552, 1560, 1561, 1568, 1579 Fremdsprachenlehrerausbildung, s. auch Deutschlehrerausbildung 2, 19, 1342, 1359, 1613, 1674, 1721, 1731, 1744, 1767, 1773, 1793, 1826, 1827, 1829, Fremdsprachenunterricht 2, 40, 49, 66, 76, 82, 84, 150, 151, 155, 168, 174, 175, 242, 250, 251, 261, 270, 280, 290, 293, 297, 308, 354, 405, 520, 521, 526, 527, 541, 566, 599, 616, 619, 651, 740, 745, 754, 757, 761, 762, 803, 821, 831, 845, 846, 847, 850, 855, 862, 869, 879, 881, 897, 901, 902, 908, 911, 913, 915, 917, 933, 936, 941, 942, 944, 946, 954, 955, 956, 957, 958, 961, 964, 966, 967, 972, 976, 995, 1024, 1025, 1027, 1034, 1035, 1036, 1037, 1040, 1041, 1042, 1043, 1048, 1062, 1146, 1157, 1167, 1168, 1173, 1174, 1175, 1186, 1201, 1208, 1211, 1227, 1237, 1243, 1245, 1264, 1269, 1270, 1340, 1341, 1364, 1367, 1379, 1395, 1398, 1423, 1464, 1447, 1454, 1455, 1457, 1458, 1459, 1460, 1462, 1466, 1468, 1472, 1507, 1509, 1525, 1530, 1531, 1533, 1537, 1551, 1552, 1578, 1581, 1596, 1597, 1599, 1612, 1616, 1653, 1655, 1660, 1671, 1674, 1675, 1698, 1700, 1729, 1761, 1790, 1791, 1794, 1795, 1796, 1810, 1818, 1819, 1828, 1834 Fremdverstehen 5, 332, 942, 1346, 1391, 1392, 1393, 1394, 1395, 1396, 1397, 1398,
1847 1416, 1446, 1447, 1448, 1459, 1472, 1473, 1474, 1513, 1517, 1533, 1537, 1546, 1551, 1580, 1600, 1788 Fremdwahrnehmung 1216, 1423, 1426, 1427, 1533 Frequenz (Grammatik) 497, 498, 695, 1010 Frequenz (Wortschatz) 213, 238, 248, 249, 317, 319, 376, 436, 497, 676, 696, 716, 977, 1012, 1024, 1028 Friesisch (Einfluss auf Deutsch) 442, 443 Frontalunterricht 632, 1182, 1183, 1605 Frühbeginn 29, 745, 870, 874, 1141, 1729 Fugenelement 228, 229 Funktionsverbgefüge 247, 414, 460, 1133 Funktor 208, 210, 211
G Gebrauchsgrammatik 295, 296, 297 Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen 3, 85, 107, 156, 179, 270, 638, 910, 928, 929, 930, 941, 961, 962, 973, 985, 1033, 1043, 1064, 1080, 1097, 1099, 1100, 1101, 1103, 1118, 1121, 1215, 1265, 1274, 1275, 1277, 1285, 1288, 1320, 1391, 1514, 1617, 1618, 1672, 1735 Genderlekt 351, 353 Generative Grammatik 218, 636, 800, 801, 837 Generative Linguistik 418, 681 German Studies 5, 34, 36, 179, 1524, 1525, 1526, 1613, 1676, 1677, 1678, 1684, 1691, 1692, 1708, 1715, 1756, 1816, 1835, 1836, 1837, 1838, Gerundium 589, 590 Gesellschaft der Deutschlehrer Irlands (GDI) 1691 Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) 134, 1776 Gesprächsanalyse 265, 575, 1493 Gesprächstyp 266, 467 Glottodidaktik 657, 658, 1345, 1763, 1764, 1765 Goethe-Institut (GI) 2, 8, 14, 20, 21, 27, 39, 41, 45, 46, 48, 51, 52, 53, 54, 64, 65, 68, 91, 104, 130, 133, 134, 135, 141, 147, 150, 170, 914, 916, 924, 925, 953, 1076, 1103, 1189, 1196, 1220, 1285, 1292, 1295, 1300, 1306, 1355, 1360, 1505, 1578, 1602, 1065, 1608, 1612, 1618, 1623, 1624, 1639, 1647, 1651,
1848 1666, 1668, 1669, 1673, 1676, 1683, 1686, 1687, 1691, 1695, 1699, 1700, 1703, 1707, 1708, 1710, 1711, 1713, 1715, 1719, 1726, 1730, 1741, 1754, 1755, 1768, 1773, 1779, 1786, 1800, 1801, 1806, 1811, 1815, 1827, 1835, 1840, 1841 Grammatik 6, 7, 24, 49, 50, 114, 214, 216, 218, 293, 294, 295, 296, 297, 298, 299, 300, 309, 349, 406, 420, 436, 519, 523, 524, 527, 540, 545, 564, 582, 586, 605, 610, 612, 627, 645, 651, 667, 694, 709, 710, 716, 719, 789, 797, 862, 921, 926, 927, 928, 941, 942, 947, 976, 993, 1005, 1024, 1070, 1081, 1150, 1170, 1279, 1280, 1290, 1586, 1621, 1644, 1678, 1735, 1835 ⫺ deskriptive 296 ⫺ diachrone 296 ⫺ didaktische 296, 297, 300, 908, 911, 1258, 1260 ⫺ funktionale 218, 299, 675 ⫺ generative 218, 636, 800, 801, 837 ⫺ kommunikative 657 ⫺ konfrontative 654 ⫺ kontrastive 297, 521, 532, 544, 580, 593, 611, 613, 636, 641, 692, 732, 1259, 1830 ⫺ kulturkonstrative 1259 ⫺ normativ-präskriptive 296, 1062, 1260 ⫺ pädagogische 290, 298, 300, 301, 1258, 1261 ⫺ pragmatische 262, 299 ⫺ wissenschaftliche (linguistische) 295, 296, 301, 1258 Grammatikerwerb 1009, 1010, 1011, 1012, 1013, 1014, 1015, 1016, 1232, 1259 Grammatikkompetenz 1013, 1015, 1279 Grammatikterminologie 533 Grammatikübungen 1159, 1203, 1212 Grammatikvermittlung 183, 488, 526, 528, 633, 736, 863, 864, 914, 1009, 1013, 1014, 1015, 1017, 1024, 1218, 1445 Griechisch (Einfluss auf Deutsch) 440, 444, 445 Großes Deutsches Sprachdiplom (GDS) 1294, 1295, 1672, 1779 Groß- und Kleinschreibung 199, 201, 202, 204, 205 Großmuttersprache 1831 Grundwortschatz 210, 238, 239, 308, 606, 1026, 1028, 1121, 1252 Gruppenarbeit 881, 988, 1182, 1183, 1184, 1185, 1195, 1255, 1320, 1503, 1779
Indices
H Habsburgermonarchie 55, 58, 73, 141, 402 Handlungsforschung 8, 11, 63, 913, 915, 1365, 1367 Handlungsmuster 259, 261, 262, 267, 435, 437, 462, 463, 471, 509, 512, 598, 942, 986, 1103, 1182, 1183, 1367, 1433, 1437 Handlungsorientierung 943, 949, 1034, 1100, 1138, 1139, 1141, 1265, 1266, 1385, 1503, 1540, 1556, 1630 Helvetismen 376 Herder-Institut (HI) 6, 20, 21, 22, 48, 53, 104, 1217 Herübersetzung 1041, 1042 Heterogenität (kulturelle, sprachliche) 3, 117, 443, 435, 910, 937, 1097, 1098, 1099, 1112, 1124, 1138, 1334, 1335, 1346, 1359, 1360, 1397, 1469, 1493, 1497, 1498, 1517, 1661 Hin- und Herübersetzung 692, 1045 Hinübersetzung 1041 Hochschullehrgang (Graz) 22, 75 Hochschullehrgang (Leoben) 159 Hochschullehrgänge DaF/DaZ 22, 28, 75, 77, 155, 159, 1345 Hören (Fertigkeit) 240, 242, 290, 425, 839, 945, 961, 962, 963, 965, 966, 967, 969, 971, 972, 974, 983, 1005, 1025, 1103, 1122, 1239, 1252, 1282, 1286, 1300, 1301, 1303, 1304, 1703 Hörverstehensübung 972, 973 Hybridbildung 332 Hypertextualität 1227
I Identität, sprachliche 179, 333 Identitätshypothese 741, 756, 757, 761, 800, 803, 807 Idiom / Idiomatizität / Idiomatik 246, 247, 248, 249, 251, 469, 513, 540, 556, 1017, 1017, 1295, 1461 Immersion 82, 85, 86, 821, 879, 891, 1000, 1001, 1010, 1049, 1050 Immigration 674, 1074, 1607, 1358, 1624, 1750 Improvisation 1148, 1593 Inferenz 338, 775, 971, 974, 978, 981, 1536, 1538 Inhaltsgrammatik 299
Sachregister Inlandsgermanistik 3, 4, 36, 47, 1520, 1521, 1534, 1765 Input 3, 177, 250, 252, 294, 316, 317, 354, 527, 528, 741, 742, 743, 759, 801, 803, 808, 810, 811, 814, 815, 818, 819, 827, 836, 860, 863, 870, 873, 877, 887, 889, 890, 891, 905, 909, 949, 1010, 1012, 1013, 1014, 1022, 1024, 1027, 1101, 1268, 1307, 1325, 1835 Input-Hypothese 743, 759, 760, 761, 800, 818, 943, 1024 Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) 134 Instituto colombo-alema´n para la formacio´n tecnolo´gica (ICAFT) 1710 Inszenierung 336, 338, 339, 413, 414, 436, 505, 989, 1167, 1369, 1590, 1591, 1592 Intake 743, 811, 818, 819, 834, 840, 877, 1013, 1022 Integration 38, 68, 83, 84, 85, 109, 111, 112, 114, 115, 148, 148, 151, 414, 889, 994, 1075, 1086, 1092, 1097, 1098, 1100, 1119, 1299, 1437, 1496, 1734 Integrationskurse 4, 67, 68, 84, 110, 113, 144, 146, 149, 163, 930, 1075, 1076, 1096, 1097, 1099, 1100, 1101, 1102, 1116, 1119, 1284, 1295, 1299, 1302, 1334, 1359, 1360, 1469, 1480, 1489 Integrationsvereinbarung (Österreich) 78, 111, 112, 154, 157, 158, 994, 1098, 1100, 1101, 1295 Integrationsvereinbarung (Schweiz) 113 Integriertes Sprach-/Sachlernen 1134 Interaktionismus 788, 1408 Interaktion 183, 265, 266, 281, 324, 328, 332, 338, 339, 406, 413, 426, 439, 449, 472, 522, 524, 591, 598, 740, 742, 743, 744, 757, 761, 777, 794, 808, 810, 811, 812, 813, 817, 818, 819, 820, 821, 822, 824, 871, 873, 886, 888, 889, 890, 903, 904, 905, 912, 913, 914, 915, 947, 957, 962, 965, 970, 976, 978, 1036, 1080, 1109, 1145, 1173, 1182, 1183, 1184, 1188, 1194, 1195, 1196, 1200, 1201, 1209, 1237, 1266, 1315, 1321, 1364, 1365, 1429, 1449, 1474, 1493, 1532, 1540, 1544, 1704 Interaktionsanalyse 1365 Interaktionsforschung 821, 822, 823, 824 Interaktionshypothese 743, 760, 761, 818, 819 Interdependence-Hypothese 891 Interessengemeinschaft Qualität Deutsch als Fremdsprache (IQ Deutsch) 916 Interferenz 196, 452, 462, 519, 520, 521, 522, 523, 740, 829, 999, 1015, 1060, 1064, 1779
1849 Interferenzfehler 644, 656, 696, 834, 1060 Interkulturalität 3, 15, 541, 542, 709, 912, 954, 1335, 1379, 1380, 1384, 1392, 1395, 1396, 1413, 1415, 1416, 1418, 1419, 1523, 1560, 1576, 1600, 1630, 1723, 1787, 1788, 1830 Interkulturelle / konfrontative Semantik 1252, 1455 Interkulturelle Germanistik 19, 25, 26, 1413, 1414, 1415, 1419, 1515, 1533, 1534, 1545, 1547, 1560, 1684, 1751, 1788 Interkulturelle Kommunikation 19, 37, 148, 269, 331, 333, 339, 541, 556, 557, 590, 618, 637, 644, 651, 667, 670, 677, 681, 684, 686, 709, 730, 735, 863, 1383, 1396, 1416, 1423, 1435, 1616, 1630, 1715, 1746, 1831 Interkulturelles Lernen 75, 76, 77, 78, 158, 436, 954, 1075, 1089, 1138, 1383, 1402, 1407, 1442, 1444, 1447, 1450, 1456, 1473, 1474, 1475, 1486, 1513, 1600, 1630, 1718, 1806, 1813 Interlanguage 319, 522, 524, 757, 777, 828, 833, 890 Interlanguage-Hypothese 319, 522, 523, 740, 742, 757, 802, 943, 1064 Internationale Vereinigung für Germanistik (IVG) 167, 168, 169, 1684 Internationaler Deutschlehrerverband (IDV) 44, 46, 49, 50, 51, 52, 53, 86, 142, 145, 150, 156, 164, 167, 168, 170, 1502 Internationalisierung 2, 14, 15, 17, 27, 76, 183, 443, 503, 1417, 1688, 1698, 1699, 1738, 1769 Intertextualität 505, 1449, 1560 Intoleranz 1704 isolierend(e Sprachen) 207, 1842 Isotopie 280 Italienisch (Einfluss auf Deutsch) 441
J Japanische Gesellschaft für Germanistik (JGG) 1699 Japanischer Deutschlehrerverband (JDV) 1700 Jiddisch 92, 443 Jugendliteratur 1533, 1536, 1566, 1567, 1568, 1577, 1578, 1579, 1580, 1581, 1718 Jugendsprache 352, 353, 413, 431, 432, 433, 434, 435, 436, 437, 676
1850
Indices
K Kanon 13, 1034, 1142, 1334, 1335, 1405, 1468, 1486, 1489, 1493, 1535, 1555, 1556, 1557, 1558, 1559, 1560, 1561, 1562, 1592, 1600, 1806 Kasus (Unterdifferenziertheit) 406 Kategorial-Grammatik 218 Kietzdeutsch 449, 450 Kinderliteratur 1577, 1578, 1579 Kleines Deutsches Sprachdiplom (KDS) 1294, 1295, 1672, 1779 Koartikulation 196, 1002 Kognition / Kognitionspsychologie 807, 812, 851, 859, 876, 877, 878, 886, 888, 895, 896, 897, 947, 1022, 1023, 1325, 1326, 1330, 1352, 1538, 1539, 1598 kognitiv 11, 58, 82, 175, 281, 294, 391, 420, 460, 520, 522, 525, 528, 741, 742, 743, 744, 745, 760, 788, 789, 793, 795, 798, 800, 803, 804, 807, 808, 810, 812, 813, 817, 821, 828, 829, 844, 843, 845, 850, 851, 852, 854, 858, 860, 861, 862, 863, 870, 873, 877, 879, 937, 943, 949, 963, 976, 984, 988, 992, 1000, 1001, 1023, 1109, 1130, 1131, 1132, 1135, 1168, 1127, 1231, 1246, 1265, 1325, 1326, 1328, 1329, 1330, 1373, 1424, 1427, 1429, 1455, 1458, 1468, 1472, 1474, 1476, 1480, 1513, 1538, 1566, 1586, 1696, 1699, 1735, 1765, 1797, 1780, 1829 Kognitiver Stil 851, 852, 853, 895, 897 Kognitivierung 911, 946, 948, 1004, 1081, 1368 Kohärenz 276, 277, 278, 279, 535, 709, 892, 979, 1237, 1280, 1539, 1552 Kohäsion 276, 277, 278, 279, 535, 574, 709 Kollokation 7, 177, 236, 242, 247, 248, 249, 251, 252, 309, 311, 469, 513, 677, 837, 1252, 1255 Kommunikationsbereiche 286, 287, 419, 1103 Kommunikationsforschung 1367 Kommunikationssituation 277, 280, 286, 287, 324, 331, 333, 419, 984, 1188, 1435, 1446, 1831 Kommunikative Didaktik 632, 961, 984, 1168, 1212, 1382, 1402 Kommunikative Spiele 1179, 1180 Kommunikative Wende 1202, 1457 Kommunikativer Unterricht 26, 957, 1147, 1392, 1457
Kompetenz ⫺ alltagssprachliche 869 ⫺ bildungssprachliche 7, 12, 37, 869 ⫺ fremdsprachliche 86, 747, 762, 767, 860, 872, 874, 1670, 892, 1043, 1044, 1316, 1456, 1670, 1730 ⫺ interkulturelle 5, 330, 912, 954, 1150, 1237, 1333, 1346, 1383, 1384, 1392, 1398, 1399, 1407, 1417, 1419, 1422, 1442, 1444, 1448, 1449, 1450, 1451, 1455, 1456, 1458, 1472, 1473, 1488, 1494, 1515, 1534, 1779, 1831 ⫺ kommunikative (pragmatische) 7, 257, 260, 270, 339, 355, 503, 536, 566, 770, 929, 955, 964, 927, 928, 929, 955, 971, 984, 1090, 1034, 1138, 1146, 1245, 1264, 1265, 1266, 1290, 1295, 1448, 1515, 1530, 1777 ⫺ landeskundliche 1469, 1509, 1513, 1535 ⫺ lernstrategische 843, 845, 846, 847 ⫺ lexikalische 236, 242, 1023, 1026, 1279 ⫺ mehrsprachige 116 ⫺ produktive 180, 181, 436, 967 ⫺ schriftsprachliche 419 ⫺ schulsprachliche 179 ⫺ translatorische 1043, 1045 ⫺ wissenschaftssprachliche 37, 509 Kompetenzmodelle 1265, 1268, 1269 Kompetenzorientierung 1264, 1399, 1537, 1734 Komposition (Wortbildung) 228, 229, 231, 233, 239, 366, 408, 460, 488, 489, 572, 597, 604, 676, 716, 735, 1054 Konjugation 206, 208, 209, 212, 214, 240, 241, 459, 534, 546, 570, 629, 636, 643, 650, 701, 708, 733, 785, 804, 1123 Konjunktivistische Ansätze 815, 817, 818, 820, 822, 824, 861, 886, 895, 1168, 1252, 1332, 1450, 1617 Konkordanz 316, 317 Konnektionismus / konnektionistische Modelle 215, 740, 742, 800, 807, 810, 811, 813, 814, 815, 943, 947, 948 Konsonantenhäufung 536, 616 Konstruktionsgrammatik 176, 218, 249, 250, 569 Konstruktivismus 742, 811, 812, 813, 943, 958, 1034, 1158, 1324, 1327, 1328, 1367, 1408 Kontrastive Analyse 319, 432, 518, 532, 535, 538, 541, 605, 625, 627, 636, 638, 657, 694, 735, 914, 1003
Sachregister Kontrastivhypothese 521, 522, 524, 528, 720, 740, 756, 758, 1060 Konversion (Wortbildung) 232, 239, 240, 460, 656, 670, 690, 716 Kookkurrenz 247, 251 Korpuslinguistik 177, 247, 249, 315, 316, 320, 1028, 1230, 1696 Kreativität 352, 506, 1080, 1124, 1583, 1584, 1585, 1587,1591, 1598, 1605, 1703 Kulturanthropologie 332, 1378, 1406, 1435, 1459 Kulturbegriff 332, 464, 512, 1140, 1380, 1384, 1406, 1407, 1408, 1418, 1424, 1432, 1456, 1467, 1473, 1545, 1550, 1560 KulturKontakt 76, 140, 141, 154, 512 Kulturkunde 1442, 1444, 1445, 1446, 1457, 1466, 1485, 1513, 1715, 1763 Kulturpolitik 45, 51, 138, 139, 142, 1052, 1405, 1467, 1755 Kulturspezifik 464, 607, 623, 624, 957, 1024, 1547 Kulturstudien 176, 1409, 1410, 1442, 1444, 1803 Kulturwissenschaft 5, 6, 26, 36, 37, 179, 495, 581, 992, 1138, 1378, 1379, 1380, 1381, 1382, 1383, 1384, 1385, 1386, 1388, 1395, 1402, 1407, 1408, 1409, 1410, 1413, 1414, 1415, 1417, 1419, 1425, 1427, 1438, 1442, 1449, 1450, 1456, 1469, 1470, 1485, 1513, 1517, 1524, 1526, 1535, 1536, 1550, 1562, 1556, 1575, 1653, 1662, 1681, 1687, 1688, 1689, 1696, 1708, 1768, 1780, 1787, 1808, 1830 Kultusministerkonferenz, s. Ständige Konferenz der Kultusminister Kunst 134, 936, 1385, 1405, 1462, 1467, 1505, 1557, 1562, 1572, 1590, 1596, 1597, 1598, 1599, 1600, 1682, 1698, 1706, 1721, 1825 Kunstbild 1462, 1598 Kurzvokale 192, 365, 534, 535, 569, 675 Kurzwort 231, 460, 488, 572 kyrillisch 688
L L1-Grammatik 804 L2-Grammatik 804 L3 82, 522, 524, 732, 736, 747, 748, 827, 828, 829, 830, 831, 1497 Laienkommunikation 468, 471 Landesbild 1458, 1468, 1472, 1550
1851 Landeskunde 5, 52, 60, 136, 140, 156, 158, 369, 405, 437, 1201, 1216, 1219, 1248, 1378, 1379, 1380, 1381, 1383, 1384, 1385, 1405, 1409, 1410, 1415, 1417, 1423, 1424, 1426, 1436, 1438, 1441, 1442, 1443, 1444, 1445, 1446, 1447, 1448, 1449, 1450, 1456, 1457, 1459, 1460, 1465, 1467, 1469, 1478, 1480, 1481, 1485, 1486, 1487, 1488, 1494, 1507, 1508, 1513, 1516, 1517, 1518, 1534, 1535, 1545 ⫺ außereuropäische 1511, 1521, 1522, 1523, 1524, 1525, 1526 ⫺ DACH(L) 76, 85, 86, 142, 170, 1248, 1495, 1500, 1501, 1502, 1504, 1509 ⫺ erlebte 1417, 1469, 1502, 1507 ⫺ informationsbezogene 1466, 1467, 1468 ⫺ interkulturelle 5, 25, 290, 1444, 1456, 1472, 1473, 1474, 1475, 1476, 1524, 1525, 1526, 1566, 1567 ⫺ kontrastive 25, 1507 ⫺ kulturwissenschaftliche 1435, 1436, 1438, 1450 ⫺ sprachbezogene 1454, 1455, 1458, 1459, 1460, 1461, 1462 Landeskundedidaktik 1513, 1514, 1565, 1566 Language Acquisition Device 800 Language awareness 293, 557, 859, 860, 861, 862, 863, 864, 865, 1013 Langvokale 192, 535, 552, 569, 649, 675 Latein (Einfluss auf Deutsch) 440, 442, 444, 445 Laut-Buchstaben-Zuordnung, s. PhonemGraphem-Beziehungen Lautverschiebung 347, 348, 388, 644 Lehnwortbildung 445 Lehr- und Lerntraditionen 8, 710, 916, 918, 988, 1044, 1382, 1489, 1671 Lehr-Lernprozess 911, 1215, 1324, 1325, 1327, 1331, 1333, 1363, 1364 Lehramtsausbildung 38, 39, 78, 1076, 1080, 1306, 1622 Lehrerausbildung, s. auch Deutschlehrerausbildung 20, 27, 39, 48, 84, 86, 148, 149, 175, 178, 181, 693, 831, 847, 911, 913, 914, 1005, 1051, 1073, 1074, 1075, 1077, 1146, 1184, 1223, 1244, 1330, 1340, 1341, 1342, 1344, 1347, 1348, 1349, 1358, 1361, 1365, 1367, 1441, 1448, 1490, 1502, 1526, 1578, 1591, 1613, 1626, 1643, 1652, 1667, 1683, 1695, 1750, 1751, 1752, 1768, 1782, 1783, 1786, 1787, 1799, 1803, 1807, 1821, 1829, 1836, 1837, 1840
1852
Indices Lehrerbewusstsein 1325, 1329 Lehrerfortbildung 50, 75, 76, 141, 147, 1051, 1073, 1076, 1351, 1353, 1355, 1361, 1366, 1367, 1501, 1502, 1507, 1508, 1617, 1629, 1635, 1647, 1656, 1666, 1683, 1691, 1706, 1707, 1719, 1730, 1737, 1748, 1772, 1798, 1801, 1806, 1811 Lehrergrammatik 294, 1260 Lehrerrolle 912, 1139, 1141, 1160, 1162, 1331, 1332, 1337 Lehrgänge DaF/DaZ (nicht universitär) 75, 77, 155, 164, 1090, 1127, 1193, 1195, 1358, 1359 Lehrkompetenz 1353 Lehrmaterialentwicklung 2, 14, 27, 46, 944, 1219, 1236, 1244, 1255, 1482, 1489, 1492, 1700 Lehrmaterialien 3, 16, 16, 20, 25, 40, 56, 58, 85, 142, 145, 156, 158, 317, 318, 478, 490, 491, 826, 907, 909, 910, 914, 918, 924, 944, 1005, 1044, 1081, 1102, 1112, 1155, 1160, 1199, 1205, 1206, 1207, 1222, 1223, 1215, 1217, 1218, 1220, 1222, 1236, 1504, 1598, 1668, 1670, 1683 Lehrstil 746, 850, 856, 934 Lehrwerk / Lehrbuch, s. auch Regionale L. 8, 46, 50, 52, 56, 57, 65, 67, 68, 84, 85, 145, 168, 175, 182, 218, 261, 270, 317, 355, 395, 422, 429, 461, 490, 491, 524, 526, 542, 563, 566, 591, 606, 610, 638, 662, 669, 700, 710, 736, 738, 830, 831, 846, 908, 926, 930, 934, 941, 942, 946, 947, 995, 1002, 1004, 1005, 1016, 1026, 1034, 1044, 1081, 1109, 1112, 1113, 1121, 1125, 1126, 1160, 1200, 1201, 1203, 1204, 1207, 1215, 1216, 1217, 1219, 1220, 1222, 1223, 1234, 1243, 1247, 1255, 1256, 1261, 1283, 1284, 1321, 1326, 1384, 1385, 1423, 1425, 1426, 1445, 1457, 1468, 1474, 1476, 1479, 1480, 1481, 1482, 1500, 1504, 1509, 1514, 1515, 1530, 1533, 1566, 1568, 1588, 1598, 1616, 1617, 1647, 1649, 1661, 1671, 1703, 1719, 1793, 1796, 1812, 1828 Lehrwerkanalyse, s. Lehrwerkkritik Lehrwerkentwicklung 1217, 1219, 1220, 1221, 1222, 1384, 1638, 1639, 1647, 1727, 1744, 1773, 1841 Lehrwerkforschung 1219, 1222, 1385 Lehrwerkgutachten 1219 Lehrwerkkritik / Lehrwerkanalyse 1207, 1215, 1218, 1219, 1222, 1223, 1387, 1490, 1630, 1727, 1836
Leistungsdiagnose 1317 Leistungsmessung 910, 915, 1103, 1264, 1272, 1276, 1277, 1282, 1291, 1605, 1737 Lern(er)grammatik 300, 301, 317, 521, 1014 Lernen, datengesteuertes 316, 965 Lernerautonomie 685, 710, 730, 759, 762, 830, 845, 846, 847, 856, 917, 950, 1028, 1155, 1158, 1159, 1160, 1162, 1164, 1182, 1184, 1315, 1316, 1318, 1329 Lernerkorpus 319 Lernerorientierung 287, 591, 913, 942, 945, 957, 1014, 1015, 1927, 1100, 1124, 1255, 1447, 1554 Lernersprache 176, 448, 520, 522, 523, 527, 741, 777, 833, 834, 835, 836, 837, 838, 839, 840, 887, 890, 1024, 1061, 1159, 1220 Lernertyp 180, 739, 758, 850, 852, 855, 935, 986, 994, 1155, 1458 Lernerwörterbücher 305, 308, 309, 310, 311, 312, 590, 1028, 1254, 1255, 1830 Lernplattformen 1195, 1196, 1210, 1239, 1240, 1597, 1599, 1807 Lernsoftware 1005, 1212, 1230, 1231, 1232, 1236 Lernstil 251, 746, 775, 843, 850, 851, 852, 853, 854, 855, 856, 863, 903, 1001, 1061, 1155, 1164, 1184, 1232, 1644 Lernstrategie 177, 523, 800, 801, 802, 803, 828, 829, 830, 834, 835, 842, 843, 844, 845, 846, 847, 850, 851, 852, 853, 856, 863, 903, 929, 943, 1026, 1027, 1028, 1064, 1090, 1118, 1120, 1124, 1125, 1126, 1147, 1159, 1164, 1184, 1215, 1328, 1359, 1459, 1622, 1671 Lerntechnik 746, 825, 842, 844, 863, 917, 1036, 1160, 1282, 1359, 1443 Lernziele 83, 174, 180, 181, 182, 243, 260, 261, 436, 525, 671, 845, 846, 878, 912, 925, 926, 927, 930, 933, 934, 935, 941, 957, 993, 994, 997, 1002, 1016, 1034, 1054, 1055, 1073, 1074, 1080, 1081, 1103, 1121, 1124, 1125, 1127, 1155, 1159, 1160, 1164, 1179, 1180, 1189, 1190, 1216, 1267, 1272, 1284, 1300, 1136, 1317, 1358, 1448, 1455, 1457, 1473, 1474, 1489, 1531, 1552, 1672 Lesekompetenz 9, 1034, 1035, 1075, 1116, 1142, 1235, 1280, 1303, 1470, 1537, 1538, 1547, 1548 Lesen (Fertigkeit) 290, 425, 470, 556, 945, 961, 962, 963, 964, 965, 966, 967, 968, 969, 976, 977, 979, 980, 981, 983, 995, 1025, 1035, 1037, 1103, 1121, 1122, 1123, 1131,
Sachregister 1208, 1252, 1278, 1282, 1284, 1286, 1300, 1303, 1304, 1360, 1470, 1534, 1538, 1539, 1575, 1576, 1581, 1703 Leseprozess 642, 976, 977, 979, 1037, 1532, 1539, 1549 Lesestrategie 980, 981, 1035, 1122, 1124, 1124, 1132, 1135, 1160, 1540 Lesetheorie 1538 Leseverstehen 69, 632, 651, 843, 927, 928, 963, 964, 966, 967, 1033, 1185, 1260, 1279, 1283, 1285, 1290, 1538, 1687, 1703, 1737, 1783 Lexikalisierung 246, 248, 249 Lexikographie 50, 237, 249, 251, 305, 306, 309, 310, 590, 610, 657, 702, 729, 1022, 1727, 1780, 1830 Lexikologie 6, 175, 227, 237, 572, 580, 657, 676, 1024, 1252, 1634, 1675 Lieder 1568, 1578, 1596, 1599, 1610 Lingua Franca 17, 90, 101, 124, 125, 131, 440, 448, 468, 609, 1120, 1497, 1619, 1713, 1782 Linguolandeskunde 1458 Literacy 315, 996, 1117, 1130, 1131, 1135, 1205 Literalität 1117, 1118, 1120, 1126, 1131, 1733 Literarizität 1551 Literatur (im DaF-Unterricht) 1530, 1567, 1575, 1578, 1863 Literatur und Landeskunde 1531, 1535, 1550, 1565, 1566, 1567 Literaturdidaktik 52, 1384, 1398, 1447, 1531, 1532, 1535, 1536, 1537, 1538, 1539, 1540, 1549, 1550, 1567, 1575, 1576, 1578, 1600
M Mannheimer Gutachten 147, 1218 Massenmedien 259, 502, 503, 504, 505, 1199, 1200, 1201, 1205 Max Mueller Bhavan 1681, 1683 Mediendidaktik 1211, 1212, 1597, 1599 Medienkompetenz 1208, 1470 Medienverbund 1204, 1205, 1211 Mehrsprachigkeit 4, 9, 15, 16, 23, 29, 40, 54, 73, 77, 81, 116, 118, 128, 130, 131, 135, 161, 163, 168, 171, 343, 382, 386, 401, 435, 509, 541, 542, 619, 638, 651, 678, 697, 730, 747, 748, 805, 828, 831, 898, 904, 912, 917, 930, 931, 944, 950, 1010, 1043, 1068, 1087, 1118, 1119, 1126, 1138, 1139, 1141, 1142, 1150,
1853 1269, 1316, 1358, 1358, 1416, 1497, 1502, 1511, 1536, 1560, 1573, 1578, 1580, 1619, 1624, 1633, 1640, 1641, 1670, 1719, 1731, 1732, 1733, 1734, 1739, 1801, 1805, 1815, 1820, 1830 ⫺ individuelle 118, 831, 1087, 1100, 1820 ⫺ innere 343, 382, 435 Mehrsprachigkeitsdidaktik 8, 10, 40, 86, 175, 619, 748, 759, 762, 828, 936, 1034, 1037, 1038 Mehrsprachigkeitserziehung 860, 1142, 1497, 1654 Mehrsprachigkeitsforschung 9, 67, 163, 176, 522, 738, 747, 749, 775, 831 Mehrsprachigkeitskonzepte 826, 828, 831, 1630 Melodie (Phonetik) 190, 196, 198, 364, 570, 902, 903 Mentales Lexikon 1022 Mentalität 330, 1382, 1409, 1418, 1431, 1432, 1433, 1434, 1435, 1436, 1437, 1438, 1476, 1523, 1660 Mentalitätsforschung 1431, 1433, 1434, 1435, 1436, 1438 metakognitiv / Metakognition 844, 845, 846, 847, 850, 853, 856, 859, 949, 1159, 1169, 1239 Methodik 1, 7, 13, 49, 60, 155, 169, 176, 306, 315, 541,671, 697, 765, 831, 853, 895, 912, 933, 934, 938, 953, 956, 957, 1053, 1055, 1056, 1058, 1099, 1123, 1124, 1127, 1145, 1146, 1177, 1182, 1185, 1217, 1222, 1252, 1253, 1346, 1423, 1426, 1459, 1490, 1508, 1509, 1539, 1586, 1605, 1609, 1616, 1617, 1622, 1629, 1634, 1638, 1651, 1652, 1673, 1638, 1687, 1698, 1699, 1704, 1708, 1710, 1715, 1718, 1727, 1730, 1754, 1773, 1774, 1779, 1788, 1826, 1835, 1837, 1841 Microteaching 1347, 1367 Migrantenliteratur / Migrationsliteratur 1536, 1559, 1560, 1561, 1571, 1572, 1573, 1574, 1575, 1576 Migration / Migrationshintergrund 4, 8, 9, 13, 14, 17, 19, 23, 54, 63, 67, 74, 81, 108, 110, 111, 113, 115, 118, 145, 150, 154, 155, 158, 161, 165, 171, 381, 385, 399, 400, 414, 415, 434, 435, 447, 454, 468, 745, 748, 749, 879, 888, 889, 891, 892, 904, 933, 1045, 1074, 1075, 1076, 1078, 1079, 1085, 1086, 1087, 1088, 1090, 1092, 1102, 1108, 1124, 1132, 1138, 1139, 1146, 1150, 1222, 1267, 1306, 1307, 1311, 1334, 1342, 1358, 1359,
1854
Indices 1360, 1431, 1450, 1484, 1485, 1488, 1493, 1525, 1532, 1536, 1537, 1545, 1560, 1561, 1567, 1568, 1572, 1573, 1574, 1576, 1579, 1580, 1633, 1690, 1717, 1734, 1748, 1818, 1839 Minderheit 4, 16, 29, 41, 42, 47, 46, 59, 89, 92, 96, 179, 337, 399, 400, 402, 414, 442, 442, 568, 1140, 1299, 1484, 1536, 1557, 1559, 1573, 1575, 1580, 1581, 1585, 1645, 1771, 1775, 1776, 1797, 1809, 1831 Minderheitenliteratur 1561 Minderheitensprache 116, 130, 343, 735, 862, 865, 891, 1725, 1830, 1832 Mittelstufengrammatik 301 Modalpartikel 175, 427, 484, 590, 606, 612, 702 Morphosyntax (Entwicklungen) 406, 427 Motivation 35, 40, 117, 261, 525, 746, 786, 789, 813, 829, 835, 845, 876, 877, 878, 879, 880, 881, 887, 891, 901, 904, 905, 916, 945, 949, 981, 985, 986, 996, 1001, 1008, 1077, 1081, 1108, 1109, 1119, 1121, 1146, 1147, 1152, 1153, 1154, 1155, 1162, 1164, 1178, 1183, 1189, 1204, 1205, 1231, 1327, 1333, 1335, 1455, 1531, 1538, 1591, 1593, 1630, 1680, 1685, 1730, 1796 Motivationsforschung 1152, 1152, 1155 Motivierung 25, 994, 1108, 1152, 1154, 1155, 1156 Multi-Ethnolekt 448, 449, 450, 454 Multikulturalität 330, 638, 1139, 1140, 1492, 1493, 1494, 1495, 1498, 1517, 1568, 1688 Multilingualität, s. Mehrsprachigkeit Multiple-Choice 110, 112, 114, 1278, 1279, 1280 Multiplikatorenausbildung 1911 Multiplikatorennetz 1618, 1656 Mündlichkeit, s. auch Schriftlichkeit 266, 276, 380, 382, 419, 425, 505, 984, 1210, 1238 Musik 95, 435, 437, 441, 581, 582, 936, 1204, 1284, 1385, 1462, 1592, 1596, 1597, 1598, 1599, 1600, 1625, 1663, 1698, 1706, 1714
N Nähesprache / Nähekommunikation 419, 420, 421, 425 Nationaler Integrationsplan (Deutschland) 1142
Nationalsozialismus 16, 45, 59, 104, 402, 1466, 1479, 1567, 1589 Negation 232, 571, 573, 596, 618, 689, 691, 692, 694, 696, 716, 721, 741, 757, 804, 1016, 1260 Netzwerk Sprachenrechte 157, 171 Neue Medien 499, 1733 Niederdeutsch (Einfluss auf Deutsch) 441, 642 Nomenklatur 481, 496, 827 Nominalisierung 460, 478, 482, 484, 488, 489, 1133 Nominalphrase 175, 211, 217, 221, 222, 223, 224, 408, 452, 552, 612, 618, 643, 648, 650, 657, 691, 692, 700, 722, 809, 980, 1012 Nominalstil 460, 470 Norm(en) 7, 23, 58, 117, 159, 181, 190, 199, 200, 317, 318, 344, 347, 353, 362, 369, 370, 387, 391, 392, 491, 519, 562, 707, 777, 800, 915, 1005, 1062, 1291, 1309, 1319, 1311, 1312, 1489, 1547
O Oberdeutsch 347, 361, 362, 365, 366, 367, 388 Orientierungskurs 110, 1096, 1099, 1100, 1102, 1103, 1299, 1300, 1384, 1385, 1445, 1480, 1481, 1489 Orthographie 194, 199, 200, 201, 202, 203, 204, 205, 349, 482, 545, 570, 675, 965, 1122, 1160 Österreich Institut (ÖI) 2, 41, 76, 133, 139, 154, 156, 166, 1800 Österreich-Bibliotheken 141 Österreich-Kooperation (ÖK) 38, 76, 139, 154, 1677, 1746 Österreichischer Austauschdienst (ÖAD) 73, 74, 140, 158 Österreichischer Integrationsfonds (ÖIF) 111, 112, 158, 1076, 1096, 1302, 1303, 1304, 1360 Österreichischer Verband für Deutsch als Fremdsprache / Zweitsprache (ÖDaF) 75, 77, 153, 156 Österreichisches Deutsch ⫺ Artikulation und Intonation 364 ⫺ Diminutiv 366 ⫺ Genitiv 366 ⫺ Genus 365 ⫺ Wortschatz 360
Sachregister Österreichisches Sprachdiplom Deutsch (ÖSD) 76, 140, 141, 155, 156, 1292, 1294, 1295, 1296, 1297 Output 210, 743, 759, 760, 819, 889, 930, 949, 1014, 1024, 1268, 1320, 1325, 1391, 1398, 1537, 1830 Output-Hypothese 743, 759, 943, 1024
P Pädagogischer Austauschdienst (PAD) 137, 138 Parameterfixierung 801, 802 Parenthese 498 Partikel 175, 197, 220, 225, 229, 223, 234, 240, 260, 261, 262, 308, 309, 339, 352, 379, 411, 427, 429, 452, 483, 484, 512, 533, 534, 541, 555, 572, 573, 580, 581, 590, 595, 596, 597, 604, 605, 606, 612, 613, 618, 623, 637, 644, 656, 676, 689, 680, 702, 721, 722, 735, 985, 986, 987, 1260 Partnerarbeit 822, 1182, 1185, 1231 Partnerschulen 103, 1603, 1741 PASCH (Schulen: Partner der Zukunft) 17, 39, 40, 41, 105, 137, 1608, 1641, 1666 Phonem-Graphem-Beziehungen 190, 194, 195, 201, 202, 203, 204 Phonemsystem 190 Phonotaktik 194, 536 Phraseologismen 236, 246, 247, 248, 251, 309, 541, 573, 597, 628, 664, 670, 681, 684, 702, 730, 1256 Pidginisierungshypothese 887 Pivotgrammatik 785 Plurizentrik / plurizentrisch 8, 140, 156, 168, 350, 353, 355, 361, 369, 381, 551, 1248, 1413, 1415, 1501, 1502, 1504, 1509 Polysemie 239, 479, 480, 496, 735 Portfolio (Arbeit mit) 762, 763, 996, 1069, 1110, 1111, 1126, 1165, 1240, 1315, 1318, 1319, 1320, 1321, 1322, 1366, 1777 Possessivartikel 227, 669 Präfigierung 228, 229, 231, 232, 233, 612 Pragmatik, funktionale 178, 255, 256, 257, 258, 260, 262, 332, 349, 368, 431, 519, 781, 830, 870, 1266, 1530 Routinen, pragmatische / kommunikative / sprachliche 7, 328, 510, 556, 1109, 1353, 1493, 1459 Praktikum / Praktika 13, 15, 28, 29, 76, 136, 139, 147, 1164, 1341, 1345, 1347, 1348,
1855 1605, 1613, 1626, 1629, 1634, 1636, 1648, 1652, 1659, 1672, 1676, 1699, 1710, 1715, 1718, 1727, 1731, 1748, 1773, 1794, 1804, 1826, 1829, 1836 Präsenz Schweiz (PRS) ⫺ Pre´sence Suisse ⫺ Presenza Svizzera ⫺ Preschientscha Svizra 162 Prinzip ⫺ morphematisches 194, 201, 202, 203 ⫺ phonologisches / phonematisches 194, 201, 202, 203, 204 ⫺ semantisches 194, 201 Pro Helvetia 162, 1809 Pro-Drop-Sprache 664, 733 Problemgrammatik 296 Processability-Theorie 808, 809 Produktionsgrammatik / Mitteilungsgrammatik 297, 299, 301, 1017, 1260 Professionalisierung 14, 15, 20, 46, 76, 78, 1354, 1363, 1371, 1706, 1742, 1750, 1751, 1752 Proficiency Test 1267, 1289 Prosodie 175, 196, 260, 333, 427, 451, 570, 782, 782, 1434 Prozessorientierung 995, 996, 1447, 1448
Q Qualitätssicherung 915, 916, 917, 1102, 1208, 1715, 1805
R Rahmencurriculum (Österreich) 111, 1099 Rahmencurriculum für Integrationskurse Deutsch als Zweitsprache (Deutschland) 68, 150, 928, 994, 1267, 1102, 1103, 1267, 1284, 1300, 1302 Realienkunde 1442, 1444, 1445, 1466, 1486, 1513 Redekonstellation 266, 268 Referat Kultur und Sprache 140, 156 Referenzgrammatik 218, 301 Referenzrahmen, s. Gemeinsamer europäischer R. Reflexive Didaktik 912, 1363 Reflexivpronomen 695 Regionale Lehrwerke 8, 953, 958, 1221, 1222, 1236, 1523, 1703, 1786
1856
Indices Regionalisierung 700, 952, 953, 1236, 1489, 1509 Regionalität 387, 388, 392, 394, 421 Regionalsprache 178, 346, 347, 350, 388, 391, 392, 393, 394, 395, 396, 403, 421, 749 Resultatsgrammatik 296, 1260 Rezeption 282, 230, 240, 241, 242, 259, 275, 280, 288, 305, 306, 309, 310, 339, 499, 502, 522, 527, 528, 626, 645, 664, 665, 694, 800, 861, 862, 929, 962, 964, 967, 1033, 1037, 1201, 1234, 1246, 1256, 1283, 1284, 1290, 1434, 1535, 1545, 1583, 1599 Rezeptionsästhetik 1466, 1525, 1531, 1532, 1533, 1539, 1544, 1547, 1549, 1550, 1600 Rezeptionsgrammatik 1260, 1546, 1644 Rezeptionsgrammatik / Verstehensgrammatik 297, 301, 1013, 1017, 1260 Rhythmus (Phonetik) 197, 449, 451, 836, 1003, 1551 Routineformel 248, 573, 574, 598, 948 Rückübersetzung 1043, 1044
S Satzgrammatik 262, 298 Schreiben (Fertigkeit) 26, 201, 255, 282, 310, 313, 328, 374, 412, 415, 419, 425, 427, 473, 478, 491, 492, 501, 511, 566, 797, 830, 930, 945, 961, 962, 963, 964, 965, 966, 967, 969, 983, 984, 992, 993, 994, 995, 996, 997, 1037, 1040, 1103, 1118, 1121, 1122, 1123, 1131, 1135, 1211, 1238, 1239, 1253, 1269, 1275, 1282, 1284, 1285, 1290, 1300, 1303. 1309, 1320, 1360, 1583, 1584, 1585, 1587, 1703, 1783 Schreibkompetenz 992, 1078, 1116, 1122, 1142, 1301 Schreiblernprozess / Schreiben lernen 511, 996, 997, 1123 Schreibprozess 966, 992, 993, 995, 996, 997, 1255, 1585, 1586, 1588 Schreibübungen 995, 996, 1278 Schreibwerkstatt 1142, 1255, 1583, 1585, 1586, 1587 Schriftlichkeit, s. auch Mündlichkeit 182, 266, 276, 325, 380, 412, 415, 422, 425, 440, 505, 511, 547, 773, 984, 1131 Schriftspracherwerb 1120, 1120, 1121, 1122, 1205, 1211 Schuleingangsuntersuchung 1068, 1087
Schulgrammatik / Schülergrammatik 538, 667, 1016, 1260 Schweizerdeutsch / Schwyzerdütsch 373 Schweizerhochdeutsch ⫺ Aussprache 376, 377, 378, 379 ⫺ Sprachgebrauch 379, 380, 381, 382 Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) 81, 161, 165, 378, 1035 Screening 1087, 1088, 1281, 1310, 1311 segmental 189, 190, 191, 196, 364, 587, 1002, 1003 Selbstbild 453, 1108, 1154, 1425, 1427, 1496, 1507, 1566 Selbstevaluation 856, 1150, 1155, 1185, 1276, 1282, 1366 Selbstwahrnehmung 1561, 1562 Semantik 218, 230, 233, 237, 242, 555, 562, 782, 786, 788, 810, 830, 1022, 1458, 1617 Semantisierung 310, 1023, 1024, 1026, 1042, 1247, 1253, 1254, 1255, 1368, 1396, 1461 Sequenzen, formelhafte 246, 1023 silbenzählend(e) Sprache 451, 588, 570, 662, 720 Skill-Acquisition-Theorie 808, 809 Sorbisch (Einfluss auf Deutsch) 442, 443 SOV-Sprache 555, 605 Soziolekt 351, 455, 1201 Soziolinguistik 266, 345, 350, 557, 744, 964 Sprach(en)politik 2, 3, 10, 15, 16, 17, 26, 35, 45, 51, 53, 54, 58, 77, 81, 92, 105, 107, 116, 124, 125, 127, 128, 129, 130, 133, 134, 138, 142, 144, 154, 155, 157, 158, 399, 557, 892, 1047, 1050, 1536, 1346, 1444, 1511, 1654, 1668, 1690, 1691, 17600, 1702, 1718, 1730, 1731, 1761, 1770, 1769, 1817, 12818, 1819, 1821 Sprachaufmerksamkeit 175, 1013, 1109, 1111, 1169, 1475, 1505 Sprachcoaching 1149 Sprachdiagnostik 8, 16, 65, 68, 1305, 1306, 1307, 1308, 1309, 1310, 1311, 1312 Sprache, pluriareale 361, 369 Spracherwerb, s. auch Erstspracherwerb / Zweitspracherwerb 1, 4, 7, 11, 17, 25, 114, 151, 162, 176, 177, 218, 293, 301, 330, 453, 519, 566, 676, 681, 739, 740, 741, 742, 743, 744, 747, 749, 756, 758, 777, 781, 782, 784, 785, 786, 787, 788, 799, 800, 801, 803, 805, 807, 808, 810, 811, 812, 813, 814, 819, 837, 843, 847, 862, 867, 868, 869, 879, 888, 890, 904, 905, 940, 941, 966, 979, 980, 981, 1000,
Sachregister 1010, 1011, 1013, 1014, 1027, 1033, 1057, 1089, 1117, 1196, 1244, 1260, 1397, 1312, 1313, 1335, 1450, 1455, 1460, 1462, 1578 Spracherwerbsbiografie 1085 Spracherwerbsforschung 7, 13, 66, 118, 177, 315, 521, 528, 685, 723, 738, 778, 789, 812, 842, 867, 941, 1008, 1022, 1023, 1259, 1306, 1460, 1699, 1784 Spracherwerbstheorien, s. auch Spracherwerb 740, 741, 1009, 1013, 1333 Sprachförderung 8, 10, 14, 16, 27, 45, 54, 66, 104, 114, 116, 118, 133, 135, 146, 148, 149, 152, 1052, 1078, 1083, 1086, 1087, 1088, 1090, 1091, 1987, 1344, 1533, 1591 Sprachgebrauch (Veränderungen) 411, 412 Sprachhandlungskompetenz 2, 7, 9, 10, 739, 745, 987, 1055, 1087, 1147, 1252, 1253 Sprachinsel 89, 92, 399, 401, 439, 1797 Sprachkompetenz(en) 36, 37, 38, 78, 117, 118, 145, 179, 180, 183, 294, 297, 787, 812, 859, 872, 880, 888, 892, 937, 961, 1014, 1035, 1070, 1087, 1110, 1123, 1133, 1211, 1238, 1289, 1299, 1300, 1309, 1312, 1313, 1321, 1355, 1429, 1498, 1511, 1522, 1514, 1517, 1651, 1722, 1798, 1837 Sprachkontakt 269, 345, 414, 432, 439, 447, 569, 596, 610, 611, 674, 681, 694, 720, 727, 886, 874, 909, 1099, 1312, 1624 Sprachlehr- und Sprachlernforschung 8, 25, 46, 47, 1074, 1673 Sprachlernberatung 15, 181, 1162, 1163, 1164, 1165, 1237 Sprachlerneignung 745, 831, 901, 902, 903, 904, 905 sprachliche Veränderungen 196, 200, 204, 284, 296, 346, 350, 381, 405, 406, 414, 415, 432, 434, 449, 452, 455, 757, 812 Sprachmischung 332, 435 Sprachmitteln 294, 323, 1040, 1041, 1044, 1945, 1046 Sprachprüfung(en) 2, 8, 16, 110, 112, 114, 117, 118, 159, 489, 511, 1119, 1120, 1147, 1269, 1272, 1275, 1282, 1289, 1290, 1291, 1292, 1295, 1296, 1299, 1480, 1505, 1639, 1666, 1700, 1737, 1772, 1829 Sprachstandsmessung 749, 1284, 1307 Sprachverband Deutsch für ausländische Arbeitnehmer e.V. 20, 109 Sprachverbreitungspolitik 48, 56, 59, 60 Sprachvergleich 174, 175, 178, 182, 207, 298, 518, 524, 526, 864, 865, 964, 978, 1106, 1109, 1359
1857 Sprachwandel 345, 346, 404, 420, 434, 455, 533 Sprachwissenschaft 6, 11, 19, 56, 174, 176, 179, 182, 183, 265, 331, 332, 334, 339, 345, 381, 405, 415, 467, 502, 506, 518, 580, 603, 610, 675, 681, 687, 720, 726, 764, 775, 777, 861, 864, 908, 909, 911, 1016, 1199, 1311, 1379, 1445, 1603, 1604, 1617, 1648, 1661, 1662, 1672, 1676, 1687, 1696, 1697, 1699, 1704, 1710, 1715, 1723, 1739, 1749, 1750, 1751, 1763, 1772, 1778, 1780, 1784, 1788, 1803, 1825 Sprechakt / Sprechakttheorie 257, 260, 261, 288, 582, 593, 926, 927, 1645 Sprechangst 746, 986, 987, 989 Sprechen (Fertigkeit) 83, 169, 198, 240, 241, 255, 331, 334, 414, 425, 427, 566, 594, 664, 797, 808, 830, 945, 961, 962, 963, 964, 965, 966, 967, 969, 971, 972, 975, 983, 984, 985, 988, 989, 990, 991, 1046, 1103, 1123, 1135, 1239, 1252, 1269, 1290. 1293, 1300, 1301, 1302, 1303, 1304, 1309, 1313, 1593, 1703, 1783 Sprecherdeixis 512, 597 Sprechhandlung 257, 260, 261, 262, 437, 510, 556, 598, 929, 1435 Standardaussprache 189, 190, 191, 193, 1003 Standardsprache 85, 190, 200, 327, 343, 346, 347, 349, 353, 360, 361, 363, 368, 373, 374, 375, 376, 377, 380, 385, 387, 388, 391, 392, 393, 395, 401, 403, 421, 434, 439, 973, 1303 Standardvarietät, s. auch Varietät 178, 190, 295, 338, 349, 350, 353, 354, 355, 361, 368, 376, 420, 421, 422, 428, 435, 1003, 1292, 1501, 1505 Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder (KMK) 63, 130, 137, 145, 490, 1264, 1269, 1401, 1640, 1741 Ständiger Ausschuss Deutsch als Fremdsprache (StADaF) 104, 137, 147 Stereotypen 334, 335, 338, 352, 395, 455, 556, 1220, 1254, 1383, 1386, 1387, 1398, 1423, 1424, 1425, 1426, 1427, 1428, 1434, 1473, 1475, 1476, 1486, 1488, 1502, 1507, 1513, 1515, 1535, 1764 Stiftung „ch-Austausch“ 162 Stil 178, 289, 311, 325, 327, 328, 339, 343, 345, 346, 351, 353, 354, 355, 379, 407, 411, 413, 414, 420, 426, 428, 432, 433, 434, 435, 436, 448, 453, 454, 455, 485, 498, 499, 502, 506, 513, 787, 993, 1255, 1447, 1460, 1474, 1522, 1573, 1575, 1585
1858
Indices Stoßton 545 Strategie, s. auch Lernstrategie 40, 230, 246, 250, 251, 252, 261, 279, 280, 297, 327, 335, 336, 411, 453, 463, 505, 522, 526, 527, 589, 590, 674, 741, 742, 757, 758, 777, 802, 804, 830, 831, 834, 840, 843, 845, 853, 864, 872, 888, 891, 897, 904, 905, 928, 929, 957, 058, 962, 966, 974, 975, 076, 979, 980, 981, 986, 987, 988, 992, 993, 996, 1024, 1027, 1035, 1056, 1064, 1121, 1122, 1149, 1152, 1154, 1155, 1158, 1159, 1160, 1182, 1184, 1185, 1197, 1208, 1239, 1266, 1277, 1292, 1428, 1367, 1371, 1417, 1423, 1434, 1455, 1458, 1460, 1461, 1472, 1501, 1507, 1551, 1580, 1586, 1587, 1597, 1600 Struktur-Lege-Technik 896 Studiengänge 3, 4, 6, 11, 13, 14, 15, 21, 22, 24, 25, 26, 27, 28, 30, 36, 37, 38, 39, 68, 78, 96, 104, 136, 149, 175, 181, 183, 218, 464, 778, 918, 1074, 1075, 1193, 1333, 1336, 1341, 1342, 1343, 1344, 1345, 1346, 1347, 1348, 1351, 1358, 1359, 1361, 1387, 1402, 1416, 1441, 1512, 1516, 1521, 1524, 1603, 1604, 1605, 1616, 1621, 1624, 1627, 1629, 1630, 1633, 1634, 1640, 1652, 1659, 1662, 1663, 1669, 1672, 1667, 1678, 1686, 1687, 1688, 1691, 1694, 1708, 1711, 1712, 1718, 1730, 1738, 1745, 1748, 1749, 1751, 1752, 1755, 1756, 1758, 1767, 1768, 1797, 1799, 1800, 1802, 1803, 1807, 1808, 1811, 1816, 1821, 1822, 1825, 1826, 1830, 1835, 1836 Studienkolleg 27, 48, 74, 145, 148, 1282, 1296, 1842 Studiensprache Deutsch 509 subjektive Theorien 895, 897, 898, 942, 1352 subjektive Unterrichtstheorien 1329, 1330 Substandardisierung 434 Südafrikanischer Germanistenverband (SAGV) 1808 Suffigierung 207, 228, 229, 230, 231, 232, 240, 675, 720, 735 suprasegmental 189, 190, 364, 1002, 1003 SVO-Sprache 665, 684 Synkretismen 211, 219, 570 Synonymie 239, 496, 735
T Tandem 29, 41, 422, 1005, 1014, 1188, 1189, 1190, 1191, 1210, 1237, 1238, 1417, 1658, 1659, 1715
Tandemkurse 1189, 1190, 1191, 1715 telc 141, 150, 170, 1275, 1292, 1294, 1295, 1300 Terminologie ⫺ Fach-/Wissenschaftssprachen 480, 496, 497, 513, 519, 738, 851, 983, 1048, 1049, 1051, 1066, 1266, 1414, 1538 ⫺ Grammatik 295, 533, 1016 ⫺ Phonetik 189 Terminologisierung 479, 496, 719 Tertiärsprache 525, 827, 828, 832, 1037, 1812 Tertiärsprachendidaktik 619, 828, 829, 830, 831, 1037, 1043, 1368, 1820 Tertiärsprachenforschung 522, 747, 827, 1368 Test des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF-Test) 111, 112, 1299, 1302, 1303, 1304 TestDaF (-Institut) 8, 147, 490, 1275, 1280, 1282, 1285, 1294, 1296, 1347, 1687 Testen (Testarten) 1289, 1290, 1291, 1298, 1333, 1360 Testen und Prüfen 8, 14, 117, 102, 1027, 1273, 1315 Text-Bild-Relation 504, 505 Textfunktion 276, 285, 286, 288, 289, 324, 325, 326, 997 Textgrammatik 173, 275, 278, 290 Textkompetenz 7, 9, 77, 179, 278, 831, 962, 1009, 1010, 1035, 1036, 1130, 1131, 1132, 1133, 1134, 1135, 1136, 1320, 1419, 1652 Textlinguistik 170, 275, 401, 541, 550, 551, 556, 566, 590, 613, 654, 657, 670, 681, 692, 694, 697, 730, 732, 735, 926, 927, 992, 1034, 1131, 1261, 1524, 1617, 1687, 1723, 1784, 1830 Textproduktion 275, 305, 308, 310, 462, 973, 1028, 1128, 1252, 1253, 1586, 1587, 1599 Textproduzent 280, 287, 325 Textrezipient 287, 325 Textschwierigkeit 966, 980 Textsorten 177, 238, 253, 275, 281, 284, 285, 286, 287, 288, 289, 290, 300, 332, 355, 408, 419, 425, 426, 461, 462, 467, 470, 483, 484, 485, 496, 498, 511, 554, 574, 581, 632, 963, 995, 1016, 1034, 1122, 1142, 1233, 1260, 1530, 1583 Textsortenkompetenz 281, 284, 290, 1290 Texttyp 285, 290, 408, 415, 461, 1035 Textualität 275, 276 Theater 989, 1142, 1174, 1479, 1508, 1556, 1584, 1589, 1590, 1591, 1592, 1593, 1596,
Sachregister 1609, 1625, 1691, 1699, 1717, 1724, 1791, 1799 Theaterpädagogik 1589, 1590, 1591, 1593, 1692 time-on-task-Prinzip 945 Toleranz 136, 168, 862, 865, 1140, 1423, 1429, 1447, 1473, 1489, 1498, 1536, 1688 Tonhöhe 197, 332, 427, 594, 622, 629, 674, 688, 707, 713, 783 Topic sentences 470 Topik / Topikalisierung 220, 221, 225, 280, 571, 595, 596, 597, 605, 648, 650, 685, 714, 721, 785 Transkulturalität 1139, 1140, 1248, 1384, 1525, 1526 Triangulation 768, 769, 1387 Türkendeutsch 449, 450
U Übergeneralisierung 541, 757, 774, 785, 786, 834, 986, 1060, 1425 Übersetzen 17, 151, 323, 324, 325, 326, 328, 329, 330, 693, 962, 950, 976, 1040, 1041, 1042, 1043, 1045, 1618, 1652, 1675, 1663, 1681, 1703, 1710, 1723, 1738, 1746, 1800 Übersetzer-/Dolmetscherausbildung 36 , 37, 562, 566, 634, 1041, 1046, 1295, 1745, 1765, 1782 Übersetzungskompetenz, s. translatorische K. Übersetzungsübungen 329, 580, 1045, 1788 Übungsgrammatik 301, 1258, 1261 Umgangssprache 57, 85, 346, 353, 360, 363, 364, 367, 374, 381, 387, 390, 420, 421, 448, 455, 473, 926 Universalgrammatik 741, 800, 801, 807, 873, 756, 800, 801, 802, 807, 837, 873 Unterrichtsanalyse 912, 1363, 1364, 1365, 1367 Unterrichtsforschung 772, 822, 823, 915, 950, 1067, 1108, 1236, 1363, 1364, 1367, 1371 Unterrichtsmethoden 102, 881, 898, 913, 956, 1022, 1367, 1382, 1507, 1649, 1828 Unterrichtsplanung 911, 912, 923, 933, 934, 935, 936, 937, 938, 1074, 1173, 1217, 1311, 1312, 1333 Unterrichtssprache 68, 73, 78, 84, 100, 354, 413, 891, 918, 1120, 1134, 1324, 1646, 1667, 1676, 1677, 1690, 1717, 1718, 1726, 1735, 1749, 1798, 1840
1859
V Valenz 6, 50, 221, 222, 225, 233, 249, 250, 295, 308, 310, 452, 533, 535, 539, 554, 555, 565, 573, 582, 586, 587, 595, 597, 637, 643, 654, 670, 675, 701, 729, 734, 978, 1016, 1675, 1830 Valenzwörterbücher 308 Validierung 85, 768, 896, 899, 1269, 1365, 1368, 1398 Varianten, sprachliche 344, 349, 353, 360, 361, 364, 369, 376, 377, 413, 420, 428, 970, 1259, 1295 Variantenwörterbuch 361, 375, 381, 395 Variationslinguistik 343, 345, 346, 419 Varietät, sprachliche 7, 140, 178, 182, 190, 206, 237, 295, 296, 298, 299, 317, 325, 338, 339, 340, 343, 344, 345, 346, 347, 350, 351, 353, 354, 355, 360, 361, 362, 368, 373, 375, 376, 385, 386, 390, 398, 399, 400, 401, 402, 414, 420, 421, 433, 434, 435, 436, 439, 447, 448, 449, 450, 452, 454, 505, 510, 522, 528, 862, 890, 1045, 1053, 1509, 1510 Verbalklammer 220, 573 Verbalsatz 535 Verein der Lehrenden für Deutsch als Fremdsprache an Hochschulen in der Schweiz (Ledafids) 164 Verstehensabsicht 972, 974, 975 Vielsprachigkeit 118, 1669 Vokalharmonie 720, 734 Vokallänge 192, 655, 661 Vokalspannung 191, 192, 193, 675 Vokativ 609, 517, 656, 669, 689, 728 Vorfeld (im Satz) 220, 221, 225, 299, 421, 587, 701, 1013 Vorstudienlehrgang 27, 74, 153, 158, 1296 Vorurteil 776, 940, 1141, 1398, 1423, 1424, 1425, 1426, 1428, 1429, 1472, 1507, 1535, 1580, 1581, 1675, 1764, 1779 Vorwissen 181, 324, 644, 681, 767, 776, 934, 938, 966, 970, 973, 976, 977, 978, 979, 980, 1022, 1057, 1111, 1253, 1277, 1325, 1327, 1487, 1532, 1539, 1540, 1579 VOS-Sprache 621
W Wahrnehmung 125, 189, 252, 268, 520, 743, 771, 782, 788, 811, 812, 818, 823, 837, 838, 853, 855, 860, 861, 898, 949, 977, 981, 1013,
1860 1014, 1015, 1080, 1111, 1134, 1153, 1160, 1162, 1204, 1210, 1248, 1325, 1331, 1332, 1365, 1366, 1374, 1398, 1424, 1425, 1426, 1427, 1435, 1446, 1462, 1474, 1475, 1531, 1536, 1537, 1538, 1566, 1580, 1596, 1597, 1598, 1599, 1600 Wahrnehmungsschulung 1462, 1548 wash-back-Effekt / back-wash-Effekt 1277 weil (Wortstellung) 408, 428 Weltwissen 277, 623, 739, 993, 1035, 1276, 1392, 1486, 1538 Wirtschaftsdeutsch 25, 27, 40, 57, 97, 239, 458, 459, 461, 462, 463, 464, 556, 619, 685, 1154, 1146, 1147, 1285, 1295, 1645, 1657, 1681, 1687, 1707 Wissenschaftssprache 10, 17, 91, 92, 94, 95, 96, 175, 177, 183, 237, 238, 239, 351, 477, 490, 491, 493, 494, 497, 498, 499, 509, 510, 513, 554, 654, 1054, 1055, 1057, 1058, 1347, 1416, 1670, 1719, 1724 Wortakzent 196, 197, 228, 229, 364, 451, 524, 552, 570, 588, 594, 609, 616, 621, 649, 664, 668, 674, 688, 694, 707, 713, 720, 727, 734 Wortartenwörterbücher 308 Wortbildung 175, 206, 210, 227, 228, 229, 231, 232, 233, 234, 238, 239, 240, 242, 279, 298, 309, 366, 378, 379, 409, 410, 427, 432, 435, 435, 436 ⫺ Entwicklungen 409, 410, 411, 440, 445, 460, 469, 479, 481, 488, 506, 519, 540, 541, 553, 572, 587, 589, 604, 635, 648, 654, 656, 664, 670, 676, 677, 691, 694, 696, 715, 716, 720, 722, 729, 735, 926, 927, 1054, 1056, 1150, 1231, 1253, 1311, 1461, 1813 Wörterbuchbenutzungsforschung 304, 305, 306, 1028, 1254 Wörterbuchdidaktik 304, 307 Wortklasse 315, 595, 597, 689, 690, 602 Wortmelodie 649 Wortschatz (Entwicklungen) 408 Wortschatzarbeit 252, 312, 566, 1022, 1025, 1026, 1028, 1044, 1150, 1252, 1253, 1254, 1255, 1256, 1461, 1599 Wortstellung 209, 211, 219, 225, 279, 407, 408, 428, 483, 555, 587, 595, 602, 605, 629, 630, 631, 635, 642, 648, 681, 690, 691, 701, 707, 708, 717, 721, 722, 733, 784, 801, 804, 839, 1012, 1017
Indices
Z Zentrale Oberstufenprüfung (ZOP) 1294, 1295, 1779 Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) 41, 47, 48, 102, 104, 136, 137, 138, 144, 147, 171, 1623, 1640, 1656, 1603, 1608, 1609, 1640, 1665, 1707, 1811, 1841 Zertifikat Deutsch (ZD) 8, 85, 156, 355, 973, 924, 927, 1100, 1284, 1290, 1292, 1293, 1294, 1295, 1505, 1687, 1737, 1742 Zertifikat Deutsch als Fremdsprache 925, 926, 927 Zertifikat Deutsch für den Beruf 1285, 1294 Zertifikat Deutsch für Jugendliche 1292, 1294 Zertifikat(e) 113, 914, 925, 926, 927, 1193, 1273, 1275, 1289, 1294, 1295, 1296, 1306, 1316, 1672, 1771, 1779, 1786, 1802, 1836, 1843 Zertifikatslehrgänge 1090, 1358, 1359 Zertifikatsprüfung 928, 1291 Zuwanderung 8, 15, 54, 65, 67, 107, 108, 109, 110, 114, 118, 149, 749, 1096, 1097, 1299, 1302, 1304, 1359, 1489, 1495, 1737, 1839, 1840 Zuwanderungsgesetz (Deutschland) 67, 109, 110, 117, 149, 414, 1096, 1097, 1299, 1346, 1359, 1489 Zuwanderungsgesetz (Österreich) 112 Zweisprachigkeit 66, 83, 373, 374, 382, 402, 441, 1010, 1074, 1312 Zweitschrifterwerb 1117 Zweitsprachendidaktik 999, 1074, 1583, 1590, 1591 Zweitsprach(en)erwerb 66, 69, 115, 309, 520, 521, 522, 524, 738, 739, 754, 760, 755, 762, 805, 810, 840, 867, 868, 869, 870, 877, 878, 880, 887, 888, 890, 909, 941, 1011, 1057, 1064, 1074, 1079, 1087, 1123, 1333 Zweitsprach(en)erwerbsforschung 25, 723, 739, 745, 749, 754, 755, 761, 802, 807, 861, 909, 1005, 1022, 1023, 1024, 1259, 1699, 1836 Zweitsprachenprüfung 1299
Personenregister A Abdülhayog˘lu 722 Abel 308 Abraham 218, 641, 1575 Abrahamsson 839, 868, 869, 870, 871, 872, 873, 874 Abrams 1185 Abuja 1050 Abutalebi 872 Achtenhagen 908, 912 Ackermann 1560, 1572 Ackroyd 1590 Acosta 702 Adachi-Bähr 593 Adamcova´ 697 Adamson 522 Adamzik 178, 182, 275, 276, 284, 285, 286, 287, 288, 289, 290, 581, 1016, 1034 Adelung 362 Adolphs 251, 1525 Adorno 1562 Agar 1461 ´ gel 250, 420, 425, 426, 427, 734 A Aguado 318, 768, 769, 771, 838, 1011, 1023, 1027 Ahlgren 648 Ahmad 532 Ahrenholz 66, 69, 744, 749, 1009, 1010 Aitchison 241, 311, 1247 Akin 1573 Al-Baharna 1154 Albers 532, 775, 1055 Albrech 439 Albrecht 1416 Alderson 1277 Alekseeva 1780 Alexander, I. 399 Alexander, R. 1316 Alexandreia, von 1177 Alfes 1333 Allport 1424 Allwright 1364, 1367, 1373, 1374 Altenberg 318 Altenhofen 1625 Alter, P. 45 Althaus 1381, 1426, 1441, 1444, 1476, 1487, 1514
Althoff 1569 Altmann 232 Altmayer 5, 36, 176, 1329, 1334, 1381, 1382, 1386, 1403, 1407, 1408, 1409, 1432, 1433, 1436, 1438, 1441, 1443, 1449, 1450, 1456, 1461, 1467, 1469, 1470, 1472, 1473, 1474, 1475, 1479, 1485, 1485, 1486, 1517, 1526, 1535, 1545, 1547, 1550, 1565, 1566 Altmeyer 914 Altrichter 915, 1352, 1353, 1371 Ambrazas 616, 617, 618 Amirsedghi 1572 Ammann 255 Ammer 1219, 1385, 1468, 1480, 1514, 1515 Ammon 27, 35, 58, 59, 60, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 98, 102, 103, 105, 178, 346, 349, 350, 355, 361, 367, 375, 376, 377, 379, 381, 395, 412, 422, 551, 878 Amodeo 1572 Anders 394, 1003 Andersen 1757 Anderson 808, 944, 949, 955, 1371, 1559 Andress 1835 Andrews 864 Andriamanantseheno 623 Androutsopoulos 338, 352, 432, 433, 435, 450, 451, 453 Annas 1807 Anschütz 469, 471 Anstatt 674 Antoniadou 637 Antos 66, 275, 460, 997 Apelt 1155, 1456, 1457 Apeltauer 28, 69, 749, 834, 839, 840 Apfelbaum 1191 Appel, G. 820 Appel, J. 1352 Arbuzov 1725 ˚ rhammar 443 A Aristoteles 255, 256 Arnold, E.J. 1216 Arnold, H. 1569 Arnold, M. 941, 947 Arnold, P. 1193, 1194, 1195 Arnold, R. 1194 Arntz 480 Arold 565 Artemcˇuk 726, 728
1862
Indices Asher 1001 Askedal 219, 648 Assmann, A. 1427, 1556, 1559 Assmann, J. 1427, 1556 Aston 318 Ates 1140, 1141 Attaviriyanupap 706, 709 Auer 265, 333, 337, 338, 344, 346, 352, 414, 419, 425, 449, 450, 451, 452, 453, 454, 455, 511, 588, 720 Auernheimer 1138 Auerochs 1555, 1556, 1557 Augustin 582 Austin 255 256, 257 Ausubel 1540
B Baca 879 Bach 1352 Bachmair 1163 Bachmann, L. 1265, 1278, 1290 Bachmann, S. 1217, 1221, 1416, 1425, 1474, 1476 Bachmann, T. 375, 381 Bachmann-Medick 1408, 1418, 1535 Badstübner-Kizik 1385, 1462, 1474, 1599, 1600 Bærentsen 545 Baethge 468 Ba´ez Osorio 1709 Bagossy 472 Baguette 1191 Bahr 1368 Baktir 1504 Balaisˇis 618 Balassi 635 Balay 95 Baldegger 261, 927, 1292 Baldwin 785 Balle 994 Ballstaedt 1247 Ballweg 1211, 1236, 1512 Bally 246 Balode 1727 Balzer 702 Bandura 794 Bannert 545 Baran 1001 Baranov 674 Barberis 588
Bärenfänger 769, 770 Barkhuizen 319, 777 Barkowski 63, 65, 66, 115, 189, 1097, 1219, 1260, 1383, 1403 Barron 556 Barth 326 Bartnicka 654 Bartnitzky 935 Barton 1118 Barz 228, 229, 230, 232, 233, 239, 240, 305, 308, 309, 411, 1645 Basbøll 545 Baschewa 539 Bascun˜a´n 1634 Ba˚sk 464 Basler 440, 445 Bassarak 721 Baßler 179, 347, 354, 355, 422, 511 Bassola 734 Basteck 1516 Bastian 581 Bates 784, 814, 839, 978 Batts 1522, 1524 Bauböck 107, 115 Bauer, A.W. 468 Bauer, U. 59 Bauer, W. 1245 Baum 503 Baumann, B. 748 Baumann, K.-D. 286, 498 Baumgratz 1458, 1525 Baur 67, 85, 881, 1075, 1076, 1077, 1078, 1243, 1343, 1356, 1357, 1358, 1359, 1361 Baurmann 1160 Bausch 3, 13, 24, 41, 179, 765, 907, 909, 910, 912, 914, 929, 930, 941, 1009, 1034, 1043, 1061, 1167, 1170, 1217, 1266, 1268, 1269, 1292, 1514, 1820 Bausinger 1425, 1432, 1525 Bauzˇiene˙ 619, 1731 Baymak-Schuldt 1116 Be´chet-Tsarnos 460 Bechs 544 Bechtel 1191, 1394, 1397 Becker, F. 1373 Becker, M. 1148 Becker, N. 1056 Becker-Mrotzek 987 Beckett 1175 Beczner 735 Beerbom 702 Beer-Kern 64
Personenregister Beers 1245 Behal-Thomsen 1248, 1426, 1476 Behme 1177 Beier 1219 Beissner 1786 Belke 1111, 1551, 1578 Bell 770 Bellmann, G. 346, 386, 442 Belz, J. 1185, 1209 Bemile 1667, 1669 Bendel 463, 506 Benedict 1406, 1407 Benedikter 495 Beniuliene˙ 618 Benjamin 1562 Benninghoff-Lühl 1754 Bense 1643, 1644 Benseler 1836 Benzian 532 Berdychowska 657 Bereiter 992 Berend 350, 399, 414, 421, 427, 429, 889 Berg, E. 1392, 1408, Berg, C. 1733, 1734 Bergenholtz 545, 623, 625, 1645 Berger, M. 829 Berger, P. 419 Berger, T. 675, 711, 715 Bergmann, A. 677 Bergmann, J. 259 Bergmann, K. 1481 Bergner 414 Berkemeier 635 Berkemeyer 1237 Bernardini 317 Berndt 867, 896, 898 Bernhard 367 Bernhardt 976 Bertaux 1524 Bertino 1591 Bertoncini 783 Besch 345, 386, 414 Betten 426 Bettermann 1460 Betz 420, 426 Beuchling 1839 Bextermöller 462 Beyrer 670 Bhola 1117 Bhück, von 1341 Bianco 586 Biber 316, 325
1863 Bickel 81, 374 Bickes 637 Biebighäuser 1210 Biechele, B. 1597 Biechele, M. 1208, 1232, 1235, 1403, 1433, 1447, 1509, 1513 Bienek 1561 Biere 505 Biermann Stolle 1709 Biffl 75, 76 Bilal 533 Billmann-Macheta 1334 Bilut-Homplewicz 657 Bimmel 843, 844, 847, 934, 937, 1159 Biondi 1572, 1574 Birdson 868, 869, 871, 872, 873 Birkenmaier 676 Birkner 331, 333 Birzniece 916 Bischof 1550, 1567 Bismarck 97 Blacher 1725 Black 1315, 1318 Blankenhorn 400 Blasco Ferrer 586, 587 Blau 482 Blei 22, 44, 54 Bleibtreu 454 Bleicher 1572 Blell 1597 Blex 1346 Bley-Vroman 802, 803, 804 Bleyl 1061 Bliesener 472 Block 1328, 1373 Blohm 534 Bloom, H. 1559 Bloom, L. 785, 788, 789 Bloomfield 795 Blühdorn 660 Blum 1374 Blum-Kulka 327, 332, 522, 1367 Blumenthal 581, 586, 590 Boas, F. 1406 Boas, H. 400 Bobinac 1719 Bochmann 670 Bock-Schappelwein 75, 76 Bock, G. 306 Bock, H.M. 1448 Boeckmann 77, 78, 117, 953, 954, 955, 957, 1345, 1358, 1367, 1373, 1383, 1416
1864 Boers 252, 1022 Boesch 375, 377 Boeschoten 723 Bogaards 1023 Bogatyrewa 1458 Bogner 1415, 1416, 1524 Böhm 1647, 1648, 1809 Böhme 1396 Bohn 967, 992, 993, 995, 1022, 1024, 1025, 1026, 1027, 1256 Bohnen 1645 Bohusˇova´ 694 Bollenbeck 1405 Bolte 990 Bolten 458, 958, 1526 Bolton 775, 985, 1275, 1590 Boly 1787 Bommes 110, 115, 118 Bonfadelli 1495 Bongaerts 903 Bonin 795 Boo´cz-Barna 736, 1365 Boosch 879 Bork 52 Born 89 Börner 877, 993, 1009, 1252, 1583, 1586 Bornstein 785 Borsukova´ 694, 697 Bortz 765, 766, 769, 770, 772, 774 Bos 892 Bosco Coletsos 586, 588, 589, 590 Bose 270, 984, 987 Bosque 702 Bosse 1417 Böttcher 510, 511 Bottesch 399, 1771 Böttger 674, 675, 676 Boubia 1739 Bouchara 178, 533, 536 Bourdages 1001 Bourdieu 889, 890, 1428, 1494 Bourhis 879 Bourke 1592 Bowker 317 Braga 92 Braine 785 Brammerts 1046, 1165, 1190, 1191, 1210, 1237 Brand, K. 498 Brandone 785 Brandt, G. 1727 Brandt, S. 785
Indices Brandt, W. 1775 Braucek 701 Bräuer 996, 1590 Braun, F. 556 Braun, K. 46 Braunert 1056 Braunmüller 681, 682 Brdar 735 Brdar-Szabo´ 735 Brecht, B. 1638 Brecht, R. 1834, 1835 Breckle 464, 681, 684, 685, 1782 Bredella 1392, 1393, 1394, 1395, 1398, 1513, 1517, 1531, 1537, 1539, 1540 Breen 1148, 1373 Breindl 175, 183 Breinig 1139 Breitkopf 677 Breitung 953, 954, 1217, 1222 Briesemeister 1457 Brinitzer 301 Brinker 268, 275, 276, 277, 278, 280, 284, 286, 287, 288, 289, 458, 1587 Brinkmann 1121 Brisson 1593 Brizic´ 9, 115, 747, 749, 891, 1132 Brockmeier 1130 Brohy 82 Bromme 1324, 1331 Bromwich 1559 Bronsert 670 Brophy 1367 Brosius 774 Brown, D. H. 941 Brown, J. D. 765, 768, 769, 770, 772, 776, 1280 Brown, P. 269 Brüggelmann 1121 Bruha 126 Bruner 798, 821, 1326,1327 Brünner 462, 987 Brunzel 1476 Bruun Hansen 1645 Bryan 1569 Brysch 1590 Bublitz 555 Bubner 1392 Bucher 505 Buchholtz 1725 Buchholz 606 Büchner 1555 Bücker 336
Personenregister Budin 581 Büffel 1234 Bühler 255, 256, 288, 324, 1552, 1583 Buhlmann 1053, 1056, 1100, 1102, 1103, 1219, 1300 Bührig 267, 269, 514 Bujaldo´n de Esteves 1610 Bukevicˇiu¯te˙ 616 Buncˇic´ 555 Burden 1154 Burger 246, 247, 248, 249, 251, 502, 505 Burgschmidt 552, 553, 554, 555 Burns 1352, 1354, 1371, 1372 Burr 580 Burri 375, 377 Busch, B. 73 Busch, D. 1417 Busch-Lauer 470, 556 Buscha 50, 174, 218, 261, 295, 296, 299, 301, 667, 1026, 1259, 1260 Busche 1403 Busek 139 Businger 375, 378, 381 Buß 889 Busse 443 Bußmann 557 Buttaroni 1123 Buttjes 1449, 1454, 1459, 1460, 1472, 1523 Butulussi 634, 637, 638 Butzkamm 526, 527, 961, 1026, 1042, 1043 Buytendijk 1177 Bybee 209, 837 Bykova 1780 Byon 860 Byram 1380, 1398, 1399, 1448, 1513, 1514, 1515, 1517 Byrnes 1837 Bytel 711 Bzde˛ga 656
C Cajot 641 Calan˜as 702 Calvert 1165 Camilleri 253 Canale 1265, 1279 Canbulat 721 Canetti 1561 C ¸ ankay 722 Canning 1676
1865 Cantone 805 Capirci 785 Cappai 1416, 1488 Carigiet 82 Carl 179 Carletta 319 Carlisle 999 Carlsson 681 Carnap 255, 256 Carr 1374 Carrington 95 Carroll 901, 902 Carstensen 443 Cartagena 298, 698 Carter 317 Cary 1569 Casenhiser 838 Caspari 1352, 1397 Casper-Hehne 36, 491, 510, 1343, 1347, 1378, 1443 Cassirer 1562 Castell 178, 700, 701, 702 Castro 1634 Catala` 702 Catalani 587, 590 Cebulla 458 Cedden 836 Celan 1561 Celce-Murcia 1009 Cenoz 520 Centeno Garcia 496, 511 Ceplı¯tis 612 ˇ ervenkova´ 694, 696 C Ceylan 454 Chamot 842, 843, 844, 846, 847, 1158 Champagne-Muzar 1002 Chan 845 Chapelle 854, 855, 1206 Charpentier 1597 Chatziioannou 636 Chaudron 775, 1061 Chavez 1184 Chen, S. 1053, 1056 Chen, T. 1044 Cheon 603 Cherubim 1062 Chiellino 1560, 1568, 1572, 1574 Chien 860 Chilcoat 1569 Chirit¸a˘ 668, 669 Chlosta 1078, 1079 Cho, Ch. 603
1866
Indices Cho, J.-S. 602, 603, 604 Cho, K.-H. 607 Cho, Y. 606 Chomenko 729, 787, 788, 796, 798, 799, 800, 804, 1264 Chong 90, 91, 603 Choueka 318 Christ 28, 144, 765, 912, 1034, 1035, 1359, 1392, 1393, 1394, 1395, 1398, 1444, 1456, 1513, 1517 Christen 374 Churchill 326 Cindark 433 Ciompi 1327 Cirko 178 Clahsen 66, 804, 839, 871, 888, 909 Clalüna 114, 1384, 1502, 1510 Clark 784 Clarke 434 Clausen 544 Claußen 1162 Cle´ment 879, 1152 Clyne 130, 328, 350, 361, 400, 414, 450, 499, 510, 551, 556, 1416, 1612 Cobb 317 Cohen 842, 843, 845, 846, 873, 891 Colliander 300, 464, 544, 545, 1492, 1644, 1645 Colombo 986 Colucci 829 Comenius 911, 922 Conrad 317 Cook 801, 871 Cook-Gumperz 331 Cope 1587 Corbin 776 Corder 319, 833, 834, 1060, 1063 Cordon 1789 Cornell 555 Coseriu 1062 Cos¸kun 720 Costa 586, 588, 590, 591, 1485 Cote 785 Cotterall 1159 Coulmas 598 Coulthard 1366 Cowie 253 Cox 1634 Crabbe 1159 Croft 260, 789 Cros 1597 Crueger 479
Cruse 555 Csato´ 720 Csize´r 1155, 1828 Culley 1165 Cummins 744, 869, 891 Cunningham-Andersson 1003 Curcio 586, 589, 591 Czarnecki 656 Czechowska-Błachiewicz 654, 656 Cziesla 1634 Cziko 879 Czochralski 654, 656
D Dahlhaus 1201 Dahrendorf 1467, 1568 Dali 1599 Dallapiazza 1504 Dalmas 581, 582 Dam 1315, 1318 Damm 301, 994 Danesˇ 268, 280 Daniels 1505 Dann 1330, 1331 Darmojuwono 1686, 1687 Darwin 482 Dauvillier 1177 Davidheiser 1183, 1837 Davies 871, 874 Davis 783 Day 243 De Bot 872, 1002 De Bruyne 700 De Cillia 76, 78, 138, 367, 1087, 1088, 1091, 1133, 1344 De Cubber 641 De Florio-Hansen 1025, 1026 De Graaff 1750 De Leeuw 1220 De Pontonx 581 De Smet 442 Deacon 784 Debiasi 935 De´byser 1060, 1064 DeCarrico 250, 252 Dechert 844 Decker 1014, 1108, 1110 Dehn 1112, 1122 DeKeyser 808, 809, 811, 868, 869, 870, 871, 872, 873, 874, 1014
Personenregister Delattres 551 Dell 1247 Delmas 21, 1460 Delouis 1514 Demmig 1183, 1184, 1185 Demonte 702 Demorgon 1490 Demuth 782 Dennis 1839 Dentschewa 541 Denzin 769, 843 Deppermann 259, 260, 262, 265, 505 Dereli 722 Derhartunian 1186 Derrida 1551 Derwing 1002 Desselmann 50, 961 Detlaf 479 Dettmer 1740, 1741, 1742 Deutschmann 1468 DeVoretz 117 Dewey 1172, 1371, 1372 Di Luzio 331, 332, 333, 337 Di Meola 407, 586 Di Pietro 1170 Diaby 1648 Diallo 1787 Diatlova 461 Dı´az Garcı´a 1723 Dickgießer 89 Diderichsen 544 Diehl 180, 225, 742, 839, 1012 Diekmannshenke 505 Dieling 1004 Diessel 785 Dietrich, E. G. 1711 Dietrich, I. 1216 Dietrich, R. 21 Dietz 1016 Dijk, van 289 Dikova 542 Dillmann 593 Dilthey 494, 495 Dimitrova 541 Dimova 539, 540, 541, 1628, 1630 Dimroth 867, 869, 870, 873 Dimter 284 Dini 609 Diokles 255 Diop 1787 Dirim 338, 352, 414, 449, 451, 452 Dirks 776
1867 Ditlevsen 1645 Dittmar 66, 344, 345, 347, 351, 354, 775, 887 Dittmer 544 Ditz 472 Dixon 784 Döblin 429 Dobrovol’skij 246, 556, 673, 674, 1780 Dobstadt 1385, 1551 Doelker 1597 Dolch 921 Dolezal 305 Döll 1312 Domı´nguez 701, 702 Domisch 914 Domke 462 Donalies 233, 552 Donath 1209, 1237 Donato 1325, 1327 Donato 821, 822, 1328 Donec 1779 Dore 783 Dorfmüller-Karpusa 637 Dornseiff 238 Dörnyei 748, 774, 843, 850, 851, 855, 856, 878, 879, 902, 1154, 1155, 1828 Doughty 1170 Doye´ 1485 Draper 1834 Draye 641 Dreischer 1767 Drenda 396 Drescher 288, 581 Dressler 276, 353, 590 Dreyer 301, 1260, 1261 Drozdova 1778 Drumeva 539, 1630 Drvenkar 1573 Dubis 1119 Duckstein 532, 534, 535 Duesberg 1486, 1512, 1524 Dufeu 1590 Duff 1374 Dunn 1644 Dupont 1597 Dupoux 902 ˇ urcˇo 694, 696 D Durrell 178, 179, 351, 422, 428, 551, 554 Dürscheid 375, 378, 381, 414, 425, 426, 432, 433, 505 Dustmann 888 Duszenko 1217, 1219 Düwell 59, 1155 Duxa 65, 1079, 1336, 1352, 1360
1868
Indices
E Eagleton 1405 Ebert 462 Ebi 593, 594 Ebner 360, 361 Ecke 743, 1028 Eckert 615, 616, 617, 618 Eckerth 742, 1021, 1170, 1447, 1525 Eckes 1427 Eckkrammer 284, 288, 556 Eckman 999 Edelhoff 1034, 1351 Edelmann 1325 Eder, H. 284, 556 Eder, U. 56 58, 73, 1577, 1578, 1579, 1581 Edge 1063 Edmondson 739, 801, 861, 878, 881, 901, 941, 1061, 1074, 1488 Eeg-Olofsson 318 Efthimiou 636 Eggers 20 Eggs 280 Eg˘it 722 Ehler 983 Ehlers 26, 980, 1035, 1355, 1460, 1533, 1537, 1538, 1540, 1547, 1548, 1549, 1578 Ehlich 7, 35, 125, 174, 178, 179, 183, 216, 258, 259, 261, 262, 266, 267, 269, 276, 278, 287, 332, 406, 491, 497, 509, 510, 512, 513, 514, 596, 597, 984, 1053, 1057, 1058, 1080, 1102, 1130, 1183, 1308, 1367, 1561 Ehnert 21, 23, 28, 422, 1203, 1348 Ehrman 850, 851, 855, 856 Eibl 1229 Eichheim 1534, 1547 Eichhoff 361, 395 Eichhoff-Cyrus 413 Eichinger 175, 178, 179, 228, 232, 233, 354, 399, 400, 405, 406, 409, 411, 429, 439, 441, 444 Eideneier 636 Eins 444 Eisenberg 202, 212, 218, 296, 298, 408, 411, 1259 Eisenreich 483, 490 Eismann 1217, 1533 Eissenhauer 533 Eitz 306 El Akshar 533 El Nady 533 El-Said Badawi 532
Elena 701 Elfert 1117 Elgibali 532 Elias 1404, 1562 Elliott 1001, 1372 Ellis, G. 957 Ellis, N. C. 175, 181, 250, 810, 811, 812, 814, 837, 946, 948, 949, 1011, 1012, 1013, 1014, 1024 Ellis, R. 319, 519, 739, 758, 761, 777, 801, 804, 846, 856, 878, 880, 890, 891, 1013, 1167, 1168, 1169 Elman 814 Elnashar 533 Elspaß 361, 395, 420, 429, 1675 Elstermann 269 Emons 555 Endzelin/Endzelı¯ns 609, 610, 611, 612 Engberg 545 Engel 147, 178, 218, 295, 297, 298, 299, 301, 654, 657, 667, 670, 671, 692, 926, 1218, 1259, 1260 Engelberg 306, 310 Engelkamp 1246 Engin 1085, 1086, 1498 Engler 1238 Enninger 332 Enzensberger 1533 Epp 1526 Erdheim 1428 Erdmenger 1467 Erickson 268, 331, 333 Ericsson 685 Erll 1427 Ermert 285 Eroms 218, 280, 289 Ertelt-Vieth 1387, 1435, 1486 Eschbach-Szabo 594 Eschenbach 648 Esselborn 1536, 1561 Eßer 288, 510, 511, 953, 954, 955, 958, 992, 993, 1383, 1403 Esser, E. 774 Esser, H. 115, 888, 892 Essinger 1138 Ettinger 1256 Even 301, 1590, 1593, 1692 Evert 247, 318 Ewers 1577 Ewert 1562
Personenregister
F Fabricius-Hansen 225, 544, 582, 648, 651, 1521, 1644 Fairclough 860 Faistauer 967, 996, 1121, 1123, 1125 Fandrych 3, 11, 28, 29, 36, 37, 175, 177, 178, 179, 181, 228, 230, 232 , 240, 277, 284, 289, 290, 299, 301, 316, 510, 511, 512, 513, 514, 556, 815, 962, 983, 1009, 1013, 1014, 1016, 1017, 1026, 1037, 1230, 1260, 1261, 1521, 1526, 1742 Fanselow 801 Färber 1109 Farø 545 Farrell 1371 Fathmann 890 Faucher 580 Fearns 1053, 1054, 1056, 1219 Fehlen 1732, 1733 Feilke 992, 996, 1133 Felbiger 58 Feld-Knapp 1829, 1831 Feldhendler 1590 Felix 597, 801, 802, 803, 804 Fellbaum 252 Felser 871 Ferenbach 1255 Feret 656 Ferrer 702 Feuser 1754 Feuz 85, 422 Fiehler 427, 987, 1416 Fienemann 269 Figge 281 Filipenko 674 Fink, G. 25 Fink, M. C. 1514, 1515 Finke 996 Firges 1458 Firnhaber-Sensen 472, 1055 Firth 246, 247 Fisch 1403, 1404, 1405, 1406 Fischäss 1592 Fischer-Jørgensen 545 Fischer, D. 1138 Fischer, F. 1245 Fischer, J. 1689 Fischer, Kerstin 177 Fischer, Klaus 174, 555 Fischer, R. 1384, 1502, 1508 Fischer, S. 986
1869 Fischer, W. 531, 534, 535 Fischhaber 1245 Fishman 266 Fiske 504, 506 Fix 275, 276, 287, 288, 289, 505, 506 Flagner 671 Flanders 1364 Flechsig 913 Fleck 470 Flege 870, 871, 1000, 1001 Fleischer 228, 233, 246, 247 Fleming 1398 Flick 768 Fluck 355, 479, 480, 490, 627, 1053 Flüe-Fleck 82 Flügel 82 Flynn 802 Földes 735, 736, 1415, 1416 Fonlon 1702 Forga´cs 735, 1828, 1831, 1832 Forsberg 251 Forssman 611, 612, 613 Forster 1562 Foschi 290, 581, 1696 Foster 817, 818, 819, 822, 823 Fotos 1009, 1014 Foucault 1320, 1408 Fox 551 Fraas 239 Fra˛czek 657 Francis 252 Franke 285, 288 Frankenberg-Garcia 317 Franklin 783 Fredriksson 683, 739, 742 Fredsted 545 Freedman 1587 Frege 256 Frei 270 Freiberg 1734 Freinet 1158, 1211, 1216 Freire 1211, 1487 Freud 496, 793, 1177, 1562 Frey 923, 1002, 1173 Freytag 1839 Freywald 449, 452 Fried 1087, 1308 Friedrich, F. 843 Freidrich, K. 1026 Fries 635, 636 Friese 776 Frisch 378
1870
Indices Fritz 278, 279, 280, 912, 967 Fritzsche 1484 Friz 1514 Fuchs 422, 1392, 1408 Füglein 352, 449, 453 Fuhrhop 229 Funk 936, 944, 949, 1054, 1079, 1146, 1150, 1205, 1261 Furaschowa 1617 Furdı´k 696 Furman 1834 Fürstenau 1138
G Gabler 459 Gabriel 74 Gächter 74, 75, 108 Gadamer 1545, 1546 Gadusˇova´ 697, 1794 Gage 915 Gagelmann 472 Gaidosch 1384 Gallmann 407, 586 Gamper 1206 Gansel 174, 275, 285, 289 Garcı´a 1001 Garcı´a Lecumberri 869 Garcı´a Mayo 869 Gardner 746, 851, 877, 878, 879, 880, 1152, 1154 Garleff 615 Garrett 862 Garza 880 Gaskell 317 Gaskill 269 Gass 739, 772, 820, 890 Gatbonton 949 Gauger 298, 699 Gautier 581 Gawrisch 93 Geert, van 788 Geertz 1408, 1435, 1437, 1535 Gehring 1494 Gehrmann 1717, 1719 Geiger 375, 376, 377, 381 Geist 676 Genesee 879 George 582 Georges 921 Gepp 1579, 1580
Gerdzen 1112 Gerhold 1425, 1474 Gerighausen 1382 Gerlach 482 Gerner 1341 Gernsbacher 788 Geulen 1537 Ghobeyshi 1479, 1568 Gibbson 524 Gick 1165 Gienow 1597 Gierden 701 Gil 700, 1803 Gilbertson 784 Gimber 1803 Ginsborg 787 Giordani 586 Glaap 1037 Glaboniat 3, 929, 930, 1103, 1267, 1275, 1289, 1290, 1291, 1391, 1461, 1700 Gladrow 673, 674, 676, 678 Gläser 556 Glaser 767 Glenk 664 Glinz 298 Glisˇovic´ 1790 Glovacki-Bernard 692, 1719 Glück, H. 20, 23, 24, 29, 55, 56, 57, 61, 90, 908, 1033, 1342, 1694, 1696 Glück, E. 1725 Glumpler 65 Gluschak 1617 Gnahs 915 Gnutzmann 526, 859, 860, 941, 1046, 1065, 1068, 1447, 1456 Göbel 20 Goebl 73, 401 Goethe 236, 1555, 1637 Goffman 266, 1108, 1415 Gogolin 4, 152, 179, 1078, 1085, 1088, 1091, 1131, 1138, 1307, 1308, 1312, 1358 Göhlich 1140 Gojmerac 1719 Göksel 720 Goldberg 260, 838, 1834 Goldman-Seagall 1245 Goldschmidt 582 Goldschneider 811 Golinkoff 782, 783, 788 Gölitzer 1234 Göller 1396 Gombert 787
Personenregister Gomolla 115 Gomsu 1704 Gönner 461 Gonzales 1450 Good 1367 Goode 1593 Goodman 784 , 839 Goody 1130 Göpferich 470, 487, 488, 489 Gorak 1559 Gordon 784 Gorer 1407 Gorlatov 1617 Gorozˇania 674 Gößling 1331 Göttlich 1418 Gottsched 362 Götz 552, 553, 554, 555, 844, 1028 Götze 1, 19, 23, 25, 29, 30, 44, 53, 173, 174, 175, 295, 296, 301, 636, 914, 965, 1138, 1140, 1216, 1217, 1219, 1259, 1260, 1426, 1432 Gotzmann 488 Grab-Kempf 700 Grabe 1479 Graefen 175, 177, 180, 497, 511, 512, 513, 514, 984, 1016 Gräfe 1742 Grafton 499 Grandage 251 Granger 252, 318, 319 Grass, G. 1561 Grass, T. 581 Grätz 1208 Gre´ciano, G. 579, 581 Gre´ciano, Ph. 580, 581 Green 1067, 1068 Greenwood 1374, 1375 Greidanus 243 Greimas 280 Grein 593, 599 Gremmo 1158 Grenfell 843, 912, 1353 Greule 506 Greve 1364 Grewenig 505 Grice 257, 260 Gries 247, 504 Griesbach 46, 925, 1216 Grießhaber 69, 175, 179, 514, 526, 721, 723, 777, 1009, 1010, 1011, 1057, 1081, 1183 Griffiths 854
1871 Griggs 1644 Grimm, E. 1559 Grimm, H. 1306, Groeben 895, 896, 897, 1330 Groenewold 1482, 1565, 1566 Grommes 318 Groos 1177 Grosjean 871 Groß 470 Gross 1123 Große 285, 1380 Grotjahn 745, 765, 767, 768, 769, 770, 775, 852, 855, 862, 868, 869, 870, 871, 873, 878, 879, 895, 896, 897, 898, 1001, 1002, 1065, 1070, 1281, 1285, 1330, 1364, 1365 Grozeva 541 Grub 1567 Grübel 1556 Grucza 4, 19, 36, 90, 657, 658, 1521, 1763, 1764 Grün 496 Grünewald 1222, 1386, 1423, 1447, 1486, 1487 Grütz 458, 511 Gstettner 472 Gstöttner 1757 Gu 1028 Guckelsberger 511 Gudjons 1183, 1332 Guest 1383 Gue`ye 1786 Guilherme 1517 Gülich 269, 280, 471 Gumperz 260, 331, 333, 335, 1495 Gündog˘du 722 Günther, H. 422 Günther, K. B. 1121, 1122 Günther, R. 59, 60 Günthner 260, 262, 267, 269, 331, 332, 333, 334, 335, 337, 338, 408, 421, 422, 1416 Gurney 970 Gut 317 Gutjahr 1560, 1561, 1562 Guttropf 785 Gut¸u 671 Gwenzadse 1260 Györffy 472
H Ha 957 Haas, A. 774
1872
Indices Haas, G. 1539 Haas, Walter 374, 376, 377, 378, 381 Haas, Wolf 429 Haataja 1051, 1655 Habermas 257 Haberzettl 176, 180, 723, 839, 867, 869, 1011, 1012 Habscheid 288, 461, 462, 503 Hacker 922, 923 Häcki Buhofer 250, 251, 374 Hackl, B. 1175 Hackl, E. 1581 Hackl, W. 1456, 1460, 1469, 1507 Haensch 1028 Haft 923 Hagen 319 Hägi 178, 355, 380, 381, 422 Hahn 334, 335 Hahn, von 468 Haider 78 Hakkarainen 569 Halasz 473 Halbwachs 1427 Hall, Ch. 178, 551, 569, 574 Hall, E. T. 482, 556, 1407 Hall, K. 301 Hall, M. R. 556 Halle 212 Hallet 1353, 1384, 1449, 1524, 1525, 1537, 1550 Halliday 324, 325, 328 Hamburger 1138, 1397 Hamel 115 Hameyer 923 Hammam 533 Hammarberg 999 Hammel 673 Hammer 581 Hammerich 544 Hampel 1196, 1245 Han, B.-C. 1140 Han, P. 108 Handwerker 177, 218, 248, 250, 252, 1024 Hann 1353 Hanna 487, 490, 511 Hannerz 1380, 1585 Hansen, B. 656, 721 Hansen, D. 545, 1645 Hansen Edwards 999 Hansen, Gitte Baunebjerg 545 Hansen, Gyde 545 Hansen, H. L. 1517
Hansen, K.P. 1380, 1407, 1432 Harden 1328, 1334, 1335, 1692 Hardy 1185 Harnisch, A. 1709 Harnisch, U. 63, 207, 1097 Harrington 1246 Harsch 1265, 1268 Härtling 1561 Hartmann 551, 555 Hartung 269 Hary 532 Haslinger 1126 Hasselberg 597 Hasselblatt 442 Hatch 776 Häublein 1026, 1504, 1505 Hauck 1406 Haug 69 Haugen 344 Hausendorf 269, 275, 278, 279, 280, 286, 289, 1418 Häusler 56, 60, 1717, 1719 Hausmann 247, 304, 1252 Häussermann 1036, 1260, 1261 Havel 716 Havranek 1061, 1183 Havrys’ 729 Hawkins, E. 525, 860 Hawkins, J. A. 174, 225, 552, 555 Hazenberg 238 Hecht 1067, 1068 Hedge 969 Hefti 378 Heidbreder 615 Heidolph 218 Heift 1206, 1232, 1233 Heimann 908, 911 Heindrichs 260, 1218 Heine, H. 1555, 1637 Heine, L. 773 Heinemann, G. 1558 Heinemann, M. 275, 285, 287, 419, 432 Heinemann, W. 275, 276, 280, 281, 284, 284, 285, 286, 286, 287, 288, 657 Heins 352 Heisenberg 496 Helbig 1, 19, 20, 21, 22, 23, 49, 50, 173, 174, 175, 218, 293, 294, 295, 296, 297, 298, 299, 300, 301, 667, 729, 1009, 1259, 1260, 1342, 1455, 1458, 1521 Held 506 Helin 571
Personenregister Hellekjær 1757 Heller, D. 512, 514, 590 Heller, K. 203 Hellinger 557 Hellmich 961 Hellwig 1596, 1597 Hellwig-Fa´bia´n 674 Helmling 1164 Hendrickson 794, 1061, 1066 Henini 533 Henne 432 Hennecke 1475 Hennig 295, 425, 426, 427, 1259 Hennon 782, 783 Henrici 1, 19, 20, 21, 23, 24, 26, 28, 29, 30, 47, 777, 818, 819, 823, 1061, 1065, 1343, 1367, 1441 Henriksen 1023 Hensel 354 Hentges 110, 117 Hentschel 296, 298, 1259, 1591 Hepp, A. 505 Hepp, M. 290, 1696 Herbart 911 Herberg 411 Herder 1406, 1555, 1562, 1725 Herfurth 881, 1190, 1191 Hering 1261 Heringer 218, 225, 230, 257, 297, 309, 1260, 1461 Herlemann 1061, 1066 Herman 840 Hernig 1638 Herr 1371 Herrde 1458 Hertrampf 422 Herzberger 428 Hess, H.-W. 25, 953, 956, 1196, 1205, 1640 Hess, K. 701 Hess-Lüttich 464, 1259, 1415, 1492, 1493, 1495, 1498 Hessky 519, 521, 527, 736, 1828, 1829, 1832 Hessmann 641 Heuer, Ch. 1569 Heuer, H. 1218 Heursen 922 Heyd 23 Heydebrand 1556, 1557, 1558 Heyer 472 Heym 1638 Heyse 459 Hicks 1834
1873 Hila 1102 Hill 774 Hilpert 1480 Hinderling 442 Hinds 595, 597 Hinkel 1009 Hinnenkamp 118, 338, 433 Hinskens 448, 452 Hinte 117 Hirataka 1698 Hirschfeld 175, 178, 189, 192, 193, 570, 604, 664, 999, 1001, 1002, 1003, 1004, 1005, 1502 Hirsh-Pasek 782, 783, 788 Hoberg, R. 505, 564, 667, 749 Hoberg, U. 564, 667 Hockickova 542, 697, 1794 Hödl 288 Hofer 1709 Höfer 935 Hoffmann, A. 1158 Hoffmann, H.- J. 503 Hoffmann, Lothar 351, 355, 458, 468, 487, 493 Hoffmann, Ludger 262, 267, 268, 276, 277, 278, 279, 280, 296, 298, 299, 301, 582 Hoffmann, M. 506, 1560 Hoffmann, S. 748, 1176, 1184 Hofmann, W. 776 Hoffmann-Nowottny 1496 Hofmeister 784 Hofstede 1403, 1407, 1432, 1434, 1435, 1436 Hog 1217, 1476, 1533 Hogan-Brun 118 Hohendahl 1524, 1835 Hohenstein 594, 598, 599 Höhne 1386, 1443 Holec 896, 1158, 1160, 1318 Hollander 243 Holliday 953, 956, 957 Hölscher 1186, 1245, 1248 Holst 611, 612 Holstein 1108, 1189, 1191 Holzbrecher 1138 Holzer-Terada 1222 Honnef-Becker 310, 1256, 1536, 1733 Horkheimer 1562 Hormuth 1417 Hornberg 1734 Hornberger 116 Hörning 1396 Hornung 912
1874
Indices Hornung-Prähauser 1240 Horst 460 Horwitz 746, 880 Horx 504 Hosch 1456, 1459, 1461, 1462, 1513 Hoshii 1700 Hossein 1009 Houis 1060, 1064 House 324, 325, 326, 327, 328, 332, 556, 739, 901, 941, 1074, 1367, 1474, 1475, 1488 Houska 1812 Hove 377 Høyem 648 Hrauda 361 Hrubesch 1366 Hu 1141, 1380, 1395, 1396, 1397, 1399, 1407, 1414, 1448, 1449, 1513, 1545 Hubatsch 64 Huber , G. L. 1590, 1592 Huber, R. 1363 Huet 1555 Hufeisen 10, 41, 278, 288, 511, 522, 524, 525, 682, 744, 747, 748, 762, 827, 931, 936, 992, 1183 Hufschmidt 345 Hügel 504 Hüllen 1033, 1034, 1220 Hulstijn 238, 243 Humboldt, A.v. 1562, 1721 Humboldt, W.v. 255, 1259, 1456, 1493 Hund 479 Hundt 394, 460 Huneke 23, 961, 962 Hunfeld 796, 963, 1248, 1393, 1397, 1457, 1531, 1540, 1552 Hunstiger 1349 Hunston 252 Huntemann 1560 Hüsler-Vogt 1112 Hütte 506 Hutz 556 Hyland 1148 Hyldgaard-Jensen 544 Hyltenstam 839, 868, 869, 870, 871, 872, 873 Hymes 269, 331, 1265 Hyvärinen 569, 570, 571, 572, 573, 574
I Ickler 23, 306, 307, 497 Ide 269
Ihekweazu 1414, 1754 Ihm 605, 606 Ikegamis 594 Ikonomu 129 I˙leri 723 Ilgen 504 Imo 260, 262 Inghult 684 Ioup 802, 804 I˙ps¸irog˘lu 1534, 1547 Iser 1531, 1544, 1546, 1548, 1551 Issing 1245 Istel 1467 Itakura 599 Ito 178, 594 Ivanova 541 Iverson 999 Iwasaki 595
J Jabnoun 533 Jacko 729 Jackson 836 Jacobs 286 Jacobson 288 Jaeger 1379 Jafarpur 1281 Jagau 563 Jäger, A. 1612, 1613, 1614 Jäger, K.-H. 269 Jai-Mansouri 1739 Jäkel 460 Jakobs 470 Jakobsen, L. F. 544, 545 Jakobson, R. 324, 1551, 1583 Jakovleva 1779 Jakubovs’ka 729 Jallerat-Jabs 582 James 256, 520, 521, 522, 525, 526, 527, 528, 550, 862 Jampert 68, 1310 Jane´ 1803 Janich 275, 505, 506 Jank 1475 Janke 1789 Janko 1799 Järventausta 571, 572, 573 Jarvis 519, 524, 1364 Jasny 510, 1612, 1613, 1614 Jastrow 531, 534, 535
Personenregister Jaworska 1677 Jaworski 479 Jefferson 267, 268, 269 Jenkins 85, 1222, 1505, 1506, 1578, 1581 Jensen 545 Jescheniak 240 Jessner 747, 828 Johansen 319 Johanson 720 , 721, 722 Johansson 557 Johns 317 Johnson 1325, 1337 Jokinen 574 Jones Vogely 880 Jones 238 Jordan 611 Jordens 643 Jørgensen 433, 544 Joseph II. 58, 73, 90 Juczyk 782 Juha´sz 519, 525, 735, 736 Junesch 671 Jung, C.G. 855 Jung. U. O. H. 1200, 1201 Jungfer 615 Junghanns 714 Jürgens 174, 275, 285, 289
K Kabak 720 Kacjan 1177, 1178, 1179, 1180 Kaewwipat 709, 710 Kafka 1561 Kahle 53 Kahn-Ackermann 1640 Kahramantürk 720 Kaiser, D. 178, 510, 511 Kaiser, S. 349, 375, 376 Kalantzis 1587 Kalinina 676 Kallenbach 896, 897, 898, 942 Kallmeyer 178, 269, 280, 316, 352, 414 Kaltenbacher 532 Kaltsas 637 Kalverkämper 286, 458, 487 Kamburova-Milanova 1628, 1629, 1630 Kamenskaja 1779 Kameyama 178, 255, 259, 269, 270, 593, 598 Kamm 1380 Kammer 309
1875 Kamper 1117, 1122, 1125 Kampits 138, 139 Ka´nˇa 712, 716 Kaneko T. 593, 594, 596 Kaneko, Y. 594 Kann 563, 564 Kant 256, 257, 1177 Kao 860 Kaplan 499 Kappel 420 Karagiannidou 637, 638, 1184 Karcher 260 Karmiloff-Smith 1132 Karnein 19, 1221 Karpenko 729 Kars 1260 Karulis 613 Kasai 594 Ka´sˇova´ 694, 696 Kasper 327, 332, 522, 556, 941 Kast 26, 27, 934, 995, 1082, 1219, 1341, 1347, 1365, 1530, 1533, 1537, 1539, 1540, 1578 Kästner 1569 Katharina II. / die Große 399, 1775 Kathe 45, 52 Kaufman 439 Kaufmann, G. 400, 663, 1625, 1626 Kaufmann, S. 1384 Kaufmann, U. 623 Kauschke 784 Kautz 1041, 1046 Kawaguchi 810 Keck 820 Kegelmann 1829, 1830 Kehrein 390, 392 Keil 249 Keim 69, 269, 338, 414, 433, 449, 450, 451, 452, 453, 454, 890 Keinästö 572 Kelemina 1799 Kelle 776 Keller, G. 1547 Keller, R. 1386 Keller, S. 1315 Kellermann 520 Kelletat 1525 Kelly 912, 1353 Kelz 1842 Kemme 636 Kemmerling 232 Kemmins 1374 Kempe 814, 834, 837
1876
Indices Kepser 1575 Kern, F. 331, 333, 449, 450, 451, 452 Kern, R. 1130, 1135 Kerres 1193 Kerschhofer-Puhalo 16 Kerslake 720 Kersten 1309, 1310, 1312 Kerswill 448, 450 Keskin 722 Kesselheim 275, 278, 279, 280, 286, 289 Kessler 1590 Kessling 1550, 1567 Khan 401 Kibbermann 563, 564 Kiefer 443 Kielhöfer 519, 1023, 1060, 1252 Kiffe 859, 860 Kileva-Stamenova 541 Kilgarriff 317 Kilian 505 Kiliari 636, 1670 Kilimann 1384, 1480 Kilpatrick 1172 Kim 607, 1000 Kimsuvan 709 Kindt 987 King 317 Kinsella 852, 856 Kirchner 468 Kirkness 410, 444 Kirkwood 555 Kis 1076, 1077, 1343, 1358, 1359 Kishi 782 Kiss 733 Kitajgorodskaja 730 Kiyko 729 Kjørup 495 Klafki 923 Klann-Delius 413 Klappenbach 239 Klapper 36 Kl¸avin¸a 610 Klein Gunnewiek 642, 742, 761 Klein, Josef 288, 461 Klein, Julia 1183 Klein, R. 1118 Klein, Wolf Peter 405, 406, 411 Klein, Wolfgang 206, 225, 519, 520, 877 Kleinen 1598 Kleissendorf 1309, 1310, 1312 Klemm 505
Kleppin 319, 847, 1046, 1061, 1065, 1066, 1067, 1068, 1070, 1164, 1165, 1178, 1190, 1191, 1237, 1368 Klettenhammer 1576 Klieme 1264, 1266, 1267, 1268 Klinger 69 Klingner 1089 Kloepfer 503, 505 Klopstock 1555 Kloster 308 Kluckhohn 1402, 1403 Knapp, J. 1206 Knapp, K. 127, 332, 744, 850, 1448, 1449 Knapp, W. 892, 1078 Knapp-Potthoff 332, 850, 859, 861, 862, 863, 1022, 1416, 1448, 1449, 1456 Kniffka 69, 1108, 1335 Knight 556 Knipf-Komlo´si 399, 401, 429, 442, 735, 1832 Knöbl 449, 450, 451, 453, 454 Kobler-Trill 231 Koch, I. 587 Koch, L. 1504, 1508, 1568 Koch, M. 671, 1774 Koch, P. 419, 425 Koch, R. 468 Koch-Priewe 1330 Köchling 64 Koenig 944, 949 Koesters Gensini 238 Kögler 1392, 1393 Kohonen 852 Köhring 1378, 1458, 1524 Kohvakka 573 Koithan 1505 Köker 1480 Kölbl 1334 Kolboom 1443 Kolehmainen 572, 573 Kolinsky 1678, 1839 Koller 324, 325 Kong 1639 König, Ch. 19, 20 König, E. 520, 555 König, W. 350, 355, 386, 390, 395, 396, 422, 428, 429 König, M. 1261 Königs 526, 632, 908, 910, 963, 1014, 1041, 1042, 1045, 1046, 1061, 1065, 1066, 1067, 1068, 1073, 1348, 1368, 1447, 1456 Koo 607 Koole 332, 333
Personenregister Kootte 641 Kopecˇny´ 714 Koppensteiner 1565, 1567 Kordes 1061, 1065 Kordon 1569 Koreik 20, 21, 24, 25, 26, 28, 30, 1343, 1349, 1381, 1385, 1441, 1442, 1444, 1459, 1480, 1482, 1487, 1488, 1566 Korhonen 175, 572, 573, 1645, 1655, 1657 Korle´n 682 Korte 21, 1557 Kortmann 520, 521 Koschat 29 Koschel 774 Koskenniemi 1220 Koskensalo 574 Kosta 714, 715, 716 Köster 1024, 1025, 1252, 1253 Kostera 572 Kostic´ 1789 Kostomarow 1458 Kotschi 269 Kotsinas 448, 449, 450, 451, 452, 453, 455 Kötter 1190, 1191 Kotthoff 268, 269, 331, 332, 333, 1416 Kotzia 636 Koumulainen 1220 Koutiva 1061 Kowarowsky 472 Koyama-Siebert 594 Kozmova´ 693, 694, 695, 697 Kramer 439, 441 Kramsch 956, 1185, 1219, 1416, 1442, 1450, 1550, 1551 Krapp 852, 1329 Krashen 741, 754, 757, 758, 759, 760, 802, 818, 877, 909 Krause, W. D. 178, 290, 1034 Krause, M. 581 Krauskopf 1221 Krebs 495 Krech 189, 191, 377, 1003 Krechel 1038, 1550, 1567 Kreitz 1569 Krekeler 1096 Kremer, L. 644 Kremer, M. 557 Kress 1131 Kretzenbacher 494, 496, 497, 498, 499, 509, 1405, 1467, 1524, 1613 Kreutz 499, 1416 Kreutzer 1413
1877 Kreuzer 495 Krings 1583, 1586 Kristensen 1757 Kristeva 1397 Kroeber 1402, 1403, 1406 Krohn, D. 683 Krohn, K. 683, 684 Kromann 545 Krüger 1308 Krüger-Potratz 66, 1138 Kruidenier 1153 Krumm 1, 19, 21, 22, 23, 24, 26, 27, 28, 35, 37, 46, 47, 76, 77, 112, 115, 116, 117, 138, 189, 355, 369, 765, 772, 909, 910, 912, 913, 914, 918, 953, 956, 967, 983, 1033, 1034, 1037, 1066, 1067, 1087, 1088, 1091, 1097, 1110, 1138, 1202, 1217, 1218, 1219, 1222, 1341, 1342, 1344, 1346, 1347, 1353, 1363, 1364, 1365, 1366, 1367, 1368, 1447, 1448, 1454, 1459, 1469, 1475, 1487, 1488, 1513, 1523, 1583 Krusche 25, 1417, 1418, 1469, 1534, 1545, 1546, 1547, 1551, 1552 Kuberts 1569 Kucˇera 714 Kudlinska-Stankulova 542 Kuenkamp 497 Kufner 552, 555 Kuhberg 66, 723 Kuhn 1079, 1146, 1150 Kühn, G. 64 Kühn, Ch. 1698 Kühn, P. 246, 299, 301, 304, 305, 306, 307, 308, 310, 1022, 1112, 1252, 1253, 1254, 1256, 1732, 1733, 1734, 1735 Kühnhold 233 Kuhs 65, 66, 879, 1112, 1113, 1219 Kukla 1326 Kulcsa`r-Szemler 473 Kumaravadivelu 1173, 1373 Kumm 63, 1097 Kummer 64 Kundrus 1517 Kunze 396 Künzli David 1081 Kupfer-Schreiner 1138, 1583 Kupper 506 Kurakov 1780 Kursisˇa 829 Kuruyazici 1415 Kusolrod 710 Kussler 1520, 1521
1878
Indices Kußler 1805, 1806, 1807, 1808 Küster 1407, 1597 Kuteva 528 Kvam 648, 651 Kwakernaak 180, 645, 1012 Kwon 602, 604, 605, 606 Kypker 1691 Kytö 316
L Łabno-Fale˛cka 657 Labov 343, 350 Labudde 1268 Lacko-Vidulic´ 1719 Ladegaard 788 Lado 1243, 1457 Laitko 22, 30 Lakoff 351 Lalouschek 471, 472 Lambert 878, 879, 880 Lameli 392, 394, 396 Lämmert 1414 Lamprecht 1583 Lamrani 1739 Landau 485 Landbeck 503, 505 Landua 69 Lang 1195 Langacker 1247 Lange 641 Langer, N. 181, 405 Langer, I. 1217 Langner 83, 1165, 1456, 1460, 1469, 1507 Lantolf 744, 820, 821, 1450 Lapkin 820, 821, 822, 891 Larreta 702 Larsen-Freeman 765, 777, 877, 878, 879, 880 Larson-Hall 868, 869, 870, 871, 872, 873, 874 Lasch 394 La´szlo´ 734 Latour 1219, 1260 Lattaro 953, 954, 1222 Latzel 297, 636 Lau 74 Laue 1148 Lauerbach 1367 Lauf 390 Laufer 1022, 1025, 1027 Launer 1197 Lauridsen 544, 545, 1644
Laurien 1808 Lausberg 390, 396 Lauterbach 1015 Lavine 850, 856 Lavric 580 Lawn-Thum 1417 Lazaare 1739 Lazaraton 776 Łazin´ski 657 Le-Hong 488 Leaper 786 Leaver 851, 855, 856 Leech 317 Lefstein 1130 Legutke 912, 1170, 1172, 1174, 1220, 1341, 1342, 1346, 1352, 1353, 1354, 1355, 1367, 1393, 1394 Lehfeldt 674 Lehker 631 Lehmann 1537 Lehrndorfer 237 Leiprecht 1433 Leisen 1050 Leisi 555 Leita¯ne 611 Lemke 984, 987 Lemnitzer 306, 310, 316 Lenau 1561 Lengyel 68, 69, 1312 Lenk, C. 1408 Lenk, H.E.H. 289, 556, 572, 573, 574 Lenz , A. 345, 390 Lenz, B. 1380 Lenz, P. 1265, 1267, 1268, 1269 Lenz 1561 Leonardi 591 Leow 811 Lepenies 495 Lerchner 310, 421, 642 Leskovec Lescovec 1552 Lessing 1555, 1637 Levelt 241 Levin 785, 1374 Levine 1449 Levinson 258, 269 Le´vy 90 Le´vy-Hillerich 473, 1177 Le´vy-Tödter 514 Lewalter 1243 Lewandowski 65 Lewi 362 Lewin 1371, 1372
Personenregister Lewis 252, 399, 400, 531, 1024 Li, J. 1637 Li, L. 1 637 Li, Y. 1514, 1638 Libben 524 Liebert 505 Liebsch 1379 Liebscher 1196 Liedke 637, 984, 1416 Lienert 774 Lier, van 860, 861, 1373 Lieven 785 Lightbown 739, 758 Liimatainen 461, 572 Limbach 135, 147 Lind 461 Lindemann, B. 1757, 1758 Lindemann, P. 419 Lindstromberg 252, 1022 Linke 277, 332, 1009 Linsmayer 1442 Lintfert 1568 Lipczuk 657 Lipiansky 1476 Lippert 468, 469, 472 Lippert-Burmester 469, 472 Lippmann 1424 Lischke 1498 List 879, 948 Little 940, 1157, 1158, 1159, 1190, 1191, 1210, 1318 Littlejohn 1148 Littlewood 1170 Liu 870, 871 Llorens 701 Loch 1112 Lochtman 641 Lochtmann 1061, 1066 Lodder 641 Loetscher 373, 382 Löffler 81, 379, 421 Logan 809 Lohde 233 Lohfert 1177 Lohse 126 Long 760, 765, 777, 818, 819, 825, 874, 868, 869, 870, 871, 873, 874, 877, 878, 879, 880 Löning 468, 470, 471 Lo´pez 702 Lo´pez Barrios 307 Lörcher 471 Lorenz-Bourjot 252
1879 Lörscher 1220 Loschky 818 Löschmann 1252, 1486, 1530 Lotze 407 Louden 399 Lü 627, 1028 Luchtenberg 859, 860, 864, 865, 987, 1013, 1024, 1138, 1253, 1494, 1579, 1580 Luckmann 260, 266, 334, 419, 1416 Lüdeling 177, 316, 319 Ludewig 252 Lüdi 373, 1416 Ludvik 1799 Lüger 252, 556, 972, 1380, 1454, 1461 Luhmann 503, 1409 Lumley 1286 Lundquist-Mog 1248, 1426, 1476 Luppescu 243 Luscher 645, 1261, 1405 Lüsebrink 1405, 1435, 1488 Lusin 1834 Lutes 1569 Lütge 1024 Luther 223, 386 Lutjeharms 10, 41, 641, 642, 644, 645, 921, 931, 936, 977, 978, 980, 1023 Luttermann 129 Lutzeier 555 Lützeler 1496, 1524, 1525 Lypp 1578, 1579 Lysenko 729
M Maas 115, 533, 534 Mac-Neilage 783 Macaire 1462 Macaro 842, 843, 845, 846 Macdonald 1002 Machetzki 1638 Macht 1273 Macfadyen 1248 MacIntyre 879, 880 MacKay 1001 Mackey, A. 772, 820, 823, 824 Mackey, W. 907 MacWhinney 788, 814, 834, 837, 978 Madlener 177, 252, 1024 Madsen 449, 452, 453, 1561 Mahler 1357 Mahony 785
1880
Indices Maier-Knapp 710 Maier-Lohmann 69 Maier, A. 429 Maier, W. 261 Maijala 1385, 1480, 1514, 1515 Mailfert 1002 Mair 498 Major 1000 Malamah-Thomas 1364 Malblanc 580 Malmberg 682 Mandl 843, 1364 Mangold 191 Mann, S. 1352 Mann, V. 785 Männikkö 573 Mansour 533 Maratsos 786 Marchman 784 Marcou 1597 Marcus 785 Marello 590 Maria Theresia 58, 73 Maringer 1386 Markiewicz 656 Markina 1780 Markman 783, 784 Markus 550 Marnette 1458 Marques-Schäfer 1210 Marschall, G. 581, 582 Marschall, M. 278 Marshall 1675 Marslen-Wilson 1247 Martin 95 Martinez 762, 845, 847 Marui 598 Marx, C. 1600 Marx, N. 678, 762, 828, 830 Marx, S. 590 März 1222 Marzell 481 Masgoret 879 Matecki 1384 Matta 533 Matteocci 1695 Mattheier 346 Matthes 1416 Matthias 1592 Mattsson 575 Matusche 1416 Matussek 1261
Matyear 783 Mavrodieva 542 May 702 Mayer, A. 711 Mayer, F. 480 Mayer, R. E. 1245, 1246, 1247 Maynard 595 Mayr 1309 Mayring 772, 776 Mayrose-Parovsky 1590 McCarthy 317, 1332 McClelland 814 McCreary 305 McCrostie 1026 McDonough, J. 765, 768, 769, 774 McDonough, S. 765, 768, 769, 774, 843 McEnery 316 McLaughlin 758, 808, 1023 McLuhan 1199 McNamara 115, 117, 118, 775, 1286, 1320 Mead, G.H. 256 Mead, M. 1406 Mebus 1217, 1221, 1476 Mecklenburg 1417, 1534, 1547, 1549, 1560, 1562 Meder 506 Medway 1587 Meer 270, 496, Mehlem 115, 533 Mehler 902 Mehlhorn 678 730, 847, 1005, 1068, 1163, 1164, 1165 Meibauer 258, 785 Meiksinaite˙ 615 Meinhold 189, 353 Meireles 665 Meisel 66, 839, 888, 890, 909 Meißner, F.-J. 762, 941 Meißner, I. 461 Meister Jörg 1221 Mekons 610 Mel’cˇuk 248, 677 Melde 1467 Melenk 1458 Melerovicˇ 677 Meliss 702 Meng 69, 889 Menke 1713 Menz 472 Menzel 513 Mercer 1328 Merkel, G. 1725
Personenregister Merkel, J. 1183 Merlini Barbaresi 590 Mervis 783 Me´trich 580 Meunier 252 Meyer, Ch. 898, 899 Meyer, H. 911, 934, 935, 1177, 1182, 1184, 1475 Meyer, K. 349, 375, 376, 378 Meyer, M. 910 Meyer-Ingwersen 64, 1357 Meyermann 1353 Michalowski 115 Michel 1281 Michels 45 Middeke 1343, 1347 Miebs 574, 575 Mihaljevic´ Djigunovic´ 869, 870 Mihm 390, 392 Mikos 1418 Milan 586, 589 Miliste 566 Miller 783 Min 1221 Minder 1221 Minnei 586 Missaglia 587 Mißler 746, 830, 901 Mitchell 739, 820 Miteva 1630 Mitschian 796, 953, 1228, 1229 Miyanaga 1698 Mog 1248, 1381, 1426, 1476, 1514 Mogensen 545 Mohamed 533 Möhn 1219 Mohr 78 Mokienko 676, 677 Moll 514, 1058 Moller 1482 Möller 361, 395, 396, 429, 644 Möller-Kiero 575 Molna´r 735, 869, 871, 1000 Mondria 1025 Monı´kova´ 1561, 1573, 1574 Mönnighoff 1332 Montanari 1102 Monteiro 487, 490 Moog-Grünewald 1555 Moore 1110, 1185 Mora 1561, 1574 Morciniec 655
1881 Morgan 782 Morgenroth 496 Morhof 921 Morkötter 898 Morris 255, 256, 257 Morrison 1560 Mortelmans 641 Moscovici 1490 Moser, Hans 360, 361 Moser, Heinz 1495 Moser, Henri 83 Moskalskaja 673 Moskowitz 1364 Motsch 230, 233 Moulton 551 Mourlhon-Dallies 1148 Moyer 1001 Mrazovic 1259 Msellek 533 Mueller-Liu 1438 Mühlhäusler 400 Muhr 72, 73, 74, 75, 76, 191, 361, 364, 368 Mukherjee 315, 316, 318 Müller, A. P. 463, 1315, 1318 Müller, Ch. 1384 Müller, Herta 1561, 1574 Müller, Martin 84, 85, 261 Müller, P. O. 409, 410 Müller, Richard M. 1218 Müller, W. 506, 1218 Müller-Bollhagen 229, 230 Müller-Hartmann 748, 762, 942, 949, 1167, 1170, 1185, 1209 Müller-Jacquier 556, 1024, 1252, 1253, 1416, 1417, 1418, 1425, 1435, 1436, 1455, 1461, 1473, 1474, 1475, 1476, 1493, 1533 Müller-Küppers 1219 Müller-Liu 1259 Müller-Peisert 1547, 1548, 1549 Multhaup 1010, 1011, 1013 Mummert 26, 1033, 1037, 1216, 1365, 1539, 1548, 1583, 1584 Münchow von 581 Munica 730 Munier 1569 Mun˜oz 869 Munro 1001, 1002 Munsberg 484 Munske 444, 445 Muranoi 949 Muravlova, L. 1780 Muravlova, N. 1780
1882
Indices Musolff 557 Muysken 448, 804 Myles 739, 820
N Nabrings 345, 353 Nago´rko 657 Nagy 840 Naiman 1367 Naka 91 Naksakul 707 Nandorff 1231 Narita 594 Narrog 596, 599 Nastansky 1840 Nation 239, 240, 242, 317, 945, 1022, 1023, 1027 Nattinger 250, 252 Naumann, E. 776 Naumann, H.P. 442 Navarro 468 Nazarkiewicz 1417 Nazzi 783 Ndong 25, 1547 Neelands 1593 Neff-van Aertselaer 522 Nehm 1365, 1367 Neises 472 Nekula 716, 717 Nekvapil 717, 1809 Ne´meth 1828 Nemser 833, 834 Nerius 200, 201, 203, 205 Nettelbeck 1613, 1614 Neugebauer 83, 85, 375, 381 Neuland 36, 290, 432, 433, 434, 435, 581, 859, 863 Neumann, I. 648 Neumann, R. 64, 723 Neumann, S. 462 Neumann, U. 4, 152, 1085, 1088, 1089, 1091, 1313, Neumann, W. 1525 Neuner 297, 748, 796, 829, 934, 941, 963, 1013, 1025, 1028, 1034, 1037, 1082, 1109, 1216, 1217, 1218, 1219, 1252, 1346, 1435, 1436, 1438, 1444, 1446, 1457, 1460, 1472, 1474, 1822 Neuner-Anfindsen 1028, 1159 Neustupny´ 1809
Neveling 1028 Newerkla 717 Newson 801 Newton 945 Ngatcha 1221, 1373, 1702, 1703, 1704 Nicholson 1589 Nickel 522, 523, 550, 1060, 1062, 1063 Nicolae 667 Nida 328 Nied Curcio 178, 586, 748 Nieder 46 Niederhauser 81 Nieke 1138 Nielsen 886, 1644, 1645 Nikolov 869, 870 Nikula 681 Nippold 787 Niskanen 1220 Nitsche 270 Nitzschke 1384, 1405 Nodari 83, 85, 1158, 1159, 1160, 1217 Noels 1153 Nogami 594 Nollmeyer 987 Nolte 1485 Norman 812 Norrick 246 North 85, 1265, 1266, 1486 Norton (Pierce) 889, 890 Nothdurft 432 Nowacek 925 Nübold 1202 Nunan 765, 770, 941, 1167, 1169, 1173 Nünning, A. 1537, 1551 Nünning, V. 1537 Nuolijärvi 575 Nürnberg, von 57 Nussbaumer 277
O O’Donnell 1675 O’Dowd 1209, 1237 O’Keeffe 317 O’Malley 842, 843, 844 O’Seaghdha 1247 O’Sullivan 1533, 1578 Oya 594 Oberacker 92 Ochs 267 Oebel 959
Personenregister Oelkers 1172, 1265, 1268 Oesterreicher 419, 425 Ogawa 593, 594 Oguy 730 Ohlhus 269 Ohlinger 619 Ohm 744, 1079, 1146, 1150 Ohnacker 460 Ohnheiser 677 Ohta 817, 818, 819, 821, 822, 823 Oksaar 1462 Olbertz-Siitonen 986 Öldorp 269 Oliver 1140, 1573 Oller 879 Olohan 317 Olsen 544 Omolewa 1753 Onaran 836 Ono 594 Oomen-Welke 69, 1014, 1107, 1108, 1109, 1110, 1111, 1112, 1113, 1189, 1191 Ordun˜a 1802 Ören 1571, 1575 Orletti 331, 332, 333 Orłowski 1764 Ortega 519, 524 Ortega y Gasset 330, 1434 Ortmann 146, 551 Ortmanns 56, 90, 1676 Ortner, B. 881, 913 Ortner, H. 230 Ortner, L. 229, 230 Oskarsson 1367 Ostermann 1078 Ostrower 92 Ostwald 1725 Ott 1022 Otto 908, 911, 923, 933, 1154 Ouane`s 533 Owens 533 Oxford 842, 844, 845, 850, 855, 856 Özakin 1575 Özdamar 1536, 1561, 1574 Özen 720, 723
P Paar 697 Pache 463 Packard 1248
1883 Padro´s 1403, 1447, 1509, 1513 Paefgen 1575 Paegle 610, 612 Paik 868, 869, 871, 872 Paivio 1246 Palkova´ 714 Pallier 872 Palmer 1265, 1279 Palzer 20 Papadopoulou 638 Papert 1245 Paque´ 98 Paracelsus 468 Paracˇkova´ 694 Paraschkewow 541 Parianou 637 Paribakht 243 Partheymüller 46 Pascal 1177 Pasˇkevic 1727 Paslawska 729 Paszkowski 60 Pauldrach 1434, 1454, 1472, 1476, 1488 Paus-Hasebrink 1244 Pausch 57 Pavlenko 519, 524 Pavlidous 637 Pawley 249 Pawlow 794, 795 Pearson 317 Peck 1365, 1368 Pedersen 1645 Peirce, Ch. 256 Peirce, J. 256 Peitz 472 Peleki 1021 Penning 1460, 1486, 1487 Perani 872 Perdue 206, 877 Pe´rennec 580 Perissutti 715 Perlmann-Balme 1261 Pe´teri 735 Peters, A. M. 838, 903 Peters, E.N. 642 Peters, T. 471 Petersen 1423 Petit 401 Petkov 539, 540, 541, 1521, 1522 Petneki 1221, 1828 Petravic´ 1719 Petrounias 635
1884 Petrovic´ 1719 Peuschel 1184 Pfaff 723 Pfister 441 Pflaum 1405 Pförtsch 1194 Phipps 1450 Piaget 803, 812, 813, 1327, 1328, 1537 Pica 819 Picht 480, 1387, 1424, 1425, 1436, 1485 Pienemann 66, 175, 741, 742, 760, 761, 809, 810, 811, 839, 888, 909, 1011, 1012 Piepho 46, 260, 927, 935, 936, 937, 938, 941, 1033, 1034, 1036, 1186, 1245, 1261, 1530 Pietzuch 1450, 1486 Piirainen 178 Piitulainen 568, 573, 574 Pilarsky´ 735 Pimsleur 901 Pine 785 Pinker 176, 789 Pinkert 1645 Pino Madron˜al 1723 Pirinc¸ci 1573 Piske 1001 Pisˇkorec 692, 1719 Pistorius 1012 Pitz 648, 650 Planken 903 Platten 1210, 1238, 1587 Pleines 57, 1414, 1702 Plewnia 406, 439, 582 Plieger 1235 Plisch de Vega 1480 Plutzar 16, 112, 115, 117, 1126, 1359 Pöckl 288, 580 Poehner 820, 821 Poethe 275, 289 Pogner 1586, 1587, 1588 Pohl 361, 364, 367 Pokrotniece 612 Polat 1822 Polenz, von 361, 434, 440, 444, 445, 468 Pollak 361 Pommerin-Götze 1138, 1139, 1140, 1142, 1496, 1497, 1583 Pongo´ 693, 694, 695 Ponten 642 Ponti 1693 Pope 1583 Popovicˇ/Popowitsch 73 Popovitsch 1799
Indices Pörksen 440, 468, 478, 479, 481 Porst 774 Portmann-Tselikas 76, 77 138, 179, 275, 293, 528, 861, 864, 961, 967, 994, 995, 996, 997, 1010, 1013, 1015, 1036, 1131, 1132, 1133, 1134, 1135, 1353, 1363, 1366, 1368 Posch 915, 1352, 1353, 1371 Pöschl 111 Pospeschill 947, 948 Poulsen 544, 1644 Povejsˇil 712, 714, 717 Praxenthaler 104, 130, 1840 Pre˛dota 655 Preibusch 66 Prenzel 1308 Primatarova-Miltscheva 641 Probst 36 Prokop 1523, 1524, 1525 Prorocˇenko 729 Pufendorf 1405 Purcell 1001 Purschke 392 Pusch 351 Püschel 286, 307, 505 Puska´s 1232 Pütz 522 Putzer 586
Q Qian 1639 Qin-Dynastie 628 Quast 1598 Quetz 1216, 1220, 1252 Quist 449, 450, 451, 452, 453
R Raabe 833, 834, 914, 1061, 1063, 1064, 1066, 1068 Raasch 439 Raatz 774 Rabin 784 Rabkin 1117 Racˇiene˙ 615, 618, 1730 Radama I. 621 Raders 702 Radeva 539, 540 Radtke 115, 590, 1335 Radziszewska 1474
Personenregister Raith 1239 Rajaona 622 Rajaonarivo 623 Rajchartova´ 716 Rall, D. 36, 953, 1743 Rall, M. 1008, 1009, 1016 Ramer 783 Ramin 1487, 1524 Ramm 651 Rampillon 844, 847, 1159, 1160, 1282 Ramseyer 375 Rankin 1373 Rapaport 785 Rasch 776 Rasmussen 463 Rath 269 Rathje 1398 Rathmayr 678 Ratke 922 Ratscheva 539 Rätsep 565 Rattunde 1063 Rauch 1218 Raupach 241 Rausch, I. 1004 Rausch, R. 1004 Ravid 785 Read 1023, 1027 Rebotier 582 Recio 1803 Reckwitz 1380, 1382, 1403, 1405 Redder 37, 332, 333, 471, 510, 512, 1056 Reder 252 Rehbein 255, 258, 259, 265, 267, 269, 332, 333, 597, 598, 720, 721, 722, 723, 985, 988, 1066, 1130, 1183, 1367 Rehehusen 610 Reich 21, 64, 66, 68, 69, 892, 1097, 1133, 1138, 1308, 1310, 1312, 1313 Reichmann 237, 663 Reiffenstein 361 Reimann 301, 1260 Rein 552 Reinbothe 25, 90, 91, 125, 1487 Reinelt 598 Reinfried 941 Reinhardt 480, 483, 490 Reinke 175, 178 Reitemeier 889 Reiter 711, 717 Remme 60 Renn 396
1885 Resende 555 Rettig 439 Retzlaff 1591 Reukova 1780 Reusser 1265, 1268 Reuter 464, 1492 Reutter 1118 Rex 1496 Rice 786 Richards, J. C. 941, 950, 1060, 1352, 1371, 1443 Richards, K. 748, 771 Richter, H. 1494 Richter, J. 1000 Richter, R. 1005, 1243 Rickmann 1407 Rickmeyer 596 Rico 1584 Ridali 565 Riedinger 482 Riedner 1009, 1552 Riehl 399, 439 Riemer 12, 23, 745, 746, 765, 768, 769, 778, 852, 878, 879, 881, 889, 1153, 1154, 1344, 1373, 1415 Riesel 418 Riiber 545 Riley 854, 1158 Riley-Köhn 462 Rilke 1561 Ringbom 519 Rios¸anu 669 Risager 1380, 1395, 1396, 1398, 1442, 1514, 1515, 1517 Ritter, Markus 1209, 1233, 1237 Ritter, Monika 1118, 1122, 1123, 1125, 1127 Riutort 1803 Rivers 1834, 1835 Robbeets 594 Roberts 854, 855 Robinsohn 923, 924, 925, 926, 927, 1525 Robinson, John P. 1834, 1835 Robinson, Peter 746, 811, 949 Robles 702 Roche 473, 984, 1186, 1203, 1207, 1228, 1230, 1231, 1244, 1245, 1247, 1248 Rode 1805, 1806, 1807 Rodenbeck 458, 459, 464 Rodgers 765, 768, 769, 772, 1442 Rodi 46, 472 Roe 555 Roelcke 351, 459, 493, 510
1886
Indices Roelofs 1247 Roever 117, 1320 Rogers 1163, 1211 Roggausch 1349, 1688 Rögl 1498 Rohdenburg 555 Rohland 1610 Rohrbach 318 Rohrer 1252 Roiss 1803 Rojas 1060, 1064 Rolf 284, 285, 288 Rolffs 722 Römer 316, 317, 318 Ronneberger-Sibold 207 Ropers 1424 Rosbach 545 Rösch 68, 1089, 1091, 1108, 1536, 1568, 1572, 1578, 1580 Rose´n 685 Rosenberg 401, 1555, 1558, 1608 Rösler 23, 29, 37, 66, 1046, 1193, 1200, 1205, 1206, 1207, 1208, 1210, 1215, 1228, 1232, 1234, 1236, 1237, 1238, 1240, 1247, 1533, 1578, 1676, 1677 Ross 821 Rossebastiano 57 Rossipal 346 Rössler 1446, 1449 Rost-Roth 66, 881, 1191 Roth, Joachim 505, 1085, 1088, 1089, 1091, 1133, 1138, 1312, 1313 Roth, Joseph 1561 Rothenhöfer 317 Rothkegel 461 Rothschuh 467 Röttger 638, 1221, 1387, 1447, 1486 Roussy-Parent 1247 Rovere 586, 590 Rowley 401 Rox-Helmer 1568 Rozenbergs 612 Rubin 842, 845, 846 Rück 1037 Ruckteschell 135, 147 Rudolf 97 Ruegger 375 Rues 1003 Ruf 1315 Rug 301, 1260 Ruhloff 1138 Ruhnken 1555
Rumelhart 814, 1538 Rummer 1246 Runkehl 505 Rüschoff 860, 1227, 1228, 1231 Russ 555 Russell 256 Ryan 868, 869, 870, 871, 872, 873 Rytel-Kuc 298
S Saalmann 1078 Sacks 267, 268, 269, 337 Sadji 1415 Sadoski 1246 Saebo 650 Saengaramruang 710, 1523 Sagawe 1709 Sager 268 Saito 880 Sakai 1699 Salokannel 1186 Salverda 178 Sammori 1700 Sanchez, A. C. 1723 Sa´nchez, R. 701 Sander 306, 1490 Sandfuchs 65 Sandig 276, 289 Sandu 671 Sano 955 Santana 1803 Sapiridou 638 Sapon 901 Sarangi 333 Sarnow 588 Sasalatti 37 Satzger 489 Sauer, Ch. 1244 Sauer, M. 1479, 1568 Sauerwein 581 Saunders 1237 Sauter 114 Sava 670 Savas¸c¸ı 722 Savolainen 572 Savova 1630 Saxer 75 Schabowski 425 Schachter 802 Schader 1113
Personenregister Schaeder 1028, 1256 Schäfer, A. 1079 Schäfer, P. 581 Schaller 1177 Schami 1561, 1573, 1574 Schanen 1259 Schank 269 Schärer 1317 Scharloth 376, 380, 381 Schart 1173, 1175 , 1373, 1700 Schatte, Chistoph 656 Schatte, Czesława 656 Schatz 983, 984, 989 Scheele 895, 896, 897 Schegloff 267, 268, 269 Scheiner 301 Scheller, Jilia 1203, 1212, 1232, 1243, 1244, 1247 Scheller, Ingo 1592 Schemann 556 Schenk 1536 Schenkein 270 Schenkel 50, 729 Scherer 316, 785 Scherfer 1191 Scherling 1203 Scherner 275, 290 Scheuringer 350, 361 Scheutz 692 Schewe 1590, 1592, 1593, 1692 Schiedermair 1552 Schiller, Friedrich 1555 Schilling, U. 599 Schilling, K., von 1381 Schils 903 Schindelbeck 504 Schindler 241 Schinke-Llano 891 Schinschke 1397, 1473 Schlak 301, 743, 746, 818, 852, 868, 869, 871, 872, 878, 902, 1000, 1013, 1014, 1016, 1346 Schläpfer 81, 374, 375, 381 Schleicher 615 Schleiermacher 1177 Schlemminger 1590 Schlickau 1238 Schlobinski 352, 353, 414, 432, 505 Schlosser 1645 Schloßmacher 100 Schmalt 1108
1887 Schmeller 345 Schmelter 1188, 1189, 1191 Schmenk 762, 1205, 1379, 1449 Schmid 1177 Schmidt, A. 21, 1608 Schmidt, C. 1022 Schmidt, G. 1055 Schmidt, H.-W. 1547 Schmidt, J. E. 346, 387, 390, 391, 392, 411 Schmidt, K. 1384, 1481 Schmidt, Rainer 300, 811, 861, 890, 1065, 1067, 1218, Schmidt, Ricarda 1556 Schmidt, S. J. 503, 813, 1467, 1524, 1535 Schmidt, Sabine 1384, 1481 Schmidt, T. 1196, 1211, 1212, 1231, 1232, 1239 Schmidt-Regener 354 Schmitt, Ch. 444, 580 Schmitt, D. 1026 Schmitt, N. 238, 242, 243, 251, 1022, 1023, 1024, 1025, 1026, 1027 Schmitt, P. A. 488, 556 Schmitt, R. 301, 1260, 1261 Schmitz, M. 694, 695 Schmitz, U. 502 Schmitz, W. 36, 1494 Schmöe 46 Schmölzer-Eibinger 77, 179, 293, 997, 1009, 1014, 1131, 1132, 1133, 1134,1135 Schneider, G. 85, 116, 261, 1265, 1266, 1269 Schneider, K. P. 1256 Schneider, S. 934 Schneiderman 1002 Schnell 774 Schnitzer 1113 Schnörch 1028 Schnotz 1247 Schocker-von Ditfurth 748, 762, 942, 949, 1167, 1170, 1352, 1375 Schöfthaler 953 Schöler 1306 Scholten 56, 59, 60, 92, 104 Scholz 433 Schön 1352, 1372 Schöningh 986 Schönpflug 787 Schönwälder 115 Schoormann 743, 818 Schößler 1550 Schott 468
1888
Indices Schramm 742,749, 843, 1014, 1021, 1183, 1184 Schrauf 867 Schreiber 581, 582 Schreier 898 Schreiter 996, 1026, 1256, 1584 Schriefers 240 Schröder, H. 496, 571, 572, 573, 1417, 1475 Schröder, K. 57 Schröder, M. 305, 309, 1786 Schröder, U. 665 Schrodt 361 Schroeder 721, 723, 749, 1078 Schubert 56 Schuckall 1203 Schuldt 470 Schulte 1495 Schultz 331, 333 Schulz, D. 46, 925, 1216 Schulz, H. 440, 445 Schulz, P. 1309, 1310, 1312 Schulz, R. 1384, 1448, 1835, 1837 Schulz, W. 908, 911, 923 Schulze, G. 414 Schulze, M. 1232, 1233 Schumann, A. 1450 Schumann, J. H. 746, 877, 887 Schürcks 714, 715 Schüssler 1194 Schüßler 1255 Schütte 419 Schütz 266, 1494 Schwanzer 693, 696 Schwarz, Ch. 349 Schwarz, M. 278 Schwarze 270, 984, 987 Schweckendieck 1076, 1359 Schweizer 462 Schwerdtfeger 877, 881, 961, 1184, 1200, 1201, 1202, 1203, 1204, 1378, 1458, 1524 Schwippert 69 Schwitalla 419, 420, 422, 426, 427, 432, 987 Scollon, R. 331, 333 Scollon, S. 331, 333 Scott 1593 Scovel 879, 880 Scoville 784 Searle 257, 288 Seddiki 532 Sedlaczek 3, 11 Seeba 1524 Seel, N. M. 1247
Seel, P. C. 953, 956, 1382 Seelbach 582 Seeler 126 Segalowitz 944, 948, 949 Segermann 1081 Seghers 1638 Sehwers 611 Seliger 765, 766, 767, 770 Selinker 523, 528, 739, 741, 742, 757, 833, 834, 1060 Selmy 533, 534 Selting 269, 449, 450, 451, 452 Senocak 1561 S¸enyıldız 839 Sercu 1514, 1515, 1516 Serra Borneto 590, 1061 Sevgi Özdamar 1561, 1574 Shamin 955 Shannon 1199 Sharwood Smith 801, 860 Shatz 784 Shaw 1590 Sheen 854 Shekhtman , 851,855 856 Shibatani 599 Shohamy 115, 117, 118, 765, 766, 767, 770, 1320 Shultz 268 Siebenhaar 377 Sieber 374, 375, 379, 380, 381 Siebert, H. 1163 Siebert-Ott , G. 69, 1108, 1335 Siebold 702 Siebs 364, 375, 377 Siegel 1525 Siegfried 463 Siegrist 1495 Siepmann 499, 1024 Siever 505 Silapasawat 710 Siller-Rumggaldier 586 Silverman 776 Sˇimecˇkova´ 712, 716 Simeonova 540, 541 Simmel 1562 Simo 1525, 1704 Simon-Pelanda 1443, 1444, 1456, 1459, 1460, 1469, 1485, 1502, 1507 Simonnæs 648 Sims 1246 Sinclair 250, 1367
Personenregister Singleton 868, 869, 870, 871, 872, 873 Singson 785 Sinka 1835 Sioupi 636 Sisa´k 693, 694, 696, 729 Sitta 374, 375, 379, 380, 381, 586, 1521 Six 1423 Ska´la 717 Skehan 843, 850, 880, 901, 902, 1167, 1168 Skender 1717 Skiba 318, 1215, 1403 Skibicki 654 Skinner 794, 796, 798, 799 Skudlik 94 Skuttnab Kangas 891 Slama Cazacu 671 Slater 1175 Slembek 636, 1004 Slima´k 693, 694, 696 Slivensky 952, 955, 1220 Slobin 808 Smetana 1599 Smith, J. 1676 Smolicz 1497 Snagoveanu 669 Snell-Hornby 461, 555 Snow 495 Soffritti 590 Sohar-Yasuda 593 Söhn 115 Sohn 471, 602 Sojko 729 Solfjeld 651 Solmecke 966, 1155, 1447 Song, K.-A. 605, 607, Song, S.-H. 605 Soonvald 564 Sorger 44, 46, 52 Soro 571 Sorvali 574 So˜star 1651 Souanga 1648 Sˇovgenin 1780 Sow 1704, 1787 Spada 739, 758 Sparmann 239 Spencer-Oatey 1416 Spiegel 178, 269, 270, 275 Spiegelman 1569 Spiekermann 179, 346, 347, 349, 350, 354, 355, 391, 411, 422, 428 Spillner 581
1889 Spinasse´ 1625 Spinner 1575 Spitzmüller 433, 505 Spolsky 890, 1273 Spranz-Fogasy 471, 472 Sriuranpong 708, 709 Stadler 678 Stanat 1092 Sta˘nescu 36, 667, 670, 671, 1772, 1773 Stanonik 1799 Stanzel 1426, 1427 Stark 35, 90 Starke 307 Stechow 218, 729 Stedje 682 Steets 514 Stefanova 541, 542, 1630 Stefanowitsch 177, 247 Steffen 1740 Steger 419, 420 Stein 1126 Steinegger 363 Steinhauer 231, 460 Steinhoff 511, 512, 1252 Steinig 23, 349, 961, 962, 1238, 1487 Steinitz 239 Steinke 771 Steinmann 1426 Steinmeier 129 Steinmetz 1546 Stenhouse 1372 Stenzig 21 Stern 798, 908, 1177 Sternefeld 218 Stevener 769, 770 Stevenson 179 Stewart 1375 Steyer 246 Stezano-Cotelo 511, 1058 Sˇticha 712, 715, 716, 717 Stickel 3, 36, 593, 596, 749 Stierstorfer 1383, 1494 Stippinger 1583 Stock 189, 192, 193, 674, 1003 Stöckl 505 Stockmann 1126 Stojtceva 1630 Stoljar 1522 Stoller 1173, 1174, 1175 Stolz 375 Stolze 496, 497
1890
Indices Storch, G. 23, 636, 1061, 1183, 1184, 1185, 1460 Storch, N. 821, 822 Stork 1028, 1512 Storm 1637 Stötzel 306 Straub 1380, 1494 Strauss 767, 776 Streck 349 Strecker 262, 296, 298, 301, 582 Streeck 268 Street 1130 Stromswold 786 Struk 729 Studer 354, 422, 1267, 1268, 1269 Sturm 1522, 1597 Stutterheim 723 Sucharowski 510 Suchsland 23, 29, 30, 800 Sugita 593, 598 Sugitani 1699 Sˇukevicˇiu¯te˙ 462, 619 Sullivan 957 Supper 1495 Sutcliffe 1247 Suter 624, 625, 1001 Sutrop 562, 563 Swain 760, 820, 821, 822, 891, 949, 1014, 1170, 1265, 1279 Swarbrik 1585, 1588 Sweller 1246 Syder 249 Szablewski-C ¸ avus¸ 64, 1116 Szablya´r 1221 Szendi 1829 Szulc 655 Szulc-Brzozowska 656 Szurawitzki 574
T Taatloha 710 Taborek 657 Tabory 98 Takahashi 955 Takekuro 599 Tallowitz 301, 1026, 1260, 1261 Tamme 1209 Tannen 270 Tapan 1820, 1822 Tapias Ospina 1709
Tare 784 Tarvainen 570, 571, 573 Tarvas 1653 Tasa 565 Tatje 485 Tawada 1573 Taylor, B. P. 834 Taylor, Catherine L. 786 Taylor, Ch. 1141, 1496 Taylor, I. 241, 1023 Taylor, J. C. 1194, 1195 Taylor, Ph. 1589 Taylor, W. L. 1279 Tekinay 1140 Telija 674 Telling 441 Ten Cate 641, 643 Ten Thije 267, 332, 333, 1493 Tenberg 1195, 1514 Tenfjord 319 Terada 1222 Terrell 759, 909 Tertel 299, 301, 1259 Tertilt 352 Teske 1432, 1436, 1438 Thiele 441 Thielmann 178, 511, 512, 1053, 1057 Thiemann 1365, 1366 Thierfelder 92 Thim-Mabrey 289 Thimm 461 Thimme 1385, 1472, 1480 Thoma 838 Thomas, A. 1403, 1407, 1431, 1432, 1436, 1473 Thomas, H. 1367 Thomas, T. 505 Thomason 439 Thome 582 Thompson 267, 1001 Thonhauser 179, 962, 983, 995, 1009, 1037 Thornbury 1022 Thorndike 793 Thorne 820, 1209 Thorsen 545 Thum 25, 1413, 1415, 1417 Thums-Senft 996 Thüne 591 Thurmair 175, 177, 181, 228, 230, 234, 275, 277, 278, 284, 285, 289, 290, 298, 299, 300, 301, 483, 1009, 1016, 1017 Tibi 1496
Personenregister Tietze 1076, 1359 Tiittula 463, 574, 575 Tilmann 1366 Timm, J.-P. 1267, 1269 Timm, U. 1569 Timmermann 555 Tmangraksat 709 Tmangraksat-Watananguhn 709, 710 Toledo Gonzale´z 1723 Tomaselli 587 Tomasello 176, 785, 789, 837 Tomaszewski 301, 1260 Tomita 593 Tommola 572 Tonfoni 461 Tono 316, 1028 Tönshoff 844, 845, 860, 863, 909, 1015, 1066, 1186 Topal 93 Tracy 838, 839, 1313 Trad 1516 Trautmann 178, 511 Treiber 1330 Trim 1486 Trochina 1779 Trojanow 1140, 1561 Trojanus 479 Trömel-Plötz 351 Trompetter 243 Trosˇok 1793 Trubetzkoy 999 Truckenbrodt 1613 Tschiang Kai-Shek 1637 Tschirner 177, 238, 239, 240, 242, 243, 316, 317, 742, 759, 815, 1013, 1014, 1021, 1022, 1028, 1230, 1384, 1448 Tschuggnall 1482 Tselikas 1590, 1593 Tsokoglou 636 Tsui 1352 Tsunoda 93 Tubergen, van 888 Tulodziecki 1217 Tütgen 1592 Tworek 655 Tylor, E.B. 1406 Tyre 1121
U Uc¸ar 1138 Ucharim 1386
1891 Uhlemann 1458 Uhmann 269 Ulich 1309 Ulitzka 1579, 1580 Ullman 873 Ulrich 1233, 1240, 1252, 1255 Uzuegbu 1755
V Vahle 1109 Vahsen 648 Vajicˇkova´ 694, 697 Valde´s 1723 Valdmanis 612 Valt 1780 Van Avermaet 115, 116, 117 Van de Velde 641 Van Ek 1292 Van Eunen 1533 Vandenheede 641 Vandergrift 973 Vandermeeren 96 VanPatten 739, 1008 Vapordzˇiev 541 Varela 702 Vargas 1625 Vassileva 539, 677 Vater 275, 276, 289 Vedda 1610 Veeck 1442 Velicˇkova 674 Venohr 288, 290, 581 Verescagin 1458 Verstraete-Hansen 1643 Vesalainen 574 Vester 1432, 1433, 1434, 1436 Viehweger 281, 284, 286, 288 Vielau 796 Viereck 443 Vie¨tor 1034, 1042 Vigil 879 Villarme´ 1578 Vinckel 582 Virchow 468 Vogel, I. 720 Vogel, K. 837, 877, 1009, 1252 Vogely 880 Vogt, E. 749 Vogt, K. 1267 Voigt 178, 275
1892
Indices Volf 107, 115 Volkmann 1456, 1494 Volland 441 Vollmer 1131, 1134 Vollstedt 96 Volohova 1780 Von Elek 1367 Vretta-Panidou 638 Vygotskij/Vygotsky 820, 1327, 1328
W Wade 1675 Wägenbaur 1396 Wagner, A. 1330, 1366 Wagner, G. 29 Wagner, J. 545 Wahl 1330 Wahmhoff 270 Waitzbauer 1504 Waldenfels 335, 1397, 1552 Wall 1277 Wallmannsberger 550 Walter, Harry 539 Walter, Hilmar 676 Walter, M. 318 Walters 1027 Walzer 1498 Wandor 1584 Wang 986 Wardetzky 1591 Wardhaugh 756 Ware 1185 Warmbold 1219 Warneke 1373, 1375 Watanabe 821 Waters 949 Watson 794, 795 Watson-Gegeo 886 Watt 1130 Watts 269, 1497 Wawra 462 Wawrzyniak 658 Weaver 1199 Webb 1025 Weber, H. 1148 Weber, J. 1555 Weber, M. 414, 1408, 1562 Weber, T. 460 Wegener, H. 180, 208, 210, 213, 215, 229, 408, 1012
Wegener, M. 255 Wegera 419, 420 Wegner, A. 56, 930, 1219, 1221, 1514 Wegner, W. 491 Wehberg 787 Wehmer 1163 Wei, L. 860 Wei, M. 1639 Wei, Y. 1639 Weidacher 1009, 1131 Weidemann, A. 458, 1380, 1494 Weidemann, D. 1380, 1494 Weidenmann 1329, 1597 Weigel 1591 Weigt 654, 656 Weimann 1456, 1459, 1461, 1513 Weinert 1264 Weininger 1627 Weinrich 6, 21, 22, 23, 24, 47, 173, 175, 214, 233, 276, 277, 278, 279, 295, 296, 297, 298, 300, 301, 491, 495, 497, 498, 509, 510, 512, 513, 1259, 1427, 1524, 1531, 1560, 1572 Weir 1289 Weis 1733, 1734 Weise 479, 481, 485, 497 Weiss 1839 Wekker 520, 521 Weller 1034, 1043, 1065 Wellmann 233, 287, 296, 298, 1028 Wells 1326 Welsch 1140, 1525 Welzer 1482 Wenden 842, 845, 896 Wendt, A. 1460 Wendt, M. 1447, 1525 Weniger 923 Wenske 479 Wentura 1364 Wenzel 270, 644 Werfel 1561 Werlen 270, 373, 374, 379, 382 Werlich 285, 289 Werner, Ch. 117 Werner, O. 532 Wertenschlag 85 Wesche 243 Weskamp 944, 1158, 1159 Wessling 1425, 1474, 1476, 1533 West 351 Westheide 641 Westhoff 250, 843 Weydt 296, 298, 1259
Personenregister White, C. 843 White, L. 802, 803, 804, 805 Wicke 934, 936, 1155, 1599 Wiebe 1002 Wiegand 237, 238, 304, 305, 306, 309, 310, 458, 487 Wieland 1555 Wierlacher 20, 21, 25, 26, 47, 1381, 1413, 1414, 1415, 1416, 1418, 1485, 1517, 1521, 1524, 1525, 1534, 1546, 1547, 1560 Wiersma 1025 Wierzbicka 656, 1057 Wiese, H. 414, 433, 449, 450, 451, 452 Wiese, I. 467, 469, 493, 494, 496, 497 Wiesinger 73, 348, 354, 361, 361, 362, 363, 364, 367, 369, 389, 390, 401 Wiesmann 510, 511 Wiktorowicz 657 Wilberg 1148 Wildenauer-Jo´sza 1109 Wildmann 912 Wildt 1591 Wiliam 1315, 1318 Wille 658 Willet 888 Williams 1008, 1154, 1170 Willis, D. 846, 949 Willis, J. 846, 949, 1167, 1170 Willkop 177, 275, 277, 278, 281, 301, 1016 Wilmots 641 Wilms 25, 66, 1592 Wimmer 1413 Windelband 495 Wingchen 472 Winge 544, 545 Winkelmann 439 Winkler 563, 565 Winko 1556, 1557, 1558, 1559 Winter, C. 505 Winter, F. 1315, 1318 Winter, R. 1396, 1418 Winters-Ohle 634 Wintersteiner 1536, 1572, 1576 Wintschalek 729 Wippermann 504 Wißner-Kurzawa 1217 Witte, A. 953, 956, 957, 1328, 1329, 1336, 1692, 1755, 1756 Witte, B. 1524 Wittgenstein 256, 257, 1178 Wodak 138, 269, 472 Wode 1060
1893 Wokusch 270 Wolf, Ch. 1561 Wolf, F. 1638 Wolf, G. 1433, 1434, 1438 Wolf, N. R. 361 Wolf, T. 1058 Wolff, A. 1009 Wolff, Ch. 256 Wolff, D. 742, 812, 813, 845, 859, 860, 861, 862, 863, 864, 877, 881, 941, 993, 1034, 1227, 1228, 1231, 1254, 1255 Wolff, J. 1191 Wollert 606, 1024 Wong Fillmore 904 Wood 821 Woods 1352 Woodward 783 Woolford 410 Worbs 657 Wordsworth 326 Wormer 1381, 1435, 1436, 1449, 1470, 1525, 1526 Wotjak, B. 175, 580 Wotjak, G. 580, 702, 1722 Wray 177, 250, 838 Wright 1332, 1333 Würffel , N. 853, 1196, 1211, 1212, 1231, 1232, 1234, 1235, 1237, 1239, 1587 Würffel, S. B. 1495 Wurzel 406 Wurzenrainer 1366 Wynne 316
X Xiao 316 Xu 627 Xu Xiangsen 1637
Y Yagmur 1138 Yanar 454 Ylönen 470, 473, 511, 574, 575 Yoneyama 955 Yos 275, 289 Yoshijima 1699 Young, D. J. 880 Young, P. 1121
1894
Indices
Z Zabrocki 654 Zachau 1835 Zaharia 670 Zaimog˘lu 1561, 1574 Zampini 999 Zander 1725 Zehnder 260 Zemb 580 Zˇepic´ 1717 Zeuner 1460, 1466 Zhang 784, 786 Zhao 631, 632 Zhu 90, 491, 627 Zickfeldt 648 Ziebell 936, 1184, 1366 Ziegelmann 563, 565 Ziegler 275, 285, 290, 414 Zifonun 218, 219, 221, 262, 296, 298, 301, 316, 551, 582, 1259
Zifreund 1364 Zˇiletic´ 692, 1789 Zimmer 491, 1246 Zimmerman 351, 1022 Zimmermann, A. 1592 Zimmermann, H. 1568 Zimmermann, G. 843, 911, 914, 1368 Zimmermann, K. 269, 432 Zimmermann, P. 25, 1397, 1413, 1547 Zinkevicˇius 615 Zinsmeister 316 Zint-Dyhr 544, 545, 1644 Zˇluktenko 726, 728, 729 Zˇmegacˇ 1719 Zöfgen 304, 305 Zolotova 674 Zuengler 904 Zurdo 699, 702 Zweig 1610 Zwicky 85 Zwitserlood 240 Zydatiß 554, 1131, 1398, 1399