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German Pages 620 [622] Year 2019
Jakob Egetenmeyer Der Verbalanschluss im Spanischen
Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie
Herausgegeben von Claudia Polzin-Haumann und Wolfgang Schweickard
Band 430
Jakob Egetenmeyer
Der Verbalanschluss im Spanischen
Kognitiv-syntaktische Analyse nominaler und satzwertiger Akkusativobjekte
Dissertation an der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln, 2016
ISBN 978-3-11-059516-1 e-ISBN (PDF) 978-3-11-059582-6 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-059288-7 ISSN 0084-5396 Library of Congress Control Number: 2019943232 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Integra Software Services Pvt. Ltd. Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
Vorwort Die vorliegende Monographie ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die ich 2016 an der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln eingereicht habe. Viele Menschen haben mich bei der Erstellung und Überarbeitung direkt wie indirekt unterstützt. Ihnen allen gebührt mein großer Dank. Namentlich nennen kann ich nur einige von ihnen. Für umfangreichen inhaltlichen Input danke ich meinem Doktorvater Prof. Dr. Martin Becker. Er hat mich früh in die richtigen, spannenden Bahnen gelenkt. Zu verschiedenen Zwischenschritten hat er mir detailliertes Feedback gegeben. Er hat mich immer wieder ermutigt, Erkenntnisse zu hinterfragen und auch von anderen Seiten zu betrachten sowie meine Schlüsse zu präzisieren und zu vertiefen. Auch meinem Zweitgutachter Prof. Dr. Marco García García möchte ich besonders danken. Hinsichtlich seines Spezialgebiets, der differentiellen Objektmarkierung, hat er mir zu zentralen und zu randständigen Fragen Tipps gegeben. Bezüglich der Abgabefassung hat er mich auf einige Verbesserungsmöglichkeiten aufmerksam gemacht. Im Rahmen verschiedener Vorträge im Linguistischen Kolloquium der Romanistik haben mir einige weitere Kolleginnen und Kollegen Hinweise gegeben. Auch im Bibliotheks- und Büroalltag, auf dem Gang, in der Mensa habe ich verschiedentlich Input bekommen. Ich danke allen dafür und im Besonderen meinen Büronachbarinnen in der Promotionsphase Dr. Sarah Schwellenbach, Dr. Eva Knopp und Cristina Mondaza Peral. U.a. in Forschungsseminaren habe ich viel bei Prof. Dr. Martin Becker, Prof. Dr. Christiane Bongartz und Prof. Dr. Klaus von Heusinger gelernt. Außerdem möchte ich PD Dr. Stefan Barme danken, der in mir den Wunsch zu promovieren geweckt hat. Zudem sei dem Romanischen Seminar der Universität zu Köln gedankt, von dessen Strukturen wie Räumlichkeiten ich profitiert habe. Mein weiterer Dank gilt meinen Eltern und meinen Schwestern, die mich immer unterstützt haben. Ich danke Kirsten und Paul. Auch meiner Tante Hanni möchte ich danken. Meine Freundinnen und Freunde haben mir in den langen Jahren der Promotion gut zugeredet. Im Speziellen danke ich meinen Jungs, die immer wieder „den Egetenmeyer“ für ihr Bücherregal gefordert haben. Mein besonderer Dank gilt den folgenden Personen und Institutionen, die die Durchführung meiner experimentellen Untersuchung möglich gemacht haben: Cristina Mondaza Peral, Ceferino Carracedo und Dr. Ana Vegas Sansalvador für die Unterstützung bei der Vorbereitung und Erstellung der Materialien in Köln, den Universitäten von Valladolid und Salamanca, die es mir ermöglicht haben, das Experiment in Spanien durchzuführen, vor allem Prof. Dr. Emilio Ridruejo https://doi.org/10.1515/9783110595826-202
VI
Vorwort
und Prof. Dr. Teresa Solias Arís von der Universidad de Valladolid und Prof. Dr. Susana Azpiazu von der Universidad de Salamanca sowie den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Vor- und der Hauptstudie. Auch den muttersprachlichen Kolleginnen und Kollegen sei gedankt, die mir weitere Rückfragen zu Sprachdaten beantwortet haben. Für die praktische Unterstützung danke ich Christopher Bürger und meiner Schwester Julia Kautz. Zudem möchte ich mich bei de Gruyter und der Herausgeberin und dem Herausgeber der Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie Prof. Dr. Claudia Polzin-Haumann und Prof. Dr. Dres. h.c. Wolfgang Schweickard für die Möglichkeit bedanken, meine Arbeit in der Reihe zu publizieren. Meinen Ansprechpartnerinnen bei de Gruyter Dr. Ulrike Krauß, Gabrielle Cornefert und Dr. Christine Henschel danke ich für die Unterstützung bei der Publikation.
Inhaltsverzeichnis Vorwort
V
Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis
XII XIII
1 1.1 1.2 1.3
1 Problemstellung Gegenstand der Arbeit 3 Besonderheiten und Relevanz der Arbeit 5 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit 7
2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6
10 Theorie Theoretischer Rahmen 11 Ikonizität 13 Konzepte und mentale Repräsentation 17 Semantische Dekomposition 19 Markierung und Markiertheit 21 Grundlegende Eigenschaften der (Haupt-)Bestandteile der Strukturen 23 Verbale Eigenschaften 24 Nominale Eigenschaften 28 Eigenschaften von eingebetteten Sätzen 31 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur 32 Faktoren zur Beschreibung der DOM und ihre Systematisierung 34 Terminologie und Abgrenzung 37 Lexikalische und die Form betreffende Faktoren 43 Grammatikalisierung 48 Idiomatisierung 53 Tierische Denotate und der Wille des Sprechers 55 Referentieller Status des Objekts 62 Referenz im engeren Sinne 63 Spezifizität 68 Generizität und Typenlesart 83 Topikalität 93 Kurze Zusammenfassung zum referentiellen Status 102 Weitere das Objekt betreffende Ansätze 103
2.6.1 2.6.2 2.6.3 2.7 2.7.1 2.7.2 2.7.3 2.7.3.1 2.7.3.2 2.7.4 2.7.5 2.7.5.1 2.7.5.2 2.7.5.3 2.7.5.4 2.7.5.5 2.7.6
VIII 2.7.7 2.7.8 2.7.9 2.7.10 2.7.11 2.7.12 2.7.13 2.8 2.8.1 2.8.2 2.8.3 2.8.4 2.8.5 2.9 2.9.1 2.9.2 2.9.2.1 2.9.2.2 2.9.3 2.9.4 2.9.4.1 2.9.4.2 2.9.4.3 2.9.5 2.9.6 2.9.6.1 2.9.6.2 2.9.7 2.10 2.10.1 2.10.2 2.10.2.1 2.10.2.2 2.10.2.3 2.10.2.4
Inhaltsverzeichnis
Hierarchisierungen und Skalen 110 Verbklassen: Transitivitätsgrad und Selektionspräferenzen 113 Sekundäre Prädikation 119 Konkurrenzverhältnis zwischen Subjekt und Objekt 124 Ansätze auf der Grundlage von Construction Grammar und Cognitive Grammar 128 Ikonizität und DOM 132 Schließende Worte zu den Faktoren und Ansätzen aus der Literatur 135 Ein neuer Ansatz für die Beschreibung der DOM 136 Formale Komplexität und Komplexitätsikonizität (DOM) 137 Pustejovskys generatives Lexikon 139 Applizierung auf die DOM 153 Ergänzung des Modells: Anreicherung durch einen relationalen Bedeutungsbaustein 165 Überblick über in der Analyse verwendete Kategorien 167 Objektsätze: Eigenschaften und Beschreibung 170 Satzwertigkeit 174 Eigenschaften des Matrixverbs 175 Syntaktische Eigenschaften 176 Semantische Eigenschaften: Faktizität und Implikativität 177 Eigenschaften des Nebensatzes und Verhältnis zum Hauptsatz 179 Das Verb im Nebensatz 180 Tempus und Temporalbezug des Nebensatzes 181 Modus des Nebensatzes 186 Alternanz von finitem und infinitem Nebensatz 195 Auftreten der Konjunktion que 203 Ikonizität bei Objektsätzen (und Übergangsbereiche) 207 Satzverknüpfungsskalen 208 Übergangsbereich zu Verbalperiphrasen 213 Kurze Abgrenzung des hier vorgestellten Ansatzes 224 Bestandteile des Ansatzes zu Objektsätzen 225 Formale Komplexität und Komplexitätsikonizität (Objektsätze) 226 Bestimmung der konzeptuellen Komplexität bei Objektsätzen 227 Bestimmung des Sachverhalts und seiner Eigenständigkeit 229 Skala: Eigenständigkeit der Zeitreferenz 236 Verortung in eigenständiger Welt 241 Zusammenfassung: Konzeptuelle Komplexität bei Objektsätzen 244
Inhaltsverzeichnis
246 3 Methodik 3.1 Korpusanalyse: Verwendete Korpora 246 3.1.1 Annotierte Information in der ADESSE-Datenbank 3.1.2 Korpusabfrage und Arbeit mit den Daten 252 3.2 Experimentelle Datenerhebung 253 3.2.1 Versuchsaufbau und Materialien 255 3.2.1.1 Reaktionstests mit Audioaufnahmen 258 3.2.1.2 Entscheidungstests mit Bildern 267 3.2.1.3 Kritische Diskussion der experimentellen Analyse 3.2.2 Durchführung und Versuchspersonen 277
IX
249
273
279 4 Differentielle Objektmarkierung (DOM) 4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen 279 4.1.1 Verben mit relativ hohem Transitivitätsgrad 281 4.1.1.1 Verben mit sehr hohem Transitivitätsgrad 283 4.1.1.2 Verben mit hohem Transitivitätsgrad 293 4.1.1.2.1 Golpear (‘schlagen’) 294 4.1.1.2.2 Morder (‘beißen’) 300 4.1.1.2.3 Vencer (‘besiegen’) 302 4.1.1.2.4 Espantar (‘verjagen’) 315 4.1.1.2.5 Cazar (‘fangen’, ‘einfangen’) 320 4.1.1.2.6 Parar (‘anhalten’) 323 4.1.1.3 Kurzes Zwischenfazit zu den (sehr) stark transitiven Verben 4.1.2 Verben mit mittlerem Transitivitätsgrad 327 4.1.2.1 Handlungsverben mit mittlerem Transitivitätsgrad 328 4.1.2.1.1 Cambiar (‘verändern’, ‘tauschen’) 329 4.1.2.1.2 Coger (‘nehmen’, ‘ergreifen’; ‘bekommen’) 340 4.1.2.1.3 Abrazar (‘umarmen’; ‘beinhalten’) 348 4.1.2.1.4 Desnudar (‘ausziehen’) 353 4.1.2.1.5 Situar (‘platzieren’) 354 4.1.2.2 Substitutionsverben 359 4.1.2.2.1 Sustituir (‘ersetzen’) 361 4.1.2.2.2 Reemplazar (‘ersetzen’) 370 4.1.2.3 Sprechaktverben mit mittlerem Transitivitätsgrad 373 4.1.2.3.1 Insultar (‘beleidigen’) 373 4.1.2.3.2 Acusar (‘beschuldigen’, ‘anklagen’) 377 4.1.2.3.3 Denunciar (‘anzeigen’, ‘öffentlich verurteilen’) 385 4.1.2.4 Kurzes Zwischenfazit zu den Verben mit mittlerem Transitivitätsgrad 391 4.1.3 Verben mit niedrigem Transitivitätsgrad 391
326
X
Inhaltsverzeichnis
4.1.3.1 4.1.3.2 4.1.3.3 4.1.3.4 4.1.4 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.4 5 5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.2.1 5.1.2.2 5.1.3 5.1.3.1 5.1.3.2 5.1.3.3 5.1.4 5.1.4.1 5.1.4.2 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.3
Tratar (‘behandeln’, ‘umgehen mit’) 392 Abandonar (‘verlassen’, ‘aufgeben’) 400 Contratar (‘einstellen’) 408 Investigar (‘untersuchen’, ‘ermitteln’) 417 Fazit zu den Ergebnissen der Korpusanalyse nach Verbklassen 419 Experimentelle Untersuchung der DOM 423 Akzeptabilitätstests und Reaktionszeitmessung zur DOM mittels Audioaufnahmen 423 Entscheidungstests zur DOM mit Bildern 433 Überlegungen für Folgestudien insbesondere zur DOM 442 Verfeinerung der Nominalklassen 444 Menschliche Denotate 445 Tierische Denotate 475 Zusammenfassung bzgl. der Konkreta und der Abstrakta 480 Fazit zu den Akkusativobjekten 485 487 Objektsätze Korpusanalyse der Objektsätze nach konzeptuellen Bereichen 487 Selektion der Verben und Zuordnung zu Konzeptualisierungsdomänen 489 Eigenständigkeit der Sachverhalte 491 Olvidar (‘vergessen’) 492 Demostrar (‘zeigen’) 498 Eigenständigkeit der Zeitreferenz 507 Jurar (‘schwören’) 509 Afirmar (‘bestätigen’, ‘angeben’) und negar (‘ablehnen’) 517 Weitere Verben 524 Bezugnahme auf eine eigenständige Welt 526 Lexikalische Differenzierung des Weltbezugs: imaginar (‘sich vorstellen’) 526 Grammatikalische Differenzierung des Weltbezugs 537 Experimentelle Analyse der Objektsätze 538 Akzeptabilitätstests und Reaktionszeitmessung zu Objektsätzen mittels Audioaufnahmen 539 Entscheidungstests zu Objektsätzen mit Bildern 545 Überlegungen für Folgestudien zu Objektsätzen 548 Fazit zu den Objektsätzen 549
Inhaltsverzeichnis
6 6.1 6.2
Abgleich der untersuchten Strukturen und ihrer Analyse Struktureller sowie methodischer Abgleich 552 Abgleich der Typen konzeptueller Komplexität 553
7
Fazit
8
Literaturverzeichnis
9 9.1 9.2
580 Wörterbücher Print-Wörterbücher 580 Online-Wörterbücher 580
10 10.1 10.1.1 10.1.2
581 Korpusmaterial Texte in der ADESSE-Datenbank 581 Texte, die das peninsulare Spanisch repräsentieren Texte, die das lateinamerikanische Spanisch repräsentieren 582 Daten aus dem CREA-Korpus 583 Weiteres Datenmaterial 583
10.2 10.3 11
551
556 562
Fragebogen A der experimentellen Studie (Aufgaben und Bildmaterial) 585
581
XI
Abbildungsverzeichnis Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3 Abb. 4 Abb. 5 Abb. 6 Abb. 7
Grammatikalisierungsgrade des Hauptverbs nach Lehmann (1988, 204) 216 Syntaktische Skala mit Verbalperiphrasen nach Lehmann (1988, 192) 223 Skala der Eigenständigkeit der Zeitreferenz 238 Schematische Darstellung zu Beispiel [139] 240 Wahlmöglichkeiten zu den Items mit demostrar (‘zeigen’) 268 Diagramm zur Bildwahl bei [N1] mit vencer (‘besiegen’) 436 Wahlmöglichkeiten zum Item mit sustituir (‘ersetzen’) 440
https://doi.org/10.1515/9783110595826-204
Tabellenverzeichnis Tab. 1 Tab. 2 Tab. 3 Tab. 4
Übersicht des Transitivitätsansatzes von Hopper/Thompson (1980, 252) 25 «The binding scale of event integration» entsprechend Givón (1991, 95) 209 Tabellarische Übersicht untersuchter verbaler Types und DOM 422 Mapping von Wahrheitswerten und Nebensatzrealisierung im Korpus bei imaginar 531 (‘sich vorstellen’, ‘glauben’)
https://doi.org/10.1515/9783110595826-205
1 Problemstellung Im Spanischen1 finden sich zwei syntaktische Strukturen, die bei gleichen funktionalen Verhältnissen jeweils zwei formale Realisierungsmöglichkeiten aufweisen, das verbal regierte Akkusativobjekt und der Objektsatz. Die Frage, welche Unterschiede, insbesondere welche semantischen Unterschiede jeweils mit den beiden Realisierungen einhergehen, bzw. ob überhaupt Unterschiede vorhanden sind, wird in der Forschung vielfältig diskutiert. Bisher ist keine konsensfähige Antwort gefunden worden. Die beiden Strukturen lassen sich wie folgt exemplifizieren. Erstens ist im Spanischen zwischen einem Verb und einem von ihm regierten nominalen Akkusativobjekt das Auftreten des Markers a möglich. Der Marker kann aber auch ausbleiben. Das Phänomen wird nach Bossong (1982) als differentielle Objektmarkierung bezeichnet. Das folgende Beispielpaar veranschaulicht es. [1] Voy a despertar a vuestro padre. (COA:023.14) ‘Ich werde euren Vater wecken.’ [2] Coge las flores de la mesa y se las vuelve a prender en el pecho. (HOT:069.04) ‘Sie nimmt die Blumen vom Tisch und befestigt sie von Neuem an ihrer Brust.’ In Beispiel [1] tritt das Element a auf, in [2] hingegen nicht. Beide Objekt-NPs (vuestro padre, ‘euren Vater’, und las flores, ‘die Blumen’) sind definit realisiert. Sie teilen die Eigenschaft, dass sie im betreffenden Diskurs als bekannt vorausgesetzt werden. Ein klarer semantischer Unterschied besteht darin, dass das erste Objekt eine menschliche, das zweite jedoch eine unbelebte Entität denotiert. Dass der Gegensatz ‘belebt’ vs. ‘unbelebt’ keine ausreichende Erklärung darstellen kann, zeigen jedoch die folgenden Beispiele. [3]
BEGOÑA.- Una cena. Hay que darle una cena. […] ¿Por qué no matamos la vaca Marela? (HOT:046.09) ‘BEGOÑA: «Ein Abendessen. Man muss ein Abendessen für sie ausrichten. Warum schlachten wir nicht die Kuh Marela?»’
1 Ähnliche Phänomene sind auch in anderen Sprachen bekannt. Die vorliegende Untersuchung konzentriert sich auf das Spanische, kann aber möglicherweise anderen Analysen als Orientierung dienen. https://doi.org/10.1515/9783110595826-001
2
1 Problemstellung
[4] Hoy […] llama la atención la falta de cautela con que se insultaba a un país cuyo primer mandatario, el Presidente Eisenhower, había de desfilar pocos años más tarde por las calles de Madrid junto al general Franco […]. (USO:029.34) ‘Heute fällt der Mangel an Vorsicht auf, mit dem man ein Land beleidigte, dessen Staatsoberhaupt, der Präsident Eisenhower, wenige Jahre später neben General Franco durch die Straßen Madrids defilieren würde.’ In [3] wird ein Objekt (la vaca Marela, ‘die Kuh Marela’) mit tierischem Denotat, das ebenfalls definit realisiert und als bekannt vorausgesetzt ist, nicht markiert. In [4] denotiert das Objekt hingegen ein Abstraktum (un país, ‘ein Land’), das zudem indefinit, wenn auch spezifisch ist. Es wird aber a-markiert. Insbesondere das Ausbleiben der a-Markierung in [3] stellt vorhandene Ansätze vor Schwierigkeiten.2 Zweitens sind auch bei spanischen Akkusativobjektsätzen zwei Realisierungen möglich. Der verbal regierte Objektsatz kann mit einer Konjunktion und einem finiten Verb auftreten (s. [5]) oder ohne Konjunktion und infinit realisiert sein (s. [6]) [5]
–Estaba pensando que no entiendo a los hombres –dijo ella. (LAB:116.26) ‘«Ich dachte gerade, dass ich die Männer nicht verstehe», sagte sie.’
[6] Yo me quedo. Pienso pasar aquí todo el invierno. (CAR:155.05) ‘Ich bleibe da. Ich habe vor, den ganzen Winter hier zu verbringen.’ In dem Beispielpaar mit satzwertigen Objekten zeigt sich ein deutlicher semantischer Unterschied. Das lexikalisch gleiche Matrixverb bringt jeweils unterschiedliche Sachverhalte zum Ausdruck.3 In [5] bedeutet es ‘denken’, in [6] jedoch ‘vorhaben’. Auch in den folgenden beiden Beispielen mit infinitem (s. [7]) und finitem (s. [8]) Nebensatz tritt das gleiche Matrixverb auf. Eine Bedeutungsdivergenz scheint aber nicht gegeben zu sein. [7]
El regidor melidense afirma sentirse muy satisfecho y orgulloso por haber tomado parte en esta expedición [...]. (1VO:038–1.1–03) ‘Der Stadtrat Melillas gibt an, sich sehr zufrieden und stolz zu fühlen, an dieser Reise teilgenommen zu haben.’
2 Manche Sprecher lehnen die Struktur ab (s. dazu Kap. 4.2.1). 3 In beiden Sätzen tritt das Verb pensar auf, allerdings mit unterschiedlichen Bedeutungen (s. Fließtext). Eine Argumentation, dass es sich um zwei unterschiedliche Verben handelt, wäre denkbar. Da die Bedeutungsrealisierung nicht von den Argumenten des Verbs entkoppelt ist, wird hier jedoch von einer Bedeutungsaktualisierung eines lexikalischen Elements ausgegangen (s. auch Kap. 2.8.2).
1.1 Gegenstand der Arbeit
3
[8] Un estadounidense acusado de asesinato afirma que lo preparó como «una película» (2VO:017–4.0–03) ‘Ein des Mordes angeklagter US-Amerikaner gibt an, dass er den Mord wie einen Film vorbereitete (oder: vorbereitet hatte).’ Das Hauptverb afirmar (‘angeben’) in [7] und [8] weist die gleiche Bedeutung auf. Die Korrelation der Bedeutungsdivergenz beim Matrixverb mit der unterschiedlichen Realisierung des Objektsatzes der zuvor präsentierten Beispiele ist also nicht generalisierbar. Vor dem Hintergrund gehen Delbecque/Lamiroy (1999, 2027 mit Verweis auf Alcina Franch/Blecua 1975, 976) davon aus, dass es sich bei der finiten und der infiniten Objektsatzrealisierung nach afirmar und verschiedenen weiteren Matrixverben um freie Varianten handelt. Das erfasst die sprachlichen Fakten jedoch nicht (cf. etwa Bolinger 1968, 127 für die Erwartung, dass mit einer divergenten Form ein Bedeutungsunterschied einhergeht). Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass Haupt- und Nebensatz in [7] auf den gleichen Zeitpunkt oder -raum Bezug nehmen, in [8] jedoch auf unterschiedliche. Es gibt also einen Unterschied. Allerdings ist er in der Formulierung keineswegs verallgemeinerbar. Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel, die Unterschiede, die mit den voneinander abweichenden Formen auf konzeptueller Ebene einhergehen, herauszuarbeiten und einheitlich zu systematisieren. Der Erklärungsansatz soll sowohl für verbal regierte nominale als auch für verbal regierte satzwertige Akkusativobjekte Gültigkeit haben. Es soll jeweils ein geeignetes Subset an Strukturen möglichst umfassend beschrieben werden. Als entscheidender Faktor wird die Komplexität angesetzt. In Anlehnung an Givón (2009a, 1s. mit Verweis auf Simon 1962) wird sie als Menge strukturierter Information definiert. Die sprachliche Form wird auf der Grundlage eines Ikonizitätsansatzes aus der konzeptuell-semantischen Ebene heraus motiviert.
1.1 Gegenstand der Arbeit Die vorliegende Arbeit behandelt die verbale Rektion von Nominalobjekten und Objektsätzen auf eine neue Weise. Sie zielt auf eine Beschreibung nach einheitlichen Prinzipien ab. Ihr Interesse gilt der differentiellen Objektmarkierung sowie der Finitheits-Infinitheits-Opposition bei Objektsätzen. Die jeweils oppositiven formalen Realisierungsmöglichkeiten der beiden Strukturen sollen erklärt werden. Vor dem Hintergrund des Ikonizitätsgedankens aus der funktionalen Grammatik werden sie aus der konzeptuell-semantischen Ebene heraus motiviert. Als Faktor, der die einheitliche Beschreibung ermöglicht, wird Komplexität angesetzt.
4
1 Problemstellung
Da die formalen Gegebenheiten leicht zugänglich sind, ergibt sich ein deskriptiver Fokus auf die konzeptuellen Eigenschaften der Strukturen. Es werden ausführlich relevante Parameter der Komplexität besprochen. Wie sich zeigt, sind sie graduierbar. Die Ausprägungen der Komplexitätsparameter werden hierarchisiert. Z.T. können dafür vorhandene Skalen verwendet und bzw. oder verfeinert werden, teilweise werden neue erstellt. In einem weiteren Schritt wird ein in den Skalen angelegtes binäres System herausgearbeitet, womit auch der Abgleich mit der zweigliedrigen formalen Opposition möglich wird (cf. für einen ganz ähnlichen Gedanken in einem etwas anderen Rahmen Giorgi/Pianesi 1997, Kap. 5). Die gemeinsame Behandlung der beiden unterschiedlichen Strukturen wird legitimiert durch das Vorhandensein v.a. dreier paralleler Eigenschaften: In ihnen tritt ein Verb auf, das eine angeschlossene sprachliche Einheit regiert. Die nominal oder satzwertig realisierte angeschlossene Einheit erfüllt in beiden Strukturen die Funktion eines Akkusativobjekts. Der dritte Punkt besteht aus den besprochenen oppositiven Realisierungsmöglichkeiten, die bei beiden Strukturen vorhanden sind. Jedoch fallen auch zwei Divergenzen besonders auf. Aus ihnen ergibt sich die Motivation für eine gemeinsame Behandlung der beiden Strukturen.4 Erstens werden zwei unterschiedliche Einheiten, eine NP und ein Gliedsatz, an das Matrixverb angeschlossen. Damit geht zweitens einher, dass auch das Verhältnis zwischen Matrixverb und angeschlossener Einheit divergieren muss. Interessant ist nun, wie mit den Unterschieden umzugehen ist. Worin bestehen die divergenten Verhältnisse zwischen den Bestandteilen der Strukturen und wie weit muss das Beschreibungsinventar ausdifferenziert sein, um sie erfassen zu können? Die Frage impliziert die wichtige Feststellung, dass die einheitliche keine identische Behandlung sein darf. Die Bestimmung der konzeptuellen Komplexität muss für die beiden Strukturen jeweils individuell erfolgen. Für die nominalen Objekte wird eine einzelne, aber bifaktorielle Skala eingesetzt, die auf der Typen-Theorie aus Pustejovskys generativem Lexikon (1991a; 1995b; 2001) basiert. Der eine Faktor sind die Qualia, die auf Moravcsik (1975) zurückgehen. Der andere besteht in der ein- oder mehrfachen (d.h. komplexen) Typenrealisierung (s. Kap. 2.8). Es ist insbesondere der zweite Faktor, anhand dessen das Mapping zwischen Konzeptualisierung und Form möglich wird. Die typenbasierte Skala erfasst die Konzeptualisierung aller nominalen Objekte in ihrer Einbettung unter das Verb. Für die Beschreibung der satzwertigen Objekte sind hingegen mehrere Komplexitätsparameter nötig, die sich in drei Domänen strukturieren lassen. Es werden die Sachverhalts-, die temporale und die Domäne des
4 Die grundsätzliche Frage, ob die gemeinsame Behandlung überhaupt möglich ist, wird zu bejahen sein (s.u.).
1.2 Besonderheiten und Relevanz der Arbeit
5
Weltbezugs berücksichtigt. Innerhalb der Domänen werden Skalen erarbeitet, die auch anderweitig nutzbar sind. Das für das Mapping nötige binäre Verhältnis wird anhand eines in allen drei Domänen anwendbaren Merkmals vorgenommen, der Eigenständigkeit innerhalb der Domänen. Wie eingehend gezeigt wird, ist Komplexität die den vielschichtigen Ansatz einende Eigenschaft. Dennoch wird in Kap. 6 die Frage noch einmal gezielt aufgegriffen, worin letztlich die deskriptiven Gemeinsamkeiten bestehen. Die Applizierung des Beschreibungssystems wird anhand eines repräsentativen Ausschnitts der spanischen Verbalrektion umfassend vorgestellt, wobei auch die Relevanz des Faktors der Komplexität eingängig belegt wird. Die Okkurrenzen der Korpusuntersuchung, sowohl typische Fälle als auch solche mit geringer Frequenz, lassen sich mit sehr weitgehender Vollständigkeit erklären. Der hier vertretene Ansatz setzt sich so von anderen ab, die entweder bei einer ganzheitlichen Herangehensweise einige Okkurrenzen unerklärt lassen oder aber von vornherein nur Okkurrenzen mit bestimmten Merkmalen berücksichtigen. Für die umfassende Behandlung der Strukturen müssen auch die regierenden Verben mit in den Blick genommen werden. Sie werden hinsichtlich diverser Facetten detailliert beschrieben. Ihre Relevanz für die Realisierungsoppositionen wird in Abgrenzung von der betreffenden Forschungsliteratur diskutiert. Wie sich zeigt, ergeben sich für lexikalische Gruppen von Verben grundsätzlich deskriptiv relevante Tendenzen, besonders bei den Nominalobjekten aber keine einheitlichen Korrelationen. Nichtsdestotrotz wird die Systematik des Analysekapitels zur differentiellen Objektmarkierung an ihnen ausgerichtet, da das methodische Vorteile bietet. Durch die eingehende Behandlung leistet die Arbeit einen wichtigen Beitrag zur Beschreibung von Verben, insbesondere in Hinblick auf ihre transitiven Eigenschaften.
1.2 Besonderheiten und Relevanz der Arbeit Der theoretische Rahmen der vorliegenden Arbeit verbindet verschiedene Ansätze zu einer in unterschiedlicher Hinsicht neuen Theorie. Das Beschreibungssystem und die Ausgestaltung zentraler Bestandteile sind eigenständig. Einige wichtige Besonderheiten der Arbeit sollen im Folgenden überblicksartig vorgestellt werden. Als erste Besonderheit ist zu wiederholen, dass im Rahmen der Arbeit zwei unterschiedliche Strukturen umfassend und nach einheitlichen Prinzipien beschrieben werden. Der erarbeitete theoretische Ansatz präsentiert Komplexität als zentrales abstraktes Merkmal. Sie wird als Menge strukturierter Information definiert (cf. Givón 2009a, 1s. nach Simon 1962) und, da sie den Ikonizitätsgedanken
6
1 Problemstellung
der funktionalen Grammatik zugrunde legt, auf formaler sowie insbesondere auf semantisch-konzeptueller Ebene bestimmt. Die konzeptuelle Komplexität wird hierarchisierend gerankt, was als wichtige Besonderheit der vorliegenden Arbeit hervorzuheben ist. Es werden dabei verschiedene Skalen verwendet, etwa für die Nomen eine in der Typen-Theorie Pustejovskys (2001) angelegte. Sie werden z.T. leicht verfeinert, teilweise aber auch stark weiterentwickelt (s. etwa die Skala der Eigenständigkeit der Zeitreferenz, Kap. 2.10.2.2). Die mehrstufigen Skalen müssen auf die binäre formale Opposition gemappt werden ([± komplex]). Dafür wird eine in den Skalen angelegte binäre Opposition herausgearbeitet (cf. für ein ähnliches Vorgehen Giorgi/Pianesi 1997, Kap. 5). Das Prinzip ergänzt die Skalen um ein zusätzliches, neues Kriterium und führt zu relevanten Erkenntnissen. Von besonderem Wert ist aber v.a. die konzeptuelle Kategorisierung, die auch eine Verfeinerung der Nominalklassen ermöglicht (s. Kap. 4.3). Da der vorhandene Faktorenpool bzgl. beider Strukturen um einen weiteren, die konzeptuelle Komplexität, ergänzt wird, werden z.T. neue Eigenschaften ersichtlich. Ebenfalls gewinnbringend ist die Bestimmung von Bausteinen in der konzeptuellen Struktur (s. bspw. die Beschreibung von vencer, ‘besiegen’, Kap. 4.1.1.2.3). Im vorangegangenen Kapitel wurde bereits angesprochen, dass die detaillierte Behandlung und Systematisierung der Verben und Verbklassen u.a. in Hinblick auf Transitivitätsskalen zu neuen Erkenntnissen führt. Darüber hinaus sind die folgenden kleineren relevanten Forschungsbeiträge zu nennen. Die Anwendung der Typen-Theorie Pustejovskys (1991a; 1995b; 2001) auf die DOM ist neu. Die ausführliche Applizierung erfüllt auch die Forderung Pustejovskys (2011, 1426) nach einer Anwendung von Bestandteilen seiner Theorie auf größere Datenmengen. Besonders erwähnenswert ist in dem Zusammenhang die Argumentation für einen relationalen Typen im Zusammenhang mit Substitutionsverben (s. Kap. 4.1.2.2). Ein Alleinstellungsmerkmal der Analyse (s.u.) ist, dass sie sehr stark ins Detail geht. So kann auch gezeigt werden, dass die aspektuelle und die Temporalstruktur bestimmter Verben Lesarten lizensieren können, bei denen die Bedeutung von der Grundbedeutung abweicht (s. u.a. das Kap. 4.1.2.1.3 zu abrazar, ‘umarmen’). Unter den verschiedenen weiteren erarbeiteten Zusammenhängen findet sich bspw. eine Präzisierung des Mappings von Wahrheitswerten und der Nebensatzrealisierung bei imaginar (‘sich vorstellen’) (s. Kap. 5.1.4.1). Neben der ausführlichen Ausarbeitung des theoretischen Ansatzes und der diversen Detailerkenntnisse ist die umfassende Methodik herauszustellen. Einerseits werden wie angedeutet repräsentative Subsets der Strukturen im Rahmen von Korpusuntersuchungen besonders detailliert beschrieben (s. Kap. 4.1 und Kap. 5.1). Dabei kommt die ADESSE-Datenbank zum Einsatz (http://adesse. uvigo.es). Die Daten werden mit gezielten Anfragen an das CREA-Korpus ergänzt (http://corpus.rae.es/creanet.html). Die vertretene Theorie kann so umfassend
1.3 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit
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belegt werden. Andererseits werden zusätzlich experimentelle Studien durchgeführt, um die Relevanz der Theorie für die Verarbeitung zu überprüfen (s. Kap. 4.2 und 5.2). Mittels Audioaufnahmen werden Reaktionen elizitiert, die Reaktionszeitmessungen erlauben, aber auch Akzeptabilitäten abfragen. Zudem werden Entscheidungstests mit Bildern realisiert. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem (iberischen) Spanisch. Sie richtet sich insofern an Romanistinnen und Romanisten sowie Hispanistinnen und Hispanisten im Besonderen. Sie präsentiert allerdings einen gewichtigen theoretischen Anteil und die Datenanalyse kann gewissermaßen als exemplarisch betrachtet werden. Insofern richtet sie sich auch an Sprachwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler anderer Philologien sowie allgemeine Linguistinnen und Linguisten. Um auch denjenigen, die des Spanischen nicht mächtig sind, die verwendeten Beispiele zugänglich zu machen, wird stets eine Übertragung ins Deutsche hinzugefügt.
1.3 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit Wie die einleitenden Kapitel zeigen, hat die Arbeit ein weites Analyseinteresse. Sie nimmt zwei unterschiedliche Strukturen in den Blick. Sie präsentiert einen Ansatz, der sich auf beide Strukturen applizieren lässt, dabei aber zunächst nur auf einer Art Metaebene generalisiert, in Hinblick auf die Strukturen hingegen wichtige Details erfasst. Die Eigenschaften der Strukturen werden unter Rückgriff auf die umfangreiche Forschungsliteratur auf einer Vielzahl an Ebenen berücksichtigt. Die Methodik umfasst zwei unterschiedliche Techniken, Korpusarbeit einerseits und experimentelle Studien andererseits. Die Arbeit ist klassisch aufgebaut und in sieben Hauptkapitel gegliedert. Es werden jeweils ggfs. zunächst für beide Strukturen relevante Fragestellungen behandelt, dann solche, die die differentielle Objektmarkierung betreffen, und schließlich jene, die sich besonders mit Objektsätzen beschäftigen. Nach dem Einleitungskapitel werden der theoretische Ansatz und die untersuchten Strukturen vorgestellt. Dem Theoriekapitel liegt also eine Dreiteilung zugrunde. Im ersten Block (Kap. 2.1 bis 2.6.3) werden zentrale Konzepte erläutert. Ihre Relevanz für die Arbeit wird aufgezeigt. Zudem werden wichtige Bestandteile des Analyseobjekts, d.h. der behandelten Strukturen, überblicksartig vorgestellt. Dabei wird die Stoßrichtung der Arbeit verdeutlicht. Daraufhin werden nacheinander für die beiden Strukturen jeweils die Forschungsliteratur aufgearbeitet und der hier vertretene Ansatz vorgestellt. Der zweite Block widmet sich der differentiellen Objektmarkierung (Kap. 2.7 bis 2.8.5), der dritte den Objektsätzen (Kap. 2.9 bis 2.10.2.4). So werden einerseits die Eigenschaften der Strukturen aufgearbeitet,
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1 Problemstellung
andererseits aber auch unterschiedliche Beschreibungsansätze dargelegt. Der hier vertretene Ansatz wird jeweils in Abgrenzung zur vorhandenen Literatur in seiner Spezifizierung für die beiden Strukturen vorgestellt. Die Unterkapitel präzisieren das analytische Instrumentarium der vorliegenden Arbeit, die Parameter der Analyse und ihre Ausprägungen. Das dritte Kapitel präsentiert die Methode. Einerseits wird der Umgang mit den Korpora dargelegt. Andererseits wird die experimentelle Datenerhebung besprochen. Es geht sowohl um den Versuchsaufbau und die verwendeten Materialien (der Anhang enthält ergänzend eine Variante des Fragebogens) als auch um die konkrete Durchführung in Deutschland und besonders in Spanien. Im vierten und fünften Kapitel wird die Analyse präsentiert. Im vierten Kapitel werden Strukturen mit nominalem, im fünften dann solche mit satzwertigem Akkusativobjekt behandelt. Die beiden großen Analysekapitel zu den untersuchten Strukturen (Kap. 4 und 5) sind parallel aufgebaut. Zunächst wird der Ansatz jeweils auf die Korpusdaten appliziert. Der Aufbau der beiden Unterkapitel zur Korpusanalyse, Kap. 4.1 und 5.1, basiert auf unterschiedlichen Kriterien. Im Falle der differentiellen Objektmarkierung wird der Transitivitätsgrad der regierenden Verben verwendet. Ausgehend von sehr stark transitiven Verben (bspw. matar, ‘töten’) werden Okkurrenzen mit immer schwächer transitiven Verben besprochen. Die Korpusanalyse der Objektsätze wird anhand dreier Domänen aufgebaut, die im Rahmen der Analyse für die behandelten Strukturen und ihre Konzeptualisierung entscheidend sind. Im Anschluss an die Präsentation der Korpusdaten wird jeweils die zugehörige experimentelle Untersuchung vorgestellt. Wie in Kap. 3.2.1ss. erläutert wird, umfasst sie je zwei Hauptbestandteile, die in entsprechenden Unterkapiteln referiert werden. Das Kapitel zu den Nominalobjekten wird zusätzlich ergänzt durch Verfeinerungen bzgl. üblicher Nominalklassen. Im sechsten Kapitel wird die Analyse durch einen Abgleich der beiden Strukturen und der Bestandteile der spezifischen Beschreibung vervollständigt. Im Fazit werden schließlich das Vorgehen und die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst. Das Analysekapitel zur differentiellen Objektmarkierung (Kap. 4) ist länger als das zu den Objektsätzen (Kap. 5). Dies hat den folgenden Grund. Im Falle der differentiellen Objektmarkierung geht der Nutzen der umfangreichen Detailanalyse deutlich über den Selbstzweck hinaus. Sie ermöglicht es, Erkenntnisse abzuleiten, die über das konkrete Phänomen der DOM hinaus von Bedeutung sind (s. nicht nur, aber besonders Kap. 4.3). Bei den Objektsätzen ist das nicht in gleichem Maße der Fall. Hier formt die Arbeit ein in Teilen neues und verfeinertes Klassifikationssystem, das zwar nicht nur für Finitheitsdivergenzen relevant ist, dessen Applizierbarkeit aber vermutlich in der Hauptsache auf den Phänomenbereich der Objektsätze und zudem den Übergangsbereich zu den Verbalperiphrasen
1.3 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit
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beschränkt bleibt. Erst eine wesentlich breiter angelegte Untersuchung würde den Erkenntnisrahmen erweitern. Es sei in dem Zusammenhang etwa auf die Satzverknüpfungsskalen verwiesen (s. Kap. 2.9.6.1). Ein solches Unterfangen würde aber nicht der Zielsetzung der vorliegenden Arbeit entsprechen. Nichtsdestotrotz liefert die vorliegende Arbeit auch dafür eine geeignete Grundlage, die zukünftigen Studien als Orientierung dienen kann.
2 Theorie Die vorliegende Arbeit verfolgt einen kognitiv-syntaktischen Ansatz. Sie behandelt mehrere syntaktische Strukturen. Der Fokus liegt auf nominalen und satzwertigen Akkusativobjekten. Sie werden nach einheitlichen Prinzipien untersucht. Ausgangspunkt ist die Relationierung von Form und Konzeptualisierung. Das vorliegende Theoriekapitel führt die Grundlagen ein. Dazu gehört einerseits der grobe Rahmen, in dem sich die Arbeit bewegt (s. Kap. 2.1). Zweitens sind die vereinheitlichenden Prinzipien darzulegen. Der die Arbeit einende Ansatz, der die Meta-Theorie bildet, ist der Erklärungsansatz der Ikonizität. Er bringt Form und Konzeption bzw. Semantik in ein motiviertes Verhältnis (s. Kap. 2.2). Die oberflächliche Form der hier behandelten Strukturen ist direkt zugänglich. Mehr Diskussionsstoff liefert die semantisch-konzeptuelle Ebene. Diesbezügliche Grundlagen werden anhand des Konzeptbegriffs erarbeitet, wobei auch auf mentale Repräsentationen Bezug genommen wird (s. Kap. 2.3). Aufgrund der Ausrichtung der vorliegenden Arbeit, die theoretische kognitive Modelle ansetzt (cf. bspw. Langacker 1987 sowie insbesondere die funktionalistische Tradition im Sinne Givóns 2001), werden neurologische Zusammenhänge weitgehend ausgeblendet. Zentral für die Analyse ist allerdings die Methode der Dekomposition. Hier wird repräsentativ die semantische Dekomposition besprochen (s. Kap. 2.4). Im Zuge der Darlegung des vertretenen Ansatzes zu den beiden Strukturen werden verschiedene deutlicher konzeptuelle Vertiefungen angeführt (s. v.a. Kap. 2.8.3 und Kap. 2.10.2). Die Markierung wird in der vorliegenden Arbeit in erster Linie als formales Kriterium angesetzt. In Kap. 2.5 werden ihre Relevanz und abzugrenzende Begriffsverwendungen behandelt. Für die Behandlung der verschiedenen Strukturen sind insbesondere verbale Eigenschaften (s. Kap. 2.6.1) und die Eigenschaften des Nomens wichtig (s. Kap. 2.6.2). In den Kapiteln unter 2.6 werden mehrere Ansätze vorgestellt, die für beide Strukturen relevant sind, auch wenn sie bspw. bereits Verben und Nomen im Verhältnis zueinander betrachten. Es sind insbesondere der Transitivitätsansatz Hopper/Thompsons (1980) sowie bspw. die Verbklassifikation Lehmanns (1991) zu nennen, die Verben vor dem Hintergrund betrachtet, wie sie Sachverhalte darstellen. Daraufhin werden Eigenschaften und Beschreibungsmöglichkeiten für die beiden Strukturen getrennt in den Blick genommen. Besonders relevante theoretische Ansätze werden ausführlich vorgestellt. Kap. 2.7 behandelt Nominalobjekte und die differentielle Objektmarkierung, Kap. 2.9 entsprechend Objektsätze. Zudem wird die hier vertretene Theorie dargelegt. So ist der Beschreibungsansatz zur Objektmarkierung Thema von Kap. 2.8, derjenige zu den Objektsätzen wird in Kap. 2.10 präsentiert. Die eigentliche Analyse erfolgt dann in den Kap. 4 und 5. https://doi.org/10.1515/9783110595826-002
2.1 Theoretischer Rahmen
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2.1 Theoretischer Rahmen In der vorliegenden Arbeit wird ein mehrschichtiges Modell erarbeitet. Es gründet ideell und zum Teil methodisch auf den Ansätzen der funktionalen (cf. bspw. Givón 2001) und der kognitiven Syntax im Sinne etwa Langackers (1987; 1991). In der Analyse werden auch klassisch strukturalistische Konzepte angewandt. Zudem wird der theoretische Ansatz um entscheidende Bestandteile aus weiteren Modellen ergänzt, die z.T. anderen Schulen entspringen. Bspw. wird für die semantische Beschreibung der Nominalobjekte ein generativer Ansatz herangezogen (Pustejovsky 1991a; 1995b). Hinsichtlich der Methodik ist insbesondere die Verwendung von Korpora zu nennen sowie der punktuelle Einsatz von zusätzlichen empirischen Verfahren. Trotz der grundsätzlichen Offenheit und zielgerichteten Verquickung stellen funktionale und kognitive Modelle den Ausgangspunkt der Arbeit dar und geben ihr eine wichtige Orientierung. Die funktionale Grammatik versucht, «die Gesamtheit der Aspekte, die bei der sprachlichen Interaktion auftreten, im Rahmen einer Grammatiktheorie zu erfassen» (Jungen/Lohnstein 2007, 200). Aus dem kommunikativen Fokus folgt die gleichzeitige Berücksichtigung von Syntax, Semantik und Pragmatik (cf. ibid., 200s.). Jungen/ Lohnstein (2007, 202) geben an, dass «[d]ie zentralen sprachlichen Einheiten der funktionalen Grammatik […] einfache und abgeleitete Prädikate» sind. Die Behandlung der einfachen Prädikate, Verben und Adjektive, berücksichtigt deren Valenzund Subkategorisierungseigenschaften sowie die thematischen Rollen (cf. ibid.). Jungen/Lohnstein (2007, 200) nennen Simon C. Dik als Begründer, der auch bereits pragmatische Elemente in die Theorie einfließen ließ (cf. ibid., 203 mit Verweis auf Dik 1978, 19). Givón (1995, 1ss.) zeichnet eine recht weit angelegte und detaillierte Geschichte der funktionalen Linguistik, in der auch ihre Vorläufer berücksichtigt (cf. auch Givón 2001a, 1ss., ferner auch Admoni 2008 mit allerdings etwas anderem Fokus). Er sieht erste Veranlagungen bereits bei Aristoteles (cf. Givón 1995, 2ss.), was hier nicht im Einzelnen nachgezeichnet werden soll. Allerdings sei in dem Zusammenhang die europäische strukturalistische Sprachwissenschaft erwähnt (cf. auch ibid., 5ss.), die u.a. wichtige methodische Grundlagen für die funktionale Syntax liefert und in der romanistischen Forschung generell häufig rezipiert wird. Als besonders einflussreiche Wissenschaftler seien Ferdinand de Saussure und Roman Jakobson genannt. Neben der grundlegenden Sprachbetrachtung sind im Rahmen der vorliegenden Arbeit die Operationalisierung von Oppositionen und das Prinzip der Merkmalsanalyse von großer konzeptioneller Relevanz. Die funktionale Grammatik im Sinne etwa Givóns (1995; 2001), Haimans (1985) ist weniger eng, evtl. auch präzise gefasst als verschiedene andere verwandte Theorien. Attraktiv ist sie einerseits, weil sie wie auch verwandte Ansätze
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2 Theorie
mehrere sprachliche Ebenen berücksichtigt. Oben wurden Syntax, Semantik und Pragmatik genannt. Gerade die Verbindung von formalen mit inhaltlichen bzw. kommunikativen Bestandteilen bietet verschiedene Möglichkeiten, die stärker formal orientierte Ansätze nicht oder nur deutlich weniger facettenreich erfassen können. Auch die Berücksichtigung kognitiver Prinzipien und die Kompatibilität mit kognitiven Ansätzen etwa Langackers (1987; 1991) oder auch Jackendoffs (2002)5 bzw. mit Bestandteilen der genannten Ansätze bieten entscheidende deskriptive Vorteile. Anderseits erlaubt und motiviert die funktionale Grammatik einige Metaprinzipien als relevant für die Erfassung sprachlicher Phänomene und mithin auch für die Sprachbeschreibung. Darunter fallen etwa die Konzepte der Prototypentheorie (cf. Givón 2001a, 29ss.), Ikonizität (cf. ibid., 34ss.) sowie Markiertheit und Frequenz (cf. ibid., 37ss.). Die Themen, von denen im vorliegenden Rahmen die Ikonizität die wichtigste Rolle spielt, werden in den folgenden Unterkapiteln aufgegriffen. Die kognitive Linguistik ist u.a. hinsichtlich des Konzepts einer schematischen Konzeptualisierung ideengebend. Langacker (2008) definiert seine bildhaften Schemata («image schemas», ibid., 32) wie folgt: «Image schemas are seen as basic, ‹preconceptual› structures that give rise to more elaborate and more abstract conceptions (or at least provide their skeletal organization) through combination and metaphorical projection» (Langacker 2008, 32).
Schemata gründen auf körperlichen Erfahrungen des Menschen in den Bereichen «vision, space, motion, and force» (ibid.). Sie sind grundlegend für den Ansatz Langackers, den er selbst mit Ansätzen vergleicht, die Propositionen zugrunde legen (cf. ibid.). Langacker (2008) weist auf gewisse Parallelen zu den semantisch-konzeptuellen Strukturen Jackendoffs (1990) hin (cf. Langacker 2008, 32 mit Verweis auf Jackendoff 1983). Langacker (2008, 32s.) sieht einen deskriptiven Vorteil in der größeren Anschaulichkeit seiner Herangehensweise. Der Vergleich hinkt etwas, sind doch die Schemata Langackers auf einer höheren Abstraktionsebene zu verorten. Auf einer noch höheren Abstraktionsebene ließen sich lediglich Konzepte wie dichotome Oppositionen ansiedeln. Es ist anzunehmen, dass sie in
5 Jackendoff (2002, 7) selbst verortet sich in der Tradition der generativen Grammatik und verfolgt zunächst einen modularen Ansatz, demzufolge er die Bestandteile der Sprache als voneinander unabhängige Ebenen beschreibt. Er kritisiert jedoch eine zu starke Konzentration auf die Syntax (syntaktozentrischer Ansatz, cf. ibid., 107ss.) und geht in Abgrenzung zur frühen generativen Grammatik von einer parallelen Architektur des Sprachsystems aus, dessen Bestandteile aliniert sind (cf. ibid., 111 und für die Entwicklung seines Ansatzes 111ss.).
2.2 Ikonizität
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der Konzeptualisierung ebenfalls eine Rolle spielen können und damit auch für Sprache relevant sind (cf. Lakoff 1987, 102s.). Wie die Ausführungen zeigen, greifen die Ansätze des theoretischen Rahmens an wichtigen Punkten ineinander. Der Ansatz der vorliegenden Arbeit positioniert sich an dieser Schnittmenge und elaboriert dort verschiedene Gesichtspunkte z.T. sehr weitgehend. Die zunächst folgenden Kapitel vertiefen die Bestandteile des theoretischen Rahmens. Die Ausdifferenzierungen des hier vertretenen Ansatzes und damit auch die eigenen Präzisierungen und Weiterentwicklungen werden im Anschluss einzeln für die beiden syntaktischen Strukturen vorgestellt.
2.2 Ikonizität Die vorliegende Arbeit relationiert die sprachliche Form mit einer damit verbundenen Konzeptualisierung. Dieses Prinzip wird bspw. in der funktionalen Syntax angewendet. Eine wichtige Grundlage für den Abgleich der beiden Ebenen liefert die Interpretation des sprachlichen Zeichens von de Saussure (1995, 97ss.), der es als zweiseitige Einheit darstellt (cf. ibid., 99). In der funktionalen Syntax wird davon ausgegangen, dass ein motiviertes Verhältnis zwischen den beiden Seiten bestehen kann (cf. bspw. Haiman 2008, 896s.). Der Umstand wird als Ikonizität bezeichnet (cf. ibid.) und kann in bestimmten Ausprägungen den Grundsatz der Arbitrarität des sprachlichen Zeichens (cf. de Saussure 1995, 100) infrage stellen (cf. Haiman 2008, 896 unter Bezugnahme auf Jakobson 1965). Dass es sich dabei um eine auch in der neueren Transitivitätsforschung relevante Überlegung handelt, zeigt etwa die Arbeit von Næss (2007) (s. Kap. 2.7.10). Ikonizität in der Sprache liegt also vor, wenn der formalen Struktur eine funktionale, semantische und / oder konzeptuelle Entsprechung zukommt, d.h., dass sich bestimmte Eigenschaften (ggfs. abstrahiert) gleichfalls auf beiden Ebenen wiederfinden (cf. etwa Givón 1991). Bspw. nach Givón (1985, 189) erleichtert dies die Verarbeitung und damit die Kommunikation von Information. Ikonizität ist also grundsätzlich ein relationales Konzept, insofern ein Abgleich zweier Ebenen erfolgt. Es wird häufig dichotom eingesetzt, d.h., es wird eine Opposition auf sprachlicher Ebene mit einer entsprechenden Opposition auf einer der genannten anderen Ebenen in Beziehung gesetzt. Bei der Operationalisierung von Oppositionen handelt es sich um ein grundsätzlich strukturalistisches Verfahren. Es wird auch in der vorliegenden Arbeit angewandt. Die Ikonizitätsforschung hat ihren Ursprung in der Zeichentypologie von Charles Peirce (1932) (cf. dafür bspw. Haiman 2008, 896). Die grundlegenden
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2 Theorie
Kategorien bei Peirce (1932, 156ss.) sind Icon, Index und Symbol.6 Ein Icon ist ein Abbild dessen, was es repräsentiert (cf. ibid., 157). Es verfügt über den wichtigen Untertyp des Diagramms (cf. für die Wertung Haiman 2008, 897), bei dem gilt, dass sich die Verhältnisse zwischen Bestandteilen des Diagramms und dessen, was es abbildet, entsprechen (cf. Peirce 1932, 157), auch wenn sich die Bestandteile selbst nicht unbedingt entsprechen müssen (cf. Haiman 2008, 897). Es handelt sich dabei um den hier relevanten Zeichentyp. Der Index ist ein Verweis, der nicht auf Ähnlichkeit beruht (cf. dafür Peirce 1932, 160s.). Peirce (1932, 160s.) führt als Beispiele Berufsbekleidung als Hinweis auf bestimmte Berufe an oder eine Uhr, die demnach auf die Uhrzeit verweist. Beim Zeichentyp des Symbols schließlich ist «the connection between the sign and its referent […] totally conventional and arbitrary» (Haiman 2000, 282). Pierce (1932, 167) gibt als Beispiele verschiedene Wörter und z.T. Phrasen im Kontext an. Er weist aber bereits darauf hin, dass etwa «‘whatever’ […] a universal selective index» (ibid., Hervorhebung J.E.) sei. Er geht also nicht generell von sprachlicher Arbitrarität aus. Die Zeichentheorie von Pierce (1932) wurde verschiedentlich weiterentwickelt und verfeinert, u.a. von Haiman (1985) oder auch Givón (1985). So nimmt etwa Givón (1985, 192) an, dass die unterschiedlichen Typen Ausprägungen einer Skala sind. Er betont unter Verweis auf Haiman (1985, 16) auch, dass die Instantiierungen eines bildhaften und eines diagrammatischen Icons Bestandteile einer Skala sind (cf. Givón 1985, 192). Der Umstand, dass es ggfs. ein irgendwie geartetes Verhältnis von Entsprechung zwischen einer Form und dem gibt, wofür sie steht, wird wie besprochen Ikonizität genannt. Vor dem Hintergrund der genannten Skala zwischen einem bildhaften und einem diagrammatischen Icon ist es naheliegend, dass auch unterschiedliche Typen von Ikonizität bestimmt werden können. In der Behandlung der Thematik werden zudem sowohl unterschiedliche Ebenen miteinander korreliert als auch verschiedene Abstraktionsebenen angesetzt. Bei Haiman (2008, 897) findet sich eine Liste an Ikonizitätstypen, die er als möglicherweise «close to exhaustive» einschätzt. Er ordnet verschiedene Ausprägungen den beiden Überkategorien syntagmatisch und paradigmatisch zu (cf. ibid.). Syntagmatisch wären etwa Eigenschaften der Anordnung bzw. Abfolge und des Abstands oder der grammatischen Inkorporierung (cf. ibid.). Paradigmatisch wären hingegen verschiedene relative Verhältnisse, etwa die relative Menge und die relative Integriertheit, aber auch die Austauschbarkeit (cf. ibid.). In der Literatur werden viele Beispiele für die unterschiedlichen Ikonizitätstypen angeführt (cf. bspw. Givón 1985; 1991 oder Haiman 2008). Der Ansatz findet bspw.
6 Verschiedene ergänzende Überlegungen und weitere Literaturhinweise finden sich in Givón (1985).
2.2 Ikonizität
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bei der Beschreibung von Objektsätzen Anwendung (cf. etwa Givón 1991, 95; 2001b, Kap. 12). Und bzgl. der differentiellen Objektmarkierung setzt Aissen (2003, 438) abstrakte Ikonizität an, die auf Markiertheit beruht. Die Möglichkeit der abstrakten Ikonizität wäre in der o.g. Klassifikation von Haiman (2008, 897) zu ergänzen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden Strukturen behandelt, in denen ein bestimmtes Element auftritt oder ausbleibt. Zwischen Verben und nominale Akkusativobjekte kann unter entsprechenden Voraussetzungen der Marker a eingeschoben werden. Zudem können Verben finite und infinite Objektsätze in der Funktion eines Akkusativs regieren, wobei die finiten Objektsätze in der Regel mit der Konjunktion que (etwa: ‘dass’) eingeleitet werden. Eine die Umstände stark vereinfachende schematische Darstellung wäre die folgende: [1] Verb {± weiteres Element} + Objekt Problematisch an der Darstellung ist zumindest, dass die Konjunktion Teil des Objektsatzes wäre, was nicht deutlich wird. Lässt man solche und ähnliche berechtigte Kritik für den Moment außen vor, so legt die Darstellung insbesondere zwei Ikonizitätstypen nahe, eine, die mit Abstand zu tun hat, und eine der Trennung. Eine ganz entscheidende Grundlage für die beiden und weitere Typen geht auf de Saussure zurück. Er weist auf die Linearität der Sprache hin, genauer darauf, dass der Signifiant, also das sprachliche Material, das lautlich oder graphisch gegeben sein kann, linear ist (cf. de Saussure 1995, 102). Givón (2001a, 35) listet unter den Prinzipien der Ikonizitätsforschung u.a. Abstands- und Abfolgeregeln. An anderer Stelle formuliert er das Näheprinzip (cf. Givón 2001b, 64): «The closer two linguistic entities are functionally, the more contiguously they will be coded» (ibid., cf. bspw. auch Givón 1985, 202; Langacker 1987, 181). Auch das Gegenstück, Distanzikonizität, wird in der Literatur behandelt (cf. etwa Haiman 1983; Croft 2008). Haiman (1983, 782) definiert sie wie folgt: «The linguistic distance between expressions corresponds to the conceptual distance between them». Bei der o.g. Trennungsikonizität ist die Argumentation ganz ähnlich gelagert. Formal kommt es zur «presence of absence of a separating morpheme» (Givón 1985, 200). Tritt ein solches trennendes sprachliches Element auf oder sind die «elements separated by major constituent boundaries» (Newmeyer 1992, 767), so müsste bei Ikonizität auch eine funktionale, semantische oder konzeptuelle Trennung gegeben sein (cf. ibid.). Die Attraktivität der beiden schematischen Ikonizitätstypen liegt darin, dass sie intuitiv nachvollziehbar sind und leicht zu applizieren scheinen. In einer detaillierten Analyse gelangen sie jedoch bald an ihre Grenzen oder es werden in deskriptiver Hinsicht kategoriale Aufweichungen nötig. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird Komplexitätsikonizität angenommen. Lehmann (1974, 111) definiert sie wie folgt: «je komplexer die semantische
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2 Theorie
Repräsentation eines Zeichens, desto komplexer seine phonologische Repräsentation». Allgemeiner schreibt etwa Haspelmath (2008, 2): «More complex meanings are expressed by more complex forms». Die Eigenschaften sind möglicherweise weniger offensichtlich.7 Daher ist die Frage, wie Komplexität definiert werden kann. Die Auflistung von Definitionen aus der Forschungsliteratur in Haspelmath (2008, 6) spiegelt eine Tendenz dazu, Komplexität mit (sprachlicher und semantischer oder konzeptueller) Informationsmenge gleichzusetzen. Wichtig ist allerdings, dass es nicht die absolute Menge ist, sondern dass auch die Beziehungen innerhalb der Menge miteinbezogen werden müssen. Komplexität wird also hier als vergleichsweise höhere absolute und relationale Menge an sprachlicher oder semantisch-konzeptueller Information verstanden. Etwas vereinfacht kann Komplexität als ggfs. größere Menge an strukturierter Information bezeichnet werden (cf. bspw. auch Givón 2009a, 1s. unter Bezugnahme insbes. auf Simon 1962). Die Komplexitätsikonizität liegt also vor, wenn sich die relative Menge der strukturierten Information auf der formalen und auf der semantisch-konzeptuellen Ebene entspricht. Sie hat gewissermaßen bildhafte, v.a. aber diagrammatische Eigenschaften. In der o.g. Klassifizierung Haimans (2008, 897) kann sie der paradigmatischen Kategorie zugeordnet werden. Wie in der Analyse gezeigt wird, ist bei den diskutierten Strukturen auf formaler Ebene eine einfache, zweigliedrige Komplexitätsopposition [± komplex] gegeben. Die Verhältnisse auf semantisch-konzeptueller Ebene sind hingegen diverser. Es ist dabei durchaus auch gewünscht, in den einzelnen Teilbereichen der Analyse nach Möglichkeit die Komplexität zu graduieren. Um aber der zweigliedrigen formalen Opposition zu entsprechen, ist es wichtig, auch auf der weiteren Ebene einen Kipppunkt zu bestimmen, an dem Nicht-Komplexität von Komplexität unterschieden werden kann. Hinsichtlich beider Punkte, der Graduierung und der Herausarbeitung des Kipppunkts, besteht ein besonderer wissenschaftlicher Wert der vorliegenden Arbeit. Diese Verfeinerungen sind weitgehend unabhängig davon wertvoll, welches Maß an Relevanz oder gar Gültigkeit der Ikonizität als kognitives, sprachliches und / oder deskriptives Prinzip beigemessen wird. Haspelmath (2006) schlägt etwa vor, sie zu verwerfen: «Iconicity explanations are not necessary» (ibid., 40). Die Aussage ist plakativ, aber auch aus dem Kontext gerissen. Die genannte Veröffentlichung ist insgesamt konstruktiver und beschäftigt sich mit alternativen
7 Es mag sich dabei um den Grund dafür handeln, dass der Ikonizitätstyp gern für die Beschreibung abstrakterer Zusammenhänge herangezogen wird. So betont Haspelmath (2008, 6), dass er auch als «iconicity of markedness matching» interpretiert werde.
2.3 Konzepte und mentale Repräsentation
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Erklärungsformaten. Besonders zu beachten ist nun vielmehr, dass verschiedene Konkurrenzprinzipien denkbar sind, allen voran die Frequenz (cf. etwa Haiman 1983, 801s. unter Bezugnahme auf Zipf 1935 sowie besonders Haspelmath 2008). Haiman (1983) argumentiert zudem für ein weiteres Metaprinzip, das der Ökonomie. Sprachliche Ökonomieprinzipien können demnach die Reduktion einer Form begünstigen und der Ikonizität entgegenwirken (cf. ibid., 802). Haiman (1983, 802ss.) gibt an, dass insbesondere die Versprachlichung von semantisch erwartbaren Bestandteilen entfallen kann. Wie gesagt wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht Ikonizität generell in Sprache untersucht. Es wird gezeigt werden, dass bei bestimmten syntaktischen Strukturen des Spanischen Ikonizität ein hilfreiches Erklärungsprinzip ist. Insgesamt bildet sie aber lediglich die Grundlage. Der große Mehrwert der Arbeit besteht vielmehr in Klassifikationen und Erklärungsmustern und den damit erarbeiteten Ergebnissen.
2.3 Konzepte und mentale Repräsentation In der vorliegenden Arbeit wird oft von «Konzepten» und von «Konzeptualisierung» gesprochen. Es handelt sich dabei um grundlegende Begriffe in kognitivistischen Arbeiten (cf. Schwarz 2008, 108). Der Konzeptbegriff hat eine lange Tradition und wird bspw. schon bei de Saussure (1995, 98s.) verwendet. Er verwendet ihn in der Bedeutung einer mentalen Abbildung (cf. ibid.). Auch in der neueren Forschung wird der Konzeptbegriff allerdings immer wieder auch mit ‘Bedeutung’ gleichgesetzt, was sich in Formulierungen wie «lexikalische[s] Konzept» (Wildgen 2008, 51) manifestieren kann.8 Das alltagssprachliche Begriffsverständnis scheint dem von de Saussure (1995, 98s.) näher zu sein. Es wird in der dritten Bedeutungsangabe des Online-Dudens erfasst: «Idee […]; aus der Wahrnehmung abstrahierte Vorstellung» (http://www.duden.de/rechtschreibung/Konzept, Zugriff: 02.02.19). In verschiedenen Ansätzen wird der Konzeptbegriff enger verwendet, um operationalisiert werden zu können. Beispielsweise sind die Bestandteile der konzeptuellen Strukturen bei Jackendoff (1990), die Konzepte, kleine semantische Einheiten, z.T. auch Primitiva im Sinne Wierzbickas (1972; 1980), die zu größeren Strukturen zusammengesetzt werden können, um sprachliche Inhalte abzubilden. In der formalen Semantik hingegen wird der Begriff des Konzepts z.T. über semantische Eigenschaften definiert und kommt dem des generischen
8 Es kann sich dabei natürlich auch lediglich um eine (etwas unschöne) terminologische Vereinfachung handeln.
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2 Theorie
Nomens gleich (cf. bspw. die Kritik in Carlson 2009, 16s. unter Bezugnahme etwa auf Krifka et al. 1995).9 In Zusammenhang damit, wie Konzepte bestimmt werden, steht auch das Verständnis dessen, wie sie konstituiert sind. Oben wurden bereits Primitiva (cf. besonders Wierzbicka 1972; 1980) und ähnliche Grundkonzepte (etwa die konzeptuellen Strukturen Jackendoffs 1990) genannt. Hinzukommen propositionale Bestimmungen. Besonders wichtig ist auch die Möglichkeit einer Bestimmung über Merkmale (cf. Schwarz 2008, 109s.). Die Vorstellung entspricht der strukturalistischen Herangehensweise an Bedeutung, die bspw. auch in der Prototypensemantik herangezogen werden kann.10 Konzepte sind zudem als abstrakte bzw. ggfs. schematische Repräsentationen interpretierbar (cf. ibid., 114). Zur Erfassung von Sachverhalten ist ein solches Begriffsverständnis hilfreich. Die Konzeptualisierung kann als Vorgang oder Ergebnis der Verarbeitung von sprachlichen und außersprachlichen Gegebenheiten definiert werden (cf. ibid., insbes. 208). Das Ergebnis wird auch als mentale Repräsentation bezeichnet. Dieser Begriff stellt allerdings das Eigenschaft heraus, dass ein Konzept oder eine Verbindung von Konzepten in einem Verhältnis zu einer nicht-konzeptuellen Ebene stehen. Insofern wird also bspw. von der mentalen Repräsentation eines Sachverhalts gesprochen (s.o.). Es stellt sich die Frage, inwiefern Konzepte und mentale Repräsentationen generalisierbar sind (cf. etwa auch Carlson 2009, 17s.) und in welchem Verhältnis sie zum sprachlichen Ausdruck stehen. Das oben angeführte Zeichenmodell von de Saussure (1995, 99) intendiert gewissermaßen Allgemeingültigkeit. Sie basiert auf der Konventionalität von sprachlichen Einheiten (cf. ibid., 101). Der Zusammenhang hat jedoch möglicherweise nur für sehr grundlegende Konzepte und Ausdrücke Gültigkeit. Becker (2014, 70) schreibt etwa: «Versprachlichungen beruhen auf individuellen Konzeptualisierungen der Sprecher und spiegeln nicht einfach objektive außersprachliche Sachverhalte wider». Im Detail sollte also nicht von Identität ausgegangen werden. Natürlich ist aber für den Erfolg von Kommunikation zumindest eine starke Ähnlichkeit nötig und offenbar auch anzunehmen. Eine weitgehende Gleichförmigkeit wird in der Forschung auch (z.T. implizit) vorausgesetzt. Bspw. wäre eine Erforschung des Konzepterwerbs bei Kindern (cf. etwa die Erwähnung in Schwarz 2008, 113 oder Carey 1988 mit Beispielen zu Konzepten) ohne eine gewisse Allgemeingültigkeit ein sehr problematisches Unterfangen (cf. auch ibid., 172s.). Von welchem Grad der Abstraktion oder auch Schematisierung auszugehen ist, ist eine relevante, aber
9 Carlsson (2009, 17s.) selbst differenziert den Begriff weiter aus und präzisiert Zuordnungen zu wissenschaftlichen Schulen. 10 Der Zusammenhang ist auch in Schwarz (2008, 110s.) angedeutet.
2.4 Semantische Dekomposition
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weitergehende Frage. In der kognitiven Linguistik wird zumeist von einer Art bildhafter Schematisierung ausgegangen (cf. bspw. Langacker 1987; Talmy 2000). Außer Zweifel steht deren deskriptiver Wert. Grundlegend für die angedeuteten mentalen Vorgänge ist die Kategorisierung. Sprachliche und außersprachliche Reize oder Konzepte und Konzeptstrukturen werden mit schon bekannten Informationen abgeglichen und entsprechend geordnet (cf. Schwarz 2008, 109s.). Als grundlegende Arbeit zu konzeptuellen Kategorien in Sprache ist Lakoff (1987) zu nennen. Bei der Zuordnung zu Kategorien sowie für die Speicherung von Information spielen Konzeptebenen eine wichtige Rolle (cf. etwa Schwarz 2008, 113). Dabei werden Konzepte einer abstrakten, einer Basisebene oder einer konreten Ebene zugeordnet (cf. ibid.). Schwarz (2008, 113) nennt ‘Tier’, ‘Vogel’ und ‘Amsel’ als Beispiele einer solchen Hyponymrelation. Die Elemente der Basisebene können am Leichtesten mental aktiviert werden (cf. ibid.). Sie ist «die für die Benennung bevorzugte Ebene» (ibid.). Die Erkenntnisse ob ihrer Relevanz gehen, wie Cohen (2004, 542) angibt, auf Rosch et al. (1976) zurück. Für weitere Beispiele sei ebenfalls auf Cohen (2004, 542ss.) verwiesen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden hinsichtlich konzeptueller Kategorien insbesondere Basisontologien verwendet. Es sind diesbezüglich vor allem belebte Entitäten, Konkreta, Abstrakta und Propositionen anzuführen. Sie sind auch in der im Rahmen der Korpusuntersuchung verwendeten ADESSE-Datenbank annotiert (cf. http://adesse.uvigo.es/data/avanzado.php, Zugriff: 02.02.19). Die Datenbank unterscheidet außerdem Individuen von Kollektiva bzw. diskontinuierliche Konkreta von Massenentitäten (cf. http://adesse.uvigo.es/index.php/Docu/ Animacion, letzter Zugriff: 02.02.19). Deskriptiv wichtig erscheint bezüglich der differentiellen Objektmarkierung zudem eine Abgrenzung von menschlichen und tierischen belebten Entitäten. Die ADESSE-Datenbank verzichtet auf die Unterscheidung (cf. ibid.). Die angeführten Seinsklassen scheinen auf den ersten Blick leicht voneinander abgrenzbar. In der Sprache und daher natürlich auch in den untersuchten Daten kommt es allerdings immer wieder zu uneigentlicher Verwendung, zu Bedeutungsverschiebung und dergleichen, sodass die Grenzen verschwimmen können. Vor dem Hintergrund ist die Möglichkeit einer präzisen Erfassung wichtig. Im folgenden Kapitel wird daher die Bedeutungsdekomposition besprochen.
2.4 Semantische Dekomposition Eine ganz entscheidende linguistische Methode ist die Zerlegung. In der hier durchgeführten Analyse spielt die semantische Dekomposition eine besondere Rolle. Auch Bestandteile der Konzeptebene werden gewissermaßen dekompositionell
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2 Theorie
bestimmt. Im Folgenden wird in knappen Worten generell an die Thematik herangeführt. Die spezifischeren Dekompositionstechniken und die dekomponierten Einheiten werden in weiteren Kapiteln behandelt. In Kap. 2.6.1 und Kap. 2.6.2 werden wichtige semantische Eigenschaften von Verben und Nomen besprochen. In den Analysekapiteln werden schließlich feine methodische Ausdifferenzierungen präsentiert. Die moderne semantische Dekomposition hat frühe Vorläufer. Engelberg (2011b, 126) führt das Aristotelische Definitionsformat an. Entscheidende methodische Grundlagen wurden mit der Merkmalsanalyse der Phonologie an Minimalpaaren im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts erarbeitet (cf. Blank 2001, 16s.). Eine frühe und oft zitierte Anwendung auf die Semantik ist die Wortfeldanalyse der Sitzgelegenheiten von Pottier (1963) (cf. auch Blank 2001, 17). Pottier (1963) bestimmt gemeinsame Merkmale des Wortfelds sowie solche, die eine innere Differenzierung ermöglichen, sodass einzelne Lexeme voneinander abgegrenzt werden können (cf. auch Blank 2001, 17).11 Eine Einführung in die Merkmalsanalyse findet sich etwa in Löbner (2003, 201ss.). Die Bedeutungszerlegung wird in recht ähnlicher Weise in verschiedenen Ansätzen und Schulen angewendet (cf. etwa die Übersicht in Lieber 2004, 4ss. und Engelberg 2011b sowie für die wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Dekomposition von Verbbedeutungen Engelberg 2011a). Es werden dabei unterschiedliche Zielsetzungen verfolgt. Wierzbicka (1972; 1980) und ihre Schülerinnen und Schüler zerlegen Bedeutung, um zu kleinsten Bedeutungseinheiten zu gelangen, die selbst nicht mehr gut erklärbar, aber so kombinierbar sind, dass mit ihnen alle Sätze aller Sprachen beschrieben werden können (cf. Wierzbicka 1972, 13). Sie werden semantische Primitiva genannt (cf. etwa Löbner 2003, 222) und sollen als Lexeme in allen Sprachen der Welt vorhanden sein (cf. Wierzbicka 1972, 15). Eine Polemik des Forschungszweiges ist die Frage, wieviele solcher grundlegenden Bedeutungselemente angenommen werden müssen. Während Wierzbicka (1972, 15) noch von «between ten and twenty» ausgeht, werden mit Erweiterung der Forschung auf zuvor nicht behandelte Sprachen zusätzliche Bedeutungselemente als Primitiva eingestuft. Wierzbicka (2003, 8) nimmt bspw. etwa 60 Primitiva an. Eine recht aktuelle Liste findet sich in Goddard/Wierzbicka (2010, 130). Offenbar handelt es sich bei der Suche nach Primitiva in diesem Sinne um Wortsemantik. Andere, nämlich satzsemantisch interessierte Ansätze zerlegen Bedeutung insbesondere, um einzelne Bedeutungsbestandteile zusammensetzen zu können.
11 Im Grunde handelt sich dabei um eine detaillierte Umsetzung des Aristotelischen Definitionsprinzips von Genus proximum, also dem Hyperonym, und Differentia specifica (cf. für den Definitionsbegriff bspw. Bußmann 2002, 148).
2.5 Markierung und Markiertheit
21
Ihnen geht es nicht unbedingt darum, die kleinsten, nicht mehr zerlegbaren Einheiten ausfindig zu machen, sondern vor allem darum, Einheiten zu bestimmen, mit denen eine möglichst große Menge an Sätzen elegant und / oder präzise wiedergegeben werden kann. Als Beispiele wären Jackendoff (1990; cf. bspw. den Überblick in Löbner 2003, 218ss.), aber auch das generative Lexikon Pustejovskys (1991a; 1995b) zu nennen. Das generative Lexion, das ausführlich in Kap. 2.8.2 vorgestellt wird, spielt im Rahmen der vorliegenden Arbeit eine zentrale Rolle zur Beschreibung der differentiellen Objektmarkierung (DOM). Die Applizierung ist hilfreich und scheint ein Novum in der Forschung zur DOM zu sein.
2.5 Markierung und Markiertheit Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird es immer wieder um Markierung gehen. Insbesondere für die Behandlung der Akkusativobjekte ist der Terminus wichtig. Das bei spanischen direkten Objekten auftretende Phänomen der Anoder Abwesenheit des Elements a wird nach Bossong (1982) als differentielle Objektmarkierung bezeichnet. Schon Bossong (1982, 20) bezieht sich damit auf eine «morphologische Markierung von Aktantenfunktionen», ebenso wird er hier verwendet. Eine andere Begriffsverwendung ist aber möglich und kommt in der vorliegenden Arbeit auch punktuell zum Tragen. In dem Fall geht es um eine Art relative «Auffälligkeit»12 einer sprachlichen Einheit oder Struktur. Mit der Verwendung im Sinne Bossongs (1982, 20; s.o.) geht der Begriff des «Markers» einher. Das Element a, das vor das spanische Nominalobjekt treten kann, wird damit bezeichnet. Der Terminus ist funktionsneutral intendiert. Die grundsätzlich naheliegende Bezeichnung als Präposition ist ungeeignet. Wie nämlich Demonte (1987) anhand verschiedener syntaktischer Tests zeigt, ist die Klassifizierung unzutreffend (s. Kap. 2.7.2 für Details). Es ist nun allerdings so, dass auch in der Forschung zum spanischen direkten Objekt immer wieder von einer Markierung in der zweiten oben angeführten Verwendungsweise, der einer «Auffälligkeit», gesprochen wird (cf. insbes. Aissen 2003; s. diesbezüglich Kap. 2.7.6). Die Motivation für die beiden Verwendungen ist ein Stück weit ähnlich. Dieser Umstand und die Möglichkeit der gleichen Bezeichnung laden einerseits zu einer Verbindung der Themen ein, was aber natürlich ebenso zu Verwirrung führen kann. Auch in Ansätzen zur Ikonizität, die hier ja
12 Die «Auffälligkeit» ist kein Fachterminus. Der Begriff vereinfacht die Umstände etwas, macht aber das Konzept gut intuitiv greifbar.
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2 Theorie
für den theoretischen Rahmen relevant ist, wird Markierung angeführt. So diskutiert bspw. Givón (1995, 25) «Markedness as Meta-Iconicity».13 Der Markiertheitsansatz im Sinne der «Auffälligkeit» geht auf die Prager Schule des Strukturalismus zurück. Erste relevante Erwähnungen gab es in den 1930er Jahren (cf. dafür bspw. Haspelmath 2006, 28; Wurzel 1998, 54).14 Ein kurzer, etwas pointiert zusammengestellter historischer Überblick zu wichtigen markiertheitstheoretischen Publikationen findet sich bei Wurzel (1998), eine ausführliche wissenschaftsgeschichtliche Aufarbeitung bei Battistella (1996). Haspelmath (2006, 27ss.) listet zwölf unterschiedliche Ausprägungen des Markiertheitsansatzes. Als einende Komponente der verschiedenen Begriffsverwendungen nennt er «abnormality» (ibid., 63).15 Battistella (1996) behandelt zwar ebenfalls die Vielfalt der Begriffsverwendung, zielt aber auch darauf ab, dahingehende Parallelen aufzuzeigen, die zwischen so verschiedenen Schulen wie dem europäischen Strukturalismus und der generativen Grammatik bestehen (cf. ibid., 4). Wie Givón (2001a, 38) zusammenfasst, beruht der strukturalistische Martkiertheitsansatz auf der Erkenntnis, dass zweigliedrige Oppositionen asymmetrisch sind. «One member of the contrasting pair act[s] as the presence of a property, the other as its absence» (ibid., Hervorhebungen i.O.). Waugh/Lafford (2000, 272) präzisieren, «the more general category is unmarked, the specialized one marked». Als Beispiele stellen sie etwa die folgenden lexikalischen Einheiten einander gegenüber: do vs. redo, host vs. hostess (Beispiele aus ibid.). Gegenüberstellung wie die zweitgenannte, insbesondere im Bereich der Bedeutung führen immer wieder zu Ablehnung. So werden bspw. die beiden spanischen Wörter hombre vs. mujer (‘Mann / Mensch’ vs. ‘Frau’) in einer Markiertheitsopposition gesehen (cf. Blank 2001, 19s. unter Bezugnahme auf Coseriu 1978 u.a.). Hombre (‘Mensch’, ‘Mann’) steht mujer (‘Frau’) sowohl hyperonomyisch als auch antonymisch gegenüber (Beispiele aus Blank 2001, 19). Mujer (‘Frau’) kann hingegen nicht als Überbegriff auftreten und ist insofern stärker spezifiziert, d.h., es gilt als markiert (cf. ibid.). Blank (2001, 19) weist auf den sprachhistorischen Einfluss «eines patriarchalischen Weltbilds» hin und schlägt vor, v.a. die polysemische Opposition von hombre (‘Mensch’ vs. ‘Mann’) als Markiertheitsopposition zu betrachten. Die Bedeutung ‘Mann’ hat die größere Intension und ist insofern markiert (cf. auch ibid.).
13 Es handelt sich dabei um einen Teil des Titels seines zweiten Kapitels: «Markedness as Meta-Iconicity: Distributional and Cognitive Correlates of Syntactic Structure» (cf. Givón 1995, 25). 14 Givón (2001a, 37) zeigt, dass schon Aristoteles implizit ein Markiertheitskonzept applizierte. Die Prager Schule des Strukturalismus brachte jedoch eine «explicit notion of markedness» (ibid., 38) in die Linguistik. 15 Battistella (1996) weist auf den besonderen Informationswert hin (cf. ibid., 10 mit verschiedenen Literaturhinweisen), listet aber noch verschiedene weitere Eigenschaftsbestimmungen (cf. ibid., 10s.).
2.6 Grundlegende Eigenschaften der (Haupt-)Bestandteile der Strukturen
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Das besprochene Konzept der Markiertheit wird oft appliziert, aber auch immer wieder kritisiert (cf. auch Andersen 1989, 11). Haspelmath (2006, 63) sieht in dem Begriff unnötigen Ballast und schlägt vor, ihn zu verwerfen. Wie er zeigt, stehen viele sprachliche Phänomene, die in der Literatur anhand einer Markiertheitsopposition erklärt werden, auch in direktem Zusammenhang mit Frequenz (cf. Haspelmath 2006). Wie Battistella (1996) schreibt, stellt den Zusammenhang bereits Greenberg (1966) in seiner großen Studie fest (cf. Battistella 1996, 14).16 Verschiedene Autoren definieren Markiertheit in der Folge frequenzbasiert (cf. bspw. Croft 2003, 110ss.). Demnach ist «typically the marked category […] less frequent, while the unmarked is more frequent» (Givón 1995, 26). Die Frequenz lässt sich vor dem Hintergrund mit der Ikonizität verbinden. Givón (1995, 58) formuliert das «meta-iconic markedness principle» wie folgt: «Categories that are structurally more marked are also substantively more marked» (ibid.). Es wird also mit gewissen Einschränkungen, Givón (1995, 59ss.) spricht verschiedene Punkte des Jespersen-Zyklus an, eine deutlichere, etwa längere oder durchsichtige Form erwartet, wenn sie bzw. ihr Denotat oder ihre Funktion weniger frequent in der Sprache sind. Das Verhältnis ist im Grunde indirekt. Der Verknüpfungspunkt ist der Anspruch an die markierte Einheit, «cognitively more salient» (ibid., 28) zu sein. Auch die Behandlung der differentiellen Objektmarkierung von Aissen (2003) speist sich aus solchen Überlegungen (cf. für eine Kritik an der Herangehensweise Næss 2004).
2.6 Grundlegende Eigenschaften der (Haupt-)Bestandteile der Strukturen Die vorliegende Arbeit behandelt den Verbalanschluss. D.h., es geht um die Kombination von Verben mit in der Lautkette folgenden Einheiten. Dabei werden solche Strukturen in den Blick genommen, in denen die angeschlossene Einheit die Funktion eines Akkusativobjekts erfüllt. Die Funktion kann nominal und satzwertig realisiert sein. Es ergeben sich mithin zunächst drei Hauptbestandteile der Strukturen, einerseits das Matrixverb, andererseits das Nomen sowie der Nebensatz, die in Objektfunktion auftreten. Im Folgenden werden die grundlegenden Eigenschaften behandelt, die sie beim Auftreten in den betrachteten Strukturen aufweisen. So wird auch der Zusammenhang zwischen ihnen näher beleuchtet, was ihre Behandlung in
16 Der Faktor müsste bei einer Vertiefung ggfs. auch bei dem oben problematisierten Verhältnis zwischen hombre (‘Mensch’, ‘Mann’) und mujer (‘Frau’) mitberücksichtigt werden.
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2 Theorie
der hier unternommenen Art und Weise motiviert. Darüber hinaus wird die Relevanz von zentralen Forschungsansätzen verdeutlicht, in erster Linie zur Transitivität. Den Verben kommt eine besondere Rolle zu. Ihre Eigenschaften bestimmen die Verhältnisse zur jeweils angeschlossenen Einheit entscheidend mit. Zudem tritt bei satzwertiger Einbettung ein weiteres Verb auf, das ebenfalls wichtige Informationen beisteuert. Bei den Nomen werden insbesondere Eigenschaften besprochen, die in Hinblick auf das transitive Verhältnis wichtig sind.
2.6.1 Verbale Eigenschaften Die entscheidende Kategorie für den Verbalanschluss ist das Verb. Das Verhältnis zur angeschlossenen Einheit lässt sich anhand seiner syntaktischen und semantischen Eigenschaften schon recht weitreichend bestimmen. Verben fordern ggfs. eine bestimmte Anzahl an Aktanten, was auch als ihre Valenz bezeichnet wird, und legen auch ein Stück weit fest, welchem semantischen Typ die Elemente angehören sollen, die als Aktanten auftreten, was als Subkategorisierung bezeichnet wird (cf. Becker 2013, 102s.). Allerdings spielen auch die angeschlossenen Elemente eine wichtige Rolle für das Verb selbst. Sie können bspw. eine besondere Lesart des Verbs auslösen oder seine aktionale Ausdifferenzierung aktualisieren. Das Verb liefert die formale Grundvoraussetzung für den Anschluss einer Einheit in der Funktion eines Akkusativobjekts: Es muss mindestens zweiwertig und genauer transitiv sein. Bei der Transitivität handelt es sich grundsätzlich um eine syntaktische bzw. morphosyntaktische Eigenschaft. So definiert die RAE (2009, 2593): «Los verbos que se construyen con complemento directo se denominan transitivos, y las oraciones que los tienen como parte del predicado se llaman oraciones transitivas.»
Wie etwa Campos (1999, 1521) schreibt, bezeichnete die Lateinische Grammatik damit Sätze, «que podían pasar (trans + ire) de activas a pasivas». Eine Erweiterung bzw. Verschiebung stellt nach Campos (1999, 1521) die Begriffsverwendung dar, derzufolge Verben eine Handlung auf das Objekt übertragen können. Sie ist ein möglicher Ausgangspunkt für die seit einigen Jahren übliche Behandlung der Thematik unter verstärkt semantischen Gesichtspunkten. Hopper/Thompson (1980) entwickeln einen umfassenden semantischen Transitivitätsansatz auf Satzebene. Er wird auch in der Forschung zur differentiellen Objektmarkierung stark rezipiert. Die Grundidee ist, dass Transitivität ein graduierbares Konzept ist, für das die Verbsemantik wie auch die Aktanten relevante Faktoren liefern. Sie berücksichtigen zehn Faktoren, bezüglich derer sie jeweils zwei oppositive Ausprägungen angeben. Es ergibt sich die folgende Übersicht (cf. ibid., 252; s. Tab. 1).
2.6 Grundlegende Eigenschaften der (Haupt-)Bestandteile der Strukturen
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Tab. 1: Übersicht des Transitivitätsansatzes von Hopper/Thompson (1980, 252). high
low
A.
Participants
2 or more (A and O)
1 participant
B.
Kinesis
action
non-action
C.
Aspect
telic
atelic
D.
Punctuality
punctual
non-punctual
E.
Volitionality
volitional
non-volitional
F.
Affirmation
affirmative
negative
G.
Mode
realis
irrealis
H.
Agency
A high in potency
A low in potency
I.
Affectedness of O
O totally affected
O not affected
J.
Individuation of O
O highly individuated
O non-individuated
Auf der Basis der Parameter, die im linken Bereich der Tabelle figuieren, graduieren Hopper/Thompson (1980, 251) Transitivität. Die beiden Spalten «high» und «low» zeigen die Extrempunkte der möglichen Ausprägungen bzgl. der Parameter. Starke Transitivität liegt vor, wenn die Ausprägungen der Parameter für eine Struktur dem Wert der mit «high» überschriebenen Spalte immer oder oft nahekommen (cf. auch García García 2010, 17 und die weiteren Ausführungen auf den Folgeseiten dort). Der erste Parameter ist der oben besprochene formale. Darauf folgen drei Faktoren, die sehr spezifisch die Verbsemantik betreffen: Kinesis (etwa agentive Dynamizität, hier auch als Vorgangshaftigkeit umschrieben), Aspekt, Ausdehnung des Sachverhalts. Auch der Parameter der Volitionalität ist Teil der Verbalsemantik, betrifft aber stärker als die anderen Faktoren die Aktanten. Die genannten vier Faktoren werden unten erneut aufgegriffen. Darauf folgen zwei Parameter, die auf Satzebene operieren (können), wobei der Modus im Spanischen am Verb markiert wird (s. auch Kap. 2.9.4.2). Die letzten drei Faktoren beziehen sich v.a. auf die Aktanten, auch wenn sie natürlich nicht unabhängig von der Verbsemantik spezifiziert werden. Es sind die Agentivität des Erstaktanten sowie Betroffenheit und Individuierung des Zweitaktanten. Mit den genannten verbalen Parametern werden die aktionalen Eigenschaften von Verben erfasst.17 Vendler (1957) behandelt vier Aktionsarten, die sich anhand
17 Die formalen Flexionsmerkmale von Verben spielen an dieser Stelle eine untergeordnete Rolle. Sie werden in Kap. 2.6.3 kurz angesprochen.
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2 Theorie
dreier Faktoren unterscheiden lassen. Die Aktionsarten sind States, Activities, Accomplishments und Achievements (cf. ibid.).18 Er nennt etwa die folgenden Beispiele: Wissen und glauben sind States, rennen und gehen Activities, eine Rede halten und gesund werden Accomplishments, den Gipfel erreichen und geboren werden Achievements (Beispiele nach ibid., 150). Die Aktionsarten lassen sich anhand der Faktoren der Dynamizität, der Telizität (Involvierung eines notwendigen Endpunkts) und der zeitlichen Ausdehnung untereinander differenzieren (cf. etwa Becker 2013, 83). Auf diese drei Faktoren zielen auch die o.g. Parameter Kinesis, Aspect und Punctuality von Hopper/Thompson (1980, 252) ab. Sie bestimmen «die innere Struktur» (Becker 2013, 83) von Sachverhalten. Wie die obigen Beispiele für Aktionsarten nach Vendler (1957, 150) zeigen, spielen Objekte und andere angeschlossene Elemente eine Rolle für den Verbtyp. Objekte können bspw. einen Endpunkt versprachlichen und so eine Aktivität zu einem Accomplishment machen. Damit beschäftigt sich bspw. Krifka (1989) eingehend. Während also etwa trinken eine Aktivität denotiert, ohne inhärentes Ziel, ist einen Kaffee trinken ein Accomplishment, da die Handlung vervollständigt ist, wenn der Kaffee leer bzw. gänzlich getrunken ist (cf. etwa ibid.). Krifka (1989, 244) spricht hierfür auch von «konsumierten Objekten», die eine Gegenklasse zu den effizierten Objekten bilden. Effizierte Objekte sind solche, die im Rahmen der Verbalhandlung entstehen, wie etwa bei den Brief schreiben (Bsp. aus ibid.). García García (2010, 163ss.) behandelt die Thematik ausführlich bzgl. des Spanischen. Die beiden Beispiele sind auch geeignet, um den Subkategorisierungsrahmen zu verdeutlichen. Verb und Objekt müssen kompatibel sein bzw. Verben verfügen über sogenannte Selektionsrestriktionen (cf. etwa Becker 2013, 103). Während bspw. den Brief essen prinzipiell möglich wäre, da ein Brief gegessen werden kann, auch wenn er nicht dafür gedacht ist,19 ist *einen Kaffee schreiben semantisch ausgeschlossen. Es handelt sich beim Kaffee um keine Entität, die durch einen Schreibvorgang kreiert werden kann. Zum Argumentrahmen des Verbs gehören darüber hinaus Informationen zu den thematischen Rollen (cf. bspw. Becker 2013, 103). Thematische Rollen werden den Argumenten des Verbs vom Verb zugewiesen (cf. ibid.). Neben dem Agens werden zumeist u.a. Patiens, Experiencer, Thema und Ziel genannt (cf. auch etwa ibid., 103s.). Die Liste wird von verschiedenen Autoren unterschiedlich ausdifferenziert. D.h., sie kann noch weitere Rollen enthalten (cf. bspw. für
18 Pustejovsky (1991a; 1991b; 1995b) fasst die Aktionsarten zu drei Typen zusammen, die er nach einem einheitlichen formalen Prinzip bestimmt. 19 Die Divergenz lässt sich schön mit der Qualia-Struktur erfassen (cf. Pustejovsky 1995b, 76ss.; 85ss. usw.; s. Kap. 2.8.2).
2.6 Grundlegende Eigenschaften der (Haupt-)Bestandteile der Strukturen
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thematische Rollen des Subjekts Fanselow/Felix 1987, 78) und ggfs. auch deutlich länger ausfallen. Dowty (1991, 571) wendet das Prinzip der Prototypentheorie im Sinne Roschs auf die thematischen Rollen an. In seinem Protorollenansatz nimmt er in der Folge lediglich zwei Rollen an, einen Proto-Agens und einen Proto-Patiens (cf. ibid., 571s.). Er ordnet ihnen jeweils fünf Eigenschaften zu, anhand derer sich Aktanten dahingehend evaluieren lassen, ob sie gute oder weniger gute Kandidaten für eine der beiden Protorollen sind (cf. ibid.). Die die Argumente bestimmenden Eigenschaften sind als Entailments des Verbs und in gewisser Weise unabhängig von der Nominalbedeutung intendiert (cf. ibid., 572, Fußnote 16). Sie folgen insofern schon theoretisch aus der Verbbedeutung, sind aber auch in ihrer individuellen Qualität eng mit verbalen Eigenschaften verwandt. Das Proto-Agens zeichnet etwa Volitionalität aus sowie sinnliche Wahrnehmung (cf. ibid., 572). Das Proto-Patiens hingegen erfährt bspw. einen Zustandswechsel im Rahmen des Verbalvorgangs (cf. ibid.). U.a. Primus (2006) hat den Ansatz um Formalisierungen ergänzt. Eine tiefgreifende Applizierung auf die differentielle Objektmarkierung liegt mit García García (2010) vor. Der Ansatz wird dementsprechend im Zusammenhang mit der Objektmarkierung nochmals aufgegriffen (s. Kap. 2.7.10). Oben wurden einige grundlegende verbale Kategorien sowie die Kombinatorik des Verbs behandelt. Vor dem Hintergrund lassen sich nun unter Berücksichtigung der individuellen Verbsemantik Verbklassen bilden. Ein umfassender Ansatz dazu liegt mit Lehmann (1991) vor. Die Publikation erschien im Sammelband zur Dimension der Partizipation von Seiler/Premper (1991), einem Beitrag zum Kölner Universalienprojekt (cf. dafür etwa Premper 1992 sowie https://de.wikipedia.org/wiki/UNITYP, Zugriff: 02.02.19). Die Dimension versucht, sprachliche Sachverhaltsdarstellungen in ihrer Breite zu behandeln (cf. etwa die frühen, mitunter noch sehr weit gefassten Überlegungen in Seiler 1984, i). Entsprechend viele Faktoren berücksichtigt Lehmann (1991). Er führt zunächst die Bestandteile einer Beschreibung von Situationen ein (cf. ibid., 190ss.). Die ersten beiden sind v.a. formaler Natur, nämlich die Explizierung von Partizipanten (er spricht von «exteriorization», ibid., 191) sowie der lexikalische Spezifizierungsgrad des Sachverhalts (er spricht von «inflation», ibid., 194). Dann ergänzt er Aktionsarten, nämlich die Dynamizität (cf. ibid., 196ss.), die Telizität (cf. ibid., 199ss.), wobei er u.a. auch Terminativität (cf. ibid., 200s.), Ingressivität (cf. ibid., 202) und Durativität berücksichtigt (cf. ibid., 202s.). Er ergänzt lexikalisch-semantische Partizipanteneigenschaften (cf. ibid., 203ss.) sowie das Verhältnis der Partizipanten zum Sachverhalt (cf. ibid., 206ss.). Dabei bespricht er erstens ihre Involviertheit in den Sachverhalt (cf. ibid.) unter Berücksichtigung von Kasusdivergenzen (cf. ibid., 207ss.) sowie bezüglich der Kausativierung (cf. ibid., 209), zweitens die
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2 Theorie
Faktoren Kontrolle und Kontrollierheit (cf. ibid., 211ss.) und drittens die sogenannte Affectedness (cf. ibid., 217ss.). Mit dem Beschreibungsinventar klassifiziert er Verben. Er behandelt Properties (cf. ibid., 224), States (cf. ibid., 224ss.), durative (cf. ibid., 226ss.), terminative (cf. ibid., 229s.) sowie ingressive Prozesse (cf. ibid., 231) und Events (cf. ibid., 232s.). Die genannten Klassen orientieren sich an den aktionalen Eigenschaften der Verben und sind nicht völlig neu. Die Beschreibung Lehmanns (1991) ist dennoch in mehrfacher Hinsicht besonders wertvoll. Die Anordnung der Verben spiegelt einen steigenden Transitivitätsgrad wider, den er in den Unterkapiteln auch dezent motiviert (cf. ibid., 224ss.). Desweiteren umfasst seine Analyse eine Vielzahl an Unterkategorien (cf. ibid.). Ein großer methodischer Wert schließlich erwächst daraus, dass er viele Verben auflistet und z.T. mit weiteren Erklärungen versieht (cf. ibid.) und so eine hilfreiche Orientierung für die hier vorgenommene dezidierte semantische Analyse einiger spanischer Verben liefert. Natürlich ließen sich Verben noch anderweitig klassifizieren. Berücksichtigt man etwa die spezifische Qualität des denotierten Sachverhalts stärker bzw. wird weniger stark abstrahiert, so lässt sich ein detaillierter gegliedertes Verbklassensystem entwerfen. Auch die hier verwendete ADESSE-Datenbank enthält eine solche lexikalisch-semantische Systematik (cf. http://adesse.uvigo.es/data/clases. php, letzter Zugriff: 02.02.19). Darauf wird hier nur punktuell zurückgegriffen. Der entscheidende analytische Nachteil ist, dass unterschiedliche Bedeutungen einzelner Verben dann leicht in zwei unterschiedliche Klassen fallen, zwischen denen in manchen Fällen keine klare Beziehung mehr besteht. Beruht die Klassifizierung hingegen auf einem abstrakteren System wie etwa in der Darstellung von Lehmann (1991), so lassen sich die Beziehungen zwischen divergenten Verwendungen leichter bestimmen und ggfs. klarer motivieren.
2.6.2 Nominale Eigenschaften Nominalphrasen, die in vielen neueren Publikationen Determiniererphrasen genannt werden, können unterschiedlich realisiert sein. Neben den sogenannten Full NPs, die definit und indefinit auftreten können, sind Pronomen und z.T. leere Elemente möglich. Für die reduzierte Realisierung sind die referentiellen Eigenschaften der Form entscheidend. Das Thema wird im Analysekapitel zum Nominalobjekt zwar angesprochen, erfährt aber keinen besonderen Fokus, insbesondere weil es bei Pronomen (und natürlich auch bei Nullelementen) keine oder nur eine sehr geringe Varianz gibt, was die a-Markierung betrifft (s. dafür Kap. 2.7.3.1). Die vorliegende Arbeit konzentriert sich also auf volle Nominalphrasen.
2.6 Grundlegende Eigenschaften der (Haupt-)Bestandteile der Strukturen
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In den vorangegangenen Kapiteln wurden bereits wichtige nominale Eigenschaften behandelt. In Kap. 2.3 wurden lexikalische bzw. konzeptuelle Nominalklassen behandelt. Dabei wurden menschliche und tierische Entitäten sowie Konkreta und Abstrakta aufgeführt. Auch Propositionen und stark ausdifferenzierte Sachverhaltsbeschreibungen können mit Abstrakta zusammengefasst werden. In der Forschung wird dies als Komplexanapher bezeichnet (cf. Schwarz 2008, 199ss.). In Kap. 2.6.1 wurden verschiedene Eigenschaften angesprochen, die in Hinblick auf das Verhältnis zum Verb wichtig sind. Im Rahmen des Transitivitätsansatzes von Hopper/Thompson (1980, 252) sind einerseits Volitionalität und Agency, was mit eigenmächtiger Wirksamkeit übertragen werden könnte, zu nennen. Beide sind zum Teil im Verb eingeschrieben, betreffen aber insbesondere das Subjekt. Nur bestimmte Nominalklassen, nämlich belebte und zwar in erster Linie menschliche Entitäten können die Eigenschaften aufweisen. Andererseits führen Hopper/Thompson (1980, 252) die Betroffenheit und die Individuiertheit des Zweitaktanten an. Auch bei der Betroffenheit spielt das Verb eine ganz entscheidende Rolle, insofern sich der Grad der Einflussnahme an der Art des Verbalvorgangs festmacht (cf. auch ibid., 252s.). So wäre ein menschliches Denotat von dem Vorgang töten vollständig betroffen, vom Perzeptionsakt sehen hingegen nur z.T., nämlich physisch. Das Beispiel weist auf eine für die vorliegende Arbeit wichtige Opposition hin, die allerdings noch wesentlich präziser motiviert wird (s. Kap. 2.8.3). Hopper/ Thompson (1980, 252s.) verwenden zur Veranschaulichung einen Kontrast der Aktantenrollen und führen die beiden Beispiele I drank up the milk und I drank some of the milk (Beispiele aus ibid., 253) an. Derartige Beispiele sind hier weniger relevant, da Kasusvariation mit Ausnahme des Verhältnisses zwischen Subjekt und Objekt ausgeklammert wird. Mit der Individuiertheit des Zweitaktanten erfassen Hopper/Thompson (1980, 253) verschiedene Eigenschaften. Einerseits zielt der Parameter auf die Konstitution der Entität ab und erfasst die ontologische Klasse (s.o.) etwa als menschliche oder dinghafte Entität sowie als Individuen gegenüber Massen (cf. ibid.). Andererseits wird damit auch auf die eigenständige Existenz gegenüber dem Subjektdenotat wie auch dem Verbalvorgang Bezug genommen (cf. ibid.). Dabei spielen referentielle Faktoren eine wichtige Rolle (cf. auch ibid.). Weitere relevante Eigenschaften, die ebenfalls in direktem Bezug zum Verbalvorgang stehen, werden im Protorollenansatz Dowtys (1991) angeführt. Wie in Kap. 2.6.1 betont, intendiert Dowty (1991) selbst die Eigenschaften nicht als nominale, sondern als verbale Eigenschaften, genauer Entailments des Verbs hinsichtlich seiner Argumente (cf. ibid., 572, insbes. Fußnote 16). Die präzise Liste ist allerdings auch sehr hilfreich, um ggfs. aktualisierte nominale Eigenschaften von Aktanten näher zu bestimmen. Volitionalität auf Seiten des
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2 Theorie
Erstaktanten (cf. ibid., 572) wurde bereits genannt. Hinzukommt die Befähigung zu gefühlsmäßiger und sinnlicher Wahrnehmung (cf. ibid.). Alle zwei bzw. drei Faktoren sind auf belebte und u.U. menschliche Entitäten beschränkt. Dowty (1991, 572) führt außerdem an, dass ein Proto-Agens Urheber eines Vorgangs ist und ggfs. einen Zustandswechsel eines anderen Partizipanten herbeiführt. Er ist zu Bewegung «relative to the position of another participant» (ibid.) befähigt und existiert ggfs. unabhängig vom vom Verb denotierten Vorgang (cf. ibid.). Die Proto-Agens-Eigenschaften ähneln denen von Hopper/Thompson (1980) stark, die sich auf den Erstaktanten beziehen, bzw. treten in Kontrast zu jenen, mit denen der Zweitaktant beschrieben wird. Die Proto-Patiens-Eigenschaften sind in Opposition zu denen des Proto-Agens konzipiert (cf. Dowty 1991, 572, 574). Der Proto-Patiens ist demnach stark affiziert und erfährt einen Zustandswechsel (cf. ibid., 572). Die Eigenschaft «incremental theme» (ibid.) nimmt Bezug darauf, dass die Betroffenheit graduell realisiert wird (cf. ibid., 573). D.h., es lassen sich einzelne Zeitpunkte im Verlauf des telischen (cf. ibid., 567) Verbalvorgangs ausmachen, zu denen der Proto-Patiens immer mehr betroffen ist. Mithin ist die Art der Betroffenheit nicht-punktuell. Dowty (1991) nennt u.a. das Beispiel John filled the glass with water (Bsp. aus ibid., 573). Tritt in einem ähnlichen Kontext bspw. eine Menge an individuierbaren Einheiten in Objektposition auf, etwa drei Äpfel (Bsp. aus Krifka 1989, 228), so spricht Krifka (1989, 228) von einer «gequantelten Referenz». Ein solches Denotat wäre ein weniger guter Kandidat für das inkrementelle Thema nach Dowty (1991, 572), in seinen Ausführungen spielen NPs im Plural keine Rolle (cf. ibid., 567ss.). Dennoch wäre der Fall mit der Eigenschaft erfassbar (cf. auch den Begriff der effizierten Objekte in ibid., 568 sowie Krifka 1989, 244; s. Kap. 2.6.1). Dowty (1991) führt in direkter Gegenüberstellung zu den letzten drei Proto-Patiens-Eigenschaften (cf. ibid., 574) die kausale Betroffenheit, die relative Unbeweglichkeit sowie die nicht-unabhängige Existenz vom Verbalvorgang an (cf. ibid., 572). Die oben diskutierten Ansätze betrachten Nomen v.a. im Rahmen von mehr oder weniger transitiven Strukturen. Allerdings kann die Semantik von Nomen auch unabhängig von einer solchen Einbettung zerlegt werden. Ein sehr vielversprechender Ansatz dafür ist das generative Lexikon Pustejovskys (1991a; 1995b). Er führt neue semantisch-konzeptuelle Kategorien ein, insbesondere die Qualia-Struktur (cf. etwa Pustejovsky 1995b, 76ss.). Mit ihr lässt sich die Kombinatorik mit Verben auf einer «tieferen», d.h. stärker konzeptuell orientierten Ebene beschreiben. Die Qualia erfassen die folgenden Eigenschaften von Entitäten: ihre Konstitution, das, was sie von anderen mehr oder weniger ähnlichen Einheiten unterscheidet, ihren Ursprung und ggfs. ihren Zweck (cf. Pustejovsky 1995b, 76). Die Theorie des generativen Lexikons wird in Kap. 2.8.2 recht ausführlich vorgestellt, da sie zentral ist für den hier vorgeschlagenen Ansatz zur Beschreibung
2.6 Grundlegende Eigenschaften der (Haupt-)Bestandteile der Strukturen
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der differentiellen Objektmarkierung. An dieser Stelle wird daher auf weitere Ausführungen dazu verzichtet.
2.6.3 Eigenschaften von eingebetteten Sätzen Für die Beschreibung von eingebetteten Sätzen muss insbesondere das Verhältnis zwischen den Teilsätzen in den Blick genommen werden. Es sind verschiedene formale Subordinationsmerkmale möglich, insbesondere eine Konjunktion, aber auch bestimmte Flexionsmerkmale. Der Nebensatz kann finit oder infinit sein. Im ersten Fall tritt zumeist, im zweiten hingegen nie eine Konjunktion auf. Ist er finit, so kann er indikativisch realisiert sein oder im Subjuntivo stehen. Es ergeben sich verschiedene Möglichkeiten des relativen Zeitbezugs, insbesondere Vor-, Gleich- sowie Nachzeitigkeit. Ein wichtiger referentieller Faktor ist zudem, ob das Nebensatzsubjekt auf die gleiche Entität referiert wie das des Hauptsatzes oder nicht. Im Spanischen ist ein nicht explizites Subjekt in infiniten Nebensätzen zumeist koreferent zu einem Element des Hauptsatzes. Die Analyse konzentriert sich auf Strukturen mit Subjektkoreferenz, d.h., dass Haupt- und Nebensatzsubjekt auf die gleiche Entität referieren.20 Auch bei den satzwertigen Akkusativobjekten spielt Verbsemantik eine entscheidende Rolle. Grundlegend sind die Eigenschaften des Matrixverbs, an das der Nebensatz andockt. Für das innere Verhältnis solcher Strukturen ist aber auch die Semantik des Nebensatzverbs wichtig. Verbale Eigenschaften wurden in Kap. 2.6.1 behandelt. Das Verhältnis zwischen Haupt- und Nebensatz unter Bezugnahme auf unterschiedliche formale Realisierungsmöglichkeiten wird etwa in der funktionalen Literatur eingehend behandelt (cf. bspw. Givón 1980; 2001b, Kap. 12). Ein wichtiges Schlagwort ist dabei die Satzverknüpfung (s. Kap. 2.9.6.1). Sie beschreibt, wie eng Haupt- und Nebensatz miteinander verbunden sind (cf. bspw. auch Lehmann 1988; Raible 1992). In den genannten Ansätzen von Givón (2001b), Lehmann (1988), Raible (1992) und verschiedenen weiteren wird, was die Art der Verbindung betrifft, Ikonizität angenommen zwischen der formalen und der Bedeutungsebene. Die vorliegende Arbeit beruft sich auf die diesbezügliche Forschung. Einerseits werden allerdings die semantischen Kategorien verfeinert und andererseits werden aus einer detaillierten Beschreibung weiterführende Erkenntnisse gewonnen.
20 Das schließt bspw. Strukturen mit kausativen Verben (hacer que und dejar que, etwa ‘dazu bringen, dass’ und ‘(tun) lassen’) aus.
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2 Theorie
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur Die erste große Gruppe von Konstruktionen, die in der vorliegenden Arbeit diskutiert wird, ist die der verbalen Rektion von nominalen Akkusativobjekten. Sie stellt den prototypischen formalen Fall von Transitivität dar und wird in manchen Schulen als einziges Element der Kategorie geführt. Die Funktion der verbalen Objektrektion ist, dass das Objekt über das Verb in ein bestimmtes Verhältnis zum Subjekt gesetzt wird. Die Art des Verhältnisses wird in erster Linie vom Verb gesteuert, das die thematischen Rollen der Aktanten selegiert. Prototypisch geht die Verbalhandlung effektiv vom Subjekt auf das Objekt über (cf. die Skalen in Hopper/Thompson 1980). Die Beschreibung der Akkusativobjekte des Spanischen hat eine lange Tradition. Dies liegt vor allem an der Besonderheit des Spanischen, dass bestimmte Akkusativobjekte mit a markiert werden können, was seit Bossong (1982) als «differentielle Objektmarkierung» bezeichnet wird (s.u.). Der Möglichkeit der formalen Markierung gilt das Analyseinteresse der vorliegenden Arbeit. Gleichzeitig bildet sie die Grundlage für die Applizierung des hier präsentierten Ansatzes. Die allgemeine Struktur der behandelten Konstruktionen wird in [2] wiederholt und präzisiert. Wird das angeschlossene Element als Akkusativobjekt realisiert, so ist sie wie in [3] mit V1 als Matrixverb und N als regiertem Nomen zu aktualisieren. Die Darstellung in [3] zeigt auch, wie Beispiele in der Arbeit präsentiert werden. Das Matrixverb wird unterstrichen, der Komplexitätsmarker erscheint ggfs. in Fettdruck und unterstrichen und das angeschlossene Element wird auch fettgedruckt. Dies dient der besseren Erfassbarkeit. [2] Verb {± Komplexitätsmarker} + angeschlossenes Element [3] V1 {ø / a} N Bereits in der ersten spanischen Grammatik von de Nebrija ([1492] 1931, 122, 150) wird die mögliche a-Markierung angesprochen. Seit dem 20. Jahrhundert ist die Forschung dazu intensiviert worden. Trotz einer hohen Zahl an Publikationen bleibt das Thema aktuell. Die a-Markierung im peninsularen Spanisch gilt als (noch) nicht oder nur in Teilbereichen grammatikalisiert. Die Trennlinie zwischen – jeweils obligatorischer – Markierung bzw. Nicht-Markierung erscheint unscharf. Die zentrale Schwierigkeit für die Forschung ist, dass als Auslöser einer Markierung bisher kein einzelner Faktor bestimmt werden konnte (cf. bspw. Laca 1995, 64). In der Literatur werden zumeist Faktorenbündel diskutiert und in unterschiedlicher Weise zu einem Gesamtbild zusammengesetzt.
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur
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[4.a] Vieron {*(a) Juan / *(a) alguien}. ‘Sie sahen {Juan / jemanden}.’ [4.b] Vieron {al / (?)el} perro. ‘Sie sahen den Hund.’ [4.c]
Vieron (*a) la casa. ‘Sie sahen das Haus.’
[4.d] Vieron {#al / el} problema. ‘Sie sahen das Problem.’ Die Beispiele in [4] zeigen nominale Akkusativobjekte der im Rahmen der Analyse als Hauptkategorien angesetzten Gruppen: [4.a] enthält Objekte mit menschlichem, [4.b] mit belebtem bzw. genauer tierischem Denotat. Das Objekt in [4.c] denotiert ein Konkretum, das in [4.d] ein Abstraktum. Während bei den beiden Typen lexikalischer Füllung der Objektposition mit menschlichem Denotat in [4.a] die Markierung generell als obligatorisch eingestuft wird, werden die Umstände bezüglich tierischer Denotate in der Literatur unterschiedlich beschrieben (s. Kap. 2.7.4). Bei Konkreta und Abstrakta gilt die Markierung gemeinhin als ausgeschlossen. Die angesprochenen Tendenzen sind in einem gewissen Rahmen aufschlussreich.21 Es gibt jedoch einerseits Fälle, bei denen sie nicht zutreffen. Andererseits hat ein solches Mapping kaum Erklärungspotential. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird mittels einer tiefensemantischen Analyse auf die Konzeptualisierung der Objekte geschlossen. In den konzeptuellen Strukturen, die verbal regierten nominalen Akkusativobjekten entsprechen, lässt sich eine Opposition feststellen, die deutlich mit der sprachlichen Form der Konstruktionen korreliert. Die Konzeptualisierung kann komplex oder nicht-komplex sein. Da sich bei einer a-Markierung auch an der sprachlichen Oberfläche Komplexität im Sinne von mehr sprachlicher Information zeigt, wird von Komplexitätsikonzität ausgegangen (cf. für den Begriff bspw. Lehmann 1974, 111). Die Perspektive der
21 Der Einfachheit halber werden in der Analyse zwei Gruppen angenommen, die lexikalisch und referentiell bestimmt sind. Es wird eine Gruppe von Objekten angesetzt, bei denen eine Markierung zu erwarten ist (insbesondere Objekte mit menschlichem Denotat), und eine weitere, bei der ein Ausbleiben der Markierung erwartet werden kann (bspw. Konkreta und viele Abstrakta). Dann wird überprüft, ob eine betrachtete Okkurrenz der Erwartung entspricht oder nicht. Dabei handelt es sich aber lediglich um eine Vereinfachung des Vorgehens. Die eigentliche Beschreibung ist von solchen lexikalisch-referentiellen Kategorien jedoch strikt zu trennen (s. Fließtext). Für eine Übersicht von Möglichkeiten der Herangehensweise cf. Isenberg (1968, 5–7).
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2 Theorie
Untersuchung ist synchron und bezieht sich auf das peninsulare Standardspanisch (cf. für die diachrone Entwicklung der a-Markierung bspw. Melis 1995; Laca 2006; von Heusinger/Kaiser 2005; 2007; 2011; von Heusinger 2008). Die folgenden Kapitel sind der Forschungsliteratur zur DOM hinsichtlich unterschiedlicher Facetten gewidmet. Die grundsätzlichen Überlegungen zur Systematisierung zu Beginn dienen der leichteren Verortung der unterschiedlichen Herangehensweisen. Nach einer Abgrenzung relevanter Fragestellungen werden die Faktoren und spezifischen Erklärungsansätze im Einzelnen besprochen. Die Behandlung liefert gerade in ihrer Breite entscheidende Bezugspunkte für den hier verfolgten Ansatz, der im darauffolgenden Teilkapitel eingeführt und in Hinblick auf die Applizierung auf die DOM präzisiert wird.
2.7.1 Faktoren zur Beschreibung der DOM und ihre Systematisierung Die differentielle Objektmarkierung ist der übliche Fachterminus, um das Phänomen zu beschreiben, dass vor bestimmten Objekten ein sprachlicher Marker auftritt und vor anderen nicht.22 Er wurde von Bossong (1982) geprägt. Er ermöglicht die einheitliche Bezeichnung paralleler Phänomene in unterschiedlichen, auch nicht verwandten Sprachen. Im Spanischen, womit sich die vorliegende Arbeit beschäftigt, wird die Markierung mit dem Element a realisiert. In der Literatur wird eine Vielzahl von Phänomenen besprochen, die mit dem Auftreten in irgendeiner Weise korrelieren. Der Umgang mit den Phänomenen divergiert in der Literatur hinsichtlich zweier Ebenen. Zum einen unterscheiden sich die Ansätze hinsichtlich der Anzahl der Phänomene, die sie mit der DOM in Zusammenhang bringen. Es werden selten einzelne, öfter mehrere unstrukturierte Faktoren besprochen (cf. bspw. RAE 1973, 372–375). Verschiedene renommierte Beschreibungen ziehen jedoch strukturierte Faktorenbündel zur Beschreibung heran (cf. bspw. Aissen 2003). Zum anderen bestehen hinsichtlich des angenommenen Verhältnisses zwischen den Faktoren und der DOM Unterschiede. Manche Autoren gehen im- oder explizit von einem kausalen Verhältnis aus, wobei die Kausalität in der Regel nicht Untersuchungsgegenstand ist. Viele Autoren nehmen demgegenüber eine lose Korrelation an, die sich statistisch überprüfen lässt. Die nicht-kausale Korrelation bietet offenbar weniger Fallstricke. Seltener wird das Phänomen auch als Ergebnis der etwaigen Markierung betrachtet, bei de Swart/ de Hoop (2007, 601) etwa als «interpretational result».
22 In der Literatur wird hin und wieder das bloße Auftreten des sprachlichen Markers als differentielle Objektmarkierung bezeichnet. Das ist terminologisch offenbar unsauber.
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur
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Laca (2006) zeichnet ein deutliches Bild und betont, dass eine allzu einfache Erklärung grundsätzlich auszuschließen sei: «[N]ingún análisis, por fino que sea, es capaz de organizar la distribución en forma binaria, en términos de presencia o exclusión obligatoria de la marca: todas las descripciones dejan como resto una zona de variabilidad importante, en la que la marca es opcional, aunque su distribución no sea necesariamente aleatoria y pueda manifestar preferencias cuantitativas más o menos claras» (ibid., 429).
Die Überlegung hat sicher eine sehr weitgehende Gültigkeit. Auch bei dem hier ab Kap. 2.8 entwickelten Ansatz bleibt eine geringe Zahl an scheinbar unregelmäßigen Fällen. Wie gezeigt wird, sind sie auf die Überschreibung durch anderweitige Mechanismen zurückzuführen. Allerdings ist die Zahl zu gering, als dass von einer «zona de variabilidad importante» (ibid.) gesprochen werden könnte. In den folgenden Unterkapiteln werden zentrale und bzw. oder häufig genannte Phänomene behandelt, die in der Fachliteratur zur spanischen differentiellen Objektmarkierung als relevant für die Markierung angenommen werden. Dabei soll nicht jede der sehr vielen vorhandenen Arbeiten im Detail besprochen werden, sondern der Fokus wird vielmehr auf wichtige Leitgedanken gelegt. Wie etwa García García (2010, 6) feststellt, ist seit Beginn der Beschreibung der DOM «nahezu jede erdenkliche These […] schon einmal geäußert worden». Es liegen verschiedene Übersichtsdarstellungen vor, die große Mengen an Literatur aufarbeiten. Bspw. ist die Bilanz, die in Müller (1971) gezogen wird, in verschiedener Hinsicht noch aktuell. Eine kommentierte Bibliographie etwas neueren Datums findet sich etwa in Pensado (1995a, 46ss.). Auch bspw. García García (2010, Kap. 2) gibt einen vielfältigen Überblick, der in García García (2014) weiter ergänzt wird. Wie Torrego Salcedo (1999) unter Bezugnahme auf Fernández Ramírez ([1951] 1986) angibt, «influyen en el fenómeno tanto la naturaleza del verbo como la naturaleza del nombre (o pronombre) que funciona como complemento» (Torrego Salcedo 1999, 1781).23 Eine Vielzahl an Faktoren lässt sich einem der beiden Phänomenbereiche zuordnen. Objekte mit menschlichem Denotat bzw. Referent figurieren in Schulgrammatiken wie auch in der Fachliteratur häufig an erster Stelle der Beschreibung. Ob ein spanisches direktes Objekt auf eine belebte oder menschliche Entität referiert oder nicht, gilt als wichtigster Faktor für die
23 Mit ihrem Verweis auf Fernández Ramírez (1951) bezieht sich Torrego Salcedo (1999, 1781) vermutlich auf folgende Aussage aus §24.1: «Algunas diferencias en el uso [de la a, J.E.] dependen de la naturaleza del nombre sustantivo […] o de la naturaleza del verbo» (Fernández Ramírez [1951] 1986, 165). Allerdings ist die Intention dort offenbar eine andere, sodass der Verweis von Torrego Salcedo nicht zielführend ist.
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2 Theorie
Markierung (cf. bspw. Torrego Salcedo 1999, 1782; Leonetti 2004, 76; RAE 1973, 372 etc.). Die Einschätzung lässt sich in der Tat anhand relativer Frequenzen der Opposition [± belebt] untermauern. Allerdings handelt es sich dabei um keine generell, geschweige denn ausschließlich geltende Regel. Einerseits werden teilweise zumindest scheinbar auf menschliche Entitäten referierende Objekte nicht markiert. Andererseits kommt es in bestimmten Fällen auch bei Objekten mit unbelebten Referenten zur Markierung (cf. insbesondere García García 2010). Die oberflächlich kaum erfassbare Uneinheitlichkeit ist ein wichtiger Grund für die lang anhaltende intensive Forschungsdebatte. Viele Beschreibungsansätze können in Abhängigkeit ihrer jeweiligen Perspektive geordnet werden. Bei der ersten Systematisierung besteht ein besonderes diachrones Interesse, das den Ursprung des Markers betrifft. Die drei Klassen, die Laca (2006, 426) unterscheidet, lassen sich dieser Gruppe zuordnen. Laca weist hierbei auf ein Problem hin, indem sie den Mangel einer klaren faktoriellen Abgrenzung zwischen Überlegungen zum Ursprung der a-Markierung und den sie bestimmenden Faktoren beklagt (cf. ibid., 425s.). Ihre drei Klassen sehen als Ausgangspunkt der a-Markierung entweder eine Analogie zum Subjekt (cf. bspw. auch Torrego Salcedo 1999, 1784; eine ausführliche Bibliographie dazu findet sich etwa in Müller 1971) oder eine zum Dativ. Oder aber die Topikalität bzw. Salienz des Objekts wird als Ursprung angesetzt (cf. Laca 2006, 426). Die Schwäche einer solchen Systematik ist, dass die Einzelklassen auf divergenten Kategorien basieren. So ist etwa die Subjektanalogie entweder allgemein auf v.a. lexikalisch-semantischer Ebene zu evaluieren oder sie wird auf Satzebene bestimmt. Die Dativanalogie, die darin besteht, dass die Markierung beider Objekttypen mit a erfolgt, ist hingegen in erster Linie eine formale und hintergründig eine funktionale Einordnung auf Satzebene (cf. Laca 2006, 426s.). Die dritte Klasse der diachronen Orientierung operiert wiederum nicht auf der Ebene des Einzelsatzes, sondern vielmehr auf Diskursebene. Eine zweite Systematisierung wird in von Heusinger/Kaiser (2007) in Form von zwei Hauptklassen präsentiert. Es werden die Ambiguitäts- und die Transitivitätsthese unterschieden (cf. ibid., 83). Die Abgrenzung erfolgt zumindest annähernd auf der bzw. den gleichen Ebenen. Die Ambiguitätsthese ist mit der Klasse der Subjektanalogie vergleichbar, insofern in beiden Fällen auf die mögliche Ähnlichkeit von Subjekt und Objekt abgezielt wird. Die zweite Kategorie, die der Transitivität, stellt die Prototypikalität des Verbs und des Objekts im Sinne Hopper/Thompsons (1980) heraus. Sie operiert folglich auch in erster Linie auf lexikalisch-semantischer Ebene. Auffällig ist insgesamt, dass sich das Gros der bestehenden Ansätze in seinem Fokus auf Objekte beschränkt, deren Referenten belebt, bzw. vielmehr sogar menschlich sind. Die genannten Systematisierungen sind erwartungsgemäß
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nicht unabhängig davon. Ihre weitergehende Nützlichkeit wäre zu prüfen. In jüngeren Arbeiten wurde gezeigt, dass die Einschränkung vor einem Hintergrund sinnvoll sein kann, der die Gesamtfrequenz markierter Objekte berücksichtigt (cf. etwa die Daten zur Frequenz in García García 2010). Nichtsdestotrotz ignoriert die Beschränkung auf Objekte mit menschlichem Referenten sprachliche Fakten. Es können auch solche mit unbelebtem Referenten markiert werden (cf. bspw. ibid.; Torrego Salcedo 1999, 1788 mit Verweis auf Roegiest 1980; Pensado 1995a, 31; Delbecque 1994, 33). Ein Beispiel wäre etwa Los días siguen a las noches (Bsp. aus Torrego Salcedo 1999, 1788 nach Roegiest 1980, ‘Tage folgen den Nächten’). Mithin ist so keine umfassende Motivierung der a-Markierung im Spanischen möglich. Im Folgenden werden zunächst terminologische Präzisierungen vorgenommen. Sodann werden unabhängig von einer Systematisierung im obigen Sinn bestimmte Einzelfaktoren erörtert, die sich in der Literatur zur spanischen DOM finden. Auf diese Weise entsteht eine relativ detaillierte Kasuistik (die Vorgehensweise findet sich bspw. auch in Laca 1995). Vor allem sind es formale und lexikalische, pragmatische und diskurspragmatische Faktoren, aber auch der Faktor des Verhältnisses zwischen Subjekt und Objekt (cf. für die Schematisierung auch Laca 1987, 292). Zudem werden einzelne weitere Erklärungsansätze vorgestellt, die theoriespezifisch sind oder sich aus Gründen ihres Erkenntnisinteresses nicht unter die genannten Faktoren subsumieren lassen.
2.7.2 Terminologie und Abgrenzung Wie oben angesprochen finden sich in der Literatur verschiedene theoretische Herangehensweisen an die Thematik der DOM. Auch hinsichtlich der Terminologie gibt es Unterschiede. Die Bezeichnungen sind nicht vollständig austauschbar und untereinander kompatibel, da sie teilweise theoretische Implikationen haben. Im vorliegenden Unterkapitel werden daher einige wichtige Begriffe diskutiert und grundlegende Probleme angesprochen. Im Zuge dessen wird die Thematik etwas eingegrenzt. Der Terminus Akkusativobjekt denotiert prinzipiell ein nominales Element bzw. eine Phrase in der syntaktischen Funktion des Akkusativs. Er hat eine sehr lange Tradition und ist zweifelsohne anerkannt, wird er doch über unterschiedliche Theorien hinweg eingesetzt. In der hispanistischen Fachliteratur ist der Begriff des complemento (seltener auch objeto) directo üblicher (cf. bspw. Campos 1999). Seine Verwendung entspricht dabei oft der oben genannten, funktional motivierten, auch wenn er seinen Ursprung in der generativen Grammatik hat (cf. bspw. Bußmann 2002, 357, Stichwort «Komplement»). Langacker (1987, 270)
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definiert das direkte Objekt auf konzeptueller Basis anhand seiner Salienz im Satz. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird der Begriff des direkten Objekts aber wie in der romanistischen Literatur verwendet und insofern als Synonym zu Akkusativobjekt eingesetzt. Das Akkusativobjekt kann als einzelnes Element realisiert sein oder als Phrase. Obschon sich in vielen linguistischen Ansätzen der Begriff der Determiniererphrase (DP) durchgesetzt hat, wird hier zumeist auf den älteren Terminus der Nominalphrase (NP) zurückgegriffen. Die Gründe dafür sind die folgenden. Erstens spielt bei der im Rahmen der Arbeit vorgestellten Analyse die Semantik des Nomens selbst die entscheidende Rolle. Dieses semantische Verständnis des Kopfes (im Gegensatz zu einem formal syntaktischen) gibt Croft (in prep.) mit der folgenden Definition wieder: «A head of a construction is essentially the word that most closely denotes the same concept as the phrase as a whole» (ibid., 22). Zweitens ist die Fokussierung auf den Determinierer, insbesondere auf seine Form, gerade das Problem mancher anderen Ansätze zur DOM. Drittens kann der Begriff der DP somit dann verwendet werden, wenn es hilfreich ist, einen Unterschied zu machen und die Rolle des Determinierers besonders herauszustellen. Der Terminus der komplexen NP wird wie auch in anderen Ansätzen üblich für Nominalphrasen verwendet, in denen eine zusätzliche Ebene auftritt, bspw. in Form einer PP. Wie das folgende Beispielpaar zeigt, ähnelt das Element a in Form und Auftreten dem Dativmarker. [5.a]
Envió a su hija de vacaciones. (Bsp. aus Laca 2006, 425) ‘{Sie / Er} schickte {ihre / seine} Tochter in den Urlaub.’
[5.b] Envió un regalo a su hija. (Bsp. aus ibid.) ‘{Sie / Er} schickte {ihrer / seiner} Tochter ein Geschenk.’ Die Überlegung, dass sich die a-Markierung des spanischen Akkusativobjekts in Analogie zur Dativmarkierung herausgebildet hat, findet sich in der Literatur häufiger und geht nach Laca (2006, 426) bereits auf Meyer-Lübke (1890–1906) zurück. Laca stellt noch zwei weitere Hypothesen heraus, die nämlich das Auftreten von a in Verbindung bringen «con una diferenciación con el sujeto (Müller 1971 y muchos otros) […] y con el estatus de tópico o con la prominencia pragmático-referencial (Rohlfs 1971)» (ibid., 426). Wie Laca (2006, 425s.) kritisiert, wird in der Forschungsdiskussion die Frage nach dem historischen Ursprung des Elements z.T. nicht klar von der nach Auslösern für sein Auftreten in der modernen Sprache abgegrenzt. Die beiden Ansätze werden in den entsprechenden Unterkapiteln (s. Kap. 2.7.10 für die Differenzierung vom Subjekt und Kap. 2.7.5.4
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur
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für die Topikalität) denn auch von einer synchronen Warte aus behandelt. Die Frage nach der Herkunft der a-Markierung wird hingegen ausgeklammert. Keineswegs unabhängig davon sind die Fragen, worum es sich bei dem Element a handelt und wie es in der Folge zu bezeichnen ist. In älteren Darstellungen wird häufig von einer Präposition gesprochen (cf. etwa Fernández Ramírez 1986, §24; RAE 1973, 372ss.). In einzelnen Beschreibungen neueren Datums wird das übernommen (cf. bspw. Laca 1987; Delbecque 1994; Aissen 2003; Company Company/Flores Dávila 2014). Demonte (1987) testet a im Vergleich zu anerkannten Präpositionen. Sie macht sich dabei beispielsweise den Verbindungstest zunutze: «[S]tructural Case markers cannot be omitted whereas elements assigning inherent Case can» (ibid., 150 unter Verweis auf relevante Forschungsliteratur) und stellt u.a. die folgenden Beispiele einander gegenüber. [6.a] *Visité a mi hermana y ø la tía Enriqueta. (Bsp. aus Demonte 1987, 150) ‘Ich besuchte meine Schwester und Tante Enriqueta.’ [6.b] Visité la exposición con mi hermana y (la) tía Enriqueta. (Bsp. aus ibid.) ‘Ich besuchte die Ausstellung mit meiner Schwester und Tante Enriqueta.’ Im Beispiel [6.b] genügt eine Realisierung von con (‘mit’). In [6.a] hingegen wäre die a-Markierung auch des zweiten Bestandteils der koordinierten Nominalphrase nötig. Demonte (1987) lotet bei weiteren Tests die Grenzen der Grammatikalität aus, etwa anhand der Möglichkeit eines prädikativen Elements, das in [7.a] möglich ist,24 nicht aber in [7.b].25 [7.a]
Juan (la) hizo bailar a María desnuda. (Bsp. aus Demonte 1987, 154) ‘Juan brachte Maria dazu, nackt zu tanzen.’
[7.b]
*Joaquín le regaló un reloj a Carmen enfadada. (Bsp. aus ibid.) ‘Joaquin schenkte der aufgebrachten Carmen eine Uhr.’
Demonte (1987) zeigt auf diese Weise, dass es sich bei a um keine Präposition handeln kann (s.u.) und verwendet den Hilfsterminus «dummy preposition» (ibid., 148). Der Status als Präposition wurde allerdings auch schon lang vorher
24 Demonte (1987, 154) vertieft die Frage nicht, ob die andersartige Verbalstruktur der Kausativkonstruktion in [6.a] einen Einfluss auf die Verhältnisse haben könnte. 25 Die Übertragungen ins Deutsche zeigen die Problematik nicht deutlich. In Beispiel [7.b] wird das intendierte Prädikativum als Attribut wiedergegeben.
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angezweifelt (cf. besonders Ramsey 1867, Abschnitt 1303 b, aber bspw. auch die kurze Diskussion in King 1984, 397). Der Begriff eines «persönlichen a» (span. «a personal») hat ebenfalls eine gewisse Tradition und findet sich auch in neueren Darstellungen noch (bspw. bei Bleam 1999 usw.). Er ist ebenfalls problematisch, nicht an sich, weil er semantisch motiviert ist, sondern weil er ein menschliches Objektdenotat erwarten lässt und mögliche andere Realisierungen im Verhältnis zu der Interpretation intendiert. Bei verschiedenen Autoren findet sich die Bezeichnung Partikel (cf. bspw. Weissenrieder 1990, dort aber neben dem der Präposition; Brugè/Brugger 1996; zuvor schon Jaeggli 1982). Der Begriff der Partikel wird allerdings im deutschen Sprachraum zumindest teilweise zu eng verstanden. In Bußmann (2002, 499) werden bspw. fast ausschließlich Partikeln aufgezählt, in denen dem jeweiligen sprachlichen Element ein lexikalisch-semantischer Gehalt zugeordnet werden kann. Eine solche enge Verwendung wäre hier unpassend, da lexikalischer Gehalt bei dem Element wohl nicht vorhanden ist. Brugè/Brugger (1996, 11) sehen a als Kopf einer funktionalen Projektion, «conceived of as a Case projection, which can select a DP». Allerdings schreiben sie a neben dem Merkmal [+ Akkusativ] auch [+ belebt] zu, wobei sie davon ausgehen, es seien stets beide Merkmale vorhanden (cf. ibid., 12). Damit besteht also das gleiche Problem wie bei den obigen Überlegungen, dass das Element auch bei Objekten auftreten kann, die unbelebte Entitäten denotieren. In der neueren Forschung werden wohl aus solcherlei Gründen funktionsneutrale und semantisch neutrale Begriffe verwendet, insbesondere der Begriff des Markers (cf. bspw. von Heusinger 2008; García García 2010).26 Die Formulierung wird hier übernommen. Eine ergänzende Frage ist, ob dem Marker ein konkreter Wert zugeschrieben werden kann. Für einen konkreten syntakischen Wert besteht die grundsätzliche Problematik, dass parallelen Strukturen mit vs. ohne Marker eine zumindest sehr ähnliche syntaktische Interpretation zukommen muss, um den sprachlichen Gegebenheiten Rechnung zu tragen. Ein semantischer Wert erscheint weniger problematisch. Weissenrieder (1990) gibt an, dass man davon ausgehen müsse, dass ein solcher vorhanden sei: «The fact that such an unstressed particle could exist despite phonological tendencies to assimilate it to preceding or following vowels may attest to the strength of its semantic character» (ibid., 223).
26 Wie bereits in Kap. 2.7.1 angesprochen, bezeichnet der Begriff der differentiellen Objektmarkierung das abstraktere Phänomen und kann nicht für als Terminus für den Marker selbst verwendet werden. Dementsprechend sind auch Derivate wie ein differentieller Objektmarker u.ä. nicht sinnvoll.
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Ihr Argument wirkt überzeugend. Die Frage allerdings, worin der semantische Wert bestehen soll, bleibt bestehen. Und es lässt sich wohl auch keine oder zumindest keine einfache Antwort darauf finden (cf. auch das in Kap. 2.7.1 angeführte Zitat von Laca 2006, 429). Es können lediglich verschiedene semantische Werte ausgeschlossen werden. Das wurde oben bereits für die Information [+ belebt] getan, anhand derer sich keine rigide Opposition bilden lässt. In der vorliegenden Arbeit wird a innerhalb der jeweiligen Struktur als Komplexitätsmarker betrachtet. Der zweigliedrigen Opposition seiner Realisierung oder Nicht-Realisierung ist demnach, etwas vereinfacht gesprochen, auf konzeptueller Ebene eine parallele Divergenz zugeordnet. Insofern wird die An- oder Abwesenheit im vorliegenden Rahmen aus einer binären konzeptuellen Opposition heraus motiviert. Die vorliegende Untersuchung hat einen qualitativen Fokus. Eine tiefensemantische Beschreibung wird angestrebt. Um der Weite der Thematik, ihrer Komplexität und dem deskriptiven Anspruch gerecht zu werden, ist die Analyse etwas einzuschränken. Wenig ergiebig sind offenbar Strukturen, die keine Alternative zulassen. Das Auftreten von a vor Pronomen mit belebtem Referenten gilt bspw. als weitgehend grammatikalisiert (cf. etwa RAE 1973, 373; Laca 2006, 430). In bestimmten Verb-Objekt-Konstruktionen, etwa bei Nomen-Verbgefügen, ist der Marker hingegen ausgeschlossen (cf. García García 2010, 174). Im folgenden Kapitel wird nochmals etwas eingehender auf die beiden genannten Tendenzen eingegangen. Es wird geklärt und begründet, welche Strukturen im Rahmen der Analyse nicht thematisiert werden. Im Gegensatz zur fixen Struktur bestimmter Konstruktionen würde der Faktor der sprachlichen und im Besonderen der diatopischen Variation sehr viel Diskussionsstoff bieten. Dass es Variation in dem Bereich gibt, ist einerseits vor dem Hintergrund der eingeschränkten Zugänglichkeit der Funktion und der Bedeutung von a naheliegend. Stabilität ist hier unwahrscheinlich. In Publikationen, die diatopische Variation berücksichtigen, wird zumeist davon ausgegangen, dass sich das peninsulare und das lateinamerikanische Spanisch im Bereich der DOM unterscheiden (cf. bspw. von Heusinger/Kaiser 2005, bes. 45s. oder auch Mardale 2008, 450, Fußnote 3, der sich deshalb ebenfalls auf das peninsulare Spanisch konzentriert). Die lateinamerikanischen Varietäten werden etwa bei Company Company/Flores Dávila (2014, 1259) beschrieben als «mucho más innovadores que los españoles [gemeint sind die peninsularen Varietäten, J.E.] en cuanto al marcado preposicional de objetos inanimados». Offenbar herrscht aber keine völlige Klarheit, worin die Unterschiede bestehen und wie stark sie sind (cf. Laca 1987, 295; Rodríguez-Mondoñedo 2008, 115, Fußnote 8 und García García 2010). Eine Schwierigkeit scheint zu sein, dass sich die Varietäten Lateinamerikas nicht homogen verhalten (cf. dafür auch von Heusinger/ Kaiser 2005, wo unterschiedliche Varietäten explizit berücksichtigt werden). Im
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mexikanischen Spanisch unterliegt laut Company Company (2002, 147) die Verwendung von a weniger starken Beschränkungen als im peninsularen Spanisch (cf. für den Verweis auch García García 2010, 35, Fußnote 14). Tippets (2011) und Balasch (2011)27 gehen einen wichtigen analytischen Schritt und versuchen, Faktoren zu differenzieren, hinsichtlich derer das Auftreten von a in unterschiedlichen Varietäten divergiert. Neben der Diatopik wird seltener auch unsystematische Variation angesprochen. Der Extremfall wäre dabei eine individuelle, spontane Variation, die bspw. Bossong (1991, 152) als relevant ansieht. Die abgeschwächte Darstellung stellt auf ein indirektes Verhältnis ab. Dabei wird von einem Mapping eines oder mehrerer relevanter Faktoren auf einen stilistischen Wert ausgegangen. Derart ist wohl bspw. Weissenrieder (1990) zu lesen, obschon einzelne Aussagen eher in die erste Kategorie zu fallen scheinen (s. die Diskussion in Kap. 2.7.4). Bezüglich der differentiellen Objektmarkierung ist die Thematik der sprachlichen Variation offenbar recht weitreichend und vielschichtig. Es ergeben sich Fragen, die mit variationistischen Theorien angegangen werden müssen. Auch hat der hier zu besprechende Ansatz zur Grundproblematik der Variation zunächst einmal wenig beizutragen. Daher wird die variationistische Perspektive ausgeklammert. Es wird demgegenüber versucht, den Fokus auf eine einzelne, mit Einschränkung natürlich dennoch heterogene, Varietät zu legen, dem peninsularen Spanisch.28 Die Korpusdaten können nicht perfekt hinsichtlich der Varietät kontrolliert werden. Dennoch ist auch eine solche abgeschwächte Einschränkung sehr wichtig, da sonst von starker Varianz ausgegangen werden muss, die ggfs. die Ergebnisse beeinträchtigt. Bei der experimentellen Analyse konnten soziolinguistische Faktoren allerdings sehr präzise kontrolliert werden (s. Kap. 3.2.2). Für verschiedene weitere Variationsparameter war kein Ausschluss erwünscht, es kommt ihnen aber auch kein Fokus zu. Beispielsweise spielen Diaphasik und Diastratik nur in dem Rahmen eine Rolle, wie sie in den konsultierten Korpora vertreten sind. So wird etwa mediale Variation in der ADESSE-Datenbank leicht berücksichtigt. In den Daten zum peninsularen Spanisch beläuft sich der Anteil
27 Die Analyse von Balasch (2011) ist mit Vorsicht zu genießen. 28 Die ADESSE-Datenbank wie auch das CREA-Korpus ermöglichen die Selektion einer Herkunft der Daten. Allerdings handelt es sich dabei im Zweifelsfall um den Publikationsort der dazugehörigen Veröffentlichung und nicht unbedingt um die Herkunft der jeweiligen Sprecherin oder des Sprechers (bzw. Urhebers der Äußerung). Für gesprochene Daten scheint es in der ADESSE-Datenbank in der Regel nicht zu gelten. Es wird jedoch bspw. beim Material aus Zeitungen relevant, wo der sprachliche Hintergrund des Einzelnen unberücksichtigt bleibt. So besteht immer ein mehr oder weniger relevanter Restbereich, der nicht perfekt kontrolliert werden kann.
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gesprochener Sprache auf unter 20% (cf. http://adesse.uvigo.es/data/corpus. php, Zugriff: 02.02.19, s. auch Kap. 3.1 zum Fokus auf die geschriebene Sprache). Mündliche Sprachdaten sind wichtig für die Repräsentativität. Mögliche mediale Unterschiede werden in der hier durchgeführten Untersuchung aber nicht herausgearbeitet. Auch auf die oben angedeutete Diskussion zur diachronen Entwicklung wird nicht weiter eingegangen.
2.7.3 Lexikalische und die Form betreffende Faktoren Grundlegend für die differentielle Objektmarkierung ist das lexikalische Material der jeweiligen Struktur, insbesondere das des Elements in Objektposition. Dementsprechend ist es üblich, zunächst die lexikalische und die denotative Seite des Objekts zu untersuchen. Die Untersuchung der Form wird auf Phrasenebene komplettiert, indem die gesamte NP (bzw. DP) unter die Lupe genommen wird. Im Rahmen der Forschung zur DOM wird dabei besonders die Relevanz des Determinierers diskutiert. In einzelnen Fällen kann auch bspw. die Stellung des Adjektivs relativ zum Nomen mit einem etwaigen Auftreten der a-Markierung korrelieren (cf. bspw. Leonetti 2004, 108 unter Bezugnahme u.a. auf Bosque 200129). Ein im Diskurs sehr frequentes oberflächlich formales Phänomen ist die pronominale Realisierung des Objekts. Wie bereits im vorangegangenen Kapitel angesprochen wurde, gilt die Markierung bestimmter Pronomen mit menschlichem Referenten als grammatikalisiert, weshalb solche Formen von der Analyse ausgeschlossen sind. Die tatsächliche Relevanz lexikalischer und formaler Faktoren für die DOM wird uneinheitlich eingeschätzt. Die Faktoren sind teilweise in der Literatur kontrovers diskutiert worden. Häufig werden unterschiedliche Faktoren und Faktorentypen gemeinsam behandelt oder auch miteinander vermischt. Die sehr diverse Forschungsdiskussion soll hier nicht aufgearbeitet werden. Ziel des Kapitels ist vielmehr, grob zu zeigen, wie die DOM auf einer lexikalischen und formalen Grundlage beschrieben wird und welche Fallstricke sich dabei ergeben. Es sei vorweggenommen, dass das zentrale Problem in der Tat zu sein scheint, dass sich die genannten Faktoren bei realsprachlichen Daten nur schwer von anderen isolieren lassen. Die sprachliche Realisierung ist abhängig von Konzeption und Referenz. Anhand bestimmter Fälle, in denen die Grundbedeutung eines sprachlichen Ausdrucks von der intendierten Referenz abweicht, lässt sich die Dominanz der Referenz für die Realisierung der Ausdrucksseite zeigen (s. Kap. 2.7.5).
29 Es geht bei Leonetti (2004, 108) um Spezifizitätseffekte.
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Ein leicht nachvollziehbarer, wenngleich besonderer Fall ist Bedeutungsverschiebung etwa bei Metaphern. Wie beschrieben werden im Rahmen der hier durchgeführten Analyse zunächst vier nominal ausgedrückte ontologische Klassen unterschieden (s. auch Kap. 2.3 und Kap. 3.1.1): menschliche Entitäten, Tiere, Konkreta und Abstrakta. Sie werden in der Literatur unterschiedlich häufig und intensiv behandelt. Die ersten beiden Klassen werden von einigen Autoren zusammengefasst. In der Fach-, aber auch bspw. in der Sprachlernerliteratur kommt Ausdrücken mit menschlichem Denotat ein besonderer Stellenwert zu. Der Faktor korreliert sehr häufig positiv mit der a-Markierung (s. bspw. [8.a]) und wird entsprechend häufig als erster angeführt (cf. RAE 2009, 2631; bspw. RAE 1973, 372; King 1984, 397; Laca 1987, 293 usw.). In der Regel werden einerseits Eigennamen (s. [8.a]) und andererseits Gattungsbezeichnungen (Appellativa, s. [8.b]) aufgelistet. Die RAE (1973, 372s.) etwa gibt in polyfaktorieller Manier an, dass die erste Gruppe stets und die zweite abhängig von der Realisierung des Artikels und / oder eines Genitivattributs30 auch markiert werde. Für Ausdrücke, die Tiere denotieren, wird oft von ähnlichen Verhältnissen wie bei Ausdrücken mit menschlichem Denotat ausgegangen (cf. bspw. ibid.; s. [9]). [8.a] He visto a Juana. (Bsp. aus RAE 1973, 372) ‘Ich habe Juana gesehen.’ [8.b] […] el viejo abraza al ex podador municipal […]. (SON:318.20) ‘Der Alte umarmt den ehemaligen städtischen Baumpfleger.’ [9.a]
Don Quijote cabalgaba a Rocinante. (Bsp. aus RAE 1973, 372) ‘Don Quijote ritt auf Rocinante.’
[9.b] Encerró al perro […]. (CAR:104.05) ‘Er sperrte den Hund ein.’ Etwaige Unterschiede zwischen Menschen und Tiere denotierenden Ausdrücken werden in der Literatur bisher nur am Rande behandelt. Die Ansichten divergieren dennoch. Während sich wie oben angegeben bei einigen Autoren keine Hinweise auf Unterschiede zwischen den beiden Gruppen finden (cf. bspw. RAE 1973, 372s.), sind andere Autoren der Meinung, es gebe bei Tiere denotierenden Objekten besonders viel Variation (cf. bspw. Laca 2006, 431; Weissenrieder 1990, 223).
30 In dem entsprechenden Punkt (d) in RAE (1973, 373) werden – undifferenziert – referentielle und konzeptuelle Faktoren angeführt.
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur
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Eine weitere Überlegung ist, Graduierungen und damit eine Art Belebtheitsskala anzunehmen (cf. bspw. Torrego Salcedo 1999, 1800 sowie von Heusinger 2008, 4 mit diversen Literaturhinweisen). Wie auch in Kap. 3.1.1 erwähnt wurde, werden Ausdrücke mit menschlichem und solche mit tierischem Denotat etwa in der ADESSE-Datenbank unter der Rubrik belebter Entitäten zusammengefasst. Um eine genaue Zuordnung von Faktoren zu ermöglichen, werden sie im Rahmen der vorliegenden Arbeit jedoch getrennt besprochen. Die Gruppenbezeichnung ‘belebt’ wird hier denn auch in Opposition zur Gruppe ‘menschlich’ verwendet und umfasst ausschließlich tierische Denotate (s. dafür auch Kap. 2.7.4). In die Kategorie der Eigennamen fallen auch Toponymika. Die RAE (1973, 372) geht davon aus, dass Ortsnamen ohne Artikel a-markiert werden, solche, in deren Name ein Artikel enthalten ist, aber nicht. Sie stellt He visto a Cádiz (‘Ich habe Cádiz gesehen’) He visto La Coruña (‘Ich habe La Coruña gesehen’) gegenüber (Beispiele aus ibid.), betont aber, dass es in dem Bereich auch diachron viel Variation gegeben habe (cf. ibid.). Der Hinweis auf Variation in dem Bereich findet sich bspw. auch bei Torrego Salcedo (1999, 1800). Die RAE (2009, 2636) verortet das Auftreten von a vor Toponymika als synchron weniger üblich. In der literarischen Sprache des 20. Jahrhunderts sei der Marker aber möglich (cf. ibid.). An anderer Stelle nennt die RAE (2009, 2637) Personifizierung als Grund für die mögliche Markierung von Toponymika. Die Erklärung ist prinzipiell einleuchtend, bringt aber kaum einen Erkenntnisgewinn. King (1984, 398) sieht bspw. keinen Sinn in dem Erklärungsansatz. In jedem Fall wäre die kognitive Relevanz zu prüfen. Eine andere mögliche Überlegung besteht im Übergangsbereich zu den Kollektiva. Torrego Salcedo (1999) führt etwa das folgende Beispielpaar an: Estudia {el / al} pueblo de Numancia (Bsp. aus Torrego Salcedo 1999, 1800, etwa ‘Sie / Er untersucht {die Ortschaft / die Bewohner} Numancias’). Im Sinne Torrego Salcedos (1999, 1800) denotiert die a-markierte Variante des Beispielpaars ein Kollektivum. Im Gegensatz dazu liegt bei den Fällen oben mit Toponymika in Kopfposition der Objekt-NP in der Grundbedeutung kein Kollektivum vor. Es spielen hier referentielle Faktoren eine Rolle, weshalb der Gedanke an dieser Stelle nicht weiter verfolgt wird. Bzgl. Kollektiva im Speziellen stellt García García (2010, 42) die Überlegung an, ob sie eine eigene Klasse darstellen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden sie in Kap. 4.3.1 eingehender behandelt und ausdifferenziert. Der Kernbereich der Nominalklasse wird als Untergruppe der menschlichen Entitäten motiviert. Wie in der Literatur verschiedentlich betont wird, werden Objekte, die unbelebte Entitäten bezeichnen, zumeist nicht markiert (cf. bspw. Torrego Salcedo 1999, 1782, 1800; s. [10]). Allerdings nennt schon Müller (1971, 477) «die These, […] a diene der ‹animation› des in der Genusopposition belebt ≠ unbelebt zum
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inanimatum tendierenden Objekts, überholt» (Hervorhebung i.O.). Eine ausführliche Untersuchung, die sich speziell mit Objekten beschäftigt, die unbelebte Entitäten denotieren, ist García García (2010). Wie er herausarbeitet, gibt es nicht wenige Kontexte, in denen auch Objekte mit unbelebtem Denotat markiert werden. Der Ansatz García Garcías (2010) geht allerdings deutlich über einen lexikalischen hinaus und wird daher an anderer Stelle besprochen (s. Kap. 2.7.10). [10] Trajeron (*a) una maleta con ellos. (Torrego Salcedo 1999, 1782) ‘Sie brachten einen Koffer mit.’ Das Prinzip, eine etwaige Markierung generell auf die Belebtheit zurückzuführen, ist kritisierbar, in der Literatur aber keineswegs selten. Das angesprochene Prinzip der Personifikation wird dann häufig eingesetzt, um die Markierung von unbelebte Entitäten und Abstrakta bezeichnenden Objekten zu erklären (cf. etwa RAE 1973, 373s.; Fernández Ramírez 1986, 177; Brugè/Brugger 1996, 8). Zusätzlich werden zum Teil die Phänomene der Metapher bzw. der Metonymie (cf. bspw. ibid. und die Literaturhinweise in García García 2010, 22; darunter bspw. auch RAE 2009, 2636s.) herangezogen. Dabei wird immer wieder der Einfluss des Verbs betont, einerseits bezüglich seiner typischen Kombinatorik (cf. bspw. RAE 1973, 373), andererseits in Hinblick auf seine semantischen Eigenschaften (cf. etwa von Heusinger/Kaiser 2011). Demnach ist eine Voraussetzung für die Markierung von Objekten mit unbelebtem Denotat, dass das Verb üblicherweise ein a-markiertes Objekt mit belebtem Denotat führt (cf. RAE 1973, 373) wie in Llamar a la muerte (Bsp. aus ibid.), und eine andere ein hoher Transitivitätsgrad im Sinne Hopper/ Thompsons (1980) wie etwa bei den Verben herir (‘verletzen’) und matar (‘töten’) (cf. für eine Aufschlüsselung der einzelnen Faktoren des Transitivitätsgrades Kliffer 1995 sowie für den Einfluss des Transitivitätsgrades in der diachronen Entwicklung der Markierung von Heusinger/Kaiser 2007; von Heusinger 2008). Der zweite wichtige Faktor ist die Form des Objektausdrucks. Er kann als Personalpronomen, Eigenname oder als definite oder indefinite Nominalphrase realisiert sein. Die genannte Reihenfolge wird als Definitheitsskala bezeichnet (cf. Aissen 2003). Je weiter links auf der Skala ein Objektausdruck anzusiedeln ist, umso wahrscheinlicher ist die Markierung (cf. ibid.). Bereits im vorangegangenen Kapitel wurde besprochen, dass sie im Falle der betonten Objektpronomen obligatorisch ist. Aissen (2003, 462)31 merkt an, dass damit allerdings nur belebte
31 Aissen (2003) beruft sich hier auf Ramsden (1961) (cf. Aissen 2003, 462). Dort findet sich die genannte Feststellung jedoch nicht explizit (cf. Ramsden 1961). Nichtsdestotrotz kann ihre Korrektheit etwa mit Hilfe der ADESSE-Datenbank leicht überprüft werden: Alle 258 auftretenden
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Referenten bezeichnet werden können (der Hinweis findet sich aber wie gesagt auch in vielen anderen Publikationen, etwa in RAE 1973, 373), und liefert damit einen Hinweis auf eine faktorielle Überlappung. Die Wahrscheinlichkeit einer Markierung nimmt bei weiter rechts zu verortenden sprachlichen Einheiten ab. Wie oben besprochen ist sie bei Menschen oder Tiere bezeichnenden Eigennamen noch sehr wahrscheinlich (cf. etwa RAE 1973, 373–375). Laut Torrego Salcedo (1999, 1782, 1794) ist die Markierung auch bei definiten NPs mit belebtem [bzw. v.a. menschlichem, J.E.] Denotat nahezu obligatorisch (s. [11]), eine Beschreibung, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit wesentlich präziser gefasst wird. Das Auftreten des Markers wird von ihr bei indefiniten NPs hingegen als optional eingestuft32 (cf. ibid., 1782; s. [12]). [11]
Trajeron {*el / al} policía con ellos. (Torrego Salcedo 1999, 1782) ‘Sie brachten den Polizisten mit.’
[12.a]
¡He matado a un hombre! (COA:078.28) ‘Ich habe einen Mann getötet!’
[12.b] ¿No querían cazar un marido? (USO:087.31) ‘Wollten sie keinen Ehemann ergattern?’ Aissen (2003, 444) gibt als Erklärung der Skala an, sie reflektiere «the extent to which the value assigned to the discourse referent introduced by the noun phrase is fixed».33 In von Heusinger (2008) wird die Skala daher nach Croft (2003, 130) als «Referentiality Scale»34 bezeichnet (cf. von Heusinger 2008, 5, Fußnote 5). Die Interpretation ist ein deutlicher Hinweis, dass eine direkte Relationierung der Form der NP mit der Markierung den Kern der Sache nicht trifft. Der wichtigere Faktor scheint nicht an der sprachlichen Oberfläche auszumachen zu sein: Er ist die Referenz sprachlicher Ausdrücke. Wie gezeigt wurde, ist schon die Abgrenzung der beiden hier diskutierten Faktoren oder Faktorenbündel, die lexikalische
betonten Personalpronomen in der Position des direkten Objekts sind als belebt kategorisiert (http://adesse.uvigo.es/data/result.php, Zugriff: 17.01.13). 32 Torrego Salcedo (1999) führt das Beispiel an, Trajeron (a) un amigo con ellos (Bsp. aus ibid., 1781s., ‘Sie brachten einen Freund mit‘). Die Wahrscheinlichkeit, dass es ohne den Marker auftritt ist aber doch eher gering. Ein vereindeutigender Kontext wäre nötig. 33 Zur Abgrenzung von außersprachlicher Referenz und derjenigen auf Diskursebene s. Kap. 2.7.5. 34 Croft (2003, 130) spricht genau genommen von einer «referentiality hierarchy». Gemeint ist aber das gleiche.
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Seite und die Form der NP, schwer umzusetzen. Eine Isolierung der beiden Faktoren von der Referenz ist zwar möglich, so generierte Analyseergebnisse führen jedoch teilweise an der sprachlichen Realität vorbei. Wenn Denotat und Referent divergieren, ist der Referent eines sprachlichen Ausdrucks entscheidend dafür, ob dieser markiert wird oder nicht. Hinzu kommt, dass, wie in Kap. 2.7.5 beschrieben wird, referentielle Faktoren die Form der DP bestimmen. Die genannten Überlegungen sind ein wichtiges Gegenargument gegen eine allzu stark vereinfachende Formulierung wie «menschliches Objekt» (Objekt dabei im grammatischen Sinne), die sich in der Literatur immer wieder findet. Sie verzerrt nicht nur das Verhältnis von Inhalt und Funktion, sondern eben auch das zwischen lexikalischem und referentiellem Gehalt. Im Folgenden werden unterschiedliche Möglichkeiten der Fixierung der sprachlichen Oberfläche besprochen. Eine konzeptuelle Motivierung ist in Fällen von Invariabilität problematisch. Während bei der Idiomatisierung eine Einbettung in den hier vorgeschlagenen Erklärungsansatz recht gut funktioniert, können formal-grammatische Gründe für die Markierung in seltenen Fällen zu einer anderen Realisierung führen als der, die aufgrund der konzeptuellen Struktur erwartbar wäre.35 2.7.3.1 Grammatikalisierung Bestimmte morphosyntaktische und syntaktische Verhältnisse gehen regelmäßig mit einer a-Markierung einher. Eine adäquate Beschreibung müsste eine diachrone Perspektive einnehmen. Das würde jedoch den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen. Ihr Erkenntnisinteresse ist anders gelagert. Die betreffenden Strukturen werden in der Analyse nicht berücksichtigt. Insofern ist das Ziel dieses Unterkapitels lediglich, die Strukturen zu benennen, für die von irgendeiner Art von Grammatikalisierung auszugehen ist. Es wird dabei nicht auf die Umstände der Grammatikalisierung, entsprechende Grammatikalisierungspfade und –grade usw. eingegangen. Erstens ist bei bestimmten grammatischen Formen in Objektposition von einer zumindest sehr weitgehenden Grammatikalisierung auszugehen. Es scheint generell anerkannt, dass bestimmte Pronomen stets markiert werden, wenn sie auf menschliche Entitäten referieren. Die RAE (1973, 373) listet als mit Markierung
35 Das Korpusmaterial zu despertar (‘aufwecken’) enthält eine Okkurrenz, bei der die aMarkierung strukturelle Gründe hat. Sie dient der Disambiguierung. Subjekt und Objekt sind adjazent und hinsichtlich ihrer semantischen Eigenschaften nicht deutlich als Agens vs. Patiens o.ä. erkennbar. D.h., es ist kaum rollensemantische Distinktivität vorhanden (cf. dafür den Ansatz García Garcías 2010).
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einhergehende betonte Objektpronomen (él, ella, ellos, ellas, ‘er’, ‘sie’ usw.), Demonstrativpronomen (este, ‘dieser’, ese, ‘der da’, aquel, ‘jener’), das Relativpronomen quien (‘der / die / das’), die Indefinitpronomina alguien (‘jemand’), cualquiera (‘irgendein’), uno (‘einer’), otro (‘ein anderer’), nadie (‘niemand’) und ninguno (‘keiner’).36 An gleicher Stelle wird die Regelhaftigkeit allerdings mit dem folgenden Hinweis eingeschränkt: «Sin embargo, hay construcciones en que se omite a obligatoriamente antes de quien, y con frecuencia antes de nadie y alguien:37 No tengo quien me preste; Busco [a] alguien para encargarle … » (ibid.).
Andere Autoren gehen hingegen von vollständiger Grammatikalisierung der angeführten Pronomina in der aktuellen Standardsprache aus (cf. bspw. Fernández Ramírez 1986, 151). Laca (2006, 430) spricht bspw. von einer «zona de obligatoriedad de la marca»: «[E]l acusativo preposicional introduce necesariamente los pronombres personales, los pronombres interrogativos, relativos e indefinidos marcados léxicamente como humanos y los nombres propios de personas y animales» (ibid.).
Die Auflistung ist eine recht typische Übersicht, die sich im vorliegenden Kontext als praktisch erweist.38 Ähnliche Darstellungen finden sich bspw. in Ramsey (1867, 523ss.), Fernández Ramírez (1986, 151ss.) und weiteren. Auch die RAE (2009, 2632) führt in etwa die gleiche Liste an. Sie schränkt allerdings ein, dass die Markierung nicht für alle Indefinitpronomen obligatorisch sei und führt uno (‘einer’), alguien (‘jemand’) und alguno (‘irgendeiner’) als Beispiele für mögliche Ausnahmen an (cf. ibid.). Die Umstände werden an der besagten Stelle nicht weiter besprochen (cf. ibid.). Es sei aber angemerkt, dass die beiden Beispiele, die dazu anführt werden, ohne einen diesbezüglichen Hinweis von lateinamerikanischen Autoren stammen (cf. ibid.),39 was eine Rolle spielen könnte. Auch im Rahmen der Theorie von Aissen (2003) ist eine regelhafte Markierung von Personalpronomen zu erwarten (s. für den Ansatz Kap. 2.7.7). Sie geht von einem Ranking aus und jede Ebene der angenommenen Skala, auf der eine Markierung
36 Der Übersichtlichkeit wegen wird weitgehend auf entsprechende Femininformen verzichtet. – Das deckt sich auch mit der Darstellung in der RAE (1973, 373). 37 Der Doppelpunkt ist im Original kursiv (cf. RAE 1973, 373). 38 Die Darstellung, dass die Interpretation als menschlich im Falle von Pronomina auf lexikalischer Ebene erfolge, ist etwas zu stark vereinfacht. Genauer wäre die Einordnung auf (ggfs. text-) referentieller Ebene. 39 Die beiden Beispiele sind von Paz Soldán und García Márquez aus Bolivien bzw. Kolumbien (cf. RAE 2009, 2632).
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vorliegt, bringt mit sich, dass die Elemente der jeweils höheren Ebene ebenfalls mit Marker realisiert werden (cf. ibid.). Sie setzt u.a. Personalpronomen als der höchsten Ebene zugehörig an und stellt fest, dass auch auf niedrigeren Ebenen eine Markierung üblich ist (cf. ibid., 471).40 Aissen (2003, 471) führt an der besagten Stelle an, «a is now [d.h. im modernen Spanisch, J.E.] essentially obligatory with definite and indefinite-specific, human-referring direct objects». Es ist zu betonen, dass der letztgenannte Punkt hier nicht unterstützt wird. Zwar nehmen auch andere Autoren solche Verhältnisse an (s. etwa das Zitat oben aus Laca 2006, 430), jedoch zeigt die im Rahmen der Arbeit durchgeführte Analyse lediglich eine starke Tendenz auf. Da sich mehrere Gegenbeispiele finden, wird keine Grammatikalisierung angenommen. Jener NP-Typ ist denn auch konkreter Gegenstand der Untersuchung. In der RAE (1973) wird unter den Indefinitpronomen auch todo (‘alles’) aufgeführt. Dieses sprachliche Element scheint aber nur im Plural ein auf menschliche Entitäten referierendes Pronomen sein zu können. Im Diccionario de la lengua española der RAE findet sich unter Punkt 9 der folgende Hinweis: «pron. indef. m. pl. todas las personas. U. sin referencia a un sintagma mencionado o sobrentendido. La limpieza de la ciudad nos concierne a todos» (http://dle.rae.es/?id=ZxVCoJq, Zugriff: 02.02.19).
Singularisch referiert es auf eine Menge von Konkreta oder Abstrakta, wie die Beispiele [13] zeigen. In der ADESSE-Datenbank findet sich hingegen keine Okkurrenz von todo (‘alles’) als singularisches Pronomen, das auf menschliche Entitäten referieren würde (Zugriff: 26.11.15).41 [13.a]
A un vecino mío […] le robaron todo lo que tenía […]. (LAB:088.25) ‘Einem meiner Nachbarn raubten sie alles, was er hatte.
[13.b] […] si tienes un poco de paciencia, te aclararé todo lo que ha pasado. (LAB:132.07) ‘Wenn du ein wenig Geduld hast, erkläre ich dir alles, was passiert ist.’ [14]
Yo denuncio a toda la gente / que ignora la otra mitad […]. (aus García Lorca, 1940, New York (Oficina y denuncia)) ‘Ich klage alle Leute an, die die andere Hälfte nicht beachten.’
40 Aissen (2003, 471) führt an der besagten Stelle an, «a is now [d.h. im modernen Spanisch, J.E.] essentially obligatory with definite and indefinite-specific, human-referring direct objects». 41 Es finden sich jedoch im iberospanischen Teil des Korpus 18 Okkurrenzen im Plural (Zugriff: 26.11.15).
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Im Gegensatz zu den Okkurrenzen unter [13] enthält das Beispiel [14] toda (hier: ‘alle’) in der Rolle eines Adjektivs, wonach hier nicht gesucht wird. Insgesamt scheint das Verhalten von todo (‘alles’) nicht völlig einheitlich zu sein. Es wird daher nicht per se von der Analyse ausgeschlossen (s. aber die Anmerkungen unten zum Umgang damit). In der Literatur finden sich bisweilen weitere Hinweise auf formale Faktoren für ein regelmäßiges Auftreten oder Ausbleiben der a-Markierung. Laut Leonetti (2004) tritt bspw. kein Marker vor pluralischen Objekten ohne Determinierer auf: «[B]are plurals are excluded in a-marked objects, unless they include some kind of restrictive modifier or are focused» (ibid., 87). Wie seine Einschränkung zeigt, kann hier nicht von einer Grammatikalisierung ausgegangen werden. Um den genauen Grammatikalisierungsgrad der oben diskutierten Pronomina genau zu bestimmen, wäre eine eigene große Untersuchung notwendig. Wie angedeutet müssten dabei varietätenlinguistische Faktoren und u.U. auch diachrone Zusammenhänge berücksichtigt werden. Diese werden allerdings im Rahmen der vorliegenden Arbeit ausgeklammert. Das Auftreten der Markierung kann in jedem Fall als sehr weitgehend regelhaft eingestuft werden. Der Faktor ist stärker als semantisch-konzeptuelle Umstände, weshalb die Nominalklasse für die Analyse wenig interessant ist. Sie wird daher von der Untersuchung ausgeklammert. Auch andere Autoren verfahren in der Weise. Melis (1995) lässt in ihrer Untersuchung bspw. die betonten Objektpronomen außen vor, was sie sehr ähnlich wie hier begründet (cf. ibid., 133).42 Eine relevante Feststellung bzgl. der Relativpronomen findet sich bei Laca (2006). Sie führt eine diachrone Analyse älterer Sprachstände (die Daten entstammen dem 12.–16. Jahrhundert) durch und setzt dabei eine Skala an, die Belebtheit und Definitheit verbindet (cf. ibid.). Sie gesteht den Relativpronomen eine eigene Klasse zu (cf. ibid., 439). Ihre Untersuchung ergibt, dass que (‘der / die’) nie markiert wird (cf. ibid., 448).43 Das stellt auch Fernández Ramírez (1986, 162) für das moderne Spanisch fest (cf. für den
42 Melis (1995, 133): «En este trabajo examino la construcción de (+/_) a + Objeto Directo Personal en el Cantar de mio Cid […]. Dejo de lado los nombres propios y pronombres tónicos, que casi siempre concurren con la preposición […].» 43 Laca (2006, 450) merkt zum Ausschluss eines Markers bzw. einer Präposition von que Folgendes an: «De hecho, se sabe que esta forma presenta resistencia no sólo a la marca de acusativo preposicional, sino a toda otra preposición (véase RAE 1973, §3.20.6). La explicación debe buscarse, como lo sugiere Aissen (comunicación personal), en el estatus de que como complementante (conjunción) y no como auténtico pronombre relativo.»
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Hinweis auch Laca 2006, 450).44 Andere Relativpronomen werden in den Korpora Lacas (2006) hingegen zum Teil auch dann markiert, wenn sie einen unbelebten Referenten aufweisen (cf. ibid., 449). In ihrem Korpus findet sie allerdings auch unmarkierte Okkurrenzen mit menschlichem Referenten (cf. ibid.). Es ist dabei zu berücksichtigen, dass die sprachlichen Gegebenheiten in der Zeitspanne, mit der sich Laca (2006) beschäftigt, andere waren als die hier relevanten. Unabhängig vom Sprachstand gelten bei Relativpronomen besondere funktionale Umstände. [15] El padrino es el tío Basilio, al que mataron en el Jarama. (LAB:194.32) ‘Der Taufpate ist Onkel Basilio, den sie im Jarama ertränkten.’ Der Status des Objekts in [15] ist recht unproblematisch. Es hat einen menschlichen Referenten. Allerdings zeigt sich auch hieran, dass das sprachliche Element unterschiedlichen Ansprüchen genügen muss. Einerseits besteht ein enges Verhältnis zum Antezedenten, andererseits ist es unter das Verb des Gliedteilsatzes eingebettet, wodurch gegenläufige Anforderungen entstehen können. Das Spannungsfeld umfasst noch einen dritten Pfeiler. In Beispielen wie dem dargestellten tritt das Relativpronomen in einer Topikposition auf (cf. bspw. Lambrecht 1988, 149). Die Besonderheiten des Topiks werden in Kap. 2.7.5.4 angesprochen. Es wäre also sicherlich ein gewinnbringendes Unterfangen, die Relativpronomen genau zu analysieren und u.U. sogar die unterschiedlichen funktionalen sowie satz- und diskurssemantischen Gegebenheiten zu hierarchisieren.45 Die Thematik liegt allerdings nicht im Fokus der vorliegenden Arbeit. Aufgrund der polyfaktoriellen Umstände werden auch Relativpronomen aus der Analyse ausgeschlossen. Aus ähnlichen Gründen sind noch einzelne weitere Phänomene nicht Teil der Untersuchung. Die Realisierung von Reflexivpronomen (a sí, ‘sich’) unterliegt keiner Variation (cf. bspw. Fernández Ramírez 1986, 151). Sie werden daher ausgeklammert. Bei bestimmten Hervorhebungsstrukturen verbleibt lediglich eine pronominale Kopie des Antezedenten in der direkten Umgebung des Verbs. Aufgrund der Besonderheiten der Pronomen (s.o.) werden solche Strukturen von der Analyse ausgeschlossen. Als Beispiel sei [16] angeführt. Das Beispiel [17] zeigt zudem, dass auch das oben angesprochene Indefinitpronomen todo (‘alles’) auf diese Weise verwendet werden kann.
44 Das folgende Beispiel im Text zu den Relativpronomen ist kein Gegenbeispiel. Das Relativpronomen ist nicht que, sondern (a +) el que (‘den’). 45 Es ist gut möglich, dass hierfür eine Skala nötig wäre, in der die einzelnen Faktoren flexibel gerankt werden.
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur
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[16] ¡A éste lo mato! (1IN:078.04) ‘Den da, den töte ich!’ [17] Todo lo investiga […]. (SON:053.09) ‘Alles untersucht er.’ Im Rahmen der Untersuchung werden fast alle Strukturen, die im Korpus auftreten, untersucht. Neben einzelnen wenigen Sonderfällen wird nur die etwas größere Gruppe der betonten Objektpronomen ausgeklammert. Eigennamen bspw. müssen nicht unbedingt menschliche Referenten haben. Das ist ein wichtiger Grund, dass sie Teil der Untersuchung sind, obwohl sie häufig als regelmäßig markiert ins Feld geführt werden (cf. bspw. RAE 1973, 372). 2.7.3.2 Idiomatisierung Der Begriff der Idiomatisierung, die mit der Lexikalisierung in Zusammenhang steht, ist hier weit gefasst. Die Thematik ist ein weites Feld, das hier keineswegs umfassend aufgearbeitet werden kann. Allerdings sind einige Punkte im vorliegenden Kontext qualitativ wie quantitativ relevant, die unter der Überschrift angesprochen werden können. Die zu behandelnden Strukturen sind formal rigide, wobei ihre Bestandteile teilweise etwas desemantisiert sind. Sie setzen sich aus einem Verb und einem nominalen Element zusammen, das als Akkusativobjekt realisiert ist oder eines zu sein scheint. Gemein ist ihnen das Ausbleiben einer a-Markierung. Der Gruppierung liegt also eine funktionale oder semantische Motivation zugrunde. Sie wird mithin abgegrenzt von rein frequentiell bestimmtem typischerweise gemeinsamem Auftreten sprachlicher Elemente in Kollokationen. In den zu behandelnden Strukturen kann das Verb mit dem nominalen Element eine Art Verbaleinheit eingehen. Die Bestandteile sind semantisch eng miteinander verbunden. Dabei kann die Bedeutung eines Bestandteils verblassen oder aber seine Semantik leistet einen geringen Mehrwert zur Gesamtbedeutung. Zum einen sind lexikalisierte verbale Fügungen anzuführen sowie Funktionsverbgefüge. Zum anderen sollen kognate Objekte und interne Objekte bzw. «Measure-Komplemente» erwähnt werden. Der Status des nominalen Bestandteils ist wie angedeutet diskutabel. Nichtsdestotrotz widmet sich García García (2010, 176ss.) den Funktionsverbgefügen und den Strukturen mit kognaten und measure-Objekten etwas ausführlicher im Kontext der DOM. Wie er betont, haben die nominalen Elemente keinen Partizipantenstatus (cf. ibid., 176). Er resümiert: «Die a-Markierung ist in all diesen Konstruktionen ungrammatisch» (ibid.). Das scheint auch für lexikalisierte Fügungen zu gelten. Die folgenden Beschreibungen sind aus dem Grunde recht kurz gehalten.
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2 Theorie
Lexikalisierte oder teilweise lexikalisierte verbale Fügungen sind in der Regel invariant (cf. dafür bspw. RAE 2009, 2649–2653). Sie bilden hinsichtlich ihrer Bestandteile und der semantischen Beziehung zwischen ihnen eine heterogene Gruppe. Wie die RAE (2009, 2653) schreibt, ist die Bedeutung mancher Strukturen transparent, die anderer hingegen recht weitgehend opak. So besteht etwa bei abrir la boca (Bsp. aus ibid., ‘den Mund aufmachen’, i.S.v. ‘etwas sagen’) eine naheliegende metonymische Relation. Bei tomar el pelo (a alguien) (Bsp. aus ibid., wörtlich etwa ‘jmd am Haar nehmen’, tatsächlich aber ‘jdn auf den Arm nehmen’) hingegen kann von der lexikalischen Bedeutung der Bestandteile kaum auf die Gesamtbedeutung geschlossen werden. Die für derartige Fügungen interessanten Fragen wie nach dem Ursprung oder dem Lexikalisierungsgrad werden hier nicht behandelt. Im Rahmen der Analyse werden sie berücksichtigt und auf relevante Faktoren hin überprüft. Funktionsverbgefüge werden von Bußmann (2002) mit Blick auf das Deutsche definiert als «[s]yntaktische Fügung, die aus einem präpositionalen Objekt und einem Funktionsverb besteht» (ibid., 231, Stichwort «Funktionsverbgefüge»). Die entsprechende Definition zu Funktionsverben ist inhärent relational, nämlich «Verben, die in bestimmten Kontexten ihre lexikalische Bedeutung als Vollverb fast ganz verloren haben» (ibid., Stichwort «Funktionsverb»). Die RAE (2009, 2653) formuliert vorsichtiger und spricht von «verbos parcialmente desemantizados». Sie werden in der Literatur u.a. auch Stützverben (verbos soporte, auch verbo de apoyo) oder «light verbs» genannt.46 Solche Verben sind etwa dar (‘geben’), hacer (‘machen’) sowie tomar und coger (‘nehmen’) (Beispiele aus ibid.). In den entsprechenden Strukturen trägt die NP den hauptsächlichen semantischen Gehalt bei (cf. ibid.). Die auftretenden Nomen sind dabei «casi siempre derivados» (ibid.), also deverbale Substantive. Beispiele47 sind etwa dar un paseo (‘einen Spaziergang machen’), hacer una pregunta (‘eine Frage stellen’) oder coger fuerzas (‘Kraft sammeln’). Kognate Objekte werden in der RAE (2009, 2617) unter dem Stichwort «acusativo interno» behandelt (cf. auch die ausführliche Beschreibung in Real Puigdollers 2009, insbes. S. 170ss. zu romanischen Sprachen). Es handelt sich dabei um Strukturen, bei denen Verb und Objekt sich lexikalisch oder lexikalischsemantisch sehr stark ähneln (cf. etwa García García 2010, 184). Teilweise können Adjektivattribute die Akzeptabilität erhöhen. García García (2001) behandelt etwa einen Traum träumen und den Schlaf der Gerechten schlafen (Beispiele aus
46 Auf Unterschiede zwischen den Begriffen kann hier nicht eingegangen werden. 47 Wie die Beispiele zeigen, halten etwa das Spanische und das Deutsche nicht selten parallele Strukturen bereit. Die auftretenden Verben divergieren allerdings zumeist.
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur
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ibid., 11). Für das Spanische nennt García García (2010) u.a. vivir una vida escandalosa (‘ein turbulentes Leben leben’)48 und morir una muerte dolorosa (‘einen schmerzhaften Tod sterben’) (Beispiele und Übertragungen aus ibid., 184). Bei den internen Objekten im Sinne Lacas (1987, 309) bzw. in der Formulierung García Garcías (2010, 192ss.) den Measure-Komplementen ist der Status der NP besonders zweifelhaft. Laca (1987, 309) gibt an, sie befänden sich an der Schnittstelle zwischen Akkusativobjekten und adverbialen Bestimmungen und nennt die folgenden Strukturen: Juan come mucho, Juan mide dos metros (Beispielpaar aus Laca 1987, 309, ‘Juan isst viel’, ‘Juan misst zwei Meter’). Ob die beiden Strukturen tatsächlich gut vergleichbar sind, sei dahingestellt. Besonders erwähnenswert sind sicher solche Sätze, in denen Measure-Verben (cf. für den Begriff García García 2010, 193) wie medir (‘messen’, i.S.v. ‘groß sein’, s.o. sowie das folgende Beispiel) auftreten. [18] Poco antes […] había estado en un bar que dista unos veinte metros del lugar del crimen. (2VO:026-1.2-11) ‘Kurz zuvor war er in einer Bar gewesen, die etwa zwanzig Meter vom Ort des Verbrechens entfernt war.’ In der ADESSE-Datenbank, der das Beispiel [18] entnommen ist, wird die NP unos veinte metros (‘etwa zwanzig Meter’) als direktes Objekt von dista (‘entfernt sein’) klassifiziert (http://adesse.uvigo.es/data/fichas.php?id_cl=109357, Zugriff: 28.01.16). Dementsprechend würden auch solche Okkurrenzen Teil der Analyse sein. Sie sind möglicherweise häufiger im Korpus vertreten als kognate Objekte, spielen quantitativ aber auch keine besondere Rolle.
2.7.4 Tierische Denotate und der Wille des Sprechers Im Rahmen der vorliegenden Arbeit erfahren tierische Denotate mehr Aufmerksamkeit als in vielen anderen Publikationen zur DOM. In der zentralen Korpusuntersuchung werden sie eigens klassifiziert. Die Kategorie belebter Entitäten wird hier von derjenigen menschlicher Entitäten getrennt. In Darstellungen, die die Abgrenzung nicht vornehmen, wird die Gemeinschaftsklasse häufig «belebt» genannt bzw. in englischsprachigen Publikationen «animate» (bspw. in Brugè/
48 Bei dem Ausdruck ist eine kritisierende Konnotation zumindest möglich, wenn nicht wahrscheinlich, was der Übersetzungsvorschlag aus García García (2010, 183) nicht deutlich wiedergibt. Eine Übertragung wie ‘ein anstößiges Leben leben’ wäre dahingehend eindeutiger.
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2 Theorie
Brugger 1996, 3). Hier wird der Ausdruck jedoch wie gesagt in der Regel kontrastiv verstanden. Das ist naheliegenderweise auch bei Belebtheitshierarchien üblich (cf. bspw. die von Croft 2003, 130). Es ist nicht selten, dass in Objektposition Nomen auftreten, die Tiere bezeichnen. Solche Okkurrenzen könnten prinzipiell auch im Rahmen der Thematik der lexikalischen Realisierung der Objekt-NP diskutiert werden. Ihre Darstellung in der Literatur ist allerdings, so sie Erwähnung findet, einigermaßen auffällig. Die Forschung scheint sich hier besonders uneins zu sein. Während in verschiedenen Veröffentlichungen betont wird, ihre Realisierung mit oder ohne a entspreche derer bei menschlichem Denotat (cf. bspw. die normative Darstellung bei Gómez Torrego 2006, 680 und 686s.)49 gehen andere Wissenschaftler von Optionalität (cf. etwa Rodríguez-Mondoñedo 2008, 121, Fußnote 16)50 oder davon aus, es seien dabei stilistische (cf. bspw. Weissenrieder 1990)51 oder die Haltung des Sprechers betreffende Faktoren am Werk (cf. ibid. sowie King 1984, 399). Als Indiz dafür wird z.T. die Variation angeführt, die es in dem Bereich zu geben scheint (cf. bspw. Weissenrieder 1990, 223). Auch im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wird gezeigt, dass die Realisierung von Objekten mit tierischem Denotat weniger leicht verallgemeinert werden kann als diejenige anderer Klassen (s. auch Kap. 4.3.2). Das soll zum Anlass genommen werden, im Folgenden auch die Thematik des Sprecherwillens in Hinblick auf die Markierung kurz aufzugreifen.52 In der Literatur werden insbesondere die folgenden Erklärungsansätze verwendet. Es kann bei markierten Objekten mit tierischem Denotat eine Personifizierung vorliegen (cf. bspw. RAE 1973, 373) oder bei unmarkierten eine Verdinglichung (cf. etwa Fernández Ramírez 1986, 189). Die Rolle weiterer lexikalischer und denotativer Faktoren wird diskutiert, etwa bei Torrego Salcedo (1999, 1793) die «movilidad» des Objektdenotats. Der Faktorenkomplex aus Definitheit und Referentialität (s. Kap. 2.7.5) wird etwa von Bossong (1991, 159) ins Feld geführt. Des Weiteren wird wie bereits gesagt, der Sprecherwille genannt, bspw. bei Torrego
49 Gómez Torrego (2006, 687) geht allerdings davon aus, dass nicht alle Tiere sprachlich gleich behandelt werden, und setzt die Domestizierung als entscheidenden Faktor an. 50 Es ist unklar, ob Rodríguez-Mondoñedo (2008, 121, Fußnote 16) sich an der besagten Stelle auf eine bestimmte Varietät bezieht. Er geht davon aus, dass die Erkenntnisse zu dialektaler Variation bei der DOM in vorhandenen Publikationen «contradictory and anecdotic» (ibid., 115, Fußnote 8) seien. Die Einschätzung scheint etwas gewagt. 51 Della Costanza/Aldon (2013, 74) gehen bspw. von «una zona gris», d.h., von einem Bereich für stilistische Entscheidungen aus, der nicht nur Objekte mit tierischem Denotat umfasst. 52 Der vorliegende Ansatz stellt, wie in späteren Kapiteln gezeigt wird, nicht den Sprecher als bewusst entscheidende Entität heraus, sondern vielmehr einen Sprecher-Hörer als konzeptualisierende Entität.
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur
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Salcedo (1999, 1794) unter der Rubrik der o.g. «posibilidades estilísticas» (s.u.).53 Zudem wird der Status des Tiers in unterschiedlicher Hinsicht besprochen und z.T. in Zusammenhang mit dem vorgenannten Faktor. Das erfolgt auf kultureller (cf. bspw. Aissen 2003, 457 und Torrego Salcedo 1999, 1793, 1799) sowie diskurspragmatische (cf. Weissenrieder 1990, 225s.) Grundlage. Die Rolle des regierenden Verbs wird ebenfalls angeführt (cf. Fernández Ramírez 1986, 189). Als elementares Grundproblem der Gruppe der tierischen Denotate erscheint die Frage nach ihrer Homogenität. Torrego Salcedo (1999, 1800) geht bspw. aus von einer «jerarquía de posibilidades en el ámbito de lo animado». Sie motiviert an der besagten Stelle ein weiteres Feld als das hier gesuchte und bezieht Gruppen- und Pflanzenbezeichnungen mit ein (cf. ibid.). Homogenität ist jedoch offenbar auch bei einer Beschränkung auf Tiere und unter Berücksichtung einer gewissen Relation zum Menschen54 in unterschiedlicher Hinsicht nicht gegeben: Große Tiere stehen kleinen Tieren gegenüber (etwa Elefant vs. Maus). Domestizierte Tiere teilen nicht nur den Lebensraum (z.B. Landtiere vs. Vögel oder Meeresbewohner), sondern den Haushalt des Menschen, wilde Tiere hingegen nicht (bspw. Hund vs. Wolf). Tiere können wie Menschen Säuger sein oder nicht. Zudem können sie bestimmte Funktionen für den Menschen erfüllen, bspw. als speziell ausgebildete Blindenhunde und als typische Nutztiere (etwa Pferd, Kamel), oder auch als Nahrungsmittelproduzent bzw. als Nahrungsmittel dienen (etwa Huhn, Kuh, Schwein). Sie können aber auch parasitär leben (bspw. Floh). Die Liste mehr oder weniger offensichtlicher Unterschiede ließe sich noch weiter fortsetzen. Viele Divergenzen könnten als Basis für die Bildung von Untergruppen fungieren und einen Einfluss auf die sprachliche Realisierung der entsprechenden Objekt-NPs haben.55 Wie die RAE (2009, 2635) vermerkt, werden Appelativa, die Haustiere denotieren, besonders häufig markiert (s.o.). In jedem Fall muss eine präzise Beschreibung tierischer Denotate auf die Existenz von Untergrup-
53 Im Rahmen ihrer Relationierung von DOM mit Topikalität gehen bspw. Dalrymple/Nikolaeva (2011) von einer indirekten Beeinflussung durch den Sprecher aus: Die Topikalität eines Objekts «depends on the speaker’s assessment of its saliency within a given communicative context» (Dalrymple/Nikolaeva 2011, 14). Die Thematik der Topikalität wird in Kap. 2.7.5.4 besprochen. 54 Der Mensch ist als Vergleichspunkt anzuführen, da er ja auch Konzeptualisierer ist. Der dem angeführten Zitat direkt folgende Hinweis bei Torrego Salcedo (1999) scheint in eine ähnliche Richtung zu gehen, könnte aber auch sozialkritisch gelesen werden. So führt sie bzgl. des Vorhandenseins einer Hierarchie aus, «que, por lo demás, es de esperar dado que se trata de evaluaciones del ser humano respecto de lo que tiene o no vida propia» (ibid., 1800). 55 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit würde ggfs. von einem indirekten Zusammenhang ausgegangen. Demnach wären bestimmte Untergruppen relevant für die Konzeptualisierung. Die sprachliche Realisierung stünde mit der Konzeptualisierung in Zusammenhang (s. Kap. 2.8).
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pen Bezug nehmen. Außersprachliche Gruppierungen können dabei hilfreicher sein als impressionistische und nicht klar oppositive Klassifizierungen wie etwa «insignificant animal» (Ramsey 1867, 524) vs. «an animal regarded as intelligent or rational» (ibid., 525). Manche Beschreibungen umgehen die Problematik, indem sie nicht alle Tiergattungen mit einbeziehen. Auch dabei wäre allerdings eine explizite Eingrenzung sinnvoll. In der ingesamt nicht allzu umfassenden Beschreibung von Tiere denotierenden Objekten in der Literatur ist ein Hinweis recht häufig. Es werden Parallelen zu menschliche Entitäten denotierenden Objekt-NPs angenommen. Eine wirkliche Vertiefung dessen ist eher selten. Die lexikalische Realisierung betreffend wird aber beispielsweise immer wieder angegeben, dass beide Denotatsgruppen markiert werden, wenn sie als Eigennamen realisiert sind (cf. etwa RAE 1973, 372; RAE 2009, 2635; Laca 2006, 430 oder auch King 1984, 402, Fußnote 20). Ein Zusammenhang zu den obigen Ausführungen bzgl. der Homogenitätsfrage drängt sich auf: Es sind besonders domestizierte Tiere, die über einen Eigennamen verfügen. Bei parasitär lebenden Insekten jedoch ist ein Eigenname sehr unwahrscheinlich. Wie Gómez Torrego (2006, 687) angibt, ist eine Markierung bspw. von mosca (‘Fliege’) recht unwahrscheinlich. Eine der wenigen Veröffentlichungen, die sich gezielt der DOM bei Tiere denotierenden Objekten widmet, ist Weissenrieder (1990). Sie versucht zu zeigen, dass die Kategorie der Individuiertheit im Sinne Hopper/Thompsons (1980) entscheidend für die a-Markierung in diesem lexikalischen Bereich ist. Die Individuiertheit wird zusammengefasst als «the distinctness of the patient from the A [dem Erstaktanten, J.E., s. Kap. 2.6.2] and to its distinctness from its own background» (Hopper/Thompson 1980, 253; cf. Weissenrieder 1990, 224). Im Rahmen einer Korpusuntersuchung betrachtet sie direkte Objekte mit tierischem Denotat auf Phrasen-, Satz- und Diskursebene, wo sie jeweils bestimmte Phänomene als Anzeichen von Individuiertheit ansetzt. Auf Phrasenebene konzentriert sie sich auf die Form der Objekt-NP und folgert das Maß der Individuiertheit aus dem Grad der Definitheit. Auf der Satzebene beschäftigt sie sich insbesondere mit der relativen Agentität von Subjekt und Objekt (s. Kap. 2.7.10). Unter der Rubrik der Diskursebene schließlich beschreibt sie hauptsächlich den Grad der (potentiell) aktiven Beteiligung seitens des Objekts an der Handlung einer Geschichte (cf. Weissenrieder 1990, 228s.). Sie versucht, die Elemente ihrer Analyse auf allen drei Ebenen in die Individuiertheitstheorie einzubetten. So kann sie schließlich folgern, dass es sich bei der Individuiertheit um ein «valid concept» (ibid., 229) bezüglich der Markierung von Tiere denotierenden ObjektNPs handelt. In Weissenrieders (1990) Beschreibung sind einige Punkte mit Vorsicht zu genießen. Erstens wechselt die Richtung, die für Folgerungen angesetzt wird.
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Zumeist scheint sie im Sinne Hopper/Thompsons (1980) von der semantischen Seite auszugehen, um Erklärungen für die etwaige Realisierung von Objekten zu treffen. Allerdings stellt sie auch bspw. die Überlegung an, dass die Markierung einer NP u.a. dazu führt, dass die NP im Diskurs wichtig wird (cf. Weissenrieder 1990, 225s.). So schreibt sie bspw. von einem «honorific or elevated status granted to the animal by the assignment of a to the direct object» (ibid., 225)56 oder formuliert den Zusammenhang folgendermaßen: «Marking is relevant to such factors as importance in discourse, speaker intent, and relative speaker or cultural rating of the animal» (ibid., 226). Zweitens legt sich Weissenrieder (1990) bspw. hinsichtlich des letztgenannten Punkts keineswegs fest. Einerseits nimmt sie an, dass die Wahrscheinlichkeit einer Markierung vom jeweiligen Wert der Tiere im Diskurs abhängig sei (cf. ibid., 225s.), und mutmaßt, dass eine Korrelation zwischen der Tierart bestehen könnte und ihrer generellen oder kulturellen Statusträchtigkeit (cf. ibid.; s. auch obiges Zitat). Andererseits lehnt sie im gleichen Zusammenhang ein absolutes Verständnis dessen ab, wobei sie Form und Konzeptualisierung anspricht (cf. ibid.), und betont, dass es noch nicht einmal eine einheitliche Tendenz in der sprachlichen Realisierung geben muss (cf. ibid., 226).57 Aissen (2003, 456s. mit entsprechenden Literaturhinweisen) hingegen führt mehrere außereuropäische Sprachen an, in denen Objekte markiert werden, die Tiere denotieren, wobei in den einzelnen Sprachen jeweils unterschiedliche Tiere betroffen sind (cf. auch die grammatikalisch relevanten konzeptuellen Kategorien bei Lakoff 1987). Auch Aissen (2003, 457) versucht, Abgrenzungen über den Begriff «higher animals» greifbar zu machen. Hinsichtlich des Spanischen finden sich ähnliche Überlegungen auch bei Torrego Salcedo (1999, 1793).58 Die Möglichkeit einer solchen Korrelation sollte also nicht leichtfertig verworfen werden. Intuitiv bieten sich mindestens zwei der o.g. Klassifizierungen an, nämlich einerseits
56 Weissenrieder (1990) beruft sich u.a. auf Ramseys «A textbook of modern Spanish» (cf. Weissenrieder 1990, 224), das ihr allerdings in einer anderen Auflage als der hier verwendeten (Ramsey 1867) vorliegt, weshalb die Stelle nicht nachvollziehbar ist. An scheinbar anderer Stelle findet sich bei Ramsey (1867, 524) allerdings ein Hinweis, der deutlich in die gesuchte Richtung geht: «When the accusative noun denotes an […] insignificant animal, it does not take the distinctive á [sic]». Es ist nicht auszuschließen, dass Ramsey (1867, 524) sich tatsächlich auf etwas wie den Diskursstatus bezieht. 57 Möglicherweise gibt Weissenrieder (1990, 225s.) in ihrer Diskussion an der besagten Stelle en passant einen moralischen Hinweis zur Wertung von Tieren, der etwas missverständlich formuliert ist und dadurch das Verständnis erschwert. 58 Torrego Salcedo (1999, 1793) spricht sogar bezüglich Gegenständen von der Möglichkeit hohen Ansehens. Die Überlegung wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit als fragwürdig eingestuft.
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die Größe und andererseits der Domestizierungsgrad59 der Tiere. Wie in Kap. 4.3.2 gezeigt wird, sind die Kategorien als Orientierung durchaus hilfreich. In Weissenrieder (1990) fällt insgesamt auf, dass sie nur auf vier Tiergattungen zu sprechen kommt, nämlich auf Pferde, Hunde und Niederwild sowie auf eine Katze (cf. ibid., 225s., 228). Die Korrelation, die sie anspricht, ließe sich mit einem anderen Fokus evtl. klarer motivieren. Das breit gefächerte Faktorenbündel, das sie ansetzt, könnte u.U. leichter nachvollziehbar strukturiert werden. Drittens verzichtet die Autorin vollständig auf eine Problematisierung variationeller Unterschiede. Hinsichtlich des letzten Textes ihres Korpus’ findet sich zwar die Information, dass es sich um einen lateinamerikanischen handelt (cf. ibid., 228). Dass aber die beiden zunächst ausführlich verglichenen Texte zwei unterschiedlichen Varietäten entspringen, dem peninsularen und dem lateinamerikanischen Spanisch, wird nicht einmal erwähnt.60 Das Hauptproblem der Veröffentlichung ist allerdings das bereits genannte, nämlich dass die Individuiertheit als einzelner Faktor konzipiert ist, aber uneinheitlich verwendet wird (s.o.; cf. auch ibid., 230). Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wird die a-Markierung anders motiviert, nicht über die Kategorie der Individuiertheit, sondern über eine der Komplexität (s. Kap. 2.8 sowie Kap. 4.3.2). Dennoch ist die Veröffentlichung von Weissenrieder (1990) aus v.a. zwei Gründen interessant. Erstens wird dort in gewisser Weise Pionierarbeit geleistet, gibt es ansonsten doch nur wenige ausführliche Untersuchungen zu Tiere denotierenden direkten Objekten (cf. auch ibid., 223). Zweitens präsentiert der Artikel einen Versuch, die Thematik des oben angesprochenen Sprecherwillens genauer auf den Punkt zu bringen. Er wird als die Möglichkeit präzisiert, dem (Diskurs-)Referenten des direkten Objekts durch die Markierung sozusagen explizit einen «honorific or elevated status» (ibid., 225) zuzusprechen. Weissenrieder (1990) scheint sich damit auf Phänomene zu beziehen, die etwa in der Textlinguistik dem Texttopik zugeschrieben oder in der kognitiven Linguistik allgemein als Salienz bezeichnet werden. Sie geht davon aus, dass der Marker stilistisch ausgenutzt werden kann (cf. ibid., 230; aber auch Torrego Salcedo 1999, 1793s., 1799). Weissenrieder (1990, 230) präsentiert insofern zwar eine mögliche Erklärung für die starke Variation im besprochenen Bereich. Sie ist als Gedankenspiel recht interessant, allerdings ist sie kaum formalisierbar.
59 Die wichtigsten Stufen einer Skala der Domestizierungsgrade wären die Klassen der Wild-, der Nutz- und der Haustiere. 60 Dass einerseits die Menge unterschiedlicher Texte in ihrem Korpus sehr gering ist und andererseits auch deren Wahl, nämlich «purely on the grounds that they contained adequate numbers of animal direct objects» (Weissenrieder 1990, 225), wissenschaftlich zweifelhaft ist, sei lediglich am Rande erwähnt. Schließlich stuft Weissenrieder (1990, 226) selbst ihre Untersuchung als «pilot incursion» ein.
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Zudem wird im Rahmen des hier vertretenen Ansatzes letztlich davon ausgegangen, dass die Argumentationsrichtung der sprachlichen Realität nicht gerecht wird. Für die sprachliche Realisierung eines Sachverhalts ist die entsprechende Konzeptualisierung entscheidend. Innerhalb eines Textes steht die Konzeptualisierung zweifelsohne in einem sehr engen Zusammenhang mit dem Textinhalt. Je nachdem, welche Rolle eine außersprachliche Entität spielt, wird sie in einer bestimmten Weise konzeptualisiert. Der Sprecher hat nur eine geringe bewusste Entscheidungsmacht über die Konzeptualisierung einer Einheit. Sie bewegt sich notwendigerweise im Rahmen des konzeptuell Möglichen und ist textgebunden. Dass der Sprecher Entscheidungsmacht über einen (fiktiven) Text hat, darf damit nicht gleichgesetzt werden. Manipuliert er den Inhalt,61 so ändert sich u.U. in der Folge die Ebene der Konzeptualisierung und dann möglicherweise auch die Versprachlichung. Eine dem Inhalt und der Konzeptualisierung vorgelagerte Versprachlichung, wie bspw. Weissenrieder (1990) sie vorzuschlagen scheint, müsste regelmäßig zu sprachlichen Anomalien führen.62 Dem steht entgegen, dass muttersprachliche Texte kaum Anomalien aufweisen. Mithin darf der Sprecherwille als etwaiger Faktor nicht wie bei Weissenrieder (1990) auf der Ebene der sprachlichen Realisierung angesetzt werden. Als weiterer wichtiger lexikalischer Faktor wird z.T. die Relevanz des Verbs diskutiert, unter das das Objekt mit tierischem Denotat eingebettet ist (cf. insbes. Fernández Ramírez 1986, 189s.). Der entsprechende Abschnitt in Fernández Ramírez (1986, 188–190) ist zwar recht kurz, aber dennoch ein zweiter relevanter Ideengeber für die Thematik der tierischen Denotate. Er geht etwa davon aus, dass üblicherweise kein a vor einem Objekt mit tierischem Denotat auftritt, wenn das regierende Verb «puros actos materiales» (ibid., 189) zum Ausdruck bringt. Als Beispiele nennt er u.a. cargar (‘beladen’), pesar (‘wiegen’), sujetar (‘festmachen’) (Beispiele aus ibid.). Das Objekt wird hingegen häufig markiert, wenn das Verb «actos morales o emocionales, o actos que hacen esperar una respuesta del animal a la incitación o al estímulo» (ibid.), zum Ausdruck bringt. Er zählt hierzu etwa animar (‘anregen’), bendecir (‘segnen’) und besar (‘küssen’) (Beispiele aus
61 Auch etwa eine Änderung der Anordnung inhaltlicher Bestandteile ist in diesem Sinne eine Änderung des Inhalts. 62 In einem solchen Modell, in dem die Versprachlichung erfolgen würde, indem gewisse Teile der Semantik und außerdem die Pragmatik außer Kraft gesetzt werden, bleiben sogar mehr anomale als unmarkierte sprachliche Realisierungsmöglichkeiten, was sich in der Verteilung widerspiegeln muss. Die Erklärungsvariante, dass sprachlich mehr möglich als nicht möglich ist, entfällt aus offensichtlichen Gründen. Gerade bei dem Phänomen der DOM gibt es vielerlei Beschränkungen, die sich bspw. darin äußern, dass verhältnismäßig große Bereiche der obligatorischen Markierung und der Nicht-Markierung existieren.
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ibid.) auf. Im Unterschied zur oben besprochenen Bezugnahme auf einen Sprecher oder Hörer bspw. bei Weissenrieder (1990) versteht Fernández Ramírez (1986, 189) den beschriebenen Phänomenbereich im Kontext eines Verhältnisses von Subjekt und Objekt (s. auch Kap. 2.7.10), das heißt innertextlich. Er spricht das Prinzip der Verdinglichung an (cf. ibid.), stellt es aber nicht direkt in den Kontext der ersten Verbgruppe und gibt auch sonst keine weiteren Erklärungen. Die Thematik von Verben und ihren Selektionspräferenzen wird in Kap. 2.7.8 vertieft. Die Tendenz zu derartigen Korrelationen ist auch bei anderen Nominalklassen gültig. Im Rahmen des hier verfolgten Ansatzes kann sie anhand einer präzisen semantischen Zerlegung insbesondere von Verb und Objekt deskriptiv untermauert werden.
2.7.5 Referentieller Status des Objekts Viele anerkannte Erklärungsansätze der differentiellen Objektmarkierung stellen die Thematik der Referentialität besonders heraus. Dabei wird der referentielle Status von Objekt-NPs hinsichtlich mehrerer unterschiedlicher Gesichtspunkte und mit uneinheitlichem Beschreibungsinstrumentarium bestimmt. Die meisten Beschreibungen gehen von der Tendenz aus, dass referierende NPs mit einer höheren Wahrscheinlichkeit markiert werden als nicht-referierende. Einige Ansätze gehen von einer Referentiality Hierarchy aus (cf. bspw. von Heusinger/ Kaiser 2008, 5, Fußnote 5; in Anlehnung an Croft 2003, 130). Bei mit Skalen operierenden Herangehensweisen werden zumeist Faktoren unterschiedlicher Art miteinander relationiert (cf. ibid.), z.T. aber auch vermischt. Die Verwendung von Skalen ist für den Erfolg der referenzbasierten Ansätze mitverantwortlich. Skalen werden allerdings nicht im Folgenden, sondern erst in Kap. 2.7.7 besprochen. Grundlegend ist die Referenz im engeren Sinne, also die Bezugnahme auf die außersprachliche Wirklichkeit. Aber auch die textinterne Referenz spielt eine Rolle. Die beiden Termini der exophorischen (außersprachlicher Bezug) und der endophorischen (textintern) Referenz gehen auf Halliday/Hasan (1976) zurück (cf. etwa Redder 2000, 268). Die in der Literatur diskutierten Faktoren entsprechen den Typen von Referenz nicht direkt. Sie sind z.T. lexikalischer oder semantischer, aber diskurssemantischer oder diskurspragmatischer Natur, wobei keine Exklusivität gegeben ist. Generische Lesarten etwa werden v.a. mit lexikalischen bzw. formalen Mitteln erreicht. Die Topikalität kann als diskurssemantische und –pragmatische Kategorie verstanden werden. Die verschiedenen Untertypen von Spezifizität operieren auf jeweils unterschiedlichen Ebenen. Alle in diesem Kapitel besprochenen Eigenschaften von Objekt-NPs werden in der Literatur als mögliche Faktoren für die DOM diskutiert. Allerdings weisen
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur
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nicht alle die gleiche positive Korrelation mit der differentiellen Objektmarkierung auf. Zudem ist zu beachten, dass die Stärke einer Affinität zur a-Markierung nie unabhängig von der lexikalischen Realisierung der Bestandteile des jeweiligen Satzes ist. Eine Argumentation etwa bzgl. der Spezifizität erfolgt daher üblicherweise im Rahmen von Verbal- und insbesondere Nominalklassen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit kommt den verschiedenen Ausprägungen der Referentialität ein unterschiedlicher Stellenwert zu. Bei einem Objektausdruck ist zu differenzieren, was lexikalisch bezeichnet wird und worauf er referiert. Wie bereits in Kap. 2.7.3 angesprochen, wird die Referenz als der für die Markierung wichtigere Faktor angesehen. Daher wird der Faktor der Referenz im engeren Sinne, obschon er in der Fachliteratur oft ignoriert wird, als grundlegend für die Beschreibung der DOM erachtet. Sein Erklärungspotential wird jedoch auch hier nicht allzu hoch eingeschätzt. Zum Zusammenhang zwischen Spezifizität und DOM besteht in der Forschungsdiskussion kein vollständiger Konsens. Eine positive Korrelation wird schon in der traditionellen Forschung erkannt (cf. bspw. RAE 1973, 373). Da das Beschreibungsinstrumentarium recht neu ist, werden dort noch nicht die derzeit üblichen Termini verwendet. In Anlehnung an aktuelle Veröffentlichungen zum Thema (cf. Leonetti 2004; RAE 2009) wird hier davon ausgegangen, dass der Zusammenhang indirekter Natur ist und der Faktor daher zwar als wichtiges Indiz, nicht aber als entscheidend angeführt werden kann. Ähnliches gilt für die Topikalität. Die Generizität fügt sich weniger gut in die Liste der Unterkapitel. Es ließen sich Argumente finden, sie nicht in dem Kontext zu behandeln. Sie wird dennoch hier besprochen, da sie als besondere, nämlich generische Referenz aufgefasst werden kann. Zudem kommt es zu Interaktionen mit den anderen Unterbereichen. 2.7.5.1 Referenz im engeren Sinne Unter dem Begriff der Referenz im engeren Sinne wird die Bezugnahme auf die außersprachliche Wirklichkeit verstanden, so wie sie bspw. im triadischen Zeichenmodell von Ogden/Richards ([1923] 1952, 10ss.) definiert ist. Das Autorenpaar verbildlicht sein Modell mit einem Dreieck, dessen Ecken dem Zeichen, dem Gedanken bzw. Konzept und dem Referenten entsprechen, wobei unterschiedliche Verhältnisse zwischen ihnen bestehen (cf. ibid., 10s.). Das Zeichen ist mit einem ihm zugeordneten Gedanken verbunden (cf. ibid., 10), dem Signifié (das Bezeichnete) in de Saussures ([1916] 1995, 99) Terminologie. Die Zuordnung ist konventionalisiert (cf. ibid., 100s.). Dieser Gedanke ist nach Ogden/Richards ([1923] 1952, 11) wiederum mit einem Referenten verbunden, wobei die Zuordnung «auf der referentiellen Adäquatheit» (Becker 2013, 127) beruht. Die entscheidende Aussage des Modells ist, dass das Verhältnis zwischen sprachlichem
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2 Theorie
Zeichen und außersprachlichem Referenten indirekt ist und über das Konzept erfolgt (cf. Ogden/Richards [1923] 1952, 11s. sowie für die Wertung bspw. Becker 2013, 126s.). Nicht nur im Kontext des triadischen Zeichenmodells ist eine Distinktion von lexikalischer Bedeutung und Referenz nötig. Bei der Beschreibung der differentiellen Objektmarkierung ergeben sich z.T. gegensätzliche Ergebnisse, wenn die Unterscheidung missachtet wird. Für die Markierung entscheidend ist weniger der rein lexikalische Wert eines Objekts, sondern vielmehr sein kontextuell aktualisierter (cf. auch Laca 2006, 430s.), bei dem die o.g. referentielle Adäquatheit gegeben ist. Die beiden Ebenen entsprechen sich sehr häufig, aber nicht immer. Laca (2006, 429ss.) bespricht die mögliche Divergenz im Zusammenhang mit den Eigenschaften der NP. Sie grenzt inhärente (lexikalische) von kontextuellen (referentiellen) Faktoren ab (cf. ibid., 429s.). Laut Laca (2006, 430) kann bspw. ein Eigenname ohne Marker auftreten, wenn er eine unbelebte Entität bezeichnet. Sie führt Beispiel [19] an (cf. ibid.). [19] […] dejó Kant para más adelante, y siguió leyendo a Schopenhauer […]. (Baroja [1911] 1970, 37)63 ‘Er sparte sich Kant für später auf und las weiter Schopenhauer.’ In [19] treten zwei Objekt-NPs auf, die der gleichen lexikalischen Domäne zugeordnet werden können. Es fällt auf, dass die erste NP nicht markiert ist, die zweite hingegen schon. Die RAE (2009, 2633) gibt an, «[l]os nombres propios de persona que se usan metonímicamente suelen mantener la preposición». Laca (2006, 430) präzisiert, dass ein Eigenname ohne a-Markierung auftreten könne, «cuando contextualmente, por metonimia, denota una entidad inanimada». Sie verwendet das Beispiel als Beleg für die Überlegung, dass sich die inhärenten und die kontextuellen Faktoren in einem Widerstreit befinden können, der zu Variationsmöglichkeit führt (cf. ibid., 430). Die Erklärung ist so nicht gänzlich befriedigend. Sie scheint etwas leichtfertig, da das Beispiel wegen der engen Abfolge der beiden Objekte durchaus auffällig ist. Der in Kap. 2.8 vorgestellte Ansatz kann möglicherweise etwas zur Klärung beitragen. Allerdings repräsentiert das literarische Beispiel von Anfang des 20. Jahrhunderts möglicherweise einen älteren Sprachstand als den hier untersuchten.64
63 Laca (2006, 430) führt das Beispiel 12a ohne Hinweise zur Herkunft an. 64 Ein weiteres Gedankenspiel wäre, ob ein grammatikalischer Faktor zur divergenten Realisierung der beiden Objekt-NPs beiträgt: Das Verb dejar (‘lassen’; ‘überlassen’) kann dreiwertig sein. Das Fehlen von a würde vereindeutigen, dass das Objekt nicht indirekt ist (cf. etwa die
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur
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Auch entgegengesetzte Fälle sind keine Seltenheit. So kann eine NP, die lexikalisch eine unbelebte Entität bezeichnet, auf eine belebte referieren. Dann kann sie markiert werden. Die Beispiele unter [20] illustrieren dies. In ihnen tritt das Verb matar auf, das durch einen hohen Transitivitätsgrad gekennzeichnet ist. Es wird häufig davon ausgegangen, dass es einerseits eine starke Tendenz habe, ein menschliches Objekt zu fordern (cf. bspw. von Heusinger/Kaiser 2007, 90; von Heusinger 2008, 2), und andererseits dass das Objekt zumindest häufig markiert werde (cf. bspw. von Heusinger/Kaiser 2007, 8965). Laut RAE (1973, 373) können Objekte derartiger Verben auch dann markiert werden, wenn sie Gegenstände bezeichnen. Ob sie markiert werden, hänge dabei davon ab, wie stark der Grad der Personifizierung des Objekts sei (cf. ibid., 373s.). Diese Erklärung ist, wie gezeigt wird, allerdings nicht immer hilfreich (s. [20]). [20.a] ¡Han matado a Julián de Médicis! (COA:034:30) ‘Sie haben Julián de Médicis getötet!’ [20.b] […] mataban el tiempo […]. (LAB:125:12) ‘Sie schlugen die Zeit tot.’ [20.c]
Sí, hijo, mataron a aquella grandeza. (SON:261.36) ‘Ja, mein Sohn, sie töteten jene ehrenwerte Frau (wörtl.: Größe).’
In [20.a] ist das direkte Objekt ein Eigenname, der auf eine Person referiert. Es ist markiert. In [20.b] ist das direkte Objekt ein Abstraktum und wird nicht markiert. Auch der rein lexikalische Gehalt des Objektausdrucks in [20.c] ist der eines Abstraktums, allerdings wird damit auf eine Person Bezug genommen. Das Objekt ist markiert. Auf [20.c] lässt sich die Erklärung der RAE ([1973] 2000, 373s.) nicht anwenden. Das Konzept zu grandeza kann im Deutschen etwa als ‘Größe’, bei Personen auch als ‘Würde’ wiedergegeben werden (cf. bspw. das Online-Wörterbuch des Pons-Verlags66). Bei einer Personifizierung des Abstraktums ‘Größe / Würde’ würde die außersprachliche Entität, der die Eigenschaft zugeschrieben wird, als unikale oder zumindest prototypische Trägerin der Eigenschaft auftreten. Das allerdings ist inkompatibel mit der Verwendung des Demonstrativdeterminierers
Diskussion in RAE 1973, 374s.). Die Argumentation hinkt allerdings, da keine weitere NP auftritt, die alternativ die Rolle des direkten Objekts erfüllen könnte. 65 Von Heusinger/Kaiser (2007, 89) geben Folgendes zu Protokoll: «According to Torrego (1999, 1786) the verb matar ‘to kill’ strongly prefers a with direct objects, but does not require it». An der besagten Stelle in Torrego Salcedo (1999, 1786) findet sich allerdings nur die im Nebensatz getroffene Aussage und nicht die des Hauptsatzes. 66 Die Internetadresse ist www.pons.eu (Zugriff: 02.02.19).
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2 Theorie
aquella (‘jene’), der eine Menge möglicher Alternativen eröffnet. Die NP hat zudem einen anaphorischen Wert, ihr Antezedent ist ein Eigenname. Die einzig sinnvolle Interpretation ist mithin die metonymische Bezugnahme auf eine Person, der die durch das Objekt ausgedrückte Eigenschaft zugeschrieben wird. Dass eine Missachtung der Distinktion von lexikalischer Bedeutung und Referenz zu problematischen Klassifizierungen führen kann, zeigt sich auch in den folgenden Beispielen in von Heusinger/Kaiser (2005) (s. [21]).67 [21.a] [El especialista afirmó que es un gran error «[…] decir que el haber visto determinada película, escuchar cierta música o preferir una manera de vestir son causa de una tragedia como ésta.] Estos pensamientos son una forma más de buscar supuestos demonios para explicar problemas mucho más complejos». (La Nación, Los jóvenes no deben ser demonizados, 04.10.2004) ‘[Der Fachmann betonte, es sei ein großer Fehler, «zu sagen, dass die Tatsache, dass jemand einen bestimmten Film gesehen hat, einen bestimmten Musikstil hört oder irgendeinen Kleidungsstil wählt, der Grund einer Tragödie wie dieser ist.] Solche Gedanken sind nur eine zusätzliche Möglichkeit, vermeintliche Übel zu suchen, um wesentlich kompliziertere Probleme zu erklären».’ [21.b] […] a cambio de lo cual ir en la catedral el domingo a misa es encontrar al conjunto más grande que yo haya visto, alguno de gente lisiada, paralítica, manca, ciega […]. (Bsp. aus von Heusinger/Kaiser 2005, 62)68 ‘Wenn man hingegen sonntags zur Messe in die Kathedrale geht, trifft man auf die größte Menge solcher Leute, die ich je gesehen habe, Krüppel, Gelähmte, Verstümmelte, Blinde.’ Das Objekt supuestos demonios (hier etwa: ‘vermeintliche Übel’) in [21.a] wird in von Heusinger/Kaiser (2005, 52) als belebt eingeordnet. Der zusätzlich eingefügte
67 [21.a] ist das um im Original vorangehendes Material (hier in eckigen Klammern) ergänzte Beispiel A-(2a) aus von Heusinger/Kaiser (2005, 52) und [21.b] ist Beispiel P-(6a) (ibid., 62). Zu dem argentinischen Beispiel [21.a] gibt das Autorenpaar an, es entstamme einem «self-collected corpus of email messages sent to the editor of the Argentinian newspaper La Nación regarding a murder at a school in Buenos Aires» (ibid., 48). Laut dem Internetauftritt von La Nación handelt es sich jedoch um eine «nota», eine Notiz, die von einer Redakteurin verfasst wurde (cf. http:// www.lanacion.com.ar/642001-los-jovenes-no-deben-ser-demonizados, Zugriff: 02.02.19). 68 Das sprechsprachliche peruanische Beispiel ist dem «Macrocorpus» von Samper Padilla/ Hernández Cabrera/Troya Déniz (1998) entnommen. Es findet sich auch im CREA.
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur
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vorangehende Satz zeigt jedoch, dass demonios hier gerade nicht auf eine belebte Entität bzw. Menge belebter Entitäten referiert, sondern auf eine Menge von Abstrakta, nämlich Fakten wie einen bestimmten Film gesehen zu haben oder über einen bestimmten Musikgeschmack oder Kleidungsstil zu verfügen.69 Das Objekt conjunto in [21.b] hingegen wird in von Heusinger/Kaiser (2005, 62) als unbelebt klassifiziert, wenn auch mit dem Hinweis, dass es auf eine Gruppe menschlicher Entitäten referiere und deshalb kein gutes Beispiel sei (cf. ibid.). Die Apposition alguno de gente lisiada, paralítica […] (‘irgendeine [Menge] von verstümmelten, gelähmten Menschen’) vereindeutigt die Verwendung. Die Instantiierung ist eine Menge menschlicher Entitäten. Das Massennomen ist also als Kollektivnomen aktualisiert, eine Klassifizierung als unbelebt ist daher problematisch.70 Dass es sich hierbei um eine frequente Verwendung handeln muss, zeigt der Eintrag zu ‘conjunto’ im Diccionario de la lengua española der RAE (http://dle. rae.es/?id=AL1T6js, Zugriff: 02.02.19). In der Verwendung als Nomen wird als erste Bedeutung ein «Agregado de varias personas o cosas» (ibid.)71 angegeben. Für eine Einordnung als Abstraktum lassen sich Argumente finden. Es könnte eine zugrunde liegende komplexe Nominalphrase angenommen werden mit der Form ‘conjunto als Mengenangabe + de + menschliche Entität(en)’. Das allerdings beantwortet nicht die Frage, ob die komplexe Nominalphrase als Gesamtkonstrukt konzeptualisiert wird oder in ihren einzelnen Bestandteilen. Die Überlegungen gehen für den vorliegenden Kontext zu weit. Sie werden in der Analyse punktuell nochmals aufgegriffen. Es sei lediglich zusammenfassend festgehalten, dass die bei der Verwendung sprachlicher Zeichen aktualisierte Bedeutung einer präzisen Analyse zugrunde gelegt werden muss. Bzgl. der Beispiele [21] können so die Schwierigkeiten in von Heusinger/Kaiser (2005) gelöst werden. Unter gezielter Berücksichtigung der Referenz zeigt sich, dass die Nicht-Realisierung der a-Markierung mit Unbelebtheit (s. [21.a]), ihre Realisierung hingegen mit Belebtheit korreliert (s. [21.b]).
69 Auch in der Übertragung von [21.a] ins Deutsche wäre das Wort ‘Teufel’ ungeeignet. In ähnlichen Kontexten kann im Deutschen Sündenbock verwendet werden. Auch dafür muss die Referenzmenge allerdings belebte und typischerweise menschliche Einheiten enthalten. 70 In Kap. 4.3.1 wird das Nomen in seiner Verwendung mit menschlichem Denotat als Kollektivum behandelt. Davon wäre etwa un conjunto de (cosas) (‘eine Menge an (Dingen)’) abzugrenzen, wo es als Quantifizierer verwendet wird. 71 Der genannte ist der Eintrag Nr. 4 unter dem Stichwort ‘conjunto, ta’ in der Online-Ausgabe des Wörterbuchs (cf. http://dle.rae.es/?id=AL1T6js, Zugriff: 02.02.19). Die Übertragung ins Deutsche scheint semantisch / pragmatisch besser, wenn die ‘Menge’ näher bestimmt wird (‘Menge solcher Leute’, s.o.). Dies gilt mit und ohne Apposition: ?’Wenn man […] in die Kathedrale geht, trifft man die größte Menge, die ich je gesehen habe (, Krüppel, Gelähmte […]).’
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2 Theorie
Im Zusammenhang mit den Überlegungen zu einer Dominanz der Referenz über die lexikalische Bedeutung ist zuletzt eine Abgrenzung herauszustellen. Es wird hier nicht intendiert, dass der Faktor der Referentialität an sich entscheidend für die Markierung ist. So argumentiert hingegen etwa Bossong (1991). Er geht von Folgendem aus: «[+ human] NP’s [sic] can be positively marked even if they are [– definite], and even [– individual], provided they are still [+ referential]» (ibid., 161). Die genannte Faktorkombination wird in der vorliegenden Arbeit keineswegs als unmöglich erachtet. Es wird lediglich die Meinung nicht geteilt, dass der Faktor des Referierens entscheidend sei. Wie nämlich etwa Kliffer (1995, 102) zeigt, handelt es sich bei der Referentialität um keine notwendige Bedingung für eine Markierung, d.h., es können auch nicht-referentielle Ausdrücke markiert werden (s. Beispiel [22]). Auch Balasch (2011, 123) findet für den Einfluss von Referentialität auf die Markierung von Objekten, die belebte Entitäten bezeichnen, «no quantitative evidence».72 [22] Les pediré que escojan a una mujer pequeña que lleve pendientes. (Bsp. aus Kliffer 1995, 102) ‘Ich werde sie bitten, eine kleine Frau auszuwählen, die Ohrringe trägt (i.S.v., für die gelten soll, dass sie Ohrringe trägt).’
2.7.5.2 Spezifizität Der Terminus der Spezifizität wird uneinheitlich verwendet (s.u.). Seine Verwendung im textinternen, also diskurssemantischen Sinne kann grob definiert werden als Kategorie, die die Art der semantischen Verknüpfung eines Ausdrucks mit anderen Ausdrücken eines Texts erfasst (cf. von Heusinger 2002, 253).
72 Es scheint angeraten, Balasch (2011) mit Vorsicht zu genießen. Einige der Ergebnisse sind allzu überraschend. So ist in ihrem venezolanischen Korpus der Anteil von Objekten, die eine belebte Entität bezeichnen, mit rund 33,86% nach Bereinigung erstaunlich hoch. In der AdesseDatenbank machen sie hingegen im lateinamerikanischen Spanisch nur 18,86% aus, im peninsularen Spanisch sogar nur rund 17,83% (Zugriff: 07.02.13). Auch etwa die folgende Überlegung zu Daten aus dem analysierten venezolanischen Korpus widerspricht der aktuellen Forschungsmeinung: «[O]vert a compensates for the lack of any co-reference of the DO in the preceding or prior discourse, while subsequent reference compensates for the lack of overt DO marking» (Balasch 2011, 118). Da die Autorin im eigentlichen Analysekapitel gänzlich auf Beispiele verzichtet, können die Auffälligkeiten vom Leser nicht überprüft werden. Möglicherweise sind sie keiner analytischen oder deskriptiven Schwäche, sondern dem verwendeten Korpus transkribierter gesprochener Sprache geschuldet.
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur
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Die wissenschaftshistorische Einordnung des Begriffs mag hilfreich für dessen grundlegendes Verständnis sein: «The category ‹specificity› was introduced for indefinite NPs as an analogy to the category ‹referentiality› for definite NPs» (von Heusinger 2002, 248). Die Unterscheidung spezifischer und unspezifischer NPs ist der von Donnelan (1966) eingeführten Differenzierung referentieller und attributiver NPs ähnlich (cf. Rivero 1975). Obschon sich die Spezifizitätsopposition in gewissem Maße auch auf definite NPs anwenden lässt (cf. bspw. ibid.73; s.u.), werden in der Spezifizitätsforschung vorwiegend indefinite NPs behandelt. Neuere Arbeiten zur Spezifizität (cf. Enç 1991; Farkas 2001 und 2002; von Heusinger 2002 und 2011) stehen mehr oder weniger stark in der Tradition der diskurssemantischen Ansätze der Diskursrepräsentationstheorie (Discourse Representation Theory) und der File Change Semantics (cf. für die Begriffe und die Urheber der entsprechenden Theorien bspw. Bußmann 2008, 143s., Eintrag «Diskursrepräsentationstheorie»). Grundlegend ist dabei die folgende Annahme: «[A]rgumental DPs […] introduce discourse referents (aka variables), whose value is constrained by the information contained in the DP» (Farkas 2001, 86). Der eingeführten Variable, deren semantische Extension zunächst nur lexikalisch eingeschränkt ist, werden im Diskurs Werte zugewiesen (cf. ibid.), die letztlich den semantischen und pragmatischen Gehalt eines Ausdrucks ausmachen. So kann das unterscheidende Merkmal einer spezifischen indefiniten NP gegenüber einer unspezifischen nach von Heusinger (2002) folgendermaßen bestimmt werden: Das einer spezifischen NP entsprechende Diskurselement ist «referentially anchored to another discourse item» (ibid., 253), das auch ein vom Sprecher selbst repräsentiertes sein kann, während das einer unspezifischen NP entsprechende Element «bound by some discourse operator (such as negation, intensional verbs etc.)» (ibid., 253, Fußnote 2) und nicht referentiell verankert ist. In der Literatur werden mindestens drei, aber bis zu sieben (etwa in von Heusinger 2011) Typen von Spezifizität bzw. Unspezifizität unterschieden.74 Die drei Typen, die in der Fachliteratur häufiger besprochen werden, seien in aller Kürze
73 Rivero (1975) geht hierbei allerdings recht weit und präsentiert auch mehrere Beispiele, in denen auf eine definite NP ein restriktiver Relativsatz im Subjuntivo folgt (cf. besonders ibid., 39s.). Offenbar sind solche Kombinationen nicht ausgeschlossen. In der Literatur ist es allerdings üblich, die Kombination indefinite NP mit Relativsatz im Subjuntivo als Beispiel für unspezifische NPs zu zeigen (cf. bspw. Brugè Brugger 1996, 31; Leonetti 2004, 80; RAE 2009, 2640 usw.). 74 Ein historischer Überblick über die Spezifizitätsforschung findet sich in von Heusinger (2011, 1026s).
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2 Theorie
auch zum besseren Verständnis des Phänomens vorgestellt. Es sind Skopusspezifizität, epistemische und partitive Spezifizität. In der Kategorie der Skopusspezifizität wird der Status einer NP durch die Interaktion der ihr entsprechenden Variable mit anderen Skopusoperatoren wie Quantifizierern, der Negation oder Modalverben bestimmt (cf. von Heusinger 2002, 258s.). In [23.a] kann die NP a misprint spezifisch oder unspezifisch verstanden werden. Bei der spezifischen Lesart hat die NP weiten Skopus. Grob gesagt erscheint in einer Formalisierung des Satzes die Negation tiefer eingebettet als die der NP entsprechenden Variable. Die Formalisierung könnte vereinfacht wie folgt wiedergegeben werden: ‘Es gibt einen Fehler, für den gilt, dass Bill ihn nicht sah’ (s. die Formalisierung in [23.b]).75 Bei der unspezifischen Lesart hingegen steht die NP im Skopus der Negation. Die Negation ist also in der logischen bzw. formalisierten Struktur des Satzes gewissermaßen an höherer Stelle angesiedelt als die Variable für die NP (verdeutlichend etwa: ‘Es ist nicht der Fall, dass es ein X gibt, für das gilt, dass es ein Fehler ist und dass Bill es sah’, s. die Formalisierung in [23.c]).76 Im Gegenbeispiel [23.d] ist nur die spezifische Lesart möglich. [23.a] Bill didn’t see a misprint. (Bsp. aus Karttunen 1976)77 [23.b] ∃y [misprint(y) & ¬See(bill, x)] (spezifisch) (Formalisierung nach von Heusinger 2002, 264)
[23.c] ¬∃y [misprint(y) See(bill, x)] (unspezifisch) (Formalisierung nach ibid.) [23.d] Bill saw a misprint. Bei der epistemischen Spezifizität besteht die Verankerung der einer NP entsprechenden Variable in Bezug auf den Sprecher und kotextuelle Elemente (cf. Farkas 2001, 98).78 Farkas (1994, 8) gibt an, «epistemic and scopal specificity are distinct though related». Laut von Heusinger (2012, 426) lässt sich dieser Typ «am Besten mit dem Konzept der Sprecherintention verstehen». Bei einer spezifischen NP hat der Sprecher «a particular individual in mind» (Farkas 2001, 98). Auf [24.a]
75 Genauer wäre die Formulierung: ‘Es gibt ein y, für das gilt, dass es ein Fehler ist und dass Bill es nicht sieht’. 76 Genauer wäre die Formulierung: ‘Es gibt kein y, für das gilt, dass es ein Fehler ist und Bill es sieht’. 77 Auch etwa von Heusinger (2002, 259; 2007, 274 und 276) und von Heusinger/Kaiser (2003, 46) führen das Beispiel an. 78 Für eine wesentlich ausführlichere und detailreiche Darstellung des Phänomenbereichs der epistemischen Spezifizität sei auf von Heusinger (2011, 1044–1047) verwiesen.
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur
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könnte dann [24.b] folgen. Eine Fortführung von [24.a] durch [24.c] hingegen vereindeutigt die unspezifische Lesart. [24.a] A student in the syntax class cheated on the final exam. (Bsp. aus Fodor/ Sag 1982, 355)79 [24.b] It was the guy who sits in the very back. (Bsp. aus von Heusinger 2011, 1044) [24.c] I wonder which student it was. (Ibid.) Partitive indefinite NPs greifen einzelne Einheiten oder Gruppen von Einheiten aus einer Gesamtmenge heraus (cf. Enç 1991, 10). Aus eben diesem Grund wird kritisiert, dass es sich dabei nicht um Spezifizität handele, da der recht eng definierte Begriff der Spezifizität solche Fälle nicht erfasse (cf. von Heusinger 2011, 1052). Der Ausdruck some ghosts ist in [25.a] nicht-partitiv und unspezifisch, in [25.b] aber partitiv und wird in derjenigen Fachliteratur, in der die o.g. Kritik außer Acht gelassen wird, als spezifisch eingeordnet. [25.a] There are some ghosts in this house. (Bsp. aus von Heusinger 2002, 260)80 [25.b] Some ghosts live in the pantry; others live in the kitchen. (Ibid.) Ein wichtiger Teil der Spezifizitätsforschung zeigt die Verhältnisse des Englischen. Dementsprechend sind auch die obigen Beispiele aus verschiedenen Veröffentlichungen in englischer Sprache. Im Folgenden soll nun der Blick auf das Spanische gewendet werden. Die entscheidende Frage im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ist, ob und welche Korrelation zwischen der Spezifizität und der differentiellen Objektmarkierung besteht. In einigen Veröffentlichungen, von denen mehrere innerhalb einer Dekade zwischen Ende des 20. bis Anfang des 21. Jahrhunderts veröffentlicht wurden, wird von einer starken positiven Korrelation ausgegangen. In aktuellen Publikationen wird jedoch zumeist von einem eingeschränkten Zusammenhang ausgegangen. Demnach sind spezifische Objekte mit menschlichem Denotat zumeist markiert, unspezifische benötigen keinen Marker, können aber über einen verfügen, weshalb nicht von der Form auf den Spezifizitätsstatus
79 Das Beispiel findet sich (teilweise leicht abgeändert) in der Literatur häufiger (bspw. auch bei Farkas 2001, 98 und 2002, 239). Von Heusinger (2011, 1044) gibt Fodor/Sag (1982, 355) als Urheber an. 80 Auch dieses Beispiel wird oft zitiert, etwa von Farkas (1994). In von Heusinger (2011, 1028) wird es mit dem Phänomen der Topikalität in Verbindung gebracht.
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geschlossen werden kann (s.u.). Bezüglich der Literatur fällt auf, dass eher selten die oben angeführte Subtypendistinktion verwendet wird. Das hat mit abweichenden Terminologien zu tun oder mit einem anders gelagerten Fokus. In jedem Fall scheint es nur schwer umsetzbar, anhand der Literatur zur DOM und zur Spezifizität die (Nicht-)Realisierung der a-Markierung mit den Subtypen zu relationieren. Eine Aufarbeitung kann im vorliegenden Rahmen daher nicht erfolgen. Im Folgenden wird dennoch zunächst versucht, möglichst prägnante Beispiele das Spanischen vorzustellen, bei denen das entscheidende Element das Objekt ist.81 Im Anschluss wird eine kleine Auswahl wichtiger Veröffentlichungen vorgestellt, die sich mit dem Verhältnis zwischen DOM und Spezifizität auseinandersetzen. Sie werden auf Gemeinsamkeiten überprüft. Die Skopusspezifizität im Spanischen lässt sich anhand von [26] zeigen. [26.a] Todos los chicos han visto (a) una chica. (Bsp. aus Brugè/Brugger 1996, 35) ‘Alle Jungen haben ein Mädchen gesehen.’ [26.b] ‘For every boy there is a girl such that he saw her.’ (Ibid.) [26.c] ‘There is a girl such that every boy saw her.’ (Ibid.) Aufgrund des Quantifizierers in der Subjekt-NP ist der Satz [26.a] prinzipiell ambig. In der Interpretation [26.b] hat die Objekt-NP engen Skopus bezüglich des Quantifizierers, in der in [26.c] hingegen weiten Skopus (cf. Brugè/ Brugger 1996, 34s.). In der Interpretation, die mit der Fortführung in [26.b] verdeutlicht wird, ist das Objekt unspezifisch, bei [26.c] hingegen spezifisch. Wie Brugè/Brugger (1996, 35) betonen, ist der Marker in der spezifischen Lesart notwendig. Wie oben angesprochen hat die epistemische Spezifizität Gemeinsamkeiten mit der Skopusspezifizität (cf. Farkas 1994, 8). Es ist nicht ganz einfach, Beispiele zu finden, die frei von Skopuseffekten wären und bei denen Ambiguität hinsichtlich des Objekts vorhanden ist. [27.a] ist dem CREA entnommen, die Fortführungen [27.b] und [27.c] sind konstruiert. [27.a] «Alguien debió de pegar a un marino» […]. (CREA: El País, 01.04.1985) ‘Irgendjemand schlug wohl einen Seemann.’
81 Der Fokus der Spezifizitätsforschung liegt nicht per se auf Objekten. Auch in den englischen Beispielen oben tritt nicht immer ein Objekt als entscheidendes Element auf.
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur
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[27.b] ‘Jedenfalls kam es im Hafen zu Tumulten.’ [27.c]
‘Dieser musste ärztlich behandelt werden.’
Die Ambiguität in [27.a] ist nicht unabhängig vom Modusoperator, der mit debió de (etwa ‘musste wohl’) versprachlicht ist. Da er aber auf Satzebene operiert, kann bzgl. des Objekts für epistemische (Nicht-)Spezifizität argumentiert werden. Die Fortführung in [27.b] weist das Objekt aus [27.a] als unspezifisch aus, da der Sachverhalt als Umstandsdarstellung präsentiert wird, in deren Rahmen der Patiens selbst keine Rolle für den Sprecher / Hörer spielt. Das Demonstrativpronomen in [27.c] greift ihn hingegen auf, was ein spezifisches Objekt in [27.a] voraussetzt. Als Beispiel für partitive Spezifizität82 führt Leonetti (2004, 89, 80s.) etwa das folgende an. [28.a] Juan ha visto {a / ø} muchas chicas. (Bsp. aus Leonetti 2004, 89)83 ‘Juan hat viele Mädchen getroffen.’ [28.b] No hay quien lo pare. ‘Er ist nicht zu bremsen.’ [28.c]
Las otras se han puesto tristes. ‘Die anderen sind traurig.’
Wie oben gesagt, werden in der Literatur für markierte und unmarkierte Varianten wie in [28.a] keine restlos eindeutigen Zuordnungen hinsichtlich ihres Spezifizitätsstatus ausgesprochen. Eine Fortführung wie [28.b] legt eine unspezifische Lesart des Objekts in [28.a] nahe. Ein Ausbleiben der a-Markierung wäre nach Leonetti (2004, 89) dann möglich. Wird der Marker hingegen realisiert, so ist eine spezifische Lesart wahrscheinlich (cf. ibid.). Die Fortführung [28.c] intendiert eine partitive Objekt-NP in [28.a]. Mit einem anderen Kotext sind allerdings auch andere (spezifische) Lesarten möglich (cf. dafür ibid.). Die Relevanz der Kategorie der Spezifizität für die differentielle Objektmarkierung wird verschiedentlich diskutiert. Es wird allerdings nicht immer die oben angeführte enge Definition appliziert. Zudem bleiben Subtypen des Öfteren unberücksichtigt. Beides erschwert eine Zusammenfassung der Forschungsdiskussion.
82 Leonetti (2004, 81) spricht den Umstand einer «typically specific interpretation that partitives receive» an. Er geht also davon aus, dass Partitive im hier besprochenen Sinn nicht unbedingt spezifisch sein müssen. 83 Leonetti (2004) verweist für ein sehr ähnliches Beispiel auf Brugè/Brugger (1996) (cf. Leonetti 2004, 80s.). Tatsächlich führen Brugè/Brugger (1996, 27, Fußnote 31) aber eine dritte Variante an.
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Im Folgenden sollen daher nur einzelne relevante Veröffentlichungen kurz vorgestellt werden. Auch über die romanistische Forschung hinaus wird immer wieder Aissen (2003) zitiert. Sie gibt zum modernen Spanischen Folgendes an: «[S]pecific indefinites, but not non-specifics, occur with a» (ibid., 463; cf. auch ibid., 471). Sie verwendet den Spezifitätsbegriff eher im weiteren Sinne. Sie ordnet ihn grob diskurssemantisch ein, etwa im Sinne der Discourse Representation Theory (cf. ibid., 444).84 Demnach geht es ihr darum, das Ausmaß zu erfassen, «to which the value assigned to the discourse referent introduced by the noun phrase is fixed» (ibid.). Sie unterscheidet zwei Typen von spezifischen indefiniten NPs, partitive und «indefinites which translate ‘a certain N’» (ibid.). Die Umschreibung, ihr zweiter Typ, kann die o.g. Skopusspezifizität und die epistemische Spezifizität erfassen.85 Letztlich ist festzuhalten, dass Aissen (2003) nicht den Anspruch hat, die Faktoren für eine Markierung detailliert zu analysieren, sondern vielmehr DOM-Systeme einander global gegenüberstellen möchte, wobei sie selbst ihre Überlegungen als «approximations, or sketches» (ibid., 462) versteht. Mithin sollte die Veröffentlichung eher nicht als zentrale Referenz bezüglich des Verhältnisses von Spezifizität und der DOM im Spanischen herangezogen werden. Auch bspw. in Laca (2006, 431s.) wird der Spezifizitätsbegriff grob im Sinne der o.g. Definition verwendet. Die dort behandelten Beispiele können der epistemischen Spezifizität und dem Partitiv zugeordnet werden. Zum Zusammenhang zwischen Spezifizität und a-Markierung im aktuellen Spanisch wird angegeben, dass die Abwesenheit des Markers vor einem indefiniten eine menschliche Entität bezeichnendem Objekt eine spezifische Interpretation ausschließt, wohingegen bei Anwesenheit eine spezifische und eine unspezifische Lesart möglich sind (cf. ibid., 432). In ihrer Analyse verzichtet Laca (2006) allerdings auf die Kategorie der (Nicht-)Spezifizität, was sie damit begründet, dass nicht sicher sei, ob die Unterscheidung nicht auch auf definite NPs angewendet werden müsse (cf. ibid., 439). Zwar ist das nicht unbedingt der beste Grund, den Phänomenbereich außen vor zu lassen. Wie bereits oben besprochen, sind die Zweifel aber berechtigt. So zeigt Leonetti (1999, 865),86 dass auch definite NPs spezifisch und unspezifisch
84 Aissen (2003) selbst verweist allerdings u.a. auf Gundel/Hedberg/Zacharski (1993) (cf. Aissen 2003, 444, Fußnote 9). 85 Leonetti (2012, 295) betont in seiner Veröffentlichung speziell zur Spezifizität im Spanischen allerdings, «cierto [(‘gewiss, gewisser’)] cannot be said to encode epistemic specificity […], but just some kind of identifiability». 86 Der Verweis und weitere Überlegungen dazu finden sich in von Heusinger/Kaiser (2003, 49s.).
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur
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sein können (cf. auch Rivero 1975 sowie die Untersuchung in von Heusinger/ Kaiser 2005). Er führt das folgende Beispielpaar an. [29.a] Busco el libro en el que se analiza el modo en las oraciones de relativo. (Bsp. aus Leonetti 1999, 865; ebenfalls präsentiert in von Heusinger/ Kaiser 2003, 49) ‘Ich suche das Buch, in dem der Modus von Relativsätzen analysiert wird.’ [29.b] Busco el libro en el que se analice el modo en las oraciones de relativo. (Bsp. aus ibid.) ‘Ich suche ein Buch, in dem der Modus von Relativsätzen analysiert wird.’ Oder aber: ‘Ich suche das Buch, so es existiert, in dem der Modus von Relativsätzen analysiert wird.’ In den beiden Beispielen, die über einen identischen Hauptsatz verfügen, zeigt der Nebensatzmodus jeweils an, dass die Objekt-NP el libro (‘das Buch’) spezifisch (s. [29.a]) bzw. unspezifisch (s. [29.b]) ist. In der Struktur mit unspezifischem Objekt wäre auch eine indefinite NP möglich (cf. Leonetti 1999, 865; von Heusinger/Kaiser 2003, 48s.). Es sind zwei weitere Veröffentlichungen zu nennen, die sich mit Spezifizität und der Objektmarkierung beschäftigen und die die Forschungsdiskussion zu prägen scheinen. Die beiden verwenden eine von den obigen Ausführungen abweichende Terminologie. Enç (1991) argumentiert für die Kategorie der partitiven Spezifizität. Bezüglich der Skopus-Spezifizität sieht sie ein Problem darin, dass der Spezifizitätsbegriff «just a descriptive term naming a scope relation» (ibid., 2) sei. Somit werde Spezifizität nicht als unabhängiges semantisches Phänomen anerkannt (cf. ibid.).87 Aufgrund ihrer Einwände bemüht sich Enç (1991, 3) um eine von Skopusrelationen unabhängige Analyse. Als Lösungsvorschlag nennt sie zunächst die partitive Spezifizität, die sie in etwa wie oben definiert und bei der sie offene und verdeckte Partitive unterscheidet. Offene Partitive sind NPs, die etwa im Deutschen mit Genitivattribut (z.B. zwei der Bücher) und bspw. im Englischen und Spanischen mit einer PP auftreten (z.B. two of the books, Bsp.
87 Mit dieser Einschätzung geht Enç (1991) recht weit. Eine Korrelation als Erklärungsgrundlage zu verwenden, bedeutet nicht per se den Zusammenfall zweier Beschreibungsebenen. Im vorliegenden Fall geht es darum, dass ein bestimmter Typ von Spezifizität mit Skopusphänomenen korreliert und über diese erklärt wird. Es konfluieren wie oben besprochen nicht zwei Ebenen, sondern es wird lediglich ein diskurssemantisches Prinzip mit formal-semantischen Methoden erfasst und erklärt.
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2 Theorie
aus ibid., 6, Fußnote 6 sowie S. 10; im Spanischen dos de los libros). Bei den verdeckten Partitiven ist die Grundmenge, aus der Einheiten herausgegriffen werden, Bestandteil der Diskursdomäne (cf. ibid., 6). Da sich so nicht alle Typen von Spezifizität erfassen lassen, wird als übergeordnetes Phänomen das NP-Linking eingeführt (cf. ibid., 9 und 21). So kann Enç (1991) auch den Fall abdecken, in dem definite und indefinite spezifische NPs über Antezedenten im Diskurs verfügen, mit denen sie diskurssemantisch verbunden sind. Dies entspricht der o.g. epistemischen Spezifizität mit einer Verankerung bezüglich kotextueller Elemente. In generativ geprägten Darstellungen werden die beiden Linking-Typen als Diskurslinking bezeichnet (kurz «D-Linking» nach Pesetsky 1987; cf. Enç 1991, 7, Fußnote 8). Mittels des Diskurslinking zeigt Enç (1991) eine positive Korrelation von Spezifizität und der Realisierung des Akkusativmorphems im Türkischen. Sie sieht die Korrelation als wichtiges Argument für die Relevanz der Kategorie des Diskurslinkings in natürlichen Sprachen (cf. ibid., 23s.).88 Die zweite Veröffentlichung mit abweichender Terminologie, Brugè/Brugger (1996), beruft sich auf Enç (1991). Brugè/Brugger (1996, 1) gehen davon aus, dass ein direktes Objekt nur dann ohne a auftreten kann, wenn es keine belebte Entität bezeichnet oder partitiven Kasus erhält. Dass sich die Realisierung von a nur anhand des Merkmals der Spezifizität erklären lasse, lehnen sie ab (cf. ibid., 9). Wie allerdings im Folgenden ersichtlich wird, basiert ein großer Teil der Abgrenzungen, die sie für ihren Erklärungsansatz verwenden, auf der Kategorie der Spezifizität. Hinsichtlich des «partitiven Kasus» berufen sie sich auf Belletti (1988, 2), die ihn semantisch definiert, v.a. weil er, wie im Spanischen, einzelsprachlich über keine eigene morphologische Realisierung verfügen muss: «[I]f partitive Case is assigned, the object has an indefinite reading, equivalent to the one expressed by a lexical quantifier like some in English» (ibid., 1).89 Der partitive Kasus ist nach Brugè/Brugger (1996) nur kompatibel mit existenziellen NPs im Sinne Keenans (1987) (cf. Brugè/Brugger 1996, 13, Fußnote 17). Laut Keenan (1987, 286) assertieren existenzielle NPs die Existenz der bezeichneten Einheit und treten nur in Kontexten auf, in denen sie mit einer Konstruktion paraphrasiert werden können, die im Englischen die Struktur there + be + NP aufweist (cf. ibid., 289; auch etwa
88 Trotz ihres Fokus auf kotextuellen Beziehungen führt Enç (1991) nur vereinzelt Beispiele an (bspw. auf S. 17), in denen die relevante Grundmenge bzw. der entsprechende Antezedent auch tatsächlich realisiert sind. Besonders hinsichtlich ihrer Ausführungen zur partitiven Spezifizität ist dies problematisch, da bei mehreren Beispielsätzen die Einordnung als epistemische Spezifizität plausibler erscheint. 89 Auch der französische Partitiv (Strukturen wie du vin oder de la viande) verfügt über eine ähnliche Semantik.
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur
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Torrego Salcedo 1999, 1794ss. testet die Kompatibilität bestimmter Objekt-NPs mit der entsprechenden existentiellen Konstruktion mit haber, ‘geben, vorhanden sein’). Wie Brugè/Brugger (1996, 13, Fußnote 17, Kursiva i.O.) angeben, können solche NPs den partitiven Kasus nicht realisieren, «that are either quantificationally generic, or D-linked, or have wide or intermediate scope, or have ‹function interpretation›, or are referential – referring to objects or kinds».90 Mit der «function interpretation» werden Sätze erfasst, in denen Ausdrücke wie das englische certain oder das spanische cada (‘jede, -r, -s’) auftreten, wodurch die vom Subjekt bezeichnete Diskursentität der vom Objekt bezeichneten über eine Funktion zugeordnet wird (cf. ibid., 37). Fälle dieser Art werden üblicherweise der Kategorie der Skopusspezifizität zugeordnet. Ein Beispiel findet sich in [30] (s. auch oben): [30] Cada chico ha visto *(a) una chica: su hermana. (Bsp. aus Brugè/Brugger 1996, 37) ‘Jeder Junge hat ein Mädchen gesehen: seine Schwester.’ Es werden in Brugè/Brugger (1996) somit alle hier angesprochenen Typen von Spezifizität behandelt. Die Autoren gehen von einer positiven Korrelation zwischen ihnen und der a-Markierung aus. Lediglich die Untergruppe der auf den Sprecher bezogenen epistemischen Spezifizität (s.o.) wird davon ausgenommen (cf. ibid., 31s.). Die Begründung ist, dass sie nicht als Kategorie geeignet sei, da ein Sprecher, der die Aussage eines anderen wiedergibt, nicht wissen müsse, worauf sich ein sprachliches Element ursprünglich bezogen hat (cf. ibid., 32). Das folgende Beispiel aus RAE (2009) zeigt jedoch, dass Einbettungen von Aussagen mittels indirekter Rede nicht den Verlust von Spezifizität mit sich bringen. [31] Dijo por fin que se llamaba José Antonio y que buscaba a un amigo perdido en aquel bosque. (Obando, Paraíso, Bsp. aus RAE 2009, 2639) ‘Schließlich sagte er, dass er José Antonio heiße und einen Freund suche, der sich in jenem Wald verlaufen habe.’ Nach Brugè/Brugger (1996) ist die a-Markierung in den von ihnen aufgelisteten Fällen, in denen kein partitiver Kasus realisiert werden kann (s.o.), obligatorisch (cf. ibid., 35, 37, 39).91 Allerdings schließe demgegenüber die Realisierung
90 Generischen NPs und der Typenlesart, dem «kind reading», widmet sich das folgende Kapitel. 91 Der entsprechende Hinweis bezüglich der generischen Lesart findet sich auf S. 39, Fußnote 41, bezüglich den Lesarten D-linked, weiter Skopus und Funktion auf S. 37, zum
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des partitiven Kasus nicht aus, dass a doch realisiert werde (cf. ibid., 42). Daraus folgern sie, a-markierte direkte Objekte seien «systematically ambiguous between an existential interpretation and a non-existential interpretation» (ibid., 48), wobei der Begriff «existential» wieder im Sinne Keenans (1987) zu verstehen ist. Neben dieser Uneindeutigkeit ihrer Ergebnisse ist eine weitere Schwäche ihres Ansatzes, dass er keine unbelebten a-markierten direkten Objekte zulässt. Für solche Fälle gehen sie davon aus, dass eine Personifikation vorliegt (cf. Brugè/ Brugger 1996, 8, Fußnote 11). Von Heusinger spricht sich, teilweise zusammen mit anderen Autoren, verschiedentlich für den Einfluss der Spezifizität auf die a-Markierung aus. In von Heusinger/Kaiser (2003) werden die Verhältnisse zwischen Belebtheit, Definitheit und Spezifizität mit verschiedenen syntaktischen Phänomenen des Spanischen besprochen sowie die Möglichkeiten, unterschiedliche Skalen miteinander zu verbinden (cf. auch von Heusinger/Kaiser 2005, 39). Es wird betont, dass die DOM von den «two referential parameters, animacy and specificity» (von Heusinger/Kaiser 2003, 53) bestimmt werde. Allerdings würden weitere Faktoren eine Rolle spielen (cf. ibid.). Von Heusinger/Kaiser (2005) markiert den Beginn einer Serie von diachron ausgerichteten Korpusuntersuchungen (cf. von Heusinger/Kaiser 2007; 2011; von Heusinger 2008). Das Ziel der Veröffentlichung ist, die Entwicklung vom Altspanischen zum aktuellen Spanisch Lateinamerikas aufzuzeigen, wobei verschiedene lateinamerikanische Varietäten berücksichtigt werden. Es wird davon ausgegangen, dass einige amerikanische Varietäten die a-Markierung häufiger zulassen als das peninsulare Standardspanisch, nämlich auch bei unbelebten definiten spezifischen Objekten (cf. ibid., 36). Ein wichtiges Ziel der Analyse ist, den «transition point» des lateinamerikanischen Spanisch auszumachen (cf. von Heusinger/Kaiser 2005). Mit dem «transition point» ist der Punkt einer angenommenen polyfaktoriellen Skala (es werden die Faktoren Belebtheit, Definitheit, Spezifizität und Topikalität besprochen, cf. ibid.) gemeint, der die Skala dahingehend teilt, dass in einem der Bereiche eine Markierung (u.U. obligatorisch) erfolgt und im anderen Bereich (u.U. obligatorisch) nicht (cf. ibid., 37). Es wird davon ausgegangen, dass der die synchrone Variation bestimmende Faktor Spezifizität sei (cf. ibid.). Dies sehen die Autoren im Gegensatz zu ihrer Überlegung, dass es auch variationale Unterschiede auf der Belebtheitsskala gebe, in ihrer Korpusuntersuchung bestätigt (cf. ibid., 68). Wie bereits in Kap. 2.7.5.1 kritisch beleuchtet wurde, weichen ein paar Einordnungen der genannten Veröffentlichung von denen ab, die im Rahmen der
mittleren Skopus auf S. 35 und zur referentiellen Lesart auf S. 37, Fußnote 39 in Brugè/Brugger (1996).
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur
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vorliegenden Arbeit angesetzt würden. Dort wurden zwei Beispiele angeführt, bei denen der Status des Objekts in Hinblick auf die Belebtheit diskutiert wurde. Die Divergenz entstand daraus, dass in den genannten Beispielsätzen in von Heusinger/Kaiser (2005) der Fokus auf der lexikalischen und nicht auf der kontextuell aktualisierten Bedeutung der Objekt-NP liegt. Auch bei der Einordnung hinsichtlich der Kategorie der Spezifizität lassen sich Abweichungen ausmachen. Es werden, scheinbar aufgrund formaler Gegebenheiten, mehrere Objekte ohne Marker als unspezifisch eingeordnet, was semantisch nicht zu rechtfertigen ist. Dies zeigen [32] und [33].92 [32]
El inglesito llevaba consigo un perro foxterrier que, como ustedes lo saben bien, son grandes cazadores de ratas, zorros […]. [Ese perrito blanco era el único que le quedaba de cuatro […].] (Quiroga 2005 , 63) ‘Der kleine Engländer hatte einen Foxterrier dabei, die, wie ihr ja wisst, hervorragend Ratten und Füchse jagen können. [Dieses weiße Hündchen war ihm als einziges von vieren übrig geblieben.]’
[33.a] ¿Y qué impresión ha tenido ahora al encontrar a España tan cambiada incluso políticamente? (von Heusinger/Kaiser 2005, 62) ‘Und welchen Eindruck hatten Sie jetzt, als Sie Spanien derart verändert vorfanden, sogar auf politischer Ebene?’ [33.b] Íbamos conociendo España. (Ibid.) ‘Nach und nach lernten wir Spanien kennen.’ Das Objekt in [32] wird in von Heusinger/Kaiser (2005, 56) als indefinit, unspezifisch und belebt eingeordnet. Trotz des angeschlossenen Relativsatzes, der eine generische Aussage trifft, erscheint aber eine Einordnung als spezifisches Objekt sinnvoller. Wie der zusätzlich eingefügte nachfolgende Satz zeigt, liegt hier ein typischer Fall der Einführung eines neuen Diskursreferenten vor. Der Sprecher hat einen konkreten Foxterrier vor Augen (epistemische Spezifizität, s.o.). Zu den beiden Auftretensweisen von España (‘Spanien’) in [33] erklären
92 [32], ohne den Satz in eckigen Klammern, ist Beispiel U-(3c) in von Heusinger/Kaiser (2005, 57). Es zeigt uruguayisches Spanisch und ist Teil eines von von Heusinger/Kaiser (2005) zusammengestellten Korpus’ «of short stories, written mostly for children and dealing with animals and hunting for anmials [sic], from two Uruguayan writers» (ibid., 48). [33.a] ist Beispiel P-(6b) in ibid., 62 und [33.b] ist P-(7) in ibid. Diese beiden Beispiele zeigen gesprochenes Peruanisch und entstammen dem o.g. «Macrocorpus» von Samper Padilla/Hernández Cabrera/Troya Déniz (1998) (cf. von Heusinger/Kaiser 2005, 48).
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von Heusinger/Kaiser (2005, 62), die markierte Variante ([33.a]) sei spezifisch. España ohne Marker wie in [33.b] verwende der Sprecher hingegen «only when he refers to it in general, i.e. when it is non-specific» (ibid.).93 Wie die Autoren angeben, ist die Objekt-NP España in [33.a] «specified by additional properties» (ibid.). Die Eigenschaftszuschreibung ist gewissermaßen auffällig, insofern sie einem statischen Denotat eine zeitliche Änderung zuordnet. Der Umstand mag besonders für eine Markierung sprechen. Das Ausbleiben einer Attribution ändert jedoch nichts daran, dass auch in [32.b] ein Eigenname auftritt, wovor wie in Kap. 2.7.3 besprochen der Marker erwartbar ist (cf. bspw. RAE 1973, 372). Zudem findet sich in der Literatur immer wieder der Hinweis, dass Eigennamen in aller Regel spezifisch seien (cf. bspw. Farkas 2001, 87; Aissen 2003, 444 sowie von Heusinger 2012, 426s., wo sich der Hinweis findet, bei Eigennamen liege ggfs. epistemische Spezifizität vor, cf. ibid., 426). Neben den angeführten Beispielen gibt es noch weitere, bzgl. derer der hier vorgeschlagene Ansatz zu einer etwas anderen Interpretation gelangt. Da das dort verwendete Korpus eher klein ist (cf. von Heusinger/Kaiser 2005, 33), ist eine quantitative Relevanz wahrscheinlich. Die Autoren problematisieren ihre Ergebnisse andeutungsweise selbst (cf. ibid., 68 sowie den kritischen Kommentar dazu in Kabatek 2016, 217). Eine Berücksichtigung der obigen Überlegungen könnte die Schwierigkeiten verringern. Die Publikation ist allerdings in methodischer Hinsicht relevant und hat, wie erwähnt, ihre Spuren in der nachfolgenden Forschung hinterlassen. In der Argumentation folgender Veröffentlichungen des Autorenteams zur DOM im Spanischen spielt der Faktor der Spezifizität keine besondere Rolle mehr. So wird in von Heusinger/Kaiser (2007) und der Erweiterung der Untersuchung (von Heusinger 2008) zwar auch davon ausgegangen, dass die a-Markierung im aktuellen Standardspanisch bei spezifischen Objekt-NPs mit belebtem Denotat obligatorisch und bei unspezifischen NPs dieser Art optional sei (cf. von Heusinger/Kaiser 2007, 92), der Fokus der diachronen Korpusanalyse liegt allerdings auf dem Einfluss von Verbklassen und dem formalen Faktor der Definitheit der Objekt-NP. Spezifizität wird in Anlehnung an von Heusinger/Kaiser (2005) als ein Faktor vorgeschlagen, der zur Ausweitung der Verwendung des Markers im Sprachsystem beigetragen haben könnte (cf. von Heusinger 2008, 13s.). Ähnliches gilt für von Heusinger/Kaiser (2011), wo der Zusammenhang zwischen der
93 Von Heusinger/Kaiser (2005, 62) geben an, beide Sätze würden vom «very same speaker» geäußert. Dass das nicht der Fall ist, lässt sich mithilfe des CREA leicht überprüfen (Zugriff: 01.03.13). Entsprechend der in der vorliegenden Arbeit vertretenen Ansicht ist es aber unerheblich, dass die beiden Sätze von unterschiedlichen Sprechern stammen.
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DOM und Verbklassen untersucht wird, die unter Berücksichtigung des Affiziertheitsgrades des Objekts gebildet werden. In der Nueva gramática de la lengua española (RAE 2009) wird der Einfluss der epistemischen (ibid., 2639) und der partitiven Spezifizität (ibid., 2640) auf die DOM behandelt. Zunächst wird ein der epistemischen Spezifizität ähnliches Konzept ohne einen genauen Fachterminus besprochen (cf. ibid., 2639). Es wird wie in vielen anderen Veröffentlichungen eingegrenzt als Phänomen, bei dem auf ein von Sprecher oder Hörer identifizierbares Individuum referiert wird (cf. ibid.). In den Ausführungen wird versucht, die Identifizierbarkeit direkt bei Sprecher und Hörer anzusetzen. Die Möglichkeit einer Anbindung von Diskursreferenten an andere Diskursreferenten wird hingegen nicht angesprochen (cf. ibid.). Die Einschätzungen der RAE (2009) können daher nicht direkt mit denen anderer Beschreibungen abgeglichen werden.94 Im Rahmen ihrer Definition lehnt sie eine direkte Entsprechung zwischen der Anwesenheit des Markers und der «epistemischen» Spezifizität der markierten NP als zu stark vereinfachte Betrachtungsweise ab (cf. ibid.). Die partitive Spezifizität wird als Fall der präsuppositionalen Interpretation angeführt (cf. ibid., 2640), die wiederum als Existenzpräsupposition verstanden zu werden scheint (cf. ibid.). Zwar wird davon ausgegangen, die An- bzw. Abwesenheit ermögliche eine Differenzierung der partitiven (oder präsuppositionalen) gegenüber einer nicht-partitiven (bzw. nicht-präsuppositionalen) Lesart (cf. ibid.). Allerdings wird festgestellt, «a tiende a seleccionar la interpretación presuposicional» (ibid.). Eine Eins-zu-eins-Entsprechung wird also auch hier abgelehnt. Statt des Faktors der Spezifizität wird die Verbbedeutung als entscheidend vorgeschlagen (cf. ibid., 2641). Hilfreiche Überlegungen finden sich auch bei Leonetti (2004; 2012; s. auch oben). Er betont, dass es sich bei a um keinen Spezifizitätsmarker handele (cf. Leonetti 2004, 82; 2012, 299).95 Zwar räumt er ein, dass ein Zusammenhang zwischen Spezifizität und a-Markierung bestehe, dieser sei jedoch nicht systematisch (cf. Leonetti 2012 , 299s.). Dass sich in seinen Belegen u.a. auch solche mit Pronomen als Objekt-NPs finden (cf. Leonetti 2004, 82), die als grammatikalisiert gelten und sich daher weniger gut als Beispiele eignen, schmälert das Gewicht seiner Ausführungen kaum. Er geht einerseits davon aus, dass der dominante Faktor für die Markierung die Belebtheit sei, die alle anderen
94 Es werden daher auch die Beispiele nicht wiedergegeben, die in der RAE (2009, 2639) als Belege für a vor unspezifischen NPs angeführt werden. Ihre Diskussion würde hier zu weit führen. 95 Wohl aufgrund dessen wird Leonetti (2004) in García García (2010, 12) und Tippets (2011, 107) als zentrale Referenz gegen den Einfluss von Spezifizität angegeben.
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Faktoren überlagere oder sogar blockiere, und betont anderseits den Einfluss des Verbs (cf. Leonetti 2004, besonders S. 86). Er sieht einen komplexen Zusammenhang zwischen den Faktoren der Belebtheit und der Spezifizität (cf. ibid., 82). Er versucht, diesen über den Faktor der Topikalität zu bestimmen (cf. ibid., 86ss.; s. dafür Kap. 2.7.5.1; cf. für weitere Interpretationsvorschläge Leonetti 2012, 300). Wie aus den Ausführungen ersichtlich wird, ist es aufgrund divergierender Terminologien und Untersuchungsinteressen kaum möglich, in der Literatur einen vollständigen Konsens auszumachen, was das Verhältnis zwischen der Spezifizität und der differentiellen Objektmarkierung betrifft. In den besprochenen Publikationen (darunter v.a. Aissen 2003; Brugè/Brugger 1996; von Heusinger/Kaiser 2005; RAE 2009; Leonetti 2004; 2012) lassen sich aber die folgenden grob einheitlichen Tendenzen ausmachen. Über Objekte mit menschlichem Denotat wird gesagt, dass sie zumeist markiert werden, wenn sie spezifisch sind. Sind sie hingegen unspezifisch, so ist eine Markierung möglich, wird aber nicht immer realisiert (cf. bspw. Leonetti 2004, 98s.). Ein Umkehrschluss führt daher nicht zu korrekten Ergebnissen. Von der An- vs. Abwesenheit des Markers kann nicht sicher darauf geschlossen werden, dass ein Objekt spezifisch bzw. unspezifisch ist. Die ebenfalls mögliche Markierung von Objekten mit unbelebtem Denotat stellt sich als weitere Schwierigkeit dar. Während einige Autoren die Markierung dennoch kategorisch ausschließen und insofern auch nicht weiter thematisieren, geht bspw. García García (2010) davon aus, dass insbesondere in Abhängigkeit vom regierenden Verb (cf. ibid., 14, Fußnote 8) auch unspezifische Objekte mit unbelebtem Denotat markiert werden können bzw. u.U. sogar müssen (cf. ibid., 13s.). Über Spezifizität als möglichem Faktor für die a-Markierung ist aufgrund der nicht völlig eindeutigen Korrelation Folgendes zu sagen. Das Konzept leistet einen Beitrag zum genaueren Verständnis des Status des Objekts auf Satz- oder Textebene. Es kann bestimmte Oppositionen der sprachlichen Oberfläche näher erklären. Die Eigenschaft der Spezifizität ist als generelle Erklärung für die Markierung jedoch unzureichend. In Anlehnung beispielsweise an Leonetti (2004) könnte überlegt werden, ob Spezifizität in Hinblick auf die DOM eine Begleiterscheinung ist (cf. ibid., 110), wobei das Verhältnis indirekt über diskursive Faktoren zustande kommt (cf. ibid., 86).96 Der Frage kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht weiter nachgegangen werden.
96 Laut Leonetti (2004, 101) kommt dafür vor allem die Topikalität in Frage.
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2.7.5.3 Generizität und Typenlesart Auch die Referenzmenge ist ein möglicher Faktor für die differentielle Objektmarkierung. Es geht dabei um folgende Phänomene. Eine NP kann nur ein oder mehrere Individuen denotieren. Sie kann aber auch eine Gesamtmenge von Entitäten bezeichnen, die gleichartig sind. Oder sie kann auf eine einzelne Entität Bezug nehmen, die alle gleichartigen Entitäten repräsentiert. In der Fachliteratur zur Generizität werden vor allem zwei Phänomene behandelt, sogenannte charakterisierende Sätze und generische NPs (cf. Krifka et al. 1995, 2–4 mit einer Vielzahl an Literaturhinweisen; eine Formalisierung findet sich etwa in Chierchia 1998). Die beiden Phänomene sind in gewisser Weise miteinander verbunden. So können etwa bestimmte Typen generischer NPs nur in charakterisierenden Sätzen auftreten (cf. Krifka et al. 1995, 14; s.u.). Innerhalb der charakterisierenden Sätze werden die im engeren Sinne generischen Sätze verortet wie bspw. A lion has a mane (Bsp. aus Krifka 1987, 6). Teilweise werden davon habituelle Sätze wie etwa Mary smokes (Bsp. aus Cohen 2005, 376) abgegrenzt, die den generischen ähnlich sind (cf. bspw. Krifka 1987, 9ss.; Leslie 2012, 358s.). Leslie (2012, 355) gibt folgende Definition von generischen Sätzen: «Generic statements express general claims about kinds and categories, rather than claims about particular individuals». Der englische Begriff «Kind», in der englischsprachigen Publikation Krifka et al. (1995, 2) auch mit «genus» paraphrasiert, ist in der Theorie zentral. Er hat in etwa die Bedeutung von ‘Gattung’, er wird in der vorliegenden Arbeit als Terminus Technicus beibehalten. Weitere Überlegungen zu seiner Bedeutung und Verwendung folgen unten. Wie im obigen Zitat Leslies (2012, 355) angedeutet wird, drücken generische Äußerungen keine konkrete Quantifizierung aus. Die Mengen, für die eine jeweilige Assertion wahr ist, unterscheiden sich stark von Fall zu Fall (cf. etwa Cohen 2002, 59ss.; Leslie 2012, 355). In der Literatur werden hierfür Beispiele genannt wie Ravens are black oder Ducks lay eggs97 (cf. für die Beispiele und die hier angeführte Interpretation Leslie 2012, 355). Sie betreffen offenbar nur typische Vertreter der Gesamtmenge oder das typische Verhalten bzw. das Verhalten in typischen Welten. Obwohl also beide Sätze als wahr interpretiert werden, unterscheiden sie sich dahingehend, wie groß die Teilmenge der Gattung ist, für die sie tatsächlich Gültigkeit haben. Während es also nur wenige Albinoraben geben
97 Beide Beispiele werden etwa von Leslie (2012) angeführt, das erste außerdem bspw. von Cohen (2002). Es kann hier keine vollständige Liste erstellt werden, wo sie außerdem verwendet werden. Auch wäre es aufwendig, herauszufinden, wer sie als erstes verwendet hat.
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sollte, legt ein beträchtlicher Anteil der Gattung der Enten, nämlich Erpel, Küken und bspw. kranke Enten, keine Eier. In den beiden Beispielsätzen treten sogenannte Bare Plurals auf, artikellose Nomen im Plural. In der Literatur zur Generizität, wo häufig das Englische untersucht wird, kommen außerdem artikellose Nomen im Singular zur Sprache sowie definite und indefinite NPs jeweils im Singular und im Plural (cf. bspw. Krifka 1987). Hinsichtlich der formalen Realisierungsmöglichkeiten generischer NPs gibt es allerdings sprachspezifische Unterschiede (cf. etwa Krifka 1987, 13s. oder Studien wie Snape/García Mayo/Gürel 2009, die die Realisierung des Artikels im Englischen als L2 durch Sprecher genetisch verschiedener Muttersprachen untersuchen). Grundlegend ist zu sagen, dass das Spanische eine stärkere Tendenz als das Englische aufweist, vor generischen NPs einen Artikel zu realisieren (cf. Chierchia 1998, 341 sowie bspw. Pease-Gorrissen 1980, 316 bzgl. der Subjektposition und bzgl. Objekten Laca 1990, 26s.). McNally (2004) etwa spricht spanischen artikellosen NPs im Plural explizit die Fähigkeit ab, eine Gattung zu bezeichnen (cf. ibid., 115) und geht davon aus, dass sie eine Property-Lesart haben (cf. ibid., 118). Ein Beispiel mit einer generischen Subjekt-NP wäre Las ballenas son mamíferos (Bsp. aus Pease-Gorrissen 1980, 313, ‘Wale sind Säugetiere’), mit einer Objekt-NP Juan odia (a) las ballenas (Bsp. aus ibid., ‘Juan hasst Wale’), deren Entsprechungen im Englischen (cf. ibid.), aber auch etwa im Deutschen ohne Artikel auftreten. Auch die RAE (2009) führt als Realisierungsmöglichkeiten generischer NPs im Spanischen nur definite im Singular und im Plural sowie indefinite NPs im Singular an. Dort finden sich die Beispiele {La gaviota se alimenta / Las gaviotas se alimentan} de peces bzw. Una gaviota se alimenta de peces (Beispiele aus ibid., 1128, ‘{Die Möwe ernährt / Möwen ernähren} sich von Fischen’ bzw. ‘Eine Möwe ernährt sich von Fischen’). In der RAE (2009, 1129) wird davon ausgegangen, dass definite NPs im Singular eine Gattung in ihrer Gesamtheit bezeichnen, die als Typ präsentiert wird. Im Plural hingegen werde die Gattung nur indirekt bezeichnet, indem auf die Mitglieder der sie konstituierenden Menge Bezug genommen werde (cf. ibid.). Mit generischen definiten NPs im Singular können laut RAE (2009, 1130) überdies typische Vertreter einer Klasse bezeichnet werden. Indefinite NPs bezeichnen, so RAE (2009, 1131), Typen von Individuen, wobei die jeweilige Prädikation nur selten für alle Elemente der bezeichneten Klasse gilt. Indefinite NPs können eine deontische Nebenbedeutung aufweisen (cf. ibid., 1133 sowie Krifka 1987, 7). Dies zeigt sich in Beispielen wie Un maestro se preocupa de sus alumnos (Bsp. aus RAE 2009, 1133, ‘Ein Lehrer kümmert sich um seine Schüler’ mit der Nebenbedeutung ‘Ein Lehrer soll sich um seine Schüler kümmern’). Um diese und weitere Ausprägungen besser erfassen zu können, unterscheidet Krifka (1987, 2ss.) zwei Arten von Generizität, D-Generizität und I-Generizität.
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Die Unterscheidung ist im Grunde semantischer Natur, was einerseits der Schwierigkeit Rechnung trägt, dass die Formen unterschiedliche Funktionen haben können, andererseits und vor allem aber, dass übereinzelsprachlich weitere bzw. andere Formen bestimmte Funktionen übernehmen können (cf. Krifka 1987, 2–4 zum Englischen). Dennoch haben die Bezeichnungen einen formalen Hintergrund. Krifka (1987) wählt den Begriff «D-generic because the most typical representatives of them seem to be definite generic NPs» (ibid., 3s.) und I-Generizität entsprechend als Verweis auf indefinite generische NPs (cf. ibid., 4). In Krifka (2003, 180) findet sich der deutlichere Hinweis, «indefinite NPs in characterizing statements cannot in general be replaced by definite NPs, and definite kind-referring NPs cannot in general be replaced by indefinite NPs». Es ist daher nicht überraschend, dass es Überschneidungen mit noch stärker formalen Klassifikationen wie der oben angeführten der RAE (2009) gibt. Die Einordnung fällt zunächst notwendigerweise etwas grobmaschiger aus. Eine semantische Klassifikation findet sich auch in Pelletier (2009), deren Stärke ihre detailreiche Ausdifferenzierung ist. Für globale Aussagen ist sie weniger hilfreich. Im Falle der D-Generizität wird laut Krifka (1987, 4) auf einzelne «Kinds», je nach Kontext also eine Art, ein Typ oder eine Gattung, in ihrer Gesamtheit Bezug genommen (cf. auch Krifka et al. 1995, 2). Eine I-generische NP hingegen hat keine einzelne Einheit als Denotat (cf. Krifka 1987, 6), es erfolgt vielmehr eine Default-Quantifizierung (cf. ibid., 4). Für die D-Generizität findet sich in neueren Veröffentlichungen auch die Bezeichnung «direct kind predication» und für die I-Generizität entsprechend charakterisierende Generizität (cf. bspw. Cohen 2001). Zur Verdeutlichung hilfreich sind die Formulierungen in Leslie (2012, 357), die Krifka (1987) folgt. Leslie (2012, 357) umschreibt D-generische Aussagen als «singular statements which predicate properties directly of kinds» und spricht für den zweiten Fall von Generalisierungen hinsichtlich einzelner Mitglieder einer Gattung. Leslie (2012, 357) ordnet Beispiele wie die oben angeführten, Ravens are black und Ducks lay eggs, dementsprechend als I-generische Aussagen ein und nennt für D-generische etwa Dinosaurs are extinct.98 Laut Krifka (1987, 5) enthalten I-generische Aussagen einen Operator, der Skopus über das verbale Prädikat hat. In verschiedenen Veröffentlichungen wird hierfür von einem eigenen Generizitätsoperator (kurz meist GEN) ausgegangen (cf. bspw. Gerstner-Link/Krifka 1993; Krifka 2003, 181), der im Falle der I-Generizität auf Satzebene operiert (cf. Gerstner-Link/Krifka 1993, 971). I-generische NPs zeichnen sich dadurch aus,
98 Auch dieses Beispiel findet sich so oder abgewandelt in der Literatur häufig (bspw. in Krifka 1987, Gerstner-Link/Krifka 1993). Dies liegt daran, dass sich mit dem enthaltenen Verb extinct die D-Generizität sehr deutlich illustrieren lässt.
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dass sie selbst keine Quantifizierung ausdrücken (cf. Krifka 1987, 6), weshalb sie wie oben angesprochen nur in charakterisierenden Sätzen auftreten (cf. Krifka et al. 1995, 14), in denen die von ihnen eingeführte Variable von dem genannten Operator gebunden werden kann. Während also I-Generizität allein vom Satzoperator abhängt (cf. Gerstner-Link/Krifka 1993, 971), ist D-Generizität nach Krifka (1987, 4) «basically NP-oriented». Dies zeigt sich in Sätzen wie Gold is getting more expensive (Beispiel aus ibid., 13), wo die Subjekt-NP, ein Massennomen, auch dann generischen Charakter hat, wenn die Äußerung insgesamt nicht charakterisierend, sondern als Assertion bezüglich eines einzelnen konkreten Zeitpunkts interpretiert wird.99 Nach Krifka (1987, 11) können nur etablierte Kinds mit D-generischen NPs bezeichnet werden. Dies gilt für nicht-taxonomische Kinds (cf. ibid.) und mit Einschränkung auch für taxonomische (cf. für die Unterscheidung ibid., 14s.; s.u.). Taxonomische Kind-Ausdrücke bezeichnen laut Krifka (1987, 11 sowie 14 mit Literaturhinweisen) Unterarten von Gattungen. Ein Beispiel ist die NP diese Löwenart in Diese L[ö]wenart ist ausgestorben (Bsp. aus ibid., 15).100 Taxonomische Kinds scheinen auch ad hoc gebildet werden zu können, zumindest wenn sie sich auf eine leicht erfassbare Klasse beziehen. Dies geht aus dem folgenden Beispiel Krifkas (1987) hervor. Die NP This book in This book sells well (Bsp. aus ibid., 15) ist zwar nicht per se etabliert wie etwa die NP diese Löwenart im oben genannten Beispiel, aber doch leicht als Klasse nachvollziehbar. Weitere Unterklassen von Generizität finden sich in Krifka (1987), Gerstner-Link/Krifka (1993, 967s.) und bspw. Pelletier (2009). Bevor auf die Literatur eingegangen wird, die die Relevanz der Generizität für die spanische DOM thematisiert, sei in aller Kürze das Verhältnis der Generizität zur Spezifizität angesprochen. In der Literatur wird hin und wieder versucht, sie zu relationieren. Bspw. stellt die RAE (2009, 1128) für Fälle wie das bereits oben
99 Die generische Interpretation ließe sich grob wie (i) und die nicht-charakterisierende wie (ii) verdeutlichen: (i) Der Preis für alles, was Gold ist und Relevanz für die Aussage hat, steigt und zwar seitdem Gold ein Preis zugeordnet wird. (ii) Derzeit steigt der Preis für alles, was Gold ist und Relevanz für die Aussage hat. Krifka (1987, 13) stellt keine derartige Umschreibung vor. Er präsentiert allerdings in einem ähnlichen Zusammenhang eine Formalisierung einer Identitätsrelation über die Zeit (cf. ibid., 16s.). 100 Die Einführung der Gruppe der taxonomischen Kinds in Krifka (1987) dient offenbar v.a. dazu, Kinds, bei deren Verwendung eine Hyponymierelation entweder assertiert oder impliziert wird, von jenen Kinds abzugrenzen, die von Hyponymierelationen abstrahieren. Es wird hier davon ausgegangen, dass sich zu vielen (etablierten) «Kinds» eine Übergattung mitsamt einem entsprechenden Hyperonym finden ließe. Die Problematik zeigt sich auch darin, dass Krifka (1987, 15) offenbar Ad-hoc-Bildungen von taxonomischen Kinds als möglich erachtet (s. auch Fließtext).
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angeführte Beispiel La gaviota se alimenta de peces (Bsp. aus ibid., ‘Die Möwe ernährt sich von Fischen’) fest, dass sich die (I-)generische und eine ebenfalls mögliche spezifische Interpretation gegenseitig ausschließen. Die RAE (2009) intendiert hier offenbar die Kategorie der epistemischen Spezifizität. Und hinsichtlich des Beispiels leuchtet ein, dass eine generische Lesart nur möglich ist, wenn die Subjekt-NP nicht auf einen einzelnen Referenten Bezug nimmt. Es ist allerdings zu betonen, dass eine solche Überlegung nicht als Mapping zweier divergierender Phänomene missverstanden werden darf. Die beiden Phänomene sind unterschiedlichen, voneinander unabhängigen Bereichen zuzuordnen (cf. Krifka et al. 1995, 15). Spezifizität ist in erster Linie ein Phänomen des Diskurses. Generizität hingegen ist dem Bereich der Erfassung außersprachlicher Sachverhalte zuzuschreiben. Die beiden Kategorien können daher nicht vollständig aufeinander abgebildet werden.101 Dennoch scheint die Frage legitim, ob sich evtl. konträre oder parallele Tendenzen feststellen lassen. Die RAE (2009, 1135) gibt etwa an, es handele sich bei der Generizität um eine «variante particular de la inespecificidad». Auch Tippets (2011, 109) ordnet generische NPs als unspezifisch ein. Er begründet das damit, dass der Referent nicht «uniquely identifiable» (ibid.) sei. Wie oben angedeutet, ist ein direktes Mapping nicht unproblematisch. Es ist aber nicht auszuschließen, dass I-generische NPs Eigenschaften mit unspezifischen NPs teilen. Wie ja Tippets (2011) schreibt, ist der Referent nicht eindeutig identifizierbar. Bei D-generischen NPs scheint die Tendenz jedoch anders gelagert. Ein Beispiel wäre, El dinosaurio se extinguió en el Cretácico (Beispiel aus RAE 2009, 1129, ‘Der Dinosaurier starb in der Kreidezeit aus’). Die Referenzmenge deckt sich hier mit der Gesamtmenge. Daher ist eine Parallele zu spezifischen NPs gut möglich. Möglicherweise wäre eine Stellschraube bei den Zuordnungen, wie eng Referenz definiert wird. Es wäre zu diskutieren, ob sich die Parallele aus der singularischen Verwendung von «Kind»-Ausdrücken ergibt. Die Überlegungen sind noch recht tentativ und wären zu überprüfen. Hier stützen sie in erster Linie die Einschätzung, dass ein direktes Mapping von Generizität und Spezifizität möglicherweise auszuschließen ist. Eine Einordnung generischer NPs als unspezifisch oder spezifisch würde u.U. die Verhältnisse verklären. Die Beziehungen müssten ggfs. filigraner bestimmt werden, evtl. über eine Zwischenebene oder sogar mit einer zusätzlichen Kategorie. Das kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht umgesetzt werden.
101 Krifka et al. (1995, 15) gehen allerdings davon aus, dass auch Kind-Ausdrücke spezifisch oder unspezifisch sein können. Sie verwenden allerdings nach eigener Aussage einen vortheoretischen Spezifizitätsbegriff (cf. ibid., 15, Fußnote 12).
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Wie oben angesprochen ist die Behandlung der Generizität im Zusammenhang mit der DOM uneinheitlich. Dass bereits die Terminologie heterogen ist, erschwert eine Aufarbeitung der Thematik. Zudem finden sich teils abweichende Kategorisierungen sowie vereinzelt Begriffsverwendungen, die allgemeinsprachlich zu sein scheinen. Daher können die Generalisierungen einzelner Autoren nur mit Vorsicht verwendet werden. Es fällt auf, dass auch der Versuch, die Divergenzen mittels des Ansatzes von Krifka (1987) zu nivellieren, nicht alle Widersprüche beseitigen kann. Es sind insbesondere Bleam (1999), Brugè/Brugger (1996), Laca (1987; 2006), Leonetti (2003; 2004) und RAE (2009), die auf das Verhältnis zwischen Generizität und DOM eingehen. Es geht den Autoren nahezu durchweg um NPs, die menschliche Entitäten bezeichnen. Die Ansichten divergieren: Laca (1987, 293, 303) geht davon aus, dass definite generische NPs im Singular nicht markiert werden müssen. Allerdings bietet sich als Lesart des Objekts eines ihrer beiden Beispiele (s. [34])102 weniger eine generische als vielmehr eine unspezifische an.103 Um dies zu verdeutlichen, wird in [34] zusätzlich der vorangehende Satz eingefügt. [34] [Antoñito clasificaba a las mujeres en dos clases: unas las pobres, para divertirse, y otras las ricas, para casarse con alguna de ellas por su dinero, a ser posible.] Antoñito buscaba la mujer rica con una constancia de anglosajón. (Baroja [1911] 1970, 61; Beispiel nach Laca 1987, 303) ‘Antoñito pflegte Frauen in zwei Klassen einzuteilen: einerseits die armen, die dazu da waren, um mit ihnen Spaß zu haben, und andererseits die reichen, die es gab, dass er nach Möglichkeit eine davon ihres Geldes wegen heiraten konnte. Antoñito suchte die reiche Frau mit der Beharrlichkeit eines Angelsachsen.’ Im angeführten Abschnitt wird eine Geisteshaltung des Subjektreferenten beschrieben, mit der gewohnheitsmäßige Handlungen einhergehen, die im weiteren Kotext des Buches auch angesprochen werden. Antoñito tritt mit Frauen in Kontakt, und zwar insbesondere mit solchen, die zur Menge der reichen Frauen
102 Es ist Beispiel (26a) in Laca (1987, 303). 103 Alternativ wäre eine Beschreibung möglich, in der die Objekt-NP zwar nicht generisch wäre, aber ein charakterisierender Satz vorläge, bei dem Habitualität gegeben wäre. Evtl. hatte Laca (1987) etwas Derartiges im Sinn.
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gehören. Im Beispielsatz an sich wird ausgedrückt, dass der Subjektreferent irgendein Exemplar dieser Menge, nicht aber dass er nach der Gesamtmenge bzw. der Gattung der reichen Frau sucht. Auch eine Interpretation, nach der er nach einem typischen Vertreter der Menge sucht, scheint nicht gegeben zu sein. Der Satz ist unabhängig davon wahr, ob die gesuchte Entität repräsentativ für die Gruppe ist oder nicht. Wird der Fokus der Betrachtung stärker auf die NP gelegt, ergibt sich das gleiche Ergebnis. La mujer rica eignet sich bereits für sich genommen nicht besonders gut als taxonomischer D-generischer Ausdruck. Wie oben gesagt, muss eine D-generische NP eine etablierte (cf. Krifka 1987, 11) oder zumindest, im Falle bestimmter taxonomischer NPs, eine, wie sie oben genannt wurde, «leicht nachvollziehbare» Klasse bezeichnen. Zwar handelt es sich bei la mujer rica wohl um ein sozial recht etabliertes Konzept, das Problem ist vielmehr, dass damit keine absolute Klasse bezeichnet werden kann. Ob eine Frau als reich empfunden wird, liegt im Auge des Betrachters. Es scheint eine Eigenschaftszuweisung zu sein, deren Wahrheitswert nur in Abhängigkeit der Sprechereinschätzung bestimmt werden kann. Während eine arme Person viele Frauen als reich bezeichnen könnte, würde eine sehr reiche Person eine relativ wohlhabende Frau eher nicht als reich klassifizieren. Wie angedeutet ist im Satz keine D-generische Interpretation möglich, da sich die Suche nicht auf die gesamte Klasse beziehen kann. Aber auch I-Generizität kann nicht gegeben sein, da im gegebenen Kontext des Heiratens kulturell bedingt die einzig mögliche Quantifizierung des Objekts bei eins liegt. Mithin wird die NP in den Bereich der Skopus-Unspezifizität eingeordnet. Die Beispiele in Laca (2006), vor allem mit D-generischen Objekt-NPs, sind mit den obigen Ausführungen kompatibel.104 Sie zeigt in ihrer diachronen Untersuchung, dass im Altspanischen generische Objekte zunächst üblicherweise markiert wurden, dass sie im Quijote hingegen verhältnismäßig häufig ohne Marker auftreten (cf. ibid., 465s.). In späteren Texten fehle a gerade im Falle generischer NPs häufig (cf. ibid., 466). Dabei bezieht sie sich auf definite NPs im Singular und im Plural (cf. ibid.). Sie gibt an, dass es u.a. die Generizität sei, die seit dem Quijote «casos excepcionales de ausencia de la marca» (ibid., 471) erklären könne. Die RAE (2009) präsentiert einen ähnlichen Gedanken wie Laca.
104 Das Objekt in Lacas (2006, 466) Beispiel (94 b) von Fernández de Lizardi ([1842] 2001, Kap. 4) tritt in der vorliegenden Online-Ausgabe der Biblioteca Virtual Miguel de Cervantes allerdings mit a-Markierung auf (cf. http://www.cervantesvirtual.com/obra-visor/el-periquillosarniento-tomo-i/html/a40e3bfe-0032-4f4f-8a9e-a38607b7cb08_3.html, Zugriff: 17.04.13). Dies kann auf unterschiedliche Korrekturleser zurückzuführen sein.
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Demnach müssen definite generische NPs im Plural nicht markiert werden (cf. RAE 2009, 2633s., 2639).105 Bei Leonetti (2003; 2004)106 findet sich die recht ähnliche Feststellung, dass eine generische Interpretation bei definiten NPs zur Nicht-Markierung führen kann (cf. Leonetti 2004, 81). Er beschäftigt sich zudem ausführlich mit indefiniten NPs. Diesbezüglich geht er davon aus, dass in bestimmten Fällen wie bspw. in [35]107 a ein notwendiger Auslöser für eine generische Lesart sei (cf. Leonetti 2004, 90s.). [35] Pilar siempre contrata *(a) un chico cuando es guapo. (Bsp. aus Leonetti 2004, 89)108 ‘Pilar stellt einen Jungen immer dann ein, wenn er hübsch ist.’109 Leonetti (2004, 90s.) versucht mit dem Beispiel zu zeigen, dass die a-Markierung mit dem Status des Objekts als Topik zu tun habe. Den Topik-Status sieht er als Voraussetzung dafür, dass das Nullsubjekt im Adverbialsatz koreferent zum Objekt sei (cf. ibid., 90 unter Bezugnahme auf Cohen / Erteschik-Shir 2002110). Das Auftreten des Individual-Level-Prädikats im Nebensatz sieht er als wichtiges Indiz für die Generizität (cf. Leonetti 2004, 90).111 Die Erklärung über einen
105 Die RAE (2009, 2633) verwendet eine leicht abweichende Terminologie und spricht zumeist von «tipos de individuos» (der Terminus der ‘Typen von Individuen’ müsste offensichtlich näher definiert werden). Der Begriff der Generizität wird hingegen eher im Kontext charakterisierender Sätze verwendet (cf. bspw. ibid., 2599, 2613s.). 106 Leonetti (2004) ist eine überarbeitete Fassung von Leonetti (2003), die allerdings lediglich punktuell in einzelnen Formulierungen von der früheren Fassung abweicht. 107 Das Beispiel ist in Leonetti (2004, 80) Beispiel (19a). Es wird leicht abgewandelt bereits von Brugè/Brugger (1996, 39, Fußnote 41) angeführt. 108 Wie Leonetti (2004) angibt, stammt das Beispiel aus Brugè (2000, 272) (cf. Leonetti 2004, 89, Fußnote 9). Es handelt sich allerdings um eine abgewandelte Version des Beispiels von Brugè (2000, 272, Fußnote 66), so wie sie auch in Brugè / Brugge (1996, 39, Fußnote 41) verwendet wird (s. auch die obige Fußnote). 109 Im Deutschen wäre hier ein Bare Plural natürlicher: ‘Pilar stellt Jungen dann ein, wenn sie hübsch sind.’ 110 Der Verweis in Leonetti (2004, 90) wird nicht ganz klar. Cohen/Erteschik-Shir (2002) beschäftigen sich nicht mit der Projektion des Objekts auf die Logische Form des Nebensatzes. Vermutlich bezieht sich der Verweis von Leonetti (2004, 90) auf die erste Hälfte des Satzes, «[t]he essential condition for the generic interpretation of an indefinite DP is to be a topic». Eine ähnliche Aussage findet sich in Cohen/Erteschik-Shir (2002, 126): «topic bare plurals are interpreted generically». Die Angabe der beiden Autoren bezieht sich allerdings auf das Englische (cf. ibid.). 111 Auf der Grundlage des Nebensatzprädikats lässt sich in jedem Fall eine epistemischspezifische Interpretation ausschließen. Wenn es stets um den gleichen Jungen gehen würde,
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Topikstatus ist im vorliegenden Rahmen nicht hilfreich und in der besprochenen Version möglicherweise zudem als Zirkelschluss kritisierbar, da er als Voraussetzung für und Ergebnis der a-Markierung verstanden zu werden scheint. Zudem bringen Cohen / Erteschik-Shir (2002), auf die sich Leonetti (2004, 90) beruft, topikalische Bare NPs mit einer generischen Interpretation in Verbindung. Allerdings behandeln sie das Englische. Und wie oben besprochen ist nicht davon auszugehen, dass generische NPs in unterschiedlichen Sprachen gleich realisiert werden (cf. etwa Krifka 1987, 13s.; s.o.). Mit der Realisierung der a-Markierung vor Bare Plurals im Spanischen beschäftigt sich etwa Bleam (1999, 33s.).112 Sie geht davon aus, dass a-markierte Bare Plurals eine Kind- oder eine existentielle Lesart aufweisen (cf. ibid., 34 sowie für die Unterscheidung von generischen und existentiellen Lesarten bspw. Leslie 2012, 355s.). Eine wichtige Schwierigkeit für die Interpretation der Objekt-NP im obigen Beispiel scheint die komplexe, implizite Bindung an Einzelsituationen zu sein, nämlich an solche, in denen eine Person eingestellt wird. Das Beispiel kann mindestens zwei unterschiedliche Situationen zum Ausdruck bringen. Die erste würde versprachlicht, wenn der Quantifizierer siempre (‘immer’) absolut interpretiert wird. Dann würde der Referent von Pilar unabhängig vom Bedarf an neuen Mitarbeitern Personen einstellen mit der Restriktion, dies nur zu realisieren, wenn es sich beim Bewerber um einen hübschen Jungen handelt. Dieser Fall ist in der außersprachlichen Wirklichkeit unwahrscheinlich, da der Bedarf an Arbeitnehmern üblicherweise begrenzt ist. Es scheint allerdings die einzige Möglichkeit zu sein, in der das Objekt generisch interpretierbar ist (s.u.). Zweitens kann siempre aus allen möglichen die Situationen auswählen, in denen ein neuer Mitarbeiter gebraucht wird (cf. auch die dreigliedrige Formalisierung von Partee 1995, 544ss., die zusätzlich zum Operator und seinem Skopus einen Restriktor einführt, ibid., 544; cf. auch Becker 2014, 118s.). In diesem in der außersprachlichen Wirklichkeit eher realisierten Fall, der eine habituelle Lesart induziert, gibt es zwei Interpretationsmöglichkeiten. Entweder es wird von Mitbewerbern abstrahiert, dann wäre die Objekt-NP unter Skopus-Unspezifizität einzuordnen. Dass das Objekt in dieser Interpretation als eine Menge verstanden wird, liegt allein an der Habitualität. Assertiert wird eine Reihe von Einzelhandlungen bezüglich einzelner Mitglieder der besagten Menge. Bei der anderen Interpretationsmöglichkeit werden bei Bedarf jeweils einige potentielle zukünftige Mitarbeiter
der regelmäßig für Auftragsarbeiten gebraucht würde, wäre im Nebensatz está (‘ist’ mit einer Stage-Level-Bedeutung) nötig. Der Junge würde immer (bzw. nur) dann eingestellt, wenn er sich für ein entscheidendes Treffen herausgeputzt hätte. 112 Auch Leonetti (2004, 98) nimmt auf die Analyse Bezug.
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eingeladen. Dies scheint die natürlichste Lesart zu sein. Die Wahl fällt dann stets auf einen hübschen Jungen. In diesem Fall wäre die Objekt-NP partitiv unspezifisch. Aus der im einzelnen nicht bekannten Menge an Bewerbern, jeweils also verstanden als Gruppen pro Ausschreibung einer Stelle, wird ein hübscher Junge gewählt.113 Das Beispiel wird in Kap. 2.8.3 im Rahmen der vorgestellten Theorie genauer analysiert. Brugè/Brugger (1996, 39, Fußnote 41) führen eine Variante des Beispiels an, in der nicht contrata (‘stellt ein’), sondern fotografía (‘fotografiert’) auftritt.114 Das Autorenpaar geht dabei davon aus, dass der Satz nur dann einen generischen Operator enthält, wenn siempre (‘immer’) nicht auftritt.115 Es scheint zudem so, als werde eine generische Lesart mit fotografiar (‘fotografieren’) leichter erreicht. Die Voraussetzungen, dass es zu einer Situation des Fotografierens kommt, wie sie im Satz assertiert wird, sind weniger komplex. Für ihre Instantiierung genügt es, dass der Subjektreferent einen Fotoapparat dabei hat, wenn ein hübscher Junge auftaucht. Tauchen viele hübsche Jungen auf einmal auf, so entstehen viele Fotos. Leonetti (2004, 91) zieht zwei weitere Beispiele zum Vergleich heran und klassifiziert die darin auftretenden Objekt-NPs als generisch (s. [36]). [36] La junta escoge *(a) un conferenciante extranjero si es de reconocido prestigio. (Bsp. aus Leonetti 2004, 91) ‘Der Ausschuss wählt einen ausländischen Redner, wenn er umfassendes Ansehen genießt.’ In [36] kann gut für I-Generizität argumentiert werden, auch wenn es sich bei der Gruppe der ausländischen Redner um keinen etablierten «Kind» handelt (cf. für die Kategorie Krifka 1987, 11; s.o.).116 Gegen eine habituelle Lesart des Satzes spricht die Konjunktion si (konditionales ‘Wenn’), er ist charakterisierend zu verstehen. I-generische indefinite NPs im Singular sind laut Krifka et al. (1995, 14) mit charakterisierenden Lesarten kompatibel.117
113 Das ist natürlich nur möglich, wenn in der jeweiligen Referenzmenge ein solcher enthalten ist. Bezüglich Auswahlverfahren, in denen das nicht gilt, ist der Satz uneindeutig. Möglicherweise würde dann eine Graduierung ins Spiel kommen. Das würde die Interpretation weiter verkomplizieren. 114 Wie oben bereits gesagt, ist das Beispiel ursprünglich aus Brugè (2000, 272, Fußnote 66). 115 Die Thematik konkurrierender Operatoren kann hier nicht vertieft werden. 116 Eine weitere Möglichkeit zur Einordnung des Objekts könnte die Klasse der quasi-generischen NPs sein (cf. dafür Cohen 2001, 190s.). 117 Krifka et al. (1995, 8) präsentieren im genannten Kontext allerdings englische Beispiele.
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In Hinblick auf die Thematik der Realisierung der a-Markierung bleibt Folgendes zu wiederholen. Leonetti (2004, 91) folgert hinsichtlich seiner Beispiele mit indefiniten NPs mit menschlichem Denotat, «if the sentential context forces the generic reading of the object, […] a becomes obligatory, while it remains optional when the object is non-specific». Die Aussage findet sich auch bei Brugè/ Brugger (1996, 39, Fußnote 41). Demnach würde hinsichtlich generischer NPs eine Opposition zwischen definiten (die a-Markierung ist möglich, aber nicht obligatorisch, s.o.) und indefiniten Objekten (die a-Markierung ist bei menschlichen Denotaten obligatorisch) bestehen. 2.7.5.4 Topikalität Die zuvor behandelten Kategorien dienen der Bestimmung des referentiellen oder semantischen Werts einer sprachlichen Einheit. Die der Topikalität hingegen ordnet Diskursentitäten hierarchisch «relative to the coherence structure of the discourse» (Givón 1995, 51). Der Begriff wird uneinheitlich verwendet. Die wichtigsten Verwendungsweisen mögen die folgenden sein. Zum Teil wird Topik ähnlich wie allgemeinsprachlich Thema verstanden.118 Roberts (2011, 1909) schlägt als Präzisierung den Begriff «discourse topic, also called […] question under discussion» vor. Der Begriff des Diskurstopiks ist möglicherweise leicht irreführend, könnte er doch auch den auf der Ebene eines «vollständigen» Diskurses wichtigsten Referenten meinen. Dafür jedoch wird vielmehr der Begriff «Aboutness-Topik» verwendet (s.u.), der auch bzw. insbesondere als Kategorie auf Satzebene verwendet wird (cf. Jasinskaja et al. 2015, 140). Zudem wird der Begriff für an der linken Satzgrenze auftretende sowie für linksversetzte Elemente verwendet (cf. etwa Rodríguez Ramalle 2005, 543s.). Sornicola (2006) entwickelt den Kern der Begriffsvielfalt von einer textgrammatischen Warte aus. Ausgangspunkt sind der Begiff des «Aboutness»-Topiks sowie das Begriffspaar Topik und Kommentar. Das Topik wird in der Verwendung gemeinhin paraphrasiert als «das, worüber etwas ausgesagt wird» (Bußmann 2008, 743, Eintrag «Topik vs. Prädikation», Punkt 1). In der Literatur zur DOM nehmen auf das «Aboutness»-Topik bspw. Leonetti (2004, 86) und von Heusinger/Kaiser (2007, 86) Bezug. Teilweise wird zur Erklärung der Begriff des «Satzgegenstand[s]» (Bußmann 2008, 743) herangezogen, was die konzeptuelle Nähe zum Subjekt verdeutlicht, von der einige Forscher ausgehen (entsprechende
118 Die Verwendung kann etwa in Anlehung an den Online-Duden als ‘Gegenstand eines Texts’ wiedergegeben werden (cf. den entsprechenden Eintrag unter http://www.duden.de/rechtschreibung/Thema, Zugriff: 02.02.19).
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Literaturhinweise finden sich bspw. in Sornicola 2006, 767; cf. etwa Lambrecht 1994, 118). Tatsächlich werden in einigen Sprachen «Aboutness»-Topiks typischerweise als Subjekt realisiert (cf. Dalrymple/Nikolaeva 2011, 99; Jasinskaja et al. 2015, 140 etc.). Das Gegenstück, der Kommentar, ist «das, was darüber ausgesagt wird» (Bußmann 2008, 743, Eintrag «Topik vs. Prädikation», Punkt 1). Wird das Topik als dem Subjekt ähnlich aufgefasst (s.o.), so wird entsprechend die Ähnlichkeit des Kommentars mit dem Prädikat herausgestellt (cf. Sornicola 2006, 767). Wie auch bei anderen, ähnlichen Begriffsverwendungen handelt es sich hierbei um eine semantisch-pragmatische Kategorisierung (cf. Sornicola 2006). Eine Ausnahme bilden allerdings klassisch generative Modelle, die das Topik oberflächenstrukturell bestimmen (cf. ibid., 769) und es festlegen als sprachliches Element bzw. Phrase, das in «the first or one of the first positions of the proper domain of the sentence» (ibid., 770 mit Literaturhinweisen) auftritt oder in «an extra-sentential position to the left of the proper domain» (ibid.; cf. auch Bußmann 2008, 744, Eintrag «Topik vs. Prädikation», Punkt 1). Der Vorgang, eine Phrase in eine solche hervorhebende Satzposition zu bewegen, wird als Topikalisierung bezeichnet (cf. bspw. Bußmann 2008, 743, Eintrag «Topikalisierung» oder die kurze Übersicht zum Spanischen in Rodríguez Ramalle 2005, 543ss.). In den Ansätzen, in denen keine positionelle Bestimmung erfolgt, muss ein Element laut Sornicola (2006) eine entscheidende Voraussetzung erfüllen, um als Topik gelten zu können. Es muss Teil einer «informative progression» (ibid., 772) sein, d.h., es ist notwendig, dass im folgenden Text weitere Informationen darüber hinzugefügt werden. Sornicola (2006) schließt den Kreis, indem sie so zwei Herangehensweisen unterscheidet. Der eine Typ operiert auf Textebene, ist vor allem an der Topik-Kontinuität interessiert, analysiert also textinterne Referenzen besonders hinsichtlich der Kontinuität, der andere ist auf die Satzebene ausgerichtet und beschäftigt sich mit dem Verhältnis zwischen Topik und Kommentar (cf. ibid., 772). Der zweite Typ dient der Analyse der Informationsstruktur im traditionellen Sinne (s.u.). Für eine Darstellung des Verhältnisses zwischen den beiden Begriffsverwendungen sei auf Melis (1995, 136s.) verwiesen. Im vorliegenden Kontext ist vor allem der erste Typ relevant, was unten weiter ausgeführt wird. Es finden sich in der Literatur zudem verwandte Konzepte, gegenüber denen die hier besprochenen nicht immer deutlich abgegrenzt werden. Erstens finden sich Überlappungen der Begriffe Topik und Kommentar mit der informationsstrukturellen Dichotomie Thema vs. Rhema (bspw. in Torrego Salcedo 1999, 1801s.; cf. für den Hinweis der konzeptuellen Nähe etwa Roberts 2011, 1910 und generell bzgl. des weiteren Begriffspaares Bußmann 2008, 745, Eintrag «Topik vs. Prädikation», Punkt 2). Beim zweitgenannten Begriffspaar handelt es sich um die «Gliederung […] nach kommunikativen Gesichtspunkten in bekannte bzw.
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur
95
alte und unbekannte bzw. neue Information» (ibid.). Die Konzepte sind einander ähnlich. Es scheint auch nicht einfach, Beispiele zu konstruieren, in denen die Kategorien einander nicht entsprechen. Die Klassifikation erfolgt allerdings auf unterschiedlicher Grundlage. Zudem gibt es gewisse Parallelen zum Fokusbegriff (cf. Sornicola 2006, 770; Bußmann 2008, 194, Eintrag «Fokus»). Der Fokus ist «das ‹Informationszentrum› des Satzes, auf das das Mitteilungsinteresse des Sprechers gerichtet ist» (Bußmann 2008, 194, Eintrag «Fokus»). Féry/Krifka (2008, 125 mit weiteren Literaturverweisen) stellen hingegen heraus, dass die Aufgabe von Fokus insbesondere sei, auf das Vorhandensein relevanter Alternativen hinzuweisen. Auch bei den Definitionen ist es aber so, dass sich die jeweils als Kommentar oder aber als Fokus klassifizierten Elemente nicht unbedingt entsprechen müssen, da die Grundlage für die Einordnung divergiert. In der Forschungsliteratur zur DOM spielt der Faktor der Topikalität eine wichtige Rolle. Die a-Markierung gilt dabei als besonders frequent (cf. Pensado 1995b, 204 unter Berufung auf Rohlfs 1971, 330ss., der wiederum auf Meier 1945 – zum Katalanischen – verweist). Topikalität wird vor dem Hintergrund als möglicher Ursprung119 der a-Markierung diskutiert (cf. etwa Rohlfs 1971, 330ss.; Laca 2006, 428s.; Melis 1995 sowie García García 2010, 23 mit weiteren Literaturhinweisen). Im genannten Kontext wird Topikalität zumeist verstanden im Sinne des «Aboutness»-Topiks oder als linksversetztes Element, insbesondere Pronomen. Bei der Versetzung einer Objekt-NP in die linke Satzperipherie (s. [37]) tritt ein koreferentes Objektpronomen im Satz auf (cf. bspw. Rivero 1980, 363; Jaeggli 1982, 49 und für eine Abgrenzung vom Clitic Doubling120 Anagnostopoulou 2006, 523–525). Wie verschiedene Autoren angeben, erhöht die Linksversetzung einer NP die Auftretenswahrscheinlichkeit des Markers (cf. Laca 1987, 306; Pensado 1995b, 204; Leonetti 2004, 86s.; García García 2010, 23s., jeweils mit (weiteren)
119 Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die meisten Autoren sich auch in dem Kontext nicht klar zu einem historischen Ursprung positionieren. García García (2010, 23) spricht vorsichtiger von der «Ursache für die morphologische Markierung». Die Umstände sind offenbar zu komplex für eine monofaktorielle Reduktion. 120 Beim Clitic Doubling tritt im Satz ein zur Objekt-NP, die nicht links- oder rechtsversetzt ist, koreferentes Pronomen auf. Im Spanischen ist dies bei indirekten Objekten in der Regel obligatorisch (cf. bspw. Pensado 1995b, 206): Miguelito le regaló un caramelo a {Mafalda / ella} (Bsp. aus ibid., ‘Der kleine Miguel schenkte {Mafalda / ihr} ein Bonbon’). Bei Akkusativobjekten hingegen ist Clitic Doubling zwar obligatorisch, wenn das Objekt als betontes Objektpronomen realisiert ist (cf. ibid.). Hat es jedoch die Form eines Nomens oder Eigennamens, so ist das Auftreten eines koreferenten Pronomens im peninsularen Standardspanisch, das in der vorliegenden Arbeit untersucht wird, ungrammatisch (cf. ibid.): *Lo vimos a Guille (Bsp. aus Jaeggli 1982, 19). Laut Jaeggli (1982, 19) ist der Satz im Spanischen des Rio de la Plata-Raums grammatisch. Pensado (1995b, 206) gibt an, der Gebrauch der Konstruktion breite sich aus.
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2 Theorie
Literaturhinweisen). Dies wird u.a. damit begründet, dass bei einer derartigen Positionierung, also der Voranstellung des Objekts, eine Vereindeutigung der syntaktischen Funktionen nötig oder für die Verarbeitung hilfreich sei (cf. bspw. Melis 1995, 159).121 Wie García García (2010, 167) aber zeigt, gibt es auch einige Fälle von Linksversetzung, wo eine a-Markierung ausgeschlossen ist. [37] La mesa, la vimos en esa tienda. (Bsp. aus Jaeggli 1982, 41) ‘Den Tisch, den sahen wir in dem Laden da.’ Viele generativ orientierte Veröffentlichungen sind sich darin einig, dass die Linksversetzung einer NP keine Folge einer syntaktischen Bewegung ist, sondern dass die NP bereits in der Tiefenstruktur in der linken Satzperipherie anwesend ist (cf. etwa Rivero 1980, 367; Jaeggli 1982, 51; Haegeman 1991, 369 und Anagnostopoulou 2006, 525). Für die Rechtsversetzung nimmt bspw. Haegeman (1991, 369) die gleichen Gegebenheiten an. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit kommt es allerdings vor allem darauf an, dass in der Oberflächenstruktur nur das Pronomen der Verbalphrase direkt untergeordnet ist. Wie in Kap. 2.7.2 betont, werden hier nur Akkusativobjekte besprochen, die als «volle NPs» realisiert sind, die also ein Nomen oder einen Eigennamen als lexikalischen Kern haben. Mithin werden Okkurrenzen mit links- oder rechtsversetzten NPs aus der Analyse ausgeschlossen. Bei der zweiten in der Forschung zur DOM relevanten Begriffsverwendung wird der Diskurs als Betrachtungsebene angesetzt. Bei dem oben als «Aboutness»Topik auf Diskursebene angeführten Typ wird Topikalität folgendermaßen verstanden: «Topicality is fundamentally a cognitive dimension, having to do with the focus of attention on one or two important events-or-state participants during the processing of multi-participant clauses» (Givón 2001a, 198). Es werden hierbei also Diskursreferenten dahingehend analysiert, ob sie eine prominente Rolle im Diskurs spielen bzw., in den Worten Lehmanns, «wie verfügbar sie derzeit im Bewu[ss]tsein der Gesprächspartner sind» (Lehmann, Online-Skript, Eintrag «Topic und Comment»122). Der Status eines Diskursreferenten als Topik123 lässt sich nach Givón (1983; 1995; 2001) anhand zweier Kategorien bestimmen, seiner
121 Melis (1995) untersucht das Altspanische anhand des Cantar de mio Cid. Sie interessiert sich v.a. für die pronominale Wiederaufnahme von topikalisierten Objekten. Wird das Objekt linksversetzt, so tritt im Cantar de mio Cid ein koreferentes Pronomen auf und das linksversetzte Objekt wird häufig markiert (cf. ibid., 159). 122 Der direkte Link ist http://www.christianlehmann.eu/ling/lg_system/grammar/morph_ syn/index.html?http://www.christianlehmann.eu/ling/lg_system/grammar/morph_syn/linksversetzung.php (Zugriff: 02.02.19). 123 In der Begriffsverwendung sieht Givón (2001a, 198) Topikalität als «cognitive dimension» an.
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur
97
referentiellen Zugänglichkeit («referential accessibility», Givón 2001b, 227; bzw. «anaphoric accessibility», Givón 2001a, 198) und seiner thematischen Kontinuität («thematic importance», Givón 2001b, 227; «cataphoric persistence», Givón 2001a, 198 oder auch «topic persistence», Givón 1995, 79). Die beiden Kategorien sind indirekt quantifizierbar (cf. Givón 1995, 78). Givón (1995, 79) schlägt vor, für die referentielle Zugänglichkeit die Sätze zu zählen, die zwischen dem betrachteten einen bestimmten Diskursreferenten bezeichnenden sprachlichen Ausdruck und der letzten vorangehenden Erwähnung des Referenten liegen. Für die Topikpersistenz zählt er die Häufigkeit, mit der der Diskursreferent des betrachteten Ausdrucks im folgenden Text erwähnt wird (cf. ibid.). Das Ziel der Betrachtung der Topikalität auf Diskursebene ist oftmals, die Ergebnisse mit den formalen Eigenschaften von NPs bzw. ihrer formalen Realisierung zu relationieren (cf. etwa Givón 1983 sowie bspw. die Theorie von Ariel 1988). Dies gilt auch für die Applizierung des Ansatzes auf die DOM. In der Literatur wird von einer positiven Korrelation zwischen der Topikalität eines Ausdrucks und der Markierung ausgegangen (cf. etwa die Analyse in Melis 1995, die Givóns Ansatz zugrunde legt, sowie Laca 1995, 82ss.). Konsequente Analysen auf der diskursiven Ebene scheinen jedenfalls selten zu sein. Dies ist zu einem gewissen Grad auf die oft geäußerten terminologischen Zweifel zurückzuführen (s. bspw. Laca 1987, 307; García García 2010, 25), mag aber auch damit zusammenhängen, dass solche Analysen offensichtlich mit einigem Aufwand verbunden sind. Einige Untersuchungen zum Verhältnis von Topikalität und DOM weichen aus diesen Gründen auf die leichter bestimmbare positionelle Topikalität aus (s. etwa von Heusinger/Kaiser 2007, 86; von Heusinger 2008, 6; García García 2010, 54), was in einer entsprechenden Recherche unbedingt zu beachten ist. Die Datenlage ist also, was das aktuelle Standardspanisch betrifft, weniger umfassend, als es zunächst scheinen mag. Verschiedene Veröffentlichungen applizieren hybride Kategorien, die unterschiedliche Topikdefinitionen (s.o.) beinhalten. So verwendet Laca (1987, 305ss.) den Topikbegriff im diskurssemantischen Sinne sowie als Oberflächenphänomen in Form der Linksversetzung, die Topikalität dann entsprechend als eine Art Sammelkategorie der diskurssemantischen Verwendung und der Fokustheorie (cf. auch Laca 2006, 431). Auch Isenberg (1968, besonders Kap. 3–5) widmet sich der diskurssemantischen Topikalität in Kombination mit der Fokustheorie.124 Neben der undeutlichen Abgrenzung kann problematisiert werden, dass seine Beispieltexte eine Länge von zwei Sätzen nicht übersteigen (s. [38]), was für eine Diskursanalyse etwas kurz ist. Laca (1987, 305) wertet überdies seine Beispiele als fragwürdig, eine Einschätzung, der hier im Großen und Ganzen zugestimmt wird.
124 Der Hinweis findet sich auch in Laca (1987, 305).
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2 Theorie
Das (allerdings problematische, s.u.) Beispiel [38]125 veranschaulicht den Ansatz Isenbergs (1968) und Lacas (1987) gut. [38] Un día Pedro sostuvo una larga discusión con su amigo sobre los caballos con respecto a su importancia actual. El amigo, quien conocía bien {*ø / a} los caballos, opinó que hoy día ya serían mucho más importantes los tractores. (Bsp. aus Isenberg 1968, 138) ‘Eines Tages führte Peter mit seinem Freund ein langes Gespräch über Pferde hinsichtlich ihrer gegenwärtigen Relevanz. Der Freund, der sich mit Pferden gut auskannte, meinte, dass Traktoren heutzutage wohl schon viel wichtiger seien.’126 Laca (1987, 305s.) stimmt Isenberg (1968, 138) dahingehend zu, dass im zweiten Satz los caballos nur bei Anwesenheit von a koreferent zum gleichen Ausdruck des ersten Satzes interpretiert werde.127 Das Beispiel ist semantisch und pragmatisch etwas fragwürdig. Es wirkt konstruiert. Aber bzw. evtl. aus dem Grund verdeutlicht es sehr genau den Effekt der Topik-Kontinuität (ähnlich der im Sinne Givóns 2011, 227; s.o.), wie er von den genannten Autoren besprochen wird. Einen eigenständigen und recht weit durchdachten Ansatz präsentieren Dalrymple/Nikolaeva (2011). Die Grundannahme ist eine übereinzelsprachliche Tendenz zu einem Alignment zwischen grammatischen Funktionen und der Informationsstruktur (cf. ibid., 102), bei dem zum einen dem Subjekt die Topikrolle zukommt (cf. ibid., 166). Markierten direkten Objekten schreiben sie allerdings ebenfalls einen Topikstatus zu und zwar in Anlehnung u.a. an Givón (1984) konkreter den eines «secondary topics» (Dalrymple/Nikolaeva 2011, 53s.). Sie verwenden in erster Linie einen diskursbasierten Topikalitätsbegriff. Die Topikalität eines sprachlichen Ausdrucks «depends on the speaker’s assessment of its saliency within a given communicative context» (Dalrymple/Nikolaeva 2011, 14).128 U.a. über den Begriff der «topic-worthiness» (ibid., 50 unter Berufung auf Comrie
125 Es ist Beispiel 106 in Isenberg (1968, 138), das von Laca (1987, 305) zitiert wird. 126 Es wird versucht, die leicht reduzierte Natürlichkeit des ersten Satzes im Ausgangsbeispiel ins Deutsche zu übertragen. Insbesondere aber der zweite Satz ist semantisch und mehr noch pragmatisch auffällig. 127 Wie im vorangegangenen Kapitel besprochen wurde, werden generische Ausdrücke keineswegs per se markiert (cf. Laca 2006, 465s.; RAE 2009, 2633s.). Generizität selbst wäre also kein hinreichender Grund für die a-Markierung. 128 In Kap. 2.7.4 wird die Überlegung gewertet als indirekt auf dem Willen des Sprechers basierende Markierung.
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur
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2003) bringen sie Faktoren anderer Skalen ins Spiel und halten sich so viel Diskussionsspielraum offen. «[F]eatures such as definiteness, specificity, person, animacy, and humanness […] tend to characterise topics, and indeed most topics are definite and animate, the most preferred topics being first and second person pronouns denoting speech participants» (Dalrymple/ Nikolaeva 2011, 50s.).129
Die Überlegungen der Autorinnen sind vielversprechend. Allerdings beschäftigen sie sich nur am Rande mit der spanischen DOM (s.u.). Für die romanischen Sprachen gehen die beiden Autorinnen davon aus, dass die a-Markierung direkter Objekte auf eine Expansion der Markierung indirekter Objekte zurückgeht, die sich dann als Topikmarker verstetigt (cf. ibid., 212). Sie ordnen das Spanische ein als Sprache, in der die DOM weitgehend grammatikalisiert ist (cf. ibid.). Im Rahmen ihres Modells kann Grammatikalisierung zu der Möglichkeit führen, dass auch nicht-topikalische Objekte markiert werden können (cf. ibid.). In dem Fall – ihr Beispiel ist an der Stelle das Katalanische (cf. ibid.) – ist eine faktorielle Verschiebung auf frequentieller Grundlage möglich (cf. ibid., 213). Das Ergebnis ist, dass Elemente, die häufig markiert werden, auch dann markiert werden, wenn sie kein Topik sind und andere nicht mehr markiert werden, auch dann nicht, wenn sie ein Topik sind (cf. ibid.). Der Topikstatus ist dann nicht mehr Auslöser für die etwaige Markierung, sondern bspw. die Realisierung als bestimmte grammatische Form wie Pronomen oder semantische Eigenschaften einer NP wie ein menschliches Denotat (cf. ibid., 212s.). Die Autorinnen ergänzen bzgl. der DOM im aktuellen Spanisch, dass ihre ausführliche Behandlung in der Literatur nicht nur nicht einheitlich, sondern zudem widersprüchlich sei (cf. ibid., 212). Da sie zudem von dialektaler Variation ausgehen, klammern sie das Spanische aus. Leonetti (2004) beschäftigt sich hingegen ausführlich mit dem Spanischen. Er argumentiert für einen Zusammenhang zwischen DOM und Topikalität. Er verwendet den Topikbegriff dabei in einem recht weiten Sinne. Sein Fokus liegt auf satzinternen Topiks (cf. ibid.; im Gegensatz zu der oben angesprochenen linksversetzten Variante). Seine Beschreibung involviert auf der (diskurs)semantischen Ebene zwei unterschiedliche Typen, einen der den Partizipantenstatus betrifft sowie eine informationsstrukturelle Topikalität (cf. ibid., 106s.). Dementsprechend vertritt er einerseits die Ansicht, der Marker diene als Instruktion, die NP als satzinternes Topik zu verarbeiten, das er paraphrasiert als «prominent
129 Sie verweisen auf verschiedene Autoren, die sich mit dem Verhältnis von Topikalität und Belebtheit auseinandersetzen, darunter bspw. Givón (1983) (cf. Dalrymple/Nikolaeva 2011, 51). Die Thematik wird nochmals in Kap. 4.3.1 aufgegriffen.
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2 Theorie
and referentially autonomous argument» (ibid., 94). Die informationsstrukturelle Facette sieht er andererseits darin, dass das Topik als «anchor for new assertions» (ibid., 105) diene.130 Diese zweite Verwendungsweise, die dem üblichen Topik-Kommentar-Paradigma (s.o.) ähnelt, spielt in seinen Ausführungen allerdings nur eine untergeordnete Rolle. In der Hauptsache betrachtet er das Topik als salientes Element (cf. Leonetti 2004, bspw. S. 107), das über eine «starke» Lesart verfüge (cf. ibid., 93s.). Er präzisiert diese starken Lesarten als generisch oder spezifisch (cf. ibid., 93), intendiert damit aber offenbar noch einen darüber hinausgehenden Wert.131 In der starken Lesart werde der diskurssemantische Wert eines Ausdrucks unabhängig von anderen Diskurselementen festgelegt (cf. ibid., 93s.). Eine NP mit schwacher Lesart hingegen beziehe ihre existentiellen Eigenschaften aus dem Kotext (cf. ibid., 93). Es gibt offenbar einen Zusammenhang mit der Spezifizität. Leonetti (2004, 94) sieht die Realisierung einer NP als spezifisch (er erwähnt die epistemische und die partitive Spezifizität, cf. ibid.) als Voraussetzung für die starke Lesart. In dem Kontext beschreibt er den Marker a als «prerequisite for strong readings» (ibid., 92), allerdings mit der Einschränkung, dass er schwache Lesarten nicht ausschließe (cf. ibid.). Leonetti (2004) nimmt neben der o.g. diskurssemantischen Topikalität auch eine formale Spielart an. Die Argumentation ähnelt der von Dalrymple/Nikolaeva (2011; s.o.) im Ansatz. Demnach handelt es sich bei der Subjektposition und bei der Position, die ein a-markiertes direktes Objekt einnimmt, um topikalische Positionen (cf. Leonetti 2004, 97). Nicht topikalische Positionen sind mit schwachen Lesarten assoziiert und fungieren als «incorporated predicative expressions» (ibid., 98). Vor dem Hintergrund seiner Abgrenzung bestimmt er den Marker a als «a sort of ‹anti-incorporation› device» (ibid., 107; cf. ibid., 95ss.). Während er also davon ausgeht, dass indefinite NPs in den genannten topikalischen Positionen tendenziell starke Lesarten aufweisen (cf. ibid., 93), betont er, dass sich dieser Zusammenhang nicht umkehren lasse: «No obligatory link exists between specific DPs and topics, given that specific readings may arise in non-topical positions as well» (ibid.). Letztlich ist Leonettis (2004) Darstellung vor allem als hilfreicher Beitrag für die Spezifizitätsforschung einzuordnen. Er zeigt u.a. eine intuitive semantische Herangehensweise an den Phänomenbereich der Spezifizität auf, die z.T.
130 Leonetti (2004) ist nicht völlig stringent in seinen Zuordnungen. Einerseits ordnet er die beiden Faktoren, Anker für neue Assertionen und referentiell autonomer Ausdruck, dem Bereich der Informationsstruktur zu (cf. ibid., 105), andererseits trennt er sie wie im Fließtext angegeben (cf. ibid., 106s.). Zweiteres ist zweifelsohne die präzisere Variante. 131 Leonetti (2004) gibt keine konkrete Begriffsdefinition der starken Lesart an.
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur
101
formalsemantisch präzisiert wird. Hinsichtlich der DOM präsentiert die Veröffentlichung viele relevante Zusammenhänge, von denen auf einige in anderen Kapiteln der vorliegenden Arbeit Bezug genommen wird. Zudem gibt Leonetti (2004) gute Hinweise auf das Verhältnis zwischen Topikalität und DOM, das allerdings nur in eine Argumentationsrichtung Gültigkeit hat. Es kann somit nicht alle Auftretensweisen des Markers erklären (cf. ibid., 98s.). Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ist zudem eine Überlegung methodisch interessant, die sich bspw. in Laca (1987, 305) findet. Laca (1987, 305) spricht die Hörererwartung an. Die Frage, um die es ihr geht, lässt sich ebenfalls in den Kontext der Topikalität einordnen. Sie stellt bezüglich des Beispiels «Juan mató a un tigre» (Bsp. aus ibid., Hervorhebung J.E., ‘Juan tötete einen Tiger’) fest, dass es im Gegensatz zur unmarkierten Variante zusätzliche Informationen bezüglich des Tigers erwarten lasse (cf. ibid.). Sie stützt sich auf ihre sprachliche Intuition und die anderer Sprecher (cf. ibid.). Sie führt ihre Überlegung nicht weiter aus. Das Phänomen ist aber bekannt. Es wird von Givón (1995, 78) als kataphorische Persistenz bezeichnet. Eine Präzisierung und umfassendere Untersuchung liegt mit Chiriacescu/von Heusinger (2011) zur DOM im Rumänischen vor.132 Die Teilnehmer der dort präsentierten experimentellen Studie hatten die Aufgabe, aus wenigen Sätzen bestehende Texte zu lesen und die Texte zu vervollständigen (cf. ibid., 5133). Der jeweils untersuchte Objektausdruck mit menschlichem Referenten trat im letzten Satz entweder mit oder ohne den pe-Marker auf (cf. ibid.). Die Textvervollständigungen der Teilnehmer wurden hinsichtlich der thematischen Kontinuität des Referenten des untersuchten Ausdrucks und seines Topic-Shift-Potentials überprüft, ob also der Referent des untersuchten Ausdrucks in der Vervollständigung wieder genannt wurde und ob er dann auch in Subjektposition auftrat (cf. ibid., 5ss.). Chiriacescu/ von Heusinger (2011) können so einen deutlichen Einfluss des pe-Markers auf die Diskursstruktur zeigen. Sie folgern daraus die kognitive Relevanz des Markers: «[T]he relevant contribution of pe is to signal to the addressee that further information about the referent […] will follow and that the […] referent is […] likely to be picked up in grammatical subject position» (ibid., 9). Offenbar ist also in unterschiedlicher Hinsicht ein Zusammenhang zwischen Topikalität und DOM gegeben. Es besteht ein Zusammenhang hinsichtlich des
132 Der Marker des Rumänischen, pe, hat einen anderen etymologischen Ursprung und die DOM folgt dort auch anderen Prinzipien als im Spanischen (cf. bspw. Bossong 1991, 161s.). 133 Die Seitenangaben beziehen sich auf die vorliegende Preprint-Version: http://gerlin.philfak.uni-koeln.de/kvh/pub/pubmanus/Chiriacescu-Heusinger-2011-Discourse-Structure.pdf, Zugriff: 02.02.19.
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Topiks in der positionellen Begriffsverwendung, sowohl was die Realisierung der Objekt-NP am Satzanfang als auch was die Linksversetzung betrifft (cf. Laca 1987; Pensado 1995b). Auch für die diskurssemantische Ausprägung lässt sich eine positive Korrelation feststellen (cf. etwa Leonetti 2004 und Laca 1987). Bezüglich der informationsstrukturellen Begriffsverwendung lässt sich für das Spanische zumindest ein indirekter bzw. diachroner Zusammenhang motivieren (cf. Dalrymple/Nikolaeva 2011). Die zentrale Schwäche positioneller Ansätze ist, dass sich nicht die vollständige Bandbreite der DOM beschreiben, geschweige denn erklären lässt, da die unmarkierte Satzstruktur, in der das Objekt dem Verb folgt, häufiger ist als die Abweichungen von ihr. García García (2010, 25s.) merkt zudem an, dass sie nicht mit Erklärungen kompatibel seien, die auf der Verbbedeutung basieren. Auch mit informationsstrukturellen und sogar mit den vielversprechenden diskurssemantischen Ansätzen kann nicht die gesamte Bandbreite der DOM erklärt werden. Auch der durchaus vielversprechende Ansatz der Topikalität hat also nur ein eingeschränktes Erklärungspotential. 2.7.5.5 Kurze Zusammenfassung zum referentiellen Status Die in den vorangegangenen Kapiteln behandelten Kategorien haben allesamt mit der Referenz zu tun.134 Mehrere davon wurden und werden in der Fachliteratur zur differentiellen Objektmarkierung eingehend behandelt. Einige der referierten Veröffentlichungen können bezüglich unterschiedlicher Faktoren eine positive Korrelation mit der a-Markierung aufzeigen. Besonders wichtig war die Ausgangsfeststellung, dass der referentielle Status, wenn er keine Schnittmenge mit dem lexikalischen Wert hat, die wichtigere Rolle für die sprachliche Realisierung spielen kann. Die Spezifizität als besonders ausgiebig diskutierte Eigenschaft bedeutet den entscheidenden Schritt über eine formale Betrachtung der Objekt-NPs hinaus. Sie bildet Oppositionen aus, die parallel zu interessanten Paaren von Nicht-Markierung vs. Markierung sind. Dabei ist also das spezifische Objekt in aller Regel markiert, das unspezifische kann hingegen ohne a auftreten. Der besonderen Position der Spezifizität in der Forschungsdiskussion wurde Rechnung getragen, indem ihr Verhältnis einerseits mit der Generizität in Kap. 2.7.5.3 und andererseits mit der Topikalität in Kap. 2.7.5.4 besprochen wurde. Die Generizität selbst ist an lexikalische Gegebenheiten gebunden. Generische Lesarten werden also nur in
134 Der Zusammenhang mag im Falle der Topikalität als weniger direkt aufgefasst werden. Dabei kommt besonders die Diskursreferenz zum Tragen (cf. Givón 1995, 51).
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur
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bestimmten und weniger frequenten Kontexten realisiert. Auch dazu werden in der Literatur grobe Korrelationen gezeigt. Demnach ist die a-Markierung definiter Objekte nicht obligatorisch (cf. etwa Laca 1987, 293; RAE 2009, 2633s.), die von indefiniten Objekt-NPs, die menschliche Entitäten denotieren, hingegen schon (cf. bspw. Leonetti 2004, 91). Der zuletzt besprochene Topikalitätsbegriff kann sehr unterschiedliche Phänomene bezeichnen. In jeder Veröffentlichung ist zu prüfen, welche davon jeweils gemeint sind. Für alle dargestellten Topikalitätstypen finden sich auch Forscher, die von einer Korrelation ausgehen. Die diskurssemantische Begriffsverwendung gilt als vielversprechend (cf. etwa Leonetti 2004). Stark vereinfacht ließe sich sagen, dass Entitäten, die in einem bestimmten Diskurs eine wichtige Rolle spielen, mit besonders hoher Wahrscheinlichkeit markiert werden (cf. etwa Leonetti 2004, aber auch Laca 1987, 305 und Chiriacescu/von Heusinger 2011). Auch bei dieser Spielart der Topikalität lässt sich jedoch keine vollständig gültige Beziehung zur differentiellen Objektmarkierung zeigen. Bei den präsentierten Kategorien sind abweichende Fälle häufig solche, in denen ein Objekt markiert wird, «obwohl» die jeweils angenommene Voraussetzung nicht erfüllt ist. Auch ist zum Teil nur eine Argumentationsrichtung möglich. Die verschiedenen Faktoren können daher nicht als Gründe oder einzige Auslöser eingestuft werden. Da aber Korrelationen alles andere als selten sind, muss ein anderes ggfs. tatsächlich zugrunde liegendes Merkmal mit ihnen kompatibel sein.
2.7.6 Weitere das Objekt betreffende Ansätze Das direkte Objekt wird auf sehr unterschiedliche Arten beschrieben. Die Beschreibungen hängen ab von der jeweiligen Schule sowie vom Erkenntnisinteresse des jeweiligen Forschers. Es sind allerdings deutlich weniger Eigenschaften, die auch eine breite Anerkennung genießen. Allen voran ist das die Bezugnahme auf menschliche Entitäten. Aber auch der Faktor der Spezifizität hat sich seinen Weg in einige, teils divergente Beschreibungsmodelle gebahnt. Werden Faktorenbündel diskutiert (s. Kap. 2.7.7), so ist er oft dabei. Es finden sich in der Literatur allerdings noch weitere Kategorien, die die Objekt-NP im Besonderen betreffen. Zum Teil sind das «querliegende», die sich entweder nicht so recht mit den anderen verbinden lassen oder mit mehreren von ihnen in Zusammenhang stehen. In Kap. 2.7.5.4 wurde bereits eine «starke» einer «schwachen» Lesart gegenübergestellt. Leonetti (2004, 93) definiert die Begriffe recht nahe an Kategorien der Spezifizität. Er bringt sie mit dem Potential von NPs in Verbindung, topikalisch zu sein (cf. ibid., 97s.).
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2 Theorie
Auch Bleam (2006, 6) grenzt starke von schwachen NPs ab. Wie sie angibt, gehen die Termini auf Milsark (1974) zurück (cf. Bleam 2006, 6, aber bspw. auch Chierchia 1998, 341, Fußnote 2). Sie orientiert sich in ihrer Definition an der von McNally/Van Geenhoven (1998) (cf. Bleam 2006, 6). Demnach denotieren schwache NPs Eigenschaften, starke NPs werden in Opposition dazu definiert (cf. ibid.). Im Rahmen ihres Ansatzes wird das folgende Grundproblem formuliert. Schwache NPs, die v.a. in prädikativer Position erwartet werden, können auch als Argumente auftreten (cf. ibid. mit diversen Verweisen auf weitere Veröffentlichungen, die davon ausgehen, dass eigenschaftsbestimmende Nomen als Argumente auftreten können). Über existentielle Lesarten, die ebenfalls als schwache NPs realisiert werden, schlägt auch ihr Ansatz eine Brücke zur angesprochenen Spezifitätsthematik: Existentielle NPs können anhand ihres Skopus als unspezifisch bestimmt werden (cf. ibid.). Die zentrale These der Publikation betrifft die Voraussetzungen der a-Markierung. Sie geht davon aus, dass drei Faktoren zu einer Markierung führen, die Belebtheit ([+ animate], sie spricht aber genauer von menschlichen Entitäten) des Denotats, die funktionale Zuweisung des Akkusativs und, was die Besonderheit ihres Ansatzes ist, die Eigenschaft, ein starkes Nomen zu sein (cf. ibid., 15). Dem Ansatz ist offenbar schon aufgrund der Voraussetzung, dass das Objektdenotat belebt ist, generelle Gültigkeit abzusprechen. Die querliegende Kategorie, die sich an der Argumentfähigkeit und referentiellen Stärke festmachen lässt, ist jedoch schon für sich genommen interessant. Darüber hinaus berühren der Ansatz und ähnlich gelagerte im besagten Kontext weitere Eigenschaften von Nomen, die sich als Faktoren für die DOM diskutieren lassen. So wird Bare Plurals (artikellose NPs im Plural) eine Eigenschaftslesart zugeschrieben (cf. ibid., 8 unter Berufung u.a. auf McNally 1995). McNally/Espinal (2011) greifen die Gedanken auf. Sie präzisieren bezüglich Bare Nouns (nicht-pluralische artikellose NPs), die im Gegensatz zu den Bare Plurals (und indefiniten NPs im Singular) keine Quantifizierung ihres Denotats zum Ausdruck bringen (cf. ibid., 5), dass sie Eigenschaften von Kinds denotieren (cf. ibid., 4, 11). Die Interpretation der Umstände liefert eine Erklärung dafür, dass artikellose Nomen im Spanischen üblicherweise nicht markiert werden. Ein weiterer relevanter Themenkomplex ist die Inkorporierung von ObjektNPs. Bleam (2006, 7) und andere behandeln ihn in Zusammenhang mit den oben besprochenen Phänomenen (s.u.). Es geht dabei um eine besonders enge Verbindung zwischen dem Verb und einem nominalen Element, v.a. dem Objekt.135
135 Unter dem scheinbar verwandten Begriff des internen Objekts bespricht Laca (1987, 308s.) allerdings ein anderes Phänomen, das in Kap. 2.7.3.2 insbesondere mit «Measure-Verben» (cf. García García 2010, 191) veranschaulicht wurde.
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur
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Mithun (1984) nennt Verbindungen wie berry-picking und baby-sitting (Beispiele aus ibid., 894). Wie sie schreibt, bestimmt etwa im ersten Fall das Nomen berry eine Qualität des Verbs, also die Art des Pflückvorgangs näher (cf. ibid.). Als erste dem Thema gewidmete Arbeit führen Farkas/de Swart (2003, 1) Sadock (1980) an, wo die Kategorie bezüglich des Grönländischen Eskimo behandelt wird (cf. Sadock 1980). Die Sprache ist sehr reich an Suffixen (cf. ibid., 306). Dementsprechend wurde Inkorporation zunächst als morphologisches Phänomen an der Grenze zur Syntax aufgefasst (cf. bspw. Mithun 1984, 847). Mithun (1984, 848) bespricht Inkorporation als besondere Form des Compounding. Die Anwendung auf Sprachen, die eine geringere Tendenz zur Agglutinierung haben, bringt Veränderungen in der Herangehensweise mit sich. Van Geenhoven (1995, 171) führt den Begriff der «semantic incorporation» ein. Sie definiert entsprechende Strukturen als semantisch intransitiv (cf. ibid., 176). Ein Verb verfügt dabei über eine innere Leerstelle, an die die vom Nomen eingeführte Variable existentiell gebunden ist (cf. ibid.).136 Damit wird die Thematik in verschiedenen neueren Veröffentlichungen vor einem formalsemantischen Hintergrund behandelt, wobei ein besonderer Fokus auf den NPs liegt, die von anderen indefiniten und artikellosen Nomen abgegrenzt werden (cf. etwa van Geenhoven 1998; Farkas/de Swart 2003; Dobrovie-Sorin/ Bleam/Espinal 2006). Eine recht weite Definition inkorporierter Nomen formulieren Farkas/de Swart (2003, ix), nämlich «nominals that form a particularly tight unit with the predicate they are arguments of». Dobrovie-Sorin/Bleam/ Espinal (2006) definieren semantische Inkorporation in Anlehnung an van Geenhoven (1995) abstrakt als eine Regel semantischer Komposition, «which applies to arguments that denote properties independently of their syntactic category» (Dobrovie-Sorin/Bleam/Espinal 2006, 52). In verschiedenen Veröffentlichungen wird auf eine mögliche Inkorporation im Spanischen Bezug genommen. McNally (2004, 130) geht bspw. von einer Ähnlichkeit zwischen spanischen Bare Plurals und inkorporierten Nomen aus. Auch Espinal/McNally (2011) besprechen die Nähe der Konzepte. Sie sehen den Hauptunterschied darin, dass Bare Plurals im Spanischen nicht wie inkorporierte Nomen im Sinne von van Geenhoven (1998) anaphorisch aufgegriffen werden können (cf. Espinal/McNally 2011, 115). Dobrovie-Sorin/Bleam/Espinal (2006) präsentieren einen syntaktischen Ansatz. Sie verwenden den Begriff der «pseudo-incorporation» (ibid., 51) in Anlehnung an Massam (2001) «to refer
136 Van Geenhoven (1995, 176) schreibt: «An incorporating verb is a semantically intransitive relation with a slot for the incorporation of a predicate of its existentially bound internal argument’s variable.»
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2 Theorie
to the immobility of the bare nominal inside the VP» (Dobrovie-Sorin/Bleam/ Espinal 2006, 63). Sie gehen davon aus, dass Pseudo-Inkorporiertheit bei spanischen artikellosen Nomen im Singular gegeben ist, aber auch bei Bare Plurals, die als Objekt auftreten (cf. ibid.). Auch unter Bezugnahme auf die DOM wird der Erklärungsansatz herangezogen. Leonetti (2004) verwendet einen nicht ganz eng definierten Inkorporationsbegriff. Er geht aus von einem «ban that DOM imposes on semantic incorporation» (ibid., 96) und führt ihn als Erklärung dafür an, dass Objekte von haber und tener (‘haben’) nicht markiert werden, wenn eine existentielle Lesart vorliegt. Er schlägt daher vor, den a-Marker als «‹anti-incorporation› device» (ibid., 107; cf. ibid., 96s.) zu betrachten. Bleam (2006) geht von einem Zusammenhang zwischen der Lesart als stark vs. schwach und einer vorhandenen oder nichtvorhandenen a-Markierung aus. Sie bringt ihre Überlegungen mit der Inkorporation in Verbindung. Demnach sind unmarkierte Objekte mit einer Eigenschaftslesart semantisch inkorporiert. In der Literatur findet sich zudem hin und wieder die Frage nach einer unabhängigen Existenz des Objektdenotats von der Verbalhandlung. Sie kann mit den oben besprochenen Ansätzen in Beziehung gesetzt werden. Eine besondere Rolle spielt die unabhängige Existenz bei Dowty (1991, 572), der sie als Eigenschaft des Proto-Agens und ihre Nicht-Gegebenheit als mögliche Eigenschaft des ProtoPatiens anführt. Er beruft sich u.a. auf Keenan (1976, wohl 313s. sowie 1987) und motiviert die Eigenschaft lexikalisch. Er führt verschiedene Beispiele an, darunter die folgenden mit unspezifischem Objekt (cf. Dowty 1991, 574): John needs a car / seeks a unicorn137 (Beispiele aus ibid.). Darüber hinaus listet er Kreationsverben mit Objekt (cf. ibid., 573). Wie García García (2010) angibt, erfährt die Eigenschaft in den Arbeiten von Primus (2006, 56) eine Reevaluierung von einer möglichen Eigenschaft hin zu einem «entscheidende[n] Definitions[…]kriterium» (García García 2010, 80s.). Das Proto-Patiens wird als kausal vom Proto-Agens abhängig gesehen (cf. ibid.). Primus (2012a) verwirft den Faktor der unabhängigen Existenz allerdings mit dem Hinweis, es handele sich dabei um eine «reference-related property that should be treated separately» (ibid., 72, Fußnote 4). Sie bringt die Eigenschaft mit der Skopusspezifiziät in Verbindung (cf. ibid., 74s.). Nur eine spezifische NP verfügt über einen unabhängig vom Subjektreferenten existierenden Referenten (cf. ibid.). Eine solche formalsemantische Bestimmung ist u.U. präziser handhabbar138 als die zuvor angeführte, eher hybride Definiton.
137 Fragen wie, ob das Objekt überhaupt existieren kann, sind nicht relevant. Möglicherweise ist Dowtys (1991, 574) Beispiel mit dem Objekt unicorn dennoch nicht ganz glücklich gewählt. 138 Die Relevanz der Spezifizität für die DOM wurde in Kap. 2.7.5.2 diskutiert.
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur
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Der Begriff der unabhängigen Existenz im Sinne Dowtys (1991) ist sinnvoller im Kontext von Verbklassen zu behandeln (s. Kap. 2.7.8). Als letzte mögliche Kategorie, anhand derer die Gegebenheiten der differentiellen Objektmarkierung hinsichtlich des Objekts beschrieben werden können, sei die Frequenz angesprochen. In der Literatur wird auf ihrer Grundlage nach mehr oder weniger typischen Objekten gesucht. Der Parameter ist die relative Auftretenshäufigkeit. Erstens kann die Frequenz innerhalb der Gruppe direkter Objekte in den Blick genommen werden (cf. bspw. Company Company 2002). Das Ziel ist dann v.a., Denotatsklassen zu relationieren. Zweitens können Subjektund Objektdenotat miteinander verglichen werden (cf. bspw. García García 2010, 8 mit verschiedenen Literaturhinweisen). Der gedankliche Hintergrund ist dabei oft eine Art Markiertheitstheorie (cf. ibid.; Croft 2003, 87ff.). Wird der erste Fall, die relative Frequenz von Denotatsklassen, ohne weitere Restriktionen besprochen, so sind die Erkenntnisse für eine feinmaschige Beschreibung der differentiellen Objektmarkierung nicht allzu hilfreich (s. auch Kap. 2.7.3). Lediglich in diachroner oder varietätenlinguistischer Hinsicht wäre ein gewisses Erkenntnispotential vorhanden. Werden andere Parameter wie die Wortstellung (cf. bspw. Melis 1995) oder Verbklassen (cf. bspw. von Heusinger/ Kaiser 2005) miteinbezogen, so werden die Ergebnisse feiner und interessanter, wenn auch möglicherweise weiterhin in erster Linie für die beiden o.g. Felder. Der Vergleich von Subjekt- und Objektdenotat erfährt in der Literatur ein verstärktes Interesse, weshalb er in einem eigenen Unterkapitel (s. Kap. 2.7.10) besprochen wird. Im vorliegenden Kontext ist ein Teilbereich davon relevant, der einen Fokus legt auf das Verhältnis zwischen der lexikalischen Realisierung von Erst- und Zweitaktant. In der Transitivitätsforschung ist die Thematik relevant. Comrie (1989, 128) gibt an, dass eine Struktur mit belebtem, definitem Agens und einem Patiens mit gegensätzlicher Ausprägung «the most natural kind of transitive construction» sei (cf. auch García García 2010, 8; Leonetti 2004, 95).139 Abweichungen von diesem Prinzip machen das Auftreten einer Markierung wahrscheinlich (cf. Comrie 1989, 129). Davon geht Comrie (1989, 133s.) auch für das Spanische aus. Demnach müssen definite Objekt-NPs mit menschlichem Denotat markiert
139 Næss (2007) interpretiert den Ansatz Comries (1989, 128) etwas anders und geht davon aus, dass implizit ein Satztyp wie folgt evaluiert wird (cf. Næss 2007, 24). Sie geht davon aus, dass «the most ‹natural› kind of clause […] an intransitive clause» (ibid.) sei. Sie schreibt weiter, Comries Ansatz definiere «a two-participant construction as ‹more marked› or ‹less natural› the more it deviates from the basic intransitive formal pattern» (Næss 2007, 24). Ihr ist bewusst, dass sie mit der Interpretation über das verbreitete Verständnis des Ansatzes hinausgeht (cf. ibid., 25), das auch hier im Fließtext wiedergegeben wird.
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2 Theorie
werden, solche hingegen nicht, die in einem der beiden Bereiche weniger «unnatürlich» sind (cf. ibid., 134).140 Die Einschätzung bei Comrie (1989), dass Objekte markiert werden, wenn kein «natürliches» Verhältnis zwischen Subjekt und Objekt vorliegt, fällt nach von Heusinger/Kaiser (2007, 83) in die Kategorie der «Ambiguity Thesis» (s. dazu Kap. 2.7.10). Sie nennen als eigentliche Motivierung des Markers in diesen Ansätzen, «that languages that do not distinguish subject and direct object tend to develop extra markers to indicate direct objects if they are too similar to typical subjects» (ibid. mit weiteren Literaturhinweisen). Zur anderen und gewissermaßen entgegengesetzt argumentierenden Gruppe von Ansätzen gehört insbesondere die oft zitierte Transitivitätstheorie von Hopper/Thompson (1980) (s. Kap. 2.6.1 und Kap. 2.6.2). Von Heusinger/Kaiser (2007, 83) sprechen von der «Transitivity Thesis». Dabei wird davon ausgegangen, «that a direct object is marked if it is a ‹good› argument in a transitive sentence» (ibid.). Und in der Tat werden die beiden Faktoren, die von Comrie (1989, 134) als Zeichen geringer Natürlichkeit angeführt werden, Definitheit und menschliches Denotat (s.o.), bei Hopper/Thompson (1980, 253) quasi invers interpretiert, nämlich «positiv» als Hinweis auf besonders transitive Sätze. Zu einer vergleichbaren Einschätzung kommt auch Næss (2007), die von prototypischer Transitivität spricht (cf. ibid.; s. Kap. 2.7.10 für Details). Während also offenbar die Motivierung divergiert, sind die Vorhersagen, welche Objekt-NPs markiert werden, in etwa die gleichen. Insbesondere bei Ansätzen, die der «Ambiguity Thesis» zugeordnet werden können, lässt sich als zugrunde liegende Annahme eine Markiertheitstheorie ausmachen (s. dafür Kap. 2.5): Abweichungen von frequenzbasierten Erwartungen werden als besonders, d.h. markiert, gewertet. Eine solche frequenzbasierte Motivierung von Markiertheit diskutiert bspw. Croft (2003, 110ss., er bespricht v.a. Greenberg 1966). Bei Waugh/Lafford (2000) findet sich allerdings ein Verweis auf Schwartz (1980), «who shows that text frequency does not always correlate with markedness» (Waugh/Lafford 2000, 275). Dass die Markiertheitstheorie z.T. auch abgelehnt wird, wurde bereits angesprochen (cf. etwa Haspelmath 2006; s. Kap. 2.5). In die Forschung zur differentiellen Objektmarkierung hat sie allerdings, wie oben bereits thematisiert, ihren Weg gefunden. Bspw. geht auch Aissen (2003), deren Ansatz ebenfalls der Ambiguity Thesis zuzuordnen ist (cf. Heusinger/Kaiser 2007, 83), von einem Markiertheitsprinzip aus. Sie bezeichnet das Phänomen, dass «what is marked for objects is unmarked for subjects, and
140 Die Überlegungen stellen einen Vorgriff auf das folgende Kapitel dar, wo Faktorhierarchien besprochen werden (s. Kap. 2.7.7).
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur
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vice versa» (Aissen 2003, 438),141 dass also typische Eigenschaften von Subjekten untypische von Objekten sind und andersherum, in Anlehnung u.a. an Croft (2003, 174) als «markedness reversal» (Aissen 2003, 438).142 Ein frequenzbasierter Ansatz ist naheliegenderweise mit Zahlen zu veranschaulichen. Während Aissen (2003, 463) zumindest stellenweise relative Zahlen nennt, verzichtet Comrie (1989, 133s.) in den oben zitierten Abschnitten darauf. Umfassende Quantifizierungen finden sich allerdings bei García García (2010). Er nimmt sich die ADESSE-Datenbank (http://adesse.uvigo.es) vor und zählt transitive Sätze hinsichtlich der relativen Belebtheit von Subjekt- und Objektdenotat aus (cf. García García 2010, 31ss.). Wie er angibt, handelt es sich um den ersten «auf einer breiten empirischen Basis beruhenden Überblick über die Belebtheitsdistribution» (ibid., 31s.), der Subjekt und Objekt umfasst.143 Tatsächlich stellt dabei das Verhältnis aus belebtem Subjekt und nicht-belebtem direkten Objekt mit fast 75% der Sätze die größte Gruppe (cf. ibid., 32). Das inverse Verhältnis mit unbelebtem Subjekt- und belebtem Objektdenotat tritt mit nur gut einem Prozent am Seltensten auf (cf. ibid.). Im nächsten Schritt berücksichtigt García García (2010, 34ss.) die differentielle Objektmarkierung. Er zeigt, dass das direkte Objekt relativ am häufigsten markiert ist, nämlich in fast 82% der Fälle, wenn ein unbelebtes Subjekt- auf ein belebtes Objektdenotat trifft (cf. ibid., 35). Wie gesagt machen die Okkurrenzen aber nur gut ein Prozent der transitiven Sätze aus (cf. ibid., 32). Innerhalb der Gruppe mit der häufigsten Konfiguration aus belebtem Subjekt- und unbelebtem Objektdenotat ist nicht einmal ein Prozent der Objekte markiert (cf. ibid., 35). García García (2010) belegt somit quantitativ einen wichtigen Teil der Theorie Comries (1989) und weiterer Forscher – den Teil, der die Denotatsklasse betrifft.144 García García (2010, 36) betont allerdings, dass die Möglichkeit einer a-Markierung im Falle der unmarkierten Struktur mit belebtem Subjekt- und unbelebtem Objektdenotat von der genannten Theorie nicht vorgesehen und daher schwer erklärbar ist. Wie gesagt zeigt er aber, dass im Spanischen tatsächlich eine sehr deutliche entsprechende Tendenz besteht.
141 Eine fast gleiche Formulierung findet sich ohne punktuellen Verweis auch bei Klein/de Swart (2011). 142 Aissen (2003, 438) stuft das Verhältnis als ikonisch ein. Der Ikonizitätstyp wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit abstrakte Ikonizität genannt (s. dafür Kap. 2.7.12). 143 Besonders ist dabei die Monofaktorialität: García García (2010, 31ss.) betrachtet an diesem Punkt nur die Denotatsklassen, nicht aber die Form der NP, die ja bspw. Comrie (1989, 128) damit vermengt. 144 García García (2010, 53) präsentiert später auch eine Tabelle zur Frequenz, mit der definite NPs markiert werden. Er beschränkt sich dabei allerdings auf das Subset unbelebter Objekte (cf. ibid.).
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2 Theorie
Eine rein frequentielle Beschreibung der DOM ist allerdings einerseits unbefriedigend. Im einfachsten Fall muss sie so verstanden werden, dass sie einen mechanistischen Sprechvorgang zugrunde legt. Insofern sie keine konkreten, bspw. semantischen oder konzeptuellen Gründe liefert, ist keine profunde Erklärung möglich. Andererseits ist auch die Frequenz an sich ein problematisches Konzept. In den oben präsentierten Ansätzen wird lediglich die Frequenz des Objekts oder der Kombination aus Subjekt- und Objektdenotat untersucht. Dabei werden verschiedene andere Faktoren außer Acht gelassen. Insbesondere die (relative) Frequenz des regierenden Verbs könnte eine gewisse Rolle spielen. Darauf deuten die experimentellen Daten hin, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit erhoben wurden (s. Kap. 3.2) mit dem Ziel, Indizien für die Verarbeitung zu sammeln. Die Frequenz der Kookkurrenz von Verb und Objekt spielt demnach möglicherweise eine besondere Rolle in der Verarbeitung. Auch dass sehr enge, d.h. idiomatisierte, Verbindungen aus bestimmten Verben und Objekten typischerweise ohne a-Markierung auftreten (s. Kap. 2.7.3.2), ist als Hinweis darauf zu werten, dass Frequenz nur dann als tragfähiger Faktor eingesetzt werden kann, wenn sie mehrere Ebenen berücksichtigt. Mit den vorgestellten Faktoren sind sicher noch nicht alle abgearbeitet, die in der Literatur diskutiert werden. Wie aber gezeigt wurde, liegen sehr unterschiedliche Ansätze vor, die das direkte Objekt betreffen. Jeder Fokus bringt eine eigene Herangehensweise mit sich, die eine andere Eigenschaft beleuchtet oder eine bestimmte Eigenschaft von einer anderen Warte aus betrachtet. Mehrfach berührt wurden dabei Fragen nach Faktorkombinationen. Ihnen gilt das nächste Unterkapitel. In den darauf folgenden Unterkapiteln werden weitere Elemente des Satzes in die Überlegungen einbezogen.
2.7.7 Hierarchisierungen und Skalen In den vorangegangenen Kapiteln wurden bereits diverse mögliche Faktoren für die a-Markierung des direkten Objekts diskutiert. Es wurden lexikalische und die Form der NP betreffende Eigenschaften besprochen sowie referentielle, syntaktische und diskursrelevante. Die Abgrenzungen zwischen den diversen Kategorien stellen ein methodisches Hilfsmittel dar.145 Insbesondere weil die Faktoren auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelt sind, beschränkt sich die sprachliche Realität offensichtlich höchstens in Ausnahmefällen auf einzelne von ihnen. Auch
145 Wie angesprochen, besteht in der Literatur eine gewisse Tendenz zu einem solchen Vorgehen, aber keine Einheitlichkeit.
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur
111
auf deskriptiver Ebene ist die gezielte Berücksichtigung von Beziehungen zwischen ihnen wichtig. In den Kapiteln 2.7.3 bis 2.7.5 wurden aus dem Grund mehrfach die Verhältnisse und die gegenseitige Relevanz der Kategorien füreinander besprochen. Dort war die Intention, dass die Einzelbeschreibung vervollständigt würde. Im vorangegangenen Kapitel wurde zudem auf Faktoren eingegangen, die zu den anderen orthogonal verlaufen. Im Folgenden werden nun Ansätze besprochen, die die verschiedenen Faktoren gezielt miteinander verbinden und sie im Zuge dessen relativ zueinander werten. Das Ziel solcher Ansätze ist, Hierarchien zu erstellen, die zeigen, welche Ausprägungen der Faktoren eine a-Markierung mehr oder weniger wahrscheinlich machen (cf. bspw. auch RAE 2009, 2631).146 Die RAE (2009, 2631) gibt an, dass in Faktorenhierarchien die Verbindung ‘Eigenname einer menschlichen Entität’ zumeist an höchster Position stehe. Sie begründet das mit der diachronen Stabilität der Markierung der Faktorkombination (cf. ibid.). Sie beschränkt sich allerdings an der Stelle auf die kurze Andeutung anhand einer bifaktoriellen Opposition (cf. ibid., 2631s.). Offenbar ist aber eine solche Herangehensweise nicht allzu hilfreich. Eine Hierarchie benötigt mehr als die beiden Ausprägungsmöglichkeiten gegeben vs. nicht-gegeben. Dass lediglich zwei Faktoren angesetzt werden, ist in der Literatur allerdings recht üblich. In seiner übereinzelsprachlich angelegten Beschreibung geht etwa Comrie (1989, 127ss.) explizit von den beiden Faktoren Definitheit und Belebtheit aus.147 Er fasst die beiden Faktoren graduell auf (cf. ibid.), es wären also mehr als zwei Ausprägungen möglich. Die Besonderheit seines Ansatzes ist, dass er zusätzlich das Verhältnis von Agens und Patiens hinsichtlich der beiden Faktoren in den Blick nimmt (cf. ibid.). Er klassifiziert das Verhältnis aus belebtem und definit ausgedrücktem Agens und unbelebtem, indefinit realisiertem Patiens als «natürliche» Transitivität (cf. ibid., 128). Abweichung von dem Pattern können bei der Objekt-NP zur Markierung führen (cf. ibid., 129ss.). Sonderfälle lassen sich laut García García (2010, 36) mit der Theorie nicht gut beschreiben. Besonders einflussreich ist der Ansatz von Aissen (2003).148 Sie versucht die differentielle Objektmarkierung zu graduieren und herauszuarbeiten, wann eine
146 Es gibt viele weitere Arten von Hierarchisierung in der Linguistik, darunter auch einige weitere, die im vorliegenden Kontext eine gewisse Relevanz haben könnten, etwa Hierarchien syntaktischer Funktionen oder von Aktanten. Hier wird der Fokus jedoch auf Ansätze gelegt, die sich in besonderem Maß für die Beschreibung des direkten Objekts eignen. Auch diesbezüglich fokussieren die Ausführungen auf besonders relevante Publikationen. 147 Der Ansatz wird auch in Kap. 2.7.6 und Kap. 2.7.10 angesprochen. 148 Auf Aissen (2003) wird bspw. in den folgenden Publikationen Bezug genommen, die sich mit (u.a.) der spanischen DOM beschäftigen: García García (2010), von Heusinger (2008), von Heusinger/Kaiser (2007), Laca (2006), Leonetti (2004), de Swart/de Hoop (2007) usw.
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2 Theorie
regelhafte Markierung zu erwarten ist, unter welchen Umständen sie optional und wann sie ausgeschlossen ist. Sie geht davon aus, dass es einen Transition Point gibt, also eine Art Grenze, an der bestimmte Merkmalsausprägungen gelten und die den Übergang zwischen Markiertheit und Nicht-Auftreten des Markers darstellt (cf. ibid., 458ss.). Unter Zuhilfenahme eines optimalitätstheoretischen Modells vergleicht sie mehrere Sprachen miteinander, um einzelsprachlich relevante Faktoren zu bestimmen. Sie ordnet die differentielle Objektmarkierung im Spanischen als zweidimensional ein (cf. ibid., 462; s. aber die Überlegungen unten).149 Sie sieht dabei zwei Skalen als relevant an und verwendet für sie die Begriffe Animacy und Definiteness Scale (cf. ibid., 437). Sie sind den oben angeführten Faktoren ähnlich. Die Belebtheitsskala ist bei Aissen (2003, 437) dreigliedrig (menschlich, belebt, unbelebt). Die fünfstufige Definitheitsskala ist mit referentieller Information angereichert. Es wird also die Form der NP unterschieden in Personalpronomen, Eigenname, definite und indefinite NP (cf. ibid.). Der indefiniten NP fügt sie aber noch das Merkmal spezifisch bei und ergänzt als fünfte und am wenigsten definite Stufe eine unspezifische NP, allerdings ohne einen Hinweis auf ihre Form (cf. ibid.). In ihrem Modell sind also genau genommen drei Faktoren relevant. Die Verhältnisse zwischen den Faktoren sind ex ante nicht vorhersagbar, auch weil die Hierarchien miteinander verwoben sind (cf. Croft 2003, 167). Wie allerdings bspw. auch García García (2010, 12) in dem Zusammenhang bzgl. des Spanischen betont, hat die Definitheit «gegenüber dem Faktor Belebtheit offenbar eine geringere Relevanz». Die Verstrickung der Faktoren untereinander führt zu begrenzten Kombinationsmöglichkeiten in realen Sprachen. Wie Aissen (2003) unter Verweis auf Ramsden (1961)150 betont, können sich betonte Personalpronomen in Objektfunktion nicht auf unbelebte Entitäten beziehen (cf. Aissen 2003, 462 sowie Croft 2003, 167). Auch die Spezifizität ist im Verhältnis zu den anderen Faktoren nicht frei zu verteilen. Personalpronomen und Eigennamen sind in aller Regel spezifisch. Das rechtfertigt die implizite Zusammenfassung bei Aissen (2003, 437) ein Stück weit. Auch ein solcher Ansatz kann offenbar sehr gut Tendenzen abbilden. Wird er wie im Fall von Aissen (2003) mit recht feinen Distinktionen versehen, so kann er auch Übergangsbereiche eingrenzen. Bestimmte Abweichungen von den herausgearbeiteten Tendenzen, insbesondere die ebenfalls mögliche Markierung
149 Aissen (2003, 462ss.) fokussiert das Altspanische. Sie geht davon aus, dass die differentielle Objektmarkierung im modernen Spanisch ähnlich funktioniert (cf. ibid., 463, 471) und Unterschiede darin bestehen, dass das heutige System weniger flexibel ist (cf. ibid., 462, 471). 150 Der Verweis wird in Kap. 2.7.3 kritisch erwähnt.
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur
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von Objekten mit unbelebtem und unspezifischem Denotat, kann er jedoch nicht erfassen (cf. auch García García 2010, 13s.).
2.7.8 Verbklassen: Transitivitätsgrad und Selektionspräferenzen Gegenüber den vorangegangenen Ausführungen, wo der Fokus auf dem Nomen in Objektposition lag, wird in den folgenden Unterkapiteln auch die weitere Struktur in den Blick genommen. Zunächst wird das Verb besprochen. Da die differentielle Objektmarkierung innerhalb der Verbalphrase erfolgt, liegt es nahe, dass das Verb eine gewisse Rolle spielt. Beim Verb handelt sich um eine vielfach und in diverser Weise beschriebene Kategorie. Dementsprechend hoch ist auch die Zahl an möglichen Eigenschaften, anhand derer sich Verben in Hinblick auf Gemeinsamkeiten oder Unterschiede gruppieren lassen. Zentrale Eigenschaften von Verben wurden bereits in Kap. 2.6.1 behandelt. Im vorliegenden Rahmen sind insbesondere die relevant, die sich für eine Transitivitätshierarchie nutzen lassen. Wie die dort besprochenen Ansätze zeigen, ist das für eine Vielzahl an Eigenschaften der Fall. Von den zehn Faktoren der Transitivitätshierarchie von Hopper/Thompson (1980, 252) lassen sich bspw. mindestens neun (auch) anhand der lexikalischen Information des Verbs bestimmen.151 Darunter sind solche, die die Art des verbalen Sachverhalts betreffen wie Action vs. Non-Action («Kinesis», ibid.), und solche der Ereignisstruktur wie die Aktionsart und die zeitliche Ausdehnung des Sachverhalts sowie solche, die die Partizipanten betreffen sowohl in ihrer Zahl als auch – etwas freier formuliert – in Ihrer Natur («Individuation», ibid.), ihrer Haltung zum («Volitionality», ibid.) und ihrer Beteiligung am Sachverhalt («Agency», ibid., d.h. etwa die eigenmächtige Wirksamkeit, sowie die «Affectedness», ibid., des Objektdenotats). Lehmann (1991) präsentiert ähnliche Überlegungen im Rahmen einer stärker auf Verben gemünzten, leicht erweiterten und verfeinerten Herangehensweise zur Verbklassifikation (s. Kap. 2.6.1). Die Relevanz von Verben für die DOM wird in der Literatur regelmäßig angesprochen. Schon in weniger jungen Veröffentlichungen findet sich etwa der Versuch, über die jeweils regierenden Verben die «unerwartete» a-Markierung
151 Natürlich handelt es sich nicht bei allen um lexikalisch-semantische Kategorien. So wird Modus häufig als grammatisches Phänomen verstanden, da in vielen Sprachen morphologische Marker vorhanden sind. Eine Abschwächung des Realitätsgehalts einer Äußerung ist jedoch auch mit entsprechenden Verben möglich (bspw. mit unterschiedlichen Sprechaktverben wie behaupten, annehmen usw.) (cf. bspw. Becker 2013, 155).
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2 Theorie
von Objekten mit unbelebtem Denotat zu erklären (cf. bspw. Bello 1847, 567–570152; Bolinger 1953). Die RAE (1973, 373) geht etwa anhand angenommener Frequenzen von bestimmten Selektionspräferenzen von Verben aus. Sie stellt Folgendes fest: «Pueden llevar la preposición a los nombres de cosas que personificamos, o que usamos como complemento de verbos que por lo regular llevan complemento de persona con dicha preposición» (ibid.).
Demnach können also Objekte mit unbelebtem Denotat markiert auftreten, wenn sie von Verben regiert werden, die typischerweise Objekte mit menschlichem Denotat regieren. Die RAE (1973) listet an der besagten Stelle v.a. Handlungsverben und Gefühlsverben mit Objekten, die Abstrakta denotieren wie llamar a la muerte (‘den Tod anrufen’) und temer a la pluma (‘die Schreibfeder fürchten’) (Beispiele nach RAE 1973, 373). In der Erklärung zeigt sich aber auch die enge Verbindung mit Erklärungsansätzen, die über die Personifizierung erfolgen. Frequenziell ließe sich ein solcher Ansatz sicherlich präzisieren. Es ist allerdings recht wahrscheinlich, dass sich nicht alle Annahmen zu Frequenzen auch statistisch in großen Korpora zeigen lassen. Schwieriger zu überprüfen wäre möglicherweise die Überlegung von King (1984). Er zählt die Qualität des Verbs als Voraussetzung, dass eine unerwartete Markierung oder Nicht-Markierung auftreten: «some verbs lend themselves to compatibility with human direct objects while others normally take nonhuman objects» (ibid., 400). Auch hier ist es recht wahrscheinlich, dass viele Sprecher die Intuition teilen würden. Verben werden im Kontext der DOM außerdem diskutiert, wenn es darum geht, den Ursprung der Markierung auszumachen. So diskutiert Müller (1971, 495) bestimmte Verbgruppen als «materielle (formale) Quelle» für die a-Markierung. Demzufolge «kommen die spätlateinischen Verben des Bittens, Forderns und Fragens in Betracht» (ibid.). Verbklassen werden nicht nur in Bezug zum Ursprung, sondern v.a. auch zu Entwicklungspfaden gesetzt. Mit von Heusinger/Kaiser (2007; 2011) und von Heusinger (2008) liegen dazu mehrere diachrone Korpusuntersuchungen vor. Sie setzen mehrere Verbklassen entsprechend eines Transitivitätsgrades an, in von Heusinger/Kaiser (2007, 94) sind es bspw. vier Verbklassen, von denen sie in ihrer Analyse drei berücksichtigen. Die Autoren zielen dabei auf eine eingängige Gruppierung und nicht darauf, die Klassen als solche zu diskutieren. Ihre Klassifizierung beruht auf einer Affectedness-Skala in Anlehnung insbesondere an
152 Der Verweis findet sich etwa bei Torrego Salcedo (1999, 1800) und von Heusinger/Kaiser (2007, 87).
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur
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Pottier (1968, 87)153 (cf. von Heusinger/Kaiser 2007, 94). Sie vereinfachen und verschieben die Klassifikationsbasis allerdings weg von den Verben und bestimmen die Skala stattdessen als dreistufige Belebtheitsskala hinsichtlich des angenommenen154 Objektdenotats (cf. ibid.).155 Für ihre Gruppe von Verben mit (typischerweise) belebtem Objektdenotat untersuchen sie matar (‘töten’) und herir (‘verletzen’), für Verben ohne Belebtheitspräferenz ver (‘sehen’) und hallar (‘finden’) und für Verben mit einer Präferenz zu unbelebten Denotaten des Objekts poner (‘setzen, stellen, legen’) und tomar (‘nehmen’) (cf. ibid.). Die Wahrscheinlichkeit einer Markierung ist in der Gruppe mit typischerweise belebtem Objekt höher, wie die Autoren zeigen, steigt sie aber in allen drei Gruppen im Verlauf der Zeit (cf. ibid., 102, 106). Von Heusinger/Kaiser (2011) verfeinern den Ansatz und bauen die Untersuchung aus. Es finden sich auch in synchron ausgerichteten Publikationen verschiedene Hinweise zur Relevanz von Verbklassen. Bspw. lassen Verben sich hinsichtlich einzelner Bedeutungsmerkmale klassifizieren. Leonetti (2004, 99) etwa stellt im Kontext der Objektinkorporation (s. Kap. 2.7.6) fest, dass Gefühlsverben den Marker fordern. Interessant sind auch Verben, die Subjekt- und Objektdenotat in ein bestimmtes Verhältnis setzen wie acompañar (‘begleiten’), seguir (‘folgen’), aber auch calificar (‘bewerten’) (cf. dafür Roegiest 1980, 147; Torrego Salcedo 1999, 1788; García García 2010, 14, Fußnote 8). Roegiest (1980, 147) gibt an, dass die a-Markierung des Objekts mit der Vertauschbarkeit von Subjekt und Objekt zu tun hat. Delbecque (2002, 92s.) geht für Positionsverben wie preceder (‘vorangehen’) und seguir (‘folgen’) von einem bedeutungsunterscheidenden Prinzip aus, wobei der a-Marker auftritt, wenn eine lineare Anordnung ausgedrückt wird, und die Markierung ausbleibt, wenn ein Abhängigkeitsverhältnis zum Ausdruck kommt. Der Vorschlag vereinfacht die Umstände etwas zu stark (s. auch die Ausführungen zu Substitutionsverben, insbes. in Kap. 4.1.2.2). Es bleibt aber festzuhalten, dass es, wie auch Torrego Salcedo (1999, 1788) betont, bei Verhältnisverben unabhängig von vielen anderen Faktoren regelmäßig zur Markierung kommt.
153 Tatsächlich zeigt Pottier (1968, 87) keine abstrakte Skala der Affiziertheit, sondern vielmehr einen Vorschlag für vier Verben, die entsprechend der Stärke der Affiziertheit ihres Objektdenotats geordnet sind. Diese übernehmen von Heusinger/Kaiser (2007, 94). 154 Dass bspw. das Verb matar (‘töten’) keineswegs immer mit einem Objekt mit belebtem Denotat konstruiert werden muss, wird nicht problematisiert (cf. von Heusinger/Kaiser 2007, 94). 155 Ihre plakative Feststellung, «[t]he findings confirm our original hypothesis that the verb class is a main parameter for DOM in Spanish» (von Heusinger/Kaiser 2007, 84), ist daher mit etwas Vorsicht zu genießen.
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2 Theorie
Ein wichtiger Verfechter der Relevanz von Verbklassen ist Fernández Ramírez (1986). Er schlägt vor, das Auftreten und Ausbleiben der a-Markierung auf Verbklassen zu mappen (cf. ibid., 175). In seinen Ausführungen bringt er insbesondere Abweichungen von Erwartungen mit Verbklassen in Verbindung (cf. ibid., §23–25). Für Verben, die mit unmarkiertem Objekt mit menschlichem Denotat auftreten können, nennt er «verbos que predican deseo, necesidad, busca, apetencia de algo» (ibid., 175). Zudem führt er Verben an, die typischerweise ein Objekt mit menschlichem Denotat regieren, bspw. amar (‘lieben’, Bsp. aus ibid., 175) und stellt fest, dass das Auftreten von a instabil sei (cf. ibid., 175s.). Unter Berücksichtigung unterschiedlicher Nominalklassen führt er seine Überlegungen weiter aus (cf. ibid., §23–25; s. bspw. auch die Erläuterungen in Kap. 2.7.4 zu Objekten mit tierischem Denotat). Bei Fernández Ramírez (1986) zeigt sich eine ähnliche Schwierigkeit wie in der RAE (2009), die in einer heterogenen Klassifikation und damit einhergehenden undeutlichen Abgrenzungen besteht. In der RAE (2009, 2641ss.) finden sich ebenfalls Überlegungen zu lexikalisch-semantischen Verbgruppen. Verben werden zunächst in drei Gruppen unterteilt, je nachdem ob die Markierung der von ihnen regierten Objekte mit menschlichem Denotat obligatorisch, ausgeschlossen oder möglich ist (cf. ibid., 2641). Bereits in der ersten Gruppe figurieren die uneinheitlichen Klassen von Verben einerseits, «los que alternan los complementos directos con los indirectos» (ibid.), und andererseits der Gefühlsverben. Zur zweiten Gruppe werden Verben des Verursachens, des Bittens und existentielle Verben wie haber (‘haben’, ‘vorhanden sein’) und tener (‘haben’) gezählt (cf. ibid., 2642). Sie eint im Gegensatz zu den anderen Gruppen, dass konkrete und auf einem vergleichbaren Abstraktionsniveau angesiedelte semantische Merkmale vorliegen. Bzgl. der dritten Gruppe, bei der eine Markierung möglich ist (cf. ibid., 2641), wird in der RAE (2009, 2643) zunächst kritisiert, dass in der Forschungsliteratur divergente Faktoren angesetzt werden, nämlich «sintácticos, semánticos y discursivos», die nicht deutlich voneinander abgrenzt werden. Bezüglich lexikalischer Eigenschaften werden sodann aber u.a. die folgenden, wiederum uneinheitlichen angeführt (cf. ibid., 2643ss.): Verben, die in Abhängigkeit eines Vorhandenseins des Markers unterschiedliche Bedeutungen realisieren, Kreations- und intensionale Verben, aber auch Verben mit einer «naturaleza más o menos activa» (ibid., 2644). Wie gesagt, zeigt sich eine gewisse Uneinheitlichkeit, die Verallgemeinerungen zumindest erschwert. Dabei handelt es sich um ein naheliegendes, generelles Problem von lexikalisch-semantischer Gruppierung, das auch Vergleiche zwischen ähnlichen Ansätzen beeinträchtigen kann. Nichtsdestotrotz verschaffen derartige Auflistungen einen Eindruck davon, welche Phänomene relevant sind. Verbklassen, die auf verallgemeinerbaren Merkmalen beruhen, haben demgegenüber praktische Vorteile. Besonders hilfreich sind solche, die Transitivitätsskalen
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wie etwa die oben angesprochene von Hopper/Thompson (1980) berücksichtigen. Sie dienen nicht nur der Faktorzerlegung. Vielmehr ermöglichen sie es, Transitivitätsgrade anhand von Faktorkombinationen zu ranken. Auf der Basis des Rankings werden Erwartungen gebildet, welche Objekte markiert werden. Je stärker eine Eigenschaft oder je mehr Eigenschaften des Satzes und damit auch des Verbs für eine (hohe) Transitivität sprechen, desto wahrscheinlicher ist die Markierung des Objekts (cf. ibid., 279). Verschiedene Spezialisten für die differentielle Objektmarkierung bestätigen die Tendenz für den Verbalbereich in ihren Arbeiten. Die folgende kurze Vorstellung zweier Publikationen hat entsprechend exemplarischen Charakter. Darin kommen zwei Faktoren der Systematik von Hopper/Thompson (1980, 252) zum Tragen, der (lexikalische) «Aspect» und die «Kinesis». Torrego Salcedo (1999, 1784ss.) diskutiert ebenfalls die Relevanz von Verbklassen für die a-Markierung und nimmt in dem Zusammenhang Bezug auf die Temporalstruktur als Faktor. Sie spricht die Aktionsart von Verben, d.h. den lexikalischen Aspekt (s.o.), an und korreliert sie unter Berücksichtigung des grammatischen Aspekts mit der a-Markierung (cf. ibid., 1787ss.). Für die Verbgruppe, die eine Markierung erlaubt, aber nicht obligatorisch fordert, gibt sie an, dass bestimmte telische Verben in perfektiven Kontexten156 eine a-Markierung des Objekts mit menschlichem Denotat fordern (cf. ibid., 1787). Sie nennt u.a. das Verb curar (Bsp. aus ibid., 1788, ‘heilen’), zeigt in ihrem Beispielpaar aber keine aspektuelle Opposition, sondern nur diejenige eines belebten vs. eines unbelebten Subjekts, was sich in dem Fall nicht auf das Auftreten des Markers auswirkt (cf. ibid.).157 In ihren weiteren Ausführungen zur Aktionsart (und dem grammatischen Aspekt) versucht sie, das Auftreten bzw. Ausbleiben des Markers direkt auf Lesartendivergenzen zu mappen (cf. ibid., 1788ss.). In den diskutierten Beispielen sind allerdings offenbar auch die Faktoren der Form (Indefinitheit) und des referentiellen Werts der Objekt-NP (Spezifizität) relevant (cf. ibid.), sodass an dieser Stelle auf eine Aufarbeitung verzichtet wird. Torrego Salcedo (1999) sammelt einige Indizien, eine umfassende Untersuchung des möglichen Zusammenhangs von Aspekt und Aktionsart mit der differentiellen Objektmarkierung bleibt jedoch ein Desiderat. Kliffer (1995) greift sich einen weiteren Bestandteil der Skala von Hopper/ Thompson (1980, 252) heraus, der der Temporalstruktur bzw. der Aktionsart zuzuordnen ist (cf. Kliffer 1995, 106s.). Die sogenannte Kinesis beschreibt die
156 Torrego Salcedo (1999, 1787) umschreibt die Eingrenzung als Sätze, in denen eine «acción terminada» zum Ausdruck kommt. 157 Ihr Beispielpaar lautet wie folgt: {El médico / La medicina} curó al herido (Bsp. aus Torrego Salcedo 1999, 1788, ‘{Der Arzt / die Medizin} heilte den Verletzten’).
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Qualität des Verbalvorgangs mit den beiden Polen Aktion vs. Zustand (cf. ibid. nach Hopper/Thompson 1980, 252). Wie er angibt, besteht eine Korrelation zwischen der Nähe eines Verbs zum Pol der Aktion und der Auftretenswahrscheinlichkeit der Markierung, die er in einer eigenen Untersuchung (s.u.) belegt (cf. Kliffer 1995, 106s.). Als Beispiele für solche Verben nennt er etwa llamar (‘(an-) rufen’) und despedir (‘verabschieden’; ‘entlassen’) (Beispiele aus ibid., 107). Als Gegenbeispiele führt er u.a. despreciar (‘verachten’) und tener (‘haben’) (Beispiele aus ibid.) an. Neben der möglicherweise verfeinerbaren Auswahl von Verben158 ist ein Kritikpunkt herauszustellen. Kliffer (1995, 106s.) erhebt Daten mittels eines Grammatikalitätsfragebogens, der offenbar lediglich Beispielsätze enthält, in denen kein a auftritt bzw. wo es weggelassen wurde. Dadurch wird nur die eine Hälfte der Problemstellung überprüft. Unberücksichtigt bleiben hingegen Beispiele, in denen ein a auftritt, das der These Kliffers widersprechen würde. Wie gezeigt wurde, ist der Verbalbereich vielversprechend, wenn es darum geht, die differentielle Objektmarkierung genauer zu beschreiben. Die folgenden Unterkapitel nehmen immer wieder darauf Bezug und verfeinern die Überlegungen weiter. Die im Rahmen der vorliegenden Arbeit durchgeführte Untersuchung gesteht Verben und verbalen Eigenschaften einen besonderen Fokus zu. Einerseits wird das Analysekapitel entsprechend einer Transitivitätshierarchie angeordnet (s. Kap. 2.8.5). Andererseits und v.a. werden aber auch verbale Eigenschaften immer wieder hinterfragt und mit anderen Faktoren in Beziehung gesetzt. Die vorliegende Arbeit leistet so einen besonderen Beitrag zur Semantik von Verben. Wie sich in Hinblick auf die DOM zeigen wird, gehen die Verben entsprechend ihrer Selektionspräferenz mit einem gewissen Potential einher, was die Konzeptualisierung von unterschiedlichen Objektklassen betrifft. Das Verhältnis in Hinblick auf entsprechend ihres Transitivitätsgrads geordnete Verbklassen ist weniger eindeutig. Wichtig ist, dass der jeweilige Kontext das Potential der lexikalischen Verbklassen überschreiben kann, weshalb auch diesbezüglich keine uneingeschränkte Korrelation besteht.
158 Die Einordnung ist nicht bei allen Verben in gleichem Maße nachvollziehbar. So wird auch embellecer (‘verschönern’, ‘schmücken’) als nah am Aktionspol, encontrar (‘finden’, ‘treffen’) hingegen nahe am Zustandspol beschrieben (cf. Kliffer 1995, 107). Möglicherweise wurden Mischdefinitionen herangezogen oder aber es liegt ein Zirkelschluss von Einordnungen anhand der Form auf Grundlage der Untersuchungsergebnisse (s. Fließtext) vor.
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2.7.9 Sekundäre Prädikation In der Forschungsliteratur zur differentiellen Objektmarkierung werden bestimmte Elemente, die der Objekt-NP in der Lautkette folgen, bisweilen als für die Markierung relevant diskutiert. Besonders interessant sind verbale und deverbale Einheiten. Sie werden in Anlehnung an García García (2010, 199ss.) unter dem Terminus der sekundären Prädikation zusammengefasst (cf. aber bspw. auch Delbecque 1994; s. Kap. 2.7.11). Ihre Rolle in Hinblick auf die a-Markierung ist nicht per se festgelegt, unterschiedliche Betrachtungsweisen können zu divergierenden Bestimmungen führen.159 Wie gezeigt wird, lassen sich einige wichtige Erkenntnisse aus dem Transitivitätsansatz von Hopper/Thompson (1980) ableiten. Er legt allerdings auch nahe, dass solche Substrukturen zwar aufschlussreich sind, sie aber v.a. Effekte verstärken, die ohnehin im Satz vorhanden sind. Die Thematik wird daher recht kurz behandelt. Auf Strukturen mit tener (‘haben’), Kausativ- und Perzeptionsverben wird besonders eingegangen, weitere werden zur Abgrenzung angesprochen.160 Wenngleich der Ansatz hier nicht übernommen wird, ist García Garcías (2010, 198ss.) Kapitel 7 zu «Prädikationen mit nicht-maximaler rollensemantischer Distinitivität» (ibid., 198, Hervorhebung i.O.) als ideengebend zu nennen. Das Verb tener (‘haben’) fällt in die Klasse der sogenannten existentiellen Verben (cf. bspw. schon Bolinger 1953, 343, aber auch etwa RAE 2009, 2642). In der Grundbedeutung, die grob ‘besitzen’ ähnelt, wird das Objekt nicht a-markiert (cf. bspw. ibid.; von Heusinger/Kaiser 2007, 94). Es gibt allerdings bestimmte lexikalisch-semantische Varianten und Fälle von pragmatischer Aktualisierung, bei denen die Markierung sehr wohl möglich und z.T. üblich ist (cf. RAE 2009, 2642s.).161 Besonders viele Beispiele von tener mit a-markiertem Objekt
159 Auch hinsichtlich der funktionalen Klassifikation der im Folgenden besprochenen Strukturen herrscht keine völlige Eindeutigkeit. Kausativkonstruktionen mit hacer (‘machen’) werden bspw. als komplexe Prädikate (cf. bspw. Hernanz 1999, 2254) oder gar als «kausative Diathese» (Tesnière 1980) bezeichnet. Andere Strukturen mit Infinitiv werden z.T. als AcI aufgefasst (cf. bspw. Lambertz 1997). Mit der Unterscheidung von Strukturen mit Infinitiv und mit Gerundium beschäftigt sich bspw. Jäger (1993). Die Thematik kann hier nicht vertieft werden, Egetenmeyer (unveröffentlicht) gibt einen Einblick in wichtige Überlegungen. 160 Die von García García (2010, 204ss.) ebenfalls angeführten Doppelobjektstrukturen wie Ana considera oración *ø / a la secuencia con verbo (Beispiel aus ibid., 201, ‘Ana hält eine Sequenz mit einem Verb für einen Satz’, Übersetzung in Anlehnung an ibid.) werden hier ausgeklammert. 161 Die RAE (2009, 2642) führt als lexikalisch-semantische Abweichung ‘gebären’ an und als besonderen pragmatischen Fall den, in dem eine Person vorgestellt wird. Wie das Beispiel in der RAE (2009), Aquí tenemos a un joven delincuente (Bsp. aus Gutiérrez Aragon, Morirás, zitiert nach RAE 2009, 2642, etwa ‘Hier haben wir einen straffälligen Jugendlichen’) zeigt, kann die Bedeutung durch den Zusatz aquí (‘hier’) verdeutlicht werden (cf. ibid., 2642).
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2 Theorie
präsentieren Miles/Arciniegas (1983).162 Die beiden Autoren gehen allerdings strikt von formalen Gründen aus (cf. ibid.). Solche werden im vorliegenden Rahmen nicht als eigentliche Motivation für die Markierung angesehen. Und auch in den Beispielen ist offensichtlich, dass auch andere Erklärungen der Umstände möglich wären. Fernández Ramírez (1986), der ebenfalls Strukturen von tener mit und ohne a-markiertem Objekt aufführt (cf. ibid., 155s.), weist auf die Tendenz u.a. von tener hin, mit Objekten aufzutreten, die nicht näher bestimmt oder virtuell sind (cf. ibid., 159). Besonders eingängig scheint allerdings, dass tener (‘haben’) offenbar ein markiertes Objekt regieren kann, wenn diesem prädikative Spezifizierungen folgen (cf. ibid.). Die RAE (2009, 2643) führt als Beispiel eine Okkurrenz mit objektbezogenem Gerundium an.163 [39] Tenemos (a) varios profesionales trabajando en ello. (Beispiel aus RAE 2009, 2643) Etwa: ‘Wir lassen gerade einige Profis daran arbeiten.’164 In solchen Beispielen zeigt sich eine Eigenschaft, die Torrego Salcedo (1999, 1793) wie folgt bestimmt: «[S]ólo cuando aparece a con el complemento se adscribe al sujeto de tener responsabilidad o causalidad en dicha atribución». Tener ist also nicht als neutrales existentielles Verb zu verstehen. Es enthält einen Bedeutungsbestandteil der Involviertheit seitens des Subjektdenotats am durch das Gerundium ausgedrückten Vorgang, den das Objektdenotat realisiert. Es nähert sich so den kausativen Verben an (cf. auch García García 2010, 202). Hernanz (1999, 2236) nennt u.a. die folgenden beiden Beispiele für kausative Strukturen. [40] Este abono hace crecer las plantas. (Beispiel aus Hernanz 1999, 2236) ‘Dieses Düngemittel bringt Pflanzen zum Wachsen.’
162 Auch King (1984, 403, Fußnote 24) nimmt auf die genannte Veröffentlichung Bezug. Er kritisiert die Publikation nicht, betont aber, dass auch sein Ansatz die Beispiele mit tener a + direktes Objekt (‘etw. / jdn. haben’) erklären könne (cf. ibid.). Kings (1984, 398) zentrale These ist, dass Objekte markiert werden können, die den gleichen (semantisch-konzeptuellen) Status wie der Sprecher aufweisen (s. Kap. 2.7.4). 163 Es sind noch weitere Realisierungen möglich. Bei Pensado (1995a, 32) findet sich etwa eines mit einem prädikativen Adjektiv (cf. in der Folge von ibid. auch von Heusinger/Kaiser 2007, 94, Fußnote 6). 164 Es wäre sicher auch eine Übertragung ohne das kausative Verb lassen möglich. Hier scheint es allerdings hilfreich, da es die zugrunde liegende Intention verdeutlicht (cf. auch Torrego Salcedo 1999, 1793, s. Fließtext).
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur
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[41] El payaso hizo reír a los niños. (Beispiel aus ibid.) ‘Der Clown brachte die Kinder zum Lachen.’ Es handelt sich dabei um sogenannte analytische Kausative (cf. bspw. Guasti 2006, 143), die als komplexe Prädikate beschrieben werden können (cf. Egetenmeyer unveröffentlicht, 36s. und die ausführlicheren Erläuterungen bei Hernanz 1999, 2247ss.).165 Typischerweise tritt hacer (‘machen’) als konjugiertes Verb auf. Die semantische Beschreibung ist in Kürze etwa, dass das Subjektdenotat von hacer das Denotat der NP im Akkusativ dazu bringt, den vom Infinitiv zum Ausdruck gebrachten Vorgang zu realisieren. Das Subjektdenotat ist somit volitional an der Umsetzung des Infinitivsachverhalts beteiligt. Damit hängt zusammen, dass die Kausativität, die von hacer ausgedrückt wird, zeitstrukturell nicht vom Infinitivsachverhalt getrennt werden kann und ihn zeitlich vollständig einschließt (cf. Egetenmeyer unveröffentlicht, 38).166 Bei einer Analyse als komplexes Prädikat können derartige Umstände in eine Transitivitätsbestimmung einfließen.167 Auch wenn Kausativkonstruktionen einen Sonderfall darstellen, lassen sich gute Argumente finden, um sie als verhältnismäßig stark transitiv zu bestimmen. Wie das obige Beispielpaar zeigt, ist eine Markierung möglich, aber nicht unbedingt immer gegeben. García García (2010) legt seinen Fokus bei den vorgestellten Strukturen auf das direkte Objekt (bei ihm auch «DO») in Hinblick auf seine Rolle im vom zweiten Verb ausgedrückten Sachverhalt. Er geht davon aus, dass «[e]ntscheidend ist, dass dieses DO als logisches Subjekt bzw. ‹controller› (Himmelmann/ Schultze-Berndt 2006, 4) der […] sekundären Prädikation fungiert» (García García 2010, 202). Im Rahmen seines Ansatzes nähert dieser Umstand das Objektdenotat in seiner konzeptuellen Wertigkeit dem Subjektdenotat an (cf. ibid., 203; s. Kap. 2.7.10).168 Die Interpretation ist aber bei den kausativen und kausativähnlichen Strukturen nicht unbedingt nötig, zumal sie den Blick vom Satzkern abwendet. Auch ein «herkömmlicher» Transitivitätsansatz, der trotz der besonderen
165 Die Variante mit dejar (‘lassen’) wird z.T. als abgeschwächter Kausativ verstanden. Weitere Möglichkeiten führt Hernanz (1999, 2259ss.) an. 166 Daraus folgt auch, dass eine Übertragung ins Deutsche mit dazu bringen, etwas zu tun der Ausgangsformulierung nur bedingt gerecht werden kann. 167 Natürlich wird die Struktur weniger einheitlich beschrieben als es in den kurzen Ausführungen erfasst werden kann. Abweichende Überlegungen finden sich etwa in der RAE (2009, 2011). 168 Auch Leonetti (2004, 88) betont für Strukturen mit sekundärem Prädikat die Ähnlichkeit des Objektdenotats mit dem des Subjekts. Er stellt dabei aber den von ihm als besonders wichtig angesehenen Faktor der Topikalität als Parameter heraus (cf. ibid.).
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2 Theorie
Struktur den Fokus konstant hält, kann hier gute Vorhersagen liefern. Die kausative Beteiligung des Subjektdenotats, die die Realisierung der Handlung des Objektdenotats entscheidend beeinflusst, macht es zu einem für einen transitiven Vorgang gut geeigneten Subjekt. Hopper/Thompson (1980, 252) bezeichnen diese Eigenschaft transitiver Sätze als «Agency», wobei höhere Transitivität bei einem besonders wirkungsmächtigen Agens gegeben ist. Lehmann (1991, 211ss.) führt auch den Faktor der Kontrolle an. Auch der vom Hauptverb ausgedrückte Sachverhalt ist stark transitiv. Im Gegensatz etwa zu einem rein existentiellen Verb sind offenbar die Kinesis, d.h. die Vorgangshaftigkeit, sowie die Volitionalität deutlich stärker bzw. höher (cf. Hopper/Thompson 1980, 252). Die Abgrenzung der Kausativkonstruktion von Sätzen mit hacer (‘machen’) als Kreationsverb ist bspw. hinsichtlich des Verhältnisses zwischen dem Verbalvorgang und dem Objekt möglich. So ist beim Kreationsverb das Objekt effiziert (cf. etwa García García 2010, 64), es wird hervorgebracht. D.h., es besteht im Gegensatz zum Kausativ nicht unabhängig vom Verbalvorgang, was nicht zum gleichen Maß an Transitivität beiträgt. Hopper/Thompson (1980, 252) erfassen das Phänomen mit der Eigenschaft «Participants».169 Im Falle von Perzeptionsverbkonstruktionen hat der Transitivitätsansatz möglicherweise ein geringeres Erklärungspotential. García Garcías (2010) Ansatz hingegen scheint entsprechend den obigen Ausführungen mehr leisten zu können. Unabhängig von solchen Überlegungen lässt sich feststellen, dass es sich bei den Strukturen mit Perzeptionsverb um eine weitere Gruppe handelt, wo, stark verallgemeinernd gesprochen, die Versprachlichung zusätzlicher Information über das Objekt mit einer höheren Wahrscheinlichkeit der a-Markierung korreliert. [42] Ana vio {ø / a} un tanque derribando la casa. (Beispiel aus García García 2010, 201) ‘Ana sah einen Panzer das Haus niederreißen.’ (Übersetzung nach ibid.) [43] Emergiendo sobre una ola, veo al avión caer envuelto en llamas. (Beispiel aus Reinaldo Arenas 1982, 96, zitiert nach Laca 1987, 297) ‘Indem ich von einer Welle emporgehoben werde, sehe ich das Flugzeug von Flammen umhüllt abstürzen.’
169 Bei effizierten handelt es sich um einen Sonderfall von affizierten Objekten, die mit der Verbalhandlung entstehen oder verschwinden (cf. etwa García García 2010, 73, Fußnote 8). Ein Beispiel für den ersten Fall wäre einen Brief schreiben (Beispiel aus Krifka 1989, 245), für den zweiten etwa John erased the error (Beispiel aus García García 2010, 73).
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Die beiden Strukturen ähneln sich zwar in ihrer Bedeutung. Sie divergieren allerdings nicht nur hinsichtlich der Form des infiniten Verbs, sondern sie werden auch als funktional unterschiedlich klassifiziert. Nach Jäger (1993, 303) handelt es sich beim Gerundium um ein Objektprädikativ, bei der Infinitivphrase (cf. für einen kurzen Überblick zu Möglichkeiten der Klassifikation der Infinitivstruktur Hernanz 1999, 2236ss.) hingegen um ein direktes Objekt zum Hauptverb, «bei [der] aber der Infinitiv grundsätzlich immer den Kern der Konstruktion ausmacht» (Jäger 1993, 306; cf. auch Hernanz 1999, 2238).170 Laca (1987, 296s.) nimmt in dem Kontext u.a. auf Roegiest (1980, 146) Bezug und betont, dass Akkusativobjekte mit angeschlossenem Infinitiv auch dann a-markiert sein können, «cuando no designen animados» (Laca 1987, 296s.). Hernanz (1999, 2236ss.) zeigt in ihren Ausführungen allerdings auch Beispiele ohne a-Markierung. Vor dem Hintergrund der dargestellten Tendenzen ist einschränkend zu betonen, dass zusätzliche Information zum Objekt keineswegs als Markierungsgrund generalisiert werden darf. Fernández Ramírez (1986, 165s.) bringt bspw. qualifizierende Adjektive mit dem gegenteiligen Effekt in Verbindung. [44] He conocido (…) hombres de ingenio torpísimo (…) que jugaban admirablemente bien al ajedrez. (M. de Unamuno, Contra esto y aquello, 201, Beispiel aus Fernández Ramírez 1986, 166) ‘Ich habe Männer von besonders schwerfälligem Geiste kennengelernt, die bewundernswert gut Schach spielten.’ Wie das Beispiel augenscheinlich macht, ist natürlich die jeweilige Funktion des zusätzlichen Materials zu berücksichtigen. Adjektivische Attribute unterscheiden sich formal und funktional von Bestimmungen, die ein Verb enthalten. Derartige Divergenzen sind bei Generalisierungen zu berücksichtigen. Dass aber Beschreibungen wie die obigen nicht bei Prädikativen enden müssen, zeigt etwa Leonetti (2004, 91s.). Er behandelt adverbiale Nebensätze mit (semantischem) Objektbezug nach einem ähnlichen Prinzip (cf. ibid.).171 Er nennt das folgende Beispiel.
170 Vor dem Hintergrund der Analyse der Infinitivkonstruktion insgesamt als Verbalobjekt bei Jäger (1993, 306) wäre die Einordnung bei García García (2010, 201s.) als sekundäre Prädikation etwas zu verfeinern. Der Frage wird hier nicht weiter nachgegangen. 171 García García (2010) grenzt solche Strukturen in Anlehnung an Himmelmann/SchultzeBerndt (2006, 4) deutlich von der Gruppe mit sekundärem Prädikat ab (cf. García García 2010, 202). Demnach hat das «sekundäre Prädikat im Gegensatz zu Adverbialen keinen Ereignisbezug, sondern einen Partizipantenbezug (cf. Himmelmann/Schultze-Berndt 2006, 4)» (García García 2010, 202).
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[45] Sólo admitimos *(a) un profesor nuevo cuando tiene el título superior. (Beispiel aus Leonetti 2004, 91) ‘Wir lassen einen neuen Lehrer nur zu, wenn er einen Hochschulabschluss hat.’ Die Ausführungen Leonettis (2004, 91s.) zielen allerdings mehr auf die Thematik der starken Lesart ab, wobei er Bezug auf Spezifizität, Generizität und die Topikmarkierung nimmt. Diese Themen sind im vorliegenden Kontext weniger hilfreich und wurden bereits in vorangegangenen Kapiteln ausführlich behandelt. Es sei daher lediglich schließend festgestellt, dass in Beschreibungen, die nicht nur Verb und Objekt, sondern auch dem Objekt in der Lautkette folgende Elemente in den Blick nehmen, zusätzlich zu Prädikativstrukturen auch Adverbiale einen Beitrag zur Erkenntnismehrung leisten könnten. Die im Rahmen der vorliegenden Arbeit durchgeführte Analyse konzentriert sich auf den Satzkern. Offenbar kann aber zusätzliches Sprachmaterial die Konzeptualisierung des Sprechers verdeutlichen. Umgebendes Material wird daher als Beleg für die jeweilige semantische Analyse herangezogen.
2.7.10 Konkurrenzverhältnis zwischen Subjekt und Objekt Wie bereits verschiedentlich erwähnt, wird das Verhältnis zwischen Subjekt und Objekt in der Literatur als für die differentielle Objektmarkierung relevant diskutiert. Es geht dabei um irgendeine Art von Konkurrenz zwischen den beiden sprachlichen Einheiten oder ihrem jeweiligen Denotat. Die Überlegung, die u.a. These der distinktiven Verwendung von a (cf. bspw. RAE 2009, 2646) oder These der Subjektanalogie (cf. etwa Laca 1987, 296) genannt wird, findet schon in frühen Veröffentlichungen Erwähnung. Laca (1987, 296) gibt an, es handele sich dabei um den ältesten und am weitesten verbreiteten Erklärungsansatz für die DOM. Laut Isenberg (1968, 9) geht er auf Valdés (1535) zurück. Die Geschichte des Ansatzes kann hier nicht nachgezeichnet werden. Eine frühe Veröffentlichung, die oft erwähnt wird, ist Ramsey (1867), der ebenfalls auf die Schwierigkeit einer Unterscheidung von Subjekt und Objekt eingeht (cf. ibid., 522s.). Er nennt die a-Markierung «[t]he only device for distinguishing a noun as direct object (accusative)» (ibid., 522).172 Zudem stellt er heraus, dass das a vor einem Akkusativobjekt selbst keine Bedeutung mit sich
172 Wie Ramsey (1867, 523) weiter überlegt, entsteht allerdings bei der a-Markierung des direkten Objekts wiederum die Schwierigkeit, es vom indirekten Objekt zu unterscheiden.
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur
125
bringe und stuft es ein als «a mere grammatical device for the sake of distinctness» (ibid., 523). Spätestens in Isenberg (1968, 9) wird allerdings auch Kritik an dem Ansatz geäußert.173 Wie oben angedeutet, gibt es v.a. zwei Tendenzen bei der Subjektanalogiethese, eine, die auf mehr auf eine formal-strukturelle Disambiguierung durch die a-Markierung abzielt, und eine weitere, die von einem irgendwie gearteten semantischen Bedarf der Unterscheidung ausgeht (cf. Laca 1987, 296ss., die unter Bezugnahme auf verschiedene weitere Publikationen eine ähnliche Abgrenzung vorschlägt). Während bei älteren Veröffentlichungen eine Tendenz zur Herangehensweise der strukturellen Disambiguierung vorhanden zu sein scheint, aber immer wieder auch Unklarheit auftritt (cf. auch ibid., aber auch bereits Müller 1971, 490), liegen seit einigen Jahren gute Formalisierungsmöglichkeiten für semantische Ansätze vor. Eine besonders detaillierte und recht umfassende Veröffentlichung ist García García (2010) (s.u.). Die Grundüberlegung der formal-strukturellen Disambiguierungsthese ist, dass spanische Full-NPs im Gegensatz zu lateinischen über keine Kasusmarkierung verfügen, Satzfunktionen aber auch nicht positionell vereindeutigt werden, da die Wortstellung im Spanischen relativ frei ist (cf. etwa Ramsey 1867, 522). Wie Müller (1971, 503) betont, ist in dem Umstand zumindest der Ursprung der Herausbildung der a-Markierung zu sehen. Auch die These der semantisch-logischen Notwendigkeit zur Unterscheidung hat einige Anhänger (cf. bspw. Weissenrieder 1990, 227 unter Bezugnahme auf Weissenrieder 1985; Næss 2004, 1188). Delbecque (2002) formalisiert den Gedanken im Rahmen ihres Ansatzes, der v.a. in der Tradition Langackers (1987; 1991) steht (cf. Delbecque 2002, 88; s. Kap. 2.7.11). In der neueren Forschung wird ein Gedanke, den Comrie (1989) besonders prominent vertritt (s. dafür Kap. 2.7.6), zugrunde gelegt (cf. García García 2010, 8).174 Comrie (1989, 128) geht davon aus, dass natürliche Transitivität darin besteht, dass das Agens belebt und definit ist und für das Patiens die umgekehrten Verhältnisse gelten. Abweichungen von diesem Prinzip machen laut Comrie eine Markierung des Objekts wahrscheinlich (cf. ibid.). Die Grundidee hat García García (2007, 72ss.; 2010; 2014175) schlüssig formalisiert und auf die spanische DOM angewendet. Er appliziert den sogenannten
173 Ein Jahr zuvor schreibt allerdings bereits Fish (1967, 80): «The preposition […] is not a device for avoiding ambiguity». 174 Es wird dabei aber nicht immer explizit auf Comrie (1989) Bezug genommen (cf. etwa Weissenrieder 1990, 227). 175 García García (2014) ist die veröffentlichte und recht weitgehend überarbeitete Fassung der Dissertation García García (2010).
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2 Theorie
Protorollen-Ansatz, der auf Dowty (1991) zurückgeht und von Primus (2012a und frühere Veröffentlichungen) weiterentwickelt wurde (cf. García García 2010, 4). Er bestimmt die Ähnlichkeit zwischen Subjekt- und Objektdenotat also rollensemantisch. Die zentrale These seiner Arbeit ist das «Prinzip der rollensemantischen Distinktivität» (ibid., 99): «Weist das DO die gleiche oder eine höhere Anzahl an Proto-Agenseigenschaften als das S auf, so dass S und DO rollensemantisch nicht distinkt sind bzw. das DO agentivischer als das S ist, so ist die a-Markierung des DO obligatorisch» (ibid., Hervorhebung i.O. ähnlich).
García García (2010, 69) listet die Proto-Agenseigenschaften Dowtys (1991, 572): a. b. c. d. (e.
volitional involvement in the event or state
sentience (and/or perception)
causing an event or change of state in another participant movement (relative to the position of another participant) exists independently of the event named by the verb)
(Liste aus ibid.)
Proto-Agens und Proto-Patiens176 sind «cluster-concepts» (Dowty 1991, 547), bei denen mehrere Eigenschaften – nämlich im Falle des Proto-Agens möglichst viele der angeführten Liste – zutreffen (cf. ibid., 572). So werden eine Aufsplittung in viele einzelne thematische Rollen und damit einhergehende Abgrenzungsschwierigkeiten umgangen (cf. ibid., 553s.). Zumindest die Punkte unter (a), volitionale Beteiligung, (c), Verursachung, und (e), unabhängige Existenz (cf. ibid.), sind in ähnlicher Form auch im Transitivitätsansatz Hopper/Thompsons (1980, 252) enthalten. Auch dort werden entsprechende Ausprägungen zu einer Art Gesamtwert aufsummiert (cf. Hopper/Thompson 1980). Die Ergebnisse werden allerdings anders eingesetzt. Während nämlich dort Faktoren, die Erst- und Zweitaktant sowie das Verb betreffen, zu einem Gesamtwert aufsummiert werden (s. auch Kap. 2.7.8), werden im Rahmen des Ansatzes von Dowty (1991) und entsprechenden Weiterentwicklungen die Eigenschaften bzw. die Eigenschaftssummen von Agens und Patiens jeweils einzeln bestimmt. Der aus dem Grund mögliche Vergleich der beiden Einheiten des Satzes ist die Basis für die Anwendung durch García García (2010). Verbale Eigenschaften werden wie auch bei weniger generalisierten thematischen Rollen v.a. zur Bestimmung des Status der Aktanten verwendet. Nichtsdestotrotz ermöglicht die Herangehensweise interessante Erkenntnisse über Verbklassen (s.u.).
176 Für den Proto-Patiens führt Dowty (1991, 572) mehr oder weniger denen des Proto-Agens entgegengesetzte Eigenschaften auf.
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur
127
Im Rahmen seines Ansatzes kann García García (2010, 100) zudem zwei weitere Bereiche für die Optionalität und für den Ausschluss der a-Markierung definieren. Demnach ist der Marker optional, wenn Subjekt und direktes Objekt «rollensemantisch nicht maximal distinkt» (ibid.) sind. Sind Subjekt und Objekt hingegen «rollensemantisch maximal distinkt, so ist die a-Markierung […] ausgeschlossen» (ibid.). In seiner Untersuchung konzentriert er sich auf Objekte mit unbelebtem Denotat und kann zeigen, dass der Faktor der rollensemantischen (Nicht-)Distinktivität häufig korrekte Vorhersagen für die Markierung bzw. ihr Ausbleiben macht (cf. ibid., 197, 244). Es seien in dem Kontext Verbgruppen erwähnt, die sich offenbar besonders für eine solche Beschreibung eignen und von denen einigen in der Analyse ein eigenes Unterkapitel gewidmet ist (s. Kap. 4.1.2.2). Es sind Substitutions- und Positionsverben (cf. etwa García García 2010, 104) und / bzw. relationale Verben (cf. etwa Torrego Salcedo 1999, 1788). Wie auch Laca (1987, 291, Fußnote 3 sowie 299) angibt, bringen solche Verben keine transitiven Handlungen zum Ausdruck. Die entscheidende Besonderheit ist, dass bei ihnen auch Objekte mit unbelebtem Denotat recht häufig a-markiert werden (cf. etwa García García 2010, 60ss.). García García (2010, 104ss.) geht davon aus, dass es sich dabei um reversible Prädikate handelt. Das heißt, dass ihre Bedeutungen keine Basisprädikate (also primitive und semi-primitive Bedeutungsbestandteile) enthalten, die auf eine rollensemantische Divergenz zwischen Erst- und Zweitaktant hinweisen würden (cf. ibid., 104). Solche Basisprädikate wären «CTRL, EXP, MOVE usw.» (ibid.). Ihnen liegen demnach vielmehr folgende Prädikate zugrunde: im Falle der Substitutionsverben wie reemplazar (‘ersetzen’, Bsp. und Übersetzung aus ibid.) reversible Prädikate wie «ACT INSTEAD(x, y)» (ibid.) und im Falle von Positionsverben wie suceder (‘folgen’, Bsp. und Übersetzung aus ibid., 129) Prädikate wie «AFTER(EXIST(x), EXIST(y))» (ibid., 104). Der Umstand, dass derartige Strukturen keine im eigentlichen Sinne transitiven Handlungen zum Ausdruck bringen (s.o.), führt dazu, dass übliche Transitivitätsansätze die relativ frequente a-Markierung nicht gut erklären können. Gleichzeitig ist er aber auch der Grund, dass sich der Ansatz von García García (2010) besonders gut für ihre Erfassung zu eignen scheint. Es ist allerdings keineswegs so, dass alle Objekte markiert werden, die bspw. von Substitutionsverben regiert werden. In der Untersuchung García Garcías (2010, 117) sind es lediglich rund 48%. García García (2010, 115) betont diesbezüglich, dass sich im Rahmen seines rollensemantischen Ansatzes eine Korrelation des (Nicht-)Auftretens der a-Markierung mit Lesartenunterschieden ergibt, und präsentiert auch einige Belege (cf. ibid., 118). In Kap. 4.1.2.2 wird eine neue tiefensemantische Analyse für die Strukturen vorgeschlagen, die die Verhältnisse noch genauer erfassen kann.
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2 Theorie
Auch die Theorie der prototypischen Transitivität von Næss (2007) involviert eine Gegenüberstellung von Subjekt- und Objektdenotat. Wie in Kap. 2.7.6 angesprochen, argumentiert sie grundsätzlich gegenläufig zum markiertheitstheoretischen Ansatz etwa Comries (1989, 128) (cf. Næss 2007, 24). Das ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass ihre Vergleichsgröße der Satz als Einheit ist und weniger die einzelnen Aktanten. Das heißt, sie evaluiert die Konstitution eines Satzes (auf der Grundlage der Qualität der Aktanten) und nicht die Qualität von Erst- und Zweitaktant. Dennoch kommt sie auf vergleichbare Ergebnisse. Ihre Herangehensweise ähnelt in der Art der Berücksichtigung von Erst- und Zweitaktant der von García García (2010). Næss (2007) baut ihren Ansatz auf der folgenden Überlegung auf. «The maximally distinct arguments hypothesis A prototypical transitive clause is one where the two participants are maximally semantically distinct in terms of their roles in the event described by the clause» (ibid., 30).
Sie setzt drei Faktoren zur Klassifikation der beiden Aktanten an, Volitionalität, die aktive Einflussnahme (sie spricht von «instigation», ibid., 44) sowie Affectedness (cf. ibid.). Sie vergibt pro Faktor zwei mögliche Werte, zutreffend (+) und unzutreffend (–), wobei ihr ein tendenzielles Vorhandensein oder Ausbleiben des Faktors genügt (cf. ibid.). Prototypische Transitivität ist ihrzufolge gegeben, wenn innerhalb eines Events der Erstaktant volitional und aktiv einflussnehmend, aber nicht betroffen ist und die gegenteiligen Werte bezüglich des Zweitaktanten gelten (cf. ibid.). Erst- und Zweitaktant sind dann maximal unterschiedlich im Rahmen ihres Modells (cf. ibid.). Wie Næss (2007, 45) angibt, geht mit einer Abweichung von den als prototypisch klassifizierten semantischen Verhältnissen auch eine formale Abweichung von der typischen transitiven Struktur einher. Sie legt mithin den Ikonizitätsgedanken zugrunde (cf. grundsätzlich auch ibid., 4s., 46ss.).177 Die differentielle Objektmarkierung des Spanischen spielt in ihrer Arbeit keine Rolle.
2.7.11 Ansätze auf der Grundlage von Construction Grammar und Cognitive Grammar Eine Herangehensweise für den Gesamtsatz, bei der sowohl die (morpho-)syntaktische als auch die Bedeutungsebene berücksichtigt werden, liefert die Kon-
177 Tatsächlich verwendet Næss (2007) das Konzept der Ikonizität lediglich auf der Ebene von Satztypen, nicht aber bezüglich unterschiedlicher Realisierungen von Strukturen mit nominalem Akkusativobjekt (s. dafür Kap. 2.7.12). Der Verweis im Fließtext darf insofern nicht im engsten Sinne verstanden werden.
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur
129
struktionsgrammatik. Sie hat ihre Ursprünge in der Kasusgrammatik Fillmores (1968) (cf. bspw. Fried 2015, 974). Besonders einflussreich ist die Veröffentlichung von Fillmores Schülerin Goldberg (1995).178 Sie nimmt als Ausgangspunkt die folgende Feststellung Bolingers (1968, 127, zitiert nach Goldberg 1995, 3179): «A difference in syntactic form always spells a difference in meaning». Goldberg (1995, 3) bezeichnet dies als «Principle of No Synonymy of Grammatical Forms» und stellt es als in der funktionalistischen Forschung verbreitet dar (cf. ibid. mit verschiedenen Literaturverweisen). Es handelt sich dabei auch um eine naheliegende Grundlage von Ikonizität in der Grammatik (s. Kap. 2.2). Goldberg (1995) legt ihren Fokus auf Verben und ihre Argumentstruktur. Sie sucht nach Bedeutungsunterschieden von Verben, die eine gewisse Systematizität aufweisen (cf. ibid., 4). Die divergenten Bedeutungen werden Konstruktionen zugeordnet (cf. ibid.). Konstruktionen werden also offenbar wie in frühen strukturalistischen Ansätzen oppositiv bestimmt. Goldberg bestimmt Konstruktionen als «stored pairings of form and function» (Goldberg 2003, 219) bzw. als «form-meaning pair» (Goldberg 1995, 4). In früheren Veröffentlichungen führt sie Opazität als definitorisches Merkmal an (cf. bspw. ibid.). In neueren Veröffentlichungen wird allerdings Frequenz als relevanter herausgestellt, sodass auch durchsichtige Strukturen als Konstruktionen gespeichert werden können (cf. Goldberg 2003, 220). Goldberg (2013, 17 mit weiteren Verweisen) definiert Konstruktionen schließlich als «conventional, learned form-function pairings at varying levels of complexity and abstraction». Die Konstruktionsgrammatik hat grundlegend den Anspruch, eine umfassende Sprachtheorie zu sein (cf. Goldberg 2003, 219; Goldberg 2013, 17; Boogaart/ Colleman/Rutten 2014, 1 etc.). So werden Konstruktionen, wie Goldberg (1995, 4) betont, als «the basic units of language» angesehen. Dementsprechend werden auch in unterschiedlichen sprachlichen Bereichen Konstruktionen ausgemacht, etwa auf der morphologischen und generell der syntaktischen Ebene sowohl in grammatischer wie auch in lexikalisch-idiomatischer Hinsicht, aber auch was Kookkurrenzen betrifft (cf. Goldberg 2003, 219s.). Die Konstruktionsgrammatik teilt zwei Grundannahmen mit dem Ansatz der vorliegenden Arbeit. Besonders hervorzuheben ist, dass sie ebenfalls versucht, Bedeutung und Form in Einklang zu analysieren (cf. bspw. Goldberg 1995, 4). Die Abbildung der beiden Seiten erfolgt über Konstruktionen (cf. ibid., 28). Zudem
178 Aus Platzgründen kann die Konstruktionsgrammatik nicht in ihrer Breite vorgestellt werden. Eine kurze Übersicht findet sich etwa im einleitenden Kapitel von Hoffmann/Trousdale (2013). 179 Im Original ist der erste auftretende Artikel («a») kleingedruckt (cf. Bolinger 1968, 127).
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2 Theorie
kann die Konstruktionsgrammatik, zumindest in einer entsprechenden Ausprägung (cf. Boogaart/Colleman/Rutten 2014, 3), innerhalb der kognitiven Linguistik situiert werden (cf. bspw. Goldberg 2003, 219). Hinsichtlich des Analyseinteresses ist zudem zu erwähnen, dass die Konstruktionsgrammatik wichtige Beiträge zur Klassifikation von Verben leistet (cf. etwa Goldberg 1995; Boas 2002 etc.). In dem Zusammenhang wird auch auf dekompositionelle Prinzipien zurückgegriffen (s. Kap. 2.4; cf. bspw. Goldberg 1995, 28). Es ist denkbar, die differentielle Objektmarkierung auch im Rahmen eines konstruktionsgrammatischen Ansatzes zu betrachten. Daran versucht sich beispielsweise David (2015), die sich mit dem Rumänischen und seinem pe-Marker beschäftigt. Ihre zentrale These ist wie folgt: «DOM combined with clitic doubling should be analyzed as a single clause-level construction in Modern Romanian» (ibid., 105). Sie geht allerdings davon aus, dass ihr Ansatz auf andere Sprachen übertragbar ist (cf. ibid.). Hinsichtlich der DOM im Allgemeinen und im Speziellen bezüglich des Spanischen beruft sie sich auf verschiedene anerkannte und moderne Ansätze (cf. ibid., 106s.).180 Insofern ihr Fokus auf dem Zusammenspiel von differentieller Objektmarkierung und dem Clitic Doubling liegt, hält der Artikel wenig Hilfreiches für die vorliegende Untersuchung bereit. Gleich mehrere Veröffentlichungen von Delbecque (1994; 1999; 2002) beschäftigen sich mit der spanischen DOM in einem theoretischen Rahmen, den etwa von Heusinger/Kaiser (2011, 603 unter Bezugnahme auf Croft 1998) als konstruktionsgrammatisch klassifizieren. Die Einordnung bietet eine hilfreiche Lesart der Publikationen (cf. von Heusinger/Kaiser 2011, 603s.). Delbecque selbst bezieht sich aber in erster Linie auf die Cognitive Grammar im Sinne Langackers (s. dafür Kap. 2.1), was besonders Delbecque (1994) verdeutlicht, aber auch in den beiden genannten späteren Veröffentlichungen der entscheidende Ansatzpunkt ist (cf. etwa Delbecque 2002, 82). Delbecque (2002, 87) geht davon aus, die a-Markierung zeige das «relationship between the S entity and O entity as ‹bilateral›». Unter Bezugnahme auf Langacker (1987, 233; 1991, 323) schreibt sie der Markierung eine «grounding function» (Delbecque 2002, 88) zu:
180 David (2015) gibt den Inhalt der angedeuteten Literatur aber z.T. etwas zu stark vereinfacht wieder und schreibt bspw.: «DOM cannot occur in Spanish on the direct object if the subject is not human» (ibid., 127). Sie beruft sich an der genannten Stelle auf Torrego Salcedo (1999) (cf. David 2015, 127), die jedoch in der relevanten Passage keine Generalisierung intendiert (cf. Torrego Salcedo 1999, 1786) und darüber hinaus verschiedene Beispiele mit unbelebtem Subjektdenotat und a-Markierung des Objekts bespricht (cf. ibid., 1788). Die unzureichende Wiedergabe gilt noch deutlicher für den referierten Artikel von García García (2007) (cf. David 2015, 127), der ja gerade einen Fokus auf die Verhältnisse von Subjekt- und Objektdenotat legt (cf. García García 2007, 66ss.).
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur
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«[T]he prepositionally marked DO entity is not only the primary Landmark of the clausal Trajector S, just like the unmarked DO is, but it is simultaneously conceived of as Trajector of other predicational relations, one of which has the overt S entity as its Landmark» (ibid., Hervorhebungen i.O.).
Dem a-markierten Objekt kommt demnach das gleiche konzeptuelle Gewicht zu wie dem Subjekt des Satzes, sodass prinzipiell auch eine umgekehrte Ordnung möglich wäre (cf. ibid.). Auf diese Überlegung nehmen von Heusinger/Kaiser (2011, 603) insbesondere Bezug, wenn sie den Ansatz als konstruktionsgrammatisch klassifizieren (s.o.). Sie stellen ergänzend fest, dass in einem solchen Beschreibungssystem ja «the whole sentence or construction» (ibid.) relevant sei und interpretieren das oppositive Prinzip in der Veröffentlichung dementsprechend: Delbecque (2002, 100ss.) setzt zwei transitive Strukturen an, bei denen in Sätzen mit a-Markierung Subjekt und Objekt zusätzlich zu Actor (Subjekt) und Goal (Objekt) die beiden weiteren thematischen Rollen Carrier (Subjekt) und Attributor (Objekt) zugewiesen bekommen. Die Zuordnung zur Konstruktionsgrammatik ist mithin prinzipiell legitim. Allerdings beschränkt sich die Schnittmenge der Veröffentlichung mit der Konstruktionsgrammatik auf die oben genannten Punkte. Delbecque (2002) selbst geht nicht auf eine solche Klassifikation ein. Die Erkenntnisse Delbecques stützen die verschiedener anderer Publikationen, die bereits diskutiert wurden.181 Bspw. geht Delbecque (2002) wie etwa auch Bleam (2006) davon aus, ein unmarkiertes Objekt «does not necessarily represent a true argument» (Delbecque 2002, 110; s. Kap. 2.7.6). Sie spricht zudem die Möglichkeit einer Inkorporierung an (cf. Delbecque 2002, 107; s. ebenfalls Kap. 2.7.6). Während sie also zu einzelnen Besonderheiten der Strukturen hilfreiche Ideen präsentiert, erscheint ihr übergeordnetes Erklärungssystem weniger gewinnbringend. Einzelne Analysepunkte, die direkt aus ihrer Theorie folgen, erscheinen schwammig, etwa ihre Erläuterungen zum Beispielpaar Mataron {ø / a} moros y judíos (Bsp. aus ibid., 89, ‘Mauren und Juden wurden getötet / Sie töteten Mauren und Juden’), wo sie angibt, dass in der Realisierung mit a von potentiellen Agressoren ausgegangen werden müsse (cf. ibid., 89s.).182 Wie sie selbst vereinfachend angibt, besagt ihre Theorie letztlich, dass «in exactly the same context, the relationship [between subject and object, J.E.] could be viewed in the opposite
181 Delbecque (2002) schlägt allerdings einige in der modernen Forschung nicht (mehr?) übliche Methoden vor, um ihre Ansichten zu untermauern, darunter divergierende Übertragungen ins Englische (cf. ibid., 93ss.), der Vergleich mit anderen Strukturen, in denen a – zum Teil als Präposition, zum Teil als nicht mehr erkennbares Morphem – auftritt (cf. ibid., 99s.). 182 Delbecque (2002) scheint hier gar zu behaupten, dass ein Sprecher, der im genannten Beispiel a setzt, eine Mitschuld der Getöteten intendiere. Das ist eine problematische Einschätzung.
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2 Theorie
sense» (ibid., 88). Ein Ansatz, der ebenfalls davon ausgeht, den Zusammenhang aber präziser modellieren kann, ist der, den etwa García García (2010) verfolgt. Er wurde bereits in Kap. 2.7.10 behandelt. Ergänzend sei Delbecques unwesentlich älterer Aufsatz angeführt (cf. Delbecque 1994). Sie geht dort wiederum von zwei transitiven Konstruktionen aus und «cada una tiene un significado propio» (ibid., 33). Folglich kann das Grundprinzip auch dieses Aufsatzes der Konstruktionsgrammatik zugeordnet werden. Wichtiger ist aber ebenfalls der kognitionsgrammatische Ansatz, allerdings ist die Publikation auch diesbezüglich keineswegs ausufernd. Es werden keine Grundlagen oder Zusammenhänge erklärt, sondern ein paar wenige zentrale Gedanken vorausgesetzt und angewandt. Im Gegensatz zur neueren Veröffentlichung (Delbecque 2002) geht Delbecque (1994) davon aus, dass das unmarkierte Objekt in die Prädikation inkorporiert ist, das markierte Objekt hingegen über eine eigenständige Referenz bzw. genauer «dominio de referencia» (Delbecque 1994, 33) verfügt. Vordergründig behandelt sie das Indiz der Möglichkeit, ob eine sekundäre Prädikation mit Objektbezug auftreten kann (cf. ibid., 37). Sie führt sechs Verbklassen an, darunter bspw. Substitutions- und Perzeptionsverben, und präsentiert jeweils einzelne Beispiele (cf. ibid., 37ss.). Die Wahl der Beispiele scheint allerdings nicht völlig stringent, auch wird der Umstand ausgeblendet, dass zum Teil mehrere Faktoren zusammenspielen können. So bleibt eine umfassende Motivation eines zwingenden Zusammenhangs letztlich aus. Festzuhalten ist, dass die genannten Veröffentlichungen Delbecques (1994; 1999; 2002) das Gesamtbild der Forschung zur spanischen differentiellen Objektmarkierung verbreitern und zudem punktuell gute Ideen bereithalten. Insgesamt finden sich aber auch gewisse, zum Teil argumentative Schwächen. U.U. könnten zusätzliche Untersuchungen von Beispielmaterial unter Berücksichtigung weiterer in der Literatur diskutierter Faktoren im Rahmen ihres Modells zu besseren Ergebnissen führen. Die drei Artikel präsentieren trotz ihres zusätzlichen Werkzeugs allerdings kaum Erkenntnisse, die die oben diskutierten Ansätze auf besondere Weise ergänzen würden. Abschließend sei wiederholt, dass die kognitive Grammatik Langackers (1987; 1991) zwar auch der vorliegenden Arbeit als Ideenstifterin dient. Hier wird sie allerdings in Abgrenzung etwa zu Delbecque (2002) nicht direkt appliziert (s. für die grundlegende Herangehensweise Kap. 2.3 und Kap. 2.4).
2.7.12 Ikonizität und DOM Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird ein Ansatz vertreten, der Ikonizität als grundlegendes Erklärungsprinzip verwendet. Von den unterschiedlichen Typen
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur
133
von Ikonizität (s. Kap. 2.2) ist die Komplexitätsikonizität entscheidend (cf. etwa Lehmann 1974, 111). Um das zu zeigen, wird die Komplexität auf den Ebenen der sprachlichen Form und der Konzeptualisierung bemessen. Unterschiedliche Komplexitätsgrade werden hierarchisiert. Darin enthaltene binäre Oppositionen werden präzisiert und bzgl. der beiden Ebenen abgeglichen. Entsprechen sich die Oppositionen jeweils, so ist Ikonizität gegeben. Auch wenn die vorliegende Arbeit möglicherweise die umfassendste Untersuchung mit dieser Stoßrichtung bzgl. der DOM präsentiert und bei der Bestimmung der Komplexität mit der Applizierung der Typen-Theorie Pustejovskys (1991a; 1995b; 2001) einen neuen Weg beschreitet, so ist doch zu betonen, dass sie keineswegs als erste einen ikonizitätsbasierten Ansatz auf die DOM anwendet. In verschiedenen Publikationen wird, z.T. implizit, versucht, die DOM als Ikonizitätsphänomen darzustellen. Der Gedanke einer ikonischen Beschreibung tritt bspw. in manchen Publikationen aus dem Kontext einer Markiertheitstheorie zutage (s. Kap. 2.7.6; cf. für den Zusammenhang auch Næss 2004, 1188). Zu nennen ist neben Comrie (1989, bes. 133s.) auch Aissen (2003). Ein ikonisches Verständnis ist bspw. in Aissens (2003, 438) Feststellung angelegt, dass untypische Objekte markiert werden. Der Ikonizitätstyp ließe sich als abstrakte Ikonizität bezeichnen. Die abstrakte Ikonizität in dem Sinne stellt keinen direkten Zusammenhang her, sondern es wird eine im Grunde frequenzbasierte Markiertheit, die nicht direkt zugänglich ist, mit der formalen Realisierung, die hingegen direkt zugänglich ist, in ein Verhältnis gebracht.183 Aissen (2003, 436ss. unter Verweis auf Comrie 1989 u.a.) bestimmt Objekte anhand ihrer Positionierung auf der Belebtheits- und der Definitheitsskala als mehr oder weniger markiert (s. auch Kap. 2.7.7) und bringt die Position ins Verhältnis zur Wahrscheinlichkeit der a-Markierung. Sie schreibt: «This suggests a conception of DOM which is fundamentally iconic: nominals which are marked qua objects are morphologically more complex than ones which are unmarked qua objects. Functionally, the overt marking of atypical objects facilitates comprehension where it is most needed, but not elsewhere. DOM systems are thus relatively economical.» (Aissen 2003, 438, Hervorhebungen i.O.).
Der Ansatz motiviert in erster Linie die bekannte Aufteilung von Objekten mit unbelebtem Denotat ohne a-Markierung und belebten Objektdenotaten, bei
183 Die Frequenz wird zudem als Abgleich von Subjekt und Objekt motiviert. So schreibt Aissen (2003, 438 mit Verweis auf Comrie 1979, 19 und 1989, 128, Hervorhebung i.O.), «what is marked for objects is unmarked for subjects, and vice versa - an instance of what has been termed markedness reversal».
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2 Theorie
denen der Marker auftritt (cf. Aissen 2003, 471, 472). Wie besprochen, sind damit aber nicht alle Okkurrenzen abgedeckt. Ähnliche Gedanken wie Aissen (2003) präsentiert bspw. auch Iemmolo (2010, 258s.). Auf die Möglichkeit schematischer Ikonizität, genauer eine Ikonizität der Trennung, nimmt Kliffer (1995, 95 mit Referenz auf van Schooneveld 1978, 204) Bezug, wenn er sagt, dass der a-Marker mit «mayor independencia entre su184 complemento y el verbo» einhergehe. Er führt u.a. das folgende Beispiel an. [46] Debemos invadir (a) Namibia. (Beispiel aus Kliffer 1995, 95) ‘Wir müssen in Namibia einmarschieren.’ Er argumentiert für die formale Trennung von Verb und Objekt durch a (cf. Kliffer 1995, 95), die grundsätzlich leicht nachvollziehbar ist. Hinsichtlich der semantischen Beschreibung einer etwaigen Divergenz sind seine Ausführungen jedoch recht vage. Er gibt an, dass die Verbalhandlung in der Realisierung ohne Marker intensiver auf das Objektdenotat übergehe und es stärker in der Verbalhandlung gefangen sei als mit a (cf. ibid.). Im Zuge seiner kaum operationalisierbaren Überlegungen gibt er zudem an, dass der Marker als stilistischer Faktor eingesetzt werde (cf. ibid.; s. die Diskussion einer solchen Überlegung in Kap. 2.7.4).185 Auch Næss (2007, 5) geht in ihrer Arbeit zur prototypischen Transitivität von der Relevanz von Ikonizität aus. Das folgende Zitat zeigt, dass sie dabei eher globale Zusammenhänge im Sinn hat (cf. ibid., 46ss.): «If the core function of a transitive clause is to represent an event as involving two clearly distinct, independent participants, then the use of two independent syntactic arguments can be taken to iconically reflect the involvement of two independent participants […]» (ibid., 46).
Næss (2007, 48s.) zieht Ikonizität lediglich zum Vergleich von unterschiedlichen Satztypen heran, nämlich von transitiven gegenüber intransitiven Sätzen. Da sie nicht ins Detail geht und auch das Spanische nicht behandelt, ist ihre Behandlung der Ikonizität für die vorliegende Arbeit nicht relevant. Die Ikonizität erscheint in der Literatur v.a. als Gedankenspiel oder aber ohne die Zielsetzung von Exhaustivität. Publikationen wie Comrie (1989) und Aissen
184 Kliffer (1995, 95) spricht hier von a als einer Präposition, das Objekt kann insofern ihr Komplement sein. 185 Möglicherweise zielt er hier auf einen ähnlichen Gedanken ab, wie er in Inkorporationsansätzen vertreten wird (cf. van Geenhoven 1995; s. Kap. 2.7.6).
2.7 Nominale Akkusativobjekte: Beschreibung der DOM in der Literatur
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(2003), die abstrakte Ikonizität zugrunde legen, haben deutliche Spuren in der Forschungsliteratur hinterlassen (s. besonders Kap. 2.7.6). Allerdings ist bisher keine umfassende Beschreibung der spanischen differentiellen Objektmarkierung unternommen worden, die einen Ikonizitätsansatz ausführlich applizieren würde. In der vorliegenden Arbeit wird das jedoch umgesetzt. Der hier verwendete Ikonizitätstyp ist die Komplexitätsikonizität.
2.7.13 Schließende Worte zu den Faktoren und Ansätzen aus der Literatur In den vorangegangenen Unterkapiteln wurden zentrale Faktoren für die a-Markierung vorgestellt. Es wurde zudem eine Vielzahl an Beschreibungsmöglichkeiten und unterschiedlichen Ansätzen zur differentiellen Objektmarkierung erläutert. Sie wurden untereinander abgewogen und voneinander abgegrenzt. Die einzelnen Ansätze wurden kritisch beleuchtet und hinsichtlich ihres Erklärungspotentials überprüft. Dabei wurden verschiedene Schwächen festgestellt. Mehrere Theorien eigneten sich für die Erklärung zentraler Fälle, hatten aber Schwierigkeiten mit weniger typischen Okkurrenzen, wie bspw. im Falle von skalenbasierten Ansätzen (s. Kap. 2.7.7). Andere Theorien konnten auch verschiedene «schwierigere» Fälle erklären, aber nicht alle. Dazu gehören etwa der Spezifizitätsansatz (s. Kap. 2.7.5.2) oder auch der Ansatz, der das Verhältnis zwischen Subjekt und Objekt als Konkurrenzverhältnis darstellt (s. Kap. 2.7.10), sowie verbklassenbasierte Theorien (s. Kap. 2.7.8). Wieder andere konzentrierten sich von vornherein auf ein bestimmtes Set an Auftretensweisen, sodass eine Generalisierung ausgeschlossen ist. Dazu wäre bspw. die Diskussion zum Einfluss der sekundären Prädikation zu nennen (s. Kap. 2.7.9). Alle Ansätze zusammen würden vermutlich für nahezu alle möglichen Okkurrenzen eine Erklärung bereithalten. Ein Gesamtmodell ließe sich jedoch nicht aus ihnen kreieren, da im Detail viele Widersprüche entstünden. Hinsichtlich der Einzeltheorien stellt sich die Frage, warum jeweils eine Menge unerklärter Okkurrenzen bleibt. Es bietet sich eine Antwort an, nämlich die, dass u.U. nicht der entscheidende Zusammenhang erkannt wird. Dass doch z.T. recht viele Fälle erklärt werden können, könnte dann daraus folgen, dass die Ansätze korrelierende Faktoren oder gewissermaßen Symptome behandeln. Die vorliegende Arbeit setzt die konzeptuelle Ebene als entscheidend an. Ist der Ansatz korrekt, so ist etwa hinsichtlich lexikalischer Einheiten eine indirekte Korrelation naheliegend. Bspw. ist ein tendenzieller Zusammenhang zwischen dem Lexem, das als Nomen auftritt, und der Wahrscheinlichkeit der a-Markierung nicht von der Hand zu weisen. Er kann unter Berücksichtigung
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2 Theorie
der Realisierung der NP präzisiert werden. Auch anhand von Verben lässt sich eine gewisse Korrelation zeigen. Eine kombinierte Betrachtung der Verben und der Nominalklassen gibt recht brauchbare Vorhersagen bzgl. der a-Markierung aus. Die unvollständige Erklärungsmöglichkeit mittels lexikalischer Einheiten ergibt sich dem hier vertretenen Ansatz zufolge daraus, dass Bedeutung nicht konstant ist. Sie wird vielmehr im Kontext kompositionell aktualisiert (cf. etwa Pustejovsky 1991a, 419). Die konzeptuelle Ebene wird hier ebenso kontextbasiert beschrieben. Nach einem ähnlichen Prinzip ließe sich bspw. auch das eingeschränkte Erklärungspotential von diskursreferentiellen Faktoren begründen. Dafür ist es allerdings hilfreich, die hier vertretene Theorie eingehend vorzustellen. Weitere Abgrenzungen werden daher im Rahmen der Korpusanalyse unter Rückgriff auf hilfreiche Beispiele vorgenommen. Wie die Korpusuntersuchung zeigen wird, hat der hier vertretene Ansatz, der in den folgenden Unterkapiteln präsentiert wird, ein sehr weitreichendes Erklärungspotential.
2.8 Ein neuer Ansatz für die Beschreibung der DOM Wie die Ausführungen der vorangegangenen Unterkapitel gezeigt haben, wird die differentielle Objektmarkierung in einer Vielzahl an Publikationen von ganz unterschiedlichen Standpunkten und mit diversen Zielsetzungen behandelt. In der vorliegenden Arbeit soll das Erklärungspotential der abstrakten Kategorie der Ikonizität ausgeschöpft werden. Die in Kap. 2.7.12 besprochenen Ansätze aus der Literatur, die Ikonizität als Faktor heranziehen, weisen das Problem auf, dass sie nicht präzise ausgearbeitet sind und im Detail auf Grenzen zu stoßen und bzw. oder keine umfassende Erklärung zum Ziel haben. Hier wird über die Komplexitätsikonizität argumentiert. Es wird die formale mit der konzeptuellen Ebene in ein Verhältnis gesetzt. Da die sprachliche Form direkt zugänglich ist, wird als entscheidende Beschreibungsebene die konzeptuelle Ebene angesetzt. Es ist insbesondere ein Modell nötig, das den Grad der Komplexität von konzeptuellen Einheiten und Strukturen bestimmbar macht. Mit Pustejovskys generativem Lexikon (1991a ; 1995b) liegt ein entsprechender Ansatz vor. Die Erklärung der DOM über die Komplexitätsikonizität unter Rückgriff auf das generative Lexikon Pustejovskys ist ein Novum. Wie gezeigt werden wird, kann die DOM so einerseits umfassend und im Detail beschrieben werden. Es wird im Rahmen der Arbeit sehr weitgehende Beschreibungsadäquatheit erreicht. Andererseits liefert der Ansatz eine kognitive Motivierung der Auftretensweisen der a-Markierung. Es kann folglich ebenfalls sehr hohe Erklärungsadäquatheit
2.8 Ein neuer Ansatz für die Beschreibung der DOM
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erreicht werden. Der Ansatz ist besonders elegant, weil er eine einheitliche Erklärung für das lexikalisch sehr diverse Thema ermöglicht, in dem ganz unterschiedliche Verb- und Nomenklassen relevant sind. Darüber hinaus liefert die unternommene Analyse einen wichtigen Beitrag zur Forschung im Rahmen des generativen Lexikons. Sie entspricht der Forderung Pustejovskys (2011, 1426) nach der Anwendung von Bestandteilen seiner Theorie auf größere Datenmengen. Im Folgenden werden noch einmal die Grundlagen des Ansatzes formuliert. Dann wird Pustejovskys Modell vorgestellt. Es wird gezeigt, wie das Modell im Rahmen des hier vorgeschlagenen Ansatzes auf die DOM angewendet werden kann. Dabei werden zunächst lediglich einige repräsentative Fälle besprochen, die sich aus unterschiedlichen Gründen zur Illustration eignen. Eine umfassende Beschreibung folgt dann im Kapitel zur eigentlichen Korpusanalyse. Zuvor werden allerdings noch einige Fälle aufgegriffen, die in der Literatur zur DOM unzureichend erklärt oder als problematisch diskutiert werden. So kann das besondere Potential des Ansatzes aufgezeigt werden. Im gleichen Schritt werden Implikationen des Modells für bestehende Ansätze thematisiert.
2.8.1 Formale Komplexität und Komplexitätsikonizität (DOM) Die Besonderheit des spanischen Akkusativobjekts ist, dass es mit einem Marker, a, auftreten kann. Schematisch lässt sich das wie in [47] darstellen. [47.a] Verb + Objekt [47.b] Verb + a + Objekt Offenbar enthält die Variante [47.b] mit Marker mehr Material. D.h. konkreter, dass sie in formaler Hinsicht mehr sprachliche Einheiten umfasst, was ggfs. lautlich186 und natürlich graphisch zum Tragen kommt. Der Unterschied wird hier als Komplexitätsdivergenz beschrieben, in dem Sinne, dass die beiden Varianten über unterschiedliche Mengen an strukturierter Information verfügen (cf. für das Verständnis von Komplexität bspw. Givón 2009a, 1s. unter Verweis insbes. auf
186 Bei manchen Sprechern und / oder in bestimmten Sprechsituationen (insbesondere bei schnellem Sprechen) ist das Element a in bestimmten lautlichen Kontexten nicht hörbar. Insbesondere bei gleichlautendem Verbauslaut kann es zur Verschmelzung mit dem Marker kommen (Synaloephe, cf. bspw. Becker 2013, 46). Von der Möglichkeit wird hier abstrahiert.
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Simon 1962; s. Kap. 2.2). Strukturiert heißt dabei, dass der Unterschied nicht nur quantitativer Natur ist. Erstens ist die Position des Elements in der Struktur nicht frei. Es tritt immer vor der Stelle auf, an der der Determinierer der Nominalphrase in Objektfunktion steht bzw. ggfs. stünde. Zweitens lässt sich unabhängig von einer etwaigen Funktion des zusätzlichen Elements feststellen, dass es zumindest in manchen Fällen oppositiv mit einem Bedeutungsunterschied einhergeht.187 Da der Marker durch kein einzelnes anderes sprachliches Element ersetzt werden kann, ist davon auszugehen, dass ihm ein spezifischer struktureller Wert entspricht oder entsprechen kann. Unabhängig davon, ob er selbst Bedeutung trägt, steht sein Auftreten zumindest mit bestimmten Bedeutungsrestriktionen in Zusammenhang. Sein Auftreten ist also nicht willkürlich, sondern formal relevant. Mithin lässt sich konstatieren, dass in der Variante [47.b] mehr strukturierte Information vorliegt. Sie ist formal komplexer. Auch der Marker selbst lässt sich unter der Warte präziser fassen. Da er nämlich der Struktur eine größere Komplexität zuordnet, kann er als Komplexitätsmarker bezeichnet werden. Abstrahiert man zudem von der Phrase, vor deren Determinierer er auftritt, kommt man zu einer allgemeinen Darstellung der Struktur, die bereits in Kap. 2.7 präsentiert wurde. [48] Verb {± Komplexitätsmarker} + angeschlossenes Element Ikonizität wurde oben definitiert als die nicht uneingeschränkte Entsprechung zwischen der Form eines sprachlichen Ausdrucks und der dazugehörigen Konzeption seiner Bedeutung und Funktion (cf. bspw. die ausführliche Darstellung in Givón 1985). Hier entscheidend ist die Komplexitätsikonizität. Sie wird verstanden wie etwa bei Lehmann (1974, 111): «[J]e komplexer die semantische Repräsentation eines Zeichens, desto komplexer seine phonologische Repräsentation». Die eine Seite des Verhältnisses, die formale, wurde näher betrachtet.
187 Es gäbe viele Beispiele dafür. Hilfreich ist etwa das folgende aus Torrego Salcedo (1999, 1800): Estudia {ø / a} la población de Madrid. ‘Er untersucht die Bevölkerung Madrids.’ Laut Torrego Salcedo (1999, 1800) disambiguiert a hier «entre nombres colectivos y los elementos singulares que estos designan». Der hier vertretene Ansatz legt jedoch die Interpretation nahe, dass das Nomen im Satz ohne a ein Abstraktum denotiert, also etwa die Bevölkerungsstruktur. In der Variante mit a wären hingegen auch bzw. insbesondere die die Bevölkerung konstituierenden Personen gemeint. Zwar ist dann eine Lesart nicht völlig ausgeschlossen, in der viele Individuen intendiert sind. Das lexikalische Element in Objektposition legt das aber nicht nahe. Wahrscheinlicher ist, dass die markierte NP ein Kollektivum intendiert (s. auch die Diskussion der Massennomen und von Nomina mit z.T. ähnlichen Eigenschaften in Kap. 4.3.1).
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Die Beschreibung der differentiellen Objektmarkierung als Realisierung zweier unterschiedlicher Werte von formaler Komplexität ist demnach möglich. Für die Beschreibung einer Ikonizitätsrelation ist folglich die konzeptuelle Seite näher zu betrachten. Während die Opposition auf der formalen Ebene ins Auge springt, sind die Verhältnisse der konzeptuellen Ebene weniger leicht zugänglich. Es ist ein Modell vonnöten, das ebenfalls eine Opposition zeigen kann, bei der sich Komplexität und Nicht-Komplexität gegenüberstehen. Dafür müssen die Bedeutungsverhältnisse formalisiert werden. Es ist dabei die konzeptuelle Entsprechung der gesamten Verbalphrase zu berücksichtigen.188 Insbesondere für die Bestimmung individueller Okkurrenzen müssen auch das Subjekt und weitere Elemente des Kotextes in den Blick genommen werden, da sie Aufschluss über etwaige Bedeutungsaktualisierungen geben. Die angeführte Opposition lässt sich jedoch v.a. an dem Teil der konzeptuellen Struktur festmachen, der dem Akkusativobjekt entspricht. Genauer gesagt, ist seine Interpretation und damit seine Konzeptualisierung in Abhängigkeit von seiner Einbettung unter das Verb zu bestimmen. Pustejovskys generatives Lexikon, dem sich das folgende Kapitel widmet, bietet ein geeignetes begriffliches und formales Instrumentarium.
2.8.2 Pustejovskys generatives Lexikon Mit dem generativen Lexikon steht eine gut ausgearbeitete lexikalische Theorie für die Behandlung der Satzsemantik zur Verfügung. Sie erfasst die Einzelbedeutungen sehr präzise und formalisiert ihr Zusammenspiel.189 Das generative Lexikon wird seit Ende der 1980er Jahre v.a. von James Pustejovsky entwickelt (cf. Pustejovsky 1995b, IX). Pustejovsky grenzt seinen Ansatz verschiedentlich von anderen, großteils generativen Beschreibungen der Semantik ab (cf. besonders Pustejovsky 1991a, 413ss.). Der Vergleich kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht mehr als angedeutet werden, es sei dafür auf ibid. verwiesen. Ein ein-
188 Der Fokussierung auf die Verbalphrase folgt der Darstellung Pustejovskys (1991a; 1995b usw.), die im folgenden Kapitel vorgestellt wird. 189 Pustejovsky und seine Schüler haben die Theorie des generativen Lexikons sehr weit ausgearbeitet. Sie erfassen viele wichtige sprachliche Bereiche im Detail. Der Rahmen der vorliegenden Arbeit ermöglicht nur einen kurzen Einblick in den Ansatz. Der nötige Fokus orientiert sich an der Zielsetzung der Arbeit.
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führender wissenschaftshistorischer Überblick findet sich etwa in Blank (2001, relevant sind hier besonders S. 15–29). Das generative Lexikon fällt in die Kategorie semantischer Analysen, die die Bedeutung der Einzelelemente zerlegen, das Prinzip der lexikalischen Dekomposition (cf. für einen Einblick in die Herangehensweise Wunderlich 2012; s. auch Kap. 2.4). Eines der Hauptverdienste des generativen Lexikons besteht aber darin, dass der Fokus gerade nicht auf der Zerlegung an sich liegt, wie das in strikter dekompositionellen Theorien der Fall ist, sondern auf der Kombinatorik. Die Zerlegung erfolgt also in Hinblick darauf, welche Bedeutungsbestandteile wie ineinandergreifen und wie sie sich ggfs. beeinflussen. Als dekompositioneller Ansatz lässt sich bereits die europäische strukturelle Semantik einordnen, die ab etwa Mitte des 20. Jahrhunderts die Bedeutung einzelner Wörter bzw. die Bedeutung von Wörtern als Bestandteile von Wortfeldern in Seme, also kleinste (unterscheidende) Bedeutungsmerkmale, zerlegte. Die Kritik an der Vorgehensweise ist, dass der Erkenntnisgewinn dabei kaum über den einer Einzelbeschreibung hinausgeht. Spätere Ansätze versuchen daher, zahlenmäßig begrenzte allgemeingültige Bedeutungselemente herauszuarbeiten. Erfolgt dies auf Wortebene, so ist das Ziel dabei, zu einer fixen und generell gültigen Anzahl grundlegender Bedeutungsbestandteile, den sogenannten semantischen Primitiva, zu gelangen (cf. besonders Wierzbicka 1972 und folgende). Bei Jackendoff (1990) etwa, der viele folgende Veröffentlichungen beeinflusst hat (cf. Wunderlich 2012, 310), wird demgegenüber mittels entsprechender Primitiva die konzeptuelle Bedeutung größerer Einheiten, insbesondere von Sätzen beschrieben (cf. Jackendoff 1990). Ein Satz wie John ran into the room wird bei Jackendoff (1990, 45) zerlegt in [Event GO ([Thing John], [Path TO ([Place IN ([Thing ROOM])])])]. In den genannten Theorien liegt der Fokus also auf dem Ergebnis der Zerlegung, d.h. den zerlegten Einheiten. Pustejovskys (1995b, 1) erklärtes Ziel ist demgegenüber, die Bedeutung von Einzelelementen gerade in Hinblick auf andere Elemente zu beschreiben und dabei herauszuarbeiten, wie die Elemente im Zusammenspiel zum Gesamtsinn beitragen. Zwar sieht er bereits die lexikalische Bedeutung einzelner Wörter als hierarchisch strukturiert an (cf. Pustejovsky 1991b, 55), sein Hauptinteresse gilt nichtsdestotrotz der Bedeutung auf Satz- oder zumindest auf Phrasenebene. Vereinfachend gesprochen ist das generative Lexikon also besonders am Weg zur Gesamtbedeutung interessiert (cf. bspw. auch Pustejovsky 1995b, 58).190
190 Pustejovsky formuliert dies u.a. folgendermaßen: «What I would like to do is to propose a new way of viewing primitives, looking more at the generative or compositional aspects of lexical semantics, rather than the decomposition into a specified number of primitives» (Pustejov-
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Aus diesem Anspruch folgt ein weiteres wichtiges Verdienst der Theorie. Es besteht im Umgang mit den Bedeutungsbestandteilen. Sie werden auf mehreren Ebenen kategorisiert. Diese Kategorisierung ist, wie noch gezeigt werden wird, das Rückgrat der Theorie. Sie ist so angelegt, dass in ihr jegliche Art semantischer Information erfasst werden kann. Für die Beschreibung auf Satzebene werden die Bedeutungsbestandteile in Funktion ihrer jeweiligen Kategorie operationalisiert. Die Kategorien der Hauptebene, also die zentralen Repräsentationsebenen (cf. Pustejovsky 1991a, 419), sind nach Pustejovsky (1991a; 1995b) zunächst die Argumentstruktur, die Ereignisstruktur, die Qualia-Struktur und die Vererbungsstruktur (cf. dafür und für ihre grobe Beschreibung etwa Pustejovsky 1991a, 416ss.; 1995b, 62ss.). Die Termini der Argumentstruktur und der Ereignisstruktur werden im generativen Lexikon nicht anders als in anderen semantischen Theorien verwendet. Bei der Argumentstruktur geht es um die Bestimmung von Anzahl, Typen und Realisierungsmöglichkeiten der Argumente eines argumentfähigen Elements (cf. ibid., 62) bzw. Operators (cf. Pustejovsky 1991a, 419). Mit der Ereignisstruktur («event structure», ibid.) wird der Ereignistyp eines Worts oder einer Phrase erfasst, wobei sich Pustejovsky erklärtermaßen an Vendler (1967) und Weiterentwicklungen seines Ansatzes orientiert (cf. Pustejovsky 1991a, 419; 1991b, 55s.). Er unterscheidet dementsprechend die drei grundlegenden Ereignistypen des Zustands, des Prozesses und des Zustandswechsels (bzw. State, Process und Transition) entsprechend der Art der internen Strukturierung (cf. ibid., 56). Diese Strukturierung formalisiert er, indem er jedem Ereignis zwei zeitlich aufeinanderfolgende Unterereignisse zuordnet (cf. ibid.). Die lexikalische Vererbungsstruktur («lexical inheritance structure», Pustejovsky 1991a, 418) zeigt die relationale Strukturierung des Lexikons an. Im Sinne einer Betrachtung des Lexikons als Netzwerk geht es also v.a. darum, welche Einheiten miteinander in Beziehung stehen. So können Phänomene wie Hyponymie und Hyperonymie erfasst werden, aber auch Kollokationen (cf. ibid., 433 mit weiteren Literaturhinweisen), die sich in Wortfeldern ergeben können.191 Ausschlaggebend dafür, mit welchen anderen Elementen des Lexikons die betrachtete
sky 1991a, 417, Hervorhebungen i.O.). Wunderlich (2012, 310) geht einige Jahre später so weit zu sagen, dass das generative Lexikon «the idea of an exhaustive decomposition of lexical items» ablehne. In Anbetracht etwa von Pustejovsky (2013), wo explizit Parallelen zwischen dem generativen Lexikon und anderen dekompositionellen Theorien aufgezeigt werden (cf. besonders ibid., 10), scheint dies zu weit zu gehen. 191 Die erste Gruppe, also bspw. Hyponymieverhältnisse, bezeichnet Pustejovsky (1991a, 433) als fixierte, die zweite als projizierende Vererbung. Er ordnet den ersten Typ als statisch, den zweiten hingegen als generativ ein (cf. ibid.).
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Einheit in Beziehung steht, ist die Qualia-Struktur (cf. Pustejovsky/Boguraev 1993, 214). Dabei handelt es sich grob gesagt um die systematisierten Bedeutungsbestandteile der Einheit (s.u.). Pustejovsky/Boguraev (1993, 213) betonen, dass die den lexikalischen Elementen entsprechenden Konzepte strukturiert und hierarchisch gegliedert sind. Über die damit einhergehenden (oben angesprochenen) Beziehungen zwischen den lexikalischen Einheiten können Bedeutungsbestandteile vererbt werden (cf. ibid., 214). Laut Pustejovsky (2001) ist der Rückgriff auf die multiple Vererbung in wissensbasierten lexikalischen Theorien verbreitet. Er führt Beispiele an wie die Hyponymierelation zwischen den Konzepten ‘Nahrungsmittel’ und ‘Apfel’ (cf. ibid.). Problematischer sind nach Pustejovsky/Boguraev (1993, 214) Kohyponymierelationen wie zwischen ‘Roman’ und ‘Wörterbuch’ (Beispiele in Anlehnung an ibid.), denn «although it might seem reasonable to think of both […] as ‘books’, they behave very differently in terms of how they are selected by different relations». Während also bspw. ein Roman gelesen wird, gilt dies nicht für ein Wörterbuch (cf. ibid.). Im Wörterbuch wird allerdings im Gegensatz zum Roman etwas nachgeschlagen (cf. ibid.). Die Besonderheit des generativen Lexikons ist im Bereich der lexikalischen Vererbung nun, dass jeder Bedeutungsbestandteil der betrachteten Einheit eigens relationiert wird (cf. ibid.). Mit dieser sehr fein differenzierenden Methode können auch komplizierte Verhältnisse wie im oben angeführten Beispiel präzise erfasst werden. Wichtig ist, dass die angesprochenen Bedeutungsbestandteile keineswegs ad hoc bestimmt werden. Es handelt sich dabei vielmehr, wie oben gesagt, um die konkreten Ausprägungen der Qualia-Struktur, die im Folgenden besprochen wird. Eine Besonderheit des generativen Lexikons gegenüber den meisten v.a. auch nicht-dekompositionellen satzsemantischen Theorien, ist, dass der Beschreibungsfokus nicht auf dem Verb liegt. Dies wird besonders anhand der vierten zentralen Repräsentationsebene deutlich, der sogenannten Qualia-Struktur (cf. dafür bspw. Pustejovsky 1991a, 418). Sie ist das Herzstück des generativen Lexikons (cf. Pustejovsky 1998a, 294) und ein Alleinstellungsmerkmal der Theorie. Die Qualia-Struktur legt die Wortbedeutung im engeren Sinne fest. Sie enthält die Bedeutungsbestandteile und ermöglicht so das Erfassen und Verstehen von Konzepten (cf. Pustejovsky 1995b, 85) und deren logische Organisation (cf. Pustejovsky 2001, 95). Bei Konzepten, die Nomen entsprechen, dient sie der Typenbildung. Die vier Qualia-Rollen (im Folgenden auch «die Qualia», Singular «das Quale», cf. Heckmann/Walter 2001, 16) erfassen die (sprecherunabhängige) Konzeption von außersprachlichen Objekten und Beziehungen (cf. ibid.192 und Moravcsik 1975,
192 Im Detail wäre die Definition von Qualia, die im betreffenden Abschnitt von Heckmann/ Walter (2006, 16) vorgeschlagen wird, für die Zwecke hier nicht hilfreich. Sie konzentriert sich
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143
624, 627), die mit Inhaltswörtern denotiert werden (cf. Pustejovsky 1995b, 85).193 Im Umkehrschluss konstituieren sie die notwendigen Bedeutungsbestandteile, um ein Wort zu verstehen (cf. Pustejovsky 1998b, 329). Sie liefern zudem «the minimal explanation for the linguistic behavior of lexical items» (Pustejovsky 1998a, 294). Pustejovskys Qualia basieren auf der Interpretation der Aristotelischen Aitiai (bzw. im Wortlaut Pustejovskys «aitiae», Pustejovsky 1995b, 76) von Moravcsik (1975 u.a.194) (cf. Pustejovsky 1991a, 426; 1995b, 76; 1998a, 294 etc.). Es handelt sich dabei um einen Teil von Aristoteles Physik (Buch II, bes. Kap. 1–3), wo er die Naturbeschaffenheit, die Ursache und das Ziel bespricht (cf. etwa die deutsche Übersetzung in Aristoteles 1995, 25–34). Moravcsik (1975; 1990) hat die Aitiai neu interpretiert und im Rahmen dessen teilweise eigene Übersetzungen vorgeschlagen. In Abgrenzung zu vorherigen Veröffentlichungen zu den Aitiai versteht Moravcsik (1974; 1975) diese nicht als «causes», sondern als Erklärungsprinzipien (cf. Moravcsik 1974, 3ss.; in Prasada/Dillingham 2006, 75 finden sich Verweise auf weitere Veröffentlichungen, in denen diese Formulierung gewählt wird). Spätestens ab Moravcsik (1975, 622) bezeichnet er sie auch als «generative factors». Pustejovsky (1995b) übernimmt den Begriff der generativen Faktoren für die Aitiai bzw. Qualia.195 Sein Umgang damit zeigt sich etwa in der folgenden Aussage deutlich: «What qualia structure tells us about a concept is the set of semantic constraints by which we understand a word when embedded within the language» (ibid., 86). Dies ist die Grundlage für Pustejovskys dekompositionell semantische Formalisierung der Qualia-Rollen. Die folgenden vier Qualia werden von Moravcsik (1975, 627–632) und in der Folge von Pustejovsky (1991a, 426s.; 1995b, 85s. etc.) unterschieden:196
nicht auf lexikalisch-semantische Information. 193 Pustejovksy spricht in aller Regel von «lexical items» (Pustejovsky 1995, 76; 1998a, 294) oder auch schlicht von Wörtern. Wie oben angedeutet liegt der Fokus auf solchen lexikalischen Einheiten bzw. Phrasen, die nicht (nur) aus Funktionswörtern bestehen. 194 Pustejovsky (1995b, 76) verweist an der genannten Stelle auf eine Publikation Moravcsiks aus dem Jahr 1973. Die Veröffentlichung figuriert aber im Gegensatz zu Moravcsik (1975), worauf er bereits in Pustejovsky (1991a, 426) verweist, nicht im Literaturverzeichnis (cf. Pustejovsky 1995b, 282), was hier als Indiz auf einen Tippfehler interpretiert wird. 195 In Pustejovsky (1991a, 411) verwendet er den Begriff der «generative factors» noch allgemeiner, nämlich für die Repräsentationsebenen, später, etwa in Pustejovsky (1995b, 85), dann jedoch konkret für die Qualia. 196 Es wird hier darauf verzichtet, aufzuschlüsseln, welcher Autor welche Qualia-Rolle in welcher Veröffentlichung genau wie genannt hat (s. aber die Anmerkung unten zur Reihenfolge). Die Bezeichnungen von Seiten der beiden Autoren verstehen sich teilweise als Vorschläge. Die Übersetzung bzw. Übernahme ins Deutsche verwischt zudem genaue Grenzen.
144 1. 2. 3. 4.
2 Theorie
der konstitutive Faktor bzw. das konstitutive Quale, der formale oder unterscheidende Faktor, der sogenannte agentive Faktor oder Ortus-Faktor (s.u.) sowie der telische Faktor.
Die Anordnung der Qualia impliziert eine gewisse Vorstellung vom Aufbau konzeptueller Struktur. Die beiden Autoren weichen darin voneinander ab. Die hier gezeigte Anordnung ist derjenigen Pustejovskys näher, die Voraussetzungen für die Typenbildung des generativen Lexikons berücksichtigt. Allerdings wurde die Reihenfolge der Faktoren (3) und (4) gegenüber Pustejovsky (cf. bspw. Pustejovsky 1995b, 86) invertiert, da dies nach Einschätzung des Verfassers der vorliegenden Arbeit die logischen Verhältnisse,197 die einer Konzeptstruktur zukommen, besser widerspiegelt. Wie unten gezeigt wird, sind die Typen dahingehend festgelegt, für welche Teile der Liste Spezifizierungen vorhanden sind. Die hier verwendete Abfolge von (3) und (4), die gegenüber ibid. invertiert ist, ist auch in Hinblick auf die Integration des Zwischentyps, des sogenannten semi-intentionalen Typs, von Vorteil (s.u.).198 Im konstitutiven Quale ist spezifiziert, aus was die betrachtete Einheit besteht und welcher Art das Verhältnis zwischen ihr und ihren Bestandteilen ist (cf. bspw. Pustejovsky 1995b, 85). Der unterscheidende Faktor dient der Einordnung der betrachteten Einheit in eine geeignete ausdifferenzierte Klasse, wobei das relevant ist, was zur Einordnung führt (cf. besonders Moravcsik 1975, 631).199 Somit enthält dieser Faktor auch relationale Information zu Einheiten der gleichen oder
197 Dies bedeutet nicht unbedingt, dass die Anordnung auch der typischen Konzeptualisierung entsprechen muss. Bei bestimmten Konzepten ist der Zweck sicherlich salienter als der Ursprung. Die angesprochenen «logischen Verhältnisse» sind hier zeitlich gemeint. Sie lassen sich so allerdings leichter verallgemeinern. 198 Der Zusammenhang kann vorweggreifend wie folgt zusammengefasst werden (cf. für die folgenden Erläuterungen bspw. Pustejovsky 2001, s. Fließtext). Eine erste Trennlinie verläuft zwischen Quale (2) und (3). Wenn ein Konzept lediglich über Spezifizierungen der Faktoren (1) und (2) verfügt, handelt es sich um einen natürlichen Typen. Sind weitere Faktoren spezifiziert, so liegt ein anderer Typ vor. Die zweite Abgrenzung lässt sich zwischen Quale (3) und (4) ziehen: Der semi-intentionale Typ verfügt neben (1) und (2) auch über eine Spezifizierung des 3. Quales. Konzepte des funktionalen Typs sind hingegen für alle vier Faktoren spezifiziert. In der Linearität, die sich aus der Anordnung von (3) und (4) in der hier vertretenen Weise gegenüber derjenigen von Pustejovsky (1995b, 86; 2001, 94 usw.) ergibt, besteht ein kleiner deskriptiver Vorteil. 199 Zum leichteren Verständnis der Aussage sei auf das klassische Definitionsformat «genus proximum et differentia specifica» verwiesen. Insbesondere zweiteres, auch ersteres (s.u.), nicht aber die Bedeutungsbestandteile als solche, die ja schon im konstitutiven Quale gegeben sind, ist im unterscheidenden Faktor enthalten (cf. Moravcsik 1975, 630s.).
2.8 Ein neuer Ansatz für die Beschreibung der DOM
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einer übergeordneten Klasse (cf. ibid.). Der sogenannte agentive Faktor wird in der vorliegenden Arbeit als Ortus-Faktor (von lat. ortus: ‘Entstehung’, ‘Ursprung’, aber auch ‘abstammend’) bezeichnet. Der Ausdruck ist erstens nicht anderweitig belegt und zweitens in seiner Durchsichtigkeit klarer. Der Ortus-Faktor bestimmt, wie die betrachtete Einheit zustande kommt (cf. etwa Pustejovsky 1995b, 86). Der telische Faktor schließlich beinhaltet den Zweck und die Funktion der betrachteten Einheit (cf. ibid.). Wichtig ist, dass einerseits jedes Konzept eine Qualia-Struktur aufweist (cf. Pustejovsky 1995b, 76), aber nicht alle Konzepte für jeden Faktor über einen Wert verfügen (cf. ibid.; Moravcsik 1975, 632). Oben wurde angesprochen, dass die Qualia insbesondere auch der für die vorliegende Arbeit wichtigen Typenbildung dienen. Pustejovsky (1991a; 1995b etc.) differenziert drei Haupttypen, natürliche, funktionale und komplexe Typen. Die Unterscheidung, hinsichtlich welcher bzw. wie vieler Qualia ein Konzept spezifiziert ist, führt zur ersten Opposition, die die beiden Kategorien des natürlichen und des funktionalen Typs ausgibt. Wie oben angesprochen, ist hierbei die Anordnung der Qualia relevant. Die Trennlinie befindet sich zwischen dem zweiten und dem dritten Quale. Die trennende Bedeutungskomponente ist nach Pustejovsky (2001, 98) die Intentionalität. Pustejovsky (2001) gibt keine Definition seiner Verwendung des Intentionalitätsbegriffs (cf. zudem Asher/Pustejovsky 2000). Es ist daher davon auszugehen, dass er den Terminus wie etwa Crane (1995, 32, Hervorhebung i.O.) versteht, nämlich «as simply as possible – as being directed on something». Intentionalität ist lediglich im Ortus- und im telischen Faktor enthalten (cf. Pustejovsky 1995b, 97; 2001, 98). Konzepte, in deren Qualia-Struktur keine Intentionalität enthalten ist, entsprechen natürlichen Typen (cf. ibid., 99). In dem Fall weisen lediglich das konstitutive und das formale Quale einen Wert auf. Sind alle vier Qualia eines Konzepts spezifiziert, so handelt es sich dabei um einen funktionalen Typ bzw. ein Artefakt. Beispiele für natürliche Typen200 sind die entsprechenden Konzepte zu Stock oder Himmel (Beispiele aus ibid.).201 Auch ein Holzstock ist natürlichen Typs (cf. ibid.). Der Begriff expliziert allerdings den konstitutiven Faktor, woraus also der Gegenstand besteht (cf. ibid.). Demgegenüber ist ein Schlagstock sowohl hinsichtlich des Ortus- als auch des telischen Quales spezifiziert (Beispiel frei
200 Um die Darstellung nachvollziehbar zu gestalten, werden im Folgenden zunächst nur nominal denotierbare Konzepte besprochen. Das Prinzip gilt jedoch auch bei Konzepten, deren Versprachlichung mit Verben erfolgt. 201 Pustejovsky (2001, 99) führt auch lion als Beispiel für einen Begriff natürlichen Typs an. Wie die vorliegende Untersuchung zeigt, ist jedoch eine komplexe Konzeptualisierung tierischer Denotate möglich und nicht selten (s. bereits Kap. 2.7.4 und insbesondere Kap. 4.3.2). Die Thematik wird an dieser Stelle vorerst ausgeklammert.
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2 Theorie
nach ibid., 103): Er wurde zum Zweck des Schlagens hergestellt. Das Konzept ist also funktional. Pustejovsky (2001, 103s.) führt zusätzlich als eine Art «Zwischentyp» den semi-intentionalen Typ ein. So ist ein geschnitzter Stock einerseits hinsichtlich des konstitutiven und unterscheidenden Faktors spezifiziert, andererseits wird auf den Ortus-Faktor Bezug genommen, wobei nur eine Modifikation vorliegt und die eigentliche Entstehung nicht betroffen ist (Beispiel nach ibid., 103s.). Das telische Quale bleibt bei semi-intentionalen Konzepten gegenüber funktionalen ohne Wert (cf. ibid., 104). Die Trennlinie wird für die Abgrenzung von semi-intentionalem und funktionalem Typ also gewissermaßen um ein Quale weiter nach unten verschoben (s. auch die obige Fußnote). Ein geschnitzter Spazierstock wäre wiederum ein Beispiel für den funktionalen Typ. Er hat einen konkreten Zweck, nämlich etwa das Spazieren zu erleichtern (telisches Quale), und wurde dafür hergestellt (Ortus-Quale). Dass auch in diesem Fall in der außersprachlichen Wirklichkeit u.U. nur – oder evtl. streng genommen sogar nicht einmal – die Modifikation eines natürlichen Gegenstands vorliegt, ist unerheblich. Das Konzept des Spazierstocks erfährt seinen Ursprung in dem Moment, in dem der zuvor natürliche Gegenstand neu, nämlich funktional, konzeptualisiert wird. Die außersprachliche Entsprechung dessen könnte sein, dass ein Stock in einer gewissen Weise in die Hand genommen und auf den Boden aufgesetzt, evtl. auch geschwungen wird. Dass der zu Beginn des Absatzes eingeführte semi-intentionale Typ relevant ist, zeigt auch die Untersuchung der vorliegenden Arbeit. Er ist u.a. für die nähere Beschreibung bestimmter Lexeme mit menschlichem Denotat hilfreich (s. Kap. 4.3.1). Der dritte Haupttyp wird als komplexer Typ oder auch als «Dot Object», also Punkt-Objekt,202 bezeichnet. Mit dieser Kategorie versucht Pustejovsky, verschiedene Arten von Polysemie203 zu erfassen, auch solche, die etwa Blank (2001, 109) als «Grenzfall zwischen Kontextvarianz und Polysemie» einstuft. Pustejovsky (1995b) selbst führt diesbezüglich die Kategorie der «logischen Polysemie» ein: «I will define logical polysemy as a complementary ambiguity where there is no change in lexical category, and the multiple senses of the word have overlapping, dependent, or shared meanings» (ibid., 28, Hervorhebungen i.O.). Ein Beispiel dafür, mit dem sich Pustejovsky in verschiedenen Veröffentlichungen beschäftigt, ist Buch bzw. book (cf. Pustejovsky 1991a; 1995b; 2001 etc.). Im Konzept von Buch
202 Die Bezeichnung des Punkt-Objekts kommt daher, dass die Mengen bzw. Komponenten eines kartesischen Produkts oder auch Kreuzprodukts (cf. bspw. Lohnstein 1996, 17) in manchen Darstellungen mit einem Punkt verbunden werden (cf. auch Pustejovsky 2011, 1408). 203 Aus Platzgründen kann die Thematik der Polysemie nicht vertieft werden. Eine Übersicht zum Thema findet sich etwa in Blank (2001, Kap. 5).
2.8 Ein neuer Ansatz für die Beschreibung der DOM
147
sind die beiden Bedeutungsbestandteile vereint, dass das Lexem erstens ein physisches Objekt und zweitens den Informationsgehalt dessen denotiert bzw. denotieren kann (cf. bspw. Pustejovsky 1998a, 299). Ein komplexer Typ hat also zwei oder mehr Bedeutungen. Jackendoff (2011, 701) spricht von Punkt-Objekten sogar als «entities that subsist simultaneously in multiple semantic domains». Wichtig ist, dass die Einheiten oder eben Bedeutungen über ein bestimmtes Verhältnis miteinander verbunden sind, das prinzipiell nicht änderbar ist (cf. Pustejovsky 1998a, 299).204 Mögliche Verhältnisse sind die des Behältnisses, oder besser des Beinhaltens, wie im Falle des Buches (cf. ibid.) oder auch zeitliche Abfolgen, was typischerweise etwa bei Substantivierungen im Englischen mit dem Morphem -ion der Fall ist (cf. ibid., 299s.). Auch das deutsche Nomen Konstruktion kann u.a. sowohl einen Prozess, nämlich den des Konstruierens, als auch das Ergebnis des Prozesses bezeichnen (cf. den Online-Duden, Eintrag «Konstruktion», Zugriff: 02.02.19, Beispiel nach Pustejovsky 1998a, 299). Das Verhältnis der zeitlichen Abfolge ist offenbar logisch nicht umkehrbar (cf. ibid.). Ein Punkt-Objekt ist damit mehr als nur die Summe seiner Komponenten (cf. Pustejovsky 1995b, 94). Der komplexe Typ vereint die Kombination der Bedeutungskomponenten, die einzelnen Komponenten und die Information, wie die Komponenten miteinander verknüpft sind, also die Strukturierung der Kombination, in sich (cf. ibid., 149ss.). Ein besonders wichtiges komplexes Objekt ist das Konzept ‘Person’ (cf. für die Wertung etwa Jackendoff 2002, 374). Pustejovsky (2001, 107) bestimmt seine konzeptuelle Struktur als «animal•rational».205 Jackendoff (2002, 374) ist etwas ausführlicher: «[A] person is conceptualized as a physical object, and […] simultaneously as a mind or a self or (dare we say it) a soul». In ähnlicher Weise äußert sich bspw.206 auch Lakoff (1987) zur Thematik der Klassifizierung des Konzepts ‘Mensch’. Interessanterweise unterstreicht er dabei den Status als komplexes Objekt, dass also die beiden Bestandteile direkt miteinander verbunden sind.
204 Nach Pustejovsky (1998a, 298) ist die Bedeutungsstruktur eines Punkt-Objekts ein kartesisches Produkt mit n Elementen und zusätzlichen Beschränkungen, insbesondere der, dass das Produkt nicht kommutativ ist. 205 Die Darstellung enthält den Punkt, der wie angesprochen der Grund für die Bezeichnung als «Dot Object» ist (s.o. für seine Interpretation). 206 Das Konzept ‘Mensch’ ist in der Literatur ein viel diskutiertes Thema. Es wird u.a. auch intensiv in Zusammenhang mit der Belebtheit (bzw. Animacy) diskutiert. Eindrücklich ist etwa Dahls (2008, 145) Bestimmung des «personhood» u.a. mittels thematischer Rollen. Das Konzept «seems to embody what is quintessential to animate beings, both the roles as agent and experiencer, and the focus on the individual» (ibid., 145s.). Wie das Zitat zeigt, geht es dort nicht um eine abstrakte konzeptuelle Struktur, weshalb der Ansatz hier nicht vertieft wird.
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2 Theorie
«Human beings are rational animals. […] Our forms of reason […] are not independent of our animal nature; rather, they depend crucially on the animal nature» (ibid., 368).
Die Thematik wird in den folgenden Kapiteln wieder aufgegriffen, wenn auch die generativen Mechanismen besprochen worden sind (s. insbesondere Kap. 2.8.3). Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird für eine neue Kategorie argumentiert, dem relationalen Typen. Es handelt sich dabei um einen ergänzenden Typen, der natürlich oder funktional instantiiert sein kann und einen Basistyp zu einem komplexen Typ anreichert. Er ermöglicht die semantische Kompatibilität bestimmter Subjekt-Verb-Objekt-Kombinationen, die andernfalls nicht realisierbar wären. Die untersuchten Daten sprechen klar für seine Relevanz (s. Kap. 4.1.1.2.3 und Kap. 4.1.2.2.1). Er wird in Kap. 2.8.4 eingeführt. Wie oben angesprochen ist das generative Lexikon besonders an einer Gesamtbedeutung, also an der Ebene kombinierter lexikalischer Einheiten, interessiert. Für die Analyse der Bedeutungskombinatorik werden die vier Repräsentationsebenen verbunden. Dies erfolgt im generativen Lexikon mittels verschiedener generativer Verfahren (cf. Pustejovsky 1995b, 61). Pustejovsky (1995b, 61) führt besonders die folgenden an: 1. die «Type Coercion»207 betrifft das Verhältnis von Verben und Argumenten, 2. das «Selective Binding» tritt zutage, wenn bestimmte Adjektive und Nomen kombiniert werden und 3. die «Co-Composition» ist u.a. bei bestimmten Verb-Argument-Verbindungen relevant. Die einzelnen generativen Verfahren stehen in keinem direkten Bezug zueinander. Insofern ist auch die Reihenfolge nicht von Bedeutung. Beim Verfahren der Type Coercion fixiert ein regierendes Element über die Qualia-Struktur die Interpretation eines untergeordneten Elements bzw. einer Phrase, ohne jedoch den syntaktischen Typ zu ändern (cf. Pustejovsky 1995b, 61 und für den Versuch einer wissenschaftstheoretischen Aufarbeitung des Begriffes Lauwers/Willems 2011). Pustejovsky (1995b) unterscheidet die «Subtype Coercion» (ibid., 113) von der «True Complement Coercion» (ibid., 115), also vom Komplementzwang im engeren Sinne. Die Subtype Coercion zeigt er u.a. anhand von Beispielen wie
207 Der Begriff kann etwa mit Typenzwang übertragen werden. Das Online-Wörterbuch dict. cc gibt mit dem Hinweis auf die fachsprachliche Markierung als der Informatik zugehörig «erzwungene Typumwandlung» (https://www.dict.cc/englisch-deutsch/coercion.html, Zugriff: 02.02.19) an. Da im generativen Lexikon aber keine Umwandlung des Typs gegeben sein muss, erscheint der Ausdruck weniger sinnvoll. In der Literatur findet sich zum Teil auch der Anglizismus «Koerzion».
2.8 Ein neuer Ansatz für die Beschreibung der DOM
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Maria fährt einen Audi (Beispiel nach ibid., 113).208 Die vom Verb ausgedrückte Funktion fordert als erstes Argument eine menschliche Entität und als zweites ein Fortbewegungsmittel. Maria erfüllt als Instantiierung einer menschlichen Entität die Forderung bezüglich des ersten Arguments. Das Konzept ‘Auto’, das als Untertyp von ‘Fortbewegungsmittel’ spezifiziert ist, vererbt seine Qualia-Struktur an Audi (cf. ibid., 114) und bestimmt dadurch dessen Typ, womit der Satz semantisch akzeptabel wird. Die übliche Erklärung über eine Metonymie zwischen ‘Auto’ oder ‘Fortbewegungsmittel’ und Audi ist hier nicht nötig (cf. ibid., 1), der Hersteller des ‘Fortbewegungsmittels’ ist im zugehörigen Ortus-Faktor enthalten. Dieser Qualia-Wert wird bei der Vererbung nicht ersetzt.209 Als weiteres Beispiel führt Pustejovsky (1995b, 113) John read the Tractatus on holiday an. Das Verb read selegiert eine lesbare Entität, einen ‘Text’ (cf. ibid., 115). Pustejovsky (1995b, 115) geht davon aus, dass das Konzept ‘book’ zwischen ‘Text’ und dem Tractatus Wittgensteins mediiert. Demnach könnten neben der Lesbarkeit noch weitere Eigenschaften vererbt werden, insbesondere die Darbringung des Textes in Buchform. Beim Komplementzwang im engeren Sinne («True Complement Coercion») kommt es zu einer Änderung des Typs (cf. ibid., 115). Ein Beispiel mit dem Verb begin ist John began a book (Beispiel aus ibid.). Wie oben beschrieben, ist book ein komplexes Objekt aus ‘Information’ und ‘physischem Objekt’. Begin jedoch benötigt als Zweitargument ein Ereignis (cf. ibid., 116).210 Es zwingt dem Objekt diese Lesart auf, entweder über den Wert des telischen oder den des Ortus-Faktors (cf. ibid.). Im ersten Falle, wenn die Ereignislesart über den Zweck realisiert wird, hat der Satz die Bedeutung ‘John fing an, ein Buch zu lesen’. Im zweiten Fall wird die Bedeutung über die Herstellung festgelegt und ist ‘John fing an, ein Buch zu schreiben’. Der Mechanismus, der ein Quale hervorhebt und damit die Bedeutung der NP bestimmt, wird «Type Pumping» oder (Typen-)Projektion genannt (cf. ibid., 119). O’Meara (2010, 161) definiert ihn folgendermaßen: «A ‹type pumping› operation is a type-shifting operation that takes a dotted type as its input and returns either of its base types». Die Definition ist klar formuliert, möglicherweise
208 Das Originalbeispiel, Mary drives a Honda to work (Pustejovsky 1995b, 113) mag für einen Leser aus dem deutschen Sprach- bzw. Kulturraum weniger einleuchtend sein, da Honda eher als Motorrad denn als das intendierte Auto verstanden werden könnte. 209 Pustejovsky (1995, 114) betont, dass der spezifische Typ des Ortus-Faktors «locally defined» sei. Während also der Ortus-Faktor von ‘Auto’ nur die allgemeine Information enthält, dass es sich um ein von einem Autohersteller hergestelltes Artefakt handelt, enthält der Begriff Audi die genauere Information, dass der Autohersteller Audi ist. 210 Cf. auch Jackendoff (2002, 372s. mit weiteren Literaturhinweisen), der betont, dass Pustejovsky auf der Basis solcher Beispiele die Qualia-Struktur motiviert (cf. Jackendoff 2002, 372).
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aber zu eng gefasst. So ist nach Pustejovsky (1995a, 84, 86) die Voraussetzung für Type Pumping, dass die jeweilige Einheit zumindest entweder für das Ortus- oder das telische Quale einen Wert aufweist, und ist insofern auch bei funktionalen Objekten möglich. In dem Fall kommt es zu einer Typenänderung im engeren Sinn (im Gegensatz zur Selektion eines in der komplexen Struktur eines Punkt-Objekts enthaltenen Typs). Die Definition kann also wie folgt präzisiert werden: Betrifft das Type Pumping ein komplexes Objekt, so wird einer der in ihm enthaltenen Typen ausgewählt und hervorgehoben. Das bedeutet nicht, dass der Typ völlig vom restlichen oder ursprünglichen komplexen Objekt entkoppelt würde. Es darf aber mit O’Meara (2010, 161) und Pustejovsky (1995a, 84, 86 und 1995b, Kap. 7.1) davon ausgegangen werden, dass das Foregrounding eines der Typen dazu führt, dass in der konkreten sprachlichen Realisierung die Komplexität konzeptuell aufgelöst ist.211 Im o.g. Beispiel, John began a book, ist das recht deutlich: Sowohl beim Lesen als auch beim Schreiben eines Buches wird zwar ein materieller (oder virtueller, im Sinne von digitaler) Träger des Inhalts präsupponiert, in erster Linie aber auf den Inhalt Bezug genommen. Die Bedeutung ‘John fing an, ein Buch zu lesen’ kann dementsprechend mit der Paraphrase John betrachtete Schriftzeichen auf einigen Seiten (und verstand deren Bedeutung) nicht sinnvoll wiedergegeben werden. Ähnliches gilt für die Umschreibung der Interpretation ‘John fing an, ein Buch zu schreiben’ als John beschrieb einige Blätter mit Schriftzeichen (die eine bestimmte zusammenhängende Bedeutung hatten). Ein weiteres Beispiel wäre Mary enjoyed the beer (Bsp. aus Pustejovsky/Boguraev 1995, 4). In der Grundbedeutung ist beer ein Artefakt, genauer ein Getränk (cf. auch Pustejovsky 2001, 105). Das Verb fordert aber ein Ereignis als Zweitaktant (cf. Pustejovsky 1995b, 87s.). Die Information ist im telischen Quale von beer angelegt (cf. ibid., 88). Das ermöglicht die Applizierung der Type Coercion, die beer eine Ereignislesart zuweist (cf. Pustejovsky 1995b, 115ss.). Mithin ist der Satz gleichbedeutend mit Mary enjoyed drinking the beer (Bsp. aus Pustejovsky/Boguraev 1995, 4). Das Selective Binding erklärt bspw., warum bestimmte Adjektive, die ein Ereignis näher bestimmen, auch Individuen modifizieren können. Das Adjektiv fast hat in den NPs fast typist (Beispiel aus Pustejovsky/Boguraev 1993, 198) und fast
211 Eine andere Meinung vertritt Jackendoff (2011). Er sieht den Ansatz als Beleg dafür, dass immer beide Bedeutungen präsent sind: «Note that this treatment of book is different from considering the word polysemous. It accounts for the fact that properties from both domains can be applied to the same object at once: The book that fell off the shelf [physical] discusses the war [information].» (Ibid., 701). Hier wird davon ausgegangen, dass Jackendoffs Beispiel eher einen Sonderfall darstellt.
2.8 Ein neuer Ansatz für die Beschreibung der DOM
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motorway (Bsp. aus Pustejovsky 1994, 224) unterschiedliche Bedeutungen. In fast typist denotiert es die Fähigkeit, schnell tippen zu können (cf. Pustejovsky/ Boguraev 1993, 198), in fast motorway hingegen die Eigenschaft, von Fahrzeugen mit hoher Geschwindigkeit befahren werden zu können (cf. Pustejovsky 1994, 224). Diese kontextgebundene Bedeutungsvariation kommt nach Pustejovsky (1995b) über das Selective Binding zustande: Das Adjektiv selegiert aus der Qualia-Struktur des Kopfnomens ein geeignetes Element, bindet und modifiziert es (cf. ibid., 128, 130). Im Beispiel von fast, das ein Ereignis modifiziert, wird ein ereignishaftes Quale gebunden. Bei fast typist ist es das telische (cf. ibid., insbes. 89), gleiches gilt für fast motorway.212 Wie Pustejovsky (1995b, 61, 130) betont, ändert sich beim Selective Binding aber der Typ nicht, den die NP insgesamt aufweist. Pustejovsky (2001, 103) führt als Beispiel das Gegensatzpaar an old car vs. an old friend an. Auch hier wird die Bedeutung des Adjektivs aktualisiert. Die Selektion verschiedener Qualia ist möglich, besonders bei den folgenden Lesarten. Wird die erste NP verstanden als ‘ein früheres Auto’, das nicht mehr im Besitz einer Person ist, über die gesprochen wird, so betrifft die Modifikation das unterscheidende Quale (cf. ibid.). Das Adjektiv verweist auf den Zeitpunkt, zu dem ein Besitzverhältnis gegeben war. In der zweiten NP kann das Adjektiv sich auf die Dauer der Freundschaft beziehen (cf. ibid.; Pustejovsky 1995b, 130s.). In dem Fall betrifft die Modifikation das telische Quale (cf. Pustejovsky 2001, 103; Pustejovsky 1995b, 130). Wie angedeutet, sind das nicht die einzigen Interpretationsmöglichkeiten der beiden NPs.213 Die Co-Composition ist laut Pustejovsky (1995b, 61) eine Operation, in der mehrere Elemente innerhalb einer Phrase oder eines Satzes als Funktoren agieren.214 Er führt das Beispielpaar John baked {the potato / the cake} (Bsp. aus ibid.,
212 Im lexikalisierten Ausdruck Fast Food etwa könnte hingegen das Ortus-Quale als ausschlaggebend erachtet werden, da insbesondere die Zubereitung solcher Speisen schnell vonstattengeht (cf. die englischsprachige Wikipedia-Seite unter http://en.wikipedia.org/wiki/Fast_Food, Zugriff: 02.02.19). Ein anderes Bild ergibt allerdings die Definition auf der deutschsprachigen Wikipedia-Seite: «Fast Food […] sind zubereitete Speisen, die für den raschen Verzehr produziert werden» (http://de.wikipedia.org/wiki/Fast_Food, Zugriff: 10.07.13, Hervorhebungen J.E.; die Definition wurde zwischenzeitlich leicht angepasst, cf. https://de.wikipedia.org/wiki/Fast_Food, Zugriff: 02.02.19). Die Thematik soll hier nicht vertieft werden. Es sei lediglich darauf hingewiesen, dass Ambiguität möglich ist. 213 Die NP an old friend kann auch eine Person fortgeschrittenen Alters in einer kurzen Freundschaftsbeziehung denotieren oder aber einen ehemaligen Freund usw. (cf. auch Pustejovsky 2001, 103 mit weiteren Verweisen). 214 Jackendoff (2002, 369) ordnet der Co-Composition einen zentralen – und letztlich repräsentativen – Platz in Pustejovskys Theorie der Qualia-Struktur zu. Bei Pustejovsky (1995b, 122)
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122) an. Das Verb bake bringt im ersten Fall einen Zustandswechsel zum Ausdruck, ist aber im zweiten Fall ein Kreationsverb (cf. ibid. in der Folge von Atkins/Kegl/ Levin 1988). Pustejovsky (1991a) geht davon aus, dass bake ein Prozessverb ist, das in seiner Grundbedeutung den angeführten Zustandswechsel ausdrückt (cf. ibid., 421), wobei sich andere Lesarten durch generative Operationen im Zusammenspiel mit den Argumenten ableiten (cf. Pustejovsky 1995b, 123). Pustejovsky führt noch weitere Beispiele mit Objekt-NPs aus dem Wortfeld der Backwaren an (cf. ibid.). Den generativen Vorgang erläutert er wie folgt. Die Bedeutung von bake verfügt über eine leere Argumentstelle für ein Objekt, auf das der Prozess zutrifft (cf. ibid.) (die aber nicht unbedingt lexikalisch gefüllt sein muss, cf. etwa Atkins/Kegl/Levin 1988, 86). Das Objekt ist im Ortus-Faktor der Qualia-Struktur des Verbs enthalten (cf. Pustejovsky 1995b, 123). Ggfs. tritt beim Objekt der o.g. Zustandswechsel auf (s. bake + potato oben). Gewissermaßen ändert die Kartoffel im Beispiel ihren Zustand von ‘ungebacken’ zu ‘gebacken’. Bei einem Objekt aus der Gruppe der Backwaren kommt es allerdings zu einer Bedeutungsänderung bei bake hin zur Kreationslesart (cf. ibid.).215 Die Besonderheit solcher lexikalischen Kombinationen ist, dass hier der dem Objekt zukommende Ortus-Faktor den gleichen Wert216 aufweist wie der des Verbs, nämlich die Verbbedeutung bezüglich der Argumente217 (cf. ibid.). In der Folge erhält das formale oder unterscheidende Quale der gesamten VP den Wert des formalen Quales des Objekts (cf. ibid., 124). Die Co-Composition bedeutet also etwas freier formuliert, dass bspw. der Kuchen das Ereignis des Kuchenbackens entscheidend mitbestimmt. Die Möglichkeit entsteht durch den Typ des Objekts (cf. ibid.). Es handelt sich beim Kuchen um ein Artefakt (funktionaler Typ) (cf. ibid.). Die Kartoffel ist hingegen natürlichen Typs. Als weiteres Beispiel führt Pustejovsky (1995b, 125s. mit verschiedenen weiteren Literaturverweisen) u.a. zwei Sätze mit dem polysemen Verb float an: The
selbst handelt es sich dabei lediglich um einen Mechanismus unter mehreren, der nicht der Qualia-Struktur direkt untergeordnet ist und zudem nur in bestimmten Fällen von Polysemie zum Tragen kommt. In Pustejovsky (1991a, 420ss.) wird das Thema allerdings noch als etwas zentraler präsentiert. 215 Offenbar wird hier kein einheitlicher Gegenstand zu zwei Zeitpunkten verglichen, etwa ‘Kuchen(ungebacken)’ zu t1 vs. ‘Kuchen(gebacken)’ zu t2. Die ungebackene Masse konstituiert keinen Kuchen. 216 Die Darstellung bei Pustejovsky (1995b, 123) kann grob wiedergegeben werden als AGENTIVE = bake_act (process, Möglichkeit_1 oder Möglichkeit_2). Je nachdem, welches Element als Objekt auftritt (Möglichkeit 1 könnte der Kuchen, Möglichkeit 2 eine Ofenkartoffel sein), wird der Ortus-Faktor spezifiziert. 217 Pustejovsky (1991a, 422) bezeichnet dieses Phänomen als Cospecification (cf. auch Pustejovsky 1995b, 123).
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bottle is floating in the river vs. The bottle floated under the bridge (Beispiele aus ibid., 125). Die divergenten PPs spezifizieren dabei die Verbbedeutung (cf. ibid., 125s.). Im ersten Fall wird ein Vorgang zum Ausdruck gebracht, im zweiten hingegen ein Zustandswechsel (cf. ibid., 125). Die gegenseitige Spezifizierung besteht bei der zweiten Struktur etwa darin, dass die PP in einem anderen Kontext auch einen Ort statt des hier intendierten Pfads denotieren könnte (cf. zu Bedeutungen des Antonyms over auch Lakoff 1987, 419ss. und in der Folge etwa Jackendoff 1996, 114).
2.8.3 Applizierung auf die DOM Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird davon ausgegangen, dass bei der differentiellen Objektmarkierung des Spanischen Komplexitätsikonizität besteht. Die formale Komplexität wurde in Kap. 2.8.1 gezeigt. Für die dann notwendige Beschreibung der konzeptuellen Seite der ikonischen Relation wird das generative Lexikon herangezogen. Der Status des Objekts in der Verbalphrase kann damit präzise bestimmt werden. Im Folgenden soll die Argumentationsweise einschließlich wichtiger Grundannahmen vorgestellt werden. Dazu werden einzelne Beispiele herangezogen, die zum Teil dem Korpus und zum Teil anderen Veröffentlichungen zur DOM entspringen. Wie bereits verschiedentlich betont (s. besonders Kap. 2.7.3), besteht kein Zweifel daran, dass das semantische Merkmal, das am häufigsten mit der Markierung korreliert, die Belebtheit des Objektreferenten ist. Die in der Literatur häufig vorgenommene Trennung zwischen Objektausdrücken mit belebtem und unbelebtem Referenten ist daher grundsätzlich sinnvoll. Dem wird durch eine Aufteilung der Okkurrenzen in die Gruppen von Objekten mit belebtem gegenüber Objekten mit unbelebtem Denotat Rechnung getragen. Die beiden Gruppen werden jeweils entsprechend der mit ihnen verbundenen Erwartung behandelt. Die Vorgehensweise erleichtert den Umgang mit der gesamten Thematik. Bei belebten Objektreferenten ist die Wahrscheinlichkeit einer Markierung hoch (s. Kap. 2.7.3).218 Bei unbelebten Referenten hingegen ist sie niedrig (s. Kap. 2.7.6). Bei den beiden Gruppen besteht also eine gegensätzliche Korrelation. Beide Korrelationen lassen sich mit dem generativen Lexikon als wahrscheinlich motivieren.219 Im Rahmen der Analyse wird ein besonderer Fokus auf Strukturen
218 Objekte, die Tiere denotieren, zeigen mehr Variation als solche mit menschlichem Denotat (s. auch die Vertiefung der Thematik in Kap. 4.3). 219 Die Korrelation ist nicht neu. Es gibt verschiedene Ansätze, sie zu motivieren. Der konzeptbasierte Motivierungsvorschlag im Rahmen der vorliegenden Arbeit ist jedoch neu.
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2 Theorie
gelegt, die von den Erwartungen abweichen. Es wird also bspw. gefragt, warum ein Objekt mit menschlichem Denotat nicht markiert ist oder warum eines mit unbelebtem Denotat markiert ist. Diese «besonderen Fälle» liefern gute Hinweise auf die sprachliche Relevanz des vorgeschlagenen Ansatzes.220 Trotz der Untergliederung in zwei Gruppen ist die Herangehensweise also einheitlich. Die Erwartungen erfüllen wie gesagt unmarkierte Objekte mit unbelebtem und a-markierte Objekte mit belebtem Denotat. In den Daten wird die Korrelation häufig, aber nicht immer realisiert. Die vorliegende Arbeit argumentiert daher und um die DOM zu motivieren, auf andere Weise. Es wird von einer Korrelation von formaler und konzeptueller (Nicht-)Komplexität ausgegangen. In Kap. 2.8.1 wurde die Bestimmung der formalen Komplexität behandelt. Die Frage ist nun, worin die semantisch-konzeptuelle Nicht-Komplexität der einen in Abgrenzung zur Komplexität der anderen Gruppe besteht. Das generative Lexikon gibt eine explizite Antwort darauf, die anhand der folgenden Beispiele mit dem Verb coger (‘nehmen’, ‘ergreifen’; ‘bekommen’) gezeigt werden kann. [49] Mira hacia la ventana, coge una piedrecita y la tira contra ella. (1IN:034.24) ‘Er schaut zum Fenster, nimmt ein Steinchen und wirft es dagegen.’ [50] […] cogí el maletín y me metí en el cuarto de baño. (LAB:034.01) ‘Ich nahm das Köfferchen und verzog mich ins Badezimmer.’ [51]
Coge al niño, lo eleva por encima de su cabeza provocándole chillidos de susto y regocijo, y lo instala a horcajadas sobre sus hombros. (SON:063.32) ‘Er nimmt das Kind, hebt es über seinen Kopf, verleitet es so dazu, vor Schreck und vor Freude zu kreischen, und setzt es sich rittlings auf die Schultern.’
Die drei Beispielsätze repräsentieren unterschiedliche Selektionsmöglichkeiten bei konstanter Verbbedeutung. In allen Fällen nimmt bzw. ergreift ein menschlicher Subjektreferent221 den Objektreferenten. In [49] ist das Objekt natürlichen, in [50] funktionalen Typs. Im Rahmen der Verbalhandlung können die beiden Konkreta denotierenden Objekte nur nicht-komplex realisiert sein, es sind lediglich
220 Weitere Indizien werden experimentell erarbeitet (s. Kap. 4.2). 221 Das erste Beispiel entspringt einem Kindertheaterstück. Der Subjektreferent ist hier genau genommen ein (menschlicher) Löwe (s. die Diskussion in Kap. 3.1.1).
2.8 Ein neuer Ansatz für die Beschreibung der DOM
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physische Eigenschaften relevant. In [51] tritt schließlich ein komplexer Typ auf. Zwar bezieht sich das Verb coger (‘nehmen’, ‘ergreifen’; ‘bekommen’) in seiner Grundbedeutung stets auf die Physis eines Objektdenotats. Das zeigt sich auch in den beiden vorangehenden Beispielen mit Konkreta denotierenden Objekten. Menschliche Entitäten werden aber typischerweise als Verbindung aus Körper und mentalen oder psychischen Eigenschaften konzeptualisiert (cf. Jackendoff 2002, 374; s.o.). Es bedarf spezifischer Kontexte, um die Tendenz aufzuheben, was in [51] nicht der Fall ist: In dem Beispielsatz wird der Körper nicht unabhängig von der dazugehörigen individuellen Gefühlswelt präsentiert. Der körperliche Kontakt, den coger ausdrückt, geht damit einher, dass der jeweilige Objektreferent ihn wahrnimmt. Die in Ausdrücken mit menschlichem Denotat angelegte Komplexität scheint bei Einbettung unter coger generell nur schwer aufgelöst werden zu können.222 Im Beispiel wird der Effekt auch explizit verdeutlicht, insofern das Kind (niño) mit Kreischen (chillidos) reagiert. Der These der vorliegenden Arbeit entsprechend wird das komplexe Objekt mit a markiert. Im folgenden Beispielpaar, das in der Literatur zur spanischen DOM verschiedentlich diskutiert wird,223 tritt eine lexikalische Einheit auf, die in Darstellungen zum generativen Lexikon häufig als komplexen Typs angeführt wird (s. die Hinweise in Kap. 2.8.2), nämlich Buch. Anhand des Beispielpaars wird deutlich, dass der hier verfolgte Ansatz und das Belebtheitskriterium oberflächlich, aber auch in der Herangehensweise divergieren. [52.a] stellt das Beispiel dem Belebtheitskriterium folgend die erwartete Realisierung dar. Das Objektdenotat ist unbelebt und das Objekt ist nicht a-markiert. [52.b] weicht davon ab, der Marker tritt auf. Nach dem generativen Lexikon ist keine Erwartung zu formulieren. Allerdings wird dem Ansatz zufolge in [52.b] der «Standardtyp» von Buch, nämlich ein komplexer Typ (cf. Pustejovsky 1998a, 299; Pustejovsky 2001, 107 usw.), realisiert. Für die Variante in [52.a] ist hingegen eine gewissermaßen zusätzliche konzeptuelle Operation am Werk, die Auflösung des komplexen Typen durch Type Pumping (cf. Pustejovsky 1995b, 119). Die folgenden Ausführungen verdeutlichen den Ansatz und grenzen ihn weiter ab. Grundlegend ist, dass sich die Bedeutung der beiden Sätze nicht entspricht. Die Übertragungen ins Deutsche machen das nachvollziehbar.
222 In der Korpusanalyse wird auch ein Gegenbeispiel besprochen, in dem die Komplexität eines Ausdrucks mit menschlichem Denotat aufgelöst wird (s. Kap. 4.1.2.1.2). 223 Neben Weissenrieder (1990, 227) wird es in Weissenrieder (1991, 149) und in der Folge in García García (2007, 70; 2010, 112) besprochen sowie leicht abgewandelt bereits in Weissenrieder (1985, 395) und dem folgend in Martín (1999, 478). Die genannten Autoren gehen davon aus, dass die Markierung für die semantisch begründete Disambiguierung nötig sei, da der Aktivitäts- oder Agentivitätsgrad von Subjekt und Objekt sich im zweiten Beispielsatz zu stark annähere (cf. die genannten Veröffentlichungen, s. auch Kap. 2.7.10).
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[52.a] El profesor reemplaza el libro. (Bsp. aus Weissenrieder 1990, 227) ‘Der Lehrer ersetzt das Buch (durch ein anderes).’ [52.b] El profesor reemplaza al libro. (Bsp. aus ibid.) ‘Der Lehrer tritt an die Stelle des Buches.’ (García García 2010, 112) Weissenrieder (1985; 1990; 1991) und García García (2007; 2010) gehen davon aus, dass Subjekt und Objekt im zweiten Beispiel ein ähnliches Agentivitätsniveau aufweisen, weshalb das Objekt a-markiert werde (cf. Weissenrieder 1985, 395s.; García García 2010, 112s.). Zweifelsohne handelt es sich dabei um eine wichtige Erkenntnis, die sich gut in die beiden Ansätze einfügt. Die Erklärung im Rahmen der vorliegenden Arbeit ist hingegen, dass die Opposition auf die Komplexitätsikonizität zurückzuführen ist. Für die Erklärung ist es hilfreich, zunächst an die in Kap. 2.8.2 vorgestellte Struktur des Konzepts ‘Buch’ zu erinnern. Sie umfasst die Bestandteile einer physischen Entität und eines Informationsgehalts (cf. etwa Pustejovsky 2001, 107). Es handelt sich dabei also um einen komplexen Typen, der zwei funktionale Typen in sich vereint. Bei der Einbettung unter ein Verb kann die Struktur erhalten bleiben, sie kann aber durch verschiedene Operationen verändert werden. Die beiden funktionalen Typen sind, was ihre Qualia-Struktur betrifft, miteinander verzahnt. D.h., sie enthalten jeweils auch Information über den jeweils anderen Typen. Bspw. spezifiziert das konstitutive Quale des Buchs als physische Entität, dass auf seinen Seiten etwas dargestellt ist oder sein kann.224 Damit geht einher, dass der jeweils andere Bedeutungsbestandteil nicht völlig verloren geht, wenn der komplexe Typ aufgelöst wird. Der Ansatz ist wie folgt auf das Beispielpaar [52] zu applizieren. In [52.b] wirkt keine besondere Operation auf das Objekt, es ist komplexen Typs. Dem Ikonizitätsprinzip entsprechend ist es markiert. In [52.a] wird der komplexe Typ hingegen aufgelöst, es erfolgt ein Foregrounding eines der beiden enthaltenen Typen. Dieses Type Pumping kann zwei Ergebnisse haben. Erstens ist es möglich, dass von einem Buch als konkretem Gegenstand gesprochen wird, das bspw. in einem Regal durch einen ähnlichen Gegenstand ersetzt wird. Zweitens, und so scheint Weissenrieder (1985, 395) zu argumentieren, kann das Buch als Informationseinheit intendiert sein, die bspw. in der Lektüreliste eines Kurses gegen eine entsprechende andere ausgetauscht wird. Die Auflösung des komplexen Typs unter Foregrounding eines der Typen erfolgt, wenn der Verbalvorgang
224 Es können insbesondere Schriftzeichen oder Bilder sein. Natürlich können die Seiten auch leer sein, dann wäre im telischen Quale spezifiziert, dass die Buchseiten mit Schriftzeichen und / oder Darstellungen etc. gefüllt werden sollen.
2.8 Ein neuer Ansatz für die Beschreibung der DOM
157
rein physischer oder quasi-physischer Natur ist. Vom physischen Vorgang ist grundsätzlich nur das Buch als gegenständliches Medium betroffen, vom quasi-physischen, dem Fall des Austauschs in einer Liste, die Gesamtheit des Informationsgehalts. Wie oben gesagt, enthält aber die Qualia-Struktur weiterhin Informationen zum jeweils anderen Bestandteil, die allerdings dann nicht direkt Teil der Assertion ist. Im zweiten Beispielsatz hingegen ist, wie oben angesprochen, libro komplexen Typs. Der Lehrer tritt an die Stelle des Informationsträgers und seines Informationsgehalts, wobei Träger und Informationsgehalt untrennbar miteinander verbunden sind. Das Verb drückt mit dieser Aktantenkonfiguration weniger einen konkreten physischen Vorgang als vielmehr die Realisierung eines bestimmten Verhältnisses aus. García García (2010, 113) spricht diesbezüglich von reversibler Symmetrie. Entsprechend der räumlichen Metapher involviert die Konzeptualisierung auch hier die physische Bedeutungskomponente von ‘Buch’. Allerdings stellt in dem Fall das Verb reemplazar (‘ersetzen’) das Subjektdenotat (profesor, ‘Lehrer’) in eine Art Äquivalenzbeziehung225 zum Objektdenotat (libro, ‘Buch’). Bei dem «äquivalenten Ersetzungsvorgang» müssen also auch die «lehrerhaften» Eigenschaften des Buches evoziert werden. Die Entsprechung des Wissens des Lehrers ist der Informationsgehalt des Buches, die zweite Bedeutungskomponente von ‘Buch’. Die Äquivalenzbeziehung wird auch dadurch lizensiert, dass bei beiden Konzepten, bei ‘Lehrer’ und bei ‘Buch’, die Wissens- bzw. Informationsvermittlung im telischen Faktor angelegt ist. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass Substitutionsverben wie reemplazar (‘ersetzen’) über wichtige Besonderheiten verfügen. Sie werden in Kap. 4.1.2.2 behandelt.226 Es zeigt sich, dass sich der hier vorgestellte Ansatz und der, der etwa von Weissenrieder und García García vertreten wird, nicht ausschließen. Es ist allerdings so, dass der Ansatz der Komplexitätsikonizität eine Stufe tiefer ansetzt und so eine operationalisierbare Erklärung für die Satzbedeutung liefert. Weissenrieder (1990, 227) spricht hingegen recht vage von einem «competing activity level», García García (2010, 112) formalisiert dies (s. Kap. 2.7.10) und kommt zu einer wesentlich klareren Darstellung. Mit der Einführung des «reversiblen-symmetrischen Prädikats ACT-INSTEAD» kann er die Bedeutung des zweiten Satzes recht präzise darstellen (s. aber unten). Bei der Erklärung beruft er sich auf den Faktor des Agentivitätsverhältnisses zwischen den beiden Aktanten. García García (2010, 113) schreibt, dass «die Ko-Argumente […] gleich agentivisch» seien. Gemeint ist
225 Einen grundsätzlich ähnlichen Gedanken wirft García García (2010, 126) bzgl. des Verbs equivaler (‘äquivalent sein’) auf (cf. aber auch seine Diskussion der reversiblen Prädikate, ibid., besonders Kap. 5.2). 226 Auch die Darstellung zum obigen Beispiel wird dort vervollständigt (s. Kap. 4.1.2.2).
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2 Theorie
eine gleich geringe Menge von Agentivität. Im Rahmen seiner Theorie bedeutet das v.a., dass «Ko-Argument-Unabhängigkeit als d[em] zentrale[n] Agentivitätskriterium» (ibid., 98 unter Bezug auf Primus 2006, 56–59) gegeben ist und dass somit keines der Argumente Proto-Patiens-Eigenschaften aufweist (cf. etwa García García 2010, 86). Es bleibt die Problematik, dass terminologisch die Verhältnisse etwas verklärt werden. Einerseits erfolgt die Einordnung als Proto-Agens auf Grundlage lediglich der unabhängigen Existenz und nicht mittels typischerweise mit einem Agens verbundenen Eigenschaften und damit im Übrigen auch auf der Grundlage nur eines zutreffenden von fünf Merkmalen (cf. aber solcher Kritik vorbeugende Erläuterungen in García García 2010, 81). Andererseits wird dennoch das o.g. Basisprädikat «ACT-INSTEAD» angesetzt, das wiederum konkrete Handlungen nahelegt, die allerdings mit einem Buch nicht assoziierbar sind.227 Nichtsdestotrotz sind die Aktanten im diskutierten Beispiel in gewisser Hinsicht vergleichbar. Beide sind komplex und zwar in einer Art, die den assertierten Austausch ermöglicht (s.o.). Besonders relevant für die Beschreibung der DOM sind Objekte mit menschlichem Denotat. Wie gesagt wäre die Erwartung, dass sie markiert sind. Typischerweise lässt sich die physische Ebene nicht unabhängig vom Bedeutungsbestandteil der mentalen oder psychischen Ebene betrachten (s. das obige Beispiel mit dem Verb coger). Das gilt annähernd gleich stark auch in umgekehrter Hinsicht. Die Komplexität ist bei menschlichen Objektdenotaten also nur schwer auflösbar. Das Ergebnis einer Type Coercion wäre im Falle der Grundbedeutung einer menschlichen Entität entsprechend der Bedeutungsbestandteile des komplexen Typs ein natürlicher Typ. Im Korpus ist der Fall jedoch höchst selten. Es gibt allerdings zwei wichtige Gruppen lexikalischer Einheiten mit naheliegender Weise menschlichem Denotat, bei denen eine Coercion des komplexen Typs zu einem funktionalen Typen führt. Mit solchen Fällen, nämlich relationalen Begriffen wie Verwandtschafts- und Berufsbezeichnungen, beschäftigt sich insbesondere auch Busa (1996; 1999). Diese NPs werden in der Literatur zur spanischen DOM häufig undifferenziert wie nicht-relationale Nomen mit menschlichem Denotat behandelt, obwohl sie von im Grunde abstrakten Konzepten entscheidend geprägt werden.228 Die Grenzen sind dabei nicht scharf. Relevant sind
227 Das Agentivitätsniveau ist offenbar nur dann gleich, bzw. gleich niedrig, wenn der Satz «abstrakt» und nicht als konkreter Vorgang bzw. eher als Ergebnis eines konkreten Vorgangs verstanden wird. In dem Falle weist keiner der Aktanten Agentivität auf. Es ist allerdings fraglich, ob ein Satz mit einer räumlichen Metapher so konzeptualisiert wird. 228 Bei Jackendoff (2002, 375) findet sich gar die Feststellung, dass solche sozialen Rollen «abstract concepts in the mental/social domain» seien.
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hier insbesondere relationale Ausdrücke im Sinne Pustejovskys (1995b, 18, 151) bzw. soziale Rollen (cf. Jackendoff 2002, 375) und Berufsbezeichnungen (cf. Pustejovsky 2001, 104). Ein relationales Nomen «denotes a set of individuals standing in relation to at least one other individual in a specific way» (Pustejovsky 1995b, 151). Pustejovsky führt als Beispiele Verwandtschaftsbezeichnungen wie Vater und Tochter, aber auch etwa Nachbar (cf. ibid.), Freund, Chef, Präsident und Ehefrau an (cf. Pustejovsky 2001, 104). Auch bspw. Löbner (2015, 79) verwendet den Begriff des relationalen Nomens, ordnet ihn aber einer allgemeineren Zuordnungsrelation zu und fasst ihn insofern deutlich weiter. Die Ausdrücke der zweiten hier relevanten Gruppe benötigen keine Bezugseinheit, sondern haben gemein, dass sie eine bestimmte Handlung oder einen Zustand als entscheidendes Merkmal zuweisen. Dies gilt einerseits für die angesprochenen Berufsbezeichnungen, Pustejovsky (2001) nennt Geiger und Pilot als Beispiele, und andererseits für situationsbezogene Bezeichnungen wie Fußgänger und Passagier (Beispiele entsprechend Pustejovsky 1995b, 229), die nahezu ausschließlich dann Gültigkeit haben, wenn sich die so bezeichnete Einheit in der entsprechenden Situation befindet (cf. ibid.).229 Die entscheidende Besonderheit ist nun, dass alle genannten Gruppen von Ausdrücken als funktionale (cf. Pustejovsky 1995b, 151s.; Pustejovsky 2001, 104) bzw. im Falle von Verwandtschaftsbezeichnungen genauer semi-intentionale (cf. ibid.) Typen auftreten können. Die Ausdrücke sind allesamt hinsichtlich des OrtusFaktors spezifiziert und alle, bis auf die Verwandtschaftsbezeichnungen, außerdem bezüglich des telischen Faktors (cf. ibid.). Der ‘Präsident’ etwa wird gewählt (Ortus-Faktor, cf. ibid.), was zu dem Zweck geschieht, dass er eine bestimmte irgendwie geartete Organisation leiten oder ihr vorstehen soll. Rein lexikalisch fallen solche Ausdrücke also nicht in die Kategorie komplexer Objekte. Bei einer Verwendung im Diskurs können allerdings insbesondere referenzsemantische Faktoren dazu führen, dass sie auf Konzepte verweisen, die über die lexikalische Bedeutung hinausgehen. Diese ihnen dann entsprechenden Konzepte können komplexen Typs sein. Der Fall ist insbesondere bei den Verwandtschaftsbezeichnungen, aber auch bei Berufen und anderen sozialen Rollen verhältnismäßig häufig. Dieser die Frequenz betreffende Faktor mag zu der genannten problematischen Klassifikation in anderen Ansätzen zur DOM
229 Pustejovsky (1995b, 229) zieht mit diesen beiden nominalen Klassen eine Parallele zur Unterscheidung von Individual-Level vs. Stage-Level Predicates (cf. in der Folge auch Busa 1996; 1999). Er bezeichnet dementsprechend «‹role-defining› nominals such as physicist, linguist, and violinist» als «individual-level nominals» und «‹situationally defined› nominals such as pedestrian, student» etc. als «stage-level nominals» (Pustejovsky 1995b, 229).
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2 Theorie
führen. Der hier vertretene Ansatz löst das Forschungsproblem also besonders elegant. Obwohl die genannten Ausdrücke menschliche Denotate haben, wird für sie nicht per se eine Markierung erwartet. Werden sie in ihrer lexikalischen Grundbedeutung verwendet, so wird vielmehr mittels des Ikonizitätsprinzips davon ausgegangen, dass sie nicht a-markiert werden, da sie nicht-komplexen Typs sind. Kommen allerdings Bedeutungskomponenten hinzu, die die Zuschreibung einer psychischen oder mentalen Ebene intendieren, können sie als komplexe Objekte konzeptualisiert werden. Damit kann einhergehen, dass sie bspw. referenzsemantisch angereichert werden, doch dabei handelt es sich nur um eine typische Tendenz und keinen notwendigen Zusammenhang. Bestimmte lexikalische Elemente in der Umgebung, v.a. was das regierende Verb betrifft, können die Lesarten jeweils mehr oder weniger wahrscheinlich machen. Ausschließlichkeit ist aber nicht gegeben. Für den konzeptuellen Wert des Objekts ist allein seine konkrete Verwendung entscheidend, sein im Kontext festgelegtes Denotat. Nur wenn es komplex konzeptualisiert wird, tritt eine a-Markierung auf. Das kann anhand der folgenden Beispiele veranschaulicht werden. [53.a] ¿No querían cazar un marido? (USO:087.31) ‘Wollten sie keinen Ehemann ergattern?’ [53.b] El […] mató con sus manos a una antigua amiga en un momento de ofuscación sucedido pocas horas antes […]. (MIR:068.20) ‘Er hatte in einem Moment der Verblendung, zu dem es wenige Stunden zuvor gekommen war, mit seinen eigenen Händen eine alte Freundin getötet.’ Die Objekte in [53] sind lexikalisch relationale Nomen im o.g. Sinne. Beide sind indefinit. Die Objekt-NP in Satz [53.a] ist funktionalen Typs. Das Objekt wird dementsprechend nicht markiert. Es könnte hier versucht werden, über die Spezifizitätstheorie (s. Kap. 2.7.5.2) zu argumentieren. Der Ansatz passt allerdings nicht gut zur Art des Objekts. Die Überlegung, dass das Objekt nicht markiert wird, weil es epistemisch unspezifisch ist, trifft nicht den Kern des Problems, da hier keine Referentialität intendiert ist. Etwas überspitzt ließe sich feststellen, dass das Nomen keine Person, sondern eine soziale Rolle intendiert und dass die Grundproposition (Cazan un marido, ‘Sie ergattern einen Ehemann’) ausdrückt, dass die «soziale Leerstelle» gefüllt wird.230 Dem
230 Die Satzbedeutung kann daher relativ gut umschrieben werden, ohne das relationale Nomen zu verwenden, etwa als ¿No querían casarse cuanto antes? (‘Wollten sie nicht möglichst schnell heiraten?’).
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relationalen Nomen in [53.b] wird hingegen eine Gefühlswelt zugeordnet. Das geht damit einher, dass es referentiell verwendet wird, wie auch das Adjektiv und seine Stellung anzeigen.231 Es ist komplexen Typs und wird entsprechend markiert. [54.a] Existía, sin embargo, […] una modalidad que constituía excepción […]: la de la señorita a quien le habían matado el novio en la guerra y había decidido no volver a tener ninguno. (USO:043.32) ‘Es gab jedoch auch eine Form, die eine Ausnahme darstellte: die des Fräuleins, dessen Verlobter im Krieg getötet worden war (wörtl.: dem man im Krieg den Verlobten getötet hatte) und das entschieden hatte, nicht noch einmal einen zu haben.’ [54.b] […] el viejo abraza al ex podador municipal […]. (SON:318.20) ‘Der Alte umarmt den ehemaligen städtischen Baumpfleger.’ In den Beispielen in [54] sind die Objekt-NPs im Gegensatz zu [53] jeweils definit. Beide denotieren eine menschliche Entität. Im ersten Beispielsatz ist das Objekt wiederum ein relationales Nomen,232 im zweiten eine Berufsbezeichnung. Das Objekt in [54.a] wird vom gleichen Verb regiert wie das in [53.b]. Es ist nicht markiert, obwohl es außerdem Skopusspezifizität aufweist,233 das Objekt in [54.b] hingegen schon. Die Besonderheit von [54.a] ist, dass die Assertion wiederum eine soziale Rolle betrifft. Die soziale Rolle wurde zwar in der Vergangenheit durch eine menschliche Entität erfüllt, der wichtigere Teil der Assertion ist aber, dass die «soziale Position» geleert wurde. Das Verb abrazar (‘umarmen’) im zweiten Satz hingegen kann in seiner Grundbedeutung nicht oder nur sehr schwer ein funktionales Objekt selegieren. Interessanterweise wird die Tendenz gerade von der funktionalen Bedeutungskomponente des Verbs intendiert, konkret von seinem telischen Quale, das bei Nomen mit menschlichem Denotat typischerweise eine Gefühlsebene fordert: Eine Umarmung dient (häufig) dem Zweck, einem positiven Gefühl
231 Durch die Voranstellung wird vereindeutigt, dass die Assertion besagt, dass die Freundschaft und nicht die Freundin schon lange existiert. Es handelt sich hierbei um einen Fall von Selective Binding, bei dem die im telischen Quale des Konzepts der ‘Freundin’ enthaltene zeitliche Variable modifiziert wird (cf. Pustejovsky 1995b: 130). 232 Eine Muttersprachlerin (Spanien) und ein Muttersprachler (Mexiko) bestätigten, dass es sich bei novio (‘Verlobter’) um ein Akkusativobjekt handelt. 233 Die Verhältnisse der Skopusspezifizität lassen sich folgendermaßen verbalisieren: ‘Es gibt ein Fräulein, für das gilt, es hat einen Verlobten, der im Krieg getötet wurde.’
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2 Theorie
beim Umarmten zu entsprechen oder eines zu erzeugen. Das Objekt in [54.b] weist eine Verbindung eines physischen und eines psychischen Bestandteils auf. Es ist also komplexen Typs. Zur Illustration insbesondere des funktionalen Typs eignen sich auch Konstruktionen mit dem Verb contratar (‘einstellen’). Beispiele mit diesem Verb finden sich in der Literatur immer wieder (cf. etwa Rivero 1975, 36; Brugè/Brugger 1996, 24; Leonetti 2004, bes. 83, 89) und wurden auch innerhalb der vorliegenden Arbeit schon angeführt. [55.a] Pilar siempre contrata (a) una canguro cuando se va de viaje. (Bsp. aus Leonetti 2004, 89)234 ‘Pilar beschäftigt immer eine Babysitterin, wenn sie verreist.’ [55.b] Pilar siempre contrata *(a) un chico cuando es guapo. (Bsp. aus ibid.; s. Kap. 2.7.5.3) ‘Pilar stellt einen Jungen immer dann ein, wenn er hübsch ist.’ Leonetti (2004) nennt in Anlehnung an Brugè (2000, 272) die Generizität als ausschlaggebend dafür, dass die Markierung in [55.b] obligatorisch ist (s. die Diskussion in Kap. 2.7.5.3). Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird die folgende Argumentation vorgeschlagen: Das Verb contratar (‘einstellen’) hat hinsichtlich seines Objekts eine lexikalische Selektionspräferenz für Berufsbezeichnungen. Mit ihnen kann es ein funktionales Gefüge eingehen. Es erfüllt dann selbst die Aufgabe, den Ortus-Faktor des Objekts zu spezifizieren. D.h. vereinfacht gesagt, dass die Bezeichnung des Objekts gerade durch den Verbalvorgang wahr wird (s. auch unten). Die Verbbedeutung ist aber nicht so stark restriktiv, dass nur Objekte funktionalen Typs andocken könnten. Eine objektseitig psychisch-mentale Ebene ist prinzipiell mit der konzeptuellen Struktur des Verbs kompatibel. Andererseits ist eine (abgeschwächte) relationale Bedeutung beim Objekt möglich, da ja das Subjekt den Arbeitgeber (oder einen Teil des Arbeitgebers) des Objekts denotiert und das Verb genau dieses Verhältnis beschreibt. In dem Fall intendiert die Objekt-NP eine Funktion in Bezug auf das Subjekt. Sie ist dann nicht-komplexen Typs und wird dementsprechend nicht markiert. Auch hier gilt aber wiederum, dass das Objekt semantisch angereichert werden kann, sodass es in die Kategorie des komplexen Typs fällt und markiert werden muss.
234 Leonetti (2004) wandelt hier ein Beispiel von Brugè (2000, 272, Fußnote 66) ab (s. Kap. 2.7.5.3).
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In [55.a] ist das unmarkierte Objekt funktionalen Typs. Es denotiert eine menschliche Entität, die wenn sie nicht einen «Beruf des Babysitters» ausübt,235 so doch die Befähigung hat, auf kleine Kinder aufzupassen, und wahrscheinlich auch mit der Tätigkeit (häufiger) Geld verdient. Vor allem aber steht sie mit ihrer Befähigung dem Subjektdenotat zur Verfügung und begibt sich in das assertierte Beschäftigungsverhältnis. Die Verbalphrase denotiert das berufliche Verhältnis. Das Verb spezifiziert wie oben dargestellt einen Ausschnitt des Potentials des Ortus-Faktors des Nomens. D.h., das Objekt hat (zum Teil) den Beruf des Babysitters (canguro) qua Einstellung (contratar, ‘einstellen’) durch das Subjektdenotat (Pilar). Bei einer a-Markierung erfüllt das Objektdenotat zwar weiterhin die Funktion des Babysitters, es kommt bei dem ihm entsprechenden Konzept aber noch eine psychisch-mentale Ebene hinzu. Das Objekt ist dann komplexen Typs. Das Vorhandensein einer Gefühlsebene macht wiederum eine referentielle Lesart vergleichsweise wahrscheinlich.236 Bei [55.b] ist das Subjekt des Adverbialsatzes korreferent zum Objekt des Matrixsatzes. Dieser Umstand dürfte aber für die Notwendigkeit einer Markierung irrelevant sein. Das Objekt kann hier nicht funktionalen Typs sein, da chico (‘Junge’) über keinen spezifizierten telischen Faktor verfügt. Das Verb contratar (‘einstellen’) kann das Objekt also nicht in einer funktionalen Lesart selegieren. Die Kombination aus Verb und Objekt schließt außerdem einen natürlichen Typ aus. Weder der konstitutive noch der formale Faktor enthalten Informationen, an die die Qualia des Verbs andocken könnten: Die physische Ebene reicht nicht, zudem enthält der natürliche Typ von chico (‘Junge’) keine Befähigungen, die über natürliche hinausgehen würden. Erst die Komplettierung der menschlichen Entität mit einer mentalen Ebene macht das Berufsverhältnis möglich.237 Der Nebensatz zeigt zusätzlich an, dass die Objekt-NP mit Informationen angereichert ist, die nicht auf der gleichen Ebene wie die Berufsbezeichnung
235 Es gibt zwar Kurse und auch Zertifikate für Babysitter (cf. bspw. https://de.wikipedia.org/ wiki/Babysitter, Zugriff: 02.02.19) sowie wahrscheinlich auch Personen, die allein von den Einnahmen des Babysittings leben, dennoch scheint es unüblich zu sein, von einem solchen Berufsstand zu sprechen. 236 Auch bei Leonetti (2004, 91), der gewissermaßen andersherum argumentiert, findet sich die Anmerkung, dass bei der Variante mit a neben der spezifischen, referentiellen auch eine nicht-referentielle möglich sei. 237 Es sind allerdings Kontexte bzw. v.a. Varietäten denkbar, wo ein Lexem wie chica (‘Mädchen’), die feminine Form dürfte wahrscheinlicher sein, mit funktionalen Bedeutungsbestandteilen angereichert ist. Das könnte etwa der Fall sein, wenn Konzepte intendiert sind wie Hausmädchen oder auch Prostituierte.
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angesiedelt sind, weshalb das Objekt komplex interpretiert werden muss. Für die überwiegende Mehrheit möglicher Beschäftigungsverhältnisse gilt, dass ein hübsches Aussehen auf Seiten des Arbeitnehmers nicht regelmäßig zeitlich die Einstellung bestimmt,238 zumal wenn es sich – im Falle eines natürlichen Typs – um das einzige Kriterium handeln würde. Eine mögliche Ausnahme könnte der Berufszweig des Models sein.239 Ohne ergänzende Präzisierungen ist der Satz aber wohl eher in dem Sinne zu verstehen, dass eine fachlich nicht gerechtfertigte Überbevorteilung ausgedrückt wird, womit er nicht in den vorgeschlagenen Kontext passt. Mit dem Ansatz des Selective Binding (s. das vorangegangene Kapitel) ließe sich hingegen bspw. ein Adjektiv wie gut problemlos bezüglich des Arbeitsverhältnisses motivieren. Ein guter Babysitter wäre bspw. eine Person männlichen Geschlechts, deren Befähigung auf Kinder aufzupassen von besonderer Qualität ist. Eine gute Taxifahrerin wäre eine Person weiblichen Geschlechts, die ihre Klientel vergleichsweise schnell und wahrscheinlich in gleichem Maße sicher ans Ziel bringt. Weniger stark kontextvariante Adjektive können entsprechend weniger unterschiedliche Berufsbezeichnungen modifizieren. Das Adjektiv einfühlsam könnte bspw. das telische Quale der Berufsbezeichnung Seelsorger binden. Es würde eine zentrale Qualität des ‘Seelsorgers’ herausstellen. Das gleiche Adjektiv würde bezüglich eines ‘Boxers’ aber keine definitorische Eigenschaft des Berufs herausstellen, sondern wäre eine Qualität des Menschen, der der genannten Arbeit nachgeht und die ihn möglicherweise sogar bei ihrer Ausübung behindert. Eine Lesart mit komplexem Typ wäre dann wahrscheinlich. Für die Eigenschaft hübsch zu sein gilt wie gesagt, dass sie für kaum einen bestimmten Beruf entscheidend ist. Daher kann sie im Beispiel nicht an einen funktionalen Typ andocken, sondern setzt eine Einheit mit weiteren menschlichen Bedeutungsbestandteilen voraus. Das sind weitere Hinweise auf das Vorhandensein eines komplexen Typs. Auf eine solche Weise kann also auch der weitere Kontext Indizien für den Status eines Objekts liefern.
238 Die generelle Relevanz des Aussehens bei Einstellungen ist wissenschaftlich belegt. Das ist hier aber nicht gemeint. Die vom Adverbialsatz ausgedrückte temporale Restriktion ist zu eng, sozusagen ‘bei einer zeitlich geordneten Menge an möglichen Realisierungen des Sachverhalts (bspw. unterschiedliche Bewerbungsgespräche) tritt der Sachverhalt immer dann ein, wenn der Bewerber ein hübscher Junge ist’. Die alternative Interpretation, dass der Sachverhalt immer in dem Moment eintritt, in dem ein Junge schön wird, ist sehr unwahrscheinlich und wird ausgeschlossen (s. zudem die Ausführungen in Kap. 2.7.5.3). 239 Das gilt nur als Gedankenspiel, denn natürlich wäre es auch im Model-Bereich keine sinnvolle Einstellungspolitik, da die Personalkosten explodieren würden.
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2.8.4 Ergänzung des Modells: Anreicherung durch einen relationalen Bedeutungsbaustein Wie in Kap. 2.8.2 erwähnt, wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit ein zusätzlicher Bestandteil für die Typentheorie des Modells von Pustejovsky vorgeschlagen, der relationale Bedeutungsbaustein. Er wird in erster Linie angesetzt als bestimmte Art der Anreicherung eines Basistypen zu einem komplexen Typen. Wie die untersuchten Daten zeigen (s. Kap. 4.1.1.2.3 und Kap. 4.1.2.2.1 sowie unten), ermöglicht er die Kombination bestimmter Verbindungen von Subjekt und Objekt durch Verben, die ohne ihn asemantisch wären. Die Relationalität in der Semantik von Nomen spielt im generativen Lexikon eine wichtige Rolle (cf. bspw. Pustejovsky 1995b, 149). Eine relationale Bedeutungskomponente wird in verschiedenen Publikationen behandelt (cf. etwa Pustejovsky 1995b, 151s. und noch deutlicher Busa 1997, 110), sie wird dort allerdings nicht als abgrenzbarer Bestandteil des Typensystems (relationaler Typ) angenommen. Der Ausgangspunkt sind die Eigenschaften relationaler Nomen (cf. etwa Pustejovsky 1995b, 151 sowie Busa 1996; 1999) und ihre Einordnung in das Typensystem Pustejovskys (cf. bspw. Pustejovsky 2001, 104).240 Wie in Kap. 2.8.3 besprochen, zählen dazu etwa Verwandtschaftsbezeichungen wie Vater oder Ehefrau (Beispiele aus ibid.). Ihr Denotat wird in Bezug auf eine weitere Entität oder Menge von Entitäten präzisiert (‘Vater bzw. Ehefrau von x’). Die Information zur Relationalität solcher Nomen ist im formalen Quale angelegt (cf. Pustejovsky 1995b, 151s.; Busa 1997, 50). Mithin muss die Bezugsentität im Kontext nicht expliziert werden. Das Grundprinzip wird nun auf bestimmte Fälle übertragen, wo auf Satzebene, genauer durch das Subjekt und das Objekt, zwei Entitäten miteinander in eine Art von Beziehung gesetzt werden, die die ihnen entsprechenden Basistypen nicht erlauben würden. Erst die Anreicherung des Konzepts des Objekts mit einem zusätzlichen relationalen Typen (mit dem Ergebnis eines komplexen Typen) ermöglicht das jeweilige Verhältnis zum Subjektdenotat. Anhand der folgenden Beispiele lässt sich das veranschaulichen. [56.a] A medida que ella hablaba de su último reportaje en Sudamérica, iba Miguel venciendo su nerviosismo. (TER:057.11) ‘Indem sie von ihrer letzten Reportage in Südamerika erzählte, überwand Miguel nach und nach seine Nervosität.’
240 Die Thematik der relationalen Nomen wird in Kap. 4.3.1 vertieft.
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[56.b] Sereno ante la puerta que pronto traspasará, porque ya sabe vencer al destino. (SON:335.33) ‘Er steht gelassen vor der Tür, die er bald durchschreiten wird, da er das Schicksal schon zu besiegen weiß.’ Der in den Beispielen denotierte Sachverhalt des Besiegens setzt, wie in Kap. 4.1.1.2.3 ausführlich dargestellt wird, ein bestimmtes Verhältnis zwischen den beiden beteiligten Entitäten voraus.241 Grundsätzlich gilt, dass die vom Objekt denotierte Entität von der, die das Subjekt denotiert, besiegt werden können muss. Dafür ist eine Kampf- oder kampfähnliche Situation nötig, in der das Objektdenotat eine dem Subjektdenotat entgegengesetzte Haltung aufweist. In den Beispielen [56] entspringen Subjekt- und Objektdenotat unterschiedlichen ontologischen Kategorien. Einer menschlichen Entität steht ein Abstraktum gegenüber. Es stellen sich die beiden Fragen, die voneinander nicht unabhängig sind, wie eine kampfähnliche Situation aussehen und wie ggfs. das Objekt eine konträre Haltung einnehmen kann. Die kampfähnliche Situation muss im Bereich des Abstrakten zu verorten sein. Voraussetzung für sie und für die konträre Haltung ist Relationalität. In [56.a] tritt eine Gefühlsbezeichnung als Objekt auf. Genauer gesagt, ist das Objektdenotat eine Eigenschaft des Subjektdenotats, was der Possessivbegleiter su (‘seine’) auch expliziert. Die Information der Relationalität ist im konstitutiven Quale enthalten. Im unterscheidenden Quale ist zudem die Information eingeschrieben, dass es sich um ein für den Gefühlsträger potentiell unangenehmes Gefühl handelt. Die kampfähnliche Situation spielt sich innerhalb des Subjektdenotats ab und besteht darin, dass sich das Gefühl langsam beruhigt, bis es nicht mehr gegeben ist. Die Ausführungen zeigen, dass der abstrakt-natürliche Basistyp des Objekts im Beispiel nicht erweitert wird. Das Ausbleiben einer Markierung entspricht mithin den Erwartungen. In der Qualiastruktur des Objekts in [56.b], destino (‘Schicksal’), ist hingegen keine Relationalität enthalten. Es ist keine intrinsische Eigenschaft des Konzepts ‘Schicksal’, einer bestimmten Person zugeordnet zu sein. Die Zuordnung zu einer von einem Subjekt denotierten Entität im Rahmen einer Situation des Besiegens müsste also asemantisch sein. Um Kompatibilität zu erreichen, muss der abstrakt-natürliche Basistyp mit einem relationalen Typen angereichert werden, der das Mapping auf das Subjektdenotat lizensiert. Erst dann ist eine abstrakte kampfähnliche Situation zwischen den beiden Entitäten möglich, die sich aus
241 In Kap. 4.1.1.2.3 werden die Beispiele noch einmal ausführlich besprochen. Dabei wird auch die Relation, d.h. die Verbbedeutung, gezielt aufgegriffen, sodass die semantische Struktur der Okkurrenz noch präziser behandelt werden kann.
2.8 Ein neuer Ansatz für die Beschreibung der DOM
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mehreren Einzelhandlungen zusammensetzt (s. dafür Kap. 4.1.1.2.3). Durch die Anreicherung mit dem relationalen Typ entsteht ein komplexer. So lässt sich auch die a-Markierung des Objekts im Beispiel erklären. Die Anreicherung mit einem relationalen Typ wird in Kap. 4.1.1.2.3 nochmals präzisiert. Sie ist auch bei Substitutionsverben relevant (s. Kap. 4.1.2.2.1). Ein alleiniges Auftreten eines relationalen Typs spielt im vorliegenden Rahmen jedoch keine Rolle. Ein solcher Fall scheint nur schwer zu konstruieren. Offenbar sucht sich die Relationalität, so wie sie hier diskutiert wird, typischerweise eine Basis, etwa ein menschliches Konzept wie bei den Verwandtschaftsbezeichnungen oder ein Abstraktum wie bspw. ein Gefühl, in Bezug auf die sie dann Relationalität herstellt.
2.8.5 Überblick über in der Analyse verwendete Kategorien Im Folgenden werden wichtige analytische und deskriptive Kategorien pointiert zusammengefasst. Dabei werden auch das Analyseinteresse und die Herangehensweise wiederholt und präzisiert. Verschiedene Eigenschaften der Matrixverben werden noch einmal aufgegriffen (s. Kap. 2.7.8). Die Ausführungen verdeutlichen den Aufbau des großen Analysekapitels. Grundlegend im Rahmen des vorliegenden Ansatzes ist die Komplexität. Sie wird relational betrachtet und ist definiert als Menge strukturierter Information (cf. Givón 2009a, 1s. unter Verweis auf Simon 1962). Sie wird auf formaler wie auch auf konzeptuell-semantischer Ebene bestimmt. Entsprechend des Ikonizitätsgedankens werden beide Ebenen abgeglichen. Während auf formaler Ebene eine binäre Opposition augenscheinlich wird, ist die konzeptuelle Ebene weniger leicht zugänglich. Für ihre Beschreibung wird auf den Ansatz des generativen Lexikons (cf. Pustejovsky 1991a; 1995b; 2001 usw.) zurückgegriffen. Ein zentraler Bestandteil der Theorie, die einen besonderen Fokus auf die Kombinatorik zwischen sprachlichen Einheiten legt (cf. Pustejovsky 1995b, 1, 105 etc.), ist die Typentheorie (cf. Pustejovsky 1995b, Kap. 5). Sie ermöglicht eine Gliederung außersprachlicher Konzepte und lexikalischer Einheiten (cf. Pustejovsky 2001). Anhand der Qualia-Struktur, bei der es sich um einen zentralen Baustein des Ansatzes handelt, der die Bestandteile der konzeptuellen Stuktur präzisiert (cf. schon Pustejovsky 1991a, 418), lassen sich vier Typen unterscheiden und auf einer Skala ordnen (cf. Pustejovsky 2001): Die drei Haupttypen sind der natürliche, der funktionale und der komplexe Typ (cf. Pustejovsky 2006, 63). Zwischen den natürlichen und den funktionalen Typen lässt sich zudem der semi-intentionale einordnen (cf. Pustejovsky 2001, 103s.). Beim natürlichen Typen sind nur zwei Qualia spezifiziert, beim funktionalen hingegen alle vier Qualia (cf. ibid., 98ss.).
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2 Theorie
Der komplexe Typ ist die Verbindung zweier oder mehr anderer Typen zu einem (cf. ibid., 107s.). Hinsichtlich der letztgenannten Stufe wird also ein zweiter Parameter für die Skala relevant. Der Schritt ist auch methodisch wichtig. Er wird als Kipppunkt innerhalb der Skala angesetzt und grenzt den Bereich des nichtkomplexen Typen von dem des komplexen Typs ab. Die Abgrenzung ist nötig für die Argumentation auf Basis der Ikonizität. Die formale Opposition ist binärer Natur ([± komplex], s.o.), daher ist auch auf konzeptuell-semantischer Ebene eine binäre Unterscheidung nötig. Recht ähnlich gehen Giorgi/Pianesi (1997, 193) vor, die die mehrstufige semantische Skala real bis irreal auf die zweigliedrige formale Opposition Indikativ vs. Subjunktiv mappen. Der Ansatz wird im Zusammenhang mit der Behandlung der Objektsätze nochmals aufgegriffen (s. Kap. 2.9). Im Gegensatz zur konzeptuellen Seite der Nominalobjekte, wo die Abgrenzung gewissermaßen ins Auge springt, v.a. aber im applizierten theoretischen Ansatz angelegt ist, muss der Kipppunkt bei den Objektsätzen gezielt motiviert werden. Welchen Typs eine sprachliche Einheit genau ist, zeigt sich in Kombination mit anderen Einheiten. Pustejovsky (1995b, 105ss.) diskutiert verschiedene generative Operationen, die den Typ aktualisieren können. Eine besondere Rolle spielt beim Nominalobjekt das regierende Verb (cf. schon Pustejovsky 1991a, 421). Auch in der Forschungsliteratur zur differentiellen Objektmarkierung wird die Relevanz von Verben und Verbklassen eingehend diskutiert (s. auch Kap. 2.7.8), sowohl im Speziellen (cf. etwa von Heusinger 2008), aber auch als Faktor, der sich indirekt auswirkt, etwa hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Subjekt und Objekt (cf. besonders García García 2010; s. Kap. 2.7.10). Es werden in den betreffenden Publikationen häufig Transitivitätsskalen zugrunde gelegt. Auch im vorliegenden Rahmen werden Transitivitätsgrade als Ordnungsprinzip angesetzt (cf. auch Lehmann 1991, 224ss.). Das hat u.a. den praktischen Grund, dass sich in eine Transitivitätsskala viele Bedeutungsmerkmale einarbeiten lassen, die unterschiedlich gewichtet werden können. So können heterogene Faktoren in ein homogenes System überführt werden. Es wird insbesondere die umfassende Verbklassifikation Lehmanns (1991) verwendet. Die unterschiedlichen Faktoren werden insbesondere vor dem Hintergrund des Qualia-Ansatzes und der Typentheorie des generativen Lexikons (cf. Pustejovsky 1991a; 1995b; 2001) in einer eigenen Weise gerankt und zudem punktuell ergänzt, sodass dieser Anteil der Arbeit auch zu einer konzeptionellen Schärfung der Verbalklassen beiträgt. Besonders wichtige Faktoren sind die Qualität des Verbalvorgangs sowie die Art und der Grad der Involviertheit bzw. der Betroffenheit der daran beteiligten Entitäten. Beim Verbalvorgang sind auch die zeitliche Ausdehnung und ggfs. qualitative und temporale Substrukturen sehr relevant. Anhand der Transitivitätsgrade lassen sich die Verben clustern. Es werden hier sehr stark sowie stark transitive Verben, Verben mit mittlerer und solche mit geringer
2.8 Ein neuer Ansatz für die Beschreibung der DOM
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Transitivität unterschieden. Innerhalb der Gruppe mit mittlerem Transitivitätsgrad werden anhand der Art des Verbalvorgangs Verben aus drei Subgruppen präsentiert, Handlungs-, Substitutions- und Sprechaktverben. Auch dieser Reihenfolge liegt eine Hierarchisierung ihrer Transitivität zugrunde. Die Handlungsverben der Gruppe haben bspw. sehr weitgehend involvierte Subjekt- und Objektdenotate. Die Substitutionsverben nähern sich ihnen diesbezüglich an, bringen aber im Gegensatz zu ihnen einen weniger konkreten Vorgang zum Ausdruck, sie sind dahingehend lexikalisch weniger stark spezifiziert. Bei den Sprechaktverben der Gruppe ist wiederum das Objektdenotat deutlich weniger involviert. Als eine Besonderheit der Klassifikation sei zuletzt erwähnt, dass das Verb despertar (‘aufwecken’) neben matar (‘töten’) als sehr stark transitiv eingeordnet wird. Das Objektdenotat ist ganzheitlich einer Zustandsänderung unterworfen. Die Handlung ist klar telisch und von geringer zeitlicher Ausdehnung (s. Kap. 4.1.1.1). Der Aufbau anhand der Klassen vereinfacht das Vorgehen, da die jeweils gruppierten Verben Eigenschaften teilen und sich so im Detail voneinander abgrenzen lassen. Die Eigenschaften sind auch in Hinblick auf die differentielle Objektmarkierung relevant. Wie aber die tabellarische Übersicht zeigt (s. Kap. 4.1.4), sind die Verbklassen für sich genommen unzureichend für eine Erklärung der DOM. Es zeigen sich Tendenzen, die sich aber z.T. deutlich zwischen einzelnen Verben einer Klasse unterscheiden können. Das Problem ist, dass auch die Objektklassen berücksichtigt werden müssen.242 In Hinblick auf sie korreliert die Verbsemantik mit einem bestimmten Potential, was die a-Markierung betrifft. Insbesondere der Kontext kann das Potential allerdings überschreiben. Im Rahmen der Analyse wird gezeigt, dass die zugrunde liegende Konzeptualisierung eine sehr präzise Motivation der a-Markierung ermöglicht. Dementsprechend wäre eine Generalisierung aus der Ebene der Konzepte abzuleiten. Das Problem, das den Schwierigkeiten der meisten Ansätze zur DOM zugrunde liegt, ist, dass keine Eins-zu-Eins-Entsprechung zwischen lexikalischen Einheiten und damit auch lexikalischen Klassen und der Konzeptualisierung besteht. Die Konzepte stehen in keinem konstanten Verhältnis zu lexikalischen Einheiten. Vor dem Hintergrund wurde in Kap. 2.7.5 hinsichtlich der Bedeutungserschließung für die Dominanz der Referenz über die Lexik argumentiert. Die Verwendung von Verbklassen führt also zu einer Übergeneralisierung, weshalb die Korrelationen keine uneingeschränkte Gültigkeit haben. Nichtsdestotrotz hat die Verwendung der Klassen in der Beschreibung die oben angeführten klaren methodischen Vorteile.
242 Eine Klassifizierung der Verben anhand der Wahrscheinlichkeit, mit der sie ein Objekt mit menschlichem Denotat regieren, würde zu einer etwas deutlicheren Korrelation führen, hätte aber kein explanatorisches Potential.
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2 Theorie
2.9 Objektsätze: Eigenschaften und Beschreibung Die zweite Gruppe syntaktischer Strukturen, die in der vorliegenden Arbeit ausführlich behandelt wird, sind Nebensätze in der Funktion von Akkusativobjekten (s.u. für Abgrenzungen). Es besteht mithin eine wichtige funktionale Parallele zu den zuvor behandelten nominalen Akkusativobjekten. Die Beschreibung konzentriert sich auf Objektsätze, deren Matrixverben bei Koreferenz von Haupt- und Nebensatzsubjekt mit einem finiten und einem infiniten Nebensatz kompatibel sind. Die allgemeine Form der Struktur lässt sich wie folgt bestimmen. Unter [57] wird die abstrakte Darstellung der Strukturen mit Nominalobjekt wiederholt (s. Kap. 2.7). Sie wäre als sehr starke Abstraktion u.U. auch für die Objektsätze denkbar,243 würde dann aber nicht die Merkmalsverteilung in linearer Hinsicht widerspiegeln. Relevant sind hier zwei mögliche formale Merkmale, die sich über die Lautkette verteilen, das etwaige Auftreten einer Konjunktion und von Flexionsmerkmalen am Nebensatzverb. Die strukturspezifische Darstellung ist dementsprechend wie in [58] (s. auch Kap. 2.10.1). [57] Verb {± Komplexitätsmarker} + angeschlossenes Element [58] V1 + {ø V2(inf) / que V2(fin)} Der Nebensatztyp des Objektsatzes wird etwa in der deutschen Schulgrammatik meist als Gliedsatz bezeichnet. In der romanistischen Sprachwissenschaft ist der Überbegriff des Substantivsatzes üblich.244 Der Objektsatz wird allgemein definiert als «Nebensatz […] in der syntaktischen Funktion eines Objekts» (Bußmann 2008, 489). Für das Spanische werden etwa bei Delbecque/Lamiroy (1999) Nebensätze in der Funktion des direkten Objekts (s. [59]) und solche in der Funktion von Präpositionalobjekten unterschieden (s. [60]). Nebensätze in der Funktion eines indirekten Objekts sind selten (cf. bspw. Martínez 2005, 64). Wie [61] verdeutlicht, können sie aber bspw. mit Funktionsverbgefügen auftreten, bei denen das Hauptverb ein Stützverb ist, das ein direktes Objekt mit sich führt (s.
243 Problematisch wäre u.a., dass nicht dargestellt wird, dass die Instantiierung des «Komplexitätsmarkers», die Konjunktion que (etwa: ‘dass’), eigentlich Teil des angeschlossenen Elements, d.h. des Objektsatzes, ist. 244 Als Begründungen für den Begriff geben Delbecque/Lamiroy (1999, 1967) an, «una oración introducida por que desempeña las funciones propias de los sustantivos». Sie schränken allerdings ein, dass ein solcher Nebensatz nicht immer einer NP entsprechen muss (cf. ibid.).
2.9 Objektsätze: Eigenschaften und Beschreibung
171
Kap. 2.7.3.2). Die in der Frage in [61] gezeigte Pronominalisierung des Nebensatzes wäre beim Nebensatz in [60] nicht gleichermaßen möglich.245 [59] Juan piensa que Eva se equivoca. (Bsp. aus Delbecque/Lamiroy 1999, 1996) ‘Juan glaubt, dass Eva sich täuscht.’ [60] Eva se ha acostumbrado a que su marido viaje cada semana a Madrid. (Bsp. aus Delbecque/Lamiroy 1999, 2041, Hervorhebung J.E.) ‘Eva hat sich daran gewöhnt, dass ihr Ehemann jede Woche nach Madrid reist.’ [61] Ana tiene miedo a que sean indiscretos. – ¿Le tiene miedo a eso? (Bsp. in Anlehnung an Martínez 2005, 64) ‘Ana hat Angst, dass sie indiskret sein könnten. – Davor hat sie Angst?’ Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden Gliedsätze in der Funktion von Akkusativobjekten näher betrachtet. Wie auch bei den beiden anderen syntaktischen Bereichen, die behandelt werden, gibt es divergierende formale Realisierungsmöglichkeiten, die als unterschiedlich komplex beschrieben werden können (cf. für einige grundlegende Gedanken Givón 2001b, Kap. 12; s. dafür Kap. 2.9.6.1). Um die Parallele zu den Nominalobjekten zu veranschaulichen, wird als zentrales formales Unterscheidungskriterium das mögliche Auftreten der Konjunktion que (dt. etwa ‘dass’) angesetzt. Die Realisierung der Konjunktion kann jedoch nicht unabhängig von weiteren Faktoren beschrieben werden. Sie steht in engem Zusammenhang mit der Form des Nebensatzes. Mit dem Auftreten der Konjunktion geht in aller Regel ein finiter Nebensatz einher. Ein Objektsatz ohne Konjunktion ist zumeist infinit.246 Auf semantischer Ebene lassen sich verschiedene Gemeinsamkeiten und Divergenzen zwischen Haupt- und Nebensatz zeigen. Sie betreffen unterschiedliche Bestandteile der Konstruktion, insbesondere das Matrixverb, den Nebensatz in seiner Gesamtheit sowie einzelne Teile, v.a. das Verb und seinen Subjekt-
245 Die Pronominalisierung im Rahmen einer Frage würde etwa lauten, ¿Eva se ha acostumbrado a eso? (‘Daran hat sich Eva gewöhnt?’). Da es sich dabei um kein indirektes Objekt handelt, wäre auch keine Reduplikation mit le (Dativobjektpronomen) möglich. 246 In bestimmten semantisch und gebrauchsmäßig klar umrissenen Verwendungsweisen kann ein flektiertes Verb im uneingeleiteten Objektsatz stehen, etwa nach Verben des Wunsches und der Angst (cf. etwa Delbecque/Lamiroy 1999, 2006). Die Thematik wird in Kap. 2.9.5 besprochen.
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2 Theorie
und Temporalbezug. Die Faktoren werden in den folgenden Unterkapiteln nach einigen grundlegenden Überlegungen nach und nach aufgeschlüsselt. Ein Thema, das sich aus der Diskussion ergibt, betrifft den Status der Gesamtstruktur. Es geht dabei um den Grenzbereich zwischen Hypotaxe und Verbalperiphrasen. Der in der vorliegenden Arbeit vertretene Ansatz setzt Komplexität als entscheidenden Faktor für die Beschreibung von oppositiven Realisierungsmöglichkeiten zweier syntaktischer Strukturen an. Als Erklärungsprinzip wird die Komplexitätsikonizität herangezogen, derzufolge der Opposition in der formalen Realisierung auf konzeptueller Ebene eine Entsprechung zukommen muss. Die hier besprochenen Strukturen sind anderer Natur als jene des vorangegangenen Kapitels. Es werden hier Sätze und Teilsätze verbunden und semantisch v.a. Sachverhalte zueinander in Beziehung gesetzt. Dementsprechend ist auch die Komplexität etwas anders zu bestimmen. Formal erschien dort der a-Marker, hier hingegen kann eine Subjunktion, zumeist zusammen mit Flexionselementen auftreten. Und während dort v.a. das Objekt in seiner Einbettung in den Sachverhalt konzeptuell komplex bestimmt werden konnte, sind bei den Objektsätzen v.a. die Relationen zwischen den im Haupt- und im Nebensatz ausgedrückten Sachverhalten zu untersuchen. Wie gezeigt wird, bringen die Verhältnisse mit sich, dass die Anzahl der anzusetzenden möglichen Faktoren hier etwas höher ist. Ein besonderer deskriptiver Wert der Untersuchung ergibt sich nun gerade daraus, dass dem binären formalen System, dessen Ausprägungen als [± komplex] gewertet werden können (s. Kap. 2.10.1), ein vielschichtiges konzeptuell-semantisches System gegenübersteht. Diese tiefensemantische Seite muss nicht nur präzise modelliert, sondern auch systematisiert und hierarchisiert werden. Es ist ein Kipppunkt zu bestimmen, der ein Mapping der diversifierten konzeptuellsemantischen Skalen auf die o.g. binäre formale Ebene zulässt. D.h., dass auf jeder Skala die letzte noch nicht komplexe von der ersten gerade eindeutig komplexen Stufe abgegrenzt werden muss. Sowohl die Graduierung der Komplexität als auch ihre Hierarchisierung und die Bestimmung des Kipppunkts sind in der hier vorgestellten Art hinsichtlich der untersuchten Strukturen neu. Eine grundsätzlich ähnliche Herangehensweise wählen allerdings Giorgi/Pianesi (1997, Kap. 5) zur Beschreibung des Modus.247 Sie versuchen ebenfalls eine binäre formale Opposition aus einer mehrstufigen Bedeutungsebene heraus zu motivieren (cf. ibid., 193), erstellen allerdings ein globaleres Beschreibungssystem und verfolgen andere Ziele (cf. ibid., 217). Giorgi/Pianesi (1997, 193s.) bestimmen den Kipppunkt des binären grammatischen Modussystems, konkret den Punkt der Unterscheidung zwischen Indikativ und Subjunktiv, als Position auf einer Skala
247 Persönlicher Hinweis von Martin Becker vom 16.08.16.
2.9 Objektsätze: Eigenschaften und Beschreibung
173
des notionalen Modus. Diese Skala basiert auf zwei Parametern, «one concerning the presence / absence of a non-null ordering source, and the other the status of the evaluation context as to the realistic / non-realistic distinction» (ibid., 217). Während, wie noch erläutert wird (s. Kap. 2.10.2), in der hier vorgenommenen Untersuchung unterschiedliche Domänen mit eigenen Graduierungen angesetzt werden, verwenden Giorgi/Pianesi (1997) nur eine einzelne, bifaktoriell bestimmte Skala. Sie erarbeiten ein rigides Mapping von Form und Bedeutung bezüglich Einzelsprachen, die so voneinander abgegrenzt werden (cf. ibid., 217). Offenbar sind sie weniger an Details interessiert als der hier vertretene Ansatz, der sich auf eine Einzelsprache konzentriert und bestimmte relevante Ausschnitte in feinen Einzelheiten zu erfassen sucht. Für die Applizierung des vorgeschlagenen Ansatzes auf die Objektsätze wird unter Rückgriff bspw. auf Delbecque/Lamiroy (1999) ein überschaubares Set an Verben ausgewählt, das sich dafür besonders gut eignet. Die Auswahl wird vom verwendeten Korpus mitbestimmt: Auch für diesen Teil der Untersuchung wird die syntaktisch und semantisch annotierte ADESSE-Datenbank verwendet (s. für eine Diskussion der Vor- und Nachteile besonders Kap. 3.1.1). Nicht alle Verben, die sich u.U. gewinnbringend analysieren lassen würden, sind (ggfs. mit den nötigen unterschiedlichen strukturellen Realisierungsmöglichkeiten) in dem eher kleinen Korpus enthalten, aus dem sich die ADESSE-Datenbank speist.248 Nichtsdestotrotz lassen sich auf der Grundlage des Datenmaterials Zusammenhänge präzisieren, die über den eng gesteckten Rahmen hinaus von Relevanz sind. Im Folgenden werden wichtige Überlegungen aus der Literatur besprochen. Dabei geht es zunächst um recht grundlegende, die Objektsätze im Allgemeinen betreffen, und besonders um diejenigen, die für die hier relevante Opposition im Speziellen eine Rolle spielen. Sie werden um Eigenschaften des spanischen Objektsatzes ergänzt. Zudem werden nach und nach die für die vorliegende Beschreibung relevanten Faktoren eingeführt. In Kap. 2.10 wird vor dem Hintergrund dann die vertretene Theorie bzgl. der Objektsätze präzisiert. Im Analysekapitel wird ihre Applizierung im Rahmen einer groß angelegten Korpusuntersuchung (s. Kap. 5.1) sowie einer experimentellen Studie (s. Kap. 5.2) eingehend verdeutlicht. Dabei wird gezeigt, dass der Faktor der Komplexität auch grammatische Variabilität bei Objektsätzen sinnvoll motivieren kann. Auch für diesen strukturellen Bereich lassen sich so Eigenschaften bestimmen, die anderen Ansätzen verschlossen bleiben.
248 Ob der Grund dafür eine grundsätzlich geringe Frequenz ist oder ob der Umstand mit der Datenselektion des Korpus zu tun hat, kann hier nicht geklärt werden.
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2 Theorie
2.9.1 Satzwertigkeit Für die weitere Diskussion ist eine grundlegende Definition des Satzes nötig. Die auch wissenschaftsgeschichtlich relevante Schwierigkeit einer solchen Definition soll hier ausgeblendet werden (cf. dafür aber bspw. Müller 1985). Becker (2013, 97) etwa definiert Sätze als «die gößte, in sich abgeschlossene und selbständige, syntaktische Einheit». Neben der syntaktischen ist v.a. eine semantische Definition möglich. Der Satz wird dann verstanden als sprachliche Einheit, deren Kern sich als Subjekt-Prädikat-Beziehung konstituiert (cf. bspw. Bußmann 2008, 695, Stichwort: Subjekt-Prädikat-Beziehung).249 Randbereiche werden in der vorliegenden Arbeit nicht eigens besprochen. Ein mögliches Kriterium wäre, dass der Satz unabhängig von Deixis vollständig ist, d.h., er muss unabhängig vom Kontext grammatisch sein.250 Tatsächlich kann mit einem Nebensatz, der hier ja einen besonderen Fokus darstellt, bereits genug Kontext gegeben sein. Eine erhöhte Komplexität eines einfachen Satzes kann hingegen einerseits semantischer Natur sein. Wie etwa Brinker (1997, 26) angibt, der einen textlinguistisch applizierbaren Satzbegriff entwickelt, kann «[e]in Satz […] mehr als eine Proposition enthalten». Er führt das Beispiel an, Hans hat das Buch trotz seiner Krankheit beendet (Beispiel aus ibid.), in dem das Konzessivadverbial eine zweite (untergeordnete) Proposition zum Ausdruck bringt (cf. ibid.). Andererseits kann auch ein einfacher Satz durch eine besondere, von einer angenommenen Grundwortstellung abweichende Anordnung seiner Bestandteile eine gewisse syntaktische Komplexität aufweisen. Solche strukturellen Besonderheiten erhalten im vorliegenden Rahmen allerdings keinen Fokus. Durchaus relevant sind hingegen komplexe Satzstrukturen, die Nebensätze beinhalten. Nebensätze sind abhängige satzwertige Strukturen. Neben der jeweiligen Einbettung verhindert zumeist ihre Struktur, dass sie allein auftreten. Im Hauptsatz, mit dem sie verbunden sind, erfüllen sie eine syntaktische Funktion,251 die wiederum üblicherweise als zentrale Klassifikationsgrundlage genutzt wird (cf. bspw. Becker 2013, 100). Satzwertigkeit lässt sich auch hier semantisch definieren, dass der Nebensatz eine eigene Prädikation realisiert. Sie kann im Verhältnis zum Haupsatz als
249 Das Definitionsspektrum ist damit natürlich keineswegs erschöpft. Denkbar sind bspw. auch eine logische, eine pragmatische oder eine textlinguistische (cf. bspw. Dürscheid 2012, 55s.; s. auch Fließtext). 250 Bei einer Äußerung wie etwa Zeig’! müsste bspw. das elliptische Objekt kontextell oder deiktisch erschließbar sein. 251 Die Erfüllung einer syntaktischen Funktion kann dazu führen, dass auch ein entsprechender Hauptsatz nicht unabhängig von einem bestimmten Nebensatz auftreten kann (cf. bspw. Dürscheid 2012, 57). Ein Beispiel dafür wäre Er erwartet, dass du kommst (Bsp. aus ibid.).
2.9 Objektsätze: Eigenschaften und Beschreibung
175
eigenständig abgegrenzt werden. Insofern weist ein komplexer Satz mit Hypotaxe, also eine Haupt- und Nebensatzverbindung, zwei Prädikationen auf. Die Definition ermöglicht eine Abgrenzung bspw. von Verbalperiphrasen, in denen zwar auch zwei (oder mehr) Verben auftreten, aber nur eine Prädikation ausgedrückt wird, da ein Verb, ein Auxiliar, ein anderes Verb modifiziert (cf. bspw. Olbertz 1998, 32).
2.9.2 Eigenschaften des Matrixverbs Im Rahmen der Analyse sollen Verben untersucht werden, die einen Nebensatz in der Funktion eines Akkusativobjekts regieren. Nicht jedes Verb mit zwei oder mehr Leerstellen ermöglicht die Komplementierung durch eine satzwertige Einheit. Als semantische Grundvoraussetzung dafür geben Delbecque/Lamiroy (1999, 1996) an, «que el verbo exprese un proceso cognitivo» (‘dass das Matrixverb einen kognitiven Prozess zum Ausdruck bringen muss’). Die beiden Autorinnen meinen dies nicht im engsten Sinne, sondern erfassen so verschiedene Konzepte, für die z.T. lediglich gilt, dass auch ein mentaler Prozess involviert ist. Sie führen also Verben des Denkens, aber auch Verba dicendi an sowie volitionale und Verben der Perzeption (cf. ibid.). Während die Verben der übrigen genannten Gruppen in der Regel ohne weitere Argumente auftreten,252 fordern Kommunikationsverben typischerweise zusätzlich zum satzwertigen direkten Objekt außerdem ein indirektes Objekt (cf. ibid., 1996ss.) bzw. können es fordern. Delbecque/Lamiroy (1999, 1997) setzen die Wertigkeit der Verben als Grundlage für eine Subklassifikation an. Sie stellen heraus, dass die Mehrheit der zweiwertigen Verben eine gewisse Haltung zu einem Sachverhalt zum Ausdruck bringt (cf. ibid., 1998). Unter den dreiwertigen Verben sind viele Sprech- und Kommunikationsverben sowie einige Kognitionsverben (cf. ibid., 2019). Die Klassifizierung ist ein hilfreicher Ausgangspunkt. Für die Frage nach der finiten oder infiniten Realisierung des Nebensatzes, die in der Analyse zentral sein wird, sind weitere Verfeinerungen nötig. Nicht nur das Matrixverb muss genauer beschrieben werden, auch seine Umgebung kann eine Rolle spielen. Bspw. können eine Negation des Matrixverbs oder eine Modalisierung durch Auxiliare das Verhältnis zwischen Haupt- und Nebensatz beeinflussen (cf. Delbecque/Lamiroy 1999, 2004s.).
252 Die Autorinnen beziehen den ethischen Dativ nicht in die Aussage mit ein, da er zumeist nicht syntaktisch gefordert wird, sondern eine diskursive Funktion erfüllt (cf. Delbecque/Lamiroy 1999, 1997s.). Sie nennen etwa das folgende Beispiel: ¡No me piens[e] esta ahora que la tuve engañada durante años! (Beispiel aus ibid., 1998, ‘Dass die mir jetzt bloß nicht denkt, dass ich sie jahrelang betrogen habe!’).
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2 Theorie
In Hinblick auf die Matrixverben werden im Folgenden zunächst noch einmal einige wichtige syntaktische Eigenschaften dargestellt. Dann werden zwei semantische Subtypen eingehender besprochen, implikative und faktive Verben. Sie sind zwar gewissermaßen Sonderfälle. Sie werden jedoch einerseits im Analysekapitel behandelt. Andererseits sind ihre Eigenschaften konzeptionell prägend für die hier durchgeführte Untersuchung. 2.9.2.1 Syntaktische Eigenschaften Wie auch bei den nominalen Akkusativobjekten sind hier transitive Verben gesucht. Die Verben müssen also mindestens zweiwertig sein, wobei die entscheidende Eigenschaft ist, dass der Zweitaktant satzwertig realisiert ist. Vor dem Hintergrund der Eigenschaften der Gesamtstrukturen lassen sich bestimmte Erwartungen an das Subjekt formulieren. Da sich viele Strukturen in die Domänen der Kognition und der Gefühlswelt einordnen lassen, wird die semantische Rolle des Subjekts typischerweise die des Agens oder des Experiencers sein. Das Subjektdenotat ist zumeist menschlich (cf. Delbecque/Lamiroy 1999, 2000). Das Subjekt wird in der Untersuchung insbesondere auch in Hinblick auf seine Relevanz im Nebensatz eine Rolle spielen. In dem analysierten Ausschnitt der Objektsätze ist das Nebensatzsubjekt koreferent zu dem des Hauptsatzes. Gibt es einen Drittaktanten, so kann er bspw. bei Verba dicendi als Rezipient einer Information auftreten. Koreferenz des Nebensatzsubjekts zum indirekten Objekt des Matrixverbs ist bspw. möglich bei Verben, die Bitten oder Befehle ausdrücken (cf. bspw. Delbecque/Lamiroy 1999, 2028). Die Strukturen sind allerdings nicht Teil der Analyse. Das indirekte Objekt kann in sehr seltenen Fällen satzwertig realisiert werden (cf. etwa RAE 2009, 2016; Alarcos Llorach 1994, 328). [62] Nunca prestó atención a que lo elogiasen.253 (Bsp. aus Alarcos Llorach 1994, 328) ‘Er beachtete nie, dass man ihn lobte.’ Ein satzwertiges indirektes Objekt ist vermutlich ausgeschlossen, wenn schon das direkte Objekt als Satz realisiert ist. Ein ebenfalls satzwertiges Subjekt wäre evtl. konstruierbar, spielt in der Analyse aber keine Rolle. Im Rahmen der Untersuchung werden Grenzbereiche hin zu Verbalperiphrasen berührt (s. auch Kap. 2.9.6.2). Im Extremfall der periphrastischen Struktur
253 Alarcos Llorach (1994, 328, eigene Hervorhebung) führt den folgenden Testsatz mit Pronominalisierung an: Nunca se la prestó.
2.9 Objektsätze: Eigenschaften und Beschreibung
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gibt das in der unmarkierten Anordnung erste Verb seinen Status als Hauptsatzverb auf. Es wird in dem Fall zum Auxiliar. 2.9.2.2 Semantische Eigenschaften: Faktizität und Implikativität Wie bereits oben betont wurde, ist das Matrixverb von entscheidender Relevanz für den Objektsatz und seine jeweilige Realisierung (cf. bspw. Delbecque/Lamiroy 1999, 1996, 2004ss.). Das ist auch der Grund dafür, weshalb einige interessante Eigenschaften von Verbklassen im Kontext der Nebensatzrealisierung behandelt werden (s. Kap. 2.9.4). Die zentralen relevanten Verbklassen wurden bereits in Kap. 2.9.2 in Anlehnung insbesondere an Delbecque/Lamiroy (1999) besprochen. Im vorliegenden Unterkapitel soll es vor allem um zwei mögliche Eigenschaften von Verben gehen, die zum Teil eine Brücke zu schlagen vermögen zwischen der lexikalischen Semantik und dem hier vertretenen konzeptuell basierten Ansatz (s. bes. Kap. 2.10) (cf. auch Givón 1980, 333). Es sind die Eigenschaften der Faktizität und der Implikativität. Es sind zunächst zwei wichtige Verbgruppen zu nennen, die der faktiven (cf. Kiparsky/Kiparsky 1970) und der implikativen Verben (cf. Karttunen 1971). Hier werden die beiden Begriffe zumeist eng gefasst. Faktive Verben wie bspw. bedauern und verstehen (Beispiele aus Bußmann 2002, 212)254 «presuppose the truth of their complement sentence» (Karttunen 1971, 340). Kiparsky/Kiparsky (1970, 147) führen das folgende Beispiel an: «I regret that it is raining». Der Satz präsupponiert, dass es regnet (cf. ibid.). Das Besondere an faktiven Verben, was auch als Testmöglichkeit herangezogen wird, ist, dass der Nebensatz auch unter Hauptsatznegation wahr bleibt (cf. etwa ibid., 150). Eine gewissermaßen gegensätzliche Untergruppe sind sogenannte «antifaktive Prädikate», «die die Falschheit ihres Komplementsatzes präsupponieren» (Bußmann 2002, 212). Meibauer (2008, 46), der derartige Verben unter der Rubrik der «nicht-faktiven Präsuppositionen» behandelt, nennt u.a. vorgeben sowie vorstellen (Beispiele aus ibid.), das auch in der vorliegenden Arbeit relevant ist. Auch implikative Verben «involve presuppositions, although in a different way» (Karttunen 1971, 340). Karttunen (1971, 341) führt neben vielen weiteren Beispielen etwa manage, aber auch remember an, das im Rahmen der Untersuchung nochmals aufgegriffen wird. Im Gegensatz zu den Objektsatzstrukturen mit faktiven Matrixverben übernehmen Nebensätze implikativer Verben die Polarität des Hauptsatzes
254 Die beiden Verben werden in der Literatur häufig genannt (cf. auch das Beispiel im Text aus Kiparsky/Kiparsky 1970, 147). Meibauer (2008, 46) führt als Beispiele u.a. auch wissen und bemerken an.
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(cf. ibid., 340). Wie Karttunen (1971, 341) angibt, treten implikative Verben mit infiniten Nebensätzen auf und führt das Beispiel an John managed to solve the problem. Das gilt auch für entsprechende Verben des Deutschen wie gelingen und zustandebringen (Beispiele aus Bußmann 2002, 295). Auch hierbei gibt es eine «oppositive» Untergruppe, die der «negativ-implikativen Verben» (Zifonun 1997, 1387). Beispiele sind etwa versäumen und unterlassen (Beispiele aus Bußmann 2002, 295). Im hier verfolgten Ansatz werden die Form und die Konzeption bestimmter Strukturen abgeglichen (s. Kap. 2.10). Eine Orientierung gibt die funktionale Grammatik. Wichtige Grundlagen bieten verschiedene Veröffentlichungen Givóns (1980; 2001 etc.). Givón (1980, 333) entwirft eine semantische Hierarchie der Verbindungsgrades von Komplement- und Hauptsätzen. Er versucht, die semantischen Verhältnisse mit der syntaktischen Realisierung abzugleichen (cf. etwa die graphische Übersicht in ibid., 369). Der Ansatz wird im Rahmen der Satzverknüpfungsskalen ausführlicher dargestellt (s. Kap. 2.9.6.1). Givón (1980, 333) stellt dabei eine Korrelation zwischen der Ausprägung der zwei genannten Kategorien und der Realisierung des Objektsatzes fest. Er verwendet die Begriffe allerdings weniger eng als bei den oben angeführten Verbgruppen. Die Implikativität ist demnach v.a. relevant für manipulative Verben wie order und force (Beispiele aus ibid.) sowie für die Verbgruppe, die er «modality verbs» (ibid.) nennt und wofür er etwa die Beispiele want, start und finish (Beispiele aus ibid.) anführt. Die Verben order und want sind nicht-implikativ (cf. ibid., 334, 342). Das macht eine finite Realisierung des Nebensatzes wahrscheinlich, etwa bei querer (‘wollen’) (cf. ibid., 350, 366). Die Verben force und start sind hingegen implikativ (cf. ibid., 334, 342). Im Sprachvergleich häufen sich infinite Nebensätze (cf. ibid., 347ss.). Für die Kognitions- und Kommunikationsverben wie know und say (Beispiele aus ibid., 333) ist hingegen vielmehr die Faktizität wichtig (cf. ibid.). Während know die Wahrheit des Nebensatzes präsupponiert, ist say nicht-präsupponierend (cf. ibid., 344). Die Ausführungen dazu in Givón (1980) sind insgesamt etwas vage. In Givón (2001b, 53) ergänzt er die folgenden hilfreichen Informationen zur Gruppe der Kognitionsund Kommunikationsverben. Er bespricht dort Realisierungen von indirekter Rede und sieht leichte Divergenzen hinsichtlich der temporalen und aspektuellen Restriktionen (cf. ibid.). Das Verb say lässt bei uneingeleitetem, finitem Nebensatz eine größere Bandbreite an Tempora zu als know, was er als Indiz für eine größere Unabhängigkeit des Objektsatzes vom nicht-präsuppositionalen Sprechaktverb say einstuft (cf. ibid.). Beide Verbklassen lassen allerdings die finite Nebensatzrealisierung mit einer Konjunktion zu (cf. bspw. auch ibid., 52). Für die hier vorgenommene Analyse ist die folgende besonders interessante Tendenz zusammenfassen: Die Objektsätze implikativer Verben sind typischerweise infinit (cf. ibid., 56), die von Kognitions- und Kommunikationsverben, bei denen die Kategorie der Faktizität relevant ist, sind eher finit (cf. ibid., 42). Wie im
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Rahmen der Analyse deutlich wird, sind häufig mehrere Realisierungen möglich, teilweise auch solche, die grundsätzlichen Erwartungen nicht entsprechen. Solche strukturellen Varianten können mit einem Lesartwechsel einhergehen oder andersherum können bestimmte Lesarten an einzelne Realisierungen gebunden sein. So schreibt bspw. Breindl (1989, 246) bzgl. des Deutschen, dass bei den Kognitionsund Kommunikationsverben «eine faktive Lesart wohl nur mit einem da[ss]-Satz» realisiert werden kann.255 Die Relevanz der Faktizität bei der Realisierung der Nebensätze des spanischen Verbs pensar (‘denken’) sprechen Delbecque/Lamiroy (1999, 2011) an. Die Thematik wird im Rahmen der Analyse erneut aufgegriffen und verfeinert (s. bes. Kap. 5.1.2.1, wo das Verb olvidar, ‘vergessen’, besprochen wird).
2.9.3 Eigenschaften des Nebensatzes und Verhältnis zum Hauptsatz Objektsätze in der Funktion eines Akkusativobjekts werden vom Hauptsatzverb gefordert. Daraus folgt eine enge Verbindung zwischen Haupt- und Nebensatz. Die Eigenschaften des Nebensatzes lassen sich prinzipiell «absolut» vom und «relativ» zum Hauptsatz betrachten. Wie zu besprechen sein wird, ist ihre Motivierung aber schwerlich nur auf der «absoluten» Ebene möglich. Eine absolute Eigenschaftsbestimmung wäre etwa die Modusrealisierung des Objektsatzes. Er kann infinit oder finit realisiert sein. Das finite Verb kann im Indikativ oder im Subjuntivo stehen. Zudem sind verschiedene Tempora möglich sowie bei infiniten Nebensatzverben infinite Perfektformen (d.h., der zusammengesetzte Infinitiv, bspw. haber hecho, ‘gemacht haben’). Die «relative» Betrachtung kann helfen, die Realisierung zu motivieren. Lediglich die formale Realisierung des Nebensatzverbs lässt sich unabhängig vom Hauptsatzverb beschreiben. Um die tatsächliche Zeitreferenz und die Art der Bezugnahme auf die Welt zu bestimmen, ist hingegen zumeist der Hauptsatz nötig. Bei der Zeitreferenz ist die sogenannte Zeitenfolge (span.: correlación de tiempos) der Grund,256 beim Weltbezug sind bestimmte Verbklassen im Hauptsatz das entscheidende Kriterium. Die beson-
255 Sie betont allerdings an gleicher Stelle: «Infinitive sind aber nicht generell mit faktiver Lesart [sic] des Matrixprädikats unverträglich.» (Breindl 1989, 246) 256 Während beim Infinitiv offenbar ein anderes Verb nötig ist, im Verhältnis zu dem die Zeitreferenz bestimmt werden kann (cf. etwa Hernanz 1999, 2208), ist beim flektierten Nebensatz temporale Information vorhanden. Ob aber, wie Hernanz (1999) unter Bezugnahme auf Bello (1847, §425) angibt, flektierte Nebensatzverben stets ein temporales Verhältnis zum Sprechakt herstellen (cf. Hernanz 1999, 2208), ist zu bezweifeln. Eine genauere Betrachtung würde wohl ergeben, dass das zu kurz gegriffen ist und der Hauptsatz auch bei bestimmten finiten Nebensätzen eine besondere Rolle für die Zeitreferenz spielt.
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dere Relevanz der «relativen» Betrachtung des Nebensatzes gilt insbesondere bei infiniten Nebensätzen auch für das Nebensatzsubjekt. Das Infinitivsubjekt ist zumeist koreferent zu einem Argument des Hauptverbs (cf. Hernanz 1999, 2214 mit weiteren Literaturverweisen). Die absolute Bestimmung mag allerdings hinsichtlich der Realisierung der Konjunktion que (etwa ‘dass’) sinnvoll sein. Sie korreliert mit der Finitheit des Objektsatzes (s. Kap. 2.9.5). Natürlich ist auch für eine weitergehende semantische Interpretation des Nebensatzes der Hauptsatz zumeist von entscheidender Relevanz. In den folgenden Kapiteln soll es allerdings um die o.g. Eigenschaften gehen, die das grundlegende Verhältnis des Nebensatzes zum Hauptsatz bestimmen. Die folgenden Hauptfragen lassen sich hinsichtlich des Objektsatzes präzisieren. (i) Welche ist die Zeitreferenz des Nebensatzes und in welchem Verhältnis steht sie zu der des Hauptsatzes? (ii) Welche Partizipanten sind enthalten und in welcher Relation stehen sie zu denen des Matrixsatzes? Von besonderer Relevanz ist dabei der Erstaktant. (iii) Welche Art des Weltbezugs wird ausgedrückt? Ist der Nebensatzsachverhalt real oder irreal?
2.9.4 Das Verb im Nebensatz Im spanischen Nebensatz ist sowohl eine finite als auch eine infinite Realisierung des Nebensatzes möglich, wobei beide Varianten verschiedentlich ausdifferenziert sein können. Der Infinitiv kann einfach oder zusammengesetzt sein (etwa cantar, ‘singen’, vs. haber cantado, ‘gesungen haben’). Das finite Verb kann in diversen Tempora und Modi erscheinen. Die Wahl ist durch das Verhältnis zwischen Haupt- und Nebensatz grammatisch, aber mehr noch semantisch restringiert. Gili Gaya (1993, 289) führt die «dependencia en que se hallan los modos y tiempos del verbo» als Zeichen der Subordination an. Viele der Restriktionen lassen sich am bereits besprochenen Hauptsatzverb festmachen. Für eine formale Aufschlüsselung wäre v.a. die bereits in Kap. 2.9.3 angesprochene Consecutio Temporum (Zeitenfolge) anzuführen. Der Begriff bezeichnet das Phänomen, dass das Tempus des Nebensatzverbs vom Tempus des Hauptverbs abhängig ist (cf. ibid.). Wie Gili Gaya (1993, 290, aber auch 175) weiter festhält lässt der tatsächliche Sprachgebrauch jedoch recht viel Variation zu, was die Validität des Konzepts für die spanische Sprache in Frage stellt. Die temporale Realisierung wird daher im Folgenden v.a. aus semantischer Perspektive angegangen. Für den Nebensatzmodus ist die lexikalische Realisierung des Matrixverbs hingegen recht aufschlussreich. Im Fokus der vorliegenden Untersuchung liegt die Opposition von finitem vs. infinitem Objektsatz. Als Voraussetzung für einen infiniten Nebensatz wird üblicherweise angeführt, dass das Subjekt koreferent zu einem Element des Haupt-
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satzes sein muss (cf. etwa Delbecque/Lamiroy 1999, 2009; Hernanz 1999, 2214 mit weiteren Verweisen sowie ibid., 2022). Bei den hier behandelten Objektsätzen muss Koreferenz zum Subjekt des Hauptsatzes vorliegen. Der Umstand schränkt das Set der in der Analyse behandelten Verben ein. 2.9.4.1 Tempus und Temporalbezug des Nebensatzes Eine Beschreibung des Temporalbezugs von Objektsätzen sollte, wie im Folgenden noch eingehender besprochen wird, nicht unabhängig von der Zeitreferenz des Hauptsatzes erfolgen. Es ergibt sich eine begrenzte Menge an möglichen zeitlichen Verhältnissen. Der im Nebensatz ausgedrückte Sachverhalt kann prinzipiell vor-, gleich- oder nachzeitig zum Hauptsatzsachverhalt gegeben sein. Diese temporalen Verhältnisse werden hier als zeitliche Gerichtetheit bezeichnet. Die zugrunde gelegte Betrachtungsweise ist dabei im Rahmen der vorliegenden Arbeit, dass ausgehend von der zeitlichen Referenz des Hauptsatzes die zeitliche Situierung des Nebensatzsachverhalts bestimmt wird. Es ergeben sich zusätzlich mehrere Untertypen. So kann die Gleichzeitigkeit vollständig oder partiell sein. Bei Vor- und Nachzeitigkeit lässt sich unterscheiden, ob die Sachverhalte direkt nacheinander oder mit zeitlichem Abstand gegeben sind. Für die zeitliche Interpretation des Objektsatzes können verschiedene Faktoren relevant sein. Natürlich ist die Flexion des Nebensatzverbs ggfs. als wichtiger Anhaltspunkt zu nennen. Die Tempuswahl kann im Sinne einer Zeitenfolge (Consecutio temporum, s. Kap. 2.9.4) beschränkt sein. Es geht dabei bspw. um das Phänomen, dass ein Hauptsatz mit Vergangenheitstempus typischerweise einen Nebensatz nach sich zieht, der ebenfalls in der Vergangenheit steht. In der Schulgrammatik werden gern Beispiele mit indirekter Rede wie in [63] und [64] angeführt. [63] Juan dijoIndefinido que eranImperfecto las diez. ‘Juan sagte, dass es zehn Uhr war (bzw. sei).’ [64] Juan dijoIndefinido que seríanCondicional las diez. ‘Juan sagte, dass es wohl zehn Uhr sei.’ [65] Juan dice: {SonPresente / seránFuturo} las diez.257 ‘Juan sagt: Es {ist zehn Uhr / wird wohl zehn Uhr sein}.’
257 Das spanische Futur bringt im Beispielsatz epistemische Modalität zum Ausdruck, in dem Fall also das eingeschränkte «Commitment» des Sprechers zu seiner Aussage (cf. etwa Laca 2008, 131). In der Vergangenheit kann die Funktion, wie das vorherige Beispiel zeigt, vom Condicional übernommen werden.
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Für eine einfache Beschreibung von Sätzen wie [63] ist die Überlegung Coserius (1976, 169) hilfreich, der das Imperfekt als eine Art Präsens in der Vergangenheit beschreibt (cf. für eine Verfeinerung aber etwa Abusch 1994; s.u.). Von einem präsentischen Ausgangssatz wie [65] werden bei indirekter Rede in der Vergangenheit Sätze wie in [63] bzw. im Fall der Modalisierung mit der Futuro-Form so wie in [64] abgeleitet. In dem einfachen Beschreibungssystem wird also das Tempus in Abhängigkeit gewählt und die zeitliche Verortung erfolgt relativ zum Hauptsatz. D.h., lediglich das Hauptsatztempus verdeutlicht in dem Fall (direkt oder indirekt) den Bezug zum Sprechzeitpunkt. Wie bspw. schon Gili Gaya (1993, 290s.) zeigt, gibt es für die Tempuswahl im spanischen Objektsatz kaum ausnahmslose Beschränkungen. Er führt u.a. das folgende Beispiel an, in dem augenscheinlich wird, dass die obige Beschreibung zu kurz greift (cf. für die Ambiguität eingebetteter Vergangenheitstempora Abusch 1994, 88ss.). [66] El observatorio anuncióIndefinido que se acercapresente a nuestras costas un huracán […]. El parte metereológico añadíaImperfecto que las primeras ráfagas alcanzaránFuturo a la isla esta madrugada. (Bsp. aus Gili Gaya 1993, 290) ‘Die Wetterwarte meldete, dass sich unseren Küsten ein Orkan nähert (bzw. nähere). Der Wetterbericht fügte hinzu, dass die ersten Windstöße die Insel bei Tagesanbruch erreichen werden (auch: würden).’ Solche und ähnliche Strukturen sind in vielen Sprachen möglich (cf. bspw. für einen Vergleich zweier englischer Varietäten mit dem Italienischen Giorgi/Pianesi 1997, Kap. 6). Abusch (1991; 1994) u.a. sprechen diesbezüglich vom Double Accessibility Reading. Es besagt, dass die zeitliche Referenz etwa des Präsens in [66] ausgedehnt ist und sowohl den im Hauptsatz referierten Zeitpunkt als auch den Sprechzeitpunkt umfasst (cf. Abusch 1991, 1). Im infiniten Nebensatz sind keine Flexionsmarker vorhanden, die eine präzise zeitliche Verortung ermöglichen würden. Ein Zeitbezug ist dann nur relativ zum Hauptsatz möglich (cf. Delbecque/Lamiroy 1999, 2028). Die Gegebenheiten ähneln gewissermaßen denen des flektierten Nebensatzes, wenn die Consecutio temporum greift. Wichtig ist dabei allerdings der aspektuelle Wert des Infinitivs. Der einfache Infinitiv gilt als aspektuell unmarkiert (cf. bspw. Hernanz 1999, 2203).258 Nach Hernanz (1999, 2201, 2202) ist das die Voraussetzung dafür,
258 Delbecque/Lamiroy (1999, 2028) schreiben allerdings: «la forma simple [del infinitivo, J.E.] es imperfectiva». Die Aussage überrascht. Da sie an anderer Stelle wiederholt wird (cf. ibid.,
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dass er im Gegensatz zu Gerundium (imperfektiv) und Partizip (resultativ) in vielen unterschiedlichen syntaktischen Umgebungen auftreten kann (cf. auch Egetenmeyer unveröffentlicht). Die jeweilige lexikalische Füllung kann jedoch alle möglichen Aktionsarten aufweisen. Der zusammengesetzte Infinitiv ist hingegen aspektuell als resultativ oder perfektiv markiert (cf. bspw. Delbecque/ Lamiroy 1999, 2028).259 Die Wahl zwischen einfachem und zusammengesetztem Infinitiv ist offenbar nicht frei, sondern wird, wie Delbecque/Lamiroy (1999, 2027) schreiben, vom Matrixverb restringiert. Manche Hauptverben lassen beide Formen zu (s. [67]), andere nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen (s. [68]; cf. Delbecque/ Lamiroy 1999, 2027; s.u.). [67] Me confesó {ganar / haber ganado} mucho dinero. (Bsp. aus Delbecque/ Lamiroy 1999, 2027) ‘Sie gestand mir, dass sie viel Geld {verdiene / verdient habe}.’ [68] Ana me prometió {traer / *haber traído} chocolate de Suiza. (Bsp. aus ibid., 2028) ‘Ana versprach mir, Schokolade aus der Schweiz {mitzubringen / (?) mitgebracht zu haben}.’ Delbecque/Lamiroy (1999, 2028) geben an, dass das Nebensatzverb dafür verantwortlich sei, ob etwaige Restriktionen greifen. Hinsichtlich des Beispielpaares führen sie die (Nicht-)Telizität des Nebensatzverbs als entscheidend an (cf. ibid.). Sie interpretieren das Verb in [67], ganar (dinero) (‘Geld verdienen’), als atelischen Prozess,260 sodass die relative Zeitreferenz unmarkiert ist (cf. ibid.). Die Einbettung eines telischen Verbs unter prometer (‘versprechen’) wie in [68] bringt hingegen mit sich, dass der Nebensatzsachverhalt nachzeitig zu dem des Hauptsatzes interpretiert wird (cf. ibid.). Mit der Interpretation ist der zusammengesetzte Infinitiv nicht kompatibel. Delbecque/Lamiroy (1999, 2011) führen zudem die Tendenz einiger Gefühlsverben zum zusammengesetzten Infinitiv an.
2010), ist nicht von einem Tippfehler auszugehen. Möglicherweise liegt eine abweichende Begriffsverwendung zugrunde. 259 Eine hilfreiche Abgrenzung der beiden Kategorien in Hinblick auf das zusammengesetzte Perfekt findet sich bspw. bei García Fernández (1995, 374ss. unter Bezugnahme auf weitere Publikationen). 260 U.U. wäre es genauer, von einem iterativ telischen Vorgang zu sprechen.
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Sie nennen u.a. aguantar (‘ertragen’), apreciar (‘schätzen’), odiar (‘hassen’) und temer (‘fürchten’) (Beispiele aus ibid.). Die gangbarste Beschreibung der temporalen Verhältnisse zwischen Hauptund Nebensatz ist sicherlich eine, bei der zunächst das Matrixverb betrachtet wird. Es bringt vielfach deutliche, wenn auch nicht unbedingt unumgängliche (s.o.) Restriktionen für die zeitliche Gerichtetheit mit sich, ob also der vom Nebensatz denotierte Sachverhalt vor-, gleich- oder nachzeitig dazu ist (s. die Definition zu Beginn des Unterkapitels). Bspw. bringen manche Verben eine prospektive Bedeutung zum Ausdruck (cf. etwa Delbecque/Lamiroy 1999, 2001; s. [69]). [69] La comisión de urbanización […] planifica que el proyecto de urbanización se llevará a cabo en tres etapas. (Bsp. aus Delbecque/Lamiroy 1999, 2002) ‘Der Ausschuss für Stadtentwicklung plant, dass das Bauvorhaben in drei Phasen umgesetzt wird.’ Delbecque/Lamiroy (1999, 2002) führen das obige Beispiel an. Pläne werden für die Zukunft geschmiedet. Der Umstand der Planung wird im Haupt-, der geplante Sachverhalt hingegen vom Nebensatz zum Ausdruck gebracht. Der Nebensatzsachverhalt ist also nachzeitig zu dem des Hauptsatzes. Weitere Matrixverben mit ähnlicher Semantik wären etwa programar (‘ansetzen’, ‘vorsehen’) oder tramar (‘anzetteln’; ‘aushecken’) (Beispiele aus Delbecque/Lamiroy 1999, 2001). Typischerweise prospektiv sind aber auch volitionale Verben wie anhelar (‘sich sehnen’), desear (‘wünschen’) oder querer (‘wollen’) (Beispiele aus ibid., 2006) sowie Verben der Einflussnahme mit Objektsatz. Delbecque/Lamiroy (1999, 2006) führen auch Verben der Furcht als prospektiv an. Daraus ergibt sich ein Widerspruch zu der o.g. Einschätzung der Autorinnen, nach der Gefühlsverben tendenziell mit zusammengesetzem Infinitiv auftreten (cf. ibid., 2011). Wie auch die folgenden Beispiele zeigen, scheint es sich dabei um keine besonders deutliche Tendenz, sondern lediglich um eine leichte Affinität zu handeln. [70] Aunque temía ser descubierto y castigado, se aproximó a la puerta […]. (TER:075.06) ‘Obwohl er fürchtete, entdeckt und bestraft zu werden, näherte er sich der Tür.’ [71]
Temes haberla perdido y propones esa porquería para no perderla del todo. (CAI:094.27) ‘Du fürchtest, sie verloren zu haben, und schlägst diesen Quatsch vor, um sie nicht völlig zu verlieren.’
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[72] Temo que antes no lo había entendido […]. (MIR:017.13) ‘Ich fürchte, dass ich es zuvor nicht verstanden hatte.’ Die Beispiele sind der ADESSE-Datenbank entnommen. Sie sind Teil des verwendeten Korpus. Beispiel [70] zeigt das prospektive Verhältnis. In [71] wird hingegen Gleichzeitigkeit des Resultatszustands zur Zeitreferenz des Hauptsatzes ausgedrückt. In [72] schließlich macht das Tempus des Nebensatzes deutlich, dass der Nebensatzsachverhalt zeitlich vor dem des Hauptsatzes situiert wird. Es handelt sich hierbei um getrennte Vorzeitigkeit, d.h. um ein Verhältnis von Vorzeitigkeit, bei dem die Sachverhalte zeitlich strikt getrennt sind (s. dafür Kap. 2.10.2.2). Auch wenn also bei temer (‘fürchten’) eine Affinität zum prospektiven Verhältnis gegeben sein mag, ist seine Kombinatorik keineswegs darauf beschränkt. Die prospektive Gerichtetheit, die etwa die volitionalen Verben ausdrücken, geht damit einher, dass der Nebensatz, insofern er ein vom Hauptsatzsubjekt abweichendes Subjekt hat, üblicherweise im Subjuntivo steht. Es sei diesbezüglich auf das folgende Kapitel verwiesen. Delbecque/Lamiroy (1999, 2006) schreiben den prospektiven Verben überdies die Möglichkeit zu, trotz finiten Nebensatzes ohne die Konjunktion que (etwa ‘dass’) auftreten zu können. Darauf wird in Kap. 2.9.5 erneut Bezug genommen. Die angesprochene Korrelation von Prospektivität und dem Auftreten eines Subjuntivos ist offenbar der Grund dafür, dass die Verben häufig in den (Schul-) Grammatiken besprochen werden. Eine lexikalisch-semantisch determinierte Tendenz oder Affinität zum vor- oder gleichzeitigen Nebensatz ist jedoch ebenso möglich. Eine Präferenz für die Vorzeitigkeit scheint etwa bei agradecer (‘danken’) oder perdonar (‘verzeihen’) der Fall zu sein (s. [73], aber auch [74]). [73] Perdona que te haya llamado odioso. (CAI:029.19) ‘Entschuldige, dass ich dich widerlich genannt habe.’ [74] Perdone que le moleste, señor. (PAS:017.15) ‘Entschuldigen Sie, dass ich Sie störe, mein Herr.’ In [73] vereindeutigt die Perfektform die Vorzeitigkeit des Nebensatzsachverhalts. In [74], einem recht frequenten und möglicherweise idiomatisierten Satz, wird hingegen Gleichzeitigkeit ausgedrückt.261
261 Pragmatisch sind zwei unterschiedliche Verwendungsweisen möglich, einerseits die wörtliche gleichzeitige, in der die Störung quasi mit der Entschuldigung eintritt, andererseits eine uneigentliche, nämlich vorzeitige, bei der die Störung tatsächlich schon vor der Entschuldigung gegeben ist.
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Delbecque/Lamiroy (1999, 2024) führen zudem für Sprechaktverben die folgende stark generalisierende Tendenz an: «[L]a comunicación entre dos personas suele establecerse o para relatar un hecho, o para obtener del interlocutor que haga algo». Demnach wären also bei Sprechaktverben Präferenzen für retro- und prospektive Verhältnisse zu erwarten. Zuletzt sei vorgreifend auf einen besonderen Strukturtyp hingewiesen. In bestimmten Fällen können Haupt- und Nebensatz so eng verbunden werden, dass eine Aufteilung nicht (mehr) deutlich gegeben ist. Bei solchen Verbindungen, die sich den Verbalperiphrasen annähern, kann nicht gesagt werden, dass die beiden auftretenden Verben jeweils über eine Zeitreferenz verfügen. Die Thematik wird in Kap. 2.9.6.2 weiter ausgeführt. 2.9.4.2 Modus des Nebensatzes Hinsichtlich des spanischen Nebensatzes wird in der Forschungsliteratur zum Spanischen besonders die Moduswahl diskutiert. Sie ist weder absolut noch monokausal beschreibbar (cf. aber etwa Maldonado 1995; s.u.). Eine besondere Rolle spielt zweifelsohne der Hauptsatz mit dem Matrixverb, aber auch weitere Möglichkeiten der Modalisierung im Hauptsatz einschließlich seiner Polarität sind relevant. Delbecque/Lamiroy (1999), die einen guten Überblick geben (s.u.), ohne allzu tief ins Detail zu gehen, betonen, dass nicht das Matrixverb allein für den Modus des Nebensatzes verantwortlich ist, sondern vielmehr das Verhältnis zwischen Haupt- und Nebensatz (cf. ibid., 2004). Allerdings können verschiedene Faktoren, die das Matrixverb betreffen, insbesondere Modalisierungen, das Verhältnis beeinflussen (cf. ibid., 2004s.). Der argumentative Kreis schließt sich jedoch, da Delbecque/Lamiroy (1999, 2004ss.) Kategorien herausarbeiten, die eine Klassifizierung der Matrixverben zum Ziel haben. Maldonado (1995, 405s.), der sich auf das Reference-Point-Modell aus Langackers (1991 , v.a. 169s.) Kognitiver Grammatik beruft, geht davon aus, dass der Moduswahl eine binäre semantisch-konzeptuelle Unterscheidung zugrunde liegt, nämlich die mögliche Kontrolle des Sachverhalts durch den Konzeptualisierer. Demnach tritt dann ein Subjuntivo im Nebensatz auf, wenn sich der Nebensatzsachverhalt außerhalb des Einflussbereichs («dominion», ibid., 400ss.) befindet (cf. ibid., 406). Es handelt sich dabei um einen epistemischen Einflussbereich (cf. auch Vesterinen/Bylund 2013, 180), was Maldonado (1995, 406) etwa mit Einbettungen unter es evidente que (‘es ist offensichtlich, dass’) verdeutlicht. Der Ansatz erübrigt die Betrachtung der Semantik der Hauptverben keineswegs. «The meaning of the verb will determine whether the content of complement clause can be located within the participant’s dominion» (ibid., 407). Im Folgenden werden daher Klassifikationsmöglichkeiten von Matrixverben besprochen. Auf
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die Weiterentwicklung des «Dominion»-Ansatzes von Vesterinen/Bylund (2013), die auch zeigen, dass Maldonados (1995) Ansatz etwas zu stark vereinfacht, um eine breite Datenbasis erklären zu können (cf. Vesterinen/Bylund 2013, 186), wird im Anschluss eingegangen. Die knappe Beschreibung von Martínez (2005) zeigt in etwa das Bild der Schulgrammatik, weshalb sie erwähnt werden soll. Er klassifiziert Matrixverben und listet die folgenden Verben, die mit Subjuntivo auftreten (cf. ibid., 63): Gefühlsverben, Verben, die Wertungen zum Ausdruck bringen wie lamentar (‘beklagen’), sowie Verben der Einflussnahme wie intentar (‘versuchen’) oder conseguir (‘erreichen’) (Beispiele aus ibid.). Er stellt ihnen Kommunikationsverben ohne den Faktor einer Einflussnahme gegenüber wie etwa afirmar (‘bestätigen’, ‘angeben’) und sostener (‘behaupten’, ‘vertreten’), die einen indikativischen Nebensatz fordern (cf. ibid.). Er ergänzt seine Übersicht mit Verba dicendi, die mit Subjuntivo einhergehen, wenn eine Einflussnahme erfolgt, und mit Indikativ, wenn dem nicht so ist (cf. ibid.). Er nennt decir (‘sagen’) und advertir (‘hinweisen’) als Beispiele (cf. ibid.). Wie bereits erwähnt, präsentieren Delbecque/Lamiroy (1999, 2004ss.) eine etwas dezidiertere Darstellung, die vier Gruppen umfasst. Sie setzen eine erste Gruppe für Matrixverben an, die nur Nebensätze im Indikativ regieren. Unter den Verben des Denkens und Meinens («verbos de actitud proposicional», ibid., 2005), finden sich laut den Autorinnen nicht allzu viele, die unabhängig von Modalisierungen und vergleichbaren Faktoren nur Nebensätze im Indikativ regieren (cf. ibid.). Sie geben als Voraussetzung an, «que el verbo introduzca eventos o estados de cosas que el hablante considera como factivos o bajo su control» (ibid.), was etwa bei evaluar (‘bewerten’), memorizar (‘auswendig lernen’) oder saber (‘wissen’) der Fall ist (Beispiele aus ibid.). Orthogonal dazu gibt es einige Matrixverben, die im flektierten Nebensatz stets den Subjuntivo fordern, insbesondere volitionale Verben wie querer (‘wollen, wünschen’), Kausativa wie hacer (hier etwa ‘dazu bringen’) sowie mit Einschränkung psychologische Verben wie alabar (‘loben’) oder odiar (‘hassen’) (cf. ibid.). Bei einigen der Verben, v.a. bei den volitionalen Verben, drücken die regierten Nebensätze üblicherweise einen nachzeitigen Sachverhalt aus (cf. bspw. auch ibid., 2006). Für die Gruppe geben Delbecque/Lamiroy (1999, 2006) an, dass unter bestimmten Umständen die Konjunktion weggelassen werden könne (s. Bsp. [75]). Das Auftreten eines Subjekts im Nebensatz, das eine belebte Entität denotiert, blockiert die Möglichkeit laut den Autorinnen (cf. ibid.; s. Bsp. [76]). Die Thematik wird in Kap. 2.9.5 vertieft. [75] Temo lleven retraso a causa del tráfico. (Bsp. aus Delbecque/Lamiroy 1999, 2006) ‘Ich fürchte, sie verspäten sich wegen des Verkehrs.’
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[76] Temo {que / *Ø} los invitados estén enojados. (Bsp. aus ibid., Fußnote 55) ‘Ich fürchte, dass die Gäste verärgert sind.’ Die Nebensätze einer großen dritten Gruppe von Matrixverben können in beiden Modi auftreten. In die Klasse von Matrixverben fallen etwa dudar (‘zweifeln’), entender (‘verstehen’) und suponer (‘annehmen’) (Beispiele aus ibid., 2007). Delbecque/Lamiroy (1999, 2007) ordnen die Moduswahl der kommunikativen Intention zu. Die Autorinnen stellen heraus, dass die Negation des Hauptsatzverbs, die in Schulgrammatiken zum Teil als entscheidender Faktor angeführt wird, keine scharfe Trennlinie ermöglicht (cf. ibid.). Sie führen das folgende Beispiel an. [77] ¿Sabes lo que pasa? No entiende que la quiero. (Bioy Casares, Historias desaforadas, Bsp. aus Delbecque/Lamiroy 1999, 2007; dort Cuervo 1994 entnommen, Eintrag zu entender) ‘Weißt du, was los ist? Sie versteht nicht, dass ich sie liebe.’ In [77] erscheint trotz des negierten Kognitionsverbs im Hauptsatz ein Indikativ im Nebensatz. Das ist darauf zurückzuführen, dass der Sachverhalt des Nebensatzes als faktisch gültig herausgestellt wird. Die Einbettung unter den Hauptsatz bringt nicht zum Ausdruck, dass sein Wahrheitswert zur Diskussion stünde. Andererseits machen aber auch andere Modalisierungsverfahren eine Subjuntivoform im Nebensatz wahrscheinlicher (cf. Delbecque/Lamiroy 1999, 2007). Den Effekt des Subjuntivos in der genannten Gruppe generalisieren die beiden Autorinnen folgendermaßen: «[E]l subjuntivo suaviza, atenúa y quita importancia al hecho referido en la subordinada» (ibid., 2008). Bei einer vierten Gruppe ist die Realisierung des Nebensatzverbs weitgehend grammatikalisiert, wobei der Subjuntivo immer dann auftritt, wenn das Matrixverb modalisiert ist (cf. ibid.).262 Die Gruppe setzt sich hauptsächlich aus physischen und mentalen Wahrnehmungsverben sowie Verben des Glaubens und Meinens der Typen ver (‘sehen’), comprobar (‘feststellen’) bzw. considerar (etwa ‘erachten’) und creer (‘glauben’) zusammen (cf. ibid.). [78] Pretextó que no tenía tiempo. (Bsp. aus Delbecque/Lamiroy 1999, 2009) ‘Er gab vor, keine Zeit zu haben.’
262 Der Subjuntivo kann natürlich auch dann im Nebensatz auftreten, wenn dem eingebetteten Verb ein Adverb des Zweifels vorausgeht (cf. Delbecque/Lamiroy 1999, 2008, Fußnote 63).
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[79] Pero no veo que estemos tan cerca de una solución. (Bsp. aus ibid.) ‘Ich sehe aber nicht, dass wir einer Lösung besonders nah wären.’ Die Beispiele [78] und [79] zeigen die Modusopposition. Im ersten der beiden Beispiele ist das Hauptverb nicht modalisiert (cf. für die Klassifikation der Negation als Typ von Modalisierung etwa ibid.).263 Der Nebensatz steht im Indikativ. Das Beispiel [79] zeigt ein negiertes Hauptverb (no veo, ‘ich sehe nicht’ in der Bedeutung ‘verstehen’). Das eingebettete Verb erscheint im Subjuntivo. Wie Delbecque/ Lamiroy (1999, 2009) betonen, ist das Prinzip in eine Richtung durchlässig. Auch bei negiertem Matrixverb kann im Nebensatz ein Indikativ auftreten (cf. ibid.; s. [80]). [80] No creo que abandonará. Es una retirada temporal. (Bsp. aus ibid.) ‘Ich glaube nicht, dass sie / er aufgibt. Sie / Er zieht sich vorübergehend zurück.’ Ridruejo (1999) beschreibt die Umstände noch ausführlicher. Er nimmt auch auf die hintergründige Diskussion der logischen und der linguistischen Modalität Bezug (cf. ibid., 3211ss.). Für eine umfassende, aktuelle Darstellung dessen sei allerdings auf Becker (2014, Kap. 1) verwiesen. Ridruejos (1999) Ziel ist tatsächlich v.a., die Modusrealisierung im spanischen Nebensatz zu erklären. Dafür differenziert er Verbklassen, die obligatorisch einen der beiden Modi Indikativ oder Subjuntivo regieren sowie Fälle von Modusalternanz (cf. ibid., 3320ss.). Bspw. dahingehend, dass er die syntaktische Funktion des Nebensatzes nicht als Meta-Klassifikationskriterium ansetzt (cf. ibid.), divergiert seine Darstellung etwas von der von Delbecque/Lamiroy (1999),264 die Erkenntnisse ähneln sich allerdings (s. auch oben). Zunächst bespricht Ridruejo (1999, 3222ss.) Verbgruppen, die mit Modusalternanz im Nebensatz einhergehen. Dazu zählt er Verben des Unwissens und der Unsicherheit wie ignorar (‘nicht wissen’), desconocer (‘nicht kennen’), aber auch sospechar (‘vermuten’) sowie negierte Wissens- und Kommunikationsverben wie no creer (‘nicht wissen’) und no decir (‘nicht sagen’) (Beispiele aus ibid., 3222). Das folgende Beispiel zeigt die Alternanz.
263 Die Einordnung wird nur von manchen Autoren vertreten. Weniger problematisch und in der Modallogik üblich ist die Klassifikation der Negation als eigener Operator (cf. bspw. Portner 2009, 13). 264 Es fällt zudem auf, dass er einige semantische Verbklassen recht weit definiert, s. bspw. die Verben, die Welten erschaffen (cf. Ridruejo 1999, 3227s.; s. Fließtext).
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2 Theorie
[81] Sospecha que {es / sea} inteligente. (Bsp. aus Ridruejo 1999, 3222) ‘{Sie / Er} vermutet, dass {er / sie} klug ist.’ Ridruejo (1999, 3227) führt zudem Verben an, die er «verbos creadores de mundos» nennt. Dazu zählt er imaginar (‘vorstellen’), suponer (‘annehmen’), aber auch aceptar (‘akzeptieren’) und conceder (‘einräumen’) (Beispiele aus ibid., 3228). In affirmativen Sätzen wird ihnen ein indikativischer Nebensatz untergeordnet, bei negiertem oder anderweitig modalisiertem Hauptverb ist hingegen die Alternanz möglich (cf. ibid.). Das Beispiel [82] illustriert die Realisierungsmöglichkeiten. [82] No supuse que {jugaran / jugaban} con dinero. (Bsp. aus Ridruejo 1999, 3228) ‘Ich nahm nicht an, dass sie um Geld spielten.’ Verben der Erwartung wie esperar (‘erwarten’) haben zwar eine Präferenz für den Subjuntivo, ist der Nebensatz allerdings nachzeitig und futurisch, so ist auch der Indikativ möglich (cf. ibid., 3228s.). Ridruejo (1999) führt das folgende Beispielpaar an. [83] Espero que {venga / vendrá} mi hermano. (Bsp. aus Ridruejo 1999, 3229) ‘Ich hoffe, dass mein Bruder kommt (oder: kommen wird).’ Ridruejo (1999, 3229ss.) diskutiert zuletzt faktive Verben, die eine geistige oder emotionale Wertung ausdrücken. Er nennt lamentar (‘beklagen’), sentir (‘bedauern’) und temer (‘fürchten’) (Beispiele aus ibid., 3229) als Beispiele. Im modernen Spanisch werden sie fast ausschließlich mit Subjuntivo konstruiert (cf. ibid.; s. [84]), weshalb sie im Grunde an anderer Stelle besprochen werden müssten. [84] Siento que haya venido. (Bsp. aus Ridruejo 1999, 3230) ‘Ich bedauere, dass Sie gekommen sind.’ Das Interessante an solchen Fällen ist, dass die modale Realisierung nicht den Erwartungen entspricht. Da faktive Verben wie in Kap. 2.9.2.2 besprochen die Wahrheit des Nebensatzes präsupponieren, kann der Subjuntivo keine «modalización que contravenga o disminuya la realidad del acontecimiento» (Ridruejo 1999, 3231) ausdrücken, die ihm sonst oft zugeschrieben wird. Ridruejo (1999, 3231 mit Literaturverweisen) spricht einzelne Erklärungsversuche aus der Literatur an, die er allerdings ablehnt. Er löst das Problem letztlich nicht (cf. ibid.). Warum er die gefühlsmäßige Haltung des Subjektdenotats oder -referenten gegenüber dem Sachverhalt, die unabhängig von dessen Wahrheitswert sein kann, an der Stelle nicht anführt, ist unklar. Vesterinen (2012) argumentiert diesbezüglich anhand
2.9 Objektsätze: Eigenschaften und Beschreibung
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des Einflussbereichs («dominion») und der Kontrolle des Konzeptualisierers (cf. auch Maldonado 1995, 404ss.; s.o.). Vesterinen (2012, 55) folgert, Verben wie «lamentar (‘to regret’) […] and resentir (‘to resent’) designate the conceptualizer’s attitude towards an event that he/she has a restricted capacity to control». Der Subjuntivo ist sprachlicher Reflex der reduzierten Kontrolle (cf. ibid.). Im Rahmen der obligatorischen Modusfestlegung bespricht Ridruejo (1999, 3233s.) zunächst den verpflichtenden Indikativ. Er tritt auf bei Verben der sinnlichen Wahrnehmung wie ver (‘sehen’) und oír (‘hören’) (Beispiele aus ibid., 3234), bei Verben des Wissens und mentaler Vorgänge wie saber (‘wissen’), conocer (‘kennen’) und entender (‘verstehen’) sowie bei Kommunikationsverben wie decir (‘sagen’) und explicar (‘erklären’) (Beispiele aus ibid.). Er gibt an, dass bei solchen Strukturen das Subjekt (gemeint ist vermutlich der Subjektreferent) den Nebensatz als wahr intendiere (cf. ibid.) und nennt u.a. den folgenden Beispielsatz. [85] Vio que había venido. (Bsp. aus Ridruejo 1999, 3234) ‘{Sie / er} sah, dass {er / sie} gekommen war.’ Der Subjuntivo tritt laut Ridruejo (1999, 3227) hingegen obligatorisch im Nebensatz auf, wenn das Hauptverb Unsicherheit oder Zweifel (bspw. dudar, ‘zweifeln’, Bsp. aus ibid.) oder eine volitionale Bedeutung ausdrückt. Als Beispiele nennt er einerseits desear (‘wünschen’) und querer (‘wollen’) (Beispiele aus ibid., 3228). Andererseits führt er aber auch Verben an, die keine prototypischen Volitionsverben sind, darunter das bereits oben mit einer anderen Lesart genannte aceptar (‘annehmen’) sowie envidiar (‘beneiden’) (Beispiele aus ibid.). In seinen Beispielsätzen zeigt er allerdings nur recht übliche Volitionsverben (s. etwa [86]). [86] Luis pretendió que vendieras el solar, pero ya veo que no lo hiciste. (Bsp. aus Ridruejo 1999, 3237) ‘Luis forderte, dass du das Grundstück verkaufen solltest, aber ich sehe schon, dass du es nicht getan hast.’ Darüber hinaus folgen Nebensätze im Subjuntivo auf Befehlsverben wie decretar (‘erlassen’) und establecer (‘festsetzen’) (Beispiele aus ibid., 3238) sowie ihrer Untergruppe, den Verbotsverben wie prohibir (‘verbieten’) (Bsp. aus ibid., 3239). Das zeigt der folgende Beispielsatz. [87] Te prohíbo que salgas después de la puesta del sol. (Bsp. aus Ridruejo 1999, 3239) ‘Ich verbiete dir, nach Sonnenuntergang das Haus zu verlassen.’
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2 Theorie
Ridruejo (1999, 3240ss.) komplettiert die Übersicht mit weiteren Fällen von Alternanz. Dabei führt er Verben an, die in bestimmten Kontexten über Nebenbedeutungen verfügen, die sie einer der obigen Gruppen annähern, der sie nicht per se zuzuordnen sind (cf. ibid.). Dazu gehören v.a. Verba dicendi in der Verwendung von Befehlen (cf. ibid., 3240s.; s. [88] in Abgrenzung zu [89], wo ein Befehl wiedergegeben wird) sowie Perzeptionsverben mit volitionaler Konnotation (cf. ibid., 3241s.; s. [90] gegenüber der Einflussnahme in Variante [91]). [88] Le dijo que saldría. (Bsp. aus Ridruejo 1999, 3240) ‘Sie sagte, dass {er / sie} hinausgehen würde.’ [89] Le dijo que saliera. (Bsp. aus ibid.) ‘Sie befahl ihm, hinauszugehen.’ [90] Ha comprobado que el acta estaba firmada. (Bsp. aus ibid., 3241) ‘Sie hat überprüft, dass die Urkunde unterschrieben war.’ [91] Comprobé que el freno de mano estuviese echado. (Bsp. aus ibid.) ‘Ich stellte sicher, dass die Handbremse angezogen war.’ Die Hauptverben in [90] und [91] drücken im Grunde Handlungen aus, die unterschiedlichen Domänen zuzuordnen sind. Der Vorgang in [90] ist v.a. ein visueller, der in [91] hingegen eine physische Handlung. Der Nebensatz drückt dabei das Ziel der Handlung aus. Wie zu Beginn des Unterkapitels angesprochen, argumentiert Maldonado (1995, 405s.) für eine binäre Begründung der Modusopposition anhand der Situierung des Sachverhalts inner- oder außerhalb des Einflussbereichs («Dominion») der jeweils relevanten Entität. Vesterinen entwickelt den Ansatz in verschiedenen Veröffentlichungen weiter (cf. etwa Vesterinen 2012 und insbesondere Vesterinen/Bylund 2013). Vesterinen/Bylund (2013) gehen davon aus, dass Maldonados (1995) Ansatz nur eingeschränkt generalisierbar ist (cf. Vesterinen/Bylund 2013, 186). Sie zeigen, dass die Moduswahl von zwei Arten von Dominion bestimmt wird (cf. ibid., 180). Neben dem epistemischen Dominion Maldonados (1995) nennen sie unter Bezugnahme auf Langacker (2009, 153) das der effektiven Kontrolle (cf. Vesterinen/Bylund 2013, 180). Welches Dominion jeweils relevant ist, wird von der subordinierenden sprachlichen Einheit festgelegt, beim Objektsatz also das jeweilige Matrixverb (cf. ibid., 196). Tritt ein Subjuntivo im Nebensatz auf, so liegt nach Vesterinen/Bylund (2013, 185s.) der vom Nebensatz denotierte Sachverhalt außerhalb des relevanten Dominions des Konzeptualisierers. Vereinfacht gesagt entzieht sich der Sachverhalt entweder seiner Kenntnis bzw. Überzeugung oder
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seiner Kontrolle. Beim Konzeptualisierer kann es sich sowohl um das Matrixsubjektdenotat als auch den Sprecher handeln (cf. ibid., 184, 187). Vesterinen/Bylund (2013) diskutieren u.a. volitionale Matrixverben, Verben der Einschätzung und faktive Verben. Bezüglich der ersten Gruppe ziehen sie u.a. querer (‘wollen’) als Beispielverb heran (cf. ibid., 186s.). In Anlehnung an Maldonado (1995) bestimmen sie den von darunter eingebetteten nachzeitigen Nebensätzen im Subjuntivo denotierten Sachverhalt zunächst als «outside the conceptualiser’s epistemic dominion» (Vesterinen/Bylund 2013, 187 unter Verweis auf Maldonado 1995, 407; s. [92]). [92] Pepe quiere que gane el Manchester. (Bsp. aus Vesterinen/Bylund 2013, 186, dort www.intereconomia.com entnommen) ‘Pepe möchte, das Manchester gewinnt.’ In einem Beispiel wie [92] stellt der Nebensatzsachverhalt lediglich eine «projection into a desired future» (Vesterinen/Bylund 2013, 187) des Subjektdenotats dar. Die Autoren betrachten die Erklärung als nicht völlig befriedigend und führen zum Abgleich weitere Fälle an (cf. ibid.). Wird bspw. ein Nebensatz mit realem Gehalt unter ein negiertes querer (‘wollen’) eingebettet, so zeigt laut den Autoren die Subjuntivo-Form an, dass der Nebensatzsachverhalt «outside the dominion of effective control» (ibid., 187) liegt (s. [93]). Der Matrixsatz zeigt keine Kontrolle des Subjektdenotats über den Nebensatzsachverhalt an. Bei infiniten Nebensätzen mit Subjektkoreferenz schließlich sehen sie den denotierten Sachverhalt als «within the conceptualiser’s effective control» (cf. ibid.; s. [94]). [93] No quiero que llores pero no puedo protegerte.265 (Bsp. aus Vesterinen/ Bylund 2013, 187, dort www.genteloca.com entnommen) ‘Ich will nicht, dass du weinst, aber ich kann dich nicht beschützen.’ [94] Los domingos la familia quiere salir de paseo. (Bsp. aus Vesterinen/Bylund 2013, 187, dort www.septimotv.com entnommen) ‘Sonntags möchte die Familie spazieren gehen.’ Die Autoren erläutern nicht im Detail, warum im Falle der volitionalen Kontexte zwei verschiedene Dominions als relevant eingestuft werden könnten (cf. Vesteri-
265 Das Beispiel vereindeutigt nicht, dass der Subjektreferent tatsächlich zum Sprechzeitpunkt weint. Vesterinen/Bylund (2013, 187) betonen allerdings, dass eine solche Verwendung «perfectly accurate» ist.
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2 Theorie
nen/Bylund 2013, 186s.). In ihrer Übersicht ordnen sie dem semantischen Bereich allerdings konsequenterweise lediglich die effektive Kontrolle als entscheidendes Dominion zu (cf. ibid., 196). Bei den Verben der Einschätzung wie negar (‘verneinen’), dudar (‘bezweifeln’) und no creer (‘nicht glauben’) führen sie das epistemische Dominion als relevant an (cf. ibid., 188). Der Subjuntivo weist demnach darauf hin, dass ein Sachverhalt außerhalb des Dominions liegt (cf. ibid.; s. [95]). Er ist nicht Teil des mentalen Modells des Konzeptualisierers, bzw. gehört vereinfacht gesprochen nicht seiner Überzeugung an. [95] Niego que el sistema encubra delitos graves. (Bsp. aus Vesterinen/Bylund 2013, 187, dort forum.wordreference.com entnommen) ‘Ich bestreite, dass das System schwere Straftaten verschleiert.’ In der Gruppe der faktiven Verben stellen die beiden Autoren wiederum die effektive Kontrolle als entscheidend heraus (cf. ibid., 189s.). Der Nebensatzsachverhalt in [96] ist zwar Teil des mentalen Modells des Subjektdenotats, er kann ihn aber nicht beeinflussen. [96] Lamento que el Presidente me ataque […]. (Bsp. aus Vesterinen/Bylund 2013, 189, dort www.lasegunda.com entnommen) ‘Ich bedauere, dass der Präsident mich angreift.’ Die von Vesterinen/Bylund (2013) weiterentwickelte Fassung des DominionAnsatzes kann viele Modusrealisierungen im Objektsatz kohärent einordnen und das, obwohl die Klassen, wie oben angedeutet, recht grob gegliedert sind. Die Autoren berufen sich auf etablierte lexikalisch-semantische Klassifizierungen und steuern diesbezüglich keine neuen Verfeinerungen bei. Kritisch erwähnt sei, dass die Realisierung des Mappings des Dominions auf den Sprecher vs. auf das Subjektdenotat nicht im Einzelnen problematisiert wird.266 Zu betonen ist, dass Vesterinen/Bylund (2013) keinen analytischen Fokus auf Strukturen mit Subjektkoreferenz legen, die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung entscheidend sind. In Bezug auf die Opposition von infinitem und indikativischem Nebensatz hüllen die Autoren sich in Schweigen. Beide Realisierungen werden als Anzeichen für innerhalb des Dominions des Konzeptualisierers befindliche
266 Es sei zudem erwähnt, dass die Interpretation einzelner Beispiele von Vesterinen/Bylund (2013) etwas bemüht erscheint.
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Sachverhalte angeführt.267 Da aber gerade diese Unterscheidung im Rahmen der vorliegenden Analyse betrachtet wird, kann der Ansatz nicht appliziert werden. Abschließend lässt sich sagen, dass detaillierte Untersuchungen zeigen, dass für die Moduswahl im Nebensatz lexikalische und grammatikalische Faktoren zusammenwirken und auch ko- und kontextuelle Merkmale eine Rolle spielen können. Zumindest die zentralen Klassen sind in der Literatur ausführlich und recht umfassend beschrieben (cf. bspw. Delbecque/Lamiroy 1999 und Ridruejo 1999). Es gibt aber auch Vorschläge zu einer Reduktion auf wenige Faktoren, wo konzeptuelle Strukturen eine grundlegende Rolle spielen (cf. etwa Vesterinen/ Bylund 2013). Die vorliegende Arbeit setzt ihren Fokus nicht auf die Moduswahl. Die Analyse beschäftigt sich, wie gesagt, mit der Divergenz zwischen finiten und infiniten Objektsätzen. Die Modusthematik hat dabei allerdings hinsichtlich zweier Faktoren eine gewisse Relevanz. Einerseits ist sie natürlich für den Bereich der finiten Nebensätze von Bedeutung. Andererseits besteht aber auch, wie die RAE (2009, 2016) betont, «una relación gramatical muy estrecha entre el infinitivo y el subjuntivo». Hernanz (1999, 2285) sieht die Parallelen in den zeitlichen Verhältnissen begründet. Die Thematik wird im folgenden Kapitel nochmals aufgegriffen. 2.9.4.3 Alternanz von finitem und infinitem Nebensatz Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich insbesondere mit dem Vergleich der finiten und der infiniten Realisierung von spanischen Objektsätzen. Im Folgenden werden die zentralen Faktoren für die Alternanz vorgestellt, die in der Literatur diskutiert werden. Grundlegend ist die bereits angesprochene Opposition, die das Subjekt des Nebensatzes betrifft. Eine infinite Realisierung ist möglich bzw. wahrscheinlich, wenn das Nebensatzsubjekt koreferent zum Hauptsatzsubjekt ist (cf. Delbecque/Lamiroy 1999, 2009; Hernanz 1999, 2214 mit weiteren Verweisen; Ridruejo 1999, 3247 sowie die Diskussion in RAE 2009, 1996ss. usw.). Wenn das Nebensatzsubjekt nicht koreferent zum Subjekt des Hauptsatzes ist, so wird der Nebensatz finit realisiert (cf. etwa RAE 2009, 2016). Strukturen mit Perzeptionsverben und Verben des Bittens sowie solche mit kausativen Verben werden hier ausgeblendet. Bei ihnen ist ein infiniter Nebensatz bei Koreferenz des Nebensatzsubjekts zu einem Element des Hauptsatzes möglich, das nicht das Subjekt ist, sondern ein Objekt (cf. dafür etwa Delbecque/Lamiroy 1999, 2012s.; Hernanz 1999, 2214ss.).
267 Wie oben besprochen wäre beim unter ein volitionales Verb eingebetteten Infinitiv allerdings auch eine Interpretation als außerhalb des epistemischen Dominions denkbar.
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2 Theorie
Die folgenden beiden Beispiele zeigen die finite und infinite Realisierung ohne bzw. mit Subjektkoreferenz. In [97] mit flektiertem Nebensatzverb ist keine Koreferenz gegeben. Im Fall der Koreferenz in [98] ist demgegenüber nur das infinite Verb im Nebensatz möglich. [97] Necesitoi que me escuchesj. (Bsp. aus RAE 2009, 2016) Etwa: ‘Ich empfinde es als nötig, dass du mir zuhörst.’ [98] Necesitasi {recuperartei / *que te recuperesi}. (Bsp. aus ibid.) ‘Du musst dich erholen.’ Die Opposition ist grundlegend und tritt ähnlich auch in anderen Sprachen auf (s. bspw. auch die finite vs. infinite Übertragung der Sätze ins Deutsche). Sie wird daher auch in Ansätzen zu Satzverknüpfungsskalen integriert (s. Kap. 2.9.6.1). Offenbar ist sie im Spanischen sehr verbreitet. So gibt etwa Hernanz (1999, 2218) an, dass «una gran mayoría de los verbos que se construyen con completivas» dann einen infiniten Nebensatz erlaubt, wenn Subjektkoreferenz besteht (s. [97] und [98]). Bei der Detailbetrachtung führt Hernanz (1999, 2285) allerdings an, dass temporale Faktoren die Möglichkeit der Realisierungspaare einschränken. Sie geht davon aus, dass die in den jeweiligen Hauptverben enthaltene temporale Gerichtetheit der Grund dafür ist, dass Verben, die flektierte Nebensätze im Subjuntivo regieren, auch infinite Nebensätze zulassen (cf. ibid., 2285s.). Matrixverben hingegen, die mit Nebensätzen im Indikativ auftreten, werden in der Regel nicht mit infinitem Nebensatz realisiert (cf. ibid., 2286, 2288). Sie nennt aber Ausnahmen (cf. ibid., 2288; s.u.). Die Korrelation wird auch in der RAE (2009, 2016, 2017) erwähnt, allerdings ohne Verweise. Hernanz (1999, 2286) betont, dass Subjuntivo und Infinitiv die Eigenschaft teilen, typischerweise in Unterordnung aufzutreten. Ihre Erklärung für die Parallelen ist, dass Subjuntivo und Infinitiv formal defizitär hinsichtlich des Zeitbezugs sind und daher an eine kontextuelle Vereindeutigung gebunden sind (cf. ibid., 2286s.; cf. ähnlich auch Givón 1995, 133). Die Interpretation solcher Gegensätze ist im Rahmen einer Beschreibung der Komplexitätsikonizität unproblematisch und nicht allzu interessant (cf. aber etwa ibid., 126ss. für Graduierungen bei Verben der Einflussnahme, die hier ausgeklammert werden268). Einerseits ist die strukturelle Komplexität höher, weil
268 Givón (1995) betont für Verben wie prohibir (‘verbieten’), bei denen ein ggfs. als Nebensatzsubjekt analysiertes implizites Element koreferent zum indirekten Objekt des Matrixsatzes ist, Folgendes. Im Falle einer doppelten Realisierungsmöglichkeit mit «an infinitive and a subjunctive complementation […], the infinitive […] signals stronger manipulation, and the subjunctive
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bei der finiten Struktur mehr sprachliches Material nötig ist (die Konjuktion que, ‘dass’, sowie eine spezifische Verbalendung, die von der des Hauptsatzverbs abweicht). Andererseits ist auch die semantisch-konzeptuelle Komplexität, die der Struktur zukommt, deutlich höher, wenn zwei als wenn nur ein Subjektreferent involviert sind (zudem kann u.U. jeweils eine eigenständige Zeitreferenz vorhanden sein usw.). Die Opposition wird daher in der Analyse ausgeblendet. Wie oben angesprochen, muss aber bei Koreferenz der Subjekte nicht unbedingt ein Infinitiv auftreten. Bei einigen Verben alternieren finite und infinite Objektsätze trotz koreferenter Subjekte. Auf solche Fälle konzentiert sich die vorliegende Arbeit. Das folgende Beispiel zeigt eine solche Alternanz. [99] Juani piensai {que comprendei/j / comprenderi}. (Bsp. aus Delbecque/ Lamiroy 1999, 2010, eigene Indizes) ‘Juani glaubti, {dass er verstehti/j / zu versteheni}.’269 In [99] zeigt sich, dass unter identischen syntaktischen Voraussetzungen sowohl ein finiter als auch ein infiniter Objektsatz möglich sind. Darauf wird der Fokus der Analyse liegen. Es sind bzgl. der oppositiven Strukturen mehrere Fragen zu klären, die entscheidende Eigenschaften beleuchten. (i) Welche Matrixverben lassen sie zu? (ii) Was sind die Bedingungen für die Realisierung des finiten oder des infiniten Nebensatzes? (iii) Gibt es funktionale Unterschiede? (iv) Geht ein Bedeutungsunterschied damit einher? Zur Frage (i), welche Matrixverben sie zulassen, ist zu sagen, dass offenbar nicht alle Verben die Alternanz zulassen. Das hat zur Folge, dass sich mit dem genannten Fokus das Set an relevanten Verben etwas reduziert (s. auch Kap. 5.1.1). Eine grundlegende Tendenz wurde bereits oben besprochen: In Hernanz (1999, 2285s.) wird betont, dass Hauptverben, die im Nebensatz den Subjuntivo fordern, auch mit Infinitiv auftreten können, Hauptverben, die mit indikativischem Objektsatz auftreten, dies hingegen nicht oder nur selten tun. Die hier vorgenommene Untersuchung legt keinen Fokus auf die angenommene Korrelation. Dass aber, wie die Analyse zeigt, auch in dem eingeschränkten Umfang einige Gegenbeispiele auftreten, lässt sich als Hinweis darauf verstehen, dass sie weniger stark
weaker» (ibid., 129). Er illustriert seine Ausführungen u.a. mit den Beispielen Te prohibo cantar (‘Ich verbiete dir, zu singen’) und Te prohibo que cantes (‘Ich verbiete dir, dass du singst’) (Beispiele aus ibid. unter Bezugnahme auf Butt/Benjamin 1988). 269 Die Verhältnisse bestehen bei den angeführten einander entsprechenden Matrixverben im Deutschen offenbar ebenfalls.
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ist, als bisweilen angenommen, und es sich lediglich um eine Tendenz handelt. Ausnahmen werden im Übrigen auch in der Literatur besprochen (s.u.). Es finden sich diverse Angaben zu Verbklassen. Besonders häufig werden Kommunikationsverben (cf. etwa ibid., 2288; Ridruejo 1999, 3248) und Kognitionsverben (cf. Hernanz 1999, 2288; Ridruejo 1999, 3248 und Delbecque/Lamiroy 1999, 2011) genannt. Ridruejo (1999, 3248) ordnet in seiner etwas knappen Darstellung, in der er von freier Alternanz ausgeht (s.u. für weitere Anmerkungen sowie die Beispielsätze), die Möglichkeiten nach dem Modus des finiten Nebensatzes und zählt die folgenden Verbklassen auf. Alternanz zwischen Subjuntivo und Infinitiv besteht bei bestimmten Kognitionsverben, nämlich Verben des Zweifelns und negierte Verben des Wissens (cf. ibid.). Als Beispiele nennt er dudar (‘zweifeln’) und no creer (‘nicht glauben’) (Beispiele aus ibid.). Alternanz hingegen zwischen Indikativ und Infinitiv bei weiteren Kognitionsverben sowie Kommunikationsverben (cf. ibid.). Hierfür zählt er pensar (‘denken’) und decir (‘sagen’) (Beispiele aus ibid.) auf. Delbecque/Lamiroy (1999, 1996–2032) beschäftigen sich ausführlicher mit der Thematik. Sie unterscheiden die beiden großen Gruppen der zwei- und dreiwertigen Matrixverben (cf. ibid., 1996s.). Bei den zweiwertigen Matrixverben listen sie zunächst einige Verben, die lediglich einen infiniten Objektsatz zulassen (cf. ibid., 2010). Darunter sind volitionale Verben und verschiedene Gefühlsverben (cf. ibid.) wie anhelar (‘sich sehnen’), necesitar (‘brauchen’) und odiar (‘hassen’) (Beispiele aus ibid.). Einige Verben der Gefühlsregung lassen hingegen finite und infinite Nebensätze zu (cf. ibid., 2011), darunter etwa fingir (‘vortäuschen’) (Bsp. aus ibid.). Die beiden Autorinnen nennen zudem einige Denkverben, bei denen die divergente Realisierung mit einer Bedeutungsveränderung einhergeht (cf. ibid.). Sie listen u.a. imaginar (‘sich vorstellen’), saber (‘wissen’, ‘können’), aber auch das unten ausführlich besprochene Verb pensar (‘denken’, ‘vorhaben’) (Beispiele aus ibid.). Die Beispiele [100] und [101] aus der ADESSE-Datenbank (http://adesse.uvigo.es/data/avanzado.php, Zugriff: 15.05.16) veranschaulichen die Bedeutungsdivergenz. [100] –Estaba pensando que no entiendo a los hombres –dijo ella. (LAB:116.26) ‘«Ich dachte gerade, dass ich die Männer nicht verstehe», sagte sie.’ [101] Yo me quedo. Pienso pasar aquí todo el invierno. (CAR:155.05) ‘Ich bleibe da. Ich habe vor, den ganzen Winter hier zu verbringen.’ Hinsichtlich der dreiwertigen Verben stellen Delbecque/Lamiroy (1999, 2027) zunächst fest, dass die Umstände der finiten oder infiniten Realisierung nicht
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völlig eindeutig sind. In Widerspruch zu Hernanz (1999, 2285s.), die wie gesagt von einer Korrelation zwischen Infinitiv und Subjuntivo ausgeht (s.o.), gehen sie davon aus, dass bei Subjektkoreferenz indikativische Nebensätze frei mit infiniten alternieren (cf. Delbecque/Lamiroy 1999, 2027 unter Bezugnahme auf Alcina Franch/Blecua 1975, 976). Sie listen Verben wie afirmar (‘bestätigen’, ‘angeben’), demostrar (‘zeigen’), esconder (‘verstecken’), jurar (‘schwören’) usw. (Beispiele aus Delbecque/Lamiroy 1999, 2027). Die folgenden Beispiele zeigen die parallelen Möglichkeiten. Inwiefern es sich tatsächlich um freie Varianten handelt, wird in der Analyse näher beleuchtet. [102] Juan le {declaró / dijo / aseguró} al juez que no sabía nada. (Bsp. aus Delbecque/Lamiroy 1999, 2027) ‘Juan {sagte […] aus / sagte / beteuerte} gegenüber dem Richter, dass er nichts wisse.’ [103] Juan le {declaró / dijo / aseguró} al juez no saber nada. (Bsp. aus ibid.) ‘Juan {sagte […] aus / sagte / beteuerte} gegenüber dem Richter, dass er nichts wisse.’ In der Literatur werden v.a. drei Realisierungsbedingungen (ii) behandelt. Sie leiten sich aus der fehlenden Flexion des Infinitivs ab, die dazu führt, dass die entsprechende Information über den Kotext vereindeutigt werden muss (cf. Hernanz 1999, 2201). Die Voraussetzung der Subjektkoreferenz wurde bereits oben besprochen (cf. etwa Delbecque/Lamiroy 1999, 2009; s.o.). So kann der aufgrund der fehlenden Personalendung unbestimmte Subjektbezug vereindeutigt werden (cf. etwa Hernanz 1999, 2014). Der Infinitiv verfügt auch über keinen Tempusmarker. Wie Hernanz (1999, 2202) betont, ist die Alternanz mit einem flektierten Verb nur möglich, wenn der fehlende Temporalbezug kontextuell bestimmt werden kann. Über den Hintergrund wird auch die ebenfalls oben behandelte angenommene Parallele zwischen Infinitiv und Subjuntivo motiviert. Demnach können unter Matrixverben, die Objektsätze im Subjuntivo regieren, auch infinite Nebensätze eingebettet werden (cf. ibid., 2285s.), weil sie auch für den Nebensatz im Subjuntivo über die Eigenschaft verfügen müssen, die Zeitreferenz zu vereindeutigen (cf. ibid., 2287). Die Frage zu funktionalen Unterschieden (iii) lässt sich grundsätzlich negieren. Beide Nebensatzrealisierungen erfüllen die gleiche syntaktische Funktion, die eines Akkusativobjekts, und können als satzwertig eingestuft werden. Das lässt sich für den Einzelfall anhand entsprechender syntaktischer Tests belegen. Mehr Diskussionsstoff bietet die Frage nach dem Bedeutungsunterschied (iv). In der Literatur finden sich recht unterschiedliche Aussagen. Offenbar divergiert
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zumindest die Bedeutung mancher Konstruktionspaare. Die RAE (2009, 1975) gibt an, dass es sich am Hauptverb festmachen lässt, ob die Bedeutung konstant bleibt oder divergiert. Allerdings wird dort nicht eingegrenzt, welche Matrixverben quasi freie und welche semantisch divergente Varianten ermöglichen (cf. ibid.). Wie oben besprochen gehen Delbecque/Lamiroy (1999, 2010s., 2027) für ihre Eingrenzung zunächst von der Valenz der Matrixverben aus. Für die Möglichkeit, wo sich kein deutlicher Bedeutungsunterschied zeigt, führt die RAE (2009) das folgende Beispiel an: [104] Me prometió {que me llevaría al cine / llevarme al cine}. (Bsp. aus RAE 2009, 1975) ‘Sie/er versprach mir, {dass sie/er mit mir ins Kino gehen würde / mit mir ins Kino zu gehen}.’ Der Nebensatz in ihrem Gegenbeispiel in dem Kontext hat allerdings nicht die Funktion eines Akkusativs und ist dementsprechend hier weniger zu Veranschaulichung geeignet.270 Das obige Beispiel [99] weist laut Delbecque/Lamiroy (1999, 2010) eine semantische Divergenz auf. Sie scheint in dem konkreten Fall allerdings nicht allzu deutlich zu sein. Sie geben in Hinblick auf ihr Beispiel (s. [99]) an, dass bei Kognitionsverben (im Beispiel tritt pensar, ‘denken’, auf) ein finiter Nebensatz eine objektive und ein infiniter eine subjektive Haltung zum Nebensatzsachverhalt ausdrückt (cf. ibid., 2010). Dass die beiden Möglichkeiten sich dennoch semantisch sehr ähnlich sind, hängt offenbar mit dem eingebetteten Verb zusammen, das ebenfalls ein Kognitionsverb ist (comprender, ‘verstehen’). Obschon das Nebensatzverb comprender (‘verstehen’) kontextunabhängig als ingressiver State zu klassifizieren wäre, scheint hier in beiden Fällen eine State-Lesart wahrscheinlicher. Die folgenden Beispiele sind hinsichtlich der Divergenz deutlicher. [105] Tintín piensa que viaja a la luna. (Bsp. in Anlehnung an Hernanz 1999, 2219) ‘Tintín glaubt, dass er zum Mond reist.’ [106] Tintín piensa viajar a la luna. (Bsp. aus ibid.) ‘Tintín hat vor, zum Mond zu reisen.’
270 In der RAE (2009) wird als Gegenbeispiel das Satzpaar Me olvidé de {que apagué / apagar} la luz (Bsp. aus ibid., 1975, ‘Ich vergaß, {dass ich das Licht ausgeschaltet hatte / das Licht auszuschalten}’) mit einem Präpositionalobjekt angeführt.
2.9 Objektsätze: Eigenschaften und Beschreibung
[107]
201
Pienso {que puedo hacerlo / *poder hacerlo}. (Bsp. aus Hernanz 1999, 2219, Fußnote 20) ‘Ich glaube, dass ich es tun kann.’
Die Beispiele [105] bis [107] mit Subjektkoreferenz zeigen, dass pensar (‘denken’, ‘vorhaben’) in den beiden Strukturen unterschiedliche Bedeutungen realisiert bzw. realisieren kann. Delbecque/Lamiroy (1999, 2011) zählen einige weitere Matrixverben mit divergierenden Bedeutungen auf, darunter bspw. imaginar (‘sich vorstellen’) und pretender (‘vorhaben’, ‘vorgeben’) (s.o.). Hernanz (1999, 2289) geht bzgl. pensar (‘denken’, ‘vorhaben’) und saber (‘wissen’, ‘können’) davon aus, dass ihnen jeweils zwei eigene lexikalische Einträge zugrunde liegen.271 Das eingebettete Verb in den Objektsätzen [105] und [106], viajar (‘reisen’) ist ein Activity-Verb, was die divergente Semantik offenbar deutlicher herausstellt. In [105] wird assertiert, dass das Subjektdenotat der Überzeugung ist, dass es zum Mond reist.272 In [106] wird hingegen ausgedrückt, dass das Subjektdenotat die Intention hat, zum Mond zu reisen (cf. Hernanz 1999, 2219). Wie Hernanz (1999, 2219) schreibt, ist die Bedeutung der Intentionalität an die Subjektkoreferenz gebunden, die der «neutralen» Kognition weist die Restriktion hingegen nicht auf. Sie ergänzt, dass Verben wie pensar (‘denken’, ‘vorhaben’) in der Verwendung als «neutrale» oder «objektive» (im Sinne von Delbecque/Lamiroy 1999, 2010) Kognitionsverben auch bei Subjektidentität typischerweise mit finitem Nebensatz auftreten (cf. Hernanz 1999, 2219, Fußnote 20), was in Beispiel [107] dargestellt ist. Hernanz (1999, 2289 sowie 2202) sieht auch für die genannten Realisierungsmöglichkeiten die Temporalität als entscheidenden Faktor. Das Verb pensar gibt in seiner prospektiven Bedeutung ‘vorhaben’, den Zeitbezug des Infinitivs zumindest grob vor (cf. ibid.). In der Bedeutung von ‘denken’, die keine eindeutige relationale Zeitreferenz des Nebensatzes enkodiert, ist das hingegen nicht der Fall (cf. ibid.).273 Es ist zu beachten, dass die Indikativform in
271 Die Klassifizierung in je zwei eigene lexikalische Einträge ist unter bestimmten Gesichtspunkten kritisierbar. Die ADESSE-Datenbank nimmt für die hier relevanten Verwendungen jeweils nur einen Eintrag mit Unterbedeutungen an (cf. http://adesse.uvigo.es/data/verbos. php?sense=2473 und http://adesse.uvigo.es/data/verbos.php?sense=3037, Zugriffe: 02.02.19). Wie zudem die Diskussion des Kapitels zeigt, ist zumindest die Zuordnung der angenommenen beiden Bedeutungen nicht immer völlig eindeutig. 272 Das Beispiel mag ein wenig konstruiert klingen. Für den Ausdruck der Gleichzeitigkeit wäre die Verlaufsform mit estar + Gerundium, also estar viajando (‘dabei sein, zu reisen’), wahrscheinlicher. 273 Hernanz (1999, 2289) führt das folgende Beispiel an: Luis piensa que le {engañan / han engañado / van a engañar} (‘Luis denkt, dass man ihn {betrügt / betrogen hat / betrügen wird}’).
202
2 Theorie
[107] auch ein Gegenbeleg zur oben besprochenen Affinität von Infinitiv und Subjuntivo (cf. dafür ibid., 2285ss.; s.o.) ist. Ridruejo (1999, 3247s.) betont in seiner kurzen Besprechung der Alternanz von finitem und infinitem Nebensatz verschiedentlich, dass es sich bei Vorhandensein von Koreferenz um freie Varianten handele. Er führt u.a. negierte Kognitionsverben an (s. [108], [109]). [108] No creo que sea capaz de enfrentarme con otro trabajo semejante. (Bsp. aus Ridruejo 1999, 3248) ‘Ich glaube nicht, dass ich mich einer weiteren ähnlichen Arbeit stellen kann.’ [109] No creo ser capaz de enfrentarme con otro trabajo semejante. (Bsp. aus ibid.) ‘Ich glaube nicht, dass ich imstande bin, mich einer weiteren ähnlichen Arbeit zu stellen.’274 Wie gesagt ist seine Behandlung des Themas sehr knapp gehalten. Er gibt an, dass die Alternanz fakultiv sei und macht keine weiteren Angaben zu den Umständen (cf. ibid., 3248). Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass in den beiden Beispielen wie auch oben in [99] ein atelisches Zustandsverb auftritt. Anhand des folgenden Beispielpaars, ebenfalls mit dem oben besprochenen pensar (‘denken’, ‘vorhaben’), lässt sich in Abgrenzung ein weiterer Faktor zeigen. [110] Pienso que he cumplido con mi obligación. (Bsp. aus Ridruejo 1999, 3248) ‘Ich glaube, dass ich meine Verpflichtung erfüllt habe.’ [111] Pienso haber cumplido con mi obligación. (Bsp. aus ibid.) ‘Ich glaube, meine Verpflichtung erfüllt zu haben.’ Auch [110] und [111] sind Ridruejo (1999, 3248) entnommen, der sie ohne weitere Erläuterungen zu den Umständen der Varianz anführt. Auch hier ist eine Eigenschaft des Nebensatzes herauszustellen, die die Temporalstruktur betrifft. Beide Nebensatzverben sind formal als Resultatsperfekt markiert. Das schließt offenbar die Realisierung der prospektiven Matrixverblesart, ‘vorhaben’, aus.
Die drei finiten Nebensatzrealisierungen zeigen die unterschiedlichen relationalen Zeitbezüge gleich-, vor- und nachzeitig. 274 Die divergierende Wiedergabe im Deutschen mag die Umstände etwas überzeichnen.
2.9 Objektsätze: Eigenschaften und Beschreibung
203
Wie bereits angesprochen, geben auch Delbecque/Lamiroy (1999, 2027) hinsichtlich dreiwertigen Matrixverben an, finite und infinite Objektsätze seien freie Alternativen. Sie verweisen diesbezüglich auf Alcina Franch/Blecua (1975, 976) (cf. Delbecque/Lamiroy 1999, 2027), die allerdings an anderer Stelle ein differenzierteres Bild nachreichen (cf. Alcina Franch/Blecua 1975, 989ss.) und dem dann sogar widersprechen (cf. ibid., 990). Laut den beiden Autoren werden von Kommunikationsverben regierte Objektsätze stets mit que (etwa: ‘dass’) (cf. ibid.) und damit finit realisiert. Auch die im vorliegenden Rahmen durchgeführte Untersuchung weist deutlich darauf hin, dass die Alternanz nicht frei ist. U.a. können bspw. feine temporalsemantische Divergenzen vorliegen (s. Kap. 5.1.3). Auch Delbecque/Lamiroy (1999) sprechen im genannten Kontext eine formale Korrelation an, die mit Temporalität im weiteren Sinne zu tun hat. Sie geben an, einige Kommunikationsverben weisen die Tendenz auf, nur infinite Nebensätze mit zusammengesetztem Perfekt zuzulassen (cf. ibid., 2028). Die Einschätzung bestätigt sich in der Analyse allerdings nicht. Auch die Ausführungen bei Hernanz (1999, 2288s.) zeigen, dass die Einschätzung zu kurz gegriffen ist und bspw. auch aktionale Eigenschaften eine Rolle spielen. Zusammenfassend sind die folgenden Punkte festzuhalten: Einige Matrixverben erlauben bei Subjektkoreferenz275 sowohl einen finiten als auch einen infiniten Nebensatz. Bei manchen der Verben werden je nach Nebensatzrealisierung unterschiedliche Bedeutungen getriggert (cf. etwa Hernanz 1999, 2219). Es gibt jedoch offenbar verschiedene Möglichkeiten und Restriktionen, die den jeweiligen Erklärungen zunächst zu widersprechen scheinen. Wie sich gezeigt hat, spielen dabei z.T. temporalstrukturelle Faktoren eine Rolle, einschließlich solcher, die die Aktionsart des Nebensatzverbs betreffen (cf. auch ibid., 2288, 2289).
2.9.5 Auftreten der Konjunktion que Es wurde bereits verschiedentlich betont, dass der flektierte Nebensatz in der Regel von einer Konjunktion eingeleitet wird, der infinite Objektsatz hingegen nicht. Nach Raible (1992, 17) markiert das infinite Verb selbst Unterordnung, sodass keine Konjunktion nötig ist. Die Konjunktion spielt im hier verfolgten Ansatz eine gewisse Rolle (s. auch Kap. 2.10.1). Grundlegend ist dabei, dass Konjunktionen explizite Subordinationsmarker sind. Sie machen die Einbettung des
275 Die Voraussetzung der Subjektkoreferenz wird bspw. von Strukturen mit kausativen Verben (hacer que und dejar que, etwa ‘dazu bringen, dass’ und ‘(tun) lassen’) nicht erfüllt. Sie werden im Rahmen der vorliegenden Arbeit daher nicht behandelt.
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2 Theorie
Nebensatzes in den Hauptsatz explizit. Martínez (2005, 63) etwa bezeichnet die Konjunktion que (etwa: ‘dass’) im Rektionsverhältnis als «un punto de coincidencia semántica». Die Konjunktion ermöglicht als «transpositor» (ibid.; cf. auch den Begriff des Translativs bei Tesnière 1980, 337, 340) den im vorangegangenen Kapitel besprochenen Einfluss des Hauptverbs auf den Nebensatzmodus (cf. Martínez 2005, 63). Die Vermittlerrolle, von der Martínez (2005, 63) ausgeht, ist allerdings offenbar nicht unbedingt notwendig für Subordination, insofern ja Rektion auch bei infiniten Nebensätzen zustandekommt, wo keine Konjunktion auftritt. Eine solche lexikalisch inspirierte Überlegung greift also etwas zu kurz. Die stärker strukturbezogene Beschreibung von Giorgi (2010) zum Italienischen wird unten aufgegriffen. Delbecque/Lamiroy (1999, 1967) betonen, dass que (etwa: ‘dass’) den «carácter nominal de la oración» anzeigt. Allerdings haben auch infinite Komplementsätze, die ohne que auftreten, substantivischen Wert (cf. etwa Hernanz 1999, 2272), was sich mit Pronominalisierungstests und Ersetzungsproben zeigen lässt. Wie zudem Hernanz (1999) herausstellt, können faktive Matrixverben infiniten Nebensätzen den Artikel el (‘der’) voranstellen (cf. Hernanz 1999, 2279 mit Verweis auf Lleó 1976; s. Bsp. [112]). Bei finiten Nebensätzen tritt er jedoch häufiger auf (cf. Hernanz 1999, 2279). [112] Les agradecimos el habernos dado la oportunidad de rectificar. (Bsp. aus Hernanz 1999, 2279) ‘Wir danken Ihnen, dass Sie uns die Möglichkeit gegeben haben, es richtigzustellen.’ Die Konjunktion que (etwa: ‘dass’) ist als Einleitung infiniter Nebensätze ausgeschlossen. Dennoch ist die Opposition zu finiten Objektsätzen unvollständig: Uneingeleitete Nebensätze sind zwar recht selten, aber keineswegs ausgeschlossen und werden in den Grammatiken regelmäßig erwähnt (cf. etwa Delbecque/ Lamiroy 1999, 2006, 2026; Alarcos Llorach 1994, 328 usw.). Da sie u.a. nach Verben des Bittens auftreten können, sind sie im öffentlichen Raum präsent, insofern sie bspw. in Durchsagen oder auf Schrifttafeln von Transportunternehmen verwendet werden. Das Beispiel [113] ist der Online-Information eines Busunternehmens entnommen. [113] Agradeciéndoles de antemano su colaboración, les rogamos disculpen las molestias. (http://www.elgatobus.es/informacion-al-viajero/, Zugriff: 16.05.16) ‘Wir bedanken uns im Voraus für Ihre Mitwirkung und bitten Sie, die Unannehmlichkeiten zu entschuldigen.’
2.9 Objektsätze: Eigenschaften und Beschreibung
205
Die Verwendung wird vor allem durch die Wahl von Matrixverben bestimmt. Delbecque/Lamiroy (1999, 2006) sehen uneingeleitete finite Nebensätze als Möglichkeit nach «verbos de orientación prospectiva, en particular, de temor, voluntad y deseo» (cf. auch ibid., 2026 unter Bezugnahme auf RAE 1973, 517). Beispiel [114] enthält ein Verb der Furcht. [114] Temo lleven retraso a causa del tráfico. (Bsp. aus Delbecque/Lamiroy 1999, 2006) ‘Ich befürchte, sie verspäten sich wegen des Verkehrs.’ [115] Le agradecería me mandara cuanto antes la información pedida. (Bsp. aus ibid., 2026) ‘Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir sobald wie möglich die Information schicken würden, um die ich Sie gebeten habe.’ Delbecque/Lamiroy (1999, 2006, Fußnote 55) schränken aber ein, dass das Ausbleiben von que (etwa: ‘dass’) unwahrscheinlich ist, wenn im Nebensatz das Subjekt expliziert wird (s. [116]).276 [116] Temo {que / *Ø} los invitados estén enojados. (Bsp. aus ibid., 2006, Fußnote 55) ‘Ich fürchte, dass die Gäste verärgert sind.’ Alarcos Llorach (1994, 328), der ebenfalls volitionale Matrixverben und solche, die Angst ausdrücken, als Auslöser nennt, sieht als zusätzliche Beschränkung, dass es sich dabei um ein schriftsprachliches Phänomen handelt. Das kann hier nicht überprüft werden. Eine Tendenz zu eher gehobener Sprache scheint, auch in Anbetracht der obigen Beispiele, naheliegend. Es ist aber nicht auszuschließen, dass es zudem Substandardphänomene gibt, im Rahmen derer die Konjunktion ausgelassen wird. Alexiadou/Haegeman/Stavrou (2007, 153) behandeln u.a. englische Nebensätze nach Kognitionsverben. Die Konjunktion that kann ausbleiben (cf. ibid. mit weiteren Verweisen). Die Autorinnen nennen als Voraussetzung dafür, dass kein sprachliches Material zwischen Matrixverb und Nebensatz erscheint (cf. ibid., 153). Die Ansicht ist mit dem funktionalen Ansatz etwa Givóns (2001b, 71s.) im
276 Delbecque/Lamiroy (1999, 2026, Fußnote 93) erwähnen zudem, dass das Ausbleiben von que (etwa: ‘dass’) bei finiten Objektsätzen im Altspanischen verbreiteter war als im heutigen Spanisch.
206
2 Theorie
Groben kompatibel, die Argumentationsweise ist dort jedoch eine andere. Für ihn handelt es sich dabei um eine Art Trennelement, dem ein ikonischer Wert zukommt (cf. ibid.; s.u.). In mehreren Publikationen beschäftigt sich u.a. Giorgi mit dem Nebensatzmodus im Italienischen und thematisiert dabei auch das Auftreten bzw. Ausbleiben der Konjunktion che (etwa: ‘dass’) (cf. Giorgi 2010, Kap. 2 sowie bspw. Giorgi/ Pianesi 1997, Kap. 5). Giorgi (2010, 42ss.) diskutiert italienische Beispiele mit uneingeleitetem Nebensatz im Subjuntivo. Sie vermutet, das Phänomen trete in anderen romanischen Sprachen nicht auf (cf. ibid., 43), was die oben angeführten Beispiele allerdings widerlegen. Interessant ist nun, wie sie die Auslassung der Konjunktion («Complementizer Deletion», ibid.) motiviert. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass es zwei unterschiedliche Konjunktionen sind, die Nebensätze im Indikativ gegenüber solchen im Konjunktiv einleiten (cf. ibid., 42). Sie versteht den Komplementierer bei indikativischem Nebensatz als Anweisung zur zeitlichen Situierung des Nebensatzgehalts, nämlich «with respect to the speaker’s temporal coordinate» (ibid., 43). Sein Auftreten ist obligatorisch (cf. ibid., 48). Im Falle des Nebensatzes im Subjuntivo hingegen sieht sie den Komplementierer als zweiten und diskontinuierlich realisierten «part of the subjunctive morphology» (ibid., 45 unter Bezugnahme auf weitere Publikationen) zusätzlich zur Verbalflexion. Ihre Argumentation bzgl. der Auslassung der Konjunktion folgt generativen Prinzipien (cf. ibid., 53ss.). Entscheidend ist, dass das Feature [+ Mood] realisiert sein muss, entweder durch den Komplementierer oder, wenn er entfällt, indem das Verb in die entsprechende Position bewegt wird (cf. ibid., 54). Während die Konjunktion im Falle ihres Auftretens das Mood-Feature realisiert, sodass das Verb nur die zeitliche Information trägt (cf. ibid.), füllt das Verb in uneingeleiteten Nebensätzen die Modus- und die Tempus-Position gleichermaßen (cf. ibid., 55). Die Beschreibung ist attraktiv. In die vorliegende Arbeit wird sie aufgrund des andersartigen theoretischen Rahmens allerdings nicht integriert. Im Rahmen des vorliegenden Ansatzes wird ähnlich wie bei Givón (2001b; s.o.) die Konjunktion que (etwa: ‘dass’) als Teil eines ikonischen Prinzips betrachtet (s. Kap. 2.10). Da sie allerdings nicht unabhängig von der Finitheit des jeweiligen (un-)eingeleiteten Nebensatzes betrachtet wird, stellt die Möglichkeit, sie wegzulassen, kein grundsätzliches Problem für den Ansatz dar. Ein Faktor sei zusätzlich erwähnt, der zwar in den vorliegenden Darstellungen nicht expliziert wird, für den die dort angeführten Beispiele aber sprechen (s. die sechs Beispiele in Delbecque/Lamiroy 1999, 2006, 2026 und die drei Beispiele in Alarcos Llorach 1994, 328). Offenbar ist das Ausbleiben der Konjunktion bei finitem Nebensatz nur in Fällen relevant, in denen keine Subjektkoreferenz besteht. Da der Fokus der vorliegenden Arbeit aber auf Strukturen mit Subjektkoreferenz liegt, spielt die Auslassung von que in der Untersuchung keine Rolle. Der soeben angespro-
2.9 Objektsätze: Eigenschaften und Beschreibung
207
chene Zusammenhang verdeutlicht aber weiter, dass es sich bei uneingeleiteten Nebensätzen um ein lexikalisch und syntaktisch stark restringiertes Phänomen handelt. Ein wahrscheinlicher Grund dafür ist, dass die strukturellen Verhältnisse erst durch die recht spezifische Verwendung vereindeutigt werden. Eine genauere Beschreibung müsste also auch den Verwendungskontext näher beleuchten.
2.9.6 Ikonizität bei Objektsätzen (und Übergangsbereiche) Die Thematik der Objektsätze ist ein üblicher Bestandteil in funktionalen bzw. funktionalistischen grammatischen Beschreibungen. Es finden sich auch solche, die Ikonizität als Erklärungsprinzip ansetzen oder in denen Ikonizität eine Rolle spielt (cf. bspw. Givón 1980; 1991; 2001; Raible 1992 usw.). Offenbar bieten sich die unterschiedlichen Realisierungsmöglichkeiten von Nebensätzen dafür an, ikonische Prinzipien zu applizieren und von irgendeiner Art Skala auszugehen. Hier wird zunächst der als durchsichtig intendierte Begriff der Satzverknüpfungsskala verwendet (cf. bspw. auch Fabricius-Hansen 2000). Die Terminologie in der Literatur ist uneinheitlich. Auch das, was unter der Thematik behandelt wird, divergiert etwas. So legen manche Autoren den Fokus auf Nebensätze oder einen bestimmten Ausschnitt von Nebensatztypen und vergleichen sie untereinander (cf. bspw. Givón 1980; 1991; 2001). Auch Brettschneider (1984; 1991) konzipiert seine «Dimension der Nektion» als die Verbindung von «mindestens zwei Propositionen» (Brettschneider 1984, 9). Ein ähnliches, aber weiter gefasstes Ziel verfolgt bspw. Raible (1992). Unter der Bezeichnung «Junktion» vollzieht er die einzelnen Schritte nach vom Verhältnis der Juxtaposition zweier Sätze bis hin zur Beziehung zwischen Verb und Aktanten im einfachen Satz (cf. ibid.). Raible (1992, 30 und 31ss.) interessiert sich für die unterschiedlichen Möglichkeiten, wie die diversen Grade von Verbindung ausgedrückt werden können. Die Ansätze behandeln den gleichen Phänomenbereich bzw. haben Überlappungen. Zudem ähneln sie sich in ihrer Herangehensweise. Erstens gehen sie oppositiv vor und grenzen die Strukturen hinsichtlich diverser Details voneinander ab. Zweitens gehen sie mehr oder weniger deutlich von Ikonizität aus – oder versuchen sie gar zu zeigen – und relationieren die Form der Strukturen und die semantischen Verhältnisse ihrer Bestandteile. Im folgenden Unterkapitel werden zunächst die Satzverknüpfungsskalen behandelt. Die Grundidee, dass Sätze und ausgedrückte Sachverhalte sich mehr oder weniger eng miteinander verbinden können, ist ein wichtiger Ausgangspunkt der hier realisierten Analyse. In ihrem Rahmen wird zudem der Übergangsbereich relevant sein, der sich zwischen syntaktischer Unterordnung und Auxiliar-Vollverb-Strukturen zeigt. Der Bereich ist einzelsprachlich ausdifferenziert.
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2 Theorie
Für die Frage, ob Rektion oder Modifikation vorliegt, lassen sich zwar einige semantische Indizien finden. Der syntaktische Status, das funktionale Verhältnis zwischen relevanten Einheiten, lässt sich jedoch nur anhand von grammatischen und damit auch einzelsprachlichen Kriterien bestimmen.277 Die funktionale Divergenz, die sich zwischen unterschiedlichen Strukturtypen zeigen lässt (cf. bspw. Olbertz 1998), stellt die Beschreibung mittels einer Skala infrage. Vor dem Hintergrund ist es einleuchtend, dass die Thematik im Rahmen von Ansätzen zur Satzverknüpfung tendenziell umgangen wird.278 Im zweiten Unterkapitel wird sie genauer besprochen. 2.9.6.1 Satzverknüpfungsskalen Beschreibungen von Objektsätzen, die auf Ikonizität beruhen, werden insbesondere im Rahmen funktionalistischer Ansätze vorgenommen, indem mehr oder weniger komplexe Sätze hinsichtlich der formalen und semantischen Verbindung ihrer (satzwertigen) Bestandteile beschrieben werden. Es werden unterschiedliche Grade von formaler und semantischer Nähe herausgearbeitet, die als Skalen oder als Kontinua interpretiert werden. In der Literatur finden sich unterschiedliche Bezeichnungen dafür. Sowohl die Definitionen als auch das Interesse der entsprechenden Untersuchung ähneln sich jedoch. So definiert bspw. Givón (1991, 95, Hervorhebung i.O.): «The so-called binding scale in complementation […] codes syntactically the degree of semantic integration of two simple events into a single complex events [sic]». Und Brettschneider (1991, 661, Hervorhebung i.O.) schreibt: «Die Dimension NEKTION betrifft die Art und Weise, wie Sachverhaltsrepräsentationen in ihrer Aufeinanderbezogenheit sprachlich dargestellt werden». Wie die beiden Zitate zeigen, sind mit den beiden Seiten des ikonischen Verhältnisses zwei Betrachtungsrichtungen möglich. Sowohl Givón (1991, 95), als auch Brettschneider (1991, 661) wählen jedoch eine funktionalistische Definition und gleichen die Form mit einer angenommenen Semantik ab, anstatt die Semantik über die Form zu motivieren. Wie gezeigt wird, geht es dabei um Phänomene, die oft unter der Überschrift der Event- oder Satzintegration besprochen werden. Die Art der Integration ist der Inkorporierung grundsätzlich ähnlich, wie sie im Zusammenhang mit dem Nominalobjekt diskutiert wurde (s. Kap. 2.7.6). Dabei ging es insbesondere um
277 Die Aussage bezieht sich nicht auf das grundsätzliche Phänomen, das nicht einzelsprachlich ist (cf. bspw. Raible 1992, 267, Fußnote 69 sowie S. 273). 278 Raible (1992, 52) geht davon aus, dass sie in sein Modell integriert werden kann. Seine weiteren Überlegungen (cf. ibid., 266, 267ss.) scheinen aber für die aktuelle Verbalperiphrasenforschung von nicht zwingender Relevanz zu sein.
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die Möglichkeit, die Partizipanten eines Sachverhalts als Bestandteil des Verbs zu versprachlichen. Eine bereits gut informierte Arbeit zu der Thematik liegt mit Givón (1980) vor. Er spricht von einer «binding hierarchy» (ibid., 333), die er als nicht-diskrete Skala versteht (cf. ibid., 335). Sein Fokus liegt auf kausativen (er nennt sie etwas allgemeiner «manipulative verbs», ibid., 338) und Modalverben sowie Verben des Denkens und des Sprechens (cf. ibid., 333 und 333ss.). Allerdings stellt er bereits mögliche Erweiterungen seiner Skala in Aussicht und überlegt, weitere Nebensatztypen zu integrieren (cf. ibid., 372s.). Spätestens Haiman (1983) stellt Givóns (1980) Überlegungen explizit unter den Ikonizitätsbegriff (cf. Haiman 1983, 799). Er spricht von der «independence of events» (ibid.). Givón (1990, in zweiter Auflage 2001 erschienen) behandelt die Thematik ausführlicher (cf. auch Givón 1991) und entwirft eine ikonische «binding scale of event integration» (ibid., 95). Die folgende Übersicht ist Givón (1991, 95) entnommen (s. Tab. 2). Tab. 2: «The binding scale of event integration» entsprechend Givón (1991, 95). MOST INTEGRATED
a. b. c. d. e.
Semantic scale of main verb
syntax of complement
She let go of the knife She made him shave She caused him to leave She told him to leave She wanted him to leave
CO-LEXICALIZED COMP. BARE-STEM COMP. INFINITIVE COMP.
f. g.
She wished that he would leave She agreed that he should leave
SUBJUNCTIVE COMP.
h. i.
She knew that he left She said that he left
INDIR. QUOTE COMP.
j.
She said: «He might leave later»
DIR. QUOTE COMP.
LEAST INTEGRATED
Die Tabelle zeigt die Strukturen, die Givón (1991) als Klassen ansetzt, bei denen unterschiedliche Transitivitätsgrade vorliegen (cf. Givón 1991, 95s.). Demnach liegt die stärkste Integration bei idiomatisierten oder sogar lexikalisierten Strukturen mit einem Stützverb und einem infiniten Verb vor (s.o.). In diesem
210
2 Theorie
ersten Fall liegen nach der hier applizierten Definition keine zwei Sachverhalte vor. Im Falle von Manipulationsverben (s. Punkt b) lassen sich hingegen Argumente dafür finden. An die dritte Stelle (Punkte c–e) setzt Givón (1991, 95) Strukturen mit infinitem Nebensatz, bei denen er eine stärkere Integration annimmt als bei flektierten Nebensätzen mit nicht-indikativischem Modus (Punkte f–g). Er vervollständigt seine Skala mit Strukturen mit indirekter (Punkte h–i) und direkter Rede (Punkt j) (cf. ibid.). Für die formale Bestimmung der Skala macht Givón (1991) vier Faktoren aus: Die Nähe der verbalen Elemente in der Lautkette zueinander und im Besonderen die Adjazens zeigt starke Integration an, das Auftreten von unterordnenden Elementen wie Konjunktionen hingegen zeigt das Gegenteil an (cf. ibid., 95s.). Die beiden folgenden Faktoren stuft er als weniger ikonisch ein (cf. ibid., 96). Einerseits geht mit hohem Integrationsgrad tendenziell einher, dass ein sprachliches Element, dem im Nebensatz die Funktion eines Subjekts zukommt, nicht mit einem für Subjekte üblichen Kasus realisiert wird (cf. ibid.). Andererseits steht damit auch eine Reduktion der Flexionsmerkmale des Nebensatzverbs in Zusammenhang (cf. ibid.). Die Faktoren wurden in den obigen Kapiteln aufgegriffen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden sie übernommen, im Detail allerdings etwas verfeinert. Zudem werden sie um weitere Bestandteile ergänzt, für die auch andere Theorien der Satzverknüpfung Inspiration liefern. Die Darstellung Givóns (1980; 1990 bzw. 2001; 1991 usw.) wurde und wird verschiedentlich aufgegriffen und weiterentwickelt (cf. etwa den Sammelband Givón/Shibatani 2009).279 Es gibt allerdings auch eine Vielzahl wichtiger Publikationen zu Satzverknüpfungsskalen, die sich nicht in erster Linie auf den genannten Ansatz berufen. Von besonderer Bedeutung sind einige Veröffentlichungen, die im Rahmen des oder im Zusammenhang mit dem Kölner Universalienprojekt entstanden sind, das einschließlich der Vorarbeiten von Hansjakob Seiler etwa von 1973 bis 1992 tätig war (cf. Premper 1992 sowie https://de.wikipedia. org/wiki/UNITYP, Zugriff: 02.02.19). Die Dimension der Partizipation (cf. Seiler/ Premper 1991) wurde auch im Zusammenhang mit Verbklassen angesprochen (s. Kap. 2.6.1). Die Thematik der Satzverknüpfungsskalen wird in dem Kontext unter den Begriffen «Nektion» (Brettschneider 1984; 1991) und «Junktion» (Raible 1992) behandelt. Brettschneider (1984) legt im Kölner Universalienprojekt erste Grundlagen für die Satzverknüpfung. Nektion ist für ihn ein Beziehungsverhältnis von zwei oder mehr Propositionen (cf. ibid., 9s.). Er geht von einer bifaktoriellen Ausdifferenzierung aus (cf. ibid., 5), allerdings scheint zumindest sein erster Parameter
279 Givón (2009b, 93) selbst schlägt bspw. einen darauf basierenden diachronen Ansatz vor.
2.9 Objektsätze: Eigenschaften und Beschreibung
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mehrere der hier diskutierten Faktoren einzuschließen. Die «Explizitheit der involvierten Propositionen» (ibid.) betrifft, wie sein Beispiel wegen Pauls Krankheit vs. da Paul krank war (Bsp. aus ibid.) zeigt, die Satzwertigkeit im Gegensatz zu einer Nominalstruktur, u.U. die Verbalflexion sowie möglicherweise Anwesenheit und ggfs. den Typ des unterordnenden Elements. Den letzten Punkt fasst er allerdings unter seinen zweiten Parameter, «die Art und Weise, wie die Relation zwischen den Propositionen etabliert ist» (ibid.). Auch Brettschneider (1984) erfasst ein weites Feld an Strukturen. Es reicht von unverbundenen Hauptsätzen über Unterordnung mit Konjunktion (cf. ibid., 6), aber auch Kausativkonstruktionen (cf. ibid., 10s.) und Strukturen mit Modalverb (cf. ibid., 11s.) bis hin zur Kasusmarkierung (cf. ibid., 12s.).280 Brettschneider (1991) präsentiert eine erweiterte und verfeinerte Darstellung. Was Komplementstrukturen betrifft, bezieht er sich sehr klar und damit auch deutlich mehr auf Givón (1980) als in der zuvor genannten Veröffentlichung (cf. Brettschneider 1991, 665s., 673). Eine ausführliche und umfassende Darstellung ist die von Raible (1992). Er führt dafür den Begriff der «Junktion» ein (cf. ibid., 28). Wie gesagt steht auch Raibles (1992) Ansatz dem o.g. Kölner Universalienprojekt nahe (cf. ibid., 27), wobei der Autor seine Arbeit nicht als Teil des Unterfangens darstellt (cf. etwa ibid., 24). Hinsichtlich einer Abgrenzung der Dimension der Junktion bspw. von der der Partizipation nennt Raible (1992, 27) den Umstand, dass die Dimension der Junktion «den Rahmen des Einzelsatzes verlä[ss]t». Er betont allerdings die konzeptionelle Nähe zur o.g. Dimension der Junktion (cf. ibid., einschl. Fußnote 5). Das Konzept der Junktion erfasst die Möglichkeiten der «Verknüpfung von kleineren zu größeren Einheiten» (ibid., 27). Auch hierfür wird eine Skala angenommen, für die die beiden Enden der Aggregation und der Integration angenommen werden (cf. ibid., 27ss.). «Am […] Pol der Aggregation […] stehen zwei Sätze unverbunden nebeneinander. Am anderen Extrem bleibt ein einziger, völlig integrierter Satz übrig» (ibid., 29). Den unterschiedlichen Stufen der Skala, also Relationstypen, werden formale Mittel, sogenannte Techniken der Junktion, zugeordnet (cf. ibid., 31ss.). Raible (1992, 111) siedelt Objektsätze in der Nähe des Zentrums seiner Skala an, für das er von einem Wendepunkt spricht. Der Wendepunkt ist der Übergang zwischen zwei Bereichen, in denen jeweils entgegengesetzte Tendenzen wirken (cf. ibid., 28 mit weiteren Erläuterungen zu seiner Relevanz). Die Objeksätze weisen nominale Eigenschaften auf, die auf ihrer Funktion basieren (cf. ibid., 111). Damit gehen auch Finitheitsgrade einher, die er als wichtigen Faktor einstuft, der auch bei Objektsätzen relevant ist (cf. ibid., 78). Im Deutschen kann ein Konjunktiv I «als Zeichen der Integration das Merkmal der reduzierten
280 Offenbar versteht er also den Propositionsbegriff recht weit.
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2 Theorie
Finitheit» (ibid., 105) auftreten. Wie er schreibt, zeigen «infinite Formen […] per se Subordination […] an[…]» (ibid., 17; cf. auch Grein 1998, 68). Darin sieht er auch den Grund dafür, dass infinite Nebensätze nicht konjunktional eingeleitet sind (cf. Raible 1992, 17). Zudem beschreibt er eine Konjunktion wie etwa Gaskonisch que (etwa: ‘dass’) als Merkmal von höherer Finitheit (cf. ibid., 78), was zu Inkompatibilität führen würde. Das Klassifikationsschema von Raible (1992) beruht nicht bzw. nicht nur auf funktionalen Kriterien, sondern zielt vielmehr auf die Etablierung theoriebasierter Prinzipien ab. Semantische Eigenschaften spielen eine wichtige Rolle, aber auch einzelne formale. Bspw. behandelt er die bereits angesprochene Finitheit ausführlich als eigene Skala (cf. ibid., 222ss.). Er erwähnt Objektsätze mehrfach, behandelt sie im Kern allerdings eher knapp (cf. ibid., 104–106) und legt einen anderen Fokus als die hier vorgestellten Ansätze (cf. auch ibid., 106ss.).281 Eingehender beschäftigt er sich mit Adverbial- und Präpositionalsätzen, die typischerweise etwas deutlicher bestimmte Verhältnisse zum Hauptsatz ausdrücken und überdies den Vorteil bieten, dass sich das Verhältnis an subordinierenden Elementen ablesen lässt. Lehmann (1988, 181) zeigt einen breit angelegten Überblick über relevante Kategorien der Satzverknüpfung, die er als «clause linkage» bezeichnet. Er legt seinem Ansatz nicht den Ikonizitätsgedanken zugrunde. Er blendet die Semantik sogar teilweise aus (cf. ibid., 183, aber auch 204), da er davon ausgeht, dass Bedeutungen im Sprachvergleich keine «constant structural correlates» (ibid., 183) aufweisen. Ihn interessieren vielmehr syntaktische Eigenschaften, für deren Graduierung er Parallelität annimmt (cf. ibid., 214). Er geht davon aus, dass es sich bei der Satzverknüpfung wie auch bei den einzelnen sie bestimmenden Kategorien um Kontinua handelt (cf. ibid.). Seine Kategorien sind das hierarchische Verhältnis und die Art der Unterordnung, die Reduzierung der Satzwertigkeit der untergeordneten Elemente, die Grammatikalisierung des Hauptverbs, das Vorhandensein gemeinsamer Bedeutungsbestandteile sowie die Explizitheit der Verbindung (cf. ibid., 183). Auch diese Punkte werden im vorliegenden Ansatz berücksichtigt, wobei aufgrund der Wahl des Ausschnitts an Strukturen, der Akkusativobjektsätze, zunächst lediglich bei dreien Varianz zu erwarten ist. Der Grad der Satzwertigkeit, bei Lehmann (1988) «desentialization» (ibid., 183), wo es u.a. um die Moduswahl und die Divergenz finiter vs. infiniter Nebensatz geht (cf. ibid., 194), wird besonders berücksichtigt. Gleiches gilt für inhaltliche Gemeinsamkeiten zwischen Haupt- und Nebensatz, die Lehmann (1988, 204) als «interlacing» bezeichnet. Die Explizitheit der Unterordnung variiert
281 Das spiegelt auch der Umstand wider, dass Objektsätze weder als eigene Kategorie in seiner großen Übersicht enthalten (cf. Raible 1992, 303) noch im Sachregister gelistet sind (cf. ibid., 307ss.).
2.9 Objektsätze: Eigenschaften und Beschreibung
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im Spanischen mit der An- und Abwesenheit der Konjunktion que (etwa ‘dass’). Zusätzlich, allerdings nur in Grenzfällen, ist auch Lehmanns (1988, 201ss.) Punkt der Grammatikalisierung des Hauptverbs relevant (s. auch Kap. 2.9.6.2). Die Liste der Publikationen, die sich auf irgendeine Weise mit der Satzverküpfung beschäftigen, ließe sich noch deutlich verlängern. Einen Überblick gibt etwa Fabricius-Hansen (2000). Zwei Beispiele sollen noch erwähnt werden. Van Valin (1984, 555) spricht etwa von einer «syntactic bondedness hierarchy».282 Die drei Stufen, die sie umfasst (cf. ibid. für eine Übersicht), scheinen in der Form allerdings keinen allzu großen Mehrwert für die hier anvisierten Ziele zu haben. Grein (1998) beruft sich auf die umfassendere Darstellung in Foley/Van Valin (1984) und passt sie entsprechend ihrer Ziele leicht an. Sie nimmt auf weitere Theorien Bezug, u.a. die o.g. Lehmann (1988) und Raible (1992) (cf. Grein 1998, 2). Sie vergleicht Strukturen des Deutschen und des Japanischen hinsichtlich des Satzverknüpfungsgrades (cf. ibid., 1) und führt dafür ingesamt neun Kriterien ein (cf. ibid., 73). Entsprechend der Relevanz für beide oder nur für eine der von ihr untersuchten Sprachen unterteilt sie sie in primäre und sekundäre Kriterien (cf. ibid., 72s.), wobei sie von keiner Allgemeingültigkeit für andere Sprachpaare ausgeht (cf. ibid., 73). Als Pole ihrer zentralen Skala setzt sie die formal bestimmbaren Pole der «Kern Kosubordination» [sic283] gegenüber der «Klausalen Koordination» an (cf. ibid., 74 in Anlehnung an Foley/Van Valin 1984). Die Klassenbildung ist stark formal geprägt (cf. Grein 1998, 74ss.) und damit vor dem Hintergrund der gewählten Einzelsprachen nur eingeschränkt hilfreich, weshalb für weitere Details auf Grein (1998) selbst verwiesen sei. 2.9.6.2 Übergangsbereich zu Verbalperiphrasen Im vorangegangenen Unterkapitel wurden Skalen der Satzverknüpfung besprochen, die z.T. auch den einfachen Satz und nominale Satzglieder erfassen (cf. etwa Raible 1992; s. Kap. 2.9.6.1).284 Im vorliegenden Rahmen wird lediglich ein Ausschnitt solcher Skalen behandelt. Zusätzlich ist allerdings eine weitere Art von Konvergenz relevant, die in Ansätzen zur Satzverknüpfung üblicherweise ausgeblendet wird.285 Bei bestimmten verbalen Strukturen sind Übergangsbereiche
282 Die «syntactic bondedness hierarchy» (Van Valin 1984, 555) hat nichts zu tun mit «Boundedness», einem Konzept, das bspw. Telizität erfassen kann. 283 Grein (1998) setzt an anderer Stelle aber den Bindestrich (cf. bspw. ibid., 54). 284 Raible (1992, 115ss.) behandelt dementsprechend auch den Übergangsbereich zwischen Nominalität und Satzwertigkeit. 285 Ein Argument dafür, sie nicht zu berücksichtigen, wäre, dass Ansätze zur Satzverknüpfung häufig ein übereinzelsprachliches Ziel verfolgen, Verbalperiphrasen jedoch insbesondere in
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möglich, wo keine Unterordnung, sondern ein Modifikationsverhältnis vorliegt (cf. bspw. auch Hernanz 1999, 2277). Am Ende eines solchen Übergangsbereichs lassen sich Verbalperiphrasen wie bspw. acabar de hacer in der Bedeutung ‘gerade getan haben’ (s.u.) verorten. Der Bereich wäre wohl nur schwerlich als Kontinuum nachweisbar, er kann aber als diskrete Skala motiviert werden.286 Im Folgenden sollen wichtige Gesichtspunkte des Übergangsbereichs besprochen werden sowie Faktoren, anhand derer sich Strukturen situieren lassen. Die Thematik ist, soviel sei vorweggenommen, im vorliegenden Rahmen aus dem Grund relevant, dass bestimmte Verbindungen aus finitem und infinitem Verb, die traditionell als Objektsatzstrukturen klassifiziert werden, Tendenzen zu einer Art der Verschmelzung zeigen, wie sie Verbalperiphrasen eigen ist. Das als Hauptverb erwartete Element unterliegt einem eingeschränkten semantischen Bleaching. Es übernimmt Bedeutungseigenschaften dessen, was üblicherweise als Objektsatz bzw. Objektsatzverb klassifiziert würde (s. Kap. 5.1.2.2). Bei der Verbalperiphrase handelt es sich um eine Kategorie, die in der romanistischen Forschung sehr weitgehend anerkannt ist287 und die viel Aufmerksamkeit erfahren hat (cf. bspw. Pusch/Wesch 2003, 1). Olbertz (1998) definiert die Verbalperiphrase im Rahmen ihres funktionalen Ansatzes recht umfassend wie folgt: «What I mean by the term periphrasis is the productive and indissoluble combination of an auxiliarized lexical verb with a verbal predicate in a specific non-finite form in which the finite verb agrees with the first argument of the non-finite verb. The function of this combination is the semantic modification of what is expressed by the non-finite predicate and its arguments» (ibid., 32).
Typischerweise handelt es sich bei der Verbalperiphrase also um eine Verbindung zweier Verben, von denen das erste flektiert ist oder sein kann und das zweite infinit realisiert ist, d.h. als Infinitiv, Gerundium oder Partizip auftritt (cf. bspw. ibid., aber auch etwa RAE 2009, 2105). Ausnahmen von dieser Tendenz sind möglich, werden im vorliegenden Rahmen allerdings nicht behandelt.288 Die
Hinblick auf eine Anordnung auf einer Skala, einzelsprachlich betrachtet werden. Wie im Fließtext besprochen, handelt es sich allerdings auch um eine andere Art von Skala, insofern als ein Modifikations- und kein Rektionsverhältnis gegeben ist. 286 Ein solches Unterfangen ließe sich nur mit einem eng gesteckten definitorischen Rahmen umsetzen, da dafür mehr als ein Faktor, die funktionale Seite der Strukturen, nötig wäre, etwa die Lexik des «ersten» Verbs (ggfs. Auxiliar) (s. Fließtext). 287 Bei Haspelmath (2000, 654ss. mit weiteren Literaturverweisen), der einen typologischen Ansatz verfolgt, findet sich bspw. auch Kritik zu dem Begriff. 288 Eine Ausnahme, in der zwei flektierte Verben auftreten und die immer wieder erwähnt wird, ist cojo y escribo (Bsp. aus Coseriu 1966, 43, ‘ich schreibe’ im «nichtkursiv[en]», ibid., d.h.
2.9 Objektsätze: Eigenschaften und Beschreibung
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beiden Verben bilden eine syntaktische und semantische Einheit, die im Gegensatz zu lexikalisierten und idiomatisierten Strukturen produktiv ist (cf. bspw. Olbertz 1998, 32). Zwischen ihnen besteht ein Modifikationsverhältnis, in dem Sinne, dass das erste Verb das zweite um eine semantische Komponente ergänzt oder es in irgendeiner Weise semantisch spezifiziert (cf. ibid.; s.o.). Wie andere Verbindungen aus Hilfs- und Vollverb verfügen sie über ein einzelnes Subjekt und auch nur über eine gemeinsame Zeitreferenz. Wie die Definition zum Ausdruck bringt, werden von den Verbalperiphrasen auch Strukturen mit «true auxiliaries» (Olbertz 1998, 33) abgegrenzt. Solche Hilfsverben treten nicht als Vollverben auf (cf. ibid.). Olbertz (1998, 34) bezieht sich in erster Linie auf haber (vergleichbar mit dem dt. Hilfsverb haben, das jedoch auch als Vollverb auftreten kann). Die funktionale Divergenz lässt sich mithilfe der analytischen Tests (s.u.) zeigen. Es gibt drei grundlegende Möglichkeiten, Verbalperiphrasen zu klassifizieren. Sie lassen sich allerdings in ein (abstraktes) Verhältnis zueinander setzen. Die Art der angesprochenen Modifikation bietet sich sicher an. Das Klassifikationskriterium hat eine gewisse Tradition (cf. bspw. Coseriu 1976, 91ss. sowie auch die informierte Schulgrammatik). Häufig genannt werden die Klassen der aspektuellen und der modalen Verbalperiphrasen (cf. bspw. Olbertz 1998), ggfs. der temporalen Periphrasen (cf. etwa García Fernández 2006) sowie des Ablaufs und der Situierung, die auch Verbalperiphrasen der Schau und der Phase genannt werden (cf. Coseriu 1976, 97ss. und Dietrich 1973, 147ss.). Es findet sich zum Teil die Abwandlung, dass die Semantik der den Auxiliaren entsprechenden Vollverben als semantisches Klassifikationskriterium genutzt wird (cf. bspw. die kurze Diskussion in García Fernández 2006, 22, mit weiteren Literaturverweisen). Ein zweites, wichtiges Kriterium ist der Status der Struktur und v.a. des darin auftretenden «ersten», typischerweise flektierten, Verbs. Das spricht Olbertz (1998, 32) in der obigen Definition an, wenn sie von einem «auxiliarized lexical verb» schreibt. Die Auxiliarisierung kann als Prozess oder sein Ergebnis verstanden werden (s.u.). Die dritte Unterscheidungsmöglichkeit, die auf die Form des infiniten zweiten Verbs abstellt, spielt hier keine Rolle. Es werden nur Infinitive betrachtet. Strukturen mit Partizipien und Gerundien sind von der Analyse ausgeschlossen.
nicht-ausschnitthaften Sinne, der globalen Schau nach Coseriu 1976, 102s.; cf. auch Squartini 1998, 195, der allerdings kritisiert, dass Coseriu den Begriff «kursiv» sowohl für die partialisierende Schau wie bei estar + Gerundium, ‘dabei sein zu tun’, als auch für das Imperfekt verwendet, wobei aber die genannte Periphrase auch mit perfektivem grammatischem Aspekt auftreten kann, cf. Squartini 1998, 141). Solche Fälle sind im vorliegenden Rahmen allerdings nicht relevant und werden daher ausgeblendet.
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Das Klassifikationskriterium des Status der Struktur ist der Grund für die Behandlung der Thematik im vorliegenden Kontext. Es geht dabei um die Frage, inwieweit eine Struktur sich funktional von einem anderen Strukturtyp, dem sie oberflächlich ähnlich ist, entfernt. Im vorliegenden Kontext sind die beiden Pole des infiniten Objektsatzes und der grammatikalisierten Verbalperiphrase relevant. Wird Grammatikalisierung verstanden als «gradual process leading to the transformation of an independent lexical item to a grammatical morpheme» (Squartini 1998, 1), so ist die Periphrase auf der Stufe vor dem Endpunkt der Transformation anzusiedeln. So stellt es bspw. Lehmann (1988, 204) im Zusammenhang mit seiner Satzverknüpfungshierarchie (s. Kap. 2.9.6.1) dar, wo er fünf Grammatikalisierungsgrade für das Hauptverb bzw. Auxiliar vorschlägt (s. Abb. 1): independent predicate lexical verb
evidential verb
grammatical operator modal verb
auxiliary
derivational / grammatical affix
Abb. 1: Grammatikalisierungsgrade des Hauptverbs nach Lehmann (1988, 204).
Lehmanns (1988, 204) Grammatikalisierungsgrade stellen eine Generalisierung dar. Insbesondere die Situierung der evidentiellen (cf. Cornillie 2007) und der Modalverben (cf. etwa Olbertz 1998) sind für das Spanische diskutierbar. Die Verhältnisse sind nicht trivial. Es handelt sich vielmehr um funktionale Klassifikationen, bzgl. derer die spanische Sprache Besonderheiten aufweist. In der Literatur finden sich hilfreiche Darstellungen zu Indizien, die es erlauben, den Status von individuellen verbalen Strukturen zu bestimmen, um sie so graduell werten zu können. Einen sehr weit ausgearbeiteten Ansatz präsentiert Olbertz (1998) in der bereits o.g. Publikation. Sie unterscheidet insbesondere drei große Gruppen, die sie lexical, semi-auxiliary und auxiliary constructions nennt (cf. ibid.). Zur Klassifikation wendet sie zwei Hauptverfahren an, die Aufschluss über den syntaktischen Wert untersuchter Strukturen geben (cf. ibid., 38). Grundlegend ist dabei die Idee, das Verhältnis zwischen den Bestandteilen der Strukturen auf Varianz zu überprüfen, die gegebenenfalls auf einen nicht-grammatikalisierten Status hinweisen würde (cf. ibid.).289 Erstens führt sie die Prüfung mittels Ersetzungen an (cf. ibid., 39). Die Ersetzungsprobe bzgl. des «ersten», typischerweise flektier-
289 Wie Olbertz (1998, 38s.) angibt, sind die Verhältnisse bei Strukturen mit Infinitiv leichter überprüfbar als im Fall von solchen mit Gerundium und Partizip. Dennoch verwendet sie im Groben die gleichen Tests (cf. ibid., 39).
2.9 Objektsätze: Eigenschaften und Beschreibung
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ten Elements der jeweiligen Verbindung schreibt Olbertz (1998) Dietrich (1973, 56–57) zu (cf. Olbertz 1998, 44). Sie weist aber auf Schwächen des Verfahrens hin, insbesondere dass sich nicht unbedingt synonymische Strukturen ergeben (cf. ibid.). Daher wendet sie die verschiedenen Ersetzungstests vielmehr auf die infinite Struktur an (cf. ibid., 39). Sie überprüft die Pronominalisierbarkeit (s. [117.a]), die Ersetzung durch ein Fragepronomen ([117.b]), durch eine NP ([117.c]) sowie einen finiten Satz ([117.d]) (cf. ibid., 39s.): [117] [S]oñaron con ser arrastrados por las ninfas a las más tiernas y desenfrenadas orgías (TUS 29; Bsp. und die folgenden Testelemente aus Olbertz 1998, 39) ‘Sie träumten davon, von den Nymphen zu den zärtlichsten und ungestümsten Orgien mitgeschleppt zu werden.’ [117.a] con eso soñaron ‘davon träumten sie’ [117.b] ¿Con qué soñaron? ‘Wovon träumten sie?’ [117.c] soñaron con tiernas y desenfrenadas orgías ‘sie träumten von zärtlichen und ungestümen Orgien’ [117.d] soñaron con que fueran arrastrados por las ninfas a las más tiernas y desenfrenadas orgías ‘Sie träumten davon, von den Nymphen zu den zärtlichsten und ungestümsten Orgien mitgeschleppt zu werden.’290 Ist eine Ersetzung möglich, so handelt es sich wie in [117] nicht um eine Verbalperiphrase. Als Gegenbeispiel führt Olbertz (1998, 40) die stark grammatikalisierte Periphrase ir a + Infinitiv an:291
290 Auch Olbertz (1998, 39) gibt für die Paraphrase mit finitem Nebensatz die gleiche englische Übertragung an wie für den Ausgangssatz: «they dreamt of being dragged by the nymphs to the most tender and unbridled orgies». Sie kommentiert das aber nicht weiter (cf. ibid.). Das Verb soñar (‘träumen’) wird in Kap. 5.1.4.1 noch einmal am Rande erwähnt, allerdings unter Bezugnahme auf Konstruktionen, in denen ihm folgende Elemente ohne con (‘mit’) angeschlossen werden. 291 Es wird hier nur ein negativ ausfallender Test vorgestellt. Für weitere sei auf Olbertz (1998, 40ss.) verwiesen.
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[118] [N]o les voy a contar toda la historia (M 220, Bsp. und das folgende Testelement aus Olbertz 1998, 40) ‘Ich werde Ihnen nicht die ganze Geschichte erzählen.’ [118.a] # no voy a eso ‘Darauf will ich nicht hinaus.’ Zweitens führt sie die Weglassprobe an (cf. ibid., 42). Das Beispiel [119] zeigt die Möglichkeit der Auslassung einer direktionalen Lokalangabe (cf. ibid.). Die Bestandteile von Verbalperiphrasen können hingegen nicht weggelassen werden, wie [120] zeigt (cf. ibid.): [119] [M]e fui a trabajar con él (M 151, Bsp. und das folgende Testelement aus Olbertz 1998, 42) ‘Ich ging weg, um mit ihm zu arbeiten.’292 [119.a] me fui ‘Ich ging weg.’ [120] ¿Vas a empezar? (M 451, Bsp. und das folgende Testelement aus ibid.) ‘Wirst du anfangen?’ [120.a] # Sí, claro que voy. ‘Ja, natürlich gehe ich.’ Anhand der Tests unterscheidet Olbertz (1998) die o.g. drei Gruppen von Konstruktionen. Bei nicht-periphrastischen Strukturen sind beide Testtypen möglich, echte Verbalperiphrasen liefern hingegen für beide Tests negative Ergebnisse (cf. die Übersicht in ibid., 91). Die Verbindungen, die sie semi-auxiliary constructions nennt, erlauben typischerweise zwar die Ersetzungsprobe nicht, der infinite Bestandteil ist hingegen in der Regel weglassbar (cf. ibid.). Besonders interessant ist die Detailanalyse, mit der sie einzelne mögliche Hilfsverben auf Herz und Nieren prüft. Sie berücksichtigt dabei Faktoren, die ihre oben zitierte Definition beinhaltet. Darunter sind die Produktivität (cf. ibid., 47ss.) und verschiedene kombinatorische Restriktionen. Sie überprüft bspw. aspektuelle Restriktionen anhand der Frage, ob eine adverbiale Modifizierung mit en una hora (‘innerhalb einer Stunde’) möglich
292 Die Übersetzung ist der von Olbertz (1998, 42) nachempfunden: I went away to work with him.
2.9 Objektsätze: Eigenschaften und Beschreibung
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ist (cf. ibid., 101s. unter Bezugnahme auf weitere Publikationen).293 Aktantielle Restriktionen bzgl. des Subjektelements können anhand der Kombinatorik mit Witterungsverben getestet werden (cf. ibid., 74). In der Periphrase estar para + Infinitiv kann beispielsweise ein Witterungsverb als Vollverb auftreten, was dafür spricht, dass sie recht stark grammatikalisiert ist (cf. ibid.). Olbertz (1998, 74) führt als Beispiel Está para llover (‘es ist kurz davor zu regnen’) an.294 Die Grundlage des Tests ist, dass wie besprochen der Infinitiv in einem Objektsatz über ein zum Hauptsatzsubjekt koreferentes Subjekt verfügen müsste, was bei Auftreten eines Witterungsverbs im Nebensatz nicht möglich ist, da es über kein referentielles Subjekt verfügen kann (cf. auch García Fernández 2006, 25). Bei Verbalperiphrasen entfällt das Koreferenzproblem, weshalb sie solche lexikalischen Verbklassen erlauben. García Fernández (2006) konstrastiert u.a. die folgenden Beispielsätze: [121] * Øi Quiero [Øi llover]. (Bsp. aus García Fernández 2006, 25)295 ‘Ich will regnen.’ [122] Ø Puede [llover]. (Bsp. aus ibid.) ‘Möglicherweise wird es regnen.’ In [121], wo in der eckigen Klammer der Objektsatz mit koreferentem Subjekt gezeigt wird, führt das Witterungsverb zu einer ungrammatischen Struktur. In [122] hingegen, wo die eckige Klammer das Vollverb der Verbalperiphrase enthält, ist das Witterungsverb möglich, da das Auxiliar über keine eigene Subjektreferenz verfügt, sondern lediglich die Kongruenzmerkmale der Gesamtstruktur trägt. Im detaillierten Diccionario de perífrasis verbales von García Fernández (2006) wird eine Vielzahl von Strukturen anhand solcher Faktoren als Verbalperiphrasen bestimmt und hinsichtlich ihres Status gerankt. Strukturen mit Infinitiv lassen sich
293 Olbertz (1998, 101s.) stellt an der besagten Stelle dem ungrammatischen Satz *habíamos hablado en una hora (‘wir hatten in einer Stunde gesprochen’) die folgende grammatische Variante gegenüber: habíamos terminado de hablar en una hora (‘wir waren in einer Stunde mit unserer Unterhaltung fertig geworden’). Für die Akzeptabilität spielt die Verbalperiphrase eine entscheidende Rolle (cf. ibid.). 294 Es handelt sich dabei um ein Beispiel, das in der Literatur immer wieder zitiert wird. Olbertz (1998) selbst verweist auf Gómez Torrego (1988, 115) und García González (1992, 68) (cf. Olbertz 1998, 74). 295 García Fernández (2006, 27, Fußnote 31) weist allerdings auf die Möglichkeit einer Grammatikalisierung von querer (‘wollen’) hin. So ist quiere llover (Bsp. aus ibid., etwa: ‘es sieht nach Regen aus’) durchaus möglich (cf. ibid.). Mit ähnlichen Strukturen beschäftigt sich Cornillie (2007).
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2 Theorie
demnach besonders gut mittels der applizierten Merkmale klassifizieren (cf. ibid., 25). Hinsichtlich periphrastischer Eigenschaften im Rahmen der Kombinatorik, trennt García Fernández (2006, 25) die genannte Möglichkeit, dass Witterungs- und existentielle Verben als Infinitive auftreten können von der «selección semántica del sujeto y de los complementos por parte del verbo auxiliado». Darüber hinaus werden grammatische Faktoren genannt: die Positionierung von Klitika vor das finite Verb, die Passivierung mit ser und dem se-Passiv sowie das Verhalten bei Hervorhebungsstrukturen, etwa der Linksversetzung (cf. ibid., 25ss.). Mit der Grammatikalisierung kann Desemantisierung (semantic bleaching) einhergehen (cf. bspw. Lehmann 2015, 136). So hat bspw. das Auxiliar ir (lexikalische Grundbedeutung: ‘gehen’) in der Verbalperiphrase ir a + Infinitiv (‘(tun) werden’) die ursprüngliche Bedeutung verloren (cf. bspw. die ausführliche Beschreibung in Gómez Torrego 1999, 3365ss.).296 In neueren Untersuchungen zu Verbalperiphrasen wird die mögliche Eigenschaft allerdings nicht als Faktor einbezogen. Olbertz (1998, 43) sieht ein Grundproblem darin, dass Desemantisierung nicht gut operationalisiert werden kann. Sie begründet das einerseits damit, dass schon die Festlegung einer Ausgangsbedeutung, die nötig wäre, nicht eindeutig möglich ist, und andererseits damit, dass auch die Grenzen zwischen Bedeutungsvariation und einer Abschwächung der Bedeutung nicht fix sind (cf. ibid.). Auch García Fernández (2006, 24) stellt heraus, dass die Desemantisierung im Fall der Verbalperiphrasen «ni obligatoria ni homogénea» ist. Nicht zu vergessen sind auch die sogenannten Verba adiecta (cf. dafür Dietrich 1973, 51ss. unter Verweis auf Coseriu 1972, 82).297 Es handelt sich dabei um Verben wie empezar (‘beginnen’) und terminar (‘aufhören’), aber auch um Modalverben (cf. Dietrich 1973, 52). Ihre zentrale Funktion besteht gerade darin, andere Verben in irgendeiner Art und Weise semantisch zu modifizieren oder zu ergänzen. Sie sind offenbar gut geeignet, um in Verbalperiphrasen aufzutreten. Gleichzeitig ist es aber aus den genannten Gründen auch so, dass bei ihnen eine Desemantisierung weitgehend ausgeschlossen werden kann. Im vorliegenden Kontext ist die Kategorie der Verbalperiphrasen v.a. in Hinblick auf Übergangsbereiche zwischen Objektsatzstrukturen und Verbalperiphrasen interessant. Grenzverschiebungen sind möglich (cf. bspw. Hernanz 1999, 2277). Hernanz (1999, 2277) geht davon aus, dass sich bestimmte zweiwertige Verben, die infinite Objektsätze regieren, den Modalverben annähern können (cf. auch ibid., 2277, Fußnote 96 unter Verweis auf verschiedene andere Veröffentlichungen, bspw. RAE
296 Es gilt allerdings als besonders häufiges Grammatikalisierungsphänomen, dass Bewegungsverben als Grundlage für Tempora herhalten (cf. bspw. Nicolle 2007, 47ss. mit einer Vielzahl an Literaturhinweisen). 297 Das Gegenstück zu den Verba adiecta sind die Verba denominativa (cf. Dietrich 1973, 51ss.).
2.9 Objektsätze: Eigenschaften und Beschreibung
221
1931, §450 und Gili Gaya [1943] 1993, §100ss.). Sie führt u.a. Verben des Denkens und verschiedene volitionale und Gefühlsverben an (cf. Hernanz 1999, 2277), darunter creer (‘denken’), desear (‘wünschen’) und temer (‘fürchten’) (Beispiele aus ibid.). Sie geht davon aus, dass die Annäherung v.a. auf der Bedeutungsebene stattfindet, der syntaktische Wert aber kaum beeinflusst wird und zeigt exemplarisch entsprechende Tests, die für das Vorhandensein von Objektsätzen sprechen (cf. ibid.). Cornillie (2007) beschäftigt sich ausgiebig mit dem Übergangsbereich der Rektion zu periphrastischen Strukturen. Er situiert seinen Ansatz in der Kognitionslinguistik und motiviert seine Auswahl an Strukturen entsprechend anhand der «special attention the cognitive-linguistic literature draws to the difference between non-finite and finite verbs» (ibid., 12 mit Bezugnahme auf Givón 1993 ). Die doppelte Realisierungmöglichkeit mit finitem und infinitem Verb, die einem lexikalisch gleichen Verb folgen, hält Cornillie (2007, 13), zumindest in dem Bereich, den er untersucht, für plausiblermaßen ikonisch.298 Er behandelt die folgenden Strukturen: Raising-Verben wie parecer (‘scheinen’), Verben, die er Semi-Auxiliare nennt, die im Rahmen bestimmter Kotexte semantisch ausgebleicht erscheinen,299 wie amenazar (‘drohen’) mit Infinitiv bei unbelebtem Subjektdenotat sowie modale Hilfsverben wie poder (‘können’) und deber (‘müssen’ bzw. ‘wohl sein’) (cf. Cornillie 2007, 1–3). Er konzentriert sich auf die Evidentialität und die epistemische Modalität (cf. ibid., 1), die er als zwei verwandte, aber divergente Konzepte sieht (cf. ibid., 11). Das Konzept der Evidentialität erfasst die Informationsquellen und die Art, inwiefern Wissen vorhanden ist, das der epistemischen Modalität hingegen die Sprechereinschätzung der Wahrscheinlichkeit einer Proposition (cf. ibid., 1 mit weiteren Literaturverweisen sowie für eine ausführliche Behandlung der beiden Kategorien Becker 2014, 150ss.).300 Besonders interessant ist seine Behandlung der Verben prometer (‘versprechen’) und amenzar (‘drohen’) in ihrer halbauxiliaren Verwendung. Er nennt u.a. die folgenden beiden Beispiele (cf. ibid., 2, 85).
298 Cornillie (2007) bestimmt das ikonische Verhältnis wie folgt: «Applied to evidential and epistemic verbs, one can argue that the more speaker-oriented the view of the event the more extensive will be ‹the syntactic integration of the two propositions into a single clause› (Givón 1993, 2)» (Cornillie 2007, 12). Die Definition ist klassisch. U.U. ließe sie sich dem hier verfolgten Ansatz annähern. Kritisierbar ist allerdings, dass er ohne weitere Diskussion angibt, «that a verb + infinitive construction is more grammaticalized than a verb + que-clause» (ibid.). 299 Cornillie (2007, 12) spricht allerdings nicht von Semantic Bleaching, sondern von der Transparenz des Verbs. 300 Cornillie (2007, 1) führt zunächst die Definitionen anderer an, definitiert dann aber selbst sehr eingängig, «[t]he study of sources of information and modes of knowing (evidentiality) and the analysis of the speaker’s judgments of the likelihood of the proposition (epistemic modality)».
222
2 Theorie
[123] Este invierno promete ser llovedor. (Barrios, Eduardo. Gran señor y rajadiablos, Bsp. aus Cornillie 2007, 2) ‘Dieser Winter verspricht, regnerisch zu werden.’ [124] El importante encuentro amenaza ser ensombrecido por medidas de presión de varios sectores, por lo que el gobierno dispuso la intervención de las Fuerzas Armadas. (Notic: Bolivia: ERBOL: 04-15-96, Bsp. aus Cornillie 2007, 2) ‘Das wichtige Treffen droht von Maßnahmen überschattet zu werden, mit denen verschiedene Gruppierungen Druck ausüben wollen, weshalb die Regierung den Eingriff des Militärs angeordnet hat.’ Wie oben besprochen, ist der Fokus von Cornillie (2007) anders gelagert als der hier verfolgte. Ihn interessiert insbesondere die Art von Modalität, die eine Struktur zum Ausdruck bringt (cf. ibid., 120s.). Dementsprechend behandelt er den Typ der Evaluation sehr eingehend anhand von Korpusdaten (cf. etwa 116ss.). Während er daher verschiedene Fragen, die zur Überprüfung des Status einer möglicherweise periphrastischen Struktur herangezogen werden, nicht oder eher am Rande behandelt, thematisiert Cornillie (2007) auch mehrere, die im Zusammenhang mit Periphrasen üblich und relevant sind. Darunter ist bspw. die Kombinatorik des Semi-Auxiliars mit unterschiedlichen Tempora (cf. ibid., 111ss.).301 Er überprüft zudem, welche Aktionsarten der Infinitiv haben kann (cf. ibid., 123ss.) und ob es Restriktionen bzgl. des Subjekts gibt (cf. ibid., 135ss.). Beide Faktoren können auch Aufschluss über den Grammatikalisierungsgrad geben. Er findet sowohl für amenazar (‘drohen’) (cf. ibid., 139s.) als auch für prometer (‘versprechen’) nicht-menschliche Subjektdenotate (cf. ibid., 143). Zudem behandelt er die Frage nach der Kompatibilität mit Witterungsverben (cf. ibid., 109ss.), die bei amenazar (‘drohen’) offenbar gegeben ist. Er nennt u.a. das Beispiel [125]. [125] Amenaza con llover. (Bsp. aus Cornillie 2007, 109)302 ‘Es droht zu regnen.’ Cornillie (2007) zeigt also durchaus, dass die Strukturen zumindest ein Stück weit periphrastischen Wert haben. Die Übergangsbereiche können mithilfe der
301 Er versucht damit allerdings nicht, den Grammatikalisierungsgrad zu überprüfen, sondern Hinweise auf die Realisierung der Handlung zu finden (cf. Cornillie 2007, 111ss.). 302 Die Beispiele mit Witterungsverben, die Cornillie (2007, 109ss.) in dem betreffenden Unterkapitel anführt, enhalten allesamt die Präposition con (‘mit’).
2.9 Objektsätze: Eigenschaften und Beschreibung
223
unterschiedlichen Tests genauer beleuchtet werden (cf. bspw. auch Olbertz 1998; s.o.). Cornillies (2007) Erkenntnisse können hier nur bedingt weiterhelfen. Das liegt vor allem daran, dass er seinen Fokus anders setzt als die vorliegende Arbeit und dass er sich auf zwei semi-auxiliare Strukturen beschränkt, deren Status in dem Rahmen er im Grunde auch schon von vornherein festsetzt (cf. ibid.). Im vorangegangenen Kapitel wurden die Satzverknüpfungsskalen behandelt. Es ist denkbar, auch die hier besprochenen Strukturen in ein solches Schema zu integrieren. Das Vorgehen muss, wie im Folgenden nochmals gezeigt wird, allerdings notwendigerweise einen Bruch involvieren. Givón (2001b, 40) führt unter dem weit intentierten Begriff der «Modality verbs» auch die beiden Verba adiecta begin und finish (Beispiele aus ibid.). Es ist dabei zu beachten, dass die Entsprechungen der beiden Verben im Spanischen funktional anders, nämlich als Verbalperiphrasen, d.h. als grammatische Einheit, interpretiert werden. Lehmann (1988, 192) berücksichtigt die Eigenschaft beispielweise. Er erstellt die in Abb. 2 dargestellte syntaktische Skala (cf. ibid. unter Verweis auf Foley/Van Valin 1984, Kap. 6). sentence
word
subordinate clause is outside main clause
at margin of main clause
inside main clause
complex predicate formation inside VP
verb auxiliary verbal serialization periphrasis derivation
Abb. 2: Syntaktische Skala mit Verbalperiphrasen nach Lehmann (1988, 192).
Die Darstellung von Lehmann (1988, 192) betont durch den nicht durchgängig gehaltenen Pfeil303 die funktionale Divergenz zwischen der syntaktischen Unterordnung und der periphrastischen Modifikation. Er nennt seine Skala dennoch «continuum of the syntactic level» (ibid.). Es handelt sich dabei allerdings insbesondere im Übergang zwischen der Subordination und der Verbmodifikation gerade um kein Kontinuum im engeren Sinne, sondern um eine diskrete Skala. Das ist jedoch keineswegs eine Schwäche der Darstellung, sondern die zentrale
303 In der Publikation Lehmanns (1988, 192) sind die beiden Pfeile in gegensätzliche Richtungen weisenden Pfeile allerdings auf der gleichen Ebene angesiedelt. Hier werden sie auf unterschiedlichen Ebenen situiert, um den unterschiedlichen funktionalen Wert der Strukturen zu verdeutlichen (s. auch Fließtext).
224
2 Theorie
Schwierigkeit, wenn periphrastische, aber auch semi-periphrastische Strukturen mit Komplementsätzen in Zusammenhang gestellt werden. Es muss eine Art Kipppunkt geben, an dem der funktionale Wert wechselt. Die diversen Eigenschaften, die bspw. in den o.g. Publikationen von Olbertz (1998) und García Fernández (2006) überprüft werden, zielen darauf ab, Indizien für die Verortung einer Struktur auf der einen oder der anderen Seite des Punktes zu sammeln. Die Bestimmung eines Übergangsbereichs muss also mehrere Schwierigkeiten berücksichtigen. Erstens ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Bestimmung eines Übergangsbereichs überhaupt sich v.a. aus formalen Eigenschaften von Strukturen motiviert. Es kommen Verbindungen von zwei (oder mehr Verben) in Frage, bei denen als «erstes» Verb, das flektiert sein kann, das gleiche lexikalische Element auftritt. Zweitens ist bei der Beschreibung eine kontinuierliche Skala auszuschließen. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass eine Art Kipppunkt vorhanden ist, der zwei funktional unterschiedliche Strukturen scheidet. Drittens ist insofern zu beachten, dass auch die Skala nicht einheitlich sein kann. Die definitorischen Eigenschaften der beiden Strukturen sind unterschiedlich. Die beiden Teile der Skala sind genau genommen auf unterschiedlichen Ebenen anzusiedeln. In der obigen Darstellung wird die Divergenz grafisch veranschaulicht, dahingehend weicht sie vom Original ab (cf. Lehmann 1988, 192). Noch besser als der übliche Begriff des Kipppunkts könnte evtl. die Metapher eines Scharniers oder eines zweigelenkigen Scharniers die genannten Umstände verdeutlichen. Jede Skala sollte die genannten Schwierigkeiten berücksichtigen. Der Terminus des Übergangsbereichs behält seine Berechtigung, nicht zuletzt deswegen, weil er auch mehrdimensional verstanden werden kann und neutral ist hinsichtlich eines «Kontakts» zwischen unterschiedlichen Skalen oder Strukturtypen. Der Übergangsbereich wird hier dementsprechend als Zone einer uneinheitlichen Skala verstanden. Dem Zentrum des Übergangs, einer Art Kippbereich, können sich Strukturen von zwei Seiten annähern, die einander nicht völlig entsprechen. Die präzise Verortung von Einzelstrukturen bspw. nach den Methoden Olbertz’ (1998) steht nicht im Fokus des Interesses. Die Menge des Korpusmaterials ist für eine solche Untersuchung zu gering. Zudem wären ergänzende spezifische Tests nötig. Für einen die Ansprüche erfüllenden Nebenschauplatz ist der Aufwand zu groß, weshalb er nicht bespielt werden kann.
2.9.7 Kurze Abgrenzung des hier vorgestellten Ansatzes Die bisherigen Ausführungen des Kap. 2.9 zeigen, dass viele, z.T. weit ausgearbeitete Ansätze zur Beschreibung des Objektsatzes vorliegen. Die Beschreibungen reichen von unterschiedlichen Facetten seiner Kernbedeutung bis hin
2.10 Bestandteile des Ansatzes zu Objektsätzen
225
zu funktionalen Grenzbereichen. Besondere Aufmerksamkeit hat das Englische erfahren, bspw. in funktionalistischen Ansätzen (cf. etwa Givón 2001b, Kap. 12). Aber auch viele andere Sprachen und im Speziellen das Spanische sind ausgiebig behandelt worden (cf. etwa Delbecque/Lamiroy 1999; Hernanz 1999, 2277ss.). Dies wirft die Frage auf, worin der Mehrwert einer weiteren Behandlung der Thematik besteht, zumal auch die hier zentrale Komplexitätsikonizität kein neues Konzept ist (cf. dafür bspw. bereits Lehmann 1974, 111). Neu ist einerseits, wie Bestandteile vorhandener Ansätze zusammengesetzt werden. Andererseits wird eine zumindest im Detail neue Systematisierung angewendet, die möglicherweise Modell für andere Untersuchungen sein kann. Das folgende Kap. 2.10 zeigt die Details der Herangehensweise. Die Applizierung in Kap. 5 belegt nicht nur die Umsetzbarkeit, sondern vor allem auch den Nutzen. Etwas konkreter lassen sich zentrale Besonderheiten auf zwei Ebenen ausmachen. Sie sind, quasi dem ikonischen Prinzip entsprechend, auf der formalen und auf der konzeptuell-semantischen Ebene angesiedelt. Hinsichtlich der formalen Seite wird vergleichsweise degeneralisiert. Während andere Beschreibungen häufig Verben mehr oder weniger groben Verbklassen zuordnen (cf. bspw. u.a. die drei Kategorien der Perzeptions-, Kognitions- und Sprechaktverben bei Givón 2001b, Kap. 12), werden im vorliegenden Rahmen Lexeme konstant gehalten und die strukturellen und / oder kombinatorischen Möglichkeiten einzelner Verben näher beleuchtet. Hinsichtlich der semantisch-konzeptuellen Ebene werden drei Kategorien eröffnet und mittels Subklassen, die sich großteils als Skalen darstellen lassen, operationalisierbar gemacht. Insbesondere die Verwendung dieses Instrumentariums stellt eine Neuerung bei der Behandlung der Objektsätze dar. Aber auch im Rahmen der Detailanalyse werden relevante neue Erkenntnisse zutage befördert. Bspw. ist ein Effekt der hier vorgeschlagenen Analysemethode, dass auch funktional divergente Strukturen bei deskriptiver Einheitlichkeit behandelt werden können.304
2.10 Bestandteile des Ansatzes zu Objektsätzen Der hier verfolgte Ansatz relationiert die Form und die Konzeption einzelner Strukturen miteinander. Er behandelt Objektsätze grundsätzlich nach den gleichen Prinzipien wie Nominalobjekte. Eine völlig identische Beschreibung ist aufgrund der strukturellen und semantischen Divergenzen zwar auszuschließen, die Herangehensweise entspricht sich jedoch. Ausgangspunkt der Beschreibung ist auch bei
304 Die Aussage hebt auf die Divergenz von Objektsätzen und Verbalperiphrasen ab.
226
2 Theorie
den Objektsätzen die Annahme, dass Komplexitätsikonizität gegeben ist. Das ikonische Verhältnis ist wiederum dadurch gekennzeichnet, dass die formale Seite recht intuitiv klassifizierbar ist (s. Kap. 2.10.1) und sich die Untersuchung insofern auf die konzeptuelle und semantische Seite konzentrieren muss (s. Kap. 2.10.2). In diesem Kapitel sollen die Bestandteile des Analysesystems vorgestellt werden.
2.10.1 Formale Komplexität und Komplexitätsikonizität (Objektsätze) Die Ikonzität und die Komplexitätsikonizität im Speziellen wurden bereits behandelt (s. insbes. Kap. 2.2 und Kap. 2.9.6). Es sei nochmals die schematische Struktur wiederholt, die die formalen Eigenschaften oppositiv herausstellt. [126] zeigt die entsprechende Darstellung für die Nominalobjekte (s. Kap. 2.7). Sie wird in [127] für die Objektsätze weiter präzisiert. [126] Verb {± Komplexitätsmarker} + angeschlossenes Element [127.a] Verb + (angeschlossenes Element {± inkl. Komplexitätsmerkmale}) [127.b] V 1 + {ø V2(inf) / que V2(fin)} [127.c] V 1 + {ø V2([–fin]) / que V2([+fin])} Die schematische Darstellung der Struktur mit Nominalobjekt (s. [126]) lässt sich nicht direkt auf die Objektsätze übertragen. Sie wäre ggfs. als starke Abstraktion zu verstehen, die lineare Eigenschaften ausblenden würde. Das wäre jedoch problematisch, da ja die Linearität der Lautkette ein wichtiger Bestandteil der den Hintergrund bildenden Theorie ist. Hinsichtlich der Objektsätze sind zwei formunterscheidende Merkmale zu erfassen, die auftreten können, eine Konjunktion und Finitheitsmerkmale. Werden sie realisiert, dann erfolgt das typischerweise als Merkmalsbündel (s. für Einschränkungen insbes. Kap. 2.9.5). Den Umstand spiegelt [127.a] wider. Die Darstellung hat gegenüber der vorherigen den Vorteil, dass sie bei einem linearen Verständnis keine falschen Voraussagen über die Anordnung macht. Ihre Schwäche ist allerdings ebenso offensichtlich. Sie zeigt weder, wieviele Merkmale auftreten können, noch, wo sie ggfs. positioniert werden. Die Darstellung in [127.b] erfasst die strukturspezifischen Eigenschaften der Objektsatzrealisierung. [127.c] präsentiert die entscheidenden Eigenschaften noch etwas deutlicher bzw. macht sie leichter als Merkmalsbündel erfassbar: Bei der ersten Variante treten zwei Merkmale nicht auf, die die zweite Variante enthält. Trotz der Divergenz, dass also in der Struktur mit Nominalobjekt nur ein einzelnes formales Merkmal relevant ist, bei den Objektsätzen hingegen ein zwei Merkmale
2.10 Bestandteile des Ansatzes zu Objektsätzen
227
umfassendes Bündel, werden die beiden Strukturtypen parallel beschrieben werden. Formal spricht dafür nicht zuletzt, dass auch beim Objektsatz eines der Merkmale ggfs. zwischen das Verb und das angeschlossene Element positioniert wird. Belastbarer ist aber sicherlich der Umstand, dass das Nomen und der Objektsatz die gleiche Funktion erfüllen, nämlich die eines Akkusativobjekts (s. für weitere Überlegungen Kap. 6.1). Für den grundlegenden Ansatz ist nun zunächst die formale Komplexität zu präzisieren. Die Komplexitätsdefinition entspricht der in Kap. 2.2 vorgestellten: Das Konzept der Komplexität erfasst die Menge an strukturierter Information (cf. für das Komplexitätsverständnis bspw. Givón 2009a, 1s. unter Bezugnahme insbes. auf Simon 1962). Es wird als relatives Konzept angesetzt. Ein höheres Maß an Komplexität liegt vor, wenn mehr strukturierte Information gegeben ist. Das ist beim finiten gegenüber dem infiniten Objektsatz der Fall. Er verfügt über eine Konjunktion sowie Flexionsmerkmale. Das sprachliche Material ist in formaler Hinsicht insofern strukturiert, als seine Positionierung nicht frei ist. Mithin ist auf formaler Seite eine Komplexitätsopposition gegeben. Die Verhältnisse sind vor dem Hintergrund der genannten definitorischen Präzisierungen eindeutig. Für die Überprüfung von Ikonizität ist folglich die konzeptuell-semantische Seite zu überprüfen. Es ist zu zeigen, dass der Opposition dort eine zumindest tendenziell einheitliche Entsprechung zukommt. In dem recht eng gesteckten Rahmen trifft das zu, sodass Komplexitätsikonizität gezeigt werden kann. Die Beschreibung ist besonders hinsichtlich der konzeptionellen Verfeinerungen interessant. Die konzeptuelle Ebene wird anhand von Domänen beschrieben, innerhalb derer Subklassen gebildet werden, die als Skalen geordnet werden. Sie sind mehrstufig. Für einen Abgleich mit der binären formalen Opposition ist eine entsprechende Systematisierung nötig (cf. für ein ähnliches Verfahren Giorgi/Pianesi 1997, Kap. 5; s. bereits die Ausführungen in Kap. 2.9).
2.10.2 Bestimmung der konzeptuellen Komplexität bei Objektsätzen Im vorangegangenen Kapitel wurde dargelegt, dass bei Objektsätzen eine recht deutliche formale Komplexitätsopposition gegeben ist. Der vorliegende Ansatz geht von Komplexitätsikonizität aus. Um dies zu belegen, muss die konzeptuellsemantische Seite überprüft werden. Ggfs. müssen den Verhältnissen der formalen Ebene entsprechende auf der konzeptuellen gegenüberstehen. Wie die hier vorgenommenen Untersuchungen zeigen, ist konzeptuellsemantische Komplexität nicht über die syntaktischen Klassen der nominalen gegenüber den satzwertigen Objekten hinweg verallgemeinerbar. Das kognitive Korrelat eines Nomens in Einbettung ist ontologisch anders als das eines
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2 Theorie
eingebetteten Gliedsatzes. Bei den Objektsätzen muss grundlegend von der Verbindung zweier Propositionen oder aber ihrer Verschmelzung ausgegangen werden. Für die Erfassung dessen sind also eigene Kategorien und ein neues analytisches Instrumentarium nötig. Die entscheidende konzeptuell-semantische Opposition besteht darin, ob der Nebensatz im Bezug auf den Hauptsatz konzeptuelle (Un-)Eigenständigkeit aufweist.305 Wie das Kap. 2.9 gezeigt hat, sind für die Beschreibung von Nebensätzen in ihrem Verhältnis zum Hauptsatz unterschiedliche semantische und referentielle Eigenschaften relevant. Vereinfacht gesagt, ist jeweils zu überprüfen, wer wann was tut bzw. was wann der Fall ist und ob sie / er es tatsächlich tut bzw. ob es tatsächlich der Fall ist. Etwas technischer gesprochen, sind die folgenden Informationen zu bestimmen: der Sachverhalt, die handelnden Personen, die allerdings im vorliegenden Rahmen aufgrund der Koreferenz zwischen Haupt- und Nebensatzsubjekt recht weitgehend ausgeblendet werden können (s. aber die Verhältnisse zwischen Sprecher und Subjektreferent in Hinblick auf den Weltbezug, Kap. 2.10.2.3 und Kap. 5.1.4.1), die Zeitlichkeit bzw. v.a. die zeitreferentielle Situierung sowie die Welt, auf die Bezug genommen wird. Um die unterschiedlichen Informationen operationalisieren zu können, werden sie entsprechend ihrer Ontologie gegliedert. Für jeden relevanten Bereich wird eine eigene konzeptuelle Domäne angenommen. Es werden die Domänen des Sachverhalts, der Zeit- und der Weltreferenz behandelt. Innerhalb dieser Domänen wird überprüft, ob dem Nebensatz Eigenständigkeit zukommt oder nicht.306 Dafür werden Subklassen bzw. graduierbare Ausprägungen aus der Forschungsliteratur übernommen und verfeinert. In den folgenden Unterkapiteln werden die einzelnen Skalen vorgestellt. Es werden Übergangsbereiche besprochen und Kipppunkte bestimmt. So werden Grenzen und damit Oppositionen motiviert. Die Gegenüberstellung von konzeptueller Eigenständigkeit bzw. Uneigenständigkeit zwischen Haupt- und Nebensatz führt zur gesuchten Komplexitätsopposition: Zeigt der Nebensatz in einer der konzeptuellen Domänen Eigenständigkeit, so entspricht der Gesamtstruktur eine größere Menge an Information
305 In eine grundsätzlich ähnliche Kerbe schlägt Haiman (1983). Er behandelt Distanzikonizität bei koordinativer Satzverbindung im Daga und beschreibt den semantischen Anteil des ikonischen Verhältnisses mit dem Schlagwort «difference» (ibid., 790). Er spricht die gleichen Kategorien an, die auch im vorliegenden Ansatz relevant sind und stellt unter anderem die semantischen Eigenschaften «‘different event’, ‘different time’, ‘different subject’» (ibid.) heraus. Sein Beschreibungsinventar kann im Detail hier jedoch nicht weiterhelfen. 306 Es ist möglich, dass bei einer Erweiterung der Untersuchung auch zusätzliche Domänen hilfreich sein könnten. Die hier analysierten Korpusdaten allerdings lassen sich anhand der drei verwendeten Domänen umfassend beschreiben.
2.10 Bestandteile des Ansatzes zu Objektsätzen
229
als bei Uneigenständigkeit.307 Die Abgrenzung wird im Rahmen der in den folgenden Unterkapiteln behandelten einzelnen Domänen weiter verdeutlicht. Die Analyse in Kap. 5.1 bestätigt die Verwendung der genannten Domänen nicht nur als viabel, sondern auch als zielführend. Die Matrixverben des reduzierten untersuchten Sets lassen sich in Hinblick auf ihre mögliche (Un-)Eigenständigkeit recht stabil einzelnen Domänen zuordnen. D.h., es herrscht die Tendenz vor, dass sich die (Un-)Eigenständigkeitsopposition für Matrixverben recht einheitlich innerhalb nur einer Domäne ausbildet. Die Zuordnungen der Matrixverben zu Domänen lassen sich oft aus der Verbsemantik heraus motivieren, sie sind aber nicht trivial. In Hinblick auf Ausnahmen, was die Zuordnung zu einer einzelnen Domäne betrifft, ist besonders die Domäne des Zeitbezugs zu nennen. Sie scheint gut geeignet, für Okkurrenzen anderer Domänen relevant zu werden. 2.10.2.1 Bestimmung des Sachverhalts und seiner Eigenständigkeit Grundlegend für die Beschreibung der Ikonizität von Objektsätzen ist, wie gezeigt wird, der Faktor der möglichen Eigenständigkeit des Sachverhalts. Die Terminologie wurde bereits in den vorangegangenen Kapiteln verwendet, allerdings noch nicht genauer definiert. Die Verwendung des Sachverhaltsbegriffs entspricht in etwa der allgemeinsprachlichen. Da er allerdings im Rahmen der Untersuchung operationalisiert werden soll, ist eine Präzisierung einschließlich der relevanten Eigenschaften unumgänglich, insbesondere weil er etwas enger als in der Literatur gefasst werden muss, um Überschneidungen mit den beiden anderen Domänen auszuschließen. Auch die Frage, wie Eigenständigkeit konstituiert sein kann, lässt sich nach der Begriffsbestimmung klären. Der Sachverhalt wird grundsätzlich als eine abstrakte Seinsklasse verstanden. Die Informationen, die sie enthält, lassen sich anhand der folgenden Fragen zusammenfassen: Was ist oder geschieht? Wie ist oder geschieht es? Und unter welcher Art der Beteiligung von wem ist oder geschieht es? In der Literatur werden unterschiedliche Begriffe verwendet, um auf einen ähnlichen Phänomenbereich Bezug zu nehmen. Einige der in dem Kontext denkbaren Begrifflichkeiten sind zu spezifisch, etwa weil sie auf bestimmte Aktionsarten abstellen. Darunter fallen «Zustand» oder «Vorgang». Sie können nicht alle der obigen Fragen erfassen und sind naheliegenderweise auch für
307 Die Klassifikation als komplex oder nicht-komplex ist augenscheinlich in der Art nur bei einer gewissen Abstraktion möglich. Eine Beschreibung jedoch, die noch deutlich mehr Details berücksichtigen möchte, müsste sich ggfs. ganz ähnlicher Kritik in Hinblick auf ihre kognitive Relevanz stellen. Hier wird zudem davon ausgegangen, dass der entsprechende Aufwand deutlich höher, die Erkenntnis aber geringer wäre.
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2 Theorie
die Verbklassifikation zu eingeschränkt. Ähnliches würde bspw. für «Aktivität» gelten, wo zusätzlich erschwerend hinzukäme, dass verschiedene Spezifikationen des Erstaktanten mit ausgedrückt werden. Recht häufig wird der Begriff des «Events» verwendet (bspw. bei Givón 1991; 2001). Der Gebrauch ist dabei gegenüber dem aus dem Bereich der Aspektforschung despezifiziert, wo «Event» enger gefasst wird und etwa als dynamischer, telischer Vorgang mit geringer zeitlicher Ausdehnung definiert sein kann (cf. auch den teils tabellarischen Forschungsüberblick in Lehmann 1991, 184ss.). In der vorliegenden Arbeit wird der EventBegriff in diesem engeren, aspektuell aufgeladenen Sinne verwendet. Eine besonders umfassende Beschreibung von Sachverhalten liegt mit Lehmann (1991) vor. Er verwirft in seiner englischsprachigen Darstellung den Terminus «state of affairs» (ibid., 188), weil er nach Stativität klinge und sich nicht gut von der Aktionsart des States abgrenze (cf. ibid.). Stattdessen schlägt er in Anlehnung u.a. an Comrie (1976, 13) den Begriff der Situation vor (cf. Lehmann 1991, 188). Den Kern der Situation, von dem die Partizipanten abstrahiert sind, nennt er «participatum» (ibid., 189). Das Partizipatum scheint v.a. dann ein hilfreicher Begriff zu sein, wenn eine oder mehrere Sprachen beschrieben oder verglichen werden, von denen mindestens eine den entsprechenden Inhalt nicht mit einem Verb realisiert. Für die Beschreibung des Spanischen ist er vor dem Hintergrund hingegen weniger dringend notwendig. Der Terminus des Sachverhalts kann als Übertragung des englischen Begriffs situation angesehen werden, den Lehmann (1991, 188) vorschlägt (s.o.). Er ist hinreichend abstrakt, um alle relevanten Faktoren gleichmäßig abzudecken. Das deutsche Situation hingegen fokussiert, wie auch der Online-Duden angibt, hauptsächlich auf die «Umstände, in denen sich jemand […] befindet» (http://www. duden.de/rechtschreibung/Situation, Zugriff: 02.02.19). Der Partizipant und sein Verhältnis zum Partizipatum wären insofern nicht unbedingt im Fokus, weshalb der Begriff weniger nützlich ist. Der Terminus des Sachverhalts scheint im vorliegenden Rahmen am besten geeignet zu sein. Lehmann (1991) entwirft ein System der Verbklassifikation, das bereits an anderen Stellen besprochen wurde (s. insbes. Kap. 2.6.1). Dafür beschreibt er Sachverhalte und ihre Bestandteile ausführlich und listet verschiedene Faktoren für die Sachverhaltsbestimmung (cf. ibid., 189–221). Er nimmt auf das lexikalische Gewicht Bezug, nämlich die Explizierung von Partizipanten (cf. ibid., 191ss.)308 sowie die lexikalische Ausgestaltung des Partizipatums hinsichtlich des Vorgangs und seiner Art und Weise (cf. ibid., 194ss.). Einen besonderen Fokus
308 In dem Kontext kommt Lehmann (1991) bspw. auch auf kognate Objekte (cf. ibid., 192s.; s. Kap. 2.7.3.2) und Inkorporierung (cf. ibid., 194; s. Kap. 2.7.6) zu sprechen.
2.10 Bestandteile des Ansatzes zu Objektsätzen
231
legt er auf aktionale Eigenschaften wie Dynamizität (cf. ibid., 196ss.) und Telizität (cf. ibid., 199ss.). Er bespricht inhärente Eigenschaften von Partizipanten (cf. ibid., 203ss.) und das Verhältnis von Partizipanten zum Partizipatum (cf. ibid., 206ss.). Dabei führt er Involviertheit, also die Art ihrer Beteiligung (cf. ibid.), Kontrolle und Kontrolliertheit (cf. ibid., 211ss.) sowie die Art und den Grad von Betroffenheit (Affectedness, cf. ibid., 217ss.) an. Die Beschreibung ist umfassend und wird in unterschiedlicher Hinsicht im vorliegenden Rahmen zugrundegelegt. Eine Schwierigkeit ist allerdings, dass es sich dabei um eine semantische Beschreibung handelt, in der aber lexikalisch-semantische, also quasi formale, nicht immer klar von abstrakt-konzeptuellen Bestimmungen getrennt sind. In Lehmann (1991) scheint das in der Summe unproblematisch. Ein Gegenbeispiel wäre Vosberg (2006), wo als Analysegrundlage für die «[k]ognitive Komplexität» (ibid., 51) von Sätzen annähernd durchgängig die formale Realisierung angesetzt wird (cf. ibid., 53ss.). Im vorliegenden Kontext geht es nun weniger darum, einzelne Sachverhalte einzuordnen, als vielmehr darum, in komplexen Sätzen aus Haupt- und Nebensatz zu überprüfen, (i) ob zwei Sachverhalte vorliegen und (ii) inwiefern sie ggfs. als eigenständig bezeichnet werden können. Dafür werden die beiden (Teil-)Sätze auf das Vorhandensein der entsprechenden relevanten konzeptuellsemantischen Bestandteile überprüft, die dann wiederum im Verhältnis zueinander betrachtet werden. Dabei wird eine Graduierung herausgearbeitet. Es wird davon ausgegangen, dass es unterschiedliche Grade von Unabhängigkeit zwischen einem Haupt- und einem Nebensatzsachverhalt und mithin von Eigenständigkeit des Nebensatzsachverhalts gibt. Je mehr eigene bzw. unabhängige Merkmale der eingebettete Sachverhalt im Gegensatz zum Hauptsatzsachverhalt aufweist, desto größer ist seine Eigenständigkeit. Die Überlegung ist besonders wichtig, weil von ihr auch die konzeptuelle Komplexität in der Sachverhaltsdomäne abgeleitet wird. Eine größere semantisch-konzeptuelle Eigenständigkeit wird als höherer Grad an kognitiver Komplexität interpretiert. So kann die konzeptuelle oder kognitive Komplexität als größere Menge an Information verstanden werden. Die Eigenständigkeit kann hinsichtlich nahezu aller Bereiche untersucht werden, die Lehmann (1991, 189ss.) für seine Sachverhaltsdarstellung auflistet (s.o.). Allerdings sind nicht alle relevant oder werden in einem anderen Zusammenhang behandelt. Der Subjektbezug wird im vorliegenden Rahmen nicht besprochen, da er durch die Koreferenzrestriktion nicht relevant ist. Eine Ausnahme ist lediglich die Abgrenzung der gemeinsamen Bezugnahme bei periphrastischen Strukturen von der üblichen Koreferenz. Von den Eigenschaften des Temporalbezugs wird so weit möglich an dieser Stelle abstrahiert. Aktionale Merkmale können allerdings in beiden Kontexten eine Rolle spielen. Die
232
2 Theorie
Temporalität ist neben der ausgeklammerten Subjektreferenz (s.o.) für die Verhältnisse zwischen Haupt- und Nebensätzen besonders relevant. Daher wird sie eigens besprochen. Im folgenden Unterkapitel wird eine Skala entworfen, die die Eigenständigkeit des Temporalbezugs erfasst. Was bleibt, ist zunächst der Sachverhaltskern als solcher. Es ist einerseits zu bestimmen, welcher ontologischen Klasse er zugeordnet ist, und andererseits, wie er im Speziellen ausdifferenziert ist. In Anlehnung an Delbecque/ Lamiroy (1999, 1996) wurde grundlegend festgestellt, dass im hier relevanten Ausschnitt der spanischen Sprache im Hauptsatz insbesondere kognitive und kommunikative Vorgänge denotiert werden (s. Kap. 2.9.2). Als Beispiel sei zunächst das Matrixverb olvidar (‘vergessen’) herangezogen. Der unter das Kognitionsverb eingebettete Nebensatz kann sehr unterschiedliche Sachverhaltstypen versprachlichen, etwa in [128] eine körperliche Handlung und in [129] eine räumliche Situierung. [128] Incluso olvidó estrechar la mano que él le tendía. (SUR:059.19) ‘Sie vergaß sogar, die Hand zu schütteln, die er ihr entgegenstreckte.’ [129] Disculpe. He olvidado que estoy en su casa. (PAS:038.21) ‘Entschuldigen Sie. Ich hatte vergessen, dass ich bei Ihnen zu Hause bin.’ (Wörtlich: Ich habe vergessen, dass (…). Alternativ auch: Ich habe nicht daran gedacht, dass (…).) Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass sich trotz des konstanten lexikalischen Materials die Bedeutung des Hauptverbs leicht verändert. Der in [129] im Hauptsatz ausgedrückte Sachverhalt ist semantisch-konzeptuell eine recht typische Instantiierung von olvidar (‘vergessen’). Es handelt sich dabei um einen telischen Vorgang mit einer geringen zeitlichen Ausdehnung, ein Event (cf. Lehmann 1991, 233). Das inhärente Ziel wird zum Ende der kurzen Ausdehnung erreicht (das perfektische Tempus markiert einen Resultatszustand). D.h., eine Information wird vergessen, dann fällt sie dem Subjektdenotat wieder ein und die Aussage wird wahr, dass es die Information vergessen hat bzw. hatte. In [128] hingegen ist unklar, wann genau der Kulminationspunkt erreicht wird. Es ließe sich auch argumentieren, dass die fragliche Information mehrfach vergessen wird, dass also ein iterativer Vorgang gegeben ist. Offenbar ist der in [128] von olvidar (‘vergessen’) denotierte Sachverhalt nicht deutlich vom Nebensatzsachverhalt getrennt. Der Nebensatzsachverhalt beeinflusst die Eigenschaften von olvidar (‘vergessen’). Bei Verben wie diesem handelt es sich dabei allerdings um ein sekundäres Phänomen, das aus einer anderen Art von Uneigenständigkeit resultiert. Darauf wird unten nochmals eingegangen.
2.10 Bestandteile des Ansatzes zu Objektsätzen
233
Die Verhältnisse sind bei demostrar (‘zeigen’)309 noch etwas deutlicher (s. [130] und [131]). [130] A estas alturas de examen los candidatos que demuestren andar sobrados de gracia y desparpajo habrán dado un paso de gigante hacia su ingreso en la Tuna Universitaria Compostela. (1VO:072-2.2-16) ‘Zu dem Zeitpunkt der Prüfung haben die Kandidaten, die Anmut und Souveränität in Hülle und Fülle zu erkennen geben, schon Riesenschritt hin zum Eintritt in die Tuna Unversitaria Compostela (Studentenkapelle von Compostela) gemacht.’ [131] En este primer examen los candidatos a tuno deben superar una serie de pruebas [...] en las que tienen que demostrar que saben tocar algo más que las palmas. (1VO:072-2.2-11) ‘In dieser ersten Prüfung müssen die Kandidaten der Studentenkapelle einige Tests durchlaufen, in denen sie zeigen müssen, dass ihre musikalischen Fähigkeiten das Klatschen übersteigen.’310 Das Verb demostrar (‘zeigen’) denotiert in seiner Grundbedeutung einen Vorgang. Lehmann (1991, 229) geht für die englische Entsprechung show von einem durativen Prozess aus. Er hält Kausativität für relevant (cf. ibid.). Vor dem Hintergrund ließe sich für eine telische Komponente argumentieren, besonders naheliegend wäre eine ingressive Instantiierung. Das infinite Element in [130] ist eine Art Zustands- oder Eigenschaftsbeschreibung. Auch der Nebensatz in [131] bringt eine Eigenschaft zum Ausdruck, nämlich die einer Befähigung. Gleicht man nun die Gesamtstrukturen und ihre inneren Verhältnisse miteinander ab, so zeigt sich, dass das Verb demostrar (‘zeigen’) nur in [131] tatsächlich einen eigenen Sachverhalt denotiert. In dem Beispiel wird demostrar als Handlung instantiiert, die unter anderem bzw. insbesondere im Vorspielen eines Instruments besteht. Der finite Nebensatz bringt wie gesagt den Sachverhalt zum Ausdruck, dass das Subjektdenotat befähigt ist, ein Instrument zu spielen. In [130] besteht hingegen eine Quasi-Identität hinsichtlich des denotierten Sachverhalts. Die infinite Struktur drückt eine Eigenschaftszuordnung aus, das vorangestellte finite Verb ergänzt
309 Das Verb demostrar (‘zeigen’) wird in Kap. 5.1.2.2 noch ausführlicher behandelt. 310 Der Nebensatz que saben tocar algo más que las palmas bedeutet wörtlich, ‘dass sie mehr können als nur klatschen’. Die Übertragung bringt allerdings nicht zum Ausdruck, dass es sich nicht um Applaudieren handelt, sondern um rhythmisches Klatschen, wie es in bestimmten traditionellen spanischen Musikstilen vorkommt.
234
2 Theorie
die Information der Zielgerichtetheit der Handlung. Im Sinne der Qualia-Theorie Pustejovskys (1991a; 1995b etc.; s. Kap. 2.8.2) lässt sich feststellen, dass das Verb demostrar (‘zeigen’) im Beispiel das konstitutive Quale eines Gesamtsachverhalts versprachlicht. Es wird die Natur der Eigenschaftszuordnung näher bestimmt. Konkret wird ein Vorgang assertiert, der darin besteht, dass das Vorhandensein der Eigenschaft gezeigt wird. Zudem fällt auf, dass das Verb zwar über Flexionsmerkmale (im Rahmen der Einbettung in den Relativsatz) die Zeitreferenz herstellt. Wann – im Sinne insbesondere von wie lange – ihm allerdings ein positiver Wahrheitswert zugeordnet werden kann, lässt sich lediglich über das infinite Element erschließen. Die genannten Merkmale treten auch bei Verbalperiphrasen auf (s. Kap. 2.9.6.2). Es wäre im Detail zu prüfen, wie stark die Ähnlichkeit zu einer periphrastischen Struktur ist, wo ja noch einige weitere Faktoren miteinbezogen würden.311 Darauf wird hier verzichtet (s.u.). Im vorliegenden Kontext ist die Feststellung entscheidend, dass von der Struktur in [130] mit Infinitiv keine zwei eigenständigen Sachverhalte denotiert werden.312 Aus der angesprochenen funktionalen Ähnlichkeit zu Verbalperiphrasen resultiert eine terminologische Schwierigkeit. Der infinite Bestandteil würde in einer Verbalperiphrase keinen Nebensatz konstituieren (cf. bspw. García Fernández 2006, 24). Die Schwierigkeit ist ohne eine präzise Einordnung bzw. ggfs. Graduierung wie oben beschrieben nicht perfekt lösbar. Insbesondere aber weil dafür mehr als die hier vorliegenden Daten, sondern bspw. Untersuchungen mit Sprecherbefragung nötig wären, wird hier keine Vertiefung unternommen. Dementsprechend kann auch die terminologische Schwierigkeit nicht vollständig gelöst werden. Es scheint nicht allzu üblich, im Rahmen einer Beschreibung von Objektsätzen auch den Status des flektierten Verbs (ggfs. des Hauptverbs) als möglichen Faktor anzusetzen. Zumeist wird nur der Status des Nebensatzes überprüft, Grenzbereiche werden ausgeklammert. Mit solchen Sonderfällen beschäftigt sich bspw. Cornillie (2007). Er wählt allerdings einen engeren Fokus als den, der hier verfolgt wird. Hier wird versucht, einzelne Haupt- und Pseudohauptverben korpusbasiert möglichst umfassend zu behandeln und dabei verschiedene strukturelle Realisierungsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Dieser prinzipiell weite Fokus scheint eine Besonderheit der vorliegenden Arbeit zu sein.
311 In einem weiteren Schritt könnte der Frage nachgegangen werden, ob eine (ggfs. eingeschränkte) Grammatikalisierung gegeben ist. 312 Das Ergebnis einer Reduktion auf einen Sachverhalt kann zwar ein relativ komplexer Sachverhalt sein. Es wird aber, wie auch die Definition nahelegt, davon ausgegangen, dass er weniger Information enthält und insofern als weniger komplex zu klassifizieren ist, als ggfs. zwei recht einfache Sachverhalte, weil ein Sachverhaltskern weniger vorhanden ist.
2.10 Bestandteile des Ansatzes zu Objektsätzen
235
Neben den Eigenschaften des Sachverhaltskerns bzw. ggfs. der Sachverhaltskerne ist zu klären, ob sich ein etwaiger Sachverhalt konstituiert. Hierbei liegt der Fokus wiederum auf dem Nebensatzsachverhalt in seinem Verhältnis zum Hauptsatzsachverhalt. Es ist auf konzeptueller Ebene zu klären, ob der Nebensatzsachverhalt eintritt, realisiert wird o.ä. Im Rahmen einer Wahrheitssemantik wäre zu prüfen, ob die Aussage des Nebensatzes unabhängig vom Hauptsatz wahr ist. Oben wurde bereits ein anschauliches Beispielpaar mit olvidar (‘vergessen’) angeführt, das hier wiederholt wird (s. [132], [133]). [132] Incluso olvidó estrechar la mano que él le tendía. (SUR:059.19) ‘Sie vergaß sogar, die Hand zu schütteln, die er ihr entgegenstreckte.’ [133] Disculpe. He olvidado que estoy en su casa. (PAS:038.21) ‘Entschuldigen Sie. Ich hatte vergessen, dass ich bei Ihnen zu Hause bin.’ (Wörtlich: Ich habe vergessen, dass (…). Alternativ auch: Ich habe nicht daran gedacht, dass (…).) Das Verb olvidar bzw. eine Entsprechung wie etwa das deutsche Verb vergessen werden gelegentlich als Beispiel für faktive Verben angeführt (cf. bspw. Bußmann 2008, 545, Stichwort «Präsupposition»). Wie in Kap. 2.9.2.2 besprochen, gelten «Komplementsätze von faktiven [Verben] […] als wahr präsupponiert» (Bußmann 2002, 212). Ein üblicher Test ergibt sich daraus, dass der unter faktive Verben eingebettete Satz bei Negation des Matrixsatzes wahr (oder falsch) bleibt, die sogenannte Konstanz bei Negation (cf. für den Test bspw. auch http://www.christianlehmann.eu/ling/lg_system/sem/praesupposition.html, Zugriff: 02.02.19). Bei der Betrachtung des obigen Beispielpaars fällt nun auf, dass nur der eingebettete Sachverhalt in [133] bei Hauptsatznegation wahr bleibt. Wird he olvidado (‘ich hatte vergessen’) negiert, ist der Subjektreferent weiterhin im Haus des im Satz Angesprochenen (que estoy en su casa, ‘dass ich bei Ihnen zu Hause bin’). In [132] hingegen ist der vom Infinitiv denotierte Sachverhalt von einer Negation mitbetroffen. D.h., wird olvidó (‘sie vergaß’) negiert, so kommt es zum Händedruck (estrechar la mano que él le tendía, ‘ihm die Hand drücken, die er ihr entgegenstreckte’). In der Kombination mit Infinitiv gehört olvidar (‘vergessen’) also zur Gruppe der negativ-implikativen Verben, bei denen Haupt- und Nebensatz eine gegensätzliche Polarität aufweisen (cf. Bußmann 2002, 295; s. Kap. 2.9.2.2). Außerdem lässt sich festhalten, dass die Realisierung bzw. allgemeiner die Konstituierung des Nebensatzsachverhalts im Falle der infiniten Realisierung mithin von der des Hauptsatzes abhängt. Sie ist nicht eigenständig. Aus dieser Uneigenständigkeit scheint der oben besprochene Umstand zu resultieren, dass sich die Sachverhaltseigenschaften des infiniten Bestandteils zum Teil auf den finiten übertragen.
236
2 Theorie
Die besprochene Tendenz zur Uneigenständigkeit, zur mit Einschränkung graduierbaren Verbindung zweier Bestandteile zu einem wird im Sinne der Ausführungen aus Kap. 2.10.2 als Verringerung der konzeptuellen Komplexität betrachtet. Auf diese Weise lässt sich in der Domäne der Sachverhaltsbestimmung Ikonizität zeigen. Der formal weniger komplexen Struktur mit Infinitiv entspricht eine weniger komplexe konzeptuelle Realisierung als der formal komplexeren Struktur. Der Realisierung mit finitem Verb entsprechen zwei eigenständige Sachverhalte. 2.10.2.2 Skala: Eigenständigkeit der Zeitreferenz Das, was der Nebensatz denotiert, kann auch in zeitlicher Hinsicht mehr oder weniger eigenständig gegenüber dem sein, was der Hauptsatz denotiert. Auch wenn sie unter einem gewissen Blickwinkel als Unterkategorie des Sachverhalts oder den Sachverhalt bedingend betrachtet werden kann, gibt es verschiedene Gründe, die Domäne der Zeitreferenz gesondert zu betrachten und auf Eigenständigkeit zu prüfen. Einerseits kann auch dann, wenn der Sachverhalt keine besonders hohe Eigenständigkeit aufweist, ein gewisses Maß an Eigenständigkeit bei der Zeitreferenz gegeben sein. Andererseits, und hierbei sind u.U. deutlichere Divergenzen möglich, können der gleiche Zeitbezug, aber voneinander unabhängige Sachverhalte vorliegen. In Kap. 2.9.4.1 wurde dargelegt, welche zeitlichen Verhältnisse zwischen Haupt- und Nebensatz möglich sind. Es wurde der Begriff der zeitlichen Gerichtheit eingeführt. Ausgehend von der Temporalreferenz des Hauptsatzes wird die des Nebensatzes als vor-, gleich- oder nachzeitig bestimmt. Ausdifferenzierungen der Verhältnisse sind die perfekte oder die partielle Gleichzeitigkeit, sowie die Kontiguität, d.h. die angrenzende Abfolge, gegenüber der Nicht-Kontiguität, also getrennten Abfolge. Die angrenzende Abfolge wird in der Literatur auch als engl. Abutment bezeichnet (cf. Kamp/Reyle 1993, 573).313 In Kap. 2.9.6.2 wurde ergänzt, dass in bestimmten Fällen die Rektionsbeziehung aufgegeben werden kann. Dabei verliert eines der (typischerweise zwei) betroffenen Verben seine referentielle Eigenständigkeit. Es lässt sich dann typischerweise nicht mehr für jedes Verb ein eigener Zeitbezug ausmachen. Im Folgenden wird eine Skala vorgeschlagen, die die genannten unterschiedlichen Möglichkeiten ordnen soll. Die Skala basiert also auf der Eigenständigkeit
313 Kamp/Reyle (1993, 570) führen das folgende Beispiel an: Mary has met the president. Sie besprechen das Verhältnis zwischen dem Vorgang des Treffens (e) und dem Resultatszustand des getroffen Habens (s) als abutment (cf. ibid., 570ss.): «s starts at the very moment e ends» (ibid., 573), also als zeitlich direkt angrenzend.
2.10 Bestandteile des Ansatzes zu Objektsätzen
237
der Temporalreferenz. Sie soll in einem weiteren Schritt ermöglichen, synaktische Strukturen einzuordnen. Im Rahmen der Analyse wird darauf Bezug genommen und gezeigt, dass die jeweiligen Grade an Eigenständigkeit Tendenzen zu bestimmten formalen Realisierungen aufweisen. Abweichungen scheinen nur unter bestimmten Umständen zulässig, nämlich wenn in einem anderen Bereich ein entsprechendes Maß an Eigenständigkeit vorliegt, bspw. hinsichtlich des Sachverhalts. So wird die Angemessenheit der Ikonizitätsthese gezeigt. Die Idee, dass unterschiedliche Typen von zeitlichem Verhältnis typischerweise unterschiedlich realisiert werden, ist keineswegs neu. Givón (1980, 371) spricht die «time separation between the event of the main clause and that of the subordinate clause» an. In späteren Veröffentlichungen feilt er die Idee weiter aus, integriert sie in sein Satzverknüpfungsmodell unter dem Titel «co-temporality» (Givón 2001b, 44). Er sieht bei enger Verknüpfung einen Zusammenhang zur Implikativität, versucht die Konzepte aber unabhängig voneinander zu beschreiben (cf. ibid.). Enge syntaktische Verknüpfung geht laut Givón (2001b, 44) mit zeitlicher Abhängigkeit einher. Haupt- und Nebensatzsachverhalt sind «either co-temporal or tightly sequential» (ibid.). Er geht davon aus, dass bei strikter Gleichzeitigkeit nicht nur ein hohes Maß an Abhängigkeit vorliegt, sondern sogar «a single if complex event» (ibid., 45). Als Beispiel für einen solchen einzelnen, aber komplexen Sachverhalt führt er Kausativkonstruktionen an, bei denen die Sachverhalte, die das Kausativverb und das infinite Verb ausdrücken, zur gleichen Zeit gegeben sein müssen (cf. ibid.). Während also *Yesterday she made him shave today (Bsp. aus ibid.) ungrammatisch ist, lässt ein Objektsatz, der von einem Verb des Bittens regiert wird, die zeitreferentielle Divergenz zu (cf. ibid.): Yesterday she asked him to shave today (Bsp. aus ibid.). Givón (2001b) zeigt die Korrelation des temporalen Faktors mit der Kontrolle (cf. ibid., 46s.) und dem Erfolg der Einflussnahme («successful causation», ibid., 50). Der Abgleich ist hilfreich.314 Dennoch bleibt festzuhalten, dass Givón (2001b, 45) in seiner Darstellung zur Co-Temporalität zwar auf Abstufungen Bezug nimmt und sogar ein Kontinuum zugrunde zu legen scheint, einzelne Abstufungen und Grade aber nicht konkretisiert werden. Dies soll hier erfolgen. Die vorgeschlagene Skala ist fünfstufig. Sie lässt sich wie folgt grafisch darstellen (s. Abb. 3).
314 Givón (2001b) greift damit auch eine Tradition auf, in der synthetische Strukturen von analytischen abgegrenzt werden, was besonders am Beispiel von kill vs. cause to die geschieht (cf. bspw. Fodor 1970; Haiman 1983, 783s.; 2000, 286; Jackendoff 1990, 150s. usw.).
238
2 Theorie
Eigenständigkeit Ausrichtung 1.
keine
2.
gering
3.
Stufen der Skala Gemeinsame Zeitreferenz Gleichzeitig / überlappende Zeitreferenz Sachverhalt2 hat zeitliche Relevanz für t1 (Resultatsperfekt)
4. 5. 6.
Angrenzend vor- oder nachzeitig hoch
Voneinander unabhängige Koinzidenz Getrennt vor- oder nachzeitig (Nicht-Kontiguität)
Abb. 3: Skala der Eigenständigkeit der Zeitreferenz.
Die Skala zeigt sechs Stufen von der Abwesenheit von Eigenständigkeit, über geringe bis hin zu hoher zeitlicher Eigenständigkeit. Die erste Stufe, die referenzsemantisch durchaus naheliegt, stellt abstrakt-funktional betrachtet eine Art Sonderfall dar. Es können hier im Grunde nicht mehr zwei Zeitreferenzen verglichen werden, da sie zu einer verschmelzen. Die weiteren Stufen ermöglichen hingegen einen Abgleich von je zwei Zeitpunkten oder Zeiträumen. Ein weiterer und besonders wichtiger Bruch wird beim Schritt von der vierten zur fünften Stufe angenommen. Ab der fünften Stufe ist temporalsemantische Eigenständigkeit gegeben. Entweder ist sie instantiiert als zeitliche Koinzidenz, wo aber in Haupt- und Nebensatz jeweils unabhängig voneinander auf den gleichen Zeitpunkt Bezug genommen wird (Stufe 5). Oder es besteht wie mit Stufe 6 dargestellt kein zeitlicher Kontakt der Sachverhalte. Dieser Fall ist die häufigere Realisierung temporalsemantischer Eigenständigkeit. Wiederholend sei betont, dass es sich um eine zeitliche Skala handelt, die zunächst keine Aussagen über andere Verhältnisse macht. Sinn und Zweck der Skala ist, die Domäne von anderen unterscheidbar zu machen. Nichtsdestotrotz sind die Grade der Eigenständigkeit nicht selten parallel. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass die Skala davon abstrahiert, ob der Nebensatzsachverhalt vor- oder nachzeitig zu dem des Hauptsatzes ist. Die folgenden Beispiele veranschaulichen zunächst die Stufen 1 bis 4 der Skala. Ihre Eigenschaften werden unten kurz angerissen. Ausführlicher werden sie dann in den entsprechenden Analysekapiteln besprochen. [134] A estas alturas de examen los candidatos que demuestren andar sobrados de gracia y desparpajo habrán dado un paso de gigante hacia su ingreso en la Tuna Universitaria Compostela. (1VO:072-2.2-16) ‘Zu dem Zeitpunkt der Prüfung haben die Kandidaten, die Anmut und Souveränität in Hülle und Fülle zu erkennen geben, schon einen Riesenschritt hin zum Eintritt in die Tuna Unversitaria Compostela (Studentenkapelle von Compostela) gemacht.’
2.10 Bestandteile des Ansatzes zu Objektsätzen
239
[135] El regidor melidense afirma sentirse muy satisfecho y orgulloso por haber tomado parte en esta expedición [...]. (1VO:038-1.1-03) ‘Der Stadtrat Melillas gibt an, sich sehr zufrieden und stolz zu fühlen, an dieser Reise teilgenommen zu haben.’ [136] Al fin empecé a oír el rumor de pasos impacientes que me buscaban, la voz de mamá preguntando por mí y la de Agustina afirmando no haberme visto en toda la tarde. (SUR:030.13) ‘Schließlich begann ich, die Geräusche ungeduldiger Schritte auf der Suche nach mir zu hören, die Stimme meiner Mutter, die nach mir fragte, und die von Agustina, die angab, mich den ganzen Nachmittag nicht gesehen zu haben.’ [137] Y me juré estar siempre al lado de los explotados. (HOM:032.03) ‘Und ich schwor mir, immer den Ausgebeuteten zur Seite zu stehen.’ In [134] liegt gemeinsame Zeitreferenz vor. Derartige Strukturen nähern sich funktional den Verbalperiphrasen an. Die temporalen Eigenschaften sind dabei nur schwer von denen zu trennen, die auf der Sachverhaltsebene anzusiedeln sind. Das Verb demostrar (‘zeigen’) wird dementsprechend im Zusammenhang mit der Sachverhaltseigenständigkeit behandelt (s. Kap. 5.1.2.2). [135] stellt die überlappende Gleichzeitigkeit dar. Der Zustand, den der Sprecher im Nebensatz beschreibt (sentirse muy satisfecho, ‘sich sehr zufrieden zu fühlen’), hat eine größere Ausdehnung als der Hauptsatzsachverhalt (afirma, ‘gibt an’). In [136] hat der Nebensatzsachverhalt zeitliche Relevanz in Hinblick auf den Hauptsatzsachverhalt. Die Zuschreibung no haber visto (‘nicht gesehen haben’) hat bis zu dem Zeitpunkt Gültigkeit, zu dem der vom Matrixverb assertierte Sachverhalt eintritt (afirmando, ‘angebend’) und ihre Relevanz dauert zum im Hauptsatz assertierten Zeitpunkt an. Das Beispiel [137] zeigt angrenzende Nachzeitigkeit. Auf den Schwur (me juré, ‘ich schwor mir’) folgt direkt die Einnahme einer bestimmten Geisteshaltung (estar al lado de los explotados, ‘den Ausgebeuteten zur Seite stehen’). Handlungen, die mit der Haltung einhergehen, sind auf Grundlage von Weltwissen erwartbar, aber nicht unbedingt Teil der lexikalischen Bedeutung des Ausdrucks im Nebensatz. In all diesen Okkurrenzen besteht keine konkrete temporalsemantische Divergenz zwischen Haupt- und Nebensatz. Die Nebensätze werden jeweils mit infinitem Verb ohne die Konjunktion que (etwa: ‘dass’) gebildet. Bei den folgenden Beispielen ist die Zeitreferenz hingegen als eigenständig zu klassifizieren. Sie veranschaulichen die Stufen 5 und 6 der Skala.
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2 Theorie
[138] Te lo advierto y te juro que hablo muy en serio. (CIN:036.11) ‘Ich rate es dir und ich schwöre dir, dass ich sehr ernst meine, was ich sage (wörtl.: dass ich sehr im Ernst spreche).’ [139] Pero j[ú]rame que no le contarás a nadie lo que te voy a decir. (SUR:081.09) ‘Aber schwöre mir, dass du niemandem erzählen wirst, was ich dir sage.’ In [138] wird die voneinander unabhängige zeitreferentielle Koinzidenz vorgestellt. Dass Haupt- und Nebensatz auf den gleichen Zeitpunkt Bezug nehmen, ist außersprachlich determiniert, es wären aber auch andere Verhältnisse möglich. Wichtig ist, dass die Koinzidenz mit einem infiniten Nebensatz nicht versprachlicht werden könnte. Dann wäre vielmehr angrenzende Nachzeitigkeit gegeben (s. das obige Beispiel [137]). Das Beispiel [139] schließlich zeigt einen deutlichen, nämlich expliziten Fall von Nicht-Kontiguität: Zum Hauptsatzsachverhalt und dem des Nebensatzes kommt im Relativsatz ein dritter hinzu, der sich zeitlich zwischen die beiden anderen positioniert. Der Hauptsatzsachverhalt, ein vom Gesprächspartner geforderter Schwur (júrame, ‘schwöre mir’, Svh1), ist nachzeitig zum Sprechzeitpunkt. Der Inhalt des Schwurs ist, Schweigen zu bewahren (no contarás, ‘du wirst niemandem erzahlen’, Svh2). Schweigen soll der Gesprächspartner bezüglich bestimmter Informationen bewahren, die der Sprecher ihm im Anschluss an seinen Schwur mitzuteilen gedenkt (lo que te voy a decir, ‘was ich dir sagen werde’). Bei dieser geplanten Informationsübergabe handelt es sich um den zusätzlichen Sachverhalt (Svh +). Er muss notwendigerweise vor dem zweiten Sachverhalt gegeben sein, da ja der Gesprächspartner erst dann eine Information verschweigen kann, wenn er sie kennt. Schematisch lassen sich die Verhältnisse wie in Abb. 4 darstellen. Sprechzeitpunkt
Svh1
Svh+
jurartú
deciryo
Svh2
Zeitverlauf
no contartú
Abb. 4: Schematische Darstellung zu Beispiel [139].
Das Schema verdeutlicht die Erläuterungen. Die zeitliche Abfolge spiegelt offenbar logische Verhältnisse wider. Die Zeitformen selbst, Sachverhalt1 wird durch eine Verbform im Imperativ, Sachverhalt + durch eine mit synthetischem und Sachverhalt2 durch eine mit analytischem Futur zum Ausdruck gebracht, können die Verhältnisse nicht gänzlich vereindeutigen. Die Aktionsart trägt zur Klärung bei. Im vorliegenden Beispiel lässt sich allerdings nur über die Telizität von jurar (‘schwören’) und decir (algo) (‘etwas sagen’) die Abfolge der Vorgänge, die sie
2.10 Bestandteile des Ansatzes zu Objektsätzen
241
denotieren, begründen. Dass der atelische Umstand no contar (‘nicht erzählen’) nach dem Schwur (jurar, ‘schwören’) eintritt, ist allerdings nicht aktional motivierbar. Durch den die Sachverhalte von Haupt- und Nebensatz verbindenden Relativsatzsachverhalt wird die Abfolge logisch festgelegt. Die beiden zuletzt genannten Beispiele illustrieren die beiden Stufen mit zeitreferentieller Eigenständigkeit der Sachverhalte von Haupt- und Nebensatz. Sie sind finit mit eingefügter Konjunktion que (‘dass’) realisiert. In der temporalen Domäne wird die zeitreferentielle Eigenständigkeit, also die Bezugnahme auf zwei eigene Zeitpunkte, als größere Menge an konzeptuellem Material bestimmt. Im Vergleich dazu wurden die oben vorgestellten Grade von zeitreferentieller Uneigenständigkeit als geringere Menge konzeptuellen Materials eingestuft. Die dazu präsentierten Beispiele wurden infinit und ohne die Konjunktion que (‘dass’) realisiert. Es liegt also Komplexitätsikonizität im hier bestimmten Sinne vor. 2.10.2.3 Verortung in eigenständiger Welt Die dritte Domäne, die im Rahmen der Analyse der Nebensätze in der Funktion von Akkusativobjekten diskutiert werden soll, ist die des Weltbezugs. In der Schulgrammatik ist eine dreigliedrige Differenzierung üblich, die die Stufen real, möglich und irreal unterscheidet (cf. bspw. auch die Diskussion in Gili Gaya 1993, 318ss.). Die Staffelung ist grundsätzlich hilfreich, bestimmte Phänomene der spanischen Sprache lassen sich so einordnen. Für weitergehende Fragen und Anforderungen ist sie jedoch nicht nützlich. Eine präzisere Darstellung bieten die Modallogik und modalsemantische Forschung. Konzeptionell eingängig ist die Mögliche-Welten-Semantik. Vereinfacht handelt sich bei möglichen Welten um «Alternativen zur realen Welt, also unserer Bezugswelt» (Becker 2014, 63; cf. bspw. auch Lohnstein 2011, 277). Aussagen lassen sich hinsichtlich ihres Wahrheitswerts in bestimmten Welten evaluieren (cf. Lohnstein 2011, 277ss.). Becker (2014, 97) formuliert genauer, «Propositionen lassen sich […] als Funktionen von möglichen Welten in Wahrheitswerte bestimmen». Der Ansatz findet insbesondere in der Modus- und Modalitätsforschung Anwendung (cf. etwa Lohnstein 2011, 346ss., für einen eingehenden Forschungsüberblick Becker 2014, Kap. 1.2, bes. 1.2.4–1.2.5, sowie für einen Applizierungsvorschlag ebenfalls Becker 2014, Kap. 1.2.6). Löbner (2015) bestimmt das Ausgangsproblem des Ansatzes wie folgt. «Durch ein Modell muss für jeden Satz der zu interpretierenden Sprache sein Wahrheitswert in diesem Modell determiniert sein» (ibid., 425). Er gibt weiter an, für das Modell «müssten […] alle Informationen gegeben werden, die […] für die Wahrheitsbeurteilung […] relevant sein könnten» (ibid., 426). Das Ergebnis wäre eine mögliche Welt (cf. ibid.). Löbner (2015, 426) schränkt ein, dass keine vollständige Information gegeben werden kann und dass die Beschreibung davon abstrahiert
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2 Theorie
und sich auf einzelne Faktoren konzentriert. Mögliche Welten können der angenommenen realen Welt sehr stark ähneln und sich bspw. nur durch eine Eigenschaft von ihr unterscheiden (cf. ibid.). Wie Löbner (2015, 432) betont, geht es der Mögliche-Welten-Semantik v.a. um kompositionale Bedingungen auf Satzebene. Als Schwäche des Ansatzes führt er an, dass er «die konzeptuelle Ebene ausblendet und Satzbedeutung mit Wahrheitsbedingungen gleichsetzt» (ibid., 435). Wie Hacquard (2011, 1487) angibt, ist die Stärke des Ansatzes, dass Wahrheitswerte nicht mehr «absolute (either true or false), as in standard propositional logic, but relative to a possible world» bestimmt werden können. Er gibt zu bedenken, dass auch der Wahrheitswert einer Äußerung schlicht als eine Modalkategorie beschrieben werden kann, der alethischen Modalität (cf. ibid., 1488). Der analytische Mehrwert der Annahme möglicher Welten ist wie eingangs erwähnt, insbesondere ein konzeptioneller. Sachverhaltsmengen können so einander gegenübergestellt werden. Die Bezugnahme auf eine alternative Welt kann mithilfe verschiedener lexikalischer und grammatischer Mittel angezeigt werden (cf. bspw. Becker 2014, 73ss. mit einigen Überlegungen zum Verhältnis zwischen den beiden Kategorien315). Im folgenden Beispielsatz kommt Kontrafaktizität zum Ausdruck. Der Konditionalsatz weist auf eine Verschiebung des Weltbezugs hin (cf. Löbner 2015, 426). Die Verben im Konditional situieren die Sachverhalte in einer möglichen Welt w2, die von der Ausgangswelt w1 abweicht (w2 ≠ w1) (cf. ibid.). D.h., in der möglichen Welt w2, in der ein Mittagsschlaf realisiert wurde, gilt nicht, dass dem Subjektdenotat die Eigenschaft zugeordnet werden kann, müde zu sein (cf. ibid.). [140] Wenn Angelika gerade einen ausgiebigen Mittagsschlaf gemacht hätte, wäre sie nicht müde. (Bsp. aus Löbner 2015, 426) Auch lexikalische Elemente können alternative Welten einführen. Bspw. ordnen Verben des Denkens u.ä. dem Subjektreferenten (der Extension des Subjekts) eine von ihm gedachte Welt316 zu (cf. Lohnstein 2011, 356). Das Beispiel [141] bewegt sich lexikalisch in der Domäne der Möglichkeit (nicht des Kontrafaktischen). [141] Karl glaubt, dass Otto eingeschlafen ist. (Bsp. aus Lohnstein 2011, 356)
315 Becker (2014, 73ss.) spricht im betreffenden Abschnitt eigentlich über die Termini Modus und Modalität und ihr Verhältnis zueinander. 316 Genauer gesagt modelliert Lohnstein (2011, 356 mit einem weiteren Literaturverweis) eine solche Struktur, indem er dem Individuum einen doxastischen Hintergrund (also etwa einen Glaubenshintergrund) zuordnet.
2.10 Bestandteile des Ansatzes zu Objektsätzen
243
Der Wahrheitswert des Satzes ist positiv, wenn die Zuordnung der eingebetteten Proposition zur Glaubenswelt des Subjektreferenten richtig ist (cf. Lohnstein 2011, 357). Mithilfe des Ansatzes können also auch Kombinationen von einem Hauptund einem Nebensatz untersucht werden. Eine Besonderheit ist allerdings, dass in den wie oben gesagt modallogisch oder modalsemantisch ausgerichteten Beschreibungen das Matrixverb bzw. genauer v.a. das Modal- oder Kognitionsverb als Operator aufgefasst wird (cf. bpsw. Kratzer 1991, 640ss.). In der WeltenSemantik wird so der Gesamtsatz in den Blick genommen (cf. etwa Lohnstein 2011, 356s.; s.o.). Es ist offenbar nicht Ziel, Teilsätze einzeln zu erfassen und ihren jeweiligen Status abzugleichen. Genau das stellt allerdings im vorliegenden Rahmen einen zentralen Punkt dar. Die Analyse wird wiederum semantisch basiert sein. Auf detaillierte Graduierungen wird im Gegensatz zu den zuvor besprochenen Domänen allerdings weitgehend verzichtet. Eine feingliedrige semantische Aufarbeitung der Weltenthematik würde die beiden anderen Domänen involvieren müssen: Die einem Satz zugeordnete mögliche Welt umfasst eine Personal- und eine Temporalreferenz sowie einen referierten Sachverhalt (cf. Lohnstein 2011, 393). Die Personalreferenz kann im vorliegenden Rahmen wegen der notwendigen Subjektkoreferenz zwischen Haupt- und Nebensatz (s. Kap. 2.9.2.1) ausgeblendet werden. Die Zeitreferenz wird eigens und mit einer eigenen Systematik erfasst (s. Kap. 2.10.2.2). Gleiches gilt für den Sachverhalt (s. Kap. 2.10.2.1). Um die Domäne des Weltbezugs abzugrenzen, ist also eine gewisse Abstraktion bzw. sogar Reduktion nötig. Auch für die Domäne der Weltverortung wird wieder von den beiden Möglichkeiten der Eigenständigkeit und der Uneigenständigkeit ausgegangen. Wie auch bei den beiden anderen Domänen wird die Verortung in der Welt ggfs. einerseits des Haupt- und andererseits v.a. des Nebensatzes überprüft und miteinander verglichen. Vereinfacht gesagt, ergibt sich die folgende Opposition: Wird auf die gleiche Welt Bezug genommen, so liegt Uneigenständigkeit vor. Gleiches gilt, wenn nur eine einzelne Welt auftritt, was etwa möglich ist, wenn keine syntaktische und semantische Unterordnung vorliegt. Eigenständigkeit ist gegeben, wenn Haupt- und Nebensatz auf unterschiedliche Welten Bezug nehmen. Die genaue Positionierung der Abgrenzung ist allerdings nicht ganz trivial. Es sei an die zu Beginn des Kapitels erwähnte grundlegende Unterscheidung real vs. möglich vs. irreal (kontrafaktisch) erinnert, die dreigliedrig ist. Hier wird jedoch eine zweigliedrige Opposition angesetzt. Es ergeben sich unterschiedliche Möglichkeiten für ein Mapping. Wird die Kategorie des Möglichen nicht weiter ausdifferenziert, so bleiben zwei Mappingvarianten. Die Uneigenständigkeit kann entweder nur das Reale oder das Reale und das Mögliche umfassen und die Eigenständigkeit jeweils die entsprechenden Gegenstücke. Für die hier untersuchten
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2 Theorie
Phänomene scheint die zweite Variante die entscheidende zu sein.317 Das Mögliche ist offenbar dem Realen ähnlicher als dem Kontrafaktischen, sodass die Grenze zwischen dem Bereich des Möglichen und dem des Irrealen zu setzen ist. Für die Konzeptualisierung bedeutet das, dass offenbar eine leichte Modalisierung nicht den Status einer zu konzeptualisierenden Einheit ändert. Der Komplexitätsgrad wird nicht (entscheidend) erhöht. Der Fall der Kontrafaktizität führt zu einem divergenten konzeptuellen Status, dem der weltreferentiellen Eigenständigkeit. Er ist mit einem erhöhten konzeptuellen Aufwand verbunden. Es ist kognitive Komplexität gegeben. Zur Überprüfung der weltbezogenen Verortung wird bei imaginar (‘sich vorstellen’) auf Wahrheitswerte zurückgegriffen (s. Kap. 5.1.4.1). Es wird jeweils überprüft, ob dem Nebensatz ein positiver Wahrheitswert, einschließlich der Möglichkeit (s.o.), zukommt oder nicht. Wie gezeigt werden wird, ist es aufschlussreich, den Wahrheitswert, den das Matrixsatzsubjekt zuschreibt, damit zu vergleichen, wie der Sprecher den Nebensatz evaluiert. Die Argumentation bzgl. der Ikonizität geht auf die gleiche Weise vonstatten wie in den beiden anderen Domänen. Die Okkurrenzen, bei denen Uneigenständigkeit gegeben ist, die also konzeptuell weniger komplex sind, müssten mit infiniten Strukturen realisiert werden. Der Realisierung wird eine geringere formale Komplexität zugeordnet. Die Fälle von Eigenständigkeit hingegen, die konzeptuell komplexere Variante, müssten finite Nebensätze enthalten. Im recht kleinen Datensatz, der in Kap. 5.1.4 vorgestellt wird, trifft das zu. Es ist Komplexitätsikonizität gegeben. 2.10.2.4 Zusammenfassung: Konzeptuelle Komplexität bei Objektsätzen Die konzeptuelle Komplexität wird als Informationsmenge definiert, die einer Struktur entspricht. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit liegt der Betrachtungsfokus dabei generell auf der Gesamtstruktur, hinsichtlich der Objektsätze also auf dem Haupt- und dem Nebensatz sowie auf ihrem Zusammenhang. Als relevante Bestandteile der konzeptuellen Komplexität wurden die folgenden besprochen. Erstens und grundlegend ist das Vorhandensein eines gegenüber dem Hauptsatzsachverhalt eigenständigen Sachverhalts des Nebensatzes zu nennen. Der Sachverhalt lässt sich anhand der folgenden Fragen charakterisieren und als mehr oder weniger eigenständig bestimmen: Was ist oder geschieht? Wie ist oder geschieht es? Unter welcher Art der Beteiligung von wem ist oder geschieht es?
317 Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass sich – u.U. sogar ähnliche – sprachliche Phänomene finden lassen, bei denen die drei Elemente anders zusammengefasst werden müssen.
2.10 Bestandteile des Ansatzes zu Objektsätzen
245
Als weiteres Indiz für einen eigenständigen Sachverhalt ließe sich der Zeitbezug des Objektsatzes nennen. Er ist allerdings nicht konstitutiv für den Sachverhalt. Da er jedoch für die Bestimmung der konzeptuellen Komplexität der Gesamtstruktur besonders wichtig ist, wird er eigens behandelt. Es gibt drei Hauptmöglichkeiten relativer Zeitreferenz sowie zwei Untergruppen mit je oppositiven Ausprägungsmöglichkeiten. Der Nebensatzsachverhalt kann vor-, gleich- oder nachzeitig zum Hauptsatzsachverhalt stattfinden bzw. Gültigkeit haben. Die Gleichzeitigkeit kann entweder vollständig oder teilweise sein. Bei Vor- und Nachzeitigkeit können die beiden Sachverhalte entweder angrenzend oder deutlich voneinander getrennt sein. Divergiert die Zeitreferenz der beiden Sachverhalte, so steht eine höhere konzeptuelle Komplexität in Aussicht. Steht der Zeitbezug des Nebensatzsachverhalts in keinem Kontaktverhältnis zu dem des Hauptsatzes, so ist er eigenständig. Es wird dann von hoher konzeptueller Komplexität ausgegangen. Im Rahmen der Domäne des Weltbezugs wird überprüft, ob der Nebensatz in der gleichen Welt verortet wird wie der Hauptsatz. Wird der Nebensatz als real bzw. wahr oder möglich präsentiert, so wird er in der gleichen Welt wie der Hauptsatz verortet. Er verfügt hingegen über eine eigenständige Weltverortung, wenn er kontrafaktisch ist. Kontrafaktizität kann vom Sprecher oder vom Matrixsatzsubjekt zugewiesen werden (cf. etwa auch Becker 2014, 219). Die Zuweisung von Kontrafaktizität durch eine der beiden Entitäten genügt, dass eine Struktur als konzeptuell komplex zu werten ist. Wie der Überblick verdeutlicht, lässt sich die konzeptuelle Komplexität bei Objektsätzen einerseits verschiedenen Domänen zuordnen. Andererseits kann sie innerhalb der Domänen zumindest teilweise graduiert werden. Obschon die verbalen Types z.T. recht unterschiedlich sind, zeigt die Analyse, dass im Rahmen des begrenzten Sets klar parallele Tendenzen gegeben sind. Die Graduierung ist allerdings unbedingt relational zu verstehen. Keine der Skalen ist darauf ausgerichtet, nummerische Werte auszugeben, die auch absolut Bestand haben würden. Dementsprechend ist auch ein Vergleich zwischen den Domänen nicht sinnvoll. Dass bei einer Erweiterung der Untersuchung weitere Kategorien (i. S. der Domänen) nötig sein könnten, ist nicht auszuschließen. Die drei hier untersuchten sind jedoch sicherlich die stichhaltigsten.
3 Methodik Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel, unterschiedliche verbale Strukturen des Spanischen einheitlich zu beschreiben. Sie kombiniert dafür mehrere theoretische Ansätze und setzt sie zu einer schlüssigen und weit ausdifferenzierten Theorie zusammen. Die theoretische Seite stellt einen gewichtigen Anteil der Arbeit, der auch über die romanistische Forschung hinaus von Wert sein kann. Dass der Ansatz in sich stimmig ist, kann argumentativ verdeutlicht werden. Seine deskriptive Tragfähigkeit ist jedoch nur datenbasiert belegbar. Die Untersuchung von Sprachdaten hat u.a. die weiteren Vorteile, dass Nuancen ersichtlich werden, bei größeren Datenmengen ggfs. auch relative Tendenzen, sodass sich Klassifizierungen bestätigen oder anpassen lassen. Ein praktischer Vorteil ist, dass die Beispiele verwendet werden können, um die Zusammenhänge zu veranschaulichen. Die Arbeit macht sich verschiedene linguistische Methoden zunutze und untersucht unterschiedliche Typen von Daten (cf. bspw. Wildgen 2008, 22s.). Der Fokus liegt auf Korpusdaten. Sie werden großteils mittels der ADESSE-Datenbank abgerufen (cf. http://adesse.uvigo.es, letzter Zugriff: 02.02.19) und dienen der umfassenden Belegung der hier vorgestellten Theorie. Zusätzlich werden experimentelle Daten besprochen, die in einer umfangreichen Erhebung generiert wurden. Sie geben ergänzend Aufschluss bezüglich der Adäquatheit und der kognitiven Relevanz der Erkenntnisse. Gegenstand der Untersuchung ist das aktuelle peninsulare Standardspanisch.318 Die Daten wurden, soweit möglich, hinsichtlich ihrer Herkunft kontrolliert. Auch bzgl. verschiedener weiterer Variationsdimensionen wurde ein recht einheitliches Set an Daten angestrebt. Insbesondere gehören die befragten Sprecher der experimentellen Untersuchung einer recht einheitlichen Population an.
3.1 Korpusanalyse: Verwendete Korpora Die Grundlage der Untersuchung der vorliegenden Arbeit bildet eine umfassende Korpusuntersuchung. Die zu behandelnden Strukturen werden also innerhalb realer Sprachdaten überprüft, die im Gegensatz etwa zu introspektiven Daten von linguistischem Fachwissen unbeeinflusst sind. Sie sollen zumindest medial 318 Insbesondere für die theoretische Aufarbeitung werden allerdings in Erläuterungen und für Präzisierungen immer wieder auch Beispiele aus anderen Sprachen präsentiert, die großteils aus der Forschungsliteratur übernommen sind. https://doi.org/10.1515/9783110595826-003
3.1 Korpusanalyse: Verwendete Korpora
247
einen weitgehend neutralen Querschnitt bezüglich der abgebildeten Sprache wiedergeben. So werden verlässliche Aussagen hinsichtlich des tatsächlichen Sprachgebrauchs angestrebt, die über ein recht weitgehendes und in jedem Fall evaluierbares Maß an Gültigkeit verfügen. Der Erfolg des Unterfangens ist gebunden an die Qualität des Korpus. Die Verwendung von nicht selbst erhobenen Korpusdaten, die zudem online frei verfügbar sind, hat den wichtigen Vorteil, dass die Ergebnisse leicht reproduzierbar sind. Eine genaue Darlegung des Vorgehens ermöglicht zudem ergänzende Folgestudien. Für die vorliegende Untersuchung wurden die Daten überwiegend der ADESSE-Datenbank der Universität Vigo (Base de verbos, alternancias de diátesis y esquemas sintáctico-semánticos del español) entnommen, die im Internet unter http://adesse.uvigo.es (letzter Zugriff: 02.02.19) frei zugänglich ist. Die besagte Datenbank ist eine Weiterentwicklung der Base de Datos Sintácticos del español actual (kurz BDS) und speist sich aus dem ARTHUS-Korpus (Archivo de textos hispánicos de la Universidad de Santiago). Das Korpus319 enthält vierunddreißig Texte (cf. für die Informationen zum Korpus http://adesse.uvigo.es/data/corpus. php, Zugriff: 02.02.19). Die genrespezifische Bandbreite reicht von literarischer Prosa und Dramen über Sachtexte aus Tageszeitungen und Essayistik bis hin zur gesprochenen Sprache. Die Texte repräsentieren das aktuelle Spanisch. Sie sind allesamt zwischen 1981 und 1991 erschienen.320 Das Korpus enthält und differenziert peninsulares und lateinamerikanisches Spanisch und umfasst insgesamt rund 1,45 Millionen Formen bzw. rund 160 000 Sätze.321 In Suchanfragen können die beiden Varietäten diskriminiert werden. Die Möglichkeit wurde genutzt, da sich die vorliegende Arbeit mit dem Spanisch der iberischen Halbinsel beschäftigt. Diese Varietät ist im Korpus mit fast 79% stärker repräsentiert und umfasst über 1,14 Millionen Einträge. Aus der Verteilung innerhalb des Korpus ergibt sich ein schriftsprachlicher Fokus: Der Anteil gesprochener Sprache am peninsularen Spanisch beträgt nur rund 18,22%. Die gesprochene Sprache ist damit wie in vielen anderen Korpora auch im Grunde unterrepräsentiert, insofern, wie Sinclair (2005, Kap. 5, ohne Seitenangabe) angibt, Sprecher üblicherweise mit einem deutlich höheren sprechsprachlichen
319 Die Informationen zur ADESSE-Datenbank sind großteils auf den Webseiten der Datenbank verfügbar: http://adesse.uvigo.es/ (letzter Zugriff: 02.02.19). 320 Eine Besonderheit ist Cortázar (1981): Queremos tanto a Glenda. Zwar handelt es sich dabei um die vierte Auflage, die auch innerhalb des genannten Zeitraums erschien. Die erste Auflage war aber bereits ein Jahr zuvor erschienen. Allerdings handelt es sich hierbei um eine lateinamerikanische Veröffentlichung (s.u.), die nicht berücksichtigt wurde. 321 Die Information bzgl. der Anzahl der Sätze findet sich auf der Internetseite der BDS: http:// www.bds.usc.es (Zugriff: 02.02.19).
248
3 Methodik
Anteil konfrontiert sind.322 Die Verteilung innerhalb des schriftsprachlichen Anteils ist bezüglich des europäischen Spanisch die folgende: Erzählungen sind mit rund 33,79% am stärksten vertreten. Darauf folgt die Rubrik des Theaters mit ca. 18,62%. Essayistische Texte machen etwa 14,76% aus und Zeitungstexte rund 14,61%. Die verschiedenen Kategorisierungen sind nicht unbedingt so sauber, wie sie zunächst erscheinen mögen. Es können variationale Abweichungen enthalten sein. So wird bspw. hinsichtlich der enthaltenen Zeitungen die Herkunft der Autoren der einzelnen Artikel nicht berücksichtigt. Auch die genrespezifischen Abgrenzungen können punktuell kritisch sein. Die verschiedenen Publikationen können Teile enthalten, die der Überklassifizierung entgegenstehen. In Zeitungen gibt es bspw. Subgenres, die neutraler oder aber stärker individuell geprägt sind. Martín Gaite (1988) hingegen, dessen Beispiele mit der Abkürzung USO gekennzeichnet sind, ist als «Ensayo» klassifiziert und enthält sehr viele teils eher schriftsprachliche, teils aber auch ursprünglich mündlich geäußerte Zitate. Die meisten entspringen einer früheren Zeitspanne als der, die hier als relevant angegeben ist (cf. den Titel des Werks: Usos amorosos de la posguerra española). Derartige Phänomene dürften in den meisten Korpora gegeben sein. In der Analyse werden sie fast völlig ausgeblendet. Die Menge der Korpusdaten ist deutlich geringer als die eines Referenzkorpus. Das Corpus de referencia del español actual (kurz CREA) der Real Academia Española umfasst beispielsweise derzeit über 154 Millionen Einträge (cf. http://www.rae.es/recursos/banco-de-datos/crea-escrito, Zugriff: 02.02.19323). Allerdings sind die Daten der ADESSE syntaktisch und semantisch annotiert. Der zeitgenössische Teil des ARTHUS-Korpus wurde bereits für die BDS manuell annotiert (cf. http://www.bds.usc.es, Zugriff: 02.02.19). Die Annotation wurde für die ADESSE vervollständigt und weiterentwickelt. Dabei handelt es sich um den entscheidenden Vorteil der ADESSE-Datenbank. Besonders die syntaktische Annotation des Korpus ist eine notwendige Voraussetzung für die Verwendung in der Untersuchung. Im Rahmen der Arbeit werden immer wieder auch Daten aus der Literatur, aber auch aus zusätzlichen Quellen diskutiert. Sie werden allerdings nicht oder nur punktuell systematisch untersucht. Besonders relevant ist erstens die 322 Auf der Internetseite der ADESSE finden sich keine prozentualen Angaben bezüglich der einzelnen Varietäten (cf. http://adesse.uvigo.es/data/corpus.php, Zugriff: 02.02.19). Für die Korrektheit der Rechnungen ist allein der Verfasser der vorliegenden Arbeit verantwortlich. 323 Ein früherer Link, zu einer Seite, die die Information bereithielt, erlaubt keinen Zugriff mehr (cf. http://www.rae.es/rae/gestores/gespub000019.nsf/voTodosporId/E1E307BE0FBEE6FFC1257464003B0B63?OpenDocument, Zugriff: 22.04.13).
3.1 Korpusanalyse: Verwendete Korpora
249
Online-Suchmaschine Google (http://www.google.de sowie http://www.google. es, letzter Zugriff: 02.02.19). Sie ist gut für spontane Anfragen mit dem Ziel einer groben Einschätzung geeignet. Da in dem System keine Qualitätssicherung bzgl. der Sprache, den Urhebern, Varietäten, aber auch der distributionellen Faktoren, bspw. können die gleichen Daten auf mehreren Websites präsentiert und daher mehrfach berücksichtigt sein, usw. erfolgt, sind Ergebnisse ggfs. mit Vorsicht zu genießen. Zweitens wird das bereits o.g. CREA-Korpus für punktuelle Anfragen zurate gezogen (cf. http://corpus.rae.es/creanet.html, letzter Zugriff: 02.02.19). Es ist wie oben betont sehr viel umfangreicher als das ARTHUSKorpus, dem die Daten der ADESSE-Datenbank entspringen, aber nicht annotiert. Vorteilhaft ist allerdings, dass es ebenfalls frei zugänglich ist und dass verschiedene spanische Varietäten sowie Daten mehrerer Genres einzeln abgefragt werden können.
3.1.1 Annotierte Information in der ADESSE-Datenbank Die ADESSE versteht sich, wie ihr Name (Base de verbos, alternancias de diátesis y esquemas sintáctico-semánticos del español) verrät, v.a. als Verbdatenbank. Bei der Abfrage können zunächst die im vorangegangenen Kapitel besprochenen Restriktionen vorgenommen werden (cf. für die Ausführungen http://adesse. uvigo.es/data/avanzado.php, letzter Zugriff: 02.02.19): Hinsichtlich der Herkunft können lateinamerikanisches und peninsulares Spanisch einzeln oder gemeinsam abgefragt werden. Bezüglich des Genres sind fünf Kategorien vorhanden (s. Kap. 3.1). Die ADESSE berücksichtigt verschiedene syntaktische, morphosynaktische und semantische Merkmale, die bei Suchanfragen einzeln oder in vielerlei Kombinationen abgefragt werden können. Es können ein Verb als lexikalische Einheit, eine Einzelbedeutung eines Verbs oder aber eine ganze Verbklasse ausgewählt werden. Die Verbalklassen (s. auch die Diskussion in Kap. 2.6.1) sind sechs recht abstrakten Hauptgruppen zugeordnet, mental, relationierend, materiell, das Sprechen betreffend, existentiell und etwa die Einflussnahme graduierend. Die Hauptgruppen sind in viele Untergruppen aufgeteilt. Es sind hinsichtlich der Form des Verbs Modi und Tempora spezifizierbar sowie das Auftreten in einer Vielzahl an Verbalperiphrasen. Schließlich kann auch die Diathese spezifiziert werden. Es sind Aktiv, Passiv, verschiedene pronominale (halb-)passivische Strukturen und die sogenannte kausative Diathese mit hacer (‘machen’) oder dejar (‘lassen’) mit Infinitiv wählbar. Sodann sind Restriktionen bzgl. der Argumentstruktur möglich. Zunächst kann die Anzahl oder eine Mindestanzahl der Aktanten festgelegt werden. Im nächsten Schritt können die Eigenschaften jedes Arguments einzeln spezifiziert werden. Sie
250
3 Methodik
umfassen einerseits die syntaktische Funktion, ggfs. Konkordanzeigenschaften, die syntaktische Kategorie, das Auftreten einer Präposition oder des Akkusativmarkers a sowie die Positionierung im Satz und relativ zum Verb. Andererseits ist eine recht große Zahl an semantischen Rollen wählbar und es können vier ontologische Klassen differenziert werden, belebt, konkret, abstrakt und propositional. Schließlich kann die lexikalische Einheit angegeben werden, die die Argumentposition füllt. Die Ausführungen zeigen, wie detailliert die Informationen sind, die die ADESSE enthält. Das Ausmaß an Aufwand und an beteiligtem Personal lässt sich nur erahnen. Erwartbarermaßen ist ein solches Unterfangen nicht fehlerfrei realisierbar. In der Tat finden sich immer wieder auch problematische, in Einzelfällen auch fehlerhafte Kategorisierungen. Den Verantwortlichen scheint der Umstand bewusst zu sein. Es wird online darauf hingewiesen, dass zwar die Datensammlung statisch sei, die Anreicherung der Daten aber noch regelmäßig ergänzt werde (cf. http://adesse.uvigo.es/data/, letzter Zugriff: 02.02.19). Im Rahmen der Analyse (s. bzgl. der Verwendungsweise der Datenbank Kap. 3.1.2) wurden z.T. Abfragen wiederholt und Detailinformation überprüft, wobei aber keine Divergenzen festgestellt wurden. Ein Beispiel für eine Schwäche, die für die vorliegende Untersuchung sehr relevant ist, sei im Folgenden angeführt. In den Analysekapiteln werden weitere angesprochen. Die ADESSE unterscheidet in ihrer Klassifikation nicht zwischen menschlichen und tierischen Entitäten. Sie sind zu einer Klasse der belebten Entitäten zusammengefasst. Für die vorliegende Untersuchung wurden sie manuell unterschieden. Ein Teil der Daten aus dem Genre des Theaters entspringt Kindertheaterstücken,324 so auch das folgende Beispiel: [1]
Nachito entra con el gran cubo de la basura trucado. La cabeza de El Coca sigue volcada en el borde. Coge al Peluche y lo mete también en el cubo, quedando en la misma postura que El Coca. […] NACHITO.- ¡Ya está! ¡Vencidos los monstruos! (1IN:079.01) ‘Nachito kommt mit dem großen manipulierten Mülleimer herein. Der Kopf von El Coca hängt noch über den Rand. Er packt den Peluche und steckt ihn ebenfalls in den Eimer, sodass er in die gleiche Haltung wie El Coca einnimmt. Nachito: «Geschafft! Die Monster sind besiegt!»’
Die handelnden Figuren in diesen Stücken scheinen unterschiedlichen ontologischen Klassen zuzuordnen zu sein. Im Beispiel treten El Coca (vermutlich als
324 Die Kindertheaterstücke sind Teil 1 und 2 von Olmo / Enciso (1987) mit den Codes 1IN und 2IN.
3.1 Korpusanalyse: Verwendete Korpora
251
sprechender Name intendiert in der Bedeutung ‘Kopfnuss’, cf. Eintrag 4, Subeintrag 5 von coca im Diccionario de la lengua española, http://dle.rae.es/?id=9Y3W1Jj|9Y7V25X|9Y9qSyT|9YA1APW|9YAFDMl|9YCpRLr, Zugriff: 02.02.19; cf. den Hinweis von Cervera 2002, Kap. 13, ohne Seitenangabe, dass El Coca eine Art Leibwächter ist) sowie El Peluche (‘das Plüschtier’) auf, Nachito ist ein eher üblicher Spitzname. Nach Cervera (2002) ist ein Charakteristikum der Theaterstücke von Olmo / Enciso (1987), dass «animales y hasta objetos como la maquinita» (Cervera 2002, Kap. 13, ohne Seitenangabe) auftreten. Da sie, wie oben gesagt, handelnde Entitäten sind, die sprechen können und sich auch sonst wie menschliche Entitäten gebahren, ist es nicht zielführend, sie als Tiere oder Gegenstände zu klassifizieren. Sie haben dominant menschliche Eigenschaften325 und die (meisten) entsprechenden sprachlichen Einheiten verhalten sich, wie in der Analyse gezeigt wird, auch formal wie Einheiten mit menschlichem Denotat.326 Die ADESSE klassifiziert häufig nach lexikalischen Prinzipien, wofür sich sicherlich Argumente finden lassen, insofern die Applizierung eines einheitlichen Systems angestrebt wird. Das gelingt in der Datenbank allerdings nur eingeschränkt. In der obigen Okkurrenz wird El Peluche als Gegenstand eingeordnet (cf. http://adesse.uvigo. es/data/fichas.php?id_cl=86830, Zugriff: 13.07.16), wogegen auch die Großschreibung spricht. Das darauf folgende lo (‘ihn / es’) hingegen wird als belebte Entität klassifiziert (cf. Bsp. Nr. 1IN:079.02, http://adesse.uvigo.es/data/fichas.php?id_ cl=87749, Zugriff: 13.07.16). Die Inkongruenz in der Kodierung ist offensichtlich. Solche und ähnliche Annotationsschwächen, insbesondere wo eine Aktualisierung durch den Kontext unberücksichtigt bleibt, finden sich immer wieder. Sie machen eine händische Überprüfung der Kategorien sinnvoll (s. Kap. 3.1.2). Zuletzt sei nochmals der Umstand erwähnt, dass verschiedene Merkmale im Annotationssystem der ADESSE unberücksichtigt bleiben. Darauf, dass nicht zwischen menschlichen und tierischen Entitäten differenziert wird, wurde hingewiesen. Die ADESSE differenziert allerdings die nicht-belebten Kategorien konkret, abstrakt und propositional. Insofern weicht sie davon ab, was Zaenen et al. (2004, 119) als grundlegende Unterscheidung in der linguistischen Beschreibung sehen, «human, non-human animate and inanimate» (cf. für einen ähnlichen Hinweis unter Bezugnahme ebenfalls auf Zaenen et al. 2004 auch García García 2010, 42s.). Hinsichtlich der Nominalobjekte findet sich eine wichtige Feststellung in García García (2010, 29): «Referenzielle und diskurspragmatische Parameter
325 Auch auf der Bühne werden sie von Menschen dargestellt, die nur angedeutete Tierkostüme tragen. 326 Eine Ausnahme bilden die moscas (‘Fliegen’), denen offenbar keine menschlichen Eigenschaften zugeschrieben werden (s. Kap. 4.1.1.1).
252
3 Methodik
(Definitheit, Spezifizität, Topikalität) werden in der ADESSE zumindest bislang nicht berücksichtigt». In der Untersuchung der Objektsätze fehlt die Unterscheidung, ob ein Nebensatzsubjekt koreferent zum Matrixsatzsubjekt ist. Aus den genannten Gründen werden die Annotationen überprüft und händisch ergänzt. Das Vorgehen wird im folgenden Kapitel erläutert.
3.1.2 Korpusabfrage und Arbeit mit den Daten Die ADESSE-Datenbank ist im Internet browserbasiert frei zugänglich (http:// adesse.uvigo.es, letzter Zugriff: 02.02.19). Die Daten, die einer Detailanalyse unterzogen wurden, wurden allerdings als Übersichten, also zusammen mit den in der Übersichtsdarstellung enthaltenen Informationen extrahiert (cf. http://adesse. uvigo.es/data/result.php, letzter Zugriff: 02.02.19). Das hat verschiedene Gründe. Zwar wurden, obwohl die Annotationen laut der ADESSE-Website laufend ergänzt werden (cf. http://adesse.uvigo.es/data/, letzter Zugriff: 02.02.19), keine Diskrepanzen bei wiederholten Korpusanfragen festgestellt. Der Zugriff über den Browser bringt jedoch die Notwendigkeit mit sich, dass Internetzugriffe mehrfach wiederholt werden, wenn die Untersuchung eines Datensatzes über einen längeren Zeitraum andauert. Gleichzeitig schließt er die individuelle Weiterverarbeitung von Daten unabhängig von der vorgegebenen Suchmaske aus. Die extrahierten Daten wurden mit weiteren Informationen angereichert. Die Anreicherung ist themenspezifisch. Bei den direkten Objekten ist der konzeptuelle Typ im Sinne Pustejovskys (1991a, 1995b usw.) zentral. Es wurden allerdings Informationen über verschiedene weitere Eigenschaften annotiert, um ihren jeweiligen Einfluss zu überprüfen, zu korrelieren oder auszuschließen. Grundlegend sind die ontologischen Klassen der jeweiligen Objektdenotate. Es wurden aber auch verschiedene Bedeutungen des jeweiligen Matrixverbs erhoben sowie z.T. formale Eigenschaften der NP oder ihre Position und das Auftreten weiterer Objekte. Wo sie sich zeigten, wurden Divergenzen gegenüber der Klassifikation der ADESSE festgehalten. Entscheidend für die Einordnung war ggfs. die hier selbstständig vorgenommene. Die oben angeführte Übersichtsdarstellung, d.h. die teilannotierte Ausgabe von Okkurrenzen durch die Datenbank (http://adesse.uvigo.es/data/result. php, Zugriff: 02.02.19), umfasst nicht alle relevanten Informationen. Die Anfragen wurden bei den Nominalobjekten recht allgemein gehalten. Es wurden die Herkunft der Daten (Spanien), das Verb sowie sein syntaktischer Rahmen als mindestens zweiwertig spezifiziert. Hinsichtlich des Zweitaktanten wurde angegeben, dass er als Full NP in der Funktion eines Akkusativs realisiert sein sollte. Die Datenbank wies verhältnismäßig häufig Schwächen bzgl. der Annotation der
3.2 Experimentelle Datenerhebung
253
Form als Full NP auf. Sie gab trotz der genannten Spezifizierung bei mehreren der Anfragen auch einzelne Pronomen aus, die von der Analyse ausgeschlossen waren (s. Kap. 2.7.2) und daher aussortiert werden mussten. Bei den gezielten Einzelanfragen über Verben wurde auf eine Vorfilterung der ontologischen Klasse durch die ADESSE verzichtet. Sie wurde vielmehr händisch annotiert. Das bedeutet allerdings auch, dass die diesbezügliche Klassifikation der ADESSE zunächst nicht in den Übersichten figurierte und daher auch nicht exhaustiv erhoben wurde. Sie wurde allerdings insgesamt bei vielen und bei allen etwas problematischeren Okkurrenzen überprüft. Bei den Anfragen zu den Objektsätzen wurden die gleichen Grundspezifikationen zur Herkunft und zum syntaktischen Rahmen verwendet wie bei den Nominalobjekten. Bzgl. der Form wurde eine satzwertige Realisierung abgefragt. Hier wurde im Gegensatz zu den Nominalobjekten zudem auf eine weitere Unterkategorisierung der ADESSE zurückgegriffen, die finite gegenüber der infiniten Realisierung. Es wurde dabei allerdings geprüft, ob die Zahlen mit denen übereinstimmten, die sich ohne die Aufsplittung hinsichtlich der Finitheit des Objektsatzes ergaben. Tatsächlich gab es mehrfach Divergenzen von ein bis vier Okkurrenzen. In der Analyse wird darauf Bezug genommen. Es wurden ebenfalls weitere Informationen annotiert. Wichtig war bei den finiten Objektsätzen die Koreferenz des Nebensatzsubjekts zu dem des Hauptsatzes, was wie im vorangegangenen Unterkapitel angesprochen, in der Datenbank nicht erhoben wird. Okkurrenzen ohne Koreferenz wurden nicht analysiert. Die Nebensätze wurden auf Eigenständigkeit im Rahmen der in Kap. 2.10.2 eingeführten Domänen überprüft. Das heißt, es wurden insbesondere der Sachverhalt bzw. die Sachverhalte, das Verhältnis des Zeit- und das des Weltbezugs analysiert. Besonders wichtig war die Semantik der beiden Verben, d.h. Haupt- und Nebensatzverb, im Verhältnis zueinander, etwa hinsichtlich ihrer aktionalen Struktur. Zudem bzw. im Zusammenhang damit wurden teilweise die Haltung des Matrixssatzubjekts zum Nebensatz, aber auch Faktoren wie Modalisierungen und natürlich generell die Flexion berücksichtigt.
3.2 Experimentelle Datenerhebung Das Methodenset zur Überprüfung und weiteren Elaborierung des hier vertretenen Ansatzes umfasst neben Korpusanalysen auch experimentelle Untersuchungen. Die experimentellen Methoden verstehen sich als spezifische Belege dafür, dass die erarbeitete und mit Korpusdaten belegte Theorie kognitive Relevanz hat. Dem Anspruch der kognitiven Linguistik soll Rechnung getragen werden, dass es sich dabei um eine «psychologisch plausible Theorie» (Schwarz 2008, 45 mit weiteren Literaturangaben) handeln soll. Das ist dann der Fall, wenn man
254
3 Methodik
sie «mit einem empirischen Korrelat verbinden kann» (ibid., 46), was allerdings in der Kognitionsforschung nicht allzu einfach ist (cf. ibid.). Wildgen (2008, 22s.) nennt als mögliche Beispiele die «Methoden des Verhaltensexperiments (Psycholinguistik) und Beobachtungen mit bildgebenden Verfahren am Gehirn (Neurolinguistik)». Im vorliegenden Rahmen wurden Untersuchungen durchgeführt, die dem ersten Typ zugeschrieben werden können. Neurolinguistische Studien, die ähnliche Phänomene wie die vorliegende Arbeit behandeln, wurden etwa von Friederici und ihren Kollegen durchgeführt (cf. bspw. für einen kurzen methodischen Einblick Friederici/Kotz 2003, für die Abläufe zwischen Sprachwahrnehmung und Satzverstehen Friederici 2012 und für die morphosyntaktische Verarbeitung Raetting et al. 2010).327 Die durchgeführte experimentelle Studie umfasste zwei Typen des Verhaltensexperiments mit auditiven und visuellen Stimuli. Sie wurden auf zwei Teile aufgeteilt. Die Probandinnen und Probanden durchliefen die beiden Teile nacheinander ohne eine längere Pause. Zunächst wurden sie mit Sprachaufnahmen konfrontiert, bei denen sprachliche Reaktionen elizitiert wurden. Dieses Teilexperiment kombiniert intuitive Grammatikalitätsurteile mit einer (rudimentären) Reaktionszeitmessung. Zweitens ordneten die Versuchsteilnehmerinnen und –teilnehmer Sätze Bildern zu. Ihnen wurden jeweils zwei reduzierte bildliche Darstellungen zur Wahl gestellt, die einen divergierenden konzeptuellen Status versinnbildlichten. Das Material für die experimentelle Erhebung wurde im Rahmen einer Vorstudie im Sommer 2012 in Köln getestet. Daran nahmen 8 muttersprachliche Personen teil, die zum Versuchszeitpunkt alle in Deutschland wohnten. Die Untersuchungsmaterialien und das Setup wurden auf der Grundlage der Erkenntnisse aus den Testdurchführungen leicht angepasst, um den Einfluss von Störfaktoren zu reduzieren. Die Hauptstudie wurde im Spätsommer 2012 in Spanien, genauer in Valladolid und Salamanca durchgeführt. Ein Fragebogen der Hauptuntersuchung findet sich im Anhang. Bei der recht umfangreichen Studie in Spanien wurde versucht, sprachliche Variation soweit wie möglich zu kontrollieren, um ein homogenes Datenset zu erhalten. So nahmen zweiunddreißig Personen aus einsprachigen Regionen Spaniens teil.328 Sie waren allesamt in schulischer oder universitärer Ausbildung und zwischen 18 und 33 Jahren alt. Der Altersdurchschnitt lag bei 22,3 Jahren. Die Verteilung hinsichtlich des Geschlechts war nahezu ausgeglichen. Es beteiligten sich 15 weibliche und 17
327 Die Verweise sind weder exhaustiv noch ist die Liste repräsentativ. 328 Es waren ursprünglich 36 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Vier Datensätze wurden nachträglich aussortiert, weil die jeweiligen Probandinnen und Probanden nicht aus einsprachigen Regionen Spaniens stammten.
3.2 Experimentelle Datenerhebung
255
männliche Personen. Das Ziel der Homogenität bei den Versuchspersonen wurde also erreicht. Es sei betont, dass Repräsentativität im engeren Sinn aufgrund der Wahl der Stichprobe nicht das Ziel sein konnte, die u.a. vor dem Hintergrund der (finanziellen) Ausgangslage (s.u.), dem zeitlichen Aufwand der Versuchspersonen sowie der aufwendigen Auswertung (s. Kap. 3.2.1ss.) getroffen wurde.329 Eine experimentelle Studie wie die hier durchgeführte ist ein recht typisches Verfahren in der Sprachwissenschaft (cf. auch Wildgen 2008, 22s.). Als Ideengeber dienten grundlegende Darstellungen wie Schwarz (2008), Meindl (2011) und bspw. die Anregungen in Caplan (2001, 307). Zudem wurden ähnliche Untersuchungen wie Chiriacescu/von Heusinger (2011) zurate gezogen, um schon im Vorfeld eine zielführende Ausgestaltung zu erreichen. Im Folgenden wird das Vorgehen im Detail erläutert. Zunächst werden die Materialien der beiden Teile behandelt. Es werden auch die Validität und mögliche Schwierigkeiten diskutiert. Daraufhin wird die konkrete Durchführung besprochen. Die Daten im Einzelnen und die Ergebnisse werden schließlich in den Analysekapiteln vorgestellt. Es ist zuletzt auf zwei praktische Faktoren hinzuweisen, die für den Versuchsaufbau und die Umsetzung von grundlegender Wichtigkeit waren. Erstens standen für das Experiment keine Fördermittel zur Verfügung. So konnte einerseits keine Laborzeit finanziert werden, weshalb auch bestimmte Untersuchungstechniken nicht zur Verfügung standen. Andererseits war keine Unterstützung durch Hilfskräfte möglich. Alle Schritte des Experiments, d.h. insbesondere Erstellung und Aufbereitung der Materialien, Gewinnung von Probandinnen und Probanden, Datenerhebung und –auswertung, wurden vom Verfasser der Arbeit selbst durchgeführt. Für den erzielten Umfang des Experiments war daher ein entsprechender Zeitaufwand nötig sowie die Unterstützung durch eine Vielzahl an Personen.330
3.2.1 Versuchsaufbau und Materialien Sowohl die Vor-, als auch die Hauptuntersuchung hatten zwei Teile. Zunächst nahmen die Probandinnen und Probanden331 an einem Reaktions- und Entscheidungstest teil, der allerdings lediglich als Entscheidungstest präsentiert wurde. Danach ordneten sie Bilder Sätzen zu. Während die Items im ersten Teil auditiv
329 Die statistischen Methoden wurden dementsprechend gewählt. 330 Ihnen allen gebührt ein herzliches Dankeschön. Einige von ihnen sind im Vorwort genannt. 331 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden darauf verzichtet, Femininum und Maskulinum einzeln zu verbalisieren. Die Form mit geringerem sprachlichen Material steht für beide Genera.
256
3 Methodik
präsentiert wurden, waren die Versuchspersonen im zweiten Teil mit schriftlichem Input konfrontiert. Der Fragebogen im Anhang zeigt sowohl die Aufgabenstellung als auch die visuell präsentierten Items. Im angesprochenen ersten Teil wurde die mündliche Reaktion der Teilnehmer aufgezeichnet, um die Reaktionsdauer bestimmen zu können. Die Sprecher hörten eine Aufnahme, die Fragen enthielt. Die Fragen waren zugleich der Untersuchungsgegebenstand und durch ihre Form und Intonation (eben die einer Frage) das Signal (d.h. der Trigger) dafür, dass die Versuchspersonen reagieren sollten. Sie wurden gebeten, nach Fragen möglichst schnell «bien» (‘gut’) oder «mal» (‘schlecht’, ‘falsch’) zu äußern, je nachdem, ob sie die Frage für verständlich hielten oder nicht. Es wurden mehrere Filler eingebaut, die asemantisch waren, was die Teilnehmer als «mal» kategorisieren sollten. Erstens konnte anhand der Antwortwahl überprüft werden, dass sie das Gehörte tatsächlich semantisch verarbeiteten (cf. Caplan 2001, 307). Zweitens wurde ihnen so die Möglichkeit eröffnet, kontraintuitive Strukturen auszuschließen. Auf der anderen Seite war es so möglich, zu überprüfen, ob die Probanden die Aufgabe richtig verstanden hatten. Die Daten des Audio-Experiments einer Versuchsperson wurden entfernt, wenn sie in mindestens einem der beiden Dialoge auf mehr als ein Viertel der Fragen anders als erwartet reagierte. Der Untersuchungsgegenstand umfasste drei unterschiedliche Strukturen. Neben Nominalobjekten und Objektsätzen wurden auch Items mit Verbalperiphrasen abgefragt. Der Grund dafür ist, dass zu dem Zeitpunkt, als das Experiment durchgeführt wurde,332 vorgesehen war, auch grammatikalisierten Verbalperiphrasen (cf. bzgl. Graduierungen etwa Olbertz 1998, s. aber Kap. 2.9.6.2) ein eigenes Kapitel zu widmen. Aufgrund der recht starken Diversifizierung untersuchter Strukturen wurden nur wenige Filler verwendet. Bei der Bildzuordnung (s.u.) wurde gänzlich auf Filler verzichtet.333 Ein wichtiger Faktor für die Entscheidung bzgl. der Filler waren äußere Umstände der Erhebung. Es stand außer einer privaten Unterstützung keine finanzielle Förderung des Experiments bereit (s. Kap. 3.2). Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhielten lediglich Kekse oder Kaugummis als Dank, aber keine Entschädigung. Das Experiment musste also einigermaßen kurz gehalten werden. In der hier durchgeführten Weise benötigten die Probanden zumeist annähernd fünfundzwanzig Minuten. Ohne Entschädigung ist das bereits eine sehr lange Zeit. Filler hätten die Untersuchung zusätzlich in die Länge gezogen.
332 Das Experiment wurde im Sommer 2012 realisiert. 333 Die Items mit Verbalperiphrasen im Nachhinein als Filler auszugegeben, wäre unangemessen. Die angesprochene Diversifizierung der Strukturen ist unabhängig davon relevant.
3.2 Experimentelle Datenerhebung
257
Im angesprochenen zweiten Teil der Untersuchung wurden die Teilnehmer gebeten, sich einzelne Testsätze durchzulesen und aus zwei bis drei Bildern entweder eines oder zwei auszuwählen, die den jeweiligen Satz besonders gut beschrieben. Die zumeist selbst gemalten Bilder oder Bildkombinationen sollten eine oder mehrere Eigenschaften aufweisen oder nicht aufweisen, die einen wichtigen Aspekt der Konzeptualisierung abstrahiert widerspiegeln. Die Reihenfolge der beiden Teile wurde nicht variiert. Die Festlegung hatte v.a. den Grund, dass das Material im zweiten Teil der Untersuchung das Analyseinteresse weniger stark verschleierte. Im ersten Teil waren die Items in Sequenzen eingebaut, die z.T. mehrere Sätze umfassten. Im zweiten Teil, wo Sätze mit Bildern zu relationieren waren, wurden die Testsätze hingegen einzeln schriftlich dargeboten. Die Abfolge der Items in diesem zweiten Teil wurde variiert. Die Rekrutierung der Probandinnen und Probanden erfolgte in der Hauptstudie durch direkte persönliche Ansprache auf dem Campus von Valladolid und Salamanca. Die angesprochenen Personen wurden grob informiert (s.u.) sowie u.a. bzgl. ihrer (sprachlichen) Herkunft befragt und so vorausgewählt. Die Vorgehensweise war ingesamt erfolgreich. In einem Fall gab eine Sprecherin allerdings zunächst an, spanische Muttersprachlerin zu sein, verzeichnete dann allerdings auf dem Fragebogen, dass allein Baskisch ihre Muttersprache sei. Ihre Daten wurden in der Analyse nicht berücksichtigt.334 Die Informationen, die den angesprochenen Personen vorab gegeben wurden, wurden stark kontrolliert. Der Hinweis, dass es sich um eine linguistische Untersuchung handelte, war nötig, um eine naheliegende, aber unvorteilhafte Unsicherheit auszuschließen. Auf zusätzliche Informationen wurde jedoch weitestgehend verzichtet. Auch Details der Tests wurden verschleiert. Es wurde im Vorfeld stets von einer «Studie» (span.: un estudio) gesprochen. Als übliche Erläuterung wurde die folgende verwendet: «Consiste en dos partes. La primera es un juego de reacción con grabaciones y en la segunda hay que evaluar dibujos a base de unas frases.» (‘Sie hat zwei Teile. Der erste ist ein Reaktionsspiel mit Aufnahmen und im zweiten muss man Bilder auf der Grundlage von verschiedenen Sätzen evaluieren.’) Die spezifischen Informationen zur Durchführung des Experiments waren einheitlich und wurden den Partizipanten schriftlich gegeben. So möglich, wurde auf eine weitere mündliche Interaktion verzichtet. Nur in Einzelfällen baten Probanden um zusätzliche mündliche Erklärungen zum Vorgehen. Inhaltliche Hinweise wurden zu keinem Zeitpunkt
334 Die persönliche Vorabfrage führte nicht in allen Fällen zur entscheidenden Information. So nahmen drei Personen an der Untersuchung teil, bei denen sich erst durch die entsprechende Angabe auf dem Fragebogen herausstellte, dass sie aus zweisprachigen Regionen Spaniens stammten. Auch sie wurden daher im Nachhinein aussortiert.
258
3 Methodik
gegeben, auch nicht im Anschluss an einzelne Experimente. So sollte ausgeschlossen werden, dass potentielle weitere Partizipanten vorab informiert würden. 3.2.1.1 Reaktionstests mit Audioaufnahmen Der erste Teil der experimentellen Untersuchung bestand aus Audioaufnahmen. Die Probanden hörten Aufnahmen von spanischen Muttersprachlern über Kopfhörer und mussten mündlich reagieren. Als Cues für die Reaktion traten Fragen in den Aufnahmen auf. In Anlehnung etwa an Caplan (2001, 307) wurde ein Entscheidungsmoment integriert, wonach die Versuchspersonen bien (‘gut’) sagen sollten, wenn sie die Frage verstanden hatten, und mal (‘schlecht’, ‘falsch’), wenn sie die Frage unverständlich fanden. Die Notwendigkeit einer Entscheidung schließt Reaktionen weitgehend aus, bei denen keine Verarbeitung erfolgt (cf. ibid.). Die schriftliche Instruktion enthielt zudem die Bitte, möglichst schnell zu reagieren. Die Items wurden in einen Kontext eingebaut (cf. für die Rolle des Kontexts in der Verarbeitung bspw. Borsky/Shapiro 1998), zu dem unten noch Erläuterungen folgen. Dieser Teil des Experiments verband zwei analytische Ziele. Einerseits wurden über das mündliche Setup auf intuitive Weise Akzeptabilitäten abgefragt. Andererseits wurden mittels Reaktionszeitmessungen Indizien dafür gesammelt, inwiefern bei parallelen Strukturen Divergenzen hinsichtlich des Verarbeitungsaufwandes bestehen (cf. etwa Schwarz 2008, 35s.). Dafür wurde die Zeit gemessen zwischen der Frage, genauer dem Ende des letzten Lauts der Frage und dem Beginn der ggfs. positiv wertenden Reaktion.335 Zur Veranschaulichung seien hier zwei Beispiele von Test-Items mit Kontext angeführt. [T1.08]336 Dicen que la mitad del departamento de ejecutivos huyó al extranjero. ¿Piensas que la policía cazará al jefe de la compañía? ‘Angeblich ist die Hälfte der Führungsetage ins Ausland geflohen. Glaubst du, dass die Polizei den Chef der Firma kriegen wird?’
335 Es ist darauf hinzuweisen, dass die beschriebene Methode, die Reaktionszeit zu messen, einen anderen Typ von Ergebnissen ausgibt als etwa eine neurolinguistische Studie mit einem EEG und damit einhergehend auch die Präzision der Zeitmessung hier geringer ist. Wie gesagt, handelt es sich bei dem hier durchgeführten um ein Verhaltensexperiment in Abgrenzung vom neurolinguistischen Experiment (cf. Wildgens 2008, 22s.). Für eine kritische Diskussion sei auf Kap. 3.2.1.3 verwiesen. 336 Das T in der Nummerierung steht für Test-Item. Die Beispiele können so von den anderen verwendeten Daten abgegrenzt werden. Es ist das 8. reguläre Item aus dem ersten «Dialog».
3.2 Experimentelle Datenerhebung
[T1.15]
259
Nuestra prima es una madre protectora. Creo que lo hace bien. Es que, tú, ¿a veces imaginas que tienes hijos? ‘Unsere Cousine ist eine Mutter, die gut auf ihr Kind aufpasst. Ich denke, sie macht das gut. Und du, stellst du dir manchmal vor, Kinder zu haben?’
Das Beispiel [T1.08] zeigt ein Nominalobjekt, [T1.15] enthält einen Objektsatz. Beide wurden von den Versuchspersonen insgesamt positiv eingeschätzt.337 Es gab bzgl. [T1.08] lediglich einen Fall einer stark verzögerten positiven Bewertung (durch «bien», ‘gut’). [T1.15] wurde von zwei Versuchspersonen mit «mal» (‘schlecht’, ‘falsch’) bedacht. Die Einschätzung sollte sich zwar auf den grammatischen oder semantischen Status beziehen, es ist aber nicht gänzlich auszuschließen, dass in Einzelfällen bspw. eine persönliche Haltung der Sprecherin / des Sprechers die Reaktion beeinflusst (s. etwa die Diskussion der Ergebnisse der Items mit coger, ‘nehmen’ u.a., in Kap. 4.2.1). Ein geringer Teil der Testsätze war sehr deutlich unsematisch, fünf von insgesamt 44 Items. Es sollte möglichst einheitlich eine negative Reaktion eliziert werden. [T1.16] ¿Piensas también que el griterío puede decapitar la puerta? ‘Glaubst du auch, dass das Geschrei die Tür enthaupten kann?’ Die Versuchsteilnehmer reagierten großteils erwartungsgemäß. [T1.16] wurde zwar nur in 18 von 24 Fällen in der üblichen Zeitspanne mit «mal» (‘schlecht’, ‘falsch’) bewertet, aber auch nur in einem Fall mit «bien» (‘gut’). Die anderen Reaktionen waren bspw. Kichern oder Schnauben. Bis auf die genannten Negativ-Items orientierten sich insbesondere die weniger typischen Beispiele338 an Okkurrenzen aus dem Korpus. Insofern wären positive Einschätzungen zu erwarten. Es waren jedoch einzelne Fälle darunter, die offenbar nicht von jedem Sprecher als akzeptabel empfunden werden. Auch
337 Wie unten nochmals angesprochen wird, hatten mehrere Versuchsteilnehmer Schwierigkeiten mit der Umsetzung der Aufgabe. Die von ihnen im Aufnahmereaktionstest generierten Daten wurden von der Analyse ausgeschlossen. Es bleibt bzgl. dieses ersten Teils der experimentellen Untersuchung ein Set an 24 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. 338 Ein in dem Sinne «typisches Beispiel» wäre etwa [T1.09] ¿Crees que tienen razón? (‘Glaubst du, dass sie recht haben?’). Die Struktur ist im realen Sprachgebrauch vermutlich recht frequent und bietet kein Potential für eine unsemantische oder ungrammatische Lesart. Sie würde von vielen Sprechern als natürlich empfunden. Von den Testpersonen wurde sie in keinem Fall als «mal» (‘schlecht’, ‘falsch’) klassifiziert.
260
3 Methodik
einer der beiden Sprecher, die die Originalaufnahmen machten, die die Probandinnen und Probanden dann zu hören bekamen, lehnte die Struktur in [T1.20] ab. [T1.20]
El mes que viene es el cumpleaños de papá. Y mamá quiere festejarlo a lo grande. Ha dicho que necesitaremos mucha carne. ¿Por qué no matamos la vaca Perla? ‘Kommenden Monat hat Papa Geburtstag. Und Mama will richtig groß feiern. Sie hat gesagt, dass wir viel Fleisch brauchen werden. Warum schlachten wir nicht die Kuh Perla?’
Das Item [T1.20] imitiert das Beispiel [2], das in Kap. 4.1.1.1 ausführlich besprochen wird. [2]
BEGOÑA.- Una cena. Hay que darle una cena. […] ¿Por qué no matamos la vaca Marela? (HOT:046.09) ‘BEGOÑA: «Ein Abendessen. Man muss ein Abendessen für sie ausrichten. Warum schlachten wir nicht die Kuh Marela?»’
Die oberfläche Besonderheit ist in den beiden Sätzen, dass das Objekt ein Tier denotiert, wobei ein Eigenname zur referentiellen Vereindeutigung verwendet wird. Das Objekt ist also auch spezifisch (s. Kap. 2.7.5.2). Dennoch tritt es ohne a-Markierung auf. Von den als korrekt intendierten Test-Items war [T1.20] das mit der kritischsten Bewertung.339 Sechs Versuchspersonen reagierten mit «mal» (‘schlecht’, ‘falsch’), zwei weitere Reaktionen waren nicht verwertbar. Das heißt aber auch, dass 16 Versuchspersonen den Satz ohne merkliche Zweifel akzeptierten. Das Thema wird in Kap. 4.3.2 nochmals aufgegriffen. Dort wird auch die Frage diskutiert, ob Tierliebe eine Rolle spielen könnte. Das Audiomaterial wurde vom Verfasser der vorliegenden Arbeit vor dem Hintergrund der Korpusdaten und von Beispielen aus der Forschungsliteratur vorbereitet. Es wurde von drei Muttersprachlern aus Spanien geprüft. Es handelt sich dabei um «halbe» Dialoge. Den Probandinnen und Probanden sollte die Idee vermittelt werden, dass sich jeweils zwei Personen unterhalten hatten, wobei aber eine der beiden Stimmen herausgeschnitten worden war. Das Ziel war, das 339 Auch der Sprecher, der das Ausgangsmaterial für diesen Teil einsprach, äußerte Zweifel an der Grammatikalität. Wie im Fließtext besprochen, ist er Sevillaner, der seit Langem in Deutschland lebt und Spanisch unterrichtet. Es ist erwartbar, dass seine Grammatikalitätsurteile normativ geprägt sind. Bei der Aufnahme von [T1.20] fügte er zunächst den Marker a ein und erklärte, er habe das Fehlen für einen Tippfehler gehalten. Er sprach das Item dann erneut ein, ohne a einzufügen.
3.2 Experimentelle Datenerhebung
261
Material möglichst natürlich erscheinen zu lassen. Ein besonderes Augenmerk wurde darauf gelegt, dass die Referenzen immer klar und eindeutig waren. Die Versuchspersonen erhielten vorab schriftlich grundlegende Informationen zum Setting. Es wurde darauf geachtet, Inhalte zu entwerfen, die möglichst leicht nachvollziehbar sein sollten und aus eigener Erfahrung oder schon aus Kinderbüchern u.ä. bekannt waren. Der erste Dialog wurde auf einem Bauernhof verortet. Der Sprecher heißt Juan. Er unterhält sich mit seiner jüngeren Schwester Adri, die nicht zu hören ist. Die Themen sind u.a. der Dorfalltag, die Familie, der Bauernhof und die Planung des Geburtstags des Vaters der beiden. Der zweite «halbe Dialog» ist in einem Mietshaus situiert. Die Sprecherin wird als Hausbesitzerin ausgegeben, die mit dem jungen Mieter Bruno spricht. Bruno ist ebenfalls nicht zu hören. Er ist wieder einmal mit der Mietzahlung in Verzug geraten und wird dafür zur Rede gestellt. Er hat einen Hund, der sich bisweilen, wie die Hausbesitzerin von den Nachbarn erfahren hat, etwas rabiat verhält. So wird ihm unterstellt, er habe die Katze eines anderen Mieters gebissen, sich fremde Schuhe geschnappt und rieche überdies streng. In dem Zusammenhang hat es möglicherweise einen Streit gegeben, bei dem Bruno einen Nachbarn beleidigt haben soll. Ihm gegenüber ist die Stimmung im Mietshaus also etwas angekratzt und das vermittelt ihm auch die Hausbesitzerin. Die beiden Dialoge wurden jeweils in der gleichen Reihenfolge präsentiert. Dafür gab es mehrere Gründe. Die Aufnahme des ersten Dialogs enthielt zwei Vorbereitungs-Items. Zudem waren im ersten Dialog mehr Filler enthalten. Es wurde versucht, den einflussreichsten Abschnitt der anzunehmenden Lernkurve bereits vor dem ersten relevanten Test-Item überwinden. Daher folgten auf die beiden Vorbereitungs-Items zwei Filler (beginnend mit [T1.01]), darauf ein erstes Negativ-Item (ähnlich dem o.g. [T1.16]) und schließlich das erste Test-Item. Der zweite Dialog verzichtete auf Vorbereitungs-Items, begann aber ebenfalls mit zwei Fillern. Er war insgesamt etwas kürzer, einerseits um einem mittelfristigen Konzentrationsabfall entgegenzuwirken. Andererseits sollte so dafür gesorgt werden, dass die Versuchsteilnehmer den Ablauf nicht als träge oder langweilig empfanden, um ihre Stimmung nicht negativ zu beeinflussen. In einem ähnlichen Zusammenhang wurde oben bereits die verhältnismäßig geringe Zahl an Fillern erwähnt. Die beiden Sprecher, die die Ausgangstexte aufnahmen, eine Frau Anfang dreißig und ein Mann Anfang vierzig, sind aus Sevilla, lebten aber zum Zeitpunkt der Aufnahmen schon mehrere Jahre in Deutschland. Beide unterrichten Spanisch und verfügen über mehrere Jahre Berufserfahrung. Ihr Spanisch ist dementsprechend dialektal gefärbt, aber hinreichend nah an einer hochsprachlichen Norm. Wichtig war für ihre Wahl, dass sie aus einer einsprachigen Region
262
3 Methodik
Spaniens stammen, um auszuschließen, dass Partizipanten (ggfs. u.U. intuitiv) von Inferenzen ausgehen, was die Akzeptabilitätsurteile möglicherweise beeinflusst hätte. Die beiden Sprecher lasen den vorformulierten Text ab. Sie sollten nicht realitätsgetreu sprechen bzw. schimpfen, um die Partizipanten einerseits nicht zu stark pragmatisch zu beeinflussen und andererseits mögliche Verständnisschwierigkeiten auszuschließen. Die beiden Sprecher waren aber frei, dezente Akzente zu setzen, sodass ein gewisser Grad an Natürlichkeit gewahrt wurde. Die Aufnahmesituation war gut, sie fand in einem ruhigen Raum der Universität ohne Störung statt. Sie ist allerdings nicht rein wie eine Studioaufnahme. Auch das wurde mit Blick auf die Natürlichkeit in Kauf genommen. Zur Aufnahme wurde ein Kondensator-Mikrofon von AKG, ein AKG C3000 B, mit einem Popschutz verwendet. Das Mikrofon wurde über eine externe Soundkarte (Focusrite Scarlett 8i6) mit einem MacBook Pro (Modellreihe von Anfang 2011) verbunden. Die Aufzeichnung der beiden Sprecher, aber auch die der Partizipanten erfolgte mit dem professionellen Audio-Sequenzer Steinberg Cubase 6.340 Das Setup kann in Hinblick auf den Aufnahmezeitpunkt (Mitte 2012) als hochwertig bezeichnet werden. Die Aufnahmen sind klanglich sehr sauber und nahezu frei von Latenzen. Für die beiden «Dialoge» wurden zwei Projektordner erstellt. Die Partizipanten wurden dann jeweils als einzelne Spur aufgenommen. Sie trugen zu dem Zweck handelsübliche für Sprache optimierte geschlossene Kopfhörer, auf denen sie nur die Ausgangsdatei hörten. Die Partizipanten sollten sich nicht selbst hören, da das bei Sprechern, die nicht daran gewöhnt sind, häufig zu Unsicherheit führt. Das Computerprogramm verfügt über sehr gute Visualisierungsmöglichkeiten.341 Messungen sind bis auf die Millisekunde möglich. Die Ausgangsaufnahmen wurden vor ihrem Einsatz im Experiment etwas aufbereitet, um die Reaktionszeitmessungen zu erleichtern. Die Pausen, die die Sprecher machten – wo also angeblich die Gesprächspartnerin / der Gesprächspartner herausgeschnitten worden war –, wurden bereinigt. Es wurden Störgeräusche und bspw. das Atmen der Sprecher entfernt. Die Absenkung auch dieser minimalen Geräuschkulisse auf Null hat den Effekt eines zusätzlichen, vermutlich nur selten bewusst wahrgenommenen Cues
340 Es handelt sich dabei um ein professionelles Audioprogramm, so wie es in Aufnahmestudios zum Aufnehmen, Mischen und z.T. zum Mastern eingesetzt wird. Cubase 6 ist zum Aufnahmezeitpunkt die neuste verfügbare Version (cf. bspw. https://de.wikipedia.org/wiki/Cubase, Zugriff: 02.02.19). Ein weiterer Grund für die Wahl des Materials war, dass es dem Verfasser der Arbeit zur Verfügung stand und er über die nötige Erfahrung damit verfügte. Anderes Material hätte einen zusätzlichen Aufwand vorausgesetzt. 341 Die Darstellung der Audiodateien scheint intuitiver zugänglich als im ähnlich hochwertigen und ebenfalls recht verbreiteten Programm Logic Pro von Apple in der zum Aufnahmezeitpunkt verfügbaren Version.
3.2 Experimentelle Datenerhebung
263
für die Reaktion. Wie gesagt gab es generell kaum Hintergrundgeräusche, sodass die Absenkung auf Null zu keiner starken Divergenz führte. Zudem war es so möglich, die Pausen zwischen den Items anzupassen.342 Sie mussten lang genug sein, sollten aber auch nicht zu lang sein, um einen kurzfristigen Konzentrationsabfall zu vermeiden. Sie wurden annähernd einheitlich gehalten, sodass zwischen dem Ende einer Trigger-Frage und dem nächsten Item je 3–4 Sekunden lagen. In Hinblick auf die Auswertung, d.h. für die Reaktionszeitmessung, aber auch für eine bessere Visualisierung, wurden die Enden der Sequenzen auf ganze Sekunden gesetzt. Es wurde der Anfangspunkt der sprachlichen Reaktion gemessen. Die Atmung, einschließlich des Einatmens, um pulmonalen Druck aufzubauen, wurde nicht berücksichtigt, weil sich dabei keine Einheitlichkeit zeigte: Teilweise atmeten die Probanden schon «vorausschauend» ein, wenn sie noch ein Item hörten, um dann etwas verzögert sprachlich zu reagieren. Die Wahl der beiden Reaktionsmöglichkeiten «bien» (‘gut) und «mal» (‘schlecht’, ‘falsch’) hatte also auch einen praktischen Grund. Der Anfangslaut, ein annähernder Verschluss, verfügt in der Visualisierung der Aufnahme über einen verhältnismäßig deutlichen Anfangspunkt. Die Dauer, bis die Reaktion erfolgt, ist ein Indikator für den Verarbeitungsaufwand, der aus den verschiedenen Items resultiert. Die Grundidee ist, je schneller eine Reaktion erfolgen kann, umso weniger aufwendig ist die Verarbeitung des Items. Für die untersuchten Faktoren wurden jeweils gegenteilige Items erstellt, die, soweit möglich, parallel gestaltet wurden. Bspw. wurden die oberflächenstrukturelle Komplexität von NPs berücksichtigt oder auch das Auftreten bestimmter Operatoren. [T1.20]
El mes que viene es el cumpleaños de papá. Y mamá quiere festejarlo a lo grande. Ha dicho que necesitaremos mucha carne. ¿Por qué no matamos la vaca Perla? ‘Kommenden Monat hat Papa Geburtstag. Und Mama will richtig groß feiern. Sie hat gesagt, dass wir viel Fleisch brauchen werden. Warum schlachten wir nicht die Kuh Perla?’
[T1.04] […] algún chico conducía muy borracho y muy rápido y en medio del pueblo perdió el control sobre el coche. ¿Sabías que casi mató al alcalde López? ‘Irgendein junger Mann fuhr betrunken und sehr schnell und mitten im Dorf verlor er die Kontrolle über den Wagen. Wusstest du, dass er fast den Bürgermeister López getötet hätte?’
342 Werden Audiosequenzen geschnitten und verschoben, kann es zu irritierenden Geräuschen an den Schnittgrenzen kommen, wenn der Pegel nicht auf Null gesetzt ist.
264
3 Methodik
Die Objekt-NPs in den Parallel-Items [T1.20] und [T1.04] bestehen beide aus der Kombination eines Appelativums und eines Eigennamens und sind definit. Der Negation in [T1.20] wird in [T1.04] eine Modalisierung durch casi (‘fast’) gegenübergestellt.343 Das Beispielpaar ist bei Abstraktion von kleineren Divergenzen und Störfaktoren (s. die vorangegangene Fußnote) wie folgt zu interpretieren. Nur in [T1.04] tritt eine a-Markierung auf. Friederici (1995, 261 mit weiteren Verweisen) berichtet von Evidenzen, «that closed-class words carrying the structural information are accessed fast and independent of the semantic content given by sentential context». Die Markierung als solche sollte also die Verarbeitung nicht allzu stark erschweren (s. aber unten). Wie in Kap. 2.8.3 erläutert wird, divergieren allerdings die Konzepttypen, die den Objekten in den beiden Beispielen zukommen. Die Objekt-NP in [T1.04] wird hier als komplexen Typs interpretiert, die in [T1.20] hingegen als nicht-komplex (s. auch Kap. 2.8.2). Die Kategorisierung ist eine Applizierung der Typentheorie Pustejovskys (1991a; 1995b). Sie wird als kognitiv relevant erachtet. Vor dem Hintergrund wäre eine leichtere Verarbeitung im Falle des nicht-komplexen Typs in [T1.20] zu erwarten als beim komplexen Typ in [T1.04]. Es wird davon ausgegangen, dass der Verarbeitungsaufwand mit der Reaktionsdauer korreliert. Ein nicht-komplexer Typ würde dementsprechend zu einer schnelleren Reaktion führen. Völlig eindeutige Ergebnisse sind allerdings schwer erzielbar. Einerseits ist wie angesprochen mit nicht vollständig kontrollierten Störfaktoren zu rechnen. Andererseits ist allerdings auch eine Art Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Wortkombinationen und evtl. semantischen Bezügen zu berücksichtigen. Dafür plädiert etwa Haspelmath (2006, 32, 59), der davon ausgeht, dass Frequenzanalysen substantielle Aussagen über die Verhältnisse zulassen. Dieser Faktor ist gewissermaßen auf einer Metaebene angesiedelt. Ihn umfassend zu kontrollieren, würde einen sehr großen Aufwand bedeuten. Es ist aber sicherlich möglich, eine Intuition darüber zu bilden.
343 Das Item [T1.04] eignet sich auch zur Illustration von grundsätzlichen methodischen Schwierigkeiten. Ein möglicher Störfaktor ist, dass es sich dabei um ein sehr frühes Item handelt, wo die Teilnehmer evtl. noch weniger geübt waren als bei späteren Beispielsätzen. Es ist das erste reguläre Item nach zwei Vorbereitungs-Items, zwei Fillern und einem Negativ-Item (ähnlich dem o.g. [T1.16]). Ein Einfluss auf die Reaktionszeit kann nicht ausgeschlossen werden. Auch der Umstand, dass die Objekt-NP nur in diesem zweiten Beispiel, nicht aber im Vergleichsfall [T1.20] in einem eingebetteten Satz auftritt, könnte sich auf den Verarbeitungsaufwand auswirken und ihn evtl. erhöhen. Solche leichten Divergenzen lassen sich vor dem Hintergrund des Ziels eines einigermaßen natürlichen Kontexts kaum gänzlich vermeiden. Die Materialien wären daher weniger gut für eine neurolinguistische Untersuchung und der dort üblich unflexiblen Auswertung geeignet. Auch bei einem Verhaltensexperiment sind die Daten natürlich mit Vorsicht zu interpretieren. Die beiden hier verglichenen Items stellen hinsichtlich möglicher Kritik wie der angeführten allerdings Extremfälle im Datenset dar.
3.2 Experimentelle Datenerhebung
265
Die Auswertung der Daten umfasste mehrere Schritte. Die Daten wurden bereinigt und aufbereitet. Erstens wurden, «Ausreißer» manuell entfernt, da sie die Daten sonst verfälscht hätten (cf. auch etwa Meindl 2011, 81ss.). Reaktionszeiten ab zwei Sekunden wurden nicht berücksichtigt. Aber auch wenn Partizipanten, wie in Einzelfällen geschehen, schon reagierten, bevor ein Item vollständig verbalisiert worden war, wurde die jeweilige Reaktion nicht mehr weiter berücksichtigt. Es wurden also Indizien darauf berücksichtigt, ob die Partizipanten die Aufgabe verstanden hatten. Zudem mussten sie den Anforderungen entsprechend bearbeitet werden. Bei einer Reaktionszeit von über zwei Sekunden wurde davon ausgegangen, dass weitere oder andere als nur strukturelle und semantische Eigenschaften des jeweiligen Items verarbeitet worden waren oder die Versuchsperson abgelenkt war. Solche Reaktionswerte wurden von der weiteren Analyse ausgeschlossen (cf. für das Vorgehen auch Bittrich/Blankenberger 2011, 107). Traten abweichende Reaktionen in mindestens einem der beiden Dialoge bei rund 25% oder mehr der Items auf,344 so wurden alle Reaktionszeitwerte beider Dialoge der betreffenden Versuchsperson aus der Wertung genommen. Es war dann nicht sichergestellt, dass der Partizipant bei den anderen Reaktionen den gewünschten Verarbeitungsvorgang zugelassen hatte. Ein weiterer Grund dafür, dass ggfs. die Werte beider Dialoge entfernt wurden, ist, dass die Gegenbeispiele für einzelne Phänomene z.T. über beide Dialoge verteilt waren. Die Ergebnisse wären verzerrt worden, wenn deutlich mehr Werte für eines von zwei Beispielen vorgelegen hätten. Auf diese Weise wurden die Reaktionswerte von acht Versuchspersonen aussortiert. Es bleiben mithin 24 Personen.345 Den Entscheidungstests mit Bildern, wo die o.g. Ausschlusskriterien nicht greifen, liegen die Ergebnisse aller relevanten 32 Partizipanten zugrunde. Der weiteren Aufbereitung lag u.a. der erwartbare Umstand zugrunde, dass die Reaktionszeiten der Partizipanten zum Teil deutlich voneinander divergierten. Um das Verhalten der einzelnen Partizipanten zu berücksichtigen und nicht einfach die Reaktion aller bei einzelnen Items zu berechnen, musste der Auswertung der Daten ein Within-Subject-Vergleich vorgeschaltet werden. Um also die Reaktionen der einzelnen Versuchspersonen in Hinblick auf ihr jeweiliges Gesamtverhalten zu gewichten, wurden die Werte der einzelnen Reaktionen durch den Mittelwert ihrer Reaktionen geteilt. Die Berechnung der Mittelwerte erfolgte pro Versuchsperson
344 Die Angabe von mindestens 25% bedeutet beim ersten Dialog sechs oder mehr Reaktionen auf Items (insgesamt 23) und beim zweiten Dialog mindestens 5 Reaktionen (insgesamt 19 Items). 345 Die Zahl ist nicht allzu hoch, aber im Bereich des Üblichen. Auch bspw. Chiriacescu/von Heusinger (2011, 5, wobei sich die Seitenangabe auf eine Preprint-Version bezieht, die digital vorliegt) stellen eine große Studie mit 24 Teilnehmerinnen und Teilnehmern vor.
266
3 Methodik
für die beiden Dialoge einzeln. Der Grund für die Trennung der beiden Dialoge spiegelte einerseits die Unterschiedlichkeit der Daten wieder. Die Ausgangsaufnahme stammte von einem anderen Sprecher, zwischen den beiden Dialogen mussten die Versuchspersonen weitere Hinweise lesen, die sie inhaltlich auf den zweiten Dialog vorbereiteten, d.h., sie konnten sich ggfs. etwas erholen. Andererseits war (zudem) ein gewisser Lerneffekt erwartbar (s.u.). Aus den verbleibenden gewichteten Werten wurde pro Item ein Durchschnittswert gebildet. Durch die Bildung des arithmetischen Mittels wurde der Einfluss individueller Effekte reduziert. Diese durchschnittlichen Reaktionszeiten werden in den Analysekapiteln in Sekunden auf vier Stellen nach dem Komma (Zehntelmillisekunden) gerundet angegeben. In dem Schritt wurden zusätzlich einzelne Personengruppen berücksichtigt, d.h., es wurden auch Durchschnittswerte für einzelne Gruppen gebildet, um die Gruppen untereinander zu vergleichen. Es wurden die Aufnahmeorte sowie das Geschlecht der Partizipanten für die Gruppenbildung herangezogen. Der Vorteil der beschriebenen Verarbeitung der Daten ist, wie dargelegt wurde, dass mehrere mögliche Ungleichgewichte berücksichtigt werden konnten. Zudem sind die so generierten Werte, wenn zwar nicht völlig transparent, so doch gewissermaßen «sprechend». Es wurde zusätzlich ein Mittelwert aus ihnen bestimmt, sodass ein intuitiver Abgleich möglich war: Ist ein betrachteter Wert größer oder kleiner als der Mittelwert? Die Anschaulichkeit erleichterte den Umgang mit den Daten. Die Kehrseite ist allerdings, dass die Verarbeitung der Daten die Möglichkeiten für eine rechnerische Weiterverarbeitung im Rahmen einer statistischen Untersuchung einschränkt. Verschiedene Rechenmethoden erfordern Rohdaten. Aufgrund dessen, aber auch wegen des Umstands, dass die Reaktionszeiten nicht rein computerisiert gemessen werden konnten (s.o.), erfolgt in der vorliegenden Arbeit keine umfassende statistische Analyse. Wie gesagt, wurden die der weiteren Datenverarbeitung zugrunde liegenden Durchschnittswerte für die beiden Dialoge, erstens der Text auf dem Bauernhof und zweitens der zwischen Vermieterin und Mieter, getrennt angesetzt. Es scheint beim zweiten Dialog einen gewissen Lerneffekt gegeben zu haben. So steht eine durchschnittliche gewichtete Reaktionszeit von 1,0093 Sekunden im ersten einem Wert von 1,0084 Sekunden im zweiten Dialog gegenüber. Der Unterschied erscheint zunächst gering. Er ist allerdings nur aufgrund zweier auffällig hoher durchschnittlicher Reaktionszeiten im zweiten Dialog so gering. Dort treten ein Item mit Verbalperiphrase mit einer durchschnittlichen Reaktionszeit von 1,4123 Sekunden und ein Item mit finitem Objektsatz mit 1,6274 Sekunden auf. Sie stechen heraus, insofern im zweiten Dialog keine weitere Reaktion über 1,2513 Sekunden dauert und auch im ersten Dialog 1,2682 Sekunden nicht überschritten werden. Die Abweichung korreliert zweifelsohne mit einer Besonderheit der zwei Items. Es handelt sich um die beiden einzigen Items, die keinen zusätzlichen Kontext
3.2 Experimentelle Datenerhebung
267
einführen und – und das ist naheliegenderweise ganz entscheidend – nur aus einer Frage bestehen, der Frage, die auch den Cue für die Reaktion darstellt. Die beiden Fragen sind überdies kurz und bestehen jeweils nur aus fünf Wörtern.346 Ohne die beiden besonders hohen Werte läge das arithmetische Mittel der Durchschnittsreaktionszeit des zweiten Dialogs bei lediglich 0,9402 Sekunden. Um keine weiteren Restriktionen einführen zu müssen, die ja das Ergebnis beeinflussen würden, wird dennoch darauf verzichtet, die beiden scheinbaren Ausreißer aus der Wertung zu entfernen. Die Besonderheit wird allerdings in der Analyse berücksichtigt. 3.2.1.2 Entscheidungstests mit Bildern Im zweiten Teil des Experiments wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer347 mit einzelnen schriftlich dargebotenen Testsätzen und Bildern konfrontiert. Sie hatten die Aufgabe, Bilder mit Sätzen zu relationieren. Konkret wurden sie gebeten, je nach Item ein oder zwei Bilder auszuwählen, die den jeweiligen Testsatz besonders gut darstellten.348 Die bildlichen Darstellungen waren reduziert und eher schematisch. Sie sollten möglichst wenige potentiell ablenkende Anteile aufweisen. Es sei zunächst ein Beispiel angeführt. [S1.1]349 Carlos demostró tener mucha fuerza. ‘Carlos zeigte große Stärke.’ [S1.2] Carlos demostró que tenía mucha fuerza. ‘Carlos zeigte, dass er viel Kraft hatte.’ Den Partizipanten wurden die Sätze nur einzeln präsentiert. Die Reihenfolge wurde durch die Verwendung zweier unterschiedlicher Fragebögen variiert. In Fragebogen A trat zunächst die finite Variante ([S1.2]) und erst später die infinite ([S1.1]) auf, in Fragebogen B war die Reihenfolge umgekehrt. Es wurden stets die in Abb. 5 dargestellten bildlichen Wahlmöglichkeiten präsentiert (s.u.).
346 Die Gestaltung der beiden Items sollte den Effekt der Natürlichkeit stärken. Insbesondere das erste Item (Y por qué debo creerte eso?, ‘Und warum soll ich dir das glauben?’) ist in dem Zusammenhang, in dem sie auftritt, in der simulierten Gesprächssituation als typisch zu erachten. 347 Für eine bessere Lesbarkeit wird im Folgenden wiederum bzgl. der Versuchspersonen auf die Explizierung des Femininums und des Maskulinums verzichtet. Das (formale) Maskulinum ist generisch intendiert. 348 Der Aufgabentext lautete bspw.: «Por favor, elija la imagen que describa mejor la frase.» (‘Wählen Sie bitte das Bild aus, das den Satz am besten darstellt.’, s. auch der Fragebogen im Anhang.) 349 Die Abkürzung steht für ein satzwertiges Item (im Gegensatz zu N für ein Nominalobjekt) Nummer eins in der ersten Ausprägung.
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3 Methodik
(a)
(b)
Abb. 5: Wahlmöglichkeiten zu den Items mit demostrar (‘zeigen’).
3.2 Experimentelle Datenerhebung
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Die Grundidee des Experiments war, in den Bildern auf abstrakte Weise bestimmte konzeptuell relevante Eigenschaften der Items aufzugreifen bzw. zu instantiieren. In Bildpaaren wie dem obigen ist in einem der Bilder (bzw. Bildkombinationen) die gesuchte Eigenschaft gegeben, die für die Konzeptualisierung des einen Satzes relevant ist, und im anderen Bild die Eigenschaft des anderen Satzes. Die Wahl eines «passenden» Bildes kann als Hinweis darauf interpretiert werden, dass die betrachtete Eigenschaft in der Vorstellung, die die Partizipanten von einem Satz haben, relevant ist. Wichtig ist allerdings, dass beim Gegenbeispiel auch das andere Bild gewählt werden muss. Objektsätze, die von demostrar (‘zeigen’) regiert werden, werden in Kap. 5.1.2.2 ausführlich besprochen. Es wird davon ausgegangen, dass das Verb mit einem infiniten Nebensatz (s. [S1.1]) eine Art Einheit eingeht, die zusammen auf einen Sachverhalt Bezug nimmt. Beim finiten Nebensatz (s. [S1.2]) wird hingegen grob gesagt davon ausgegangen, dass Haupt- und Nebensatz mit unterschiedlichen Instantiierungen verknüpft sind. Die Abbildung 5 zeigt den Gewichtheber Carlos bei der Arbeit. In (a) wird nur die Pose mit erhobener Hantelstange dargestellt, in (b) hingegen zeigt der Gewichtheber zunächst seine Muskeln und reckt dann die Stange über den Kopf. In (a) wird also nur die Beweissituation dargestellt, dass Carlos über viel Kraft verfügt, insofern er ja das Gewicht heben kann. In (b) hingegen weist Carlos zunächst mit der Zurschaustellung seiner Muskeln darauf hin, dass er viel Kraft hat, und beweist das dann im nächsten Schritt. Die Erwartung war, dass die Partizipanten für die infinite Struktur die bildliche Darstellung unter (a) präferieren würden. Es wird ein einzelner Sachverhalt dargestellt, die infinite Struktur beschriebt ihn gewissermaßen als Ergebnis. Für die finite Struktur wurde hingegen eine Präferenz der Darstellung (b) erwartet. Sie besteht aus den beiden Teilen, dass Carlos gewissermaßen in der Beweispflicht ist und den Beweis erbringt. In der Darstellung bringt er sich selbst in die Lage, seine Kraft beweisen zu müssen (Bild rechts), indem er seine Muskeln zur Schau stellt (Bild links). Die Darstellung versucht also, eine abstrakte Divergenz mit einer simplen Instantiierung greifbar zu machen. Im Experiment konnte die beschriebene Korrelation allerdings nicht gezeigt werden, insofern sich die Partizipanten tendenziell bei beiden Testsätzen jeweils für das gleiche Bild entschieden.350 Die Umstände werden in Kap. 5.2.2 nochmals aufgegriffen.
350 Auch wenn das Beispiel nicht wie andere Bildkombinationen zu den erwarteten Ergebnissen führte, wird es hier verwendet, da es u.a. die Erstellung der Bilder gut exemplifiziert (s. Fließtext).
270
3 Methodik
Die Bilder sollten nach Möglichkeit naheliegende Instantiierungen der verwendeten Beispielsätze präsentieren. Sowohl die Beispielsätze als auch die Bilder wurden gezielt kreiert, um die Erkenntnisse aus der Korpusuntersuchung zu überprüfen. Die Testsätze orientieren sich aber stark an Daten aus dem Korpus und der Literatur. Wichtige Restriktionen waren, dass die Sätze möglichst kurz und eingängig sein mussten und sowohl die in ihnen ausgedrückten Sachverhalte, als auch die bildlichen Darstellungen für einen größeren Personenkreis intuitiv eingängig sein sollten. Bei den Bildern sollte eine möglichst weitgehende Abstraktion erreicht werden, um zu umgehen, dass oberflächliche lexikalische Merkmale zu stark ins Gewicht fielen, und die Divergenz stärker auf konzeptuellen Gehalt fokussieren zu können. Daher wurden auch mehrheitlich stark simplifizierte Darstellungen ohne viele Details verwendet (s. etwa das Beispiel-Item oben), die die ausgedrückten Sachverhalte oder bestimmte Anteile davon möglichst ohne ablenkendes Material darstellen sollten. Die bildlichen Darstellungen wurden vom Verfasser der vorliegenden Arbeit erstellt.351 Es wurden mehrere Handzeichnungen gescannt und mit einfachen Methoden am Computer weiter aufbereitet und z.T. mit einem einfachen Zeichenprogramm (PaintFX) durch simple Digitalzeichnungen ergänzt. Der Vorteil einer Erstellung mittels eines Computerprogramms scheint neben weiteren (s.u.) zu sein, dass das Ergebnis einen weniger individuellen Eindruck macht. Das obige Item etwa ist vollständig digital erstellt. Die digitale Erstellung oder Nachbearbeitung eröffnen die Möglichkeit, Bilder oder Teile von Bildern zu kopieren, um mit identischen Anteilen arbeiten zu können. So können Merkmale isoliert verändert werden. Die Wahrscheinlichkeit unerwünschten Primingeffekten kann so deutlich reduziert werden. Im obigen Beispiel des Gewichthebers sind das Bild unter (a) und das rechte unter (b) exakt identisch. Beim linken Bild unter (b) weicht lediglich die Armstellung des Gewichthebers ab, Gesicht, Torso und Beine sowie die Hantelstange sind identisch.352 Auch bei weniger weitgehend übereinstimmenden Darstellungen wurde bei Bildgegenüberstellungen darauf geachtet, dass sich grundlegende Eigenschaften entsprachen. Teilweise wurden einzelne Bestandteile von Bildern kopiert. Grundlegend war, dass die Bildgröße konstant gehalten wurde. Um den Eindruck der Ähnlichkeit zu unterstützen, wurden die auszuwählenden Bilder wie im obigen Beispiel umrahmt, wobei Gegenüberstellungen, wenn möglich, die gleiche Rahmengröße aufwiesen. Auch die Detailtiefe wurde parallel gehalten.
351 Es sei nicht verschwiegen, dass auch die eingeschränkten zeichnerischen Fähigkeiten des Urhebers eine Rolle für die reduzierte Darstellung spielten. 352 Der große Rahmen ist ebenfalls identisch.
3.2 Experimentelle Datenerhebung
271
Die Bilder waren mehrheitlich schwarz-weiß.353 Es wurden keine farbigen Bilder schwarz-weißen gegenübergestellt. Für parallele Testsätze wurden Bildkombinationen z.T. zweimal angeführt. Die Anordnung der Bilder (links vs. rechts oder oben vs. unten) wurde in solchen Fällen konstant gehalten, um kein divergentes Priming zu erzielen. Die Testsätze wurden, im Gegensatz zum ersten Teil des Experiments, nur schriftlich dargeboten und rezipiert. Das hatte praktische Gründe. Auditive Items hätten vom Versuchsleiter einzeln abgespielt werden müssen. Es wäre dabei u.U. zu einer nicht völlig kontrollierbaren Interaktion mit den Partizipanten gekommen. In der hier applizierten Umsetzung konnten hingegen nahezu alle Anweisungen in schriftlicher Form dargeboten werden und waren daher einheitlich für alle Versuchspersonen. Das betrifft den ersten und den zweiten Teil, aber auch schon die Heranführung sowie den Übergang zwischen den beiden Teilen und den Abschluss der Teilnahme der einzelnen Partizipanten. Wie gesagt wurden nur in sehr wenigen Einzelfällen mündliche Rückfragen gestellt, die freundlich aber knapp beantwortet wurden. So konnte eine sehr weitgehende Einheitlichkeit zwischen den Partizipanten sichergestellt werden. Die schriftliche Präsentation der Items barg die Gefahr, dass den Versuchspersonen evident werden konnte, welche Phänomene überprüft wurden. In kurzen Gesprächen nach Abschluss des Experiments sowie in den möglichen schriftlichen Kommentaren durch Versuchsteilnehmer zeigte sich, dass einzelne von ihnen eine Intuition hatten, die in die richtige Richtung ging. So wurde die syntaktische Struktur als Analyseobjekt angenommen. Wirklich genaue Angaben machte allerdings keine Versuchperson. Die Art der Darbietung des Materials, schriftlich und visuell, im zweiten Teil des Experiments erleichtert es, zu erkennen, welchen Phänomenen die Untersuchung galt. Das war ein wichtiger Grund dafür, dass die Anordnung von Teil eins und Teil zwei nicht variiert wurde. Die Abfolge der Items im zweiten Teil wurde hingegen variiert. Dafür wurden zwei Fragebögen (A und B) eingesetzt. Die Reihenfolge ist allerdings in den beiden Fragebögen nicht aleatorisch randomisiert. Der Grund ist, dass sich, wie unten beschrieben, viele ähnliche Strukturen in den Items befinden. Es wurde darauf geachtet, dass nicht das gleiche untersuchte sprachliche Phänomen mehrmals nacheinander auftrat. Dies war möglich, da die Materialien drei verschiedene Strukturen enthielten, Nominalobjekte, Objektsätze und Verbalperiphrasen
353 Das Scannen von Bildern führte zu einem Hintergrund mit nicht völlig farbfreiem Weiß. Gescannte Bilder wurden nachträglich digital bereinigt (s.o.). Dabei wurden Flächen geweißt. In Gegenüberstellungen wurde darauf geachtet, dass der nicht völlig weiße Anteil jeweils vergleichbar war.
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3 Methodik
(s.u.). Zwischen den beiden Fragebögen wurde die Abfolge bei Item-Paaren invertiert. Wie gesagt mussten jeweils mehrere andere Items dazwischen auftreten. Die insgesamt acht Testsätze mit nominalem Akkusativobjekt und vier mit Objektsatz orientierten sich großteils an Beispielen aus der Forschungsliteratur und dem Korpus. Für die Überprüfung der Konzeptualisierung von Objektsätzen wurden jeweils parallele, d.h. sich lexikalisch entsprechende, Strukturen mit finiten und infiniten Objektsätzen abgefragt. Für die beiden Realisierungen, der finiten vs. der infiniten Struktur, die getrennt voneinander abgefragt wurden, wurden jeweils die gleichen Bildwahlmöglichkeiten vorgegeben. So konnte überprüft werden, ob sich je nach syntaktischer Realisierung eine divergente Wahl ergab. Das Vorgehen wurde in Hinblick auf das oben angeführte Beispiel bereits besprochen. Bei den Nominalobjekten war eine direkte Gegenüberstellung von unmarkiertem und markiertem Objekt schwieriger erreichbar. In der Untersuchung wurde nur ein solches Item-Paar verwendet, bei dem lediglich die Opposition [± a] relevant ist, aber keine weitere lexikalische Divergenz auftritt. Es lautet wie folgt. [N2.1] Vencieron la agresión. ‘Sie überwanden die Aggression / Gewalt.’ [N2.2] Vencieron a la agresión. Etwa: ‘Sie schlugen den Angriff nieder.’ In den parallelen Testsätzen tritt in Objektposition ein Abstraktum auf, beide Realisierungen scheinen möglich zu sein. Es wird davon ausgegangen, dass Präferenzen für unterschiedliche Lesarten bestehen und dass entsprechend des hier vertretenen Ansatzes eine divergente Konzeptualisierung gegeben ist. Die Übertragungen ins Deutsche deuten das an.354 Die Annahmen konnten mit den Items aber nicht belegt werden, da die Versuchspersonen wiederum dazu tendierten, für beide Strukturen jeweils das gleiche Bild zu wählen (s. Kap. 4.2.2). Es scheint naheliegend, dass der fehlende Kontext zu einer reduzierten semantischen Repräsentation führt und auch die Konzeptualisierung unterspezifiziert ausfällt.
354 Es wurde zunächst davon ausgegangen, dass das Item [N2.1] sich leichter auf eine Haltung beziehen könnte und [N2.2] auf Handlungen und die sie vollziehenden Handelnden. Die bildlichen Darstellung instantiieren die Lesarten auf recht abstrakte Weise. Es sind aber auch andere Verwendungen denkbar. Möglicherweise ist auch die Lesart einer Haltung nicht allzu wahrscheinlich. Für eine Vereindeutigung würde dem Kontext eine wichtige Rolle zukommen.
3.2 Experimentelle Datenerhebung
273
Um bei den weiteren Items eine präzise semantische Repräsentation zu erreichen, wurden sie spezifischer gestaltet.355 Das führte allerdings auch dazu, dass keine direkt parallelen Test-Items mehr möglich waren. Zweimal wurden jedoch sich semantisch deutlich annähernde Beispielpaare verwendet. Zwei weitere Items mit nominalem Akkusativobjekt wurden ohne Gegenbeispiel abgefragt. Im Rahmen des Bildexperiments wurden keine Filler im eigentlichen Sinne verwendet. Die Gründe, besonders der Zeitaufwand der Partizipanten ohne eine monetäre Entschädigung, wurden in Kap. 3.2.1 besprochen. Das Material enthielt allerdings auch vier Strukturen bzw., da zwei davon mit unterschiedlichen Tempora überprüft wurden, insgesamt sechs Items mit Verbalperiphrasen. Auch wenn sie nicht als Filler bezeichnet werden sollen, weil sie ursprünglich nicht als solche intendiert waren, kann dennoch gesagt werden, dass die strukturelle Diversifizierung verhältnismäßig hoch und damit die Problematik des Verzichts auf Filler eingedämmt sind. Die Partizipanten waren in diesem Teil keiner zeitlichen Begrenzung unterworfen. Sie wurden allerdings vor Beginn des Bildexperiments schriftlich gebeten, flott vorzugehen und die Bilder möglichst spontan zu wählen.356 In der überwiegenden Mehrheit der Fälle kamen sie der Bitte nach.357 3.2.1.3 Kritische Diskussion der experimentellen Analyse Die experimentelle Untersuchung bietet neben der Korpusanalyse einen weiteren, hilfreichen Zugang zur Sprache und ihrer Verwendung. Sie kann bspw. Hinweise auf zugrundliegende konzeptuelle Strukturen und etwa in synchronen Studien Aufschluss über Grenzbereiche geben. Je nach Ausgestaltung der experimentellen Analyse ist zu beachten, dass eine Vielzahl an Faktoren eine Rolle spielen kann. Es können Störfaktoren auftreten, die nicht unbedingt besonders gut kontrollierbar sind. Einzelne wurden bereits am Rande erwähnt, weitere werden in den betreffenden Analysekapiteln angesprochen. U.a. vor dem Hintergrund solcherlei Problematiken sind auch grundsätzliche Fragen zumindest zu erwähnen. Das vorliegende Kapitel behandelt mögliche Kritik und vertieft dabei und über eine weitere Abgrenzung die Darstellung des applizierten Verfahrens.
355 Es sollte auch ausgeschlossen werden, dass die Partizipanten von einem unpassenden Kontext ausgingen und damit möglicherweise einhergehende negative Grammatikalitätsurteile ihre Wahl beeinträchtigten. 356 Der entscheidende Satz in der Aufgabenstellung lautet: «[S]i le es posible, tome las decisiones rápida y espontáneamente.» (‘Wenn es Ihnen möglich ist, treffen Sie Ihre Entscheidungen schnell und spontan.’) 357 Da darauf verzichtet wurde, die Zeit zu überprüfen, können diesbezüglich keine präzisen Angaben gemacht werden.
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3 Methodik
Die durchgeführten Experimente nutzten einerseits die Messung von Reaktionszeiten und Akzeptabilitätstests. Beides sind übliche Verfahren in der experimentellen Linguistik. Die Art der Verbindung beider, die hier umgesetzt wurde, ist zwar nicht völlig neu, aber doch weniger häufig und somit eine kleine Besonderheit der Arbeit. Anderereits werden visuelle Stimuli verwendet, ein Verfahren, das ebenfalls weit verbreitet ist. In Hinblick auf die verwendeten Methoden ist festzuhalten, dass die damit generierten Evidenzen immer indirekt sind (cf. Schwarz 2008, 46). In der modernen Neurolinguistik werden für die Überprüfung von Reaktionen hingegen bildgebende Verfahren verwendet. Sie haben den Ruf, «[e]inen direkten Einblick in das Gehirn» (Schwarz 2008, 36) zu geben. Sie könnten möglicherweise auch eine präzisere Behandlung der hier vertretenen Theorie ermöglichen. Im vorliegenden Rahmen konnten sie aus verschiedenen, bereits besprochenen Gründen nicht appliziert werden. Es ist allerdings bei einem derartigen Vergleich wichtig, sich vor Augen zu halten, dass auch solche grundsätzlich fortschrittlicheren neurolinguistischen Methoden vor dem Problem stehen, «that it is not simple to isolate syntactic processing» (Caplan 2001, 306). Auch ist kaum ein experimentelles Setup vor Störfaktoren und weniger gut kontrollierbaren Variablen gefeit. Nichtsdestotrotz können Indizien, die mit unterschiedlichen experimentellen Methoden gesammelt werden, wichtig und hilfreich sein, weshalb ein Verzicht nicht empfehlenswert ist. Es müssen allerdings ggfs. etwaige Fallstricke möglichst weitgehend erfasst und beschrieben werden. So kann einerseits die Aussagekraft von Erkenntnissen besser eingeschätzt werden, andererseits können Folgestudien davon profitieren. Um den zweiten Punkt besonders zu berücksichtigen, werden in der vorliegenden Arbeit jeweils im Anschluss an die Teilkapitel zu den experimentellen Untersuchungen Hinweise für künftige Studien gegeben (s. Kap. 4.2.3 und Kap. 5.2.3). Verschiedene Schwierigkeiten des Setups wurden bereits erwähnt. Bspw. wurde die Frage angesprochen, ob die Versuchspersonen u.U. vom Material selbst geprimt wurden. Es wurde in dem Zusammenhang auf die Diversifizierung der Items hingewiesen,358 die die eher geringe Anzahl an Fillern teilweise ausgleicht. Bei den Reaktionstests mit auditiven Stimuli wurden u.U. auch einzelne wenige Items verwendet, die im Gegensatz zu den restlichen nur aus wenigen Wörtern bestanden. Die längeren durchschnittlichen Reaktionszeiten sind ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Eigenschaft der Items eine Rolle gespielt haben kann. Neben möglichen Effekten bei einzelnen Items wäre als Störfaktor denkbar, dass die zwei Sprecher in den beiden auditiven Testteilen (oben auch
358 Die Materialien berücksichtigen überdies auch eine recht große Menge an Faktoren. Der Grund ist, dass die experimentelle Untersuchung einen recht frühen Erkenntnisstand widerspiegelt.
3.2 Experimentelle Datenerhebung
275
Dialoge genannt) unterschiedlichen Geschlechts waren und dass auch verschiedene Themen behandelt werden, was den intuitiven Zugang einer Versuchsperson beeinflussen könnte. Die Reaktionszeiten wurden getrennt berücksichtigt, um daraus entstehenden Effekten Rechnung zu tragen. Bei dem Teil mit visuellen Stimuli könnten bspw. Eigenheiten der graphischen Darstellung eine Rolle gespielt haben. Für die Verarbeitung können verschiedene Faktoren relevant sein, die nichts mit der formalen Realisierung von Strukturen zu tun haben, sich aber auch nicht ausblenden lassen. Dazu zählen bspw. die gerichtete und ungerichtete Aufmerksamkeit eines Sprechers / Hörers. Die individuelle Erfahrung ist ein kaum kontrollierbarer Faktor. Frames können eine Schwierigkeit darstellen. Zumindest im ersten Teil, dem der Dialoge, wurde gezielt versucht, sie zu kontrollieren. Im Audiomaterial wurde auch auf den Kontext ein besonderes Augenmerk gelegt (cf. für die Rolle des Kontexts in der Verarbeitung bspw. Borsky/Shapiro 1998). Eine weitere Schwierigkeit können referentielle Prozesse sein. Es wurde allerdings auch diesbezüglich versucht, in Gegenüberstellungen parallele Eigenschaften anzusetzen. Ein weiterer, potentiell strukturunabhängiger Faktor ist die Frequenz (cf. bspw. Haspelmath 2006, 32s., 58s.). Das häufigere Auftreten einer Struktur oder Kollokation kann die Verarbeitung erleichtern (cf. ibid.). Dabei sind also auch gegenläufige Effekte möglich. Es wäre anhand von Frequenzanalysen möglich, sich einen Eindruck über einzelne Zusammenhänge zu verschaffen. Sie können aber auch mit großem Aufwand vermutlich nicht vollständig kontrolliert werden. Es sei zusätzlich eine eher randständige mögliche Fehlerquelle angesprochen. Wie etwa Bittrich/Blankenberger (2011, 26) betonen, sind Versuchspersonen nicht perfekt, sondern können Fehler machen. Besteht bzgl. der Items die Möglichkeit, Fehler zu begehen, so ist damit zu rechnen, dass der Fehler auch begangen wird. Das ist ggfs. schwer interpretierbar, kann aber bei kleinen Stichprobengrößen ins Gewicht fallen. Im Rahmen der Untersuchung wurde bspw. ein Bild verwendet, das einen unlogischen Sachverhalt darstellte und den betreffenden Testsatz nicht verdeutlichte. Es sah den alternativen bildlichen Wahlmöglichkeiten des Items ähnlich. Die Intention war, die Probandinnen und Probanden zu primen und auf die Problematik des betreffenden Testsatzes aufmerksam zu machen. Der Testsatz lautete wie folgt. [N4] La alcachofa grande de la ducha sustituye a la alcachofa pequeña. ‘Der große Duschkopf ersetzt den kleinen Duschkopf.’ In dem Bild mit der nicht korrekten Wahlmöglichkeit waren zwei Duschköpfe am gleichen Ende mit dem Duschschlauch verbunden (s. Kap. 4.2.2). Dennoch wurde
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3 Methodik
das Bild von 6 der 32 Partizipanten gewählt. In Anbetracht des recht hohen Anteils scheint die einzig sinnvolle Erklärung, dass die bildliche Darstellung falsch verstanden wurde. Fälle wie dieser oder der Hinweis eines Partizipanten, er halte eine weibliche Köchin nicht für erwartbar, ein männlicher Koch sie viel typischer, weisen darauf hin, dass nicht alles kontrollierbar ist. Mit einer größeren Datenmenge, sowohl hinsichtlich der Items als auch bezüglich der Testpersonen, hätte der Einfluss solcher Faktoren reduziert werden können. Beim Umfang der durchgeführten Studie ist allerdings eine gewisse Relevanz gegeben. Die Ergebnisse sind entsprechend zu evaluieren. Wie in Kap. 4.2 und Kap. 5.2 gezeigt wird, erbringen nicht alle Items ein klares Ergebnis. Es daher und in Anbetracht der obigen Ausführungen wichtig, sich noch einmal vor Augen zu halten, über welche mögliche Aussagekraft die Ergebnisse grundsätzlich verfügen. Im besten Fall können durch sie Hinweise auf die kognitive Relevanz bzw. Plausibilität der Theorie gesammelt werden. Sind die Ergebnisse hingegen uneindeutig oder gar negativ, ist das jedoch kein eindeutiges Indiz auf eine Einschränkung der kognitiven Relevanz der Theorie. Insofern die Korpusdaten valide Erkenntnisse bringen, ist vielmehr die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass die Art oder die Qualität der Experimente nicht in vollem Maße geeignet sind, um die relevanten Zusammenhänge aufzuzeigen. Vor dem Hintergrund der eingeschränkten Aussagekraft einzelner Ergebnisse ist zu diskutieren, ob eine längere Vorlaufphase mit weiteren Testdurchläufen nötig gewesen wäre. Tatsächlich legten aber die Ergebnisse der durchgeführten Vorstudie (s. Kap. 3.2 und Kap. 3.2.2) keinen solchen Bedarf nahe. Die Daten wiesen z.T. deutlichere Tendenzen auf. Der Umstand könnte damit in Zusammenhang stehen, dass die Hälfte der Partizipanten der Vorstudie (vier Personen) linguistisch informiert war. Drei arbeiteten sogar im Bereich der Sprachlehre. Alle waren (eingeschränkt) mehrsprachig, sie lebten in Deutschland. Sie verfügten also über eine gesteigerte Sensibilität in sprachlichen Fragen. In der Hauptstudie wurde dann versucht, einen möglichst geringen Anteil an linguistisch informierten Partizipanten einzubeziehen. Es ist nicht auszuschließen, dass die abweichenden Verhältnisse eine Rolle für die divergierenden Ergebnisse gespielt haben. In Anbetracht der besprochenen möglichen Kritik sei zuletzt nochmals darauf hingewiesen, dass der uneindeutige Anteil der experimentellen Untersuchung nicht die Aussagekraft der vorliegenden Arbeit einschränkt. Erstens wurde die dem Ansatz zugrunde liegende Theorie umfassend fundiert. Und zweitens hat die umfassende semantisch-konzeptuelle Analyse, die anhand von Korpusdaten durchgeführt wird, unabhängig von den Ergebnissen der experimentellen Untersuchung Gültigkeit. Auch ihre Ergebnisse sind letztlich eine Art des geforderten «empirischen Korrelat[s]» (Schwarz 2008, 45).
3.2 Experimentelle Datenerhebung
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3.2.2 Durchführung und Versuchspersonen Die Untersuchung wurde im Jahr 2012 in mehreren Schritten realisiert (s. für weitere Ausführungen auch Kap. 3.2 und Kap. 3.2.1). Wie bereits angesprochen wurde zunächst eine Vorstudie in Köln durchgeführt. So wurde das Material getestet und dabei auch etwas variiert. Es nahmen 8 muttersprachliche Personen teil, die hinsichtlich ihrer Herkunft nicht ganz einheitlich waren, insofern bspw. auch Partizipanten aus Katalonien und dem Baskenland darunter waren. Zudem waren alle zumindest mittelfristig, die meisten aber recht langfristig in Deutschland ansässig und mit verschiedenen Sprachen und Varietäten des Spanischen in Kontakt. Zwar wurde für die Hauptuntersuchung ein anderes Set an Versuchspersonen angestrebt, um das Vorgehen und die Materialien zu testen, war der Rahmen jedoch gut geeignet. Mehrere von ihnen waren über freundschaftliche Kontakte rekrutiert worden und waren bereit, im Anschluss an die Testläufe noch über das Material zu diskutieren. Drei von ihnen waren in der Sprachlehre tätig und konnten besonders hilfreiche Anmerkungen machen. Das Material wurde überarbeitet und von drei Muttersprachlern aus einsprachigen Regionen Spaniens geprüft. Die Hauptstudie wurde in Spanien durchgeführt, genauer in Valladolid und Salamanca. Die dortige Varietät repräsentiert die spanische Standardsprache verhältnismäßig gut, wenn auch verschiedene Regionalismen bekannt sind, etwa im Gebrauch der Personalpronomina. Es wurden insgesamt 36 Partizipanten vor Ort auf dem Campus rekrutiert. Es wurde versucht, Studierende unterschiedlicher Studiengänge in die Untersuchung aufzunehmen. Im Zuge dessen konnte wurde der Anteil an linguistisch informierten Personen gering gehalten werden. Linguistikstudenten, deren Reaktionen möglicherweise durch ihr Wissen beeinflusst worden wären, wurden von der Teilnahme ausgeschlossen. Studierende anderer Fächer, in denen einzelne linguistische Kurse belegt werden, bspw. im Lehramtsstudium, nahmen aber teil. Noch präziser wurde die (sprachliche) Herkunft kontrolliert. Die Versuchsteilnehmer sollten aus einsprachigen Regionen Spaniens sein. Das führte zum nachträglichen Ausschluss der Daten von vier Partizipanten (cf. bspw. Bittrich/Blankenberger 2011, 26). Das verbleibende Set der Hauptstudie mit 32 Teilnehmern ist recht homogen. Neben ihrer Herkunft aus einsprachigen Regionen Spaniens sind alle Partizipanten zum Zeitpunkt der Untersuchung in schulischer oder universitärer Ausbildung. Sie sind zwischen 18 und 33 Jahren alt. Das Durchschnittsalter liegt bei 22,3 Jahren. Der Altersdurchschnitt der Partizipanten in Salamanca ist dabei geringer und beträgt nur 20,6 gegenüber 24,1 Jahren bei den Teilnehmern aus Valladolid. Das hat konkrete praktische Gründe. Das Experiment fand in Valladolid in der letzten veranstaltungsfreien Woche statt. Als in der Woche danach
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3 Methodik
Daten in Salamanca erhoben wurden, begannen die Veranstaltungen gerade. Auf dem Campus waren daher deutlich mehr Menschen zugegen und prozentual mehr junge Studierende. Auch hinsichtlich des Geschlechts war die Verteilung recht ausgeglichen. Es nahmen 15 weibliche und 17 männliche Versuchspersonen teil. Im Anschluss an die Untersuchung wurden die Daten detailliert ausgewertet und in Übersichten eingetragen. Dabei wurde v.a. Microsoft Excel genutzt. Sie wurden in Hinblick auf die relevanten sprachlichen Phänomene ausgewertet. Auch die Faktoren Alter, Geschlecht und Herkunft wurden punktuell auf ihre Relevanz für bestimmte Ausprägungen überprüft, teilweise unter Rückgriff auf das Computerprogramm R. Es ergab sich dabei jedoch kein einheitliches Bild.
4 Differentielle Objektmarkierung (DOM) Das folgende große Analysekapitel behandelt Nominalobjekte. Der diesbezüglich vertretene Ansatz wurde in Kap. 2.8 präsentiert (s. auch die präzisierende Zusammenfassung in Kap. 2.8.5). Es wird von Komplexitätsikonizität ausgegangen. Bei oppositiven Realisierungen einzelner Verben mit Nominalobjekt entspricht demnach der formal komplexeren Struktur mit a-Marker eine konzeptuell komplexere Struktur als der unmarkierten. Komplexität ist definiert als relative Menge strukturierter Information (cf. Givón 2009a, 1s. unter Bezug auf Simon 1962). Die formale Seite ist im Gegensatz zur konzeptuellen direkt zugänglich. Die konzeptuelle Struktur nimmt daher einen großen Teil der Untersuchung ein. Die Komplexitätsgrade werden im Sinne des Generativen Lexikons bestimmt (cf. Pustejovsky 1991a; 1995b etc.; s. Kap. 2.8.2ss.). Im Folgenden wird zunächst die Applizierung des Ansatzes zur DOM anhand einer großen und detaillierten Korpusuntersuchung vorgestellt. Im Zuge dessen werden sein Erklärungspotential belegt sowie im Detail Verfeinerungen präsentiert. Im Anschluss werden die Daten einer experimentellen Untersuchung dafür genützt, seine Relevanz im Sprachgebrauch zu diskutieren. Darüber hinaus wird auf der Grundlage der Erkenntnisse eine verfeinerte Systematisierung von Nominalklassen, insbesondere solcher mit menschlichem Denotat, erstellt. Sie werden mit zusätzlichen Korpusuntersuchungen untermauert.
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen Die Korpusuntersuchung, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit zur differentiellen Objektmarkierung durchgeführt wird, nützt hauptsächlich die ADESSEDatenbank (http://adesse.uvigo.es) der Universidade de Vigo.359 Die gesamte Datenmenge der ADESSE ist eher gering, allerdings ist das Material syntaktisch und semantisch annotiert (s. für weitere Informationen Kap. 3.1). Die (eingeschränkte) Annotierung ist eine wichtige Voraussetzung für die hier durchgeführte tiefensemantische Analyse. Den Kern der Untersuchung, der mit weiteren Daten aus der ADESSE, aber auch aus dem CREA-Korpus sowie verschiedenen weiteren Datensammlungen, darunter insbesondere das freie Internet angereichert wird, stellen 22 verbale Types. Die Verben eint, dass sie nominale Akkusativobjekte regieren bzw. regieren können. 359 Wie in Kap. 3.1 besprochen, speist sich die ADESSE-Datenbank aus dem ARTHUS-Korpus der Universidad de Vigo. https://doi.org/10.1515/9783110595826-004
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
Sie und die Strukturen, in denen sie auftreten, sind als repräsentativer Ausschnitt des spanischen Verbalbereichs intendiert. Einerseits werden alle möglichen Transitivitätsgrade berücksichtigt, andererseits sind sie hinsichtlich der denotierten Sachverhalte ontologisch breit gefächert. Mit der vielseitigen Semantik geht einher, dass eine große Bandbreite an verbaler Kombinatorik abgebildet werden kann. Anhand der Transitivitätsgrade sind die Verben in vier Gruppen aufgeteilt, die weiter untergegliedert werden, sodass eine übersichtliche Systematik entsteht. Bestimmte Fälle wurden ausgeschlossen, insbesondere betonte Objektpronomen360 und Relativpronomen,361 die in der ADESSE nicht vollständig gefiltert werden,362 sowie Fehlklassifizierungen (s. auch Kap. 3.1.1). In der Hauptuntersuchung wurden somit 853 Okkurrenzen tiefensemantisch analysiert.363 Mit 244 sind 28,6% der Objekte a-markiert. 609 Objekte weisen keinen Marker auf (71,4%). Der theoretische Ansatz kann anhand der Daten belegt und stellenweise verfeinert werden. Tatsächlich entspricht die formale Realisierung in nahezu allen Fällen den sich aus der konzeptuellen Beschreibung ableitenden Erwartungen (über 99%). Die Zahlen wären für eine ernstzunehmende statistische Analyse zu gering. Für die hier verfolgten Ziele hingegen ist die Menge sehr gut geeignet. Unter den Okkurrenzen sind viele Fälle, die als typisch zu kategorisieren wären. Es finden sich aber auch eine relativ große Varianz bei der Nominalbedeutung und ein breites Spektrum an kombinatorischen Auffälligkeiten und Besonderheiten. Das ist entscheidend. Die vorliegende Untersuchung will nicht nur die recht frequenten Standardfälle, sondern in gleichem Maße Sonderfälle angehen. Die folgenden Unterkapitel sind dem Transitivitätsgrad der Verben in ihrer Grundbedeutung entsprechend geordnet. Als Orientierung für die Hierarchie werden das Transitivitätsverständnis von Hopper/Thompson (1980) sowie die umfassende Beschreibung von Lehmann (1991) herangezogen. Wichtig sind dabei v.a. die Faktoren der Temporalstruktur und des Aspekts der Verben, die zeitliche Ausdehnung des Sachverhalts und ggfs. die Beschaffenheit 360 Bei den betonten Objektpronomen mit menschlichem Referenten gilt die a-Markierung als vollständig grammatikalisiert (cf. etwa RAE 1973, 373; s. Kap. 2.7.3.1). 361 Bei den Relativpronomen ist nicht auszuschließen, dass ihre formale Realisierung nicht auch von der Form des Antezendenten beeinflusst werden kann. 362 Die ADESSE erlaubt zwar, syntaktische Kategorien festzulegen. An nominalen Realisierungen finden sich die Kategorien ‘Nominalphrase’ und ‘betontes Personalpronomen’. Obwohl eine Opposition erwartbar ist, enthält die Kategorie der ‘Nominalphrase’ oft auch Fälle mit betontem Objektpronomen. 363 Von den aussortierten Fällen sind 63 unbetonte Objektpronomen und Relativpronomen. Zusammen mit außerdem den Fehlklassifizierungen, die die ADESSE-Datenbank ausgibt, beläuft sich die Datenmenge der Hauptuntersuchung auf 920 Okkurrenzen.
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
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des Kulminationspunkts, die Selektionspräferenzen der Verben, Art und Grad der Involviertheit von Erst- und Zweitaktant sowie gegebenenfalls eine Zustandsänderung beim Zweitaktanten. Hinsichtlich abweichender Bedeutungen und Kombinationen wird u.a. geprüft, wie das Verhalten lizensiert wird. Die relative Wertung der genannten Faktoren ist ein Stück weit neu (s. in Abgrenzung Kap. 2.6.1 und 2.6.2). Zunächst werden Verben von hohem Transitivitätsgrad besprochen. Bei den Verben matar (‘töten’) und despertar (‘aufwecken’) ist er besonders hoch. Dafür sorgen u.a. die Salienz des Kulminationspunkts, die starke Involviertheit des Erstaktanten und die sehr weitgehende Zustandsänderung beim Zweitaktanten. Stark transitiv sind bspw. golpear (‘schlagen’) und morder (‘beißen’), die sich von den vorgenannten Verben aber bspw. durch die weniger umfassende Zustandsänderung des Objektdenotats unterscheiden. Als Verben mit mittlerem Transitivitätsgrad werden Handlungsverben wie cambiar (‘verändern’, ‘tauschen’) und coger (‘nehmen’, ‘ergreifen’; ‘bekommen’), Substitutionsverben wie sustituir (‘ersetzen’) und Sprechaktverben im weiteren Sinne364 wie insultar (‘beleidigen’) und acusar (‘beschuldigen’, ‘anklagen’). Zuletzt werden einige Verben von niedriger Transitivität besprochen, darunter tratar (‘behandeln’, ‘umgehen mit’) und abandonar (‘verlassen’, ‘aufgeben’). Die Applizierung des vorgeschlagenen Ansatzes setzt zunächst für alle Verben eine detailreiche Beschreibung der o.g. Faktoren voraus, die zukünftigen Untersuchungen als Orientierung dienen kann. Der vorliegende Ansatz kommt im Rahmen der Analyse zu verschiedenen zusätzlichen besonderen Weiterentwicklungen bestehender Überlegungen. Darunter sind die folgenden. Es wird die mögliche Relevanz einer relationalen Bedeutungskomponente herausgestellt (s. inbes. Kap. 4.1.1.2.3). Die Rolle der Temporalstruktur von Verben für die Lizensierung von abweichenden Verwendungen wird besprochen (s. die Unterkapitel 2, 3 und 4 von Kap. 4.1.2.1). Zudem wird bspw. das für die umfassende Beschreibung der Substitutionsverben hilfreiche Begriffspaar des strengen vs. nicht-strengen Ersetzungsverhältnisses eingeführt (s. Kap. 4.1.2.2.1).
4.1.1 Verben mit relativ hohem Transitivitätsgrad Die beiden Gruppen der Verben mit sehr hohem und derjenigen mit hohem Transitivitätsgrad stehen sich hinsichtlich ihrer Funktionsweisen recht nahe,
364 Der Begriff des Sprechaktverbs wird hier nicht gegenüber dem der Verba dicendi abgegrenzt (cf. für eine mögliche Differenzierung Gansel 2005, 1563).
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
weshalb sie gut zusammengefasst werden können. Die Verben ähneln sich etwa hinsichtlich der Struktur des Sachverhalts, den sie denotieren, sowie der Involviertheit der Aktanten. Sie sind telisch. Die Kulmination hat eine eher geringe Ausdehnung und ist in der Regel nicht iterativ. Der Erstaktant tritt zumeist als Agens auf. Er ist dementsprechend willentlich, aber gegebenenfalls auch hinsichtlich mehrerer ihn konstituierender Ebenen in die Handlung involviert. Der Verbalvorgang hat typischerweise einen deutlichen Effekt auf den Zweitaktanten. Auch was ihn betrifft, kann die Beteiligung am Sachverhalt alle relevanten Ebenen umfassen. Die Verbbedeutungen machen das Auftreten von Objekten mit menschlichem Denotat recht wahrscheinlich (s. auch unten; die Erkenntnis findet sich in der Literatur sehr häufig, bspw. bei von Heusinger/ Kaiser 2005; 2007; dort wird allerdings anders argumentiert). Im Folgenden werden zunächst zwei verbale Types mit sehr hohem Transitivitätsgrad besprochen. Matar (‘töten’) und despertar (‘aufwecken’) zeichnen sich unter den analysierten Verben insbesondere durch die starke Involviertheit des Zweitaktanten aus. Das Objektdenotat erfährt hier einen sehr weitgehenden Zustandswechsel. Die Verben golpear (‘schlagen’), morder (‘beißen’), vencer (‘besiegen’), espantar (‘verjagen’), cazar (‘fangen’, ‘einfangen’) und parar (‘anhalten’) weisen einen hohen Transitivitätsgrad auf. Er lässt sich in der gezeigten Reihenfolge der Types als von Verb zu Verb abnehmend präzisieren (s. die betreffenden Unterkapitel), was auch die Reihenfolge der Ausführungen motiviert. Für die 8 verbalen Types der Gruppe des relativ hohen Transitivitätsgrads wurden 254 relevante Okkurrenzen untersucht.365 Der Anteil der a-markierten Objekte ist entsprechend der Selektionspräferenzen einiger Verben im Durchschnitt relativ hoch. Die Objekte weisen in 122 Fällen (48%) eine Markierung auf. Demgegenüber sind 132 Okkurrenzen unmarkiert. Allerdings verhalten sich die Verben recht unterschiedlich. Der Anteil a-markierter Objekte ist bei matar (‘töten’) mit 56 von 76 relevanten Okkurrenzen (73,7%) und bei vencer (‘besiegen’) mit 30 von 36 relevanten markierten Objekten (83,3%) sehr hoch. Demgegenüber ist er sehr niedrig bei morder (‘beißen’), wo nur eine von 11 Okkurrenzen markiert ist (9,1%), und beläuft sich bei den restlichen Verben auf zwischen 18,2% (parar, ‘anhalten’) und 37,5% (espantar, ‘verjagen’). Wie im Verlauf des Kapitels gezeigt wird, hat die Verteilung u.a. mit möglichen zusätzlichen Lesarten zu tun. Würden die Verwendungen gefiltert und bspw. nur Lesarten mit agentivem Erstaktanten untersucht, wäre der Anteil insgesamt höher und die Verteilung u.U. etwas weniger divers. Eine Verallgemeinerung
365 Das Kap. 4.1.4 hält eine tabellarische Übersicht bereit.
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
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allein anhand der lexikalischen Füllung der Verbposition ist jedoch problematisch (s. auch Kap. 2.7.8). 4.1.1.1 Verben mit sehr hohem Transitivitätsgrad Es werden hier zwei Verben mit sehr hohem Transitivitätsgrad diskutiert, matar (‘töten’) und despertar (‘wecken’). Zwar sind die Verben lexikalisch sehr unterschiedlich, ihre Ausdifferenzierung in den relevanten Kategorien nähert sie jedoch einander an. Zur Klassifikation führen die folgenden Faktoren. Die Einflussnahme auf das Objekt kann zwei mögliche Ebenen des Objekts betreffen, eine physische und eine psychische Ebene. Beide Verben haben eine Selektionspräferenz hinsichtlich des Objekts und selegieren typischerweise eine belebte Entität.366 Die Handlung und v.a. die Realisierung ihres Effekts haben tendenziell eine geringe zeitliche Ausdehnung. Zudem kann ein etwaiges Subjektdenotat körperlich und willentlich direkt in die Handlung involviert sein. Das Verb matar (‘töten’) weist den höchsten Transitivitätsgrad der untersuchten Verben auf. In der Grundbedeutung ist die vom Subjekt denotierte Einheit stark in eine Handlung involviert, nämlich körperlich und tendenziell auch mental, von der das Denotat des Objekts in größtmöglicher Weise, nämlich in jedem Fall körperlich und mental, betroffen ist. Das telische Verb assertiert eine sehr kurze Zeitspanne. Es wird hier davon ausgegangen, dass es sich bei der Handlung zeitstrukturell um ein Event handelt und nicht, wie Lehmann (1991, 230) überlegt, um einen terminativen Prozess. In der Grundbedeutung selegiert matar ein Objekt mit belebtem oder menschlichem Denotat. Im Korpus war dies bei über 90% der Okkurrenzen der Fall, wobei hier insgesamt 76 Okkurrenzen relevant sind. Alle 56 Objekte (rund 74%), die a-markiert sind, denotieren eine belebte (4) oder menschliche (52) Einheit. All diese Objekte sind komplexen Typs. [1.a] El […] mató con sus manos a una antigua amiga en un momento de ofuscación sucedido pocas horas antes […]. (MIR:068.20) ‘Er hatte in einem Moment der Verblendung, zu dem es wenige Stunden zuvor gekommen war, mit seinen eigenen Händen eine alte Freundin getötet.’ [1.b] ¿Tú deseabas matar a Mari-Nieves? (SUR:020.03) ‘Du wolltest Mari-Nieves töten?’ Das Beispiel [1.a] wurde bereits angeführt. Das Objekt denotiert eine menschliche Entität und hat einen spezifischen Referenten. Da vom Tötungsakt sowohl
366 Es ist hierbei allerdings Variation möglich.
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der Körper als auch die mentale oder seelische Ebene betroffen sind,367 ist zu erwarten, dass das Objekt in Beispielen dieser Art komplexen Typs ist. In [1.b], wo die Objektposition von einem Eigennamen gefüllt wird, ist die Handlung virtuell. Die Virtualität wird vom Hauptverb und dem Satzmodus ausgedrückt, was auch für das Objekt relevant sein könnte, da es ja unter das Verb eingebettet ist. Entscheidend für die Konzeptualisierung ist jedoch die vom Modus unabhängige Proposition. Das Objekt ist komplex und wird markiert. [2.a]
[…] para acabar matándolo allí como se mata a un perro […]. (RAT:138.16) ‘um ihn schließlich dort zu töten, so wie man einen Hund tötet’
[2.b]
Ya hablé por delante al matarte a tu Rusca. ¡Buena conejera, sí, señor! (SON:048.24) ‘Ich hatte schon vorher gesprochen, als ich deine Rusca tötete. Ein gutes Karnickelfrettchen368, jawohl, der Herr!’
Objekte mit tierischem Denotat werden ausführlich in Kap. 4.3.2 behandelt (s. zudem Kap. 2.7.4). Die Beispiele [2] dienen an dieser Stelle allerdings der Veranschaulichung dessen, dass ein Verb wie matar (‘töten’) prinzipiell gut geeignet ist, ein Objekt komplexen Typs zu regieren, auch über solche mit menschlichem Denotat hinaus. Wie noch gezeigt werden wird, hat perro (‘Hund’) ein relativ großes Potential komplex konzeptualisiert zu werden. In [2.a] ist der Ausdruck unspezifisch und tritt in einem charakterisierenden Teilsatz auf.369 In Beispiel [2.b] ist der Objektausdruck referentiell und verweist auf ein Frettchen. Nicht nur, weil das Objekt als Eigenname realisiert ist, sondern vielmehr da es sich dabei um das Lieblingstier des Angesprochenen handelt, ist es naheliegend, dass eine mentale oder psychische Ebene damit assoziiert und es als komplexer Typ konzeptualisiert wird. 367 Es wird lediglich ausgesagt, dass eine Zustandsänderung erfolgt, nicht aber wie sie konkret aussieht. Philosophische oder religiöse Fragestellungen sollen hier nicht diskutiert werden. Es sei allerdings darauf hingewiesen, dass auch in dem Fall, dass nur der Körper im engeren Sinne getötet wird, beide Bedeutungskomponenten der menschlichen Entität betroffen sind, da ja dadurch auch das bestehende Verhältnis zwischen beiden aufgehoben werden muss. Allein in dieser Aufhebung der Relationalität bestünde eine entscheidende Änderung auch für einen sonst unveränderten nicht-körperlichen Bedeutungsbestandteil. 368 Es handelt sich bei Karnickelfrettchen möglicherweise um eine Wortneuschöpfung. Gemeint ist ein Frettchen, das zur Kaninchenjagd eingesetzt wird. 369 Der Satz ist ein Vergleich und charakterisiert den vorangehenden. Dass die NP unspezifisch ist und nicht bspw. eine «Kind»-Lesart (engl. kind ähnlich wie Typ, s. Kap. 2.7.5.3) intendiert, lässt sich am einfachsten mit der folgenden Paraphrase zeigen, die einen einzelnen Vorgang zum Ausdruck bringt: acabar matándolo allí tal y como se mataría a un perro.
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
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Alle in der ADESSE auftretenden markierten Okkurrenzen haben ein menschliches oder ein tierisches Denotat. Allerdings verfügen auch von den 20 Okkurrenzen (rund 26%) ohne a-Markierung 4 über ein menschliches und 10 über ein tierisches Denotat. Keiner dieser 20 Fälle stellt für die hier vorgeschlagene Theorie eine Ausnahme dar. Allerdings zeigen die vier nicht-markierten Objekte mit menschlichem Denotat wichtige und relevante Möglichkeiten, die sich z.T. mit traditionellen Theorien nicht erfassen lassen. Sie werden daher im Folgenden einzeln angeführt. Es handelt sich dabei um bestimmte Ausprägungen des funktionalen und des natürlichen Typs, um einen zumindest problematischen Fall und eine Fehlklassifikation. [3]
Existía, sin embargo, […] una modalidad que constituía excepción […]: la de la señorita a quien le habían matado el novio en la guerra y había decidido no volver a tener ninguno. (USO:043.32) ‘Es gab jedoch auch eine Form, die eine Ausnahme darstellte: die des Fräuleins, dessen Verlobter im Krieg getötet worden war (wörtl.: dem man im Krieg den Verlobten getötet hatte) und das entschieden hatte, nicht noch einmal einen zu haben.’
[4] Liberó al pueblo con sólo un puñado de ingleses y gracias a él los alemanes no mataron rehenes ni destrozaron nada en su retirada. (SON:275.16) ‘Er befreite das Dorf mit gerade mal einer Handvoll Engländern und dank ihm töteten die Deutschen keine Geiseln und zerstörten nichts auf ihrem Rückzug.’ [5]
La tan magnificada creación histórico-político-cultural romana supuso, entre otras cosas, que, sin haber todavía armas de fuego y en sólo cinco años de campaña, César llegase a matar hasta un millón de galos de entre una población estimada por alto en 10 millones. (RAT:217.04) ‘Die so sehr gepriesene römische historisch-politisch-kulturelle Schöpfung bedeutete unter anderem, dass Cesar, ohne dass es schon Schusswaffen gegeben hätte und innerhalb von gerade einmal fünf Jahren Feldzug, insgesamt bis zu einer Million Gallier von einer Gesamtbevölkerung, die auf höchstens 10 Millionen geschätzt wird, tötete.’
[6] Quiere el dinero que le das para la máquina de matar marcianos. (AYE:033.29) ,Er will das Geld, das du ihm gibst, für den Videospielautomat.’ Die vier Objekte sind allesamt unspezifisch oder haben eine «Kind»-Lesart (s. dafür Kap. 2.7.5.3). Wie aber bereits gesagt wurde, kann mit der Spezifizitätstheorie
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keine umfassende Erklärung erbracht werden. Die Beispiele [3] und [4] sind Fälle, die andere Theorien vor Schwierigkeiten stellen, im Rahmen der hier vorgeschlagenen jedoch gut erklärbar sind (s. auch Kap. 2.8.3). In beiden Beispielen denotiert das Objekt lexikalisch eine menschliche Entität oder eine Menge menschlicher Entitäten. Wie bereits gesagt wurde, weist das Objekt in [3] Skopusspezifizität auf,370 über die Kind-Lesart des Bezugsnomens la señorita (‘das Fräulein’) erhält es ebenfalls eine. Das Objekt in [4] ist unspezifisch. Die entscheidende Korrelation mit dem nicht vorhandenen a-Marker ist bei beiden Beispielen, dass die Objekte funktionalen Typs sind. Beispiel [3] wurde aufgrund seiner Anschaulichkeit bereits in Kap. 2.8.3 besprochen. Die Assertion intendiert eine soziale Rolle, die zum Situationszeitpunkt nicht mehr erfüllt wird. Die Einordnung als Objekt funktionalen Typs lässt sich formalisieren, insofern als sowohl der Ortus- wie auch der telische Faktor spezifiziert sind. Der Ursprung des Status als novio (‘Verlobter’) ist eine interpersonelle Übereinkunft, die zum Ziel hat, dass die derart denotierte Entität durch ein typischerweise folgendes Gelübde zu einem Ehemann wird.371 Die relevanten Bestandteile der QualiaStruktur des Objekts in [4], rehenes (‘Geiseln’), lassen sich wie folgt aufschlüsseln. Der Ortus-Faktor ist spezifiziert als [+ von einer menschlichen Entität böswillig in ihre Gewalt gebracht], das telische Quale etwa als [+ um bei einer dritten Einheit im Tausch die Herausgabe eines irgendwie gearteten Werts zu erwirken]. Wie der Kotext verdeutlicht, geht es bei der Versprachlichung des potentiellen Tötungsaktes (matar, ‘töten’) nicht um die konkrete Beendigung auch einer psychisch-mentalen Seite der menschlichen Denotate, sondern vielmehr um die recht abstrakte Erfassung einer Schadensmenge.372 Das Objekt in [5] wird in der ADESSE als belebt klassifiziert. Dies ist vor dem Hintergrund der hier applizierten Systematisierung als ungenau einzustufen. Innerhalb der NP in Objektposition ist millón (‘Million’) das entscheidende Element. Es denotiert eine Menge. Genau genommen tritt hier also ein Abstraktum in Objektposition auf, auch wenn die angeschlossene PP den Bezug verdeutlicht, also aus was die Menge besteht. Allerdings ist galos (‘Gallier’) das semantisch salientere Element. Es ist nicht auszuschließen, dass das bei der Konzeptualisierung eine
370 Die syntaktische Funktion von novio (‘Verlobter’) als Akkusativobjekt wurde von einer Muttersprachlerin (Spanien) und einem Muttersprachler (Mexiko) bestätigt. 371 Es sei wie so ähnlich schon in Kap. 2.8.3 hinzugefügt, dass der semantisch saliente Bestandteil der Verbalphrase das Ergebnis ist und nicht das Objekt, was sich u.a. in der Wahl des Plusquamperfekts manifestiert. 372 Das Nomen rehenes (‘Geiseln’) ist ein Stage-Level-Nominal (cf. bspw. Busa 1999). Es hat in Hinblick auf die denotierte Menge an menschlichen Entitäten nur einen begrenzten Zeitraum lang Gültigkeit. Die Thematik wird in Kap. 4.3.1 vertieft.
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
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Rolle spielt. Jedoch gilt auch für die gesamte Objekt-NP, dass die Assertion keine menschlichen Entitäten mit ihrer Gedanken- und Gefühlswelt betrifft, sondern eine Funktion: Die galos (‘Gallier’) erfüllen die Funktion Gegner zu sein. Die Nationalitätenbezeichnung, die die Information einer territorialen Spezifizierung enthält, ermöglicht das. Das Nomen kann mithin als funktionalen Typs klassifiziert werden. In [6] ist das Objekt offenbar Teil eines relativ fixen Ausdrucks. Im OnlinePONS wird die Wortkombination máquina de marcianos als «Wendung» geführt (Stichwort «marciano», Zugriff: 02.02.19).373 Die Bedeutung ist ‘Videospielautomat’ (ibid.). In der Form, die das Online-PONS anführt, tritt kein Verb auf. Dass die Realisierung im Korpus eine andere ist, weist auf einen geringen Lexikalisierungsgrad hin. Unabhängig vom Status der Konstruktion lässt sich Folgendes festhalten. In der ADESSE wird das Objekt als diskontinuierliches Konkretum eingeordnet. Dies mag ein Versuch sein, der Konstitution der entsprechenden Einheiten hinsichtlich der Realität Rechnung zu tragen. Es sind sichtbare Entitäten, die virtuell geschaffen werden, sodass ein Videospieler einen Sensor darauf richten und ihre virtuelle Existenz durch Betätigung eines Knopfes aufheben kann. Es ist allerdings fraglich, ob eine Erklärung nicht eher in Hinblick auf das Videospiel, also auf seine virtuelle Realität erfolgen sollte. Dann wären die Einheiten menschenähnlich.374 Die Konzeptualisierung und die entsprechende sprachliche Realisierung müssten sich der einer menschlichen Entität annähern. Innerhalb des Satzes wäre die Argumentation die, dass das eine menschliche oder menschenähnliche Einheit denotierende Objekt funktionalen Typs ist. Der Typ ist damit zu begründen, dass sie lediglich im Rahmen des und für das Videospiel kreiert wurden (Ortus-Faktor). Der Spieler kann seine Konzentration auf sie richten, wenn er das Spiel spielt (telischer Faktor, s. auch unten). Es sei am Rande betont, dass das nicht bedeutet, dass das Objekt im üblichen Sinne effiziert wäre, was als alternativer Grund für das Fehlen einer Markierung angeführt werden könnte (s. Kap. 2.7.8). Es ist nicht die Verbalhandlung, die das Objekt hervorbringt. Der Zweck der Existenz der besagten Einheiten ist konstitutiv für das Spiel. Sie sollen erschossen werden oder ggfs. den Avatar des Spielers, also sein virtuelles Alter Ego, erschießen (telischer Faktor). Diese Erklärung scheint
373 Der genaue Link ist der folgende: http://de.pons.eu/dict/search/results/?q=marciano&l=dees&in=&lf= (Zugriff: 02.02.19). In den Online-Wörterbüchern der Real Academia Española wird der Begriff allerdings nicht aufgeführt (http://www.rae.es, Zugriff: 02.02.19). Gleiches gilt auch etwa für Martínez Amador (1991) und Slaby/Grossmann/Illig (2001). 374 Auch die einzige Wortangabe des Diccionario de la lengua española der RAE des Nomens weist darauf hin: «Habitante imaginario del planeta marte» (http://dle.rae.es/?w=marciano&o=h, Zugriff: 02.02.19).
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deutlich präziser als die oben angedeutete von der Kategorisierung der ADESSE abgeleitete. Wie sich im Lauf der Analyse zeigen wird, besteht gerade darin eine Stärke der vorliegenden Arbeit, dass auch der Verwendungsrahmen der sprachlichen Ausdrücke berücksichtigt wird. Auch die zehn nicht-markierten Objekte mit belebtem bzw. tierischem Denotat (rund 13%) lassen sich allesamt mit der hier vorgeschlagenen Theorie erklären. Sieben davon sind funktionalen (oder semi-intentionalen) Typs, erstens zum späteren Verzehr gehaltene Tiere (ovejas o cabras, ‘Schafe oder Ziegen’, dos conejos, ‘zwei Kaninchen’), zweitens Nutztiere (su mejor hurón, ‘sein bestes Frettchen’) und drittens Wild (un animalito, ‘ein Tierchen’, un elefante, ‘einen Elefanten’, cualquier pieza de caza menor, ‘jegliches Stück Niederwild’). Hinsichtlich der ersten Gruppe wird matar im Deutschen üblicherweise mit schlachten wiedergegeben. Ein Objekt dieser Gruppe sticht heraus. [7]
BEGOÑA.- Una cena. Hay que darle una cena. […] ¿Por qué no matamos la vaca Marela? (HOT:046.09) ‘BEGOÑA: «Ein Abendessen. Man muss ein Abendessen für sie ausrichten. Warum schlachten wir nicht die Kuh Marela?»’
In Beispiel [7] hat das Tier einen Namen. Eine Konzeptualisierung als komplexer Typ, bei der der Einheit etwa eine eigene Gefühlswelt zugeschrieben wird, wäre daher denkbar. Der Kontext vereindeutigt allerdings, dass das Tier als funktionaler Typ konzeptualisiert wird. Es wird gehalten, um zu einem bestimmten Zeitpunkt verzehrt zu werden. Zwei weitere Objekte mit tierischem Denotat sind natürlichen Typs (moscas, ‘Fliegen’, una mosca, ‘eine Fliege’, s. auch die Anmerkungen in Kap. 4.1.1.2.4 zu espantar, ‘verjagen’, und in Kap. 4.3.2). Das verbleibende Objekt mit belebtem Referenten ist todo cuanto había con vida (‘alles Lebendige’ bzw. ‘all das, was Leben in sich trug’). Die Verhältnisse entsprechen in etwa denen des oben angeführten Objekts hasta un millón de galos ([5]). Es wird in der ADESSE als belebt klassifiziert, das Objekt ist allerdings streng genommen ein Quantifizierer mit einer Menge als Denotat. Es wird hier als abstraktnatürlichen Typs klassifiziert. Im Korpus tritt nur ein Konkretum auf, árboles (‘Bäume’). Seine Konstitution als Pflanze lizensiert eine Rektion durch matar (‘töten’). Es trägt den Erwartungen entsprechend keinen Marker. Mengenmäßig wichtiger ist die Gruppe der Objekte mit abstraktem Denotat mit rund 7%. Aufgrund ihrer Semantik sind die Objekte mit der Grundbedeutung des Verbs inkompatibel. Es ist jeweils eine metaphorische Verschiebung nötig. Dabei verringert sich der Transitivitätsgrad. In allen 5 Fällen ist eine Idiomatisierung möglich bzw. wahrscheinlich, was hier aber nicht ausgeführt werden soll. Zwei
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
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Objekte denotieren die Zeit375 bzw. eine Menge von Zeit (el tiempo, ‘die Zeit’, las horas, ‘die Stunden’). Die anderen drei Objekte, los sentidos (‘die Sinne’), el tedio (‘die Langeweile’), el hambre (‘den Hunger’) lassen sich weniger gut zusammenfassen. Von den fünf Objekten, die hier als abstrakt-natürlichen Typs klassifiziert werden, ist keines markiert. Das zweite Verb, das in seiner Grundbedeutung über einen sehr hohen Transitivitätsgrad verfügt, ist despertar (‘wecken’). Typischerweise bewirkt dabei das Subjektdenotat einen Zustandswechsel beim menschlichen oder tierischen Objektdenotat, der die beiden möglichen Ebenen des Objektreferenten betrifft. Wird eine außersprachliche Entität geweckt, so ändern sich ihr mentaler und ihr physischer Zustand. Das Verb ist telisch, die Zustandsänderung erfolgt punktuell. Es handelt sich also um ein Achievement im Sinne Vendlers (1957). Lehmann (1991, 231) ordnet das Verb als ingressiven Prozess und nicht als Event ein. Der Grund könnte sein, dass Wachheit als graduell erachtet wird und das Erwachen dementsprechend als gradueller Prozess, bei dem der Moment des Eingriffes von außen in den Zustand der vom Objekt denotierten Einheit lediglich den Anfangspunkt darstellt. Der Prozess würde unabhängig vom Aufweckenden erfolgen. Vor dem Hintergrund wird die Klassifikation hier nicht übernommen. Es wird vielmehr die Ansicht vertreten, dass der saliente Bestandteil der Verbbedeutung ein einzelner Zeitpunkt ist, zu dem auch der weitaus größte Teil des angesprochenen Zustandswechsels vollzogen wird. Die Datenlage im Korpus ist mit 57 relevanten Okkurrenzen relativ gut. Da wie oben ausgeführt von der Verbalhandlung, wenn möglich, der physische und der psychisch-mentale Bestandteil einer außersprachlichen Entität betroffen sind, wäre ein hoher Anteil an Objekten komplexen Typs zu erwarten. Allerdings ist in relativ vielen Fällen eine andere als die erwartungsgemäß typische Aktantenkonfiguration gegeben. Mit 17 Objekten sind nur knapp 30% komplexen Typs. Davon haben 15 ein menschliches Denotat (s. bspw. [8]). Es treten keine unmarkierten Objekte mit menschlichem und überhaupt keine mit tierischem Denotat auf. [8] Voy a despertar a vuestro padre. (COA:023.14) ‘Ich werde euren Vater wecken.’ Die beiden verbleibenden Objekte komplexen Typs denotieren in ihrer Grundbedeutung Abstrakta. In [9] vereindeutigt jeweils der Kontext, wie das
375 Es sei auf die Existenz des parallelen deutschen Ausdrucks die Zeit totschlagen hingewiesen.
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Objekt konzeptualisiert wird. [9.a] wird in der ADESSE allerdings anders als im Rahmen der vorliegenden Arbeit klassifiziert (s.u.). [9.a] La independencia de Namibia […] despertó abruptamente al sector gallego del sueño de un nuevo orden pesquero internacional […]. (2VO:041-1.3-02) ‘Die Unabhängigkeit Namibias weckte den galizischen Sektor abrupt aus dem Traum von einer neuen internationalen Fischereiregelung.’ [9.b] La máscara de oro de la perfecta santidad no fue al principio más que prenda de promesa con la que el alma respondía a la llamada del espíritu, al soplo exterior que despierta y solicita a la naturaleza para que, liber[á]ndose de su inerte servidumbre, elev[á]ndose sobre sí misma, encarne bajo el dictado del espíritu la figura viviente de la santidad. (RAT:278.10) ‘Die goldene Maske der vollkommenen Heiligkeit war ursprünglich nicht mehr als ein Pfand des Gelübdes, mit dem die Seele dem Ruf des Geistes antwortete, dem Hauch draußen, der die Natur erweckt und um sie wirbt, damit sie, indem sie sich aus ihrer trägen Dienerschaft befreit und sich über sich selbst erhebt, unter dem Diktat des Geistes das lebendige Ebenbild der Heiligkeit verkörpert.’ Der Sektor wird in der ADESSE als belebtes Kollektivum eingeordnet. Diese Einschätzung wird hier nicht geteilt. Weder das Denotat noch der Referent des Ausdrucks gehen tatsächlich als das wohl gemeinte menschliche Kollektivum durch. Der ‘Sektor’ ist eine abstrakte Einheit, ein auf wirtschaftlicher Ebene bestimmter Bereich. Es sind viele und zum Teil wiederum abstrakte Entitäten, die zu seinen Bestandteilen zählen und ihn konstituieren. Natürlich sind in dem Sammelsurium auch menschliche Entitäten enthalten, die dem Konzept durch ihre berufliche Tätigkeit zugeordnet sind. Zumindest ähnlich wichtig für die Konstitution des ‘Sektors’ ist aber die berufliche Tätigkeit der besagten Entitäten bzw. überhaupt die wirtschaftlichen oder geschäftsbezogenen Handlungen, die in seinem Rahmen realisiert werden. Auch entsprechende Güter und Dienstleistungen gehören ihm an. All das bedeutet nicht, dass das Konzept ‘Sektor’ komplexen Typs sein muss. Die aufgezählten Faktoren und / oder Bedeutungsbestandteile lassen sich den unterschiedlichen Qualia eines funktionalen Typs zuordnen. Darüber hinaus ermöglichen sie aber offenbar auch eine komplexe Konzeptualisierung ohne eine semantische Verschiebung. Entscheidend ist dafür, dass wie in [9.a] gleichzeitig auf die verschiedenen Bedeutungskomponenten Bezug genommen wird. Innerhalb des Satzes ist neben dem Verb v.a. die PP del sueño de un nuevo orden pesquero internacional ein deutlicher Hinweis darauf. Einer abstrakten Entität mag ein regungsloser Zustand zugeschrieben werden, der metaphorisch als Schlaf bezeichnet werden
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kann. Einen Traum jedoch kann nur eine Entität haben, deren Konstitution sie dazu befähigt. Notwendig dafür ist nicht nur die Fähigkeit zu schlafen, sondern v.a. auch das Vorhandensein einer Bewusstseinsebene, die im Schlaf aktiv sein und den Traum realisieren kann.376 Das Objekt ist also komplexen Typs. In [9.b] stellt der Sprecher seine Interpretation einer Geschichte vor. In der Geschichte wird nach dem Tod der Hauptperson festgestellt, dass ihr perfektes Gesicht, das sie in die für die Geschichte entscheidende hohe Position gebracht hat, eine Maske ist. Gleich darauf wird aber offensichtlich, dass die Person unter der Maske die gleichen Gesichtszüge hat. Der Satz bringt zum Ausdruck, dass das Denotat des betrachteten Objekts, die Natur (naturaleza), eine wichtige Rolle auf dem Weg hin zum besagten Ergebnis spielt. Sie ist ein abstraktes Phänomen, dem aber die Fähigkeit zu einem eigenständigen, willentlichen Verhalten zugeschrieben wird. Besonders der dem Objekt folgende Kotext macht also die Konzeptualisierung als komplexer Typ deutlich. Zu den 17 a-markierten Okkurrenzen komplexen Typs kommt eine weitere, die nicht komplexen Typs ist. Die Markierung hat hier grammatisch-strukturelle Gründe. Es liegt der klassische Fall der Notwendigkeit einer formalen Disambiguierung vor (cf. bspw. Torrego Salcedo 1999, 1784). Subjekt und Objekt sind adjazent und verfügen über keine deutliche rollensemantische Distinktivität im Sinne García Garcías (2010). [10]
Tú, que eres tan científico, ded[í]cate a estudiar por qué proceso químico despierta la memoria a las cosas tristes si olvidamos tan pronto las alegres… (JOV:173.24) ‘Du, der du so ein Wissenschaftler bist, widme dich der Erforschung dessen, aufgrund welches chemischen Prozesses das Gedächtnis die traurigen Dinge aktiviert, wenn wir doch die erfreulichen so schnell vergessen…’
Das Objekt in [10] ist wiederum abstrakter Natur.377 Wenn auch eine Konzeptualisierung als komplexer Typ nicht vollständig ausgeschlossen werden kann, so 376 Der weitere Kontext liefert zusätzliche Indizien. Die entscheidenden aus der Unabhängigkeit folgenden äußeren Umstände des galizischen Fischereisektors werden im nächsten Satz des Textes konkretisiert. Die neue Regierung Namibias verweist ausländische Fischer der eigenen Gewässer. Das wie vom Verb (despertar, ‘aufwecken’) impliziert zuvor gleichförmige Verhalten des galizischen Fischereisektors muss sich ändern. Dies betrifft einerseits, «äußerlich», die Aktivität in räumlicher bzw. geographischer Hinsicht und andererseits, «innerlich» eine Änderung der Geisteshaltung der Akteure, deren Hoffnung als zerstört beschrieben wird. 377 Dass es sich hierbei tatsächlich um ein verbal regiertes Objekt und keine Präpositionalphrase zu memoria (‘Erinnerung’) handelt, bestätigten eine Muttersprachlerin (Spanien) und ein Muttersprachler (Mexiko).
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ist sie doch unwahrscheinlich. Eine traurige Erinnerung hat kein Eigenleben, was sich daran zeigt, dass sie nicht aktiv schmerzt. Dies gilt unabhängig davon, dass im Beispiel eine NP verwendet wird, las cosas (tristes), die gegenüber dem allgemeineren Ausdruck Erinnerung (im Beispiel wäre dafür span. recuerdo möglich) eine geringere Extension hat, also semantisch und referentiell stärker restringiert ist. Bspw. ist nicht die Erinnerung an einzelne Personen, sondern an Sachverhalte gemeint. Die Konstitution einer Erinnerung als traurige kommt allein durch die Einschätzung des Experiencers, der im Beispiel nur implizit ist, zustande. Diese Wertung ist eine subjektive nähere Bestimmung der Erinnerung, die keine Auswirkung auf ihren typenbezogenen Status hat. Die ‘erinnerten traurigen Dinge’ werden aufgrund dessen, dass sie weder hinsichtlich des Ortus-, noch des entsprechenden telischen Faktors spezifiziert sind, als abstrakt-natürlichen Typs eingeordnet. Insofern die Struktur durch den Marker formal als [+ komplex] zu klassifizieren ist, liegt hinsichtlich des Komplexitätsgrads keine Ikonizität zwischen formaler und semantisch-konzeptueller Seite vor. Als Auslöser für die Markierung lassen sich, wie gesagt, vielmehr Faktoren der grammatischen Oberflächenstruktur ausmachen. Wie eingangs erwähnt, tritt die scheinbar untypische Konfiguration, in der das Objekt nicht-komplexen Typs ist, im Korpus häufig auf. Neben der soeben präsentierten abweichenden Struktur ist die Konfiguration bei weiteren 39 der insgesamt 57 Okkurrenzen und damit bei über zwei Dritteln der Objekte gegeben. Allerdings sind die 39 Objekte, die allesamt Abstrakta denotieren, vollständig theoriekonform. Keines ist markiert. [11]
La palabra «gitano» despertaba en mí imágenes atroces. (SUR:067.06) ‘Das Wort «Zigeuner» weckte in mir grauenhafte Bilder.’
Das Beispiel [11] ist parallel zum zuvor genannten. Das Objekt denotiert eine bestimmte Form der Erinnerung, die vom Experiencer als negativ empfunden wird. Im Korpus werden, einschließlich der o.g. nicht-ikonischen Okkurrenz, fünf Erinnerungen evoziert. Neben den genannten sind dies el tacto, (‘die Berührung’), sus recuerdos (‘seine Erinnerungen’) sowie recuerdos (‘Erinnerungen’). Die meisten der unmarkierten Objekte denotieren allerdings Gefühle. [12] […] no sé cómo despertar el entusiasmo en ellos. (SEV:282.07) ‘Ich weiß nicht, wie ich Begeisterung bei ihnen wecken soll.’ [13] Aquella sospecha despertó mi curiosidad […]. (SUR:064.25) ‘Jener Verdacht weckte meine Neugier.’
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
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Das Nomen entusiasmo tritt im Korpus viermal als Objekt auf (s. [12]). Beispiel [13] zeigt ein weiteres Mal, dass eine nicht vorhandene rollensemantische Distinktivität im Sinne García Garcías (2010) allein keine hinreichende Bedingung für eine Markierung ist. Insgesamt denotieren dreißig Objekte Gefühle, darunter bspw. auch un sentimiento (‘ein Gefühl’), excitación sexual (‘sexuelle Erregung’) oder anhelos (‘Sehnsucht’). Außerdem wurde etwa das Nomen sospechas (‘Vermutungen’, drei Okkurrenzen) dem Gefühlsbereich zugeordnet, obwohl hierbei bewusste mentale Vorgänge eine Rolle spielen können. Die Gefühle sind allesamt natürlichen bzw. abstrakt-natürlichen Typs, wobei sospecha (‘Vermutung, Verdacht’) aufgrund der genannten Eigenschaften als Grenzfall zum abstrakt-funktionalen Typ eingeordnet werden könnte. [14]
El viento frío y silbante que soplaba del lago despertó su mente […]. (CAR:112.06) ‘Der kalte, pfeifende Wind, der vom See herüberwehte, regte seinen Verstand an.’
Das Objektdenotat in [14] teilt die besondere Eigenschaft mit denen der zuvor behandelten Untergruppe, dass der Objektreferent innerhalb eines Trägers, häufig eines Experiencers, liegt. Mit su mente (‘sein Verstand’) wird die Gesamtheit und Qualität der Denkvorgänge einer Person zu einem bestimmten Zeitpunkt bezeichnet. Auch hierbei handelt es sich um ein Konzept abstrakt-natürlichen Typs. Eine weitere Unterklasse bilden sprachliche Phänomene, die im Korpus zweimal vertreten sind (otras [palabras] afines, ‘weitere verwandte Wörter’, preguntas, ‘Fragen’). Sie sind funktionalen Typs. Die beiden letzten verbleibenden Okkurrenzen denotieren Phänomene, die sich nicht in die obigen Kategorien einordnen lassen (su vida, ‘sein Leben’ und ecos sublimes, ‘außergewöhnliche Echos’, Zweiteres ist ein Wortspiel378). Sie sind abstrakt-natürlichen Typs. Wie gesagt sind alle diese 39 Objekte mit abstraktem Denotat nicht-komplexen Typs und keines ist markiert.
4.1.1.2 Verben mit hohem Transitivitätsgrad Es gibt viele Verben mit hohem Transitivitätsgrad. Die Analyse einer kleinen Auswahl wird im Folgenden vorgestellt, golpear (‘schlagen’), morder (‘beißen’), vencer (‘besiegen’), espantar (‘verjagen’), cazar (‘einfangen’) und parar (‘anhalten’).
378 Die NP tritt in folgendem Kontext auf: [Y]o ironicé con el hecho de que fueras cantante, de que pudieras despertar en los humanos ecos sublimes (CAR:058.25), ‘Ich witzelte über die Tatsache, dass du Sängerin warst, dass du in den Menschen außergewöhnliche Echos hervorrufen könntest’.
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
Für alle gilt, dass sie mit Objekten kompatibel sind, deren Denotate ontologisch divers sein können. Die entscheidende Voraussetzung für die Kompatibilität ist, dass ein entsprechender Objektreferent tatsächlich von der Verbalhandlung betroffen sein können muss. Besonders bei den Verben, die typischerweise physische Verhältnisse ausdrücken, ist das zumindest so lange unproblematisch, wie beim Objekt irgendeine Art von Körperlichkeit gegeben ist. Bei vencer (‘besiegen’) kommt hinzu, dass das Objekt einer weiteren relationalen Bedeutungskomponente bedarf, die in einem entgegengesetzten Verhältnis zum Subjektdenotat besteht. Die semantische Besonderheit spiegelt sich auf der syntaktischen Ebene wider. Alle Verben der Gruppe haben eine gewisse Tendenz dazu, in der Grundbedeutung Objekte mit menschlichem oder zumindest belebtem Denotat zu selegieren. Die Verben werden wiederum entsprechend ihres hier angenommenen Transitivitätsgrades gegliedert. Dabei werden objektseitig die Ebenen und der Grad der Betroffenheit und gegebenenfalls die Art der Zustandsänderung einbezogen. Hinsichtlich des Verbalvorgangs wird die zeitliche Ausdehnung, so nötig auch der Vor- und der Nachphase, besonders berücksichtigt.
4.1.1.2.1 Golpear (‘schlagen’) Ein Verb, das in der linguistischen Analyse transitiver Strukturen immer wieder angeführt wird, da seine relevanten syntaktischen und semantischen Eigenschaften als besonders salient gelten, ist golpear (‘schlagen’). Zwar ist der Objektreferent physisch meist nicht ganzheitlich betroffen, bei einer mentalen oder mehr noch psychischen Ebene ist jedoch, so vorhanden, eine vollständige Betroffenheit gut möglich. Die Ausprägung der Betroffenheit bestimmt auch eine etwaige Zustandsänderung des Objektreferenten. Für den hohen Transitivitätsgrad ist die zeitliche bzw. zeitstrukturelle Komponente besonders relevant. Das Verb ist telisch. Die zeitliche Ausdehnung des Verbalvorgangs ist strikt punktuell. Das Verb ist damit ein typischer Vertreter der Kategorie des Events (cf. auch Lehmann 1991, 232), nicht zuletzt weil die Verbbedeutung jegliche Vor- oder Nachphase der Handlung ausblendet. Das Korpus enthält 44 hier relevante Fälle von golpear (‘schlagen’). Die Ausprägungen stützen die Darstellung im Online-Wörterbuch der RAE tendenziell, wo das Verb als monosem präsentiert wird (cf. http://lema.rae.es/drae/? val=golpear, Zugriff: 02.02.19).379 Gut 95% der auftretenden Objekte sind entweder
379 Demnach hat golpear die Bedeutung «dar un golpe o golpes repetidos» (http://lema.rae. es/drae/?val=golpear, Zugriff: 02.02.19, ‘einen Schlag oder wiederholte Schläge versetzen’). Die Bedeutungsangaben in der ADESSE weichen allerdings davon ab (s.u. im Fließtext).
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
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menschlich oder konkret.380 Sie bieten also eine physische Angriffsfläche für den jeweiligen Schlag oder die Schläge. Diese 42 Fälle sind mit der hier vorgeschlagenen Theorie leicht erklärt. Alle 8 Objekte mit menschlichem Denotat sind a-markiert. [15] La Mujer Pirata había golpeado al abuelo […], pero Carlos no parecía creer a Miguel cuando éste se lo contaba. (TER:116.23) ‘Die Piratenfrau hatte den Großvater geschlagen, aber Carlos schien Miguel nicht zu glauben, als dieser es ihm erzählte.’ Beim Objektdenotat von golpear (‘schlagen’) ist wie gesagt in jedem Falle ein physischer Bestandteil betroffen. Hat ein Objekt wie in [15] ein menschliches Denotat, so ist aber in aller Regel nicht nur die physische, also körperliche Seite der menschlichen Entität betroffen. Das telische Quale von schlagen beinhaltet bei einem menschlichen oder belebten Objektreferenten die Information, dass ihm Schmerzen zugefügt werden sollen. Die Verbbedeutung spezifiziert also, dass bei einem Objektreferenten, der fühlen kann, zwei unterschiedliche Ebenen betroffen sein müssen, die körperliche Seite und die Gefühlswelt. Ein Objekt, dass die Anforderungen erfüllt, ist komplexen Typs. Dies gilt nicht für Objekte, die ein Konkretum denotieren. Erwartungsgemäß ist keines der 34 Objekte, die dieser Kategorie angehören, markiert. [16] Golpeó con rabia el borde de la bañera. (MIR:117.01) ‘Er schlug wütend auf den Rand der Badewanne.’ [17] Golpea el pecho de su marido. (CAI:073.34) ‘Sie schlägt auf die Brust ihres Mannes ein.’ [18] […] se destacaron, como en comisión, dos o tres de ellos y golpearon vigorosamente las puertas con el puño […]. (RAT:067.09) ‘Es traten, wie bei einer Abordnung, zwei oder drei von ihnen hervor und schlugen energisch mit der Faust an die Türen.’ [19] Un viento fuerte golpeaba los árboles. (JOV:103.02) ‘Starker Wind peitschte die Bäume.’
380 Objekte mit tierischem Denotat treten im Korpus nicht auf.
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
Wie die Beispiele [16] bis [19] zeigen, regiert golpear Objekte, die ganz unterschiedliche Konkreta denotieren. In [16] ist dies der Badewannenrand. [17] ist beispielhaft für eine relativ große Gruppe innerhalb des Korpus’ und zeigt einen interessanten, wenn auch erwartbaren Gegensatz zu Beispielen mit menschlichem Objektdenotat. Die semantisch-syntaktische Konfiguration mit menschlichem Subjektdenotat und einem direkten Objekt, das einen menschlichen Körper bzw. v.a. ein Körperteil bezeichnet, der Teil des Subjektdenotats sein kann, aber nicht muss, tritt im Korpus elfmal auf. Die Konfiguration macht also fast ein Drittel der Objekte aus, die Konkreta denotieren. Im Gegensatz zu Fällen, in denen das Objekt eine menschliche Entität denotiert, gehören solche Objekte nicht dem komplexen Typ an. Der Schmerz wird nicht vom Körperteil gefühlt, sondern von der Entität, der das Körperteil angehört. Diese wiederum ist zwar im konstitutiven Quale des Körperteils spezifiziert, auf sie wird aber nicht gleichzeitig Bezug genommen. Das Objekt ist also natürlichen Typs.381 Im Korpus wird wie in [18] gezeigt in acht Fällen heftig an die Tür oder Teile der Tür geklopft. Die Tür ist aber nicht nur wegen der Frequenz anzusprechen, sondern vor allem weil das englische Nomen door bei Pustejovsky verschiedentlich als Beispiel für einen logisch polysemen Ausdruck (cf. bspw. Pustejovsky 1991a, 431s.) und damit für den komplexen Typ (cf. bspw. Pustejovsky 1995b, 93) angeführt wird. Das Konzept ‘Tür’ umfasst demnach sowohl ein physisches Objekt als auch eine Öffnung (cf. ibid.). Allerdings selegiert ein Verb wie schlagen (bzw. klopfen) offensichtlich nur den ersten Bedeutungsbestandteil. Es wird lediglich das konkrete physische Objekt mit einem Schlag versehen. Es kommt also zur Type Coercion, bei der der komplexe Typ durch das Verb aufgelöst wird. Das Objekt árboles (‘Bäume’) in [19] schließlich funktioniert wie andere Konkreta auch, obschon es wie im vorangegangenen Kapitel angesprochen auch ein Verb wie matar (‘töten’) lizensieren kann, das in nichtmetaphorischen Verwendungen beim Objekt die Bedeutungskomponente der Belebtheit fordert. Im Korpus treten zwei Beispiele auf, die Abstrakta denotieren.382 Solche Fälle, in denen die von der Grundbedeutung des Verbs geforderte physische Angriffsfläche nicht vorhanden ist, machen weniger als fünf Prozent aus. Auffällig ist, dass eines der Objekte markiert ist und das andere nicht.
381 Auch García García (2010, 46, Fußnote 25) betont, dass Objekte, die Körperteile denotieren, nur höchst selten markiert werden, präsentiert aber keinen Gegenbeleg mit a-Markierung. 382 Beide sind auch in der ADESSE als abstrakt klassifiziert.
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
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[20] Un amargo dulzor de almendro, el aroma medicinal de las sabinas, golpearon su olfato en el recuerdo. (JOV:078.15) ‘Ein bittersüßer Geruch von Mandelbäumen, das medizinische Aroma des Sadebaums, suchte in der Erinnerung seinen Geruchssinn heim.’383 [21] El directivo de la promotora apuntó que Fontiñas ha sido la forma más efectiva de golpear a la especulación inmobiliaria en Santiago, y concluyó: «A SGV los números le salen porque es una sociedad estatal sin ánimo de lucro.» (3VO:036-6.5-11) ‘Der Leiter des Bauträgers wies darauf hin, dass Fontiñas der effektivste Weg gewesen sei, gegen die Immobilienspekulation in Santiago in die Offensive zu gehen, und fasste zusammen: «Die SGV kommt auf ihre Zahlen, weil sie eine staatliche Gesellschaft ohne Profitstreben ist.»’ Bereits auf der rein lexikalischen Ebene sind Unterschiede vorhanden. Das Denotat von olfato (‘Geruchssinn’, s. [20]) ist natürlichen Typs. Dasjenige von especulación inmobiliaria (‘Immobilienspekulation’, s. [21]) hingegen ist funktionalen Typs. Aufgrund der oben angesprochenen Tendenz zur Monosemie ist die Kombination mit golpear (‘schlagen’) als regierendem Verb bemerkenswert. Laut der ADESSE weicht die Bedeutung des Verbs in beiden Fällen von der Grundbedeutung ab. Demnach sind beides übertragene Bedeutungen. In der ADESSE wird eine Bedeutung jeweils zusammen mit der Aktantenkonfiguration angegeben. Für [20] findet sich die folgende Angabe: «Provocar [un recuerdo, imagen, idea o algo similar] impresión emocional o física [a alguien]» (http:// adesse.uvigo.es/data/fichas.php?id_cl=33022, Zugriff: 02.02.19, ‘hervorrufen eines emotionalen oder physischen Eindrucks [bei jemandem] [durch eine Erinnerung, ein Bild, einen Gedanken oder etwas Ähnliches]’, Bedeutung 4.a in der ADESSE). Diese Einschätzung wird hier nicht geteilt. Es wird vielmehr davon ausgegangen, dass es sich um die Bedeutung 4.b in der ADESSE handelt: «Causar [el frío, el calor, o algo similar] malestar o una sensación desagradable [a alguien]» (http:// adesse.uvigo.es/data/verbos.php?verbo=GOLPEAR, Zugriff: 02.02.19, ‘auslösen von Unwohlsein oder eines unangenehmen Gefühls [bei jemandem] [durch Kälte, Hitze oder etwas Ähnliches]’). Die PP en el recuerdo (‘in seiner Erinnerung’) ist ein Satzadverbial, das den Verbalvorgang in seiner Gesamtheit hinsichtlich seines Realitätstatus’ verortet. Golpear bezeichnet also ein unangenehmes Gefühl, an das sich der Subjektreferent erinnert bzw. das er innerhalb seiner Erinnerung ver-
383 Es ist liegt im Ausgangssatz offenbar entweder ein Kommafehler (nach sabinas) oder ein Bezugsfehler (golpearon im Plural) vor. Daher ist auch die Übersetzung mit Vorsicht zu genießen.
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spürt. Für [21] gibt die ADESSE die folgende Definition: «Atacar [una persona] [a otra o a un tema o asunto] (por medio de la palabra] [sic]384», http://adesse.uvigo. es/data/fichas.php?id_cl=115235, Zugriff: 02.02.19, ‘angreifen [einer anderen Person, eines Themas oder einer Angelegenheit] (mittels Worten) [durch eine Person]’). Der Klassifikation wird hier zugestimmt. In Kap. 2.8.2 wurde erläutert, wie im Rahmen des generativen Lexikons Bedeutungen verbunden werden. Eine Voraussetzung für den Co-Composition genannten Vorgang ist, dass die beteiligten Elemente auf irgendeiner Ebene kompatibel sind, sodass sie verbunden werden können. Andernfalls wäre eine Äußerung semantisch nicht interpretierbar. Vor dem Hintergrund des Grice’schen (1975) Kooperationsprinzips ist aber davon auszugehen, dass Sprecher zumindest mehrheitlich interpretierbare Äußerungen produzieren. Interpretierbarkeit ist auch bei metaphorischen Verwendungen zu erwarten, ein Phänomen, das zentral für die Erklärung der beiden vorliegenden Beispiele ist. Hinsichtlich der obigen Beispiele wurde betont, dass der Vorgang des Schlagens auf der Ebene des Konkreten zu verorten sei und er nur da realisiert werden könne. Bei [20] und [21] sind die Objektreferenten aber Abstrakta, ein physischer Kontakt ist nicht möglich. Es sei daher noch einmal die Qualia-Struktur von schlagen näher betrachtet. Sie beinhaltet u.a. die folgenden Informationen: Im konstitutiven Quale ist spezifiziert, dass eine Berührung erzielt wird zwischen einem Subjektdenotat, typischerweise eine menschliche oder belebte Entität, und einer Oberfläche. Der formale Faktor besagt insbesondere, dass die Berührung schnell ausgeführt wird und nur von kurzer Dauer ist. Beides wurde bereits in der Einleitung angesprochen. Neu ist die Spezifikation des telischen Faktors. Er enthält in Abhängigkeit von der Aktantenkonfiguration u.a. die Möglichkeit, bei der berührten Einheit einen Reiz zu setzen, u.U. sogar einen für sie negativen Effekt zu erzielen.385 Der Ortus-Faktor ist weniger leicht zu bestimmen und wird nicht weiter besprochen, da seine Spezifikation an dieser Stelle keine Rolle spielt. Das Konzept ‘olfato’ (‘Geruchssinn’, s. [20]) verfügt über eine Art «Träger», grob gesagt ein generalisierter Experiencer, was im konstitutiven Quale spezifiziert ist. Diese Information ist mit der des telischen Faktors des Verbs kompatibel. Die Lizensierung der Kombination der beiden sprachlichen Elemente ist
384 Auf palabra folgt in der Definition eine eckige Klammer (cf. http://adesse.uvigo.es/data/ fichas.php?id_cl=115235, Zugriff: 02.02.19), die wohl wie die vorangehende eine runde Klammer sein müsste, da der letzte Bestandteil nicht notwendigerweise gefordert wird. Auch in der vorliegenden Okkurrenz ist er nicht realisiert. 385 Eine weitere Möglichkeit wäre, einem dem Erstaktanten inhärenten Gefühl Ausdruck zu verleihen, etwa im angeführten Beispiel Golpeó con rabia el borde de la bañera (MIR:117.01), ‘er schlug wütend auf den Rand der Badewanne’. Hier zeigt sich die schwierige Abgrenzung zum Ortus-Faktor.
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
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also wie folgt. Im telischen Quale des Verbs ist spezifiziert, dass bei einer am Verbalvorgang beteiligten Entität ein Reiz erzeugt oder gar etwas Negatives hervorgerufen wird bzw. werden soll. Eine solche beteiligte Entität ist, wie oben gesagt, im konstitutiven Quale des Objekts enthalten, der Experiencer zu olfato, ‘Geruchssinn’. Sie wird dementsprechend Experiencer des Reizes. Der Satz ist also semantisch. Das Objekt bleibt nicht-komplexen Typs, sein Auftreten ohne Marker entspricht der Erwartung. Im Falle der ‘Immobilienspekulation’ in [21] ist die Sache anders gelagert. Es handelt sich dabei zunächst um einen bestimmten wirtschaftlichen Vorgang bzw. eine Serie solcher Vorgänge (konstitutives Quale), bei der sich einzelne wirtschaftliche Akteure informationelle Schwächen anderer Akteure, d.h. ihr unvollständiges Wissen über zukünftige Gegebenheiten, zunutze machen (formaler Faktor), um einen finanziellen Gewinn zu generieren (telisches Quale). Hier sind die wirtschaftlichen Akteure, die die Spekulation realisieren, im Ortus-Faktor spezifiziert. Auch in [21] ist es wieder der telische Faktor des Verbs, der die Kombination ermöglicht. Das Ziel des Referenten des (impliziten) Subjekts ist, einen negativen Effekt beim Objektdenotat zu erzielen. Im Falle der Spekulation ist dies grundsätzlich möglich: Durch geeignete Maßnahmen in Form von weniger variablen, eher geringen Preisen für Immobilien kann dem Phänomen der Immobilienspekulation entgegengewirkt werden. Bei einer solchen Interpretation wäre lediglich das Phänomen der Spekulation (das hier lokal auf Santiago beschränkt ist) selbst Ziel eines negativen Effekts. Die Satzbedeutung ist so jedoch noch nicht gänzlich erfasst. Der Verbalvorgang gilt nämlich vielmehr gleichzeitig und in gleichem Maße auch den entsprechenden wirtschaftlichen Akteuren, deren Fehlverhalten eingedämmt werden soll. Das verdeutlicht das anschließende Zitat, das in [21] mit aufgenommen ist. Der Sprecher bringt dort zum Ausdruck, dass sich seine Firma von anderen, nicht staatlichen Firmen abgrenzt. Er äußert indirekte Kritik am Profitstreben anderer Firmen, wodurch ein assoziativer Zusammenhang zur Spekulation hergestellt ist, bei der ja auf Kosten anderer Gewinn generiert wird. Das Objekt bezieht sich also einerseits auf den bloßen abstrakten Sachverhalt der ‘Immobilienspekulation’ (abstrakt-funktionaler Typ), andererseits und gleichzeitig aber auch auf die entsprechenden wirtschaftlichen Akteure (natürlicher oder komplexer Typ). Das Objekt ist somit insgesamt komplexen Typs. Im Beispiel wird es a-markiert. Die Struktur ist folglich ikonisch. Die Ausführungen zu golpear (‘schlagen’) zeigen ein weiteres Mal einerseits das Erklärungspotential des generativen Lexikons in Hinblick auf die DOM. Andererseits konnte anhand der Rektion von Abstrakta veranschaulicht werden, wie hilfreich das generative Lexikon auch für die Betrachtung von Metaphern ist. Die notwendige Kompatibilität der Bestandteile metaphorischer Phrasen untereinander muss sich auf der Ebene der Qualia niederschlagen. Durch die eingehende
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
Betrachtung der Qualia konnte festgestellt werden, wie sich die Elemente von mehrgliedrigen metaphorischen Ausdrücken verbinden. Dies wiederum erleichtert den Zugang zur metaphorischen Bedeutung. 4.1.1.2.2 Morder (‘beißen’) Auch beim Verb morder (‘beißen’) ist der hohe Transitivitätsgrad insbesondere auf die ausgedrückte zeitliche Struktur zurückzuführen. Die Verbalhandlung des telischen Verbs hat eine sehr geringe zeitliche Ausdehnung, die Vor- und die Nachphase werden weitgehend ausgeblendet.386 Auch morder ist also ein Event (cf. Lehmann 1991, 232). Subjekt und Objekt sind beide recht stark involviert. Das Objekt ist äußerlich aber in der Regel nur zum Teil affiziert. Hat es auch einen innerlichen Bedeutungsbestandteil, so ist in diesem Bereich eine Zustandsänderung möglich oder wahrscheinlich. Das Eintreten einer Änderung hängt davon ab, wie stark die psychisch-mentale Ebene betroffen ist. Im Korpus treten elf hier relevante Strukturen auf. Nur ein Objekt denotiert eine menschliche Entität (s. [22]), tierische Denotate treten nicht auf. [22] […] destr[ó]zalo todo, mordiendo indistintamente a justos y pecadores […]. (RAT:066.09) ‘Zerstöre alles und beiße dabei gleichermaßen Gerechte und Sünder.’ Die Verhältnisse bei morder (‘beißen’) sind wie gesagt denen von golpear (‘schlagen’) ähnlich. Bei Einheiten, die Komplexität zulassen, ist es wahrscheinlich, dass sie auch tatsächlich komplex konzeptualisiert werden. Das bedeutet, dass der Verbalvorgang, der wie im konstitutiven Quale spezifiziert zunächst einen physischen also äußeren Kontakt zum Ausdruck bringt, gleichzeitig auch die weitere Ebene, die Gefühlswelt, der affizierten Entität betrifft. In dem Fall, der auch in [22] gegeben ist,387 ist das Objekt komplexen Typs. Es ist a-markiert. Die Objekt-NP ist ohne Determinierer realisiert, weshalb die Markierung stärker auf Grundlage der sprachlichen Oberfläche argumentierende Theorien vor Schwierigkeiten stellt. Die a-markierte NP hat eine Kind-Lesart. Dieser Umstand ist für den hier vertretenen Ansatz unproblematisch.
386 Wird die Nachphase des Vorgangs besonders hervorgehoben und damit eine größere zeitliche Ausdehnung ausgedrückt, so wird bspw. im Deutschen die abgeleitete Struktur sich in etwas verbeißen verwendet. Im Spanischen könnte in einem entsprechenden Kontext morder (‘beißen’) zwar auftreten, eine anderweitige Vereindeutigung wäre allerdings nötig. 387 Dass die ganze Passage, in der der Satz auftritt, metaphorisch ist, hat keine merkliche Auswirkung auf Konzeptualisierung und Versprachlichung.
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
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Alle zehn weiteren Objekte denotieren Konkreta. Neun davon sind Körperteile (s. bspw. [23]). [23]
¡Me ha mordido la mano y dices que es inofensivo! (PAI:161.01) ‘Es hat mir in die Hand gebissen und du sagst, es sei harmlos!’
Wie die Struktur in [23] mit mano (‘Hand’) in Objektposition zeigt, weicht die Struktur im Spanischen von der deutschen Parallele ab. Während im Spanischen das Körperteil, in das gebissen wird, als Akkusativ auftritt, ist im Deutschen eine PP (in die Hand) nötig.388 Auch im Spanischen besteht eine Divergenz zu den Objekten, die eine gesamte menschliche Entität denotieren (s. [22] oben). Sie beschränkt sich allerdings darauf, dass beim Akkusativobjekt mit menschlichem Denotat eine a-Markierung auftrat, während sie beim Körperteil denotierenden Objekt ausbleibt. Im vorliegenden theoretischen Rahmen entspricht das Ausbleiben den Erwartungen. Das Körperteil ist nicht komplexen, sondern natürlichen Typs, auch wenn es zu einer menschlichen Entität gehören kann, die u.U. komplex konzeptualisiert würde. Wie gesagt treten im Korpus noch weitere Körperteile auf. Das Nomen labios (‘Lippen’) ist dreimal in Objektposition vertreten. Das folgende Beispiel zeigt eine metaphorische Verwendung. [24]
Todos los pájaros de brillante pluma se morderán de envidia el corazón, en el lugar donde reiremos tú y yo. (PAI:087.24) ‘All die Vögel mit schimmernden Federn werden neidisch sein und sich grämen dort, wo du und ich lachen werden.’
Das Objekt der Struktur morderse el corazón (eine parallele Wiedergabe wäre ‘sich ins Herz beißen’, tatsächlich etwa ‘sich grämen’), denotiert ein inneres Organ. Bei einer unversehrten belebten Entität kann das Objekt keinem Beißvorgang unterliegen. Der metaphorische Gebrauch wird lizensiert durch den Effekt des Schmerzes, der auch hier gegeben ist. Das Objekt ist natürlichen bzw. wenn es im Sinne eines möglichen Wohlbefindens interpretiert wird, dem entgegengewirkt wird, abstrakt-natürlichen Typs. Eine Okkurrenz enthält ein Konkretum, das kein Körperteil ist (s. [25]).
388 Im zuvor besprochenen Falle ist hingegen auch im Deutschen ein Akkusativobjekt möglich (s. die vorgeschlagene Übertragung ins Deutsche bei [22]).
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[25] Hice una pausa para que pudiera intercalar algún exabrupto, pero guardó silencio, de lo que deduje que ya había mordido el anzuelo. (LAB:209.29) ‘Ich machte eine Pause, um ihr die Möglichkeit zu geben, irgendeine wütende Antwort einzuwerfen, doch sie blieb still, woraus ich ableitete, dass sie angebissen hatte.’ In [25] tritt anzuelo (‘Angelhaken’, ‘Köder’) in Objektposition auf. Im Beispiel wird allerdings eine übertragene Bedeutung intendiert, die etwa zum Ausdruck bringt, dass eine Idee angenommen wird.389 In der Grundbedeutung ist das Nomen funktionalen Typs. Die Funktionalität überträgt sich bei der uneigentlichen Verwendung auf die Ebene des Abstrakten. Dass das Nomen nicht markiert ist, entspricht also den Erwartungen. 4.1.1.2.3 Vencer (‘besiegen’) Das Verb vencer (‘besiegen’) wird aus verschiedenen Gründen trotz seines relativ abstrakten Gehalts als stark transitiv eingeordnet. Der Verbalvorgang führt zu einer (abstrakten) Zustandsänderung nicht nur des Objekts, sondern auch des Subjekts und insbesondere des Verhältnisses zwischen Subjekt und Objekt. García García (2010, 60) klassifiziert das Verb als «Wettbewerbsverb». Vor dem Hintergrund seines Subjekt und Objekt rollensemantisch vergleichenden Ansatzes und um die semantische Nähe zu (mehr oder weniger stark) verwandten Verben hervorzuheben (cf. ibid., 62), ist das hilfreich. Allerdings verschleiert die Bezeichnung den zeitstrukturellen Wert des Verbs.390 Der Ausdruck Wettbewerb treiben ist atelisch, vencer hingegen ist telisch. Lehmann (1991, 230) ordnet die englische Entsprechung overcome als terminativen Prozess ein. Es leuchtet ein, dass in der Konzeptualisierung die Vorphase des denotierten Sachverhalts nicht ausgeblendet wird. Die Nachphase ist hingegen deutlich weniger salient. Das Objektdenotat ist stets auf allen beteiligten Ebenen betroffen. Auch dass das Subjekt- und das Objektdenotat grundsätzlich über ein ähnliches Agentivitätspotenzial verfügen (cf. García García 2010, 168), spricht für einen hohen Transitivitätsgrad. Das Korpus enthält 36 hier relevante Okkurrenzen. In 30 Fällen, rund 83%, tritt eine Markierung auf. Davon verfügen 17 Objekte über ein menschliches Denotat (s. [26]). Weitere 5 Objekte nehmen Bezug auf ein Team bzw. eine Mannschaft.
389 Wie die Übertragung von [25] ins Deutsche zeigt, gibt es dort den parallelen idiomatischen Ausdruck anbeißen. 390 Genauer ist Wettbewerb treiben ein atelischer, durativer Vorgang, was jedoch für vencer (‘besiegen’) nicht gilt (s. Fließtext).
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
[26]
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[…] y otro brasileño, Jos[é] Amin Daher, venció al argentino Gabriel Markus, por 4–6, 6–4, 6–4. (1VO:047-2.1-22) ‘Und ein anderer Brasilianer, José Amin Daher, besiegte den Argentinier Gabriel Markus mit 4:6, 6:4 und 6:4.’
[27] […] pondrán todo de su parte para vencer al Compostela. (1VO:044-1.4-29) ‘Sie werden alles geben, um gegen Compostela zu gewinnen.’ In [26] ist der Objektreferent ein Tennisspieler. Er wird wie oben ausgeführt als komplexen Typs konzeptualisiert, da davon, dass er besiegt wurde, notwendigerweise die beiden Ebenen der Physis und der Psyche betroffen sind. Für [27] gibt die ADESSE an, es handele sich um ein belebtes Kollektivum (cf. http://adesse.uvigo. es/data/fichas.php?id_cl=143591, Zugriff: 02.02.19). Das Nomen el Compostela denotiert eine Fußballmannschaft. Ein solches Team391 ist eine Sonderform des Kollektivums, es ist strukturiert und delimitiert. In Anlehnung u.a. an Landman (1989, 572ss.) wird es hier als Gruppennomen eingeordnet (s. Kap. 4.3.1; cf. für eine ähnliche Abgrenzung auch Lasersohn 2011, 1132ss.). Das entsprechende Konzept umfasst nicht nur Informationen über die Beteiligten, sondern v.a. auch über die Organisation der Beteiligten. Es sind zudem bei den die Gruppe konstituierenden Personen die gleichen Ebenen betroffen wie im Falle des zuvor genannten Objekts. Folglich ist es ebenfalls komplexen Typs. Die Ausdifferenzierung ist allerdings nicht generalisierbar. Ein Ausdruck wie in [27] kann denotativ prinzipiell auch auf den Verein als Organisationsform beschränkt sein.392 In der Art und Weise wie [26] und [27] sind insgesamt 22 Objekte zu interpretieren, die alle a-markiert sind. Es sei erwähnt, dass vencer verhältnismäßig häufig in dem aus Kindertheaterstücken bestehenden Teil des Korpus’ auftritt. Elf Okkurrenzen sind hier relevant. Sie sind allesamt markiert. Über die Hälfte davon sind solche Objekte, wie sie in Kap. 3.1.1 problematisiert wurden. Sie denotieren Tiere, die aber innerhalb der betreffenden Texte wie Menschen dargestellt werden.393 Dementsprechend wurden sie im Rahmen der Analyse als menschliche
391 Der Ausdruck Team wird hier, wie es auch die Erläuterungen zeigen, in der Bedeutung der ‘Mannschaft’ gebraucht und nicht als möglicherweise eher spontan gebildete ‘Arbeitsgruppe’ (cf. für die Bedeutungsdistinktion http://www.duden.de/rechtschreibung/Team, Zugriff: 02.02.19). 392 Die Konzeptualisierung von Fans geht weit darüber hinaus. Ein Fan konzeptualisiert «seinen» Verein typischerweise derart, dass er auch Interessierte ohne direkte physische oder Entscheidungen betreffende Beteiligung beinhaltet. Für einen typischen Fan verlieren also nicht die Spieler und auch nicht nur das Team, sondern der Verein und damit auch die Fans. 393 Die angeblichen Tiere sprechen nicht nur, sondern verfügen z.T. auch über eine menschliche Gefühlswelt und ein menschliches Sozialverhalten.
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
Entitäten klassifiziert. Dass dies nicht ganz unproblematisch ist, zeigt [28]. Ein im Korpus nicht frequentes, nichtsdestotrotz aber weniger randständiges Thema wird in [29] exemplifiziert. [28] LORISTO.- Un loro y dos más. BURROTE.- ¿Te refieres…? LORISTO.- Sí: a ti, a ella y a mí. BURROTE.- ¿Un Loro, una Gata y un Burro vencer a un León? (1IN:045.23) ‘Loristo394: «Ein Esel und zwei weitere.» Burrote: «Du meinst …?» Loristo: «Ja, dich, sie und mich.» Burrote: «Ein Papagei, eine Katze und ein Esel, die einen Löwen besiegen?»’ [29]
Sólo cuando se hablaba de la guerra mundial David se despertaba […]. – Nadie vence a Inglaterra… (JOV:025.07) ‘Nur wenn über den Weltkrieg gesprochen wurde, wurde David aktiv. «Keiner besiegt England…»’
Beispiel [28] veranschaulicht, wie schmal der Grat bei der Klassifikation der Tiere in Kindertheaterstücken ist. In den im Korpus enthaltenen Stücken werden häufig modifizierte Tierbezeichnungen verwendet. In [28] wird etwa der Sprechende als Burrote (‘Esel‘) bezeichnet, was in den Daten auch in der direkten Rede vorkommt. Im entscheidenden Satz des Beispiels finden hingegen keine morphologischen Anpassungen statt (etwa bei un Burro, ‘ein Esel’). Zudem zeigt der unbestimmte Artikel an, dass keine «Uniqueness» gegeben ist. Es ist wohl vielmehr eine Typenlesart intendiert. Typographisch ist allerdings die Großschreibung ein deutlicher Hinweis auf Eigennamen. Der Eigenname wird hier nicht mit singulärer Extension (cf. bspw. Bußmann 2002, 209, Stichwort: Extension) verwendet, sondern bezeichnet einen Typus (cf. bspw. RAE 2009, 1131), dessen Eigenschaften sich vom Individuum ableiten, dem der Eigenname eigentlich zugeordnet ist. Die Tierthematik ist auch hinsichtlich der Konstitution des Verbalvorgangs relevant. Die Konzeptualisierung eines Sieges im Tierreich könnte leicht anders als bei alleiniger Beteiligung von menschlichen Entitäten ausfallen. Insbesondere ist zu beachten, dass ein solcher Sieg per se als für eine Partei tödlich konzeptualisiert werden könnte. Bei einem Kinderbuch, woraus ja auch das obige Beispiel stammt, besteht jedoch kein dringender Grund, davon auszugehen. Aufgrund des Mangels an Gegenbeispielen, also vermenschlichte 394 Die Eigennamen sind morphologisch modifizierte Tierbezeichnungen. Loristo leitet sich von loro (‘Papagei’) ab, das mit listo (‘klug’) verbunden ist. Burrote besteht aus burro (‘Esel’) und dem Suffix -ote, das augmentativen oder auch despektiven Wert hat (cf. bspw. http://lema.rae. es/drae/?val=ote, Zugriff: 02.02.19).
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
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Tiere in Texten, die sich nicht an Kinder richten, lassen sich die Verhältnisse allerdings nicht überprüfen.395 Im Korpus treten auch keine Objekte mit nicht-vermenschlichtem belebtem Referenten (s. dafür Kap. 4.3.2) auf, sodass auch diesbezüglich kein direkter Vergleich möglich ist. Das Objekt in [28] wird also, unabhängig davon, ob der Sieg hier u.U. mit dem Tod des Objektreferenten einhergeht, parallel zum obigen Beispiel mit dem Tennisspieler interpretiert. Von der Verbalhandlung sind die beiden konzeptuellen Ebenen des Referenten betroffen. Das Objekt ist damit komplexen Typs. In [29] denotiert das Objekt ein Land. Wie der zusätzlich eingefügte vorangehende Satz verdeutlicht, entspringt das Beispiel nicht der Domäne des Sports. Die Konfiguration tritt im Korpus nur einmal auf. Im Beispiel ist das Objekt komplexen Typs. Inglaterra (‘England’) bezieht sich hier einerseits auf das Land als Abstraktum (abstrakt-funktionaler Typ), also auch eine Art Organisation, die besondere geographische und historische etc. Spezifikationen aufweist. Andererseits nimmt es gleichzeitig Bezug auf die Streitkräfte396 der Organisation. Das a-markierte Objekt ist mithin komplexen Typs. Prinzipiell können in derartigen Konfigurationen, wenn also das Objekt ein Land denotiert, auch die Bewohner des Landes eine Rolle spielen (cf. zur Abgrenzung von Fußballvereinen die Ausführungen oben zu Beispiel [27] und die Diskussion der Struktur insultar a un país, ‘ein Land beleidigen’, in Kap. 4.1.2.3.1). Im besprochenen Beispiel allerdings ist das unwahrscheinlich, da der Sprecher selbst kein direkt Beteiligter ist und der Kontext mit seiner Bezugnahme auf Krieg für eine Konzeptualisierung des Landes als Streitmacht spricht. Bevor weitere a-markierte Objekte präsentiert werden, ist es hilfreich, die Bausteine der Konzeptualisierung von vencer zu bestimmen (cf. grundlegend bspw. die Einträge des Online-Dudens zu «besiegen» und «Gegner», Zugriff: 02.02.19397). Der Sachverhalt des Besiegens hat drei Bestandteile. Eine erste Entität muss existieren, die mit der Fähigkeit zu siegen ausgestattet ist. Für eine zweite Entität gilt, dass sie mindestens bis zur Realisierung der Verbalhandlung existieren und potentiell besiegt werden können muss. Das bedeutet u.a., dass bis zur Kulmination die zweite Entität gegenüber der ersten eine entgegengesetzte Haltung
395 Ein weiteres problematisches Detail ist, dass nicht das gesamte Tierreich gleich behandelt und versprachlicht wird. Moscas (‘Fliegen’) werden offenbar nicht wie Menschen dargestellt: esp[á]ntale […] las moscas y las pulgas (1IN:046.27), ‘verscheuche ihm die Fliegen und Flöhe’ (s. auch Kap. 4.1.1.2.4). Die Diskrepanz verweist auf einen gewissen Interpretationsspielraum. 396 Für die Streitkräfte selbst sind Konzeptualisierungsmöglichkeiten denkbar, die hinsichtlich ihres Typs unterschiedlich zu klassifizieren wären. 397 Die Internetseiten sind http://www.duden.de/rechtschreibung/besiegen und http://www. duden.de/rechtschreibung/Gegner (Zugriff: 02.02.19).
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aufweist. Es handelt sich dabei um einen relationalen Bedeutungsbestandteil. Zwischen den beiden muss zudem bis dahin eine Art Kampfsituation bestehen, die die entgegengesetzte Haltung instantiiert. García García (2010, 228–243 mit diversen Literaturhinweisen) präsentiert einige interessante Überlegungen zur Klasse der Wettbewerbsverben, denen die hier vorgestellten zum Teil ähnlich sind. Wie oben angedeutet, macht er die Markierung vor allem an der «potentiellen Agentivität des Objekts» (ibid., 238) fest, was, wie gezeigt wird, problematisch sein kann. Entsprechend der obigen lexikalisch-semantischen Beschreibung muss allerdings unbedingt die «Gegnerhaftigkeit» des Objekts in Bezug auf das Subjekt gegeben sein. Sie ist nicht mit den Bedeutungsbestandteilen gleichzusetzen, auf denen der Ansatz García Garcías (2010) beruht. Wie in Kap. 2.7.10 beschrieben, handelt es sich dabei um die Faktoren Verursachung, Handlungskontrolle, Empfindung im weiteren Sinne, selbstinduzierte Bewegung und Besitz (cf. Primus 2012b, 25). Die «Gegnerhaftigkeit» macht sich vielmehr daran fest, dass dem Denotat des Subjektarguments etwas auf irgendeiner Ebene entgegengesetzt ist. Wie gezeigt wird, kann davon ausgehend die Grenze zwischen Markierung und Nicht-Markierung semantisch motiviert werden.398 Im Korpus treten drei Objekte auf, die Konkreta denotieren. Alle drei sind a-markiert. Dabei ist nicht nur die lexikalische Füllung in den drei Fällen identisch, auch die Sprechsituation ist jeweils eine sehr ähnliche. Tatsächlich handelt es sich dabei um Varianten der gleichen Aussage, die einer einzelnen Veröffentlichung entspringen. [30]
¡Has vencido al tanque, lo has bloqueado! (SON:063.07) ‘Du hast den Panzer besiegt, du hast ihn aufgehalten!’
Es sei zu [30] der Vollständigkeit halber erwähnt, dass im betreffenden narrativen Text ein Großvater seinem jungen Enkel gegenüber jeweils einen Gegenstand als ‘Panzer’ bezeichnet. Insofern mag sich die Frage stellen, wie natürlich die Formulierung mit der a-Markierung überhaupt ist. Als Indizien bieten sich die folgenden an: Das CREA gibt zwei Okkurrenzen der Kombination vencer al tanque (‘den Panzer besiegen’, Suchanfrage: «venc* al tanque» ohne weitere Beschränkungen, Zugriff: 30.09.13) aus, aber weder Okkurrenzen für die Struktur vencer el tanque (‘den Panzer besiegen’), noch Kombinationen mit avión (‘Flugzeug’) als Objekt oder auch mit atacar (‘angreifen’) als regierendem Verb (Suchanfragen entsprechend 398 Der hier vertretene Ansatz ist prinzipiell geeignet, sowohl die Gegebenheiten bei Konkreta als auch bei Abstrakta ohne einen Rückgriff etwa auf Metaphern wie bspw. bei Molho (1980, 218; Hinweis aus García García 2010, 233s.) zu erklären (s. aber die problematischen Beispiele mit Konkreta im Fließtext).
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der obigen, Zugriff: 30.09.13). Die beiden a-markierten Okkurrenzen sind zwei derer aus der ADESSE-Datenbank. Dies spricht gegen die Natürlichkeit der Formulierung. Eine Internetrecherche ergibt ein anderes Bild. Die Suchmaschine http://www. google.es findet nur neun Einträge des Stranges «vencer el tanque» (https://www. google.es/#q=%22vencer+el+tanque%22, Zugriff: 30.09.13), meldet aber rund 394.000 Ergebnisse für «vencer al tanque» (https://www.google.es/#q=%22vencer+al+tanque%22, Zugriff: 30.09.13). Bereits die ersten beiden Ergebnisseiten enthalten mehrere Okkurrenzen, in denen auf Panzer aus Computerspielen Bezug genommen wird.399 Wie im vorangegangenen Kapitel besprochen wurde, ist bei virtuellen Einheiten prinzipiell nicht von einer anderen Konzeptualisierung als der der Realität entsprechenden auszugehen. Die betrachtete Konstruktion ist damit nicht unnatürlich. Die Motivierung des Markers bei tanque (‘Panzer’) in einem Satz wie [30] ist damit nicht geklärt. García García (2010) bestimmt das Denotat von tanque (und weitere Denotate, s.u.) im gleichen Kontext als «eine dynamische bzw. inhärent agentivische Entität» (ibid., 239), wobei er sich auf Zaenen et al. (2004) beruft (cf. García García 2010, 42s.). Dort wird vorgeschlagen, Fahrzeuge als Unterklasse belebter Entitäten zu klassifizieren. Dies wird damit begründet, dass in diesem Bereich eine sprachliche Annäherung an Lebewesen vorliege, die in gelegentlicher Genusvariabilität besteht (cf. Zaenen et al. 2004, 4 sowie García García 2010, 43, Fußnote 20). Die Ausführungen in Zaenen et al. (2004) sind knapp gehalten und insofern nicht völlig eindeutig. Möglicherweise wird der der betreffenden Textstelle von Zaenen et al. (2004) zugrunde liegende Gedanke in García García (2010) stärker aufgefasst, als er von den Autoren intendiert ist. Zaenen et al. (2004) scheint es um Fälle zu gehen, die auch in der deutschen Nähesprache vorkommen und in denen einzelne Sprecher ihrem Auto bspw. einen Namen geben und es sprachlich «wie eine Person» behandeln. Im Sprach- bzw. Kulturraum des Verfassers der vorliegenden Arbeit ist die Wahrscheinlichkeit in jedem Fall höher, dass das Phänomen bei Autos festgestellt wird als etwa bei Tischen. Der Faktor, dass das Gefährt typischerweise im Raum bewegt wird, bietet sich als Mitgrund an (s.u.). Nichtsdestotrotz ist das angeführte sprachliche Verhalten lediglich eine Möglichkeit, die zudem eher selten eintritt. In den meisten Fällen – und im verwendeten Korpus ist es stets der Fall – werden Fahrzeuge allerdings sprachlich «wie Gegenstände» behandelt, d.h. im vorliegenden Kontext, dass ihr Genus in aller Regel konstant ist. Der Hauptkritikpunkt ist allerdings, dass bei den genannten Autoren über einen formalen Faktor auf die Kategorisierung geschlossen wird.
399 Unter den Suchergebnissen findet sich außerdem u.a. Tanque Sisley, dem Eigennamen einer Fußballmannschaft aus Uruguay. Solche Okkurrenzen sind hier natürlich nicht relevant.
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Diese Argumentationsrichtung wird hier abgelehnt.400 Letztlich muss beachtet werden, dass es Zaenen et al. (2004) nicht darum geht, konzeptuelle Kategorien zu erarbeiten, sondern festgelegte Kategorien bezüglich ihrer Stabilität bei der Annotierung zu überprüfen. Die Festlegung erfolgt a priori auf qualitativer oder quantitativer Basis. Die dort eingeführten Kategorien mögen als Orientierung hilfreich sein, insgesamt aber sollten sie mit Vorsicht genossen werden. Im Falle der Fahrzeuge handelt es sich nun um Konkreta, die über Eigenschaften verfügen, die sie deutlich von anderen Gegenständen unterscheiden. Die Funktion, eine Person zu befördern, ist eine klare Besonderheit. Zusätzlich können weitere Personen von der Bewegung betroffen sein, die sich entweder auch innerhalb der Krafteinwirkung des bewegten Objekts befinden oder ihr entgegenstehen. Wichtig ist allerdings, dass die Bewegung per Definitionem von einer menschlichen Entität initiiert und betrieben wird.401 Ein Satz wie Der Mann wurde von einem Auto überfahren präsupponiert einen Fahrer. Für die Bedeutungsvariante ‘ohne Fahrer’, allerdings mit allzu nachlässigem Fahrzeughalter, wird im Deutschen das Verb überrollen verwendet (Der Mann wurde von einem Auto überrollt. Der Fahrzeughalter hatte die Handbremse nicht angezogen.).402 Auch dabei wird das Auto nicht agentiv, also handelnd, konzeptualisiert. Ihm fehlt offensichtlich die Volitionalität, ein Faktor, den Hopper/ Thompson (1980, 252) allerdings als gegenüber der Agentivität eigenständig erachten. Wie die deutschen Beispielsätze zeigen, ist aber auch keine eigenmächtige Wirksamkeit («potency» bei Hopper/Thompson 1980, 252) vorhanden.403 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird daher die von García García (2010, 239) als dem Fortbewegungsmittel inhärent postulierte Agentivität abgelehnt. Die potentielle Dynamizität bleibt davon unberührt. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass ihr Einfluss auf die Konzeptualisierung eher gering ist. Sie nähert jedenfalls das Konzept, auf das sie zutrifft, nicht den menschlichen Entitäten an. Die hier vorgeschlagene Motivierung des Markers in [30] über die konzeptuelle Komplexität ist in den obigen Ausführungen bereits angelegt. Der Sieg betrifft 400 In Zaenen et al. (2004, 4) werden noch weitere sprachliche Elemente aufgrund formaler Gegebenheiten in die Kategorie «other animates» eingeordnet. Im Fall von «organization» erfolgt dies auf der Grundlage von Kollokationen (cf. ibid.). 401 Daher wird genau genommen auch die Formulierung García Garcías (2010, 47, Hervorhebung durch Trennstrich i.O.) abgelehnt, dass Maschinen über «die Fähigkeit, zu re-agieren» verfügen. 402 Das Verb wird allerdings nicht nur für fahrerlose Fahrzeuge verwendet. 403 Cf. auch Beispielpaare wie Der Mann wurde vom {Baum / Nachbarn} erschlagen, wo sich die tötenden Einheiten hinsichtlich ihrer Agentivität stark unterscheiden. Würde der Satz lauten Der Mann wurde von einem Auto erschlagen, so läge die Wirkungsmacht entweder wiederum bei einem Fahrer, der bspw. oberhalb einer Straße über eine Klippe gefahren ist, oder bei einem Wirbelsturm o.ä.
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nicht den Panzer als Gegenstand, sondern vielmehr dessen Fahrer oder u.U. den Fahrer und den gefahrenen Gegenstand. Das Objekt wird in der folgenden Weise komplex konzeptualisiert. Der Wille der fahrenden menschlichen Entität ist der eine Bestandteil, der andere ist der gegenständliche, bei dem der körperliche Anteil des Fahrers eine Rolle spielt, v.a. aber der fahrende Gegenstand selbst. Oben wurde angesprochen, dass das Objekt im Beispiel uneigentlich gebraucht wird. Der Objektreferent in [30] ist tatsächlich ein Staubsauger. Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass dies einen Einfluss auf die Konzeptualisierung hat. Der Sprecher und der Hörer bewegen sich in einer Spielwelt.404 In dieser Welt, in der der Staubsauger ein Panzer ist, gelten, da nicht anders definiert, die gleichen Annahmen über Sachverhalte wie in der Realität. Wie oben bereits ausgeführt wurde, muss das Objekt besiegt werden können. Das Konzept ‘Panzer’ beinhaltet zwar die Information, dass es sich dabei um eine Waffe handelt, die im Kampf eingesetzt werden kann (telischer Faktor). Es enthält jedoch keinen relationalen Anteil, der Panzer als solcher widersetzt sich nicht. Daraus lässt sich folgern, dass eine andere als die hier beschriebene Realisierung auf konzeptueller Ebene unwahrscheinlich ist. Aus der These der Komplexitätsikonizität folgt eine entsprechende Erwartung für die formale Seite. Der letztgenannte Punkt macht die Divergenz in der Realisierung abstrakter Denotate konzeptuell greifbar. Im Korpus treten sechs unmarkierte und fünf markierte Objekte mit abstraktem Denotat auf, einschließlich des bereits oben angeführten a-markierten Inglaterra (‘England’). Die zahlenmäßigen Verhältnisse sind in dieser Kategorie also ausgeglichen. Im Korpus entspricht die Aufteilung der beiden Gruppen bezüglich ihrer Markierung einer lexikalischen Divergenz. Die markierten Objekte denotieren allesamt Naturphänomene oder abstrakte Konzepte, die die nicht dem Menschen inhärente Wirklichkeit zu klassifizieren versuchen. Die unmarkierten Objekte hingegen denotieren Ausprägungen der menschlichen Gefühlswelt. Es fällt auf, dass die Verhältnisse in der Gruppe der Abstrakta viele Interpretationsmöglichkeiten zuzulassen scheinen. [31] ¡Venciste a la nieve, al viento y al rayo, pero no a mí! (1IN:070.07) ‘Du hast den Schnee bezwungen, den Wind und den Blitz, aber mich nicht!’
404 Es ist allerdings möglich oder sogar wahrscheinlich, dass sich nur der Sprecher in dieser Spielwelt bewegt. Der Hörer in der Geschichte ist ein Kleinkind und damit u.U. noch zu jung, um sich von seiner eigenen Realität entfernen zu können (cf. zur Orientierung bspw. Schwarz 2008, 145s., die dort insbesondere auf Erkenntnisse Piagets Bezug nimmt).
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[32] Iba a hablar, iba a decir: «La sopa está muy buena» o «Ya ha empezado el calor»; iba a gritar cualquier frase vulgar, pero valiosa, porque sólo las palabras destruirían la pared enemiga. Tan sólo las palabras, armas, ácidos, vendavales, vencerían al silencio. (JOV:022.25) ‘Er wollte sprechen, er wollte sagen, «die Suppe ist sehr gut» oder «es ist bereits sommerlich heiß»; er würde irgendeinen trivialen, aber wertvollen Satz schreien, denn nur Wörter würden die feindliche Wand zerstören können. Nur Wörter, Waffen, Säuren, Stürme würden die Stille überwinden.’ [33] Sereno ante la puerta que pronto traspasará, porque ya sabe vencer al destino. (SON:335.33) ‘Er steht gelassen vor der Tür, die er bald durchschreiten wird, da er das Schicksal schon zu besiegen weiß.’ Die einfachste Erklärung für die a-Markierung in [31] wäre die Variante der Schulgrammatik. Das abstrakte Denotat des Objekts ist im traditionellen Sinne personifiziert, es werden ihm demnach menschliche Züge zugeschrieben. Dafür spricht u.a., dass das Beispiel einem Kindertheaterstück entspringt. Auch, wenn man die genannte Interpretation akzeptiert, stellt sich allerdings die Frage nach der Konzeptualisierung. Zusätzlich wäre zu überlegen, wie der Effekt der Personifizierung zustande kommt. Ob ein Kind die Naturphänomene im Satz tatsächlich als Personen konzeptualisiert, kann hier nicht geklärt werden.405 Die Kombinatorik im Satz weist jedoch deutlich auf einen komplexen Typ im Sinne Pustejovskys hin. Die folgende Argumentation zur Beifügung eines Typs gilt wie oben angedeutet in paralleler Weise für die Objekte in [32] und [33]. Das Objekt von vencer (‘besiegen’) muss so beschaffen sein, dass es besiegt werden kann. Naturphänomene sind prinzipiell schlechte Kandidaten dafür. Lediglich mittels eines sehr präzisen Kontexts könnte ihnen Gegnerhaftigkeit zugeschrieben werden. In allen anderen Fällen ist hingegen zu erwarten, dass das Naturphänomen natürlichen Typs ist. In seiner Qualia-Struktur findet sich kein relationaler Bedeutungsbestandteil. Konnotationen von Naturphänomenen, die u.U. sogar gewissermaßen konventionalisiert sind, etwa als negativ oder sogar gefährlich, sind nicht in den Qualia enthalten und spielen daher in der Argumentation keine Rolle. Auch bei Andockung eines Subjekts bleibt das Problem bestehen. Es sind kaum Subjekte denkbar, für die prädiziert werden kann,
405 Dass das Autorenpaar des Kindertheaterstücks die Intention hatte, dass die Naturphänomene so konzeptualisiert würden, ist allerdings recht gut möglich.
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
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dass sie ein Naturphänomen besiegen.406 Zudem würde das Subjekt keine Qualia an das Objekt vererben o.ä. Der Bedeutungsbestandteil des Widersetzens muss über einen weiteren Typ mit dem Objekt verknüpft werden. Es ist ein abstrakter relationaler Bedeutungsbestandteil nötig in etwa der Art, wie er bei relationalen Nomen auftritt. Relationale Begriffe sind bspw. Verwandtschaftsbezeichnungen (cf. bspw. Pustejovsky 1995b, 18, 15; s. insbes. auch Kap. 4.3.1). Ihre Besonderheit ist, dass ihre denotative Ausgestaltung von einem anderen Bezugselement abhängt (cf. ibid., 18), d.h., eine Person kann nur Tochter von jemandem sein oder Bruder von jemandem. Bei ihnen ist diese Eigenschaft im formalen bzw. unterscheidenden Quale enthalten. Die Möglichkeit ist bei den hier diskutierten Abstrakta nicht vorhanden. Die relationale Bedeutungskomponente muss daher dem Konzept als eigener Typ, genauer wohl als abstrakt-natürlicher Typ beigefügt werden. Ein Matrixverb wie vencer (‘besiegen’) zwingt der relationalen Bedeutungskomponente eine negative Polarität und eine konträre Gerichtetheit auf.407 So wird die Einbettung unter das Verb möglich. Der resultierende Typ des Objekts ist komplex. Für die Analyse von [32] scheint sich der Ansatz von García García (2010, 237 für das Beispiel) anzubieten. Er gibt an, dass bei vencer «ein implizites symmetrisches Ereignis zwischen den Ko-Argumenten» (ibid.) präsupponiert werde, bei dem die rollensemantische Distinktivität gering sei (cf. ibid.). Mit der geringen rollensemantischen Distinktivität korreliert wie mehrfach wiedergegeben nach García García (2010, 198) eine höhere Wahrscheinlichkeit der Markierung. Die Erkenntnisse García Garcías (2010) betreffen Verhältnisse, die für das Verständnis der Gegebenheiten von Bedeutung sind. Der im Rahmen der vorliegenden Arbeit vorgeschlagene Ansatz ermöglicht jedoch eine detailliertere Erklärung.
406 Die Überlegung bietet sich als weiteres Argument für eine Personifizierung an. Diese würde allerdings das Problem der mangelnden Relationalität auch nur dann umgehen oder u.U. lösen, wenn die Einheit nicht nur mit einer menschlichen Form angereichert wird, da sich eine solche ja nicht per se widersetzt und die Änderung der Form ja nicht zur Änderung des Typs führen würde. Um die Erklärung über eine Personifizierung aufrechtzuerhalten, wäre zusätzlich zur menschlichen Form ein menschlicher Wille denkbar. Das Problem dabei wäre dann allerdings, dass sich vollständige Identität zu einer menschlichen Entität ergeben würde. Das hieße dann, dass die Nomen in Objektposition in [31], die eigentlich Naturphänomene denotieren, Typenbezeichnungen menschlicher Entitäten oder gar Eigennamen wären. Graphisch würde dies im Spanischen mit großen Anfangsbuchstaben gekennzeichnet. Die Aussage wäre dann allerdings eine völlig andere. 407 In Kap. 4.1.2.2.1 wird der Zusammenhang zwischen relationalen Nomen und der Erweiterung der Typenstruktur um eine relationale Bedeutungskomponente vertiefend motiviert.
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Das Objekt in Beispiel [32] ist uneigentlich gebraucht.408 Das Nomen silencio (‘Stille’) steht metonymisch für das Schweigen mehrerer Personen, die gemeinsam an einem Tisch sitzen. Die Personen sind in diesem Fall als Teil des formalen Quales anzusehen. Sowohl die Grundbedeutung (‘Stille’) als auch das kontextuell aktualisierte Denotat (‘Schweigen’) sind Abstrakta. Auch die aktualisierte Bedeutung ist primär der Kategorie des natürlichen oder u.U. des funktionalen Typs zuzuordnen.409 Allerdings bleibt dann auch das Problem wie in [31] bestehen. Das Objektdenotat verfügt über keine «Gegnerhaftigkeit». In der Kombination mit vencer ist eine solche konträre Relationalität allerdings nötig. Das aktualisierte Denotat von silencio, hier also ‘Schweigen’, muss daher im Kontext um das Bedeutungsmerkmal erweitert werden und wird dementsprechend als komplexes Objekt konzeptualisiert. Im Gegensatz zu silencio in der Bedeutung ‘Schweigen’ enthält das formale Quale von destino (‘Schicksal’, s. [33]) keine menschlichen Entitäten.410 Von den drei a-markierten Abstrakta weist es den höchsten Abstraktionsgrad auf, da es über keine direkt sinnlich wahrnehmbaren Instantiierungen verfügt. Bei viento (‘Wind’) ist die Einschätzung García Garcías (2010, 239), es handele sich dabei um eine «inhärent agentivische Entität», recht diskutabel, die konzeptuelle Relevanz ist jedoch nicht ausgeschlossen. García García (2010, 239) stuft allerdings auch destino (‘Schicksal’) als eine solche «inhärent agentivische Entität» ein. Das würde im obigen Beispiel auf eine Interpretation hinauslaufen, die wohl nicht gegeben ist. Die entsprechende Bedeutung wird im Diccionario de la lengua española der RAE als «Hado (‖ fuerza desconocida)» (http://dle.rae.es/?id=DU58TNx&o=h, erste Bedeutungsangabe zu destino, Zugriff: 02.02.19) wiedergegeben. Der erste Eintrag zu hado ist «En la tradición clásica, fuerza desconocida que obra irresistiblemente sobre los dioses, los hombres y los sucesos» (http://dle.rae.es/?id=JxsZGaS#8fvqtKF&o=h, Zugriff: 02.02.19).411 Es läge hier also keine Personifizierung vor, sondern vielmehr ein Denotat, das abstrakte und die besagten agentiven Eigenschaften sowie eine «potency», etwa eigenmächtige Wirksamkeit, im Sinne von Hopper/ 408 García García (2010, 237) spricht an der im Fließtext referierten Stelle allgemein für unterschiedliche Verwendungen von vencer (‘besiegen’) von einer «Angriffsmetapher». 409 In der Bedeutung ‘Stille’ steht die Einordnung als natürlicher Typ außer Zweifel. In der Bedeutung ‘Schweigen’ ließen sich u.U. Argumente für den funktionalen Typ finden, etwa dass es sich um ein willentliches Verhalten mit einem Urheber handelt, der ggfs. ein bestimmtes Ziel verfolgt. 410 Es ist wohl als Metainformation zum lexikalischen Eintrag einzustufen, dass das Konzept als solches menschengemacht ist. 411 Eine entsprechende Bedeutung findet sich auch im Duden, nämlich eine «höhere Macht, die […] das Leben bestimmt und lenkt» (http://www.duden.de/rechtschreibung/Schicksal, zweite Bedeutung, Zugriff: 02.02.19).
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Thompson (1980, 252) in sich vereint. Um jedoch im Satz sinnvoll interpretierbar zu sein, müsste dieses Konzept wiederum heruntergebrochen werden und zwar erneut durch eine Art Personifizierung. Die Satzbedeutung ist aber eine andere. Das Subjektdenotat weiß mit den möglichen Widrigkeiten des Lebens umzugehen, also mit einer Serie an Umständen.412 Es ist kein punktueller Kampf mit einer höheren Macht gemeint. Insofern ist die o.g. Einordnung als agentivische Entität (so García García 2010, 239) nicht hilfreich. Schon die Bezeichnung als Entität ist nicht völlig unproblematisch. Das verhältnismäßig gebrauchsorientierte aktuelle Diccionario de la lengua española der RAE führt eine hilfreiche Bedeutung als zweite Möglichkeit an: «Encadenamiento de los sucesos considerado como necesario y fatal» (http://dle.rae.es/?id=DU58TNx&o=h, Zugriff: 02.02.19).413 Hinsichtlich des obigen Beispielsatzes wird davon ausgegangen, dass destino oder Schicksal vor allem auf das Konzept verweist, dass und wie bestimmte Ereignisse eintreten und weniger auf die Ereignisse selbst. Destino (‘Schicksal’) als eine bestimmte Art der Verkettung von Ereignissen, die eine oder mehrere Personen mehr oder weniger direkt betreffen, kann nicht agentiv sein. Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen bleiben nun ein Subjekt- und ein Objektdenotat, die grundsätzlich auf unterschiedlichen konzeptuellen Ebenen operieren. Da das Objektdenotat per se in keinem Verhältnis zum Subjektdenotat steht, kann es erst unter vencer (‘besiegen’) eingebettet werden, wenn es, wie im Beispiel oben, eine zusätzliche relationale Bedeutungskomponente erhält. Mit der relationalen Komponente wird die Kette von Umständen als das Subjektdenotat negativ betreffend interpretierbar. Die Einbettung unter vencer (‘besiegen’) ist also möglich, da das Objekt hier komplexen Typs ist. Die a-Markierung erfüllt die Erwartungen. Wie oben erwähnt treten im Korpus auch sechs unmarkierte von vencer (‘besiegen’) regierte Objekte mit abstraktem Denotat auf. Diese zweite Gruppe enthält Gefühle sowie psychische und andere «innere» Eigenschaften (s. [34]). [34]
A medida que ella hablaba de su último reportaje en Sudamérica, iba Miguel venciendo su nerviosismo. (TER:057.11) ‘Indem sie von ihrer letzten Reportage in Südamerika erzählte, überwand Miguel nach und nach seine Nervosität.’
412 Bspw. gibt der Online-Duden etwas Derartiges als Grundbedeutung von Schicksal an, nämlich dass es sich dabei um Ereignisse handele, deren Eintreten besondere Auswirkungen auf das Leben von Personen haben (cf. http://www.duden.de/rechtschreibung/Schicksal, Zugriff: 02.02.19). 413 Die dritte Bedeutungsangabe lautet: «Circunstancia de serle favorable o adverso a alguien o a algo el destino» (http://dle.rae.es/?id=DU58TNx&o=h, Zugriff: 02.02.19).
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[35] Y el tono de todos ellos es de susurro, de ánimo ante el obstáculo, encomiando la satisfacción personal que produce entregarse a una labor paciente, ya sea la de vencer una pasión o la de conseguir presentarse bien arreglada en una fiesta. (USO:136.35) ‘Und bei allen ist der Ton der eines Säuselns, in der Art, die Mut macht, das Hindernis zu überwinden, indem sie die persönliche Befriedigung preist, die sich einstellt, wenn man sich geduldig einer Aufgabe widmet, sei es derjenigen, eine Sehnsucht zu überwinden, oder der, gut zurechtgemacht auf einer Feier zu erscheinen.’ Die Objekte in [34] und [35] sind abstrakt-natürlichen Typs. Beide sind hinsichtlich des konstitutiven und des unterscheidenden Faktors spezifiziert. Im Unterschied zu den a-markierten Objekten mit abstraktem Denotat enthält die ihnen entsprechende Qualia-Struktur die nötige Information, um einen Typenwechsel hin zu einem komplexen Typen zu erübrigen. Die auch hier notwendige Information der Relationalität ist jeweils im konstitutiven Quale der abstrakt-natürlichen Typen enthalten. Bei [34] ist die negative Gerichtetheit des Objektreferenten in Bezug auf den Subjektreferenten offensichtlich. Der kleine Miguel sieht seine Mutter seit Langem zum ersten Mal. Er ist sehr unsicher. Sein Gefühlszustand wird von Nervosität dominiert. Das Gefühl ist unangenehm, eine Information, die sich im unterscheidenden Quale des Konzepts ‘Nervosität’ findet. Diese beiden Bedeutungsbestandteile, dass es sich um ein Gefühl handelt, das also in einem bestimmten, nämlich innerlichen Verhältnis zum Gefühlsträger steht, und dass das Gefühl unangenehm ist, sind eindeutig genug, dass nerviosismo (‘Nervosität’) in seiner Grundbedeutung ohne Type-Shifting in dem transitiven Ereignis auftreten kann. Auch im Beispiel [35] wird ein Gefühl denotiert, pasión (etwa ‘Sehnsucht’414). Bei einer Bedeutung, die dem angegebenen deutschen ‘Sehnsucht’ entspräche,415 wäre die konträre Gerichtetheit in der Grundbedeutung nicht allzu deutlich. Auch hier enthält jedoch das konstitutive Quale die Information eines Gefühlsträgers. Der unterscheidende Faktor spezifiziert, dass es sich um ein intensives Gefühl handelt, das einen irgendwie gearteten Effekt auf den Experiencer hat. Daraus kann das Verb vencer (‘besiegen’) dann entsprechend dem Selective Binding die negative Polarität selegieren. So kann auch pasión, das abstrakt-natürlichen Typs ist, ohne Type-Shifting vencer komplementieren. 414 Es sind noch weitere Bedeutungen möglich, bspw. die, der im Deutschen ‘das Leiden’ entspricht (cf. http://de.pons.com/übersetzung?q=pasión&l=dees&in=&lf=de, Zugriff: 02.02.19) 415 Im Diccionario de la lengua española der RAE gehen besonders die Bedeutungen 6 und 7 in eine solche Richtung (cf. http://lema.rae.es/drae/?val=pasión, Zugriff: 02.02.19).
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
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Für die DOM bei von vencer regierten Objekten werden in der Literatur unterschiedliche Motivationsversuche angeführt. Neben den üblichen Ansätzen, die vor allem über den Faktor der Belebtheit zu argumentieren versuchen, und neueren Ansätzen wie etwa dem García Garcías (2010), kommt prinzipiell auch eine schematische Erklärung in Frage (s. Kap. 2.2 und Kap. 2.7.12). Wie oben angesprochen, handelt es sich bei den unmarkierten im Gegensatz zu den markierten Objekten um solche, die Eigenschaften denotieren. Mit nur einer Ausnahme sind es zudem Eigenschaften des Subjektreferenten. Somit besteht bei vencer (‘besiegen’) eine starke Tendenz zu schematischer Ikonizität. Der Marker wird bei dieser Interpretation als lautliches (oder graphisches) Trennelement zwischen dem Verb und dem Objekt verstanden, das über eine konzeptuelle Entsprechung verfügt. Eine Entsprechung müsste in der Interpretation eine konzeptuelle Trennung sein. Bei vencer betrifft das Ereignis des Besiegens entweder eine äußere oder eine innere Relation.416 Eine äußere Relation besteht, wenn sich der Verbalvorgang zwischen einem Subjektdenotat und einer Einheit abspielt, die nicht Teil des Subjektdenotats ist, also «außerhalb von ihm» liegt. Das ist bspw. der Fall, wenn das Objekt einen anderen Sportler denotiert (s. etwa [26]), einen Gegenstand wie tanque (‘Panzer’, s. [30]) oder aber ein Naturphänomen wie nieve (‘Schnee’, s. [31]). In jenen Beispielen wird die a-Markierung realisiert (s.o.). Eine innere Relation ist hingegen, wenn das Subjektdenotat seine eigenen Gefühle besiegt (vencer) wie etwa bei nerviosismo (‘Nerviosität’, s. [34]). Die entsprechenden Okkurrenzen sind im Korpus nicht markiert. Die konzeptuelle Trennung bestünde demnach ggfs. zwischen der siegenden und der besiegten Einheit. Die Struktur weist schematische Ikonizität auf, da das Trennelement nur auftritt, wenn das Ereignis des Besiegens eine Relation mit getrennten Bestandteilen bezeichnet, und nicht, wenn es sich um eine innere Relation handelt. Die hier angesetzte Komplexitätsikonizität hat jedoch ein wesentlich höheres Erklärungspotential. Das Prinzip der schematischen Ikonizität scheint auf einzelne wenige Verben begrenzt zu sein, besonders solche, die eine Relation intendieren (s. auch die Überlegungen bzgl. der Substitutionsverben, Kap. 4.1.2.2). 4.1.1.2.4 Espantar (‘verjagen’) Das Verb espantar wird hier in der Bedeutung ‘verjagen’ untersucht. Es verfügt noch über eine andere Bedeutung, die Gefühlsregung ‘erschrecken’, die bspw. im Online-Wörterbuch der RAE (http://lema.rae.es/drae/?val=espantar, Zugriff:
416 García García (2010, 239) spricht bezogen auf die Objekte von einer Unterscheidung in «externe Konkurrenten» vs. «interne Hindernisse».
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
02.02.19) und im PONS-Wörterbuch (http://de.pons.com/übersetzung?q=espantar&l=dees&in=&lf=de, Zugriff: 02.02.19), aber auch in der ADESSE-Datenbank (http://adesse.uvigo.es/data/verbos.php?verbo=ESPANTAR, Zugriff: 02.02.19) als Erstbedeutung angegeben ist. Laut RAE ist sie zwar mit indirektem Objekt kompatibel, tritt aber vor allem in der hier untersuchten syntaktischen Konfiguration auf (cf. http://lema.rae.es/drae/?val=espantar, Zugriff: 02.02.19). Die ADESSE-Datenbank gibt jedoch kein derartiges Beispiel aus. Dazu führt der folgende Umstand. Von den 5 Treffern bei einer Suchanfrage mit der Spezifikation, dass mindestens zwei Aktanten auftreten, deren Form und Funktion aber nicht eingegrenzt wird, klassifiziert die Datenbank alle Zweitaktanten als indirekte Objekte (http://adesse.uvigo. es/data/avanzado.php, Zugriff: 21.08.15).417 Wie es zu der Kategorisierung kommt und ob sie der Norm entspricht, kann nicht überprüft werden. Die Lesart ‘erschrecken’ wird jedoch vor dem Hintergrund der Problematik hier ausgeblendet. Auch in der untersuchten Bedeutung wird das Verb espantar (‘verjagen’) üblicherweise nicht als typisches transitives Verb angeführt. Das mag beispielsweise daran liegen, dass zwischen den an der Verbalhandlung beteiligten Entitäten kein physischer Kontakt besteht. Es gibt jedoch gute Gründe, es sogar den stärker transitiven Verben zuzuordnen. Entscheidend ist, dass das Objekt ganzheitlich betroffen ist und der Effekt auf das Objekt das Verb zu einem telischen Verb macht. Das Verb drückt einen recht komplexen zeitlichen Zusammenhang aus. Es stellt an das Objektdenotat aber lediglich die räumliche Anforderung, vor bzw. bei Eintritt der Verbalhandlung am Ort ihrer Realisierung anwesend zu sein. Typischerweise selegiert espantar (‘verjagen’) zwei Aktanten mit belebtem Denotat. Die Angabe eines Instruments ist als PP möglich. Der Erstaktant handelt tendenziell willentlich. Die konkrete Handlung des Subjektdenotats kann vielerlei Formen annehmen und wird vom Verb selbst nicht spezifiziert, wenngleich es sicherlich Handlungen gibt, die Sprecher als typische Instantiierung mit dem Verb abgespeichert haben, bspw. dass sich ein Mensch anpirscht und plötzlich schreiend auf die zu erschreckende Entität losstürmt. Das Verb bezeichnet den Effekt, den die Handlung des Subjektdenotats auf das Objektdenotat hat. Der Effekt ist die plötzliche räumliche Bewegung des Objektdenotats von einem Ort weg. Auch metaphorische Verwendungen wie bspw. die ebenfalls im Korpus auftretende Struktur espantar el miedo (COA:018.15, ‘die Angst vertreiben’) basieren auf einer räumlichen Konzeptualisierung des Vorgangs. Bei einem belebten Denotat kann der Effekt auf das Objektdenotat in zwei zeitlich bestimmbare Bestandteile zerlegt werden, die zwei unterschiedliche Ebenen der konzeptuellen
417 Wie auch sonst wird zudem die Beschränkung des Ursprungslands Spanien angesetzt (http://adesse.uvigo.es/data/avanzado.php, Zugriff: 21.08.15).
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
317
Struktur des Objektdenotats betreffen. Die physische Bewegung, die für alle konzeptuellen Ebenen relevant ist, ist eine körperliche Reaktion auf eine psychische oder bzw. und unter Umständen auch mentale Reaktion auf die Handlung des Erstaktanten. Das Subjektdenotat versetzt also das Objektdenotat durch eine nicht näher spezifizierte Handlung in einen psychischen Zustand, aus dem die Handlung des Objektdenotats folgt, sich im Raum zu bewegen. Auch außersprachlich, genauer physiologisch, ist hinsichtlich der beiden Vorgänge eine typische Abfolge mit Überlappung gegeben. Auf die grobe Verarbeitung einer sich plötzlich nähernden Gefahr im Amygdalakern folgt die körperliche Reaktion (cf. etwa Güntürkün 2012, 201s. sowie https://www.dasgehirn.info/denken/emotion/ der-schaltkreis-der-angst, Zugriff: 02.02.19). Die typische Konzeptualisierung ist sicherlich weniger fundiert. Die sogenannte Schrecksekunde als äußeres Symptom der Verarbeitung darf aber doch als Teil davon gesehen werden. Der eigentliche Kulminationspunkt ist dann ein aus der Reaktion des Objektdenotats folgendes Ergebnis des Verbalvorgangs. Die Kulmination ist vollzogen, wenn das Objektdenotat nicht mehr am ursprünglichen Ort ist. Das Verb espantar (‘verjagen’) weist also eine nicht-homogene innere zeitliche Struktur auf, die verschiedene Subereignisse und Phasen umfasst, was eine unumstößliche Einordnung schwierig macht. Es ist zweifellos telisch und der entsprechende Vorgang hat eine geringe Ausdehnung. Dies legt grundsätzlich eine Einordnung als Event nahe. Die vollständige Zeitkonstitution involviert allerdings mehrere Phasen. Die Abfolge der folgenden Aufschlüsselung entspricht dem zeitlichen Verlauf des denotierten Ereignisses. Ein das Objektdenotat betreffender State wird ab einem bestimmten Zeitpunkt von einem das Subjektdenotat involvierenden Event oder terminativen Prozess überlagert. Dieses Event oder der terminative Prozess löst die oben genannte typischerweise zweischrittige Zustandsänderung im Objektreferenten aus, die wiederum in Anlehnung an Lehmann (1991, 231) als ingressiver Prozess angesehen werden kann. Im Korpus treten acht relevante Okkurrenzen auf. Bei dreien ist das Objekt markiert (s. [36] bis [38]). [36]
Ladraban los perros, espantábamos a las aves de sus ramas y gritábamos con todas nuestras fuerzas […]. (CAR:148.28) ‘Es bellten die Hunde, wir verscheuchten die Vögel von ihren Ästen und schrien, so laut wir konnten.’
[37] Una bruja buena, que también las hay. Como la de Peña Enzutta, que espanta al lobo y apaga las malas hogueras. (SON:192.23) ‘Eine gute Hexe, die gibt es ja auch. So wie die von Peña Enzutta, die den Wolf verjagt und böse Scheiterhaufen löscht.’
318 [38]
4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
¡Me están espantando al personal! ¡Déjenme tranquila! (CAI:079.14) ‘Sie vertreiben mir die Leute! Lassen Sie mich in Ruhe!’
Die Objekte in [36] und [37] denotieren Tiere. Dieser lexikalische Bereich wird in Kap. 2.7.4 sowie Kap. 4.3.2 eingehend besprochen. Entsprechend der Argumentation dort werden die Objekte in den beiden Beispielen als plausiblermaßen komplex eingeordnet. Eine Einordnung ist dann plausibel, wenn sich zwar nur schwache Indizien für sie, aber eben auch keine Anzeichen finden, die ihr entgegenstünden. Es werden generell der Kontext und im Speziellen auch der erweiterte Kotext eingehend untersucht. Das Grundproblem bei Objekten mit tierischem Denotat ist, dass sie potentiell jedem der Haupttypen (natürlich, funktional oder komplex) angehören können. Hinsichtlich der beiden Beispiele kann wie folgt argumentiert werden. In [36] wird davon ausgegangen, dass der Sprecher die Vögel als fühlende Lebewesen konzeptualisiert. Das Verhalten des Agens erschreckt die Vögel. Ihre Reaktion auf den empfundenen Schreck besteht darin, dass sie wegfliegen. Im Rahmen der Verbalhandlung sind also die beiden angenommenen Ebenen relevant. Das Objekt ist komplexen Typs. Die Interpretation des Objekts in [37] ist parallel dazu. Es besteht hier die Besonderheit einer generischen Verwendung des Objekts. Bezüglich beider Objekte, dem in [36] und dem in [37], gilt, dass aufgrund der Einbettung unter espantar (‘verjagen’) für eine Interpretation als natürlicher Typ ein lexikalischer Hinweis nötig wäre, der die Ebene der gefühlsbedingten Reaktion ausblenden würde. In [38], dem Ausruf einer Bettlerin, wird auf eine Menge potentiell Anwesender Bezug genommen. Das Objekt denotiert ein Kollektivum. In der Bedeutung, die das Objekt hier aufweist, kann es auch in diesem Beispiel nicht als funktionaler Typ konzeptualisiert werden. Auch in [38] wird durch das Verb der natürliche Typ ausgeschlossen. Es wird hier eine psychisch-mentale Ebene intendiert. Das zeigt der Nachsatz, ¡Déjenme tranquila! (‘Lassen Sie mich in Ruhe!’). Er verdeutlicht, dass die Sprecherin sich über störendes Verhalten beschwert und davon ausgeht, dass andere Leute es ebenfalls als unangenehm, u.U. auch erschreckend, empfinden und sich in der Folge entfernen. [39]
Y tú, Burrote, siéntate junto a él y esp[á]ntale, como te ha ordenado, las moscas y las pulgas que pueden estorbar a nuestro gran aliado […]. (1IN:046.27) ‘Und du, Burrote, setze dich neben ihn und verscheuche für ihn, so wie er es dir befohlen hat, die Fliegen und die Flöhe, die unseren großen Verbündeten stören könnten.’
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
319
[40] […] yo le conminaba a guardar silencio para no espantar la caza. (LAB:009.04) ‘Ich forderte ihn auf, still zu sein, um das Wild nicht aufzuscheuchen.’ Im Gegensatz zu den obigen Beispielen sind die Objekte in [39] und [40] nicht a-markiert. Die Menge der außersprachlichen Entitäten in [39] ist natürlichen Typs. Weder Fliegen noch Flöhe gelten als fühlende oder denkende Einheiten, sie werden nicht als solche konzeptualisiert. Bei ihnen entfällt also die intervenierende, psychische Ebene, auf der der Schreck empfunden würde.418 In [40] werden die Verhältnisse lexikalisch deutlich gemacht. Hier ist la caza (‘das Wild’) funktionalen Typs. Die Assertion betrifft nicht die Gefühlswelt bestimmter Tiere, es geht nicht darum, dass das Wild eine bestimmte körperliche Reaktion ausführt, die auf einen Schreck folgt. Der Sprecher assertiert vielmehr eine drohende Abwesenheit von Jagdobjekten. Tatsächlich kann einem Einsetzen des möglichen Vorgangs ein Einfluss auf den Status des Massennomens zugeschrieben werden. Werden nämlich die Bestandteile der Menge aufgescheucht und kommen in Bewegung, so sind sie weniger leicht zu jagen und bilden damit auch keine prototypische Menge zu jagender Tiere mehr. Es ist zu erwähnen, dass [40] im Ausgangstext eine humorvolle Konnotation aufweist. Die beiden Personen jagen tatsächlich kein Rotwild oder ähnliches, sondern escarabajillos peloteros (‘Mistkäferchen’). Auf die Interpretation hat das keinen Einfluss, das Objekt im Satz bleibt funktionalen Typs. [41] Una manera como otra cualquiera de espantar mejor las sombras de la casa. (CAR:143.29) ‘Ein Verhalten wie jedes andere, um die Schatten im Haus besser zu vertreiben.’ [42]
La madrugada era fresca pero espantó la idea de subir por un jersey […]. (MIR:064.20) ‘Die Dämmerung zog gerade herauf und es war frisch, doch er schob den Gedanken beiseite, nach oben zu gehen und sich einen Pullover zu holen.’
Auch die verbleibenden drei Okkurrenzen sind unmarkiert. In [41] tritt ein Konkretum auf. In der Grundbedeutung sind sombras (‘Schatten’) das Phänomen, dass auf eine Fläche eine weniger direkte Lichteinstrahlung wirkt
418 Es fällt auf, dass eine solche Ebene bei Insekten vom Menschen grundsätzlich nicht wahrnehmbar ist, bei einigermaßen großen Säugetieren wie bspw. einem Hund hingegen u.U. schon.
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als eine Vergleichsfläche in direkter Nachbarschaft oder in der Umgebung. Ist die Vergleichsfläche nicht in direkter Nachbarschaft, so ist sie der etwaigen Lichtquelle näher und der Grund für die geringere Lichtmenge der betrachteten Fläche. Im Kontext steht das Objekt metaphorisch für in irgendeiner Weise negative Gedanken und Gefühle. Es ist dementsprechend abstrakt-natürlichen Typs. Die Einbettung unter espantar (‘verjagen’) ist unproblematisch. In der Grundbedeutung denotiert das Lexem ein wahrnehmbares außersprachliches Phänomen, die o.g. geringere Lichtintensität auf einer Fläche. Aber auch das Objektdenotat im Kontext ist vom Experiencer wahrnehmbar und kann insofern irgendeiner Handlung unterzogen werden. Die übrigen zwei Objekte im Korpus sind ebenfalls abstrakt-natürlichen Typs (s. etwa [42]). Das Beispiel [42] ist vor allem deshalb interessant, weil die VP metonymisch zu verstehen ist. Das Abstraktum idea (hier: ‘Gedanke’) ist prinzipiell vergänglich, es kann an mentaler Präsenz verlieren oder sogar vergessen werden. Allerdings kann es auch einen Wunsch begründen, der eine Handlung nach sich ziehen kann. Der Träger des Gedankens kann ihm eine zentrale Position in seiner Gedankenwelt verweigern und so die Wahrscheinlichkeit der Entstehung eines Wunsches reduzieren. Die Metonymie besteht nun darin, dass der Träger des Gedankens zwar nicht im eigentlichen Sinne den Gedanken aus seinem gedanklichen Fokus bewegt, sondern seinen mentalen Fokus vom besagten Gedanken wegbewegt. Im Kontext wird das Auftreten von idea (hier: ‘Gedanke’) durch die Beweglichkeit relativ zum Medium, dem Fokus der Aufmerksamkeit, also das etwaige akute Gedachtwerden des Gedankens, lizensiert. 4.1.1.2.5 Cazar (‘fangen’, ‘einfangen’) Das Verb cazar (‘(ein)fangen’) kann als Event eingeordnet werden wie etwa bei Lehmann (1991, 232). Es können verschiedene Argumente für die Einordnung als stark transitives Verb angeführt werden. Besonders wichtig sind auch hier die jeweiligen Arten der Involviertheit des Subjekt- und des Objektreferenten. Ersterer ist in der Regel agentiv und volitional. Typischerweise bewirkt er beim Objektreferenten eine Zustandsänderung, die alle relevanten Ebenen betrifft. Das Verb ist telisch, der entsprechende Sachverhalt hat eine eher geringe zeitliche Ausdehnung. Der denotierte Zeitraum weist eine Substruktur auf (s.u.). Die vom Subjekt von cazar (‘(ein)fangen’) denotierte Entität bildet typischerweise eine räumliche Bezugseinheit, hinsichtlich derer das Objektdenotat manipuliert wird. Im typischen Fall weist die Bewegung des Objektdenotats in der Vorphase eine räumliche Gerichtetheit vom Subjektdenotat weg, das Subjektdenotat kann die Ausrichtung aber übernehmen. Das Potential räumlicher Bewegung des
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
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Objektdenotats wird ab der Manipulation, dem Kulminationspunkt, von der Bezugseinheit, dem Subjektdenotat, eingeschränkt. Typischerweise wird das Bewegungspotential an sich oder die Bewegung relativ zum Bezugspunkt auf Null gesetzt. Die Verbbedeutung enthält die Information einer Zustandsänderung beim Objektdenotat. Das Bewegungspotential darf insofern vor dem Kulminationspunkt nicht von der Bezugseinheit eingeschränkt sein. Die Zustandsänderung ist physischer Art. Verfügt das Objektdenotat über weitere saliente konstitutive Ebenen, so betrifft der Effekt der Zustandsänderung typischerweise auch sie. Eine psychisch-mentale Ebene etwa ist bei einer Einbettung unter cazar (‘(ein)fangen’) nur schwer von der physischen zu trennen, sodass die Einschränkung auch sie betreffen muss. Die Zeitstruktur ist den Ausführungen entsprechend zweistufig. Auf die Vorphase, in der sich das Objektdenotat unabhängig vom Subjektdenotat bewegt, folgt die Kulmination. Das Verb selbst spezifiziert keine Nachphase. Das Verb erlegt dem Objekt scheinbar keine weiteren Restriktionen auf, als dass ihm die angeführte Zustandsänderung widerfahren können muss. Im Korpus treten insgesamt elf Okkurrenzen auf, von denen drei a-markiert sind. Die Denotate zweier werden als menschlich eingeordnet (s. bspw. [43]). Es handelt sich dabei um sprechende Tiere aus Kindertheaterstücken (s. Kap. 3.1.1). [43]
¡Si has cazado ya a ese Loristo que llaman el listo, tr[á]emelo, deprisa! (1IN:035.31) ‘Wenn du diesen Loristo, den sie den Klugen nennen, schon gefangen hast, bring’ ihn mir schnell her!’
[44]
Cazarán a la Rusca; me da pena, pero no hay más remedio. (SON:320.29) ‘Sie werden die Rusca kriegen. Es tut mir leid, aber es gibt keine andere Lösung.’
Alle drei a-markierten Okkurrenzen sind komplexen Typs. Cazar (‘(ein)fangen’) setzt wie oben besprochen in der Grundbedeutung hinsichtlich des Objekts voraus, dass eine physische Einheit denotiert wird. Wie die Beispiele zeigen, ist jedoch noch eine zweite Ebene im Spiel: In [43] ist der Objektreferent ein intelligentes Wesen. Es wird ihm also eine Gedankenwelt zugeschrieben, was auch eine Gefühlswelt erwartbar macht. Der Objektreferent in [44] ist ein Krebsgeschwür. In Kap. 4.1.2.1.2 zu coger (‘nehmen’, ‘ergreifen’; ‘bekommen’) wird argumentiert, dass Objekte, die Krankheiten denotieren, natürlichen Typs sind. Das obige Beispiel ist allerdings eine Ausnahme, wie der weitere Kontext zeigt. Der Sprecher hat über die Dauer seines Leidens eine Art persönliche Beziehung zu seiner Krankheit aufgebaut. Er hat ihr den Namen seines Lieblingsfrettchens gegeben, er unterhält sich mit ihr und bringt unter anderem zum Ausdruck, sie könne ihn
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verstehen (s. etwa Sampedro 1985, 10).419 Dass er den Eigennamen als Objekt von cazar verwendet, zeigt, dass er die Krankheit als komplexen Typs mit physischen oder physisch relevanten und mentalen Bestandteilen konzeptualisiert. Acht Okkurrenzen sind unmarkiert. Eine davon hat ein menschliches Denotat (s. [45]). [45]
En cuanto a la desenvoltura de la chica topolino, no solamente era desaconsejada porque contradecía la esencia de la «mujer muy mujer», sino por otra razón más práctica y convincente a la hora de persuadir a aquellas «chiquitas standard» de que no iban por buen camino. ¿No querían cazar un marido? (USO:087.31) ‘Die Zwanglosigkeit der Topolino-Mädchen war nicht nur deshalb nicht zu empfehlen, weil sie der Natur der sehr weiblichen Frau widersprach, sondern auch aus einem praktischeren und stichhaltigeren Grund, wenn es darum ging, jene «Standard-Mädchen» zu überzeugen, dass sie sich auf dem Holzweg befanden. Wollten sie keinen Ehemann ergattern?’
Das Beispiel [45] wurde bereits in Kap. 2.8.3 angeführt. Wie dort beschrieben, ist eine Argumentation bspw. mittels der Spezifizitätstheorie nicht hilfreich, da die Lesart keine Referentialität intendiert. Hier wird vielmehr eine bestimmte soziale Rolle evoziert. Das Objekt, eine Verwandtschaftsbezeichnung (s. Kap. 4.3.1), ist nicht komplexen, sondern funktionalen Typs. Die anderen unmarkierten Objekte haben tierische Denotate. Sie sind allesamt natürlichen Typs. Es treten unterschiedliche formale Möglichkeiten zutage. [46]
Podríamos salir a cazar murciélagos cuando se haga de noche. (CIN:044.05) ‘Wir könnten hinausgehen, um Fledermäuse zu fangen, wenn es dunkel wird.’
[47]
Las telas colgadas le recuerdan los pasos volanderos de la montaña donde se tienden redes para cazar torcaces […]. (SON:264.29) ‘Die aufgehängten Stoffe erinnern ihn an den Vogelzug in den Bergen, wo Netze aufgehängt werden, um Ringeltauben zu fangen.’
419 Es findet sich bspw. die folgende Stelle: A la enfermedad que le corroe la llama Rusca […]. «Me tienes consideración, ¿eh, Rusca? […]» (Sampedro 1985, 10, ‘Die Krankheit, die an ihm nagt, nennt er Rusca. «Du nimmst Rücksicht auf mich, nicht wahr, Rusca?»’).
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[48]
Burrote se sienta al lado de Leoncito, hace que caza una mosca y se la come. (1IN:046.31) ‘Burrote setzt sich neben Leoncito, tut, als würde er eine Fliege fangen und isst sie.’
[49]
¡C[á]zame ésta! (1IN:059.11) ‘Fange mir diesen [Schmetterling, J.E.] da!’
Am häufigsten, nämlich fünfmal, sind Bare Plurals vertreten, die allesamt als unspezifisch klassifiziert werden können (s. [46], [47]). In einem Fall tritt eine indefinite NP als Objekt auf, die allerdings spezifisch ist (s. [48]). In Beispiel [49] schließlich referiert das Demonstrativpronomen auf ein Tier. Es ist unmarkiert und da ja das Demonstrativum einen hohen Grad an Definitheit aufweist, kann es als Indiz gegen eine strikte Korrelation von Unmarkiertheit mit Unbestimmtheit bzgl. der Klasse der Tiere angeführt werden. Es sei zuletzt angemerkt, dass die Nicht-Markierung bei Jagdobjekten erwartbar ist. Zwar bringt die aktualisierte Lesart des Verbs eine klare Zustandsänderung beim Objekt zum Ausdruck, denn Tiere, die zum Verzehr gefangen werden, werden getötet. Diese Zustandsänderung würde ggfs. auch eine psychischmentale Ebene des Objektdenotats betreffen. Allerdings sind Jagdobjekte üblicherweise funktionalen bzw. semi-intentionalen Typs und werden nicht konzeptuell angereichert. 4.1.1.2.6 Parar (‘anhalten’) Die Bedeutung von parar (‘anhalten’) ähnelt der von cazar (‘(ein)fangen’) oberflächlich. Auch bei parar (‘anhalten’) wird die Bewegung des Objektdenotats zum Zeitpunkt der Kulmination auf Null gesetzt. Im Unterschied zu cazar (‘(ein) fangen’), wo die Einschränkung auch relativ zu einem Bezugspunkt geschehen kann, handelt es sich bei parar (‘anhalten’) allerdings immer um eine absolute Manipulation. Zudem involviert nur die Bedeutung von cazar (‘(ein)fangen’) eine Tendenz negativer Gerichtetheit des Objektdenotats vom Subjektdenotat weg. Die Bedeutung von parar (‘anhalten’) ist dahingehend neutral. Lehmann (1991, 229) ordnet das Verb als terminativen Prozess ein. Wie bei cazar (‘(ein)fangen’) auch eröffnet die Verbbedeutung von parar (‘anhalten’) eine Vorphase, in der für das Objektdenotat gilt, dass es sich bewegt. Die Bewegung wird von der Entität, die das Subjekt denotiert, zum assertierten Zeitpunkt aufgehoben. Die Ausdehnung dieses Zeitpunkts ist gering. Die Ebene, auf der die Einflussnahme geschieht, ist typischerweise die physische. Das Objektdenotat ist in seiner Gesamtheit betroffen. Die Zustandsänderung ist auf physischer Ebene
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
typischerweise vollständig. Das alles spricht für eine Einordnung von parar (‘anhalten’) in die Kategorie der Verben mit hohem Transitivitätsgrad. Das Korpus enthält elf Okkurrenzen, von denen zwei a-markiert sind. Die beiden a-markierten Objekte sind komplexen Typs, alle anderen sind nichtkomplexen Typs. [50]
No era definitiva pero el Obradoiro jugaba muy concentrado en las tareas defensivas y podía parar al americano Cooke, el mejor jugador del Juventud Alcalá, con facilidad. (1VO:050-2.6-25) ‘Sie war nicht endgültig, aber der Obradoiro spielte in der Defensive sehr konzentriert und konnte den Amerikaner Cooke, der beste Spieler von Juventud Alcalá, mit Leichtigkeit stoppen.’
[51] En la plataforma están integradas organizaciones políticas y sociales, como […] Izquierda Unida y Comisiones Obreras, cuyo responsable de acción sindical, Agustín Moreno, defendió la necesidad de que «en nombre de la Constitución se pare a González y a Corcuera». (3VO:015-1.2-10) ‘Diese Plattform vereint politische und soziale Organisationen wie die Izquierda Unida (Vereinte Linke) und die Comisiones Obreras (Gewerkschaftsvereinigung), deren Verantwortlicher für Gewerkschaftsmaßnahmen, Agustín Moreno, sich für die Notwendigkeit aussprach, dass man im Namen der Verfassung González und Corcuera stoppe.’ Das Beispiel [50] präsentiert die wörtliche Lesart. Der Objektreferent, ein Basketballspieler der gegnerischen Mannschaft, wird gestoppt. Die Modalisierung schränkt ein, dass die Handlung hinsichtlich der Menge üblicher Fälle zum referierten Zeitpunkt möglich ist. Sie ändert aber nichts am Verhältnis zwischen dem regierenden Verb und dem Objekt und wird daher von der Analyse ausgeklammert. Der Objektreferent ist von der Handlung ganzheitlich betroffen. Seine Bewegung, also der Angriff auf den gegnerischen Korb, die er willentlich durchführt, wird gestoppt. Es sind also zwei verschiedene miteinander verbundene Ebenen betroffen. Das Objekt ist komplexen Typs. In [51] vollzieht sich der Vorgang des Anhaltens bzw. des als erwünscht dargestellten möglichen Anhaltens nicht im physischen Raum. Das Objekt referiert auf den spanischen Innenminister und den Präsidenten. Es wird nicht zum Ausdruck gebracht, dass eine konkrete physische Bewegung der Körper der beiden gestoppt würde. Die Referenten sollen in Hinblick auf eine nicht näher spezifizierte Handlung bzw. eher eine Menge von Handlungen aufgehalten werden, die auf eine politische Veränderung hinwirken. Die Handlungen können bspw.
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einzelne Äußerungen oder auch Reden sein oder in der Unterzeichnung eines Dokuments bestehen. Wie dieser Bestandteil der Situation genau aussieht, ist für die Konzeptualisierung nicht relevant. Entscheidend ist, dass die Handlungen willentlich erfolgen, sodass wiederum zwei Ebenen der Objektreferenten betroffen sind. Das Objekt ist damit komplexen Typs. Die verbleibenden neun Okkurrenzen sind nicht-komplexen Typs. Darunter sind vier Konkreta, die in [52] und [53] exemplifiziert werden. [52] La mujer tenía que «pararle los pies» […]. (USO:167.25) ‘Die Frau musste ihn in die Schranken weisen. (wörtl.: Die Frau musste ihm die Füße anhalten.)’ [53] Para el carro […]. (LAB:252.11) ‘Halte das Auto an.’ Die Verbalphrase in [52] ist eine fixe Verbindung, deren Gesamtbedeutung von der Summe der Bedeutungen der einzelnen Bestandteile abweicht. Das OnlineWörterbuch der RAE ordnet sie als umgangssprachlich ein (cf. http://dle.rae. es/?id=SwyZKJX&o=h, Zugriff: 02.02.19).420 Sie basiert auf einem metonymischen Vorgang. Das Verhältnis ihrer Bestandteile lässt sich trotz ihrer Fixierung bestimmen. Das Objekt, los pies (‘die Füße’), denotiert ein Körperteil. Es ist natürlichen Typs. Auch das Objekt in [53] ist nicht-komplex. Im Gegensatz zu dem in Kap. 4.1.1.2.3 angeführten Beispiel mit dem Objekt tanque (‘Panzer’) wird hier nur auf den Gegenstand Bezug genommen. Der Fahrer bzw. sein Wille, mit dem zusammen das Konzept von tanque ein komplexes Objekt bildete, ist in der dem Beispiel [53] entsprechenden konzeptuellen Struktur vom Objekt unabhängig. Die Entität wird vielmehr eigens, nämlich in Subjektposition versprachlicht. Das Objekt ist funktionalen Typs. Die verbleibenden fünf Okkurrenzen sind Abstrakta (s. [54] und [55]). Eines ist abstrakt-natürlichen Typs, vier sind abstrakt-funktional. [54]
Los viejos faroles paran el tiempo. (CAI:063.07) ‘Die alten Straßenlaternen halten die Zeit an.’
420 Der Link führt zum Schlagwort pie (‘Fuß’), die fixe Struktur wird weiter unten aufgeführt (http://dle.rae.es/?id=SwyZKJX&o=h, Zugriff: 02.02.19). Der ältere und direkte Link zum idiomatischen Ausdruck ist nicht mehr nutzbar (http://lema.rae.es/drae/?val=parar+los+pies). Die Klassifizierung des Ausdrucks wurde allerdings nicht geändert.
326 [55]
4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
El alcalde paró varias veces la traída promovida por los vecinos (3VO:0383.0-01)421 ‘Der Bürgermeister stoppte mehrmals die von den Bewohnern angestrebte Wasserzufuhr.’
Zumindest in der modernen westlichen Welt ist es üblich, Zeit (tiempo) als im Verlauf befindlich zu verstehen. Zwar vollzieht sich der Verlauf nicht auf räumlicher Ebene, die Semantik des Nomens tiempo (‘Zeit’) in [54] ist allerdings hinreichend eindeutig, um die Rektion durch parar (‘anhalten’) zu lizenzieren. Der angesprochene Verlauf wird gestoppt. Das Objekt in [54] ist abstrakt-natürlichen Typs. In [55] liegt ein metaphorischer Gebrauch vor. Hier wird nicht der Objektreferent, la traída (‘die Wasserzufuhr’), selbst gestoppt, sondern der Plan unterbunden, eine solche zu bauen. Der eigentliche, außersprachliche Sachverhalt besteht in einem Beschluss oder einer Bewilligung. Es sind Sachverhalte, die einen Vorgang zum Ausdruck bringen, der notwendigerweise einen Endpunkt hat. Aufgrund der temporalen Bedeutungskomponente ist die Einbettung unter das Verb semantisch. Das Verb drückt also aus, dass der Kulminationspunkt nicht erreicht wird. Das Objekt in [55] ist also wie gesagt abstrakt-funktionalen Typs. 4.1.1.3 Kurzes Zwischenfazit zu den (sehr) stark transitiven Verben Für die (sehr) stark transitiven Verben konnte keine einheitliche Korrelation mit der a-Markierung festgestellt werden. Bzgl. einzelner regierender Verben ließen sich jedoch anhand des jeweiligen Subkategorisierungsrahmens gewisse Präferenzen motivieren. Das gilt bspw. für matar (‘töten’), wo die Korpusdaten eine recht starke Tendenz zur Markierung der Objekte erkennen ließen (73,7% der Okkurrenzen) (cf. auch die Ergebnisse in von Heusinger/Kaiser 2007). Auch etwa bei vencer (‘besiegen’) ist die große Mehrheit der Objekte im Korpus markiert (83,3%). Im Falle von vencer ist allerdings eine Erklärung am besten, die auf einer detaillierten Beschreibung der Bestandteile des denotierten Sachverhalts und ihrer Strukturierung gründet (s. Kap. 4.1.1.2.3). Es besteht zudem eine leichte Korrelation zwischen der Frequenz der Markierung und der relativen Frequenz von Nominalklassen. Bspw. denotieren viele der unter morder (‘beißen’) eingebetteten Objekte Körperteile (9 von 11 Okkurrenzen), die als Konkreta klassifiziert werden. Dem entspricht ein eher geringer Anteil an markierten Objekten 421 Das Beispiel ist offenbar eine Überschrift. Der Satz scheint allerdings vollständig zu sein und keine Auslassungsphänomene aufzuweisen.
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
327
(9,1%).422 Die genannten Zusammenhänge sind also relevant. Sie können aber weder die Realisierung aller Okkurrenzen vorhersagen noch eine tragfähige Erklärung liefern. Der hier vertretene Ansatz, der die konzeptuelle Struktur, die den Objekten unter Einbettung zukommt, ins Zentrum der Analyse rückt, vermag hingegen beides nahezu ohne Einschränkung.
4.1.2 Verben mit mittlerem Transitivitätsgrad Im Folgenden werden drei Gruppen von Verben behandelt, solche, die diverse Handlungen ausdrücken, Substitutionsverben und Sprechaktverben im weiteren Sinne. Im Rahmen der hier verwendeten Hierarchisierung, die sich v.a. an Hopper/Thompson (1980) und Lehmann (1991) orientiert, können sie als Verben mit mittlerem Transitivitätsgrad zusammengefasst werden. Die Klasse ist weniger homogen als die zuvor besprochene, insofern die Verben sehr unterschiedliche Sachverhalte denotieren. Sie eint allerdings, dass sie üblicherweise Telizität zum Ausdruck bringen und auch Dynamizität aufweisen können. Die zeitliche Ausdehnung reicht von relativ gering bei cambiar (‘verändern’, ‘tauschen’) zu potentiell etwas ausgedehnter bei denunciar (‘anzeigen’, ‘öffentlich verurteilen’). Das Verb desnudar (‘ausziehen’) verfügt zudem über eine etwas ausgedehnte Vorphase. Entsprechend der Unterschiedlichkeit der Sachverhalte sind auch die Aktanten unterschiedlich stark involviert. Bei den Handlungsverben und den Verba dicendi ist ein willentlich involviertes Agens häufig, bei den Substitutionsverben ist es bei entsprechender Aktantenkonfiguration auch möglich. Das Objektdenotat schließlich weist eine tendenziell abnehmende Involviertheit auf. Während es bei den Handlungsverben verhältnismäßig direkt betroffen ist, ist die Betroffenheit im Falle etwa des Sprechaktverbs denunciar (‘anzeigen’, ‘öffentlich verurteilen’) eher peripher. Es ist zu betonen, dass die Verben der Gruppe insgesamt weniger starke Selektionspräferenzen haben als die stärker transitiven. Für die 10 untersuchten verbalen Types der vorliegenden Klasse finden sich in der ADESSE-Datenbank 443 Okkurrenzen.423 85 der Objekte sind a-markiert (19,2%). Die größere Gruppe stellen hier deutlich die unmarkierten Objekte mit 358 Okkurrenzen (80,8%).
422 Zu den 8 Okkurrenzen, die Körperteile denotieren, kommt noch ein weiteres Konkretum (s. Kap. 4.1.1.2.2). 423 Zu Ende von Kap. 4.1.4 wird eine tabellarische Übersicht gegeben.
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Die Verben spiegeln allerdings keineswegs einheitlich die genannten Tendenzen wider. Es ist zu erwähnen, dass mehrere Verben nur recht selten im Korpus belegt sind. Für desnudar (‘ausziehen’), reemplazar (‘ersetzen’) und insultar (‘beleidigen’) finden sich jeweils weniger als fünf relevante Okkurrenzen. Coger (‘nehmen’, ‘ergreifen’; ‘bekommen’) ist hingegen vergleichsweise frequent und stellt mit 252 Okkurrenzen mehr als die Hälfte der o.g. Menge. Davon sind nur 25 (9,9%) markiert. Bei cambiar (‘verändern’, ‘tauschen’), das mit 65 relevanten Objekten auch ins Gewicht fällt, sind sogar nur 3 Objekte markiert, also lediglich 4,6%. Vor dem Hintergrund des denotierten Sachverhalts ist erwartbar, dass etwa abrazar (‘umarmen’; ‘beinhalten’) andere Werte ausgibt. Von den 20 relevanten Fällen sind 17 markiert (85%). Bei acusar (‘beschuldigen’, ‘anklagen’) sind die Verhältnisse vergleichsweise nivelliert. 17 der 28 Okkurrenzen weisen den Marker auf (60,7%). Ähnliches gilt auch für mehrere der infrequenten Types. 4.1.2.1 Handlungsverben mit mittlerem Transitivitätsgrad Aus der Gruppe der Handlungsverben mit mittlerem Transitivitätsgrad, die keine Substitutionsverben sind, wurden im Korpus die folgenden Verben untersucht: cambiar (‘verändern’, ‘tauschen’), coger (‘nehmen’, ‘ergreifen’; ‘bekommen’), abrazar (‘umarmen’; ‘beinhalten’), desnudar (‘ausziehen’) und situar (‘platzieren’). Die Verben sind semantisch heterogen. Was sie eint, ist einerseits, dass sie agentive Handlungen ausdrücken oder ausdrücken können. Andererseits sind sie in ihrer angenommenen Grundbedeutung allesamt telisch. Sie bringen allerdings recht unterschiedliche Sachverhalte zum Ausdruck und sind als Gruppe besonders interessant, weil in ihrer Semantik Variationen eines möglichen physischen Moments, genauer eines physischen Kontakts, angelegt sind. Eine Besonderheit eines Teils der Verben ist, dass sie die Sachverhalte, die sie denotieren, nicht genauer spezifizieren. Die Vorgänge bleiben recht vage. Bei den zuvor besprochenen stark transitiven Verben bestand ein gewisser Spielraum, was die konkrete Ausgestaltung der Aktanten anging, darüber hinaus gab es aber nur eine «Manner»-Komponente, die kontextuell bestimmt wurde. Die spezielle Art und Weise des an sich recht spezifischen Vorgangs wurde dabei u.a. von der konkreten Realisierung der Aktanten geprägt. Ein Verb wie bspw. cambiar (‘verändern’, ‘tauschen’)424 kann hingegen auf eine Vielzahl semantisch wie logisch völlig unterschiedlicher Vorgänge zutreffen. Auch situar (‘platzieren’) lässt vielerlei Spielarten zu. Dieser starken kontextuellen Prägung steht die Polysemie im engeren Sinne bei coger1 (‘nehmen’, ‘ergreifen’) vs. coger2 (etwa ‘(ein Gefühl 424 Ein paralleles Phänomen zeigt sich etwa auch bei den semantisch verwandten Substitutionsverben wie bspw. sustituir (‘ersetzen’) (s. Kap. 4.1.2.2).
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
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/ eine Krankheit) bekommen’) oder abrazar1 (‘umarmen’) vs. abrazar2 (‘beinhalten’) gegenüber. Es ist nicht auszuschließen, dass der Faktor der Vagheit mit dem relativ geringeren Transitivitätsgrad dieser Verben in Zusammenhang steht. Der Gedanke kann hier allerdings nicht vertieft werden. Die Anordnung der Verben im Kapitel entspricht wieder der angenommenen Hierarchie ihres Transitivitätsgrades, wobei von einer ebenfalls angenommenen Grundbedeutung ausgegangen wird. Die Hierarchie wird auch wie zuvor im Verlauf des Kapitels motiviert. Die Argumentation beruft sich wiederum besonders auf Faktoren des Verbalvorgangs und der Aktanten. 4.1.2.1.1 Cambiar (‘verändern’, ‘tauschen’) Das Verb cambiar (‘verändern’, ‘tauschen’) ist in der Grundbedeutung verhältnismäßig stark transitiv, bringt es doch eine Veränderung des Objektdenotats selbst zum Ausdruck. Wie oben angesprochen, kann der Sachverhalt unterschiedliche Formen annehmen. Eine Verbindung zwischen den divergenten Bedeutungen ist in vielen Fällen leicht nachvollziehbar. So sind eine völlige und eine punktuelle Änderung, aber auch ein kompletter Austausch der vom Objekt denotierten Einheit möglich. Dies wird u.a. dadurch ermöglicht, dass das Verb nur schwache Selektionspräferenzen hat. Welcher Sachverhalt zum Ausdruck kommt, wird durch die Aktantenkonfiguration und den Kontext bestimmt. In allen überprüften Bedeutungen und Konfigurationen ist die im Rahmen des hier vertretenen Ansatzes erwartete Entsprechung zwischen der formalen Realisierung und dem Typ des Objekts gegeben. Es liegt also durchgehend Komplexitätsikonizität vor. Bevor aber die Ergebnisse der punktuellen Korpusuntersuchung wiedergegeben werden, seien die semantischen Verhältnisse unter Zuhilfenahme zusätzlicher Beispiele eingehender betrachtet. Wie gesagt ist cambiar (‘verändern’, ‘tauschen’) ein telisches Verb und weist den höchsten Transitivitätsgrad seiner Gruppe auf. Potentiell ist das Denotat des Subjekts volitional in eine punktuelle physische Handlung involviert, die das Objektdenotat entweder auf mehreren Ebenen ändert oder es austauscht (s. die folgenden beiden Beispiele, die spanischen Zeitungen entspringen). [56]
[…] el ataque cambió a Estados Unidos. (El País, Un mundo más frágil, 01.09.2002) ‘Der Angriff veränderte die Vereinigten Staaten.’
Im Beispiel [56] wird einerseits eine physische Veränderung des Objektreferenten ausgedrückt, es wurden mehrere Gebäude zerstört. Andererseits sind aber gleichzeitig auch die Bewohner betroffen, die infolge des Angriffs ihr Heimatland und
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
damit sich als «vulnerable» (ibid. im Satz darauf,425 ‘verletzlich’) empfinden. Im Beispiel ist das Objekt komplexen Typs. Die konzeptuelle Struktur verbindet einen abstrakt-funktionalen Bestandteil, das Land als Organisation,426 mit einem abstrakt-natürlichen, den Gefühlen der Bewohner. Das Objektdenotat muss nicht verändert, sondern kann auch ausgetauscht werden. Es ist in dem Fall zwar vollständig betroffen, der Sachverhalt bezieht sich aber nur auf seine An- bzw. Abwesenheit. Dies spricht für eine Einstufung der Bedeutung als weniger stark transitiv, auch wenn eine solche Situation hinsichtlich weiterer Faktoren wie etwa der zeitlichen Ausdehnung und der Volitionalität des Subjekts einen ähnlichen Transitivitätsgrad aufweisen mag (s. bspw. [57]). [57]
Benítez cambió a Higuaín para darle descanso […]. (El Mundo, Una Juve repleta de dudas, 02.11.2013) ‘Benítez wechselte Higuaín aus, um ihm Erholung zu verschaffen.’
Der Vorgang in [57], wo der Trainer einen bestimmten Fußballspieler auswechselt, wird willentlich initiert. Die entsprechende Konzeptualisierung involviert keine zeitliche Ausdehnung. Das Auswechseln bedeutet hier, dass der Subjektreferent den Objektreferenten in Hinblick auf einen Zustand ersetzt, nämlich dem, zum relevanten Zeitpunkt zur Menge der in einer bestimmten Art und Weise Fußball Spielenden zu gehören. Implizit ist eine dritte Einheit, die vergleichbare Eigenschaften wie der Objektreferent hat und die statt ihm in den o.g. Zustand versetzt wird. Die Einflussnahme ist also polar, der Kulminationspunkt besteht in der vollständigen Abwesenheit des Objektreferenten aus der besagten Menge. Die Art Betroffenheit ist mithin stärker abstrakter Natur, als wenn eine Einheit an sich verändert wird. Nichtsdestotrotz ist der Objektreferent auch im vorliegenden Beispiel gleichzeitig auf mehreren Ebenen betroffen. Das Objekt ist komplexen Typs und wird markiert. Das folgende Beispiel ist eine der 65 relevanten Okkurrenzen im Korpus. Es ist eines der nur drei Fälle mit a-Markierung, die alle mit einem menschlichen Objektdenotat einhergehen. Das Beispiel [58] ergänzt die obigen Ausführungen
425 Der Satz, der dem angeführten Beispiel folgt, lautet: El país […] se sintió vulnerable (El País, Un mundo más frágil, 01.09.2002, ‘Das Land fühlte sich verletzlich’). 426 Die folgende alternative Interpretation wäre prinzipiell denkbar. Statt eines abstraktfunktionalen wäre der eine Bestandteil ein funktionaler. Es wäre nicht das Land als Organisation gemeint, sondern es läge eine intendierte Doppeldeutigkeit vor, bei der ein Bestandteil die betroffenen Gebäude wären. Doppeldeutigkeiten sind hier allerdings nicht relevant. Sie sind nicht in der konzeptuellen Struktur zu finden, die zusammenhängenden sprachlichen Zeichen entspricht, sondern müssen Metaebenen zugeordnet werden.
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
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und zeigt, dass cambiar (‘verändern’, ‘tauschen’) nicht unbedingt im engeren Sinne punktuell sein muss. [58]
Pero luego el mundo nos cambia a todos. (CIN:071.10) ‘Aber dann verändert die Welt uns alle.’
Unabhängig davon, welche Menge das Objekt genau meint – es bieten sich die Mengen der in der Gesprächssituation anwesenden oder aller im relevanten Zeitraum lebendigen Personen (die evtl. ein bestimmtes Alter haben) an –, ist die Vorphase in [58] ausgedehnt. Der Kulminationspunkt des terminativen Prozesses ist zudem iterativ. Das heißt also, dass cambiar (‘verändern’, ‘tauschen’) auch verschiedene Grade an zeitlicher Ausdehnung erlaubt. Auch in [58] ist der Typ des Objekts komplex, trotz eines kontextuell gegebenen Fokus’ auf die mentale oder psychische Ebene der Referenten. Weder der Kontext noch die lexikalischen Bestandteile des Satzes und ihre Referenz sind restriktiv genug, um von der Physis der Referenten zu abstrahieren, die notwendigerweise auch dem Einfluss des Zeitverlaufs unterworfen ist. Ein weiteres der angesprochenen insgesamt drei Beispiele mit menschlichem Objektdenotat ist in [59] wiedergegeben. [59]
La madre cambiaba y limpiaba al bebé en la fuente de la Puerta del Sol […]. (3VO:018-6.1-16) ‘Die Mutter wickelte und wusch das Baby im Brunnen auf dem Platz Puerta del Sol.’
[60] Busco chiquita impúber cándidamente perversa para darme de vez en cuando en las nalgas, cambiar mis pañales mojados […]. (PAI:194.08) ‘Suche vorpubertäres, auf naive Weise perverses Mädchen, die mir hin und wieder einen Klaps auf den Po verpasst und mir die nassen Windeln wechselt.’ Das Objekt in [59] denotiert wie auch das dritte im Korpus auftretende markierte Objekt ein Kleinkind. Die beiden Okkurrenzen sind in verschiedener Hinsicht interessant. Offensichtlich wird das Verb nicht in seiner Grundbedeutung verwendet. Das bebé (‘Baby’) wird weder verändert noch getauscht. Vielmehr ist die Struktur cambiar al bebé (wörtl.: ‘das Baby verändern’) eine übliche Formel, um das deutsche Wickeln wiederzugeben (s. bspw. Eintrag Nr. 6 des Verbs cambiar im Diccionario de la lengua española, http://lema.rae.es/drae/?val=cambiar, Zugriff: 02.02.19). Es existiert eine lexikalisch vollständigere Variante, nämlich cambiar los pañales al bebé (‘dem Baby die Windeln wechseln’), bei der bebé
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
(‘Baby’), der Benefizient, als indirektes Objekt auftritt.427 Das Beispiel [60] zeigt die Möglichkeit in verkürzter Form. Die Windeln werden lexikalisch realisiert (pañales mojados, ‘nasse Windeln’), mit einem Possessivartikel (mis, ‘meine’) wird auf den Benefizient Bezug genommen. Das Beispiel [59] mag im Rahmen der hier vorgestellten Theorie zunächst problematisch erscheinen. Der Sachverhalt ist offensichtlich physischer Natur. Die a-Markierung ist nicht verpflichtend, wie eine Ad-hoc-Anfrage mit der Suchmaschine Google ergibt (Zugriff: 04.02.14). Dennoch ist eine Argumentation dafür naheliegend, dass bebé (‘Baby’) einen komplexen Typen instantiiert. Der Vorgang bezieht sich auf das gesamte Objektdenotat. Beim Konzept des Babys kann davon ausgegangen werden, dass die physische und die psychische Ebene besonders eng verbunden sind, weil physische und psychische Zustände sich offensichtlich verhältnismäßig stark gegenseitig beeinflussen. Beim Wickeln wird der körperliche Zustand des Babys verändert. In einer typischen Wickelsituation wirkt sich das auch auf den psychischen Zustand aus.428 Zudem ist aufgrund gegenseitiger Affektivität der beiden Entitäten davon auszugehen, dass auch der Kontakt der im Verlauf des Vorgangs zwischen dem Subjektdenotat (‘die Wicklerin / der Wickler’, im Beispiel la madre, ‘die Mutter’) und dem Baby besteht, eine Gefühlsregung seitens des Babys mit sich bringt. Dies spricht für eine komplexe Konzeptualisierung, sodass die a-Markierung den aus dem Ansatz folgenden Erwartungen entspricht. Darüber hinaus ist eine relationale Komponente in der Bedeutung von bebé (‘Baby’) möglich (s. dafür auch Kap. 4.1.2.2.1), die die Relevanz der psychisch-mentalen Ebene des Kindes wahrscheinlich macht. Die anderen zweiundsechzig Beispiele sind nicht a-markiert. In den einzelnen Fällen weist cambiar (‘verändern’, ‘tauschen’) eine Vielzahl unterschiedlicher Bedeutungen auf, was im Folgenden nicht in allen Einzelheiten besprochen werden kann. Mit den Bedeutungsunterschieden geht einher, dass im Korpus auch unterschiedliche syntaktische Konfigurationen vertreten sind. In manchen Bedeutungen kommt ein Präpositionalobjekt hinzu. Dies betrifft etwa 20% der
427 Im Englischen existiert eine parallele Alternanz. Dort steht die Struktur to change a baby (wörtl. etwa: ‘ein Baby verändern’) der Variante to change a baby’s nappy (wörtl.: ‘eines Babys Windel wechseln’) gegenüber (cf. bspw. http://de.pons.eu/übersetzung?q=wickeln&l=deen&in=&lf=de, Zugriff: 02.02.19). 428 In einer solchen angenommenen typischen Wickelsituation ist das Baby vor und / oder während des Wickelns unzufrieden, mit Abschluss der Situation aber zufrieden. Auf eine solche Situation rekurriert bspw. Windelwerbung.
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
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relevanten Okkurrenzen. Als Kopf treten am Häufigsten por und de429 auf. Die PPs können einen unterschiedlichen Status haben. Häufig sind sie obligatorische Argumente. Zum Teil sind sie aber auch Default Arguments im Sinne Pustejovskys (1995b, 63s.), d.h. Argumente, die logischer Bestandteil der Verbbedeutung sind und auch in den entsprechenden Qualia figurieren, die aber nicht notwendigerweise an der sprachlichen Oberfläche realisiert werden. Die zweite Möglichkeit legt nahe, dass sie bei konstanter Verbbedeutung häufiger realisiert werden könnten, als sie tatsächlich auftreten. Auch diese Auffälligkeit kann hier nicht vertieft werden. In der Gruppe der unmarkierten Objekte finden sich siebzehn Konkreta, von denen zwei natürlichen Typs sind (s. [61]). [61] Cambia el rostro de lugar en busca de una zona seca de tela. (MIR:015.08) ‘Er ändert die Position seines Gesichts auf der Suche nach einer trockenen Stelle Stoff.’ In [61] wird ein Körperteil räumlich bewegt, was durch die PP de lugar (etwa: ‘vom aktuellen Ort weg’) vereindeutigt wird. Das zweite Beispiel mit einem Konkretum natürlichen Typs, dem Massennomen (cf. für den Begriff bspw. Krifka 1991b, 399) polvo (‘Staub’), tritt in der parallelen semantisch-syntaktischen Konfiguration mit der PP de sitio (etwa: ‘vom aktuellen Ort weg’) auf. Die Konfiguration ist allerdings nicht auf den natürlichen Typ beschränkt und insgesamt viermal im Korpus vorhanden (s. etwa [62]). [62]
Quién había cerrado aquella puerta o producido este ruido o cambiado tal cosa de sitio […]. (TER:078.21) ‘Wer hatte jene Tür geschlossen oder ein bestimmtes Geräusch gemacht oder eine gewisse Sache woanders hingetan.’
Der Passe-partout-Ausdruck tal cosa (etwa ‘jene gewisse Sache’) wird in [62] mit einer Art Kind-Lesart verwendet. Die NP ist offenbar semantisch unterspezifiziert. Auch ihr aktualisierter denotativer Gehalt ist nicht völlig eindeutig. Der Kontext legt einen menschengemachten Gegenstand nahe, weshalb das Objekt in die Kategorie des funktionalen Typs eingeordnet wird. Mit den beiden angesprochenen (pañales mojados, ‘nasse Windeln’ und tal cosa, ‘eine gewisse Sache’) treten insgesamt fünfzehn Objekte im Korpus auf, die funktionalen Typs sind. 429 Aufgrund der starken Kontextgebundenheit ihrer Bedeutung wird bei grammatischen Elementen, hier Präpositionen, in der Regel auf die Angabe von Bedeutungen verzichtet.
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
Es finden sich noch weitere Strukturen mit zusätzlichem Präpositionalobjekt, bspw. die folgenden. [63]
Ha cambiado su ch[á]ndal por un pantalón negro y un suéter oscuro. (CIN:026.25) ‘Er hat seinen Jogginganzug durch eine schwarze Hose und einen dunklen Pullover ersetzt.’
[64]
El día menos pensado cambiarán hasta los rótulos de las calles […]. (PAI:124.24) ‘Eines schönen Tages werden sie sogar die Straßenschilder austauschen.’
Die Struktur in [63] hat gewisse Parallelen zu der in [57] gezeigten, wo ein Fußballspieler ausgewechselt wird, und der in [60], wo Windeln gewechselt werden. Der Verbalvorgang bringt zum Ausdruck, dass das Objektdenotat nicht verändert, sondern entfernt wird. Es wird durch ein Element mit ähnlichen Eigenschaften ersetzt. Im Gegensatz zu den zuvor besprochenen beiden Beispielen ist das Shadow Argument (cf. Pustejovsky 1995b, 63s.) in [63] allerdings expliziert bzw. exteriorisiert im Sinne Lehmanns (1991, 191ss.).430 Die Realisierung des Drittaktanten hat jedoch keine weiteren Auswirkungen auf die Analyse. Die andere Lesart von cambiar, hier ‘tauschen’ / ‘ersetzen’ statt ‘verändern’ hat jedoch wie oben impliziert einen Effekt auf den konzeptuellen Status, der dem direkten Objekt zukommt. Der vom Objekt bezeichnete Gegenstand wird bspw. in [62] an einen anderen Ort getan, in [63] aber ersetzt. Während tal cosa (‘eine gewisse Sache’) weiterhin in der Menge anwesender Entitäten figuriert,431 wird chándal (‘Jogginganzug’) lexikalisch getilgt. Nichtsdestotrotz gilt auch hier, dass das Objekt funktionalen Typs ist und nicht markiert wird. Das Beispiel [64] zeigt, dass die Bedeutung des Ersetzungsverhältnisses auch dann ohne Präpositionalobjekt, das die ersetzende Einheit denotiert, möglich ist, wenn keine Idiomatisierung (wie etwa bei cambiar mis pañales mojados, ‘meine nassen Windeln wechseln’) oder ein anderweitig «typischer» Kontext gegeben ist (wie im Falle der Auswechslung eines Fußballspielers). Es ergibt sich dann dennoch die Interpretation, dass eine Ersetzung durch eine möglichst ähnliche, aber nicht identische Entität erfolgt. Das wären dann ebenfalls Schilder, auf 430 Ein weiterer wichtiger Unterschied ist, dass das Beispiel in [57] in ein bestimmtes, klar umrissenes Wortfeld einzuordnen ist, das der Welt des Fußballs. 431 Genauer ist es die Menge der Entitäten, die zum referierten Zeitpunkt am referierten Ort zugegen sind.
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
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denen aber etwas anderes stünde.432 Es mag die notwendige Ähnlichkeit sein, die eine zusätzliche relationale Bedeutungskomponente wie bei vencer (‘besiegen’) unnötig macht. [65]
Porque cambiaste el bar en galería de arte, ¿verdad? (JOV:047.18) ‘Denn du machtest ja aus der Bar eine Kunstgalerie, nicht wahr?’
Die Struktur in [65] exemplifiziert eine völlige Umwandlung. Das direkte Objekt denotiert den Ausgangszustand, das Präpositionalobjekt den Zielzustand. Die bar (‘Bar’) ist ein Raum (oder eine Kombination von Räumen) mit einer konkreten Funktion. Der Drittaktant ist ebenfalls ein Raum, für den allerdings eine andere Gestaltung erwartbar ist und dem eine andere Funktion zukommt. Die Ähnlichkeit der Konzepte ist Voraussetzung für die Einbettung in ein Umwandlungsverhältnis. Das Objekt ist ebenfalls funktionalen Typs. Das Korpus enthält insgesamt fünfundvierzig relevante Abstrakta. Es finden sich ähnlich viele Objekte abstrakt-natürlichen (einundzwanzig Okkurrenzen) wie abstrakt-funktionalen Typs (vierundzwanzig Okkurrenzen). [66]
Una idea repentina cambia el humor del viejo y le hace sonreír. (SON:159.20) ‘Ein unerwarteter Gedanke ändert die Laune des Alten, sodass er lächeln muss.’
[67]
Pero eso no cambiaría las cosas. (CIN:017.09) ‘Aber das würde die Dinge nicht ändern.’
Das Objekt in [66] exemplifiziert den abstrakt-natürlichen Typ. Die Laune mag Einflussfaktoren unterliegen, jedoch hat sie keinen willentlichen Urheber. Sie ist nicht nur an einen Träger gebunden, sondern ein notwendiger Zustand einer menschlichen, u.U. auch einer belebten Entität. Ihre Qualität ist variabel, was die Einbettung unter cambiar (‘verändern’) lizensiert. Sie kann zudem gewisse Effekte haben. Sie hat jedoch keinen konkreten (konzeptuell relevanten) Zweck.433 Folglich ist sie nicht funktionalen Typs. Das Objekt in [67] ist entgegen seiner Grundbedeutung nicht gegenständlich. Es kann als weiteres Beispiel dafür angeführt werden, dass die Referenz die 432 Bei den Windeln ist die Ausgestaltung der ersetzenden Einheit in der Eigenschaftsbestimmung der zu ersetzenden Einheit angelegt. Die nasse Windel wird durch das Gegenstück, eine trockene Windel, ersetzt. 433 Menschheitsgeschichtlich und / oder etwa biologisch mag sie bestimmte Funktionen haben. Das wäre aber konzeptuell nicht relevantes Fachwissen.
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lexikalische Bedeutung semantisch dominiert. In dem betreffenden Abschnitt wird über Sachverhalte gesprochen. Das Objekt fungiert als Passe-partout-Ausdruck. Der Sprecher nimmt damit v.a. auf menschliche Zustände und zwischenmenschliche Verhältnisse Bezug, zu denen es im Zeitverlauf gekommen ist. Da auch hierfür keine klaren innersprachlichen Bedeutungsbestandteile434 vorliegen, die einen Urheber (Ortus-Faktor) oder ein Ziel (telischer Faktor) instantiieren würden, ist auch dieses Objekt abstrakt-natürlichen Typs. Die Objekte in den folgenden beiden Beispielen sind hingegen abstraktfunktionalen Typs. [68]
En este punto de la representación se cambian los papeles. (JOV:044.26) ‘An dieser Stelle der Vorstellung werden die Rollen getauscht.’
[69]
Rafa y Laura cambian una mirada divertida. (OCH:037.27) ‘Rafa und Laura tauschen einen belustigten Blick aus.’
Die Einordnung des Objekts in [68] ist unproblematisch. Die ontologische Kategorie von Rollen in einem Theaterstück (papeles) ist die des Abstrakten. Allerdings haben papeles (‘Rollen’) sowohl einen Urheber, zumeist den Autor des Stücks,435 als auch einen Zweck. Sie erfüllen eine bestimmte Funktion in einem Theaterstück. Auch das Objekt in [69] ist abstrakt-funktionalen Typs. Es ist abstrakt, insofern als es über keine Gegenständlichkeit verfügt. Überdies sind, wie das Beispiel verdeutlicht, bei mirada (‘Blick’) alle Qualia spezifiziert, das Objekt ist also funktionalen Typs. Entscheidend ist einerseits, dass es einen Urheber gibt, der willentlich eine bestimmte Bewegung mit seinen Augen durchführt.436 Andererseits hat die Bewegung einen bestimmten Zweck. In [69] ist sie ein Akt nonverbaler Kommunikation. Interessant sind Kombinationen von cambiar (‘verändern’, ‘tauschen’) mit den Objekten sociedad (‘Gesellschaft’) oder mundo (‘Welt’). Das Korpus enthält insgesamt vier Fälle davon. Das Objekt ist jeweils unmarkiert (s. etwa [70], [71]).
434 Auch referentielle Bedeutungsbestandteile ließen sich nur schwer motivieren. 435 Der Schauspieler hingegen wäre der Träger der Rolle, was im konstitutiven Faktor spezifiziert ist. 436 Das heißt natürlich nicht, dass der Vorgang des Schauens nicht auch als instinktgesteuerte Reaktion und damit nicht ganz eindeutig willentlich möglich wäre oder gar durch eine externe Kraft herbeigeführt sein könnte, wie es etwa der Hauptperson Alex im Film Uhrwerk Orange von Stanley Kubrick widerfährt. Beides würde jedoch eines spezifischen Kotexts bedürfen.
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[70] Se narra un segmento de la historia italiana que abarca desde finales de la Segunda Guerra Mundial hasta 1974, año del estreno del film. Se examina la sensación que trajo poder cambiar la sociedad y cómo las responsabilidades cotidianas ahogaron aquellos ideales. (PAI:124.24) ‘Es wird ein Ausschnitt der Geschichte Italiens erzählt, der vom zweiten Weltkrieg bis 1974 reicht, dem Jahr, in dem der Film zum ersten Mal gezeigt wurde. Untersucht wird das Gefühl, das die Möglichkeit mit sich brachte, die Gesellschaft zu verändern, und wie die täglichen Verpflichtungen jene Ideale erstickten.’ [71] Tendrás razón, Bruno, pero no puedes cambiar el mundo… ¡No vas a matar al médico! (SON:206.16) ‘Du wirst wohl recht haben, Bruno, aber du kannst die Welt nicht ändern. Du wirst ja den Arzt nicht umbringen!’ Beide Ausdrücke haben Potential, als komplexe Objekte aufzutreten. Die Intension von mundo (‘Welt’) ist nicht besonders präzise ausdifferenziert. Das Nomen kann daher auf sehr unterschiedliche Weisen verwendet werden, in [71] etwa in der Bedeutung ‘Gegebenheiten’ (abstrakt-natürlicher Typ). Aufgrund der starken Variation wird es hier ausgeblendet. Auch sociedad (‘Gesellschaft’) ist ein Abstraktum. Es verfügt aber über einen recht klar umrissenen Begriffsinhalt. Die ersten beiden Definitionen aus dem Diccionario de la lengua española der RAE sind eng miteinander verbunden: Sociedad (‘Gesellschaft’, http://lema.rae.es/drae/?val=sociedad, Zugriff: 21.02.14):437 «1. […] Reunión mayor o menor de personas, familias, pueblos o naciones. 2. […] Agrupación natural o pactada de personas, que constituyen unidad distinta de cada uno de sus individuos, con el fin de cumplir, mediante la mutua cooperación, todos o alguno de los fines de la vida.» (‘1. Größerer oder kleinerer Zusammenschluss von Personen, Familien, Völkern oder Nationen. 2. Natürliche oder vertragliche Gemeinschaft von Personen, die eine Einheit konstituieren, die verschieden ist von jedem einzelnen beteiligten Individuum, mit dem Ziel mittels gegenseitiger Kooperation alle oder irgendein Lebensziel zu erreichen.’).
437 Eine spätere Überprüfung des Links zeigt z.T. abweichende Angaben im Diccionario de la lengua española (cf. https://dle.rae.es/?id=YCB6UHV, Zugriff: 02.02.19).
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Auch der Online-Duden definiert die Grundbedeutung von Gesellschaft als «Gesamtheit der Menschen, die zusammen unter bestimmten politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen leben» (https://www.duden.de/rechtschreibung/Gesellschaft, Zugriff: 02.02.19). Die Definitionen enthalten alle die folgenden beiden Bestandteile, die die Bedeutung auszumachen scheinen: eine eine Einheit bildende Menge von Menschen und eine Organisationsform, die sich auf die Beziehung der einzelnen menschlichen Entitäten untereinander bezieht. Es stellt sich die Frage nach einer Hierarchisierung der beiden Bestandteile. Welche der realsprachlichen Verwendung häufiger entspricht, wäre zu überprüfen. Bei der obigen Definition des Duden steht jedenfalls die Gesamtheit im Vordergrund (cf. https://www.duden.de/rechtschreibung/ Gesellschaft, Zugriff: 02.02.19). Der erste Eintrag im Online-Wörterbuch der RAE scheint den Bedeutungsbestandteil der Organisierung ebenfalls zu defokussieren (cf. http://lema.rae.es/drae/?val=sociedad, Zugriff: 21.02.14). Die zweite Angabe dort stellt jedoch insbesondere auf die Organisationsform ab (cf. ibid.). Die Ausprägung ist kontextgebunden. In einem entsprechenden Kontext könnte das Objekt bei einem Fokus auf der Menge von Menschen als natürlichen Typs klassifiziert werden. Allerdings kann auch die Organisation als solche der saliente Bedeutungsbestandteil sein. Die Bedeutungsstrukturierung im Sinne Pustejovskys ist dann die folgende. Bei sociedad (‘Gesellschaft’) handelt es sich um eine Organisationsform mit menschlichen Beteiligten (konstitutiver Faktor). Sie tritt bei Koexistenz mehrerer Menschen notwendigerweise auf, ihre konkrete Ausgestaltung variiert durch das Zutun der Beteiligten im Zeitverlauf (unterscheidender Faktor). In ihrer physischen Instantiierung ist sie natürlichen Typs. Ist die strukturelle Konstitution einer gezielt gebildeten Organisation besonders salient, so ist sie funktionalen Typs. Eine Verbindung der beiden Bedeutungsbestandteile gibt ein Gesamtkonzept komplexen Typs aus. Das gilt natürlich auch, wenn die an der Organisation beteiligten Entitäten komplex konzeptualisiert werden. Würde davon ausgegangen, dass die Kombination die grundlegende Bedeutung des Lexems darstellt, so müsste in der Analyse bei allen nichtkomplexen Typen eine Complement Coercion (Komplementzwang, s. Kap. 2.8.2) angenommen werden. Das scheint aber nicht der sprachlichen Realität zu entsprechen. Die Korpusdaten stehen dem qualitativ und hinsichtlich ihrer Verteilung (s.u.) entgegen. Die unmarkierten Okkurrenzen der ADESSE-Datenbank (s. bspw. [70] oben) denotieren das Gesellschaftssystem, also die Organisation als solche. In [70] zeigt der angeführte weitere Kontext, dass gesellschaftliche Umstrukturierungen (in Italien) gemeint sind. Da in der ADESSE-Datenbank nur vier Okkurrenzen auftreten, wurde zusätzlich das CREA herangezogen. Unter den ersten hundert Treffern einer
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allgemeinen Anfrage438 fanden sich siebzehn hier relevante Fälle, in denen sociedad (‘Gesellschaft’) auf cambiar (‘verändern’, ‘tauschen’) folgt (http:// corpus.rae.es/creanet.html, Zugriff: 21.02.14). Keines der auftretenden Objekte ist markiert. Eine spezielle Suchanfrage für a-markierte Objekte mit einem größeren möglichen Abstand zwischen Verb und Objekt liefert bei zehn Treffern zwei relevante Fälle (ibid.).439 Eine der beiden Okkurrenzen ist besonders aussagekräftig (s. [72]). [72] […] Diane Arbus toma el relevo finalizada ya la contienda y cuando otros conflictos bélicos (Corea, Vietnam sobre todo) sacuden y cambian profundamente a la sociedad norteamericana. Y no sólo la sociedad, sino la estética, la moral y el pensamiento mismo. (ABC, 02/10/1986, http://corpus.rae.es/ creanet.html, Zugriff: 21.02.14) ‘Diana Arbus übernimmt, wo der Krieg schon vorbei ist und neue gewaltsame Konflikte (Korea und vor allem Vietnam) auflodern und die amerikanische Gesellschaft tiefgreifend verändern. Und nicht nur die Gesellschaft, sondern die Ästhetik, die Moral und das Denken selbst.’ Das Objekt bezeichnet hier offenbar sowohl die gesellschaftliche Organisation als auch die Menge der Beteiligten und stellt dabei wiederum v.a. auf deren mentale und psychische Ebene ab. Die Apposition im Beispiel mit elliptischem cambiar (‘verändern’, ‘tauschen’) macht das deutlich. Es werden recht klar delimitierte Konzepte als Subkonzepte eingeführt und zum übergeordneten Konzept hinzugefügt. Als besonders salient wird zunächst der Bedeutungsbestandteil der Organisation wieder aufgegriffen (sociedad ‘Gesellschaft’). Dass es dieser Bestandteil ist, zeigt die kontrastierende und gleichzeitig in klarem Zusammenhang dazu stehende Auflistung mittels der Formulierung no sólo […], sino (‘nicht nur, sondern’). Die Gedankenwelt (el pensamiento, ‘das Denken’) wird denn auch durch mismo (‘selbst’) klar als Bestandteil des ersten Auftretens 438 Der verwendete Suchbegriff bei Beschränkung auf Daten aus Spanien war «camb* dist/4 sociedad» (Zugriff: 21.02.14). Er kodiert, dass auf jegliche flektierte Form von cambiar (‘verändern’, ‘tauschen’) in einem Abstand von bis zu vier Wörtern sociedad (‘Gesellschaft’) folgen soll. Allerdings ist er nicht restriktiv, d.h., auch andere Wortformen, die mit camb beginnen, werden ausgegeben, wenn ihnen sociedad (‘Gesellschaft’) folgt. Das ist bspw. beim Nomen cambio (‘Austausch’ usw.) möglich. Auch die Struktur ist nicht festgelegt, d.h., ein folgendes (oder vorangehendes) Nomen sociedad muss nicht Akkusativobjekt von cambiar sein. Die Anzahl an relevanten Okkurrenzen ist vor dem Hintergrund als hoch anzusehen. 439 Der Suchbegriff war «camb* dist/4 a la sociedad» mit der Restriktion, dass die Daten aus Spanien stammen (Zugriff: 21.02.14). Der angesprochene größere mögliche Abstand zwischen Verb und Objekt ergibt sich aus der expliziten Angabe von Marker und Artikel.
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von sociedad (‘Gesellschaft’) herausgestellt. Mismo (‘selbst’) impliziert, dass das Konzept des Denkens (el pensamiento) im Grunde schon Bestandteil des Konzepts der Gesellschaft (la sociedad) ist, zeigt aber, dass das Subkonzept eigens aufgegriffen werden kann. Wie das Attribut (mismo ‘selbst’) und die Satzstruktur (konkret der Anschluss durch sino, ‘sondern’) zeigen, wird el pensamiento (‘das Denken’) zwar als Teil des Konzepts intendiert, das die erste Nennung von sociedad (‘Gesellschaft’) evozieren soll, aber nicht als Teil der zweiten Nennung. Es wäre sonst pleonastisch und würde in der Auflistung nicht figurieren. La estética (‘die Ästhetik’) und la moral (‘die Moral’) werden zwar auch in den Zusammenhang mit dem Gesellschaftskonzept gestellt, aber, insofern sie ohne Attribute auftreten, nicht als gleichzeitiger Bestandteil des Gesellschaftskonzepts dargestellt. Aufgrund der Abgrenzung der beiden psychisch-mentalen Konzepte, das Gefühl für Ästhetik und die Moral, kann ausgeschlossen werden, dass die zweite Nennung von sociedad (‘Gesellschaft’) die psychisch-mentale Ebene, die dem Konzept zukommen kann, intendiert. Prinzipiell könnte die zweite Nennung von sociedad im Beispiel noch die physische Ebene intendieren; unter dem elliptischen cambiar (‘verändern’, ‘tauschen’) ist eine solche Interpretation aber nicht sinnvoll. Folglich muss bei der zweiten Nennung von sociedad (‘Gesellschaft’) die Organisation intendiert sein. Zusammenfassend kann vor dem Hintergrund für die erste Nennung von sociedad (‘Gesellschaft’) als komplexen Typs wie folgt argumentiert werden. Die Kombination der in der Apposition wiederholten NP la sociedad (‘die Gesellschaft’) mit möglichen Bestandteilen eines Gesamtkonzepts ‘Gesellschaft’, nämlich estética (‘Ästhetik’), moral (‘Moral’) und pensamiento (‘Denken’), durch no sólo […], sino (‘nicht nur, sondern’) zeigt, dass es sich auch bei der wiederholten NP la sociedad (‘die Gesellschaft’) um einen Bestandteil eines Gesamtkonzepts handeln muss. Der Effekt wird durch mismo (‘selbst’) weiter verstärkt. Um die Kombination zu lizensieren, muss es sich bei der wiederholten NP sociedad (‘Gesellschaft’) um einen Bestandteil handeln, der sich von den weiteren Bestandteilen der Liste unterscheidet. Da sich die Liste aus solchen zusammensetzt, die mit der Gedankenwelt menschlicher Entitäten zu tun haben, liegt für die wiederholte NP la sociedad (‘die Gesellschaft’) die Interpretation der Organisationsform nahe. Also ist zwar die wiederholte, unmarkierte Nennung von sociedad (‘Gesellschaft’) nicht-komplexen Typs. Die erste Nennung, die den Marker aufweist, ist hingegen tatsächlich komplexen Typs. 4.1.2.1.2 Coger (‘nehmen’, ‘ergreifen’; ‘bekommen’) Einen annähernd gleich hohen Transitivitätsgrad wie cambiar (‘verändern’, ‘tauschen’) erreicht coger (‘nehmen’, ‘ergreifen’; ‘bekommen’). Es ist besonders in
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der Grundbedeutung als ingressiver Prozess (cf. Lehmann 1991, 231), sonst auch als ingressiver State einzuordnen. In der Grundbedeutung drückt es aus, dass eine typischerweise belebte oder sogar menschliche Entität eine willentliche Handlung hinsichtlich einer typischerweise unbelebten Entität durchführt. Die Handlung besteht in der Herstellung von physischem Kontakt, einem mindestens teilweise realisierten Umschließen der zweiten Entität. In der Folge überträgt sich eine etwaige Bewegung der ersten auf die zweite Entität. Innerhalb der Vorphase ist die zweite Entität typischerweise nicht in Bewegung. Eine verhältnismäßig häufige Instantiierung, die leicht zu einer Ausnahme von der genannten Tendenz führen kann, ist, wenn die zweite Entität ein (menschliches) Körperteil ist. Das Verb ist telisch. Die Kulmination ist punktuell, aber auch die o.g. Vorphase ist nur als geringe Zeitspanne zu sehen. Der resultierende Zustand ist hingegen typischerweise zeitlich ausgedehnt. Das Verb verfügt über viele Lesarten. Es tritt zum Teil in recht fixen Konstruktionen auf, bspw. mit Objekten, die ein Verkehrsmittel denotieren440 oder etwa eine Krankheit. Hinsichtlich seiner zeitlichen Struktur scheint es dabei recht konstant zu bleiben. Die Formen und Grade der Involviertheit der Aktanten sind hingegen sehr divers. In Entsprechung dazu variiert auch der Transitivitätsgrad. Im Korpus treten 252 relevante Okkurrenzen auf. In Kap. 2.8.3 wurden bereits einige Beispiele mit coger (‘nehmen’, ‘ergreifen’; ‘bekommen’) präsentiert, dort unter der Rubrik der unterschiedlichen Aktantenkonfiguration bei konstanter Verbbedeutung. Auch das Beispiel [73] wurde dort angeführt. [73] Coge al niño, lo eleva por encima de su cabeza provocándole chillidos de susto y regocijo, y lo instala a horcajadas sobre sus hombros. (SON:063.32) ‘Er nimmt das Kind, hebt es über seinen Kopf, verleitet es so dazu, vor Schreck und vor Freude zu kreischen, und setzt es sich rittlings auf die Schultern.’ Das Objekt in [73] ist komplexen Typs. Dies ist aus den folgenden Gründen interessant. Das Verb coger (‘nehmen’, ‘ergreifen’; ‘bekommen’) stellt konzeptuell einen physischen Kontakt in den Vordergrund. Dies gilt auch, wenn das Objekt eine menschliche Entität denotiert. Die ausgedrückte Art der Einflussnahme wird von einer menschlichen Entität nun in aller Regel gefühlt und geht darüber hinaus typischerweise mit einer psychischen Reaktion einher. Daher wäre bei Rektion durch das Verb die Abstraktion von der psychischen oder mentalen Ebene des Objektdenotats nur mit Aufwand zu realisieren. In [73] treten die Anzeichen
440 Diese Verbindung ist in verschiedenen Varietäten Lateinamerikas unidiomatisch.
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der Gefühlsregung zwar erst auf, nachdem das Kind «gegriffen» wird, ein konzeptueller Zusammenhang ist aber zumindest angedeutet.441 Da das zweite Verb im Satz, eleva (‘hebt’), zeitlich mit dem Resultat von coge (‘nimmt’) überlappt und die beiden Vorgänge referentiell nicht klar voneinander getrennt sind, ist die Reaktion des Kindes nicht ausschließlich der zweiten Handlung zuzuordnen. Die weitere Beschreibung des Sachverhalts (provocándole … , ‘es verleitend’) behandelt die Reaktion des Kindes und verdeutlicht also, dass das Kind fühlend konzeptualisiert wird. Alle fünfundzwanzig a-markierten Objekte im Korpus denotieren menschliche Entitäten. In der Verwendung ohne eine zusätzliche PP treten neben der angenommenen Grundbedeutung insbesondere zwei weitere auf (s. [74] und [75]). [74]
Han cogido a Chusa. En el tren. Le han pillado con todo. (MOR:075.08) ‘Sie haben Chusa festgenommen. Im Zug. Sie ist mit allem erwischt worden.’
[75] […] los otros niños los escoge el niño, coge él a sus amiguitos […]. (MAD:369.06) ‘Die anderen Kinder, die sucht das Kind aus, es wählt seine kleinen Freunde selbst.’ In [74] wird ausgedrückt, dass der Objektreferent festgenommen wird. Die semantische Beschreibung nähert sich einer solchen an, wie sie in Kap. 4.1.1.2.5 bezüglich cazar (‘(ein)fangen’) vorgenommen wurde. Mit der Ergreifung des Objektdenotats ändert sich sein Status in Bezug auf seine Beweglichkeit im Raum, was seinem Willen zuwiderläuft. Das Objekt ist komplexen Typs. Die Verbbedeutung in [75] ist in etwa ‘wählen’. Wie unten gezeigt wird, ist diese Lesart besonders bei Objekten, die Abstrakta denotieren, nicht selten. Das Objekt in [75] ist ein besonderer Fall. Es ist komplexen Typs, wobei der Typ einen weiteren komplexen Typ für menschliche Entitäten, bei denen eine physische Seite sowie bestimmte psychische und mentale Eigenschaften relevant sind, mit einem funktionalen Typen vereint, der Funktion, ein Freund zu sein (bzw. durch die Verbalhandlung einer zu werden). Auch dieses Objekt wird mit a markiert. Verhältnismäßig häufig sind Okkurrenzen mit einer zusätzlichen PP. Zumeist drückt diese den Ort an der menschlichen Entität aus, wo der physische Kontakt zustande kommt. Das Nomen in der PP ist dann bspw. brazo (‘Arm’) oder mano 441 Die semantische und syntaktische Ordnung ergibt sich aus die Erzählung strukturierenden Prinzipien: Es wird hier eine Steigerung der Informationsdichte erzielt. Ein deutliches lexikalisches Indiz ist, dass bereits der Teil coge al niño (‘er nimmt das Kind’) ausdrückt, dass das Kind angehoben wird, was aber erst mit lo eleva (‘er hebt es hoch’) expliziert wird.
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(‘Hand’), als Präpositionen treten besonders de und en auf (s. [76]). Eine weitere Möglichkeit ist, dass die PP einen psychischen Zustand des Objektdenotats zum Ausdruck bringt (s. [77]). [76]
Cogí a la Emilia del brazo y nos metimos en el ascensor. (LAB:134.14) ‘Ich nahm die Emilia beim Arm und wir betraten den Fahrstuhl.’
[77] […] el anuncio de dicho plan, que cogió por sorpresa a los trabajadores […] se contradice […](sic442). (1VO:061-2.1-09) ‘Die Bekanntgabe des besagten Plans, die die Arbeitnehmer überraschte, ist widersprüchlich.’ In [76] beeinflusst die zusätzliche PP nicht die Interpretation des Objekts, das komplexen Typs ist. Die Verhältnisse bei physischem Kontakt wurden oben besprochen. Das Beispiel [77] ist etwas anders zu interpretieren. Das Nomen trabajadores (‘Arbeitnehmer’) ist in seiner Grundbedeutung funktionalen Typs. Die PP ist Teil einer Stützverbkonstruktion, coger por sorpresa (‘überraschen’). Die Einbettung darunter setzt beim Objektdenotat eine psychisch-mentale Ebene voraus, um die Zuschreibung der Gefühlsreaktion zu ermöglichen. Das Objekt muss entsprechend angereichert werden. Es ist daher komplexen Typs. Von den relevanten Okkurrenzen haben 90% keine a-Markierung. Unter diesen 227 unmarkierten direkten Objekten im Korpus ist eines, das eine menschliche Entität denotiert (s. [78]). [78]
Pero ¿es que tú no sabes lo que pasó la otra noche? […] Cogieron unos chicos y los dejaron medio muertos a golpes. (SON:063.32) ‘Aber weißt du denn nicht, was neulich Nacht geschehen ist? Da wurden ein paar Jungen geschnappt und halb tot geschlagen.’
Das Beispiel ist auffällig. Dass keine a-Markierung auftritt, stellt andere Erklärungsansätze vor Probleme. Das Objekt ist spezifisch (epistemische Spezifizität, s. Kap. 2.7.5.2). Ein funktionaler Typ kann ausgeschlossen werden. Es tritt in einem Kontext auf, in dem es um Leben und Tod geht. Ein solcher Kontext lässt bei menschlichen Denotaten prinzipiell einen komplexen Typ erwarten. Dennoch ist
442 Der Satz enthält eine Bezugsschwäche. Das Prädikat se contradice (‘widerspricht sich’) bezieht sich semantisch auf plan (‘Plan’), grammatisch aber auf anuncio (‘Bekanntgabe’). Im vorliegenden Kontext ist das unerheblich.
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in Beispiel [78] die Interpretation als nicht-komplexer, natürlicher Typ plausibel. Zum einen eröffnet die vorangehende thetische Frage, der im Originaldialog ein Nein folgt, einen existentiellen Kontext. Zum anderen wird den Objektreferenten erst später im Dialog eine willentliche und gefühlsmäßige Eigenständigkeit zugeschrieben. Die Annahme der Abwesenheit einer möglichen Gefühlswelt im Rahmen der relevanten Assertion wird dadurch gestützt, dass der hauptsächliche Informationsgehalt nicht in der Referenz auf die Personen besteht, sondern auf die Handlung bzw. das Ergebnis der Handlung. In diese Handlung sind menschliche Entitäten involviert, bei denen es aber nur auf ihre physische Seite ankommt. Im Korpus treten vier Objekte mit belebtem Denotat auf (s. [79], [80]). [79]
Tú, que siempre andas cogiendo animalitos para guardarlos en botes y observarlos… (JOV:017.04) ‘Du, der du immer kleine Tierchen einsammelst, um sie in Dosen zu setzen und sie zu beobachten…’
[80] Mientras tanto, nosotros nos encargamos de limpiarte España para que cuando vuelvas no cojas ladillas, ¿no es eso? (AYE:036.23) ‘Währenddessen kümmern wir uns darum, Spanien sauber zu machen, damit du dir, wenn du zurückkommst, keine Filzläuse einfängst, oder geht es nicht darum?’ Bei zwei Okkurrenzen wird coger (‘nehmen’, ‘ergreifen’; ‘bekommen’) wie in [79] in einer grundlegenden physischen Bedeutung verwendet. In solchen Fällen ist bezüglich der Bedeutung des Objekts von keiner weiteren als der physischen Ebene auszugehen. Auch in [80] wird ein physisches Verhältnis ausgedrückt, hier ist allerdings das Subjekt kein Agens, sondern eine Art Experiencer. Die Lesart kommt durch die Co-Composition (cf. Pustejovsky 1995b, 122; s. Kap. 2.8.2) von Verb und Objekt zustande. D.h., dass das Verb und das Objekt als semantische Funktoren agieren und sich gegenseitig bestimmen: Mit dem Ausdruck ladillas (‘Filzläuse’) ist der Befall durch Filzläuse gemeint, coger (‘nehmen’, ‘ergreifen’; ‘bekommen’) drückt aus, dass der Befall eintritt. Im Sinne der Konstruktionsgrammatik (s. Kap. 2.7.11) kann angenommen werden, dass die Kombination aus coger (‘nehmen’, ‘ergreifen’; ‘bekommen’) und einem Objekt, das einen Parasiten denotiert, durch die Verbindung mit einem Objekt, das eine Krankheit denotiert, ermöglicht wird. Krankheiten als Objektdenotat sind verhältnismäßig häufig. Die Thematik wird unten besprochen. Die Mehrheit der unmarkierten Objekte, nämlich 182, wird von Konkreta gestellt. Sie machen 72% aller Okkurrenzen aus. Die meisten davon sind
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funktionalen Typs. Immerhin 27 Objekte sind allerdings natürlichen Typs. Sie denotieren u.a. Gegenstände aus der Natur wie Steine (s. [81]) oder Blumen (s. [82]), aber auch Körperteile (s. [83]). [81]
Mira de nuevo hacia distintos lados, coge una piedrecita del suelo y la tira contra la ventana. (1IN:032.07) ‘Er blickt von Neuem in unterschiedliche Richtungen, hebt ein Steinchen vom Boden auf und wirft es gegen das Fenster.’
[82]
Coge las flores de la mesa y se las vuelve a prender en el pecho. (HOT:069.04) ‘Sie nimmt die Blumen vom Tisch und befestigt sie von Neuem an ihrer Brust.’
[83]
Le coge una mano y se la besa. (CIN:060.11) ‘Sie nimmt seine Hand und küsst sie.’
Eine wichtige Untergruppe der Konkreta bilden die Transportmittel (s. [84]). Die Kombination mit einem ein Transportmittel denotierenden Objekt tritt neununddreißigmal auf. Die Verbbedeutung weicht in diesen Fällen leicht von der Grundbedeutung ab. Die Einheit, die vom Subjekt denotiert wird, begibt sich in den Wirkungsbereich der vom Objekt denotierten Einheit. Es ließe sich argumentieren, dass sich der ingressive Bedeutungsbestandteil des ‘Nehmens’ auf eine Kontaktsituation mit dem vom Objekt denotierten Gegenstand bezieht. Die zweite aspektuelle Phase, der sich einstellende Prozess, hingegen betrifft die Wirkung des Gegenstands auf das Subjektdenotat. Ob das Subjektdenotat als steuernd intendiert ist oder nicht, scheint keinen größeren Einfluss auf die Struktur der Konstruktion zu haben. Das Objekt ist stets funktionalen Typs. Der Ortus- und der telische Faktor sind jeweils spezifiziert, insofern es sich einerseits um Artefakte handelt, die andererseits einem bestimmten Zweck dienen, der Fortbewegung, die auch für die gesamte Verbalphrase relevant ist. [84]
En Barajas cogerás un taxi […]. (LAB:024.06) ‘Am Flughafen Madrid-Barajas wirst du dir ein Taxi nehmen.’
Unter den Konkreta finden sich viele weitere funktionale Typen, etwa Kleidungsstücke wie gabardina (‘Trenchcoat’) oder sombrero (‘Hut’) sowie einige solche, die keine homogene Gruppe bilden wie bspw. péndulo (‘Pendel’), maletín (‘Köfferchen’), pequeño sillón (‘kleiner Sessel’), etc. Im vorliegenden Kontext sind die Objekte interessanter, bei denen Type Coercion auftritt (cf. für den Begriff etwa Pustejovsky 1995b, 61; s. Kap. 2.8.2). Dies gilt bei 11 Okkurrenzen (s. [85]–[87]).
346 [85]
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A Miguel ya no le apetecía jugar al parchís y se dispuso a leer un libro de Tintín. Agus cogió otro y se entretuvo mirando los dibujos. (TER:050.06) ‘Miguel hatte keine Lust mehr, Mensch-ärgere-dich-nicht zu spielen, und machte sich daran, ein Buch von Tim und Struppi zu lesen. Agus nahm ein anderes und unterhielt sich damit, die Bilder anzusehen.’
[86] Ni siquiera advirtió su turbación, al menos eso pensé yo al ver que cogía unas cartas que había sobre la mesa y se alejaba abri[é]ndolas. (SUR:059.27) ‘Er bemerkte nicht einmal ihre Verlegenheit, zumindest dachte ich das, als ich sah, wie er ein paar Briefe nahm, die sich auf dem Tisch befanden, und sich, indem er sie öffnete, entfernte.’ [87]
En una ocasión cogió las instrucciones del parchís y las leyó en voz alta. (TER:011.14) ‘Einmal nahm er die Spielanleitung von Mensch-ärgere-dich-nicht und las sie laut vor.’
In [85] verweist das unbetonte Objektpronomen auf ein Buch (libro), einem typischen Beispiel für komplexe Objekte in den Veröffentlichungen Pustejovskys (s. etwa Pustejovsky 1991a, 1995b und diverse mehr). Wie auch in [86], wo mit cartas (‘Briefe’) eine andere Art von Papier mit darauf verschriftlichtem Inhalt auftritt, wird hier eindeutig auf die entsprechende physische Einheit Bezug genommen. Das regierende Verb coger (‘nehmen’, ‘ergreifen’; ‘bekommen’) zwingt den in der Grundbedeutung gegebenen komplexen Typen zum funktionalen Typen, den der physische Bedeutungsbestandteil instantiiert. Dies gilt offenbar auch in [87] bei instrucciones (hier: ‘Spielanleitung’, sonst meist ‘Anweisungen’ oder ‘Richtlinien’, cf. bspw. http://dix.osola.com/index. php, Stichwort: «instrucciones», Zugriff: 02.02.19). Eine Auffälligkeit von [87] ist allerdings, dass der Kontext zunächst eine besondere Lesart des Objekts fordert, nämlich die eines Druckerzeugnisses mit einer bestimmten Menge an Information anstatt lediglich der Information, etwa ‘Anweisungen’ (s.o.). Nur in der besonderen Lesart ist das Lexem komplexen Typs. Im Satz kommt es allerdings wiederum durch die Einbettung unter das Verb zur Type Coercion, sodass ein funktionaler Typ entsteht. Im Korpus treten 40 Abstrakta auf. Drei der Objekte denotieren Krankheiten (s. [88]). [88]
S[é]cate, que vas a coger un trancazo si sigues ahí calado. (MOR:083.22) ‘Trockne dich ab, du wirst dir noch eine Grippe einfangen, wenn du hier weiter durchnässt herumstehst.’
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Wie oben bereits angedeutet scheint die Struktur, die ‘eine Krankheit bekommen’ ausdrückt, weitgehend lexikalisiert zu sein. Eine ursprünglich metaphorische Verwendung wäre möglich. Die Kombination des Verbs mit einem Objekt, das eine Krankheit denotiert, wird dadurch möglich, dass sich die Zeitstruktur gegenüber der Grundbedeutung von coger (‘nehmen’) nicht ändert. Auf einen ingressiven Sachverhalt, dem Krankheitsbefall, folgt ein Zustand, das Kranksein. Die Einbettung wird dadurch lizensiert, dass im Objekt ein Krankheitsträger angelegt ist (konstitutives Quale). Ähnlich dem oben besprochenen Objekt ladillas (‘Filzläuse’) kann jedoch auch bei den Krankheiten denotierenden Objekten für Co-Composition argumentiert werden, da der Verbalvorgang regelhaft von der Grundbedeutung abweicht. Der Kulminationspunkt, der o.g. ingressive Bedeutungsbestandteil, besteht abhängig von der jeweiligen Krankheit in der Infektion und bzw. oder dem Krankheitsausbruch (trancazo, ‘Grippe’, catarrazo, ‘Riesenerkältung’, purgaciones ‘Tripper’). Seine zeitliche Ausdehnung ist nicht allzu gering. Sie könnte etwa angesetzt werden als Zeitspanne vom ersten minimalen Befall durch Erreger bis zum Zeitpunkt, wo der Befall einen ersten Effekt auf den Körper hat. Im Korpus treten neben dem obigen trancazo (‘Grippe’) Krankheiten auf wie catarrazo (‘Riesenerkältung’) und purgaciones (‘Tripper’). Die Krankheiten denotierenden Objekte werden als natürlichen Typs eingeordnet. Im Korpus treten 15 Abstrakta in Objektposition auf, die als abstraktnatürlichen Typs zu kategorisieren sind. Darunter finden sich insbesondere Objekte, die Gefühle oder mentale Zustände bzw. Geistesregungen denotieren (s. [89], [90]). [89]
¡Esa estúpida me ha cogido miedo! (1IN:033.30) ‘Diese Dumme hat Angst vor mir gekriegt!’
[90] […] no sé si […] vas a coger la idea […]. (MAD:368.33) ‘Ich weiß nicht, ob du das Bild nachvollziehen kannst.’ Bei Gefühlen und Geistesregungen ist die Lizensierung der Kombination mit coger (hier meist etwa ‘bekommen’) etwa parallel zu denjenigen, die bzgl. der Krankheiten diskutiert wurden. Auch hier ist ein Gefühlsträger im konstitutiven Faktor des Objekts angelegt. Er wird vom Subjekt denotiert. Auch die Zeitstruktur der Konstruktionen entspricht sich. Es gibt ein ingressives Element und einen Resultatszustand. Weitere 23 Okkurrenzen im Korpus sind abstrakt-funktionalen Typs. Mit 17 denotieren die meisten Unterrichtsfächer (s. [91]), die übrigen Fälle lassen sich kaum zu einer Gruppe zusammenfassen (s. bspw. [92]).
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[91] Yo no…, no cogí Arte, cogí Italiano porque me gusta, vamos. (MAD:429.18) ‘Ich, ich nahm nicht Kunst, ich wählte Italienisch, weil ich es mag, weißte.’ [92]
[…] las modistas buenas no cogían ese tipo de encargos […]. (USO:124.02) ‘Die guten Modeschneiderinnen nahmen diesen Typ Auftrag nicht an.’
Auch bei den beiden hier genannten Beispielen weicht die Verbbedeutung leicht von der Grundbedeutung ab, wobei das Potential der Zeitstruktur konstant bleibt. Das Besondere der uneinheitlichen Nominalgruppe ist, dass hier auch die Vorphase salient gemacht werden kann (s. [91]). In [91] wird eine Wahl assertiert, der Resultatszustand, einen bestimmten Kurs zu besuchen, ist sekundär. Dass die Vorphase auch im Verhältnis zum Kulminationspunkt, der Entscheidung, vergleichsweise salient ist, wird erreicht durch die Gegenüberstellung zu einer Alternative, im Beispiel Arte (‘Kunst’). Der angehängte Kausalsatz verdeutlicht die Assertion des Präferenzverhältnisses. In [92] hingegen ist das ingressive Moment wohl der saliente Bestandteil. Die Einbettung des Objekts in [92] unter das Verb ist aufgrund der Information in den Qualia, dass es eine Person gibt, die den Auftrag erhält (die Person ist im konstitutiven Quale, der Vorgang im OrtusFaktor spezifiziert) unproblematisch. In [91] ist die Einbettung wie angedeutet nur möglich, wenn das Objekt als Schulfach, Kurs o.ä. interpretiert wird. Wie gezeigt wurde, ist das semantisch nicht allzu präzise gefasste Verb coger (‘nehmen’, ‘ergreifen’; ‘bekommen’) mit Objekten aus unterschiedlichen ontologischen Klassen kompatibel. Interessanterweise scheint der Bedeutungsbestandteil, der die diverse Kombinatorik ermöglicht, die Zeitstruktur des Verbs zu sein. Sie ist in eine Vorphase, einen Kulminationspunkt und einen Resultatszustand unterteilt, für die schematisch grob gilt, dass kein Kontakt besteht, Kontakt eintritt und erhalten bleibt. Die Zeitstruktur bleibt durch die Verwendungen hindurch offenbar konstant. Wie die letzten beiden Beispiele gezeigt haben, ist ein Highlighting einzelner Bestandteile von ihr aber möglich. 4.1.2.1.3 Abrazar (‘umarmen’; ‘beinhalten’) Die Grundbedeutung von abrazar (‘umarmen’; ‘beinhalten’) ähnelt derjenigen von coger (‘nehmen’, ‘ergreifen’; ‘bekommen’) leicht. Es überrascht daher nicht, dass das Verb über einen ähnlichen Transitivitätsgrad verfügt. Nichtsdestotrotz bestehen tiefensemantisch wichtige Unterschiede zwischen den beiden Verben. Die Grundbedeutung von abrazar (‘umarmen’; ‘beinhalten’) besteht darin, dass eine Entität eine andere Entität mit den Armen umschließt. Sie wäre damit recht klar ausdifferenziert. Bei dem Vorgang wird in aller Regel ein physischer Kontakt zwischen den Beteiligten hergestellt. Typischerweise ist die umschließende
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Entität menschlich. Auch typisch ist, dass die Handlung affektiv bzw. emotional geprägt ist. Genauer heißt das, dass sie Gefühle zum Ausdruck bringt oder eine Folge von Gefühlen ist. Es handelt sich dabei um positive Gefühle der umarmenden Entität, die direkt auf die umarmte Entität gerichtet sein können. Auch wenn sich die Gefühle nicht auf die umarmte Entität richten, so ist doch eine typische Voraussetzung für das Eintreten der Handlung, dass zwischen den beiden Entitäten ein ausreichend positives psychisches Verhältnis besteht. In der Bedeutung von coger (‘nehmen’, ‘ergreifen’; ‘bekommen’) ist hingegen keine solche Haltung der am Vorgang beteiligten Entitäten angelegt. Für abrazar (‘umarmen’; ‘beinhalten’) bedeutet das, dass die Art der Involviertheit besonders ist. So sind typischerweise beim Objektdenotat, aber auch beim Subjektdenotat eine körperliche und eine mentale bzw. psychische Ebene relevant. Allerdings ist in der Verbbedeutung keine Information zu einem etwaigen Zustandswechsel von Subjekt oder Objekt vorhanden. Lehmann (1991, 232) ordnet die englische Entsprechung embrace als Event ein. Möglicherweise ist aber schon die Grundbedeutung als ingressiver Prozess oder ingressiver State einzuordnen. Eine Art Nachzustand, das Halten des Kontakts, ist zumindest ein typischer Bestandteil der Umarmung. Feine sprachlich oder kulturell bedingte Unterschiede des Konzepts sind nicht auszuschließen. Das Verb verfügt über einige von der Grundbedeutung abweichende Lesarten. Sie gehen mit Änderungen der Aktantenkonfiguration einher. Im Korpus tritt abrazar u.a. in der Bedeutung von ‘annehmen’ und ‘beinhalten’ auf. Während ‘annehmen’ über eine ähnliche aspektuelle Struktur verfügt, weicht die von ‘beinhalten’ deutlich von der der Grundbedeutung ab. Das Korpus enthält 20 relevante Okkurrenzen. Die Strukturen entsprechen mehrheitlich der oben angeführten Grundbedeutung. Das heißt, dass mit 16 Okkurrenzen 80% der Fälle ein Verhältnis zwischen menschlichen Entitäten beschreiben.443 Die Objekte sind dabei allesamt a-markiert (s. [93], [94]). [93]
Impulsivo, el padre abraza a su hijo y le derrama al oído: –¡Ya sabía yo que tenías corazón! (SON:282.26) ‘Der Vater umarmt seinen Sohn impulsiv und flüstert ihm ins Ohr: «Ich wusste schon, dass du Herz hast.»’
443 Wie mehrfach besprochen treten auch hier mehrere Objekte auf, die Tiere denotieren, die aber wie Menschen dargestellt sind. Die Okkurrenzen entspringen dem Genre des Kindertheaterstücks. Sie werden der Gruppe der menschlichen Entitäten zugeordnet (s. die Diskussion in Kap. 3.1.1).
350 [94]
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Jubilosa, corre a abrazar a Nachito. […] ¡Lo venciste! (1IN:078.25) ‘Voller Freude läuft sie zu Nachito, um ihn zu umarmen: «Du hast ihn besiegt!»’
In den beiden Beispielen werden die seitens des Subjektreferenten vorhandenen Gefühle deutlich. Während sich in [93] die Freude direkt auf den Objektreferenten bezieht, freut sich der Subjektreferent in [94] über einen Sachverhalt, der vom Objektreferenten realisiert worden ist. Da wie besprochen die Handlung abrazar (‘umarmen’) den subjektseitigen Gefühlen Ausdruck verleiht, ist parallel eine Gefühlsregung beim Objektdenotat anzunehmen, die mit der physischen Realisierung der Handlung einhergeht.444 Das Objekt ist mithin komplexen Typs. Auch hier ist die kontextuelle Bedeutung entscheidend. In [95] beeinflussen die Einbettung in einen metaphorischen Kontext (im Beispiel ein Vergleich), aber auch der besondere referentielle Status (in [95] ist eine Kind-Lesart möglich) den Typ des Objekts nicht. [95]
[…] se levanta con ella y la ayuda a ponerse el chaquetón. Comprende por qué lo hace así la gente fina: es como abrazar a la mujer. (SON:181.10) ‘Er steht mit ihr auf und hilft ihr in die Jacke. Er versteht, warum feine Leute das tun: es ist wie die Frau zu umarmen.’
In [95] ist die intendierte Lesart des Objekts wohl nicht referentiell. Dennoch werden auch hier die verschiedenen Ebenen assertiert. Das Objekt ist komplexen Typs. Bei dem markierten Objekt ist Ikonizität gegeben. [96]
[…] el alcalde árabe de la localidad lucense de Muras, Issam Alnagm, llegó a Santiago, tras una caminata de 110 kilómetros, para abrazar al Apóstol «Matamoros» y pedirle que el presidente español sea más sensible a los problemas del medio rural gallego. (1VO:033-7.1-09) ‘Der arabische Bürgermeister von Muras in der Provinz Lugo, Issam Alnagm, kam nach einem Fußmarsch von 110 Kilometern in Santiago an, um den Apostel «Maurentöter» zu umarmen und ihn zu bitten, der spanische Präsident möge die Probleme der galizischen Landbevölkerung stärker berücksichtigen.’
444 Ein Hinweis darauf ist auch, dass eine Explizierung nötig wäre, wenn sich keine Gefühlsregung einstellen würde, also bei von der Sprechererwartung abweichenden Gefühlszuständen des Objektdenotats, bspw. Hans umarmte Maria. Sie fühlte nichts.
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In [96] ist der Objektreferent eine Statue, die Statue des Heiligen Jakob in der Kathedrale von Santiago de Compostela. Die Konzeptualisierung der Statue ist aber nicht die eines einfachen Gegenstandes mit einer bestimmten Form. Wie durch Apóstol (‘Apostel’) auch lexikalisch spezifiziert ist, wird die Statue als physische Instantiierung des Apostels konzeptualisiert. Die Bitte des folgenden Teilsatzes unterstreicht dies. Nur eine Entität mit eigener Wirkmacht eignet sich dafür, dass eine Bitte an sie gerichtet wird. Das Objekt ist mithin komplexen Typs. In Ermangelung einer Kategorie für diese Art von Sonderfällen wird die Okkurrenz im Rahmen der vorliegenden Arbeit mit zu den menschlichen Entitäten gerechnet. Im Korpus tritt ein a-markiertes Objekt mit belebtem Denotat auf (s. [97]). [97]
Julián había vuelto a sentarse en el suelo y abrazaba al gato somnoliento. (JOV:150.05) ‘Julián hatte sich wieder auf den Boden gesetzt und umarmte die schläfrige Katze.’
Aufgrund der Rektion durch abrazar (‘umarmen’) scheint eine den Objekten mit menschlichem Denotat parallele Interpretation angemessen zu sein. Im Rahmen der Assertion sind die körperliche und die Gefühlsebene des Objektreferenten betroffen. Das Objekt ist damit komplexen Typs und wird markiert (s. für ausführliche Überlegungen zu Tiere denotierenden Objekten Kap. 4.3.2). Ein Objekt denotiert ein Konkretum. Das regierende Verb abrazar (‘umarmen’) wird offenbar in der Grundbedeutung verwendet. Das Objekt denotiert einen Armsessel (butacón). Auf Seiten des Gegenstandes sind keine gefühlsbezogenen Bedeutungsbestandteile vorhanden. Er ist funktionalen Typs. Den Erwartungen entsprechend wird er nicht markiert (s. [98]). [98] Abraza el butacón hasta alcanzar el dorso con las puntas de los dedos. (MIR:015.03) ‘Er umarmt den Armsessel, bis er mit den Fingerspitzen die Rückseite erreicht.’ Die beiden verbleibenden Objekte denotieren Abstrakta (s. [99]). Hierbei ändert sich die Verbbedeutung. [99]
Yo digo el que hacía de hijo del cacique. El que abrazaba la verdadera fe y veía a la Virgen. (LAB:048.33) ‘Ich spreche von dem, der den Sohn des Häuptlings spielte. Der, der den wahren Gauben annahm und dem die Jungfrau Maria erschien.’
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Das Verb nimmt bei der Rektion solcher Objekte eine von der Grundbedeutung abweichende Bedeutung an. Eine parallele Argumentation zu den bisherigen Beispielen ist damit nicht sinnvoll. Es kann ähnlich wie bei coger (‘nehmen’, ‘ergreifen’; ‘bekommen’) angenommen werden, dass die Temporalstruktur trotz der abweichenden Bedeutung annähernd konstant bleibt. Die Nachphase scheint hier besonders salient, in der die Kontaktsituation (hier eine mentale) gebzw. erhalten wird.445 Hinsichtlich des Objekts wird in [99] lediglich eine einzelne Bedeutungsebene assertiert. Es ist abstrakt-natürlichen Typs. Eingangs wurde eine weitere mögliche Bedeutung von abrazar erwähnt, ‘beinhalten’. Im Korpus figuiert eine Okkurrenz. [100]
Una moral sólo es digna de este nombre si es incondicional, y una moral de Estado sólo estará a la altura de sus exigencias si alza su propia incondicionalidad sobre la imagen del extremo trance que podría desafiarla; esto es, si su determinación de negarse a claudicar incluye y abraza ya, desde el primer momento, como en imaginación anticipada, aun el riesgo más cierto de fracaso y de derrota. (RAT:145.06) ‘Die Moral ist dieser Bezeichnung nur würdig, wenn sie bedingungslos ist, und die staatliche Moral kann den an sie gestellten Forderungen nur genügen, wenn sie ihre eigene Bedingungslosigkeit über das Bild der besonders schweren Zeiten erhebt, die sie herausfordern könnten; das heißt, wenn ihre Entschiedenheit, das Aufgeben abzulehnen, schon vom ersten Moment an, wie bei einer vorgefassten Meinung, sogar das sicherste Risiko des Scheiterns und der Zerstörung beinhaltet und umfasst.’
Die besondere Lesart des Verbs wird kontextuell und insbesondere durch den Erstaktanten (su determinación, ‘ihre Entschiedenheit’) ausgelöst. Im Beispiel tritt zudem mit incluir (‘beinhalten’, ‘umfassen’ etc.) ein annähernd gleichbedeutendes Verb auf. Mit dem abstrakteren Inhalt des Verbs geht eine andere Zeitstruktur einher als bei den zuvor besprochenen Lesarten. Abrazar ist hier atelisch und stativ. In der vorliegenden Okkurrenz lizensiert die Lesart die Einbettung des Objekts unter das Verb. Riesgo (‘Risiko’) ist abstrakt-natürlichen Typs. Der Erwartung der vorliegenden Theorie entsprechend, ist es nicht a-markiert. 445 Als Hinweis für die Salienz der Nachphase könnte etwa das imperfektive Tempus des betrachteten (abrazaba, etwa ‘umarm_Vergangenheitstempus + imperfektiverAspekt_3.PersonSingular’) und zudem des zweiten auftretenden Verbs (veía, ‘sah’) angesehen werden. Da das Tempus hier allerdings als beschreibendes Erzähltempus fungiert, ist die Aspektopposition aufgehoben, sodass das Imperfekt kein klarer Hinweis mehr ist.
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
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4.1.2.1.4 Desnudar (‘ausziehen’) Das Verb desnudar (‘ausziehen’) bringt zum Ausdruck, dass eine außersprachliche Entität, in aller Regel eine menschliche, einer Zustandsänderung unterworfen wird, die sich auf physischer Ebene vollzieht. Genauer gesagt betrifft sie das Äußere der betroffenen Entität. Interessant ist das Verb, soviel sei vorweggenommen, weil sich die Handlung lexikalisch nur auf die physische Ebene bezieht. Die Betroffenheit weiterer Ebenen wird weder assertiert noch präsupponiert. Voraussetzungen, sie zu inferieren, können aber im Kontext angelegt sein. Das Subjektdenotat ist in der Regel agentiv und willentlich in die Handlung involviert. Mit desnudar (‘ausziehen’) wird ein sogenanntes right headed Event analysiert (cf. Pustejovsky 1995b, 72ss.). Durch die Beschreibung der Event Headedness wird erfasst, dass die Bestandteile einer Ereignisstruktur nicht nur zeitlich geordnet sind, sondern auch hinsichtlich ihrer relativen Prominenz (cf. ibid.). Bei einem rechtsköpfigen Ereignis ist, vereinfacht gesagt, der Endpunkt prominenter als der Beginn der Handlung. Die Kategorie des terminativen Prozesses im Sinne Lehmanns (1991) bringt etwas Ähnliches zum Ausdruck. Hier wird desnudar (‘ausziehen’) eingeordnet. Es ist mithin telisch, aber nicht stark punktuell. Im Korpus treten vier relevante Fälle von desnudar (‘ausziehen’) auf. Zwei der Objekte sind a-markiert. Beide denotieren menschliche Entitäten. [101] Llevo treinta y cinco años desnudando a mujeres y dejando que se vistan solas. (CIN:096.30) ‘Mittlerweile ziehe ich seit fünfunddreißig Jahren Frauen aus und lasse sie sich selbst wieder anziehen.’ [102] Como primera medida desnudé al camarero, hice yo otro tanto, le puse a él mis ropas y me puse yo las suyas. (LAB:033.15) ‘Als erste Maßnahme zog ich den Kellner aus, zog dann auch mich aus, zog ihm meine Klamotten an und mir zog ich seine an.’ Wie oben angesprochen, ist die Art der Betroffenheit von desnudar (‘ausziehen’) eine, die die physische Ebene des Objektdentotats betrifft. Dennoch ist es bei einer menschlichen Entität schwer möglich, eine Lesart zu erreichen, die einem natürlichen oder gar einem funktionalen Typen entspricht. Der funktionale Typ ist insofern unwahrscheinlich, als dass ein semantischer oder konzeptueller Bezug zwischen der Handlung und der Funktion des Objektdenotats bestehen müsste. Beim natürlichen Typ wäre eine Loslösung von einer jeweiligen zweiten Ebene nötig. In [101] wird bspw. mit dem zweiten Teilsatz gezeigt, dass auch dem Casanova, auf den das Subjekt referiert, klar ist, dass die Bestandteile der Menge der Objektreferenten über einen eigenen Willen verfügen, der sie eigenständig
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handeln lässt. In [102] ist das Objekt zwar eine Berufsbezeichnung, aber in nicht-funktionaler, referentieller Verwendung. Der Ausdruck ist als Objekt von desnudar (‘ausziehen’) nicht geeignet, als funktionaler Typ aufzutreten.446 Auch dass der Objektreferent zum assertierten Zeitpunkt bewusstlos ist, trennt ihn konzeptuell nicht von seiner zweiten Ebene. Er wird weiter als Körper mit Seele (cf. für die Kategorie Jackendoff 2002, 374) konzeptualisiert. Die beiden unmarkierten Objekte, ein Konkretum und ein Abstraktum, sind nicht-komplexen Typs (s. [103], [104]). [103] A la salida de misa el mozo va hasta la chica y le arranca su pañuelo de la cabeza, desnud[á]ndole el pelo. (SON:239.29) ‘Beim Verlassen der Messe geht der Jüngling zu dem Mädchen und reißt ihr das Tuch vom Kopf, wodurch er ihre Haare entblößt.’ [104] Pobres y ricos, débiles y poderosos, todos juntos desnudando nuestras conciencias en la asamblea general. (2IN:059.09) ‘Arme und reiche, schwache und mächtige, alle zusammen legen wir in der Generalversammlung unsere Gewissen blank.’ In [103] ist das Objekt ein Konkretum, es ist natürlichen Typs. Insofern sich die Handlung auf einen Bereich des menschlichen Körpers bezieht, bleibt die Grundbedeutung des Verbs erhalten. In [104] ist das hingegen nicht der Fall, hier tritt ein Abstraktum als Objekt auf. Die Verwendung wird durch die aspektuelle Struktur des Verbs lizensiert. Das Verb drückt einen terminativen Prozess aus, in dessen Verlauf Informationen preisgegeben werden bis hin zum Endpunkt, der angenommenen völligen Offenlegung der Inhalte des Gewissens. Das Objekt ist abstrakt-natürlichen Typs. 4.1.2.1.5 Situar (‘platzieren’) Das Verb situar (‘platzieren’) wird als letztes Verb in die Gruppe der Verben mittleren Transitivitätsgrads eingeordnet. Zwar ist die zeitliche Ausdehnung des Sachverhalts typischerweise gering und der Grad der Betroffenheit des Objektdenotats potentiell hoch, der ausgedrückte Vorgang kann jedoch virtueller Natur sein. Die relevanten Faktoren führen wie folgt zur genannten Kategorisierung. Der Verbalvorgang ist als Event einzuordnen (cf. auch Lehmann 1991, 233). Eine Vorphase ist zwar denkbar, aber nicht in der lexikalischen Bedeutung angelegt. Das Verb bringt zum 446 Es wäre dafür die Bezeichnung eines Berufsstandes nötig, für den ausgezogen zu werden die zentrale Aufgabe wäre.
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
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Ausdruck, dass das Subjektdenotat derart auf das Objektdenotat einwirkt, dass dieses eine neue Position einnimmt, die von seiner vorherigen abweicht. Das Subjektdenotat ist volitional in die Handlung involviert. In Abhängigkeit von der jeweiligen Instantiierung muss aber keine konkrete physische Involviertheit gegeben sein. Wird auf einen konkreten außersprachlichen Vorgang Bezug genommen, so ist die physische Ebene des Objektdenotats vollständig betroffen. Ggfs. ist eine weitere psychische oder mentale Ebene nicht von ihr trennbar. Ist der Vorgang virtuell, so kann auch nur ein abstrakter Bestandteil des Objektdenotats bzw. ein einzelnes seiner Seme betroffen sein. In Bsp. [109] unten (situar aquel fenómeno, ‘jenes Phänomen zuordnen’) wäre etwa argumentierbar, dass lediglich die Klassifikation eines Konzepts zum Ausdruck gebracht wird. Vor dem Hintergrund einer solchen Möglichkeit wird das Verb nicht als stark transitiv eingestuft. Der Vorgang muss nicht unbedingt physischen Kontakt zwischen Subjekt- und Objektdenotat involvieren und das Objektdenotat nicht ganzheitlich betreffen. Das Korpus enthält 6 relevante Fälle. Drei davon sind a-markiert (s. bspw. [105]) und drei treten ohne Markierung auf. Die a-markierten Objekte denotieren allesamt menschliche Entitäten, wobei eines eine Kind-Lesart aufweist (s. [107] unten). Aber auch ein unmarkiertes Objekt verfügt über ein menschliches Denotat (s. [106]). [105] Luis colocó a López en defensa, situó a Solozábal como libre y Donato pasó a dirigir al equipo en la zona ancha. (1VO:042-1.6-03) ‘Luis setzte López in der Abwehr ein, platzierte Solozábal als Libero und Donato ging dazu über, die Mannschaft im Mittelfeld zu leiten.’ [106] Folla situó dos bases en pista, Díaz y Arcega, a lo que respondía Martín con Coll y Bernal. (1VO:050-2.3-43) ‘Folla platzierte zwei Spielmacher auf dem Feld, Díaz und Arcega, worauf Martín mit Coll und Bernal antwortete.’ In den Beispielen [105] und [106] werden die Möglichkeiten einander gegenübergestellt, dass Objekte mit menschlichem Denotat mit oder ohne aMarkierung auftreten können. Die beiden Beispiele sind besonders interessant, weil sie sich semantisch recht ähnlich sind: In beiden Fällen wird auf einen Vorgang Bezug genommen, bei dem ein Trainer (in [105] geht es um Fußball, in [106] um Basketball447) einen Spieler in einer bestimmten Spielposition einsetzt
447 In [105] geht es um ein Spiel zwischen dem FC Barcelona und Atlético Madrid. Der Satz [106] entspringt einem Artikel über ein Match von Basketmar Coruña gegen Prohaci Mallorca.
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([105]) bzw. eine bestimmte Position mit einem Spieler füllt ([106]). Die sprachliche Oberfläche spiegelt die inhaltliche Divergenz des Beispielpaars wider. In [105] tritt ein Eigenname in Objektposition auf, in [106] hingegen ein Appellativum. Das jedoch ist noch keine Erklärung für die unterschiedliche formale Realisierung. Die hier präsentierte Theorie kann sie jedoch erklären: Der Eigenname in [105] zeigt an, dass konzeptuell eine Kombination aus einem physischen und einem denkenden Bestandteil intendiert ist. Das a-markierte direkte Objekt in [105] ist also komplexen Typs. Die Funktion, in der der Trainer den Spieler einsetzt, wird mit der PP como libre (‘als Libero’) ausgedrückt. Im Sinne einer Textsemantik wird sie dem Textreferenten zusätzlich zugewiesen, sie kann den ihm entsprechenden Typ also nicht reduzieren. Das Objekt dos bases (‘zwei Spielmacher’) in [106] hingegen denotiert eine menschliche Entität in einer bestimmten Funktion und abstrahiert dabei von weiteren konzeptuellen Ebenen. Das unmarkierte direkte Objekt in [106] ist also funktionalen und damit nicht-komplexen Typs. Erst die Apposition liefert mit den Eigennamen Díaz und Arcega eine Individualisierung und geht damit über die funktionale Ebene hinaus. Es ist nicht mit Sicherheit zu sagen, wie der außersprachliche Vorgang genau aussieht. Wahrscheinlich gibt der Trainer Anweisungen. Eine naheliegende der sprachlichen Struktur zugewiesene etwas abstrahierende Konzeptualisierung könnte jedoch physischen Kontakt zwischen Trainer und Spielern involvieren. Auch eine schematische Konzeptualisierung von [107] könnte eine physische Bewegung involvieren. Das Beispiel [107] bringt allerdings den abstrakten Sachverhalt einer ideellen Positionierung des Objektdenotats zum Ausdruck. Es ist eines der Beispiele, die für die Einordnung von situar (‘positionieren’) in die Gruppe der Verben mit mittlerem Transitivitätsgrad spricht. [107]
Vasco Gallega y Pesqueros de Altura constituyen un grupo que suele ignorar los buenos principios de Herb Schmertz, el autor de «El silencio no es rentable», un manual del vicepresidente de la Mobil Oil en el que trata de situar al empresario de fin de siglo frente a los medios de comunicación. (1VO:057-1.2-13) ‘Vasco Gallega und Pesqueros de Altura bilden eine Gruppe, die normalerweise die guten Prinzipien von Herb Schmertz missachtet, dem Autor von «El silencio no es rentable» (‘Schweigen ist unrentabel’, Originaltitel: «Good-bye to the low profile»), einem Handbuch des Vizepräsidenten der Mobil Oil, in dem er versucht, den Unternehmer der Jahrhundertwende hinsichtlich der Massenmedien zu positionieren.’
Der Verbalvorgang in [107] ist wie gesagt abstrakt zu verstehen, es wird keine außersprachliche Entität bewegt. Anhand des Kotexts kann vielmehr inferiert
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
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werden, dass der Subjektreferent Verhaltensempfehlungen ausspricht. Das Objekt ist wiederum a-markiert. Und wie gezeigt wird, ist es auch komplexen Typs. Eine knappe Erklärung dafür ist, dass sich der Verbalvorgang im vorliegenden Kontext nicht auf die Funktion beziehen kann, die grundsätzlich im Nomen angelegt ist. Für die Einbettung sind mehrere konzeptuelle Ebenen nötig. Vor einer präziseren Argumentation für den komplexen Typ sind allerdings scheinbare Schwierigkeiten in den Blick zu nehmen. Grundlegend fällt auf, dass die Objekt-NP, empresario (‘Unternehmer’), eine Kind-Lesart aufweist. Die PP de fin de siglo (‘der Jahrhundertwende’) modifiziert zwar einschränkend, verdeutlicht aber, dass eine Menge und kein Individuum intendiert ist. Das Denotat ist vielmehr intentiert als ein absoluter Ausschnitt der Menge der Unternehmer, nämlich die Submenge der Unternehmer der Jahrhundertwende (s. auch Kap. 2.7.5.3). Wie bereits mehrfach betont, beeinflusst das den Typenstatus jedoch nicht oder nicht per se. Problematischer sind die folgenden beiden Eigenschaften. Erstens hat, wie oben angedeutet, das lexikalische Element in Objektposition, der empresario (‘Unternehmer’), Potential, als funktionaler Typ interpretiert zu werden. Zweitens wird keine gesamte außersprachliche Entität bewegt, sondern nur einer oder mehrere ihrer Bestandteile. Beide Überlegungen können als Gegenargumente analytisch entkräftet werden. Die Kombinatorik zeigt, dass hier kein funktionaler Typ intendiert ist. Zwar ist situar (‘platzieren’) grundsätzlich mit einer funktionalen Lesart kompatibel, der Vorgang der Positionierung kann aber nicht an die Funktion des Unternehmers (empresario) andocken. Eine irgendwie geartete Haltung zu den Medien ist nicht definitorisch für den genannten Beruf. Sie ist offenbar möglich, aber nicht in einem der Qualia enthalten. Hinzu kommt, dass von der abstrakten Situierung nicht nur die Funktion des Unternehmers, sondern die Person des Unternehmers betroffen ist. Auch das Subjektdenotat (die lexikalisch nicht gefüllte Position ist koreferent zu vicepresidente de la Mobil Oil, ‘Vizepräsident der Mobil Oil’) steht in keinem typisch funktionalen Verhältnis zum Objekt. Tatsächlich operiert das Subjektdenotat in einer anderen semantischen und konzeptuellen Domäne. Der Verbalvorgang ist wie angedeutet eine Art Meta-Einordnung, die unabhängig ist vom angenommenen konkreten unternehmerischen Handeln des Objektdenotats.448
448 Auch der Bezugspunkt des Verbalvorgangs, ausgedrückt durch frente a los medios de comunicación (‘hinsichtlich der Massenmedien’), steht einem funktionalen Typen des Objekts entgegen. Geeignete Bezugspunkte für einen funktionalen Typen wären bspw. die Firma des Unternehmers oder seine Mitarbeiter. Die Massenmedien (los medios de comunicación) sind hingegen nicht Teil der konzeptuellen Struktur von empresario (‘Unternehmer’). Ein Verhältnis kann wie im Text besprochen nur mittels Weltwissen hergestellt werden. Ein letztes Indiz im Beispiel ist die PP de fin de siglo (‘der Jahrhundertwende’). Sie ist kaum mit einer funktionalen Lesart kom-
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Was also genau mit dem Verbalvorgang ausgedrückt wird, ist, dass der Unternehmer angehalten wird, sein Auftreten (physische, äußerliche Seite) und sein Denken (mentale Ebene) hinsichtlich eines Aspekts anzupassen und zwar bezüglich der Interaktion mit den Medien. Zwar betrifft das nur einen Teil seines Handelns, dieses Handeln jedoch speist sich aus unterschiedlichen Bestandteilen der angenommenen konzeptuellen Struktur des Unternehmers (empresario). Das Objekt ist mithin komplexen Typs. Es bleiben zwei unmarkierte Okkurrenzen. Eines der beiden Objekte denotiert ein Konkretum (s. [108]), das andere ein Abstraktum (s. [109]). [108] En todas las direcciones escapaban los miembros gigantescos de aquel tierno monstruo vegetal en cuyo corazón habitaba la abuela, en todas las direcciones situaba sus almenas y matacanes el colosal castillo. (TER:082.14) ‘In alle Richtungen entwischten die riesigen Glieder jenes zarten Pflanzenmonsters, in dessen Herz die Großmutter wohnte, überall platzierte die kolossale Festung ihre Zinnen und Wehrerker.’ [109] No es que se entendiera muy bien en qué consistía tener vocación de monja, pero en los libros donde se narraban las vidas de los santos podían encontrarse algunas pistas que ayudaban a situar aquel fenómeno en el terreno de lo excepcional y misterioso. (USO:036.11) ‘Es war nicht so, dass man besonders gut verstand, was es bedeutete, eine Berufung zur Nonne zu haben, aber in den Büchern, in denen die Leben der Heiligen erzählt wurden, konnte man einige Hinweise finden, die halfen, jenes Phänomen dem Bereich des Außergewöhnlichen und des Mysteriösen zuzuordnen.’ Die Verwendung der Objekt-NP in [108], sus almenas y matacanes, ‘ihre Zinnen und Wehrerker’, ist metaphorischer Art. Es geht also nicht um Bestandteile einer Burg, sondern um Teile oder Bereiche von Pflanzen. Die Metapher schafft ein Bild nicht nur hinsichtlich der besonderen Größe, sondern auch bezüglich einer bestimmten Form der Pflanzen. Während die NP in ihrer Grundbedeutung funktionalen Typs ist, da sie menschengemachte Gegenstände denotiert, ist sie im Beispiel als natürlichen Typs einzuordnen. Erwartungsgemäß ist sie nicht amarkiert. patibel. Es handelt sich dabei um eine dem Konzept externe zeitliche Angabe, also keine, die bspw. einen Ausschnitt des Berufslebens herausgreifen würde. Die Qualia-Struktur des empresario (‘Unternehmer’) als funktionalem Typen beinhaltet nicht per se die Möglichkeit zu einer derartigen, «externen» temporalen Modifikation.
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Das Objekt in [109], aquel fenómeno (‘jenes Phänomen’) denotiert den abstrakten Sachverhalt des Gefühls, zur Nonne berufen zu sein. Es ist abstrakt-natürlichen und damit ebenfalls nicht-komplexen Typs. Auch hier ist das Ausbleiben einer Markierung theoriekonform. 4.1.2.2 Substitutionsverben Substitutionsverben bringen v.a. ein bestimmtes Verhältnis zwischen zwei Aktanten zum Ausdruck. Ein Aktant tritt an die Stelle eines anderen. García García (2010, 60) führt den Verbtyp als DOM-affine Klasse in die Diskussion der differentiellen Objektmarkierung ein. Er betrachtet sie als «reversible-symmetrische Prädikate» (ibid., 96). Sustituir und reemplazar (‘ersetzen’), die im Folgenden besprochen werden, bringen das Verhältnis lexikalisch zum Ausdruck. García García (2010, 105) führt aber bspw. auch acompañar (‘begleiten’) und casarse con (‘heiraten’) als typische Vertreter verbaler Symmetrie ins Feld. Wie er betont, liegt eher selten perfekte Symmetrie zwischen den Aktanten vor (cf. ibid., 105s. unter Berufung auf König/Kokutani 2006, 273 und Dowty 1991, 583ss. u.a.). Unter Bezugnahme auf König/Kokutani (2006, 273) listet er die folgenden Bedeutungsbestandteile auf, die den Asymmetrien zugrunde liegen: «Macht, Kontrolle, Initiative oder [der] Grad der Involviertheit der beteiligten Argumente» (García García 2010, 105). Oberflächlich kann scheinbar auch mit Pustejovsky (1995b) in diese Richtung argumentiert werden. Er thematisiert das englische Verb accompany, eine Entsprechung des spanischen acompañar (‘begleiten’), als Beispiel für Verben, «which involve two subevents occurring simultaneously» (ibid., 70).449 Die Überlegung kann helfen, solche Fälle von den eigentlichen Substitutionsverben abzugrenzen und diese im gleichen Zuge näher zu bestimmen. Liegen nun zwei Subereignisse vor, die getrennt betrachtet werden können, so ist auch eine Hierarchisierung möglich. Das erste Subevent, dessen Partizipant das Subjektdenotat des Satzes ist, bestimmt als unabhängige Variable die Natur des Vorgangs. Das zweite Subevent mit dem Objektdenotat als Partizipant ist der abhängige Bedeutungsbestandteil, dessen Funktion lediglich darin besteht, als tiefensemantisches Prädikat des Zweitaktanten aufzutreten und damit die Verwendung des Verblexems zu lizensieren. Eine Vertauschung der Aktanten würde eine Umkehr der genannten Verhältnisse mit sich bringen. Die Reversibilitität ist also eingeschränkt. Das Verb acompañar (‘begleiten’) wird 449 Pustejovskys (1995b) Interesse gilt an der betreffenden Stelle einem anderen Sachverhalt als dem hier besprochenen. Er zeigt, dass bei Verben dieses Typs die dargelegte semantische Struktur der Grund dafür ist, dass sie «aspectually underspecified» (ibid., 70) sind.
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daher nicht in die Gruppe der Substitutionsverben aufgenommen. Es soll allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass die Funktionsweisen im Sinne der hier vorgestellten Theorie denen der Substitutionsverben entsprechen. Ähnlich wie bei cambiar (‘verändern’, ‘tauschen’), das im vorangegangenen Kapitel beschrieben wurde, sind auch sustituir und reemplazar (‘ersetzen’) semantisch unterspezifiziert. Es wird kein konkreter außersprachlicher Vorgang denotiert. Die Anzahl und Konfiguration der Aktanten geben zwar gewisse Anhaltspunkte, in bestimmten Ausprägungen scheint jedoch kaum mehr als ein Verhältnis zwischen ihnen ausgedrückt zu werden. Solche Ausprägungen sind nach García García (2010, 104) die «reversiblen Lesarten» der Verben. Eine irgendwie geartete Ersetzung wird entsprechend der lexikalischen Bedeutung der Verben immer ausgedrückt. Das Akkusativobjekt denotiert stets die Entität, die ersetzt wird. Die Realisierungsmöglichkeiten bei der Anzahl der Argumente verlaufen parallel zur semantisch wichtigsten Distinktion. Sind drei Argumente vorhanden (s. bspw. [110]), so denotiert zumeist das Subjektargument ein Agens. Das Akkusativobjekt denotiert wie gesagt die Entität, die ersetzt wird. Das dritte Argument wird als Präpositionalobjekt realisiert, wobei als Präpositionen con (etwa ‘mit’) und por (etwa ‘durch’) auftreten. Dieses Argument denotiert die Entität, die an die Stelle derjenigen tritt, die vom Akkusativobjekt denotiert wird. Treten nur zwei Argumente auf, so ergeben sich für den Erstaktanten zwei semantische Möglichkeiten. Er kann erstens wiederum ein Agens denotieren (s. bspw. [111]). In dem Fall wird die Entität nicht genannt, die an die Stelle der vom Akkusativobjekt denotierten tritt. Zweitens kann das Subjektdenotat selbst die Entität sein, die an die Stelle dessen tritt, was das Akkusativobjekt denotiert (s. [112]). Für den Konstruktionstyp wird in Kap. 4.1.2.2.1 die Bezeichnung «strenges Ersetzungsverhältnis» eingeführt. Das konkrete Beispiel wäre auch als Fall schematischer Ikonizität interpretierbar, ein Erklärungsansatz, der allerdings nicht generalisierbar ist (s. die Ausführungen unten). [110] El PP propone sustituir las cuotas de la Seguridad Social por impuestos indirectos (1VO:061-1.0-01) ‘Die Partei PP schlägt vor, den Sozialversicherungsbeitrag durch indirekte Steuern zu ersetzen.’ [111]
«Creo que las partes ganarán si se muestran tanto responsables, como productivas, pero no vamos a sustituir el proceso», añadió. (1VO:004-1.3-19) ‘«Ich denke, dass die Beteiligten Vorteile haben werden, wenn sie sich sowohl verantwortungsvoll, als auch produktiv zeigen, aber den Prozess werden wir nicht ersetzen», fügte er hinzu.’
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El nuevo equipo, que sustituye al anterior acelerador circular, supuso una inversión cercana a los 200 millones de pesetas […]. (3VO:069-1.1-03) ‘Das neue Gerät, das den alten Zirkularbeschleuniger ersetzt, bedurfte einer Investition von knapp 200 Millionen Peseten.’
Wie in den Ausführungen angedeutet wird, sind sustituir und reemplazar (‘ersetzen’) telisch. Lehmann (1991, 233) ordnet das englische replace als Event ein. Dies gilt unabhängig von der etwaigen semantischen Domäne, die über die konkreten Instantiierungen der Argumente festgelegt wird. Darüber hinaus kann jedoch auch ein ingressiver State denotiert werden. Das ist der Fall, wenn kein Agens im Satz auftritt. Die Aktanten von sustituir / reemplazar (‘ersetzen’) können also unterschiedlicher Natur sein. Die Involviertheit der einzelnen Aktanten bezüglich des Sachverhalts wird von der Konfiguration aller Aktanten bestimmt. Ein vom Subjekt denotiertes Agens ist willentlich an der ausgedrückten Handlung beteiligt. Sie wird entweder auf physischer oder auf nicht-physischer Ebene durchgeführt, was wiederum bestimmt, ob das Agens mental und physisch oder nur mental involviert ist. Das Objektdenotat ist immer vollständig hinsichtlich aller relevanten Ebenen involviert. Es ist vor Erreichen des Kulminationspunktes prinzipiell uneingeschränkt und danach überhaupt nicht mehr in dem vom Satz denotierten Ausschnitt der relevanten Welt vorhanden. Die Entität, die an die Stelle der anderen tritt, ist ab dem Kulminationspunkt ein semantisch-strukturelles Gegenstück zur ersetzten Entität, d.h., sie ist hinsichtlich aller relevanten Faktoren vergleichbar mit der ersetzten Entität vor dem Kulminationspunkt. Während aber die ersetzte Entität wie gesagt nach der Kulmination nicht mehr Teil des denotierten Situation ist, kann die ersetzende Entität schon vor dem genannten Punkt eine (kleinere) Rolle in der angenommenen Situation gespielt haben. 4.1.2.2.1 Sustituir (‘ersetzen’) Im Korpus treten 29 relevante Okkurrenzen von sustituir (‘ersetzen’) und 2 von reemplazar (‘ersetzen’) auf. Ist der Erstaktant ein Agens, wird ein Vorgang, konkreter eine Handlung, mit drei Beteiligten ausgedrückt. Der Drittaktant wird als PP realisiert, die allerdings wegfallen kann. Die Erklärung solcher Sätze ist parallel zu der der bisher beschriebenen Sätze mit Handlungsverben. In den betreffenden 17 Okkurrenzen von sustituir (‘ersetzen’) wird das direkte Objekt nur markiert, wenn es im beschriebenen Sinne komplexen Typs ist. Ein Beispiel wäre [113], wo das Objekt eine menschliche Entität denotiert (s. die Ausführungen, die dem Beispiel folgen). Ist der Erstaktant hingegen die Entität, die an die Stelle der vom Akkusativobjekt denotierten tritt, so wird ein zusätzlicher Faktor rele-
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vant. Der Typ des Objekts kann dann mit einem relationalen Typen angereichert werden, wenn sich der Typ des Subjekts und der Basistyp des Objekts entsprechen (s.u.). Es ist ein paralleles Phänomen wie bei bestimmten Okkurrenzen von vencer (‘besiegen’, s. Kap. 4.1.1.2.3). In den Konstruktionen mit bis zu drei Aktanten treten unter anderem zwei Objekte auf, die menschliche Entitäten denotieren. Das direkte Objekt ist jeweils markiert, der Drittaktant ist in beiden Fällen implizit (s. [113]). [113]
Ya, antes de la traición de Montesecco, me habían pedido sustituir a su secuaz, pero no lo consideré prudente. (COA:072.25) ‘Nun, vor dem Verrat Monteseccos wurde ich gebeten, seinen Häscher zu ersetzen, doch das schien mir nicht vernünftig.’
In [113] ist eine Konzeptualisierung des Objekts als komplexer Typ naheliegend. Die vom Objekt denotierte Einheit ist nicht nur physisch instantiiert, sondern muss notwendigerweise als unabhängig von der Verbalhandlung willentlich handelnd verstanden werden, weil nur dann das Nomen korrekt prädiziert. Das Verb sustituir (‘ersetzen’) kann bei secuaz (‘Häscher’) keine Lesart selegieren, die einem funktionalen Typen entsprechen würde, da sich sonst die folgende logisch-semantische Inkompatibilität ergeben würde. Die Ersetzung müsste die Funktion des Häschers betreffen. Das Ergebnis der Ersetzung wäre ein Wechsel der Funktion und nicht die Zugegenheit einer anderen Entität, die die gleiche Funktion (die des Häschers) erfüllt. Es würde also nicht eine andere Entität mit der Aufgabe des zu ergreifen Suchens betraut, sondern es würde ausgedrückt, dass eine andere Aufgabe vergeben würde, bspw. könnte ein Mörder angeheuert werden. Das Beispiel intendiert allerdings, dass eine andere Entität die unveränderte Funktion erfüllt. In allen 4 Strukturen mit drei möglichen Aktanten, in denen das direkte Objekt ein Konkretum denotiert, wird die PP realisiert (zur Erinnerung: die PP muss nicht auftreten). Das Akkusativobjekt ist nicht markiert. In zwei Fällen ist das Objekt natürlichen (s. bspw. [114]) und in zweien ist es funktionalen Typs (s. bspw. [115]). Das Objekt ist jeweils nicht markiert. [114]
La abuela sustituyó el águila disecada por dos ositos de peluche que Miguel consideró insultantes […]. (TER:008.06) ‘Die Großmutter ersetzte den ausgestopften Adler durch zwei kleine Teddybären, die Miguel beleidigend fand.’
[115]
Ha sustituido su chandal por las mismas prendas que llevaba el día anterior. (CIN:087.08) ‘Er hat seinen Jogginganzug durch die Klamotten vom Vortag ersetzt.’
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
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Das Objekt in [114] ist natürlichen bzw. genauer semi-intentionalen Typs (cf. Pustejovsky 2001, 104; s. Kap. 2.8.2). Das Objekt in [115] ist funktionalen Typs. Keines der beiden Objekte ist durch zusätzliche Facetten angereichert. Dass kein Marker auftritt, entspricht somit den Erwartungen. Im Korpus treten 11 Abstrakta in Strukturen mit drei möglichen Aktanten auf. In einem Fall ist die PP nicht explizit (s. [111] oben, hier wiederholt als [116]), in den anderen Okkurrenzen treten wie auch bei den Konkreta PPs mit por (s. [117]) und mit con (s. [118]) auf. 4 Objekte sind abstrakt-natürlichen (s. [117]), 6 sind abstrakt-funktionalen Typs (s. [118], aber auch [110] oben). Keines der Objekte dieser Gruppe ist markiert. [116]
«Creo que las partes ganarán si se muestran tanto responsables, como productivas, pero no vamos a sustituir el proceso», añadió. (1VO:004-1.3-19) ‘«Ich denke, dass die Beteiligten Vorteile haben werden, wenn sie sich sowohl verantwortungsvoll, als auch produktiv zeigen, aber den Prozess werden wir nicht ersetzen», fügte er hinzu.’
[117]
Al hacerlo, sustituía en la pared y en su vida el sueño por la realidad, Betina por Francesca, el Arte por la vida. (CAR:112.21) ‘Als er das tat, ersetzte er an der Wand und in seinem Leben den Traum durch die Realität, Betina durch Francesca, die Kunst durch das Leben.’
[118]
[…] provocará […] la inicial y monstruosa «Hecatombe» sustituyendo la grafía normal de los anuncios y rótulos de su barrio con caracteres remotos e incomprensibles. (PAI:194.28) ‘Er wird die anfängliche, grauenhafte «Hekatombe» auslösen, indem er die normale Schreibweise der Anzeigen und Bekanntmachungen seines Viertels durch abseitige und unverständliche Zeichen ersetzt.’
In der zweiten großen Gruppe ist der Erstaktant kein Agens. Bei diesen Lesarten erscheint sustituir (‘ersetzen’) als zweiwertiges Verb. Es ist dann kein Handlungsverb im engeren Sinne. Die Existenz dieser Fälle ist, was den vorliegenden Verbtyp besonders macht. Es sind die reversiblen Lesarten der Verben im Sinne García Garcías (2010, 104). Er versucht die Besonderheit dieser Lesarten dahingehend zu erfassen, dass sie «keine rollensemantischen Basisprädikate wie etwa CTRL, EXP, MOVE usw. implizieren, sondern durch reversible-symmetrische Prädikate wie ACT INSTEAD(x, y) […] zu charakterisieren sind» (ibid.). Wie in Kap. 2.7.10 besprochen, schreibt er die genannten Basisprädikate CTRL, MOVE etc. in Anlehnung u.a. an Dowty (1991) dem Proto-Agens zu (cf. García García 2010, 69), einer Rolle,
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
die in der betrachteten Lesart von sustituir (‘ersetzen’) nicht auftritt (cf. ibid., 112s.).450 Wie im Folgenden dargestellt wird, stehen hierbei 9 markierte 3 unmarkierten Objekten gegenüber. In allen 12 Okkurrenzen ist das Agentivitätsgefälle, so vorhanden, sehr gering, sodass der Ansatz García Garcías (2010) zwar für 75% der Fälle die richtige Vorhersage macht, aber für 25% die falsche. Die formale Unterscheidung kann er nicht motivieren. Mittels des Typenansatzes lässt sich hingegen eine präzise, ikonisch motivierte Trennlinie herausarbeiten. In der besprochenen Lesart ist sustituir (‘ersetzen’) als ingressiver State einzuordnen. Der saliente Bestandteil der Assertion ist der Nachzustand der sich punktuell realisierenden Ersetzung. Somit besteht zwischen den beiden Aktanten ein abstrakt-relationales Verhältnis. Anhand von Konkreta lässt sich dies sehr gut zeigen. [119]
El nuevo equipo, que sustituye al anterior acelerador circular, supuso una inversión cercana a los 200 millones de pesetas […]. (3VO:069-1.1-03) ‘Das neue Gerät, das den alten Zirkularbeschleuniger ersetzt, bedurfte einer Investition von knapp 200 Millionen Peseten.’
[120] Pronto se dio cuenta de que recordaba el efecto y no la causa, que cualquier otro cuerpo podría sustituir a aquél, pero ninguna emoción a esa emoción […]. (MIR:042.26) ‘Bald fiel ihm auf, dass er sich an den Effekt erinnerte, aber nicht an den Grund, dass jeder andere Körper jenen ersetzen könnte, aber keine Emotion diese Emotion.’ Das Beispiel [119] ist besonders deutlich und wird daher hier wiederholt. Der Objektreferent, ein Konkretum, ist zu keiner Zeit am selben Ort wie der Subjektreferent. Die Assertion ist erst gültig, wenn der Subjektreferent vom ursprünglichen Ort, an den die Erfüllung seiner Funktion (hier die Beschleunigung von Teilchen, um Messungen durchzuführen) gebunden ist, entfernt wurde und der Objektreferent sich an genau dieser Position befindet und potentiell die entsprechende Funktion erfüllen kann. Die Assertion ist aber auch nur dann gültig, wenn gilt, dass dem Zustand, in dem sich der Objektreferent in einer bestimmten Position befindet, in der er potentiell eine bestimmte Funktion erfüllen kann, 450 Vor dem Hintergrund, dass in den betreffenden agenslosen Lesarten keine Handlung ausgedrückt wird, scheint auch die Annahme des reversiblen Prädikats als «ACT INSTEAD(x, y)» (García García 2010, 104, Hervorhebung durch Kursiva J.E.) ungeschickt. Die Annahme, es handele sich nur um ein Formulierungsproblem lässt sich nicht erhärten. García García (2010, 112) stellt dem Prädikat ein paralleles gegenüber, das mit Proto-Agens auftritt: «CTRL(x, BE-INSTEAD(y, z)».
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
365
ein anderer Zustand vorausgegangen ist, in dem der Subjektreferent sich in eben dieser Position befunden und die Funktion erfüllt hat oder erfüllen konnte. Die beiden Zustände stehen konzeptuell in einem notwendigen Abfolgeverhältnis. Im Rahmen der Assertion ist bei dieser Art von substitutivem Verhältnis eine gleichzeitige Anwesenheit der beiden Aktanten ausgeschlossen. Für solche Okkurrenzen wird daher der Begriff des strengen Ersetzungsverhältnisses eingeführt. Weiter unten wird das nicht-strenge Ersetzungsverhältnis besprochen. Auch [120] gehört der strengen Gruppe an. Das Beispiel zeigt aber, dass das Abfolgeverhältnis keine im engeren Sinne räumliche Komponente haben muss. Das Beispiel zeigt insofern auch, dass eine Erklärung mittels der schematischen Ikonizität (s. Kap. 2.7.12) nur ein eingeschränktes Erklärungspotential hat. Der Überlegung zufolge würde der Marker a als eine Art formale Trennung oder Abstandsanzeiger betrachtet. In Fällen, in denen das Abfolgeverhältnis mit der genannten räumlichen Komponente auftritt (s. [119]), läge auch konzeptuell eine Trennung vor. Die beiden in der Struktur denotierten Entitäten können nicht gleichzeitig am gleichen Ort sein. Es liegt dann ein Typ schematischer Ikonizität vor, nämlich Abstands- bzw. Trennungsikonizität. Wie gesagt ist die Erklärung aber nur bei Vorhandensein der räumlichen Bedeutungskomponente wie in [119] möglich. Auf [120] kann sie hingegen nicht angewendet werden. Auch wenn also bestimmte Oppositionspaare eine solche Interpretation naheliegend erscheinen lassen, wird sie im Folgenden zugunsten des Ansatzes der Komplexitätsikonizität ausgeklammert. Bezüglich der hier diskutierten Fälle ist allerdings noch zu klären, worin die angenommene konzeptuelle Komplexität besteht. Es wird davon ausgegangen, dass das strenge Ersetzungsverhältnis ähnlich wie vencer (‘besiegen’) eine relationale Bedeutungskomponente für das Objekt fordert. Weist die Semantik des Objekts keine solche auf, so wird der dem Objekt entsprechende Basistyp um einen weiteren relationalen Typen ergänzt und zu einem komplexen Typ verbunden. Der weitere Typ, der das strenge Ersetzungsverhältnis lizensiert, ist abstrakt-funktional oder abstrakt-natürlich. Mit dieser zusätzlichen und typisierbaren Bedeutungsebene können einige semantische Feinheiten präzise berücksichtigt werden, die andernfalls nicht operationalisierbar sind oder zu einem separaten Lexikoneintrag des Verbs führen würden, einem Vorgehen, für das sich jedoch keine guten Argumente finden lassen und das etwa Pustejovsky (1995b, Kap. 4) vehement ablehnt. Im strengen Ersetzungsverhältnis auftretende Objekte von Substitutionsverben nähern sich den relationalen Nomen im Sinne Pustejovskys (1995b, 18)451
451 Ausführlicher beschäftigt sich bspw. Eschenbach (1993) mit relationalen Nomen (Hinweis aus Pustejovsky 1995b, 18).
366
4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
an. Wie bereits in Kap. 2.8.3 besprochen, nennt Pustejovsky (1995b, 18) als Beispiele für relationale Nomen u.a. Verwandtschaftsbezeichnungen wie etwa brother und daughter. Im Gegensatz zu einem prädikativen Nomen wie bspw. woman sind sie «dependent on another referent in terms of how they themselves denote» (ibid.). Ein anderer Referent tritt also als nötiges «Ankerelement» auf. Die oben vorgestellte Beschreibung der Objekte von Substitutionsverben macht die Parallele offensichtlich. Im Rahmen der Assertion ist die Existenz des Denotats eines Substitutionsverbobjekts an die Existenz einer anderen Entität gebunden, nämlich an die des Subjektdenotats. Im Gegensatz zu den Verwandtschaftsbezeichnungen handelt es sich allerdings um eine negative Korrelation. Die Existenz des Objektdenotats setzt also die Nicht-Existenz des Subjektdenotats voraus. Und während bei den relationalen Nomen die Relationalität in den Qualia des Basistyps enthalten ist, wird die konträre Relationalität der Objekte von Substitutionsverben erst auf Satzebene assertiv bewerkstelligt, wodurch es beim Objekt zur Anreicherung zum komplexen Typ kommt. Das ist in den beiden obigen Beispielen der Fall. In Sätzen mit nicht-strengem Ersetzungsverhältnis bleibt der Typ des Objekts konstant. Die Struktur ist der der strengen Ersetzung zwar recht ähnlich. Wie oben gesagt, ist auch hier das Verb sustituir (‘ersetzen’) zweiwertig und sein Erstaktant ist kein Agens. Hinsichtlich des Zweitaktanten lässt sich allerdings eine deutliche semantische Divergenz ausmachen. Beim strengen Ersetzungsverhältnis und nur bei ihm gilt, dass die Assertion nur dann wahr ist, wenn das Objektdenotat gerade nicht (mehr) Teil der denotierten Situation ist. Ein entsprechender Satz ist nur dann wahr, wenn der saliente Nachzustand von der Abwesenheit des Objektdenotats gekennzeichnet ist.452 Dies gilt nicht für die nicht-strenge Ersetzung, was durch das folgende Beispielpaar mit Abstrakta gestützt werden kann. [121]
[…] la empresa considera que la utilización de la vía arbitral debe sustituir legalmente, en lo que se refiere a la fijación de justiprecios, al procedimiento estipulado en el convenio del año 1968 […]. (1VO:028-1.4-17) ‘Die Firma ist der Ansicht, dass der Einsatz eines Schiedsgerichts in Angelegenheiten, die die Festlegung von Bewertungen betreffen, rechtlich die Vorgehensweise ersetzen soll, die im Vertrag des Jahres 1968 festgelegt wurde.’
452 Das heißt also, dass sich der Wahrheitswert eines Satzes mit strengem Ersetzungsverhältnis anhand des relativen existentiellen Status von Erst- und Zweitaktant bestimmt.
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
[122]
367
[…] el puro antagonismo puede volverse su propio contenido, olvidando y sustituyendo por entero los motivos de la querella originaria. (RAT:261.10) ‘Der blanke Antagonismus kann zu seinem eigenen Inhalt werden und die Motive des ursprünglichen Streits völlig vergessen machen und ersetzen.’
Das Beispiel [121] entspricht den beiden vorgenannten mit Konkreta. Auch hier wird ein notwendiges Abfolgeverhältnis zwischen zwei Entitäten, der vía arbitral (‘Schiedsverfahren’) und einem anderen procedimiento (‘Vorgehensweise’) ausgedrückt. Der Subjektreferent tritt an die Stelle des Objektreferenten. Konzeptuell wird das Objektdenotat mit der Relationalität angereichert. Wie auch schon in vorangegangenen Kapiteln besprochen, hat die Welt bzw. der Status der Welt, in der die Assertion gilt, zunächst keinen Einfluss auf die Konzeptualisierung, weshalb die Modalisierung ausgeklammert werden kann. Auch in [122] wird ein Ersetzungsverhältnis ausgedrückt. Die Existenz der beiden Aktanten, antagonismo (‘Antagonismus’) und motivos (‘Gründe’), ist jedoch nicht als konträr aneinander gebunden assertiert, weshalb auch das Abfolgeverhältnis nicht notwendiger Natur ist. Der existentielle Anker des Objektdenotats ist das Denotat der vom Objekt selbst regierten PP de la querella originaria (‘des ursprünglichen Streits’). Der existentielle Status der querella originaria (‘ursprünglicher Streit’) wiederum wird vom Subjektdenotat nicht beeinflusst.453 Folglich bleibt die Aussage wahr, auch wenn das Objektdenotat Teil der vom Resultatszustand bestimmten Situation ist. Das Objekt bedarf keiner zusätzlichen relationalen Bedeutungskomponente. Damit bleibt es beim nicht-komplexen Basistypen, der in [122] abstrakt-natürlich ist. Entsprechend der Erwartung ist das Objekt nicht a-markiert. Die Okkurrenzen mit strengem Ersetzungsverhältnis, wo durch den zusätzlichen relationalen Typen ein komplexer Typ entsteht, weisen im Gegensatz dazu, wie gesagt, eine a-Markierung des Objekts auf. Auch das entspricht den Erwartungen. Zuletzt sei angemerkt, dass mit der Divergenz zwischen strengem und nicht-strengem Ersetzungsverhältnis ein weiterer semantischer Unterschied einhergeht. Beim nicht-strengen Verhältnis können die Aktanten unterschiedlichen semantischen Domänen entstammen. Es ist anzunehmen, dass das beim strengen Ersetzungsverhältnis nicht oder zumindest weniger leicht möglich ist. Nicht nur ist der Zusammenhang naheliegend, sondern die Okkurrenzen im Korpus deuten auch auf den Unterschied hin. Um die Divergenz jedoch umfassend zu
453 Dass die im Satz zum Ausdruck kommenden temporal-kausalen Verhältnisse den hier beschriebenen nicht vollständig entsprechen, ist vor dem Hintergrund der Bedeutung des Matrixverbs erwartbar.
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
belegen, wäre eine eigene gezielte Untersuchung mit einem größeren Datensatz nötig als dem, den das Korpus diesbezüglich ausgibt. Die Themantik kann daher nicht entscheidend fundiert werden. Nichtsdestotrotz wird sie unten wieder aufgegriffen, zunächst im Zusammenhang mit einem scheinbaren Gegenbeispiel (s. [124]). Wie gesagt enthält das Korpus 9 Fälle des strengen Ersetzungsverhältnisses. In diesen Okkurrenzen ist der Basistyp des Objekts mit einem weiteren, vereinfacht gesprochen «relationalen» Typen angereichert und damit komplex. In allen diesen Okkurrenzen ist das Objekt markiert. Eines der Objekte hat ein menschliches Denotat ([123]). Sein komplexer Typ verbindet einen komplexen Typen für die menschliche Entität mit dem relationen Typ. 4 Objekte sind Konkreta, von denen bei 3 der Basistyp funktional (s. [119] oben) und bei einem natürlich (s. [120] oben) ist. 4 weitere sind Abstrakta mit 3 abstrakt-natürlichen (s. [124]) und einem abstrakt-funktionalen Basistypen (s. [121] oben). [123]
Aspiazu sustituye a Arturo en la convocatoria de los blanquiazules (1VO:043-1.0-01) ‘Aspiazu ersetzt Arturo in der Aufstellung der Weißblauen.’
[124]
Por el contrario, sentíase incapaz de inventar una coartada que sustituyera a la verdad […]. (MIR:084.22) ‘Im Gegenteil, er sah sich nicht imstande, sich ein Alibi auszudenken, das die Wahrheit hätte ersetzen können.’
In [123] ist die strenge Ersetzung sehr deutlich. Bei [124]454 könnte zunächst angenommen werden, dass ein Domänenwechsel vorliegt. Das Wort coartada (‘Alibi’) bringt zum Ausdruck, dass eine menschliche Entität in einen Sachverhalt1 involviert ist, der sich dadurch auszeichnet, dass er nicht ein anderer Sachverhalt2 ist, der nicht nur Teil des aktivierten Wissens des Sprechers / Hörers, sondern eine Art Anker für den Sachverhalt1 ist. Sachverhalt2 ist in dem Sinne Anker für den Sachverhalt1, dass er hinsichtlich einzelner Eigenschaften die gleichen Werte aufweist (besonders typisch ist der Faktor der Zeit) und hinsichtlich anderer divergente Werte (hier ist der Ort besonders typisch). Dieses Verhältnis ist die Grundlage der Bedeutung von coartada (‘Alibi’). Die Grundbedeutung von verdad (‘Wahrheit’) beinhaltet keine Relationalität, sondern vielmehr eine Wertung, indem es alle relevanten Sachverhalte der Menge der Sachverhalte zuordnet, die nicht kontrafaktisch
454 In den Erläuterungen wird wie bisher auch von der Modalisierung abstrahiert.
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
369
sind.455 Im Beispielsatz werden allerdings nicht die beiden unterschiedlichen der lexikalischen Bedeutung entsprechenden Konzepte aufeinander gemappt. Es handelt sich um einen uneigentlichen Gebrauch, bei dem vielmehr zwei Sachverhalte einander gegenübergestellt und dabei unterschiedlich gewertet werden. Von der Ausdifferenzierung der Sachverhalte wird abstrahiert, der ersetzende Sachverhalt ist sogar überhaupt nicht spezifiziert.456 Diesen Sachverhalt bezeichnet coartada (‘Alibi’). Bei der uneigentlichen Verwendung wird von der Grundbedeutung das telische Quale vererbt (cf. für den Begriff der Vererbung im Sinne der lexikalischen Vererbungsstruktur bspw. Pustejovsky 1995b, 113s. und 145s.), sodass er die Schuldfreiheit der involvierten menschlichen Entität bezeugt. Der ersetzte Sachverhalt, auf den la verdad (‘die Wahrheit’) Bezug nimmt, zeichnet sich durch die Schuld der menschlichen Entität aus. Lexikalisch wird er als den außersprachlichen Gegebenheiten entsprechend dargestellt. Für die beiden Sachverhalte, zwischen denen das Ersetzungsverhältnis besteht, gilt offenbar, dass sie in der gleichen semantischen Domäne angesiedelt sind. Das Verhältnis ist strenger Natur. Da in der Qualia-Struktur von Sachverhalten keine relationale Komponente enthalten ist, wird das ersetzte Konzept angereichert. Es entsteht ein komplexer Typ. Den Fällen strenger Ersetzung stehen die angesprochenen 3 Okkurrenzen mit nicht-strengem Ersetzungsverhältnis gegenüber. Alle 3 Objekte sind unmarkiert und nicht-komplexen Typs. Wie oben beschrieben handelt es sich dabei um keine definitorische Eigenschaft dieser Gruppe. Auch hier sind Objekte komplexen Typs denkbar, nur dass die Komplexität dann aufgrund des intrinsischen Potentials des Objekts bestünde, das im weiteren Kontext deutlich werden müsste, und eben nicht die Folge einer konzeptuellen Anreicherung wäre. Solche Fälle sind im Korpus allerdings nicht belegt. Von den Objekten im Korpus ist eines abstrakt-natürlichen Typs (s. [122] oben). Die beiden weiteren sind abstrakt-funktionalen Typs (s. etwa [125]). [125]
Aquellos bañadores «lástex» con faldita incorporada, que tendían a sustituir los rigores de la faja, no eran, con todo, lo bastante tranquilizadores […]. (USO:131.11) ‘Jene Lastex-Badeanzüge mit integriertem Röckchen, die langsam die Strenge des Mieders ersetzten, waren alles in allem nicht beruhigend genug.’
[125] kann als besonderer Fall betrachtet werden. Der Domänenwechsel ist hier besonders deutlich. Der Antenzendent des pronominalen Subjekts ist 455 Das Konzept ist offenbar kaum ohne Zirkularität definierbar (s. auch die Definitionen im Online-Duden, bes. Bedeutung 1b, http://www.duden.de/rechtschreibung/Wahrheit, Zugriff: 02.02.19). 456 Auch der konkrete Inhalt der NP una coartada (‘ein Alibi’) ist hier unbekannt.
370
4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
ein Konkretum, das Objekt hingegen ein Abstraktum. Es erfolgt auch keine Nivellierung oder sonstige Angleichung durch den Kontext. Der existentielle Status der rigores (‘Strenge’) ist von dem der bañadores «lástex» (‘LastexBadeanzüge’) unabhängig. Er ist an den der faja (‘Mieder’) gebunden, doch auch der Existenzstatus der faja ist von den bañadores «lástex» unabhängig. Es liegt ein nicht-strenges Ersetzungsverhältnis vor. Insofern ist aus den angeführten Gründen auch keine Anreicherung des Typs des Objekts nötig. Das Beispiel [125] zeigt deutlich, dass ein Modell, das wie das in García García (2010) vorgestellte mit der relativen Agentivität von Subjekt- und Objektdenotat arbeitet, die formale Realisierung nicht erklären kann. Es ist kein Agentivitätsgefälle erkennbar. Wie die Erläuterungen hingegen deutlich machen, ist die Unterscheidung in strenges und nicht-strenges Ersetzungsverhältnis hilfreich, um die feinen semantischen Divergenzen bei den beiden oberflächenstrukturell sehr ähnlichen Realisierungen von sustituir (‘ersetzen’) mit zwei Aktanten zu veranschaulichen. Vor dem Hintergrund kann die Anreicherung des Basistyps eines Objekts bei der strengen Ersetzung klar motiviert werden. So kann die Unterscheidung zwischen markierten und unmarkierten Objekten auf das hier vertretene ikonische Prinzip zurückgeführt werden. 4.1.2.2.2 Reemplazar (‘ersetzen’) Das Verb reemplazar (‘ersetzen’) ist wie oben angedeutet ein Quasisynonym von sustituir (‘ersetzen’). Auch das Online-Wörterbuch der RAE erklärt bspw. die Bedeutung von reemplazar unter Rückgriff auf sustituir (cf. http://lema.rae.es/ drae/?val=reemplazar, Bedeutung 1, Zugriff: 02.02.19). Die semantischen und die syntaktischen Möglichkeiten der beiden Verben sind vergleichbar. Es wird hier davon ausgegangen, dass alle oder zumindest nahezu alle oben angeführten syntaktischen und semantischen Konfigurationen auch mit reemplazar (‘ersetzen’) möglich sind. Domänenbezogen, also hinsichtlich Sprecher, Textgattung, Kontext etc., sind frequentielle Unterschiede möglich oder sogar wahrscheinlich. Die Thematik kann hier allerdings nicht vertieft werden. Im Korpus ist nur ein kleiner Ausschnitt der strukturellen Möglichkeiten von reemplazar (‘ersetzen’) belegt. Die beiden Okkurrenzen sind syntaktisch unterschiedlich und fügen sich erwartungsgemäß gut in die Theorie ein. Allerdings stellt [126] eine Konfiguration dar, die in der ADESSE-Datenbank mit sustituir (‘ersetzen’) nicht belegt ist. Es kann hier nicht überprüft werden, ob sustituir genauso auftreten könnte.457 457 Ebenfalls nicht geklärt werden kann, in welchem Maße es in der angeführten Okkurrenz mit reemplazar (‘ersetzen’) dem Kontext zuzuschreiben ist, dass die besondere Lesart salient wird.
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
371
[126] Pero esto mismo, bastando únicamente reemplazar los términos, la madre Teresa supo decirlo más pronto y mejor: «Si votos, ¿para qué rejas?; si rejas, ¿para qué votos?». (RAT:183.15) ‘Aber genau das wusste Mutter Teresa, nur indem sie die Begriffe vertauschte, direkter und besser zu sagen: «Wenn Wahlen, wofür Gitter, und wenn Gitter, wofür Wahlen?»’ In [126] ist das implizite Subjekt von reemplazar (‘ersetzen’, bzw. hier ‘vertauschen’) ein Agens. Wie oben beschrieben, nähert sich das Ersetzungsverb dann den Handlungsverben an. Das Besondere am Beispiel ist, dass Reziprozität zwischen den Bestandteilen der vom pluralischen Objekt denotierten, zweigliedrigen Menge ausgedrückt wird. Die Klassifikation im Rahmen der hier präsentierten Theorie ist wie folgt. Das Objekt ist ein Abstraktum. Es ist abstrakt-natürlichen Typs. Insofern kein Marker auftritt, ist Ikonizität gegeben. Im Gegensatz zum obigen Beispiel finden sich im Korpus parallele Strukturen zu [127] auch mit sustituir (‘ersetzen’) (s.o.). [127]
[…] un buen día […] decidió dejarse vencer por ese morbo que había reemplazado a sus precauciones y merodear por los alrededores del antiguo restaurante […]. (MIR:081.10) ‘Eines schönen Tages beschloss er, jenem krankhaften Interesse nachzugeben, das seine Vorsicht ersetzt hatte, und sich auf einen Streifzug durch die Umgebung des alten Restaurants zu begeben.’
Das Subjekt in [127] ist kein Agens, sondern denotiert die ersetzende Einheit. Das Objekt ist ein Abstraktum, dessen Basistyp abstrakt-funktional ist. Subjekt- und Objektdenotat sind Gefühlszustände. Die beiden Konzepte sind also der gleichen Domäne zuzuordnen. Wie generell bei Gefühlen, sind auch die genannten Gefühlszustände an einen Träger, eine menschliche Entität, gebunden. Bei einigen Gefühlen, einschließlich der im Beispiel denotierten, gilt, dass sie auf eine Art Bezugsgröße gerichtet sind, hinsichtlich derer sie eine bestimmte Qualität zum Ausdruck bringen. Im Beispiel handelt es sich bei der Bezugsgröße um mögliche Handlungen des Gefühlsträgers. Das Subjekt ist als Relativpronomen realisiert. Sein Antezedent, morbo (‘krankhaftes Interesse’), zeichnet sich durch eine positive Gerichtetheit auf die Bezugsgröße aus. Das Objekt precauciones (‘Vorsicht’) drückt hingegen eine negative Gerichtetheit aus. Die beiden Gefühlszustände schließen sich im Träger also gegenseitig aus, was im Beispielsatz auch assertiert wird. Das Beispiel ist somit ein Fall von strengem Ersetzungsverhältnis. Das Objektdenotat wird mit einem zusätzlichen «relationalen» Typen angereichert, sodass ein komplexer Typ entsteht. Da das Objekt markiert ist, liegt auch hier Ikonizität vor.
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
In Kap. 2.8.3 wurde ein Beispielpaar mit reemplazar (‘ersetzen’) besprochen, das in der Fachliteratur häufiger angeführt wird. Es wird hier wiederholt (s. [128]). Im obigen Kapitel wurde die Erklärung der intrinsischen Komplexität des Konzepts von libro (‘Buch’) vorgestellt, an der sich hier natürlich nichts ändert. Sie soll lediglich um die eingeführten Kategorien ergänzt werden. [128.a]
El profesor reemplaza el libro. (Bsp. aus Weissenrieder 1990, 227) ‘Der Lehrer ersetzt das Buch (durch ein anderes).’
[128.b]
El profesor reemplaza al libro. (Bsp. aus ibid.) ‘Der Lehrer tritt an die Stelle des Buches.’ (García García 2010, 112)
Die in [128.a] exemplifizierte Konstruktion ist wiederum diejenige, die der von Handlungsverben entspricht. Der Erstaktant ist ein Agens. Über die Type Coercion wird die Komplexität des Objekts zugunsten des einen Basistypen reduziert, einem funktionalen, der als die physische Seite des Denotats oder als sein Informationsgehalt instantiiert wird (s. für weitere Ausführungen das Kap. 2.8.3). In Beispiel [128.b] tritt der Erstaktant als ersetzende Entität an die Stelle des Zweitaktanten, der ersetzten Entität. Es ist ein Fall von nicht-strenger Ersetzung. Wie im vorangegangenen Kapitel beschrieben, ist dabei im Unterschied zur strengen Ersetzung, die hier nicht exemplifiziert ist,458 der existentielle Status der beiden Aktanten voneinander unabhängig. Die beiden Entitäten entspringen unterschiedlichen semantischen Domänen, was im Fall der strengen Ersetzung nicht oder weniger leicht möglich ist (s. Kap. 4.1.2.2.1). Bei der nicht-strengen Ersetzung wie im Falle von [128.b] wird der Typ des Objekts nicht um einen relationalen Anteil erweitert. Dennoch ist das Objekt, wie in Kap. 2.8.2 beschrieben, komplexen Typs. Es besteht aus zwei funktionalen Typen, die in der physischen und der virtuellen Welt instantiiert sind. Wie bereits gesagt, sind also auch die Beispiele [128] ikonisch.
458 Ein denkbares Beispiel für das strenge Ersetzungsverhältnis wäre das folgende: En el último plan de estudios, la tercera reemplazó a la segunda edición del libro. ‘Im letzten Lehrplan wurde die zweite durch die dritte Ausgabe des Buches ersetzt.’ In der relevanten Bezugsdomäne, dem Lehrplan zu einem bestimmten Zeitpunkt, kommt es zum assertierten Zeitpunkt, dem der Aktualisierung des Lehrplans, zu einer strengen Ersetzung einer älteren durch eine neuere Ausgabe eines Buches. D.h., mit der Realisierung des Sachverhalts ist die ältere Ausgabe nicht mehr Teil der denotierten Situation. Der Typ des Objekts wird in einem solchen Fall mit einer relationalen Komponente angereichert (s. Kap. 4.1.2.2.1).
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
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4.1.2.3 Sprechaktverben mit mittlerem Transitivitätsgrad Im Folgenden werden drei Verben behandelt, die als Sprechaktverben im weiteren Sinne bezeichnet werden können. Es sind insultar (‘beleidigen’), acusar (‘beschuldigen’, ‘anklagen’) und denunciar (‘anzeigen’). Alle drei sind nichtneutral. Die Verben sind z.T. recht stark polysem und können unterschiedliche Handlungen bezeichnen. Trotz ihrer unterschiedlichen Grundbedeutungen haben sie einige Bedeutungsbestandteile gemein. Grundlegend ist, dass seitens des Subjektdenotats eine konträre Haltung zu einer anderen Einheit oder gegenüber eines von ihr realisierten oder verursachten Sachverhalts besteht. Dieser Haltung wird durch einen kommunikativen Akt Ausdruck verliehen. Der Kommunikationsakt ist prototypisch eine sprachliche Äußerung, was zur hier verwendeten Überschrift führt.459 Wie auch Sprechaktverben im engeren Sinn, die ein Akkusativobjekt regieren, sind die Verben telisch. Im Gegensatz zu den hier besprochenen wird bei den Sprechaktverben im engeren Sinn, bspw. decir (‘sagen’) und gritar (‘schreien’), der Zweitaktant durch die Rede an sich instantiiert und ist ein effiziertes Objekt (cf. auch Lehmann 1991, 232). Sie sind folglich als Kreationsverben zu klassifizieren. Die Aktantenkonfiguration der hier behandelten nicht-neutralen Sprechaktverben, die Lehmann (1991, 232) als «Predicates of linguistic manipulation» bezeichnet, ist anders gelagert. Zwar ist auch hierbei der Erstaktant eine Entität, die ggfs. einen Äußerungsakt vollzieht. Der Zweitaktant jedoch ist keine Proposition. Er ist eine potentiell handelnde Entität oder ein Sachverhalt. Er weist die semantische Rolle des Ziels (bei insultar, ‘beleidigen’) oder des Themas (bei acusar, ‘beschuldigen’, ‘anklagen’ und denunciar, ‘anzeigen’) auf. Die drei genannten Verben können damit hinsichtlich ihres Transitivitätsgrades geordnet werden. Als entscheidend für die Abstufung kann die Art der Betroffenheit des Objektdenotats herausgestellt werden. Der Aufbau des Kapitels orientiert sich daran. 4.1.2.3.1 Insultar (‘beleidigen’) Das Verb insultar (‘beleidigen’) bringt in seiner Grundbedeutung eine telische Sprechhandlung zum Ausdruck. Zwar kann die Handlung über eine 459 Auch das Online-Wortschatz-Informationssystem Deutsch (OWID, http://www.owid.de/ index.jsp, Zugriff: 02.02.19) ordnet die entsprechenden deutschen Verben den Kommunikationsverben zu (cf. http://www.owid.de/docs/komvb/start.jsp, Zugriff: 02.02.19). Demnach sind beleidigen expressive Bewertung, beschimpfen expressiver Gefühlsausdruck, beschuldigen expressive Bewertung und anklagen sowie anzeigen deklarativ (cf. ibid.). Die Einschätzung wird hier nicht in jeder Hinsicht geteilt. Die Verben beleidigen und beschuldigen sollten bei einer derart feinen Differenzierung nicht in dieselbe Kategorie fallen.
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gewisse Ausdehnung verfügen. Allerdings scheinen weder eine Vor-, noch eine Nachphase besonders salient zu sein. Lehmann (1991, 232) klassifiziert denn auch Verben mit einer ähnlichen Bedeutung als Events (s.o.). Die Art, wie Erstund Zweitaktant in die Handlung involviert sind, hängt von ihrer Konstitution, also die der Aktanten, ab. Das Objektdenotat ist bei insultar (‘beleidigen’) stets in gewissem Sinne an der Handlung beteiligt. Das heißt, dass es typischerweise physisch anwesend und bzw. oder sich des Ergebnisses der Handlung bewusst ist. Somit können mehrere relevante Ebenen betroffen sein. Die Handlung hat zum Ziel, einen Effekt zu erreichen. Der Effekt betrifft typischerweise, so vorhanden, eine psychische oder mentale Ebene des Objektdenotats. Wie schon für andere Verben herausgestellt wurde, kann auch hier bei bestimmten Denotatsklassen, besonders bei menschlichen Entitäten, nur schwer von einer dazugehörigen physischen Seite abstrahiert werden. Dies ist in [129] veranschaulicht. [129]
Ediles del PP insultan a los diputados que rechazan los estatutos de Ceuta y Melilla (1VO:015-1.0-05)460 ‘Räte der Partei PP beleidigen die Abgeordneten, die die Statuten Ceutas und Melillas ablehnen.’
Im Beispiel [129] wird die Beleidigung durch Worte vorgenommen. Die Betroffenheit des Objektdenotats ist zunächst auf mentaler bzw. psychischer Seite zu erwarten. Es wird hier nicht davon ausgegangen, dass der akustische Vorgang der Beleidigung in der Konzeptualisierung eine Rolle spielt.461 Als Teil der Konzeptualisierung wird vielmehr eine potentiell sichtbare körperliche Reaktion angenommen, die mit der Wirkung der Beleidigungshandlung einhergeht oder einhergehen kann. Das Verb und auch der Kontext können hier nicht leisten, dass sie bei dem auftretenden menschlichen Objektdenotat von der mentalen bzw. psychischen Wirkung getrennt würde. Zwar sind also einerseits potentiell mehrere Ebenen des Objekts betroffen und andererseits tritt die Betroffenheit sehr direkt ein, der Grad der Transitivität ist dennoch nicht besonders hoch. Das Objektdenotat erfährt nur auf mentaler bzw. psychischer Ebene eine möglicherweise länger anhaltende, aber nichtsdestotrotz
460 Bei dem Beispiel handelt es sich offensichtlich um eine Überschrift. Bis auf die Bare NP zu Beginn scheint die Struktur aber unmarkiert zu sein. Die Realisierung von Präsensformen ist zwar ein Effekt davon, sie wäre aber auch in anderen Textteiltypen möglich. 461 Das Objektdenotat ist physisch betroffen, insofern als es mit Schallwellen umgehen muss. Das jedoch sollte nicht Bestandteil der Konzeptualisierung sein.
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
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lediglich periphere Zustandsänderung. Eine typische Beleidigungshandlung ändert nicht die Konstitution der Psyche eines Objektdenotats. Im Korpus treten 4 relevante Okkurrenzen auf. Drei sind markiert und komplexen Typs. Davon haben zwei ein menschliches Denotat (s. [129] oben sowie [130]). [130]
«¡Sería tanto como insultar a nuestros muertos!», gritarán. (RAT:203.02) ‘«Es wäre soviel, wie unsere Verstorbenen zu beleidigen!», werden sie schreien.’
Das Beispiel [130] ist insofern interessant, als dass hier scheinbar die körperliche Ebene wegfällt, die mit dafür verantwortlich sein kann, dass Objekte mit menschlichem Denotat als komplexen Typs konzeptualisiert werden können. Wie sich jedoch aus dem Ansatz des generativen Lexikons (s. Kap. 2.8.2) ableiten lässt, ist die Konzeptualisierung eines toten Menschen nicht unbedingt stark von der eines lebendigen Menschen abweichend. Die Information [± lebendig]462 ist im konstitutiven Quale berücksichtigt (cf. für die Zuordnung etwa Pustejovsky 1995b, 96, wo beispielhaft die Opposition männlich vs. weiblich besprochen wird). Ein weiterer Hinweis auf eine solche Konzeptualisierung ist die Einordnung bei Busa (1999, 364) als Stage-Level-Nomen (s. auch Kap. 4.1.3.3 und insbes. Kap. 4.3.1).463 Evtl. ließe sich die formale Klassifikation anhand der folgenden Überlegung nachvollziehen. Die Konzeptualisierung einer toten Person entspricht der Erinnerung an sie, d.h., sie wird in der Art konzeptualisiert, wie sie vor Eintritt ihres Todes war. Demnach wäre eine Verbindung aus einem physischen und einem psychisch-mentalen Konzept wahrscheinlich. Auch eine Person mit dem Merkmal [– am Leben] wie in [130] würde demnach komplex konzeptualisiert. Im Beispiel enthält das Objekt zusätzlich relationale Informationen. Es handelt sich um angenommene Verwandte des Sprechers. Wie in Kap. 4.3.1 argumentiert wird, kann der entsprechende Gesamttyp daher in solchen Fällen zusätzlich einen relationen Typen erhalten.464
462 Möglicherweise wäre eine Unterscheidung [+ lebt] gegenüber [+ hat gelebt, ist tot] sinnvoll. Sie ist etwas genauer. 463 Die Einbettung von Stage-Level-Nominals unter ein Verb gibt einen aktualisierten Wahrheitswert aus: «[T]he matrix predicate is interpreted as occurring within the interval in which the resulting states […] hold» (Busa 1999, 364). 464 Die Überlegung kann in aller Kürze wie folgt präzisiert werden (s. auch Kap. 4.3.1). Die NP nuestros muertos (‘unsere Verstorbenen’) denotiert der außersprachlichen Entität, auf die nuestros (‘unsere’) referiert, nahestehende Personen. Über die lexikalische Vererbung kann die NP mit Bedeutungskomponenten eines Lexems wie parientes (‘Verwandte’) und u.U. auch amigos
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
Die anderen beiden Objekte sind Abstrakta. Eines davon ist komplexen Typs (s. [131]). [131]
Hoy […] llama la atención la falta de cautela con que se insultaba a un país cuyo primer mandatario, el Presidente Eisenhower, había de desfilar pocos años más tarde por las calles de Madrid junto al general Franco […]. (USO:029.34) ‘Heute fällt der Mangel an Vorsicht auf, mit dem man ein Land beleidigte, dessen Staatsoberhaupt, der Präsident Eisenhower, wenige Jahre später neben General Franco durch die Straßen Madrids defilieren würde.’
Im weiteren Kontext zu [131]465 wird deutlich, dass die Beleidigung der amerikanischen Gesellschaftstruktur und Gesellschaft gilt. Die Beleidigung ist rassistisch und stellt insbesondere auf die Möglichkeit zur Teilhabe und die tatsächliche Teilhabe von bestimmten Bevölkerungsgruppen ab. Der Typ von un país (‘ein Land’) in [131] setzt sich folgendermaßen zusammen. Es handelt sich dabei zunächst um eine Art Organisation, das Regel- bzw. Normenwerk ist relevant, der geographische Bedeutungsbestandteil spielt hingegen bspw. kaum eine Rolle. Der Basistyp ist also abstrakt-funktional. Er wird verbunden mit einem natürlichen bzw. u.U. komplexen Typen für die Bevölkerungsgruppen und ihr Handeln. Das Objekt país (‘Land’) ist also komplexen Typs. Das zweite Abstraktum ist abstrakt-funktionalen Typs (s. [132]). [132]
Los zapatos topolino desentonaban. […][P]orque su factura audaz e informal […] insultaba el buen gusto que habían ostentado tradicionalmente las españolas […]. (USO:080.13) ‘Die Topolino-Schuhe waren fehl am Platz. Denn ihre kühne und unkonventionelle Machart beleidigte den guten Geschmack, den die Spanierinnen traditionell gezeigt hatten.’
(‘Freunde’) angereichert werden. Entsprechend dieser Überlegungen würde der komplexe Typ des Objekts auch einen Subtypen der Relationalität beinhalten. 465 Der Akt der Beleidigung gipfelt in der folgenden Aussage: «No queremos el progreso, el romántico y liberal, capitalista y burgués, judío, protestante, ateo y masón progreso yanqui.» (Martín Gaite 1987, 16, ‘Wir wollen den Fortschritt nicht, den romantischen und liberalen, kapitalistischen und spießbürgerlichen, jüdischen, protestantischen, atheistischen und freimaurerischen Fortschritt der Yankees.’)
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
377
Während gusto (‘Geschmack’) zunächst eine eher statische Eigenschaft meint und daher abstrakt-natürlichen Typs ist, denotiert das Objekt in [132], buen gusto (‘guter Geschmack’), eine erlernbare Fähigkeit, die einen bestimmten Kleidungsstil zur Folge hat oder haben kann. Offenbar wird insultar (‘beleidigen’) hier nicht in einer allzu engen Grundbedeutung verwendet. Es wird kein Redeakt bezeichnet, sondern die Darstellung einer negativen Haltung in Bezug auf das Objektdenotat. Es geht um das Zurschaustellen eines Kleidungsstücks, das nicht mit dem Ziel der Fähigkeit kompatibel ist, die vom Objekt denotiert ist, nämlich sich gut zu kleiden (telisches Quale). Vom Verb bleibt also der Bedeutungsanteil erhalten, dass eine Haltung zum Ausdruck gebracht wird, die negativ gegenüber einer anderen Entität ist. Es ändert sich, wie gesagt, jedoch der Bedeutungsbestandteil, wie sie zum Ausdruck gebracht wird. Dass der negativen Haltung auf einem anderen Weg als durch einen Redeakt Ausdruck verliehen wird, lizensiert das Auftreten des Objekts mit abstraktem Denotat. Da sein telisches Quale entsprechend spezifiziert ist (s.o.), ist keine weitere Anreicherung nötig. Das Objekt ist also nicht-komplex, sondern vielmehr abstrakt-funktionalen Typs. Es weist keine a-Markierung auf. Somit gilt auch bei den Okkurrenzen von insultar (‘beleidigen’) im Korpus das ikonische Prinzip, wonach nur Objekte komplexen Typs markiert sind. 4.1.2.3.2 Acusar (‘beschuldigen’, ‘anklagen’) Das Verb acusar (‘beschuldigen’, ‘anklagen’) ist stärker polysem als insultar (‘beleidigen’). Die Grundbedeutung und –konfiguration sind wie in Kap. 4.1.2.3 angedeutet jedoch ähnlich. Auch acusar (‘beschuldigen’, ‘anklagen’) hat typischerweise ein willentlich handelndes Agens als Subjekt. Die Handlung kann verschiedene Formen annehmen, wird aber noch häufiger als bei insultar (‘beleidigen’) als (mündlicher oder schriftlicher) Redeakt realisiert. Auch hier kann trotz der Telizität des Verbs die Realisierung der Handlung ausgedehnt sein, wobei der Kulminationspunkt dann nicht präzise delimitiert ist. Das Objekt ist etwas weniger stark affiziert als beim zuvor besprochenen Verb. Die Art der Betroffenheit ist abstrakter Natur. Eine lexikalischsemantische Zerlegung ergibt, dass das Objektdenotat streng genommen lediglich peripher betroffen ist: Im Gegensatz zu den Verhältnissen bei insultar (‘beleidigen’) setzt acusar (‘beschuldigen’, ‘anklagen’) nicht voraus, dass das Objektdenotat an der Handlung beteiligt ist. Es braucht also weder physisch anwesend zu sein noch mental oder psychisch des Sachverhaltes gewahr zu werden. Es spricht allerdings manches dafür, dass die Konzeptualisierung des Sachverhaltes nicht allzu stark von derjenigen von Verben wie insultar (‘beleidigen’) abweicht. Auch hier ist im telischen Quale des Verbs spezifiziert, dass sich ein negativer Effekt für das Objekt ergibt. Er ist die Grundlage dafür, dass die Konzeptualisierung die Betroffenheit mehrerer
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
Ebenen involvieren kann. Der Abstraktionsgrad ist allerdings bei acusar (‘beschuldigen’, ‘anklagen’) höher als beim zuvor beschriebenen Verb, was ein Argument für die Einordung als weniger transitiv ist. Hier besteht die Betroffenheit lediglich darin, dass das Objektdenotat mit Eintreten des Kulminationspunkts das zusätzliche Merkmal [+ beschuldigt] erhält. Es handelt sich also hier wie auch bei anderen Verben, die keinen hohen Transitivitätsgrad aufweisen, offensichtlich um keinen Zustandswechsel. Es könnte aber evtl. von einer Zustandsänderung gesprochen werden. Unabhängig davon sind seitens des Objektdenotats stets alle relevanten Ebenen von der Merkmalsanreicherung betroffen.466 Im Korpus treten insgesamt 28 relevante Okkurrenzen von acusar (‘beschuldigen’, ‘anklagen’) auf. 17 der Objekte sind a-markiert. Sie sind allesamt komplexen Typs. Alle 11 unmarkierten Objekte sind nicht-komplex. Mit 16 Okkurrenzen denotieren fast alle a-markierten Objekte menschliche Entitäten oder Organisationen. Davon weisen 8 Objekte einen Typen auf, der nicht durch organisatorische Bedeutungsbestandteile angereichert ist. In 7 dieser Fälle werden Individuen denotiert (s. [133]), in einem Fall ein Kollektivum (s. [134]). Sie sind alle komplexen Typs. [133]
–¿Por qué acusas a tu padre? –preguntó Julián al chico. (JOV:170.40) ‘«Warum beschuldigst du deinen Vater?», frug Julián den Jungen.’
[134] Es hora ya de decir bien alto que la apatía, la falta de inquietud, la frivolidad, el egoísmo, todo eso de que se acusa a nuestra juventud, no lo son por ella misma, sino por quienes no han sabido moldearla... (USO:216.26) ‘Es ist höchste Zeit, laut auszusprechen, dass die Apathie, der Mangel an Interessen, die Leichtlebigkeit, der Egoismus, all das, wessen man unsere Jugend beschuldigt, nicht wegen ihr selbst ihre Eigenschaften sind, sondern wegen denen, die sie nicht zu formen wussten…’ Die Beispiele bestätigen die obigen Ausführungen. Indem die Handlung ihren Kulminationspunkt erreicht, wird das Objektdenotat mit dem Merkmal [+ beschuldigt] angereichert. Es betrifft alle relevanten Ebenen. Relevant sind im Kontext jeweils die intrinsischen Eigenschaften des Objektdenotats. In [133] sind das die mentale bzw. psychische und die physische Ebene. Im weiteren Kontext thematisieren die Figuren der Narration das Verhalten des Objektreferenten. Das
466 Dass die Merkmalsanreicherung vom Objektdenotat nur auf mentaler Ebene wahrgenommen werden kann, ist eine andere Frage, die hier nicht relevant ist.
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
379
Beispiel [134] ist ähnlich gelagert. Auch hier werden die beiden Ebenen besprochen, die gemeinsam das Verhalten des Referenten von nuestra juventud (‘unsere Jugendlichen’) bestimmen und ausmachen. Insgesamt finden sich 7 Objekte im Korpus, die Parteien, Gewerkschaften und andere politische Institutionen oder Einrichtungen denotieren. Es handelt sich dabei um Mengen menschlicher Entitäten, die in einer gewissen Weise geordnet und durch ein irgendwie geartetes Organisationsprinzip miteinander verbunden sind.467 [135]
En un comunicado difundido por UGT se acusa al equipo rectoral compostelano de pretender utilizar a los sindicatos para realizar las tareas que le corresponden por convenio a la propia Universidad. (2VO:030-1.1-12) ‘In einem Kommuniqué, das von der Gewerkschaft UGT verbreitet wurde, werden die Mitglieder des Rektorats von Compostela beschuldigt, zu versuchen, die Gewerkschaften für die Erfüllung von Aufgaben auszunützen, die entsprechend einer Vereinbarung von der Universität selbst zu erledigen sind.’
[136] La portavoz socialista en el debate, Carmen del Campo, acusó al PP de intentar convertirse en el «abanderado» de las autonomías de Ceuta y Melilla […]. (1VO:015-1.2-11) ‘Die Wortführerin der Sozialisten in der Debatte, Carmen del Campo, beschuldigte die Partei PP, zu versuchen, sich in den «Fahnenträger» der autonomen Regionen Ceuta und Melilla zu verwandeln.’ Bei einer Okkurrenz mit dem Kopfnomen equipo (‘Team’, ‘Arbeitsgruppe’, s. [135]) ist der Basistyp zweifelsohne der, der der Menge an menschlichen Entitäten zukommt (hier ein komplexer Typ). Dem Bedeutungbestandteil der Organisationsart – es handelt sich hier um Mitglieder des Rektorats – entspricht ein zusätzlicher Typ (abstrakt-funktional), der sich mit dem Basistypen zu einem komplexen Typen verbindet. Für das Objekt in [136] ist eine parallele Einordnung recht naheliegend. Das regierende Verb unterstützt dabei das entsprechende Potential von PP (‘Partei Partido Popular’), als Gruppe von Personen mit einer Organisationsstruktur konzeptualisiert zu werden. 467 Je nach Kontext kann einer der beiden Bedeutungsbestandteile hervorgehoben werden. Die Okkurrenzen deuten allerdings auf Folgendes hin. Bei einer Hervorhebung des Bestandteils der Menge menschlicher Entitäten wird der des Organisationsprinzips nicht gänzlich ausgeblendet. Eine Type Coercion hin zum Typen, der der Organisation entspricht, ist eher möglich.
380
4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
Für das folgende Beispiel ([137]) wird hingegen eine Type Coercion angenommen, die zu einer zu den oberen Beispielen parallelen Interpretation führt. Bei [138] wird schließlich von einem anderen Basistypen ausgegangen. [137]
Fuentes del propio sindicato afirmaron que estos sucesos se vienen sucediendo con cierta frecuencia y acusan a la Policía de no hacer nada al respecto. (2VO:027-1.5-18) ‘Gewerkschaftsinterne Quellen gaben an, es komme seit einer Weile immer wieder zu solchen Vorfällen, und beschuldigen die Polizei, diesbezüglich nichts zu tun.’
Die Großschreibung des Nomens Policía (‘Polizei’) zeigt an, dass das Wort die Polizei im Sinne einer Institution denotieren soll (cf. bspw. http://lema.rae.es/ drae/?val=Polic%C3%ADa, Zugriff: 02.02.19).468 Der Kontext zeigt allerdings, dass es sich um kein bloßes Abstraktum (im Sinne einer Organisation) handeln kann. Erstens gibt es offenbar eine räumliche Einschränkung der Referenzmenge. Es geht um die Polizei an einem bestimmten Ort, was zumindest gegen eine generalisierende Bezugnahme auf die Institution spricht. Zweitens wird ein Handlungsbedarf thematisiert, der nicht die Institution selbst betrifft. Die Phrase al respecto (‘diesbezüglich’) bezieht sich zurück auf die zuvor eingeführten Vorgänge (estos sucesos, ‘diese Vorfälle’). Sie sind nicht als konstitutiv für die Institution interpretierbar. Damit ist eine rein funktionale Lesart ausgeschlossen. Das dem Objekt entsprechende Konzept hat mithin die folgenden Bestandteile. Es umfasst die Institution als Abstraktum sowie die sie tragenden Mitglieder, denen wiederum die institutionellen Regeln als Organisationsprinzipien obliegen. Dem Nomen kommt in [137] ein abstrakt-funktionaler Basistyp zu. Durch eine Type Coercion wird ihm ein weiterer Typ für die menschlichen Entitäten hinzugefügt, die der Institution zugeordnet sind. Der zweite Typ ist funktional, könnte aber auch komplex sein, würde auf das Versagen von Einzelpersonen abgestellt. So entsteht ein komplexer Typ. Die Markierung des Objekts erfüllt also die Erwartungen.
468 Das Diccionario de la lengua española der RAE gibt als erste Bedeutung von policía (bzw. Policía) an: «Cuerpo encargado de velar por el mantenimiento del orden público y la seguridad de los ciudadanos, a las órdenes de las autoridades políticas.», «Escr. con may. inicial» (http:// lema.rae.es/drae/?val=Polic%C3%ADa, Zugriff: 02.02.19, etwa: ‘Organ, das damit beauftragt ist, die Einhaltung der öffentlichen Ordnung und die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten, wobei sie den politischen Behörden Folge leistet. Großschreibung.’).
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
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[138] La medida tiene su origen en una denuncia presentada el año pasado por la Unión de Consumidores de España (UCE), en la que acusaba al banco de haber contratado en nombre de un suscriptor de un préstamo un seguro de vida con la compañía Erpin, que le garantizara la devolución de la cantidad prestada. (1VO:058-1.1-47) ‘Die Maßnahme hat ihren Ursprung in einer Anzeige, die vergangenes Jahr von der Unión de Consumidores de España (spanischer Verbraucherverband, UCE) erstattet wurde, in der die UCE die Bank beschuldigte, im Namen eines Darlehensnehmers eine Lebensversicherung mit der Firma Erpin abgeschlossen zu haben, die ihm die Rückzahlung der geliehenen Menge garantieren sollte.’ Auch banco (‘Bank’) in [138] ist komplexen Typs. Die Ausführungen sind parallel zu den obigen mit dem Unterschied, dass der Basistyp des Objekts hier abstrakt-funktional ist und der weitere Typ, der hinzukommt, derjenige ist, der den menschlichen Entitäten entspricht, die die ‘Bank’ zu einer Organisation machen. Das unterscheidende Quale spezifiziert, dass eine Bank mit den Geldern ihrer Kunden arbeitet. Im Gegensatz zu [137] kann die PP in [138] daher von dem abstrakt-funktionalen Basistypen lizensiert werden. Dass die PP eine ganz bestimmte Verhaltensweise des Objektdenotats zum Ausdruck bringt, lässt sich folgendermaßen einbetten. Die Phrase de haber contratado en nombre de un suscriptor de un préstamo un seguro de vida con la compañía Erpin (‘im Namen eines Darlehensnehmers eine Lebensversicherung mit der Firma Erpin abgeschlossen zu haben’) denotiert eine Ausdifferenzierung eines grundlegend üblichen Verhaltens einer Bank. Sie unterscheidet so die bestimmte Bank, auf die im Beispiel referiert wird, von anderen Banken. Nichtsdestotrotz sind auch hier die handelnden Personen in der Konzeptualisierung enthalten. In den Kotext einschließlich der PP, insbesondere unter das regierende Verb kann das Objekt nur als komplexer Typ eingebettet werden. Die zu Beginn des Unterkapitels angesprochene Polysemie von acusar (‘beschuldigen’, ‘anklagen’) tritt im Korpus nur in Strukturen mit Objekten auf, deren Semantik keine menschlichen Entitäten beinhaltet. Anhand der folgenden Konstruktionen kann ein interessanter Ausschnitt der Bedeutungsvariabilität gezeigt werden. [139] El uniforme es el que acusa lo que de verdad sucede […]. (RAT:156.05) ‘Die Uniform ist das, was zeigt, was wirklich geschieht.’
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
[140] El Real Mallorca por su parte, acusa la baja de la reciente cesión del Barcelona, Antonio Pinilla […]. (1VO:043-1.1-05) ‘Der Fußballverein Real Mallorca beklagt469 seinerseits den Ausfall des seit Kurzem von Barcelona geliehenen Spielers Antonio Pinilla.’ [141]
BERTA va a seguirla pero se cierra la puerta con cierta violencia. BERTA acusa el golpe con manifiesto desasosiego. (HOM:077.02) ‘Berta geht ihr nach, aber die Tür wird recht laut zugeschlagen. Berta reagiert mit merklicher Beunruhigung auf den Schlag.’
[142]
Una leve contracción en la espalda de NÉSTOR acusa la invitación. (CAI:072.21) ‘Eine leichte Muskelkontraktion an Néstors Rücken bestätigt die Einladung.’
Offenbar gehen die Verwendungsweisen des Verbs semantisch verhältnismäßig weit auseinander. Ein Zusammenhang mit der Aktantenkonfiguration ist wie gesagt naheliegend, allerdings scheint er nur schwerlich über eine Tendenz hinaus bestimmt werden zu können. Die lexikalisch-semantische Information der ADESSE ist hier unterspezifiziert, die Bedeutungsangabe ist weit gefasst. Demnach weisen die Verben in [139], [140] und [142] die Bedeutung «acusar-II1» (http://adesse.uvigo.es/, Datenbankanfrage zuletzt überprüft: 28.08.14) und in [141] «acusar-II1a» (ibid.) auf. Die erstgenannte Bedeutung wird angegeben mit «sentir o manifestar unos síntomas como efecto de una causa» (http://adesse. uvigo.es/data/verbos.php?sense=3766, Zugriff: 02.02.19, ‘bestimmte Symptome fühlen oder zeigen, die die Folge einer Ursache sind’). Die zweite ist eine Unterbedeutung der ersten, die speziell für Strukturen verwendet wird, die das Lexem golpe (‘Schlag’) als Objekt haben. Sie wird unter Anführung der besagten Restriktion angegeben mit «dar muestras [alguien] de haber sido afectado por un determinado suceso» (http://adesse.uvigo.es/data/fichas.php?id_cl=73146, Zugriff: 02.02.19, ‘das Offenbaren von Anzeichen [durch eine Person] dafür, dass ein bestimmtes Ereignis die Person betroffen hat’). Die Bedeutungsdefinition mit
469 Beklagen ist hier nicht in der Grundbedeutung verwendet, bei der das Subjektdentotat eine Serie verbaler Handlungen durchführt. Das Subjekt ist kein Agens, sondern ein Experiencer, das Verb drückt keine Aktivität, sondern einen Zustand aus (cf. das Beispiel zur Bedeutung 1.a im Online-Duden: «Menschenleben waren nicht zu beklagen (es gab keine Toten bei etwas)», http:// www.duden.de/rechtschreibung/beklagen, Kursiva i.O., Zugriff: 02.02.19). Das nähert die Verwendung der Bedeutung «acusar-II1» (s.u.) an.
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
383
manifestar (‘zeigen’) trifft bei [139] zu. Auch bei [140] besteht eine Tendenz dazu (s. Fußnote zur Übersetzung des Beispiels). Allerdings schwingt im Gegensatz zu [139] eine negative Haltung des Subjektdenotats gegenüber dem ausgedrückten Sachverhalt mit, die wiederum an die Grundbedeutung von acusar (‘beschuldigen’, ‘anklagen’) erinnert (s.o.). Das Verb in [142] allerdings lässt sich entgegen der Angabe in der ADESSE-Datenbank (http://adesse.uvigo.es/data/fichas. php?id_cl=39194, Zugriff: 02.02.19) mit der Bedeutung «acusar-II1» im Grunde nicht mehr umschreiben. Der Ausdruck ist in der häufigeren Struktur acusar recibo de algo (‘den Eingang / Empfang von etwas bestätigen’, cf. bspw. auch Eintrag 5 im Online-Wörterbuch des Pons-Verlags, http://de.pons.com/%C3%BCbersetzung?q=acusar&l=dees&in=&lf=de, Zugriff: 02.02.19) idiomatisiert. Bereits Cuervo (1886, 174) erkennt die Fixierung und bezeichnet die Verwendung unter Verweis auf die ablehnende Haltung des Diccionario de Autoridades als mittlerweile üblich. Diskutabel bleibt, wie die Bedeutungen miteinander zusammenhängen. Ein gemeinsames Sem ist in jedem Fall vorhanden. Es wird stets etwas «gezeigt» oder auch «angezeigt», wobei es sich bei diesem Sachverhalt um einen mehr oder weniger abstrakten Vorgang oder Zustand handeln kann. Unabhängig davon, dass es sich bei derartigen Okkurrenzen offensichtlich um kein Sprechaktverb handelt, kann die Parallele als Grund für die gemeinschaftliche Besprechung der beiden großen semantischen Klassen angeführt werden. Im Korpus denotieren 10 Objekte ein Abstraktum. Dazu gehören auch die Okkurrenzen [139]–[142]. 5 Objekte sind abstrakt-natürlichen Typs (s. bspw. [139], [140]) und 5 sind abstrakt-funktionalen Typs (s. bspw. [141], [142] und [143] unten). In 9 der 10 Okkurrenzen mit abstraktem Denotat weicht das Verb von der Grundbedeutung ab und nimmt eine der soeben aufgeführten Bedeutungen oder eine ihnen ähnliche an. Die anzunehmenden Restriktionen gehen wie angesprochen in erster Linie vom Objekt aus. Die Kombinatorik mit unterschiedlichen semantischen Klassen ist subjektseitig weit weniger beschränkt. Allerdings kann das Verb auch dann, wenn es eine Bedeutung hat, die der Grundbedeutung nahe ist, mit einem Objekt kombiniert werden, das ein Abstraktum denotiert (s. [143]). [143] […] no faltan consumidores hipersensibles, aprensivos o suspicaces que acusan la presencia de aditivos […]. (RAT:043.09) ‘Es mangelt nicht an Verbrauchern, die überempfindlich, überängstlich oder misstrauisch sind und das Auftreten von Zusatzstoffen anklagen.’ Ein einzelnes Objekt im Korpus denotiert ein Konkretum (s. [144]).
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
[144] En realidad acusa un callo en su mano derecha, producido por el roce con la empuñadura de la raqueta. (3VO:045-2.1-16) ‘Tatsächlich leidet470 er an einer Schwiele an der rechten Hand, die von der Reibung am Griff des Schlägers hervorgerufen wurde.’ Das Objekt in [144] nähert sich inhaltlich den im Zusammenhang mit coger (‘nehmen’, ‘ergreifen’; ‘bekommen’) diskutierten Krankheiten an (s. Kap. 4.1.2.1.2). Die Verbbedeutung ähnelt derjenigen in [140]. Eine gezielte Korpus-Anfrage im CREA471 gibt zumindest eine solche Okkurrenz aus. Der Suchbegriff «acus* dist/4 tos» (das bedeutet, dass gesucht wird nach Okkurrenzen aus jeglicher lexikalischen Einheit, die mit «acus» beginnt und bei der in einer Entfernung von maximal vier Wörtern das Wort tos (‘Husten’) auftritt) gibt ein Beispiel aus (s. [145], cf. http://corpus.rae.es/cgi-bin/crpsrvEx.dll, Zugriff: 06.11.15).472 Das Objekt in [144] ist natürlichen Typs. Das Objekt in [145] fällt in die Gruppe der Abstrakta. In Übereinstimmung mit den Ausführungen zu Krankheiten in Kap. 4.1.2.1.2 wird es auch als abstrakt-natürlichen Typs klassifiziert.
470 Wie auch in der Konstruktion acusa la baja (s. [140] oben) ist das Verb in der deutschen Übersetzung leicht desemantisiert zu verstehen. Es ist nicht ‘Schmerzen empfinden’ gemeint, sondern «von etwas (Negativem) betroffen sein» (http://www.duden.de/rechtschreibung/leiden, Bed. 2, Zugriff: 02.02.19). 471 Auch die hier referierten Anfragen zu acusar (‘beschuldigen’, ‘anklagen’) im CREA wurden unter der (einzigen) Restriktion durchgeführt, dass nur Okkurrenzen aus Texten aus Spanien ausgegeben werden sollten. 472 Suchbegriffe mit den Objekten gripa (‘Grippe’, Anfrage: «acus* dist/4 gripa», http:// corpus.rae.es/cgi-bin/crpsrvEx.dll?MfcISAPICommand=buscar&tradQuery=1&destino=0& texto=acus*+dist%2F4+gripa&autor=&titulo=&ano1=&ano2=&medio=1000&pais=9&tema=1000, Zugriff: 06.11.15) und fiebre (‘Fieber’, Anfrage: «acus* dist/4 fiebre», http://corpus.rae.es/cgi-bin/ crpsrvEx.dll?MfcISAPICommand=buscar&tradQuery=1&destino=0&texto=acus*+dist%2F4+ fiebre&autor=&titulo=&ano1=&ano2=&medio=1000&pais=9&tema=1000, Zugriff: 06.11.15) sowie constipado (‘Schnupfen’, Anfrage: «acus* dist/4 constipado», http://corpus.rae.es/cgi-bin/ crpsrvEx.dll?MfcISAPICommand=buscar&tradQuery=1&destino=0&texto=acus*+dist%2F4+ constipado&autor=&titulo=&ano1=&ano2=&medio=1000&pais=9&tema=1000, Zugriff: 06.11.15) und catarro (‘Schnupfen’, Anfrage: «acus* dist/4 catarro», http://corpus.rae.es/cgi-bin/crpsrvEx. dll?MfcISAPICommand=buscar&tradQuery=1&destino=0&texto=acus*+dist%2F4+catarro&autor= &titulo=&ano1=&ano2=&medio=1000&pais=9&tema=1000, Zugriff: 06.11.15) geben jeweils keine Okkurrenzen aus.
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
385
[145] De noche acuso una áspera tos, nada preocupante. (CREA: GiménezArnau 1977)473 ‘In der Nacht macht sich bei mir ein kratzender Husten bemerkbar, nichts Besorgniserregendes.’ 4.1.2.3.3 Denunciar (‘anzeigen’, ‘öffentlich verurteilen’) Das Verb denunciar (‘anzeigen’, ‘öffentlich verurteilen’) wird analysiert, um die Verhältnisse von acusar (‘beschuldigen’, ‘anklagen’) zu überprüfen. Im Korpus findet sich hier ein wesentlich höherer Anteil an Objekten, die Abstrakta denotieren. Darunter sind einige sehr interessante Okkurrenzen. In mehreren Fällen ist das Objekt als komplexe Nominalphrase realisiert, in der die eingebetteten Elemente den Kopf modifizieren, was wiederum bei der Bestimmung des Typs des Objekts zu beachten ist. Auch denunciar (‘anzeigen’, ‘öffentlich verurteilen’) ist in der Grundbedeutung ein telisches Verb. Es drückt dann ein Event aus, das von einem volitionalen Agens, in aller Regel eine menschliche Entität, ausgeht. Der bezeichnete Sachverhalt wird typischerweise als sprachliche oder anderweitige Kommunikationshandlung realisiert. Die Betroffenheit kommt auch hier auf abstrakter Ebene zustande. Das Objektdenotat muss der Realisierung der Handlung nicht beiwohnen. Von einer Änderung seines Gesamtzustands kann nicht ausgegangen werden. Mit der Kulmination wird es lediglich mit dem Sem [+ angezeigt] angereichert. Es ist eher peripher, aber auf allen relevanten Ebenen betroffen. Auch bei denunciar (‘anzeigen’, ‘öffentlich verurteilen’) lässt sich eine gewisse Polysemie zeigen, die der von acusar (‘beschuldigen’, ‘anklagen’) ähnelt.474 Bei der Besprechung der Abstrakta werden die Selektionsrestriktionen des Verbs bezüglich des Objekts relevant. Sie sind keineswegs besonders stark. Wichtig ist v.a. der folgende Bedeutungsbestandteil. Im Objektdenotat muss die Möglichkeit angelegt sein, dass das Subjektdenotat ihm oder einer seiner Facetten gegenüber gegensätzlich eingestellt sein kann. Es muss zumindest eine der folgenden beiden Optionen zutreffen. Erstens: das Objektdenotat kann aufgrund seiner intrinsischen Beschaffenheit volitional handeln. Oder bzw. und zweitens: das 473 Der Link zum individuellen Eintrag im Korpus ist der folgende: http://corpus.rae.es/cgi-bin/ crpsrvEx.dll?visualizar?tipo1=5&tipo2=0&iniItem=0&ordenar1=0&ordenar2=0&FID=061115\018\ C000O06112015182240272.1168.1164&desc = {B} +{I} + acus* + dist/4 + tos{|I}, + en + todos + los + medios, + en +{I}CREA +{|I} +, + en +{I}ESPA%D1A +{|I}{|B}{BR}&tamVen = 1&marcas = 0#acierto0, Zugriff: 06.11.15. 474 Dass die Verben acusar (‘beschuldigen’, ‘anklagen’) und denunciar (‘anzeigen’, ‘öffentlich verurteilen’) sich hinsichtlich einiger unterschiedlicher Bedeutungen ähneln, könnte als Hinweis auf eine Systematik in der Konzeptualisierung interpretiert werden.
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
Objektdenotat oder die Facette, gegenüber der das Subjektdenotat negativ eingestellt ist, ist änderbar.475 Die erste Option ist bei menschlichen Denotaten gegeben. Die zweite greift insbesondere bei Objekten abstrakt-funktionalen Typs. Bei Objekten abstrakt-natürlichen Typs ist sie im Einzelnen zu überprüfen. Das Korpus enhält 33 relevante Fälle von denunciar (‘anzeigen’, ‘öffentlich verurteilen’). Bei all diesen Okkurrenzen ist Ikonizität gegeben. 3 Objekte sind markiert und komplexen Typs. Die 30 Objekte, die ohne Marker auftreten, sind nicht-komplexen Typs. Von den Objekten, die komplexen Typs sind, denotieren zwei menschliche Entitäten (s. [146]). [146] […] habrá que denunciar al asesino. (HOT:079.04) ‘Man wird den Mörder anzeigen müssen.’ Das Beispiel [146] bietet vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen kaum Diskussionsstoff. Das Objekt denotiert hier keine Funktion, sondern eine menschliche Entität mit bestimmten Eigenschaften. Das Denotat konstituiert sich inhärent mental und physisch. Das Potential zu willentlichem Handeln ist gegeben. Das Objekt ist in den in [146] ausgedrückten Sachverhalt notwendigerweise in seiner Gesamtheit involviert. Es sind also beide Ebenen relevant, das Objekt ist komplexen Typs.
475 Dies ist beispielsweise bei Nomen nicht der Fall, die Phänomene des Wetters denotieren. Die Divergenz ist naheliegend. Müsste das Objektdenotat unbedingt änderbar sein, würde das bedeuten, dass die Struktur *denunciar + ‘Objekt, das ein Wetterphänomen denotiert’ asemantisch wäre. Eine kurze Recherche scheint das zu untermauern. Der String «denunc* el tiempo» mit der diatopischen Beschränkung «Spanien» findet sich nicht im CREA (cf. http://corpus. rae.es/cgi-bin/crpsrvEx.dll?MfcISAPICommand=buscar&tradQuery=1&destino=0&texto=denunc*+el+tiempo&autor=&titulo=&ano1=&ano2=&medio=1000&pais=9&tema=1000, Zugriff: 03.09.14). Die entsprechende Anfrage mit dem String «denunc* al tiempo» gibt ein Ergebnis aus, bei dem jedoch tiempo (‘Wetter’, ‘Zeit’) kein Akkusativobjekt von denunciar (‘anzeigen’, ‘öffentlich verurteilen’) ist (cf. http://corpus.rae.es/cgi-bin/crpsrvEx.dll?MfcISAPICommand=buscar&tradQuery=1&destino=0&texto=denunc*+al+tiempo&autor=&titulo=&ano1=&ano2=&medio=1000&pais=9&tema=1000, Zugriff: 03.09.14). Auch bei einer strikten Internetanfrage (d.h. unter Verwendung von Anführungszeichen um den gesuchten String herum: «denunciar el tiempo») mit der Suchmaschine Google finden sich unter den ersten 20 Ergebnissen keine in der Art, wie sie hier gesucht werden (cf. https://www. google.de/search?q=%22denunciar+el+tiempo%22&ie=utf-8&oe=utf-8&aq=t&rls=org.mozilla:de:official&client=firefox-a&channel=fflb&gfe_rd=cr&ei=wc4GVM36F4SQ-wb3vYCwBg, Zugriff: 03.09.14). Bei 15 der Ergebnisse werden näher spezifizierte Zeitabschnitte denotiert, bei den anderen 5 Suchresultaten besteht kein Rektionsverhältnis zwischen Verb und Nomen (cf. ibid.).
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
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[147] La Unión de Consumidores de España (UCE) ha denunciado a la empresa Bentley Club Internacional por estafa […]. (3VO:054-4.1-03) ‘Die Unión de Consumidores de España (spanischer Verbraucherverband, UCE) hat die Firma Bentley Club Internacional wegen Betrugs angezeigt.’ Auch das Objekt in [147] ist komplexen Typs. Allerdings liegt hier ein abstraktfunktionaler Basistyp vor, der der Firma als Organisation entspricht und der mit einem komplexen (oder funktionalen) Typ für die Mitarbeiter zusammengesetzt ist. Die Argumentation entspricht in etwa der von [138] oben (acusar + banco). Die Qualia des Konzepts ‘Firma’ enthalten die Information, dass sie am Markt agiert, wobei sie bestimmten Regeln unterworfen ist (konstitutiver Faktor). Das Konzept der Regeln beinhaltet die Information, dass sie entweder befolgt oder missachtet werden können. Die zweitgenannte Option ermöglicht die Einbettung unter das Verb. Aufgrund der Individuierung des Objekts im Beispiel ist allerdings eine rein abstrakte Lesart ausgeschlossen, da seitens der Organisation ein willentliches Handeln vorausgesetzt wird. Von der Anzeige sind die in die Organisation involvierten handelnden menschlichen Entitäten mitbetroffen. Mithin ist das Objekt komplexen Typs. Der Block der Objekte, die nicht-komplexen Typs sind, gliedert sich in zwei annähernd gleich verteilte Gruppen. 16 Okkurrenzen sind abstrakt-natürlichen und 14 abstrakt-funktionalen Typs. Die obige Andeutung, dass die Objekte, die Abstrakta denotieren, hier besonders interessant sind, bezieht sich einerseits auf die Abgrenzung zwischen den beiden Gruppen und andererseits innerhalb der Gruppe von Objekten abstrakt-natürlichen Typs darauf, wie die Rektion durch denunciar (‘anzeigen’, ‘öffentlich verurteilen’) lizensiert wird. [148] Los Comités Abertos de Filología denuncian deficiencias en el edifico (2VO:037-5.0-02)476 ‘Die Studentenvertretung Comités Abertos de Filología klagt über Mängel im Gebäude.’ [149] Seguí corriendo y denunciando el caos imperante hasta que me faltó el resuello […]. (LAB:038.24) ‘Ich rannte weiter und schimpfte dabei über das herrschende Chaos, bis mir die Luft ausging.’
476 Es handelt sich hierbei um eine Überschrift. Dies lizensiert die Bare NP in Objektposition.
388
4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
Die Kategorisierung der Objekte in [148] und [149] ist unproblematisch. Beide sind abstrakt-natürlichen Typs. Die Semantik der Objekte, deficiencias (‘Mängel’) und caos imperante (‘herrschendes Chaos’), ist nicht bezüglich einer willentlichen Urheberschaft und auch nicht hinsichtlich eines bestimmten Ziels spezifiziert.477 Die Rektion wird dadurch lizensiert, dass sowohl die denotierten Baumängel (deficiencias, ‘Mängel’), als auch das Verkehrschaos (caos, ‘Chaos’) prinzipiell änderbar sind. [150] Denuncian también la situación de las desigualdades en las retribuciones salariales entre los distintos profesores que componen el claustro […]. (2VO:030-2.1-13) ‘Sie verurteilen auch die Situation, in der Unterschiede in der Entlohnung zwischen den einzelnen Lehrern herrschen, die die Lehrerversammlung bilden.’478 Auch das Objekt in [150] ist abstrakt-natürlichen Typs. Das Nomen situación (‘Situation’) denotiert einen oft räumlich-zeitlich, hier vor allem hinsichtlich seiner Qualität spezifizierten Zustand. Das Konzept könnte nur durch lexikalische Vererbung in ein funktionales umgewandelt werden. In [150] ist das nicht der Fall. Die Rektion wird wiederum dadurch lizensiert, dass der ausgedrückte Zustand änderbar ist (s.u.). Interessant ist die Verteilung der Typen innerhalb der formal komplexen NP. Das denotative Potential von situación (‘Situation’) fungiert als eine Art Container für den semantischen Gehalt der eingebetteten (komplexen) PP. Durch die Einbettung wird das unterscheidende Quale von situación, d.h. ihre Beschaffenheit, spezifiziert. Bei den beiden anderen Nomen sind die Umstände andere. Die NP retribuciones salariales (‘Entlohnung’) ist ein sehr typischer Vertreter der Gruppe von Nomen abstrakt-funktionalen Typs. Der Ortus-Faktor enthält die Information über die Entscheidung eines Arbeitgebers.479 Das Ziel ist die Kompensierung des Aufwandes eines Arbeitenden. Das Nomen desigualdades (‘Unterschiede’) denotiert ein relationales Konzept, nämlich die ordinale Relation zwischen Bestandteilen der Menge der Werte, die die NP retribuciones
477 Beispiele wie [148] bieten sich zudem an, pragmatisch aufgeladen zu werden. Das ist hier allerdings nicht der Fall. 478 Eine freie Übersetzung wie die vorgeschlagene bietet sich hier an. Die Struktur der Objekt-NP im Spanischen, an die eine PP andockt, spielt für die tiefensemantische Analyse allerdings eine Rolle (s. Fließtext). 479 Natürlich muss die Entscheidung nicht unbedingt von einem Arbeitgeber im engsten Sinne getroffen werden. Je nach Berufsfeld kann bspw. ein Träger die Aufgabe übernehmen.
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
389
salariales (‘Entlohnung’) denotiert. Es ist semi-intentionalen Typs. Sein Ortus-Faktor ist im Beispiel spezifiziert als die Festlegung der Höhe einzelner Löhne oder Lohngruppen. Das telische Quale hingegen ist nicht spezifiziert. Etwaige denkbare Ziele des Unterschieds in der Besoldung sind nicht Teil des Lexikoneintrags, sondern werden pragmatisch inferiert. Auf die Tiefensemantik von situación (‘Situation’) werden für eine etwaige Funktionalisierung des Typs relevante Informationen nicht übertragen. Der Begriff abstrahiert grundsätzlich von einem Anfangs- und einem Endpunkt. Genauso unterbleibt auch die Spezifikation eines Ursprungs und eines Ziels. Das heißt, dass das unterscheidende Quale die Information enthält, dass die Natur der situación (‘Situation’) die einer Gehaltsungleichheit (desigualdades en las retribuciones salariales, ‘Unterschiede in der Entlohnung’) ist. Die Spezifizierung von deren Ursprung verbleibt jedoch bei ihr selbst und wird nicht auf die Ebene des «Containers» (s. oben) übertragen. In dem Zusammenhang lässt sich das folgende Beispiel schön diskutieren (s. [151]), das auch in die Gruppe des abstrakt-natürlichen Typs eingeordnet wird. [151] No he denunciado nada. (OCH:077.13) ‘Ich habe nichts verraten.’ Das Pronomen nada (‘nichts’) in [151] weist eine ganz ähnliche Funktionsweise auf. Es denotiert eine leere Menge, die kaum funktional aufgeladen werden kann. In komplexen Strukturen mit einem de-Komplement müsste nada (‘nichts’) dementsprechend als Container fungieren, der vom Pronomen selbst lexikalisch als leer spezifiziert wird und wo das de-Komplement angibt, für welche Entitäten zutrifft, dass die sie betreffende Menge leer ist. Welchen Typs die Entitäten sind, ist dann nicht relevant für den Typ von nada (‘nichts’). Unter den 14 Objekten abstrakt-funktionalen Typs finden sich etwa die folgenden Okkurrenzen. [152] Tu padre se ha ido al cuartelillo a denunciar el robo del depurador […]. (OCH:026.25) ‘Dein Vater ist auf das Revier gegangen, um den Diebstahl des Reinigers anzuzeigen.’ [153] En sus reivindicaciones los trabajadores del servicio de urgencias denuncian la mala organización del centro clínico […]. (3VO:060-4.1-22) ‘In ihren Forderungen verurteilen die Notdienstmitarbeiter die schlechte Organisation des Klinikums.’
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
Das Objekt robo (‘Diebstahl’) in [152] bezeichnet einen Sachverhalt, nämlich den des Entwendens eines Gegenstandes.480 Durch die Kombination aus regierendem Verb und Objekt ist zu inferieren, dass der Resultatszustand des Entwendens gemeint ist. In jedem Falle wird der vom Objekt denotierte Sachverhalt willentlich realisiert mit dem Ziel der Bereicherung der ihn durchführenden Entität. Eine Perspektivierung (hier als Nachzustand) ändert daran nichts. Das Akkusativobjekt in [153], mala organización (‘schlechte Organisation’), denotiert eine als Zustand zusammengefasste Menge einzelner Vorgänge. Zwar wird von den Einzelvorgängen abstrahiert, nicht aber von ihren Eigenschaften.481 Diese werden vielmehr an den Zustand vererbt. Die Einzelvorgänge sind zum großen Teil Handlungen, die grundsätzlich auf einer Planung basieren und zu einem entsprechenden Ziel führen sollen. Durch die Vererbung sind der Ortus-Faktor und der telische Faktor des Zustands spezifiziert. Das Objekt ist also abstraktfunktionalen Typs. Beim folgenden Beispielpaar zeigt sich eine tiefensemantische Divergenz, obwohl die Beispiele inhaltlich sehr ähnlich sind. Es ist ein Quasi-Minimalpaar mit einem abstrakt-natürlichen und einem abstrakt-funktionalen Typen. Das Beispielpaar ist auch in Hinblick auf die Diskrepanz interessant, die zwischen denotativer und referentieller Ebene besteht. [154.a] CHARITO.- […] No sé qué hacer, Néstor. NÉSTOR.- ¿Te refieres a denunciar lo ocurrido? (CAI:085.22) ‘Charito: «Ich weiß nicht, was ich tun soll, Néstor.» Néstor: «Beziehst du dich darauf, das Geschehene anzuzeigen?’ [154.b] RUFINA.- […] A mí ya no me quedan fuerzas para nada. NÉSTOR.- ¿Ni para denunciar el hecho? (CAI:067.11) ‘Rufina: «Ich habe für gar nichts mehr Kraft.» Néstor: «Nicht einmal dafür, die Tat anzuzeigen?»’ Während die NP lo ocurrido (‘das Geschehene’) in [154.a] abstrakt-natürlichen Typs ist, ist el hecho (‘die Tat’) in [154.b] abstrakt-funktionalen Typs. Oberflächensemantisch ist das wichtigste Unterscheidungsmerkmal ein implizierter Agens bei el hecho (‘Tat’), von dem bei lo ocurrido (‘das Geschehene’) abstrahiert wird. Es fällt auf, dass die beiden Denotate sich unterscheiden, obwohl
480 Das Nomen robo (hier: ‘Diebstahl’) kann auch das Diebesgut (‘Beute’ o.ä.) denotieren. 481 Die Wertung (mala, ‘schlechte’) ist nicht Teil der Eigenschaften. Allerdings verdeutlicht die Attribution die Konzeptualisierung als Menge von Einzelhandlungen.
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
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die Objekte den gleichen Referenten haben können.482 Die Opposition kann insofern stilistisch ausgenutzt werden. 4.1.2.4 Kurzes Zwischenfazit zu den Verben mit mittlerem Transitivitätsgrad Wie schon die Klasse der stark transitiven weisen auch die Verben mit mittlerem Transitivitätsgrad als Klasse keine einheitliche Korrelation mit dem Auftreten oder dem Ausbleiben der a-Markierung auf. Den Aufbau rechtfertigt u.a., dass die systematische Anordnung der Verben anhand ihres Transitititätsgrades große Vorteile für die Beschreibung bietet, da feine Abgrenzungen möglich sind. Während also etwa die Objekte des regierenden Verbs cambiar (‘verändern’, ‘tauschen’) im Korpus nur sehr selten markiert wurden (4,6% der Okkurrenzen), ging abrazar (‘umarmen’; ‘beinhalten’) mit einer sehr häufigen Markierung einher (85%). Eine Korrelation mit der Auftretenswahrscheinlichkeit eines Objekts mit menschlichem Denotat scheint naheliegend. Sie kann aber nur einen gewissen Teil der Daten beschreiben, weil es sich bei ihr nur um eine Tendenz handelt. Wichtig ist dabei, dass die Tendenz nicht bei allen Verben in gleichem Maße greift, da sie unterschiedlich starke Selektionspräferenzen aufweisen. Zudem liefert die Korrelation keine Erklärung im engeren Sinne. Der vorliegende Ansatz hingegen zeigt sich auch in Hinblick auf die verschiedenen semantischen Unterklassen der in dem Kapitel behandelten Verben äußerst hilfreich. So konnte die Realisierung der im Korpus auftretenden Objekte von Handlungs-, Substitutions- und Sprechaktverben einheitlich beschrieben werden. Die Motivierung der sprachlichen Realisierung erfolgte ikonisch anhand der dem Objekt in Einbettung zukommenden konzeptuellen Struktur. Bezüglich der Substitutionsverben wurde eine strukturelle Divergenz in der Aktantenselektion aufgezeigt und ihre Relevanz für die a-Markierung motiviert. Dabei wurde der Typen-Ansatz um die Kategorie eines relationalen Typs ergänzt.
4.1.3 Verben mit niedrigem Transitivitätsgrad Auch Verben mit niedrigem Transitivitätsgrad können recht unterschiedliche Sachverhalte beschreiben. Die Types des hier präsentierten kleinen Ausschnitts483
482 Beim vorliegenden Beispielpaar aus Buero Vallejos Theaterstück «Caimán» ist das der Fall. Die Objekte divergieren hinsichtlich ihres Denotats, referieren aber auf den gleichen Sachverhalt, eine Vergewaltigung. 483 Der Ausschnitt ist wohl nicht im eigentlichen Sinne repräsentativ für die Klasse der Verben mit niedrigem Transitivitätsgrad.
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
haben gemein, dass ein agentiver Erstaktant möglich ist. Allerdings sind nur zwei der Verben atelisch und durativ (tratar, ‘behandeln’, ‘umgehen mit’, und investigar, ‘untersuchen’, ‘ermitteln’). Die anderen beiden (abandonar, ‘verlassen’, ‘aufgeben’, und contratar, ‘einstellen’) sind hingegen telisch, wobei ihre möglicherweise ausgedehnte Nachphase konzeptuell relevant ist. Parallele Tendenzen der Verben bestehen wiederum hinsichtlich der geringen Involviertheit des Objektdenotats. Während das Subjektdenotat tendenziell willentlich und möglicherweise in seiner Gesamtheit involviert ist, ist die Betroffenheit des Objektdenotats indirekt und im Falle zumindest von investigar (‘untersuchen’, ‘ermitteln’) sogar nur peripher. Die ADESSE-Datenbank gibt von den 4 Types insgesamt 156 relevante Okkurrenzen aus.484 Davon sind 37 a-markiert (23,7%). 119 der Objekte treten ohne Marker auf (76,3%). Auch hier sind allerdings die Verhältnisse zwischen den Types nicht ausgeglichen. Abandonar (‘verlassen’) stellt mit relevanten 100 Okkurrenzen die größte Gruppe, wovon aber nur 7 markiert sind (7%). Bei tratar (‘behandeln’, ‘umgehen mit’) ist hingegen mit 24 von 38 Okkurrenzen ein verhältnismäßig großer Anteil markiert (63,2%). Die anderen beiden Verben sind recht selten belegt. Von den 11 Fällen für contratar (‘einstellen’) sind immerhin 5 amarkiert (45,5%). Bei investigar (‘untersuchen’, ‘ermitteln’) kommt nur ein Objekt mit a-Markierung auf 7 unmarkierte (14,3%). 4.1.3.1 Tratar (‘behandeln’, ‘umgehen mit’) Das Verb tratar (‘behandeln’, ‘umgehen mit’) hat viele Verwendungsmöglichkeiten mit unterschiedlichen Aktantenkonfigurationen. Die Lesarten divergieren z.T. nur leicht, teilweise gehen sie aber auch deutlich auseinander. Es wird der Einfachheit halber von einer Grundlesart als Kern eines angenommenen Bedeutungsnetzwerks ausgegangen. Sie kann grob mit ‘jemanden / etwas behandeln’ in der Ausprägung ‘sich jemandem gegenüber verhalten / mit etwas umgehen’ ins Deutsche übertragen werden. Das Verhältnis zwischen Erst- und Zweitaktant kommt dabei der eines typischen Agens und Patiens recht nahe. Der vom Verb ausgedrückte Sachverhalt ist gerichtet, der Erstaktant tritt als «Figure» und der Zweitaktant als «Ground» auf (im Sinne etwa von Talmy 2000, 184). Der Sachverhalt ist allerdings abstrakter Natur, was sich auch auf der konzeptuellen Ebene niederschlägt. Seine Realisierung in der außersprachlichen Wirklichkeit kann vielerlei unterschiedliche Formen annehmen und sogar in der Unterlassung von Handlungen bestehen. Die Bedeutung wird daher den durativen Prozessen zugeordnet (cf. auch Lehmann 484 Eine tabellarische Übersicht findet sich zu Ende von Kap. 4.1.4.
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
393
1991, 228 für engl. treat). Das Subjektdenotat ist prinzipiell vollständig in die Verbalhandlung involviert. Die Verbsemantik sieht in der Grundbedeutung ein willentlich handelndes Subjektdenotat vor. Die in der Verbbedeutung angelegte Affiziertheit des Zweitaktanten ist eher gering. Unabhängig davon kann ein etwaiger Objektreferent in der außersprachlichen Wirklichkeit unterschiedlich stark betroffen sein. Bei tratar (‘behandeln’, ‘umgehen mit’) ist wie bei mehreren zuvor besprochenen Verben die Betroffenheit des Objektdenotats auf allen relevanten Ebenen anzusiedeln. Bei menschlichem Denotat ist daher ein komplexer Typ recht wahrscheinlich. Im Verb ist hingegen keine Zustandsänderung angelegt, was ein Faktor für die Einstufung als gering transitiv ist. Allerdings kann über kontextuelles oder Weltwissen eine Zustandsänderung salient werden. Die semantischen Restriktionen des Verbs sind gering, u.a. muss ein typischerweise physischer, evtl. nur auditiver oder visueller Kontakt zwischen Subjekt- und Objektdenotat gegeben oder zumindest möglich sein. Wichtig ist noch, dass das Verb als Container verwendet werden kann, wobei eine weitere semantische Besonderheit zum Vorschein kommt. In dem Fall (s. etwa [156]) werden verschiedene, u.U. sogar verschiedenartige Handlungen als ein Sachverhalt zusammengefasst. Es wird dann ein State ausgedrückt. Der Container wird verstanden als ein abstrakter Sachverhalt, nämlich ein Verhältnis zwischen Subjekt- und Objektdenotat. Als Konzeptualisierung ist allerdings eine Art Beispielhandlung möglich, die dann für das Verhältnis zwischen den beiden Einheiten stehen kann. Tratar (‘behandeln’, ‘umgehen mit’) ist im Korpus mit 38 relevanten Fällen belegt. Davon sind 24 a-markiert. Alle markierten Objekte sind komplexen Typs. 23 denotieren menschliche Entitäten (s. bspw. [155], [156]). [155]
De modo que casi a diario traté yo al padre Tarín. (SEV:228.17) ‘So kam es, dass ich fast täglich Umgang mit Pater Tarín pflegte.’
[156] […] Marañón era pariente mío y he tratado…, he tratado muy íntimamente a Marañón […]. (MAD:272.14) ‘Marañón war mit mir verwandt und ich habe …, ich habe einen sehr vertrauten Umgang mit Marañón gepflegt.’ Sind die Aktanten menschliche Entitäten, so drückt tratar (‘behandeln’, ‘umgehen mit’) soziale Interaktion aus. Sie konstituiert sich typischerweise als physische Nähe mit einem mentalen oder psychischen Austausch. In [155] liegt die typische Lesart vor, die Interaktion wird hier als vom Subjekt- zum Objektdenotat gerichtet dargestellt. Dabei sind die beiden genannten Ebenen des Objektdenotats relevant. Das a-markierte Objekt ist komplexen Typs.
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
Tratar (‘behandeln’, ‘umgehen mit’) wird in [156] als Container-Verb verwendet. Der entscheidende Hinweis darauf ist das Adverb íntimamente (‘auf vertraute Weise’). Es modifiziert nicht mehrere Einzelhandlungen, sondern das soziale Verhältnis, das zwischen Subjekt- und Objektdenotat besteht. Dieses Verhältnis wird aus der Summe von einzelnen Interaktionen erkennbar, was auch das Auftreten lizensiert. Aufgrund der lexikalischen Bedeutung des Adverbs ist das Aktivitätsgefälle zwischen Subjekt- und Objektdenotat geringer als bei der zuvor gezeigten Lesart. Die beiden Entitäten sind in annähernd gleichem Maße involviert. Wie auch im vorherigen Beispiel sind die physische und die mentale bzw. psychische Ebene relevant, das Objekt ist komplexen Typs. Gleiches gilt für die folgenden Beispiele. Beispiel [157] zeigt eine weitere bei Modifikation mögliche Lesart. [157] El débil moral, el riguroso, el duro justiciero, trata al presunto malo como a un perro […]. (RAT:137.21) ‘Der moralisch Schwache, der Strenge, der gerechtigkeitsliebende Harte behandelt den mutmaßlichen Bösen wie einen Hund.’ Auch in [157] wird die VP adverbial modifiziert. Die Phrase como a un perro (‘wie einen Hund’) lässt allerdings weder eine Container-Lesart der VP zu, noch eine solche, bei der eine Relation zum Ausdruck kommt. Der ausgedrückte Sachverhalt ist wiederum vom Subjekt- zum Objektdenotat gerichtet. Genauer handelt es sich dabei um einen durativen Prozess mit Erst- und Zweitaktant, die als Agens und Patiens auftreten. Dass im Beispiel nicht auf eine Einzelhandlung referiert wird, sondern eine Generalisierung vorliegt, wird im Kontext deutlich. Die Möglichkeit dazu ist im Verbalaspekt angelegt. Das Verb ist atelisch, die Präsensform im Beispiel ist imperfektiv. Die Generalisierung ändert jedoch nichts an den beschriebenen Verhältnissen. Eine oberflächensemantisch deutlicher abweichende Verwendung von tratar (‘behandeln’, ‘umgehen mit’) zeigt sich im folgenden Beispiel. [158] Adriana trató a Marescu de «parásito de una sociedad esforzada y en lucha permanente para superar las lacras de la Historia». (CAR:064.11) ‘Adriana nannte Marescu den «Parasiten einer kühnen Gesellschaft, die dauerhaft für die Überwindung der Narben der Geschichte kämpft».’ Der Gebrauch des Verbs in [158] nähert sich dem eines Sprechaktverbs an. Es bringt allerdings wie auch die in Kap. 4.1.2.3 behandelten besonderen Sprechaktverben keine Kreation zum Ausdruck. Wie die PP verdeutlicht, die den Äußerungsgehalt präsentiert, realisiert das Subjektdenotat gegenüber
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
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dem Objektdenotat einen abfälligen Sprechakt. Das Matrixverb wird im Beispiel telisch verwendet, wobei die Handlung eine geringe Ausdehnung hat. Es gelten hier prinzipiell die gleichen Restriktionen wie bei anderen Lesarten. Das Objektdenotat steht in einem physischen Kontakt zu dem des Subjekts und ist auch mental bzw. psychisch betroffen. Das a-markierte Objekt ist also komplexen Typs. Eine bestimmte semantisch stärker ausdifferenzierte Verwendung ist verhältnismäßig frequent, die Bedeutung der ärztlichen Behandlung. Sie ist an ein geringeres Set von möglichen Subjekt- und Objektdenotaten gebunden. Im Korpus tritt sie mit menschlichem Objektdenotat dreimal auf.485 [159] Pero sí hay gente buena aquí. Gente buena a nivel… de lo que se entiende vulgarmente con el nombre de médico. Es decir, tratando a los enfermos. (MAD:139.02) ‘Aber es gibt schon gute Leute hier. Gute Leute von der Sorte, die man gemeinhin als Ärzte bezeichnet. Also Leute, die Kranke behandeln.’ [160] La Xunta tiene transferidas todas las competencias sanitarias y debería ofrecer centros propios para tratar a los toxicómanos, como ocurre en otras autonomías. (3VO:021-1.3-51) ‘Die Xunta, die Regierung der Autonomen Region Galicien, hat alle Kompetenzen des Gesundheitssystems abgegeben und sollte eigene Zentren für die Behandlung von Drogenabhängigen anbieten, so wie es in anderen autonomen Regionen geschieht.’ Tratar (‘behandeln’, ‘umgehen mit’) hat in der Unterbedeutung der ‘ärztlichen Behandlung’ eine größere Intension. An seiner Einordnung ändert sich allerdings nichts. Es ist weiterhin atelisch und drückt einen durativen Prozess aus. Die Lesart ist in etwa auch dann möglich, wenn als Objektdenotat eine unbelebte Entität auftritt (s.u.). Ist das Objektdenotat menschlich wie in [159], so scheint die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es komplexen Typs ist. Eine Entität, die einer physischen Behandlung ausgesetzt ist, ist auch mental bzw. psychisch involviert, etwa wenn sie sich der Behandlung willentlich unterzieht oder ihr sogar unwillentlich ausgesetzt ist und sie dementsprechend wahrnimmt. Auch das Gegenstück, eine Behandlung der Psyche, könnte mit einer physischen Involvierung einhergehen, etwa durch körperliche Anwesenheit an einem bestimmten Ort und die
485 Im Fall dieser Verbbedeutung kann vom Objekt auch eine Krankheit denotiert werden (s.u.). Im Korpus finden sich dafür ebenfalls drei Okkurrenzen.
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Durchführung von Gesprächen oder das Einnehmen von Medikamenten. In [160], wo das Objekt Drogenabhängige denotiert, ist die Betroffenheit der psychischen und mentalen Ebene möglicherweise noch deutlicher. In beiden Fällen ist die a-Markierung ikonisch. Im Korpus tritt ein Objekt auf, das ein Konkretum denotiert. Auffälligerweise ist es markiert (s. [161]). [161] Para la abuela, las flores no se secaban sino que las consumía la nostalgia de un cielo amplísimo y azul, y no había flores marchitas sino mutiladas o enfermas. […] Algunas mañanas Miguel […] observaba con qué celo trataba la abuela a sus flores. (TER:038.06) ‘Für die Großmutter trockneten Blumen nicht ein, sondern es verzehrte sie die Sehnsucht nach einem riesig großen und blauen Himmel und es gab keine verwelkten Blumen, sondern nur verstümmelte oder kranke. An manchen Morgenden beobachtete Miguel, mit welchem Eifer die Großmutter ihre Blumen behandelte.’ Die a-Markierung eines Konkretums mag zunächst erstaunlich erscheinen. Es handelt sich dabei allerdings, wie der weitere Kontext anschaulich zeigt, um den Fall einer Personifizierung durch das Subjektdenotat, die vom Sprecher übernommen wird.486 Wie mehrfach besprochen, ist im Rahmen des hier vertretenen Ansatzes eine Kategorisierung wie die der Personifizierung nicht Teil der Argumentation. Die Interpretation von [161] ist vielmehr, dass das Subjektdenotat dem Objektdenotat menschliche Züge zuschreibt. Es nimmt ihm gegenüber die Haltung ein, als sei es eine menschliche oder zumindest belebte Entität, die über Gefühle verfügt, und behandelt (trataba, ‘behandelte’) es dementsprechend. Der Text kreiert somit eine komplexe Konzeptualisierung des Objekts. Im Korpus finden sich 14 Okkurrenzen unmarkierter Objekte. Alle denotieren Abstrakta. Keines ist komplexen Typs. 11 der Objekte sind abstrakt-natürlichen oder semi-intentionalen (s. [163]) Typs. Aufgrund seiner geringen intrinsischen semantischen Spezifik denotiert das Verb in den Fällen recht unterschiedliche Sachverhalte.
486 Es sei betont, dass hier nicht auf der Basis eines einzelnen sprachlichen Elements (dem Marker a) eine Behauptung über den kognitiven Status des Sprechers aufgestellt wird, sondern dass der weitere Kontext eindeutige Schlüsse auf die Konzeptualisierung zulässt (s. Fließtext). Allerdings entspricht die sprachliche Form der Objekt-NP den Erwartungen. Dem ikonischen Ansatz entsprechend, spiegelt die Form des Objekts die Konzeptualisierung.
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[162] Cabe destacar que desde el punto de vista israelí las negociaciones bilaterales son sumamente importantes, y por cierto mucho más significativas que la apertura de hoy, en la que los países en conflicto no estarán solos para tratar sus problemas. (1VO:003-1.4-66) ‘Es ist zu betonen, dass die bilateralen Verhandlungen aus der Sicht Israels höchstwichtig sind, und natürlich auch bedeutsamer als die Öffnung von heute, im Rahmen derer die Länder, die sich im Konflikt befinden, nicht allein sein werden, wenn sie ihre Probleme angehen.’ [163]
Jano solía neutralizar esta actitud de Adriana tratando con ella temas muy generales o cuestiones culturales relacionadas con Italia. (CAR:029.09) ‘Jano neutralisierte diese Haltung Adrianas normalerweise, indem er mit ihr über sehr allgemeine Themen oder kulturelle Fragen mit Bezug zu Italien sprach.’
[164] Lo cual era cierto, pues yo no había estado esper[á]ndola para hablar de cualquier cosa, sino para tratar con ella un asunto muy especial. (SUR:091.04) ‘Das stimmte auch, denn ich hatte nicht auf sie gewartet, um über irgendetwas zu quatschen, sondern um mit ihr eine ganz besondere Angelegenheit zu besprechen.’ Die VP in [162] hat eine eher geringe Intension. Das Verb kann in der Phrase tratar sus problemas (‘ihre Probleme angehen’) viele verschiedene Sachverhalte denotieren. Auch kontextuell ist die Denotatsmenge lediglich hinsichtlich eines weiteren Sems spezifiziert, nämlich dass politische Handlungen gemeint sind. Der in [163] denotierte Sachverhalt ist stärker ausdifferenziert. Es geht hier um die Realisierung eines Gesprächs über ein bestimmtes Thema. Die gleiche Lesart ist auch in der Verbindung von tratar (‘behandeln’, ‘umgehen mit’) mit dem direkten Objekt un asunto (‘eine Angelegenheit’) möglich (s. [164]). Sie wird kontextuell durch die explizite Gegenüberstellung mit hablar de (‘sprechen über’) vereindeutigt. [165] El lugar de trabajo, estima, es un lugar tan adecuado como cualquier otro para tratar esos problemas, desde el punto de vista preventivo y asistencial […]. (1VO:017-3.1-53) ‘Den Arbeitsplatz hält er hinsichtlich der Prävention wie der Betreuung für einen ebenso angemessenen Ort wie jeden anderen, um diese Probleme anzugehen.’
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[166] Sí, el problema inmediato de… de curar, de curarle el constipado a un niño o tratar una tuberculosis […]. (MAD:140.16) ‘Ja, das unmittelbare Problem, die Grippe eines Kindes zu kurieren oder eine Tuberkulose zu behandeln.’ Die VP in [165] kommt der Phrase in [162] oben (tratar sus problemas, ‘ihre Probleme angehen’) lexikalisch sehr nah. Sie hat allerdings eine geringere Extension, da sie kontextuell spezifiziert ist als der Umgang mit Suchtproblemen. Hier nähert sich tratar (‘behandeln’, ‘umgehen mit’) der oben bereits besprochenen noch restriktiveren Verwendung im Rahmen des Wortfeldes «Krankheit» an. In [166] zeigt sich der entsprechende Gebrauch mit einem Objekt, das eine Krankheit denotiert. Während oben die Behandlung von kranken menschlichen Entitäten ausgedrückt wurde, wird hier eine Krankheit (ärztlich) behandelt. Wie bereits im Zusammenhang mit Beispiel [159] oben (tratando a los enfermos, ‘Kranke behandeln’) angesprochen wurde, ist die Verbbedeutung kompatibel mit belebten Objektdenotaten, für die gilt, dass sie krank sind, sowie mit Objekten, die ein Abstraktum, nämlich eine Krankheit denotieren. Der Sachverhalt ist dabei der gleiche. Die Parallele wird offenbar dadurch lizensiert, dass Krankheitsbegriffe Informationen zum von der Krankheit Befallenen enthalten (konstitutives Quale). Natürlich wird jeweils ein unterschiedlicher konzeptueller Fokus gesetzt. Es sind divergente Bestandteile des Sachverhalts salient. Die 3 verbleibenden unmarkierten Objekte sind abstrakt-funktionalen Typs. [167] Recordarás también, Francesca, que a veces Karl y yo formábamos frente común al tratar algunas cuestiones o temas que a los italianos os apasionaban de forma especial. (CAR:080.13) ‘Du wirst dich auch daran erinnern, Francesca, dass Karl und ich hin und wieder gemeinsame Sache machten, wenn wir einige Fragen oder Themen besprachen, die euch Italiener in besonderer Weise begeisterten.’ [168] Y yo ni trato el cristianismo desde ningún punto de vista antropológico, cultural, historicista, sociológico, psicológico o freudiano, sino en toda su dignidad de religión y de espíritu […]. (RAT:188.19) ‘Und ich behandele das Christentum nicht einmal von irgendeiner anthropologischen, historizistischen, soziologischen, psychologischen oder freudianischen Warte aus, sondern in aller seiner Würde als Religion und Haltung.’
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Die Struktur in [167] kommt der in [163] (tratando […] temas muy generales, ‘über sehr allgemeine Themen sprechend’) lexikalisch sehr nahe.487 Die Determinierer unterscheiden sich (ø vs. algunas, ‘einige’). Vor allem aber sind die Bestandteile der komplexen NP hier umgekehrt, sodass cuestiones (‘Fragen’) direkt an das Verb angeschlossen ist. Während tema (‘Thema’) als abstraktnatürlicher bzw. semi-intentionaler Typ eingeordnet wird, scheint es adäquat, das Nomen cuestiones (‘Fragen’) als abstrakt-funktionalen Typs zu klassifizieren. Mit tema (‘Thema’) wird ein irgendwie gearteter Sachverhalt bezeichnet, auf den das Nomen erst dann zutrifft, wenn es zu einer mentalen oder anderweitigen Beschäftigung mit ihm kommt. Hinsichtlich eines telischen Faktors ist das Konzept ist aber nicht spezifiziert. Das Konzept von cuestiones (‘Fragen’) hingegen hat einen Ursprung, der entweder im Denken oder im Aussprechen der Fragen besteht. Bei einer Frage handelt es sich um eine «eine Antwort […] fordernde Äußerung» (http://www.duden.de/rechtschreibung/Frage, Zugriff: 02.02.19) oder ein «zu erörterndes Thema» (ibid.). Ein Ziel ist also als Generierung einer Antwort spezifiziert. Das Objekt in [168], cristianismo (‘Christentum’), denotiert laut dem Diccionario de la lengua española ein «[c]onjunto de creencias y preceptos que constituyen la religión de Jesucristo» (http://dle.rae.es/?id=BJRxYpP, Zugriff: 02.02.19). Die Menge an Glaubensvorstellungen ist gebunden an einen v.a. mentalen Träger und damit an menschliche Entitäten. Das Konzept involviert einerseits, dass menschliche Entitäten bestimmte Vorstellungen der Lehre präzisiert und strukturiert haben (Ortus-Faktor). Andererseits können weitere Menschen als Träger auftreten, indem sie die Vorstellungen annehmen, was bestimmte Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen den Trägern untereinander und hinsichtlich weiterer Menschen hat sowie auf einen angenommenen individuellen Zustand nach dem Tod (telischer Faktor). Das regierende Verb erlegt dem Nomen keine Restriktionen auf und beeinflusst die Konzeptualisierung daher nicht. Die beschriebene Art der Relevanz menschlicher Entitäten führt nicht zu einer Anreicherung der Typenstruktur. Auch hier liegt also keine konzeptuelle Komplexität vor. Das Nomen ist abstrakt-funktionalen Typs. Eine Okkurrenz von tratar (‘behandeln’, ‘umgehen mit’) im Korpus bringt einen andersartigen Sachverhalt zum Ausdruck, nämlich eine computerisierte Auswertung von Informationen (s. [169]).
487 Die beiden Okkurrenzen entspringen zudem der gleichen Publikation, Colinas (1986): Larga carta a Francesca.
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[169] Consideraron que diversos artículos violan derechos fundamentales «como la posibilidad del Estado de negar a los ciudadanos la información que posee sobre ellos y la posibilidad de recabar y tratar dichos datos sin el consentimiento del afectado». (1VO:014-1.2-11) ‘Sie gaben an, dass verschiedene Artikel Grundrechte verletzten wie die Möglichkeit des Staats, den Bürgern die Auskunft darüber zu verweigern, welche Informationen er über sie besitzt, und die Möglichkeit, die besagten Daten ohne die Zustimmung der Betroffenen zu erheben und zu verarbeiten.’ In [169] entsteht aus der Kombination des Verbs mit dem Objekt eine recht spezifische Lesart des Verbs. Der Sachverhalt der Verarbeitung der vom Objekt denotierten Daten (datos) schließt etwa die Erfassung, Strukturierung und Korrelierung sowie ihre Ausgabe und / oder die Ausgabe der Ergebnisse mit ein. Informationen werden erst mit ihrer Erhebung bzw. Erfassung und zumindest einer gewissen grundlegenden Strukturierung zu Daten (Ortus-Faktor). Die Verarbeitung der Daten (tratar dichos datos, ‘die besagten Daten zu verarbeiten’) und in der Folge ihre Verwendung bzw. die Verwendung von durch ihre Verarbeitung generierten oder davon abgeleiteten Infomationen sind die Spezifika des telischen Faktors. Das Objekt ist mithin abstrakt-funktionalen Typs. Da es nicht markiert wird, ist auch diese Struktur ikonisch. 4.1.3.2 Abandonar (‘verlassen’, ‘aufgeben’) Beim Verb abandonar (‘verlassen’, ‘aufgeben’) ist eine dem deutschen ‘Verlassen’ entsprechende Lesart als Bedeutungskern naheliegend. Im Korpus ist sie frequent, u.a. weil sie mit unterschiedlichen semantischen Konfigurationen kompatibel ist. Das Verb drückt in der Bedeutung den Übergang von zwei Zuständen aus, die eine vom Subjekt denotierte Entität betreffen. Vor Eintreten der Verbalhandlung ist das Subjektdenotat relativ zu einer vom Objekt denotierten Entität physisch und / oder psychisch bzw. mental anwesend, nach dem Kulminationspunkt ist Abwesenheit des Subjektdenotats relativ zum Objektdenotat gegeben. Das Verb ist also telisch. Lehmann (1991, 231) ordnet die englische Entsprechung abandon als ingressiven Prozess ein. Da aber nach dem Kulminationspunkt keine Prozesshaftigkeit gegeben sein muss, wäre die Einordnung als ingressiver State etwas präziser. Das Verb abandonar (‘verlassen’, ‘aufgeben’) stellt hinsichtlich seiner Klassifikation eine Besonderheit dar. Einerseits ist es wie besprochen klar telisch und die zeitliche Ausdehnung des Kulminationspunkts ist gering. Andererseits spricht die Art der Involviertheit des Zweitaktanten für die Einordnung als schwach transitives Verb. Während das Subjektdenotat vollständig in die
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
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Handlung involviert ist, ist das Objektdenotat lediglich peripher betroffen. Es erfährt keine Zustandsänderung durch die Handlung.488 Die (periphere) Betroffenheit kann allerdings auf allen relevanten Ebenen, einer physischen, wie auch einer mentalen oder psychischen, gegeben sein. Das Verb hat eher geringe Selektionsrestriktionen. Es besteht im Korpus allerdings eine Tendenz dazu, dass der Erstaktant belebt und der Zweitaktant unbelebt sind. Genau 94% der Subjekte denotieren menschliche Entitäten (s. [172] für ein Gegenbeispiel). Das Korpus enthält 100 relevante Okkurrenzen von abandonar (‘verlassen’, ‘aufgeben’). Davon sind 7 a-markiert. Sie sind alle komplexen Typs (s. [170]–[172]). [170] Ya ni siquiera deseaba marcharse, abandonar a la mujer lejana e irritante […]. (JOV:046.29) ‘Jetzt wollte er nicht einmal mehr weggehen, die ferne und verwirrende Frau verlassen.’ [171] ¿Abandonabas a tu hija, Hortensia? (SON:205.25) ‘Ließt du deine Tochter im Stich, Hortensia?’ [172] La luz abandona a Laura y a Chus. […] Chus le pasa un brazo por los hombros a Laura y ella a él por la cintura, y se van alejando así, cuchicheando inaudiblemente entre ellos […]. (OCH:064.29) ‘Der Lichtstrahl auf Laura und Chus verschwindet. Chus legt Laura einen Arm um die Schulter und sie legt ihm einen um die Hüfte und allmählich gehen sie davon, wobei sie unhörbar miteinander tuscheln.’ Die Objekte in den Beispielen denotieren menschliche Entitäten. In [170] werden die physische und eine psychisch-mentale Ebene expliziert. Während abandonar (‘verlassen’, ‘aufgeben’) sich zunächst auf die körperliche Ebene bezieht, was die koordinative Verknüpfung mit marcharse (‘weggehen’) zeigt, werden dem Objektdenotat die Attribute lejana e irritante (‘fern und verwirrend’) zugeschrieben, die der Gefühlswelt zuzuordnen sind. Auch in [171] werden sowohl der Erst-, als auch der Zweitaktant als menschliche Entitäten instantiiert. In Kombination mit dem telischen Verb bringt der imperfektive Aspekt Iterativität zum Ausdruck, dass also das Verlassen aus einer nicht delimitierten Menge von
488 Wie zuvor bezieht sich die Frage der Zustandsänderung auf die Beschaffenheit des Objektdenotats selbst, nicht auf äußere Umstände, die sich bei abandonar (‘verlassen’, ‘aufgeben’) natürlich ändern.
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Einzelrealisierungen besteht.489 Das Beispiel [172] ist Teil einer Regieanweisung. Im Beispielsatz ist der Erstaktant eine unbelebte Entität. Das Nomen luz (‘Licht’), eigentlich ein Abstraktum, denotiert im Kontext seine eigene konkrete Instantiierung (s. auch die Ausführungen zum unter espantar, ‘verjagen’, eingebetteten Nomen sombras, ‘Schatten’, in Kap. 4.1.1.2.4). Die Verbindung mit der VP vereindeutigt das. Das Subjektdenotat wird aufgrund seiner Beschaffenheit nicht agentiv verstanden. Das menschliche Objektdenotat ist nun von dem Vorgang, in den der Erstaktant involviert ist, zunächst physisch betroffen. Wie der weitere Satz jedoch verdeutlicht, wird im Kontext nicht von der grundsätzlich ebenfalls mit menschlichen Entitäten verbundenen mentalen bzw. psychischen Ebene abstrahiert. In der Folge des betrachteten Vorgangs kommt es zum willentlichen Handeln des Objektdenotats. Vor dem Hintergrund ist davon auszugehen, dass das Objektdenotat den Vorgang, dass der Lichtstrahl verschwindet (la luz abandona […]), auch wahrnimmt. Für die Interpretation spricht auch die Form der NP. Die Verwendung der Eigennamen ist ein Hinweis auf die Konzeptualisierung entsprechend der intrinsischen Werte menschlicher Entitäten. Die Eigennamen machen daher hier wie auch sonst bei menschlichen Denotaten eine Konzeptualisierung grundsätzlich unwahrscheinlich, die von einer Gedanken- und Gefühlswelt abstrahieren würde. Die anderen 93 Objekte sind unmarkiert. Keines davon ist komplexen Typs. 54 Objekte denotieren Konkreta und 39 Abstrakta. Unter den Konkreta finden sich 7 Objekte, die natürlichen Typs sind (s. [173] und [174]), bzw. als semi-intentionalen Typs klassifiziert werden können (nur [176]). [173] […] no se tocaría una piedra de la capilla hasta que el último vecino hubiese abandonado el valle. (1VO:028-1.5-22) ‘Nicht ein Stein der Kapelle würde angetastet werden, bevor der letzte Nachbar das Tal verlassen haben würde.’ [174]
El dolor va dejando de ser intenso y alargado y abandona el hueso para recogerse en el músculo. (MIR:014.02) ‘Der Schmerz wird langsam weniger durchdringend und anhaltend und verlässt den Knochen, um sich im Muskel zu konzentrieren.’
489 Die Lesart, dass die Handlung zum Referenzzeitpunkt andauert, steht aufgrund der Aktionsart des Verbs zunächst nicht zur Wahl, kann aber durch die Abstraktion von den Einzelhandlungen inferiert werden. Im Deutschen ist der lexikalische Ausdruck solcher Verhältnisse üblich, sie können bspw. durch im Stich lassen wiedergegeben werden.
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
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[175] La nube había abandonado el sol y volaba ahora hacia la torre más alta, detrás de la catedral. (JOV:173.26) ‘Die Wolke hatte die Sonne verlassen und schwebte nun in Richtung des höchsten Turms, hinter der Kathedrale.’ [176]
Y pensó que también él […] podía haber acabado como Adriana en cualquiera de aquellos primeros momentos llenos de depresión, impotencia y rabia, que sintió al abandonar su país. (CAR:177.22) ‘Und er dachte, dass auch er in jedem jener ersten Momente wie Adriana hätte enden können, voller Niedergeschlagenheit, Ohnmacht und Wut, – Gefühle, die er hatte, als er das Land verließ.’
Die 7 Okkurrenzen teilen eine semantische Gemeinsamkeit. Alle bringen eine örtliche Relation zum Ausdruck. Das Verb nimmt hierbei eine lokale Lesart an. Der Erstaktant bewegt sich relativ zum vom Objekt denotierten Ort. Das Objekt in [173] denotiert eine räumliche Entität. Auf der Basis des weiteren Kontexts kann inferiert werden, dass der Ort bzw. das Gebiet für das Subjektdenotat einen psychisch relevanten Wert hat. Dies verändert jedoch den Typ des Objekts nicht. In [174] ist der Ort Teil eines Körperteils. In [175] tritt ein Himmelskörper als Objektdenotat auf, der als Ort konzeptualisiert wird. Genau genommen denotiert das Objekt im Rahmen der VP allerdings einen Ort, der zwischen einem Referenzpunkt und dem Himmelskörper liegt. Der Referenzpunkt sind die Figuren der Geschichte, bezüglich derer eine Mitsicht präsentiert wird, bzw. wird als Referenzpunkt der Ausgangspunkt ihres Sichtfelds angesetzt. Der Rezipient bzw. Leser wird durch die verfolgte Erzählstrategie an die Position versetzt, an der sich die Figuren befinden. So ist verständlich, dass sich das Subjektdenotat aus der Position herausbewegt, in der es relativ zum Experiencer das Objektdenotat verdeckt. In [176] wird país (‘Land’) auch in der Lesart eines geographischen Gebiets verwendet. Da es sich dabei um ein Gebiet handelt, dem willentlich abstrakte Begrenzungen hinzugefügt wurden, kann es dem semiintentionalen Typ zugeordnet werden. Die Okkurrenz verdeutlicht die Relevanz der Begrenzung (Ortus-Faktor) für den Verbalvorgang. Der Kulminationspunkt besteht in ihrer Übertretung. Bei zwei der Okkurrenzen im Korpus, beide wurden oben angeführt ([174] und [175]), ist der Erstaktant unbelebt. Sie sind interessant für den Ansatz von García García (2010) und gut vor dem Hintergrund erklärbar. Die Aktanten in [174] entspringen unterschiedlichen Domänen, der abstrakten und der konkreten. Das Verhältnis ist prädestiniert für ein Agentivitätsgefälle. In der außersprachlichen Wirklichkeit weist der Objektreferent keine Agentivität auf. In der referierten Situation bewegt er sich nicht und könnte sich auch aus eigenem Antrieb nicht
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bewegen. Das Subjektdenotat hingegen wird als eigenständig in Bewegung konzeptualisiert.490 Die Aktanten in [175] sind der gleichen Domäne zuzuordnen. Beide sind Konkreta. Während aber der Subjektreferent als beweglich konzeptualisiert wird, wird der Objektreferent als Fixpunkt konzeptualisiert. In diesem Beispiel zeigt sich noch deutlicher als in [174] entsprechend der räumlichen Lesart ein Figur-Grund-Verhältnis zwischen den Konzepten für das Subjekt und das Objekt. Von den Objekten, die Konkreta denotieren, sind 47 funktionalen Typs. Auch bei dieser Gruppe besteht eine gewisse Tendenz zu der oben erläuterten räumlichen Bedeutung. [177] La madre abandonó el sofá y se fue hacia el piano […]. (JOV:150.23) ‘Die Mutter verließ das Sofa und ging in Richtung Klavier.’ [178] La gente comienza a abandonar el templo. (COA:053.07) ‘Die Menge beginnt, den Tempel zu verlassen.’ Die Verhältnisse in [177] und [178] sind denen in [173]–[176] sehr ähnlich. Das Objekt denotiert wiederum einen räumlichen Bezugspunkt, relativ zu dem sich das Subjektdenotat bewegt. In [177] wird ein physischer Kontakt zwischen Erstund Zweitaktant aufgehoben. In [178] wird ausgedrückt, dass das Denotat des Subjekts gente (‘Leute’) sich aus der vom Objekt denotierten Entität, templo (‘Tempel’), hinausbewegt. Hier wird also ausgedrückt, dass das Enthaltensein aufgehoben wird. Beide Objekte sind recht typische Instantiierungen des funktionalen Typs. [179] Abandonando la consumición intacta y un billete de cincuenta francos al desconcertado y odioso sujeto, me precipito como un poseso a la cercana estación de taxis. (PAI:135.09) ‘Ich hinterlasse der verblüfften und verhassten Person das unangetastete Getränk und einen Fünfzig-Franken-Schein und stürze wie ein Besessener zum nahegelegenen Taxistand.’ [180] Al tiempo, abandona suavemente el libro sobre la mesa, procurando que ella no se dé cuenta. (CAI:043.02) ‘Währenddessen legt er vorsichtig das Buch auf dem Tisch ab, wobei er sich bemüht, dass sie es nicht mitbekommt.’ 490 Die eigenmächtige Bewegung von Schmerz entspricht natürlich nicht den tatsächlichen physischen Gegebenheiten. Eine solche Konzeptualisierung scheint allerdings nicht unüblich.
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
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Wie [179] und [180] zeigen, sind auch nicht-räumliche Lesarten möglich. Die beiden Objekte denotieren keinen Ort. Sie werden nicht selbst als Bezugspunkt konzeptualisiert, relativ zu dem sich das Subjektdenotat bewegt. In [179] ist der Bezugspunkt vielmehr der Ort, an dem sich der Objektreferent befindet und wo er verbleibt. Der Referent von consumición (‘Getränk’) wird auf einem Tisch oder einer Bar zurückgelassen, wovon sich der Subjektreferent wegbewegt. Das Objekt ist funktionalen Typs. In [180] tritt libro (‘Buch’) als Objekt auf. Wie in Kap. 2.8.3 besprochen, ist der Ausgangstyp des Nomens komplex. Im Beispiel liegt jedoch Type Coercion vor. Das regierende Verb selegiert im Kontext den physischen Bedeutungsbestandteil. Es geht also nicht um den Inhalt des ‘Buchs’ (libro), sondern um das ‘Buch’ als physischen Gegenstand. Es ist also auch funktionalen Typs. Von den 39 Objekten, die Abstrakta denotieren, sind 8 abstrakt-natürlichen und 31 abstrakt-funktionalen Typs. Alle sind unmarkiert. [181] Yo estaba obsesionado con que descansaras, así que abandonamos la idea de salir de casa […]. (CAR:145.30) ‘Ich war von der Idee besessen, dass du dich ausruhen solltest, also verwarfen wir die Überlegung, das Haus zu verlassen.’ [182]
Por eso, antes que los derechos formales de la libertad de expresión […], está la necesidad de que la población abandone la infancia […]. (RAT:105.08) ‘Deshalb besteht noch vor dem formalen Recht auf freie Meinungsäußerung die Notwendigkeit, dass die Bevölkerung die Kindheit hinter sich lässt.’
Die im Korpus auftretenden Objekte abstrakt-natürlichen Typs entstammen den Domänen des Denkens oder sind zusammenfassende Konzepte von (Menschen betreffenden) Zuständen. Beispiele für den ersten Fall sind fantasías (‘Fantasien’) und idea (‘Idee’, s. [181]). Die entsprechenden Konzepte beinhalten weder eine willentliche Urheberschaft (Ortus-Faktor), noch ein Ziel (telischer Faktor). In die Gruppe der zusammengefassten Zustände fallen etwa su ser (‘ihr Sein’) oder infancia (‘Kindheit’, s. [182]). Auch hier sind der Ortus- und der telische Faktor nicht spezifiziert. Die Objekte in [183] und [184] sind recht typisch für den abstrakt-funktionalen Typen. [183] Por eso, acababa abandonando la lectura y emprendía un paseo por el bosque. (CAR:036.13) ‘Daher hörte ich schließlich auf zu lesen und unternahm einen Spaziergang durch den Wald.’
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[184] Y estaba considerando ya la posibilidad de abandonar la empresa y buscar un sitio confortable donde pasar el resto de la noche, cuando oí gritos y golpes provenientes de una de las celdas. (LAB:237.28) ‘Und ich zog bereits die Möglichkeit in Betracht, das Vorhaben aufzugeben und mir einen bequemen Schlafplatz zu suchen, wo ich den Rest der Nacht verbringen können würde, als ich Schreie und Schläge hörte, die aus einer der Zellen kamen.’ In [183] denotiert das Objekt lectura (‘Lesen’) einen Vorgang. Das entsprechende Konzept beinhaltet die Willentlichkeit eines Agens (Ortus-Faktor) und ein Ziel, den Effekt, den das Verstehen des Gelesenen haben soll, bspw. Unterhaltung oder die Wissensmehrung (telischer Faktor). Das Objekt in [184], empresa (‘Vorhaben’, hier nicht ‘Firma’ o.ä.), stellt die mentale Ebene, die auch im vorherigen Beispiel relevant ist, noch deutlicher heraus. Auch bei diesem Nomen gilt, dass der Träger des Objektdenotats willentlich (Ortus-Faktor) ein bestimmtes Ziel verfolgt (telisches Quale). Die folgenden Beispiele sind v.a. in Abgrenzung zu vorher genannten Okkurrenzen interessant. [185]
Tenía por costumbre instalarse en una vieja y cómoda butaca de brazos, con alguna bebida […] y un paquete de cigarrillos, y no abandonaba su posición más que para acudir al baño […]. (MIR:126.21) ‘Er hatte die Angewohnheit, es sich in einem alten und gemütlichen Armsessel bequem zu machen, mit irgendeinem Drink und einer Schachtel Zigaretten, und er gab seine Stellung nur auf, um auf die Toilette zu gehen.’
[186] La clientela disminuía, en efecto, como si al percibir los primeros síntomas de la Primavera abandonasen paulatinamente el lugar que les había servido de abrigo durante la inclemencia del frío. (MIR:077.02) ‘Es kam tatsächlich immer weniger Kundschaft, als ob die Leute, als sie die ersten Anzeichen des Frühlings wahrnahmen, nach und nach den Ort verlassen würden, der ihnen während der Unannehmlichkeit der Kälte als Schutz gedient hatte.’ [187]
Al cabo de unos minutos, la pieza queda completamente vacía y, abandonando su anterior cortesía, el individuo reclama también el asiento. (PAI:120.17) ‘Nach ein paar Minuten ist der Raum vollständig leer, das Individuum gibt seine vorherige Höflichkeit auf und fordert auch diese Sitzgelegenheit ein.’
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Das Objekt in [185] kommt den Ortsbezeichnungen lexikalisch recht nahe, die sich in der Gruppe der Konkreta fanden. Zum Vergleich ist hier [186] eingefügt, wo lugar (‘Ort’) auftritt. Es handelt sich dabei um ein Konkretum, dessen Intension ähnlich gering ist wie die von posición (‘Stellung’, s. [185]) hat. Während das Konzept von lugar (‘Ort’) weder einen Ursprung (Ortus-Faktor), noch ein Ziel (telischer Faktor) umfasst, ist das Konzept zu posición (‘Stellung’) an einen Träger gebunden. Indem der Träger sich selbst in die Position begibt, sind beide Qualia spezifiziert. Die Okkurrenz [187] ist in Abgrenzung zu [182] oben mit dem Objekt infancia (‘Kindheit’) zu besprechen. Sowohl cortesía (‘Höflichkeit’) als auch infancia (‘Kindheit’) bezeichnen eine Eigenschaft einer menschlichen Entität. Cortesía (‘Höflichkeit’) denotiert eine willentlich beeinflusste Haltung des Eigenschaftsträgers. Die semantische Einbettung unter abandonar (‘verlassen’, ‘aufgeben’) ist aufgrund der Bedeutungskomponente des Willens möglich. Da die Eigenschaft änderbar ist, kann der Eigenschaftsträger sie ablegen. Infancia denotiert in der Grundbedeutung einen Zustand, der die menschliche Entität in Hinblick auf eine zeitlich determinierte Entwicklung verortet. Mit der Verortung ist eine Menge an erwarteten Eigenschaften verknüpft, die u.a. mentaler, physischer und sozialer Natur sind. Die Verortung ist nicht willentlich änderbar. Dennoch ähneln die Funktionsweisen denen von [187]. Denn im konkreten Beispiel (s. [182]) wird infancia (‘Kindheit’) uneigentlich als Eigenschaftsbeschreibung verwendet. Die beschriebene Eigenschaft entspricht nicht äußeren Tatsachen, sondern stellt eine Wertung dar. Dabei wird eine Menge menschlicher Entitäten aller Altersklassen als hinsichtlich v.a. mentaler und sozialer Eigenschaften im Zustand des Kindseins befindlich beschrieben. Aufgrund der uneigentlichen Verwendung könnte bzgl. des bewerteten Zustands eine Willentlichkeit pragmatisch inferiert werden. Sie ist jedoch auch in der Qualia-Struktur des aktualisierten infancia (‘Kindheit’) als negative Bewertung nicht angelegt (abstrakt-natürlicher Typ). Es findet sich noch ein weiterer Fall von Type Coercion (s. [188]). [188] El guitarrista abandonó el grupo que le hizo famoso en el año 1977. (2VO:037-3.2-03) ‘Der Gitarrist verließ die Band, die ihn berühmt gemacht hatte, im Jahr 1977.’ Als Grundtyp des Objekts in [188] kann ein komplexer angenommen werden. Es bezieht sich auf eine Menge an menschlichen Entitäten, die in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen und die gemeinschaftlich die willentliche Aktivität des Musizierens realisieren. Durch die kontextuell präzisierte Lesart des Verbs kommt es zur Type Coercion. Ihr Ergebnis ist, dass nur der abstrakt-funktionale
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Anteil erhalten bleibt, der der Organisation entspricht.491 Der Satz wird so konzeptualisiert, dass der Subjektreferent seinen Austritt aus dem sozialen Gefüge bekannt gibt, das das Objekt denotiert. Über sein konkretes Verhalten gegenüber den anderen Mitgliedern des sozialen Gefüges wird keine Aussage getroffen. Der entstandene Typ des Objekts, das soziale Gefüge der ‘Band’ (grupo), beinhaltet die Faktoren eines willentlichen Ursprungs und eines Ziels (Ortus- und telischer Faktor). Die Thematik der Kollektiva wird in Kap. 4.3.1 nochmals aufgegriffen. 4.1.3.3 Contratar (‘einstellen’) Das Verb contratar (‘einstellen’), soviel sei vorweggenommen, ist für Typendistinktionen bei menschlichen Denotaten besonders interessant. Die Semantik des Verbs bietet sich für funktionale Lesarten geradezu an. Die Objektstelle, die es eröffnet, ist prädestiniert, von einem Element mit menschlichem Denotat gefüllt zu werden, das aber funktionalen Typs ist. Das Konzept des Verbs contratar (‘einstellen’) ist abstrakter Natur. Dies gilt unabhängig davon, dass der Kulminationspunkt über ein konkret wahrnehmbares außersprachliches Korrelat verfügen kann, das bspw. in einer Aussage, einem Handschlag oder der beiderseitigen Unterzeichnung eines Vertrags besteht. Das Verb drückt einen ingressiven State aus. Es denotiert einen Sachverhalt, bei dem der Erstaktant einem Zweitaktant eine neue abstrakte Eigenschaft zuweist. Der Zweitaktant ist nur peripher betroffen, eine Betroffenheit, die der mentalen oder bzw. und der körperlichen Ebene zugeschrieben werden kann, und ändert seinen Zustand nicht. Der Ausdehnung der Kulmination kann recht gering sein. Ihr Ergebnis, eingestellt zu sein, ist ein peripherer Zustand des Zweitaktanten, der relativ zum Subjektdenotat oder zu einer weiteren Entität bestehen kann. Die Bezugsbasis, hinsichtlich der der Zustand besteht, wird eher selten expliziert.492 Lediglich die angeführte Telizität und in geringerem Maße der Subkategorisierungsrahmen erhöhen die Transitität des Verbs leicht. Hinsichtlich des
491 In der ADESSE-Datenbank wird das Objekt grupo (‘Band’) hingegen entsprechend der lexikalischen Ebene als «Colectivo Animado» (http://adesse.uvigo.es/data/fichas.php?id_cl=108179, Zugriff: 02.02.19, ‘belebte Gruppe’) eingeordnet. 492 Die Bezugsbasis kann in allgemeiner, abstrakter Form nur schwer präzisiert werden. In der außersprachlichen Wirklichkeit kann es sich dabei um ein inhabergeführtes Unternehmen handeln, wo der Besitzer auch seine Mitarbeiter selbst einstellt. In dem Fall kann die mentale Repräsentation, die ihm entspricht, als Bezugsbasis auftreten. Eine andere Möglichkeit wäre eine Firma, mit einer eigenen Person oder Abteilung, die sich um Einstellungen kümmert. Hierbei wäre die Repräsentation der die Einstellung vornehmenden Entität evtl. nicht identisch mit derjenigen der Firma, die aber Bezugspunkt der Einstellung wäre. Ein Extremfall dieser zweiten Möglichkeit könnte bei Leiharbeitsfirmen auftreten.
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Subjekts bestehen starke semantische Restriktionen. Typischerweise denotiert es eine menschliche Entität. Abweichungen sind möglich. So kann es bspw. auch ein Abstraktum denotieren, bspw. in Form einer Organisation. Auch beim Objektdenotat ist eine Tendenz zur menschlichen Entität möglich. Das Korpus enthält insgesamt aber zu wenige Okkurrenzen, um als Beleg dessen gelten zu können. Es treten mehrere Objekte auf, die Konkreta und Abstrakta denotieren. In solchen Fällen ist in der logischen Struktur des Verbs ein weiterer Slot für eine ggfs. menschlich zu instantiierende Einheit nötig, mit der das Subjektdenotat zu einer Übereinkunft gelangt. Auch diese Entität bedarf offenbar keines Korrelats an der sprachlichen Oberfläche. Das Korpus enthält 11 relevante Okkurrenzen. 7 der Objekte denotieren menschliche Entitäten. Von ihnen sind allerdings nur 5 markiert. Wie gezeigt wird, sind nur die markierten komplexen, die unmarkierten hingegen funktionalen Typs. Wie besprochen ist im Einzelfall ist zu prüfen, ob in der Bedeutung des Objekts eine Ebene angelegt ist, die über die einer Berufsbezeichung hinausgeht. In [189], wo ein Eigenname in Objektposition auftritt, ist dies zweifelsohne der Fall. [189] El Club Huracán, de la primera división del fútbol argentino, se esforzará en contratar el año próximo como entrenador de su equipo profesional a Jorge Valdano, exdelantero del Real Madrid y de la selección argentina. (2VO:042-1.1-68) ‘Der Club Huracán, der in der ersten Liga Argentiniens spielt, wird sich bemühen, nächstes Jahr als Trainer seines Profi-Teams Jorge Valdano einzustellen, der zuvor Torwart bei Real Madrid und in der argentischen Nationalmannschaft war.’ Im Beispiel [189] referiert das Objekt auf eine bestimmte Person, die, wie im Kotext verdeutlicht wird und es gegebenfalls im Weltwissen des Rezipienten verankert ist, die Funktion eines Trainers erfüllen kann. Diese sekundäre Information hat keinen Einfluss auf den Typ des Objekts. Im Korpus treten zwei Eigennamen in Objektposition auf. Eine weitere Okkurrenz zeigt ein Appellativum, das keine Berufsbezeichung ist (s. [190]). [190] El Torino contrató a los jóvenes ghaneses con un sueldo de 3.000 dólares mensuales. (1VO:042-4.1-24) ‘Der FC Turin verpflichtete die ghanaischen Jugendlichen bei 3.000 Dollar Monatsgehalt.’ Die Markierung des Objekts in [190] überrascht nicht. Die konzeptuelle Domäne der NP ermöglicht bei der Einbettung unter contratar (‘einstellen’) keine Reduktion
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eines der Bestandteile des Konzepts der menschlichen Entität, die typischerweise eine physische und eine mentale oder psychische verbindet (cf. für das Konzept der menschlichen Entität etwa Jackendoff 2002, 374; s. Kap. 2.8.2). Die NP los jóvenes ghaneses (‘die ghanaischen Jugendlichen’) bezeichnet menschliche Entitäten, die hinsichtlich ihres Alters und ihrer Nationalität spezifiziert sind. Dass die NP menschliche Entitäten denotiert, genügt für die Lizensierung ihrer Einbettung unter contratar (‘einstellen’). Das telische Quale der NP ist allerdings unterspezifiziert und bedarf des Kontexts,493 der vereindeutigt, dass die Referenten eingestellt werden, um Fußball zu spielen. In 4 Fällen wird die Objektposition von einer Berufsbezeichnung (zum Teil im weiteren Sinne, s.u.) gefüllt, wobei je zwei markiert bzw. unmarkiert auftreten. Die Berufsbezeichnung in Objektposition ist so zu beschreiben, als dass das Objekt eine menschliche Entität in einer bestimmten Funktion denotiert.494 Busa (1999) bezeichnet solche Nomen in der Folge der Unterscheidung von Stage-Level- und Individual-Level-Prädikaten von Carlson (1977) und in Anlehnung an Pustejovsky (1995b, 229) als «individual level agentive nominals» (Busa 1999, 351). Busa (1996, 20) merkt zur Erklärung an, «nouns which denote participants in an event fall under two general classes, according to whether or not they require the context to make reference to the defining characteristic of the individual». Als Beispiele stellt sie violinist dem Nomen pedestrian gegenüber. Dabei ist violinist ein Individual-LevelNomen und bedarf keiner kontextuellen Bezugnahme auf die das Individuum definierende Eigenschaft (s. [191]). Demgegenüber sind Sätze mit Stage-Level-Nomen von zweifelhaftem semantischem Status, wenn das Denotat kontextuell in einen anderen als den charakteristischen Sachverhalt eingebettet wird (s. [192]). [191] When we bumped into the violinisti on Sunset Boulevard, {hei was playing a serenade on a street corner / hei was selling hot-dogs on a street corner}. (Ibid.) [192] When I saw a pedestriani on Sunset Boulevard, {hei was about to get run over by truck / ?hei was selling hot-dogs on a street corner}. (Ibid.)495
493 Die Notwendigkeit einer Füllung des telischen Quales lässt sich mit einem Gegenbeispiel veranschaulichen. Ein Satz wie Der Chef stellte einen Mann ein in einer Lesart, die weder generisch noch kontrastiv ist, erscheint zumindest pragmatisch fragwürdig (Verletzung der Maxime der Modalität nach Grice). 494 Diese Beschreibung darf nicht als konzeptuell komplex missverstanden werden. Es wird lediglich ein bestimmter möglicher Bestandteil der Wortbedeutung präzisiert (s.u. im Fließtext). 495 Die beiden NPs in den beiden Beispielen unterscheiden sich offenbar auch hinsichtlich ihrer formalen Definitheit. Je nach Struktur scheint es Restriktionen zu geben (s. die weiteren
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
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Innerhalb der Individual-Level-Nomen gibt es zwei Untergruppen, für die Busa (1996, 24) beispielhaft smoker und violinist gegenüberstellt: «Whereas a [sic] smoker refers to an individual who has the habit or the inclination to smoke with some regularity, a violinist can be minimally characterized as an individual who has the ability to play the violin». Im Ortus-Faktor beider Gruppen wird die charakteristische Eigenschaft bzw. charakterisierende Handlung aufgegriffen, allerdings ist die Einbettung in eine entsprechende konzeptuelle Struktur unterschiedlich: «With violinist it is the modal ability, […] with smoker it is the partly extensional predicate habit» (ibid., 84s.). Berufsbezeichnungen sind also offenbar Individual-Level-Nomen, bei denen die charakteristische Eigenschaft im Ortus-Quale mit einem modalen Operator der Fähigkeit eingebettet ist. Die charakteristische Eigenschaft ist auch im telischen Quale enthalten (cf. ibid., 85). Hier ist allerdings kein eigener modaler Operator vorhanden. Die Qualia führen dazu, dass berufsbezeichnende Nomen einen funktionalen Basistypen aufweisen. Es ist ergänzend zu präzisieren, dass die Berufsbezeichnung in dem Sinne wie der Ausdruck hier verwendet wird, einen Eigenschaftsträger denotiert. Daher werden die Objekte innerhalb des der Korpusuntersuchung zugrunde liegenden viergliedrigen Lexemklassensystems (menschlich, belebt, konkret, abstrakt) ggfs. der Gruppe der menschlichen Entitäten zugeordnet.496 Der (menschliche) Eigenschaftsträger kann im Sinne der obigen Ausführungen so konzeptualisiert werden, dass es sich dabei um eine Entität mit bestimmten Eigenschaften handelt, die in Ausschließlichkeit den Beruf betreffen. In dem Fall ist das Nomen funktionalen Typs. Die Spezifizierung der Quale ergibt sich dann direkt aus dem Lexemgehalt. Die Eigenschaft [+ menschlich] fungiert dann lediglich als Lizensierung für die Zuschreibung eines Berufs. Werden dem Eigenschaftsträger jedoch weitere Eigenschaften zugeschrieben, solche, die das berufsbezeichnende Lexem nicht beinhaltet, so ist das Nomen komplexen Typs. Bevor die Abgrenzung vorgestellt und die entsprechende Analyse verdeutlicht werden (s.u.), sei der folgende Hinweis angeführt, der das Bild komplettiert. Es muss offenbar nicht dazu kommen, dass jemand tatsächlich den Beruf ausübt. Wie Busa (1999, 353) anmerkt, führt das in der Literatur zum Teil zu abweichenden Klassenbildungen. Sie hält die Frequenz und die tatsächliche Realisierung
Beispiele in Busa 1996, 20ss.). Die lexikalisch-semantische Ebene kann evtl. nicht unabhängig davon betrachtet werden. Nichtsdestrotrotz ist die lexikalisch-semantische Divergenz offenbar vorhanden. Die Thematik kann hier nicht vertieft werden. 496 Wird hingegen der Beruf als solcher denotiert, etwa im Falle von Krankenpflege, so handelt es sich bei dem entsprechenden Ausdruck um ein Abstraktum.
412
4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
oder Nicht-Realisierung der definierenden Handlung für unerheblich, da es sich dabei lediglich um eine Frage der Quantifizierung handelt (cf. ibid.). In [193] tritt eine Berufsbezeichnung in Objektposition auf. Das Objekt ist a-markiert. Wie gezeigt wird, erfüllt es damit die Erwartung. Das Objekt ist komplexen Typs. Das Denotat ist mit Eigenschaften angereichert, die über die bloße Berufsbezeichnung hinausgehen. [193] Además había contratado a una enfermera muy amable y a un profesor para él, un joven simpatiquísimo, se iban a hacer buenos amigos. (TER:097.14) ‘Außerdem hatte er eine sehr liebenswerte Krankenschwester eingestellt und einen Lehrer für ihn, ein überaus sympathischer junger Mann, sie würden gute Freunde werden.’ Das Attribut amable (‘liebenswert’) vereindeutigt die konzeptuelle Konstitution des Objekts. Es modifiziert den Inhalt von enfermera (‘Krankenschwester’) in einer Art und Weise, die im berufsbezeichnenden Lexem nicht angelegt ist. Das Lexem hat keinen Bedeutungsbestandteil, an den das Attribut direkt andocken könnte. Ein solcher Bedeutungsbestandteil wäre etwa mit der Qualität der sozialen Interaktionsfähigkeit zu umschreiben, amable (‘liebenswert’) würde die Ausdifferenzierung festlegen. Natürlich kann Weltwissen die Information enthalten, dass der genannte Beruf im Optimalfall unter Zuhilfenahme eines gewissen Maßes an sozialen Fähigkeiten ausgeübt wird. Das Lexem selbst enthält die Information jedoch nicht. Das Denotat muss eine andere Konfiguration aufweisen, die die Kombination mit amable (‘liebenswert’) ermöglicht. Es wird eine menschliche Entität denotiert, die einerseits die Eigenschaften in sich vereint, die die Bezeichnung mittels des verwendeten berufsbezeichnenden Lexems lizensiert, und die andererseits über berufsunabhängige menschliche Eigenschaften verfügt. Die Konstitution als Objekt komplexen Typs lässt sich außerdem parallel zu anderen menschliche Entitäten denotierenden Nomen zeigen. Dass das Objektdenotat in [193] über eine physische Ebene verfügen muss, resultiert aus dem gewählten Lexem. Die berufsbezogenen Eigenschaften beinhalten physische. Das Vorhandensein einer mentalen bzw. psychischen Ebene wird durch die Attribution von amable (‘liebenswert’) vereindeutigt. Der Beispielsatz ist aufgrund der enthaltenen Parallelstruktur besonders schön. Parallel zu der Krankenschwester (enfermera) wird ein Lehrer (profesor) eingeführt. Dem von profesor (‘Lehrer’) denotierten Eigenschaftsträger werden im weiteren Kotext Eigenschaften zugeschrieben, die die psychisch-mentale Ebene generell menschlicher Entitäten herausstellen und dabei klar über die berufsbezogenen Eigenschaften hinausgehen. Dem profesor (‘Lehrer’) wird nicht nur
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
413
zugeschrieben, sympathisch zu sein, sondern auch, dass er über Freundschaftspotential verfügt (un joven simpatiquísimo, se iban a hacer buenos amigos, ‘ein überaus sympathischer junger Mann, sie würden gute Freunde werden’). So kann die obige Analyse zusätzlich gestützt werden. Das Korpus enthält eine weitere Okkurrenz, bei der ein berufsbezeichnendes Nomen mit a-Markierung auftritt und komplexen Typs ist. Zwei Fälle mit Berufsbezeichnungen im weiteren Sinne in Objektposition präsentieren hingegen andere Verhältnisse (s. [194]). [194] El año pasado contraté un putón para que animara la cosa, pero acabé cas[á]ndome con ella y ahora no me quiere hacer la barra. (LAB:109.26) ‘Letztes Jahr habe ich eine Stripperin engagiert, die Schwung in die Sache bringen sollte, aber schließlich habe ich sie geheiratet und jetzt will sie nicht mehr hinter dem Tresen stehen.’ Das Objekt in Beispiel [194] ist in seiner Grundbedeutung keine Berufsbezeichnung. Der Ausdruck putón (‘Flittchen’) denotiert wie im Online-Wörterbuch der RAE angegeben zunächst eine «[m]ujer de costumbres sexuales muy libres» (http://lema.rae.es/drae/?val=putón, Zugriff: 14.12.14, ‘Frau mit sehr freizügigen sexuellen Gewohnheiten’).497 Durch die Einbettung unter contratar (‘einstellen’) wird die Bedeutung aktualisiert. Das Beispiel ist ein Fall von Type Coercion. Statt des komplexen (oder natürlichen) Basistyps498 wird durch das Rektionsverhältnis ein funktionaler ausgegeben. Semantisch lässt sich das wie folgt genauer beschreiben. Hinsichtlich der charakteristischen Eigenschaft, also der Gewohnheit, in sexuellen Kontakt mit anderen menschlichen Entitäten zu treten, wird die Fähigkeit zu eben dem Handeln als dominanter Bedeutungsbestandteil herausgestellt (Ortus-Faktor) (s. auch die Ausführungen oben zu Busa 1996, 84s.). So kann das telische Quale mit der Information angereichert werden, dass das der Fähigkeit entsprechende Tun zu einer Entlohnung führt. Der angeschlossene Finalsatz stärkt die Verbindungen im Satz, indem er den telischen Faktor des Verbs konkretisiert. Er bringt die Aufgabe zum Ausdruck, die dem Objektdenotat im mit der Einstellung (contratar) eintretenden (d.h. ingressiven) Zustand zukommen soll. Es soll Schwung in den Laden bringen und dadurch den Verkauf ankur497 Die Angabe im Online-Wörterbuch der RAE wurde zwischenzeitlich leicht abgeändert (cf. https://dle.rae.es/?id=UjqzAPL, Zugriff: 02.02.19). Die Klassifizierung des Ausdrucks hingegen wurde beibehalten als abwertend und umgangssprachlich (cf. http://lema.rae.es/drae/?val=putón, Zugriff: 02.02.19). 498 Der komplexe Basistyp ist etwas wahrscheinlicher (s. die Ausführungen zu IndividualLevel-Nomen in Kap. 4.3.1).
414
4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
beln (para que animara la cosa, ‘die Schwung in die Sache bringen sollte’). Auch aufgrund des abwertenden Ausdrucks in Objektposition (cf. http://lema.rae.es/ drae/?val=putón, Zugriff: 14.12.14; s.o.) ist in der beschriebenen ersten Hälfte des Satzes die Verbindung des aktualisierten, funktionalen Basistyps des Objektdenotats mit einem weiteren Typ zumindest unwahrscheinlich.499 Vor dem Hintergrund wird in der Übertragung ins Deutsche das Wort Stripperin gewählt.500 Interessant ist allerdings der Kotext. Der Sprecher, bzw. die sprechende Figur in der Erzählung,501 konterkariert seine Aussage mit dem darauf folgenden Adversativsatz. Die Information in pero acabé casándome con ella (‘aber schließlich habe ich sie geheiratet’) stellt einen Bruch zum vorher Gesagten dar. Der mentalen Repräsentation des betrachteten Diskursreferenten, der eingestellten Frau (putón, ‘Stripperin’), wird eine neue Eigenschaft zugewiesen ([+ (mit dem Sprecher) verheiratet]), wodurch sie eine Rekonzeptualisierung erfährt. Der entstehende Kontrast hat einen humorvollen Effekt.
499 Eine Einordnung als komplexer Typ könnte insbesondere deshalb zu Inkohärenz führen, weil die Freizügigkeit in der konzeptuellen Struktur des komplexen Typen wiederum als habituelles Verhalten eingeschrieben würde und daher nur noch schwer als beruflich zu nutzende Fähigkeit interpretierbar wäre (s. die Ausführungen im Fließtext oben zu Individual-Level-Nomen; cf. Busa 1996, 84s.). Das folgende Beispielset mag dies veranschaulichen: (i) Die Modellagentur stellte eine lockige Frau ein, die gut passte. (ii) Die Modellagentur stellte eine nette Frau ein, die gut passte. (iii) Die Modellagentur stellte eine nette, lockige Frau ein, die gut passte. In (i) kann das Objekt als funktionaler Typ interpretiert werden. Eine wahrscheinliche Lesart ist, dass die Frau als Modell eingestellt wird. Der umgangssprachlich markierte Relativsatz bezieht sich darauf, dass die Frau die erwarteten Eigenschaften in Hinblick auf ihren Beruf erfüllt, im Falle der Tätigkeit als Modell also über ein bestimmtes äußeres Erscheinungsbild verfügt. In (ii) hingegen ist das Objekt komplexen Typs. Die Lesart, die hier ausgelöst wird, ist, dass die Frau menschliche Eigenschaften hat, die sie als Mitarbeiterin hinter den Kulissen qualifizieren. In (iii) bleibt die Interpretation des komplexen Typen erhalten. Ein funktionaler Typ scheint ausgeschlossen. Die Interpretation der Freizügigkeit als Fähigkeit ist im im Fließtext behandelten Beispiel auch insofern nötig, da sie die Einbettung in den Sachverhalt des Einstellens mit dem angegebenen Ziel, Schwung in den Laden zu bringen (contraté … para que animara la cosa, ‘stellte ein, dass sie Schwung in die Sache brächte’), lizensiert. 500 Die Übertragung ins Deutsche, die im PONS-Onlinewörterbuch angegeben ist, ist allerdings die zuvor im Fließtext angegebene. Genauer findet sich für den Suchbegriff «putón» der Eintrag «putón (verbenero)», was als «Flittchen» angegeben wird (cf. http://de.pons.com/übersetzung?q=putón&l=dees&in=&lf=de, Zugriff: 02.02.19). Bei Slaby/Grossmann/Illig (2001) hat putón keinen Eintrag. 501 Die in der Geschichte sprechende Figur ist der Barbesitzer. Er berichtet in der Passage von der schlechten Situation in seiner Bar.
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
415
Eine weitere Okkurrenz im Korpus fällt in die Kategorie. Das Element in Objektposition in [195] ist eine Funktions- bzw. Berufsbezeichung im weiteren Sinn und denotiert eine Menge menschlicher Entitäten. Es ist unmarkiert. [195] Contrataron el conjunto de la sala de fiestas para una serie de programas, pero resultó fatal. (HOM:041.15) ‘Sie hatten für einige Sendungen das Ensemble des Festsaals unter Vertrag genommen, aber das Ergebnis war katastrophal.’ Das Objekt in [195] bezeichnet eine Menge von Personen, Musikern oder Tänzern.502 Dass es sich dabei um eine Menge handelt und bei ihren Elementen keine individuellen Eigenschaften spezifiziert sind, erleichtert die Konzeptualisierung als funktionaler Typ gegenüber einem Individuum, nähert es aber auch der Klasse der Abstrakta an. Wichtig ist, dass hier keine Organisation denotiert wird und auch kein komplexer Typ aus menschlichen Entitäten und einer Organisation vorliegt (s. als Gegenbeispiel etwa [147], wo die NP la empresa Bentley, ‘die Firma Bentley’, als Objekt des Verbs denunciar, ‘anzeigen’, auftritt, das Beispiel [197] unten sowie die weitere Diskussion im folgenden Kapitel). Das Objekt denotiert die Gesamtheit der Elemente der Menge unabhängig von einer die Elemente strukturierenden Ebene. Dies ist auf das Lexem in Objektposition zurückzuführen, bei dem die Organisation als solche zunächst kein Bedeutungsbestandteil ist. Davon verschieden ist die Eigenschaft, dass sich die Menge hinsichtlich einer Funktion konstituiert. Diese Funktion, gemeinsam zu musizieren oder zu tanzen, ermöglicht die Zusammenfassung der Einzelelemente zu einer Menge. Das Beispiel kann mit Okkurrenzen abgeglichen werden, die ein Nomen mit gegenläufigem semantischem Potential beinhalten. Im CREA finden sich geeignete Fälle mit empresa (‘Firma’) in Objektposition.503 Das Anfragepaar contratar {ø / a} la empresa gibt drei relevante Beispiele aus (cf. http://corpus.rae.es/cgi-bin/crpsrvEx.dll, Zugriff: 12.02.15). Eines ist unmarkiert (s. [196]), zwei sind markiert (s. bspw. [197]).
502 Auch anhand des weiteren Kontexts (sowohl vorangehender als auch folgender Kontext, insgesamt 577 Wörter) kann nicht eindeutig geklärt werden, ob hier Tänzer oder Musiker gemeint sind. 503 Die Verwendung von conjunto in der Lesart, die mit ‘Ensemble’ wiedergegeben werden kann, ist relativ infrequent. Häufiger sind Bedeutungen, die sich übertragen lassen als ‘Einheit’, ‘Gesamtheit’ u.a. (cf. für die Bedeutungen etwa http://de.pons.com/übersetzung?q=conjunto&l=dees&in=&lf=de, Zugriff: 02.02.19). Eine Korpusrecherche im CREA wäre daher unverhältnismäßig aufwendig.
416
4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
[196] Sumillera indicó que ya se ha contrado la empresa que aportará los técnicos encargados de las inspecciones […]. (CREA: El Norte de Castilia, 01.02.2001, «Baja el nivel de espumas […]») ‘Sumillera gab an, dass man bereits der Firma einen Auftrag erteilt habe, die die Techniker stellen wird, die die Inspektionen durchführen.’ [197]
La propietaria de esta casa quería reformar su cocina, de planta cuadrada, y crear una zona de comer más amplia y confortable, por lo que contrató a la empresa Alberman. (CREA: Casa Diez, 12/2001, «Una cocina rústica y con office») ‘Die Eigentümerin dieses Hauses wollte ihre Küche umbauen, deren Grundriss quadratisch ist, und einen größeren und komfortableren Essbereich schaffen, weshalb sie der Firma Alberman einen Auftrag erteilte.’
Das Beispielpaar zeigt die gegenläufigen Möglichkeiten zu dem oben angeführten mit conjunto (‘Ensemble’) in Objektposition. In [196] tritt der möglicherweise seltenere Fall auf, in dem das Objekt abstrakt-funktionalen Typs ist. Wie kontextuell vereindeutigt wird, denotiert es den abstrakten Bestandteil, also die Organisation als solche. Dies ist möglich, weil es gerade Mitarbeiter sind, die Gegenstand des Auftrags sind. Das Objekt in [197] hingegen wird konzeptualisiert als Einheit aus Organisation und Mitarbeitern. Es ist komplexen Typs. Von den verbleibenden vier Okkurrenzen der Hauptuntersuchung zu contratar (‘einstellen’) denotieren zwei Konkreta (s. [198]) und zwei Abstrakta (s. [199]). Alle Objekte sind entsprechend der jeweiligen Erwartung unmarkiert. [198] Los orígenes de este grupo se remontan a 1934, año en el que José Molares Alonso […] se inició en el mundo de la pesca, contratando pescado en el puerto de El Berbés. (3VO:057-1.5-05) ‘Die Ursprünge der Gruppe gehen bis auf 1934 zurück, als José Molares Alonso seine ersten Schritte in der Welt der Fischerei ging und im Hafen von El Berbés Verträge über Fisch abschloss.’ [199] Simon añadió que su ciudad contrató con compañías médicas, las cámaras de Sanidad y farmaceúticas del estado federado, las modalidades y la financiación de la provisión de metadona por un periodo de tres años. (2VO:067-2.2-15) ‘[Wilma] Simon fügte hinzu, dass ihre Stadt mit Medizinunternehmen, den Kammern für Gesundheitswesen und Apotheker des Landes die Modalitäten und die Finanzierung der Provision für Methadon über einen Zeitraum von drei Jahren vereinbart habe.’
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
417
Das Objekt in [198] denotiert ein Konkretum, intendiert wird allerdings ein Abstraktum, nämlich die ‘Lieferung von Fisch’. Nichtsdestotrotz wird das Objekt pescado, ‘gefangener, mithin toter Fisch für den Verzehr’ als natürlicher, genauer semi-intentionaler, Typ eingeordnet. Die ‘Fischlieferung’ wäre abstraktfunktionalen Typs. Das Beispiel zeigt in Abgrenzung etwa zu [195] mit conjunto (‘Ensemble’) in Objektposition, mit welch deutlichen Lesartenunterschieden und wechselnden semantischen Rollen verschiedene Denotatsklassen des Objekts einhergehen. Während der Referent von conjunto (‘Ensemble’) selbst Verbindlichkeiten zu erfüllen hat, kommen in [198] implizite Fischereibetriebe dieser Forderung nach und der Referent von pescado (‘Fisch’) ist Gegenstand der Verbindlichkeiten. Dem Argument kommt also die Rolle des Themas zu. In [199] werden die Vertragsparteien explizit genannt. Die Stadt (su ciudad, ‘ihre Stadt’) schließt Verträge mit unterschiedlichen Entitäten aus dem Bereich des Gesundheitswesens (compañías médicas, ‘Medizinunternehmen’ etc.) ab. Auch hier hat das Objekt, las modalidades y la financiación (‘die Modalitäten und die Finanzierung’), die Rolle eines Themas. Das Objekt ist abstrakt-funktionalen Typs. 4.1.3.4 Investigar (‘untersuchen’, ‘ermitteln’) Das Verb investigar (‘untersuchen’, ‘ermitteln’) ist das letzte aus der Klasse der Verben mit geringem Transitivitätsgrad, das hier besprochen werden soll. Für die Einordnung ist die geringe Involviertheit des Zweitaktanten ausschlaggebend. Der Erstaktant muss mit ihm im Grunde nicht in Kontakt treten (cf. auch den Hinweis auf geringen physischen Kontakt bei Lehmann 1991, 228). Der Erstaktant selbst ist stärker in die Handlung involviert. Volitionalität ist gegeben. Die Involviertheit ist hauptsächlich mentaler Natur. Und es kann auch ein Sachverhalt mit investigar (‘untersuchen’, ‘ermitteln’) bezeichnet sein, bei dem lediglich eine mentale Beschäftigung mit Informationen vorliegt, die in irgendeinem Zusammenhang mit dem Objektdenotat stehen. Dennoch ist davon auszugehen, dass die typische Konzeptualisierung auch eine physische Komponente bzgl. des Erstaktanten beinhaltet. Investigar (‘untersuchen’, ‘ermitteln’) drückt einen durativen Prozess aus (cf. ibid.). Für die geringe Transitivität spielt auch die Atelizität eine Rolle. Mit der Atelizität in Zusammenhang steht, dass keine Zustandsänderung beim Zweitaktanten erfolgt. Davon ausgenommen ist wiederum, dass ein semantisches Merkmal, nämlich etwa [+ wird untersucht], bei Gegebenheit des Verbalvorgangs zutrifft. Das Verb hat eher schwache Selektionsrestriktionen. Das Verhältnis belebtes, evtl. menschliches Subjektdenotat und unbelebtes Objektdenotat mag als typisch empfunden werden. Eine quantitative Tendenz
418
4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
kann hier nicht überprüft werden. Beide Positionen können auch anders gefüllt werden.504 Anhand der Okkurrenzen des Verbs investigar (‘untersuchen’, ‘ermitteln’) lassen sich die bisherigen Ausführungen weiter bekräftigen. Das Korpus enthält 7 relevante Beispiele. Die Objekte denotieren mehrheitlich Abstrakta (6 Okkurrenzen), von denen eines markiert ist (s. [200]). [200] Varias organizaciones de consumidores piden que se investigue a la empresa Bentley Club (3VO:054-4.0-03)505 ‘Mehrere Konsumentenvereinigungen fordern, dass gegen die Firma Bentley Club ermittelt wird.’ Das Nomen empresa (‘Firma’) in Objektposition wurde schon mehrfach diskutiert. Die Verhältnisse sind hier gleich gelagert wie im obigen Beispiel [147], das hier als [201] wiederholt wird. Die beiden Beispiele entspringen demselben Zeitungsartikel. [201] La Unión de Consumidores de España (UCE) ha denunciado a la empresa Bentley Club Internacional por estafa […]. (3VO:054-4.1-03) ‘Die Unión de Consumidores de España (spanischer Verbraucherverband, UCE) hat die Firma Bentley Club Internacional wegen Betrugs angezeigt.’ Das a-markierte Objekt in [200] ist wie das ebenfalls markierte in [201] komplexen Typs. Bei beiden Beispielen wird davon ausgegangen, dass sich der komplexe Typ aus einem abstrakt-funktionalen Typen für die Firma als Organisation und einem komplexen oder funktionalen für die Menge der Mitarbeiter zusammensetzt. Die Kategorie des Objekts in [200] wird kontextuell lizensiert. Der telische Faktor des regierenden Verbs investigar (‘untersuchen’, ‘ermitteln’) ist spezifiziert als die Aufdeckung von nicht-regelkonformem Verhalten der Menge der oder einzelner Firmenmitarbeiter. Das Verhalten ist dabei konzeptuell kollektiviert, der Verbalvorgang investigar (‘untersuchen’, ‘ermitteln’) betrifft also Vorgänge auf der Ebene der Firma als Akteur am Markt, die nicht per se dem Verhalten von Individuen zugeschrieben werden. Im Korpus treten 5 weitere Objekte auf, die Abstrakta denotieren, allerdings nicht markiert sind. Zwei davon sind abstrakt-natürlichen (s. [202]), drei sind abstrakt-funktionalen Typs (s. [203]).
504 Präferenzen bzgl. des Subjektdenotats stehen in Zusammenhang damit, dass Fälle wie El libro investiga … als Metonymie vom Werk zum Autor verstanden werden. 505 Bei dem Beispiel handelt es sich um eine Überschrift.
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
419
[202] Yo conocía su caso, había investigado sus pesadillas, los destrozos del sueño, la profunda pérdida de confianza en la solidez de la tierra que pisaba. (JOV:053.25) ‘Ich kannte seinen Fall, ich hatte seine Alpträume untersucht, die Niederlagen in seinen Träumen, den tiefen Vertrauensverlust in die Stabilität des Bodens, auf dem er ging.’ [203] Garzón reclamó leyes que permitan investigar las tramas financieras de las mafias organizadas, y se opuso a la despenalización del tráfico de drogas. (1VO:012-2.1-57) ‘Garzón forderte Gesetze, die es ermöglichen sollen, die finanziellen Komplotte der Mafia-Organisationen zu untersuchen, und stellte sich gegen die Entkriminalisierung des Drogenhandels.’ Die Einordnung der beiden Beispiele ist unproblematisch. In [202] tritt pesadillas (‘Albträume’) in Objektposition auf. Das Ortus- und das telische Quale des Konzepts sind nicht spezifiziert. Bei tramas financieras (‘finanzielle Komplotte’) in [203] sind die beiden Faktoren hingegen ausdifferenziert. Das willentliche Verhalten eines bestimmten Personenkreises führt zur Entstehung, das dem Konzept zukommende Ziel ist die persönliche Bereicherung ungefähr des gleichen Personenkreises. Mithin sind beide Objekte nicht-komplexen Typs. Nicht-komplexen Typs ist auch die siebte und letzte Okkurrenz im Korpus (s. [204]). [204] Se mueven demasiado, se trasladan de un sitio a otro, exploran, investigan parajes, cruzan islas y selvas… (JOV:058.40) ‘Sie bewegen sich zu viel, sie ziehen von einem Ort zum nächsten, sie erkunden, sie untersuchen Gegenden, queren Inseln und Wälder.’ Das Objekt in [204], parajes (‘Gegenden’), denotiert ein Konkretum. Weder der Ortus-Faktor noch das telische Quale sind spezifiziert. Es ist also natürlichen Typs. Entsprechend der Erwartung ist das Objekt unmarkiert.
4.1.4 Fazit zu den Ergebnissen der Korpusanalyse nach Verbklassen In den vorangegangenen Kapiteln wurde ein repräsentativer Ausschnitt von Verben mit direktem Objekt hinsichtlich der vertretenen Theorie untersucht. Der Ansatz der Komplexitätsikonizität (cf. etwa Givón 1985 sowie Lehmann 1974, 111; s. Kap. 2.8) erwies sich dabei als hervorragend geeignet, um die spanische
420
4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
differentielle Objektmarkierung zu beschreiben. Demnach entspricht konzeptuell komplexen Objektkonstruktionen eine relativ komplexe Oberflächenstruktur (Realisierung der a-Markierung). Konzeptuell nicht-komplexe Verbalobjekte werden hingegen mittels einer relativ weniger komplexen syntaktischen Struktur realisiert (Objekt ohne a-Markierung). Die konzeptuelle Komplexität, die ObjektNPs in Einbettung zukommt, kann dabei drei bzw. vier unterschiedliche Grade aufweisen, die unter Rückgriff auf die Typen-Theorie Pustejovskys (1991a; 1995b; 2001) bestimmt werden (s. auch Kap. 2.8.2). In der Graduierung ist allerdings die hier wichtige binäre Opposition angelegt. Natürliche, semi-intentionale und funktionale Typen sind nicht-komplex. Sie stehen der Möglichkeit einer Verbindung von zwei oder mehr Typen zu einem komplexen Typ gegenüber. Der Kontext entscheidet mit über die Konzeptualisierung eines Nomens. Besonders wichtig bzgl. der Objekt-NP ist das regierende Verb (cf. Pustejovsky 1991a, 415). Die Verbsemantik ermöglicht die Bildung bestimmter Erwartungen hinsichtlich dem bzw. den Typen von eingebetteten Nomen. Vor dem Hintergrund wurde ein besonderer Fokus auf Verbklassen gelegt. Unter Berücksichtigung grundlegender Unterscheidungen wie den Aktionsarten von Vendler (1957) und späteren Entwicklungen wie bspw. Pustejovsky (1991b), insbesondere aber der umfassenderen Ansätze zur Transitivität von Hopper/Thompson (1980) und von Lehmann (1991) wurden die Verben zerlegt. Ein besonderes Augenmerk lag auf ihrer Temporalstruktur sowie der Art der Beteiligung der Aktanten. Die Qualität des denotierten Sachverhalts wurde mit den Selektionspräferenzen relationiert. Die auf der Basis erstellte Transitivitätshierarchie motiviert die Anordnung im Kapitel und in den Teilkapiteln. Trotz der Berücksichtigung feiner Details sind allerdings anhand der Verben Generalisierungen hinsichtlich der aMarkierung nur eingeschränkt möglich (s. auch die tabellarische Übersicht bzgl. der Markierung in Abhängigkeit der Verben und Verbklassen am Ende des Kapitels). Auf der Basis eines kompositionellen Ansatzes wie dem generativen Lexikon (cf. etwa Pustejovsky 1991a, 419) ist das jedoch kaum überraschend. Zwischen lexikalischen Einheiten und Konzepten besteht kein konstantes Verhältnis. Die Bedeutung und damit auch die Konzeptualisierung sprachlicher Einheiten werden im Gebrauch durch die Verbindung untereinander aktualisiert. Verben verfügen also über ein prinzipiell relevantes Potential, etwa was die Selektionspräferenzen betrifft. Die Eigenschaften können aber kontextuell überschrieben werden (s. genauer die in Kap. 2.8.2 beschriebenen Operationen). Nichtsdestotrotz sind Verbklassen für die Systematisierung einer großen Untersuchung wie der vorliegenden sehr hilfreich. Der stufenweise Abgleich macht feine Divergenzen zugänglich. Der hier verfolgte Ansatz liefert durch die Detailanalyse auch relevante Beiträge zur Verfeinerung der semantischen Beschreibung der Verben. Die erarbeiteten Nominalklassen werden in Kap. 4.3 nochmals gezielt systematisiert.
4.1 Korpusanalyse der DOM nach Verbklassen
421
Wie die umfassende Korpusanalyse im vorliegenden Kapitel gezeigt hat, lassen sich mit dem hier vertretenen Ansatz sowohl typische bzw. höher frequente Phänomene beschreiben und erklären als auch seltenere Fälle, einschließlich solcher Okkurrenzen, die traditionelle Theorien nicht erklären können. Einen großen Anteil der Okkurrenzen machen die beiden Gruppen von zumeist a-markierten Objekten mit menschlichem Denotat und häufig unmarkierten Objekten mit unbelebtem Denotat aus. Die Tendenz liegt der schulgrammatischen Beschreibung auf lexikalischer Basis zugrunde. In der hier vorgenommenen Untersuchung hat sich gezeigt, dass menschliche Denotate häufig komplex, Konkreta und Abstrakta hingegen zumeist nicht-komplex konzeptualisiert werden. Dass die erste Gruppe oft a-markiert wird, die andere meist nicht, resultiert also aus einem indirekten Zusammenhang. Als weniger typische Fälle, die der vorliegende Ansatz ebenfalls erklären kann, sind etwa Sonderbedeutungen der Verben aber auch des lexikalischen Materials in Objektposition, Fälle von Type Coercion und Co-Composition im Sinne Pustejovskys (1995b), metaphorische Verwendungen usw. zu nennen. Unter den analysierten Strukturen fand sich nur ein Fall, der entgegen der Erwartung der Theorie markiert wurde.506 Von den insgesamt 853 relevanten Okkurrenzen aus der ADESSE-Datenbank, die im Rahmen der Hauptuntersuchung analysiert wurden, waren 244 amarkiert (28,6%) gegenüber einer größeren Gruppe von 609 unmarkierten Objekten (71,4%). Tabelle 3 unten fasst die Verhältnisse zusammen. Dass sich unter den Okkurrenzen keine weiteren fanden, die der Theorie eindeutig widersprechen würden, ist ein deutlicher Hinweis auf ihre besonders weitgehende Erklärungsadäquatheit. In Kap. 2.7 wurden andere Ansätze besprochen, insbesondere solche, die Spezifizität (cf. etwa Brugè/Brugger 1996) oder Verbklassen (cf. bspw. Fernández Ramírez 1986) als entscheidende Faktoren ansetzen, die Agentivität von Subjekt- und Objektdenotat vergleichen (cf. etwa García García 2010) und verschiedene weitere. Es wurden vielseitige Erkenntnisse einschließlich diverser Kategorisierungsvorschläge besprochen, was auch eine Abgrenzung der hier vertretenen Theorie ermöglichte. Das ausführliche Analysekapitel wurde auch genutzt, um verschiedenen Detailfragen nachzugehen. Von besonderer Bedeutung ist die Einführung eines relationalen Typs in Anlehnung an die etwa bei Pustejovsky (1995b) und Busa (1996; 1999) im Detail besprochene relationale Bedeutung von Nominalklassen wie Verwandtschaftsbezeichnungen und sozialen Rollen. Eine derartige relationale
506 Im Korpus fand sich ein Objekt von despertar (‘wecken’), das nicht-komplexen Typs war, aber die a-Markierung aufwies. Ihr Auftreten ließ sich aus den oberflächengrammatischen Eigenschaften der Struktur erklären (s. Kap. 4.1.1.1).
422
4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
Tab. 3: Tabellarische Übersicht untersuchter verbaler Types und DOM. Verbaler Type Starke Trans.
matar
76
56
73,7%
20
26,3%
despertar
57
18
31,6%
39
68,4%
golpear
44
9
20,5%
35
79,5%
morder
11
1
9,1%
10
90,9%
vencer
36
30
83,3%
6
16,7%
8
3
37,5%
5
62,5%
11
3
27,3%
8
72,7%
espantar cazar Mittlere Trans.
parar
11
2
18,2%
9
81,8%
cambiar
65
3
4,6%
62
95,4%
252
25
9,9%
227
90,1%
20
17
85,0%
3
15,0%
4
2
50,0%
2
50,0%
coger abrazar desnudar situar
6
3
50,0%
3
50,0%
29
11
37,9%
18
62,1%
reemplazar
2
1
50,0%
1
50,0%
insultar
4
3
75,0%
1
25,0%
acusar
28
17
60,7%
11
39,3%
sustituir
Geringe Trans.
denunciar
33
3
9,1%
30
90,9%
tratar
38
24
63,2%
14
36,8%
100
7
7,0%
93
93,0%
abandonar
Gesamtzahl
Anzahl a-markierte Prozentsatz Unmarkierte Prozentsatz relevanter Objekte Objekte Okkurrenzen
contratar
11
5
45,5%
6
54,5%
investigar
7
1
14,3%
6
85,7%
853
244
28,6%
609
71,4%
22
Bedeutungskomponente ist bspw. für die Erklärung der Verhältnisse bei vencer (‘besiegen’, s. Kap. 4.1.1.2.3) relevant. Auf die Verhältnisse bei Berufsbezeichungen wurde mehrfach eingegangen, insbesondere im Zusammenhang mit contratar (‘einstellen’). Zudem konnte das Phänomen herausgearbeitet werden, wie die aspektuelle und die Temporalstruktur bestimmter Verben alternative (und
4.2 Experimentelle Untersuchung der DOM
423
metaphorische) Lesarten lizensiert (s. die Ausführungen in den Unterkapiteln von Kap. 4.1.2.1 zu coger, ‘nehmen’, ‘ergreifen’; ‘bekommen’, abrazar, ‘umarmen’; ‘beinhalten’, desnudar, ‘ausziehen’). Eine Neuerung war im Zusammenhang mit den Substitutionsverben (s. Kap. 4.1.2.2) die Einführung der Begriffsopposition des strengen gegenüber dem nicht-strengen Ersetzungsverhältnis (s. Kap. 4.1.2.2.1), die offenbar sprachliche Relevanz hat. Bei den Substitutionsverben konnte die Aktantenkonfiguration besonders schön mit den weiteren strukturellen Verhältnissen in Zusammenhang gebracht werden. Hilfreich ist zuletzt die Einführung des Begriffs des Container-Verbs für bestimmte Verwendungen von tratar (‘behandeln’, ‘umgehen mit’).
4.2 Experimentelle Untersuchung der DOM Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde auch eine experimentelle Studie durchgeführt. Ihr Ziel war es, Indizien für die kognitive Relevanz der vorgestellten Theorie zu sammeln (cf. etwa Schwarz 2008, 45 mit weiteren Literaturhinweisen). Dafür wurden mehrere experimentelle Methoden in einem komplexen Setup verbunden, was unter Kap. 3.2 ausführlich beschrieben ist. So konnten bestimmte Tendenzen herausgearbeitet werden. Die Haupttendenz des Experiments mit Audioaufnahmen ist, dass die durchschnittlichen Reaktionszeiten bei den a-markierten Strukturen kürzer waren. Dies lässt sich so interpretieren, dass der Marker (höhere formale Komplexität) dem Hörer als Signal dient und so seinen Verarbeitungsaufwand trotz der höheren konzeptuellen Komplexität verringert. Auch in dem Teil mit visuellen Stimuli zeigen sich relevante Zusammenhänge. Im Folgenden werden die Ergebnisse der Untersuchung vorgestellt und diskutiert. Zunächst wird auf den in Kap. 3.2.1.1 präsentierten ersten Teil mit Audioaufnahmen Bezug genommen. Dann werden Ergebnisse aus dem Test mit Bildern (s. auch Kap. 3.2.1.2) besprochen. Der Aufbau der beiden Teilkapitel folgt wiederum dem abnehmenden Transitivitätsgrad der enthaltenen Matrixverben. Das Kapitel wird durch Hinweise für künftige ähnliche Untersuchungen vervollständigt (s. Kap. 4.2.3).
4.2.1 Akzeptabilitätstests und Reaktionszeitmessung zur DOM mittels Audioaufnahmen Die Untersuchung mittels Audioaufnahmen (s. Kap. 3.2.1.1) kombinierte die Elizitation von Grammatikalitätsurteilen mit einer Reaktionszeitmessung. Die wertende Reaktion der Versuchsteilnehmer hatte auch die Funktion, zu
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überprüfen, ob die Items tatsächlich verarbeitet wurden (cf. Caplan 2001, 307). Die Untersuchung enthielt 14 Strukturen mit direktem Objekt. Ergänzend wurde zudem ein Funktionsverbgefüge integriert (tener razón, ‘recht haben’). Die folgenden lexikalischen verbalen Types wurden jeweils mit markiertem und unmarkiertem Objekt abgefragt: matar (‘töten’), cazar (‘fangen’, ‘einfangen’), coger (‘nehmen’, ‘ergreifen’; ‘bekommen’) sowie insultar (‘beleidigen’). Die Untersuchung wurde mit Strukturen mit den folgenden Verben in nur einer formalen Realisierung ergänzt. Mit a-markierten Objekten waren es die Verben morder (‘beißen’), abrazar (‘umarmen’; ‘beinhalten’) sowie investigar (‘untersuchen’, ‘ermitteln’). Mit Objekt ohne a-Markierung wurden denunciar (‘anzeigen’, ‘öffentlich verurteilen’) und buscar (‘suchen’) integriert. Die verbalen Types sind großteils die, die auch in der Korpusanalyse eingehend vorgestellt wurden. Sie exemplifizieren ebenfalls die unterschiedlichen Transitivitätsgrade. Im Rahmen dieses Teils des Experiments zeigt sich eine Tendenz, die die in der vorliegenden Arbeit präsentierte Theorie nicht vorhersagt, die aber mit ihr kompatibel ist. Bei mehreren der oppositiven Items war die durchschnittliche Reaktionszeit des Items mit a-markiertem Objekt kürzer als im unmarkierten Fall. Auch bei den Items ohne Gegenbeispiel zeigte sich die Tendenz. Die durchschnittlichen Durchschnittsreaktionszeiten der a-markierten gegenüber der Gruppe der unmarkierten Objekte sind ebenfalls kürzer, nämlich 0,899 Sekunden bei Markierung und 1,071 ohne Markierung. Die Divergenz ist nicht bei allen Items gleich stark ausgeprägt, allerdings findet sich nur ein recht deutliches Gegenbeispiel (mit insultar, ‘beleidigen’). Der folgende Zusammenhang lässt sich auf Grundlage des vertretenen Ansatzes annehmen. Die formale Anzeige der Komplexität hat demnach den erwarteten Effekt und erleichtert die Verarbeitung. Allerdings übersteigt die Erleichterung den kognitiven Mehraufwand. Die Nominalobjekte unterscheiden sich hierbei von den satzwertigen Objekten, wo die Durchschnittswerte der beiden Gruppen zwar die gleiche Tendenz aufweisen, sich aber annähern (s. Kap. 5.2.1). Als weitere oder zusätzliche Erklärung ist denkbar, dass das markierte Element in der formalen Komplexitätsopposition mehr Aufmerksamkeit erfährt, ein a-markiertes Objekt wäre demnach salienter (cf. bspw. Dalrymple/Nikolaeva 2010, 161 in einem anderen Kontext unter Bezugnahme auf Carleton/Waksler 2002) und würde daher schneller verarbeitet. Eine weitere Interpretationsmöglichkeit ist zu nennen. Unabhängig von der Ikonizitätsopposition trägt die Markierung zu einer Vereindeutigung der syntaktischen Struktur bei. In der Interpretation, die z.T. Arbeiten zugrunde liegt, die eine sukzessive Erweiterung der Auftretenskontexte von a zeigen (cf. bspw. Company Company 2002) wäre a (mehr und mehr) als Akkusativmarker zu verstehen. Möglicherweise sind aber die relativen Reaktionszeiten so stark von Frequenzeffekten im Sinne Haspelmaths (2006, 32s.) geprägt, dass die
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konzeptuellen Eigenschaften überschrieben oder zumindest stark überlagert werden. Das folgende Item-Paar mit matar (‘töten’) wurde bereits in Kap. 3.2.1.1 vorgestellt und in unterschiedlicher Hinsicht diskutiert. Die Struktur in [T1.20]507 wurde von sechs Sprechern abgelehnt (mit «mal», ‘schlecht’, ‘falsch’), [T1.04] wurde von allen Sprechern akzeptiert. [T1.20]
El mes que viene es el cumpleaños de papá. Y mamá quiere festejarlo a lo grande. Ha dicho que necesitaremos mucha carne. ¿Por qué no matamos la vaca Perla? ‘Kommenden Monat hat Papa Geburtstag. Und Mama will richtig groß feiern. Sie hat gesagt, dass wir viel Fleisch brauchen werden. Warum schlachten wir nicht die Kuh Perla?’
[T1.04]
[…] algún chico conducía muy borracho y muy rápido y en medio del pueblo perdió el control sobre el coche. ¿Sabías que casi mató al alcalde López? ‘Irgendein junger Mann fuhr betrunken und sehr schnell und mitten im Dorf verlor er die Kontrolle über den Wagen. Wusstest du, dass er fast den Bürgermeister López getötet hätte?’
Wie in Kap. 3.2.1.1 besprochen, ist [T1.20] einer Okkurrenz aus dem Korpus sehr eng nachempfunden, die in Kap. 4.1.1.1 behandelt wurde. Das Nominalobjekt la vaca Perla (‘die Kuh Perla’) wird als nicht-komplex, d.h. funktionalen oder semi-intentionalen Typs, interpretiert. Es handelt sich in dem Kontext und bei Einbettung unter matar (‘töten’, hier: ‘schlachten’) um ein Tier, das für den Verzehr geschlachtet werden soll und nicht um ein Tier, mit dem eine Gedanken- und Gefühlswelt assoziiert wird. Das Ausbleiben der a-Markierung ist insofern ikonisch. Die Struktur ist grundsätzlich auch als grammatisch zu werten und sollte weitgehend akzeptiert werden. Sechs ablehnende Reaktionen sowie zwei nicht verwertbare führen zwar zu immerhin 16 Reaktionen der Akzeptanz. Dennoch muss gefragt werden, wie es zu der verhältnismäßig häufigen Ablehnung des Items [T1.20] kommt. Dabei wurden die Eigenschaften der Spezifizität und insbesondere auch, dass die NP einen Eigennamen umfasst, bereits angesprochen. Es scheint hier eine leichte Korrelation mit dem Tierliebhabertum zu bestehen. Im Fragebogen wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gebeten,
507 Die Test-Items («T») werden in der Nummerierung von den anderen verwendeten Daten abgegrenzt. [T1.20] ist das 20. reguläre Item des ersten «Dialogs».
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anzugeben, ob sie Tierliebhaber seien oder nicht oder ob Ihnen Tiere egal seien. Insgesamt gaben 17 Partizipanten an, tierlieb zu sein, 6 wählten Gleichgültigkeit und nur eine Person gab an, nicht tierlieb zu sein. Von denjenigen, die das Beispiel ablehnten, waren 5 aus der Population der Tierliebhaber, der sechste war der nicht-tierliebe Partizipant. Die leichte Korrelation gibt allerdings keinen Aufschluss über die Gründe der Ablehnung von [T1.20]. Es sind zwei möglich. Im Sinne der Theorie wäre, wenn die Teilnehmer [T1.20] ablehnen, weil sie die Kuh Perla (la vaca Perla) nicht als Schlachtobjekt (nicht-komplexer Typ) konzeptualisieren, sondern als eine Art Tötungsobjekt mit einer Gedanken- und Gefühlswelt (komplexer Typ). Möglicherweise bringen sie aber auch nur ihre Ablehnungshaltung gegenüber der Schlachtung zum Ausdruck und geben kein Grammatikalitätsurteil wieder (Störfaktor). Die Ergebnisse bzgl. des folgenden Beispiels deuten eher in die Richtung der zweiten Interpretation. [T1.21] Por cierto, a la tía Raquel le gusta mucho la liebre asada. Qué piensas, ¿cazamos un conejo de bosque? ‘Übrigens, der Tante Raquel schmeckt Hasenbraten besonders gut. Was denkst du, wollen wir ein Wildkaninchen fangen?’ Beim Item [T1.21] wurde die Lesart noch deutlicher hervorgehoben, dass es um ein Tier als Nahrungsmittel ging. Die Versuchspersonen wurden geprimt, insofern als im dem Test-Item vorausgehenden Satz liebre asada (‘Hasenbraten’) eingeführt wurde. Das Nominalobjekt im Testsatz, un conejo de bosque (‘ein Wildkaninchen’), ist ein Gattungsbegriff, es ist indefinit und unspezifisch. Diese Eigenschaften sowie diejenige, dass es sich um ein relativ kleines Tier handelt, das zudem nicht domestiziert ist (s. für die Diskussion auch Kap. 4.3.2), sprechen für eine recht hohe Akzeptabilität. Dennoch lehnten immerhin vier Versuchspersonen den Satz mit mal (‘schlecht’, ‘falsch’) ab. Alle vier hatten sich als Tierliebhaber eingeordnet. Bei all den Überlegungen ist zuletzt auf die Möglichkeit eines gewissen Maßes an Willkür hinzuweisen. So lehnten nur zwei Versuchspersonen beide Beispiele ab. Bei Item [T1.04] (casi mató al alcalde López, ‘er tötete beinahe den Bürgermeister López’) erfolgte die Reaktion durchschnittlich nach 0,9406 Sekunden.508 508 In Kap. 3.2.1.3 wurden mögliche Kritikpunkte an der Methodik besprochen. Auch die Genauigkeit der Reaktionszeitmessung kann hinterfragt werden, denn die Auswertung war, wie in Kap. 3.2.1.1 behandelt, nicht vollständig automatisiert. Dass es insgesamt eine eher geringe Variation von zumeist nur wenigen Zehntelsekunden gab, spricht allerdings sicherlich für die Methodik. Die Zeiten werden v.a. der Anschaulichkeit halber auf vier Stellen nach dem Komma (Zehntelmillisekunden) gerundet angegeben. Das ist vertretbar, weil die Zahlen keine individuellen,
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Sie war etwas schneller, lag aber nah an der Durchschnittsreaktionszeit des ersten Dialogs (1,0093 Sekunden). Bei [T1.20] (matamos la vaca Perla, ‘wir schlachten die Kuh Perla’) war die Reaktion demgegenüber leicht verzögert und trat im Durchschnitt nach 1,1735 Sekunden auf. Auch für cazar (‘fangen’, ‘einfangen’) wurden zwei Items verwendet, die die formale Opposition ohne und mit a-Markierung zeigten. Die unmarkierte Variante wurde auch oben angeführt, die markierte bereits in Kap. 3.2.1.1. Beide werden für die bessere Gegenüberstellung wiederholt. [T1.21]
Por cierto, a la tía Raquel le gusta mucho la liebre asada. Qué piensas, ¿cazamos un conejo de bosque? ‘Übrigens, der Tante Raquel schmeckt Hasenbraten besonders gut. Was denkst du, wollen wir ein Wildkaninchen fangen?’
[T1.08]
Dicen que la mitad del departamento de ejecutivos huyó al extranjero. ¿Piensas que la policía cazará al jefe de la compañía? ‘Angeblich ist die Hälfte der Führungsetage ins Ausland geflohen. Glaubst du, dass die Polizei den Chef der Firma kriegen wird?’
Während wie oben besprochen [T1.21] von vier Partizipanten abgelehnt wurde, wurde [T1.08] nicht abgelehnt. Die durchschnittliche Reaktionszeit war beim a-markierten Beispiel deutlich geringer. Sie lag bei 0,8707 Sekunden, die von [T1.21] kam hingegen auf 1,1616 Sekunden. Das Verb coger (‘nehmen’, ‘ergreifen’; ‘bekommen’) wurde in mehreren Items eingesetzt. Die Opposition des Auftretens und Ausbleibens des Markers a wurde anhand von [T2.08] und [T1.14] überprüft. [T1.17] enthält eine Art idiomatische Verbindung, die zur weitergehenden Gegenüberstellung abgefragt wurde. [T2.08] Y la vecina de al lado me ha dicho lo siguiente: Después de llegar a casa mojada dejó su ropa en el pasillo, sólo unos cinco minutos. ¿Tiene razón cuando dice que tu perro cogió sus zapatos? ‘Und die Nachbarin von nebenan hat mir Folgendes gesagt: Nachdem sie durchnässt nach Hause gekommen war, ließ sie ihre Klamotten im Flur, nur für ein paar Minuten. Hat sie mit ihrer Aussage recht, dass dein Hund sich ihre Schuhe geschnappt hat?’
sondern Durchschnittswerte zeigen. Da die Daten durch die Vorauswahl und die Gewichtung durch die Verwendung des Durchschnitts bereits vorverarbeitet waren, wird auf eine detaillierte statistische Auswertung verzichtet.
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[T1.14]
[…] Nuestra prima ya tiene el segundo hijo, recién nacido. Pero aún no me ha dejado llevarlo en brazos. Y tú, ¿ya has cogido al bebé? ‘Unsere Cousine hat schon das zweite Kind, es ist erst kürzlich zur Welt gekommen. Aber sie hat es mich noch nicht auf den Arm nehmen lassen. Und du, hast du das Baby schon gehalten?’
[T1.17]
[…] ayer me acordé de una historia de cuando éramos pequeños. Una vez hubo un incendio en el establo del vecino a causa de algún defecto de la electricidad. Y corrimos a preguntar al vecino si sus cerdos fumaban porque si no se estaba quemando su establo. Aparte del daño material, ¿crees que cogió el chiste? ‘Gestern ist mir eine Geschichte aus unserer Kindheit wieder eingefallen. Einmal brannte es im Stall des Nachbarn wegen irgendeinem elektrischen Defekt. Und wir rannten hin, um den Nachbarn zu fragen, ob seine Schweine rauchten, weil ansonsten wohl sein Stall brannte. Unabhängig vom Sachschaden, glaubst du, dass er den Witz verstanden hat?’
Die beiden Objekte in [T2.08] und [T1.14] sind spezifisch. Das unmarkierte Objekt denotiert ein Konkretum, das a-markierte hingegen eine menschliche Entität. In schulgrammatischen, aber auch in frequenzbasierten Beschreibungen wird zumeist eine solche Korrelation präsentiert (s. auch Kap. 2.7.1). Auch [T1.17] müsste als idiomatisierte Struktur gut zu verarbeiten sein. Bei keinem der Beispiele sind größere Komplikationen ersichtlich. Entsprechend der Erwartung sind die Reaktionszeiten zumindest der ersten beiden Items unauffällig: Die durchschnittliche Reaktionszeit für [T2.08] weicht mit 0,9296 Sekunden nur leicht von der Durchschnittszeit des zweiten Dialogs, 1,0084 Sekunden,509 ab. Die Reaktionen erfolgen bei [T1.14] im Verhältnis deutlich schneller. Die durchschnittliche Reaktionszeit liegt hier bei 0,7841 Sekunden (bei einem Gesamtdurchschnittswert von 1,0093 Sekunden). Sie ist die schnellste Durchschnittsreaktionszeit des ersten Dialogs. Item [T1.17] wurde hingegen mit einer relativ langen Reaktionszeit von 1,2611 Sekunden quittiert. Insbesondere die Akzeptabilitätsergebnisse bzgl. des Sets sind genauer zu besprechen. Drei Partizipanten lehnten [T2.08] mit «mal» (‘schlecht’, ‘falsch’) ab. [T1.14] wurde von allen Partizipanten akzeptiert. [T1.17] hingegen wurde gar von
509 Wie zu Ende von Kap. 3.2.1.1 besprochen, werden die Durchschnittszeiten der beiden Dialoge getrennt gehalten, da von einem gewissen Lerneffekt auszugehen ist. Auch für die weitere Diskussion sei auf das Kap. 3.2.1.1 verwiesen.
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5 Versuchspersonen abgelehnt, eine weitere Reaktion wurde wegen zu starker Verzögerung entnommen. Die folgenden Interpretationen scheinen naheliegend. Möglicherweise wurde bei [T2.08] auch das (Fehl-)Verhalten des Hundes bewertet. Das, was in Item [T1.17] als Witz wieder aufgegriffen wird, ist ebenfalls moralisch kritisierbar. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass der mit el chiste (‘der Witz’) beschriebene Sachverhalt als etwas anderes denn als Witz klassifiziert wurde, woraus sich ein Referenzproblem ergeben würde (s.u.). Die im Verhältnis verzögerte Reaktion könnte aber bspw. auch lediglich daran liegen, dass die Verb-Objekt-Struktur in einem eingebetteten Satz auftritt, oder daran, dass el chiste (‘der Witz’) als Komplexanapher (cf. dafür Schwarz 2008, 200ss.) verwendet wird und die Auflösung solcher Anaphern einen gewissen Aufwand bedeutet. Es fällt auf, dass die Reaktionen sowohl bei matar (‘töten’) als auch bei cazar (‘fangen’, ‘einfangen’) und ebenso bei coger (‘nehmen’, ‘ergreifen’; ‘bekommen’) jeweils bei den a-markierten Objekten durchschnittlich schneller erfolgen als bei den gegenübergestellten unmarkierten Objekten. Der Umstand könnte für die These sprechen, dass die Markierung generell die Verarbeitung erleichtert, indem sie die Verhältnisse morphosyntaktisch vereindeutigt. Ebenso könnten wie in Kap. 3.2.1.1 angesprochen die Sprecherwartungen eine Rolle spielen, die anhand einer relativen Frequenz grob messbar wären (cf. etwa Haspelmath 2006, 32). Die Reaktionen folgen allerdings bei insultar (‘beleidigen’) nicht dieser Tendenz. Das ist besonders auffällig, weil hier nach zwei tierischen Objektdenotaten und einem Konkretum das Objekt zum ersten Mal ein Abstraktum denotiert. Die folgenden beiden Items enthalten das Verb insultar (‘beleidigen’). Sie entspringen dem zweiten Dialog. [T2.14] [A]quí convive gente bien educada. ¿No crees que con tu comportamiento insultas los buenos modales de los otros? ‘Hier leben wohlerzogene Menschen zusammen. Glaubst du nicht, dass du mit deinem Verhalten die guten Manieren der anderen beleidigst?’ [T2.11]
Me ha dicho el vecino de abajo que el otro día te dijo eso, que apesta tu perro. ¿Es verdad lo que dice el otro vecino que como respuesta tú insultaste al vecino de abajo? ‘Der Nachbar von unten hat mir gesagt, dass er dir kürzlich gesagt hat, dass dein Hund stinkt. Stimmt das, was der andere Nachbar sagt, dass du als Antwort den Nachbarn von unten beleidigt hast?’
In Item [T2.14] tritt ein Abstraktum in Objektposition auf. Die Kombination war im Korpus nicht frequent, trat aber einmal auf. Das Item ist der entsprechenden
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Okkurrenz aus dem Korpus nachempfunden (s. [205]). Sie wurde in Kap. 4.1.2.3.1 besprochen. [205] Los zapatos topolino desentonaban. […][P]orque su factura audaz e informal […] insultaba el buen gusto que habían ostentado tradicionalmente las españolas […]. (USO:080.13) ‘Die Topolino-Schuhe waren fehl am Platz. Denn ihre kühne und unkonventionelle Machart beleidigte den guten Geschmack, den die Spanierinnen traditionell gezeigt hatten.’ Das Item [T2.14] wurde von allen Partizipanten akzeptiert. [T2.11] mit a-markiertem Objekt, das eine menschliche Entität denotiert, wurde von einer Versuchsperson abgelehnt. Eine zweite Reaktion war zu stark verzögert und wurde aussortiert. Auch in den beiden Beispielen wurde versucht, sie annähernd oberflächlich parallel zu strukturieren. Sie weisen leichte Abweichungen auf. Interessanterweise war die durchschnittliche Reaktionszeit bei der unmarkierten Struktur mit abstraktem Objektdenotat ([T2.14]) besonders kurz. Der Wert 0,7042 Sekunden ist der geringste im Datenset. Auch die Reaktionszeit bei [T2.11] war gering, wenn auch mit 0,8812 Sekunden etwas länger als die des Gegenbeispiels. Wie oben angesprochen, ist das Reaktionszeitverhältnis nur bei insultar (‘beleidigen’) in der genannten Reihenfolge, dass also dem markierten Item eine längere durchschnittliche Reaktionszeit zukommt als dem unmarkierten. Wie zu Beginn des Unterkapitels beschrieben, wurden zudem mehrere Strukturen ohne Gegenbeispiel als Items aufgenommen. Sie verhielten sich mehrheitlich unauffällig. Das Verb morder (‘beißen’) wurde im Rahmen des zweiten Dialogs mit einem a-markierten, definiten Objekt mit tierischem Denotat (plausiblermaßen komplexer Typ) verbunden. Ein Partizipant lehnte es ab, eine weitere Reaktion wurde wegen einer externen Störung aussortiert.510 Die durchschnittliche Reaktionszeit war mit 0,8890 Sekunden gering. Im ersten Dialog erhielt das Verb abrazar (‘umarmen’; ‘beinhalten’) ebenfalls ein amarkiertes definites Objekt mit tierischem Denotat (komplexer Typ plausibel). Zwei Partizipanten lehnten es ab. Die durchschnittliche Reaktionszeit war auch hier mit 0,8935 Sekunden kurz. Das dritte Verb mit a-markiertem Objekt war 510 Es kam in dem Gebäudeteil, in dem das Experiment durchgeführt wurde, zu einem Stromausfall. Die verwendete externe Soundkarte benötigt allerdings Strom. Der Strom fiel direkt nach der Reaktion der Partizipantin auf das vorangegangene Item aus. Das Item [T2.07] mit morder (‘beißen’) war nach dem Neustart das erste Item für die Teilnehmerin und wurde daher von der Wertung ausgeschlossen. Die anderen Werte wurden wie üblich berücksichtigt, da die Versuchsperson nicht verunsichert schien und auch ihre Reaktionen keine Auffälligkeiten zeigten.
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investigar (‘untersuchen’, ‘ermitteln’) und war Teil des ersten Dialogs. Das Objekt denotierte singularisch einen komplexen Typ aus «Organisation•menschliche Entitäten» (cf. für die Darstellung bspw. Pustejovsky 1995b; s. Kap. 2.8.2). Die lexikalische Füllung war compañía (‘Firma’). Alle Partizipanten akzeptierten die Struktur. Die durchschnittliche Reaktionszeit lag bei 1,0362 Sekunden. Die Verben denunciar (‘anzeigen’, ‘öffentlich verurteilen’) und buscar (‘suchen’) wurden mit Objekten ohne a-Markierung abgefragt. Buscar (‘suchen’) wurde mit einem unspezifischen, singularischen Objekt mit einer sogenannten Typenlesart kombiniert, un inquilino nuevo (‘einen neuen Mieter’). Auch die Struktur wurde von keinem Partizipanten abgelehnt. Lediglich eine Reaktion war zu stark verzögert, um gewertet werden zu können. Die durchschnittliche Reaktionszeit war allerdings mit 1,2513 Sekunden relativ hoch und lag recht deutlich über der Durchschnittsreaktionszeit des zweiten Dialogs von 1,0084 Sekunden. Allerdings trat das Objekt in einer eingebetteten Struktur auf (s. [T2.06]). [T2.06] Te doy una semana y si no pagas te echo a ti y a tu perro de esta casa. No te echo directamente porque, pues, ¿sabes cuánto trabajo es buscar un inquilino nuevo? ‘Ich gebe dir eine Woche und wenn du nicht bezahlst, werfe ich dich und deinen Hund aus diesem Haus. Ich werfe dich nicht sofort hinaus, denn weißt du, wieviel Arbeit es ist, einen neuen Mieter zu suchen?’ Das Item involviert einen referentiellen Wechsel hin zum Generikum, was möglicherweise auch einen gewissen zusätzlichen Verarbeitungsaufwand mit sich bringt. Eine weitere mögliche Schwierigkeit könnte in dem etwas technischen Nomen bestehen. Das Item mit denunciar (‘anzeigen’, ‘öffentlich verurteilen’) aus dem zweiten Dialog wurde von fünf Partizipanten abgelehnt, zwei weitere Reaktionen entfallen aus der Wertung. Es soll daher ebenfalls kurz vorgestellt werden. [T2.10] [L]os vecinos ya no están de acuerdo con la presencia del perro. ¿Es que no denuncian su mal olor? ‘Die Nachbarn sind mit der Anwesenheit des Hunds nicht mehr einverstanden. Kann es sein, dass sie sich über seinen schlechten Geruch beschweren?’ Das Item orientiert sich an verschiedenen annähernd ähnlichen aus dem Korpus, bspw. dem folgenden (s. Kap. 4.1.2.3.3), dessen Übertragung ins Deutsche versucht, den Stil des Ausgangstexts aufzunehmen.
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[206] Seguí corriendo y denunciando el caos imperante hasta que me faltó el resuello […]. (LAB:038.24) ‘Ich rannte weiter und schimpfte dabei über das herrschende Chaos, bis mir die Luft ausging.’ Wie in Kap. 4.1.2.3.3 gezeigt wurde, ist das Auftreten von Abstrakta als Objekt von denunciar (‘anzeigen’, ‘öffentlich verurteilen’) keineswegs selten. Die unvollständige Akzeptanz überrascht daher zunächst. Möglicherweise ist die Kombination genrespezifisch oder anderweitig markiert. Eine semantische Schwierigkeit könnte darin bestehen, dass ein impliziter Adressat der Beschwerde vorhanden ist, was den Verarbeitungsaufwand erhöhen könnte. In den Beispielen aus dem Korpus scheint ein möglicher Adressat eine geringere Rolle zu spielen. Auch die Art des Abstraktums könnte eine Rolle für die wiederholte Ablehnung gespielt haben. Neben der nicht vollständigen Akzeptanz der Struktur ist auch die durchschnittliche Reaktionszeit mit 1,2102 Sekunden eher lang. Ein weiterer denkbarer, außersprachlicher Faktor für die Ergebnisse könnte auch sein, dass die Partizipanten nicht die Struktur und ihre Semantik problematisch finden, sondern den Inhalt und bspw. keine in Wohnungen gehaltenen schlecht riechenden Hunde kennen. In den experimentell erhobenen Daten zur DOM zeigt sich also, wie gesagt, eine dahingehende Tendenz, dass die durchschnittlichen Reaktionszeiten bei den a-markierten Objekten geringer sind als bei den unmarkierten Objekten. Der Umstand lässt sich nicht direkt aus dem hier vertretenen Ansatz ableiten. Ihm zufolge wäre erwartbar, dass entweder die konzeptuell komplexen Strukturen mit einem höheren Verarbeitungsaufwand einhergehen und es so zu längeren Reaktionszeiten kommt, oder aber, wie im Fall der Objektsätze (s. Kap. 5.2.1), dass die Ikonizität dazu führt, dass der höhere Verarbeitungsaufwand ausgeglichen wird und die Reaktionszeiten sich annähern. Die demgegenüber experimentell gezeigte Tendenz bei den Nominalobjekten könnte nun dafür sprechen, dass bestimmte Faktoren die Konzeptualisierung überlagern und sich stärker auf die Verarbeitung auswirken als die Komplexitätsdivergenz. Es wäre die Morphosyntax zu nennen, insofern eine Markierung gewissermaßen zu eindeutigeren Verhältnissen führt. Die Argumentation degradiert den a-Marker jedoch zum Kasusmarker (cf. diesbezüglich Arbeiten, die für eine stetige Ausbreitung von a argumentieren, bspw. Company Company 2002). Es ist allerdings ebenso gut möglich, dass die Erwartbarkeit des Auftretens von bestimmten Nomen bzw. ontologischen Klassen als Nominaldenotate entscheidend ist. Dies führt zu einer Argumentation anhand der relativen Frequenz (cf. dafür bspw. Haspelmath 2006, 32s., 47). Um dahingehend belastbare Aussagen zu treffen, müssten jedoch die Gesamtstrukturen der Items, also die Kookkurrenzen zumindest von Verb und
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Objekt in den Blick genommen werden. Es wäre nötig, sie wiederum mit anderen möglichen Strukturen frequentiell abzugleichen, was hier nicht umgesetzt werden soll.511
4.2.2 Entscheidungstests zur DOM mit Bildern Der zweite Teil der experimentellen Analyse war eine Zuordnungsaufgabe. Die Partizipanten mussten aus zwei bis drei Bildern eines oder eine Bildkombination wählen, die einen vorgegebenen Satz oder Anteile davon am besten darstellte. Die Abweichungen zwischen den Bildern erfassten auf mehr oder weniger abstrakte Weise erwartete Unterschiede in der konzeptuellen Struktur. Die jeweilige Wahl der Versuchspersonen sollte Aufschluss über die kognitive Relevanz der konzeptuellen Eigenschaften liefern. Mehrere Items, insbesondere solche, wo die Bilder deutliche Unterschiede zeigten, führten zu recht eindeutigen Ergebnissen. Andere Items, v.a. solche, bei denen die bildliche Darstellung nur in Nuancen divergierte, führten zu keinen eindeutigen Ergebnissen. Dadurch ergab sich zwar kein Widerspruch zur Theorie, allerdings ließ sich die Nullhypothese in den betreffenden Fällen nicht widerlegen. Dort, wo im Folgenden die entsprechenden Items zur Sprache kommen, werden auch mögliche Gründe diskutiert. Es wurden insgesamt vier verbale Types mit unterschiedlichen Nominalobjekten getestet: Mit vencer (‘besiegen’) und cazar (‘fangen’, ‘einfangen’) waren zwei stark transitive Verben vertreten. Zudem wurde das Substitutionsverb sustituir (‘ersetzen’) verwendet. Das Set wurde durch das in der Literatur zur DOM häufig angeführte Verb buscar (‘suchen’) ergänzt. Es wurden mehrere Items mit vencer (‘besiegen’) verwendet. Der erste Testsatz lautete wie folgt.512 [N1] En la final de la Eurocopa, España venció a Italia. ‘Im Finale der Europameisterschaft besiegte Spanien Italien.’
511 Offenbar ist das mit einem hohen Aufwand verbunden. Er wäre hier aufgrund des anders gelagerten Fokus nicht gerechtfertigt. 512 Die Reihenfolge der Beispiele basiert auf dem abnehmenden Transitivitätsgrad der enthaltenen verbalen Types. Sie spiegelt nicht die Reihenfolge der Fragebögen wider, die zudem durch die Verwendung von zwei unterschiedlichen Fragebögen A und B variiert wurde.
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Das Item gibt einen realen Sachverhalt wieder.513 Es wurde davon ausgegangen, dass er den Partizipanten noch einigermaßen präsent sein würde.514 Das war wichtig, um Zweifel an der bildlichen Darstellung auszuschließen. Die Teilnehmer sollten aus zwei Bildern wählen, wer dem Testsatz zufolge verloren hatte.515 Das erste Foto zeigte mehrere italienische Spieler nach der Niederlage. Sie waren an ihren blauen Trikots auch für weniger informierte Partizipanten gut erkennbar. Der Testsatz selbst wurde konstant gehalten, es gab kein Gegenbeispiel. Die zweite Bildwahlmöglichkeit wurde jedoch zwischen den beiden Fragebögen variiert. In Fragebogen A wurde unter Möglichkeit (b) die italienische Flagge dargestellt, in Fragebogen B hingegen der geographische Umriss Italiens, der sogenannte Stiefel. Wie im Rahmen der Korpusanalyse (s. Kap. 4.1 mit Unterkapiteln) verschiedentlich besprochen, wird hier davon ausgegangen, dass Nomen, die Organisationen denotieren, als komplexe Typen konzeptualisiert werden können, die die organisatorische Struktur und die Bestandteile verbinden. Wird also bspw. von einem Land gesprochen, so ist genau zu prüfen, was gemeint ist, etwa die Geographie, Menschen mit der Eigenschaft, Bewohner zu sein, oder eine irgendwie strukturierte Organisationseinheit usw. Im Falle des Testitems wird davon ausgegangen, dass Italia (‘Italien’) eine Fußballmannschaft denotiert. Dabei handelt es sich um eine Sonderform eines Kollektivums, nämlich ein strukturiertes Kollektivum, das sich aus einem eingeschränkten Set an Bestandteilen zusammensetzt. Begrifflich wird das in Kap. 4.3.1 als Gruppennomen präzisiert. Der ihm entsprechende Typ (im Sinne der Typentheorie Pustejovskys) verbindet ein Set an Personen mit einer Organisationsstruktur (s. Kap. 4.1.1.2.3 für die weitere Diskussion eines vergleichbaren Beispiels). In der Literatur werden solche und ähnliche Nomen in Objektposition hingegen häufig mit semantisch anders strukturierten Abstrakta gleichgesetzt. Während der hier vertretene Ansatz eine schlüssige Motivation für die a-Markierung liefert (Komplexitätsikonizität), sind solche Okkurrenzen für andere Ansätze problematisch und nur bspw. durch die Annahme metonymischer Prozesse nachvollziehbar.
513 Die spanische Nationalmannschaft gewann am 01.07.12 im Finale der Europameisterschaft 2012 mit 4:0 deutlich gegen die italienische Mannschaft und verteidigte dadurch ihren Titel als Europameister (http://www.kicker.de/news/fussball/em/startseite/europameisterschaft/2012/6/1122687/spielanalyse_spanien-932_italien-924.html, Zugriff: 02.02.19). 514 Das Fußballspiel fand wie gesagt am 01.07.12 statt, die experimentelle Untersuchung wurde in der zweiten Septemberhälfte 2012 (17.–28.09.12) durchgeführt. 515 Die Aufgabenstellung lautete: «Por favor, elija la imagen que le parece más adecuada para describir quién perdió según la frase.» (‘Wählen Sie bitte das Bild aus, das Ihnen geeigneter erscheint, um darzustellen, wer laut dem Satz verloren hat.’)
4.2 Experimentelle Untersuchung der DOM
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Die bildlichen Darstellungen erfassen die Problematik und instantiieren Italia (‘Italien’) in entsprechender Weise. Das Bild mit den Fußballspielern instantiierte die oben nochmals aufgeführte angenommene Konzeptualisierung des Akkusativobjekts am besten. Es waren Fußballspieler erkennbar, die Bestandteile der Gruppe, deren Gruppenzugehörigkeit durch ihre Kleidung verdeutlicht wurde. Die Strukturierung wurde insbesondere insofern instantiiert, als dass Spieler mit Feldtrikots abgebildet waren, aber auch Spieler mit Auswechseltrikots in etwas anderer Farbe und ein Ersatztorwart, bei dem auch die Hose eine andere Farbe hat und der Handschuhe in der Hand hält. Sowohl die Flagge als auch der «Stiefel» sind etwas abstrakter, können jedoch ebenfalls als mögliche Darstellungen in einem solchen Kontext angeführt werden. Würde das Akkusativobjekt entgegen des hier vertretenen Ansatzes, aber im Sinne der oben genannten zu stark simplifizierenden Ansicht als nicht-komplexes Abstraktum interpretiert, so wären die Flagge und der Umriss des Landes geeignete Instantiierungen. Im Fußballkontext wäre u.U. die Flagge etwas eher zu erwarten. Die Partizipanten entschieden sich signifikant häufiger für die Wahlmöglichkeit (a) mit den Fußballspielern.516 Das in Abb. 6 gezeigte Diagramm diskriminiert nicht zwischen den Fragebögen. 27 Partizipanten wählten das Foto eines Ausschnittes der italienischen Nationalmannschaft, 5 wählten die Flagge (3 Versuchspersonen) oder den Stiefel (2 Versuchspersonen).517 Mit dem Item [N1] konnten also die Erwartungen bestätigt werden. Das ein komplexes Konzept instantiierende Bild wurde von den Partizipanten klar präferiert. Es sei allerdings daran erinnert, dass auch ein so deutliches Ergebnis wie das vorliegende nur eine indirekte Evidenz für die Konzeptualisierung liefert.
516 Die Aussage bezieht sich auf die zusammengerechneten Fragebögen A und B (s. auch Fließtext und Diagramm). Bei einem Signifikanzniveau von α = 0,05 ergibt sich ein Chi-Quadrat-Wert von X2emp = 15,125 > X2krit = 2,706. Die Nullhypothese kann verworfen werden, das Ergebnis ist signifikant. 517 Auch zwischen den beiden Fragebögen gibt es also eine Divergenz. In Fragebogen A wurde anteilig häufiger die Möglichkeit (b) gewählt, was für die obige Aussage sprechen könnte, dass die Flagge im Fußballkontext recht salient ist. Sie wurde im Fragebogen A dreimal gewählt gegenüber der zwölfmaligen Wahl (a). In Fragebogen B hingegen wurde nur zweimal der «Stiefel» gegenüber fünfzehnmal (a) gewählt. Auch diesbezüglich lässt sich rechnerisch eine leichte Signifikanz zeigen. Es ist aber nicht unbedingt sinnvoll, darauf eine Argumentation aufzubauen, weil die absoluten Zahlen für (b) jeweils sehr gering sind.
436
4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
15 0
5
10
Anzahl
20
25
30
vencer a Italia
Fußballspieler
Flagge / «Stiefel»
Wahlmöglichkeit Abb. 6: Diagramm zur Bildwahl bei [N1] mit vencer (‘besiegen’).
Das folgende Item-Paar, ebenfalls mit vencer (‘besiegen’), wurde bereits in Kap. 3.2.1.2 besprochen. Die Besonderheit daran ist, dass die Sätze strikt parallel gestaltet sind. Es war dafür nötig, die beiden Items unterspezifiziert zu halten. Das jeweils enthaltene Nominalobjekt fällt in die Gruppe der Abstrakta. Es denotiert in erster Linie einen Vorgang (cf. http://dle.rae.es/?id=19W3MaW, Zugriff: 02.02.19), kann aber auch eine Menge an Vorgängen sowie eine Gefühlsregung zum Ausdruck bringen.518 [N2.1] Vencieron la agresión. ‘Sie überwanden die Aggression / Gewalt.’ [N2.2] Vencieron a la agresión. Etwa: ‘Sie schlugen den Angriff nieder.’
518 Die Bedeutungsbestandteile sind dem deutschen Aggression ähnlich, entsprechen sich aber nicht (cf. bspw. http://www.duden.de/rechtschreibung/Aggression, Zugriff: 02.02.19).
4.2 Experimentelle Untersuchung der DOM
437
Für das Beispielpaar wurde eine sehr abstrakte bildliche Darstellung verwendet (s. Anhang). In beiden Wahlmöglichkeiten wurde das Objektdenotat als Kombination aus einer Faust, einem Säbel und einem Schlagstock dargestellt, wobei sich die Gegenstände innerhalb eines Kreises befanden, um ihre Zusammengehörigkeit zu symbolisieren. Um die Verbbedeutung zu instantiieren, war der Kreis mit den Gegenständen durchgestrichen. Das implizite Subjekt wurde durch zwei schemenhafte Personen dargestellt. Der durchgestrichene Kreis lag einmal innerhalb und einmal außerhalb des Umrisses der beiden Personen. Die Idee war, dass lediglich im Falle des innerhalb der Personen liegenden Kreises die Lesart als Gefühlsregung möglich wäre, eine Konzeptualisierung des Vorgangs oder der Menge an Vorgängen hingegen v.a. durch den außerhalb der Personen liegenden Kreis symbolisiert würde. Es wurde davon ausgegangen, dass die a-markierte Variante ([N2.2]) die Gefühlsregung nicht zum Ausdruck bringen kann, das unmarkierte Objekt in [N2.1] hingegen schon, wenn auch in dem Fall andere Lesarten nicht ausgeschlossen sind. Mit 26 der 32 Partizipanten wählte eine deutliche Mehrheit für beide Testsätze jeweils das gleiche Bild.519 Das Ergebnis erlaubt es nicht, die Nullhypothese zu verwerfen. Dafür kommen mehrere Gründe in Frage. Wie oben bereits angedeutet, sind zumindest im unmarkierten Fall mehrere Lesarten möglich, was die Divergenz zwischen den beiden Realisierungen teilweise verwischt. Es ergibt sich somit kein eindeutiges Mapping zwischen den zugrunde liegenden Lesarten und der bildlichen Darstellung. Grundsätzlich ist auch die sehr abstrakte bildliche Darstellung (s.o.) ein möglicher Faktor. Es ist zu erwähnen, dass die bildlich dargestellte Unterscheidung, die v.a. auf einer angenommenen Lesart des unmarkierten Objekts als Gefühl beruht, einem frühen Kenntnisstand der Untersuchung entspringt.520 Die Gefühlslesart ist allerdings möglicherweise nicht salient genug, insofern wie oben gesagt die Erstbedeutung des Nomens agresión eine Handlung ist (cf. http:// dle.rae.es/?id=19W3MaW, Zugriff: 02.02.19).521 Ein höheres Maß an Explizitheit, sowohl in den Testsätzen durch mehr Kontext, als auch bei den Bildern, hätte u.U. ein eindeutiges Ergebnis ermöglicht. Zuletzt sei gesagt, dass vor dem Hintergrund der verfeinerten Theorie davon ausgegangen wird, dass beide Sätze zunächst eine 519 Dabei wählten 11 Versuchspersonen zweimal (a), das Bild, in dem sich die beschriebene abstrakte Darstellung von agresión (‘Angriff’, ‘Aggression’) außerhalb der dargestellten Personen befand. 15 Versuchspersonen wählten das Gegenstück. 520 Das Material der experimentellen Analyse wurde auf der Grundlage eines frühen Wissensstandes des Verfassers erstellt. Das Objekt wurde gezielt gewählt, um die im oben folgenden Fließtext wiedergegebene Lesartendistinktion eines Gefühls ([+ innerhalb des Subjektdenotats]) vs. Handlungen anderer ([– innerhalb des Subjektdenotats]) in eine direkte Opposition zu integrieren. 521 Das Online-Wörterbuch der RAE führt keine Gefühlslesart für agresión an (cf. http://dle. rae.es/?id=19W3MaW, Zugriff: 02.02.19). Mit einer Ad hoc-Recherche mittels der Suchmaschine Google lassen sich jedoch Indizien für die Möglichkeit der Lesart finden.
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
Lesart evozieren, in der das Objekt einen Vorgang oder eine Menge an Vorgängen denotiert, dass aber die dem eingebetteten a-markierten Objekt zukommende Konzeptualisierung zudem die Urheber bzw. die Ausführenden des Vorgangs oder der Vorgänge enthält. Das wird mit den beschriebenen Bildern nicht dargestellt. Das uneindeutige Ergebnis überrascht daher nicht. Die Items mit cazar (‘fangen’, ‘einfangen’) wurden bewusst deutlicher spezifiziert. Das bringt allerdings mit sich, dass sie sich lexikalisch nicht entsprechen können. [N3.1]
En aquella época, las solteras se apresuraban a cazar un marido. ‘In jener Zeit beeilten sich Ledige, einen Ehemann zu ergattern.’
[N3.2]
A las doce, la policía trataba de cazar a un asesino. ‘Um zwölf Uhr versuchte die Polizei, einen Mörder zu schnappen.’
Die Struktur in [N3.1] ist im Korpus ganz ähnlich belegt (s. Kap. 4.1.1.2.5). Das parallele Item [N3.2] ist unproblematisch. Während das eingebettete Objekt ohne Markierung in [N3.1] kein Individuum, sondern eine soziale Rolle denotiert, ist die naheliegendste Lesart des zweiten Beispiels, dass das Objekt spezifisch ist. In jedem Falle ist es komplexen Typs, wohingegen das erste Objekt funktionalen Typs ist. Die Partizipanten wurden gebeten, einem Bild links auf der Seite, das jeweils das Matrixsubjekt darstellen sollte, ein weiteres hinzuzufügen.522 Sie hatten dabei jeweils zwei Wahlmöglichkeiten. Bei beiden Items wurde unter der Möglichkeit (a) ein Männchen dargestellt und unter (b) versucht, eine Funktion bzw. das Ziel des Fangens (cazar, ‘fangen’, ‘einfangen’) darzustellen. Beim Item [N3.1] wurde links eine sich beeilende Frau dargestellt. Sie bewegte sich in Richtung der zwei Wahlmöglichkeiten (a) eines Mannes und (b) zweier ineinander verschlungener Ringe, d.h. dem Zeichen für Heirat. Der hier vertretenen Theorie zufolge instantiiert diese zweite Möglichkeit das Item besonders gut, da ja die Funktion des Fangens (bzw. des Ergatterns), nämlich die Heirat, dargestellt ist. Im Rahmen der üblichen Besprechungen der differentiellen Objektmarkierung wäre eine solche Darstellung ausgeschlossen. Dennoch wählten 19 Partizipanten diese Option und entsprachen damit den Erwartungen der hier überprüften Theorie. Lediglich 13 Versuchspersonen entschieden sich für das Männchen. 522 Die Aufgabenstellung war wie folgt formuliert: «Por favor, añada una de las dos imágenes (a) o (b) a la imagen de la izquierda para describir bien la frase.» (‘Fügen Sie bitte dem Bild links eines der beiden Bilder (a) oder (b) hinzu, um den Satz gut darzustellen.’) Die bildlichen Darstellungen sind sich sehr ähnlich. Wo es möglich war, wurden identische Ausgangsformen unterschiedlich modifiziert.
4.2 Experimentelle Untersuchung der DOM
439
Bei Item [N3.2] sollten zu einem sich ebenfalls von links zu den beiden Möglichkeiten hinüberbewegenden Polizisten entweder (a) ein Mann mit blutendem Messer oder (b) Handschellen hinzugefügt werden. Die Kombination mit dem Mann unter (a) wäre der Theorie zufolge eine gute Instantiierung des Testsatzes. Die Option (b) konterkariert die Ringe, wäre hier aber vergleichsweise weniger gut geeignet, um die Verhältnisse theoriegemäß zu verdeutlichen. Die den Erwartungen entspechende Divergenz fiel hierbei noch klarer aus. So wählten 26 Partizipanten die Variante (a), das Bild der Person, also des Mörders, gegenüber 6 weiteren, die sich für die Handschellen unter (b) entschieden. Die Ergebnisse zu den beiden Items zeigen eine sehr deutliche Tendenz und stützen somit die hier vertretene Theorie, auch wenn keine statistische Signifikanz errechnet werden kann.523 Das experimentelle Datenset enthielt ein Item mit dem Substitutionsverb sustituir (‘ersetzen’). [N4] La alcachofa grande de la ducha sustituye a la alcachofa pequeña. ‘Der große Duschkopf ersetzt den kleinen Duschkopf.’ Das Item wurde u.a. verwendet, um die kognitive Relevanz des Vorschlags zu testen, dass Subjekt- und Objektdenotat bei Substitutionsverhältnissen den gleichen oder einen vergleichbaren Agentivitätsgrad aufweisen (cf. insbes. García García 2010, 112ss.). Wie in Kap. 4.1.2.2.1 gezeigt, können mit dem Ansatz nicht alle Okkurrenzen erklärt werden. Die Erklärung der a-Markierung im Rahmen der hier vertretenen Theorie ist, dass ein sogenanntes strenges Ersetzungsverhältnis vorliegt. Das Objekt des Substitutionsverbs ist konträr relational, d.h. etwa, dass die Erfüllung einer bestimmten Funktion durch das Subjektdenotat die Präsenz des Objektdenotats in der Situation ausschließt. In der konzeptuellen Struktur wird in dem Fall der Basistyp des Objekts mit einem relationalen Typen angereichert, wodurch ein komplexer Typ entsteht. Die in Abb. 7 gezeigten drei bildlichen Darstellungen wurden zum Testsatz zur Wahl gestellt.
523 Ein möglicher Grund dafür, dass sich trotz der deutlichen Divergenz keine statistische Signifikanz ergibt, könnte das zweischrittige Testdesign sein. Der Test ist zweischrittig, weil die Items kombiniert werden. Daher muss der Alphafehler-Kumulierung entgegengewirkt werden, bspw. mittels einer Bonferroni-Korrektur (cf. bspw. https://de.wikipedia.org/wiki/AlphafehlerKumulierung und https://de.wikipedia.org/wiki/Bonferroni-Methode, Zugriffe: 02.02.19). Sie ist rechnerisch relevant und setzt für Signifikanz eine besonders hohe Abweichung voraus.
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
(a)
(b)
(c)
Abb. 7: Wahlmöglichkeiten zum Item mit sustituir (‘ersetzen’).
Wie bereits in Kap. 3.2.1.3 angesprochen wurde, ist die Möglichkeit (a) gewissermaßen eine falsche Fährte. Sie ist weder logisch möglich, noch bringt sie den Satz zum Ausdruck, da keine Ersetzung gegeben ist.524 Die Wahlmöglichkeit wurde v.a. hinzugefügt, um die Partizipanten zu primen und sie auf das Problem des Verhältnisses zwischen den beiden Duschköpfen aufmerksam zu machen. Die Möglichkeit (b) zeigt eine raum-zeitliche Trennung. So kann das ausgeglichene Agentivitätsverhältnis dargestellt werden. D.h., beide Duschköpfe werden gleichermaßen funktionsfähig dargestellt. Bis auf die Zeitangabe wäre die Ersetzung auch in umgekehrter Richtung möglich. Das Bild unter (c) betont das konträr relationale Verhältnis zwischen den Duschköpfen. Zum Zeitpunkt, zu dem die Substitution vollzogen ist, kann nur das Subjektdenotat die relevante Funktion erfüllen. Hier würde das Objekt am besten als komplexer Typ instantiiert. Das erste auffällige Ergebnis der Auswertung ist, dass 6 Partizipanten die logisch nicht mögliche Option (a) wählten. Das wurde bereits in Kap. 3.2.1.3 problematisiert. Das zweite Ergebnis ist eine deutliche Tendenz für die erwartete Möglichkeit (c): 15 Partizipanten wählten sie gegenüber einer nur elfmaligen Wahl von (b). Die Divergenz ist allerdings nicht signifikant. Kritisch anzumerken ist, dass dafür der Umstand verantwortlich sein könnte, dass die o.g. «falsche» Option integriert wurde. 524 Die Aufgabenstellung lautete: «Por favor, elija la imagen que describa mejor la frase.» (‘Wählen Sie bitte das Bild aus, das den Satz am besten darstellt.’)
4.2 Experimentelle Untersuchung der DOM
441
Es wurden außerdem die folgenden Items mit buscar (‘suchen’) abgefragt. Sie orientieren sich an Beispielen aus der Literatur, anhand derer für die Relevanz von Spezifizität argumentiert wird. Die beiden Testsätze sind ähnlich aber nicht lexikalisch identisch. Están buscando una cocinera buena que se llame Clara. ‘Sie suchen (gerade) eine gute Köchin, die Clara heißen soll.’ [N5.2] Está buscando a Clara, que es buena cocinera. ‘Sie suchen (gerade) Clara, die eine gute Köchin ist.’ [N5.1]
Das unmarkierte Akkusativobjekt in [N5.1] ist unspezifisch, das in [N5.2] ist hingegen spezifisch. Im Rahmen des vorliegenden Ansatzes wird die Divergenz bzgl. der a-Markierung so erklärt, dass das Objekt im ersten Satz funktionalen Typs ist. Es ist eine Berufsbezeichnung ohne Involvierung davon unabhängiger menschlicher Eigenschaften. Das Attribut buena (‘gute’) evaluiert lediglich die Qualität der beruflichen Befähigung. Der Relativsatz liefert Zusatzinformationen, beeinflusst aber den Typ des Objekts nicht. Das Objekt in [N5.2] hingegen ist komplexen Typs. Es handelt sich dabei um eine menschliche Entität mit üblichen menschlichen Eigenschaften und der zusätzlichen Eigenschaft, gut kochen zu können. Die Partizipanten sollten dem Umriss einer Frau zwei von drei möglichen Bildern hinzufügen,525 die bei beiden Testsätzen identisch waren. Möglichkeit (a) war ein Kochlöffel, (b) ein Gesicht und (c) eine Kochmütze. Die folgenden Tendenzen wurden erwartet. Der funktionale Typ in Item [N5.1] ließe sich am besten durch (a) und (c) herausstellen, also Gegenstände, die mit Köchen und auch mit dem Beruf des Kochs assoziiert werden. Der komplexe Typ in Item [N5.2] könnte besonders durch die Wahl von (b) veranschaulicht werden, da das Gesicht für menschliche Eigenschaften stehen könnte, die den komplexen Typen bestimmen, beim funktionalen Typen aber weniger salient sind. Die An- oder Abwesenheit des Gesichts ist zumindest ebenso gut mit dem Spezifizitätsansatz kompatibel. Die Darstellung der Frau ohne Gesicht würde eine unspezifische Lesart repräsentieren, die mit Gesicht hingegen eine spezifische. Das Itempaar führt zu einem uneindeutigen Ergebnis. Die Zahlen weisen keine Signifikanz aus. Es fällt auf, dass der Kochlöffel in beiden Fällen sehr selten gewählt wurde, bei [N5.1] nur einmal und bei [N5.2] dreimal. Ansonsten sind die
525 Die Aufgabenstellung lautete: «Por favor, escoja dos de los tres elementos de la derecha con los que la imagen de la izquierda describa mejor lo que se busca según la frase.» (‘Wählen Sie bitte zwei der drei Elemente rechts aus, mit denen das Bild links [der Umriss einer Frau, J.E.] besser darstellt, was laut dem Satz gesucht wird.’)
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Zahlen annähernd gleich verteilt.526 Das Ergebnis erscheint zunächst kritisch. Wie gesagt sind die Testitems auch mit dem anerkannten Spezifizitätsansatz kompatibel. Als Ausweg bietet sich die Materialkritik an, insbesondere die des Kochlöffelsbilds, dessen allzu seltene Wahl das Ergebnis deutlich beeinflusst und zu Angleichung der Frequenzen führt. Darüber hinaus kann die gewissermaßen abstrakte Gesichtsdarstellung diskutiert werden. Tatsächlich instantiiert sie weder Spezifizität noch Menschlichkeit besonders eindeutig. Es kommt hinzu, dass das Gesicht ähnlich wie ein Smiley dargestellt wurde und die Omnipräsenz von Smileys in der derzeitigen digitalen (Jugend-)Kommunikation ihren informativen Wert vermutlich senken bzw. gesenkt haben. Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen. Die experimentelle Untersuchung mittels Testsätzen und Bildern zielte auf einen visuell geprägten Zugang zur Konzeptualisierung ab, der die Ergebnisse der Korpusanalyse weiter untermauern sollte. Die Relevanz der komplexen Konzeptualisierung im Falle einer Organisation wurde anhand eines Beispiels mit Fußballmannschaften überprüft. Das statistische signifikante Ergebnis liefert deutliche positive Anhaltspunkte. Auch bei der Individuenreferenz ließ sich zumindest in einem Fall, anhand des Verbs cazar (‘fangen’, ‘einfangen’) die Relevanz der Opposition des funktionalen gegenüber dem komplexen Typen zeigen. Ein weiteres Itempaar zur genannten Opposition, das zudem mit der Spezifizitätstheorie kompatibel ist, lieferte hingegen keine eindeutigen Ergebnisse, was möglicherweise mit den verwendeten Bildern zusammenhängt. Auch das Item mit dem Substitutionsverb sustituir (‘ersetzen’) lieferte gute Indizien für die mögliche Anreicherung des Objekts mit einem relationen Typen bei raum-zeitlicher Trennung. Ein Itempaar schließlich, das die Komplexitätsopposition bei einem Abstraktum (agresión, ‘Angriff’, ‘Aggression’) zeigen sollte, führte hingegen nicht zum gewünschten Ergebnis, insofern die Mehrheit der Partizipanten jeweils das gleiche Bild wählte.
4.2.3 Überlegungen für Folgestudien insbesondere zur DOM In den vorangegangenen Unterkapiteln wurden die Ergebnisse der experimentellen Studien zur differentiellen Objektmarkierung vorgestellt. Viele Teilergebnisse lieferten die erhofften Evidenzen für den theoretischen Ansatz. Einige Items jedoch ließen es nicht zu, die Nullhypothese zu widerlegen. Hintergründe dafür 526 Mehrere Partizipanten haben allerdings die Aufgabenstellung nicht optimal erfüllt und bei einem oder bei beiden Items nur eine Option ausgewählt. Die Ergebnisse sind sowohl dann nicht signifikant, wenn die unvollständige Wahl nicht berücksichtigt wird und wenn sie berücksichtigt wird.
4.2 Experimentelle Untersuchung der DOM
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und spezifische Lösungsmöglichkeiten wurden bereits in den Teilkapiteln diskutiert. Hier werden nun einige Vorschläge zusammengefasst, die in Folgestudien genutzt werden können. In beiden Teilen der experimentellen Studie wurden neben Itempaaren auch einzelne Items verwendet, die somit keine Opposition abbilden konnten. Ein Grund dafür ist, dass nicht jede Struktur bzw. jeder Kontext geeignete parallele Items zulässt, die ähnlich durchsichtig und natürlich sein müssen. Einerseits können auch solche einzelnen Items zu interessanten Erkenntnissen führen. Andererseits lassen sich Items ohne Gegenstück nicht gut in die größere statistische Auswertung einbetten. Folgestudien könnten davon profitieren, auf Einzelitems zu verzichten und ggfs. zwar weniger, aber dafür parallele Items zu verwenden. Die Aussagekraft ist ungleich höher. Dies gilt für die Tests mit Audioaufnahmen wie für diejenigen mit Bildern. Generell gilt auch, dass beeinflussende Faktoren soweit möglich ausgeschlossen oder im Zweifelsfall berücksicht werden sollten. Auch bei der Erstellung der hier verwendeten Items wurde darauf viel Wert gelegt. Im Rahmen der Audioaufnahmen ließen sich allerdings einzelne leichte Divergenzen hinsichtlich des Maßes der syntaktischen Einbettung nicht vermeiden. Da der Schein eines Dialogs gewahrt werden sollte, musste besonders auf Natürlichkeit geachtet werden. Ein weniger anspruchsvoller inhaltlicher Rahmen würde die Schwierigkeit verringern. Als möglicher Einflussfaktor sind Tempus-Aspekt-Formen anzuführen. Im Testteil mit Audioaufnahmen ist die Tempuswahl abhängig von der jeweiligen zeitlichen Referenz. Es wurde auf inhaltliche Natürlichkeit geachtet, worunter auch die Zeitstruktur der «Dialoge» fällt. Unabhängig davon wurden die Tempusformen nicht manipuliert. Bei den Testsätzen zur Bildwahl hingegen wäre u.U. eine spezifischere Berücksichtigung möglich. Eine alternative Möglichkeit wäre beispielsweise die Verwendung eines zusammengesetzten Perfekts statt des Indefindos beim Itempaar [N2], vencieron (a) la agresión (‘sie überwanden die Aggression / schlugen den Angriff nieder’), also han vencido (‘sie haben überwunden / besiegt’). Dies könnte den Resultatszustand verdeutlichen. Bei den verwendeten Visualisierungen wurden Symbole für Aggression durchgestrichen, was ebenfalls als Resultatszustand aufgefasst werden könnte. Ein zusammengesetztes Perfekt wäre daher u.U. von Vorteil. Das grundsätzliche Problem sollte beachtet werden, dass mögliche Fehler auch begangen werden können. Wie gezeigt wurde, kann es vorkommen, dass Versuchspersonen Items wählen, obwohl sie aus Gründen der Logik auszuschließen wären. Bspw. konnten die Versuchspersonen im Falle von Item [N4] u.a. ein Bildchen ankreuzen, wo zwei Duschköpfe an einem Duschschlauch montiert waren. Der Testsatz allerdings bezog sich auf keine Spezialanfertigung, sondern
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
auf zwei Gegenstände in zwei konkurrierenden Situationen. Es kann also sinnvoll sein, «falsche» Wahlmöglichkeiten gar nicht erst anzubieten. Eine weitere Schwierigkeit erwächst aus ähnlichen, aber wechselnden Aufgabenstellungen. Im vorliegenden Test waren die Versuchspersonen stets mit einem Testsatz und zwei bis drei Bildern konfrontiert. In mehreren Fällen sollten sie ein Bild wählen, in anderen aber zwei. Mehrere Personen missachteten die Aufgabenstellung im Fall der zweifachen Wahl und wählen nur ein Bild aus. Ihr Beitrag kann für die betreffenden Items nicht gewertet werden. Eine kleine punktuelle Änderung in der Aufgabenstellung kann sich also negativ auf die Gesamtauswertung auswirken. Zudem sollten mehrfache Interpretationsmöglichkeiten von Daten, soweit möglich, ausgeschlossen werden. Im Fall des Testsatzpaares [N5] stand u.a. ein Gesicht zur Auswahl, das aber einem Smiley ähnelte. Ein Smiley wäre jedoch anders zu interpretieren als ein Gesicht, bspw. als eine Art positive Wertung auf einer Meta-Ebene. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in Einzelfällen u.U. bereits mit kleinen Änderungen eine deutlichere Bestätigung der Thesen möglich gewesen wäre. Insbesondere sind Versuchspersonen nicht unfehlbar, was sich bei einer relativ geringen Anzahl an Personen stärker auswirken kann. Auf weitere Punkte wurde bereits in vorangegangenen Kapiteln hingewiesen.
4.3 Verfeinerung der Nominalklassen In der Analyse, die in den vorangegangenen Kapiteln präsentiert wurde, wurde die sprachliche Form von verbalen Strukturen mit nominalem Akkusativobjekt mit ihren tiefensemantischen Eigenschaften abgeglichen. Da die Form eine eindeutige zweigliedrige Opposition ausweist, lag der analytische Fokus auf der konzeptuell-semantischen Untersuchung. Als methodische Grundlage dienten traditionelle semantische Ansätze, insbesondere aber das generative Lexikon nach Pustejovsky (1991a; 1995b etc.). Der Ansatz legt besonderen Wert auf die Kominatorik von sprachlichen Elementen, die auch für die hier durchgeführte Untersuchung besonders relevant ist. Dementsprechend wird in der Korpusuntersuchung die Kombinatorik von Verben und Nomina eingehend behandelt. Im vorliegenden Kapitel soll das Augenmerk nun stärker auf die Nomen gelenkt werden. Grundsätzlich wird gewissermaßen von den regierenden Verben abstrahiert. Punktuell werden sie auch gezielt zu Testzwecken hinsichtlich der kombinatorischen Möglichkeiten nominaler Subgruppen eingesetzt. So lassen sich bestimmte Erkenntnisse der großen Korpusuntersuchung neu ordnen. Zudem kann so ihre Relevanz über die vorliegende Arbeit hinaus gezeigt werden.
4.3 Verfeinerung der Nominalklassen
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Die zentrale Besonderheit des hier präsentierten Ansatzes, der vorhandene Theorien auf eine eigene Art und Weise in sich aufnimmt, ist, dass Komplexität als entscheidendes abstraktes Merkmal angesetzt wird. Es erweitert den vorhandenen Pool an Eigenschaften um eine Ebene. Die konzeptuelle Struktur wurde hinsichtlich des Merkmals untersucht und dann auch gerankt. So konnten im Zuge der Untersuchung die üblichen Kategorien neu ausgelotet und im Detail verfeinert werden. Es wurde nicht nur die Relevanz der groben Nominalklassen, nämlich die Unterscheidung nach menschlichen, tierischen, konkreten und abstrakten Denotaten, sondern v.a. auch diejenige feiner semantischer Differenzierungen aufgezeigt. Im vorliegenden Kapitel sollen also einige wichtige Ergebnisse zu den Nomen nochmals überblicksartig vorgestellt werden. Es handelt sich dabei um Bestandteile eines auf der Grundlage des hier präsentierten Ansatzes erstellten Klassifizierungssystems von Nomen, das auch über die Rektion und den Status des Akkusativobjekts hinaus von Relevanz ist. Das Phänomen der aMarkierung kann in dem Kontext als ein sprachliches Indiz betrachtet werden, anhand dessen die Abgrenzung einiger Subklassen motiviert werden kann. Der Wert der Herangehensweise zeigt sich besonders hinsichtlich der Nomen mit menschlichem Denotat (s. Kap. 4.3.1). Das Kapitel präsentiert neben den bereits vorgestellten Daten der Hauptkorpusuntersuchung zur DOM, denen auch die Mehrheit der verwendeten Beispiele entspringt, die Ergebnisse mehrerer gezielter und z.T. umfangreicher Einzeluntersuchungen. Besonders umfänglich ist diejenige zu Nominalobjekten mit tierischem Denotat. Es werden zudem Berufs- und Verwandtschaftsbezeichnungen eigens untersucht. Wichtig ist auch die Korpusuntersuchung zu Massennomen mit menschlichem Denotat und Institutionsbezeichnungen. Ergänzt wird das Kapitel u.a. dadurch, dass im Zusammenhang mit Individuenbezeichnungen für menschliche Entitäten die Rolle des regierenden Verbs für die Konzeptualisierung des Objekts nuanciert wird.
4.3.1 Menschliche Denotate Bei der Behandlung der spanischen differentiellen Objektmarkierung spielen menschliche Denotate eine wichtige Rolle. In den Grammatiken werden sie oft als Ausgangspunkt genommen. Das ist naheliegend, insofern eine Markierung in der Denotatsklasse generell wahrscheinlich ist. In mehreren Unterkapiteln zu Kap. 2.7 wurden lexikalische und referenzbezogene Subklassen aus der Forschungsliteratur vorgestellt, die teilweise mit divergierenden Wahrscheinlichkeitswerten korrelieren. Bestimmte Okkurrenzen stellen vorhandene Ansätze zur DOM allerdings
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
immer wieder vor Schwierigkeiten, die jedoch vom hier vertretenen Ansatz gelöst werden können. Die Korpusuntersuchung in Kap. 4.1 zeigte die Relevanz unterschiedlicher Abgrenzungen und Subkategorien. Insbesondere bzgl. der Objekt-NPs mit menschlichem Denotat konnte die Sammlung der in der Forschungsliteratur zur DOM verwendeten Klassifizierungen ergänzt und z.T. verfeinert werden. Im Folgenden werden also wichtige die Nominalklassen betreffende Erkenntnisse aus der Untersuchung zusammenfassend präsentiert und nochmals auf den Punkt gebracht. Der Fokus des Kapitels ermöglicht, dass sie teilweise auch noch weiterentwickelt werden. Es werden dabei auch zusätzliche, gezielte Korpusuntersuchungen präsentiert. Zunächst werden wichtige Grundlagen präzisiert. Darauf folgt die Behandlung von unterschiedlichen Arten von Individuenbezeichnungen und im Anschluss die von nicht-individuierenden Nomen, nämlich Massen- und Institutionsbezeichnungen. Die verwendeten Beispiele entspringen in weiten Teilen, aber nicht ausschließlich, der ausführlich vorgestellten Hauptkorpusuntersuchung. Die folgende Feststellung ist eine wichtige Motivation für die hier vertretene Herangehensweise und gleichzeitig ein Grundproblem für viele andere Ansätze. Objekte mit menschlichem Denotat können durch sehr unterschiedliche lexikalische Gruppen realisiert sein. Als typisch gelten Individuen bezeichnende Elemente. Sie gliedern sich in Eigennamen, die auf menschliche (s. [207]) oder auf als menschlich intendierte Entitäten Bezug nehmen sowie entsprechende Appellativa (s. [208]).527 [207] En la plataforma están integradas organizaciones políticas y sociales, como […] Izquierda Unida y Comisiones Obreras, cuyo responsable de acción sindical, Agustín Moreno, defendió la necesidad de que «en nombre de la Constitución se pare a González y a Corcuera». (3VO:015-1.2-10) ‘Diese Plattform vereint politische und soziale Organisationen wie die Izquierda Unida (Vereinte Linke) und die Comisiones Obreras (Gewerkschaftsvereinigung), deren Verantwortlicher für Gewerkschaftsmaßnahmen, Agustín Moreno, sich für die Notwendigkeit aussprach, dass man im Namen der Verfassung González und Corcuera stoppe.’
527 Das Beispiel entspringt einem Kindertheaterstück. Hinweise darauf, dass es sich um keine tierischen Denotate handelt, sind etwa die Großschreibung der Nomen, aber natürlich auch, dass, wie das Beispiel zeigt, die handelnden «Tiere» sprechen können. Die Appellativa werden in den Texten oft, aber nicht immer wie Eigennamen verwendet.
4.3 Verfeinerung der Nominalklassen
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[208] BURROTE.- ¿Un Loro, una Gata y un Burro vencer a un León? (1IN:045.23) ‘Burrote: «Ein Papagei, eine Katze und ein Esel, die einen Löwen besiegen?»’ In der Literatur wird die Markierung von Eigennamen zumeist als obligatorisch erachtet (s. Kap. 2.7.3). Das untersuchte Korpus bestätigt dies. Es findet sich kein Eigenname, der sich auf eine menschliche Entität bezieht und unmarkiert wäre. Der Umstand lässt sich auch im Rahmen der hier vertretenen Theorie erklären. Es wird davon ausgegangen, dass mit der Bezugnahme auf eine nicht nur spezifische, sondern textextern bekannte («hearer-old» bei Prince 1992, 301ss.) menschliche Entität stets eine komplexe Konzeptualisierung einhergeht. Das Konzept involviert eine physische und eine mit ihr untrennbar verbundene weitere, nämlich psychische oder mentale Ebene. Die Stabilität der Verhältnisse folgt daraus, dass Eigennamen im Kontext über eine singuläre Referenz verfügen (cf. bspw. Bußmann 2002, 185, Stichwort: Eigenname),528 wodurch bspw. eine funktionale Lesart (s. auch unten) ausgeschlossen wird. Appelativa, die auf menschliche Entitäten Bezug nehmen, lassen sich in viele lexikalische Subklassen zusammenfassen, die nicht im Einzelnen besprochen werden können. Anhand der folgenden Gruppen lassen sich wichtige Phänomene zeigen, die in der Literatur zur DOM nicht genug berücksichtigt werden. Zu nennen sind Verwandschaftsbezeichnungen (s. [209] und [210]), Bezeichnungen inhärenter Eigenschaften (s. etwa [215] und [216] unten) und Berufsbezeichnungen (s. [222] unten). [209] Voy a despertar a vuestro padre. (COA:023.14) ‘Ich werde euren Vater wecken.’ [210] Impulsivo, el padre abraza a su hijo y le derrama al oído: –¡Ya sabía yo que tenías corazón! (SON:282.26) ‘Der Vater umarmt seinen Sohn impulsiv und flüstert ihm ins Ohr: «Ich wusste schon, dass du Herz hast.»’
528 Von der Annahme einer kontextunabhängigen, rigiden Fixierung der Referenz wie bei Eggert (2006), dort zudem religiös motiviert, nämlich «durch den Taufakt» (ibid., 400), wird hier Abstand genommen. Sie ist offensichtlich nicht hilfreich, bspw. da Namen mehrfach vergeben werden können.
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
Verwandtschaftsbezeichnungen sind relationale Begriffe (cf. bspw. Pustejovsky 1995b, 151; s. auch Kap. 2.8.3).529 Sie benötigen eine Bezugseinheit. Ist sie spezifisch, weisen sie eine singuläre Referenz auf530 und nähern sich so den Eigennamen an. Es sind zwei Gruppen zu unterscheiden, deren Konzeptualisierungsmuster voneinander abweicht. Bei inalienabler Verwandtschaft (Bezeichnungen wie Mutter oder Bruder)531 ist das Verwandtschaftsverhältnis prinzipiell nicht aufhebbar.532 Bei der alienablen Verwandschaft sind hingegen Veränderungen möglich (z.B. Ehemann, Partnerin). Eine ähnliche Abgrenzung stellt Besnier (2000, 322s.) unter Bezugnahme auf Wilson (1976, wohl insbes. S. 44) vor. Die beiden Autoren argumentieren dabei anhand der Kontrolle, die der Possessor über das Verhältnis hat. Demnach hat die Bezugseinheit bzw. der Possessor keine Kontrolle über das Verwandtschaftsverhältnis zur Entität, die bspw. vom Ausdruck Mutter denotiert wird (cf. ibid., 44). Verhältnisse hingegen, «that a possessor causes, creates or instigates are controlled by that possessor» (ibid.) wie etwa bei Ehefrau. Wilson (1976, 44) fügt auch die Beziehung zu Nachkommen der zweiten Gruppe hinzu, denn «[o]ne instigates one’s relationship to offspring and descendants by one’s sexual activity». Dass es sich dabei um eine konzeptuell relevante Bestimmung handelt, wird hier bezweifelt. Im Hawaiianischen (cf. ibid.) und im Tuvaluischen (cf. Besnier 2000, 322s.) verläuft allerdings offenbar an diesem Punkt die Trennlinie bezüglich zweier möglicher Possessionsmarker, sodass die Autoren die Beschreibung nicht weiter hinterfragen. U.U. ließe sich mit einem überarbeiteten Konzept der Kontrolle besser arbeiten, die Herangehensweise scheint jedoch per se im vorliegenden Kontext weniger hilfreich zu sein, sodass der Ansatz nicht
529 Pustejovsky/Anick (1988, 519) sprechen auch von «dependent nominals», ordnen aber wesentlich mehr Phänomene unter dem Begriff ein. Eine Untergruppe bilden Begriffe wie father und mother, die die Autoren als «primitive relational nominals» (ibid.) bezeichnen. 530 Genau genommen sind zwei Hauptgruppen denkbar, einerseits solche mit singulärer Referenz allein in Abhängigkeit vom Bezugsnomen wie Mutter, Vater und in monogamen Kulturen Ehepartner und andererseits solche mit dualer bzw. potentiell dualer Referenz wie Großmutter und Großvater sowie weitere Fälle, bei denen die mögliche Referenzmenge von der konkreten Familiensituation abhängt wie Tochter oder Bruder. Natürlich können die Ausdrücke der beiden nicht-singulären Gruppen spezifisch gebraucht werden, was zur kontextuellen Aufhebung der potentiellen Dualität oder mehrfachen Referenz führt. 531 Die Thematik von Präzisierungen durch Konzepte wie der Blutsverwandtschaft gegenüber bspw. der Adoption wird hier ausgeklammert. 532 (In-)Alienabilität wird häufig lediglich als Ausprägung von Possession erachtet (cf. bspw. Crystal 2008, 239). Bei Lehmann/Shin/Verhoeven (2004, 8ss.) wird aber bspw. eine Einbettung in die übergeordnete Thematik der Relationalität vorgenommen, was eine Argumentation wie die hier vorgenommene genauer erscheinen lässt.
4.3 Verfeinerung der Nominalklassen
449
weiter verfolgt wird. Erwähnenswert ist zuletzt die Feststellung, «inalienable possession appears in some contexts to be affectively more charged than alienable possession» (ibid., 322). Eine konzeptuelle Relevanz des besonderen Stellenwerts scheint gut möglich. Wie gesagt divergieren die inalienablen von den alienablen Verwandtschaftsbezeichnungen hinsichtlich ihres Konzeptualisierungspotentials, obwohl es sich um relationale Konzepte der gleichen semantischen Domäne handelt. Pustejovsky (2001, 104) ordnet Begriffe der erstgenannten Gruppe, er führt brother und father an, als semi-intentionalen Typs ein, wo also nur der Ortus-Faktor, aber nicht das telische Quale spezifiziert ist. Die Einschätzung vor dem Hintergrund der hier vorgestellten Theorie ist allerdings, dass im tatsächlichen Sprachgebrauch eine Konzeptualisierung als komplexer Typ sehr wahrscheinlich ist. Im zu den Verben untersuchten Korpus treten keine Gegenbeispiele auf. Hierfür sind insbesondere zwei Gründe zu nennen. Erstens geht Pustejovsky (2001, 104) zwar offenbar von der Konzeptualisierung einer physischen Entität mit einem relational spezifizierten Ortus-Faktor aus. Allerdings kann bei einer deutlichen Präsenz des physischen Bestandteils des komplexen Typs nur schwer von der psychisch-mentalen Ebene abstrahiert werden, die mit dem üblicherweise intendierten, bestimmten Verhältnis zur Bezugseinheit einhergeht. Zweitens ist eine funktionale Lesart nur schwer zu generieren, da im Basistyp das telische Quale nicht spezifiziert ist. Es wäre ein restriktiver Kontext nötig, der den fehlenden Bedeutungsbestandteil klar dem Nominalkonzept zuordnet. Beides kann anhand von Strukturen mit tener (‘haben’) als regierendem Verb gezeigt werden. Dafür wird üblicherweise angenommen, dass das Objekt nur unter bestimmten Voraussetzungen markiert werden kann. Ein formaler Faktor ist, dass das Objekt, wenn es markiert ist, häufig in irgendeiner Art und Weise modifiziert auftritt. Torrego Salcedo (1999, 1791ss.) und García García (2010, 199ss. mit diversen weiteren Verweisen) sprechen bspw. von sekundärer Prädikation (cf. auch das Plädoyer für den nicht-engen Gebrauch des Begriffs im vorliegenden Kontext in ibid., 201, Fußnote 2). In [212] tritt bspw. eine Lokalbestimmung auf. Im vorliegenden Rahmen ist nun entscheidend, dass die Konstruktion mit ‘tener + Verwandtschaftsbezeichnung’ ein Objekt funktionalen Typs nicht nur ermöglicht, sondern erwarten lässt. Das Verb selegiert den semi-intentionalen / funktionalen Typ, indem es die im Ortus-Faktor enthaltene relationale Bedeutungskomponente fokussiert. Die Bedeutung nähert sich dabei der von existiellen Konstruktionen an. In einer kleinen zusätzlichen Korpusuntersuchung zu Verwandtschaftsbezeichnungen (s.u.) wird die angesprochene Erwartung bei inalienablen Verwandtschaftsbezeichnungen fast immer erfüllt (19 von 21 Okkurrenzen, s. das folgende Beispielpaar).
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
[211] Es decir, yo tengo un hermano que es ingeniero naval […]. (MAD:300.35) ‘Also, ich habe einen Bruder, der Schiffsingenieur ist.’ [212] Pero de todas las formas, estás con tu hermana todo el día y tienes tu habitación..., tienes a tu hermana pared con pared. (MAD:365.05) ‘Aber in jedem Fall bist du stets mit deiner Schwester zusammen und hast dein Zimmer…, und du wohnst mit deiner Schwester Wand an Wand.’ In [211] tritt der erläuterte Standardfall auf. Das Objekt ist unmarkiert. – Der Relativsatz ist einerseits keine sekundäre Prädikation,533 andererseits steht auch der funktionalen Lesart nichts entgegen. Abweichungen sind möglich, wenn das Objekt keine funktionale Lesart hat, sondern wie angesprochen auf die physische Ebene Bezug genommen wird. Wie [212] zeigt, wird das Objekt dann komplex konzeptualisiert. Das lexikalische Element bringt mit sich, dass bei einer nichtabstrakten, d.h. nicht-funktionalen Konzeptualisierung die psychisch-mentale Ebene mitevoziert wird. Die Konzeptstruktur ist bei den alienablen Verwandtschaftsbezeichnungen anders gelagert. Pustejovsky (2001, 104) führt wife als Beispiel für einen relationalen Begriff funktionalen Typs an. Im zu den Verben analysierten Korpus tritt wie in vorangegangenen Kapiteln gezeigt die lexikalische Kategorie als komplexer und als funktionaler Typ konzeptualisiert auf. Das markierte Objekt in [213] ist komplexen Typs. In [214] hingegen selegiert das Verb die Funktion des Objektdenotats, die im telischen Faktor spezifiziert ist. Das dort auftretende unmarkierte Objekt ist also funktionalen Typs. [213]
Porque creo que una mujer que sale a la calle está más capacitada para, después, cuando llegue el marido cansado, como ella también lo está, comprenderse mejor, y no esperar que el marido la comprenda o que ella comprenda al marido. (SEV:075.04) ‘Ich glaube nämlich, dass eine Frau, die das Haus verlässt, besser gerüstet ist; wenn dann der Ehemann nach Hause kommt und müde ist, wie sie ja auch, werden sie sich besser verstehen, und wenn sie nicht einfach erwartet, dass der Ehemann sie oder sie den Ehemann versteht.’
533 Wie Torrego Salcedo (1999, 1793) angibt, müsste auch das Subjektdenotat (sie spricht von Subjekt) kausal an der durch die sekundäre Prädikation ausgedrückten Handlung beteiligt sein.
4.3 Verfeinerung der Nominalklassen
[214]
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En cuanto a la desenvoltura de la chica topolino, no solamente era desaconsejada porque contradecía la esencia de la «mujer muy mujer», sino por otra razón más práctica y convincente a la hora de persuadir a aquellas «chiquitas standard» de que no iban por buen camino. ¿No querían cazar un marido? (USO:087.31) ‘Die Zwanglosigkeit der Topolino-Mädchen war nicht nur deshalb nicht zu empfehlen, weil sie der Natur der sehr weiblichen Frau widersprach, sondern auch aus einem praktischeren und stichhaltigeren Grund, wenn es nämlich darum ging, die «StandardMädchen» zu überzeugen, dass sie sich auf dem Holzweg befanden. Wollten sie keinen Ehemann ergattern?’
Bzgl. der inalienablen Verwandtschaftsbezeichnungen konnte entgegen der grundlegenden Einordnung Pustejovskys (2001, 104) als semi-intentional eine starke Tendenz zur Konzeptualisierung als komplexer Typ argumentativ begründet werden. Nun ist die Frage, wie die alienablen Verwandtschaftsbezeichnungen einzuordnen sind, und außerdem, ob sich die Klassifikation anhand realer Sprachdaten belegen lässt. Nach Pustejovsky (2001, 104) ist zweifelsohne der funktionale der Basistyp von alienablen Verwandtschaftsbezeichnungen. Neben Konstruktionen mit tener (‘haben’) sind weitere denkbar, in denen durch das Verb oder ein anderes Element des Kotexts ein Bedeutungsbestandteil des telischen Faktors in der konzeptuellen Struktur besonders salient gemacht wird. Das ist etwa in [214] der Fall. Im Korpus zu den Verben häufen sich solche Okkurrenzen aber keineswegs, es treten vielmehr auch solche wie in [213] auf. Auch dabei handelt es sich also um eine Möglichkeit, die nicht unwahrscheinlich ist. Die Gründe ähneln den oben für die alienablen Verwandtschaftsbezeichnungen vorgestellten. Nomen wie marido (‘Ehemann’), esposa (‘Ehefrau’) und dergleichen denotieren nur in bestimmten Fällen die Funktion, bzw. genauer eine Entität in einer bestimmten Art von Beziehung zur Bezugseinheit. Häufig geht mit dem Verhältnis eine psychisch-mentale Haltung einher, die auf die Entität projiziert wird. Die denotierte Entität wird dann nicht als Funktion, sondern vielmehr als komplexer Typ konzeptualisiert. Es ist also letztlich uneindeutig, welche Konzeptualisierung die grundlegende ist. Eine Entscheidung zum Basistypen kann a priori lediglich über theoriebezogene Annahmen getroffen werden. Anhand einer gezielten zusätzlichen Korpusuntersuchung wurde die realsprachliche Verwendung der Verwandtschaftsbezeichnungen überprüft. Aus der ADESSE-Datenbank wurden 160 direkte Objekte durch lexikalische Spezifizierung extrahiert und tiefensemantisch analysiert. Die Grundspezifikationen aus der
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
Korpusuntersuchung zu den Verben wurden beibehalten.534 Für die inalienablen Verwandtschaftsbezeichnungen wurden die folgenden sechs lexikalischen Typen untersucht (http://adesse.uvigo.es/, Zugriff: 04.08.15): madre (‘Mutter’), padre (‘Vater’), hermano (‘Bruder’), hermana (‘Schwester’), tío (‘Onkel’) und tía (‘Tante’). Bei den alienablen Verwandtschaftsbezeichnungen waren es die folgenden fünf (ibid., Zugriff: 03.08.15): marido und esposo (‘Ehemann’), esposa (‘Ehefrau’), novio (‘Bräutigam’, ‘Verlobter’, ‘Freund’) und novia (‘Braut’, ‘Verlobte’, ‘Freundin’). Das Ergebnis, soviel sei vorausgeschoben, unterstützt die Abgrenzung von inalienablen und alienablen Verwandtschaftsbezeichnungen auf einprägsame Weise. Die inalienablen Verwandtschaftsbezeichnungen (madre, ‘Mutter’ u.a.) werden in 77,3% der Fälle (68 der 88 relevanten Okkurrenzen) komplex konzeptualisiert und dann auch stets markiert. Von den verbleibenden und ausnahmslos unmarkierten 20 Objekten (22,7%) werden 19 vom Verb tener (‘haben’) regiert. Dies bestätigt die obigen Ausführungen, dass inalienable Verwandtschaftsbezeichnungen nur in bestimmten restriktiven Kontexten als nicht-komplexen Typs konzeptualisiert werden. Es sei an das obige Zitat von Besnier (2000, 322) erinnert, demzufolge die inalienable Possession typischerweise stärker affektiv aufgeladen ist. Die alienablen Bezeichnungen (bspw. marido, ‘Ehemann’) hingegen werden nur in 31,9% der Fälle (23 von insgesamt 72 relevanten Okkurrenzen) als komplexen Typs konzeptualisiert und formal markiert. Der größere Anteil ist mit 68,1% nicht-komplex und unmarkiert (49 Token). Das Verb tener (‘haben’) stellt wie oben besprochen einen Sonderfall dar (s. auch Kap. 2.7.9), der hier von rechnerischer Relevanz ist. Werden die Okkurrenzen mit tener (‘haben’) als regierendem Verb nicht berücksichtigt, so bleiben bei den inalienablen Bezeichnungen (madre,
534 Bei den Suchanfragen an die ADESSE-Datenbank (http://adesse.uvigo.es, Zugriff: 03. und 04.08.15) wurden die folgenden Spezifikationen verwendet. Ursprung des Subkorpus: Spanien, zwei oder mehr Aktanten, von denen der zweite als direktes Objekt realisiert wird. Um auch eventuell ungenau klassifizierte Okkurrenzen (denkbar sind etwa als Pronomen getaggte volle Nominalphrasen) berücksichtigen zu können, wurde bei den alienablen Verwandtschaftsbezeichnungen auf weitere Vorabrestriktionen verzichtet. Die fünf lexikalischen Types ergaben zunächst 87 Okkurrenzen. Um grammatische Faktoren für eine Markierung auszuschließen, wurden Pronomen sodann manuell aussortiert. Damit und unter Ausschluss mehrerer Fehlklassifikationen blieben 72 relevante Okkurrenzen. Bei den inalienablen Verwandtschaftsbezeichnungen wurde die Restriktion der formalen Realisierung als volle Nominalphrase in die Suchanfrage integriert. Die sechs lexikalischen Types ergaben hier zunächst 93 Okkurrenzen. Bei der manuellen Durchsicht wurden u.a. Verwendungen mit abweichender Lesart (tío als ‘Kerl’, ‘Kumpel’ o.ä. statt ‘Onkel’) aussortiert. Es blieben 88 relevante Okkurrenzen.
4.3 Verfeinerung der Nominalklassen
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‘Mutter’ usw.) 98,5% als komplex konzeptualisierte Okkurrenzen (66 von 67). Bei den alienablen Verwandtschaftsbezeichnungen tritt tener (‘haben’) in 26 Fällen auf und regiert nur Objekte nicht-komplexen Typs. Die Verhältnisse der ohne tener (‘haben’) verbleibenden Okkurrenzen sind erstaunlicherweise genau ausgeglichen: 23 Objekte nicht-komplexen Typs stehen 23 Objekten gegenüber, die komplex konzeptualisiert werden. Das lässt sich als sprachlicher Reflex der a priori uneindeutigen Basistypisierung bei den alienablen Bezeichnungen interpretieren. Die gezielte Korpusuntersuchung zu inalienablen und alienablen Verwandtschaftsbezeichnungen in Objektposition kann also Tendenzen spiegeln, die anhand der Betrachtung der Typenstruktur beider Klassen zu erwarten sind. Die inalienablen Bezeichnungen werden zumeist komplex konzeptualisiert, was in Zusammenhang mit der für sie typischen affektiven Anreicherung (cf. Besnier 2000, 322) steht. Bei den alienablen Bezeichnungen sind die beiden zentralen Untergruppen verhältnismäßig gleich verteilt. Natürlich sind 9 lexikalische Types und 160 relevante Okkurrenzen zu wenig, um als gesicherte Belege eingestuft werden zu können. Da aber die Ergebnisse sehr klare Tendenzen ergeben, ist die realsprachliche Relevanz nicht von der Hand zu weisen. Zudem kann die Untersuchung größeren Folgeanalysen als Orientierung dienen. Eine weitere Hauptgruppe sind nichtrelationale Nomen, die eine menschliche Entität denotieren, indem sie ihr eine Eigenschaft zuschreiben. Die erste große Untergruppe sind inhärente Eigenschaftszuschreibungen. In der Terminologie Busas (1996; 1999) handelt es sich um einen Teilbereich von Individual-Level-Nominals (s. auch Kap. 4.1.3.3). Es gibt hier wie auch bei den nicht-inhärenten Eigenschaften (s.u.) sehr viele mögliche Lexeme und damit auch zu viele Untergruppen für eine exhaustive Darstellung. Bspw. können solche Eigenschaftsbestimmungen das Alter (s. etwa [215]) oder das Geschlecht (s. [216]), äußere Eigenschaften wie die Größe oder die Haarfarbe, Fähigkeiten sowohl mentaler als auch körperlicher Natur, aber auch abstraktere Eigenschaften wie die Herkunft oder die Gesinnung zum Ausdruck bringen. [215] Coge al niño, lo eleva por encima de su cabeza provocándole chillidos de susto y regocijo, y lo instala a horcajadas sobre sus hombros. (SON:063.32) ‘Er nimmt das Kind, hebt es über seinen Kopf, verleitet es so dazu, vor Schreck und vor Freude zu kreischen, und setzt es sich rittlings auf die Schultern.’ [216] Llevo treinta y cinco años desnudando a mujeres y dejando que se vistan solas. (CIN:096.30) ‘Mittlerweile ziehe ich seit fünfunddreißig Jahren Frauen aus und lasse sie sich selbst wieder anziehen.’
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
Die Eigenschaften manifestieren Grundkategorien von nur geringem Abstraktheitsgrad. Die Nomen der Klasse werden von Pustejovsky (2006, 65) als solche natürlichen Typs eingeordnet, bei dem die Qualia-Struktur nur bis einschließlich des formalen Quales spezifiziert ist. Da sie menschliche Entitäten denotieren, sind sie allerdings dafür prädestiniert, dass das ihnen entsprechende Konzept mit einer weiteren Ebene angereichert wird, sodass sich ein komplexer Typ ergibt (s. auch [215] und [216]). Die Vermutung, dass dieser zweite Fall sogar häufiger auftritt als der erste, kann hier nicht umfassend überprüft werden. Die lexikalischen Möglichkeiten sind zu vielfältig. Im Korpus zu den Verben trifft die Präferenz jedenfalls zu: Es steht eine einzelne Okkurrenz natürlichen Typs (s. [217]) einer Vielzahl komplex konzeptualisierter Objekte entgegen. [217] Pero ¿es que tú no sabes lo que pasó la otra noche? […] Cogieron unos chicos y los dejaron medio muertos a golpes. (SON:063.32) ‘Aber weißt du denn nicht, was neulich Nacht geschehen ist? Da wurden ein paar Jungen geschnappt und halb tot geschlagen.’ In Kap. 4.1.2.1.2 zu coger (‘nehmen’, ‘ergreifen’; ‘bekommen’) wurde gesagt, dass das Objekt in [217] als natürlichen Typs eingeführt wird. Das regierende Verb, cogieron (‘sie packten’), ermöglicht eine ausschließliche Bezugnahme auf den physischen Bedeutungsbestandteil. Erst im folgenden Diskurs wird dem dem Objekt entsprechenden Diskursreferenten eine weitere, psychisch-mentale Ebene zugeschrieben.535 Wie gesagt kann hier keine gesonderte Untersuchung zur relativen Frequenz der Realisierung der Nomen als natürlichen oder komplexen Typs durchgeführt werden. Die folgenden Überlegungen sind allerdings ins Feld zu führen. Einerseits sind eben auch hier bestimmte Kontexte – insbesondere natürlich regierende Verben – nötig, um Lesarten natürlichen Typs zu generieren. Es sind mehr Kontexte denkbar, in denen kein natürlicher Typ realisiert werden kann. Das Argument bezieht sich also v.a. auf die Frequenz des Auftretens der Substantive in Kombination mit bestimmten Verbklassen. Ein wichtiger Ausgangspunkt dafür ist, dass die Semantik der Nomen eine große Denotatsmenge zulässt, da sie nur wenige semantische Spezifikationen aufweisen, also inhaltlich nicht restriktiv sind. Ihr Verwendungspotential geht weit über die angesprochenen für 535 Eine solche Argumentation legt ein Textverständnis zugrunde, das gut unter Zuhilfenahme eines File Card-Konzepts etwa im Sinne von Heim (1982) beschrieben werden kann. Dabei wird angenommen, dass für jeden Diskursreferenten eine Art mentale Karteikarte existiert, auf der im Lauf des Diskurses zusätzliche Informationen vermerkt werden, sodass ein textbasiertes Gesamtbild des Referenten entsteht.
4.3 Verfeinerung der Nominalklassen
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Lesarten natürlichen Typs nötigen Kontexte hinaus. Hinzu kommt die bereits angesprochene textuelle Annahme bezüglich sprecherseitiger kommunikativer Präferenzen: Menschliche Entitäten, denen eine psychisch-mentale Ebene zugeschrieben wird, sind «interessanter», d.h., ihnen sollte in verschiedenen Genres ein inhaltlicher Fokus zukommen. Ausnahmen bzgl. der Genres können etwa Sachtexte sein. Es ist daher erwartbar, dass sie in einem balancierten Korpus häufiger auftreten. Es sei darauf hingewiesen, dass Nomen dieser Gruppe vermutlich selten funktional interpretierbar sind. Im Korpus findet sich kein Beispiel. Es ist nicht nur der telische Faktor nicht spezifiziert, sondern die semantische Dichte der Nomen überhaupt ist eher gering. Sie denotieren Elemente semantisch nur wenig spezifizierter Klassen. Das funktionale Potential ist also nicht besonders ausgeprägt. Durch ihre geringe semantische Dichte lassen die Nomen allerdings auch abweichende Lesarten zu. Dadurch ist der Übergang zu anderen Gruppen relativ fließend. Das Beispiel [218] zeigt etwa die Nähe zu relationalen Begriffen. [218] «¡Sería tanto como insultar a nuestros muertos!», gritarán. (RAT:203.02) ‘«Es wäre soviel, wie unsere Verstorbenen zu beleidigen!», werden sie schreien.’ Die NP nuestros muertos (‘unsere Verstorbenen’) intendiert eine Bezugseinheit, der Referent von nuestros (‘unser’), mit der die vom Akkusativobjekt denotierte Menge an menschlichen Entitäten (mit der Spezifikation [+ hat gelebt, + ist tot], s. Kap. 4.1.2.3.1) in einem definitorischen Verhältnis steht. Auf einem solchen Umweg über ein relationales Nomen eine funktionale Lesart zu kreieren, scheint allerdings nicht ganz einfach. Es wären ein Nomen und ein Kotext mit entsprechendem Potential nötig und der Kontext müsste restriktiv sein. Zweitens gibt es Zuschreibungen nicht-inhärenter Eigenschaften in Form von Stage-Level-Nomen (cf. etwa Busa 1999, 350s.). Die Eigenschaften können bspw. auf äußeren Umständen beruhen oder in der Involvierung der denotierten Entität in Vorgänge und Handlungen bestehen. Die Gültigkeit der Eigenschaftszuschreibung hat, wie es die Bezeichnung der Kategorie, Stage-Level, intendiert, in aller Regel eine zeitliche Begrenzung, die bspw. durch einen zugrunde liegenden Vorgang festgelegt ist. Die Zeitstruktur kann vielerlei Realisierungen aufweisen (s. etwa das Handlungsergebnis in [220]). Im vorliegenden Beschreibungssystem handelt es sich hierbei strukturell um eine Grenzklasse zwischen der zuvor präsentierten und den Berufsbezeichnungen (s.u.). Sie lässt sich anhand einzelner semantischer Merkmale untergliedern, die sich recht gut auf die Typenstruktur abbilden lassen.
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Noch recht nah an den Individual-Level-Nomen ist die Gruppe der Nomen, die die denotierte Einheit als in einem Zustand befindlich darstellen, der sie in ihrer Gesamtheit betrifft (s. [219]). Eine komplexe Konzeptualisierung ist aus parallelen Gründen wie oben recht wahrscheinlich. [219] Pero sí hay gente buena aquí. Gente buena a nivel… de lo que se entiende vulgarmente con el nombre de médico. Es decir, tratando a los enfermos. (MAD:139.02) ‘Aber es gibt schon gute Leute hier. Gute Leute von der Sorte, die man gemeinhin als Ärzte bezeichnet. Also Leute, die Kranke behandeln.’ Nomen der besprochenen Art können zudem menschliche Entitäten denotieren, die ein Ergebnis herbeigeführt haben (s. [220]). Bei dieser Gruppe spricht die Agentivität zusätzlich für eine Konzeptualisierung als komplexer Typ: Die Agentivität geht wie gesagt häufig mit Willentlichkeit einher (cf. bspw. die Eigenschaftsliste des Proto-Agens nach Dowty 1991, 572, wo sie die erste Position einnimmt). Das Potential zu einem Willen bedarf grundlegend eines psychisch-mentalen Anteils innerhalb des Konzepts. [220] […] habrá que denunciar al asesino. (HOT:079.04) ‘Man wird den Mörder anzeigen müssen.’ Ist keine Willentlichkeit gegeben und wird der menschlichen Entität eine Eigenschaft zugeschrieben, die sie primär in einen äußeren Umstand einbettet, so sind das gute Voraussetzungen für einen nicht-komplexen Typ. Das Objekt in [221] ist bspw. funktionalen Typs. Es verfügt über einen spezifizierten Ortus-Faktor, in etwa die Geiselnahme, und einen telischen Faktor, die Erfüllung von Forderungen. [221] Liberó al pueblo con sólo un puñado de ingleses y gracias a él los alemanes no mataron rehenes ni destrozaron nada en su retirada. (SON:275.16) ‘Er befreite das Dorf mit gerade mal einer Handvoll Engländern und dank ihm töteten die Deutschen keine Geiseln und zerstörten nichts auf ihrem Rückzug.‘ Als letzte Individuen denotierende Gruppe seien Berufsbezeichnungen besprochen. In der Darstellung Pustejovskys (1995b, 229) sind sie eine Untergruppe der Individual-Level-Nominals (cf. auch etwa Busa 1999, 351). Das Besondere an diesen Nomen ist, dass die funktional relevanten Bedeutungsbestandteile in der Regel spezifiziert sind. D.h., der Ortus-Faktor und das telische Quale verfügen über Werte.
4.3 Verfeinerung der Nominalklassen
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Wie auch bei menschlichen Denotaten anderer Klassen kann die Semantik der Objekte jedoch mit einer psychisch-mentalen Ebene angereichert werden. In dem Fall sind sie komplexen Typs. Realisierungen als natürlicher Typ sind u.U. konstruierbar, wenn das Basislexem es zulässt. In der vorliegenden Rubrik sind Begriffe mit einem größeren Referenzpotential sowie semantisch ausdifferenzierte Nomen zu besprechen. Bei der ersten Gruppe handelt es sich um Berufsbezeichnungen im weiteren Sinne oder auch Funktionsbezeichnungen in der Berufswelt. Sie schreiben der menschlichen Entität keinen konkreten Beruf zu, sondern ordnen sie in eine Art Arbeitsverhältnis ein. Sie sind teilweise dichotom klassenbildend, bspw. empleado (‘Arbeitnehmer’) gegenüber patrón (‘Arbeitgeber’). Insofern können sie eine relationale Lesart haben und sich den Verwandschaftsbezeichnungen annähern. Eine funktionale Interpretation auf der Grundlage ihres Status als Berufsbezeichnung ist ebenfalls denkbar, bedarf aber eines sehr präzisen Kontexts mit starken semantischen Restriktionen. Im Korpus zu den Verben treten solche Fälle allerdings nicht auf (s. zudem die Hinweise unten zu der entsprechenden gezielten Korpusanalyse). Die Okkurrenzen sind allesamt markiert (s. bspw. [222]). [222] […] el anuncio de dicho plan, que cogió por sorpresa a los trabajadores […] se contradice […] (sic536). (1VO:061-2.1-09) ‘Die Bekanntgabe des besagten Plans, die die Arbeitnehmer überraschte, ist widersprüchlich.’ Das Objekt wird in [222] nicht als funktionaler Typ selegiert. Überrascht zu werden (coger por sorpresa, ‘überraschen’) kann nicht an ein funktional relevantes Quale des Konzepts ‘Arbeitnehmer’ andocken. Die das Objekt regierende Stützverbkonstruktion setzt vielmehr eine psychisch-mentale Ebene beim Objektdenotat voraus. Es ist also komplexen Typs. Um Anhaltspunkte über die Frequenz zu erhalten, wurde eine eigene Korpusuntersuchung zu solchen Funktionsbezeichnungen der Berufswelt durchgeführt (http://adesse.uvigo.es/data/avanzado.php, Zugriff: 11.08.15). Auch hier wurden verschiedene Suchanfragen an die ADESSE-Datenbank (ibid.) gestellt, wobei das Nomen in Objektposition lexikalisch spezifiziert wurde.537 536 Wie auch schon oben angegeben (s. Kap. 4.1.2.1.2), enthält der Satz einen Bezugsfehler. Semantisch prädiziert das Verb se contradice (‘widerspricht sich’) über plan (‘Plan’), grammatisch bezieht es sich aber auf anuncio (‘Bekanntgabe’). Das ist im vorliegenden Kontext allerdings unproblematisch. 537 Wie auch bei vorherigen Anfragen wurde in der Suchanfrage zu Berufsbezeichnungen im weiteren Sinn (http://adesse.uvigo.es/data/avanzado.php, Zugriff: 11.08.15) außerdem die Her-
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
Tatsächlich ist aber die Anzahl der Ergebnisse zu gering, um generelle Aussagen treffen zu können. Es wurde nach 10 nominalen Types gesucht. Davon erzielten lediglich drei jeweils eine relevante Okkurrenz: ejecutivo (‘Manager’), empresario (‘Arbeitgeber’, ‘Unternehmer’) und jefe (‘Chef’). Bei drei weiteren Nomen gab die Datenbank jeweils nur eine nicht relevante Okkurrenz aus: gerente (‘Geschäftsführer’), empleado (‘Angestellter’) und patrón (‘Arbeitgeber’). Bei den verbleibenden vier Nominalobjekten wurde nichts gefunden: colaborador (‘Mitarbeiter’, ‘freier Mitarbeiter’), freelance (‘Freiberufler’), mánager (‘Manager’) und trabajador (‘Arbeiter’). Dies überrascht, da ja etwa das obige Beispiel mit trabajadores (‘Arbeiter’ im Plural) ebenfalls der ADESSE-Datenbank entspringt. Dass es bei einer Suche mit lexikalisch spezifiziertem Objekt nicht gefunden wird, weist auf eine Schwäche im Tagging der Datenbank hin.538 Die gefundenen drei Okkurrenzen (von ejecutivo, ‘Manager’, empresario, ‘Arbeitgeber’, ‘Unternehmer’ und jefe, ‘Chef’) sind markiert und komplexen Typs. Es sind eindeutige und unproblematische Beispiele. Ejecutivo (‘Manager’) und jefe (‘Chef’) referieren jeweils auf Individuen. Auch der Status von empresario (hier: ‘Unternehmer’), das generisch verwendet wird, ist in [223] sehr eindeutig. Es wird von desanimar (‘entmutigen’) regiert, das eine psychisch-mentale Ebene voraussetzt. [223] A su juicio, las movilizaciones de los trabajadores no desaniman a los empresarios privados de invertir en las zonas afectadas por la desertización industrial. (1VO:062-2.4-08) ‘Seiner Meinung nach entmutigen die Streiks der Arbeiter die privaten Unternehmer nicht, in den von der industriellen Verödung betroffenen Gebieten zu investieren.’ Die Okkurrenzen sind komplexen Typs. Damit entsprechen sie den erwarteten Tendenzen der vorliegenden lexikalisch-semantischen Subklasse, für die von einer geringen Wahrscheinlichkeit von nicht-komplexen Konzeptualisierungen
kunft der Beispiele auf Spanien eingeschränkt. Es wurden nur Okkurrenzen mit zwei oder mehr Aktanten zugelassen, von denen der zweite als volle NP in der Funktion eines direkten Objekts auftreten musste. 538 Auch eine Suchanfrage mit der pluralischen Form trabajadores (‘Arbeiter’) als direktes Objekt gibt keine Ergebnisse aus. Zudem wird mindestens ein weiteres Beispiel nicht gefunden, nämlich eines mit dem Objekt empresario (‘Unternehmer’), das, regiert von situar (‘platzieren’), in der Untersuchung zu den Verben berücksichtigt wurde. Ob das Korpusmaterial weitere Objekte enthält, die die Datenbank nicht ausgibt, kann nicht geklärt werden.
4.3 Verfeinerung der Nominalklassen
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ausgegangen wurde. Die Menge an Okkurrenzen ist allerdings zu klein, um als aussagekräftig gelten zu können. Die Berufsbezeichungen im engeren Sinn haben hingegen ein besonderes Potential für funktionale Lesarten. Dies spiegelt auch die Tatsache wider, dass sie in der Literatur immer wieder, zum Teil mit Erstaunen, als Fälle ohne aMarkierung angeführt werden. Typisch sind Beispiele mit intensionalem Verb (etwa buscar, ‘suchen’, necesitar, ‘benötigen’) und den Nomen secretaria (‘Sekretärin’) oder médico (‘Arzt’) (cf. bspw. King 1984, 397; Laca 1987, 302 unter Verweis auf Coseriu 1962, 300 etc.). In der neueren Forschung werden sie gern verwendet, um wie in [224] Spezifizitätsoppositionen zu zeigen (cf. bspw. Torrego Salcedo 1999, 1798; Leonetti 2004, 80 etc.).539 [224.a] Busco un secretario que me {redacte/*redacta} las cartas. (Bsp. aus Torrego Salcedo 1999, 1798) ‘Ich suche einen Sekretär, der meine Briefe {verfassen soll / verfasst}.’540 [224.b] Busco a un secretario que me {*redacte/redacta} las cartas. (Bsp. aus ibid.) ‘Ich suche einen Sekretär, der meine Briefe {verfassen soll / verfasst}.’ Dem hier vertretenen Ansatz entsprechend geht die Erklärung der Opposition von der Konzeptualisierung des Nomens aus. Die unmarkierte NP un secretario (‘ein(en) Sekretär’) in [224.a] ist funktionalen Typs. Die funktional relevanten Qualia sind spezifiziert. Es wird also eine menschliche Entität gesucht, die qualifiziert ist, als Sekretär zu arbeiten, etwa durch eine Ausbildung (Ortus-Faktor), um durch die Tätigkeit Geld zu verdienen (telischer Faktor). Bzgl. a-markierten Objekten wie in [224.b] wird in der Literatur von Spezifizität ausgegangen (s. Kap. 2.7.5.2 für weitere Ausführungen und Verweise). Dem hier vertretenen Ansatz zufolge wird ggfs. der funktionale Typ des Objekts mit einem weiteren zu einem komplexen verschmolzen. Es ist für die Interpretation auch eine mentalpsychische Ebene nötig, die nicht im rein funktionalen Bedeutungsanteil einer
539 Wie mehrmals gesagt, ist ein Objekt ohne a-Markierung in der Regel unspezifisch, eines mit a-Marker hingegen zumeist spezifisch. Die Moduswahl in den Relativsätzen korreliert damit: Die Subjuntivo-Form redacte (etwa ‘verfassen soll’) ist beim unspezifischen Antedezenten möglich, der Indikativ (redacta, ‘verfasst’) benötigt hingegen einen spezifischen Antezedenten (cf. etwa Torrego Salcedo 1999, 1798 mit weiteren Verweisen). 540 Die Übersetzung mit dem Modalverb sollen ist eine Behelfsübersetzung, um die Opposition zu verdeutlichen. Tatsächlich ist im Deutschen auch die Struktur mit bloßem Indikativ mit einer unspezifischen Lesart kompatibel.
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
Arbeitskraft vorhanden ist. Zwar lassen sie sich damit gut zeigen, die Verhältnisse sind aber nicht auf Berufsbezeichnungen beschränkt, da ja intensionale Verben wie buscar (‘suchen’) kaum Selektionsbeschränkungen aufweisen und auch hinsichtlich ihrer Domäne nicht festgelegt sind. Wie auch bei den anderen im vorliegenden Unterkapitel besprochenen Fällen sind für funktionale Lesarten spezifische Kontexte notwendig. Im Korpus zu den Verben findet sich ein Beispiel, das das Prinzip verdeutlicht (s. [225]).541 [225] El año pasado contraté un putón para que animara la cosa, pero acabé cas[á]ndome con ella y ahora no me quiere hacer la barra. (LAB:109.26) ‘Letztes Jahr habe ich eine Stripperin engagiert, die Schwung in die Sache bringen sollte, aber schließlich habe ich sie geheiratet und jetzt will sie nicht mehr hinter dem Tresen stehen.’ Das Besondere an diesem Beispiel ist, dass dem Objekt die berufsbezeichnende Lesart im Satz zukommt. Es ist ein Fall von Type Coercion, genauer von «True Complement Coercion» (Pustejovsky 1995b, 115; s. Kap. 2.8.2). Kontextunabhängig wäre das Nomen nicht als Berufsbezeichnung zu klassifizieren, sondern etwa als evaluative Eigenschaftszuschreibung. Das regierende Verb contratar (‘einstellen’) ist jedoch strikt an eine konzeptuelle Domäne gebunden (s. zum Vergleich [226] und [227]) und zwingt dem Objekt so die besagte Lesart als Berufsbezeichnung im weiteren Sinne auf. Es handelt sich also nicht um das gleiche Phänomen wie etwa beim Nomen asesino (‘Mörder’), das über zwei Lesarten verfügt, die kontextuell selegiert werden. Im Beispiel [220] oben handelt es sich etwa um eine nicht-inhärente Eigenschaftszuschreibung, die andere Lesart wäre eine Berufsbezeichnung (wie etwa bei deutsch Auftragskiller). Sie kommt im Korpus zu den Verben nicht vor. Im Korpus treten allerdings zwei Berufsbezeichnungen im engeren Sinne auf, die komplexen Typs sind (s. [226] und [227]). [226] Además había contratado a una enfermera muy amable y a un profesor para él, un joven simpatiquísimo, se iban a hacer buenos amigos. (TER:097.14) ‘Außerdem hatte er eine sehr liebenswerte Krankenschwester eingestellt und einen Lehrer für ihn, ein überaus sympathischer junger Mann, sie würden gute Freunde werden.’
541 Es kommt noch eine Gruppenbezeichnung hinzu. Sie wird unten behandelt.
4.3 Verfeinerung der Nominalklassen
461
[227] Como primera medida desnudé al camarero, hice yo otro tanto, le puse a él mis ropas y me puse yo las suyas. (LAB:033.15) ‘Als erste Maßnahme zog ich den Kellner aus, zog dann auch mich aus, zog ihm meine Klamotten an und mir zog ich seine an.’ In [226] ist ebenfalls contratar (‘einstellen’) das regierende Verb, das wie gesagt semantisch restriktiv ist. Der Kotext weist jedoch die berufsbezeichnende NP deutlich als komplexen Typs aus. Dem Denotat wird die Eigenschaft muy amable (‘sehr liebenswert’) zugewiesen, die eine psychisch-mentale Ebene beim nominalen Konzept voraussetzt. Im Falle von [227] mit dem Objekt camarero (‘Kellner’) gibt das Verb einen deutlichen Hinweis auf die Konzeptualisierung. Es kann bei der vorhandenen lexikalischen Füllung der Objektposition keine Funktion selegieren. Eine weitere Konzeptualisierungsebene ist nötig. Das Objekt muss also komplexen Typs sein. Die Beispiele zeigen, dass es bei den Berufsbezeichnungen verschiedene Konzeptualisierungsmöglichkeiten gibt: den funktionalen Typen bei einem entsprechenden Kontext sowie den komplexen Typ. Die erwartete relativ hohe Frequenz des funktionalen Typen kann so aber nicht belegt werden. Es wurde daher eine weitere gezielte Korpusuntersuchung zu Berufsbezeichnungen durchgeführt. Insgesamt 22 nominale Types in der Funktion des direkten Objekts wurden in der ADESSE-Datenbank gesucht (http://adesse.uvigo.es/data/avanzado.php, Zugriff: 10.08.15).542 Für die folgenden 8 Nomen davon fanden sich insgesamt 25 relevante Okkurrenzen543: abogado (‘Anwalt’), enfermera (‘Krankenpflegerin’), enfermero (‘Krankenpfleger’), obrero (‘Arbeiter’, ‘Bauarbeiter’), policía (‘Polizist’), portero (‘Pförtner’), profesor (‘Lehrer’, ‘Dozent’) und secretaria (‘Sekretärin’). Dafür, dass viele Nomen nicht auftreten, kann einerseits der eher geringe Umfang an Korpusdaten, aus denen sich die Datenbank speist, verantwortlich sein. Andererseits ist es auch hier möglich, dass Schwächen im Tagging eine Rolle spielen (s. die Anmerkungen oben bei der Korpusuntersuchung zu Berufsbezeichnungen im weiteren Sinn). In jedem Fall ist die Datenmenge zu
542 Wie zuvor wurden die folgenden Restriktionen angegeben: Spanien als Ursprung der Daten, zwei oder mehr Argumente und die Realisierung des direkten Objekts als volle NP. 543 Für die folgenden beiden Nomen fanden sich hingegen keine relevanten Okkurrenzen: actor (‘Schauspieler’) und arquitecto (‘Architekt’). Keinerlei Okkurrenzen gab die Suche nach folgenden 14 Nomen aus: actriz (‘Schauspielerin’), bañero (‘Bademeister’), dentista (‘Zahnarzt, -ärztin’), ingeniero (‘Ingenieur’), jardinero (‘Gärtner’), peluquera (‘Friseurin’), peluquero (‘Friseur’), piloto (‘Pilot’), pintor (‘Maler’), pintora (‘Malerin’), taxista (‘Taxifahrer’), vendedor (‘Verkäufer’), vendedora (‘Verkäuferin’), zapatero (‘Schuster’).
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
gering für allgemeingültige Einschätzungen. Die Untersuchung kann lediglich einen kleinen Anhaltspunkt liefern sowie zusätzliche qualitative Daten (s.u.). Die punktuelle Korpusuntersuchung zu Berufsbezeichnungen im engeren Sinne bestätigt ein gewisses Potential für funktionale Verwendungen. 52% der relevanten Okkurrenzen treten ohne a-Markierung auf (13 von 25). Sie sind allesamt funktionalen Typs. Allerdings werden 9 dieser Objekte von tener (‘haben’) regiert (s. auch die Anmerkungen zu tener, ‘haben’, oben bei der Korpusuntersuchung zu Verwandtschaftsbezeichnungen). Bezieht man sie nicht mit ein, so treten immerhin noch 25% der verbleibenden Objekte ohne a-Marker auf (4 von 16 Okkurrenzen). Das ist zwar ein geringerer Anteil als bei den inalienablen Verwandtschaftsbezeichnungen (50%, wenn tener, ‘haben’, ausgeschlossen wird, s.o.), er übersteigt aber beispielsweise deutlich den der Korpusuntersuchung zu Verben, die breiter angelegt ist und insofern eher repräsentativ ist. Dort finden sich unter den Objekten mit menschlichem Denotat unbereinigt, d.h. in dem Falle einschließlich gruppenbezeichnender Nomen, unter 5% unmarkierte Objekte.544 Auch qualitativ werden die Erwartungen erfüllt. [228] MIRIAM.- ¿Cuándo va a ser el jucio? VICTOR JOVEN.- Quién sabe. Mi padre me envió un abogado, pero me negué a recibirle. (HOM:066.11) ‘MIRIAM: Wann wird die Gerichtsverhandlung sein? – VICTOR JOVEN: Wer weiß. Mein Vater hat mir einen Anwalt geschickt, aber ich habe mich geweigert, ihn zu empfangen.’ Das Nomen abogado (‘Anwalt’) in [228] ist spezifisch (epistemische Spezifizität). Dennoch ist es unmarkiert. Der Umstand korreliert entsprechend den Annahmen damit, dass das Objekt funktionalen Typs ist. Es denotiert eine menschliche Entität, die allein hinsichtlich ihres Berufs spezifiziert ist. Der Adversativsatz verdeutlicht den Status der Spezifizität und liefert gleichzeitig keinerlei textuelle Hinweise auf eine etwaige komplexe Konzeptualisierung des Objekts: Der Sprecher hat die Gelegenheit ausgeschlagen, den Objektreferenten persönlich kennenzulernen. Das regierende Verb enviar (‘schicken’) hat nur geringe Restriktionen und scheint weitgehend neutral hinsichtlich des Typs seines Objekts, sodass abogado (‘Anwalt’) leicht als funktionaler Typ an das Verb andocken kann. Als letzter Punkt zu den Individuenbezeichnungen sei die Rolle des regierenden Verbs für die Konzeptualisierung des Objekts nuanciert. Dafür eignen sich
544 Von 219 Objekten mit menschlichem Denotat sind 9 unmarkiert. Das ergibt 4,1%. Allerdings sind nicht alle funktionalen, sondern z.T. auch natürlichen Typs.
4.3 Verfeinerung der Nominalklassen
463
Berufsbezeichungen gut, die als Objekte des Verbs ver (‘sehen’) auftreten. Das Verb wird in der Forschung zur DOM immer wieder diskutiert, etwa im Zusammenhang mit der sekundären Prädikation (cf. etwa García García 2010, 199ss.). Der Grund dafür scheint in erster Linie zu sein, dass sich die visuelle Wahrnehmung auf diskrete Entitäten, aber auch auf Vorgänge beziehen kann. Ein besonderer Reiz des Verbs besteht aber auch darin, dass es als zweite Lesart die einer «mentalen» Wahrnehmung zulässt. Es bringt dann einen Verständnisvorgang zum Ausdruck. In seiner Grundbedeutung fordert es visuelle Wahrnehmbarkeit hinsichtlich der vom Objekt denotierten Entität. Abweichende Lesarten haben u.U. andere Restriktionen, bspw. fordert eine Bedeutung wie ‘erkennen’ mentale Wahrnehmbarkeit. Darüber hinaus ist ver (‘sehen’) aber wie gesagt nicht besonders restriktiv. Das betrifft auch den Typ des Objekts. In den folgenden beiden Beispielen tritt jeweils eine Berufsbezeichnung in Objektposition auf. Die Verbbedeutung divergiert in den beiden Sätzen, was sich aber nicht direkt auf den Typ des Objekts auswirkt. [229] Tu padre se refugió en un portal y veía a los policías a través del cristal. (TER:017.02) ‘Dein Vater suchte in einem Eingang Zuflucht und sah die Polizisten durch die Fensterscheibe.’ [230] Yo la hubiera cogido. Estaba dudando entre las dos, y luego, al ver el profesor que había en Historia Social, me… decidí por Historia Social, pero ahora, desde luego, me arrepiento. (MAD:431.19) ‘Hätte ich auch genommen. Ich überlegte zwischen den beiden hin und her, und dann, als ich sah, welcher Lehrer Sozialgeschichte gab, habe ich mich für Sozialgeschichte entschieden, aber jetzt bereue ich es natürlich.’ In den beiden Beispielen [229] und [230] ist das Objektdenotat jeweils textsemantisch in eine Domäne eingebettet, der es zugehörig ist. In [229] tun Polizisten (los policías) ihre Arbeit und werden dabei gesehen. In [230] besteht eine Zuordnung eines Lehrers zu einem Kurs. Das regierende Verb ver (‘sehen’) ist in den beiden Beispielsätzen nicht Teil der semantischen Domäne. Zudem ist seine QualiaStruktur nicht funktional spezifiziert. Es bietet sich daher nicht per se an, mit funktionalen Lesarten des Objekts zu kombinieren. Dementsprechend ist auch [229] zu interpretieren. Dem Objekt wird keine Funktion zugewiesen und das Denotat wird nicht in seiner Funktion wahrgenommen. Es kommt stattdessen, so wie bei menschlichen Denotaten häufig, zur Konzeptualisierung eines komplexen Typs. Es sind menschliche Entitäten mit einem bestimmten Beruf. In [230]
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
betrifft das Wahrnehmungsereignis hingegen die Funktion. Das Verb ver (‘sehen’) spielt dabei aber nicht die entscheidende Rolle, es ist vielmehr neutral hinsichtlich des Status des Objeks. Die funktionale Lesart wird durch die Zuordnung der denotierten Lehrkraft zu einem bestimmten Kurs im Relativsatz festgelegt. Das ist mit der Default-Lesart des Matrixverbs, einer «physischen», d.h. visuellen, Wahrnehmung, inkompatibel. Es kommt zur Co-Composition, bei der sich mehrere Elemente innerhalb einer Phrase gegenseitig bestimmen (cf. Pustejovsky 1995b, 61). Sie resultiert in einem Verstehensvorgang,545 mithin einer mentalen Wahrnehmung, deren Ergebnis das Wissen des Subjektreferenten über die Zuordnung der Lehrkraft zum Kurs ist.546 So kann der funktionale Typ des Objekts erhalten bleiben. Das Beispiel [230] zeigt also, dass berufsbezeichnende Objekte auch dann funktionalen Typs sein können, wenn das regierende Verb das nicht fordert, sondern nur zulässt. Wie die Ausführungen verdeutlichen, haben Nomen mit menschlichem Denotat divergierende Präferenzen für ihre Konzeptualisierung. Es gibt vielerlei Abweichungen von der angenommenen Tendenz zum komplexen Typ (cf. Jackendoff 2002, 374). Bspw. realisieren Appellativa, die auf eine Funktion oder eine Relation abstellen, verhältnismäßig leicht einen funktionalen Typ. Die Tendenzen sind allerdings lediglich Prädispositionen, die verschiedentlich aktualisiert werden können. Dabei spielt das regierende Verb häufig eine entscheidende Rolle. Manche Verben sind aber auch weniger restriktiv. Es ist vor dem Hintergrund wichtig, bei einer Klassifikation von Nomen den Wert der jeweils regierenden Verben abzugleichen. Wie zu Beginn des Unterkapitels gesagt, erhalten Individuen bezeichnende Nomen üblicherweise den Fokus, wenn menschliche Denotate besprochen werden. Unterschiede in der Frequenz können den Umstand motivieren. In Publikationen zur DOM wird z.T. darauf Bezug genommen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Markierung von Objekt-NPs im Plural etwas geringer ist als im Singular (cf. bspw. García/van Putte 1995, 124s. und in der Folge Aissen 2003, 463; außerdem etwa von Heusinger/Kaiser 2005, 55s.), was parallel auch bei Individuengegenüber Massennomen gilt (cf. etwa Stark 2005, 134). Auch in der vorliegenden Arbeit erhalten Individuen bezeichnende Nomen mehr Aufmerksamkeit. Es soll aber im Folgenden knapp auf die zweite große Klasse eingegangen werden, die Kollektiva (cf. für den Begriff etwa Krifka 1991b), genauer Gruppen und 545 Der Verständnisvorgang ließe sich folgendermaßen paraphrasieren: Al ver qué profesor había en Historia Social (‘Als ich sah, welcher Lehrer Sozialgeschichte gab’) oder sogar Al ver que el profesor X daba Historia Social (‘Als ich sah, dass der Lehrer X Sozialgeschichte gab’). 546 Bei einer a-Markierung wäre keine vergleichbare Lesart möglich. Abgesehen davon wäre dann das Auftreten des Verbs haber (‘vorhanden sein’) im Relativsatz zumindest auffällig.
4.3 Verfeinerung der Nominalklassen
465
Mengen von menschliche Entitäten bezeichnenden Nomen. Sie werden in der Literatur zur DOM zum Teil kaum und mitunter ungenau eingeordnet. Neben der Abgrenzung zu Individuenbezeichnungen scheint eine weitere Schwierigkeit im Verhältnis zu Abstrakta zu bestehen.547 Das zeigt auch eine eigene Untersuchung zur Klassifizierung von Massennomen mit menschlichem Denotat in der ADESSEDatenbank, derzufolge lediglich 72,6% der Okkurrenzen als belebte Kollektiva eingeordnet sind (s.u.). Wie im Rahmen der Untersuchung gezeigt wurde, können solche Schwierigkeiten mit einer detaillierten tiefensemantischen Analyse umgangen werden. Auch eine Behandlung als gänzlich eigenständige Klasse, ein Gedanke, den García García (2010, 42) anbringt, ist dann unnötig. Grundlegend ist zunächst die Unterscheidung der zählbaren und der Massennomen (cf. auch etwa Rothstein 2010, 343s.). Zwischen den beiden Polen lassen sich verschiedene Möglichkeiten der nicht-individuellen Denotation bestimmen. Zählbare Nomina können pluralisch verwendet werden. Damit wird auf die Summe der Individuen Bezug genommen (cf. Landman 1989, 560). Des Weiteren können Gruppen denotiert werden. Landman (1989, 572) geht davon aus, dass Gruppenbezeichnungen semantisch von pluralischen Ausdrücken divergieren. Dies verdeutlicht er u.a. anhand der folgenden Überlegung (cf. ibid., 572ss.). Ein Prädikat, das auf eine Gruppe zutrifft, muss nicht auf jedes in ihr enthaltene Individuum zutreffen (cf. ibid., 573). So könnte ein Satz wie, die Beatles sind in Hamburg aufgetreten (Bsp. ähnlich dem von Landman 1989, 573), auch dann wahr sein, wenn ein Bandmitglied beim Auftritt gefehlt hat (cf. ibid.). Solche Gruppenbezeichnungen können also über die potentiell relevanten Individuen generalisieren,548 wenn auch die Bestandteile der Gruppe recht salient sind. Rothstein (2010, 356) diskutiert mit einer überlappenden Stoßrichtung Nomen wie furniture (Bsp. aus ibid.), die sie als «mass but naturally atomic and nonhomogeneous» einstuft.549 Wie sie angibt, denotieren sie «sets of individual units» (ibid.). Ihre Besonderheit ist, dass sie grammatisch wie Massennomina funktionieren, ihnen aber in der außersprachlichen Wirklichkeit individuierbare Entitäten 547 Lasersohn (2011) beschäftigt sich mit Massen- und Pluralnomen unabhängig von menschlichen Denotaten. Wie er interessanterweise angibt, ist die Unterscheidung von Massennomen und abstrakten Nomen recht jung und geht erst auf Bloomfield (1933, 205) zurück (cf. Lasersohn 2011, 1133). Zudem werde die Unterscheidung nicht von allen Autoren übernommen (cf. ibid.). Diese historische Dimension der Abgrenzungsschwierigkeit kann hier nicht vertieft werden. 548 Rothstein (2010, 365, Fußnote 10) stuft Gruppennomina wie group (of boys) und class (of children) (Beispiele aus ibid. mit Verweis u.a. auf Landman 1989) als «count noun classifier» ein. Die Überlegung, bei der einzelsprachliche Faktoren eine Rolle spielen können, soll hier nicht weiter vertieft werden. 549 Mit «atomic» meint Rothstein (2010, 345) im Grunde Individuierbarkeit (cf. ibid. für eine genauere Definition).
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
entsprechen (cf. ibid., 359, 361). Sie führt am Rande auch Nomen mit menschlichem Denotat an und nennt etwa family und commitee (cf. ibid., 382).550 Wie angedeutet, sind die von ihr untersuchten Phänomene nicht klar davon abgegrenzt, was oben als Gruppenbezeichnungen angesprochen wurde. Es ist ganz offensichtlich, dass ein Konzept wie family nicht in gleicher Weise das Set und seine Bestandteile salient macht wie ein Eigenname, etwa im Falle des Bandnamens (s.o.). Die divergenten referentiellen Eigenschaften dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Krifka (1991b, 399) führt u.a. Polizei und Vieh als Beispiele an. Er bezeichnet solche Nomen als Kollektivnomina (cf. ibid.). Während Vieh sich in der Grundbedeutung nicht auf menschliche Einheiten bezieht, werden Nomen wie Polizei hier als Institutionsbezeichnungen in einer eigenen Kategorie behandelt (s.u.). Ein geeignetes Beispiel wäre jedoch etwa muchedumbre (‘Menschenmenge’). Im Gegensatz zu den oben besprochenen Gruppenbezeichnungen evozieren Kollektivnomina weniger deutlich umrissene Sets. Während also bspw. das Konzept ‘Familie’ entweder als der engste (d.h. Mutter, Vater und ein, zwei oder mehr Kinder) oder aber als der recht enge Familienkreis (etwa mit Großeltern, Tanten, Onkels, Cousinen und Cousins mit Kindern o.ä.) instantiiert wird, ist ein Konzept wie ‘Menschenmenge’ recht vage, was die Denotatsmenge betrifft. Zudem bestehen deutliche Unterschiede hinsichtlich der Salienz der Bestandtteile. Bei deutlicher Sets delimitierenden Nomen scheint der bereits oben eingeführte Begriff Gruppennomen hilfreich. Die klare Strukturierung bspw. bei Familie ist in der Qualia-Struktur des Nomens angelegt. Sie ist bei anderen Gruppennomen ggfs. reduziert. Auch mit einem Nomen wie Komitee wird jedoch typischerweise ein Konzept mit einer deutlicheren Delimitierung verbunden als etwa bei Menschenmenge.551 Zur Differenzierung dieses zweiten Typs ist der Begriff des Kollektivnomens gut geeignet (cf. Krifka 1991b, 399).552
550 Tatsächlich führt Rothstein (2010) solche belebte Entitäten denotierenden Gruppennomen (s.o.) als Ausnahmen an. Ihrzufolge können einzelne Nomen wie family und committee (Beispiele aus ibid., 380, 382) im Englischen u.a. mit Verben im Plural kongruieren (cf. ibid., 382 sowie bspw. Lasersohn 2011, 1134). 551 Eine naheliegende Korrelation ist hierbei, dass die Bestandteile kleinerer Sets leichter individuiert konzeptualisiert werden können als die großer Mengen bzw. Gruppen. Ein weniger umfangreiches Set wird also eher durch ein Gruppennomen denotiert als ein Set, das in der außersprachlichen Wirklichkeit typischerweise eine zahlenmäßig große Menge umfasst. 552 Eine ähnliche, aber etwas stärker formal motivierte Skala findet sich bei Lasersohn (2011, 1134). Er bezeichnet Kollektivnomen wie police und cattle (Beispiele aus ibid.) als «lexical plurals» (ibid., 1132 mit weiteren Verweisen). Er grenzt «collective singulars» (ibid., 1135) wie committee und government (Beispiele aus ibid., 1134) davon ab, die er zwischen ihnen und dem einfachen Singular positioniert. Wie gesagt ist seine Unterscheidung formal inspiriert und zudem am Englischen orientiert.
4.3 Verfeinerung der Nominalklassen
467
Auch Fernández Ramírez (1986, 179s.) bespricht nicht-individuierte Nomen und bildet semantische Klassen, die den hier verwendeten ganz ähnlich sind. Er spricht von Massennomen, die gleichzeitig menschliche Entitäten denotieren, darunter familia (‘Familie’), aber auch masa (‘Masse’, ‘Menschenmenge’) (Beispiele aus ibid., 179). Seine Abgrenzungen bleiben allerdings vage (cf. ibid.). Einerseits spricht er von Nomen, die «por su sentido […] más generales» (ibid., ‘hinsichtlich ihrer Bedeutung allgemeiner’) sind wie el mundo entero (‘die ganze Welt’) und gente (‘Leute’) (Beispiele aus ibid.). Andererseits thematisiert er solche von «grupos y clases más especiales de personas diferenciadas […] por razones de edad, de sexo, […]» (ibid., ‘speziellere Personengruppen und –klassen, die sich hinsichtlich ihres Alters oder Geschlechts unterscheiden lassen’). Er zählt noch verschiedene weitere mögliche gruppenbildende Merkmale auf und nennt etwa juventud (‘Jugend’), sociedad553 (‘Gesellschaft’), aber auch familia (‘Familie’) als Beispiele (cf. ibid.). Seine Klassifizierung weist also eine ganz ähnliche Tendenz auf wie die oben besprochene Abgrenzung. Die Zuordnung der Beispiele zeigt aber, dass seine Konzeption eine andere ist. Das Vorhandensein eines einzelnen spezifischen semantischen Merkmals genügt ihm zumeist für eine Einordnung in die «weniger allgemeine Gruppe». Seine Systematik ist mithin weniger hilfreich, als sie auf den ersten Blick erscheinen mag. Seine dritte Gruppe ist allerdings noch zu erwähnen. Sie umfasst Nomen, die Institutionen und Organisationen denotieren (cf. ibid., 179s.). Auf diese dritte Gruppe wird unten eingegangen. Im Korpus treten u.a. die folgenden beiden Beispiele mit einem Gruppennomen (s. [231]) und einem Kollektivnomen (s. [232]) im Sinne der obigen Begriffsbestimmungen auf. [231] En un comunicado difundido por UGT se acusa al equipo rectoral compostelano de pretender utilizar a los sindicatos para realizar las tareas que le corresponden por convenio a la propia Universidad. (2VO:030-1.1-12) ‘In einem Kommuniqué, das von der Gewerkschaft UGT verbreitet wurde, werden die Mitglieder des Rektorats von Compostela beschuldigt, zu versuchen, die Gewerkschaften für die Erfüllung von Aufgaben auszunützen, die entsprechend einer Vereinbarung von der Universität selbst zu erledigen sind.’
553 Das Nomen wurde in Kap. 4.1.2.1.1 in Einbettung unter cambiar (‘verändern’, ‘tauschen’) ausführlich besprochen.
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Es hora ya de decir bien alto que la apatía, la falta de inquietud, la frivolidad, el egoísmo, todo eso de que se acusa a nuestra juventud, no lo son por ella misma, sino por quienes no han sabido moldearla... (USO:216.26) ‘Es ist höchste Zeit, laut auszusprechen, dass die Apathie, der Mangel an Interessen, die Leichtlebigkeit, der Egoismus, all das, wessen man unsere Jugend beschuldigt, nicht wegen ihr selbst ihre Eigenschaften sind, sondern wegen denen, die sie nicht zu formen wussten…’
Mit dem Gruppennomen in [231] wird auf ein klar umrissenes und prinzipiell individuierbares Set an Personen Bezug genommen. Die Denotatsmenge des Kollektivums in [232] ist hingegen unterspezifiziert. Auch sind ihre Bestandteile nicht salient. Insbesondere bei problematischen Okkurrenzen reichen die genannten Distinktionen nicht aus. Ganz entscheidend sind dann der Basistyp und die grundlegende semantische Einordnung. Wie gezeigt wird, erlaubt die Bestimmung einerseits Rückschlüsse auf die Wahrscheinlichkeit der Markierung. Andererseits wird so an kritischen Stellen eine Abgrenzung zu den Abstrakta möglich. In den beiden obigen Fällen [231] und [232] ist der Basistyp jeweils parallel zu Individuenbezeichnungen zu beschreiben. Es handelt sich um zwei Mengen menschlicher Entitäten, die in beiden Fällen als komplexen Typs zu beschreiben sind, da zwei Ebenen relevant sind, eine gewissermaßen physische und eine psychisch-mentale (s. Kap. 4.1.2.3.2). Insofern es sich um Mengen handelt, ist auch ein weiterer Bedeutungsbestandteil relevant, der in der Analyse als Organisationsart oder –prinzip bezeichnet wurde. Vereinfacht gesagt, ist die Frage, wie die Elemente der Menge zusammengefügt sind. In [231] entspricht dem Ordnungsprinzip außersprachlich die universitäre Organisation. Der komplexe Typ umfasst daher einen weiteren, abstrakt-funktionalen Typen. In [232] ist das Alter entscheidend. Der entsprechende komplexe Typ enthält also auch einen natürlichen Typen. Ein kurzes Zwischenfazit kann einen wichtigen Punkt herausstellen. Möglicherweise verringert sich die Wahrscheinlichkeit einer a-Markierung zwischen den nominalen Klassen der Individuenbezeichnungen hin zu den nicht-individuierten Gruppenbezeichnungen und weiter zu den Kollektivnomen (cf. etwa Aissen 2003, 463 und Stark 2005, 134). Der Grund sind allerdings mit den Nominalklassen assoziierte referentielle Faktoren, nicht aber die semantischen Eigenschaften. Letztere können die mögliche Tendenz im tatsächlichen Sprachgebrauch in einem gewissen Maß relativieren. Entscheidend ist der einem Nomen im Kontext zukommende konzeptuelle Typ.
4.3 Verfeinerung der Nominalklassen
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Im Korpus treten zudem immer wieder Gruppenbezeichnungen in Form von Eigennamen auf (s. [233]). [233] […] pondrán todo de su parte para vencer al Compostela. (1VO:044-1.4-29) ‘Sie werden alles geben, um gegen Compostela zu gewinnen.’ Auch bei Eigennamen von Gruppen sind es referentielle Eigenschaften, die sie von anderen Nomen unterscheiden. Sie referieren prinzipiell rigide, allerdings mit gewissen Einschränkungen, die Gruppennomen mit sich bringen, etwa dass über die Bestandteile der Gruppe generalisiert wird (cf. dafür Landman 1989, 572ss.; s.o.). Es können hierbei dennoch kontextuelle Faktoren eine wichtige Rolle spielen. Dies gilt gerade auch im Fall von [233], wo ein Ortsname als Bezeichnung für die Fußballmannschaft verwendet wird. Der Kontext vereindeutigt die Referenz. Die Objekt-NP ließe sich durch al equipo de Compostela (‘das Team von Compostela’) ersetzen und ist weitgehend parallel zum Objekt in [231] zu analysieren. In solchen sehr spezifischen Kontexten können sogar Ländernamen nach der gleichen Art und Weise interpretiert werden (s. [234]). [234] Tras vencer a Suecia, actual campeona del mundo, y a Yugoslavia […] el equipo […] logró su tercer trinfo ante la selección anfitriona de la Supercopa. (3VO:049-2.1-23) ‘Nachdem es Schweden, den derzeitigen Weltmeister, und Jugoslawien besiegt hatte, gelang dem Team gegen die Auswahl des SupercupGastgebers sein dritter Sieg.’ Treten Ländernamen allerdings nicht im Sportkontext auf, so entspricht der Basistyp des etwaigen Nomens nicht oder nicht unbedingt dem (möglichen) menschlichen Bedeutungsbestandteil. Das folgende Beispiel zeigt diesen Fall. [235]
Sólo cuando se hablaba de la guerra mundial David se despertaba […]. –Nadie vence a Inglaterra… (JOV:025.07) ‘Nur wenn über den Weltkrieg gesprochen wurde, wurde David aktiv. «Keiner besiegt England…»’
In [235] (s. dafür auch Kap. 4.1.1.2.3) denotiert das Objekt keinen Fußballverein, sondern ein Land als Abstraktum, d.h. im Sinne einer v.a. geographisch und historisch spezifizierten Entität, die allerdings wiederum eine organisatorische Struktur aufweist. Dem Nomen entspricht ein abstrakt-funktionaler Basistyp. Ein entscheidender weiterer Bedeutungsbestandteil ist der der mit der Organisation
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verbundenen Streitkräfte, mit dem der Basistyp weiter angereichert wird, nämlich offenbar mit einem funktionalen Typen. So entsteht ein komplexer Typ. Ganz ähnlich ist auch das Beispiel [236.a] zu interpretieren. [236.b] zeigt ergänzend den Gegensatz. Das Objekt (su país, ‘sein Land’) wird nur als geographischer Bereich interpretiert. [236.a] Hoy […] llama la atención la falta de cautela con que se insultaba a un país cuyo primer mandatario, el Presidente Eisenhower, había de desfilar pocos años más tarde por las calles de Madrid junto al general Franco […]. (USO:029.34) ‘Heute fällt der Mangel an Vorsicht auf, mit dem man ein Land beleidigte, dessen Staatsoberhaupt, der Präsident Eisenhower, wenige Jahre später neben General Franco durch die Straßen Madrids defilieren würde.’ [236.b] Y pensó que también él […] podía haber acabado como Adriana en cualquiera de aquellos primeros momentos llenos de depresión, impotencia y rabia, que sintió al abandonar su país. (CAR:177.22) ‘Und er dachte, dass auch er in jedem jener ersten Momente wie Adriana hätte enden können, voller Niedergeschlagenheit, Ohnmacht und Wut, – Gefühle, die er hatte, als er das Land verließ.’ Objekte wie in [235] und [236.a] sind also der Gruppe der Abstrakta zuzuordnen.554 Die Bedeutung eines Kollektivums ist eine sekundäre Lesart, ein Reflex des weiteren Typen, der mit dem Basistyp verbunden wird. Die Differenzierung hinsichtlich des Basistypen ist auch bei Institutionsbezeichnungen besonders wichtig, d.h. Nomen, in deren Bedeutungsstruktur eine Organisation zentral ist. Wie oben angesprochen führt Fernández Ramírez (1986, 179s.) solche Nomen als dritte Möglichkeit unter den Massennomen mit menschlichem Denotat. Er bestimmt seine Kategorie als Nomen, die «instituciones, corporaciones, entidades, organismos, empresas, etc.» (ibid., 179) denotieren. Unter seinen Beispielen finden sich u.a. academia (‘Akademie’), comisión (‘Kommission’) sowie policía (‘Polizei’) (Beispiele aus ibid., 179s.). Wie bereits bei den beiden oben genannten Kategorien von Fernández Ramírez (1986, 179s.) ist auch diese nicht deckungsgleich mit derjenigen, die im vorliegenden Rahmen angesetzt wird. So wird etwa das Nomen comisión (‘Kommission’) den Gruppennomen
554 Beim Objekt in [236.b] ist hingegen eine Klassifizierung als Konkretum naheliegend. Das ist möglich im Zuge einer Type Coercion durch abandonar (‘verlassen’).
4.3 Verfeinerung der Nominalklassen
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zugeordnet, da der Bedeutungsbestandteil der Organisation weniger zentral ist (cf. auch die entsprechende Angabe im Diccionario de la lengua española, http://dle. rae.es/?id=9wr1Sns, Zugriff: 02.02.19).555 Auch die Anmerkungen von Krifka (1991a), der Institutionen und Gruppen gleichsetzt (cf. ibid., 77), und von García García (2010), der bzgl. mehrerer Abstrakta (s.u.) die Trennlinie zu Kollektiva aufzuheben vorschlägt (cf. ibid., 41s., 48), werden nicht bzw. nicht ohne Einschränkung geteilt. Im Korpus treten u.a. die folgenden Beispiele auf. [237]
La Unión de Consumidores de España (UCE) ha denunciado a la empresa Bentley Club Internacional por estafa […]. (3VO:054-4.1-03) ‘Die Unión de Consumidores de España (spanischer Verbraucherverband, UCE) hat die Firma Bentley Club Internacional wegen Betrugs angezeigt.’
[238] Fuentes del propio sindicato afirmaron que estos sucesos se vienen sucediendo con cierta frecuencia y acusan a la Policía de no hacer nada al respecto. (2VO:027-1.5-18) ‘Gewerkschaftsinterne Quellen gaben an, es komme seit einer Weile immer wieder zu solchen Vorfällen, und beschuldigen die Polizei, diesbezüglich nichts zu tun.’ Das Beispiel [237] wurde bereits mehrfach angeführt und auch das Nomen policía (‘Polizei’) wurde oben erwähnt. Wie in Kap. 4.1.2.3.2 besprochen, ist die Großschreibung in [238] eine Besonderheit, die die institutionelle Bedeutung vereindeutigt. Beide Okkurrenzen verfügen über einen abstrakt-funktionalen Basistypen, der der Organisation entspricht. Sie werden aber jeweils angereichert mit einem zweiten Typen, der den beteiligten menschlichen Entitäten entspricht, die kontextuell bedingt im Konzept salient werden. So entstehen in beiden Fällen komplexe Typen. Die beiden Nomen sind also entsprechend ihres Basistyps der Gruppe der Abstrakta zuzuordnen. Die Beteiligung menschlicher Entitäten ist zwar in den Qualia der Nomen enthalten, sie müssen allerdings erst als salient aktualisiert werden. Solche Phänomene können die Schwankungen in der Fachliteratur bzgl. ihrer Einordnung erklären. Die beschriebenen Eigenschaften lassen sich mit
555 Relevant ist die vierte Angabe des Diccionario de la lengua española: «Conjunto de personas encargadas por la ley, o por una corporación o autoridad, de ejercer unas determinadas competencias permanentes o entender en algún asunto específico.» (http://dle.rae.es/?id=9wr1Sns, Zugriff: 02.02.19).
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gewissen Einschränkungen auf die Gruppe der Institutionsbezeichnungen verallgemeinern.556 Insofern nun mehrere Klassen von Massennomen im weiteren Sinne unterschieden werden können, ist es möglich, die Markierungsfrequenz abzugleichen und so den semantischen Bereich genauer zu erfassen. Es soll also die Eingangsfrage aufgegriffen werden, ob die Wahrscheinlichkeit einer a-Markierung zwischen den Klassen divergiert. Dazu wurde eine eigene Korpusuntersuchung vorgenommen (s.u.). Erwartbar wäre vor dem Hintergrund üblicher Ansätze, dass Objekte der beiden Klassen mit tatsächlich menschlichem Denotat häufiger markiert werden als Nomen aus der Klasse, die eigentlich den Abstrakta zuzuordnen ist. Die Korpusdaten widersprechen der Erwartung jedoch. Eine mögliche Divergenz zwischen Gruppenbezeichnungen und Kollektivnomina557 konnte anhand der vorhandenen Daten nicht überprüft werden. Die Korpusuntersuchung zu den besprochenen Massennomen und Institutionsbezeichnungen wurde unter Rückgriff auf die ADESSE-Datenbank durchgeführt. Dafür wurde eine Auswahl von 17 nominalen Types in Objektposition abgefragt.558 16 der Lexeme gaben jeweils mindestens eine Okkurrenz aus,559 sodass nach einer weiteren händischen Auslese insgesamt 113 Okkurrenzen verblieben (cf. http://adesse.uvigo.es/data/avanzado.php, Zugriffe: Oktober 2015).560 Die abgefragten Lexeme können anhand ihrer Grundbedeutung grob den genannten drei Klassen zugeordnet werden. Wie insbesondere in Kap. 2.7.5 besprochen, ist eine solche Generalisierung auf der Grundlage lexikalischer Information prinzipiell problematisch, da sprachliche Ausdrücke von der
556 Einschränkungen können etwa in Übergangsbereichen zu den zuvor besprochenen Gruppen- und Kollektivbezeichnungen bestehen. 557 Oben wurde darauf hingewiesen, dass die Divergenz zwischen Gruppen- und Kollektivnomen vermutlich von ihren typischen referentiellen, nicht aber ihren lexikalischen Eigenschaften herrührt. 558 Bei den Suchanfragen wurde nur Material aus Spanien zugelassen. Die verschiedenen Nomina sollten als volle NPs in der Funktion eines direkten Objekts eines mindestens zweiwertigen, sonst aber nicht spezifizierten Verbs auftreten. 559 Die Anfrage zum Nomen fracción (‘Fraktion’) führte zu keiner Okkurrenz. 560 Von den ursprünglich 161 Okkurrenzen mussten einige Pronomen ausgeschlossen werden. Bei einzelnen Nomen wurden allerdings auch Lesarten gefiltert. Bspw. wurden beim Nomen policía (‘Polizei’, ‘Polizist’) nur nicht-individuenbezeichnende Verwendungen zugelassen und bei equipo (‘Team’, ‘Ausstattung / Anlage’) nur die der Gruppenbezeichnung mit belebten Bestandteilen.
4.3 Verfeinerung der Nominalklassen
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Grundbedeutung abweichend verwendet werden können.561 Die Ergebnisse sind entsprechend kritisch zu betrachten. Mit den genannten Einschränkungen lassen sich 7 Lexeme als Gruppenbezeichnungen klassifizieren: comité (‘Komitee’), comisión (‘Kommission’), delegación (‘Delegation’), equipo (‘Team’), grupo (‘Gruppe’), pareja (‘Paar’) und profesorado (‘Lehrerschaft’). 3 können grob als Kollektivnomen bezeichnet werden: conjunto (‘Menge’, ‘Ensemble’), muchedumbre (‘Menschenmenge’) und tropa (‘Truppe’). Die 6 verbleibenden gehören in etwa zur Klasse der Institutionsbezeichnungen: banco (‘Bank’), ejército (‘Heer’), empresa (‘Firma’), gobierno (‘Regierung’), policía (‘Polizei’) und sector (‘Sektor’). Problematischer als bei den anderen Fällen ist die Einordnung einerseits von conjunto (‘Menge’, ‘Ensemble’), da das Nomen (u.a.) über zwei Lesarten verfügt, die unterschiedlichen Klassen zugehörig sind. Die Bedeutung ‘Menge’ ist ein Kollektivkonzept, ‘Ensemble’ hingegen ein Gruppenkonzept. Andererseits kann das Nomen ejército (‘Heer’) je nach Verwendung allen drei Klassen zugehörig sein. Es wurde erstens die semantische Klassifizierung der ADESSE-Datenbank überprüft. Insgesamt sind 82 der Okkurrenzen (72,6%) in der Datenbank der speziellen Klasse «Colectivo Animado» (‘belebtes Kollektivum’, cf. für die Klasse http://adesse.uvigo.es/index.php/Docu/Animacion, Zugriff: 02.02.19)562 zugeordnet. 10 Okkurrenzen (8,8%) sind jeweils als belebte Entität («animado») bzw. Abstraktum klassifiziert. Hinzu kommen 9 Okkurrenzen (8,0%) von diskontinuierlichen und 2 (1,8%) von kontinuierlichen Konkreta. Wie die Detailanalyse zeigt, lassen sich viele Zuordnungen motivieren, es gibt aber ein gewisses Maß an Variation, die z.T. ganz offensichtlich Unsicherheiten in der Annotierung geschuldet ist. D.h., dass einzelne Nomen in jeweils ähnlicher Verwendung mehrfach unterschiedlich klassifiziert sind. Zweitens wurde die Frequenz der a-Markierung überprüft. Interessanterweise ist im gesamten Datenset etwa bei der Hälfte der Okkurrenzen eine Markierung vorhanden. 58 Okkurrenzen (51,3%) sind a-markiert, die anderen 55 (48,7%) kommen ohne Marker aus. Drittens wurden die Daten anhand der Lexeme in Objektposition entsprechend der o.g. Gruppen geordnet. Die drei Types, die der Gruppe der Kollektiva
561 Es wäre eine tiefensemantische Einzelanalyse notwendig. Wie aber Kap. 4.1 deutlich zeigt, ist sie sehr aufwendig. Es muss daher hier darauf verzichtet werden. 562 Auf der genannten Übersichtsseite wird die Gruppe allerdings im Gegensatz zu den Angaben bei den Beispielen als «Animado colectivo» (http://adesse.uvigo.es/index.php/Docu/Animacion, Zugriff: 02.02.19, ‘belebtes Kollektivum’) bezeichnet. Das ist vermutlich der Auflistung geschuldet und insofern nur eine Frage der Darstellung. Wie auch die Übertragung ins Deutsche verdeutlicht, sind die beiden Strukturen in ihrer Bedeutung sehr ähnlich.
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zugeordnet wurden, gaben allerdings insgesamt nur vier Okkurrenzen aus. Vor dem Hintergrund wurden sie zusammen mit den Gruppenbezeichnungen als Massennomen mit menschlichen Denotaten (68 Okkurrenzen) der Gruppe der Institutionsnomina gegenübergestellt, die tendenziell als Abstrakta klassifiziert werden können (45 Okkurrenzen). Es scheint wiederum interessant, dass die Anteile der unter erstens genannten semantischen Klassifizierung in der ADESSE-Datenbank für die beiden Kategorien vergleichbar sind. 50 (73,5%) der Okkurrenzen der Massennomen sind als belebte Kollektiva klassifiziert. Gleiches gilt für 32 (71,1%) der Institutionsbezeichnungen. Die sich annähernden Anteile sind auch ein Hinweis darauf, dass die Kategorien von den Annotierern ähnlich wahrgenommen werden. Auffällig ist aber v.a., dass die Frequenz der a-Markierung deutlich divergiert und zwar konträr zur oben angeführten Erwartung. Kurz gesagt werden die Massennomen mit menschlichem Denotat recht häufig nicht markiert, die Institutionsbezeichnungen treten hingegen oft mit a-Markierung auf. Bei den Gruppen- und Kollektivbezeichnungen stehen 44 (64,7%) unmarkierte Okkurrenzen 24 (35,3%) markierten gegenüber. Von den Institutionsnomen sind hingegen ganze 34 (75,6%) a-markiert und nur 11 (24,4%) unmarkiert.563 Dass die Objekt-NPs, für deren Grundbedeutung ein abstrakter Basistyp angenommen werden kann, anteilig deutlich häufiger markiert werden als die NPs, deren Basistyp einer menschlichen Entität entspricht, kann als weiteres Gegenargument gegen die schulgrammatische Herangehensweise an die differentielle Objektmarkierung gewertet werden. Es nämlich offenbar ganz zentral, dass der Typ, der einem menschlichen Denotat zugeordnet wird, je nach lexikalischem Material und seiner Verwendung natürlichen und im vorliegenden Kontext insbesondere funktionalen Typs sein kann. Bzgl. der Institutionsbezeichnungen ist anzunehmen, dass kommunikative Prinzipien eine Rolle spielen, d.h., dass auch bei Institutionen oft die beteiligten menschlichen Entitäten von besonderem Interesse sind. Im Unterschied zu den anderen Nomen muss für die Bezugnahme auf Menschen jeweils der Basistyp angereichert werden, sodass ein komplexer Typ entsteht, der dem vorliegenden Ansatz zufolge zu einer a-Markierung führt.564
563 Um nicht das Vorhandensein von harten Fakten vorzutäuschen (s. insbesondere die Diskussion zum Problem der Klassifizierung auf lexikalischer Basis), wird auf eine weitergehende statistische Auswertung der kritisierbaren Daten verzichtet. 564 Eine weitergehende Analyse sollte einerseits auf die Generalisierung anhand der Lexeme verzichten. Es wäre zu betrachten, wie die Nomen im Einzelnen verwendet werden. Andererseits könnten der Kontext und insbesondere die Einbettung stärker berücksichtigt werden. Wie im großen Analysekapitel gezeigt, spielen die Verben eine ganz entscheidende Rolle. Auffällig sind im soeben präsentierten Datensatz etwa die Okkurrenzen zu policía (Polizei). In 9 Fällen tritt
4.3 Verfeinerung der Nominalklassen
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Wie gezeigt werden konnte, lassen sich auf der Grundlage des hier vertretenen Ansatzes bestimmte Nominalkassen und entsprechende Abgrenzungen motivieren. Sie korrelieren z.T. mit divergierenden Wahrscheinlichkeiten einer a-Markierung. Der vorliegende Ansatz kann dafür jeweils Gründe liefern. Bei den Individuenbezeichnungen wurde bspw. die Eigenschaft der funktionalen Prädisposition von Berufs- und Verwandtschaftsbezeichnungen verfeinert. Als besonders relevant hat sich bspw. die Differenzierung alienabler und inalienabler Verwandtschaftsbezeichnungen herausgestellt. Hinsichtlich der nichtindividuierenden Nomen wurde die Grenze zu Abstrakta präzisiert. Zudem wurde verdeutlicht, dass und wie sich auf der Grundlage des Basistyps bestimmte Frequenzen der Markierung erklären lassen.
4.3.2 Tierische Denotate Die Gruppe der Objekte mit tierischem Denotat spielt in der Literatur zur DOM keine besondere Rolle und wird nur selten etwas eingehender behandelt. Wie in Kap. 2.7.4 ausführlich besprochen, sind die wenigen Beschreibungen z.T. recht problematisch. Im Rahmen der vorgestellten Untersuchung der DOM anhand von Verbklassen sind nicht besonders viele tierische Denotate vertreten. Nur 31 der 853 in der Hauptuntersuchung relevanten Objekte fallen in die genannte Kategorie (3,6%). Davon sind 8 komplexen Typs und werden markiert (25,8%). Die restlichen 23 sind nicht-komplex und treten ohne Marker auf (74,2%). Um die Denotatsklasse umfassender zu berücksichtigen, wurde eine eigene Korpusuntersuchung durchgeführt. In der Gruppe der Tiere drängen sich verschiedene außersprachliche Klassenbildungen nahezu auf, etwa Säugetiere gegenüber Nicht-Säugern oder große vs. kleine Tiere (s.u.). Sie sind z.T. auch in den in Kap. 2.7.4 behandelten Publikationen angelegt. Zunächst wurden daher solche Klassen hinsichtlich möglicher Korrelationen mit der a-Markierung überprüft. Die Ergebnisse sind allerdings insgesamt uneindeutig. Fernández Ramírez (1986), der einen vielversprechenden Ansatz auf der Grundlage von Verbalklassen präsentiert (cf. ibid., 188ss.), geht von «variaciones, no siempre explicables» (ibid., 189) aus. Auch die Akzeptabilitätstests im Rahmen der experimentellen Untersuchung haben in dem semantischen Bereich ein geringes, aber merkliches Maß an Variation zutage gefördert (s. Kap. 4.2.1), was umso mehr Anlass gibt, ihn hier noch einmal eigens zu behandeln.
llamar (‘rufen’, ‘anrufen’) und in 3 weiteren telefonar (‘anrufen’) als regierendes Verb auf, die beide eine Markierung sehr wahrscheinlich machen.
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Für die gezielte Korpusuntersuchung zu den Objekten mit tierischem Denotat wurde die ADESSE-Datenbank verwendet (http://adesse.uvigo.es/). Wie gesagt enthält sie keine eigene abfragbare Gruppierung für Tiere, weshalb die Nominalobjekte einzeln lexikalisch spezifiziert wurden (http://adesse.uvigo. es/data/avanzado.php, Zugriffe von 2013 und 2014).565 Es wurden insgesamt 59 lexikalische Types überprüft, von denen 20 Types relevante Okkurrenzen ausgaben:566 Águila (‘Adler’), animal (‘Tier’), ave (‘Vogel’), caballo (‘Pferd’), cabra (‘Ziege’), conejo (‘Kaninchen’), gato (‘Katze’), hurón (Frettchen), león marino (‘Seelöwe’), lobo (‘Wolf’), loro (‘Papagei’), mono (‘Affe’), mosquito (‘Stechmücke’), murciélago (‘Fledermaus’), pájaro (‘Vogel’), perro (‘Hund’), pulga (‘Floh’), rata (‘Ratte’), ratón (‘Maus’), toro (‘Stier’). Die relevante Datenmenge umfasst insgesamt 54 Okkurrenzen. Die Verteilung hinsichtlich der a-Markierung ist in ihrer Tendenz vergleichbar mit den entsprechenden Daten der Hauptuntersuchung. Allerdings ist nicht nur rund ein Viertel, sondern ein Drittel markiert. D.h., 18 Objekte (33,3%) weisen den Marker auf, die restlichen 36 (66,7%) sind unmarkiert. Der größere Anteil unmarkierter Objekte in der Hauptuntersuchung von 74,2% gegenüber 66,7% hängt mit der Selektion der Verben zusammen. Recht viele Objekte mit tierischem Denotat traten nach matar (‘töten’) (14 der 31 Okkurrenzen) und cazar (‘fangen’, ‘einfangen’) (8 Okkurrenzen) auf (insgesamt also 22 und damit 71% der Okkurrenzen). Die Semantik der beiden Verben erleichtert einerseits das Andocken von Objekten mit tierischem Denotat und macht andererseits bei ihnen einen natürlichen (15 Okkurrenzen) oder funktionalen bzw. semi-intentionalen (2 Okkurrenzen) Typen recht wahrscheinlich. Die 17 Objekte der Untergruppe (mit 22 der 31 Okkurrenzen, s.o.) machen also 77,3% der zahlenmäßig stärksten beiden Types aus, was folglich die Gesamtverhältnisse
565 Weitere Spezifika der Anfragen waren, dass die Daten auf Spanien begrenzt wurden und die Objekte in der Funktion des Akkusativs von mindestens zweiwertigen Verben auftreten sollten. 566 Die Okkurrenzen von weiteren 10 Types wurden von der Analyse ausgeschlossen, vielfach, weil sie nicht die passende Lesart des Tiers aufwiesen, aber auch wenn es handelnde Personen in einem Kindertheaterstück waren (s. Kap. 3.1.1): Burro (‘Esel’), cerdo (‘Schwein’), cocodrilo (‘Krokodil’), león (‘Löwe’), mariposa (‘Schmetterling’), mosca (‘Fliege’), oso (‘Bär’), oveja (‘Schaf’), potro (‘Fohlen’), tigre (‘Tiger’). Weitere 29 Types gaben keine Okkurrenzen aus: Asno (‘Esel’), ardilla (‘Eichhörnchen’), buhó (‘Uhu’), camaleón (‘Chamäleon’), colibrí sowie picaflor (‘Kolibri’), cucaracha (‘Küchenschabe’), delfín (‘Delphin’), emú (‘Emu’), erizo (‘Igel’), gallina (‘Huhn’), gallo (‘Hahn’), gaviota (‘Möwe’), girafa (‘Giraffe’), hipopótamo (‘Nilpferd’), hormiga (‘Ameise’), insecto (‘Insekt’), paloma (‘Taube’), pato (‘Ente’), pavo (‘Truthahn’), pez (‘Fisch’), pingüino (‘Pinguin’), pitón (‘Pythonschlange’), puerco (‘Schwein’), rinoceronte (‘Rhinozeros’), serpiente (‘Schlange’), tortuga (‘Schildkröte’), vaca (‘Kuh’), zorro (‘Fuchs’).
4.3 Verfeinerung der Nominalklassen
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beeinflusst. In der gezielten Untersuchung, auf die im vorliegenden Kapitel insbesondere abgestellt wird, wurden die Verben nicht spezifiziert. So kann die Repräsentativität zumindest etwas erhöht werden. Auf der Grundlage der lexikalischen Einheiten in Objektposition wurden die folgenden möglichen außersprachlichen Kategorien, die allesamt als naheliegend für Klassifizierungen erscheinen, auf ihre Relevanz für die a-Markierung hin überprüft: Säugetier vs. Nicht-Säuger und in der zweiten Gruppe Vögel vs. Insekten vs. im Wasser lebende Tiere, Haus- vs. Nutz- vs. Wildtier vs. Parasit, sowie «eher groß» vs. «eher klein». Es blieb jedoch bei vagen Tendenzen, wobei innerhalb den meisten Subgruppen Gegensätze vertreten waren. D.h., dass mehrfach die Okkurrenzen von Tierdenotaten der gleichen Untergruppe verschiedene oder sogar gegensätzliche Tendenzen aufwiesen.567 Bspw. besteht die Gruppe der Haustiere im Kern aus perro (‘Hund’) und gato (‘Katze’). Während perro tendenziell markiert erscheint (5 von 6 Okkurrenzen) weist gato keine klare Tendenz auf, insofern rund die Hälfte (3 von 7 Okkurrenzen) markiert ist. Zur Gruppe der Nutztiere gehören caballo (‘Pferd’), cabra (‘Ziege’) und toro (‘Stier’). Zwar ist caballo in keinem der drei Fälle markiert, cabra und toro machen dies jedoch durch den Mangel einer klaren Tendenz (jeweils 1 markiertes gegenüber 2 unmarkierten Objekten) wieder wett. Eine grundsätzliche Problematik ist hervorzuheben: Die Daten zu den einzelnen Types sind zu gering, als dass sie für allgemeine Aussagen herhalten könnten. Die o.g. Nomen perro (‘Hund’) und gato (‘Katze’) sind neben dem Klassenbegriff animal (‘Tier’) die frequentesten. Mit 8 Okkurrenzen tritt animal am häufigsten auf. Es zeigt sich eine Tendenz gegen die Markierung (6 Okkurrenzen). Generalisierbar ist das allerdings nicht. Die Überprüfung der Typen gestaltet sich bei den Objekten mit tierischem Denotat etwas schwieriger als in anderen Gruppen. Die ihnen zukommende Konzeptualisierung ist z.T. weniger leicht zugänglich. Für ihre Bestimmung und um widersprüchliche Indizien auszuschließen, wird verstärkt der Kotext
567 Möglicherweise könnte eine noch größere Untersuchung die vorhandenen, aber allzu schwachen Tendenzen deutlicher herausarbeiten. Hilfreich wäre zudem sicherlich, der quantitativen eine noch stärker präzisierende qualitative Analyse vorauszuschieben und die Klassifizierungen anhand der individuellen Lesarten und nicht der lexikalischen Grundbedeutung vorzunehmen. So wären bspw. Präzisierungen hinsichtlich der Kategorien von Haus- und Nutztier möglich. Es ist überdies nicht auszuschließen, dass Genres bzw. schon die thematische Ausrichtung von im Korpus enthaltenen Texten quantitativ eine Rolle spielen. Dementsprechend könnte eine andere Verteilung des Datenmaterials die Ergebnisse deutlich beeinflussen.
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überprüft.568 So lassen sich 52 Okkurrenzen als zumeist eindeutig und in Einzelfällen plausiblermaßen ikonisch klassifizieren (96,3%). Bspw. tritt in [239] ein komplexer und in [240] ein nicht-komplexer, nämlich natürlicher Typ auf. [239]
A cualquier hora del día […] podía […] acudir a la Zona Deshabitada para dar de comer a Capitán Flint. Había bautizado de esta forma a su loro porque, el día en que iba a empezar a enseñarle las primeras palabras, él le había contemplado con una mirada afectuosa y extrañamente humana y había repetido con perfecta pronunciación: «¡Doblones de a ocho! ¡Doblones de a ocho!». (TER:080.13) ‘Zu jeglicher Tageszeit konnte er in die Unbewohnte Zone gehen, um Captain Flint zu füttern. Er hatte ihn so getauft, weil ihn jener an dem Tag, an dem er hatte beginnen wollen, ihm die ersten Wörter zu zeigen, mit zärtlichem und sonderbar menschlichem Blick angeschaut und mit perfekter Aussprache mehrmals gesagt hatte: «Quadrupel-Dublonen! Quadrupel-Dublonen!»’
[240] El obispo sentenció dar la cabra al cristiano, porque la cabeza estaba dentro y el ganado se cuenta por cabezas. (SON:240.24) ‘Der Bischof fällte die Entscheidung, die Ziege dem Christen zu geben, weil ihr Kopf drinnen war und man Vieh anhand der Köpfe zählt.’ In Beispiel [239] ist das regierende Verb bautizar (‘taufen’) (cf. dafür auch die zweite Gruppe von Verben bei García Fernández 1986, 189, «que designan actos morales o emocionales […]») nicht der einzige deutliche Hinweis auf den komplexen Typ des Objekts. Es werden dem Papagei (loro) in einem Kontext, in dem es darum geht, dass er gefüttert wird, was für einen natürlichen Typen sprechen könnte, quasi-menschliche Eigenschaften zugeschrieben. Auch in [240] kann der konzeptuelle Typ anhand des Kotexts bestätigt werden. Bereits das regierende Verb dar (‘geben’) weist eine Präferenz für nicht-komplexe Typen auf. Die Einordnung der Ziege (cabra) als Vieh (ganado) verdeutlicht, dass sie als natürlichen oder evtl. semi-intentionalen Typs konzeptualisiert wird. Zwei Okkurrenzen sind allerdings mittels der hier vertretenen Theorie nicht völlig erklärbar. In beiden Fällen tritt entgegen der Erwartung der Marker a auf (s. [241] und [242]).
568 Hauptansatzpunkt bleibt dabei wie auch zuvor das Matrixverb, hinzukommen Attribute und in Einzelfällen auch Bestandteile des erweiterten Kotexts. Das Vorgehen weicht nicht von dem in Kap. 4.1 umgesetzten ab.
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[241] Las músicas han cesado y el silencio impresiona. Ancianos cargados de medallas y condecoraciones [...], miembros y simpatizantes de las milicias patrióticas de Charles Martel con sus emblemas y estandartes, turistas japoneses venidos en packagetour retienen el aliento y se oye volar a un mosquito y tres moscas [...]. (PAI:115.12) ‘Die Musik hat aufgehört und die Stille ist beeindruckend. Ältere mit Medaillen und Orden behängte Herrschaften, Mitglieder und Sympathisanten der patriotischen Milizen Charles Martels mit ihren Emblemen und Fahnen, japanische Touristen auf Rundreise halten den Atem an und man hört eine Stechmücke und drei Fliegen fliegen.’ [242] Porque, sin duda, ése era el portal que velaba el ojo del laberinto, y si al entreabrirse cruzaba con él sus ojos, este azar bastaría para señalarle y desatar contra él a los perros de la noche. (MIR:078.23) ‘Denn zweifellos war dies das Portal, hinter dem sich der Eingang des Labyrinths versteckte, und wenn er gesehen würde, wie er es ansah, während er das Tor halb öffnete, so würde dieses Missgeschick ausreichen, ihn zu verraten und die Hunde der Nacht auf ihn zu hetzen.’ Das Objekt in [241] ist natürlichen Typs. Es gibt keinen Anhaltspunkt für eine komplexe Konzeptualisierung. Dennoch ist die NP markiert. Dafür, dass es sich dabei um eine besondere Verwendung handelt, spricht auch eine Korpusanfrage im CREA mit dem Suchbegriff «un mosquito» (‘eine Stechmücke’), die zum Abgleich vorgenommen wurde (cf. http://corpus.rae.es/cgiYbin/crpsrvEx.dll, Zugriff: 12.06.14).569 Sie ergab 6 relevante Okkurrenzen.570 Die Objekte sind in 5 Fällen und damit mehrheitlich unmarkiert. Alle unmarkierten Objekte sind natürlichen Typs. In der einen markierten Okkurrenz, espantar a un mosquito enamorado de la punta de su nariz (CREA: Rubio, 1992, La sal del chocolate, 11, ‘eine verliebte Stechmücke von seiner Nasenspitze vertreiben’) liegt offenbar ein komplexer Typ vor, wird dem Tier doch eine Gefühlswelt zugeschrieben. Die Verhältnisse belegen nochmals, dass der vorgeschlagene Ansatz auch bei Objekten zutrifft, die ein so kleines Insekt wie eine Stechmücke denotieren. Für die abweichende Markierung in [241] bietet sich die Erklärung an, dass sie durch die strukturelle Besonderheit der sekundären Prädikation getriggert wird. Wie etwa García García 569 Der aktualisierte Link ist wie folgt: http://corpus.rae.es/cgi-bin/crpsrvEx.dll?MfcISAPICommand=buscar&tradQuery=1&destino=0&texto=un+mosquito&autor=&titulo=&ano1=&ano2=&medio=1000&pais=9&tema=1000, Zugriff: 02.02.19. 570 Bzgl. der Herkunft der Daten wurde Spanien ausgewählt. Die Anfrage ergab 45 Okkurrenzen, wobei un mosquito (‘eine Stechmücke’) nur in 6 Fällen als direktes Objekt auftrat.
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(2010, 200, 209 mit Literaturhinweisen) angibt, macht sie die a-Markierung wahrscheinlicher (s. die Diskussion in Kap. 2.7.9). In [242] ist das Objekt Teil eines metaphorischen Ausdrucks. Das Tier bzw. die Tiere (los perros, ‘die Hunde’) sind hier grundsätzlich als Wachhunde zu verstehen. Sie müssten entsprechend natürlichen bzw. semi-intentionalen Typs sein. Es ist daher keine Markierung zu erwarten. Da auch keine klaren strukturellen Hinweise vorhanden sind, könnte die Okkurrenz als Indiz dafür gewertet werden, dass dem Hund (perro) ein Sonderstatus unter den Tieren zukommt und ähnlich wie bei menschlichen Denotaten eine verstärkte Tendenz vorhanden ist, ihm eine Gefühlswelt zuzuschreiben. Die vorhandene Datenmenge ist allerdings zu gering, als dass die Ergebnisse als eindeutig gewertet werden könnten. Im vorliegenden Unterkapitel wurden Objekte mit tierischem Denotat behandelt. Neben Ergebnissen der Hauptuntersuchung wurde eine gezielte Korpusuntersuchung zu tierischen Denotaten präsentiert. In deren Rahmen wurde u.a. geprüft, ob naheliegende außersprachliche Kategorisierungen quantitativ eine Rolle spielen. Im Gegensatz zur deutlichen Relevanz der semantischkonzeptuellen Unterklassen bei den menschlichen Denotaten (s. Kap. 4.3.1) zeigten sich hier allerdings lediglich leichte Tendenzen, die nicht aussagekräftig waren. Dennoch sind Präferenzen einzelner lexikalischer Einheiten nicht gänzlich auszuschließen. Zuletzt konnte ein weiteres Mal gezeigt werden, dass der hier präsentierte Beschreibungsansatz zur differentiellen Objektmarkierung auch dann zu sehr klaren Ergebnissen führt, wenn selbst scheinbar offensichtliche außersprachliche Kategorisierungen versagen.
4.3.3 Zusammenfassung bzgl. der Konkreta und der Abstrakta Der hier vorgestellte Ansatz kann die Realisierung der Objekt-NPs im Korpus erklären, die Konkreta und Abstrakta denotieren. Entscheidend ist die Bestimmung konzeptueller Typen anhand von Qualia im Sinne des generativen Lexikons Pustejovskys (1991a; 1995b usw.). Ihr Nutzen für die Beschreibung der Rektion der beiden Nominalklassen wurde ausführlich dargelegt. Bzgl. der Objekte mit menschlichem Denotat konnte eine Vielzahl an semantisch-konzeptuellen Klassen motiviert werden, die nicht nur in Hinblick auf die DOM relevant sind. Zu den Nomen mit tierischem Denotat wurden verschiedene möglicherweise peripher konzeptbasierte Klassifizierungen diskutiert und als für die DOM nicht oder nicht eindeutig relevant bestimmt. Insbesondere hinsichtlich der Konkreta ist die Analyse nicht in gleichem Maße ergiebig wie bei den Nomen mit menschlichem Denotat. Auch bzgl. der Gruppe der Abstrakta ist die über die DOM hinausgehende Aussagekraft der Untersuchung geringer. Untergruppen spielten in der Analyse
4.3 Verfeinerung der Nominalklassen
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keine entscheidende Rolle. Allerdings sind die Abstrakta in Hinblick auf eine Abgrenzung von Nomen mit menschlichem Denotat wichtig (s. Kap. 4.3.1). Vor dem Hintergrund werden lediglich die «besonderen», nämlich a-markierten Okkurrenzen der beiden Gruppen kurz zusammenfassend besprochen. Für die beiden Gruppen der Konkreta und der Abstrakta kann der Ausgangspunkt gelten, dass die entsprechenden Nomen nicht per se komplex konzeptualisiert werden. Sie sind entweder natürlichen oder funktionalen, u.U. auch semi-intentionalen Typs. Eine Anreicherung zum komplexen Typ ist in bestimmten Fällen möglich. Wie die Analyse gezeigt hat, werden die betroffenen Nomen, so sie in Objektfunktion auftreten, dann a-markiert. Die Korpusdaten enthalten 322 Konkreta, davon sind 8 markiert. Das sind lediglich 2,5%.571 Konkreta mit Marker sind also ingesamt eher selten und können als verhältnismäßig untypisch bezeichnet werden. Es treten lediglich drei regierende Verben auf, anhand derer sich die Okkurrenzen auch gruppieren lassen. 4 der Nomen treten als Objekt von sustituir (‘ersetzen’) auf. Ihr jeweiliger Basistyp ist im Rahmen des Kontexts mit einem zusätzlichen, relationalen Typen angereichert (s. [243]). Dieses Phänomen, das in Kap. 4.1.2.2.1 ausführlich beschrieben wird, ist keine Besonderheit von Konkreta, sondern kann auch in anderen semantischen Klassen auftreten. [243] El nuevo equipo, que sustituye al anterior acelerador circular, supuso una inversión cercana a los 200 millones de pesetas […]. (3VO:069-1.1-03) ‘Das neue Gerät, das den alten Zirkularbeschleuniger ersetzt, bedurfte einer Investition von knapp 200 Millionen Peseten.’ In 3 Fällen ist das Objekt lexikalisch gleich realisiert, nämlich als tanque (‘Panzer’) (s. [244]). Auch dabei hat das Verb ganz entscheidenden Einfluss. Die Einbettung von tanque unter vencer (‘besiegen’) führt dazu, dass der funktionale Basistyp angereichert werden muss. Es können nur Entitäten besiegt werden, die Gegnerhaftigkeit aufweisen. Wie in Kap. 4.1.1.2.3 beschrieben, wird nicht dem Fahrzeug ein eigener Wille zugeschrieben, sondern es werden Bedeutungsbestandteile des Fahrers mit dem Panzer verknüpft. [244] ¡Has vencido al tanque, lo has bloqueado! (SON:063.07) ‘Du hast den Panzer besiegt, du hast ihn aufgehalten!’
571 Dass die Varianz der lexikalischen Realisierung der markierten Nomen nicht allzu hoch ist, 3 der 8 NPs enthalten tanque (‘Panzer’), könnte ein Hinweis darauf sein, dass eine größere Untersuchung sogar zu einem geringeren Anteil kommen würde.
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
In Beispiel [245] allerdings sind die Verhältnisse so gelagert, dass das regierende Verb unspezifisch genug ist, sodass ein komplexer Typ möglich wird. Es hat also einen deutlich weniger direkten Einfluss auf den Typ des Objekts. [245] Para la abuela, las flores no se secaban sino que las consumía la nostalgia de un cielo amplísimo y azul, y no había flores marchitas sino mutiladas o enfermas. […] Algunas mañanas Miguel […] observaba con qué celo trataba la abuela a sus flores. (TER:038.06) ‘Für die Großmutter trockneten Blumen nicht ein, sondern es verzehrte sie die Sehnsucht nach einem riesig großen und blauen Himmel und es gab keine verwelkten Blumen, sondern nur verstümmelte oder kranke. An manchen Morgenden beobachtete Miguel, mit welchem Eifer die Großmutter ihre Blumen behandelte.’ Auch in [245] wird der Basistyp des Konkretums (natürlicher Typ) angereichert. Wie der Kontext zeigt, erachtet die vom Subjekt denotierte Entität das Objektdenotat nicht als rein physische Entität, sondern schreibt ihr überdies eine Gefühlsebene zu (s. auch Kap. 4.1.3.1). Pflanzen bieten sich möglicherweise ontologisch dafür an. Der Effekt ist aber vermutlich nicht auf sie beschränkt. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass er von der psychischen Haltung des Subjektreferenten oder des Sprechers zum Objektdenotat abhängt. Im Korpus treten überdies 281 Abstrakta in Objektposition auf. 18 der NPs verfügen über eine a-Markierung. Der Anteil ist mit 6,4% also etwas höher als bei den Konkreta. In Kap. 4.3.1 wurden bereits Abstrakta angeführt. Dort wurden Massennomen mit menschlichem Denotat von Institutionsbezeichnungen abgegrenzt. Auffälligerweise wurden die Nomen aus der Gruppe der Institutionsbezeichnungen, die Abstrakta, deutlich häufiger markiert (in 75,6% der Fälle) als die Massennomen mit menschlichem Denotat (35,3%). Als Begründung wurden referentielle Bedürfnisse vorgeschlagen. Konkreter heißt das, dass bei beiden Gruppen eine Tendenz zur Bezugnahme auf (auch) menschliche Entitäten besteht. Sie ist allerdings im Fall der Massennomen leichter ohne zusätzliche Anreicherung mit einem weiteren Typ zu bewerkstelligen als bei den Institutionsbezeichnungen (für eine auch kritische Diskussion der Ergebnisse sei auf das genannte Kapitel verwiesen).572 In den Daten der Hauptuntersuchung sind Abstrakta dieser Gruppe mit 7 Okkurrenzen nicht besonders frequent, sie sind aber gleichmäßig verteilt. Sie treten jeweils
572 Problematisch ist bspw., dass die Zahlen die Frequenz lexikalischer Elemente wiedergeben und nicht die von feiner bestimmten semantischen Einheiten (s. Kap. 4.3.1).
4.3 Verfeinerung der Nominalklassen
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nach unterschiedlichen Verben auf. Dabei sind regierende Verben aus allen in Kap. 4.1 angesetzten Haupt- und mehreren Untergruppen vertreten.573 Ein Beispiel ist das folgende. Es zeigt, wie der abstrakt-funktionale Basistyp von un país (‘ein Land’) mit einem weiteren Typen angereichert wird, sodass sich das Nomen auch auf die Bewohner des Landes bezieht. [246] Hoy […] llama la atención la falta de cautela con que se insultaba a un país cuyo primer mandatario, el Presidente Eisenhower, había de desfilar pocos años más tarde por las calles de Madrid junto al general Franco […]. (USO:029.34) ‘Heute fällt der Mangel an Vorsicht auf, mit dem man ein Land beleidigte, dessen Staatsoberhaupt, der Präsident Eisenhower, wenige Jahre später neben General Franco durch die Straßen Madrids defilieren würde.’ Zudem treten 5 a-markierte Naturphänomene und andere abstrakte Konzepte (bspw. nieve, ‘Schnee’ und silencio, ‘Stille’) auf. 4 von ihnen werden von vencer (‘besiegen’) regiert (s. etwa [247]). In den Fällen wird der abstrakt-natürliche Basistyp mit einem relationalen Typen angereichert. [247] Sereno ante la puerta que pronto traspasará, porque ya sabe vencer al destino. (SON:335.33) ‘Er steht gelassen vor der Tür, die er bald durchschreiten wird, da er das Schicksal schon zu besiegen weiß.’ Beim verbleibenden Objekt wird einem Abstraktum (la naturaleza, ‘die Natur’) ein eigener Wille zugeordnet. Es kommt also ebenfalls zur Erweiterung des abstrakt-natürlichen Typen zum komplexen Typ. Auch die Substitutionsverben sustituir und reemplazar (‘ersetzen’) regieren Objekte mit abstraktem Denotat. Das Hauptkorpus enthält 5 Fälle davon. Auch dabei wird, wie schon oben bzgl. der Konkreta besprochen, der jeweilige Basistyp um einen weiteren Typ für den relationalen Bedeutungsanteil ergänzt (s. auch Kap. 4.1.2.2 mit Unterkapiteln).
573 Aus der Gruppe der Verben mit sehr hohem Transitivitätsgrad ist despertar (‘wecken’) vertreten, stark transitiv sind golpear (‘schlagen’) und vencer (‘besiegen’). Bzgl. des mittleren Transitivitätsgrades sind es die Sprechaktverben insultar (‘beleidigen’), acusar (‘beschuldigen’, ‘anklagen’) und denunciar (‘anzeigen’, ‘öffentlich verurteilen’). Mit investigar (‘untersuchen’, ‘ermitteln’) komplettiert ein schwach transitives Verb die Liste.
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
Das letzte ein Abstraktum denotierende a-markierte Objekt (s. [248])574 ist die Ausnahme von den im Korpus gezeigten Ikonizitätsrelationen. Das Objekt ist nicht-komplexen Typs. Seine Markierung stellt einen grammatischen Reflex dar und verdeutlicht formal, welche der beiden adjazenten NPs Subjekt bzw. Objekt ist. [248] Tú, que eres tan científico, ded[í]cate a estudiar por qué proceso químico despierta la memoria a las cosas tristes si olvidamos tan pronto las alegres… (JOV:173.24) ‘Du, der du so ein Wissenschaftler bist, widme dich der Erforschung dessen, aufgrund welches chemischen Prozesses das Gedächtnis die traurigen Dinge aktiviert, wenn wir doch die erfreulichen so schnell vergessen…’ Als kurzes Fazit seien die folgenden Punkte noch einmal wiederholt. Im Rahmen der großen Korpusuntersuchung (s. Kap. 4.1) zeigte sich, dass innerhalb der groben Denotatsklassen einige feine semantische Unterscheidungen ganz entscheidend waren. Das vorliegende Kapitel, das den Fokus weg von den Verben und stärker auf die Nominalklassen legte, hatte zum Ziel, diese wichtigen Differenzierungen nochmals gezielt aufzuarbeiten. So sollte auch die Möglichkeit eines Klassifizierungssystems von Nomen aufgezeigt werden, das sich aus dem hier präsentierten theoretischen Ansatz speist. In Hinblick auf die Nomen mit menschlichem Denotat war das Unterfangen sehr erfolgreich. Unter Berücksichtigung der DOM konnten verschiedene feine semantisch-konzeptuelle Klassen aufgezeigt und als sprachlich relevant bestimmt werden. Bei den Nomen mit tierischem Denotat wurde gezeigt, dass außersprachliche, ontologische Klassen nicht oder kaum relevant sind. Hinsichtlich der Nomen mit konkreten und abstrakten Denotaten war die durchgeführte Untersuchung weniger aussagekräftig.575 Die eingehende Betrachtung der Abstrakta war allerdings nicht zuletzt für eine Abgrenzung zu bestimmten Nomen mit menschlichem Denotat wichtig.
574 Wie gesagt bestätigten eine Muttersprachlerin (Spanien) und ein Muttersprachler (Mexiko), dass hier in der Tat ein verbal regiertes Objekt und keine Präpositionalphrase zu memoria (‘Erinnerung‘) vorliegt. 575 Es ist anzunehmen, dass eine gezielte Betrachtung insbesondere der Abstrakta auf der Basis der hier präsentierten Theorie die Herausarbeitung einiger weiterer relevanter Subklassen ermöglichen würde. Interessant könnten etwa die sogenannten Komplexanaphern (cf. Schwarz 2008, 200s.) sein. Die Ebene der Textstruktur liegt allerdings nicht im Fokus der vorliegenden Untersuchung.
4.4 Fazit zu den Akkusativobjekten
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4.4 Fazit zu den Akkusativobjekten In den vorangehenden Kapiteln wurde ein eigenständiger Ansatz zur Beschreibung der differentiellen Objektmarkierung unter Abgrenzung von anderen Theorien umfassend präsentiert und in seiner Qualität belegt. Die Motivierung des Auftretens oder Ausbleibens der a-Markierung erfolgt auf Grundlage eines ikonischen Prinzips, d.h., einem Entsprechungsverhältnis zwischen der Form einer Struktur und der ihr zukommenden Konzeptualisierung. Es wird Komplexitätsikonizität angenommen. Auf der Ebene der Form wird die Struktur mit a-Markierung als komplexer erachtet als diejenige ohne Marker. Komplexität wird unabhängig von der betrachteten Ebene grob definiert als relativ größere Menge an strukturierter Information (cf. Givón 2009a, 1s., der auf Simon 1962 verweist). Die Opposition ist auf formaler Ebene direkt zugänglich. Um Komplexitätsikonizität zeigen zu können, ist daher die präzise Erfassung der dem Objekt in Einbettung zukommenden Konzeptualisierung entscheidend. Ikonizität kann als valides Erklärungsprinzip gelten, wenn die folgenden Entsprechungsverhältnisse gegeben sind. Der Marker tritt auf, wenn die Konzeptualisierung im Sinne der Theorie als komplex zu klassifizieren ist. Er bleibt hingegen dann aus, wenn die Konzeptualisierung nicht-komplex ist. Der Grad der konzeptuellen Komplexität wird insbesondere unter Rückgriff auf die Typentheorie des generativen Lexikons bestimmt (cf. Pustejovsky 1991a; 1995b; 2001). Dass die Argumentation sich v.a. aus der konzeptuellen Beschreibung und damit einer anderen Ebene speist als vorhandene Ansätze, erlaubt ein gewisses Maß an Kompatibilität mit jenen Ansätzen. Die große Korpusuntersuchung zur differentiellen Objektmarkierung wurde anhand von Verbklassen strukturiert. Wie gezeigt wurde, kann das Phänomen der DOM nicht allein auf der Grundlage von Verbklassen erklärt werden. Sie liefern allerdings eine gute Möglichkeit, die Analyse zu ordnen. In Hinblick auf die Nomen wurden zunächst grobe Denotatsklassen berücksichtigt, menschliche und tierische Entitäten, Konkreta und Abstrakta. Dabei zeigte sich insbesondere eine bestimmte gegenläufige Tendenz, die auch die schon in traditionellen Publikationen betonte Korrelation der a-Markierung mit menschlichen Denotaten motivieren kann. Bei Nomen mit menschlichem Denotat waren der Erwartung entsprechend ein komplexer Basistyp und damit eine a-Markierung recht häufig. Der komplexe Typ wurde nur bei einzelnen lexikalischen Klassen, bspw. Verwandtschafts- und Berufsbezeichnungen, in bestimmten Kontexten, die etwa den funktionalen Charakter betonten, in einigen Fällen aufgelöst und der Marker blieb aus. Bei den Konkreta und Abstrakta denotierenden Objekten konnte hingegen gezeigt werden, dass die Basistypen nicht-komplex sind. Sie wiesen keine Markierung auf. Eine Anreicherung zum komplexen Typen kam jedoch mehrfach vor und ging mit einer
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4 Differentielle Objektmarkierung (DOM)
a-Markierung einher. Wie die Ausführungen andeuten, war ein wichtiges Ziel der Analyse, sowohl die «typischen» als auch die weniger «typischen» Fälle der beiden Gruppen zu erfassen und einheitlich und präzise zu erklären. Die Korpusanalyse wurde durch eine experimentelle Untersuchung ergänzt. Sie konnte die Relevanz des Ansatzes in Teilen belegen. Sie führte aber auch zu weitergehenden Erkenntnissen. Von besonderem Interesse scheinen die Indizien dafür zu sein, dass die explizite Strukturierung durch die a-Markierung die Verarbeitung erleichtert. U.U. ließe sich so die Tendenz, dass sich a zu einem bloßen Kasusmarker entwickeln könnte (cf. bspw. Company Company 2002 für die Ausweitung der Verwendung im mexikanischen Spanisch), motivieren. Eine größere Studie unter Rückgriff auf neurolinguistische Methoden könnte die Ergebnisse möglicherweise präzisieren. Zuletzt wurden die Erkenntnisse aus den beiden großen analytischen Teilen kondensiert, um eine feinere Systematisierung vorhandener Nominalklassen vorzuschlagen. Die Daten waren insbesondere in Hinblick auf menschliche Denotate von weitergehendem Nutzen. Die differentielle Objektmarkierung konnte herangezogen werden als sprachlicher Reflex, der mit den verschiedenen Klassen unterschiedlich korreliert. Die Erkenntnisse zu Objekten mit tierischen Denotaten wurden mittels einer gezielten, breit angelegten Korpusuntersuchung abgerundet. Die Abstrakta wurden v.a. in Abgrenzung zu Massennomen mit menschlichem Denotat besprochen. So konnte der Nutzen des hier vertretenen Ansatzes für die Beschreibung von Nomen über die DOM hinaus gezeigt werden.
5 Objektsätze Nach den nominalen werden im Folgenden satzwertige Akkusativobjekte behandelt. Es werden parallele Beschreibungsprinzipien angewandt. Dem Ansatz zufolge (s. Kap. 2.10) liegt bei Strukturen aus Matrix- und Objektsatz Komplexitätsikonizität vor zwischen der formalen und der entsprechenden konzeptuellen Seite. Eine Komplexitätsdivergenz zeigt sich formseitig in der Möglichkeit, dass der Nebensatz mittels einer Konjunktion subordiniert und finit realisiert sein kann oder aber uneingeleitet infinit auftritt. Die Opposition ist wie im Falle der Nominalobjekte direkt zugänglich, sodass der Fokus auf der konzeptuellen Struktur liegt. Sie wird in den Domänen des Sachverhalts, der Zeitreferenz sowie des Weltbezugs beschrieben (s. etwa die kurze Übersicht in Kap. 2.10.2.4). Die Bestimmung der Komplexitätsgrade und ihre Systematisierung stellen ein zentrales Erkenntnisinteresse der Arbeit dar. Das Kapitel beginnt mit der Untersuchung von Korpusdaten. Die Ausführungen sind entsprechend der o.g. konzeptuellen Domänen geordnet. Darauf folgt die Präsentation der experimentellen Untersuchung zu den Objektsätzen. Zuletzt wird ein Fazit gezogen.
5.1 Korpusanalyse der Objektsätze nach konzeptuellen Bereichen In den folgenden Unterkapiteln wird ein Ausschnitt relevanter Objektsätze im Detail untersucht. Die Daten entspringen v.a. der ADESSE-Datenbank. Es werden dabei insbesondere zwei Ziele verfolgt. Erstens soll gezeigt werden, dass der in Kap. 2.10 beschriebene ikonische Zusammenhang zwischen der Form und der entsprechenden Konzeption von Objektsätzen Gültigkeit hat. Dafür wird vorgestellt, wie er genau zu applizieren ist. Die Analyse ist feingliedrig und berücksichtigt eine Vielzahl an Faktoren, allen voran die Verbalsemantik. Zweitens soll anhand der präzisen Analyse eines relevanten Ausschnitts an Strukturen demonstriert werden, welches Erklärungspotential in dem vorgestellten funktional-kognitiven Ansatz steckt. Über den bloßen Beleg seiner Relevanz hinaus verhilft er zu einer Reihe weiterführender Erkenntnisse. Im Rahmen der Detailbeschreibung werden kleinere, neue Beiträge zur Forschung bzgl. einzelnen Subthemen geleistet. Darunter ist bspw. die Herausarbeitung bestimmter Parallelen von Strukturen mit olvidar (‘vergessen’) und demostrar (‘zeigen’) mit Infinitiv zu den syntaktischsemantischen Einheiten der Verbalperiphrasen. Die in Kap. 2.10.2 vorgeschlagene Systematisierung mittels Domänen ist als Herangehensweise grundsätzlich neu. https://doi.org/10.1515/9783110595826-005
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5 Objektsätze
Auch die Untergruppen einschließlich bestimmter Skalen stellen z.T. Verfeinerungen gegenüber der Forschungsliteratur dar. Besonders zu erwähnen ist die Bestimmung von Oppositionen innerhalb der Untergruppen. Im Gegensatz zu den nominalen Akkusativobjekten wird dieser Teil der Untersuchung nicht anhand der Verbklassen angeordnet, sondern hinsichtlich der konzeptuellen Bereiche, in deren Rahmen die Komplexität bzw. Nicht-Komplexität bestimmt werden kann. Dies hat praktische Gründe. Die Beschreibung kann so zielführender gestaltet werden. Andernfalls wären aufwendige Wiederholungen nötig. Auch würden Zusammenhänge verklärt. Davon nicht direkt berührt ist die zugrunde liegende praktische Korpusarbeit. Sie wird von der Funktionsweise der verwendeten ADESSE-Datenbank entscheidend mitbestimmt. Für die Formulierung einer hinreichend restriktiven Suchanfrage ist die Angabe eines verbalen Types notwendig. Zwar verfügt die Datenbank über eine semantische Klassifikation des Verbalbereichs (http://adesse.uvigo.es/ data/clases.php, letzter Zugriff: 02.02.19), sodass auch direkt nach bestimmten Verbklassen gesucht werden könnte. Problematisch ist dabei aber, dass in der ADESSE-Datenbank manche Verben über mehrere der dort angesetzten Klassen verteilt sind. Die Divergenzen, die bei einzelnen verbalen Types auftreten, sind häufig besonders interessant. Sie stehen allerdings teilweise mit Mehrdeutigkeiten der Verben in Zusammenhang. Es zeigt sich, dass einige der hier vorgeschlagenen Kategorien bei manchen Verben über die Verbklassen in der ADESSE hinaus Gültigkeit haben. Die hier erarbeiteten Kategorien sind also keineswegs deckungsgleich zu den semantischen Klassifikationen der Datenbank. Aus den genannten Gründen wird zwar punktuell darauf Bezug genommen. Die Selektion der Daten und auch ihre Aufarbeitung erfolgen aber unabhängig von der Klassifikation der ADESSE-Datenbank. Über verbale Types, nämlich solche, die Objektsätze in der Funktion von Akkusativobjekten regieren (s. das folgende Unterkapitel), werden Datensätze abgerufen, die im Detail analysiert werden können.576 Die Untersuchung ist entsprechend der hier verfolgten Zielsetzung qualitativ. Erwähnenswert ist zudem, dass die Verwendung der ADESSE-Datenbank zur Folge hat, dass die bearbeitete Datenmenge eher eingeschränkt ist. So treten manche relevanten verbalen Types nicht besonders häufig, zum Teil auch gar nicht in dem Korpus auf, auf das die Datenbank zugreift. Die Untersuchung kann daher nicht für sich beanspruchen, umfassend zu sein. Unabhängig davon fördert sie neue Erkenntnisse zutage, die sich mit einer anderen Methodik u.U. 576 Für die Bestimmung der genauen Verhältnisse ist immer wieder auch ein weitergehender Kotext nötig. Da die ADESSE-Datenbank frei zugänglich ist, können die enthaltenen Daten zumindest teilweise durch Anfragen über Suchmaschinen wie Google ergänzt werden (https:// www.google.de oder https://www.google.es, entsprechender Zugriff bspw. am 02.02.19).
5.1 Korpusanalyse der Objektsätze nach konzeptuellen Bereichen
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nicht herausarbeiten ließen. Sie kann in ihrer Art wie auch hinsichtlich vieler Details folgenden Arbeiten als Orientierung dienen.
5.1.1 Selektion der Verben und Zuordnung zu Konzeptualisierungsdomänen An die untersuchten Matrixverben stellen sich zunächst bestimmte syntaktische Anforderungen. Sie müssen mindestens zweiwertig sein und als Zweitaktanten ein satzwertiges Element zulassen. Wie in Kap. 2.9.2 und seinen Unterkapiteln besprochen wurde, geht damit insbesondere die semantische Eigenschaft einher, dass die Verbbedeutung einen mentalen Vorgang involviert (cf. Delbecque/Lamiroy 1999, 1996). Zwei weitere Anforderungen an die zu untersuchenden Strukturen schränken das Set der potentiell relevanten Verben ein. Grundlegend ist, dass Subjektkoreferenz zwischen Haupt- und Nebensatz gegeben sein muss. Strukturen mit kausativen (bspw. hacer que, etwa ‘dazu bringen, dass’, und dejar que, ‘(tun) lassen’) und Perzeptionsverben (ver, ‘sehen’ und oír, ‘hören’) werden daher von der Analyse ausgeschlossen (s. Kap. 2.7.9 für diesbezügliche Überlegungen, allerdings im Kontext der a-Markierung). Darüber hinaus müssen die Verben bei Subjektkoreferenz zwischen Haupt- und Nebensatz die Alternanz von finitem und infinitem Nebensatz zulassen. Delbecque/Lamiroy (1999, 2009ss., 2027s.) präsentieren einige Verben, deren Zahl zwar keineswegs gering ist. Offenbar und naheliegenderweise sind sie aber nicht gleich frequent und / oder distributioniert. Das gilt auch für die relative Frequenz der zwei jeweils möglichen syntaktischen Realisierungen. Ein grundlegender und ganz entscheidender Faktor für die Analyse ist also die Datenlage. Die ADESSE-Datenbank, die für die Untersuchung verwendet wird, speist sich, wie in Kap. 3.1 gesagt, aus einem recht kleinen Korpus. Das ARTHUS-Korpus verfügt für das peninsulare Spanisch nur über rund 1,14 Millionen Einträge (cf. http://adesse.uvigo.es/data/corpus.php, Zugriff: 02.02.19). Es überrascht daher nicht, dass einige der in Delbecque/Lamiroy (1999, 2009ss., 2027s.) diskutierten Verben gar nicht auftreten oder nur in einer der beiden Realisierungsmöglichkeiten, von denen allerdings beide für die Diskussion benötigt würden (cf. http:// adesse.uvigo.es/data/avanzado.php, Zugriff: 02.02.19). Obwohl Daten vorhanden wären, wird bspw. das eine relativ stabile semantische Opposition ausbildende Verb pensar (‘denken’, ‘vorhaben’) nicht eigens analysiert, da es, wie in Kap. 2.9.4.3 gezeigt, anhand der Literatur gut aufgearbeitet werden kann. Es werden aus dem nach den verschiedenen Einschränkungen verbleibenden Subset 6 Matrixverben ausgewählt, deren Okkurrenzen im Detail besprochen werden. Es wird in der Diskussion wie auch schon bei den Nominalobjekten versucht, die verschiedenen Besonderheiten möglichst vollständig abzudecken.
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5 Objektsätze
Die ADESSE-Datenbank wird u.a. deshalb verwendet, weil sie es ermöglicht, syntaktische Funktionen und bspw. auch die Finitheit des Nebensatzes als restriktive Parameter zu setzen (cf. http://adesse.uvigo.es/data/avanzado.php, Zugriff: 02.02.19). Sie erlaubt jedoch nicht, auch die Eigenschaft der Subjektkoreferenz zwischen Haupt- und Nebensatz zu operationalisieren. Die Suchanfragen umfassen also die folgenden Spezifikationen: Es werden die in Spanien publizierten Texte im Korpus berücksichtigt. In ihnen wird nach einzelnen mindestens zweiwertigen Verben gesucht, deren zweites Argument die Funktion eines Akkusativs erfüllt und als Satz realisiert ist. Die einzelnen Realisierungsmöglichkeiten des Objektsatzes mit einem Infinitiv, einer Indikativ- oder Subjuntivoform werden als einzelne Sets extrahiert. Die Suchanfragen führen zunächst zu 255 Okkurrenzen. Davon werden manuell die Fälle mit Subjektkoreferenz ausgewählt. Es bleiben 70 relevante Okkurrenzen (cf. http://adesse.uvigo.es/data/result.php, letzter Zugriff: 16.06.16). Die Anordnung innerhalb der Diskussion folgt aus den in Kap. 2.10.2 eingeführten Konzeptualisierungsdomänen. Die beschriebenen drei Domänen erfassen zentrale Bestandteile der konzeptuellen Verhältnisse zwischen Hauptund Nebensatz. Die beiden Teilsätze werden jeweils hinsichtlich des referierten Sachverhalts, der Zeitreferenz und ihrer Verortung in einer möglichen Welt untersucht. Die Bezugnahmen innerhalb der Domänen werden abgeglichen und daraufhin überprüft, ob im Nebensatz referentielle Eigenständigkeit vorliegt. Bei Eigenständigkeit wird vor dem Hintergrund der Ausführungen in Kap. 2.10.2 von kognitiver Komplexität ausgegangen. Der kognitive Status wird wiederum mit der Form der entsprechenden Struktur abgeglichen. Werden die finiten und damit formal komplexen Okkurrenzen mit einem bestimmten Matrixverb komplex konzeptualisiert, die entsprechenden infiniten und formal nicht-komplexen hingegen ohne Eigenständigkeit in einer der Konzeptualisierungsdomänen, so ist im Rahmen des Sets an Okkurrenzen Ikonizität gegeben. Es genügt die Eigenständigkeit in einer Domäne für die Klassifizierung von kognitiver Komplexität. Allerdings kann auch gleichzeitig Eigenständigkeit in mehreren Domänen vorliegen (s. bspw. das letzte Beispiel zu olvidar, ‘vergessen’, in Kap. 5.1.2.1). Im untersuchten Set an Verben ist das allerdings kein frequentes Phänomen. Die Semantik der Matrixverben legt meist eine Zuordnung zu bestimmten Domänen nahe. Unter Berücksichtigung der Satzbedeutung kann die relevante Domäne überprüft und bestätigt werden. Die hier besprochenen Verben haben den analytischen Vorteil, dass ihre einzelnen Tokens recht einheitlich distributioniert sind. Die Domäne der Temporalität scheint allerdings über ein gewisses Potential zu verfügen, Okkurrenzen aus anderen Domänen anzuziehen, die dann zeitliche Eigenständigkeit aufweisen. D.h., neben der recht weitgehenden Einheitlichkeit, mit der sich die Okkurrenzen der untersuchten Verben auf einzelne Domänen verteilen, bleiben einzelne Fälle, die nicht hinsichtlich der für sie typischen Domäne, wohl aber in der Domäne der
5.1 Korpusanalyse der Objektsätze nach konzeptuellen Bereichen
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Zeitreferenz Eigenständigkeit aufweisen. Auch die Domäne des Weltbezugs kann für Okkurrenzen aus anderen Domänen relevant werden. Die beiden Domänen haben einen etwas anderen konzeptuellen Status als die des Sachverhalts. Sie können nur abstrakt erfasst werden, was der Grund sein mag, dass ihre Manipulation leichter ist. Wie gesagt stellt die Tendenz zur Einheitlichkeit der hier besprochenen Verben eine Besonderheit dar. Andere Verben wären u.U. diverser verteilt. Der referierte Sachverhalt bzw. die Sachverhalte sind besonders grundlegend beim Abgleich eines Hauptsatzes mit einem Nebensatz. In der Domäne bilden olvidar (‘vergessen’) und demostrar (‘zeigen’) die entscheidende Opposition aus. Die Beschreibungsprinzipien lehnen sich dabei an Ansätze an, die mit Satzverknüpfungsskalen arbeiten. Für die Domäne des Zeitbezugs wird eine eigene und in ihrer Idee eingeschränkt neue Skala vorgeschlagen (s. Kap. 2.10.2.2). Es werden dazu mehrere unterschiedliche Sprechaktverben diskutiert, jurar (‘schwören’), afirmar (‘bestätigen’, ‘angeben’) und negar (‘ablehnen’). Wie gesagt, ist die Temporalitätsdomäne auch für einzelne Okkurrenzen verschiedener Verben relevant, die in ihr ansonsten keine Opposition ausbilden. In der Domäne der Situierung in Welten wird imaginar (‘sich vorstellen’) beispielhaft im Detail besprochen. Zusätzlich wird vorgestellt, wie die Situierung in alternativen Welten mittels grammatikalischer Merkmale im Rahmen des hier vertretenen Ansatzes zu behandeln ist.
5.1.2 Eigenständigkeit der Sachverhalte Die Domäne des Sachverhalts wird nicht umsonst als erste besprochen. Bei der Bestimmung der semantischen Eigenschaften von Haupt- und Nebensatzstrukturen beinhaltet sie ähnlich umfassende wie v.a. grundlegende Informationen. Wie in Kap. 2.10.2.1 besprochen, zeigen sich beim Abgleich von Haupt- und Nebensatz interessante Divergenzen. Die Verhältnisse sind besonders hinsichtlich zweier Punkte zu bestimmen. Erstens ist zu überprüfen, ob sich ein Nebensatzsachverhalt unabhängig von dem des Hauptsatzes konstituiert. Zweitens stellt sich die Frage, ob die Sachverhalte in Bezug aufeinander eigenständig sind. Es ist möglich, dass einzelne Merkmale der Denotatsmenge des zweiten Verbs (ggfs. das Nebensatzverb) vom ersten Verb (dem finiten und ggfs. Hauptsatzverb) übernommen werden.577 Es geht dabei insbesondere um eine Spezifizierung etwa eines Vorgangs oder Zustands sowie um die zeitliche Ausdehung und generell aktionale Eigenschaften. Wie gezeigt wird, werden in dem besprochenen Set an Strukturen Verhältnisse, die von Uneigenständigkeit geprägt sind, mit einem
577 Die Formulierung ist ein deskriptives Hilfsmittel und nicht im Sinne eines Prozesses gemeint.
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5 Objektsätze
infiniten Verb ausgedrückt. Bei solchen, in denen Eigenständigkeit gegeben ist, erfolgt die Versprachlichung hingegen mit finitem Verb und der Konjunktion que (etwa: ‘dass’). Der Zusammenhang zwischen der Form der Struktur und der ihr zukommenden Konzeption ist stabil. Die als Beispiele dieser Domäne behandelten Strukturen sind ikonisch. Da sich jeweils formal und konzeptuell komplexe und weniger oder nicht-komplexe Strukturen gegenüberstehen, wird von Komplexitätsikonizität gesprochen (s. auch Kap. 2.2). Die Möglichkeiten einer Analyse auf der Grundlage werden im Folgenden anhand von Korpusmaterial der ADESSE-Datenbank zu zwei Verben gezeigt. Olvidar (‘vergessen’) gehört zur Klasse der Kognitionsverben. Das zweite Verb, demostrar (‘zeigen’), kann als Handlungsverb klassifiziert werden. Die Ergebnisse werden um einzelne interessante Okkurrenzen weiterer untersuchter Verben ergänzt. 5.1.2.1 Olvidar (‘vergessen’) Olvidar (‘vergessen’) fällt in die Klasse der Verben des Denkens. Hinsichtlich des Denkinhalts bringt es ein negatives Verhältnis zum Ausdruck (cf. Delbecque/ Lamiroy 1999, 1997), also in etwa dass es nicht der Fall ist, dass eine etwaige Information gedacht wird. Wie die Angaben im Diccionario de la lengua española zeigen, hat das Verb eine eher geringe Bedeutungsvarianz (cf. http://lema.rae.es/ drae/?val=olvidar, Zugriff: 02.02.19). Lehmann (1991, 233) klassifiziert die englische Entsprechung forget als Event. Er stellt heraus, dass es ein unkontrollierter Vorgang ist (cf. ibid., 232, 233), genauer, ein «uncontrolled change of possession» (ibid., 233) in der kognitiven Domäne. Vor dem Hintergrund des Zitats ließe sich überlegen, ob das Verb nicht in bestimmten Verwendungen als ingressiver State interpretiert werden kann (s. aber die Überlegungen unten). Im Korpus sind von 26578 Okkurrenzen insgesamt 11 relevant (cf. http:// adesse.uvigo.es/data/result.php, Zugriff: 26.07.12).579 Davon tritt in 6 Fällen im
578 Die ADESSE-Datenbank gibt dabei unterschiedliche Werte aus: Ohne die Subrestriktionen hinsichtlich der Realisierung des Objektsatzes (s. dazu die nächste Fußnote) listet die Datenbank 27 Okkurrenzen. Werden jedoch die Okkurrenzen für infinite Nebensätze (6) und indikativische Nebensätze aufaddiert (20), bleiben insgesamt lediglich 26 Okkurrenzen (cf. http://adesse.uvigo. es/data/result.php, letzter Zugriff: 20.05.16). Die fehlende Okkurrenz ist ein Sonderfall, bei dem ein Fragesatz als Objekt auftritt: [N]o olviden, pues, los socialistas, cómo el carisma de la megafonía no es buen criterio para contar cristianos […] (RAT:198.36, ‘Mögen die Sozialisten also nicht vergessen, inwiefern das Charisma des Lautsprechers ein ungeeignetes Kriterium ist, um Christen zu zählen’). Es wird auch hier nicht in die Analyse aufgenommen. 579 In den Korpusabfragen wurden die folgenden Restriktionen verwendet (cf. die Möglichkeiten in der ADESSE-Datenbank unter http://adesse.uvigo.es/data/avanzado.php, Zugriff:
5.1 Korpusanalyse der Objektsätze nach konzeptuellen Bereichen
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Nebensatz ein Infinitiv auf, die anderen 5 Okkurrenzen enthalten ein Nebensatzverb im Indikativ. Es gibt keine Okkurrenz mit Subjuntivo. Die Grundlagen der Opposition zwischen finiter und infiniter Realisierung des Objektsatzes wurden bereits in Kap. 2.10.2.1 anhand eines Beispielpaars besprochen, das hier wiederholt wird (s. [1] und [2]). [1] Incluso olvidó estrechar la mano que él le tendía. (SUR:059.19) ‘Sie vergaß sogar, die Hand zu schütteln, die er ihr entgegenstreckte.’ [2] Disculpe. He olvidado que estoy en su casa. (PAS:038.21) ‘Entschuldigen Sie. Ich hatte vergessen, dass ich bei Ihnen zu Hause bin.’ (Wörtlich: Ich habe vergessen, dass (…). Alternativ auch: Ich habe nicht daran gedacht, dass (…).) Während in [2] mit finitem Nebensatz olvidar (‘vergessen’) als faktives Verb auftritt, ist es in [1] implikativ, was sich mit einem Negationstest überprüfen lässt (cf. dafür etwa http://www.christianlehmann.eu/ling/lg_system/sem/praesupposition.html, Zugriff: 02.02.19). Der Wahrheitswert des Nebensatzes in [2] ist unabhängig von einer Negierung des Hauptsatzes. In [1] hingegen wechselt der vom Infinitiv denotierte Sachverhalt die Polarität, wenn das finite Verb negiert wird. Anhand der Divergenz und hinsichtlich verschiedener Merkmale lässt sich ableiten, dass bei [2] in mehrfacher Hinsicht eine größere Eigenständigkeit der Sachverhalte vorhanden ist als in [1]. In [2] ist die Qualität des Haupt- und des finit versprachlichten Nebensatzsachverhalts unabhängig voneinander. Der Hauptsatz denotiert einen mentalen Vorgang, bzw. im Sinne Lehmanns (1991, 233) einen unkontrollierten mentalen Zustandswechsel. Der Nebensatz hingegen bringt eine physische Situierung zum Ausdruck. Die Verbindung zwischen den beiden Sachverhalten ist, dass die mentale Repräsentation des Nebensatzsachverhalts getilgt wird. Die beiden Sachverhalte sind also recht weitgehend unabhängig voneinander. Auch die Sachverhaltsbestandteile weisen auf Eigenständigkeit hin. So ist etwa die zeitliche Ausdehnung des Sachverhalts jeweils unabhängig von der des anderen Satzteils. Das ist in [1] nicht der Fall. Die infinite Struktur ist eng mit dem finiten Anteil des Satzes verbunden. Bereits eine einzelne ontologische Bestimmung ist nur schwer möglich, da es im 02.02.19; s. auch Kap. 5.1.1). Es wurden nur Okkurrenzen aus Spanien zugelassen, die Verben sollten mindestens zwei Argumente haben, von denen das zweite in der Funktion eines direkten Objekts auftreten und satzwertig realisiert sein sollte. Die Okkurrenzen wurden getrennt nach den drei relevanten Nebensatzrealisierungen mit Infinitiv, Indikativ oder Subjuntivo ausgegeben, wobei der letztgenannte Modus in keinem Nebensatz von olvidar (‘vergessen’) auftrat.
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5 Objektsätze
Grunde keinen eigenen Nebensatzsachverhalt gibt. Die Hand wird nicht geschüttelt (estrechar la mano, ‘die Hand schütteln’). Es könnte argumentiert werden, dass ein entsprechender Sachverhalt in einer möglichen Welt ungleich der referierten Welt verortet ist. Beim Abgleich der Verhältnisse zwischen Haupt- und Nebensatzsachverhalt zeigt sich allerdings, dass lediglich die Tilgung einer mentalen Repräsentation der Möglichkeit des Nebensatzsachverhalts ausgedrückt werden kann, nicht aber die Tilgung der Möglichkeit des Nebensatzsachverhalts selbst. Wie bereits in Kap. 2.10.2.1 besprochen, übernimmt das Hauptverb temporalstrukturelle Eigenschaften des infiniten Verbs. Dies betrifft besonders die Ausdehnung des möglichen Sachverhalts. Der Zeitraum, in dem der Hauptsatzsachverhalt Gültigkeit hat, muss dem des Nebensatzsachverhalts entsprechen, andernfalls wäre der Satz asemantisch. Vor dem Hintergrund wurde oben die Möglichkeit angeführt, olvidó (‘sie vergaß’) als ingressiven Zustand zu verstehen. Die Ingressivität würde der lexikalischen Bedeutung des Matrixverbs zugeschrieben. Der State wäre so lang ausgedehnt, wie die Möglichkeit des Händeschüttelns (versprachlicht durch estrechar la mano, ‘die Hand schütteln’) besteht. Die genaue zeitliche Ausdehnung kann hier über den Relativsatz inferiert werden. Die Möglichkeit zum Händeschütteln besteht in dem Zeitraum, in dem das Gegenüber die Hand hinstreckt ([la mano] que él le tendía, ‘die Hand, die er ihr entgegenstreckte’). Es wäre also anhand von kontextuellem, aber auch von Weltwissen ersichtlich bzw. erwartbar, dass die Ausdehnung begrenzt ist. Nichtsdestotrotz vereindeutigt der Relativsatz, dass sie größer als null ist. Würde das Matrixverb nicht als ingressiver State, sondern als Event ausgelegt, so müsste es iterativ interpretiert werden, um die Ausdehnung zu ermöglichen. Diese Möglichkeit scheint hier weniger passend. Es bleibt bezüglich der erstgenannten Interpretation aber die Frage, ob olvidar (‘vergessen’) hier tatsächlich Ingressivität beisteuert. Während also die Struktur mit finitem Nebensatz zwei eigenständige Sachverhalte versprachlicht, ist die Okkurrenz mit Infinitiv in der Sachverhaltsdomäne von Uneigenständigkeit geprägt. Die Verhältnisse weisen mithin Komplexitätsikonizität im hier applizierten Sinn auf. Wie im Folgenden überblicksartig gezeigt wird, ist auch bei den weiteren Korpusdaten zu olvidar (‘vergessen’) Ikonizität gegeben. Von den 5 finiten Nebensätzen enthalten immerhin 4 ein statives Verb. Zwei davon sind States (s. [2] oben und [3]), die anderen sind Properties (s. etwa [4]). [3] Supongo que no habrás olvidado que estás enfermo y que debes hacer lo que el médico mande […]. (TER:085.29) ‘Ich nehme an, dass du bestimmt nicht vergessen hast, dass du krank bist und das tun sollst, was dir der Arzt sagt.’
5.1 Korpusanalyse der Objektsätze nach konzeptuellen Bereichen
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[4] Me mira con ternura y me hace olvidar que soy un patito feo. (PAS:066.24) ‘Er schaut mich zärtlich an und lässt mich vergessen, dass ich ein hässliches Entlein bin.’ Ob die Tendenz zur Stativität generalisierbar ist, kann hier aufgrund der relativ geringen Datenmenge nicht sicher festgestellt werden. Möglicherweise ist der Umstand lediglich ein Reflex des Datenmaterials. Alle fünf Beispiele sind literarisch. Die nicht-stative Okkurrenz wird unten vorgestellt. Das Beispiel [3] ist dem oben ausführlich vorgestellten Beispiel [2] recht ähnlich. Der Nebensatz bringt einen physischen Zustand des Subjektdenotats zum Ausdruck. Der koordinierte zweite Nebensatz wird hier ausgeklammert. In der ADESSE figuriert er nicht als eigenständige Okkurrenz (cf. http://adesse.uvigo.es/data/avanzado.php, Zugriff: 26.07.12). Wie [3] zeigt, ist olvidar (‘vergessen’) hier als faktives Verb realisiert. Der Wahrheitswert des Nebensatzes ist unabhängig von der Negation des Matrixverbs (no habrás olvidado, ‘du wirst wohl nicht vergessen haben’). Die beiden Sachverhalte sind eigenständig. In [4] bringt der Nebensatz eine Eigenschaft zum Ausdruck. Wie Lehmann (1991, 197) betont, weisen Properties die größtmögliche Stativität auf, nicht States. Die zeitliche Ausdehnung des Nebensatzsachverhalts ist also prinzipiell unbegrenzt. Lediglich Weltwissen, in dem Fall hinsichtlich der Dauer und evtl. Entwicklung des individuellen menschlichen Lebens, kann Anfangs- und Endpunkte spezifizieren. Die Hauptsatzhandlung ist hingegen von Dynamizität bei geringer zeitlicher Ausdehung gekennzeichnet. Die Kausativstruktur (me hace olvidar, ‘er lässt mich vergessen’) ist telisch. Der Kulminationspunkt ist die Tilgung der Information, die der Nebensatz denotiert. Offenbar sind die beiden Sachverhalte gegenüber einander eigenständig. Auch diese Okkurrenz weist also Komplexitätsikonizität auf. In 5 der 6 Okkurrenzen mit Infinitiv ist das Verb ein Event (s. [1] oben sowie [5]). [5] La luz era tan preciosa que olvidé llamarte. (CAI:040.02) ‘Das Licht war so schön, dass ich vergaß, dich zu rufen.’ [6] Y no olvides decirme, cuando me escribas, quién es Genoveva. (JOV:062.10) ‘Und wenn du mir schreibst, vergiss nicht, mir zu sagen, wer Genoveva ist.’ Die beiden Beispiele sind ganz ähnlich zu interpretieren wie [1]. In [5] konstituiert sich kein Nebensatzsachverhalt. Es ist nicht dazu gekommen, dass die angesprochene Person gerufen worden wäre (llamarte, ‘dich rufen’). Im Rahmen einer Mögliche-Welten-Semantik ließe sich das Rufen u.U. in einer möglichen Welt w2
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5 Objektsätze
annehmen, die von der erzählten Welt w1 abweicht. Wichtig is allerdings, dass das Matrixverb wiederum implikativ ist, die beiden Teilsätze verfügen über eine einheitliche Polarität. Der vom Nebensatz denotierte Sachverhalt wird so lange nicht realisiert, wie der Hauptsatz Gültigkeit hat.580 Da das Matrixverb in seiner Grundbedeutung einen Zustandswechsel zum Ausdruck bringt, wurde oben die Überlegung angestrengt, ob die Gesamtstruktur als ingressiver State klassifiziert werden könnte. Hinsichtlich der Struktur in [5] ist allerdings zu sagen, dass der Anfangspunkt keine besondere Rolle spielt. Sie bringt vielmehr einen im Ausbleiben eines mentalen Vorgangs begründeten Zustand (¬ p, d.h., nicht-p) zum Ausdruck. Auch hier teilen sich also der (negierte) Infinitiv und das Matrixverb ihre zeitliche Ausdehnung. Der Sachverhalt ist also uneigenständig. Auch in [6] ist olvidar (‘vergessen’) implikativ. Die Negation des Hauptverbs bestimmt die Polarität des eingebetteten Sachverhalts. Das Hauptverb steht im Imperativ. Es wird also ausgedrückt, dass sich der infinit versprachlichte Sachverhalt konstituieren soll. Es werden ebenfalls aktionale Eigenschaften vom infiniten auf das finite Verb übertragen. Das Ergebnis ist kein ingressiver, sondern ein egressiver State: Der Kulminationspunkt wird am Ende des relevanten Zeitraums erreicht, für den die Assertion gilt, nämlich dann, wenn sich der Sachverhalt des Infinitivs konstituiert und im Brief eine Information gegeben wird (decirme, ‘mir sagen’). Mithin liegt Sachverhaltsuneigenständigkeit vor. Sie wird in den beiden angeführten Beispielen mit einer infiniten Struktur versprachlicht. Somit liegt Ikonizität vor. Das Korpus enthält ein Beispiel, in dem ein statives Verb als Infinitiv auftritt (s. [7]). [7] [U]na vecina que trabajaba en el Gran Teatro del Liceo […] recogiendo después de cada representación los residuos corporales que algunos melómanos, en su embebecimiento, olvidaban retener, encontró en uno de los palcos unos gemelos de montura de nácar […]. (LAB:255.35) ‘Eine Nachbarin, die im Gran Teatro del Liceo arbeitete, wo sie nach jeder Vorstellung Körperausscheidungen entfernte, die einige fanatische Musikliebhaber in ihrer Verzückung zurückzuhalten vergaßen, fand in einer der Logen ein Opernglas mit Perlmutfassung.’ In [7] liegt ebenfalls Sachverhaltsuneigenständigkeit vor. Olvidar (‘vergessen’) ist implikativ zu verstehen. Auch hier teilen das finite und das infinite Verb aktionale Eigenschaften. Allerdings werden sie gemeinschaftlich bestimmt. Retener algo
580 Der Hauptsatz bringt hinsichtlich der Nebensatzproposition zum Ausdruck, dass ¬ p (nicht-p) gilt.
5.1 Korpusanalyse der Objektsätze nach konzeptuellen Bereichen
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(‘etwas zurückhalten’) ist ein State. Die Telizität und die negative Polarität von olvidar (‘vergessen’) aktualisieren die Gesamtstruktur aktional. Das flektierte Verb trägt einen Imperfektiv- und einen Pluralmarker (olvidaban, ‘sie vergaßen’). Insofern assertiert die Gesamtstruktur eine Menge an habituellen Events. Wie sich bei den infiniten Beispielen zeigt, ist olvidar (‘vergessen’) recht stabil, was die Partizipanten betrifft. Es werden nicht wie bei Verbalperiphrasen semantische Restriktionen bzgl. des Erstaktanten vom Infinitiv übernommen (cf. für die Eigenschaft von Verbalperiphrasen etwa García Fernández 2006, 25). Das im nächsten Unterkapitel besprochene Verb demostrar (‘zeigen’) ist flexibler hinsichtlich der semantischen Realisierung des Subjekts. Es könnte sich daher als besserer Kandidat für eine enge Verbindung mit dem Infinitiv herausstellen. Da aber die Bedeutungsvariation auch bei anderen strukturellen Realisierungen auftritt, lässt sich das kaum zeigen (s. Kap. 5.1.2.2). Trotz der angesprochenen Stabilität von olvidar (‘vergessen’) lässt sich hinsichtlich der Belege mit Infinitiv zusammenfassen, dass sie allesamt von Uneigenständigkeit gekennzeichnet sind. Mithin liegt bei allen relevanten Okkurrenzen von olvidar (‘vergessen’) im Korpus Ikonizität vor. Als (Un-)Eigenständigkeitsdomäne wurde hier die des Sachverhalts angeführt. Olvidar (‘vergessen’) ist offenbar auch deshalb ein gutes Beispiel dafür, weil es sowohl als faktives als auch als implikatives Verb auftreten kann. Wie bereits erwähnt wurde, müssen die einzelnen Domänen der (Un-)Eigenständigkeit nicht unabhängig voneinander auftreten. Eine Okkurrenz kann vielmehr im Rahmen mehrerer Domänen Uneigenständigkeit aufweisen. Das zeigt auch das folgende Beispiel mit finitem Nebensatz. Neben der Eigenständigkeit der Sachverhalte ist auch eine sehr deutliche temporale Eigenständigkeit gegeben. [8] No olvides que prometiste ponerte tus vestiduras de obispo para que te viera [sic] Adi y Javier. (CIN:098.01) ‘Vergiss nicht, dass du versprochen hast, dass du dir deine Bischofsklamotten anziehst, dass dich Adi und Javier sehen.’ In [8] ist wie in den vorherigen Okkurrenzen mit finitem Nebensatz Sachverhaltseigenständigkeit vorhanden. Das Beispiel ergänzt die oben besprochenen um eines mit einem telischen Nebensatzverb, das ein Event denotiert. Das Matrixverb ist faktiv. Die beiden verbalen Denotatsmengen übernehmen keine strukturellen Eigenschaften der jeweils anderen. Das Beispiel grenzt sich von den anderen dadurch ab, dass auch die Zeitreferenz eine hohe Eigenständigkeit aufweist. Es fällt in die in Kap. 2.10.2.2 besprochene Kategorie der Nicht-Kontiguität. Die Zeitreferenz des Nebensatzes ist getrennt vorzeitig zu der des Hauptsatzes. Die Analyse zur Domäne der Zeitreferenz wird in Kap. 5.1.3 vorgestellt.
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5 Objektsätze
5.1.2.2 Demostrar (‘zeigen’) Das Verb demostrar (‘zeigen’) kann als physisches Handlungsverb verwendet werden. Insofern die Bedeutungskomponente eines kognitiven Prozesses als Grundvoraussetzung für die Rektion von Objektsätzen erachtet wird (cf. Delbecque/Lamiroy 1999, 1996), ist das Verb ein besonderes Element in der Liste der analysierten Verben. Im Gegensatz zu olvidar (‘vergessen’) ist es weder faktiv noch implikativ. Lehmann (1991, 229) ordnet seine englische Entsprechung show als durativen Prozess ein. Er spricht eine Tendenz zur Kausativität an (cf. ibid.).581 In der Grundbedeutung weist demostrar (‘zeigen’) keine eindeutige telische Komponente auf. Der erste Eintrag im Diccionario de la lengua española ist «manifestar, declarar» (http://dle.rae.es/?id=CAqWkEB, Zugriff: 02.02.19). In der Verwendung hingegen, die im Deutschen mit beweisen wiedergegeben werden kann (cf. den zweiten Eintrag im Diccionario de la lengua española, http://dle.rae.es/?id=CAqWkEB, Zugriff: 02.02.19), ist es als terminativer Prozess aufzufassen. Unabhängig von den aktionalen Divergenzen weist das Verb keine besonders starke Bedeutungsvarianz auf (cf. ibid.). Das mag damit zusammenhängen, dass es semantisch nicht deutlich spezifiziert ist. Zwar wird die Grundbedeutung möglicherweise verhältnismäßig häufig als eine leicht abstrahierte Handbewegung konzeptualisiert, tatsächlich wird aber die Ausdifferenzierung der denotierten Handlung erst kontextuell bestimmt. Die erwartete Aktantenkonfiguration ist, dass das Subjekt als Agens auftritt und das indirekte Objekt als Experiencer. Demostrar (‘zeigen’) wird in Delbecque/Lamiroy (1999, 1997, 2073) zwar erwähnt, es wird aber weder genauer beschrieben noch wird die Möglichkeit angesprochen, dass es mit finitem und infinitem Nebensatz auftreten kann. Auch Hernanz (1999) behandelt es nicht. Nichtsdestotrotz ist das Verb ein besonders interessanter Fall. Es bildet eine regelhafte Opposition in Abhängigkeit von der Nebensatzrealisierung aus, bei der die formale Finitheitsdivergenz mit der semantisch-konzeptuellen (Un-)Eigenständigkeit der Sachverhalte korreliert. Zudem ist es so, dass sich Strukturen mit dem Verb funktional sehr nah an den Verbalperiphrasen positionieren können, sogar noch näher als im Falle von olvidar (‘vergessen’). Das ist wiederum beim Auftreten mit Infinitiv der Fall. Die Grundtendenz wurde bereits in Kap. 2.10.2.1 besprochen. Im Folgenden werden die Erläuterungen ergänzt und vertieft.
581 Konkret weist Lehmann (1991, 229) darauf hin, dass die Bedeutung ‘show’ in vielen Sprachen als Kausativ von ‘see’ realisiert wird.
5.1 Korpusanalyse der Objektsätze nach konzeptuellen Bereichen
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Das Korpus enthält 15 relevante Okkurrenzen mit dem Verb (cf. http://adesse. uvigo.es/data/result.php, Zugriff: 16.07.12).582 Es treten 5 Strukturen mit Infinitiv auf. Die Datenbank enthält nur indikativische finite Nebensätze. Von den 44 weisen 10 Sätze Subjektidentität auf. Das folgende Beispielpaar wurde in Kap. 2.10.2.1 bereits herangezogen, um wichtige Faktoren aufzuzeigen, die mit der formalen Divergenz einhergehen. [9] A estas alturas de examen los candidatos que demuestren andar sobrados de gracia y desparpajo habrán dado un paso de gigante hacia su ingreso en la Tuna Universitaria Compostela. (1VO:072-2.2-16) ‘Zu dem Zeitpunkt der Prüfung haben die Kandidaten, die Anmut und Souveränität in Hülle und Fülle zu erkennen geben, schon einen Riesenschritt hin zum Eintritt in die Tuna Unversitaria Compostela (Studentenkapelle von Compostela) gemacht.’ [10] En este primer examen los candidatos a tuno deben superar una serie de pruebas [...] en las que tienen que demostrar que saben tocar algo más que las palmas. (1VO:072-2.2-11) ‘In dieser ersten Prüfung müssen die Kandidaten der Studentenkapelle einige Tests durchlaufen, in denen sie zeigen müssen, dass ihre musikalischen Fähigkeiten das Klatschen übersteigen.’ Der finiten Realisierung in [10] entsprechen zwei eigenständige Sachverhalte. Im Beispiel lässt sich das u.a. deshalb gut verdeutlichen, weil der Nebensatz einen abstrakten Inhalt zum Ausdruck bringt (que saben tocar algo más que las palmas, ‘dass sie mehr können als nur klatschen’). Im Hauptsatz wird zwar die Handlung lexikalisch nicht spezifiziert und es liegt eine deontische Modalisierung vor (tienen que demostrar, ‘sie müssen zeigen’). Dem Hauptsatzsachverhalt muss jedoch eine konkrete Handlung zugeordnet werden können, bzw., um die Feststellung operationalisierbar zu machen, das Verb demostrar (‘zeigen’) muss im Satz über ein formales Quale im Sinne Pustejovskys (1991a; 1995b; s. Kap. 2.8.2) verfügen: Es wird ein Instrument gespielt. Das formale Quale ist im Unterschied
582 Die ADESSE-Datenbank gibt für demostrar (‘zeigen’) unter den Restriktionen Spanien und mindestens zwei Argumente, von denen das zweite als satzwertiges direktes Objekt realisiert sein soll, 51 Okkurrenzen aus (cf. http://adesse.uvigo.es/data/result.php, letzter Zugriff: 25.05.16). Werden allerdings Subsets gebildet, indem für den Objektsatz jeweils einzeln bestimmte Realisierungen gefordert werden – die Datenbank enthält nur infinite und indikativische Fälle –, so werden in der Summe nur 49 Okkurrenzen ausgegeben (cf. ibid.). Diese Okkurrenzen liegen den vorliegenden Ausführungen zugrunde.
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5 Objektsätze
zum Gegenbeispiel unabhängig von der Nebensatzstruktur. Die angesprochene lexikalische Unterspezifizierung ist unproblematisch, besteht sie doch lediglich hinsichtlich des Instruments und bzgl. der Umstände, in denen es gespielt wird. Auch die aktionale Struktur divergiert zwischen den beiden Teilsätzen. Der von demostrar (‘zeigen’) ausgedrückte Sachverhalt besteht aus einer endlichen Menge an Handlungen, die in einem bestimmten Zeitintervall realisiert werden. Im Nebensatz wird hingegen eine Property zum Ausdruck gebracht, der sprachlich keine zeitliche Begrenzung zugeordnet wird. Die Umstände in [9] mit dem Infinitiv sind davon deutlich verschieden. Ganz entscheidend ist, dass die Spezifizierung bzw. Instantiierung von demuestren (‘zeigen’) gerade die Denotatsmenge der Infinitivstruktur (andar sobrados de gracia … , etwa: ‘über Anmut im Überfluss verfügen’) ist. Das formale Quale wird hier also kompositionell spezifiziert. Die Bestandteile der Struktur gehen dabei eine Art Einheit ein. In [9] und parallelen Okkurrenzen werden semantische Eigenschaften vom Infinitiv auf demostrar (‘zeigen’) übertragen. Demostrar (‘zeigen’) kann dabei eine leichte Desemantisierung (semantisches Bleaching) erfahren. Geht man also von einer Art Gesamtsachverhalt aus, so lässt sich feststellen, dass demostrar (‘zeigen’) im angeführten Beispiel sein konstitutives Quale (cf. dafür etwa Pustejovsky 1991a; 1995b; s. Kap. 2.8.2) zum Ausdruck bringt. Es geht nicht um die Zuordung eines irgendwie gearteten Verhaltens zu den Kandidaten (los candidatos), sondern vielmehr darum, dass sie es zeigen (demuestren). Das passt zur Überlegung Lehmanns (1991, 229), dass das Verb eine kausative Komponente enthält. Das flektierte Verb demuestren (‘zeigen’) übernimmt aktionale Merkmale des Infinitivs. Die zeitliche Ausdehnung wird im Beispiel von andar sobrados … (etwa ‘im Überfluss verfügen’) bestimmt. Nicht betroffen ist davon die formale Zeitreferenz. Offensichtlich ist es das flektierte Verb, das die Flexionsmerkmale trägt. Die beschriebenen Eigenschaften rücken die Struktur in die Nähe der Verbalperiphrasen (s. Kap. 2.9.6.2). Mit der oben angeführten Okkurrenz weisen, wie bereits angesprochen, 10 von 44 indikativischen Nebensätzen Subjektkoreferenz auf. Es gibt dabei eine gewisse Tendenz zu stativen Nebensätzen: 5 drücken States und 2 Properties aus. Dazu gehört auch das obige Beispiel mit dem Nebensatz que saben tocar … (‘dass sie spielen können’). Darüber hinaus tritt ein Activity-Verb auf sowie 2 terminative Prozesse. Von den beiden letztgenannten wird im einen Nebensatz allerdings ein Resultatszustand ausgedrückt und im anderen Fall wird das Nebensatzverb mittels poder (‘können’) modalisiert (dispositionelle Modalisierung). Das positioniert die beiden wiederum nahe an den stativen Nebensätzen. Alle Okkurrenzen bringen je zwei eigenständige Sachverhalte zum Ausdruck. Die folgenden beiden Beispiele zeigen weitere stative Nebensätze.
5.1 Korpusanalyse der Objektsätze nach konzeptuellen Bereichen
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[11] Pues éste lo mandó bordar mi bisabuelo […] en su fábrica de textiles de su propiedad, para demostrar que no sólo podía hacer buenas lanas […]. (HOT:040.03) ‘Also, den hier zu besticken, hat mein Urgroßvater in seiner eigenen Textilfabrik in Auftrag gegeben, um zu zeigen, dass er nicht nur gute Webstoffe herstellen konnte.’ [12] Estoy deseando que me encierren y me torturen como a mis compañeros, para demostrarles que estoy dispuesto a todo […]. (HOM:022.18) ‘Ich wünsche mir geradezu, dass sie mich einsperren und foltern wie meine Freunde, um ihnen zu zeigen, dass ich zu allem bereit bin.’ Der Nebensatz in Beispiel [11] enthält einen Property-Ausdruck. Das Beispiel zeigt deutlich, dass zwei eigenständige Sachverhalte zum Ausdruck gebracht werden. Die Instantiierung des Hauptsatzdenotats (demostrar, ‘zeigen’) besteht erstens in einer konkreten Handlung, der Produktion einer Menge an Gegenständen. Zweitens ist die das inhärente Ziel der Hauptsatzhandlung instantiierende Menge an Gegenständen (bspw. andere Stoffe als Webstoffe) das logische Gegenstück zum Denotat des effizierten Objekts des Nebensatzes (lanas, ‘Webstoffe’). Die Gegenüberstellung wird durch den Ausdruck no sólo (‘nicht nur’) versprachlicht. In [12] enthält der Nebensatz einen State. Die Eigenständigkeit der beiden enthaltenen Sachverhalte lässt sich recht ähnlich zum vorherigen Beispiel beschreiben. Auch hier ist die Instantiierung des Matrixsatzes einer anderen konzeptuellen Domäne zuzuordnen als die des Nebensatzes. Dem Matrixsatz muss eine physische Instantiierung zukommen. Der Nebensatzsachverhalt ist hingegen auf der psychisch-mentalen Ebene angesiedelt. Im Nebensatz wird ein idiomatisierter Ausdruck (estoy dispuesto a todo, ‘ich bin zu allem bereit’) verwendet. Das enthaltene Objekt (a) todo (‘(zu) allem’) eröffnet der Haltung des Subjektdenotats eine prinzipiell unendliche Menge als Bezugspunkt. Der Matrixsatz kann hingegen nur als eine begrenzte Menge an Handlungen instantiiert werden. Auch die Temporalstruktur divergiert. Der Matrixsatz hat eine telische Komponente. Der Nebensatz ist atelisch, seinem Sachverhalt kommt eine größere zeitliche Ausdehung zu. Der Nebensatz der folgenden Okkurrenz zeigt eine Activity. [13] Para demostrar que hablaba en serio, encendí otro billete. (LAB: 200.30) ‘Um zu zeigen, dass ich es ernst meinte, zündete ich einen weiteren Geldschein an.’ Das Nebensatzverb hablaba (wörtlich bzw. unabhängig vom folgenden Adverbial: ‘ich sprach’) ist imperfektiv markiert. Das Matrixverb tritt wiederum in einem
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5 Objektsätze
Finalsatz auf (s. die Anmerkungen unten). Von dem Umstand nicht gänzlich unabhängig ist telische Bedeutungskomponente, die ihm zukommt. Ebenso relevant dafür ist allerdings der angeschlossene Hauptsatz mit einer perfektiven Indefinidoform, encendí otro billete (‘ich zündete einen weiteren Geldschein an’). Sein Inhalt ist die Instantiierung des besprochenen Matrixsatzes. D.h., die Art und Weise wie das Subjektdenotat seine Haltung beweist (demostrar, ‘zeigen’), ist die Handlung, dass es den weiteren Geldschein anzündet. Was (oder welche Haltung) es damit zu beweisen gedenkt – que hablaba en serio, ‘dass ich es ernst meinte’ – ist davon konzeptuell unabhängig. Die beiden Sachverhalte sind gegenüber einander eigenständig. Das folgende Beispiel zeigt eine weitere mögliche Aktionsart. [14] Llevo años tratando de demostrar a las autoridades competentes que me he rehabilitado, pero hasta el momento no he tenido suerte […]. (LAB: 139.02) ‘Ich versuche schon seit Jahren, der zuständigen Behörde klarzumachen, dass ich wiederhergestellt bin, aber bisher habe ich kein Glück gehabt.’ Das Nebensatzverb in Beispiel [14] gehört zur Gruppe der terminativen Prozesse. Wie bereits zu Eingang des Abschnitts angesprochen, weist es allerdings eine perfektische Lesart auf. D.h., das zusammengesetzte Perfekt bringt einen Resultatszustand zum Ausdruck. Das nähert das Beispiel zeitstrukturell denjenigen mit States an (s. bspw. [12] oben, que estoy dispuesto, ‘dass ich bereit bin’, sowie [15], que se encuentra recuperado, ‘dass er sich erholt hat’). Auch hier lässt sich darlegen, dass der Vorgang, den das Matrixverb denotiert, konzeptuell vom Nebensatzvorgang unabhängig ist. Die Be- oder Nachweise, die das Subjektdenotat erbringt, sollen Auskunft über seinen psychischen Zustand geben und können insofern nicht identisch mit dem Zustand sein. Woher die Präferenz für stative Nebensätze kommt, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Es ist gut möglich, dass sie keine allgemeine Gültigkeit hat. Die hier zugrunde liegende Korpusdatenmenge ist zu gering, als dass generelle Aussagen möglich wären. Sollte sie allerdings über die vorliegende Datensammlung hinaus Bestand haben, so wäre ein denkbarer Grund die lexikalische Semantik des Hauptverbs. Mit den Konzepten des ‘Zeigens’ und ‘Beweisens’ ist Zustandhaftes möglicherweise leichter zu verbinden. Neben der Tendenz zu stativen Nebensatzsachverhalten zeigt sich im Korpus noch eine weitere Auffälligkeit. In 7 der 10 Okkurrenzen tritt das Matrixverb als infinite Verbform auf.583 In drei Fällen handelt es sich bei den Matrixsätzen um
583 Eine weitere Verbalform tritt in einer Verbalperiphrase auf (tener que + Infinitiv, ‘müssen’), wodurch der Träger der lexikalischen Information auch ein Infinitiv ist. Das Auxiliar ist jedoch flektiert.
5.1 Korpusanalyse der Objektsätze nach konzeptuellen Bereichen
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infinite Substantivsätze, vier weitere sind infinite Adverbialsätze. Auch in den oben angeführten Fällen treten Infinitive als Matrixverben auf. Das folgende Beispiel weist hingegen ein finites Hauptsatzverb auf. [15] […] Manel Sánchez demostró que se encuentra recuperado perfectamente de su lesión. (3VO:044-2.3-32) ‘Manel Sánchez bewies, dass er sich von seiner Verletzung vollständig erholt hat.’ Auch in [15] werden in Haupt- und Nebensatz voneinander unabhängige Sachverhalte denotiert. Wie unten besprochen wird, liefern die Finitheitsmerkmale des Hauptsatzes zusätzliche Indizien dafür. Die Instantiierung des Hauptsatzsachverhalts besteht darin, dass das Subjektdenotat Basketball gespielt hat (Manel Sánchez demostró, ‘Manel Sánchez bewies’). Die Indefinidoform legt nahe, dass ein Basketballspiel oder ein Teil eines solchen Spiels absolviert wurde. Der Verbform ist ein Ziel inhärent, nämlich die Erbringung des Nachweises, dass dem Nebensatz ein positiver Wahrheitswert zugeordnet werden kann. Der Nebensatzsachverhalt ist ein das Subjektdenotat betreffender Zustand (que se encuentra … , ‘dass sein Befinden … ist’). Die genauere Bestimmung des Zustands zeigt, dass es sich dabei um das Ergebnis eines Prozesses handelt (recuperado […] de su lesión, ‘von seiner Verletzung erholt’). [15] kann insofern als quasi-parallel zum obigen Beispiel [14] gesehen werden kann. Der Nebensatzsachverhalt ist eine Voraussetzung für den Hauptsatzsachverhalt. Das Verhältnis ist allerdings ein außersprachliches. Es fällt zudem auf, dass demostró (‘er bewies’) im Indefinido steht, das Nebensatzverb se encuentra recuperado (‘er hat sich vollständig erholt’) hingegen im Präsens. Die Flexionsmerkmale legen also eine zeitliche Trennung nahe. In der Domäne des Temporalbezugs ist jedoch keine Eigenständigkeit gegeben. Zwar hat der Nebensatzsachverhalt über einen längeren Zeitraum Gültigkeit, wie es die Verbalform anzeigt, auch noch zum Sprechzeitpunkt. Dennoch gibt es eine klare zeitliche Überlappung (Stufe 2, s. Kap. 2.10.2.2): Schon im vergangenen und genauer im in der Vergangenheit abgeschlossenen Zeitraum, in dem der Spieler den Beweis erbringt (demostró, ‘er bewies’), ist der Nebensatzsachverhalt, dass der Spieler genesen ist (recuperado […] de su lesión, ‘von seiner Verletzung erholt’), wahr. Andernfalls könnte er den Beweis nicht erbringen. Neben der bereits eingangs vorgestellten Okkurrenz enthält das Korpus noch 4 weitere, bei denen demostrar (‘zeigen’) mit einem Infinitiv verbunden wird. 3 der Infinitive drücken Zustände aus und einer einen terminativen Prozess. Die periphrastische Struktur des Eingangsbeispiels (andar sobrados, im Beispiel etwa ‘verfügen über’) ist ebenfalls stativ zu interpretieren (cf. bspw. García Fernández
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2006, 90).584 Ein formaler Unterschied zu den oben besprochen finiten Objektsätzen besteht darin, dass sich unter den Strukturen mit Infinitiv keine Fälle finden, in denen auch das «erste» Verb infinit realisiert wäre.585 Dabei, dass keine Infinitive miteinander verbunden werden, könnte es sich um eine Restriktion handeln, die ggfs. zu berücksichtigen wäre. Auf der Grundlage des hier verwendeten, recht kleinen Korpus kann der formale Unterschied nicht sinnvoll überprüft werden. Bereits ohne funktionale Analyse fällt eine interessante lexikalische Divergenz zu den oben vorgestellten finiten Nebensätzen auf: Während das Subjektdenotat in allen 10 Fällen mit finitem Nebensatz menschlich ist, gilt das bei den im Folgenden diskutierten Strukturen nur in einem Fall (s. das Eingangsbeispiel [9]). Drei Subjektdenotate sind abstrakt und das fünfte ist ein Konkretum. Diese Besonderheit könnte für eine Desemantisierung der Strukturen sprechen. Würde die semantische Selektion des Subjekts über das infinite Verb erfolgen, so würde sie das in die Nähe von Verbalperiphrasen rücken (cf. für den Faktor García Fernández 2006, 25). Allerdings scheint es, dass demostrar (‘zeigen’) auch in anderen strukturellen Umgebungen in Subjektposition verschiedene semantische Klassen zulässt. Die Besonderheit ist festzuhalten und auch näher zu untersuchen, sie ermöglicht allerdings keine weitreichenden Schlüsse. Die folgende Okkurrenz mit abstraktem Subjektdenotat ist eine der beiden, in denen ein Experiencer expliziert wird. [16] […] si el régimen liberal y de partidos puede servir al complejo de otras naciones, para los españoles ha demostrado ser el más demoledor de los sistemas. (USO:020.06) ‘Selbst wenn das liberale Mehrparteiensystem der Gesamtheit anderer Nationen dienen kann, hat es sich für die Spanier als das zerstörerischste aller Systeme herausgestellt.’ 584 Coseriu (1976, 101) sieht die Periphrase andar + Partizip als funktional gleichwertig zur Periphrase andar + Gerundium, die er Periphrase der Komitativen Schau nennt. Er definiert diese Art der Schau wie folgt: «Begleitung der Verbalhandlung zu verschiedenen Momenten ihres Ablaufs zwischen den beiden Punkten (A,B)» (ibid.). Er ordnet ihr mithin dynamische und atelische Eigenschaften zu. Eine Divergenz hinsichtlich der Periphrase andar + Partizip scheint allerdings recht naheliegend, worauf die Form des lexikalischen Verbs hinweist. Erwartbar ist, dass sie zwar auch atelisch, aber stativ ist. Die Einordnung teilt auch García Fernández (2006, 90), der die Struktur als «variante de » einstuft. Olbertz (1998, 46) schließt die Verbalperiphrase aus ihrer Untersuchung aus, da sie ihr auf der Grundlage des enthaltenen Partizips passivische Eigenschaften zuschreibt, die sie als nicht-verbal klassifiziert. Wie die vorgestellte Okkurrenz jedoch zeigt, ist eine passivische Bedeutungskomponente höchstens recht schwach vorhanden. 585 Allerdings treten zwei der Verben im Subjuntivo auf, wobei es sich in gewisser Weise auch um einen abhängigen Modus handelt (cf. bspw. Gili Gaya 1993, 132).
5.1 Korpusanalyse der Objektsätze nach konzeptuellen Bereichen
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Die reißerisch formulierte Aussage wird im Kotext Franco zugeschreiben. Als Subjekt tritt ein Abstraktum auf (el régimen liberal y de partidos, ‘das liberale und Mehrparteiensystem’). Der Experiencer von ha demonstrado (‘hat gezeigt’) wird als PP mit para (‘für’) realisiert (para los españoles, ‘für die Spanier’). Die infinite Struktur bringt einen State zum Ausdruck (ser el más demoledor, ‘das Zerstörerischste zu sein’). Im Gegensatz zu den Beispielen mit finitem Nebensatz liegen hier keine zwei eigenständigen Sachverhalte vor. Die Instantiierung des Zeigens (ha demostrado, ‘hat gezeigt’) besteht darin, was der infinite Anteil der Struktur denotiert. D.h., in der referierten Welt ist das kritisierte politische System zerstörerisch. Die Eigenschaft zeigt sich in einem impliziten Ergebnis, nämlich der (zumindest teilweisen) Zerstörung relevanter Bestandteile des sozialen und öffentlichen Lebens. Es werden hingegen keine weitergehenden Handlungen, die dem System zugeschrieben würden, assertiert. Einer der Infinitive ist wie gesagt dynamisch. Er tritt im folgenden Beispiel auf. [17] Con la mano en el pestillo se pregunta si chirriarán las bisagras: al girar silenciosas ellas le demuestran unirse al pacto. (SON:067.29) ‘Als er die Hand auf den Türriegel gelegt hat, fragt er sich, ob die Scharniere quietschen werden. Indem sie sich jedoch lautlos drehen, zeigen sie ihm ihr Einverständnis.’ Auch in [17] wird ein Experiencer expliziert. Er ist als indirektes Objektpronomen le (‘ihm’) realisiert. Im Beispiel tritt unirse al pacto (etwa: ‘dem Vertrag zustimmen’) auf. Die Struktur ist für sich genommen dynamisch und telisch. Die Verbalstruktur weist auch in ihrer Gesamtheit Telizität auf. Die Bestandteile teilen dabei offenbar ein Ziel. Es besteht darin, dass dem Experiencer evident wird (demuestran, ‘sie zeigen’), dass die Scharniere (las bisagras) seinem Vorhaben positiv gestimmt sind (unirse al pacto, etwa: ‘dem Vertrag zustimmen’). Es könnte argumentiert werden, dass beide Bestandteile unabhängig voneinander Telizität aufweisen. Resistenter ist allerdings die andere Auffälligkeit, nämlich dass sich die zeitliche Ausdehnung kombinatorisch bestimmt. Die beiden Bestandteile sind zeitstrukturell unterspezifiziert, ihnen kommt keine klare eigene Ausdehnung zu. Das mag damit zusammenhängen, dass die Kombination mit dem Konkretum als Subjekt zu einer uneigentlichen Verwendung führt. Schon die Verbindung des Konkretums mit dem Verb demostrar (‘zeigen’) ist zumindest untypisch. Abstrakta können gut als Evidenzgrundlage dienen, Konkreta bedürfen hingegen wohl metonymischer oder anderweitiger Zusammenhänge. Der Umstand ist noch deutlicher bei einer Verbindung mit unirse al pacto (‘einwilligen’), das ein belebtes Denotat fordert mit starker Präferenz für das Merkmal [+ menschlich]. Das Vorhan-
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densein des Experiencers, der mit demostrar (‘zeigen’) eingeführt wird, also unabhängig von der Explizierung durch le (‘ihm’), erleichtert die metaphorische Lesart von (las bisagras) + unirse al pacto (‘(die Scharniere) + einwilligen’). Der Experiencer kann dem Gegenstand ein Verhalten zuordnen und kann es, da er menschlich ist, auch deuten. Wie aus den Ausführungen hervorgeht, nehmen die beiden verbalen Bestandteile auf den gleichen Sachverhalt Bezug: Das Verhalten der Scharniere ist wie erhofft. Es geht in dem Teil des Satzes also um die Wahrnehmung und Wertung durch den Experiencer hinsichtlich des Umstands, der im Adverbialsatz zuvor beschrieben wird (al girar silenciosas, ‘indem sie sich lautlos drehen’). Die funktionale Interpretation der untersuchten Verbalstruktur ähnelt derer einer Diathese im weiteren Sinne: Die Einfügung von demostrar (‘zeigen’) verändert und konkreter erweitert hier die Aktantenstruktur (cf. etwa die Ausführungen Tesnières, 1980, 181, zu einer «kausative[n] Diathese»). Wie bereits angesprochen, können sich die infiniten Strukturen den Verbalperiphrasen annähern. Das folgende Beispiel mit demostrar (‘zeigen’) illustriert den Umstand besonders gut. Es enthält wiederum ein nicht-menschliches, genauer: abstraktes, Subjektdenotat. Einerseits schließt demostrar (‘zeigen’) wie gesagt solche Subjekte nicht aus. Es handelt sich also nicht um semantisches Bleaching. Daher kann der Umstand nicht als Indiz genommen werden für eine funktionale Änderung der Struktur, möglicherweise auf dem Weg zu einer Verbalperiphrase. Andererseits ist es, zumindest in den beiden folgenden Okkurrenzen, aber doch so, dass der Umstand eine engere Verbindung innerhalb der Struktur zu erleichtern scheint. Im folgenden Beispiel zeigt sich deutlich, dass eine Verbindung auch kaum mehr als aspektuellen Wert haben kann. [18] Al parecer, sólo cuando sus nombres se escriban con letras de sangre, los númenes demostrarán ser verdaderos. (RAT:096.03) ‘Wie es scheint, werden sich die Inspirationsquellen nur als wahrhaftig herausstellen, wenn man ihre Namen mit Buchstaben aus Blut schreibt.’ In [18] ist die funktionale Nähe der verbalen Bestandteile recht groß. Auch hier ist die Instantiierung von demostrarán (wörtlich: ‘sie werden zeigen’) das Denotat des Infinitivs (ser verdaderos, ‘wahrhaftig sein’). D.h., der Zeigevorgang bzw. das Ersichtlichwerden bezieht sich auf die Eigenschaftszuordnung. Die Verbindung des telisch zu interpretierenden demostrarán (‘sie werden zeigen’) mit dem State ser verdaderos (‘wahrhaftig sein’) gibt einen (ingressiven) State aus, dessen Anfangspunkt der Moment ist, zu dem die Eigenschaft ersichtlich wird.
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Es sind also vor allem zwei Eigenschaften, die als Hinweis auf eine Desemantisierung und bzw. oder Funktionalisierung von demostrar (‘zeigen’) in entsprechenden Verbindungen mit einem Infinitiv interpretiert werden können: Dem im Extremfall «materiell mehrgliedrige[n] Zeichen, das eine […] eingliedrige Bedeutung hat» (Coseriu 1976, 119 in seiner Definition der Verbalperiphrase), wird über demostrar ein Experiencer zugewiesen sowie Telizität zugeschrieben. Abstrakte Kontexte, insbesondere also Okkurrenzen mit abstraktem Subjektdenotat, erleichtern die Realisierung, da demostrar nicht als konkreter Vorgang interpretiert werden kann. Die beschriebene funktionale Lesart steht als Ersatz bereit. Unabhängig davon, ob die Verbindung der verbalen Bestandteile der relevanten Strukturen als so eng interpretiert wird wie oben vorgeschlagen oder nicht, lässt sich vor dem Hintergrund der Ausführungen eine Opposition festhalten: Während die Sätze, die einen finiten Objektsatz enthielten, zwei eigenständige Sachverhalte zum Ausdruck brachten, ist die Sachverhaltsdomäne bei Infinitsätzen von Uneigenständigkeit gekennzeichnet. Es wird dann ein einzelner Sachverhalt denotiert, bei dem bestimmte Eigenschaften ähnlich wie bei einem Auxiliar durch demostrar (‘zeigen’) festgelegt bzw. ergänzt werden. Es ist davon auszugehen, dass der Umstand ein Sonderfall ist (cf. allerdings die Verwendung von Verben wie prometer, ‘versprechen’, und amenazar, ‘drohen’, in Kombination mit einem Infinitiv in Cornillie 2007, 85ss.). Der einzelne Sachverhalt, der sich bei einer solchen infiniten Struktur ergibt, ist etwas komplexer als einer, der einem typischen einfachen Verb zukommt. Er ist jedoch als konzeptuell weniger umfangreich einzustufen als die Summe der beiden Sachverhalte, die einem Satz mit finitem Objektsatz entsprechen. Es ist also auch hier Komplexitätsikonizität gegeben.
5.1.3 Eigenständigkeit der Zeitreferenz Im Folgenden wird die Komplexitätsikonizität in der temporalen Domäne besprochen. Für die ikonische Realisierung der relevanten Objektsätze ist der Parameter der mehr oder weniger eigenständigen Zeitreferenz anzusetzen. Exemplarisch werden die Verben jurar (‘schwören’), afirmar (‘bestätigen’, ‘angeben’) sowie negar (‘ablehnen’) eingehender behandelt. Es fällt auf, dass es sich dabei um Sprechaktverben im etwas weiteren Sinne handelt,586 sie werden hier als nicht-neutrale, z.T. als wertende Sprechaktverben bezeichnet.
586 Der Begriff der Sprechaktverben ist dabei nicht in Abgrenzung von dem der Verba dicendi intendiert (cf. diesbezüglich Gansel 2005, 1563).
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Die Relevanz der Domäne der Zeitreferenz für die Sprechaktverben hängt mit der semantischen Veranlagung der Verben zusammen. Das Objekt eines Äußerungsaktes weist prinzipiell eine verhältnismäßig weitgehende Flexibilität in Hinblick auf den Äußerungsvorgang auf. Der Objektsatzsachverhalt kann ein hohes Maß an Eigenständigkeit erreichen. Und auch hinsichtlich der Zeitreferenz sind unterschiedliche Möglichkeiten denkbar, wofür ein Faktor die typischerweise geringe zeitliche Ausdehnung des Hauptsatzsachverhalts sein mag. Durch die Involvierung einer Wertung in den propositionalen Akt werden jedoch Präferenzen und u.U. auch Restriktionen insbesondere im Bereich der Temporalität relevant. Wie in Kap. 2.9.4.3 bereits erwähnt, machen Delbecque/ Lamiroy (1999) eine formale Tendenz aus, die mit der Zeitlichkeit zu tun hat. Sie stellen zunächst fest, dass einige dreiwertige Hauptverben sowohl mit finiten als auch mit infiniten satzwertigen Objekten auftreten können (cf. ibid., 2027 mit Verweis auf Alcina Franch/Blecua 1975, 976; cf. aber ibid., 990 für einen differenzierteren Gegenstandpunkt). Sie stellen insbesondere eine Auswahl an neutralen Kommunikationsverben vor (decir, ‘sagen’, contar, ‘erzählen’, und comentar, ‘kommentieren’, ‘erklären’, Beispiele aus Delbecque/Lamiroy 1999, 2028), bei denen im Speziellen laut den Autorinnen infinite Nebensätze typischerweise mit zusammengesetztem Infinitiv realisiert werden (cf. ibid.). Eine punktuelle Korpusanfrage bringt zu wenige Ergebnisse, als dass die Aussage evaluiert werden könnte (http://adesse.uvigo.es/data/avanzado.php, Zugriff: 07.04.16).587 Auf neutralen Kommunikationsverben liegt hier wie besprochen kein Fokus. Bei den im Folgenden behandelten nicht-neutralen Sprechaktverben werden wie bisher nur Okkurrenzen mit Subjektidentität berücksichtigt. Es zeigen sich einige klare Oppositionen, die den hier vertretenen Ansatz stützen. Die Domäne der temporalsemantischen Ikonizität kann so verfeinert werden. Bzgl. der Nebensatzrealisierungen mit dem Matrixverb jurar (‘schwören’) zeigt sich überdies eine leichte Korrelation zu bestimmten Sprechakttypen Searles (1976).
587 Die Suchanfrage umfasst die folgenden Spezifikationen. Es wurden Okkurrenzen aus Spanien gesucht von dreiwertigen Verben, bei denen der Zweitaktant als infiniter Akkusativsatz realisiert sein sollte. Die ADESSE-Datenbank gab weder für decir (‘sagen’) noch für contar (‘erzählen’) Ergebnisse aus (cf. http://adesse.uvigo.es/data/avanzado.php, Zugriff: 07.04.16). Für comentar, ‘kommentieren’, ‘erklären’ wurde ein einzelnes Beispiel gefunden, das auch tatsächlich mit zusammengesetztem Infinitiv realisiert ist (cf. ibid.). Auf der Grundlage nur eines Beispiels kann jedoch keine Tendenz evaluiert werden.
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5.1.3.1 Jurar (‘schwören’) Mit jurar (‘schwören’) wird ein semantisch recht spezifisches, nicht-neutrales Sprechaktverb behandelt. In seiner typischen Verwendung kann es als kommisives Sprechaktverb im Sinne von Searle (1976, 11s., in der Folge von Austin 1962) klassifziert werden. D.h., es bringt den Akt einer Selbstverpflichtung des Sprechers zum Ausdruck. Der Objektsatz denotiert dann den Sachverhalt, zu dem der Sprecher die Haltung der Selbstverpflichtung einnimmt. Die unterschiedlichen Realisierungen des Objektsatzes weisen eine gewisse Tendenz auf, mit divergenten illokutionären Akten nach Searle (1976) zu korrelieren. Die Auffälligkeit wird erst zu Ende des Kapitels vertieft, weil die genannten Tendenzen mit der hier vorgenommenen Klassifizierung nur z.T. kompatibel sind, v.a. aufgrund ihrer stärkeren Variation. Das folgende Beispiel zeigt zunächst die oben beschriebene Ausgangsmöglichkeit. [19] Y me juré estar siempre al lado de los explotados. (HOM:032.03) ‘Und ich schwor mir, immer den Ausgebeuteten zur Seite zu stehen.’ Tatsächlich gehen die strukturellen Divergenzen, die im Folgenden behandelt werden, mit unterschiedlichen Lesarten einher. Die Lesarten werden aber üblicherweise nicht unterschieden (s. aber die Unterscheidung mit Searle 1976 unten). So führt das Diccionario de la lengua española zwar drei transitive Bedeutungen an (cf. http://dle.rae.es/?id=MdqgeJ8, Zugriff: 02.02.19), zwei davon sind allerdings Sonderfälle, nämlich das Ablegen einer Vereidigung gegenüber dem Oberhaupt einer monarchischen Regierungsform (Bedeutung 2) oder einer staatlichen Institution (Bedeutung 3). Beide sind hier nicht weiter relevant. Auch in der ADESSE-Datenbank wird nur eine Bedeutung angeführt (cf. http://adesse. uvigo.es/data/verbos.php?verbo=JURAR, Zugriff: 02.02.19). Die Bedeutungsbestimmung über die Angabe «afirmar, prometer o comprometerse» (ibid., etwa ‘bestätigen, versprechen oder sich verpflichten’) ist allerdings sehr weit gehalten. Wie viele andere Sprechaktverben auch ist jurar (‘schwören’) ein telisches Verb. Lehmann (1991, 233) listet in der Gruppe der Events einige Sprechaktverben, etwa warn und order. Dabei handelt es sich um Verben, bei denen das Subjektdenotat Einfluss auf die zweite beteiligte (nicht-propositionale) Entität zu nehmen versucht. Das ist bei order deutlicher, aber auch mit einer Warnung (warn) kann versucht werden, auf das Verhalten desjenigen Einfluss zu nehmen, dem sie gilt. Das Verb jurar bringt hingegen keine Einflussnahme zum Ausdruck. Auch muss der Drittaktant nicht realisiert sein. Grundlegende Erwartungen zur zeitlichen Gerichtetheit des eingebetteten Sachverhalts sind die folgenden. Bei einem telischen Nebensatzverb ist angrenzende, also direkte Nachzeitigkeit zu erwarten. Ist der Nebensatzsachverhalt ein
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State, so kann er ebenfalls angrenzend nachzeitig eintreten oder aber bereits bei der Realisierung des Hauptsatzsachverhalts gegeben sein. Dann liegt (partielle) Gleichzeitigkeit vor. Im Korpus treten 17 relevante Okkurrenzen auf.588 Von den Nebensätzen sind 6 infinit und 11 finit. Die Verben der finiten Nebensätze stehen allesamt im Indikativ. Es treten keine Subjuntivoformen auf. Von den 6 infiniten Nebensätzen sind 5 angrenzend nachzeitig (Stufe 4 der in Kap. 2.10.2.2 vorgestellten Skala). Das zeigt besonders das Beispiel deutlich, das zu Eingang des Kapitels angeführt wurde. Es wird hier wiederholt. [20] Y me juré estar siempre al lado de los explotados. (HOM:032.03) ‘Und ich schwor mir, immer den Ausgebeuteten zur Seite zu stehen.’ Das Beispiel [20] verdeutlicht gut, warum die angrenzende Nachzeitigkeit bei dieser Struktur als besonders typisch anzusehen ist. Der Vorgang des Schwurs (jurar, ‘schwören’) kann unterschiedliche Instantiierungen haben (s. auch unten). Im Beispiel ist er etwa ein kognitiver Vorgang. Allerdings verfügt er nur sehr selten über eine größere zeitliche Ausdehnung. In [20] ist der Nebensatzsachverhalt ein State, dessen Eintreten auf dem Hauptsatzsachverhalt, der Realisierung des kommissiven Akts, d.h. des Schwurs, beruht. Da das Eintreten auf einen volitionalen Akt gründet, kann die kognitive Präzisierung der Volition, der gedachte Schwur, als direkte Voraussetzung gesehen werden. Kausalität im engeren Sinne wird hier nicht angenommen, da es ja um eine menschliche Entscheidung geht. Die Art des Zusammenhangs ist ihr aber ähnlich. Das heißt also, dass der Abschluss des gedachten Schwurs als Eintrittszeitpunkt des Nebensatzzustands anzusehen ist. Es liegt also angrenzende Nachzeitigkeit vor. [21] Escombatientes [sic] y turistas sollozan y los milicianos de las falanges de Charles Martel juran borrar con sangre la afrenta. (PAI:116.07) ‘Veteranen und Touristen schluchzen und die Milizsoldaten der Karl Martell-Truppen schwören, die Beleidigung mit Blut zu tilgen.’
588 In der ADESSE-Datenbank (http://adesse.uvigo.es/data/avanzado.php, ursprünglicher Zugriff: 18.07.12) fanden sich mit den Spezifikationen der Herkunft der Beispiele: Spanien, sowie der Anzahl der Argumente, nämlich zwei oder mehr, von denen das zweite als satzwertiges Akkusativobjekt realisiert sein sollte, zunächst insgesamt 40 Okkurrenzen. Viele der finiten Objektsätze verfügen über ein nicht-koreferentes Subjekt und wurden daher aussortiert. Hinzu kommen noch mehrere Fälle von verkürztem, verblosem Objektsatz, die ebenfalls von der Analyse ausgeschlossen wurden.
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In [21] ist zu beachten, dass es sich bei borrar con sangre la afrenta (‘die Beleidigung mit Blut tilgen’) um einen komplexen Sachverhalt handelt, was verschiedene Handlungen vor Eintreten des Kulminationspunkts erwarten lässt.589 Angenommene weitere Handlungen, die auf der Ebene des Weltwissens anzusiedeln sind, werden hier ausgeklammert. Insbesondere der aus der lexikalischen Bedeutung abgeleitete Zusammenhang, dass eine Kontaktsituation mit den Übeltätern eintreten muss, bevor ihr Leben gewaltsam beendet wird, ist als Teil einer Vorphase anzusehen. Die Vorphase schließt den zeitlichen Abstand zwischen Hauptsatzsachverhalt, dem Schwur, und der gewaltvollen Kontaktsituation, deren Ende dem Telos des Nebensatzsachverhalts gleichkommt, der blutigen Tilgung der Beleidigung (borrar con sangre la afrenta, ‘die Beleidigung mit Blut tilgen’). Es sind verschiedene Zwischenschritte denkbar, sie sind aber weder nötig, noch werden sie verbalisiert (s. auch Fußnote). Insofern liegt auch hier angrenzende Nachzeitigkeit vor. [22] El mismo país que […] miente hasta en las encuestas anónimas y jura en espectaculares porcentajes no interesarse por el dinero […]. (3VO:016-1.1-67) ‘Das gleiche Land, das sogar in anonymen Umfragen lügt und mit spektulären Prozentzahlen bekräftigt, dass es sich nicht für Geld interessiert.’ Im Gegensatz zu den anderen Okkurrenzen ist der infinite Nebensatz in [22] nicht angrenzend nachzeitig zu interpretieren. Der Nebensatzsachverhalt besteht im Zustand, Desinteresse an Geld zu haben (no interesarse por el dinero, ‘sich nicht für Geld interessieren’). Dieser Sachverhalt ist schon zum Zeitpunkt der Realisierung des Schwurs gegeben und dauert auch darüber hinaus an. Das zeitliche Verhältnis ist also überlappend (Stufe 2). Das Beispiel ist semantisch auffällig, insbesondere hinsichtlich der Verwendung des Matrixverbs. Es ist stilistisch konnotiert und wirkt übersteigernd. Üblicherweise machen die Teilnehmer einer Umfrage (en las encuestas (anónominas), ‘in anonymen Umfragen’) Angaben, aber sie beziehen keine weitere Stellung zum Wahrheitsgehalt. Im Beispiel wird hingegen über die Bewohner eines Landes ausgesagt, dass sie in Umfragen schwören. Der stilistische Effekt wird dadurch verstärkt, dass Prozentzahlen (espectaculares porcentajes, ‘spektakuläre Prozentzahlen’) und gerade nicht einzelne Aussagen als Medium der Schwüre angeführt werden. Das o.g. zeitliche Verhältnis wäre allerdings auch in einem weniger auffälligen Satz möglich. Wichtig ist, dass die Zeitreferenz des Nebensatzes von der
589 Die Überlegung, es wären ja weitere, nicht genannte Sachverhalte denkbar, die zwischen Haupt- und Nebensatzsachverhalt lägen, wird hier als irrelevant eingestuft. Sie basiert offenbar auf nicht im Beispiel auftretendem sprachlichen Material, weshalb sie kaum operationalisierbar ist.
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des Hauptsatzes gesteuert wird. D.h., der Nebensatzsachverhalt hat immer zeitliche Gültigkeit vor, während und nach dem Hauptsatzsachverhalt, unabhängig davon, welche zeitliche Situierung das Matrixverb vornimmt. Bei den finiten Nebensätzen ist im Gegensatz dazu ein eigenständiger Zeitbezug gegeben. Besonders augenscheinlich ist das, wenn kein zeitliches «Kontaktverhältnis» auftritt. Dies wird wiederum beim Fall der getrennten Vor- oder Nachzeitigkeit am deutlichsten, bei dem ein weiterer Sachverhalt zwischen die Sachverhalte tritt, die in Haupt- und Nebensatz zum Ausdruck kommen. Das folgende Beispiel wurde bereits in Kap. 2.10.2.2 als Anschauungsmaterial genutzt und dort auch mit einer Grafik veranschaulicht. [23] Pero j[ú]rame que no le contarás a nadie lo que te voy a decir. (SUR:081.09) ‘Aber schwöre mir, dass du niemandem erzählen wirst, was ich dir sage.’ In [23] wird die folgende zeitliche Abfolge präsentiert. Alle verbalisierten Sachverhalte sind nach dem Sprechzeitpunkt anzusetzen. Der Zeitpunkt des Schwurs (júrame, ‘schwöre mir’) liegt vor dem geschworenen Sachverhalt (no contarás, ‘du wirst nicht erzählen’). Zwischen den beiden Sachverhalten muss allerdings noch der des Erzählens dessen realisiert werden (lo que te voy a decir, ‘was ich dir sagen werde’), was hinterher verschwiegen werden soll. Zuerst soll also der Schwur geäußert werden, dann wird die brisante Information mitgeteilt, die daraufhin, gemäß dem Schwur, nicht weitererzählt werden darf. Der Nebensatzsachverhalt (no contarás, ‘du wirst nicht erzählen’) ist also getrennt nachzeitig zum Hauptsatzsachverhalt (júrame, ‘schwöre mir’). Eine ähnliche Funktionsweise zeigt sich auch im folgenden Beispiel. [24] ¡P[í]deme esta media luna y juro que te la bajo entera! (1IN:047.26) ‘Bitte mich um diesen Halbmond und ich schwöre dir, dass ich ihn dir ganz herunterhole!’ Das Beispiel [24] ähnelt dem zuvor genannten. Allerdings ist die verbalisierte Reihenfolge eine andere. Der Sachverhalt der intendierten Bitte (pídeme esta media luna, ‘bitte mich um diesen Halbmond’) ist logisch nach dem des Schwurs anzusetzen, aber vor der Realisierung des Objektsatzsachverhalts que te la bajo entera (‘dass ich ihn dir ganz herunterhole’). Dass nur diese Reihenfolge möglich ist, wird durch die Konditionalität verdeutlicht. Der Bittsachverhalt ist also das Moment, das die Nicht-Kontiguität realisiert. Natürlich kann der Nebensatz auch vorzeitig sein. Das Beispiel [25] ist auch deshalb interessant, weil die Nicht-Kontiguität schon durch die Verbalflexion angezeigt wird.
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[25] Suelo recoger la correspondencia una vez por semana y al ver que me convocabas hoy mismo, te juro que vine zumbando en el primer taxi. (PAI:135.26) ‘Ich hole die Post normalerweise einmal pro Woche und als ich sah, dass du mich genau heute einludst, ich schwöre dir, dass ich da mit dem ersten Taxi hergeeilt kam.’ Die Verhältnisse des Beispiels sind eingängig. Es ist offensichtlich, dass der Sachverhalt des Schwurs (te juro, ‘ich schwöre dir’) sich nicht in den Erzählstrang einreiht, der in der Vergangenheit liegt, sondern eine externe Evaluation der vergangenen Vorfälle zum Sprechzeitpunkt darstellt. Es ist also Nicht-Kontiguität gegeben, auch wenn kein Sachverhalt explizit eingeschoben wird. Für [26] könnte man sagen, dass die entscheidenden Phänomene der beiden Beispiele [24] und [25] gemeinsam auftreten. [26] [S]i entre las dos opciones resultase verdad la más increíble, juro que haría todo por perseguirte como a un loco peligroso. (ZOR:051.29) ‘Wenn sich von den beiden Optionen die unglaublichere bewahrheiten würde, schwöre ich dir, dass ich alles tun würde, um dich wie einen gefährlichen Verrückten zu verfolgen.’ In [26] gibt es erstens einen Sachverhalt, der zeitlich zwischen den Schwur (juro, ‘ich schwöre’) und den Objektsatzsachverhalt (que haría todo, ‘dass ich alles tun würde’) tritt. Es ist der Umstand, dass sich eine bestimmte Information als wahr herausstellt (si […] resultase verdad, ‘wenn sie sich als wahr herausstellte’). Die Besonderheit ist jedoch zweitens, dass nur der Schwur selbst, nicht aber der Nebensatzsachverhalt in der Diskurswelt bzw. der erzählten Welt w1 anzusiedeln ist. Der Nebensatzsachverhalt wird hingegen in einer möglichen Welt verortet, deren Eintreten bestimmten Voraussetzungen unterliegt. Die Eintretensvoraussetzungen werden in der Protasis des Konditionalsatzes expliziert, die mit si (‘wenn’) eingeleitet wird. Die Differenzierung der referierten Welt wird durch grammatische Mittel, nämlich die Verbalflexion, verdeutlicht. Juro (‘ich schwöre’) steht im Indikativ Präsens und haría (‘ich würde tun’) im Konditional.590 Das Beispiel wird in Kap. 5.1.4.2 nochmals aufgegriffen. Von den 11 Okkurrenzen mit koreferentem Subjekt im finiten Nebensatz sind 8 getrennt vor- oder nachzeitig oder können so interpretiert werden. Mit dem obigen Beispiel wurde zudem der nur einmal auftretende Sonderfall der Bezugnahme auf eine eigenständige Welt vorgestellt. Die Divergenz gegenüber
590 In der Protasis steht resultase verdad (‘bewahrheiten würde’) im Imperfecto de Subjuntivo.
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den infiniten Nebensätzen ist also schon an diesem Punkt nicht von der Hand zu weisen. Es bleiben allerdings 2 Okkurrenzen. Bei ihnen liegt recht strikte Gleichzeitigkeit zwischen Haupt- und Nebensatz vor. Entscheidend ist, dass sie, wie auch die anderen finiten Okkurrenzen, über eine eigenständige Zeitreferenz verfügen. Das folgende Beispielpaar kann die Divergenz zwischen infinitem und finitem Nebensatz verdeutlichen. [27] El mismo país que […] miente hasta en las encuestas anónimas y jura en espectaculares porcentajes no interesarse por el dinero […]. (3VO:016-1.1-67) ‘Das gleiche Land, das sogar in anonymen Umfragen lügt und mit spektulären Prozentzahlen bekräftigt, dass es sich nicht für Geld interessiert.’ [28] Te lo advierto y te juro que hablo muy en serio. (CIN:036.11) ‘Ich rate es dir und ich schwöre dir, dass ich sehr ernst meine, was ich sage (wörtl.: dass ich sehr im Ernst spreche).’ In [27], der Okkurrenz mit infinitem Nebensatz, ist die Zeitreferenz des Nebensatzes beidseitig überlappend. Wichtig ist, dass der Nebensatzsachverhalt temporal an den des Hauptsatzes gebunden ist. In [28] ist die Zeitreferenz des Nebensatzes zwar auch gleich wie die des Hauptsatzes, beide verweisen auf den Sprechzeitpunkt. Es könnte zwar für eine etwas weitere Ausdehnung des Nebensatzsachverhalts argumentiert werden, er ist aber nicht so weit überlappend wie im Fall von [27]. Daher wurde in der Heranführung an das Beispielpaar die Formulierung einer eher strikten Gleichzeitigkeit gewählt. Im Gegensatz zum infiniten Beispiel ist in [28] aber die Nebensatzzeitreferenz prinzipiell unabhängig von der des Hauptsatzes. Der Sprecher könnte bspw. auch zu einem späteren Zeitpunkt noch die genannte Haltung zu seinen Aussagen einnehmen (bspw. te juraré que hablo muy en serio, ‘ich werde dir schwören, dass ich sehr ernst meine, was ich sage’). Da beim diskutierten Beispiel die Koinzidenz des Zeitpunkts außersprachlich gegeben ist, wird sie auch versprachlicht. Dennoch wird offenbar zweimal eigenständig auf ihn Bezug genommen. Der Effekt einer Gleichzeitigkeit wäre zudem in [28] nicht mittels eines Infinitivs erreichbar. Die Aussage, te juro hablar en serio (‘ich schwöre dir, ernsthaft zu sprechen’) würde eine angrenzende Nachzeitigkeit des Nebensatzsachverhalts zum Ausdruck bringen. Relevant für die Divergenz zwischen den beiden Beispielen ist auch die Aktionsart der Verben. Hablar (‘sprechen’) in [28] ist ein Activity-Verb, (no) interesarse (‘sich (nicht) interessieren’) in [27] ist hingegen ein State. Die Realisierung der 17 Okkurrenzen mit jurar (‘schwören’) ist jeweils mit dem hier vorgeschlagenen Ansatz erklärbar. Den Varianten mit relativ komplexer Realisierung, nämlich der subordinierenden Konjunktion que (etwa: ‘dass’) und einem finiten Verb, entspricht auf der Ebene der Konzeptualisierung eine
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stärkere Komplexität als den Okkurrenzen ohne Konjunktion und mit infinitem Verb. Insgesamt 16 Okkurrenzen lassen sich anhand der Temporalität und der Frage nach der Eigenständigkeit ihrer Zeitreferenz einordnen. Ein weiterer Fall, in dem im Objektsatz ein Condicional auftritt, ist besser beschreibbar, wenn der Weltbezug berücksichtigt wird (s. Kap. 5.1.4.2). Wie oben angesprochen, zeigt sich überdies eine gewisse Korrelation zur Klassifikation illokutionärer Akte nach Searle (1976). Searle (1976, 1) unterscheidet fünf Typen von Sprechakten: «representatives (or assertives), directives, commissives, expressives, and declarations». Drei davon greifen bei den Daten zu jurar (‘schwören’). Erstens ist der bereits oben angesprochene kommissive Sprechakt zu nennen, bei dem sich der Sprecher selbst verpflichtet und auf eine zukünftige Handlung festlegt (cf. ibid., 11 sowie bspw. Becker 2013, 165). Zweitens ist der repräsentative / assertive Akt zu nennen. Dabei bestimmt der Sprecher einen Sachverhalt als wahr (cf. Searle 1976, 10). Beim dritten, dem direktiven Sprechakt nimmt der Sprecher Einfluss auf den Hörer und versucht, ihn zu einer Handlung zu bewegen (cf. ibid. sowie Becker 2013, 165). Es fällt nun auf, dass sich die Okkurrenzen der beiden formalen Realisierungen tendenziell unterschiedlich gliedern lassen. Die Strukturen mit Infinitiv lassen sich dominant dem kommissiven Sprechakt zuorden (5 der 6 Okkurrenzen, s. [19] bzw. [20], das hier als [29] wiederholt wird, und [21] oben), die finiten hingegen leicht mehrheitlich dem repräsentativen / assertiven Typ (6 von 11 Okkurrenzen, s. [25], hier als [30] wiederholt, sowie mit Einschränkung [28]591), in Einzelfällen auch dem direktiven Akt (2 Okkurrenzen, s. [23], das als [31] wiederholt wird). [29] Y me juré estar siempre al lado de los explotados. (HOM:032.03) ‘Und ich schwor mir, immer den Ausgebeuteten zur Seite zu stehen.’ [30] Suelo recoger la correspondencia una vez por semana y al ver que me convocabas hoy mismo, te juro que vine zumbando en el primer taxi. (PAI:135.26) ‘Ich hole die Post normalerweise einmal pro Woche und als ich sah, dass du mich genau heute einludst, ich schwöre dir, dass ich da mit dem ersten Taxi hergeeilt kam.’ 591 Das Beispiel könnte evtl. auch als kommissiver Akt eingeordnet werden. Es wird hier als repräsentativer / assertiver Akt klassifiziert, weil sich der Sprecher eher auf die Wahrheit eines Sachverhalts festlegt als zu einer eigenen Handlung verpflichtet (cf. Searle 1976, 10s. sowie für die Formulierungen auch Becker 2013, 164s.). Beim kommissiven Akt ist zudem, wie Searle (1976, 11) angibt, generell eine futurische Komponente enthalten, was im Beispiel nicht gegeben ist.
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5 Objektsätze
[31] Pero j[ú]rame que no le contarás a nadie lo que te voy a decir. (SUR:081.09) ‘Aber schwöre mir, dass du niemandem erzählen wirst, was ich dir sage.’ Die Beispiele veranschaulichen den Gegensatz. Im Korpus ließe sich also die Realisierung von 76,5% der Okkurrenzen (13 von 17) auf Basis der Sprechaktklassifizierung Searles (1976) oppositiv bestimmen. Die weiteren Beispiele, d.h. 22,5% der Okkurrenzen, stehen der Tendenz allerdings entgegen (s. [22] bzw. [27], das unten als [32] wiederholt wird sowie [24] und [26], unten als [33] wiederholt), sodass der Ikonizitätsgedanke hier weniger angemessen erscheint. Eine Korrelation zwischen der Realisierung und dem Sprechakt ist in den Daten allerdings nicht von der Hand zu weisen. [32] El mismo país que […] miente hasta en las encuestas anónimas y jura en espectaculares porcentajes no interesarse por el dinero […]. (3VO:016-1.1-67) ‘Das gleiche Land, das sogar in anonymen Umfragen lügt und mit spektulären Prozentzahlen bekräftigt, dass es sich nicht für Geld interessiert.’ [33] [S]i entre las dos opciones resultase verdad la más increíble, juro que haría todo por perseguirte como a un loco peligroso. (ZOR:051.29) ‘Wenn sich von den beiden Optionen die unglaublichere bewahrheiten würde, schwöre ich dir, dass ich alles tun würde, um dich wie einen gefährlichen Verrückten zu verfolgen.’ Während oben die Tendenz besprochen wurde, dass Strukturen mit infinitem Objektsatz einen kommissiven, solche mit finitem Nebensatz aber einen repräsentativen / assertiven Akt zum Ausdruck bringen, ist bzgl. [32] und [33] gerade die entgegengesetzte Sprechaktklassifikation vorzunehmen. In [32] wird der Wahrheitsgehalt bekräftigt, [33] ist hingegen ein Fall von konditionierter Kommissivität (Martin Becker, persönlicher Hinweis vom 16.08.16). Der Sprecher verpflichtet sich unter bestimmten Bedingungen zu einer zukünftigen Handlung. Die tendenzielle Korrelation weist mithin ein geringeres deskriptives Potential auf als der hier vertretene Ansatz. Sie lässt sich allerdings aus dem vertretenen Ansatz heraus motivieren. Die Präferenz der infiniten Struktur für einen kommissiven Akt resultiert aus der Matrixverbbedeutung in Verbindung mit der nachzeitigen Kontiguität. Die Kombination bietet sich aufgrund des futurischen Charakters für eine Selbstverpflichtung an. Wegen der temporalen Kontiguität ist zudem kein «Platz» für eine Konditionierung, die die Verhältnisse temporal und generell konzeptuell komplexer machen würde. Bspw. ist kein Einschub möglich. Das spricht für die finite Realisierung der kommissiven Akte in [24] mit leichter Konditionierung und dem besprochenen Beispiel [33]. Die finite Realisierung
5.1 Korpusanalyse der Objektsätze nach konzeptuellen Bereichen
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lässt also eine größere Variabilität in der temporalen Strukturierung zu. Vor dem Hintergrund ist die oben angesprochene Diversifizierung der realisierten Sprechakte naheliegend. 5.1.3.2 Afirmar (‘bestätigen’, ‘angeben’) und negar (‘ablehnen’) Mit afirmar (‘bestätigen’, ‘angeben’) und negar (‘ablehnen’) werden zwei polare Sprechaktverben behandelt. Sie verfügen über eine etwas geringere Intension als jurar (‘schwören’). Auch hier sind ikonische Verhältnisse gegeben. Die besprochenen semantischen Oppositionen spiegeln sich in der formalen Realisierung wider. Entscheidend ist wiederum die zeitliche (Nicht-)Kontiguität von Sachverhalten. Bei einer Struktur ist allerdings ein zeitstrukturell nicht-komplexer Zusammenhang komplex realisiert. Es findet sich aber keine Okkurrenz, in der auch das Gegenstück repräsentiert wäre. Es ist somit nur einseitige Durchlässigkeit gegeben. Sowohl afirmar (‘bestätigen’, ‘angeben’) als auch negar (‘ablehnen’) können als punktuelle Sprechaktverben verwendet werden. Sie sind dann telisch und der ausgedrückte Sachverhalt verfügt über eine eher geringe zeitliche Ausdehnung. Sie sind zwei- und dreiwertig konstruierbar. Sie unterscheiden sich von anderen, typischeren Verba dicendi, bei denen, wie Lehmann (1991, 232) angibt, «the undergoer, namely a linguistic object, is effected». Er führt say und shout als Beispiele für zweiwertige Verben an (cf. ibid.; s. [34]). Tatsächlich können sich die beiden hier betrachteten Verben, insbesondere negar (‘ablehnen’), den Kognitionsverben annähern, die Lehmann (1991, 232) an gleicher Stelle behandelt. Dann würde bspw. eine ablehnende Haltung ausgedrückt und es wäre keine Punktualität gegeben. Im Korpus spielt diese Möglichkeit allerdings keine besondere Rolle. Im Gegensatz zu jurar (‘schwören’) wird für die zeitliche Gerichtetheit des Nebensatzsachverhalts bei afirmar (‘bestätigen’, ‘angeben’) zunächst Gleichzeitigkeit erwartet (s. [34]). Aufgrund des etwas reduzierten semantischen Gehalts des Verbs ist eine hohe zeitliche Flexibilität möglich. Bei negar (‘ablehnen’) macht die Semantik hingegen vor allem einen vor-, evtl. auch einen gleichzeitigen Nebensatzsachverhalt wahrscheinlich (s.u.). [34] El regidor melidense afirma sentirse muy satisfecho y orgulloso por haber tomado parte en esta expedición [...]. (1VO:038-1.1-03) ‘Der Stadtrat Melillas gibt an, sich sehr zufrieden und stolz zu fühlen, an dieser Reise teilgenommen zu haben.’ Im Korpus sind jeweils 9 Okkurrenzen der beiden Verben relevant. Bei afirmar (‘bestätigen’, ‘angeben’) sind es 4 Infinitive. Von 72 indikativischen Nebensätzen verfügen 5 über ein zu dem des Hauptsatzes koreferentes Subjekt. Es tritt ein
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5 Objektsätze
Nebensatz im Subjuntivo auf, allerdings ohne Subjektkoreferenz. Der Hinweis, dass afirmar (‘bestätigen’, ‘angeben’) üblicherweise mit Indikativ auftritt, findet sich etwa bei Martínez (2005, 63). Von den vier infiniten Nebensätzen treten zwei mit einfachem Infinitiv wie im obigen Beispiel auf. Beide sind entsprechend der Erwartung gleichzeitig zum Hauptsatz zu interpretieren. Zudem treten zwei zusammengesetzte Infinitive im Korpus auf. [35] Al fin empecé a oír el rumor de pasos impacientes que me buscaban, la voz de mamá preguntando por mí y la de Agustina afirmando no haberme visto en toda la tarde. (SUR:030.13) ‘Schließlich begann ich, die Geräusche ungeduldiger Schritte auf der Suche nach mir zu hören, die Stimme meiner Mutter, die nach mir fragte, und die von Agustina, die angab, mich den ganzen Nachmittag nicht gesehen zu haben.’ Das Beispiel [35] ist der typische Fall einer perfektischen Verwendung. Der Zustand no haber visto (‘nicht gesehen haben’) hat zum Sprechzeitpunkt Gültigkeit. Es liegt also ein zeitliches Relevanzverhältnis zwischen dem eingebetteten Sachverhalt und dem Hauptsatzzeitpunkt vor (Stufe 3 der Skala der Eigenständigkeit des Temporalbezugs, s. Kap. 2.10.2.2). Komplexere zeitliche Verhältnisse werden im Korpus mit finitem Nebensatz zum Ausdruck gebracht (s. [36]). [36] Un estadounidense acusado de asesinato afirma que lo preparó como «una película» (2VO:017-4.0-03)592 ‘Ein des Mordes angeklagter US-Amerikaner gibt an, dass er den Mord wie einen Film vorbereitete (oder: vorbereitet hatte).’ In [36] liegt getrennte Vorzeitigkeit vor. Im Satz geht es darum, dass ein des Mordes Angeklagter gesteht, er habe den Mord, dessen er angeklagt ist, effektvoll vorbereitet. Der Sachverhalt, der zwischen den Haupt- (afirma, ‘gibt an’) und den Nebensatzsachverhalt (preparó, ‘bereitete vor’) tritt, ist der Mord selbst. Es wird lexikalisch vereindeutigt, dass er stattgefunden hat. Die logischen Zusammenhänge machen den Einschub zwischen die anderen beiden Sachverhalte nötig.
592 Bei dem Beispiel handelt es sich um eine Überschrift. Das Pronomen lo (‘ihn’) ist ein wenig auffällig, referiert es doch auf das relativ weit eingebettete Nomen in einer Genitiv-PP. Ansonsten ist nur das Fehlen des Punkts als Besonderheit anzuführen. Mithin ist der Satz als Beispiel geeignet.
5.1 Korpusanalyse der Objektsätze nach konzeptuellen Bereichen
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Mit [37] liegt eine Okkurrenz mit zusammengesetztem Infinitiv vor, die entgegen der oben vorgestellten aoristisch ist und sich so dem Beispiel mit finitem Verb und getrennter Vorzeitigkeit in [36] annähert. [37] La información sobre el despido de D. coincide con la publicación [...] de las declaraciones de W[.], otro traficante de armas que afirma haber mantenido conversaciones con el periodista y correspondencia para la venta de armamento a Nigeria [...]. (1VO: 008-1.2-33) ‘Die Information über die Entlassung von D. fällt zeitlich mit der Veröffentlichung der Äußerungen von W. zusammen, einem anderen Waffenhändler, der angibt, Gespräche mit dem Journalisten geführt und eine Korrespondenz für den Waffenhandel nach Nigeria unterhalten zu haben.’ Wie das Beispiel zeigt, ist auch hier ein u.U. zwischen der Zeitreferenz des Haupt(afirma, ‘gibt an’) und des Nebensatzes (haber mantenido, ‘geführt zu haben’) situierter Sachverhalt im Satz vorhanden, die Entlassung von D. (el despido de D). Das deutet darauf hin, dass die infinite Realisierung doch damit kompatibel sein könnte. Der entscheidende Unterschied zwischen [37] und [36] ist aber offenbar, dass der in [36] eingeschobene Sachverhalt das entscheidende Element des Satzes ist. Der Mord ist an seine Vorbereitung gebunden und v.a. ist es ausgeschlossen, dass im Nachgang Aussagen darüber getätigt werden, wenn er nicht eingetreten ist. In [37] sind hingegen weder Haupt- noch Nebensatz in logischer Weise an den anderen Sachverhalt gebunden. Besonders wichtig für die Möglichkeit der infiniten Realisierung scheint zudem zu sein, dass der Nebensatzsachverhalt keine konkrete zeitliche Verortung erfährt. In [37] wird vielmehr eher eine Art existentielle Aussage getroffen. Auch dies ist also ein klares Argument gegen eine freie Variation. Das weitere Korpusmaterial enthält einzelne Fälle, die mit der Theorie nicht völlig eindeutig erklärbar sind (s.u.). Es tritt aber keine Okkurrenz auf, die ihr widersprechen würde. Die folgenden beiden Okkurrenzen sind recht eindeutig und zeigen die getrennte Vorzeitigkeit in der Vergangenheit (s. [38]) sowie getrennte Nachzeitigkeit (s. [39]). [38] Afirmó que nunca había tenido novia y muy pocos amigos. (3VO:026-3.4-10) ‘Er gab an, dass er nie zuvor eine Freundin und sehr wenige Freunde gehabt hatte.’ [39] Afirma que solicitará a la Consellería de Educación la convocatoria de la Mesa sectorial de universidades […]. (1VO:030-1.3-15) ‘Es (d.h., das Rektorat) gibt an, dass es beim Bildungsministerium beantragen wird, die Universitäten zu Verhandlungen einzuberufen.’
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5 Objektsätze
In [38] wird eine Situation vor Gericht rekapituliert. Die Person, deren Aussage wiedergegeben wird, ist angeklagt, einen Vergewaltigungsversuch unternommen und das Opfer verletzt zu haben. Für die getrennte Vorzeitigkeit kann wie folgt argumentiert werden. Der eigentliche Referenzzeitpunkt des Nebensatzes im Plusquamperfekt (que nunca había tenido novia, ‘dass er nie eine Freundin gehabt hatte’) ist nicht der von afirmó (‘er gab an’) gesetzte Zeitpunkt, sondern vielmehr der Tatzeitpunkt, der vor der Aussage vor Gericht liegt. Zwischen den Zeitpunkten, die vom Hauptund vom Nebensatz eingeführt werden, liegt demnach eine gewisse Zeitspanne.593 Der Satz in [39] ist ein Ausschnitt aus einem mehrere Punkte umfassenden Plan zum zukünftigen Vorgehen eines universitären Rektorats, den es zum Teil öffentlich gemacht hat. Die Nicht-Kontiguität der Nachzeitigkeit kann nur anhand von außersprachlichem Wissen verdeutlicht werden. Der Vorgang in einer Verhandlungssituation wie der des Beispiels ist, dass zunächst die Verhandlungen abgeschlossen werden und dann ggfs. die Umsetzung der Absprachen angegangen wird. Es ist Teil der Verhandlungen, dass ein Plan vorgelegt wird. Ihm muss zugestimmt werden, damit die Verhandlungen abgeschlossen werden können. Wie gesagt, handelt es sich dabei aber um außersprachliches Wissen. Es kann hier nicht geklärt werden, welche Rolle es für die Konzeptualisierung spielt. [40] Los empresarios son reacios a invertir e incluso afirman que temen lo que pueda suceder en los próximos meses. (3VO:061-2.2-08) ‘Die Unternehmer sind Investitionen gegenüber abgeneigt und geben sogar an, Angst davor zu haben, was in den kommenden Monaten passieren könnte.’ Die Struktur in [40] tritt sehr ähnlich im Korpus noch ein zweites Mal auf. Da die weitere Nennung allerdings in der Überschrift zum entsprechenden Zeitungsartikel erfolgt,594 können daraus keine Rückschlüsse auf ihre Frequenz gezogen werden. Es handelt sich hierbei um eine Struktur, deren Temporalsemantik die hier vorgestellte Theorie als nicht-komplex einordnet. Im Haupt- (afirman, ‘sie
593 Die koordinierte NP könnte als Indiz dagegen angeführt werden. Die Feststellung, Freunde zu haben (muy pocos amigos, ‘sehr wenige Freunde’) müsste auch für den Sprechzeitpunkt Relevanz haben. Tatsächlich ist aber die koordinierte NP mit dem Polaritätswechsel nicht die natürlichste Ausdrucksweise. Der Gedanke soll daher nicht weiterverfolgt werden. 594 Die Formulierung lautet dort: Los empresarios no invierten y afirman que temen lo que pueda suceder en próximos meses (3VO:061–2.0–01) (‘Unternehmer investieren nicht und geben an, dass sie Angst haben, was in kommenden Monaten geschehen könnte’). Der fehlende Artikel in der PP en próximos meses (‘in kommenden Monaten’) ist eine Besonderheit, die so vermutlich nur in einer Überschrift auftauchen kann.
5.1 Korpusanalyse der Objektsätze nach konzeptuellen Bereichen
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geben an’) und im Nebensatz (que temen, ‘dass sie fürchten’) wird auf den gleichen Zeitpunkt Bezug genommen. Der Nebensatzsachverhalt scheint zeitlich unmarkiert im Verhältnis zu dem des Hauptsatzes, er ist temporal beidseitig überlappend. Das Nebensatzverb ist atelisch. All das würde entsprechend der Theorie für die infinite Realisierung sprechen. Immerhin gibt es ein einzelnes Indiz für die zeitreferentielle Eigenständigkeit des Nebensatzes, die in den Nebensatz eingebettete Temporalangabe. Dass es sich dabei aber um keine hinreichende Voraussetzung handeln kann, zeigt das o.g. Beispiel [35] mit einem zusammengesetzten Infinitiv und der Angabe en toda la tarde (‘den ganzen Nachmittag’). Letztlich ist zu sagen, dass die Struktur in [40] nicht den Erwartungen der hier vorgestellten Theorie entspricht. Demnach wäre im Bereich der zeitlichen (Un-)Eigenständigkeit ein komplexer Ausdruck für einen konzeptuell nichtkomplexen Inhalt möglich. Der entgegengesetzte Fall tritt, wie gezeigt wurde, allerdings im Korpus nicht auf. Für die komplexe sprachliche Repräsentation der konzeptuell nicht-komplexen Struktur ließen sich u.U. Argumente finden, bspw. dass der Sprecher den Hörer zu einer besonders bewussten Verarbeitung des Inhalts anhalten will. Das ist allerdings Spekulation und soll daher nicht vertieft werden. Die wichtigere Frage ist, welche weiteren Erkenntnisse die Korpusanalyse des polar entgegengesetzten Verbs negar (‘ablehnen’) bringt. Wie zu Eingang des Kapitels besprochen, hat negar (‘ablehnen’) eine ähnliche semantische Struktur wie afirmar (‘bestätigen’, ‘angeben’). Es ist ebenfalls ein Sprechaktverb mit geringer zeitlicher Ausdehnung. Es drückt allerdings die entgegengesetzte Haltung des Subjektdenotats zum Sachverhalt des Objektsatzes aus. Im Korpus sind ebenfalls 9 relevante Okkurrenzen vorhanden. Allerdings ist die Verteilung etwas anders als beim zuvor besprochenen Verb. Es treten nur zwei infinite Nebensätze auf. Einer von zwei indikativischen Nebensätzen verfügt über Subjektidentität, ebenso wie immerhin 6 von 15 Nebensätzen im Subjuntivo. Die beiden infiniten Nebensätze sind im Rahmen der Erwartungen Standardfälle. [41] Por supuesto, si hubiera algún accidente, el Ministerio negará saber de tu existencia. (LAB:024.34) ‘Wenn es natürlich zu irgendeinem Unfall kommen sollte, wird das Ministerium ablehnen, von deiner Existenz zu wissen.’ In [41] ist wie auch in der anderen Okkurrenz im Korpus der Nebensatzsachverhalt (saber, ‘wissen’) gleichzeitig zu dem des Hauptsatzes (negará, ‘wird ablehnen’). Er wird mit einem atelischen Verb ausgedrückt und ist beidseitig weiter ausgedehnt als der vom Sprechaktverb denotierte Sachverhalt. Das nicht-komplexe zeitliche Verhältnis wird also mit der nicht-komplexen Struktur ausgedrückt.
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Beim finiten Nebensatz ist der Subjuntivo offenbar häufiger. Das ist auf die Semantik von negar (‘ablehnen’) zurückzuführen, die eine ablehnende Haltung zum Nebensatzsachverhalt zum Ausdruck bringt. Das Matrixverb drückt hinsichtlich der Nebensatzproposition p aus, dass ¬ p (nicht-p) gilt. Die Kontrafaktizität wird ggfs. durch den Subjuntivo im Nebensatz zum Ausdruck gebracht (cf. bspw. Portner 2011, 1274). Es fällt zudem auf, dass in allen 6 Nebensätzen im Subjuntivo ein vorzeitiger Sachverhalt zum Ausdruck kommt (s. etwa [42]). Auch dieser Umstand ist in Anbetracht der Verbalsemantik naheliegend. Das Matrixverb negar (‘ablehnen’) drückt aus, dass eine ablehnende Haltung zum eingebetteten Sachverhalt eingenommen wird. Es scheint dabei typischer zu sein, dass ein angenommener bzw. von einer weiteren menschlichen Entität präsentierter vergangener Sachverhalt evaluiert wird, als dass ein zukünftiger Sachverhalt zur Diskussion steht. [42] Explicó que le cogió dinero a su primo y se fue a Barcelona. El acusado negó que hubiera hurgado en los bolsillos al anciano […]. (1VO:024-2.2-05) ‘Er gab an, dass er Geld von seinem Vetter genommen hatte und nach Barcelona gefahren war. Der Angeklagte stritt ab, in den Taschen des Alten gewühlt zu haben.’ In [42] tritt wie in 3 weiteren Beispielen ein Plusquamperfekt im Nebensatz auf. In den Okkurrenzen verdeutlicht die Verbalform jeweils, dass der Nebensatzsachverhalt auf einem anderen zeitlichen Erzählstrang zu situieren ist als der des Matrixverbs. In [42] zeigt der miteingefügte vorangehende Satz (que […] se fue a Barcelona, ‘dass er nach Barcelona gefahren war’), dass der eingebettete Satz (que hubiera hurgado, ‘dass er gewühlt hätte’) auch im Rahmen der Erzählung des Angeklagten (el acusado) einen Rückgriff darstellt. Er wird zu einem Zeitpunkt vor der Fahrt nach Barcelona realisiert, dem Zeitpunkt nämlich, an dem der Angeklagte mutmaßlich eine Straftat verübt. Sowohl explicó (‘er gab an’) im vorangehenden als auch negó (‘er stritt ab’) im Matrixsatz beziehen sich auf den Zeitpunkt der Situation vor Gericht, der getrennt nachzeitig zu den Zeitpunkten ist, zu denen die besprochenen Handlungen des Angeklagten stattgefunden haben (cogió, ‘nahm’, se fue, ‘ging’, und insbesondere hubiera hurgado, ‘gewühlt hätte’). [43] […] Domínguez negó que se quedara con la droga […]. (2VO:016-2.1-20) ‘Domínguez stritt ab, die Drogen behalten zu haben.’ Im in [43] gezeigten Ausschnitt geht es ebenfalls um eine Person, die vor Gericht steht. Wie auch in einem weiteren Fall im Korpus tritt im Objektsatz ein Imperfecto de Subjuntivo (que se quedara, ‘dass er sie behalten habe’) auf. Es wird
5.1 Korpusanalyse der Objektsätze nach konzeptuellen Bereichen
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also formal keine Vorzeitigkeit vereindeutigt. Dennoch sind die semantischen Verhältnisse so wie oben beschrieben. Der Nebensatzsachverhalt wird für einen bestimmten getrennt vorzeitigen Zeitpunkt assertiert. Der vom Matrixverb denotierte Sachverhalt wird auf einem anderen Erzählstrang situiert. Bei den finiten Nebensätzen im Subjuntivo ist im Falle von negar (‘ablehnen’) also jeweils zeitliche Eigenständigkeit gegeben. Sie sind temporalsemantisch komplex. Da sie komplex realisiert sind, können sie als ikonisch klassifiziert werden. Das Korpus enthält eine Okkurrenz mit indikativischem Nebensatz. Sie scheint einen Sonderfall darzustellen. [44] No me niegues que, en este sentido, no te sientes otra. (ZOR:013.27) ‘Lehne mir ja nicht ab, dass du dich in diesem Sinne nicht als andere fühlst.’ Das Beispiel ist auffällig, insbesondere aufgrund der gegensätzlichen Polarität des Nebensatzes (negar (que) no, ‘ablehnen, (dass) nicht’). Auf der Ebene der Temporalität ist Gleichzeitigkeit gegeben. Naheliegend ist die Annahme, dass der Nebensatzsachverhalt (que no te sientes otra, ‘dass du dich nicht als andere fühlst’) weiter ausgedehnt ist als der des Hauptsatzes. Dafür spricht auch, dass die verbale Struktur atelisch ist. Die Folgerung wäre, dass keine temporalsemantische Eigenständigkeit und damit auch keine zeitliche Komplexität gegeben sind. Dennoch scheint eine infinite Realisierung zumindest unwahrscheinlich. Die Feststellung lässt sich durch eine punktuelle Untersuchung des Korpus CREA stützen. Diverse Korpusanfragen der Struktur negar no (± {haber / sentir}) (‘abstreiten nicht (± haben / fühlen)’) mit unterschiedlicher Verbalflexion ergibt nur eine relevante Okkurrenz, die allerdings viermal auftritt (http://corpus.rae.es/creanet. html, Zugriffe: 08. und 09.01.15).595 Es ist «X niega no amar a B» (‘X streitet ab, B nicht zu lieben’), ein Zitat aus einem Fachbuch für Psychologie.596 Die Okkurrenz ist offenbar nur mit Einschränkung Teil natürlicher Sprache. Das Beispiel [44]
595 Die Anfragen umfassen den Infinitiv sowie die Präsensformen von negar (‘ablehnen’), bspw. «niega no» und «niegues no» (http://corpus.rae.es/creanet.html, Zugriff: 08.01.15). Neben der im Fließtext genannten Okkurrenz gibt bspw. die Anfrage «niega no» 11 weitere Okkurrenzen aus, die hier jedoch nicht relevant sind. Als weitere Beispiele seien die Anfrage «niegues no», die keine, und «niegan no», die 4 nicht relevante Treffer ausgibt. «negar no» gibt 3 Ergebnisse mit anderem semantischen Gehalt aus. Die Anfragen zur gegensätzlichen Polarität unter expliziter Angabe eines Infinivs, «niega no haber» und «niega no sentir», geben keine Ergebnisse aus (http://corpus.rae.es/creanet. html, Restriktion: Land España, Zugriff: 09.01.15). 596 Die Okkurrenz entspringt dem ersten Band von Castilla del Pino (1993) (http://corpus.rae. es/creanet.html, Zugriff: 08.01.15).
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hingegen ist, wenn auch nicht besonders wahrscheinlich, so doch Teil natürlichen Sprachgebrauchs und muss dementsprechend behandelt werden. Vor dem Hintergrund der vorgestellten Korpusuntersuchung im CREA ist also davon auszugehen, dass die Struktur nur mit einem finiten Nebensatz möglich ist. Im Rahmen des hier verfolgten Ansatzes scheint eine mögliche Erklärung zu sein, dass im Beispiel zwei Sachverhalte entgegengesetzter Polarität einander gegenübergestellt werden. Wie gesagt ist ja eine wichtige Besonderheit des Beispiels die unter den Negator eingebettete Negation. Auffällig ist zudem, dass im Nebensatz die Referenzmenge der relevanten Situationen durch einen Einschub (en este sentido, ‘in diesem Sinne’) eingeschränkt wird. Die Gegenüberstellung der entgegengesetzt polaren Sachverhalte kann als gutes Argument für komplexe semantische Verhältnisse angeführt werden. Als Domäne der Komplexität bietet sich die Eigenständigkeit der Sachverhalte nicht unbedingt an, da sie quasi vorausgesetzt wird. Für einen eigenständigen Weltbezug ließe sich möglicherweise argumentieren. U.U. wäre hier aber ein pragmatischer Ansatz hilfreicher. Es gibt also auch hinsichtlich des letzten, etwas auffälligen Beispiels Indizien für Ikonzität. Zwar kann sie nicht eindeutig argumentativ belegt werden, insbesondere da die Domäne der konzeptuellen Komplexität nicht eindeutig ist. Als Gegenbeispiel muss [44] jedoch auch nicht gewertet werden. 5.1.3.3 Weitere Verben Eigenständigkeit in der Domäne der Zeitlichkeit zeigen auch einzelne Okkurrenzen mit Matrixverben, die ansonsten anderen Domänen zugeordnet werden, da die weiteren Strukturen, in denen sie auftreten, dort Oppositionen ausbilden. Es scheint gut möglich, dass bei einer Erhöhung der Datenmenge weitere «domänenfremde» Okkurrenzen in der Domäne der Temporalität Eigenständigkeit aufweisen oder es zusätzlich auch in der Temporalitätsdomäne tun, als eine Art sekundäre Domäne. In dem untersuchten Ausschnitt des Korpus sind zwei solche Beispiele augenfällig. Sie werden im Folgenden in aller Kürze in Hinblick auf die hier relevante Thematik behandelt. Beide sind finit realisiert und bekräftigen das Ikonizitätsprinzip. Das Korpus enthält einerseits die folgende Okkurrenz mit olvidar (‘vergessen’). Seine weiteren Okkurrenzen bilden Oppositionen in der Sachverhaltsdomäne aus. In [45] ist ebenfalls Eigenständigkeit in der Sachverhaltsdomäne gegeben (s. Kap. 5.1.2.1), darüber hinaus aber auch in der temporalen Domäne. [45] No olvides que prometiste ponerte tus vestiduras de obispo para que te viera [sic] Adi y Javier. (CIN:098.01) ‘Vergiss nicht, dass du versprochen hast, dass du dir deine Bischofsklamotten anziehst, dass dich Adi und Javier sehen.’
5.1 Korpusanalyse der Objektsätze nach konzeptuellen Bereichen
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[45] weist ein Verhältnis getrennter Vorzeitigkeit auf. Argumente finden sich auf mehreren Ebenen. Das Versprechen (prometiste, ‘du versprachst’) muss getrennt vorzeitig zum imperativisch ausgedrückten Hauptsatzsachverhalt realisiert worden sein. Anderfalls wäre der Satz aus pragmatischen Gründen problematisch. Wird direkt im Anschluss an ein Versprechen dem Versprechenden die strikte Bitte erteilt, das Versprechen nicht zu vergessen, so muss die Anbindung motiviert werden, wofür eine Explizierung nötig wäre. Sie ist allerdings nicht vorhanden. Das telische Eventverb im Nebensatz, prometiste (‘du versprachst’), steht im Indefinido. Die Abgeschlossenheit wird sprachlich also gewissermaßen doppelt markiert. Um den Effekt zu umgehen und Kontiguität herbeizuführen, müsste es direkt im vorangehenden Kotext zum Versprechen kommen. Auch das ist nicht der Fall. Zudem enthält das Korpus ein Beispiel mit imaginar (‘sich vorstellen’), dessen zeitreferentielle Eigenschaften hier relevant sind. Die weiteren Okkurrenzen mit dem Matrixverb bilden Oppositionen in der Domäne des Weltbezugs aus. [46] ist dahingehend eine Ausnahme, da nur in der temporalen Domäne Eigenständigkeit gegeben ist (s. Kap. 5.1.4.1). [46] Cuando era niño, su abuela solía decirle: «Las personas educadas no lloran.» Él deducía, o quizá imaginó más tarde que lo deducía, que la abuela quería decir: «Los poderosos no lloran.» (JOV:161.32) ‘Als er ein Kind war, pflegte seine Großmutter ihm zu sagen: «Wohlerzogene Leute weinen nicht.» Er folgerte, oder vielleicht glaubte er später, dass er gefolgert hatte, dass die Großmutter sagen wollte: «Die Mächtigen weinen nicht.»’ Auch [46] ist getrennt vorzeitig. Die zeitliche Nicht-Kontiguität wird mit dem adverbialen Ausdruck más tarde (‘später’) versprachlicht. Die Einschätzung bzgl. seiner eigenen Gedanken (imaginó, ‘er glaubte’) wird später realisiert als der mentale Vorgang, auf den mit deducía (‘er folgerte’) im Nebensatz Bezug genommen wird, bei dem es sich aber, wie der Matrixsatz zum Ausdruck bringt, nicht unbedingt um ein Folgern handeln muss.597 Interessant ist im Beispiel, dass die Tempusform im Nebensatz die Vorzeitigkeit nicht vereindeutigt. Das mag daran liegen, dass ein Plusquamperfekt nur schwer als habituell interpretierbar wäre, eine Lesart, die im Beispiel offenbar
597 D.h., möglicherweise handelte es sich dabei um ein Folgern, u.U. ist es aber auch der Fall, dass der Subjektreferent nur zu einem späteren Zeitpunkt der Überzeugung war, dass es sich dabei um ein Folgern gehandelt hatte.
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wichtig ist.598 Zudem ist das Indefinido durch seine Perfektivität hinreichend eindeutig. Es verfügt auch über ein linksseitiges Boundedness-Feature, d.h., der Anfangspunkt der Handlung ist spezifiziert (cf. für den Grundgedanken Jackendoff 1991, 37).
5.1.4 Bezugnahme auf eine eigenständige Welt Wie in Kap. 2.10.2.3 besprochen, handelt es sich bei der Domäne des Weltbezugs um eine abstrakte bzw. reduzierte Kategorie. Es wird versucht, die Bezugnahme auf eine mögliche Welt wn unabhängig von den zuvor behandelten Domänen zu bestimmen. Auch hier werden wieder Haupt- und Nebensatz miteinander abgeglichen. Im Gegensatz zu den anderen Domänen wird für die des Weltbezugs keine Skala appliziert. Der Grund ist v.a. der, dass sich die Grade einer solchen Skala u.a. aus Informationen der beiden anderen Domänen speisen müssten. Hier soll aber versucht werden, die Domänen voneinander getrennt zu halten. Entscheidend sind wie besprochen in dieser Domäne die Abgrenzung zwischen einer realen oder möglichen und einer kontrafaktischen Wertung. Zwei Diskursentitäten können eine Evaluation realisieren: der Sprecher und der Subjektreferent des Matrixsatzes. Daraus ergeben sich vier Kombinationsmöglichkeiten, die, wie gezeigt wird, relevant für die Beschreibung sind. Im Folgenden werden zwei formale Teilbereiche der Domäne des Weltbezugs behandelt. Das Verb imaginar (‘sich vorstellen’) wird als Beispiel dafür herangezogen, wie der Weltbezug bei einem geeigneten lexikalischen Element differenziert werden kann. Im Anschluss wird ergänzend die Möglichkeit des mit grammatischen Mitteln bestimmten eigenständigen Weltbezugs angesprochen. Dass der Fokus auf der lexikalischen Seite liegt, folgt aus der Herangehensweise der Arbeit sowie der Art und Weise, wie die Daten zusammengestellt werden. 5.1.4.1 Lexikalische Differenzierung des Weltbezugs: imaginar (‘sich vorstellen’) Das Verb imaginar (‘sich vorstellen’) ist ein Kognitionsverb. Ridruejo (1999, 3228) listet es in der Kategorie, die er Welten kreierende Verben nennt. Dabei handelt es sich um Verben, «mediante los cuales se expresa la creación de un conjunto de situaciones, circunstancias o hechos que difieren de la realidad de
598 Habitualität wird bereits im vorangehenden Satz durch solía decirle (‘sie pflegte, ihm zu sagen’) angekündigt und dann durch die Imperfecto-Formen deducía (‘er folgerte’) (zweimal) sowie quería (‘sie wollte’) aufrechterhalten.
5.1 Korpusanalyse der Objektsätze nach konzeptuellen Bereichen
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la enunciación» (ibid., 3227s.). Imaginar (‘sich vorstellen’) ist lexikalisch sehr gut geeignet, eine alternative Welt zu eröffnen. Wie Ridruejo (1999, 3228) schreibt, wird es zumeist mit indikativischem Nebensatz konstruiert (s. [47]),599 allerdings seien bei Negation sowohl Subjuntivo, als auch Indikativ möglich. [47] Juan imagina que ha encontrado un buen trabajo. (Bsp. aus Ridruejo 1999, 3228) ‘Juan glaubt, dass er einen guten Job gefunden hat.’ Ein ähnlicher Hinweis findet sich bei Delbecque/Lamiroy (1999, 2008), wobei allerdings nicht eindeutig ausgeschlossen wird, dass ein Subjuntivo im Nebensatz nicht auch bei nicht-negiertem Matrixverb möglich wäre (cf. ibid., 2007). Das Autorenpaar geht zudem auf die Möglichkeit eines infiniten Nebensatzes ein und nennt auch Beispiele (cf. ibid., 2009s.). Wie [48] zeigt, ist auch ein zusammengesetzter Infinitiv möglich (cf. ibid., 2010). [48] A veces, al caminar por las revueltas callejuelas de la morería, imaginaba haber descubierto toda la trama de la conjura. (Larreta, La gloria de D. Ramiro, Bsp. aus Delbecque/Lamiroy 1999, 2010, dort Cuervo 1994 entnommen, Eintrag zu imaginar) ‘Manchmal, wenn er durch die verworrenen Gässchen des Maurenviertels ging, stellte er sich vor, den gesamten Komplott der Verschwörung aufgedeckt zu haben.’ Auch Lehmann (1991, 227) führt die englische Entsprechung imagine an. Er klassifiziert sie als durativen Prozess und stellt fest, dass es sich dabei um einen kognitiven Vorgang handelt, der sich im Gegensatz etwa zu dream durch Kontrolliertheit auszeichnet (cf. ibid.). Die Klassifizierung als Kreationsverb bzw. Welten kreierendes Verb bei Ridruejo (1999, 3228) legt Kontrolle möglicherweise auch nahe, ist dahingehend aber nicht völlig eindeutig. Ergänzend sei auf die von der o.g. Klassifizierung abweichende Tendenz von Kreationsverben hingewiesen, eine telische Komponente aufzuweisen. So ordnet Lehmann (1991, 230) das prototypische Kreationsverb create als terminativen Prozess ein. Ein Welten kreierendes Verb wäre allerdings eher ingressiv.
599 Ridruejo (1999, 3228) nimmt an der Stelle vorsichtig Bezug auf die Mögliche-Welten-Semantik. Seine Erklärung für den Indikativ wäre allerdings in einem solchen Rahmen nicht präzise genug. So gibt er an, dass der Wahrheitswert des Nebensatzes an das Hauptsatzsubjekt gebunden ist (cf. ibid.).
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5 Objektsätze
Die Klassifizierung von imaginar (‘sich vorstellen’) als Welten kreierendes Verb (cf. Ridruejo 1999, 3228; s.o.) scheint zunächst eine Einheitlichkeit nahezulegen, was die Verhältnisse bzgl. des Weltbezugs angeht. Sie lässt erwarten, dass im Nebensatz stets auf eine vom Hauptsatz unterschiedliche Welt Bezug genommen wird. Delbecque/Lamiroy (1999) kommen allerdings auf die strukturellen Möglichkeiten des finiten oder des infiniten Nebensatzes zu sprechen und erwähnen an zwei Stellen, dass die unterschiedliche formale Realisierung mit semantischen Divergenzen (cf. ibid., 2009s., 2011) und besonderen formalen Eigenschaften (cf. ibid., 2011) einhergeht. Die beiden Autorinnen stellen zunächst heraus, «el infinitivo ofrece una perspectiva subjetiva, que contrasta con la perspectiva objetiva que correspondería a la subordinada flexionada» (ibid., 2009). Sie führen das folgende Beispielpaar an (cf. ibid., 2010; s. aber unten für eine Diskussion des Vorschlags). [49] Imagina vivir la vida que ellos vivieron, sueña con antepasados queridos y quiméricos, y fantasea recuerdos de algo como una infancia remotísima. (Marroquín, Blas Gil,600 Bsp. aus Delbecque/Lamiroy 1999, 2010, dort Cuervo 1994 entnommen, Eintrag zu imaginar) ‘Er stellt sich vor, wie er das Leben lebt, das sie lebten, er träumt von geliebten und trugbildhaften Vorfahren und fantasiert Erinnerungen an etwas wie eine sehr ferne Kindheit.’ [50] Ahora imagina que es un terrorista, que saca una pistola del bolsillo de la cazadora y se la pone al guardia delante de la cara. (A. Muñoz Molina, Plenilunio, 212, Bsp. aus Delbecque/Lamiroy 1999, 2010) ‘Jetzt stellt er sich vor, dass er ein Terrorist ist, der eine Pistole aus der Jackentasche zieht und sie dem Wachmann vor das Gesicht hält.’ Wie die beiden Beispielsätze zeigen, ist das Merkmal der Subjektivität nicht allzu präzise fassbar. In beiden Sätzen spielt sich etwas vor dem geistigen Auge des Subjektreferenten ab, sodass in beiden Fällen von Subjektivität gesprochen werden könnte. Möglicherweise ist die unklare Kategorie der Grund dafür, dass die beiden Autorinnen auf weitere Präzisierungen verzichten (cf. Delbecque/ Lamiroy 1999, 2009s.). Sie nennen noch ein weiteres Beispiel (s. [51]), in dem die Intuition etwas leichter nachvollziehbar erscheint. Es enthält allerdings ein anderes Matrixverb.
600 Das Werk repräsentiert nicht die aktuelle Standardsprache der Iberischen Halbinsel: José Manuel Marroquín ist aus Kolumbien und schrieb Blas Gil im Jahr 1896 (cf. https://www.overdrive.com/media/257531/blas-gil, Zugriff: 02.02.19).
5.1 Korpusanalyse der Objektsätze nach konzeptuellen Bereichen
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[51] Juan piensa {que comprende / comprender}. (Bsp. aus Delbecque/ Lamiroy 1999, 2010) ‘Juan glaubt, {dass er versteht / zu verstehen}.’ Wie in Kap. 2.9.4.3 besprochen, kann pensar (‘denken’, ‘vorhaben’) in Abhängigkeit von der Nebensatzrealisierung seine Lesart bzw. Bedeutung ändern (cf. Hernanz 1999, 2289) und etwa Deutsch ‘denken’ oder ‘vorhaben’ zum Ausdruck bringen. Im angeführten Beispiel erscheint die Bedeutung des Vorhabens aufgrund des Nebensatzverbs weniger natürlich. Delbecque/Lamiroys (1999, 2010) Überlegung bezieht sich vermutlich auf die einheitliche Matrixverbbedeutung ‘glauben’, bei der der finite Nebensatz eher eine externe Evaluierung (Objektivität) zum Ausdruck bringt und der infinite die Einschätzung des Subjektreferenten selbst (Subjektivität). Das ändert allerdings nichts daran, dass das Matrixverb nicht das an dieser Stelle untersuchte ist. Delbecque/Lamiroy (1999, 2011) präsentieren noch eine weitere Erklärung. Sie führen dort imaginar (‘sich vorstellen’) als eines der Beispielverben an für den Fall, dass mit der formalen Divergenz eine Bedeutungsänderung einhergehen kann (cf. ibid.). Sie bestimmen sie als eine Möglichkeit bei der Realisierung eines infiniten Nebensatzes, nämlich «la interpretación se vuelve desiderativa e incoativa» (ibid.). Der Ansatz scheint für das o.g. Beispielpaar [49] und [50] z.T. hilfreich. Den Träumereien, die [49] zum Ausdruck bringt, scheint ein volitionaler Bedeutungsbestandteil inhärent. Das Beispiel [50] kann dahingehend als neutral aufgefasst werden. Inchoativität ist hingegen in keinem der beiden Beispiele gut greifbar. Wie unten jedoch gezeigt wird, haben infinite Nebensätze offenbar eine Tendenz zur Nachzeitigkeit, die jedoch in [49] nicht gegeben zu sein scheint. In Hinblick auf die Relevanz des Beispiels ist allerdings anzumerken, dass es einen älteren Sprachstand einer lateinamerikanischen Varietät repräsentiert (s. Fußnote zum Beispiel). Ein Hinweis von Delbecque/Lamiroy (1999) sei zusätzlich ergänzt. Die Autorinnen geben an, dass u.a. imaginar (‘sich vorstellen’) Clitic Raising, also die Voranstellung von Klitika vor das Hauptverb, erlaubt (cf. ibid., 2011). Diese Eigenschaft wird in der Literatur zu Verbalperiphrasen als Test eingesetzt (cf. etwa García Fernández 2006, 25), der eine enge syntaktische Verbindung zwischen ggfs. flektiertem und infinitem Verb aufzeigt. Wie García Fernández (2006, 26) allerdings betont, handelt es sich bei der Möglichkeit um keine ausschließliche Eigenschaft von Verbalperiphrasen. Bei imaginar ist sie offenbar nicht auf infinite Nebensätze beschränkt (s. das Beispiel unten mit Subjuntivo im Nebensatz). Bei imaginar (‘sich vorstellen’) wird, wie in Kap. 2.10.2.3 besprochen, davon ausgegangen, dass auf der semantisch-konzeptuellen Ebene eine zweigliedrige
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5 Objektsätze
Opposition gegeben ist. Der Nebensatzsachverhalt kann entweder in einer möglichen Welt situiert werden, die mit der Welt, der der Hauptsatz zuzuordnen ist, weitgehend kompatibel ist, oder aber in einer kontrafaktischen. Ist der Nebensatzsachverhalt kontrafaktisch, so wird von eigenständigem Weltbezug gesprochen. Ist er hingegen weitgehend mit dem des Hauptsatzes kompatibel, so ist die Domäne von Uneigenständigkeit gekennzeichnet. Die Korpusdaten sprechen deutlich für ikonische Verhältnisse: Liegt Uneigenständigkeit in der Weltdomäne vor, so wird sprachlich ein infiniter Nebensatz realisiert. Der konzeptuell komplexeren Eigenständigkeit kommt eine komplexe formale Realisierung mit Konjunktion und finitem Nebensatz zu. Bei einer Okkurrenz ist allerdings die Domäne der Zeitreferenz operational. Sie ist formal komplex realisiert, wobei in der Weltdomäne Uneigenständigkeit vorliegt. Jedoch lässt sich zeitliche Eigenständigkeit zeigen. Die Kategorie des Weltbezugs lässt sich anhand des Wahrheitswerts überprüfen, der dem Nebensatz zugeschrieben wird. Relevant ist dabei auch, wer welchen Wahrheitswert zuordnet. Wie gezeigt wird, lassen sich nämlich Feinheiten der Strukturen nachvollziehen, indem Sprecher und Matrixsatzsubjekt unterschieden werden (cf. bspw. auch Becker 2014, 219). Es wird jeweils überprüft, ob die beiden Diskurseinheiten einen positiven Wahrheitswert zuschreiben, d.h., der Nebensatzsachverhalt ist real oder möglich, oder einen negativen. Im zweiten Fall liegt Kontrafaktizität vor. Es sind dabei nicht immer beide Diskursentitäten relevant. In einem ähnlichen Zusammenhang stellt Becker (2014, 221) für das Altfranzösische fest, dass in vielen Fällen «das Sprechermodell einfach ausgeblendet [wird] – der Fokus liegt alleine auf dem epistemischen Modell des Matrixsatzsubjekts». Es scheint dabei verhältnismäßig leichter zu sein, die Zuschreibung eines positiven Wahrheitswerts auszublenden.601 Mit den beiden Evaluationseinheiten und den zwei möglichen Werten ergeben sich vier Kombinationsmöglichkeiten. Auffälligerweise besteht im Rahmen der mengenmäßig eingeschränkten Korpusdaten ein stabiles Mapping. Wie die Tabelle 4 zeigt, ist im Nebensatz ein Infinitiv möglich, wenn Sprecher und Matrixsatzsubjekt den Nebensatz als wahr einstufen, d.h., wenn die im Nebensatz beschriebene Welt den Diskursmodellen von Sprecher und Matrixsatzsubjektreferent entspricht oder weitgehend mit ihnen kompatibel ist (Bereich des Möglichen). Der Nebensatz kann indikativisch realisiert werden, wenn nur der Referent des Matrixsatzsubjekts den Nebensatz als wahr einstuft oder beide 601 Darüber hinaus betont Becker (2014, 219) für das Altfranzösische in Hinblick auf den Modus in Kontexten der 3. Person, dass ein «explizite[s] Kennzeichnungserfordernis von Sprecherdissens durch lexikalische Mittel» greift. Die im vorliegenden Rahmen untersuchten Daten deuten darauf hin, dass auch eine rein pragmatische Verdeutlichung möglich ist.
5.1 Korpusanalyse der Objektsätze nach konzeptuellen Bereichen
531
Tab. 4: Mapping von Wahrheitswerten und Nebensatzrealisierung im Korpus bei imaginar (‘sich vorstellen’, ‘glauben’). Nebensatz realisiert im
tritt auf nach
Sprecher
Matrixsatzsubjektref.
wahr
wahr
Kreationsverb
unwahr
unwahr
Verb des Glaubens
unwahr
wahr
wahr
unwahr
Infinitiv Indikativ Subjuntivo
Einschätzung durch
Evaluierungsinstanzen Kontrafaktizität zuweisen. Im Fall des Indikativs ist also die Welt, auf die im Nebensatz referiert wird, entweder nur mit dem Diskursmodell des Matrixsatzsubjekts kompatibel oder mit dem Diskursmodell keiner Evaluierungsinstanz. Im Korpus zeigt sich eine semantische Korrelation mit den beiden Fällen, d.h., die Lesart divergiert. Stufen beide Evaluierungsinstanzen den Nebensatzsachverhalt als kontrafaktisch ein, so hat imaginar (‘sich vorstellen’) die Lesart eines Kreationsverbs. Im Falle der Zuweisung eines positiven Wahrheitsgehalts nur durch den Matrixsatzsubjektreferenten liegt die Glaubenslesart vor. Ein Nebensatz im Subjuntivo schließlich ist möglich, wenn lediglich der Subjektreferent von Kontrafaktizität ausgeht, nicht aber der Sprecher. Die Verhältnisse werden mit den im Folgenden diskutierten Beispielen veranschaulicht. Das Korpus enthält insgesamt 9 relevante Okkurrenzen mit imaginar (‘sich vorstellen’).602 2 davon sind mit infinitem Nebensatz konstruiert. In 6 Fällen tritt ein Indikativ im Nebensatz auf, in einem ein Subjuntivo. Die ADESSE-Datenbank unterscheidet zwei Bedeutungen von imaginar, eine, die mit der Paraphrase «sospechar, suponer» (‘vermuten, annehmen’) verdeutlicht wird,603 und als zweite die der kognitiven Kreation (cf. http://adesse.uvigo.es/data/verbos.php?verbo=IMAGINAR, Zugriff: 02.02.19). Die Klassifikation ist nicht hilfreich, wenn 602 Die folgenden Restriktionen wurden wie auch zuvor verwendet: Der Ursprung der Beispiele ist Spanien, das Verb soll mindestens 2 Aktanten haben, von denen das zweite satzwertig und in der Funktion des direkten Objekts sein soll. Ohne weitere Restriktionen gibt die ADESSEDatenbank 48 Okkurrenzen aus (cf. http://adesse.uvigo.es/data/result.php, Zugriff: 03.07.12). Wird jedoch die Realisierung des Nebensatzes spezifiziert (mit Infinitiv, Indikativ oder Subjuntivo), so bleiben in der Summe nur 44 Okkurrenzen (cf. ibid.). Der Umstand wurde schon bzgl. zuvor besprochener Verben thematisiert. 603 Es handelt sich dabei um eine Aktualisierung. Die ältere Angabe lautete «sospechar, suponer en base a unos indicios» (http://adesse.uvigo.es/data/verbos.php?verbo=IMAGINAR, Zugriff: 03.07.12, ‘vermuten, auf der Grundlage von Indizien annehmen’).
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5 Objektsätze
die strukturellen Realisierungsmöglichkeiten motiviert werden sollen. Im Korpus treten beide semantischen Klassen sowohl mit infiniter als auch mit finiter Nebensatzrealisierung auf. Das Korpus enthält die folgenden beiden Okkurrenzen mit Infinitiv. [52] Después de nuestro primer encuentro pasé dos días deambulando tontamente por las calles y plazas en las que yo imaginaba poder encontrarla. (SUR:050.08) ‘Nach unserem ersten Treffen verbrachte ich zwei Tage damit, töricht in den Straßen und auf den Plätzen umherzustreifen, wo ich glaubte, ihr begegnen zu können.’ [53] […] al regresar a casa, ya casi de noche […] había una de esas muchachas, de pie, mirando hacia los montes lejanos, abrumada de soledad y con algún hondísimo secreto entre los ojos. Y creí –o imaginé– reconocerte en su perfil. (CAR:023.05) ‘Als ich nach Hause ging, es war schon fast dunkel, war da eines jener Mädchen, es stand da und schaute in Richtung der fernen Berge, bedrückt von Einsamkeit und mit irgendeinem sehr tiefgründigen Geheimnis in den Augen. Und ich glaubte – oder bildete mir ein –, dich in ihrem Profil wiederzuerkennen.’ Die beiden Okkurrenzen teilen die Eigenschaft, dass der Nebensatzsachverhalt als möglich bzw. nicht kontrafaktisch präsentiert wird. Er wird daher jeweils der Kategorie der Uneigenständigkeit zugeschrieben. In [52] wird die Einschätzung des Subjektreferenten zum Ausdruck gebracht, den Referenten des Objektklitikons –la (‘sie’) zu treffen. Die Möglichkeit wird lexikalisch zum Ausdruck gebracht (poder encontrarla, ‘sie treffen können’). Aber auch der Kotext verdeutlicht die Zusammenhänge. Der relevante Teilsatz (en las que yo imaginaba … , ‘wo ich annahm’) ist ein restriktiver Relativsatz, der die Ortsangabe des Hauptsatzverbs spezifiziert (pasé dos días deambulando … por las calles, ‘ich verbrachte zwei Tage damit, in den Straßen umherzustreifen’). Die Hauptsatzhandlung ist gewissermaßen an die im Relativsatz zum Ausdruck gebrachte Hoffnung gebunden. Während imaginar in [52] in der ADESSE-Datenbank als Verb des Denkens bzw. Glaubens klassifiziert wird («sospechar, suponer», http://adesse.uvigo.es/data/ fichas.php?id_cl=9503, Zugriff: 17.06.16, ‘annehmen, vermuten’), wird es in [53] als kognitives Kreationsverb eingeordnet (cf. http://adesse.uvigo.es/data/fichas. php?id_cl=64034, Zugriff: 17.06.16). Dass beide Bedeutungen mit einem infiniten Nebensatz realisiert sind, zeigt, wie oben besprochen, dass die Klassifikation nicht hilfreich ist, wenn die Form motiviert werden soll. Es ist allerdings zu erwähnen,
5.1 Korpusanalyse der Objektsätze nach konzeptuellen Bereichen
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dass die Einschätzung bzgl. des zweitgenannten Beispielsatzes hier nicht vollständig geteilt wird. Eine Klassifikation als Verb, das eine mentale Einschätzung zum Ausdruck bringt, scheint ebenso gut möglich. Eine volitionale Bedeutungskomponente, die bei der Kreationslesart vorhanden sein müsste, stellt eine über das Gesagte hinausgehende Interpretation dar. Eine Gegenüberstellung mit creí (‘ich glaubte’) so wie im Beispiel ist mit beiden Lesarten kompatibel. Die Okkurrenz ist auch wegen der lexikalischen Realisierung des Infinitivs interessant. Das Verb reconocer (‘erkennen’) ist in der Grundbedeutung punktuell und beschreibt außerdem ebenfalls einen kognitiven Vorgang. Auch in [53] wird der Nebensatz als möglich präsentiert. Dass pragmatisch naheliegt, dass der Nebensatz nicht wahr ist, scheint nicht relevant zu sein, was wohl auf die zeitliche Diskrepanz zurückzuführen ist. Das Matrixsubjekt referiert auf den Sprecher, die beide einen einheitlichen Wahrheitswert zuweisen. Der Sprecher kann zum Sprechzeitpunkt über ein aktualisiertes Diskursmodell verfügen, was offenbar auch der Fall ist. Im Beispiel ist allerdings das Diskursmodell des referierten Zeitpunkts relevant, das den Nebensatz als möglich einstuft.604 Im Rahmen der hier vertretenen Systematik sind die beiden Okkurrenzen also als Fälle von Uneigenständigkeit in der Domäne des Weltbezugs zu klassifizieren. Damit sind sie konzeptuell nicht-komplex. Da sie infinit und ohne Konjunktion realisiert sind, ist Ikonizität gegeben. Das Korpus enthält demgegenüber 6 Okkurrenzen, in denen im indikativischen Nebensatz ein Subjekt auftritt, das koreferent zu dem des Hauptsatzes ist. Davon bringen 5 Kontrafaktizität zum Ausdruck. Wie oben besprochen, lassen sich insbesondere zwei Untertypen ausmachen. Beim ersten Untertyp stufen der Referent des Matrixsubjekts und der Sprecher den Nebensatz als kontrafaktisch ein. Dieser Untertyp tritt nach imaginar in der Kreationsverbbedeutung (dt. ‘sich vorstellen’) auf. Das ist im Korpus dreimal der Fall (s. [54]). [54] Me gusta imaginar que puedo volver a la niñez [...]. (CIN:085.02) ‘Ich mag es, mir vorzustellen, dass ich in meine Kindheit zurückkehren kann.’ Das Beispiel [54] zeigt den deutlichsten Fall von Kontrafaktizität. Sie ist hier auf der Ebene des Weltwissens zu bestimmen. Der Sprecher, aber auch der Subjektreferent teilen das Wissen über die Unmöglichkeit, dass dem Nebensatz ein positiver Wahrheitswert zukommt. Der Subjektreferent zu imaginar (‘sich vorstellen’) stellt sich einen irrealen Sachverhalt vor (que puedo volver a la niñez, ‘dass ich in
604 Das heißt, die Welt w2 des eingebetteten Sachverhalts p2 ist mit der Welt w1 des referierten Zeitpunkts t1 weitgehend kompatibel, aber nicht oder nicht unbedingt bzw. weniger weitgehend mit der aktualisierten Welt w1ʹ (mit w1ʹ ≠ w1), die zum Zeitpunkt t1ʹ (mit t1ʹ ≠ t1 und t1 X2krit = 9,837. Die Nullhypothese kann verworfen werden, das Ergebnis ist signifikant. Es dominiert die Wahl gleicher Bilder.
5.2 Experimentelle Analyse der Objektsätze
547
Entsprechend des Ansatzes ist bei soñar (‘träumen’) parallel zu imaginar (‘sich vorstellen’) (s. Kap. 5.1.4.1) konzeptuelle Eigenständigkeit in der Weltdomäne möglich. Für die Struktur mit infinitem Nebensatz würde Uneigenständigkeit erwartet, d.h. keine Kontrafaktizität, sondern ein zumindest möglicher Nebensatzsachverhalt. Dies würde durch Bild (b) dargestellt. Mit einem finiten Nebensatz hingegen würde ein eigenständiger, kontrafaktischer Weltbezug zum Ausdruck gebracht. Die Eigenschaft wäre in der Darstellung unter (a) deutlicher, wo das erträumte Männchen ohne Hilfsmittel fliegt.609 Bei diesem Itempaar wählten 25 der 32 Partizipanten bei beiden Testsätzen das gleiche Bild. Allerdings dominierte die Darstellung unter (a), die von 20 Versuchspersonen zweimal gewählt wurde. Die verbleibenden Wahlen verteilten sich recht gleichmäßig. So wählten 3 Personen (a) für die Struktur mit infinitem und (b) für den finiten Nebensatz und nur 4 die gesuchte Kombination aus (b) für die infinite Struktur und (a) für die finite. Wiederum entspricht das Ergebnis zwar nicht der Erwartung, die Nullhypothese wird über alle Kombinationsmöglichkeiten hinweg allerdings erneut widerlegt. Die Wahl der Versuchspersonen ist mithin nicht als zufällig zu erachten.610 Es greift die gleiche Argumentation wie für das vorangegangene Beispielpaar. Die Wahl der Versuchspersonen steht in Zusammenhang mit einer individuellen Präferenz für ein bestimmtes Bild. Allerdings ergibt sich kein Widerspruch zum vertretenen Ansatz. Die experimentelle Untersuchung zu den Objektsätzen beförderte keine zusätzlichen Indizien für die kognitive Relevanz der hier vertretenen Theorie zutage. Zwar konnte jeweils die Nullhypothese für die Wahl über alle Kombinationsmöglichkeiten hinweg widerlegt werden. Es zeigte sich aber keine Tendenz zu den gesuchten Kombinationsmöglichkeiten. Vielmehr trafen die Versuchspersonen jeweils häufig die gleiche Wahl. Dies kann einerseits daran liegen, dass die bildliche Darstellung die konzeptuelle Divergenz nicht deutlich genug aufgreift. Andererseits ist denkbar, dass unberücksichtigte weitere Interpretationsmöglichkeiten auch von den bildlichen Darstellungen aufgegriffen werden, sodass die gesuchten Oppositionen überlagert werden. Wie gesagt sind die Ergebnisse jedoch keineswegs als Gegenbelege zum vertretenen Ansatz zu interpretieren.
609 Auch das Bild (b) kann von einzelnen Sprechern kontrafaktisch verstanden werden, insofern ein Flug mit einem Gleitschirm ein gewisses Maß an Mut, Zeit und finanziellem Aufwand bedeutet. 610 Auch hier wäre auf das Signifikanzniveau eine Bonferroni-Korrektur anzuwenden, da das Experiment zweistufig ist (α = 0,025). Für ein weiter erhöhtes Signifikanzniveau von α = 0,02 ergibt sich bei drei Freiheitsgraden ein Chi-Quadrat-Wert von X2emp = 24,25 > X2krit = 9,837. Das Ergebnis ist signifikant, die Nullhypothese kann verworfen werden.
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5 Objektsätze
Die experimentelle Untersuchung zu den Objektsätzen umfasste mehrere Herangehensweisen und Methoden. Die Relevanz des vertretenen Ansatzes für die Konzeptualisierung sollte überprüft werden. Manche, aber nicht alle Verfahren und Items ließen die erhofften Tendenzen erkennen und führten zu gut interpretierbaren Indizien. Im folgenden Unterkapitel werden weitere Möglichkeiten für Folgestudien präsentiert.
5.2.3 Überlegungen für Folgestudien zu Objektsätzen Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden Objektsatzstrukturen mittels zwei experimenteller Methoden untersucht. Der erste Block bestand aus einer Reaktionszeitmessung mit Audioaufnahmen, wobei gleichzeitig die Akzeptabilität der Items abgefragt wurde. Die Ergebnisse können als Beleg dienen, dass eine komplexere sprachliche Strukturierung vereindeutigend wirkt und einen kognitiven Mehraufwand ausgleichen kann. Im zweiten Teil des Experiments wurden die Versuchspersonen mit Sätzen in schriftlicher Form konfrontiert und ordneten ihnen Bilder zu, die den Inhalt darstellten. Das Ziel war, Rückschlüsse auf die Konzeptualisierung der Sätze zu ermöglichen. Wie in Kap. 5.2.2 besprochen, konnte dieser Teil des Experiments den Ansatz nicht stützen. Häufig wählten die Versuchspersonen für oppositive Items das gleiche Bild. Ein Grundproblem könnte sein, dass die bildlichen Darstellungen sich stark ähnelten. Die Zuordnung zu beiden Varianten eines Satzes war nicht völlig ausgeschlossen. Zukünftige Experimente könnten davon profitieren, eine klarere Unterscheidung einzubringen, ggfs. so, dass sich die Bilder gegenseitig widersprechen. Derartige Items führten auch bei den Items zur differentiellen Objektmarkierung zu klareren Ergebnissen als solche, bei denen sich die bildliche Darstellung stärker ähnelte. Ein Beispiel für den Bereich der Objektsätze sei hier vorgestellt. Es handelt sich dabei um einen konkreten Vorschlag für zukünftige Untersuchungen mit dem Matrixverb demostrar (‘zeigen’). [S3.1] Juan demostró estar bien equipado para hacer montañismo. ‘Juan zeigte sich gut ausgerüstet für das Bergsteigen.’ [S3.2] Juan demostró que estaba bien equipado para hacer montañismo. ‘Juan zeigte, dass er für das Bergsteigen gut ausgerüstet war.’ Zwei Bilder könnten zur Wahl gestellt werden. Auf einem wäre Juan zu sehen, während er erfolgreich einen Berg besteigt. Auf dem anderen würde er etwa bei der Vorbereitung dargestellt, wo er gerade seine Bergsteigerausrüstung zeigt. Dem
5.3 Fazit zu den Objektsätzen
549
Ansatz zufolge würde das erste Bild die nicht-komplexe Konzeptualisierung repräsentieren, die der infiniten Struktur entspricht. Es werden keine zwei getrennten Sachverhalte zum Ausdruck gebracht. Vielmehr wird demostró (‘zeigte’) gerade durch den Umstand instantiiert, dass Juan gut ausgerüstet ist, sodass er entsprechend gut bergsteigen kann. Dem Item mit finiter Struktur entspricht demgegenüber eine komplexe Konzeptualisierung, die zwei Sachverhalte kombiniert. Der Zeigevorgang ist eigenständig gegenüber dem Umstand, gut ausgerüstet zu sein. Das würde durch das zweite Bild repräsentiert, das Juan bei einem konkreten Zeigevorgang darstellt, der grundsätzlich unabhängig von der Umstandsbestimmung ist, gut ausgerüstet zu sein. Im Gegensatz zum ersten Item wäre eine eigene Evaluierung des Wahrheitswertes des Nebensatzes denkbar. Es wäre zu erwarten, dass die deutlichere Unterscheidung der Darstellung zu klareren Ergebnissen führen würde. Weitere Vorschläge für Folgeexperimente wurden bereits in Kap. 4.2.3 behandelt. Einzelne lassen sich parallel auf die experimentelle Untersuchung der Objektsätze anwenden. Weitere betrafen das Gesamtexperiment und haben insofern auch für die Objektsätze Gültigkeit. Auf eine Wiederholung der Punkte sei hier verzichtet.
5.3 Fazit zu den Objektsätzen In den vorangegangenen Kapiteln wurden spanische Akkusativobjektsätze mit Subjektkoreferenz besprochen. Sie verfügen über die Eigenschaft, sowohl finit als auch infinit realisiert werden zu können. Während etwa bei Strukturen mit pensar (‘denken’, aber auch ‘planen’) als Matrixverb eine semantische Divergenz zwischen den parallelen Strukturen augenscheinlich wird (cf. etwa Hernanz 1999, 2289), wird bei Strukturen mit anderen Hauptverben in der Forschungsliteratur keine Divergenz herausgearbeitet. Vielmehr werden in solchen Fällen die beiden Realisierungsmöglichkeiten z.T. als freie Varianten eingestuft (cf. etwa Delbecque/Lamiroy 1999, 2027 mit Verweis auf Alcina Franch/Blecua 1975, 976). Wie gezeigt wurde, ist eine solche Beschreibung nicht genau genug. Auch in dem kritischeren Subset lassen sich stabile Divergenzen belegen. Der hier vertretene Ansatz präsentiert als entscheidenden Faktor die Komplexität, die als (ggfs. größere) Menge an strukturierter Information bestimmt wird (cf. bspw. Givón 2009a, 1s., der auf Simon 1962 verweist; s. Kap. 2.2 bzw. Kap. 2.10.1). Entsprechend des Ikonizitätsgedankens wurde Komplexität als unterscheidungsfähiges Merkmal operationalisiert, um einen Abgleich der formalen Opposition mit der zugrundliegenden Konzeptualisierung zu ermöglichen. Während die sprachliche Form direkt zugänglich ist, mussten die semantisch-konzeptuellen
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5 Objektsätze
Eigenschaften der besprochenen Strukturen präzise erfasst werden. Sie wurden in drei konzeptuelle Domänen untergliedert, die des (eher eng definierten) Sachverhalts, der Zeitreferenz und des Weltbezugs. Die konzeptuelle Komplexität konnte als relative Eigenständigkeit für alle drei Domänen einheitlich beschrieben werden. D.h., die sprachlichen Strukturen wurden jeweils dahingehend überprüft, ob einer der beiden Satzteile in einer der Domänen gegenüber dem anderen Satzteil konzeptuelle Eigenständigkeit aufwies, also ob etwa zwei unterschiedliche Sachverhalte besprochen oder auf zwei voneinander unabhängige Zeitpunkte Bezug genommen wurde. Die konzeptuell-semantische Seite wies insbesondere in zwei Domänen keine einfache binäre Opposition auf. Vielmehr war die Eigenständigkeit graduierbar. Die unterschiedlichen Grade der Eigenständigkeit wurden auf Grundlage der Forschungsliteratur bestimmt und ihr gegenüber weiterentwickelt und präzisiert. Im Sinne des ikonizitätsbasierten Ansatzes mussten die Eigenständigkeitsstufen der semantisch-konzeptuellen Seite in eine binäre Opposition überführt werden, um ein Mapping mit der formalen Seite zu ermöglichen. Zu dem Zweck wurden die Eigenständigkeitsgrade nicht nur in Skalen hierarchisiert, sondern es wurde jeweils ein Kipppunkt herausgearbeitet, der auf der betreffenden Skala einen Bereich der Eigenständigkeit und damit der Komplexität von einem Bereich der Uneigenständigkeit (Nicht-Komplexität) unterschied. Bei den Ergebnissen der entsprechenden analytischen Aufarbeitung der Strukturen scheint es sich um originäre Erkenntnisse der vorliegenden Arbeit zu handeln (cf. aber die ähnliche Grundidee in Giorgi/Pianesi 1997, Kap. 5). Im Rahmen einer eingehenden und detaillierten Korpusuntersuchung konnten die Relevanz des Ansatzes und sein sehr weitgehendes Erklärungspotential aufgezeigt werden. Für die verschiedenen Strukturen, die andere Ansätze z.T. vor Schwierigkeiten stellen (s.o.), konnte eine konzeptuelle bzw. tiefensemantische Divergenz aufgezeigt werden, die regelhaft mit ihrer Oberflächenstruktur korrelierte. Die die Domänen übergreifende Einheitlichkeit der Beschreibung ist eine besondere Stärke des Ansatzes. Die Erkenntnisse wurden zudem anhand einer experimentellen Untersuchung überprüft. Sie bestand aus einer Reaktionszeitmessung mit Audioaufnahmen und einem damit verbundenen Akzeptabilitätstest sowie einem Entscheidungstest, wo Sätze mit Bildern relationiert werden mussten. Während der Entscheidungstest keine eindeutigen Erkenntnisse lieferte, förderte die Reaktionszeitmessung interessante Ergebnisse zutage. Offenbar wird der Mehraufwand bei der Verarbeitung einer konzeptuell komplexeren Struktur durch eine komplexere Form ausgeglichen, da sie die Verhältnisse stärker expliziert und somit vereindeutigend wirkt.
6 Abgleich der untersuchten Strukturen und ihrer Analyse Die vorliegende Arbeit widmet sich zwei unterschiedlichen Strukturen, Nominalobjekten und Objektsätzen. Besonders berücksichtigt wurde dabei das Rektions- bzw. Einbettungsverhältnis. Es stellen sich vor dem Hintergrund verschiedene Fragen, die im Verlauf der Arbeit vereinzelt und eher am Rande erwähnt wurden. Im vorliegenden Kapitel sollen sie nun systematisiert werden. Das ist insbesondere aufgrund der übergeordneten Frage nach einer Rechtfertigung der gemeinsamen Behandlung nötig. Dazu ist zu klären, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede bestehen. Der Abgleich ist sowohl in Hinblick auf die intrinsischen Eigenschaften der Strukturen, als auch bezüglich ihrer Analyse interessant. Eine grundlegende formale Parallele besteht zunächst darin, dass in beiden Konstruktionen einem regierenden Verb weitere Elemente folgen. In Hinblick auf den hier vertretenen Ansatz besonders relevant ist zudem der Umstand, dass in beiden Fällen ein sprachliches Element innerhalb der Struktur an- oder abwesend sein kann. Bei den Nominalobjekten ist das der Marker a, bei den Objektsätzen ist es die Konjunktion que (etwa: ‘dass’), mit deren Auftreten Flexionsmerkmale im Nebensatz einhergehen. Die entscheidende formale Divergenz besteht in der Realisierung des bzw. der angeschlossenen Elemente. Es tritt entweder eine NP oder ein Satz auf. Beide Strukturen eint die Eigenschaft, dass das angeschlossene Element die Funktion eines Akkusativobjekts erfüllt. Neben den genannten gibt es weitere wichtige Divergenzen. Sie betreffen insbesondere die möglichen semantisch-konzeptuellen Verhältnisse zwischen dem regierenden Verb und dem angeschlossenen Element. Sie führen zu parallelen Analysen der beiden Strukturen, die sich aber im Detail unterscheiden. Um die verschiedenen Eigenschaften zu erfassen, ist jeweils ein eigenes Beschreibungsinstrumentarium nötig. Im Folgenden werden zunächst noch einmal in aller Kürze die formalen Parallen sowie das sich daraus ergebende Potential für deskriptive Einheitlichkeit besprochen. Dann wird die konzeptuell-semantische Seite in den Blick genommen. Auch diesbezüglich werden die Bestandteile des Ansatzes abgeglichen. Es werden ebenfalls Parallelen gezeigt. Darüberhinaus werden Unterschiede motivert. Das kurze Fazit bereitet das Schlusskapitel vor.
https://doi.org/10.1515/9783110595826-006
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6 Abgleich der untersuchten Strukturen und ihrer Analyse
6.1 Struktureller sowie methodischer Abgleich Es sind zunächst v.a. funktionale und formale Eigenschaften, die die gemeinsame Behandlung der zwei hier besprochenen unterschiedlichen Strukturen rechtfertigen. Die funktionale Parallele besteht darin, dass in den beiden hier behandelten Strukturen die verbale Rektion eines Akkusativobjekts gegeben ist. Die formale Parallele ist, dass in einer unmarkierten Abfolge ein Verb auftritt, an das ein oder mehrere weitere Elemente angeschlossen werden. Zudem gilt für beide Strukturen, dass jeweils zwei unterschiedliche Realisierungsmöglichkeiten vorhanden sind. Die beiden Möglichkeiten sind parallel interpretierbar, insofern jeweils eine ohne und die andere mit Komplexitätsmarker bzw. Komplexitätsmerkmalen auftritt. Es war das Ziel, auch in deskriptiver Hinsicht soweit möglich parallel vorzugehen. Ausgangspunkt dafür war, dass die beiden Strukturen parallel formalisiert wurden (s. [1]). Die spezifische Darstellung für die Nominalobjekte (s. [2]) wurde besonders in Kap. 2.7 besprochen. Um der doppelten Markierung der Komplexität bei den Objektsätzen gerecht zu werden,611 wurde sie in Kap. 2.10.1 entsprechend präzisiert (s. [3]). [1] Verb {± Komplexitätsmarker} + angeschlossenes Element [2] V1 {ø / a} N [3] V1 + {ø V2(inf) / que V2(fin)} Das zentrale Interesse der Untersuchung galt den konzeptuell-semantischen Eigenschaften der Strukturen. Die divergenten formalen Realisierungen wurden damit korreliert und letztlich daraus motiviert (Ikonzität, s. Kap. 2.2). Hierbei waren eine vergleichbare Abstraktion und deskriptive Reduktion nicht zielführend. Nicht nur die Bestandteile sind unterschiedlich, im einen Fall wird ein Nomen angeschlossen, im anderen ein Satz, sondern damit auch die möglichen semantischen und natürlich konzeptuell-semantischen Verhältnisse innerhalb der Strukturen. Dementsprechend wurde das Set an Komplexitätsparametern jeweils eigens erarbeitet. Ein kurzer Abgleich dazu wird im folgenden Kapitel vorgenommen. Die Ausprägungen des oder der Komplexitätsparameter wurden für beide Bereiche gerankt oder es wurde ein entsprechendes Ranking aus der Literatur
611 Die allgemeine Darstellung kann die lineare Verteilung der Komplexitätsmerkmale nicht erfassen.
6.2 Abgleich der Typen konzeptueller Komplexität
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übernommen.612 Wichtig war, eine binäre Systematik der im Detail mehrstufigen Skalen herauszuarbeiten. So wurde der ikonizitätsbasierte Abgleich mit der ebenfalls zweigliedrigen Opposition in der formalen Realisierung möglich (cf. für einen ähnlichen Gedanken Giorgi/Pianesi 1997, Kap. 5).
6.2 Abgleich der Typen konzeptueller Komplexität Für die beiden hier behandelten Bereiche wird konzeptuelle Komplexität parallel beschrieben. Komplexität wurde als zu vergleichende Menge strukturierter Information definiert (cf. Givón 2009a, 1s. nach Simon 1962; s. Kap. 2.2). Eine in ihrer Systematik identische Beschreibung ist aufgrund der klar divergierenden Semantik nicht zielführend für eine eingehende konzeptuelle Beschreibung. Daher wurde die Systematik der Graduierung konzeptueller Komplexität jeweils eigens erstellt. Sie soll im Folgenden kurz abgeglichen werden. Die Beschreibung der konzeptuellen Struktur der unter Verben eingebetteten Nominalobjekte beruhte auf dem Ansatz des generativen Lexikons nach Pustejovsky (1991a; 1995b etc.). Zentral war dabei seine Typentheorie auf der Basis der Qualia-Struktur (cf. etwa Pustejovsky 2001). Mit den vier Qualia ordnet er die möglichen Bestandteile der konzeptuellen Struktur (cf. etwa ibid., 91; s. Kap. 2.8.2). Sie sind entscheidend für die Kombination von Konzepten und damit auch von sprachlichen Einheiten (cf. Pustejovsky 1998a, 294). Die Typenstruktur wird unter Einbettung aktualisiert. Es ergibt sich eine zumindest dreigliedrige Skala aus natürlichem, funktionalem und komplexem Typ, zuzüglich ggfs. des semiintentionalen Typen (cf. Pustejovsky 2001). Ihre Hierarchie basiert auf der Menge spezifizierter Information einerseits und der Menge an verbundenen Typen andererseits (cf. für die Herleitung ibid.): Beim natürlichen Typ sind nur zwei Quale spezifiziert (das konstitutive und das unterscheidende), beim semi-intentionalen kommt als drittes der Ortus-Faktor hinzu, beim funktionalen Typen sind alle vier Quale spezifiziert (also zusätzlich zu den drei genannten noch das telische Quale) und der komplexe Typ verbindet mindestens zwei Typen zu einem (cf. ibid.). Für das ikonische Verhältnis muss die mehrstufige Skala in ein zweigliedriges System überführt werden, das der binären formalen Opposition entsprechen kann. Die Grenze zwischen nicht-komplexen und komplexen Typen bietet sich dafür an.
612 Die Typentheorie des generativen Lexikons Pustejovskys (1991a; 1995b), die bzgl. der Nominalobjekte angewandt wurde, ist recht umfassend und schlägt ein Ranking vor, das übernommen wurde.
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6 Abgleich der untersuchten Strukturen und ihrer Analyse
Ihre sprachliche Relevanz wurde im Rahmen der großen Korpusuntersuchung gezeigt (s. Kap. 5.1). Bei den Strukturen mit satzwertigem Objekt werden mehr Bedeutungsbestandteile gleichzeitig in ein Verhältnis zueinander gebracht. Für die Beziehung zwischen Haupt- und Nebensatz können sie allesamt relevant sein, weshalb das deskriptive Setup mehr Möglichkeiten berücksichtigen muss und insofern mehr Bestandteile umfasst. Da nur Strukturen mit koreferenten Subjekten behandelt wurden, spielte der mögliche Parameter des Subjektbezugs keine Rolle. Die Bedeutungsrelationen wurden im Rahmen dreier Domänen berücksichtigt: die Verhältnisse in Hinblick auf den im Haupt- und den im Nebensatz denotierten Sachverhalt, die temporalen Verhältnisse und die Verortung in der Welt. Die Menge der Information, die die Grundlage für die Wertung der Komplexität bildete, wurde in allen drei Domänen einheitlich differenziert. Es wurde davon ausgegangen, dass das entscheidende Maß hinsichtlich der Informationsmenge und damit für die Bestimmung der Komplexität die konzeptuelle Eigenständigkeit in einer der drei Domänen ist. Eigenständigkeit oder Uneigenständigkeit konnte entweder bzgl. des Nebensatzes gegenüber dem Hauptsatz oder bzgl. des Hauptsatzes gegenüber dem Nebensatz gegeben sein. In der Domäne des Sachverhalts wurden verschiedene semantische Eigenschaften berücksichtigt, um die Qualität der Sachverhalte oder des Sachverhalts zu bestimmen und, wenn zwei vorhanden waren, die beiden voneinander abzugrenzen. Hinsichtlich der Matrixverben wurden bspw. auch die Klassifizierungen der Faktizität und der Implikativität berücksichtigt. Waren keine zwei Sachverhalte vorhanden, so wurde die Möglichkeit einer periphrastischen Struktur in Betracht gezogen. In der Domäne des Zeitbezugs wurde ein sechsstufiges System erarbeitet, das die Stufen der gemeinsamen, der gleichzeitigen oder überlappenden Zeitreferenz, der gegenseitigen zeitlichen Relevanz und der angrenzenden Vor- oder Nachzeitigkeit sowie der voneinander unabhängigen Koinzidenz und der Nicht-Kontiguität umfasste. Zwischen dem angrenzenden Zeitverhältnis (auch Abutment genannt, cf. Kamp/Reyle 1993, 573) und der unabhängigen Koinzidenz wurde der Kipppunkt zwischen Uneigenständigkeit und eigenständigem Zeitbezug angesetzt. In der Domäne des Weltbezugs wurde die dreistufige Skala mit den Abgrenzungen real, möglich, irreal angesetzt. Der Kipppunkt lag zwischen den Stufen des noch Möglichen und der Irrealität. Die Zuordnung der Strukturen zu einzelnen relevanten Domänen anhand der enthaltenen Matrixverben war in der in Kap. 5.1 ausführlich präsentierten Korpusuntersuchung einheitlich möglich. Zudem konnten die Parameter, die Bestandteile der Skalen und die Kipppunkte als sprachlich relevant etabliert werden. Für ein Fazit ist zu wiederholen, dass der als grundlegend angesetzte Faktor der Komplexität im Rahmen der Arbeit als strukturierte Informationsmenge
6.2 Abgleich der Typen konzeptueller Komplexität
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definiert wurde. So ließen sich die beiden unterschiedlichen Strukturtypen des verbal regierten nominalen gegenüber dem ebenfalls verbal regierten satzwertigen Akkusativobjekt parallel formalisieren. Auch die Bestimmung ihrer Konzeptualisierung war einheitlich möglich. Die Systematik für die Beschreibung bzgl. der Nominalobjekte basierte auf einem zentralen Ausschnitt des generativen Lexikons (cf. Pustejovsky 1991b; 1995a; 2001 usw.). Sie umfasste nur eine Skala. Für den Bereich der Objektsätze wurden hingegen drei relevante Skalen bestimmt. Sie wurden in drei unterschiedlichen die Verhältnisse zwischen Haupt- und Nebensatz prägenden konzeptuellen Domänen angesiedelt. Die Informationsmenge wurde jeweils hinsichtlich der relativen Eigenständigkeit bewertet. Bzgl. der Skalen beider Strukturen wurden zugrunde liegende binäre Systeme erarbeitet bzw. im Falle der Nominalobjekte auf der Grundlage der Literatur bestimmt (cf. Pustejovsky 2001). So war ein Abgleich mit der einfachen Opposition auf der formalen Ebene möglich. Es wurde ein sehr stabiles ikonisches Verhältnis gezeigt. Auf diese Weise wurde also die Form der untersuchten Strukturen aus ihren konzeptuell-semantischen Eigenschaften heraus motiviert.
7 Fazit Strukturen mit verbal regierten nominalen und satzwertigen Akkusativobjekten verfügen im Spanischen613 über parallele Eigenschaften, die eine Behandlung nach gleichen Prinzipien möglich machen. Dazu zählen die Eigenschaft der Rektion eines angeschlossenen Elements durch ein Verb sowie die funktionale Parallele, dass das angeschlossene Element die Funktion eines Akkusativobjekts erfüllt. Wichtig ist zudem, dass jeweils zwei Realisierungsmöglichkeiten vorhanden sind, die in Opposition zueinander stehen. Die beiden Strukturen weisen aber auch verschiedene Divergenzen auf, woraus ein besonderes Interesse an der gemeinsamen Behandlung folgt. Einerseits ist das angeschlossene Element von unterschiedlicher Natur. Es handelt sich dabei entweder um eine NP oder um einen Nebensatz. Mit der Divergenz geht ein jeweils unterschiedliches Verhältnis zwischen dem regierenden Verb und dem angeschlossenen Element einher. Dieses Verhältnis wurde in der vorliegenden Arbeit präzisiert und als Ausgangspunkt für eine detaillierte Analyse der beiden Einzelstrukturen und ihren Realisierungsoppositionen genommen. Die parallele Behandlung und der Abgleich zwischen den beiden Strukturen waren die Basis für eine neue Betrachtungsweise der beiden Einzelstrukturen. Als entscheidender Faktor innerhalb des Ansatzes wurde Komplexität angesetzt. Sie wurde als Menge strukturierter Information definiert (cf. Givón 2009a, 1s. unter Verweis auf Simon 1962). Die beiden Realisierungen der Strukturen ließen sich formal als komplex oder nicht-komplex einordnen. Ihre Form wurde aus der ihnen zukommenden Konzeptualisierung heraus motiviert. Es wurde ein ikonisches Verhältnis zwischen der Form und der Konzeptualisierung gezeigt. Als Orientierung bzgl. des Ikonizitätsgedankens dienten verschiedene Arbeiten zur funktionalen Grammatik (cf. etwa Givón 1991; Haiman 2008), entscheidend war die Komplexitätsikonizität (cf. Lehmann 1974, 111). Für die ikonische Beschreibung wurde vor dem Hintergrund der eindeutigen formalen Umstände der Fokus auf die konzeptuelle Ebene gelegt. Sie wurde ebenfalls in Hinblick auf ihre Komplexität untersucht. Dafür wurden mehrere Komplexitätsparameter erarbeitet, deren Ausprägungen, so möglich, auf Skalen angeordnet wurden. Hierbei konnte z.T. auf vorhandene Skalen zurückgegriffen werden, mehrere Teile der Systematik wurden allerdings eigenständig erarbeitet. Die mehrstufigen Komplexitätshierarchien im Rahmen der unterschiedlichen Parameter mussten für die Überprüfung
613 Auch andere Sprachen haben ähnliche Phänomene. Unter gewissen Voraussetzungen ließe sich der Ansatz auch auf jene Sprachen anwenden. Die hier vorgenommene Untersuchung hätte dann exemplarischen Charakter. https://doi.org/10.1515/9783110595826-007
7 Fazit
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der Ikonizität in binäre Systeme überführt werden (cf. für ein grundsätzlich ähnliches Vorgehen Giorgi/Pianesi 1997, Kap. 5). Dafür wurde jeweils ein Kipppunkt bestimmt, der in den Skalen angelegt war. Die Systematisierung der konzeptuellen Komplexität stellt einen wichtigen theoretischen Beitrag der vorliegenden Arbeit dar. Es bestehen, wie gesagt, zumindest zwei grundsätzliche und gewichtige Unterschiede zwischen den beiden behandelten Strukturen. Einerseits werden unterschiedliche Elemente angeschlossen, womit andererseits Divergenzen bei den strukturinternen Verhältnissen einhergehen. Beide waren relevant, da die Untersuchung der Konzeptualisierung der jeweiligen Gesamtstruktur galt, was auch die inneren Verhältnisse betraf. Das Beschreibungssystem musste die Spezifika erfassen und wurde daher im Detail für die beiden Strukturen präzisiert. Dementsprechend wurde auch die Analyse in zwei Kapitel aufgeteilt, schließlich aber mit einem Abgleich der Bestandteile vervollständigt. Die Zweiteilung bot auch die Möglichkeit, den hier vertretenen von vorhandenen Ansätzen abzugrenzen und dabei aufzuzeigen, dass sein sehr weitgehendes Erklärungspotential eine Besonderheit darstellt. Die formale Realisierungsopposition der verbal regierten nominalen Akkusativobjekte wird als differentielle Objektmarkierung bezeichnet. Dabei kann vor der Objekt-NP der Marker a auftreten, er tritt aber nicht immer und nur unter bestimmten Bedingungen auf. Vorhandene Ansätze heben bspw. unter der Bezeichung der Spezifizität die Rolle des referentiellen Status der Objekt-NP hervor (cf. etwa Enç 1991; Brugè/Brugger 1996; von Heusinger/Kaiser 2005 usw.). Sie zeigen eine deutliche Korrelation zwischen der Unspezifizität und dem Ausbleiben des Markers gegenüber der Spezifizität und der Markierung v.a. bei Objekten mit menschlichem Denotat. Der Ansatz ist aber nicht auf alle Phänomene anwendbar, was seinen explanatorischen Wert etwas einschränkt. Ähnliches gilt bspw. für die These eines Konkurrenzverhältnisses zwischen Subjekt und Objekt (cf. bspw. García García 2007; 2010; 2014). Dabei wird davon ausgegangen, dass wenn das Objektdenotat hinsichtlich bestimmter semantischer Eigenschaften dem Subjektdenotat stark ähnelt, die Markierung wahrscheinlich ist. Der Ansatz scheint viele Okkurrenzen motivieren zu können, ist aber nicht für alle Details gewappnet. Der Fokus auf Verbklassen (cf. bspw. Fernández Ramírez 1986) ist ebenfalls vielversprechend. Er führt zu guten quantitativen Ergebnissen. Auch diachrone Studien weisen einen Zusammenhang zwischen Verbklassen und DOM aus (cf. von Heusinger/Kaiser 2007; 2011). Auch im vorliegenden Rahmen spielen Verben eine große Rolle. So ist etwa das Analysekapitel zur DOM anhand des Transitivitätsgrades der Verben angeordnet, was allerdings insbesondere praktische Gründe hat. Wie nämlich etwa die Übersicht zu Ende von Kap. 4.1.4 eindrucksvoll zeigt, sind zwar Korrelationen zwischen Verben bzw. Verbklassen und der DOM erkennbar, es wären aber weitere Einschränkungen oder zusätzliche Faktoren nötig, um
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7 Fazit
vollständige Vorhersagen zu treffen. Die Einschränkungen des Erklärungspotentials weisen darauf hin, dass die verschiedenen in der Literatur diskutierten Eigenschaften gute Indizien sind, aber möglicherweise als sekundäre Faktoren angesehen werden müssen. Demnach würde es sich um indirekte Korrelationen handeln. Die vorliegende Arbeit setzt für die Beschreibung der DOM eine Skala konzeptueller Komplexität an. Sie beruft sich dabei auf die Typen-Theorie des generativen Lexikons Pustejovskys (1991a; 1995b; 2001). Der Komplexitätsparameter wäre demnach der Typ des Objekts im Rahmen seiner Einbettung. Die Skala ist bifaktoriell bestimmt. In ihr ist die Aufteilung in einen nicht-komplexen und einen komplexen Bereich explizit angelegt (cf. etwa Pustejovsky 2001). Den Kipppunkt markiert die Unterscheidung, dass ein einfacher Typ einem aus zwei oder mehr Typen verbundenen («komplexen») Typen gegenüberseht (cf. ibid., 107). Die Gruppe der nicht-komplexen (natürlicher, semi-intentionaler und funktionaler Typ) sowie die Bestandteile der komplexen Typen lassen sich anhand der Anzahl spezifizierter Qualia weiter hierarchisieren (cf. ibid., 98ss.). Dem Ansatz zufolge tritt bei Objekten nicht-komplexen Typs keine a-Markierung auf, bei Objekten komplexen Typs hingegen schon. Die untersuchten Korpusdaten zeigten eine nahezu vollständige Korrelation (über 99%). Zudem kann der Ikonizitätsansatz den Zusammenhang motivieren und liefert mithin eine synchrone Erklärung für die a-Markierung. Die satzwertigen Akkusativobjekte weisen die beiden Möglichkeiten der finiten und der infiniten Realisierung auf, wobei die finite in der Regel mit dem Auftreten der Konjunktion que (etwa ‘dass’) einhergeht. Es wurden Strukturen untersucht, die die Realisierungsopposition bei Subjektkoreferenz zwischen Haupt- und Nebensatz zulassen. In den vorhandenen Beschreibungen von sogenannten Satzverknüpfungsskalen (cf. etwa Givón 1991; 2001b; Raible 1992) werden sie unzureichend beschrieben. Hinsichtlich bestimmter Strukturen, beispielsweise mit dem Matrixverb pensar (‘denken’), sind Bedeutungsunterschiede bekannt (cf. etwa Hernanz 1999, 2219). Delbecque/Lamiroy (1999, 2027) gehen allerdings bezüglich vieler weiterer Matrixverben von einer frei alternierenden Objektsatzrealisierung aus. Wie die Korpusuntersuchung zeigte, bilden jedoch die untersuchten Strukturen regelhafte Oppositionen in drei unterschiedlichen Domänen aus. Innerhalb der drei Domänen, die Sachverhaltsdomäne, die Domäne der Zeitreferenz und die des Weltbezugs, wurde zur Bemessung der Komplexität die konzeptuelle Eigenständigkeit angesetzt.614 Das im Vergleich
614 Der zugrunde liegende Gedanke ist, dass mehrere miteinander in Beziehung stehende eigenständige Informationseinheiten mehr strukturierte Information darstellen (s. die Komplexitätsdefinition) als eine einzelne, ggfs. in irgendeiner Hinsicht ausdifferenzierte Informationseinheit.
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zur Spezifizierung des Ansatzes für die DOM umfangreichere Set an Parametern ergab sich aus der Divergenz der internen Verhältnisse zwischen Verb und angeschlossenem Element. Beim Objektsatz waren sie in diverse, aber gut voneinander unterscheidbare Bereiche gegliedert, die sich konzeptuellen Domänen zuordnen ließen. Genauer gesagt ergaben sich die Domänen aus den semantischen und referentiellen Bereichen, in denen die Verhältnisse zwischen Hauptund Nebensatz jeweils oppositiv variieren konnten. Die Zuordnung von Okkurrenzen zu einer relevanten Domäne, in der sie die entscheidende konzeptuelle Opposition ausbildeten, war für die einzelnen Matrixverben stabil. Innerhalb der Domänen wurden Graduierungen konzeptueller Eigenständigkeit erarbeitet. Wo möglich, wurden Skalen entworfen oder vorhandene ergänzt, die unterschiedliche Grade hierarchisch ordneten, wobei zusätzlich ein in den Skalen angelegter Kipppunkt herausgearbeitet werden musste, um eine binäre Opposition zu erstellen (cf. Giorgi/Pianesi 1997, Kap. 5; s.o.). Mit der Sachverhaltsdomäne wurden erneut verbale Eigenschaften unter Bezug besonders auf Lehmann (1991) in den Ansatz integriert. Das Ziel war, zu überprüfen, ob sich in Haupt- und Nebensatz jeweils gegenüber einander eigenständige Sachverhalte konstituierten. Dabei waren die Gruppen der faktiven und implikativen Verben relevant. Es wurde zudem der Grenzbereich zu Verbalperiphrasen näher beleuchtet (cf. auch Olbertz 1998 und Cornillie 2007). In der Domäne der Zeitreferenz wurden übliche Grade relativen Zeitbezugs von Hauptund Nebensatz in Anlehnung etwa an Givón (2001b, 44s.) auf einer verfeinerten Skala geordnet. Als uneigenständige Zeitreferenz wurden etwa Gleichzeitigkeit und Überlappung, bspw. aber auch die angrenzende Vor- oder Nachzeitigkeit (das sogenannte Abutment, cf. Kamp/Reyle 1993, 573) eingeordnet. Die Verhältnisse eint die gegenseitige Relevanz des Zeitbezugs. Eigenständige Zeitreferenz wird hingegen realisiert als Nicht-Kontiguität, also nicht-angrenzende Vor- oder Nachzeitigkeit, aber auch als voneinander unabhängige Koinzidenz. In der Domäne des Weltbezugs wurde von der dreigliedrigen Skala real vs. möglich vs. irreal (kontrafaktisch) ausgegangen (cf. etwa Gili Gaya 1993, 318ss.). Ausgehend von Gedanken der Mögliche-Welten-Semantik (cf. bspw. Lohnstein 2011, 277ss.) wurde der Wahrheitswert des Nebensatzes überprüft, wobei sowohl die Einschätzung des Matrixsatzsubjekts als auch des Sprechers in den Blick genommen wurden. Reale und mögliche Sachverhalte weisen eine verhältnismäßig große Schnittmenge auf. Im Falle des Kontrafaktischen besteht hingegen weltreferentielle Eigenständigkeit. Der Kipppunkt der Skala wurde mithin zwischen den Stufen des Möglichen und des Kontrafaktischen verortet. Der so spezifizierte Ansatz wurde ebenfalls auf Korpusdaten appliziert. Dabei wurde gezeigt, dass mit der Opposition von finiten und infiniten Objektsätzen entgegen der Ansicht von Delbecque/Lamiroy (1999, 2027) regelmäßig eine konzeptuelle Komplexitätsopposition einherging.
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Der formal komplexen Struktur mit durch que (etwa ‘dass’) eingeleitetem finitem Nebensatz entsprach eine konzeptuelle Struktur, die in einer der Domänen von Eigenständigkeit geprägt war. Der nicht-komplex realisierten Struktur mit uneingeleitetem infinitem Nebensatz kam in keiner der Domänen Eigenständigkeit zu. Die Daten konnten nicht nur umfassend beschrieben, sondern über den Ikonizitätsansatz auch eingehend motiviert werden. Die einheitliche Applizierbarkeit wurde als deutlicher Hinweis auf die Relevanz des Ansatzes gewertet. Die Korpusanalyse wurde um eine große experimentelle Studie ergänzt, in deren Rahmen Daten in Deutschland und v.a. in Spanien erhoben wurden. In Valladolid und Salamanca beteiligten sich 32 den Kriterien genügende Personen. Die Untersuchung setzte sich aus zwei Bestandteilen zusammen. Die Partizipanten wurden einerseits mit auditiven Stimuli konfrontiert, andererseits ordneten sie Sätzen Bilder zu. Das auditive Material wurde für Akzeptabilitätstests mit Reaktionszeitmessung genutzt. Die Versuchspersonen hörten Texte, in denen die Test-Items als Fragen formuliert waren, was den Cue für mündliche Reaktionen gab, die aufgezeichnet wurden. Die Partizipanten evaluierten mit ihrer Reaktion die Items in semantischer und grammatischer Hinsicht. Die Dauer bis zur Reaktion wurde gemessen und als Indiz für die Verarbeitung gewertet. Die formale Komplexitätsdivergenz zeigt einen gewissen Einfluss. Die Ergebnisse der Reaktionszeitmessung lieferten u.a. die folgenden Indizien. Bei den Nominalobjekten erleichterte die größere Explizitheit formal komplexer Strukturen (d.h. mit a-Markierung) die Verarbeitung, insofern die Reaktionszeiten bei Strukturen mit markiertem Objekt durchschnittlich geringer waren. Bei den Objektsätzen näherte sich die Reaktionsdauer bei parallelen Strukturen mit formal divergierender Komplexität (d.h. finiter vs. infiniter Nebensatz) tendenziell an. Offenbar wirkte auch hier die größere formale Explizitheit dem Unterschied in der konzeptuellen Komplexität entgegen. Die Akzeptabilitätstests belegten, dass auch Strukturen, die in der Literatur bisweilen kritisch betrachtet werden, unproblematisch sind. Einzig ein bzw. zwei unmarkierte Nominalobjekte mit tierischem Denotat gingen mit leichten bis minimalen Akzeptabilitätseinschränkungen einher. Im zweiten Teil, der Zuordnungsaufgabe, wurden den Versuchpersonen Sätze und Bilder vorgelegt. Die Bilder stellten den Satzinhalt oder einen Teil davon schematisch dar. Die bildlichen Wahlmöglichkeiten hoben unterschiedliche Anteile der Bedeutung hervor, die dem theoretischen Ansatz zufolge unterschiedliche Grade an Relevanz aufwiesen. Mit einzelnen Items konnte eine Korrelation gezeigt werden. Die weniger ergiebigen Items wurden in den entsprechenden Kapiteln kritisch diskutiert. Die Erkenntnisse aus den Untersuchungen zu den Nominalobjekten wurden zusätzlich genutzt, um vorhandene Nominalklassifizierungen zu verfeinern (s. Kap. 4.3). Insbesondere bei den Objekten mit menschlichem Denotat waren
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einige Präzisierungen möglich. Zudem wurde bspw. eine Abgrenzung von Massennomen mit menschlichem Denotat und Abstrakta vorgenommen. Die DOM konnte dabei und bei den anderen Gruppierungen als sprachliches Indiz für die Relevanz von Unterscheidungen verwendet werden. Bezüglich mehrerer Denotatsklassen wurden gezielte Korpusuntersuchungen vorgestellt, u.a. auch zu tierischen Denotaten. Die obigen zusammenfassenden Ausführungen lassen sich zu folgendem Fazit verdichten. Die vorliegende Arbeit präsentiert einen insgesamt und hinsichtlich mehrerer Bestandteile eigenständigen Ansatz zur Beschreibung oppositiv realisierbarer syntaktischer Strukturen. Für die parallele Interpretation und Motivation der jeweils zwei Realisierungen des verbal regierten nominalen und satzwertigen Akkusativobjekts beruft sie sich auf die Ebene der Konzeptualisierung der sprachlichen Strukturen. Sie zeigt, dass auch auf konzeptueller Ebene Oppositionen vorliegen. Komplexität, verstanden als Menge strukturierter Information, wird als entscheidender Faktor angesetzt. Dem Ikonizitätsgedanken entsprechend wird die Komplexitätsdivergenz in den Oppositionen auf beiden Ebenen miteinander verglichen. So können anhand eines Faktors einerseits die DOM und andererseits die Objektsatzrealisierung erklärt und motiviert werden. Die Objektsätze, bei denen die internen Verhältnisse zwischen Verb und angeschlossenem Element stärker differenziert sind, benötigen statt einem drei Parameter. Sowohl die Beschreibung der Daten zur spanischen DOM und den spanischen Objektsätzen als auch die Verfeinerung der Nominalklassen sowie der Verbbeschreibung, außerdem der grundlegende Ansatz sowie die in Hinblick auf die Komplexitätsparameter erarbeiteten Skalen und Abgrenzungen in Form von Kipppunkten, aber auch verschiedene Detailerkenntnisse insbesondere im Rahmen der Korpusuntersuchung sind forschungsrelevante Charakteristika der Arbeit. Der Erfolg der Analyse zeigt, dass die gemeinsame Behandlung zweier unterschiedlicher Strukturen einen analytischen Mehrwert mit sich bringt. Wiederholend ist zuletzt zu betonen, dass der mehrschichtige Ansatz zu einer umfassenden Erklärung der formalen Realisierung der beiden Strukturen im Korpus führt.
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9 Wörterbücher 9.1 Print-Wörterbücher Cuervo, Rufino José, Diccionario de construcción y régimen de la lengua castellana, 2 vol., Paris, Roger, 1886. Cuervo, Rufino José, Diccionario de construcción y régimen de la lengua castellana, 8 vol., Bogotá, Instituto Caro y Cuervo, 1994. Martínez Amador, Emilio M., Diccionario Español – Alemán. Wörterbuch Spanisch – Deutsch. Neuauflage, Barcelona, Editorial Ramón Sopena, 1991. Slaby, Rudolf J./Grossmann, Rudolf/Illig, Carlos, Wörterbuch der spanischen und deutschen Sprache, vol. 1, Spanisch-Deutsch, 5. Aufl./neu bearb. und erw. von Carlos Illig, Wiesbaden, Brandstetter, 2001.
9.2 Online-Wörterbücher Online-Wörterbuch der Real Academia Española: Diccionario de la lengua española, edición del tricentenario, actualización 2018: https://dle.rae.es/ (letzter Zugriff: 02.02.19). Online-Wörterbuch des Duden-Verlags: http://www.duden.de/ (letzter Zugriff: 02.02.19). Online-Wörterbuch des Pons-Verlags: http://pons.eu (letzter Zugriff: 02.02.19). Online-Wörterbuch «Dix» von Yalea Languages: http://dix.osola.com/index.php (letzter Zugriff: 02.02.19). Online-Wortschatz-Informationssystem Deutsch des Instituts für Deutsche Sprache (IDS) Mannheim: http://www.owid.de/index.jsp (letzter Zugriff: 02.02.19).
https://doi.org/10.1515/9783110595826-009
10 Korpusmaterial 10.1 Texte in der ADESSE-Datenbank Die ADESSE-Datenbank (http://adesse.uvigo.es) basiert auf dem ARTHUS-Korpus (cf. http://adesse.uvigo.es/data/corpus.php). Sie wird in Kap. 3.1 eingehend vorgestellt. Unten sind die enthaltenen Texte mit den in den Verweisen verwendeten Kürzeln und Tokenzahlen aufgelistet (cf. ibid.). Sie sind nach Varietät und Genre geordnet.
10.1.1 Texte, die das peninsulare Spanisch repräsentieren Narrative Texte JOV CAR SUR PAI MIR TER LAB SON
Aldecoa, Josefina R., Porque éramos jóvenes, Barcelona, Seix Barral, 1986. Colinas, Antonio, Larga carta a Francesca, Barcelona, Seix Barral, 1986. García Morales, Adelaida, El sur (seguido de Bene), Barcelona, Anagrama, 1985. Goytisolo, Juan, Paisajes después de la batalla, Barcelona, Montesinos, 1982. Guelbenzu, José María, La mirada, Alianza, Madrid, 1987. Martínez de Pisón, Ignacio, La ternura del dragón, Barcelona, Anagrama, 31988. Mendoza, Eduardo, El laberinto de las aceitunas, Barcelona, Seix Barral, 1982. Sampedro, José Luis, La sonrisa etrusca, Madrid, Alfaguara, 1985.
50.251 46.728 30.911 41.706 29.953 31.255 73.670 81.187 385.661
Essayistische Texte USO Martín Gaite, Carmen, Usos amorosos de la postguerra española, Barcelona, Anagrama, 81988. RAT Sánchez Ferlosio, Rafael, La homilía del ratón, Madrid, Ed. El País, 1986.
68.923 99.588 168.511
Zeitungstexte 1VO La Voz de Galicia. A Coruña 30/10/91. 2VO La Voz de Galicia. A Coruña 22/11/91. 3VO La Voz de Galicia. A Coruña 23/11/91.
65.113 49.113 52.578 166.804
Theater MOR Alonso de Santos, José Luis, Bajarse al moro, Madrid, Editorial Antonio Machado, 21987. CAI Buero Vallejo, Antonio, Caimán, Madrid, Espasa-Calpe, 1981. AYE Díaz, Jorge, Ayer, sin ir más lejos, Madrid, Editorial Antonio Machado, 1988. https://doi.org/10.1515/9783110595826-010
20.329 24.407 13.384
582
10 Korpusmaterial
OCH
Diosdado, Ana, Los ochenta son nuestros, Madrid, Editorial Antonio Machado, 1990. COA Fernán Gómez, Fernando, La coartada, Madrid, Editorial Antonio Machado, 1987. HOT Gala, Antonio, El hotelito, Madrid, Editorial Antonio Machado, 1988. ZOR Nieva, Francisco, Te quiero, zorra, Madrid, Editorial Antonio Machado, 1989. 1IN Olmo, Lauro/Enciso, Pilar, Teatro infantil, I, Madrid, Editorial Antonio Machado, 1987. 2IN Olmo, Lauro/Enciso, Pilar, Teatro infantil, II, Madrid, Editorial Antonio Machado, 1987. PAS Reina, María Manuela, El pasajero de la noche, Madrid, Editorial Antonio Machado, 1988. CIN Reina, María Manuela, La cinta dorada, Madrid, Editorial Antonio Machado, 1989. HOM Salom, Jaime, Un hombre en la puerta, Madrid, Preyson, 1984.
23.397 16.565 18.527 11.309 14.603 11.788 19.818 24.970 13.410 212.507
Mündliche Texte MAD
SEV
Esgueva, Manuel/Cantarero, Margarita (edd.), El habla de la ciudad de Madrid. Materiales para su estudio, Madrid, CSIC (Miguel de Cervantes), 1981. De Pineda, Miguel Angel (ed.), Sociolingüística andaluza 2. Material de encuestas para el estudio del habla urbana culta de Sevilla, Servicio Publicaciones, Universidad de Sevilla, 1983.
142.887
65.061
207.948
10.1.2 Texte, die das lateinamerikanische Spanisch repräsentieren Narrative Texte HIS Bioy Casares, Adolfo, Historias desaforadas, Alianza, Madrid, 1986. GLE Cortázar, Julio, Queremos tanto a Glenda, Madrid, Alfaguara, 41981. CRO García Márquez, Gabriel, Crónica de una muerte anunciada, Madrid, Mondadori, 1987. DIE Poniatowska, Elena, Querido Diego, te abraza Quiela y otros cuentos, Madrid, Alianza-Era, 1987.
39.562 39.289 27.827 46.567 153.245
Essayistische Texte LIN TIE
Bunge, Mario, Lingüística y filosofía, Barcelona, Ariel, 1983. Paz, Octavio, Tiempo nublado, Barcelona, Seix Barral, 1983.
25.811 63.396 89.207
10 Korpusmaterial
583
Mündliche Texte BAI
Barrenechea, Ana María (ed.), El habla culta de la ciudad de Buenos Aires. Materiales para su estudio, vol. 2, Buenos Aires, Instituto de Filología y Literaturas Hispánicas «Dr. Amado Alonso», 1987.
65.122
65.122
10.2 Daten aus dem CREA-Korpus Das CREA-Korpus der Real Academia Española ist online verfügbar unter http:// corpus.rae.es/creanet.html. Es wurde punktuell eingesetzt (s. Kap. 3.1). In der Arbeit wird Datenmaterial aus den folgenden Texten zitiert, die über das CREA-Korpus abgefragt wurden. Quiroga, Horacio, Cuentos de animales y otros cuentos. Ilustraciones de Jesús Aroca, Madrid, Ediciones de la Torre, 2005. Giménez-Arnau, Joaquín, Las islas transparentes, Barcelona, Destino, 1977. Castilla del Pino, Carlos, Introducción a la psiquiatría, vol. 1, Problemas generales. Psico(pato) logía, Madrid, Alianza, 1993. Rubio, Fanny, La sal del chocolate, Barcelona, Seix Barral, 1992.
10.3 Weiteres Datenmaterial Daten, die in der Folge anderer Arbeiten zitiert werden, sind im Text mit Verweis auf Originaltext und linguistische Publikation kenntlich gemacht und werden daher nicht erneut aufgeführt. Im Folgenden werden einerseits Verweise aufgeführt, bei denen es sich um Originaltexte aus der o.g. Gruppe handelt, die aber weitergehend in den Blick genommen wurden. Andererseits werden Verweise auf Daten aus eigenen Recherchen gelistet. Abendzeitung München, http://www.abendzeitung-muenchen.de/media.media.e3a43e54d675-432b-9d4e-42fb7bc3b11c.normalized.jpeg (Zugriff: 26.08.2012), Michael Steele/ Getty Images Europe. [Foto der italienischen Nationalmannschaft nach dem Verlust gegen die spanische Mannschaft im Finale der Europameisterschaft 2012. In beiden Fragebögen der experimentellen Studie verwendet.] Baroja, Pío, El árbol de la ciencia. Edited by Gerard C. Flynn, New York, Irvington Publishers, 1970 (11911) (https://books.google.de/books?id=x_5aZSajV8MC&printsec=frontcover&hl= de#v=onepage&q&f=false, Zugriff: 02.02.19). García Lorca, Federico, New York (Oficina y denuncia), in: García Lorca, Federico, Poeta en Nueva York, México D.F., Edición Séneca, 1940.
584
10 Korpusmaterial
de Lizardi, Fernández, El Periquillo Sarniento. Tomo I. Corregida, ilustrada con notas, y adornada con sesenta láminas finas, Alicante, Biblioteca Virtual Miguel de Cervantes, 2001 (41842) (zunächst publiziert von El Pensador Mexicano, México, Librería de Galván) (http://www.cervantesvirtual.com/obra/el-periquillo-sarniento-tomo-i/, Zugriff: 02.02.19; zunächst verwendeter, aber veralteter Link: http://www.cervantesvirtual.com/obra-visor/ el-periquillo-sarniento-tomo-i/html/a40e3bfe-0032-4f4f-8a9e-a38607b7cb08_3.html, Zugriff: 17.04.13). [Bei Laca 2006: 466 verzeichnet als «Periquillo».] El Mundo, Una Juve repleta de dudas, 02.11.2013 (http://www.elmundo.es/deportes/2013/11/02/ 5275515b684341b00f8b457a.html, Zugriff: 02.02.19). La Nación (Argentinien), Los jóvenes no deben ser demonizados, 04.10.2004 (http://www. lanacion.com.ar/642001-los-jovenes-no-deben-ser-demonizados, Zugriff: 02.02.19). El País, Un mundo más frágil, 01.09.2002 (http://elpais.com/diario/2002/09/01/ opinion/1030831203_850215.html, Zugriff: 02.02.19). Nationalflaggen.de, Flagge Italiens (http://www.nationalflaggen.de/media/flags/flagge-italien. gif, Zugriff: 02.02.19). [In Fragebogen B der experimentellen Studie verwendet.] Sampedro, José Luis, La sonrisa etrusca. Prólogo de Ángeles Caso, 1985. (http://biblioteca. cujae.edu.cu/literatura/ebooks/Sampedro,%20Jose%20Luis%20-%20La%20sonrisa%20 etrusca.pdf, Zugriff: 15.08.12.) Samper Padilla, José Antonio/Hernández Cabrera, Clara Eugenia/Troya Déniz, Magnolia (edd.), Macrocorpus de la norma lingüística culta de las principales ciudades del mundo hispánico, Las Palmas de Gran Canaria, Universidad de Las Palmas de Gran Canaria, 1998.
11 Fragebogen A der experimentellen Studie (Aufgaben und Bildmaterial) Estimada/o participante:615 Gracias por participar en este estudio. A continuación, usted escuchará dos grabaciones y evaluará unos dibujos. Recibirá las informaciones necesarias para cada parte del estudio a su debido tiempo. En primer lugar, es importante señalar que todas las informaciones que usted nos dé se evaluarán anónimamente y se utilizarán exclusivamente para fines científicos. Antes de empezar, le rogamos que nos facilite algunos datos personales, sin los cuales este cuestionario no tendría validez. Edad: __________ años. Sexo: ☐ mujer ☐ varón ¿En qué ciudad o región vive actualmente? _________________________ ¿En qué ciudad o región pasó la mayor parte de su vida? _____________________ ¿De dónde son sus padres o las personas con las se que crió? _________________ ¿Es el castellano su lengua materna? ☐ sí ☐ sí, junto con ________________________ ☐ no, sino _________________________ Ocupación profesional: ☐ estudiante de _________________________ ☐ empleado en el ámbito _________________________ ¿Le gustan los animales? ☐ sí ☐ no ☐ me dan igual
615 In der Hauptstudie wurden zwei Fragebögen verwendet, die beide keine Seitenzahlen enthielten (s. Kap. 3.2.1). Im Original folgte der Anrede eine Leerzeile. https://doi.org/10.1515/9783110595826-011
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11 Fragebogen A der experimentellen Studie (Aufgaben und Bildmaterial)
Primera parte Grabación 1: La granja A continuación, usted escuchará dos «diálogos». En estos diálogos hemos quitado la parte correspondiente a una de las dos personas implicadas. Lo que queda pues, es sólo «la mitad» del diálogo o sea, lo que dice y pregunta una de las personas. Usted escuchará sólo lo que dicha persona dice y tendrá que decir si entiende las preguntas que aparezcan. En la primera grabación, Juan habla con su hermana Adri. Los dos viven en una granja con su familia. La voz grabada, o sea la persona que escuchará, es Juan. Se ha quitado la voz de Adri. Juan tiene veintidós años y Adri veinte. El padre de los dos ya es mayor y está enfermo. Por eso, sus hijos tienen que ayudar en la granja. La situación del diálogo es que Adri y Juan se encuentran en el jardín antes del desayuno. Hablan sobre todo de la vida cotidiana y de temas personales. Pero por su corresponsabilidad en la granja, también tienen que hacer planes y tomar decisiones. Lo importante para usted son las preguntas. Entre éstas hay algunas pocas que obviamente no tienen sentido (son del tipo: «¿bebes el árbol?»). La tarea es la siguiente: Por favor, cada vez que escuche una pregunta, diga si ha entendido la pregunta. Si la ha entendido, diga «bien». Si una pregunta le parece incomprensible, diga «mal». Por favor, reaccione lo más rápido posible. Por favor, póngase los auriculares. Entonces empezaremos a grabar. Pero antes de comenzar el diálogo, tenemos que ver si el volumen está bien: Escuchará una voz que le preguntará si la escucha bien (se lo volverá a preguntar, para el caso que no esté bien el volumen). Después, empezará el diálogo. Por favor, hable dirigiéndose al micrófono.
11 Fragebogen A der experimentellen Studie (Aufgaben und Bildmaterial)
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Grabación 2: El piso de alquiler A continuación, usted escuchará otra vez la mitad de un diálogo. La voz que se ha quitado es de Bruno. Desde hace tres años Bruno vive en un pequeño piso de alquiler con su perro. Es estudiante. Últimamente tiene problemas financieros que le impiden pagar el alquiler. La dueña de la vivienda, la voz grabada, está descontenta. La situación del diálogo es que Bruno llega a casa por la tarde y la dueña ha estado esperando en el pasillo. Ahora quiere que Bruno le pague. Y como está cabreada, también le dice lo que no le gusta del comportamiento de Bruno y su perro. Para poder permanecer en el piso, Bruno tiene que defenderse. Usted escuchará lo que dice y pregunta la dueña. Lo importante para usted son las preguntas. Como antes, figuran entre éstas algunas pocas que no tienen sentido. La tarea es la siguiente: Por favor, cada vez que escuche una pregunta, diga si ha entendido la pregunta. Si la ha entendido, diga «bien». Si una pregunta le parece incomprensible, diga «mal». Por favor, reaccione lo más rápido posible. Si se ha quitado los auriculares, por favor, vuelva a ponérselos. Entonces empezaremos a grabar. Por favor, hable dirigiéndose al micrófono.
588
11 Fragebogen A der experimentellen Studie (Aufgaben und Bildmaterial)
Segunda parte Evaluación de dibujos Ya ha acabado la parte de diálogos. A continuación, verá diferentes frases, una por una, y dibujos. En la mayoría de los casos deberá escoger entre determinados dibujos según describan bien lo dicho en la frase. Lo que habrá que hacer en concreto lo verá en la instrucción de cada página. Pueden aparecer frases y dibujos que se parecen entre sí. No se desconcierte por ello. En todo caso, si le es posible, tome las decisiones rápida y espontáneamente.
11 Fragebogen A der experimentellen Studie (Aufgaben und Bildmaterial)
589
A las tres continuaba lloviendo. Instrucción: Por favor, elija la imagen o la combinación de imágenes que describa mejor la frase.
□ (a)
□ (b)
□ (c)
590
11 Fragebogen A der experimentellen Studie (Aufgaben und Bildmaterial)
Están buscando una cocinera buena que se llame Clara. Instrucción: Por favor, escoja dos de los tres elementos de la derecha con los que la imagen de la izquierda describa mejor lo que se busca según la frase.
□ (a)
□ (b)
□ (c)
11 Fragebogen A der experimentellen Studie (Aufgaben und Bildmaterial)
591
Pablo acaba de salir. Instrucción: Supuestamente, la frase la dice la mujer en la casa a su interlocutor. Por favor, elija la imagen que describa mejor la frase. □ (a)
□ (b)
592
11 Fragebogen A der experimentellen Studie (Aufgaben und Bildmaterial)
Miguel soñaba que sobrevolaba la ciudad. Instrucción: Por favor, elija la imagen que describa mejor la frase. □ (a)
□ (b)
11 Fragebogen A der experimentellen Studie (Aufgaben und Bildmaterial)
593
A las doce, la policía trataba de cazar a un asesino. Instrucción: Por favor, añada una de las dos imágenes (a) o (b) a la imagen de la izquierda para describir bien la frase. ☐ (a)
☐ (b)
594
11 Fragebogen A der experimentellen Studie (Aufgaben und Bildmaterial)
Carlos demostró que tenía mucha fuerza. Instrucción: Por favor, elija la imagen que describa mejor la frase. □ (a)
□ (b)
11 Fragebogen A der experimentellen Studie (Aufgaben und Bildmaterial)
Vencieron la agresión. Instrucción: Por favor, elija la imagen que describa mejor la frase. □ (a)
□ (b)
595
596
11 Fragebogen A der experimentellen Studie (Aufgaben und Bildmaterial)
Están buscando a Clara, que es buena cocinera. Instrucción: Por favor, escoja dos de los tres elementos de la derecha con los que la imagen de la izquierda describa mejor lo que se busca según la frase. □ (a)
□ (b)
□ (c)
11 Fragebogen A der experimentellen Studie (Aufgaben und Bildmaterial)
597
A las tres continuó lloviendo. Instrucción: Por favor, elija la imagen o la combinación de imágenes que describa mejor la frase.
□ (a)
□ (b)
□ (c)
598
11 Fragebogen A der experimentellen Studie (Aufgaben und Bildmaterial)
La alcachofa grande de la ducha sustituye a la alcachofa pequeña. Instrucción: Por favor, elija la imagen que describa mejor la frase.
□ (a)
□ (b)
□ (c)
11 Fragebogen A der experimentellen Studie (Aufgaben und Bildmaterial)
599
A las seis menos cinco, Alonso estaba por llegar a casa. Instrucción: En la primera imagen ve lo que supuestamente pasó según la frase. Por favor, responda a las siguientes preguntas: Según la frase, ¿pasó también lo ilustrado en la segunda imagen? ☐ seguro que sí ☐ probablemente sí ☐ probablemente no ☐ seguro que no ¿Es importante tener en mente lo ilustrado en la segunda imagen para entender la frase? ☐ sí ☐ no
(1)
(2)
600
11 Fragebogen A der experimentellen Studie (Aufgaben und Bildmaterial)
Vencieron a la agresión. Instrucción: Por favor, elija la imagen que describa mejor la frase. □ (a)
□ (b)
11 Fragebogen A der experimentellen Studie (Aufgaben und Bildmaterial)
601
Empezó a llover. Instrucción: En la imagen de en medio ve lo que supuestamente pasó según la frase. Por favor, añada una imagen de las otras dos para describir de manera aún más clara lo que pasó según la frase.
☐ (a)
☐ (b)
602
11 Fragebogen A der experimentellen Studie (Aufgaben und Bildmaterial)
Miguel soñaba sobrevolar la ciudad. Instrucción: Por favor, elija la imagen que describa mejor la frase. □ (a)
□ (b)
11 Fragebogen A der experimentellen Studie (Aufgaben und Bildmaterial)
603
En la final de la Eurocopa, España venció a Italia. Instrucción: Por favor, elija la imagen que le parece más adecuada para describir quién perdió según la frase.616 □ (a)
□ (b)
616 Die beiden Bilder werden aus bildzitatsrechtlichen Gründen schwarz-weiß gedruckt, waren aber im Originalfragebogen farbig. Bild (a) stellt die italienische Fußballnationalmannschaft nach dem Verlust gegen die spanische Mannschaft im Finale der Europameisterschaft 2012 dar (Michael Steele/Getty Images Europe). Bild (b) ist die Flagge Italiens (http://www.nationalflaggen. de/media/flags/flagge-italien.gif, Zugriff: 02.02.19).
604
11 Fragebogen A der experimentellen Studie (Aufgaben und Bildmaterial)
En aquella época, las solteras se apresuraban a cazar un marido. Instrucción: Por favor, añada una de las dos imágenes (a) o (b) a la imagen de la izquierda para describir bien la frase.
□ (a)
□ (b)
11 Fragebogen A der experimentellen Studie (Aufgaben und Bildmaterial)
Carlos demostró tener mucha fuerza. Instrucción: Por favor, elija la imagen que describa mejor la frase. □ (a)
□ (b)
605
606
11 Fragebogen A der experimentellen Studie (Aufgaben und Bildmaterial)
A las seis menos cinco, Alonso estuvo por llegar a casa. Instrucción: En la primera imagen ve lo que supuestamente pasó según la frase. Por favor, responda a las siguientes preguntas: Según la frase, ¿pasó también lo ilustrado en la segunda imagen? ☐ seguro que sí ☐ probablemente sí ☐ probablemente no ☐ seguro que no ¿Es importante tener en mente lo ilustrado en la segunda imagen para entender la frase? ☐ sí ☐ no (1)
(2)
11 Fragebogen A der experimentellen Studie (Aufgaben und Bildmaterial)
607
¡Muchas gracias por participar en el estudio!
Nota: Si tiene comentarios acerca del estudio en el que acaba de participar, los puede anotar abajo.