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German Pages 458 Year 2016
Barbara Sasse Der Weg zu einer archäologischen Wissenschaft Band 1
Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde
Herausgegeben von Heinrich Beck · Sebastian Brather · Dieter Geuenich · Wilhelm Heizmann · Steffen Patzold · Heiko Steuer
Band 69.1
Barbara Sasse
Der Weg zu einer archäologischen Wissenschaft Band 1 Die Archäologien von der Antike bis 1630
ISBN 978-3-11-021469-7 e-ISBN (PDF): 978-3-11-021470-3 e-ISBN (EPUB): 978-3-11-038424-6 ISSN 1866-7678 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.dnb.de abrufbar © 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Dörlemann Satz GmbH & Co. KG, Lemförde Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist zwischen 1994 und 2000 als Habilitationsschrift im Fach Frühgeschichtliche Archäologie entstanden und wurde im SS 2001 von der Philosophischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg unter dem Titel „Der Weg zu einer archäologischen Wissenschaft. Studien zu Voraussetzung, Erkenntnis und Anwendung von Methoden und Theorien bis zum Frühevolutionismus (1850)“ angenommen. Für den Druck wurde sie umgearbeitet, teilweise aktualisiert und vor allem die theoretische Einleitung sowie die Kapitel zur Antike bis Renaissance erweitert. Ziel war es, den Prozess der Entstehung der ur- und frühgeschichtlichen Spezialwissenschaft aus der Universalwissenschaft und aus den verschiedenen archäologischen Thematiken zu verstehen. Der erste Band enthält neben der theoretischen Einleitung die gemeinsamen Grundlagen der europäischen Archäologien und den Beginn einer Trennung der Arbeits- und Interessenfelder in der Renaissance, der zweite Band die ‚Schwellenzeit‘ der Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie von der Gründung des ersten archäologischen Amtes 1630 in Schweden bis zur Gründung des Römisch-Germanischen Zentralmuseums in Mainz 1852. Ursprünglich war es nicht geplant, die Arbeitsweise der Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie in dieser zeitlichen Tiefe zu untersuchen. Die Methoden der Gräberanalyse standen im Mittelpunkt. Im Laufe der Arbeit zeigte sich aber die starke Abhängigkeit dieses Forschungsfeldes von weltanschaulich bestimmten Konzepten und der nationalen Politik (Sasse 1999; Sasse 2008). Daneben fielen beträchtliche nationale und regionale Unterschiede auf. Es stellte sich eine neue Frage: Woher kommen diese unterschiedlichen Konzepte, wie alt sind sie, sind wissenschaftliche Methoden nachweisbar und welche Bedeutung kommt den Methoden bei der Veränderung und Bewahrung von Konzepten zu? Beeinflussten gesellschaftliche Faktoren den wissenschaftlichen Prozess? Als dann 1996 die Römisch-Germanische Kommission in Frankfurt (RGK), die mit Mitteln der Theodor-Wiegand-Stiftung und der Deutschen Forschungsgemeinschaft die Bibliothek Horst Kirchners (geb. 1913 in Görlitz, gest. 1990 in Berlin) angekauft hatte (Sasse-Kunst 2001), mir die Möglichkeit bot, über 300 Titel des 16. bis 19. Jahrhunderts überwiegend zur Vor- und Frühgeschichte Mitteleuropas, Englands und Skandinaviens für diese Fragestellung auszuwerten, eröffnete sich eine neue zeitliche Perspektive und damit weitgehend Neuland, d. h. die Ausdehnung der Untersuchung in eine Zeit vor der Entstehung der modernen archäologischen Fächer. Dadurch veränderten sich Fragestellung und Ziel der Arbeit. Die Anfänge der Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie konnten auf dieser Basis in entscheidenden Regionen ihrer Entwicklung wie dem deutschen Sprachraum, den beiden Niederlanden, den Britischen Inseln, Frankreich und Skandinavien miteinander verglichen werden. Die verstreuten Quellen vor allem zur Renaissancearchäologie wurden erst im Laufe der letzten zehn Jahre durch die großen europäischen Digitalisierungsprogramme zugänglich.
VI
Vorwort
In Deutschland wurde diese ‚Vorzeit‘ der Fachentwicklung seit den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts nicht mehr monographisch behandelt. Damals richtete man den Blick auf die Forschungsgeschichte im Zeichen der Formation der Ur- und Frühgeschichte als deutsches Universitätsfach (Callmer/Meyer/Struwe/Theune 2006). Heute stellt sich uns eine ganz andere Frage: wo steht die deutsche Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie im europäischen und internationalen Vergleich (Biehl/ Gramsch/Marciniak 2002, besonders Wotzka 2002)? Während der Ausarbeitung des Themas, besonders aber in den Jahren zwischen der Abgabe als Habilitationsschrift 2002 und der Publikation hat Wissensgeschichte ‚Konjunktur‘ bekommen, wie Helmut Zedelmaier kürzlich geschrieben hat (Zedelmaier 2009, S. 77). Das Feld der historischen Erkenntnistheorie, für die sich zunehmend der Begriff Epistemologie durchsetzt, konnte sich im 20. Jahrhundert nicht nur als Wissenschaftszweig etablieren (Rheinberger 2007), sondern im Zuge dekonstruktivistischer Strömungen im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts auch in die Geschichtswissenschaft und die Archäologischen Wissenschaften Einzug halten, wenn man 2004 auch noch ein Plädoyer dafür schreiben musste (Veit 2002; Vogel 2004, S. 245 ff.). Archäologische Aspekte innerhalb der allgemeinen Wissenschaftsgeschichte, die überwiegend die Naturwissenschaften behandelt, sind jedoch immer noch äußerst selten, selbst auf Gebieten wie der Klassifikation (Rossi 1997, S. 194). Die hier vorgelegte Arbeit versteht sich in diesem Sinne als einen Beitrag zur Rolle der Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie in der Wissensgeschichte. Durch die verschiedene Entstehungszeit der einzelnen Manuskriptteile zwischen 1995 und 2012 ist es allerdings nicht überall gelungen, die neueste Literatur nachzuarbeiten. Das ist schade, da in der erwähnten wissenschaftsgeschichtlichen Mode nach Abschluss der betreffenden Manuskriptteile eine ganze Reihe von Arbeiten erschienen sind, die unser Thema unmittelbar betreffen (z. B. Callmer/Meyer/Struwe/Theune 2006; Mante 2007; Hakelberg/Wiwjorra 2010). Sie wurden, soweit möglich, eingearbeitet. Jüngere Literatur konnte nur noch in Einzelfällen berücksichtigt werden1. Die Hinweise auf Digitalisate wurden vom 15. 6. 2016 bis zum 22. 7. 2016 aktualisiert. Für zahlreiche wichtige Hinweise und Diskussionen danke ich meinem Mann, Michael Kunst, sowie Michael Blech, Thomas Schattner und Markus Trunk (alle zum Zeitpunkt der Diskussionen im Deutschen Archäologischen Institut Madrid). Michael Blech danke ich außerdem für die abschließende Lektüre der Arbeit vor der Publikation und Bernhard Neidiger für wichtige Hinweise zum kirchengeschichtlichen Hintergrund von Annius von Viterbo. Weiterhin gilt mein Dank dem Freiburger Erstgutachter der Habilitationsschrift Heiko Steuer sowie den beiden weiteren Gutach-
1 Nicht mehr verwendet wurde z. B. Müller u. a. (2014): Ein Augsburger Humanist und seine römischen Inschriften: Konrad Peutingers „Romanae vetustatis fragmenta in Augusta Vindelicorum et eius dioecesi”; Faksimile-Edition der Ausgabe von 1505 mit Übersetzung, epigraphischem Kommentar und kulturgeschichtlichen Essays. Lindeberg.
Vorwort
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tern, Christian Strahm und Dieter Mertens, für Kritik und wertvolle Hinweise. Die Römisch-Germanische Kommission hat durch ihre großzügige Hilfe bei der Benutzung der Rara-Sammlung der Bibliothek entscheidenden Anteil am Zustandekommen der Arbeit in dieser Form, dafür und für inhaltliche Diskussionen sei den Direktoren, Siegmar von Schnurbein, Friedrich Lüth und Susanne Sievers sowie Philine Kalb, Gabriele Rasbach und Knut Rassmann herzlich gedankt. Neben dem Fotografen Jürgen Bahlo (RGK) habe ich den Grafikern Michael Kinsky (Institut für Archäologische Wissenschaften der Universität Freiburg) und Guida Casella (Lissabon) für ihre Arbeit an den Abbildungen des Buches zu danken. Gleichfalls gilt der Deutschen Forschungsgemeinschaft mein Dank für die dreijährige finanzielle Unterstützung des Habilitationsprojektes, den Herausgebern für die Aufnahme in die Reihe der Ergänzungsbände des Reallexikons für Germanische Altertumskunde sowie den Mitarbeitern des Verlages De Gruyter, besonders Herrn Christoph Schirmer und Herrn Andreas Vollmer sowie der Setzerei für die professionelle Begleitung des Drucks.
Inhalt Vorwort 1 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.2.1 1.2.2.2 1.2.2.3 1.2.2.4 1.2.2.5 1.2.3
1.3 1.3.1 1.3.2 1.4 1.5 1.6 1.6.1 1.6.2 1.6.3 1.6.4 2
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1 Zur Einführung Ziele der Untersuchung 1 Die heutige archäologische Wissenschaftsgruppe – Aufgabengebiete und Aspekte ihrer Zeitgeschichte 5 Klassische Archäologie 10 Ur- und Frühgeschichtliche und Provinzialrömische Archäologie 13 Die erste historische Phase und die Entstehung der Provinzialrömischen Archäologie 13 Die erste naturwissenschaftlich-anthropologische Phase 16 Die zweite historische Phase 17 Die zweite naturwissenschaftliche Phase 25 Postmoderne Strömungen 29 Die Begriffe Altertumskunde, Antiquarswissenschaft, Geschichte und Archäologie in den Bezeichnungen archäologischer Fächer, Institutionen und Berufsgruppen 32 Zum Forschungsstand 36 Studien zu den Anfängen ur- und frühgeschichtlicher Forschung 36 Studien zur Periodisierung des Arbeitszeitraums und das Problem ihrer Kriterien 44 Der eigene Standort 51 Die Quellen 53 Zur Methode 63 Die räumliche Begrenzung und Einteilung 63 Die zeitliche Begrenzung und Einteilung 64 Archäologische Fragestellungen und Methoden 67 Das Methodenmodell dieser Arbeit 74
Spuren archäologischer Wissenschaft in Antike und Mittelalter? 83 2.1 Aspekte des Umgangs mit archäologischen Quellen 84 2.1.1 Monumente und Antiquitäten in der lebenden Kultur der Antike und des Mittelalters 84 2.1.1.1 Denkmäler und Sammlungen 84 2.1.1.2 Ausgrabungen 89 2.2 Frühe Konzepte mit wissenschaftlicher Kontinuität 94 2.2.1 Die Anfänge der historischen Interpretation archäologischer Funde in der Antike 94
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Inhalt
2.2.1.1
Herodot und Thukydides – die Überprüfung von Traditionen und der Nachweis von Mobilität und Migration durch Tekmeria 94 2.2.1.2 Votive und Herrschermonumente als Tekmeria bei späteren griechischrömischen Autoren 100 2.2.2 Kulturgeschichte und Ethnographie 103 2.2.2.1 Griechische Kulturgeschichte und Ethnographie: Götter, Klima und Geographie 103 2.2.2.2 Das römisch-antiquarische Kulturkonzept und die römische Ethnographie 104 2.2.2.3 Zur Klassifikation von Objekten und zur kulturellen Einordnung der Denkmäler im Mittelalter 109 2.2.3 Naturwissenschaft 111 2.2.3.1 Fossilien und Cerauniae (Donnerkeile) 111 2.2.3.2 Prinzipien der Klassifikation 114 2.2.3.3 Der Beginn empirischen Forschens im Spätmittelalter 115 2.2.4 Weltgeschichtliche und andere Ursprungsmythen 116 2.2.4.1 Antike Zeitstufenmodelle 116 2.2.4.2 Die Weltgeschichte als christliche Heilsgeschichte 120 2.2.4.3 Genealogien als Leitfaden der Geschichte 124 2.2.5 Ansichten zum übernatürlichen Ursprung und zur übernatürlichen Wirkung archäologischer Funde 125 2.3 Ergebnisse 130 2.4 Der Übergang in eine neue Zeit 133 3
3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3
Die Renaissance-Archäologie – von den italienischen Anfängen im 15. Jahrhundert bis zur Einrichtung des ersten nationalen Antiquarsamtes (Schweden 1630) 137 Das politische, soziale und institutionelle Umfeld der RenaissanceArchäologen 138 Der wissenschaftliche Schauplatz Italien 138 Das übrige Westeuropa – die Zeit der Peregrinatio academica 156 Das Phänomen der Sammlungen 169 Motive, Forschungsthemen und Fragestellungen 181 Die Antike als Vorbild 182 Die Origo 189 Naturalia, Artificialia, Mirabilia? 198 Die Quellen 199 Die schriftliche Überlieferung 200 Objekte in Sammlungen 203 Der Beginn praktischer archäologischer Tätigkeit in Italien und der Aufbau einer päpstlichen Denkmalpflege 204
Inhalt
XI
210 3.3.4 Prospektionen und Grabungen außerhalb Italiens 3.3.4.1 Die Suche nach römischen Denkmälern und Inschriften 210 3.3.4.2 Die ersten systematischen Landesaufnahmen 214 3.3.4.3 Grabungen 217 3.4 Die Analyse 224 3.4.1 Quellenkritik 224 3.4.2 Deskription und Klassifikation: Sehen, Erkennen, Darstellen und Ordnen 225 3.4.2.1 Antike Monumente, Kunstwerke und Gebrauchsgegenstände 226 3.4.2.2 Inschriften 236 3.4.2.2.1 Römische Monumente 236 3.4.2.2.2 Münzen 249 3.4.2.2.3 Runensteine 250 3.4.2.3 Megalithbauten 252 3.4.2.4 Fossilien, Cerauniae (Donnerkeile) und Tonurnen 254 3.4.2.5 Phantastische Genre- und Menschenbilder 271 3.5 Die Auswertung deskriptiver Merkmale 286 3.5.1 Kombinationen und analoge Merkmalsvergleiche 286 3.5.2 Datierung 293 3.5.3 Topographie und Kartographie 299 3.6 Die Interpretation 306 3.6.1 Der humanistisch-antiquarische Forschungsansatz 306 3.6.1.1 Die Deutung archäologischer Denkmäler in Italien – römische Kulturstruktur, Funktion der antiken Bauwerke und antike Topographie 306 3.6.1.2 Die humanistisch-antiquarische Altertumskunde außerhalb Italiens 311 3.6.2 Das weltchronistische Konzept und die Spuren mythischer Weltalter und Weltregionen 319 3.6.2.1 Quellen für den Ursprung der Etrusker und aller anderen Völker – Genealogische Fiktionen und Tekmeria in den Antiquitates des Annius von Viterbo 319 3.6.2.2 Archäologische Indicia als Beweise für das weltchronistische Geschichtsbild außerhalb Italiens und der Einfluss der Antiquitates des Annius 330 3.6.3 Der Beginn der historischen Auswertung archäologischer Quellen 335 3.6.4 Kulturgeschichte und historische Ethnologie – die Anfänge der ethnischen Archäologie 341 3.6.5 Naturalia, Artificialia oder Mirabilia? Archäologische Objekte in der enzyklopädischen Erfassung der Welt 345 3.6.5.1 Die Lösung des Problems der Cerauniae 347
XII
3.6.5.2 3.7 3.7.1 3.7.2 3.7.3 3.7.4 3.7.4.1 3.7.4.2 3.7.4.3 3.7.5 3.7.6
Inhalt
Die Lösung des Problems der gewachsenen Töpfe – Sammlungsobjekte und Grabungsergebnisse 351 Die Renaissance-Archäologie: Ergebnisse und Wertungen 354 Die Wiedergeburt – ein italienisches Phänomen 354 Die Rolle der Archäologie im Renaissance-Humanismus 355 Die Entwicklung archäologischer Methoden und die Bildung von Traditionen 358 Zu Alter, Phasengliederung und Merkmalen der Renaissancearchäologie 360 Phase I. – Von den Anfängen bis etwa 1470 360 Phase II. – Von etwa 1470 bis 1550 361 Phase III. – Von etwa 1550 bis 1630 364 Methodik, Erfolg und Innovation der Arbeitsweise 367 Die Episteme der Renaissance-Archäologen und die Frage des Einflusses äußerer Faktoren auf die Forschungsentwicklung 369 381
4
Ausblick
5
Bibliography
Personenregister
383
429
Tabelle 1: Wichtige Autoren der Renaissancearchäologie – Ausbildung – Berufe – archäologische Tätigkeiten 438 Tafeln
441
1 Zur Einführung In Germany … work is needed in the critical analysis of the current theoretical (or quasi-theoretical) beliefs which form the theoretical basis of an atheoretical practice (Klejn 1993, S. 54).
1.1 Ziele der Untersuchung Die heutigen Archäologischen Wissenschaften zeichnen sich durch mehrere mit einander konkurrierende Konzepte aus. Ein wichtiger Grund hierfür ist es, dass man sich bisher weder national noch international auf verbindliche Definitionen und Normen einigen konnte. Im Gegensatz zu den Naturwissenschaften und zu einigen geisteswissenschaftlichen Schulfächern kann man sich im Studium Archäologischer Wissenschaften deshalb auch nicht auf allgemein anerkannte Lehrbücher stützen. Wohl findet man Handbücher und Einführungen in Teilbereiche und spezialisierte Lexika. Diese entsprechen jedoch nie genau dem vom jeweiligen Hochschullehrer und seiner Schule abhängigen Unterricht. Keine der Archäologischen Wissenschaften hat es bisher zu einem Lehrbuch wie z. B. dem Straßburger für die Botanik gebracht, der, auf wichtigen Gebieten immer wieder aktualisiert, kürzlich in seiner 36. Auflage erschienen ist und damit eine über hundertjährige Geschichte besitzt (Bresinsky 2008). Bisherige Einführungen erlangten keine Allgemeingültigkeit. Am längsten hat das Werk von Hans-Jürgen Eggers die deutschen Studenten der Ur- und Früh geschichte begleitet Eggers (1959). Es erlebte auch Bearbeitungen (Eggers 1959[2004]). Von den neueren deutschsprachigen Versuchen scheinen sich die von Manfred K. H. Eggert am besten durchzusetzen (Eggert 2001[2008]; Eggert 2006; Eggert/Samida 2009). Ein weiterer Versuch liegt von Martin Trachsel (2008) vor. Auch die Erscheinungsjahre zeigen, dass hier keine Tradition besteht. Alle vier neuen ‚Lehrbücher‘ bieten Einführungen in die Methodik, nicht aber in den vollständigen Lehrstoff, wie die Lehrbücher der Naturwissenschaften. Deshalb decken sie lediglich die vom klassischen Proseminar vermittelten Kenntnisse ab. Ähnlich sind auch Einführungen in die Klassische Archäologie zu beurteilen (Borbein/Hölscher/Zanker 2000; Hölscher 2002). Zu der in der Prähistorischen und Frühgeschichtlichen Archäologie verwendeten Begrifflichkeit haben Doreen Mölders und Sabine Wolfram kürzlich ein Handbuch veröffentlicht, das wenigstens einer Vereinheitlichung der Terminologie dienen kann (Mölders/Wolfram 2014). Ein Studium in Freiburg führt zu einer anderen Arbeitsweise und Sicht auf die fachlichen Dinge als ein Studium in Kiel, Marburg oder Berlin. Dagegen werden die Studierenden nach einigen Grundinstruktionen gleich mit Spezialliteratur arbeiten und sich im Dschungel aktueller fachlicher Probleme herumschlagen müssen. Dabei werden sie sich auch früh zu entscheiden haben: sollte es nun Urgeschichtliche, Frühgeschichtliche, Klassische, Christliche oder vielleicht Vorderasiatische Archäologie sein? Von der Schule überhaupt nicht vorbereitet, müssen sie sich überwiegend auf
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Zur Einführung
subjektive Informationen stützen. Eigentlich interessierten sie sich ja nur für Archäologie. Nun geht es mit einem Mal darum, ob man diese historisch oder kunsthistorisch oder gar theologisch interpretieren sollte, Fragen, über die sie sich noch gar keine Gedanken gemacht haben, die aber die Teildisziplinen voneinander trennen. Kurzum, eine Verbindlichkeit ist kaum zu erreichen, eine Schularchäologie, vergleichbar der Schulmedizin, gibt es nicht. Grundsätzlich verschiedene Auffassungen von Archäologie existieren nebeneinander, sie charakterisieren nicht nur Teildisziplinen, sondern auch Schulen innerhalb der Teildisziplinen. Haben die archäologischen Disziplinen das Stadium einer normalen, einer reifen Wissenschaft, wie Thomas S. Kuhn das genannt hat, noch nicht erreicht? Nach Kuhn sind Lehrbücher zur Normierung von Wissenschaft unverzichtbar (Kuhn1962[1976], S. 148). Die europäischen Prägungen der archäologischen Fächer stammen überwiegend aus der Zeit der Bildung der Nationalstaaten und ihrer Auseinandersetzungen, u. a. auch konfessioneller Art. Genuin archäologische und historische Fragestellungen trafen auf die Interessen der weltlichen Mächte und der Kirchen und führten so zu unterschiedlichen zeitgemäßen Konzepten und Lösungen. Deshalb müssen die heutigen archäologischen Fächer als historische Erscheinungen betrachtet werden. Hierzu soll diese Studie einen Beitrag leisten, indem sie versucht, die Vorformen der deutschen Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie in ihren historischen Kontext zu stellen und mit der Entwicklung der Archäologischen Wissenschaften in einigen für die deutsche archäologische Forschung wichtigen europäischen Ländern zu kontrastieren. Im Besonderen wurden für die Anfänge archäologischer Tätigkeit Arbeiten aus Italien, vom 16. Jahrhundert an Arbeiten aus dem deutschen Sprachgebiet einschließlich der Schweiz, aus Frankreich, den Beneluxländern, England und Skandinavien untersucht. In den Mittelpunkt sind die Methoden archäologischer Arbeit gestellt. Das hat seinen Grund: Mögen auch die Ziele der einzelnen Fachgebiete in den verschiedenen Ländern sehr stark differieren, so ist es doch der Kanon angewandter Methoden, der den gesamten Wissenschaftsblock der archäologischen Fächer bei aller Divergenz in der jeweiligen Gewichtung als eine Einheit erkennen lässt. Die Methoden eignen sich folglich als ein Vergleichsparameter in Raum und Zeit für die gesamte Fächergruppe. Die meisten der archäologischen Methoden sind zwar ursprünglich in anderen Wissensgebieten entwickelt worden, spezifisch sind aber ihre Anwendungsgebiete und Kombinationen. Hier sollen außerdem allgemeine Argumentationsmuster, der Umgang mit dem archäologischen Objekt, die bildliche und verbale Darstellungsweise sowie Publikationsformen berücksichtigt werden. Es ergibt sich von selbst, dass eine solche Untersuchung nur exemplarisch vorgehen kann. Deshalb sollte man sich nicht wundern, wenn gerade dieser ohne jener wichtige Autor, dieses oder jenes wichtige Werk hier nicht berücksichtigt wurde. Zeit, Raum und wissenschaftliches Schaffen sind viel zu umfangreich, um eine Vollständigkeit erreichen zu wollen. Es geht auch um keine umfassende Darstellung, sondern darum, charakteristische Phänomene zu greifen. Das ist manchmal gerade
Ziele der Untersuchung
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bei weniger bedeutenden Arbeiten möglich. Dennoch wurde versucht, besonders das Entstehen bestimmter Arbeitsweisen zu berücksichtigen. Die Altertumsforschung war während der hier behandelten Epoche noch nicht in Einzelfächer aufgespalten, wenn sich auch Tendenzen unterschiedlichen Arbeitens schon früh zeigten. Vor der Herausbildung der Einzelfächer entwickelte sich die archäologische Arbeit in einem universalwissenschaftlichen Rahmen, aber auch in außerwissenschaftlichen Bereichen. Einzelne Herrscher und einzelne Gelehrte prägten das allgemein altertumskundliche, das sogenannte antiquarische Aufgabenfeld innerhalb des damaligen universalen Wissenschaftsgefüges1 und schufen abhängig von ihrer Herkunft, Ideologie und Religion Richtungen, die sich nicht ohne weiteres in die späteren engen Fächergrenzen pressen lassen. Die Traditionen der Fächer waren eben noch nicht entwickelt. Verschiedene Richtungen ergaben sich auch dadurch, dass die Gelehrten, die sich mit archäologischen Objekten und Fragen beschäftigten, aus ganz verschiedenen Bereichen kamen, überwiegend aus den drei großen alten Fakultäten der höheren Studien, Theologie, Jura und Medizin. Aber auch andere Personengruppen arbeiteten archäologisch, vor allem Künstler. In den meisten älteren forschungsgeschichtlichen Arbeiten steht die Sicht der Fachdefinition ihrer Zeit im Vordergrund. Sie sind auf den jeweiligen Forschungsstand hin konzipiert und stellen die Fachgeschichte zielgerichtet und als eine fortschreitende Akkumulation von Wissen dar: Objektive Erkenntnisse und Methoden nahmen danach zu, um folgerichtig in ein bestimmtes Fach einzumünden. Diese Darstellungsweise lässt eine adäquate Sicht auf das multifaktorielle intellektuelle Geschehen während des Ausbildungsprozesses der Archäologien gar nicht zu (Gummel 1938; Wahle 1950). Vor allem die Zeit vor dem 18. Jahrhundert ist bisher wenig erforscht, weil sie für die entwickelten Fächer als nicht mehr interessant galt und als abwegig empfunden wurde. Abgesehen von forschungsgeschichtlichen Arbeiten liegt die Grenze der heutigen ur- und frühgeschichtlichen Zitattradition sogar erst um 1850, weswegen die Jahrhundertmitte des 19. Jahrhunderts auch die obere Zeitgrenze für diese Untersuchung bildet (Sasse 2002). Ältere Arbeiten, die nicht mehr dem neuen Fachverständnis entsprachen, zitierte man einfach nicht mehr. Diese Beobachtung zeigt die Wichtigkeit einer Untersuchung des Prozesses der Spezialisierung selbst in seiner gesamten zeitlichen Tiefe. Warum blendete man das Alter der Archäologischen Wissenschaften so komplett aus, dass sie heute als ,junge‘ Wissenschaften gelten und ein Bewusstsein für ihre Bedeutung in ihrer Entstehungszeit, der Renaissance, nicht einmal bei Spezialisten für diese Zeit besteht? Warum geschah das gerade zu diesem Zeitpunkt, also um 1850?
1 Grundlegend siehe Momigliano (1950, S. 289 ff.); Wrede (1993, S. 19). Als eine übereuropäische Erscheinung des Zeitraums zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert mit besonderer Berücksichtigung Chinas: Miller/Louis (2012). Siehe auch S. 32 ff.).
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Zur Einführung
Die Beobachtungen der letzten 150 Jahre sprechen außerdem für einen ständigen Wechsel zwischen empirischen und idealistischen Anschauungen und den entsprechenden Methoden (Sasse 1999). Hieraus lässt sich die generelle Hypothese einer Wellenbewegung methodischer Richtungen ableiten, die im Folgenden anhand der frühen Entwicklung unserer Methoden geprüft werden soll. Ein wichtiger Punkt unserer Untersuchung wird deshalb die Klärung von Fragestellungen und Motiven in Raum und Zeit: Warum entwickelte sich überhaupt die Beschäftigung mit archäologischen Fragen, welche Probleme waren es, die dazu führten, archäologische Quellen zu ihrer Lösung heranzuziehen und über den Umgang mit diesen Quellen nachzudenken? Wurde die Lösung von Fragen konsequent und erfolgreich angegangen? Wann und warum entstanden daraus Konzepte, Paradigmen, Theorien, Fächer? Blieben denn die Konzepte gleich oder veränderten sie sich? Welche Rolle spielten bei diesen Prozessen der Separierung archäologische Erkenntnisse und Methoden, also wissenschaftsimmanente Faktoren und welche Rolle spielten exogene wie die Weltanschauung, also Glaube und Konfession, Empirismus oder Idealismus? Lässt sich eine Periodisierung der Arbeitsweisen und Denkmuster innerhalb des Zeitraums erarbeiten und gilt diese für das gesamte Arbeitsgebiet oder gibt es Zeitverschiebungen und inhaltliche Unterschiede? Nach der auf Thomas S. Kuhn zurückgehenden Inkommensurabilitätsthese (Unverträglichkeit) zwischen aufeinanderfolgenden Lehren dürfte in einer entwickelten Wissenschaft keine Kontinuität der Anschauungen bestehen (siehe unten; Kuhn1962[1976], S. 25 ff.). Ältere Meinungen werden in einer ‚Normalwissenschaft‘ ganz ausgeschaltet. Könnte die um 1850 festgestellte Zitatschwelle so eine bewusste Ausschaltung älterer Ansichten gewesen sein? Die Frage des Weiterlebens von Traditionen, Wissen und Methoden über Epochengrenzen hinaus stellt sich aber von der Renaissance an und mündet in das generelle Problem, ob das Wissen trotz wechselnder Grundauffassungen kumulativ zugenommen hat oder jeweiligen Wechseln der Auffassungen zum Opfer gefallen ist oder ob es hierfür vielleicht gar keine Regel gibt und jeweils ein Teil der Erkenntnisse übernommen, ein anderer Teil verworfen wird. Dieselbe Frage muss nicht nur zeitlich, sondern auch räumlich gestellt werden – auch Kuhn hat das getan. Dabei stellt sich auch das Problem, ob es eine unbewusste Tradition gab: Enthalten unsere Methoden konzeptuelle Rudimente aus ihrer Herkunftszeit, d. h. Lehrinhalte, die aus den entsprechenden Schichten wissenschaftlicher Erkenntnis, d. h. aus älteren wissenschaftlichen Lehren oder älteren außerwissenschaftlichen Auffassungen stammen? Lassen sich aus diesen Prozessen insgesamt idealtypische Erkenntnisse für die Archäologien und für die Wissenschaftsgeschichte überhaupt gewinnen? Diese Fragen werden im Folgenden durch Einzeluntersuchungen der archäologischen Arbeitsweise geprüft. Eine Bestätigung der Ansicht Thomas S. Kuhns wäre eine Bestätigung der auch von anderen Autoren vor allem der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts sowie des letzten Jahrzehnts vertretenen Relativierung der wissenschaftlichen Erkenntnis (Rheinberger 2007, S. 89). Eine Widerlegung könnte zwei
Die heutige archäologische Wissenschaftsgruppe
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Dinge bedeuten: 1. dass die von Kuhn für die Physik entwickelte Hypothese für die weniger normierten Archäologischen Wissenschaften gar nicht oder nur bedingt gilt, 2. dass sich das Wissen innerhalb des Wissenschaftsprozesses doch vermehrt, auch wenn die Paradigmen wechseln. Übrigens gibt es auch bei Kuhn Anhaltspunkte dafür, dass er diese Möglichkeit in Betracht zog, das Gegenteil aber als Argument gegen evolutionistische Vorstellungen überspitzte (Kuhn1962[1976], S. 182; siehe auch S. 48 f.).
1.2 Die heutige archäologische Wissenschaftsgruppe – Aufgabengebiete und Aspekte ihrer Zeitgeschichte Die Forschungsgegenstände der archäologischen Disziplinen sind die Artefakte und die Spuren menschlichen Lebens vergangener Zeiten. Manchen Archäologen erscheint die Gewinnung dieser Hinterlassenschaften durch das Auffinden im Gelände und das Ausgraben essentiell für die Definition, so Hans-Jürgen Eggers, der die Archäologie als „Wissenschaft des Spatens“ definierte (Eggers 1959, S. 14). Im Gegensatz zu Eggers teilen die überwiegend kunstwissenschaftlichen Archäologien wie die Klassische oder die Christliche Archäologie diese Auffassung nicht ganz. Man sieht die Ausgrabungen nur als eine Technik an, die im 19. Jahrhundert von diesen Archäologien aufgegriffen wurde (Deichmann 1983, S. 7 ff.). Das liegt auch am behandelten Stoff, da diese archäologischen Zweigwissenschaften es vielfach mit ‚lebenden‘ bzw. heute noch stehenden, wenn auch meist stark veränderten Denkmälern zu tun haben. Dennoch gilt wohl, dass es hauptsächlich verlassene, verlorene, begrabene und wiederentdeckte Realien sind, welche die Qualität einer archäologischen Quelle erhalten, gleichgültig, welchen Alters sie sind. Mittelalter und Neuzeit sind zumindest seit der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts eingeschlossen. Zu den wiedergefundenen Gegenständen gehören auch Schriftdenkmäler, die von den einzelnen Zweigen der Archäologischen Wissenschaften unterschiedlich stark zur Deutung herangezogen werden, deren Auswertung jedoch von der archäologischen Methode zu trennen ist (siehe besonders S. 75 ff.). Heute befinden sich die Wissenschaften des archäologisch-altertumskundlichen Interessengebietes aber in ganz verschiedenen Wissenschaftsbereichen. Die Differenzierung erfolgte sehr unterschiedlich nach Raum, Zeit und Kultur2 sowie nach Fra-
2 Die unterschiedliche Definition des Begriffs der menschlichen Kultur spielt nicht nur für das verschiedene Selbstverständnis der archäologischen Fächer, sondern auch in der gesamten hier behandelten Zeit ihrer Vorgeschichte eine essentielle Rolle. Dass Kultur ein veränderliches Phänomen des menschlichen Daseins darstellt, musste erst mühsam gelernt werden (grundlegend: Cassirer 1942, S. 3 ff.). Ihre Entwicklung zum Forschungsgegenstand gehört zu den Kernthemen dieser Arbeit. Grundsätzlich wird hier unter Kultur die durch den Menschen geschaffene materielle und geistige Welt bezeichnet (nicht nur die künstlerische oder wissenschaftliche Seite dieser Welt). Kultur wird als ein Merkmalkomplex angesehen, der die anerzogene Lebensweise und Organisation einer mensch-
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gestellungen. Das zeigt sich sehr deutlich bei den Instituten an deutschsprachigen Universitäten. Ein jüngerer Versuch, sie zu beschreiben, findet sich bei Manfred K. H. Eggert (2006, S. 3 ff.). Zu den Archäologischen Wissenschaften gehören für den europäischen Raum die Klassische Archäologie, die Provinzialrömische Archäologie, die theologisch orientierte Christliche Archäologie, die Ur- und Frühgeschichte und die Mittelalter- und Neuzeitarchäologie (Abb. 1), für den außereuropäischen Raum neben der Urgeschichte einzelne, besonderen Hochkulturen gewidmete Archäologien wie die theologisch orientierte Biblische Archäologie und die räumlich und zeitlich definierte Vorderasiatische Archäologie oder Vorderasiatische Altertumskunde, die Ägyptologie und die Altamerikanistik. Letztere beziehen die entsprechenden Philologien mit ein. Was die kulturelle oder regionale Prägung betrifft, so kann man die Reihe unendlich fortsetzen. Eggert behandelt z. B. die Ägyptologie nicht, weil in ihr Philologie und Archäologie nicht getrennt sind (Eggert 2006, S. 7), wohl aber die Archäologie des Mittelalters. Die obere Zeitgrenze der Archäologien ist durch die Historische Archäologie, deren Aufgabengebiet inzwischen die sogenannte Industriearchäologie weit übersteigt, offen. Jeder der einzelnen kulturell definierten Bereiche hat außerdem seine spezifische Philologie und Geschichte integriert. Einige dieser kulturbestimmten Archäologien haben sich als Fächer institutionalisiert, wie die schon erwähnte Provinzialrömische Archäologie, andere aber nicht. Diese stehen heute zwischen verschiedenen, eben
lichen Gruppe charakterisiert. Da Kultur das anerzogene Verhalten und Produzieren meint, ist die Abgrenzung zum biologisch geprägten Verhalten notwendig. Die Grenzen der Kultur bestimmen deshalb die vergleichende Verhaltensforschung, die Psychologie und die Genetik. Die Fähigkeit, Kultur zu bilden, wird als bestimmend für den Menschen angesehen, dieser als ‚Kulturwesen‘ definiert (Mühlmann (1947/48[1968]), 216 f.). Der Merkmalkomplex Kultur (holistischer Kulturbegriff) kann generalisierend untersucht werden wie z. B. bei der Behandlung genereller sozialer Phänomene in Raum und Zeit. Er ist aber auch aufgrund von verschiedenen Merkmalen in Untergruppen einteilbar (die Kulturen, partitiver Kulturbegriff). Die Kulturen stellen alternative Lebenssysteme dar, entwickeln ein kollektives Selbstbewusstsein und zeigen eine teilweise aggressive Neigung zur Abgrenzung gegen andere Kulturen und zur Ausdehnung. Sie sind jedoch nicht zwangsweise territorial abgeschlossen und auch nicht deckungsgleich mit Völkern bzw. Nationen. Die Kulturwissenschaften beschäftigen sich mit der Deskription, Klassifikation, Interpretation und Wertung individueller und genereller Erscheinungen der Kulturen sowie ihrer gegenseitigen Interaktionen und Modifikationsmechanismen. Wenn sie die Kulturen werten, spricht man vom normativen Kulturbegriff. Inwieweit der Kulturbegriff auf Fundkomplexe der Prähistorischen und teilweise auch der Frühgeschichtlichen Archäologie angewendet werden darf, ist heute strittig, während seine Nützlichkeit im Bereich der Archäologie der Schriftkulturen außer Frage steht (Kroeber/Kluckhohn 1952; White 1959[deutsch 1963]); Mühlmann (1947/48[1968]), 209 ff.; Harris 1969; Harris 1987[1989]; Hachmann 1987; Barfield 1997, 98 ff.; Brumann 1999; Fröhlich 2000, hier besonders der Beitrag von Hans-Peter Wotzka, S. 55, S. 69 ff; Rieckhoff/Sommer 2007, hier besonders die Beiträge von Ulrike Sommer und Christoph Brumann; Eggert 2001[2008], S. 312 ff.; Mölders/Sommer, 2014, S. 139 ff.).
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Abb. 1: Schematische Darstellung räumlicher und chronologischer Aufgabengebiete der einzelnen Archäologischen Wissenschaften in einigen Ländern und Gebieten West- und Mitteleuropas. Die chronologischen Grenzen sind geschätzte Mittelwerte. Legende: 1. Urgeschichtliche Archäologie 2. Urgeschichtliche, Frühgeschichtliche und Klassische Archäologie 3. Urgeschichtliche und Frühgeschichtliche Archäologie 4. Frühgeschichtliche und Klassische Archäologie 5. Klassische Archäologie 6. Frühgeschichtliche und Provinzialrömische Archäologie 7. Frühgeschichtliche Archäologie 8. Provinzialrömische Archäologie 9. Klassische und Provinzialrömische Archäologie 10. Klassische, Provinzialrömische und Christliche Archäologie 11. Klassische und Christliche Archäologie 12. Frühgeschichtliche und Christliche Archäologie 13. Christliche Archäologie 14. Christliche Archäologie und Mittelalterarchäologie 15. Mittelalter- und Neuzeitarchäologie (Historische Archäologie) sowie Europäische Ethnologie © Barbara Sasse, Michael Kinsky.
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auch nichtarchäologischen Fächern. In Skandinavien und dem deutschen Sprachgebiet hat vor allem die Germanische Altertumskunde große Bedeutung gewonnen. Die Entwicklung ihrer Konzeption spiegelt sich sehr gut in den zwei Auflagen des Reallexikons für Germanische Altertumskunde wieder (Reallexikon für Germanische Altertumskunde, 1. Auflage in 4 Bänden 1911–19; 2. Auflage in 35 Bänden 1973–2007). In den slawischen Ländern entspricht ihr die Slawische Archäologie. Die Klärung der Zugehörigkeit zu diesen Bereichen ist zudem anhängig vom methodischen Problem der ethnischen und kulturellen Deutung der archäologischen Quellen. Auf der Iberischen Halbinsel steht der Archäologie und Kunstgeschichte des christlichen Mittelalters die Islam-Archäologie gegenüber. Hier zeigt sich deutlich die Schwierigkeit einer überregionalen Klassifikation in einer fast 800 Jahre währenden Auseinandersetzung, die eine ständige regionale Verschiebung der Herrschaftsgebiete und damit auch der Zuständigkeit der Fächer impliziert. Im 1. Jahrtausend vor Chr. findet man eine ähnliche regionale Verschiebung der hauptsächlich von der Klassischen Archäologie bedienten kulturellen Gebiete vom Süden (Phönizier) und Osten (Griechen) über die Iberer und Römer in den barbarischen, am Anfang noch urgeschichtlichen, später frühgeschichtlichen Norden, der erst im 1. Jahrhundert vor Chr. in den Bereich der Klassischen bzw. Provinzialrömischen Archäologie einmündet. In der schematischen Darstellung der Abb. 1 war es nicht möglich, solche Verschiebungen innerhalb einer Großregion in einer Kolumne zu erfassen – Ausnahme ist Deutschland, weil sich hier im ehemals römischen Teil die Provinzialrömische Archäologie institutionalisiert hat und deshalb eine Teilung der Kolumne nötig war – der Süden und Westen entwickelte sich ähnlich wie Gallien, der Norden und Osten wie Skandinavien. Auch innerhalb der anderen Gebiete (Kolumnen auf der Abb. 1) bestehen große Unterschiede, die durch die Verwendung von Mittelwerten nicht sichtbar werden. Das bedeutet aber, dass die Verteilung der Fächer in Zeit und Raum noch wesentlich komplexer ist als auf der Abb. 1 dargestellt. Ägyptologie und Vorderasiatische Altertumskunde tangieren uns hier nur am Rande. Da sie sich mit den alten, Schrift besitzenden Hochkulturen des Vorderen Orients und Ägyptens beschäftigen, findet man bei ihnen zwar ähnliche methodische Ansätze wie in der europäischen Frühgeschichte – sie spielen jedoch in der hier behandelten Epoche bis 1850 noch eine begrenzte Rolle für die Entwicklung der archäologischen Tätigkeit in Europa. Nicht berücksichtigt werden Spezialwissenschaften, die sich mit weiteren außereuropäischen Hochkulturen befassen. Zu diesen Archäologischen Wissenschaften kommen sogenannte Nachbarwissenschaften, deren jeweilige Gewichtung in den einzelnen Archäologien und ihren Spezialgebieten sehr verschieden ist: aus dem geisteswissenschaftlichen Bereich rechnet man die schon erwähnten Philologien und Sprachwissenschaften, die Geschichtswissenschaft, die Kulturanthropologie, Soziologie, Ethnologie und die Kunstgeschichte zu den archäologischen Nachbarwissenschaften, aus dem naturwissenschaftlichen Bereich die Geologie, die Physische Geographie, die Biologie mit Paläobotanik und Zoologie, die Physische Anthropologie, die Medizingeschichte, die Metallurgie, die
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Chemie, die Physik und die Mathematik. Ihnen werden ergänzende Kenntnisse, Analogien und Modelle einerseits, spezifische Auswertungen von Funden andererseits verdankt. Mit einzelnen dieser Fächer teilen die Archäologischen Wissenschaften auch charakteristische Methoden, wie z. B. die Stratigraphie mit der Geologie. Die enge fachgeschichtliche Verbindung zwischen Ethnologie, Anthropologie und Ur- und Frühgeschichte während der Phase der anthropologischen Gesellschaften in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts hat dazu geführt, dass die Ethnologie immer wieder konzeptuelle Leitfunktionen für die Ur- und Frühgeschichte bekommen hat, so in der Kulturkreislehre, in ihrer Rolle bei der Entwicklung des Strukturalismus (z. B. Claude Lévy-Strauss) sowie postmoderner kulturwissenschaftlicher Ansätze (z. B. Ian Hodder). In den Vereinigten Staaten von Amerika gehören die drei Fächer heute im Rahmen der Anthropologie zusammen. Die einzelnen Archäologischen Wissenschaften besitzen neben dem nicht immer klar abgegrenzten räumlichen, zeitlichen und kulturellen Forschungsbereich ein unterschiedliches Alter (siehe unten) und damit zusammenhängend verschiedene theoretische Grundlagen, die sich in der Terminologie, der Tradition, aber auch in der vorherrschenden Methode zeigen kann. Auch der Fundstoff selbst und sein kultureller Stellenwert beeinflussen die Arbeitsweise. Hier stehen, der jeweiligen Bedeutung der Nachbarwissenschaften für die Fachdefinition entsprechend, geisteswissenschaftliche und naturwissenschaftliche Identitäten nebeneinander. Überspitzt gesagt definiert sich in Deutschland die Ur- und Frühgeschichte historisch, kulturwissenschaftlich oder naturwissenschaftlich, die Provinzialrömische Archäologie historisch, die Mittelalterliche Archäologie historisch, kulturhistorisch und kunsthistorisch, die Klassische Archäologie überwiegend kultur- und kunsthistorisch und die Christliche Archäologie kunsthistorisch und theologisch. Folglich findet sich für die Ur- und Frühgeschichte auch eine Einbindung in die Geschichtswissenschaften (z. B. Universität Leipzig, bis 2010 auch an der Humboldt-Universität Berlin). Wie kompliziert die Situation der Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie ist, verdeutlichen die in einem einzigen Bundesland, Baden-Württemberg, gelegenen Institute der Universitäten Tübingen und Freiburg: In Tübingen besteht das Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters aus drei Abteilungen, die zwei Fakultäten angehören. Die Abteilung für Ältere Urgeschichte und Quartärökologie gehört zur Geowissenschaftlichen Fakultät, die Abteilung für Jüngere Urgeschichte und Frühgeschichte und die Abteilung Archäologie des Mittelalters gehören aber zur Fakultät für Kulturwissenschaften (Eggert 2006, S. 10). Der Lehrstuhl für Archäometrie, der Archäologie mit naturwissenschaftlichen Methoden, aber ist Teil der Abteilung für Jüngere Urgeschichte und Frühgeschichte und damit der Kulturwissenschaften. In Freiburg dagegen sind die Urgeschichtliche, die Frühgeschichtliche Archäologie und die Archäologie des Mittelalters Abteilungen eines Instituts für Archäologische Wissenschaften, das zur Philosophischen Fakultät gehört, sich also geisteswissenschaftlich verortet. Darüber hinaus entsteht ein chronologisches Kompatibilitätsproblem: Während in Tübingen eine Trennung zwischen der älteren Urgeschichte und
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der jüngeren Urgeschichte besteht, ist es in Freiburg eine Trennung zwischen der Urgeschichte und der Frühgeschichte. Die Überschneidungen, die durch die verschiedenen Klassifikationsparameter zustande kommen, führen auch zwischen den Fächern zu zeitlichen, räumlichen und inhaltlichen Überscheidungen. Das kann man gut für die Spätantike und das Frühmittelalter demonstrieren. Einerseits überlappt sich die europäische Frühgeschichte mit der Klassischen Archäologie, andererseits mit der Christlichen Archäologie und der Byzantinistik. Diese letztgenannten drei Fächer betreiben Archäologie hauptsächlich kunstgeschichtlich und definieren sich als Kunstgeschichte der christlichen Spätantike und des frühen Mittelalters (Deichmann 1983, S. 15 ff.), ein Ansatz, der zwangsläufig auf die mediterrane Welt zugeschnitten, bei der Christlichen Archäologie gleichzeitig aber theologisch definiert ist. Dagegen steht der historische Ansatz der Frühgeschichtlichen Archäologie, die dieselbe Epoche räumlich übergreifend behandeln möchte. Durch ihre Entwicklungsgeschichte ist die Christliche Archäologie – wie die Klassische Archäologie – ursprünglich keine historische Wissenschaft gewesen; sie war normativ und dogmatisch geprägt und wurde erst im 19. Jahrhundert historisiert. In Erlangen und teilweise noch in Freiburg ist sie eine Hilfswissenschaft der Theologie, andere Institute sind heute der Kunstgeschichte oder der Klassischen Archäologie angeschlossen oder selbständig in der Philosophischen Fakultät. In Göttingen z. B. haben die Theologische und die Philosophische Fakultät der Universität bis 1995 um die Christliche Archäologie gestritten3. Die unterschiedliche Entwicklung der europäischen Regionen führt außerdem dazu, dass eine einheitliche Abgrenzung der Frühgeschichtlichen Archäologie zur Mittelalterarchäologie nicht besteht. Letztere beginnt im Norden und Osten Europas später als im Westen und Süden.
1.2.1 Klassische Archäologie Am längsten ist die Klassische Archäologie als Fach etabliert. Ihr Forschungs gegenstand ist die materielle und künstlerische Hinterlassenschaft der griechischen und römischen Kulturen und deren Randbereiche wie z. B. der minoischen oder der etruskischen Kultur. Die frühen Vertreter der Klassischen Archäologie stammten vorwiegend aus dem aufstrebenden, gebildeten Bürgertum (Borbein 1979, S. 102), das Fach profitierte jedoch von Anfang an auch von fürstlicher Förderung (Borbein 1997, S. 28). Johann Joachim Winckelmann setzte schon in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts weltanschauliche und künstlerische Normen für die Auseinandersetzung mit der Antike. Johann Wolfgang von Goethe und Winckelmann gingen von einem nor-
3 http://www.uni-goettingen.de/de/geschichte/311552.html, besucht am 22. 11. 2011.
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mativ-absoluten, durch bestimmte subjektive Schönheitskriterien definierten klassischen Stil aus, den sie für allgemeingültig hielten. Da die deutsche Klassische Archäologie am Beginn des 19. Jahrhunderts auf dieser Grundlage entstanden ist, war sie ursprünglich dem antiquarischen Denken noch sehr nahe, in dem die philologische Arbeit mit antiken Quellen und das archäologische Objekt selbst z. B. als Kunstgegenstand im Mittelpunkt steht. Diese Position wurde auch in der weiteren Entwicklung immer wieder gegen historistische Einflüsse erneuert, in erster Linie wohl, da die klassischen Objekte selbst als Kunstgegenstände über jeden Zweifel erhaben schienen. Dennoch lassen sich auch historische Ansätze feststellen. Wie wirksam Winckelmanns Normsetzung noch vor kurzem war, zeigt eine Äußerung Hellmut Sichtermanns, der den klassischen Stil noch für zeitlos hielt, damit aber nicht mehr Repräsentant seiner Generation war: Mit der Betonung des ‚Normativen‘ … mit seinen Wertsetzungen, mit seiner Begeisterung trug Winckelmann entscheidend dazu bei, die Klassische Archäologie als ‚edle Wissenschaft‘ zu konstituieren … So ist die Klassische Archäologie, gerade als ‚edle Wissenschaft‘, immer diejenige Winckelmanns geblieben (Sichtermann 1996, S. 17, S. 95).
Nach einer der Klassischen Archäologie gewidmeten Vorlesung 1767 durch Christian Gottlob Heyne in Göttingen entstanden die ersten entsprechenden Professuren im deutschen Sprachgebiet. An der Universität Wien machte Maria Theresia 1774 den Numismatiker Johann Joseph Hilarius von Eckhel zum ersten Lehrer für Altertumskunde und Historische Hilfswissenschaften und richtete ihm dann eine Lehrkanzel für Münz- und Altertumskunde ein (Berger 1983, S. 20). Es folgte 1777 eine parallele Lehrkanzel in Budapest – beide wurden Kernzellen der späteren Archäologischen Institute, Wien im Jahre 18684. Noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren jedoch die meisten Stellen an Personen gebunden, so in Kiel 1802 die für Georg Zoëga, die dieser jedoch nicht angetreten hat, in Berlin 1844 für Eduard Gerhard. Außerdem war diese Wissenschaft noch überwiegend philologisch ausgerichtet und Archäologie und Philologie auch institutionell miteinander verbunden. Friedrich Gottlieb Welcker erhielt schon 1816 in Göttingen eine ordentliche Professur für griechische Literatur und Archäologie, eine institutionell und methodisch selbständige Archäologie entwickelte sich aber erst im Laufe des 19. Jahrhunderts (Fittschen 1989, S. 79 ff.; Geominy 1989, S. 246 f.; Arndt/Gottschalk/Smend 2001, S. 106 [Siegmar Döpp]). Erst der 1865 gegründete erste reguläre Lehrstuhl in München, der mit Heinrich Brunn besetzt wurde, entsprach etwa der heutigen Fachdefinition (Schiering 1969, S. 67 ff.; Gran-Aymerich 1998, S. 115; Borbein/Hölscher/Zanker 2000, S. 11 f.). Die erwähnten Ansätze zu einer Historisierung entwickelten sich schon im Laufe der von Eduard Gerhard geprägten ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Gerhard for-
4 https://klass-archaeologie.univie.ac.at/institut/institutsgeschichte, besucht am 4. 12. 2014.
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derte die Behandlung der „Gesammtheit des monumentalen Stoffes“ (Gerhard 1850, S. 203 ff.), d. h. ein Abrücken von der Einschränkung auf Kunstdenkmäler. In dieser Zeit des entwickelten Historismus war außerdem die Überbewertung der klassischen griechischen Periode nicht mehr möglich, bzw. eingeschränkt. Während in Gerhards Schaffensperiode vor allem die Etrusker ins Rampenlicht rückten, wurden um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert die Spätantike (Riegl 1901) und die archaische Epoche in die Klassische Archäologie einbezogen (Most 1989), eine Entwicklung, die sich im Laufe des 20. Jahrhunderts verstärkte und einen Einfluss auf die Abstrahierungsbewegung der bildenden Kunst ausübte. Kritik erfuhr diese Auffassung, für die der Stil der Kunstwerke wichtiger war als der Inhalt, durch den amerikanischdeutschen Kunsthistoriker Erwin Panofsky, der die gegenseitige Abhängigkeit beider betonte (Bernbeck 1997, S. 234 f.). In den zwanziger Jahren kämpfte man jedoch als Reaktion auf den Evolutionismus und Historismus wieder für die ‚Klassik‘ der Klassischen Archäologie (Borbein 1995, S. 205 ff.). Die Strukturforschung der dreißiger bis sechziger Jahre suchte dann kultur- und künstlerspezifische stilistische Normen des „Kunstwollens“ (Kaschnitz von Weinberg 1944; Matz 1964; Bachmann 1996, S. 16 ff., S. 23, Anm. 52; Wimmer 1997, S. 18). Nach Ernst Buschor besaß die Klassische Archäologie vor anderen Archäologien eine Mission. Die bildende Kunst der Antike ist ihm zufolge ein „kostbarstes Vermächtnis“, und der Klassische Archäologe darf „seine Fackel an der Flamme jener Großen entzünden“ (Buschor 1969, S. 4 ff., geschrieben 1932). Noch 1996 findet man ähnliche Töne: Die Klassische Archäologie erforscht also die griechisch-römische Antike, die nicht irgendeine Vergangenheit darstellt, sondern eine Vergangenheit, die sich vor allen anderen durch Vollkommenheit und höchsten Wert auszeichnet (Sichtermann 1996, S. 10).
Es liegt auf der Hand, dass gerade bei der Behandlung von Randgebieten das „Gefühl für den besonderen Wert der zu erforschenden Gegenstände“ (Sichtermann 1996, S. 12) nicht immer gerechtfertigt ist. Heute scheint die vermehrte Erforschung von Randgebieten wie der Etrusker, der Phönizier oder der Iberer sowie die häufigere Untersuchung von Städten, Siedlungen und Gräbern gegenüber der ursprünglich dominanten klassischen Plastik oder der Vasenmalerei den Einfluss von anderen archäologischen Richtungen und von Methoden zu begünstigen, die aus der Ur- und Frühgeschichte kommen. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, verstärkt aber seit Ende der sechziger Jahre, spürt die Klassische Archäologie außerdem die Krise des humanistischen Bildungsideals. Schon im Jahre 2002 bezeichnete man die klassische Normsetzung als „zerbrochen“ und diskutierte eine flexible Rolle der Spezialdisziplinen im Rahmen der Kulturwissenschaften (Hölscher 2002, S. 12, S. 14).
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1.2.2 Ur- und Frühgeschichtliche und Provinzialrömische Archäologie 1.2.2.1 Die erste historische Phase und die Entstehung der Provinzialrömischen Archäologie Während die Entstehung der Klassischen Archäologie also einer kulturellen Normsetzung der klassischen Kulturen für die Gegenwart verdankt wird, diese aber heute weitgehend aufgegeben worden ist, entsprang die Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie in den verschiedenen europäischen Ländern dem Willen, dem jeweils eigenen Volk eine Geschichte vor ihrer bekannten historischen Überlieferung zu schreiben. Deshalb enthält die Fachbezeichnung auch überwiegend das Wort Geschichte (-history, -histoire). Man versuchte also, Geschichte mit Hilfe von materiellen Hinterlassenschaften zu rekonstruieren, wo schriftliche Quellen fehlten. Das Objekt war damit nicht mehr Sinn der Beschäftigung, wie bei der Klassischen Archäologie, sondern Mittel zum Zweck. Das ist auch bis heute so geblieben. Die Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie hat aber im Laufe ihres Bestehens als Fach verschiedene Richtungen erlebt, die sie scheinbar von der geschichtlichen Zielsetzung entfernt haben. So finden sich überregionale und globale Fragestellungen sowie naturwissenschaftliche Ansätze. In Deutschland sind am Beginn der Institutionalisierungsbestrebungen in der nachnapoleonischen Zeit deutlich national-historische Anliegen nachweisbar. Wie später noch im Einzelnen zu zeigen sein wird, begründete die ethnischen Deutung der Funde durch die Pioniere der Vaterländischen Alterthumskunde schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts den Anschluss an die Geschichtswissenschaft, indem man die „Alterthümer“ zu historischen Quellen für die deutsche Geschichte erklärte. Die Anfänge dieser Bestrebungen lassen sich in die Aufklärung zurückverfolgen – Johann Christian Dünnhaupt schrieb schon: „Alterthumskunde meines Vaterlandes“ (Dünnhaupt 1778, S. 3). Die Forschungen zu den „vaterländischen Alterthümern“ konnten sich in den regionalen, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts etablierten Geschichtsvereinen entwickeln. Hintergrund war das nach 1814 drängende Problem einer neuen, übergreifenden deutschen Staatsform mit einer neuen Geschichte. Wie in der Klassischen Archäologie lehrten einzelne Personen auch vor der eigentlichen Institutionalisierung als Universitätsfach ur- und frühgeschichtliche Inhalte, wie Johann Gustav Gottlieb Büsching auf seinem Lehrstuhl für Mittelalterliche Kunstgeschichte und historische Hilfswissenschaften in Breslau seit 1820 (siehe Bd. 2). Eine besonders wichtige Rolle spielte Ludwig Lindenschmit der Ältere, der Vater der Frühgeschichtsforschung in Deutschland und seit 1852 erster Direktor des durch die Versammlung des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Alterthumsvereine gegründeten Römisch-Germanischen Zentralmuseums in Mainz (Lindenschmit 1902, S. 10 ff.; Merhart 1953, S. 194 f.; Böhner 1978, S. 20 ff.; Kossack 1999, S. 21; Hase 2004, S. 583 ff.). Nicht zufällig waren es zwei wichtige methodische und nationale Anliegen, die nach 1848 die Institutionalisierung einer eigenen Archäologie in Deutschland
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dringlich erscheinen ließen: die Sammlung der eigenen Altertümer und ihre ethnische Deutung. Parallel gründete dieselbe Versammlung ebenfalls 1852 das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg, das mittelalterliche und historische Zeugnisse zusammentragen sollte5. Da eine ethnische Deutung aber nicht ohne eine absolute Datierung der Funde zu erreichen war, wurde es gerade die Diskussion um die Akzeptanz des Dreiperiodensystems, das Paradigma der Disziplin Ur- und Frühgeschichte schlechthin und das Ergebnis einer spezifischen Methode, der Ludwig Lindenschmit der Ältere, wie wir wissen, skeptisch gegenüberstand (Böhner 1981, S. 120 ff.; StreetJensen 1985, S. 34 ff.). Ähnliche Erscheinungen gab es in anderen mitteleuropäischen Gebieten, in denen die Nationsbildung um die Jahrhundertmitte zu einer Kernfrage wurde, wie in Böhmen, wo sich 1843 der Archeologický sbor muzejní Společnosti, die Archäologische Museumsgesellschaft, zusammenfand, aus der die archäologische Sammlung des Nationalmuseums in Prag entstand. An der Prager Universität erlangte außerdem Jan Erazim Vocel 1850 eine außerordentliche Professur für Böhmische Archäologie und Kunstgeschichte, die später sogar in eine ordentliche Professur umgewandelt wurde. Als einzige historistische Professur einer nationalen Archäologie in dieser Zeit in Mitteleuropa wurde sie nach Vocels Tod 1871 nicht weitergeführt6. Zusammenfassend kann man sagen, dass sich auf die nationale und regionale Tradition der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die überwiegende Konzentration des Faches auf deutsche Funde und ihre unmittelbaren Parallelen (z. B. dänische oder französische Funde, bzw. generell mit Germanen verbundene Funde) zurückführen lässt. Die Fragestellungen sind vornehmlich landesgeschichtlich oder national und selten theoretisch. Besonders ausgeprägt ist diese Richtung in der deutschen Frühgeschichtsforschung, die auf Ludwig Lindenschmit den Älteren zurückgeht. Hier werden auch heute noch weiträumigere Vergleiche ausschließlich historisch und kulturspezifisch (z. B. der Reihengräberkreis) begründet, naturwissenschaftliche, einschließlich der mathematischen Methoden, seltener angewendet. In derselben Zeit bildeten sich auch die Vorformen der Provinzialrömischen Archäologie oder Archäologie der Römischen Provinzen heraus, die archäologische Erforschung der Antike in Deutschland. Dieser Forschungszweig hat sich ebenfalls in den Geschichtsvereinen entwickelt, deren Mitglieder großenteils in den alten Sprachen bewandert waren. Das Hauptunterscheidungsmerkmal zur Klassischen Archäologie ist weniger in den behandelten Fundarten zu sehen als im historischen Ansatz, der die Provinzialrömische Archäologie mit der Ur- und Frühgeschichte verbindet. Institutionalisiert wurde die Provinzialrömische Archäologie erstmals 1892 in der von dem Althistoriker Theodor Mommsen ins Leben gerufenen Reichs-Limeskommission. Auch das schon ältere Unternehmen des CIL (Corpus Inscriptionum Latinarum) verfolgte unter der Leitung von Mommsen ein historisches Ziel – folglich kann man die
5 Zur unpräzisen Definition der beiden Parallelmuseen siehe Merhart (1953, S. 194). 6 Salač 2006, S. 221 ff.
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Provinzialrömische Archäologie als eine Gründung der Alten Geschichte bezeichnen. Ihr historischer Ansatz stand von vornherein außer Frage. Aus diesem Grunde war hier die Anerkennung durch die Historiker kein Problem, wohl aber das Verhältnis zu den Klassischen Archäologen, besonders zu deren historistischer Richtung (Willers 1991, S. 74 f.). Ganz anders aber bei der Archäologie der früheren Epochen! Über den Quellenwert archäologischer Funde hat die von Leopold von Ranke und seinem Schüler Johann Gustav Droysen idealistisch geprägte deutsche Geschichtswissenschaft auch später stets Zweifel gehegt. Der Archäologe, der nationale Geschichte schreiben wollte, musste folglich erleben, dass seine Quellen nicht als historische Quellen anerkannt wurden. Leopold von Ranke äußerte sich vernichtend über die gesamten Archäologien: Allenthalben widmet man der Erforschung der Altertümer ein Studium … Kunst und Altertum werden gleichsam identische Begriffe … Jeder neue Fund wird als glückliche Entdeckung begrüßt. Um die verschiedenen Mittelpunkte her haben sich Studienkreise gebildet, deren jeder ein eigenes Fach ausmacht … Für den Unterricht der Laien nicht allein, sondern für die Orientierung der Mitarbeitenden selbst wäre nichts erwünschter als eine genetische Durcharbeitung dieser Studienkreise und ihrer gegenseitigen Beziehungen. Eine solche Arbeit würde einer Enzyklopädie des historischen Wissens zur Zierde gereichen, aber in die Weltgeschichte könnte sie keine Aufnahme finden. Diese hat sich nur die evidenten Resultate der Forschung zu eigen zu machen. Die Geschichte beginnt erst, wo die Monumente verständlich werden und glaubwürdige schriftliche Aufzeichnungen vorliegen7.
In diesem Sinne schrieb auch Ernst Bernheim: Wenn z. B. im Teutoburger Walde gelegentlich alte Waffenstücke und Münzen ausgegraben werden, so gewinnen wir erst durch Schlüsse die Erkenntnis, dass diese aus der ersten Zeit des römischen Kaiserreiches stammen … Derartige Schlüsse gehören der ‚Interpretation‘ an und erfordern nicht selten umfangreiche Kenntnisse und Findigkeit. Man sieht, dass dadurch eventuell in die Bewertung der Überreste stark subjektive Momente eintreten können … (Bernheim 1905[1926], S. 125)8.
Außerdem konnte die archäologische Altertumswissenschaft keinen nennenswerten Beitrag zur Leistung des Individuums in der Geschichte liefern (Muhlack 2006, S. 268).
7 Ranke, Leopold von (1881): Weltgeschichte, Teil 1,1. Die älteste historische Völkergruppe und die Grie chen, S. III. Leipzig. Zitiert nach: Joachimsen, Paul (Hrsg.) (1925): Leopold von Ranke. Eine Auswahl seiner Schriften, S. 13. München/Berlin. 8 Bei der zitierten „Einleitung in die Geschichtswissenschaft“ handelt es sich um eine weiter verbreitete Kurzfassung von Bernheim, Ernst (1889[1903]): Lehrbuch der historischen Methode und der Geschichtsphilosophie. Leipzig.
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1.2.2.2 Die erste naturwissenschaftlich-anthropologische Phase In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts etablierte sich in ganz Europa eine naturwissenschaftliche, positivistisch geprägte, evolutionistische Richtung, die sich von 1859 an, der Gründung der ersten anthropologischen Gesellschaft in Paris, in den verschiedenen anthropologischen Gesellschaften und Kongressen manifestierte (Mühlmann 1947/48[1984], S. 96 ff.). Die biologische Entwicklungstheorie von Charles Darwin, die Funde von primitiven Steingeräten und ausgestorbenen Tieren in den Kiesschichten der Somme durch Jacques Boucher de Perthes und die stratigraphischen Ergebnisse von Edouard Lartet und Gabriel de Mortillet hatten gezeigt, wie naturwissenschaftliche Beobachtung die bisherigen Schöpfungsmythen und -theorien in Frage stellen konnte (Darwin 1859; Boucher de Perthes 1864; Mortillet 1869). Hieraus ergab sich nun für die Funde alter Menschen und alter Kulturen ein neuer, von der Bibel unabhängiger Zusammenhang: Wie alt war der Mensch, wie hatte er sich und hatten sich seine Kulturen entwickelt? So entstand ein naturwissenschaftlich und universalgeschichtlich orientiertes Alternativmodell zur nationalhistorischen Richtung der Ur- und Frühgeschichte, das durch die Einbindung in die Fächergruppe Ethnologie, (Physische) Anthropologie und Urgeschichte bestimmt wurde. Es fand seine Organisationsform in den anthropologischen Gesellschaften. Aus der anthropologischen Perspektive begründet sich der allgemein vergleichende, eher soziologisch und theoretisch orientierte, im Prinzip weltweite Ansatz des Faches, der jedoch auch heute noch quantitativ an den deutschen Universitäten vom regionalen Ansatz überlagert wird. In der Urgeschichtsforschung (hier ist die schriftlose Zeit der jeweiligen Region und ihres Einflussbereichs gemeint) ist er stärker ausgeprägt als in der Frühgeschichtsforschung, in der Erforschung des Paläolithikums (teilweise auch alleine als Urgeschichte bezeichnet) dominant. 1869 wurde die Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte gegründet, deren führende Wissenschaftler der Arzt Rudolf Virchow und der Ethnologe Adolf Bastian waren (Andree 1969; Andree 1976/86; Andree 2002). Hier fanden sich Naturwissenschaftler, Mediziner, Geologen und Geographen, aber auch Geisteswissenschaftler und Theologen zu einem allgemein vergleichenden Forschungsansatz zusammen. Die Gesellschaft berührte aber auch in den siebziger Jahren ethnische Fragen der eigenen Landesgeschichte, z. B. Virchow hinsichtlich der Slawen (Virchow 1878, S. 128 ff.). Die landesgeschichtliche Orientierung stand jedoch bis in die neunziger Jahre gegenüber dem überregional vergleichenden Ansatz im Hintergrund, der eher in der gleichzeitig entstehenden positivistischen Soziologie seinen Partner hätte finden können als in der traditionellen Geschichtswissenschaft. Diese hatte freilich von der Jahrhundertmitte an ebenfalls zahlreiche positivistisch und darwinistisch geprägte Arbeiten hervorgebracht (Schleier 2003). Schon 1863 hatte sich aber Johann Gustav Droysen in einem programmatischen Aufsatz gegen die Existenz von Gesetzen im historischen Geschehen gewandt und richtete damit die Geschichtswissenschaft wieder individualistisch aus (Schleier 2003, S. 148). Deshalb blieben es Außenseiter, die im deutschen Sprachgebiet kultur-,
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wirtschafts- oder sozialgeschichtliche Fragen behandelten, so der Schweizer Jacob Burckhardt (1866[1966]) und der Böhme Julius Lippert (1886). Karl Lamprecht, der kulturgeschichtlich, universalgeschichtlich und sozialpsychologisch arbeitete, löste, weil er kein Außenseiter war, den berühmten Methodenstreit zwischen der positivistischen und der idealistischen Geschichtsschreibung aus, der aber gegen ihn entschieden wurde (Lamprecht 1891–1909; Lamprecht 1900; Bernheim 1905(1926), S. 26 ff.; siehe auch S. 46). 1.2.2.3 Die zweite historische Phase In den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts wandte sich auch die deutsche Ur- und Frühgeschichte von der positivistisch-naturwissenschaftlichen Richtung ab und folgte damit der idealistischen geistesgeschichtlichen Strömung, die in Deutschland mit den Namen Friedrich Meinecke (Geschichte), Heinrich Rickert und Wilhelm Dilthey (Philosophie) und Max Weber (Soziologie) verbunden ist (Sasse 1999, S. 324, Anm. 25). Der Wandel der Anschauungen zeigt sich deutlich in den Aufsätzen und Vorträgen von Moriz Hoernes (1893), Rudolf Virchow (1894) und Gustaf Kossinna (1895). Hoernes grenzte damals die Prähistorie noch scharf von der Geschichte ab und sah sie als globale Wissenschaft: Die Prähistorische Archäologie ist einerseits ein Theil der allgemeinen Alterthumskunde, andererseits ein Theil der Anthropologie. Ihr Material bildet einerseits ein Glied – und zwar das erste – der Stufenfolge, die sich in vertikaler Richtung bis auf unsere Tage fortsetzt; andererseits ist es horizontal über die ganze Erde ausgebreitet … Sie (die Prähistorie) steht prinzipiell auf einem anderen Boden als die Geschichte und die Ethnographie, in welcher jüngere Entwicklungsphasen zur Erscheinung kommen. Ihr Princip ist ein rein culturwissenschaftliches und lässt die Rassen-, Völker- und Ländergrenzen durchaus zurücktreten (Hoernes 1893, S. 51 f.).
Rudolf Virchow nannte landesgeschichtliche Forschungen, auch ethnische Bestimmungen, „territoriale Culturgeschichte“ und räumte ihnen eine wichtige Bedeutung ein (Virchow 1894, S. 501). Gustaf Kossinna begann dann seinen Beitrag von 1895: „Wenn ich den Versuch wage, die vaterländische Archäologie mit der Geschichte in Verbindung zu setzen …“ (Kossinna 1895, S. 109). Damit war eine erneute Historisierung der Ur- und Frühgeschichte vollzogen. Doch nicht nur die nationalen Fragen begünstigten die Kombination mit historischen Quellen: Die Erfolge Heinrich Schliemanns in Troja zeigten für die Zeitgenossen, die Schliemann glaubten und nicht seinen Zirkelschluss bemerkten, eindringlich die scheinbaren Vorteile der Kombination von Stratigraphie und schriftlicher Überlieferung. Auch Rudolf Virchow nahm dabei regen Anteil und Einfluss (Andree 1990, S. 256 ff.). In der Verbindung Homers mit der Archäologie im Gelände hat man sogar die eigentliche Geburtsstunde der historischen Archäologie gesehen:
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In der Tat war durch geisteswissenschaftliche Thesenbildung – trotz homerophiler Hörigkeit Schliemanns – eine Synthese über asiatisch-europäische Kulturbeziehungen … entstanden … Schliemann war … neben Rudolf Virchow und gemeinsam mit ihm der ‚Wegbereiter einer neuen Wissenschaft‘, der historischen Archäologie (Herrmann 1992, S. 65 f.)9.
Für uns ist Troja ein wichtiger Beleg dafür, dass historische Fragestellungen und die Arbeit mit schriftlichen Quellen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Urund Frühgeschichte präsent blieben. Diese Forschungen führten zur archäologischhistorischen Methode und speziell zur Methode der Kreuzdatierung (Montelius 1903). Die ersten Lehrstühle des Faches in Mitteleuropa, die noch während der natur wissenschaftlich-anthropologischen Phase oder während der erneuten Historisierung eingerichtet wurden, waren naturwissenschaftlich-anthropologisch, ethnologisch und kulturwissenschaftlich geprägt. In Italien wurde die Prähistorische Archäologie schon 1877 unter dem Namen Paletnologia in Rom zu einem Universitätsfach. Der erste Lehrstuhlinhaber war Luigi Pigorini, der kurz zuvor die Zeitschrift Bullettino di Paletnologia Italiana gegründet hatte. Dann setzte sich in den neunziger Jahren auch in Italien die geisteswissenschaftliche Richtung durch, die einmal geschaffene Institution aber bestand weiter und trägt noch heute diesen Namen (Guidi 1988, S. 28; Peroni 2006, S. 275 ff.). Im Jahre 1886 richtete man in München einen Lehrstuhl für Physische Anthropologie ein und besetzte ihn mit dem Mediziner Johannes Ranke. Dieser lehrte zwar überwiegend sein eigenes Fach, bot aber jährlich ein Seminar in der von ihm eingerichteten Prähistorischen Sammlung des Staates, der heutigen Prähistorischen Staatssammlung, und eine Vorlesung „Anthropologie in Verbindung mit Ethnographie der Naturvölker“ an, in der auch Urgeschichte im Sinne von Paletnologia gelehrt wurde (Gummel 1938, S. 450; Kossack 1999, S. 28; Sommer/Struwe 2006, S. 30 f.10). Rankes Lehrstuhl war der 2. Sektion der Philosophischen Fakultät zugeordnet, der späteren Naturwissenschaftlichen Fakultät. In Wien dagegen, wo Moriz Hoernes seit 1892 als Habilitierter lehrte, wurde das Fach als vergleichende Prähistorische Archäologie im Sinne der anthropologischen Gesellschaften und als Kulturgeschichte gelehrt. Auch in Prag begann die kontinuierliche Geschichte des Universitätsinstituts 1892, da Lubor Niederle ebenfalls als Habilitierter seine Lehre in diesem Sinne verstand (Salač 2006, S. 221 ff.). Niederle erhielt 1898 eine außerordentliche, 1904 eine ordentliche Professur für Anthropologie und Prähistorische Archäologie11. Im Jahre 1911 wurde dann Hoernes in Wien auf den neugegründeten Lehrstuhl für Prähistorische Archäologie und damit den ersten Lehrstuhl dieser Fachdefinition im deutschen Sprachgebiet berufen (Kossack 1999, S. 27 f.; siehe S. 22).
9 Dazu auch Veit 2006a. 10 www.vfp-archaeologie.uni-muenchen.de/ueber_uns/geschdi/frdaten/index.html, besucht am 23. 11. 2011. 11 http://uprav.ff.cuni.cz/?q=node/15.
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1902 wurde durch die Stiftung einer außerordentlichen persönlichen Professur für den klassischen und germanischen Philologen Gustaf Kossinna (1858–1931) in Berlin dessen Fachrichtung zum Universitätsstoff. Sie erhielt den Namen Deutsche Archäologie und wurde dem Lehrstuhl für Deutsche Philologie und der Germanischen Altertumskunde zugeordnet (Jacob-Friesen 1928, S. 88; Gummel 1938, S. 383; Grünert 1992, S. 116; Grünert 2002a; 2002b; von Hase 2004, S. 581; Callmer/Meyer/Struwe/ Theune 2006). Hier begann sich eine philologisch-archäologische Germanische Altertumskunde zu institutionalisieren, ohne sich jedoch letztendlich zu einem Fach entwickeln zu können. In späteren Gründungen 1911 in Hamburg und 1934 in Berlin benutzte man die Bezeichnung Vorgeschichte und germanische Frühgeschichte. Die Fragestellungen Gustaf Kossinnas waren historisch: „scharf umgrenzte archäologische Kulturprovinzen decken sich zu allen Zeiten mit ganz bestimmten Völkern oder Volksstämmen“ (Kossinna 1911, S. 3), also der oben zitierten Aussage von Moriz Hoernes diametral entgegengesetzt. Methodisch schloss sich das Programm Kossinnas aber, das in seinem Vortrag von 1895 erstmals veröffentlicht worden war, an die gleichzeitig in der Ethnologie entstehende Kulturkreislehre (Frobenius 1898) und an die Anthropogeographie Friedrich Ratzels an, die wiederum in Leipzig in engem Kontakt zu der Kulturgeschichte Karl Lamprechts stand (Ratzel 1882/91; Mühlmann 1947/48[1984], S. 126 ff.). Die für diese Phase besonders charakteristische archäologisch-historische Datierungsmethode (Kreuzdatierung) wurde zuerst von dem Schweden Oscar Montelius als Methode beschrieben und international angewandt – besondere Brisanz gewann sie in Kombination mit dem Prinzip des Geschlossenen Fundes (Montelius 1885, S. 94 ff.; 1895; 1903). Es ging um die absolute Datierung nord- und mitteleuropäischer Funde durch Importe aus den Mittelmeerländern, die historisch oder durch Inschriften datiert waren. Diese archäologisch-historische Methode hat noch mehr als die ethnische Deutung die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts bestimmt. Allerdings erreichte sie teilweise die Kategorie historischer Spekulation, z. B. bei Joachim Werner (Sasse 2008, S. 249 f.). Bis zur Durchsetzung der Radiokarbondatierung stellte sie die einzige Möglichkeit absoluter Datierung für die jüngere Urgeschichte dar. Die erneute Wende zu einer historischen Arbeitsweise geht also nicht nur auf Gustaf Kossinna zurück, sie fand auch außerhalb Deutschlands statt und hatte auch methodisch bedingte archäologische Gründe. Dennoch zeigt die Bezeichnung Nordische und Vergleichende Archäologie der beiden Lehrstuhlgründungen dieser Zeit in Schweden, Uppsala 1914 und Lund 1919, keine ethnische Determinierung, sondern erinnert eher an die Auffassung eines Moriz Hoernes (Gräslund 2006, S. 179 ff.; siehe auch S. 18). Außerdem wurde diese Zeit aber durch wesentliche Verbesserungen in der Grabungs- und Prospektionstechnik und der Kenntnis des prähistorischen Fund materials geprägt – ein ebenfalls nicht nur deutsches Phänomen. Da in diesem Zeitabschnitt noch zahlreiche Personen führend waren, die ihre Formation in der Phase der anthropologischen Gesellschaften erfahren haben, ist der empirische und naturwissenschaftliche Anteil der Forschungen immer stark geblieben. Außer-
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dem kamen nach wie vor Lehrende aus den Naturwissenschaften, wie der Geologe Robert Rudolf S chmidt in Tübingen, die Mediziner Hans Hahne und Gustav Eichhorn in Halle und Jena oder der Botaniker Gustav Schwantes, erst in Hamburg, dann in Kiel (Gummel 1938, S. 384). In der Zeit des Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit hat sich das z. B. in den großen siedlungs- und landschaftsarchäologischen Projekten niedergeschlagen, die gleichzeitig aber auch landesgeschichtliche, d. h. rein historische Fragestellungen verfolgten (Kossack 1999, S. 58 f.). Wesentlich war dabei der Einfluss des Neopositivismus (Kossack 1999, S. 54) und die mit ihm verbundene induktive Methode. Sie verlangte eine umfassende Materialkenntnis zur Interpretation. Das begünstigte die Idee der Landesaufnahmen, Materialvorlagen und Corpora, deren Erarbeitung freilich Jahrzehnte brauchte. Deswegen kommt es teilweise zu sehr späten Erscheinungsjahren, wie bei Ernst Sprockhoff, dessen Megalithgräbercorpus 1926 begonnen und 1975 vollendet wurde12. Im Osten Deutschlands kann man die Idee der umfassenden Materialkenntnis ebenfalls finden, und zwar als Begründung für das Slaven-Corpus: „Die Forschungsarbeiten … zeigten, dass die umfassende Auswertung der archäologischen Quellen eine unabdingbare Vorraussetzung für die Erfassung und Darstellung gesellschaftlicher Zusammenhänge und Entwicklungen ist“ (Herrmann/Donat 1973, VII). Hierher gehören auch Unternehmen wie die 1965 durch Hermann Müller-Karpe begonnene und heute noch produktive Reihe Prähis torische Bronzefunde. Interessant ist, dass die Idee der soliden Materialbasis gleichzeitig mit Kossinnas Siedlungsarchäologie entwickelt wurde. Ihre wichtigste Grundlage aber war die Verbesserung der Grabungstechnik, noch zu Beginn dieser Wissenschaftsphase bei den Grabungen im Mittelmeerraum vor allem durch Wilhelm Dörpfeld. In Deutschland sind vor allem Carl Schuchhardt und später von den dreißiger Jahren ab Wilhelm Unverzagt und Werner Haarnagel zu nennen. Letzterer wurde der erste und langjährige Leiter des Niedersächsischen Instituts für historische Küstenforschung, das 1938 auf Anregung von Karl Hermann Jacob-Friesen (1940) und unter Einfluss des Niederländers Albert van Giffen (1940) gegründet worden ist (Haarnagel 1940). Diese interdisziplinäre, naturwissenschaftlich orientierte Forschungsrichtung hat sich als außerordentlich fruchtbar erwiesen und wird bis heute auch von niederländischer Seite aus fortgeführt. Bis an die Anfänge der ur- und frühgeschichtlichen Siedlungsforschung überhaupt reicht die interdisziplinäre Arbeit an Seeufersiedlungen im Schweizer-deutschen Alpenvorland zurück. Ferdinand Keller hatte am Zürichsee schon ab 1853/54 mit Unterstützung von Naturwissenschaftlern gearbeitet, Otto Tschumi forschte in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts in Bern in derselben Tradition, von deutscher Seite beschäftigten sich Eduard Paulus, Robert Rudolf Schmidt, Hans Reinerth und Oscar Paret interdisziplinär mit Seeufersiedlungen (Paret 1946, S. 13 ff.).
12 zu seinem Zweck siehe Willroth, Karl-Heinz (2001): Ernst Sprockhoff und die nordische Bronzezeit. In: Steuer 2001b, S. 116.
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Die Forschungen sind ähnlich wie die Projekte im norddeutschen Küstenbereich z. B. zur Wurtenforschung strukturiert. In Deutschland werden sie heute im Rahmen des Projekts Bodensee-Oberschwaben weitergeführt und seit 1990 in der Reihe Sied lungsarchäologie im Alpenvorland veröffentlicht. Ein Kontakt zwischen diesen beiden Zentren interdisziplinärer, naturwissenschaftlich geprägter Siedlungsforschung entstand aber erst spät über Bern und führte erst seit den achtziger Jahren zur Zusammenarbeit mit den Niederländern13. Außerdem wurden ebenfalls im Rahmen siedlungsarchäologischer Unternehmungen von den zwanziger Jahren an strukturgeschichtliche Fragen verfolgt. Sie beschränkten sich aber meistens auf einen landes- oder landschaftsgeschichtlichen Zusammenhang. Hierher gehören auch die Arbeiten Herbert Jankuhns zu Siedlungs-, Sozial- und Wirtschaftsstrukturen, die ebenfalls weiterwirkten und sich noch in den siebziger Jahren u. a. in interdisziplinären Kolloquien niederschlugen, z. B. Jankuhn/ Schützeichel/Schwind (1977). Schon in den zwanziger Jahren begann man mit sozialgeschichtlichen Auswertungen in der Frühgeschichtlichen Archäologie. Es handelte sich in diesem Fall um die Bearbeitung großer Grabfundkomplexe, deren Interpretationen auf Rechtsquellen wie den Leges beruhte (damals noch Volksrechte genannt) – bei Georg Kossack sind diese wichtigen Arbeiten gar nicht erwähnt (Veeck 1926; Kossack 1999). Trotz dieser Erforschung von Strukturen hat der linguistische und soziologischethnologische französische und englische Strukturalismus aber in dieser Phase keinen direkten Einfluss auf die deutsche Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie gehabt. In der englischen Archäologie scheint sich der strukturalistische Ansatz Alfred Radcliffe-Browns sowie der funktionalistische Bronislaw Malinowskis bis zum Postprozessualismus ebenfalls kaum durchgesetzt zu haben, obwohl wie in Deutschland sowohl Wirtschafts- als aus Sozialstrukturen untersucht wurden, z. B. durch Gordon Childe, Stuart Piggott und J. Grahame D. Clark (Klejn 1977, S. 3; Eggert 2001[2008], S. 297). In Frankreich wurde dagegen André Leroi-Gourhan, ein Schüler des strukturalistischen Sozialanthropologen Marcel Mauss richtungweisend für die Erforschung paläolithischer Kunst (Leroi-Gourhan 1982, S. 30 ff.). Der französische und englische Strukturalismus sind nicht mit der in den zwanziger Jahren entwickelten Strukturforschung der Klassischen Archäologie zu verwechseln (siehe oben). Eine vergleichende historische Analyse der verschiedenen den Strukturbegriff benutzenden oder mit Strukturen arbeitenden archäologischen und ethnologischen Richtungen bis zu den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts einschließlich der Kulturkreislehre ist meines Erachtens ein Desiderat14. Innerhalb des langen Zeitabschnitts zwischen den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts und 1970 hat es selbstverständlich mehrere kleinere, durchaus sehr unter-
13 Freundliche Stellungnahme zu erlebter Forschungsgeschichte von Christian Strahm, Freiburg. 14 Ein Versuch findet sich bei Eggert (2001[2008], S. 289 ff.).
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schiedliche Abschnitte gegeben. Dass Deutschland in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre wieder weltoffener wurde und universalgeschichtliche und globale Tendenzen wieder wirksam wurden, zeigt die Berufung Max Eberts als Nachfolger Gustaf Kossinnas. Interessant ist, dass man zum Sommer 1927 nach Kossinnas Pensionierung Eberts Stelle von einem persönlichen Exordinariat in ein persönliches Ordinariat umwandelte, also aufwertete, aber noch keinen Lehrstuhl einrichtete. Das Arbeitsgebiet wurde in Europäische Vorgeschichte geändert. Ebert hatte vorher schon ein ebenso definiertes Amt an der Königsberger Universität bekleidet. Das so entstandene europäisch orientierte Vorgeschichtliche Seminar, das Studenten aus ganz Europa anzog, wurde freilich durch Eberts frühen Tod schon 1929 wieder vakant, geriet im Laufe der Vakanzzeit in den Sog der politischen Krise und bekam erst 1934 mit dem völkisch gesinnten Hans Reinerth einen neuen Leiter (Grünert 1992, S. 116; Grünert 2002a, S. 314; Grünert 2006; Veit 2006b, S. 52 ff.). Der Fehlschlag der Begründung der europäischen Vorgeschichte als Fach in Berlin erklärt die überragende Bedeutung Marburgs für die weitere Entwicklung. Gero Merhart von Bernegg, der 1929 Professor für Vorgeschichte in Marburg wurde, war naturwissenschaftlich ausgebildet – er kam von der Geologie und hatte bei Moriz Hoernes, dessen Schüler Hugo Obermaier und bei Jacob Heierli gehört (Kossack 1999, S. 53 f.; Theune 2006, S. 90). Er überlieferte also auch naturwissenschaftliches sowie kultur- und universalgeschichtliches Gedankengut der anthropologisch-naturwissenschaftlichen Phase des Faches. Eberts Schüler wechselten zu ihm. Der Institutsgründung in Marburg folgten in den dreißiger Jahren Lehrstühle an allen wichtigen Universitäten. Das Unglück wollte es, dass in Deutschland die Expansion des Faches als Universitätsfach ausgerechnet während der Nazizeit erfolgte und vor allem die Lehre des 1931 verstorbenen Gustaf Kossinna von den Nationalsozialisten missbraucht wurde, was wegen der ihr innewohnenden sozialdarwinistischen Tendenz nicht schwer war. Auch war germanophiles und völkisches Gedankengut sowie Opportunismus wie überall in der Gesellschaft unter den neuen Hochschullehrern verbreitet (Pape 2001, S. 72 ff.). Während nach Ende des Zweiten Weltkrieges einige Auswüchse des Faschismus sowohl ideologisch als auch personell beseitigt wurden, weist das Fach mehrheitlich eine personelle und fachliche Kontinuität bis in die sechziger Jahre hinein auf (Sasse 1999, S. 321 ff.; Steuer 2001a, S. 13; Pape 2001, S. 86; Steuer 2004, S. 511). Diese ist auch die Ursache für den oben geschilderten inhaltlichen Zusammenhang der Vor- und Nachkriegszeit. Damit haben sich in den letzten 30 Jahren von den Prähistorikern und Prähistorikerinnen der Nachkriegs generationen vor allem Heinrich Härke, Ulrike Sommer, Ulrich Veit und Sabine Wolfram kritisch auseinandergesetzt (Härke 1989; Veit 1989; Härke 1991, Wolfram 1993; Härke 1994; Härke 2000a; Wolfram 2000; Sommer 2000; Veit 2000; Gramsch 2006). Darüber hinaus beginnt die Reflexion über den politisch-ideologischen Einfluss auf die archäologische Arbeitsweise in Ost- und Westdeutschland (Mante 2007, S. 133 ff.). Die verschiedenen vorliegenden Forschungsgeschichten, die sich mit dem Ende des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts der deutschen Prähistorischen
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Archäologie beschäftigen, gliedern und werten diesen Abschnitt sehr unterschiedlich. Während der Kossinnaschüler Ernst Wahle die auch während der ‚anthropologischen‘ Phase bestehende landesgeschichtliche Kontinuität betonte, sah er um die Jahrhundertwende die „geschichtliche Fragestellung wieder zur Geltung“ gebracht und als Ergebnis dieser Periode eine „engere Fühlung mit der übrigen Geschichtswissenschaft“ (Wahle 1950, S. 82, S. 105). Er nannte den diese Zeit betreffenden Abschnitt seiner Arbeit, den er 1890 beginnen ließ und als noch nicht abgeschlossen betrachtete, „Die Hervorkehrung des historischen Gesichtspunktes“. Weder der Beginn von Gustaf Kossinnas Universitätskarriere noch die zwanziger Jahre mit ihrer ersten Institutsgründung noch die Nazizeit waren für ihn epochale Einschnitte. Ähnlich hatte schon sein ehemaliger Kommilitone Hans Gummel periodisiert, nur setzte dieser die Epochengrenze um 1902 mit der Ernennung Gustaf Kossinnas zum außerordentlichen Professor (Gummel 1938, S. 316 ff.): Für beide begann die Erfüllung der deutschen Ur- und Frühgeschichte mit Gustaf Kossinna, obwohl Gummel nicht bei Kossinna, sondern bei Otto Tschumi in Bern in Allgemeiner Vor- und Frühgeschichte promoviert hatte15. Georg Kossack dagegen schrieb der geisteswissenschaftlichen Wende der neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts keine maßgebliche Bedeutung auf die Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie zu und sah Gustaf Kossinna noch im Zusammenhang mit den anthropologischen Gesellschaften (Kossack 1999, S. 40 ff.). So konnte er den Wandel in den zwanziger Jahren besser herausarbeiten, der zur Institutsgründung in Marburg führte. Er charakterisierte den gesamten Zeitabschnitt nicht als historisch, sondern als antiquarisch geprägt (ebd. S. 116), was bedeutet, dass er der Auffassung war, dass der Fund an sich das Ziel der Erkenntnis war und nicht Mittel zum Zweck historischer – oder andersgearteter Interpretation. Wie oben ausgeführt, ist das nicht richtig. Wissenschaftsgeschichtlich lassen sich für diese Phase durchaus Parallelen zu der Entwicklung in den angelsächsischen Ländern aufzeigen. Glyn Daniel urteilte für alle Archäologien folgendermaßen: „Archaeology is a technique by which facts are obtained for the construction of history and prehistory; and prehistory, like history, is humanity – a way of looking at man and his works, not at nature“ (Daniel 1975, S. 311). Charles F. C. Hawkes kam sogar auf die Idee, eine strikte Einteilung der ur- und frühgeschichtlichen Perioden nach der Intensität vorliegender schriftlicher Quellen vorzuschlagen, d. h. die Klassifikation in Ur- und Frühgeschichte unter dem Dach der Prehistory auf den Punkt zu bringen (Hawkes 1951, S. 6; hier Abb. 2). Die Kreuzdatierung und eine vermehrte Kenntnis der Funde führten auch die britische Archäologie zur Frage nach der Gleichzeitigkeit verschiedener Kulturen, nach deren Definitionen, ethnischen Bestimmungen und gegenseitigen Abhängigkeiten,
15 Nachruf von Alfred Bauer: Osnabrücker Mitteilungen, 71, 1963, S. 139 f.
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Abb. 2: Vorschlag von Charles F. C. Hawkes zur Periodisierung der Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie in England nach dem Anteil historischer Überlieferungen. Hawkes 1951, S. 9. © Hawkes 1951.
wofür auch hier die Kulturkreislehre den methodischen Hintergrund bildete16. Der Evolutionismus war zwar als Paradigma in den Hintergrund gedrängt, Childe aber verband Evolutionismus und Diffusionismus unter marxistischer Perspektive und gewann deshalb und durch seine Fragestellungen wie die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft großen Einfluss auf die zukünftigen englischsprachiger Richtungen der Archäologie (Childe 1925; Childe 1951; Trigger 1994, S. 9 ff.). Die neopositivistische Einstellung der meisten Gelehrten dieser Zeit forderte aber auch in England induktives Arbeiten auf möglichst großer Materialbasis ähnlich wie in Deutschland (Hawkes 1951, S. 14). Auch in der Kulturanthropologie in den Vereinigten Staaten von Amerika findet man diese historische Phase. Hier hatte von 1896 an Franz Boas das Fach Anthropologie im Sinne der anthropologischen Gesellschaften als Universitätsfach ausgebaut, dabei aber Einflüsse der neukantianischen, geisteswissenschaftlichen Wende der neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts aufgenommen, die in Amerika auch als „historical particularism“ bezeichnet werden (Harris 1969, S. 250 f.). Typisch war der sogenannte „direct historical approach“ oder die „historical analogy“ (Willey 1953b, S. 372; Trigger 1989, S. 147; Lyman/O’Brien 2001, S. 304, S. 308 ff.).
16 Zu V. Gordon Childe und J. Grahame D. Clark siehe Daniel 1975, S. 242 ff., S. 318; Veit 1984, S. 344 ff.
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1.2.2.4 Die zweite naturwissenschaftliche Phase In Amerika begannen in den Schüler- und Enkelgenerationen von Franz Boas noch unter vorwiegend antievolutionistischer Perspektive sowohl siedlungsarchäologische und ökologische als auch kontextuelle und quantitative Studien, wie z. B. die Arbeiten von Gordon R. Willey zur Siedlungsarchäologie des Virú Valley in Peru oder von William J. Mayer-Oakes zum Upper Ohio Valley. In der letzteren Arbeit ist die einst von William Matthew Flinders Petrie entwickelte Seriation als Modell für einen kontinuierlichen Kulturwandel wieder aufgenommen worden (Petrie 1899; Willey 1953a; Mayer-Oakes 1955; Ford 1962; Eggert 1978, S. 15 ff.). In Deutschland trug die Entnazifizierung und Reeducation-Politik der Aliierten nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Früchte: ethnische Interpretationen, überhaupt Interpretationen, wurden seltener und vorsichtiger. Sie kamen allerdings weiterhin sowohl im Osten als auch im Westen und besonders in der Frühgeschichte vor (Werner 1962; Herrmann 1970, S. 16 f.). Die Wende in dieser Hinsicht wurde durch die sog. neuere Verfassungsgeschichte möglich gemacht (siehe auch S. 47), die den Entstehungsprozess der germanischen Stämme des Frühmittelalters unter Heranziehung ethnologischer Muster aufrollte und so eine Basis für neue Interpretationsmodelle schuf (Wenskus 1961, S. 2). Vom Beginn der sechziger Jahre an zeigt sich dann auch auf anderen Feldern ein Schub von Innovationen. Neue Ansätze kamen von Interpretationen durch quantitative Methoden (z. B. Müller-Karpe 1962, Taf. 44) und auch die ersten Schritte in der Datenverarbeitung wurden gemacht. Vor allem aber brach die Anwendung einiger naturwissenschaftlicher Methoden das historische Paradigma der Kreuzdatierung auf, wenn auch nur langsam. Es sind vor allem die Radiokarbondatierung, die Colin Renfrew als „Revolution“ bezeichnete (Renfrew 1973; Taylor/Long/Kra 1992) und die Dendrochronologie (Becker 1992, S. 34 ff.). Dazu kommen neue Prospektionsmethoden wie die Luftbildarchäologie und die geophysikalische Prospektionsmethode. Diese Methoden waren zwar schon seit den zwanziger Jahren in Entwicklung, doch erst mit der Zeit archäologisch einsetzbar. Hans Jürgen Eggers’ Einführung in die Vor geschichte enthielt 1959 noch im Kapitel „Die absolute Chronologie“ 73 Seiten zur „archäologisch-historischen Methode“ und nur fünf Seiten zu „Naturwissenschaft lichen Methoden zur absoluten Chronologie“. Der letzte Satz des Kapitels lautet jedoch: Wenn sie (die Radiokarbondatierung) sich aber bewähren sollte, so wäre mit ihr auch die letzte Lücke in der absoluten Chronologie der vorgeschichtlichen Altertümer zu schließen, denn mit der C14-Methode kann man von der Gegenwart bis etwa 40 000 Jahre zurück das Alter von organischen Stoffen bestimmen (Eggers 1959, S. 198).
Dies war die Vorahnung der archäologischen Revolution, der neuen naturwissenschaftlichen Wende, die am Ende der sechziger Jahre kulminieren und die zur eigentlichen Ursache der Krise der historisch-archäologischen Methode in ihren verschie-
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denen Anwendungsbereichen werden sollte. Vor allem für die Datierung verlor sie weitgehend ihre Bedeutung. Die größere chronologische Sicherheit setzte aber andere Interpretationsmöglichkeiten frei. Diese Wende lässt sich dementsprechend auch in verschiedenen Ländern feststellen. So lassen sich Beispiele u. a. aus England (David L. Clarke), Schweden (Mats P. Mallmer), Polen (Lech Leciejewicz, Kazimierz Godłowski), der damaligen Tschechoslowakei (Evžen Neustupný), Deutschland (Heiko Steuer, Michael Gebühr, Klaus Goldmann) und Frankreich (Jean-Claude Gardin) anführen. Ob man die Grenze dieses Übergangszeitraums an seinen Anfang setzt (Klejn 1977, S. 4) oder an sein Ende (Sasse 1999) ist dabei unerheblich – in den siebziger Jahren waren die Neuerungen in einigen Bereichen durchgesetzt, so z. B. die soziale Fragestellung (Christlein 1968; Steuer 1968; Gebühr 1970; Gebühr 1974). Nur Steuer aber setzte das Schlagwort „Sozialstruktur“ schon 1968 in den Titel und ließ dann 1982 eine Monographie zu dem Thema folgen, das zu diesem Zeitpunkt aber schon durchgesetzt war (Steuer 1982; Sasse 1982). Keineswegs aber galt das Arbeiten mit quantitativen Methoden vor Ende der achtziger Jahre als selbstverständlich, obwohl es sogar schon in den fünfziger Jahren begonnen hatte und Peter Ihm eine Art Lehrbuch speziell für archäologische Bedürfnisse entwickelt hatte (Ihm 1978). Zum Aushängeschild der archäologischen Wende ist die in den sechziger Jahren in Amerika entstandene New Archaeology geworden. Wichtige Merkmale sind die Rückbesinnung auf das evolutionistisch-naturwissenschaftliche Fachverständnis des Zeitalters der anthropologischen Gesellschaften, die universalhistorische Sichtweise und der Glaube an Gesetzmäßigkeiten und generelle Zusammenhänge im soziokulturellen Bereich, die philosophisch begründet wurden. „Archaeology as Anthropology“ war das Schlagwort, mit dem Lewis R. Binford gegen fehlende „explanation“ und partikularistische Interpretationen zu Felde zog: „Specific ‚historic‘ explanations, if they can be demonstrated, simply explicate mechanism of cultural process. They add nothing to the explanation of the processes of cultural change and evolution“ (Binford 1962, S. 218), also mit anderen Worten, generelle Erkenntnisse sind dadurch nicht zu gewinnen. Binford und seine Anhänger wollten in dem Fach Anthropologie endlich wieder Anthropologie betreiben. Die New Archaeology definierte den Begriff Theorie im Sinne des Kritischen Ratio nalismus. Dieser ließ nach Carl G. Hempel nur deduktiv gewonnene Ergebnisse als theoretisch fundiert gelten. Man bediente sich deshalb der hypothetisch-deduktiven Methode und der deduktiv-nomologischen Erklärung nach Hempel und Paul Oppenheim, um Gesetzmäßigkeiten zu finden bzw. diese bei archäologischen Interpretationen anzuwenden (Eggert 1978, S. 29 ff.; Flor (1982[1993]; Bernbeck 1997, S. 51 ff.). Die Engländer David L. Clarke und Colin Renfrew waren keine Anhänger der hypothetisch-deduktiven Methode (Eggert 1978, S. 30 ff.). Renfrew ließ nach Karl Popper lediglich Falsifikationsbeweise gelten, akzeptierte den Wert von historisch spezifischen Aussagen und bekannte bezüglich der generellen: „I have myself, while aspiring to statements of high generality, likewise never advocated the use of general
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laws in relation to the archaeological record, mainly because I have never been able to discern any“ (Renfrew 1984, S. 14 f.). Clarke schrieb: „Whether or not there is order in the external world is a topic, that we can happily leave to the philosophers“ (Clarke 1968, S. 637). Clarke, der Anfang der sechziger Jahre zunächst unabhängig von der amerikanischen Entwicklung mit statistischen Methoden begonnen, dann aber die von der New Archaeology propagierte Systemtheorie in sein methodisches Hauptwerk Analytical Archaeology aufnahm, sah die Archäologischen Wissenschaften sehr viel eigenständiger und zugleich offener als die Amerikaner: … archaeology can be redefined as the discipline concerned with the recovery, systematic description and study of relict artefacts. Archaeology is a discipline in its own right (Clarke 1968, S. 13); … there are as many different aims in archaeology as there are archaeologists; some archaeologists see their role as historians, others consider themselves palaeoecologists. I have argued that in essence archaeology is uniquely itself, an immature discipline struggling to find its dimensions and assert its separate existence from bordering disciplines of greater maturity (Clarke 1968, S. 20).
Für einen Methodenpluralismus und gegen den rein naturwissenschaftlichen Standort der New Archaeology sprach sich auch der Neuseeländer Donn Bayard aus (Bayard 1978, S. 102). Das ist nicht der Ansatz der anthropologischen Gesellschaften, sondern der antiquarische Ansatz britischer Tradition (siehe dazu S. 318)! Die deutsche archäologische Forschung gilt seit einigen Jahrzehnten im Vergleich zur Archäologie in den angelsächsischen Ländern als eine untheoretische Disziplin. Faktensammlung (durch Grabung) und Deskription seien ihre Kennzeichen. Interpretationen und Konzepte, die philosophisch zu begründende Methodologie sowie Paradigmen nicht ihre Sache (Härke 1989; Bernbeck 1997, S. 9 f., S. 26 ff.). In modifizierter Weise ging Leo S. Klejn in seinem oben zitierten Satz zu einer Arbeit von Georg Kossack (1992) von einer Theorieferne der deutschen Forschung aus, hinter deren Praxis sich aber ein verstecktes, unbewusstes Theoriegebäude befände. Diese Behauptung begründet sich in erster Linie dadurch, dass sich zwar weder die New Archaeology noch die englische Processual Archaeology noch die ebenfalls aus England kommende ‚postmoderne‘ Nachfolgerin, die Postprocessual Archaeology im deutschsprachigen Raum durchgesetzt haben, dass aber eine eigene, nicht artikulierte Theorie besteht. Das ist ein interessanter Gedanke, der überprüft werden müsste. Jedenfalls wurden die angelsächsischen Strömungen lange Zeit nicht ausreichend diskutiert und auch nicht konstruktiv beantwortet. Dafür mag es für die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts auch politische Gründe geben: einerseits eine Vorsicht nach den Erfahrungen der Nazizeit, andererseits auch eine Abwehr gegenüber linken Strömungen welcher Art auch immer, war doch das theoretische Klima an den deutschen Universitäten und auch teilweise die TheorieDiskussion in der Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie der sechziger bis achtziger Jahre marxistisch geprägt und das bürgerliche, angegriffene Establishment empfand
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das als bedrohlich und differenzierte nicht zwischen dem bolschewistischen und dem philosophischen Marxismus. Jedenfalls fällt es auf, dass seit der politischen Wende die Bereitschaft zur offenen Auseinandersetzung mit theoretisch-philosophischen Richtungen des Faches deutlich zugenommen hat (Bernbeck 1997; Eggert/Veit 1998; Johnson 1999; Gramsch 2000). Das äußerte sich auch in der Gründung einer TheorieArbeitsgemeinschaft im Jahre 1989, die heute noch besteht17. Abgesehen von diesen chronologischen und politischen Beobachtungen lässt sich ein anderes Theorieverständnis konstatieren. Die Definition von Theorie erweist sich als abhängig vom jeweiligen Wissenschaftsbild und der entsprechenden philosophischen Grundeinstellung (Seiffert/Radnitzky 1989[1994], S. 3 f.). Die fachliche Theorie ist aber von der Philosophie zu trennen. Diese vom Neopositivismus vertretene Auffassung teilt offenbar die traditionelle deutsche archäologische Wissenschaft. Auch bei theoretisch angelegten Arbeiten findet man aus diesem Grunde kaum eine generelle, philosophisch begründete Theoriediskussion (Sasse 1999, S. 332). Dagegen findet man eine überwiegend landesgeschichtliche, individualhistorische, kultur- und zeitspezifische und nicht generalisierende Orientierung. Generelle Theoriediskussionen sind also nicht Tradition der deutschen Fachvariante. Anders ist das aber auch vor 1990 mit spezifischen, fachbezogenen theoretischen Themen wie z. B. dem Kulturbegriff (Hachmann 1987) oder der ethnischen Bestimmung von Kulturen und von Kulturgrenzen in der Auseinandersetzung mit der Theorie Gustaf Kossinnas (Wahle 1941; Eggers 1959, S. 199 ff.; Hachmann/Kossack/Kuhn 1962; Sangmeister 1977). Außerdem gehört zur traditionellen Wissenschaftstheorie auch die Methodologie (Seiffert/Radnitzky 1989[1994], S. 463 ff.), eine Auffassung, die von der deutschen archäologischen Forschung immer geteilt worden ist. Wichtige Beiträge hierzu sind z. B. die von Hermann Jacob-Friesen (1928) und Edward Sangmeister (1967; 1998). In der älteren methodischen Arbeit von 1967 stellte Edward Sangmeister die Methodenlehre fachbezogen dar und das Wort Theorie spielte bei ihm keine Rolle. In der jüngeren Arbeit von 1998 aber zeigt sich der Einfluss der sogenannten Theoriediskussion nicht nur sprachlich, sondern auch in der Argumentation. Dabei findet eine Annäherung an die Auffassungen David L. Clarkes, nicht aber an die hypothetisch-deduktive Arbeitsweise statt. Auffallend ist, dass die philosophische Grundlegung der fachlichen Arbeit im Studienangebot der archäologischen Fächer vernachlässigt wird. Theoretische und methodische Fragen werden vor allem im Grundstudium zu einem Zeitpunkt behandelt, da der junge Student noch nicht das Urteilsvermögen zu einer begründeten Kritik besitzt. Das könnte bedeuten, dass die Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie und die Klassische Archäologie in Deutschland versuchen, durch die Studien
17 Siehe auch die Rundbriefe der Arbeitsgemeinschaft Theorie in der Archäologie, zu den Anfängen: http://www.academia.edu/5971593/Rundbrief_der_AG_Theorie_Heft_1_1990.
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organisation ihre starken Grundparadigmen aufrecht zu erhalten, abgesehen von den oben beschriebenen graduellen Veränderungen. Es handelt sich dabei wohl auch um einen Schutz vor politischen Einflussnahmen, wie sie ja im Nationalsozialismus und im sowjetisch geprägten Kommunismus erfahren werden mussten. Die Folge ist eine im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten von Amerika und zu Großbritannien weitgehend endogene Entwicklung, die Ähnlichkeiten zu den etablierten Naturwissenschaften aufweist (siehe S. 5 zu Thomas S. Kuhn). Der so gehaltene Grundkonsens führt aber auch dazu, dass sich die zu beobachtenden Schuldifferenzen in einem für die Gesamtwissenschaft tolerablen Rahmen halten. Wenn diese Einschätzung richtig ist, wäre es nur ein kleiner Schritt zur Lehrbuchwissenschaft. Dieser könnte meines Erachtens durch eine übergreifende Systematik und Terminologie sowie eine klare Abgrenzung des Erreichten geleistet werden. Abgesehen von der Theoriediskussion kann man aber sagen, dass auch die deutsche Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie die Wende Ende der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts mitgemacht hat. Sie änderte, zunächst in einzelnen Pionierarbeiten, dann überwiegend, ihre Methoden durch den vermehrten Einsatz der Naturwissenschaften und der Statistik. Dieser wurde teilweise sehr kontrovers diskutiert, zumal Änderungen der Chronologie akzeptiert werden mussten (Milojčić 1957; 1958; 1961; Maran 2007, S. 341). Außerdem wandte man immer mehr quantitative Methoden an, vor allem die, die überwiegend auf Wahrscheinlichkeitsüberlegungen beruhten, wie die von David L. Clarke. Der hypothetisch-deduktive Ansatz der New Archaeology zur Gewinnung von Gesetzen wurde jedoch abgelehnt. Das hatte Tradition, denn schon der sogenannten typologischen Methode stand man in Deutschland reserviert gegenüber (Sangmeister 1967, S. 209). Die Richtung des Faches in Deutschland blieb seit etwa 1890 kultur- und zumeist auch zeitspezifisch und nicht generalisierend, überwiegend geisteswissenschaftlich und historisch. Innerhalb dieser Studien veränderten sich aber die Fragestellungen: soziale und wirtschaftliche Strukturen, Technik, Demographie und Umwelt und entsprechende interdisziplinäre Studien gewannen von den siebziger Jahren an immer mehr an Bedeutung. Die anthropologische Orien tierung der Zeit zwischen 1860 und 1890 wurde aber nicht wieder aufgenommen. Das gilt auch für den teleologischen Evolutionismus, der ja ebenfalls ein historisches Gesetz bedeutet hätte.
1.2.2.5 Postmoderne Strömungen Zum Glück für die deutsche Ur- und Frühgeschichte waren die New Archaeology bzw. die Processual Archaeology bald vorbei. Die britische Richtung, deren wichtigste Vertreter entscheidende Prämissen der New Archaeology nie aufgenommen hatten, darunter die Generalisierung und die anthropologische Tradition, begann schon in den siebziger Jahren den Weg zurück in den Schoß der Geisteswissenschaften. Die ersten Ansätze zu einer Kehrtwende zur Geisteswissenschaft zeigten sich schon 1972,
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also gerade zehn Jahre nach dem Beginn der New Archaeology (Klejn 1977, S. 25). Als erster griff Colin Renfrew Strömungen der französischen Soziologie und Geschichtswissenschaft auf, u. a. aus verschiedenen Phasen der Annales-Schule, so die Systematisierung des historischen Prozesses nach der Laufzeit der Erscheinungen Fernand Braudels (siehe dazu S. 46; Renfrew 1984, S. 358). Psyche und Geist kamen wieder ins Spiel: Die Kognitive Archäologie sollte das Denken vergangener Gesellschaften analysieren und so das ökologische Systemmodell der New Archaeology aufbrechen (Renfrew/Zubrow 1994). Renfrew blieb aber insgesamt doch bei einem naturwissenschaftlich geprägten Wissenschaftsbild (Eggert 1998a, S. 306). Für die Gegenströmung gegen die Processual Archaeology, die vor allem der Clarke-Schüler Ian Hodder in den achtziger Jahren aufbaute, wurde die psycho soziale Philosophie der Postmoderne richtungweisend18. Als Schlagwörter nannte Hodder Kultur, das Individuum, die individuelle Geschichte und Kontextualität und die Subjektivität der Wissenschaft, auch der Naturwissenschaft (Hodder 1985, S. 13). Damit wurde genau das wieder eingeführt, gegen das die Generation der 68er gekämpft hatte: die Intuition. Materielle Kultur wurde, entsprechend der psycho sozialen Verhaltensforschung, als ein Komplex von Symbolen aufgefasst, als Zeichen (Hodder 1982; 1989). Insofern sollte den Gegenständen eine sprachähnliche Bedeutung zukommen. Hodder griff dabei auf den schon am Anfang des 20. Jahrhunderts von Ferdinand de Saussure entwickelten Sprachstrukturalismus zurück, wie er in der postmodernen Philosophie von Jacques Derrida, Roland Barthes und Michel Foucault (1966) weiterentwickelt worden war – die Dinge sollten Text und Handlung bedeuten (Shanks/Tilley 1987, S. 98 f.; Kerig 1998, S. 230 ff.). Sowohl Hodder als auch der in Leiden wirkende Spezialist für Archäologe Griechenlands, John Bintliff, übernahmen außerdem, wie Colin Renfrew, Elemente der Annales-Schule, um die Archäologie wieder zu historisieren, und, im Fall von Bintliff, auch das Ereignis in eine strukturelle Archäologie wieder einzuführen (Hodder 1987, S. 1 f.; Bintliff 1991, S. 16). Insofern handelt es sich um eine idealistisch geprägte Gegenbewegung gegen den Logischen Empirismus und den Kritischen Rationalismus. Auffallend ist ein großer Einfluss der französischen Philosophie, Soziologie, Ethnologie und Geschichtswissenschaft. Ian Hodder kannte allerdings die Errungenschaften der empirischen Forschung durchaus an und hielt es für richtig, die empirische und rigorose Grundlage der Methodologie, die generalisierende Fragestellung und die anthropologische Fachverortung zu bewahren – wobei letztere in Großbritannien ja gar nicht durchgesetzt worden war (Hodder 1985, S. 13). Interessant ist, dass er in Çatal Höyük empirische interdisziplinäre archäologische Naturwissenschaft in vollem Maße einsetzt (siehe Çatalhöyük Archive Reports 1993–2010). Postmodern ist allerdings die Auffassung, wissenschaftliche Objektivität gebe es nicht. Sie bezieht sich sowohl auf die Aufnahme der Pri-
18 Vor allem der französische Soziologe und Ethnologe Pierre Bourdieu und der englische Soziologe Anthony Giddens (Hodder 1985, S. 1).
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märquellen während einer Grabung als auch auf die Rezeption wissenschaftlicher Lektüre als auch auf den Interpretationsprozess. Auf der Grabung versucht Hodder, diesem Problem durch permanente Reflexion zu begegnen (Hodder 2000, S. 428; Çatalhöyük 2000; Berggren/Hodder 2003, S. 427). Der zweite Schritt der Postmodernen Archäologie war die erneute Übernahme der Hermeneutik als geisteswissenschaftliche Deutungsmethode, die dann von Michael Shanks und Christopher Tilley in den Mittelpunkt gestellt wurde (Shanks 1992, S. 44 ff.; Müller-Scheeßel 1998, S. 247 f.). Shanks und Tilley befreiten die Ansätze Ian Hodders von ihren prozessualen Relikten und bauten die symbolistische Richtung weiter aus, die der materiellen Kultur die Funktion einer Zeichensprache zuschreibt (Shanks/Tilley 1987, S. 64, S. 73; Shanks 1992, S. 44 ff.; Shanks /Tilley 1992, S. 103 ff.). Dem technisch-funktionalen Kulturbegriff der Prozessualen Archäologie wurde also ein sozialpsychologischer Kulturbegriff entgegengesetzt. Sache und Handlungen werden zum kulturellen Symbol und so zu Kommunikationsphänomenen. Gegen die Postprozessuale oder auch Postmoderne Archäologie ist aus verschiedenen Lagern Kritik vorgebracht worden (Trigger 1989, S. 29 f.; Lüning 1991, S. 235 f.; Eggert 1998a, S. 306 ff.). Sie richtet sich vor allem gegen das zur kulturwissenschaftlichen Hauptströmung gewordene psychosoziale Konzept bei der Interpretation von archäologischem Fund und Befund und die Subjektivität. Sollten die archäologischen Relikte eine innere Bedeutung besitzen, wie findet man das mit archäologischen Mitteln heraus? Müsste man diese Hypothese nicht objektivieren können? Colin Renfrew ging in seiner Kritik so weit, postprozessuale Hypothesen als „revealed knowledge“ (Offenbarungen) aufzufassen (Eggert 1998a, S. 306 ff.). Die Leugnung objektiver Erkenntnismöglichkeiten in der Postprozessualen Archäologie wurde von vielen Archäologen als tödlich für die Wissenschaft empfunden. Mit dieser überzogenen These hatte sich die Postmoderne Archäologie an den Rand gedrängt. Z. B. liefern Messergebnisse objektive Werte im Rahmen festgelegter Werteskalen und sind auf dieser Basis auch interpretierbar. Interpretationen dagegen können bestenfalls nur auf Wahrscheinlichkeiten beruhen. Wie tief diese Erkenntnisse und Interpretationen reichen, bleibt aber immer eine Frage des jeweiligen Weltbildes. Abgesehen von diesem Problem haben sich in der Postmoderne typische kulturwissenschaftliche Fragestellungen durchgesetzt, wie z. B. in der Ägyptologie die nach der Erinnerungskultur (Assmann 1991; Assmann 1992). Auch in der deutschen Urund Frühgeschichtlichen Archäologie sind einige Aspekte angekommen oder werden zumindest diskutiert (Veit 2003a; Veit 2003b; Veit 2005; Veit 2007). Die Wissenschaftsgeschichte profitiert grundsätzlich vom relativistischen Ansatz. Das gilt auch für die Archäologie, und damit auch für diese Arbeit. Die nicht neue Botschaft ist, dass wissenschaftliches Arbeiten zeitgebunden und seine Ergebnisse nicht absolut zu sehen sind (Veit 1998, S. 340 ff.).
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1.2.3 Die Begriffe Altertumskunde, Antiquarswissenschaft, Geschichte und Archäologie in den Bezeichnungen archäologischer Fächer, Institutionen und Berufsgruppen Abschließend sind noch einige Worte zu den Fachbezeichnungen zwischen den Bestimmungswörtern Geschichte und Archäologie nötig – auch sie spiegeln den Kampf verschiedener Fachtraditionen. In der Epoche, die im Mittelpunkt dieser Untersuchung steht, waren diese Bezeichnungen noch nicht geläufig. Die Fachleute für das Altertum nannte man zunächst nicht Archäologen, sondern Antiquare (lateinisch: antiquarii). In England, Skandinavien und Spanien existiert dieser Begriff heute noch, wenn auch in begrenztem Umfang – so gibt es in London noch die Society of Antiquaries und in Madrid hat die Real Academia de la Historia einen Anticuario perpétuo. Zunächst gab es für archäologische Tätigkeiten gar keine griffige Bezeichnung. Die Entstehung von Namen für diesen Tätigkeitsbereich ist als ein Schritt in Richtung auf eine Fachentwicklung zu sehen. Wie haben sich die modernen Begriffe entwickelt? Der Begriff Archäologie kommt aus dem Griechischen. Archaios bedeutet alt, ursprünglich, d. h. Archäologie ist die Lehre vom Alten. Im Sinne einer Lehre wird der Begriff erstmals bei Platon im Größeren Hippias verwendet und bezeichnet eines der Gebiete, mit denen sich der Sophist Hippias beschäftigte. Dieser antwortete Sokrates auf dessen Frage, was er die Menschen lehre: Über die Geschlechterfolgen der Heroen und der Menschen, Sokrates, und über die Stadtgründungen, wie in alten Zeiten die Städte entstanden, und überhaupt über das ganze Gebiet der alten Geschichte, davon hören sie am liebsten, so dass ich ihretwegen gezwungen war, alles das in Erfahrung zu bringen und zu lernen (Plat. Hipp. mai. 286d-e).
Im Lateinischen entsprechen dem griechischen Begriff die Formen Antiquitas und Antiquitates. Gemeint sind die frühe Geschichte, die Ursprünge, aber auch alte Kulturund Kultgeschichte einschließlich der schriftlichen und sachkulturellen Denkmäler und anderen Traditionen. So wurde er von Varro, Dionysius von Halikarnass und der lateinischen Version von Flavius Josephus verwendet. Für Letzteren bildete die Überlieferung des Alten Testaments von der Schöpfung an die Hauptquelle seiner Antiqui tates Iudaica. In der ursprünglichen griechischen Fassung aber heißt es Archaiologia. In der Neuzeit wurde der Begriff Archaeologia erstmals 1679 von Jacques Spon im Vorwort seiner Miscellanea eruditae antiquitatis für die Wissenschaft der Altertümer verwendet: De antiquitatibus tractaturus, pauca praefari mens est de scientia quae illis enodandis incumbit, quam Archaeologiam sive Archaeographiam Graeca voce nominare placet. ARCHAEOGRAPHIA est declaratio sive notitia antiquorum monumentorum, quibus veteres, sui temporis religionem, historiam, politicam, aliasque tum artes tum scientias propagare, posterísque tradere studuerunt (Spon 2009, S. 34).
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Damit trug er einerseits dem aufkommenden Interesse für Griechenland Rechnung, indem er einen griechischen Begriff wählte. Andererseits trennte er durch die Determinativen -graphia und -logia seine Wissenschaft in ein beschreibendes und in ein räsonierendes Gebiet. Inhaltlich unterscheidet sich seine zitierte Beschreibung der Aufgaben des Faches jedoch nicht von der bis dahin üblichen Wissenschaft von den Antiquitates. Spon war übrigens in Begleitung von Engländern auch nach Griechenland gereist, teilte die aufkommende Begeisterung für diese Kultur und hat sicher auch deshalb die griechische Bezeichnung gewählt. Der neue Begriff setzte sich nicht gleich durch, wurde aber von der Mitte des 18. Jahrhunderts neben der weiter überwiegenden Bezeichnung Antiquitates häufiger (Rumpf 1953, S. 56; Daniel 1975, S. 20 ff.; Schnapp 1993, S. 179 ff.; Walther 1999, S. 86). Der Begründer der Klassischen Archäologie Johann Joachim Winckelmann führte in päpstlichen Diensten noch nicht den Titel eines Archäologen (siehe Bd. 2). Ein weiterer Meilenstein der Akzeptanz des Begriffs ist die Gründung der Zeitschrift Archaeologia 1770 durch die Society of Antiquaries in London (siehe S. 168). Die Gesellschaft änderte jedoch ihren Namen bis heute nicht und die Zeitschrift behielt ihr weit gefasstes, quellenpluralistisches Konzept trotz ihres neuen Titels bei (siehe S. 2). In Rom bestand seit 1810 die Accademia Romana di Archeologia, und auch die Urform des heutigen Deutschen Archäologischen Instituts, das 1829 in Rom gegründete Instituto di Corrispondenza Archeologica, nannte sich archäologisch. Schon in seiner Gründungsgeschichte begegnet dieser Begriff ganz selbstverständlich (Rieche 1979, S. 6 ff.). Auch Eduard Gerhard führte ab 1833 den Titel Archäolog (Borbein 1997, S. 27). Grundsätzlich ist es aber verfehlt, die Durchsetzung des Begriffes Archäologie mit einem methodischen Fortschritt zu verbinden (Marchand 2007, S. 249). Anders sah das Alain Schnapp (1993, S. 37, S. 310 ff.). Für den Althistoriker und Klassischen Archäologen entstand die Archäologie zwischen 1830 und 1860 mit der Entdeckung der vergleichenden Stratigraphie durch Jacques Boucher de Perthes. Ihre Instrumente sind seines Erachtens die Typologie, die Technologie und die Stratigraphie. Diese charakterisieren aber die Arbeitsweise der Prähistoriker und nicht die der Klassischen Archäologen (Schnapp 1993, S. 317 ff.). Damit gewinnt die Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie das epochemachende Übergewicht gegenüber der Klassischen Archäologie und der Ägyptologie. Andererseits muss die Typologie als eigene Methode angefochten werden, vor allem, was ihre chronologische Kompetenz betrifft; sie gehört zur Klassifikation (siehe S. 77 f.). Mehrfach hat Schnapp außerdem eine strikte Grenze zwischen der antiquarischen und der archäologischen Epoche gezogen (Schnapp 1993, S. 321; Schnapp 1993[2009], S. 9). Trotz des komplexen Verhältnisses zwischen den klassischen archäologischen Studien und der Prähistorischen Archäologie in Frankreich (Schnapp 2006, S. 289 ff.) übernahm er außerdem die Anwendung des Archäologiebegriffes auf die Prähistorie (archéologie préhistorique) von den internationalen Kongresstiteln (siehe unten) und verwendete den Begriff Archäologie bzw. archéologie genauso übergreifend wie Glyn Daniel archaeology für alle archäologischen Fächer (Daniel 1975).
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Bis vor kurzem war in Deutschland die Anwendung des Begriffes Archäologie auf die Ur- und Frühgeschichte umstritten, obwohl schon 1826 die „Deutsche Archäologie“ begegnet (Gummel 1938, S. 118). Archäologie sollte im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aber überwiegend Klassische Archäologie sein. Vor der Durchsetzung dieser Schlagwörter musste man seinen Forschungs gegenstand umschreiben. Seit alters her überwogen deshalb andere Varianten: In der lateinischen Literatur des 16. bis 18. Jahrhunderts sind neben dem üblichen Begriff „Antiquitates“ (Keysler 1720) aber auch von vetus abgeleitete Bezeichnungen belegbar (Apianus/Amantius 1534). Vom Ende des 17. Jahrhunderts an wird der Zusatz „heidnisch“ oder „paganus“ häufiger (Treuer 1688). Im 18. Jahrhundert gibt es dann, neben den weiter vorkommenden „Antiquitates“, den „Alterthümern“, die ersten Hinweise auf eine geschichtliche Verortung bei Johann Georg Eccard 1712 mit dem Begriff „Historia obscura“, womit aber die Zeit von der biblischen Schöpfungsgeschichte bis zu Julius Caesar gemeint war und nicht die Altertümer (Gummel 1938, S. 43). Ähnlich ist auch Johann Gottfried Herders Begriff „Urgeschichte der Menschheit“ zu werten, der sich auf den Garten Eden bezog (Herder 1784, S. 358 f.). Frühe Belege für eine historische Verortung von archäologischen einheimischen Funden kennen wir aus England: 1754 schrieb der Engländer William Borlase Antiquities, His torical and Monumental (Borlase 1754). Auch James Douglas verwendete „History“ in seinem Titel: A Sepulchral History of Great Britain (Douglas 1793). Doch hinsichtlich des historischen Bewusstseins darf man sich nicht täuschen: Von den Antiquaren der klassischen Kulturen, die sich sicher mit historischen Zeiten befassten, liegen vom 15. Jahrhundert an zahlreiche Äußerungen vor, die keinen Zweifel daran lassen, dass sie ihren Forschungsobjekten historische Bedeutung beimaßen, so Jacques Spon (2009, S. 31). Im deutschen Sprachraum herrschte während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der großen Zeit der Geschichts- und Altertumsvereine der Begriff Alterthum und davon gebildet die Alterthumskunde vor, eigentlich eine Übersetzung von Archae ologia bzw. Archaeographia. Nur vereinzelt sprach man von „Urgeschichte“ (Barth 1817; ders. 1820). Eine besondere Bildung stellt Die Vorhalle europäischer Völker geschichten durch Carl Ritter dar (Ritter 1820). In dieser Zeit der Geschichtsvereine hat sich auch der Begriff Vorzeit eingebürgert, der dann von Ludwig Lindenschmit häufig verwendet worden ist, noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Alterthümer unserer heidnischen Vorzeit. Für die Durchsetzung der heutigen Begrifflichkeit préhistoire, prehistory ist einerseits John Lubbock Prehistoric Times von 1865, in der deutschen Übersetzung von 1874 Die vorgeschichtliche Zeit verantwortlich, andererseits die internationalen anthropologischen Kongresse Congrés international d’Anthropologie et d’Archéologie préhistorique, die den Begriff Archéologie préhistorique in ihrem Namen führten. Gleichzeitig setzte sich in Deutschland in den Gesellschaften für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte der deutsche Begriff Urgeschichte gegen den übersetzten Begriff Vorgeschichte durch. Préhistoire, Prehistory und Vorgeschichte gehen
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von der angreifbaren Position der Mehrheit der Historiker der damaligen Zeit aus, die nur schriftliche Quellen als historische Quellen anerkannten und deshalb auch nur Schrift besitzende Kulturen und Epochen als historisch ansahen. Urgeschichte dagegen bezeichnet die sehr frühe Geschichte und bezieht schriftlose Kulturen damit in die Menschheitsgeschichte ein. Der Begriff Vorgeschichte findet sich aber immer noch in vielen deutschen Institutionen (Hoika 1998, S. 61 ff.), und der Begriff Prähistorische Archäologie setzt sich wegen seiner Internationalität immer mehr durch. Im Gegensatz dazu ist der Begriff Frühgeschichte, eine Übersetzung von proto histoire oder protohistory, nicht umstritten (Hoika 1998, S. 52 f.). Es würde sich deshalb anbieten, diesen Begriff auf die gesamte Zeitspanne der Ur- und Frühgeschichte auszudehnen. Man gewönne so einen internationalen, einheitlichen Begriff für das Fachgebiet schriftloser und schriftarmer Kulturen, der außerdem frei von einer Wertung der Schriftlichkeit wäre. Die konkurrierenden Bereiche Geschichte und Archäologie in den Fächernamen Ur- und Frühgeschichte, Provinzialrömische Archäologie und Archäologie des Mittelalters, d. h. drei Spezialfächer mit einer eher historischen Ausrichtung, werden immer wieder in Diskussion geraten, bis man sich einmal endgültig auf einen tragfähigen internationalen Namen geeinigt hat und damit auch auf eine eindeutige Abgrenzung der Fächer (Steuer 1993; Ament 1996a; Hoika 1998). Das Leitwort Archäologie als Fach- oder Institutionsbezeichnung für die Ur- und Frühgeschichte befindet sich seit den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts gegenüber dem Leitwort Geschichte im Vormarsch. Eine wichtige Ursache liegt wohl in der Erweiterung der archäologischen Arbeitsfelder z. B. auf Mittelalter und Neuzeit sowie im größeren auch internationalen Prestige und der besseren öffentlichen Erklärbarkeit des Begriffs Archäologie (Hoika 1998, S. 68). Gleichzeitig zeigt sich dadurch auch eine Krise des historischen Paradigmas der Ur- und Frühgeschichte seit dem Einfluss der New Archaeology. Der Begriff Archäologie eignet sich aber ganz unabhängig von den jeweiligen Erklärungsmodellen als gemeinsame Bezeichnung für alle Archäologischen Wissenschaften, weil er den gesamten Bereich abdeckt und parallel zu Geologie/Geographie, Biologie oder Zoologie als eine Wissenschaftsbezeichnung definierbar ist. Die entsprechende Berufsbezeichnung Archäologe kann für alle Fachwissenschaftlicher gelten. Dann könnte man zeitlich, räumlich und thematisch unterteilen: Die Ur- und Frühgeschichte könnte weltweit Archäologie schriftloser und schriftarmer Zeiten oder Frühgeschichtliche Archäologie, Protohistorische Archäologie, Protohistorical Archaeology, Archéologie Protohistorique usw. heißen. Hier wird allerdings, um Missverständnisse zu vermeiden, die eingeführte Fachbezeichnung Ur- und Frühgeschicht liche Archäologie beibehalten. Es folgt zeitlich überall die Archäologie der Zeiten mit schriftlicher Dokumentation, die in Europa in Archäologie der Klassischen Kulturen des Mittelmeerraumes (einschließlich ihrer Randgebiete), in Archäologie des Mittelalters und in Archäologie der Neuzeit unterteilt werden kann. Dieses Schema
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muss für weitere zeitliche, räumliche und für thematische Spezialisierungen offen sein. In diese Richtung mag die in letzter Zeit häufigere Gründung von Instituten führen, in denen die Archäologischen Wissenschaften einen gemeinsamen Platz finden. Gleichzeitig lässt sich auch beobachten, dass sich die einzelnen archäologischen Wissenschaften methodisch und thematisch einander annähern. So fällt es auf, dass keines der sogenannten Clusterprojekte des Deutschen Archäologischen Instituts eine für die Klassische Archäologie einst typische Fragestellung verfolgt19. Außerdem wird die interdisziplinäre Zusammenarbeit unter gemeinsamen Fragestellungen immer wichtiger.
1.3 Zum Forschungsstand 1.3.1 Studien zu den Anfängen ur- und frühgeschichtlicher Forschung Die im Vorherigen geschilderte Festlegung auf die historische Fragestellung und besonders die ethnische Bestimmung hat dazu geführt, dass die deutschen Forschungsgeschichten des Faches Ur- und Frühgeschichte die Zeit vor der Institutionalisierung des Faches meist nur am Rande behandelten und Entwicklungen, die nicht auf das spätere Fach hinführten, ausklammerten. Von den forschungs- und ideen geschichtlichen Arbeiten, die in den zwanziger und dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts in Deutschland zur Entwicklung des Fachs Ur- und Frühgeschichte als Universitätsdisziplin entstanden sind, ist das Werk von Karl-Hermann Jacob-Friesen das älteste (Jacob-Friesen 1928). Jacob-Friesens Ziel war es, die durch die Verbindung von Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte seines Erachtens entstandene Verwirrung zu brechen und dem Fach Ur- und Frühgeschichte eine eigene, dem historischen Prinzip von Heuristik, Quellenkritik und Interpretation nachempfundene Methodik zu verleihen. Dabei versah er die einzelnen Kapitel mit forschungsgeschichtlichen Angaben, die meist in das 19. Jahrhundert, in Einzelfällen aber auch bis ins 16. Jahrhundert zurückreichen. Interessant sind die entsprechenden Ausführungen zur Fundkarte und zur ethnischen Bestimmung (Jacob-Friesen 1928, S. 137 ff., S. 219). Diese Angaben werden aber kaum in historischen Zusammenhang gestellt und betreffen nur teilweise auch außerdeutsche Literatur. Jacob-Friesens Plan aber waren entsprechend aufgebaute methodisch-forschungsgeschichtliche Werke für die einzelnen „Kulturstaaten der Erde“ – leider ist nur das Werk von Hans Gummel für Deutschland fertig gestellt worden (Gummel 1938, S. IV. f.).
19 www.dainst.org/sites/default/files/medien/de/Forschungsplan_2009–12_gesamt.pdf?ft=all, besucht am 9. 8. 2011.
Zum Forschungsstand
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Der Kossinna-Schüler Ernst Wahle und seine Schüler Paul Hans Stemmermann und Horst Kirchner gerieten mit ihren Arbeiten teilweise in die Nazizeit. Wahle, von nationaldeutscher, bürgerlicher Herkunft, sah den Ursprung des Faches in der historistisch und national geprägten ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, mit der er sich in seiner Studie über den Sinsheimer Pfarrer Karl Wilhelmi, den er als „Gründer der Altertumsforschung in Süddeutschland“ ansah, auch ausführlich auseinandersetzte. Die Arbeiten dieser Zeit sollten Vorbild für die Orientierung des neuen Faches werden (Wahle 1928, S. 138; Wahle 1933; Hakelberg 2001, S. 206 f.). Wahles ältere Arbeiten kennzeichnet einerseits eine Kombination von Biographie und Werkanalyse, in der das weltanschauliche Konzept nur vereinzelt aufscheint, andererseits aber die klare Stellungnahme zur Verortung des Faches in der Geschichtswissenschaft: „wir sehen (in Wilhelmi) den Historiker, für welchen die Altertümer nur Mittel zum Zweck sind“ (Wahle 1933, S. 163). Horst Kirchner bekam Das germanische Altertum in der deutschen Geschichts schreibung des achtzehnten Jahrhunderts zum Dissertationsthema. Diese Arbeit trägt zu unserem Gegenstand nur wenig bei, da sie gerade die nichtarchäologische Literatur behandelt (Kirchner 1937). Anders die Dissertation von Paul Hans Stemmermann. Er erhielt Die Anfänge der deutschen Vorgeschichtsforschung. Deutschlands Bodenaltertümer in der Anschauung des 16. und 17. Jahrhunderts zum Thema, das damit eigentlich auf Deutschland und die Renaissance- und Barockzeit eingeschränkt war. Obwohl die Systematik nicht klar aus dem Inhaltsverzeichnis hervorgeht, ist der erste Teil dem Humanismus, und hier besonders den ehemals römischen Gebieten Germaniens, der zweite dem ehemaligen Freien Germanien mit dem Zentrum Skandinavien gewidmet. Zwar sollte damit auch chronologisch gegliedert werden, doch funktioniert das nicht immer. Die Arbeit ist aber in vieler Hinsicht innovativ und geht über das engere Thema hinaus. Vor allem steht sie nicht immer auf nationalistischem Boden, so in der Darstellung der Entstehung des Dreiperiodensystems in Skandinavien. Stemmermann sprach sich dezidiert gegen die von Gustav Kossinna vertretene Auffassung einer deutschen Entstehung aus, die allerdings schon von Karl-Hermann Jacob-Friesen (1928) und Hans Seger (1930) widerlegt worden war (Stemmermann 1934, S. V, S. 122 ff.). Paul Hans Stemmermanns relativ moderner, multikausaler Ansatz trägt insofern Früchte, als die Arbeit nicht teleologisch ist. Zwar endet sie mit dem Dreiperiodensystem, doch kommen auch andere Richtungen zur Geltung. Vor allem aber ist das Ziel nicht die nationale deutsche Vorgeschichte, obwohl man im 18. Jahrhundert hierfür Begründungen hätte finden können und Hans Gummel sie gefunden hat. Es sind dagegen Einflüsse von außen, aus Italien im ersten Teil der Arbeit und aus Skandinavien und Frankreich im zweiten Teil, die auf die Bildung der Ur- und Frühgeschichte in Deutschland einwirkten. Außerdem aber waren es Weltanschauungen und vor allem die Politik:
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Stets suchten Fürsten, Länder und Städte durch den Hinweis auf vorgeschichtliche Zustände ihre politischen Ansprüche zu begründen. Durch die verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten, die das vorgeschichtliche Quellenmaterial bot, waren selbst die gewagtesten Hypothesen zu belegen. Die Vorgeschichtsforschung war demgemäß immer mehr als jede andere Wissenschaft den geistigen und politischen Einflüssen der Zeit ausgesetzt (Stemmermann 1934, S. 1).
Welch weise Worte im Deutschland des Jahres 1934! Hoch anzurechnen ist Paul Hans Stemmermann auch, dass er neben seinem Hauptgutachter Ernst Wahle dem Heidelberger Althistoriker Eugen Täubler dankte, der wegen seiner jüdischen Abstammung ab März 1933 beurlaubt war (Stemmermann 1934, S. V). Die Arbeit blieb bis 1976 die Einzige, die überhaupt den Versuch unternahm, die Frühzeit dieses wichtigen archäologischen Bereichs umfassend und adäquat darzustellen. Sie ist bis heute eine Fundgrube für Einzelinformationen, zumal viele Beobachtungen richtig und manche erstmals formuliert worden sind. Sie kann natürlich nicht heutigem Forschungsstand entsprechen. Der Verfasser folgte der nationalen Grundstimmung trotz klarer Kritik in wichtigen Punkten, vernachlässigte trotz seines sonst weit über deutsche Grenzen hinausgehenden Arbeitsgebietes England und ordnete seine Quellen oft ohne eine genaue Analyse des Zusammenhangs und Gesamtwerkes forschungsgeschichtlich ein. Die eigentliche Grundlage für die Forschungsgeschichte der Ur- und Früh geschichtlichen Archäologie in Deutschland im 18. und 19. Jahrhundert ist immer noch das von Karl-Hermann Jacob-Friesen inspirierte Werk von Hans Gummel (1938). Es bietet eine reiche Materialsammlung, z. B. auch durch die wertvolle Zusammenstellung von Lebensläufen. Seine Bedeutung für die Wissenschaftsgeschichte ist jedoch nicht nur durch seine teleologisch in die nationale Ur- und Frühgeschichte im Sinne von Gustaf Kossinna einmündende Darstellung in vieler Hinsicht eingeschränkt. Gummel blieb überwiegend deskriptiv, es fehlen die großen Zusammenhänge der Forschung, ihrer jeweiligen Fragestellungen und ihrer Beweggründe. Das zeigt schon die Haupteinteilung des Werkes, die bis zu den Befreiungskriegen eine „Vorwiegend kulturgeschichtliche Wertung“ der Funde postuliert, nach den Befreiungskriegen aber die „Anerkennung der vorgeschichtlichen Denkmäler und Funde als selbständige historische Quellen“ (Gummel 1938, S. 4; S. 110). Die älteste Zeit bis zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges erfährt weder in faktischer noch in systematischer, methodischer und theoretischer Hinsicht eine adäquate Behandlung. Auch der nächste Abschnitt „Bis zum Aufschwung der Beschäftigung mit der „vaterländischen Vorzeit“ nach den Freiheitskriegen“, der überwiegend dem Werk von Andreas Albert Rhode gewidmet ist (Gummel 1938, S. 23 ff.), bringt keine tieferen Zusammenhänge. Nicht einmal die wichtige technologisch-experimentelle Erkenntnis Rhodes und anderer hinsichtlich der Deutung der Donnerkeile wird im kurzen Abschnitt über die Methodik herausgestellt (Gummel 1938, S. 100). Die Wahl Johann Gustav Gottlieb Büschings als Hauptquelle für die Zeit bis zur Reichsgründung begründet sich national und erweist sich außerdem als nicht sehr glücklich. Schuld mag auch das zu eng gedachte Gerüst der Grundfragen Jacob-Friesens sein, z. B. hinsichtlich der Typologie. Hier fehlt im Zeit-
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fenster der Aufklärung eine Diskussion der Vorformen der Typologie, vor allem der Klassifikation. Wie wenig Gummel aber zur typologischen Methode insgesamt zu sagen hatte, ergibt sich aus den entsprechenden Abschnitten der Virchow- und Kossinnazeit (Gummel 1938, S. 299, S. 371). Anders äußerte sich Ernst Wahle in seiner etwas jüngeren „Geschichte der prähistorischen Forschung“. Die historisch-idealistische Grundtendenz der älteren Arbeiten bleibt bestehen, ja sie wird weiter in teleologischer Weise ausgebaut (Wahle 1950; siehe S. 36 f.). Wahle berücksichtigte dabei aber Skandinavien, England und Frankreich und behandelte auch einige grundsätzliche methodische Fragen. Faktisch beruht die Arbeit ohne Anmerkungen aber weitgehend auf den Werken von KarlHermann Jacob-Friesen, Paul Hans Stemmermann und Hans Gummel. Die Periodisierung ist ähnlich wie bei Gummel, und die Behandlung der ältesten Periode „Aus Stoff und Fragestellung wird ein selbständiges Arbeitsgebiet“ entsprechend wenig strukturiert. Die humanistischen Grundlagen und Fragestellungen innerhalb der noch nicht geteilten antiquarischen Wissenschaft und die Abtrennung der Klassischen Archäologie werden nicht gewürdigt, dagegen aber Kurioses angeführt (Wahle 1950, S. 507 f.). Als Ergebnis dieser Zeit stellte Wahle aber das Bewusstsein einer Geschichte vor den Schriftquellen dar, eine Basis für den in der Romantik aufgebauten historischen Standort (Wahle 1950, S. 519). Die romantische Phase mündet jedoch auch bei ihm ins Dreiperiodensystem ein (Wahle 1950, S. 534). Die Arbeit enthält außerdem Defizite in der Darstellung von Methoden: weder Kultur und Stil noch Entwicklung und die Konsequenzen des geschlossenen Fundes werden definiert und in ihrer Bedeutung für den internen Forschungsgang untersucht. Als entschiedener Gegner jeder Gesetzmäßigkeit in der Geschichte behandelte Wahle die Typologie außerordentlich polemisch. Die wenigen Arbeiten, die zwischen den vierziger und den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts in Deutschland zur Wissenschaftsgeschichte des Faches Ur- und Frühgeschichte erschienen, veränderten diese Situation nicht wesentlich. Besonders Hans-Jürgen Eggers unterstützte in seiner Einführung in die Vor- und Frühgeschichte die Geringschätzung der Arbeiten des 16. bis 18. Jahrhunderts mit dem Prädikat „vorwissenschaftlich“. Aus der Heimatforschung sei die Ur- und Frühgeschichte entstanden (Eggers 1959, S. 18, S. 25–32). Wie Ernst Wahle ließ er das Fach mit der Entdeckung und den Auseinandersetzungen um das Dreiperiodensystem beginnen, also in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (Eggers 1959, S. 25 ff.). Er hat damit ganze Generationen deutscher Ur- und Frühgeschichtlicher Archäologen geprägt. Eine andere und sehr selbständige Haltung nahm Herbert Kühn ein, der in seiner „Geschichte der Vorgeschichtsforschung“ erstmals eine weltweite Forschungs geschichte schrieb (Kühn 1976). Dieser ‚globale‘ Ansatz begründete sich einerseits durch Kühns Beschäftigung mit paläolithischer Kunst und seine kunstpsychologische Arbeitsweise, andererseits aber auch durch seine Ausbildung. Er hatte zwar sein Studium bei Gustaf Kossinna begonnen und war so noch Kommilitone von Hans
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Gummel und Ernst Wahle, es dann aber in Philosophie mit einer kunstpsychologischen Arbeit abgeschlossen. Seine globale Sicht des Faches als eine vergleichende und nicht nationale Wissenschaft findet ihre Parallele in der fast gleichzeitig mit dem Erscheinen des Buches 1980 erfolgten Gründung des Instituts für Allgemeine und Vergleichende Archäologie (heute: Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen) des Deutschen Archäologischen Instituts durch Hermann Müller-Karpe in Bonn. Der Abschnitt über die Entwicklung der europäischen Archäologie bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ist in Kühns Werk in „Die Forschung im 16. und 17. Jahrhundert“, „Die Forschung im 18. Jahrhundert“ und „Die Forschung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts“ gegliedert. Kühn nahm den Zeitzusammenhang in seiner Darstellung durchaus ernst. Diese profitiert insofern sowohl von Kühns Philosophie- und Kunstkenntnissen als auch von seinem Interesse für das Paläolithikum, ist aber in weiten Teilen von den forschungsgeschichtlichen Vorarbeiten abhängig, die nicht ausreichend zitiert werden (Kühn 1976, S. 24 ff., S. 41 ff., S. 53, S. 57). Vor allem fehlt jede Methodendiskussion, weswegen Kühn auch zu der Auffassung kam, dass bis zum 18. Jahrhundert einschließlich von Wissenschaft noch nicht gesprochen werden kann (Kühn 1976, S. 22). In England und in den skandinavischen Ländern bestehen institutionelle Kontinuitäten teilweise seit der Barockzeit. Deshalb hat man ein anderes Verhältnis zu den frühen Werken archäologischen Inhalts. In den großen Corpuswerken zu den Runensteinen Skandinaviens werden die ersten Darstellungen des 17. Jahrhunderts nicht nur zitiert, sondern auch besprochen und reproduziert, d. h. wissenschaftlich ernst genommen und nicht als Kuriositäten behandelt, was den einfachen Vergleich zwischen den erhaltenen Originalen und den Darstellungen aus verschiedenen Jahrhunderten ermöglicht (Jacobsen/Moltke 1940–42). Für England zeigt sich die Integration der frühen Zeit in die Forschungstradition besonders in den Arbeiten von Stuart Piggott und Thomas D. Kendrick (Piggott 1935; 1937; 1950[1985]; Kendrick 1950; Piggott 1976; Piggott 1989). Kendrick widmete sich vor allem den frühen Topographen John Leland und William Camden. Piggott erarbeitete sich auf der Basis von Kendrick den intellektuellen Kontext der britischen Antiquare seit dem 16. Jahrhundert und analysierte dafür einzelne Werke, vor allem die Britannia von Camden und die Publikationen von William Stukeley. Teleologische Beobachtungen spielen keine Rolle, es geht gerade um das Andersartige dieser Antiquare. Obwohl der methodische Prozess für Piggott nicht im Mittelpunkt stand, waren die Art der Darstellung wissenschaftsgeschichtlicher Zusammenhänge, die Kriterien für die Beurteilung der Arbeiten durch Piggott sowie die Analyse von Abbildungen deshalb ein Vorbild für die hier vorgelegte Arbeit (Piggott 1978). Die überwiegend deskriptive Darstellung der Forschungsgeschichte durch Glyn Daniel wird dagegen der Zeit vor 1800 nicht gerecht (Daniel 1975, S. 13 ff.). Wie aus dem Titel der ersten Auflage von 1950 A Hundred Years of Archaeology hervorgeht, begann für ihn die Archäologie um 1850. Die Zeit bis 1800 nannte er „The Antiquarian Background“, sie gehörte für ihn eigentlich nicht zur Geschichte des Faches. Frage-
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stellungen, der methodische und theoretische Zusammenhang und außerenglische Arbeiten fehlen fast ganz, so dass der Eindruck entsteht, die antiquarische Forschung sei in England entstanden – nicht einmal der Däne Ole Worm wird erwähnt. Im Kapitel zur Entstehung des Dreiperiodensystems zwischen 1800 und 1840 mit dem Titel „The Antiquarian and Geological Revolutions“ behandelte Daniel die Skandinavier dann allerdings gebührend. Der Abschnitt ist eine kenntnisreiche Darstellung dieses theoretischen und methodischen Umbruches, wenn er ihn auch nicht hinreichend erklärt. Der gleichzeitige Historismus und die Probleme ethnischer Interpretationen, die in Deutschland in dieser Zeit eine so wesentliche Rolle spielten, werden überhaupt nicht behandelt. Archaeology entstand nach Daniel durch die Überwindung der englischen Romantik des 18. Jahrhunderts (Daniel 1975, S. 30 f.). Die Geschichte der skandinavischen Archäologie von Ole Klindt-Jensen bietet eine informative Darstellung zur Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie der Frühen Neuzeit in Skandinavien und betrifft damit einen wichtigen Teil der Fachentwicklung. Für Klindt-Jensen war Archaeology die einheimische Archäologie der skandinavischen Länder. Er teilte den uns betreffenden Zeitabschnitt in „Renaissance Antiquaries“, d. h. das 16. und 17. Jahrhundert, „Age of Enlightenment“, d. h. das 18. Jahrhundert, und die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts „Classification and Protection of Archaeological Material“. Es handelt sich aber überwiegend um eine deskriptive Ereignisgeschichte von Institutionen und um wissenschaftliche Biographien, in denen die Leistungen dieser Zeit nicht kurios dargestellt, sondern durchaus in ihrer wissenschaftlichen wie in ihrer immensen politischen Bedeutung für die skandinavische Identität gewürdigt werden (Klindt-Jensen 1976). Die Arbeiten der späten siebziger Jahre sind auch durch ein gemeinsames Forum unterstützt worden: Auf dem IX International Congress on Prehistoric and Protohistoric Sciences 1976 in Nizza war das Defizit forschungsgeschichtlicher Arbeiten festgestellt und unter der Leitung von Glyn Daniel eine Kommission ins Leben gerufen worden, die dann 1978 auf einer Tagung in Aarhus Daniel, Klindt-Jensen und Piggott zusammenführte sowie Wissenschaftler aus Belgien, Deutschland – Kurt Böhner –, Dänemark, Finnland, Schweden, Polen, der damaligen Tschechoslowakei, Kanada, den Vereinigten Staaten von Amerika, Mexiko und Indien (Daniel 1981). Besonders die Arbeiten von Kristian Kristiansen (1981) und Judith Rodden (1981) weisen schon durch die Konzentration auf den sozialen Kontext und erkenntnistheoretische Konzepte auf neue Wege zur Wissenschaftsgeschichtsschreibung hin. Diese Tendenzen wurden im Laufe der achtziger Jahre verstärkt, als forschungsgeschichtlich-theoretische Fragestellungen im Zuge der geisteswissenschaftlich orientierten Postmoderne allgemein an Bedeutung gewannen. An der Konferenz in Aarhus hatte auch Bruce Trigger teilgenommen, der mit seinem Werk The History of Archaeological Thought 1989 dann einen weiteren ganz großen Wurf veröffentlichte. Da Trigger ein entschiedener Gegner der New Archaeology und marxistischer Wissenschaftsentwürfe war, machte er die Ideengeschichte zu seinem Hauptanliegen: „The main Ideas, that have influenced the interpretation of archaeological data“.
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Außerdem widmete er sich den sozialen Faktoren, die diese Ideen seines Erachtens in verschiedenen Regionen anders geformt haben, sowie dem gegenseitigen Einfluss der Archäologie auf andere Fächer und auf die Gesellschaft. Dabei wollte er als gemäßigter Anhänger Thomas S. Kuhns den internen und externen Dialog beim Wechsel von Paradigmen behandeln (Trigger 1989, S. 2; S. 6). Trigger bemerkte dabei auch die Tatsache verschiedener gleichzeitiger Paradigmen und Schulen in den archäologischen Fächern. Bei der Darstellung der archäologiegeschichtlichen Abläufe der uns betreffenden Zeit wird er seinem methodischen Anspruch allerdings nicht gerecht und ist unmittelbar von Stuart Piggott, Thomas D. Kendrick und Ole Klindt-Jensen abhängig. Die Entwicklung im deutschen Sprachraum und deutsche Sekundärliteratur werden nicht zur Kenntnis genommen. Auch Frankreich und Italien kommen zu kurz. In der zweiten Auflage, die kurz vor Triggers Tod 2006 erschien, ist diese Lücke teilweise geschlossen worden, allerdings ohne Originalität zu erreichen, z. B. hinsichtlich Nikolaus Marschalks (Trigger 2006, S. 90; Sasse 2010). Impulse für ein neues wissenschaftsgeschichtliches Denken kommen auch aus der Klassischen Archäologie. Hier spielt die Suche nach einer erneuten Standort bestimmung des Faches eine wichtige Rolle, d. h. die Frage nach den Entwicklungs linien vor der Institutionalisierung des Faches und seiner Verbindung mit dem klassischen Ideal, in Deutschland vor Johann Joachim Winckelmann. Diese neuen Ansätze sind in Frankreich Alain Schnapp, in Deutschland vor allem Henning Wrede und Ingo Herklotz zu verdanken (Harpath/Wrede 1989; Schnapp 1993; Wrede 1993; H erklotz 1999; Schnapp 1993[2009]). Sie hätten jedoch sehr viel früher einsetzen können, denn die althistorische Arbeit von Arnoldo Momigliano, die den Gegensatz zwischen Antiquaren und Historikern wieder zu einem Thema der Wissenschaftsgeschichte machte, erschien schon 1950 (Momigliano 1950). Damals war jedoch die Krise der Klassischen Archäologie noch nicht weit genug fortgeschritten und nicht durch das postmoderne Gedankengut verstärkt, um Interesse an der Zeit vor der Entstehung des Faches zuzulassen und zu einer konstruktiven Kritik dieser Arbeit zu kommen. „Nur Komplikation ohne Gelehrsamkeit, ohne Geschmack und Beurteilung, macht den Inhalt der meisten antiquarischen Bücher aus“ wiederholte Wolfgang Schiering (1969, S. 11) das Urteil von Christian Gottlob Heyne (1729–1812) in dessen Lobschrift auf Johann Joachim Winckelmann. Antiquarisch wurde folglich in den heutigen Archäologischen Wissenschaften gerne als ein Schimpfwort gebraucht, ohne dadurch einen eigentlichen Inhalt festzulegen – es ist, was man nicht ist. In Deutschland scheint diese Ablehnung im 20. Jahrhundert besonders heftig gewesen zu sein, was man z. B. auch daraus ersehen kann, dass die vor 1920 entstandenen Inschriftencorpora die frühen Inschriftensammlungen aus der Zeit vor dem 19. Jahrhundert berücksichtigen, die jüngeren zwischen 1920 und 1980 erschienenen Bände aber nicht (Ott 2002, S. 5 ff.). Das ist besonders erstaunlich, da ja gerade auf diesem Gebiet Kontinuitätslinien bis in die Renaissance zu ziehen sind, ähnlich wie in Skandinavien bei der Auswertung der Runensteine, oder auch in der Numismatik. Seit 1980 wird das Interesse an den alten Arbeiten wieder größer. Dennoch cha-
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rakterisiert Der Neue Pauly. Rezeptions- und Wissenschaftsgeschichte die Epoche des 15.–18. Jahrhunderts unter dem Stichwort „Archäologische Methoden“ noch mit dem abqualifizierenden Motto „Sammeln“ (Hauser 1999, DNP 13, S. 202). Für die Beurteilung der Anfänge der Ur- und Frühgeschichtsforschung und damit auch für diese Arbeit sind besonders die klassisch-archäologischen Untersuchungen wichtig, in denen die Gesamtheit der antiquarischen Tätigkeit behandelt wird. Das gilt in besonderem Maße für das Werk von Alain Schnapp (1993; 1993[2009]). Man kann es nicht nur wegen seiner gesamtarchäologischen Perspektive, sondern auch wegen seines räumlichen und zeitlichen Schwerpunkts, der sich mit dem der vorliegenden Arbeit weitgehend deckt, als einen wichtigen Ausgangspunkt bezeichnen, zumal es kurz vor Beginn der Vorarbeiten zu dieser Arbeit erschienen war. Dazu kommt ein wichtiger konzeptioneller Aspekt: Emmanuel Le Roy Ladurie schrieb im Vorwort: „Son livre ne veut pas être une histoire des découvertes mais de leur réception“ und nannte das „une sorte d’ultra-archéologie“ (Schnapp 1993, S. 8). Besser könnte man die Art der Darstellung nicht bezeichnen, die auch insofern Bewunderung verdient, als sie im gesamten Buch durchgehalten ist. Schapps Verdienst ist es jedenfalls, dass er in einem überwiegend europäischen Rahmen erstmals systematisch versuchte, inhaltliche Ursachen für die Entstehung und die Entwicklungen der Archäologien zu finden. Einen bedeutenden Einfluss auf das Verständnis der antiquarischen Arbeitsweise in der hier vorliegenden Arbeit hat außerdem die Untersuchung von Ingo Herklotz zu Cassiano dal Pozzo gewonnen. Herklotz widmete sich den antiquarischen Arbeiten des 16. und 17. Jahrhunderts in Italien und nicht der Entstehung der Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie. Seine Analyse des in der Renaissance auf Flavius Blondus zurückgehenden antiquarischen Werkschemas der Mores et Instituta hat es jedoch ermöglicht, die Spuren dieses Werkschemas in Arbeiten ur- und frühgeschichtlichen Inhalts besser zu erkennen (Herklotz 1999. S. 204 ff.). Substantielle Kritik erfährt die Auffassung Momiglianos zu den Antiquaren durch die wissenschaftsgeschichtliche Frühneuzeitforschung. Zwei sehr wichtige Gesichtspunkte dieser Arbeiten sind in unserem Zusammenhang festzuhalten: Zum einen darf das Themenfeld der antiquarischen Forschung nicht auf die klassischen Kulturen eingeschränkt werden. Zum anderen sind die behandelten Themen von einem immensen Wert für die Ausweitung historischen Wissens in der Frühen Neuzeit (Sawilla 2009, S. 141; Sawilla 2010, S. 482 ff.). Die aktuelle deutsche ur- und frühgeschichtliche Forschung zur eigenen Wissenschaftsgeschichte ist dagegen bis in die jüngste Zeit durch die Auseinandersetzung mit der Lehre und der Person Gustaf Kossinnas sowie durch das Problem des Missbrauchs des Faches während der Nazizeit geprägt. Die methodischen Verwerfungen der ethnischen Deutung und der Kulturkreislehre stehen deshalb im Mittelpunkt des Interesses. Deswegen auch ist das 20. Jahrhundert in den deutschen Arbeiten überrepräsentiert. Die Frühe Neuzeit wird entweder gar nicht behandelt oder nur gestreift. Lediglich das 19. Jahrhundert erfährt mitunter Aufmerksamkeit, besonders, was nationale Fragen und das Dreiperiodensystem betrifft (Kossack 1992; Kossack 1999;
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Hansen 2001; Brather 2004). Auch forschungsgeschichtlich angelegte Festschriften betreffen frühestens die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts (Jöns/Lehmann 2001; Jöns/ Lehmann/Gräfin von Schmettau 2003; Menghin 2004–05). Eine Ausnahme bildet das abgeschlossene Projekt der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel „Archäologische Funde in der Frühen Neuzeit“20, aus dem zeitlich parallel zu der vorliegenden Arbeit vor allem ein Sammelband hervorgegangen ist, in dem überwiegend Gelehrte des 18. Jahrhunderts behandelt werden (Hakelberg/Wiwiorra 2010).
1.3.2 Studien zur Periodisierung des Arbeitszeitraums und das Problem ihrer Kriterien Die wissenschaftsgeschichtliche Chronologie der Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie wird in der bisherigen Literatur sehr verschieden behandelt. Während z. B. Hans Gummel für die Gliederung der Zeit bis 1902 historische Kriterien benutzte, den Dreißigjährigen Krieg, die Befreiungskriege und die Reichsgründung (Gummel 1938), betrachteten Ernst Wahle, Hans-Jürgen Eggers und Glyn Daniel die wissenschaft liche Entwicklung des Faches bis zum Jahre 1800 als Einheit und bezeichneten sie als „Vorbereitung“, „vorwissenschaftlich“ oder „antiquarian background“ (Wahle 1950, S. 502; Eggers 1959, S. 25; Daniel 1975, S. 13). Daneben finden sich in einigen Arbeiten die klassischen kulturgeschichtlichen Gliederungsbegriffe „Renaissance“, „Aufklärung“ und „Romantik“ (Piggott 1937, S. 32; Wahle 1950, S. 520; Daniel 1975, S. 22 f.; Klindt-Jensen 1976, S. 32; Kühn 1976, S. 16; Piggott 1976, S. 117). Diese Begriffe bedeuten jedoch bei den einzelnen Autoren nicht dasselbe. Während der Begriff Romantik in den britischen Arbeiten schon die Zeit der Keltomanie und des Gothik Revival seit 1740 bezeichnet, meinte Wahle vor allem die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das Einsetzen archäologischer Kriterien bei der wissenschaftsgeschichtlichen Darstellung zeigt die Auffassung des jeweiligen Autors vom Beginn einer fachlichen Identität: so stellt bei Hans Gummel die Einrichtung des Lehrstuhls für Gustaf Kossinna das erste fachliche Kriterium dar, bei Hans-Jürgen Eggers, Glyn Daniel und Ole Klindt-Jensen das Dreiperiodensystem. Man findet auch für das „Heroic Age“ der Archäologie die Zeitangabe von 1450 bis 1860 (Stiebing 1993, S. 27 ff.). Ganz anders gliederte Alain Schnapp: Das Europa der Antiquare dauerte nach ihm bis ins 18. Jahrhundert. Im 17. Jahrhundert begann sich jedoch schon eine Art von Berufsstand des Antiquars zu bilden. Der Antiquar entwickelte sich in einer langen Übergangszeit bis zum 19. Jahrhundert zum Archäologen. Diesen kennzeichnen dann seine drei Arbeitsinstrumente: Stratigraphie, Technologie und Typologie (Schnapp 1993, S. 179; 277 ff.)21.
20 http://www.hab.de/de/home/wissenschaft/projekte/archaeologische-funde-in-der-fruehenneuzeit.html. Besucht 10. 03. 2015. 21 Zum Problem der Unterscheidung der Begriffe Antiquar und Archäologe siehe S. 32 ff.
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Eine Periodeneinteilung nach den Professionalisierungsschritten findet sich jüngst unter Einbeziehung der Actor Network Theory (ANT) von Bruno Latour für Schweden (siehe S. 50; Jensen/Wolfhechel Jensen 2012, S. 115 ff.) – die Arbeit ist parallel zu der hier vorgelegten Arbeit entstanden22. Nach dieser Gliederung umfasste der „Semi-Professional Antiquarianism“ die Anfänge von 1630 bis etwa 1800. „The Down of Professionalism“ dauerte von etwa 1800 bis 1860, worauf eine kurze Übergangsepoche der Auseinandersetzung zwischen Professionellen und Dilettanten bis 1870 folgte: „Professionalism versus Dilettantism“. Die Autoren betonen dabei die Rolle der methodischen Standardisierung und der Entwicklung einer Berufsethik und insbesondere die Bedeutung der Siedlungsarchäologie in diesem Prozess (Jensen/Wolfhechel Jensen 2012, S. 117, S. 120 f.; 128 ff.). Auch bei der Behandlung der Geschichte anderer historischer Merkmale und anderer Wissenschaften ist der behandelte Zeitabschnitt sehr verschieden klassifiziert worden23. Die üblichen Begriffe Mittelalter, Frühe Neuzeit und Neuzeit sind im Laufe der Geschichtsforschung entstanden und beruhen auf keiner systematischen Klassifikation. Schon 1926 entsprachen sie nicht mehr dem Stand der Wissenschaft und wurden als europazentristisch verworfen (Bernheim 1905[1926], S. 82 f.). Außerdem hat man früh bemerkt, dass Inhalt und Grenzziehungen dieser Epochen aus verschiedenen Blickwinkeln zu sehr verschiedenen Ergebnissen führten. Ob sich der Begriff Frühe Neuzeit für die hier behandelte Epoche tatsächlich schon längerfristig etabliert hat (Neuhaus 2009, S. 1 ff.), muss deshalb angezweifelt werden24. Die entscheidenden Impulse für eine Verwissenschaftlichung der historischen Periodisierung kamen aus eher Randgebieten der Geschichtswissenschaft und aus Bereichen, die der Bedeutung der Ereignisgeschichte skeptisch gegenüber standen: der Kultur- und Kunstgeschichte, der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, der Siedlungsund Landesgeschichte sowie der ihr verwandten französischen Strukturgeschichte. Sie kamen auch aus den Archäologischen Wissenschaften. Die kulturgeschichtlich definierten Epochen wie Renaissance, Humanismus, Aufklärung, Romantik oder Historismus kann man als den Beginn merkmalsbestimmter Periodisierung auffassen. Die historische Forschung hält jedenfalls fast einstimmig an ihnen fest und versucht, sie mit den jeweils zeitgenössischen Methoden immer neu zu definieren (Muhlack 1996, S. 201 ff.; Schirrmeister 2009, S. 289 ff.). Dabei sind sowohl der Humanismus als auch der Historismus schlecht als Epochenbegriffe geeignet, da sie verschiedene Phasen durchgemacht haben. Auch decken sich Renaissance und Humanismus nicht, und die kulturgeschichtlichen Erscheinungen sind in Europa nicht zeitgleich.
22 Diese Periodisierung wurde erstmals 2007 vorgetragen, siehe Jensen/Jensen Wolfhechel 2012, S. 142. 23 Ein Überblick über die ältere Forschung bis etwa 1950 bei van der Pot (1999, S. 51 ff.). 24 Ein älterer Überblick über die Problematik siehe Skalweit, Stephan (1982): Der Beginn der Neuzeit. Epochengrenze und Epochenbegriff. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Erträge der Forschung, 178. Darmstadt.
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Die Geschichte der Periodisierungen zeigt außerdem eine Abhängigkeit vom Standort der jeweiligen Historiker. Das Bild der Renaissance ist durch den Schweizer Kulturhistoriker Jacob Burckhardt (1866[1966]) geprägt. Burckhardt unterteilte die Kriterien seiner Klassifikation in drei „Potenzen“, wie er es nannte, Staat, Religion und Kultur (Burckhardt 1905[1947], S. 29). Bei dem bürgerlichen Historiker fehlen die Faktoren Wirtschaft und Gesellschaft, während die aus der Aufklärung stammende Idee des Volkscharakters und der Individualismus zentral für die Erklärung von Unterschieden ist (Burckhardt 1866[1966], S. 161; Schlinck 1998, S. 309, Sp. 1 ff.). Gleichzeitig zu diesem kulturgeschichtlichen Versuch entstanden die marxistisch oder wirtschafts- und sozialgeschichtlich geprägten Periodisierungsmodelle nach Karl Marx und Friedrich Engels. Diese griffen gerade die Aspekte auf, die bei Burckhardt weitgehend fehlen. Die Geistesgeschichte sahen sie überwiegend von der wirtschaftlich-sozialen Basis abhängig. Da sich grundsätzlich wirtschafts- und sozialgeschichtliche Phänomene langsamer als politische Phänomene entwickeln, entstehen bei ihrer Berücksichtigung längere Epochen – bei einer Reihe von Autoren wurde die Zeit vom Beginn der Renaissance an bis 1800 deshalb noch dem Feudalismus bzw. dem Mittelalter zugerechnet (Kuchenbuch 1977, S. 229 ff.). Auch bürgerliche Historiker griffen wirtschafts- und sozialgeschichtliche Gedanken auf: Karl Lamprecht, Professor in Leipzig, verfolgte in seiner Deutschen Geschichte einen empirischen, kollektivistischen, universalgeschichtlichen Ansatz, bei dem die politische Geschichte der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, kulturellen, wissenschaftlichen und auch psychosozial-mentalen Entwicklung gleich-, wenn nicht sogar untergeordnet war (Lamprecht 1891–1909; Lamprecht 1900). Damit löste er eine heftige Gegenreaktion der geisteswissenschaftlich und individualgeschichtlich geprägten Historikerschaft aus (Steinberg 1973, S. 65). Die Verbindung von Kulturgeschichte, Wirtschaft und Sozialpsychologie kennzeichnet auch die französische Annales-Schule. So konnte Marc Bloch, einer ihrer Begründer und wichtigsten älteren Vertreter, durch die Analyse von politischen und staatlichen Formen, Wirtschaft, Siedlungsgeographie, Gesellschafts- und Familienstrukturen, Recht, Besitz und Mentalität zeigen, dass sich die für den europäischen Feudalismus typischen persönlichen Bindungen zwischen dem Lehnsherrn und seinem Vasall schon seit dem 13. Jahrhundert durch administrative staatliche und geldwirtschaftliche Strukturen auflösten, die ländliche Wirtschafts- und Gesellschaftsstruktur aber bis ins 18. und teilweise bis ins 19. Jahrhundert weiterlebte (Bloch 1931, S. 576 ff.; Bloch 1939/1940). Fernand Braudel systematisierte dann in seiner Dissertation von 1949 langfristige Erscheinungen – „la longue durée“ –, mittelfristige Erscheinungen – „la histoire conjoncturelle“ – und kurzfristige Erscheinungen – „la histoire événementielle“ (Braudel 1958, S. 725 ff.; Knopf 1998, S. 278 f.; Burke 2004)25.
25 Zur Anwendung in der Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie siehe S. 30.
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Der liberale Soziologe Max Weber entwickelte seine soziologisch-historische Theorie dagegen aus der geisteswissenschaftlichen, neukantianischen Richtung. Er berücksichtigte zwar wirtschafts- und sozialgeschichtliche Phänomene, kulturelle Erscheinungen standen für ihn aber nicht in unbedingter Abhängigkeit von der Wirtschaft wie bei den Marxisten. Zur Akzentuierung des Wesentlichen bei der Klassifikation schlug er die Definition von Idealtypen vor, eine Methode, die er auch auf den Feudalismus anwandte (Weber 1904[1991], S. 45, S. 77; Weber 1921–22, S. 452 ff.). Webers Idee des Idealtyps beeinflusste auch Otto Hintze (1929), der postum auf die Weiterentwicklung interdisziplinärer, strukturgeschichtlicher Forschung in der Bundesrepublik Deutschland in den fünfziger bis siebziger Jahren großen Einfluss hatte (Schulze 1983, S. 125 ff.; Grothe 2005, S. 78; S. 392). Für diese Forschungen hat sich in Deutschland der Begriff der Verfassungsgeschichte durchgesetzt. Aus diesem Umfeld kommen langfristige Epochengliederungen für die hier behandelte Zeit (Brunner 1956[1968]; Gerhard 1962), die der „longue durée“ von Fernand Braudel vergleichbar sind, sich aber bisher nicht durchgesetzt haben. Die kulturelle Wende von 1968 veränderte die intellektuell aktiven, theorie orientierten Richtungen von Soziologie, Anthropologie und Geschichte ähnlich wie die oben beschriebenen archäologischen Richtungen. Die Annales-Schule baute die Tendenzen der Mentalitäts- und Verhaltensforschung programmatisch aus, z. B. in den Arbeiten von Philippe Ariès oder auch von Jacques Le Goff, welche auch den hier behandelten Zeitabschnitt tangieren (Le Goff 1974; 1988). Le Goff gehört auch zu den Anhängern eines langen Mittelalters bis 1800 und sprach sich für eine Übergangszeit von 1750–1850 aus (Le Goff 1990[2004], S. 58 f.) Ende der sechziger Jahre entstand dann in Deutschland die Bielefelder Schule. Sie ist einerseits durch strukturgeschichtlichen Einfluss der Annales-Schule und die Anwendung der zeittypischen mathematisch-statistischen Methoden sowie andererseits durch die Aufnahme der Idee des Idealtypus von Max Weber gekennzeichnet (Kocka 1975, S. 42 ff.). Für die Epochenproblematik sind die Arbeiten von Reinhard Koselleck wichtig, der unter anderem auch einen späten Beginn der Neuzeit vertreten und als Teilabschnitt für den Übergang von der vorindustriellen Zeit zur Neuzeit die sogenannte Sattelzeit von 1700 bis 1800 oder 1850 definiert hat, also epochenübergreifend Aufklärung und Romantik zusammenfasste26. In dieser Übergangszeit änderte sich u. a. das Zeitverständnis: Das endliche Geschichtsbild wurde abgelöst durch das Bild der offenen Zukunft und durch die Erfahrung der entwicklungsgeschichtlichen Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen – zwei für die Archäologischen Wissenschaften wesentliche Veränderungen. Das erste Kriterium kann man aber auch für den Beginn der Renaissance geltend machen, das zweite für ihr Ende, so dass das Problem darauf hinausläuft, ob man den Beginn oder die Durchsetzung eines Merkmals als Epochen-
26 Einen ähnlichen Ansatz haben wir schon bei Piggott (1937; 1976) und Daniel (1975) kennen gelernt, siehe S. 44.
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grenze setzt. Für solche Übergangszeiten verwendete Koselleck den Begriff der Epochenschwelle (Koselleck 1972, S. 14 f.; Koselleck 1987, S. 270; S. 278 ff.). In der Bielefelder Schule setzte Ende der Siebzigerjahre auch die deutsche Übernahme der sozialpsychologisch orientierten Mentalitätsgeschichte der jüngeren Annales-Schule ein (Sellin 1985, S. 555 ff.). Spät kam in einer Auseinandersetzung mit der Kulturgeschichtsforschung ein Versuch zur Übernahme soziokultureller und sozialanthropologischer Forschungsansätze hinzu, der sicher für die deutsche Rezeption von Pierre Bourdieu und seiner von der Verhaltensforschung beeinflussten Habitus-Theorie von Bedeutung war (Wehler 1998; Conrad 2000, S. 117; Gehrke 2007, S. 358; Schirrmeister 2009). Insgesamt spielt trotz der inzwischen anerkannten Faktorenvielfalt und der Anerkennung länger- und kürzer laufender Erscheinungen die Entwicklung der Wissenschaften bis zur Postmoderne eine relativ geringe Rolle bei der Epochenstrukturierung, da man ihre Geschichtlichkeit nicht verstand. Selbst wissenschaftsgeschichtliche Arbeiten verwendeten bis in jüngste Zeit historische oder kulturgeschichtliche Kategorien (siehe S. 44). Entsprechend ergeben sich weder bei der klassischen Epocheneinteilung noch bei den genannten Alternativen vollkommene Übereinstimmungen mit den hier angesetzten Ober- und Untergrenzen. Am besten entspricht der universalwissenschaftlichen Phase der Begriff Frühe Neuzeit. Ihren Beginn kann man aber bis zur Entstehung der Scholastik und der ersten Universitäten im 12. Jahrhundert zurückverfolgen, so dass dann eine Übereinstimmung mit der Epoche Alteuropa nach Dietrich Gerhard erreicht wäre. Allerdings sprechen auch gewichtige Gründe für eine dem Beginn der Renaissance entsprechende Zeitmarke, da die heutige Fächerlandschaft erst vom 15. oder 16. Jahrhundert an in ihren Spezialisierungsprozess eintritt. In den älteren Periodisierungen gilt Wissenschaft nicht als eigene Kategorie. Jacob Burckhardt z. B. rechnete sie zur Kultur, nach Fernand Braudel würde sie mit der Kultur in die „histoire conjoncturelle“, d. h. die Periodisierungskategorie von mittlerer Dauer fallen (Braudel 1958, S. 725 ff.). Die Erfahrung der letzten beiden Jahrhunderte hat aber gezeigt, dass Wissenschaft und angewandtes Wissen sich rasant entwickeln können und weltweit zu einer Akzeleration der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Prozesse geführt haben. Diese Aspekte haben die politische Formulierung der Wissensgesellschaft angeregt, die wiederum Forschungen zu ihrer Entstehung interessant machen (Vogel 2004, S. 639; Füssel 2007, S. 273 ff.). Auch innerhalb der Wissenschaften lassen sich nämlich Ereignisse feststellen, die der „histoire événementielle“ zugerechnet werden müssten (siehe S. 149 zu Michele Mercati und Gregor XIII.). Außerdem entwickeln diese auch eine eigene Dynamik. Wichtig für die wissenschaftliche Periodisierung bleiben deshalb die Ideen von Thomas S. Kuhn, der als erster die Wissenschaftsgeschichte diachron als eine Abfolge von Paradigmen beschrieben hat. Der Begriff Paradigma kommt aus dem Griechischen und bedeutet ursprünglich Beispiel, Vorbild, grammatikalisch auch Muster. Kuhn verstand darunter von anderen Wissenschaftlern anerkannte Regeln des wis-
Zum Forschungsstand
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senschaftlichen Vorgehens (Kuhn1962[1976], S. 25 ff.), innerdisziplinäre, exemplarische Musterlösungen (Rose 2004, S. 29). In diesem Sinne wird der Begriff auch hier verwendet. Paradigmen stehen über den Theorien und bedürfen im Gegensatz zu ihnen nicht des Beweises. Die Entscheidungen zum Wechsel der Paradigmen wurden nach Kuhn durch Krisen innerhalb der Wissenschaft hervorgerufen und als Revolutionen definiert. Die Akzeptanz des Neuen durch die Wissenschaftler führte seines Erachtens zur Verwerfung älteren Denkens und damit zu einer internen wissenschaftlichen Periodisierung: „Das Versagen der vorhandenen Regeln leitet die Suche nach neuen ein“ (Kuhn1962[1976], S. 80). Ein wesentliches Element dieser Theorie stellt der verschiedene Maßstab der Arbeit innerhalb aufeinanderfolgender Paradigmen, aber auch innerhalb gleichzeitiger Schulen unterschiedlicher Auffassung dar, die sogenannte Inkommensurabilität (Kuhn1962[1976], S. 18). Kuhn verstand diese Vorgänge nicht evolutionistisch im Sinne eines kontinuierlich akkumulierenden Erkenntnisprozesses und schon gar nicht teleologisch. Er leugnete aber einen wissenschaft lichen Fortschritt nicht grundsätzlich (Kuhn1962[1976], S. 182). Damit stand er den idealistischen Konzepten wie dem Idealtypus von Max Weber näher als dem Neopositivismus oder dem Kritischen Rationalismus. Was die Periodisierung der Naturwissenschaften betrifft, so definierte Thomas S. Kuhn die „kopernikanische Revolution“ (Astronomie) für die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts und verband spätere „Revolutionen“ mit Isaac Newton (Physik) am Ende des 17. Jahrhunderts, mit Antoine Laurent de Lavoisier (Chemie) in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und mit Albert Einstein (theoretische Physik) in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Kuhn1962[1976], S. 20; S. 80 ff.). Kuhn nannte jedoch auch andere Beispiele, wie die Entdeckung der Elektrizität in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts (Kuhn1962[1976], S. 35). Mit der kopernikanischen Revolution ist die auch für die Prähistorische Archäologie relevante untere Grenze im 16. Jahrhundert zumindest ungefähr zeitgleich. Die übrigen Revolutionen dieser Naturwissenschaften lassen jedoch keinen klaren Bezug zur archäologischen Entwicklung erkennen. Die Frage, ob freilich die Darwin´sche Revolution um 1850 als eine wissenschaftliche Revolution im Sinne eines Paradigmenwechsels interpretiert werden kann, hat Kuhn nicht eindeutig beantwortet und deshalb heftige Diskussionen ausgelöst, die auch mit der Übertragung der Überlegungen Kuhns aufgrund der Physik auf andere Wissenschaften zusammenhängen (Rose 2004, S. 126 ff.). Dieses letzte Problem stellt sich natürlich auch für die Archäologischen Wissenschaften. Die Darwin´sche Revolution entspricht zeitgleich unserer Obergrenze. Der Beginn des archäologischen Evolutionismus liegt jedoch mit der Entwicklung des Dreiperiodensystems in den Dreißigerjahren des 19. Jahrhunderts vor Darwin (siehe Bd. 2). Das Lehrbuch spielt bei der Vermittlung und Erhaltung der Paradigmen eine essentielle Rolle. In Lehrbüchern werden nach Thomas S. Kuhn Forschungselemente, die mit dem neuen Paradigma nicht zusammenpassen, einfach eliminiert, so dass der Eindruck einer kontinuierlichen Wissenschaftsentwicklung entsteht (Kuhn1962[1976], S. 148 f.). Kuhn nahm aber an, dass auch Wissenschaften, deren
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Entwicklung das ‚Lehrbuchstadium‘ noch nicht erreicht hat – und dazu gehören die Archäologischen Wissenschaften im wesentlichen – Paradigmen entwickeln können, die bei ihnen durch besondere Arbeiten geprägt werden, wie Charles Lyells Principles of Geology (Kuhn1962[1976], S. 25). Wir könnten hier Christian Jürgensen Thomsens Ledetraat nennen (Thomsen (1836[1937]). Thomas S. Kuhn interpretierte die Paradigmenwechsel also als einen Motor für eine autonome Entwicklung, wobei er bewusst äußere Faktoren untergewichtete. Umgekehrt hielt er auch den Einfluss der Wissenschaft auf historische Prozesse für nicht besonders groß: „Soweit die Wissenschaft überhaupt die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung beeinflusst, tut sie es auf dem Wege über die Technik“ (Kuhn1962[1976], S. 210). Sein Aufsatz von 1971 zum Verhältnis zwischen Wissenschaftsgeschichte und Geschichte macht deutlich, dass er seine Position gegen die Vernachlässigung innerwissenschaftlicher Prozesse durch Historiker entwickelt und folglich die wissenschaftliche Seite überbetont hat (Kuhn 1971 (1977), S. 204). Dieses Vorgehen aber ist, wie wir sehen werden, genau so wenig zulässig wie die Vernachlässigung wissenschaftlicher Methoden und Fragestellungen in der Wissenschaftsgeschichte und Geschichte. Es trägt dem komplexen gesellschaftlichen Beziehungs geflecht besonders für den kulturwissenschaftlichen Bereich nicht genügend Rechnung. Der Einbindung der Wissenschaftsgeschichte in die Kultur- und Gesellschaftsgeschichte und deren übergreifende Vorgänge tragen dagegen zwei bedeutende französische Wissenschaftshistoriker derselben Zeit Rechnung, Georges Canguilhem und Michel Foucault. Letzterer schrieb eine Wissenschaftsgeschichte von der Renaissance bis ins 19. Jahrhundert, behandelte also genau die hier interessierende Zeit (Foucault 1966). Dabei stellte er in verschiedenen Wissenschaften ein gleichzeitiges Denkmuster fest, die sogenannte Episteme, d. h. eine bestimmte zeitgenössische Art, zu denken und zu argumentieren, wodurch die Bedingungen für eine bestimmte Art von Wissenschaft festgelegt werden (Foucault 1966, S. 45 f.). Seine beiden Hauptepochen sind die klassische Epoche, die das 17. und 18. Jahrhundert umfasst, und die Moderne, das 19. Jahrhundert. Die davorliegende Zeit wird durch Arbeiten des 16. Jahrhunderts beschrieben wie Werke von Ulisse Aldrovandi, Andrea Cesalpino und Conrad Gesner, Autoren, die auch in dieser Untersuchung eine Rolle spielen (siehe S. 149 ff.). Interessant ist weiterhin der konstruktivistische Ansatz von Bruno Latour, der die sozialen Rezeptionsmechanismen des Wissens untersucht und dieses als einen Prozess von Konflikten und Verhandlungen begreift, in dem wissenschaftliche Erkenntnisse auch grundlos abgelehnt werden können (Latour 2005; Jensen/Wolfhechel Jensen 2012, S. 115 ff.). Thomas S. Kuhn ist im Einzelnen vielfach kritisiert worden, seine grundlegende Bedeutung für die Historisierung wissenschaftlicher Erkenntnisprozesse bleibt jedoch bestehen, ja seine Theorien sind im Sinne eines neuen Paradigmas in der Wissenschaftsgeschichte aktiv, werden aber modifiziert (Rose 2004, S. 16).
Der eigene Standort
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1.4 Der eigene Standort Nachdem die Ziele, der Forschungsgegenstand und der Forschungsstand behandelt wurden, muss der eigene Standort umrissen werden, der besonders wichtig ist, da hier überwiegend über andere Arbeiten geurteilt wird. Dieser befindet sich im Spannungsfeld zwischen der historistischen Tradition in Deutschland, einem universalgeschichtlichen, quellenpluralistischen Konzept und einem neopositivistischen Ansatz mit empirischen, logisch interpretierten Methoden. Die historistische Tradition in einem überwiegend europäischen Rahmen sowie das Interesse für Forschungsgeschichte sowie theoretische und methodische Probleme wurde vor allem durch den Wahle-Schüler Horst Kirchner vermittelt, aber auch, mit aller zeitüblichen Kritik, durch das Geschichtsstudium am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin in den siebziger Jahren. Der Kultur vergleichende, quellenpluralistische und interdisziplinäre Ansatz geht vor allem auf meinen Doktorvater, den Mittelalterhistoriker Wolfgang H. Fritze zurück27. Das Interesse an der Kombination schriftlicher und archäologischer Quellen und Methoden sowie an vergleichender Kulturgeschichte und -Theorie bestand aber schon während meiner Schulzeit. Empirisches, quantitatives Arbeiten wurde dagegen erst durch Michael Gebühr, während meiner Studienzeit Assistent am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Freien Universität Berlin, durch Peter Ihm und durch die Lektüre von David L. Clarke (1968) angeregt und beeinflusst. 1973 sagte Horst Kirchner beim Anblick einer Kombinationstabelle in meiner Magisterarbeit (Sasse 1977): „Sie sollen wägen, nicht wiegen“. Mit diesem Aphorismus brachte er das Unverständnis seiner Generation gegenüber der Notwendigkeit quantitativer Analysen als Vorarbeit zur Interpretation zum Ausdruck. Begriff, Inhalt und Wertung des sogenannten Historismus gehören zu den umstrittensten Themen der deutschen Geschichtswissenschaft, weil sie für diese zentral sind – es handelt sich um das Hauptparadigma. Geprägt wurde der Begriff von Ernst Troeltsch (1922), grundlegend, aber selbst paradigmatisch ist die Darstellung von Friedrich Meinecke (1936[1959]). Einen Einblick in den Diskussionsstand der Neunzigerjahre bietet der Sammelband von Otto Gerhard Oexle und Jörn Rüsen (1996). Als übergreifende Charakteristika historistischen Gedankenguts kann man definieren: 1. den Wunsch, festzustellen, wie es wirklich gewesen ist und die Betrachtung des Individuellen, 2. die historische Sicht aller Erscheinungen, d. h. den Versuch, sie aus sich heraus zu verstehen, 3. die Kontextualisierung, d. h. die Untersuchung der Erscheinungen in ihrem (historischen) Zusammenhang, 4. den Relativismus, d. h. die Ablehnung von Normsetzungen und Gesetzmäßigkeiten im historischen Ablauf (Rüsen 1996, S. 121 ff.). Überwiegend wurde vom Besonderen auf das Allgemeine geschlossen und empirisch gearbeitet.
27 Am besten zusammengefasst bei Fritze 1980.
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Als ein Leitspruch gilt eine Äußerung Leopold von Rankes, eines der wichtigsten Begründer des Historismus. Er schrieb: … Man hat der Historie das Amt, die Vergangenheit zu richten, die Mitwelt zum Nutzen zukünftiger Jahre zu belehren, beigemessen: So hoher Ämter unterwindet sich gegenwärtiger Versuch nicht: er will blos zeigen, wie es eigentlich gewesen (Ranke 1824[1885], S. VII)28.
Der Idealist Ranke wollte damit keinesfalls sagen, dass Geschichtsschreibung objektiv sei. So schrieb er unmittelbar vor der zitierten Stelle: „Die Absicht des Historikers hängt von seiner Ansicht ab“ (Ranke 1824[1885], S. V). Ihm ging es aber nach seinem Vorbild, der Geschichte des Peloponnesischen Krieges des Thukydides (Thuk. 2, 48,3; Repgen 1982, S. 447 f.) um die Ablehnung des Wertens der Geschichte durch den Historiker, d. h. um die Ablehnung einer Normsetzung für die Gegenwart. Max Weber sagte sinngemäß das Gleiche: … denn wir sind der Meinung, dass es niemals Aufgabe einer Erfahrungswissenschaft sein kann, bindende Normen und Ideale zu ermitteln, um daraus für die Praxis Rezepte ableiten zu können (Weber 1904[1991], S. 24).
Von den Prinzipien des Historismus wird hier übernommen, dass die wissenschaft liche Entwicklung als historische Größe betrachtet und ihr historischer Zusammenhang gesucht werden muss, weiterhin, dass bei der Untersuchung keine Gesetzmäßigkeiten vorausgesetzt werden dürfen. Das bedeutet einerseits nicht, dass Geschichtsschreibung ohne Tendenzen und objektiv sein kann, denn das ist unmöglich und auch im Historismus nie angenommen worden. Andererseits darf aber auch nicht auf Hypothesen und Generalisierungen verzichtet werden. Aufgabe einer Untersuchung jedoch ist nicht ihre Voraussetzung, sondern ihre Prüfung, z. B. in dieser Arbeit die Prüfung der Thesen Thomas S. Kuhns über die Ursachen von Paradigmenwechseln und ihren Ablauf am Beispiel der Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie. Hier wird außerdem die Auffassung vertreten, dass empirische Methoden sowohl auf den Bereich der archäologischen und historischen Quellengewinnung, als auch auf traditionell ‚geisteswissenschaftliche‘ Bereiche, zu der die archäologischen und historischen Quelleninterpretationen gehören, angewendet werden müssen. Nur die Beobachtung und die logische Durchdringung des Beobachteten können zu neuen Erkenntnissen führen, nicht eine a priori Behauptung. Diese kann im Erkenntnisprozess nur die Form einer Ausgangshypothese besitzen. Allerdings kann eine hun-
28 In der Originalversion von 1824 heißt es „bloß sagen“ (siehe Repgen 1982, S. 440).
Die Quellen
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dertprozentige Sicherheit nur negativ durch die Falsifikation einer Annahme erzielt werden (Popper 1934). Schlüsse sind im geisteswissenschaftlichen Bereich nur dadurch möglich, dass es wiederkehrende Erscheinungen in Kultur- und Handlungszusammenhängen und – Entwicklungen gibt, die empirisch erkennbar und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch voraussagbar sind. Die Archäologien, aber auch die historischen Sozialwissenschaften einschließlich der Geschichtswissenschaft arbeiten in unterschiedlichem Maße mit quantifizierbaren Daten, die durch Aussagen zur Wahrscheinlichkeit über die Falsifikation hinaus eine Grundlage für die Interpretation bieten können. Diese Wahrscheinlichkeitsaussagen erreichen jedoch nie die Qualität von Naturgesetzen, da die Beweggründe menschlicher Handlungen zu komplex sind und Faktorenvielfalt zu Individualität führt. Deswegen ist bei der Forderung nach empirischer Forschung keine Einheitswissenschaft gemeint, wie sie für den Neopositivismus, so für Rudolf Carnap (1891–1970), kennzeichnend war (Haller 1993, S. 202). Ganz im Gegenteil besitzt der geisteswissenschaftliche Bereich durch seinen Forschungsgegenstand eine eigene Qualität. Der Bereich des Intellektuellen wird traditionell in der christlich geprägten, dualistischen Philosophie als geistig – deshalb Geisteswissenschaft – und göttlich definiert (Cassirer 1942[1994], S. 5; Seiffert/Radnitzky 1989[1994], S. 102 f. [John Eccles]). Die intellektuelle Information, mit der sich die Geisteswissenschaft beschäftig und die Pierre Teilhard de Chardin „radiale Energie“ genannt hat, präsentiert sich in weit verzweigten, äußerst komplexen Mustern (Teilhard de Chardin 1955, S. 167; Teilhard de Chardin,1955a, S. 19 ff.; Bresch 1977, S. 177.190; Kunst 1982, S. 9). Das erfordert bei ihrer Erforschung das Einsetzen komplexer Methoden. Da die Archäologischen Wissenschaften sich sowohl bei der Beschäftigung mit Kunst als auch bei der Beschäftigung mit der materiellen Kultur – auch der Alltagskultur – den Zeugen intellektueller Vorgänge widmen, sind sie eindeutig dem Bereich der sogenannten Geisteswissenschaften zuzuordnen, deren Ziel ich darin sehe, intellektuelle Information in ihrer vielfältigen Ausprägung und Entwicklung zu untersuchen und so das Individuelle und das Generelle herauszuarbeiten. Sie bleiben dabei aber gleichzeitig empirische Wissenschaften. Die Ergebnisse können sicher im Sinne von Ranke und Weber keine direkte Belehrung für Gegenwart und Zukunft sein. Allerdings ist die Kenntnis des Werdens hilfreich bei Entscheidungen über zukünftiges Sein.
1.5 Die Quellen Quellen dieser Arbeit sind ausgewählte Werke aus der Klassischen Antike, dem Mittelalter und der Zeit vom 15. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, in denen archäologische Funde oder Fragen behandelt werden, die heute zum Gegenstand der Archäologien gehören. Früher war es schwer, an die alten Werke zu kommen, um sie umfassend auswerten und vergleichen zu können. Heute wird der ganze Forschungszweig durch
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die immer größer werdende Zahl digitalisierter Drucke gefördert29. Durch die zunehmende Verfügbarkeit digitaler Bild- und Textarchive können diese Quellen zur Wissenschaftsgeschichte heute ganz anders eingeordnet und ausgewertet werden als früher. Das gilt sowohl für nicht veröffentlichtes Archivmaterial als auch für alte Buchdrucke. Von der Verfügbarkeit vieler Quellen im Internet konnte diese Arbeit allerdings erst bei der Erweiterung zwischen 2002 und 2006 und der Überarbeitung der älteren Teile bis 2014 profitieren. Noch einmal muss darauf hingewiesen werden, dass in keiner Weise eine Vollständigkeit angestrebt worden ist. Die Hauptgrundlage bildet die Sammlung historischer Schriften in der RömischGermanischen Kommission (RGK). Im Jahre 1996 war die ursprüngliche Sammlung durch den Erwerb des Nachlasses von Horst Kirchner wesentlich erweitert worden (Sasse-Kunst 2001, S. 420 ff.). Sie sei nach der Bibliotheksaufnahme von 2001 kurz im Zusammenhang beschrieben, da sie das Anwachsen der archäologischen Literatur während der Frühen Neuzeit gut zeigt. Mit dem Schwerpunkt im 17.–19. Jahrhundert handelt es sich überwiegend um die Materialgrundlage des zweiten Teils (Abb. 3–5): Aus dem 16. Jahrhundert stehen heute sieben für diese Untersuchung wichtige Werke zur Verfügung, die in Ingolstadt, Basel und Venedig erschienen sind, darunter das älteste von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius (1534). Sodann folgen chronologisch Werke von Johannes Magnus (1554[1588]), Wolfgang Lazius (1557[1572]), Tommaso Porcacchi (1574[1591]) und Markus Welser (1594). Zwei von ihnen gehören zu den frühen Publikationen römischer Inschriftensteine (Apian/ Amantius 1534; Welser 1594). Die übrigen Werke sind historischen und ethnologischen Inhalts. Aus dem 17. Jahrhundert enthält die Sammlung schon 50 Werke. Mit 16 Publikationen das größte Kontingent kommt aus Helmstedt und Wolfenbüttel. Unter den übrigen Titeln befinden sich die ersten deutschen ur- und frühgeschichtlichen Grabungspublikationen sowie die Beschreibung der Wunderkammer der Schleswiger Herzöge (Olearius 1674). Die Sammlung enthält aber auch einige wesentliche Werke des 17. Jahrhunderts aus den heutigen Niederlanden und Belgien, aus Frankreich und Skandinavien, wo ein weiterer Schwerpunkt der Interessen Horst Kirchners lag. Deshalb findet man eine Reihe wichtiger Arbeiten aus Dänemark (Kopenhagen) und Schweden (Uppsala), darunter die bedeutenden Schriften von Ole Worm und den Mitgliedern der Familie Bartholin. Hier wurden – neben den berühmten goldenen Hörnern von Gallehus –
29 So das schon erwähnte Projekt „Archäologische Funde in der Frühen Neuzeit“ der Herzog-AugustBibliothek Wolfenbüttel; dieses Projekt ist Teil der Forschungsgruppe ‚Area‘, die sich die Veröffentlichung und Auswertung von Materialien zur Forschungsgeschichte der archäologischen Fächer zur Aufgabe gemacht hat. Eine Reihe von europäischen archäologischen Instituten sind Mitglieder dieser Forschungsgruppe, u. a. das Institut für Archäologische Wissenschaften der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg: www.area-archives.org.
Die Quellen
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Abb. 3: Rara-Sammlung der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts (RGK), Stand 2001. Anwachsen der Titel vom 16. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Sasse-Kunst 2001, S. 423, Abb. 12 A. © Barbara Sasse, RGK.
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Abb. 4, a–b: Rara-Sammlung der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts (RGK), Stand 2001. Anzahl der überwiegend kulturgeschichtlichen und der archäologischen Titel pro 20 Jahre aufgrund der Altsignaturen Y-Ca, Y–D und Y-E. Sasse-Kunst 2001, S. 423, Abb. B und C. © Barbara Sasse, RGK.
Abb. 4b
Die Quellen
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Abb. 5, a–d: Rara-Sammlung der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts (RGK). Stand 2001. Häufigkeit der Titel nach Erscheinungsorten. Sasse-Kunst 2001, S. 426, Abb. A-D. © Barbara Sasse, RGK.
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Die Quellen
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Zur Einführung
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Die Quellen
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zwar überwiegend Runensteine mit ihren Inschriften sowie Brakteaten publiziert, aber auch erstmals die Ausgrabung von Megalithgräbern beschrieben (Worm 1641; 1643; Bartholin der Ältere 1647; Bartholin der Jüngere 1689). Mit den 105 Titeln der Sammlung aus dem 18. Jahrhundert können die Anfänge der Ur- und Frühgeschichtsforschung schon repräsentativ nachvollzogen werden. Die Erscheinungsorte der Werke sind nun weiter gefächert, doch betreffen in der ersten Hälfte des Jahrhunderts noch mehr deutsche Publikationen Norddeutschland, während Mitteldeutschland und Süddeutschland selten vertreten sind. Außerdem zeigt sich ein bedeutender Anstieg sächsisch-thüringischer und brandenburgischschlesischer Schriften. Dieses Bild ist vor allem dem Personenkreis zu verdanken, der sich für ur- und frühgeschichtliche Funde interessierte und die ersten großen Grabungen vornahm. Keramik und Steingeräte aus dokumentiertem Grabungszusammenhang sind keine Seltenheit mehr. Aus der zweiten Hälfte des Jahrhunderts liegen schon ausführliche Diskussionen zur Grabungstechnik vor wie bei Johann Christian Dünnhaupt (1778). Auch die ethnische Frage wurde immer dringlicher gestellt. Ein Drittel der Werke stammt aus dem europäischen Ausland, überwiegend aus England (12). Hinter diesen englischen Publikationen steht die Entwicklung der 1707 gegründeten Society of Antiquaries of London, die von 1770 an die Zeitschrift Archaeologia herausgab. Neben der immer wieder aufgelegten und aktualisierten einzigartigen Landesaufnahme in der Britannia (Camden 1586[1722]) erinnert die übrige Literatur in ihren bevorzugten Themen an den deutschen Sprachraum: ethnische Interpretationen, heidnische Bestattungen und die Christianisierung. In der Sammlung sind aus dem 18. Jahrhundert weiterhin Frankreich (6, 3 davon aus dem Elsass), Dänemark (4), Italien und die Schweiz (je 2) sowie die Niederlande, Belgien, die Slowakei und Schweden (je 1) vertreten. Die Publikationen gingen in allen Ländern am Ende des 18. Jahrhunderts durch die politischen Wirren zurück. Von 1810 an wird der Rückgang aber schnell aufgeholt (Abb. 3): Mehr als die Hälfte der Monographien der Sammlung (176 Werke) stammt aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Diese Zahl erhöht sich noch, da sich bei der Aufnahme der Biblio thek von 2001 noch viele der in dieser Zeit entstandenen Publikationen in der allgemeinen Systematik befanden und deshalb gar nicht als historische Bücher erfasst waren. Die regionale Verteilung ist aber wahrscheinlich repräsentativ: Während Norddeutschland, Brandenburg und das Rheinland nach 1810 auf quantitativ etwa dem Stand vor der französischen Revolution verharren, erreichen Süddeutschland einschließlich Österreichs und Böhmens sowie Sachsen und Thüringen, vor allem durch die Tätigkeit der Geschichtsvereine, wesentlich höhere Publikationszahlen. Die Sammlung spiegelt das Ringen um eine chronologische und ethnische Bestimmung der Funde sowie die Entwicklung der Ausgrabungstechnik. Ein knappes Fünftel des Bestandes dieser Zeit kommt aus dem europäischen Ausland. Die unterschiedliche quantitative Präsenz der einzelnen Länder spiegelt
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den jeweiligen Stand der Ur- und Frühgeschichtswissenschaft wider, mit den Hauptthemen der Entwicklung des Dreiperiodensystems und der Klassifikation, der Stratigraphie, der ethnischen Deutung und der regionalen Landeskataloge archäologischer Funde. An erster Stelle steht Dänemark (9), gefolgt von Frankreich (8), Schweden (5), der Schweiz und Böhmen (je 4), Italien (3), England und Belgien (je 2) und den Niederlanden (1).
1.6 Zur Methode Die Methode dieser Arbeit ist überwiegend text- und bildkritisch. Fragen, Konzepte, Theorien und Methoden werden durch die Interpretation wissenschaftlicher Texte und Abbildungen herausgearbeitet und auf ihre Begründungen hin untersucht. Um die Änderung von Konzepten, Fragestellungen und Methoden zu erfassen, werden diese nach einer festgelegten Systematik chronologisch dargestellt (siehe dazu auch 1.6.3). Dieses Verfahren soll den endogenen wissenschaftlichen Prozess analysieren. Außerdem werden Werkkonzepte als Quellen für das jeweilige methodisches Vorgehen und dessen Darstellung untersucht. Wie oben begründet, wird Wissen hier als ein wichtiger historischer Faktor angesehen. Es ist auch vom gesamthistorischen Gefüge abhängig und muss deshalb in seinem historischen Zusammenhang betrachtet und entsprechend gewertet werden. Es handelt sich deshalb im Kern um einen historistischen Weg, Theorien und Methoden zu analysieren. Um endogene und exogene Prozesse werten zu können, begleiten zwei Abschnitte die systematische chronologische Darstellung. Im ersten werden allgemeine historisch-politische sowie fachspezifische institutionelle und personengeschichtliche Fakten (z. B. Studienorte) referiert, um den Rahmen aufzuzeigen, in dem sich in den verschiedenen Epochen und Ländern des Arbeitsgebietes die wissenschaftliche Arbeit vollzog. Dieser Abschnitt wird der chronologischen Behandlung des endogenen wissenschaftlichen Prozesses vorangestellt, so dass, wenn nötig, auf diese Rahmenbedingungen zurückgegriffen werden kann. Der zweite Abschnitt behandelt die Wechselwirkungen zwischen Weltbild, Konzepten, Politik und Forschung und versucht, diesen Prozess zu strukturieren, zu werten und die Möglichkeit allgemeiner Schlüsse zu prüfen, also z. B. die Frage nach allgemeingültigen Regeln.
1.6.1 Die räumliche Begrenzung und Einteilung Thema dieser Arbeit ist die Archäologie Mittel-, West- und Nordeuropas. Wie sich aus der Forschungsgeschichte ergibt, bestehen zwischen den einzelnen Darstellungen der hier zu behandelnden Wissenschaftsgeschichte bedeutende Unterschiede, sowohl in der räumlichen als auch in der zeitlichen Begrenzung und Gliederung des Stoffes.
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Meistens wird das eigene Land behandelt, was sich vor allem durch die Zugänglichkeit des Materials, aber auch durch das größere Interesse an der eigenen Geschichte ergibt. Aber auch übergreifende Beiträge blenden ganze Bereiche aus wie Glyn Daniel und Bruce Trigger weitgehend den deutschsprachigen Bereich. Auch in dieser Arbeit stellte sich das Problem der Zugänglichkeit des Materials (siehe S. 54). Die Ausgangssammlung der RGK betrifft zwar überwiegend das 17. bis 19. Jahrhundert im deutschen Sprachraum, in Skandinavien, den Beneluxländern, Frankreich und England. Ergänzungen aus verschiedenen Bibliotheken und die großen Digitalisierungsprojekte, u. a. der Vd16 und Vd17, aber auch zahlreiche Digitalisate aus italienischen und spanischen Bibliotheken machten jedoch einen weiteren Rahmen möglich. Das war vor allem für die noch spärlichen gemeinsamen Anfänge der Archäologien im mediterranen Raum nötig, d. h. für die im ersten Band behandelten Epochen bis 1630. Die Bedeutung dieser Frühzeit für die eigene Entwicklung hat man bisher in der ur- und frühgeschichtlichen Literatur nicht genug gewürdigt (siehe S. 36). Hier gilt die Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie als ein junges Fach. Bei der Behandlung der Zeit nach 1630 musste jedoch aus dem anwachsenden Material ein Schwerpunkt gewählt werden, der sich naturgemäß durch die RGK-Sammlung ergab. Dadurch mussten leider Süd- und Ostmitteleuropa sowie Osteuropa weitgehend unberücksichtigt bleiben. Archäologische Forschungen in außereuropäischen Kulturen, wie z. B. der chinesischen, gehören nicht zum Thema. Zwischen dem 15. und dem 19. Jahrhundert hat sich die europäische Staatenlandschaft stark verändert. Deswegen spielen heutige Ländergrenzen in dieser Untersuchung keine Rolle, sondern historische, kulturelle, sprachliche und geographische Parameter. Im Text wird jedoch gelegentlich auch auf moderne Verhältnisse Bezug genommen. Um den gegenseitigen Kontakt zu testen, wird das gesamte Arbeitsgebiet gerade in den Kapiteln zur Methode, die einer internen chronologischen Ordnung unterliegen, inhaltlich und nicht räumlich untergliedert. Bei der Behandlung der Renaissancezeit mit einem Übergewicht im mediterranen Raum allerdings schien es aus demselben Grunde sinnvoll, Italien und Mittel- und Nordeuropa gegenüber zu stellen.
1.6.2 Die zeitliche Begrenzung und Einteilung Für die wissenschaftsgeschichtliche Periodisierung in dieser Arbeit ist die universalgeschichtliche Auffassung entscheidend, dass Geschichte nicht nur aus Nationalgeschichte und nicht nur aus politischen Ereignissen besteht, sondern einen Prozess aller veränderbaren Varianten im gesellschaftlichen und universellen Zusammenhang darstellt. Wie bei jeder Klassifikation bestimmen die Fragestellung und die Auswahl der Merkmale die Ergebnisse, weswegen immer verschiedene Grenzziehungen möglich sind und auch möglich bleiben werden (Strahm 1982, S. 15, für die Kupferzeit; Koselleck 1987, S. 273, für die Neuzeit; Gehrke 2007, S. 357, für den Hellenis-
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mus). Das bedeutet auch, dass verschiedene Modelle sich nicht immer ausschließen müssen, sondern durchaus mit Berechtigung nebeneinander stehen können, wie z. B. die kulturgeschichtliche Klassifizierung von Renaissance, Barock und Aufklärung und die historische Marke des Dreißigjährigen Krieges innerhalb des Barock (siehe S. 44). Endogene wissenschaftliche Merkmale hat man für die Gliederung der Archäologischen Wissenschaften dieser Epochen interessanter Weise noch nicht angewendet, weswegen wir uns auf diese konzentrieren werden. Periodisierung des wissenschaftlichen Prozesses ist in diesem Sinne als eine Gratwanderung zwischen dem kontinuierlichen Wechsel von verschiedenen Merkmalen bzw. deren Kombinationen und der notwendigen wissenschaftlichen Normsetzung und Gewichtung zu beschreiben: Nie wechseln alle Merkmale gleichzeitig, und doch gibt es neu auftretende Phänomene, durch die sich alles ändert. Da das aber oft gar nicht sofort geschieht, sondern mit Verzögerung, ist ein kausaler Zusammenhang nicht immer leicht herzustellen. Mutmaßungen über äußere Ursachen für Änderungen wie Katastrophentheorien, Wanderungsmodelle oder der Diffusionismus haben wissenschaftsgeschichtlich sehr alte Ursachen (siehe auch S. 94 ff.) und gehören zum Teil sogar noch in den außerwissenschaftlichen Bereich. Auch in der Wissenschaftsgeschichte der hier behandelten Zeit spielen solche Erklärungsmodelle eine Rolle, z. B. die Flucht der byzantinischen Wissenschaftler nach Italien als Beginn der Griechischstudien und des Platonismus (Burke 1998[2005], S. 17). Alle diese zeitlichen Gliederungen zeigen, dass ein einheitliches, der Wissenschaftsentwicklung gerecht werdendes Schema noch nicht gefunden wurde und vielleicht auch gar nicht gefunden werden kann. Unsere Fragestellung ist die des Werdens der Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie als eigenes Fach. Deshalb wird der Gliederung dieser Arbeit der Grad der Spezialisierung im Gefüge der Wissenschaftsorganisation zugrunde gelegt. Das behandelte Zeitfenster ist als die Epoche der Spezialisierung der archäologischen Fächer zu beschreiben. Die Endmarke für unsere Untersuchung wird durch die Gründung der ersten fachlichen Institutionen manifestiert. Diese obere ‚Epochengrenze‘ lässt sich für die Ur- und Frühgeschichte im deutschen Sprachgebiet in der Mitte des 19. Jahrhunderts ansetzen. Sie zeigt eine soziale Wende an, die Entstehung von Wissenschaftlergruppen mit eigener Ideologie und Tradition sowie einem wirtschaftlichen Versorgungsverhalten für die eigene Gruppe, das mit dem Abschluss gegen andere Gruppen, gerade die Vertreter benachbarter Wissenschaften, einherging. Dieser Prozess dauerte jedoch das gesamte 19. Jahrhundert an und verlief regional sehr unterschiedlich. Man schloss sich dabei auch gegen ältere Traditionen ab, die aus der Zeit vor der gelungenen Spezialisierung stammten. Innerhalb dieses Prozesses bildet die Gründung der ersten dauerhaften fachlichen Institution, des Römisch-Germanischen Zentralmuseums in Mainz, einen Fixpunkt. Auch für die Klassische Archäologie spielte diese Zeit eine Rolle, wenn auch nicht so einschneidend: In den fünfziger Jahren begann der Prozess der Übernahme des römischen Instituto di Corrispondenza Archeologica – Institut für Archäologische Correspondenz – durch den Preußischen Staat und als dessen Nachfolger das Deutsche Reich (Rieche 1979, S. 102 ff.).
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Die Definition der unteren Grenze macht viel größere Probleme. Hier wird die Auffassung vertreten, dass die antiken und mittelalterlichen Vorgänger noch nicht in den kontinuierlichen Prozess der Fachentwicklung gehören. Wegen ihrer außerordentlichen Bedeutung für die spätere Zeit werden sie aber hier behandelt. Der Beginn archäologischen Arbeitens in der Renaissance zeigt sich zunächst diffus in dem Auftauchen archäologischer Quellen oder Argumentationen in Werken, die eigentlich anderen Themen gewidmet sind. Wie im Weiteren begründet werden wird, ist die untere Grenze für den Eintritt der Epigraphik, der Numismatik und der Klassischen Archäologie in den Spezialisierungsprozess in die vierziger und fünfziger Jahre des 15. Jahrhunderts zu setzen. Die Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie zieht in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nach. Die allerersten Spuren archäologischen Denkens der Frühen Neuzeit liegen jedoch in Italien noch etwas früher an der Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert. Das archäologische Interesse verbreitete sich dann nach Norden. In Süddeutschland finden wir die ältesten Arbeiten in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, in England und den Niederlanden in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und in Norddeutschland und Skandinavien am Ende des 16. Jahrhunderts (Abb. 5, a-d). Wegen der großen zeitlichen Differenzen zwischen den einzelnen Teilen des Arbeitsgebietes wurde aber auf eine zu enge chronologische und räumliche Gliederung verzichtet. Die wissenschaftsgeschichtliche Darstellung ist deshalb im ersten Band nur in zwei Hauptabschnitte gegliedert. Der Erste betrifft Antike und Mittelalter, der Zweite den ersten universalwissenschaftlichen Zeitabschnitt bis zum Verlust der italienischen kulturellen Führungsrolle im Dreißigjährigen Krieg. In dieser Epoche studierten europäische Wissenschaftler überwiegend in Italien, so dass eine enge geistige Verbindung zwischen Italien und Mittel- und Nordeuropa bestand. Nur in Rom richtete man ein auf die Denkmalpflege bezogenes, dauerhaftes Antiquarsamt ein. Auch der zweite Teil ist nur in zwei chronologische Hauptabschnitte gegliedert. Der erste behandelt die noch universalwissenschaftliche Epoche der nun schon durch ein Antiquarsamt und universitäre Ausbildung in Schweden etablierten Urund Frühgeschichtlichen Archäologie von etwa 1630 bis etwa 1800, die obere Grenze markiert die Entstehung des Nationalmuseums in Kopenhagen 1807 (Jensen 1987, S. 6). Der zweite Hauptabschnitt ist der Zeit der historischen Vereine und fachlichen Gesellschaften bis zur Gründung des Römisch-Germanischen Zentralmuseums in Mainz, also im wesentlichen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gewidmet. Diese Institutionen boten den Rahmen für die Abspaltung der Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie vor allem von der Geschichte und die Entwicklung der Paradigmata, in denen die Formierung der Wissenschaft möglich werden sollte. In Deutschland war im Kreis der historischen Vereine eine erste, zunächst noch von Interessenten aus anderen Berufsgruppen getragene Spezialisierung im Schoß der Geschichtswissenschaften entstanden, die sich zwar auch in anderen europäischen Regionen findet, im deutschen Sprachgebiet aber durch den Historismus eine besondere Ausprägung erhielt.
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Zusammenfassend muss betont werden, dass weder das Fehlen oder Vorhandensein einer bestimmten Fragestellung noch die Erfindung oder Anwendung einer bestimmten Methode noch die Professionalisierung der Archäologie klare Grenzziehungen zwischen Antiquaren und Archäologen erlauben. Grenzen wurden und werden nachträglich gesetzt, um die Forschung vor der Fachbildung zu diskreditieren. Hier wird Arbeit mit archäologischen Quellen jeglicher Art als archäologisch bezeichnet, unabhängig davon, in welcher Epoche sie stattgefunden hat, von wem sie ausgeführt sowie mit welchem Ziel und mit welcher Methode sie unternommen wurde. Als antiquarisch oder altertumskundlich ist dagegen eine quellenpluralistische, meist überwiegend philologische Vergangenheitsforschung zu definieren.
1.6.3 Archäologische Fragestellungen und Methoden Die historischen Vergleichsparameter dieser Untersuchung sind Methoden, Interpretationen und Theorien zur Erforschung archäologischer Funde und deren Zusammenhänge. Warum braucht eine Wissenschaft überhaupt Methoden? Würde nicht der Wille zu einer bestimmten Erkenntnis, wenn er einmal definiert und von anderen anerkannt ist, vollkommen genügen, eine Wissenschaft zu etablieren? Diese Frage muss verneint werden, denn zur Durchsetzung einer Erkenntnis, zum Einrichten und Aufrechterhalten einer fachlichen Institution muss eine reproduzierbare Lehre entwickelt werden, nach der das Wissen weitergegeben und die Arbeit von Schülern geprüft werden kann. Das eine Wissenschaft definierende Wissen setzt sich zusammen aus einem Paket von Fakten und Methoden, von Hypothesen und Theorien. Die Methoden dienen dabei der Standardisierung des Erkenntnisprozesses innerhalb bestimmter Lehrmeinungen und sind deshalb eng mit der Institutionalisierung von Wissenschaften und mit der Bildung von Schulen verbunden. Am Anfang der Entwicklung zu den Archäologischen Wissenschaften bleibt deshalb eine der wichtigsten Fragen, ob es ohne die fachliche Institutionalisierung schon so etwas wie Methoden gegeben hat, wie diese entstanden sind und auf welche Weise sie gewirkt haben und weiter gegeben wurden. Am Anfang der Trennung der archäologischen Disziplinen in der zweiten Hälfte des 18. und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts standen vier Hauptthemen: 1. die antike Kunst, 2. die Funktion der Fundobjekte, 3. das Ethnikum und 4. die Datierung der Funde bzw. das Alter der Menschheit. Alle vier Themenbereiche waren nicht allein durch die archäologischen Fundgegenstände zu lösen, weswegen eine Kombination mit schriftlichen Quellen notwendig war. Johann Joachim Winckelmann legte die Grundlage für eine kunstgeschichtliche Stilanalyse durch die Kombination von Stil, Zeit und Raum (Winckelmann 1764[1934] S. 35 ff., S. 236). Christian Jürgensen Thomsen schuf mit dem Dreiperiodensystem eine chronologische Grundgliederung des ur- und frühgeschichtlichen Fundstoffs (Thomsen 1836[1837]), die Gebrüder Wilhelm und Ludwig Lindenschmit die erste tragfähige ethnische Deutung durch die
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Kombination von bestimmten Bestattungsformen, Zeit und Raum (Lindenschmit/ Lindenschmit 1848). Die Funktionen der Funde wurden langsam und teilweise auf kuriosen Umwegen gelöst. Der entscheidende Schritt war hier aber schon viel früher durch die Bestimmung der ,Donnerkeile‘ als menschliche Waffen gemacht worden (siehe S. 270, S. 310). Oscar Montelius veröffentlichte dann in seinem Werk Die Methode als Erster eine systematische Zusammenstellung wichtiger Arbeitsschritte und Erklärungsmöglichkeiten, in deren Mittelpunkt die Typologie steht, letztlich eine Form der Stilanalyse. Seine „gute Methode“ hatte die Datierung zum Ziel, doch im Laufe der Arbeit klärte er eine Reihe von allgemein gültigen Voraussetzungen und Begriffen, wie „absolute Chronologie“, „relative Chronologie“, „Fund“ bzw. „sicherer Fund“, d. h. geschlossener Fund, „Typus“, die Bedeutung der „Schicht“ bei Siedlungsgrabungen und der vertikalen Lage verschiedener Gräber in Grabhügeln. Ohne schon spezifische Termini zu gebrauchen, beschrieb er die horizontale Stratigraphie. Weiterhin behandelte er die Frage, ob Nachbestattungen und Kollektivgräber als sichere Funde anzusehen sind. Außerdem dachte er auch schon über den Unterschied zwischen dem Grablegungszeitpunkt und dem Herstellungszeitpunkt des Inventars nach und über das Problem der Kombination der Fundstücke im sicheren Fund: Dass die Wahrscheinlichkeit der Gleichzeitigkeit steigt, je häufiger eine Kombination beobachtet wird, und dass wirkliche typologische Serien nur auf der Basis sicherer Funde möglich sind. Es fehlte allein der Schluss, dass die eigentliche Methode zur relativen Datierung nicht die typologische Methode sein kann, sondern nur die Fundkombination auf der Basis von sicheren Funden bzw. die Seriation (Kunst 1982, S. 16; Eggert 2001[2008], S. 186): Vergleichen wir die typologischen Serien mit sicheren Funden … sehen wir, wie sämmtliche Funde dieser Art mit staunenswerther Übereinstimmung bezeugen, dass die Typen wirklich in der Reihenfolge nach einander auftreten, welche anzunehmen die typologische Untersuchung uns veranlasste (Montelius 1903, S. 1 ff., S. 17).
Da Montelius diesen Schluss nicht klar genug zog, sondern selbst auf der Typologie als Methode beharrte, setzte sich die Fundkombination als Methode nicht gleich durch. Einer allgemeinen Akzeptanz der reinen Typologie stand neben den methodischen Schwächen auch die Tatsache entgegen, dass er diese auch noch mit der Genetik verglich und sie als gesetzmäßig ansah (Montelius 1903, S. 20 f.). Sein Verdienst ist es aber, gezeigt zu haben, dass durch geschlossene Funde (bei ihm sicheren Funde) und Stratigraphien eine gesicherte relative Chronologie zu erreichen ist. Für die absolute Chronologie war er auf die schriftlichen Quellen angewiesen. Durch Gustaf Kossinna wurde die räumliche Verteilung der Funde zu einem Hauptthema der Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie. Er verallgemeinerte die ethnische Deutung der Fundverteilungen und erhob sie zu einem Gesetz (Kossinna 1911, S. 3). Ein wesentlicher Bestandteil dieser sogenannten siedlungsarchäologischen Methode Kossinnas ist die Annahme, man könne das Siedlungsgebiet historischer
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Völker in urgeschichtlicher Zeit durch räumliche Merkmalkontinuität identifizieren. Sie hat seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts auch international großen Einfluss gewonnen (Arnold 1990, S. 465 ff.; Fernández Götz 2009). Nicht nur in Deutschland wurde sie aber immer wieder mit verschiedenen Argumenten kritisiert, die sich hauptsächlich gegen die Ausschließlichkeit der Deutung geographischer Fundverteilungen und die Arbeitsweise Kossinnas richteten, aber auch gegen die Gleichsetzung von Sprache, Rasse und Kultur (Boas 1914, S. 68, ohne Nennung von Kossinna; JacobFriesen 1928, S. 141 ff.; Wahle 1941; Eggers 1959, S. 247 ff.; Sangmeister 1967, S. 232). Es handelt sich allerdings, wie schon Karl-Hermann Jacob-Friesen und Edward Sangmeister (1977, S. 9 ff.) gezeigt haben, um keine Methode, denn ihr Prinzip beruht einerseits auf der unbewiesenen Annahme der Beziehung von Sprache, Ethnikum und Kultur, andererseits auf der ebenfalls unbewiesenen Annahme, dass die geographische Verbreitung archäologischer Merkmale eine historische Kultur anzeigen müsse. Die eigentliche Methode ist also die Kartierung, die thematische Karte, und, bei der geographischen Deckung verschiedener Merkmale, die Definition des „Formenkreises“, der ohne eine sichere Datierung der Einzelmerkmale durch geschlossene Funde nicht interpretierbar ist und vor allem ganz verschieden interpretiert werden kann. Die Entwicklung dieser komplexeren Spielart der archäologischen Karte ist aber erst nach Kossinna gelungen. Immerhin hat aber Gustaf Kossinna wohl dem Paradigma der ethnischen Deutung der „archäologischen Kulturprovinz“ bzw. der „archäologischen Kultur“ nicht nur in Deutschland zum Durchbruch verholfen (Smolla 1979–80, S. 8). Zumindest in Deutschland ist damit auch die historische Identität des Faches Ur- und Frühgeschichte verbunden. Dieses Paradigma stammte bei Kossinna einerseits aus ethnologischen Forschungen von Adolf Bastian, Leo Frobenius und Fritz Graebner (Mühlmann 1947/48[1984], S. 126; Petermann 2004, S. 583 ff.). Schon lange vor der Formulierung der Kulturkreislehre wurde aber der Begriff Kultur von Rudolf Virchow für eine archäologische Fundgruppe benutzt (Hachmann 1987, S. 15). Das kann Kossinna nicht unbekannt geblieben sein, denn er verkehrte ja in der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. Die eigentlichen Anfänge aber gehen auf die Gebrüder Wilhelm und Ludwig Lindenschmit zurück. Durch den politischen Missbrauch in der Nazizeit ist die Methode Kossinnas zu einem Trauma der deutschen Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie geworden (Smolla 1979–80; Arnold 1990). Karl-Hermann Jacob-Friesen hat im deutschen Sprachbereich als Erster eine systematische Gliederung der ur- und frühgeschichtlichen Arbeitsschritte und Methoden zusammengestellt (1928, S. 91 ff.). Sie geht von der historischen Methodenlehre aus. Die Arbeitsschritte sind entsprechend in „Heuristik“ (Quellen), „Fundkritik“ und „Interpretation“ gegliedert. Erst bei der Interpretation tauchen die Fragestellungen auf: „Zu welchem Zweck“, „Von welchem Volk“ und „Zu welcher Zeit“ z. B. ein archäologischer Fund hergestellt worden ist. Der ersten Frage ordnete Jacob-Friesen die „Wesensdeutung“ oder „Fundmorphologie“ zu, der zweiten Frage die „Verbreitungslehre“ oder „Fundgeographie“ und der dritten Frage die „Altersbestimmung“ oder „Fund-
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chronologie“. Dem folgt ein Kapitel über Methoden (Jacob-Friesen 1928, S. 152 ff.): die „Komparative Methode“, unter der er im Wesentlichen die ethnologische Analogie verstand; die „Stratigraphische Methode“, der insgesamt modernste Abschnitt, da hier sowohl Ansätze einer Kombinationsstatistik als auch die sogenannte „Horizontale Stratigraphie“ und die Pollenanalyse behandelt werden; die „Typologische Methode“, die Jacob-Friesen im Gegensatz zu Ernst Wahle nach den Grundsätzen von Oscar Montelius positiv beurteilte. Am meisten Aufmerksamkeit aber widmete er der „Chorologischen Methode“ oder „Fundgeographie“. Ihr folgen Abschnitte über die archäologische Bestimmung einzelner Ethnika. Hier zeigt sich, dass „Kulturen und Völker“ für ihn doch – trotz des Anklingens ökologischer Themen – der bevorzugte Forschungsgegenstand blieben. Gustaf Kossinnas Deutung geographischer Fundverteilungen stellte das wichtigste Problem dar. Sowohl die Fragestellungen als auch die Methoden sind folglich überholt. Jacob-Friesens Beitrag kann deshalb nicht zur Grundlage einer modernen archäologischen Methodologie dienen30. Das gleiche gilt für die Arbeit von Hans-Jürgen Eggers, der die „historisch-archäologische Methode“ in verschiedener Hinsicht zu seinem Hauptthema machte (Eggers 1959, S. 122 ff.). Er behandelte die Kombination archäologischer Funde mit schriftlichen Nachrichten einerseits hinsichtlich der absoluten Datierung, andererseits hinsichtlich der ethnischen Deutung sowie darüber hinausgehender historischer Interpretation. Eggers großes Verdienst besteht in der Ausarbeitung von Grund kriterien einer Entstehungskritik der Funde, der Definition der „lebenden Kultur“, der „toten Kultur“ und deren Übergänge, der verschiedenen Erhaltungsbedingungen unterschiedlicher Materialien und der Entstehung der archäologischen Fundarten. Damit schuf er Grundlagen für eine Taphonomie und Middle Range Theory vor Lewis Binford und Michael B. Schiffer. Vor allem diese machten den Methodenzweig einer ‚Abfalltheorie‘ dann zu einem Teil der New Archaeology, ohne dass es allerdings bisher gelang, allgemein verbindliche Methoden zu definieren (Sommer 1991, S. 53; Bernbeck 1997, S. 65 ff.). Es handelt sich auch um keine spezifischen Methoden, sondern um ein komplexes Interpretationsmodell, für das Argumente aus der Präzision der Grabungstechnik (z. B. Einzeleinmessung, genaue Positionsangaben, naturwissenschaftliche Erdbeprobung), aus Untersuchungen zu Gebrauchsspuren, aber auch aus realen und virtuellen Experimenten zu Verfallsprozessen und Simulationen oder auch ethnoarchäologische Untersuchungen dienen können. Diese Methoden sind aber alle auch für andere Fragestellungen einsetzbar. Besonders komplex wird das Thema dadurch, dass der Umgang mit Abfall, Schmutz und alten Dingen keine Konstante menschlichen Verhaltens darstellt (Sommer 1991, S. 64 ff.). Interessant ist, dass der kurze Beitrag von Christopher Hawkes (1954) immer noch diskutiert wird (Eggert 1998b, S. 363). Er ist mit seiner breiten Diskussion der historisch-archäologischen Methode und dem chronologisch vom historisch Bekann-
30 Anders Eggert (1998b, S. 364).
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ten zum prähistorisch Unbekannten zurück schreitenden Interpretationsmodell etwas altertümlicher als die Arbeit von Hans-Jürgen Eggers. Hawkes gliederte die vier Interpretationsfelder Technik, Wirtschaft, Gesellschaft und Religion nach der Schwierigkeit der Beweisführung aus den archäologischen Quellen: Auf Technik und Wirtschaft sei noch leicht zu schließen, auf Gesellschaft und vor allem auf die geistige Welt aber kaum. Diese „ladder of inference“ lässt jedoch die anzuwendenden Methoden vermissen, wenn auch das induktive Vorgehen vom Fund zur Fragestellung und die Analogie erwähnt werden (Hawkes 1954, S. 161, S. 167). Edward Sangmeister kam ebenso induktiv von der Quelle zur Fragestellung wie Christopher Hawkes. Er entwarf jedoch kein hierarchisches Interpretationsmodell, sondern ein hierarchisches Quellen- und Methodenmodell. Es schreitet vom einfachen Objekt zu immer mehr Informationskomplexität fort. Am Anfang wird der einzelne Fund analysiert und danach seine Beziehung zu anderen Funden. Es folgen der Fundort, die Fundgesellschaft und letztlich die Fundgesellschaften. Mehr Informa tionskomplexität führt auch zu komplexeren Methoden, nicht aber unbedingt zu komplexeren Interpretationsfeldern: Sangmeister zeigte überzeugend, dass auch schon aus dem Rohstoff des Einzelfundes auf das Wissen, die Komplexität und Spezialisierung der Gesellschaft geschlossen werden kann, und widerlegte damit die „Ladder of Inference“ von Christopher Hawkes (Sangmeister 1967, S. 203). Das wichtigste aber ist, dass mit dieser Arbeit die Merkmalkombination zumindest in Deutschland erstmals ausdrücklich zum Hauptkriterium archäologischen Deutens gemacht worden ist. Die historisch-archäologische und die geographische Methode, die alle älteren Arbeiten bestimmt hatten, spielten bei Sangmeister nur noch eine geringe Rolle, denn in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre begannen die naturwissenschaftlichen Datierungsund Analysemethoden ihren großen Siegeszug. Wir befinden uns hier natürlich auch schon in der Entwicklungszeit der New Archaeology und der quantitativen Methoden in der Archäologie, für deren Anwendung Merkmalkombinationen und sichere Fundgesellschaften die Voraussetzung darstellen. Zu den älteren Methoden kamen nun Wahrscheinlichkeitsprüfungen und multivariate Statistiken, die ebenfalls an Zufallsverteilungen getestet werden konnten (Ihm 1978, S. 136). Diesen Verfahren entspricht die deduktive Schlussmethode, d. h. die Überprüfung einer Fragestellung durch einen Versuch, wie sie von den Anhängern der New Archaeology favorisiert und in verschiedenen Formen ausgebildet wurde (Eggert 1978, S. 30 ff.; Bernbeck 1997, S. 51 ff.)31. Von der Grundkonzeption her induktiv und empirisch ist auch das Modell von David L. Clarke (1968, Abb. 2, S. 36; hier Abb. 6). Clarke teilte den Weg von dem „archaeological segment of the real world“ zu den „synthesizing propositions about the real world“ in fünf Schritte: „observation“, „experiment“, „hypothesis“, „interpretation“ und „theory“. In der „observation“-Phase findet die Datenaufnahme oder die Grabung statt, in der „Experiment“-Phase finden die spezifischen Analysen am
31 Zum Problem, ob daraus Gesetze abgeleitet werden können, siehe S. 29.
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Abb. 6: „General model“ archäologischer Arbeit von David Clarke, modifiziert von einem geographischen Model von Chorley 1964, S. 129. Clarke 1968, S. 36, Abb. 2. © 1968 David L. Clarke.
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Abb. 7: Die Dynamik des Zusammenwirkens soziokultureller Subsysteme in zeitlicher Dimension. David Clarke 1968, S. 104, Abb. 14. © 1968 David L. Clarke.
Fund und seinen Merkmalen sowie die kontextuellen Analysen der Fundstelle statt. Es folgen in der „Hypothesis“-Phase, die durch Synthesen und Theorien geprägt ist, drei mögliche, auf einer Ebene liegende Modellstrukturen: symbolische sowie auf Statistik, Mathematik und Logik aufgebaute Modelle, analoge Modelle (z. B. ethnologische und historische Analogie) und bildliche Modelle, wie Karten und Graphen, die z. B. auf ihre Isomorphie getestet werden können. Die hieraus gewonnenen logischen Konsequenzen und Generalisierungen können in der Interpretationsphase zu Modellen und Hypothesen genutzt werden, deren Tauglichkeit aber einem Test am letzten Stand der Observationsphase unterzogen werden müssen. In der TheoriePhase werden letztlich Schlüsse auf die reale Welt vorgeschlagen. Was die Interpretationsfelder betrifft, so verstand David L. Clarke die etwas modifizierten vier Felder der ,Leiter‘ von Christopher Hawkes als Subsysteme von Kultursystemen, die sich in einem ständigen gegenseitigen Austausch befinden – auch das Feld der Ökologie, das bei Hawkes keinen festen Platz hat, ist ein System mit Untersystemen (Clarke 1968, S. 104, S. 124 f.; hier Abb. 7). Später bezog er die auf Thomas S. Kuhn zurückgehende Idee der Paradigmenabhängigkeit der Wissenschaft in seine Überlegungen ein und formulierte für die Archäologie seiner Zeit vier Paradigmen: das „morphological“, das „anthropological“, das „ecological“ und das „geographi-
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Abb. 8: Der wissenschaftliche Kreislauf. Gardin 1979, S. 242, Abb. 30. EI = empirisch-induktiv, HD = hypothetisch-deduktiv. Rechte: © Hachette 1979.
cal“. Es verwundert, dass hier das historische Paradigma gar nicht genannt wird, was einerseits auf die antiquarische Tradition von Clarke zurückgeführt werden kann, andererseits aber auch darauf, dass die älteren, teilweise noch aktiven englischen Forscher nicht berücksichtigt wurden (Clarke 1972, S. 6 f.). Jean-Claude Gardin betrachtete das methodische Fünf-Phasen-Modell von David L. Clarke (1968; hier Abb. 6) und den Wechsel zwischen Induktion und Deduktion ausdrücklich als Zyklus (Gardin 1979, S. 239 ff.; hier Abb. 8), was aber bedeuten würde, dass von außen keine weltanschaulichen und politischen Änderungen in das System eingreifen. Das trifft aber nicht zu. Die Vertreter der Postmodernen Archäologie lehnen den ganzen Zweig der ‚objektiven‘, empirischen Wissenschaft weitgehend ab (Shanks/Tilley 1987, S. 208). Das gilt u. a. auch für die Taphonomie, die aber eine unumgängliche Voraussetzung dafür ist, die Zeichen der materiellen Spuren des Menschen historisch deuten zu können – was aber doch nur in Einzelfällen und auf dem Wege der Wahrscheinlichkeitsanalyse möglich ist.
1.6.4 Das Methodenmodell dieser Arbeit Im Folgenden wird ein Methodenmodell besprochen, das so konzipiert ist, dass auf seiner Grundlage auch die archäologische Arbeitsweise in der Zeit vor der Fächerspezialisierung dargestellt und gegen die heutige Arbeitsweise abgesetzt werden kann. Damit soll verdeutlicht werden, was an der Arbeitsweise unserer Vorgänger anders war als heute.
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Wie die Arbeiten von Karl-Hermann Jacob-Friesen und Hans Gummel zeigen, behindert ein ohne Rücksicht auf die wissenschaftliche Entwicklung aufgestelltes zeitgenössisches Methodenkonzept die wissenschaftsgeschichtliche Arbeit. So führt die Frage nach der typologischen Methode im 17. und 18. Jahrhundert ins Leere. Die Frage muss dagegen lauten, ob Klassifikationen nachzuweisen sind. Archäologische Methoden müssen also so systematisiert werden, dass auch ihre Anfänge erfasst werden können. Diesem Problem trägt das Methodenschema durch die Verwendung von übergreifenden Begriffen soweit wie möglich Rechnung. Um einen besseren Vergleich zwischen den wissenschaftlichen Epochen zu ermöglichen, ist die Darstellung der Arbeitsschritte in der Zeit vor 1850 weitgehend dem heutigen Methodenschema angeglichen und folgt ihm, wenn auch vereinfacht, in der Gliederung. In seinen Grundzügen beruht dieses System auf den Arbeiten von Edward Sangmeister und David L. Clarke, es unterscheidet sich aber auch in einigen Punkten (Abb. 9): Unter Methoden werden hier die Wege von der Fragestellung zur Erkenntnis verstanden. Fragestellungen werden also mit einbezogen. Edward Sangmeister hat dagegen die Methode als „Weg von der Quelle zum Ziel“ definiert (Sangmeister 1967, S. 200; 1998, S. 78)32. Der Forschungsablauf beginnt, zumal er ja auch für die Phase der Bildung archäologischer Denkprozesse gelten soll, mit der Voreinstellung, die in zwei konträre, aber kommunizierende Bereich gegliedert ist: Meinung, Mythos und Ideologie auf der einen Seite, Philosophie, Wissen, Paradigma und Theorie auf der anderen Seite. Die wissenschaftliche Voreinstellung kommt, zumindest in der universalwissenschaftlichen Phase, aus anderen Wissensbereichen bzw. sie gilt durch die gemeinsame Ausbildung in der Artistenfakultät für alle Wissenschaften. Auch die grundsätzliche theoretische Weltsicht (z. B. Positivismus, Idealismus) ist ein Teil der Methodenlehre, denn sie verlangt den Einsatz bestimmter Methoden. Besonders am Anfang der wissenschaftlichen Entwicklung ist von einem größeren Einfluss des Meinungsfeldes auf das Wissensfeld auszugehen als heute. 1. Am Beginn des wissenschaftlichen Prozesses steht die Fragestellung. Sie geht von einem bestimmten Erkenntnisbedürfnis aus, das meist allgemeiner und fachübergreifend ist und stark vom Feld der Meinung geprägt sein kann. Sie ist zwar einerseits der Ausgangspunkt für fachspezifische Methoden, andererseits aber selbst ein Teil der Methoden, zumal sie die Lösungsstrategie mit bestimmt. Ist das vermeintliche Vorwissen ausreichend, um die Frage zu beantworten? In diesem
32 Wie die wissenschaftshistorische Untersuchung zeigen wird, kommen in einem konkreten Forschungsprozess beide Ansätze zum Tragen. Allerdings zeigt sich doch z. B. bei Michele Mercati oder Petrus Albinus, dass ihr eigenes Forschen zwar bei den Quellen einsetzte, eine kontroverse Diskussion aber im Hintergrund stand.
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Abb. 9: Vorschlag eines archäologischen Methodenalgorithmus. Eine Modifizierung des „General model“ (Abb. 6). © Barbara Sasse, Guida Casella.
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Fall ist gar keine weitere Untersuchung nötig und der Wissenstand bleibt gleich. Ein Dogma z. B. wird nicht angetastet. Oder reicht das Vorwissen nicht aus? Dann kann empirische Forschung helfen. Das Vorgehen ist dann deduktiv, denn es ist eine Fragestellung, von der die Forschung ausgeht. Die Fragestellung kann aber auch die Funktion eines merkwürdigen Fundes sein wie die eines Steinbeils. Sie kann empirische Forschung initiieren, aber auch im Vorwissen befangen bleiben und dogmatisch angelegt sein. An den Anfängen wissenschaftlicher Forschung ist das nicht immer sicher zu trennen. 2. Hat man sich aber einmal für die empirische Forschung entschieden, ist es nötig, zu überlegen, mit welchen Quellen die Frage beantwortet werden könnte. Es beginnt die Phase der Information, die der Phase der Observation bei David L. Clarke entspricht. Am Anfang der Entwicklung der Archäologien lag die Lösung durch eine archäologische Quelle fern: man griff zum antiken Autor oder zur Bibel. Wenn aber die Wahl auf eine archäologische Lösung fällt, setzen nun die Methodenschemata von Edward Sangmeister und David L. Clarke ein, denen wir hier in der Grundstruktur folgen (Sangmeister 1967; Clarke 1968): Die eigentliche Arbeit während der Informationsphase besteht in der Datenaufnahme der Quellen. Hierher gehören die Zusammenstellung von Funden im Museum mit der entsprechenden Dokumentation und die Prospektion im Gelände mit ihren naturwissenschaftlichen Erkennungsmethoden und der Vermessung. Hierher gehört aber auch die Grabung mit der Topographie und der genauen Dokumentation von Funden und Bodenverfärbungen. Dadurch können die vertikale und horizontale Stratigraphie, d. h. die Fundzusammenhänge, erkannt werden. Letztlich gehört dazu die Probeentnahme für naturwissenschaftliche Analysen. 3. Die dritte Phase ist die der archäologischen Analyse. Die Analyseschritte sind einerseits eng mit der Informationsphase, andererseits aber auch mit den Interpretationsfeldern in allen Richtungen verbunden. Durch das weitere Vorgehen ergeben sich immer wieder neue Aspekte, die Korrekturen oder auch die Gewinnung neuer Informationen verlangen. Insofern handelt es sich nicht um grundsätzlich hintereinander liegende Phasen, sondern um ein mehrdimensionales Modell im Raum. Der ursprünglich deduktive Forschungsansatz kann dabei induktiv, d. h. durch Quellenobservation und – Auswertung modifiziert werden. Die Analyseschritte sind hierarchisch in Quellenkritik, Deskription, Klassifikation, Kombinationsanalysen und topographische Analysen zu gliedern. Folgende Methoden kommen zum Einsatz: die Merkmalanalyse mit der Vermessung und deskriptiven Statistik, naturwissenschaftliche Methoden, multivariate mathematisch-statistische Methoden wie die Korrespondenzanalyse oder die Clusteranalyse, Experimente an realen Gegenständen oder virtuelle Simulationen sowie topographische Methoden und Tests an räumlichen Verteilungen. Diese Methoden können an verschieden komplexen Quellen eingesetzt werden: Am einzelnen Fundobjekt geben sie Informationen über die Merkmalebene; am Fundkom-
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plex über die Fundobjektebene und die Merkmalebene; am Fundplatz über die Fundkomplexebene und die Fundobjektebene; im Formenkreis, der archäologischen Kultur, über die Fundplatzebene, die Fundkomplexebene und die Fundobjektebene, und auf der Ebene des übergeordneten Vergleichs geben sie Informationen über alle zur Verfügung stehenden Ebenen. Auf dieser Ebene kann man mehrere synchrone archäologische Kulturen interkulturell miteinander in Beziehung zu setzen, andererseits aber auch archäologische Kulturen diachron analysieren, weiterhin aber auch bestimmte Fragestellungen oder Objektarten extrakulturell außerhalb ihres archäologischen Kulturzusammenhangs betrachten. Denkmäler, die durch Inschriften näher bestimmt sind, besitzen eine weitere Dimension für die Interpretation, sie sind oft direkt datierbar oder auch in ihrer Funktion und bezüglich weiterer kultureller Interpretationsfelder auswertbar. Diese Dimension macht sie jedoch gleichzeitig zu schriftlichen Quellen. Numismatik und Epigraphik sind deshalb eigene methodische Bereiche, die wie die Deutung anderer Schriftquellen außerhalb des archäologischen Methodenapparates stehen, aber mit diesem im Gegensatz zu den anderen Schriftquellen direkt kommunizieren (Sasse 2008). 4. Zwischen dieser Untersuchungsebene und den Interpretationsfeldern besteht im Forschungsprozess eine dauernde Kommunikation. Die Interpretationsfelder bilden dabei keine Hierarchie, sondern einen mehrdimensionalen Kommunika tionsraum. Die hier nach dem Vorbild von David L. Clarke in einem Kreis angeordneten Interpretationsfelder lassen sich von außen nach innen in vier Gruppen einteilen: 4.1. Die archäologischen Interpretationsfelder Taphonomie und Chronologie, durch die eine Verbindung zwischen dem Fund und seiner historisch-kulturellen Interpretation möglich wird, bilden die beiden äußeren Kreise, ihnen sind als Methoden die Vermessung, Experimente, die Stratigraphie, multivariate Statistik, naturwissenschaftliche Datierungsmethoden und historischarchäologische Verknüpfungen und Analogien zugeordnet. Die Chronologie ist in relative und absolute, d. h. in ein Zeitschema eingeordnete Chronologie zu unterteilen. 4.2. Die vier kulturellen Interpretationsfelder liegen im mittleren Kreis. Für ihre Auswertung sind sowohl die Klärung taphonomischer Gesichtspunkte als auch die relative und absolute Datierung als auch eine Analyse der natürlichen Lebensbedingungen unverzichtbar. Deswegen sind die natürlichen Lebensbedingungen im inneren Kreis angeordnet. Bei den kulturellen Interpretationsfeldern handelt es sich um: Die materielle Kultur mit den Subfeldern Fundidentifikation, Funktion, Technik und Kunst kann schon von der Merkmalebene des Einzelobjekts an untersucht werden. Es geht vor allem um den Vergleich von Objekten unter Kenntnis ihrer Klassifikation, ihrer Zusammensetzung, ihres Herstellungs-
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prozesses und eventuell ihrer zivilisatorischen und künstlerischen Wertung. Zu diesem Komplex gehören nicht nur kleine Objekte, sondern auch Bauten und das ganze Siedlungswesen. Es handelt sich also um das, was archäologisch bruchstückartig, aber direkt und real überliefert ist, weswegen die Informationen für diesen Bereich am dichtesten sind. Aussagen über die drei weiteren kulturellen Felder immaterielle Kultur, Kulturstruktur und Kulturgruppe müssen überwiegend durch die Analyse von räumlichen Verteilungen, von Wahrscheinlichkeitsprüfungen und stochastischen Tests, d. h. Abweichungen von der Normalverteilung, in den einzelnen Ebenen getestet werden. Es geht bei diesen Untersuchungen darum, regelmäßige Verteilungen von besonderen zu trennen und sinnvolle von zufälligen, z. B. sinnvolle Waffenkombinationen von unsinnigen oder strategisch sinnvolle von repräsentativen Anlagen. Bei der scheinbar unsinnigen Waffenkombination z. B. geht die Suche nach anderen Merkmalen weiter, die zu einer plausiblen Erklärung führen können, z. B. das Alter des Bestatteten, sein Geschlecht oder auch Gebrauchsspuren am Grabgut. Neben der Analogie spielen die Falsifikation von Annahmen und logische Verknüpfungen als Schlusstechniken eine Rolle. – Zur immateriellen Kultur gehören Subfelder wie Wissen, Mythos und Religion, – Zur Kulturstruktur Subfelder wie Habitus, Herrschaft, Gesellschaft, Infra struktur und Institutionen sowie die strukturelle Seite von Siedlung, Handel und Handwerk, – Zur Kulturgruppe Subfelder wie Identität, Ethnizität, Komplexität und Wandlungsparameter wie Akkulturation, Migration und Katastrophen. 4.3. Stärker als die kulturellen Felder sind die Felder Wirtschaft und Bevölkerung von den natürlichen Gegebenheiten abhängig. Sie stehen deswegen zwischen der Kultur und der Natur. Für beide Felder liefern archäologische Daten wieder konkretes Material, wenn auch eine direkte und eindeutige Rekonstruktion der Bevölkerung nicht möglich ist (Sasse 2007). 4.4. Das Feld Ökologie betrifft die natürlichen Grundlagen Klima, Erde (Geographie und Geologie) und die Ressourcen: Bodenschätze, Fauna und Flora. Es handelt sich überwiegend um Ergebnisse der benachbarten Naturwissenschaften, die teilweise sehr konkrete Daten beisteuern, vor allem, wenn durch eine präzise Grabungstechnik der Fundzusammenhang und die Erhaltungsparameter gesichert werden konnten und eine Verknüpfung mit geschlossenen Funden möglich ist. Wie der Verbindungspfeil zwischen dem Kreis archäologischer und naturwissenschaftlicher Analysen und Deutungen und dem Feld „Wörter“ zeigt, liegt die Verknüpfung archäologischer Ergebnisse mit schriftlich überlieferten Nachrichten direkt oder mittels der historischen Analogie außerhalb des archäologischen Methoden-
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Zur Einführung
bereichs: Erst muss die archäologische Auswertung unabhängig erfolgen, um dann Nachrichten aus schriftlichen Quellen historischer oder archäologischer Natur mit ihr verknüpfen zu können. Dabei muss man die logische Verknüpfung über den Ort, das (einmalige) Ereignis und die Zeit von der historischen Analogie unterscheiden, bei der nur ein allgemeiner und häufig spekulativer Vergleichsparameter gegeben ist, der leicht zum Zirkelschluss führen und dazu verleiten kann, in den archäologischen Quellen nach dem zu suchen, was in den schriftlichen Quellen sowieso bekannt zu sein scheint. Da es sich nicht nur um historische, sondern auch um ethnologische oder zeitgenössische Vergleiche handeln kann, ist diese Vorgehensweise mit „Ereignis/Strukturanalogie“ bezeichnet. Parallel dazu steht die nur auf den Objektebenen vergleichende „Objektanalogie“. Damit sind wir bei einer der in der Frühzeit der Archäologien häufig angewendeten Arbeitsweisen, bei der die archäologische Quelle oft nur eine illustrative und beliebige Bedeutung besaß, aber auch Ergebnisse erzielt wurden33. Auf den beiden Seiten des Schemas sind Veränderungsmechanismen der beiden Ausgangsfelder Meinung und Wissen dargestellt: Auf der linken Seite steht die ständige Präsenz der unwissenschaftlichen Ebene „Meinung, Mythos, Glaube und Ideologie“. Diese Voreinstellung beeinflusst heute wie in der Frühzeit der Archäologien die Arbeitsweise. Am Anfang war jedoch ihre Bedeutung wesentlich größer. Weniger Wissen und Methode standen ihr gegenüber. Sie konnte z. B. die Durchsetzung von Erkenntnissen behindern und so den kontinuierlichen Zyklus der empirischen Forschung, der hier auf der rechten Seite dargestellt ist, brechen. Die allgemeine Meinung kann aber auch von ganz anderen Prozessen beeinflusst werden, die außerhalb dieses Forschungszyklus liegen und so vollkommen unabhängig von der Forschung diese beeinflussen, z. B. durch eine Ideologie. Solche Vorgänge sind durch den Forschungsablauf nicht beeinflussbar, sie können sich aber bestehender Forschungselemente bedienen, wie das z. B. in der Nazizeit geschehen ist. Im ungestörten und erfolgreichen Forschungsablauf besteht jedoch die Möglichkeit, durch Forschung eine Veränderung der Voreinstellungsfelder Wissen und Meinung zu erreichen. Im Normalfall wird man nur zu Veränderungen im mittleren Bereich des Forschungsablaufes kommen – zur Untersuchung anderer Quellen oder zur Modifikation der Fragestellung. In einigen wenigen Fällen jedoch wird die Forschung so erfolgreich sein, dass eine neue Theorie oder ein neues Paradigma aufgestellt werden kann und damit sogar Einfluss auf den Bereich der Meinung genommen werden kann. Das ist z. B. bei der Erkenntnis des fossilen Menschen geschehen.
33 Zur Analogiediskussion und zur vorherrschenden und irrigen Meinung, Analogien beschränkten sich auf ethnologische Parallelen siehe Gramsch 2000, S. 4 ff. Zur vergleichenden Analogie siehe auch das Schema von Ickerodt (2010, S. 14, Abb. 1). Dort werden nur die Objekt- und die Kulturebene sowie die Fächer differenziert, nicht die Quellenarten.
Zur Methode
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Manchmal kommt die Veränderung aber auch von außen aus anderen Wissenschaften, z. B. durch die Entwicklung der Atomphysik und damit der C14-Datierung. Solche Ereignisse wären in unserem Modell dann geeignet, neue Paradigmen zu schaffen, den Forschungsablauf zu verändern und neue Fragestellungen zu erlauben.
2 Spuren archäologischer Wissenschaft in Antike und Mittelalter? Man kann davon ausgehen, dass Menschen schon immer die Überreste ihrer Vorfahren in irgendeiner Weise reflektiert haben. Die zeitnahen Relikte gehörten zur jeweiligen Erinnerungskultur. Auf andere und ältere Reste wird man zufällig gestoßen sein, wie z. B. auf einem Siedlungshügel oder an einer Begräbnisstelle. Die Entwicklung der Archäologien zeigt die Schwierigkeit der Deutung vor allem dieser Funde aus einer entfernten, über das kulturelle Gedächtnis hinausgehenden Vergangenheit. Für die Antike und das Mittelalter besitzen wir aus schriftlichen Quellen schon Anhaltspunkte zu Motiven einer regelrechten archäologischen Tätigkeit. Griechen und Römer verstanden unter den Begriffen Archäologie oder Antiquitates die Beschäftigung mit der noch mythischen Geschichte der Anfänge ihrer Kulturen oder Städte und kannten keine Einschränkung auf die materielle Kultur (siehe S. 67). Das schloss aber nicht aus, dass sich einzelne Autoren mit materiellen Zeugnissen auseinandersetzten. Das Interesse galt überwiegend Überresten und Heiligtümern mit einem Platz in der ‚lebenden Kultur‘. Im Mittelalter bedeutet das vor allem das Verhältnis zu den materiellen Überresten der Antike. In letzter Zeit hat man begonnen, diesem Thema systematische Einzelstudien zu widmen (Ott 2002; Clemens 2003; Wiegartz 2004; Hartmann 2010). Die Bedeutung prähistorischer Funde in Antike und Mittelalter ist mit Ausnahme der Ceraunia, der späteren Donnerkeile (siehe Anm. 197), dabei kaum behandelt worden – ausführ lichere Arbeiten liegen lange zurück (Mennung 1925; Stemmermann 1934, S. 5–9). Es gibt aber charakteristische Denkmuster34, Handlungsabläufe, Konzepte und auch methodische Ansätze. Einige von ihnen sind für die Antike typisch und wurden in der Frühen Neuzeit wieder aufgenommen, andere erlebten sogar eine Kontinuität über das Mittelalter hinaus. Dies herauszuarbeiten ist das Ziel dieses Kapitels.
34 Das entspricht dem Begriff der Episteme, der die in bestimmten Gesellschaften herrschende Denkund Arbeitsweise im Sinne von Michel Foucault bezeichnet. Dieser erklärte sein Forschungsziel folgendermaßen: „… eine Untersuchung, in der man sich bemüht festzustellen, von wo aus Erkenntnisse und Theorien möglich gewesen sind, nach welchem Ordnungsraum das Wissen sich konstituiert hat, auf welchem historischen Apriori und im Element welcher Positivität Ideen haben erscheinen, Wissenschaften sich bilden, Erfahrungen sich in Philosophien reflektieren, Rationalitäten sich bilden können. … Was wir an den Tag bringen wollen, ist das epistemologische Feld, die episteme …“ (Foucault 1966[1974], S. 24 f.). Es handelt sich also nicht um eine wissenschaftliche Kategorie, sondern um eine Voraussetzung gleichermaßen für Wissen und Wissenschaft in einer bestimmten Zeit. Deshalb besitzen auch Gesellschaften ohne eine organisierte Wissenschaft in unserem Sinne eine Episteme. Das Paradigma als eine wissenschaftliche Kategorie ist davon abzusetzen (siehe Seite 48 f.).
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2.1 Aspekte des Umgangs mit archäologischen Quellen 2.1.1 Monumente und Antiquitäten in der lebenden Kultur der Antike und des Mittelalters 2.1.1.1 Denkmäler und Sammlungen Es sind die herrschaftlichen Monumente Ägyptens, des Vorderen Orients und Griechenlands, die als Erste die Aufmerksamkeit der beginnenden wissenschaftlichen Geschichtsschreibung geweckt haben. Ägypten, der Vordere Orient einschließlich der Phönizier und das archaische Griechenland bildeten hierin einen großen Kulturkreis mit gemeinsamen Traditionen und ähnlichen Organisationsformen (Burkert 2003, S. 57 ff.). In den Kulturen der antiken Welt wurden Antiquitäten auch in den Tempeln und Schatzhäusern der Heiligtümer aufbewahrt. Für die Entwicklung der archäologischen und historischen Wissenschaft waren die griechischen Heiligtümer entscheidend. Sie erhielten die Antiquitäten überwiegend als Votivgaben35, aber auch wohl als Bestandteile von Staats- und privaten Schätzen (Burkert 1977, S. 154 ff.; Borbein/Hölscher/ Zanker 2000, S. 284 f. [Robin Hägg]). Besonders gut untersucht sind das Heraion auf Samos und die Heiligtümer von Olympia und Delphi36. Die Bestandteile der Schätze wurden ausgestellt und somit gleichzeitig Vorläufer der profanen Sammelobjekte (Hartmann 2010, S. 57 ff.). Zu nennen sind für die geometrisch-archaische Zeit u. a. orientalische und ägyptische Importware, darunter auch Götterfiguren, aber auch griechische Prunkkessel in orientalisierendem Stil (117 Greifenprotome allein im Heraion in Samos!), Dreifüße sowie Waffen (Jantzen 1972, S. 88 ff.; Maass 1992; Gehrig 2004, S. 3; Bumke 2007; Frielinghaus 2010, S. 96). Die Bedeutung der Weihegeschenke und der Götter- oder Heroenbildnisse für die antiken Kulturen lässt sich besonders gut an ihrem Schicksal im Krieg demonstrieren37. Einerseits bestand ein Teil der Schätze selbst aus Kriegsbeute oder war zumindest durch Kriegsbeute bezahlt worden, andererseits wechselten die Schätze mit wechselndem Kriegsglück die Besitzer (z. B. Rumpf 1953, S. 13 ff.; Strocka 1999). Erbeutetes Kriegsgerät weihte der Sieger den eigenen Gottheiten wie die Athener nach den Siegen über die Perser die gegnerischen Waffen den Kultstätten Olympia und Delphi (Strocka 1999, S. 14). Hierher gehören auch die nach der Überlieferung erstmals von Romulus geweihten erbeuteten Rüstungen gegnerischer Heerführer, die
35 Griech. anáthema, das Aufgestellte. 36 Die reichen Ergebnisse der Grabungen des Deutschen Archäologischen Instituts auf Samos sind publiziert in der Reihe Samos, siehe auch Jantzen (1972); Gehrig (2004). Olympia: Kyrieleis (2002); zur Architektur der Schatzhäuser siehe z. B. Kienast 1985; Büsing 1994. 37 Siehe dazu die kurze, aber materialreiche Darstellung zu antikem „Kunstraub“, auf der die hier gegebene Kurzfassung beruht (Strocka 1999, S. 9 ff.).
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Spolia opima, die man im Tempel des Jupiter Feretrius auf dem Capitol in Rom aufbewahrte. Besonders die griechischen Perserkriege und später die Eroberungskriege Roms boten reichlich Gelegenheit zur Ausplünderung der gegnerischen Schatzkammern und gelegentlich auch der Architektur der Heiligtümer. Sowohl in den orientalischen als auch in den klassischen Kulturen war es außerdem üblich, dass die Sieger öffentliche Identifikationsstücke und besondere Kultgegenstände gezielt raubten, um dem Feind die Quellen seiner Macht und den Schutz der Gottheiten zu entziehen und sich diese selbst auch kultisch anzueignen. Titus Livius beschrieb diese Ereignisse nach der Einnahme der etruskischen Stadt Veji durch Rom sehr anschaulich. Die Römer übernahmen mit dem Götterbild die fremde Gottheit, die ihnen im Ritual der „evocatio“ freiwillig folgte (Liv. 5,22,3–7; Strocka 1999, S. 16 f.). Die öffentlichen Stücke wurden wieder auf eigene öffentliche Plätze gestellt, die Götterfiguren brachte man in eigene Tempel. Beide dienten als Trophäen des Sieges der Selbstidentifikation des Siegers. Die geraubten Objekte wurden gelegentlich nach langer Zeit an den rechtmäßigen Eigentümer zurückerstattet (Strocka 1999, S. 12). Das Wesen des Spoliums (Beutegut) wurde später desakralisiert (siehe S. 86 f.) und wird in unserem Sinne seit dem 16. Jahrhundert für einen symbolhaften antiken Überrest gebraucht (Koch 2009, S. 21, S. 30; Krug 2009, S. 33). Eine Profanisierung der Kultgegenstände scheint aber im griechischen Kulturraum schon im Hellenismus eingesetzt zu haben, im Römischen Reich mit der Eroberung von Syrakus um 211 vor Christus. Doch noch im 2. Jahrhundert vor Christus zollte man den Heiligtümern Respekt (Strocka 1999, S. 17 f.). Einen Höhepunkt für den Missbrauch von Beutegut bildeten dann die Wirren der späten Republik. Durch Cicero sind wir über die Praktiken gewissenloser römischer Provinzbeamter unterrichtet wie des Proprätors der Provinz Sizilien, C. Verres (Cic. Verr. 2,4,74–77). So gerieten originale Kultgegenstände auch in Privatbesitz und bildeten die Prunkstücke von Privatsammlungen (Dion. Hal. ant. 4,40; Hartmann 2010, S. 536 ff.). Auch die Tatsache, dass griechische Kunstwerke aus heiligen Stätten seit dem Ende des ersten Jahrhunderts vor Christus kopiert und für den profanen Gebrauch vervielfältigt wurden (Hees-Landwehr 1982, S. 12), zeigt ihre ambivalente Stellung zwischen Kultgegenständen und Ausstellungs- bzw. Sammlungsstücken sowie ihre ästhetische Wertschätzung und Säkularisierung an. Sehr aufschlussreich sind die Funde einer Kopierwerkstatt aus Baiae (Baia, Neapel) aus dem 1. nachchristlichen Jahrhundert, aus denen hervorgeht, dass es sich um eine regelrechte profane Industrie handelte (ebd., S. 8). Kaiser Augustus stellte nach Sueton in seinen Palästen außerdem Objekte ihres Alters und ihrer Seltenheit wegen aus, so riesige Tierknochen, die als Giganten- oder Heroenknochen galten (Suet. Aug. 72,3; Mennung 1925, S. 8; Hartmann 2010, S. 134 mit Quellenzitat). Auch sie mögen Beutestücke aus griechischen Heiligtümern gewesen sein – im Heraion von Samos fand man z. B. Reste exotischer Tiere und Fossilien (Boessneck/von den Driesch 1981, S. 245; Kyrieleis 1988, S. 220 f; Hartmann 2010, S. 85, S. 108).
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Die langfristige Thesaurierung von Wertgegenständen und Altertümern in den Schätzen der Herrschenden spielte bekanntlich auch das ganze Mittelalter hindurch eine große Rolle. Archäologische Schatzfunde und reiche Grabausstattungen sind Zeugnisse dafür, dass es sich um eine zeit- und kulturübergreifende Erscheinung handelt. Importgut und Reliquien besaßen eine über ihren Sachwert hinausgehende ideelle Funktion (Riché 1972; Claude 1973; Hardt 2004, S. 56 ff.; siehe auch RGA 17, 2001, S. 134 [Hardt]; RGA 26, 2004, S. 596 ff. [Hardt]). Im Grab des Frankenkönigs Childerich fand man z. B. einen Münzschatz, in dem sich Münzen mit einer Prägungszeit von der Römischen Republik bis kurz vor seinem Tode fanden (Eggers 1959, S. 173, Abb. 16; siehe auch RGA 4, 1981, S. 440 ff. [Böhner]). Kirchenschätze bestanden aus denselben Objektgruppen wie weltliche Schätze, wenn auch in Ersteren liturgisches Gerät und Votive eine ungleich größere Bedeutung besaßen. Beide Schatztypen sind nicht nur als Vermittler antiken Sachgutes und Nachfolger antiker Sakral- und Profanschätze, sondern auch als direkte Vorgänger der späteren Sammlungen anzusehen. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang die Sammlung Karls IV. auf Burg Karlstejn (Böhmen) – hier sind wir schon in der Zeit Petrarcas, der dem zeitgenössischen Herrscher Münzen römischer Kaiser schenkte (Lugli 1983[1998], S. 55 ff., S. 77). Viele Gegenstände in den mittelalterlichen Sammlungen waren also ebenfalls Antiquitäten. Neben den schon erwähnten Münzen behielten antike Gemmen und Kameen seit der Zeit ihrer Herstellung über das Mittelalter und die Renaissance in den Schätzen und Sammlungen der Elite einen besonderen Wert. Dieser definierte sich schon im Mittelalter durch das kostbare Material, die handwerkliche und künstlerische Qualität sowie das Alter des Gegenstandes (Krug 2009, S. 2; Ament 1991, S. 405 ff.). In Kirchenschätzen sind sie seit dem 7. Jahrhundert bezeugt (ZwierleinDiehl 2007, S. 258 f.). Gerade bei besonders kostbaren Stücken bleiben jedoch oft Lücken in der Überlieferungsgeschichte, wie z. B. bei der Gemma Augustea, einer Kamee der Zeit um Christi Geburt (De Mély 1886, S. 244; Megow 1987, S. 8 ff., S. 130 ff.; Lörz 2006, S. 160 ff., S. 166 ff; Zwierlein-Diehl 2007, S. 243 ff.; Cazes/Cazes 2008, S. 2). Die bekannteste Art der Spolien aber sind Architekturteile, die bewusst in einen neuen Zusammenhang gesetzt wurden. Belege gibt es seit dem 5. Jahrhundert vor Christus aus Griechenland, das Phänomen ist jedoch sicher älter (Dally 2009, S. 46). Im 1. Jahrhundert vor Christus hat man sogar griechische Säulen nach Rom transportiert und verwendete sie dort weiter. Seit Augustus schiffte man ägyptische Obelisken, ursprünglich Bestandteile der sakralen und monumentalen Architektur, nach Rom, wo sie in den großen Circusbauten Verwendung fanden und demonstrativ von der Eroberung Ägyptens zeugten. Plinius der Ältere zollte ihrem Transport große Bewunderung (Plin. nat. 36,70; Strocka 1999, S. 19 f.). Eindrucksvoll repräsentiert diesen Typ bis in heutige Zeit der Obelisk auf dem Petersplatz in Rom (Alföldy 1990, S. 50 ff.). Theodosius I. machte es seinen Vorgängern nach, indem er auf dem Hippodrom in Konstantinopel einen Obelisken aufstellte (Taf. 1a–b). Schon vorher hatte Kaiser Konstantin die Pferde einer Quadriga für sein Hippodrom geraubt sowie die Schlan-
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gensäule, ein Votiv aus Delphi, das bei Herodot erwähnt ist (Taf. 1b–c; siehe S. 94). In dieser Zeit begann sich die für die Spätantike typische Spolienmode herauszubilden, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die antiken Gegenstände durch das Christentum ihre ursprünglich sakrale Bedeutung verloren hatten und ganz zu einem Zeichen der Überwindung und Aneignung der heidnischen Antike wurden. Im 6. Jahrhundert war dieser Prozess sowohl in Italien als auch in Byzanz abgeschlossen. Spolien hatten sich als Instrument einer bewussten Inszenierung durchgesetzt und prägten nun den frühmittelalterlichen Baustil (Vaes 1984/86, S. 354 ff.; Alto Bauer 2009, S. 69). Auch der Islam folgte, wenn auch seltener, bis zum beginnenden 9. Jahrhundert diesem Beispiel wie in der durch ihre Bauphasen gut datierbaren großen Moschee von Córdoba (Ewert 2009, S. 287 ff., Abb. 5), oder in der Giralda, dem ehemaligen Minarett der Hauptmoschee von Sevilla und heute Turm der Kathedrale, wo ein römischer Inschriftenstein auf der Seite liegend in die Mauerbasis eingebaut ist (Morán Turina 2010a, S. 35 f., Abb. 17). In der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts begann man aber auch im Islam, korinthische Kapitelle zu imitieren (Ewert 2009, S. 290, Abb. 3, Abb. 4). Im späteren christlichen Mittelalter spielte das architektonische originale Antikenzitat auch nach der Spätantike eine große Rolle. Antike Spolien in den christ lichen Bauten Roms und Konstantinopels dürften auch nördlich der Alpen ein Vorbild für die Architektur abgegeben haben (Clemens 2003, S. 298 f.). Die Bauteile, die man übernahm, waren sehr unterschiedlich, und auch ihr ideologischer Wert differierte stark. So wählte man von einfachen Quadersteinen – „murus in quadris lapidibus“ (Esch 2005, S. 40) – über Prunksäulen bis hin zu Kunstwerken von hohem Rang Architekturteile ganz verschiedener Art aus. Auch die berühmten Pferde von San Marco, die auf dem 4. Kreuzzug 1204 vom Hippodrom in Byzanz nach Venedig gebracht wurden, sind als Spolien anzusehen. Man gab ihnen einen neuen Sinn und ordnete sie demonstrativ in ein neues Ganzes (Deichmann 1975, S. 91 ff.; Esch 2005, S. 13 ff.; Schattner/Valdés 2009, S. 9 [Schattner]). Die Quadriga als herrschaftliches Zeichen konnte aber – ganz im Gegensatz zu den eindeutig heidnischen Objekten – als positiver Erinnerungsträger an die Antike gelten. Gleichzeitig war sie Siegeszeichen für die Überwindung des Byzantinischen Reiches. In Venedig stellte man sie also ganz nach antikem Vorbild zur Schau und verwendete dafür das Hauptheiligtum San Marco. Die meisten der Spolien aber sind weniger repräsentative Stücke. Häufiger wurde ihr mit dem Heidentum verknüpfter Dekor oder ihre antike Inschrift auf den Kopf gestellt oder nach innen verbaut, so dass sie gar nicht sichtbar waren. Vielleicht wollte man den heidnischen Gegenstand dadurch unschädlich machen (Esch 2005, S. 38 ff.). Sollte diese Interpretation richtig sein, würde das bedeuten, dass man die betreffende Spolie zumindest als heidnisch und gefährlich verortete. Auch aus gotischen Bauten sind antike Spolien nicht ganz verschwunden, wie z. B. die antiken Säulenschäfte im Chor der Kathedrale von Magdeburg. Sie kamen so wie andere älteren Bauteile aber eher aus zerstörten Vorgängerbauten (Karge 2009, S. 235, Abb. 5, S. 240 f., Abb. 12).
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Außerdem war man in den ehemals römischen Gebieten ständig mit den antiken Ruinen konfrontiert. Der große Komplex wiederverwendeten Baumaterials muss deshalb von eigentlichen Spolien getrennt werden. Im schlimmsten Fall führte die Ausplünderung des Materials zu einer Zerstörung des antiken Bauwerks, im besten Fall wurden bestimmte Reste verwendet, wie bei den Thermen in Badenweiler kleine Quadersteine, die für den Bau von Schloss und Kirche in Badenweiler dienten (Fabri cius 1936, S. 138)38. Marmor gelangte in Kalkbrennereien und Steine und Ziegel wurden neu verbaut (Clemens 2003, S. 205 ff., S. 210 ff.)39. Von der Mitte des 11. bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts beutete man die Kalksinterablagerungen in der unterirdischen Wasserleitung aus der Eifel nach Köln aus, um künstlichen Marmor zu gewinnen. Die Leitung war im 3. Jahrhundert zerstört worden und außerdem durch die Ablagerungen unbrauchbar. Teilweise war sie schon in der Spätantike als Steinbruch verwendet worden (Grewe 1991, S. 278, S. 289; Clemens 2003, S. 238). Eine häufige Form war die einfache Einbindung antiken Mauerwerks der noch stehenden Baureste von Theatern, Thermen, Häusern, Villen, Straßenführungen oder Wasserleitungen in neue Projekte verschiedenster Art. Teilweise blieb auch die Funktion erhalten wie z. B. bei natürlichen Thermalbädern (Clemens 2003, S. 114 ff.; S. 146 f.), gelegentlich wohl auch die Erinnerung daran, dass es sich um ein römisches Bauwerk gehandelt hat (Clemens 2003, S. 28; S. 48; S. 56; S. 62; S. 104 ff., S. 263). Wenn die Funktion des Neubaus gleich geblieben ist, vermutet man die Absicht einer Konti nuität, die ja auch mit Erinnerung oder richtiger Deutung verbunden sein müsste, z. B. bei zu Kirchen umgebauten sakralen Monumenten oder christianisierten Objekten derselben Funktion wie Sarkophagen oder Wasserbecken, die zu Taufbecken umgedeutet wurden (Deichmann 1939, S. 105 ff.; Vaes 1984/86, S. 306 ff.; Clemens 2003, S. 50, S. 68, S. 258 ff., S. 265, S. 390). Statistisch fällt diese Art von Kultkontinuität aber eher nicht ins Gewicht (Eismann 2004, S. 121 ff.). Waren an einer Stelle Überlieferungen an christliche Märtyrer zu knüpfen, so konnten auch ehemals profane Anlagen einen sakralen Charakter erhalten und einen Erinnerungswert bekommen (Clemens 2003, S. 248 ff.), z. B. die römische Villa der Santa Eulalia in Mérida, über der die Coemeterialkirche mit dem Märtyrergrab der Heiligen errichtet wurde. Mehrere Mausoleen, die sich innerhalb des frühmittelalterlichen Kirchenbaus befinden, sind in antiken profanen Mauerstrukturen errichtet worden (Mateos 1999, S. 50 ff.). Die Verwendung von wüst gefallenen antiken Arealen als Begräbnisstätten ist auch unabhängig vom Märtyrerkult in verschiedenen Gebieten des ehemaligen Römischen Reiches nachgewiesen. Auch für den Grabbau konnte man das Baumaterial gut gebrauchen, und das brache Gelände erfuhr eine neue Bestimmung, wie z. B. das Gelände um den einstigen Gutshof von Lauffen am Neckar, wo eine frühmerowingerzeitliche Siedlung und reiche Gräber bekannt sind. Auch
38 Abdruck des Originalberichts des Freiherrn von Edelsheim 1784. 39 Zu Rom siehe S. 183, S. 206.
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vom Gelände der römischen Villa urbana von Heitersheim sind Gräber des 7. Jahrhunderts bekannt (Fingerlin 1997, S. 21, Abb. 1). In Heitersheim ist an anderer Stelle die Verwendung römischer Hypokaustenziegel als Pflasterung einer merowingerzeitlichen Grabkammer belegt (ebd., S. 28). Auch Megalithgräber wurden wegen ihrer Auffälligkeit und wegen ihres Stein materials Objekte der Wiederverwendung unterschiedlicher Art, als Kultstätten jenseits des Christentums, als Kirchen und als Steinbrüche, so auf der Iberischen Halbinsel (Leisner/Leisner 1956, Taf. 47; Leisner/Leisner 1959, S. 99; Kalb 2001, S. 103, Taf. 80 f.). Ein Denkmal von höchstem Rang ist die Capilla de Santa Cruz in Cangas de Onis (Asturias): ein Megalithgrab mit Bemalung im Innern, über dem zum Gedächtnis der Schlacht von Covadonga gegen die Araber, dem Beginn der spanischen Reconquista, 737 die erste Kirche des asturischen Königreiches errichtet worden ist. Leider ist die damalige Kirche nicht erhalten und selbst die Inschrift ist heute verschollen (Arbeiter/Noack-Haley 1999, S. 96 ff.). Sehr deutlich steht das heutige Kirchlein jedoch auf dem zum Megalithgrab gehörenden Hügel. Die Krypta war das einstige Megalithgrab. Aber nicht immer wurden Megalithgräber als Monumente erkannt und gewertet, es gibt auch Belege dafür, dass sie lediglich als Steinhaufen beschrieben wurden (Schnapp 1993[2009], S. 369).
2.1.1.2 Ausgrabungen Ein bedeutender Komplex systematischer Grabungen in ur- und frühgeschichtlicher Zeit ist mit späteren Eingriffen in Bestattungen verbunden. Deshalb trifft man bei modernen Ausgrabungen auch auf die Spuren solcher Handlungen, die allerdings sehr unterschiedlich gedeutet werden (Thrane 1978, S. 9 ff.; Roth 1978, S. 54, S. 65 f.; Spindler 1971, S. 42 ff.; Neugebauer 1991, S. 114 f.; Burmeister 2000, S. 46; Kümmel 2009). Im bronzezeitlichen Gemeinlebarn (Niederösterreich) wiesen rund 95 % aller Gräber Störungen wohl überwiegend durch Ausgräber auf (Neugebauer 1991, S. 126). Da wir über die Motive der oft sehr gezielten Entnahme von Gegenständen nur mutmaßen können und der Raub von Edelmetall und anderen Wertgegenständen nach den Befunden im Vordergrund stand (Roth 1978, S. 67 ff.), kann eine Verbindung zur heutigen Wissenschaft nicht gezogen werden. Vor allem ist aber zu berücksichtigen, dass die sekundären Eingriffe in Gräber zum Totenkult gehören können. In ethnolo gischem Zusammenhang sind zahlreiche sakrale Praktiken eines über das erste Begräbnis hinausgehenden Umgangs mit den Verstorbenen überliefert, die Grabungstätigkeiten implizierten und mit profanem Grabraub nichts zu tun hatten (Meyer-Orlac 1982, S. 123 ff.). Bei besonderen Toten kann man auch an das Motiv der Entnahme von Reliquien – Beigaben oder physische Relikte – des Toten denken, ähnlich, wie es für den antiken Heroenkult und das christliche Mittelalter vielfach belegt ist (Sangmeis-
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ter 1983, S. 10 f.; Meyer-Orlac 1983, S. 20; siehe S. 92 f.). Darüber hinaus ist die profane Interpretation des Edelmetallraubs nicht schlüssig, da besondere Gegenstände mit Amulett- bzw. Reliquiencharakter oft auch aus Edelmetall bestanden. Weiterhin lässt sich in den meisten Fällen ein erheblicher zeitlicher Abstand zur Bestattung zeigen. Dafür werden verschiedene Erklärungen vorgebracht. Vielleicht wartete man aus Pietät, vielleicht wollte man die Verwesungsphase vermeiden (Neugebauer 1991, S. 112 f., S. 126), vielleicht aber machten der Tod der unmittelbaren Angehörigen und die Veränderung von Besitzverhältnissen und religiösen Vorstellungen den Grabraub leichter. In der Übergangszeit vom heidnischen zum christ lichen Glauben entnahmen z. B. die Grabräuber eher die nichtchristlichen Gegenstände (Roth 1978, S. 68). Auch eine bekannte Episode des Grabraubs in römischer Zeit ist durch die Änderung der politischen Verhältnisse und den dadurch bedingten Bruch lokaler Tradition zu erklären. Strabon berichtete, dass die von den Römern in Korinth angesiedelten Freigelassenen, also Fremde, die korinthischen Gräber vollständig ausplünderten. Der Grund hierfür war, dass die schon erwähnten Privatsammler in Rom für die Nekrokorinthia, Grabfunde aus Korinth, hohe Preise zahlten (Strab. 8, 6,23; Payne 1931, S. 348 ff.). Die Entstehung profaner Sammlungen der Oberschicht hatte in Rom zu einem Handel mit Antiquitäten geführt. Grabraub galt aber zumindest in römischer und frühgeschichtlicher Zeit als Verbrechen (Behrends 1978, S. 86 ff.; Nehlsen 1978, S. 107 ff.; Hensen 2011, S. 163 ff.). Deshalb muss man anzweifeln, dass die Angehörigen reich ausgestatteter Verstorbener einen Teil des zur Präsentation bei der Bestattung benötigten Grabschatzes später durch Beraubung des Grabes zurückholten (RGA 9, 1996, S. 172 [Steuer]). Für die hier verfolge Fragestellung bleibt entscheidend, dass alte Gegenstände, d. h. archäologische Funde, auf diese Weise wieder in die lebende Kultur eingegliedert bzw. in Schätze integriert werden konnten. In diesen Bereich gehören auch gelegentliche antike Gegenstände in Gräbern, eventuelle Früchte des Grabraubs und der Schatzsuche, vielleicht aber auch Erbstücke oder Zufallsfunde (Christlein 1978, S. 9 f.). Einen massiven Eingriff in ältere Bestattungen überliefert Thukydides (siehe S. 98). Die Kultstätte auf Delos duldete offenbar keine Gräber in ihrem Bereich, weswegen man 425/26 vor Christus alte Bestattungen entfernte. Es handelt sich dabei nach unserer Kenntnis um die erste Ausgrabung, die zu einer wissenschaftlichen Hypothese Anlass gab (Thuk. 3,104; Burkert 1977, S. 146). Der Zusammenhang mit dem Heiligtum lässt vermuten, dass eine Dokumentation dieses Ereignisses angelegt wurde, auf die Thukydides zurückgreifen konnte. Der dieser Grabung zugrund liegende Reinigungsgedanke spricht allerdings nicht dafür, dass Beispiele der Funde in den Sammlungen der Heiligtümer aufbewahrt wurden, was vielleicht erklärt, dass der Historiker zu keiner detaillierten Beschreibung kam, sondern bei allgemeinen Angaben stehen blieb (siehe unten S. 100). Außerdem waren besonders Gräber bedeutender Personen von sekundären Eingriffen betroffen. In der Antike bildete sich u. a. um die Heroengräber ein Kult,
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zu dem auch Umlagerungen der Bestattung gehörten40. So berichtet Herodot von der Einsetzung des Orestes als Heros in Sparta und über seine Sieg bringende Funktion. Die Spartaner hatten sich an das Orakel in Delphi gewandt, um zu erfahren, welchen Gott sie für sich gewinnen müssten, um im Krieg gegen Tegea zu siegen. Die Pythia antwortete, sie sollten sich die Gebeine des Orestes verschaffen. Da aber die Spartaner das Grab nicht finden konnten, befragten sie abermals die Pythia, die einen Orakelspruch als Rätsel aufgab, ohne den Ort eindeutig bekannt zu geben. Darauf setzte eine Art von Grabforschung ein. Fündig wurde ein Gesandter Spartas in Tegea, der auf ein durch Zufall entdecktes Grab aufmerksam gemacht wurde. Der Sarg und der Bestattete maßen 7 Ellen (1 griechische Elle = 46,42 cm, die Größe war also 324,94 cm). Der Gesandte deutete die Fundumstände so, dass sie dem Orakel entsprachen, und identifizierte den Riesen mit Orestes. Da die Spartaner ihm nicht glauben wollten, pachtete er die Fundstelle, grub die Gebeine aus und brachte sie nach Sparta. Von da an hatte Sparta Glück im Kampf. Das Orakel in Delphi hatte bei der Lenkung des Heroenkultes eine wichtige Position eingenommen (Hdt. 1,67–68; Pfister 1909–12[1974] 433 ff.; Schnapp 1993, S. 51 ff.). Pausanias berichtete im 2. Jahrhundert nach Christus über das Grab des Orestes in Sparta auf der Agora (Paus. 3,11). Für die Ausgrabung, Identifikation und Verehrung von besonderen Toten finden sich zahlreiche weitere Beispiele. Immer wieder spielt die ungeheure Größe des Heroen eine Rolle, sie vor allem unterscheidet die Heroen von ‚normalen‘ Toten, eine Vorstellung, die sicher auch durch Funde von riesigen fossilen Tierknochen genährt wurde (Hartmann 2010, S. 52 f., S. 417). Ähnlich wie die Geschichte des Orestes bei Herodot ist der Text über das Theseusgrab bei Plutarch gestaltet. Auch in dieser Erzählung setzte die Pythia den Kult ein: Sie ließ die Athener das Grab des Theseus suchen. Man deutete das Verhalten eines Adlers an einem Hügel als ihr Zeichen, öffnete diesen und fand die Überreste eines riesigen Mannes, bei dem eine bronzene Lanzenspitze und ein Schwert lagen. Alles zusammen brachte man nach Athen und bestattete es im Zentrum der Stadt – ganz im Gegensatz zur sonstigen Bestattungssitte extra muros (Plut. Thes. 36,2–3; Pfister 1909–12[1974], S. 198 ff., S. 448). Nicht nur die Gräber sagenhafter archaischer Heroen, deren historische Existenz schon im Altertum eine Glaubensfrage war (Pfister 1909–12[1974], S. 279 ff.), sondern auch Gräber historischer Personen gehören hierher. In erster Linie sind Helden und
40 Der besondere Tote, der Heros, wurde in der griechischen Antike kultisch verehrt. Man glaubte, dass seine sterblichen Überreste den Menschen, die sie besaßen, Glück brachten und versicherte sich deshalb seiner Gegenwart. Ein Heroon, ein Heroenheiligtum, das meistens auch das Grab des Heroen umfasste, erbaute man für die sagenhaften Helden der homerischen Zeit, für Städtegründer wie für historische Herrscher und Helden (Pfister 1909–12[1974] 401; Burkert 1977, S. 312 ff.; Hartmann 2010, S. 540). Es lag meist im Gegensatz zu anderen Gräbern im Zentrum der Städte wie ein Göttertempel. – Zum Problemkreis siehe Hägg (1983); Snodgrass (1988); Morris (1988); Hägg/Nordqvist (1990); d’Agostino (1994–95, S. 73 ff.) mit weiterer Literatur; Hägg (1999). Kritisch zur Übertragung auf die Interpretation von ur- und frühgeschichtlichen Prunkgräbern Schweizer (2003, S. 332).
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Herrscher zu nennen, so der König Leonidas, der in der Schlacht bei den Thermopylen gefallen war. In Sparta wurde zunächst nur eine Statue des Leonidas verehrt; erst 40 Jahre nach seinem Tode brachte man seine Überreste vom Ort der Schlacht nach Sparta und bestattete sie dort; sein Grab und das des spartanischen Regenten und Heerführers Pausanias beschrieb der Reiseschriftsteller Pausanias als westlich der Agora gegenüber dem Theater gelegen (Paus. 3,14,1). Ein besonders aufschlussreiches historisches Beispiel für Umbettungen eines besonderen Toten ist die mehrfache Bestattung und Überführung Alexanders des Großen, bei der ein babylonisches Orakel eingriff (Pfister 1909–12[1974], S. 434 ff.; Kossack 1974, S. 7). Das christliche Mittelalter knüpfte hinsichtlich der Gräber besonderer Toter an die antike Tradition an, gab ihnen jedoch eine eigene Prägung. So spielte die übermäßige Körpergröße keine so wichtige Rolle mehr, da sie in den Beschreibungen christlicher Heiliger nicht vorkommt, wohl aber die Unvergänglichkeit des Körpers, sein Duft und das karitative Wunder. Die körperlichen Überreste von Heiligen und die Reliquien besaßen – wie die der Heroen in der Antike – eine kultische und Heil bringende Bedeutung. Dazu gehören auch eindrucksvolle Darstellungen in der Kunst wie die Auffindungslegende der körperlichen Reliquien des heiligen Stephanus im Echternacher Evangelistar von 103541. Da der genaue Ort der Bestattung nicht bekannt war, wurden in diesem Fall Visionen und Erscheinungen wie bei der Auffindung antiker Heroen eingesetzt. Über die Suche nach den Reliquien der Heiligen gibt es außerdem eine ganze Reihe von Berichten, in denen Ausgrabungen eine Rolle spielen. Im Jahre 1121 grub man auf Betreiben des Gründers des Prämonstratenserordens Abt Norbert von Xanten in St. Gereon in Köln aus (Ament 1996, S. 23 ff.; Verstegen 1999–2000, S. 189 ff.). Grundlage für die Identifizierung war der angenommene Ort der Bestattung. Bei den Grabungen in St. Gereon stieß man nicht nur auf frühmittelalterliche Gräber, sondern erkannte auch Merkmale von Prunkgräbern (z. B. Goldstickereien und Goldbrokat gewänder) und Grabbeigaben als etwas Besonderes und sah sie als Hinweise auf die gesuchten Heiligen an (Ament ebd.). Die Merkmale der Heiligkeit wurden also dem archäologischen Befund angepasst. Ähnlich hatte man im eisenzeitlichen Griechenland Bronzewaffen im Grab als Zeichen für eine Heroenbestattung gedeutet (siehe S. 119 f.). Gebeine und Grabgut dieser und anderer Grabungen im Rheinland gelangten in Reliquienschreine oder sogar in den Reliquienhandel, wie die Funde aus St. Ursula und aus Boppard (Rademacher 1948, S. 300 f.; Neumayer 1993, S. 4; Neumayer 1996).
41 Bibliothèque royale de Belgique Brüssel, Ms. 9428, S. 157v–160v, Bildarchiv Foto Marburg, Aufnahme Nr. 177. 210–177. 216; Schnapp 1993, S. 87. Siehe auch: Das Echternacher Evangelistar, Ms 9428, Bibliothèque Royale de Belgique Brüssel, Bd. 1: Faksimile, Bd. 2: Euw, Anton von, Kommentar. Luzern 2007.
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Ein anderes Beispiel gibt das Grab der spätantiken heiligen Verena. Um ihre Reliquien zu gewinnen, grub man im hohen Mittelalter in Zurzach in der spätantiken Nekropole ein Grab aus und wies es der Heiligen zu – deshalb sind ihre Attribute die typischen spätantiken Grabbeigaben Kamm und Krug (Christlein 1978, S. 9 f.; Clemens 2003, S. 383 ff.). Nicht immer war der Ausgangspunkt für einen Kult die gezielte Reliquiensuche. Es gibt auch Beispiele dafür, dass ein gut erhaltener, in anderem Zusammenhang gemachter Grabfund den Kult eines neuen Heiligen begründete, wie in Zöbingen (Ostalbkreis), wo man über einem 1261 gefundenen Baumsarg eine Kapelle errichtete (Christlein ebd.). Ausgrabung und Überführung der begehrten Reliquien hatten oft hohe politische Bedeutung und fanden unter Beisein höchster kirchlicher und weltlicher Würdenträger statt. Im böhmisch-polnischen Krieg des Jahres 1039 bildete die feierliche Ausgrabung der Reliquien des heiligen Adalbert aus seinem Grab im Dom zu Gnesen eines der Kriegsziele des böhmischen Herzogs. Es folgten der Raub der Gebeine, die Translatio nach Prag und die neue Bestattung auf der Prager Burg (Kosmas von Prag 2,2–5). Herodots Erzählung vom übergroßen Heroen im übergroßen Grab war auch im späten Mittelalter und zu Beginn der Renaissance bekannt (Schnapp 1993, S. 98). Vom 12. Jahrhundert an mehren sich Berichte über Grabfunde, die wie antike Heroengräber und nicht wie christliche Heiligengräber beschrieben werden, z. B. bei Wilhelm von Malmesbury (Clemens 2003, S. 308 ff.). Der Jurist und Dichter Lovato Lovati hielt im Jahre 1283 ganz nach antikem Muster in Padua ein ,Gigantengrab‘ für das Grab des sagenhaften Stadtgründers Antenor aus Troja. Man errichtete Antenor sogar ein Kenotaph und versah dieses mit einer Inschrift, beherrschte allerdings die Regeln antiker Epigraphik nicht (Weiss 1969, S. 18). Aus derselben Zeit stammen auch viele Belege für die Interpretation der Megalithgräber als Riesengräber (siehe S. 129 f.). Wie in der Antike sind auch im Mittelalter die Gräber historischer Personen verehrt worden und wurden dabei häufig umgestaltet oder sogar verlegt. Sekundärbestattungen setzten Ausgrabungen der Primärgräber voraus und dabei auch eine gewisse Sorgfalt, da die wertvollen Reliquien geborgen werden mussten. Oft handelte es sich bei den Ausgegrabenen um Personen, deren Begräbnis bekannt war. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel stellen die Přemyslidengräber im Veitsdom und in der Georgsbasilika auf der Prager Burg dar, die Karl IV. bei der Neugestaltung der Burganlage durch die Gebrüder Parler erneut bestatten ließ (Sasse 1997, S. 555, Abb. 4). Die Skelette erhielten als Zeichen ihrer Identifikation Bleitäfelchen mit ihren Daten, so die im 10. Jahrhundert am Ort ihrer ursprünglichen Bestattung außerhalb Prags ausgegrabene und dann vielfach umgebettete heilige Ludmila. Insgesamt haben die anthropologischen Untersuchungen der Skelette trotz Vermischungen eine relativ hohe Plausibilität der Beschriftung des 14. Jahrhunderts ergeben (Vlček 1982). Der Versuch einer historisch korrekten Identifikation der Gräber der Ahnen entspricht der Exaktheit der Verwaltungsarbeit zur Zeit Karls IV.
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Die Suche nach königlichen Reliquien führte auch noch später in Prag zu Ausgrabungen. So suchte 1643 der Kardinal-Erzbischof von Prag, Ernst Graf von Harrach, nach den Überresten der Prinzessin Agnes, der Gründerin eines Franziskanerinnenklosters aus dem 13. Jahrhundert. Bei jüngeren Untersuchungen fand man noch Spuren dieser Ausgrabung (Sasse 1989, S. 231).
2.2 Frühe Konzepte mit wissenschaftlicher Kontinuität 2.2.1 Die Anfänge der historischen Interpretation archäologischer Funde in der Antike 2.2.1.1 Herodot und Thukydides – die Überprüfung von Traditionen und der Nachweis von Mobilität und Migration durch Tekmeria Im 5. Jahrhundert vor Christus bildete sich in Griechenland ein kritischer Umgang mit historischen Quellen heraus. Die ersten Historiker, die sich um die schriftliche Darstellung der Geschichte bemühten, mussten noch mündliche Traditionen oder literarische Werke und Mythen auswerten. Schon in den Historien Herodots werden aber auch Realien als Belege für vergangene Ereignisse herangezogen (Volkmann 1954, S. 43 ff.; West 1985, S. 278 f.; Erbse 1992, S. 148 ff.; Zimmermann 2011, S. 365 f.). Über die Zuverlässigkeit der Angaben des Historikers zu diesen Zeugnissen bestehen aber sehr unterschiedliche Auffassungen (West 1985, S. 280 ff.; Erbse 1998, S. 224)42.
42 Von den griechischen Inschriften, die Herodot erwähnt hat, sind heute noch zwei nachweisbar. Sie belegen, dass sich der Autor hier auf reale Quellen berufen hat. Allerdings lassen sie wegen ihrer komplizierten Überlieferung eine Überprüfung der Arbeitsweise des Historikers und seines Umgangs mit seinen Quellen nicht zu (West 1985, S. 282, S. 284). Bei der ersten dieser Inschriften handelt es sich um eine Weiheinschrift für das Heiligtum in Delphi. Laut Herodot befand sie sich auf dem goldenen Dreifuß, der damals zu der heute im Hippodrom in Istanbul stehenden Schlangensäule aus Delphi gehörte. Herodot zitierte diese Inschrift allerdings nicht wörtlich. Heute ist der Dreifuß verloren, und die Weiheinschrift steht auf der Schlangensäule. Ob sie sich auch zu Herodots Zeiten dort befunden hat oder erst später dort angebracht wurde, lässt sich nicht klären. Gegen die Genauigkeit unseres Zeugen spricht, dass er auch die Schlangensäule selbst nicht richtig beschrieben hat (Hdt. 8,82. 9,81; West, S. 280). Vom Text der zweiten Inschrift sind heute nur Fragmente auf den Basen zweier verschiedener Monumente erhalten, von denen das eine durch die Schrift an das Ende des 6., das andere auf die Mitte des 5. Jahrhunderts datierbar ist. Es handelt sich um eine Weiheinschrift für Athena anlässlich der Weihung einer bronzenen Quadriga als Dank für den Sieg der Athener über Chalkis und Böotien 507. Die ältere Basis stammt aus dem Perserschutt, die jüngere könnte von Herodot beschrieben worden sein. Aus den Fragmenten geht aber hervor, dass sowohl die beiden Inschriften untereinander im Detail differieren als auch Abweichungen zur von Herodot überlieferten Version bestehen. Allerdings entspricht die Versfolge der jüngeren Inschrift (Volkmann 1954, S. 59). Wir können aber nicht ausschließen, dass der Historiker noch eine weitere Version gesehen hat und deshalb kein Urteil über seine Arbeitsweise fällen. Das von Herodot beschriebene Monument, eine Quadriga, wird noch im
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Die Realien besaßen für die Darstellung der noch durch das „kommunikative Gedächtnis“ erfassbaren Vergangenheit (Assmann 1992, S. 48 ff.), die in der Zeit Herodots bis zu Kroisos zurückreichte, vor allem deswegen Bedeutung, da sich die mündlichen, kollektiven Traditionen oft als widersprüchlich und parteiisch herausstellten. Als Votive gehörten viele alte Gegenstände zum Besitz der Heiligtümer, wie die Gaben des Kroisos für das Heiligtum in Delphi. Aus Herodots Beschreibung kann man folgern, dass die Heiligtümer Informationen über die Herkunft ihrer Votive besaßen, dass die Gegenstände eines Gebers an einem für sie bestimmten Ort zusammen aufbewahrt wurden und deren Weiheinschriften zu den ersten langfristig bewahrten schriftlichen Zeugnissen gehörten. Der Historiker war sich auch dessen bewusst, dass Informationen zu den Votiven gefälscht wurden (Hdt. 1,50 f.). Oft wurden diese Gegenstände aber als Dank für politischen oder wirtschaftlichen Erfolg geweiht und standen deshalb in unmittelbarem Zusammenhang zu historischen Ereignissen. Deshalb setzte er sie als unabhängige Entscheidungshilfe über verschiedene konkurrierende Überlieferungen zu ein und demselben Ereignis ein, maß ihnen also eine Beweiskraft zu. Diese Funktion erfüllte auch der große Bronzekessel mit Greifenköpfen, den die Samier dem Heraheiligtum von Samos nach ihrer lukrativen Reise nach Tartessos jenseits der Säulen des Herakles geweiht hatten. Seine Erwähnung sollte die erste Version des Gründungsberichts von Kyrene unterstützen (Hdt. 4,152). Außerdem nannte Herodot Bauten und ihre Erbauer, so z. B. die Pyramide des Cheops (Hdt. 2,125–134,1; Erbse 1992, S. 146 ff.), sowie Herrschermonumente zur Erinnerung an bestimmte Ereignisse. Aus historischer Zeit gehört die Inschrift zur Überquerung des Bosporus durch Darius hierher (Hdt. 4,87). Zu dieser Gruppe sind auch die Sesostris-Stelen zu rechnen, die als Zeugnisse eines Ereignisses außerhalb der griechischen Überlieferung unsere besondere Aufmerksamkeit verdienen (West 1985, S. 298 ff.). Herodot zufolge hatte der Pharao sie auf einem Feldzug aufgestellt, der ihn bis nach Skythien und Thrakien geführt habe. Nun dienen sie dem Historiker als Zeugnisse dafür, welche Gebiete Sesostris erobert hat. Es handelt sich also um historisch-geographische Informationen, durch welche die zugrunde liegende Erzählung ägyptischer Priester nicht nur bestätigt, sondern auch konkretisiert werden konnte: Nach seiner Rückkehr nach Ägypten zog er (Sesostris) mit einem großen Heer – wie die Priester erzählen – zu Lande fort und unterwarf alle Völker, denen er begegnete; stieß er auf ein tapferes Volk, das wacker für seine Freiheit kämpfte, errichtete er Gedenksäulen in seinem Land; die Inschriften verkündeten seinen Namen und seine Heimat und, wie er das Volk mit seiner Macht unterworfen habe. Nahm er aber die Städte eines Volkes leicht und ohne Kampf, setzte er die gleiche Inschrift auf die Säule wie bei den tapferen Völkern; dazu ließ er noch eine weibliche Scham malen, um damit zu zeigen, dass sie feige gewesen seien.
zweiten nachchristlichen Jahrhundert erwähnt (Paus.1,28,2). Heute ist es verschollen. Nach Herodot befand es sich am Eingang zur Akropolis in Athen (Hdt. 5,77; Meiggs/Lewis 1969[1989], S. 28 f.; West 1985, S. 282 ff.).
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In dieser Weise durchzog er das Festland, bis er von Asien nach Europa kam und die Skythen und Thraker unterwarf. Ich glaube, das ägyptische Heer ist bis zu diesen Völkern am weitesten vorgedrungen. Denn in ihrem Lande findet man solche Säulen stehen, weiter hinaus aber nicht mehr … Von den Säulen, die der Ägypterkönig Sesostris in den einzelnen Ländern errichten ließ, sind die meisten offenbar nicht mehr erhalten; aber im syrischen Palästina habe ich mit eigenen Augen noch einige mit den erwähnten Inschriften und den weiblichen Schamteilen gesehen. In Ionien gibt es auch zwei Darstellungen dieses Mannes, in Felsen eingemeißelt: eine auf dem Weg von Ephesus nach Phokaia, die andere auf der Straße von Sardes nach Smyrna. An beiden Stellen sieht man das Bild eines Mannes in der Größe von 4 ½ Spannen. In der rechten Hand hält er eine Lanze, in der linken (einen) Bogen; dem entspricht die übrige Ausrüstung; sie ist ägyptisch und äthiopisch. Von der einen Schulter zur anderen sind über die Brust heilige ägyptische Schriftzeichen eingemeißelt, die besagen: „Dieses Land habe ich mit meinen Schultern unterworfen“. Wer er ist und woher er kommt, nennt er hier nicht; aber an anderen Orten hat er es getan. Manche, die diese Bilder gesehen haben, meinen, sie stellten Memnon dar; das entspricht aber keinesfalls der Wahrheit (Hdt. 2,102–103.106).
Auf die komplexe Diskussion zu dieser Stelle soll hier nicht weiter eingegangen werden. Der Name Sesostris bezieht sich jedenfalls auf keinen der historischen Pharaonen dieses Namens und steht wohl für einen beliebigen Pharao, wenn auch Sesostris III. mehrere Feldzüge unternommen und auf diesen auch Stelen hinterlassen hat (West 1985, S. 299 ff.; West 1992, S. 117 ff.; Ivantchik 1999). Jedenfalls bildete für Herodot auch hier eine mündliche Überlieferung die Grundlage für seine Darstellung. Ihr ordnete er Denkmäler zu, die offenbar ein sehr verschiedenes Aussehen hatten. Auch gab er an, diese in Palästina gesehen zu haben, ohne sie allerdings zu beschreiben. Die beiden angeblichen Sesostris-Stelen, die dem Historiker zufolge in Ionien zu finden waren und die ausführlich besprochen werden (Hdt. 2,106), gehören mit großer Sicherheit zu einer Gruppe archäologisch nachgewiesener hethitischer Herrscherstelen eines charakteristischen Typs, die den Herrscher schreitend mit Bogen und Lanze darstellen (Bittel 1976, S. 184 ff.; West 1985, S. 301 ff.; Ivantchik 1999, S. 402, bes. Anm. 21; Isik 2011, S. 2 ff.). Am Karabel-Pass bei Izmir (Smyrna) sind zwei dieser Herrscherreliefs mit separaten Inschriften schon lange mit einem der von Herodot erwähnten Monumente in Verbindung gebracht worden. Ein weiteres Fragment fand sich an der Straße von Sardes nach Ephesus in Karakuyu (Isik 2011). Die Inschriften dieser Denkmäler sind in luwischen Hieroglyphen geschrieben (Hawkins 2000; Isik 2011, S. 22 ff. [R. Tekoǧlu], Taf. 10,3), einer Bilderschrift, die Herodot mit ägyptischen Hieroglyphen verwechselt haben kann (West 1985, S. S. 301 f.). Eine Inschrift in Keilschrift hätten er oder seine Informanten vermutlich richtig deuten können, denn bei der Beschreibung des Darius-Denkmals werden assyrische „grammata“ erwähnt (Hdt. 4,87). Über die angeblichen ägyptischen Stelen in Thrakien kann man nur spekulieren (Ivantchik 1999, S. 404). Wichtig aber ist der Gedanke, dass man aus der Verbreitung von Monumenten auf ein historisches Ereignis und in diesem Fall sogar auf die geographische Grenze der ägyptischen Eroberung schließen kann.
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Zusammenfassend muss man konstatieren, dass Herodots methodische Position als ‚Vater der Geschichtsschreibung‘ im Laufe der Forschungsgeschichte stark umstritten geblieben ist (Zimmermann 2011, S. 369 ff.). Auch das Urteil über seine Behandlung der Realien kann hiervon nicht ausgenommen werden (siehe S. 94 f.). Während seine Bemühungen um Quellen einerseits als Pionierleistung der Geschichtsschreibung positiv gewürdigt wurden (Jacoby 1913, S. 467 ff.), hielt man die Genauigkeit seiner Berichterstattung andererseits für gänzlich unzureichend oder betonte die poetische, künstlerische Qualität seiner Darstellung gegenüber der historiographischen Qualität (Fehling 1971; Lendle 1992, S. 61). Das negative Urteil wird auch dadurch bestärkt, dass die zahlreichen Mythen43 und Anekdoten vor allem in den ersten Büchern von einem mythischen Geschichtsbild zeugen (Erbse 1992, S. 181 ff.). Die Erzählung von der Auffindung und erneuten Bestattung des Orestes belegt z. B. den Glauben an Orakel und Träume, d. h. an eine vorbestimmte, gelenkte Geschichte (Giangiulio 2010, S. 124 ff.; Zimmermann 2011, S. 372). Man kann jedoch die alten Autoren nicht mit heutigen Maßstäben messen. Nach einer ausgewogeneren Position zählten für Herodot persönliche Erfahrung und Überlegung, das heißt, das Nachforschen und Überprüfen, mehr als die traditionelle Überlieferung (Luraghi 2001a, S. 143, S. 159). Dabei zog er nicht nur griechische Quellen heran: Was Jahresangaben für Ereignisse der ältesten Geschichte wie den Trojanischen Krieg betrifft, gab er ägyptische Daten an (Hdt. 2,145). Besonders durch die Art der Verwendung der Realien wird deutlich, dass Herodot nach Mitteln suchte, um Überlieferungen zur Geschichte zu überprüfen. Nach unserer Kenntnis scheint er der Erste gewesen zu sein, der gezielt diese Art von Quellen aufgesucht bzw. Informationen über sie eingezogen hat. Dabei bemühte er sich um die Entzifferung von Inschriften. Er kannte schon den Begriff Tekmerion – sachlicher Beweis aus Erfahrung und Plausibilität – und benutzte ihn in derselben Bedeutung wie später Thukydides und Aristoteles (Hdt. 2,43; Thomas 2000, S. 182). Außerdem scheint er der Erste gewesen zu sein, der nach Survivals physischer und kultureller Art suchte und diese auch his-
43 Der Begriff des Mythos wird hier als eine fabelhafte, oft übernatürliche Erscheinungen implizierende meist kollektive Überlieferung zur Erklärung von historischen und anderen Phänomenen benutzt. Der Mythos steht im Gegensatz zu empirisch gewonnenen Aussagen. Herodot selbst hätte vermutlich einen großen Teil seiner Mythen nicht als solche bezeichnet, benutzte aber den Begriff bei der Kritik an Homers Mythos über den Okeanos-Fluss entsprechend (Hdt. 2,21). Der wissenschaftliche Gebrauch des Begriffs Mythos oder latinisiert Mythus ist sehr unterschiedlich und abhängig von der Beurteilung der Bedeutung wissenschaftlicher Fakten (Historisches Wörterbuch der Philosophie, 6, 1984, S. 282 ff. [Burkert]; Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriff IV, 1998, S. 179 ff., Stichwort Mythos [Assmann/Assmann]; Der Neue Pauly, 8, 2000, Sp. 633 ff. [Graf] ). Jan Assmann definierte Mythen als „fundierende Geschichten“ unabhängig vom Wahrheitsgehalt (Assmann 1992, S. 75 ff.). Die Tatsache, dass sich Kulturen auf Mythen stützen, um ihre Existenz zu legitimieren und sie auch als „Motor der Entwicklung“ (ebd.) benutzen, ist jedoch nur ein Aspekt des Mythos, der vielleicht eher als identitätsstiftende Ideologie bezeichnet werden sollte.
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torisch interpretierte (Hdt. 2,104–105). Damit können wir erstmals Antiquitäten als Objekte wissenschaftlichen Forschens fassen. Am Anfang des Interesses für die materielle Kultur der Vergangenheit steht somit die Geschichte. Vorformen sind wenig früher aus Mesopotamien bekannt (Schnapp 1993[2009], S. 38 f.). Für die Entwicklung einer selbständigen archäologischen Methode sind vor allem die Sesostris-Stelen wichtig. Hier ist die Definition einer Denkmälergruppe, ihre Kartierung und die historische Interpretation der Karte schon vorgedacht (siehe S. 69). Die Bedeutung dieser methodischen Innovationen wird dadurch nicht geschmälert, dass Herodot seine Beweise häufig auch benutzte, um die von ihm noch als wahr betrachteten mythischen Überlieferungen zu stützen. Sein kritischer historischer Ansatz führte noch nicht zu einer Auflösung der religiösen Traditionen, die in der gleichzeitigen ionischen Philosophie eines Xenophanes oder Anaxagoras schon begonnen hatte (Müller 1972, S. 84 ff.). Herodot lieferte aber die Werkzeuge dafür. Thukydides entwickelte die methodischen Ansätze Herodots zum Einsatz archäologischer Quellen weiter. Seine Hauptziele blieben dabei die Widerlegung von Legenden und der archäologische Nachweis von Mobilität und Migration. Auch er musste natürlich wie Herodot für die fernere Vergangenheit auf mündliche Überlieferungen zurückgreifen. So sollten die Kykladen vor den Griechen von Karern besiedelt gewesen sein (Hdt. 1,171). Thukydides, zu dessen Lebzeiten sie in Kleinasien lebten, berichtete, Minos habe sie einst von den Inseln verjagt (Thuk. 1,4.8). Da er jedoch Überlieferungen überprüfte, suchte er nach einem Beweis und fand ihn in Grabfunden. Ausgangspunkt wurde ein Ereignis des Jahres 426/5 vor Christus. Damals reinigte man schon zum zweiten Mal die Umgebung des Apollon- und Artemisheiligtums auf der Insel Delos von alten Gräbern und verlegte den Bestattungsplatz auf die benachbarte Insel Rhenaia (Thuk. 3,104; Burkert 1977, S. 146). Thukydides stellte nun fest, dass die bei ausgegrabenen Gräbern auf Delos angetroffene Bestattungsart mit Waffenbeigabe im kleinasiatischen Karien seiner Zeit noch üblich war. Daraus schloss er auf die Richtigkeit der Überlieferung, dass die Karer einst auf den Kykladen gesiedelt hätten (Thuk. 1,8). 1898 fand man bei Nachforschungen auf Rheneia, dem heutigen Groß-Delos, wo nach der Säuberung der Friedhof von Delos angelegt wurde (Thuk. 3,104), ein Massengrab mit Grabbeigaben, die von der geometrischen Zeit bis ins 5. Jahrhundert vor Christus datiert werden. Leider ist dieser Fund damals nicht genau dokumentiert worden (Cook 1955, S. 268, Anm. 13). Zwar hat man zunächst vermutet, dass es sich um die von Thukydides erwähnten Gräber handeln könne. Es erscheint aber durchaus fraglich, ob der Autor diese griechischen Gräber der jüngsten Vergangenheit als Gräber eines fremden Ethnikums ansehen konnte. Deshalb hat man erwogen, ob der Historiker ältere Gräber wie die minoischen Tholoi auf Delos gemeint haben könnte, die zu den zeitgenössischen Kammergräbern in Karien viel mehr Ähnlichkeit aufwiesen (Long 1958, S. 302 ff.; Carstens 2009, S. 377 ff.). Diese Fragen sind jedoch nicht zu klären, da Thukydides keine genauen Grabmerkmale angegeben hat.
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Noch an einer weiteren Stelle hat sich Thukydides im Proömium seines Geschichtswerkes Gedanken über die Aussage von dinglichen Überresten gemacht. Es handelt sich um eine kritische Äußerung zur Interpretationsmöglichkeit späterer Überreste der Städte Athen und Sparta (Thuk. 1,10)44. Während die zitierten Stellen aus Thukydides’ Werk in der neueren Literatur zur Entwicklung der Methode in der Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie immer wieder Erwähnung finden, ist weniger bekannt, dass der Historiker auch Inschriften als historische Quellen verwendete, um die mündliche Tradition und auch Herodot zu korrigieren. Es handelte sich um Inschriften, aus denen er Informationen zur Genealogie der Peisistratiden in Athen gewann und ihre überlieferte Herrschaftsabfolge korrigieren konnte. Sie befanden sich im Apollontempel auf der Agora und auf einer Säule auf der Akropolis (Thuk. 6,54–6, 55; Meiggs/Lewis 1969[1989], S. 19 f.; Nicolai 2001, S. 282). Herodot und Thukydides ist also gemeinsam, dass sie die ältere Geschichtstradition nicht ungeprüft für glaubwürdig hielten (Nicolai 2001, S. 275 f.). Schon Herodot hatte versucht, dieses Problem zu lösen, indem er verschiedene Überlieferungsversionen zitierte und durch räsonierte Kritik beurteilte. Der eine Generation jüngere Thukydides versuchte jedoch, die Geschichte vom Mythos und von geschichtsphilosophischen Normen zu befreien. Mit seiner rationalistischen Einstellung zur menschlichen Verhaltensweise als Ursache historischer Begebenheiten stand er den gleichzeitigen Sophisten nahe, die sich ebenfalls mit rationalistischen Fragen beschäftigten, uns leider aber vor allem durch die Polemik Platons gegen sie bekannt sind (Müller 1972, S. 152 ff., S. 171). Als Methode der Beweisführung erarbeitete er einen historischen Syllogismus. Dazu verwendete er schon die etwas später durch Aristoteles formulierte Methode der Kombination von Erfahrung und rationaler Überlegung (Gehrke 1993, S. 4, S. 7, S. 13 ff.; Gehrke 2006, S. 283; Gehrke 2010, S. 25). Die Methode des KarerSyllogismus ist nach der nur wenig jüngeren aristotelischen Logik korrekt und eine hypothetische Deduktion (Eggert 1978, S. 42 f.): Wenn nämlich A=B und B eine Funktion von C ist, dann ist auch A eine Funktion von C (A=ein Teil der Gräber von Delos; B=Gräber in Karien; C=Karer). Diese Art der Argumentation und die methodische Verwendung der Sachkultur bei Thukydides sind aber durchaus als Weiterentwicklungen der von Herodot gemachten Ansätze zu betrachten. Auch der Herkunftsmythos der Karer, der ja auch Thukydides beschäftigt hat, wurde schon von Herodot kritisch beleuchtet (Hdt. 1,171; Müller 1972, S. 113, S. 125).
44 „Gesetzt den Fall, die Hauptstadt der Lakedämonier würde einmal öde gelassen werden und nur die Tempel und die Grundmauern der dortigen Gebäude blieben übrig, so würden, wenn ich nicht irre, unsere Nachkommen nach Verlauf einer langen Zeit sich schwerlich vorstellen, dass ihre Macht dem Rufe entsprochen habe. … Wenn wir hingegen den Fall annehmen, dass die Athener dasselbe Schicksal träfe, so würde man aus dem äußeren Anblick der Stadt schließen, sie sei noch einmal so mächtig, als sie wirklich ist“ (Übersetzung zitiert nach Eggers 1959, S. 255).
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Wie bei den Sesostris-Stelen geht es um die Interpretation einer gedachten Verbreitungskarte als Diffusionszeugnis. Hier wird die Argumentation aber weit schwieriger, da es sowohl um den Vergleich zweier komplexer Denkmälergruppen geht und nicht um die Verbreitung einer einzigen als auch um einen historischen Prozess in zwei Zeitstufen. Die Datierung der ersten Zeitstufe, der Vertreibung der Karer von den Inseln, blieb für den griechischen Historiker ein unlösbares Problem. Sogar die Zeitangaben für schon historische Ereignisse der griechischen Vergangenheit behandelte er mit Vorsicht (Thuk. 1,12–13)45, erst recht die an der Grenze der griechischen Überlieferung gerade noch reflektierte mykenische Epoche (Cook 1955, S. 270). Der mythische Kreter Minos bildete ohne eine absolute Zeitangabe sowohl in der Karertradition als auch in der Argumentation des Historikers einen Terminus ante quem für die Besiedlung der Kykladen durch die Karer und einen Terminus post quem für die griechische Besiedlung (Thuk. 1,8). Der Mangel an konkreten Grabmerkmalen für den Analogieschluss stellt eine weitere Schwäche in Thukydides’ Argument dar. Dass Grabformen im Griechentum aber auch außerhalb der Geschichtsschreibung als ethnische Charakteristika galten, überliefert Plutarch etwa fünf Jahrhunderte später zu Solon (Plut. Sol. 10,4– 5). Im Streit zwischen Athen und Megara um Salamis spielten die Gräber eine Rolle. Während man in Attika individuell bestattete, legte man in Megara in eine Grabstätte mehrere Tote. Da in Salamis die individuelle Bestattung geübt wurde, musste es also zu Attika gehören (Long 1958, S. 299). Dieses Beispiel legt die Vermutung nahe, dass die Art der Überlegung des Thukydides zu den Karergräbern durchaus zeitgemäßen Vorstellungen entsprach. 2.2.1.2 Votive und Herrschermonumente als Tekmeria bei späteren griechischrömischen Autoren Die empirisch begründete, realitätsbezogene vergleichende Betrachtung von Sachdenkmälern bei Thukydides, die Kritik zur Aussagefähigkeit materieller Kultur und deren Überlieferung und ihre Verwendung zur Kritik einer historischen Überlieferung erwiesen sich jedoch zunächst als zu kompliziert zur Nachahmung46. Die meisten
45 Die sichere griechische Zeitrechnung aufgrund der Olympiasieger wurde erst in hellenistischer Zeit erarbeitet und reichte nur bis zum Jahre 776 (Der Neue Pauly, 12/2, 2002, Sp. 273 f. [Rüpke/Möller]). Dass sie möglich war, ist ein weiteres Beispiel für die Rolle der Heiligtümer als Museen und Archive (siehe S. 84). Zur Zeit von Thukydides mussten Einzeldaten aus verschiedenen Regionen koordiniert werden, um ein Ereignis – hier den Beginn des Peloponnesischen Krieges – datieren zu können: „Vierzehn Jahre hatte der nach Eroberung Euböas auf 30 Jahre geschlossene Vertrag bestanden. Im 15. Jahre, – im Jahre, wo Chrysis in Argos achtundvierzig Jahre Priesterin war, wo Ainesios Ephor in Sparta, Pythodoros noch zwei Monate Archon in Athen war – …“ (Thuk. 2,2, Übersetzung von August Horneffer) 46 Zur Thukydidesrezeption siehe Luschnat (1970, Sp. 1276 ff.).
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antiken Autoren, die sich später mit der weit zurückliegenden Geschichte und mit archäologischen Denkmälern beschäftigten, erreichten Thukydides nicht mehr und teilweise auch nicht das methodische Niveau Herodots. Ein Beispiel hierfür bietet Dionysios von Halikarnassos. Er zog in seiner griechisch verfassten Römischen Archäologie – Antiquitates Romanae aus der Zeit um Christi Geburt Monumente und Sachaltertümer als Beweise heran (Hartmann 2010, S. 443), und wie bei Herodot befinden sich darunter überwiegend Kultgegenstände wie die Tekmeria der Irrfahrten des Aeneas. Dieser setzte wie Sesostris bei Herodot auch Zeichen seiner Anwesenheit z. B. durch den Bau von Tempeln und Altären: „Es gibt viele Beweise (Tekmeria) dafür, dass Aeneas und die Trojaner nach Sizilien gekommen sind“ (Dion. Hal. ant. 1,53). In Dodona (Epirus), das als ältestes griechisches Orakel und Heiligtum galt, waren zur Zeit des Dionys angebliche Weihegaben der Trojaner in Form von bronzenen Mischgefäßen erhalten. Dionys hielt dies für glaubhaft, da sie „sehr alte Inschriften“ besäßen (Dion. Hal. ant. 1,51). Wenig später erwähnte er eine bronzene Patera, die eine Inschrift mit dem Namen des Aeneas trüge (ebd.). Der Komplex der Sesostris-Stelen als Diffusionsanzeiger weist eine ausführliche Rezeptionsgeschichte bis in die Spätantike auf. Dabei wurde er auf andere Personen übertragen (Ivantchik 1999, S. 441). Besonders interessant ist seine mehrfache Rezeption bei Diodorus Siculus, einem Zeitgenossen des Dionys. Diodor schloss aber nicht wie Herodot von der Verbreitung der Stelen auf den Verlauf eines Feldzuges. Dafür verwies er, der Beschreibung der ionischen Monumente bei Herodot folgend, auf die beachtliche Körpergröße des Sesostris von etwa 1,90 m, die ihn schon als kleinen Heros charakterisiert (siehe S. 91): Aus diesem Grunde beendete er in Thrakien seinen Feldzug und stellte vielerorts in den von ihm unterworfenen Ländern Säulen auf … An einigen Plätzen ließ er auch sein eigenes Standbild in Stein errichten, Bogen und Lanze haltend, vier Ellen und vier Handbreiten hoch, ganz genau den Maßen seiner eigenen Körpergröße entsprechend (Diod. 1,55).
Das Motiv der Stelen übertrug Diodor an anderer Stelle auf Osiris und benutzte es als Beleg für dessen imaginären Zug durch Europa und Asien: Osiris aber … habe ein großes Heer aufgestellt in der Absicht, die ganze bewohnte Erde zu durchziehen und das Menschengeschlecht den Anbau des Weinstocks wie auch die Aussaat von Weizen und Gerste zu lehren. … Auch habe er Jagd auf Elefanten gemacht und auf seinem Zuge überall Erinnerungssäulen aufgestellt (Diod. 1,17–20).
Aus ur- und frühgeschichtlicher Sicht ist die Erwähnung der „Daidaleia“ auf Sardinien von Bedeutung. Es handelte sich um zu Diodors Zeit noch stehende große Bauten, die Daidalos dort errichtet haben sollte. Vielleicht meinte er damit die Nuraghen (Diod. 4,30,1; Hartmann 2010, S. 74). Von den erhaltenen Autoren aus römischer Zeit setzte Strabon die bei Herodot begonnene Kritik verschiedener Mythenversionen fort, um einen realen Kern heraus-
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zuarbeiten. Mythen wies er dezidiert der Theologie zu (Strab. 10, 3,23). Es ist deshalb interessant, wie er das Thema der Gedächtnisstelen an einem anderen Beispiel, den Säulen des Herakles, behandelt hat. Wie Thukydides suchte er nach Erklärungen durch menschliche Verhaltensweisen: Aber die Iberer und die Libyer (Nordafrikaner) berichten, dass die Säulen (des Herakles) in Gades (Cádiz) stünden, denn an der Meerenge (von Gibraltar) sagen sie, gibt es nichts, das wie Säulen aussieht. Andere behaupten, dass es die Bronzesäulen von acht Ellen im Tempel des Herakles in Gades sind, mit der Inschrift über den Aufwand für die Konstruktion des Tempels, und dass diese „die Säulen“ genannt würden … Zu leugnen, dass die Inseln oder Berge wie Säulen aussehen, und nach den Grenzen in der bewohnten Welt zu suchen oder nach der Expedition des Herakles zu Säulen, die tatsächlich so genannt würden, geht an der Sache vorbei; denn in alter Zeit hat man solche Landmarken gesetzt. … Auch wird berichtet, dass früher eine Säule am Isthmus von Korinth stand, gemeinsam errichtet von den Ioniern, die nach ihrer Vertreibung von der Peloponnes Besitz von Attika und Megaris ergriffen hatten, und den neuen Bewohnern der Peloponnes; auf der Seite, die nach der Megaris wies, stand: „Dies ist nicht die Peloponnes, sondern Ionien“, auf der anderen Seite „Dies ist die Peloponnes und nicht Ionien.“ Alexander setzte am Ende seiner indischen Expedition Altäre … in Imitation des Herakles und des Dionysos. Also, es gab diese Sitte tatsächlich (Strab. 3, 5,5)47.
Flavius Josephus erwähnte in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts nach Christus Gedächtnisstelen. Diese stammten aus der Zeit vor der Sintflut und seien von den Nachkommen des Seth, des dritten Sohnes von Adam, aus Stein und Ziegeln errichtet worden. Die steinerne Stele war extra dafür geschaffen, um die prophezeite Katastrophe zu überleben und bezeugte im Lande von Seïr48 durch ihre Inschrift die Schriftkenntnisse der Nachkommen des Seth (Ios. ant Iud. 1,69–71). Auch von der Arche Noahs hatten sich Josephus zufolge nach Angabe des Berosus Überreste erhalten (ebd. 1,92)49. Selbst in der Germania des Tacitus findet das Stelenmotiv in der Form der Säulen des Herakles eine allerdings sehr kritische Erwähnung bei der Behandlung der Friesen: „Et superesse adhuc Herculis columnas fama vulgavit“. Man bringe alles Großartige mit Herkules in Verbindung (Tac. Germ. 34). Ein Zusammenhang mit Megalithen (Bakker 2010, S. 393) ist nicht zu erweisen. Tacitus’ Darstellung ist zeitgenössisch-ethnologisch angelegt und eher von politisch-philosophischen Tendenzen gezeichnet als von Mythen (Timpe 1989, S. 122 f.; Lund 1991, S. 1956; Timpe 2008, S 185 ff.). Wie Strabon nahm er auf die zeitgenössische oder innerhalb des kulturellen Gedächtnisses liegende Realität Bezug, in der das Setzen von Altären oder Stelen an geographischen oder herrschaftlichen Endpunkten üblich war (Grüner 2005, S. 259 ff.).
47 Deutsch nach dem griechischen Text und der englischen Übersetzung B. S. 48 Gebirgsland südlich des Toten Meeres. 49 Zu Berosus siehe auch S. 321 über Annius von Viterbo, der das Motiv auch aufgegriffen hat.
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2.2.2 Kulturgeschichte und Ethnographie 2.2.2.1 Griechische Kulturgeschichte und Ethnographie: Götter, Klima und Geographie Seit Herodot finden sich in der antiken Literatur zahlreiche mehr oder weniger verlässliche Angaben zu Sitten und Gebräuchen und auch zur materiellen Kultur verschiedener Völker, darunter auch zu Waffentypen, Schmuck und Bauten mit teilweise spezifischer Terminologie (Müller 1972, S. 114 f ). Voraussetzung für eine Wissenschaft von der Kultur aber ist die Auffassung, dass diese vom Menschen geschaffen und nicht das Werk einer Gottheit sei. Obwohl für alle Bereiche des kulturellen Lebens transzendente Erklärungen bis in die Frühe Neuzeit fortlebten, finden sich seit dem 6. Jahrhundert vor Christus im griechisch-römischen Kulturkreis auch säkulare Kulturtheorien. Die Ersten, für die überliefert ist, dass sie menschliche Fähigkeiten als auf Erfahrung gegründete Leistung ansahen, waren wohl noch im 6. Jahrhundert Xenophanes von Kolophon und Herodots Zeitgenosse Anaxagoras von Klazomenai (Vorländer 1949[1963], S. 26; Müller 1972, S. 81 ff., S. 90 f.; Rapp 1992, S. 109 f.). Herodot, der ja die Geschichte im Prinzip noch göttlich determiniert begriff, kannte dennoch irdische Faktoren für die Differenzierung der Kulturen an. Diese spielten aber wohl eine sekundäre Rolle. Zentral ist bei ihm der vielleicht schon auf Hekataios von Milet zurückgehende Gedanke, dass die Kultur von der jeweiligen Geographie bestimmt wird (Hdt. 2,35). Von ihr abhängig sind die physische Gestalt der einzelnen Völker sowie kulturelle Unterschiede z. B. in der Kleidung (Hdt. 4,107). Die Götter aber lenken die Menschen an bestimmte Plätze, wie das Orakel von Delphi die Bewohner von Thera nach Libyen (Nordafrika) (Hdt. 4,151). Daneben aber spielen auch bei ihm menschliche Erfindungen wie z. B. das Eisenlöten eine entscheidende Rolle für die Kulturausprägung. Herodot nannte sogar den Namen des Erfinders, und die Tatsache, dass die neue Technik im Zusammenhang einer Opfergabe an Delphi erwähnt wird, schmälert die von diesem „als dem ersten aller Menschen“ angewandte Methode nicht und impliziert kein Eingreifen der Gottheiten (Hdt. 1,25). Sekundäre und primäre diesseitige Ursachen für die Ausprägung der Kultur waren für ihn danach die Geographie und die menschliche Erfindung sowie ihre Verbreitung durch Kolonisation, Kontakt und Handel. Geographisch stellte sich Herodot auch die Abstufung der Kulturhierarchie von Ägypten und Vorderasien bis zu den Androphagen am Rande der Welt vor (Hdt. 4,106; Müller 1972, S. 105 ff., S. 121, Abb. 10). Dieser geographische Determinismus sollte die Kulturgeschichte in der Antike von nun an bestimmen und sogar für die ganze Frühe Neuzeit richtungweisend werden (siehe S. 131 und Bd. 2). Dazu kommt der Barbarenbegriff – für Herodot bestand die Welt aus Hellenen und einer Fülle verschiedenartiger Barbaren (Hdt. 1,1. 4,12). Thukydides dagegen sah die Barbaren wohl schon auf einer niedrigeren Kulturstufe, da er angab, dass die Griechen früher den Barbaren ähnlich gewesen seien (Thuk. 1,6).
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Beide Historiker besaßen aber noch kein sicheres Instrument zur Klassifikation von kulturellen Merkmalen und Realien. Bei Herodot zeigt sich das in dem Versuch, die Sesostris-Stelen zu einer Gruppe zu definieren, obwohl die von ihm gemeinten Objekte nach unserer heutigen Kenntnis vollkommen heterogen waren. Doch bleiben das Beschreiben eines dieser Denkmäler und die noch summarische Zusammenstellung als Voraussetzung für wissenschaftliches Arbeiten und als eigene Pionierleistung bestehen (siehe S. 96). Auch Thukydides scheiterte bei der Beschreibung und Definition der Gräber von Griechen und Karern (siehe S. 98). Klima und Geographie behandelte der etwas jüngere Zeitgenosse Herodots, der Arzt Hippokrates, als grundlegende Faktoren einer gesetzmäßigen Ausprägung der menschlichen Natur und Kultur (Müller 1972, S. 142). Auf diesen Grundlagen ent wickelte auch Aristoteles seine Klassifizierung der zeitgenössischen Kulturen nach der Wirtschaftsweise in Hirten, Jäger, Fischer und Räuber sowie Ackerbauern (Aristot. pol. 1,8,1256a, 20 ff.; Aristot. pol. 1,8,1256b). Die Lehre Epikurs, die hauptsächlich durch das Werk des Römers Lukrez erhalten ist, schloss eine kulturelle Entwicklung des Menschen ein, in der neben der Art des Nahrungserwerbs und der Lebensweise auch der Krieg mit den Waffen und die Sachkultur überhaupt eine Rolle spielten. Antrieb war der Wunsch nach Ruhm und Macht (Lucr. 5,1120). In diesem Zusammenhang erwähnte Lukrez erstmals die Entwicklung der Waffen: Fäuste, Fingernägel und Zähne; Steine und Zweige; Feuer; Bronze; Eisen (Lucr. 5,1283–1285). Durch den Alexanderzug gewann die Ethnographie des Hellenismus wertvolle auf Autopsie beruhende Informationen, die in den leider nur fragmentarisch erhaltenen Schriften des Stoikers Poseidonios am Übergang vom 2. zum 1. Jahrhundert vor Christus offenbar zu einem Höhepunkt der kulturgeschichtlichen Forschungen führten. Von besonderem Einfluss war seine bei Diodorus Siculus überlieferte Beschreibung der Kelten z. B. zu Kleidung und Bewaffnung (Diod. 5,24–32). Kennzeichnend ist für ihn die schon bei Herodot angelegte Behandlung der gesamten bekannten Welt. Außerdem führte auch er die Verschiedenheit der Völker und Kulturen auf geographische und klimatische Faktoren zurück (Müller 1972, S. 200, S. 236 ff., S. 316 ff.).
2.2.2.2 Das römisch-antiquarische Kulturkonzept und die römische Ethnographie Der nächsten Generation gehörte Marcus Terentius Varro an, der größte Kultursystematiker der Antike. Der Römer beschäftigte sich in seiner Urfassung eines Corpus antiquitatum, den Antiquitates rerum humanarum et divinarum, ausschließlich mit Rom. Leider ist auch dieses 47 oder 46 vor Christus vollendete, für die Altertumswissenschaft außerordentlich wichtige Werk verschollen und nur durch Zitate erschließbar (Varro ant. ver. div., S. 126 ff. [Cardauns]). Für die große Bedeutung der Darstellung der frühen Geschichte in den Antiquitates des Varro spricht auch, dass sich Augustinus von Hippo bei seiner Grundlegung der mittelalterlich-christlichen Philosophie intensiv mit dessen Lehren auseinandersetzte (Schnapp 1993, S. 63 f.; siehe S. 127 f.). Vieles kennen wir nur, weil er es in seinem Werk De civitate Dei erwähnt hat. Die
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Polemik des Kirchenvaters gegen Varro hat allerdings wohl auch bewirkt, dass man die doch vermutlich in der Antike weit verbreiteten Schriften nicht ins Mittelalter tradiert hat. Für uns sind die Art der Fragen Varros sowie die Kulturklassifikationen wichtig: „intendit enim qui agant, ubi agant, quando agant, quid agant“ – sein Anliegen ist es nämlich zu ergründen, wer etwas tut, wo, wann und was (Aug. civ. 6,3). In seinem Teil über die Antiquitates rerum divinarum, von dem Augustinus den Aufbau überliefert hat, untergliederte Varro schematisch diese Kategorien weiter in drei Bücher. Zur Frage „qui agant“, womit die „homines“ gemeint waren, ordnete er die drei Gruppen (Bücher) „pontifices“, „auguri“ und „quindecimviri sacrorum“, also Priester, Auguren und das Fünfzehnmännerkollegium. Die Frage „quando“ meinte keine archäologische Datierung, sondern den römischen Festkalender: „tres porro, qui istos sequuntur et ad tempora pertinent, id est ad dies festos, ita ut unum eorum faceret de feriis, alterum de ludis circensibus, de scaenicis tertium“ (Aug. civ. 6,3). Seine Gliederung der Antiquitates rerum divinarum lässt sich folgendermaßen rekonstruieren50: I liber singularis, de omnibus de hominibus: II de pontificibus III de auguribus IV de quindecimviris sacrorum de locis: V de sacellis VI de sacris aedibus VII de locis religiosis de temporibus: VIII de feriis IX de ludis circensibus X de ludis scaenicis de rebus: XI de consecrationibus XII de sacris privatis XIII de sacris publicis de dis: XIV de dis certis XV de dis incertis XVI de dis praecipuis atque selectis
50 Nach Varro ant. rer. div. = Cardauns 1976, S. 131.
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Das bedeutet, dass Varro hier die schematische Klassifikation eines Zustandes zur Grundlage seines Werkes gemacht hat, nicht aber die historische Frage der Entstehung. Auch sein erhaltenes Werk De re rustica ist ein weitestgehend unhistorisches Sachbuch über Landwirtschaft, z. B. über die Olivenlese (Varro rust. 1,55; siehe S. 117). Sowohl aus Dionysios von Halikarnassos (siehe unten) als auch aus einer Bemerkung Ciceros kann man aber ableiten, dass Varro sich auch mit dem Alter von Denkmälern beschäftigt hat: Nam nos in nostra urbe peregrinantis errantisque tamquam hospites tui libri quasi domum deduxerunt, ut possemus aliquando qui et ubi essemus agnoscere. Tu aetatem patriae, tu descriptiones temporum, tu sacrorum iura, tu sacerdotum, tu domesticam, tu bellicam disciplinam, tu sedem regionum locorum, tu omnium divinarum humanarumque rerum nomina, genera, officia, causas aperuisti (Cic. ac. 2, 1,3; Aug. civ. 6,2).51
Varros Methode war die hierarchische Klassifikationsmethode des Aristoteles (siehe S. 114). Auch die Dialogform, derer er sich in De re rustica bediente, ist aus den Werken der griechischen Philosophie, insbesondere den dialektischen Dialogen Platons entlehnt (Vorländer 1949[1963], S. 63; Wieland 1993, S. 21 ff.). Inhaltlich tendierte er aber wohl zur Stoa (Varro ant. rer. div. [Cardauns], S. 241). Aufschlussreich für die archäologische Arbeitsweise Varros ist eine Passage aus dem Werk des Dionysios von Halikarnassos, der ebenfalls zu den Autoren gehört, die das verlorene Werk Antiquitates rerum divinarum et humanarum des 60 Jahre Älteren rezipiert haben. Auf der Grundlage von Varros Text beschrieb er das Siedlungsgebiet der „aborigines“, der Ureinwohner Latiums: wüste mit Mauern befestigte Plätze, Heiligtümer sowie unbefestigte Seeufersiedlungen in Insellage. Man kann daraus schließen, dass Varro in diesem seinem Heimatterritorium prospektiert oder auf fremde Prospektionen zurückgegriffen hat. Außerdem bildeten sich auch in der Antike Legenden um sichtbare Monumente, die hier mit verarbeitet sind: Von den Siedlungen, die zuerst von den Aborigines angelegt wurden, sind heute nur noch wenige übrig; die meisten von ihnen wurden durch Kriege und anderes Unglück verwüstet und sind nun verlassen. Im Gebiet von Reate (Rieti) liegen … Orvinium, vierzig Stadien von Mefula, eine Stadt so berühmt und groß wie keine andere der Region; denn man kann heute noch die Grundmauern der Wälle sehen und einige Gräber ehrwürdigen Alters. Außerdem gibt es auf den Anhöhen Bestattungsbezirke; und auf dem Gipfel liegt ein alter Tempel der Minerva. … Dann zeigt man auch eine Insel, die Issa heißt, von einem See umgeben; man sagt, dass die Aborigines auf dieser Insel ohne jede künstliche Befestigung gelebt hätten, weil sie sich anstelle von Mauern auf das morastige Seewasser verlassen hätten (Dion. Hal. ant. 1,14).
51 Übersetzung: Denn Deine Bücher haben uns, die wir wie Fremde in unserer Stadt herumgeirrt sind, nach Hause geführt, so dass wir endlich erkennen können, wer und wo wir sind. Du hast das Alter des Vaterlandes offenbart, die Chronologie, das Recht der Heiligtümer, das Amt der Priester und das häusliche und kriegerische Leben, die Lage der Ortschaften, die Bezeichnungen aller göttlichen und menschlichen Dinge, die Arten, Ämter und Ursachen.
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Eine Art von deskriptiver Landschaftsarchäologie findet man auch beim ‚Periegeten‘ Pausanias, der in der Zeit des Antoninus Pius einen Reiseführer (Periegese) durch Griechenland verfasste. Es handelt sich um den ersten uns überlieferten archäologischen Führer, für die Klassische Archäologie eine unschätzbare Quelle. Aus der Perspektive eines Griechen der römischen Kaiserzeit beschrieb Pausanias die Ortsgeschichten mit den alten, aber überwiegend noch zur lebenden Kultur gehörenden Monumenten. Dazu gehörten auch Ruinen wie die von Mykene und Tiryns. Besonders interessant ist seine Darstellung von Olympia. Die Beschreibungen sind teilweise sehr detailliert und enthalten Angaben zum architektonischen Stil wie dem dorischen. Weiterhin erwähnt er Maße, Materialien, das Dekor und die Künstler (Paus. 5,1,17). Der Perieget berichtete sogar von archäologischen Zufallsfunden in Olympia: „Zu meiner Zeit geschah auch folgendes: … und wie nun seine Ausgrabung in die Nähe des Oinomaos kam, da fanden die Arbeiter Stücke von Waffen, Zaumzeug und Pferdegebissen. Ich habe selber gesehen, wie das ausgegraben wurde“ (Paus. 5,1,20). Seine historischen Aussagen mischen jedoch Mythos und Geschichte. So berichtete er ohne Kritik die Ansicht, der Zeusaltar sei von Heroen der zweiten Generation nach Herakles errichtet worden. Die Alternative bildet eine andere Legende (Paus. 5,1,13). Im Gegensatz zu Herodot zog er auch keine historischen oder kulturhistorischen Schlüsse. Er erwähnte aber Inschriften zu historischen Ereignissen. Aus dem Werk De Architectura libri decem des Vitruv, dem wohl ähnliche griechische Arbeiten voraus gingen, ergibt sich, dass im 1. Jahrhundert vor Christus sogar die verschiedenen Ordnungen des antiken Baustils klassifiziert wurden. In Buch 4, Kap. 1 und 2 machte der Autor Angaben zu den verschiedenen Säulen- und Tempelarten und der Säulenproportion und beschrieb dabei Detailmerkmale, die er auf die griechischen Stämme, die Etrusker und älteren Römer zurückführte, Letzteres wohl, um die Verdienste der einheimischen gegenüber der griechischen Baukunst hervorzuheben (Hesberg 1984, S. 124 ff., bes. S. 133). Auch Plinius der Ältere behandelte in seiner Historia Naturalis kulturgeschichtliche Aspekte, wie z. B. die 18 Mirabilia in Rom (Plin. nat. 36,24, § 101–125). Sogar Künstlern widmete er ausführliche Darstellungen (Plin. nat. 36,4, § 9–43). Außerdem erwähnte er die verschiedenen Säulenarten und gab die Proportion als Kriterium der Unterscheidung an, ähnlich wie Vitruv: „… genera earum (columnarum) quattuor: quae sextam partem altitudinis in crassitudine ima habent, Doricae vocantur …“ (Plin. nat. 36,56, § 178–179). Sein Interesse beschränkte sich übrigens nicht auf die Bauformen der antiken Welt. Auch barbarische Bauten wie die Wurten der Chauken im Nordseeküstenbereich erweckten seine Aufmerksamkeit (Plin. nat. 16,1, § 2–3). Vielleicht das wichtigste Vorbild für die zukünftige kulturhistorische Forschung aber wurde die Germania des Tacitus (Much/Jankuhn 1967; Lund 1991a/b; Fischer/ Heiligmann 1991). Es handelt sich um eine zeitgeschichtliche und ethnographische Arbeit, die überwiegend deskriptiv angelegt ist und nur gelegentlich Mythen referiert. Ganz im Gegenteil finden sich zahlreiche Informationen zur Sachkultur wie z. B.: „Ne ferrum quidem superest … hastas vel ipsorum vocabulo frameas gerunt angusto et
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brevi ferro“ (Tac. Germ. 6)52. Allerdings enthält das Werk trotzdem vorgegebene Motive, Interpretationen und Meinungen, die mitunter die faktische Darstellung trüben und der Germania den Vorwurf der allzu häufigen Verwendung von Topoi und einer Tendenzschrift eingebracht haben (Bringmann 1989, S. 71 ff.; Lund 1991, S. 1952 ff.). In Ermangelung eigener Überlieferung über die germanische Frühzeit wurde sie neben dem De bello Gallico die Referenz für die Geschichtsschreibung und Altertumskunde der Nationen, die sich auf germanische Völker zurückführen. Abgesehen von den vielen übernommenen und diskutierten Details wurde schon ihr Aufbau für die weitere Entwicklung der Kulturgeschichtsschreibung wichtig. Die Hauptthemen des Werkes nannte Tacitus selbst als „… de omnium Germanorum origine ac moribus …“, „… singularum gentium Instituta ritusque“ (Tac. Germ. 27). An anderer Stelle sprach er von „ritus habitusque“ und setzte beide Felder gegen die Sprache ab (ebd. 45). Ohne in Kapitelüberschriften oder auch im Text auf seine Gliederungspunkte zu verweisen begann er mit der Geographie. Diese und das Klima prägten seiner Auffassung nach das Wesen der Germanen (Timpe 1986, S. 27). Es folgen die Urgeschichte der Germanen (Origo), dann die Ressourcen und zuletzt die verschiedenen Mores und Instituta: die öffentliche Organisation in Krieg und Frieden, in der Religion, der Regierung, der inneren Verhältnisse (vor allem des Gefolgschaftswesens und des Siedlungswesens) sowie in mehreren Kapiteln die private Organisation und zum Schluss das Bestattungswesen. Wichtig ist seine differenzierte Diskussion der Zusammengehörigkeit und Trennung von Gruppen nach diesen Merkmalen. Insofern kann man erstmals von einer bewussten Handhabung von Merkmalsclustern reden. Bei der Interpretation spielt auch der Wille einer Gruppe eine Rolle, zu den Germanen zu gehören, andererseits die Schwierigkeit der Einordnung von Gruppen, die an der Grenze des germanischen Siedlungsgebietes lebten (Tac. Germ. 28.45). Die Abstammung steht also hinter der Umwelt und der Selbstidentifikation zurück. Für die Entwicklung der historischen und archäologischen Wissenschaft in der Neuzeit sind die Unterscheidung der einzelnen Gentes und die Differenzierung ihrer Mores von großer Bedeutung (siehe S. 313 ff.). In den Annalen gab Tacitus sein von der stoischen Philosophie bestimmtes Hauptanliegen zu erkennen, moralisch zu erziehen (Tac. ann. 3,65). Das Motiv des moralischen Abstiegs von den barbarischen Kulturen zur entwickelten Kultur der Römer findet sowohl bei ihm als auch bei Caesar Anwendung. Die barbarischen Gegner Roms sind den Römern moralisch überlegen: „plusque ibi boni Mores valent quam alibi bonae Leges“ (Tac. Germ. 19; Lund 1991, S. 1953 f.). Durch den Einfluss Roms schwächt sich jedoch diese Überlegenheit (Caes. Gall. 1,39; Müller 1980, S. 78). Dennoch sind die barbarischen Germanen von Tacitus wohl nur teilweise als ein moralisches Vorbild für die dekadenten Römer gedacht gewesen (Timpe 1989, S. 110).
52 Übersetzung: Es gibt auch wenig Eisen … sie führen Lanzen oder nach ihrem eigenen Begriff Framen mit einer schmalen und kurzen Eisenspitze …
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2.2.2.3 Zur Klassifikation von Objekten und zur kulturellen Einordnung der Denkmäler im Mittelalter Grundsätzlich erhebt sich immer wieder die Frage nach der richtigen kulturellen und chronologischen Einschätzung der erwähnten materiellen Überreste der Vergangenheit. In den verschiedenen Teilepochen des Mittelalters war der Kenntnisstand der antiken Kultur offenbar sehr unterschiedlich. Deshalb hat man für die Perioden mit stärkerer Antikenrezeption die Begriffe der Karolingischen Renaissance (Patzelt 1924) und der Renaissance des 12. Jahrhunderts (Haskins 1927) entwickelt, Begriffe, die sich aber vor allem auf die Rezeption der Schriftkultur beziehen. Aus den Schriften der Karolingerzeit ragt der Codex Einsidlensis 326 heraus, in dem 82 antike, aber überwiegend christliche Inschriften aus Pavia und Rom fast exakt und in Kenntnis der entsprechenden Abbreviaturen und des Griechischen kopiert sind. Der Codex stammt vermutlich aus der Klosterschule von Fulda und enthält viele heute nicht mehr im Original erhaltene Inschriften wie z. B. die Bauinschrift der Diokletiansthermen. Andere wie die Inschrift der Basis der Trajanssäule lassen sich heute noch mit der mittelalterlichen Kopie vergleichen, die zwar einige Wörter auslässt, den übrigen Text aber exakt wiedergibt (Walser 1987, S. 9 ff., S. 72 f., S. 76 f.). Dem Inschriftencorpus folgt im Codex mit dem Itinerarium Urbis Romae ein Pilgerführer durch Rom. Hier sind auch antike Monumente richtig verzeichnet wie z. B. die Konstantins- und die Trajansthermen, Foren und Theater sowie Zirkusbauten, z. B.: „in sinistra circus maximus“ (ebd. S. 154, S. 159 ff.). Dieser Pilgerführer stand sicherlich nicht allein da und dürfte auch auf Vorlagen zurückgegangen sein. Vermutlich ein Fragment eines Codex gemellus wurde von Gian Francesco Poggio Bracciolini entdeckt (Walser 1914, S. 60, Anm. 4). Weiterhin enthält der Codex eine Beschreibung der spätrömischen Stadtmauer des Kaisers Honorius mit Angabe der Tore und Verteidigungsbauten nach der zeitgenössischen Terminologie, aber ohne eine Beschreibung im Detail (Walser 1987, S. 156 f., S. 214 ff.). Man kann also für die Karolingerzeit die Kenntnis römischer öffentlicher Bauten und ihrer Erbauer sowie eine Art von Pilgertourismus annehmen, zu dem auch die Besichtigung oder zumindest die Kenntnis antiker Topographie gehörten (Clemens 2003, S. 269 ff.). Ein weiteres Zeugnis für das Bemühen um die antike Architektur im 9. Jahrhundert ist ein Kommentar zu Vitruvs De Architectura libri decem mit Darstellungen der griechischen Säulenordnung sowie der Gebälkprofile mit den von Vitruv überlieferten Bezeichnungen. Man erkennt allerdings eher frühmittelalterliche Kämpferkapitelle als antike Kapitellformen (Sélestat [Schlettstadt], Bibliothèque humaniste, ms 17, fol. 35r-36r)53. Auch aus den späteren Jahrhunderten des Mittelalters gibt es Belege dafür, dass man Aquädukte und Amphitheater richtig in die römische Zeit datierte und ihre Funktion erkannte. In diesem Zusammenhang begegnen Begriffe wie „romano
53 http://bhnumerique.ville-selestat.fr/client/search/asset:asset?t:ac=$N/4892.
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more“. Guibert von Nogent beschrieb am Anfang des 12. Jahrhunderts detaillierte Gräbermerkmale auf dem Gelände seines Klosters offenbar durch eigene Beobachtung präzise. Vor allem die Orientierung der Gräber um ein Zentralgrab und die Gefäßbeigabe im Zentralgrab wertete der Autor als fremd und unchristlich „gentili more“. Er schloss deshalb, dass auf dem Klostergelände ein heidnischer oder frühchristlicher, noch heidnisch beeinflusster Friedhof bestanden hätte (Guibert von Nogent, vita 2,1; Clemens 2003, S. 322 ff., S. 337, S. 356 ff., S. 393 f.). Es handelt sich hier um einen archäologisch begründeten kulturhistorischen Schluss mit mehreren Argumenten, von denen vor allem die Idee eines langsamen Übergangs zur christlichen Bestattungsweise auffällt. Höchstwahrscheinlich ist es übrigens aufgrund einer anderen Stelle seiner Autobiographie, dass Guibert die Germania des Tacitus rezipiert hat (Mertens 2004, S. 50). Im Spätmittelalter aber scheinen Missdeutungen von Inschriften und Denkmälern z. B. als sarazenisch, d. h. heidnisch, häufiger zu werden (Clemens 2003, S. 316 ff., S. 407 ff., S. 415 ff.). Möglicherweise spielt hier der inzwischen große Abstand zur Antike eine Rolle (ebd., S. 417 ff.). Im Freien Germanien wurden archäologische Denkmäler fälschlich mit den Römern verbunden wie z. B. der bei Thietmar von Merseburg erwähnte Burgwall Liubusua. Interessant ist, dass der Chronist eine größere und eine kleinere Burg beschrieben hat. Die größere hielt er für älter und glaubte, Caesar habe sie erbaut. Von der kleineren wusste er 1012 noch, dass sie nach der Zeit Heinrich I. nicht mehr benutzt worden war. Hier konnte Thietmar für die Datierung sein kommunikatives Gedächtnis einsetzen (Thietmar von Merseburg 6,59). Die archäologische Identifikation des Burgwalls wird seit dem 18. Jahrhundert kontrovers diskutiert (Gebuhr 2007, S. 145 ff.). Es lässt sich also konstatieren, dass man keine sicheren Kriterien für die kulturelle und chronologische Bestimmung von Überresten besaß. Man nahm aber Denkmäler im Gelände wahr und verband sie mit historischen oder mythischen Vorstellungen ähnlich wie das auch die antiken Autoren mit älteren Denkmälern getan hatten. Neben den schon erwähnten Burgwällen fielen Megalithgräber und andere Grabhügel als weithin sichtbare Monumente auf. Deshalb fanden sie auch in Urkunden seit der Karolingerzeit als Grenzmarken Erwähnung und Deutung (Sippel 1980, S. 138 ff.; Esch 2005, S. 35 f.). Aufschlussreich sind die verschiedenen Bezeichnungen, die in den Urkunden überliefert sind. Sie zeigen, dass bis an die Grenze vom 12. zum 13. Jahrhundert die Kenntnis ihrer Funktion als menschliche Gräber erhalten geblieben ist. Bis kurz vor dieser Zeit hatten die unmittelbaren Grenzvölker der christlichen Kultur ihre Toten noch nach heidnischem Brauch bestattet. Sie kannten zumindest die Gräber ihrer unmittelbaren Vorfahren und benutzten dieselbe Terminologie auch für ältere Gräber, wie aus der Besitzbeschreibung des Klosters Dargun (Mecklenburg) 1174 hervorgeht: „in quosdam tumulos qui slavice dicuntur Trigorke antiquorum videlicet sepulchra“ oder „contra meridiem in cumulum satis magnum qui slavice vocatur
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mogela“54 (Mecklenburgisches Urkundenbuch 1, Nr. 114, S. 112). Zu 1283 heißt es dann aber in einer Urkunde für Stavenhagen „et ab illo loco directe ad tumulum gigantis“55 (Mecklenburgisches Urkundenbuch 3, Nr. 1631, S. 49; Sippel 1980, S. 143)56.
2.2.3 Naturwissenschaft 2.2.3.1 Fossilien und Cerauniae (Donnerkeile) Die Ansichten früher Gelehrter zu Fossilien und Gesteinen betrafen auch die ur- und frühgeschichtlichen Steinartefakte, deren merkwürdige Formen man sich zunächst nicht erklären und nicht in Zusammenhang mit der menschlichen Kultur bringen konnte. Im Gegensatz zu den die Frühe Neuzeit prägenden statischen Ansichten der platonischen und der aristotelischen Philosophie kannten vorsokratische Naturphilosophen die Idee einer Entwicklung der Arten. Die Annahme einer von einer Steinzeit ausgehenden Kulturentwicklung war aber auch ihnen fremd. Von den Werken des Anaximander von Milet sind bei Hippolyt und anderen Autoren Fragmente überliefert, aus denen hervorgeht, dass er sich mit der Entstehung der Welt beschäftigte und als Erster eine allmähliche Entstehung der Landtiere aus den Wassertieren annahm (Diels/Kranz 2, B 11, B 30; Usener 1999, S. 17)57. Ein Ansatz zu einer Theorie der Entwicklung der Lebewesen findet sich aber erst sehr viel später in Epikurs „Brief an Herodotus“, ohne dass sich diese Ansicht jedoch durchsetzen konnte (Wieland 1993, S. 341)58. Auch die ersten Überlegungen zur Deutung von Fossilien59 gehen auf einen griechischen vorsokratischen Autor zurück. Seine Ansichten sind uns durch den Kirchenvater Hippolyt als Häresie überliefert. Xenophanes von Kolophon berichtete Hippolyt zufolge im 6.–5. Jahrhundert vor Christus über Funde von Meerestierversteinerungen bzw. Gesteinsabdrücken von Meerestieren in Gebirgen. Diese Beobachtung wurde zur Grundlage weltgeschichtlicher Theorien über die Urzeit. Xenophanes schloss daraus auf Sintfluten in früherer Zeit, den Untergang allen Lebens und seine mehrfache
54 Übersetzung (B. S.): Zu diesen Hügeln, die slawisch ‚Trigorke‘ [drei Anhöhen] genannt werden, offensichtlich Gräber der Alten. – Gegen Süden zu einem sehr großen Haufen, der slawisch ‚mogila‘ [Grabhügel] genannt wird. 55 Übersetzung (B. S.): Und von jenem Ort geradeaus zum Grabhügel des Riesen. 56 Zuerst zusammengestellt von Friedrich Lisch (1837, S. 11 ff.) 57 Die Fragmente nach Diels sind überliefert bei: Hippol. haer. 1,6; Aët. 5,19,4; Plut. Symp. 8,8,4, p. 730. 58 Überliefert durch Diog. Laert. 10,35–83, hier bes. 74. Bei dem Empfänger dieses Briefes handelt es sich um einen Schüler Epikurs. 59 Ursprünglich lateinisch ‚das Ausgegrabene‘, in der heutigen Bedeutung Versteinerung. Die Wissenschaft der ganzen universalwissenschaftlichen Zeit fasste unter diesem Begriff Steine und Metalle zusammen.
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erneute Entstehung durch jeweils neue Schöpfungsvorgänge. Wesentlich ist dabei, dass er seine Theorie auf Beobachtungen aus Steinbrüchen stützte und die Tierformen nicht als Wunder, sondern als Überreste von Tieren interpretierte und daraus Folgerungen für die Erdgeschichte zog (Diels/Kranz 11, B 33; Müller 1972, S. 81; Usener 1999, S. 13 f.). Er verwendete damit die wenig später von Herodot für die Geschichtsforschung eingesetzte Methode des Tekmerion – Zeugnisses – auf die Naturgeschichte an, ohne dass dieser Begriff in den wenigen von ihm erhaltenen Fragmenten aber überliefert ist (Schäfer 1996, S. 119). Der Text bei Hippolyt lautet: Als Analogiebeweis führt er an, dass sich mitten im Lande und auf den Bergen Muscheln fänden; auch gebe es in den Steinbrüchen bei Syrakus Fisch- und Robbenabdrücke, auf Paros in der Tiefe des Marmorbruches den Abdruck einer Sardelle, in Malta Platten mit allen möglichen Meerestieren. Dies komme daher, dass in der Urzeit alles verschlammt gewesen, die Abdrücke dann im Lehm fest geworden seien. Wenn die Erde ins Meer sänke und zu Lehm würde, gingen die Menschen zugrunde; dann beginne ein neues Werden, und eine solche Umwälzung träte in allen Welten ein (Hippol. haer. 1,14)60.
Seit Xenophanes findet man in der Antike immer wieder Belege für Funde von Meerestierüberresten im Landesinneren. Herodot übernahm ägyptische Berichte über Muschelfunde als Beweise für die Verlandung des Niltals (Hdt. 2,12). Auch Strabon und Plutarch suchten nach einer den Naturbedingungen ihrer Zeit entsprechenden Erklärung. Dabei werteten sie die fossilen Meerestiere wie Herodot nicht als Wunder, sondern als tierische Zeugen überwiegend lokaler geologischer Veränderungen im Umkreis der Meere. Strabon, der eine einstige Überflutung großer Teile der Kontinente auch nicht ausschloss, berief sich auf den alexandrinischen Gelehrten Eratosthenes (Strab. 1, 3,4; Plut, Is. 40, p. 367). Häufig aber wurden überhaupt keine historischen Schlüsse aus den Fossilien gezogen. Erst die christlichen Autoren Orosius und Isidor von Sevilla argumentierten wieder universalgeschichtlich wie Xenophanes, allerdings im Sinne eines Beweises für die Richtigkeit der alttestamentarischen Sintflutüberlieferung (Usener 1999, S. 31 f.). Aus dem ersten nachchristlichen Jahrhundert stammt die siebenunddreißigbändige Historia Naturalis von Plinius dem Älteren, ein Werk von ungeheurem Einfluss auf die Entwicklung der frühneuzeitlichen Wissenschaft. Plinius, der sein Werk aus unzähligen Schriften kompiliert hat, beruhte auch in seinen Ansichten bezüglich der Fossilien nicht auf eigener Beobachtung, gliederte nicht nach einer klaren Systematik und richtete so wissenschaftlichen Schaden für über 1500 Jahre an. Seine universal-
60 Übersetzung nach Jaap Mansfeld (1987): Die Vorsokratiker, Griechisch-Deutsch, Auswahl der Fragmente. Stuttgart, S. 215. Robben sind möglichweise falsch gelesen, auch Tümmler oder Algen kommen in Frage, siehe Usener 1999, S. 14, Anm. 24, zu Korrekturen der Übersetzung von Diels (Diels/Kranz 11, B 33).
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wissenschaftliche Enzyklopädie ist aber die einzige ihrer Art, die aus der Antike auf uns gekommen ist. Die Historia Naturalis umfasst viele Bereiche antiken Wissens: Kosmologie, Geographie, Anthropologie, Zoologie, Botanik, pflanzliche Pharmaka, tierische Pharmaka, Metallurgie, Malerei, Farben und Steine (Plin. nat. 1). In diese Ordnung sind auch kulturgeschichtliche Themen eingebunden (siehe S. 86). Was die Kapitel zu den Steinen in den Büchern 36 und 37 betrifft61, fußte Plinius sowohl bei seiner Klassifikation als auch bei der Reproduktion von Mythen zu großen Teilen auf Theophrast, einem Schüler des Aristoteles. Dieser hatte ein durch lateinische Autoren fragmentarisch überliefertes Werk De lapidibus verfasst. Aus den Zitaten des Plinius geht hervor, dass Theophrast sowohl daran glaubte, dass Steine weitere Steine erzeugten als auch daran, dass „ossa e terra nasci invenirique lapides osseos“ („Knochen aus der Erde wachsen und man Steine findet, die wie Knochen sind“) (Plin. nat. 36,29, § 134). Auch was die Cerauniae, die Donnerkeile, betrifft, wurde Plinius zum wichtigsten Gewährsmann mit Folgen bis zum 18. Jahrhundert. Auch hier referierte er wie die Historiker Herodot, Dionys von Halikarnass und Diodor Mythen, die zudem wohl in der ihm bekannten Welt Europas, Asiens und Afrikas Allgemeingut waren (Carelli 1997, S. 401): Sotacus et alia duo genera fecit cerauniae, nigrae rubentisque similes eas esse securibus. Ex his quae nigrae sint ac rotundae, sacras esse … baetulos vocari; quae vero longae sint, Ceraunias. Faciunt et aliam raram admodum, Magorum studiis expetitam, quoniam non aliubi inveniatur quam in loco fulmine icto (Plin. nat. 37,51, § 135)62.
Von den Fossilien, die später immer wieder zusammen mit den Cerauniae erwähnt wurden, berichtet Plinius, man sage, dass die „Glossopetrae … terra non nasci … sed deficiente luna caelo decidere, selenomantiae necessaria“ (Plin. nat. 37,59, § 164)63. Die „Ombria, quam alii notiam vocant, sicut et Ceraunia et brontea, cadere cum imbribus et fulminibus dicitur eundemque effectum habere“ (Plin. nat. 37,65, § 176)64.
61 Eine gewagte Interpretation der Plinius-Stellen zu den Cerauniae und den ihnen verwandten Gattungen findet sich bei Albert Mennung (1925, S. 10 ff.). Richtig ist die Bemerkung, dass Plinius seine Objekte nicht selbst kannte, weswegen er auch die Beschreibungen nicht verstand – deshalb erübrigt sich auch eine weitergehende Interpretation. 62 „Sotakus unterscheidet zwei andere Arten von Ceraunia, nämlich eine schwarze und eine rote; sie sähen Beilen ähnlich; die schwarzen und runden unter ihnen halte man für heilig … man nenne sie baetuli; die langen aber Cerauniae. Man erwähnt auch eine andere, ganz seltene Art, welche die Magier eifrig suchen, weil man sie nirgends anders findet als an einer vom Blitz getroffenen Stelle“ (Übersetzung Roderich König). 63 Zur Klärung der Glossopetrae (fossile Haifischzähne) siehe S. 149. 64 Hier handelt es sich vermutlich um fossile Seeigel.
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Plinius wurde das ganze Mittelalter und besonders wieder in der Frühen Neuzeit als Autorität rezipiert. Isidor von Sevilla baute seine Etymologiae sive origines überwiegend auf ihm auf. Neben Plinius’ Werk benutzte Isidor vor allem den Pliniuskompilator Julius Solinus aus dem 3. Jahrhundert. Isidors Bemerkung zum Vorkommen der Ceraunia in Germania stammt z. B. von Solinus. Plinius’ hatte „Carmania“ (Iran) als Herkunftsland erwähnt (Plin. nat. 37,51, § 134; Mennung 1925, S. 19): Cerauniorum duo genera sunt. Unum, quod Germania mittit, crystallini simile, splendet tamen caeruleo, et si sub divo positum fuerit, fulgorem rapit siderum. Ceraunium alterum Hispania in Lusitanis litoribus gignit, cui color e pyropo rubenti, et qualitas ut ignis. Haec adversus vim fulgurum opitulari fertur, si credimus. Dicta autem Ceraunia quoniam alibi non inveniatur quam in loco fulmine icto proximo; Graece enim fulmen κεραυνὸς dicitur (Isid. orig. 16,13,5)65.
Auch für einige weitere Fossilien wie die Glossopetrae (Haifischzähne) und die Bronteae (Seeigel) übernahm Isidor, wenn auch mit der Einschränkung „putant“, die Angaben des Plinius, sie fielen vom Himmel (Isid. orig. 16, 15,17). Die Cerauniae besaßen im Mittelalter offenbar einen hohen Wert. Das zeigt ein in Gold gefasster Donnerkeil (Astropelekion), der zu einer Geschenksendung gehörte, die Kaiser Heinrich IV. nach dem Jahre 1080 von Alexios I. Komnenos erhielt (Hoernes 1909, S. 373; Grünbart 2011, S. XVII f., Anm. 24–25). Das Sammeln von Steinäxten ist durch Funde in römischem, gallorömischem und mittelalterlichen Zusammenhang in Frankreich, England und Skandinavien auch archäologisch nachgewiesen (Carelli 1997, S. 399). 2.2.3.2 Prinzipien der Klassifikation Zur Naturkunde gehörte auch die Klassifikation der Lebewesen und Objekte. Sie geht theoretisch auf die sogenannte Kategorienlehre des Aristoteles zurück (Aristot. Organ. 3–5; Vorländer 1949[1963], S. 122). Charakteristisch ist hier der auf der formalen Logik beruhende hierarchische Aufbau. Hier muss das untergeordnete Merkmal, z. B. Mensch, im übergeordneten Merkmal, z. B. Lebewesen, enthalten sein, nicht aber umgekehrt. Wesentlich ist auch, dass Aristoteles erkannt hat, dass es bei der Klassifikation zu Überlappungen von Merkmalen kommt, d. h., dass ein eindeutiger hierarchischer Aufbau nicht möglich ist und dass die Bestimmung einer Art durch verschiedene nebengeordnete Merkmale erfolgen muss (Kullmann 1999, S. 110). Aristoteles hat allerdings seine theoretischen Überlegungen auf seine naturhistorischen
65 Vom ceraunius gibt es zwei Arten: Eine, welche Germanien hervorbringt, dem Kristallin ähnlich, dunkelblau leuchtend, die, wenn sie unter den freien Himmel gelegt wird, den Sternen den Glanz raubt. Die zweite Art bringt Spanien an den Küsten Lusitaniens hervor. Sie ist von roter Farbe und Beschaffenheit wie Feuer und soll Schutz vor dem Blitz gewähren, wenn wir es glauben wollen. Diese Ceraunia wird nur dort gefunden, wo der Blitz eingeschlagen hat. Griechisch heißt der Blitz nämlich κεραυνὸς (Übersetzung nach Lenelotte Möller mit Änderungen).
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Arbeiten zu Tieren und Pflanzen noch nicht anwenden können. Sie stellen lediglich eine deskriptive Vorarbeit, wir würden heute sagen, eine Merkmalaufnahme dar (Aristot. part. an. 2007, S. 197 [Kullmann]). Einer unseren heutigen phylogenetischen Kriterien entsprechenden Klassifikation stand das statische Bild der Lebenswelt entgegen (Vorländer 1949[1963], S. 126). Plinius bezog sich hinsichtlich der Klassifikation ausdrücklich auf Aristoteles und seinen Schüler Theophrast und ergänzte das von ihnen gebotene Material sogar. Bei seiner eigenen Ordnung des Materials blieb er jedoch weit hinter den beiden Griechen zurück. Theophrast nämlich hatte in seinem von der Spätantike bis ins 15. Jahrhundert verlorenen Werk über die Botanik die Pflanzen schon nach ihrer Verwandtschaft zu Gruppen eingeteilt. Plinius scheint hierfür kein Verständnis gehabt zu haben. Sein Interesse betraf dagegen den Nutzen der Pflanzen und ihre Anwendung (Plin. nat. 18,49 f.; Morton 1986, S. 92 f.). Hinsichtlich der Tiere übernahm er zwar die Grundeinteilung des Aristoteles in Landtiere, Wassertiere, Vögel und Insekten, ordnete sie dann jedoch weiter nach ihrer Körpergröße (Budson 1986, S. 98 ff.). Zur Gliederung der Steine fehlte ihm noch jedes inhaltlich begründete System. Damals hatte man dazu noch nicht die notwendigen chemischen Kenntnisse. Plinius teilte aber systematisch eine Reihe von äußeren Merkmalen mit, wie den Ort des Vorkommens und die Art der Gewinnung, Farbe, Geruch, Härte, Glanz, Veränderungen bei Einwirkungen von Wärme, Kälte, Wasser, Säure – ein gutes Beispiel hierfür ist der Karfunkel (Plin. nat. 37,25). Heute wissen wir, dass eine Klassifikation nur nach den physischen Eigenschaften nicht möglich ist (Healy 1986, S. 112, S. 140). Die Hauptinteressen des römischen Autors lagen aber auch auf anderem Feld. So wie bei den Pflanzen waren sie eher auf die Anwendung gerichtet. Außerdem schweifte er immer wieder zu kulturgeschichtlichen und moralischen Geschichten und Legenden ab, die seine stoische Grundhaltung offenbaren, z. B. hinsichtlich der luxuriösen Verwendung von Edelsteinen und Kristallen (Plin. nat. 37,1–10). Nach der Behandlung der Edelsteine führte er dann alle anderen Steine nach alphabetischer Ordnung an und verzichtete auf jegliche Klassifikation. Isidor von Sevilla unterschied im 7. Jahrhundert richtig Metalle und Steine, zog für die Ordnung der Steine aber sehr verschiedene und teilweise nicht nachvollziehbare Kriterien heran, die aber immerhin durch physische Eigenschaften definiert waren. Die Cerauniae finden sich bei ihm unter den kristallinen Gemmen (Isid. orig. 16).
2.2.3.3 Der Beginn empirischen Forschens im Spätmittelalter Die Entwicklung der modernen Naturwissenschaften hat ihre Wurzeln im 12. und 13. Jahrhundert und ist mit der scholastischen Philosophie und insbesondere mit der Wiederaufnahme aristotelischer Logik verbunden. Die Schriften des Aristoteles sowie viele andere griechische Werke wurden in dieser Zeit vor allem über Sizilien und Spanien vermittelt (Flasch 1994, S. 26 f.; Fried 2001, S. 86 ff.). Für die Übernahme der aristotelischen Naturwissenschaft in der Tradition des Pedanios Dioskurides und
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des Ibn Sina wurde Albertus Magnus entscheidend (Hoppe 1994, S. 98), der Lehrer von Thomas von Aquin. Ein äußeres Zeichen dieses Aufbruchs sind die ersten Universitäten in Bologna und Paris, mit denen eine Welle von Universitätsgründungen begann. Die Universität als Institution geht auf diese Zeit zurück – nur nicht der heutige Fächerkanon (Verger 1993). Die Laisierung der Medizin führte in der Schule von Salerno schon in normannischer Zeit zu praxisbezogenem und empirischem Forschen und zur Entwicklung der Chirurgie. Sie prägte dann auch die oberitalienischen Studentenuniversitäten. Im 14. Jahrhundert kam aber mit der zunehmenden Aristoteles-Rezeption die Beobachtung der Natur hinzu. In der Medizin bedeutete das die Anfänge der Anatomie, die 1316 in Bologna nachweisbar ist und sich dann vor allem in Padua entwickelte (Baader 1987, S. 186 ff.). Diese Vorgänge sollten für die Entwicklung der Archäologischen Wissenschaften grundlegende Bedeutung bekommen (siehe S. 144).
2.2.4 Weltgeschichtliche und andere Ursprungsmythen 2.2.4.1 Antike Zeitstufenmodelle Wohl in die Übergangszeit von oraler zu schriftlicher Überlieferung gehören die Werke des Dichters Hesiod (vermutlich erste Hälfte 7. Jahrhundert bzw. um 700 vor Christus), der in seinem Lehrgedicht Werke und Tage fünf Zeitalter der Weltgeschichte beschrieben hat (Rossi/Ercolani 2011, S. 79 f.). Von Schöpfung zu Schöpfung werden hier die Menschheit und ihr Leben armseliger: das erste Zeitalter ist das goldene, das zweite das silberne, es folgen das bronzene und das Heroenzeitalter, letztlich auch das eiserne, das Zeitalter der Griechen (Hes. erg. 109–201). Hesiod meinte allerdings mit den Metallen nicht generell die Werkstoffe, aus denen in dem bestimmten Weltalter Waffen und Gerät hergestellt wurden. Sie dienten ihm als Symbole für den Wert der jeweiligen Geschlechter der Menschen: „Golden war das Geschlecht … Wieder ein anderes Geschlecht, ein weit geringeres, schufen silbern die ewigen Götter“ (Hes. erg. 109.127–128). Allein das Geschlecht aus Erz besaß nach Hesiod auch eine erzene Sachkultur: „All ihre Waffen waren aus Erz und ehern die Häuser, Erz ihr Ackergerät; noch gab es kein schwärzliches Eisen“ (Hes. erg. 150 f.). Während Hesiod also eine Steinzeit nicht kannte, so wusste er noch, dass es eine Zeit gegeben hatte, in der man nur Bronze verwendete, und dass das Eisen später aufkam als die Bronze. In seiner Theogonie überlieferte er die Genealogie der Götter in Generationen. Beide Werke stehen in orientalischer Tradition (Rapp 1992, S. 110; Burkert 2003, S. 60 ff., S. 72; Rossi/Ercolani 2011, S. 83 ff.). Der Mythos vom goldenen Zeitalter hielt sich die ganze Antike hindurch, obwohl auch andere orientalische Einflüsse auf die westlichen Auffassungen zur Kosmogonie gewirkt haben (Burkert 2003, S. 67 ff.). Er veränderte sich aber.
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Während bei Hesiod noch die Götter allein den Gang der Geschichte bestimmten, findet man im 5. Jahrhundert vor Christus anthropogene Faktoren und Naturkatastrophen als Motoren einer aufsteigenden Kulturentwicklung. Allerdings handelt es sich wie später in der Stoa bei den weiterführenden menschlichen Fähigkeiten um göttliche Gaben (Müller 1972, S. 155; Rapp 1992, S. 111). Bei Hesiod besaß die Geschichte eine negativ-teleologische Richtung. Platon zufolge lehrte Protagoras, dass die Götter den Menschen zunächst Wissenschaft und Technik gewährt hätten. Dann aber entwickelten die Menschen auf der Grundlage dieser Gaben Religion, Sprache, Kleidung, Wohnung, Ackerbau und Städte. Zum Schluss sei als Krone der Entwicklung und neue Göttergabe das Recht und die Staatskunst dazu gekommen (Plat. Prot. 322A – Prometheus-Mythos). Ob Demokrit von Abdera die Not als hauptsächlichen Antrieb für die allmähliche Verbesserung von Sprache, Nahrungserwerb und Technik angesehen hat, ist nicht gesichert (Diod. 1,8), wohl aber, dass er sich mit diesem Thema auseinandergesetzt hat (Diels/Kranz 55, B 154)66. Auch die Historiker Herodot und Thukydides beobachteten schon Merkmale einer kulturellen Entwicklung, pressten aber die Geschichte nicht in das Schema der Weltalter. So berichtete Herodot von verschiedenen Erfindungen (siehe oben S. 103). Von Thukydides erfahren wir, dass die Griechen früher im Alltag Waffen getragen hätten wie noch die Barbaren in seiner Zeit. Er fügt an: „Noch bei vielen anderen Sitten ließe sich die Übereinstimmung des alten Hellas mit den jetzigen Barbaren nachweisen“ (Thuk. 1,6, Übersetzung von A. Horneffer). Diese Beobachtung machte Thukydides jedoch nicht zum Prinzip und übertrug sie offenbar auch nicht auf den Bestattungsbrauch. Die Argumentation bezüglich der Karer geht nämlich davon aus, dass die Bestattungsweise beider Völker über etwa 1000 Jahre hinweg immer gleich geblieben ist (siehe S. 98). Die bei Protagoras belegte Wirtschaftsstufenlehre fand auch im 4. Jahrhundert bedeutende Anhänger wie den Schüler von Aristoteles und Theophrast, Dikaiarchos, dem zufolge nach dem friedlichen goldenen Zeitalter, in dem die Menschen vegetarische Sammler waren, aus eigener Kraft die Nomaden- und dann die Ackerbauphase erreicht wurde – gleichzeitig bedeutete das jedoch einen moralischen Abstieg (Müller 1972, S. 155, S. 161, S. 178). Die wirtschaftliche Entwicklungstheorie des Dikaiarchos wurde von Varro im 1. Jahrhundert vor Christus in seiner Schrift De re rustica unter Bezug auf den Griechen wieder aufgenommen (Varro, rust. 2,1,3 ff.). An anderer Stelle beschäftigte Varro sich mit mehreren Fluten und ließ die römische Geschichte nach der Flut des Ogyges beginnen, arbeitete also mit dem Weltaltermodell Platons (Aug. civ.18,7). Als Nachfolger von Protagoras, Demokrit und Dikaiarchos kann auch Epikur gelten, dessen Auffassungen über die Entwicklung der Menschheit vor allem durch
66 Plut. soll. an. 20,974.
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Lukrez überliefert sind. Die Lehren Epikurs und der Stoa bestimmten die gebildete Elite der späten Republik und der frühen und mittleren Kaiserzeit Roms. Tacitus, dessen Interesse offensichtlich nicht auf weltgeschichtlichem Gebiet lag, behandelte entsprechende Fragen nur am Rande. Die an verschiedenen Stellen hervorgehobene bessere moralische Qualität der germanischen Gesellschaftsordnung ist aber auf das stoische Motiv der moralischen Dekadenz zurückzuführen (Müller 1972, S. 262 ff; Müller 1980, S. 16, S. 97; Lund 1991a, S. 1953). Weltgeschichtliche Bedeutung hat allerdings Tacitus’ Bemerkung zur germanischen Autochthonie und zur spezifischen Origo der Germanen – leider bleibt er eine theoretische Erklärung zu seiner Vorstellung der Phylogenie schuldig (Tac. Germ. 2–4; Lund 1991a, S. 1871 ff.). Entsprechend ungeklärt blieben auch die „aborigines“ des Varro und Dionys. Die wichtigsten Philosophen des 5. und 4. Jahrhunderts vor Christus aber entwickelten aus der Weltalterlehre ein zyklisches Geschichtsbild, das ebenfalls orientalischen Ursprungs ist bzw. orientalische Parallelen besitzt (Schlobach 1980, S. 28 ff.; Rapp 1992, S. 110; Burkert 1995, S. 77 f.). Eine wichtige Rolle spielt dabei die Vorstellung eines permanenten Kampfes gegensätzlicher Kräfte, wie er im Vorderen Orient im Dualismus von Gut und Böse zu finden ist (Burkert 2003, S. 123 ff.). Bei Heraklit lässt sich ein dialektisches Entwicklungsmodell vermuten, das der linearen Zeitalterlehre grundsätzlich entgegensteht, leider aber nur äußerst fragmentarisch erhalten ist (Vorländer 1949[1963], S. 28 ff.). Empedokles folgte dem dialektischen Gedanken, indem er Liebe und Streit zu den Motoren eines immer wieder neu beginnenden Geschichtsablaufs machte, der allerdings noch wie bei Hesiod am Anfang aus friedlichen, paradiesischen Verhältnissen entstanden war (Aristot. metaph. 1,4, zit. nach Wieland 1993, S. 65; Müller 1972, S. 92 f.). Platon griff im Timaios und im Kritias die Weltalterlehre auf. Fluten oder Feuersbrünste zerstörten ihm zufolge die jeweils gerade existierende Welt (Plat. Tim. 22C–E). Die bei Sintfluten im Gebirge überlebenden Hirten konnten das in der letzten Periode Erreichte nicht in die neue Periode hinüberretten und mussten die Kulturentwicklung immer wieder von neuem beginnen (Plat. Tim. 25D; Plat. Kritias 109D f.), so dass es auf Dauer keinen Fortschritt gab – anders allerdings innerhalb jeden Weltalters, wo Erkenntnisse aber immer wieder erneut gefunden werden mussten und sich die gesellschaftliche Entwicklung vom Einfachen, der Familie, zum Komplizierten, dem Staat, wiederholte. Auch Aristoteles diskutierte zyklische Veränderungen von Land und Wasser, von Trockenheit und Feuchtigkeit. Allerdings führten diese ihm zufolge nicht zum Untergang, da Welt und Universum ewig seien (Aristot. meteor. 1,14). Zenon, der Begründer der Stoa, sah die Weltgeschichte als einen zyklischen Prozess an, die Kultur und Wirtschaft blieben jedoch statisch (Müller 1972, S. 185 f., S. 200 ff., S. 269 ff.). Ähnlich vertrat der von der mittleren Stoa beeinflusste Polybios einen Kreislauf der Verfassungssysteme, die aus der Not nach dem katastrophalen Ende eines Weltalters in immer gleicher Abfolge erwachsen (Pol. 6,1–9; Müller 1972, S. 302 ff.). Interessant ist, dass er begründete, warum er Weltgeschichte schrieb und dass sich die noch
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lokale ältere Geschichte für ihn in einer Richtung auf eine allgemeine Geschichte hin bewegte und diese mit dem Aufstieg Roms im Zweiten Punischen Krieg begann (Pol. 1,3). Insofern steht dem zyklischen ein teleologisches Geschichtsbild gegenüber. Über die Rezeption Hesiods, der klassischen griechischen Philosophen, der Stoa sowie der orientalischen Wiedergeburtslehren drangen sowohl die ursprüngliche Zeit- und Weltalterlehre als auch ihre zyklische Variante in die römischen Geschichtsvorstellungen ein. So rezipierten Vergil, Ovid, Plinius und Plutarch den Dichter Hesiod (Ercolani/Rossi 2011, S. 120). 2011, S. 120). Plinius blieb dennoch in seinem Urteil unklar (Paparazzo 2011, S. 97). Der neuzeitlichen Auffassung eines grundsätzlichen kulturell-technischen Fortschritts als universales Weltmodell kommt der Epikureer und Zeitgenosse Ciceros, Lukrez, in seinem Lehrgedicht De rerum natura am nächsten. Das fünfte Buch seines von Cicero herausgegebenen unvollendeten Werkes bezieht sich auf die gesamte soziale Entwicklung, das Recht, den Krieg und Techniken, die durch Beobachtung natürlicher Erscheinungen vom Menschen selbst erworben wurden. In der Abfolge von angeborenen Waffen (Händen, Nägeln und Zähnen), Waffen aus der Natur (Steine, Hölzer) und künstlichen Waffen Feuer, Bronze und Eisen erwähnte Lukrez ausdrücklich zwei Erkenntnisfortschritte: die Erfindung des Feuers sowie „prior aeris erat quam ferri cognitus usus“67 (Lucr. 5,1287). Dabei ging er klar von einer Entwicklung aus: „sic volvenda aetas commutat tempora rerum“ (Lucr. 5,1276). Er scheint zwar keine bearbeiteten Steinwaffen gekannt zu haben, unterschied jedoch deutlich und als Datierungsansatz Feuer, Bronze und Eisen. In seinem Gedicht stellte er die Lehre Epikurs dar und fußte dabei auf älteren, nicht mehr erhaltenen epikureischen Schriften. Eigene Ansichten des Römers sind schwer nachzuweisen (Furley 1978 [2007], S. 167 ff). Während bei Lukrez die positive Entwicklung des technischen Fortschritts den moralischen Abstieg überwog, stand bei dem Stoiker Poseidonios nach der Überlieferung von Seneca dem technischen Fortschritt die Dekadenz in moralischer und religiöser Hinsicht gegenüber. Seneca konnte die Lehre von der Herrschaft der Weisen im moralisch hochstehenden goldenen Zeitalter und vom folgenden moralischen Abstieg akzeptieren, wertete aber die Entwicklung technischer Fähigkeiten nicht als Weisheit, sondern als „sagacitas“ – Scharfsinn: „Omnia enim ista sagacitas hominum, non sapientia invenit“ (Sen. epist. 90,3–13, Zitat: 11; Müller 1972, S. 341 f.; Müller 1980, S. 16 ff.). Seneca wertete damit den technischen Fortschritt ab. Aus dem ersten und zweiten Jahrhundert, d. h. aus der Zeit nach Lukrez, findet man die klare Verbindung von Bronzefunden bzw. Bronzegegenständen aus Heiligtümern mit dem Heroenzeitalter. So verrät die Darstellung der Auffindung des Theseusgrabes bei Plutarch als einen eigenen Beitrag die Kenntnis von Gräbern in Grabhügeln mit Grabgut aus Bronze und die Zuordnung zur Heroenzeit (Plut. Thes. 36,2–3).
67 … und der Gebrauch der Bronze war früher bekannt als der des Eisens (Übersetzung B. S.).
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Interessant ist, dass sich Plutarch intensiv mit Hesiod beschäftigt hat (Ercolani/Rossi 2011, S. 120). Auch Pausanias sah Bronzewaffen als Kennzeichen der Heroen an und berief sich dabei auf Homer sowie auf Votive aus Heiligtümern: Die Verse Homers über die Axt des Peisander und den Pfeil des Merion bezeugen, dass alle Waffen der Heroen aus Erz waren. Meine Aussage wird außerdem durch die Votivgaben der Lanze des Achill im Heiligtum der Athena in Phaselis und des Memnonschwertes im Asklepionheiligtum in Nikomedia bestätigt. Die Spitze der Lanze und das ganze Schwert sind aus Erz (Paus. 3, 3,8; Übersetzung B. S.).
2.2.4.2 Die Weltgeschichte als christliche Heilsgeschichte Die christliche Antike und das Mittelalter schlossen bekanntlich an die biblischen Schöpfungsmythen an und entwickelten eine Geschichtstheologie (Goetz 1988, S. 306). Man könnte auch sagen, einen Geschichtsmythos, denn auch die heidnischen Geschichtsmythen besaßen einen religiösen Charakter. Wie in den mesopotamischen und den griechischen Mythen begegnet in der Bibel die Zerstörung durch Flut, die Sintflut, sowie mehrfach das Motiv der Hybris als Ursache – doch nie werden die Menschen ganz vernichtet wie bei Hesiod: Wie bei Platon können sich einige Lebewesen retten und von vorne beginnen. Außerdem ist die irdische Welt sowohl im Juden- als auch im Christentum endlich und wird durch das Gericht Gottes oder die Wiederkehr Christi abgeschlossen. Damit tritt sie in ein neues Stadium ein. Die durch das Christentum bestimmte Geschichtssicht des Mittelalters entsprach diesem göttlichen Heilsplan (Paradies, Erde, Paradies). Alpha und Omega, Anfang und Ende waren seit der Christlichen Antike integrale Bestandteile der Lehre und ihrer Symbolik. Zwar hatte man auch in der Antike Katastrophen und Vernichtungen erwartet. Es fehlte aber die unbedingte, in ein Schema eingebundene Prophezeiung des absoluten Endes in naher, ja nächster Zukunft. Das jüngste Gericht und der Weltuntergang wurden im Mittelalter immer wieder errechnet und mussten immer wieder verschoben werden. Diese seit der Spätantike gegenwärtige Endzeiterwartung kulminierte zwar um das Jahr 1000, lebte aber bis ins Spätmittelalter und darüber hinaus fort und fand seine historiographische Form in den Weltoder Universalchroniken (Grundmann 1934, S. 418 ff.; Fried 1989, S. 394 ff., S. 406 ff.; Fried 2001, S. 12 ff.; Fouquet 2002; Goetz 1980; Goetz 1999[2008], S. 177 ff.). Die für die heilsgeschichtliche Gesamtschau schon in der Spätantike entwickelte Form erlebte während ihrer langen Geschichte chronologische Schwerpunkte und Besonderheiten in verschiedenen Regionen (Krüger 1976). Während die heilsgeschichtlichen Eckpunkte des Anfangs und des Endes feststanden, gab es für die Untergliederung der Zeit zwischen der Vertreibung aus dem Paradies und dem Weltende seit Beginn der christlichen Antike sehr unterschiedliche Ansichten, die aber alle etwas gemeinsam haben: sie beruhen auf der Exegese der Bibel. Einerseits war schon im Alten Testament eine Umwandlung der Weltalter, wie wir sie von Hesiod kennen, in Weltreiche erfolgt. Der Prophet Daniel hatte von einem
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Traumgesicht berichtet, nach dem vier Weltreiche aufeinander folgen sollten. Wie Hesiod hatte er den moralischen Wert der Weltreiche durch Metalle versinnbildlicht, die immer weniger wertvoll wurden, von Gold zu Eisen. Der Zerstörung dieser irdischen Reiche sollte das Reich Gottes folgen (Daniel 2,32–44; Geuenich 1990, S. 15 ff.). Die Weltalter wurden so in die Endzeitlehre integriert. In der christlichen Spätantike wurde aus den Reichen Daniels seit Hieronymus die Abfolge des Babylonischen, des Medischen und Persischen, des Makedonischen und des Römischen Reiches abgeleitet (Hier. 1,2,31–40). Das Römische Reich galt schon seit Tertullian als das Letzte aller Reiche vor dem Weltende (Grundmann 1934, S. 424). Durch die Idee der Translatio imperii ließ sich das Römische Reich auf andere Herrschaftsträger übertragen und das Weltende hinausschieben, eine Theorie, die im 12. Jahrhundert ausgebaut wurde (Spörl 1956, S. 313; Goez 1958, S. 368). Daneben aber teilte man die Geschichte nach Vorbildern aus den Testamenten in heilsgeschichtliche Weltalter ein. Sechs Weltalter wurden den sechs Schöpfungstagen nachgebildet, denen der siebente, der Ruhetag und Weltensabbat, folgte (Grundmann 1934, S. 421; S chmidt 1955/56, S. 292 f., S. 306; Goetz 1988, S. 312 ff., Schema 2; Goetz 1999[2008], S. 198 f.). Diese wohl erstmals bei Hippolyt von Rom belegte Einteilung wurde durch Augustinus, Isidor von Sevilla und Beda Venerabilis für das ganze Mittelalter bestimmend (Schmidt 1955/56, S. 298, S. 310). Auch die Einteilung der Lebensalter in „infantia“, „pueritia“, „adolescentia“, „iuventus“, „gravitas“ und „senectus“ diente als Analogie für die sechs Weltalter (ebd., S. 293). Ebenfalls auf die frühchristliche Zeit gehen die Fünf- und die Siebengliedrigkeit zurück. Erstere ist eine weltgeschichtliche Ausdeutung des Tagesablaufs im Weinberggleichnis (Matth. 20,1–2; S chmidt 1955/56, S. 301 ff.)68. Im langen Zeitraum des Mittelalters gab es trotz dieses feststehenden Rahmens Spielräume für ein Fortschrittsdenken innerhalb der Erdenzeit, die sich vor allem vom 12. Jahrhundert an zeigen lassen, z. B. bei Otto von Freising auf der Grundlage von Augustinus (Spörl 1956, S. 301 ff.). Otto sah in der realen Geschichte keine fortlaufende Dekadenz (Koch 1953[1961], S. 327), sondern vom Eintreten Christi in die Weltgeschichte während der Civitas permixta an eine aufsteigende Bewegung. Dieser Gegenwart (7. Buch) allerdings folgte im 8. Buch das jüngste Gericht (Goetz 1999[2008], S. 188 ff., Abb. 11). Otto’s Werk ist ein gutes Beispiel dafür, wie auch die Zeitgeschichte in den Geschichtsmythos der Zeitalterlehre eingebunden wurde.
68 Im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg heuert der „Hausvater“ an einem Tag in verschiedenen Abständen fünfmal Arbeiter für seinen Weinberg zum selben Endpreis an und zahlt dann den zuletzt eingestellten Arbeitern, die nur eine Stunde gearbeitet haben, dasselbe wie den ersten, die den ganzen Tag gearbeitet haben: „Also werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein. Denn viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt“ (Matth. 20,1–16), d. h. die Letzten leben nach Christi Geburt.
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Auch die Trinität, d. h. die Dreizahl, durfte für die Einteilung der Weltgeschichte nicht fehlen. Sie ist ebenfalls seit der christlichen Antike als Gliederungsprinzip belegt (Schmidt 1955/56, S. 299 f.). Im 12. und 13. Jahrhundert bauten auf ihr Rupert von Deutz, sein Schüler Gerhoh von Reichersberg sowie Joachim von Fiore ein die gesamte Heilsgeschichte umfassendes Modell von drei fortschreitenden Heiligkeitsstufen auf, nämlich das Zeitalter des Vaters (Altes Testament), des Sohnes (Neues Testament) und des Heiligen Geistes (Meuthen 1959, S. 208 ff.; Spörl 1956, S. 305; Grundmann 1957, S. 432). Den Verlauf dieser Zeitalter stellte man sich jedoch durch die Konkordanz der Testamente determiniert vor69. Die Vorstellungen zum Alter der Welt beruhten im Christentum auf der Bibel. Augustinus setzte sich zwar mit älteren Berichten auseinander, die z. B. von den Ägyptern vertreten wurden. Er verwarf aber die auf ihren astronomischen Beobachtungen beruhende Auffassung, die Welt sei mehr als hunderttausend Jahre alt und entgegnete ihr, seit Adam seien noch nicht 6000 Jahre vergangen (Aug. civ. 18,40)70. Diese
69 Joachim von Fiore, Concordia Novi et Veteris Testamenti; Meuthen 1959, S. 240 ff.; Eusterschulte 2002, S. 16 ff. 70 „Sie werden dabei auch irregeführt durch ganz verlogenes Schrifttum, das angeblich viele Jahrtausende von Zeitengeschichte umfasst, während sich auf Grund der Heiligen Schrift ein Zeitraum von weniger als sechs Jahrtausenden seit der Erschaffung des Menschen berechnet. Ich will mich nun nicht auf eine genauere Widerlegung jener grundlosen Angaben einlassen, die von weit mehr Jahrtausenden sprechen, noch auf den Nachweis, dass jenes Schrifttum in der vorliegenden Frage keine irgend zureichende Gewähr biete; ich weise vielmehr hin auf den Brief Alexanders des Großen an seine Mutter Olympias, worin er sich auf einen ägyptischen Priester und dessen Mitteilungen aus heiligen Schriften der Ägypter bezieht. In diesem Briefe ist unter anderem die Rede von Weltreichen, wie auch die griechische Geschichte solche kennt, und werden dem Reich der Assyrier mehr als 5000 Jahre zugeteilt. Nach der griechischen Geschichte hingegen dauerte dieses Reich nicht ganz 1300 Jahre, gerechnet von der Herrschaft des Belus ab, die auch der ägyptische Gewährsmann an den Anfang dieses Weltreiches stellt. Für die Herrschaft der Perser und Mazedonier sodann bis herab zu Alexander selbst, dem er die Mitteilung machte, setzte der Ägypter über 8000 Jahre an, während bei den Griechen auf das Mazedonierreich bis zum Tode Alexanders 485 Jahre und auf das Perserreich bis zu dessen Untergang durch Alexanders Sieg 233 Jahre gerechnet werden. Diese Jahreszahlen bleiben weit hinter denen der Ägypter zurück und würden sie selbst dann nicht erreichen, wenn man sie verdreifacht. Die Ägypter sollen nämlich ehedem kurze Jahre von nur viermonatiger Dauer gehabt haben; ein volles und richtiges Jahr, wie es jetzt bei uns und bei ihnen üblich ist, umfasst also drei alte Ägypter-Jahre. Aber auch so, wie gesagt, ergibt sich keine Übereinstimmung zwischen der ägyptischen und der griechischen Zählung der Geschichtsjahre. Die griechische verdient indes mehr Glauben, weil sie nicht über die wahre Zahl der Jahre hinausgeht, wie sie in unserm Schrifttum, dem wahrhaft heiligen, angegeben wird. Wenn nun schon jener Alexanderbrief, der weithin bekannt ward, in der Zeitrechnung sich von der Wahrscheinlichkeit so sehr entfernt, so ist noch viel weniger Glaube beizumessen einem Schrifttum, das man trotz Überfüllung mit fabelhaften angeblichen Altertümern der Autorität so bekannter und göttlicher Bücher entgegenstellen möchte, einer Autorität, die die gläubige Zustimmung des ganzen Erdkreises vorausgesagt und auch wirklich gefunden hat, die demnach die Glaubwürdigkeit ihrer Berichte über die Vergangenheit erweist aus der vollwahren Erfüllung ihrer Vorhersagen“ (Aug. civ. 12,11). „Es ist also ein leeres und prahlerisches Geschwätz,
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Berechnung ergibt sich durch die sechs Schöpfungstage, denen je einer 1000 Jahren entsprechen sollte71. Nach dem Weinberggleichnis rechnete man dagegen 500 Jahre pro Tagesstunde und datierte die Geburt Christi in der 11. Stunde auf das Jahr 5500 der Welt. Bei der Berechnung nach den Schöpfungstagen musste das Weltende im Jahre 1000 nach Christus eintreten, doch über die Dauer des letzten, gegenwärtigen Zeit alters und die Eingliederung des ihm folgenden Sabbats in dieses System gab es sehr verschiedene und häufig modifizierte Ansichten (Schmidt 1955/56, S. 294, S. 304). Sind dies gerundete Daten, so errechneten Isidor von Sevilla und Beda Venerabilis ebenfalls aufgrund der Bibel jahrgenaue Längen der sechs Weltalter, Isidor aufgrund der Septuaginta für Christi Geburt das Jahr 5211, Beda aufgrund der jüdischen Berechnung für Christi Geburt das Jahr 3952 (ebd., S. 293). Ähnliche Daten finden sich in der christlichen alexandrinischen und in der byzantinischen Chronologie (Der Kleine Pauli 5, Sp. 1489). Die averroistisch-aristotelische Scholastik brachte dann im 13. Jahrhundert den ersten Umschwung, da sich die Vorstellung der aristotelischen Philosophie durchzusetzen begann, die Welt sei ewig und erneuere sich zyklisch. Zentren dieser das mittelalterliche Weltbild sprengenden Ideen waren die Universitäten von Paris und Padua (Grundmann 1934, S. 426; siehe S. 374).
wenn manche die Zeit, seitdem Ägypten die Gestirnkunde wissenschaftlich betreibt, auf mehr als hunderttausend Jahre berechnen. Welchen Büchern hat man wohl diese Zahl entnommen, da man in Ägypten doch erst vor etwas mehr als zweitausend Jahren die Buchstabenschrift unter Anleitung der Isis erlernte? Das wissen wir aus Varro, und der ist doch wahrlich in geschichtlichen Dingen ein nicht zu verachtender Gewährsmann, und seine Mitteilung kommt zudem nicht in Widerspruch mit der in unseren göttlichen Schriften überlieferten Wahrheit. Denn da seit Adam, dem ersten Menschen, noch keine sechstausend Jahre verflossen sind, so ist eine Annahme, die hinsichtlich der Zeitenlänge eine so ganz andere und dieser ausgemachten Wahrheit so widersprechende Berechnung glaubhaft zu machen sucht, viel zu lächerlich, als dass sie eine ernstliche Widerlegung verdiente. Wir glauben doch offenbar am besten in Bezug auf die Vergangenheit dem Berichterstatter, der auch die Zukunft so, wie wir sie jetzt als Gegenwart vor Augen haben, vorhergesagt hat. Und was die übrigen Geschichtsschreiber betrifft, so berechtigt und verpflichtet uns gerade ihre Abweichung untereinander, lieber dem zu glauben, der sich nicht in Widerspruch setzt mit der göttlichen Geschichte, an der wir festhalten. Freilich, die Bürger des gottlosen Staates überall auf Erden sind in Verlegenheit, welchem von den gelehrten Männern, von denen jeder gewichtig erscheint, sie Glauben schenken sollen, wenn sie bei ihnen solche Unstimmigkeit bezüglich soweit zurückliegender Begebenheiten wahrnehmen. Wir dagegen stützen uns hinsichtlich der Geschichte unserer Religion auf Gottes Autorität und sind sicher, dass alles, was mit ihr in Widerspruch steht, ohne weiters falsch ist, gleichviel wie es sich mit dem übrigen Inhalt des Profanschrifttums verhalten mag, der, ob wahr oder falsch, keine Beziehung zu der Frage nach dem rechtschaffenen und glückseligen Leben hat“ (Aug. civ. 18,40. Übersetzung Alfred Schröder; Rechtschreibung modernisiert). 71 „… quia unus dies apud Dominum sicut mille anni, et mille anni sicut dies unus“ (2. Petrus 3,8). Übersetzung: … weil ein Tag vor Gott wie 1000 Jahre sind, und 1000 Jahre wie ein Tag.
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2.2.4.3 Genealogien als Leitfaden der Geschichte Einen wichtigen Bestandteil der Bücher Mose bilden Genealogien, wie sie ja auch in der klassisch-antiken Geschichtsschreibung für die mythische Vorzeit Anwendung fanden, z. B. bei Hesiod und bei Herodot (Lendle 1992, S. 47 ff.; siehe S. 32). Es handelt sich dabei um formelhafte, unilineare und patrilineare Konstrukte (Mose 1,4–5, 1,10; Hieke 2003, S. 28, S. 45 ff., S. 70). Entsprechende Grundstrukturen früher Geschichtstradition, Identitätsstiftung und Herrschaftslegitimation durch göttliche Deszendenz herrschender Familien sind auch von Naturvölkern bekannt (Assmann 1992, S. 50 ff.; Lillios 2008, S. 170). Ein beliebtes Mittel zur Mythisierung der frühen Geschichte stellten aus Orts- oder Stammesnamen entwickelte Heroennamen dar. Diese Methode spielte eine große Rolle für die Lokalisierung von Mythen z. B. als Wandergeschichten und für den Aufbau von Genealogien. Ein wichtiger antiker Vertreter dieser Arbeitsweise war Varro (Cardauns 1976, S. 240 f.). Der etwa gleichzeitige Diodorus Siculus führte den Sohn des Herkules Galates ein, den er zum Heros eponymos der Galater machte (Diod. 5,24). Für die Verbreitung der Methode unter christlichen Autoren sorgte u. a. Flavius Josephus (Ios. ant Iud. 1,122–129). Er erzählte die Geschichten der Sintflut und der Neubesiedlung der Erde durch Noah und seine Nachkommen im 1. Jahrhundert nach Christus auf Griechisch nach und wurde so neben der Septuaginta eine wichtige Quelle für die christliche Geschichtsschreibung. Cassiodor veranlasste im 6. Jahrhundert die lateinische Übersetzung (Schreckenberg 1972, S. 58). Methodisch wichtig ist, dass Flavius Josephus mittels der etymologischen Methode über den biblischen Text hinaus zu genau lokalisierten Wanderungsbewegungen kam (siehe S. 321). Die mosaische Völkertafel findet sich in der Folgezeit bei vielen christlichen Autoren und wurde durch weitere Interpretationen an den veränderten Gesichtskreis der Spätantike angepasst (Hippol. lib. gen. 1; Hippol. haer. 10,30)72. Auch Augustinus historisierte die Genealogien, indem er die Enkel Noahs ausdrücklich auf Völkernamen bezog (Aug. civ. 16,3). Isidor von Sevilla erklärte auf dieser Grundlage und nach der etymologischen Methode weitere eponyme Heroen aus der Familie Noahs sowie erfundene Stammväter zu Vorfahren namenähnlicher Völker (Isid. orig. 9, 2,37; Müller 1980, S. 300). Auf diesem Nährboden entstanden auch andere Origines von Herrschergeschlechtern und ihren Reichen, die aber häufig eine Verbindung zwischen biblischer und antiker Herkunft herstellten. Die zwischen dem Japhetiten Tubal und Herakles angesiedelte Herkunftsgeschichte der spanischen Könige, die auf Flavius Josephus, vor allem aber auf Isidor von Sevilla zurückgeht (Isid. orig. 9, 2,29), erfüllt dieses doppelte Identifikationsbedürfnis (Caballero López 1997–98, S. 85). Im sogenannten Fredegar aus dem 7. Jahrhundert ging es dem anonymen Autor offenbar am Vorabend der Karolingerzeit um die Einordnung der Geschichte des Frankenreiches in die
72 Bauer/Cuntz 1906, S: 27 ff.; Hippolyt stellte in Buch 10 seiner Häresien diesen die wahre christlichbiblische Lehre gegenüber.
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oben dargestellte Konstruktion der Weltreiche. Sie wurde erreicht, indem der Autor den trojanischen König Priamos zum ersten Frankenkönig machte und eine Parallelität zum Makedonischen und später zum Römischen Reich nach dem römischen Vorbild Vergils aufbaute (Fredegar 2,4). Er beruhte dann auf Isidor von Sevilla, wenn er den erfundenen Francio auf dem Wege nach Gallien zu einem der Nachfolgekönige wählen ließ und in einem perfekten Zirkel zum Heros eponymos der Franken erhob: „per quem Franci vocantur“ (Fredegar 2,5; Isid. orig. 2,101; Graus 1975, S. 81 ff.; Plassmann 2006, S. 151 ff.). In den verschiedenen Origines der Bewohner Britanniens begegnen vom 9. Jahrhundert an römisch-trojanische Herkunftsmodelle, in denen der erfundene Trojaner Brutus sowie im weiteren Verlauf die Artussage mit dem Zauberer Merlin eine entscheidende Rolle spielen (Plassmann 2006, S. 85 ff.). Der Begriff brutus begegnet bei Isidor von Sevilla im Zusammenhang mit den Briten (Isid. orig. 9,2,102). Großen Einfluss besaß bis zu ihrer Entlarvung durch Polydor Vergil die Fälschung Geoffreys von Monmouth, Historia regum Britanniae (Kendrick 1950, S. 4 ff.; Rexroth 2002). Der Autor gab wie später Annius von Viterbo vor, mit seiner Konstruktion auf einem alten Buch zu beruhen, seine Konstrukte lassen aber u. a. den Einfluss antiker und frühmittelalterlicher spanischer Tradition erkennen (Piggott 1941, S. 308). Das durch die Bibel, Flavius Josephus, Augustinus und Isidor von Sevilla geprägte Wanderungsmotiv ist für die Weiterentwicklung der verschiedenen weltgeschichtlichen Konstrukte des Mittelalters in der Frühen Neuzeit und darüber hinaus von außerordentlicher Wichtigkeit (Plassmann 2006, S. 360 f.).
2.2.5 Ansichten zum übernatürlichen Ursprung und zur übernatürlichen Wirkung archäologischer Funde Wie gezeigt worden ist, überwog trotz beachtlicher realistischer Ansätze die Vorstellung vom Wirken überirdischer Kräfte auf das irdische Geschehen. Das Bild der Vergangenheit wurde noch von Mythen bestimmt. Überall in den antiken Kulturen glaubte man an Orakel und Träume und den Eingriff Überirdischer in irdisches Geschehen. Durch magische Praktiken versuchte man den Willen von Göttern und Geistern zu erfragen und zu beeinflussen, wobei der Übergang zwischen Magie, Religion und Philosophie durchaus fließend gesehen werden muss73. Auch hier spielt für die Grie-
73 Hier wird unter Magie der Glaube an die Möglichkeit und die daraus abgeleitete Praxis verstanden, den Willen übernatürlicher Mächte zu erkunden und in eine gewünschte Richtung zu zwingen. Angesichts der Vielfalt magischer Aspekte in den verschiedenen Kulturen und des Problems der Ausgrenzung der Magie in den rezenten europäischen Gesellschaften ist eine allgemeingültige Definition schwierig (Reallexikon für Antike und Christentum (RAC) 183/184, 2009, Sp. 858 ff. [Frenschkowski]). Grundlegend zur antiken Magie siehe Graf 1996, bes. S. 14 ff.; S. 184 ff.
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chen der Einfluss des Orients, insbesondere Persiens, und der Lehre des Zarathustra (Zoroaster) eine große Rolle (Burkert 2003, S. 126; RAC wie Anm. 73, Sp. 859 f.). Schon in der Antike war man sich bewusst, dass orientalische Magier zur Vorgeschichte der griechischen Philosophie gehörten (RAC ebd., Sp. 862). Das ambivalente Verhältnis zur Magie zeigt sich darin, dass griechische, römische und sogar auch christlichspätantike Autoren in ihr einerseits ein negatives und fremdes Element sahen (Plin. nat. 30,1–7)74, dieselben Autoren andererseits aber magisches Gedankengut kritiklos wiedergaben (Plin. nat. 36,29, § 134, siehe S. 113). Dieses erweist sich als typisch für die Haltung der Antike zur Magie (Graf 1996, S. 208). Religionen, Philosophie, Geschichte und Naturwissenschaft waren von diesen Vorstellungen nicht ausgenommen. Das Wirken göttlicher Wesen durchzieht dementsprechend die Geschichtsdarstellungen des Herodot und vieler anderer (siehe S. 103). Platons Ideenlehre setzte Beziehungen der belebten und unbelebten Materie mit äußeren von Dämonen bevölkerten Weltgefilden voraus. Bei Aristoteles spielt trotz der überwiegenden induktiven Betrachtungsweise die Existenz einer kosmischen Weltseele eine zentrale Rolle (Vorländer 1949[1963], S. 125 f.). Diese grundlegende Vorstellung wurde von der Stoa aufgegriffen und gewann in der hellenistischen, der alexandrinischen und der römischen Philosophie Bedeutung. Mit der Idee der kosmischen Weltseele ist auch die Idee der Entsprechung zwischen Mikrokosmos (dem Menschen) und Makrokosmos (der Welt) und den Sympathien und Analogien zwischen den Wesenheiten im Kosmos zu erklären. Sie ist ebenfalls für die Stoa belegbar, aber wohl älteren Ursprungs (Vorländer 1949[1963], S. 159; Graf 1996, S. 184 f.; RGA 19, 2001, S. 143, Stichwort „Magie“ [Petzoldt]); Bees 2004, S. 185 ff.)75. Auch die Seelenlehre Platons selbst wurde weiter entwickelt und in der römischen Kaiserzeit von jüdischen Philosophen wie Philon in Alexandria erneut mit orientalischen Vorstellungen verbunden. Im Neuplatonismus der Spätantike erhielt sie weitere mystische und meditative Komponenten (Vorländer 1949[1963], S. 176 ff.; Müller 1972, S. 194 f.). Augustin zufolge glaubte der philosophische Eklektiker und Archäologe Marcus Terentius Varro an die Hierarchie der Wesen je nach ihrem Anteil an der Welt-
74 „namque aqua et sphaeris et aere et stellis et lucernis ac pelvibus securibusque et multis aliis modis divina promittit …“ (Plin. nat. 30,5, § 14). – „Er verheißt Göttliches aus dem Wasser, aus Kugeln aus der Luft, aus den Sternen, Lampen, Becken, Äxten und vielen anderen Dingen …“ (Übersetzung Roderich König). 75 In unserem Zusammenhang ist es unerheblich, ob sich diese Vorstellungen schon in der älteren Stoa, d. h. im Hellenismus, oder erst in der mittleren Stoa bei Poseidonios durchgesetzt haben, siehe zur Sympathie Vorländer 1949[1963], S. 159; Bees 2004, S. 136. Der Hauptzeuge für die Anwendung auf prähistorische Steingeräte, die Cerauniae, Plinius der Ältere, bestätigt das hellenistische Alter allerdings durch die Erwähnung der hellenistischen Autoren Sotacus und Theophrast (siehe S. 113).
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seele76. Wie das Zitat des Augustintextes zeigt, den dieser vielleicht unter Einfluss der neuplatonischen Entwicklung geschrieben hat, gerieten diese Vorstellungen über die Kirchenlehrer, die sie eigentlich für Häresien hielten und bekämpften, in das christ liche Mittelalter (RAC ebd., Sp. 926 ff.). Der Glaube an die Prädestination der Geschichte war auch die Voraussetzung dafür, dass man eine Weissagung der Zukunft für möglich hielt. Diese lag in der Antike einerseits in den Händen der Priester und Orakelheiligtümer, andererseits in den Händen der Astrologie, die bis in die Frühe Neuzeit nicht diffamiert war und als Wissenschaft galt (Hübner 2010, S. 9 ff.). Der beschriebene Pantheismus, der Glaube an magische Kräfte und der Einfluss kosmischer Beziehungen auf die spezifische Ausprägung der Fossilien und speziell auch der Ceraunia (Steinbeile) ergibt sich aus Plinius’ Historia Naturalis (siehe S. 113). Grundlage ist wohl die stoische „vis vitalis“ (Bees 2004, S. 142)77. Sie findet sich als „vis plastica“ oder „virtus formativa“ durch Avicenna überliefert bei Albertus Magnus78 und bis in die Frühe Neuzeit z. B. bei Michele Mercati (Takahashi 2008, S. 455, S. 462;
76 „Also unser Varro sagt, und zwar noch in der Vorrede, wo er von der natürlichen Theologie spricht, dass er der Meinung sei, Gott sei die Seele der Welt, des κόσμος, wie die Griechen sagen, und diese Welt selber sei Gott; wie man aber den weisen Mann, obwohl er aus Leib und Geist bestehe, doch nur mit Bezug auf den Geist als weise bezeichne, so werde die Welt Gott genannt mit Bezug auf den Geist, obwohl sie aus Geist und Leib bestehe. Damit bekennt er sich doch wie immer zu einem einzigen Gott; um aber für mehrere auch Platz zu machen, fügt er bei, die Welt zerfalle in zwei Teile, in Himmel und Erde; und der Himmel wieder in zwei, in Äther und Luft, die Erde aber in Wasser und Land; davon sei das oberste der Äther, an zweiter Stelle komme die Luft, an dritter das Wasser, an letzter das Land; all diese vier Teile wimmelten von Seelen, Äther und Luft von unsterblichen, Wasser und Land von sterblichen. Zwischen der äußersten Grenze des Himmels und der Kreisbahn des Mondes hätten als Sternbilder und Sterne die ätherischen Seelen ihren Platz, und das Dasein dieser himmlischen Götter erkenne man nicht bloß mit dem geistigen Auge, sondern nehme es auch mit den physischen Augen wahr; zwischen der Mondbahn und den höchsten Schichten der Wolken und Winde sodann befänden sich die Luftseelen, doch diese gewahre man nur mit dem Geiste, nicht auch mit den Augen und man nenne sie Heroen, Laren und Genien. Das also ist die in jener Vorrede kurz dargelegte natürliche Theologie, die nicht nur bei Varro Anklang gefunden hat, sondern auch bei vielen Philosophen; von ihr wird eingehender zu handeln sein, sobald ich unter dem Beistand des wahren Gottes mit der staatlichen Theologie fertig gemacht und den Rest davon, der sich auf die auserlesenen Götter bezieht, erledigt habe“ (Aug. civ. 7,6, Übersetzung Alfred Schröder). 77 „Omne igitur quod vivit, sive animal sive terra editum … intellegi … vim habere in se vitalem per omnem mundum pertinentem“ (Cic. nat. deor. 2,24). Übersetzung (B. S.): Also ich habe verstanden, dass alles, was lebt, sei es Tier, sei es von der Erde gezeugt … in sich eine die ganze Welt durchdringende Lebenskraft habe. 78 Die Formen, die künstlichen Produkten entsprechen, entstünden in der Natur ohne Mühe, denn „Cujus Causa est, quia virtutibus caelestibus certis et efficacibus moventur virtutes in materia lapidum et metallorum existentes“ – der Grund dafür ist, dass die positiven Eigenschaften in den Steinen und Metallen durch bestimmte und wirkmächtige himmlische Kräfte bewegt werden (Albertus Magnus, De Mineralibus 1,1,2, zit. nach Takahashi 2008, S. 455). An anderer Stelle heißt es: „ita procul dubio virtus formativa est in natura et stellis et caelo influxa“ – so besteht kein Zweifel darüber, dass
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Accordi 1980, S. 27). Albertus Magnus beschrieb die „virtus formativa“ als eine sowohl für die Reproduktion der Lebewesen als auch der unbelebten Materie verantwortliche Kraft (Albertus Magnus, De Mineralibus 1,1,5). Im Sinne der Homöopathie war man außerdem der Meinung, dass die Dinge, deren Entstehung man einer außerirdischen oder übernatürlichen Erscheinung zuschrieb, genau dagegen Schutz böten. So wurden die Cerauniae durch Blitzeinschlag hervorgerufen und galten gleichzeitig als Amulette dagegen, denen man außerdem noch eine Reihe weiterer magischer Kräfte zuschrieb (Carelli 1997, S. 402 ff.; siehe S. 114). Daneben hielt sich von der Antike bis in die Frühe Neuzeit beharrlich der Glaube an Mirabilia, teilweise mit Schöpfungs- und anderen Mythen verknüpft. Wunderwesen belebten vor allem die unbekannten Ränder der antiken Welt, wie die Bewohner der fernen Mittelmeerküsten, mit denen Odysseus sich auseinandersetzen musste. Herodot fand es offenbar notwendig, Fabelwesen jenseits der für ihn erfahrbaren Welt zu erwähnen, auch wenn er nicht an sie geglaubt haben mag (Hdt. 4,24 f.). Selbst Tacitus musste seine Germania mit den Worten beenden: „Cetera iam fabulosa: Hellusios et Oxionas ora hominum vultusque, corpora atque artus ferrarum genere; quod ego ut incompertum in medium relinquam“ (Tac. Germ. 46). Die christlichen Autoren taten ein Übriges (Isid. orig. 11,2,132. 11,3). Hundsköpfige, Amazonen mit ihren verkrüppelten Männern, Drachen und Fabeltiere aller Art gelangten so in die Frühe Neuzeit und in ernst zu nehmende Publikationen dieser Zeit, so von Ulisse Aldrovandi oder Conrad Gesner (siehe S. 346, S. 376). Fabelwesen bevölkerten aber nicht nur die Ränder der Welt, sondern auch die Ränder der Weltzeit. Wenn die Menschen, die damals gelebt hatten, sich durch ihre enorme Körpergröße und Kraft und durch eine größere Nähe zu den Göttern von den zeitgenössischen Menschen unterschieden, mussten auch ihre körperlichen und dinglichen Überreste riesig und übernatürlicher Art sein. Aus diesem Grunde suchte man Riesengräber und Riesenknochen und fand sie in den Megalithgräbern und in fossilen Tierknochen als Beleg für das Weltaltermodell. Wie dieses entstammen sie sowohl der antiken als auch der jüdisch-christlichen Tradition. Riesen und gleichzeitig Götterkinder waren die griechischen Titanen, Giganten und Zyklopen. Auch die Heroen besaßen noch eine übermenschliche Körpergröße und Kraft (Hdt. 1,67–68). Ein extrem langes Leben, ein Hauch von Unsterblichkeit charakterisiert diese Giganten der Vergangenheit, wie den König von Tartessos Arganthonios, der 120 Jahre gelebt haben soll, oder die Patriarchen des Alten Testaments (Hdt. 1,163; Eus. Pr. Ev. 9,13; Müller 1972, S. 135). Wieder bilden die Etymo logiae des Isidor von Sevilla einen der wichtigsten Texte für die Übertragung dieser antiken Vorstellungen ins weitere Mittelalter (Isid. orig. 9,2,134).
es in der Natur eine formative Kraft gibt, und dass sie durch Sterne und Himmel beeinflusst ist (Albertus Magnus, De Mineralibus 3,1,5, zit. nach Takahashi 2008, S. 459; Übersetzungen B. S.).
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Sowohl die Klassische Antike als auch das Mittelalter kennen Riesen als Baumeister (Mykene: Paus. 2,16,7). Man glaubte an die besondere, magische Kraft von Heroengräbern und Gräbern ganz außerordentlicher historischer Personen, wobei die körperlichen Überreste und die Beigaben eingeschlossen waren. Diese Gräber erfuhren eine besondere Behandlung und waren häufig Sekundärbestattungen (siehe S. 93). Nördlich der Alpen finden sich Belege für die Deutung ur- und frühgeschichtlicher Monumente durch den Riesenglauben erst an der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert (Sippel 1980, S. 145). Auch die Quellen der ost- und nordeuropäischen Randvölker für den Riesen- und Dämonenglauben wie die ältere Edda stammen erst aus dieser Zeit (RGA 9, 1996, S. 172 [Schier]). Als eines der frühesten Zeugnisse ist für Dänemark der Text des Historikers Saxo Grammaticus aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts erhalten. Saxo hielt die Erbauer der Megalithgräber für Riesen und zweifelte offenbar nicht an der Funktion der Bauwerke als ihre Gräber. Er machte sich auch Gedanken über die Datierung vor oder nach der Sintflut und darüber, ob die Menschen noch nach der Sintflut besondere Körperkräfte gehabt hätten. Er ordnete die Riesen also in die biblische Geschichte ein: Danicam vero regionem giganteo quondam cultu exercitam eximiae magnitudinis saxa veterum bustis ac specubus affixa testantur. … Utrum vero talium rerum auctores post diluvialis inundationis excursum gigantes exstiterint an viri corporis viribus ante alios praediti, parum notitiae traditum79 (Saxo Grammaticus, Prologus, 3).
Seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts häufen sich die Belege für den Glauben, Megalithgräber seien Gräber von Riesen und als solche von ihnen erbaut worden, auch in Urkunden, z. B. „Gigantorum sepulchrum“, eine Bezeichnung, die später in „Hünengrab“ übersetzt und allgemein gebräuchlich wurde (Lisch 1837, S. 11 ff.; siehe S. 110 f.). Diese Vorstellung war dann im frühneuzeitlichen Volksglauben weit verbreitet (Liebers 1986, S. 63 ff.). Deshalb wertet man ihre Spuren in den frühen Erwähnungen archäologischer Funde des 15. bis 17. Jahrhunderts auch gewöhnlich als Zeugnisse der Auseinandersetzung der gelehrten Autoren mit dem sogenannten Volksglauben. Andererseits ist durchaus bekannt, dass es sich um eine orientalische und antike Vorstellung handelt, die Teil der frühneuzeitlichen Gelehrtenkultur war (z. B. JacobFriesen 1928, S. 102; Schnapp 1993[2009], S. 174)80.
79 Dass Dänemark einst von Riesen bewohnt und bebaut worden ist, bezeugen die gewaltig großen Felsen, die sich an den Grabstätten und Höhlen der Alten befinden … Ob aber nach dem Verlauf der Sintflut Riesen die Vollbringer derartiger Dinge gewesen sind oder Menschen, die vor allem anderen mit Körperkraft begabt waren, darüber ist uns zu wenig überliefert (Übersetzung Hermann Jantzen, zit. nach Wollf 2010, S. 68). 80 Kritisch hierzu Klaus Graf (2010, S. 454 ff.).
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Auch die Entstehung von Stonehenge konnte man sich ohne Riesen als Baumeister nicht vorstellen. Gleichzeitig zu Saxo Grammaticus nannte Alexander Neckam Stonehenge „Chorea Gigantum“ (Mennung 1925, S. 24 ff.). Ein weiterer Hinweis auf den Riesenglauben um Stonehenge ist die Legende, dass die Anlage vom Zauberer Merlin errichtet sei. Dieser wird in einem Manuskript des 14. Jahrhunderts als Riese dargestellt (Piggott 1978, S. 8). Übernatürliche Kräfte besaßen für die Menschen des Mittelalters auch die Reliquien der Heiligen (siehe S. 92). Die Heiligengräber sind aber Gräber von Menschen, die durch ihr Martyrium oder besondere Taten geheiligt wurden, anders als die Heroen, denen durch ihre Geburt eine besondere Kraft (Arete) zugeschrieben wurde, oder auch die Riesen.
2.3 Ergebnisse Die meisten Altertümer, von denen wir aus der Antike und dem Mittelalter erfahren, waren Bestandteile der ‚lebenden Kultur‘. Es handelt sich um Herrschaftsmonumente und Ruinen sowie um Objekte aus sakralen und profanen Schätzen. Viele von ihnen besaßen eine religiöse oder symbolhafte sekundäre Bedeutung als öffentliche oder private Erinnerungsträger. Bei der Bewahrung und Überlieferung von Wertgegenständen, Votiven und Götterbildern spielten die Heiligtümer eine entscheidende Rolle. Die zunehmende Säkularisierung führte vom 2. Jahrhundert vor Christus an in Rom zur Entstehung von Privatsammlungen der Herrschenden. Im Mittelalter übernahmen Herrscher- und Kirchenschätze dann ähnliche Funktionen. Vor allem das Mittelalter ist durch die Weiterverwendung antiker Überreste gekennzeichnet. Hierzu gehört auch das Phänomen der Spolien (Beutegut), das sich allerdings schon in römischer Zeit nachweisen lässt, bis hin zu gezielten Imitationen. Von Ausgrabungen zeugen die vielen Belege für die Störung und Zerstörung von Gräbern in ur- und frühgeschichtlicher Zeit, in der Antike und im Mittelalter. Sie entsprangen verschiedenen Motiven wie z. B. dem der Beseitigung von Gräbern aus sakralen Gründen, der Suche nach Reliquien, dem Heroen- und Heiligenkult oder dem Raub von wertvollen Objekten aus dem Grabe. Am Anfang aller wissenschaftlichen Annäherung an Altertümer aber stand die Frage nach ihrer Geschichte. Die griechischen Historiker des 5. Jahrhunderts verwendeten Antiquitäten als historische Quellen unter dem Begriff des Tekmerion, des Zeugnisses zur Überprüfung divergierender Überlieferungen. Sie konnten dafür auf Materialien aus den Heiligtümern zurückgreifen. Ein Hauptthema war für Herodot die Diffusion verschiedenster Art. Dafür definierte er schon eine Denkmälergruppe und interpretierte ihre Verbreitung historisch als Zeugnis eines Feldzuges. Während hier noch die Götter die Geschichte bestimmten, sah Thukydides die bewegende Kraft im menschlichen Verhalten selbst. Archäologische Funde benutzte
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auch er als Tekmeria. Er zog die Verbreitung einer Gräbergruppe zum Beweis der ehemaligen Siedlungsverlegung eines Ethnikums heran und benutzte zur Datierung einen Terminus ante bzw. post quem. Außerdem relativierte er die soziale und historische Interpretationsmöglichkeit von Siedlungsresten. Beide Historiker arbeiteten bei ihren archäologischen Argumentationen mit analogen Vergleichen und formaler Logik, scheiterten aber trotz Bemühens am Bereich der Erfahrung und ihrer Verarbeitung sowie der mangelnden Materialkenntnis und Datierung (von uns aus gesehen arbeiteten sie mit einem unfertigen Instrumentarium). Die spätere Geschichtsschreibung der Antike beruhte eher auf Herodot als auf Thukydides, doch wurde keiner der Pioniere hinsichtlich des methodischen Umgangs mit archäologischen Quellen erreicht. Auch die ersten gesicherten kulturhistorischen Überlegungen gehen bis in diese Zeit der Entwicklung eines säkularen Geschichtsverständnisses in Griechenland zurück. Grundlegend aber waren für die gesamte Antike der seit dieser Zeit belegte geographische Determinismus und die Einteilung der Welt in Barbaren und Nichtbarbaren. Seit Herodot lässt sich das Bemühen um die Beschreibung von kulturellen, wirtschaftlichen und technischen Merkmalen feststellen. Auf dieser Basis entstanden die ersten kulturellen Entwicklungssysteme bei Platon, Aristoteles, Protagoras, Dikaiarchos und Epikur – Letzteres durch den Römer Lukrez überliefert. In römischer Zeit finden wir erstmals monographische antiquarische Arbeiten. In den größtenteils verschollenen Werken des Marcus Terentius Varro standen kulturstrukturelle Fragen wie Mores und Instituta im Vordergrund. Auf Varro geht auch die erste Siedlungsarchäologie einer Landschaft zurück, mit empirischen Prospektionen, der Definition bestimmter Siedlungstypen und der Zuweisung zu den „aborigines“. Für die Weiterentwicklung der Kulturgeschichte wurde allerdings die Germania des Tacitus bestimmend, zumal die Hauptwerke Varros nur durch Zitate erschließbar sind. Merkmalbeschreibungen erreichten ihre größte Präzision in der Architekturabhandlung Vitruvs. Aus dem Mittelalter gibt es nur wenige Quellen für eine gelungene kulturgeschichtliche Einordnung archäologischer Überreste. Die besten Beispiele stammen aus der Karolingerzeit und betreffen römische Funde. Seit den griechischen Naturphilosophen lässt sich verschiedentlich die Erfassung und Erklärung der Umwelt durch empirische Beobachtung und Analogieschlüsse zeigen81. Unter den beschriebenen Phänomenen befanden sich auch Fossilien nach moderner Definition gemischt mit archäologischen Funden wie den Cerauniae (Donnerkeile, in Wirklichkeit Steinwaffen und -geräte). Trotzdem gelang es weder griechi-
81 Im Gegensatz zur Auffassung von Ickerodt (2010, S. 17 f.) gehen die verschiedenen Formen von analogem Vergleichen schon auf die Antike zurück und sind in der Renaissancearchäologie zumindest seit dem 16. Jahrhundert nachweisbar. Im 17. Jahrhundert gewannen sie freilich durch die entstehende Methode des Vergleichs mit überseeischen Phänomenen eine neue Dimension.
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schen noch römischen Gelehrten, die Letzteren als Überreste menschlicher Kulturen zu verorten. Die Erwähnung der „lapides“ als Waffen bei Lukrez weist keine erkennbare Verbindung zu den Funden der Cerauniae auf. Mythische, kosmische und magische Deutungen hielten sich deshalb. Schon bei der Behandlung von Geschichte und Kulturgeschichte wurde die Klassifikation angesprochen. Ihre theoretische Grundlage geht auf Aristoteles’ Kategorienlehre zurück. Die Anwendung auf die Steine, die zu einer Entdeckung der Herstellungsspuren hätte führen können, schlug fehl, da wie in der Kulturgeschichte noch die notwendige Beobachtungsgenauigkeit sowie eine genetische und chemische Betrachtungsweise fehlten. Altertümer generell spielten sowohl in den antiken Kulturen als auch im Mittelalter kaum eine Rolle für die Vorstellungen vom Werden der Welt und der historischen Entwicklung der Menschen. Zu den wenigen Beispielen gehören die angeblichen Reste der Arche Noah bei Josephus (siehe S. 102). Deshalb findet man ausschließlich schematische, mythische Konstrukte. Grundmuster bilden in der Antike Zeitalter als Stufenmodelle oder zyklische Modelle mit innerer Stufenabfolge. Katastrophen beendeten die Zeitalter. Die Idee vom Untergang und neuer Schöpfung steht neben der des Überlebens einiger Auserwählter. Daneben findet man mythische Genealogien. Diese Elemente sind auch in der Genesis und im Weltaltertraum Daniels im Alten Testament vertreten. Die Wertung ist gegenläufig: Dem moralischen Abstieg vom Paradies oder goldenen Zeitalter zur Gegenwart steht die Verarbeitung empirischer Beobachtungen eines kulturellen Fortschritts entgegen. Lukrez kannte eine Abfolge des Waffenmaterials, aber nur das bronzene Zeitalter als Heroenzeit wurde mehrfach auch archäologisch begründet, die Eisenzeit als Gegenwart reflektiert. Die Kirchenväter schufen eine teleologische Geschichtstheologie aufgrund von biblischen Gleichnissen und Zahlensymbolik, die sich das ganze Mittelalter hindurch hielt und als Offenbarung galt. Daneben spielten weiterhin herrschaftliche genealogische Geschichtskonstrukte eines biblischen oder antik-prominenten Stammbaums eine große Rolle, verbunden mit Wanderungen und Landnahmen. Der Glaube an die Macht von Gottheiten und übernatürlichen Kräften und die Möglichkeit ihrer Beeinflussung durch Magie prägte in der Antike nicht nur die Religiosität, sondern auch das Verhältnis zur Vergangenheit und Zukunft, die Philosophie und die Naturwissenschaft. Er stand der Erkenntnis älterer menschlicher Kulturen grundsätzlich im Wege. Prähistorische Steingeräte, die zu den Fossilien gerechnet wurden, galten als Produkte unerklärter Naturerscheinungen, wie der Blitze, des Donners und kosmischer Kräfte, und davon abgeleitet als Zaubermittel, nicht aber als Zeugnisse der Geschichte. Wo die Welt unbekannt wurde, stellte man sie sich von Fabel- und Wunderwesen belebt vor: an ihren geographischen Rändern und in der mythischen Vergangenheit. So wurden archäologische Monumente zu Zeugen für vorausgegangene Weltalter und frühere Schöpfungen, für die Riesen verschiedener Art und die Heroen. In der christlichen Spätantike und im Mittelalter suchte man Grabfunde und ihre Beigaben dann
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als Reliquien von Heiligen und schrieb ihnen Wunderkräfte zu. Vom 12. Jahrhundert an mehren sich in historischen Quellen Belege für die Ansicht, die Megalithbauten seien Zeugnisse von Riesen. Alle diese Motive findet man in der Frühen Neuzeit auch in der Volksüberlieferung. Zusammenfassend kann man sagen, dass für die geringe Rezeption älterer archäo logischer Funde in Antike und Mittelalter die mythischen Denkmuster oder Episteme dieser Epochen verantwortlich waren (siehe S. 97). Vereinzelte Ausbrüche aus dieser Umklammerung konnten sich nicht durchsetzen, weil Kenntnisse und Beweise fehlten, die das gängige Weltbild gesprengt hätten. Dazu kam ein noch nicht ausgebildetes Verständnis für kulturelle Entwicklung, obwohl Ansätze in der Antike zeitweilig vorhanden waren. Ebenfalls finden sich methodische Ansätze zu historischen Interpretationen archäologischer Funde aufgrund der Epigraphik und der Fundverbreitungen. Gerade die Bemühungen der griechischen Historiker des 5. Jahrhunderts vor Christus zeigen, welche Bedeutung die Tekmeria für die Kritik an den traditionellen Denkmustern potentiell besaßen. Für die meisten Menschen der Antike aber begann die Geschichte frühestens bei der Gründung der eigenen Stadt. Für die Juden und Christen war die Entwicklung der Menschheitsgeschichte in ihren frühen Phasen durch die Bibel festgelegt und bedurfte deshalb keiner Hinterfragung. Auch die Faktoren, die Welt und Geschichte bewegten, waren durch die Bibel erklärt, so dass auch für die Erforschung der jüngeren Vergangenheit wenig Raum blieb. Quellen für die Verbindung archäologischer Funde mit Riesen und kosmischen Kräften mehren sich seit dem 12. Jahrhundert und akkumulieren im Spätmittelalter und in der Renaissance und sind als ein Zeugnis der Verarbeitung antiker Mythen zu werten.
2.4 Der Übergang in eine neue Zeit Das Spätmittelalter wird oft als ein Zeitalter der Krise charakterisiert. Diese Einschätzung der Epoche wird trotz der historiographischen und paradigmatischen Korrekturen seit Johan Huizinga (1919) und Wilhelm Abel (1978) vor allem für das 14., gelegentlich auch für das 15. Jahrhundert immer noch vertreten, aber auch kritisiert (Seibt 1984, S. 7 ff.; Dirlmeier/Fouquet/Fuhrmann 2003, S. 3, S. 158 ff., S. 238; Geuenich 2001, S. 167 ff.). Ein sicher großes Problem war eine unbestrittene Klimakatastrophe: Der Rückgang der Temperaturen, der seinen Kulminationspunkt in der kleinen Eiszeit des 16.–18. Jahrhunderts erreichte (Glaser 2001, S. 66, S. 89, S. 163), führte bekanntlich schon im 14. Jahrhundert zu Hungersnöten und dem Massensterben durch die großen Pestzüge, die sich dann zyklisch bis an den Beginn des 18. Jahrhunderts wiederholten (Bergdolt 2006, S. 79 ff; Cohn 2007, S. 69 ff; 2010). Unter den vielen Erscheinungen, die den Beginn der Neuzeit markieren sollen, findet sich auch die unmittelbare, kollektive Todesbedrohung der Mitte des 14. Jahrhunderts (Friedell 1927–1931, S. 96; zustimmend Bergdolt 2006, S. 50 ff.). Der Kampf um die Überwindung dieser Krise
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mag die Suche nach neuen Lebensformen erklären, die man zunächst im Altertum zu finden hoffte. Er beschleunigte sicher die Entwicklung der Medizin, was sich u. a. in einer Fülle von Traktaten über die Pest niederschlägt. Auch Michele Mercati, den man als Vater der Prähistorischen Archäologie bezeichnen muss, gehörte zu den Autoren (Accordi 1980, S. 3; siehe S. 143 f.). Wenn man von dieser Katastrophentheorie absieht, kann man aber feststellen, dass die Wurzeln einer Reihe der typischen Renaissance-Merkmale, unter anderem die Wertschätzung der Antike, schon in den vorangegangenen ‚mittelalterlichen‘ Jahrhunderten nachweisbar sind. Insofern könnte die Klima- und Seuchenkatastrophe eine Entwicklung beschleunigt haben, die sowieso schon im Gange war. Man hat deshalb entweder auf einen kontinuierlichen Übergang der Epochen oder sogar auf eine geringere Bedeutung dieser Wende oder auf ihren früheren oder späteren Beginn geschlossen (siehe S. 47 f.). Die Skepsis verstärkte sich in den zwanziger Jahren durch die Diskussion über eine Kontinuität zwischen Antike und Mittelalter. Beiden mittelalterlichen ‚Renaissancen‘ ist der Rückgriff auf antike Vorbilder gemeinsam. So schwand das Bild des antikefeindlichen, dunklen Mittelalters, das auf die geistigen Schöpfer der Renaissance zurückgeht (siehe S. 135). Das 12. und das 13. Jahrhundert brachten in der Tat eine Reihe von Neuerungen, die aus übergeordneter Perspektive den Beginn der Entwicklung zur Neuzeit markieren, wenn sie auch noch nicht alle später vorhandenen Merkmale aufweisen. Seit der Zeit der Staufer in Italien lässt sich ein Ansteigen eines regelrechten Studiums antiker Kunst zeigen. Sein Motiv war zunächst ausschließlich die Suche nach antiken Vorbildern oder nach Spolien, aber offenbar wurden auch Merkmale antiker Kunst studiert und künstlerisch umgesetzt. Ein historisches Interesse an der antiken Kultur wird für diese Zeit aber noch nicht deutlich (Settis 2010, S. 134). Die Nachahmung antiker Kunst, die seit der Stauferzeit in Italien nachweisbar ist, mag so den Boden für die Entstehung der Archäologischen Wissenschaften vorbereitet haben, trug aber noch keinen wissenschaftlichen Charakter. Die Städte hatten während des Hoch- und frühen Spätmittelalters in einigen Gebieten Europas so sehr an Bedeutung gewonnen, dass sie sowohl wirtschaftlich und sozial als auch geistig zu Trägern einer neuen säkularen Bildungsbewegung werden konnten und somit einen bedeutenden Kontinuitäts- und gleichzeitig Innovationsfaktor darstellten. Auch die Innovationsräume für diese Entwicklung bildeten sich seit dem 12. Jahrhundert heraus: Oberitalien, Paris mit dem nordfranzösischflämisch-niederländischen Raum, das südliche Rhonetal und Burgund, die Schweiz, Süddeutschland und Böhmen. Vor allem in Oberitalien und in den südlichen Niederlanden finden wir zugleich auch die höchsten städtischen Einwohnerzahlen (Ennen 1972, S. 200 ff.) Die seit dem 12. Jahrhundert erst vereinzelt, dann aber in einigen Gebieten wie Oberitalien in einem immer dichteren Netz entstehenden Universitäten gingen mit der Aufnahme aristotelischer Methoden einher, aus denen die sogenannte Scholastik entstand (siehe S. 116, S. 254).
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Die frühen Universitäten konzentrieren sich in Italien, vereinzelte und wichtige dieser Bildungseinrichtungen wie die Universitäten von Paris, Oxford, Cambridge und Salamanca waren jedoch auch anderswo schon ganz früh vorhanden. Frankreich, England und Spanien standen also an zweiter Stelle, dann erst folgte im 14. Jahrhundert Mitteleuropa mit vereinzelten Gründungen, um erst im 15. und dann vor allem im 16. Jahrhundert aufzuholen (Verger 1993, S. 72 ff.; Frijoff 1996, S. 86). Die Bildung, die bis dahin eine Domäne der Klöster war, trägt nun urbanen Charakter und ist mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der städtischen Zentren und auch mit der Aufnahme praktischen Wissens in den Kanon vermittelter Kenntnisse verbunden: Stadt und Universität gehören von Anfang an zusammen (Kintzinger 2003, S. 125 ff.; Kintzinger 2010, S. 396 ff.). Die Händler brauchten die Buchführung und überregionale Maße für ihre Kontore, das aufblühende Handwerk normierte Messmethoden und entwickelte Produktionstechniken und die städtische Verwaltung Juristen (Ennen 1972, S. 217 f.; Knittler 2000, S. 151 ff.; Kintzinger 2003, S. 128). Auch deshalb kann man in der ,Renaissance‘ des 12. Jahrhunderts und in ihrer Fortsetzung im 13. Jahrhundert den Keim zur Auflösung der mittelalterlichen sakralen und durch persönliche Bindungen bestimmten Strukturen sehen. Fachleute ersetzten Dienstleute, praxisbezogenes Wissen kirchliche Dogmen. Auf staatlicher Ebene führte diese Bildungsbewegung zu einer erheblichen Rationalisierung der Verwaltung vom 13. zum 14. Jahrhundert und langfristig zur Auflösung des Feudalismus als Herrschaftsstruktur (Moraw 1983, S. 1). Auch das Geschichtsbild wandelte sich schon im 14. Jahrhundert. Die Gewissheit des nahen Weltendes begann, dem Gefühl einer neuen Zeit und Zukunft zu weichen. Bei Francesco Petrarca wird mit dem Begriff „tenebre“ zuerst die Vorstellung einer dunklen, auf Dekadenz beruhenden Zwischenzeit zwischen der Antike und der Gegenwart fassbar – die Vorform unseres Mittelalterbegriffs und des Bildes der Dark Ages (Mommsen 1942, S. 174 ff.; Buck 1969a, S. 4 ff.; Schlobach 1980, S. 109; Mertens 1992, S. 32 ff.). Es waren die Vorformen dieser auf Grund der geschichtlichen Entwicklung selbst, wenn auch unter Einfluss der zyklischen Weltalter der klassischen Philosophie geschaffene Einteilung in Antike, Mittelalter und Neuzeit, in deren Rahmen erst das wissenschaftliche Denken in historischer Tiefe möglich wurde (Grundmann 1934, S. 427).
3 Die Renaissance-Archäologie – von den italienischen Anfängen im 15. Jahrhundert bis zur Einrichtung des ersten nationalen Antiquarsamtes (Schweden 1630) Wenn man nach den Anfängen einer kontinuierlichen Entwicklung archäologischer Wissenschaft in Europa sucht, so kommt man an den breiten Grenzgürtel von Mittelalter und Renaissance. Dass sich in der Zeit zwischen dem 12. und dem 19. Jahrhundert in vielen Bereichen entscheidende Veränderungen vollzogen haben, ist allgemeiner Konsens (siehe auch S. 133 ff.). Wann, wo, auf welchen Feldern und mit welchen Merkmalen sie stattfand, ist jedoch seit der Mitte des 19. Jahrhunderts umstritten, als Jules Michelet die eigentliche Wende in Frankreich in das 16. Jahrhundert setzte, sie „Renaissance“ und „Revolution“ nannte und als eine kurze Epoche der Erneuerung verstand (Michelet 1855, S. 11, S. 340 ff.). Die meisten der in der Forschung immer wieder diskutierten Merkmale, die mit der Renaissance verbunden werden, prägte Jacob Burckhardt in seinem epochalen Werk, sie finden sich aber auch schon bei Julet Michelet (Michelet 1855; Burckhardt 1866[1966]): Der säkulare Staat, die Bedeutung des Individuums, der Rückgriff auf die Antike, die Entdeckung der Welt und des Menschen, der perfekte Gesellschaftsmensch bzw. Höfling, der Gentiluomo, und die Krise des Glaubens. In der Forschung werden diese Merkmale unterschiedlich gewichtet, haben aber ihre Bedeutung nicht verloren (Huizinga 1920[1940], S. 231 ff.; Cassirer 1943[1969], S. 221; Buck 1957, S. 23; Buck 1969a, S. 17 ff.; Kristeller 1980[1990]; Burke 1987; Burke 1998, S. 13 ff., S. 37; Reinhardt 2002, S. 7 ff.; Muhlack 2001; Helmrath 2002; Kessler 2008, S. 7 ff.; Burke 2014). Bis auf den Rückgriff auf die Antike, der für die Entstehung der Archäologischen Wissenschaften zentral ist, tangieren diese Merkmale unser Thema nur sekundär, prägen und erklären aber das Umfeld. Zu Unrecht spielt die einsetzende Säkularisierung des Wissens in den Epochendiskussionen eine geringere Rolle. Sie ist jedoch für die Entstehung der Archäologien genauso wichtig wie die Antikenbegeisterung. Mit ihr hängt der bedeutende Ausbau der Universitäten und der Gelehrtenkultur zusammen. Der Prozess der Verbreitung dieser einzelnen Erscheinungen im Detail ist in den letzten 20 Jahren immer mehr zum Forschungsthema geworden (Burke 1998, S. 18 ff., S. 70 ff.; Mertens 1998, S. 192 ff.; Helmrath/Muhlack/Walther 2002). Einerseits wird das Neue der Renaissance schon bald nach Jacob Burckhardt nicht mehr so revolutionär gesehen. Andererseits zeigen auch andere europäische Gebiete seit dem 12. Jahrhundert Veränderungen, die zu einer Auflösung der mittelalterlichen Strukturen führten (Burke 1998, S. 71 ff.; siehe S. 135). Der intensive Kontakt zur arabischen und zur byzantinischen Kultur privilegierte aber den Süden Europas für diese Entwicklung. Traditionsgemäß sieht man deshalb
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das Zentrum des geschilderten kulturellen Aufbruchs in Sizilien und davon ausstrahlend in Mittel- und Norditalien. Für uns ist vor allem die Entwicklung der Universitäten (siehe S. 116) und der humanistischen Bildung richtungsweisend. „Der deutsche Renaissance-Humanismus wurzelt im italienischen“ (Mertens 1998, S. 187, S. 193). Mit diesem Satz war das Bildungsideal des Humanismus in der Definition von Paul Kristeller gemeint, zu dem auch die Geschichtsschreibung gehört, weniger aber nach traditioneller Auffassung die Archäologien (siehe S. 355). Gilt diese Aussage auch für die Anfänge der Archäologischen Wissenschaften oder spielen hier regionale Entwicklungen eine größere Rolle, z. B. bedingt durch die spezifischen Funde oder andere Fragestellungen? Nahe liegt eine Übernahme aus dem Süden für die Klassische Archäologie (Schnapp 1993[2009]). Im Folgenden soll dieses Problem aber auch für die archäologischen Methoden und Fragestellungen überhaupt und die Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie untersucht werden.
3.1 Das politische, soziale und institutionelle Umfeld der Renaissance-Archäologen Dem methodischen Konzept dieser Arbeit entsprechend werden zunächst die politischen, institutionellen und sozialen Rahmenbedingungen behandelt, in denen sich die Anfänge archäologischer Forschung entwickeln konnten (siehe 1.6). Es geht darum, exogene Faktoren für das wissenschaftliche Arbeiten und die Verbreitung von Methoden und Erkenntnissen kennen zu lernen: Die soziale Herkunft der Wissenschaftler, ihre Ausbildung, ihre Ämter und Dienstherren, ihre Kontakte untereinander und die Organisation dieser Kontakte, die institutionellen Formen, in denen archäologisch gearbeitet werden konnte und ihre oft schmerzhafte Verstrickung in Zeitprobleme und Politik. Noch war dieser Rahmen nicht archäologisch geprägt. Unsere angehenden Archäologen arbeiteten alle in ‚fachfremden‘ Bereichen, doch es kristallisieren sich bestimmte Schwerpunkte heraus, sowohl was die Herkunft als auch die Ausbildung und die Haupttätigkeiten betrifft. So entstanden sehr verschiedene, intern gleichgesinnte und zielstrebig zusammenarbeitende Forschergruppen. Außerdem haben die politischen Kräfte von Anfang an versucht, in diese Entwicklung einzugreifen und sie auch ideologisch zu lenken und von ihr zu profitieren.
3.1.1 Der wissenschaftliche Schauplatz Italien Die Zersplitterung Italiens in zahlreiche politisch, wirtschaftlich und kulturell konkurrierende Stadt- und Kleinstaaten, von denen der Kirchenstaat, das Königreich Neapel, Mailand, Florenz und Venedig Großmächte darstellten (Reinhardt 2002, S. 17), begünstigte das Entstehen einer Elite, für deren Legitimation der Rückgriff auf
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die Antike zum Programm wurde (Walther 1998, S. 363 f.). Für die am nördlichen Mittelmeerrand lebenden Völker war die eigene antike Vergangenheit römisch oder griechisch. Ganz natürlich sah die Elite ihre Wurzeln in der Klassischen Antike. Stadtpolitiker des 13. und 14. Jahrhunderts gehören deshalb zu den Pionieren der Altertumsforschung. Wie schon vor ihnen die Staufer suchten sie allerdings noch ausschließlich das antike Vorbild ohne nachweisbare wissenschaftliche Ambitionen. Zentren dieser frühen humanistischen Bewegung waren Rom, Padua und Verona (Rumpf 1953, S. 38; Weiss 1969, Schnapp 1993, S. 106; Gramaccini 1996, S. 101). Durch die Verlegung der Papstresidenz von Rom nach Avignon (1308–1377 und die anschließende Schismazeit) kam dieses Gedankengut schon in seinen Anfängen auch ins Rhonetal, in dessen Nähe auf dem Mont Ventoux Francesco Petrarca sein berühmtes Naturerlebnis hatte (Burckhardt 1866 [1966], S. 278), das als einer der auslösenden Momente der Renaissance gilt. Auch für die ersten Ansätze einer historischen Bewertung von Altertümern kommt Petrarca große Bedeutung zu (siehe S. 296). Der Erste, von dem bekannt ist, dass er systematisch antike Denkmäler sammelte und auch bildlich darstellte, war der Kaufmann Pizzicolli, bekannt unter dem Namen Kyriacus Anconitanus (Ciriaco d’Ancona) (Benedetto 1998, S. 18 f.). Er bereiste zwischen 1435 und 1448 verschiedene Länder des Mittelmeers, vor allem Griechenland vor der Eroberung durch die Türken (Rumpf 1953, S. 39; Piggott 1978, S. 19, Abb. 10; Schmitt 1989, S. 1 ff.). Die meisten Informationen über Ciriaco verdanken wir einem Bewundererkreis um Verona, Padua und Mantua, der gegen 1465–66 auch für seine Lebensbeschreibung sorgte82. Sein archäologisches Interesse war offenbar durch einen Aufenthalt in Rom 1424 und durch den Einfluss des Venezianers Gabriele Condulmer ausgelöst worden, des späteren Papstes Eugen IV. Dienst und Nähe zu den Herrschern bildeten eine wichtige Voraussetzung für archäologisch-historische Tätigkeit. Nur wenige Gelehrte blieben unabhängig wie Ciriaco. Insofern wurden die weltlichen und geistlichen Fürstenhöfe zu den ersten Zentren, an denen sich die Archäologie entwickeln konnte, zumal die Herrscher selbst oft großes Interesse zeigten und entsprechende Gelehrte und Künstler zusammenführten. Eine ganz besondere Bedeutung kommt der päpstlichen Kanzlei zu. Für Flavius Blondus und Leon Battista Alberti wurden zwei Päpste als Dienstherren entscheidend: Der schon erwähnte Gabriele Condulmer (Eugen IV.) und der Sieneser Enea Silvio Piccolomini (Pius II.). Beide förderten die Altertumsforschung, Piccolomini war selbst ein bedeutender Humanist (siehe S. 156 f.). Flavius Blondus, wie sein Vater Jurist und Notar, befand sich schon seit 1432 in päpstlichen Diensten. Seit 1434 arbeitete er mit Ausnahme seines Exils 1448–1453 in der päpstlichen Kanzlei. Zu seiner Zeit existierte im Vatikan noch kein spezielles historisches oder antiquarisches Amt. Piccolomini studierte aber Blondus’ Schriften, die ihm zu einem Teil gewidmet waren, und schätzte sie so sehr, dass er Kurzfassungen von ihnen schrieb. Seit Paul
82 Felice Feliciano, autographische Handschrift in Treviso, Bibl. Capitolare Ms. I, 138, fol. 205–206v.
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Joachimsen (1910, S. 24) bezeichnet man Blondus als einen der Vordenker frühneuzeitlicher historischer und antiquarischer Wissenschaft (Clavuot 1990, S. 16 ff.; Müller 2001, S. 237 ff., S. 462 ff.; Clavuot 2002, S. 76; Muhlack 2002b, S. 149). Blondus hielt außerdem Kontakt zu den Herrschern der italienischen Kleinstaaten sowie zum aragonesischen König von Neapel Alfonso I. Für letzteren schrieb er während seines Exils eines seiner Hauptwerke, die Italia illustrata (Clavuot 1990, S. 10). Der Jurist Alberti trat 1434 als Abbreviator in die päpstliche Kanzlei ein und wurde so unmittelbarer Kollege von Blondus. Zahlreiche Außendienste machten diesem ,uomo universale‘ jedoch die Beschäftigung mit vielem anderen, darunter der Mathematik, Architektur und praktischen Archäologie möglich (Kessler 2008, S. 42 ff.). Schon kurz nach Blondus’ Tod 1463 trifft man archäologische Sachverhalte in der privaten, humanistisch-akademischen Lehre. Diese entfaltete große Wirkung: Pomponius Laetus unterrichtete im Rahmen seiner 1464 in Rom gegründeten Akademie Altertumskunde, zu der bei ihm auch das Sammeln und Lesen von Inschriften gehörte (Weiss 1969, S. 76; DNP 13, Stichwort „Akademie“, S. 2 [S. Rebenich]). Wieweit diese Lehrinhalte durch die aufkommenden humanistischen und altphilologisch-althistorischen Studien der humanistischen Universitätslehrer schon im 15. Jahrhundert in die Universitätslehre eindrangen, ist schwer zu entscheiden (Burckardt 1866[1966] 194; Berghaus 1983, S. 132 f.; Sichtermann 1996, S. 54 ff.; Grendler 2002, S. 214 ff.). Im 16. Jahrhundert beschäftigten sich jedenfalls auch bedeutende Universitätslehrer wie der Jurist Andrea Alciato mit Inschriften (Stenhouse 2005, S. 28). Eine besondere Rolle spielte der Dominikanermönch Giovanni Nanni, genannt Annius von Viterbo. Wegen seiner Fälschungen wird die Bedeutung der Wirkung des Annius für die Entstehung der Archäologischen Wissenschaften, vor allem denen außerhalb Italiens, weit unterschätzt. Sein Geburtsjahr war vermutlich 1437. Er verbrachte Kindheit und Noviziat in seiner Heimatstadt Viterbo, seine Studienjahre bis zum Erwerb des Titels eines Magister Theologiae in Florenz. Zwischen 1471 und 1489 lebte er als Mönch, Prediger und Gelehrter in genuesischen Dominikanerkonventen (Fumagalli 1980, S. 168). Im Jahre 1489 musste er Genua verlassen. Bis 1498 hielt er sich wohl überwiegend in Viterbo auf und ab 1498 bis zu seinem Ende in Rom, wo er auch bestattet ist. Annius mischte sich schon in seiner Genueser Zeit in die große Politik ein. So fiel in diese Jahre sein durch astrologische Wahrsagungen unterstützter, vor allem an Papst Sixtus IV. und den König von Neapel gerichteter Aufruf zum Kreuzzug gegen die Türken mit einer Siegesprophezeiung. Diese Schrift, die Sixtus auch gewidmet war, wurde ab 1480 mehrfach gedruckt (Pastor 1925, S. 562 ff.)83. Der Papst starb aber schon 1484. In Genua gehörte Annius außerdem zur Klientel des Oberhauptes der päpstlichen Partei, des Erzbischofs und zeitweilig auch Dogen der
83 Gesamtkatalog der Wiegendrucke Nr. 2017-Nr. 2024, darunter auch die Druckorte Leipzig und Nürnberg. Zum Leben des Annius, seinen Schriften und ihrer Rezeption im 18. Jahrhundert siehe Quétif/Echard 1717–1721, Stichwort: F. Joannes Annius.
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Stadt, der Genua im August 1488 verlassen musste und auch später in Mantua und Viterbo die Exilorte des Annius teilte (Weiss 1962b, S. 429 f.). Hieraus könnte man schließen, dass dieser schon zumindest seit 1480 zur päpstlichen Partei gehörte und deshalb rein politische Gründe für die Rückkehr in seine im Kirchenstaat gelegene Heimatstadt Viterbo zum Zeitpunkt des Machtverlustes der päpstlichen Partei in Genua verantwortlich machen. Es gibt für Annius’ Flucht aus Genua aber noch einen theologischen Grund, nämlich den Streit um die unbefleckte Empfängnis der Maria. Die Dominikaner, zu denen Annius gehörte, hatten sich als Makulisten profiliert, während die Franziskaner als Immakulisten die unbefleckte Empfängnis vertraten. Papst Sixtus IV. stand als Franziskaner auf immakulistischer Seite und hatte 1477 die Verehrung der Immaculata eingeführt. Dennoch verhärteten sich die Fronten weiter, und die Dominikaner blieben bei ihrer entschieden ablehnenden Haltung und bereiteten den Ordensbrüdern Schwierigkeiten, die sich zur päpstlichen Lehre bekehrten und entsprechend predigten (Dessì 1991, S. 266 ff., S. 284 ff.). Annius gehörte zu den wenigen ‚untreuen‘ Dominikanern und musste deshalb seinen Konvent in Genua verlassen. Dokumente dieser Auseinandersetzung von höchster kirchenpolitischer Brisanz haben sich erhalten (Fumagalli 1980, besonders S. 181–184). Aus ihnen geht klar hervor, dass Nanni ein Marienwunder benutzte, um diese Wendung plausibel zu machen: Er sei von einer tödlichen Krankheit geheilt worden, da er der Jungfrau Maria geschworen habe, seine Meinung bezüglich ihrer Empfängnis bis Jahresende zu widerrufen: „Cum nudiustertius egritudo mortalis ad necem me fere perduxisset, Beate Virgini Marie hoc devovi, ante finem anni me revocaturum oppinionem contra suum conceptum habitam …“ (Fumagalli 1980, S. 184). In den Dokumenten wird ausdrücklich die zukünftige Verbreitung der Lehre durch Predigt und die nun mit der heiligen katholischen Kirche hergestellte Konformität betont (Fumagalli 1980, S. 184, S. 186). Annius’ Marienwunder stellte jedenfalls in seinem Lebenslauf eine Kehrtwendung von einer kritischen Theologie in eine papstkonforme Richtung dar, die politisch ja schon eingeschlagen war. Nicht unwichtig für den zukünftigen Quellenfälscher Annius waren dabei sicher die scholastischen Argumente seines Ordens, die darauf beruhten, dass es für die Unbeflecktheit der Maria keinen Beleg in den Schriften gebe. Deshalb musste Annius ein Wunder bemühen und sich für die Offenbarung und gegen die Wissenschaft entscheiden (Dessì 1991, S. 274; Horst 2009, S. 25). Der Zeitpunkt aber könnte tatsächlich mit der Vertreibung seines Gönners aus Genua zusammen hängen84. Vor allem den Jahren nach diesem Ereignis scheint seine ungeheure historischantiquarische Produktivität anzugehören, die in der Drucklegung seiner Antiquitates im Jahre 1498 gipfelte. Als Papst Alexander VI. sich Ende 1493 in Viterbo aufhielt, kam es zu einem Kontakt zwischen den beiden Kirchenmännern. Im Februar 1499
84 Damit ist die Nachricht, das Wunder habe erst 1498 in Rom stattgefunden (Weiss 1962b, S. 435), zu vernachlässigen (Fumagalli 1980, S. 192, Anm. 75).
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ernannte ihn der Papst dann zum Magister sacri palatii, zu seinem Palasttheologen (Weiss 1962b, S. 435 f.; Fumagalli 1980, S. 168; Grafton 1991, S. 84; Wifstrand Schiebe 1992, S. 7 f.; Grimm 2007, S. 82 ff.)85. Auch Giovanni Nanni war also noch nicht im Besitz eines historischen oder antiquarischen Amtes, er scheint aber den Papst darum gebeten zu haben, ihn zum „Conservatore delle antiquità del Viterbese“ zu machen – doch ist es dazu nicht gekommen. Er konnte sein gut dotiertes Amt aber nicht lange ausüben, denn er starb, vielleicht gewaltsam, schon 1502, ein Jahr vor Papst Alexander VI. (Weiss 1962b, S. 436). In einer Reihe von Arbeiten zu Annius von Viterbo ist sein Erfolg bei Alexander VI. seiner genealogischen Urgeschichte der spanischen Borgia-Dynastie in den Antiqui tates zugeschrieben worden. Die Tatsache, dass Annius das Amt des Palasttheologen erhielt, spricht jedoch eher für eine Anerkennung seiner theologischen Verdienste in der Marienfrage sowie seiner schon auf die Zeit Sixtus IV. zurückgehenden politischen Gefolgschaftstreue. Der Origo der Borgias kommt aber sicher eine ideologische Bedeutung zu. Pinturicchio hat sie auf den Deckengemälden der Borgia-Zimmer des Vatikan dargestellt, vermutlich unter Beratung durch Annius (Weiss 1962b, S. 434; Stephens 1984, S. 321 f.; Grimm 2007, S. 103; Curran 2007, S. 107 ff.). Alexander VI. interessierte sich jedoch genauso wie seine päpstlichen Vorgänger und Nachfolger für das Altertum. Er ist z. B. nicht nur durch seine Verbindung zu Annius von Viterbo in die archäologische Forschungsgeschichte eingegangen, sondern auch durch eine schärfere administrative Kontrolle der Grabungen in Rom (Lanciani 1902, S. 70). Neben den historisch arbeitenden Juristen und Theologen finden wir seit der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts mit der praktischen Archäologie vor allem Architekten und Künstler beschäftigt. Sie wechselten häufiger ihre Auftraggeber, zu denen neben der Kirche die verschiedenen Herrscherfamilien gehörten. Ihre Interessen waren auch mathematisch ausgerichtet, was der frühen Entwicklung der Vermes-
85 Über die Art dieses Amtes herrscht in der Literatur zu Annius offenbar Unklarheit. So wird er auch fälschlich als päpstlicher Bibliothekar bezeichnet (Müller 2010a, S. 260, Anm. 97). Der Magister sacri palatii ist jedoch ein hohes theologisches, zumeist dominikanisches Amt. Zu den Aufgaben des Magisters gehörte die Leitung der Palastschule. Das IV. Laterankonzil 1215 hatte für den Unterricht an allen Dom- und Stiftskirchen einen einem Bettelorden angehörenden Prediger bestimmt (Neidiger 2011, S. 11). Die Anfänge einer professionell geleiteten päpstlichen Palastschule (studium curiae) lassen sich für Innozenz IV. Mitte des 13. Jahrhunderts sichern. Das Amt des Magister sacri palatii gewann aber erst im 15. Jahrhundert unter Eugen IV. und seinen Nachfolgern seine große Bedeutung. Seit 1439 mussten alle Predigten, die vor dem Papst gehalten werden sollten, und alle theologischen Examina in Rom von Amtsinhaber gebilligt werden (Creytens 1942, S. 78 f.). Der Magister musste sogar darauf achten, ob die gehaltene Predigt dem ihm vorher vorgelegten Text entsprach, und die Orthodoxie der Kurienmitglieder überwachen (Creytens 1942, S. 81). Er stand unter den Ämtern des Ordens an hoher Stelle nach dem General, Ex-General und Vikargeneral und bot die höchsten Aufstiegschancen sowohl in der kirchlichen als auch in der Ordenshierarchie (The Catholic Encyclopedia X, 1913, S. 39 f. [Reginald Walsh]); Lexikon des Mittelalters VI, 1993, S. 90 [M Hayez]).
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sungsmethoden zugute kam. Sie regten sich offenbar gegenseitig an. So ergibt sich z. B. ein enger persönlicher Kontakt zwischen Leon Battista Alberti, Luca Pacioli und Leonardo da Vinci (Pacioli 1509[1889], S. 317). Eine Offenbarung stellte die Entdeckung einiger in der Antike beim Bau der Trajansthermen zugeschütteter und überbauter Räume der riesigen Domus Aurea dar. Dieser Palast Kaiser Neros umfasste einen Teil des Palatins, des Esquilins und des Caelius sowie das Gelände des späteren Kolosseums, wo sich ein künstlicher See befand. Sein Zentrum lag auf dem zum Esquilin gehörenden Oppiushügel. In den zugeschütteten, Räumen unter den Trajansthermen, die ein unterirdisches Höhlensystem bildeten, haben sich unter anderem farbige Fresken erhalten, die Grotesken (nach grotta, Höhle). Sie müssen vor 1490, vielleicht sogar vor 1479 entdeckt worden sein, denn danach zeigen sich die ersten Einflüsse in der Malerei z. B. bei Pinturicchio und in der Architektur wie die Grotte als Sammlungsraum für die wertvollsten Stücke der Isabella d’Este (Dacos 1969, S. 9 ff., S. 54; La Malfa 2000, S. 262 ff.; Cohen 2003, S. 347 ff.). 1506 wurde die berühmte Laokoongruppe gefunden, die ebenfalls aus dem Bereich des Palastes oder eines der früheren oder späteren Gebäude in seinem näheren Umkreis stammt – „in subterranea crypta iuxta septem salas“ (Lanciani 1902, S. 139 f.). Man hat immer wieder angenommen, dass diese „crypta“ ein Saal des Neropalastes gewesen ist, ohne zu einem eindeutigen Ergebnis zu kommen (Dacos 1969, S. 12). Neuere Grabungen haben aber gezeigt, dass in der Umgebung der Zisternen der Badeanlage Trajans an verschiedenen Stellen Mauern der Domus Aurea wiederverwendet worden und durch spätere Gebäude gestört worden sind (Fine Licht 1990, S. 10 ff.). Insofern ist diese Vermutung nicht sicher bestätigt. Die neuen Funde beeinflussten nicht nur die Kunst, sondern stärkten auch das Bewusstsein für die Schätze im Boden Roms und ihren hohen materiellen Wert. Julius’ Nachfolger Leo X. – Giovanni de’ Medici – übertrug die Verantwortung für das Studium und den Schutz der antiken Bauten Raffaello Sanzio (Raffael), den er 1515 zum Commissario delle antichità machte. Raffael erhielt so das erste ausdrücklich archäologische Amt (Lanciani 1902, S. S. 166). Der Krieg Kaiser Karls V. und König Franz’ I. von Frankreich um Oberitalien seit 1519 gilt als ein Endpunkt für den geistigen Aufbruch der Früh- und Hochrenaissance. Zum traumatischen Ereignis dieses Krieges wurde der Sacco di Roma, die Plünderung Roms durch die Truppen Karls V. von 1527. Er stellte jedoch die italienische Leitkultur für Europa noch nicht in Frage; ganz im Gegenteil förderte er ihre Ausbreitung und eigene Verarbeitung. Wenn auch schon im ausgehenden 15. Jahrhundert in anderen europäischen Gebieten Italien mit Macht nachgeeifert wurde und die humanistische Bewegung dort ihre eigene Dynamik zu entfalten begann, so behielt die italienische Bildung immer noch ihre Vorrangstellung. Das gilt vor allem für die rasante Entwicklung der späteren naturwissenschaft lichen Arbeitsfelder, bei der die Universitäten eine große Rolle spielten (Grendler 2002, S. 324 ff.). Ihre Träger waren Doktoren und Professoren der Medizin oder Ärzte
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der Elite mit einem engen Kontakt zur Universitätswissenschaft86. Wenn sie sich in fürstlichen Diensten befanden, nahmen sie auch an den gelehrten Zirkeln teil, in denen auch altertumskundliche Themen diskutiert wurden. Durch die hohe Mobilität von Schülern und Professoren kam es zu einem intensiven Austausch innerhalb dieser Gelehrtengemeinschaft, der sich durch Korrespondenzen und Zitierkreise, aber auch durch Besuche während ausgedehnter Reisen weit über die Grenzen des italienischen Kulturraums hinaus bemerkbar machte. Schon seit dem 14. Jahrhundert ist die an den Universitäten Padua, Bologna, Pisa und etwas später auch Ferrara gelehrte Medizin durch einen aristotelischen Empirismus geprägt (siehe S. 254). In diesen Kreisen entwickelten sich auch die Anfänge der Prähistorischen Archäologie. Diese Seite der italienischen Renaissance ist zwar nicht unbekannt, sie tritt aber seit Jacob Burckhardt gegenüber Themen wie dem Humanismus und der Kunst in den Darstellungen der Epoche zurück (Burckhardt 1866[1966], S. 266 ff.). Von den für unseren Zusammenhang wichtigen Gelehrten italienischer Herkunft sind zu nennen: – Niccolò Leoniceno, der in Padua Medizin studiert hatte, dann aber ab 1464 in Ferrara lehrte – er war Lehrer von Theophrastus von Hohenheim; – Pietro Pomponazzi, der 1487 in Padua zum Doktor der Medizin promoviert wurde, zwischen 1509 und 1512 dann in Ferrara und ab 1512 in Bologna lehrte. Im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts vertrat er in Ferrara und Bologna einen strengen Empirismus und die Einheit von Körper und Seele (Randall 1961, S. 94); – Giovanni Battista da Monte, ab 1539 Professor für Medizin und ab 1545 Leiter des botanischen Gartens in Padua; – Gerolamo Cardano, Professor für Medizin in Pavia, Mailand und ab 1563 in Bologna, der die Sammlung Michele Mercatis durch Geschenke unterstützte (Accordi 1980, S. 5); – Jacopo Zabarella, als einziger kein Mediziner, wurde 1553 in Padua Magister und 1562 Professor für Logik; – Luca Ghini, der in Bologna und später in Pisa medizinische Heilkräuter lehrte, Begründer des botanischen Gartens in Pisa, einer der Pioniere der modernen Botanik, des Anlegens von Herbarien und Lehrer von Andrea Cesalpino und Ulisse Aldrovandi (Engelhardt 1995, S. 3 ff.); – Andrea Cesalpino, Professor für Medizin in Pisa und später in Rom, Lehrer von Michele Mercati; – Ferrante Imperato, Pharmazeut in Neapel; – Gabriele Falloppio, Mediziner in Ferrara, Pisa und Padua, einer der Begründer der Anatomie, Schüler von Andreas Vesalius und Freund Aldrovandis; – Ulisse Aldrovandi, Professor für Naturphilosophie in Bologna;
86 Siehe zu den Personen die entsprechenden Stichworte in Gerabek, Werner u. a. (Hrsg.): Enzyklo pädie Medizin. Berlin 2005.
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– Michele Mercati, Mediziner und Pharmazeut, päpstlicher Leibarzt und Leiter des päpstlichen botanischen Gartens (Abb. 10). Ehemalige nichtitalienische Absolventen der italienischen Universitäten gewannen schon in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts bedeutenden Einfluss auf Arbeiten ihrer italienischen Kollegen, teilweise erhielten sie auch Professuren in Italien. In erster Linie gilt das für die Medizin. Von ganz besonderer Bedeutung war der Flame Andreas Vesalius für die Entwicklung der medizinischen Schulen in Padua und Bologna. Der Lehrer Gabriele Falloppios, seit 1537 Professor in Padua, führte in Bologna 1540 die erste öffentliche Sektion durch, bei der er nachwies, dass sich Galen geirrt hatte (Baader 1987, S. 194). Dieser Nachweis war für die Medizin von ähnlicher Bedeutung wie Leon Battista Albertis Beobachtungen zu Vitruv für die Architektur und Archäologie (siehe S. 228). Georg Agricola, der in Padua und Bologna Medizin studiert hatte, wurde für die Entwicklung der Geologie, besonders auch für die Klassifikation der Minerale wichtig (Wagenbret 1999, S. 15) und gehört zu den häufig von Mercati diesbezüglich zitierten Autoren, beteiligte sich aber außerdem durch die Drucklegung Galens in Venedig am Galenproblem. Weiterhin sollten für Michele Mercatis Arbeit der Sachse Johannes Kentmann, der 1549 in Bologna promoviert wurde (Abb. 11), und Conrad Gesner wichtig werden. Letzterer hatte seine Ausbildung allerdings nicht in Italien absolviert, sondern vor allem in Basel, Paris und Montpellier. Er war jedoch Schüler von Guillaume Rondelet, in Montpellier einer der einflussreichsten Medizinprofessoren. Rondelet lehrte auch Naturphilosophie und Naturkunde und wurde zu einer wichtigen Verbindungsfigur zwischen Gesner und Aldrovandi. Auch Kentmann wird als Kommilitone Aldrovandis bei diesen Kontakten eine große Rolle gespielt haben, Mercati wiederum pflegte Kontakt zu Aldrovandi. Beide letzteren sollten für die Entwicklung der Prähistorischen Archäologie durch die Publikation ihrer geologischen Sammlungen und die Behandlung des Fossilienproblems wichtig werden. Aldrovandi, der zunächst das Jurastudium absolviert hatte, promovierte 1553 in Bologna in Medizin und Philosophie. Er konnte deshalb als Professor in Bologna neben der eigentlichen Medizin mit Botanik, Zoologie und Geologie fast das gesamte säkulare Wissen seiner Zeit lehren, wobei ihm seine Sammlungen halfen (Tagliaferri/Tommasini 1994, S. 270 ff.). Sein Herbarium bestand aus mehr als 7000 Pflanzen, eine wichtige Voraussetzung für den auf ihn zurückgehenden ersten botanischen Garten Bolognas (Berghaus 1983, S. 147; Vai/Cavazza 2006)87. Die botanischen Gärten entwickelten sich im 16. Jahrhundert aus den medizinischen Kräutergärten und dienten ursprünglich der Züchtung und Klassifikation der Heilpflanzen. Zwischen 1543 und 1545 waren die ältesten dieser Einrichtungen in der venezianischen Universitätsstadt Padua und in Pisa entstanden (Findlen 1994a, S. 98;
87 Siehe auch www.filosofia.unibo.it/aldrovandi/mostra-frame.htm; Simili, Raffaella (Hrsg.) (2001): Il teatro della natura di Ulisse Aldrovandi. Catalogo della mostra Musei di Palazzo Poggi. Bologna.
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Abb. 10: Michele Mercati. Kupferstich Jacobus Robustus alias Tintoretto (1518–1594). Nach Mercati 1717, vor S. XXI. © Barbara Sasse, Michael Kinsky.
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Abb. 11: Johannes Kentmann. Nach: Gesner 1565, Vorspann nach dem „Catalogus“. © Barbara Sasse, Michael Kinsky.
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dies. 1994b; Grendler 2002, S. 347 ff.). Viele der oben genannten Gelehrten dieses Medizinerkreises waren an der Entstehung der ersten botanischen Gärten beteiligt, eine Voraussetzung für die Entwicklung der empirischen Klassifikation. Ein wichtiger Faktor für die Verbreitung der Kenntnisse Ulisse Aldrovandis waren seine Sammlungen, die er testamentarisch dem Senat von Bologna vermachte. Die Anregung hierzu geht bis in die Zeit vor seiner Promotion auf ein Zusammentreffen mit Guillaume Rondelet gegen 1550 zurück (Aldrovandi 1774, S. 13 f.). Bis zu seinem Tode 1605 machte er aus diesen bescheidenen Anfängen ein umfangreiches Museum. Es war für seine vielen Schüler und die zahlreichen Besucher eine Enzyklopädie vor allem des vielseitigen naturkundlichen Wissens seines Schöpfers. Auch durch seine Korrespondenz hatte dieser zahlreiche Einflussmöglichkeiten (Aldrovandi 1774, S. 149 ff.; Findlen 1994a, S. 129 ff.). Durch seine relativ gute Gesundheit konnte er von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zu seinem Tod im Jahre 1605 über 50 Jahre hindurch wissenschaftlich tätig sein. Allerdings gelang es ihm nicht, zu Lebzeiten alle seine Arbeiten zur Publikation bringen. Er hatte offenbar große Schwierigkeiten, Herstellung und Druck seiner reich bebilderten Werke zu finanzieren (Aldrovandi 1774, S. 51)88. Zu den publizierten Arbeiten gehört ein Jugendwerk, das er schrieb, als er gerade mit seinem eigenen Museum begann: Eine Übersicht über die Sammlungen antiker Statuen in Rom (Aldrovandi 1562, [Daly Davis]). Hier erwies er seine Kompetenz auch auf diesem Gebiet (Heenes 2003, S. 193 f.). Die Beschreibung seines Musaeum Metallicum wurde erst postum 1648 gedruckt (Aldrovandi 1648, S. 233, S. 609 ff.) und entfaltete offenbar vorher keine Wirkung. Für die uns betreffenden Passagen waren mitteleuropäische Angehörige des Gelehrtenkreises erheblich, vor allem der Schweizer Mediziner Conrad Gesner, der eigene und fremde Arbeiten zu demselben Thema unter dem Titel De Omni Rerum Fossilium Genere in seinem Todesjahr 1565 herausgegeben hatte. Diese schon 1566 gedruckte Arbeit wurde von Ulisse Aldrovandi vielfach zitiert, obwohl Gesner auf dem Index stand (Gesner 1565; Gesner 1565a; Aldrovandi 1648, S. 607). Aldrovandi zitierte außerdem häufig Georg Agricola und in den uns betreffenden Kapiteln Johannes Kentmann, von dem er ganze Textpassagen übernahm, sowie Anselmus Boetius, einen in Padua promovierten Mediziner flämischer Herkunft (ebd. S. 607 ff.). Michele Mercati hatte in Pisa studiert, dort die Artes mit einem Magister der Philosophie abgeschlossen und dann in Medizin promoviert. Seine Ausbildung bei Andrea Cesalpino, einem Schüler Luca Ghinis, empfahl ihn für eine botanische Tätigkeit. 1566 übernahm er deshalb die Präfektur des botanischen Gartens im Vatikan.
88 Die späten Erscheinungsjahre einiger Publikationen führten in der Sekundärliteratur oftmals zur Verwirrung, da sowohl die Datierung einzelner Ansichten wie z. B. der Gewittertheorie bezüglich der Donnerkeile als auch die mögliche gegenseitige Beeinflussung der Werke dadurch verändert wurde, so Shorr (1935, S. 428 f.).
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Erst 1592, ein gutes Jahr vor seinem relativ frühen Tod, wurde er unter Clemens VIII. päpstlicher Leibarzt. Für die Anfänge der Archäologischen Wissenschaften ist die naturwissenschaftliche, vor allem geologische Sammlung wichtig, die er schon seit seinen Studienjahren in Pisa angelegt hatte. Papst Gregor XIII., unter dem er 1578 zu den „famigliari“, den Mitgliedern der päpstlichen Familie gerechnet wurde, gab ihm nach seinem Amtsantritt 1572 die Möglichkeit, seine Sammlung im Vatikan zu einem Museum auszubauen (Accordi 1980, S. 3). Dieses beschrieb und kommentierte Mercati in einem Katalog, für dessen Illustration ihm von 1572–1581 Antonius Eisenhoit zur Verfügung stand. Der Beginn der Arbeit am Katalog kann deshalb an den Anfang der siebziger Jahre des 16. Jahrhunderts gesetzt werden. Eindeutig ergibt sich die Förderung des ganzen Unternehmens durch Gregor XIII., der ja auch auf anderen naturwissenschaftlichen Gebieten wie der Einführung des gregorianischen Kalenders hervorgetreten ist. Obwohl der Katalog 1592 noch lange nicht fertig war, hatte der schon schwerkranke Mercati nach seiner Berufung zum Leibarzt durch den gerade gewählten Papst Clemens VIII. aber offenbar fest vor, bald zu einem Abschluss zu kommen, denn die Widmung für den Papst ist von seiner Hand und das Frontispiz trägt das aktuelle Papstwappen (Abb. 12). Leider starb er im Juni 1593, bevor das Werk vollständig und druckreif war. Der Katalog konnte deshalb zunächst nicht veröffentlicht werden; er fand auch handschriftlich erst gegen 1665 dank der Bemühungen um eine Publikation durch Carlo Roberto Dati, den Sekretär der Accademia della Crusca wenigstens in Gelehrtenkreisen Verbreitung (Accordi 1980, S. 7). Nikolaus Steno, der zur Accademia della Crusca Zutritt fand, zitierte schon 1667 aus dem Manuskript in seinem Werk Canis carcha riae dissectum caput und verwendete Mercatis Abbildung eines Haifisches mit seinen Zähnen (Mercati 1717, S. 333; Hsu 2009, S. 94; Abb. 13). Die Arbeit war für ihn eine Grundlage zur Identifikation der Glossopetrae als Haifischzähne (Abb. 14, a–b) und bildete auf diese Weise auch einen Ausgangspunkt für die Bestimmung der Fossilien als Tierüberreste. Mercati selbst konnte diesen Schritt noch nicht machen. Er suchte mit geheimnisvollen Beziehungen zwischen den Himmelskörpern und der Erde noch eine andere, zeitgemäße neuplatonistische Erklärung für die Ähnlichkeit von Steinen und Lebewesen (Mercati 1717, S. 216; siehe auch S. 127). Unter den anderen Vorläufern Stenos findet man außer Mercati mit Guillaume Rondelet, Andrea Cesalpino und Gabriele Falloppio weitere bekannte Namen aus dem hier interessierenden Ärztekreis (Hsu 2009, S. 97). Mercatis Arbeit wurde erst 1717 durch Giovanni Maria Lancisi (1654–1720) veröffentlicht und von Pietro Assalti kommentiert (Mercati (1717)89. Die fast gleichzeitige Arbeit von Ferrante Imperato, die ebenfalls die Lösung des Fossilienproblems weiter brachte, konnte 1599 in Neapel publiziert werden90.
89 Zur Vita siehe Lancisius in Mercati 1717, S. 13 ff.; Accordi 1980, S. 6 f. 90 Imperato, Ferrante (1599): Dell’ historia naturale. Neapel.
Abb. 12: Michele Mercatis Museum im Vatikan. Über dem Torbogen das Wappen Clemens VIII. Die Schränke I–XII enthalten Minerale, die Schränke XIII–XIX Erze. Die Schränke I–IX entsprechen den Büchern I–IX der Metallotheca. Nach Mercati 1717, vor S. XLIX. © Barbara Sasse, Michael Kinsky.
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Ulisse Aldrovandi und Michele Mercati hatten Briefkontakt und tauschten Sammlungsobjekte (Aldrovandi 1774, S. 249 ff.). Da sie sich in ihren Werken über die Gesteine und Metalle gegenseitig aber nicht erwähnt haben und auch andere Systematiken und Thesen vertraten, kann man schwer über direkte Einflüsse urteilen. Vermutlich sind beide Werke parallel entstanden, Aldrovandi wird aber in seinen letzten 13 Lebensjahren nach Mercatis Tod weiter an seinem Werk gearbeitet haben. Sicher ist, dass Mercati, der inhaltlich viel wagte, als Mann der Kirche, wenn auch nicht als Geistlicher, alle offensichtlichen Gefahrenpunkte vermieden hat. So erwähnte er den auf dem Index stehenden Conrad Gesner nicht, obwohl er sehr wahrscheinlich von der durch Gesner veröffentlichen Systematik Johann Kentmanns beeinflusst war und auch Abbildungsmaterial, vielleicht über Aldrovandi, übernommen hat – er kannte also Gesners Werk. Beide zitierten dagegen häufig Ansichten von Georg Agricola (Aldrovandi 1648, S. 607; Mercati 1717, S. 20; Accordi 1980, S. 14). Agricolas Werke standen zwar auf dem ersten Index von 1559, zur Zeit der Abfassung der Metal lotheca und des Musaeum Metallicum finden sie sich dort nicht mehr. Auch Aldrovandi war einmal wegen Ketzerei angeklagt worden, wurde dann aber rehabilitiert (Aldrovandi 1774, S. 12) – vielleicht ein Grund für Mercati, vorsichtig zu sein. Für beide Gelehrten ist ein intensiver Kontakt zu älteren Kollegen nachweisbar. Besonders intensiv war Aldrovandis wissenschaftliche Beziehung zum oben schon erwähnten Mediziner Gabriele Falloppio in Padua, der auch auf seine Arbeitsgebiete wie ein Mentor Einfluss nahm (Aldrovandi 1774, S. 210 ff.). Für Mercati spielte zeitlebens sein Lehrer Andrea Cesalpino eine große Rolle, den er mit Erfolg auch im Vatikan einführte. Neben Michele Mercati und Ulisse Aldrovandi kommt Girolamo Mercuriale eine große Bedeutung für die Entwicklung der naturwissenschaftlichen Richtung antiquarischer Forschung zu. Sein Thema jedoch war die Verbindung von Lebensart und Medizin. Der berühmte Mediziner, umworben von den größten Fürstenhäusern, war zunächst ein wichtiger Teilnehmer des antiquarischen Kreises in Rom um Alessandro Farnese als dessen Leibarzt. Zwischen 1569 und 1587 wirkte er dann als Professor für Medizin in Padua, später in Bologna und Pisa und geriet dabei in Konkurrenz zu Andrea Cesalpino, dem Lehrer von Michele Mercati (Accordi 1980, S. S. 38, Anm. 15). In Padua gehörte er zu einer Gruppe von antiquarisch begeisterten Gelehrten, die der Jurist Gian Vincenzo Pinelli, ein Genueser Patrizier, Sammler und Universalgelehrter, anzog. Pinelli hatte neben einer außerordentlich wertvollen Bibliothek antiker Schriften eine Sammlung von Münzen, Fossilien und Mineralien. Im Jahre 1558 gründete er in seiner Geburtsstadt Neapel den ersten dortigen botanischen Garten. Er vereinte also tatsächlich viele Facetten des Wissens. So förderte er auch Galileo Galilei, der zwischen 1592 und 1610 in Padua lehrte. Vor allem aber stellte er – wie Aldrovandi – seine Bibliothek und seine Sammlungen den Gelehrten und interessierten Studenten der Stadt zur Verfügung, darunter auch antiquarisch interessierten Ausländern wie Justus Lipsius und Nicolas Claude Fabri de Peiresc (Gualdo 1607; Grendler 1981; Herklotz 1999, S. 226 f.).
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Abb. 13: Haifischmaul mit Zähnen, Grundlage für die Identifizierung der Glossopetrae mit fossilen Haifischzähnen durch Nikolaus Steno. Kupferstich Antonius Eisenhoit. Nach: Mercati 1717, S. 333. © Barbara Sasse, Michael Kinsky.
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Abb. 14, a–b: Glossopetrae. Kupferstiche Antonius Eisenhoit. Nach: Mercati 1717, S. 332 und S. 334. © Barbara Sasse, Michael Kinsky.
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Etwa 20 Jahre später lehrte der Däne Johannes Rhode (Rhodius) Medizin in Padua. Er hatte 1622 dort promoviert und entdeckte Krankheiten durch Obduktion (Stern 1986, S. 201 ff.)91. Rhode war auch ein bedeutender Antiquar: Sein erstmals 1639 veröffentlichtes Werk De Acia (siehe Bd. 2) ist für die mittel- und nordeuropäische Frühgeschichte von großer Bedeutung. Neben intensiven Kontakten zu Wissenschaftlern seines Heimatlandes unterhielt Rhode Beziehungen zur antiquarischen Szene in Padua und Rom. Das ergibt sich aus seinen Erwähnungen des Geistlichen Lorenzo Pignoria (Laurentius Pignorius), der seinerseits auch den Kontakt zwischen Rhodius und Cassiano dal Pozzo und seiner umfangreichen Aquarellsammlung, dem Museo Cartaceo, herstellte. Pignoria gehörte zum Kreis des schon erwähnen Paduaner Juristen und Altertumsforscher Guido Panciroli, der ebenfalls eine führende Rolle in diesen Zirkeln spielte, und nannte ihn meinen Lehrer, „praeceptor meus“ (Pignorius 1613[1674], S. 152; Herklotz 1999, S. 212, S. 231)92. Neben den zumeist städtischen Universitäten waren die Päpste und Kardinäle und die Herrscherfamilien der Kleinstaaten auch im 16. Jahrhundert die wichtigsten Dienstherren und Mäzene von Kunst und Wissenschaft. Es war diese Gesellschaftsschicht, die weiterhin die Gelehrten und Künstler zusammenbrachte. Eine überragende Rolle spielte der Sammler und Mäzen Kardinal Alessandro Farnese für die Förderung der Altertumsforschung in der Mitte des 16. Jahrhunderts in Rom (Riebesell 1989; Riebesell 1994). Er war schon als Jugendlicher 1534 von seinem gleichnamigen Onkel (Papst Paul III.) zum Kardinal ernannt worden. Zu seinem Kreis gehörten u. a. Fulvius Ursinus (Orsini), der Antiquar und Bibliothekar des Kardinals, selbst ein bedeutender Antiquitätensammler (Rumpf 1953, S. 39 ff., S. 50 f.) und der schon erwähnte Architekt und Maler Pirro Ligorio (Schnapp 1993, S. 126; Herklotz, S. 1999, S. 216 f.). Die Konzentration von literarischen und archäologischen Zeugnissen und der gezielte Einsatz der Gelehrten zur Verfolgung von Grabungs- und Auswertungsprojekten lassen sich als die erste archäologische Forschungsinstitution auffassen, zumal sie mehrfach als „scuola“ bezeichnet wurde und der Kardinal testamentarisch, wenn auch vergeblich, ihr Fortbestehen bestimmte (Riebesell 1994, S. 401, S. 407). Ligorio arbeitete seit 1534 in Rom und befand sich seit mindestens 1542 in päpstlichem Dienst, später von 1549 ab im Dienst des Kardinals Ippolito d’Este als dessen Antiquario. 1550 folgte er Ippolito nach Tivoli und hatte dort reichliche Gelegenheit zu Ausgrabungen, u. a. in der Villa Hadriana (siehe S. 208). Seine Berufung von Alfonso II. Este nach Ferrara Ende 1568 als dessen Antiquar trug zum Zerfall des Farnese-Kreises bei (Coffin 2004, S. 7, S. 12, S. 14). Auch Cassiano dal Pozzo war kein Universitätsgelehrter, sondern gehörte als Sekretär des Kardinals Francesco Barberini zu den Bediensteten der Geistlichkeit.
91 Mir leider nicht zugänglich: Snorrason, Egill (1967): Der Däne Johan Rhode im Padua des 17. Jahrhunderts. In: Acta Medicae Historiae Patavina, 14, S. 85–120. 92 Zur ganzen Gelehrtengruppe siehe auch Russell (2007).
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Barberini allerdings war Mitglied der 1603 von dem römischen Aristokraten Federico Cesi gegründeten Accademia dei Lincei, d. h. der (schlauen) Luchse, der dann auch Cassiano 1622 beitrat – auch Galileo Galilei gehörte zu den Mitgliedern dieser ältesten wissenschaftlichen Akademie (Freedberg 2002, S. 66 ff.). Ein Blick auf die soziale Herkunft der Personen, die den geschilderten wissenschaftlichen Neuaufbruch getragen haben, zeigt, dass von Anfang an das Bürgertum und der städtische Adel im Vordergrund standen (Buck 1969a, S. 29). Die meisten der für die Entwicklung der Archäologie wichtigen Gelehrten kann man dennoch als soziale Aufsteiger klassifizieren. Juristen bürgerlicher Herkunft waren Francesco Petrarca, Flavius Blondus (Clavuot 1990, S. 9) und Gian Francesco Poggio Bracciolini. Ciriaco war bürgerlicher Kaufmannssohn, Enea Silvio Piccolomini, Papst Pius II., kam aus einer patrizischen Kaufmannsfamilie aus Siena. Gabriele Condulmer, Papst Eugen IV., und Pietro Barbo, Papst Paul II., entstammten sozial gemischten Kaufmannsfamilien aus Venedig. Nur die Mütter der beiden Venezianer besaßen patrizische Vorfahren. Leon Battista Alberti, Michele Mercati und Ulisse Aldrovandi stammten aus dem Stadtadel, Jacopo Strada, Enea Vico und Pirro Ligorio aus dem niederen und verarmten Adel (Stenhouse 2009, S. 54). Zur Eingliederung in die höchste Elite verhalfen dieser Personengruppe neben der geistlichen Karriereleiter das Studium oder künstlerische Begabung. Charakteristisch ist die Förderung durch fürstliche Mäzene. Strada z. B. hatte nie studiert, sondern eine Ausbildung als Goldschmied, war also eigentlich nur Kunsthandwerker. Er besaß aber offenbar eine außerordentliche Begabung als Kunst- und Antikenagent und konnte sich im Kreis seiner hohen Auftraggeber, zu denen Johann Jakob Fugger, der Kaiser und der bayerische Herzog gehörten, erfolgreich bewegen (Heenes 2010, S. 299 ff.). Diese auftraggebende und fördernde Schicht richtete in ihren Palästen gelehrte Zirkel ein, in denen der moderne „Antiken-Code“ gepflegt wurde (siehe Walther 1998, S. 361 ff.). Besonders taten sich die Angehörigen der neuen städtischen Führungselite wie die Medici und die Kirchenfürsten durch ihre gelehrten Freundeskreise hervor. Die Teilnehmer an den exklusiven Diskussionsrunden erhielten teilweise auch Hofämter. Insofern handelte es sich um eine von weltlichen und geistlichen Herrschern gesteuerte Erscheinung. Im 16. Jahrhundert ging es aber nicht mehr nur um die Antike – auch der Naturwissenschaftler Mercati gehörte als Beamter und Freund seiner päpstlichen Vorgesetzten zu deren Zirkel (Accordi 1980, S. 3). Ein gutes Beispiel für die soziale Funktion des intellektuellen Lebens an einem Fürstenhof ist das fiktive Gespräch am Hof von Urbino, das auch archäologische Denkmäler und Prospektionen reflektiert (Castiglione 1528, Buch 1, Kap. II, Kap. V, Kap. XVI, Kap. XLIV, Kap. XLIX, Kap. LII). Die geistlichen Ämter boten vielleicht noch mehr Raum zum Aufstieg durch Studium und Gelehrsamkeit. Es fällt auf, dass besonders viele Kardinäle gelehrte Zirkel um sich scharten und Sammlungen unterhielten. Sie kamen aus derselben städtischen Oberschicht wie die weltlichen Führungskräfte, aber auch aus alten Adelsfamilien. Oft taten sich die jüngeren, für eine geistliche Karriere bestimmten Söhne des Adels auf dem Gebiet der Altertumsforschung hervor.
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Zu den nicht an der Herrschaft beteiligten Mitgliedern der Adelsgesellschaft gehörten auch die Frauen. Deshalb verwundert es nicht, dass eine von ihnen eine der bedeutendsten Sammlungen der Renaissance anlegte, Isabella d’Este. Sie stammte aus einem der ältesten italienischen Adelsgeschlechter und war mit Gianfrancesco II. Gonzaga verheiratet, dessen Onkel, der Kardinal Francesco Gonzaga, auch als Sammler hervorgetreten war (Lanciani 1902, S. 78; Weiss 1969, S. 196 ff.).
3.1.2 Das übrige Westeuropa – die Zeit der Peregrinatio academica Die kontinuierliche wissenschaftliche Erforschung der Vergangenheit sowohl durch Auswertung der schriftlichen als auch der dinglichen Überreste begann auch außerhalb Italiens in der Renaissance (Gummel 1938, S. 7 ff.; Eggers 1959, S. 25 ff.; KlindtJensen 1975, S. 14 ff.; Weiss 1969; Kossack 1992, S. 73 ff.; Schnapp 1993, S. 121 ff.). Der Impuls kam ohne Zweifel aus Italien, mit dem durch das Kaisertum, die Kirche und den Handel das ganze Spätmittelalter hindurch eine enge Verbindung bestanden hatte. Neben dem Austausch von Kirchenfürsten kommen dem Pilgerwesen und im 14. und 15. Jahrhundert der konziliaren Bewegung eine bedeutende Rolle zu, besonders dem Konstanzer Konzil zwischen 1414 und 1418 und dem Basler Konzil zwischen 1431 und 1449, d. h. gerade in der Hauptentwicklungszeit des italienischen Frühhumanismus. Wir haben es deshalb mit zwei Formen der Einflussnahme zu tun: West-, Mittel- und Nordeuropäer reisten einerseits nach Italien, ließen sich dort ausbilden, übernahmen dort Ämter und brachten die Erfahrungen zurück in die Heimat, Italiener spielten andererseits eine wichtige Rolle in der Lehre und Politik in Westeuropa und in Mitteleuropa nördlich der Alpen. Beispiele geben hierfür auf dem Reichsgebiet Gian Francesco Poggio Bracciolini, Enea Silvio Piccolomini, in Frankreich Paulus Aemilius und in England Polydorus Virgilius aus Urbino, ein Zögling des Hofs der Montefeltro. Letzterer kam als päpstlicher Kollektor nach England, erhielt aber dann ähnlich wie Paulus Aemilius vor ihm 1506 einen königlichen Auftrag zur Abfassung einer Landesgeschichte (Rexroth 2002, S. 418). Trotz aller im Folgenden näher zu betrachtenden Regionalismen und Nationalismen ist deshalb zu betonen, dass es sich bei diesem altertumskundlichen Interesse von Anfang an um eine internationale Bewegung handelte, an der wie in Italien auch in den anderen Ländern ganz unterschiedliche soziale Gruppen beteiligt waren. Nicht nur die päpstlichen Kanzleien wurden im 15. Jahrhundert ein Zentrum für die historisch und altertumskundlich interessierten Juristen (siehe S. 139 f.), auch die Kanzlei des durch Avignon angeregten Hofs der Valois gewann für die Zöglinge des Navarrakollegs der Pariser Universität eine entsprechende Bedeutung (Müller 2002, S. 323 ff., S. 341). Neben dem auch außerhalb Italiens aufstrebenden, internationalen Handel betreibenden Bürgertum spielt die außerordentliche Mobilität der Geistlichkeit, aber auch die des gelehrten Adels eine große Rolle. Enea Silvio Piccolomini ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie in der ersten Phase der Ausbreitung des
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Humanismus nördlich der Alpen bedeutende italienische Gelehrte und Vertreter des neuen Welt- und Menschenbildes neue Paradigmata vermittelten – der spätere Papst Pius II. arbeitete von 1432 bis zu seiner Papstwahl 1458 im deutschen Reichsteil, seit 1442 als Sekretär von König und Kaiser Friedrich III. (Helmrath 2002b, S. 103 ff.), und hatte durch seine Schriften entscheidenden Einfluss auf die Erziehungsrichtung des Prinzen Maximilian, des späteren Königs und Kaisers Maxilimian I. (ebd., S. 126). Das ist sicher ein wichtiger Grund dafür, dass Kaiser Maximilian zum führenden Förderer des Humanismus im Reich außerhalb Italiens wurde. Nicht zufällig begann also die archäologische Forschung in Deutschland unter diesem Fürsten. Im Reich Maximi lians trafen sich die Großen auf den Reichstagen in den alten Römerstädten wie in Trier und prospektierten römische Denkmäler (siehe S. 218). Der Adel reiste sowohl in militärischen als auch in zivilen Funktionen. Auf die Iberische Halbinsel z. B. kam sehr früh ein direkter Anstoß aus Italien durch spanische Diplomaten und Geistliche in römischen Diensten, aber auch durch die aragonesischen Könige von Neapel und deren Vizekönige, d. h. hochadelige Amtsträger (Morán Turina 2010b, S. 50 ff.). Eine ganz wesentliche Rolle spielten aber die Italienreisen nicht nur für Intellektuelle des mittel- und westeuropäischen Adels und des Großbürgertums. Auch die für diese Schicht tätigen Gelehrten unterschiedlicher Herkunft aus dem heutigen Frankreich, Spanien, Flandern, den Niederlanden, Österreich, Süddeutschland und etwas später auch aus Skandinavien reisten von und nach Italien. Hier erhielt man Anregungen und arbeitete z. T. gemeinsam an denselben Fragen, wie z. B. der niederrheinische Humanist und Epigraphiker Stephanus Pighius und der Niederländer Martinus Smetius auf Gelehrtenebene oder der spanische Botschafter in Venedig und Rom Don Diego Hurtado de Mendoza und der Kardinal Antoine Perrenot de Granvelle auf Adelsebene. Pighius, der in Kleve Prinzenerzieher war, begleitete seinen Zögling nach Wien und nach Italien (Pighius 1587). Die geistige Führungsrolle Italiens wurde auch von den Zeitgenossen so empfunden, denn deswegen schickten sie ihre Söhne zur Ausbildung dorthin. So konnten sich Methoden und Paradigmata verbreiten (Wrede 1997, S. 62 ff). Dazu kommen der häufige Universitätswechsel der Studenten und Gelehrten sowie Besuche und Korrespondenzen befreundeter Gelehrter, die den im Studium gewonnenen Kontakt ein Leben lang pflegten. Auch die gelehrten adligen Herren, zu denen auch Johann Jakob Fugger und Kardinal Alexandro Farnese gehörten, hatten teilweise zusammen studiert (Heenes 2010, S. 300), wie die schon erwähnten später noch zusammen arbeitenden Mediziner (siehe S. 145). Der Religionskonflikt und besonders seine Kulmination im Dreißigjährigen Krieg machte diesem intensiven Austausch zwischen dem katholischen Süden und Mittelund Nordeuropa ein Ende, führte zu stärkeren Polarisierungen und förderte regionale Entwicklungen, von denen auch die Altertumskunde betroffen war. Im 16. Jahrhundert konnte die Religionsspaltung aber auch zu einer zwangsweisen Migration nach Italien führen. Der katholische Bischof von Uppsala Johannes Magnus und sein Bruder, der spätere Bischof von Uppsala Olaus Magnus, mussten
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1524 Schweden verlassen und verbrachten den Rest ihres Lebens an der Kurie, wo sie historisch-geographische Werke über Skandinavien verfassten, in denen erstmals skandinavischer Stoff mit italienischen historischen Ansätzen und weltchronistischer Tradition verschiedener Provenienz zusammentrafen (Magnus 1555; Magnus (1554[1558]); Klindt-Jensen 1975, S. 11; Johannesson 1991, S. 79; S. 86 ff.). Neben den persönlichen und brieflichen Kontakten verschiedener Art sorgte der Buchdruck für die rasche Verbreitung von Kenntnissen und Arbeitsweisen sowie der für das historische Studium wichtigen Quellen. Ein typisches und für die Altertumskunde unverzichtbares Beispiel geben die Drucke der Schriften des Tacitus. Die ersten Druckfassungen erschienen 1472 in Bologna und 1473 in Nürnberg. Gesamtausgaben mit den erhaltenen Annalenbüchern und den Historien, später auch dem Agricola wurden seit 1487 gedruckt, darunter im Jahre 1533 die von Beatus Rhenanus in Basel herausgegebene Gesamtausgabe (Mertens 2004, S. 58 ff.). Die erfundenen Quellen des Annius von Viterbo, die Antiquitates, waren ebenfalls außerordentlich erfolgreich: Bis 1612 wurden 21 Druckfassungen aufgelegt, von denen allerdings nur 7 auch die Kommentare des Annius enthalten (Goez 1972, S. 12, Anm. 37). Viele der Humanisten druckten sowohl Quellen als auch eigene Werke selbst und sorgten so für ihre Verbreitung, wie z. B. Nikolaus Marschalk, der mit seiner kleinen Druckerei von Erfurt über Wittenberg nach Mecklenburg umzog (Sasse 2010, S. 250 f.). Die Organisationsformen der aufstrebenden Nationen West- und Mitteleuropas innerhalb und außerhalb des alten mittelalterlichen Reiches waren überwiegend dynastisch und in einigen Ländern zunehmend zentralistisch geprägt und unterschieden sich dadurch grundlegend von der italienischen Klein- und Stadtstaatenlandschaft. In Spanien, England, Frankreich, den größeren deutschen Fürstentümern wie Bayern und Mecklenburg sowie den skandinavischen Ländern suchten die Fürstenhäuser nach der dynastischen Legitimation ihrer Herrschaft (siehe S. 194 f.). Das landesfürstliche Interesse an der Integration altertumskundlicher Fragen in die Konstruktion dynastischer Genealogien mittelalterlicher Prägung gewann unter Maximilian I. Durchschlagskraft. Der König und Kaiser umgab sich mit Gelehrten der städtischen Führungsschichten – Bürgern wie Patriziern – und wirkte gleichzeitig als Vorbild für viele aufstrebende Fürsten, wie z. B. für Herzog Heinrich den Friedfertigen von Mecklenburg, der an seinem Hof erzogen worden war und später Nikolaus Marschalk beschäftigte, um seiner Dynastie eine moderne Genealogie mit antikem und biblischem Ursprung zu schreiben. Dass diese Dynasten die Hauptarbeitgeber der Renaissancehistoriker und -archäologen außerhalb Italiens wurden, beeinflusste die Arbeitsweise deutlich. Daneben gab es aber im städtischen bürgerlichen Bereich auch weitgehend unabhängige Gelehrte wie Professoren, Lehrer und Ärzte. Die Kirche als Auftraggeber, die in Italien mit den Päpsten und Kardinälen eine so große Rolle spielte, trat dagegen in der Renaissance außerhalb Italiens zurück, wenn sich auch eine Reihe von Kirchenfürsten und Geist lichen wie in Italien selbst für Archäologie interessierten, wie z. B. der Spanier Antonio Agustín, Bischof von Zaragoza, oder der Kölner Erzbischof Salentin von Isenburg. Vor
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allem in den süddeutschen Städten, am Rhein und in den beiden Niederlanden war das Bürgertum Hauptträger des archäologischen Interesses. In erster Linie waren es die süd- und südwestdeutschen Städte, in denen sich die humanistische Bewegung im Reich nördlich der Alpen zunächst ausbreitete, wie Augsburg, Ingolstadt, Nürnberg, Basel und Schlettstadt. Die Impulse erreichten aber auch früh Mainz und Köln. Überall, wo eine römische Grundlage der eigenen Geschichte bestand, konnte man italienisches Gedankengut ohne viel Änderung übernehmen. Ein besonderer Fall ist die im 15. Jahrhundert entstehende Schweiz (Maissen 2002, S. 210 ff.). Die in Italien ausgebildete städtische Intelligenz versuchte nicht nur, das Latein der Italiener nachzuahmen, man begann auch, Formen der historischen Landesgeschichtsschreibung zu übernehmen und römische Altertümer aus der eigenen, provinzialen Überlieferung zu sammeln und Inschriften zu lesen. Beispielhaft war die Entwicklung in Augsburg (Joachimsen 1895, S. 16 ff; Lutz 1958; Kießling 1984; Kuhoff 1996; Ott 2002; Müller 2010). Hier kann man einerseits sehr gut beobachten, welche Wege die Transformation humanistischen Gedankengutes nahm, andererseits wurden hier sowohl auf dem Gebiet der Geschichtsschreibung als auch der archäologischen Altertumskunde Weichen gestellt. Dies geschah seit 1424 in einer typischen Zusammenarbeit von Klerikern, Patriziern wie den Welsern und den im Italienhandel erfolgreichen Handelsfamilien wie den Fuggern – diese Gruppen hatten durch Ausbildung oder Tätigkeit enge Kontakte zur humanistischen Entwicklung im Süden, was auch der Zeitgenosse und Kenner der humanistischen Bewegung Beatus Rhenanus kommentierte (Kuhoff 1996, S. 262 ff.). Schon 1450 entstand eine Sodalität von Bürgern zum humanistischen Studium, die allerdings noch die Vorbilder des scholastischen Mittelalters neben Enea Silvio Piccolomini stellte, den italienischen Träger der neuen Geistesrichtung in Deutschland (siehe S. 156 f.). Aus diesem Kreis kam der Auftrag zu einer humanistischen Stadtgeschichte von Augsburg an den Benediktiner von St. Ulrich und Afra, Sigismund Meisterlin (Hörberg/Schnith 1984, S. 217)93. Zu den Mitgliedern der Sodalität gehörte auch der Arzt Hermann Schedel, der ältere Vetter Hartmanns (Müller 2010a, S. 241, Anm. 21). Während das geistige Haupt dieser Gruppe, der Patrizier und Bürgermeister Sigismund Gossembrot der Ältere, in Wien studiert hatte, besaßen die meisten dieser frühen Humanisten noch keine Universitätsausbildung. An den wenigen in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Mitteleuropa bestehenden Universitäten (Prag gegr. 1348, Wien 1365, Heidelberg 1386, Köln 1389, Erfurt 1392) konnte man auch die gewünschten Studia humanitatis noch nicht betreiben (Rüegg 1993, S. 387 ff.). Das änderte sich in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Der älteste Beleg humanistischen Gedankengutes im deutschen Universitätsbereich stammt von 1446 aus Köln (Mertens 2004, S. 191). Obwohl schon das ganze 15. Jahrhundert Augsburger Studenten besonders in Padua nachzuweisen
93 http://www.deutsche-biographie.de/pnd100308309.html.
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sind, erhielten erst die Söhne dieser um die Mitte des Jahrhunderts wirkenden Generation überwiegend eine wissenschaftliche Ausbildung und diese zumeist in Italien in humanistischem Sinne (Lutz 1958, S. 5; Kießling 1984, S. 245). Zu ihnen gehörten die schon erwähnten Vettern Hermann und Hartmann Schedel (letzterer 1463–1466 in Italien), die in Padua Medizin studierten (Parisi 1999), und Sigismund Meisterlin. Der Letztere ging erst nach 1457 nach Abfassung seiner Chrono graphie, der weltgeschichtlich angelegten Geschichte der Stadt Augsburg, auf Betreiben Gossembrots nach Padua (Joachimsen 1895, S. 98 f.; NDB 16, 1990, S. 730 [Colbert, Katharina]; Müller 2006, S. 138 ff.)94. Der Schweizer Albrecht von Bonstetten, später Abt von Einsiedeln, wurde u. a. in Pavia in den siebziger Jahren des 15. Jahrhunderts in kanonischem Recht ausgebildet (Maissen 2002, S. 224). Konrad Peutinger studierte 1482 bis 1488 u. a. in Bologna und Padua Jura (Lutz 1958, S. 5 f.). Wichtig für die Entwicklung seiner archäologischen Interessen war sein Zusammentreffen mit Pomponius Laetus in Rom. Sein Tätigkeitsbereich war später die Kanzlei der Stadt Augsburg. Dennoch blieben die Kontakte offenbar weiter bestehen, und italienische Gelehrte wie Fra Giovanni Giocondo übernahmen die Augsburger Inschriften in ihre Syllogen (Ott 2002, S. 169). Ein siebenjähriges Studium der Artes und der Rechte absolvierte wenig später Willibald Pirckheimer in Padua und Pavia (NDB 20, 2001, S. 475 [Ebnet, Bernhard]). Der Elsässer Thomas Wolf studierte in Bologna und der Mainzer Dietrich Gresemund in Padua, Bologna, Ferrara und Rom (NDB 7, 1966, S. 48 [Grimm, Heinrich]; Schnitzler 1998, S. 21). Dort sollte Pomponius Laetus einen so großen Einfluss auf ihn ausüben, dass er später dessen Werke herausgab (Pomponius Laetus 1510). Wie nützlich der Universitätswechsel gerade in dieser Zeit war, geht aus dem Bildungsgang des wenig jüngeren Konrad Celtis hervor. Er studierte u. a. ab 1478 in Köln und Heidelberg, wo er 1485 den Magistertitel in den Artes liberales erwarb. Von da an führten ihn Lehre, Studium und Gelehrtenkontakt nach Erfurt, Rostock, Leipzig, Italien und Krakau. Auch er hörte wie Konrad Peutinger und Dietrich Gresemund bei Pomponius Laetus (NDB 3, 1957, S. 181 [Hans Rupprich]). Da es Konrad Celtis und anderen in Italien ausgebildeten Gelehrten am Ende des Jahrhunderts gelang, bedeutende Positionen an Universitäten im deutschsprachigen Reichsteil zu besetzen, konnten sie hier die Studia humanitatis verbreiten (siehe S. 161) und dafür sorgen, dass man zum Studium dieser Fächer nicht mehr an italienische Universitäten gehen musste. Es handelt sich vor allem um die in der zweiten Jahrhunderthälfte gegründeten Universitäten Greifswald, Freiburg, Basel, Ingolstadt,
94 Neben der NDB ist für die Autoren des frühen Humanismus in Deutschland vor allem das Verfas serlexikon. Deutscher Humanismus 1480 bis 1520. Herausgegeben von Franz Josef Worstbrock. Berlin/ New York 2005 ff. zu nennen. Eine große Hilfe bei der Suche nach den betreffenden Personen sind auch die entsprechenden Artikel der Wikipedia mit links zu den nationalen biographischen Lexika. Sehr nützliche Information zu Personendaten der Frühen Neuzeit findet man auch unter: www. geschkult.fu-berlin.de/e/jancke-quellenkunde/Verzeichnis (Gabriele Jancke).
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Mainz, Trier und Tübingen. Neugründungen in humanistischem Sinne erreichten nun auch Gebiete, die im Mittelalter an der Entwicklung der Universitäten noch nicht teilgenommen hatten (Mertens 1998, S. 194 ff.), so in Schweden Uppsala 1477, in Dänemark Kopenhagen 1479. Dazu gewannen die schon im 14. Jahrhundert kurz nach der Prager Universität gegründete Universität in Krakau und die Anfang des 15. Jahrhunderts gegründete Universität Rostock im 15. Jahrhundert überragende Bedeutung. In Krakau studierte schon vor der Jahrhundertwende der polnische Historiker Jan Długosz, dem einer der frühesten Ausgrabungsberichte zu verdanken ist (Schnapp 1993[2009], S. 379), während Rostock für den Ostseeraum bedeutend wurde. Eine spezifische humanistische Schule deutscher Prägung entstand mit der Berufung des Konrad Celtis an die Ingolstädter Artistenfakultät im Jahre 1491. Seine 1492 veröffentlichte Antrittsrede war programmatisch: Italiener seien nur besser als die Deutschen durch ihr besseres Studium. Man übernahm dafür den ursprünglich in Frankreich entwickelten Begriff der Translatio studii und setzte ihn in Beziehung zur Translatio imperii (Buck 1996, S. 41; Mertens 1998, S. 203; Hirschi 2008, S. 39, S. 49 ff.). Celtis verdankte seinen Erfolg vor allem dem Kaiserhaus: Friedrich III. krönte ihn nach dem Vorbild Petrarcas zum Poeta laureatus und Maxilimian I. holte ihn 1497 von Ingolstadt als Poet und Rhetoriker an die bedeutendere und ältere Universität Wien und machte ihn zum Haupt des neugegründeten Wiener Poetenkollegs (NDB 3, 1957, S. 181 [Hans Rupprich]; Mertens 2000, S. 78). Entsprechend veränderten sich die Curricula vieler ‚Geisteswissenschaftler‘. Sehr ähnlich sind die Ausbildungsgänge von Nikolaus Marschalk (geb. um 1470) und Aventin (Johannes Turmair, geb. 1477) verlaufen: Marschalk studierte in Löwen, Erfurt, wo auch Konrad Celtis gelehrt hatte, und in Wittenberg. Ein Italienaufenthalt ist nicht nachzuweisen (Sasse 2010, S. 249 f.). Aventin, weitgehend ein Schüler von Celtis, folgte seinem Lehrer, den er als „Chunradus Celtis praeceptor meus“ bezeichnete (Annales ducum Boiariae 1,1 = Riezler 1882, S. 35), von Ingolstadt nach Wien, studierte aber auch wie dieser in Krakau. Seinen Magister erwarb er in Paris. Die noch fehlende Italientour konnte er als Lehrer der herzoglichen Söhne Bayerns 1515 nachholen (Meurer 1991, S. 110). Nikolaus Marschalk und Johannes Aventinus befanden sich später in Diensten aufstrebender Landesherren, die bei ihnen historiographische Arbeiten zur ideologischen Legitimation ihrer Dynastie in Auftrag gaben. Marschalk kam zwischen 1505 und 1510 nach Schwerin und legte seine beiden ersten Werke, die deutsche Reimchronik und die Vitae Obetritarum, zwischen 1510 und 1512 vor. Er muss also mit empirischen archäologischen Forschungen vor 1510 begonnen haben (Sasse 2010, S. 251 f.). Schon 1502 veröffentlichte er als erster Autor nördlich der Alpen eine Inschriftensylloge, allerdings nach fremdem Material (Hülsen 1912; Sasse 2010, S. 256 f.). Aventin arbeitete von 1507 bis 1517 an der Aufnahme seiner Materialsammlung römischer Inschriftensteine, die er in Anlehnung an die 1505 erschienene Publikation von Konrad Peutinger Vetustates Romanae a Ioanne Aventino inventae in Vindelico bzw. Vetustates Romanae a Ioanne Aventino inventae in Norico nannte. Diese Sammlungen wurden
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allerdings erst von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius publiziert (BSB Clm 281; BSB Clm 967; S chmid 1996, S. 84; S. 87; siehe unten S. 214)95. Sein erstes Werk zur bayerischen Dynastiegeschichte, die Annales ducum Bavariae, später Kleine Annalen genannt, vollendete er 1511 (Schmid 2001, S. 73 ff.). Beide Autoren arbeiteten dann an ihren Erstfassungen der Dynastiegeschichte ihrer Herrscher weiter: Marschalk veröffentlichte seine Annales Herulorum ac Vandalorum, eine wissenschaftliche Ausarbeitung, in eigener Druckerei 1521 (Sasse ebd.), Aventin vollendete die Handschrift seiner Annales ducum Boiariae ebenfalls 1521, 1533 die deutsche Bayerische Chronik, ohne dass es allerdings zu einer Drucklegung kam. Gemeinsam ist beiden Autoren auch, dass sie noch nach den weltgeschichtlich-genealogischen Mythen des Mittelalters arbeiteten, die durch die Rezeption der Berosus-Fälschung des AnniusWerkes wissenschaftlich bestätigt zu sein schienen (z. B. Annales ducum Boiariae 1,1 = Riezler 1882, S. 50; Sasse 2010, S. 260; siehe S. 320 ff.)96. Ein solcher Ansatz wird auch Wunsch der fürstlichen Auftraggeber gewesen sein (Sasse 2010, S. 251, S. 258 f.). Vom bayerischen Herzog Wilhelm IV. wissen wir allerdings, dass er die nach heutigen Gesichtspunkten interdisziplinäre Quellensuche Aventins auch administrativ gefördert hat (Schmid 1996, S. 89). Bei beiden Autoren lässt sich aber eine Entwicklung hin zur Verwendung archäologischer Quellen beobachten, die im nach 1528 entstandenen Spätwerk des Aventin über Regensburg deutlich Fortschritte machte (Schmid 1996, S. 96 ff.; siehe S. 235)97. Im Fall von Marschalk markiert die vor 1524 vollendete Handschrift seiner Reimchronik mit einer Miniatur eines Dolmens wohl den Endstand der persönlichen archäologischen Entwicklung (Sasse 2010, S. 250, Abb. 1, S. 258; hier Taf. 2). Es fällt auf, dass die altertumskundlich interessierten süddeutschen Humanisten überwiegend keine Mediziner waren, sondern entweder – wie Peutinger, Pirckheimer, Gresemund und Marschalk – Jura als höheres Fach wählten, oder sich mit dem Examen an der Artistenfakultät begnügten. Es lässt sich sowohl bei Aventin als auch bei Marschalk neben der bescheideneren Herkunft auf die erfolgreiche Tätigkeit von Konrad Celtis zurückführen, dass keine italienische Universität mehr aufgesucht wurde, interessanterweise aber in beiden Fällen die Universität Krakau. Einen Parallelfall findet man in Sachsen: Der Jurist Petrus Albinus studierte ausschließlich an einheimischen Universitäten, in Frankfurt an der Oder, Wittenberg und Leipzig. Später wurde er Professor und langjähriger Dekan der Universität Wittenberg (NDB 1, 1953, S. 151[Sauer, Bruno]). Wie entscheidend die geringere soziale Herkunft z. B. aus dem Handwerk und die regionalen Verhältnisse waren, zeigt sich in vielen Fällen. Aber auch außerhalb der
95 Digitalisate (URN): nbn:de:bvb:12-bsb00029555-6; bvb:12-bsb00029574-2. 96 Zum Begriff des Mythos siehe S. 97, Anm. 43. 97 Johannes Aventinus, Vom alten römischen Kriegsregiment. Vom Herkommen der Stadt Regensburg = bvb:12-bsb00029605-5.
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Universität und teilweise auch außerhalb der großen Zentren gab es für Begabte hervorragende Ausbildungsmöglichkeiten, z. B. in Württemberg das Tübinger Stift oder im Elsass die Lateinschule der freien Reichsstadt Schlettstadt. Hier studierten auch begabte Schüler geringerer Herkunft. In Schlettstadt sorgte der Magistrat seit 1441 für hervorragende Lehrer, die ihrerseits eine Bibliothek alter und neuer Werke aufbauten. So schufen sie eine außerordentliche Grundlage für ein Studium in humanistischem Sinne, das dann auch entsprechende Schüler hervorgebracht hat. Jakob Wimpfeling und Beatus Rhenanus repräsentieren zwei Generationen von Schlettstadtschülern. Beide stammten aus Handwerkerfamilien. Von der Schlettstädter Schule wechselten sie an Universitäten mittlerer Reichweite: Basel, Heidelberg und Paris, um dann aber wieder in die Heimat zurückzukehren (Mertens 1993, S. 45 ff.; Schnitzler 1998, S. 19; Walter 2011, S. 4 ff.). Dem Kreis der Schlettstädter gelehrten Freunde um Wimpfeling gehörte auch Thomas Wolff an, der erste Inschriftensammler des Elsass (Schnitzler 1998, S. 21). In Tübingen und in Stuttgart am Pädagogium wurde seit 1561 Simon Studion ausgebildet. Der begabte Studion war lediglich Sohn eines landesfürstlichen Koches, brachte es aber später zu einem Praeceptor, d. h. Lehrer in Marbach und blieb trotz der Entfernung dem herzoglichen Hof weiterhin eng verbunden. Das äußerte sich einerseits darin, dass er seine Sammlung von Inschriftensteinen (zwei Wagenladungen!) dem herzoglichen Hof schenkte, dieser aber Studions Ausgrabung des Kastells Benningen förderte und finanzierte (Limeswerk [ORL] Abt. B, Nr. 58, 1902; Paret 1929, S. 6; Filtzinger 1986, S. 14). Der Herzog weilte 1597 zu einem Badeaufenthalt im nahen Marbach und nahm wohl auch persönlich Anteil (Wagschal 1993, S. 16 f.). Obwohl seit der Reform der Universität Wittenberg 1523 viele alte Universitäten reformiert wurden und von der Gründung der Universität Marburg im Jahre 1526 an auch neue protestantische Universitäten entstanden, behielten vor allem die medizinischen Fakultäten der oberitalienischen Universitäten ihre Anziehungskraft für ganz Europa, und die Peregrinatio academica blieb für die Angehörigen der Oberschicht mit Ambitionen auf hohe Ämter zunächst unverzichtbar (Hammerstein 1994, S. 351). In den zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts hatte in Italien Georg Agricola seine Ausbildung abgeschlossen, vor seiner Rückkehr in die Heimat arbeitete er dann in Venedig. Weiterhin studierten die mittel-, west- und nordeuropäischen Mediziner, wie Johannes Kentmann, in der zweiten Hälfte des 16. und am Anfang des 17. Jahrhundert besonders oft dort. Doch auch das Jurastudium in Bologna galt weiterhin als richtungsweisend. Johann Baptist Fickler aus dem katholischen Bayern, ursprünglich als „pauper“ eingestuft, begann sein Studium in Ingolstadt, schloss es dann aber nach erfolgreichem Dienst bei zwei Salzburger Erzbischöfen 1565 mit einem Doktor beider Rechte in Bologna ab. Später betreute er die Bayerische Kunstkammer (Fickler 1598[2004], S. 9). Basilius Amerbach, Antiquitätensammler und einer der späteren Ausgräber des Theaters von Kaiseraugst, stammte aus der Basler Buchdruckerfamilie Amerbach, die durch den Buchdruck zu Ansehen und beachtlichem Wohlstand gekommen war. Sein Großvater hatte Beatus Rhenanus in seiner Druckoffizin beschäf-
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tigt, sein Vater war mit ihm eng befreundet98. Basilius studierte in den fünfziger Jahren u. a. in Padua und in Bologna Jura und absolvierte seine Italientour genau zur Zeit der Ausgrabungen Pirro Ligorios in Tivoli. Er wurde wie sein Vater Bonifatius Professor für Jura an der Universität Basel und gehört wie dieser zum Kreis der bedeutendsten humanistischen Gelehrten. Die Sammlung beider mit dem Nachlass des Erasmus von Rotterdamm wurde zum Grundstock der Basler Museen (NDB 1, 1953, S. 246–267 [Alfred Hartmann]; Ackermann 1985, S. 62 ff.; Landolt 1991). Der Kreis der Gelehrten, mit denen Basilius Amerbach in Kontakt stand, scheint bisher kaum ihrer Bedeutung für die Entwicklung der Altertumskunde entsprechend untersucht worden zu sein. Er lässt sich durch die überwiegend in der Universitätsbibliothek Basel befindlichen Briefwechsel erschließen99 und umfasst die Korrespondenz mit dem ebenfalls an oberitalienischen Universitäten ausgebildeten Mediziner Theodor Zwinger, der seinerseits einen Briefwechsel mit Ulisse Aldrovandi führte, und mit dem Münzsammler Adolf Occo III. aus Augsburg. Der naturkundliche Teil der Sammlung enthielt auch Fossilien (Ackermann 1985, S. 64). Der Einfluss wirkte auch in die Region, so auf den protestantischen Schaffhauser Pfarrer Johann Jakob Rueger, zu dem Amerbach einen engen Kontakt unterhielt. Rueger wiederum korrespondierte mit dem adligen und katholischen Hans Ritter von Schellenberg, dem Herrn von Hüfingen, über archäologische Funde verschiedener Art, natürlich auch über Inschriften (Revellio 1913[2004], S. 31, S. 79)100. Schellenberg unternahm in Hüfingen die erste Ausgrabung, sicher nicht unabhängig von Amerbachs Aktivitäten in Augst (Revellio 1913[2004], S. 32; Revellio 1937). Schellenberg besaß aber selbst eine solide humanistische und juristische Ausbildung, die er an der inzwischen jesuitischen Universität Ingolstadt, in Freiburg und in Italien erwarb – sein Aufenthalt in Rom ist für 1572 bezeugt (Revellio 1913[2004], S. 13). Auch der Elsässer Festungsbauer Daniel Specklin rezipierte die Grabungen in Augst und muss deshalb Kontakt zur Forschergruppe gehabt haben (Stehlin 1911, S. 50). Während also dieser Gelehrtenkreis sich austauschte und eine Art Schule bildete, scheint Simon Studion im württembergischen Marbach ein Einzelgänger gewesen zu sein. Der niederländische Mediziner Bernhardus Paludanus studierte in Padua während der Wirkungszeit von Girolamo Mercuriale und Gian Vincenzo Pinelli in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts (siehe oben S. 151) und wurde hier zum Anlegen einer Sammlung angeregt (Olearius 1674, S. b). Padua erlebte sowohl durch
98 https://unigeschichte.unibas.ch/cms/upload/FaecherUndFakultaeten/Downloads/Das_Haus_ zum_Sessel.pdf. 99 Hartmann, Alfred/Jenny, Beat Rudolf (Hrsg.) (1942–2010): Die Amerbachkorrespondenz. Gesamt ausgabe, Bd. I – XI/2. Basel. 100 http://www.stadtarchiv-schaffhausen.ch/Biographien/Biographien-HV/Rueeger_Johann_Jakob. pdf (besucht am 22. 9. 2013).
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seine Universität als auch durch gelehrte Privatzirkel am Ende des 16. Jahrhunderts und im 17. Jahrhundert eine Blüte antiquarischen Interesses (siehe S. 187, S. 310; Herklotz 1999, S. 226 ff.). Wie stark z. B. das Werk De servis von Laurentius Pignorius von den Humanisten des Nordens geschätzt wurde, lässt sich u. a. aus den Druck orten Augsburg für die Erstausgabe 1613 und Amsterdam 1674 schließen. Die Dänen Johannes Rhodius, Caspar Bartholin und Ole Worm studierten um 1600 in Padua Medizin und interessierten sich für die archäologische Altertumskunde. Allerdings war Padua bei weitem nicht der einzige Studienort. Worm z. B. sammelte die verschiedensten Kenntnisse auf einer langen, zeittypischen akademischen Wanderschaft in Marburg, Gießen, Straßburg, Padua, Siena, Montpellier, Leiden und Kopenhagen. Am Ende promovierte er in Basel 1611. In Kopenhagen lehrte er ab 1615 erst Griechisch, dann Physik und letztlich Medizin (Berghaus 1983, S. 170; Randsborg 1994, S. 135 ff.). Rhodius wurde später Professor für Medizin in Padua, unterhielt aber weiterhin enge Beziehungen zur antiquarisch interessierten dänischen Arztfamilie Bartholin, zu der Ole Worm als Caspar Bartholins Schwager auch gehörte. Nach Caspars frühem Tod kümmerte sich Worm um die Erziehung von Caspars Sohn Thomas Bartholin dem Älteren, der ebenfalls zum Studium u. a. nach Padua geschickt wurde. Die Beziehung zwischen Thomas und Rhodius wurde so eng, dass Letzterer die Publikation seiner Obduktionsergebnisse Thomas widmete. Dieser gab sie erst nach Rhodius Tode heraus (Rhodius 1661). Im Vorwort seiner Arbeit über Ringe nannte Bartholin auch weitere für ihn wichtige Personen aus dem Paduaner Gelehrtenkreis wie den Philosophen, Arzt und Altertumsforscher Fortunio Liceti. Es ist interessant, dass Bartholin in diesem Zusammenhang unter den schon verstorbenen Gelehrten mit Einfluss auf seinen wissenschaftlichen Werdegang Johannes Kentmann erwähnte, nicht aber Ulisse Aldrovandi und Michele Mercati, deren unpublizierte Arbeiten ihm wohl nicht zur Verfügung standen (Bartholin 1647, Vorwort). Außerdem übernahm er Abbildungen von Laurentius Pignorius (ebd., S. 40). In der in Kopenhagen 1672 erschienenen Ausgabe von Rhodius’ Arbeit über Fibeln, die erstmals in Padua 1639 veröffentlicht worden war, ließ Thomas Bartholin der Ältere für Rhodius folgendes Epitaph abdrucken: „Dania me genuit, famam super aethera Pallas, et tumulum membris urbs Patavina dedit“ (Rhodius 1639[1672], S. 71). Thomas Bartholin der Jüngere sollte später dänischer Reichsantiquar werden (siehe Bd. 2). In Padua oder in Montpellier könnten sich Jean-Jacques Chifflet, Ole Worm und Nicolas Claude Fabri de Peiresc getroffen haben. Ungefähr 20 Jahre später sind Thomas Bartholin der Ältere und der Engländer Thomas Browne in Padua bezeugt. Regionen besonderer geistiger und politischer Aktivität waren im 16. und beginnenden 17. Jahrhundert das heutige Belgien, die Niederlande und England. Die Auseinandersetzungen zwischen dem katholischen Spanien, dem teilweise katholischen, teilweise hugenottischen Frankreich, den kalvinistischen, um ihre Selbständigkeit kämpfenden Niederlanden und dem anglikanischen England führten auch zu intellektueller Konkurrenz. Die 1425 gegründete katholische Universität Löwen in den Spanischen Niederlanden erlangte jedoch schon vorher im 15. Jahrhundert eine
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überragende Bedeutung. Noch vor 1500 studierte hier Nikolaus Marschalk (siehe S. 161). Im 16. Jahrhundert wurde sie zu einer der wichtigsten Ausbildungsstätten der habsburgisch-katholischen Welt, an der u. a. Erasmus von Rotterdamm tätig war. Justus Lipsius, der in Padua zu den ausländischen, antiquarisch interessierten Studenten und den entsprechenden Zirkeln gehört hatte (siehe S. 151), studierte und unterrichtete in Löwen, konvertierte dann zum Protestantismus und ging an die neu gegründete kalvinistische Universität in Leiden, um später zurückzukonvertieren und am Ende seines Lebens wieder in Löwen zu lehren101. Der Kontakt zu gleichgesinnten Gelehrten in Padua wie zu Fortunio Liceti wurde auch von verschiedenen niederländischen Forschern gepflegt (Bothe 1979, S. 236). Ein katholisches Curriculum weist der Kölner Patrizier und Jura-Professor Step han Broelmann auf, der in Köln, den beiden Universitäten der Spanischen Niederlande Löwen und Douai sowie Paris und Orléans studiert hat (Schäfer 2010, S. 104). Die schon erwähnte Universität von Leiden, eine kalvinistische, niederländische Gründung von 1575, also eine ganz neue protestantische Universität, gewann immer mehr an Bedeutung. Nach dem schon erwähnten Justus Lipsius lehrte hier Joseph Justus Scaliger (Grafton 1983; 1993)102. Philipp Clüver und Johan von Meurs studierten in Leiden und bekleideten später dort Professorenämter. Alle diese Philologen waren historisch und altertumskundlich interessiert, arbeiteten aber fast ausschließlich philologisch. Leiden findet sich nun zunehmend zusammen mit anderen protestantischen Universitäten in den Curricula protestantischer Studenten und Professoren, die sich auch mit archäologischer Altertumskunde beschäftigten. Unter ihnen befanden sich der Niederländer Petrus Scriverius und auch der eigentliche Vater der römischen Inschriftenforschung Jan Gruter. Sein Leben ist von den Wirren der Religionskriege gezeichnet. Der kalvinistische Niederländer studierte Jura zunächst als Flüchtling in Cambridge und später nach seiner Rückkehr in Leiden. In England könnte er mit Abraham Ortelius und William Camden zusammengetroffen sein, denn er schrieb später für Camdens Britannia ein Widmungsgedicht. In Leiden hörte er auch bei Justus Lipsius (NDB 7, 1966, S. 238–240 [Peter Fuchs]). Erneut vertrieben fand Gruter nach Jahren zunächst in Wittenberg und später im Dienst des protestantischen Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz in Heidelberg Aufnahme als Professor für Geschichte. Historische Themen wurden zwar von den Universalwissenschaftlern der Artistenfakultät behandelt, ihnen gewidmete Professuren waren aber im 16. und frühen 17. Jahrhundert noch eine Ausnahme (Hammerstein 2001, S. 45). Friedrich machte Gruter auch
101 Papy, Jan (2011): Stichwort: Justus Lipsius. In: Edward N. Zalta (Hrsg.). The Stanford Encyclopedia of Philosophy. URL = http://plato.stanford.edu/archives/fall2011/entries/justus-lipsius/. 102 Stichwort: Scaliger, Joseph Justus. In: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der bayerischen Akademie der Wissenschaften, 30 (1890), S. 466–474 [Richard Hoche] = http://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Scaliger,_Joseph_Justus&oldid =1681799 (besucht 12. September 2013).
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zum Bibliothekar der Palatina, die nach der Eroberung Heidelbergs durch die Franzosen 1620 zusammen mit Gruters Privatbibliothek und Manuskripten verschleppt und erst nach langer Odyssee in Leiden untergebracht wurde. Zu Gruters Schülern in Heidelberg gehörte u. a. der Schlesier Martin Opitz (Bollbuck 2010, S. 315). In Norddeutschland gewann die ein Jahr später als Leiden 1576 gegründete Julius-Universität in Helmstedt vor allem in der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg für die Anfänge der Prähistorischen Archäologie im protestantischen Teil Deutschlands Bedeutung. Hier studierte im Dreißigjährigen Krieg Hermann Conring und hier verbrachte er auch überwiegend sein Gelehrtenleben als Universitätslehrer (siehe S. Bd. 2). Die Engländer John Leland und William Camden wurden beide nicht in Italien ausgebildet. Das Waisenkind Leland geriet mit seiner Ausbildung in die Spannungen vor der anglikanischen Kirchenspaltung, erhielt aber auf der öffentlichen, von John Colet gegründeten St. Paul’s School Unterricht in den Studia humanitatis immerhin aus zweiter Hand – sein Lehrer und Headmaster der Schule hatte wie Konrad Peutinger bei Pomponius Laetus studiert. Durch die Kontakte zu italienischen Humanisten konnte die St. Paul’s School eine Pflanzstätte für deren Anschauungen werden, die auch Griechischstudien mit einschlossen (Herendeen 2007, S. 30). Auch der Begründer der kritischen britischen Geschichtsschreibung in humanistischem Geist Polydor Vergil aus Urbino hatte mit dem Schulgründer John Colet verkehrt (Rexroth 2002, S. 420). Leland selbst begann dann seine Studien unter spezieller Förderung König Heinrich VIII. in Cambridge und Oxford, ging etwa 1527 nach Paris und kehrte 1529 nach London zurück, ohne Italien erreicht zu haben (Kendrick 1950, S. 45 f.; Oxford DNB, Stichwort: Leland, John [John P. Carley]103). Camden, Sohn eines Pistors begann seine Studien ebenfalls an der St. Paul’s School, reussierte dann aber in seinem Studium in Oxford nicht und erlangte keinen Magistertitel (Piggot 1976, S. 34; Herendeen 2007, S. 23 ff.). Dennoch machte er Karriere: Er wurde 1597 sowohl Headmaster der Westminster School als auch Clarenceux King of Arms des Königreichs, d. h. oberster Herold des College of Herolds, ein Posten, der eng mit den zu seiner Zeit in antiquarischen Arbeiten so beliebten genealogischen Adelsforschungen verbunden war (Camden 1722104; Piggott, S. 1976, S. 34 ff.; Herendeen 2007, S. 353 ff.). 1622 wurde Camden sogar in Oxford, wo man ihm den Magistertitel verweigert hatte, Professor für Regionalgeschichte (Schnapp 1993, S. 139 ff.; S. 188 ff.). Jedenfalls ergibt sich, dass für beide Gelehrten die St. Paul’s Schule die Grundlagen für die Beschäftigung mit dem Altertum gelegt hat und nicht die Universität.
103 http://www.oxforddnb.com/view/article/16416 (besucht 8. Mai 2014). 104 Im Vorspann der Ausgabe der Britannia von 1722 ist eine Biographie des Autors abgedruckt: „The Life of Mr. Camden“ [Edmund Gibsen]; Benutzt wurde: Smith, Thomas (1691): Viri clarissimi Guglielmo Camdeno … epistolae … praemittitur G. Camdeni vita. London.
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Beide wurden von den entsprechenden Königen gefördert bzw. arbeiteten in königlichen Institutionen. Letzteres gilt auch für Johannes Bureus, der 1630 der erste schwedische Antiquar werden sollte. Die Ausbildung des Pfarrersohns aus der Umgebung von Uppsala verlief unspektakulär in der Lateinschule und bei den Stockholmer Franziskanern auf Gråmunkeholm, führte den vielseitig, auch künstlerisch Begabten aber dennoch bald in die königliche Kanzlei. Später brachte er es zum Erzieher des Kronprinzen Gustav Adolf (Klindt-Jensen 1975, S. 16). Die Entwicklung in England wie etwas später in Skandinavien zeigt, wie stark der Wert der eigenen Antiquitäten in der zweiten Hälfte des 16. und dem Beginn des 17. Jahrhunderts ins Bewusstsein größerer Gelehrtenkreise und der Herrscher selbst gelangt war. Heinrich VIII. hatte schon 1533 John Leland mit der Sammlung von verschollenen Manuskripten und anderen historisch-antiquarischen Aufgaben betraut. Ob Leland dafür den Titel Antiquarius erhielt, ist allerdings umstritten (Kendrick 1950, S. 47; Daniel 1975, S. 18; Schnapp 1993, S. 139), da die Quellenlage zu einem klaren Urteil nicht ausreicht (Momigliano 1950, S. 287 ff.). Lelands archäologisches Interesse war außerdem bescheiden – er erwähnte in seiner Landschaftsbeschreibung nicht einmal das längst bekannte Stonehenge – und seine geplante antiquarische Publikation kam über Notizen nicht hinaus (Kendrick 1950, S. 47). Diese Aufzeichnungen wurden erst im 18. Jahrhundert gedruckt105. Sie flossen aber in die Arbeit Britannia von William Camden ein (Camden 1586). Die Bedeutung des Aufgabenfeldes zeigt sich besonders unter Königin Elizabeth I., für die dieser hauptsächlich arbeitete. Sie gründete 1572 auf Veranlassung des Erzbischofs von Canterbury Matthew Parker die erste archäologische Gesellschaft überhaupt zum Schutz der nationalen Antiquitäten, die Society of Antiquaries, deren Mitglied Camden wurde. Eine 1770 in der Einführung des ersten Bandes der Zeitschrift der Gesellschaft zitierte Petition aus der Zeit des Todes der Königin 1603 zeigt, dass die Ziele der Gesellschaft sowohl das Studium als auch den Schutz der Antiquitäten und der schriftlichen Überlieferung betrafen. Letztere, überwiegend geistlichen Ursprungs, hatte durch den Religionswechsel gelitten. Man sprach in diesem Zusammenhang von „History“ und der Geschichte des modernen Englisch (Introduction of Archaeologia 1770, III f.; Daniel 1975, S. 18, S. 20; Schnapp 1993, S. 139). 1604, ein Jahr nach seinem Regierungsantritt in England, scheint der schottischenglische König James die Gesellschaft wieder aufgelöst zu haben.
105 Die topographischen Notizen von seinen Reisen in England wurden Anfang des 18. Jahrhunderts von Thomas Hearne herausgegeben: The Itinerary of John Leland the Antiquary (Oxford, 1710 ff.).
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3.1.3 Das Phänomen der Sammlungen Die teilweise systematisch geordneten Sammlungen sind eine der bemerkenswertesten Erscheinungen des Wissenschaftsbetriebes der italienischen Renaissance106. Zunehmend enthielten sie auch spezialisierte Bereiche. Die noch bescheidenen Anfänge lassen sich schon am Beginn des 15. Jahrhunderts nachweisen. Das Neue bestand hier nicht aus der Sammlung und aus ihrem Reichtum an sich, sondern aus ihrer Zusammensetzung und Anordnung sowie aus ihrem Repräsentations- und Bildungsziel. Letzteres zeigt sich zunächst in der Einrichtung des Studiolo oder Scrittoio, eines Studierzimmers, in dem Bücher und Sammelstücke aufbewahrt wurden. Bibliothek und Sammlung gehörten zusammen (Scheicher 1979, S. 12 ff., S. 41; Wrede 1993, S. 17; Findlen 1994a, S. 112 ff.; Lugli 1983[1998], S. 76 ff.; Roth 1998, S. 194). Im Studiolo fanden auch kleinere und nicht so repräsentative Gegenstände ihren Platz. Hier konnte man sie studieren und, was ebenfalls ein Hinweis auf Wissenschaftlichkeit sein kann, man systematisierte sie und ordnete sie in Schränke (siehe unten). Die auch inhaltlich sinnvolle räumliche Nähe von Studierzimmer und Bibliothek im Palastbau erleichterte ihre Funktion als ein ideelles Aushängeschild der gebildeten Elite. Ihr Besuch, ihre Besichtigung und gelehrte Diskussionen über die Sammelobjekte sollten zum gesellschaftlichen Ereignis werden (Walther 1998, S. 368 f.). Die nicht so vermögende städtische Elite fand aber auch andere, sinnreiche Formen des Studiolo. Besonders die reichen, teilweise dem städtischen Adel angehörenden Kaufleute besaßen durch ihre Reisen die Möglichkeit, Antiquitäten zu erwerben – ebenso wie in Deutschland die Fugger (Kuhoff 1996, S. 258 ff.). Der schon erwähnte Ciriaco aus der Hafenstadt Ancona ist ein Beispiel dafür. Eine bedeutende Rolle spielte Venedig, das schon seit dem 13. Jahrhundert Teile des östlichen Mittelmeers beherrschte und den Handel mit orientalischen und griechischen Preziosen kontrollierte, darunter auch Antiquitäten (Schmidt Arcangeli 2005, S. 71 ff.). So ist schon für 1415/18 eine Statuensammlung im Garten des venezianischen Patriziers Nicolò Cornaro auf Kreta bezeugt. Im weiteren 15. Jahrhundert kamen viele Sammler aus der venezianischen Oberschicht. Zu ihnen gehörte z. B. der spätere Papst Paul II., Pietro Barbo, der seit 1440 in Rom eine Sammlung anlegte, oder der Kardinal Domenico Grimani. Kardinal Pietro Bembo richtete seine Sammlung in Padua ein. Sie alle entstammten venezianischen Familien, der Ort der Aufbewahrung ihrer Sammlung wurde aber durch ihre Karriere bestimmt (Weiss 1969, S. 185 f.). Viele der Vorreiter des Sammlungswesens waren Gelehrte wie die schon erwähnten Ciriaco d’Ancona und der Florentiner Jurist Gian Francesco Poggio Bracciolini, aber auch Künstler, wie Lorenzo Ghiberti, Donatello und Andrea Mantegna (Weiss 1969, S. 180 f.). Poggio Bracciolini stellte schon 1438 in seinem toskanischen Landhaus
106 Siehe hierzu auch Christian (2010). Diese Arbeit konnte hier nicht mehr berücksichtigt werden.
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antike Statuen auf (Sichtermann 1996, S. 8 ff.), also wenig später als Nicoló Cornaro auf Kreta. Er sammelte für sein Studiolo aber auch kleinere Objekte wie Inschriften, Münzen und Gemmen. Die Sammelobjekte dienten auch als wertvolle Geschenke oder Vermächtnisse und waren deshalb gesellschaftlich und politisch einsetzbar (Weiss 1969, S. 183 ff.; Walther 1998, S. 359 f.; Schmidt Arcangeli 2005, S. 74). Als ein Zentrum für die Entwicklung spezialisierter Antikensammlungen bildete sich Rom heraus. Stefano Porcari und der Kardinal Prospero Colonna gehören zu den ersten Angehörigen des stadtrömischen Adels, die in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts antike Statuen sowie Gemmen und Kameen besaßen (Weiss 1969, S. 186; DNP 15/2, Stichwort „Rom“, S. 864 [B. Straumann]). Hier fand man auch die meisten für eine Antikensammlung geeigneten Objekte vor. Die Hauptträger wurden aber nicht die römischen Adligen selbst, sondern die Geistlichen aus verschiedenen Regionen, die in Rom Ämter bekleideten, wie die Mitglieder der verwandten venezianischen Kaufmannsfamilien Condulmer und Barbo. Pietro Barbo, Papst Paul II., Neffe von Gabriele Condulmer, Papst Eugen IV., legte seine schon erwähnte Sammlung in den vierziger Jahren als Kardinal von Santa Maria Nuova in Rom an. Die ersten Spuren der heutigen päpstlichen Sammlung gehen auf zwei Päpste aus der Familie de la Rovere zurück. Im Jahre 1471 begründete Francesco de la Rovere, Papst Sixtus IV., die Kapitolinischen Museen, indem er einige wichtige antike Skulpturen im Konservatorenpalast aufstellen ließ. Die Sammlung stand für Besucher offen und bildete damit wohl das erste öffentliche Museum der Renaissance. Unter Papst Julius II. – Giuliano della Rovere – erhielt der extra dafür hergerichtete Hof des Belvedere dann einen Skulpturenschmuck bester Qualität. So wurde für die 1506 entdeckte Laokoongruppe, die das Kernstück der vatikanischen Antikensammlung werden sollte, ein hoher Preis bezahlt (Müntz 1878–82; Winner 1998; DNP 15/2, S. 865; DNP 15/1, Stichwort „Laokoon“, S. 9 [B. Hinz]; siehe auch S. 143). Die weltlichen Fürsten der italienischen Kleinstaaten standen dem nicht nach. In Florenz entstand unter Cosimo de’ Medici dem Älteren wohl die reichste der italienischen Renaissance-Sammlungen mit sehr gemischtem Inventar (Weiss 1969, S. 188; Müntz 1888, S. 52 ff.). Sehr ähnlich war die Zusammensetzung der Sammlung der Isabella d’Este. Die hochgebildete Isabella, die ihre reichhaltige Sammlung durch Kauf und Geschenke rekrutierte, richtete ein Studiolo und die schon erwähnte Grotte zur Aufbewahrung der größten Kostbarkeiten ein (Weiss 1969, S. 199; Lugli 1990, S. 75 ff., S. 90; Romelli 2008; siehe S. 143). Die großen, für interessierte Besucher zugänglichen wissenschaftlichen Sammlungen des 16. Jahrhunderts wie die des Ulisse Aldrovandi in Bologna besaßen einen enzyklopädischen Charakter. In ihnen spiegelt sich das universalwissenschaftliche Konzept (Tagliaferri/Tommasini 1994, S. 269; Leinkauf 1994, S. 536), das Aldrovandi ja auch in persona verkörperte. Ihre Besitzer kamen vor allem aus dem Kreis der Gelehrten, aber auch die Päpste und der Adel waren beteiligt und beauftragten Spezialisten mit ihrer Einrichtung. In diesem Prozess lässt sich eine Entwicklung von der
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privaten, zurückgezogenen Arbeit des gelehrten Fürsten im Studiolo zu Öffentlichkeit und Lehre beobachten (Findlen 1994a, S. 109 ff.). Während am Ende des 15. und in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts der Kern der Sammlung noch im privaten und nur wenigen zugänglichen Studierzimmer konzentriert wurde, gewann die allegorische Präsentation immer mehr Raum, für die sich seit der Zeit Aldrovandis auch außerhalb Italiens der Begriff des Theaters durchsetzte (Schlosser 1908, S. 73; Findlen 1994b, S. 193). Die Idee, das Wissen über die Welt allegorisch dar- und auszustellen und dafür den Begriff des Theaters zu verwenden, stammte jedoch nicht von Aldrovandi, sondern findet sich schon in einer 1550 gedruckten Publikation107. Gleichzeitig kam nun aber die Universität wie in der wissenschaftlichen Entwicklung überhaupt als Hort des Wissens ins Spiel und damit die Lehrsammlung. Nicht ohne Grund handelt es sich bei einer großen Gruppe von enzyklopädischen Sammlern um Universitätsprofessoren. Im weiteren Verlauf findet man wissenschaftliche Sammlungen auch in Schulen unter dem Universitätsniveau (siehe S. 178). Im Gegensatz zu den aus Schätzen und Reliquiaren hervorgegangenen Sammlungen enthielt dieser neue Typ als wissenschaftliches Anschauungsmaterial auch Gegenstände ohne einen besonderen materiellen Wert wie Gesteinsproben, Pflanzen- und Tierüberreste oder auch prähistorische Objekte. Sie sollten das Wissen über die dingliche Welt anschaulich machen und konnten deshalb die Grundlage für die Anfänge der Geologie, der Metallurgie, der Botanik, der Zoologie und der Prähistorischen Archäologie bilden. Durch die Verbindung mit der Lehre ergab sich zwangsweise eine kontrollierte Öffentlichkeit. Ulisse Aldrovandi führte auch Buch über die Besucher seiner Sammlung. Besonders interessant ist das soziale Spektrum: Die meisten waren auch hier Geistliche in Kirchenämtern. Dann folgen der Adel, Beamte (darunter viele Juristen) – und an letzter Stelle die Wissenschaftler! Unter diesen überwogen die Mediziner, gefolgt von den Apothekern. Lediglich ein Antiquar war dabei, was jedoch nicht verwundert, da antiquarisch interessierte Personen ja zu anderen Berufsgruppen gehörten (Findlen 1994a, S. 140 f.). Hier und auch in der Folgezeit zeigt sich, dass eine Einteilung in fürstliche und private Sammlungen an der Sammlungswirklichkeit vorbeigeht. Außerdem kommen universitäre und städtische Sammlungen zumindest hinzu, letztere in Viterbo sicher schon in den neunziger Jahren des 15. Jahrhunderts. Vielmehr sollte man zwischen gelehrten Sammlungen einerseits und repräsentativen, thesaurierenden oder ästhetischen Sammlungen unterscheiden. Die Sammlungen der Fürsten sind dadurch gekennzeichnet, dass sie ganz verschiedene Sammlungsteile unterschiedlicher Pro-
107 Camillo, Giulio (1550): L’idea del theatro, siehe auch Laube 2012, Kap. 4. Ein frühes Museum dieses Typs zeigt das Frontispiz der Sammlungspublikation von Ferrante Imperato: http://en.wikipedia.org/ wiki/Ferrante_Imperato#/media/File:RitrattoMuseoFerranteImperato.jpg. Besucht am 11. 05. 2015. Es weist schon dieselben Elemente auf wie die Sammlungen von Ole Worm oder Ferdinando Cospi (siehe Bd. 2).
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venienz aufnahmen – darin zeigt sich einfach die größere finanzielle Kraft der Herrschenden und die Macht über Vermögen wie z. B. beim Erwerb der Sammlung des Pietro Barbo durch die Medici (Lanciani 1902, S. 65), denen es 1483 auch gelang, die Gemmensammlung von Kardinal Francesco Gonzaga zu kaufen (Weiss 1969, S. 189). Dennoch richteten sich auch die Fürsten Studioli mit der zugehörigen Bibliothek als Rückzugsraum zur wissenschaftlichen und kontemplativen Ruhepause ein (MacGregor 1994, S. 64 f.). Die Päpste, die seit Julius II. repräsentative Antiken verschiedener Art besessen und ausgestellt haben, förderten jedenfalls im 16. Jahrhundert mit der Metallotheca des Michele Mercati im Vatikan eine enzyklopädische Sammlung, die zu wissenschaftlicher Arbeit angelegt war. Als ein wichtiger Indikator für den Beginn der Renaissance-Archäologie ist auch westlich und nördlich der Alpen die Entstehung von spezialisierten oder geordneten Sammlungen zu werten, in denen Altertümer eine wesentliche Rolle spielten. In Frankreich und in den mitteleuropäischen Gebieten, die enge dynastische Verbindungen zu Burgund besaßen, lassen sich Frühformen im fürstlichen Rahmen schon im beginnenden 15., ja sogar schon am Ende des 14. Jahrhunderts nachweisen. Diese Sammlungen wie die der Brüder Charles V. von Frankreich und Jean de Valois, Duc de Berry, der Herzöge von Burgund und auch Kaiser Karls IV. (seit 1365 König von Burgund-Arelat!) in der Burg Karlstejn in Südböhmen standen mit ihren zahlreichen heterogenen Reliquien noch am Übergang zwischen der mittelalterlichen Schatzkammer und den frühneuzeitlichen Sammlungstypen (Schlosser 1908, S. 23 ff.; Scheicher 1979, S. 33; Lugli 1983[1998], S. 68; Pomian 1994, S. 109). In Frankreich zeigen sie die materielle Seite des frühen französischen Humanismus an (Müller 2002, S. 319 ff.). Überall begegnen neben den Antiquitäten wie Münzen und Gemmen auch Mirabilia, zu denen meist auch die prähistorischen Objekte gehörten; noch Kaiser Friedrich III. und Erzherzog Sigismund von Österreich besaßen neben wertvollsten Geschmeiden Natternzungen (Glossopetrae), Krötensteine und ,Einhörner‘ (Scheicher 1979, S. 19 ff.; S. 33; S. 46, S. 52). Die heterogene Zusammensetzung charakterisiert weiterhin auch in Mittel- und Nordeuropa die großen, zumeist fürstlichen Sammlungen der Renaissance, weswegen die Zuweisung zu Kunst-, Naturalien- und Wunderkammern oder Kuriositätenkabinetten an ihrer Wirklichkeit vorbeigeht. Typischerweise enthielten sie alle diese Elemente, die im Gegensatz zu den mittelalterlichen Schätzen aber seit dem 16. Jahrhundert auch hier einer systematischen Ordnung unterzogen wurden und deshalb teilweise auch schon spezialisiert genannt werden können (Schlosser 1908, S. 22 ff.; Laming-Emperaire 1964, S. 58; Busch 1973; Lugli 1983[1998]; MacGregor 1994, S. 65 ff.). Es waren eher die kleineren Sammlungen von Inschriftensteinen wie die Konrad Peutingers oder die medizinisch-geologischen Sammlungen wie die Johannes Kentmanns, in denen gezielt eine Kategorie zusammengetragen wurde. Diese gingen aber oft in größeren Sammlungen des Adels auf. Die Zeit des Erben Kaiser Friedrichs III., Sigismunds von Österreich und des Herzogs von Burgund, Kaiser Maximilian I., war für die Veränderung der Samm-
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lungstypologie im Reich richtungsweisend. Der Kaiser selbst schmückte seine Schlösser zwar mit einheimischen römischen Bildsteinen bzw. kümmerte sich um deren Aufstellung, ist aber sonst nicht zu einem der Pioniere des Museumswesens geworden (Joachimsen 1910[1968], S. 196; Stemmermann 1934, S. 27). Sein Schatz hatte noch mittelalterlichen Charakter. Von seinen auf die verschiedenen Burgen verstreuten Sammlungen ist wenig bekannt, die größte mit insgesamt 42 versiegelten Truhen bestand in Wiener Neustadt und enthielt eine Mischung von Naturalien und Exotika, zu denen Kirchengerät, Kleider, Präziosen und Münzen kamen. Jedenfalls wurden diese Dinge wie bei seinem Vater Friedrich III. nach Sicherheitsgesichtspunkten verwahrt und besaßen deswegen nicht den Charakter eines zum Studium einladenden Museums. Sie waren auch nicht so aufgestellt, dass sie Gästen vorgeführt werden konnten und als Sammlung Wirkung gezeigt hätten (Scheicher 1979, S. 52). Die Münzen, die für Maximilian vor allem genealogische Bedeutung besaßen, ließ der Kaiser aber von seinem Rat Johannes Fuchsmagen fachgerecht katalogisieren (Scheicher 1979, S. 52 f., S. 57). Dagegen beeinflusste Maximilian aber mit Sicherheit die an seinem Hof erzoge nen Reichsfürsten im Sinne einer Inanspruchnahme archäologischer Objekte für genealogische Zwecke. Ein Beispiel hierfür gibt Herzog Heinrich V. der Friedfertige von Mecklenburg-Schwerin (Sasse 2010, S. 258 f.). Sein Historiograph Nikolaus Marschalk war der Erste, der Megalithgräber als die Gräber der (herzoglichen) Vorfahren interpretierte, und auch in den Urnen sah er Begräbnisse. Er berichtet, dass man dem Fürsten ausgegrabene Urnen brachte (Marschalk 1510/1512[1739]), die wohl im Schloss der mecklenburgischen Fürsten ihren Platz fanden (Lisch, 1837, S. 3; S. 15 f.)108. Diese Mitteilung gibt einen ersten Hinweis auf eine fürstliche Sammeltätigkeit prähistorischer Objekte in Mecklenburg, die sich allerdings nicht erhalten haben. Eindeutiger aber ist der Einfluss, den Maximilian auf die Entwicklung von Privatsammlungen in den süddeutschen Städten nahm. Ganz besonders in Augsburg machte sich seine Förderung bemerkbar. Es war ein Geben und Nehmen auf Hofebene, denn Maximilians Generation der großen Augsburger Familien, besonders Jakob II. Fugger der Reiche, finanzierte des Kaisers Politik und benutzte diesen Vorteil zum Wohl der eigenen Stadt und auch der eigenen Sammlung (Bushart 1984, S. 363).
108 „Ein Theil haben auch verbrennen lassen – Gelegt in Krüge recht an die Strassen – All man jetzo zu grossem Heil – Herren Heinrichen dem Fürsten gebracht ein Theil, – Ungefehrlich ausgraben und funden – Dem löblichen Fürsten bey sein Stunden – Erwürdig, dass er erst möge schauen – Seiner Vorfahren Altheit mit seinen Augen“ (bei Lisch [1837, S. 16] zitiert nach Westphalen 1739, Bd. 1, S. 572). Im lateinischen Text heißt es: „… in urnis siti sunt; quae multis ante nos seculis obrutae, sub Te, Princeps illustris, plurimae anno superiore erutae antiquitatis miraculum exhibent uno omnium tuorum dignissimo, sub quo reviviscant majores sui“ (bei Lisch[1837, S. 15] zitiert nach Westphalen 1740, Bd. 2, S. 1512). Zu Forschungsgeschichte, Literatur und Vergleich weiterer Passagen in den drei Werken Marschalks siehe Sasse 2010.
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Durch seine Zugehörigkeit zu den großen Familien Augsburgs konnte auch Konrad Peutinger, verheiratet mit Margarete Welser, Einfluss auf Maximilian gewinnen, der ihm seit 1488 anlässlich der Befreiung aus Brügge verbunden war, wo die Bürger den damals noch römisch-deutschen König festgesetzt hatten. Als Augsburger Ratsschreiber wurde Peutinger auch kaiserlicher Rat, was ihm die Möglichkeit eröffnete, vor dem Kaiser auch seine antiquarischen Interessen zu vertreten – sogar seine kleine Tochter Juliana durfte vor dem Kaiser mit Lateinkenntnissen glänzen (Lutz 1958, S. 8 ff.; Kuhoff 1996, S. 259 ff.; Zäh 2002, S. 453). Während seines Italienaufenthaltes von 1482 bis 1488 und in Spanien hatte Konrad Peutinger römische Inschriften gezeichnet. Auch später noch trug er Informationen über Vergleichsmaterial zusammen. In einem Brief von 1530 erwähnte er auch die Arbeiten von Flavius Blondus Italia illustrata und Historiarum Decades (Clavuot 1990, S. 4). Aus seinen eigenen Arbeiten erschließt sich aber eher ein Einfluss der Werke Gian Francesco Poggio Bracciolinis (siehe S. 189). Auswärtige Antiquitäten konnte er vor allem auch käuflich erwerben, wobei die Verwandtschaft mit den großen Augsburger Handelsfamilien half (Stemmermann 1934, S. 26; Lutz 1958, S. 4 f.; Kuhoff 1996, S. 258 ff.). Die Gesinnungsgenossen brachten auch Altertümer als Geschenke, wie Konrad Celtis seinem Freund Konrad Peutinger die berühmte Tabula Peutingeriana (Stemmermann 1934, S. 25). Von besonderer Bedeutung aber wurde die Sammlung römischer Inschriften und Bildsteine aus seiner Heimatstadt Augsburg, die Peutinger in seinem Haus aufstellte109. Im Jahre 1505 veranlasste Kaiser Maximilian die Veröffentlichung dieser Inschriftensammlung. Wenn auch Konrad Celtis wohl ein gewisser Anteil zukommt, so war es vor allem Maximilian, der die Publikation anregte und förderte (Wood 1998, S. 104 ff.). Peutinger schrieb sein Werk „iussu mandato“ des Kaisers (Peutinger 1505, Widmungsseite). Damit entstand die erste Veröffentlichung einer thematisch geschlossenen archäologischen Sammlung nördlich der Alpen, der dann 1520 eine weitere, erweiterte und bebilderte Ausgabe folgte (Peutinger 1520)110. Zwischen beiden Publikationen liegt ein Brief archäologischen Inhalts, an dem Margarete Welser möglicherweise einen bedeutenden Anteil hatte. Inhaltlich und textlich erscheint Margarete als Verfasserin, der Brief wird aber Peutinger zugeschrieben („Margaritae Velseriae ad Christophorum fratrem epistula“, siehe Zäh 2002, S. 457 ff.; 486 ff.). Wenn auch Peutingers Ziel die Darstellung eines humanistischen Frauenbildes gewesen sein mag, so wird Margarete dem dargestellten Ideal der Forschergefährtin doch entsprochen haben.
109 Die Arbeit von Ramminger, Johann (1992): The Roman Inscriptions of Augsburg published by Conrad Peutinger. In: Studi Umanistici Piceni, 12, S. 197–210 war mir leider nicht zugänglich. 110 Älter als diese ist im deutschen Sprachgebiet nur die Publikation von Inschriften verschiedener Herkunft und zweifelhafter Verlässlichkeit durch Nikolaus Marschalk in Erfurt (Hülsen 1912; Stemmermann, 1934, S. 19; Weiss 1969, S. 157; Sasse 2010, S. 256). Sie kann deshalb keine Sammlung zum Ausgangspunkt haben.
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Sie war also eine der ersten Frauen der Renaissance, für die ein altertumskundliches Interesse nachgewiesen ist, gleichzeitig mit der nur ein Jahr älteren gleichnamigen Tochter Maximilians I. Margarete von Österreich und der Italienerin Isabella d’Este. Peutinger war in Augsburg aber bei weitem nicht der einzige Sammler, z. B. stammt der Grabstein Vollmer Nr. 148 (siehe S. 239) aus dem Hause seines um 1500 verstorbenen Freundes und Verwandten Georg Mulich, gehören also zu einer etwas älteren Sammlung (Peutinger 1505). Auch Mitglieder der Fugger-Familie sammelten sowohl Handschriften und Antiquitäten als auch Bücher. In der Inschriftenpublikation von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius von 1534 werden für die Augsburger Inschriften als Standorte neben dem Haus des Peutinger („in aedibus Chuonradi Peutinger Augustani. V. L. Doctoris“) und einzelnen Kirchen und Klöstern „in aedibus filiorum Lucae“ … „a Luca iuniore ex Lusitania aductum“, „in horto Iohannis Roechlinger“, „in horto Raimundi Fugger“ und „in aedibus Ioannis Paumgartner“ angegeben (Apian/Amantius 1534, S. 428–430). Johann Jakob Fugger (gest. 1575) kaufte seine Schätze anderer Herkunft vor allem über Venedig und beriet dann auch Herzog Albrecht V. von Bayern bei seinen Ankäufen. 1552 erwarb er die Bibliothek der Nürnberger Familie Schedel, die zahlreiche altertumskundliche Zimelien enthielt, u. a. auch den Text des Annius von Viterbo von 1493 (siehe S. 323). Wie in italienischen Palästen waren im Fuggerpalast die Bibliothek und der Studierraum für die Altertümer nebeneinander eingerichtet. Antike Sammlungsstücke zierten jedoch auch andere Räume (Kuhoff 1996, S. 262, S. 268). In Konrad Peutingers Haus gab es offenbar für den Gelehrten und für seine gelehrte Frau je einen Tisch im gemeinsamen Bibliotheks- und Studierzimmer (Zäh 2002, S. 466). Ein weiteres frühes Zentrum von Sammlungen antiker Inschriften entstand im Elsass und in Mainz. Beatus Rhenanus wird man trotz einiger Texte, die sein Interesse an realen Altertümern zeigen (Fuchs 1995, S. 27 ff.; Mertens 2009, S. 615 f.), wohl eher doch als Wortgelehrten bezeichnen müssen. Er besuchte aber die Sammlung seines Mainzer Freundes Dietrich Gresemund und besichtigte Denkmäler auf Reisen, wovon er Aufzeichnungen machte. Er rezipierte auch Publikationen von antiken Realien. Das bezeugt nicht nur die Verarbeitung von inschriftlichen Zeugnissen in seinem Hauptwerk, sondern auch sein als Widmungsbrief in Gresemunds Edition der Werke des Iulius Pomponius Laetus abgedruckter Aufruf zur Publikation der Gresemundsammlung nach dem Vorbild von Peutingers Augsburger Werk (Pomponius Laetus 1510, S. 54 f.). Diesen Wunsch des Beatus Rhenanus erfüllte erst Johann Huttich, der die Sammlung Dietrich Gresemunds nach dessen Tod übernahm (Huttich 1520; Stemmermann 1934, S. 27; Sichtermann 1996, S. 63). Durch die Verwendung derselben Titelvignette stellte auch der gemeinsame Verleger einen Zusammenhang zwischen der Mainzer Publikation und Peutingers erweiterter Zweitauflage und damit auch zwischen der Mainzer und der Augsburger Sammlung her. Weniger bekannt ist, dass auch der Elsässer Thomas Wolff, der zum Freundeskreis von Jakob Wimpfeling, aber auch von
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Konrad Peutinger gehörte, ebenfalls schon 1505 einheimische Bildsteine sammelte (Schnitzler 1998, S. 21). Auslösend für diese Erscheinungen, insbesondere aber für die Veröffentlichungen in Syllogen, ist sicher die gemeinsame Ausbildung einiger dieser Personen wie Peutinger und Gresemund bei Pomponius Laetus (siehe S. 160). Auch die äußeren Merkmale, die Erwerbung durch Kauf, Fund, Prospektion bzw. Grabung oder Geschenk sowie die Unterbringung der Sammlungsobjekte im Garten oder im Studierzimmer entsprechen italienischem Brauch (siehe auch S. 169 ff.). Dazu kommt das ähnliche soziale Umfeld, das gebildete, aufstrebende, teilweise adelige Bürgertum in engem Kontakt zum Hochadel. Im Gegensatz zum mittelalterlichen Schatz handelt es sich hier wie z. B. bei Gian Francesco Poggio Bracciolini um einen neuen, gezielten und spezialisierten Sammlungstyp, bei dem der materielle Wert der Objekte gegenüber dem Alter, aber auch dem historisierbaren Inhalt in den Hintergrund trat. Es hat wohl mit dem unsteten Gelehrtenleben und den beschränkten finanziellen Mitteln abhänger Humanisten bescheidener Herkunft zu tun, dass Johannes Aventinus und Nikolaus Marschalk offenbar keine Sammlungen größerer Antiken anlegten. Aventinus nahm auf seinen Reisen einen Katalog der Inschriftensteine Bayerns auf und stellte diese offenbar nicht in sein Haus, zumal er auch ständig dessen Ort wechselte. Allerdings sammelte er Münzen (Schmid 1996, S. 94). Besonders in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurden gelehrte Basler und Kölner Bürger archäologisch aktiv. In Basel war die Sammlung der Familie Amerbach, insbesondere des Bonifatius und seines Sohnes Basilius, so umfangreich, dass aus ihr in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts das erste städtische öffentliche Museum sowie die naturwissenschaftliche Universitätssammlung entstehen konnten (Landolt 1991). Um Basilius Amerbach bildete sich ein ganzer Kreis von gelehrten Sammlern unterschiedlicher überwiegend bürgerlicher Herkunft, die sich vor allem für Münzen interessierten (siehe S. 164). In Köln sammelten die Angehörigen der Bürgerschaft ebenfalls antike Funde der Stadt und Umgebung, Statuen und Bildsteine mit Inschriften, die ja reichlich zur Verfügung standen. So richteten sich während des 16. Jahrhunderts Hermann von Weisberg und Stephan Broelmann Studierzimmer in den Türmen der römischen Stadtmauer ein, die im Fall von Hermann von Weisberg sicher Teil der Wohnanlage waren (Schäfer 2010, S. 206 ff.). Broelmann gelang es allerdings nicht, die Funde seiner Sammlung und seine Forschungsergebnisse vollständig zu veröffentlichen. Arnold Mercator bildete diese Funde aber 1571 am Rand seines Plans der Stadt Köln ab (Schmid 1995, S. 27)111. Gemeinsam ist den Amerbachs und Broelmann, dass sich diese Jura-Professoren auch um praktische, empirische Forschung an Denkmälern gekümmert haben, allerdings mit sehr unterschiedlichem Erfolg (siehe S. 234).
111 www.arachne.uni-köln.de. Mercatorbrowser.
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Doch nicht nur unter den Bürgern der süddeutschen Städte gab es Antiken- und Kuriositätensammler. Oft sind die Sammlungen nur noch durch Zufall bekannt, wie die des Freiherrn Haug von Maxen, eines kaiserlichen Rates aus Bautzen, dessen Monogramm sich in der kunstvollen Zinnfassung einer Lausitzer Urne befindet – das Vorbild lieferte eine Terra Sigillata von Lorenzo de Medici (Stemmermann 1934, S. 69; Gummel 1938, Taf. 1 n. S. 16; Schnapp 1993, S. 147; siehe S. 209). Das 16. Jahrhundert ist auch in Mitteleuropa durch die Entstehung enzyklopädischer und naturkundlicher Sammlungen charakterisiert. Gerade die von ihrer akademischen Reise heimgekehrten Mediziner richteten sich solche Kollektionen ein und trugen die Belege für Fauna und Flora, Fossilien und Mineralien zusammen, ordneten und klassifizierten sie und gewannen so ein Kompendium für die Bestimmung der Dinge. Gesteins- und Fossiliensammlungen nach französisch-italienischem Muster legten Georg Agricola, Conrad Gesner, Johannes Kentmann, Georg Fabricius, Anselm de Boodt und viele andere an, sicher nicht voneinander unabhängig, da Gesner z. B. die Sammlungen Kentmanns und Fabricius’ publizierte und man die Werke der anderen zitierte (Gesner 1565; Kentmann 1565; Fabricius 1565), ähnlich wie die Autoren der Inschriftensyllogen diesseits und jenseits der Alpen miteinander kommunizierten. Wie die Sammlungen Aldrovandis und das grafische Unternehmen des Cassiano dal Pozzo spiegeln diese wissenschaftlichen Sammlungen das universalwissenschaftliche Denken und das Bemühen, die gesamte Welt darzustellen (Leinkauf 1994, S. 536). Die meisten der privaten Sammlungen unterschiedlicher Art sind leider verstreut worden. Im besten Fall gelangten sie in die fürstlichen Kunstkammern und in die ersten naturgeschichtlich ausgerichteten Museen und blieben uns so erhalten (Gummel 1938, S. 53 ff.). Das war der Fall bei den Mirabiliensammlungen des Mediziners Berhard Paludanus in Enkhuizen, die zu den klassischen Wunderkabinetten gehörten, d. h. Gegenstände aus den verschiedensten Bereichen umfassten (MacGregor 1994, S. 99). Sie wurden Grundstöcke für die Wunderkammern der württembergischen und der Schleswiger Herzöge (Olearius 1674, S. b). Auch die berühmte Sammlung des Mediziners Ole Worm, das Museum Wormianum, das sicher in die Zeit vor 1630 zurückgeht, konnte durch die Übernahme in die Königliche Kunstkammer in Kopenhagen erhalten bleiben und gehört heute zum Grundstock des Dänischen Nationalmuseums Kopenhagen wie die Fuggersammlung zum Grundstock der Münchener Sammlungen (Klindt-Jensen 1975, S. 24 f.; siehe Bd. 2). Obwohl unter den sammelnden Wissenschaftlern sich auch Universitätsprofessoren befanden, lässt sich die Entwicklung zum Universitätsmuseum außerhalb Italiens doch erst nach 1630 näher fassen. Dann gelangten allerdings auch ältere Sammlungen, wie der naturwissenschaftliche Teil des Museums von Basilius Amerbach in Basel, in Universitätsbesitz. Die botanischen Gärten, in Italien Keimzellen der ersten naturgeschichtlichen Universitätsmuseen schon in der Mitte des 16. Jahrhunderts, entstanden in Mitteleuropa erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. In Kiel spielte Johan Daniel Major gerade auch für die Kombination beider Einrichtungen
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eine wesentliche Rolle (Steckner 1994, S. 607, Abb. 4; siehe Bd. 2). Eine gewichtige Ausnahme macht noch im 16. Jahrhundert die anatomische Sammlung der Universität Leiden, das Werk der Professoren Pieter Paaw und später Otto van Heurn (MacGregor 1994, S. 83). Sie repräsentierte nicht nur Anatomie, sondern zunehmend die verschiedensten Wissenschaftsbereiche. Schon vor dem Dreißigjährigen Krieg zeigen auch die ersten prähistorischen Schul- und Stadtsammlungen wie in Breslau die des Maria-Magdalenen-Gymnasiums und der Raths-Bibliothek zu St. Maria-Magdalenen, in der sich sicher seit 1614 prähistorische Urnen befanden, die Verbreitung des Interesses an den merkwürdigen prähistorischen Funden und ihr Eindringen in den Unterricht an (Major 1692, S. 24). Die fürstlichen Sammlungen des entwickelteren 16. Jahrhunderts verbanden den schon vorher vorhandenen Schatzcharakter mit dem enzyklopädischen Anspruch der Wissenschaftlichkeit. Kostbarer Werkstoff, Kunst und Kunsthandwerk verschiedener Epochen und Erdteile nahmen hier einen bedeutenden Raum ein, in dem und neben dem sich aber ebenfalls archäologische Objekte befanden. Die erste moderne Kunstkammer innerhalb der Habsburger Familie baute eine Frau auf, Margarete von Österreich, Tochter Kaiser Maximilians I. und der Maria von Burgund. Der Grundstock der Objekte stammte sicher teilweise aus ihrem burgundischen Erbe. Margaretes Sammlung war ähnlich wie die der Medici oder der Isabella d’Este auf ihren ganzen Palast in Mechelen (Flandern) verteilt. Die Statthalterin der Niederlande fand sogar die Zeit zur Inventarisierung und führte auch Besucher durch ihre Schätze, zu denen seit 1530 auch der Cortez-Schatz als Geschenk ihres Neffen Kaiser Karls V. gehörte. Dessen Bruder Ferdinand I. wurde dann der eigentliche Begründer der Habsburger Kunstkammer, einer Sammlung, in der neben den Schatzcharakter der ideelle, ja auch der wissenschaftliche Wert der Objekte trat. Sie enthielt auch einheimische römische Funde aus Carnuntum. Freilich beginnt die Kontinuität der heutigen Wiener Sammlungen erst mit der Kollektion Ferdinand II. Erzherzogs von Österreich in Ambras. Maximilian II. tat sich besonders durch sein Interesse für die Antiken hervor, die er durch seinen Agenten Jacopo Strada aufspüren ließ (Scheicher 1979, S. 60, S. 65, S. 139; Heenes 2010, S. 300). Die seit Julius von Schlosser (1908, S. 81) als Kuriositätenkabinett geltende Sammlung Rudolf II. in Prag besaß dagegen sowohl künstlerischen als auch wissenschaftlichen Charakter. U. a. enthielt sie Fossilien, den Stoßzahn eines Mammuts und Funde der Hallstattzeit (Fučíková 1985, S. 53 ff.). Einige Sammlungen von deutschen Reichsfürsten und Handelsherren standen denen der Habsburger an Bedeutung kaum nach. Jacopo Strada arbeitete sowohl für die Fugger als auch für die Bayernherzöge (Trunk 2002, S. 49, Anm. 235; Heenes 2010, S. 297). Die Fugger veräußerten Sammlung und Bibliothek 1571 an den bayerischen Herzog Albrecht V. (Kuhoff 1996, S. 268; DNP 13, S. 33 [S. Fornaro]). Ihre Sammlung wurde somit Grundlage des Münchner Antiquariums, die Bibliothek Bestandteil der Münchner Hofbibliothek. In der Kunstkammer der bayerischen Herzöge, die Albrecht V. 1565 im Marstall einrichtete, spielten wie in der kaiserlichen Sammlung die genea-
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logisch interessanten Münzen eine Hauptrolle. Wie Aldrovandis Sammlung umfasste sie aber alle Bereiche des Wissens und der Kunst und wurde nach Anfrage Interessenten zugänglich gemacht (Seelig 1985, S. 77 ff.; MacGregor 1994, S. 66 f.). Antike Skulpturen für das Antiquarium bezog man aus Italien, einheimische Funde spielten, wie schon in der Fugger-Sammlung, mit Ausnahme von Münzen nur eine geringe Rolle (Lieb 1958, S. 8). Es gab aber auch Prähistorisches und Exotika wie indianische Objekte (MacGregor 1994, S. 69). Der italienische Einfluss war stark: Samuel Quicche berg, der ehemalige Bibliothekar der Fugger, informierte sich über den Aufbau von Sammlungen in Italien, z. B. gehörte er zu Ulisse Aldrovandis Sammlungsbesuchern und zitierte seine Publikationen (Roth 1998, S. 204). So entstand eine für die Zeit vorbildliche Ordnung für eine regelrechte Ausstellung (MacGregor 1994, S. 68 f., Abb. 4), über die der Bibliothekar auch theoretisch schrieb (Quiccheberg 1565; NDB 21, 2003, S. 44–45 [Zäh, Helmut]; siehe S. 334). Herzog Wilhelm V. von Bayern gab dann ein Inventar seiner Kunstkammer in Auftrag, das Johann Baptist Fickler 1598 vollendete (Fickler 1598[2004], S. 11 f.). Danach lässt sich die interessante Ordnung dieser Sammlung rekonstruieren, die mit über sechstausend Objekten einen erheblichen Umfang erreicht hatte, den theoretischen Überlegungen von Quiccheberg allerdings nicht folgte (siehe S. 346). Die bayerischen Herzöge standen mit ihrer Sammlung aber nicht allein. Im 16. Jahrhundert besaßen auch die württembergischen Herzöge Ludwig der Fromme und Friedrich I. schon Antikensammlungen oder Wunderkammern (Gummel 1938, S. 9). Simon Studion legte mit der Schenkung seiner Inschriftensteine die Grundlage für das herzogliche Lapidarium, das zunächst im Lustgarten aufgestellt wurde (Paret 1929, S. 4, S. 6; Filtzinger 1986, S. 14; Wagschal 1993, S. 16 f., Taf. 222,1–3, Taf. 225,1, Taf. 226,1, Taf. 227,2 und 4). Zu nennen sind weiter die im 16. Jahrhundert entstehenden fürstlichen Kunstkammern in Kassel und Dresden. 1587 wurde auch für die kurfürstliche Kunstkammer in Dresden ein Inventar begonnen, von dem noch Auszüge erhalten sind (Schlosser 1908, S. 84). Der Dreißigjährige Krieg führte in verschiedenen Gebieten aber zu Totalverlusten der gerade entstandenen Sammlungen, wie in Brandenburg. Immerhin wurden noch Anfang des 17. Jahrhunderts Inventarlisten angelegt (Gummel 1938, S. 53, Anm. 5). Zusammenfassend kann man also sagen, dass sich die Kunstkammern als enzyklopädische Sammlungen während des 16. Jahrhunderts im Gebiet des Reiches etablierten und auch systematisiert und inventarisiert wurden. Dafür brauchte man Fachleute. Mit der offiziellen Einrichtung fürstlicher historisch-antiquarischer Sammlungen entstanden auch die ersten antiquarischen Ämter. Zunächst waren es jedoch Historiographen oder Verwaltungsbeamte verschiedener meist wissenschaftlicher Ausbildung: Der Jurist Nikolaus Marschalk bekleidete in seinen ersten Jahren in Mecklenburg das Amt eines Consiliarius des Herzogs und schrieb seine Reimchronik und seine Vitae Obetritarum wohl noch in dieser Position. Ein ausdrücklich historisches Amt scheint er jedenfalls nicht bekleidet zu haben. Ob er für die entstehende Sammlung verantwortlich war, lässt sich aus seinen Schrif-
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ten nicht entnehmen (Sasse 2010, S. 251 f.). Johannes Thurmayr (Aventinus) wurde zunächst Prinzenerzieher, erhielt danach aber seit 1517 das Amt eines bayerischen Historiographen (NDB 1, 1953, S. 469 [Georg Leidinger]; Schmid 1996, S. 85). Bei den Habsburgern machte das römische Beispiel eines eigenständigen Amtes für die Altertümer erst unter Kaiser Maximilian II. Schule. Wolfgang Lazius, zunächst Arzt am Hofe Ferdinands I., betreute die 1533 eingerichtete Kunstkammer dann in seiner Funktion als Historiograph. Lazius trug aber auch selbst eine Münzsammlung zusammen – wie schon bei Aventin deutlich wurde, eigneten sich Münzen für diese Gruppe von wirtschaftlich abhängigen Altertümersammlern besonders gut (Berghaus 1983, S. 131; S. 142). Außerdem boten sie durch ihre Inschriften und Bildnisse für diese professionelle Sammlergruppe Anhaltspunkte zur Systematisierung. Lazius Nachfolger, der Künstler Jacopo Strada, wurde dann 1565 unter Kaiser Maximilian II. schon Antiquarius Imperialis bzw. Antiquarius Caesareus, 1567 Kaiserlicher Majestät Aufseher auf die Kunstkammer (Rudolf 1992, S. 19; Hammerstein 1996, S. 77; Heenes 2010, S. 300). In Frankreich bekam die Entwicklung zur spezialisierten Antikensammlung durch den Sacco di Roma 1519 einen bedeutenden Anstoß. Franz I. und seine Leute brachten die italienische Mode nach Frankreich, wo sie sich im Laufe des 16. Jahrhunderts auch im privaten und städtischen Bereich durchsetzte. Das Cabinet d’antiques von Bordeaux war auch öffentlich zugänglich (Laming-Emperaire 1964, S. 58 f.). Der Ausgangsfundus des heutigen Louvre in Paris, das Cabinet du Roi, entstand aber erst seit 1560 (Gran-Aymerich 1998, S. 33) vor allem unter der Regentschaft Caterina de’ Medicis. Auf Heinrich IV. und seine Maitresse Gabrielle d’Estrées geht ein bedeutender Teil der Sammlung des Cabinet des Médailles zurück (Laming-Emperaire 1964, S. 59). Wenn man den Beginn der Sammlungsarchitektur als einen gut datierbaren Indikator für die Altertumsbegeisterung und deren Ausprägung macht, so scheint diese Entwicklung auf der Iberischen Halbinsel relativ spät begonnen zu haben. Dies verwundert, da die persönlichen Kontakte zu Italien auch im 15. Jahrhundert intensiv waren. Ein gut untersuchtes Beispiel ist die Casa de Pilatus in Sevilla, für deren Umbau 1518 italienische Künstler beauftragt wurden. Sie führten hier einen Bautyp wie die Guardarropa auf, einen zwar nicht mit dem italienischen Studiolo identischen, diesem aber entsprechenden galerieartigen Raum für die Aufbewahrung von Sammlung und Bibliothek. Dazu kommen Höfe und Gärten für die Aufstellung von Skulpturen. Schon 1539 entstand dort eine Galerie mit zeitgenössischen Statuen, die antike ,viri illustres‘ verkörpern sollten, zu denen später echte antike Stücke kamen (Trunk 2002, S. 10 ff.). Interessant ist es, dass die im Patio Grande des Palastes aufgestellte Herrschergruppe als chronologischen Anfangspunkt Romulus und als Endpunkt den spanischen König Carlos I. (Kaiser Karl V.). aufwies, dazwischen aber keine mittelalterlichen Kaiser (Trunk 2002, S. 49, S. 82). Römische, christliche, orientalische und einheimische Traditionen führten in Spanien aber auch zum Interesse an einheimischer Archäologie. Interessant sind
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diesbezüglich die ältesten spanischen Sammlungen zur Stadtgeschichte. In Martos (Andalusien) bildete der angebliche Fund einer Herkulessäule im Jahre 1504 den Ausgangspunkt für die städtische Sammeltätigkeit (Lleó Cañal 1995, S. 64). In Antequera (Andalusien) wurden antike Funde aus der Umgebung in das 1585 erbaute Stadttor, den Arco de los Gigantes, eingebaut (Beltrán Fortes 1993, S. 111). Die dazu gehörige Inschrift drückt das Motiv dieser städtischen Sammlung aus: Man hätte „statue et epitaphia quae huius civitatis antiquitatem et nobilitatem demonstrant“ in diesem Stadttor eingebaut (Marcks 2001, S. 202)112. Etwa gleichzeitig schmückte Antonio Agustín seinen Garten in Tarragona mit einheimischen Antiken (Morán Turina 2010b, S. 52). Die Sammlung des Marqués de Mirabel in Plasencia (Extremadura) enthielt u. a. römische Grabsteine aus dem nahen Mérida. Nach der Veränderung des Palastbaus zur Aufstellung der Sammlung zu urteilen muss diese vor 1573 bestanden haben (Marcks 2001, S. 156; S. 164 ff.). Sie geht also vielleicht schon auf den ersten Amtsträger Don Fadrique de Zuñiga y Sotomayor zurück. Die archäologischen Objekte der hier genannten Sammlungen umfassten wie die italienischen antike Plastiken, Steindenkmäler mit Inschriften und Reliefs, antike Kleinfunde wie Gemmen und Münzen, Keramik und Gebrauchsgegenstände, darunter auch prähistorische Funde und Ethnologika. Damit wurden sie nicht nur zum Ausgangspunkt für die ersten deskriptiven Veröffentlichungen im archäologischen Bereich, wie z. B. die Inschriftensyllogen und die ältesten Inventare. Wie in Italien war man sich nicht darüber im Klaren, ob es sich bei den prähistorischen Objekten um menschliche Artefakte handelte. So wurden die Sammlungen, in denen sich das ganze Spektrum des Wissens um die Materie befand, zu den Institutionen, die als erste die Einordnung dieser Objekte in das universale Wissenschaftsbild durch Vergleich mit anderen Objekten ermöglichten und diese Einordnung zunehmend physisch und optisch einem größeren Interessentenkreis zugänglich machen konnten. Dabei waren sie allerdings unterschiedlich erfolgreich.
3.2 Motive, Forschungsthemen und Fragestellungen Im Folgenden werden wichtige Arbeiten der frühen archäologischen Forschung nach den Gesichtspunkten des oben besprochenen Methodenmodells (Abb. 9) untersucht. An erster Stelle steht die Klärung der Beweggründe der Gelehrten für ihre Arbeit und das Problem, inwieweit konkrete wissenschaftliche Fragen nachzuweisen sind. Dieses Thema ist von besonderer Brisanz, da die heutige Wissenschaftsgeschichte dazu neigt, den damaligen Forschern die Wissenschaftlichkeit abzusprechen (siehe S. 358).
112 Übersetzung: Statuen und Grabmäler, die das Alter und die Ehrwürdigkeit der Stadt zeigen.
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Wie in Antike und Mittelalter bleibt das Motiv der Schatzsuche und des nachfolgenden Raubes, der Thesaurierung, der Möglichkeit der Weitergabe als Geschenk oder Ware oder der Wieder- und Weiterverwendung von Antiquitäten bis in unsere Tage als eine Konstante lebendig. Es handelt sich um Erscheinungen, die hier nur erwähnt werden, wenn sie das wissenschaftliche Geschehen beeinflusst haben, und die sicher nicht als wissenschaftlich zu werten sind.
3.2.1 Die Antike als Vorbild Als Hauptmotiv der italienischen Altertumsforscher des 14. bis 16. Jahrhunderts lässt sich der Aufbau der Antike als Vorbild für die Gegenwart herausarbeiten: die Geschichte als Lehrmeisterin, Magistra vitae. Dieses normative, moralische, pädagogische und insofern nicht primär historische Anliegen wurde oft formuliert und äußerte sich auf verschiedenen Feldern. Das Lernen vom antiken Vorbild bedeutete die Möglichkeit eines selbstgesteuerten und nicht allein von Gott vorgegebenen Daseins. Maßgeblich war das vorbildhafte Leben bedeutender Personen der Antike. Programmatisch nahm Francesco Petrarca deshalb die antike Werkform der Biographien großer Männer wieder auf: De viris illustribus (Petrarca 1964; Pelc 2002, S. 9 f.). Zweck war die Identifikation mit den dargestellten Personen, ihren Taten und ihren Tugenden. Als Petrarca Kaiser Karl IV. Münzen mit den Bildnissen Römischer Kaiser schenkte, sprach er sein Anliegen, dem Kaiser antike Herrscher als Vorbilder zu präsentieren, deutlich aus: „Und ich sagte: Schau diese an, mein Kaiser, der Du ihr Nachfolger bist, schaue sie an! Strebe danach, ihnen zu gleichen und sie zu bewundern, gestalte Dich nach ihrer Form und ihrem Bilde …“113. Doch nicht nur bedeutende Personen der Antike sollten als Vorbilder dienen. Der junge Leon Battista Alberti verherrlichte z. B. in einer moralischen Abhandlung über das Familienleben, der er die Form einer Diskussionsrunde in seiner eigenen Familie gab, die Tugenden der antiken Familien und machte sich zur Aufgabe, aus den antiken Texten die Vorschriften für ein gedeihliches Familienleben zusammenzutragen: „voi con manco fatica abbiate da conoscerli, e conoscendoli seguitarli“ (Alberti 1433–1441, S. 9)114. Alberti brachte außerdem seine Ansicht deutlich zum Ausdruck, die menschliche Handlungsweise könne das Schicksal und damit die Geschichte beeinflussen und folgte damit antiken, nicht christlichen Maßstäben (Buck 1957, S. 15; Kessler 2008, S. 45 f.). Francesco Petrarca und später auch Nicoló Macchiavelli ging es um den antiken Herrscher als Vorbild (Macchiavelli 1532), Leon Battista Alberti um den Menschen und seine unmittelbarste Organisationsform, die Familie. Gian Francesco Poggio Braccio-
113 Zitiert nach Scheicher 1979, S. 19. 114 Übersetzung: … denn Ihr sollte sie ohne Mühe kennen lernen und ihnen folgen …
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lini bewunderte dagegen in der um 1440 entstandenen „Ruinarum Romae descriptio“ die gesamte moralische und politische Größe Roms und beklagte ihren Verfall. Nur noch die Ruinen seien als Zeugen dieser Größe erhalten! Dieser Text bildete das erste Buch seines Werkes Historiae de varietate fortunae, besaß also den Charakter eines moralischen Lehrstücks: Deflendum quippe est hanc urbem tot quondam illustrium virorum atque imperatorum foetam, tot belli ducum, tot principum excellentissimorum altricem, tot tantarumque virtutum parentem, tot bonarum artium procreatricem, ex qua rei militaris disciplina, morum sanctimonia et vitae, santiones legum, virtutum omnium exempla et bene vivendi ratio defluxerunt, quondam rerum dominam, nunc per fortunae omnia vertentis iniquitatem, non solum imperio majestateque sua spoliatam, sed addictam vilissimae servituti, deformem, abjectam, sola ruina praeteritam dignitatem ac magnitudinem ostentantem (Poggio 1440[1513])115.
Damit war die Grundlage für eine Untersuchung dieses würdigen Lebens durch die Untersuchung der Ruinen gegeben. Außerdem ergab sich aus den Klagen über die Zerstörung die Notwendigkeit der Konservierung, die oft genug thematisiert wurde. Poggio Bracciolini setzte sie aber auch in die Tat um, wenn er z. B. Inschriften von Gebäuden verzeichnete, die der Kalkbrennerei zum Opfer fielen (Ott 2002, S. 149). Ganz allgemein wurde diese Vorbildfunktion Roms von Flavius Blondus verstanden. Er gab das Ziel seines Spätwerkes De Roma Triumphante als „Romanae igitur gentis & urbis laudes, Romanorum Instituta & vitae exempla“ an. Diese „exempla“ sollten Religion, Verwaltung, Militär sowie Mores und Instituta beinhalten (Blondus 1531b, S. 2). Die Identifikationsmöglichkeit erreichte er durch die Herstellung einer Korrespondenz („respondere“) zwischen den verschiedenen sozialen Gruppen und Ämtern der Antike und seiner Zeit: Der Papst entspricht den Konsuln, die Kardinäle den Senatoren (Blondus 1531b, S. 217; Clavuot 1990, S. 35). Blondus’ nach 1449 vollendete Roma instaurata besitzt dagegen einen unmittelbar praktischen Vorbildcharakter. Sie sollte die antike Stadttopographie als Grundlage für den Wiederaufbau Roms nach der Rückkehr des Papstes aus Avignon rekonstruieren und steht in unmittelbarer Nachfolge zu dem Werk von Poggio Bracciolini von 1440 (Blondus 1531 b, S. 218 ff.; Clavuot 1990, S. 30). Konkretisiert wurde diese Fragestellung durch Künstler, deren Aufgabe ja die dingliche Nachahmung der Gegenstände und Gebäude war. Derselbe Leon Battista Alberti, der sich auch mit der antiken Moral beschäftigte, erhob die antike Kunst
115 Übersetzung: Allerdings ist es zu beweinen, dass diese Stadt, einst die Mutter so vieler berühmter Männer und Kaiser, die Führerin so vieler Kriege, die Amme so vieler exzellenter Fürsten, die Erzeugerin so vieler Tugenden, die Urheberin so vieler guter Künste, von der die Lehre vom Kriegswesen, die Reinheit von Sitten und Leben, die Gesetzesbestimmungen, Beispiele für alle Tugenden und die Lehre, wie man gut leben soll ihren Ursprung haben, einst die Herrin der Dinge, jetzt durch die Ungunst des Schicksals nicht nur ihrer Herrschaft beraubt ist, sondern der niedrigsten Knechtschaft ergeben ist, entstellt und gemein. Nur die Ruine zeugt noch von Würde und Größe.
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durch die Entwicklung und Anwendung einer auf Quantitäten beruhenden Theorie über die Untersuchung der vorbildhaften römischen Bauweise sowohl nach der Schrift des Vitruv als auch durch das Studium der römischen Monumente zu einer Wissenschaft. Ganz neu ist dabei die Erarbeitung mathematischer Kriterien für die Schönheit antiker Bauten (Alberti 1452; Grafton 2002; Kessler 2008, S. 47 ff.). Damit erreichte Alberti eine ästhetische Fragestellung mit praktischer Anwendungsmöglichkeit. Die Wichtigkeit der praktischen Arbeit am Monument bringt ein Brief des Baldassare Castiglione an Papst Leo X. von 1519 eindrucksvoll zum Ausdruck. Der Autor des Cortegiano hat diesen Brief offenbar im Namen seines Freundes Raffael geschrieben: … considerando delle reliquie che ancor si veggono delle ruine di Roma la divinità di quegli animi antichi, non istimo fuor di ragione il credere che molte cose a noi paiano impossibili, che ad essi erano facilissime. Però, essendo io stato assai studioso di queste antiquità, e avendo posto non picciola cura in cercarle minutamente e misurarle con diligenza, e leggendo i buoni autori, confrontare l’opere con le scritture, penso di aver conseguito qualche notizia dell’architettura antica (Castiglione/Santi 1519[2008], Nr. 409)116.
Im selben Brief erweiterte er den Begriff des Vorbildes. Der Papst solle „agguagliarli e superarli, come ben fa con grandi edifici“, die Alten zum Maßstab nehmen und sie übertreffen, wie er das ja schon mit großen Bauten mache. Das Interesse ging aber schon im 15. Jahrhundert deutlich über die Erarbeitung des antiken Vorbildes hinaus. In seiner Italia illustrata gab Flavius Blondus zwar im ersten Buch die Laudatio Italiens als Ziel an. Damit folgte er zunächst der Historia Naturalis Plinius´ des Älteren (Plin. nat. 3,6, § 38–42; Blondus 1531b, S. 294); im Prooemium aber bezog er sich auf die historische Erkenntnis selbst. Die großen Taten der Antike seien durch die alten Historiker gebührend überliefert worden. Das gelte aber nicht für zwei Bereiche, die Blondus parallel mit „sed“, aber, einleitete: Der erste Abschnitt bezieht sich auf die barbarischen „Gentes“. Sie hätten die „bonarum artium studia“ und die Geschichtsschreibung zerstört, so dass auch die großen Taten einer Epoche von 1000 Jahren – damit ist das Mittelalter gemeint – verloren gegangen seien. Der zweite mit „sed“ eingeleitete Abschnitt betrifft mit der historischen Geographie Italiens das Thema der Italia illustrata: In diesem Teil des Textes begegnet das Schlagwort „exemplum“, Vorbild, nicht. Dafür aber findet man „historiarum noscendarum“, den Wunsch, die
116 Übersetzung: … wenn ich (nur) nach den Überresten gehe, die noch von den Bauten Roms sichtbar sind, und von ihnen auf die Göttlichkeit des antiken Geistes schließe, möchte ich glauben, dass vieles, was uns heute unmöglich erscheinen mag, für die Alten ganz leicht war. Nachdem ich mich aber intensiv mit diesen Altertümern beschäftigt habe und nicht wenig Mühe darauf verwendet habe, sie sorgfältig zu suchen und genau zu vermessen, die guten Autoren gelesen habe und die Monumente mit den Schriften verglichen habe, habe ich einige Erkenntnisse über die antike Architektur gewonnen.
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Geschichte kennen zu lernen, sowie Memoria, Erinnerung zu schaffen, die Geschichte der Vergessenheit zu entreißen. Interessant ist, dass die Liebe zur Geschichte durch „studia“ hervorgerufen wird: … sed Italiae regiones, urbes, oppida, lacus, flumina montesque, quorum nomina a vetustis frequentantur scriptoribus, ubi sint, magna ex parte ignoremus: Et quod maiorum nobis affert admirationem, multorum oppidorum et potentissimarum civitatum, quas interea in magnam amplitudinem crevisse cernimus: conditarum tempora nos lateant, et ipsi etiam conditores. Itaque postquam propitiore nobis deo nostro meliora habet aetas nostra, et cum caeterarum artium tum maxime eloquentiae studia revixerunt, ac per ea historiarum diligentius noscendarum amor nostros cepit homines: tentare volui, si per eam quam sum nactus Italiae rerum peritiam vetustioribus locis eius et populis nominum novitatem, novis auctoritatem, deletis vitam memoriae dare, denique rerum Italiae obscuritatem illustrare potero (Blondus 1531b, S. 293)117.
Flavius Blondus verfolgte mit dieser ersten Monographie über Festlandsitalien außerdem auch ein nationales Ziel, das Plinius in der Situation Roms im 1. Jahrhundert nach Christus fern gelegen hatte, die politische und kulturelle Einheit Italiens (Clavuot 1990, S. 64). Weitere wichtige in diesem Text angegebene Themen sind Regionen, Städte verschiedener Art mit ihrer Lage, ihrem Gründer und ihrer Gründungszeit sowie ihrem antiken Namen. Generell, nicht nur bei Blondus, ist die Stadt eines der wichtigsten Themen. Sie steht parallel zur Dynastie. Ihr hohes Alter (Älter als Rom oder genauso alt!!!), ihre hervorragenden Bauten, ihre bedeutenden Söhne und Töchter und ihre Teilnehme an den wichtigsten Ereignissen der Welt zeichnen die großen Stadtgeschichten aus, allen voran die Geschichte von Florenz des Leonardo Bruni Aretino, eines der wichtigsten Vorbilder für Blondus (siehe auch S. 299). Ein Teil dieser Themen deckt sich auch mit denen, die Annius von Viterbo in seinen vierzig scholastischen „quaestiones“ angab, mit denen er seine Antiquita tes abschloss: „de limitibus … (de) nominibus vetustissimis Thusciae“. Bei Annius stehen aber „(de) gentibus & populis“ und vor allem deren Ursprung im Vordergrund (Nanni 1498, fol. f 4r). Die Antike als Vorbild für die Gegenwart und das beginnende Interesse für die Geschichte lösten in der italienischen Renaissance eine Reihe von Fragestellungen aus, für deren Beantwortung die Gelehrten erstmals auch die Arbeit an archäologi-
117 Übersetzung: Aber wo die Regionen Italiens, die Städte, Landstädte, Seen, Flüsse und Berge, deren Namen die alten Schriftsteller nennen, lagen, wissen wir zu einem großen Teil nicht. Und wir erkennen mit Bewunderung, dass viele Landstädte und äußerst mächtige Civitates inzwischen eine große Bedeutung bekommen haben. Uns fehlt aber die Kenntnis ihrer Gründungszeit, und wir wissen nicht, wer ihre Gründer waren. Daher möchte ich, nachdem wir Gott sei Dank in einer besseren Zeit leben und mit den übrigen Künsten auch die Eloquenz wieder belebt worden ist und dadurch die Menschen von der Liebe zur Geschichtskenntnis erfasst worden sind, nun versuchen, dadurch, dass ich Erfahrung über die Verhältnisse Italiens gesammelt habe, den älteren Ortschaften und Völkern ihre Namen, den neuen Ansehen zu geben und die zerstörten durch die Erinnerung wieder zum Leben zu erwecken und endlich das Dunkel der italienischen Dinge aufzuhellen.
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schen Objekten einsetzten. Da sich dieses Konzept durch die genannten Arbeiten für Jahrhunderte durchsetzen sollte und bestimmte wissenschaftliche Arbeitsweisen erforderte, die erlernt und weitergegeben wurden, wird im Folgenden von dem humanistisch-antiquarischen Forschungsansatz gesprochen: – Das antike Leben mit seinen Kultureinrichtungen, zu denen auch Spiele und die Religion mit ihren Göttern und Mythen gehörten, – Das Alter und der mythische Ursprung der Städte, – Die mythische Konstruktion der genetischen Verwandtschaft zwischen antiken Menschen und Zeitgenossen. Erst langsam begannen sich daraus während der Renaissance wissenschaftliche Fragestellungen hinsichtlich der Sachkultur zu entwickeln, die auf die Dauer geeignet waren, dem geschichtstheologischen mittelalterlichen und teilweise antik geprägten Weltbild ein andersartiges Detailwissen entgegenstellen zu können: – Das Bildnis des antiken Menschen, – Die antike Architektur und bildende Kunst und das Aussehen antiker Realien, – Das Aussehen des Landes und der Städte in der Antike, – Die Datierung einzelner Gegenstände und Orte, ihre historische Identifikation und ihre Funktion. – Sehr vereinzelt, aber schon seit dem 15. Jahrhundert begegnet der Versuch, schriftliche Überlieferungen, Mythen und Legenden oder Fälschungen durch antike Realien zu beweisen, aber auch kritisch zu überprüfen, das heißt, eine historische Fragestellung zu entwickeln, wie sie in der Antike für Thukydides und Herodot nachgewiesen werden konnte (siehe S. 94 ff.). Außerhalb Italiens besaß die Antike einen grundsätzlich anderen historischen Stellenwert: Die Italiener konnten die eigene Geschichte leicht mit der Größe des Römischen Weltreiches und seiner Kultur identifizieren. Sie wurde zum Vorbild durch Rückgriff und genetische Aneignung. Ganz besonders gilt das für das Zentrum des Römischen Reiches, wo man die berühmten Personen der Antike zugleich als Vorfahren ansehen konnte (Muhlack 2001, S. 16; siehe S. 201). Schon in den anderen großen romanischen Nationen, ja in gewissem Maße schon in Italien außerhalb Roms divergierten die Geschichtsbilder zwischen römischer und einheimischer Tradition. Folglich ist das Interesse an der eigenen Vergangenheit auch durch eine Auseinandersetzung mit Rom und seiner Vorherrschaft über die eigenen Vorfahren geprägt. Durch den Religionskonflikt vermischte sich die nichtrömische Tradition mit dem Aufbegehren gegen das Papsttum. Die renaissancetypische historische Identitäts suche erhielt so eine deutlich andere Komponente als in Italien. Diese entwickelte sich allerdings erst im Laufe der Zeit und lässt sich gerade am wachsenden Interesse für die eigene spezifische Vergangenheit sehr gut zeigen. In diesem Prozess kamen im 16. Jahrhundert auch zunehmend niemals römische Gebiete zur Altertumsforschung, insbesondere Skandinavien. Dabei übertrugen sie italienische Fragestellungen und
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Methoden, konstruierten aber aus ihrer Vergangenheit von Anfang an eigene Identitäten. Auch für die Arbeitsweise ergibt sich ein grundlegender Unterschied: Während die Antike in Italien und den römisch beherrschten Gebieten weitgehend der historischen Zeit angehört und Schriftquellen sowie ein festes Zeitgerüst vorhanden ist, das im östlichen Mittelmeerraum auch über diese Zeit hinaus in die historische Tiefe reicht, besaßen die Gebiete ohne römische Vergangenheit eine ungleich schlechtere Quellenbasis. Deshalb war von Anfang an ein größeres Bedürfnis da, archäologische Quellen als historische Quellen einzusetzen. Die Anfänge aber standen ganz im Zeichen der italienischen Altertumskunde und der gemeinsamen mittelalterlichen Tradition. Dabei zeigen sich bedeutende regionale Unterschiede. Frankreich, ein wichtiger Teil des ehemaligen Römischen Reiches, erlebte am Ende des 14. und zu Beginn des 15. Jahrhunderts zunächst vor allem über die päpstliche Kurie in Avignon einen starken Einfluss italienischer Frühhumanisten. Überwiegend galten die in diesem Zusammenhang entstandenen Studien wie in Italien der römisch-griechischen Schriftkultur und ihrer moralischen Größe (Müller 2002, S. 323 ff.). Heribert Müller hat entgegen älterer Auffassungen und aufgrund der neueren französischen Literatur gezeigt, dass sich an verschiedenen Stellen des heutigen Frankreichs eine Weiterentwicklung der frühen humanistischen Anfänge feststellen lässt (Müller 2002, S. 347 ff.). Die enge Bindung an den italienischen Humanismus ist auch dadurch zu erklären, dass viele Italiener zur französischen Geschichte Stellung nahmen, unter ihnen der einflussreiche Paulus Aemilius Veronense, der überwiegend nach dem normativen humanistisch-antiquarischen Forschungsansatz arbeitete, wie er von Flavius Blondus und anderen vertreten worden war (Maissen 1994, S. 202 ff., bes. Anm. 246). Grundlage der Identifizierung mit den Römern bildete vor allem die Vorstellung einer Kontinuität zwischen Galliern bzw. Gallien und Franken bzw. Frankreich (Maissen 1994, S. 317 ff.). Die Identifikation mit den Römern wurde unterstützt durch die parallele Troja-Origo, die trotz der Widerlegung durch Paulus Aemilius noch lange nachwirkte (siehe S. 191 f.). Archäologische Funde spielten bis in das 17. Jahrhundert hinein dabei kaum eine Rolle, da die Behandlung der weit zurückliegenden historischen Zeiten durch schriftliche und epigraphische Quellen abgedeckt wurde. Der Jurist Nicolas Fabri de Peiresc, der als bedeutender Antiquar des ausgehenden 16. und der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts gilt und während seines Studienaufenthaltes in Padua mit den führenden italienischen Antiquaren zusammengekommen ist, scheint sich auch selbst überwiegend für Römisches interessiert zu haben. Die Biographie seines Freundes Pierre Gassendi und seine Korrespondenz zeigen ihn jedenfalls in der Gesellschaft der wichtigsten italienischen Altertumsforscher und Sammler um Gian Vincenzo Pinelli integriert (Gassendi 1706, S. 31 ff.; Schnapp 1993[2009], S. 148). Bei Peiresc ist es allerdings fraglich, ob er mit seinen Antiquitäten überhaupt eine Fragestellung verfolgte, die über die Illustration historischer Fakten hinausging. Er gab nach Gassendi als Ziel der Altertümerstudien einmal an: „… pour éclairer par elles la lecture des bons
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auteurs, pour illustrer les circonstances de l’histoire et pour mieux graver dans les esprits, les personnages, leur faits et les grands événements“118. Immerhin würde diese Äußerung richtige Identifikationen, Funktionsbestimmungen und Datierungen voraussetzen, also die Fragestellungen, die auch die Italiener verfolgten. Übrigens scheint sich Peiresc auch mit dem Problem der Widerlegung mythischer Tiere und der Natur der Fossilien beschäftigt zu haben, von denen er Exemplare in seiner Sammlung besaß. In einigen Fällen kam er dabei zu richtigen Deutungen. Wie Michele Mercati vor ihm gab er sehr präzise Zeichnungen in Auftrag (Jaffé 1994, S. 304 ff., S. 309, S. 312, Abb. 10). Vor allem in den ehemals römischen Provinzen regte das Studium Vitruvs und das Architekturstudium antiker Bauten wie in Italien archäologisches Denken an, und wie dort war es gleichzeitig ein Teil der Imitatio der Antike und der italienischen Renaissance. So wurden römische Bauelemente in Spanien schon zu Ende des 15. Jahrhunderts wahrgenommen und nachgeahmt (Kruft 1970, S. 44 ff.). In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts begann überall eine rege Vitruv-Rezeption, zu der auch die Publikation von Diego de Sagredo mit dem programmatischen Titel Medidas del Romano gehört, in der die verschiedenen Kapiteltypen nach dem Vorbild der ersten bebilderten italienischen Ausgaben gezeichnet sind (Cervelló 1997, S. 27 f.). Überall wurde die Fragestellung der historischen Topographie aufgegriffen, auch wenn sie nur in den ehemals römischen Gebieten so leicht wie in Italien beantwortet werden konnte. An ihr kann man sehr gut die nötigen methodischen Modifikatio nen beobachten (siehe S. 343 ff.). Die Frage nach dem Alter des Heimatortes und ob er römischen Ursprungs war, gehört deshalb zu den gemeinsamen Grundfragen der italienischen und außeritalienischen Altertumsforscher. Besonders die Inschriftensammlungen dienten ihrer Beantwortung. Markus Welser gab 1595 als sein Ziel an: „Gentis & urbis initia dico“ (Vorwort). Die deutschen Gelehrten, die am Übergang vom 15. zum 16. Jahrhundert die Erforschung des Altertums begannen, übernahmen ebenfalls zunächst die humanistischen Fragestellungen. Den stärksten Einfluss übten die italienischen Autoren und ihre Werke des 14. und 15. Jahrhunderts auf Hartmann Schedel aus. Franz Josef Worstbuck hat gezeigt, wie in Schedels in mehreren Etappen seit 1502 entstandenem Liber antiquitatum cum epitaphiis et epigrammatibus die Klage über die Vergänglichkeit der Größe und Schönheit Roms und seiner moralischen Werte aufgegriffen wird. Es sind die Beweggründe, die wir bei Gian Francesco Poggio Bracciolini für die Beschäftigung mit den materiellen Überresten der Antike kennengelernt haben (siehe S. 183; Worstbruck 1998, S. 231 f.). Hartmann Schedel übernahm in diesem aus vier Teilen bestehenden Werk nicht nur den Gedanken der säkularen Größe Roms, sondern auch eine Reihe anderer programmatischer Elemente sowohl des Poggio, als auch des Flavius Blondus, Desi-
118 Grenier, Albert (1931): Manuel d’Archéologie Gallo-Romain, 1, S. 25. Paris.
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derius Spretus und des Annius von Viterbo: Die ersten drei Teile nehmen mit dem Thema Italien vor allem Bezug auf die Italia illustrata, also den landeskundlichtopographischen, humanistischen Ansatz. Schedel rezipierte aber auch Annius von Viterbo und damit den genealogisch-weltchronistischen Aspekt der Bibel. Weitere Teile des Werks gelten mit dem „laus urbis“ dem Lob der Städte Italiens und ihrer „viri illustres“, einem weiteren Hauptthema der italienischen Altertumskunde des 15. Jahrhunderts. Die erneute Behandlung Roms ist aus der Roma instaurata des Flavius Blondus exzerpiert (Worstbrock 1998, S. 239, Anm. 79). Dieses Konzept ließ sich ohne Schwierigkeiten auf die süddeutschen Städte übertragen. Der eigene Beitrag Schedels besteht darin, diese Fragestellungen auch auf die deutschen Städte angewendet und eine Parallelität zwischen Rom und Nürnberg, italienischen und deutschen Städten hergestellt zu haben, zumal er das Werk durch zwei Städteansichten einrahmte (ebd. S. 243). Auch Konrad Peutinger (Augsburg) und Stephan Broelmann (Köln) setzten ihre Städte mit Rom gleich und konnten so teilhaben an dessen moralischer Größe und die Gleichwertigkeit mit dem bewunderten norditalienischen Bürgertum in einer bürgerlichen Reliquiensammlung demonstrieren, die aus römischen Inschriftensteinen bestand. Peutingers kurze Widmung enthält dieselben Elemente aus Poggios Klage über den Verlust der antiken Größe wie Schedels Text, dazu erwähnt er die Kalköfen und die Wiederverwendung im Bau als Zerstörungsfaktoren für diese „nobilitatis vestigia“ der römischen Vergangenheit seiner Vaterstadt Augsburg (Peutinger 1505, Widmung). Die Aufnahme dieser Klage als eines der Hauptmotive der Beschäftigung mit Altertümern ist weit verbreitet. Man findet sie auch in Spanien im 16. und sogar noch im 17. Jahrhundert. So wurde der Verlust von Inschriften, die noch Ambrosio de Morales in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gesehen hatte, zur Zeit Rodrigo Caros im 17. Jahrhundert bedauert, da sie „por el uso frecuente de la agricultura que todo lo allana“ schon verschwunden waren (Morán Turina 2010b, S. 51). Die humanistisch-antiquarische Fragestellung der vorbildhaften römischen Mores und Instituta wurde vor allem in Mitteleuropa sehr schnell auf die einheimischen Vorfahren übertragen, für deren Kulturstruktur vor allem in der Germania des Tacitus und im De bello Gallico Caesars historische und ethnographische Quellen vorlagen, die auch eine Identifikation ermöglichten.
3.2.2 Die Origo Während demnach eine Reihe von Grundfragen sowohl in Italien als auch in den übrigen Gebieten West- und Mitteleuropas nachgewiesen werden können, forderte die verschiedene Stellung zu Rom, zum Papsttum und zu den eigenen historischen Identitäten auch andere Fragestellungen und mit ihnen andere Geschichtsbilder. Die kontroverse Auseinandersetzung um die eigene historische Identität – biblisch, trojanisch, etruskisch, makedonisch, römisch, keltisch, gotisch, fränkisch, christlich –
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um nur einige zu nennen – begann schon am Ende des 15. Jahrhunderts. In Italien begann sie mit den Etruskern des Annius von Viterbo. Sowohl aus der Genesis und der auf ihr beruhenden mittelalterlichen Tradition als auch aus der antiken ethnologischen Literatur entstand vor allem in Norditalien die Suche nach einer nichtrömischen Vergangenheit. Die mittelalterlichen Herkunftslegenden wurden dazu aufgenommen, verändert, mit lokalen Traditionen vermischt und teilweise auch widerlegt. Die archäologischen Quellen spielten dabei aber überall noch eine geringe Rolle. Außerhalb Italiens stand zunächst die Dynastie gegenüber dem Volk oder Stamm im Vordergrund. Ein interessantes Beispiel für ein romanisches, nichtitalienisches Gebiet gibt Spanien, das sich nach der 1492 abgeschlossenen Reconquista als Nation formierte. Die Könige von Kastilien und Aragón suchten eine neue, für die gesamte Iberische Halbinsel gültige Ideologie (Caballero López 1997–98, S. 85). Die Ideen dazu kamen wie in den anderen Ländern aus der antiken Geschichtsschreibung, den Völkertafeln der Genesis und aus der christlich-mittelalterlichen Geschichtstradition. Im 16. Jahrhundert wurde diese Tendenz durch den zunächst großen Einfluss der Antiquitates des Annius von Viterbo verstärkt (Caro Baroja 1992, S. 49 ff.). Der Spanier Papst Alexander VI. Borgia (Borja) hatte, wie wir gesehen haben, mit dem Werk von Annius von Viterbo eine orientalisch-mediterrane Identität gefördert, in die er seine eigene Genealogie eingliedern ließ. Die offizielle Geschichtsschreibung der Zeit Karls V. beruhte auf Annius Fälschungen, die sich hervorragend mit älteren Traditionen vereinbaren ließen. So erhielt Tartessos als mythisches ältestes Königreich im Südwesten der Halbinsel eine Mischung orientalischer, ägyptischer, griechischer und einheimischer Traditionen, die im Laufe der weiteren Geschichtsschreibung und Archäologie bestehen bleiben sollten (Ocampo 1553, Buch 1, Kap. 10). Florian de Ocampos Werk behandelte die Ur- und Frühgeschichte Spaniens bis in die Zeit vor der römischen Eroberung aufgrund von Mythen, aber ohne archäologische Funde. Ambrosio de Morales, einer der Historiographen Philipps II., setzte das Werk wesentlich quellenkritischer bis ins Mittelalter fort (Morales 1574). Er schuf damit die neuen, der einheimischen Identifikation dienenden Mythen, die in der weiteren spanischen historischen und archäologischen Forschung Bestand behalten haben: die Geschichte des lusitanischen Vercingetorix Viriato (Morales 1574, Buch 7, Kap. 45–53), die Eroberungs geschichte des keltischen Numantia (ebd., Buch 8), die Entstehung des katholischen Westgotenreiches (Morales 1577, Buch 12) und seine Übertragung auf Asturien und damit eine Kontinuität über den Arabereinfall und die Reconquista hinaus (Morales 1586, Buch 13). Numantia widmete Miguel de Cervantes, der Autor des Don Quijote und Kollege von Ambrosio de Morales an der Universität von Alcalá de Henares119, 1585 ein eigenes Werk (Álvarez Martí-Aguilar 1997, S. 545 ff.). Die Geschichtstradition der Reconquista und der spanischen Monarchie dagegen beruhte und beruht auf der
119 http://www2.uah.es/imagines_cilii/Anticuarios/Textos/morales.htm [Helena Gimeno].
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Translatio des christlichen Westgotenreichs, das es wieder herzustellen galt, sie war und ist also spätantik-christlich und nicht heidnisch-römisch120. Philipp II. sammelte im Alcázar in Segovia Phantasiestatuen und Insignien der Könige von Asturien, León und Kastilien, eine Sammlung, die er 1594 auch darstellen ließ (Morán Turina 2010a, S. 236, Abb. 116). Die gotische mittelalterliche Tradition Spaniens traf seit dem Konstanzer Konzil, besonders aber in habsburgischer Zeit auf europäische Konkurrenz, nicht zuletzt auf die eines der Hauptgegner im Dreißigjährigen Krieg, Schweden, wo sich auf der Grundlage der mittelalterlichen Weltchronistik die später Gotizismus genannte natio nale Ideologie herausgebildet hatte (González Blanco 1991, S. 25 ff.; RGA 12, 1998, S. 462 f. [Fritz Paul]; Mertens 2001, S. 25; Schmidt-Voges 2004, S. 43 ff.; Neville 2009, S. 217 ff.; Håkansson 2012, S. 501 f.)121. Die von Morales aufgeworfenen Themen spielten bei der späteren Entwicklung der Prä- und Protohistorie in Spanien eine entscheidende Rolle. Sie scheinen dem Studium prähistorischer Denkmäler jedoch zunächst keine Impulse gegeben zu haben – allerdings fehlen bisher auch Untersuchungen zu den frühesten Anfängen der Prähistorischen Archäologie. Auch in Frankreich erwies sich die mittelalterliche, hier im 7. Jahrhundert entstandene historische Tradition trotz des Einflusses humanistischer Arbeitsweisen zunächst als stark und beeinflusste die Fragestellungen. Sie leitete die Franken von den Trojanern ab und machte sie so zu Geschwistern der Römer (siehe S. 125), was sicher die Übernahme der humanistischen, säkularisierten Geschichtsauffassung begünstigte. Die bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts fortgeführten Grandes Chro niques de France begannen mit dieser Legende und nicht wie die traditionellen Weltchroniken mit der Schöpfungsgeschichte und der Sintflut, und noch nach 1500 war die trojanische Herkunft herrschende Auffassung, auch kombiniert mit der positiven Rezeption von Annius von Viterbo (Maissen 1994, S. 342; Collard 2002, S. 379)122. Auch Paulus Aemilius aus Verona, der seit etwa 1489 in königlichem Auftrag an einer Geschichte Frankreichs arbeitete und in seiner ungedruckten, vor 1488 vollendeten Schrift De antiquitate Galliarum als Erster die Gallier ethnisch von den Franken getrennt und chronologisch vor die Franken gesetzt hatte, behandelte in seinem gedruckten Werk von 1517 wieder den traditionellen Trojanermythos und setzte die Franken in den Titel: De rebus gestis Francorum (Schnapp 1993, S. 132; Maissen 1994,
120 Wulff Alonso 2003, S. 36 ff., S. 41 zu Pelayo, dem ersten König von Asturien angeblich westgotischer Abstammung. 121 Weitere neuere Literatur zum skandinavischen Gotizismus siehe bei Håkansson 2012, S. 502, Anm. 3. 122 Z. B. Les grandes Chroniques de France, 1390–1405, Bibliothèque nationale de France, Départe ment des Manuscrits, Français 2608 = http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b8451604g.- Robert Gaguin (1514): Compendium super francorum gestis. Paris: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/ ig00012000/0008/scroll?sid=415e021814c2cbf1e7641bf87c0eb78c, fol. Ii.
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S. 317 ff.; Collard 2002, S. 380). De antiquitate Galliarum hatte er mit Caesar begonnen (Maissen 1994, S. 185). Jedenfalls ergibt sich bei Aemilius – und wohl zum ersten Mal – die Abfolge Gallier – Römer – Franken. Vercingetorix war aber noch für Niccoló Macchiavelli 1521 „Vergingetorige franzese“, d. h. ein Franzose welcher Art auch immer123. Größerer Erfolg war dieser Erkenntnis allerdings erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und zunächst ohne eine nennenswerte archäologische Beteiligung besonders innerhalb der hugenottischen Bewegung beschieden (Laming-Emperaire 1964, S. 59; Schnapp 1993, S. 133). Auch hier zeigt sich italienischer Einfluss, denn die gallische Vergangenheit ließ sich nach Annius von Viterbo verlängern: 1558 druckte Michele Tramezzino eine Liste der Re di Francia nach Annius, die in die ferne Vergangenheit bis zu Noah reichte und einen König Celtus beinhaltete, nach dem der Name Gallia Celtica abgeleitet sein sollte (Maissen 1994, S. 235)124. In dieser Königsliste finden sich keine historischen Gallier! Die Antiquités et histoires gauloises et françoises des Claude Fauchet aus dem Jahre 1611 thematisierten zwar die Gallier als die ersten Einwohner des Landes, blieben aber philologisch wie das parallele Werk zu den Germanen von Philipp Clüver aus demselben Jahr (Laming-Emperaire 1964, S. 59)125. Fauchet ist übrigens auch eine Übersetzung der Werke des Tacitus ins Französische zu verdanken126. Immerhin setzte sich während des 16. Jahrhunderts die Ansicht durch, dass Gallier und Franken verschiedene Völker waren. Trotz dieser überwiegend philologisch geprägten Altertumsforschung zeigt das Werk des François Rabelais, dass zumindest seit den zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts nicht nur topographische und historische Themen der italienischen Renaissance reflektiert wurden, sondern auch Ursprungsfragen unter Einsatz archäologischer Ausgrabungen so populär waren, dass man sie in einer Satire verstehen konnte: Deutliche Anspielungen an die Antiquitates des Annius von Viterbo finden sich im ersten Buch des Romans Gargantua und Pantagruel von 1532, wo ein vermodertes Büchlein mit dem Stammbaum der Riesenherrscher in einem riesigen Grab gefunden wird (Rabelais 1532, 1,1). Später baut der Riese Pantagruel einen nicht als Grab bezeichneten Dolmen bei Poitiers (Rabelais 1532, 2,5; Laming-Emperaire 1964, S. 58)127.
123 Macchiavelli, Niccoló (1521): Dell’arte della guerra, 5. Hrsg. von Mario Martelli, S. 56. Florenz. = http://www.liberliber.it/mediateca/libri/m/machiavelli/dell_arte_della_guerra/pdf/dell_a_p.pdf. 124 Corrozet, Gilles (1558): La historia di tutte le città … della Franza, S. 66. Venedig. 125 Fauchet, Claude (1611): Antiquités et histoires gauloises et françoises. Genf. – Fauchet (1611, S. 6) setzte in seinem Kapitel über die „Origine des Gaulois“ alle sich teilweise widersprechenden Herkunftsmythen nebeneinander, bestand aber auf der Gleichsetzung zwischen Kelten und Galliern. Zu Clüver (1616) siehe S. 285. 126 Das Werk erschien seit 1584 in verschiedenen Auflagen mit leicht variierenden Titeln: Les Oeuv res de C. Cornelius Tacitus Chevalier Romain … Le tout traduit du Latin par C. Fauchet et E. de la Planche. 127 „… eines Tages brach er von einem grossen Felsen, Passelourdin, oder Fuchsensprung genannt, einen mächtigen Steinblock ab, von ungefähr zwölf Lachtern im Geviert, und vierzehn Stab dick, und
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Die Abfolge Gallier (Briten), Römer, Angelsachsen findet sich auch in der Anglica Historia des Polydor Vergil, die 1514 vollendet wurde, also vor dem Druck des Werkes von Paulus Aemilius. Da sie aus den antiken Quellen begründet wird, ist eine Eigenständigkeit durchaus möglich (Polydor Vergil 1514[1555], Buch 1,29, hier Anm. 237). Wie in Frankreich führte die Kritik an den Legenden aber zunächst zu einer heftigen Gegenreaktion, die u. a. von John Leland getragen wurde (Rexroth 2002, S. 425 ff.). Dabei kam es auch zu einer positiven Rezeption von Annius von Viterbo, obwohl gerade im Umfeld der Schule St. Paul, die Leland erzogen hatte, die neuen kritischen Ideen Vergils auf fruchtbaren Boden gefallen waren (Kendrick 1950, S. 41 f., S. 70 ff). Erst das erneute Anknüpfen William Camdens, auch eines Zöglings von St. Paul, an Vergil in der Zeit Elisabeths I. setzte dann neue Maßstäbe und schuf damit eine Grundlage für neue Fragestellungen (siehe S. 315). Ganz anders und schon in den siebziger Jahren des 15. Jahrhunderts stellte sich die Ursprungsfrage den Schweizern, die eine historische Grundlage für ihre eidgenössische Organisationsform suchten und diese in den vor allem bei Ptolemaeus, Caesar und Tacitus erwähnten Helvetiern fanden. Als erster interessierte sich der Einsiedler Abt Albrecht von Bonstetten für die Lokalisierung der Helvetier nach Ptolemaeus und trug sie 1479 in eine Karte der Eidgenossenschaft ein (Maissen 2002, S. 224). 1510 sind die Helvetier „maiores nostri“ geworden (ebd., S. 229). Für die weitere Entwicklung wurde wichtig, dass hier nach dem Ursprung des Volkes und nicht dem von Dynastien gesucht wurde. Die Einordnung der Helvetier zwischen Germanen und Galliern, zwischen deutsch und französisch sowie das Alamannen- und Schwabenproblem sollte die Schweizer Historiographie jedoch lange Zeit beschäftigen (ebd., S. 238 ff.). Es ging also bei dieser Fragestellung einerseits um historische Legitimation durch den antiken Ursprung des Volkes, andererseits aber um eine Standortbestimmung innerhalb der bestehenden Machtverhältnisse. Wie in Frankreich scheint diese Diskussion aber zunächst ohne archäologische Beteiligung verlaufen zu sein. In Deutschland wurde die Drucklegung der im 15. Jahrhundert in drei mittel alterlichen Handschriften überlieferten Germania des Tacitus für die Entwicklung eines Bewusstseins für das eigene Altertum entscheidend. Sowohl bei der Suche nach Handschriften als auch bei der Publikation und Interpretation der Germania des Tacitus kamen die Anstöße aber von italienischen Humanisten – in erster Linie sind hier Gian Francesco Poggio Bracciolini und Enea Silvio Piccolomini zu nennen (Mertens 2004, S. 58 ff.).
stellt’ ihn spielend auf vier Pfeilern mitten ins Feld hin, daß die Schüler, wenn sie sonst weiter nichts wüßten, sich die Zeit damit vertrieben, auf selbigen Stein hinan zu klettern, mit Flaschen, Schunken und Pasteten oben wacker zu banketiren, auch ihre Namen mit einem Messer drein zu schreiben: itzt nennt man ihn den Hübelstein“ (Rabelais 1532, 2,6, Übersetzung aus dem Französischen Gottlob Regis).
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Die ersten Auseinandersetzungen über die Interpretation der Germania des Tacitus entzündeten sich 1496 nämlich an einem Brieftraktat von Enea Silvio Piccolomini aus den Jahren1457/58 (Schmidt 1962). Später wurde das Werk des Piccolomini, das 1515 in Straßburg auch unter De ritu, situ et moribus Germaniae gedruckt wurde, unter dem irreführenden Titel Germania analog zum Werk des Tacitus zitiert (Stemmermann 1934, S. 10; Schmidt 1962, S. 5; Lindauer 1967, S. 135 f.; Muhlack 2002b, S. 149; S. 151; Mertens 2004, S. 64). Bei dem erwähnten Text handelte es sich aber um eine Kampfschrift gegen Gravamina der deutschen Opposition bezüglich der Türkensubsidien und päpstlich-römischer Praktiken und nicht um eine historische Auswertung – Piccolomini versuchte zu zeigen, was die Deutschen dem Christentum verdankten, und sich so für seine eigene Wahl zum Papst zu empfehlen, die dann auch 1458 erfolgreich war. Überhaupt haben diese ersten Schriften zur Bedeutung Germaniens eher rhetorischen und dialektischen als historischen Charakter und dienten politischen Zielen (Krebs 2005, S. 250). Es ist bis heute sogar umstritten, ob Piccolomini seine Darstellung überhaupt auf dem Text des Tacitus aufgebaut hat, da er diesen zwar erwähnte, aber nicht direkt zitierte128. Die Nennung von Caesar, Strabon und Tacitus als Referenzautoren und eine inhaltliche Wiedergabe der Ger mania ist jedoch unstrittig, da Piccolomini das primitive germanische Altertum mit dem zeitgenössischen entwickelten Deutschland kontrastierte. Der durch diese Streitschrift ausgelöste Widerstand, den Jakob Wimpfeling dann auf Veranlassung Kaiser Maximilians I. in seinen Responsa et replice ad Eneam Silvium 1510, gedruckt 1520, sowie in seinem Epithome rerum Germanicarum usque ad nostra tempora von 1505 formulierte, ging von der moralisch-stoischen Lehre des Tacitus aus, nach der die nicht durch das römische Laster verdorbenen Germanen moralische Qualitäten auszeichneten, die sie sogar den Römern überlegen machten (Buck 1996, S. 41). Schwer konnte man jedoch das Problem der barbarischen Religion der Germanen und speziell des Menschenopfers lösen, das den deutschen Humanisten gar nicht ins Konzept passte und deshalb auch in den folgenden Jahrhunderten ein zentrales Thema blieb (Schmidt 1962, S. 128; Mertens 2004, S. 74 f.). Archäologisches spielt auch in diesen Auseinandersetzungen noch keine Rolle. Anders ist es bei einem weiteren Zentralthema, der genealogischen Herkunft der mittel- und nordeuropäischen Dynastien. Diese der mittelalterlichen Origo gentis noch sehr nahe Fragestellung stand unter starkem Einfluss der Fälschung der Anti quitates des Annius von Viterbo (siehe S. 332) und dessen gefälschter Einbindung der von Tacitus überlieferten germanischen Schöpfungsgeschichte in die biblische Heilsgeschichte von Noah. Die angeblichen archäologischen Belege bei Annius (siehe S. 325) regten zum Einsatz von weiterer Epigraphie und von Grabmonumenten zum Beweis der Herkunftshypothesen an. Vorbild waren die Sesostrisstelen von Herodot
128 Es gibt allerdings in Kapitel 9 bezüglich des Menschenopfers deutliche Hinweise durch die von Piccolomini benutzte Formulierung (Mertens 2004, S. 71).
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Abb. 15: „Alphabetum gothicum“. Nach: Magnus 1554[1558], S. 31. © Barbara Sasse, RGK.
(siehe S. 95 f.), deren Kenntnis man bei dem humanistisch gebildeten Gelehrtenkreis voraussetzen kann. Was den antiken Ursprung betrifft, so konkurrierte Troja mit Alexander dem Großen, und es fällt auf, dass in den dynastischen Genealogien Gens und Dynastie gleichgesetzt wurden, so bei Nikolaus Marschalk und bei Wolfgang Lazius. Als ein einfaches Argument für die Richtigkeit dieser Thesen diente das angeb liche hohe Alter. Dieses Motiv findet sich überall, so bei den schwedischen bischöf lichen Brüdern Magnus. „Upsalia metropolis antiquissima“ und „Ab hoc Vbbone ante tempore Abrahe aedificata est urbs Vpsalia“ schrieb Johannes Magnus zum Alter seiner Bischofsstadt (Magnus 1554[1558], S. 30). Er übertrug im römischen Exil die Idee des hohen Alters auch auf die Erfindung der Schrift. Seit Herodot handelt es sich um ein Kernthema der Altertumsforschung (siehe S. 96). Runensteine waren Magnus zufolge von Riesen vor oder kurz nach der Sintflut gesetzt worden und deshalb viel älter als römische oder griechische Schriftträger (Magnus 1554[1558], S. 31; Abb. 15). Diese Äußerung ist sicher von Saxo Grammaticus abhängig (siehe S. 129), der Riesen und Megalithgräber um die Sintflut herum angesiedelt hatte. Was die Schrift betrifft,
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traten die Runen nun in Konkurrenz zu den etruskischen Schriftzeichen, die Annius von Viterbo 1498 ebenfalls in die Zeit kurz nach dem Auszug Israels aus Ägypten datiert hatte (siehe S. 295). Da man die Goten über Gomer auf die Sintflut zurückführen konnte, versäumte Magnus nicht, sein Runenalphabet mit der Überschrift „Alphabetum gothicum“ zu versehen. Mit den Brüdern Magnus begann in Schweden die zunehmend mit archäologischen Quellen arbeitende Gotenforschung und -ideologie, der sogenannte Gotizismus, die eine Identifikation mit den angeblichen gotischen Vorfahren bezweckte, aber noch überwiegend dynastisch geprägt war und über die Tätigkeit von Johannes Bureus in das erste skandinavische Antiquarsamt einmündete (siehe S. 333 und Bd. 2). Von größerer Bedeutung für die weitere Entwicklung der die Gentes, ihre Gebiete und Eigenschaften betreffenden Fragestellungen der Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie wurden neben diesen außerdem einige Arbeiten, die Anfang des 17. Jahrhunderts im Umfeld der Universität Leiden zu den in römischer Zeit den Niederrhein bewohnenden Gentes wie den Batavern entstanden. Ähnlich wie vorher in der Schweiz entstand in diesem politisch und religiös umstrittenen Gebiet ein Interesse an der Geschichte der Vorfahren, das nicht in erster Linie dynastisch, sondern durch die überlieferten Völkernamen geprägt war. Obwohl auch Petrus Scriverius und Philipp Clüver überwiegend philologisch arbeiteten, zeichnen sie sich durch ihr Interesse an der Rekonstruktion von Stammesgebieten und den Unterschieden der Sachkultur aus (Scriverius 1611, Karte 2, hier Abb. 16; Clüver 1616, nach Buch II, 2. Karte)129. Damit boten sie eine Grundlage für entsprechende archäologische Fragestellungen, die in dieser Zeit durch die fehlende Chronologie auch noch nicht ernsthaft beantwortet werden konnten. Im Gegensatz zu Italien spielte also das römische Vorbild nur eine bedingte Rolle, wenn auch die humanistischen Ideen durchaus nachzuweisen sind. Am wichtigsten erscheinen genealogisch-dynastische Fragen, zu denen, vor allem zunächst regional konzentriert, die Untersuchung der in schriftlichen Quellen genannten oder aus Ortsnamen erschließbaren Gentes als der eigenen Vorfahren trat. Aus der Auseinandersetzung mit Rom entwickelte sich das Bedürfnis, eine sowohl kulturelle als auch eine moralische Überlegenheit und Priorität der Gentes zu beweisen. Wesentlich ist, dass eine Imitatio ihrer Kunst und materiellen Kultur als Aufgabe der Forschung nie diskutiert wurde. Dagegen finden sich z. B. bei Nikolaus Marschalk in Anlehnung an Maximilian I. Belege für die Schaffung einer neuen Gedächtniskultur, ein Ziel, das ja auch bei Flavius Blondus nachzuweisen ist. Als häufige humanistisch geprägte Fragestellungen ergeben sich hieraus: – Die Frage nach der Lokalisierung der Gentes bzw. der dynastischen Herrschaftsgebiete (Situs).
129 http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cluever1616/0683. Besucht 15. 03. 2015.
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Abb. 16: Das Mündungsgebiet von Rhein und Ems mit der Rekonstruktion der Gebiete der Populi des 1. nachchristlichen Jahrhunderts. Nach: Scriver 1611, Karte 2. © Barbara Sasse, RGK.
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– Die humanistische Frage nach bestimmten Sitten, zu denen der Bestattungsbrauch gehört. Hier konnten also archäologische Quellen eingesetzt werden (Mores) und funktional gedeutet werden wie antike Funde. – Die ebenfalls humanistische Frage nach den Einrichtungen der Gesellschaft (Instituta), z. B. nach Tempeln und einer heidnischen Götterwelt, ebenfalls mit funktionaler Deutung, und nach heidnischem Kult. Dazu kommen die Auseinandersetzung mit den mittelalterlichen und biblischen Herkunftslegenden, die Origo gentis und die Ambivalenz zwischen römisch-antikem und biblischem Ursprung. Beweis oder Widerlegung ihres Wahrheitsgehalts wurden so zu einer der wichtigsten Fragestellungen. Dazu gehören: – Der mythische Ursprung der Völker und ihre Verwandtschaft – Der Beweis des hohen Alters (vor oder nach der Sintflut), deren Faktizität und Alter noch nicht in Frage gestellt wurde, teilweise aber auch der Beweis einer römischen Gründung – Die Frage nach Merkmalen, die für biblische oder antike Herkunft sprechen (z. B. Ziegel, Wappen) – Die Frage nach Wanderungsnachweisen für die Ausbreitung der Völker nach Noah – Die Eigenschaften der Weltalter und ihrer Bewohner wie z. B. der Riesen nach biblischem und antikem Muster.
3.2.3 Naturalia, Artificialia, Mirabilia? Eine weitere bahnbrechende Fragestellung bewegte vor allem die Mediziner in ihren naturwissenschaftlichen Sammlungen: Hier befanden sich neben natürlichen Gesteinen und Fossilien auch archäologische Funde, die so auch in den Bildungsprozess der Naturwissenschaften gehören. Diese neue Fragestellung kam im 16. Jahrhundert durch den Empirismus der Mediziner hinzu. Sie verband sich aber mit kulturwissenschaftlichen und historischen Interessen: Waren die zu klassifizierenden Gegenstände natürlichen Ursprungs (Naturalia) oder künstlichen (Artificialia) oder waren sie etwa übernatürlich entstanden (Mirabilia)? Aus diesem Zusammenhang entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die historische Fragestellung zur Überprüfung von Mythen anhand der prähistorischen Funde, die traditionsgemäß den Mirabilia zugerechnet wurden. Wie in Italien strebten die überregional empirisch ausgebildeten Mediziner und die von ihnen zu enzyklopädischen Sammlungen angeregten Gelehrten nach einer Klassifizierung der dinglichen Welt und versuchten, Naturalia, Artificialia und Mirabilia zu bestimmen. Wie dort bildete die Einordnung der Mirabilia, zu denen Fossilien, Donnerkeile, Fabelwesen und von der Wende zum 17. Jahrhundert zunehmend
Die Quellen
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auch Exotika gehörten, eine entscheidende Forschungsfrage. Außerhalb Italiens forderte das Problem, woher die in der Erde gefundenen Töpfe kamen, und ob sie dort von selbst wuchsen, besondere Aufmerksamkeit.
3.3 Die Quellen Wollte man wirklich Fragen lösen, so musste man sich zunächst entscheiden, auf welcher Quellenbasis. Die Loslösung von den schriftlichen Quellen war in der Frühen Neuzeit ein langsamer und schwieriger Prozess (Schnapp 1991, S. 19 ff.), zumal die Schriftdenkmäler bis zum 19. Jahrhundert die einzige sichere Stütze zu Chronologie und Interpretation boten. Sachdenkmäler ohne Inschrift entzogen sich dem chronologischen und lange auch dem kulturell und ethnisch bestimmten Zugriff und ließen sich nur geographisch und in Glücksfällen auch funktional aufschließen. Im Gegensatz zur griechischen Antike, wo am Anfang nur mündliche Überlieferung und inschriftliche Denkmäler als direkte historische Quellen vorhanden waren, stand der Frühen Neuzeit vor allem für den mediterranen Raum eine Fülle von schriftlicher historischer Überlieferung unterschiedlicher Art und Qualität zur Verfügung, und man sah die Hauptaufgabe zunächst darin, das im Mittelalter in Vergessenheit geratene Schriftgut der Antike wieder zu gewinnen. Der überragenden Bedeutung der schriftlichen Quellen entspricht es, dass vom 15. Jahrhundert an eine große Gruppe der Schriften mit Passagen antiquarischen Gehalts Kommentare antiker Texte waren. Realien besaßen in dieser Literaturgattung zunächst überwiegend einen illustrativen Charakter. Im Laufe der Zeit konnten allerdings durch richtige Identifikationen auch kulturgeschichtliche Erkenntnisse erreicht werden (Herklotz 1999, S. 205 ff.). Dennoch gibt es schon aus dem 16. Jahrhundert Beispiele, dass ausschließlich die empirische Forschung archäologischer Objekte zu Erkenntnissen führte. Zu nennen ist hier der Marbacher Praeceptor Simon Studion, der an seinem Wirkungsort und dessen Umgebung durch Beobachtung und gezielte Überwachung archäologische Funde machte (Filtzinger 1986, S. 14). Ein weiteres Beispiel ist der Beginn der archäologischen Tätigkeit von Sigismund Meisterlin und Johannes Bureus. Die Entdeckung einer Runensteinspolie im Portal des Franziskanerklosters von Gråmunkeholm in Stockholm führte Bureus zur Beschäftigung mit Runen und Runensteinen, ähnlich wie mehr als ein Jahrhundert vor ihm Sigismund Meisterlin, für den das Medusenhaupt in der Mauer von St. Ulrich und Afra den Anstoß für seine Forschungen gegeben hat. Nicht nur die Beobachtung selbst, sondern die mit ihr verknüpfte Frage nach der Bedeutung des Stückes und nach Lösungsmöglichkeiten führten in beiden Fällen weiter, Bureus aber standen hierzu schon ganz andere Mittel zur Verfügung als Meisterlin.
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3.3.1 Die schriftliche Überlieferung Humanistische Historiker wie Flavius Blondus blieben in erster Linie an der schriftlichen Überlieferung interessiert. Blondus verlor dabei nie den historischen Kontext in Thema, Raum und Zeit. Zur Topographie Roms zog er aber neben den antiken Quellen auch jüngere Nachrichten heran wie den Liber Pontificalis oder Akten aus den Kirchenarchiven. Die antiken Quellen besaßen für ihn jedoch einen übergeordneten Wert. Auch wo Blondus im Prinzip Funde hätte heranziehen können, nahm er seine Information aus antiken Quellen. So wurde z. B. römisches Geld ohne eine Besprechung der zu Blondus’ Zeit schon bekannten Münzfunde behandelt (Blondus 1531b, S. 61); zu den Castra schrieb der Verfasser: „castrorum vero formam & dispositionem Flavius Josephus be bello Judaico elegantissime sic edocet“ (Blondus 1531b, S. 132), ohne einen archäologischen Fund zu erwähnen. Eine Ausnahme macht die Beschreibung der Fußböden, bei der Blondus auf die bunten Mosaike hinweisen konnte, die allenthalben gefunden wurden: „… villarum fundamenta per vineas et agros ab effodientibus reperta ostenduit“ (Blondus 1531b, S. 188). Eine historische Quellenkritik war noch nicht entwickelt. Deshalb kommentierte er auch Mythen und Poesie, als seien sie verlässliche historische Quellen, Vergil und Ovid standen für ihn als Gewährsmänner gleichwertig neben Livius, der in den Zitaten der Italia illustrata statistisch aber den ersten Platz unter den antiken Autoren einnimmt (Clavuot 1990, S. 163). Flavius Blondus’ Arbeitsweise ist außerdem durch die Abwägung verschiedener Quellengattungen gekennzeichnet. In seiner Roma instaurata diskutierte er zu den einzelnen Plätzen gelegentlich auch die Überreste antiker Monumente, wenn auch meistens sehr allgemein, wie z. B. bei der Beschreibung des Palatin (Blondus 1531b, S. 236 f. [Roma instaurata, Buch 1,76]). Zum Komplex des Ianiculum und des Pons Sublicius zitierte er Vergil, Ovid, Livius und Plinius, fügte aber hinzu: „sicut ex Livio ostendimus factum, Antoninus Pius imperator marmoreum fecit, cuius vestigia esse tenemus“ (Blondus 1531b, S. 227 f. [Roma instaurata, Buch 1, Kap. 21,29])130. Flavius Blondus arbeitete aber nicht selbst archäologisch. Bei seinen archäologischen Aussagen bezog er sich auf die praktischen Forschungen anderer wie vor allem auf die seiner Kollegen Gian Francesco Poggio Bracciolini und Leon Battista Alberti (Weiss 1969, S. 67, S. 70). Die Topographen Roms waren gegenüber anderen Altertumsforschern insofern privilegiert, als sie für die noch stehenden Ruinen der Stadt z. T. auch historische Anhaltspunkte besaßen. Schriftliche Quellen und Objekte konnten deshalb zusammengefügt, und Ruinen wie z. B. Aquädukte und Brücken schon früh zur Quelle
130 Übersetzung: Wie wir Livius entnehmen, ließ Antoninus Pius sie (die Brücke) in Marmor aufführen. Das kann man heute noch sehen.
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für die Rekonstruktion der antiken Stadt werden (Blondus 1531b [Roma Instaurata, Buch I, Kap. 79]). Der wichtigste und sicherste Anhaltspunkt für die Identifizierung archäologischer Objekte war aber die Inschrift, die schriftliche Quelle auf dem Objekt. Bei Gian Francesco Poggio Bracciolini, Ciriaco, Flavius Blondus, Pomponius Laetus und Annius von Viterbo stand sie im Zentrum der archäologischen Arbeit. Das Ziel war deshalb schon im 15. Jahrhundert eine Zusammenstellung aller erhaltenen Inschriften, die Poggio Bracciolini erstmals für Rom verwirklichte. Pate stand dabei mit ziemlicher Sicherheit eine dem heutigen Codex Einsidlensis 326 ähnliche karolingische Inschriftensammlung, die Poggio bei seinem Aufenthalt nördlich der Alpen während des Konstanzer Konzils entdeckt und dann benutzt hat (Walser 1914, S. 60; Walser 1987; Ott 2002, S. 138 ff.; siehe S. 109). Flavius Blondus und die topographischen und genealogischen Arbeiten, die ihm folgten, benutzten eine weitere sprachliche ,Quelle‘, die Etymologie von Namen (Clavuot 1990, S. 190). Teilweise war diese Arbeitsweise erfolgreich, wenn es nur darum ging, lateinische Ortsnamen in den damaligen italienischen Städtenamen zu entdecken und so die antiken Orte zu identifizieren, teilweise führte sie jedoch vollkommen in die Irre, besonders, wenn man das klassische Latein verlassen musste. Annius von Viterbo erfand aus Ortsnamen historische Personen bzw. lokalisierte historische und sagenhafte Gestalten aufgrund von ähnlich klingenden Ortsnamen (Danielsson 1928, XVI, S. 23 f.). Beliebt war auch die Gleichsetzung zwischen Namen der großen Familien der Renaissance und römischen Gentilnamen (Wrede 1993, S. 14 ff.). Hier bot sich die Möglichkeit der Aufstellung einer lückenlosen Ahnenreihe. Teilweise führte das zu grotesken Erscheinungen. Besonders charakteristisch für diese Arbeitsweise ist die Genealogie der Familie Cesi. Sie hatte das Glück, dass ihr Name dem der Gens Caesia ähnelte und richtete deshalb seit Mitte des 16. Jahrhunderts für ihre römischen Vorfahren das Totenmal aus (Wrede 1993, S. 16). Kardinal Pier Donato Cesi suchte in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts geeignete Gelehrte, um das antike Alter seiner Familie durch Quellen zu belegen und eine Genealogie zu rekonstruieren. In der diesbezüglichen Korrespondenz wird der berufliche Vorteil einer solchen Arbeit zu Gunsten eines bedeutenden Herrn deutlich ausgesprochen. Wichtige Quellen dieser Genealogie, die Giovanni Battista Fontei 1583 unter dem Titel De prisca Caesiorum gente commentariorum libri duo veröffentlichte, waren aber gefälschte Inschriften (Stenhouse 2005, S. 130, S. 134). Auch außerhalb Italiens beruhten auswertende Arbeiten historischen oder kulturhistorischen Charakters vom 15. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts noch fast ausschließlich auf schriftlichen Quellen. Beispiele hierfür sind die Werke Nikolaus Marschalks aus dem 2. Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts, der Brüder Magnus aus den Jahren 1554 und 1555, des Wolfgang Lazius aus dem Jahre 1557 und des Philipp Clüver aus dem Jahre 1616. Die meisten der frühneuzeitlichen Autoren, die überhaupt archäologische Funde behandelten, benutzten sie nicht zur Gewinnung weiterer Informatio
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nen, sondern illustrierten mit ihnen nur ihre aus den Schriften der Antike bzw. der Bibel oder der Volksüberlieferung gewonnenen Kenntnisse. Wie sieht diese Vorgehensweise im Einzelnen aus? Für die Klärung einer Frage zog man zunächst die Bibel oder schriftliche, meist antike Quellen heran. Diese gaben nicht nur Antwort auf Fragen, sie bestimmten dann auch die Fragen. Hierher gehören die Identifikationen der in der antiken Literatur genannten Plätze, Völker und Stämme, ein Forschungsbereich, der in der Nachfolge der Arbeiten des Flavius Blondus schon in den ersten historisch-archäologischen Schriften nachzuweisen ist, wie bei Hartmann Schedel (siehe S. 188 f.). Empirische Untersuchungen am archäologischen Material stellen meistens nur einen verschwindenden Anteil an den Argumentationen, die sich überwiegend auf Etymologien wie in den italienischen Arbeiten stützten, so z. B. in den Werken von Nikolaus Marschalk und sogar später noch William Camden, Johannes Rhodius und Thomas Bartholin dem Älteren (Marschalk 1510/1512[1739]; 1510/1512[1740]; 1521; Rhodius 1639, Bartholin 1647). Begehungen und empirische Geländebeobachtungen nahmen jedoch innerhalb des 16. Jahrhunderts zu und gewannen zu seinem Ende eine gewisse Systematik. Bahnbrechend waren hier Johannes Aventinus, die englischen Topographen John Leland und William Camden und am Ende des Jahrhunderts und dem Beginn des 17. Jahrhunderts die Skandinavier Johannes Bureus und Ole Worm. Auch sie gingen jedoch überwiegend von den schriftlichen Quellen aus, die Behandlung der ersten Einwohner Britanniens bei William Camden beruht ausschließlich auf ihnen. Dabei zeichnet Camden allerdings bezüglich der Herkunftsmythen mehr Kritikfähigkeit aus als seine Zeitgenossen, und Mutmaßungen und Etymologien gegenüber mahnte er zu Vorsicht (Camden 1586, fol. A 2v, A 3r). Die Skepsis gegenüber den auch im spätmittelalterlichen England reichlich vertretenen Herkunftsmythen mit Ähnlichkeit zum fränkischen Trojanermythos und zum Arthusmythos beruhte auf dem historischen Werk Anglica Historia des Polydor Vergil (1514[1555], Buch 1,20), das deswegen in der Zeit nach seinem Erscheinen heftig angegriffen worden war, u. a. auch von John Leland (Rexroth 2002, S. 430). Man knüpfte nicht nur an mittelalterliche Legenden, sondern vor allem an Annius von Viterbo an, um Vergil zu widerlegen (Kendrick 1950, S. 69 f.). Überragendes Interesse fanden die Schauplätze besonderer, die eigene Geschichte begründender Ereignisse, wie seit 1539, angeregt durch die Lektüre der Annalen des Tacitus, der Ort der Varusschlacht in der Gegend von Osnabrück (Gummel 1938, S. 5. S. 21 f.; Berghaus 1983, S. 169; Schlüter 1995). Diese Bemühungen führten auch zum Aufspüren archäologischer Objekte. Die Entscheidung für das archäologische Objekt als Quelle war aber noch nicht endgültig gefallen. Diese Unsicherheit ging soweit, dass Autoren, die im Sinne einer antiken Landeskunde über Gräber schrieben, lieber und zuerst antike Schriftsteller heranzogen. Nikolaus Marschalk ist ein gutes Beispiel dafür, dass es zwischen 1510 und 1520 in Mecklenburg keine Rolle spielte, wenn die antiken Autoren von ganz anderen Räumen und Zeiten handelten als der frühneuzeitliche Autor. Dieser suchte den von Vergil in der Aeneis beschriebenen Typ des
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Heroengrabes in seinem mecklenburgischen Arbeitsgebiet und fand Megalithgräber (Sasse 2010).
3.3.2 Objekte in Sammlungen Wie kam man überhaupt zu den Objekten archäologischer Forschung? Zunächst gehörten Mengen von Antiquitäten im Italien der Renaissance zur lebenden Kultur. Es handelt sich einerseits um stehengebliebene und zumeist wiederverwendete Ruinen, andererseits um eingebaute Objekte wie Inschriften- und Bildsteine, die im Mittelalter aus ihrem ursprünglichen Kontext gerissen und als Spolien verwendet wurden. Diese wurden erst in der Renaissance wieder wegen ihrer ursprünglichen Bedeutung gesucht, gezeichnet und in Kataloge aufgenommen (Esch 2005, S. 39). Schon in der Antike hatte man gesammelt, und vor allem Stücke aus kirchlichem Zusammenhang überlebten das Mittelalter. Interessanterweise sind es gerade kleine Kostbarkeiten wie die Intaglien, die in keiner mittelalterlichen Schatzkammer oder frühneuzeitlichen Sammlung von Wert fehlen durften und so die Sammlungstypen der verschiedenen Zeiten verbanden sowie extreme Preise erzielten. Die Strukturen für den Erwerb von Antiquitäten durch Kauf, Tausch und Geschenke waren im 15. Jahrhundert schon voll entwickelt. Das Sammelverhalten von Gian Francesco Poggio Bracciolini ist z. B. durch seine Briefe gut bekannt. Es zeigt sich, dass es damals schon schwierig war, an die begehrten Stücke zu kommen, d. h., dass der Florentiner Gelehrte mit vielen weiteren, finanziell besser ausgestatteten Interessenten konkurrieren musste und dabei mit Sammlern verkehrte, die gleichzeitig als spezialisierte Händler auftraten (Weiss 1969, S. 183 f.). Die Sammlungswelle hatte in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhundert auch die großen italienischen Stadtadelsgeschlechter ergriffen, die Este, Gonzaga, die Medici, Farnese und andere, aber auch die Päpste und die aragonesischen Könige von Neapel (Weiss 1969, S. 195 ff.; Ott 2002, S. 24), was die Preise nicht verbilligte. Einen Einblick in die Situation ermöglicht der Vorgang der Auflösung der Sammlung des Kardinals Pietro Barbo: die Vermarktungsrechte für die Edelsteine und Intaglien erwarb die Florentiner Bank der TornabuoniMedici und letztendlich Lorenzo il Magnifico (Lanciani 1902, S. 65).
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3.3.3 Der Beginn praktischer archäologischer Tätigkeit in Italien und der Aufbau einer päpstlichen Denkmalpflege Leider ist die praktische Seite archäologischer Tätigkeit während der italienischen Renaissance bisher kaum erforscht131, während die forschungsgeschichtlichen Arbeiten der Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie außerhalb Italiens dieses Thema schon früh behandelt haben (Stemmermann 1934; Gummel 1938). Viele der wichtigen Techniken gehen aber offenbar auf diese Zeit und auf italienische Gelehrte zurück. In erster Linie verdanken wir sie den Päpsten als Organisatoren und den großen Architekten der Renaissance, die mit dem Wiederaufbau Roms beauftragt waren. Einen nicht zu unterschätzenden Anreiz bot auch die Sammelmode. Da der Bedarf und die hohen Preise das Angebot reduzierten und außerdem der Orienthandel durch den Fall des Byzantinischen Reiches einbrach, wurden die Prospektion und die Ausgrabung der Altertümer zu den wichtigsten Quellen für Sammlungsantiquitäten. Damit stehen die Sammlungen der Renaissance zweifellos auch am Anfang der praktischen Archäologie. Obwohl überall in Italien Altertümer zu finden waren, konzentrierte sich diese Entwicklung auf Rom als das Zentrum der antiken Kultur. Drei Tätigkeiten zerstörten die Altertümer Roms: – Raubgrabungen, die oft heimlich auf dem eigenen Grundstück stattfanden wie die der Familie Farnese (Rumpf 1953, S. 7), deren Gärten über dem Tiberiuspalast lagen; – das Einschmelzen des antiken Marmors in den Kalkbrennereien; – die rege Bautätigkeit der Zeit, bei der man in den dicht bebauten Teilen der Stadt überall ungewollt auf Altertümer stieß. Von allen drei Fällen zeugen die päpstlichen Akten. Papst Eugen IV. erließ 1439 das erste Gesetz zum Schutz der antiken Überreste Roms vor allem vor den Kalköfen (Lanciani 1902, S. 52; Schnapp 1993, S. 338 f.; Sichtermann 1996, S. 58). Er leitete damit die lange Reihe von Päpsten ein, die antiquarische Tätigkeiten in Auftrag gaben bzw. Denkmäler schützten. Aus dem Text des Erlasses wird die hohe Wertung des antiken Erbes deutlich: „Nam demoliri Urbis monumenta nihil aliud est quam ipsius Urbis et totius orbis excellentiam diminuere“ (Lanciani 1902, S. 51). Der Missbrauch der antiken Reste hielt jedoch während des 15. Jahrhunderts weiter an, obwohl Pius II. den Denkmalschutz verschärfte und auch das Graben auf eigenem Boden verbot, um der Raubgrabungen für die Sammlungen Herr zu werden (Lanciani 1902, S. 64 ff.; Übersetzung: Schnapp 2009, S. 374). Aber Rom kam gerade in dieser Zeit intensiver
131 So hat z. B. Weiss (1969) kein Kapitel über Grabungen, und auch in anderen Arbeiten spielen sie eher eine untergeordnete Rolle. Die meisten Fakten hierzu bisher bei Schnapp (1993[2009], S. 138, S. 140 ff.).
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Bautätigkeit ohne Eingriffe in seine antike Struktur nicht aus. Wenn sich auch schon Vorboten unter seinen Vorgängern Paul II. und Sixtus IV. seit 1464 zeigen (Lanciani 1902, S. 70 ff.), versuchte doch erst Alexander VI. um die Jahrhundertwende zum 16. Jahrhundert, eine wirkliche Kontrolle über die Grabungen zu erlangen, indem er die ersten Grabungsgenehmigungen erteilte (Lanciani 1902, S. 89). Das bedeutete letztlich aber auch ein partielles Zulassen von Zerstörung, Raub und Wiederverwendung des Materials, eben eine Entscheidung darüber, was erhalten werden sollte und was nicht – so fiel in den Folgejahren ein Teil des Forum Romanum als Baumaterial dem Neubau von St. Peter zum Opfer (Coffin 2004, S. 11). Eine Konsequenz sind z. B. Ausgrabungsverträge wie der von 1516, der bestimmte, dass von den eventuell zu erwartenden Funden ein Drittel dem Fiskus, ein Drittel dem Grundeigentümer und ein Drittel dem Ausgräber gehören sollte (Lanciani 1902, S. 179 f.). In Rom kamen außerdem für die Anfänge wissenschaftlicher Denkmälerforschung zwei wichtige Bedingungen zusammen: Die antiken Beschreibungen der Stadt erweckten das Interesse der Überprüfung im Gelände, und die Denkmäler, die im Aufgehenden sichtbar waren, verlangten nach Deutungen und Entscheidungen. Im 15. Jahrhundert sind die Prospektionen und kleine nicht dokumentierte Grabungen kaum auseinander zu halten. Der Architekt Filippo Brunelleschi und der Bildhauer Donatello suchten Rom gezielt ab, gruben am Anfang des 15. Jahrhunderts gemeinsam ihre römischen Vorbilder aus und erhielten dafür den kennzeichnenden Spitznamen „Quelli del Tesoro“ – die Schatzgräber (Lanciani 1902, S. 45; Burke 1998[2005], S. 56). Zumindest seit der Zeit Ciriacos d’Ancona, d. h. seit den zwanziger Jahren des 15. Jahrhunderts, unternahm man Begehungen der Ruinen und notierte alles Interessante. Die erste Beschreibung der Altertümer Roms aufgrund eigener Besichtigung der Denkmäler verfasste Ciriacos Zeitgenosse Gian Francesco Poggio Bracciolini in den vierziger Jahren des 15. Jahrhunderts als erstes Buch seiner Schrift Historiae de varietate fortunae, das geradezu als Charta der neuen Wissenschaft bezeichnet wurde (Grafton 2002, S. 328 f.; siehe auch S. 183). Ausgraben und Prospektieren an sich ist zunächst nur ein Hinweis auf eine archäologische Arbeitsweise, aber nicht gleichbedeutend mit einer wissenschaft lichen Fragestellung und der Anwendung einer Methode. Schon in der Mitte des 15. Jahrhunderts sind jedoch die ersten wissenschaft lichen Bauaufnahmen und archäologischen Unternehmungen belegt. Einen wichtigen Schritt zu einer ausgefeilten Vermessungstechnik machte der Architekt Leon Battista Alberti. Er verwendete eine Art Astrolab und vermaß damit die Mauern Roms (Schnapp 1993[2009], S. 373; Grafton 2002, S. 347 ff.). Die von Alberti geplante Karte Roms ist allerdings nie entstanden oder nicht erhalten, und seine Schrift Descriptio Urbis Romae nicht sicher datiert (Alberti 2000). Dafür wurde die zwischen 1444 und 1446, also etwa in derselben Zeit entstandene Roma instaurata des Flavius Blondus bald nach dessen Tod gedruckt (Blondus 1531b, S. 218–272). Es handelt sich um eine ideale Beschreibung der Stadt Rom, die auch aus archäologischen Monumen-
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ten erschlossene Daten enthält (siehe S. 200). Blondus interessierte aber in seinen ganzen Arbeiten weniger das Aussehen eines Monuments als seine Funktion oder Datierung – er war Historiker und Theoretiker, kein praktischer Archäologe (Clavuot 1990, S. 119, S. 195). Andere Beschreibungen der Stadt folgten nach, u. a. auch die des Nürnberger Patriziers Nikolaus Muffel, die aber eher zur Reiseliteratur gehört, obwohl der Autor die Arbeit Gian Francesco Poggio Bracciolinis nachweislich gekannt hat (Wiedmann 2005, S. 110 ff.). Ein ganz besonderes Unternehmen, zu dem Leon Battista Alberti als Mathematiker hinzugezogen wurde, war der Versuch, die beiden Prunkschiffe Kaiser Caligulas aus dem Lago di Nemi zu bergen. Dieser erste Beleg für Unterwasserarchäologie wurde von Flavius Blondus beschrieben (Blondus 1531b, S. 325 f.). Spiritus Rector des Unternehmens war der Kardinal Prospero Colonna, der auch durch seine Sammlung antiker Intaglios hervorgetreten ist. Leider gelang die Bergung der Schiffe nicht, Pius II. Piccolomini konnte aber einige Schiffstrümmer aus dem See besichtigen (Grafton 2002, S. 356). Das Unternehmen ist nicht nur technisch interessant, zeigt es doch erstmals ein Interesse an der Bergung von Monumenten, die nicht ohne Probleme einer Sammlung zugeführt werden konnten. Alberti jedenfalls zog daraus wissenschaftlichen Nutzen für seine Beschreibung von römischen Schiffen (Alberti 1452, Buch V, Kap. XII). Dass Alexander VI. in Viterbo der Ausgrabung etruskischer Sarkophage beiwohnte und hierbei etruskische Inschriften so genau kopiert wurden, dass sie soweit heute überhaupt möglich lesbar sind, ergibt sich aus den Quellen zu Annius von Viterbo, insbesondere der Handschriftenkopie durch Hartmann Schedel (siehe S. 326–328). Eine Grabungsbeschreibung ist jedoch nicht erhalten. Alexander ließ auch um die Engelsburg Gräben ziehen (Lanciani 1902, S. 91) und als Erster in der von Flavius Blondus identifizierten Villa Hadriana in Tivoli ausgraben, und zwar im Odeon. Die Gouverneure von Tivoli waren alle Sammler aus großen Familien, setzten diese Arbeit dort fort und gewannen so hervorragende Sammlungsstücke. Das Interesse an einer dortigen Ausgrabung war also zunächst durch die Sammelmode bedingt (Winnefeld 1895, S. 3 f.; Lanciani 1902, S. 137; Franceschini 1991, S. 5 f.). Wenn Raffael, der zwischen 1515 und 1520 päpstlicher Antikenkommissar war, selbst auch keine altertumskundlichen Schriften hinterlassen hat und sich dem praktischen Denkmalschutz offenbar kaum gewidmet hat, so geht auf ihn wohl ein Brief Baldassare Castigliones an Leo X. zurück, den man als die erste methodologische Schrift der Archäologie bezeichnen kann (Castiglione/Santi 1519[2008], Nr. 409). Er erklärte dort, die Altertümer „minutamente“ gesucht und „con diligenza“ vermessen und dann „l’opere con le scritture“ konfrontiert zu haben. Auch er beklagte den Raubbau durch die Kalkbrennereien: „… tutta questa Roma nuova … tutta è fabbricata di calce di marmi antichi“ – dieses ganze neue Rom … ist ganz aus dem Kalk von antikem Marmor gebaut. Die beiden Autoren hatten außerdem das Prinzip einer Stratigraphie in einer immer wieder überbauten Stadt verstanden, wenn es auch nicht
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klar ist, ob sie aus der Literatur darauf schlossen oder das Übereinanderliegen selbst beobachtet hatten: E benché molte volte molti edifici dalli medesimi antichi fossero instaurati, come si legge, che nel luogo dove era la Casa Aurea di Nerone nel medesimo dappoi furono edificate le Terme di Tito e la sua Casa e l’Anfiteatro, nientedimeno erano fatte con la medesima ragione degli altri edifici ancor più antichi che il tempo di Nerone, e coetanei della Casa Aurea (Castiglione/Santi 1519[2008], Nr. 409)132.
Dass sie daraus auf die Bau- und Verzierungsweise schlossen, spricht zumindest von einer Anwendung des Gelesenen auf Beobachtetes, vielleicht aber auch von empirischen Beobachtungen, die dann mit dem Gelesenen kombiniert wurden (siehe S. 184). Raffael beauftragte Andrea Fulvio und Fabio Calvo zur Aufnahme der Antiquitates Roms (Lanciani 1902, S. 166 f.; Weiss 1969, S. 95 f.; Schnapp 2009, S. 138). Fulvio widmete seine Arbeit Antiquitates Urbis, die 1527 erschien, dem Papst. Vorbild war die Descriptio Urbis Romae des Architekten Leon Battista Alberti sowie die Roma instau rata des Flavius Blondus. Er leistete damit einen wichtigen Beitrag zum Weiterleben der Arbeitsweise dieser beiden Pioniere (Weiss 1969, S. 87 f.). Aus dem 16. Jahrhundert haben wir von dem oft als Fälscher geschmähten Architekten Pirro Ligorio eindeutige Äußerungen zur Beobachtung und Deutung von Grabungsergebnissen. Von seinen vielen Arbeiten wurde zu seinen Lebzeiten freilich nur ein Buch veröffentlicht, Delle Antichità di Roma 1553. Diese Publikation enthält den Text zu dem ebenfalls 1553 erschienenen Plan, auf dem die teils auf schriftlichen, teils aber auch auf archäologischen Quellen beruhende Ansicht Ligorios zur Lage der wichtigsten Monumente Roms dargestellt ist. Der Autor machte in dieser Arbeit eine Reihe von Bemerkungen zu seiner Arbeitsweise. Eindeutig ergibt sich daraus eine systematische Prospektion: „… sono andato non senza grandissima fatica ricercando minutamente ogni luogo, et parte d’esso: non lasciando pezzo alcuno di muro, per minimo che fusse, senza vederlo, et considerarlo sottilissimamente“ (Ligorio 1553, fol. 18r [Daly Davis, S. 46])133. Wie diese Beobachtungen aussahen, kann man aus mehreren Stellen ersehen, z. B.: „Le porte di questo Circo erano dal lato della piazza di S. Pietro come mostrano alcuni muri; che si sono trovati nei cavamenti delle cantine di quelle case private, che sono presso alla Chiesa della Traspontina“ (Ligorio 1553,
132 Übersetzung: Und obwohl viele Gebäude mehrfach von den Alten selbst erneuert wurden, hat man, wie man liest, an der Stelle, wo sich die Domus Aurea des Nero befunden hatte, die Thermen des Titus, seinen Palast und das Amphitheater erbaut. Sie waren mit derselben Vernunft gebaut wie die älteren Gebäude aus der Zeit vor Nero und die Gebäude, die gleichzeitig mit der Domus Aurea sind. 133 Übersetzung: Nicht ohne große Mühe habe ich jeden Ort im Detail begangen, auch, wenn nur Bruchstücke erhalten waren. So habe ich nicht das kleinste Mauerstück ausgelassen und es untersucht und sorgfältig ausgewertet.
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fol. 3r [Daly Davis, S. 30])134. Außerdem entdeckte er Denkmäler, die nicht in schriftlichen Quellen erwähnt sind, wie den achten Circus außerhalb der Aurelianischen Mauer bei Santa Croce in Gerusalemme und andere kleinere Circusbauten außerhalb der Stadt (Ligorio 1553, fol. 3v f. [Daly Davis, S. 30 f.]). Er schloss also durchaus aufgrund von Beobachtungen bei Ausgrabungen bzw. Zufallsfunden, seine Schlussfolgerungen waren jedoch nicht immer richtig (siehe auch S. 231 zum Prätorianerkastell). So hielt er das Theater und die Crypta Balbi für einen Teil des Circus Flaminius. Daneben bezog er seine Informationen von Münzen, aus Inschriften und aus anderen schriftlichen Quellen (Ligorio 1553, fol. 9v f. [Daly Davis, S. 37 f.]). Pirro Ligorios große Chance bot sich aber ab 1549 während seiner Tätigkeit für Ippolito d’Este. Hier bekam er die Gelegenheit zur systematischen Ausgrabung der Villa Hadriana in Tivoli (Winnefeld 1895, S. 3 f.). Sein besonderes Verdienst ist es, bei dieser ersten Großgrabung überhaupt nach Plan von Bauteil zu Bauteil fortgeschritten zu sein und in seinem Manuskript Descriptio superbae et magnificentissimae Villae Tiburtinae Hadrianeae das erste Grabungstagebuch angelegt zu haben (Ligorio 1723). Eine Auswertung im Hinblick auf seine Grabungstechnik steht offenbar noch aus. Ziele seiner Arbeit waren die Klärung des Aussehens und die Deutung der Bauten und Statuen. Dass auch bei ihm das praktische Vorbild eine Rolle spielte, zeigt seine Beschreibung der Hypokausten (Salza Prina Ricotti 2001, S. 31). Er besaß allerdings einen anfechtbaren schriftlichen Leitfaden, die Historia Augusta, nach der er die einzelnen Bauelemente der Villa suchte (Ligorio 2005, S. XI ff. [A. Ten]). Damit hatte er trotz seiner Grabung die Erfahrung als Grundelement aufgegeben. Ein nach den Grabungsergebnissen gezeichneter Plan, den Ligorio angekündigt hatte, wurde erst 1751 in einer 1634 überarbeiteten Fassung postum publiziert (Ligorio/Contini 1751)135. Zusammenfassend kann man Pirro Ligorio trotz aller Kritik als den ersten grabenden Archäologen bezeichnen. Hintergründe der Polemiken gegen seine Arbeitsweise waren wohl auch Streitigkeiten über die Lokalisierung der römischen Topographie, zumal er sich bekanntlich auch irrte und dann aggressiv gegen andere Meinungen wandte (Ligorio 1553, S. 3 [Daly Davis]). Die Vermutung, dass von den drei Manuskripten über die Ausgrabungen in Tivoli nur eines der originale Text von Ligorio ist, die schon erwähnte Descriptio, und die besonders durch Fälschungen kontaminierten Schriften von anderer Hand stammen (Salza Prina Ricotti 2001, S. 29 ff.), lässt sich wohl nicht halten (Ligorio 2005, S. X f. [A. Ten]). Abschließend muss man deshalb sagen, dass bei Ligorio trotz empirischer Grabungen renaissancetypisch die Bereitstellung von Vorbildern und illustrativen Vorstellungen des antiken Lebens ein höheres Ziel darstellte als das Ringen um objektive Wahrheiten. Das macht die wis-
134 Übersetzung: Die Tore des Circus befanden sich auf der Seite der Piazza di S. Pietro, wie einige Mauern zeigen, die in den Fundamenten der Keller der Privathäuser bei der Chiesa della Traspontina gefunden worden sind. 135 http://arachne.uni-koeln.de/books/Ligorio1751.
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senschaftsgeschichtliche Wertung seines Werkes so schwer, dessen Beurteilung nach der Vorlegung der über 40 Bücher aus Turin und Neapel sicher neu überdacht werden muss136. Wie wenig sicher noch zu seiner Zeit die Beurteilung von Denkmälern war, zeigt der Bericht des Tommaso Porcacchi über eigene Beobachtungen am Wege von Rom nach Tivoli. So führte er aus, dass wenige wüssten, che dal Porcacchi fu osservato. Andava egli l’anno MDLXIII. da Roma a Tivoli, per far diversi suoi servitii per il paese de’ Sabini: & cavalcando il giorno dell’Ascensione (come è curioso di veder cose belle) osservò per la strada un Suppedaneo, cioè un muriccivoletto alquanto ruinato: nel quale era questo epitaffio ridicolo, ma degno d’essere considerato, fatto sopra la Mula di P. Crasso (Porcacchi 1574[1591], S. 14)137.
Leider war Tommaso Porcacchi nicht auf der Höhe der Epigraphik seiner Zeit, denn er fiel auf eine scherzhafte Fälschung herein (Staubach 2005, S. 13, Anm. 1). Wichtig für seinen archäologischen Anspruch ist aber, dass er mehrfach die „osservazione“ von Funden im Gelände als seine Methode erwähnt. Wie man sich über ihn lustig machte, zeigt auch, dass er kein Einzelfall war, andererseits, das man dieser Art von Gelehrsamkeit in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts misstraute. Sonst schöpfte Porcacchi die Informationen für seine Funerali antichi wie die meisten der anderen zeitgleichen Autoren noch überwiegend aus schriftlichen Quellen (Porcacchi 1574 [1591]; Lastraioli 2002, S. 357 ff.). Auch außerhalb Roms und des Kirchenstaates suchte man nach Antiquitäten. Das hatte den Vorteil, dass die Aktivitäten nicht durch die fortschrittliche Denkmälergesetzgebung der Päpste behindert wurden. So gibt es z. B. ein Zeugnis davon, dass eine kleine Gesellschaft von Altertumsliebhabern aus Mantua, Bewunderer des Ciriaco, auf einem vergnüglichen Ausflug am Gardasee von Kirche zu Kirche zog, um Antikes zu suchen, und davon Aufzeichnungen machte (Schnapp 1993[2009], S. 372). Auch außerhalb Roms wurden Sammlungsstücke durch Grabungen gewonnen. Lorenzo de Medici z. B. ließ im florentinischen Luni ausgraben (Weiss 1969, S. 188). Für Lorenzo ist durch Giorgio Vasari bezeugt, dass er sogar ausgegrabene Terra sigillata als Geschenk entgegen nahm.
136 Commissione Nazionale per l’ edizione nazionale delle opere di Pirro Ligorio; in diesem Projekt veröffentlicht das Archivo di Stato in Turin in der Serie Libri delle Antichità die in Turin befindlichen Bände. Zu Ligorios Arbeitsweise siehe auch Schreurs, Anna (2000): Antikenbild und Kunstanschauungen des neapolitanischen Malers, Architekten und Antiquars Pirro Ligorio (1513–1583). Köln. 137 Übersetzung: … was von Porcacchi beobachtet worden ist. Da reiste er im Jahre 1563 von Rom nach Tivoli, um im Sabiner Land Verschiedenes zu erledigen. Und im Morgengrauen des Himmelfahrtstages (weil man da besonders schöne Dinge sieht) fiel ihm ein Sockel auf, ein ziemlich ruinöses Podium, auf dem sich eine lächerliche, aber denkwürdige Inschrift befand, die vom Maulesel von P. Crassus handelte.
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Eine wichtige Rolle spielten wie immer Zufallsfunde. Vereinzelt wurden sie dokumentiert, wie das langobardische Reitergrab aus Imola, bei dem Tommaso Porcacchi den Fundzusammenhang richtig beurteilte: Dicono anchora, che in Imola di Romagna, non son molt’anni, fu trovata una sepoltura antica, fatta (come si ritraheva dalle note numerali dell’epitaffio) piu di ottocento anni prima: nella qual furon trovate l’ossa d’un Cavalliere, consumate, dalla vecchiezza, con la sella marcia d’uno cavallo, con le staffe attacate, non molto dissimili a quelle, che usiamo hoggi (Porcacchi 1574[1591], S. 15)138.
Man sieht also, wie von den vierziger Jahren des 15. Jahrhunderts an empirische archäologische Forschungen begannen und zunehmend eingesetzt wurden, um kultur-, technik- und landesgeschichtliche, aber auch historische Fragen zu beantworten. So kam man Mitte des 16. Jahrhunderts zur ersten systematischen Ausgrabung und zu den ersten Fundzusammenhängen.
3.3.4 Prospektionen und Grabungen außerhalb Italiens 3.3.4.1 Die Suche nach römischen Denkmälern und Inschriften Am Übergang vom 15. zum 16. Jahrhundert begannen auch nichtitalienische Gelehrte systematisch nach Altertümern zu suchen. Große und noch sichtbare Monumente, Ruinen und Spolien gaben auch hier den natürlichen Anstoß. Viele der römischen Denkmäler gehören zu den deutlich sichtbaren Stücken und erregten die Aufmerksamkeit durch ihre Texte und Reliefs. Außerdem waren sie in den römischen Provinzen wie im italienischen Mutterland vorhanden und oft als Spolien in noch bestehende Gebäude integriert. So war es mit dem Medusenhaupt, einer Spolie in der Mauer des Klosters St. Ulrich und Afra, in dem Sigismund Meisterlin in Augsburg lebte. Konrad Peutinger und Markus Welser erkannten in ihm schon bald die Vorlage der Göttin Cisa139. Meisterlin, der noch nicht mit römischen Inschriften arbeitete, bemerkte 1488, d. h. lange nach seinem Studium in Italien, dass er Informationen über sie zusammentragen müsste: „per me colligenda“ (zit. nach Stemmermann 1934, S. 13). Wenn er auch diesen Wunsch nicht mehr erfüllte, so bemühte er sich doch, Informationen über Götterbilder und Befestigungsanlagen einzuholen. Er war allerdings noch nicht in der Lage, sie historisch
138 Übersetzung: Sie sagen noch, dass in Imola di Romagna vor nicht vielen Jahren ein altes Grab gefunden worden ist, mehr als 800 Jahre alt (wie man aus den Ziffern der Grabinschrift entnehmen kann): In diesem Grab wurden die Knochen eines Ritters gefunden, vom Alter angegriffen, mit einem Sattel und dem Pferdegeschirr, nicht viel anders, als wir es heute haben. 139 Meisterlin, Sigismund/Mülich, Hector 1457, Buch 2,5; Welser 1594, S. 213; zu den verschiedenen Vorlagen siehe S. 274 ff.
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einzuordnen. Das zeigt nicht nur die Göttin Cisa, sondern vor allem seine 1488 vollendete Chronik von Nürnberg, das er falsch, nämlich römisch datierte. Er scheint die herangezogenen Denkmäler aber doch aufgesucht zu haben (Meisterlin 1488[1864], S. 54, S. 191 f.; Joachimsen 1895, S. 50; S. 181 ff.). Aber auch schon bekannte Objekte regten Interpretationen an. Schon um 1500 findet man die ersten Belege für eine eigenständige und systematische Verwendung archäologischer Quellen unterschiedlicher Art: Es handelt sich z. B. um römische Denkmäler, die das Alter der Stadt anzeigen sollten – viele von ihnen schon im Mittelalter bekannt wie der Drususstein von Mainz, über den Konrad Celtis schrieb: „sepulcrum Drusi“140. Nach 1500 entstanden deshalb außerhalb Italiens die ersten Werke, in denen mehrere Denkmäler erwähnt, zusammengestellt, beschrieben und auch ausgewertet wurden, und auch Arbeiten, die diese Denkmäler selbst zum Thema machten. Überwiegend sind es Inschriftenträger wie in Italien, d. h. Objekte, die Anhaltspunkte für eine Datierung bzw. Zuweisung zu Herrschern, Städten und anderen Identifikationsmerkmalen boten. Es handelt sich um Inschriftencorpora, in denen man systematisch versuchte, alle erhaltenen überwiegend römischen Inschriften zusammenzustellen. Inschriftensteine und Münzen gehörten deshalb auch zu den ersten archäologischen Quellengruppen, die für eine Auswertung zugänglich waren. Dies entstand jedoch nicht unabhängig von der italienischen Entwicklung. Der Mediziner Hartmann Schedel prospektierte als Erster in größerem Stil Inschriften. Bei ihm war das Studium in Italien auf fruchtbareren Boden gefallen als bei Sigismund Meisterlin, aber offenbar hatte er schon kurz vor seiner Reise mit seinem archäologischen Interesse begonnen. Jedenfalls nahm er während seines Italienauffenthaltes in den Jahren 1463 bis 1466 Inschriften auf und sammelte auch weiter Literatur über Altertümer Italiens, sowohl über Inschriften als auch z. B. die Antiquitates des Annius von Viterbo oder die Arbeiten des Flavius Blondus. Dieses Material stellte er in seiner nur handschriftlich erhaltenen Arbeit Liber antiquitatum cum epitaphiis et epigrammatibus zusammen, an der er von 1502 an arbeitete. Wichtig ist, dass er diese Werke auch in seinen Arbeiten rezipierte und zitierte. Neben der eigenen Prospektion waren sie ihm Informationsquellen erster Ordnung, z. die Arbeiten des Gian Francesco Poggio Bracciolini und des Flavius Blondus zu Rom, ohne die Schedels Beschreibung der Stadt Rom in seiner Weltchronik nicht zu denken ist. Er endet hier mit der Klage Poggios über die Zustände der Stadt (Schedel 1493, fol. 58). Bis zu seinem Tode prospektierte er aber auch bei seinen Reisen in Deutschland (Worstbrock 1998, S. 232; Stauber 2002, S. 170). So stellte er z. B. fest, dass die Ruinen von Augusta Raurica bei Basel so verfüllt waren, dass man sie nicht mehr identifizieren konnte (Stehlin 1911, S. 45).
140 Conradi Celtis Protvcii Primi Inter Germanos Imperatoriis Manibvs Poete Lavreati Qvatvor Libri Amorvm Secvndvm Qvatvor Latera Germanie Feliciter Incipivnt …, Nürnberg, 1502 [VD16 C 1911], fol. 42 = http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00007499/image_91.
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Wenn wir auch nicht im Einzelnen wissen, wie Konrad Peutinger seine Augsburger Inschriftensteine erworben hat, die er ab 1499 in seinem Haus aufstellte (Busch 1973, S. 11 ff.), so kann man aber doch schließen, dass er sie systematisch aufgenommen und zwischen seinen beiden Publikationen von 1505 und 1520 sogar ergänzt haben muss (Peutinger 1505; 1520). Er transkribierte auch Inschriften außerhalb Augsburgs (Wood 1998, S. 101). Jedenfalls hatte er schon in Italien Informationen über Inschriften gesammelt. Grundlage waren in Augsburg bekannte Monumente und die Sammlungen seiner Gesinnungsgenossen und Verwandten, wie der Stein Vollmer 104, der sich 1505 im Hause Peutinger befand. Er wurde aber „in hortis Ioannis Remi Augustae inventum“ (Ott 2002, S. 84). Ähnlich dürfte auch die gleichzeitige Sammlung römischer Inschriftensteine von Dietrich Gresemund in Mainz zustande gekommen sein. Die Elsässer Freunde um die Schule von Schlettstadt, unter ihnen auch der Inschriftenforscher Thomas Wolff, beschäftigten sich auf einer gemeinsamen Reise 1505 ebenfalls mit einem einheimischen archäologischen Fund (Schnitzler 1998, S. 21). Beatus Rhenanus empfing seine Informationen zu Sachaltertümern aber wohl nicht durch systematische Prospektion, sondern weitgehend aus der Literatur, auf Reisen und durch seinen Freundeskreis. Auch ausgegrabene Funde gehörten dazu, wie aus Rheinzabern. Wichtiger waren für seine Rekonstruktionen der antiken Topographie aber Ortsnamen, die er wie Flavius Blondus etymologisch zu deuten versuchte (Mundt 2008, S. 604 f.; Mertens 2009, S. 609 ff.). Auch der Elsässer Thomas Wolff hatte bei seinem Italienauffenthalt Informa tionen über mehr als 800 Inschriften gesammelt, wobei die befreundeten Gelehrten Wolff und Peutinger sich ihr Material auch gegenseitig zur Verfügung stellten, so dass es Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Syllogen untereinander und den italienischen Syllogen gibt – entscheidend für Wolff war sein Lehrer in Bologna Tommaso Gammaro (Schnitzler 1998, S. 21; Ferrary 2007, S. 519). Dieses Material ist jedenfalls wie die von Peutinger aufgenommenen Inschriften in das Werk des Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius eingeflossen und wurde 1534 veröffentlicht (Apian/Amantius 1534; Stemmermann 1934, S. 26). Hier ist auch Peutingers Augsburger Sylloge aufgenommen worden, obwohl sie ja von Peutinger selbst schon vorgelegt worden war (Apian/Amantius 1534, S. 418; Stemmermann 1934, S. 26), ebenfalls die Mainzer Funde von Gresemund. Ähnlich wie die beiden Ingolstädter Professoren trug der Heidelberger Professor Jan Gruter auf der Grundlage der Sylloge des Martin Smetius von 1588 und verschiedenen anderen Quellen sowie mit Hilfe namhafter Kollegen eine umfassende Inschriftensammlung zusammen, die er von 1602 an publizierte. An diesem Werk hatten erfahrene Inschriftenforscher wie Markus Welser, Joseph Justus Scaliger und Martin Opitz Anteil (Gruter 1602 f.; Stenhouse 2005, S. 149 ff.; Ott 2010, S. 141; Bollbuck 2010, S. 315). Opitz hatte auf Reisen in Siebenbürgen Anfang der zwanziger Jahre des 17. Jahrhunderts Inschriften zusammengetragen und machte zu den Zeichnungen in seiner Sylloge entscheidende Bemerkungen: „vidit Opitius“ – er hatte die abgebildeten Steine also selbst gesehen
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(Bollbuck 2010, S. 341, Abb. 4). Das ganze Material ist deshalb überwiegend als das Ergebnis von Prospektionen anzusehen. Der Zugriff auf Altertümer war aber nicht nur auf die gelehrte Elite bürgerlicher oder adliger Herkunft beschränkt, und auch bei der humanistischen höheren Ausbildung hat sich ja schon gezeigt, dass das Bildungssystem durchaus Aufstiegschancen bot. Dabei mischte sich antiquarisches Interesse mit der Schatzsuche, an der auch Bevölkerungsgruppen ohne eine besondere Bildung teilnahmen (Ott 2002, S. 72). Zumindest in Augsburg dürfte aber ein grundsätzliches Interesse geweckt worden sein, wie die Aufzeichnungen im Hausbuch eines Webers zeigen – der von ihm beschriebene Stein gelangte in die Sammlung des damals schon verstorbenen Konrad Peutinger und später in die Publikation Markus Welsers (Ott 2002, S. 84). Auch in Köln sammelte man schon vor 1530 eifrig dingliche Überreste der antiken Stadt (Schmid 1995, S. 27). Beatus Rhenanus arbeitete 1553 mit der Gründungs inschrift des konstantinischen Brückenkopfkastells, von der er allerdings schon durch eine Erwähnung bei Rupert von Deutz aus dem 12. Jahrhundert Kenntnis besaß (siehe S. 337). Bei Matthias Agricius findet sich im Jahre 1570 die erste und korrekte Beschreibung der Überreste des Kastells. Sie muss auf Prospektion beruhen. Der Jurist Stephan Broelmann unterhielt nicht nur sein altertumskundliches Studierzimmer in einem römischen Mauerturm, er studierte auch den Verlauf der römischen Stadtmauer und wohl auch die Reste von Kastell und Rheinbrücke Kaiser Constantins – jedenfalls griff er nicht auf Agricius zurück (Gechter 1989, S. 397 f.). Aber auch andere Bürger entdeckten römische und mittelalterliche Stücke (Schmid 1995, S. 27). Die erste Publikation dieser Altertümer mit Angaben zu den Besitzern und Kupferstichen findet sich am Rande des Stadtplanes von Arnold Mercator aus dem Jahre 1571. Nicht ganz unabhängig davon mag auch das archäologische Interesse Salentin von Isenburgs entstanden sein, der in diesen Jahren Fürstbischof von Köln war. An seinem zweiten Wirkungsort in Paderborn bereiste er die verschiedensten „merkwürdigsten Plätze“ im Beisein des altertumsforschenden Juristen Heinrich Harius. Man sah sich die Objekte jedenfalls so genau an, dass Menschenknochen in den Steinkisten von Kirchborchen konstatiert werden konnten, was zu einer späteren Grabung Anlass bot141. Wie schon aus der Erwähnung durch Hartmann Schedel erhellt, war Kaiser augst zwar als römischer Ort bekannt, die Funktion der Ruinen jedoch nicht geklärt. Es wurde bis zur Grabung durch Basilius Amerbach und Andreas Ryff immer wieder behandelt und verschiedene Mutmaßungen angestellt. Auch spielen das Schatz suchermotiv und entsprechende Legenden hier eine wichtige Rolle. Interessant ist, dass Sebastian Münster 1544 auf römischen Mörtel in Kaiseraugst und in Badenweiler hinwies, eine Beobachtung, die kaum durch Zufall gemacht werden konnte und vielleicht auf Grabungstätigkeit zurückgeht, vielleicht aber auch auf Prospektion im
141 Bessen, Georg Joseph (1820): Geschichte des Bistums Paderborn II, S. 73 f. Paderborn.
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durch Raubgrabungen zugänglichen Gelände. Auch die dazu gehörige Abbildung des noch nicht erkannten Theaters zeigt den Hügel mit offen liegendem Gemäuer (Münster 1544, S. 257; Stehlin 1911, S. 46 ff.)142. Ganz im Gegensatz dazu wurde der Lehrer Simon Studion 1583 auf das Kastell Benningen durch die Entdeckung eines römischen Weihesteins aufmerksam, den man beim Pflügen gefunden hatte. Der Fall von Benningen ist vielleicht der erste, wo der Ablauf vom Zufallsfund über die gezielte Prospektion bis zur Grabung und Auswertung innerhalb weniger Jahre belegt ist. Studion suchte die Umgebung seiner Wirkungsstätte Marbach offenbar systematisch nach Inschriftensteinen ab (Paret 1929, S. 6; Filtzinger 1986, S. 14). 3.3.4.2 Die ersten systematischen Landesaufnahmen Eine Art systematische Landesaufnahme scheint Konrad Celtis als Vorbereitung seiner nicht verwirklichten Germania illustrata unternommen zu haben – leider fehlen archäologische Früchte dieser Unternehmungen (Müller 2001, S. 452). Der Konrad Celtis-Schüler Johannes Aventinus beschrieb aber von 1507 an in Bayern römische Inschriften, wobei er regelmäßig die Begriffe „repperi“ oder „inveni“ benutzte – ich entdeckte oder ich fand. Wie Maximilian I. Konrad Peutingers Tätigkeit unterstützte, so Herzog Wilhelm IV. von Bayern Johannes Aventinus’ Forschungsreisen durch sein Herzogtum. Vetustates Romanae … inventae heißt der an Peutinger angelehnte, aber durch das „inventae“ veränderte Titel der handschriftlichen Texte (siehe S. 162, Anm. 95). Ausgangspunkt des Findens ist das Suchen, d. h. die systematische Prospektion, auch mit Funddatum. Aventin nahm sein Material planmäßig und empirisch auf (Schmid 1996, S. 89). Dass die Funde einem wissenschaftlichen Zweck dienten, zeigt ihre Benutzung in seinen historischen Werken, aber auch seine diesbezüglichen Erklärungen: “libros, lapides, tabulas itemque cetera antiquitates monumenta“ habe er gelesen. Auch in seinen anderen Werken findet sich Ähnliches143. In der nach 1528 zum Ursprung von Regensburg entstandenen Stadtgeschichte wertete er das empirisch gewonnene Material auch aus: „… das ichs meld, was vor Augen ist“ (Aventinus 1880, S. 266). Die gesammelten Informationen über Geländedenkmäler wurden auch in seiner Karte Bayerns von 1523 verwertet. Er heißt dort: „Folgende 19 Flecken hat Aventinus aus den alten Steinen und Briefen und dergleichen Antiquitäten bei seinem Umherreiten erforscht“ (Aventinus 1889, S. 3). Die Inschriftenbeschreibungen fanden dann Aufnahme in das corpusartige Sammelwerk von Petrus Amianus und Bartolomaeus Amantius (Apian/Amantius 1534, S. 408 f., S. 440 ff.).
142 http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10801800_00367.html. Auch bei Stemmermann 1934, Taf. XII, Abb. 16. 143 Descriptio Biburgensis, fol. B i, BSB Clm 28274=12-bsb00029586-8; S chmid 1996, S. 86; Fehr 2008, S. 17.
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Im Jahre 1555 wurde u. a. der Eingang einer Münze des Antoninus Pius in die Sammlung Herzog Albrechts V. von Bayern dokumentiert. Eine Schnitterin hatte sie in Eining gefunden. Dabei wurde auch der Kontext des Fundes erwähnt, was darauf schließen lässt, dass der Fundort nachbegangen wurde: „… wie dann der Vestigia aines Burgstals noch gesehen werden, darauf iz Ägkher sein“ (Ott 2002, S. 1). Ott macht sicher zu Recht darauf aufmerksam, dass die Angabe der Fundumstände bei Schatzfunden rechtliche Konsequenzen auf die Verteilung des Schatzes zwischen dem Grundeigentümer, dem Finder und dem Landesherren hatte und hierin überhaupt ein Grund für die Beschreibungen von Fundumständen und auch ihre mögliche Verfälschung zu suchen ist. Die Bestimmungen zu Schatzfunden wurden im 15. und 16. Jahrhundert in den verschiedenen deutschen Landesherrschaften unterschiedlich und in Auseinandersetzung mit dem römischen Recht geordnet, jedenfalls gab es feste Rechtsnormen (Ott 2002, S. 57 f.). Ob diese Entwicklung mit einer Zunahme gezielter Schatzsuche einhergeht, ist nicht nachweisbar. Gezielte Schatzsuche stand jedoch gleichzeitig unter Strafe, im sogenannten Hexenmandat von 1611/12 fiel das Graben nach Schätzen in Bayern sogar unter die abergläubischen Künste (ebd. 58). Die Äußerung zum Burgstall deutet aber eher darauf hin, dass die Tätigkeit von Johannes Aventin unter Albrechts Vorgänger Herzog Wilhelm IV. Früchte getragen hat und das Bewusstsein des Fundzusammenhangs geschärft hat. Sehr wahrscheinlich hat auch der mit Aventin gleichzeitige Nikolaus Marschalk nach 1504 Wanderungen durch Mecklenburg unternommen oder unternehmen lassen, um die Gräber der Ahnen der Herzogsdynastie zu finden, monumentale Gräber, die wir heute als Megalithgräber erkennen können (Sasse 2010). Der Thüringer Humanist, der sich zunächst, wenn auch wohl nur theoretisch, auch mit römischen Inschriften und auch Urnenbestattungen beschäftigt hatte, beschrieb diese Gräber jedoch nur pauschal als auf Bergen liegend und bemerkte in seiner deutschen Reimchronik: „Der ist das Land noch allenhalben voll“ (Marschalk 1510/12, zit. nach Westphalen 1739, Bd. 1, S. 572). Weiterhin registrierte er auch archäologische Zufallsfunde, nämlich Urnen, die er nach römischem Vorbild als solche erkannte. Ob er selbst dafür sorgte, dass diese in die herzogliche Sammlung gerieten, ist jedoch aus seinen Schriften nicht zu erweisen, ebenso nicht, inwieweit er selbst über die Prospektion hinaus praktisch archäologisch arbeitete. Allerdings enthält die vor 1524 noch zu seinen Lebzeiten entstandene Handschrift der Reimchronik ein Gemälde eines Dolmens, das nur in genauer Kenntnis eines Monuments gemalt worden sein kann. Hierfür musste man im Gelände prospektieren und das geeignete Objekt aussuchen und klassifizieren (Sasse 2010, S. 257 f.; Farb taf. 2,a). Mit Ausnahme vielleicht von Johannes Aventinus, der schon in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, d. h. noch gleichzeitig mit Raffael in Rom, in herzoglichem Auftrag prospektierte, gingen die meisten dieser Aktionen auf Einzelinitiative zurück. Ähnlich wie Aventinus’ Forschungsreisen durch Bayern sind aber die Unternehmungen der Engländer John Leland und William Camden zu beurteilen, die beide
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in königlichem Auftrag arbeiteten. Auch sie erhoben ihre Quellen auf ausgedehnten Reisen durch ihr Land. Leland unternahm seine Forschungen für Heinrich VIII, sein Interesse galt allerdings nicht den Geländedenkmälern, von denen zumindest Stonehenge ja bekannt war. Er suchte wie die römischen Altertumsforscher römische Städte, antike Skulpturen und Münzen (Kendrick 1950, S. 55). Camden allerdings beobachtete auch prähistorische Stätten und ordnete sie als solche in seine überwiegend regional aufgebaute Britannica ein: „Angliam fere omnem peragravi“ schrieb er selbst (Camden 1586, fol. A 6r). In der zweiten Jahrhunderthälfte entstanden jedoch außerhalb des Kirchenstaats schon die ersten großen staatlichen Unternehmungen. Außerordentlich fortschrittlich war in dieser Hinsicht Philipp II. auf der Iberischen Halbinsel. Die Kenntnisse zu römischen Denkmälern besitzen dort teilweise eine sehr lange Tradition, z. B. zu den gut erhaltenen Theatern bzw. Amphitheatern von Mérida und Sevilla. Italica wurde zumindest seit dem 13. Jahrhundert als „Sevilla la Vieja“ richtig als Vorgängerstadt eingeordnet. Sein Amphitheater fand u. a. das Interesse des süddeutschen Kosmographen Sebastian Münster. Diesem ist das älteste Bild in seiner in Basel 1544 erschienenen Cosmographia zu verdanken (Rodríguez Hidalgo 1991, S. 91 f.; Bellido Márquez 2009, S. 37 ff.). Ein Einfluss dieser Aktivitäten auf Mitteleuropa liegt also auf der Hand (siehe S. 157). Außerdem hatte auch Konrad Peutinger spanische Inschriften aufgenommen, und verschiedene Gelehrte sammelten im 16. Jahrhundert Inschriften von der Iberischen Halbinsel und beschrieben sie in Syllogen sehr unterschiedlicher Qualität. Der Conde de Guimerá fasste sie dann zu Beginn des 17. Jahrhunderts in einem Codex zusammen (Gimeno Pascual 1997, S. 15 ff., S. 221 ff., S 241 ff.). Philipp II. plante jedoch eine regelrechte systematische Landesaufnahme, die Relaciones topográficas de los pueblos de España von 1575. Dieses Landbuch, das erste seiner Art in Spanien, enthielt neben vielen anderen für die Verwaltung wichtigen Informationen auch archäologische Daten. Sie dürften in Zusammenhang mit den ganz Spanien umfassenden Werken der königlichen Chronisten Juan Páez de Castro, Ambrosio de Morales und Juan López de Velasco sowie des Pedro Esquivel stehen, der an einer Karte Spaniens arbeitete. Leider blieben sowohl die Landesaufnahme als auch der Atlas unvollendet (Corona y Arqueología 2010, S. 70[Martín Almagro Gorbea]). Für diese Landesaufnahme wurde in mehreren Stufen ein Fragenkatalog entwickelt, den jede Gemeinde beantworten sollte. Die Fragen von altertumskundlichem Interesse waren topographischer Art, doch ging es zunächst um ein Grundlagenwissen für den König und seine Beamten, aber auch für Morales Arbeit selbst. Gab es Hinweise auf das Alter der Ortschaften durch den Namen, durch Ruinen, Grabund andere Inschriften oder andere alte Dinge (siehe S. 303)? Bei der Zusammenstellung der Materialien für sein topographisches Werk Las Antigüedades de las Ciu dades de España von 1575 besaß er jedenfalls diese Grundlage noch nicht, aber eine Vorstellung darüber, was für Informationen er brauchte. Das entsprechende Kapitel seines Buches überschrieb er mit: „La manera, que puede aver y yo he seguido, para averiguar los sitios y nombres, que tuvieron las ciudades antiguas de España en
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tiempo de los Romanos“ (Morales 1575, fol. A 2r). Im Folgenden unterteilte er diese Informationen in 13 Kategorien, die aus den verschiedenen antiken und mittelalterlichen schriftlichen Quellen zu Geschichte, Geographie und Verwaltung, Heiligenlegenden und Ortsnamen, aber auch archäologischen Funden und Merkmalen verschiedener Art bestehen: Ruinen, Lagemerkmale, Münz- und Inschriftenfunde. Die größte methodische Bedeutung aber besitzt der Abschnitt: „Señales y rastros de antigüedad de tiempo de los Romanos“, in dem er außer den Gebäuden und Inschriften auch Funde roter Keramik mit einer ganz besonderen Glasur erwähnte (Morales 1575, fol. A 2v f.). Morales unternahm auch selbst Prospektionen. So reiste er auf Betreiben des Königs nach León, Galicien und Asturien, um Reliquien, Königsgräber, Manuskripte und Klöster zusammenzustellen (Morán Turina 2010a, S. 234), ähnlich wie vor ihm Johannes Aventinus in Bayern. Interessant ist die Beschreibung, mit welcher Mühe er die heute nicht mehr erhaltene Inschrift in der Capilla de Santa Cruz in Cangas de Onis aufnahm (Morales 1586, Buch 13, S. 15v). Der Schwede Johannes Bureus scheint in Skandinavien der Erste gewesen zu sein, der systematisch Runensteine aufnahm: Im Jahre 1599 publizierte er seinen ersten Katalog. Wenig später 1603 folgte der zweite mit 150 Inschriften, der aber ungedruckt blieb. Grundlage dieser Zusammenstellungen aber waren Begehungen, bei denen die Objekte aufgespürt und neben der Angabe des Fundortes eine Zeichnung des Objekts mit der Aufnahme der Runeninschrift angefertigt wurde. Hierfür standen ihm zwei Assistenten zur Verfügung und später auch ein Kupferstecher. Bureus zeichnete aber auch selbst und fertigte Holzschnitte zum Druck an (Klindt-Jensen 1975, S. 16; Schnapp 1993[2009], S. 174 ff.). Etwas später erwirkte dann der Däne Ole Worm 1622 von seinem König ein Edikt zur Landesaufnahme auf Kirchspielbasis und entwarf Fragebögen, die Informationen zur geographischen Lage der Denkmäler, der Orientierung, der Größe, der Form und den damals dafür üblichen Interpretationen enthielten – hier liegen also schon die Urformen für Landesaufnahmen und Listenerfassungen und man sieht darüber hinaus das Bewusstsein für einige wichtige Merkmale archäologischer Denkmäler schon ausgebildet (Klindt-Jensen 1975, S. 18 ff.; Randsborg 1994, S. 142). Das Vorgehen des u. a. in Padua ausgebildeten Arztes Ole Worm ist, wie wir an Rom, Bayern und Spanien gesehen haben, aber nicht der erste systematische, herrschaftlich gesteuerte Versuch einer Erfassung der Denkmäler eines Landes. Er unterscheidet sich aber durch die weiterentwickelte Systematisierung archäologischer Merkmale.
3.3.4.3 Grabungen Wenn auch das Ausgraben als methodische Quellengewinnung sich erst ganz langsam entwickelte, gibt es vom Beginn archäologischer Tätigkeit an auch Belege für Grabungen. Diese sind aber zunächst sehr vereinzelt und bieten meist kaum mehr als die Grabungstatsache an sich. Zumeist handelte es sich dabei nach unserer Termi-
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nologie um Zufallsfunde, häufig waren die Objekte aber auch obertägig sichtbar oder sogar größere Monumente. Dennoch bezieht sich die älteste Grabungsnachricht aus Mitteleuropa auf nicht unmittelbar sichtbare Urnengräber. Im Jahre 1416 soll der Historia Polonica des Bischofs von Lemberg, Jan Długosz. zufolge der Jagellone König Wladislaw II. im Dorf Nochow eine Ausgrabung von Urnen veranlasst und ihr beigewohnt haben (Stemmermann 1934, S. 69; Schnapp 1993[2009], S. 379; Wollf 2010, S. 72). Das wäre der früheste Beleg für eine planmäßige Ausgrabung in Mitteleuropa überhaupt, zumal Długosz 1480 starb, sein Todesjahr also auf jeden Fall als Terminus ante quem angesetzt werden kann. Das Ziel, die Legende zu überprüfen, wird ausdrücklich genannt, obwohl das Ergebnis zu einem angeblichen Beweis ihrer Richtigkeit geführt hat. Der Text ist gleichzeitig mit der Meisterlinchronik für Augsburg, der Italienreise von Hartmann Schedel und vor dem Auffenthalt von Konrad Celtis in Krakau entstanden144. Diese Grabung ist die Erste einer ganzen Reihe von Unternehmungen, die dem Nachweis der geheimnisvollen gewachsenen Urnen dienten (siehe S. 219 f.). Die Grabung nach den Überresten seines angeblichen merowingischen Vorfahren Siegfried in Worms, die Kaiser Maximilian I. während des Reichstages von 1495 unternehmen ließ (Joachimsen 1910, S. 197), gehört dagegen eher noch in den mittelalterlichen Rahmen der Ausgrabung von Heiligengräbern. Das Unternehmen gehörte zur Gedächtniskultur des Kaisers, der sich über das burgundische Erbe auf die Merowinger und mit ihnen auf die Trojaner zurückführte (Mertens 1988, S. 136). Aber auch andere archäologische Aktivitäten fanden anlässlich der Reichstage statt. So geben Petrus Apianius und Bartholomaeus Amantius für einen Trierer Stein an: „Byrckheimerus exaravit“, leider ohne eine Jahresangabe (Apian/Amantius 1534, S. 485). Die Notiz bezieht sich aber wohl auf 1512, da Willibald Pirckheimer zu diesem Zeitpunkt mit Kaiser Maximilian I. und vielen an Altertümern interessierten Gelehrten zum Reichstag in Trier weilte. Er transskribierte damals auch die Inschrift der Igeler Säule (Binsfeld 2000, S. 25). Außerdem wird man davon ausgehen können, dass Pirckheimer diesen Stein nicht ohne systematische Suche gefunden hat. Als ältestes Indiz für gezielte wissenschaftlich motivierte Ausgrabungen prähistorischer Denkmäler nördlich der Alpen wird in der forschungsgeschichtlichen Literatur eine Stelle in der gleichzeitigen Reimchronik Nikolaus Marschalks genannt (Sasse 2010, S. 247 ff.). Sie bezieht sich auf Graburnen, die an den Straßen gefunden wurden, in die Sammlung Herzog Heinrich V. des Friedfertigen von MecklenburgSchwerin gelangten und offenbar Beigaben hatten: „cum insignibus“ (Marschalk (1510/1512[1739]), S. 572; Lisch 1837, S. 15). An keiner Stelle seiner Chroniken berichtet Marschalk aber davon, dass er an den Funden beteiligt war. Es handelt sich deshalb
144 Huyssen, Hendrik van (1711–12): Joannis Dlugossi seu Longini historiae polonicae libri XII. Leipzig. Neuausgabe: Baczkowski, Krzysztof (Hrsg.) (2000): Ioannis Dlugossii Annales seu cronicae incliti regni Poloniae, 11, 1413–1430. Warschau.
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vermutlich um zufällige Entdeckungen, die man aber für so wichtig hielt, dass man sie dem Fürsten gebracht hat und in der Fürstenchronik vermerkte. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurden gezielte Grabungen insgesamt häufiger. Auch das Urnengraben ist vor allem in dieser Zeit dokumentiert. Zufallsfunde begann man gleichzeitig auch schon näher zu beschreiben bzw. dokumentierte sie wenigstens. Die oben erwähnten Schwierigkeiten bezüglich der Schatzgräberei scheinen dafür nicht von grundlegender Bedeutung gewesen zu sein. Wie gezielte Grabungen zeigen, wusste man seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts schon zwischen Schatzgräberei und wissenschaftlich motivierten Ausgrabungen zu unterscheiden. Im Osten Deutschlands und in Polen war man durch die Landwirtschaft immer mehr auf die riesigen Urnengräberfelder aufmerksam geworden. Interessant wurden sie durch den weiter lebendigen Glauben, die Urnen wüchsen im Boden. Deshalb gehörten sie zunächst zu den Kuriosa, deren Interpretation umstritten war, obwohl, wie das Beispiel von Nikolaus Marschalk zeigt, durchaus schon früh auch anderweitige Meinungen geäußert wurden145. Im Zusammenhang mit den Urnengräbern gab es vielerlei Aktivitäten, die zeigen, dass der Vorgang des Ausgrabens modern wurde. Eine Quelle aus der Lausitz zeugt sogar von einem geplanten regelrechten Grabungsvergnügen: In seiner 1572 erschienenen Schrift berichtete Leonhard Thurneisser zum Thurn, ein Autodidakt der Naturkunde und Wunderheiler mit Erfolg in höchsten Kreisen, über diese Sitte des pfingstlichen Urnengrabens in der Lausitz (Wiegel 1991, S. 100, Anm. 5; Wollf 2010, S. 74 f.). Sogar Kaiser Rudolf II. ließ 1577 auf dem Glücksberg bei Greisitz (Schlesien) nach Urnen graben, und auch die Ausgrabung der Urnen von Muskau förderte er und übernahm sie dann in seine Sammlung (Stemmermann 1934, S. 69; Hakelberg 2012, S. 56 f.). Der Mythos regte auch Petrus Albinus 1587 zur Ausgrabung eines Hügels bei Zahna (Zahna-Elster, Wittenberg) an, die er 1590 in der Meisznische Bergk Chronika schilderte und die Töpfe als „urnae mortuorum“ identifizierte (Albinus 1590, S. 179 f.; Wollf 2010, S. 78). Auch Albinus berichtete von zahlreichen Urnengrabungen und den rüden Methoden, die dabei eingesetzt wurden. Man stach mit Eisenstöcken oder Scheiten in die Erde, um die Urnen zu finden und legte sie dann frei, um sie trocknen und härten zu lassen (Albinus 1590, S. 178). Zur Beobachtung der Fundumstände gehört auch die Angabe, dass sie „gemeiniglich“ mit Steinen oder etwas anderem zugedeckt waren (ebd.). Der Jurist dürfte sowohl durch seine Herkunft aus dem Bergbaugebiet von Schneeberg sowie durch seinen Schwiegervater, einen Nürnberger Bergbauunternehmer, einen Sinn für praktische Grabungen gewonnen haben – jedenfalls geht aus seinen Schriften hervor, dass auch er sich sowohl für den Bergbau, als auch für Gesteine und Metalle interessierte und die wissenschaftlichen Schriften hierüber
145 Hans Gummel (1938, S. 12) führte weitere Belege an, so von Georg Agricola und Herzog August von Sachsen.
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z. B. von Georg Agricola rezipierte (Albinus 1590; Leipzig (NDB 1, 1953, S. 151[Sauer, Bruno]). Einen wichtigen Impuls erhielten diese Grabungen aber nicht zuletzt wie in Italien durch die Sammelleidenschaft, denn es gibt eine Reihe von Belegen für das Interesse, diese Urnen als Kuriosa für Sammlungen zu gewinnen. So befanden sich Lausitzer Urnen verschiedener Form mit einem entsprechenden Beizettel, auf dem auch der Fundort (Lübben) und die Fundumstände („monticuli“) vermerkt waren, in der Bayerischen Kunstkammer (Fickler 1598[2004], S. 15, Anm. 23). Die Bescheibungen zeigen, dass der Aberglaube auch zu genaueren Grabungsbeobachtungen anregte und insofern für die Entwicklung der Ausgrabungen von großer Wichtigkeit war. Handelt es sich bei den Urnengräberfeldern um Funde, die wegen ihrer großen Häufigkeit bei Erdbewegungen ans Licht kamen, so waren doch insgesamt auch außerhalb Italiens sichtbare Denkmäler im Vorteil (Wahle 1950[1964] 10 f.). Sie hatten schon in Antike und im Mittelalter Aufmerksamkeit erregt und waren deshalb auch die ersten Ziele von Prospektionen (siehe S. 213). Im ur- und frühgeschichtlichen Bereich begann man deshalb gezielt mit Ausgrabungen bestimmer Großgräbertypen wie der Megalithgräber, im römischen Bereich mit den Untersuchungen der Ruinen von Großbauten wie Theatern, Stadtmauern und Legionslagern. Bei den römischen Anlagen kam hinzu, dass aufgrund der italienischen Forschungen Vorbilder und Vorstellungen vorhanden waren. Die in der Forschung immer wieder vorgetragene Annahme, dass Nikolaus Marschalks Erwähnungen von monumentalen Gräbern „in colle“ auf eigenen Grabungen in den Jahren um 1510 beruhen, muss allerdings abgelehnt werden, da Marschalk weder die Grabungen noch eventuell dabei gemachte Funde erwähnt und auch nur äußere Merkmale beschreibt und darstellt. Diese Erkenntnisse aber waren durch Prospektionen zu erreichen (siehe S. 215). Insofern gilt auch für diese Denkmäler, dass gezielte Grabungen und regelrechte Grabungsdokumentationen erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts begannen. Deutlich wird dies an den häufigeren Nachrichten über die Öffnung von Hügeln und Großsteingräbern verschiedener Art. Z. B. ließ Salentin von Isenburg nach 1577 von dem Juristen und Altertumsfreund aus Paderborn Heinrich Harius die zuvor während einer Exkursion besuchten beiden Steinkisten von Kirchborchen öffnen146. Harius untersuchte die Gebeine der Bestatteten, die man offenbar schon während der Exkursion gesehen hatte (Gummel 1938, S. 16), konnte aber weiter nichts „schließen, als dass es Privat-Familiengräber gewesen seyn müssten“147. Wichtig ist für uns, dass dies aufgezeichnet wurde und dass während der der Ausgrabung vorangehenden Exkursion schon geklärt worden war, dass es sich um menschliche Gräber handelte.
146 Günther, Klaus/Czarnetzki, Alfred (1976): Zu den neolithischen Steinkistengräbern von Kirchborchen, Gem. Borchen, Kr. Paderborn. In: Germania, 54, S. 184–191. 147 Siehe Anm. 141.
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Wie bei den Urnen knüpften sich besonders an Megalithgräber Mythen, so Erzählungen von Riesen, die ein Nachforschen anregten wie z. B. die Sage von Surbolds Grab, die man schon 1613 von seinen „Vorvetteren“ gehört hatte (Liebers 1986, S. 30 ff.). Von William Camden wissen wir, dass auch in Stonehenge gegraben wurde und dort Menschenknochen gefunden worden sind, was für die Interpretation des Platzes wesentlich wurde (Camden 1586[1600], S. 219). Auf herrscherliche Initiative geht die Grabung und Veröffentlichung des Grabhügel- und Runensteinensembles von Jelling (Vejle, Jütland) 1591 zurück, mit der der gelehrte Gouverneur von Holstein Henrik Rantzau Peter Lindeberg betraute. Lindeberg schrieb wage: „… ante oculos posuimus …“ (Lindeberg 1591, S. 75). Auch für römische Denkmäler sind in Mitteleuropa sehr frühe Grabungen noch im 16. Jahrhundert belegt: Das Theater von Augusta Raurica (Kaiseraugst) war so mit Erde und Schutt bedeckt, dass es nicht mehr als solches zu erkennen war, wohl aber sein Ruinencharakter (Stemmermann 1934, Taf. XII, Abb. 16 [Sebastian Münster] und 17 [Basilius Amerbach]; Schnapp 1993, S. 148). Deshalb führte die Ruinenstadt mit ihren unterirdischen Gängen schon im Mittelalter zur Entstehung von Legenden über Schatzfunde. Aus den Basler Dokumenten geht hervor, dass der bedeutende Humanist, Jurist und Ratsherr Basilius Amerbach mit Unterstützung anderer Herren, darunter der Jurist und Oberzunftmeister Bernhard Brant, die Untersuchung plante und beim Rat der Stadt beantragte. Die Finanzierung erfolgte durch die Basler Bürger und den Rat, der die Grabung genehmigte. Gegraben wurde 1582–1585 (Stemmermann 1934, S. 58 ff.). Am Ende ging es auch um Entschädigungen für Bauern, deren Äcker wieder hergestellt werden mussten (Stehlin 1911, S. 50 f.). Entscheidend ist, dass nicht nur hochkarätige Basler Intellektuelle diese Grabung unternahmen, sondern dass sie auch grabungskundiges Personal beschäftigten. Andreas Ryff, der Grabungsleiter, war ein erfolgreicher Großunternehmer und deshalb für solch eine Aufgabe geeignet, er betrieb auch selbst ein Silberbergwerk mit „Bergknappen“, d. h. Grabungsspezialisten. Aus einem seiner Schreiben von 1598 geht hervor, dass er nicht nur im Theater, sondern auch im Kastellhügel „schürfen“ ließ (ebd. 1911, S. 51). Ryff begann die Grabung nach seinen eigenen Angaben mit der Untersuchung der gemauerten Hohltürme, um dann im Treppenbereich, dessen Eingang nach der Zeichnung Sebastian Münsters freilag, einen Schnitt ins Innere zu treiben, durch den die Treppe und Säulenkonstruktionen sichtbar wurden. Bis zu den Sitzreihen stieß man offenbar nicht vor. Weitere Beispiele sind das römische Kastell von Benningen, das Simon Studion 1597 mit Förderung des württembergischen Herzogs Ludwig untersuchte (Paret 1929, S. 6; Abb. 17)148, und das Kastell von Hüfingen, wo Hans der Gelehrte von Schellen-
148 Die Grabungsbeschreibung mit Abbildung findet sich in einer genealogischen Arbeit zum württembergischen Herrscherhaus aus dem Jahre 1597, Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. hist. fol. 57, fol. 76r. Studion fügte also wie fast ein Jahrhundert vor ihm Nikolaus Marschalk seine archäologischen Funde in genealogische Konstruktionen seiner Herrscherdynastie ein.
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Abb. 17: Das Kastell Benningen. Studion, Simon (1597): Vera Origo illustrissimae et antiquissimae domus Wirtenbergicae. Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, Cod. hist. fol. 57, Bl. 76r. © Württembergische Landesbibliothek Stuttgart.
Die Quellen
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berg grub. Vor der Ausgrabung von Gräbern scheint Schellenberg eher Totenfurcht empfunden zu haben (Revellio 1913[2004], S. 32–35). Einen der ersten größeren, einigermaßen vollständig untersuchten prähistorischen Fundkomplexe stellt das latènezeitliche Grab aus Asperg (Baden-Württemberg) dar, das 1608–09 beschrieben und dokumentiert wurde, weshalb die Funde im heutigen Stuttgarter Landesmuseum in Deutschland zu den ersten nichtrömischen Objekten gehören, deren Herkunft bekannt ist (Paret 1929, S. 30; Gummel, S. 1938, S. 20; Zürn 1970, S. 7 f; Bittel 1981, S. 21). Die Untersuchung und Überlieferung verdanken wir fürstlichem Interesse, denn schon 1580 hatte Herzog Ludwig der Fromme von Württemberg beim Asperg graben lassen, 1608 kam ein Grabinventar in die herzogliche Kunstkammer (siehe S. 179). Die zunehmenden größeren Baumaßnahmen führten auch außerhalb Italiens zu unerwarteten archäologischen Entdeckungen. Das inzwischen geschärfte Bewusstsein der Verantwortlichen sorgte dafür, dass Funde und Befunde dann auch dokumentiert wurden. Aus dem Elsass gibt es hierfür zwei methodisch weiterführende Beispiele: Den Brunnenfund von Münzen aus Niederbronn-les-bain, der durch die Reinigungsarbeiten in der Quelle zur Wiederaufnahme des Badebetriebs gemacht wurde. Hier beobachtete man bei der Ausgrabung, dass sich die Münzen im Brunnen befanden. Ebenso wichtig sind die Entdeckungen bei der Stadterweiterung von Straßburg durch den Architekten Daniel Specklin seit 1560. Hierbei wurden die außerhalb von Argentoratum liegenden römischen Nekropolen angeschnitten und Fundzusammenhänge beobachtet, die dann in der Folgezeit zu einer klaren kulturgeschicht lichen Definition römischer Gräber mit ihren Merkmalen führten. Ohne diese Beobachtungen wäre der nächste Schritt der kulturellen Definition nicht möglich gewesen. Specklin scheint ganze Gräber sorgfältig in ihrem Zusammenhang ausgegraben zu haben (Silbermann 1775, S. 39; Schnitzler 1998, S. 21 ff.; siehe S. 235). Bis 1630 wurden weitere Funde 1568, 1603–04, 1609 und 1627 gemacht und jeweils dokumentiert ausgegraben (Schnitzler 1998, S. 25). Dieser schon entwickelten Grabungspräzision entspricht es, dass in dieser Zeit auch schon der erste Ansatz für stratigraphische Beobachtungen bei Grabungen verzeichnet werden kann. Die Idee von Nicolas Bergier, Merkmale für den Aufbau von römischen Straßen und deren Materialien zu erfassen, ging, wie bei vielen Gelehrten vor ihm andere Innovationen, vom Vitruvstudium aus. Er prüfte den Schichtaufbau der Straßen dann durch Grabungen nach (Bergier 1622, S. 141; Schnapp 2010, S. 60; siehe auch Bd. 2). Das Bewusstsein der Notwendigkeit einer beglaubigten Dokumentation drang durch den Schlesier Martin Opitz und seine Kontakte zu Jan Gruter weit nach Osten und zeigt sich auch in der Inschriftensylloge, die er in Siebenbürgen zeichnete. Hier schrieb er: „… ex ruderibus … erutum …“ (Bollbuck 2010, S. 341, Abb. 4)149.
149 Übersetzung: Aus dem Schutt … ausgegraben.
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3.4 Die Analyse 3.4.1 Quellenkritik Eines der Hauptprobleme der Quellenkritik waren zwangsläufig die vielen Fälschungen. Um die Frage zu beantworten, welche Quellen echt und welche falsch waren, fehlten generell noch die Mittel, oft aber auch das Verständnis für die Problematik, denn, wie wir gesehen haben, war die Fälschung gerade für die Rekonstruktion von Genealogien und Ursprungsmythen eine beliebte Praxis. Auch im Mittelalter war man bei strittigen Besitzfragen vor dem Fälschen von Urkunden nicht zurückgeschreckt. Aber das Bewusstsein schärfte sich mit der Zeit an überprüfbarem Material. Hatte Lorenzo Valla in seiner Arbeit über die Konstantinische Schenkung seinen konkreten Vorwurf durch humanistisch-antiquarische Studien erhärten können (Valla 1440), so führte Antonio Agustín offenbar als eine Konsequenz des aufkommenden kritischen Bewusstseins im 16. Jahrhundert einen grundsätzlichen Kampf für mehr Wissenschaftlichkeit unter den Altertumsforschern. Er versuchte, neben Annius von Viterbo auch andere Autoren als Scharlatane zu entlarven (Agustín 1587, S. 443 ff.). Pirro Ligorio warf er einerseits vor, nicht Latein zu können, andererseits, den Inhalt der Inschriften nach seinen Bedürfnissen zu verändern (Coffin 2004, S. 21; Stenhouse 2009, S. 48 ff.). Dennoch traute er mehr den Realien mit Inschrift als den Schriftstellern: „Yo mas fe doi à las medallas; y tablas piedras, que à todo lo que escriven los escritores“ (Agustín 1587, S. 377; Momigliano 1950, S. 269; Schnapp 1991, S. 19). Leider waren die Inschriften und ihre Lesung, der Hauptanhaltspunkt für die weitere Interpretation von Denkmälern, tatsächlich für Fälschungen äußerst anfällig. Zum besseren Verständnis von formelhaften und abgekürzten lateinischen Inschriften gab es immerhin seit etwa 1464 ein Hilfsmittel aus der Hand von Andrea Santacroce, und 1566 enthielt die von Paolo Manuzio zusammengestellte und von Aldo Manuzio gedruckte Sammlung von Inschriften einen Zusatz mit dem Titel „De veterum notarum explanatione quae in antiquis monumentis occurunt“ (Manuzio/ Manuzio 1566; Weiss 1969, S. 158; Stenhouse 2005, S. 116 ff.). Ein besonderes Problem waren Inschriften in anderen Sprachen und Schriften. Annius von Viterbo z. B. gab vor, etruskische Inschriften lesen zu können, wertete die angebliche Übersetzung aus und ergänzte sie durch Fälschungen. Sogar Ornamente deutete er als Hieroglyphen und erklärte ihren Inhalt! (Annius 1498; Weiss 1962a, S. 103; siehe S. 325). In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wusste man durchaus, dass viele Autoren fälschten und auf dem Gebiet der Epigraphik irrten (Agustín 1587[1987], S. 55; Stenhouse 2005, S. 115). Dennoch hielten sich die Fälschungen wie das Decretum desiderii des Annius von Viterbo zäh in den Inschriftenpublikationen (Manuzio/ Manuzio 1566, S. 317 ff.), und auch gegenüber neuen kundigen Fälschungen war man noch 1574 nicht gefeit (Porcacchi 1574[1591], S. 14; Staubach 2005, S. 13, Anm. 1). Eine weitere Fälschungsquelle war die Mode der Rekonstruktion, der besonders
Die Analyse
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Pirro Ligorio anhing. Das Problem bestand darin, dass er gezwungen war, mangels anderer Informationen einfach andere Denkmäler und bildliche Darstellungen heranzuziehen, die sich gar nicht auf das jeweilige Objekt bezogen, wie beim Circus Maximus und Circus Flaminius in Rom: „… bene spesso della coniettura, dove le ruine, che poche sono, mancavano: et pigliando l’essempio de gli altri Circi, che sono piu intieri in quelle parti, che in questo erano affatto ruinate“ (Ligorio 1553, fol. 18r [Daly Davis, S. 46, S. 114]). Man sieht, dass Ligorio die Problematik seines analogen Vorgehens gar nicht bewusst war. Während er für den Circus Maximus sowohl erhaltene Reste als auch Münzbilder zur Verfügung hatte (Humphrey 1986, S. 130, S. 117), beruht die Darstellung des Circus Flaminius auf Analogie. Besonders pikant wird die Zeichnung dieses Circus, wenn man bedenkt, dass er die Reste des Theaters von Cornelius Balbus, von dessen Existenz er wusste, das er aber nicht lokalisieren konnte, für den Circus Flaminius hielt! Diese Rekonstruktion hat deshalb überhaupt nichts mit der praktischen Archäologie zu tun. Ähnlich liegt der Fall bei den Münzen, deren Fälschung für den Kundigen kein großes Problem darstellte. Italienische wie nichtitalienische Gelehrte erachteten im 16. Jahrhundert die Vollständigkeit der Herrschermünzen mit den entsprechenden Bildnissen für wichtiger als ihre Echtheit und selbst so innovative Gelehrte wie Hubert Goltzius schreckten vor ,Ergänzungen‘ nicht zurück (Berghaus 1995, S. 16). Interessant ist die historische Quellenkritik in den achtziger Jahren des 16. Jahrhunderts bei Michele Mercati. Mercati konnte hinsichtlich der Erfindung des Eisens bei verschiedenen antiken Autoren keine Übereinstimmung feststellen, und bemerkte dazu nur: „Sic inter se dissentiunt“ (Mercati 1717, S. 245). Der Gelehrte dachte auch über die Bedeutung von Fundumständen nach: Funde aus dem Flussschotter befänden sich nicht mehr in originaler Lage (Mercati 1717, S. 242). Auch außerhalb Italiens stellte sich die Quellenkritik des 16. Jahrhunderts als eine Auseinandersetzung mit Fälschungen dar. Im Fall von Annius von Viterbo zeigt sich aber, dass entsprechende Erkenntnisse sich nur schwer behaupten konnten, selbst, wenn sie von sehr prominenter Seite kamen. Das liegt an der Unsicherheit der Argumentationen. So erkannte Beatus Rhenanus zwar den Berosus des Annius von Viterbo unzweideutig als Fälschung (Beatus Rhenanus 1531, 1,4,2, [2008], S. 111). An anderer Stelle argumentierte er aber mit dem Decretum desiderii, einer der sicheren Inschriftenfälschungen des Annius, als sei es echt (ebd. 3,6, [2008], S. 412). Auch Antonio Agustín recherchierte nicht sorgfältig genug und überzeugte deshalb nicht immer (siehe S. 324).
3.4.2 Deskription und Klassifikation: Sehen, Erkennen, Darstellen und Ordnen Einen wichtigen Indikator für den Stand der Deskription und der Klassifikation kann man in der bildlichen Darstellung und dem Verhältnis zwischen Bild und beschreibendem Text sehen. Gerade in den Archäologien kann das Bild oft wesentlich aus
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sage kräftiger sein als die Verbalisierung. Terminologie, Klassifikation und Bild hängen aber eng miteinander zusammen. In der behandelten Zeit lag das Ziel einer Zeichnung nicht unbedingt in einer unseren heutigen wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht werdenden Wiedergabe des Objekts. Häufig gab es gar keine Verbindung zwischen Text und Bild und oft waren sogar das beschriebene und das abgebildete Objekt gar nicht identisch. Es geht deshalb einerseits darum, an Beispielen zu prüfen, ob eine solche Verbindung überhaupt besteht und, wenn ja, auf welche Weise die Objekte dargestellt sind und warum. Andererseits geht es um die Entstehung von Methoden für eine möglichst objektive wissenschaftliche Zeichnung, die sich ganz offenbar parallel zur Kartographie und zur empirischen Methode entwickelte. Sie hing also nicht nur mit dem richtigen Sehen, sondern auch mit dem Bewusstsein für die Bedeutung des Objekts als Quelle sowie mit Messmethoden zusammen, die auch weniger begabten Künstlern eine einigermaßen exakte Darstellung erlaubten. 3.4.2.1 Antike Monumente, Kunstwerke und Gebrauchsgegenstände Aus dem 15. Jahrhundert liegen nur sehr wenige archäologische Bilddokumente vor. Von dem ursprünglich wohl reichen Bildmaterial, das Ciriaco von Ancona auf seinen Reisen zusammengetragen hatte, sind leider nur wenige originale Zeichnungen und Texte erhalten. Ciriacos Werke, vor allem die 6 Bände Commentaria, sind verloren. Das heutige Urteil muss sich deshalb auf sehr unterschiedliche Fragmente in verschiedenen Handschriften stützen. Zum Glück ist es aber gelungen, die erhaltenen Zeichnungen in Originale von Ciriacos Hand und in Kopien seiner Zeichnungen zu trennen (Ashmole 1959, S. 31 f; Gallotti 2008, S. 101). Für uns ist die Frage interessant, wie genau Ciriaco seine Objekte abgebildet hat, und welche Merkmale er erkannt hat. Dazu müsste man sie aber mit dem damaligen Zustand der Denkmäler vergleichen können, was nicht mehr möglich ist. Dennoch konnten sogar Details durch Grabungen bestätigt werden (Ashmole 1959, S. 35, Taf. IXb). Die schwierige Analyse der Authentizität der Zeichnungen und Transkriptionen führt deshalb insgesamt hinsichtlich der Wahrheitstreue der echten Teile zu einem positiven Urteil150. Ciriaco gilt außerdem als der Erste, der römische und griechische Inschriften zusammen mit ihren Denkmälern zeichnete (Rumpf 1953, S. 39; Piggott 1978, S. 19, Abb. 10; Schmitt 1989, S. 1 ff.). Das Verständnis der Zusammengehörigkeit von Schrift und Denkmal ist nicht selbstverständlich und bildet die Grundlage für die Deutung des Denkmals durch den Text. Insgesamt ergibt sich, dass Ciriaco Inschriften und Sachverhalte, z. B. auch die Kleidung und architektonische Details, richtig wiedergegeben hat, aber überhaupt nicht versucht hat, den antiken Stil zu treffen. Interessant ist auch, dass er richtig vermes-
150 Ashmole 1959, S. 26, besonders S. 31 ff.; Piggott 1978, S. 19; Schmitt 1989, S. 2 und Anm. 2; Beschi 1998, S. 83 ff.
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sen hat. Außerdem hat er einzelne Architekturteile hervorgehoben, um sie deutlich zu machen, und auch auf dem Boden liegende Trümmer gezeichnet (Ashmole 1959, S. 36; Gallotti 2008, S. 104). Er stellte also Ruinen als Ruinen dar, Fakten als Fakten. Die meisten der aus dem 15. und aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts erhaltenen Zeichnungen antiker Denkmäler aber sind Studien, die Künstler für ihre Bilder anfertigten. Andrea Mantegna, Jacopo Ripanda und Pinturicchio hatten einen neuen Stil von Historiengemälden „all’antichità“ entwickelt, der die Darstellung von antiken Monumenten und antiker Kleidung einschloss. Auch Raffael malte in diesem Stil – es handelt sich um die Urform archäologischer Genre- und Historienbilder (Herklotz 1999, S. 234 ff., S. 236). Das macht verständlich, dass die betreffenden Künstler andere Ziele verfolgten als das einer authentischen Wiedergabe (Brands 1989, S. 104 f.). Sie zeichneten zwar antike Skulpturen, einzelne Figuren und Figurengruppen von Reliefs ab oder auch Architektur, es ging aber vor allem darum, die Antiken ideell in ihre eigenen Bildkompositionen einarbeiten zu können. Dafür mussten die Abbildungen wieder erkennbar oder als Modell verwendbar sein und die Funktion, aber nicht exakt das Aussehen der Antiquität wiedergeben (Wiemers 1989, S. 39 ff.; Schnapp 1993, S. 116). Im 16. Jahrhundert findet man dann, ähnlich und zeitgleich wie in Mitteleuropa, fantastische Menschen- und Götterbilder, die zwar antiquarische Kenntnisse umsetzen, aber nur selten antike Monumente zum Vorbild nahmen. Ein typisches Beispiel mit vielen Auflagen, weiter Verbreitung und großem Einfluss ist die Arbeit von Vincenzo Cartari über Götterbilder von 1556 (Cartari 1556[1580], n. S. 132, n. S. 310). Für die Entwicklung der kulturgeschichtlichen Deskription und das Verständnis zeittypischer Merkmale wurde hier jedoch eine Grundlage gelegt. Ein exakter Vergleich zwischen Denkmal und Zeichnung ist bei etwa um 1440 entstandenen Zeichnungen von Grabstelen und anderen Funden mit ihren Inschriften aus der Feder von Jacopo Bellini noch möglich. Diese Zeichnungen sind im Original erhalten und befinden sich im Louvre (Schmitt 1989, S. 6 ff.). Einige stellen sicher Inschrift und Kontext dar und weichen nur in Details von der Vorlage ab – z. B. in der Sehrichtung. Andere jedoch zeigen ihren Gegenstand ergänzt und frei modifiziert (Schmitt 1989, S. 6 ff. und Abb. 16, Abb. 17–20). Insgesamt sind die Inschriften meist exakter ausgeführt als ihre Träger und Bilder, aber auch Inschriften wurden komplett ergänzt (Schmitt 1989, Abb. 29 rechts, Abb. 33). Hohe Qualität besitzen die der Schule von Ghirlandaio zugeschriebenen Zeichnungen des Codex Escurialensis, der um die Jahrhundertwende zum 16. Jahrhundert entstanden ist (Kruft 1970, S. 44 ff.). Hier ist z. B. eine Darstellung des noch teilweise unter der Erde liegenden Kolosseums erhalten151. Die Ansicht ist so gewählt, dass Außenfront und Gänge angeschnitten sind, das Gebäude ist nicht rekonstruiert und lediglich die Abbruchkanten sind begradigt. Auch die charakteristischen Ruinen-
151 Codex Escurialensis, fol. 24, abgebildet in Egger et alii 1906, vor S. 42, Abb. 37.
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pflanzen fehlen nicht. Zwar sind viele Details, vor allem die Proportionen, nicht ganz korrekt, das Wesentliche aber ist erfasst und auch der Stil ist erkennbar. Eine etwa gleichzeitige Rekonstruktionszeichnung des Kolosseums von Francesco di Giorgio Martini stellt sogar den eigentlich unter der Erde liegenden Sockel dar (Carrasco Ferrer/Elvira Barba 1997, S. 23; Abbondanza 1997, S. 13, Abb. 14). Das Spezifische der antiken Bauten konnte aber nur erkannt werden, indem man die Unterschiede verschieden alter Gebäude feststellte und benannte. Flavius Blondus ist wohl der Erste, der das in einer Kombination von schriftlichen und archäologischen Quellen versucht hat. Zwar analysierte er die Merkmale seiner Monumente zu wenig, um auf diesem Gebiet praktisch weiter zu kommen (Clavuot 1990, S. 119). Theoretisch jedoch lieferte er die Grundlage durch sein Konzept der „mutatio“ (siehe S. 354 f.; Blondus 1531b, S. 187). Gelegentlich beschrieb er jedoch auch Merkmale von Ruinen, so die Wandmalereien, von denen „multa nunc Romae … aedificiorum ruinae cernunt“, sowie Ziegel und deren Größe, Mosaikfußböden und Marmorsäulen (ebenda, S. 188). Methodisch hätte das Prinzip der „mutatio“ ein Arbeiten mit der Wandlung der Sachkultur also erlaubt. Die klassifikatorischen und vermessungstechnischen Grundlagen hierfür erarbeitete gleichzeitig Leon Battista Alberti, vermutlich der archäologische Spiritus Rector des Flavius Blondus. Ausgehend von Vitruv vermaß, beschrieb und klassifizierte er antike Gebäude und deren Teile mit einem eigens dafür entwickelten Astrolab (Grafton 2002, S. 347 ff.). Was zum Beispiel die von Vitruv überlieferte Einteilung in dorische, ionische und korinthische Säulen betrifft (Vitr. 4,1–2), so übernahm er sie z. T. auch wörtlich. Die Angaben des antiken Autors zur Proportion regten aber seine eigenen Vermessungen und Berechnungen an und führten ihn so hinsichtlich der Herkunft der Kapitelltypen und der Proportionsangaben zur Kritik aus eigener Anschauung. Diese betraf sowohl die Herkunft und Verbreitung als auch die Maße: Tria igitur capitulorum genera inventa sunt … Doricum, tametsi hoc ipsum apud vetustissimos Hetruscos in usu fuisse comperio, doricum inquam, ionicum et corinthium … sed nos ex operum dimensionibus ista haec apud nostros latinos non penitus fuisse observata comperimus (Alberti 1452[1485], Buch VII, Kap. 6)152.
Leon Battista Alberti übertraf aber außerdem sein antikes Vorbild durch eine systematische archäologische Merkmalanalyse. So zerlegte er z. B. das Gebälk der ionischkorinthischen Ordnung in Einzelmerkmale: „particulae ornamentorum haec sunt: Fasceola, gradus, rudens, funiculus, canaliculus, gulula, undula. Omnis particula
152 Übersetzung: Es wurden also drei Arten von Säulen erfunden … die dorische, die allerdings auch bei den alten Etruskern in Gebrauch gewesen ist, wie ich erfahren habe, also die dorische, sage ich, die ionische und die korinthische. Aber wie es sich durch unsere Vermessungen erwies, nahmen es unsere Latiner damit nicht so genau.
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lineamentum eius modi est, ut sese porrigat atque promineat“ (ebd., Buch VII, Kap. 7)153. Im Weiteren erklärte er die einzelnen Elemente im Detail. Zwar war die Zerlegung in Einzelelemente schon bei Vitruv vorhanden, Alberti wendete sie aber auf archäologische Objekte an und prüfte sie nach. Im Laufe des 16. Jahrhunderts wurden die Darstellungen von Antiquitäten immer häufiger und teilweise auch präziser. Diese Erscheinung lässt die wachsende Gewichtung der Sachkultur, ja des Sichtbaren überhaupt erkennen. Sie umfasst auch die ersten komplexen historischen Karten (Ligorio 1553 (Daly Davis), S. 113). Zu Hilfe kommt dieser Entwicklung generell die zunehmende Perfektion der Bilddruckverfahren, zunächst des Holzschnitts, dann aber von der Mitte des 16. Jahrhunderts an auch des Kupferstichs (Heenes 2003, S. 183). Die intensive Beschäftigung mit Vitruv blieb weiterhin eine der wichtigsten Antriebsfedern für Architektur, Klassifikation und Darstellung. Sie gewann vor allem auch durch die Abbildungen der Ausgaben ab 1511 größere Klarheit. Die älteste von ihnen stammt von Fra Giovanni Giocondo da Verona (Vitruv 1511, fol. 34v, fol. 35r)154. Vorbilder für diese Darstellungen dürften die Zeichnungen Leonardo da Vincis für das Werk De divina proportione des Mathematikers Luca Pacioli gewesen sein, das 1509 erschien und einen auf Vitruv und Alberti beruhenden Teil zur Proportion in der antiken und modernen Architektur besitzt. Leonardo und Pacioli haben hier Wesentliches zur weiteren Systematisierung geleistet (Pacioli 1509, nach Abb. XIII, nicht paginiert)155. 1521 druckte Gottardo da Ponte die erste italienische Übersetzung Vitruvs durch Cesare Cesariano, in der sich auch eine schematische Darstellung der antiken Säulentypen befindet, die geradezu ein Paradestück für die Klassifikation bildet156. Besonders interessant ist die Abbildung auch dadurch, dass die Vermessung, Proportionen und Winkel mit eingetragen sind. Wir sehen hier also die konkrete Anwendung von Albertis Technik auf die Darstellung archäologischer Objekte. Ein wichtiges Beispiel für die Beschreibung von Architektur findet sich in dem Brief von Baldassare Castiglione bzw. Raffael an Leo X.:
153 Übersetzung: Die Verzierungselemente sind folgende: Das Band, der Schritt (oder die Stufe, Sprosse, gemeint vielleicht auch der Abstand der Zierelemente), (lanzettförmige) Stäbe, das Seil, die Kannelüre, die Kehle (konkav) und die Welle (konvex). Alle Verzierungselemente ragen erhaben hervor. 154 Seitenansicht und Schnitt durch ein korinthisches Säulenkapitell mit Buchstabenbezeichnung der einzelnen Abschnitte: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/vitruvius1511/0069; http://digi.ub. uni-heidelberg.de/diglit/vitruvius1511/0128. 155 http://fondosdigitales.us.es/fondos/libros/671/grabados/9770/divina-proportione. 156 Cesariano Cesare (1521): Di Lucio Vitruvio Pollio de architectura libri dece, fol. 63r (Vitr. 4,2). Como = http://architectura.cesr.univ-tours.fr/Traite/Notice/BPNME276.asp.
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Il che si può conoscere da molte cose, e tra l’altre dall’Arco di Costantino, il componimento del quale è bello, e ben fatto in tutto quello che appartiene all’architettura: ma le sculture del medesimo Arco sono sciocchissime, senza arte o bontate alcuna. Ma quelle che vi sono delle spoglie di Traiano e d’Antonino Pio, sono eccellentissime e di perfetta maniera … con la fortuna si mutò il modo dell’edificare e dello abitare … scrostavano li muri antichi per torre le pietre cotte, e pestavano li marmi, e con essi muravano (Castiglione/Santi 1519[2008], Nr. 409)157.
In dem gerade zitierten Brief von Baldassare Castiglione und Raffael wird der Vermessungstechnik Albertis große Bedeutung beigemessen. Die technische Präzision der Abbildungen der Vitruvausgaben oder der erwähnten Zeichnungen wurde jedoch in den eigentlich archäologischen Publikationen des 15. und 16. Jahrhunderts nicht erreicht. Pirro Ligorio, Architekt und Künstler, kann man durchaus als den ersten, richtigen Grabungsarchäologen bezeichnen. Mit dem methodischen Rüstzeug von Alberti, Raffael und Castiglione grub, vermaß und beschrieb er. So kam er immerhin zur ersten bebilderten archäologischen Rombeschreibung, in der er seine Meinung zur Lage der Monumente darstellte: Delle antichità di Roma (Ligorio 1553). Ligorio ging in diesem und in seinen anderen hier untersuchten Werken zu Tivoli von der antiken Funktionsbestimmung aus, die er schriftlichen Quellen, nicht zuletzt Vitruv, entnahm und durch Bilder, z. B. von Münzen, ergänzte, oder von der Topographie. In den Delle antichità di Roma bestimmte die Funktion auch die innere Ordnung seiner Darstellung, zunächst Circusbauten, dann Theater und zuletzt Amphitheater. So konnte er in Rom die Reste von neun Circusbauten nachweisen, was bedeutet, dass er in der Lage war, aus den Beschreibungen und Bildern Merkmale zu isolieren, die er in situ wiederzufinden in der Lage war und Circusbauten, Theatern und Amphitheatern zuweisen konnte: So begründete er eine Unterscheidung von Theater und Amphitheater nach den Ruinen entgegen einer Äußerung von „Plinius oder einem anderen Schriftsteller“, d. h. ohne ein genaues Zitat: „ch’egli ha piu forma di Theatro che d’Amphitheatro“ (Ligorio 1553, S. 31 [Daly Davis]). Dennoch irrte er z. B. bei der Zuweisung der Reste in der Crypta Balbi. Während die Karte des antiken Roms, die Ligorio für sein Werk entworfen hatte, noch keine gegliederte Legende besitzt158, konnte Onofrio Panvinio, Mitglied des Farnese-Kreises wie Ligorio, in den sechziger Jahren des 16. Jahrhunderts auf der Basis von dessen Arbeit das System der funktionalen Klassifikationen römischer Bauten für seine Karte erweitern und wesentlich verbessern (Panvinio 1600, nach S. 6).
157 Übersetzung: Das kann man bei vielen Objekten sehen, unter anderem beim Konstantinsbogen, der noch gut gebaut ist: aber seine Skulpturen sind schrecklich, ohne Kunst und schlecht gemacht. Dagegen sind die Reste, die auf Trajan und Antoninus Pius zurückgehen, exzellent und perfekt … Mit dem (mangelnden) Glück änderte sich auch die Art zu bauen und zu wohnen … sie kratzten die antiken Mauern ab, um Tonziegel zu brennen und zerstießen den Marmor, um zu mauern. 158 http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/volltexte/2008/562, S. 119.
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Was die Vermessung betrifft, so stand Pirro Ligorio offenbar nicht auf dem Niveau von Leon Battista Alberti. Dafür spricht einerseits das Fehlen des Plans der Hadriansvilla in Tivoli, andererseits Äußerungen der Art wie „Le misure del Circo sono tanto confuse dalle ruine; che non si ne puo fare un vero, et certo giudicio“ (Ligorio 1553, S. 36 [Daly Davis]). Sein Hauptziel war, wie schon oben dargestellt, die Rekonstruktion. In einigen Fällen veröffentlichte er deshalb nebeneinander Grundrisspläne und Rekonstruktionen der Bauten. In den Texten der Delle antichità di Roma erläuterte er außerdem die Abbildungen, ein Verfahren, dass zu seiner Zeit nicht selbstverständlich war. Das lässt sich am Beispiel des Prätorianerkastells in Rom zeigen, zu dessen Auswertung er auch Inschriften auf Bleirohren und Ziegeln heranzog (Ligorio 1553, S. 10 [Daly Davis])159. In der Abbildung setzte er den Grundrissplan, teilweise Ergebnis seiner Ausgrabungen, neben eine Rekonstruktion, für die er eine Münze Caracallas zu Hilfe nahm: Il castro fu di bellissimi muri fatti di mattoni, e d’opera reticolata, con le stanze dipinte, con un bellissimo portico di colonne fatte di cimento, stuccate di sopra con somma diligentia, secondo che si vede per alcuni pezzi trovati sotto le rovine, … E di cotanta rovina questo è quanto ho potuto porre in disegno, cavandolo dalle stanze (…) e dalle rovine cavate di sotterra, e poste in luce da quei che vi hanno rotto il terreno per coltivarlo, e farvi delle vigne. La forma d’un Castro si vede ancora in questo modo per un rivercio d’una medaglia d’Antonino Caracalla (Ligorio 1553, S. 51 f. [Daly Davis])160.
Im Libro delle ville, dem umfangreichsten der drei Manuskripte über seine Ausgrabungen in Tivoli und die Umgebung der Hadriansvilla, bildete er ebenfalls häufig den Plan neben der rekonstruierten Ansicht ab. Text und Abbildungen nehmen aufeinander Bezug. Auch Buchstaben auf den Abbildungen, durch die bestimmte Bauteile bezeichnet werden, finden im Text Erwähnung. Allerdings wird auch hier zwischen dem Erhaltenen und dem Rekonstruierten nicht unterschieden. Für die Beurteilung der Bilder ist es deshalb von großer Wichtigkeit, dass Tivoli seit seiner Identifikation durch Flavius Blondus so viel Beachtung fand, dass ein Vergleich der Darstellungen durch verschiedene Bearbeiter möglich ist (Ligorio 2005, S. XI ff. [A. Ten]). Pirro Ligorio, der in seinem einzigen veröffentlichten Werk Beschreibung und Interpretationen (die „Paradosse“) sauber zu trennen versuchte, vermischte im Libro delle ville zu Tivoli beide Arbeitsfelder. Beim Vergleich zwischen den verschiede-
159 Ebd., S. 116. 160 Übersetzung: Das Lager besaß schönste Ziegelmauern, Opus reticulatum, Wandmalereien, einen wunderschönen Portikus aus sorgfältigst stuckverkleideten Kalkmörtelsäulen, wie man aus einigen Bruchstücken schließen kann, die unter den Ruinen gefunden wurden … und aus dieser Ruine habe ich so viel in die Zeichnung übertragen können, was ich von den Zimmern und von den Ruinen ausgegraben habe und was von den Weinbauern, die das Gelände bei der Anlage von Weinfeldern zerstört haben, ans Licht gebracht worden ist. Die Form eines Lagers sieht man in dieser Weise noch auf der Rückseite einer Münze von Antoninus Caracalla.
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nen Versionen des Grabungsberichtes von Tivoli zeichnet sich auch ein Problem des Erkennens und Benennens von Formen ab: So wird das runde Teatro Marittimo in der Descriptio als oval, von „forma ovata“, bezeichnet, im Libro delle ville heißt es rundes Oval, „ovato rotondo“, so als ob der Autor seinen Fehler erkannt, das „rotondo“ aber nun als eine Eigenschaft des „ovato“ definiert hätte, was geometrisch richtig ist (ebd. S. XVII). Ligorio und Cassiano dal Pozzo verfolgten außerdem erstmals die Zusammenstellung umfassender Abbildungswerke, wie sie für die Inschriften schon seit dem 15. Jahrhundert üblich waren (Herklotz 1998; Herklotz 1999; siehe S. 236). Ein Urteil über die Arbeitsweise der beiden ist auch wegen der ungeheuren Fülle des von ihnen zusammengetragenen Materials schwierig. Bei Ligorio kommt dazu, dass zumindest ein Teil seiner Publikationen noch nicht fertig war. Die Veröffentlichung des Gesamtwerkes mit zahlreichen Zeichnungen war bis heute unmöglich, obwohl schon zu seinen Lebzeiten im Jahre 1567 Kardinal Alessandro Farnese zehn Manuskriptbände mit dem Ziel der Publikation ankaufte: Insgesamt kam nur ein kleiner Auszug der ersten Redaktion 1553 zum Druck (Herklotz 1999, S. 216; Ligorio 1553, S. 15 [Daly Davis]; siehe S. 207 f.). Erst heute bemühen sich Großprojekte um die Gesamtpublikation des Schaffens dieser beiden Gelehrten (Ligorio ebd., S. 89)161. Die Zeichnungen wurden aber dennoch bekannt. So wurde eine ganze Reihe von ihnen kopiert und von anderen Autoren publiziert, wie in den Kommentaren zu Cornelius Celsus von Johannes Rhodius seit 1639. Zeichnungen von Ligorio übernahm z. B. auch Girolamo Mercuriale. Überhaupt griff man gerne auf den wachsenden Fundus an Zeichnungen und von schon publizierten Stichen zurück. Die zahlreichen Zeichungen auch kleiner Gegenstände von verschiedenen Urhebern und Sammlern machten erst spezialisierte Tafeln möglich, die zur Klassifikation und späteren Funktionsbestimmung bisher ungedeuteter archäologischer Kleinfunde beitrugen, so der Fibeln bei Laurentius Pignorius, deren Herkunft der Autor allerdings offen ließ – vielleicht stammten sie aus der Sammlung seines in ihrem Zusammenhang erwähnten Lehrers Guido Panciroli (Pignorius 1613, S. 82–83; siehe auch Abb. 18)162. In den ehemals römischen Gebieten außerhalb Italiens erreichte die Darstellung von Denkmälern im Gelände ebenfalls schon eine beachtliche Qualität. Die Kennt-
161 Es handelt sich um die erste Redaktion der Arbeiten Ligorios, die sich heute im Archivio Nazionale in Neapel befinden; die 30 Bände der jüngeren Redaktion liegen im Archivio di Stato in Turin (Ligorio 1553, S. 16 [Daly Davis]; siehe auch Anm. 136). Zum Verbleib der Arbeiten Ligorios siehe auch Russell 2007, S. 243 ff. Das Papiermuseum Cassianos erscheint seit 1996: http://www.warburg.sas. ac.uk/research/projects/cassiano. Siehe auch The Paper Museum (1996–2004): The Paper Museum of Cassiano dal Pozzo, Series A: Antiquities and Architecture. A Catalogue Raisonné. Drawings and Prints in the Royal Library at Windsor Castle, the British Library, the British Museum, the Institut de France and Other Collections, Bd. I, II, VII und IX. London. 162 http://books.google.de/books?id=9kVJOt9c-agC&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_ summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false.
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Abb. 18: Die von Laurentius Pignorius zur Bestimmung der Fibeln abgebildeten Beispiele. Für die Ausgabe von 1674 wurden die Abbildungen von 1613 auf eine Tafel gebracht und durch zwei weitere Abbildungen von Johannes Smetius ergänzt. Pignorius 1613[1674], S. 151. © Barbara Sasse, RGK.
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nis der in den Arbeiten Pirro Ligorios und des Farnese-Kreises schon weitgehend in ihrer Funktion bestimmten Bauten wurde außerdem durch das Werk des Vitruv unterstützt, das ja seit 1511 mit qualitätvollen Abbildungen in vielen Ausgaben erschien, im deutschen Sprachraum erstmals 1543 durch Walter Hermann Ryff in Straßburg (Stemmermann 1934, S. 41; NDB 22, 2005, S. 310–311[Gundolf Keil]; siehe S. 229). Bei der Untersuchung des Kaiseraugster Theaters in den achtziger Jahren des 16. Jahrhunderts durch Andreas Ryff und Basilius Amerbach wurden Baudetails erstmals in Mitteleuropa durch eine systematische Grabung erkannt und beschrieben. So erwähnte Ryff im Inneren des Baus Stucküberzug, Säulen und Kapitelle und interpretierte die schon lange wegen ihrer Sichtbarkeit von außen bekannten Halbrundtürme, die man früher als Befestigungstürme gedeutet hatte, als Strebpfeiler. Außerdem hatte er offenbar die Mitteltreppe „mit 35 Stapfen“ freigelegt. Im Innern fand er Holzkohle und Eisennägel, die er als Reste von Holzkonstruktionen deutete (Stehlin 1911, S. 51, nach Ryff 1597)163. Amerbach und Ryff beschrieben auch die Art des Mauer werks. Dokumentation und Auswertung besorgte Basilius Amerbach dann zusammen mit dem Maler und Graphiker Hans Bock (Amerbach 1588). Bock verwendete Buchstaben zur Kennzeichnung der Ausgrabungsbereiche. Alain Schnapp vermerkte dazu, dass der Plan den Zeichnungen der gleichzeitigen italienischen Antiquare nicht nachstand, was sich durch die oben aufgezeigten Verbindungen erklärt (Stemmermann 1934, S. 64 f.; Schnapp 1993[2009], S. 165, Reproduktion nach Stemmermann). Der Plan des Kastells Benningen, der auf Simon Studions Grabungsergebnisse zurückgeht, gibt dagegen schon durch die Proportionen, die Perspektive und die landschaftlichen Elemente eher den Eindruck einer Zeichnung als den eines wissenschaftlichen Plans. Für eine genaue Beobachtung spricht allerdings, dass sich die einzelnen Elemente im heutigen Plan des Lagers leicht wiederfinden lassen und außerdem wie im Plan Amerbachs Buchstaben zu ihrer Kennzeichnung verwendet wurden (Abb. 17). Studion integrierte die Ergebnisse der Grabung in ein genealogisches Werk zu seiner Herrscherdynasie, das aber wie das Werk Amerbachs nie gedruckt wurde164. Erwähnenswert ist auch eine Zeichnung der noch nicht in ihrer Funktion erkannten Barbarathermen von Trier bei Abraham Ortelius und Jean Vivien mit richtig erkannten Baudetails, die Alexander Wiltheim vor 1684, also fast 100 Jahre später,
163 Die verschiedenen, z. T. in Briefen erhaltenen Beschreibungen der Grabung und ihrer Umstände finden sich in Auszügen bei Stehlin 1911. Siehe auch Stemmermann 1934, S. 62–65, S. 141, Abb. 17 und 18. In der Universitätsbibliothek Basel befindet sich ein nachgelassenes Manuskript des Jura-Professors Eduard His zu den Texten und dem Plan: His, Eduard (1946): Vorarbeiten zu einer Veröffentli chung über „Die Entdeckung des römischen Theaters zu Augst durch Andreas Ryff (1582–85) und seine erste Beschreibung durch Basilius Amerbach (1588–90). Handschrift UB Basel SIGN.: NL 184: I. 164 Simon Studion (1597): Vera Origo illustrissimae et antiquissimae domus Wirtenbergicae, Landesbibliothek Stuttgart, Handschrift Nr. 57; siehe auch Michael Klein, Die Handschriften der Sammlung J 1 im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Wiesbaden 1980, S. 73.
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wenn auch überarbeitet, reproduziert hat (Ortelius/Vivien 1584, S. 57; Cüppers 1977, S. 205, Abb. 4). Ein außerordentlich wichtiger Ansatz für weitere kulturgeschichtliche und historische Interpretationen römischer Altertümer wurden Ziegel mit Legionsstempeln. Die früheste Erwähnung findet sich wohl bei Johannes Aventinus in seinem Werk über Regensburg, das nach 1528 entstanden ist – Aventinus starb 1534 (Schmid 1996, S. 97; siehe S. 162 und Anm. 97). Wolfgang Lazius berichtete in seiner in Basel gedruckten Geschichte der Stadt Wien ebenfalls von Ziegeln mit Legionsstempeln: „… quod lateres a me recens Viennae eruti“ (Lazius 1546, S. 9). Unter den römischen Gräbern, die seit 1558 beim Bau der Stadtbefestigung an den Ausgangstoren von Straßburg gefunden worden waren, wurden auch römische Legionärsgräber entdeckt, deren Ziegelkonstruktion aus Tegulae mit Legionsstempeln gebaut war. Unklar ist, ob und wie die Darstellung des 1603 an der Porte Blanche gefundenen Grabes mit Inhalt, Grabbau und Legionsstempeln, die Johann Daniel Schoepflin 1751 abbildete, von diesem verändert worden ist oder ob sie, wie Schoepflin selbst angibt, als älteste Darstellung des Komplexes gewertet werden kann (Bd. 2). Schoepflin schrieb dazu: „Aliud extra eandem portam [porta, cui à Turre Alba nomen] sepulcrum An. MDCIII protractum in lucem, quod ex tegulis literatis constructum, cujus delineationem, ab Architecto civitatis tum temporis factam, in manibus teneo, quam Tabulae XII. num. I. exprimit“ (Schoepflin 1751, S. 508). Die Abbildung zeigt das Grab in perspektivischer Rekonstruktion von außen. Es ist nicht eingetieft, und zwei Gefäße stehen daneben. Offenbar suchte man überall nach diesen Ziegeln. Auch Arnold Mercator bildete 1571 am Rand seines Stadtplans Funde aus Köln ab165. Eine weitere, sehr frühe Darstellung von gestempelten Ziegeln findet sich bei Petrus Scriverius (1611, S. 186; Abb. 19). Sebastian Münster erwähnte 1544 Mörtel „admixtis contusis silicibus et tegulinis fragmentis“ aus Augst und Badenweiler (Münster 1544 [1550], S. 400 f.). Ambrosio de Morales wies 1575 auf Besonderheiten der roten römischen Keramik hin, wobei mit Sicherheit die Terra sigillata gemeint war (Morales 1575, fol. A 2v). Was die antiken Kunstwerke betrifft, die seit dem 15. Jahrhundert in Italien und seit dem 16. Jahrhundert auch außerhalb Italiens bedeutende Teile der Sammlungen des geistlichen und weltlichen Adels und des Großbürgertums ausmachten, so dienten sie doch vor allem der Schmuckkonzeption und repräsentativen Allegorie der Paläste und kaum einem wissenschaftlichen Zweck, zumal man Antikes mit zeitgenössischen Werken mischte (so des Michelangelo, Wrede 1993, S. 23). Dies und die Einbindung in die Architektur, auch, wenn es sich überwiegend um Garten- oder Hofarchitektur handelte, bringt diese Form der Sammlung in die Nähe von Spolien und spricht eher nicht für ein Klassifikationsbemühen. Man darf allerdings auch nicht vergessen, dass der Aufstellungsplatz durch die Größe des Objekts bedingt war – auch heute noch
165 http://arachne.uni-koeln.de/item/objekt/34526. Besucht am 10. 08. 2014.
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Abb. 19: Ziegel mit Legionsstempel. Scriverius 1611, S. 186, Ausschnitt. © Barbara Sasse, RGK.
befinden sich größere Steinobjekte oft im Museumsgarten. Eine Quelle zum Stand des wissenschaftlichen Bemühens um diese Objekte um 1550 stellte Ulisse Aldrovandi in seiner Beschreibung der römischen Sammlungen antiker Statuen zur Verfügung. In ihr beschränkte er sich allerdings auf sehr allgemeine Angaben, zu denen wie in seinen naturwissenschaftlichen Werken die Diskussion der älteren Literatur und eindeutige Übernahmen aus älteren Werken kamen. Wichtig ist, dass er eigene Beobachtungen zum Beispiel zum Erhaltungszustand mitteilte. Außerdem finden sich Interpretationen spezieller Attribute der Statuen, in erster Linie auf der Basis der 1548 erschienenen Arbeit des Giglio Gregorio Giraldi, De deis gentium (Carrara 1998, S. 33, S. 37). Systematik, Interpretationen und Zeichnungen werden deshalb heute im Wesentlichen positiv beurteilt (Aldrovandi 1562[2009], S. 12 [Daly Davis]). Wichtig ist diese Publikation außer Frage als Quelle für die Aufstellung der Antikensammlungen in Rom Mitte des 16. Jahrhunderts. Detaillierte Beschreibungen der Stücke, wie sie in seinem erst postum gedruckten Musaeum Metallicum mitunter zu finden sind, nahm Aldrovandi aber nicht vor. 3.4.2.2 Inschriften 3.4.2.2.1 Römische Monumente Die Inschriftensylloge (die Inschriftensammlung) als Werkform, an deren Entstehung verschiedene Personen beteiligt waren, entwickelte sich aus Gian Francesco Poggio Bracciolinis ersten Versuchen zu Rom in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, von denen allerdings kaum etwas erhalten ist (Weiss 1969, S. 147). Dass der Humanist hierbei auf das karolingische Vorbild, das er entdeckt hatte, zurückgriff, ist dabei höchst plausibel (Ott 2002, S. 138). Es handelte sich bei dem Vorbild wohl um ein Fragment eines Codex gemellus des Einsidlensis (Walser 1914, S. 60; Walser 1987). Das Prinzip von Lokalisierung und nachfolgendem Text wurde beispielsweise übernommen (Ott 2002, S. 132 ff.). Der karolingischen Urform entspricht in den Syllogen der Renaissance auch die zunächst konsequente Verwendung für Minuskeln bei der Textwiedergabe, die allerdings von den achtziger Jahren des 15. Jahrhunderts an langsam zugunsten der in den Inschriften verwendeten Majuskel aufgegeben wurde. Der Stand der karolingischen Epoche wurde also auf diesem Gebiet erst in der Renaissance wieder erreicht.
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Allerdings gelang zunächst nicht, die bekannten römischen Inschriften komplett zu edieren. Deshalb ist die der Geschichte Ravennas von Desiderio Spreti angehängte Inschriftensammlung die erste nach damaliger Kenntnis vollständige Sammlung der Funde einer Stadt (Ravenna). Sie wurde in Minuskeln abgedruckt und enthielt Angaben zu den Aufstellungsorten, aber noch keine Bilder (Spretus 1489; Weiss 1969, S. 152; Stenhouse 2005, S. 30). Die abweichende oben beschriebene bildorientierte Darstellung des Ciriaco d’Ancona wirkte offenbar auf die Weiterentwicklung der Syllogen nicht ein (Ott 2002, S. 148, S. 158). Erst mit der von Raffael an den Verleger Giacomo Mazzocchi (Jacobus Mazzocchius) delegierten Sammlung der Inschriften Roms begann sich eine Präsentationsform zu etablieren, die allerdings die typischen Defizite der Zeit aufwies, d. h. vor allem noch kein Verständnis für die Bedeutung des Gesamtobjekts und die Fundumstände. Diese erst 1521 als Epigrammata antiquae Urbis publizierte, wahrscheinlich aber früher fertiggestellte Sylloge wurde erstmals auch mit Holzschnitten einiger Monumente ausgestattet, die u. a. diesen Mangel deutlich zeigen (Mazzocchi 1521; siehe S. 294 und 373). So ist z. B. der Konstantinsbogen ohne Baudekor dargestellt. Die Widmungsinschrift, deren Wortlaut und Schreibweise exakt ist, steht über dem Bauwerk, ohne dass ihre tatsächliche Position angegeben wäre. Kleinere inschriftliche Elemente befinden sich nur ungefähr an der richtigen Stelle (Mazzocchi 1521, fol. 4r)166. Andere Stiche sind schematisch und Reliefs kaum dargestellt. Z. B. vermisst man die bildliche Umsetzung des Grabreliefs der beiden Freigelassenen Iulia Secunda und ihrer Mutter Cornelia Tyche, dessen Figuren erhalten sind und mit späteren Darstellungen verglichen werden könnten (siehe S. 245). Bei Mazzocchi, auch wenig später bei Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius findet man nur den Text (Mazzocchi 1521, fol. 78r; Apian/Amantius 1534, S. 235; hier Abb. 24). Eine Ausnahme macht ein Grabrelief eines Ehepaares mit Kind in römischer Tracht in einer halbovalen Nische und der merkwürdigen Inschrift „FIDII SIMULACRUM“, „HONOR“ und „VERITAS“ (Mazzocchi 1521, fol. 122v167. Es handelt sich dabei um ein Grabrelief des 1. Jahrhunderts vor Christus, die Inschrift aber stammt aus dem 15. Jahrhundert (Rom, Vat. Slgn., Gall. Lapidaria, Inv. Nr. 9398; Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte, VIII, Sp. 831 ff., Abb. 1 [Karl-August Wirth]). Der Vergleich mit dem Original zeigt, dass in der Sylloge die Tracht und Haltung der Personen „all’antichità“ (siehe S. 227) recht genau und stilgerecht wiedergegeben wird. Die Gesichter jedoch sind ergänzt und wohl wie die Frisuren nach zeitgenössischer Vorlage modernisiert: Moderne Menschen in alten Gewändern. In der Sylloge des Jacopo Mazzocchi findet man andererseits auch klassifikatorische Neuerungen, die aber wohl schon in der undatierten Sylloge signoriliana nach-
166 http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10196158_00029.html. 167 http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10196158_00266.html.
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weisbar sind168: Das von Mazzocchi herausgegebene Werk beginnt mit den Inschriften, die von bestimmten wichtigen Monumenten stammen und verlässt hier die bisher übliche topographische Ordnung zugunsten der funktionalen Klassifikation der Monumente bzw. Inschriften. Dann folgen geordnet nach der antiken römischen Topographie die noch in situ befindlichen Inschriften, sowie Inschriften, die sich in Sammlungen befanden. Hier wurden also schon Fortschritte der Forschung in funktionaler und topographischer Hinsicht berücksichtigt. Trotz der Entwicklung der Stichtechnik blieben auch im 16. Jahrhundert die meisten Abbildungen ungedruckt. Eine reiche Quelle für die Frage der technischen Qualität archäologischer Zeichnungen Mitte des 16. Jahrhunderts stellt der 1553–1555 entstandene Codex Coburgensis dar (Wrede/Harprath 1986; Harprath 1989; Daly Davis 1989). Er enthält offenbar die originalen Zeichnungen eines italienischen Künstlers und bestätigt die schon gemachten Beobachtungen (Daly Davis 1989, S. 185 ff.). Die Zeichnungen weisen die üblichen Abweichungen vom Original im Detail auf wie die älteren des Jacopo Bellini. So stimmen Drehrichtungen der Säulen und Köpfe nicht, die Augen sind im Gegensatz zum Denkmal leer und die Falten des Gewandes ungenau (Harprath 1989, Abb. 12–13). Hier findet man aber die bei Mazzocchi vermisste Darstellung der beiden Freigelassenen Iulia Secunda und ihrer Mutter. Das Grabrelief befindet sich heute in Paris (Musée du Louvre, Inv.-Nr. MA 1331; CIL 6.20674). Die Reproduktion des Codex Coburgensis weist dieselben Merkmale auf wie die Reproduktion des Grabreliefs der drei Personen mit der neuzeitlichen Inschrift bei Mazzocchi169: Die Haltung der Personen ist korrekt und die Gewänder sind nur mit geringen Abweichungen stilgerecht wiedergegeben. Auch hier sind aber die Gesichter rekonstruiert und modernisiert (Wrede/Harprath 1986, S. 98 Abb. 54, Kat. Nr. 106). Diese Zeichnungen wurden zwar nicht gedruckt, aber doch auf Veranlassung von Stephanus Pighius kopiert. Der Vergleich der beiden Codices ermöglicht einen Vergleich zwischen der Entwicklung in Italien und Mitteleuropa um die Mitte des 16. Jahrhunderts (siehe S. 246). Die Inschriftensyllogen, die in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts außerhalb Italiens entstanden sind, zeugen von enger Zusammenarbeit mit den Italienern, weisen aber auch wichtige und sehr aufschlussreiche Unterschiede auf. Wie diese enthalten sie außer dem Inschriftentext keine Beschreibung der Objekte, sondern nur eine kurze Angabe des Ortes, an dem sich das Objekt zum Zeitpunkt der Aufnahme befand. Meist differenzieren sie keine äußeren Merkmale der Denkmäler und nennen keine Fundorte. Die Ordnung der Objekte erfolgte topographisch nach dem Aufstellungsort oder
168 Ott (2002, S. 152 f.) hebt allerdings das topographische Modell hervor, das zweifellos in allen Syllogen auch eine Rolle spielt. 169 Mazzocchi:http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10196158_00266.html; Codex Coburgensis: http://arachne.uni-koeln.de/item/buchseite/11889.
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wie bei Konrad Peutinger nach einer Typologie der Orte, d. h. Kirchen, andere öffentliche Gebäude oder Privathäuser und -gärten (Peutinger 1505; 1520; Ott 2002, S. 165 f.). Konrad Peutinger hat in seiner ersten Inschriftenpublikation noch keine Abbildungen publiziert. Er näherte sich allerdings dem Objekt durch den Versuch, dem Textbild der Inschrift durch die durchgehende Verwendung von Majuskeln und die Berücksichtigung der Aufteilung in Zeilen besser zu entsprechen als das in den älteren Syllogen gelungen war (Peutinger 1505; Wood 1998, S. 93 ff.; Ott 2002, S. 170). Vor allem letzteres war ein wesentlicher methodischer Fortschritt zur Erleichterung der Entzifferung der Inschriften. Da jedoch keine historische Auswertung durch Peutinger vorliegt, wissen wir nicht, inwieweit er selbst wissenschaftlich davon profitierte. In die zweite, erweiterte Ausgabe nahm der Gelehrte dann drei Objektbilder auf. Diese ersten Darstellungen römischer Bildsteine nördlich der Alpen, publiziert als Holzstiche, sind unter der Ortsangabe platziert und enthalten auch die Inschrift, beschreiben das Monument also eindeutig (Peutinger 1520). Peutinger verwendete die Holzschnitte auch nicht mehrfach wie die Italiener (siehe S. 237). Die Abbildungen weisen große Ähnlichkeit zu denen der Mainzer Sylloge nach der Sammlung Dietrich Gresemunds auf, die Johann Huttich gleichzeitig beim selben Drucker veröffentlichte. Die Verwendung desselben Titelbildes kann man dort auch als gegenseitige Bezugnahme deuten (Huttich 1520)170. In beiden Publikationen sind alle Darstellungen idealisiert und aktualisiert. Das belegt sehr gut der heute noch im Römermuseum Augsburg erhaltene und deshalb mit dem Holzschnitt vergleichbare Grabstein der Ehefrau Iulia, auf dem das Ehepaar in römischer Tracht abgebildet ist – die Inschrift war schon zu Peutingers Zeit sehr schlecht erhalten (Vollmer 1915, Taf. 21, Nr. 148; CIL III 5836; hier Abb. 20). Peutinger ließ die beiden Personen als ein zeitgenössisches Ehepaar zeichnen und veränderte dabei alles bis auf das rechteckige Inschriftenfeld: Haltung, Gesichter, Frisuren, Kleidung sowie Form und Verzierung des Steins – lediglich die untere Seite zeigt durch eine stilisierte Bruchkante einen fragmentarischen Zustand an (Peutinger 1520, fol. B2; Abb. 21). Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius druckten ihr erstes übergreifendes Inschriftenwerk für das ganze Römische Reich auf der Grundlage verschiedener älterer Syllogen und unter Mitarbeit vieler mit diesem Thema beschäftigter Gelehrten (Apian/Amantius 1534, S. 25). Dabei mischten sie moderne und antike räumliche Gliederungen, Städte und Provinzen und bereinigten auch andere Eigenheiten ihrer Informanten nicht. Auch die bildlichen Darstellungen übernahmen sie weitgehend. Das Renaissancepaar des Grabsteins Vollmer 148 ähnelt sehr stark der Version Peutingers und zeigt, dass keine Korrektur am Objekt stattgefunden hat, obwohl diese doch möglich gewesen wäre – die Überarbeitung unternahm dann aber Markus Welser (Apian/Amantius 1534, S. 423; Welser 1594, S. 223; hier Abb. 22–23). Auch aus
170 Peutinger: http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/peutinger1520/0001. Huttich: http://daten.digitalesammlungen.de/~db/0003/bsb00031405/images/index.html?seite=1&fip=193.174.98.30.
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Abb. 20: Grabstein der Iulia, Gattin des Aelius Cris[pinus]. Das Relief zeigt die Ehegatten. Augsburg, Römisches Museum, lap. 3. Inschrift: CIL III, 5836. Nach: Vollmer 1915, Taf. 21, Nr. 148.
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Abb. 21: Darstellung des Grabsteins Vollmer Nr. 148 (unten) und der Inschrift der Rückseite (oben) durch Konrad Peutinger. Holzschnitt. Peutinger 1520, fol. B2. © Universitätsbibliothek Freiburg i. Br./Historische Sammlungen.
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Abb. 22: Darstellung des Grabsteins Vollmer Nr. 148 (unten) nach Peutinger (hier Abb. 21) durch Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius. Die Weiheinschrift an Merkur auf einem anderen Stein der Sammlung (oben) befindet sich bei Peutinger auf der vorherigen Seite. Die Inschrift von der Rückseite des Grabsteins (bei Peutinger oben) folgt hier auf der nächsten Seite. Apian/Amantius 1534, S. 423. © Barbara Sasse, RGK.
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Abb. 23: Darstellung des Grabsteins Vollmer Nr. 148 durch Markus Welser. Er reproduzierte die Inschrift der Rückseite nach Peutinger, bemerkte aber, dass er nicht wüsste, wo sie sich befände („ubi extet nescio“) – er hat also den Stein neu untersucht. Welser 1594, S. 223. © Barbara Sasse, RGK.
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Abb. 24: Darstellung der Iulia Secunda und Cornelia Tyche in Renaissancetracht durch Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius. Original erhalten: Musée du Louvre, Inv.-Nr. MA 1331; CIL VI, 20674. Apian/Amantius 1534, S. 235. © Barbara Sasse, RGK.
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der Publikation des Jacopo Mazzocchi übernahmen die beiden Augsburger Herausgeber Vorlagen. So findet man den Grabstein mit dem Relief der drei Freigelassenen und der Renaissanceinschrift „FIDII SIMULACRUM“ ganz nach Mazzocchi dargestellt – Haltung, römische Tracht, Haartracht und Gesichtsausdruck sind genau übernommen, die Inschrift erscheint sogar deutlicher als auf dem Stich des Italieners (siehe Anm. 167: Apian/Amantius 1534, S. 271)171. Die Darstellung der Figuren des Grabsteins der Iulia Secunda und Cornelia Tyche dagegen beruht auf Phantasie: In diesem Fall konnte der Künstler nicht auf eine Vorlage Mazzocchis zurückgreifen, denn dieser hatte lediglich den Text reproduziert. Anders als im wohl wenig späteren Codex Coburgensis zeichnete der Künstler einfach zwei gleich aussehende, zeitgenössisch gekleidete und frisierte Frauen – dass diese nichts mit dem Original gemeinsam hatten, wurde offenbar als nicht wesentlich empfunden (Apian/Amantius 1534, S. 235; siehe Anm. 169; Abb. 24). Der Holzschnitt des 1502 in Virunum (Zollfeld, Kärnten) gefundenen ,Jünglings vom Magdalensberg‘ zeigt allerdings eine Reihe von Merkmalen, die ohne eine genaue Kenntnis des Originals oder eine andere am Original erarbeitete Reproduktion nicht zu denken sind: Haltung, Nacktheit, Geschlechtsmerkmale, Muskelbildung und die Lage der Inschrift entsprechen durchaus der heute nur noch in einem Abguss des 16. Jahrhunderts erhaltenen Plastik des ersten vorchristlichen Jahrhunderts. Doch konnte sich der Künstler nicht enthalten, den Knaben mit einer zeitgenössischen Kampfaxt auszustatten (Apian/Amantius 1534, S. 413)172! Sowohl die Darstellungen bei Jacopo Mazzocchi als auch die des Codex Coburgen sis zeigen ein entschieden größeres Verständnis für die reproduzierten Werke und für die Merkmale der antiken Kultur als die hier behandelten süddeutschen Reproduk tionen173. Eine entsprechende Beobachtung machte schon Paul Hans Stemmermann (1934, S. 44; Taf. VI a–c) beim Vergleich der Abbildungen eines römischen Militärgrabsteins aus Mainz bei Johann Huttich 1520174, Mariangelo Accursio und Wolfgang Lazius (1557[1572], S. 186; Abb. 25). Er musste feststellen, dass nur der Italiener Accursius, der für die Epigrammata antiquae Urbis die Abkürzungslisten nach Valerius Probus besorgt hatte, einen Römer in seiner Tracht und mit seinem Gladius zeichnete (Stemmermann 1934, Taf. VI, a–c; Weiss 1969, S. 165). Auch Apian und Amantius reproduzierten diesen Grabstein nach Huttich (Abb. 26). Lazius freilich bewegten noch andere Interessen (siehe S. 280).
171 http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/apian1534/0317/image?sid=c54421b6d3f08e05bb0f723d4 5844f26. 172 http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/apian1534/0458. 173 Deswegen ist Martin Ott (2010, S. 288) in seiner Wertung der Arbeiten Peutingers nicht zuzu stimmen. 174 http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00031405/image_15.
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Abb. 25: Phantasiefigur eines Carners nach dem Vorbild der Darstellung des Grabsteins des Legionärs Attius durch Johann Huttich, Petrus Apianus und Bartolomaeus Amantius. Lazius 1557[1572], S. 186. © Barbara Sasse, RGK.
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts begann sich die kulturhistorische Darstellungsweise antiker Objekte aber auch in Mitteleuropa durchzusetzen. Einen wichtigen Einblick in die Übertragung der Zeichen- und Darstellungstechnik und die Verbreitung der Zeichnungen im mittleren 16. Jahrhundert bieten der schon erwähnte Codex Coburgensis und der Codex Pighianus. In Letzterem hatte Stephan Pighius 175 Kopien der italienischen Originale des Coburgensis (Daly Devis 1989, S. 185 ff.; siehe S. 238), zusammenstellen lassen und Darstellungen mitteleuropäischer antiker Denkmäler hinzugefügt. Der Aufbau des Codex Pighianus folgt im Wesentlichen dem Vorbild (Wrede 1989, S. 141 ff.). Teilweise gingen jedoch Informationen verloren, wie z. B. die Aufbewahrungsorte der Originale und wissenschaftliche Kommentare. Pighius aber versuchte auch bei seinen eigenen Zeichnungen, das Bild und die Form des Bildträgers, d. h. den unmittelbaren Kontext des Bildes mit seinen sichtbaren Merkmalen darzustellen. Er übernahm deshalb die kulturspezifische Darstellungsweise all’antichità (siehe S. 227) für das Blatt des erst 1620 in Xanten entdeckten Grabsteins des Marcus Caelius, das den in der Varusschlacht Gefallenen in römischer Militärtracht zeigt. Es ist wohl vor 1638 entstanden (Wiegels 2002, S. 48)175.
175 http://arachne.uni-koeln.de/item/reproduktion/3315577.
Die Analyse
Abb. 26: Darstellung des Grabsteins des Legionärs Attius nach Huttich 1520, fol. 8 durch Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius; CIL XIII, 7047. Original verschollen. Apian/Amantius 1534, S. 470. © Barbara Sasse, RGK.
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Allerdings findet man in derselben Zeit auch noch zeitgenössische Figuren, wie z. B. die Darstellung des vermutlich in St. Gerion gefundenen Grabsteins des Claudius Saturninus, der sich heute im Römisch-Germanischen Museum Köln, Inv. Nr. 1,58 befindet. Arnold Mercator positionierte den wohl auf Stephan Broelmann zurückgehenden Stich des Grabsteins am rechten Außenrand des Plans von Köln aus dem Jahre 1571 an 9. Stelle von unten176. Auch Broelmann selbst bildete die Grabstele 1608 in seinem Epideigma ab177, jedenfalls zeigen beide Reproduktionen noch einen Kölner Bürger in Renaissancetracht mit Wams und Kragen und keinen Legionär. Das gewachsene Interesse an den realen Denkmälern zeigt sich dann deutlich in den Darstellungen der Augsburger Inschriftensteine bei Markus Welser (1594). Welser bildete auch den Grabstein Vollmer Nr. 148 mit dem Ehepaar ab. Es trägt nun römische Kleidung und Haartracht, Blickrichtung der Personen, Verteilung der Inschrift und Proportion sind korrekt. Der Stein steht wie heute auf einem neuzeitlichen Podest, seine untere Beschädigung ist angedeutet. Lediglich die Gesichter sind ergänzt und die obere Begrenzung des Steins begradigt. Die Darstellung ist also kulturspezifisch und gibt wesentliche Merkmale korrekt wieder (Welser 1594, S. 223; siehe S. 239; Abb. 23). Die Stärke des wenig später unter Mitarbeit Markus Welsers und vieler anderer in Heidelberg unter der Leitung Jan Gruters entstandenen Werks liegt nicht auf dem Gebiet der bildlichen Darstellung der Inschriftensteine. Die wenigen Stiche wie der des Augsburger Paares Vollmer Nr. 148 richten sich nach den Vorgängerarbeiten, in diesem Fall nach Markus Welser, und ein erweitertes kulturspezifisches Denken wird bildlich nicht erkennbar (Gruter 1603, S. DXXVII). Anders aber die funktionale Kultursystematik der Instituta, die den Einfluss des Forscherkreises um Alexander Farnese erkennen lässt (Gruter 1603; Stenhouse 2005, S. 115 ff.; siehe S. 309). Sie wurde für Gruter und damit erstmals für eine Sylloge zum vorherrschenden Gliederungsprinzip, das er durch Indizes ergänzte. Er ging damit als Erster bei einer großen Sylloge vom vorher überwiegenden topographischen System nach dem Aufstellungsort ab (Stemmermann 1934, S. 50; Ott 2010, S. 141). Der sonst oft innovative William Camden, Repräsentant der englischen Antiquare der Zeit Elisabeths I., hat zur Weiterentwicklung der Inschriftenpublikationen offenbar nicht beigetragen. Inschriften sind in seine überwiegend topographisch aufgebaute Britannia zwar von Anfang an, aber doch nur sehr gelegentlich eingestreut. Sie wurden in Majuskula, d. h. nach Art Konrad Peutingers abgebildet, meist jedoch ohne den Inschriftenträger. Camden erwähnte allerdings den Sammler (Camden 1586, S. 135). In den späteren Ausgaben finden sich wesentlich mehr Inschriftentexte,
176 http://arachne.uni-koeln.de/arachne/index.php?view%5Blayout%5D=mercator. Besucht am 10. 08. 2014. 177 Stephan Broelman (1608): Epideigma, Sive Specimen Historiae Vet. Omnis Et Purae … quae sunt Originum priscarum et Ubio-Romanorum, Taf. 2,26.
Die Analyse
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wobei Camden mit dem Sammler und Kollegen in der Society of Antiquaries Robert Cotton von Connington zusammen arbeitete. Eine Ausnahme bilden zwei perspektivisch dargestellte Bildsteine (Camden 1586[1600], S. 695). Die Inschriften aus der Sammlung Cottons in der Ausgabe von 1607 sind teilweise einfach schematisch eingerahmt, teilweise aber geben sie den Bildträger in seinem ruinösen Zustand wieder (Camden 1586[1607], S. 635 ff.). Man kann also insgesamt schließen, dass zunächst kein dringendes Interesse daran bestand, das als antik verortete Objekt naturgetreu darzustellen. Die äußere Beschaffenheit eines römischen Gegenstandes war außerhalb Italiens in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts noch kein Forschungsgegenstand, sein Vorhandensein und sein durch die Inschrift erkennbarer Inhalt aber wichtig für die Identifikation und gegebenenfalls ein Symbol, z. B. für die eigene römische Vergangenheit, das hohe Alter oder das Heidentum. Dagegen wurden allgemeingültige, wiederholbare Merkmale dargestellt. Man zog den römischen Bürgern zeitgenössische Kleidung an, gab aber die lateinische Sprache und Schrift nach Kräften wieder. Alle Bilder schlugen eine Brücke zwischen der literarischen Antike und dem modernen Menschen. Dabei wurden auch größere Monumente eingesetzt: Stephan Broelmann strich in seinen Epideigma auf diese Weise die historische Verbindung Kölns zu Rom heraus, indem er die Gründerfigur Agrippas auch bildlich verherrlichte und deshalb das Pantheon in Rom abbildete (Schäfer 2010, S. 103 f.), das zumindest seit 1521 in den Epigrammata antiquae Urbis des Jacopo Mazzocchi als Stich zugänglich war (siehe S. 237)178. Umgekehrt schlug ein Holzschnitt Hans Burgkmairs von 1507 die Brücke vom modernen Menschen zur literarischen Antike: Er stellte Konrad Celtis auf einem Grabstein in zeitgenössischer Tracht mit allen seinen modernen Ehrenzeichen über einem als römische Inschriftentafel in Majuskula geschriebenen Text dar, gab ihm also einen fiktiven römischen Grabstein (Mertens 2000, S. 78)179. Einen lateinischen Grabinschriftentext in Majuskeln findet man auch unter dem bekannten Holzschnitt, der Johannes Aventinus zeigt (Schmid 2001, S. 71)180. 3.4.2.2.2 Münzen Inschriftensteine und Münzen sind die ersten Objekte, die in größeren Mengen systematisch geordnet, terminologisch erfasst und klassifiziert, d. h. bestimmt wurden. Schon Kaiser Maximilian I. ließ die Münzen aus seiner Sammlung professionell ordnen. Aber obwohl reichliches Material schon in den mittelalterlichen Sammlungen vorlag, begann die eigentlich wissenschaftliche Bearbeitung erst in der 2. Hälfte des
178 http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10196158_00034.html. 179 http://de.wikipedia.org/wiki/Conrad_Celtis#/media/File:Conrad-Celtis.jpg. 180 http://cms1.b-es.de/Portals/34/Bilder/Stadt/Aventinus,%20Erstausgabe%20der%20 Annalium%20Boiorum,%201554.jpg. Besucht am 11. 8. 2014.
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16. Jahrhunderts (Berghaus 1995, S. 17 ff.; Garcia y Bellido 1997, 46). Wie die meisten Inschriftenträger erfuhren auch die Münzen, die ebenfalls sehr früh in Katalogen bildlich erfasst wurden, seit dem 16. Jahrhundert eine schematische Darstellung, wie z. B. bei Fulvio Orsini (1577, S. 4)181. Von großer Wichtigkeit war dabei die Berücksichtigung der aversen und der reversen Seiten, die auf den Abbildungen miteinander verbunden wurden und Voraussetzung für eine Auswertung wurden, die über die Sammlung von Herrscherbildern hinausging. Es galt, die Inschriften richtig zu lesen, historisch einzuordnen und die Bilder zu deuten. Leicht ließen sich durch die Berücksichtigung beider Seiten Beziehungen unter den Münzen herstellen, nach den Herrschern, den Prägeorten, den Münzbildern. Auch außerhalb Italiens setzte sich die verknüpfte Darstellung von Münzbild (avers) und Rückseite (revers) durch. Johann Baptist Fickler widmete sich bei der Inventarisierung der Bayerischen Kunstkammer deshalb auch besonders der Ordnung und Beschreibung der Münzen, die er sogar durch eine Nummerierung individualisierte. Er unterzog die Münzen darüber hinaus einer ausführlichen Untersuchung, die allerdings wie auch sein Inventar nicht gedruckt wurden (Fickler 1598[2004], S. 12). Der Ausgabe der Britannia von 1600 fügte William Camden auch Münztafeln zu, die er eingehend beschrieb (Camden 1586[1600], S. 69 ff.)182. Sie sind ähnlich angelegt wie wenig früher entsprechende Tafeln bei Fulvio Orsini (siehe Anm. 181). Von besonderer Bedeutung ist die Trennung von römischen und einheimischen römerzeitlichen Münzen, da sie Anlass zu einem historischen Schluss gab (siehe S. 339). Die Münzen stammten aus der Sammlung des Robert Cotton von Connington (Camden 1586[1600], S. 43). 3.4.2.2.3 Runensteine Ähnliche Probleme der Darstellung entstanden, als die Nordeuropäer von der Mitte des 16. Jahrhunderts an darangingen, ihre Runensteine, die überwiegend noch im Gelände standen, aber auch als Spolien verwendet worden waren, nach dem Vorbild der klassischen Epigraphik zu untersuchen. Doch hier findet man kaum Angleichung an die antike Kultur, sondern ganz im Gegenteil die Dokumentation der Andersartigkeit. Besonders interessant sind in beiden Werken der Gebrüder Magnus die ältesten Darstellungen des Runenalphabets (Magnus 1554[1558], S. 31; hier Abb. 15); bei Olaus Magnus stehen stark schematisierte Runensteine in der Landschaft, und vorn im Bild ist ein Riese zu sehen (Magnus 1555, S. 37)183. Die Größe dieser Steine verleitete zu
181 http://arachne.uni-koeln.de/item/buchseite/9589. 182 http://gateway.proquest.com/openurl?ctx_ver=Z39.88-2003&res_id=xri:eebo&rft_id=xri:eebo: image:7796:43 183 http://fondosdigitales.us.es/media/books/1829/1829_409912_74.jpeg. (Besucht am 20. 4. 2016.)
Die Analyse
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einer Verbindung zu Riesen als Erbauern und zu Megalithen. Für die Kenntnis der Runenschrift und des Runenkalenders im 16. Jahrhundert gibt es aus Schweden eine Reihe von Belegen, aus denen man entnehmen kann, dass Runen dort auch vor den Arbeiten der beiden Brüder durchaus noch zum geläufigen Wissen gehörten (Wahle 1950[1964] 13; RGA 25, 2003, S. 525 [Klaus Düwel]). So findet man in der Kathedrale von Lund zwei Runeninschriften aus dem Jahre 1510 (Stille 2006, S. 454). Auf der anderen Seite haben die Brüder Magnus aber Einfluss auf die Entwicklung der dänischen Runenkunde, und zwar auf die Lesung des Runensteins von Jelling durch Peter Lindeberg im Auftrag von Henrik Rantzau 1591 (Lindeberg 1591, S. 75 f.; Stille 2006, S. 456)184. Lindeberg beschäftigte sich nicht nur mit der Lesung der Runen, sondern versuchte auch, das gesamte Ensemble zu beschreiben. Mit Ausnahme der Größenangaben fällt dieser Text jedoch sehr allgemein aus, z. B. zum großen Runenstein: „Lapis sepulcralis … in uno latere formam hominis, ut vides, exhibet, in altero latere literas in sequenti tabula expressas“. Die Hügel brachte er wie Marschalk mit Vergils Aeneis in Zusammenhang. Wenn er auch die betreffende Stelle nicht zitierte (Verg. 6,232–235), so wird das jedoch aus der Terminologie deutlich: „Sciendum autem, quod Dani … olim in memoriam regum ac Heroum suorum ex terra coacervata ingentem molem montis instar eminentem statuerunt“ (Lindeberg ebd.). Es ist durchaus möglich, dass der aus Rostock stammende Lindeberg Marschalks Arbeiten kannte, da dieser ja sein letztes Lebensjahrzehnt als Professor an der dortigen Universität verbrachte. Was die Zeichnung betrifft, so ist sie zwar weder exakt eingemessen noch naturalistisch, z. B. gibt sie die einzelnen Flächen des Runensteins nicht getrennt wieder wie die Zeichnung, die Ole Worm 1643 publizierte (siehe Bd. 2). Sie enthält aber Angaben zu Himmelsrichtungen und Buchstaben, mit denen die einzelnen Teile bezeichnet sind. Die Inschriften werden unten so aufgeführt, dass man den Wert jedes Buchstaben nachvollziehen kann, und die wesentlichen Elemente der Figur sind sogar stilistisch erfasst. Lindebergs Publikation jedenfalls ermöglichte William Camden nach dessen Angaben die Identifikation eines englischen Fundes aus Cumberland als Runenschrift (Camden 1586[1607], S. 632). Eine weitere Stufe der Professionalisierung erreichte die Erforschung der Runensteine durch Johannes Bureus, der von den neunziger Jahren des 16. Jahrhunderts an sowohl die Runen präzise wiedergab als auch die Bildelemente. Als Erstes erschien eine Tafel mit Kupferstichen zum Runenalphabet und zu einigen Runensteinen (Schück 1932, S. 46)185. Außerdem stellte er die Steine in der Landschaft dar und die Lage von Bild und Inschrift auf den Steinen. Durch seine bessere Systematik der
184 http://bildsuche.digitale-sammlungen.de/index.html?c=viewer&bandnummer=bsb00021764 &pimage=97&v=100&nav=&l=de; http://bildsuche.digitale-sammlungen.de/index.html?c=viewer& bandnummer=bsb00021764&pimage=98&v=100&nav=&l=de. 185 Johannes Bureus (1599): Runakenslanes Läraspån. Uppsala.
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Runen war er auch in der Lage, Peter Lindeberg zu korrigieren (Klindt-Jensen 1975, S. 16 f, Abb. 8 und 9)186. 3.4.2.3 Megalithbauten Während man bei römischen Denkmälern auf die in Italien ja schon seit dem 15. Jahrhundert von Architekten gemachten Erfahrungen und die von ihnen entwickelten Vermessungstechniken zurückgreifen konnte, zeigt das Herangehen an Megalithgräber die großen Schwierigkeiten, ungedeutete Objekte realistisch wahrzunehmen und wiederzugeben. Gegen den Gesamtbefund der Darstellung antiker Denkmäler stellt das Miniaturgemälde eines Dolmens aus der Handschrift der Reimchronik des Rostocker Humanisten Nikolaus Marschalk von vor 1524 eine Innovation dar (Marschalk, Reimchronik 18v; hier Taf. 2). Marschalk hatte schon vor Konrad Peutinger eine kleine Sylloge veröffentlicht, in der er jedoch zu einem Teil Fälschungen reproduzierte. Sie enthält auch einige schematische Abbildungen, die allerdings ebenfalls als Fälschungen zu gelten haben (Hülsen 1912; Sasse 2010, S. 256, Abb. 3). Die hier interessierende Miniatur aber ist von ganz anderer Art: Aus brauner Erde erhebt sich eine runde Wiesenfläche mit einigen Blumen, an ihrem Innenrand befinden sich im Kreis neun runde Steine. In deren Mitte ist eine kleine Anhöhe zu erkennen, auf der – ruhend auf wohl vier Trägersteinen – eine große Steinplatte liegt. Der Himmel ist in Blattgold ausgeführt. Es gibt sowohl die von Marschalk beschriebenen Merkmale wieder als auch einen weiteren Beobachtungsschritt, die vier Trägersteine. Bis auf den Blattgoldhimmel enthält es nur sichtbare Elemente. Der Dolmen ist eindeutig zu erkennen. Eine weitere, wenn auch nicht bildlich umgesetzte innovative Beschreibung findet sich beim selben Autor hinsichtlich der Urnengräber. Er ging hier zwar nicht auf die Form der Gefäße ein, aber darauf, dass die Urnen die Überreste der verbrannten Toten und Beigaben enthielten. Seine Beschäftigung mit der römischen Brand bestattungssitte ließ ihn die richtige Analogie finden (Marschalk 1510/1512, Reimchro nik, fol. 19; Westphalen 1739, S. 572; Lisch 1837, S. 15). Das Britische Museum bewahrt einen Kupferstich von 1575 auf, in dem Stonehenge nicht nur in der Landschaft dargestellt und auf eine Ausgrabung in seiner unmittelbaren Umgebung verwiesen wird. Sie enthält auch eine Beschreibung des Platzes mit Maßangaben von Höhe und Länge der Steine. Die Initialien des Urhebers R. T. sind offenbar nicht geklärt. William Camden benutzte sie schon 1586 als
186 Brate, Erik/Wessén, Elias (1924–36): Sveriges Runinskrifter 3: Södermanslands Runinskrifter, S. LXXVIII ff., besonders S. LXXX, S. 16. Stockholm; Wessén, Elias/Jansson, Sven B. F., Sveriges Run inskrifter 6, 1940–1943, S. 137, Nr. U 100, Fig. 84; Original ebd., Taf. 62. Stockholm/Uppsala. = http:// www.raa.se/runinskrifter/sri_uppland_b06_text_2.pdf; http://www.raa.se/runinskrifter/sri_uppland _b06_plansch_1.pdf. Besucht am 24. 03. 2015. Bureus Stich ist teilweise sehr genau, die größten Abweichungen gibt es durch die falsche Rekonstruktion des oberen Bogens und des Kreuzes.
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Abb. 27: Kammergrab von Pentre Ifan aus George Owen, History of Pembrokeshire 1603, mit der Angabe der Himmelsrichtung. Die Steine sind nummeriert und gemessen. Piggott 1978, S. 11, Abb. 4. © Stuart Piggott 1978.
Grundlage für seine Beschreibung und 1600 als Vorlage für den abgedruckten Stich (Camden 1586[1600|, S. 219)187. Dadurch wurde diese Darstellung das Urbild für eine ganze Serie von Stonehenge-Abbildungen188. Interessant ist, dass am Anfang des 17. Jahrhunderts auch das erste Megalithgrab nach damaligen wissenschaftlichen Kriterien dargestellt wurde. George Owen, auch ein Mitarbeiter an William Camdens Britannia (Kendrick 1950, S. 160), gab das Grab von Pentre Ifan (Pembrokeshire) 1603 in seiner History of Pembrokeshire offenkundig nach eigener Anschauung und Vermessung wieder. Er blieb dabei zwar bei einer perspektivischen Zeichnung ohne Grundriss, trug aber die Himmelsrichtungen ein, nummerierte alle Steine und teilte die Maße des Decksteins mit (Piggott 1978, S. 11; hier Abb. 27).
187 http://eebo.chadwyck.com/search/full_rec?SOURCE=pgimages.cfg&ACTION=ByID&ID=9984 3087&FILE=&SEARCHSCREEN=param(SEARCHSCREEN)&VID=7796&PAGENO=121&ZOOM=FIT&VI EWPORT=&SEARCHCONFIG=param(SEARCHCONFIG)&DISPLAY=param(DISPLAY)&HIGHLIGHT_ KEYWORD=param(HIGHLIGHT_KEYWORD). 188 Kendrick 1960, Taf. VII; Piggot (1978, S. 10 f.) sah in der Abbildung von 1575 offenbar nur eine unter den vielen Vorlagen seit 1574 – die Bezüge sind aber eindeutig, sowohl hinsichtlich des gewählten Ausschnittes als auch vor allem hinsichtlich der Grabungsstelle.
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3.4.2.4 Fossilien, Cerauniae (Donnerkeile) und Tonurnen Der eigentliche Anstoß zu einer wissenschaftlichen Systematik kam deshalb auch nicht aus den bisher besprochenen Sammlungen, sondern aus dem für den medizinischen Bedarf gesammelten Anschaungsmaterial, d. h. aus Sammlungen für den wissenschaftlichen Unterricht und die pharmakologische Praxis der Mediziner. Für die medizinische Nutzung musste vor allem die Bestimmung der Substanzen zuverlässig sein, die man für heilkräftig hielt. Eine gute bildliche und verbale Beschreibung musste deshalb entwickelt werden. Idealerweise diente die getrocknete Pflanze im Herbarium als Anschauungsmaterial. Daneben stand jedoch die möglichst naturgetreue Zeichnung. Das gilt nicht nur für die Heilpflanzen, denn auch tierische und anorganische Substanzen werden in der Heilkunde verwendet. So entwickelte sich aus der Notwendigkeit einer Systematik der Heilmittel das Bemühen um die Klassifikation der Natur und deren technische Darstellung. Die von den ihrer Ausbildung nach aristotelischen Medizinern für die Klassifikation verwendete Methode beruht auf der Kategorienlehre des Aristoteles (Aristot. Organ.). Es geht dabei um die Definition empirisch erkannter Merkmale und die dadurch bestimmte Differenz zwischen den Objekten der Klassifikation (Aristot. part. an. (2007), S. 208 [Kullmann]). Diese Lehre hat allerdings zwischen dem 13. und dem 16. Jahrhundert über Thomas von Aquin zu Pietro Pomponazzi und Jacopo Zaberella sehr verschiedene Auslegungen erfahren (Randall 1961, S. 20 ff.; Vorländer 1965, S. 30 ff.; Flasch 1994, S. 43 f.; Pade 2000; Kessler 2008, S. 139 ff.). Was die Einordnung von Steinbeilen betrifft, so wurden die Grundlagen in Mitteleuropa wie in Italien während des 16. Jahrhunderts durch die Klassifikation von naturkundlichen Sammlungen gelegt. Hier wie dort bestand das klassifikatorische Problem zunächst in der Abgrenzung der Versteinerungen von anderen Steinen, dann aber in der Abgrenzung von Artefakten von Versteinerungen. Die Zuordnung der zweifelhaften Dinge in Naturalia, Artificialia und Mirabilia stellte die größte Herausforderung dar. Die Voraussetzung hierfür, eine systematische Klassifikation, wurde auch in Mitteleuropa schon Mitte des 16. Jahrhunderts angestrebt. Bahnbrechend wirkte hier Georg Agricola in seinem Werk De natura fossilium, das 1546 in Basel erschienen war. Interessante Ansätze zu den archäologischen Steinobjekten finden sich an mehreren Stellen in den von Conrad Gesner herausgegebenen Arbeiten De omni rerum fossilium genere, gemmis, lapidibus, metallis, et huiusmodi libri aliquot (Gesner 1565). Hierzu gehört die Systematik des ersten bebilderten naturkundlichen Sammlungskatalogs, der von Johannes Kentmann stammt (Abb. 28). Der Mediziner, der 1549 in Bologna promoviert hatte und durch Giovanni Battista da Monte, Professor für Medizin und erster Leiter des botanischen Gartens in Padua an der empirischen Naturkunde interessiert worden war, teilte sein Material in 26 Kategorien ein. Sie weisen eine gewisse Ähnlichkeit zu der späteren Gliederung der Metallotheca von Michele Mercati auf (Accordi 1980, S. 14). Es ist allerdings schwer zu entscheiden, ob eine direkte, bei Mercati nicht genannte, oder eine indirekte Abhängigkeit über ein gemeinsames Vorbild besteht. Die Forscher kamen aus denselben
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medizinischen Schulen. Bei Kentmann symbolisiert der Schrank die angestrebte Ordnung der Natur (Abb. 29), und auch bei Mercati findet sich dieses Motiv. Die Position der Ceraunia ist aber in beiden Werken grundverschieden: Kentmann führte sie in seiner vierten Kategorie des Gesamtschemas, der ersten Kategorie der Steine, zusammen mit Fossilien, aber auch mit vielen anderen Gesteinen wie Hämatit auf. Daneben erscheinen sie auch in der Kategorie der Gemmae, der Edelsteine (Kentmann 1565, S. 30; Abb. 30). Interessant ist, dass Gesner bei der Veröffentlichung der Abbildungen Kentmanns ein Kapitel einführte, das den Titel trägt „De fossilibus rebus, quae natura similes sunt rei alicui artificiosae, ordine literarium“. Das könnte Mercati auf die Idee der „Idiomorphoi“ gebracht haben, der Steine mit einer festen Gestalt (Mercati 1717, S. 214; siehe auch S. 267). Unter den „armatura“ befinden sich bei Gesner allerdings die Belemniten, Kopffüßlerskelette, die man für Pfeile hielt, nicht aber die Cerauniae. Diese führte er im Kapitel auf: „De lapidibus qui a meteoris, id est, sublimibus in aere corporis nomina sua mutuantur“ (Gesner 1565a, S. 58v; S. 86v). Diese Ordnung zeigt, dass Gesner nicht einmal die Ähnlichkeit unserer Cerauniae mit Beilen sicher erkannt hat, obwohl er Kentmanns Abbildung publizierte und beschrieb: „eius formae qua hic depingitur: latitudinis trium fere digitorum, longitudinis autem quinque, Bisalte lapide … durior“ (Gesner 1565a, S. 64 ff.; hier Abb. 31,a–b)189. In derselben Ausgabe Conrad Gesners finden sich in der Arbeit von Georg Fabricius einfache, aber noch nicht durchstruktierte Klassifikationsbäume, wie der zum Pyrit, in dem ohne weitere Untergliederung die Härte, der Fundort und die Qualität geordnet werden (Fabricius 1565, nach S. 31; hier Abb. 32). Gesner selbst hatte in seinem Werk über die Fische, Nomenclator aquatilium animantium, schon 1554 eine Reihe von gut strukturierten Dendrogrammen veröffentlicht. Die Bestimmung der Fische führte ihn auch früh zu einer richtigen, wenn auch noch sehr vorsichtigen Beurteilung der Glossopetrae (Gesner 1565a, nach S. 162), bei der er wohl seinem Lehrer Guillaume Rondelet folgte. Weder er noch Conrad Gesner beobachteten mit Michele Mercatis Präzision und stellten deshalb auch keine Bearbeitungsspuren fest, um den letzten Schritt einleiten zu können, den Beweis der Herstellung durch den Menschen. Klassifikation, Maße und die Ordnung überwiegend ähnlicher Stücke bedeuteten jedoch den richtigen Weg. Als Merkmale wurden Länge und Breite, die Härte, Fundort und Fundumstände sowie, bei anderen Stücken, die Farbe berücksichtigt. Von seinen italienischen Kollegen haben sich vor allem Ulisse Aldrovandi und Michele Mercati mit der Ordnung der Cerauniae in ihren Sammlungen beschäftigt. Mercati berief sich an zahlreichen Stellen auf Aristoteles und den arabischen Aristoteliker Avicenna und zitierte griechisch (Mercati 1717, S. 1)190. Ulisse Aldrovandi fand
189 Übersetzung: Seine Form, die hier abgebildet wird: Breite fast drei Zoll, Länge aber fünf Zoll, härter als Basalt … 190 Siehe auch S. 144 zur Medizinerschule von Padua, Ferrara, Bologna und Pisa.
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Abb. 28: Die Systematik der Sammlung von Johannes Kentmann. Gesner 1565, Vorspann ohne Seitenangabe. © Barbara Sasse, Michael Kinsky.
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Abb. 29: Der Schrank der Sammlung von Johannes Kentmann mit den der Systematik entsprechenden Fächern. Gesner 1565, Vorspann ohne Seitenangabe. © Barbara Sasse, Michael Kinsky.
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Abb. 30: Index der Steine und Gemmen im Sammlungskatalog von Johannes Kentmann. Detail des Catalogus. Gesner 1565, Vorspann ohne Seitenangabe. © Barbara Sasse, Michael Kinsky.
hingegen sein großes Vorbild vor allem im 37. Buch der Naturalis Historia Plinius des Älteren, an dem freilich auch Mercati nicht vorbei kam. Eine wesentliche Aufgabe war für beide Wissenschaftler die Auseinandersetzung mit den dort vertretenen Auffassungen. Die Grundordnung des Musaeum Metallicum des Ulisse Aldrovandi beruht auf einer Einteilung der anorganischen Stoffe in vier Büchern: „De metallis in genere“, „De terra in gerere“, „De succis concretis“ und „De lapidibus in genere“, also Metalle, Erden, Wasser und Steine (Aldrovandi 1648). Jedes Buch gliedert sich dann hierarchisch in Kapitel: Hier folgen z. B. im Buch über die Steine verschiedene Gesteinsarten. Unter ihnen findet man auch die Ceraunia (Donnerkeile) neben anderen figürlich geformten Steinen angeordnet. Woher kamen diese merkwürdigen Formen? Es war ein schweres Erbe für die Wissenschaftler der Renaissance, dass Plinius der Ältere diese Formen nicht erklären konnte und deshalb, älterer und globaler Volksmeinung folgend, ihren Ursprung im Himmel suchte (Plinius, Naturalis Historia, Buch 37, Kap. 51, § 134–135; Müller 1897, S. 174; siehe S. 113). Heute wissen wir, dass die meisten der übrigen hier eingeordneten Arten Fossilien sind, die Cerauniae aber nicht. So schrieb Aldrovandi zu den
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Abb. 31, a–b: Cerauniae aus der Sammlung von Johannes Kentmann. Gesner 1565a, S. 62v und S. 64v. © Barbara Sasse, Michael Kinsky.
lossopetrae, in Wirklichkeit Zähne von fossilen Haifischen: „Plinius — - naravit G hunc lapidem esse talis naturae ut in terra non gignatur, sed, luna decrescente, a caelo decidat“ (Adrovandi 1648, S. 601). Zu den in seinem Text folgenden Cerauniae bemerkte er: „Cognati Glossopetris sunt Cerauniae lapides“ (Aldrovandi 1648, S. 606; Abb. 33; Abb. 34). Die vermeintliche Ähnlichkeit erschließt sich auch auf einer Abbildung, auf der zwei angebliche Glossopetrae parallel angeordnet sind. Bei der oberen handelt es sich aber vermutlich um eine retuschierte Pfeilspitze aus Silex, die eigentlich als Ceraunia hätte klassifiziert werden müssen (ebd., S. 604)191. Ausschlaggebend dafür, beide Objekte zusammen parallel abzubilden, war offenbar ihre gemeinsame dreieckige Grundform. Auch auf
191 http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/aldrovandi1648/0610.
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Abb. 32: Dendrogramm der Klassifikation des Pyrits von Georg Fabricius. Fabricius 1565, nach S. 31. © Barbara Sasse, Michael Kinsky.
der Abbildung der durchlochten Cerauniae ist das oberste Bild eine Glossopetra, was Aldrovandi aber bemerkte und bedauerte: „potius ad Glossopetras, quam ad Ceraunias referendos esse existimamus“ (ebd., S. 610 f.; hier Abb. 34), so als ob ihm erst im Nachhinein aufgefallen war, dass er dieses Bild falsch platziert hatte. Den Cerauniae folgen fossile Cheloniten (Echinodermen). Auch hier liefert Plinius die Erklärung für die Anordnung: „… reliquit Plinius, quod Chelonites, et Ombrias, … & Ceraunias sunt eiusdem naturae“ (Aldrovandi 1648, S. 618). Die von Aldrovandi in der Folge behandelten Belemniten dagegen hatte Plinius wegen ihres Geruches als versteinerten Luchs-Urin erklärt (Aldrovandi 1648, S. 620). Für Aldrovandi aber war wohl die Form ausschlaggebend, die an ein Geschoss erinnert. Von der Erkenntnis, dass es sich um fossile Außenskelette einer Kopffüßlerart handelt, war auch die Renaissance noch weit entfernt (Aldrovandi 1648, S. 621)192. Dass Aldrovandi aber schon bei der Bestimmung unsicher war, zeigt, dass er später einen Belemniten als Hämatit abbildete (Adrovandi 1648, S. 650, Nr. 1)193. Man kann deshalb insgesamt schließen, dass er Glossopetrae (Haifischzähne), Cerauniae (Donnerkeile, d. h. Steingeräte) und Belemniten (Kopffüßlerskelette) nicht sicher auseinanderhalten konnte und gar nicht genau wusste, welches ihre charakteristischen Merkmale waren. Che-
192 Ombriae: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/aldrovandi1648/0622; Belemnitae: http://digi. ub.uni-heidelberg.de/diglit/aldrovandi1648/0627. 193 http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/aldrovandi1648/0656.
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lonite, auch Ombriae und Brontiae, dagegen besitzen eine andere, nämlich rundliche Form und konnten deshalb unterschieden werden. Bei der Behandlung der einzelnen Objektgruppen richtete der Gelehrte sich nach einem festen Schema: So bei den Cerauniae: „Aequivoca“, „Synonima, Etymum“ (die bisherigen Bezeichnungen der Cerauniae und ihre Herkunft), „Descriptio“ (die Beschreibung der Cerauniae generell), „Generatio, et Natura“ (die Entstehung), „Differentiae“ (die Beschreibung der Unterschiede zwischen den Unterarten bzw. einzelnen Funden, die auf der zugehörigen Tafel individualisiert wurden). Es folgen wie ein Abgesang die Abschnitte „Moralia“ und „Usus“. Am interessantesten ist der Abschnitt „Differentiae“, in dem die Klassifikation der Unterarten mit ihren verschiedenen Merkmalen, der Größe, der Formen, Farben, der Härte und Fundumstände behandelt werden. Der Text verharrt aber im Wiedergeben von Meinungen des Conrad Gesner, Johannes Kentmann und Anselm de Boodt und führt nicht zu einer eigenen, dezidierten und begründeten Stellungnahme (Aldrovandi 1648, S. 606 ff.). Zusammenfassend fällt bei allen behandelten Objektgruppen auf, dass die verwendete Grundordnung sich nach Plinius richtete. Die Meinungen der zitierten Zeitgenossen ließ der Verfasser ohne ein abschließendes Urteil nebeneinander stehen. Die Abbildungen werden zwar im Text beschrieben und sind nummeriert, weisen aber Irrläufer auf, die eindeutig zeigen, dass Ulisse Aldrovandi seinen Stoff nicht immer beherrschte beziehungsweise die entscheidenden Merkmale nicht kannte. Dennoch geben die Abbildungen des Musaeum Metallicum teilweise wichtige Details wieder, wie im Falle der Cerauniae Durchbohrungen und scharfe Kanten (Aldrovandi 1648, S. 611, Nr. 3, hier Abb. 34) oder eine Mittelrippe (Aldrovandi 1648, S. 157)194. Sie sind nummeriert und auch bei der Beschreibung individualisiert. Allerdings stammen viele von ihnen ursprünglich aus anderen Publikationen und bilden deshalb keine Objekte ab, die sich in Aldrovandis Sammlung befanden195. Besonders interessant sind drei Zeichnungen von indianischen Steingeräten, die vom Autor im Gegensatz zu den Cerauniae teilweise im Detail beschrieben wurden (Aldrovandi 1648, S. 156, S. 157, S. 158; Abb. 35–36; siehe Anm. 194). Sie gehörten wahrscheinlich ursprünglich zu einer Kollektion aus Mexiko, von der 1533 Papst Clemens VII. in Bologna einen Teil als Geschenk erwarb, und sind heute verschollen (Laurencich-Minelli 2012, S. 145 f.). Dadurch, dass alle Steinklingen geschäftet sind, besteht über ihre Natur als Artefakte gar kein Zweifel. Sie befinden sich im Musaeum Metallicum aber im Buch I „Ordinis ratio“ im Kapitel „De ferro“ im Unterkapitel „Usus in instrumentis usualibus“, also nicht unter den Steinen und an ganz anderer Stelle als die Cerauniae. Hier, wo es doch um Eisen geht, sind paradoxerweise überhaupt keine Eisengeräte abgebildet, sondern nur diese drei Steingeräte. So ist unter der Überschrift „Culter lapideus indicus“ eine ganzflächig retuschierte Blattspitze zu
194 http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/aldrovandi1648/0163. 195 So die Ceraunia auf S. 611 über Conrad Gesner von Johannes Kentmann.
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Abb. 33: Ceraunia, wohl aus der Sammlung von Ulisse Aldrovandi. Aldrovandi 1648, S. 609. © Universitätsbibliothek Heidelberg.
sehen, die in einem tierverzierten Griff steckt (Abb. 35). Als Fundregion wird „Themistiana“ genannt, eine einheimische Bezeichnung für Mexiko196, als Erklärung für das Steinmaterial dient der dortige Mangel an Eisen und Bronze. Eine historische Erklärung wird nicht gegeben. Auch eine Bestimmung der Stücke als aztekisch bleibt aus. Der Hinweis auf Opfer, der ja bei aztekischen Stücken nahegelegen hätte, findet sich nur bei der dritten Zeichnung (Abb. 36). Diese war dem Gelehrten aber nach eigenen Angaben von einem anderen Bologneser Sammler, Antonio Giganti, geschenkt worden und geht deshalb gar nicht auf Aldrovandi zurück. Ihr entsprach wohl auch kein Stück in seiner Sammlung, beide Kabinette jedoch lagen nahe beieinander und beide Gelehrten arbeiteten zusammen (Laurencich-Minelli 1985, S. 20 f.). Die beiden ersten offenbar seiner Sammlung angehörenden Objekte aber beschrieb Ulisse Aldrovandi auch. So erwähnte er, dass die erste Klinge vermutlich aus Obsidian hergestellt sei, der zweite Griff aus „lapide renali“. Während also das Material reflektiert wurde, fehlt eine Äußerung zur Bearbeitung des Steins, durch die eine
196 Baudrand, Michael Antonius (1682): Geographia, S. 653. Paris,.
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Abb. 34: Cerauniae, 1 in Wirklichkeit eine Glossopetra. 2–7 nach Johannes Kentmann, hier Abb. 31, a–b. Aldrovandi 1648, S. 611. © Universitätsbibliothek Heidelberg.
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Abb. 35: Indianisches Steinmesser mit Tierstilgriff aus der Sammlung von Ulisse Aldrovandi (1648, S. 156). © Universitätsbibliothek Heidelberg.
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Abb. 36: Indianisches Steinbeil aus der Sammlung von Antonio Giganti. Aldrovandi 1648, S. 158. © Universitätsbibliothek Heidelberg.
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Abb. 37: Tonurne aus der Lausitz. Sammlung Ulisse Aldrovandi. Aldrovandi 1648, S. 233. © Universitätsbibliothek Heidelberg.
Verbindung zu den Cerauniae möglich gewesen wäre. Diese Verbindung wird weder textlich noch bildlich an irgendeiner Stelle des Werkes hergestellt. Da die dafür notwendigen Beobachtungen nicht mitgeteilt werden, kam Aldrovandi auch zu keiner Analogie. Das schließt natürlich nicht aus, dass er mündlich seine Museumsbesucher auf das Problem hingewiesen haben könnte. Interessant ist, dass weder Aldrovandi noch sein Nachbar Antonio Giganti eine strikte Einteilung in Naturalia und Artificialia vornahmen (Laurencich-Minelli 1985, S. 21). Die Präsentation der indianischen Stücke zeigt, dass aber auch das Material als Gliederungskriterium nicht konsequent durchgeführt wurde. Ulisse Aldrovandi rezipierte auch die Diskussion über die in Polen, Sachsen, Thüringen und der Lausitz ausgegrabenen Tongefäße und zitierte die Ansicht des Martinus Cromerus, sie seien im Boden gewachsen. In diesem Fall verhalf ihm die Übernahme der Kritik Georg Agricolas zu einer Einordnung der Tongefäße als Artefakte. Jedoch kommt dazu die Beschreibung als Tongefäße direkt nach der Terra sigillata aretina. Aldrovandi erwähnte den Gefäßhals, den Bauch, Henkel und Deckel, erwähnte Leichenbrand und Beigaben und stellte die Urnen in Zusammenhang mit ägyptischem und römischem Bestattungsbrauch (Aldrovandi 1648, S. 232 f.; Abb. 37). Die richtige Klassifikation führte hier zum richtigen Analogieschluss. Michele Mercati war dagegen ein sehr genauer Beobachter seiner Objekte. Er dachte auch über die Bedeutung bestimmter Eigenschaften für die Klassifikation nach und richtete seine Systematik an wichtigen Stellen danach aus. Er interpretierte
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aufgrund seiner eigenen Erkenntnisse, denen er die anderer unterordnete. Deswegen kam Mercati im Gegensatz zu Ulisse Aldrovandi auch zu neuen Ergebnissen197. Schon die Gesamtkonzeption unterscheidet sich von der Aldrovandis durch ihre klarer strukturierte Systematik. Diese bezieht sich ähnlich der von Johannes Kentmann (siehe S. 254 f.) direkt auf den Inhalt der Schränke der Sammlung und gibt auch dadurch den empirischen Charakter zu erkennen. Jedes Kapitel beginnt mit einem schematischen Bild des betreffenden Schrankes198. Grundlegend ist die Unterteilung zwischen Mineralien (Schränke I–XIII) und Erzen (Schränke XIIII–XIX) (Abb. 12). Der Katalog umfasst allerdings nur die Schränke I–IX, Schrank X konnte Mercati nicht mehr vollenden. Drei Schränke sind den Lapides gewidmet: VII „Lapides terrae similes“, VIII „Lapides Animalibus innati“ und IX „Lapides Idiomorphoi“. Eine große Rolle spielten also die Struktur, der Ort der Entstehung und die Form. Letztere führte zur Ausgliederung der „Idiomorphoi“, bei denen die figürliche Gestalt das wesentliche gemeinsame Merkmal darstellt. Ihre Entstehungsursachen aber waren für Mercati unbekannt. Sehr deutlich wird dieses Herangehen in einem Dendrogramm, in dem der Autor versuchte, die hypothetische Genese der verschiedenen Gesteinsarten darzustellen (Abb. 38). Die Gruppe der „Idiomorphoi“ ist auf der rechten Seite des Dendrogramms angeordnet und wird mit keiner der anderen Ursprungsgruppen verbunden. Er begründet das folgendermaßen: Genus, horum materiam inspicienti, multiplex apparet: unde cunctis potius locum communem praerogativa formae constituit, quam per Armaria diversa distrahantur, praesertim quia delectus haberi nequit, cum haud satis pateat, cui generi materia singulorum assignari debeat (Mercati 1717, S. 216)199.
Die durch diese Vorsicht vermiedene Vermischung dieser heterogenen Gruppe mit anderen Gruppen besaß für den Gelehrten einen großen Vorteil: Er konnte die Idiomorphoi von allem anderen trennen und ihnen besondere Aufmerksamkeit widmen. Ihre Untersuchung stellt deshalb den wichtigsten Teil seines Werkes dar. Das Vorgehen ist auch insofern interessant, als das Dendrogramm eine Vermischung von syntheti-
197 Müller 1897, S. 175 f.; Déchelette 1, 1908, S. 10; Hoernes 1909, S. 374; Cheynier 1936, S. 9; Stemmermann 1934, S. 122 f.; Shorr 1935, S. 428; Gummel 1938, S. 73 f.; Heizer 1962, S. 260 f.; Laming-Emperaire 1964, S. 44 ff.; Clarke 1968, S. 6 ff.; Accordi 1980, S. 28; Goodrum 2002, S. 257 f.; Schnapp 1993(2009), besonders S. 168 f. 198 Z. B. der Schrank der Idiomorphoi, in dem sich u. a. die Cerauniae befanden, Mercati 1717, S. 214 = http://books.google.es/books?id=l2HJ-53QUeUC&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge _summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false. 199 Übersetzung: Bei Untersuchung ihres Stoffes erscheint ihre Art vielfältig: Auch wenn man sie alle nach der Form einordnen will, würden sie dann auf verschiedene Schränke verteilt. Man kann auch gar nicht auswählen, weil es nicht klar genug ist, welche Art von Stoff den einzelnen zugewiesen werden muss.
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Abb. 38: „Res durae, quae lapides vocantur“. Analytische Klassifikation der Steine in Form eines Dendrogramms. Mercati 1717, vor S. 145. © Barbara Sasse, Michael Kinsky.
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scher und analytischer Klassifikation darstellt. Trotz des analytischen Grundaufbaus behandelte Mercati die Idiomorphoi synthetisch und schuf damit die Voraussetzung für die Klärung des uralten Problems der Cerauniae. Es ist tatsächlich eine gemischte Gesellschaft, die sich in diesem Schrank befunden haben muss: In den Fächern vor den Cerauniae lagen Fossile Seeigel und Seelilien, Chiastolithe (Silikate mit einem Kreuzmuster), der kuriose „lapis literalis“, ein im Vatikan gefundener Stein, auf dem die Buchstaben ID zu lesen waren, und die Nummuliten (versteinerte Foraminiferen, eine Einzellerart). Dann folgen die Cerauniae, die prähistorischen Steingeräte, im Fach XI und XII und in den Nachbarfächern die Cheloniten, Brontiae (Seeigel) und Ombriae. Damit übernahm auch Michele Mercati im Prinzip die durch Plinius, Georg Agricola und Conrad Gesner vorgegebene Einordnung, die durch ihren angeblichen Ursprung in den Wolken bedingt war (Mercati 1717, S. 247 f.). Mercati schloss diese Reihe der vom Himmel gefallenen Steine mit tatsächlichen Himmelskörpern, den Meteoriten. Während die Abbildungen und der Text zu den Cerauniae offenbar original auf den Autor und seinen Kupferstecher zurückgehen, sind andere Abbildungen aus der Literatur übernommen wie der Stich zu den Ombriae von Conrad Gesner (1565, nach S. 61)200. Auch Ulisse Aldrovandi (1648, S. 616) brachte diese Abbildung, sein Werk war aber zu Mercatis Lebzeiten noch nicht publiziert. Bei Mercati ist der Stich lediglich von Antonius Eisenhoit feiner überarbeitet, aber inhaltlich identisch (Mercati 1717, S. 247; siehe hier Anm. 192). Es ist wohl daraus zu schließen, dass auch Mercati nicht alle Formen in seiner Sammlung hatte und die nicht vorhandenen wie hier die Ombriae durch die Literatur ergänzte, ein Verfahren, das wir schon von Aldrovandi kennen und das leicht zu Irrtümern führen konnte. Die Originalität der Bearbeitung der einzelnen Arten ist also sehr verschieden. Das betrifft auch die Beschreibung und die Klassifikation. Glossopetrae und Belemniten sind z. B. mit ihren charakteristischen Merkmalen so deutlich dargestellt, dass eine Verwechslung mit den Cerauniae wie bei Ulisse Aldrovandi gar nicht möglich war (Mercati 1717, S. 280 ff., S. 331 ff.; siehe Anm. 193; Abb. 14, a–b). Deshalb kam Mercati auch bei der Bestimmung der Glossopetrae zu den wesentlichen Erkenntnissen, auf denen Nikolaus Steno in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts aufbauen konnte (siehe S. 149). In seinem Text richtete sich Mercati auf den ersten Blick nicht nach einem so strikten Schema wie Aldrovandi. Er beschrieb auch nicht jedes Stück und individualisierte die Zeichnungen nicht durch Buchstaben oder Nummern. Wenn man dies auch der Tatsache anlasten könnte, dass er sein Werk nicht mehr vollenden konnte, so spricht doch die gesamte Anlage des Textes eher dafür, dass Mercati einem anderen Plan folgte (Taf. 2–3; siehe auch S. 267).
200 http://digital.slub-dresden.de/werkansicht/?id=5363&tx_dlf%5Bid%5D=4362&tx_dlf%5 Bpage%5D=862.
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Das gilt zumindest für seine Behandlung der Cerauniae. Zunächst beschrieb er die Form polierter Steinbeile von keilförmiger Gestalt, Cerauniae cuneatae. Dann folgen die Farben und die gängige Herkunftshypothese (das Gewitter). Er wies auch darauf hin, dass es sich bei diesen um den echten bei Plinius nach dem griechischen Autor Sotakus besprochenen Typus handelte (Mercati 1717, S. 241). Eine Bemerkung zum Nutzen ist verbunden mit einer Angabe zur Härte und Gleichmäßigkeit. Ganz nebenbei wird darauf hingewiesen, dass die Form durch Schleifen entstanden ist – „politurae nata“ (Mercati 1717, S. 241 f., hier Abb. 39). Länge und Breite ergeben die Form eines Beils, es sind aber nicht alle gleich groß, die härtesten „etsi speciem habent silicis“. Es folgen die häufigsten Fundorte und noch einmal der Nutzen, so nach Galen in der Medizin. Die Zeichnungen der Steinbeile heben sich durch die plastische Darstellungsweise, die dreidimensionalen, sehr ebenmäßigen Formen, die Schneiden und Kanten sowie die glatte Politur hervor. Man hat den Eindruck einer außerordentlich präzisen, naturgetreuen Zeichnung, obwohl uns hier die Möglichkeit eines direkten Vergleichs mit den Objekten fehlt. Die Beile scheinen geradezu zu glänzen. Diesen Effekt erreichte Antonius Eisenhoit durch Schattierungen. Damit hat Mercati genau die Merkmale zum Ausdruck bringen lassen, die seine Objekte als künstliche Produkte erkennbar machen. Sein Urteil bezüglich des Typs der Ceraunia cuneata war jedoch, wie schon früher bemerkt worden ist, zunächst nicht ganz eindeutig (Laming-Eperaire 1964, S. 48). Die zweite Art der Cerauniae ist die „Ceraunia vulgaris, et Sicilex“ (Mercati 1717, S. 243 ff.; Abb. 40). Die Abbildung weist dieselbe Qualität auf wie die der Steinbeile, nur sind hier die Retuschen und Abschlagsspuren sehr deutlich hervorgehoben, so die regelmäßige Retusche der kleinen Pfeilspitze unten rechts auf der Abbildung oder die Abschlagkegel an verschiedenen Stücken. In diesem Kapitel ist die Beschreibung dem inhaltlichen Diskurs unterworfen, der zur Interpretation führte (siehe S. 349 f.). Zunächst wird auf den Fundort Italien, das Material Silex und seine Härte hingewiesen. Weitere beschreibende Elemente sind dann in die Argumentation eingeflochten. Sie betreffen die Form, die Farbe, die Härte und die Herstellungstechnik. Anhand dieser Kriterien unterschied der Autor zwei Arten der „Ceraunia vulgaris“, dreieckige Spitzen von Wurfgeschossen und längliche Klingen (Mercati 1717, S. 243 f.). Zusammenfassend muss man konstatieren, dass sich bei der Behandlung der Cerauniae ein deutlicher Unterschied zwischen den beiden gleichzeitigen Italienern zeigt: während Mercati mit strenger Naturbeobachtung und Systematik arbeitete und nach neuen Ergebnissen strebte, behandelte Aldrovandi in seinem Musaeum Metal licum das Material schematisch und stützte sich nicht nur überwiegend auf fremde Meinungen, sondern beschrieb fremdes Material, dass er selbst gar nicht gesehen hatte. Ähnlich verfuhr der Jurist Petrus Albinus 1590 bei der Beschreibung von Keramik im Zuge der Widerlegung des Mythos der im Boden gewachsenen Töpfe. Er beschrieb,
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geordnet nach Fundgegenden, erst die Formen und dann die Farben, kombinierte beide aber nicht zu Typen (Albinus 1590, S. 178). Wie gering aber die Kunst einer genauen Beschreibung noch bei Spezialisten enzyklopädischer Sammlungen entwickelt war, zeigt das Inventar der Kunstkammer der bayerischen Herzöge von Johann Baptist Fickler, der sich nicht einmal um genaue Maßangaben bemühte, was zur Identifikation hilfreich gewesen wäre, da er die Tongefäße aus Lübben, die aus dem Boden gewachsen sein sollten, ja nicht kulturgeschichtlich bestimmen konnte (Fickler 1598[2004], S. 13). Die richtige Bestimmung der Tongefäße als Graburnen führte schon relativ bald zu einer Darstellung der im Jahre 1614 ausgegrabenen Funde eines Urnengräberfeldes bei Ransern in der Nähe von Breslau durch den Stadtarzt Caspar Cunradi. Cunradi druckte seine Zeichnungen und Ergebnisse auf einem Flugblatt. Es ist erhalten durch einen Nachdruck, den Elias Major, Rektor des Breslauer Elisabeth-Gymnasiums und Vater von Johann Daniel, 1667 aufgrund des in St. Maria-Magdalena aufbewahrten Druckstocks veranlasste. Auf dem Flugblatt sind Tongefäße verschiedenen Typs aus dem Gräberfeld der Lausitzer Kultur eingebettet in ein Rankenornament dargestellt. In dem großen Gefäß unten befindet sich eine Maßstabsleiste mit der deutschen Bemerkung: „Maßstab zu allen Töpffen“. Darüber, ebenfalls in demselben Gefäß in anderer Schrift: „Töpffle zu Ransern in einem Berge gefunden“. Der lateinische Text in der Mitte enthält eine allgemeine Beschreibung der Fundumstände sowie der Formen und Verzierungen. Am Ende findet sich die barocktypische Ermahnung, des Todes zu gedenken: „Vive memor lethi“201. Diese für die zweite Hälfte des 17. und den Beginn des 18. Jahrhunderts typische Form der Inkorporation der prähistorischen Funde durch das Todesgedenken lässt allerdings zweifeln, ob Major nicht bei der Neusetzung des Textes, die belegt ist, Veränderungen vorgenommen hat. Das könnte dann auch für die Maßstabsleiste mit ihrem Text gelten, deren Beschriftung wie der lateinische Text mit einer kursiven, aber von dieser geringfügig abweichenden Type gedruckt ist. Die Verschiedenartigkeit der Texte und ihrer Schriften spricht jedenfalls für eine substantielle Überarbeitung, so dass Maßstabsleiste und Beschreibung wohl eher für 1667 zu verbuchen sind (siehe Bd. 2). 3.4.2.5 Phantastische Genre- und Menschenbilder Am Beginn archäologischer Darstellungen in der Renaissance nördlich der Alpen stehen allerdings die phantastischen Illustrationen in verschiedenen Weltchroniken. Wie die Schriften selbst in mittelalterlicher Tradition stehen, so auch ihre Illustratio nen. Sie leiten aber eine ganze Serie von historischen Menschen- und Genrebildern ein, die sogar die Entstehung der archäologischen Fächer überlebt hat und bis heute
201 http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/9000/pdf/Silesia_ESD_Hakelberg_2012.pdf, S. 59 ff. mit Abbildung.
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Abb. 39: „Ceraunia cuneata“. Kupferstich von Antonius Eisenhoit. Mercati 1717, S. 241. © Barbara Sasse, Michael Kinsky.
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Abb. 40: „Ceraunia vulgaris“. Kupferstich von Antonius Eisenhoit. Mercati 1717, S. 244. © Barbara Sasse, Michael Kinsky.
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einen Teil der archäologischen Öffentlichkeitsarbeit ausmacht. Uns interessiert hier, inwieweit dabei reale historische Vorbilder verarbeitet wurden und welche Rolle sie in der Darstellung einnehmen. Da man außerdem eigene Denkmäler zunächst und lange nicht historisch einordnen konnte, erhebt sich die Frage, woher historische Vorlagen kamen und welchen Erkennungswert sie besaßen. Zunächst geht es um eine Serie von heidnischen Gottesanbetungen aus den Jahren 1457 bis 1522. Die Abbildungen stammen aus einer Abschrift der Augsburger Chronik des Sigismund Meisterlin, die von Hector Mülich 1457 illustriert wurde, aus Hartmann Schedels Weltchronik, die 1493 im Druck gleich mit kolorierten Holzschnitten erschien und aus der mit Holzschnitten vom Augsburger Drucker Melchior Ramminger 1522 gedruckten Fassung der Augsburger Chronik Meisterlins. Alle drei Werke zeigen fast ausschließlich die Umgebung, Tracht und Bewaffnung des 15. Jahrhunderts bzw. der Maximilianzeit (Stemmermann 1934, S. 14 ff., Taf. I, Abb. 1 und 2). Das gilt auch für technische Details: z. B. sind beim Bau des Turms zu Babel Werkzeuge des 15. und 16. Jahrhunderts dargestellt (Schedel 1493, fol. 17v)202. Das entspricht dem Usus der Vorgängerwerke, so den Handschriften des Jansen Enikel, einer Weltchronik aus dem Augsburg des 13. Jahrhunderts, die aber noch im 15. Jahrhundert abgeschrieben und mit Miniaturen in unhistorisch- zeitgenössischem Stil ausgestattet wurde203. Die italienischen Parallelbeispiele unterscheiden sich wenig: Die zeitgenössische Architektur sieht man auch auf den Holzschnitten der Weltchronik des Foresti di Bergamo in ihrer Venezianer Druckausgabe von 1486 (Supplementum chronicarum orbis ab initio mundi204; Krümmel 1992). Dennoch lässt sich am Beispiel der Darstellung der Anbetung der Göttin Cisa in Augsburg 1457, der Darstellung des Goldenen Kalbs am Sinai und der Trajanssäule in Rom aus der Schedelschen Weltchronik von 1493 sowie am Beispiel der Anbetung der Göttin Cisa in Augsburg 1522 eine tastende Antikisierung zeigen: Mülich stellte 1457 die Abgöttin auf eine gotische Bündelsäule mit einem figürlichen Kapitell. Man sieht Flügel an ihrem Kopf, die Meisterlin wohl bei Merkur beobachtet hatte. Die Säule steht auf einem Platz in einer spätmittelalterlichen Stadt, Menschen in spätmittelalterlicher Kleidung umringen sie in einem Reigen. Lediglich der Palisadenzaun und fellgekleidete Menschen als Primitivitätssymbole deuten die vorrömische Zeit an (Meisterlin/ Mülich 1457, fol. 21r; Abb. 41). Michael Wohlgemut, der Schöpfer der Bildausstattung der Schedelschen Weltchronik, hat die Anbetung des Goldenen Kalbs ähnlich darge-
202 http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0003/bsb00034024/images/index.html?id=0003402 4&fip=193.174.98.30&no=&seite=104. 203 Enekel, Jansen/Strauch, Philipp (1900): Jansen Enikels Werke, herausgegeben von Philipp Strauch. MGH, Deutsche Chroniken 3. Hannover. Zu den Handschriften ebd., S. VI. Als Vorlage für Meisterlin und Mülich interessiert eine Handschrift aus der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts aus dem bayerisch-österreichischen Raum: http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00048175/image_1. 204 http://fondosdigitales.us.es/fondos/libros/397/111/supplementum-chronicarum-orbis-ab-initiomundi. Besucht am 24. 03. 2015.
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Abb. 41: Die Verehrung der Göttin Cisa. Meisterlin/Mülich 1457, fol. 21r. © Foto Marburg.
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stellt: der Abgott Kalb steht in der Mitte auf einer Säule und wird von den Anbetern wie in einem Reigen umringt. Die bei Mülich eindeutig gotische Säule ist aber einer Art dorischen Säule mit marmoriertem Schaft gewichen (Schedel 1493, fol. 31)205. Auf Schedels Darstellung der Stadt Rom ist es die Trajanssäule, die als deutlich antikes Monument etwa in der Mitte der Stadt heraussticht (Schedel 1493, fol. 57v f.)206. Für die Antikisierung der Säule und des Götzenbildes in der Druckfassung der Augsburger Chronik von 1522 aber standen bis auf das Goldene Kalb, das ja Mülichs Darstellung imitiert, alle übrigen Bilder Pate: Der Säulenschaft ist antik, ja er hat sich der Trajanssäule durch die Torsion und den relativ großen Durchmesser angenähert. Nur das gotische Bildkapitell ist im Prinzip erhalten geblieben207. Das Götzenbild selbst lehnt sich deutlicher als das von Mülich an den Merkur von Konrad Peutinger oder ein anderes Merkurs- oder Götzenbild an – erst am Ende des 16. Jahrhunderts gewannen diese Götterdarstellungen ähnlich wie die Personendarstellungen der Grabsteine einen stärkeren Realitätsbezug (Abb. 42–43). Stadt, Platz und Palisadenzaun sind dagegen gegenüber 1457 kaum verändert, auch der Reigen der Personen in zeitgenössischer Tracht ist erhalten geblieben. Zusammenfassend kann man sagen, dass bei der jüngeren Darstellung antike Elemente wie bei den italienischen Werken im Stil „all’antichità“ (siehe S. 227) eingearbeitet wurden, die sich ja zeitlich parallel von den neunziger Jahren des 15. Jahrhunderts an entwickelten (siehe S. 239 ff.). Nur handelt es sich hier nicht um eine kulturspezifische Darstellungsweise, denn es ging ja nicht um die Klassische Antike. Eher ging es um Symbole für das Alter und vor allem das Heidentum. In Schedels Weltchronik findet man auch andere symbolische Ansätze ähnlicher Art, die nicht aus der Klassischen Antike genommen sind: So ließ Schedel jüdische Priester und Kultobjekte seiner Beschreibung gemäß exotisch darstellen und diese an verschiedenen Stellen seiner Weltchronik einsetzen (Schedel 1493, fol. 33). Dass es dabei nicht um die Kennzeichnung einer anderen Kultur ging, zeigt, dass Ägypten renaissancezeitlich gezeichnet ist (Schedel 1493, fol. 27)208. Beispiele für eine unhistorische, symbolische Inhalte vermittelnde Darstellungsweise findet man bei historischen oder mythischen Phantasiebildern der Urzeit bis weit in das 17. Jahrhundert hinein. Hierher gehören z. B. Abbildungen der Chronik von Sebastian Münster, die 1544 gedruckt wurde. So sieht man ein Bild des Ptolemäus in Renaissancetracht mit Symbolen seiner Tätigkeit, eines mittelalterlichen Kaisers
205 http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0003/bsb00034024/images/index.html?seite=132& fip=193.174.98.30. Besucht am 24. 03. 2015. 206 http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0003/bsb00034024/images/index.html?seite=185& fip=193.174.98.30. Besucht am 24. 03. 2015. 207 Anders Paul Hans Stemmermann bezüglich der kleinen Figuren im Kapitell (Stemmermann 1934, S. 16). 208 http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0003/bsb00034024/images/index.html?seite=124& fip=193.174.98.30. Besucht am 24. 03. 2015.
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mit seinen Insignien als Symbol für römische Kaiser oder des Turmbaus zu Babel mit zeitgenössischem Baugerät, das auch schon bei Hartmann Schedel 1493 in diesem Zusammenhang erschien (Münster 1544, S. 12, S. 27, S. 57). Folglich bediente man sich auch immer wieder derselben Symbole. Nikolaus Marschalk verwendete für die Darstellung der mythischen Stufe der Menschheitsentwicklung ein Symbol, das der sakralen Malerei entnommen ist, den Blattgoldhimmel (Sasse 2010, S. 257 f.). Auf dieser Stufe befinden sich acht Miniaturen mit Gold, von denen der schon erwähnte Dolmen – die Begräbnisstätte der Vorfahren der Herzogsdynastie – die letzte bildet. Vor ihm sind Alexander der Große (Taf. 2), eine Amazone, der Gott Radegast mit dem slawischen Pantheon und vier slawische Gottheiten abgebildet (Reimchronik fol. 7, 9, 14, 15, 16, 16v, 18), danach folgen Bilder des Landes und der Herzöge. Alexander, die Amazone und die Herzöge tragen zeitgenössische Tracht und Ausrüstung, Vorlagen für die slawischen Götter bot die 1492 in Mainz gedruckte Chronik der Sassen (Bischoff 2006, S. 132 ff.), für die Darstellung des Prone vermutlich auch die Göttin Cisa in der Druckausgabe der Augsburger Chronik des Meisterlin (1522). Nimmt man den Komplex der acht Goldblattminiaturen zusammen, so kann man den Dolmen auch als ein Symbol „all’antichità“ verstehen (siehe S. 227) – mit dem Unterschied, dass die Wahrnehmung und die Einordnung des Dolmens in die Vorzeit der Herzöge schon eine wissenschaftliche archäologische Leistung darstellt (siehe S. 252). Ähnlich wie diese neun Bilder der mythischen Zeit muten die etwas späteren Holzschnitte beim schwedischen Bischof Johannes Magnus 1554[1558] an. Hier findet sich zwar keine Darstellung eines Megalithgrabes, aber skandinavische Götter in zeitgenössischer Tracht und Umgebung mit einem Sternenkranz (Magnus 1554[1558], S. 38, S. 40; Abb. 44). Zu Thor schrieb Magnus: „Erat in capite eius corona, et in manu sceptrum, atque in circuitu duodecim stellae … imberbem vel Iovi similem, qui in aere praesidens …“ (ebd., S. 36). Darstellungen der mythischen Urgeschichte sind auch ein Opfer (ebd., S. 42), eine Amazone (ebd., S. 62) und der Kampf der Goten gegen die Donnerkeile werfenden Feinde der Götter: „Praeterea tam obstinatissimo animo Deorum suorum cultum observabant, ut concitato in nubibus fragore, sagitta ex arcibus in aera excutientes, ostenderent se opem afferre velle Diis suis, quos tunc ab aliis opugnari putabant …“ (Magnus 1554[1558], S. 44)209. Auf der Zeichnung sind zeitgenössisch gekleidete Krieger zu sehen, die mit Pfeil und Bogen in die Wolken schießen (Abb. 45). Ein Vorbild dafür war vielleicht der mehrfach und auch auf Deutsch aufgelegte Ortus sanitatis von 1491, wo die vom Himmel regnenden Donnerkeile abgebildet sind (Mennung 1925, S. 42, Abb. 1 und 2; Wollf 2010, S. 91).
209 Übersetzung: Außerdem betrieben sie beharrlich den Götterkult, indem sie sich bei Gewitter sehen ließen, wie sie Pfeile in die Luft abschossen, in der Annahme, den Göttern, die sie im Kampf mit anderen glaubten, einen Dienst damit zu erweisen.
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Abb. 42: Darstellung eines Merkurbildes im Halbrelief aus der Sammlung Konrad Peutingers. Holzschnitt. Peutinger 1520, fol. B. © Universitätsbibliothek Freiburg i. Br./Historische Sammlungen.
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Abb. 43: Darstellung eines Merkurbildes im Halbrelief aus der Sammlung Konrad Peutingers durch Markus Welser. Welser 1594, S. 209. © Barbara Sasse, RGK.
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Abb. 44: Johannes Magnus, Odin im Sternenkranz mit Thor und Freia. Magnus 1554[1558], S. 38. © Barbara Sasse, RGK.
Magog, der „primus Gothorum rex“ trägt bei Johannes Magnus ebenfalls zeitgenössischen Ornat, Krone, Reichsapfel und Zepter (Magnus 1554[1558], S. 28)210. Eine ganz besondere Rolle nahmen historische Phantasiefiguren in den De aliquot gentium migrationibus von Wolfgang Lazius, dem Historiographen Kaiser Ferdinands I. ein. Für jede der in seinen Genealogien behandelten Gentes ließ er jeweils mindestens ein charakteristisches Bild abdrucken. Die Abbildungen besitzen im Gliederungskonzept einen festen Platz. Sie stehen jeweils am Anfang der Origo gentis, z. B. der Aboriginer vor dem ersten Buch mit der Überschrift „Liber Primus: De aboriginibus, et iis qui mox post diluvium in tractu Austriacarum provinciarum inferiorum sedes habuerunt, populis“ (Lazius 1557[1572], S. 14 f.; Abb. 46). Orientalische Trachtelemente wie Schnabelschuhe und Pumphosen deuten die orientalische Herkunft der ersten Bewohner an. Dabei findet man aber schon das Bemühen um zeittypische Tracht und – wie beim schon erwähnten Carnus – um antike Vorlagen. In diesem Fall wählte er als Vorlage für die Darstellung des Carner den von Johann Huttich publizierten Legionär aus der Sammlung von Dietrich Gresemund! Zu einer anderen Zeichnung schrieb er: „Icones sexti libri ex veteris nummis,
210 http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10206684_00072.html.
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Abb. 45: Johannes Magnus, Die Goten greifen bei Gewitter in den Kampf der Götter ein. Magnus 1554[1558], S. 44. © Barbara Sasse, RGK.
cum inscriptionibus …“ (Lazius 1557[1572], S. 185). Der Swebe wird in zwei Zeitschichten abgebildet: „Svevus ante annos CCCC“ und „Svevus ante mille annos“. Der Letztere besaß bei einer mehr oder weniger zeitgenössischen Phantasietracht ein Fellumhängchen und einen Swebenknoten (Lazius 1557[1572], S. 443; Abb. 47). Diese ersten Entwürfe einer historisierenden Tracht erreichten aber trotz der verwendeten antiken Vorlagen noch keine Qualität kulturhistorischer Bilder, weil die Auswahl der Vorlage kulturell beliebig war wie beim Carner und außerdem ungenau in der Wiedergabe. Meistens waren die Merkmale auch nur aus den Texten erschlossen und aus der Phantasie oder zeitgenössisch umgesetzt worden, wie spezifische gallische Waffen oder der Swebenknoten oder das lange Haar des Frankenkönigs mit seinem Ochsenkarren (Lazius 1557[1572], S. 153, S. 443, S. 50; Abb. 48). Man ging hier von der textlichen Überlieferung aus und arbeitete ähnlich wie die italienischen Kollegen bei der Funktionsbestimmung der Monumente. Nur war trotz der Ähnlichkeit mancher Waffen und Geräte aus ur- und frühgeschichtlicher Zeit zu zeitgenössischen Objekten die Aufgabe ungleich schwerer, da die alten erhaltenen Gegenstände nicht datiert und sehr oft auch nicht lokalisiert werden konnten und die Beschreibungen in den antiken Quellen sich auf antike Objekte bezogen oder
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Abb. 46: Wolfgang Lazius, Phantasiefigur eines Ureinwohners (Aboriginer). Lazius 1557[1572], S. 14. © Barbara Sasse, RGK.
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Abb. 47: Wolfgang Lazius, Phantasiefiguren „Svevus ante annos CCCC“ und „Svevus ante mille annos“. Lazius 1557[1572], S. 443. © Barbara Sasse, RGK.
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Abb. 48: Wolfgang Lazius, Frankenkönig mit langem Haar auf dem Ochsenkarren und fränkischer Soldat. Lazius 1557[1572], S. 50. © Barbara Sasse, RGK.
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nicht genau genug waren. Deshalb arbeiteten Wolfgang Lazius und später Philipp Clüver ausschließlich auf philologischer Basis und bezogen archäologische Funde gar nicht in ihre Überlegungen ein. Die entsprechenden Bilder entnahmen sie einem ganz anderen Fundus: der zeitgenössischen Sachkultur, der Beschreibung antiker und mittelalterlicher Objekte in der schriftlichen Überlieferung, antiken bildlichen Darstellungen und orientalischen bzw. überseeischen Vorbildern, die eine exotische Fremdsymbolik vermitteln konnten. Doch schon die Begriffe den richtigen Dingen zuzuordnen, verlangte eine intensive Quellenkenntnis, die noch nicht vorhanden war. So hielt Lazius die Franziska trotz der eindeutigen Beschreibung bei Isidor von Sevilla für eine Lanze und bezog sich irrtümlich auf Gregor von Tours: „… gestabant telum, quod Anconam Procopius et Agathias, Frangescam autem Gregor Turonensis appellat“ (Isid. orig. 18,6; Lazius 1557[1572], S. 51)211. Eine Anlehnung an orientalische Tracht findet sich bei Lazius nur beim Aboriginer, obwohl die ersten Türkendarstellungen schon als Germanenvorlagen benutzt worden waren (Aventinus 1566, fol. C2)212. Noch war das Childerichgrab nicht gefunden worden, um den Begriff der Franziska mit Leben füllen zu können! Wenn man auch später noch unpassende Vorlagen kopierte und Symbole für allgemeingültige Eigenschaften verwendete, konnte man im 17. Jahrhundert das Leben im Altertum doch nicht mehr zeitgenössisch dargestellen. Interessant sind in dieser Hinsicht die teilweise sehr skurilen und deshalb berühmt gewordenen Stiche des Werkes von Philipp Clüver (1616). Im Text finden die Illustrationen zwar keine Erwähnung, sie weisen aber einen allgemeinen Bezug zum Inhalt dieses rein philologischen Werkes auf. Entsprechend sind sie auch in der Nähe der Kapitel angeordnet, die sie inhaltlich berühren. Eigene antike Vorlagen wurden nicht benutzt, wohl aber Vorlagen, in die die Kenntnis archäologischer Funde eingeflossen war. Wie bei Wolfgang Lazius sind Personen mit verschiedenen Attributen und bei verschiedenen Tätigkeiten dargestellt, nur hat Clüver sie in eine ebenfalls erfundene Umgebung gestellt und insofern eindrucksvolle Theaterszenen geschaffen. Wichtig ist dabei, dass auf die zeitgenössische Kultur nur noch selten als Vorlage zurückgegriffen wurde. Die Attribute schaffen einen pseudohistorischen Rahmen und sind sehr interessant: Oft sind die Personen nackt dargestellt, die Frauen mit langem, offenem Haar (Clüver 1616, Buch 1, nach S. 158)213. Für einen Teil der männlichen Kleidung stand der Swebe von Wolfgang Lazius Pate: Man findet den kleinen Fellumhang oder ähnliche Umhänge aus gestreiftem Stoff als einzige Kleidungsstücke und vor allem den Swebenknoten (Lazius 1557[1572], S. 443, hier Abb. 47; Clüver 1616, Buch 1, nach S. 148, Abb. 11)214. Diese Figur wurde auch für zwei keltische Reiter verwendet. Beide Reiter
211 Gregor von Tours verwendete den Begriff der Franzisca nicht! 212 http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10196353_00037.html. 213 http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cluever1616/0219. 214 http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cluever1616/0201.
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haben Kopftrophäen – têtes coupées, die mit adäquaten Quellenstellen im Kapitel „De iis, quae post proelium victoriamque a victoribus fiebant“ belegt werden (ebd., nach S. 364, Abb. 1; ebd. S. 391 f.; Abb. 49). Das Vorbild für diese Figur stellte aber wohl der Pikte aus einer ganzen Serie von Phantasiefiguren von John White aus dem Jahre 1585 – auch er hält einen abgeschlagenen Kopf in der Hand. White hatte auf ein Indianerbildnis von 1575 zurückgegriffen (Kendrick 1950, Taf. XIII und XIV). Als eine andere fruchtbare Vorlage erwies sich der Heruler des Wolfgang Lazius (Lazius 1557[1572], S. 784215), ein Herkules mit Keule und Wolfsfell (Clüver 1616, Buch 1, nach S. 360, Abb. 2; Abb. 50). Daneben gibt es aber auch orientalisierende weite Hosen und Schnabelschuhe als Symbole fremder Kultur (ebd., nach S. 148, Abb. 10). Waffen sind überwiegend Lanzen und Keulen, selten Schwerter, die Krieger tragen lange, rechteckige Schilde aus Holz. Man wohnt in Holzhäusern mit offenen Feuern und geflochtenen Holzzäunen und verbrennt die Toten auf einem riesigen, wohlgestapelten Scheiterhaufen, nicht ohne auch die Witwen zu hängen (siehe Anm. 214; Clüver 1616, Buch 1, nach. S. 400, Abb. 1)216. Ein Vorbild für die Darstellung von Opferung und Leichenverbrennung, die sich im weiteren 17. und im 18. Jahrhundert dann großer Beliebheit erfreuen sollte, stellte sicher ein von Tommaso Porcacchi veröffentlicher Stich dar (Abb. 51). Durch die Werke von Lazius und Philipp Clüver entstanden jedenfalls Figurinen, die in der altertumskundlichen Literatur in späterer Zeit immer wieder eingesetzt und im 19. Jahrhundert endlich historisiert wurden. Besonders fruchtbar entwickelten sich allegorische Darstellungen auf Frontispizen, deren Urformen ebenfalls schon in das 16. Jahrhundert zurückgehen (Welser 1594, Frontispiz; hier Abb. 52; Lindenschmit 1846, Frontispiz; siehe Bd. 2).
3.5 Die Auswertung deskriptiver Merkmale 3.5.1 Kombinationen und analoge Merkmalsvergleiche Die sich entwickelnde Klassifikation führte an wenigen, aber dafür umso wichtigeren Stellen zur Beobachtung von regelmäßigen Merkmalsverbindungen, die weitere Interpretationen zuließen. Im 16. Jahrhundert gelangen deshalb schon die ersten Analogien zwischen Objekten aufgrund von Merkmalen. Die erste stringente Kombination war die von Inschrift und Monument. Sie findet sich schon bei Ciriaco d’Ancona und bei Flavius Blondus und entwickelte sich weiter in den folgenden Inschriftenpublikationen. Dennoch wurde sie nur eindeutig, wenn
215 http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10196951_00804.html. 216 http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cluever1616/0474.
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auch eine sichere Identifikation des Monuments gelungen war wie beim Aquädukt auf dem Mons Caelius (Blondus 1531b [Roma instaurata, Buch I, Kap. 79]). Leon Battista Alberti untersuchte 1452 in der Nachfolge von Vitruv die Zusammengehörigkeit bestimmter dekorativer Merkmale zu definierten Bauformen. Das Bewusstsein, dass hierzu auch die Topographie bzw. die Fundumstände gehörten, war allerdings noch schwach ausgeprägt (siehe oben). Eine ganz konkrete Kombination von Fundort, Monument sowie Stil- und Technikmerkmalen findet sich in dem Brief von Baldassare Castiglione und Raffael, wenn hier auch nicht alles richtig beobachtet worden ist (siehe S. 230). Das Arbeiten mit Merkmalen charakterisiert neben der Architektur vor allem die naturwissenschaftlichen Sammlungspublikationen. Wir finden es z. B. in Ansätzen bei Ulisse Aldrovandi, der angab, dass die Cerauniae, die Donnerkeile, eine bestimmte Größe, Härte („simili silicibus“) und Bohrlöcher aufwiesen sowie, dass einige von ihnen geglättet waren. Aldrovandi schloss aber nicht aufgrund dieser Merkmale, sondern ausgerechnet aufgrund von falsch beobachteten oder falsch überlieferten Fundumständen. Diese sollten die Verbindung der Cerauniae mit Blitz einschlägen bestätigen und damit die durch Plinius vorgegebene Interpretation. Dabei stützte er sich auf die Berichte von Conrad Gesner, die auf Johannes Kentmann zurückgehen. Auch Abbildungen übernahm er von dort (Abb. 20, 3–7). Der Fall zeigt, dass nicht nur die Methode der Kombination an sich, sondern auch die richtige Auswahl und Kritik von Merkmalen, d. h. das Problem der Induktion eine Rolle spielt. Aldrovandi rückte deshalb trotz der Angabe von Beobachtungen nicht von der antiken Meinung ab. Sie wird lediglich durch den Satz „Verum quoniam tam constans fama est fulmen esse lapidem, ut si quis hanc Vulgi opinionem explodere vellit, insipiens prorsus esse videatur“ relativiert (Aldrovandi 1648, S. 608)217. Dieser Satz findet sich auch bei einem anderen Autor, Anselm de Boodt (Hoernes 1909, S. 373), dessen Ansicht zur Entstehung der Cerauniae im Himmel Aldrovandi ebenfalls zitierte218. Die mangelnde Begründung für diese Kritik und das Fehlen eindeutiger eigener Beobachtungen an den erwähnten Stücken lassen den Zweifel aufkommen, ob Aldrovandi überhaupt Cerauniae in seiner eigenen Sammlung gehabt und mit diesen gearbeitet hat. Die Zeichnung eines geschliffenen Beiles mit der Bezeichnung „Ceraunia viridis“ – schwarzgrüner Donnerkeil – scheint als einzige original zu sein. Der dazu gehörige Text erinnert jedoch verdächtig an Conrad Gesners Beschreibung eines polierten Beils, dessen Abbildung Aldrovandi allerdings aus Gesners Werk ebenfalls
217 Übersetzung: Weil aber das Gerücht so hartnäckig ist, es sei ein Blitzstein, muss der, der diese beliebte Ansicht anzweifeln möchte, geradezu dumm erscheinen. 218 Vermutlich gab es hier einen Austausch von Manuskripten, denn die Werke beider Autoren sind erst nach dem Tod Aldrovandis im Jahre 1605 erschienen, das Werk des Boetius Gemmarum et lapi dum historia 1609, Aldrovandis Werk postum 1648.
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Abb. 49: Phantasiedarstellung eines keltischen Reiters. Clüver 1616, Buch 1, erstes Bild nach S. 364. © Barbara Sasse, RGK.
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Abb. 50: Phantasiedarstellung zweier Kämpfer mit Keule und Wolfsfell. Clüver 1616, Buch 1, zweites Bild nach S. 360. © Barbara Sasse, RGK.
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Abb. 51: Opferung und Leichenverbrennung bei den Herulern. Porcacchi 1574[1591]), S. 85, Bild 22. © Barbara Sasse, RGK.
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Abb. 52: Marci Velseri rerum Augustanarum Vindelicarum, Frontispiz. Links Phantasiefigur eines Räters, rechts des Drusus. Welser 1594. © Barbara Sasse, RGK.
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reproduzierte (Gesner 1565a, S. 62 f.; Aldrovandi 1648, S. 611, Nr. 3; siehe auch S. 255). Die Abhängigkeit von Gesner zeigt sich auch bei der Behandlung der Glossopetrae, deren Grundlage aber wohl der Lehrer beider, Guillaume Rondelet, gelegt hat (Aldrovandi 1648, S. 603 ff.). Michele Mercati wendete bei seiner Untersuchung der Cerauniae zwar nicht den Fundort, aber die Kombination von Material, Herstellungstechnik und funktionalen Merkmalen an. Vermutlich unterstützte er seine Beobachtung der Bearbeitungsmerkmale sogar durch Experimente (siehe S. 349 f.). Lassen sich in dem behandelten Zeitraum schon Urteile finden, die auf der Ähnlichkeit von empirisch gewonnenen Merkmalen, der geographischen Verbreitung dieser und selten auch schon der Verknüpfung bestimmter definierter Fundstücke mit bestimmten Denkmälerarten beruhen, so waren sich doch nur sehr wenige der Bedeutung des Fundortes oder gar des geschlossenen Fundes bewusst. Wenn auch der einzelne Fundort bei Nikolaus Marschalk noch keine Rolle spielte, so beruht seine Erkenntnis von zwei Bestattungstypen in Mecklenburg, den Urnengräbern und den Megalithgräbern, doch auf der Fähigkeit, die beobachteten Merkmale zu gruppieren. Dabei flossen auch zwei Fundortkategorien ein, Hügel und Straßen. Den Hügeln werden die großen Steine im Kreis und der Deckstein zugeordet, den Straßen Brandgraburnen mit Beigaben. Diese Leistung wird auch nicht dadurch geschmälert, dass der analoge Vergleich mit antiken Vorbildern die Formulierung dieser Merkmale mit beeinflusst hat (Sasse 2010, S. 252 ff.). Aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gibt es dann schon einige erstaunliche Belege. Ambronsio de Morales z. B. stellte fest, dass ein bestimmter roter Keramiktyp, den wir trotz des fehlenden Bildes nur aufgrund seiner Beschreibung als Terra sigillata sichern können, nie auf Plätzen begegnet, die nicht auch andere römische Merkmale aufweisen. Als diese anderen Merkmale nennt er bestimmte Bauruinen, Inschriften, die Bearbeitung der Steine, Münzen und eventuell Statuen und deren Fragmente (Morales 1575, fol. A 2v ff.). An anderer Stelle wertete Morales einen Münzkomplex aus (Morales 1574, S. 74, S. 132–133). Ebenfalls vom Denken in Fundzusammenhängen zeugen die Argumentationen von Petrus Albinus 1590. Er konnte Regelmäßigkeiten zwischen Funden und Befunden feststellen und urteilte aufgrund der Zusammengehörigkeit eines Hügelgräberfeldes. Drei Kategorien, das Fundgebiet, die Keramikform und die Keramikfarbe konnte er jedoch noch nicht gruppieren (Albinus 1590, S. 178 ff.). Zu den ersten als Komplex erfassten archäologischen Denkmälern gehört auch das Ensemble von Jelling. Henrik Rantzau und Peter Lindeberg verstanden sicher die Zusammengehörigkeit der Monumente (Schück 1932, S. 57; Eggers 1959, S. 27; KlindtJensen 1975, S. 14 f.; Schnapp 1993, S. 150 f.; Andersen 1996). Am Ende des 16. Jahrhunderts war die Münzkenntnis schon so weit vorgedrungen, dass es 1593 gelang, einen Brunnenfund als Komplex auszuwerten. In der Heilquelle von Niederbronn-les-bains im Elsass waren jahrhundertelang insgesamt 300 Münzen deponiert worden, die der Arzt und Astronom Helisaeus Röslin nach ihren
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Prägungsdaten klassifizierte und auszählte (Schnitzler 1998, S. 22)219. Dieses ist jedenfalls einer der ersten Hinweise darauf, dass ein Fundkomplex abhängig von Fundort und Fundumständen und einer daraus resultierenden Funktion ausgewertet wurde. Als 1613 der Münsteraner Domküster Johan von Velen „Surbolds Grab“ auf dem Hümmling (Niedersachsen) untersucht hatte, berichtete er, daß er „zu bezeigung“ seines „fleisses vnd das die historici und Antiquarii darauff zu speculieren haben mugen, von allen ettwas In ein feßlein gepacket“ (zit. nach Gummel 1938, S. 17). Über Experimente zur Klärung archäologischer Fragen sind wir bis ins 18. Jahrhundert außerhalb Italiens nicht unterrichtet, es sei denn, wir werten gezielte Grabungen in diesem Sinne. Vielleicht bezweckte der Breslauer Georg Uber Versuche an prähistorischen Funden aus Urnengräbern, als er diese an Schmiede zur Funktionsprüfung übergab. Leider scheint man aber zu keinem Ergebnis gekommen zu sein (Wollf 2010, S. 80).
3.5.2 Datierung Da die Renaissance-Archäologie noch keine stilistisch definierten Kulturphasen und noch keine sicher definierte Stratigraphie kannte, beziehen sich Datierungen fast ausschließlich auf Einzelobjekte. Deshalb greift die uns heute geläufige Unterscheidung zwischen relativer und absoluter Chronologie noch nicht. Der Begriff der „mutatio“ bei Flavius Blondus lässt aber eine Änderung von Kulturmerkmalen und insofern eine relative Zeitbestimmung aufgrund von bestimmten Eigenschaften der Kultur zu. Deshalb finden wir in der Umgebung von Blondus und auch in seiner Nachfolge Ansätze zu einem kulturperiodischen Denken. Es ist mit der Metapher des Zyklus von Aufstieg und Niedergang, Jugend und Alter verbunden, auf der ja auch der Renaissancegedanke beruht (siehe S. 354). So schrieb Leon Battista Alberti (1452, Buch VI, Kap. 3): „Quod aedificatoria adolescentiam in Asia, florem apud Graecos, probatissimam vero maturitatem apud Italos adepta sit“. Raffael stellte in dem von ihm und Baldassare Castiglione an Leo X. gerichteten Brief fest, dass die Künste während der römischen Zeit eine Dekadenz erlitten hätten, am längsten habe sich jedoch die Architektur gehalten, die erst mit dem Niedergang des Römischen Reiches zugrunde gegangen sei. Dabei bezog er sich auf den Dekor des Konstantinbogens, den er für „sciocchissime“ hielt. Er erwähnte auch Veränderungen in der Bautechnik, die durchaus für eine relative Datierung anwendbar wären. Allerdings ist mir kein Beispiel bekannt, dass man diesen weiteren Schritt schon in dieser
219 Röslin, Helisaeus (1593): Des Elsäß und gegen Lotringen grentzenden Waßgawischen Gebirgs gele genheit, und Com[m]oditeten inn Victualien und Mineralien: unnd dann der Mineralischen Wassern, sonderlich dessen zu Niderbronn … generation un wirckung von alten Monumente[n] und gedächtnuß Zeichen … Straßburg. Dazu: Schnitzler 1998, S. 22.
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Zeit gegangen wäre. Beim Konstantinsbogen zog man diese Schlüsse nur aufgrund der Inschrift und ohne Kenntnis der unterschiedlichen Bauphasen (Melucco Vaccaro 2001, S. 23) – ein Beleg dafür, dass es sich bei dem Begriff der Dekadenz in diesem Fall um einen Topos handelte, und eine echte ikonographische Analyse noch nicht stattgefunden hatte, durch die auch stilistische Unterschiede hätten erkannt werden können. Doch stand man kurz davor, auch bestimmte Merkmale zu datieren, so sogar schon Flavius Blondus die Marmorsäulen in Rom in der De Roma triumphante: „L. Crassum oratorem scribit Plinius primum Romanorum columnas habuisse in atrio marmoreas“ (Blondus 1531b, S. 187). Blondus datierte hier und an vielen anderen Stellen seiner Werke durch schriftliche Quellen. Er wandte auch den Terminus post quem zur Datierung der Veränderungen des Flusslaufes im Podelta an, indem er eine Karte Petrarcas zu Rate zog, die allerdings nicht die aktuelle Situation verzeichnete. Deshalb hat sich der Humanist geirrt, obwohl er methodisch richtig gearbeitet hat (Clavuot 1990, S. 197 f.). Auch Michele Mercati versuchte, die von ihm als menschliche Produkte identifizierten Steinwaffen zu datieren. Während er durchaus wusste und zitierte, dass Steingeräte auch in historischer Zeit unter besonderen Umständen benutzt wurden, entnahm er den antiken Quellen, dass Eisen, das für ihn wohl für Metall generell steht, erst im Laufe der Menschheitsgeschichte erfunden worden ist. Er schloss deshalb auf eine Zeit davor, in der es nur Stein und andere Materialien zur Herstellung von Waffen und Geräten gegeben hat. In diesem Zusammenhang rezipierte er auch Lukrez, bei dem allerdings nur eine relative Datierung gegeben wird (siehe S. 119). Um den Endpunkt dieser Zeit zu fixieren, versuchte er als Terminus ante quem die Einführung des Eisens zu verwenden, für die er ein Datum in den literarischen Quellen und damit innerhalb der biblischen und antiken Chronologie suchte. Leider musste er feststellen, dass sich die Texte widersprachen, so dass er zu keinem konkreten Ergebnis kommen konnte. Selbst eine Entscheidung, ob die Erfindung des Eisens in die vordiluvianische Zeit zu setzen sei, wie es nach der biblischen Überlieferung zu Tubal-Kain, der Eisen und Krieg über die Menschen gebracht hätte, anzunehmen war, oder später in der antiken Welt stattgefunden hatte, musste er offen lassen (Mercati 1717, S. 245). Da sich Mercatis Überlegungen innerhalb der bekannten Chronologie und jüdischen Geschichte befanden, griffen sie zumindest chronologisch das biblisch-christliche Weltbild nicht an und wurden offenbar zu seinen Lebzeiten von den Päpsten gefördert (siehe S. 149). Konkreter als die Datierung durch erzählende schriftliche Quellen ist eine direkte Datierung durch Inschriften, die allerdings bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts zur zeitlichen Fixierung kultureller und landschaftlicher Merkmale noch selten angewandt werden konnte. Das Beispiel aus der Roma instaurata des Flavius Blondus führt zu einer absoluten Datierung der beiden Aquädukte auf dem Mons Caelius durch Inschriften:
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… quarum unam cubitales literae Caracalae Antonini, quam in Capitolium perduxit: alteram ab Claudio in aventinum perductam, tituli eius imperatoris marmorea incisi tabula, quae iuxta Lateranense xenodochium cernitur, fuisse ostendunt. Quamquam veteres illas fuisse credimus formas a Claudio Antoninoque instauratas, Claudiam vero cum maiore ex parte corruisset, Hadrianus papa eius nominis primus, anno nunc sexcentesimo vigesimo instauravit (Blondus 1531b, S. 238 [Roma instaurata, Buch 1,79])220.
Die Datierung durch Inschriften krankte jedoch einerseits an den vielen Fälschungen, andererseits aber auch an der schweren Lesbarkeit der Texte. Das erklärt auch und ist zugleich paradox, dass es in den neunziger Jahren des 15. Jahrhunderts ausgerechnet Annius von Viterbo mit seiner Lesung von gefälschten oder auch etruskischen, für ihn eigentlich unverständlichen Texten war, der als Erster in der Renaissance Inschriften systematisch historisch interpretierte (Weiss 1962a; 1969, S. 154). Dazu gehörte als Basis auch eine Zeitbestimmung innerhalb der fingierten Geschichte und der biblischen Chronologie. Die von Papst Alexander VI. und seinen Leuten 1493 in der Cipollara bei Viterbo transkribierte etruskische Inschrift erklärte er als ein Zeugnis des Amtsantritts des mythischen latinischen Königs Iasius, des Nachfolgers des ebenfalls mythischen Coritus: „Idem est dictum Latine quod Iasiana acclamatio … Anno etatis eius XXXVIII“221. Dann verband er diese mit der Mythologie nach Vergil und mit dem von ihm gefälschten Quellentext des Berosus: „Ergo Iasius successit Corito patri Anno XXXVIII etatis sue … regnavit autem iuxta Berosum Anno primo Cecropis: et duravit regnum eius annis L. Ergo vixit annis octo & octoginta: ergo cesus periit anno quinto post egressum filiorum Israhel de Egypto“ (Danielsson 1928, S. XVII)222. Auf festem Boden steht dagegen die Anwendung von Inschriften auf Ziegeln für die Datierung bei Pirro Ligorio ein halbes Jahrhundert später: Vogliono i moderni scrittori, che l’edificatore di questo Circo fusse Nerone: la qual loro opinione non mi dispiace: perciochè cavandosi dal capo del Circo verso la Mole d’Hadriano, furono scoperte le sue porte: nelle ruine delle quali si vedevano certi tegoloni di due piedi per ogni verso, dove erano scritti i nomi de’ Maestri di terra cotta, che gli havevano lavorati, con i nomi de i Consoli, che allhora erano sotto l’imperio di Nerone, et d’alcuni in altre tegole piu picciole
220 Übersetzung: … Ellengroße Buchstaben des Antoninus Caracalla zeigen, dass einer von ihnen (der Aquädukte) derjenige war, der zum Kapitol führte, eine Marmortafel mit einer eingravierten Inschrift des Kaisers Claudius aber zeigt, dass dieser den anderen Aquädukt zum Aventin geführt hatte. Papst Hadrian I. hat aber den Claudischen Aquädukt erneuert, der schon größtenteils eingestürzt war, obwohl wir glauben, dass jene alten Formen von Claudius stammen und von Antoninus (Caracalla) erneuert worden sind. 221 Übersetzung: Also auf Lateinisch gesagt war Iasius bei seiner Königserhebung … 38 Jahre alt. 222 Übersetzung: Also folgte Iasius seinem Vater Coritus mit 38 Jahren. Berosus berichtet, dass Kekrops [mythischer Gründerkönig von Athen] in seinem ersten Jahr herrschte, die Herrschaft des Iasius aber 50 Jahre dauerte. Also wurde er 88 Jahre alt. Also fiel er im fünften Jahr nach dem Auszug der Kinder Israels aus Ägypten.
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sotto l’imperio d’Hadriano. Onde assai verisimile coniettura si puo fare della sua origine: cioè che fusse principato da Nerone, et finito da Hadriano; overo che Nerone il facesse, et Hadriano il restaurasse (Ligorio 1553, fol. 3r-v, [Daly Davis, S. 30]).
Im Jahre 1558 aber stellte die erste Auswertung der Fasti Capitolini durch Onofrio Panvinio die absolute Datierung vieler Inschriften der republikanischen Zeit Roms auf eine sicherere Basis. Die Fasti waren vom Farnese-Kreis auf dem Forum Romanum geborgen worden und befanden sich zunächst im Palast des Kardinals, wo Panvinio als Angehöriger des Kreises Zugang zu diesem Material bekam und so die Konsullisten vorlegen konnte, was vor allem für die Datierung republikanischer Inschriften wichtig war. Das Werk widmete er Alessandro Farnese. Es stellte die erste monographische chronologische Arbeit mit Inschriftenmaterial dar, das so den Rang der historischen Quelle neben den antiken Autoren erreicht hatte. Es konnte auch dazu dienen, Fälschungen zu entlarven, was aber zunächst nicht von allen anerkannt wurde (Herklotz 1999, S. 219; Stenhouse 2005, S. 135). Vor allem aber stellte es einen Schritt in eine durchgehende historische Chronologie dar, wie sie wenig später von Joseph Scaliger rekonstruiert wurde, der für die republikanische Zeit auf Panvinio beruhte (Grafton 1983, S. 256). Die unmittelbarste absolute Datierung nach den Herrscherdaten aber boten Münzen, die als bevorzugte Sammelobjekte sehr bald in großer Menge zur Verfügung standen. Seit Francesco Petrarca finden sich immer wieder Beispiele für Datierungen durch Münzen (Weiss 1969, S. 174). Obwohl hier gezeigt wurde, wie man im Prinzip mit Münzen historisch arbeiten konnte, erschloss sich wie in der Epigraphik die Deutung nicht von selbst, so dass auch die größten Humanisten irrten (Radnoti-Alföldi 1978, S. 7). Keineswegs waren alle Münzen Herrschern zuzuordnen, sei es, weil der Herrschername nicht lesbar war, sei es, weil die Münze avers und revers keine Namen aufwies. Keineswegs war außerdem die Chronologie der Herrscher durchgehend bekannt. Wie in der Epigraphik stellte auch in der Numismatik die republikanische Zeit Roms die Antiquare vor große Probleme. Auch hier kam der Farnese-Kreis 1577 mit dem Werk des Fulvius Orsinus, des Bibliothekars Alexander Farneses, über die republikanischen Münzen, Familiae Romanae, quae reperiuntur in antiquis numisma tibus, zu einer ersten Systematik. Wesentlich einfacher war dagegen die Zuweisung der Münzen Julius Caesars, mit deren Hilfe der Kupferstecher Enea Vico politische Ereignisse der Caesarzeit datieren konnte. Dabei konnte auch die Ikonographie der reversen Münzbilder eingesetzt werden (Vico 1553; Stenhouse 2009, S. 65 ff.). Münzen besaßen für die Humanisten auch deshalb einen besonderen Wert, da auf ihnen oft die Großen der antiken Geschichte abgebildet waren. Als eine besondere Form von Münzpublikationen entwickelten sich deshalb seit 1517, als die Illustrium imagines erschienen, gedruckte Bildkataloge mit den Münzbildern berühmter Personen. Die Schrift geht vermutlich auf Andrea Fulvio zurück. Diese Bilder dienten im besten Fall auch der Identifikation von Herrscherbildern und so der Datierung von Bildwerken generell (Weiss 1969, S. 174, S. 178 f.). Allerdings nahm man es in dieser
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im 16. Jahrhundert sehr beliebten Literaturgattung mit der Echtheit und richtigen Deutung – und damit Datierung – der Münzen selbst nicht so genau, erfand und verfälschte und ergänzte. Kritik erfuhr diese Richtung deshalb seit Mitte des 16. Jahrhunderts (Radnoti-Alföldi 1978, S. 7 f.). Wie in den italienischen Arbeiten war die Datierung die ganze Renaissancearchäologie über auch außerhalb Italiens von schriftlichen und inschriftlichen Quellen abhängig. Daraus resultiert, dass ältere Datierungen gar nicht möglich waren und höchstens, wie bei Nikolaus Marschalk die Megalithgräber, in einer unbestimmten mythischen Zeit, einem früheren Weltalter angesetzt werden mussten (Sasse 2010, S. 262). Wir finden bei Johannes Magnus aber einen Terminus ante quem für das mythische Zeitalter in Schweden, das mit der Christianisierung endete: „Durabat is Iovialium malleorum usus usque ad annum à Christo nato millesimum centesimum trigesimum, cum Magnus Gothorum Rex Christianae disciplinae studio paganam superstitionem perosus …“ (Magnus 1554[1558], S. 45)223. Die für die frühen Weltalter angegebenen Jahreszahlen sind durch historische Konstruktion errechnet und hatten mit der Auswertung realer Quellen nichts zu tun, z. B. bei Hartmann Schedel ein Datum im dritten Weltalter „anno mundo 3184“ (Schedel 1493, fol. 22r). Die Datierung der römischen Inschriften der Kaiserzeit war dagegen meist relativ leicht durch die Anbindung an die Regierungsdaten möglich; Schrift und Form der Inschrift trugen schon für Konrad Peutinger und seine Zeitgenossen zu einer allgemeinen Einordnung auch fragmentierter oder schwerer lesbarer Texte in die römische Zeit bei. Die Inschriften der republikanischen Zeit, die bis zu den Forschungen Onofrio Panvinios zu den Fasti Probleme aufgaben, kommen außerhalb Italiens ja kaum vor. Johannes Aventinus scheint jedenfalls bei der Lesung und Datierung der Inschriften schon relativ sicher gewesen zu sein. Anders allerdings sah es mit den Keramikfunden und Gräbern sowie mit den Monumenten und Geländedenkmälern aus. Schon Sigismund Meisterlin hatte sich bei der falschen Beweisführung der römischen Gründung Nürnbergs aufs Glatteis führen lassen, indem er 1488 auf Ziegel in der Mauer verwies, ohne allerdings weiter auszuführen, ob er diese für ein Kennzeichen römischer Mauern hielt: „… ex latericio lapide … non cesis lapidibus“ (Meisterlin 1488[1864], S. 54, S. 191 f.; Joachimsen 1895, S. 182, Anm. 1). Aventinus war offenbar nicht wesentlich weiter. In seiner historischen Karte Bayerns kannte er deshalb nur zwei Datierungskategorien: „alt und neu, römisch und deutsch“ (Aventinus 1889, S. 1). Die Beschreibung zur Karte gibt über die Beweggründe für seine Einordnung in die römische Zeit genaue Auskunft: 1. Eine Erwähnung bei Ptolemäus in einem der bekannten historischen Landesteile; 2. Eine Erwähnung in der Beschreibung der Straßen des Römischen Reiches durch Antoninus Pius; 3. Eigene Prospektion im Lande (Aventinus 1889, S. 2 ff.). Unter den
223 Übersetzung: Dieser Brauch der Donarsteine dauerte bis 1130 nach Christus, als Magnus, König der Goten, der die christliche Religion studierte und den heidnischen Aberglauben hasste …
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„alten“ Ortschaften befanden sich zwangsläufig auch solche nichtrömischer Datierung, zumal Aventin bestimmte Merkmale nicht abgrenzte. Zum Beispiel nannte er unter den römischen Orten den Wall des keltischen Oppidums Weltenburg (ebd. S. 2). Deswegen wäre eine Beschränkung auf „alt“ und „neu“ besser gewesen, als die weitere Zuweisung zu „römisch“ und „deutsch“ zu wagen. Ambrosio de Morales konnte in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts römische Plätze schon aufgrund eines Komplexes miteinander vorkommender Merkmale bestimmen. Nicht alle Merkmale mussten dafür an einem Platz vorhanden sein. Er bemerkte aber, dass zu dieser Merkmalsgruppe immer eine bestimmte rote Keramik (Terra sigillata) gehörte und konnte deshalb diese zumeist unbeschriftete Fundkategorie sicher chronologisch einordnen (Morales 1575, fol. A 2v f.). Für Basilius Amerbach und Andreas Ryff und die Gruppe Basler Bürger bestand kein Zweifel, dass sie einen Bau der römischen Stadt Augusta Raurica untersuchten (Amerbach 1588–90; Stemmermann 1934, S. 63; siehe S. 234). Die Funktionsbestimmung und der Vergleich technischer Details zeigen, dass dieses Urteil nicht nur aufgrund von historischen Quellen und einer Inschrift, sondern auch aufgrund kultureller Merkmale erfolgte. Entsprechend wiesen auch Abraham Ortelius und Jean Vivien 1584 die römischen Großbauten von Trier richtig der römischen Zeit zu (Ortelius 1584, S. 56; Binsfeld 2000, S. 25). Methodisch besonders interessant erscheint die Datierung eines geschlossenen Fundes durch Helisaeus Röslin 1593. Der Württemberger Mediziner bestimmte durch die Münzreihe aus der Niederbronner Quelle sehr konkret die Quellennutzung, ihren Beginn, ihren Höhepunkt und ihr Ende in römischer Zeit (Schnitzler 1998, S. 22). Auch Markus Welser integrierte neben den Inschriftensteinen 1594 Münzenfunde in die Darstellung der allerdings durch schriftliche Quellen definierten römischen Epoche Augsburgs (Welser 1594, S. 114 ff.). Neben den Inschriftensteinen und den Münzen sorgten auch die Ziegelstempel für eine sichere römische Interpretation und damit eine ungefähre Datierung. Hierfür gibt es schon eine Reihe von Belegen aus dem 16. Jahrhundert. Ziegel besaßen den großen Vorteil, dass über sie Bauten datiert bzw. kulturgeschichtlich eingeordnet werden konnten, in denen sie als Baumaterial verwendet wurden. Die zunächst von Daniel Specklin, später von anderen Festungsbauern gemachten Straßburger Gräberfunde mit Inschriftensteinen und Ziegelstempeln ermöglichten die Datierung ganzer Gräbergruppen zumindest seit 1558 in die römische Zeit (Schnitzler 1998, S. 23 ff.; siehe S. 223). Diese Erkenntnisse wurden auch von anderen Gelehrten aufgenommen.
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3.5.3 Topographie und Kartographie Die Arbeiten, die topographische und kartographische Methoden verwenden, lassen sich für Italien in drei Themen unterteilen: – Die stadttopographischen Untersuchungen, in erster Linie die Planaufnahmen von Rom und einzelnen Gebäuden und Gebäudekomplexen – Die Italia illustrata, d. h. ein topographisch-kulturgeschichtliches Projekt für ganz Italien – Die monographische Bearbeitung und Publikation einzelner Monumente. Grundlage für eine archäologische Betrachtung der antiken Topographie bildete für lange Zeit die Epigraphik, da auf ihrer Basis die Identifikation und die Datierung von Ortschaften und Denkmälern geleistet werden konnte. Die vor allem von Gian Francesco Poggio Bracciolini entwickelte Form der Inschriftensammlung lieferte deshalb einerseits als Textedition das Material für topographische archäologische Studien (Ott 2002 S. 145)224, andererseits bot die topographische Ordnung der Inschriften schon den Ansatz einer Auswertung. Dass Poggio auch soweit gegangen ist, zeigt das erste Buch der Historiae de varietate fortunae (Poggio 1440; siehe S. 183). Desiderius Spretus veröffentlichte seine Sylloge der Inschriften Ravennas als Anhang seiner Geschichte der Stadt Ravenna – man kann sie deshalb als eine Art Quellennachweis zur Topographie und antiken Stadtgeschichte deuten (Spretus 1489). Die in allen Syllogen übliche Angabe des zeitgenössischen, meist nicht mehr originalen Standorts entspricht ebenfalls einem Quellennachweis. Die Zugehörigkeit zu bestimmten Denkmälern wurde jedoch immer wieder genutzt. Für die konzeptionelle Entwicklung der Stadt- und Landestopographie spielen die Werke des Flavius Blondus, Roma instaurata und Italia illustrata eine wesentliche Rolle – beide richten sich nach einer topographisch-geographischen Ordnung. Einzig für das zuletzt genannte Werk liegen gleich zwei ausführliche moderne deutschsprachige Analysen vor (Clavuot 1990; Müller 2001, S. 237 ff.; Clavuot 2002). Die Italia illustrata entstand zwischen 1449 und 1453 und wurde 1474 erstmals gedruckt (Blondus 1531b, S. 293–422). Es handelt sich um eine antike Topographie und Landeskunde, eine Beschreibung der einzelnen Orte Italiens von Norden nach Süden, den historischen Regionen augusteischer Zeit folgend sowie den Flusssyste-
224 Ott (2002, 132 ff.) hat die karolingische Sylloge des Codex Einsidlensis mit den Syllogen Gian Francesco Poggio Braciolinis und anderer italienischer Autoren und diese mit den Syllogen Konrad Peutingers verglichen und daraus eine topographische Intention aller dieser Werke entwickelt (das topographische Modell). Topographie scheint aber nicht der einzige Zweck zu sein, handelt es sich doch überwiegend um eine Form der Quellenedition, die, wie auch die edierten Inschriften, verschiedenen Zielen dienten. Neben dem kulturgeschichtlichen Grundthema der Funktionsbestimmung der Bauten, das sich auch in der Gliederung der Syllogen nachweisen lässt, ist vor allem die Genealogie zu nennen, die ja auch zu zahllosen Inschriftenfälschungen geführt hat.
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men und Fernstraßen. Der Humanist beschrieb und erklärte Ortsnamen, die Lage der Orte, Bauwerke, Entstehungsmythen, etwas Geschichte und zählte die berühmten Söhne der Städte auf. Er begann seine Abhandlung mit den Worten „Italiam describere exorsi“ (Blondus 1531b, S. 294). In diesem Werk finden sich sogar rein archäologische Passagen, so der Bergungsversuch der römischen Schiffe aus dem Lago di Nemi (Albaner Berge, Latium) durch Leon Battista Alberti (Blondus 1531b, S. 325 f.; Clavuot 1990, S. 53; siehe S. 206). Wie bei seinen anderen Werken so richtete sich Flavius Blondus auch bei der Konzeption seiner Italia illustrata nach antikem Vorbild, vor allem spielte für ihn das 3. Buch der Historia naturalis Plinius des Älteren eine wichtige Rolle (Clavuot 1990, S. 55 ff., S. 140). Er schuf damit aber selbst ein Vorbild für eine ganze Serie historischantiquarischer Arbeiten bis an den Beginn des 19. Jahrhunderts. Obwohl die topographische Gliederungsordnung also vom 15. Jahrhundert an eine große Rolle spielte und in den ersten Publikationen archäologischer Funde sogar vorherrschend war, fehlt bei den Karten und Plänen aus dem 16. Jahrhundert trotz der Vermessungen der Architekten noch die Genauigkeit. Die Zuordnungen von Monumenten zu historisch bekannten Gebäuden blieb Hauptaufgabe und Hauptproblem der Topographen Roms, wie wir bei Pirro Ligorio gesehen haben, der auch die Hadriansvilla in Tivoli in dergleichen Weise bearbeitet hat (siehe S. 208 f.; Ligorio 1553 [Daly Davis], S. 113). Das Interesse für Karten und Baupläne und für die kulturelle Funktion der antiken Bauten implizierte außerdem noch kein tieferes Verständnis für den Fundort und seinen Zusammenhang. Gewiss interessierte es die Sammler, wo reiche Funde zu erwarten waren, so z. B. in der Villa Hadrians in Tivoli oder im Bereich des Palastes des Kaisers Nero, der Domus Aurea. Bei den meisten Funden ist ein genauer Fundort wohl nie verzeichnet worden. Bezeichnenderweise überliefert die Übersicht über die römischen Antikensammlungen von Ulisse Aldrovandi zwar den Standort in der Sammlung, nicht aber die Fundumstände: „Il primo giardino piano ha IIII. quadri rinchiusi, nel primo, che ci vië da man dritta, è un Bacco; non ha la testa, ma ha un cane à piedi; et è posto sopra una alta base antica“ (Aldrovandi 1562 [Daly Davis], S. 21). In den von Jacopo Mazzocchi gedruckten Epigrammata antiquae Urbis 1521 findet sich immerhin eine kurze örtliche Zuweisung, während die Abbildungen das Aussehen und die Lage der Inschriften nicht genau wiedergeben (siehe S. 237). Im Text heißt es z. B. „In thermis Constantini“ (Mazzocchi 1521, S. 14, Kap. X). Mazzocchis Sylloge ist außerdem nach der antiken Topographie Roms und seiner Umgebung aufgebaut, respektiert also das historisch-topographische Konzept des Flavius Blondus. Die phantastische Konstruktion des Annius von Viterbo ist eines der frühen, wenn nicht das früheste Beispiel für die historische Interpretation eines vorrömischen Fundortes in der Renaissance: Die etruskischen Sarkophage aus dem unter Beisein von Alexander VI. geborgenen Kammergrab werden hier wegen ihres Fundes in der Flur Cipollara als Triumphstatuen aus dem Palast oder Tempel der Königin Kybele interpretiert (Nanni 1498, fol. iv). Ausgangspunkt bildete die abenteuerliche
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Herleitung des Namens Cipollara (in Wirklichkeit Zwiebelacker) von Kybele, die dem Fundort eine mythische Bedeutung verlieh. Einen Meilenstein stellt die erste monographische Publikation eines archäologischen Monuments dar, der Trajanssäule, durch den Dominikaner Alfonso Chacón – ein wichtiger Beweis für die Wertschätzung eines Sachdenkmals (Chacón 1567; Herklotz 1999, S. 212, S. 222). Dass die Trajanssäule als eines der wichtigsten Zeugnisse der Antike in Rom angesehen wurde, zeigt aber schon ihre Bedeutung in der Darstellung Roms bei Hartmann Schedel 1493 (siehe S. 274). Es sind diese Einzelbeispiele, an denen sich auch das Bewusstsein für die konkrete Lage eines Monuments entwickelte, so auf den antiken Stadtplänen, die seit der Mitte des 16. Jahrhunderts gezeichnet wurden. Die Lage der Fundstelle bildete aber eigentlich den einzigen Fixpunkt, der bei richtiger Dokumentation ohne weitere Informationen interpretierbar war. Folglich reichen die Anfänge von Interpretationen auf topographischer Basis bis an die archäologischen Anfänge am Ende des 15. Jahrhunderts zurück. Dennoch war es bis in das 19. Jahrhundert hinein keine Selbstverständlichkeit, den Fundort anzugeben. Topographische Arbeiten beinhalteten, auch wenn sie sich mit Antike beschäftigten, zunächst keine oder kaum archäologische Komponenten, sondern wurden mit Hilfe antiker schriftlicher Quellen und Ortsnamen erarbeitet. Vorbild war auch außerhalb Italiens das von Flavio Biondo entworfene Konzept der Italia illustrata (siehe S. 299), das man in verschiedenen Ländern zu verwirklichen und den Gegebenheiten anzupassen versuchte. Die Bedeutung dieses Werkes für den Ideentransfer nach Mittel- und Nordeuropa ist lange anerkannt (Joachimsen 1910, S. 24). In Mitteleuropa wurde das Konzept vor allem von Konrad Celtis und seinen Schülern aufgegriffen. Die Anwendung der antiken Quellen wurde aber immer schwieriger, je weniger intensiv der Kontakt des behandelten Gebietes zum Römischen Reich gewesen war. Einen Brückenschlag erlaubten die Inschriftensteine, deren Behandlung Celtis deshalb auch als Grundlage für seine Germania illustrata ansah225. Aventin, Celtis’ Schüler, interessierte entsprechend an den Inschriftensteinen vor allem die Toponymie, die eine Identifikation antiker Plätze und deren Datierung erlaubte (Ott 2002, S. 100). Er verwendete sie im Laufe seines Lebens immer gezielter für die antike Topographie und vereinzelt sogar für geschichtliche Fragen – sein Anliegen war die Identifizierung der Römerorte, weswegen er auch auf Siedlungsspuren in der Umgebung der Inschriftensteine achtete und insofern einen Schritt auf den archäologischen Kontext hin machte: „ubi vestigia civitatis antiquae visuntur“. Damit gewann der Fundort für ihn grundlegende Bedeutung (siehe S. 214; Schmid 1996, S. 83; Ott 2002, S. 91, S. 116, S. 118 f., S. 171 ff.; Zitat der Handschriften ebd.; Zaisberger 2007–2011, S. 6 f.). Daneben aber verwendeten er und vor allem Nikolaus Marschalk bei der Rekonstruktion der historischen Landschaft die Etymologie. Beide standen dabei in der Tra-
225 Brief an Konrad Peutinger 1505, König 1923, Nr. 34.
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dition des Flavius Blondus und des Annius von Viterbo. Marschalk führte den Namen des mecklenburgischen Ortes Werle bei Rostock auf den Namen der Heruler zurück und siedelte diese deshalb entgegen den Nachrichten antiker Autoren in Mecklenburg an (1521, Commentariolus H). Die Anfänge der historischen Kartographie entwickelten sich wegen der großen Bedeutung der Topographie und der architektonischen Vermessung bereits seit dem Ende des 15. Jahrhunderts. Schon Hartmann Schedel ließ 1493 zu seiner Weltchronik eine Reihe von Karten drucken (Schedel 1493). Archäologische Merkmale wurden jedoch hier zunächst noch nicht eingetragen. Anders aber arbeitete wenig später Johannes Aventinus: Er entwarf seine historische Karte Bayerns, die 1523 gedruckt wurde, mit eingetragenem Messsystem, der Himmelsrichtung, sowie historischen und zeitgenössischen Bezeichungen. Die Karte enthält zwei Signaturen und ist von den Wappen der bayerischen Städte umrandet. Die Signaturen umschrieb Aventin in seiner Erklärung knapp: „alt und neu, römisch und deutsch“. In der ausführlichen Beschreibung erläuterte er jeden Ort und gab für ihn die Quellen an, die er benutzt hatte. Dazu gehören auch Prospektionsergebnisse (Aventinus 1899, S. 1, S. 3; siehe auch S. 214)226. Die Erkenntnis der Wichtigkeit der Angabe des Fundortes setzte sich trotz der beginnenden Eintragung von Denkmälern in Karten aber nur langsam durch. Das zeigt sich darin, dass man auch, wenn der Fundort bekannt war, diesen doch nicht genutzt und den Fund nach dem Aufstellungsort eingegeordnet hat, wie im Fall des Jünglings vom Magdalensberg in Kärtnen. Petrus Amianus und Bartholomaeus Amantius verzeichneten ihn unter Salzburg, wo er sich zur Zeit der Abfassung ihres Manuskripts befand. Die Autoren aber bemerkten und kommentierten die Diskrepanz: „Hanc hominis effigiem aere fusam in Carinthia compertem esse intellixemus, quemadmodum videre licet in Antiquitatibus Carinthianis …“. (Apian/Amantius 1534, S. 413; siehe Anm. 172). Das zeigt, dass die Angabe des Ortes bei Bildsteinen als einfacher Standortnachweis gemeint war: hier konnte ein Interessent den Stein im Original nachlesen. Die Karte Bayerns des Johannes Aventinus druckte Abraham Ortelius im Theatrum orbis terrarum ab227, dem ersten Weltatlas, dessen Karten er unter Benutzung vieler weiterer Vorlagen zusammengetragen hatte (Ortelius 1572, S. 68 f.; Meurer 1991, S. 111). Ortelius Karten besitzen Himmelsrichtungen, Maßstäbe und einige von ihnen auch Signaturen (Ortelius 1572, S. 34). Die den Europäern gut bekannten Gebiete sind teilweise schon in einer erstaunlichen Messgenauigkeit dargestellt wie z. B. die Iberische Halbinsel. Wie sehr die Karte aber noch eine Präsentation des Wesens der dargestellten Region sein sollte, zeigt der Rand des schon erwähnten Plans des Arnold Mercator
226 http://www.bavarikon.de/object/bav:BSB-MAP-00000MAPPXI24XBB. 227 http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/90009303/df_dk_0011147.
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für Köln aus dem Jahre 1571. Der Plan ist symbolisch umrandet von den Abbildungen römischer Funde und zeigt somit die römische Herkunft und das Alter der Stadt. Erwähnt werden muss auch die in der Tradition von Johannes Aventinus stehende Bayernkarte aus dem Werk von Markus Welser zur Augsburger Geschichte mit der Einzeichnung der römischen Provinzen sowie antiker Orte und lokalisierter Ereignisse, zu denen auch die sagenhafte Seeschlacht auf dem Bodensee zwischen Römern und Vindelikern gehört (Welser 1594; Abb. 53). Für England begründete John Leland in den vierziger Jahren des 16. Jahrhunderts die Tradition der antiken Topographie noch überwiegend auf der Grundlage von schriftlichen Quellen. Er kam allerdings zu keiner Publikation über dieses Thema, und auch die Karte, die er hierüber anfertigen wollte, konnte er aufgrund einer frühen Demenz nicht vollenden. Archäologisches erwähnte er unter anderen topographischen Beobachtungen, aber wohl ohne ein besonderes System (Kendrick 1950, S. 52 ff., bes. S. 55). Historisch-topographisch waren auch die altertumskundlichen Fragen der Rela ciones topográficas de los pueblos de España, die Philipp II. von Spanien von 1575 bis 1578 durch seine Länder schicken ließ. Man sollte sich über den Namen des Ortes und seinen Ursprung bzw. ältere Namen äußern, dann aber „… los rastros de edificios antiguos de su comarca, epitafios y letreros y antigallas de que hubiese noticia“228. Es handelt sich vermutlich um die älteste systematische Landesaufnahme – freilich wurde sie nicht vollendet. Dennoch war damit eine Fragestellung eröffnet, in der William Camden dann unter Verwendung von John Lelands Materialien weiter arbeiten konnte (Kendrick 1950, S. 48 Piggott 1976, S. 11 f.). Voraussetzung aber war für die Arbeit beider die bedeutende Auswertung der antoninischen Itinerarien durch Lelands Zeitgenossen Robert Talbot, die wie Lelands antiquarisches Werk erst im 18. Jahrhundert gedruckt wurde (Kendrick 1950, S. 135). In den achziger und neunziger Jahren des 16. Jahrhunderts zeugen eine Reihe von Untersuchungen von dem beginnenden Verständnis für die Bedeutung des Fundortes und der Fundregion. Allerdings fehlten noch die Methoden, die Zusammengehörigkeit eines Fundes oder Fundkomplexes zu untersuchen, und auch das Bewusstsein für dieses Problem (Camden 1586[1600], S. 219; Albinus 1590, S. 178 ff.; Lindeberg 1591, S. 75 f.; Röslin 1593; siehe S. 292). Durchschlagenden Erfolg erreichte das topographische Konzept nördlich der Alpen erst durch das Werk von William Camden Britannia (Camden 1586; Piggott 1976, S. 3). Eigentliches Ziel war wie bei Blondus die Topographie der römischen Provinz, doch gehen die Beschreibungen wie bei Leland vom zeitgenössischen Zustand aus und berücksichtigen ebenfalls das zu dieser Zeit noch sehr gegenwärtige Mittelalter. Auch Camden setzte allerdings trotz seiner dem
228 Übersetzung: … die Spuren alter Gebäude in ihrer Gemarkung, Grabinschriften und andere Inschriften und (überhaupt) alte Dinge, von denen man Nachricht hat.
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Abb. 53: Vindeliciae veteris delineatio, Karte des antiken Bayern. Welser 1594, S. 16. © Barbara Sasse, RGK.
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beginnenden englischen Empirismus geschuldeten quellenkritischen Haltung zur Rekonstruktion der antiken Topographie wie seine Vorgänger Flavius Blondus und Aventinus die Etymologie der Ortsnamen ein (Camden 1586, Schnapp 1993, S. 140 f.). Die archäologische Fundverteilung spielt noch bei keinem dieser Autoren eine Rolle für die Topographie, die zeitgenössische geographische Gliederung verwendete aber auch Petrus Albinus (1590). Camden nannte seine Arbeit „ex intima antiquitate chorographica descriptio“ und verwendete dabei den Begriff „chorographica“ schon in dem uns bekannten Sinne. Die Originalausgabe enthielt aber noch keine Karte. Interessanterweise war dieses Werk so erfolgreich, dass es immer wieder aufgelegt und verbessert wurde. Zu Lebzeiten Camdens erschienen ganze sechs Editionen und die erste englische Übersetzung. Karten zur römischen Topographie der Provinz Britannien und von Irland finden sich aber erst in der Ausgabe von 1600, die Karte Britanniens sogar mit einem Maßstab. Diese Karten enthalten auch Lokalisierungen von Stämmen nach schriftlichen Quellen, wie die von Caesar erwähnten Trinobantes (Camden 1586[1600], nach S. 82; S. 754; Kendrick 1950, S. 153, Anm. 1)229. Wenig später publizierten Petrus Scriverius und der Leidener Professor Philipp Clüver Karten mit Gradeinteilungen und Maßstäben und der Einzeichnung der historischen Stämme bzw. der antiken Länderbezeichnungen auf der Grundlage von schriftlichen Quellen (Scriverius 1611, Karte 2, hier Abb. 16; Clüver 1616, vor S. 3230). Am Beginn des Buches III befinden sich bei Clüver zwei Karten mit der Rekonstruktion der Stammesgebiete (Populi) in der Germania Transrhenana in zwei Zeitstufen231. Clüver entwarf diese Karten selbst: „Auct. P. Clüverio“. Aus der Topographie ist auch eine der ältesten Auswertungen einer Gattung von Geländedenkmälern des Römischen Reiches erwachsen. Es handelt sich um das Werk des Nicolas Bergier über römische Straßen, deren Verlauf er mit verschiedenen Methoden, u. a. mit inschriftlichen Quellen und Grabungen untersuchte (LamingEmperaire 1964, S. 60; Schnapp 1993[2009], S. 199, S. 221, siehe S. 223).
229 http://eebo.chadwyck.com/search/full_rec?SOURCE=pgimages.cfg&ACTION=ByID&ID=9984 3087&FILE=&SEARCHSCREEN=param(SEARCHSCREEN)&VID=7796&PAGENO=51&ZOOM=FIT&VI EWPORT=&SEARCHCONFIG=param(SEARCHCONFIG)&DISPLAY=param(DISPLAY)&HIGHLIGHT_ KEYWORD=param(HIGHLIGHT_KEYWORD); http://eebo.chadwyck.com/search/full_rec?SOURCE= pgimages.cfg&ACTION=ByID&ID=99843087&FILE=&SEARCHSCREEN=param(SEARCHSCREEN)&V ID=7796&PAGENO=387&ZOOM=FIT&VIEWPORT=&SEARCHCONFIG=param(SEARCHCONFIG)&DIS PLAY=param(DISPLAY)&HIGHLIGHT_KEYWORD=undefined. 230 http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cluever1616/0048. 231 http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cluever1616/0682; http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/ cluever1616/0683.
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3.6 Die Interpretation 3.6.1 Der humanistisch-antiquarische Forschungsansatz 3.6.1.1 Die Deutung archäologischer Denkmäler in Italien – römische Kulturstruktur, Funktion der antiken Bauwerke und antike Topographie In Italien stand die Kenntnis der antiken Kultur im Zentrum des Interesses der Gelehrten des 15. und 16. Jahrhunderts, weshalb man die Altertumskunde dieser Zeit auch als Kulturwissenschaft der Antike bezeichnen kann. Diese bildete die Normkultur schlechthin, weswegen ein normativer Kulturbegriff zugrunde liegt. Ziel der Beschäftigung mit der antiken Kultur war ihre ‚Renaissance‘ als Vorbild zur Nachahmung. Am Beginn der Tätigkeit der Altertumsforscher war die Kenntnis sowohl der antiken Schrift- wie auch der antiken Sachkultur gering. Man erweiterte aber den Fundus der im Mittelalter bekannten antiken Schriften erheblich und schnell und zog als weitere Quellen Orts- und Personennamen, Etymologien und Monumente mit heran. Die Unterschiede zwischen der eigenen, spätmittelalterlichen Kultur und der antiken Kultur mussten dabei erst erarbeitet werden. Deshalb bestand die vordringliche Aufgabe im Aufspüren des Erhaltenen und seiner Bewahrung sowie in seiner Kategorisierung. Die Themen wurden aus diesem Grunde zunächst aus der Antike übernommen und konnten erst allmählich durch die geschilderten Analysen modifiziert werden. Flavius Blondus schuf in seiner De Roma triumphante 1460 (erstmals gedruckt 1473), die als das grundlegende Werk dieser Richtung gilt, einen Corpus antiquitatum, eine möglichst umfassende Beschreibung der Kultur des alten Roms (Blondus 1531b, S. 11–217). Noch einmal sei betont, dass der Begriff der Antiquitates alle Hinterlassenschaften der Antike beinhaltet, und dass dementsprechend die Begriffe antiquarisch und Antiquar sich auf die Beschäftigung mit Altertümern ganz allgemein bezogen (siehe S. 200). Die Gliederung des Werkes wurde paradigmatisch für das Kulturkonzept der humanistischen Altertumsforschung und die in ihm behandelten Themen (Momigliano 1950, S. 289; Schnapp 1993, S. 122 ff.; Herklotz 1998, S. 153; Herklotz 1999, S. 242 ff.). Der Verfasser beschreibt die römische Kultur als ein Phänomen von Bräuchen und Einrichtungen ohne zeitliche Dimension, obwohl er doch grundsätzlich die empirische Beobachtung des Wandels in der Geschichte eingeführt hatte und gelegentlich auf die Kultur anwandte (Blondus 1531b, S. 187). Die historische Grundlage der überwiegend synchronen Betrachtungsweise der römischen Kultur bildete das ebenfalls von Blondus propagierte, auf Francesco Petrarca zurückgehende säkulare Periodisierungssystem in Antike, „tenebre“ (Mittelalter, dunkle Zeit) und die Gegenwart, die Wiedergeburt (siehe S. 135). Die vier kulturellen Felder Religion, Verwaltung, Militär und Privates erarbeitete Blondus in Kenntnis erhaltener Fragmente des Werkes von Marcus Terentius Varro. Von dem Inhaltsverzeichnis der Antiquitates rerum humanarum et divinarum
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war durch seine Überlieferung im Gottesstaat des Augustinus allerdings nur der Teil der Antiquitates divinarum zugänglich (siehe S. 104). Einen Einfluss hat außerdem vielleicht ein Text Ciceros zu Varro gehabt, den auch Augustinus zitierte (Cic. ac. 1,3; Aug. civ. 6,2). Diese Themen besitzen aber in der antiken Literatur generell eine feste Basis, wenn auch dort wie bei Varro selbst die Unterscheidung zwischen den Res divinae und den Res humanae grundlegender ist als bei Blondus (Herklotz 1998, S. 153 ff.; Herklotz 1999, S. 187 ff., S. 240 ff.). Sie lassen sich auch mit den Begriffen sakral und profan, staatlich und privat beschreiben, die in den von Blondus definierten Feldern enthalten sind. Wir wollen sie im Folgenden als Kennzeichen für die humanistische Altertumskunde ansehen (Momigliano 1950, S. 289; Wrede 1993, S. 19) und den humanistisch-antiquarischen Forschungsansatz nennen, da er von Autoren entwickelt und getragen wurde, die der humanistischen Richtung der Renaissance zuzurechnen sind wie Gian Francesco Poggio Bracciolini. Blondus zitierte zwar aus den Werken von Varro häufig (Clavuot 1990, S. 164), bezog sich aber hinsichtlich dieser Kulturgliederung nicht auf den antiken Vorgänger. Die Einteilung alles Seins in sakral und weltlich war in seiner Zeit auch nicht neu, sondern bildete schon ein zentrales Thema des Mittelalters. Nach ihren Hauptthemen hat man die humanistischen Kulturbereiche auch als „Mores et Instituta“ bezeichnet (Herklotz 1999, S. 204 ff.). Dieses Begriffspaar, das Blondus auch verwendete, geht auf Cicero und Tacitus zurück, wobei in der Germania noch als weitere Begriffspaare „Instituta ritusque“ und „ritus habitusque“ hinzutreten (siehe S. 108). Diese Begriffspaare beschreiben aber nur einen Teil des humanistisch-antiquarischen Forschungsansatzes. Flavius Blondus begann sein Werk mit dem Religiösen und behandelte in Buch I und II Götter, Tempel und Heiligtümer, die Religion generell und religiöse Feste. Alles Weitere ist dem profanen Leben zuzuordnen, und zwar zunächst und hauptsächlich dem öffentlichen Leben: Noch in Buch II beschrieb er profane Feste, denen in Buch III bis V die Verwaltung in Rom und den Provinzen mit dem Magistrat und Senat, den Ämtern, dem Geld, Recht und Gesetz, der Literatur, der Rechtsprechung, Handel und Finanzen sowie die öffentliche Moral folgen. Buch VI und VII sind dem Militär und dem Krieg gewidmet. In den Büchern VIII und IX behandelte er das private Leben: die Familie, die bildende Kunst, das Leben auf dem Lande und die Landwirtschaft, das Essen und Trinken, das Leben in der Stadt, die privaten Bauten und villae, die Latrinen, Kleidung und Schmuck sowie Wagen und Zugtiere. Das Werk beenden – die bisherige Gliederung sprengend – Triumphzüge und eine Auflistung der Päpste. Diese schafft die Korrespondenz zur Gegenwart (siehe S. 183). Als wichtigste Prinzipien der antiken Gesellschaft wurden also religiöse und administrative, militärische und private Phänomene verstanden. Das sind aber gerade die Bereiche, die mit archäologischen Mitteln nur sehr indirekt durch Analogien und Wahrscheinlichkeitsanalysen behandelt werden können (siehe Abb. 9). Es war nicht die Archäologie, sondern die antike Literatur, die diese Themen vorgab. Wenn wir sie in die hier für die moderne archäologische Wissenschaft definierten Felder einordnen
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wollen, so befinden sie sich innerhalb der Bereiche Immaterielle Kultur und Kulturstruktur. Unser Feld Materielle Kultur wird von Flavius Blondus den vier Bereichen untergeordnet und bildet keinen eigenen Gliederungspunkt. Es besteht überwiegend in der Übernahme von Beschreibungen aus der antiken Literatur, so z. B. zu den Castra (siehe S. 200). Oben ergab sich schon aus Einzelbeispielen zur Beschreibung und Datierung, dass Blondus selbst nicht empirisch archäologisch arbeitete (siehe ebd.). Er suchte deshalb nicht nach einer Interpretation archäologischer Funde und Befunde durch schriftliche Quellen, sondern umgekehrt nach Bestätigung und Präzisierung schriftlicher Quellen durch archäologische. Dennoch bestimmte das Katalogisieren antiker Monumente und die Zusammenstellung von Namen und schriftlichen Quellen zu antiken Schauplätzen schon bei Flavius Blondus weitere Werkformen: die historisch-antiquarische Stadtbeschreibung und die historisch-antiquarische Landesbeschreibung. Die entsprechenden Werke Roma instaurata und Italia illustrata gewannen auch außerhalb Italiens paradigmatische Bedeutung, wenn ihr System auch dort verändert werden musste (siehe S. 299 f.). Trotzdem ist der Illustrata-Typ z. B. überall erkennbar. Man kann deshalb von einem humanistisch-antiquarischen Paradigma sprechen. Obwohl dieser Wissenschaft noch viele Instrumente fehlten, wie z. B. die thematische Karte, sichere Materialkenntnis und Klassifikationen stilistischer Merkmale, Fundzusammenhänge und eine solide Entwicklung der konventionellen Datierungsmethoden, konnte man sich doch im 16. Jahrhundert im Bereich der römischen Denkmäler auf relativ sicherem Boden bewegen. Die meisten Interpretationen sind deshalb funktionaler Art. Zunächst ließen sich die grundsätzlichen Funktionen vieler noch stehender Denkmäler aus der Gegenwart erschließen, wie z. B. Brücken, Stadttore oder Aquädukte. Andere Funktionen von Denkmälern ergaben sich aus schriftlichen Quellen, aus Inschriften und Münzbildern, wie z. B. die Spiele im Circus. Auch Geräte der antiken Kultur ließen sich so bestimmen. So konnte man nach und nach einen Weg zur Eingliederung archäologischer Funde und Ergebnisse in die kulturellen Felder des humanistisch-antiquarischen Forschungsansatzes finden. Das betraf auch Kleinfunde, die eine Brücke zu den Funden in den römischen Provinzen und sogar zur außerrömischen Frühgeschichte schlagen konnten, wie die von Laurentius Pignorius 1613 zusammengestellten Fibeln, zu denen der Autor nach einer Disputation, ob es sich um ein Kastrationsgerät handelte, und nach Erwähnung verschiedener schriftlicher Quellen schrieb: „statuamus igitur (si placet) fibulas, quarum exempla dedimus, vestiarias fuisse“ (Pignorius 1613, S. 84; Pignorius 1613[1674], S. 153; Abb. 18). Sein Lehrer Guido Panciroli allerdings scheint schon zu diesem Ergebnis gekommen zu sein (ebd., S. 152). Den Beweis brachte für Pignorius wie später für Johannes Rhodius aber ein archäologisches Monument: eine Marmorstatue Kaiser Hadrians mit der Darstellung einer Fibel (Rhodius 1639, S. 49). Bei der Funktionsbestimmung der Denkmäler ging man freilich auch oft in die Irre, wie z. B. Pirro Ligorio in Tivoli, der einer gefälschten schriftlichen Quelle folgte (siehe S. 208).
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Das von der textlichen antiken Überlieferung bestimmte Forschungsmodell war ganz offenbar so fruchtbar, das es während des 16. und 17. Jahrhunderts in Italien den Fortgang der antiquarischen Forschung bestimmte und im Rahmen seines Grundmusters ausgebaut wurde. Eine für die Entwicklung der gesamten Archäologischen Wissenschaften grundlegende Neuerung war die Erkenntnis der Andersartigkeit der antiken Sachkultur, die von den Anfängen der Vitruv-Rezeption des Alberti in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts am Ende desselben Jahrhunderts zu den ersten Darstellungen spezifischer antiker Kulturmerkmale führte: Die Konkretisierung des Vorbildes ermöglichte die Historisierung kultureller Merkmale. Obwohl für die weitere Entwicklung der Vergleich mit außereuropäischen Kulturen wichtig wurde, muss betont werden, dass der Prozess der empirischen Wahrnehmung der Objekte und damit der Formulierung einer historischen, spezifischen Kultur schon im Frühhumanismus einsetzte (siehe S. 228 f.). Formal hielt man sich an das Corpus antiquitatum, zunehmend behandelte man aber auch dessen kulturelle Einzelthemen wie z. B. den Circus. Oft handelte es sich bei den Arbeiten um Kommentare zu antiken Texten. Besonders wichtig war aber gerade für die kulturellen Aspekte die Möglichkeit, sich durch die Funde und Monumente das, was die antiken Autoren beschrieben, auch bildlich vorzustellen und diese Bilder in der Kunst und auch im Druck zu verbreiten. Der konkrete Beitrag der archäologischen Überreste war deshalb trotz des relativ geringen archäologischen Anteils im Text dieser humanistischen Arbeiten bedeutend. Leon Battista Alberti war der Erste, der zeitgleich mit Blondus durch seine Auswertung Vitruvs und seine oben beschriebenen Klassifikationen und Vermessungen im Gelände die Grundlagen für eine funktionale und ästhetische Interpretation der Tempel und anderer Bauten gelegt hat (Alberti 1452, Buch VII, Kap. 7). Ein gutes Beispiel für die kombinierte Arbeitsweise von Text, Bild und Inschrift im 16. Jahrhundert ist das in den sechziger Jahren entstandene, aber erst 1600 erschienene Werk De ludis circensibus des dem Farnese-Kreis in Rom angehörenden Onofrio Panvinio. Es bewegt sich im Rahmen der funktionalen Fragestellung zu den Circusspielen und zum Triumphzug (Panvinio 1600). Panvinio ist in seiner praktischen archäologischen Arbeit ganz offenbar von Pirro Ligorio abhängig gewesen, dessen Hauptanliegen ja die Funktionsbestimmung der Denkmäler war (Ligorio 1553[Daly Davis]). Ligorio spielte damit für Panvinio eine ähnliche Rolle wie Leon Battista Alberti für Flavius Blondus. Wie wir aus Panvinios Arbeit über die Fasti wissen, lag dessen Stärke in der Systematisierung und historischen Auswertung des Gefundenen (Panvinio 1558). Es gelang ihm deshalb, Ligorio an Präzision zu übertreffen und teilweise sogar, ihn zu korrigieren. Man sieht das sehr schön an dem Plan Roms, den Étienne Dupérac gut zehn Jahre nach Ligorios Plan für Panvinio in den sechziger Jahren des 16. Jahrhunderts anfertigte (Herklotz 1999, S. 220). Die Legende kommt durch die Ordnung der Denkmäler nach ihrer Funktion und die Nummerierung schon einer thematischen Karte mit Signaturen nahe, der auch die Einzeichnung der Bauten entspricht: Panvinio wird nicht mehr Theater und Circusbauten miteinander verwechseln wie noch Ligorio (Panvinio 1600, nach S. 48,
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vor S. 57)232. Im Gegensatz zu Ligorios kurzer Schrift widmete sich die Arbeit Panvinios ja voll dem Thema der Spiele. Der Verfasser gehörte außerdem zu den großen Münzkennern seiner Zeit, was ihn auch veranlasste, eine ganze Reihe von Münzbildern mit Circusbauten zu präsentieren, die auch die Einzelelemente der Bauten gut erkennen ließen (Panvinio 1600, nach S. 12)233. Als dritte Säule dieser akkumulierenden Methode bildete er die Ruine des Circus Castrensis ab, dessen Beschreibung aber weitgehend Ligorio folgt. Nun war der Schauplatz für die Wettkämpfe durch Wort und Bild umrissen. Aber auch für die Rekonstruktion der Wettkämpfe selbst konnte Panvinio auf römische Sarkophagreliefs zurückgreifen (Herklotz 1999, S. 221, Abb. 60). Zu diesem Werktyp gehört auch De servis aus der Feder des zum Paduaner Zirkel des Jura-Professors Guido Panciroli zählenden Lorenzo Pignoria (Pignoria 1613). Girolamo Mercuriale erweiterte 1569 das kulturelle Themenfeld durch seine De arte gymnastica und verwendete seine antiquarischen Kenntnisse, um ein ganz konkretes Vorbild für die Medizin des 16. Jahrhunderts zu schaffen (Siraisi 2003, S. 231 ff.). Diese Werke zeigen, dass die Absolventen der medizinischen und juristischen Fakultäten von diesen ihren Fächern nahen Themen angezogen wurden. Mercuriale ging es wie den Architekten unmittelbar um das Vorbild. Auch Michele Mercatis Ergebnis, dass es sich bei den Steingeräten um Waffen handele, kann man als eine Funktionsbestimmung auffassen. Sie war einerseits möglich durch den Schluss auf die Ursache, den Menschen und Hersteller, sowie durch die Heranziehung schriftlicher Quellen zum Krieg. Insofern leistete auch Mercati einen Beitrag zum humanistisch-antiquarischen Forschungsansatz (siehe S. 349). Er handelte aber womöglich über eine Zeit vor der Sintflut und damit über eine ferne Urzeit, die eigentlich dem weltchronistischen Konzept vorbehalten war und nicht in das humanistische Geschichtsbild passte (siehe S. 319 ff.). Eine Funktionsbestimmung über die ethnologische Analogie findet sich entgegen anderer Ansichten bei Mercati nur als Nebenargument, bei Ulisse Aldrovandi trotz indianischer Steinwaffen in seiner Sammlung überhaupt nicht (siehe S. 348 ff.). Die ersten bewussten Analogien zwischen Altertümern und ethnologischen Realien entstanden aber tatsächlich in der Zeit der beiden Gelehrten aus der humanistisch-antiquarischen Forschung. Obwohl auch die anderen drei kulturellen Felder in den ersten systematischen Berichten behandelt wurden, war das Interesse an Parallelen zwischen den europäischen und außereuropäischen heidnischen Religionen am größten – nicht nur in missionarischen Kreisen (Miller 2006, S. 677). Ein besonders interessantes Zeugnis hiervon bieten die Auflagen des Werkes von Vincenzo Cartari ab 1615 mit einem Zusatz von Lorenzo Pignoria über indianische Götter, ein früher
232 http://books.google.es/books?id=GaLpONj9IJEC&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_ summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false, S. 50–51; S. 62. 233 http://books.google.es/books?id=GaLpONj9IJEC&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_ summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false, S. 20–21. Zu den Münzen S. 231.
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Beleg für die Verwendung überseeischer Kulturparallelen aus der Sicht der klassischen Kulturen und deshalb von großer Bedeutung (Cartari/Pignoria 1615, S. I ff.)234. Der Gedanke, dass unterschiedliche Kulturen und Ethnika auch verschiedene Grabriten besaßen, liegt der 1574 erschienenen Arbeit I funerali antichi von Tommaso Porcacchi zugrunde. Der Autor geht wie Vincenzo Cartari aber von den humanistischantiquarischen Interpretationsfeldern der Mores und Instituta des Flavius Blondus aus, dessen Werk De Roma trionfante er auch zitiert (Porcacchi, S. 1591 [1574], S. 16). Texte und Illustrationen gehören, wie die von Cartari, aber in den Bereich der fantastischen Darstellungen all’antichità (siehe S. 227). Die umfassenden kulturellen Bereiche brachten es mit sich, dass manche der Werke, die diesem Muster gerecht werden wollten, bedeutende Umfänge annahmen, wie das Gesamtwerk Pirro Ligorios Mitte des 16. Jahrhunderts (Herklotz 1999, S. 216, S. 244 f.; Daly Davis 2008, S. 15 ff.). Hierher gehört auch der aus über 2000 Aquarellen bestehende antiquarische Teil des Bildmuseums Cassiano dal Pozzos, der allerdings erst nach 1620 entstanden ist (Herklotz 1998; Herklotz 1999, S. 245 ff.). Dafür wurden die vier kulturellen Felder mit ihren Unterkategorien auch hierarchisch in einem Dendrogramm gegliedert, wie wir das aus der Naturkunde z. B. bei Michele Mercati schon kennengelernt haben (Abb. 38). Diese Gliederung publizierte Carlo Roberto Dati, der sich ja auch durch die Publikationsabsicht und interne Verbreitung von Mercatis Manuskript verdient gemacht hatte (Dati 1664; hier Abb. 54). Wahrscheinlich geht sie aber auf Cassiano dal Pozzo selbst zurück (Herklotz 1998, S. 152, Anm. 40). Der neue Beitrag des 16. und 17. Jahrhunderts liegt bei Beibehaltung der Themenkreise also einerseits in einer größeren Urteilssicherheit hinsichtlich der römischen Identifikation und Funktion der Denkmäler. Andererseits kann man die ersten Spuren der Auseinandersetzung mit außereuropäischen Kulturen feststellen, die aber, genauso wenig wie die Interpretationsansätze Michele Mercatis, den humanistisch-antiquarischen Forschungsansatz und seine Normsetzung der antiken Kultur angreifen konnten. 3.6.1.2 Die humanistisch-antiquarische Altertumskunde außerhalb Italiens Außerhalb Italiens prägte der Einfluss des normativen humanistisch-antiquarischen Forschungsansatzes am stärksten die Inschriftenforschung wie die von Konrad Peutinger und Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius, deren umfassende Inschriftenpublikation die Qualität eines Corpus antiquitatum erreichte. Sonst fehlten aber alle Vorraussetzungen für große archäologische Sammelwerke, wie sie in der Raffaelzeit in Rom schon entstanden oder projektiert wurden. Die landesgeschichtliche Literatur, die durch das Konzept der Stadtbeschreibungen nach dem Vorbild von Rom und der Landesbeschreibungen vom Illustrata-Typ angeregt wurde, ließ sich konzep-
234 http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cartari1626/0594.
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Abb. 54: Cassiano dal Pozzo, „Ordo Antiquitatum Romanarum“, publiziert in Dati, Carlo (1664): Delle Lodi del Commendatore Cassiano dal Pozzo Orazione, Nachspann nach fol. H 4. Florenz. Nach: Herklotz 1999, S. 267. © Ingo Herklotz.
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tuell am leichtesten übernehmen. Während in Italien der Beginn dieser Forschungen um etwa 1440 anzusetzen ist, begannen sie außerhalb Italiens erst am Ende des 15. Jahrhunderts. Diese jüngeren Arbeiten waren deshalb gleichzeitig von den weltchronistischen Ideen beeinflusst, die auch in Italien in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wieder aufgenommen worden waren und mit dem Druck der Antiquitates des Annius von Viterbo 1498 einen neuen Höhepunkt erreichten. Außerhalb Italiens verbreiteten sich diese wie ein Lauffeuer. Annius Werk jedoch vermittelte zwar humanistische Methoden, teilte aber keinesfalls den normativen römischen Kulturbegriff. Gleichzeitig und verbunden mit der Annius-Rezeption wird in diesen Arbeiten jedoch durch die Rezeption der Germania des Tacitus die antike Ethnographie bestimmend (siehe S. 341 ff.). Dennoch hatten es die Gelehrten der Gebiete ohne römische Vergangenheit ungleich schwerer, eine historische Geographie herzustellen – ihre Ortsnamen wurden in antiken Quellen nicht erwähnt und ihre Denkmäler boten keine einfachen Analogien zur schriftlichen Überlieferung an. Das betraf im deutschen Reichsteil den ganzen Osten sowie den Norden mit Ausnahme des Rheingebietes und machte eine Behandlung der ganzen Germania nach italienischer Methode unmöglich. Am Anfang der Landesbeschreibungen vom Illustrata-Typ stand im deutschsprachigen Reichsteil das nicht vollendete Projekt der Germania illustrata des Konrad Celtis. Celtis und die mit seiner Idee zusammenhängenden Arbeiten verschiedener Autoren wollten nicht das Lob des zeitgenössischen Italiens und der Römer, sondern eben das Deutschlands und der Germanen darstellen und griffen dafür das Grundkonzept des Blondus auf (Müller 2001, S. 462 ff.; Muhlack 2002b, S. 152 ff.). Den Zusammenhang stellte auch die Wahl des Titels … Illustrata her. Ein wichtiges Merkmal, das Celtis von Blondus übernahm, bildet der Rückgriff auf die Geschichte. Sein Projekt wies auch einen direkten Bezug zu den zeitgenössischen Anfängen antiquarischer Arbeit auf. Neben dem schon erwähnten Brief an Konrad Peutinger zeigt das ein Bericht in seinem 1502 entstandenen Werk De origine, situ, moribus et institutis Norimbergae libellus über die Suche nach germanischen Druidenstatuen. Die Beurteilung der Bedeutung für das Germania illustrata-Projekt aber ist schwierig, da sie nur aus programmatischen Erwähnungen in anderen Werken des Autors erschlossen werden kann (König 1923, Nr. 34; Müller 2001, S. 452 f., S. 454). Eigentlich ausgebaut wurde die archäologisch-empirische Seite des Projekts durch Celtis’ Schüler Aventinus, der sich freilich auf Bayern beschränkte und wie fast alle anderen Autoren der Generation nach Celtis die Weltchronistik aufnahm – ein umfassendes Werk, wie es Celtis vorgeschwebt haben muss, gelang ihm jedenfalls auch nicht und deshalb auch nicht die Einbindung der archäologischen Quellen in die humanistischen Interpretationsfelder. Dagegen verfügte er aber schon über ein gewisses Instrumentarium, um römische Denkmäler für eine historische Topographie zu gewinnen (Müller 2001, S. 479 ff.; siehe S. 214). Man geht trotz der großen Bedeutung des humanistischen Vorbilds insgesamt sicher nicht fehl, wenn man Grundlagen für Form und Inhalt der historischen Darstellung sowohl der deutschen als auch der späteren britischen Landesbeschreibungen
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in erster Linie auf die direkte Rezeption der Germania des Tacitus zurückführt235. Es scheint außerdem so, dass Celtis vorrangig wie Tacitus im zweiten Teil seiner Ger mania die Populi in ihren Siedlungsgebieten behandeln wollte (Müller 2001, S. 452), wodurch er sich von dem von Flavius Blondus für Italien verwendeten Konzept der augusteischen Verwaltungsgliederung in „regiones“ entfernte. Dieses war so für weite Teile der Germania ja auch nicht übertragbar, und Tacitus blieb sogar die geographische Festlegung der Stammesgebiete schuldig, die sie hätte ersetzen können (Müller 2001, S. 364). Deshalb muss man wohl konstatieren, dass Celtis, Aventinus und die anderen beteiligten Gelehrten das historisch-geographische System des italienischen Humanisten überhaupt nicht imitieren konnten und deshalb scheiterten. Das hinderte aber nicht die Übernahme der einzelnen Interpretationsfelder, zumal wenn sie aus der Germania gefüllt werden konnten wie Situs oder Mores. So zeigen die Kapitelüberschriften des ersten Buches der Annales Herulorum ac Vanda lorum von Nikolaus Marschalk aus dem Jahre 1521 eben diese Themen: Die ersten vier Kapitel folgen im Wesentlichen „de origine“ und „de situ“, die Kapitel 5 bis 10 berichten von „de moribus“, die Kapitel 11 und 12 „de populis“, das 13. Kapitel von „de institutis“. Das 10. Kapitel im Themenfeld „de moribus“ behandelt mecklenburgische Megalithgräber durch eine literarische Analogie zur Aeneis als Gräber der heroischen Vorfahren der Mecklenburger Herzogsdynastie sowie Urnengräber als Gräber der einfachen Bevölkerung, kommt also zu einer sozialen Interpretation im Sinne der Antike und der mecklenburgischen Gegenwart – auch die fehlende Überlegung einer eventuellen Ungleichzeitigkeit folgt dem humanistisch-antiquarischen Forschungsansatz (Marschalk 1521; Westfalen 1739, S. 190 f.; Sasse 2010, S. 254, S. 262 f.). Marschalk inte grierte in seine Darstellung der Urzeit aber weltchronistische Elemente (siehe S. 331) und fuhr nach dem ersten Buch mit der Genealogie der Herzogsdynastie fort. Etwa gleichzeitig zu den ersten Fassungen des Werkes von Nikolaus Marschalk entstand in England die Anglica historia von Polydor Vergil, die 1534 erstmals gedruckt
235 Die erste Druckausgabe der Germania von 1472, die auf der Textfassung von Gian Francesco Poggio Bracciolini beruhte, trug den Titel Cornelii Taciti illustrissimi historici de situ, moribus et populis Germaniae libellus aureus. Dieser Titel entsprach dem humanistisch-antiquarischen Forschungsansatz. Der Bestandteil „De origine“ findet sich jedoch schon in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts: Niccolò Niccoli nannte den Fund des Textes aufgrund des Berichtes zweier päpstlicher Gesandter, die die Handschrift gesehen hatten, Cornelii Taciti De origine et situ Germanorum liber (Huth 2008, S. 626 f.). Die Fundgeschichte der Germania ist kompliziert (Mertens 2004, S. 42 f., besonders Anm. 14). Zu den Titeln der ersten Druckausgaben siehe den Katalog der Wiegendrucke, Nr. 08374–08376, M44736 und M44723, der in Wien um 1500 erschienenen Ausgabe des Konrad Celtis (VD16 ZV14837). 1511 wurden die gefälschten Quellen des Annius und die Germania des Tacitus in Straßburg in einem Druck zusammengeführt (VD16 B1649) – die Titel beider Ausgaben des 16. Jahrhunderts beginnen mit „De origine“. Siehe dazu auch S. 158. Auch die Streitschrift des Aenea Silvio Piccolomini, die sich eigentlich auf das zeitgenössische Deutschland bezog, wurde in der Straßburger Ausgabe von 1515 unter dem Titel De ritu, situ et moribus Germaniae veröffentlicht (Stemmermann 1934, S. 10; S chmidt 1962, S. 5; Lindauer 1967, S. 135 f.; Muhlack 2002b, S. 149, S. 151; Mertens 2004, S. 64).
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wurde (Vergil 1514[1555]). Wie Marschalk für Mecklenburg widmete Vergil sein erstes Buch der Urgeschichte und behandelte dann die englischen Herrscher seit William I. Das erste Buch enthält dieselben Themenfelder wie Marschalks Arbeit, nur in einer anderen Reihenfolge und Gewichtung, beginnend mit der Landesbeschreibung, die immerhin 16 Kapitel einnimmt und zeitgenössische und historische Aspekte verbindet. Die Legenden zur Origo dagegen sah er im Gegensatz zu Marschalk, der aktiv an ihnen arbeitete, skeptisch: „Britanniam qui mortales ab initio coluerint, indigenae an advenae, parum compertum“ (Vergil 1514[1555], Buch 1,18)236. Dennoch gehörte es auch für ihn zur Pflicht, sie zu erwähnen. Wichtig aber waren ihm Mores und Instituta, denn hier kam er zu der neuen Erkenntnis, dass Gallier und Britannier dieselben kulturellen Merkmale besaßen, nämlich die Bauweise, die Kleidung sowie die Religion und Wissenschaft, eine Beobachtung, die William Camden aufnahm und die zur Definition einer keltischen Kultur führen sollte237. Wenn auch die Archäologie hier noch keine Rolle spielte, so doch Merkmale der Sachkultur. Etwa gleichzeitig erschienen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Spanien und England historisch-landeskundliche Arbeiten nach dem humanistisch-antiquarischen Forschungsansatz. Ambrosio de Morales, der Historiograph Karls V., schuf in seinem Werk Anti quitates eine Landesbeschreibung nach dem Muster des Flavius Blondus. Eines seiner Ziele war die Identifikation der römischen Städte als eine Grundlage für die historische Topographie, eine Methode, die im freien Germanien gar nicht möglich gewesen wäre und dem Vorgehen des Blondus sehr nahe kommt. Hierzu benutzte er Inschriften (Stenhouse 2005, S. 127), aber auch archäologische Quellen ohne Schrift,
236 Übersetzung: Welche Menschen am Beginn Britannien bewohnten, ob Einheimische oder Einwanderer, ist wenig erforscht. 237 „Atque isthaec habui hactenus scribere de Britannorum origine eorumque imperio ac rerum statu. Sed antequam caetera prosequamur, haud ab re alienum puto aliquid tradere de forma corporum, de moribus priscis et institutis eius ipsius populi, ut plane constet qualis ille fuerit ante Romanorum in insulam adventu qui, ut victores solent, postea immutaverunt omnia melioraque nonnulla fecere, quando per eos Britanni multo cultiores effecti sunt, ut infra suis dicetur locis“ … „Aedificia Gallicis similia et vestitus fere idem erat. Literas discebant Graecas. Religionem atque sacerdotes Drfefelissetuides cum Gallis communes habebant, ab illisque variis disciplinis erudiebantur“ (Vergil 1514[1555], Buch 1,29). Übersetzung: Bis jetzt habe ich vom Ursprung der Britannier geschrieben, von ihrem Reich und dem Status der Könige. Bevor wir weiter fortschreiten, scheint es mir nicht abwegig, etwas über die Form der Körper, die alten Bräuche und die Institutionen eben dieses Volkes zu berichten. So steht es sicher fest, dass sie vor der Ankunft der Römer auf der Insel waren, die, wie Sieger zu tun pflegen, später alles veränderten und manches besser machten, weil die Britannier durch sie um vieles zivilisierter geworden sind, wie an geeigneter Stelle behandelt werden soll … Die Gebäude waren den gallischen ähnlich und die Kleidung fast dieselbe. Sie lernten griechische Buchstaben. Die Religion und die druidischen Priester hatten sie mit den Galliern gemeinsam, und von ihnen wurden sie in verschiedenen Disziplinen ausgebildet.
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wie die Terra sigillata. Die archäologischen Quellen dienten hier der Lokalisierung und Altersbestimmung der Orte. Diese Wissenschaftstradition beeinflusste auch die ersten Werke über die amerikanischen Kulturen und führte zur Überlieferung von Informationen über die historische Topographie sowie die verschiedenen kulturellen Felder der sterbenden Kulturen Amerikas, wie Religion, Verwaltung und privates Leben, z. B. bei den beiden Geistlichen Diego Durán und Diego de Landa. Sie begünstigte auch die Eingliederung der Geschenke der Konquistadoren in Renaissancesammlungen, wie die der Universität von Alcalá de Henares, der spanischen Könige, Ulisse Aldrovandis und der Medici in Florenz (Alcina Franch 1995, S. 19, S. 22 f., S. 46 ff.; Schnapp 2010, S. 55 f.). In England knüpfte William Camden 1586 an das Forschungsmodell des Flavius Blondus an, ohne seinen Schöpfer allerdings explizit zu nennen. Stattdessen erwähnte er aber Varro als Autorität, auf den sich auch Blondus bezogen hatte: „Agnosco sane, nec enim aurificis statera (quod iubet Varro) verbum unumquodque appendi …“ (Camden 1586, fol. A 4v)238, und auch der Kritik des Kirchenvaters Augustinus an Varro begegnete er mit Vorbehalt. Camden wurde nach seinen eigenen Angaben von Abraham Ortelius, dem flämischen Kartographen, angeregt, das alte Britannien zu erhellen: „ut Britanniam nostram antiquam illam illustrarem“ (ebd., fol. A 2). Wir können daraus schließen, dass Camden die archäologisch-topographische Seite des humanistisch-antiquarischen Forschungsansatzes in der Spielart des Aventinus über Ortelius kennengelernt hat und nicht über direkten italienischen Einfluss – Ortelius hatte die Bayernkarte des Aventin verlegt, die archäologische Merkmale enthält. In der Ausgabe der Britannia von 1590 findet sich außerdem erstmals auch eine Widmung von Jan Gruter, die ebenfalls die flämischen Beziehungen unterstreicht. Obwohl Camden seinem Werk nicht den auf Blondus anspielenden Titel Britannia illustrata gegeben hat, verstanden die Leser den Zusammenhang, wie aus den nach Zeitbrauch am Anfang nach dem Vorwort beigegebenen Lobgedichten hervorgeht, so erstmals in der Auflage von 1607: „In Britanniam denuo illustratam“. Auch die Themen Camdens zeigen, woher die Ideen stammten. Im Vorwort der Erstausgabe formulierte er als seine Hauptaufgabe die Klärung des Ursprungs der Briten und Angeln sowie das Alter der Städte: „Ad hoc opus elimandum, id est, ad antiquissimam Britannorum & Anglorum originem agendam, & vetustas Britanniae urbes …“239. Sie weisen durch die Nennung der Origo auf die Tacitusrezeption, d. h. die Form der illustrata, wie sie von Konrad Celtis vertreten worden war. Außerdem ist William Camden aber von dem italienischen Historiker beeinflusst, dem England seine erste in humanistischem Geist geschriebene Geschichte verdankt,
238 Englische Übersetzung: „Veryly acknowledge it, neither have I waived every word in Goldsmiths scales, as Varro commanded“ (Camden 1586[1722]). 239 Übersetzung: „Um diese Aufgabe auszuführen, d. h. über den Ursprung der ältesten Briten und Angeln und über die ältesten Städte zu handeln …“ (Camden 1586, fol. A 6).
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von Polydor Vergil, für dessen Anglica historia Caesars De bello Gallico240, Tacitus’ Germania und Gildas Werk entscheidende Vorlagen waren, durch deren Vergleich mit mittelalterlichen Fälschungen Vergil zur Ablehnung der Trojaner- und anderer Legenden kam. So auch Camden. In der zu Lebzeiten des Autors am weitesten entwickelten Form beginnt das Werk wie das Vergils mit einer kurzen geographischen Bestimmung der Britannia, auf die Abschnitte über die „Primi incolae“, den „Britanniae nomen“ und die „Britannorum mores“, die Gebräuche der Britannier folgen (Camden 1586[1607], S. 1 ff.). Die „Primi incolae“ oder „aborigines“ wiederum verweisen auf Varro in der Überlieferung von Dionys von Halikarnass (siehe S. 106). Wahrscheinlich sind sie nicht von Wolfgang Lazius beeinflusst (Lazius 1557). Die Ähnlichkeit zu dem Text Polydor Vergils ist nicht nur formal, sondern auch inhaltlich frappierend (Vergil 1514[1555]), Buch 1). Camden widmete sich weiterhin wie Vergil den einzelnen historischen Völkern Britanniens, beginnend bei den Römern, um dann aber eine geographische Ordnung nach der zeitgenössischen Verwaltungseinteilung einzuschlagen, während Vergil mit einer historischen Ordnung nach den einzelnen Herrschern von William I. an fortgefahren war. Damit löste Camden das Dilemma des Konrad Celtis und schuf eine Variante des Illustrata-Typs, die auch für nichtrömische Gebiete bzw. für Reichsprovinzen mit einer schlechten Überlieferung anwendbar war: die noch heute übliche Bearbeitung archäologischer Funde aufgrund der aktuellen Verwaltungsgliederung. In die Behandlung der römischen Zeit sind von der Ausgabe von 1600 an die Münztafeln und ihre Beschreibungen eingegliedert, in die regionalen Teile auch die Transkription einiger Inschriften und schon 1586 die Beschreibung von Stonehenge mit der funktionalen Beobachtung von menschlichen Grabfunden in seiner Umgebung, die in der Ausgabe von 1600 auf der Abbildung auch lokalisiert werden (Camden 1600, S. 219). Auch William Camden kam allerdings nicht um die Diskussion der Legenden über Merlin und König Arthus herum und folgte hierin ebenfalls Polydor Vergil (Camden 1586, S. 119 ff.; 1586[1610], S. 228). Auch hinsichtlich der relativchronologischen Geschichtsperiodisierung der historischen Zeit beruht der Brite auf humanistischen Ideen und nicht auf der weltchronistischen Lehre. Er blieb auf dem Boden der erfahrbaren Geschichte. Die ersten Bewohner Englands sind für ihn mit den Galliern verwandt und älter als die Römer, wie er das schon bei Polydor Vergil lesen konnte (Polydor Vergil 1514[1555], 1,29, hier Anm. 237). Dann kommen die Römer, die Angelsachsen, die Normannen. Ob er der Erste war, der in England für die Epoche zwischen der Römerzeit und der Gegenwart den Begriff Mittelalter verwendete, müsste allerdings überprüft werden (Piggott
240 So beginnt das erste Buch: „Britannia omnis, quae hodie Anglia et Scotia duplici nomine apellatur, insula in oceano contra Gallicum litus posita, dividitur in partes quatuor“ (Polydor Vergil, Anglica Historia 1514[1555], 1,1).
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1976, S. 139). Zumindest bei einer Erwähnung in der Ausgabe der Britannia von 1722 handelt es sich um einen späteren Zusatz (Camden 1586[1722], S. 157). Wie aus den verschiedenen Erscheinungsjahren hervorgeht, erlebte die Britan nia nämlich eine Fülle von Auflagen und Ergänzungen, die bei einer forschungsgeschichtlichen Auswertung immer mit der Originalfassung verglichen werden müssen. Zu Lebzeiten des Autors sind es vor allem die Inschriftenfunde, deren Zahl deutlich besonders in der Ausgabe von 1607 nach gezielten Prospektionen zunahm (Camden 1586[1607], S. 635 f.; Kendrick 1950, S. 144, S. 147). Zumindest bis zu den ergänzten Ausgaben von 1789 und 1806 empfand man den humanistisch-antiquarischen Forschungsansatz in der Variante der Britannia nicht für so überholt, dass man sie nicht als Arbeitsgrundlage verwenden konnte. Es ist derselbe Geist humanistisch-antiquarischer Tradition, der 1770 die Einführung der Zeitschrift Archaeologia der Society of Antiquaries in London prägen sollte. Nach bescheidenen Anfängen bei Aventinus 1528 in seiner Arbeit über Regensburg begann man paradoxerweise erst Ende des 16. Jahrhunderts, die kulturgeschichtlichen Informationen der Inschriften, die doch zu den ersten bearbeiteten archäologischen Quellengattungen in der Renaissance gehörten, im Sinne des humanistisch-antiquarischen Forschungsansatzes auszuwerten. Markus Welser entnahm ihnen Angaben zu Institutionen und Berufen in Augsburg (Welser 1594, S. 106 f.). Er stellte auch die Institutionen und Bauten der Stadt in der dem humanistisch-antiquarischen Forschungsansatz entsprechenden Gliederung dar: „Coloniae Augustae deductionem: reique publicae constitutionem, qua religiosam qua civilem“ (Welser 1594, Inhaltsverzeichnis). Jan Gruter ordnete dann in Zusammenarbeit mit Markus Welser und Joseph Justus Scaliger erstmals eine umfassende Inschriftensylloge nach den funktionalen Gesichtspunkten des humanistisch-antiquarischen Forschungs ansatzes und erschloss diese Quellengruppe damit als ganze für die antike Kulturwissenschaft. So trug er Weihesteine unter der Überschrift „Diis dedicatorum“ zusammen und ordnete sie erst sekundär topographisch (Gruter 1603, S. XI ff.241; Stenhouse 2005, S. 149 ff.; Ott 2010, S. 141). Im Einzelnen waren die Funktionsbestimmungen antiker Monumente jedoch nie ohne Inschriften möglich gewesen. Die funktionale Interpretation römischer Monumentalbauten anhand von Grabungsergebnissen blieb jedoch außerhalb Italiens schwer wie im Mutterland. Der Ausgräber Andreas Ryff äußerte sich 1597 zwar mit gewisser Sicherheit zu technischen Baudetails des römischen Theaters von Augusta Raurica, blieb aber, was den Zweck des Baus betrifft, vorsichtig: „es gleicht am ehesten einem Theatro und Spiel- oder Triumph-Platz“ (Stehlin 1911, S. 51). Basilius Amerbach dagegen legte sich in seiner Auswertung auf ein Amphitheater fest (Amerbach 1588–90; Stemmermann 1934, S. 64). Leider konnte in diesem Zusammenhang nicht geklärt werden, ob Amerbach in seinem Manuskript die diesbezüglichen Arbeiten Pirro Ligorios und Onofrio Panvinios rezipiert hat (siehe S. 164).
241 http://arachne.uni-koeln.de/item/buchseite/232029. Besucht am 25. 03. 2015.
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3.6.2 Das weltchronistische Konzept und die Spuren mythischer Weltalter und Weltregionen Das Thema des eigenen Ursprungs, der Ahnenforschung und –Verehrung sprengte von Anfang an den humanistisch-antiquarischen Forschungsansatz, wenn auch die Gelehrten, die innerhalb dieses Schemas arbeiteten, sich damit beschäftigten und ihre römische Herkunft zu belegen versuchten. Die Genealogie antiker und mittelalterlicher Art war auch für sie ein geeignetes Mittel. Zu ihr gehört die Suche nach dem Heros eponymos als dem Begründer der eigenen Kontinuität. Hier konnte man auf zahlreiche sehr verschiedene antike und christliche Vorbilder zurückgreifen (siehe S. 116 ff.). Zeugnis von der Aktualität antiker Mythen242 zu vergangenen Weltaltern geben z. B. Mirabilia wie die Reste von angeblichen Riesen, die sich noch am Ende des 16. Jahrhunderts in italienischen Sammlungen befanden. Zu ihnen kamen Exotika wie Ungeheuer und Überreste merkwürdiger Völker vom Rande der Welt (Aldrovandi 1642, S. 323243; Scheicher 1979, S. 26 f.; Bujok 2004; Laurencich-Minelli 2012)244. Von großer Bedeutung für die Entwicklung des ur- und frühgeschichtlichen Themenfeldes wurde aber die immer noch aktive frühchristlich-mittelalterliche Tradition der Weltchronik, die durch die humanistische Aufnahme antiker Literatur zur Urgeschichte eine neue scheinbar wissenschaftliche Dimension gewann. Während in den Arbeiten, die nach dem normativen humanistisch-antiquarischen Forschungsansatz entstanden sind, die Römische Kultur beherrschend und ihre Beziehung zu anderen Kulturen in Raum und Zeit von geringem Interesse war, unterschied sich die Weltchronistik durch ihre biblische, aber auch durch andere historische Identifikationen. 3.6.2.1 Quellen für den Ursprung der Etrusker und aller anderen Völker – Genealogische Fiktionen und Tekmeria in den Antiquitates des Annius von Viterbo Das italienische Muster dieser Richtung, das aus diesem Grunde außerhalb Roms entwickelt wurde, sind die Antiquitates des Annius von Viterbo (Nanni 1498; siehe S. 140 ff.). Sie werden hier wegen ihrer großen Wirkung außerhalb Italiens in den Mittelpunkt gestellt. Annius gewann seine Vorbilder nicht primär aus dem alten Rom, sondern aus seiner etruskischen Heimat und aus der Bibel. Daneben griff er jedoch auch auf andere antike und mittelalterliche Überlieferungen zurück und stellte damit eine wirksame Alternative gegenüber der neuen säkularen historischen Periodisie-
242 Zum Mythosbegriff siehe S. 97. 243 http://amshistorica.unibo.it/127, S. 323. 244 Siehe S. 336 ff., S. 347 ff. zu der Widerlegung dieser Vorstellungen.
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rung des Blondus her, die wir als eines der Fundamente des humanistisch-antiquarischen Forschungsansatzes kennengelernt haben. Während diejenigen, die mit ihren Arbeiten innerhalb dieser Forschung blieben, eine einzige Kultur in ihrer Kulturstruktur behandelten, bezog sich das weltchronistische Forschungsmodell auf das Werden der Welt und ihrer Dynastien und vor allem auf die genetischen Verbindungen zwischen den Dynastien, ihre Wanderungen und ihren Ursprung in der biblischen Geschichte. Da es hier um interkulturelle Probleme in Raum und Zeit ging, werden Herkunft und Ethnizität, aber auch die Geschichte und Kultur verschiedener Völker erfasst. Damit kann man es als Vorform unseres Themenfeldes Kulturgruppen ansehen, eines der Hauptthemen der späteren Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie (Abb. 9). Deshalb hat man die Tacitus-Rezeption des Annius auch „Tacitus ur- und frühgeschichtlich gelesen“ genannt (Mertens 2004, S. 84). Auch in der spätantik-mittelalterlichen Weltchronistik wurden schon wie bei Annius Genealogien auf antiker Basis in das biblische Geschichtsbild integriert (siehe S. 124 f.). Es gibt allerdings auch einige Hinweise auf unmittelbare Vorläufer: In Norditalien entstand kurz vor den Antiquitates das Supplementum chronicarum des Augustinereremiten Giacomo Filippo Foresti da Bergamo. Es wurde erstmals 1483 gedruckt und war außerordentlich erfolgreich, im Gegensatz zu dem heute bekannteren Werk des Nürnbergers Hartmann Schedel von 1493, obwohl beide Chroniken Ergebnisse des Flavius Blondus mit der Form der Weltchronik verbanden (Stauber 2002, S. 173 f.; Wallraff 2005, S. 102 ff.). Annius unterschied sich von dieser Tradition dadurch, dass er der humanistischen Forderung ad fontes gerecht werden wollte und die Geschichtskonstrukte durch seine Fälschungen der Werke uralter Autoren auf den Boden der Geschichte zu erheben schien – „auctores vetustissimi“ beginnt der Titel der Erstausgabe verheißungsvoll. Die Antiquitates, die Hauptpublikation des Annius von Viterbo, bestehen aus vier Schriften zur Urgeschichte der Etrusker und elf gefälschten Quellentexten, die Annius als verschollene Werke altrömischer und orientalischer Autoren ausgab und kommentierte. Das Werk gehört insofern zu der schon erwähnten Gattung der Quellenkommentare. Nur sind alle Texte von einem Autor! Die gelehrte Welt wartete auf diese Quellen, von deren ehemaliger Existenz man durch Zitate bei anderen antiken Autoren wusste. In dieser Zeit, da die Humanisten systematisch die alten Klosterbibliotheken durchforsteten, waren Quellenfunde keine Besonderheit. Da sowohl die Fälschungen selbst als auch die Art der Editionen, ihre Einleitungen und ihre Kommentare nach damaliger Erkenntnis die außerordentliche Gelehrsamkeit des angeblichen Herausgebers zu beweisen schienen, gab es oberflächlich keinen Grund zur Skepsis (Stephens 2004, S. 205 f.). Annius hatte nämlich seine Fälschungen unter Verwendung von echten Quellen geschrieben. Auch in seinen Kommentaren verwendete er diese und andere damals gängige Überlieferungen, so dass der Leser immer wieder seine schon vorhandenen Kenntnisse bestä-
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tigt fand und es leichter hatte, die in Echtes und Bekanntes verwobenen Erfindungen zu akzeptieren – niemand kannte alle Quellen auswendig und konnte das Gelesene sofort nachprüfen. Eine große Rolle spielen in Annius’ Konstrukten Diodorus Siculus, Flavius Josephus, Vergils Aeneis, die er wie Flavius Blondus als historische Quelle verwendete, Livius, Dionysios von Halikarnassos, Tacitus, die Bibel und die Werke des Augustinus. Im Zentrum seines Werkes steht die Schrift Defloratio Berosi caldaica, in späteren Ausgaben auch De antiquitatibus Italiae ac totius orbis – Altertumskunde Italiens und der ganzen Welt. Annius gab sie als das verlorene Werk des Berosus, eines Priesters „patria babillonicus et dignitate Caldeus“ aus (Nanni 1498, fol. 99r). Der Text hatte in verschiedenen europäischen Ländern großen Erfolg und leitete eine neue Welle universalgeschichtlicher Weltchronistik ein, die auf Genealogien nach biblischem Muster und Wandergeschichten beruhte. Annius entwickelte hier eine genealogische Abstammungsgeschichte der europäischen Völker seit Noah. In den Stammbaum eingefügt sind die ägyptischen Götter Isis und Osiris sowie die antiken und germanischen Götter und Heroen (Nanni 1489; Grafton 1991, S. 80 f.; ders. 1993, S. 77 f.; Stephens 2004, S. 216 f.; Mertens 2004, S. 85; Grimm 2007). Noah wird zum Vater antiker Götter und Giganten: „Noam omnium deorum maiorem et minorem patrem et humanae gentis auctorem … Praeter vero tres primores filios: Noa post diluvium gygantes pluresque filios genuit“ (Nanni [Berosus] 2,1 und 2,2)245. Den Abschluss seiner Antiquitates bildet eine Genealogie der spanischen Könige, deren Vorfahr Japhets Sohn Tubal gewesen sein soll. Anlass für die Abfassung dieser Genealogie war wohl die Finanzierung des ersten Druckes durch das Königspaar Isabella I. von Kastilien und Ferdinand II. von Aragón, denen Annius das Werk dann auch widmete. Deshalb ist vermutet worden, dass ihre Genealogie dem schon fertigen Manuskript angefügt wurde (Danielsson 1928, S. 6). Aus oben dargelegten historischen Gründen spielte allerdings der spanische Papst Alexander VI. bei der Entstehung von Annius’ Werk eine bedeutende Rolle (siehe S. 141 f.). Deshalb kann man vermuten, dass die spanischen Bezüge nicht zufällig sind. In Kastilien waren nämlich seit dem 13. Jahrhundert einige Chroniken verfasst worden, in denen diese Origo des Königshauses verbreitet wurde (Caballero López 1997–98, S. 85). Sie gehen auf die Etymologien des Isidor von Sevilla zurück (Isid. orig. 9, 2,29), Isidor aber auf Hieronymus und die Antiquitates des Flavius Josephus, der im ersten nachchristlichen Jahrhundert schrieb: „Es ließ aber auch Theobel die Theobelier sich ansiedeln, die heutzutage Iberer genannt werden“ (Ios. ant. iud. 1,124; Estévez Sola 2004, S. 365 ff.). Bei den Antiquitates Judaicae bzw. der Archaeologia des Flavius Josephus aber handelt es sich um eine der Hauptquellen der Antiquitates des Annius. Annius’ eigentliches Ziel war das Lob seines Heimatlandes Etrurien, insbesondere das seiner Heimatstadt Viterbo. Alle vier Schriften innerhalb der Antiquitates, zu deren Urheberschaft er sich bekannte, handeln von diesem Gegenstand. Beson-
245 Nanni 1498, fol. 104v, fol. 106r.
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ders wichtig sind dafür die „Anniae quaestiones“ und die vier Bücher „Institutiones“, letztere mit der Überschrift „De antiquitate et rebus Ethruriae“ (Danielsson 1928, S. 7; Wifstrand Schiebe 1992, S. 9). In ihnen benutzte Annius die gefälschten Quellen, aber auch in seinem Sinne gedeutete echte sowie gefälschte archäologische Funde, um eine mythische Konstruktion der etruskischen Vergangenheit zu belegen. Aber auch in den Kommentaren zu den angeblichen Quellentexten kam er immer wieder auf Etrurien zu sprechen. Er übertrug dabei Elemente des humanistisch-antiquarischen Forschungsansatzes auf die Etrusker. Der Erfolg der Antiquitates ist vor allen Dingen darauf zurückzuführen, dass Annius’ Texte das Geschichtsbild der Bibel und der auf ihr beruhenden Weltchronistik bestätigten und auf das Niveau der Wissenschaftlichkeit erhoben. So schenkten sie ganz Europa eine angeblich historisch verbürgte, gemeinsame und konforme Urgeschichte (siehe auch unten). Sogar die beliebte trojanische Herkunft wurde in Annius’ Konstruktion integriert und die Trojaner nach Vergils Vorbild aus Italien abgeleitet. Bei Annius aber waren diese römischen Trojaner Nachkommen Noahs. Die Tatsache, dass sowohl in Italien, als auch in anderen der durch Annius’ Geschichtsfiktion betroffenen Länder unmittelbar und immer wieder Fälschungsvorwürfe erhoben wurden, beeinträchtigte die Erfolgsgeschichte der Antiquitates bis etwa 1720 kaum (Grafton 1991, S. 93 ff., Wifstrand Schiebe 1992, S. 67). Unter den deutschen Humanisten war Beatus Rhenanus 1516 der Erste, der die Fälschung erkannte. Archäologische Quellen spielten hierbei jedoch keine Rolle (Mertens 2004, S. 92; Mundt 2008, S. 522). Im 18. Jahrhundert hatte sich endlich im Zuge der entwickelten historischen Quellenkritik die Erkenntnis durchgesetzt, dass es sich um das Machwerk eines Fälschers handelte. Annius geriet in die Vergessenheit der Forschungsgeschichte. Die nun sichere Tatsache seiner Fälschungen steht dem Eingeständnis seiner historischen Bedeutung und auch der Wertung seiner Verdienste bis heute im Wege. Das betrifft auch Annius’ archäologisch-epigraphische Tätigkeit. Forschungsgeschichtliche Arbeiten des 20. Jahrhunderts setzten sich zwar teilweise mit ihm auseinander, doch findet man in den meisten von ihnen keine selbständigen Analysen von Annius’ Werk, und das Interesse richtet sich überwiegend auf seine Wirkung nördlich der Alpen, so in Arbeiten zur Germanenforschung (Bieder 1921, S. 11 ff.; Dannenbauer 1935, S. 23) und zur Ur- und Frühgeschichte (Stemmermann 1934, S. 24; Kirchner 1937, S. 22 f.). In der Ägyptologie und der Klassischen Archäologie sind die Vorwürfe bezüglich seiner archäologischen Fälschertätigkeit immer wieder ungeprüft wiederholt worden (Enking 1939; Weiss 1962a; 1962b; 1969). So ist auch zu erklären, dass Bruce Trigger Annius gar nicht erwähnte, und Alain Schnapp nur den berühmten Fälschervorwurf von Antonio Agustín abdruckte und ihn „König der Fälscher“ nannte (Trigger 1989; 2006; Schnapp 1993[2009], S. 377). Eine differenziertere Position zu den Fälschungsvorwürfen findet man in einigen Arbeiten zur etruskischen Epigraphik und zu den in Viterbo erhaltenen Stücken (Danielsson 1928; Emiliozzi 1986; Grimm 2007).
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In der Geschichtswissenschaft und Philosophie begann man im Zuge einer eher mentalitätsgeschichtlichen Orientierung seit dem letzten Viertel des 20. Jahrhunderts, die Bedeutung von Annius’ Werk neu zu bewerten (Goez 1972; ders. 1974; Stephens 1980; ders. 1984; Ligota 1987; Grafton 1991, S. 76 ff.; Wifstrand-Schiebe 1992, S. 8 ff.; Goez 2004, S. 123 ff.; Stephens 2004; S chmidt-Biggemann 2007). Während Annius bei Roberto Weiss noch als exotische, wenn auch durch seine Fälschungen außerordentlich interessante und schillernde Nebenfigur erscheint, wird in den Arbeiten des Historikers Werner Goez deutlich, dass er trotz seiner Skurrilität ein Historiker und Archäologe von großer Bedeutung und vor allem Wirkungskraft war. So zeigen seine Schriften sogar paradoxer Weise in der Fiktion eine für die damalige Zeit beachtliche Auseinandersetzung mit dem historischen Wahrheitsproblem. Annius fügte nämlich wichtige Kriterien zur Quellenbeurteilung in die Fälschung der Schrift des persischen Autors Metasthenes ein – der Name wohl verwechselt mit dem echten hellenistischen Autor Megasthenes. Es ging dabei um die Verlässlichkeit der Berichterstatter und die höhere Glaubwürdigkeit offizieller Quellen, zu denen natürlich der Berosus-Text gehörte (Nanni 1498, fol. 99r; Goez 1972; Mertens 2004, S. 87). Gerade diese Tatsache bestätigt die kuriose Zwischenstellung des Annius zwischen Mythos und Wissenschaftlichkeit. Von den angeblich vielen weiteren Werken des Annius sind nur vier überliefert, davon nur eines zu Lebzeiten des Autors gedruckt. Zwei Abhandlungen zur Geschichte von Viterbo wurden erst im 20. Jahrhundert nach Handschriften herausgegeben: De marmoreis Volturrhensis tabulis (Weiss 1962a; Weiss 1969, S. 126) und Viterbiae his toriae epitoma, die Kurzfassung eines größeren in seiner Konzeption durch Flavius Blondus’ Italia illustrata beeinflussten, verlorenen Werkes (Baffioni 1981). Unter den vielen weiteren Werken, die Annius in seinen Antiquitates nennt, findet sich auch der Titel De origine situque ac moribus Hetruscorum (Baffioni 1981, S. 24 f.), der auffallend an die Titel der frühen Ausgaben der Germania des Tacitus erinnert. Auch für die sog Antiquitates bildeten die Kapitel 2–3 der Germania vom Ursprung der Germanen eine wichtige Quelle. Von Interesse ist, dass es außer den Schriften, die Annius selber verzeichnet hat, eine heute verlorene Handschrift zu etruskischen Inschriften aus Viterbo gibt, die gleichzeitig ein frühes und wichtiges Zeugnis des wissenschaftlichen Kontakts zwischen dem Nürnberger Humanisten Hartmann Schedel, der in Padua studiert hatte, und Annius’ Werk darstellt (siehe auch S. 330). Schedel kopierte eine Sammlung von Texten zu etruskischen und griechischen Inschriften aus Annius’ Hand. Diese Kopie hat sich in einem 1504 eingebundenen Codex erhalten, der über die Fuggerbibliothek in die Bayerische Staatsbibliothek kam (Cod. Monac. Lat. 716; Wifstrand Schiebe 1992, S. 7; Parisi 1999)246.
246 Kommentierte Herausgabe Danielsson 1928. Ergebnis ignoriert: Collins 2000, S. 72 f.
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Das Original mit einer Widmung für den Papst Alexander VI. muss nach dessen Besuch in Viterbo Ende 1493 entstanden sein, denn der Text behandelt damals gemachte Inschriftenfunde und interpretiert sie im Sinne einer Origo gentis der Borgia-Dynastie. Hier stellt sich nun sie Frage, wie Annius von Viterbo gearbeitet hat und ob die archäologischen Quellen, die er historisch interpretiert hat wie diese Inschriftenfunde, von ihm extra für sein Werk gefälscht waren oder nicht und welche Rolle sie für seine historische Konstruktion spielten. Der bedeutendste Kritiker der archäologischen Arbeit des Annius war der Spanier Antonio Agustín in seinen auf Spanisch erstmals 1587 erschienenen Dialogos de medallas. Wir haben ihn schon als Kritiker Pirro Ligorios kennen gelernt (siehe S. 224). Er behauptete, Annius habe in Viterbo Statuen und Inschriften gefälscht und diese zur Auffindung vergraben: Como me contava Latino Latini di Viterbo hombre doto y de mucha verdad, que frai Iuan Annio havia hecho esculpir ciertos carateres en una losa, y que la hizo enterrar en una viña, la qual havia de ser cavada presto junto Viterbo, y quando supo que havia cavadores en la viña, les hizo cavar hazia donde estava su losa, diziendo que el hallava en sus libros que en aquella parte havia un templo el mas antiguo del mundo: y como se cavasse hazia la losa, el primero que topo con la piedra se lo vino a dezir: y el hizo que la descubriessen poco a poco, y començo a maravillarse de la piedra y de los carateres. Y tomando copia della fue a los que tenian cargo de la ciudad, y les dixo que cumplia mucho a la honra de la ciudad, que aquella piedra se pusiesse en la parte mas honrada della, porque alli estava la fundacion de Viterbo, que era mas de dos mil años mas antigua que Romulo, pues la fundaron Isis y Osiris, y contoles sus fabulas. Y se hizo todo lo que el quiso. Y desta piedra andan tambien los traslados de molde, y creo que comiença EGO SUM ISIS etc. (Agustín 1587, S. 447 f.)247.
Versucht man, die verschiedenen Belege miteinander zu vergleichen, so fällt zunächst auf, dass Agustín sich mit seinem Urteil nicht auf die Schriften des Annius berief oder die Funde, sondern auf einen Gewährsmann, der wie er selbst kein Augenzeuge war. Dennoch beeinflusst dieser Bericht bis heute die Spezialliteratur erheblich. So ist immer wieder behauptet worden, Annius hätte Statuen gefälscht und diese für den Papstbesuch vergraben, obwohl gerade während des Papstbesuches ein echtes Kam-
247 Übersetzung: Wie mir Latino Latini aus Viterbo, ein gelehrter und wahrheitsliebender Mann, erzählt hat, hatte Fra Giovanni Annio gewisse Buchstaben in einen Stein gravieren lassen und diesen in einem Weinberg vergraben. Als er erfuhr, dass dort umgegraben werden sollte, ließ er die Arbeiter (fast) bis zu seinem Stein graben und sagte ihnen, er hätte in seinen Büchern gefunden, dass dort der älteste Tempel der Welt gewesen sei. Als der erste dann wirklich auf den Stein stieß und es ihm sagte, ließ er ganz langsam graben und begann, sich über den Stein und seine Buchstaben zu wundern. Und er zeichnete den Stein, ging damit zu den Verantwortlichen der Stadt, sagte ihnen, der Stein trüge viel zur Ehre der Stadt bei und hätte auf dem besten Ehrenplatz der Stadt gestanden, denn dort sei die Stadt gegründet worden, die mehr als zweitausend Jahre älter sei als Romulus, sie sei nämlich eine Gründung von Isis und Osiris. Und er erzählte Ihnen seine Märchen. Man machte alles so, wie er wollte. Und von diesem Stein kursieren auch Abdrücke. Er beginnt, glaube ich, mit „Ich bin Isis u. s. w.“.
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mergrab ausgegraben worden ist (siehe unten) und spätestens seit der Arbeit von Olaf August Danielsson (1928) echte und falsche Stücke klar unterschieden werden können – die ,Statuen‘ gehören nicht zu den Fälschungen, waren aber in Wirklichkeit figürliche Sarkophage (Danielsson 1928, S. X; Enking 1939, S. 9; Emiliozzi 1986, S. 171). Kürzlich ist es gelungen, in der „Herculae Osiridis Tabula“, auch als „Tabula Osi riana Aegyptia“ oder „Marmo Osiriano“ bekannt, ein weiteres echtes Stück nachzuweisen. Auch zeigt sich die Bedeutung des Annius für die Entstehung der etruskischen Sammlung des Museums Viterbo (Grimm 2007, S. 101 f., besonders auch Anm. 93). Die Funde, um die es hier geht, hat Annius, soweit für uns durch seine erhaltenen Schriften erkennbar, teils 1491 in seiner Viterbiae historiae epitoma, teils wohl vor Ende 1493 (Terminus ante quem) in seinen De marmoreis Volturrhensis tabulis und teils in seinen Antiquitates, insbesondere in der „Quarta institutio“ behandelt (Nanni 1498, fol. c 7v ff.; Weiss 1962a; Baffioni 1981, S. 28, S. 98, S. 100, S. 187). Einige von ihnen befinden sich noch im Museo Civico von Viterbo. Dazu kommt die schon erwähnte Abschrift durch Hartmann Schedel mit dem Terminus post quem Ende 1493 (Bayerische Staatsbibliothek, Cod. Lat. 716). Zunächst lässt sich der Vorwurf der gefälschten Ausgrabung sicher widerlegen. Aus dem Text von 1491 geht dagegen klar hervor, dass Annius, wie Flavius Blondus vor ihm, über archäologische Funde schrieb, die er nicht selbst ausgegraben hatte (Baffioni 1981, S. 100). Das gilt auch für die „tabellae marmoreae“, die „trium tabellarum in regia Cybelis effossarum una funditus periit“ und die „Herculae Osiridis tabula“, d. h. insgesamt sechs Stücke, die Annius in seiner Schrift De marmoreis Volturrhen sis tabulis beschrieb und interpretierte (Weiss 1962a, S. 110–114). Annius berichtete selbst in seinen Antiquitates, die „Herculae Osiridis tabula“ habe sich vor den Augen aller „in templo olim Herculis, nunc divi Laurentii“ in Viterbo befunden, d. h. in der Kathedrale. Dieses heute im Museum von Viterbo befindliche Monument besteht aus einer wohl gotischen Reliefplatte, deren Einfassung nach Annius Tod noch verändert worden ist, und kann deshalb keine Fälschung des Annius darstellen (Grimm 2007, S. 92 f., S. 116, Abb. 3 und 4). Anders allerdings sieht es mit der Analyse und Interpretation aus. Annius nahm für die „Herculea Osiridis tabula“ Texte von Diodorus Siculus und Plinius zu Hilfe, indem er ihre Ornamentik als Hieroglyphen deutete: Probavimus … Osiridem et eius uxorem Isidem … in Italiam deduxisse colonias, et nobis Vetulonibus, nunc Viterbiensibus, et cultores et hanc vel aliam huic similem columnam reliquisse, ut facere solitus erat in Testimonium expeditionis suae, ut in primo libro Diodorus asserit. … (columna) tota est excisa effigiebus hominum, arborum atque reptilium, quae sunt omnino egyptiae sacrae literae, ut Plinius scribit lib. XXXV. Cap. Viii. (Weiss 1962a, S. 114)248.
248 Übersetzung: Wir haben bewiesen …, dass Osiris und seine Frau Isis … in Italien Kolonien gegründet haben, und uns Vetuloniern, jetzt Bewohnern von Viterbo, sowohl den Ackerbau als auch diese und eine andere ähnliche Säule hinterlassen haben, die sie als Zeichen ihrer Expedition zu set-
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Der Senat von Viterbo setzte dann eine erklärende Inschrift im Sinne der Interpretation des Annius unter das Stück. Man konnte damals weder Hieroglyphen lesen, noch waren etruskische Buchstaben und vor allen Dingen nicht die etruskische Sprache geläufig. Auch des Griechischen waren noch nicht viele mächtig. So auch Annius. Wenn er vorgab, etruskische Texte oder Hieroglyphen zu verstehen, setzte er als angebliche Übersetzung antike Texte entsprechend seiner historischen Konstruktion ein. Wie Annius ja auch selbst angab, waren ein Teil seiner Geschichtsfiktionen überhaupt und eben auch die Deutung der Inschriften seiner archäologischen Beweise von Diodorus Siculus entlehnt (Diod. I,20; I,27; Enking 1939, S. 10 f.). Diodor lag Annius in einer lateinischen Übersetzung des Gian Francesco Poggio Bracciolini vor, deren erste Druckausgabe aus Bologna von 1472 auch die Germania des Tacitus enthielt (Mertens 2004, S. 59 f.). Es handelt sich u. a. um das „Ego sum Isis“ bzw. „Ego sum Osiris“, auf das schon Agustín hingewiesen hatte, die Grabinschriften der beiden historisierten Götter bei Diodor. Annius hatte nicht den Fund gefälscht, wohl aber die Lesung der Inschriften fingiert. Er benutzte dabei den von Diodor auf Osiris übertragenen Gedanken der Sesostris-Stelen von Herodot (siehe S. 101). An diesem zentralen Punkt seiner Fiktion geht es um die Bestätigung eines Mythos durch archäologische Quellen. Herodot, Diodor und Dionysios von Halikarnassos, dessen Antiquitates Romanae in einer lateinischen Übersetzung seit 1480 gedruckt vorlagen, waren ihm auch in dieser Hinsicht antike Vorbilder (Hartmann 2010, S. 441). Den Ausgangspunkt für die etruskische Urgeschichte des Annius von Viterbo und seine historisch-archäologische Interpretationsfälschung bildete dementsprechend auch eine echte archäologische Fundstelle: das 16 km westnordwestlich von Viterbo gelegene Landgut La Cipollara. Hier wurden immer wieder, so vermutlich 1434 (Danielsson 1928, S. 9), sicher 1493 während des Papstbesuches und 1694, etruskische Kammergräber mit figürlichen Sarkophagen und Inschriften gefunden (Emiliozzi 1986, S. 171 ff.). Aus verschiedenen Quellen geht hervor, dass das hier interessierende Kammergrab 1493 entdeckt wurde, weil bei einer Jagd ein Hase dort Zuflucht gesucht hatte, und dass die Funde später im Beisein des Papstes mit seinem Hofstaat geborgen wurden. Davon, dass Annius Einfluss auf diese Grabung genommen hätte und dass es sich bei den Funden um Fälschungen gehandelt habe, kann also keine Rede sein. Die Tatsache, dass man mit der Ausgrabung auf der Cipollara auf die Anwesenheit des Papstes gewartet hat, spricht für dessen lebhaftes Interesse, aber auch dafür, dass eine reguläre Grabung stattfand. Die Funde wurden nach Viterbo in den Palazzo del Governatore gebracht. Die Angabe, der Papst hätte sie später nach Rom überführen lassen (Baffioni 1981, S. 187), ist offenbar nicht richtig, denn für ihren Verbleib in Viterbo gibt es mehrere Zeugnisse (Danielsson 1928, S. 30 ff.).
zen pflegten, wie es Diodor in seinem ersten Buch erklärt. … (Die Säule) ist ganz bedeckt mit Gravuren von Menschen, Bäumen und Reptilien, so wie eben die heiligen ägyptischen Zeichen sind, die Plinius in Buch XXXV, Kap. VIII, beschreibt.
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Annius war bei der Grabung wahrscheinlich gar nicht anwesend. Da seine Schrift De marmoreis Volturrhensis tabulis vermutlich mit Recht von Roberto Weiss vor die Ausgrabung 1493 datiert wird und Annius hier Funde der Cipollara erwähnt, kann man aber schließen, dass er die Fundstelle schon kannte. Er leitete bereits hier den Namen des Fundortes, Cipollara, eigentlich der Zwiebelacker, vom Namen der Göttin Cybelis (Kybele) ab. So schuf er die Zentralfigur seiner mythischen Genealogie: die Königin Cybelis. Die Grabung erwähnte er aber dann mehrfach in seinen Schriften: „… astante curia, quae cum beatissimo Alexandro VI Pont. Max. Viterbum se contulerat, effossae fuerunt triumphales statuae vetustissimae minio illitae: Cybelis, Iasii, Armoniae vestalis et Electrae …“ (Nanni 1498, fol. d 2r)249. Seine 40 „Quaestiones“ münden in die Deutung dieses Fundplatzes als Sitz der Königin Cybelis und Ort ihrer Hochzeit mit Iasius ein: Quare pluribus diebus celebratae sunt nuptiae: cum cepte in Veiuza urbe finitae sint in Cybelis predio ubi tunc eorum sacrae statuae de more ad memoriam sufosse. Nuper astante Sanctissimo Pontifice Maximo Alexandro VI cum tota curia invente indicio leporis effosse sunt & iterato in Veiuzum palatium translatae ad memoriam (Nanni 1498, fol. i 6v)250.
An der Bedeutung der Funde von der Cipollara für Annius’ Interpretation ändert sich auch nichts dadurch, dass er diese auch als Fundstelle von zwei seiner tatsächlichen Inschriftenfälschungen, den „tabulae cybelicae“, angab. Diese beiden „tabulae cybelicae“ mit griechischem Text (CIL 11,1, S. 347) sind vollständige Fälschungen. Annius, der nur schlecht griechisch konnte, präsentierte merkwürdige Texte in später, byzantinischer Schrift und las sie dann in seinem Sinne (Weiss 1962a, S. 111 f.). Eine der wichtigsten Quellengrundlagen für die gefälschten Texte bildete auch hier das 1. bis 5. Buch der Bibliotheca historica des Diodorus Siculus (Enking 1939, S. 8 ff.). Viele Anregungen zu italischen Mythen bezog Annius aber auch aus Vergil, so für Corythus, Elektra und Iasius (Verg. Aen. 3,170). Von den drei übrigen von Annius publizierten Inschriften ist das „Decretum Desiderii“, die „Tabula Longhola“ des Annius, ebenfalls sicher gefälscht (Weiss 1962a, S. 113). Die beiden „Tabulae Libiscillae“ sind nicht erhalten, so dass über sie nicht sicher entschieden werden kann, da Annius die Reproduktion der etruskischen Urform schuldig geblieben ist, die eine Überprüfung erlaubt hätte. Die Angaben zu
249 Übersetzung: … in Anwesenheit der Kurie, die sich mit Papst Alexander VI. nach Viterbo begeben hatte, wurden Triumphstatuen ausgegraben, mit einer uralten roten Patina überzogen: Cybelis, Iasius, Harmonia, die Vestalin, und Elektra … 250 Übersetzung: Warum die Hochzeit an mehreren Tagen gefeiert wurde: Nachdem die Anfänge in Veiuza (Viterbo) beendet worden waren, begab man sich zum Gut der Cybelis, wo dann nach dem Brauch ihre heiligen Statuen zum Gedächtnis deponiert wurden. Neulich in Anwesenheit von Papst Alexander VI. ist man dann durch einen Hasen auf sie aufmerksam geworden, hat sie ausgegraben und zur Erinnerung zurück nach Veiuza in den Palast gebracht.
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den Fundumständen letzterer drei Inschriften sind jedoch durch die Nennung von zeitgenössischen Findern und Zeugen so detailliert, dass ein grundsätzlicher Betrug, wie ihn Agustín beschrieb, auch für diese Funde ausgeschlossen ist. Deswegen ist die immer wieder gestellte Frage, ob Annius wirklich selbst der Fälscher gewesen ist, für diese drei Inschriften sehr berechtigt – es sei dann, er hätte diese Stücke tatsächlich den Findern untergeschoben, um seine Glaubwürdigkeit zu erhöhen, wie Agustín es vermutete. Jedenfalls enthält die Kopie Hartmann Schedels in der Bayerischen Staatsbibliothek zwei echte etruskische Grabinschriften mit einer Lesung durch Annius (Danielsson 1928, S. X; ebd., S. 52 f.). Es zeigte sich, dass diese etruskischen Inschriften so sorgfältig kopiert sind, dass sie heute lesbar sind – ein sicherer Beweis für die Echtheit der damals gemachten Funde. Allerdings ist dieser Beleg nur in der Kopie Hartmann Schedels erhalten, da Annius die etruskischen Texte in den Antiquitates nicht reproduziert hat und eine weitere Arbeit zu den Inschriften, die Annius erwähnt, entweder nie geschrieben wurde oder verloren ist (Nanni 1489, fol. 39v; Danielsson 1928, S. 33). Der in Schedels Kopie enthaltene Kommentar zu den Inschriften ist jedenfalls von Annius signiert und zeigt die Schritte von der Lesung über die Übersetzung zur Interpretation. So zog Annius zur Erklärung schon seine Fälschung des Berosus-Textes heran: „Arno“ – das zu erklärende Wort – „vero Leo fortis … Autor est Berosus. Herculis cognomen fuisse Arno …“ (Danielsson 1928, S. XVI, S. 23 f.). Annius machte aber auch Ansätze zu einer richtigen Lesung, was die Jahresangabe betraf: „postremo Ata annus est“ (ebd., S. XVII)251. Diese Erkenntnis ist methodisch außerordentlich wichtig, denn sie führte ihn zur fiktiven Datierung eines fiktiven Ereignisses (siehe S. 295). Der Lesungsversuch des Textes durch Annius in der Handschrift Schedels ermöglicht außerdem den Vergleich mit dem von Roberto Weiss publizierten Text De marmo reis Volturrhensis tabulis (Weiss 1962a) und den drei Texten der Antiquitates zu diesem Thema: „Item institutiones quatuor, eius de Anni, iuventutis etruscae“, „Eiusdem fratris Ioannis quarta institutio incipit de excisis memoriis“ sowie dem Kommentar zum gefälschten 22. Catofragment. Da der im Catokommentar abgedruckte Übersetzungsversuch der Inschrift der angeblichen Cybelisstatue deutlich als eine Variante der Version in Schedels Kopie erkennbar ist, gibt es keinen Zweifel, dass es sich immer um dieselben, beim Papstbesuch ausgegrabenen Funde handelt. Ob die hervorragenden Pausen der Kopie Schedels allerdings auf Annius zurückgehen, ist fraglich, zumal sich in der päpstlichen Grabungsmannschaft sicher genug gelehrte Personen befanden (Danielsson 1928, S. 14 f.). Annius’ archäologisch-epigraphische Arbeitsweise bestand also ähnlich wie sein Umgang mit den Schriftquellen aus einer Mischung von Echtem und Erfundenem. Die archäologischen Funde aber sind in seiner Argumentation zentral. Der Papst-
251 Übersetzung: letztlich ist das Wort Ata annus (Jahr).
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besuch und die Grabung 1493 markieren dabei eine wichtige Konkretisierung bei der Entwicklung seiner Thesen, ein Prozess, der mit der Publikation 1498 beendet wurde. Dadurch ergibt sich, dass diese echten etruskische Grabfunde den Beweis für Annius’ Mythologie der Cybelis bildeten. Fundstelle und Funde sind die Zeugen der Geschichte, des Heiligtums der Cybelis bei Viterbo, des Alters der Stadt und ihrer überragenden Bedeutung. Ihr historischer Wert ist mit ihrem Fundort verbunden. Sie sind die eigentlichen Zeugen für das Alter des Ortes und bestätigen die angeblichen schriftlichen Quellen, die eine Lokalisierung nicht erlaubt hätten. Die Grundzüge seiner Konstruktion, die biblische Urgeschichte, standen aber von Anfang an fest und haben mit den archäologischen Funden nichts zu tun. Sie entsprechen einer höheren Wahrheit jenseits realer Geschichte und realer Geschichtsquellen: Der durch das Alte Testament bestimmte zielgerichtete Ablauf der Geschichte, Genealogien und Zeitalter, die Verbreitung der Völker aus dem Orient und nach Diodor auch aus Ägypten in den Westen. Für die Errichtung des neuen Zentrums in der eigenen Heimatstadt Viterbo – und nicht in Rom – dienten jedoch die Funde der Cipollara als Zeugnis. In vieler Hinsicht handelt es sich um eine Gegenposition gegen den normativen Charakter des humanistisch-antiquarischen Forschungsansatzes und seine säkulare dreistufige Chronologie. Auch über die Bedeutung der Griechen äußerte sich Annius mehrfach negativ (Nanni 1498, fol. 32v). Dazu kommt der erfolgreiche Versuch der Harmonisierung der verschiedenen Überlieferungen durch Heranziehung echter und falscher Quellen. So finden sich hier z. B. gefälschte Texte neben Tacitus’ Germa nia als Quellen für genau diesen unilinearen, einzigen Geschichtsablauf. Als typisches Mittel erscheinen die Genealogien und die Etymologien – letztere spielen allerdings auch bei Flavius Blondus eine große Rolle. Für Annius besaßen die Synonyme der Namen eine magische Aussagekraft, sie bargen das Geheimnis der Geschichte, wie der Name Cipollara, als Zeichen für den wahren und verborgenen Geschichtsinhalt, den nur verstehen konnte, wer in der Lage war, sie zu deuten. Wie apriorisch Annius dachte, zeigt sich auch im gesamten Diskurs. Sowohl im 22. Catofragment als auch in seinen 40 „Quaestiones“ drehte er den Erkenntnisvorgang um. Der Fundort als der Ort des historischen Ereignisses und die Funde als dessen verehrungswürdige Zeugen stehen krönend am Schluss der Kapitel als die eigentlichen greifbaren Zeichen für die in ihnen verborgene Wahrheit. Interessant ist, dass Annius Bestätigung für seine sprachlichen Ausführungen bei einem Talmudisten als Experten für orientalische Sprachen suchte (z. B. Nanni 1498, fol. 32r). Es gibt aber keinen Hinweis darauf, dass er einen ‚orientalisierenden‘ Stil in den etruskischen Denkmälern erkannt hätte. Das Aussehen der Denkmäler spielte für ihn überhaupt keine Rolle, ja es wird nie erwähnt – wohl aber die Stelle, wo die Inschrift am Denkmal lag. Deshalb konnte er auch Sarkophage als Triumphstatuen ausgeben. Übrigens ist es auch deshalb unwahrscheinlich, dass Annius selbst Denkmäler gefälscht hat. Obwohl Annius von Viterbo bei seinen Kolportagen auch Fehler unterlaufen sind, was schon früh zu seiner Überführung als Fälscher geführt hat (Mertens 2004,
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S. 92), sind auch heute noch Geschichtsvorstellungen durch seine Fälschungen mit beeinflusst (z. B. die gesamte Problematik der Wanderbewegungen aus dem Orient). Dabei sind die Spuren der Antiquitates nur bei genauer Kenntnis der echten Texte zu erkennen (Wifstrand Schiebe 1992, S. 9). 3.6.2.2 Archäologische Indicia als Beweise für das weltchronistische Geschichtsbild außerhalb Italiens und der Einfluss der Antiquitates des Annius Die Einbeziehung archäologischer Denkmäler in die wohlbekannte mittelalterliche Form der Weltchronik begann in Süddeutschland vor dem Einfluss des Annius von Viterbo mit der schon mehrfach behandelten Augsburger Chronik des Sigismund Meisterlin (siehe S. 160). Trotz des weltchronistischen Grundschemas des Ursprungs durch ein Urvolk, das aus der biblischen Schöpfung hervorgegangen ist, sich vom Noahsohn Japhet herleitet und nach dem Turmbau zu Babel eingewandert ist, finden sich dort aber humanistische Motive, denn es sind die Römer, denen die entscheidende kulturelle Entwicklung zur Stadt und der Bau einer Steinmauer verdankt wird. So kam Meisterlin zu einer Urgeschichte der Schwaben und Augsburg zu einem biblischen Alter, konnte beides aber mit der Rückführung auf die hohe römische Kultur verbinden (Meisterlin/Mülich 1457; Stemmermann 1934, S. 12 ff.; Schnapp 1993, S. 344; Ott 2010, S. 131). Die aus archäologischen Gründen wichtige Szene der Göttin Cisa und ihre Darstellung aber gehören in das Interpretationsfeld der religiösen Mores der Heiden und lassen sich hierdurch humanistisch, durch die Parallele zum Goldenen Kalb aber weltchronistisch verorten. Meisterlin versäumte es jedenfalls nicht, den Zusammenhang zur Bibel herzustellen (Meisterlin 1457, fol. 21v f.). Es handelt sich aber lediglich um eine Illustration und nicht um die wissenschaftliche Auswertung eines archäologischen Fundes. Für wie wichtig man die Ursprungsthematik hielt, zeigt der ausführliche Titel der deutschen Fassung von 1522: Ein schöne Chronik … wye nach dem Synndtfluß Noe die teutschen iren anfang enpfangen haben, besonders den ersten Namen Schwaben gehaißen worden … auch von der kaiserlichen Stadt Augsburg. Weltchronistische Aspekte durften im Spätmittelalter und auch im nördlich der Alpen noch zu ihm gerechneten 15. Jahrhundert in der Regionalgeschichtsschreibung nicht fehlen (Johanek 1987, S. 293). Die Weltchronik des Hartmann Schedel, der sich, wie vor allem aus seinem späteren Liber Antiquitatum und der Kopie des Annius-Textes zu den Funden beim Papstbesuch in Viterbo deutlich wird252, intensiv mit den humanistisch-antiquarischen Ideen und den Anfängen der Archäologie in Italien und auch mit Annius von Viterbo auseinandergesetzt hat, folgt dem mittelalterlichen Schema der sieben Weltalter (siehe S. 121 f.). Auch dieses Werk, das ja schon im Jahr der Entdeckungen in
252 Bayerische Staatsbibliothek München, Cod. Monac. Lat. 716.
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der Cipollara erschienen ist, kann keine Einflüsse des Annius aufweisen. Obwohl zum Beispiel bei der Rombeschreibung archäologische Ergebnisse der humanistischen Altertumskunde verwertet wurden, wurde das säkulare Geschichtsbild des Flavius Blondus nicht übernommen, und auch die kulturellen Interpretationsfelder des humanistisch-antiquarischen Forschungsansatzes spielen keine nennenswerte Rolle, dagegen aber Herkunftslegenden wie die fränkische Trojanerlegende, die dazu führte, dass Mainz schon im dritten Weltalter behandelt wird. Im 2. Weltalter, der Zeit der Sintflut und der Wanderungen der Noahsöhne war Schedels Welt noch voll mit missgebildeten Menschen (Schedel 1493, fol. 12–13)253. Die Bedeutung dieser Arbeit liegt jedenfalls nicht auf dem Gebiet der Archäologie, sondern in der Einordnung des humanistischen Themas des Alters der Städte in das weltchronistische, eschatologische Geschichtsmodell und in der Darstellung der Gleichwertigkeit und des genealogischen Zusammenhanges der mediterranen und der mitteleuropäischen Welt. Insofern verfolgte Schedel dieselben Ziele wie Annius von Viterbo. Besonders willkommen war dieses Modell der dynastischen Landesgeschichtsschreibung, in die es nach 1500 dann in der wissenschaftlichen Form der Antiquitates gelangte. Freilich bedienten sich schon spätmittelalterliche Landesherren der weltchronistischen Geschichtsschreibung, z. B. die Wittelsbacher (Johanek 1987, S. 291 f.). Die verschiedenen großen und kleinen Herrscherhäuser, an ihrer Spitze Kaiser Maximilian I., beauftragten aber erst seit dieser Zeit systematisch ihre Historiographen, die Geschichte ihres Landes als Geschichte der Herrscherfamilie zu konstruieren und deren Herkunft von Noah und seinen Söhnen und von antiken Leitfiguren abzuleiten und schufen so eine neue, durch die feste Verbindung von Dynastie und Land geprägte Form der Geschichtsschreibung (Mertens 1988, S. 129 ff., S. 141 ff., S. 150; Mertens 2001, S. 23; Werner 2002, S. 36 ff.; Sasse 2010, S. 251)254. Dieses Motiv bot vor allem den Historikern der kleineren deutschen Länder die Möglichkeit, eine Rückschreibung der Herrschaftsgebiete als Stammesgebiete bis in die Urzeit vorzunehmen und so einen Beitrag zum Problem der Organisation der Germania illustrata zu leisten (Mertens 2001, S. 27). Wie William Camden etwas später in seiner Britannia ging man also von der modernen staatlichen Gliederung aus, um das Problem des Situs zu lösen und nicht von der antiken wie die Italiener. In dieser von Annius’ Wirken beeinflussten Kombination von regionalen und weltchronistischen Elementen wurden auch archäologische Funde als Beweise eingesetzt. Darunter finden sich römische Denkmäler, aber auch die ersten prähistorischen Grabfunde, die einen Platz in der mythischen Urgeschichte der Dynastie zugewiesen
253 http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0003/bsb00034024/images/index.html?id=0003402 4&fip=193.174.98.30&no=&seite=94. Auf der Seite 95 und 96 finden sich weitere Menschenmonster sowie die Weltkarte nach dem Muster Isidors von Sevilla. An ihren Rändern gibt die Darstellung von Sem, Ham und Japhet die Wanderbewegungen der Noahsöhne an. 254 Siehe auch S. 161 zur Rolle der Auftraggeber der frühen Historiographen und Archäologen.
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bekamen, wie die Megalithgräber als die Gräber der frühen, heroischen Ahnen der mecklenburgischen Herzogsdynastie bei Nikolaus Marschalk (Sasse 2010, S. 252 ff.). Durch die Identifikation der Gräber mit dieser besonderen Personengruppe erhielten diese die Bedeutung von Heiligenreliquien. Der Illustrator der sehr wahrscheinlich zwischen 1521 und 1532 zu datierenden Schweriner Prachthandschrift der deutschen Reimchronik Marschalks trug dem durch den Goldblatthimmel der Dolmenminiatur Rechnung (Bischoff 2006, S. 43; Taf. 4). Johannes Aventinus, der ebenfalls zu den Anhängern des Annius von Viterbo und der mittelalterlichen Weltalterlehre gehörte, widmete sich wie Nikolaus Marschalk der Genealogie seiner bayerischen Herzogsfamilie. In der Bayerischen Chronik verband er die Abstammungslinie seit Noah mit einer teilweise archäologischen Landesbeschreibung. Es scheint aber so, dass weder Marschalk noch er das Motiv der Triumphstatuen des Annius, und damit der Sesostrisstelen des Herodot als Wanderbelege aufgegriffen haben. Die Herleitung der Heroengräber aus der Aeneis bei Marschalk dürfte eher als kulturstrukturelle Analogie im Sinne der Herrschergräber aufgefasst werden müssen und nicht als Trojanerbeleg, zumal der Autor seine Herrscherdynastie ja auf das Gefolge Alexanders des Großen zurückführte; Bei Aventinus steht der archäologische Beweis der römischen Vergangenheit im Vordergrund. Das gilt teilweise auch für Wolfgang Lazius, der aber für Wien wie vor ihm Meisterlin für Augsburg vor dem Römischen eine weltchronistische Vorgeschichte erfand. Deshalb belegte er in seinem Werk von 1557 die Abkunft der Germanen von Noah mit vier hebräischen Inschriften aus Wien, zu deren Echtheit er sogar einen Kronzeugen anführte (Lazius 1557[1572], S. 16). Das lässt an seiner Kompetenz für Inschriften zweifeln, obwohl er dann für die römische Zeit richtige Zeugnisse anführte (siehe S. 235). Was die Darstellung der Urgeschichte der von ihm behandelten, sehr unterschiedlich zu definierenden Gentes betrifft (siehe S. 343), folgte er ebenfalls ausdrücklich dem weltchronistischen Prinzip des falschen Berosus aus Annius’ Feder, indem er die Noah-Geschichte mit Tacitus verband und den gefälschten Text fleißig zitierte: „Clarius de Tuiscone rem prosequitur Berosus Chaldaeus libro IIII. Babylonicarum rerum“ (Lazius 1557[1572], S. 16 ff.). Außerdem vertrat er die Herkunft der Cimbern (Kimmerer) aus dem Orient – „unde Franci primum Cimerii dicti fuerunt“ – und ihre Einbindung in die fränkische Troja-Origo, war aber bezüglich einer Fälschung zur fränkischen Herkunft, dem Hunibald des Benediktiners Johannes Trithemius, eher skeptisch (Lazius 1557[1572], S. 62, S. 69). Dieser hatte sich 1515 bemüht, in der gleichfalls gelehrten, aber bei weitem nicht so erfolgreichen Fälschung die Ableitung der Franken von den Trojanern und das hohe Alter ihres Königtums durch eine angebliche Quelle zu bezeugen und vor allem in Frankreich damit viel Zuspruch erhalten (Joachimsen 1910, S. 51 ff.; Maissen 1994, S. 41). Archäologische Funde spielen bei Lazius für die Urgeschichte keine Rolle. Auch die beiden ältesten skandinavischen Arbeiten der Brüder Johannes und Olaus Magnus verbanden die Landes- mit der Weltchronik. In seinem 1540 vollendeten und postum 1554 von seinem Bruder herausgegebenen Werk De omnibus Gotho
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rum Sueonumque regibus war Johannes Magnus, was die Geschichte und Genealogie der Goten betrifft, von der Fälschung des Annius von Viterbo abhängig: ex quibus aperté colligitur, breve admodum tempus intercessisse inter ipsum universale diluvium, et multiplicationem humani generis per universam Scythia, et omnia regna Aquilonis, praesertim Suetiam, Gothiam, Finningiam, Moscoviam, Lituaniam, Armeniam, Tartaria: quae utranq; Scythiam, Asiaticam et Europaeam complectuntur, respiciunt´q; hinc illinc flumen illud Tanaim, à cuius ostio ipse Noe tandem post centum annos (ut mox Beroso probabimus) egressus, colonias in totum orbem extendit (Magnus (1554[1558]), S. 25).
Als archäologischen Beweis für das biblische Alter und die Gelehrsamkeit der Goten, welche die Runen „ante inventas literas latinas“, also vor den lateinischen Buchstaben erfunden hätten, führte er das „Alphabetum gothicum“ an. Die Datierung begründete er folgendermaßen: Cuius rei Indicium praestant eximie magnitudinis saxa, veterum bustis ac specubus apud Gothos affixa: quae literarum formis insculpta persuadere possint, quòd ante universale diluvium, vel paulò post, gigantea virtute ibi erecta fuissent (Magnus (1554[1558]), S. 30 f.).
Die Erklärung für das hohe Alter der Monumente aber kam aus der antiken Weltalter lehre und der nordischen Überlieferung, denn Magnus führte an, dass die Runensteine vor der Sintflut von Riesen errichtet seien. Er unterschied offenbar nicht zwischen Runensteinen und Megalithen und bezog sich auf die entsprechende Datierung um die Sintflut herum bei Saxo Grammaticus (siehe S. 129). Trotz seines Runenalphabets scheint er keine Runeninschriften gelesen zu haben, wie kurz nach ihm Henrik Rantzau bzw. Peter Lindeberg und Johannes Bureus (siehe S. 251). Das nicht überprüfte Indicium diente deshalb zur Festigung eines Mythos. Wie Annius von Viterbo bediente er sich aber einer richtigen Methode, zumal er wie dieser erkannt hatte, dass der Inschriftenträger die Inschrift datieren kann (Magnus ebd., S. 31). Daraus folgt das hohe Alter von Uppsala, unterstützt durch eine pseudohistorische Etymologie, wie sie Annius ebenfalls gerne anwendete: Die Stadt sei von Ubbo, dem Sohn Magogs, vor den Zeiten Abrahams gegründet worden (Magnus, ebd.). In diese mythische Zeit gehörte auch der heidnische Kult der Goten, in dem Donnerkeile eine Rolle spielten (siehe S. 297). Daraus ergibt sich hinsichtlich der Datierung für die Donnerkeile logisch ein Terminus ante quem: Da die Donnerkeile zum heidnischen Kult gehörten, wurden sie nach der Christianisierung nicht mehr gebraucht (Magnus ebd., S. 45). In seinem eigenen Werk Historia de gentibus septentrionalibus von 1555 behauptete Olaus deshalb das ebenfalls höhere Alter der nordischen Kultur gegenüber der römischen (Magnus 1555, S. 41; Wahle 1950[1964] 26; Schnapp 1993, S. 157). Während Johannes Magnus Runensteine und Megalithgräber noch nicht unterschied und beide Riesen zuschrieb, blieben für Henrik Rantzau nur noch die Megalithgräber mythisch; als Zeugen einer ferneren Vergangenheit erwartete er in ihnen Überreste von Riesen zu finden, so in einem Langdolmen namens Langben Rises Høj bei Roskilde (Klindt-Jensen 1975, S. 15.)
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Florian de Ocampo, der Historiograph Karls V., begann seine Crónica general de España ebenfalls nach diesem Muster: „Capitulo Primero. Como después del diluvio general, en que todas las criaturas perescieron, vino en España para la poblar Tubal y sus compañas, por el mandado del patriarca Noé“ und bezog sich damit auf die spanischen Origines seit Isidor von Sevilla (siehe S. 124), aber auch im Weiteren auf die Fälschungen des Annius, die er durch Kombination mit antiken Mythen fortsetzte (Ocampo 1553, Buch 1, Kap. 1; Caro Baroja 1991, S. 49 ff.; Wulff Alonso 2003, S. 24 f.). Weltchronistische Elemente enthält auch das erste Buch der Handschrift Historia de las Indias de Nueva España e islas de la tierra firme von Diego Durán aus dem Jahre 1579, in dem die mythische Urgeschichte der Mexikaner behandelt wird. Archäologische Quellen wurden jedoch hier nach meiner Kenntnis noch nicht eingesetzt. Noch am Ende des 16. und am Beginn des 17. Jahrhunderts arbeiteten viele Gelehrte im Sinne des weltchronistischen Geschichtsmodells. Samuel Quiccheberg vergaß es bei seiner Ausstellungskonzeption für die Bayerische Kunstkammer nicht: Er rahmte die drei inhaltlich definierten Objektklassen mit Darstellungen der genealogisch-historischen, dynastischen Präsentation des Herrscherhauses ein (MacGregor 1994, S. 69). Selbst Simon Studion behandelte noch 1597 seine archäologischen Funde und Ausgrabungen zur Römerzeit in der Umgebung von Marbach am Neckar in der uralten Genealogie seiner Herzogsdynastie und verfuhr also ähnlich wie Nikolaus Marschalk255. Auch Hans der Gelehrte von Schellenberg, der erste Ausgräber in Hüfingen, wurde in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts von genealogischem Interesse für seine Herkunft getrieben (Revellio 1913[2004], S. 35). Die von den Weltchroniken vermittelte Geschichtsvorstellung vermischte sich auch außerhalb Italiens mit den antiken Motiven der mythischen und merkwürdigen Bewohner der ersten Weltalter und der Ränder der Welt. Sie gehörte auch als fester Bestandteil in die schon seit dem 15. Jahrhundert entstehenden enzyklopädischen Sammlungen und deren Publikationen. Sogar die Bibliothèque Humaniste im humanistischen Schlettstadt bewahrt eine Mammutrippe als Rippe des Riesen Sletto, der nach einem Mythos die Stadt gegründet haben soll (Schnitzler 1998, S. 18). In der Kathedrale von Straßburg hielt man ein Einhorn und eine Greifenkralle in Ehren (ebd.). Die Cosmographia des Sebastian Münster beruht in dieser Hinsicht auf der Weltchronik Hartmann Schedels (siehe S. 331). Sie zeigt deutlich, dass trotz der Erweiterung der Welt die Ränder noch so ungewiss waren, dass menschliche und tierische Ungeheuer weiterhin ihr Unwesen treiben konnten, wie einst bei Herodot die Anthropophagen (siehe S. 103). Die Einwohner der Neuen Inseln frönen dem Kannibalismus, Frauen grillen Männer und in Afrika vergiftet das Fabeltier Basiliscus Umwelt, Menschen und Tiere durch seine bloße Anwesenheit (Münster 1544, S. 767, S. 773, S. 784)256. Unter der Überschrift „Von wunderlichen Dingen so in Morland gefunden
255 Simon Studion, siehe Anm. 164. 256 Basilisk: http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10801800_00773.html.
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werden“ bildete Münster dann auch eine Zeichnung von Monstervölkern ab, die vor ihm Schedel für das zweite Weltalter verwendet hatte, ein Beleg dafür, dass Weltalter und Weltränder austauschbar waren: Hundsköpfige, Brustgesichtige, Einfüßige, Einäugige und Zweiköpfige (Münster 1544, S. 807, S. 809)257. Dieselbe Abbildung findet sich im Verein mit anderen Monsterbildern im Buch über Asien (Münster 1544, S. 752). Die Einwände gegen dieses Geschichtsbild blieben gering. Die Humanisten wichen ihm aus, indem sie ihre Geschichtsdarstellungen erst in der historischen Zeit oder wie William Camden kurz davor begannen. Die Entdeckung neuer Welten und die Existenz von Menschen, die durch die Schöpfungsgeschichte nicht erklärbar waren, hatte zwar schon im 16. Jahrhundert zur Erwägung anderer Wirklichkeiten jenseits der Bibel und zu Zweifeln an den Geschichten von Adam und Eva, der Sintflut, dem Turmbau zu Babel und der durch sie festgelegten Entwicklung geführt. So vertrat Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus, die These der Existenz eines zweiten Adams als Stammvater der Indianer (Schnapp 1993, S. 226). Trotz seiner Kritik blieb die Grundlage seines Denkens aber das genealogische Prinzip. Die Statuten einiger der ersten deutschen protestantischen Universitäten Mar burg, Gießen und Helmstedt beschäftigten sich in der zweiten Hälfte des 16. und dem Beginn des 17. Jahrhunderts mit der Lehre historischer und altertumskundlicher Aspekte, und zwar sowohl in weltchronistischem als auch in humanistisch-moralphilosophischem Sinne. Für die älteste Zeit „ab initio mundi“ wurden dabei mittelalter liche, weltchronistische Ideen wie die vier Weltreiche mit der „Translatio imperii“ angeführt (siehe S. 121). Die drei Hauptfelder der Geschichte bildeten Chronologie, Geographie und die meistens mit der Weltalterlehre kombinierte Genealogie (Hammerstein 2001, S. 43 ff.). In dieser Hinsicht lässt sich also kein Unterschied zwischen den katholischen und den protestantischen Gebieten zeigen.
3.6.3 Der Beginn der historischen Auswertung archäologischer Quellen Wie in der Antike Herodot und Thukydides begannen einige Historiker der Renaissance, archäologische Denkmäler zur Überprüfung von Mythen oder Legenden und von Fälschungen einzusetzen. Sie waren dabei aber abhängig von der richtigen Datierung der Quellen, die in dieser Zeit nur möglich war, wenn sich ein Gegenstand durch seine Inschrift zeitlich einordnen ließ. Dass außerdem gerade zu diesem Zweck verwendete Quellen auch gefälscht wurden oder aus Versehen gefälschte Quellen verwendet wurden, ist jedoch wie in der Antike für die Methode nicht wesentlich (siehe S. 224 f.). Einen sehr frühen Anstoß zu einer komplexeren historischen Interpretation gab die seit Francesco Petrarca sich entwickelnde Numismatik. Sie erlaubte Lorenzo Valla,
257 http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10801800_00746.html.
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gegen die Konstantinische Schenkung von 1440 ein numismatisches Argument anzuwenden. Obwohl bei einer irdischen Herrschaft auch das Münzrecht zu erwarten war, fehlten die päpstlichen Münzprägungen nach der Zeit Konstantins. Das veranlasste Valla zu dem Schluss, dass eben keine irdische Herrschaft des Papsttums bestanden habe (Valla 1440[1976], S. 92; Herklotz 1999, S. 204). Eine Kenntnis des von Valla nach 1447 übersetzten Werkes des Thukydides ist trotz der zeitlichen Differenz zwischen beiden Arbeiten vorauszusetzen, da Valla sich der Methode des Tekmerion bediente und diese auch in seinem Umkreis schon angewandt wurde (Klee 1990, S. 62, S. 66, S. 166 ff.). Vallas Schrift interessierte natürlich die Gegner des Papsttums. Ulrich von Hutten besorgte den Druck um 1518 (Wulfert 2009, S. 118). Weniger spektakulär sind wirtschaftsgeschichtliche Überlegungen zum Münzwert, die Vergleiche der römischen Währung mit der griechischen einschlossen und die Erklärung durch schriftliche Quellen. In Italien finden sie sich schon Mitte des 15. Jahrhunderts (Weiss 1969, S. 174 f.). Außerhalb Italiens findet man historische Auswertungen archäologischer Denkmäler erst im 16. Jahrhundert. Ein grundlegendes Thema aber schon des 15. Jahrhunderts war die Dekonstruktion mittelalterlicher Herkunfts- und Stadtgründungslegenden und die Begründung eines antiken Ursprungs. Nur konnte man archäologische Quellen zu dieser Zeit noch nicht erfolgreich einsetzen. Um die Mitte des 15. Jahrhunderts arbeitete Sigismund Meisterlin in seiner Augsburger Chronik z. B. gegen die nach der Aeneis entwickelte Trojanerlegende (siehe S. 330). Ob Tacitus’ Germania mit ihrer Indigenitätsthese dabei schon eine Rolle gespielt hat, ist umstritten, ebenso, inwieweit Meisterlin zu diesem Zweck tatsächlich andere antike schriftliche Quellen, die er sicher kannte, historisch ausgewertet hat (Müller 2006, S. 158, Anm. 66). Es scheint dagegen so zu sein, dass ihm das Studium der klassischen Autoren zu einem besseren Verständnis der Weltalterlehren der Kirchenväter diente, die sich ja intensiv mit den heidnischen Werken auseinandergesetzt hatten (Müller 2006, S. 144, S. 153; Siehe S. 104 ff.). Er konnte deshalb sogar die monogenetische These der Abstammung der Schwaben von Noah bestärken (Mertens 2004, S. 65 ff.). In seiner späteren 1484 und 1487 offenbar in engem Kontakt zu Hartmann Schedel entstandenen Stadtgeschichte Nürnbergs versuchte er allerdings, das römische Alter der Stadt archäologisch nachzuweisen (Meisterlin 1488[1864], S. 54, S. 191 f.; Joachimsen 1895, S. 159 ff.). Obwohl er sich irrte, weil er römische Denkmäler noch nicht erkennen konnte, ist dieses Zeugnis methodisch außerordentlich wichtig, da es sich wohl um den ältesten Versuch der Datierung einer Stadtgründung in Mitteleuropa mit archäologischen, nicht epigraphischen Mitteln handelt (Ott 2002, S. 163 ff.; Ott 2010, S. 144 f.). Bei Hartmann Schedel findet sich 1504 in seinen historischen Stadtbeschreibungen sehr viel mehr archäologisches Material. Leider blieb es separat als Anhang und wurde noch nicht in den Argumentationsablauf integriert – er hängte Inschriftensyllogen geschlossen und unausgewertet an die Stadtgeschichte (Worstbrock 1998, S. 231 f.), so wie Desiderius Spreti das für Ravenna getan hatte. Selbst in seiner Welt
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chronik machte er immer wieder auf antike Monumente aufmerksam. Er widerlegte aber die trojanische Stadtgründungslegende von Trier nicht, und verwendete die für Konstanz zitierte Inschrift auf einer „tabula marmorea“ nur bestätigend für die Namengebung und den Ursprung der Stadt (Schedel 1493, fol. 240v)258. Im Fall von Regensburg nannte er nicht nur die quadratische Form der Stadtmauer, sondern auch ihre großen Quader, allerdings ohne diese Merkmale explizit als Zeugnisse für das römische Alter der Stadt zu werten (Schedel 1493, fol. 97v; Fehr 2008, S. 16). Er legte damit aber die Grundlage für Johannes Aventinus (siehe S. 162). Obwohl die Inschriftenträger die einzigen archäologischen Objekte waren, für die man Anhaltspunkte zu einer historischen Deutung besaß, wertete auch Konrad Peutinger am Anfang des 16. Jahrhunderts seine Augsburger Inschriften noch nicht aus (Peutinger 1505; 1520). Dabei boten nur sie Namen, Ereignisse und Daten und die Voraussetzungen, antike Plätze zu identifizieren und eine begründete Aussage zu ihrem Alter zu machen. Beatus Rhenanus hat sich zwar nicht durch die Entdeckungen von Inschriften im Gelände ausgezeichnet, aber doch durch ihre Verwendung als Geschichtsquelle: Er schloss aus der in der Klostermauer von Deutz gefundenen Inschrift auf das Siedlungsgebiet der Franken (Beatus Rhenanus 1531[2008], S. 102 f.; Stemmermann 1934, S. 30). Die Inschrift besagte, dass Constantin „suppressis domitisque Francis in eorum terris castrum Divitensium“ gegründet hätte (CIL 13,2, 8502). In diesem Zusammenhang verwendete der Schlettstädter Gelehrte auch den lateinischen Begriff „Testimonium“ für eine inschriftliche Quelle: „Afferam adhuc aliud Testimonium“ (Beatus Rhenanus, ebd.). Damit arbeitete er methodisch nach dem Muster von Herodot, denn „Testimonium“ entspricht dem griechischen Tekmerion. Auch die Feststellung einer Grenze des Frankengebietes entspricht antiken Vorbildern (siehe S. 95 und S. 102), sie ergibt sich aber auch aus der Kombination der historischen Kenntnisse des Humanisten. Ein weiterer Gelehrter, der sich außerhalb Italiens schon am Anfang des 16. Jahrhunderts mit archäologischen Denkmälern befasste, um zu historischen Schlüssen zu kommen, war Johannes Aventinus. Alois S chmid hat sehr einleuchtend herausgearbeitet, dass sich in den Werken Aventins eine Entwicklung hin zum Einsatz archäologischer Quellen bei der Klärung historischer Probleme feststellen lässt (Schmid 1996, S. 93 ff.). Dass dieser methodischen Neuerung eine intensive Quellensuche vorausging, bezeugt das gezielte Vorgehen (siehe S. 214). Aventin trug nicht nur Informationen zu Inschriften und Münzen, sondern auch zu anderen Denkmälern zusammen. Münzen ordnete er als Bildnisse den entsprechenden Kaisern zu (ebd., S. 94). Eine historische Erkenntnis zog er aber aus Spuren eines römischen Straßendammes, den er für die Grenze des Römischen Reiches hielt, und kam so zu einer teilweise richtigen Einschätzung des Limes (ebd., S. 94, Anm. 87; Fehr 2008, S. 17). Zur Identifikation
258 CIL 13, Nr. 5249; Stemmermann 1934, S. 17.
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von römischen Siedlungen benutzte er auch Keramikfunde und Geländedenkmäler wie Burgställe, wobei er sich bei der kulturellen Zuweisung und Datierung auch irrte (ebd.). Obwohl Johannes Aventinus ja zunächst im Sinne von Annius von Viterbo arbeitete, gelang ihm in dem zwischen 1528 und seinem Todesjahr 1534 entstandenen Werk über Regensburg eine historische Studie, die er nur auf empirischen Untersuchungen aufbaute. Eine Darstellung der ungewissen vorrömischen Zeit lehnte er ab: „ist izo genueg, das ichs meld was vor Augen ist und man in den römischen Schriften vorhanden findt“ (Aventinus 1880, S. 266). Interessant ist, dass diese Schrift auch keine Genealogien mehr enthält. Aus dieser Haltung heraus gelangen ihm bezüglich Regensburgs zwei Legendenwiderlegungen mit archäologischen Mitteln: Er erkannte, dass der angebliche Sarkophag der mittelalterlichen heiligen Aurelie mit der Inschrift „Aurelia“ römischen Ursprungs war und nahm der Aurelienlegende von St. Emmeram so ihre Reliquie (Schmid 1996, S. 93). Außerdem bewies er den römischen Ursprung der Stadt und widerlegte so die Legende des Marianus Scotus (Aventinus 1880, S. 294 ff.). Er wies hier feindliche Auseinandersetzungen mit den Römern aufgrund zweier Inschriftensteine nach, deren Text er durch antike Schriftquellen erklärte und nicht umgekehrt diese durch die Steine illustrierte. Eine rein archäologisch begründete Erkenntnis ist die Stationierung der 4. Legion Italica: „Die alten römischen stain zu Regenspurg noch verhanden, darauß man abnimbt, das alda quarta legio Italica … gelegen ist“ (Aventinus 1880, S. 262 f.; S chmid 1996, S. 97). Einen der diesbezüglichen Steine hatte er erst vor kurzem in einem Haus gefunden (Aventinus 1880, S. 263). Der Zeitgenosse Aventins, der Thüringer Nikolaus Marschalk, wurde zu seinen historischen Forschungen etwa 1505 nach Mecklenburg berufen, in einen Reichsteil, der keine römische Vergangenheit besaß. Eine seiner Aufgaben bestand gerade darin, dem Fürstenhaus eine antike Geschichte zu konstruieren, d. h. eine Legende zu schaffen. Sie begann mit einer mythischen Zeit, die eigentlich erst nach Alexander dem Großen datiert werden musste, da das Herrscherhaus seinen Anfang von einem der Gefolgsleute Alexanders genommen haben sollte. Jedenfalls setzte Marschalk in diese mythische Zeit die beiden von ihm erstmals erkannten prähistorischen Grabformen. Bei der Deutung der Urnen als Grabgefäße half ihm neben dem vermutlich erkannten, aber nicht direkt erwähnten Leichenbrand eine Analogie zu römischen Brandgräbern, so dass dieses Ergebnis auf relativ festem Boden steht. Die ebenfalls richtige Interpretation der Megalithgräber als menschliche Gräber ermöglichte jedoch die Analogie zwischen ihnen und einem in der Aeneis des Vergil beschriebenen Heroengrab. Wenn auch mit der Zuweisung beider Grabtypen zur Geschichte ein wichtiger Schritt gemacht worden ist, der erlaubt, diese Leistung als eine historische Interpretation zu würdigen, so war die Argumentation hinsichtlich der Megalithgräber doch noch nicht beweiskräftig, und auch der Typ des Heroengrabes als Analogon steht zwischen der Götter- und der Menschenwelt in einer früheren Schöpfungsphase, allerdings mit einer Kontinuität in die zeitgenössische Herzogsdynastie (Sasse 2010, S. 262; siehe S. 158).
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Etwa 15 Jahre nach Aventin benutzte auch Wolfgang Lazius Inschriften als historische Belege. So integrierte er römische Ziegel in die Stadtgeschichte Wiens als Beweis für den römischen Ursprung der Stadt und führte sie auch in seinem Quellenverzeichnis auf (Lazius 1546, S. 9 und Index). Allerdings war der römische Ursprung in diesem Fall ja bekannt (z. B. Schedel 1493, fol. 89v). Das methodische Vorgehen aber hätte den Autor auch so durch Beobachtung, Klassifizierung und richtige Lesung zum Urteil führen können. Ein außerordentlich interessanter historischer Schluss findet sich bei Ambrosio de Morales. In seiner Beschreibung der Reise, die er auf Betreiben Philipps II. unternommen hatte, bewies er, dass die in der Cámara Santa in Oviedo aufbewahrten Münzen nicht die gewesen sein können, mit denen Jesus verkauft worden sei, denn diese müssten entweder von Augustus stammen oder älter sein. Eigene jüdische Prägungen habe es nicht gegeben. Hier findet sich also schon die Idee eines Terminus post quem und einer Münzreihe mit Schlussmünze (Morales 1574, S. 74, S. 132–133; Morán Turina 2010a, S 234). Außerdem erinnert die Argumentation an die Konstantinische Schenkung des Lorenzo Valla (siehe S. 224, S. 336). William Camden benutzte in der Britannia für seine Kritik der britischen Ursprungslegenden verschiedene Methoden. Zunächst stützte er sich zum Beleg seiner Indigenitätsthese auf die schriftliche Überlieferung und versuchte, Legenden, Mythen und Fälschungen durch ihre Widersprüche zu sicheren Quellen zu überführen. In seinem ersten Kapitel, das er 1586 „Primi incolae“ nannte, lehnte er sowohl die Trojanerlegende des Geoffrey of Monmouth für die Briten und die des Hunibald für die Franken als Fälschungen ab: In der englischen Übersetzung von 1722 heißt es: I refer the controversie entirely to the college of Antiquaries … that there are very learned and judicious men … Their first objection they draw from the age wherein these things are said to have been done … as if there had been no Britains here before the destruction of Troy (which happen’d about 1000 years after the deluge) (Camden 1586[1722], S. VIII, S. X).
Nirgendwo sei in den echten alten Quellen ein Brutus erwähnt, der Ahnherr der Briten nach Geoffrey (Camden 1586[1607], S. 3 ff.). An anderen Stellen arbeitete William Camden archäologisch. So zog er aus römischen Inschriften zur Beamten- und Militärgeschichte ähnliche Schlüsse wie Aventinus. Nachdem er zunächst römische und britannische Münzen voneinander unterschieden hatte, schloss er außerdem darauf, dass einheimische Könige unter römischer Herrschaft eigene Münzen prägen durften, ein Gedanke, der an Lorenzo Vallas Argumentation in seiner Widerlegung der Konstantinischen Schenkung erinnert. Den Ausgangspunkt hierfür bildete aber Polydor Vergil (1514[1555], Buch 1,29), der jedoch den Schritt zur Sachkultur noch nicht gemacht hatte. Camden erwähnte im Vorwort der Britannia ebenfalls den Begriff des Tekmerion (1586[1607], S. 5) und damit das methodische Instrumentarium Herodots und Thukydides’. Aus diesem Grunde fügte er den Text der Inschriften inhaltlich und topographisch sinnvoll ein
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(Camden 1586[1607], S. 32). Ihm fehlte aber offenbar noch die Einsicht, dass auch Inschriften in ihrem Fundzusammenhang ausgewertet werden müssen. Wieder an anderer Stelle aber ist es gerade der nicht gesicherte Zusammenhang verschiedener Areale einer Fundstelle, der William Camden zu einer Ablehnung des Mythos führte, nach dem Riesen Stonehenge erbaut haben sollten (siehe S. 130). Diese Widerlegung durch archäologische Funde findet sich bei William Camden sowohl textlich seit der ersten Ausgabe der Britannia, als auch auf der Abbildung von Stonehenge seit der Ausgabe von 1600. Er erwähnte hier die Funde menschlicher Knochen in unmittelbarer Umgebung des Monuments und lokalisierte sie später auch auf der Abbildung. Er schrieb: „… certe ossa humana hic saepius effossa fuerunt …“ und „C: Locus ubi ossa humana effodiuntur“ (Camden 1586, S. 120; Camden 1586[1600]), S. 219)259. Er griff dabei allerdings auf etwas älteres Material zurück, denn eine Vorform seiner Abbildung aus dem Jahr 1575 mit den Initialen R. F. findet sich heute im Britischen Museum (Kendrick 1950, Taf. VII). In der linken Ecke der Zeichnung sieht man auf einem Plateau Ausgräber mit Schaufel. Dieser hier schon mit dem Buchstaben C bezeichneten Stelle ist die Legende: „C: showed where … bones of men are found“ zugeordnet. Camden hat nicht nur die Abbildung umzeichnen lassen, sondern den eng lischen Text auch zur Grundlage seiner lateinischen Version gemacht (siehe S. 252 f.). Der menschliche Bestattungsplatz dient ihm jedenfalls bei der Diskussion verschiedener Legenden zu Stonehenge, um das Bauwerk von einer Mirabilie, dem Werk von Riesen und Zauberern, zu einem historischen Monument zu machen (Camden 1586, S. 119 f.). Dafür war die Nähe der Funde zu Stonehenge wichtig, weshalb auch der Fundort gekennzeichnet wurde. In diesem Fall war ein Schluss möglich, weil Camden das Monument und das Grab als einen Komplex auffasste. Aus heutiger Sicht würde hierzu aber eine Überprüfung der Zusammengehörigkeit gehören. Deshalb hat auch Camden den Riesenmythos damit nicht eindeutig widerlegt. Wie die Cerauniae und die gewachsenen Töpfe sollten die Riesenüberreste die Forschung noch längere Zeit beschäftigen (siehe Bd. 2). Wesentlich sicherer war dagegen das Urteil Peter Lindebergs und vermutlich auch seines Gönners des Gouverneurs Henrik Rantzau, als sie als Erste die Runensteine und Grabhügel von Jelling auf ein historisches Niveau erhoben. Auch ihrer Überlegung lag der Komplexgedanke für die gesamte Fundstelle zugrunde. Entscheidend aber war die im Prinzip richtige Lesung des Textes, in dem die Herrschernamen Harald und Germ (richtig Gorm) enthalten waren. Noch ein weiterer Schritt brachte Runensteine und die Runenschrift in Beziehung zur Zeit dieser Herrscher. Damit brauchte die Riesenthese, die noch vor weniger als vierzig Jahren durch die Gebrüder Magnus bestärkt worden war, gar nicht mehr diskutiert zu werden (Lindeberg 1591, S. 75). Dann stellten sie, wie vor ihnen Nikolaus Marschalk und später Ole Worm, eine Analogie zwischen den Grabhügeln und dem Heroengrab bei Vergil her, auch wenn
259 Siehe auch S. 300.
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dieser nicht genannt ist (siehe S. 202). Letztlich wurden Heroen der Antike und Könige der Wikingerzeit gleichgesetzt. In historischer Zeit bewegte sich auch 1595 Markus Welser, der Augsburger Inschriftensteine in seine Stadtgeschichte unter dem Kolumnentitel „Monumenta“ gleichberechtigt zu anderen historischen Quellen aufnahm. Welser konnte auf die vergleichsweise reichen Vorarbeiten von Konrad Peutinger und anderen für Augsburg zurückgreifen. Hier findet sich auch der erste Versuch eines historischen Kommentars (Welser 1594, S. 228 f.). Einen Hinweis darauf, dass am Ende des Jahrhunderts eine historische Deutung der Funde eine geläufige und unverzichtbare Forderung geworden war, gibt Johann Baptist Fickler, der anlässlich seiner Aufgabe, ein Inventar der Bayerischen Kunstkammer zu erstellen, die Münzen nach historischen Gesichtspunkten ordnete und bedauerte, andere Gegenstände nur nach äußeren Kriterien beschreiben zu können (Fickler 1598[2004], S. 13).
3.6.4 Kulturgeschichte und historische Ethnologie – die Anfänge der ethnischen Archäologie Das Interesse an den Merkmalen einzelner Völker und Kulturen entwickelte sich einerseits aus der humanistischen Suche nach dem Aussehen der antiken Leitkultur, andererseits aber aus der Frage nach dem eigenen Ursprung, der Genealogie, der Kontinuität am Ort oder der Wanderung des eigenen, nicht antiken Volkes. Nicht zuletzt aber wurde es durch die antike ethnographische Literatur wie Herodot, Strabo und Tacitus sowie durch die Bibel angeregt. Die der Genesis zugrunde liegende unilineare Schöpfungsgeschichte machte Wanderungsbewegungen sowieso unverzichtbar, um die Besiedlung der Welt erklären zu können. Trotz der historisch bekannten Bevölkerungswechsel und der Akzeptanz der biblischen Wanderung ist aber auch der Autochthoniegedanke von Anfang an immer wieder vertreten worden (siehe S. 106). Er bedeutete im unilinearen Schöpfungsmodell die Zugehörigkeit zur Urbevölkerung, d. h. der Bevölkerung, die das Land als Erste nach der Sintflut besiedelt hatte, wie z. B. bei Sigismund Meisterlin die Schwaben (siehe S. 336). Auch Wolfgang Lazius begann seine Völkertafel mit den „aborigines“ (Lazius 1557[1572]), William Camden erwog die einheimische Herkunft der ersten Einwohner, der „primi incolae“ Britanniens. Er stand aber den verschiedenen Wandergeschichten mit Vorbehalt gegenüber (Camden 1586[1607], S. 8). Die Antike hatte dieses Problem nicht, hier besaß jede Traditionseinheit ihre eigene Schöpfungsgeschichte, Wanderungen und Reisen gehörten aber seit Herodot zu den wichtigsten historischen Ereignissen (siehe S. 95). Das Interesse an der historischen Rückschreibung des eigenen Verbandes, d. h. nicht der herrschenden Dynastie, entwickelte sich erst ganz langsam, zunächst bei den Städten mit eigener Verwaltung. Früh ließ es sich in der entstehenden Schweiz
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feststellen (siehe S. 193). Archäologische Funde konnten aber weder im 15. noch im 16. Jahrhundert in diesem Prozess eingesetzt werden. Dagegen bot die antike ethnographische Literatur eine Fülle von Völkernamen, die für eine Identifikation zur Verfügung standen und auch entsprechend Verwendung fanden. Ein gutes Beispiel für die Beliebigkeit der Identifikation mit diesen namentlich überlieferten Verbänden und ihre Gleichsetzung mit den herrschenden Dynastien geben die drei Arbeiten von Nikolaus Marschalk zur Geschichte und Genealogie des Mecklenburger Herrscherhauses. In seinen beiden älteren Werken setzte der Gelehrte das Herrscherhaus mit dem Namen der Obotriten gleich, in seiner jüngsten Arbeit mit den Herulern und Vandalen. In der mittleren Arbeit versäumte er nicht, verschiedene Gentes miteinander in Beziehung zu setzten und zu behaupten, dass die Obotriten doch mit den Herulern gleichgesetzt werden müssten: „De situ Obetritarum qui et Heruli“ (Sasse 2010, S. 252). Die Beschreibung des Bestattungsbrauches der Vorfahren der Herzöge und ihrer Untertanen in allen drei Werken gilt seit der Arbeit von Paul Hans Stemmermann als die erste Klassifikation von prähistorischen Hügel-, Megalith- und Urnengräbern und die erste Zuweisung der gewonnenen Grabtypen zu verschiedenen Völkern (Stemmermann 1934, S. 20 ff.; Gummel 1938, S. 10 f.; Wahle 1950[1964] 24; Kossack 1992, S. 73; Kossack 1999, S. 10; Brather 2000, S. 139). Diese Auffassung beruht auf den schon bei Friedrich Lisch abgedruckten Auszügen der Werke zum Grabbau und deren Übersetzungen aus dem 18. Jahrhundert (Lisch 1837, S. 15). Abgesehen davon, dass Marschalk nur Megalithgräber und Urnengräber definierte und keine Hügelgräber, wies er die Megalithgräber immer der mecklenburgischen Herzogsdynastie, die Urnengräber aber ihren Untertanen zu, und nicht verschiedenen Völkern. Immerhin handelt es sich um eine humanistische Annäherung an eine Identifikation der Mecklenburger Herren mit einer antiken Gens. Die mittelalterlichen Obotriten erfüllten eben noch nicht den Zweck einer antiken Identifikation, weswegen sie durch Heruler, Vandalen und auch Cimbern ersetzt wurden. Marschalk begründete die Identifikation mit den Herulern durch eine Ortsnamensetymologie, und Vandalus, der Heros eponymos der Vandalen, gehörte nach Annius von Viterbo in die Ahnenreihe Noahs, genauso wie die Cimbern (Sasse 2010, S. 259 f.). Für die weitere Erforschung der frühen skandinavischen Ethnika wurde es wichtig, dass auch Johannes Aventinus die aus der römischen Geschichte bekannten Cimbern aus etymologischen Gründen (Kimberland) mit den Skandinaviern gleichsetzte. Auch sie kamen so zu einer asiatischen Herkunft durch die Namensgleichsetzung zwischen Cimbern und Kimmerern, die ebenfalls auf Annius von Viterbo zurückgeht, und durch Gomer zu einer Verwandtschaft mit Noah (Aventinus 1883, S. 216 [Buch 1,99]; Stemmermann 1934, S. 33 ff.). Man sieht, welche große Rolle hierbei die Etymologie spielte. Die Ersten, die ohne Zweifel prähistorische Funde als Zeugnisse von Bräuchen eines Ethnikums anführten, waren die schwedischen Brüder und Bischöfe Johannes und Olaus Magnus (Magnus 1555; Magnus 1554[1558]). Johannes Magnus stellte zwar die meisten religiösen Bräuche seiner heidnischen Goten ohne Heranziehung von
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archäologischen Funden dar, so Opferungen (Magnus (1554[1558], S. 2); anders aber verhält es sich mit dem Brauch, bei Gewitter mit Donnerkeilen in die Luft zu schießen, um den kämpfenden Göttern zu helfen: Nec ea temeraria superstitione contenti, inusitati ponderis malleos (quos Ioviales vocabant) ingenti aere complexos, magnaque religione cultos, ad eum usum habebant, ut per eos tanquam per Claudiana tonitrua, et per usitatem rerum similitudinem, coeli fragores, quos malleis cieri credebant exprimerent, tantique; sonitus vim fabrilium specie imitantes, Deorum suorum bellis sic adesse admodum religiosum existimarent (Magnus (1554[1558]), S. 44 f.; Abb. 45)260.
Die Attribute der dargestellten Personen kommen auch in diesen Arbeiten überwiegend aus der Klassischen Antike oder der Gegenwart (Abb. 44). In diesen Zusammenhang gehörten auch die angeblich gotische Schrift (Runen) und die Runensteine (siehe S. 195). Das Werk De aliquot gentium migrationibus von Wolfgang Lazius nahm Gentes, historische und zeitgenössische Verbände sehr verschiedener und teilweise mythischer Art, sogar zur Grundgliederung seines Werkes. Hier stehen neben den „aborigines“ (nach Varro!) die Pannonier (römische Provinz), Graecogallier, Carner, Taurisker, Schwaben, Goten, Heruler und viele mehr. Vergeblich allerdings sucht man die bei Tacitus erwähnten Stämme. Dennoch bot Lazius damit eine andere Lösung für das Problem der Organisation der Germania illustrata an. Das Wort „migrationes“ im Titel meint freilich nicht die Völkerwanderungszeit, sondern das Wanderschicksal der behandelten Verbände seit der Genesis. Wie bei Marschalk standen auch beim Historiographen Ferdinands I. die dynastischen Genealogien im Vordergrund. Für uns ist aber sein Interesse an der Sachkultur der behandelten Gentes wichtig sowie die Einsicht, dass diese sich veränderte. An archäologischen Zeugnissen standen ihm dafür nur die damals bekannten römischen Münz- und Steinbilder zur Verfügung, die freilich keinen Bezug zu den behandelten Gentes besaßen. Deshalb wählte er sie willkürlich und ohne Sachbezug aus. Andererseits erklärte er fantastische Gegenstände zu Merkmalen bestimmter Völker, wie die „furca gallica“ (Lazius 1557[1572], S. 153). Die schriftlichen Quellen setzte er dagegen trotz vieler Irrtümer sinnvoll im Zusammenhang von Zeit und Raum ein, nur boten sie ihm keine bildlichen und oft auch keine funktionalen Informationen, sondern Namen von Gegenständen. So heißt es im Kapitel über die Franken „Ancone figura ex Agathio“ (Agath. 2,6; Lazius 1557[1572], S. 54). Die im Vorfeld der Entstehung der Britannia von John White 1585 unter Benutzung von Indianerbildern geschaffenen Zeichnungen urgeschichtlicher Briten,
260 Übersetzung: Und mit diesem Aberglauben noch nicht zufrieden, benutzten sie die Steine ungewöhnlichen Gewichts (die sie ‚Ioviales‘ nannten), die hoch in der Luft entstanden waren und die sie besonders verehrten, um sowohl bei Claudianischen Gewittern als auch bei ähnlichen Anlässen den Himmelslärm, von dem sie dachten, er käme von den Donnerkeilen, künstlich nachzuahmen und so bei den Kriegen ihrer Götter im Kult dabei zu sein.
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Pikten und Skoten zeigen, wie die Einsicht sich durchsetzte, dass europäische Völker einmal ähnlich gewesen sein könnten wie die zeitgenössischen Völker der Neuen Welt (Kendrick 1950, Taf. XIII und XIV)261. Sind diese Bilder noch so fantastisch wie die des Wolfgang Lazius, so wurde bei William Camden die Vorstellung einer eigenständigen gallisch-britischen Kultur durch den Einfluss von Polydor Vergil und das Studium der Münzen aus der Sammlung von Robert Cotton von Connington greifbarer (siehe S. 339). Bei Camden, der auf dem Boden erfahrbarer Tatsachen stand, findet man keine Fantasiebildnisse. Das Werk von Philipp Clüver mit dem Titel Germaniae antiqae libri tres. Opus post omnium curas elaboratissimum tabulis geographicis et imaginibus, priscum Ger manorum cultum moresque referentibus, exornatum (Clüver 1616) ist dagegen ganz anderer Art, wenn auch ebenfalls empiristisch. Es handelt sich um eine kritische philologisch-historische, ethnographische und kartographische Arbeit. Archäologische Quellen wurden nicht benutzt, die echten antiken Quellen aber sinnvoll ausgewertet. Geschichtsfälschungen und -mythen fanden hier keinen Platz: Quamquam ego non minus Trithemium id sub Hunibaldi titulo composuisse dubitem, quam Annium Viterbiensem nugas suas sub Berosi nomine. Id maxime indignor, etiam inter doctos viros reperiri, qui non minus fictitio illi Hunibaldo, quam falso isti Beroso fidem habere dignentur (Clüver 1616, S. 38)262.
Das empirische und kritische Herangehen zeigt sich schon dadurch, dass der Gelehrte am Anfang des Werkes zwei verschiedene Editionen der Germania des Tacitus gegenüber stellte. Die am häufigsten zitierten Autoren sind Caesar, Cassius Dio, Ammianus Marcellinus, Plinius der Ältere, Plutarch, Ptolemaeus, Strabo und Tacitus, wobei die drei Letzteren überwiegen. Der Text spiegelt somit die rationale Mentalität, die ja viele Arbeiten des beginnenden 17. Jahrhunderts auszeichnet. Das erste Buch behandelt die Geographie Germaniens sowie den Ursprung der einzelnen Stämme und die Sitten der alten Germanen. Clüver versuchte also eine Organisation der Germania illustrata vorzugsweise nach der Germania des Tacitus über die Lokalisierung der dort behandelten Stammesgebiete zu gewinnen, indem er zuerst Cisrhenanien und dann das schwierigere Transrhenanien behandelte. Sein Hauptthema blieben aber die Geographie und die Gebiete der einzelnen germanischen Stämme, die er in verschiedenen
261 Die mögliche Indianerdarstellung auf dem Harman-Monument in der Kirche von Burford, Oxford shire, von 1569, die Piggott als älteste Indianerdarstellung in England angeführt hat, führt nicht in diese Richtung und muss weiterhin als ungesichert gelten (Piggott 1964[1976], S. 28; Sherlock 2008, S. 200). 262 Übersetzung: Freilich zweifle ich genauso wenig daran, dass Trithemius das (Machwerk) unter dem Namen Hunibald verfasst hat, wie Annius von Viterbo das seine unter dem Namen des Berosus. Mich ärgert am meisten, dass sogar Gelehrte sowohl dem Hunibald als auch dem falschen Berosus Vertrauen entgegen bringen.
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Karten festhielt263. Die Sachkultur der Verbände interessierte ihn weniger, so z. B. bei den Sweben (Clüver 1616, S. 108 ff.). Zusammenfassend kann man also sagen, dass bis 1630 zwar erste Versuche gemacht worden sind, zu einer Identifizierung mit historischen Ethnika zu kommen. Dem stand erstens das dynastische Prinzip gegenüber, zweitens das noch kaum vorhandene Verständnis für kulturelle Andersartigkeit und Entwicklung und letztlich drittens die fehlende Kenntnis, Lokalisierung und Datierung der prähistorischen Funde, die deshalb noch nicht in dieses Konzept integriert werden konnten.
3.6.5 Naturalia, Artificialia oder Mirabilia? Archäologische Objekte in der enzyklopädischen Erfassung der Welt Das aus der antiken Naturphilosophie und –geschichte geerbte Problem der Klassifizierung der Objekte der Welt wurde in der Renaissance zur Grundlage des Typs der enzyklopädischen Sammlung und diese eines der wichtigsten Foren für die Entwicklung der naturwissenschaftlichen Fächer und auch der Archäologie. Es ging um die richtige Zuordnung der einzelnen Objektklassen, um Tiere, Pflanzen, Mineralien, aber auch um Kunstwerke, Kunsthandwerk und Gebrauchsgegenstände. Daraus entstand die Grundgliederung in Naturalia und Artificialia. Die Tendenz zur Ordnung in der Vielfalt sowie die grundsätzliche Klassifizierung in Kunst- und Naturprodukte erweisen schon im 15. Jahrhundert die großen Sammlungen der Medici und der Este als Vorläufer der enzyklopädisch-naturwissenschaftlichen Sammlungen oder auch der Wunderkammern, die dann das 16. Jahrhundert bestimmen sollten. Die Medici-Sammlung z. B. zeigt wohl schon Mitte des 15. Jahrhunderts Elemente einer ausgesprochenen Antikensammlung, einer Schatzsammlung und einer enzyklopädischen Sammlung. Wenn auch das älteste Inventar erst zum Tode des Lorenzo il Magnifico 1492 angelegt wurde (Müntz 1888, S. 52 ff.), so lässt sich aus verschiedenen Beschreibungen entnehmen, dass schon die Sammlung von Piero I. Medici nach den grundsätzlichen Gesichtspunkten der Naturalia, der natürlichen Gegenstände, und der Artificialia, der künstlichen Gegenstände, also nach universalwissenschaftlichen Kriterien geordnet war (Scheicher 1979, S. 39). Die nächsten Medici-Generationen folgten Pieros Beispiel, vor allem Lorenzo il Magnifico. In der klassischen enzyklopädischen Sammlung von Ulisse Aldrovandi aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts fand sich das typische Inventar der enzyklopä dischen Kunstkammer: die Naturalia, nämlich Mineralia, Vegetabilia, Animalia; Abnormitäten oder Mirabilia; die Artificialia (Artefakte). Zu den Artefakten gehörten die Antiquitates wie Münzen, Intaglien, Statuen sowie besonderes, aus irgendeinem
263 http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cluever1616/0682; http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/ cluever1616/0683.
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Grund interessantes Kunsthandwerk und Exotika aus aller Herren Länder (Scheicher (1979, S. 12 ff.). Unter der Kategorie „usus“, Nutzen, Verwendung eines Rohstoffes, wurden Artefakte auch in Naturaliensammlungen integriert, so dass ein geschlossenes System entstand (Aldrovandi 1648, S. 158, hier Abb. 36). Befremdlich sind für uns die allen diesen Sammlungen gemeinsamen Wunder sachen (Mirabilia), unter denen sich vor allem Fehldeutungen befanden, wie die angeblichen Reste von Fabeltieren und Riesen (Aldrovandi 1642, S. 323). Bei der Besprechung der Weltalterlehre war von ihnen schon die Rede. Auch die Sammlung Lorenzo Medicis enthielt Mirabilia, so ein angebliches Einhorn (Scheicher 1979, S. 38). Es ist aber falsch, die Sammlungen und ihre Publikationen deshalb abzuwerten. Da man zur Verwirklichung des Konzepts, die gesamte dingliche Welt zu erfassen, Vollständigkeit anstrebte, mussten auch die Dinge erfasst werden, die man nicht erklären konnte, auch in den Publikationen, wenn sie in den Sammlungen gar nicht vorhanden waren. Viele Dinge dieser Welt, aber auch viele Irrläufer aus der Literatur und dem Mythos fand man in der antiken Literatur und hatte sie noch nicht sicher geklärt. Dazu kamen seit 1519, vermehrt aber seit den dreißiger Jahren des 16. Jahrhunderts dann auch außereuropäische Gegenstände, leider meist mit falschen oder fehlenden Herkunftsangaben und Beschreibungen. Hier profitierten zwar vor allem die Habsburger als die Herren Amerikas, die Päpste, die Medicis, aber sogar auch Privatsammlungen konnten manchmal bedeutende Stücke erwerben (Scheicher 1979, S. 26 f.; Bujok 2004; Laurencich-Minelli 2012). Die internationale Gelehrtengruppe der Mediziner legte auch in Mitteleuropa enzyklopädische Sammlungen an, die im Prinzip im 16. Jahrhundert dieselbe institutionelle Voraussetzung für die Ausgliederung prähistorischer Funde aus dem Feld der Naturalia und Mirabilia boten wie in Italien. Die fürstlichen Sammlungen Mitteleuropas übernahmen ebenfalls diesen Sammlungstyp. In der ersten theoretischen Schrift, die in Mitteleuropa 1565 zur grundsätzlichen Klassifikation der Objekte in einer enzyklopädischen Sammlung erschien, verarbeitete Samuel Quiccheberg das Gliederungsprinzip der Sammlung von Ulisse Aldrovandi am Beispiel der herzoglichen Bayerischen Kunstkammer. Dafür teilte er die Objekte in fünf Klassen ein. Die drei mittleren umfassten Kunstgegenstände, natürliche Objekte und technische und wissenschaftliche Maschinen. Archäologische Funde werden in der zweiten Klasse der Kunstgegenstände ausdrücklich genannt: „… apud antiquas ruinas & hypogeis inventa …“ und „… partem ex antiquis ruinis effossa, partem procul allata: vel saltem in regione fundatoris theatri minus usitata“264. Die echte Münchner Kunstkammer enthielt allerdings unmittelbar neben indianischen Sachen Lausitzer Keramik, unter den Mineralien fanden sich vom Himmel gefallene Gegenstände, zu
264 Übersetzung: (Gegenstände), die bei antiken Ruinen und Hypogäen gefunden wurden (Quicche berg 1565, fol. E 1v); (Gegenstände), die teils aus antiken Ruinen ausgegraben worden sind, teils von weitem hergebracht worden sind: oder wenigstens im Gebiet (Bayern) des Gründers des Theaters (Museums) selten vorkommen (Quiccheberg 1565, fol. A 4v).
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denen auch die Cerauniae gehörten (MacGregor 1994, S. 69). Mirabilien bildeten hier wie bei Aldrovandi keine eigene Kategorie. Durch die schlechte Dokumentation und die Ferne ihrer Herkunft entzogen sich auch diese Exotika der Nachprüfung. Gerade die kritische Untersuchung von Fälschungen, Fehldeutungen und Mythen führte aber zu neuen Erkenntnissen über die wahre Natur, oder den wahren Ursprung der Dinge, wie im Fall der Ceraunia (siehe S. 267 ff.)265 und letztlich der Fossilien. Es handelte sich also um ein Forum der Grundlagenforschung. 3.6.5.1 Die Lösung des Problems der Cerauniae Der 1665 von Conrad Gesner publizierte bebilderte Katalog der Mineralien- und Fossiliensammlung von Johannes Kentmann machte erstmals einen überregionalen Vergleich einzelner Sammlungsstücke möglich und übte auf die weitere Entwicklung der naturwissenschaftlichen Kataloge und der in ihnen verbreiteten Interpretationen einen bedeutenden Einfluss aus. Johannes Kentmanns und Conrad Gesners Publikationen spielten für Ulisse Aldrovandi und wohl auch für Michele Mercati eine große Rolle, u. a. auch, weil Gesners Arbeiten früh publiziert wurden (siehe S. 254 ff.). Trotz klassifikatorischer Anstrengungen war Kentmann aber selbst hinsichtlich der Funktionsbestimmung der Cerauniae und deren eindeutiger Zuweisung zu den Artificialia nicht zum Durchbruch gekommen. Zu sehr hing er an den alten, seit der Antike immer wiederholten Vorstellungen, die er außerdem sogar durch die Angabe der Fundumstände der Steinbeile zu belegen versuchte. Conrad Gesner äußerte sich bei der Herausgabe deshalb noch ganz konservativ, indem er den Text von Kentmann referierte: „A. Hunc lapidem, inquit Kentmannus, fulmen per molam, quae a ventis agitatur, magna vi iecit Torgae, anno 1561. Maij 17. qui erutus deinceps ab adolescente fuit“ (Gesner 1565a, nach S. 64; hier Abb. 31, a–b)266. Aufgrund der Lehrmeinung, die Cerauniae entstünden auf natürliche Weise bei Gewitter, interpretierte Kentmann die Fundumstände falsch und bestätigte deshalb den verbreiteten Mythos. Erst Ende des 17. Jahrhunderts hat Johann Daniel Major, der ebenfalls zu dieser internationalen Forschergruppe gehörte, einen ernsthaften Versuch unternommen, den aus der Antike übernommenen Mythos über die Donnerkeile durch Grabung zu überprüfen (siehe Bd. 2). Er konnte sich damit jedoch ebenfalls noch nicht überall durchsetzen. Das herausragende Beispiel für eine erfolgreiche archäologische Interpretation auf der Grundlage einer enzyklopädischen Sammlung verdanken wir dem Arzt Michele Mercati. Sein Ziel war die Klärung des aus der Antike geerbten Problems, was
265 Donnerkeil, d. h. Steinbeil oder anderes Steingerät wie Pfeilspitzen oder Klingen. Dieser Begriff ist latinisiert aus dem Griechischen (Plin. nat. 37,51, § 134–135) und bezieht sich auf die Vorstellung, diese Gegenstände seien bei Blitzeinschlag vom Himmel auf die Erde gefallen (siehe S. 113). 266 Übersetzung: A. Kentmann sagt, dass diesen Stein ein Blitz in Torgau, am 17. Mai 1561 mit großer Kraft in eine Windmühle geworfen habe. Im Morgengrauen wurde er dann ausgegraben …
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eigentlich die Cerauniae waren und wie sie entstanden. Voraussetzung dafür wurde die erfolgreiche Klassifikation und die Kombination von Merkmalen für die Definition von Objektgruppen. Außerdem räsonierte Mercati über die Bedeutung der Merkmale. Bei seiner Analyse der Cerauniae verwendete er ein Schlussverfahren aus vier Phasen, den Phasen 2–5 (Taf. 2 und 3). Es beruht auf der ersten Phase, der Deskription, die schon behandelt worden ist (siehe S. 267 ff.). In der letzten, sechsten Phase, in der er versuchte, zu einer Datierung der Steinwaffen zu kommen, scheiterte er (Taf. 3). Sein Vorgehen beruht auf einer kombinatorischen Merkmalanalyse und dem Heranziehen verschiedener Quellen und Beobachtungen in kontrollierten Schritten. Obwohl seine Bedeutung für die richtige Interpretation der Steinwaffen nur wenige Jahre nach dem Erscheinen der Metallotheca 1717 und zumindest seit dem Beitrag des Nicolas Mahudel 1730 in der Académie des Inscriptions et Belles-Lettres bekannt war (Mahudel (1730[1875]); Cheynier 1936, S. 9; Clarke 1968, S. 8), besteht in der Literatur Unklarheit über seine Ergebnisse und über sein Schlussverfahren. Durch Vermischung mit den Argumentationen späterer Autoren haben sich zwei Ansichten eingeschlichen, die mehrfach tradiert worden sind: 1. Mercati hätte aufgrund seiner Kenntnis der antiken Literatur schon von den drei Zeitaltern des Steins, der Bronze und des Eisens gesprochen (Clarke 1968, S. 6 f.). Diese Ansicht beruht darauf, dass das Gedicht des Lukrez De rerum natura von Mercati herangezogen wird, das im 18. Jahrhundert eine so große Rolle bei der Entwicklung der Vorformen des Dreiperioden systems spielen sollte267. Mercati übernahm aber die hierin vertretenen Ansichten nur teilweise und bedingt, weil er sie nicht beweisen konnte. 2. Er hätte seine Erkenntnis hauptsächlich oder zumindest wesentlich durch eine ethnologische Analogie gewonnen (Laming-Emperaire 1964, S. 48; Heizer 1962, S. 260 f.; Clarke 1968, S. 7; Goodrum 2002, S. 258). In der Tat erwähnte er unter Zitaten aus der Bibel und der antiken Literatur, dass „Nostra aetate“ in den Ländern des Westens (Amerika) alles aus Stein gemacht werde, da man kein Eisen geschmolzen habe – er war damit zwar der Erste, der ethnographisches Material im Zusammenhang mit den prähistorischen Steingeräten erwähnte, benutzte dieses aber nicht als eigenes Argument, sondern nur als Zusatz zu den schriftlichen historischen Quellen. Ähnlich hatte sich Ulisse Aldrovandi geäußert, nur fehlt bei diesem der Zusammenhang zu den Cerauniae (Aldrovandi 1648, S. 156 ff.). Die Aussagen beider Autoren zum Mangel an Eisen in der Neuen Welt gehen vermutlich auf Leandro Alberti zurück, der die Geschichte der amerikanischen Gegenstände überliefert, die 1533 u. a. nach Bologna und in den Vatikan gelangten (Laurencich-Minelli 2012, S. 147). Sicher hat Mercati diese Funde gekannt.
267 Zum epikureischen Gedicht des Titus Lucretius Carus siehe S. 119. Es ging im 9. Jahrhundert verloren und wurde erst in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts von Gian Francesco Poggio Bracciolini während des Konstanzer Konzils wiederentdeckt (Bieler 1980, S. 142 ff.). Jetzt dazu Greenblatt (2011).
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Die Argumentation in der Metallotheca verläuft jedoch anders (Farbtaf. 3–4): 1. Wie oben beschrieben stand am Anfang die Klassifikation und Zuweisung der Objekte zu den beiden Gruppen der Cerauniae, den Cerauniae cuneatae, d. h. den glatten Keilen, und den Cerauniae vulgares, d. h. den Silexabschlägen. Dabei stützte er sich nur auf die Objekte. Im Gegensatz zu Conrad Gesner bezog er den Fundort nicht in seine Überlegungen ein, zumal er aus ihm aus verschiedenen Gründen keine Regel ableiten konnte (Mercati 1717, S. 242; siehe S. 225). 2. Danach setzte der Gelehrte zunächst zwei Ansichten gegeneinander, die allgemein verbreitete Meinung: a. „Magna pars hominum credit fulmine deferri“, und eine wissenschaftliche Ansicht: b. „qui historiam callent, ante usum ferri ex durissimis silicibus tundendo fuisse defectam ad belli infamiam arbitrantur“ (Mercati 1717, S. 243)268. 3. Den Anfangsverdacht, dass die Meinung b richtig sein könnte, unterzog er einer Plausibilitätsprüfung: 3a. Er zitierte zahlreiche Stellen aus der Bibel und der antiken Literatur, in denen von Schneidegeräten aus Stein berichtet wird. Dabei bezog er sich unter anderem auch auf Lukrez. Den ersten Vers des Lukrez-Gedichtes lehnte er ab: „Neque verum est quod Lucretius scribit ‚arma antiqua manus, ungues dentesque fuerunt‘“. Dagegen übernahm er für seine Plausibilitätsprüfung die Hypothese, man habe die ersten Waffen aus Stein gemacht. Außerdem untersuchte er nach damaligem Brauch die Etymologie des Begriffs Silex und leitete das Wort von „sicilex“, der Sichel, her. 3b. Danach kam er auf die Ergebnisse seiner Merkmalanalyse zurück. Zunächst stellte er fest, dass die betreffenden Objekte tatsächlich Schneiden und die Form von Waffen besaßen, d. h. er interpretierte die durch die vorherige Beschreibung der Geräte gewonnen Merkmale und bediente sich dazu der Analogie zu ihm bekannten Waffen und Schneidegeräten. Die Ergebnisse von 3a und 3b bestätigten deshalb die Plausibilität der zweiten Hypothese. So erhielt die zweite Hypothese die Qualität einer noch unbewiesenen Erklärung der Besonderheiten der Cerauniae. 4. Nun ging er noch einmal wie in 3b auf seine Beobachtungen an den Fundstücken zurück und untersuchte eine weitere Kategorie, die Herstellungsspuren. Denn wenn die Hypothese richtig war, es handele sich um von Menschen gemachte Waffen, mussten diese notwendig auch Herstellungsspuren aufweisen. Er fand die Spuren, ließ sie darstellen und konnte damit die zweite Hypothese bestätigen (Abb. 39–40). Die erste Hypothese tat er am Ende seiner Ausführungen
268 Übersetzung: … die, welche die Geschichte kennen, glauben, dass man sich, bevor man Eisen (als Waffen) hatte, Cerauniae aus hartem Silex für den infamen Krieg durch Stoßen behauen hat. – Eine Übersetzung des Textes dieses Kapitels von S. 243 bis S. 245 oben findet sich auch bei Schnapp (2009, S. 380–381).
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nur kurz mit der Bemerkung ab, man könne keine Beweise für die Richtigkeit finden. Damit hat Mercati sich der Methode von Jacopo Zabarella bedient (Otto 1984[1994], S. 426 ff.) und mit dieser kompositiv-synthetischen Methode eine Ursache bewiesen. Er war von der sichtbaren Wirkung zur Ursache geschritten, hatte zunächst nach der dialektischen Behandlung zweier Ansichten einen Anfangsverdacht formuliert und diesen dann einem Examen mentale, einer Plausibilitätsprüfung, unterworfen, die unter Zuhilfenahme der Analogie zur Formulierung einer noch konfusen Ursache führte. Die aus dieser konfusen Ursache abgeleitete Wirkung, die Herstellungsspuren auf den Cerauniae, die bewiesen, dass es sich um Steingeräte handelte, muss er aber durch ein Experiment gewonnen haben, obwohl er das nicht explizit erwähnt: „Hoc enim praefert ejus forma rudis, superficie retusa, & margine scabrato, non ferra, non lima, quae tunc non erant, concinnata; sed lapidis collisu excalpta“ (Mercati 1717, S. 244)269. Die Zeichnungen von Antonius Eisenhoit zeigen deutlich Politur, Abschlagkegel, Retuschen und Spuren wie von einem Hohlmeißel (Abb. 39–40). Man könnte deshalb vermuten, dass es der Goldschmied Eisenhoit gewesen ist, der einen Herstellungsversuch auf Weisung des Arztes hin durchgeführt hat, denn ohne die entsprechende Erfahrung ist diese Interpretation und Darstellung nicht möglich. 5. Die nun abgeleitete und bestätigte Wirkung machte die zunächst konfuse Ursache jedenfalls diskret und berechtigte Mercati im Sinne des Regressus zur Formulierung einer weiteren Frage, die sich aus seiner Erkenntnis ergab, dass die Cerauniae vom Menschen gemacht waren. Diese sollte der Datierung gewidmet sein. 6. Es folgt ein neues Examen mentale, das sich wieder historischer Quellen bedient und einen Zugang zu der Frage nach dem Alter der Steingeräte innerhalb der bekannten, von der Bibel überlieferten Geschichte sucht. Mercati untersuchte darin Nachrichten über die Einführung des Eisens und musste feststellen, dass die Quellen „inter se dissentiunt“. „Der Weg vom ersten zum letztern Methodenschritt ist folglich ein Fortschreiten von der konfusen Erkenntnis der Wirkung zu einem distinkten wissenschaftlichen Wissen von eben dieser Wirkung“ (Otto 1984[1994], S. 434)270. Mercati argumentierte dabei zwar im Sinne der Worte des Lukrez: „posterius ferri vis est“, „das Eisen wurde später erfunden“, nicht aber „aerisque reperta et prior aeris erat quam ferri cognitus usus“ (Lucr. 5,1287) „und die Nutzung der Bronze wurde früher als die des Eisens erkannt“. Hierfür besaß er nämlich keine konkreten Anhaltspunkte in seinem Versuchsverlauf, und auch die Bibel, benutzt als historische Quelle, sprach für eine vorsintflutliche Datie-
269 Übersetzung: Denn dies (die Herstellung) bestätigt ihre Rohform, ihre retuschierte Oberfläche, ihre Randretusche, nicht mit einem Eisen oder einer Feile gemacht, denn die gab es ja damals noch nicht; sondern durch den Druck mit Hilfe eines anderen Steins. 270 Zabarella, Jacopo (1578): Opera logica. Venedig, hier III,19. Übersetzt von Stephan Otto.
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rung der Erfindung des Eisens. Während die Erfindung des Eisens in einem historischen Moment aus vielen Quellen ersichtlich war, so doch nicht der Zeitpunkt dieses Ereignisses. Hinsichtlich der Altersbestimmung lies sich also kein neuer Anfangsverdacht aufbauen, und die von Mercati ohne Zusammenhang behandelten Objekte gaben selbst keinen weiteren Ansatzpunkt. Mercati musste sich mit dem Erreichten bescheiden und ist deshalb nicht der erste moderne Verfechter des Dreiperiodensystems geworden. Im Gegensatz zu der Ansicht, er habe sein Ergebnis nicht eindeutig vertreten (Accordi 1980, S. 28), sagte er aber sehr dezidiert und wahrscheinlich auch im Hinblick auf alle Typen der Cerauniae: Nobis autem satis est ostendisse Cerauniam hujusmodi potuisse a Veteribus parari. Nam hoc materia ejus et figura monstrant, nomen consentit, et usus aliquando tulit. Quae si certa cognoscerentur, non deberet haec Ceraunia inter Idiomorphoi conlocari, quoniam ab arte perfecta esset … De fulmine, quae prior fuit opinio, nihil affirmari potest (Mercati 1717, S. 245)271.
Die abschließende Formel, dass jeder sich sein eigenes Urteil bilden möge, entspricht nur der üblichen Bescheidenheit und Höflichkeit der Zeit. 3.6.5.2 Die Lösung des Problems der gewachsenen Töpfe – Sammlungsobjekte und Grabungsergebnisse Darüber hinaus bereitete die Einordnung heiler, in großen Mengen im Boden gefundener Tongefäße in die Gruppe der Artefakte Schwierigkeiten. Einerseits kursierten in den verschiedenen Gegenden Mittelosteuropas unterschiedliche Legenden zur Entstehung der Tongefäße im Boden. So wurden sie mit Zwergen in Verbindung gebracht, die in der Tiefe lebten. Aber auch unter Gelehrten des 15. und 16. Jahrhunderts war die Vorstellung verbreitet, dass die gefundenen Tontöpfe aus dem Boden gewachsen seien, also eigentlich in den Bereich der Naturalia gehörten und keine Überreste menschlicher Geschichte bildeten (Albinus 1590, S. 178 f.; Franz 1931, S. 10 ff.; Stemmermann 1934, S. 67; Gummel 1938, S. 11 ff.; Abramowicz 1979, S. 14 ff.; Schnapp 1993[2009], S. 161 ff., S. 379 f.; Wollf 2010, S. 71 ff.).). Deswegen dürfte es nicht richtig sein, das Problem nur als Volksglaube darzustellen, mit dem sich die Gelehrten auseinander zu setzen hätten. Die gelehrte Zuweisung zu den Naturalia erklärt sich eher durch die Idee der in der Erde selbst wachsenden Fossilien, die Plinius nach
271 Übersetzung: Uns aber genügt es, dass die Ceraunia auf diese Weise von den Alten hergestellt werden konnte. Denn dies zeigen ihr Material und ihre Form, die Bezeichnung stimmt überein und die Anwendung endlich hat es gebracht. Wenn sich dies bestätigen sollte, dürfte man die Ceraunia nicht mehr zu den Idiomorphoi rechnen, weil sie ja vom Menschen gemacht wären. … Die alte Gewitterthese lässt sich in keiner Weise erhärten.
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Theophrast überliefert hat, und die auch für die Cerauniae herangezogen wurde. In der aristotelischen Scholastik des Albertus Magnus bildete die Vis plastica oder Vis formativa ein kosmisches Erklärungsmodell für die Ausprägung der belebten und unbelebten Materie, das in der aristotelischen Naturwissenschaft der Renaissance weiterlebte und diese Ansichten begründen konnte (Franz 1931, S. 21; Abramowicz 1979, S. 21; Takahashi 2008, S. 455, S. 462; siehe S. 376). In diesem Sinne befragte auch Johannes Longinus das Werk des Solinus zu den Gefäßen, allerdings ohne Erfolg (Abramowicz 1979, S. 15), und der Lutheraner Pfarrer Johannes Mathesius ordnete in seiner Bergpostilla oder Sarepta von 1571 die Töpfe unter die Fossilien. Der erste Nachweis für die Idee der selbstgewachsenen Töpfe im wissenschaftlichen Bereich findet sich in den nach 1456 entstandenen Historiae Polonicae libri XII des Jan Długosz (Johannes Longinus) zum Jahre 1416 (Schnapp 1993[2009], S. 379; Wollf 2010, S. 71 f.). Dieses Werk wurde zwar erst Anfang des 18. Jahrhunderts gedruckt, aber sicher vorher rezipiert272. Es folgt ihm nämlich eine Reihe von Arbeiten, die untereinander abhängig sind, von denen die Kompilation des Sebastian Münster bei weitem die einflussreichste wurde. Sie verbreitete die Idee der selbstgewachsenen Töpfe dann in ganz Europa (Münster 1544, S. 1007273; Mennung 1925, S. 40; JacobFriesen 1928, S. 104; Franz 1931, S. 12; Stemmermann 1934, S. 67 ff.; Abramowicz 1979, S. 20; Wollf 2010, S. 71 ff.). Besonders interessant ist dabei das weitere Ausschmücken des einmal erfundenen Vorgangs. Von Anfang an hatte man bemerkt, dass die Gefäße zunächst weich waren, erst in der Luft aushärteten und ,fruchtbar‘ waren, d. h. nicht weniger wurden, auch wenn man einige von ihnen ausgrub. Daraus entwickelte sich die Vorstellung, sie seien in Bewegung und wüchsen zu Pfingsten nach oben. Eine volkstümliche Erklärung boten Zwerglein oder Erdgeister, die fleißig in der Erde töpferten und für die Urnen den Weg zum Artefakt ebneten. Diese Erscheinungen wollte man auch beobachtet haben und Scharlatane wie Leonhard Thurneisser zum Thurn führten sie als Argumente an (Wollf 2010, S. 75). Solche Urnen waren als Geschenke auch in die Kunstkammer der Bayernherzöge gelangt. Ein „Zettelin“ gab über die Fundumstände dieser Stücke und die „vulgo“ darüber herrschende Ansicht Auskunft, die auch in das Inventar Johann Baptist Ficklers übertragen wurden (Fickler 1598[2004], S. 15, Anm. 23). Ähnlich wie bei den Cerauniae wurden also falsch verstandene und verallgemeinerte Beobachtungen ins Feld geführt und höher bewertet als die seit zumindest 1546 durch das Werk von Georg Agricola bekannten Fakten (Wollf 2010, S. 77). Diese kamen
272 Siehe Anm. 44. Es wäre wichtig, das Werk im Hinblick auf die Beziehung des Autors zur italienischen Renaissance hin zu untersuchen, was in diesem Zusammenhang nicht möglich war. Auf eine starke Beeinflussung deutet die Antikisierung der polnischen Geschichte (Abramowicz 1979, S. 24, S. 46). 273 Ausgabe Basel 1550 = http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/muenster1550/1082. In der sonst zitierten älteren Ausgabe von 1548 finden sich im Abschnitt über Polen weder der diesbezügliche Text noch die Abbildung der zwei Krüge.
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anders als im Falle der Cerauniae nicht nur aus der Arbeit im Museum, sondern vor allem aus der Grabungsarchäologie (siehe S. 219). Nikolaus Marschalks Definition der Urnengräber in Mecklenburg hatte man wohl nicht mit diesen Funden in Verbindung gebracht, obwohl dieser ja durch seine Funktionsbestimmung schon die richtige Methode zur Lösung des Problems angewandt hatte. Agricola nannte eindeutig Leichenbrand und Grabbeigaben, eine Tatsache, die vor ihm schon Georg Uber aus Breslau entdeckt und in einem erhaltenen Brief von 1544 erwähnt hat (Agricola 1546, S. 329; Jacob-Friesen 1928, S. 104 f.; Wollf 2010, S. 80; Hakelberg 2012, S. 57 f.)274. Die Ausgrabung, die Petrus Albinus 1587 in einem Grabhügel mit Urnengräbern unternahm, diente dann dem Zweck der Überprüfung der Legende. Dieser Grabung kommt deshalb der methodische Wert eines Experiments zu. In seiner Publikation von 1590 gab er als Grund seiner Unternehmung an „die Warheit zu erkündigen“ (Albinus 1590, S. 179 f.). Er fand bei seiner Grabung in den Grabhügeln bei Zahna Urnen und beobachtete „gleichwol in etlichen Aschen/Beyn und Kohlen“, bewies also empirisch die Graburnenfunktion dieser Keramik. In einem Hügel traf er auch ein Körpergrab an und interpretierte deshalb die ganze Fundstelle als Bestattungsplatz. Damit diese Erkenntnis nicht etwa übersehen wurde, setzte er an den Rand des Textes: „Erdtöpffe sein urnae mortuorum“. Neben den Merkmalen von Bestattungen überlegte Albinus aber auch, inwieweit Herstellungsmerkmale der Keramik wie der Brand oder die Tonzusammensetzung zu unterschiedlichen Keramikfarben und einer verschiedenen Härte führen konnten (Albinus 1590, S. 178, S. 180). Er stellte damit ähnlich wie gleichzeitig Michele Mercati alle Fakten für die Einordnung seines Forschungsobjekts in die menschliche Geschichte zur Verfügung und kam wie er zu einem eindeutigen Urteil (Wollf 2010, S. 78). Obwohl der anerkannte Wittenberger Professor Petrus Albinus diese Ergebnisse erarbeitet hatte, die Veröffentlichung schon 1590, also wenige Jahre nach der Grabung erfolgte und sich in einer verbreiteten Schrift befand, drang die Erkenntnis nur langsam durch. Das Ausgangsmaterial reichte wohl für eine Verallgemeinerung noch nicht aus. Eine Anerkennung der Ergebnisse gelang deshalb wie bei den Cerauniae erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts (siehe Bd. 2).
274 Der Text des Briefes lag mir nicht im Original vor. Aus der englischen Übersetzung von Dietrich Hakelberg ergibt sich im Gegensatz zur Übersetzung von Karl Hermann Jacob-Friesen, dass Uber die Gräber nicht ‚Volksstämmen‘ zugeschrieben hat, wie Jacob-Friesen meinte, sondern einfach Heiden, dass also das später so wichtige Motiv der Heidengräber schon hier nachgewiesen ist (Jacob-Friesen 1928, S. 104 f.; Hakelberg 2012, S. 58).
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3.7 Die Renaissance-Archäologie: Ergebnisse und Wertungen 3.7.1 Die Wiedergeburt – ein italienisches Phänomen Der Epochenbegriff der Renaissance, der auf Jules Michelet zurückgeht (Michelet 1855, S. 11, S. 340 ff.), drückt ein Grundgefühl aus, das die Anfänge der historischen und der archäologischen Wissenschaft bestimmt hat: Die Zeitgenossen dieser Epoche selbst empfanden sich so, als seien sie nach dem Mittelalter wiedergeboren worden. Der Platonismus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erlaubte sogar die Vorstellung einer Seelenwanderung aus der Antike (Schlobach 1980, S. 113). Giorgio Vasari benutzte als Erster 1550 den Begriff „rinascimento“ für die Wiedergeburt der Malerei um 1350 (Vasari 1550, S. 274). Das Mittelalter wurde so zu einer dunklen, toten Zeit (siehe S. 135). Für die überregionale Geschichte ausgearbeitet und wissenschaftlich dargestellt wurde diese Zwischenzeit dann erstmals von Flavius Blondus 1453 in seinen Historiarum ab inclinatione Romanorum decades – freilich gab es ein Vorbild dafür in der Florentiner Stadtgeschichtsschreibung des Leonardo Bruni Aretino (Blondus 1531a; Clavuot 1990, S. 13; Hankins 2004, S. 13). Für Bruni ist gesichert, dass er hinsichtlich der Ablehnung von Ursprungsmythen und -legenden methodisch durch das Studium von Thukydides beeinflusst war (Klee 1990, S. 31 ff.), in welchem Maße, ist jedoch umstritten (Meister 2013, S. 112). Die genannten Autoren besaßen jedenfalls schon das Gefühl, in einem neuen Zeitalter zu leben (Joachimsen 1910[1968], S. 22 ff.). Den Begriff der Wiedergeburt bezog man auch auf die Erneuerung der Wissenschaft (Buck 1969a, S. 9). Das historische Bewusstsein hatte sich durch Francesco Petrarcas und Flavius Blondus’ Arbeit verändert. Die Geschichte nach Christi Geburt bekam eine potentiell zyklische Mehrphasigkeit: das den Lebensaltern nachgebildete Modell der Weltgeschichte von Geburt, Jugend, Reife, Alter und Tod konnte sich wiederholen und auf das Alter eine neue Jugend folgen wie auf den Winter der Frühling. So entstand ein Kreislaufmodell wie in der klassischen griechischen Philosophie (siehe S. 118 f.). Das für das Mittelalter kennzeichnende Bewusstsein, in der Zeit unmittelbar vor dem Weltende zu leben (Fried 1989, S. 394 ff., S. 406 ff.; Fried 2001, S. 12 ff.; Fouquet 2002), verlor an Bedeutung. Die Gegenwart stellte nun ein neues Zeitalter im Diesseits dar, das mittelalterliche Weltende hatte nicht stattgefunden. Das neue zeitliche Verständnis war aufgrund der Geschichte Roms formuliert worden und nicht aufgrund der christlichen Heilserwartung wie die verschiedenen Weltalterlehren des Mittelalters (Geuenich 1990, S. 15 ff.; siehe S. 120 ff.). Es eröffnete für die archäologischen und historischen Forschungen die Möglichkeit des methodischen Denkens einer historischen und kulturgeschichtlichen Entwicklung, die Blondus selber nannte: die ständige „mutatio“ in der Geschichte (Blondus 1531b, S. 187). Diese bestand nicht nur aus den sich wandelnden politischen Ereignissen und Ortsnamen, deren Veränderung im Text freilich eine große Rolle spielen, sondern vor allem auch aus der äußeren Verformung bis zur Unkenntlichkeit oder Ausrottung: „… ut aut excisas esse civitates aut mutationem omnino incognitam in eis factam esse neces-
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sarium videamus“ (Blondus 1531b, S. 295). Das Kreislaufmodell stand aber einer evolutionistischen Sicht grundsätzlich entgegen (siehe S. 293). Seit 1440 arbeitete man außerdem noch an einer entscheidenden weiteren historischen Methode, der Quellenkritik, indem man begann, echte und gefälschte Quellen zu unterscheiden (Goez 1972, S. 8 f.). Insofern handelt es sich um Grundvoraussetzungen des Entstehens einer wissenschaftlichen Archäologie. Das Prinzip der Wiedergeburt konnte auf die anderen europäischen Länder nicht direkt übertragen werden.
3.7.2 Die Rolle der Archäologie im Renaissance-Humanismus Als eine wesentliche Form des Rückgriffs auf die Antike begreift man den sogenannten Humanismus, der unser Bildungssystem bis heute beeinflusst. Überwiegend Juristen, wandten sich die frühen Humanisten gegen die aristotelische Philosophie vor allem in ihrer in den medizinischen Fakultäten in Italien vorherrschenden averroistischen, d. h. nicht echt antiken Prägung und gegen die Auffassung, der Mensch könne die Natur erkennen. Sie setzten zunächst die auf der antiken Philosophie vor allem der Stoa, aber auch Epikurs und der aristotelischen Ethik beruhende diesseitige Moralphilosophie gegen die Metaphysik der aristotelischen Scholastik und die Dialektik. Coluccio Salutati und Leonardo Bruni Aretino entwickelten auf dieser Grundlage seit der Jahrhundertwende zum 15. Jahrhundert die Studia humanitatis (Otto 1984[1994], S. 72, S. 74 ff.; Buck 1996, S. 13; Kessler 2008, S. 22, S. 26 ff.). Schon in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts drangen diese in die niederen Universitätsstudien der sogenannten Artistenfakultät ein, um sich in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts durchzusetzen (Buck 1996, S. 19 ff.; Grendler 2002, S. 199 ff.; Kessler 2008, S. 60 f.). Von den dort gelehrten sieben Artes liberales konnte das humanistische Gedankengut vor allem das Trivium verändern, in dem traditionell Rhetorik, Grammatik und Dialektik gelehrt wurden, also nach unserer heutigen Definition geisteswissenschaftliche Fächer. Das Quadrivium bestand aus Geometrie, Arithmetik, Musik und Astronomie. Es handelt sich um eine Ausbildung, die alle Studenten als Grundstudium absolvieren mussten. Deshalb gewannen die Studia humanitatis auch großen Einfluss auf die höheren Fakultäten Medizin, Theologie und Jura, die für die weitere Ausbildung zur Promotion sorgten und die berufliche Perspektive bestimmten. Karl Hagen und Georg Voigt verwendeten Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals den Begriff des „Renaissance-Humanismus“. Johannes Helmrath charakterisierte ihn folgendermaßen: Produktive Aneignung antiker Denkelemente und klassischer Sprache in neuer Form und Intensität, das heißt spezifische Kenntnisse, durch Belehrung und Lernen erworbene Fertigkeiten (klassische Latinität als Prestigesprache, Epistularstil, Oratorik, humanistische Schrift), bestimmte Kerninteressen (zunächst die fünf Humaniora) und schließlich bestimmte Grundüberzeugungen und Lebenshaltungen (lectio transit in mores!) (Helmrath 2002a, S. 11).
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Die Definition der fünf Humaniora beruht auf Paul Kristeller, der sie als Grammatik, Rhetorik, Poetik, Geschichte und Moralphilosophie bestimmte (Kristeller 1987, S. 161 ff.; Spitz 1986, S. 640). Das bedeutet, dass die scholastische Dialektik durch Poetik, Geschichte und Moralphilosophie ersetzt wurde. Die für die Humanisten so charakteristische Edition und Interpretation antiker Quellen, aus denen die Altphilologien entstanden, wurden Teil der Grammatik (Buck 1996, S. 14). Die Moralphilosophie galt als Kunst des Lebens (Kessler 2008, S. 22) und stand im Gegensatz zur Metaphysik. Die Enge der Bildungsdefinition des Humanismus durch das Primat der Humaniora, in der sich auch das Ideal der Geisteswissenschaften zu Ende des 19. Jahrhunderts spiegelt, wird in neueren kultur- und sozialgeschichtlichen Arbeiten kritisiert (Hirschi 2010, S. 38 f.). Für archäologische Studien war nach dieser für das gesamte hier behandelte Gebiet Europas gedachten Definition des 19. Jahrhunderts auf den ersten Blick kein Platz. Gewiss suchte und studierte man zunächst hauptsächlich die literarischen Schriften und die schriftlichen historischen Quellen, u. a. auch, um den lateinischen Stil zu perfektionieren (Mertens 1998, S. 188 f.). Auch für die Gelehrten und Künstler, die sich für die antike Sachkultur interessierten, standen sie deshalb bei den antiquarischen Studien, d. h. den Studien der Antike, noch während der gesamten hier behandelten Zeit im Vordergrund (Schnapp 1991, S. 19 ff.; siehe S. 200 f.). Mit Hilfe der schriftlichen Quellen, die man seit etwa 1440, in größerer Menge seit den siebziger Jahren des 15. Jahrhunderts auch gedruckt vervielfältigen konnte (Nieto 2003; Hellinga 2007, S. 212 f.), eröffnete sich außerdem ein ungeheures neues Forschungspotential, das vom Wort gekennzeichnet ist. Man darf dabei auch nicht vergessen, dass es sich nicht nur um die Reproduktion von Bekanntem handelte, sondern um die Erschließung eines Materials, das zum Teil aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden war. Die Erfolgsgeschichte des Humanismus beginnt gerade mit dem Auffinden klösterlicher Abschriften der Werke von Lukrez und vieler anderer antiker Autoren. Auch die das ganze Mittelalter hindurch bekannten Werke profitierten durch weitere Beleghandschriften. Das zeigt sehr deutlich die Geschichte der Germania des Publius Cornelius Tacitus (Mertens 2004). Aber andere wissenschaftliche und kulturelle Felder sind in dieser Zeit genauso von einer „produktiven Aneignung antiker Denkelemente“ (Helmrath 2002a, S. 11; siehe oben) durchdrungen. Einerseits erreichten die Studia humanitatis einen viel weiteren Leserkreis, da die gelesene antike Literatur den gesamten antiken Bildungsrahmen umfasste, so auch Architektur, Naturkunde, Geographie, Ethnographie, Mathematik und Medizin. Deshalb studierten z. B. die Mediziner als Vorreiter der eigentlich aristotelisch gebildeten Naturwissenschaftler auch nach Absolvierung ihres allgemeinen Grundstudiums der Artes die Humaniora weiter und hatten Kontakt zu den philologischen und philosophischen Vertretern des Humanismus, wie z. B. Andreas Vesalius, der Begründer der Anatomie (Singer 1957[1969], S. 333 ff.; Otto 1984[1994], S. 384; Baader 1987, S. 188 ff.). Aus den hier untersuchten Arbeiten erhellt jedoch ohne jeden Zweifel, dass die
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Absolventen aller höheren Fakultäten, die Juristen, Theologen und Mediziner, sowie Künstler ihr Interesse auch auf die antike Sachkultur richteten. Auch sie sollte produktiv angeeignet werden. Es hat sich gezeigt, dass es gerade die Väter des Humanismus und die großen Künstler der Frührenaissance waren, die begonnen haben, sich mit Monumenten und Funden als Vorbildern und Zeugen römischer Größe zu beschäftigen, wie Gian Francesco Poggio Bracciolini, Donatello und viele andere mehr. Poggio hat das Hauptmotiv formuliert (siehe S. 183): Es sind nur noch die Ruinen, die von Roms einstiger Größe Zeugnis ablegen. Diese politische und moralische Größe, die sich in der Sachkultur manifestierte, galt es durch die Nachahmung der Ruinen wieder herzustellen und zu übertreffen. Aus diesen Gründen ist den Arbeiten zur Antikenrezeption zu folgen, die deutlich gemacht haben, dass die Beschäftigung mit den materiellen Hinterlassenschaften der Antike in Italien von Anfang an und nicht an letzter Stelle zu dem Paket von Erscheinungen gehört, das man in Deutschland seit der Mitte des 19. Jahrhunderts als Renaissance-Humanismus bezeichnet (Weiss 1969; Wrede 1993; Schnapp 1993[2009]; Gramaccini 1996). Auch die antike öffentliche Verwaltung und das Militär, antiker Brauch (Mores) und antike Lebensformen (Instituta) sowie die Gestaltung des Landes und der Städte mit ihren Realien (Illustratio) gehörten zu den Forschungsthemen der Humanisten und waren Gegenstand von Nachahmungen, Exempla. Außerdem teilte man diese kulturellen Felder in sakrale und säkulare sowie in öffentliche und private Bereiche. Insofern sind die Anfänge der Archäologischen Wissenschaften als ein essentielles Merkmal der Kultur dieser Zeit anzusehen. Die humanistisch-antiquarischen Themenbereiche lassen sich mühelos in die Humaniora einordnen. Sie finden ihren Platz in den Kommentaren der Quelleneditionen, unter der Moralphilosophie und in der Geschichte. Zunächst jedoch waren die archäologischen Objekte noch selten und konnten nicht adäquat bestimmt werden, zumal man erst lernen musste, mit ihren Merkmalen umzugehen. Ohne archäologische Studien wäre die materielle Kultur der Renaissance aber gar nicht denkbar. Mit dem Paket der Humaniora wurden auch die archäologischen Forschungsthemen im übrigen Europa übernommen. Dabei kam es allerdings zu wesentlichen Modifizierungen, die einerseits mit dem unterschiedlichen Verhältnis zur römischen Vergangenheit und der Unmöglichkeit der Aufnahme des Motivs der Wiedergeburt in weiten Teilen Europas zusammenhingen, andererseits aber mit dem späteren Beginn der Diffusion nördlich der Alpen schon während der italienischen Opposition gegen das säkulare, dreistufige frühhumanistische Geschichtsmodell. Dieser Prozess der Modifikation, bei dem die prähistorischen archäologischen Quellen eine wichtige Rolle spielen, wird deshalb in Zusammenhang mit der Phasengliederung der Renaissance-Archäologie dargestellt.
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3.7.3 Die Entwicklung archäologischer Methoden und die Bildung von Traditionen Das archäologische Gebiet aber war ein Neuland, das erst wiedererobert werden musste. Während man beim Studium der antiken Schriften Methoden der traditionellen spätmittelalterlichen scholastischen Wissenschaften anwenden und sie deshalb auch leichter als Wissensgebiete benennen konnte, mussten für die Fragen nach der materiellen Kultur der Antike Stoff und Regeln erst wiedergefunden werden. Deshalb wird noch heute die Auffassung vertreten, dass Altertumskunde nicht als eine in sich geschlossene ars bzw. akademische Disziplin betrachtet wurde, sondern als ein Arsenal von Fakten, dessen Systematisierung und literarische Darstellung nicht nach festen Regeln erfolgte, sondern gemäß den Interessen und Fähigkeiten des jeweiligen Antiquars (Walther 1999, S. 86).
Richtig ist, dass es sich bei der archäologischen Altertumswissenschaft tatsächlich nicht um eine der drei alten akademischen Disziplinen oder der Artes wie z. B. die Rhetorik handelte (Buck 1996, S. 11 ff.), sondern um Teile der Studia humanitatis und der Medizin, aus deren Gesamtheit auch andere heutige Spezialwissenschaften erst im Laufe der universalwissenschaftlichen Zeit entstanden sind (Mertens 1998, S. 188). Die Archäologischen Wissenschaften sind aber deshalb keine neuen Wissenschaften, sondern gehören einerseits wie die Philologien, Geschichtswissenschaft und die Medizin zu den Wissenschaften, deren Methoden in der Renaissance auf der Grundlage antiker Vorläufer wieder entwickelt wurden. Alle der im Kapitel über die Arbeitsweise der Renaissancearchäologen nachgewiesenen Vorbilder und Methoden gründen auf historischen und ethnographisch-kulturgeschichtlichen Arbeiten der Antike sowie auf der griechischen Naturphilosophie, der Logik des Aristoteles und der römischen Naturgeschichte (siehe S. 225 ff.). Die Interpretationsmodelle unterscheiden sich andererseits von der Antike durch die Auseinandersetzung mit dem alten Orient und dem Mittelalter. Das gilt für das humanistische Modell der Wiedergewinnung der antiken Kultur, das sich durch ihren Verlust begründet, ebenso wie für das weltchronistische Modell, das durch die Bibel und die zeitgenössische dynastische Herrschafts- und Sozialstruktur außerhalb Italiens geprägt war. Die ersten historischen Auswertungen archäologischer Objekte bedienten sich zwar antiker Methoden, setzten sich aber mit antiken und biblisch-mittelalterlichen Legenden auseinander. Der Beginn der ethnischen Archäologie und kulturgeschichtlicher Fragestellungen beruhte ebenfalls auf antiken Modellen, leitete aber die politisch begründete Entwicklung zu historisch, dynastisch und sogar vereinzelt auch schon ethnisch definierten neuen Nationen ein. Der Bereich der Prähistorischen Archäologie letztlich musste darüber hinaus dem Stoff der antiken Naturkunde, den Mirabilia und der theologischen Geschichtsschreibung entrissen werden. Diese Aufgabe übernahmen seit der Mitte des 16. Jahrhunderts im gesamten Arbeitsgebiet die Mediziner mit dem Aufbau, der Systematik und Publikation enzyklopädischer naturkundlicher Sammlungen und der Lösung des Fossilienproblems.
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Die Untersuchung der Arbeitsweise der Renaissance-Archäologie hat deutlich gezeigt, dass auf vielen Gebieten Regeln erarbeitet wurden, und dass diese längere Zeit Bestand gehabt haben und wie in einer Schulwissenschaft weiter tradiert und weiter entwickelt wurden. Die Verbreitung fand im 15. Jahrhundert in den Gelehrtenzirkeln der Elite statt, im 16. Jahrhundert dann außerdem und zunehmend durch den persönlichen und brieflichen Kontakt der einzelnen interessierten Gelehrten untereinander und in Gelehrtenzirkeln im Umfeld der Universitäten. Letzteres gilt besonders für die am Fossilienproblem arbeitenden Mediziner. Kardinal Alessandro Farnese allerdings konnte nach dem Muster des 15. Jahrhunderts eine besonders effektive Forschergruppe unterschiedlicher regionaler und wissenschaftlicher Provenienz in seinem Palast zusammen bringen. Auch relativ feste Werkformen spielten neben dem persönlichen und brieflichen Kontakt eine wichtige Rolle für die Tradierung von Arbeitsmustern. Deshalb ist die Qualität der Arbeiten auch nicht von der Fähigkeit des einzelnen Gelehrten abhängiger als in späteren Zeiten. Die Schöpfer der einzelnen Konzepte, Methoden und Werkschemata sind dagegen als besonders innovativ einzustufen. Ursache dieses Erfolges ist die große Bedeutung der antiken Sachkultur für die damalige Gegenwart. Die mitteleuropäischen humanistischen Gelehrten wie Hartmann Schedel, Konrad Peutinger, Nikolaus Marschalk oder Johannes Aventinus übernahmen Konzepte, Methoden und Werkschemata der Italiener, integrierten aber die klassischantike Vergangenheit in ihre eigene historischen Identität und suchten nach Beweisen für deren Gleichwertigkeit oder sogar Überlegenheit gegenüber dem antiken Rom. Dabei lässt sich feststellen, wie in der süd- und westdeutschen Stadtkultur relativ gut nach dem humanistisch-antiquarischen Forschungsansatz schulmäßig gearbeitet werden konnte – sogar die Interpretation auf der Basis der Epigraphik, die Identifikation der Ortsnamen, die Übernahme der antiken Verwaltungsgliederung und die funktionale Interpretation der Bauten ließen sich unverändert anwenden. Mit der Suche nach entsprechenden Regeln für die Gebiete ohne römische Vergangenheit und für nichtrömische Funde tat man sich jedoch so schwer, dass man erst kurz vor dem Dreißigjährigen Krieg zu weiterführenden Ansätzen aus verschiedenen Richtungen kam: Der philologischen Analyse der Germania des Tacitus, der medizinisch-naturwissenschaftlichen, aristotelischen Merkmalanalyse archäologischer Objekte, unterstützt durch Syllogismen, Analogien und kombinatorische Schlüsse, der systematischen Prospektionen der ersten nichtrömischen Denkmäler wie der Runensteine sowie der ersten kulturhistorischen und ethnologischen Vergleiche. Die Zunahme während des 16. Jahrhunderts von Grabungen, deren Dokumentationen und archäologischen Abbildungen überhaupt zeigt, dass sich der Forschungsgegenstand sowohl im römischen als auch im außerrömischen Umfeld etablierte. Diese Beobachtung wird dadurch unterstützt, dass sich besonders am Ende des 16. Jahrhunderts auch die Genauigkeit der verbalen und bildlichen Darstellungen wesentlich verbesserte. Eine wichtige Rolle spielte hierbei auch die Entwicklung der Vermessung und Kartographie, die beide ebenfalls zunehmend angewandt wurden.
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Man kann deshalb folgern, dass man in dieser vom Empirismus geprägten Zeit die wissenschaftliche Aussagefähigkeit von Objekten erkannt hatte und damit begann, ein methodisches Instrument zu schaffen, das über das humanistisch-antiquarische Forschungskonzept hinaus weisen konnte. Dass Michele Mercati zu seiner Lösung des Donnerkeil-Problems kam, verdankte er aber nicht nur seiner Methode. Bei einer falschen Fragestellung hätte auch er scheitern können. Neben seiner Präzision war es die Anwendung der merkmalgestützten Funktionsanalyse, wie sie von den Mitgliedern des Farnese-Kreises betrieben wurde, die ihn zum Erfolg führte: Er analysierte den Donnerkeil wie ein Amphitheater.
3.7.4 Zu Alter, Phasengliederung und Merkmalen der Renaissancearchäologie 3.7.4.1 Phase I. – Von den Anfängen bis etwa 1470 Während die Anfänge in Italien sich von der Zeit Franceso Petrarcas um die Mitte des 14. Jahrhunderts an zu entwickeln begannen, kulminierten die Neuerungen sowohl auf theoretischem als auch auf praktischem Gebiet in den vierziger und fünfziger Jahren des 15. Jahrhunderts. Diese erste Phase von den Anfängen bis etwa 1470 ist fast ausschließlich von Juristen, also von Gelehrten des Wortes geprägt (Tab. 1). Die Motive und Fragestellungen lassen sich überwiegend auf die Vorbildfunktion der Antike für die gesamte Lebensweise reduzieren, auf die ‚produktive Aneignung‘. Wie war das antike Leben? muss deshalb als Grundfrage formuliert werden. Welche Bereiche dabei behandelt wurden, war einerseits von den schriftlichen Quellen abhängig, aber auch von der Umsetzbarkeit in der zeitgenössischen Kultur z. B. in der Architektur und Kunst. Das Bedürfnis, die Antike in eigenen Sammlungen als Prestige und Vorbild greifbar zu machen, ist deshalb auch seit dem Beginn des 15. Jahrhunderts nachzuweisen. Im 15. Jahrhundert befanden sich die meisten der hier behandelten Gelehrten in den Diensten der päpstlichen Kanzlei. Sie schufen das neue säkulare dreiteilige Zeitkonzept und den humanistisch-antiquarischen Forschungsansatz, der durch zwei Werkformen charakterisiert wird, die Beschreibung der antiken Kultur und die erstmals in der Italia illustrata des Flavius Blondus verwirklichte Landesbeschreibung. Erste methodische Erfolge waren Identifikationen von Ortschaften aufgrund von Namenskontinuität sowie Identifikationen, Datierungen und Funktionsbestimmungen archäologischer Denkmäler durch die Epigraphik. Die Entwicklung und den wissenschaftlichen Einsatz der praktischen Archäologie verdanken die Juristen dieser Phase ihrem Kollegen in der päpstlichen Kanzlei und Architekten Leon Battista Alberti (Grafton 2002, S. 347 ff.), der Doktor des Kirchenrechts war und deshalb auch eine ausgezeichnete sprachliche Ausbildung besaß. Albertis Ausgangsbasis war zwar Vitruv, er maß aber Vitruvs Angaben an den Denkmälern nach und korrigierte den alten Meister. Er glaubte nicht, er prüfte nach. Hierzu waren auch Mathematik und Geometrie notwendig. Die durch das humanistische Quellenstudium geleitete Architektur
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führte deshalb zur Entwicklung der Vermessung und Geometrie als archäologische, empirische Methode (Gadol 1965[1969], S. 404 ff.). So entstanden die ältesten archäologischen Bauaufnahmen, der älteste Beleg für den Einsatz der Unterwasserarchäologie und Klassifikationen antiker Bauten. Obwohl es zu keiner geschlossenen Formulierung dieser Methoden kam, sollten sie im 16. Jahrhundert einen wesentlichen Anteil an der eigentlich archäologischen Weiterentwicklung des humanistisch-antiquarischen Forschungsansatzes vor allem im Farnese-Kreis und der diesem methodisch zuzuordnenden süddeutschen Forschergruppe um Basilius Amerbach gewinnen. Systematische Grabungen entwickelten sich aus diesen Anfängen (siehe unten). Die Tatsache, dass das humanistisch-antiquarische Grundkonzept unabhängig von archäologischen Quellen aufgrund der antiken Literatur entwickelt wurde und auch das dreiteilige Zeitkonzept theoretisch entstanden ist, hat der gesamten Forschungsrichtung den Vorwurf eingebracht, archäologische Quellen nur illustrativ zu verwenden, d. h. sie nur als Schmuck in das bestehende Konzept einzuordnen. Wenn das auch überwiegend zutrifft, gibt es doch schon aus der frühen ersten Phase Beispiele für die Verwendung archäologischer Objekte zur Nachprüfung schriftlicher Quellen. Die syllogistische Methode hierfür wurde schon in der italienischen Frührenaissance durch Lorenzo Valla von Herodot und Thukydides übernommen und erfolgreich angewendet. Auch Albertis Nachprüfungen der Angaben des Vitruv durch Messungen an archäologischen Objekten gehören hierher. Den beginnenden Archäologischen Wissenschaften kommt deshalb eine wichtige Funktion für die „Aneignung“ der Realien als historische Quellen zu. Dieses Forschungspaket, das in Weiterentwicklungen die gesamte RenaissanceArchäologie bestimmte und sogar darüber hinaus gewirkt hat, kann als Paradigma bezeichnet werden. Die erste Phase ist weitgehend auf Italien beschränkt. West- und mitteleuropäische Gelehrte haben an ihr nur als Studenten teilgenommen.
3.7.4.2 Phase II. – Von etwa 1470 bis zum Ende der Wirkung Raffaels als Antikenkommissar um 1550 Nach den großen richtungweisenden Arbeiten des mittleren 15. Jahrhunderts begann im Rahmen des humanistisch-antiquarischen Paradigmas noch weit vor der Jahrhundertwende eine Phase der Aufarbeitung und Verbreitung der Ideen, beginnend mit der Drucklegung der Arbeiten des Flavius Blondus in den siebziger und achtziger Jahren. Vor allem aber die vielen bisher nur in wenigen, oft verderbten Exemplaren zugänglichen Quellen wurden verbreitet und zeigten ihre Wirkung, unter ihnen die Germania des Tacitus. Die Perfektionierung des Begonnenen und die praktische Ausführung des in der ersten Phase abgesteckten Rahmens kennzeichnen auch die bildliche Umsetzung des Textes von Vitruv durch Fra Giovanni Giocondo und Leonardo da Vinci sowie Raffaels Tätigkeit als erster päpstlicher Antikenkommissar, d. h. erster Denkmalpfleger überhaupt. Er gab Werke in Auftrag, um den Bestand zu erfassen, die
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allerdings erst nach seinem frühen Tode fertig wurden. So kam es zu den ersten größeren Quellencorpora, den Inschriftensyllogen und den ersten Münzkatalogen, die den Beginn der Systematisierung gleichartiger archäologischer Quellen markieren. Sie müssen auch vor dem Hintergrund der Entwicklung der Sammlungen gesehen werden, die im Laufe des 15. Jahrhunderts immer mehr an Gewicht und Stoff gewannen. In ihrem Zusammenhang kommt ein für die Zukunft der Archäologie äußerst wichtiger Bereich ins Spiel: Das Ordnen und Systematisieren des Stoffes. Es lässt sich auch schon eine Tendenz erkennen, Sammlungen als Kommunikationsräume zu benutzen und öffentlich zu machen. Die zweite Phase brachte vom ausgehenden 15. Jahrhundert an die Aufnahme dieser Neuerungen und ihre erste Verarbeitung in Mittel- und Westeuropa. Sie wurde einerseits von ehemaligen Studenten vor allem des Pomponius Laetus wie Konrad Peutinger getragen, die den Inschriftencorpus in Süddeutschland einführten. Unter den Interessenten dieser Altertumskunde finden sich ebenfalls fast nur Juristen, von denen viele, aber nicht alle in Italien studiert hatten (Tab. 1). Die Inschriftensteine ermöglichten auch am leichtesten eine Identifikation mit dem römischen Vorbild im Sinne des humanistisch-antiquarischen Paradigmas. Das zeigt sich vor allem durch die Inschriftensyllogen, die von den Anfängen bei Konrad Peutinger 1505 bis zu dem das ganze ehemalige Römische Reich umfassenden Werk von Petrus Apianus und Barthomolaeus Amantius schon 1534 die Qualität eines Antikencorpus erreichten. In Frankreich und England begann der humanistische Einfluss auf die Geschichtsschreibung mit Italienern, die jedoch in beiden Ländern zunächst eine Gegenreaktion auslösten. Andererseits aber formierte sich in dieser Phase überall die von der Theologie ausgehende Gegenposition gegen das säkulare Geschichtsmodell des Flavius Blondus, das der Dominikanertheologe Annius von Viterbo seit den siebziger Jahren des 15. Jahrhunderts mit der Verwissenschaftlichung der mittelalterlichen Heils geschichtsschreibung zu bekämpfen suchte275. Der Beweis dieser noch lange offiziell gültigen Lehre durch von der Bibel unabhängige Quellen aber ließ sich nicht erbringen, so dass Annius und andere, die sein Bemühen teilten wie der Benediktinerabt Johannes Trithemius, gezwungen waren, zu Fälschungen zu greifen. Obwohl die Anti quitates, sein Hauptwerk, nur eine Fiktion sind, haben sie Fragestellungen, methodisches Vorgehen und Werkformen anderer Arbeiten stark beeinflusst, die sich aber oft ebenfalls am Rande der Wissenschaft bewegen (siehe S. 330 ff.). Annius übernahm zwar die Themenfelder des humanistisch-antiquarischen Paradigmas. Seine Hauptfragestellung aber war die Origo, der Ursprung der Völker mit ihren Herrschergenealogien, die unilinear miteinander verknüpft wurden. Dabei nimmt die archäologische Arbeitsweise des Annius vor allem Bezug auf die Inschriftenforschung. Geheimnis-
275 Die erste Schrift, die Annius in diesem Sinne verfasste, war der Aufruf zum Türkenkrieg, siehe Anm. 83.
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volle Texte, Ortsnamen und archäologische Funde sind Zeichen des Heilsgeschehens in der Geschichte an bestimmtem Ort. Aufgrund älterer Forschungen und der Texte des Annius konnte gezeigt werden, dass der Geistliche zu einem großen Teil von echten archäologischen Funden ausging und diese im Sinne seiner Heilsgeschichte fiktiv-historisch interpretierte. Erstmals wurden ein ergrabener Fundkomplex und der Fundort für eine Deutung der Geschichte entscheidend, wenn diese auch fiktiv war. Dabei lässt sich eine methodische Anknüpfung an die griechische Historiographie, d. h. an Herodots Sesostrisstelen über Diodorus Siculus zweifelsfrei nachweisen: Der Schluss auf die Wanderung von Isis und Osiris aufgrund ihrer Gedächtnissäulen arbeitet mit dem Tekmerion als Indizienbeweis für diese Fiktion. Im Gegensatz zur humanistisch-antiquarischen Forschung charakterisiert diese Arbeiten mit der Hauptfragestellung der Origo eine urgeschichtliche Perspektive. Diese in der zweiten Phase der Renaissance-Archäologie innovative und sehr erfolgreiche Richtung wird im Folgenden als weltchronistisches, d. h. auf der mittelalterlichen Weltchronik beruhendes Konzept bezeichnet. Da es sich um ein Konstrukt von Legendencharakter handelt, kann man es nicht als Paradigma werten, obwohl es einen interessanten und weiterführenden Forschungsrahmen bot. Alle anderen Arbeitsformen, die sich nördlich der Alpen in dieser Zeit entwickelten, sind durch eine Kombination von weltchronistischen und humanistischen Elementen gekennzeichnet. Das italienische Motiv der Wiedergeburt aus der Antike war nicht übertragbar, aber das der mittelalterlichen Weltchronistik entstammende Motiv der Translatio stellte doch eine akzeptable Form der Aneignung antiken und humanistischen Kulturgutes dar. Die mit der Translatio verbundene Lehre von der Fortdauer des Römischen Reiches als des definitiven und letzten Weltreiches konnte jedoch mit der humanistischen säkularen Chronologie nicht vereinbart werden. Dazu kam das Bestreben nach dem Aufbau einer eigenen Memoria, einer Erinnerungskultur, die bis Noah zurückreichte und damit älter war als Rom. Wir finden es deutlich bei Nikolaus Marschalk und bei den Brüdern Magnus formuliert, d. h. in den ersten Arbeiten, in denen einheimische archäologische Quellen historisch verwertet wurden. In diesen Zusammenhang fügen sich auch die landesgeschichtlichen Arbeiten des von Konrad Celtis angeregten Projekts der Germania illustrata ein, zu denen auch die Werke von Marschalk und von Johannes Aventinus gehören. Es handelte sich also einerseits um Arbeiten im klassischen Schema der Weltchronistik (Schedel 1493), zunehmend dann aber um landesgeschichtliche, regionalere Arbeiten, die aber neben der Verwendung humanistischer Themenfelder auf dem Geschichtsbild der Weltchronistik und der Lehre der Weltreiche aufgebaut waren. Nach 1500 wurde diese Literatur stark von Annius von Viterbo geprägt. Mit der Frage der Origo wurde auch die dynastische Geschichte verbunden. Hier zeigt sich der Einfluss der Dienstherren auf die Gelehrten. Der Einsatz archäologischer Beweise für historische Gegebenheiten und die Widerlegung von Legenden spielt schon in dieser Phase eine ungleich größere Rolle als in Italien, so bei Willibald Pirckheimer, bei Beatus Rhenanus und bei Aventinus römische Denkmäler mit Inschrift, bei Nikolaus Marschalk sogar Megalithgräber und
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Urnengräber. Die auf Strabo zurückgehenden Gedächtnissäulen des Herakles griff z. B. Sebastian Münster auf, sogar mit einer Abbildung (Münster 1544, S. 777). Die Darstellung der archäologischen Monumente blieb jedoch noch mittelalterlich symbolisch oder zeitgenössisch und enthielt nur selten antike Elemente. Sie zeigt kaum Verarbeitung von Detailmerkmalen und noch kein kulturspezifisches Denken, ganz im Gegensatz zu Italien, wo sich die Bilder „all’antichità“ (siehe S. 227) seit der Raffaelzeit entwickelten.
3.7.4.3 Phase III. – Von etwa 1550 bis 1630 Die dritte Phase zeichnet sich überall durch einen stärkeren Anteil der empirischen Naturwissenschaften aus. Dem entspricht auch der Beginn der wissenschaftlichen Grabungsarchäologie. Die Fragestellungen folgten sowohl in Italien als auch im übrigen West- und Mitteleuropa dem humanistisch-antiquarischen Paradigma, der auf der biblischen Chronologie beruhenden Origo-Problematik, der Naturkunde bzw. Naturphilosophie sowie historischen und beginnenden kulturgeschichtlichen Ansätzen. Auch kulturelle Vergleiche zwischen einstigen europäischen Gentes wie den Pikten und den gerade entdeckten außereuropäischen Völkern kommen in dieser Phase auf. Damit festigte sich die schon aus den griechischen Historikern bekannte Vorstellung, dass auch die europäischen Völker einmal eine ,barbarische‘ Zeit durchlebt hatten (siehe S. 103). Das klassische mittelalterliche weltchronistische Werkschema wurde aufgegeben. Es ist der Einarbeitung in geschichtliche, meist genealogische Darstellungen gewichen, die aber die biblische Chronologie und die zugehörigen Wandermythen in der auf Annius von Viterbo zurückgehenden Form weiterführten, wie die am Übergang zwischen der zweiten und der dritten Phase stehenden Werke der Brüder Magnus für Schweden oder De aliquot gentium migrationibus von Wolfgang Lazius für Mitteleuropa. Letzteres Werk kann ebenso wie die philologisch-geographische Auswertung der Germania des Tacitus von Philipp Clüver und die Britannia von William Camden als Beitrag zur Etablierung der historischen landesgeschichtlichen Darstellung in Nachfolge des Illustrata-Typs gewertet werden. Dieser Typ war auf die Gebiete außerhalb des Römischen Reiches nicht übertragbar, da er von der römischen Verwaltungsgliederung ausging. Camden war der Erste, der konsequent zeitgenössische Herrschaftsverhältnisse zugrunde legte. Die historische Gliederung nach den herrschenden Ethnika übernahm er allerdings vom Humanisten Polydor Vergil. Clüver dagegen rekonstruierte Stammesgebiete und stellte sie kartographisch dar. Die Arbeitsweise wurde vor allem durch zwei Erscheinungen geprägt: Durch die Entwicklung der wissenschaftlichen Zeichnungen und kartographischen Pläne, die mit der Möglichkeit ihrer Vervielfältigung in Form von Holz- oder Kupferstichen vom Ende des ersten Jahrzehnts des 16. Jahrhunderts an ein neues Medium wissenschaft licher Kommunikation darstellten, und durch das in Sammlungen anwachsende Material, das Systematisierung und Ordnung verlangte. Beides zusammen ermöglichte erstmals eine größere archäologische Materialkenntnis und die Durchsetzung
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der Merkmalanalyse und Klassifikation als Methode. Nun konnte man einzelne Bereiche des humanistisch-antiquarischen Paradigmas monographisch behandeln, wie z. B. den Circus, und Monumente, deren gleiche Funktion man erkannt hatte, gruppieren und ordnen, wie sich bei Onofrio Panvinio vielleicht am besten erkennen lässt. In der Mitte und der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war diese Phase voll entwickelt. Ihr Höhepunkt wird durch den Kreis um Kardinal Alessandro Farnese, ihr Abklingen durch Studenten- und Wissenschaftlerzirkel an der Universität Padua und den Beginn der Accademia dei Lincei markiert. Da man im übrigen Europa später angefangen hatte, der noch sichtbare Denkmälerbestand in den ehemals römischen Gebieten wesentlich bescheidener war als im römischen Mutterland und man auf die Denkmäler außerhalb des Römischen Reiches zunächst keinen historischen Zugriff besaß, war die Ausgangssituation eine vollkommen andere. Lediglich die Inschriftensyllogen, die sich ja schon in der zweiten Phase entwickelt hatten, erreichten mit dem Werk von Jan Gruter einen umfassenden Corpus-Standard; auch einige Grabungsdokumentationen römischer Denkmäler wie die des Theaters von Kaiseraugst durch Basilius Amerbach können mit dem Niveau der Arbeiten des Farnese-Kreises mithalten. Die mit der Ausarbeitung des humanistisch-antiquarischen Paradigmas in Mitteleuropa beschäftigten Personengruppen sind weiterhin überwiegend Juristen, die in diesem Sinne arbeitenden Italiener aber nur noch vereinzelt (Tab. 1). Kardinal Alessandro Farnese hatte eine sowohl national als auch hinsichtlich der Ausbildung gemischte Gruppe versammelt: Für die Weiterentwicklung des archäologischarchitektonischen Forschungsansatzes wurde vor allem der Architekt Pirro Ligorio bedeutend. Wie Leon Battista Alberti nahm er Grundrisspläne auf und führte darüber hinaus in Tivoli die erste systematische Ausgrabung mit Grabungstagebuch durch. Seine Grundrisse und vor allem seine Rekonstruktionen waren jedoch noch keine getreuen Umsetzungen von Ausgrabungsergebnissen und gingen deshalb oft in die Irre. Dennoch finden sich Zeugnisse von richtigen Beobachtungen. Inhaltlich richtete er sich nach dem humanistisch-antiquarischen Paradigma. Ihm zur Seite standen im Farnese-Kreis der Jurist und Bibliothekar Fulvius Orsinus, der spanische Jurist Antonio Agustín und die Theologen Onofrio Panvinio und Alfonso Chacón, Letzterer ebenfalls Spanier, und der Mediziner Girolamo Mercuriale. Wie diese Gelehrten, doch ohne die entsprechend reichhaltige römische Materialbasis, arbeiteten die Juristen Markus Welser aus Augsburg und Basilius Amerbach aus Basel. Mit Girolamo Mercuriale und vielen anderen gewannen nun auch die Absolventen der einzigen naturwissenschaftlichen Fakultät, der medizinischen, Bedeutung für die Archäologischen Wissenschaften. In Padua gehörten Juristen und Mediziner zu denselben Zirkeln. Man findet die Mediziner innerhalb des humanistisch-antiquarischen Paradigmas arbeiten, wie Girolamo Mercuriale oder schon am Beginn des 17. Jahrhunderts den Dänen Johannes Rhodius. Andere aber bemühten sich in ganz umfassender Weise um eine enzyklopädische Bestandsaufnahme der realen Welt wie Ulisse Aldrovandi, oder um die analytische Klärung bestimmter, bisher den Mirabilien zugerechneter Teilbereiche wie der traditionell zu den Fossilien gehören-
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den Steingeräte und -waffen. Diese Arbeiten trugen dazu bei, bisher anders verortete Objekte einer historischen Fragestellung zu öffnen. An dem Thema arbeiteten seit Beginn dieser Phase an hervorragender Stelle Mediziner nichtitalienischer Herkunft wie Georg Agricola, Guillaume Rondelet, Conrad Gesner, Johannes Kentmann und Anselm de Boot. Damit erweiterten sie zunächst ungewollt, im Fall Michele Mercatis dann aber bewusst und gezielt und unter Einbeziehung der hermeneutischen Methodik der Humanisten die archäologische Materialbasis. Freilich verließ er damit die humanistische Chronologie, um erstmals den Versuch zu unternehmen, die weltchronistische, biblische Chronologie auf eine historische Ebene zu stellen. Mercati wandte dabei keine empirisch-mathematische Methode an wie Alberti, der sich letztlich auf äußere Merkmale beschränkte, sondern eine empirisch-analytische Methode, mit der er die Ursache der Dinge klären wollte. Dabei ging er nach dem Muster des Paduaner Aristotelikers Jacobo Zabarella in mehreren durch Hypothesen geleiteten Schritten von beobachteten Wirkungen zur Ursache und nicht umgekehrt von einer schon bekannten Ursache zur Wirkung und unterstütze seine Deutung vermutlich durch ein Experiment. Der für die Durchsetzung seines Werkes zu frühe Tod Mercatis und wohl auch die ideologische Situation im Vorfeld des Dreißigjährigen Krieges haben die Formulierung eines prähistorischen Paradigmas zu diesem Zeitpunkt verhindert. Die Entdeckung Mercatis wäre in der Tat als Paradigma zu werten gewesen, zumal auf sein Vorgehen der Satz „Das Versagen der vorhandenen Regeln leitet die Suche nach neuen ein“ zutrifft (Kuhn 1962[1976], S. 80) sowie sogar die Inkommensurabilität (Kuhn1962[1976], S. 18). Alte Ansätze waren durch Mercati widerlegt und nicht mehr anwendbar. Die Wirkungsgeschichte begann allerdings erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Einige der mit dem Fossilienproblem beschäftigen Mediziner wie Georg Agricola und Ulisse Aldrovandi versuchten sich auch mit Erfolg am eigentlich schon in der zweiten Phase gelösten Problem der Urnen, der zweiten großen prähistorischen Fundgruppe, die aus dem Bereich der natürlichen Mirabilia in den Bereich der Artefakte überführt werden musste. Er beruhte hier wohl auf seinem Freund Gabriele Falloppio (Franz 1931, S. 20 f.; Abramowicz 1979, S. 21); Am weitesten kam aber der Jurist Petrus Albinus durch eine ausdrücklich zur Klärung des Problems angesetzte Grabung. Sein Vorgehen ähnelt durchaus dem Mercati-Algorithmus, die Interpretation, in der bewusst der Fundkomplex eingesetzt wurde, erfolgte aber viel direkter, da er die Funktion der Graburne zweifelsfrei absichern und die Beobachtung anderer und die Analogie zu römischen Urnen bestätigen konnte. Dennoch und trotz der baldigen Publikation setzte sich das Ergebnis nicht sofort durch. Die Riesenthese aber konnte durch das kongeniale Paar Henrik Rantzau und Peter Lindeberg wenigstens für die skandinavischen Runensteine abgewiesen werden. Es handelt sich um eine frühe Frucht der Erforschung der Runensteine, die, ausgehend von den Brüdern Magnus, am Ende des 16. Jahrhunderts durch Johannes Bureus und später durch den Mediziner Ole Worm eine Materialbasis und historische Bedeutung erlangte, die mit der römischen Forschung vergleichbar ist.
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Methodisch zeigt sich, dass die größere empirische Stringenz und Akribie des Vorgehens genauso wie der Zweifel an Überliefertem sowohl von Medizinern als auch von Juristen und den Absolventen der Artes liberales praktiziert wurde. Folglich ist die Auffassung von Alain Schnapp also richtig und wichtig, dass neben der humanwissenschaftlichen Komponente von Anfang an ein hoher mathematischer und naturwissenschaftlicher Anteil zu verzeichnen ist (Schnapp 1991; Schnapp 1993, S. 121 ff.; Schnapp 2010, S. 50 f.; 58 ff.).
3.7.5 Methodik, Erfolg und Innovation der Arbeitsweise Zusammenfassend kann man festhalten, dass die hier behandelten Gelehrten die Lösung ihrer Fragestellungen konsequent und im Rahmen ihrer Möglichkeiten mit adäquaten Methoden verfolgt haben: Die Äußerungen, die Renaissance-Archäologie sei „Nur Komplikation ohne Gelehrsamkeit“ (Schiering 1969, S. 11) und „ein Arsenal von Fakten, dessen Systematisierung und literarische Darstellung nicht nach festen Regeln erfolgte“ (Walther 1999, S. 86), dürften gründlich widerlegt sein. Die humanistisch-antiquarische Forschungsrichtung formulierte aufgrund der schriftlichen Quellen kulturelle Themenbereiche und illustrierte sie zunehmend durch funktional bestimmte archäologische Quellen. So wurde man im ehemaligen Römischen Reich, besonders aber in Rom selbst, der gesellschaftlichen Hauptaufgabe gerecht, Vorbilder für die Gegenwart bereit zu stellen und auch die sachkulturelle Wiedergeburt der Antike zu ermöglichen. Es muss auch als konsequent angesehen werden, dass die Gelehrten, die in Mitteleuropa eine humanistisch-antiquarische Forschung aufbauten, die kulturellen Felder der italienischen Forschung nach der Germania des Tacitus modifizierten, der römischen Hauptquelle zu ihrem Untersuchungsgebiet, für das außerdem die römische Verwaltungsstruktur fehlte. Die Germa nia wurde deshalb auch Referenz für regionale historische Gliederungen auf der Basis der Verbreitungsgebiete der Gentes, mit denen Philipp Clüver eine Struktur für die Übertragung der historischen Landesbeschreibung vom Illustrata-Typ nach Flavius Blondus schaffen wollte. Erst William Camden gelang diese Modifikation des italienischen Modells, indem er konsequent zeitgenössische Regionen benutzte. All diesen Publikationen fehlte jedoch bis zum Ende der behandelten Zeit die dazu gehörige nichtrömische Sachkultur. Im ehemals römischen Gebiet aber wurde im Laufe der zwei Jahrhunderte der am Anfang minimale Denkmälerbestand durch Bauaufnahmen und seit der Mitte des 16. Jahrhunderts auch durch gezielte und dokumentierte Grabungen enorm erweitert. Kleinere Objekte wurden in Sammlungen zusammengefasst und geordnet. Deswegen kann man auch als eine der wichtigsten Leistungen der zweiten und dritten Phase, d. h. von den siebziger Jahren des 15. Jahrhunderts an, die Erweiterung der Fundkenntnisse generell und speziell die Sammlung und Ordnung der Materialien definieren. Das Sammeln von Objekten stellte eine zwar konservative, aber doch in dieser
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Zeit weiter entwickelte, unbedingt notwendige Methode der Informationsphase dar. Die Bauvermessungen und Beschreibungen und vor allem gezielte Prospektionen und Grabungen und die Verwendung von Grabungsergebnissen als wissenschaftliche Informationen sind dagegen als innovativ anzusehen, dienten aber demselben Zweck der Kenntniserweiterung. Innovativ waren außerdem alle Analysemethoden: Die Epigraphik und die Datierung durch Inschriften, der Terminus ante oder post quem, mathematische Auswertungen von Vermessungen und Kartierungen und nicht zuletzt Ordnungen des Materials und dessen Klassifikationen. Überwiegend gehen diese Methoden auf die Bedürfnisse der Architektur zurück, sind in dieser Konstellation aber in archäologischem Zusammenhang angewandt worden: Die Nachprüfung Vitruvs führte zur Vermessung von Denkmälern und diese zur Formulierung architektonischer und ästhetischer Gesetze, die es erlaubten, Aussagen über Realien zu objektivieren und diese im Detail zu imitieren. Dazu benötigte man Kenntnisse wie z. B. die der Geometrie, die Architekten geläufig waren. Alles dies findet sich schon in der ersten Phase und erfuhr in der dritten Phase eine gewisse Perfektionierung. Gelungenes Ziel dieser Forschungen bildete die Restaurierung, die Imitation und das Übertreffen der Sachkultur der Antike. Irrtümer und Fälschungen allerdings begleiteten diese Erfolge. Die ersten Erkenntnisse über die nichtrömischen und älteren archäologischen Quellen verdankte man verschiedenen, ebenfalls konsequent verfolgten Prozessen: Prospektionen vor allem von Großsteingräbern und Runensteinen, Grabungen in etruskischen Nekropolen und in Urnenfeldern und der Klassifikation der Steingeräte in naturkundlichen Sammlungen. Für alle diese Erscheinungen musste zunächst geklärt werden, ob sie überhaupt Relikte der menschlichen Kultur waren, und erst in zweiter Linie, aus welcher Zeit sie stammten, um in ein kulturelles Feld oder sogar in die Geschichte eingegliedert werden zu können. Unzweifelhaft hat man nur die Runensteine in unserer dritten Phase einer schon historischen Zeit zuweisen können, und nicht ohne Grund wurde dies der Ansatzpunkt für die erste archäologische Institution außerhalb des ehemaligen Römischen Reiches. Die Ergebnisse zu den übrigen Fundgattungen konnten sich aus unterschiedlichen Gründen noch nicht durchsetzen, und es gab auch bis 1630 außer Michele Mercatis abgebrochenem Versuch keinen methodisch begründeten Ansatz zu einer Datierung. Eine wichtige Rolle gewannen Klassifikationen für die Klärung vor allem der Steingeräte, die in naturkundlich-medizinische Sammlungsordnungen integriert waren. Sie nahmen in der dritten Phase an wissenschaftlichem Gewicht zu. Aber auch hier waren die Ordnungen nach unseren Kriterien nur zu einem Teil erfolgreich, da die Bestimmung der Qualität der Dinge noch große Lücken aufwies und die Ordnungsprinzipien nicht geklärt waren. Auch hier waren Fälschungen vor allem im Bereich der Mirabilia und Exotika Tor und Tür geöffnet. Die von Leon Battista Alberti erarbeiteten methodischen Grundlagen für einen Vergleich von Objekten und für das Werturteil im Hier und Jetzt kamen nicht durchgehend zum Einsatz – einerseits, weil die Genauigkeit der Beobachtungen nicht ausreichte wie z. B. bei Ulisse Aldrovandi,
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andererseits aber auch, weil sich die Metaphysik in der zweiten Phase wieder durchgesetzt hatte und deshalb ursächlich begründete Ordnungen angestrebt wurden, die Ursache aber oft a priori angenommen wurde (siehe S. 329). Anders aber sind diejenigen zu beurteilen, die sich anschickten, lange als Naturwunder geltende Objektkategorien als Zeugnisse der Vorfahren zu begreifen, und die Grundlagen für die Auffassung legten, dass auch die Europäer einst den außereuropäischen Völkern kulturell ähnlich gewesen seien. Unter den Naturwissenschaftlern ragt in dieser Hinsicht Michele Mercati als Pionier heraus. Er verfolgte seine Fragestellung methodisch und sachlich zielgerichtet und mit großem Erfolg. Entscheidend waren dafür weder die Materialmenge noch die Berücksichtigung äußerer Kriterien wie der Fundzusammenhang, sondern einzig allein eine präzise, in mehreren Schritten hermeneutisch geleitete Merkmalbeobachtung und -kombination (Farbtaf. 3–4). Ähnlich und ebenso erfolgreich argumentierte der Dekan der Wittenberger Universität Petrus Albinus in Mitteleuropa bei der Widerlegung der gewachsenen Töpfe unter Einsatz einer Grabung. Beide anerkannten Forscher konnten sich jedoch mit ihren eindeutig bewiesenen Ergebnissen zunächst nicht durchsetzen, Mercati wohl wegen seines frühen Todes, Albinus wohl wegen des Induktionsproblems, auf das er selbst hinwies. Dass man auch die empirische Grabungsmethode verbessern wollte, zeigt der Einsatz von Bergleuten, denen bei der Entwicklung der Grabungen eine ähnliche Rolle zukommt wie den Architekten in Italien. Eine größere Materialbasis für Auswertungen wurde bei den römischen Inschriften schon während der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, für die Runensteine aber erst in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts erreicht. Die Kenntnis aller anderen Fundkategorien blieb bis 1630 gering. Zusammenfassend kann man also sagen, dass eindeutige Fragestellungen zu Methoden und Antworten führten, und dass das in der Forschungsgeschichte immer wieder vertretene negative Urteil über die Renaissance-Archäologie revidiert werden muss. Sowohl die heutige Klassische Archäologie als auch die heutige Ur- und Frühgeschichte ruhen auf den Schultern dieser Zeit.
3.7.6 Zu den Epistemen der Renaissance-Archäologen und zur Frage des Einflusses äußerer Faktoren auf die Forschungsentwicklung Was lässt sich aus diesem Befund für die Frage der auf die Wissenschaft wirkenden Denkweise der Renaissance-Archäologen erschließen? Aus der antiquarischen Literatur der betrachteten Epoche ergibt sich, dass der universale Charakter der archäologischen Beschäftigung zu Einflüssen der verschiedenen philosophisch-theologischen Richtungen an den Universitäten und in der Wissensgesellschaft überhaupt geführt hat. Für die Beurteilung von Philosophie und Theologie dieser Zeit als Erklärung des Denkens der Renaissance-Archäologen wären allerdings Spezialstudien nötig, die diese Arbeit nicht leisten kann, zumal die
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drei Hauptrichtungen, die aristotelische, die humanistische und die neuplatonische ineinander griffen und deshalb schwer zu trennen sind (Vorländer 1965; Kristeller 1972; Ott 1984[1994], S. 30; Hankins 2004, S. 399 ff.; Kessler 2008, S. 184). Da die Glaubensauseinandersetzungen seit den achtziger Jahren des 15. Jahrhunderts mit der Verschärfung der Inquisition, der Zensur und der späteren Glaubensspaltung die gesamte Wissenskultur fundamental getroffen haben, sind außerdem persönliche Auswirkungen bei vielen der hier behandelten Wissenschaftlern festgestellt worden, die auch die Art ihrer wissenschaftlichen Arbeit beeinflusst haben müssen (siehe auch S. 151). Das grundsätzliche Problem, inwieweit die reale Welt erfassbar ist und worauf man durch Beobachtung schließen kann, war in dieser Zeit des geistigen Umbruchs und der beginnenden Säkularisierung dringlicher denn je. Es kennzeichnet sowohl den Humanismus in seiner Gegenposition gegen die aristotelisch-scholastische Metaphysik als auch die naturwissenschaftlichen Aristoteliker der Hoch- und Spätrenaissance (Ott 1984[1994], S. 385). Dennoch erweisen sich die drei beschriebenen Phasen gerade hinsichtlich der geistigen Säkularisierung konträr: Die Autoren der ersten Phase arbeiteten in einer realen Welt für eine reale Welt, während ein Teil der Autoren der zweiten und der dritten Phase die Beziehung zwischen der übergeordneten Welt und der sichtbaren Welt untersuchten bzw. nach der Ursache der Phänomene fragte. Die zweite Phase, in der sich die Reformationen entwickelten, ist insgesamt durch ein Zurückgehen auf die biblische Überlieferung und in unserem Zusammenhang durch das weltchronistische Modell gekennzeichnet. Das Verhältnis zur realen Welt zeigt sich deutlich im Umgang der angehenden Archäologen mit ihren Objekten. Der erstaunliche Mangel an Beobachtungsgenauigkeit vor allem während des ausgehenden 15. und in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts lässt den Schluss zu, dass die äußere Erscheinung eines archäologischen oder auch naturwissenschaftlichen Objekts als unwichtig betrachtet wurde, ganz im Gegensatz zu den Inschriften. Erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, d. h. in der dritten Phase, gaben einzelne Zeichner wie Antonius Eisenhoit auch Merkmale von Objekten ohne Inschrift mit Präzision wieder. Es liegt nahe, dass auch die Wissenschaftler, die ungenaue Zeichnungen publizierten, den Aussagewert eines realen Objekts noch nicht erkannt hatten. Deshalb konnten sie auch Grabungsdetails, Unterschiede des Stils und äußere Zusammenhänge überhaupt nicht feststellen. Es gibt allerdings zwischen den einzelnen Autoren große Unterschiede, die sich auch in ihrer sonstigen Arbeitsweise bestätigen. Die Arbeiten des 15. Jahrhunderts sind zwar noch nicht bebildert, so dass das Zusammenwirken von Text und bildlicher Darstellung nicht überprüft werden kann. Leon Battista Alberti war aber bei seiner Beschreibung von Detailmerkmalen äußerst genau, während Flavius Blondus äußere Merkmale fast nicht erwähnte und der Theologe Annius von Viterbo sich sogar so wenig dafür interessierte, dass er Sarkophage für Triumphstatuen hielt. Eine enorme methodische Bedeutung gewann für die weitere Entwicklung im 16. Jahrhundert ein äußerer Faktor, der Buchdruck. Für die Archäologie wurden
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gedruckte Holzschnitte und Kupferstiche besonders wichtig. Diese Technik ermöglichte erst den Vergleich von äußeren Merkmalen in größerem Stil. Da die Herstellung von Stichen im 16. Jahrhundert aber noch sehr teuer war, benutzten viele wie z. B. Ulisse Aldrovandi fremde Zeichnungen. Diese bildeten aber die Objekte seiner Sammlung gar nicht ab. Jedenfalls entsteht der Eindruck, dass er viele der beschriebenen bzw. abgebildeten Objekte nie gesehen hat. Kein Wunder, dass dabei dann auch Objekte waren, die überhaupt nicht existierten. Michele Mercati konnte sich dagegen dank der Förderung durch den Papst in Antonius Eisenhoit eines ausgezeichneten Künstlers bedienen. Allerdings kann man auch bei Mercati gelegentlich die Verwendung fremder Vorlagen beobachten, wie im Falle der Ombriae (siehe S. 269). Sein Text zeigt aber, dass auch er selbst sehr genau beobachtete – der Arzt und der Kupferstecher arbeiteten kongenial zusammen. Mercati zog aus äußeren Merkmalen jedenfalls die Informationen, aus denen auf ihr Sein und die Ursache ihres Seins geschlossen werden konnte. Wenn man also diese Grundtendenzen betrachtet, so zeigt sich, dass die Mehrheit der archäologisch arbeitenden Gelehrten dieser Zeit den Informationswert der äußeren Merkmale der realen Altertümer noch gering eingeschätzt hat. Für sie lag die Wahrheit im Wort der Autoren oder in den Inschriften, von denen man annahm, dass sie das Wesen eines Objekts erhellten, oder sogar jenseits dieser Welt, nicht aber in bestimmten Formen und materiellen Ausprägungen. Wahrheit und Erkenntnis waren für sie aus der Beschaffenheit eines Objekts nicht zu gewinnen. Von Anfang an jedoch gab es Ausnahmen, und es sind diese Gelehrten, die innerhalb der betrachteten Zeit die Anfänge einer auf der Sachkultur beruhenden kulturgeschichtlichen Betrachtungsweise und damit auch der methodischen Erschließung von Objekten ohne Inschriften gelegt haben, zu denen die meisten der nicht klassisch-antiken Antiquitäten gehören. Dieselben Gelehrten haben auch erstmals Schlüsse aus der Kombination der Merkmale von Objekten gezogen. In Italien ist diese kulturgeschichtliche Wende kurz vor 1500 zu datieren. In Mitteleuropa lassen sich ihre ersten, sicheren Spuren etwa 50 Jahre später feststellen, um dann am Ende des 16. Jahrhundert bei einer Reihe von Pionieren größere Akzeptanz zu finden. Zu ihnen gehören der Augsburger Jurist Markus Welser, der Württemberger Arzt Helisaeus Röslin, der Jura-Professor aus Halle Petrus Albinus, der Breslauer Arzt Caspar Cunradi, der Schleswiger Gouverneur und Jurist Henrik Rantzau und sein Mitarbeiter der Jurist Peter Lindeberg. Sie arbeiteten an sehr verschiedenen archäologischen Quellen. Eine Erklärung für diesen Befund ergibt sich aus der hier verwendeten Literatur nur indirekt. Grundsätzlich zeigen auch andere Darstellungen des Spätmittelalters und noch des 15. Jahrhunderts ein ähnlich geringes Interesse an kulturellen Unterschieden der Sachkultur. Wie gelegentlich im heutigen Theater steckte man antike Helden in zeitgenössische Kostüme. Wie dort ging es den Künstlern um das symbolhafte oder moralische Allgemeingültige und nicht um das kulturell Verschiedene (siehe S. 249). Außerdem aber muss die Ursache in der Situation der beginnenden Archäologie selbst gesucht werden, die ihren Stoff ja erst kennenlernen musste.
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Künstler und Mediziner, besonders die Pharmakologen, brachten dafür bessere Voraussetzungen mit als die reinen Juristen. Wir haben gesehen, wie der auf vielen wissenschaftlichen und künstlerischen Gebieten tätige Jurist Leon Battista Alberti schon durch Systematisierung und Mathematisierung um die Erkenntnis äußerer Merkmale rang. Die humanistisch-antiquarischen Fragestellungen führten aber dazu, dass man mit der Zeit immer mehr kulturspezifische Merkmale erfasste, wie man an den Arbeiten des Theologen Onofrio Panvinio ersehen kann. Deshalb trug die sich innerhalb der antiquarischen Forschung entwickelnde Archäologie auch zur Veränderung in Richtung auf eine kulturspezifische Sichtweise der Vergangenheit bei. Die Humanisten unserer ersten Phase betrachteten den Verlauf der Geschichte andererseits durchaus weltlich und real. Francesco Petrarcas, Gian Francesco Poggio Bracciolinis, Lorenzo Vallas und Flavius Blondus’ säkulares Geschichtsbild kannte die im moralischen Verhalten des Menschen begründete historische Eigendynamik: Blondus stellte die Geschichte und ihre Periodisierung ohne das Eingreifen Gottes dar (Clavuot 1990, S. 13). Aber auch Philipp Melanchthon, der humanistische Vertreter des deutschen Protestantismus, stimmte in dieser Hinsicht mit den Italienern überein (Scheible 1997, S. 254). Der moralisch gewertete menschliche Handlungsspielraum und die Organisation der Gesellschaft, die sich in den humanistisch-antiquarischen kulturellen Themen spiegelt, bestimmten den Handlungsablauf. Die Humanisten beschränkten sich außerdem partikularistisch auf eine einzige Kultur und stellten das Einzelne vor das Allgemeine. Sie waren Nominalisten (Kessler 2008, S. 100) und vertraten einen induktiven Wissenschaftsansatz. In der Frührenaissance lässt sich also bei den Vordenkern eine säkulare Beurteilung von historischen Fakten feststellen, die an den Historismus erinnern würde, wenn nicht die römische Kultur so sehr im Vordergrund stehen und die Normkultur bilden würde. Blondus’ Welt war ohne Wunder, Alberti prüfte nach, was er las, kritisierte und zeigte damit, dass er die bewunderten antiken Autoren nicht als unumstößliche Autorität ansah. Mehr noch, er versuchte, sein Urteil auf eine objektive, mathematische Grundlage zu stellen und schuf damit auch ein Instrumentarium zur Überprüfung der Normsetzung. Valla tat das auf andere, theoretische Weise, indem er begann, echte und falsche Überlieferung durch Logik zu trennen (Joachimsen 1920, S. 232). Mit diesen Ansätzen war die absolute Wortgläubigkeit gebrochen und der Eigenwert von realen Fakten anerkannt. Das schon Herodot, Thukydides und Aristoteles bekannte Tekmerion konnte bei richtiger Verwendung zu einem historischen Beweisstück werden. Die Gegenreaktion auf philosophischer Ebene gegen diesen moralphilosophischhistorischen Humanismus formierte sich von den sechziger Jahren des 15. Jahrhunderts an in einer idealistischen Transzendenzphilosophie, die man als philosophischchristlichen Synkretismus bezeichnen kann (Kessler 2008, S. 68 f., S. 96 ff., S. 141). Besondere Bedeutung erlangte die Übersetzung des Hermes Trismegistos durch Marsilio Ficino. Man hielt diesen Text für das Werk eines weisen Ägypters der Zeit nach Mose. In Wirklichkeit handelte es sich aber um ein apokryphes neuplatonisches Werk des 2. Jahrhunderts nach Christus (Curran 2007, S. 89 ff.). Die lateinischen und später
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auch die italienischen Textversionen erlebten von 1471 an eine ähnliche Erfolgsgeschichte wie wenig später der Berosus des Annius und beeinflussten das archäologische Denken ebenfalls bis ins 18. Jahrhundert hinein (Piggott 1989, S. 41; Kessler 2008, S. 103 ff.; siehe S. 158). Durch die Verbindung von Judentum, Christentum und Ägypten in einer angeblich uralten Theosophie, der Prisca Theologia, weist der Hermes Trismegistos dieselben orientalisch geprägten Züge auf wie die Machwerke des Annius. Der zweite wichtige Neuplatoniker Pico della Mirandola verarbeitete mit der Kabbala östliche Geheimtraditionen. Wie Annius von Viterbo beschäftigte er sich mit dem Chaldäischen und der Genesis und versuchte ebenfalls, verschiedene Traditionen einschließlich der jüdischen zu vereinen (Kessler 2008, S. 115, S 118, S. 121). Für die Arbeit mit Realien ergab sich durch den Neuplatonismus eine grundlegende Wende: Methodisch gewann das offenbarte Allgemeine Vorrang gegenüber dem erfahrenen Einzelnen, die Ursache gegenüber der Wirkung. Den Wert der Dinge sah man in ihrem Anteil an der Seele, nicht in ihrem Äußeren. Hier trafen sich christlich-thomistisches und neuplatonisches Weltbild: die eigentliche Realität lag a priori jenseits dieser Welt. Die ewige Seele verband nach Marsilio Ficino als mittlere Stufe die beiden höheren Stufen Gott und Engel und die beiden unteren Stufen Körper und Qualität (Ott 1984[1994], S. 260 ff., S. 282 f. [Theologia Platonica VIII, 16]). Ob man entsprechend dem auf Platon zurückgehenden Höhlengleichnis die reale Welt nur als Spiegel auffasste, kosmische Verbindungen konstruierte oder hinter allen Erscheinungen den Willen und die Schöpfung Gottes sah, so besaßen die Akteure der realen Welt keinen Handlungsspielraum mehr. Dass es sich um eine allgemeine Krise der Wissensgesellschaft der Renaissance handelte, zeigt der ungeheure Rückgang der Studentenzahlen im Heiligen Römischen Reich um weit mehr als die Hälfte (Hammerstein 1994, S. 359). Wenn es auch keine direkten Anhaltspunkte gibt, so könnten diese Geistphilosophie und die Krise der Reformationen den Rückgang archäologischer Innovationen während der zweiten Phase erklären. Auch die größten Künstlergelehrten dieser Zeit hatten mehr Probleme mit den Realien als Leon Battista Alberti. Details wie z. B. die Lage einer Inschrift wurden nicht als wichtig erachtet. Raffael und Castiglione beurteilten z. B. den Konstantinsbogen nach der Inschrift, nicht nach den Reliefs, denn sie erkannten die verschiedenen stilistischen Merkmale offenbar nicht. Dennoch wurden in dieser Zeit die ersten kulturgeschichtlich spezifischen Elemente dargestellt – dass hierzu auch Ägyptisches gehört, zeigt den Zusammenhang mit den orientalischen Herkunftsmythen. Die vielen intentionalen Fälschungen wie die des Annius von Viterbo erscheinen typisch für diese Zeit (siehe S. 361 ff.). Bei Annius zeigt sich der deduktive Ansatz auch in seinen Argumentationsketten: Das Einzelne steht immer am Ende (siehe S. 329). Ähnlich realitätsfern wie die Neuplatoniker geht er von einem durch das Alte Testament, Ägypten und den Mythos bestimmten Weltbild aus. Hier liegen die eigentlichen Bedeutungen hinter den Dingen, in den verborgenen Etymologien, und sie sind nur von einem Kundigen zu lesen. Annius’ Welt ist nicht von dieser Welt,
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aber voll von Zeichen. Auch die Orts- und Personennamen brauchen Erklärung, sie offenbaren sich in vielen Ausprägungen, die immer wieder dasselbe bedeuten und magisch aneinander gebunden sind. Ergänzt werden sie durch die realen Zeichen, die in der Lage sind, die Geschichte zu offenbaren, durch die archäologischen Funde. Hier greift das Prinzip der verborgenen Ähnlichkeiten und geheimnisvollen kosmologischen Beziehungen von Mikrokosmos und Makrokosmos, das Michel Foucault als typisch besonders für die Naturwissenschaft des 16. Jahrhunderts herausgestellt hat (Foucault 1966, S. 32 ff.). Es geht in der Ausprägung dieser Zeit auf die neuplatonische Philosophie Giovanni Pico della Mirandolas und Marsilio Ficinos und die von ihnen aufgegriffene Lehre des Hermes Trismegistos Ende des 15. Jahrhunderts zurück, die Ficino auch auf die Medizin übertrug (Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe III, 1993, S. 107 f., Stichwort Hermetik [Ekkehard Hieronimus]; Leinkauf 1994, S. 538; Walz 2000, S. 10 f.; Kessler 2008, S. 105 f., S. 113). Eigentlich aber ist es ein Erbe der antiken hellenistisch-römischen neuplatonischen Philosophie (siehe S. 126). Dadurch, dass sich die Reformationen gerade in dieser Zeit entwickelten, kam die spätantik-mittelalterliche Weltchronistik auch in die protestantische Geschichtsschreibung und wurde mit dem Ansatz der biblischen Chronologie und dem geschlossenen Weltende Bestandteil der auf Philipp Melanchthon aufbauenden Geschichtstheologie (Pohlig 2007, S. 146 ff.; S. 186). Wir finden diese Lehre auch in den Statuten der frühen protestantischen Universitäten (siehe S. 335). In Padua hatte sich dagegen der empirische Forschungsansatz durch Anhänger des arabischen Aristotelikers Averroes schon Anfang des 14. Jahrhunderts durchgesetzt und bestimmte, wenn auch mit wesentlichen Modifikationen und verschiedenen Richtungen, die ganze uns hier betreffende Epoche die medizinische Fakultät als die Schulphilosophie (Randall 1961, S. 20 ff.; Kessler 2008, S. 69, S. 139, S. 158). Die Protestanten lehnten wie die Humanisten der ersten Phase vor ihnen das ihrer Ansicht nach scholastische und deshalb antiquierte Aristoteles-Studium anfänglich ab. Die Bildungsreform Philipp Melanchthons, der sich auch die calvinistischen Universitäten wie Heidelberg und Leiden anschlossen, übernahm aber dann doch wie wenig später auch die gegenreformatorischen Jesuiten aristotelisches Gedankengut (Hammerstein 1994, S. 355; Scheible 1996[2010], S. 127; Maron 2001, S. 112; Rudersdorf/Töpfer 2006, S. 239 ff.). Dennoch muss man konstatieren, dass für Martin Luther und Philipp Melanchthon die Kenntnisse, die zu einem besseren Bibelverständnis beitrugen, d. h. besonders die Sprachen, im Vordergrund standen und nicht die auf Aristoteles aufbauende Logik. Wie auch die Anzahl der Professuren z. B. in Wittenberg zeigt, lassen sich deutliche Prioritäten erkennen: zwei Medizinern standen vier Theologen und vier Juristen gegenüber (Hammerstein 1994, S. 345 ff.). Die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts, d. h. unsere dritte Phase, wird durch das erneute Erstarken der aristotelischen Philosophie auf dieser Grundlage gekennzeichnet. In Italien bildeten sich neben Padua in den Universitäten Bologna, Pisa und Ferrara weitere Zentren. Dieselben Gelehrten wechselten bei politischen und per-
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sönlichen Schwierigkeiten von einer Universität zur anderen. Hier wurden seit der Jahrhundertwende die Erklärungsmethoden erfunden, mit deren Hilfe auch Michele Mercati von einer Wirkung auf eine Ursache schloss (siehe oben; Otto 1984[1994], S. 52 f.; Vasoli 1988, S. 70). Ihre Stärke war der Regressus, eine Kombination von deduktivem und induktivem Schlussverfahren, in dieser Form wohl möglich durch die auf Giovanni Pico della Mirandola zurückgehende Unterscheidung zwischen der Causa universalis und der Causa proxima – auf Letzteres konnte man empirisch schließen, auf Ersteres nicht (Kessler 2008, S. 123 f., S. 256, Anm. 118). Der an der nicht zum Kirchenstaat gehörenden Universität Pisa (Florenz) ausgebildete Arzt Michele Mercati in vatikanischen Diensten und der protestantische Jurist Petrus Albinus an der Reform-Universität in Wittenberg erkannten fast gleichzeitig und mit ähnlichen in Erkenntnisstufen aufsteigenden empirischen Methoden die prähistorische Qualität von Objekten, die bisher als Mirabilien gegolten hatten. Der Empirismus führte sie zur Untersuchung der Eigenschaften von Objekten und diese ermöglichten dann Ergebnisse durch Reflexion. Diese grundlegende Prämisse der Forschung erweist sich als unabhängig von der Stellung zur Kirche. Sowohl im katholischen Italien als auch im protestantischen Mitteldeutschland und Skandinavien und im anglikanischen England lässt sich der archäologische Aufschwung der zweiten Hälfte des 16. und des Beginns des 17. Jahrhunderts durch einen logisch geleiteten Empirismus erklären, nach dem zwar überwiegend Mediziner arbeiteten, dem aber auch die anderen Fakultäten folgten. Zumindest bei Mercati zeigt sich schon eine große Ähnlichkeit zum methodischen Vorgehen von René Descartes (1637[1960], I.9), weil zwischen empirische Forschungsphasen das Examen mentale tritt (siehe S. 349 ff.). Das Vorgehen Ole Worms am Ende der hier betrachteten Epoche entspricht den durch Francis Bacon vertretenen empirischen Methoden (Bacon 1620[1990], Novum Organon I,19, S. 89, I, 50, S. 113, I, 68, S. 145, I, 69, S. 147). Es waren die jesuitischen Bollandisten, die sich seit 1607, ganz am Ende der hier behandelten Zeit, im religiös umkämpften Flandern anschickten, die Heiligenlegenden auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und dabei die ersten, oft noch irregeleiteten Schritte auf eine moderne empirische historische Quellenkritik hin machten (Sawilla 2009, S. 16, S. 107 ff.). Ihr Unternehmen, das bis in die Gegenwart reicht, bestätigt auf einem verwandten Gebiet die zeitliche Obergrenze der hier als Renaissance-Archäologie gekennzeichneten Epoche. Aber auch in der naturwissenschaftlich-archäologischen Methode bereitete sich die Wende zur Aufklärung, die sich nach dem Dreißigjährigen Krieg durchsetzen sollte, schon seit den neunziger Jahren des 16. Jahrhunderts vor. Das archäologische Arbeitsfeld spielte schon in dieser Zeit eine bedeutende Rolle im Prozess der Säkularisierung des Wissens und dem Abbau von Mythen. Dennoch blieb die biblische Chronologie, das große Hemmnis für die Akzeptanz einer menschlichen Urgeschichte, besonders auch in den protestantischen Gebieten über das Ende der RenaissanceArchäologie hinaus präsent.
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Die Sammlungen des 15. bis frühen 17. Jahrhunderts stehen als Ausdruck des universalen Wissenskonzepts zwar über diesen Positionen (Leinkauf 1994, S. 535 f.), zeigten sich aber auch von den kurzfristigeren geistigen Strömungen abhängig. Während sich in der Mitte des 15. Jahrhunderts das allerdings nur oberflächlich gesehen sehr einfache und einleuchtende Ordnungsprinzip der Artificialia und Naturalia durch das Studium des schon erwähnten apokryphen Hermes Trismegistos durchsetzte (Grote 1994a, S. 232 f.), geht der Typ der naturwissenschaftlichen enzyklopädischen Sammlung des 16. Jahrhunderts vor allem auf die Paduaner aristotelische Medizinerschule zurück (Leinkauf 1994, S. 537). Diese verlangte nach einer Gesamtklassifikation der Naturgeschichte, so, wie die Sammlungen des 16. Jahrhunderts das dann auch versuchten. Man hatte aber das Wesen vieler Dinge noch nicht geklärt, so dass auch für die Ordnung der Sammlungen die Frage nach den Ursachen wichtig wurde. Auch wurden die neuplatonischen, kosmologischen Denkmuster damit nicht verlassen. Sicher ist, dass Angehörige des uns betreffenden Medizinerkreises wie der Lehrer Michele Mercatis, Andrea Cesalpino, und auch Ulisse Aldrovandi dieser kosmologischen Richtung anhingen (Foucault 1966, S. 33 ff.). Auch Mercati, der die Idiomorphoi, die Steine, die die Gestalt anderer Dinge besaßen, als Gruppe absonderte und sich anschickte, eine Kategorie unter ihnen, die Steingeräte, als Artificialia herauszunehmen, rätselte bezüglich der echten Fossilien noch über eine mysteriöse Verbindung zu den Sternen, die dazu führte, dass die Idiomorphoi (überwiegend Fossilien) in der Erde in diesen merkwürdigen Formen entstehen konnten. Er bezog sich dabei aber mehrfach auf Aristoteles und nicht auf die Neuplatoniker. Alle anderen Erklärungsmöglichkeiten für die Fossilien scheiterten noch an der Frage: „Quis aestus invexerit summis montibus genera concharum?“ – Welche Fluten trugen die Muschelarten auf die höchsten Berge? (Mercati 1717, S. 217, S. 219 f.; Accordi 1980, S. 15 ff.). Damit formulierte Mercati das Grundmotiv für die Forschungen des 17. Jahrhunderts – Beweis und Universalität der Sintflut bzw. einer anderen empirischen Erdgeschichte – und ging damit letztlich auf Xenophanes von Kolophon zurück (siehe S. 111). Die Ordnungen der Sammlungen unterschieden sich aber grundlegend von den theoretischen Vorstellungen. Einerseits entsprachen Sammlungsbeschreibungen, wie wir bei Ulisse Aldrovandi gesehen haben, nicht immer den Sammlungen, sondern einem Vollständigkeitsprinzip, das aus der Literatur vorgegeben war ebenso wie das Gliederungsprinzip (siehe S. 179). Die Aufstellung folgte auch noch anderen Gesichtspunkten: Artificialia wurden – oft auch in den Sammlungspublikationen – nach ihrem Material unter die Naturalia gemischt. Außerdem ordnete man nach der Größe der Objekte oder erdachte allegorische Aufstellungen bzw. eine symmetrische Ästhetik (MacGregor 1994, S. 84 ff.: Pomian 1994, S. 113). Im Museo Cartaceo Cassiano dal Pozzos, das als typische enzyklopädische Sammlung universalwissenschaftlich angelegt war, findet man Zeichnungen aus den Bereichen Zoologie und Botanik, Fossilien, Geologie, ,Naturwunder‘ und Altertümer. Wie bei Ulisse Aldrovandi und Conrad Gesner sind auch Fabelwesen in die tatsächlichen Naturdarstellungen gemischt (Freedberg 2002, S. 362 f.). Bei Cassiano kam die Ordnung für sein
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Papiermuseum aber aus dem humanistisch-antiquarischen Paradigma des FarneseKreises und nicht aus der naturwissenschaftlichen Fakultät. Insgesamt muss man aber positiv konstatieren, dass die Corpora und die Sammlungen einschließlich der botanischen Gärten einem Programm der Wissensvermehrung folgten. Dieses Programm gewann durch die Mediziner oder besser die Vorgänger der heutigen Pharmakologen von der Mitte des 16. Jahrhunderts an immer mehr Gewicht. Gerade dieser Ursprung der naturwissenschaftlichen Sammlungen zeigt deutlich, dass es sich um einen langfristigen Aneignungsprozess von Erkenntnis handelt, sinnvoll und wissenschaftsgeschichtlich notwendig sowie weitgehend unabhängig von ideologischen Schwankungen. Auch in den Antikensammlungen stand die Vermehrung des Materials im Vordergrund, exogene Faktoren vor allem der sozialen Repräsentation spielten jedoch auch eine große Rolle. Völlig fälschlich hat dieses Sammeln den Antiquaren den Ruf geistloser Gier eingetragen: Ohne Material konnten keine weiteren Schlüsse erfolgen, weshalb diese Sammlungsphase zunächst durchschritten werden musste. Dieses Vorgehen ist mit dem Ansatz vergleichbar, aus einer empirischen Merkmalanalyse die Fragestellung erst zu entwickeln (Gebühr 1983). Die ersten stringenten Ergebnisse ließen jedoch nicht auf sich warten, wie die Arbeit Mercatis und die Arbeiten des Onofrio Panvinio und später auch des Johannes Rhode sicher zeigen. Allerdings hatte sich die Einsicht, dass es nicht auf die Fülle des Materials, sondern auf die Qualität der Information über dieses Material ankommt, bisher nur vereinzelt durchgesetzt. Hier liegt ein Hauptunterschied zwischen Mercati und Ulisse Aldrovandi. Letzterer ließ zwar kein mögliches Zitat aus, war aber hinsichtlich der Cerauniae nicht in der Lage, Beobachtungen zu benutzen, da diese zu ungenau waren und deshalb nicht einer sinnvollen induktiv-deduktiven Analyse unterzogen werden konnten. Es ist deshalb wohl auch nicht gerechtfertigt, Aldrovandi als Kronzeugen für die Episteme des 16. Jahrhunderts zu benutzen276. Abschließend muss noch einmal auf das Problem der Fälschungen hingewiesen werden, die ganz offenbar zur Episteme eines Wissenschaftlers besonders unserer zweiten Phase gehörten. Sehr wahrscheinlich nahm das negative Verhältnis des Neuplatonismus zu Realien und Fakten dem Fälschen einer Quelle die für uns bestehende kriminelle Qualität: Für eine Reihe von Gelehrten dieser Zeit lag die Wahrheit jenseits der weltlichen Quellen. In der historischen und archäologischen Forschung besitzen die Fälschungen jedoch eine wichtige Bedeutung für die Entwicklung der Quellenkritik, zunächst besonders in der Epigraphik und Numismatik der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, z. B. bei Antonio Agustín. Eingangs war die Frage gestellt worden, welche Rolle archäologische Erkenntnisse und Methoden, also wissenschaftsimmanente Faktoren im Wissenschaftsprozess spielten und welche Rolle exogenen Faktoren wie Politik, sozialer Herkunft der Beteiligten, der religiösen und philosophischen Weltanschauung und der wissen-
276 So Michel Foucault (1966, S. 55).
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schaftlichen Denkweise oder Episteme zukam. Aus dem bis jetzt Gesagten ergibt sich, dass die beiden Hauptergebnisse der Renaissancearchäologie, die funktionalen Bestimmungen römischer Sachkultur und der beginnende Gewinn nichtrömischer archäologischer Funde für die menschliche Geschichte, einer kontinuierlichen Verfeinerung von Klassifikationsmethoden zu verdanken sind. Deshalb kann man von wissenschaftsimmanenten Prozessen sprechen. Beide archäologischen Arbeitsfelder erreichten in der Zeit bis 1630 die Bildung der ersten Institutionen – 1510 in Rom, 1630 in Schweden. Wenn auch die Bedeutung des Empirismus in der ersten und der dritten Phase überwiegt, so profitierten sie doch beide auch von der in den Jahrzehnten um 1500 herrschenden neuplatonisch-idealistischen Phase, durch die Fragestellungen verändert wurden. Der christliche Glaube an sich und die Stellung vor allem zum Alten Testament erwiesen sich auch für die archäologische Arbeit entscheidend, weniger aber die Konfessionen, die dem allgemeinen Wissenschaftstrend folgten. Was aber die wissenschaftsgeschichtliche Bedeutung des Verhältnisses zwischen Wissenschaft und politischer und sozialer Geschichte betrifft, die Thomas S. Kuhn in beiden Richtungen eher negativ beurteilt hat (Kuhn 1971[1977]), S. 204), so wird sie heute vor allem im Diskurs, d. h. in der Episteme gesehen (Foucault 1966, S. 45 f.; Rheinberger 2007). Das lässt sich für die beiden großen vorgestellten Interpretationskonzepte bestätigen, in die archäologische Forschung während der Renaissance eingebunden war. Zunächst sei aufgrund der bisherigen Darstellung die These vertreten, dass die humanistisch-antiquarische Forschungsrichtung der politisch-sozialen Situation Italiens im 15. Jahrhundert diente. Die Antike wurde hier für die städtischen Oberschichten adliger und bürgerlicher Herkunft das Vorbild eines weltlichen Lebensstils, einer weltlichen Moral und der republikanischen Organisationsform (Kristeller 1980[1990], S. 25; Burke 1987, S. 2; Walther 1998, S. 363 ff.; Muhlack 2002a, S. 33). Dieser Lebensstil erwies sich auch für andere Führungsschichten attraktiv. Die großen städtischen Familien Italiens stellten die meisten Päpste, die auch in der Behandlung der Altertümer zu Vorbildern für andere weltlichen und geistlichen Herrscher wurden, für die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und ihre aufstrebenden Landes- und Kirchenfürsten sowie für die Könige und die führenden Familien in Spanien, Frankreich, England und Skandinavien. Als Auftraggeber der Gelehrten leiteten sie jedoch sehr verschiedene Interessen: Die Italiener wünschten eine Restaurierung der antiken Schrift- und Sachkultur und der ehemaligen Führungsrolle. Das leistete das humanistisch-antiquarische Paradigma. Es ist außerdem evident, dass der Aufbruch der römischen Archäologie bald nach der Beendigung des abendländischen Schismas begann und der Wiederaufbau Roms zur Papstresidenz ein starkes praktisches und ideologisches Motiv darstellte. Die päpstliche Kanzlei wurde auch deswegen zum Zentrum der antiquarischen Forschung der ersten Phase, und ihre Mitarbeiter widmeten sich in mehreren Arbeiten der römischen Stadttopographie. Die Päpste als die Stadtherren Roms und des große Teile Italiens umfassenden Kirchenstaates waren außerdem Herren über die wichtigsten Monumente und damit
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über einen lukrativen Markt. Sie betrieben aber auch aktiven Denkmalschutz und erteilten seit Ende des 15. Jahrhunderts sogar Grabungsgenehmigungen. Gegenüber dem Papsttum standen alle weltlichen Herrschaften in Italien zurück. Allein die Republik Venedig und die Städte Ferrara und Florenz spielten eine größere Rolle, ganz besonders durch die zu diesen Stadtrepubliken gehörenden Universitäten Padua (Venedig), Pisa (Florenz) und Ferrara. Bologna gehörte in der hier wichtigen Epoche zum Kirchenstaat. In den drei anderen Universitäten jedenfalls konnte sich die Wissenschaft ohne direkten päpstlichen Zugriff entfalten. Der venezianische Adel, die Este in Ferrara und die Medici in Florenz sind außerdem früh als Sammler archäologischer Objekte und Förderer von Ausgrabungen hervorgetreten. Die Familie Este spielt sowohl in Tivoli als auch in Ferrara selbst eine Rolle als Auftraggeber von Pirro Ligorio und zeichnet insofern auch verantwortlich für die erste Großgrabung. Die Herrscher der anderen Länder gaben dynastische Geschichten in Auftrag, deren eigentliches Ziel die Überlegenheit gegenüber Rom bildete und die deshalb dem mittelalterlichen weltchronistischen Konzept folgten, auch wenn sie nur regio nale Geschichte zum Ziel hatten. Hierfür griff man aber auf ein höheres Alter und auf eine längere Geschichte zurück und bediente sich, wenn möglich, auch mate rieller Beweise. Man kann deshalb den Prozess der Historisierung urgeschichtlicher Objekte auch als eine Folge dieser politischen Ziele betrachten. Nikolaus Marschalk schrieb 1510/12 in seiner Reimchronik über die Bedeutung der gefundenen Graburnen für Heinrich den Friedfertigen von Mecklenburg: „… dem löblichen Fürsten bey sein Stunden – erwürdig, dass er erst möge schauen – Seiner Vorfahren Altheit mit seinen Augen“ (Marschalk 1510/1512[1739], S. 572; Lisch 1837, S. 16). Ebenfalls politisch erklärt sich der Beginn des Interesses an Stämmen und Völkern vor allem auf der Grundlage der Germania des Tacitus. Diese zunächst ohne archäologische Beteiligung entwickelte Forschung sollte in der weiteren Entwicklung der Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie zu einer der Hauptrichtungen werden. Sogar die ganz großen machtpolitischen Veränderungen der Zeit dürften einen Einfluss auf das archäologische Geschehen gehabt haben. Als eine Folge des Verlustes des östlichen Mittelmeerraums für die Christenheit verlagerten sich die europäischen Machtzentren nach Westen und Norden, während sich gleichzeitig durch die Entdeckungsfahrten der Radius der Welt erweiterte (Klueting 2007, S. 65 ff., S. 92 ff.). Vieles Neue musste verarbeitet und erklärt werden. Neue wunderliche Dinge verlangten nach einem Platz im Wissensgefüge. Es ist evident, dass diese Entwicklung erst das fortgeschrittene 16. Jahrhundert und besonders die enzyklopädischen Sammlungen betraf. Die medizinischen Forschungen innerhalb der naturkundlichen Sammlungen folgten dagegen einem anderen, immanent wissenschaftlichen Prozess, der zwar mit dem Phänomen der Entdeckungen verknüpft ist, aber auch mit der Entwicklung der empirischen Lehre an den Universitäten. Weiterhin beeinflussten die Entdeckungen neuer Völker die Fragen nach dem Ursprung der Menschheit und dem Stellenwert der biblischen Überlieferung (Schnapp 1993, S. 225 f.; Rossi 1997, S. 77 ff.; Gelderen 2003, S. 51 ff.). Ob die Antiqui
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tates des Annius von Viberbo von 1498 schon als eine Reaktion auf diese Entwicklung zu werten sind, muss zumindest erwogen werden, besonders, wenn man die Anknüpfung seines genealogischen Mythos an die biblische unilineare Überlieferung auf Ende 1493 datiert (siehe S. 321, S. 324). Die etwas spätere Interpretation der mexikanischen Kulturen als Kulturen der Alten Welt gehört sicher in diesen Zusammenhang (Laurencich-Minelli 2012, S. 146 und Anm. 6). Die dritte Phase der Renaissance-Archäologie Italiens, die vom Farnese-Kreis und den naturkundlichen Arbeiten der Mediziner besonders Paduas geprägt ist, gehört voll ins Zeitalter der Glaubensspaltung. Dabei zeigt sich, dass die Päpste und Kardinäle der Gegenreformation nicht grundsätzlich wissenschaftsfeindlich waren. Ganz im Gegenteil versuchte man, die aristotelische Scholastik wieder zu beleben (Vorländer 1965, S. 91). Auch die Ansicht, in der Gegenreformation habe man die Beschäftigung mit Klassischen Antiken gegenüber der aufkommenden Christlichen Archäologie vernachlässigt (Wrede 2007, S. 271 ff.), lässt sich angesichts der Arbeiten des Farnese-Kreises zu römischen Themen nicht halten. Es waren dieselben Personen, die klassische Themen behandelten und begannen, sich mit den christlichen Denkmälern Roms auseinanderzusetzen. Arbeit und Sammlung Michele Mercatis wurden durch Papst Gregor XIII. ausdrücklich gefördert. Dieser Papst hat bekanntlich auch die Kalenderreform zum Abschluss gebracht, in der die damals neuesten astronomischen Erkenntnisse berücksichtigt wurden. Da Mercati zum Kreis der päpstlichen Famigliari gehörte, wird er Gelegenheit gefunden haben, seine wissenschaftlichen Ergebnisse mit dem Papst zu diskutieren. Man könnte deshalb vermuten, dass Gregor XIII. plante, das Reformpapsttum an die Spitze der naturwissenschaftlichen Entwicklung zu stellen, was allerdings dann nicht gelang. Jedenfalls ist das negative Schicksal von Sammlung und Schrift Mercatis nach dessen Tod auffallend und müsste weiter untersucht werden. Nicht nur das Werk des vatikanischen Gelehrten litt unter äußeren Umständen. Einige der behandelten Autoren waren ganz persönlich an politischen und kirch lichen Konflikten beteiligt. Annius von Viterbo geriet in die Auseinandersetzungen um das Mariendogma und wurde durch das Amt des Magister sacri palatii selbst zum Zensor. Ulisse Aldrovandi wurde als junger Mann von der Inquisition verfolgt. Inquisition und päpstliche Zensur haben die Ausbreitung der Werke des mit ihm zusammenarbeitenden Conrad Gesner behindert. Jedenfalls fällt auf, dass Gesners Arbeiten in Zürich früher erscheinen konnten als die der Katholiken Aldrovandi und Mercati in Italien. Darüber hinaus lässt sich verschiedentlich zeigen, dass archäologische Quellen ganz direkt politisch gebraucht bzw. intentional aus politischen Gründen gefälscht wurden. In einigen Fällen scheint es, dass Gelehrte als Diener und Gefolgsleute der Elite das fanden und schrieben, von dem sie hofften, dass es ihrer Karriere nützlich sein und ihren Auftraggebern gefallen würde. Annius von Viterbo war ,Fachmann‘ in dieser Hinsicht: Er bediente nicht nur Alexander VI., sondern auch die Familie Farnese und die katholischen Könige Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragón (Weiss 1962b, S. 432; Weiss 1969, S. 126).
4 Ausblick Im 16. Jahrhundert hatten die Entdeckungen der Neuen Welt die Augen der europäischen Gelehrten für die Verschiedenheit von Kulturen geöffnet. Die Erneuerung der griechischen Philosophie hatte die Methoden zur Klassifikation auch kultureller Merkmale bereitgestellt. Schon seit dem 15. Jahrhundert entnahm man der griechischen Historiographie und Ethnographie Methoden zur Überwindung von Mythen und Legenden der Geschichte. Aus der Architektur und dem Vermessungswesen kamen die Methoden für die ersten Grabungsdokumentationen. Die Anwendung dieses Instrumentariums hatte um 1600 entscheidende Ergebnisse gebracht, die freilich noch nicht generell akzeptiert waren. Steingeräte, Keramikfunde und die Runenschrift waren erstmals dem Mythos entrissen und zu Zeugnissen der Geschichte geworden. Damit war die Basis für die Entwicklung der archäologischen Arbeitsfelder und ganz besonders der Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie gelegt, die im Jahre 1630 mit dem schwedischen Reichsantiquarsamt die erste eigene Institution erhielt. Dennoch sollte es noch mehr als 200 Jahre dauern, bis sich dieses Wissensfeld etablieren und unsere Erkenntnis der Menschheitsentwicklung revolutionieren konnte. Der wissenschaftliche Prozess dieser Entstehungsphase ist Gegenstand des zweiten Bandes.
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Personenregister Accursio, Mariangelo (1489–1546) 245 Adalbert (ca.956–997), erster Bischof von Prag 93 Aemilius, Paulus (Veronensis) (ca. 1455–1529) 156, 187, 191–193 Agricius, Mathias (um 1570) 213 Agricola, Georg (1494–1555) 145, 148, 151, 158, 163, 177, 219, 220, 254, 266, 269, 353, 366 Agustín, Antonio (1517–1586) 158, 181, 224, 225, 322, 324, 326, 328, 365, 377 Alberti, Leandro (1479–vermutlich 1552) 348 Alberti, Leon Battista (1404–1472) 139, 143, 155, 182, 183, 205, 206, 207, 228, 229, 230, 231, 287, 293, 300, 309, 360, 365, 366, 368, 370, 372, 373 Albertus Magnus (†1280) 116, 127, 128, 352 Albinus, Petrus (1543–1598) 75, 162, 219, 270, 292, 303, 351, 353, 366, 369, 371, 375 Albrecht V. Herzog von Bayern (1528–1579) 175, 178 Alciato, Andrea (1492–1550) 140 Aldrovandi, Ulisse (1522–1605) 50, 128, 144, 145, 148, 151, 155, 164, 165, 170, 171, 236, 255, 258, 259, 260, 261, 262, 263, 264, 265, 266, 267, 269, 270, 287, 300, 310, 319, 345, 346, 347, 348, 365, 366, 368, 371, 376, 377, 380 Alexander der Große (356–323 v. Chr.) 92, 102, 104, 122, 195, 277, 332, 338 Alexander VI. siehe Borgia, Rodrigo Alexios I. Komnenos (1056–1118) seit 1081 byzantinischer Kaiser 114 Alfonso I. von Neapel, auch Alfonso V. von Aragón (1396–1458) 140 Alfonso II. Este (1533–1597) 154 Amantius, Bartholomaeus (1505–nach 1555) 34, 54, 162, 175, 212, 214, 218, 237, 239, 242, 244, 245, 246, 247, 302, 311, 362 Amerbach, Basilius (1533–1591) 163, 164, 176, 177, 213, 221, 234, 298, 318, 361, 365 Amerbach, Bonifatius (1495–1562) 164, 176 Ammianus Marcellinus (4. Jh.) 344 Anaximander von Milet (ca. 610-n. 547) 111 Annius von Viterbo siehe Nanni, Giovanni Antoninus Pius (86–161), römischer Kaiser 107, 200, 215, 230, 297
Apianus, Petrus (1495–1552) 34, 54, 162, 175, 212, 237, 239, 242, 244, 246, 247, 311, 362 Ariès, Philippe (1914–1984) 47 Aristoteles (384–322 v. Chr.) 97, 99, 104, 106, 113–118, 126, 131, 132, 254, 255, 358, 372, 374, 376 Assalti, Pietro (1680–1728) 149 Augustinus von Hippo (354–430) 104, 105, 121, 122, 124, 125, 307, 316, 321 Aventinus, Johannes (Turmair, Johann Georg) (1477–1534) 161, 162, 176, 180, 202, 214, 215, 217, 235, 249, 285, 297, 298, 301–303, 305, 313, 314, 316, 318, 332, 337, 338, 339, 342, 359, 363 Bacon, Francis (1561–1626) 375 Barberini, Francesco (1597–1679) 154, 155 Barbo, Pietro (1417–1471), seit 1464 Papst Paul II. 155, 169, 170, 172, 203 Barthes, Roland (1915–1980) 30 Bartholin, Caspar (1585–1629) 54, 165 Bastian, Adolf (1826–1905) 16, 69 Bayard, Donn (1940–2002) 27 Beda Venerabilis (ca. 672–735) 121, 123 Bellini, Jacopo (ca. 1400-ca. 1470) 227, 238 Bergier, Nicolas (1567–1623) 223, 305 Bernheim, Ernst (1850–1942) 15, 17, 45 Berosus (4.-3. Jh. v. Chr.), babylonischer Priester und Autor 102, 162, 225, 295, 321, 323, 328, 332, 344, 373 Binford, Lewis R. (1931–2011) 26, 70 Biondo, Flavio, eigentlich Biondo Biondi siehe Blondus, Flavius Bloch, Marc (1886–1944) 46 Blondus, Flavius (Biondo, Flavio), eigentlich Biondo Biondi (1392–1463) 43, 139, 140, 155, 174, 183–185, 187, 188, 189, 196, 200–202, 205–207, 211, 212, 228, 231, 286, 187, 293–295, 299–303, 305–309, 311, 313–316, 320, 321, 323, 325, 329, 331, 354, 355, 360–362, 367, 370, 372 Boas, Franz (1858–1942) 24, 25, 69 Bock, Hans (1550–1624) 234 Boetius, Anselmus siehe Boodt, Anselm de Böhner, Kurt (1914–2007) 13, 14, 41, 86 Bonstetten, Albrecht von (um 1442-um 1505) 160, 193
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Personenregister
Boodt, Anselmus de (1550–1632), auch Boetius, Anselmus 148, 177, 261, 287 Borgia, Rodrigo, spanisch Borja y Lanzol, Rodrigo (1431–1503), Papst Alexander VI. seit 1492 141, 142, 190, 205, 206, 295, 300, 321, 324, 327, 380 Boucher [de Crevecoeur] de Perthes, Jacques (1788–1868) 16, 33 Bourdieu, Pierre (1930–2002) 30, 48 Brant, Berhard (1525–1594) 221 Braudel, Fernand (1902–1985) 30, 46, 48 Broelmann, Stephan (1551–1622) 166, 176, 189, 213, 248, 249 Browne, Thomas (1605–1682) 165 Brunelleschi, Filippo (1377–1446) 205 Bruni Aretino, Leonardo (1369–1444) 185, 354, 355 Brunn, Heinrich (1822–1894) 11 Buoncampagni, Ugo (1502–1585), seit 1572 Papst Gregor XIII. 48, 149, 380 Burckhardt, Jacob (1818–1897) 17, 46, 48, 137, 139, 144 Bure, Johannes, auch Bureus (1568–1652) 196, 199, 202, 217, 251, 252, 333, 366 Büsching, Johann Gustav Gottlieb (1783–1829) 13 Caesar, Gaius Iulius (100–44 v. Chr.) 34, 108, 110, 189, 192, 193, 194, 305, 344 Calvo, Fabio (ca. 1450–1527) 207 Camden, William (1551–1623) 40, 62, 166, 167, 168, 193, 202, 215, 216, 221, 248, 253, 303, 305, 315, 318, 331, 335, 339, 340, 341, 344, 364, 367 Canguilhem, Georges (1904–1995) 50 Cardano, Gerolamo (1501–1576) 144 Carnap, Rudolf (1891–1970) 53 Caro, Rodrigo (1573–1647) 189 Cartari, Vincenzo (um 1531–1569) 227, 310, 311 Cassius Dio (um 163-n. 229) 344 Castiglione, Baldassare (1478–1529) 155, 184, 206, 207, 229, 230, 287, 293, 373 Celtis, Konrad (Bickel, Konrad) (1459–1508) 160, 161, 162, 174, 211, 214, 218, 249, 301, 313, 314, 316, 317, 363 Cervantes, Miguel de (1547–1616) 190 Cesalpino, Andrea (1519–1603) 50, 144, 148, 149, 151, 376 Cesi, Federico (1585–1630) 201
Cesi, Pier Donato der Ältere (1522–1586), Kardinal 155, 201 Chacón, Alfonso (1530–1599) 301, 365 Charles V. (1338–1380), König von Frankreich 172 Cheops (3. Jt. v. Chr.), 2. Pharao der 4. Dynastie (Altes Reich) 95 Chifflet, Jean-Jacques, auch Chifletius, Ioannes Iacobus (1588–1660) 165 Childe, V. Gordon (1892–1957) 21, 24 Cicero, Marcus Tullius (106–43 v. Chr.) 85, 106, 119, 307 Ciriaco d’Ancona, auch Kyriacus Anconitensis siehe Pizzicolli, Ciriaco Clark, John Grahame Douglas (1907–1995) 21, 24 Clarke, David Leonard (1937–1976) 26, 30, 51, 71, 75, 77, 78, 267, 348 Clüver, Philipp (1580–1622) 166, 192, 196, 201, 285, 286, 288, 289, 305, 344, 364, 367 Colet, John (1467–1519) 167 Colonna, Prospero (1410–1463), Kardinal 170, 206 Condulmer, Gabriele (1383–1447), seit 1431 Papst Eugen IV. 139, 142, 155, 170, 204 Conring, Hermann (1606–1681) 167 Cornaro, Nicolo (15. Jh.), Angehöriger eines venezianischen Dogengeschlechts 169, 170 Cornelius Celsus, Aulus (25 v. –50 n. Chr.) 232 Cortez, Hernando (1485–1547) 178 Cotton, Robert of Connington (1570–1631) 249, 250, 344 Cromerus, Martinus (Kromer, Martin) (1512–1589) 266 Cunradi, Caspar (1571–1633) 271, 371 Da Monte, Giovanni Battista (1489–1551) 144, 254 Daniel, Glyn (1914–1986) 23, 24, 33, 40, 41, 44, 47, 64 Darwin, Charles (1809–1882) 16, 49 Dati, Carlo Roberto (1619–1676) 149, 311 Demokrit von Abdera (ca. 460-ca. 380 v. Chr.) 117 Derrida, Jacques (1930–2004) 30 Descartes, René (1596–1650) 375 Dikaiarchos (ca. 375–285 v. Chr.) 117, 131 Dilthey, Wilhelm (1833–1911) 17
Personenregister
Diodorus Siculus (1. Jahrhundert v. Chr.) 101, 104, 113, 124, 321, 325, 326, 327, 329, 363 Dionysios von Halikarnassos (geb. um 60 v. Chr.) 32, 101, 106, 113, 118, 317, 321, 326 Długosz, Jan, auch Longinus oder Dlugossius, Johannes (1415–1480) 161, 218, 352 Dörpfeld, Wilhelm (1853–1940) 20 Douglas, James (1753–1819) 34 Droysen, Johann Gustav (1808–1884) 15, 16 Dünnhaupt, Johann Christian (1716–1786) 13, 62 Dupérac, Étienne (gest. 1604) 309 Durán, Fray Diego (1537–1587) 316, 334 Ebert, Max (1879–1929) 22 Eckhel, Joseph Hilarius von (1737–1798) 11 Edelsheim, Freiherr Wilhelm von (1737–1793) 88 Eggers, Hans-Jürgen (1906–1975) 1, 5, 25, 39, 44, 70, 71 Eichhorn, Gustav (1862–1929) 20 Einstein, Albert (1879–1955) 49 Eisenhoit, Antonius (1553/54–1603) 149, 152, 153, 269, 270, 272, 273, 350, 370, 371 Empedokles von Akragas (ca. 494–434 v. Chr.) 118 Engels, Friedrich (1820–1895) 46 Enikel, Jansen (gest. n. 1302) 274 Epikur (ca. 340-ca. 270 v. Chr.) 114, 111, 117, 118, 119, 131, 355 Eratosthenes von Kyrene (ca. 275-ca. 194 v. Chr.) 112 Esquivel, Pedro (gest. 1570) 216 Este, Isabella d’ (1474–1539), verheiratete Gonzaga 143, 156, 170, 175, 178, 203, 345 Estrées, Gabrielle de (ca. 1570–1599) 180 Eugen IV. siehe Condulmer, Gabriele Fabricius, Georg (1516–1571) 88, 177, 260 Falloppio, Gabriele (1523–1562) 144, 145, 149, 151, 366 Farnese, Alessandro (1468–1549), seit 1534 Papst Paul III. 154, 203, 204, 230, 380 Farnese, Alessandro (1520–1589), Kardinal 151, 154, 157, 203, 204, 232, 248, 296, 359, 365 Fauchet, Claude (1530–1602) 192 Ferdinand I. (1503–1564), seit 1556 Kaiser 178, 180, 280, 343 Ferdinand II. (1529–1595), Erzherzog von Österreich 178
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Ferdinand II. von Aragón (1552–1516), 1474–1504 König von Kastilien 321, 380 Ficino, Marsilio (1433–1499) 372, 373, 374 Fickler, Johann Baptist (1533/34–1610) 163, 179, 220, 250, 271, 341, 352 Flinders Petrie, William Matthew (1853–1942) 25 Fontei, Giovanni Battista, auch Fonteius, Johannes Baptista (16. Jh.) 201 Foresti di Bergamo, Giacomo (1434–1520) 274, 320 Foucault, Michel (1926–1984) 30, 50, 83, 374, 377 Franz I. (1494–1547), seit 1515 König von Frankreich 143, 180 Friedrich I. (1557–1608), seit 1593 Herzog von Württemberg 179 Friedrich III. von Habsburg (1415–1493), seit 1440 Kaiser 157, 161, 172, 173 Friedrich V. Kurfürst von der Pfalz (1596–1632), seit 1610 Kurfürst, 1619–1620 König von Böhmen, sog. Winterkönig 166 Fritze, Wolfgang H. (1916–1991) 51 Frobenius, Leo (1873–1938) 19, 69 Fuchsmagen, Johannes (ca. 1450–1510) 173 Fugger, Jakob, auch Jakob II. oder der Reiche (1459–1525) 159, 169, 173 Fugger, Johann Jacob (1516–1575) 155, 157, 159, 169, 175, 178 Fulvio, Andrea (ca. 1470–1527) 207, 296 Galen (2. Jh. n. Chr.) 145, 270 Galilei, Galileo (1564–1641/42) 151, 155 Gammaro, Tommaso (Ende 15., Anfang 16. Jh.) 212 Gardin, Jean-Claude (1925–2013) 26, 74 Gassendi, Pierre (1592–1655) 187 Gebühr, Michael (geb. 1942) 26, 51 Gerhard, Dietrich (1896–1985) 48 Gerhard, Eduard (1795–1867) 11, 12, 33 Gerhoh von Reichersberg (ca. 1092–1169) 122 Gesner, Conrad (1516–1565) 50, 128, 145, 147, 148, 151, 177, 254–259, 261, 269, 287, 292, 347, 349, 366, 376, 380 Ghiberti, Lorenzo (1378–1455) 169 Ghini, Luca (1490–1556) 144, 148 Ghirlandaio, Domenico (1449–1494) 227 Giddens, Anthony (geb. 1938) 30 Giffen, Albert van (1884–1973) 20 Giganti, Antonio (1535–1598) 262, 265, 266
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Personenregister
Giocondo, Fra Giovanni (ca. 1435–1515) 160, 229, 361 Giorgio Martini, Francesco di (ca. 1439–1502) 228 Giraldi, Giglio Gregorio (1479–1552) 236 Goethe, Johann Wolfgang von (1749–1832) 10 Goldmann, Klaus (geb. 1936) 26 Goltzius, Hubert (1526–1583) 225 Gonzaga, Francesco der Ältere (1444–1483), Kardinal 156, 172, 203 Gonzaga, Gianfrancesco II. (1466–1519), Marchese von Mantua 156, 203 Gossembrot, Sigismund der Ältere (1417–1493), Bürgermeister von Augsburg 159, 160 Graebner, Fritz (1877–1934) 69 Granvelle, Antoine Perrenot de (1517–1586), Kardinal 157 Gregor von Tours (ca. 538–594) 285 Gregor XIII. siehe Buoncampagni, Ugo Gresemund, Dietrich (1477–1512) 160, 162, 175, 176, 212, 239, 280 Grimani, Domenico (1461–1523), Kardinal 169 Gruter, Jan (1560–1527) 166, 167, 212, 223, 248, 316, 318, 365 Guibert von Nogent (ca. 1055-ca. 1125) 110 Gummel, Hans (1891–1962) 3, 23, 36–40, 44, 75, 219 Haarnagel, Werner (1907–1984) 20 Hadrian (Publius Aelius Hadrianus) (76–138), seit 117 römischer Kaiser 296, 308 Hagen, Karl (1810–1868) 355 Hahne, Hans (1875–1935) 20 Harius, Heinrich (16. Jh.), Jurist aus Geldern 213, 220 Hawkes, Charles F. Christopher (1905–1992) 23, 24, 70, 71, 73 Heierli, Jacob (1853–1912) 22 Heinrich I., Deutscher König (um 876–936) 110 Heinrich IV. (1050 –1106), Kaiser 114 Heinrich IV. (1553–1610), seit 1589 König von Frankreich 180 Heinrich V. der Friedfertige (1479–1552), seit 1503 Herzog von Mecklenburg-Schwerin 158, 173, 218, 279 Heinrich VIII. (1491–1547), seit 1509 König von England 167, 168, 216 Hekataios von Milet (ca. 560–480) 103 Hempel, Carl G. (1905–1997) 26
Heraklit (ca. 520–460 v. Chr.) 118 Herder, Johann Gottfried von (1744–1803) 34 Herodot (ca. 485–424. v. Chr.) 87, 91, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 99, 101, 103, 104, 107, 112, 113, 117, 124, 126, 128, 130, 131, 186, 194, 195, 326, 332, 334, 335, 337, 339, 341, 361, 363, 372 Hesiod (vermutlich erste Hälfte 7. Jh.) 116, 117, 118, 119, 120, 121, 124 Heurn, Otto van (1577–1652) 178 Heyne, Christian Gottlob (1729–1812) 11, 42 Hieronymus (347–420 n. Chr.) 121, 321 Hintze, Otto (1861–1940) 47 Hippias (5. Jh. v. Chr.) 32 Hippokrates von Kos (ca. 460–370 v. Chr.) 104 Hippolyt (gest. 235 n. Chr.) 111, 112, 121, 124 Hodder, Ian (geb. 1948) 9, 30, 31 Hoernes, Moriz (1852–1917) 17, 18, 19, 22 Hohenheim, Theophrastus Bombastus von, auch Paracelsus (1493/94–1541) 144, 335 Honorius (384–423), seit 395 weströmischer Kaiser 109 Hurtado de Mendoza, Diego (1503–1575) 157 Huttich, Johann (1490–1544) 175, 239, 245, 246, 247, 280 Ibn Sina, auch Avicenna (ca. 980–1037) 116, 127, 255 Ihm, Peter (1926–2014) 26, 51, 52 Isabella I. von Kastilien, auch Isabella die Katholische (1451–1504), seit 1474 Isidor von Sevilla (ca. 560–636) 112, 114, 115, 121, 123–125, 128, 285, 321, 331, 334 James (1566–1625), seit 1567 König James IV. von Schottland; seit 1603 König James I. von England 168 Jankuhn, Herbert (1905–1990) 21 Joachim von Fiore (um 1135–1202) 122 Johan von Meurs (1579–1639) 166 Johann Jakob Rueger (1548–1606) 164 Joseph Justus Scaliger (1540–1609) 166, 212, 296, 318 Josephus, Flavius (ca. 37–100 n. Chr.) 32, 102, 124, 125, 132, 200, 321 Julius II. siehe Rovere, Giuliano della Karl IV. (1316–1378), seit 1355 Kaiser 86, 93, 172, 182 Karl V. (1500–1558), als Carlos I. König von Spanien, seit 1530 römisch-deutscher Kaiser 143, 178, 180, 190, 315, 334
Personenregister
Keller, Ferdinand (1800–1881) 20 Kentmann, Johannes (1518–1574) 145, 147, 148, 151, 163, 165, 172, 177, 254, 255, 256, 257, 258, 259, 261, 263, 267, 287, 347, 366 Kirchner, Horst (1913–1990) V, 37, 51, 54 Klejn, Leo S. (geb. 1927) 27 Klindt-Jensen, Ole (1918–1980) 41, 42, 44 Königin von Kastilien, seit 1479 Königin von Aragón, seit 1492 Königin von Spanien 321, 380 Koselleck, Reinhard (1923–2006) 47, 48 Kossack, Georg (1923–2004) 21, 23, 27 Kossinna, Gustaf (1858–1931) 17, 19, 20, 22, 23, 28, 37, 38, 39, 43, 44, 68, 69 Kristeller, Paul (1905–1999) 138, 356 Kroisos (ca. 590-ca. 540 v. Chr.), König von Lydien (Kleinasien) 95 Kromer, Martin siehe Cromerus Krösus siehe Kroisos Kühn, Herbert (1895–1980) 39, 40 Kuhn, Thomas S. (1922–1996) 2, 4, 5, 29, 42, 48, 49, 50, 52, 73, 366, 378 Kyriacus Anconitanus, auch Ciriaco d‘Ancona siehe Pizzicolli, Ciriaco Lamprecht, Karl (1856–1915) 17, 19, 46 Lancisi, Giovanni Maria (1654–1720) 149 Landa, Diego de (1524–1579) 316 Lartet, Edouard (1801–1871) 16 Latour, Bruno (geb. 1947) 45, 50 Lavoisier, Antoine Laurent de (1743–1794) 49 Lazius, Wolfgang (1514–1565) 54, 180, 195, 201, 235, 245, 246, 280, 281, 282, 283, 284, 285, 286, 317, 332, 339, 341, 343, 344, 364 Le Goff, Jacques (1924–2014) 47 Le Roy Ladurie, Emmanuel (1929) 43 Leciejewicz, Lech (1931–2011) 26 Leland, John (ca. 1506–1552) 40, 167, 168, 193, 202, 215, 303 Leo X. siehe Medici, Giovanni Leoniceno, Niccolo (1428–1524) 144 Leonidas (gest. 480 v. Chr.), seit 488 König von Sparta 92 Leroi-Gourhan, André (1911–1986) 21 Lévy-Strauss, Claude (1908–2009) 9 Liceti, Fortunio (1577–1657) 165, 166 Ligorio, Pirro (um 1513–1583) 154, 155, 164, 207–209, 224, 225, 229–232, 234, 295, 300, 308–311, 318, 324, 365, 379
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Lindeberg, Peter (1562–1596) 221, 251, 252, 292, 333, 340, 366, 371 Lindenschmit, Ludwig, der Ältere (1809–1893) 13, 14, 34, 67, 69 Lippert, Julius (1839–1909) 17 Lipsius, Justus (1547–1606) 151, 166 López de Velasco, Juan (1530–1598) 216 Lovato Lovati (um 1241–1309) 93 Lubbock, John, Lord Avebury (1834–1913) 34 Ludwig (1554–1593), seit 1568 Herzog von Württemberg (der Fromme) 179, 221, 223 Lukrez (Titus Lucretius Carus) (97–44 v. Chr.) 104, 118, 119, 131, 132, 294, 348, 349, 350, 356 Luther, Martin (1483–1546) 374 Macchiavelli, Nicoló (1469–1527) 182, 192 Magnus, Johannes (1488–1544) 54, 128, 157, 195, 196, 201, 250, 251, 277, 280, 281, 297, 332, 333, 340, 342, 343, 363, 364, 366 Magnus, Olaus (1490–1557) 157, 195, 201, 250, 251, 332, 340, 342, 363, 364, 366 Major, Elias (1588–1669) 271 Major, Johann Daniel (1634–1693) 347 Mallmer, Mats P. (1921–2007) 26 Mantegna, Andrea (1431–1506) 169, 227 Manuzio, Aldo der Jüngere (1547–1597) 224 Manuzio, Paolo (1512–1574) 224 Margarete von Österreich (1480–1530), Statthalterin der Niederlande 175, 178 Maria Theresia (1717–1780), Erzherzogin von Österreich und Königin von Ungarn und Böhmen 11 Maria von Burgund (1457–1482), 1. Gemahlin des späteren Kaiser Maximilian I. 178 Marschalk, Nikolaus (zwischen 1460 und 1470–1525) 42, 158, 161, 162, 166, 173, 174, 176, 179, 195, 196, 201, 202, 215, 218, 219–221, 251, 252, 277, 292, 297, 301, 302, 314, 315, 332, 334, 338, 340, 342, 343, 353, 359, 363, 379 Marx, Karl (1818–1883) 46 Mauss, Marcel (1872–1950) 21 Maxen, Haug von (gest. 1565) 177 Maximilian I. (1459–1519), seit 1486 König, seit 1508 Kaiser 157, 158, 172, 173–175, 178, 194, 196, 214, 218, 249, 331 Maximilian II. (1527–1576), seit 1564 Kaiser 178, 180
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Personenregister
Mayer-Oakes, William J. (1523–2005) 25 Mazzocchi, Jacopo, auch Giacomo (gest. 1527) 237, 238, 245, 249, 300 Medici, Caterina de’ (1519–1589), seit 1547 Königin von Frankreich 180 Medici, Cosimo der Ältere (1389–1464) 155, 170 Medici, Giovanni (1475–1521), seit 1513 Papst Leo X. 143, 184, 206, 229, 293 Medici, Lorenzo il Magnifico (1449–1492) 155, 172, 177, 178, 203, 209, 316, 345, 346, 379 Medici, Piero de’ (1416–1469) 155, 170, 172, 203, 316, 345, 379 Meinecke, Friedrich (1862–1954) 17, 51 Meisterlin, Sigismund (um 1435-n. 1497) 159, 160, 199, 210, 211, 274, 275, 277, 297, 330, 332, 336, 341 Melanchthon, Philipp (1497–1560) 372, 374 Mercati, Michele (1541–1593) 48, 75, 127, 134, 144–146, 148–153, 155, 165, 172, 188, 225, 254, 255, 258, 266–269, 270, 272, 273, 292, 294, 310, 311, 347–351, 353, 360, 366, 368, 369, 371, 375, 376, 377, 380 Mercator, Arnold (1537–1587) 176, 213, 235, 248, 302 Mercuriale, Girolamo (1530–1606) 151, 164, 232, 310, 365 Merhart von Bernegg, Gero (1886–1959) 22 Michelet, Jules (1798–1874) 137, 354 Mirabel, Marquez de (Fedrique de Zuniga y Sotomayor, 1. Marquez de M.) (1475–1537) 181 Momigliano, Arnoldo (1908–1987) 3, 42, 43 Mommsen, Theodor (1817–1903) 14 Monmouth, Geoffrey von (ca. 1100–1154) 125, 339 Montano siehe Da Monte Montelius, Oscar (1843–1921) 18, 19, 68, 70 Morales, Ambrosio de (1513–1591) 189, 190, 191, 216, 217, 235, 292, 298, 315, 339 Mortillet, Gabriel de (1821–1898) 16 Muffel, Nikolaus (1410–1469) 206 Mulich, Georg (15. Jh.), Verwandter von Konrad Peutinger, Augsburg 175 Müller-Karpe, Hermann (1925–2013) 20, 40 Münster, Sebastian (1488–1552) 213, 216, 221, 235, 276, 334, 335, 352, 364 Nanni, Giovanni, auch Annius von Viterbo (vermutlich 1432–1502) VI, 102, 125, 140–142, 158, 162, 175, 185, 189–194, 196,
201, 202, 206, 211, 224, 225, 295, 300, 302, 313, 314, 319–334, 338, 342, 344, 362–364, 370, 373, 380 Neckam, Alexander (1157–1217) 130 Nero (37–68 n. Chr.) 207, 300 Neustupný, Evžen (geb. 1933) 26 Newton, Isaac (1643–1726) 49 Niccoli, Niccolo (1365–1437) 314 Niederle, Lubor (1865–1944) 18 Norbert von Xanten (ca. 1085–1143) 92 Obermaier, Hugo (1877–1946) 22 Ocampo, Florian de (um 1495–1558) 190, 334 Occo III., Adolf (1524–1606) 164 Opitz, Martin (1597–1639) 167, 212, 223 Oppenheim, Paul (1885–1977) 26 Orsini, Fulvio, auch Fulvius Ursinus (1529–1600) 154, 250 Ortelius, Abraham (1527–1598) 166, 234, 298, 302, 316 Otto von Freising (ca. 1112–1158) 121 Ovid (Publius Ovidius Naso) (43 v.–17 n. Chr.) 119, 200 Owen, George (1552–1613) 253 Paaw, Pieter (1564–1617) 178 Pacioli, Luca (ca. 1445-ca. 1517) 143, 229 Páez de Castro, Juan (ca. 1510–1570) 216 Paludanus, Bernhardus (1550–1633) 164, 177 Panciroli, Guido (1523–1599) 154, 232, 308, 310 Panofsky, Erwin (1892–1968) 12 Panvinio, Onofrio (1530–1568) 230, 296, 297, 309, 310, 318, 365, 372, 377 Paracelsus siehe Hohenheim, Theophrastus Bombastus von Parker, Matthew (1504–1575), seit 1559 Erzbischof von Canterbury 168 Paul III. siehe Farnese, Alessandro Paulus, Eduard der Ältere (1803–1878) 20 Pausanias (ermordet 467 v. Chr.), Regent von Sparta 92 Pausanias, auch P. der „Perieget“ (ca. 115–180 n. Chr.) 91, 107, 120 Pedanios Dioskurides (1. Jh.) 115 Peiresc, Nicolas Claude Fabri de (1580–1637) 151, 165, 187, 188 Peisistratiden (6. Jh. v. Chr.), Athener Tyrannendynastie 99 Pelayo, auch Pelagius (gest. 737), Begründer des asturischen, später kastilischen Königshauses 191
Personenregister
Petrarca, Francesco (1304–1374) 86, 135, 139, 155, 161, 182, 294, 296, 306, 335, 354, 360, 372 Peutinger, Konrad (1465–1547) 160, 161, 162, 167, 172, 174, 176, 189, 210, 212, 213, 214, 216, 239, 241, 242, 243, 245, 248, 252, 276, 278, 279, 297, 299, 301, 311, 313, 337, 341, 359, 362 Philipp II. (1527–1598), seit 1556 König von Spanien 190, 191, 216, 303, 339 Piccolomini, Enea Silvio (1405–1464), Papst Pius II. 1458–1464 139, 155–157, 159, 193, 194, 204, 206, 314 Pico della Mirandola (Giovanni Pico Conte della Mirandola) (1463–1494) 373–375 Piggott, Stuart (1910–1996) 21, 40, 41, 42, 44, 47, 253 Pighius, Stephan (1520–1604) 157, 238, 246 Pignoria, Lorenzo, auch Laurentius Pignorius (1571–1631) 154, 165, 232, 233, 238, 310 Pigorini, Luigi (1842–1925) 18 Pinelli, Gian Vincenzo (1535–1601) 151, 164, 187 Pinturicchio (Betto di Biagio, Bernardino di) (1454–1513) 142, 143, 227 Pirckheimer, Willibald (1470–1530) 160, 162, 218, 363 Pius II. siehe Piccolomini, Enea Silvio Pizzicolli, Ciriaco, auch Kyriacus Anconitanus oder Ciriaco d‘Ancona (1391–um 1455) 139, 155, 169, 201, 205, 209, 226, 237, 286 Platon (428/27–348/47) 32, 99, 106, 117, 118, 119, 120, 126, 131, 373 Plutarch (etwa 45–125 n. Chr.) 91, 100, 112, 119, 344 Poggio Bracciolini, Gian Francesco (1380–1459) 109, 155, 156, 169, 174, 176, 182, 183, 188, 189, 193, 200, 201, 203, 205, 206, 211, 236, 299, 307, 314, 326, 348, 357, 372 Polybios (ca. 200–123 v. Chr.) 118 Pomponazzi, Pietro (1462–1525) 144, 254 Pomponius Laetus, Julius (1428–1498) 140, 160, 167, 175, 176, 201, 362 Ponte, Gottardo da (2. Hälfte 15. Jh.-1552) 229 Popper, Karl (1902–1994) 26, 53 Porcacchi, Tommaso (1530–1585) 54, 209, 210, 224, 286, 290, 311, 312 Porcari, Stefano (getötet 1453) 170
435
Poseidonios (ca. 135–51 v. Chr.) 104, 119, 126 Pozzo, Cassiano dal (1588–1657) 43, 154, 177, 232, 311 Probus, Marcus Valerius (1. Jh. n. Chr.) 245 Ptolemaeus, Claudius, deutsch meist Ptolemäus (2. Jh. n. Chr.) 193, 276, 297, 344 Quiccheberg, Samuel (1528–1567) 179, 334, 346 Rabelais, François (gest. 1553) 192, 193 Radcliffe-Brown, Alfred (1881–1955) 21 Raffael siehe Sanzio, Raffaello Ramminger, Melchior (nachweisbar 1520–1540) 174, 274 Ranke, Johannes (1836–1916) 18 Ranke, Leopold von (1795–1886) 15, 52, 53 Rantzau, Henrik, auch Heinrich (1526–1598) 221, 251, 292, 333, 340, 366, 371 Ratzel, Friedrich (1844–1904) 19 Reinerth, Hans (1900–1990) 20, 22 Renfrew, Colin (geb. 1937) 25, 26, 30, 31 Rhenanus, Beatus (Beat Bild) (1485–1547) 158, 159, 163, 175, 212, 213, 225, 322, 337, 363 Rhode, Andreas Albert (1682–1724) 38 Rhode, Christian Detlev (1653–1717) 38 Rhode, Johannes auch Rhodius (1587–1659) 154, 377 Rickert, Heinrich (1863–1936) 17 Ripanda, Jacopo (aktiv Anfang 16. Jh.) 227 Ritter, Carl (1779–1859) 34 Rondelet, Guillaume (1507–1566) 145, 148, 149, 255, 292, 366 Röslin, Helisaeus (1545–1616) 292, 293, 298, 371 Rovere, Francesco della (1414–1484), seit 1471 Papst Sixtus IV. 140, 141, 142, 170, 205 Rovere, Giuliano della (1443–1513), seit 1503 Papst Julius II. 170, 172 Rudolf II. (1552–1612), seit 1576 Kaiser 178, 219 Rupert von Deutz (1070–1129) 122, 213 Ryff, Andreas (1550–1603) 213, 221, 234, 298, 318 Ryff, Walter Hermann (um 1500–1548) 234 Sagredo, Diego de (um 1490-um 1530) 188 Salentin von Isenburg (1532–1610), Erzbischof/ Kurfürst von Köln (1567–1577), Paderborner Fürstbischof (1574–1577), seit 1577 Graf Salentin IV. von Isenburg-Grenzau 158, 213, 220 Salutati, Coluccio (1331–1406) 355
436
Personenregister
Sangmeister, Edward (1916–2016) 28, 69, 71, 75, 77 Santacroce, Andrea (ca. 1402–1472) 224 Sanzio, Raffaello (1483–1520) 143, 184, 206, 207, 215, 227, 229, 230, 237, 287, 293, 361, 373 Saxo Grammaticus (ca. 1140-ca. 1220) 129, 130, 195, 333 Schedel, Hartmann (1440–1514) 159, 160, 175, 188, 189, 202, 206, 211, 213, 218, 274, 276, 277, 297, 301, 302, 320, 323, 325, 328, 330, 331, 334–336, 359 Schedel, Hermann (1410–1485) 159, 160, 175 Schellenberg, Hans Ritter von (1551–1609) 164, 221–223, 334 Schiffer, Michael B. (geb. 1947) 70 Schliemann, Heinrich (1822–1890) 17, 18 Schmidt, Robert Rudolf (1882–1950) 20 Schuchhardt, Carl (1859–1943) 20 Schwantes, Gustav (1881–1960) 20 Scriverius, Petrus, auch Scriver, Schryver, Schrijver, Pieter oder Peter (1576–1660) 166, 196, 197, 235, 236, 305 Seger, Hans (1864–1943) 37 Seneca (Lucius Annaeus Seneca) (ca. 0–65 n. Chr.) 119 Sesostris I., II., III. (griechische Bezeichnung von drei Pharaonen der 12. Dynastie, bei Herodot allgemein für Pharao verwendet) 95, 96 Shanks, Michael (geb. 1959) 31 Sichtermann, Hellmut (1915–2002) 11, 12 Sigismund (1427–1496), seit 1446 Erzherzog von Österreich 172 Sixtus IV. siehe Rovere, Francesco della Smetius, Johannes (1590–1651) 233 Smetius, Martinus (1525–1578) 157, 212, 233 Solinus, Julius (3. Jh.) 114, 352 Solon (ca. 640–560), Politiker in Athen 100 Sommer, Ulrike (geb. 1961) 6, 22 Specklin, Daniel (1536–1589) 164, 223, 298 Spon, Jacques (1647–1685) 32, 33, 34 Spreti, Desiderio, auch Desiderius Spretus (1414–1474) 189, 237, 299, 336 Sprockhoff, Ernst (1892–1967) 20 Stemmermann, Paul Hans (1909–1977) 37, 38, 39, 245, 342 Steuer, Heiko (geb. 1939) VI, 26
Strabon, auch Strabo (64/63 v. Chr. – n. 23 n. Chr.) 90, 101, 102, 112, 194, 341, 344 Strada, Jacopo (ca. 1505/15–1588) 155, 178, 180 Studion, Simon (1543– n. 1605) 163, 164, 179, 199, 214, 221, 222, 234, 334 Stukeley, William (1687–1765) 40 Sueton (Gaius Suetonius Tranqillus) (ca. 70-ca. 120) 85 Tacitus, Publius Cornelius (ca. 55-ca. 120) 102, 107, 108, 110, 118, 128, 131, 158, 189, 192, 193, 194, 202, 307, 313, 314, 316, 317, 320, 321, 323, 326, 329, 332, 336, 341, 343, 344, 356, 359, 361, 364, 367, 379 Talbot, Robert (ca. 1505–1558) 303 Täubler, Eugen (1879–1953) 38 Teilhard de Chardin, Pierre (1881–1955) 53 Tertullian (Quintus Septimius Florens Tertullianus) (160/170– n. 212) 121 Theodosius I. (347–395) 86, 441 Thietmar von Merseburg (975–1018) 110 Thomas von Aquin (1225–1274) 116, 254 Thomsen, Christian Jürgensen (1788–1865) 50, 67 Thukydides (ca. 455–400 v. Chr.) 52, 90, 94, 97–104, 117, 130, 131, 186, 335, 336, 339, 354, 361, 372 Thurneisser zum Thurn, Leonhard (1531–1596) 219, 352 Tilley, Christopher 30, 31, 74 Tramezzino, Michele (nachgewiesen 1539–1582) 192 Trigger, Bruce (1937–2006) 41, 42, 64, 322 Trithemius, Johannes (1462–1516) 332, 344, 362 Tschumi, Otto (1878–1960) 20, 23 Turmair, Johannes siehe Aventinus Uber, Georg (nachweisbar 1644), Breslau 293, 353 Unverzagt, Wilhelm (1892–1971) 20 Valla, Lorenzo (ca. 1407–1457) 224, 335, 336, 339, 361, 372 Valois, Jean de, duc de Berry (1340–1416) 172 Varro, Marcus Terentius (116–27 v. Chr.) 32, 104, 105–107, 117, 118, 123, 124, 126, 127, 131, 306, 316, 317, 343 Vasari, Giorgio (1511–1574) 209, 354 Veit, Ulrich (geb. 1960) 22
Personenregister
Velen, Johan von (1581–1616) 293 Vercingetorix (ca. 82–46 v. Chr.), Fürst der Arverner 190, 192 Vergil (Publius Vergilius Maro) (70–19 v. Chr.) 119, 125, 200, 202, 251, 295, 321, 322, 327, 338, 340 Vergil, Polydor (1470–1555) 125, 156, 158, 167, 193, 202, 314, 315, 317, 339, 340, 344, 364 Verres, Gaius (ca. 115–43 v. Chr.) 85 Vesalius, Andreas (1514–1564) 144, 145, 356 Vico, Enea (1523–1567) 155, 296 Vinci, Leonardo da (1452–1519) 143, 229, 361 Virchow, Rudolf (1821–1902) 16, 17, 18, 39, 69 Viriato (2. Jh. v. Chr.), lusitanischer Freiheitskämpfer 190 Vitruv (Marcus Vitruvius Pollio) (1. Jh. v. Chr.) 107, 109, 131, 145, 184, 188, 223, 228, 229, 230, 234, 287, 309, 360, 361, 368 Vivien, Jean, auch Vivianus, Johannes (ca. 1520–1598) 234, 298 Vocel, Jan Erazim, auch Johann Erasmus Wocel (1803–1871) 14 Voigt, Georg Ludwig (1827–1891) 355 Wahle, Ernst (1889–1981) 23, 37, 38, 39, 40, 44, 51, 70 Weber, Max (1864–1920) 17, 47, 49, 52, 53 Weiss, Roberto (1906–1969) 323, 327, 328 Welcker, Friedrich Gottlieb (1784–1868) 11 Welser, Margarete (1481–1552) 174
437
Welser, Markus (1558–1614) 188, 210, 212, 213, 239, 243, 248, 279, 286, 291, 298, 303, 304, 318, 341, 365, 371 Werner, Joachim (1909–1994) 19 Wilhelm IV. (1493–1550), seit 1508 Herzog von Bayern 162, 214, 215 Wilhelm V. von Bayern (1548–1626), Herzog 1579–1597 179 Wilhelmi, Karl (1786–1857) 37 Willey, Gordon R. (1913–2002) 25 William I. von England (um 1028–1087), seit 1035 Herzog der Normandie, seit 1066 König von England 315, 317 Wiltheim, Alexander (1604–1684) 234 Wimpfeling, Jakob (1450–1528) 163, 175, 194 Winckelmann, Johann Joachim (1717–1768) 10, 11, 33, 42, 67 Wohlgemut, Michael, auch Wolgemut oder Wohlgemuth (1434–1519) 274 Wolf (auch Wolff), Thomas der Jüngere (1475–1509) 160, 163, 175, 212 Wolfram, Sabine (geb. 1960) 1, 22 Worm, Ole (1588–1654) 41, 54, 165, 171, 177, 202, 217, 251, 340, 366 Wrede, Henning (geb. 1939) 3, 42, 157, 169, 201, 235, 238, 246, 307, 357, 380 Xenophanes von Kolophon (zwischen 570 und 467) 103, 111, 376 Zabarella, Jacopo (1533–1589) 144, 350, 366 Zoëga, Georg (1755–1809) 11 Zwinger, Theodor der Ältere (1533–1588) 164
6. Universitäten – Per. Acad. = Peregrinatio academica, steht für den Besuch mehrer Universitäten auf einer Reise. Farbe: Überwiegendes Reisegebiet ■■■ Schrift blau: Italien – Bologna und Padua fett hervorgehoben Abkürzungen: BL = Bologna, FR = Ferrara, FL = Florenz, PD = Padua, PV = Pavia, PS = Pisa, PC = Piacenza, R = Rom ■■■ Schrift lila: Belgien, Niederlande. Abkürzungen: LD = Leiden, LW = Löwen ■■■ Schrift rosa: Frankreich, Spanien. Abkürzungen: AC = Alcalá de Henares, SM = Salamanca, J = Jaén/Baeza, MP = Montpellier, PR = Paris, SV = Sevilla ■■■ Schrift schwarz: Mitteleuropa. Abkürzungen: BS = Basel, EF = Erfurt, F (0)= Frankfurt (O), FRG = Freiburg, HG = Heidelberg, I = Ingolstadt, K = Köln, L = Leipzig, MG = Marburg, N= Nürnberg, RS = Rostock, SS = Schlettstadt/Sélestat (Lateinschule), TB = Tübingen (Pädagogium), ST = Stuttgart (Pädagogium), W = Wien, WG = Wittenberg ■■■ Schrift orange: England. Abkürzungen: CB = Cambridge, LDN = London, OX = Oxford ■■■ Schrift grün: Skandinavien. Abkürzung: KH = Kopenhagen
5. Konfessionen – k = katholisch – p = protestantisch
■■■ Hintergrund blau: Italien ■■■ Hintergrund rosa: Frankreich, Spanien ■■■ Hintergrund grün: Süddeutschland, Schweiz, Elsass ■■■ Hintergrund orange: Mittel- und Norddeutschland, Polen ■■■ Hintergrund lila: Belgien, Niederlande ■■■ Hintergrund gelb: England ■■■ Hintergrund weiß: Skandinavien
1. Herkunft der Autoren
Legende:
16. Objekte als Beweise ■■■ Hintergrund grün: Ur- und Frühgeschichte ■■■ Hintergrund gelb: Antike und andere Archäologie ■■■ Hintergrund weiß: Antike – Schrift links: Fälschung/falsche Beweisführung – Schrift mittig: gelungene Beweisführung Abkürzungen: A= Architektur, B= Bildwerke, C = Ceraunia (Donnersteine), E= Inschriftenobjekt, F= Fibeln, R= Megalithbauten (Riesen), U = Keramik (Naturalia/Urnen/römisch)
15. Urgeschichtskonzepte ■■■ Hintergrund lila: Weltchronistik, Weltalter, Genealogien – x: Ansätze zu nichtbiblischen und archäologischen Stufenkonzepten
11. Zuordnung zu späterer archäologischer Disziplin/Fundart ■■■ Hintergrund blau: Klassische Archäologie ■■■ Hintergrund grün: Provinzialrömische Archäologie ■■■ Hintergrund orange: Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie ■■■ Hintergrund lila : verschiedene Archäologien – Ein Stern: Fundobjekte – Zwei Sterne: Befunde/Denkmäler/Architektur
9 Prospektion/Grabung ■■■ Hintergrund grün: eigene Tätigkeit ■■■ Hintergrund orange: vielleicht eigene Tätigkeit ■■■ Hintergrund weiß: nur Bericht – x: Prospektion – xx: Grabung – xxx: Prospektion und Grabung
7. Hauptstudienfach ■■■ Hintergrund grün: Jura ■■■ Hintergrund blau: Theologie ■■■ Hintergrund weiß: Medizin ■■■ Hintergrund gelb, mit Schrift: Artes liberales ■■■ Hintergrund gelb, ohne Schrift: Lehre oder Studienart nicht bekannt
Tabelle 1: Wichtige Autoren der Renaissancearchäologie – Ausbildung – Berufe – archäologische Tätigkeiten
1 Autor
Petrarca, F. Poggio Bracciolini, G. F. Pizzicolli, C. Blondus, F. Alberti, L. B. Valla, L. Spreti, D. Długosz, J. Pomponius Laetus, J. Meisterlin, S. Nanni, G. Schedel, H. Aemilius, P. Celtis, K. Peutinger, K. Mazzocchi, J. Marschalk, N. Pirckheimer, W. Vergilius P. Wolff, T. Gresemund, D. Giraldi, G. G. Aventinus, J. Castiglione, B. Sanzio, R. (Raffael) Rhenanus, B. Magnus, J. Magnus, O. Apianus, P. Agricola, G. Amantius, B. Rondelet, G. Ligorio, P. Lazius, W. Gesner, C.
3 Tod
1374 1459 n. 1453 1463 1472 1457 1474 1480 1498 n. 1497 1502 1514 1529 1508 1547 1527 ca. 1465 1525 1470 1530 1470 1555 1475 1509 1477 1512 1479 1552 1477 1534 1478 1529 1483 1520 1485 1547 1488 1544 1490 1557 1495 1552 1494 1555 1505 1555/76 1507 1566 1513 1583 1514 1565 1516 1565
2 Geburt
1304 1380 ca. 1391 1392 1404 1407 1414 1415 1428 ca. 1435 ca. 1432 1440 ca. 1455 1459 1465
4 Werk/Aktivität
1359 1440 n. 1435 n. 1440-59 ca. 1440/52 1440 n. 1461 v. 1480 n. 1464 1457/88 1493/98 1493/1505 1488/1517 1502 1505/20 1521 1510/21 1512 1514 1505 1510 1539/48 1507/n. 28 1519 1519 1533 1544 1555 1534 1546 1534 1554 1553 1546/72 1565
5 Konfession k k k k k k k k k k k k k k k k k k/p k k k k k k k k k k k k k k k k k/p
6 Universität MP, BL FL ? PC? PD, BL R ? KR R Per. Acad., PD FL L, Per. Acad., PD R K, HG, Per. Acad., R BL, PD ? LW, HG, EF, WB PD, PV PD, BL? SS, EF, Per. Acad., BL Per. Acad., PD, FR, Bl, R FR, kein Studium? I, W, KR, PR kein Studium Lehre SS, PR Skara, LW ? L, W L, Per. Acad. BL, PD ? PR, MP Lehre?, kein Studium I, W Per. Acad., MP Diplomat päpstl. Sekretär Kaufmann J päpstl. Sekretär J päpstl. Sekretär J päpstl. Sekretär, Professor J ? AL ?, J ? bischöfl. Sekretär, Bischof AL Professor AL, J Mönch, klösterl. Archivar, Lehrer T Mönch, päpstl. Amtsträger M Arzt J Hofhistoriker Frankreich AL Professor J Augsburger Politiker Drucker J Professor J Nürnberger Politiker J päpstl. Kollektor, Hofhistorker England J Kanoniker J Kanoniker, Richter, Scholastiker AL? Hauslehrer AL Hofhistoriker AL? Hofmann, Diplomat Künstler, päpstl. Antikenkommissar AL Buchdrucker T Bischof T Bischof AL? Professor Mathematik M Arzt, Hofhistoriker J Professor M Professor AL? Architekt/Antiquar M kaiserlicher Arzt und Historiker M Arzt
7 Hauptstudienfach J J
8 Beruf
Tabelle 1: Wichtige Autoren der Renaissancearchäologie – Ausbildung – Berufe – archäologische Tätigkeiten 9 Prospektion/Grabung
x x x
x x x x x x
x x
x
x x Runen Runen x
x x x x
x geologisch x zoologisch xxx x geol./zool.
12 Fundabbildungen
11 Archäologien/Fundart x
x
x
x
x x x x
⁕/⁕⁕ x ⁕ ⁕ x
⁕ ⁕ ⁕ ⁕/⁕⁕ ⁕⁕ ⁕⁕ ⁕ ⁕⁕ ⁕ ⁕ ⁕ ⁕
⁕⁕ ⁕ ⁕ ⁕⁕ ⁕
⁕ ⁕⁕ ⁕/⁕⁕ ⁕⁕ ⁕⁕ x ⁕ x ⁕ ⁕⁕ x ⁕ ⁕ Etruskisch ⁕/⁕⁕ x ⁕/⁕⁕ x
x x x x
10 Epigraph./Numismatik
x ? xxx xxx
xxx x
x? xx x
x x xxx xxx
13 Klassifikation x
x x
x
x x
x
x
14 Humanistischer Ansatz x x
x
x
x x x x x x x x x x x x x x x x
x x x x x x x x x
15 Urgeschichtskonzepte x
16 Heidnische Reigion x
x x
x x
x
x x x
x
E
U
E
A E E E C
C R
E, U
E
U
E
17 Objekte als Beweise
2 Geburt
1517 1518 1522 1528 1529 1530 1530 1530 1530 1531 1532 1533 1536 1541 1543 1558 1543 1550 1550 1551 1551 1552 1560 1562 1570 1571 1571 1580 1580 1568 1587 1588 1588 1588 1585 1597
1 Autor
Agustín, A. Kentmann, J. Aldrovandi, U. Quiccheberg, S. Ursinus, F. Panvinio, O. Chacón, A. Mercuriale, G. Porcacchi, T. Thurneisser zum Thurn, L. Isenburg, S. v. Amerbach, B. Specklin, D. Mercati, M. Albinus, P. Welser, M. Studion, S. Boodt, A. de Ryff, A. Schellenberg, H. Ritter von Camden, W. Owen, G. Gruter, J. Lindeberg, P. Cotton, R. of Connington Pignoria, L. Cunradi, C. Peiresc, N. C. Fabri de Clüver, P. Bure, J. Rhode, J. Pozzo, C. da Chifflet , J. J. Worm, O. Bartholin, C. d. Ä. Opitz, M.
3 Tod
1586 1574 1605 1567 1600 1568 1599 1606 1585 1596 1610 1591 1589 1593 1598 1614 1605 1632 1603 1609 1623 1613 1527 1596 1631 1631 1633 1637 1622 1652 1659 1657 1660 1654 1629 1639
4 Werk/Aktivität
1587 1565 ca. 1600 1565 1577 n. 1554 1576 1569 1574 1572 n. 1577 1588 n. 1560 1593 1590 1594 v. 1597 1609 1588 1605 1586 1603 ab 1602 1591 1586 1613 1614 ab ca. 1600 1616 ab 1599 1639 ab ca. 1620 1653/55 1643 ab ca. 1610 ab ca. 1622
6 Universität
AC, SM, Per. Acad. PD, BL L, WB, N, Per. Acad., PD PD, R, BL BS, I, ohne Abschluss privat, kein Studium im Augustinerorden J, SV BL, PD FL, Studium? Lehre, kein Studium K BS, Per. Acad. u a. BL Lehre, kein Studium PS L, F (O), WG PD, PR, R Pädagogium TB, ST LW, HG, Per. Acad. PD Lehre, kein Studium I, FRG, Per. Acad., R. OX LDN CB, LD, Per. Acad. RS, Per. Acad. CB Jesuiten Padua F (O), WG, L, BS Per. Acad., PD p (kalvin.) LD ohne Abschluss p kein Studium Per. Acad., PD k PS k PR, MP, Per. Acad., PD p MG, Per. Acad., PD, MP, BS p KH, Per. Acad., PD, BS p (kalvin.) Gymnasium, HG
5 Konfession k k/p k k k k k k k k/p/k? k p (kalv.) ? k p k p k p k p (angl.) p (angl.) p (kalvin.) p p (angl.) k p
7 Hauptstudienfach J AL J J J? AL J M J AL? AL? M J M M M AL
M J J AL? M
T J
J M J/M M AL? T T M AL?
Bischof Arzt Professor Bibliothekar, Antiquarius Bibliothekar, Antiquarius Farnese Augustinereremit Dominikaner Leibarzt Farnese, Professor Herausgeber, Schriftsteller Goldschmied, Heilpraktiker Bischof, Graf Professor Architekt päpstl. Arzt Professor Augsburger Kaufmann und Politiker Lehrer Arzt Bergbauunternehmer Stadtherr Schuldirektor, Wappenkönig, Professor Lord, Landbesitzer Professor Dichter, Professor Politiker Priester Arzt Stadtpolitiker, Privatgelehrter Professor Reichsantiquar ab 1630 Professor in PD Sekretär des Kardinals Barberini fürstl. Arzt Professor Professor Dichter, Lehrer
8 Beruf
Tabelle 1: Wichtige Autoren der Renaissancearchäologie – Ausbildung – Berufe – archäologische Tätigkeiten (Forts.) 9 Prospektion/Grabung xx xxx xxx x
Runen
x
x
x x Runen
x
x x/Runen x x
x x/Runen
x x
x
x
x x x
x
10 Epigraph./Numismatik
xxx x?
xxx x
x x xxx xxx xxx x xxx x xxx geologisch xxx xxx x xx
x geologisch x, geol./zool. x, botanisch x xxx x
11 Archäologien/Fundart ⁕⁕ ⁕ ⁕ ⁕ ⁕/⁕⁕ ⁕/⁕⁕ ⁕
⁕ ⁕ ⁕ ⁕ ⁕ ⁕/⁕⁕ ⁕ ⁕ ⁕? ⁕/⁕⁕ ⁕⁕ ⁕⁕ ⁕⁕ ⁕ ⁕/⁕⁕ ⁕⁕ ⁕⁕ ⁕ ⁕⁕ ⁕⁕ ⁕/⁕⁕ ⁕⁕ ⁕ ⁕⁕ ⁕ ⁕ ⁕/⁕⁕ ⁕/⁕⁕
12 Fundabbildungen x
x x
x
x x? x x
x
x x x x x
13 Klassifikation
x x x x x x x x ? x? x
x x x x x x x x x x x x
x x x
x x x x
x x x
14 Humanistischer Ansatz x
x x
15 Urgeschichtskonzepte x
x
x x
x
x x
x
x
? x x x x? x
x x
x? x
x x x x x
x
x
16 Heidnische Reigion x
x
Indianer
x
x
x
x
A
F E R
F
F
R
C U E E, A C A A E, R
U
E A, E B B
E C C U
17 Objekte als Beweise
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a
c
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b
Taf. 1: Istanbul, Hippodrom (Konstantin I. und Theodosius I.). 1, a–b. Obelisk Pharao Thutmosis III., geraubt von Kaiser Theodosius I., Südwestseite. 1, a. Gesamtansicht mit dem oberen Teil der spätantiken Basis: Theodosius I. mit seinem Gefolge auf der Tribüne. 1, b. Untere Basis: Wagenrennen auf dem Hippodrom mit den beiden Obelisken und der Schlangensäule aus Delphi. 1, c. Fragment der Schlangensäule aus Delphi, Griechenland, nach 479 v. Chr., geraubt von Kaiser Konstantin. Im Hintergrund links der gemauerte Obelisk. © Michael Kunst.
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Taf. 2: Das methodische Vorgehen Michele Mercatis zur Lösung des Problems der Cerauniae. Phasen 1–3. © Barbara Sasse, Guida Casella.
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Taf. 3: Das methodische Vorgehen Michele Mercatis zur Lösung des Problems der Cerauniae. Phasen 4–6. © Barbara Sasse, Guida Casella.
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b
Taf. 4: Nikolaus Marschalk, Chronicon Rhythmicon de Regibus Obetritarum = Reimchronik, Handschrift Ms 376, zwischen 1521 und 1523, Künstler unbekannt, Deckfarben. 4, a. Das Begräbnis der Obodriten. Original 8,8 cm Höhe und 10,2 cm Breite. Nach: Marschalk, Reimchronik, fol. 18v, Film 10a. 4, b. Alexander der Große mit seinem stierköpfigen Pferd Bukephalos. Original 11,5 cm Höhe und 15,1 cm Breite. Nach: Marschalk, Reimchronik, fol. 7v, Film 10a. © Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern. Fotograf Hubert Metzger (Benz bei Wismar)