Der Ursprung des Apostolikums im Urteil der kritischen Forschung 3525551975, 9783525551974

Das Apostolikum gehört zu den zentralen Symboltexten des christlichen Westens. Nachdem im 19. und 20. Jahrhundert bekann

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Der Ursprung des Apostolikums im Urteil der kritischen Forschung
 3525551975, 9783525551974

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Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte Herausgegeben von Thomas Kaufmann

Band 89

Vandenhoeck & Ruprecht

Markus Vinzent

Der Ursprung des Apostolikums im Urteil der kritischen Forschung

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 3-525-55197-5

© 2006, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Zum dankbaren Andenken an meinen Vater Dr. Otwin Vinzent (29.1.1929–4.12.1997)

Inhalt

Vorwort ..........................................................................................................

9

Erster Teil: Die vorkritische Phase ................................................................ 1. Auf dem Weg zur kritischen Forschung.............................................. 2. Das Apostolikum – das Bekenntnis der zwölf Apostel .......................

22 22 24

Zweiter Teil: Die Anfänge der kritischen Forschung .................................... 1. Das Apostolikum und die Schrift; Zweifel an der Verfasserschaft der Apostel........................................................................................... 2. Das Apostolikum in der katholischen Kirche der Gegenreformation ..

31

Dritter Teil: Das Apostolikum historisch untersucht .....................................

60

Vierter Teil: Die Differenzierung zwischen Glaubensregel, Symbol und Schrift und die Vorordnung der Glaubensregel .......................................

84

Fünfter Teil: Glaubensbekenntnisse als Taufbekenntnisse von westlichen und östlichen Ortskirchen ........................................................................

98

31 56

Sechster Teil: Zur Vorgeschichte der altrömischen Formel und zu deren Weiterentwicklung im fünften Jahrhundert und später............................ 194 Siebter Teil: Stufen der Bekenntnisgenese .................................................... 1. Das christologische Summarium, die trinitarische Formel und deren Verschmelzung .......................................................................... 2. Die allmähliche Entwicklung des altrömischen Bekenntnisses .......... 3. Die Tauffragen als Taufbekenntnis ..................................................... 4. Unterschiedliche Bekenntnisse mit ihrem je verschiedenen Sitz im Leben .......................................................................................

219 219 226 244 258

Achter Teil: Die heutige opinio communis – interrogatorische und deklaratorische Bekenntnisse ................................................................... 267 Neunter Teil: Die Infragestellung der opinio communis – das Romanum – ein markellisch-photinisches Produkt ........................... 312

8

Inhalt

Anhang ........................................................................................................... 396 Die verschiedenen Auflagen der BSGR und ihr Inhalt............................ 396 Bibliographie.................................................................................................. 409 a) griechische, lateinische bzw. christlich-orientalische Quellen für das Apostolikum .................................................................................. 409 b) Sekundärliteratur.................................................................................. 415 Register........................................................................................................... Altes Testament........................................................................................ Neues Testament ...................................................................................... Ältere Autoren und Texte ........................................................................ Autoren und Texte der jüngeren und modernen Forschung .................... Begriffe, Namen, Orte.............................................................................. Griechische Begriffe ................................................................................

463 463 463 464 465 472 480

„She understood Legend and wanted the world to remain unconfused by facts. … The legend is firm, so are the facts. To investigate and describe how a legend got that way is neither worship at the shrine nor autopsy: It is celebration, and – very often – an act of wonder“ (Stephen Bach, Marlene Dietrich. Life and Legend)1

Vorwort

„La multiplicité même de ces travaux (sc. sur le Symbole des Apôtres), souvent fragmentaires et habituellement plus analytiques que synthétiques, risque, dans la complication des questions et la variété parfois discordante des solutions, d’égarer le lecteur.“2 Joseph de Ghellinck, der vor über fünfzig Jahren die letzte Forschungsgeschichte zu unserem Thema vorgelegt hat, ist ohne Zweifel recht zu geben: Ein umfassender Überblick der Bemühungen um das Apostolikum kann nicht geschrieben werden, und zwar nicht nur, weil eine Lektüre aller älteren Studien zu diesem Thema von einem einzelnen Forscher nicht zu leisten ist, sondern auch, weil eine Darbietung derselben – etwa durch ein Team – dem Leser kaum dienlich wäre.3 Schon eine einigermaßen komplette Bibliographie 1

St. Bach, Marlene Dietrich. Life and Legend, London 1992, ix. xii. J. de Ghellinck, Les recherches sur les origines, 1949 (1946), 2; ganz ähnlich auch A. de Halleux, „Dieu le Père tout-puissant“, 1977, 401: „Les progrès – ou les vicissitudes – de la recherche n’ont guère abouti qu’à rendre la tâche toujours plus complexe.“ 3 Den besten älteren Forschungsüberblick bietet B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898. Dieser wurde vorgelegt als erster Teil seiner auf zwei Bände angelegten Untersuchung zum Apostolikum. Nachdem allerdings Kattenbuschs Werk zum Apostolikum zwischenzeitlich erschienen war, scheint Dörholt seine eigentliche Untersuchung nicht mehr veröffentlicht zu haben; Dörholts Auffassung von der Entstehung des Apostolikums lässt sich lediglich einem kurzen Artikel Dörholts entnehmen: Dörholt, Art. Apostolisches Glaubensbekenntnis, 1907, worin er sich tatsächlich eng an Kattenbusch anschließt. Nach Dörholt stellt F. Kattenbusch, Das Apostolische Symbol I, 1894, 1–37 den nächst wichtigen Beitrag dar, der allerdings bereits in der Forschungsgeschichte erheblich antiaufklärerisch gefärbt ist; einen ausführlichen, tendenziös-katholischen und bei aller Umfänglichkeit wenig inhaltlichen Abriss bietet J. de Ghellinck, Les recherches sur les origines, 1949 (1946) (vgl. auch dessen ältere Forschungsberichte der Jahre 1940; 1942 und 1945; man vgl. hierzu auch die allesamt leider wenig austragenden Rez. zu Ghellinck (1949) von A. v. Hove, 1946; R. H. Connolly, 1947; F. O. Corcoran, 1947 [ebd., 330: „highest standards of scholarship“]; C. Lambot, 1947; F. Cavallera, 1948; J. A. Jungmann, 1948 [ebd., 385: „vollständige Forschungsgeschichte“, „sorgfältig und lichtvoll zusammengefaßte Einzelforschungen“]; B. Capelle, 1946/9), kürzere Abrisse finden sich in J. Quasten, Art. Symbolforschung, 1964; M. Tetz, Zum altrömischen Bekenntnis, 1984, 107–111; H.-M. Barth, Art. Apostolisches Glaubensbekenntnis, 1978; P.-Th. Camelot, Les récentes recherches sur le Symbole des 2

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Vorwort

zu diesem Thema würde so viele Seiten füllen, dass vor Bäumen kein Wald zu erblicken wäre.4 Stellt sich also die Frage, ob man einen Forschungsüberblick zum Ursprung des Apostolischen Glaubensbekenntnis überhaupt vorlegen soll. Bringt er einen Erkenntnisgewinn? Ein erstes Argument für eine neue Forschungsgeschichte bieten die jüngeren wissenschaftlichen Bemühungen um das Apostolikum, die bei ihren historischen Rückblicken auf die ältere Forschung ausschließlich den weniger verlässlichen, zum einen protestantisch- (Kattenbusch), zum anderen katholischkonservativen (de Ghellinck) Forschungsgeschichten vertrauen und nicht mehr auf die Forschungsliteratur selbst rekurrieren, aber auch die wissenschaftlich gediegenere Studie von Bernhard Dörholt leider nicht mehr kennen.5 Ein zweites Argument liefert Hans Freiherr von Campenhausen, dem wir die tiefsten Einsichten in unser Thema verdanken. Von Campenhausen hat einmal festgestellt, dass „die Behandlung eines wissenschaftlichen Problems“ bisweilen „weniger unter dem Mangel als unter einem Übermaß von Beachtung zu leiden hat“, und zwar „nirgends häufiger als im Arbeitsbereich der historischen Theologie“.6 Um so wichtiger erschien es ihm aber, in manche „gelehrte Wildnis … Schneise(n)“ zu schlagen; denn er fürchtete, ohne Reduktionen würde „das Nebensächliche … das Wesentliche (überwuchern), das jeweils Neue das bleibend Richtige und das Gewünschte und Erträumte das eben noch Erkennbare wie das längst Erkannte“, denn ohne Schneisen gingen „Übersicht und Abstand … verloren“, mithin „die unumgänglichen Voraussetzungen ernsthafter Diskussion“.7 Apôtres, 1951/1952; (im allerdings unveröffentlichten Teil der Dissertation von) M. C. Zaffi, Formulazioni di fede, 1989, 1–312 und, was die Entstehungslegende des Apostolikums betrifft, J. N. D. Kelly, Altchristliche Glaubensbekenntnisse, 3. Aufl., 1972, 9–14. Ältere Forschungsergebnisse sind ausführlich dargestellt in: Th. Ittig, Historiae ecclesiasticae primi a Christo nato seculi selecta capita, 1709, 76–120 und in der dieser Schrift vom selben Verfasser vorangestellten „De scriptoribus historiae ecclesiasticae recentioribus dissertatio“; J. A. Fabricius, Codicis apocryphi Novi Testamenti, pars tertia, 1743, 339–364 (mit reicher Lit.-Übersicht) und J. R. Kiesling, Historia de usu symbolorum ..., 1753, 7–127 (vgl. weiter unten). Die Arbeit von R. Murray, Recent Studies in Early Symbolic Theology, 1965 beschäftigt sich nicht mit dem Bekenntnis im besonderen, sondern mit der frühen theologischen Entwicklung und ihrer Behandlung überhaupt. 4 J. de Ghellinck, Les recherches sur les origines, 1949 (1946) bietet auf den Seiten 273 bis 299 eine chronologisch angeordnete Auswahlbibliographie, die von 1842 bis 1949 reicht. 5 Nur ein drastisches Beispiel: Im Forschungsüberblick zu seiner über 600-seitigen Studie zum Apostolischen Glaubensbekenntnis stützt sich L. H. Westra, The Apostles’ Creed, 2002 (vgl. sein Hinweis hierzu 239) fast ausschließlich auf die genannte Sekundärliteratur, auch bei der Behandlung der einschlägigen Forschungsbeiträge der Vergangenheit. Es schleichen sich entsprechend Fehler ein; um nur ein Beispiel zu nennen: Gleich zu Beginn von Kapitel 1 meint Westra (213), die Bezeichnung Textus receptus (T) „seems to have been introduced by Kattenbusch: see Kattenbusch 1894, 189“, sie begegnet jedoch schon früher in der ersten Auflage der Bibliothek der Glaubenssymbole von August Hahn (1842), was sofort wieder aufgegriffen wird von E. Stockmeier im Jahr 1845 (siehe weiter unten zu den Personen). 6 H. Frhr. v. Campenhausen, Die Jungfrauengeburt, 1979 (1962), 63. 7 Ebd.

Vorwort

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In der Tat ist der jetzige Versuch, einen Weg durch die Forschungsgeschichte zu bereiten, das Ergebnis der eigenen Teilnahme an der „ernsthaften Diskussion“, die mit verschiedenen Publikationen der letzten Jahre offenkundig erneut angestoßen werden konnte.8 Beabsichtigt war, dem gemeinsam mit Christoph Markschies und Wolfram Kinzig herausgegebenen Band „Tauffragen und Bekenntnis“ einen kurzen Forschungsüberblick vorauszuschicken. Doch bei der mehrjährigen Beschäftigung mit dem Thema der Ursprünge des apostolischen Glaubensbekenntnisses wurde überdeutlich, dass der Ist-Stand der Forschung und die Zählebigkeit von Vorstellungen (wie etwa derjenigen von „örtlichen liturgischen Glaubensbekenntnissen“) kaum erklärlich sind, wenn sie nicht auf dem Hintergrund einer ausführlicheren Forschungsgeschichte gelesen werden. Dabei geht es nicht um eine Geschichte der patristischen Historiographie anlässlich eines speziellen Themas – so reizvoll und wichtig eine solche Studie wäre –, es kann auch nicht eine vollständige kommentierte Bibliographie zum Apostolikum angestrebt werden, sondern, wie von Campenhausen formulierte, werden systematische Abschnitte zur Bestimmung des Ursprungs des apostolischen Glaubensbekenntnisses eingeführt. Diese stehen zumeist in chronologischer Folge, wobei eine Reihe von Studien von dieser Chronologie abweichen, weil ihre Autoren künftigen Einsichten vorweggreifen oder auf frühere Ergebnisse bewusst oder unbewusst zurückkommen. Innerhalb der Diskussion geht es vor allem um die Antworten auf die Frage nach den Ursprüngen des apostolischen Glaubensbekenntnisses, nicht so sehr nach den textlichen Grundlagen, den späteren Ausbildungen, Fortentwicklungen und theologiehistorischen Anstößen, die mit dem entstandenen Apostolikum verbunden waren und sind. Da das Apostolikum, wie allgemein anerkannt, – auf welche Weise, sei an dieser Stelle noch offen – auf das sogenannte Romanum zurückverweist, ist auch dieses Bekenntnis und die Bestimmung seiner Ursprünge in die Untersuchung einzubeziehen. Wie nun gestalten sich die wichtigsten Ab- und Einschnitte der Forschungsgeschichte? Der erste Teil hebt mit einer kurzen Darlegung der vorkritischen Phase an, die mit dem ersten erhaltenen Kommentar zu einer Vorform des Apostolikums beginnt, der weithin dem Tyrannius Rufinus (ca. 345–410) zugeschrieben und auf die Zeit um das Jahr 404 datiert wird. Auch wenn in den darauffolgenden Jahrhunderten die Quellen zum Apostolikum reichlich fließen, setzt die Studie aufgrund der zumeist unkritischen Behandlung der Ursprünge des Apostolikums in mittelalterlichen Texten ausführlicher erst wieder mit der beginnenden wissenschaftlichen Forschung im 15. Jahrhundert ein. Der zweite Teil beginnt mit Laurentius Valla (1406–1457) und führt durch die Zeit der Reformation hin zu Gegenreformation und lutherischer Orthodoxie. 8

Vgl. die verschiedenen Aufsätze und Monographien des Vf.s in der Bibliographie, v.a. aber die zahlreichen Rezensionen zu dem zusammen mit W. Kinzig und Chr. Markschies herausgegebenen Band (1999).

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Vorwort

Auf dem Wege zur Reformation und während dieser wächst die anfängliche Skepsis gegenüber der legendären westlichen Tradition bezüglich der Verfasserschaft der Apostel. Es entstehen die ersten historisch-kritischen Ansätze in Bezug auf Autorschaft, historischer Ort, Text und theologische Stellung des Apostolikums. Insbesondere beschäftigen sich die Reformatoren wegen der Heraushebung des Schriftprinzips mit der Stellung des Apostolikums gegenüber der Schrift und der aus ihr abzuleitenden Theologie, speziell was die theologische Relevanz des Bekenntnisses im Vergleich zur Schrift bedeutet, aber auch mit Theologumena wie dem Descensus, den man nicht ausdrücklich in der Schrift finden konnte. Erstmals wird erkannt, dass das Apostolikum antihäretische Züge aufweist, die auf eine Entstehungszeit im vierten Jahrhundert hindeuten. Dass das kritische Forschen nicht alleine in der Reformation weiterentwickelt wurde, sondern – wenn auch verzögert und mit weniger Emphase – innerhalb der katholischen Kirche fruchtete, zeigen die kürzeren Ausführungen zu Trient und katholischen Stimmen des 17. Jahrhunderts. Der dritte Teil führt in die historische Untersuchung des Apostolikums ein. Aufbauend auf der reformatorischen Diskussion über wechselseitiges Verhältnis und Verbundenheit von Schrift und Bekenntnis entwickelt sich die Theorie einer historischen Genese des Apostolikums in Stufen, die von einem ersten biblischen Autorität besitzenden Symbol, der sogenannten Taufformel von Mt 28,19, ausgeht, welches deutlich zu unterscheiden sei von dem von Menschen gebildeten und allmählich gewachsenen liturgischen Bekenntnis des Apostolikums. Letzteres sei deutlich antihäretisch geprägt von den Diskussionen des zweiten bis vierten Jahrhunderts. Nachdem die römische Kirche das Symbol zur Untermauerung der eigenen apostolischen Autorität durch die notwendige Verpflichtung der Taufbewerber auf dieses herangezogen hatte, tendierte die protestantische Forschung erstmals in Reaktion auf diese römische Vereinnahmung dazu, die Entstehung des Bekenntnisses mit Rom in Zusammenhang zu bringen, es als dessen Ortsbekenntnis zu betrachten und mit dieser Lokalisierung eine Konfessionalisierung des Bekenntnisses zu verbinden, um dem Apostolikum die allgemeine Verbindlichkeit abzusprechen. Unbeabsichtigt war durch diese Konfessionsrivalität historiographisch die Tradition lokaler Bekenntnisse und die zentrale Stellung Roms in ihr geboren worden. In diese Zeit fällt auch der erste gründliche Vergleich des Apostolikums mit bekenntnisartigen Formulierungen einer Reihe altkirchlicher Autoren. Ergebnis dieses Vergleiches ist die Feststellung einer allmählichen historischen Genese dieser Bekenntnisse. Krönung dieses genetischen Ansatzes war die Schaffung und Publikation der ersten Bibliothek der Glaubenssymbole. Im vierten Teil geht es um das Verhältnis der Größen „Glaubensregel“, „Symbol“ und „Schrift“. Einsetzend mit der Aufklärung schärft die Forschung die Begrifflichkeit innerhalb der Symbolgenese. Die vielfach variierten Bekenntnisformulierungen der Schrift und frühchristlicher Autoren werden als „Glaubensregel“ („regula fidei“ u.ä.) definiert, hingegen stehen „Symbole“

Vorwort

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einerseits für liturgische Bekenntnissummarien und andererseits für synodale, kanonische Bekenntnisformeln. Gegenüber der protestantischen Orthodoxie, die alles Gewicht auf die Schrift gelegt und zugleich eine Skepsis gegenüber den von Menschen formulierten Dogmen gehegt hat, setzt mit der Aufklärung die Kritik nicht mehr nur gegenüber den anachronistischen Versuchen ein, die späteren Symbole mit ihren dogmatischen Formulierungen aus der Schrift heraus zu begründen. Auch das von Menschen niedergeschriebene Neue Testament gerät in die Kritik und wird auf ein einziges Prinzip zurückgeführt: Das christliche Bewusstsein, das sich früh als Glaubensregel ausgebildet habe. Diese Glaubensregel gilt als Ausgangspunkt, von dem der Kanon des Neuen Testaments und folglich die Gestalt der Schrift geprägt wurde. Und mehr als dieser Nukleus sei im Christentum der ersten vier Jahrhunderte auch nicht zur Seligkeit als notwendig erachtet worden. Prominente Vertreter dieser Vorstellungen waren unter anderen Lessing und Herder. Die Theoretisierung und Radikalisierung stellten zugleich eine Provokation dar, die – wie die französische Revolution in politicis – in den dominierten und um Selbständigkeit ringenden Anrainergebieten zum offenen Widerspruch und Kampf und in theoreticis zur romantischen Wendung führte. Zweifelsohne muss das 18. Jahrhundert als der bis in die Gegenwart hinein reichende Höhepunkt der Symbolforschung gelten (gegenüber welchem das 19. und 20. Jahrhundert trotz aller Detail- und Quellenanreicherung sich eher als immer besser geordneter und systematisierter Reliquien- und Antiquitätenladen darstellt, der vor allem im 19. Jahrhundert noch klare konfessionelle Regale besitzt, die im 20. Jahrhundert schließlich ökumenisch neu sortiert werden). Der umfängliche fünfte Teil zeichnet den Beginn der systematisierendantiaufklärerischen Phase nach. Angesichts der Innovationen während der Aufklärung und der z.T. noch nachwirkenden historisch nüchternen „Entmythologisierung“ der autoritätsbegründenden Legenden um das Apostolikum, wirkten die „zwangs“-irenischen Tendenzen der Unionsbestrebungen des frühen 19. Jahrhunderts kontraproduktiv zur aufgeklärten Historiographie. Statt mutig die radikalen Neusichten fortzuschreiben und historisch Fakten gegen Legenden sprechen zu lassen, verwickelte man sich angesichts der dramatischen Kämpfe um das Bestehen der eigenen Konfession in ideologisch und fundamentalistisch ausgefochtene Apostolikumsstreitereien, die, wie auch die nächsten Abschnitte der Untersuchung zeigen werden, zu einer monströsen Flut von nicht mehr übersehbaren und rezipierbaren Forschungsbeiträgen zum Ursprung des Apostolikums führten. Im Ergebnis verflachte schließlich überhaupt das Interesse an Dogma und Symbol, die, wie in den späteren Abschnitten zu zeigen ist, allenfalls noch innerhalb der liturgischen und katechetischen Erneuerungsversuche der sechziger bis achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts wieder eine stärkere Rolle spielten. Deutlich wird im fünften Teil, dass die Quellenverbreiterung und historischen Arbeiten des 19. Jahrhunderts zugleich zur Absicherung der romanti-

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schen Sicht von der Entwicklung der kirchlichen Institutionen, Liturgien und Glaubensentwicklungen gedient hatten. Auch wenn in diesem und den nächsten Teilen der Untersuchung die gewaltigsten historiographischen Anstrengungen dokumentiert werden, die jemals zur Erläuterungen der Geschichte des Apostolikums unternommen worden sind, seien es die verschiedenen Auflagen der Bibliothek der Glaubensbekenntnisse, begründet von August Hahn, seien es die Textfunde eines Carl Paul Caspari oder die Untersuchungen von Ferdinand Kattenbusch, Adolf Harnack und anderen, so können die umfänglichen Arbeiten doch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie apologetisch, historisch und konfessionell gefärbt sind. Wenn in diesen Arbeiten auf Ussher und Voss als Vorreiter kritischer Forschung rekurriert wird (wie neuerdings wieder bei Liuwe H. Westra), so deshalb, weil gerade diese Forscher die voraufklärerische Position mit der Romzentrierung und Frühdatierung des Apostolikums unterstützen. Auch wenn man zu dieser Zeit noch der aufklärerischen Vorstellung begegnet, wonach etwa am Anfang des Christentums ein ganz einfaches Bekenntnis gestanden habe, das zwar den Kanon geprägt und sich erst im 4. Jahrhundert und später zu den synodalen und liturgischen Symbolen entwickelt habe, jedoch bereits von der Schrift, die dem Bekenntnis vorgeordnet sei, hat sich die romzentrierte Sicht und die Vorstellung von Lokalbekenntnissen weithin durchgesetzt. Früh schon hätten die Gemeinden in der gesamten Kirche aus dem ursprünglichen Taufbekenntnis im Zusammenhang mit der Taufe Glaubensbekenntnisse entwickelt, von denen das römische Bekenntnis eines der ältesten Bekenntnisse darstelle, eben das typisch westliche, und die Differenzierung zwischen westlichen und östlichen Symbolen anzeige. Um gegenüber dieser kohärenten Symbolbestimmung die große Bandbreite von bekenntnisartigen Formulierungen erklären zu können, bestimmte man näher, was eine Glaubensregel war, die man deutlich vom Symbol unterschied und als eine zunächst ganz freie Formulierung christlichen Bewusstseins durch verschiedene Theologen vorstellte. Diese regulae fidei hätten sich schließlich erst in Folge von Konzilien und Kirchenlehre dogmatisch verfestigt, während ihnen gegenüber die liturgischen Bekenntnisse erheblich älter und früher festgelegen hätten. Die Glaubensregel sah man als antihäretisch geprägt, während die liturgischen Taufbekenntnisse davon weithin unberührt, weil älter, geblieben seien. Strittig war im Wesentlichen das präzise Alter des römischen Bekenntnisses und dessen Verhältnis zu den weiteren westlichen und östlichen liturgischen Bekenntnissen. Alle Bekenntnisarten (inklusive der regulae fidei!) verband jedoch, dass sie in einem Zusammenhang zur Taufe standen, die örtlich ausgebildeten Taufbekenntnisse gewissermaßen widerspiegelten, und von der wesentlichen Einheit des christlichen Glaubens zeugten. Im sechsten Teil werden die Reaktionen auf die wichtigsten Vertreter des vorangegangenen Teils, vor allem auf Hahn, Caspari, Kattenbusch, Harnack und Burn, nachgezeichnet. Die Reaktionen verdeutlichen trotz der Kritik an Einzelnem, mit welcher Ehrfurcht man sich vor dem in ausgreifenden Monographien

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und entlegenen Archivstudien Erreichten verbeugte, sich zugleich jedoch nicht scheute, weitere Monographien auf den Gabentisch der Gelehrtheit zu legen. Eröffnet werden die Reaktionen mit dem eigenständigen Johannes Kunze, der die Überbetonung der westlichen Symboltradition in den Studien Casparis und Kattenbuschs kritisiert und im Rückgriff auf die Aufklärung die enge Verbindung zwischen Glaubensregel und Taufbekenntnis lockert, ohne sie zu lösen. Das altrömische Bekenntnis gilt nicht mehr als Mutterformel für alle anderen Bekenntnisse, sondern als eine mehr oder weniger zufällige Variante des damals noch grundsätzlich nicht festgelegten Taufsymbols. Ludwig Lemme erkennt den Unterschied zwischen der christologischen und der trinitarischen Gedankenreihe, eine Einsicht, die Karl Holl weiterentwickelt (siehe nächster Teil). Cuthbert Hamilton Turner betont erstmals, dass die Tauffragen und –antworten älter als das Bekenntnis seien. Der siebte Teil, überschrieben mit „Stufen der Bekenntnisgenese“, führt in die Entdeckung des Romanum und in der Folge dessen in die Rekonstruktion von dessen Vorformen ein. Zunächst werden die Thesen von Krawutzky, Peitz und Haußleiter vorgestellt, die – wie Ludwig Lemme – das christologische Summarium und die trinitarische Formel unterscheiden und den Verschmelzungsprozess beider beschreiben. Die Hinzunahme der trinitarischen Formel lasse sich erst auf dem Hintergrund der monarchianischen Streitigkeiten des frühen dritten Jahrhunderts erklären. Nach Eduard Schwartz und an Turner anknüpfend rekonstruiert R. Hugh Connolly die sog. Traditio Apostolica, ein Gelehrtenwerk,9 die entgegen der von Connolly angemahnten Vorsicht im Umgang mit diesem Dokument dann in der Folgezeit und bis heute durch den erstmaligen „Nachweis“ der Formulierungen des Römischen Bekenntnisses für das dritte Jahrhundert die Frühdatierung des Bekenntnisses nachhaltig stützte. Von diesem „Fund“ angeregt, gingen Forscher daran, auch in zeitparallelen und älteren Texten nach dem Wortlaut des Romanum zu suchen bzw. diesen aus solchen Parallelen zu konstruieren und gegenüber der Traditio Apostolica in seinen älteren Formen zu präzisieren (Capelle, Lietzmann). Mit Karl Holl beginnt die Darlegung der von Holl-Harnack-Lietzmann entwickelten Hypothese der Entstehung des zweiten Artikels des Apostolikum, der diesen Autoren zufolge als Auslegung der beiden Titel Jesu Christi, des Einziggeborenen (to;n monogenh') und des Herrn (to;n kuvrion hJmw'n), zu verstehen sei. Dadurch, dass die „Fassbarkeit der Gottheit erst in Christus Jesus zum Ausdruck kommen sollte“ und durch die durchgängige Dreigliedrigkeit des Symbols der Geist mit der Kirche „zu identifizieren“ sei, stelle sich das gesamte Symbol als das eines „römischen Christen“ vor (Harnack). Um die Dreigliedrigkeit zu schärfen, nimmt Lietzmann an, dass die verdeutlichenden „Erläuterungssätze“ des zweiten Artikels, von denen Holl allerdings ausgegangen war, 9

Vgl. auch E. Schwartz, Über die pseudapostolischen Kirchenordnungen, 1910.

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Vorwort

nicht zum ursprünglichen Bekenntnis gehörten. Ebenfalls müsse man am dritten Artikel eine Symmetrie annehmen. Im Ergebnis seiner Rekonstruktion sieht Lietzmann eine Textgestalt, die ihm tatsächlich in einem aus dem achten Jahrhundert stammenden Papyrus von Dêr-Balyzeh (Ägypten) begegnet und ihm als Beleg für die „Urform“ des römischen Symbols und aller regulae fidei dient. Reinhold Seeberg erschließt hinter der von Lietzmann erschlossenen Form (R1) des altrömischen Bekenntnisses (R2) noch eine weiter zurückliegende Urform (U), die sich nochmals in die jüngere triadische Formulierung (U2) und die christologische (U1) unterscheiden ließe. Paul Feine führt schließlich die Ursprungssuche noch weiter zurück ins Neue Testament, und zwar auf 1Tim 6,11ff., während C. H. Dodd auf 1Kor 15,3ff. verweist. In einem dritten Unterpunkt wird aufgezeigt, welche Konsequenzen aus der Rekonstruktion der Traditio Apostolica gezogen wurden. Johannes Brinktrine (und im Anschluss an ihn Odo Casel) dreht das chronologische Verhältnis von Taufbekenntnis und Tauffragen um und konstatiert, dass diese älter als jene sein müssen und die Tauffragen leicht als Kommentierung der Taufaufforderung Mt 28,19 zu verstehen seien. Umgekehrt könnten spätere Formeln aus den Tauffragen entstanden sein. F. J. Badcock betrachtet sich das Bekenntnis Markells von Ankyra näher und stellt es in den historischen Zusammenhang, folgt aber noch der These von der lokalen Tradition von Bekenntnissen und führt letztlich Markells Bekenntnis und damit dessen zum Romanum weithin parallelen Wortlaut auf ein ankyranisches Bekenntnis zurück. Markell habe diesen Text aus seiner Heimat nach Rom mitgebracht. Dort habe zuvor lediglich ein Bekenntnis gegolten, das im Sacramentarium Gelasianum Vetus überliefert sei, was dann frühestens unter Damasus durch die in Rom und Serdika approbierte Formel des Markell im christologischen Teil ergänzt worden sei. Harry James Carpenter fügt diesem Befund bei seiner Untersuchung des Begriffs „Symbol“ hinzu, dass vor dem vierten Jahrhundert lediglich mit Tauffragen und -antworten zu rechnen sei, ein mit dem Taufakt verbundenes Taufbekenntnis jedoch nicht nachgewiesen werden könne und man erstmals in der Zeit nach der Traditio Apostolica mit einer Entwicklung der traditio et redditio symboli rechnen dürfe. In einem weiteren, vierten Unterpunkt wird schließlich auf den verschiedenen „Sitz im Leben“ hingewiesen, der zu unterschiedlichen Ausbildungen von Bekenntnissen geführt habe (v.a. Oscar Cullmann, Willi Rordorf, Helmut Köster). Im achten Teil wird die bis heute geltende opinio communis vorgestellt, nach der es einen Unterschied zwischen interrogatischen und deklaratorischen Symbolen gibt, das liturgisch genutzte und relativ fixe Symbol oder Bekenntnis anlässlich der Taufe grundsätzlich zu unterscheiden sei von den vielen variablen regulae fidei, und das altrömische Bekenntnis nicht vor dem 4. Jahrhundert zu einem deklaratorischen Symbol sich entwickelt habe (v.a. Bengt Hägglund, Richard P. C. Hanson, David Larrimore Holland). Die bis heute wichtigste und

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wirksamste Studie, die die genannten Ergebnisse lieferte, bot John Normann Davidson Kelly mit seinem auch ins Deutsche übertragenen Werk „Altchristliche Glaubensbekenntnisse“ (Erste Auflage 1950). Für ihn ist es unzweifelhaft, dass es ein christliches Urbekenntnis gegeben habe, das materialiter sich in seinem Lehrbestand in etwa deckte mit dem, was im Romanum bekannt werde. Die häufige Bezeugung des christologischen und die seltenere des trinitarischen Summariums hänge am Sitz des Lebens. Erstere sei eher in der Predigt anzutreffen, letztere in der Liturgie, beides zusammen aber mache erst die Glaubensregel aus. In der Taufe hätten ursprünglich die Tauffragen ihren Platz gehabt, nicht ein deklaratorisches Bekenntnis, das zur Taufkatechese gehört habe und vor der Mitte des 3. Jahrhunderts als Nebenprodukt der Taufe und aus den Tauffragen heraus entstanden sei. Im Anschluss und durchaus in kritischer Absetzung gegenüber Kelly entwickelt sich die Diskussion zwischen Pieter Smulders und Hans von Campenhausen. Das Apostolikum ordnet Smulders nicht den dogmatischen, sondern den liturgischen Texten zu. Alle lateinischen Bekenntnisse seit dem 3. Jahrhundert stammten von einem vor-R Bekenntnis ab, das sich nicht vollständig mit den Tauffragen der Traditio Apostolica deckten. Dieses vor-R habe auch Gemeinsamkeiten mit östlichen Bekenntnissen, weshalb es eine ältere gemeinsame Quelle geben müsse. Hans von Campenhausen legt hingegen dar, dass am Anfang durchaus ohne eine Formel hatte getauft werden können und schon bald jedoch die trinitarische Taufformel in Gebrauch kam, worüber später kaum Streit entstanden sei. Die Einführung eines Taufbekenntnisses, das zu rezitieren oder vor der Taufe zu bejahen wäre, sei in vorkonstantinischer Zeit nicht sicher. „Die Erinnerung an die repräsentativen ‚Taufgottesdienste‘ der nachnicänischen Reichskirche mit ihrer ‚traditio‘ und ‚redditio symboli‘ darf das Bild der Anfänge nicht verfärben und überstrahlen und ihre schlichte Eigenart dadurch unerkennbar machen.“10 „Bekenntnisse“ scheinen „überhaupt keinen bestimmten ‚Sitz im Leben‘“ zu haben, sondern waren „sozusagen überall zu Hause“,11 bevor sie gegen Ende des zweiten Jahrhunderts eine antihäretische Bedeutung erhielten. Selbst das Beispiel Eusebs von Cäsarea belege, dass ihm zu dieser Zeit noch keine in Geltung und festem Gebrauch befindliche Gemeindeformel verfügbar gewesen sei. Erst der arianische Streit habe die fortlaufende Produktion von Bekenntnissen gebracht und die Zeit der Reichskirche die Notwendigkeit geboten, jedem neuen Täufling ein bestimmtes, dogmatisch einwandfreies Bekenntnis mitzugeben. Gegen diese Thesen von Campenhausens, der „denies the existence, before the Council of Nicea, of any authoritative public Creeds, even on diocesan or regional level“12 setzt Smulders, dass von Campenhausen dann die Parallelität der westlichen Bekenntnisse nur erklären könne, wenn er annimmt, dass „Creeds either must 10 11 12

H. Frhr. v. Campenhausen, Das Bekenntnis im Urchristentum, 1979 (1972), 243. Ebd., 243f. P. Smulders, Some Riddles in the Apostles’ Creed II, 1971, 353.

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have come about only after the Council of Nicea, or are to be explained by the common Rule of Faith, or by that spontaneous parallel growth we found unacceptable in Kelly.“13 Die Variabilität der regula fidei verglichen mit dem Beleg der Traditio Apostolica erweist es Smulders, dass im Gegensatz zu den vielfältigen regulae ein festes Bekenntnis anzunehmen sei, aus dem sich dann die später kohärente Bekenntnistradition des Westens entwickelt habe, eine Argumentation, auf die später auch Liuwe H. Westra zurückkommen wird. Auch wenn es Varianzen in der Erklärung des Ursprungs des Apostolikums gibt, kann Adolf Martin Ritter doch einen gewissen Konsens konstatieren:14 1. Der Sitz im Leben von Bekenntnissen war nicht die Tauffeier. Begründung: Wir besitzen „aus den beiden ersten Jh. keinen einzigen unzweideutigen Beleg für den liturgischen Brauch eines Bekenntnisses im Zusammenhang der Taufe“,15 mehr noch, wir kennen überhaupt kein deklaratorisches Bekenntnis vor der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts.16 2. „Der Ursprung christlicher Bekenntnisbildung liegt … nicht in bestimmten Bekenntnisformeln, sondern im existenziellen Bekenntnisakt.“17 3. Es gilt klar zu unterscheiden zwischen Glaubensregel und Glaubensbekenntnis.18 Nach Ferdinand Christian Baur wurde die Glaubensregel während des Kampfes mit christlichen Häresien des zweiten Jahrhunderts entwickelt und ist darum „eine freie Zusammenfassung“, „in den Grundzügen freilich festliegend, aber im einzelnen und besonders in der Formgebung frei beweglich.“19 4. Das Glaubensbekenntnis entstand nicht vor dem vierten Jahrhundert. „Oder anders gesagt, wie dem Urchristentum genügt der Kirche der ersten beiden Jahrhunderte noch immer eine substantielle Bekenntniseinheit ohne Bekenntnisformel, ohne ein normatives, im einzelnen wie im ganzen verbindli13

Ebd., 353. Siehe auch weiter unten. 15 A. M. Ritter, Art. Glaubensbekenntnis(se), 1984, 406: Folglich ist es wahrscheinlich, dass „es einen solchen Brauch nicht gegeben hat.“ 16 Vgl. ebd., 407; ders., Creeds, 1991, 94f.; vgl. ganz ähnlich W.-D. Hauschild, Lehrbuch der Kirchen- und Dogmengeschichte, 1995, 78: „Erst im 4. Jahrhundert ist belegt, daß die Gemeinden wörtlich fixierte Taufbekenntisse verschiedenen Typs (regional differenziert) besaßen. Deren katechetische Verwendung hing mit der neuen dogmatischen Bedeutung der Bekenntnisaussagen zusammen ... Auch das sog. Apostolikum ... entstand in diesem Zusammenhang“. 17 K. Beyschlag, Grundriß der Dogmengeschichte, 1988, 92 (1982, 86f.); vgl. die zentralen Aussagen zum Bekenntnis als einem Akt in F. Beisser, Bekenntnis und Bekenntnisakt, 1980; außerdem F. Hahn, Bekenntnisformeln im Neuen Testament, 1980, 3f. 13f.; auf katholischer Seite Th. Schneider, Was wir glauben, 1985, 29f. 18 C. Andresen/A. M. Ritter, Geschichte des Christentums, 1993, 152; vgl. A. Ehrhardt, Christianity before the Apostles’ Creed, 1962, 108–119. 19 E. v. Dobschütz, Das Apostolicum, 1932, vgl. A. M. Ritter, Glaubensbekenntnis(se), 1984, 405; ders., Creeds, 1991, 94; G. C. Stead, Foundation Documents of the Faith, 1979/80, 5. 14

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ches Lehrbekenntnis oder Symbol. … Daran (hat sich) auch im dritten Jahrhundert grundsätzlich nichts geändert.“20 Zum apostolischen Bekenntnis sagt Ritter nicht mehr, als dass es sich bis auf seine Vorform, das Romanum, zurückverfolgen lässt, welche ihrerseits erstmals in der Mitte des vierten Jahrhunderts begegnet.21 André de Halleux sucht schließlich, die Entwicklung von den regulae fidei zu synodalen Bekenntnissen mit dem 3. Jahrhundert beginnen zu lassen, was sich in den arianischen Streitigkeiten fortgesetzt habe. Im neunten und letzten Teil wird auf die Infragestellung der Opinio communis durch den Verfasser (unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Forschungen von Campenhausens, Markschies’ und Kinzigs) eingegangen und diese im Gespräch vor allem mit Liuwe H. Westra fortgeschrieben. Insofern setzt der Abschnitt die früheren Arbeiten des Verfassers voraus, führt jedoch auch etwas über das dort bereits Dokumentierte hinaus. Die vorbeschriebenen Teile sind naturgemäß von ungleicher Länge und Ausführlichkeit. Vor allem kommen diejenigen Autoren zu Wort, die die Diskussion vorangetrieben und innovative und kritische Ansätze entwickelt haben, zum Teil jedoch in den nachfolgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten wieder übersehen oder vergessen worden sind. Sieht man von den Autoren, die die jeweilige Opinio communis vertreten bzw. wiederholen ab – sie werden in Auswahl in den Fußnoten und im Literaturverzeichnis genannt –, dann reduziert sich die Liste der zu behandelnden Beiträge in der Tat erheblich. Mehr noch, es entfaltet sich vor der Leserin oder dem Leser, die oder der mit Hochachtung auf die vielfältigen Anstrengungen früherer Generationen zurückblickt und sich auf deren Fundamenten bewegen und forschen will, überhaupt ein Ausschnitt theologiegeschichtlichen Ringens, das ich gerne noch breiter und weiter in den kulturgeschichtlichen Zusammenhang theologiegeschichtlicher Forschung gestellt hätte. Zeit- und Raummangel, dazu die fehlende Tiefen- und Breitenkenntnis in weiten Strecken der Historie haben mich davor bewahrt, dem Leser noch mehr Seiten Lektüre zuzumuten. Allerdings hätte das Thema hierzu den rechten Ausgangspunkt geboten. Denn das Apostolikum (mit seinen Vorformen) bildet seit langer Zeit auch liturgisch-katechetisch ein so zentraler Text, der immer wieder wissenschaftlich behandelt wurde, dass die vorliegende Forschungsgeschichte zugleich einen Einblick in die Entwicklung der theologischen Wissenschaft hätte geben können. Dass hier selten von den einzelnen Positionen auf deren theologiehistorische Hintergründe geblickt wird, empfindet nicht zuletzt der Verfasser selbst als Mangel; er ist aber aufgrund des umfangreichen Quellenmaterials als bewusste Beschränkung in Kauf genommen 20 21

226f.

A. M. Ritter, Glaubensbekenntnis(se), 1984, 405; vgl. ders., Creeds, 1991, 94. Vgl. ähnlich zum „Bekenntnis als Wahrheitsregel“ W. Bienert, Dogmengeschichte, 1997, 101–105.

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worden. So erklärt es sich, dass etwa die Zeit der Reformation, in der neue Theorien zum Vorschein kommen bzw. jüngere Ansätze verbreitet werden, trotz ihrer relativen Zurückhaltung bei unserem Thema ausführlicher zu Wort kommt als die Zeit der irenischen Auseinandersetzungen des siebzehnten Jahrhunderts, in welchen das Apostolikum zwar eine zentrale Rolle gespielt hat, insgesamt aber kaum neue Einsichten zu seinen Ursprüngen gewonnen wurden. Was hier geboten wird, kann und will folglich nicht Vollständigkeit beanspruchen, möchte aber Schneisen und Entwicklungslinien aufzeigen und dadurch zu erkennen geben, wie der heutige Forschungsstand erreicht wurde, um so den Boden auch für dessen Infragestellung zu bereiten. Die vorliegende Forschungsgeschichte macht vor allem deutlich, dass die heutige Opinio communis – von Einzelstimmen wie unter anderen denjenigen Hans von Campenhausens und A. Martin Ritters abgesehen – an drei seidenen Fäden hängt: Zum einen an der von der Forschung in unserem Jahrhundert rekonstruierten und auf den Anfang des dritten Jahrhunderts datierten Traditio Apostolica, zum anderen an den Bemerkungen Rufins aus dem Beginn des fünften Jahrhunderts und vor allem an einigen Bemerkungen zum symbolon, die in der allerneuesten Forschung wieder herangezogen wurden, nachdem sie vor Jahrhunderten als nicht beweiskräftig entlarvt und seither kritisch betrachtet wurden. Die Forschung hat sich allerdings im Laufe der Jahrhunderte gewissermaßen selbst ad absurdum oder ad finitum geführt. Denn allein auf diese drei „Säulen“ gestützt, galt unser Thema weithin als abgehandelt und erschien, mit Ausnahme der mittelalterlichen Spätgeschichte, kaum mehr grundsätzlicher Erforschung wert. Erst in allerjüngster Zeit meldete sich die Forschung in diesem zuvor so extensiv bearbeiteten Gebiet zurück. Dass dazu der Verfasser einen neuen Teil beisteuern kann, mit dem die vorliegende Studie schließt und sie darum über eine reine Forschungsgeschichte hinausführt, soll zeigen, dass das Buch der Forschung über den Ursprung des Apostolikums noch nicht zu schließen ist. Wer allerdings der Meinung ist, er könne einen neuen Ansatz in einem so viel bearbeiteten Gebiet einbringen oder er dürfe einen solchen ernsthaft kritisieren, der darf die asketische Pflicht nicht scheuen, die Quellen zu bemühen und die riesigen Anstrengungen der Älteren mit größtem Respekt und eingehendem Bemühen zur Kenntnis zu nehmen, ihre Arbeiten und Ergebnisse zu studieren und sie möglichst unter Absehung der eigenen Einsichten zunächst einmal zu verstehen und darzulegen. Diese Lektion gelernt zu haben möchte ich zuvörderst meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Reinhard M. Hübner (München), und meinem langjährigen Freund und Begleiter der Habilitationsschrift, Professor Dr. A. Martin Ritter (Heidelberg) danken. Beide beschäftigen sich seit Jahren mit der theologiehistorischen Erforschung der Regula fidei und des Bekenntnisses. Sie haben mich immer wieder mit diesem Thema konfrontiert und aufgrund ihrer eigenen pointierten Ansätze und mittels ihrer Fachkompetenz und Literaturkenntnis vielfach bereichert. Erwähnen möchte ich auch meine Kollegin, Professor

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Frances Young (Birmingham), die sich zeitlebens mit Fragen der Symbolgeschichte beschäftigt hat. Am intensivsten diskutierte ich die Fragen der Ursprünge des Apostolikums mit meinem Kollegen, Professor Dr. Wolfram Kinzig (Bonn), dem ich Unzähliges verdanke, gerade weil wir uns gegenseitig kritische Gesprächspartner sind. Als nächstes möchte ich den vielen Bibliotheken und ihren Mitarbeitern danken, allen voran der University Library Cambridge, der British Library, den Bibliotheken der Universitäten Mainz und Köln, die unermüdlich Berge von Literatur aufschichteten und der Bibliothek der Universität Tübingen und der Bayerischen Staatsbibliothek München für ihre vielfältigen Kopiensendungen. War es zu Anfang unseres Jahrhunderts noch ein Leichtes, für Forschungsüberblicke Handschriften und ältere Drucke über Fernleihe zu bekommen, so wird in Deutschland ein solches Vorhaben heute unmöglich gemacht durch die entstandenen Kriegsverluste (etwa in Berlin und München) und, nicht minder erschwerend, durch die gegenwärtige Praxis, ältere Buchbestände nicht mehr an andere deutsche Bibliotheken auszuleihen. Die Erarbeitung der vorliegenden Forschungsgeschichte wäre folglich von vorneherein in Deutschland zum Scheitern verurteilt gewesen und ohne die reichen britischen Bestände an (auch deutscher) theologischer Literatur nicht entstanden. Schließlich ist das Unternehmen doch zu einem Abschluss gelangt. Dies verdanke ich allen voran meiner verehrten, mich durch ihre eigenen Arbeiten und stets bereite Hand stützenden Frau Jutta und den inzwischen uns geborenen Kindern Cyril Edelbert Otwin und Charlotte Ruth Elisabeth. Weiter sei meinen Kollegen der University of Birmingham gedankt, in deren Mitte ich von der kulturellen Vielfalt bereichert werden durfte, die mich seither ebenso wie die patristische Pluralität fasziniert. Gewidmet seien die Seiten dem Andenken an meinen verstorbenen Vater, Dr. Otwin Vinzent, der sich in seiner bibliothekarischen Laufbahn aus dem Wissen um die Bedeutung des nationalen und internationalen Leihverkehres heraus gerade um den Bereich des 16. Jahrhunderts intensiv gekümmert hatte. Wäre es nach ihm gegangen, hätten die Leser bei aller Sorge um wertvolle Bücher den Vorrang gegenüber der Buchkonservierung gehabt. Während er meine früheren Manuskripte immer mit wachem und kritischem Blick gelesen hatte, muss diese Publikation auf einen ihrer ersten Kritiker leider verzichten. Birmingham, am 2. Mai 2005

Erster Teil Die vorkritische Phase

1. Auf dem Weg zur kritischen Forschung Der Altmeister der Patristik, der orthodoxe Lutheraner Theodor Zahn (1838– 1933),1 berichtet in seiner Schrift zum Apostolikum folgende theologische Auseinandersetzung, die sich in den Vorverhandlungen des Konzils von Florenz angebahnt hatte2 und auf den beiden letzten, vorbereitenden Sitzungen in Ferrara aufgebrochen war:3 Im Jahr 1438 versammelten sich in Ferrara Christen der römischen wie auch der griechischen Kirche zu Unionsverhandlungen.4 Allerdings hatten siebenhundert Jahre Trennung nicht nur das Problem verschiedener Sprachen geschaffen, sondern auch das völlig verschiedener theologischer Ansätze. Sie äußerten sich bei der Diskussion um Details (wie der in Ferrara und Florenz schwer umkämpften Frage des Filioque und der Auffassung von der Eucharistie). Was aber verband noch West und Ost? Woran sollte man anknüpfen? Gab es nicht zumindest das gemeinsame Glaubensbekenntnis, das Apostolikum, das in der römischen Kirche in Geltung stand? Wohl aus einer vergleichbaren Gewissheit heraus, aus der Theodor Zahn formuliert, das Apostolikum sei „das älteste, das volkstümlichste und das allgemeinste Bekenntnis der Christenheit“5, erhob sich Kardinal Julian Cesarini (1398–1444), der Sprecher der Lateiner, zu seiner Ansprache an die Griechen. Er verwies auf das gemeinsame Fundament von 1 Th. Zahn, Das apostolische Symbolum, 1893, 4f.; die Erzählung übernahm er aus: D. G. Monrad, Die erste Kontroverse, 1881, 172–177; zu Th. Zahn und seinen Forschungen zum Apostolikum vgl. U. Swarat, Alte Kirche und Neues Testament. Theodor Zahn als Patristiker, Wuppertal/Zürich 1991, 352–371. 2 Vgl. B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 17; ebd., 9–17 über die älteren Ansichten zum Apostolikum des Isidorus Hispalensis, De ecclesiasticis officiis II 23f. (CChr.SL CXIII; 97–102), Pirmin, De singulis libris canonicis scarapsus (PL 89, 1029C–1050C, 1035D), Joslenus Suessionensis, Expositio in symbolo 2f. (1479B–1481D); Thomas von Aquin, Albertus Magnus, Alexander von Hales u. a. 3 Vgl. auch B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 17f.; H. de Lubac, Credo, 1975, 9–28. Zum Konzil von Basel-Ferrara-Florenz vgl. Johannes Helmrath, Das Basler Konzil 1431–1449, 1987; J. Gill, Konstanz und Basel-Florenz, 1967, 259–319; zur reichlich verworrenen Quellenlage vgl. außerdem den Überblick bei: A. P. J. Meijknecht, Le concile de Bâle, aperçu général sur ses sources, 1970; speziell zur Versammlung in Florenz vgl. J. de Ghellinck, Les recherches sur les origines, 1949 (1946), 191 und K. A. Fink, Eugen IV. Konzil von Basel-Ferrara-Florenz, 1968, 572. 588. 4 Zur Geschichte dieses Konzils im Hinblick auf das Apostolikum vgl. D. G. Monrad, Die erste Kontroverse, 1881, 102–127. 167–177. 5 Th. Zahn, Das apostolische Symbolum, 1894, 5.

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Ost und West. Das erste, was beide Kirchen verbinde, sei das Apostelkonzil – vielleicht nicht gerade das glücklichste Beispiel aus der Geschichte –, sodann das Heilige Bekenntnis. Um gegenüber den Orthodoxen zu rechtfertigen, dass man dem Nizäno-Konstantinopolitanum trotz der Festlegungen von Ephesus und Chalcedon gegen jegliche Änderung dieses Symbols das Filioque hinzusetzen dürfe, führte er das Beispiel des „Bekenntnisses der Apostel“ an. Auch diesem habe man ja im Laufe der Zeit das eine hinzugefügt und anderes von ihm weggenommen. Daraufhin meldete sich der Sprecher der griechischen Seite zu Wort, der Erzbischof von Ephesus, Marcus Eugenicus (1391/92–1444/45). Wohl mit Verwunderung und Zurückhaltung antwortete der orthodoxe Erzbischof: „Ein Symbolum der Apostel besitzen wir nicht und haben nie ein solches gesehen.“6 Und „was … das angebliche Apostelkonzil anlange, so wisse er von keinem anderen als von dem, wovon die Apostelgeschichte berichte; auf diesem aber sei über ganz andere Dinge als über den Glauben verhandelt worden.“7 Dieser Teil der Konsultation von West und Ost war demnach gründlich misslungen.8 Die griechische Seite hatte sich nicht von Alter und Bedeutung des Apostolikums überzeugen lassen. Mehr noch, der Erzbischof bestritt überhaupt die Behauptung seines römischen Kollegen als eine jahrhundertealte Legende und brandmarkte sie als glatten Irrtum. Auch die Verknüpfung von Bekenntnis und Apostelkonzil konnte er sich nicht zu eigen machen. Bei seiner Antwort ließ nun der römische Kardinal zwar den Hinweis auf das „Apostelkonzil“ fallen, hielt aber hartnäckig daran fest, die Lateiner besäßen das Glaubensbekenntnis der Apostel.9 Noch fünfhundert Jahre später beklagt Theodor Zahn die Meinung des orthodoxen Erzbischofs und so vieler anderer östlicher Theologen. Sie seien dem Fehler ihrer orthodoxen Liturgie erlegen, in der seit dem vierten Jahrhundert nicht das Apostolikum, sondern andere Glaubensbekenntnisse, vor allem das Nizäno-Konstantinopolitanum, gebraucht würden. Zahn schreibt: „Hätte … der Erzbischof von Ephesus sich das apostolische Symbolum der Lateiner geben lassen, und hätte er sich die Mühe genommen, in den Werken der griechischen Väter vom 2. bis zum 4. Jahrhundert nachzuforschen, so würde er bald gefunden haben, dass wesentlich dasselbe Bekenntnis, welches die Abendländer als ein unmittelbares Werk der Apostel allen anderen Bekenntnisformeln voran6

Vgl. ebd. 4. Ebd. 8 Gleichwohl berief sich auch der Dominikaner und lateinische Erzbischof von Rhodos, Andreas Chrysoberges, in der achten Versammlung am 4. November des Jahres 1438 auf das Symbol der Apostel, dessen Basis das Evangelium sei: „Hoc clarum est, evangelium esse symboli principium, quia Apostoli exsequi volentes Dei praeceptum ut omni creaturae evangelium praedicarent, ut pariter in evangelizando convenirent, ex evangelio fecerunt symbolum quod dicitur apostolorum“ (Mansi XXXI. Suppl., 1471 d–e); deutlich ist der Bezug zu Rufin herauszuhören. 9 Th. Zahn, Das apostolische Symbolum, 1894, 4. 7

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stellten, auch in den Kirchen des Morgenlandes, wenn auch nicht unter dem Namen des apostolischen Symbolums und nicht in eintöniger Gleichmäßigkeit, einst und lange als Taufbekenntnis gegolten hatte.“10 Warum beharrten und beharren die orthodoxen Theologen aber auf ihrem Standpunkt? Ist Theodor Zahn nicht recht zu geben? Oder wurde etwa doch nicht, wie man weithin bis zur Reformationszeit und bisweilen noch danach annahm, das Apostolikum von den Aposteln geschrieben, vielleicht sogar nicht einmal von der Generation der Apostelschüler und deren Nachfolger, wie im Westen bis in unser Jahrhundert hinein zum Teil immer noch angenommen wird? Ein Blick durch die Forschungsgeschichte soll uns die Entwicklung der Einschätzung des Apostolikums vor Augen führen. Wir gehen in zügigen Schritten bis zum Vorabend der Reformation, und betrachten dann mehr im Detail die weitere Forschung.

2. Das Apostolikum – das Bekenntnis der zwölf Apostel Bis zur Reformation, also „für die Dauer von mehr als der Hälfte der Kirchengeschichte(, gab) es keinen Zweifel“, dass bereits in neutestamentlicher Zeit das Apostolikum als das eine Glaubensbekenntnis existiert habe: „Es wurde als sicher angenommen, dass die zwölf Apostel selbst die erste Zusammenfassung des Glaubens verfasst und autorisiert hätten“.11 Ältester Zeuge für ein „apostolisches Bekenntnis“ (Symbolum Apostolorum) ist ein Brief, der wohl von Ambrosius entworfen wurde12 und von einer im Jahr

10 Th. Zahn, Das apostolische Symbolum, 1894, 8; ihm schließt sich an B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 17f.; ganz ähnlich bereits C. Semisch, Das apostolische Glaubensbekenntniß, 1872, 3f. 11 J. N. D. Kelly, Altchristliche Glaubensbekenntnisse, 3. Aufl., 1972, 9; vgl. die Darstellung mit Zeugnissen bei H. Leclercq, Art. Symbole, 1953, 1757–1764; Zeugnisse auch bei K.-J. Barbian, Die altdeutschen Symbola, 1964; E. Weidenhiller, Untersuchungen zur deutschsprachigen katechetischen Literatur des späten Mittelalters, 1965, 17f. (z.B. Martin v. Amberg schreibt [ebd., 17]: „Die vierzehen stuck unsers gelawbens, die die heiligen cwelfpoten haben gemacht, ist ein yegleicher mensche schuldig zw gelawben und alle tag zw sprechen zw einer bechantnuzz dez cristenleichen gelawbens“); weitere Zeugnisse bei E. Brayer, La littérature religieuse, 1968, 8; dies., La littérature religieuse, 1970, 21f.; G. Hasenohr, La Littérature Religieuse, 1988, 268; zu Blockbüchern vgl. O. Smital, Introduction, 1927, 5–7; einen Überblick über die älteren Positionen zur Entstehung des Apostolikums gibt B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 9–17 (er kann aber auch schon kritische Stimmen nennen wie etwa die des Joslenus von Soissons, der im 12. Jahrhundert in seiner „Expositio symboli et orationis dominicae“ [PL 186, 1479] zur These, dass ein jeder Apostel einen bestimmten Artikel zum Bekenntnis hinzugesteuert habe, sagt: „Quis quam (dixerit), nondum in canonica scriptura legisse me memini“; vgl. auch den Überblick in C. F. Bühler, The Apostles and the Creed, 1953, 336f. und die Untersuchung von J. D. Gordon, The Articles of the Creed and the Apostles, 1965. 12 Ambr., Ep. 15 extra coll. (= Maur. 42) (CSEL 82; 302–311 Zelzer); beigezeichnet haben den Brief Eventius Ticiniensis (Pavia), Maximus Emonensis (Ljubljana), Felix Comensis (Como), Bassianus Laudensis (Lodi), Theodolus Octodurensis (Martigny), Geminianus Mutinensis (Modena), Eustasius Dertonensis (Tortona), Constantius Claternensis (Quaderna/Imola) und Sabinus Placentinus (Piacen-

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390 tagenden Synode zu Mailand an den römischen Bischof Siricius gerichtet wurde.13 Leider ist jedoch ungewiss, was genauerhin mit der Wendung „Symbolum Apostolorum“ gemeint ist. Der Zusammenhang jedenfalls legt nahe (es geht um einen Beleg für die immerwährende Jungfrauenschaft Marias), dass mit ihr nicht auf eine bestimmte römische Formel angespielt wird, sondern auf den offensichtlich von Rom festgehaltenen Glauben an die Jungfrauenschaft Mariens vor und nach der Geburt Jesu. Immerhin soviel lässt sich aus diesem Befund folgern: Dieser Gedanke und diese Form (nicht Formel!) des Glaubens von Rom wird auf die Apostel zurückgeführt.14 Damit deutet sich eine Entwicklung im lateinischen Westen an, die zu Beginn des fünften Jahrhunderts bereits manifest und später noch stärker sichtbar wird, wonach man das eigene Bekenntnis auf Rom und schließlich auf die Apostel selbst zu gründen sucht.15 Weithin wird angenommen, dass Tyrannius Rufinus (ca. 345–410), der ehemalige Freund und später erbitterte Gegner des Hieronymus,16 um das Jahr 404 oder etwas später die älteste erhaltene lateinische Auslegung eines im Wortlaut dem Apostolikum nahe kommenden Glaubensbekenntnisses vorlegte.17 In dem Kommentar berichtet der Verfasser, dass den Aposteln an Pfingsten die Gabe der Rede in verschiedenen Sprachen geschenkt worden sei und sie vom Herrn den Auftrag erhalten hätten, in die Welt hinauszugehen und dort vom Glauben zu künden: „Als sie daher im Begriff standen, sich voneinander zu verabschieden, einigten sie (sc. die Apostel) sich zunächst auf eine Norm für ihre zukünftige Predigt, damit sie wegen der weiten Entfernung, in der sie sich voneinander befinden würden, den Menschen, die sie zum Glauben an Christus einlüden, nicht verschiedene Lehren geben müssten. Also traten sie an einem Orte zusammen und verfassten, vom Heiligen Geist erfüllt, dieses kurze Sinnzeichen, wie ich es nannte, ihrer künftigen Predigt, indem jeder dazu beitrug, was er für angemesza); vgl. M. Zelzer, Prolegomena, 1982, CXXVIIf.; zu Ambrosius als dem frühesten Beleg vgl. E. Vacandard, Les origines du symbole, 1899, 341f. 13 Ambr., Ep. 15 extra coll. (= Maur. 42) (CSEL 82; 305,51–55 Zelzer): „Sed si doctrinis non creditur sacerdotum, credatur oraculis Christi, credatur monitis angelorum dicentium: Quia non est impossibile deo omne verbum, credatur symbolo apostolorum, quod ecclesia Romana intemeratum semper custodit et servat“; was nun im Brief aber folgt, erinnert nicht im geringsten an den Inhalt oder den Wortlaut des Apostolikums. 14 Bei Augustinus wird nirgendwo „das Symbolum durch ein Epitheton wie ‚apostolisch‘ näher bezeichnet oder gar vom Nikänum unterschieden ... Das Adjektiv apostolicum in Verbindung mit symbolum ist ... erst bei Leo d. Gr. gegeben.“ (C. Eichenseer, Das Symbolum Apostolicum beim heiligen Augustinus, 1960, 39f.). 15 Ein weiteres römisches Zeugnis für eine „apostolicae fidei pia confessio“ stammt von Faustinus und Marcellinus, De confessione verae fidei (362,61 Günther), die eine enge Parallele (363,96f. Günther) zu einer Bekenntnispassage aus Ps.-Ath. (Markell?), Ep. ad Liberium und Liberius’ Antwortschreiben bietet, vgl. die Zeugnisse bei M. Vinzent, Die Entstehung des römischen Glaubensbekenntnisses, 1999, 391f. 16 Vgl. St. Rebenich, Hieronymus und sein Kreis, 1992, 81. 256–259.291f. 17 Im letzten Teil dieser Untersuchung komme ich ausführlich auf dieses Auslegung des Apostolikum zu sprechen.

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sen hielt; und sie setzten fest, dass es überall als gültige Lehre den Gläubigen ausgehändigt werden sollte.“18 Der Verfasser will mit dieser Legende darlegen,19 dass das Bekenntnis, das er auslegt, aufgrund der Autorschaft der Apostel durch den Heiligen Geist selbst autorisiert sei.20 Die Legende macht zugleich aber auch dem heutigen kritischen Leser deutlich, welche Probleme sich offensichtlich dem Prediger und Ausleger des Bekenntnisses damals stellten. Das Symbol sprach noch nicht für sich. Es bedurfte erst noch der durch die legendenhafte Ausschmückung des Predigers erhöhten Gewichtung. Nicht zuletzt die große Distanz zwischen den einzelnen Gemeinden des damals über den bekannten Erdkreis verbreiteten Christentums in einem politisch zwischen Ost und West zunehmend gespannten und gespaltenen Reiches hatte dazu geführt, dass im lateinischsprachigen und im griechischsprachigen Teil eigene Traditionen wuchsen und dass selbst innerhalb des eigenen Sprachraumes verschiedene theologische Richtungen und liturgische Gewohnheiten Verbreitung gefunden hatten. Wenn Rufin also zu Beginn des fünften Jahrhunderts darauf pocht, die Apostel hätten bereits festgelegt, dass dieses eine Bekenntnis als Norm für den Glauben bestehen solle, so unterstreicht dies nur, dass es bis zu dieser Zeit eine solche Norm noch nicht gegeben hat. Es verwundert darum nicht, dass fast zur selben Zeit, und zwar im selben Raum Norditalien, dieselbe Legende, wenn auch in etwas anderem Gewand, ein weiteres Mal begegnet. Sie findet sich in der von einem anonymen Verfasser stammenden Explanatio symboli ad initiandos.21 Ebenfalls ist sie im sechsten Buch der sogenannten ‚Apostolischen Konstitutionen‘ nachweisbar,22 steht also in einer pseudepigraphischen Sammlung kanonischer Normen und Anordnungen, die sich ebenfalls ausgibt, als stamme sie von den in Jerusalem versammel18 Ruf., Comm. in symb. apost. 2 (CChr.SL 20,134f.); über die Entstehung dieser Legende vgl. E. Vacandard, Les origines du symbole, 1899, 331–345. 19 Die Deutung des Symbolum als Collatio scheint für Rufin „noch nicht recht geläufig“ gewesen zu sein, „denn Rufinus geht in seiner Symbolumauslegung von der neueren alsbald zur älteren Deutung mit ‚indicium‘ über“ (C. Eichenseer, Das Symbolum Apostolicum beim heiligen Augustinus, 1960, 49). Wenn er sich für die Legende auf die Tradition beruft („tradunt maiores nostri“), so „erinnert seine diesbezügliche Ausführung an die Acta Andreae et Matthaei (nach dem syrischen Text)“ (ebd., 50), doch woher nun wirklich die Legende stammt, „wird jedoch an Hand des überlieferten und bisher zutage getretenen Schriftsguts“ zu eruieren „kaum möglich sein“ (ebd., 51). 20 So bereits E. Köllner, Symbolik der lutherischen Kirche, 1837, 11. 21 PL 17,1193–1196. 22 Vgl. Const. Apost. VI 14 (338; SC 329 Metzger); bereits in der (aus dem 3. Jahrhundert stammenden?) syrischen Didaskalie, Kapitel 24, liest man (jedoch verbunden mit einem recht schlichten Bekenntnis, welches trinitarisch eröffnet wird und drei weitere Glaubenselemente aufweist): „Da also die ganze Kirche Gefahr lief, eine Häresie zu werden, so sind wir alle zwölf Apostel nach Jerusalem zusammengekommen und haben überlegt, was geschehen sollte und haben alle einmütig für gut befunden, diese katholische Didaskalia zu euer aller Stärkung zu schreiben, und wir haben darin festgesetzt und bestimmt, daß ihr Gott Vater, den Allmächtigen, und Jesum, seinen Sohn Christum, und den heiligen Geist anbeten sollt, daß ihr die heiligen Schriften gebrauchen, an die Auferstehung der Toten glauben, euch aller seiner Schöpfungen mit Dank bedienen und heiraten sollt ...“ (122 Achelis/Flemming).

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ten Aposteln, obwohl sie höchstwahrscheinlich im syrischen Antiochien um oder nach dem Jahr 380, also wiederum etwa „um die Wende des 4. zum 5. Jahrhunderts“,23 entstanden ist. Auch in diesem Fall ist die Intention manifest, durch Rückgriff auf die Apostel und deren Autorität kirchlichen Normen Gewicht zu verleihen und sie durchzusetzen.24 Rufins Darlegung der Legende war nur ein zaghafter Versuch im Vergleich zu der narrativen Ausgestaltung, die dieselbe Geschichte in späterer Zeit erfahren sollte.25 In einer Predigtreihe De symbolo, „die fälschlich Augustin zugeschrieben wird“,26 liest man: „Am zehnten Tag nach der Himmelfahrt, als sich die Jünger aus Furcht vor den Juden versammelt hatten, sandte der Herr den verheißenen Tröster. Bei seiner Herabkunft wurden sie entflammt wie glühendes Eisen und, da sie mit der Kenntnis aller Sprachen erfüllt waren, verfassten sie das Glaubensbekenntnis. Petrus sagte: Ich glaube an Gott, den allmächtigen Vater27, … Schöpfer des Himmels und der Erde … Andreas sagte: Und an Jesus Christus, seinen Sohn, … unseren einzigen Herrn … Jakobus sagte: Der empfangen wurde vom Heiligen Geist, … geboren von der Jungfrau Maria … Johannes sagte: Der unter Pontius Pilatus litt, … gekreuzigt wurde, starb und begraben wurde … Thomas sagte: Der zur Hölle niederfuhr, … am dritten Tage wieder auferstand von den Toten … Jakobus sagte: Auffuhr gen Himmel, … sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters … Philippus sagte: Von dannen er kommen wird, zu richten die Lebenden und die Toten … Bartholomäus sagte: Ich glaube an den Heiligen Geist … Matthäus sagte: Die heilige katholische Kirche, … die Gemeinschaft der Heiligen … Simon sagte: Die Vergebung der Sünden … 23 So die Datierung von O. Bardenhewer, Geschichte der altkirchlichen Literatur IV, 1924 (1962), 270; vgl. auch E. Schwartz, Über die pseudoapostolischen Kirchenordnungen, 1910. 24 Vgl. die Einleitung zu: Les Constitutions Apostoliques, t. 1, hg. v. M. Metzger, 1985, 54–60; auf die Apostolisierung zur Begründung der Autorität verweisen C. Semisch, Das apostolische Glaubensbekenntniß, 1872, 4f.; F. J. Badcock, The „Apostles’“ Creed. The History of a Legend, 1934, 40. 48; B. Steimer, Vertex Traditionis, 1992, 336–361, 336f.: „Pseudepigraphie ... (ist) eines der literarischen Ausdrucksmittel ..., mit dessen Hilfe sich ein spezifisches Traditions- und Normverständnis ausdrücken läßt.“ 25 Vgl. die Beispiele bei F. J. Badcock, The „Apostles’“ Creed. The History of a Legend, 1934, 49–51. 26 Serm. 240; J. N. D. Kelly, Altchristliche Glaubensbekenntnisse, 3. Aufl., 1972, 10; Kelly datiert diesen Text ins 8. Jahrhundert (ebd., 11 auch die hier angeführte, modifizierte Übersetzung). 27 Es folgen auf alle diese hier zitierten Hauptsätze aber noch weitere Explikationen, so wird der Vater erklärt, das Allmächtig usw.

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Thaddäus sagte: Die Auferstehung des Fleisches … Matthias sagte: Ein ewiges Leben …“ „In diesem Gewand“, schreibt John Norman Davidson Kelly, „verschaffte sich die Legende im Mittelalter fast allgemein Geltung,“28 auch wenn die Namen der Apostel und die ihnen zugeschriebenen Artikel wiederholt wechselten.29

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J. N. D. Kelly, Altchristliche Glaubensbekenntnisse, 3. Aufl., 1972, 11f. (ebd. weitere Quellen und auch kunsthistorische Zeugnisse; kunsthistorische Stätten bieten auch: F. Falk, Der Unterricht des Volkes in den katechetischen Hauptstücken, 1892, 721–729 und K. Thieme, Das apostolische Glaubensbekenntnis, 1914, 23–25); dieselbe Legende liegt auch dem Katechismus des J. Gropper, Hauptartikel Christlicher unterrichtung zur gottseligkeit, 1547, zugrunde (in: Chr. Moufang, Katholische Katechismen des sechzehnten Jahrhundert in deutscher Sprache, 1881, 243–316, 246); eine Ausnahme bildet Petrus Abaelard, der schon im zwölften Jahrhundert die Legende registriert, sie allerdings mit einem Fragezeichen versieht. 29 Andere Verteilungen liegen etwa vor im Cod. Sessorianus 52 (veröffentl. in: G. Morin, Notice sur un manuscript important pour l’histoire du symbole. Cod. Sessorian. 52, 1897, 486): „Petrus. I. Credo in deum patrem omnipotentem creatorem caeli & terrae./Paulus. II. Et in ihm xpm filium eius unicum dominum nostrum./Andr. III. Qui conceptus est de spu sco./Iacobus. IV. Passus sup pontio pilato ... Crucifixus mortuus est & sepultus./Iohs. V. Descendit ad infernum tercia die resurrexit a mortuis./IV. Thomas. Ascendit ad celos ... Sedet ad dexteram dei patris omnipotentis./Iacobus. VII. Inde uenturus iudicare uiuos & mortuos./Philippus. VIII. Credo in spm scm ... sanctam ecclesiam catholicam./Bartholoms. VIIII. Sanctorum communionem./Matheus. X. Remissionem peccatorum./XI. Symon. Carnis resurrectionem./XII. Taddeus. Vitam aeternam“, in dem latei-nischen Gedicht „Floretus“, das lange Zeit Bernhard v. Clairvaux zugeschrieben wurde (Migne, Dictionn. des Apocryphes II 113f.): „Articuli fidei sunt bis sex corde tenendi,/Quos Christi socii docuerunt pneumate pleni:/Credo Deum Patrem, Petrus inquit, cuncta creantem;/Andraeas dixit: Ego credo Jesum fore Christum;/Conceptum, natum, Jacobus, passumque, Joannes;/Infera, Philippus, fugit; Thomasque: revixit;/Scandit, Bartholomaeus; veniet censere, Matthaeus;/Pneuma, Minor Jacobus; Simon: Peccata remittit;/Restituit, Judas, carnem; vitamque, Matthias“; wieder andere Zuordnungen bieten Wilhelm Durand, Rationale divinorum officiorum, lib. IV, De symbolo, 1503, fol. 60v und Georg Matthäi, Catholischer Catechismus, Mainz 1597, in: Chr. Moufang, Katholische Katechismen des sechzehnten Jahrhundert in deutscher Sprache, 1881, 599–612, 601; eine Besonderheit bietet ein Stuttgarter Holztafeldruck von Hans Paur aus dem 15. Jahrhundert, bei welchem den einzelnen, den Aposteln in den Mund geschobenen Artikeln jeweils passende Aussprüche aus den „Propheten“ Jeremia, David, Jesaja, Zacharia usw. zugeordnet und zwischen die Artikel eingeordnet werden (Auszüge sind abgedruckt bei F. Falk, Der Unterricht des Volkes in den katechetischen Hauptstücken, 1892, 724); eine Übersicht über weitere Formen bei F. J. Badcock, The „Apostles’“ Creed. The History of a Legend, 1934, 54f. Den gleichen Befund wie die Quellentexte (wechselnde Zuschreibung von Artikeln an Apostel und variierende Entsprechungen bei variierenden Propheten) bieten auch kunsthistorische Zeugnisse, vgl. D. T. B. Wood, „Credo“ Tapestries: Burlington Magazine 24 (1913/1914) 247–254. 309–317; W. Molsdorf, Christliche Symbolik der mittelalterlichen Kunst, 21926, 186–192, Nr. 1022–1026; K. Künstle, Ikonographie der christlichen Kunst I, 1928, 181–184; R. Ligtenberg, Het Symbolum Apostolicum in de Ikonografie der Middeleeuwen, 1929; B. Knipping, De Iconografie van de Contra-Reformatie in de Nederlanden, 1939. 1940, I 276. II 300. 311; J. J. M. Timmers, Symboliek en iconographie der christelijke kunst, 1947, Nr. 1167. 1297–1299; A. Pigler, Barockthemen, 1956, I 497 (weitere Lit. u. Zeugnisse); L. Friedman, Text and Iconography for Joinville’s Credo, 1958; G. Coor, Bemerkungen zu einem ungewöhnlichen italienischen Triptychon, 1962; H. W. van Os, Art. Credo, 1968, 461–463; trotz seines einschlägigen Titels wenig ergiebig ist G. Diener, Gangolf, Das Credo der Urkirche, 1956, da lediglich die Themen der einzelnen Artikel illustriert werden. Aufschluss darüber, seit wann in der Kirchengeschichte von „Glaubensartikeln“ gesprochen wird, gibt G. Söll, Dogma und Dogmenentwicklung, 1971, 30–40; eine theologische Kritik an der Gliederung des

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Nicht einmal die Zwölfzahl der Artikel stand fest. Otto Bardenhewer (1851– 1935) weist darauf hin, dass „die Fürsten der Scholastik, Thomas von Aquin und Bonaventura, … indessen nicht zwölf, sondern vierzehn Artikel des Symbolums (unterschieden), sieben ‚articuli divinitatis‘ und sieben ‚articuli humanitatis‘ (Christi)“.30 Doch auch die Autoren, die die einzelnen Artikel auf die zwölf Apostel zurückführten, konnten sich wiederum nicht einigen, „von welchem Apostel jeder einzelne Artikel herstammte. Drum gab man sich immer wieder die größte Mühe, den jedesmaligen apostolischen Verfasser zu ermitteln.“31 Der Wiener Professor Nikolaus von Grätz (erste Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts) etwa machte sich die Mühe, bei jedem Artikel zunächst eigens die Quelle für die Verfasserzuschreibung zu klären: „Der fünfte Artikel z.B., von der Höllenfahrt und Auferstehung, sei vom Apostel Thomas beigesteuert nach Ansicht des Scholastikers Bonaventura, vom Apostel Jakobus nach einer andern Autorität, während der heilige Thomas von Aquino das ‚Niedergefahren‘ dem Apostel Philippus und nur das ‚Auferstanden‘ dem Apostel Thomas zuspreche“. Doch offenkundig war auch Nikolaus von Grätz außerstande, eine definitive Entscheidung in der heiklen und kontroversen Frage herbeizuführen.32 Karl Thieme (1862–1932), Professor in Leipzig, kommentiert solche Versuche, die Verfasser für die einzelnen Bekenntnisteile zu bestimmen, bissig und erkennbar nicht ohne eine Portion Selbstironie: „Man kann darin die rührende Gewissenhaftigkeit des deutschen Professors anerkennen. Aber wer darin ein Kapitel aus der Geschichte der menschlichen Dummheit sieht, dem kann man kaum widersprechen; sich über falsche Fragen den Kopf zerbrechen, gehört zum Dümmsten, was man machen kann; nichts hält mehr den wissenschaftlichen Fortschritt auf.“33 Doch diesem Kapitel sollte sich noch ein weiteres anschließen. Hatte man einmal erkannt, dass das apostolische Symbol durch Zusammensetzung der verschiedenen Beiträge der Apostel entstanden war, konnte man sich auch einen Reim auf den Namen machen. Man erklärte, das „Sym“ (sun) bedeute „mit“ oder „zusammen“ und das „bol“ (bolo") heiße „Teil“ oder „Stück“; das Apostolikum sei folglich aus Verschiedenem zusammengestückt, oder in den Worten Gabriel Biels (ca. 1410–1495): „Quilibet Apostolorum particulam suam, quasi bolum suum apposuit“.34 Michel Nicolas (1810–1886) schreibt hierzu mit spitzem Stift: „Cette belle explication n’est pas cependant de l’invention de Gabriel Biel. Elle avait cours depuis longtemps Bekenntnisses in Artikel und einen dekonstruktivistischen Vorschlag zur zusammenhängenden Lektüre bietet J. J. Heaney, Tabor and the Magic Mountain, 1990. 30 O. Bardenhewer, Geschichte der altkirchlichen Litteratur, 11902, 69. 31 K. Thieme, Das apostolische Glaubensbekenntnis, 1914, 22. 32 Ebd. 33 Ebd., 23. 34 G. Biel, Epitome seu collectorium circa Lombardi sententiarum libros, lib. III, dist. 23, § 1 (zit. nach: M. Nicolas, Le Symbole des Apôtres, 1867, 45); gleiches liest man etwa auch bei W. Durand, Rationale divinorum officiorum, lib. IV, De symbolo, fol. 60–62, 1503 (in: J. A. Fabricius, Codicis apocryphi Novi Testamenti, pars tertia, 1743, 346f.), vgl. den Haupttext.

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Die vorkritische Phase

parmi les érudits du moyen âge. On la trouve déjà dans une exposition du Symbole de Joslen, évêque de Soissons au douzième siècle. De qui celui-ci la tenait-il? Je l’ignore; je n’ai pas su en découvrir le premier auteur, et je le regrette, car je ne connais pas de spectacle plus riche en utiles enseignements que celui des efforts que fait l’esprit humain, une fois qu’il est dans le faux, pour se prouver à lui-même qu’il est en pleine possession de la vérité.“35

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M. Nicolas, Le Symbole des Apôtres, 1867, 45 (ebd., 45f. gibt er dann auch Kostproben solcher Anstrengungen); auch Simon von Tournai und Alan von Lille kennen diese Etymologie, vgl. G. R. Evans, The Academic Study of the Creeds, 1979, 469 (mit Quellen).

Zweiter Teil Die Anfänge der kritischen Forschung

1. Das Apostolikum und die Schrift; Zweifel an der Verfasserschaft der Apostel Die Glaubwürdigkeit der Legende wird erstmals erschüttert, als ihr zwei Theologen entgegentreten:1 Laurentius Valla (1406–1457) und Reginald Pavo (Pecock) (1393–1461).2 Es sind nicht zuletzt die Einwände des Marcus Eugenicus in Ferrara, die Laurentius Valla skeptisch werden lassen.3 Aufgrund einer Stelle der Dekretalien, wonach zum ersten Mal auf dem Konzil von Nizäa ein Symbol aufgestellt worden sei, betrachtet Valla das Apostolikum als „eine Art von später aufgekommener volkstümlicher Redaktion des ‚Nicaeno-Constantinopolitanums‘“.4 1

Auch B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 8f. lässt mit L. Valla die Forschungsgeschichte beginnen. 2 Zu Laurentius Valla vgl. dessen Schrift: In Pogium Florentinum, 1529, 168–176; zum Streit vgl. D. G. Monrad, Die erste Kontroverse, 1881; B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 18–21; K. Thieme, Das apostolische Glaubensbekenntnis, 1914; zu R. Pavo (auch: R. Pecock od. Peacock) vgl. die Ausführungen zu seiner Person von John Lewis, The Life of the Learned and Right Reverend Reynold Pecock, 1744 (new ed. 1820); Vivian H. Green, Bishop Reginald Pecock. A Study in Ecclesiastical History and Thought, 1945; Ch. W. Brockwell, Bishop Reginald Pecock and the Lancastrian Church. Securing the Foundations of Cultural Authority, 1985 (ebd. 243–245 der öffentliche Widerruf vom 4.12.1457); H. G. Hödl, Art. Pavo, Reginald, 1994, 1481f.; R. M. Ball, The Opponents of Bishop Pecock, 1997; wenn ansonsten als Kritiker immer wieder auch Polydorus Vergilius Urbinas, De inventoribus rerum, 1500, lib. V, cap. 12 (ich zit. nach der deutschen Ausgabe: ders., Von den erfyndern der dyngen, 1537) genannt wird, so kann er doch nur bedingt als Kritiker der apostolischen Verfasserschaft angesehen werden. Er bemerkt (ebd.): „Das Symbol, das ist, des glaubens gesang, Credo in unum deum, ist Bapst Marci des ersten Beschluß, es sollte an den feyrtagen nach dem Euangeli, gesungen, und dergleichen auch vom volck, so von der gottsdiensten wegen, da waren, her gesagt werdenn. ... Symbolum, das ist, der gelaub bedeut ein zammen schiessung, darumb das die Apostel oder heylige väter, es zusamen gepracht oder geschossen haben, was ein jetlicher von got hab gehalten“; da nicht gewiss ist, ob hier ausschließlich vom Apostolikum die Rede ist, lässt sich auch kein weiterer Schluss auf die Verfasserschaft des Apostolikums ziehen, vgl. ebenso B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 275. 3 Deutlich dargelegt in L. Valla, In Pogium Florentinum, 1529, 168–176; vgl. D. G. Monrad, Die erste Kontroverse, 1881, 49f. 167; F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 1f.; J. de Ghellinck, Les recherches sur les origines, 1949 (1946), 20 weist im Gefolge von B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 18 darauf hin, es führe keine direkte literarische Linie von Ferrara zu L. Valla; doch die parallelen Argumente zwischen Marcus Eugenicus und Valla sprechen deutlich für eine solche Verbindung. 4 So das Referat bei: F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 2; vgl. L. Valla, In Pogium Florentinum, 1929, 172. 174: „Ego me sentire (sc. de symbolo), non ab Apostolis, sed à synodo Nicena conditum. ... Me id multis rationibus esse probaturum.“

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Die Anfänge der kritischen Forschung

Diese Spätdatierung erschien Ferdinand Kattenbusch (1851–1935) als so absurd, dass er meinte, „das Detail seiner (sc. Vallas) Beweisführung biete … kein Interesse“.5 Doch lohnt sich ein Blick auf Vallas Argumente: Unter den Augen des Papstes streitet Valla in Auseinandersetzung mit dem Florentiner Poggio Bracciolini in Rom gegen die apostolische Verfasserschaft des Apostolikums. Valla stellt heraus, dass auf dem Apostelkonzil, von dem Lukas in der Apostelgeschichte berichtet, von einem Bekenntnis nicht die Rede sei.6 Mehr noch: würde das Apostolikum von den zwölf Apostel stammen, müsste man ihm eine höhere Bedeutung zuschreiben als jedem der kanonischen Evangelien, die ja nicht von der Gesamtheit der Apostel, sondern nur von einzelnen Mitgliedern dieses Gremiums stammten.7 In seiner weiteren Kritik an einem apostolischen Bekenntnis hebt er darauf ab, dass keiner der großen Kirchenväter der alten Kirche (Ambrosius, Hieronymus, Augustinus oder Gregor) von einem solchen zeuge.8 Und überhaupt wäre es rätselhaft, dass das Konzil von Nizäa und das von Konstantinopel ein neues Symbol aufgestellt haben sollten, ohne des Apostolikums zu gedenken, wenn es dieses bereits gegeben hätte.9 Gleichwohl konnte Valla die Theologen in Rom nicht überzeugen; die Inquisition zwang ihn schließlich zum Widerruf seiner Auffassung. Indem er sich beugte, gestand er, zu glauben, „was die Mutter Kirche glaubt“.10 Reginald Pavo (1393–1461),11 der nach 1431 seine philosophisch-kritischen Schriften verfasst, 1444 Bischof von St. Asaph, 1450 Bischof von Chichester wird, lehrt, dass das apostolische Glaubensbekenntnis zwar von Gott gegeben sei, es könne jedoch nur als eine ungenügende Stufe auf dem Erkenntnisweg 5

F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 2. Vgl. L. Valla, In Pogium Florentinum, 1529, 172. 7 Vgl. ebd., 173: „Ausim dicere, penè maioris quàm Euangelia authoritatis futurum: quòd Euangelia singulorum essent, symbolum verò totius Apostolici senatus.“ 8 Vgl. L. Valla, In Pogium Florentinum, 1529, 169f.; Vallas Erzählung ist ausführlich wiedergegeben und diskutiert bei D. G. Monrad, Die erste Kontroverse, 1881, 1–50. 178–183; kurz zusammengefasst bei K. Thieme, Das apostolische Glaubensbekenntnis, 1914, 23–27, 25. 9 Vgl. L. Valla, In Pogium Florentinum, 1529, 173: „Quòd si ab Apostolis symbolum factum esset, non dicam qua ratione Arrius errasset, sed quid controuersiae, quid negotij fuisset? quid opus Niceno concilio ad eum condemnandum? imò quid opus alio symbolo? Si enim constabat de symbolo Apostolico, quid attinebat nouum condere? Si non constabat, quis audeat dicere: singulos eius articulos singulorum fuisse apostolorum? Adde quòd Nicena synodus symbolum condidit ad illum usque locum: cuius regni non erit finis. Ergo illud Apostolicum, in quo de spiritu quoque sancto commemorabatur, decurtauerunt. At postea adiecerunt in Constantinopolitana synodo. Certe ideo adiecerunt, quia antea in nullo fuerat symbolo.“ 10 Vgl. ebd., 174; vgl. ders., Calumnia theologica Laurentio Vallensi olim Neapoli intentata, quod negasset symbolum membratim articulatimque per apostolos esse compositum, 1522. 11 Vgl. Ch. W. Brockwell, Bishop Reginald Pecock, 1985, 21.61f. 159–161 (im Unterschied zu Brockwell bin ich aber der Meinung, dass der Widerruf nicht „false or tendentious“ war, sondern schlichtweg darauf abzielte, seine grundsätzliche Kritik an der Autorität des Apostolikums zu revidieren. Dass Pavo nicht alle Details des Widerrufs früher anders gesehen hatte, ist m. E. deutlich; ein zeitgenössischer Kritiker Pavos war Th. Gascoigne, Liber veritatum in: James E. Thorold Rogers, Loci e Libro veritatum, 1881, 209f. 213f. 218; ebd. 209 heißt es: „Heu! heu! quod unus novellus episcopus diceret quod apostoli Jesu Xti non fecerunt simbolum commune, vocatum Simbolum Apostolorum.“ 6

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des Menschen und keineswegs als heilsnotwendig betrachtet werden; schon aus historischen Gründen müsse insbesondere die Höllenfahrt aus dem Bekenntnis genommen werden,12 da eine solche anfänglich nicht darin gestanden habe.13 Im Jahr 1457 wird Pavo durch die Synode von Lambeth verurteilt, seine englische Version des bereinigten apostolischen Glaubensbekenntnisses am 12. November desselben Jahres verworfen.14 Obwohl er widerruft und den Verbrennungen seiner Bücher zusieht, muss er nach 1458 schließlich von seinem Bischofsamt zurücktreten, wird in die Abtei Thorney/Cambridgeshire verwiesen und erhält Schreib- und Leseverbot. Von letzterem sind nur der Gebrauch der Bibel, der liturgischen Bücher und die Lektüre von Heiligenlegenden ausgenommen.15 Leider ist die Wirkungsgeschichte Pavos, was die Bestreitung der Autorität des Apostolikums betrifft, noch nicht untersucht worden. Sowohl seine Einwände als auch Vallas Bedenken bieten aber zumindest Erasmus Anknüpfungspunkte für die bei ihm aufkommenden Zweifel.16 Was das Verhältnis von Desiderius Erasmus (ca. 1466–1536) zu Pavo und seiner Kritik betrifft, so fällt einerseits auf, dass Erasmus gegen den bußwilligen englischen Bischof ausdrücklich an der Heilsnotwendigkeit des Glaubens an die Inhalte des Apostolikums festhält,17 andererseits aber durchaus dessen historische Bedenken gegen den Descensus teilt, wenn er zugibt, dass der Abstieg zur Hölle nicht ausdrücklich der Schrift zu entnehmen ist, sondern lediglich daraus abgeleitet werden kann.18 Deutlicher als Pavo in seiner Kritik nimmt Erasmus allerdings Vallas Bestreitung der apostolischen Verfasserschaft am Apostolikum auf. Erasmus deutet dessen Meinung, die er zunächst akzeptiert, dahingehend, das Apostolikum sei auf dem Konzil von Nizäa herausgebracht worden.19 Jahre später rückt er zwar von dieser Auffassung wieder ab,20 hält 12 Vgl. seinen Widerruf, der sich auf seine Schriften, Book of Faith II 5 (304 Morison) und The Donet I 14–16 (Hitchcock) bezieht, vielleicht auch auf seine Ausführungen zur apostolischen Verfasserschaft, die jedoch nicht mehr erhalten sind; möglicherweise ist auch eine Schrift „Symbolum“ verloren gegangen, wenn diese nicht die lat. Übersetzung des Book of Faith darstellte, vgl. hierzu Ch. W. Brockwell, Bishop Reginald Pecock, 1985, 159. 13 R. Pavo, Book of Faith II 5 (304f. Morison). 14 Ch. W. Brockwell, Bishop Reginald Pecock, 1985, 241. 15 Vgl. ebd., 241f.; H. G. Hödl, Art. Pavo, Reginald, 1994, 1481. 16 Für die Abhängigkeit des Erasmus von Laurentius Valla vgl. K. Thieme, Das apostolische Glaubensbekenntnis, 1914, 28; F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 4f.; die Bezugnahme des Erasmus auf Pavo scheint in der Literatur bisher noch nicht gesehen worden zu sein. 17 Erasm., Exomolog. (LB V 160): „Cognitio symboli ac praeceptorum Dei ad bene uiuendum necessaria est.“ 18 Erasm., Expl. symb. apost. (LB V 1162). 19 Erasm., Ratio uerae theologiae (LB V 92D): „Quo in numero cum primis pono symbolum in concilio Niceno, ni fallor, editum, quod uulgo dicitur apostolorum, opinor ob id, quod prae se ferat sermonis apostolici tum grauitatem, tum sobrietatem, tum etiam breuitatem, atque utinam nostra credulitas eo fuisset contenta. Vbi coepit esse minus fidei inter christianos, mox increuit symbolorum et modus et numerus“; vgl. ders., Apol. adv. rhaps. Alb. Pii (LB IX 1170A–B). 20 Erasm., Supputat. calumn. Nat. Bedae (LB IX 556C) gibt er an, er habe nie behauptet, das Apostolikum sei durch das Konzil von Nizäa geschaffen worden; vgl. zum Folgenden die Einführung von

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aber daran fest, dass das Symbol nicht von den Aposteln stamme. So sehr er das Bekenntnis dem Inhalt nach schätzt und es für eine schlichte katechetische Zusammenfassung dessen hält, was das Christentum vom Judentum und vom Islam unterscheidet, so kritisiert er doch die Zuschreibung desselben an die Apostel; es ist für ihn das apostolische Bekenntnis, nicht das Bekenntnis der Apostel: „De Symbolo Apostolorum quid opus est toties respondere? Tribuo illi grauitatem et spiritum Apostolicum. Non dubito quin Apostoli illa docuerint, tantum dubito an ab illis scripto fit proditum.“21 Dies äußert Erasmus im Wissen darum, dass die Fakultät der Sor-bonne in Paris bereits gegen ihn eingeschritten ist,22 nachdem er sich zuvor einmal eher beiläufig in der Praefatio zu seiner Paraphrase des Matthäusevangeliums zur Verfasserschaft des Apostolikums folgendermaßen geäußert hatte: „Quod an ab apostolis proditum sit, nescio“.23 Erasmus aber weiß nur zu gut, dass es zur Verfasserschaft des Apostolikums kein bindendes Urteil des kirchlichen Lehramtes gibt. So kann er leicht antworten: „Non enim minus illis (sc. articulis de fide) tribuendum est quam quatuor euangeliis; tantum ambigebam an hoc, quod nunc habemus, scripto fuerit ab apostolis proditum. Nam talia illos (sc. apostolos) praedicasse nemo dubitat“24, und: „Simulatque cognouero ecclesiam hoc docere. … Nunc nihil audio nisi quod dicitur apostolorum, et tenetur ab ecclesia“25, und: „Vero proprius est hoc symbolum, quod apostolorum dicitur, illud fuisse quod iuxta Romanam ecclesiam auctoritate priscorum patrum tradebatur catechumenis ediscendum“.26 Schließlich schreibt er, indem er die bereits oben zitierte frühere Unterscheidung zwischen dem apostolischen Inhalt und der Autorschaft der Apostel aufnimmt: „Nec tamen falso dicitur apostolorum, cum contineat quae apostoli tum praedicauerunt, tum in euangeliis et epistolis prodiderunt. Vnde consequitur illi non minus auctoritatis esse tribuendum quam scripturis canonicis“.27 Außer dem Problem der Autorschaft behandelt Erasmus auch das der verschiedenen Versionen des Apostolikums. Er macht darauf aufmerksam, dass J. N. Bakhuizen van den Brink zu Erasmus, in: Erasmus, Explanatio symboli apostolorum in: Opera omnia Desiderii Erasmi Roterodami V/1, Amsterdam/Oxford 1977, 177–201. 21 Erasm., Apol. adv. rhaps. Alb. Pii (LB IX 1169F–1170A). 22 Vgl. Ch. Duplessis d’Argentré, Collectio, 1728, II 53. 60 (Fakultätsurteil vom 16. Dezember 1527 [vgl. ebd. II 9*]: „Cum Symbolum quod Apostolorum dicitur, ab Apostolis editum esse et promulgatum, sit fide tenendum, teneant quoque Catholici Doctores, Clemens hujus nominis primus Romanus Pontifex, Augustinus, Ambrosius, Leo itidem primus et alii uniformiter, unumquemque Apostolorum, quod sensit, dixisse dum illud conderent; haec nescientia impietati deserviens scandalose proponitur“); wenige Jahre später, am 23. September 1542, verurteilt die Sorbonne in derselben Sache den Cato christianus des Stephan Dolet, der stillschweigend im Apostolikum die Teile Sanctorum communionem, Remissionem peccatorum und Carnis resurrectionem ausgelassen hatte, vgl. Chr. Duplessis d’Argentré, Collectio, II 229. 23 Erasm., Paraphr. in ev. Matth. (LB VII 2v). 24 Erasm., Declarat. ad cens. Lutet. (LB IX 868D). 25 Ebd. (LB IX 870D–F). 26 Ebd. (LB IX 870D–E). 27 Ebd. (LB IX 870E–F).

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„Cyprian“28 eine kürzere Formel kennt, als die ihm geläufige, und benennt die einzelnen Zusätze. Schließlich zeigt er durch den Vergleich mit Augustinus auf, dass die Zusätze jüngeren Datums sind.29 Jan Nicholaas Bakhuizen van den Brink fasst zusammen: „Obsédé par la conviction qu’au commencement l’Eglise n’avait pas eu besoin d’un Symbole très étendu, situation idéale selon Erasme, il soutient que l’extension du Symbole et l’accroissement continu des doctrines n’étaient dûs qu’au surgissement des hérésies au cours des siècles, et il les déplorait.“30 Liest man Martin Luthers (1483–1546) verschiedenen Äußerungen zum Apostolikum,31 könnte man zu der Meinung gelangen, wie Kattenbusch es formulierte, der Refomator habe nicht „viel Notiz“ von der vorausgegangenen Kritik am Apostolikum genommen.32 Und doch stellt man bei näherem Hinsehen fest, dass Luther nicht nur die Ausführungen des Erasmus gekannt, sondern dass er auch vom Apostolikum her wesentliche Anregungen erhalten hatte.33 Erasmus’ Meinung zum Apostolikum waren Luther spätestens aus dessen „Explanatio Symboli, quod dicitur apostolorum“ von 1533, „welche er 1534 gelesen hatte“, bekannt geworden.34 Schon die Gliederung des Bekenntnisses nicht mehr in zwölf Artikel, sondern entsprechend den drei Personen der Gottheit35 in drei „Häuptartikel“ weist darauf hin, wie Luther zur legendären Verfassertradition steht. Außerdem bildet bei Luther das Apostolikum nur einen Teil des Katechismus, der der grundlegenden Lehre.36 Hinzu kommt, dass er in den Katechismen das Apostolikum ausschließlich mit der „volkstümliche(n) Bezeich-

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Erasmus hält Cyprian für den Autor der Exp. symb. apost., die heute in der Regel dem Rufin zugeschrieben wird. 29 Vgl. auch F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 4. 30 Einleitung zur Expl. symb. apost., 1958, 199. 31 Vgl. A. Peters, Kommentar zu Luthers Katechismen. Bd. 2: Der Glaube – das Apostolikum, 1991. 32 F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 3; vgl. ders., Luthers Stellung zu den oekumenischen Symbolen, 1883; ders., Luthers Auffassung des Apostolikums, 1892. 33 Vgl. J. Meyer, Luther und das Apostolikum, 1918, 23: „Ein Satz aus dem Apostolikum war es, der für Luther in dem Seelenringen seiner Klosterzeit in Erfurt Bedeutung erlangt hat. Ein alter Klosterbruder, dessen Namen wir nicht kennen, verwies ihn in seinen Nöten auf die Worte: Ich glaube eine Vergebung der Sünden. Seitdem ist ihm dieser Satz zum Schlüssel für das Verständnis des Apostolikums geworden.“ 34 A. Peters, Kommentar zu Luthers Katechismen. Bd. 2: Der Glaube – das Apostolikum, 1991, 16 mit Hinweis auf Luthers Brief an Amsdorf vom März 1534 in: WABr 7,27–40, hier: 31; zum Verhältnis von Luther zu Erasmus bemerkt Peters (A. Peters, Kommentar, 16): „Luther wirft Erasmus neben der methodischen Verwirrung vor allem vor, daß er durch die Überfülle der historischen Beobachtungen die Schüler irre mache und an den Glaubenslehren zweifeln lasse.“ Vgl. zum Verhältnis von Luther zu Erasmus in dieser Frage auch K. Bornkamm, Das Verständnis christlicher Unterweisung in den Katechismen von Erasmus und Luther, 1968. 35 Vgl. A. Peters, Kommentar zu Luthers Katechismen. Bd. 2: Der Glaube – das Apostolikum, 1991, 13. 36 Darauf weist ausdrücklich hin F. Kattenbusch, Luthers Stellung zu den oekumenischen Symbolen, 1883, 47.

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nung ‚der Glaube‘ (tituliert)“.37 Auch an anderen Stellen nennt er es schlicht „Credo“38 oder „Symbolum“39. Dabei leitet er „Symbolum“ wie viele ältere Autoren von „collatio“ her, versteht aber unter dem Symbol eine Sammlung wichtiger Inhalte aus der Schrift. Überhaupt ist ihm der Inhalt des Bekenntnisses wichtiger als dessen Ursprung und Entstehung. Und so kommt ihm die erasmische Unterscheidung zwischen dem apostolischen Inhalt und der Verfasserschaft der Apostel entgegen.40 Nur insofern es apostolische Inhalte birgt, kann Luther auch vom „Bekenntnis der Apostel“ sprechen.41 Nach Albrecht Peters (1924–1987) versteht Luther das Bekenntnis „nicht als uns in der Taufe von Gott dargereichtes Bundeszeichen; die altkirchliche Verknüpfung des Credos mit der Taufe ist bei ihm gelockert. Dennoch gewinnt er, wenn auch nicht aus dem in seiner Herkunft dunklen und in seiner Bedeutung schillernden Wort Symbolum, sondern aus dem im Credo bezeugten Heilshandeln Gottes heraus einen neuen Zugang zum altkirchlichen Verständnis, wobei er nicht von Gottes Gebot und der Leistung des Menschen, sondern von Gottes Evangelium und dessen zuvorkommender Gnade ausgeht.“42 Wie für Erasmus ist auch für Luther das Apostolikum die schlichte, das Christentum verbindende und es vom Judentum und vom Islam unterscheidende Antwort auf die Frage,43 an welchen Gott der Mensch glaubt: „Sic symbolum nihil aliud est quam responsio auff diese frage: Qualis est deus tuus, qui tulit tibi decem praecepta? Hac fide secernimur ab omnibus aliis hominibus, qui eam non habent, quia habent alium deum etc.“44 In den kurzen Worten des Apostolikums sei „das Wichtigste zusammengetragen“,45 es bilde tatsächlich „einen Inbegriff aller echten evangelischen Gedanken“:46 „Totum Euangelium est in symbolo,47 quod qui cito complecti potest, totum Euangelium. … In his brevibus verbis omnia habes, quae in tota scriptura habentur.“48 Das Bekenntnis ist als „verbum abbreviatum 37 A. Peters, Kommentar zu Luthers Katechismen. Bd. 2: Der Glaube – das Apostolikum, 1991, 14; schon früher hatte er diesen Sprachgebrauch, vgl. WA 6,204,1: „... solange bis ... ich den Glauben mit einer deutschen Auslegung ganz verkläre“; WA 7,214,24; 215,23; WA 38,373,12; WA 50,262,2. 38 WA 37,55,12. 39 WA 50,262,6. 40 Vgl. H.-M. Barth, Art. Apostolisches Glaubensbekenntnis, 1978, 554. 41 WA 50,263,18; zu weiteren Bezeichnungen wie confessio oder professio und symbolum vgl. A. Peters, Kommentar zu Luthers Katechismen. Bd. 2: Der Glaube – das Apostolikum, 1991, 14f. 42 Ebd., 15. 43 Vgl. L. Zscharnack, Art. Apostolikum, 1927, 446; G. Hoffmann, Art. Apostolikum, 1957, 513. 44 M. Luther, Erste Katechismuspredigt vom Jahr 1529, WA 30/1,10; vgl. auch ders., WA 50,262–283. 45 H.-M. Barth, Art. Apostolisches Glaubensbekenntnis, 1978; M. Luther, WA 41,275,30ff. 46 F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 3; vgl. ders., Luthers Stellung zu den oekumenischen Symbolen, 1883, 44: „Luther kann nicht genug bewundern, wie es (sc. das Apostolikum) in so wenig Worten Alles sage“; vgl. im Anschluss an Kattenbusch auch J. Meyer, Luther und das Apostolikum, 1918, 47f. 47 Zugespitzt auf den zweiten Artikel formuliert Luther in der Katechismuspredigt vom 10. Dezember: „Totum Euangelium ist gefasst yhn den artickel“ (WA 30,90). 48 M. Luther, Predigten über das Symbolum vom 4.–6. März 1523, WA 11,48–54, 48. 54.

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et consummatum“ die Zusammenfassung des Evangeliums.49 „In ihm legt der dreieinige Gott uns selber sein Heilshandeln in den Mund, dass wir ihn darin bekennen können; ‚virtus virtutum est symbolum seu fides‘.“50 Luther interpretiert das Bekenntnis darum wiederholt,51 und es findet zwischen Dekalog und Vaterunser Eingang in seinen „Kleinen“ und seinen „Großen Katechismus“.52 Luther will sich nach den Vorarbeiten des Erasmus wegen der Verunsicherung der Menschen durch dessen historische Ausführungen zunächst nicht selbst mit dem Ursprung des Symbols beschäftigen, sondern übergeht anfangs die historische Frage, ob das Symbol auf die Apostel selbst zurückzuführen sei oder nicht. Erst in einer Predigt aus dem Jahr 1535 zu Trinitatis und einer Tischrede vom Jahr 1539 kommt er darauf zu sprechen und bezeichnet den Glauben an die Verfasserschaft der Apostel als „nerrisch“. In der Trinitatispredigt heißt es: „Darumb haben die Veter recht gethan, das sie den Glauben oder Symbolum so gefasset haben, wie es die kinder beten: Ich gleube an Gott Vater, schöpffer himels und der erden, und an Jhesum Christum, seinen eingebornen Son etc. Und an den heiligen Geist. Das gebet oder bekentnis haben wir nicht gemacht noch erdacht, die vorigen Veter auch nicht, sondern wie eine bine das honig aus mancherley schönen, lustigen blümlin zu samen zeucht, also ist dis Symbolum aus der lieben Propheten und Apostel büchern, das ist: aus der gantzen heiligen Schrifft, fein kurtz zusamen gefasset für die kinder und einfeltigen Christen. … Und ist also das feine Symbolum oder der glaube so meisterlich und rein gefasset, das man es nicht hette können feiner fassen. Darumb es auch wol billich ist, das man saget, die Aposteln haben es selbs gemacht, denn es nicht wol möglich ist, das es andere leute denn die Apostel so solten gemacht haben … Dieser glaube ist bis auff uns geerbet, und Gott hat in mit gewalt inn seiner kirchen bis auff den heutigen tage wider alle Rotten und Teuffel erhalten. Darumb sollen wir auch also einfeltig dabey bleiben und nicht klug sein. Denn Christen sind solche leute, die das sollen gleuben, das nerrisch ist.“53 In einer späteren Parallelüberlieferung dieser Predigt wird die Auffassung noch etwas deutlicher auf die Tradition zurückgeführt: „Das mans billich nennet der Apostel Symbolum oder Glauben, Denn es ist also gestellet, das mans nicht hette besser und feiner so kurtz und klar können fassen. Und ist von alters her also in der Kirchen blieben, Das es entweder die Apostln selbs haben gestellet oder je aus irer Schrifft und Predigten von iren besten Schülern zusamen bracht ist.“ 54 Luther 49

M. Luther, Predigt über Joh 1,1 vom 25. Dezember 1514: WA 1,24,13. A. Peters, Kommentar zu Luthers Katechismen. Bd. 2: Der Glaube – das Apostolikum, 1991, 16; das Zitat steht bei M. Luther, WA 48,281,3; vgl. auch WA 48,282f. 51 Vgl. M. Luther, WA 7, 214–220 (im Jahr 1520 zusammengestellt mit Predigten über das Vaterunser und die zehn Gebote); neu finden sich diese Ausführungen im „Betbüchlein“ vom Jahr 1522: WA 102, 388–395; 301, 9–11. 43–46. 86–94; vgl. auch 341, 449–457; 37, 35–72; 38, 373–375; 45, 11–24; L 262f. 52 Vgl. Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, 1982, 510f. 555f. 646–662. 53 M. Luther, WA 41,275–277. 54 M. Luther, WA 21,523. 50

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selbst leitet, obwohl er gegenüber Erasmus’ Kritik am Apostolikum Skepsis äußert,55 sehr pointiert die Autorität des Bekenntnisses nicht von den Verfassern her, sondern schließt (ganz ähnlich wie Erasmus vor ihm) umgekehrt aus dem Inhalt des Textes auf die Autorität des Inhalts und bemüht die Tradition zur Erhärtung der Verfasserschaft der Apostel.56 Dies ermöglicht ihm dann auch, von der Fixierung auf die Apostel selbst abzugehen und anzunehmen, dass womöglich auch deren „beste Schüler“ den Text „aus irer Schrifft und Predigten“ zusammengestellt haben. Letztlich macht ihm eine doppelte theologische, nicht eine historische Begründung das Bekenntnis so wertvoll: Der negative Grund, warum er das Symbol schätzt, lautet: „In Symbolo tamen nihil est de Sacramentis, nihil de potestate seculari, de officio Episcoporum etc. Es sol institutio i.e. ein unterricht sein fur die kinder und einfeltigen Christen.“57 Das positive Argument lautet: In diesen schlichten, kindlichen Worten Gottes hat der Heilige Geist selber „das göttliche Schöpfer- und Erretterwerk letztgültig zusammengefasst“, wie Albrecht Peters schreibt.58 Oder in Luthers eigenen Worten: „Sihe, da hastu das gantze Göttliche wesen, willen und werck mit gantz kurtzen und doch reichen worten auffs allerfeineste abgemalet, Daryn alle unser weisheit stehet, so uber alle menschen weisheit, synn und vernunfft gehet und schwebt. … Denn da hat er selbs offenbaret und auffgetan den tieffsten abgrund seines veterlichen hertzens und eitel unaussprechlicher liebe yn allen dreyen artickeln“.59 Trotz seiner Hochschätzung des Apostolikums bewahrt sich Luther zugleich eine Freiheit gegenüber dem exakten Wortlaut des Bekenntnisses. Albrecht Peters fasst seinen Vergleich von Luthers Credo-Auslegung mit denjenigen des Mittelalters wie folgt zusammen: „Die Stoßrichtung der mittelalterlichen Symbolparaphrasen, den Glaubensbezug des Bekennenden zu intensivieren, wird von Luther bewusst gemacht und zugleich polemisch abgegrenzt gegen ein Vertrauen auf unser Tun vor Gott. … Je stärker dem Reformator … die Zuordnung von Verheißung und Glaube … deutlich wird, um so mehr tritt Gott als Handelnder hervor. … Indem der Glaube, derart geborgen in Gott, über ‚allem, was do ist und nit ist, uber Sund und Tugend‘ schwebt,60 wendet er sich nicht nur nach außen gegen das Vertrauen auf die anderen Gegenmächte, wie in den mittelalterlichen Symbolparaphrasen. In diesem Vertrauen wendet sich der Christ gleichsam nach innen gegen sich selbst, wie dies die spätmittelalter55

Vgl. M. Luther, WA.B 7,30 und die Bemerkung von Peters weiter oben. So schon F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 4; man vgl. auch W. Gaß, Die Stellung des Apostolischen Symbols, 1879, 66f. (ebd., 67f. auch zu Zwingli und der Confessio Belgica). 57 M. Luther, WA 30/1,109,6–9. 58 A. Peters, Kommentar zu Luthers Katechismen. Bd. 2: Der Glaube – das Apostolikum, 1991, 17 mit Verweis auf WATR 4,230,8 (Nr. 4334, 1539): „Et est opus Spiritus Sancti tantem rem tanta brevitate efficacissimis et emphaticis verbis describere. Ego Doctor Martinus non possum satis admirari illam symboli constitutionem. Ideo Illa verba diligenter consideranda“, vgl. auch WA 50,262. 59 M. Luther, WA 30/1, 191,28–35. 60 M. Luther, WA 7,216,11. 56

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lichen Bekenntnisse andeuten; er wird des im eigenen Herzen lauernden Zweifels ansichtig. … Gott Vater, Sohn und Geist rücken so ins Zentrum; sie sind jeweils das sachliche Subjekt in den Deutungen der einzelnen Artikel. … Im Gegensatz zu den altkirchlichen und mittelalterlichen Entfaltungen bilden bei Luther die Trinität und die Zwei-Naturen-Lehre kein eigenständiges Thema. Er spitzt vielmehr die Narratio des Gotteshandelns zu auf den Bekennenden. Die Applicatio, welche im Mittelalter sich als ein weiteres Thema herauskristallisierte, wird von ihm akzentuiert. Jedoch urgiert der Reformator das Pro me erst, nachdem er in einem ersten und grundlegenden Vollzug die Christen das Apostolikum hat rezitieren lassen. Die Entfaltung auf das Für uns hin und vom Für uns her bleibt dem lobpreisenden Einstimmen in das Zeugnis von Gottes Schöpfer- und Erlöserwirken dienend zu- und untergeordnet.“61 Luthers Aufnahme und Behandlung des Apostolikums in seinem kleinen und großen Katechismus hat eine kaum zu überschätzende Wirkung. Und obwohl er es „mit der größten Freiheit behandelt“ und es hinstellt „wie einen Text, dessen Reichtum gar nicht auszuschöpfen sei, dessen ‚Schüler‘ er, der Doktor der Theologie, sein ganzes Leben bleibe und ‚herzlich gerne‘ bleibe, … so wird doch die Bibel selbst (von) ihm (dem Apostolikum) übergeordnet.“62 Ganz ähnlich, ja in manchem sogar dezidierter als Erasmus und Luther, lehrt Philipp Melanchthon (1497–1560). Das Apostolikum ist für ihn zweifellos älter als das Nizänum, doch ob es von den Aposteln – die Meinung, die er favorisiert – oder von deren Hörern stammt (in Letzterem klingt Luther nach), lässt er letztlich offen: „Symbolum Apostolorum esse antiquius, quod certum est, sive ipsi Apostoli, quod est mihi credibile, ita inter se collatis sententiis conscripserint, sive circa illa tempora, auditores Apostolorum conscripserint, acceptum ab Apostolis.“63 Damit tritt Melanchthon der „stulta fabella“ des Laurentius Valla entgegen, der zwar ein guter Grammatikus gewesen sei, aber da, wo es um die Deutung der Dekretalien ging, „tamen ibi errat in Grammatica“. Das Apostolikum sei eben nicht auf der Synode von Nizäa, sondern bereits früher entstanden.64 In seiner Enarratio symboli Niceni geht Melanchthon wie Luther von der Ehrwürdigkeit der Symbole und speziell von der des Apostolikums aus, aber auch er fasst das Bekenntnis im Unterschied zur Schrift als zweitrangig auf: „SYMBOLA vocarunt brevem articulorum seu omnium, seu praecipuorum doctrinae Evangelii collectionem. … Haec et similia dicta plurima in Prophetarum et Apostolorum concionibus clarissime testantur, non recipiendam esse ullam doctrinam de essentia et voluntate Dei, nisi hanc unam, quae per Prophetas et Apostolos tradita est.“65 Wenn aber die Symbole nichts anderes und neues gegenüber der Schrift bieten, was sind sie überhaupt? Melanchthon antwortet: 61 62 63 64 65

A. Peters, Kommentar zu Luthers Katechismen. Bd. 2: Der Glaube – das Apostolikum, 1991, 27–35. F. Kattenbusch, Zur Würdigung des Apostolikums, 1892, 33. CR 25,165. Vgl. CR 25,165; CR 23,199. CR 23,199.

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„Synodi non gignunt nova dogmata, sed tantum profitentur sententias prius in scriptis Propheticis et Apostolicis traditas, et ostendunt, quomodo intelligant haec dicta Prophetica et Apostolica, et testantur hunc intellectum ab Apostolis ad posteros transmissum esse. Sunt igitur Synodi testes seu testificationes de aliquo veteri dogmate. … Sic dicit Christus ad Apostolos Lucae ultimo: Vos eritis testes horum. Non vult eos nova dogmata gignere, sed testes esse de doctrina divinitus tradita.“66 Mit ihrer Zeugenschaft für die Überlieferung der prophetischen, apostolischen und göttlichen Lehre gewinnen die Synoden und Symbole trotz ihres zweiten Ranges gegenüber der Schrift doch eine herausragende kirchen- und dogmenhistorische Stellung, die über die lutherische katechetische Einschätzung dieser Texte weit hinausgeht.67 Es nimmt darum nicht wunder, dass gerade im synkretistischen Streit des siebzehnten Jahrhunderts sich die Diskussion, was die Stellung des Apostolikums betrifft, zwischen diesen beiden Polen „katechetischer Zweck – dogmatischer Zeuge“ bewegen wird.68 Letztere Funktion gewinnt das Apostolikum weiterhin durch die Aufnahme in lutherische Bekenntnisschriften. Es begegnet als erstes der „drei Haupt-Symbola“ oder „Tria Symbola catholica sive oecumenica“ in der Konkordienformel von 1577;69 Teile aus ihm (v. a. aus dem zweiten Artikel) werden zitiert in den Schmalkaldischen „Artikel christlicher Lehre“ oder „Articuli christianae doctrinae“ vom Jahr 153770, und es wird verwiesen auf das Apostolikum in der „Augsburgischen Konfession„ oder „Confessio fidei“ vom Jahr 1530,71 in der im Jahr 1531 publizierten „Apologia der Confession“ oder „Apologia confessionis Augustanae“,72 in der Epitome der Konkordienformel73 und in der „Solida … declaratio“ vom Jahr 1580.74 Auch Huldreich Zwingli (1484–1531) schätzt das Apostolikum; er entfaltet sein eigenes Bekenntnis „im Rahmen einer Apostolikum-Auslegung“.75 Wie er in der Berner Credo-Predigt des Jahres 1528 vorträgt, will er durch den Bezug auf das Apostolikum „mit allen rechtglöubigen und verstendigen“ überein66

CR 23,200. Vgl. H.-M. Barth, Art. Apostolisches Glaubensbekenntnis, 1978, 555. 68 Vgl. F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 8f.; die Magdeburger Centurien anerkennen den apostolischen Ursprung des Apostolikums als Communis sententia und führen als Belege an: Ignatius, Justin, Irenäus, Augustin u. a., vgl. Ecclesiastica historia, Basel 1559, I. Centuriae primae liber secundus, cap. 4, De doctrina, 66; zur Bedeutung des Apostolikums in der Reformation vgl. W. J. Aalders, De apostolische Geloofsbelijdenis, 1937, 7f.; den Artikel des Chemnitzer Pfarrers L. Pelt, Art. Apostolisches Symbolum, 1854, der das Apostolikum als Fundament der Lutheraner bezeichnet, das trotz rationalistischer Angriffe siegreich geblieben sei; erheblich anders urteilt A. v. Harnack in ders., Art. Apostolisches Symbolum, 1877 und ders., Art. Apostolisches Symbolum, 1896; vgl. weiter unten. 69 Vgl. Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, 1982, 21; vgl. ebd., 22–25. 70 Vgl. ebd., 414. 71 Vgl. ebd., 54. 72 Vgl. ebd., 158. 170. 73 Vgl. ebd., 1982, 768. 74 Vgl. ebd., 1982, 834. 75 H.-M. Barth, Art. Apostolisches Glaubensbekenntnis, 1978, 555. 67

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stimmen.76 Und auch in seiner im Jahr 1531 an Franz I. gerichteten Schrift „Fidei christianae expositio“ nimmt er das Apostolikum als Grundlagentext, in den er seine eigenen Interpretationen hineinschreibt, ohne dass er sich allerdings sklavisch an den Wortlaut des Bekenntnisses hält. Auf die Verfasserfrage geht er nicht ein. Die vermutlich älteste reformatorische Schrift zum Apostolikum, eine Arbeit von knapp drei Tagen,77 blieb allerdings bis zur Mitte unseres Jahrhunderts ungedruckt blieb. Sie stammt aus der Feder von Joachim Vadian (1484–1551) und ist auf den 25. Oktober 1522 datiert.78 „Im Unterschied zu Zwingli oder Luther weicht er der Frage nach der Verfasserschaft des Apostolikums nicht aus und macht sich die Ansichten des italienischen Humanisten Lorenzo Valla zu eigen.“79 Vadian, der zuvor bereits andere Schriften Vallas zum Druck befördert hat, kennt „aus einer 1504 erschienenen Ausgabe“ auch dessen Streitschriften gegen Bracciolini.80 Zunächst umreißt Vadian kurz das Wesen eines Glaubensbekenntnisses: „Jedes Glaubensbekenntnis, wer auch sein Verfasser sei, enthält die wichtigsten Punkte der Glaubenswahrheiten, denen man so weit Glauben schuldet, als sie in der Heiligen Schrift durch ausdrückliche Aussprüche des göttlichen Wortes bestätigt werden.“81 Hat er hiermit bereits die reformatorische Relativierung des Bekenntnisses an der Schrift herausgestellt,82 skizziert er mit dem nächsten Satz, dass er die Entstehung der Bekenntnisse in der Häresiebekämpfung ansiedelt. Wegen ihres apologetischen Zweckes müssten sie darum gegenüber der Schrift die Botschaft zuspitzen: „Indessen wird in den Bekenntnissen in der Regel klarer und ausführlicher wiedergegeben, was in der Schrift mit wenigen Worten angedeutet ist, und zwar gegen die Ränke der Irrlehrer. … Wahrscheinlich erklärt sich aus diesem Grunde der Gebrauch von Glaubensbekenntnissen, in welchen den Gläubigen klar dargelegt wurde, was man vor allem zu glauben habe, und zwar so zu glauben, dass man sich durch keinerlei Ränke andersgesinnter Irrlehrer davon abbringen lasse.“83 Als das „am meisten bekannte“ Bekenntnis bezeichnet Vadian „dasjenige, das wir allgemein auch bei den Gebeten verwenden, das, in zwölf kurzen Artikeln zusammengefasst und abgeschlossen, gleichsam mit Absicht vom Verfasser (man bemerke den Singular!) für den täglichen Gebrauch der Bekennenden zurechtgemacht ist.“84 Aus diesem Grund stellt wohl auch die gesamte Schrift, die von ihrem Titel 76

H. Zwingli, CR 93/1,450,6f. J. Vadian, Brevis Indicatura Symbolorum (1522), 1954, titulus (vgl. ebd. 46,13). 78 Ebd., 46,18f.; vgl. hierzu die Einleitung von C. Bonorand, 36f. 79 C. Bonorand, in: J. Vadian, Brevis Indicatura Symbolorum (1522), 1954, 27. 80 Ebd., 27. 81 J. Vadian, Brevis Indicatura Symbolorum (1522), 1954, 48,2–4. 82 Auf das Schriftprinzip kommt er auch später noch ausführlich zu sprechen. 83 J. Vadian, Brevis Indicatura Symbolorum (1522), 1954, 48,4–6. 8–11. 84 Ebd., 60,7–10: „Sed omnium maxime protritum est illud, quo vulgo etiam in precibus utimur, duodecim articulis complexum et brevibus absolutum, tamquam de industria ad cottidianum confitentium usum ab authore accommodatum.“ 77

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„Brevis Indicatura Symbolorum“ her ja eine kurze Auslegung der Bekenntnisse (Plural!) sein möchte, eine Auslegung allein des Apostolikums dar. Bevor Vadian sich jedoch über den theologischen Gehalt dieses Bekenntnisses auslässt, geht er auf die Frage der Autorschaft ein: „Non convenit inter eruditos, quo authore constiterit. Sunt qui apostolis tribuant, sicut Ruffinus.“85 Mit Rufin stimme auch das „Decretum Gratiani“ überein, und diese Meinung sei überhaupt der Konsens „frequens vulgarium theologorum“.86 „Dagegen leugnet der gelehrte Laurentius Valla im 4. Buche der Invektiven gegen Poggio die apostolische Herkunft des Bekenntnisses, erstens weil es unwahrscheinlich sei, dass der Evangelist Lukas, der die Apostelgeschichte verfasst und das Konzil zu Jerusalem erwähnt hat, eine so wichtige und denkwürdige Sache als unbedeutend hätte übergehen können, wenn das Konzil sich in irgendeiner Weise mit diesem Glaubensbekenntnis befasst hätte. Ausserdem sagt er, … auf dem Konzil zu Nikäa, dem zweiten Konzil seit dem bekannten Apostelkonzil (denn das zu Jerusalem war das allererste), sei das Glaubensbekenntnis veröffentlicht worden.“87 Nach der Wiedergabe von Vallas Meinung schließt sich ihr Vadian mit einigen Nuancen an und begründet ausführlich: „Ich vermute, es (sc. das Bekenntnis) sei ein Auszug aus den Verhandlungen des Konzils zu Nikäa für den allgemeinen Gebrauch der Christen. Denn ich kann mich nicht zu der Annahme bequemen, die Väter des Konzils zu Nikäa hätten bei der Abfassung ihres Bekenntnisses den Artikel ‚hinabgefahren ins Totenreich‘ übergehen können, während sie alle übrigen Artikel aufgenommen haben, wenn sie unser Glaubensbekenntnis als apostolisch anerkannt hätten.“88 Ausschlaggebend sind für ihn also über die von Valla genannten historischen und philologischen Überlegungen hinaus theologiehistorische Gründe. Für die Meinung, die einzelnen Apostel hätten jeweils einen Artikel zum Bekenntnis beigesteuert, hat Vadian von vornherein nur Spott übrig.89 Doch auch hier ist es ein intelligentes theologisches Argument, das seinen Spott begründet: „Denn alle Apostel waren von demselben Geist erfüllt, und jeder einzelne verfügte über die vollständige Lehre des ganzen Christentums; somit besteht kein Zweifel, dass das Ganze sich auf die Einsicht aller gründen würde, wenn die Abfassung durch die Apostel feststünde; sicherlich aber sind die Teile nicht gleichsam wie Glieder zusammengetragen worden, als ob den Einzelnen hätte verborgen sein können, was alle zusammen kundgetan haben.“90 Da anzunehmen ist, die Apostel seien geisterfüllt, ist eine partikulare Erkenntnis bei ihnen also auszuschließen. Wenn aber nicht länger an der Autorschaft der Zwölfe festzuhalten sei, dann dürfe man auch auf die Einteilung des Bekenntnisses in zwölf Artikel nicht allzuviel 85 86 87 88 89 90

Ebd., 60,13–62,1. Ebd., 62,5f. Ebd., 62,6–17. Ebd., 62,17–64,2. Ebd., 64,2: „Omnino autem ridicula est horum sententia.“ Ebd., 64,4–8.

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geben, ja nicht einmal auf Form und Umfang eines Bekenntnisses überhaupt.91 In dieser Hinsicht begründet Vadian noch Jahre vor der Aufstellung reformatorischer Bekenntnisse deren theologische Legitimität: „Von grösserer Bedeutung (sc. als die Zahl der Artikel von Bekenntnissen, M. V.) ist die Notwendigkeit oder Wichtigkeit der in ihnen enthaltenen Sätze, denen man vor allem Glauben schuldet, d.h. an deren Wahrheit man keineswegs zweifeln darf. Wir müssen nämlich, wie bekannt, an die Wahrheit der ganzen Schrift glauben, ebenso wie wir an die Wahrheit der einzelnen in den Bekenntnissen enthaltenen Artikel glauben, in welcher Reihenfolge sie auch stehen. Daraus folgt, dass die Kirche nach einhelligem Beschluss ein Bekenntnis von zwanzig oder sogar von dreissig Artikeln aufstellen könnte, da ja im Evangelium Unzähliges steht, dessen Wahrheit zu bezeugen wir bei Verlust unseres Heiles verpflichtet sind.“92 Wenn das Bekenntnis nun eine Verkürzung und Zusammenfassung der umfassenden Heilsbotschaft der Schrift sei, dann reiche der Glaube an ein solches „für Unwissende wie Katechumenen, Ungebildete und der Schrift Unkundige“ nur insofern aus, als sie „in allem am gesamten Glauben der kirchlichen Einheit teilnehmen, und dass sie von der Gewissheit und der über jeden Zweifel erhabenen Wahrheit dessen, was die Kirche angenommen hat, fest überzeugt sind.“93 Für das Apostolikum zieht Vadian damit aber auch die Konsequenz, dass die Behauptung, „niemand könne erlöst werden ausser dem, der fest an die zwölf Artikel glaubt“, falsch ist.94 Gleichwohl solle man „die Artikel des Glaubensbekenntnisses allen Christen immer und immer wieder einprägen …, erstens weil sie von grösster Bedeutung sind und vor allem Bezug nehmen auf die Geheimnisse der Gottheit Christi und seines Leidens, dann auch weil schon früher den Christen wegen der Arglist der Irrlehrer keine Glaubenssätze gleichsam wie Hauptgesetze öfter vor Augen gestellt werden mussten als diejenigen, bei denen man leicht Gefahr laufen konnte; zumal da die, welche sich zu Lehrern der Schrift aufwarfen, völlig verschiedener Meinung waren und es damals die heilsame Einrichtung der Konzile noch nicht gab, weil die Christen sich nicht ohne Gefahr versammeln konnten und einige der besten Lehrer bestochen durch die nichtige Philosophie des Plato und Aristoteles nach der Willkür ihrer blinden Vernunft und in mutwilligem Vertrauen auf ihre Vermutungen alles verfälschten, verdrehten und verdarben.“95 Und zur Verfasserschaft des Apostolikums fügt Vadian an: „Es ist sicher, dass weder seiner noch seiner Verfasser in der Heiligen Schrift irgendwo namentlich Erwähnung geschieht. Daraus folgt, dass man die apostolische Verfasserschaft, wie bereits bemerkt, nicht augenfällig beweisen kann.“96 91 92 93 94 95 96

Vgl. ebd., 64,11f. 18–20. Ebd., 64,20–27. Ebd., 66,1–7. Ebd., 66,9f.: „Falsum sit neminem salvari posse nisi eum, qui XII articulos firmiter credat.“ Ebd., 66,18–29. Ebd., 66,30–68,2.

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Auf diese ersten reformatorischen Auslassungen zum Apostolikum war deshalb so ausführlich einzugehen, weil sie in vielem die Kritik vorwegnehmen, die erst in erheblich späterer Zeit und wohl ohne Kenntnis von Vadians damals leider unpubliziert gebliebener Schrift neu errungen werden musste. Jean Calvin (1509–1564) nennt das Bekenntnis ein apostolisches, ohne dass ihm die Frage der Autorschaft von Bedeutung scheint; doch zweifelt er nicht daran, dass es „a prima statim ecclesiae origine, adeoque ab ipso apostolorum saeculo“ allgemein rezipiert worden ist.97 Es stellt ihm ein „compendium … et quasi epitome quaedam fidei in quam consentit ecclesia catholica“ dar.98 „Er kommentiert es mehrmals und integriert es dabei entschlossen in den Zusammenhang seines Glaubensverständnisses: Erst im Kontext dessen, dass der Mensch im Glauben Christus ergreift und dadurch zum Heil gelangt, ist es sinnvoll, das Apostolikum zu bedenken.“99 Betrachtet man die verschiedenen Ausgaben der Institutio, lässt sich nicht nur eine Veränderung in Stellung und Funktion des Apostolischen Glaubensbekenntnisses feststellen, sondern sogar eine zunehmende strukturelle Bedeutung für Calvin entdecken: „Während es in der Erstauflage 1536 einen klar umrissenen (wohl von den Lutherschen Katechismen abhängigen) Platz zwischen dem Gesetz und dem Herrengebet innehat, gibt es in der letzten Auflage den Rahmen für den Aufbau des gesamten Werkes ab.“100 Auch die älteren reformierten Bekenntnisse101 räumen dem Apostolikum eine herausragende Bedeutung ein. Auf dieses und auf andere altkirchliche Symbole stützen sich etwa die Confessio Gallicana von 1559 (seit 1571 auch „Confession de la Rochelle“ genannt),102 die Confessio Belgica von 1561,103 das Niederländische Bekenntnis von 1566,104 der Consensus Bremensis von 1595,105 das

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Vgl. J. Calvin, Institutio religionis christianae, IV 3 (CR 29, 478f.). J. Calvin, CR 29,56. 99 H.-M. Barth, Art. Apostolisches Glaubensbekenntnis, 1978, 556. 100 Ebd., 556; wenn Calvin, wie vor ihm Zwingli, mit dem Apostolikum dennoch frei umgeht, dann sollte man hieraus jedoch nicht schließen, dass die Beziehung zwischen der letzten Ausgabe der Institutio und dem Apostolikum „dem äußeren Anschein zum Trotz ... verhältnismäßig äußerlich und formal“ bleibt (so F. Wendel, Calvin, 1968, 100 und ihm folgend H.-M. Barth, Art. Apostolisches Glaubensbekenntnis, 1978, 556; die nämliche Meinung vertrat u.a. schon E. A. Dowey, The Knowledge of God in Calvin‚s Theology, 1952, 41f.; vgl. dagegen aber W. Niesel, Die Theologie Calvins, 1957, 23. 39f.), im Gegenteil, es lässt sich gerade etwa an der Ausgliederung eines vierten Artikels („De ecclesia et divinis in ipsam beneficiis“, BSRK 118,21f.; CR 30,745) erkennen, dass Calvin mit Bedacht sowohl die Inhalte wie die Struktur des Apostolikums betrachtet und seiner eigenen Theologie gemäß verwendet hat; vgl. auch die Interpretation von K. Barth, Das Glaubensbekenntnis der Kirche. Erklärung des Symbolum Apostolicum nach dem Katechismus Calvins, 1967. 101 An jüngeren wären etwa zu nennen die „Déclaration de foi du XXXe synode général de l’église réformée de France“ von 1872, vgl. BSRK 910, 33 und die „Constitution de l’Église évangélique neuchâteloise, indépendante de l’État“ von 1874, Art. 2 (BSRK 911, 22). 102 Art. 5, vgl. BSRK 222, 42. 103 Art. 9, vgl. BSRK 236, 21. 104 Art. 1, vgl. BSRK 935, 21. 105 Vgl. BSRK 740, 37f. 98

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Staffortsche Buch von 1599,106 das Böhmische Bekenntnis von 1609107 und die Confessio Sigismundi von 1614.108 Mit einiger Zurückhaltung – was die Bezeichnung betrifft – wird es auch von den irischen „Articles of Religion“ von 1615 genannt.109 Verarbeitet wird das Apostolikum durch das Baseler Bekenntnis von 1534,110 zitiert wird es durch das Genfer Bekenntnis von 1536,111 den Genfer Katechismus von 1545,112 der die Autorität des Symbols nicht auf die apostolische Verfasserschaft, sondern auf seine Akzeptanz durch die Gläubigen von Anfang an zurückführt,113 die Lehrartikel der Confessio Rhaetica von 1552,114 das Bekenntnis der Frankfurter Fremdengemeinde von 1554115 und den Heidelberger Katechismus von 1563.116 Oder es findet sich sogar als einziges altkirchliches Bekenntnis wie etwa im Berner Synodus vom Jahr 1532.117 Die Kasseler Generalsynode vom Jahr 1607 bekennt „von Gott dem Vatter, Sohn und heiligem Geist … gleicher gestalt, alles was davon in den Artickeln unsers Christlichen Apostolischen Glaubens aus Gottes wort zusammengetragen und verfast ist: und ausser deme glauben, leren und sagen wir nichts, sondern nemen unser vernunft gefangen unter den gehorsam der H. Schrift und Artickel des Christlichen Glaubens“.118 Dieser Gehorsam wird sodann noch etwas ausgeführt und konkretisiert, wobei die enge Verbindung, die die Synodalen zwischen der Schrift und dem Apostolikum sehen, deutlich wird: „Wann dann die H. Schrift nirgend sagt weder im Alten noch Neuen Testament, weder bey den Evangelisten noch Aposteln, dass die menschheit oder der leib Christi, oder die menschliche natur in der Person Christi allenthalben, im Himmel, in der luft auff erden, im wasser, im feur und allen Creaturen zugleich und auff einmahl 106

Vgl. BSRK 804, 45. III/5, vgl. BSRK 458, 2. 108 Vgl. BSRK 836, 28. 109 Art. 7, vgl. BSRK 527, 8–11: „All and everie the Articles contained in the Nicene Creede, the Creede of Athanasius, and that which is commonly called the Apostles Creede, ought firmely to bee received and beleeved, for they may be proved my most certaine warrant of holy Scripture.“ 110 Art. 4. 6, vgl. BSRK 96f. 111 Art. 6, vgl. BSRK 112, 29. 112 Vgl. BSRK 118, 8–14. 113 „Eam vulgo symbolum apostolorum vocant, quod ab initio ecclesiae recepta semper fuerit inter omnes pios; et quod vel ab ore apostolorum excepta fuerit vel ex eorum scriptis fideliter collecta“. 114 Vgl. BSRK 164,3–5. 115 Vgl. BSRK 657, 29–42. 116 Frage 23, vgl. BSRK 688,13–27. 117 Vgl. BSRK 53, 35f.: „Also ist der leyen und kind bibel, der gloub, das vatter unser, und die zechen gebott, darinn begriffen ist dz gantz Christenthumb“; vgl. H.-M. Barth, Art. Apostolisches Glaubensbekenntnis, 1978, 556; ganz ähnlich heißt es im Waldenserbekenntnis von 1655, Art. 33 (BSRK 504,3f.): „Enfin, qu’il faut recevoir le Symbole des Apôtres, l’Oraison Dominicale, et le Decalogue comme pieces fondamentales de nôtre creance, et de nos devotions“; als Summe des christlichen Glaubens begegnet es auch im Emdener Katechismus von 1554, Art. 28 (BSRK 671,22): „Wat schoolen wy gelooven? Even dat jenne, dat in einer korten summa, uth der hilligen Schrifft, uppet aller dutlickste, in den twoelff Articulen unser Christlicken gelovens vervattet is“. 118 BSRK 818, 42 – 819, 11; vgl. H.-M. Barth, Art. Apostolisches Glaubensbekenntnis, 1978, 556. 107

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leibhaftig gegenwertig sey: So bleiben wir nochmals bey der schrift, und unseren alten Synodalischen abschieden: und enthalten uns mit denselben solcher der H. Schrifft unbekanten reden.“ Doch nicht nur Lutheraner und Reformierte schätzen das Apostolikum, es genießt auch Ansehen in der Anglikanischen Kirche.119 Ebenso findet es sich unter den „Randgruppen der Reformation“.120 Und „für Caspar Schwenckfeld (ist) das Apostolikum ‚vnser alter Christlicher Glaube‘, den wir ‚noch für vnd für bekennen‘“.121 Ja sogar Antitrinitarier wie Jonas Schlichting konnten sich auf das Apostolikum stützen.122 Und nachdem es schließlich im Konkordienbuch unter die „Tria Symbola catholica sive oecumenica“ aufgenommen wurde, bildete es auch für die lutherische Orthodoxie eine verlässliche Bezugsgröße.123 Welche durchaus originellen Ideen zur Erklärung des Ursprungs und der Entstehung des Apostolikums vorgebracht werden, sei anhand von Nikolaus Selneccer (1530–1592) kurz vorgestellt. Selneccer ist schon darum von Bedeutung, weil er mit seiner Verbindung von Missionsauftrag und Apostolikum (Mt 28,19) zugleich den Weg für die Verknüpfung der Entstehung von Apostolikum und Taufformel weist. Mt 28,19 wird von ihm als eine Kurzform des an dieser Stelle nicht vollständig zitierten Apostolikums verstanden. In Selneccers 1570 in Frankfurt a. M. gedruckten Paedagogia Christiana heißt es: „Das erste und fornemmest (Symbol) ist das Apostolicum, das Bekenntnis deß Glaubens der Apostel, welchs man dafür helt, dass es in dem vierdten Synodo der Apostel, sey gestellet worden. Das erst Concilium der Apostel, ist gewesen vor der erwehlung deß Apostels Matthie, an Judas deß Verräthers statt. Das ander, von verordnung der sieben Diacon uber das Allmusen. Das dritte, von abthun der Ceremonien deß Gesetzes. Actor. 15. Das vierdte, wie mans dafür helt, von verfassung dieser Artickel deß Glaubens, als ein form und Fürbilde der fürnemmesten Hauptstück der Christlichen Lehre, und auch darumb, weil die nun in die gantze Welt außziehen und

119 Vgl. in den 42 Artikeln der anglikanischen Kirche von 1552 den Art. 7 und in den 39 Artikeln von 1562 den Art. 8 (BSRK 508, 10–15); außerdem zitiert der anglikanische Katechismus von 1549 in der Form von 1662 das Apostolikum, vgl. BSRK 522, 34–36; weitere Zeugnisse zur frühen anglikanischen Geschichte finden sich bei G. Rowell, The Confessions of Faith, 1991 (vgl. dt. u. sp. 1985), der (ebd., 307) auf den herausragenden Einfluss von Heinrich Bullinger hinweist. 120 H.-M. Barth, Art. Apostolisches Glaubensbekenntnis, 1978, 556f. Barth nennt oberdeutsche Taufgesinnte, vgl. hierzu Glaubenszeugnisse oberdeutscher Taufgesinnter I, hg. v. L. Müller, 1938 (=1971), 190ff. 206ff. 44ff. 48. 58; vgl. auch Th. N. Finger, The Way to Nicea, 1987; H. Loewen, One Lord, One Church, One Hope, and One God, 1985. 121 H.-M. Barth, Art. Apostolisches Glaubensbekenntnis, 1978, 557. 122 Seine 1642 anonym erschienene Schrift „Confessio fidei christianae“ legt das Apostolikum aus; vgl. H.-M. Barth, Art. Apostolisches Glaubensbekenntnis, 1978, 557. 123 Vgl. BSLK 19; über die „ökumenische Funktion des Apostolischen Glaubensbekenntnisses“, welches als „eventuelle Einigungsformel“ bereits während der Reformationszeit ins Gespräch kommt, berichtet kurz H.-M. Barth, Art. Apostolisches Glaubensbekenntnis, 1978, 557–560.

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sich theilen mußten, dass ein Bekenntnis fürhanden were, das ihre einmütige einhelligkeit in sich hielt und dargebe.“124 Lässt man die verschiedenen reformatorischen Einschätzungen des Apostolikums Revue passieren, kann man wenig Anhalt finden für den Unterschied, der diesbezüglich heute gerne zwischen lutherischer und reformierter Tradition gemacht wird.125 Trotz aller Zurückhaltung in der Verfasserfrage stand das Apostolikum in den verschiedenen reformatorischen Zweigen in hohem Ansehen. Auf drei weitere Theologen, die an Valla und Erasmus anknüpfen,126 sei zunächst noch hingewiesen, weil ihnen Kattenbusch kaum Beachtung schenkt: Johann Brenz (1499–1570),127 Johann Rudolf Lavater (1576–1625)128 und Robert Parker129. Wenn Kattenbusch bezüglich Lavater und Parker schreibt: Die beiden „äussern sich nur nebenher über ihre allgemeine Anschauung hinsichtlich des Apostolikums“, so muss er doch zugestehen, dass zumindest später „Vossius … ihre Meinung bemerkenswert genug (findet), um sie eigens zu kritisieren.“130 In der Tat fragt Johann Rudolf Lavater131 kritisch, warum, wenn ein älteres Apostolikum existiert habe, die Väter es den Katechumenen nicht vorlegten, warum, wenn es als apostolisches verbreitet gewesen sei, es nicht zur allgemeinen Norm erhoben wurde, warum dieses Bekenntnis nicht in den verschiedenen Kirchen gleichlautend anzutreffen sei und man sich die Freiheit genommen habe, gegenüber Häresien Weiterungen des Symbols vorzuneh-

124 Nikolaus Selneccer, Paedagogiae Christianae Pars Secundae, 1570, XI; vgl. ders., Symbolorum Apostolici, Niceni et Athanasiani exegesis, 1577, 21: „Sic enim vetustas semper sensit, symbolum, quod vocatur Apostolicum, esse conditum ab ipsis Apostolis ... Itaque etiam nos appellationem retinemus symboli Apostolici, quod vel ab ipsis Apostolis ... conscriptum et Ecclesiae per manus traditum sit, ... vel quod Apostolica doctrina in unum quasi fasciculum collecta hoc symbolo sit expressa“; es folgt nach Hinweisen auf Irenäus und Augustinus die bekannte Legende von den Aposteln, die je einzeln einen Satz zu dem Symbol zugesteuert hätten, auch wenn Selneccer nicht unbedingt auf dieser Legende bestehen will (ebd. XIf.). 125 U. Kühn, Evangelische Rezeption altkirchlicher Bekenntnisse, 1988, 655: „Vielleicht ist es nicht verkehrt, das erste Modell (hier „entscheidet sich an dem recht verstandenen Bekenntnis Wahrheit oder Unwahrheit, Bekennen oder Verleugnen des Evangeliums“) eher der lutherischen Tradition, das zweite Modell (hier wird „mit einer prinzipiellen Pluralität von Bekenntnissen und Bekenntnisgeschichten, die aufeinander zu konvergieren,“ gerechnet) eher der reformierten Tradition zuzuordnen“. 126 Es könnten noch weitere genannt werden, vgl. etwa Johannes Monheim (1509–1564) und Henricus Artopaeus. 127 J. Brentius, Catechismus pia et utili explicatione illustratus, 1553. 128 Io. Rudolph. Lavater, KATABASIS EIS ADOU, 1610, 493f. 129 R. Parker, De descensu Domini nostri J. Chr. ad inferos, 1611. 130 F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 7; positiv aufgenommen wird Lavater auch bei G. Voetius, Selectarum disputationum ... pars prima, 1648, 69. 131 Rektor des Gymnasiums zu Hanau und ab 1611 Professor der Rhetorik und Logik am Collegium Humanitatis in Zürich, ab 1612 am Carolinum, vgl. Historisch-biographisches Lexikon der Schweiz 4 (1927) 635; ich danke für diese Auskunft Herrn Martin Hirzel (Zürich).

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men.132 Parker legt eine ausführliche wissenschaftliche Behandlung des Apostolikums vor, die in vielem an Vadian und auch an Selnecker erinnert. Nicht mit Voss, sondern mit Parker (wenn nicht, wie oben gezeigt, eigentlich schon mit Valla oder Vadian) müsste man darum die kritische Forschung ansetzen. Aufgrund eines Vergleiches von Mt 28,19, den älteren Regulae fidei, den Tauffragen mit nichterweitertem zweiten Artikel und den Bekenntnissen des vierten Jahrhunderts und aus späterer Zeit kommt Parker zu der Erkenntnis, dass von zwei Symbolen auszugehen sei, das eine müsse auf den Herrn selbst zurückgeführt werden und sei im Taufbefehl niedergelegt,133 decke sich also mit dem Glauben an die Trinität, das andere sei eine Ausweitung des ersten. Dieses jüngere sogenannte apostolische Bekenntnis könne frühestens in die Zeit der Auseinandersetzungen des vierten Jahrhunderts mit der Häresie datiert werden. Die gegensätzliche Meinung des Rufin sei zum Teil falsch, zum Teil lächerlich. Deutlich ließen sich an den einzelnen Artikeln noch die Häresien erkennen, gegen die das Bekenntnis gerichtet war: Der Artikel „de creatione coeli et terrae“ gegen Simon Magus, Menander, Saturnil, alle Gnostiker und gegen die Manichäer; „filium eius“ gegen Karpokrates, Kerinth, Ebion, Photin, Sabellius und Arius, „dominus nostrum“ gegen Valentin, „creatus est de spiritu sancto“ gegen Apolinarius, Valentinian, Eutych usw.134 Wegen der engen Berührung des so genannten Apostolikums mit dem verbreiteten und weithin als apostolisch anerkannten Nizäno-Konstantinopolitanum sei anzunehmen, dass das Apostolikum erst nach 381 entstand und ein Exzerpt des Nizäno-Konstantinopolitanums darstelle.135 Bevor wir mit Gerhard Johann Voss die Reihe derjenigen Forscher eröffnen, die ähnlich wie bereits Vadian an der historischen Genese des Apostolikums, und zwar nun auch im Vergleich mit anderen Symbolen, interessiert sind, muss noch ein Blick auf die Behandlung des Apostolikums im synkretistischen Streit geworfen werden, da die gegensätzliche Einschätzung von Stellung und Wert des Apostolikums gegenüber der Schrift und der kirchlichen Lehre eine der 132 Io. Rodolph. Lavater, KATABASIS EIS ADOU, 1610, 497; sodann zitiert er die Meinung von Joachim Camerarius (1500–1574) und Albericus Gentilis (1552–1608), mit denen er seine Meinung, dass das Symbol nicht vor dem vierten Jahrhundert entstanden sein kann, stützt. 133 Vgl. R. Parker, De descensu Domini nostri J. Chr. ad inferos, 1611, lib. IV, 26f. 33. 134 Vgl. ebd., 26–30. 135 Vgl. ebd.; vgl. G. J. Voss, Dissertationes, 1642, 5f.; zu Voss vgl. weiter unten; vgl. E. Köllner, Symbolik der lutherischen Kirche, 1837, 16; nur erwähnt sei, dass Chr. Sand, Nucleus historiae ecclesiasticae, 1676, 52f. 167 annahm, das Apostolikum sei auf dem nizänischen Konzil, und zwar von den Arianern, aufgestellt und dann erst vom römischen Klerus erweitert worden; ihm hält Voss entgegen: „Ostendam, qui veri sint auctores. Hos statuimus non alios, quam episcopum, ac clerum Romanum“, so: G. J. Voss, Dissertationes, 1642, 20; einziges Argument ist der Hinweis auf die Nachrichten aus dem späten vierten Jahrhundert, wonach das Symbol ein römisches sei (ebd.); auch J. C. Schweitzer, Thesaurus ecclesiasticus (1682), 1728, 1081–1103 hält das Apostolikum für ein Werk des römischen Klerus; zu Schweitzer siehe auch weiter unten.

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Voraussetzungen für die unterschiedliche Bewertung desselben in Lessings Zeit und später sein wird.136 Zum Ausgleich zwischen den kirchlich und dogmatisch getrennten Landeskirchen schlägt etwa Georg Calixt (1586–1646) aufgrund der Verständlichkeit und Schlichtheit des Apostolikums vor, dieses Bekenntnis als Konsenssymbol anzuerkennen,137 ohne es damit zur Kompromissformel zu machen oder es als einziges Bekenntnis in der Gesamtkirche zur Geltung zu bringen.138 Das Apostolikum sei ein ausreichender und adäquater Katalog all dessen, was zum Heil geglaubt werden müsse.139 Dass es von den Aposteln selbst verfasst sei, halten nur einige Calixtianer fest, während Calixt selbst und die meisten seiner Anhänger wenig Gewicht auf den historischen Ursprung legen.140 Im Jahr 1694 136

Einen ersten Überblick vermittelt der Heidelberger W. Gaß, Die Stellung des apostolischen Symbols, 1879; man vergleiche weiter unten die Ausführungen zu G. E. Lessing; die anonymen Aufsätze in der AKZ 1834; F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 8 misst dem synkretistischen Streit m. E. zu Unrecht „nur wenig Bedeutung ... für die Forschung nach dem Symbol“ zu (dieses Urteil gilt lediglich im Hinblick auf die Verfasserfrage). 137 W. Gaß, Die Stellung des Apostolischen Symbols, 1879, behandelt eingehend den synkretistischen Streit und bemerkt (ebd., 72f.), dass unionistische Tendenzen auch innerhalb des Katholizismus festzustellen sind; er verweist dabei auf Georg Cassander und Antonius de Dominis; auf protestantischer Seite nennt er als Vorläufer Duraeus und Pareus; ähnlich wie Calixt urteilte bereits Benedikt Aretius (gest. 1574) in ders., SS. Theologiae problemata, 1617, 319; vgl. hierzu O. Ritschl, Dogmengeschichte, 1908, 359 (für diesen Hinweis danke ich Herrn Dr. W.-Fr. Schäufele, Mainz). 138 G. Calixt, Responsum maledicis Moguntinorum theologorum ..., 1672, th. I 42: „Quoniam enim prisca ecclesia ... catechumenos ac competentes, ubi symbolum didicissent, ad baptismum admisit, et fideles vocavit ac habuit, inde certo constat, eamdem ecclesiam censuisse, quod symbolo contineantur capita doctrinae, quorum cognitio ad constituendum verum christianum et fidelem, et ad consequendam salutem sit necessaria“; vgl. ders., Desiderium et studium concordiae ecclesiasticae, 1655, th. 22; ders., Discurs von der wahren christlichen Religion und Kirchen und deren Zustand, 1652, th. 62–64; vgl. hierzu auch F. U. Calixt, Disputatio Theologica summam doctrinae Christianae juxta ductum Symboli Apostolici exhibens, 1691; vgl. E. L. Th. Henke, Georg Calixtus und seine Zeit, 1853. 1856, I 472f. III 209f. 213; L. Zscharnack, Art. Apostolikum, 1927, 447f.; P. Engel, Die eine Wahrheit in der gespaltenen Christenheit,1976, 141–149. 139 Vgl. G. Calixt, Responsum maledicis Moguntinorum theologorum ..., 1672, th. I 92: „Nos ... dicimus ... Apostolico symbolo contineri omnia credenda, quae cuivis ad salutem necessaria“; vgl. ebd. th. I 64. 117f.; ders., Desiderium et studium concordiae ecclesiastica, 1655, th. 22; ders., De veritate, 1658, th. 45. 140 Vgl. B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 51; J. B. Niemeier, De Symbolo apo-stolico dissertatio theologica, 1693 etwa lehrt, dass das Apostolikum die Lehre der Apostel beinhalte und damit zur Tradition der Apostel gehöre (ebd., n. 12. 13), nämlich der Sache nach, nicht dem Wortlaut nach, auch das Symbol als ganzes mit seinen „capita“ (ebd., n. 20). „Aus den Zeugnissen der Väter, daß in den ersten Jahrhunderten das Symbolum nicht aufgeschrieben werden durfte, sowie aus der umschreibenden Art und Weise, in welcher der hl. Irenäus u. A. es mitteilen, glaubt er schließen zu dürfen, das Symbolum habe überhaupt damals noch keine feste Gestalt gehabt, sondern aus einer Reihe von Wahrheiten bestanden, welche den Täuflingen eingeprägt wurden, jedoch in der einen Kirche so, in der andern anders ausgedrückt worden seien. ... Der Orient habe vor dem Konzil von Nicäa kein (geschriebenes) Symbolum gehabt. Die occidentalischen Kirchen, namentlich die römische, hätten schon früh ein kurzes Symbolum gehabt, aber dies habe geschlossen mit den Worten: ‚Inde venturus est judicare vivos et mortuos‘. Das Folgende sei aus dem Symbolum von Konstantinopel ergänzt, und erst da sei das römische Symbolum schriftlich redigiert worden und habe sich über verschiedene occidentalische Kirchen verbreitet“ (so die Zusammenfassung bei B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 55f.).

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tritt der antisynkretistische Lutheraner Johann Benedikt Sillig Calixts Meinung entgegen.141 Er lehnt die Meinung, das Apostolikum sei erst ins vierte Jahrhundert anzusetzen (im Blick sind die Forschungen von Voss, Schweitzer und Hoornbeck) ab: „Merito a Theologis nostris animadversum fuit in hanc opinionem“.142 Hingegen lobt er Spanheim, der die Grundlagen für das Apostolikum im zweiten Jahrhundert sieht.143 Grundlage der ganzen apostolischen Lehre und aller auf ihr errichteten Symbole sei nämlich der Taufbefehl von Mt 28,19.144 Silligs Schluss lautet der älteren lutherischen Tradition entsprechend: „Symbolum hoc nostrum … non vero quoad literas seriemque ac ordinem isthunc, vere Apostolicum esse ac dici“.145 Nachdem er sich mit Caesar Baronius (1538–1607), Christian Wolf (1612–1681) und Natalis Alexander (1639–1724)146 auseinandergesetzt und zwischendurch Usshers Ergebnisse zur Kenntnis genommen und gelobt hat,147 wendet er sich auch ausdrücklich noch gegen die Synkretisten Dreier, Latermann „et complices eorum“; denn nach diesen hätten die Apostel einen kurzen Abriss aller notwendigen und hinreichenden Glaubensartikel verfasst. Sillig stellt sie zu den „Papiculae“, deren Meinungen sie insgeheim verträten.148 Auch Johann Hülsemann (1602–1661), Abraham Calov (1612–1686), Enoch Hanmann (1621–1680) und Johann Scharf (1595–1660) suchen nachzuweisen, dass das Apostolikum zum einen keine hinreichende Grundlage des Glaubens bietet, zum anderen den übrigen altkirchlichen Symbolen nicht vor-, sondern nachzuordnen ist.149 Schon diese wenigen Bemerkungen zeigen, dass in diesem Disput die grundlegende Relativierung der Symbole gegenüber der Schrift, wie sie durch Luther und Melanchthon erfolgte, durch eine Differenzierung von Apostolikum und Konzilssymbolen und eine relative Hierarchisierung der Bekenntnisse ergänzt wird.150 141

J. B. Sillig, Dissertatio, 1694 (1739). J. B. Sillig, Dissertatio, 1739 (1694), 9; vgl. B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 56. 143 Allerdings kann er doch an späterer Stelle das Werk von Voss eine „copiosissima dissertatio“ nennen (J. B. Sillig, Dissertatio, 1739 [1694], 19). 144 J. B. Sillig, Dissertatio, 1739 (1694), 11. 145 Ebd., 23. 146 Vgl. A. Hänggi, Der Kirchenhistoriker Natalis Alexander, 1955. 147 J. B. Sillig, Dissertatio, 1739 (1694), 16: „immortale Angliae decus“. 148 Vgl. ebd., 22; gegen Ende kritisiert er auch noch Christopher Sand und dessen Meinung, das Apostolikum sei auf dem nizänischen Konzil abgefasst worden. 149 Vgl. J. Hülsemann, Judicium de Calixtino desiderio et studio sarciendae concordiae ecclesiasticae (1650), 1651, nr. 15; A. Calov, Nöthige Ablehnung etlicher Injurien, falschen Auflagen und Bezüchtigungen, damit Calixtus ihn hat angiessen wollen, 1651, 70f.; E. Hanmann, Exercitatio historico-theologica de symbolo apostolico, an sit signum discretivum orthodoxi ab heterodoxo, 1653 (beruft sich auf Voss, hebt die Unterschiede der Symbole aus den ersten Jahrhunderten hervor usw., nicht das Apostolikum, sondern das Nizänum stelle die Scheide zwischen Orthodoxie und Häresie dar, doch auch dieses sei nichts Definitves [ebd. 103–105]); J. Scharf, Scharfii Unschuld wider D. Calixti falsche Auflagen, mit welchen der alte Calixtus den unbekannten D. Scharfium schändlich verlästert hat, an das Tageslicht gelegt, 1651. 150 Diese Differenzierung und Hierarchisierung der Symbole ist F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 9f. und ders., Lehrbuch der vergleichenden Confessionskunde, I, 1892, 461 entgangen. 142

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Eine der herausragenden Gelehrtenpersönlichkeiten für die historische Betrachtung des Apostolikums war der holländische Arminianer Gerhard Johann Voss (1577–1648), dessen Ergebnisse aus seinen Dissertationes tres de tribus symbolis Apostolico, Athanasiano et Constantinopolitano insbesondere durch Peter King wieder aufgenommen und weiterentwickelt werden.151 Voss, Professor in Dordrecht, Leiden und Amsterdam und ein Freund von Hugo Grotius, setzt sich wie die meisten Autoren, die sich mit dem Apostolikum beschäftigen, zunächst mit der Bezeichnung „Symbol“ auseinander, behandelt danach die Fragen der Entstehung, der Autorschaft und der Autorität des Apostolikums und geht dann zu den beiden anderen wichtigen Bekenntnissen der alten Kirche über. Bezüglich des Apostolikums wiederholt er zunächst im wesentlichen die Argumente des Erasmus und baut auf ihnen auf. Dabei legt er in einem ersten Schritt dar, warum ihm die Gründe, die man vor ihm für die Behauptung des apostolischen Ursprungs vorbrachte, nicht stichhaltig zu sein scheinen, nennt in einem zweiten Schritt Argumente, die seiner Meinung nach eine apostolische Verfasserschaft ausschließen, und entwickelt eine eigene Vorstellung von Zeit und Ort der Entstehung des Apostolikums. Wenn in der älteren Literatur die Bezeichnung suvmbolon als „collatio“ gedeutet und damit die Sammlung der verschiedenen Sätze der Apostel bezeichnet werde, so müsse man vielmehr eine Mehrheit verschiedener Sammler ins Auge fassen, die die Lehren der Apostel zusammengebracht hätten. Die Apostel selbst seien vom Geist der Freiheit geleitet worden und entbehrten darum einer sie bindenden Lehrnorm, und auch die Kirche habe eine solche erst entwickelt, nachdem Häresien in ihrer Mitte entstanden seien.152 Wenn man mit Caesar Baronius (1538–1607) das Apostolikum auf 44 n. Chr. ansetzen wolle, dann könne das Symbol auch kein Auszug aus den Schriften der Apostel sein, da zu dieser Zeit allenfalls das Matthäusevangelium bestanden habe.153 Auch der andere Name, nämlich „Apostolikum“, lasse nicht auf apostolische Verfasserschaft schließen, sondern deute vielmehr an, dass sich dieses Bekenntnis vor anderen Symbolen als Kompendium apostolischer Lehren der Begriffe „Apostel“ und „Evangelisten“ erfreue und vom apostolischen Sitz Roms seinen Ausgang genommen habe.154 Was die Berufung auf die Tradition betrifft, die erstmals bei Rufin begegne, so weise schon dieser nicht auf eine spezifische, verlässliche Quelle hin, sondern spreche nur anfangs von den Aposteln als den 151 Vgl. G. J. Voss, Dissertationes, 1642; vgl. zu Voss jetzt N. Wickenden, G. J. Vossius and the Humanist Concept of History, 1993; zu P. King vgl. weiter unten; auch J. H. Heidegger, Dissertationum selectarum, 1680, II 627–677 hat weidlich auf die Ergebnisse von Voss zurückgegriffen und sie ausgeschrieben (er kennt auch die Argumente Vallas, Lavaters und Voetius‚, vgl. ebd. 636, ist aber weniger an der historischen Einordnung als vielmehr am Inhalt des Bekenntnisses und dessen Auslegung interessiert); ähnlich argumentieren H. Witsius, Exercitationes sacrae in Symbolum quod Apostolorum dicitur, 1681 (vgl. weiter unten) und L. Gernler, De origine symboli apostolici, 1660. 152 Vgl. G. J. Voss, Dissertationes, 1642, 10–15. 153 Vgl. ebd., 16. 154 Vgl. ebd., 21.

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Verfassern des Symbols, später dann aber ganz unbestimmt von „solchen, die das Symbol überliefert“ hätten.155 Überhaupt weise kein einziger älterer Schriftsteller auf eine solche Tradition hin und lediglich solche jüngeren Autoren würden von einer apostolischen Verfasserschaft dieses Symbols sprechen, die aus der römischen, italischen oder einer anderen okzidentalen Kirche stammten. Quellen wie den Sermo 115 („De tempore“) des Augustinus und den Brief des Clemens Romanus an Jakobus dürfe man nicht heranziehen, da das erste Zeugnis interpoliert, das zweite unecht sei.156 Schließlich kann Voss auch Gründe aufzählen, die gegen ein von den Aposteln aufgestelltes normatives Taufsymbol sprechen. Die Schrift schweige von einem solchen, auch berufe sich keiner der Väter vor dem fünften Jahrhundert auf ein solches.157 Außerdem hätte es gewiss selbst kanonische Autorität erlangt und wäre zum Kanon der Schriften hinzugerechnet worden, wäre es von den Aposteln aufgestellt worden. Dass ausgerechnet dieses Summarium nicht schriftlich fixiert worden sei, sondern zur ungeschriebenen Tradition gehört habe, erscheint ihm wenig überzeugend, da sich die Arkandisziplin auf die Kirchenleitung und die Riten beschränkt habe.158 Jedenfalls wäre es allen Kirchen mitgeteilt worden, die Kirchenväter würden es zumindest erwähnen, und wir stünden nicht der Fülle anderer Symbole in der alten Kirche gegenüber.159 Nicht ein Symbol gebe es, das „omnibus orbis Ecclesiis“160 verbreitet sei. Statt dessen könne man lediglich feststellen, dass, was auch Rufin belege, um das Jahr 400 die verschiedensten Kirchen inhaltlich und formal unterschiedliche Bekenntnisse besaßen.161 Offenkundig sei auch, dass das Apostolikum nicht auf einer ökumenischen Synode geschaffen wurde.162 Rufin kenne es einerseits schon fast so, wie es noch jetzt existiere, andererseits bezeichne er es als alt, es müsse also vermutlich älter als das Konzil von Konstantinopel (381) sein. Auf der Kirchenversammlung von Nizäa sei es jedoch nicht entstanden, da diese Synode wie die Konstantinopler ein eigenes Bekenntnis aufgestellt habe. Dennoch müsse man annehmen, dass sowohl im Orient wie im Okzident vor den Synoden von Nizäa und Konstantinopel ein Bekenntnis (eigentlich müsste Voss sagen: Bekenntnisse) existiert habe, mit dem zwar mehr als nur der Glaube an Vater, Sohn und Geist ausgedrückt wurde, dessen Gestalt jedoch nicht näher zu bestimmen sei, „quoniam ut in Occidentis Symbolis variatum, ita etiam in Orientis factum videtur.“163 Und doch dürfe man annehmen, dass die Väter in 155

Ebd., 22. Vgl. ebd., 23. 157 Wieder aufgegriffen bei H. Witsius, Exercitationes sacrae in symbolum quod apostolorum dicitur, 1681 (= engl.: 1823, 7–10). 158 Vgl. G. J. Voss, Dissertationes, 1642, 25. 159 Vgl. ebd., 23. 26–29. 160 Ebd., 22. 161 Vgl. ebd., 23. 162 Vgl. ebd., 29. 163 Ebd., 31. 156

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Nizäa gegen Arius auf ein Symbol zurückgegriffen hätten, „quod in plurimis, vel nobilißimis Ecclesiis, obtineret.“164 „Ein Symbolum aber, welches weder von den Aposteln noch von einem allgemeinen Konzil herrühre, dazu in Griechenland und im ganzen Orient sich nicht finde, wohl aber in der römischen Kirche, und zwar um das Jahr 400 schon seit so langer Zeit, dass es für eine apostolische Überlieferung habe gelten können, auch ohne allen Zweifel von der römischen auf die anderen abendländischen Kirchen übergegangen sei, könne offenbar nur von den Vorstehern der römischen Kirche verfasst sein.“165 Um spekulativ nach der Gestalt der östlichen, vom römischen Apostolikum verschiedenen, Bekenntnisvorform(en) zu suchen, vergleicht Voss schließlich die Katechesen des Cyrill von Jerusalem,166 der sein Bekenntnis als „heiligen und apostolischen Glauben“ bezeichnet habe,167 mit dem Nizänum und dem Konstantinopolitanum; durch Wegnahme der Antiarianismen des Nizänums versucht er, eine Vorform der östlichen Bekenntnisse, jenes „Symbolum orientale vetus“, zu erschließen.168 Zu dem verbliebenen Textbestand müsse man noch die folgenden Worte im dritten Artikel hinzunehmen, da auch sie bei Cyrill von Jerusalem zu lesen seien: „In unum baptismum poenitentiae in remissionem peccatorum; et in unam sanctam catholicam Ecclesiam; et in carnis resurrectionem; et in vitam aeternam“.169 Gegen ein hohes Alter dieser Worte spreche allerdings, dass sie der Vorlage wohl erst nach dem Konzil von Konstantinopel angefügt worden seien, da man im Nizänum kaum auf sie verzichtet hätte, wären sie bereits in einem älteren Bekenntnis zu lesen gewesen. Wegen der großen Ähnlichkeit zwischen dem Bekenntnis, das Cyrill auslegt, und dem Konstantinopolitanum denkt Voss sogar an die Möglichkeit, dass uns die Katechesen in einer überarbeiteten Form vorliegen, die vielleicht von Cyrill oder Johannes her stamme. Fasst man die wichtigen Einzelbeobachtungen von Voss, die nur z.T. von Dörholt und Kattenbusch notiert sind, zusammen, wird deutlich, welch wichtigen Beitrag der Arminianer zur Symbolforschung leistet: a) Am Anfang steht seine – allerdings ungeprüfte und auch unbelegte – Annahme, dass in den genannten Bekenntnissen jeweils Taufbekenntnisse von Ortskirchen vorlägen. Diese hätten sich:

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Ebd., 31. So die Zusammenfassung der Argumente von G. J. Voss, Dissertationes, 1642, 31–44 bei: B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 41. 166 Dass gerade in Jerusalem nicht das Apostolikum benutzt werde, ist ihm ein weiteres Argument gegen die Apostolizität desselben, vgl. G. J. Voss, Dissertationes, 1642, 51. 167 Hierauf und auf die Tatsache, dass Athanasius Synoden seiner Zeit als apostolische bezeichnen könne, verweist u.a. H. Witsius, Exercitationes sacrae in symbolum quod apostolorum dicitur, 1681 (engl.: 1823, 6). 168 Vgl. G. J. Voss, Dissertationes, 1642, 31f. 47. 169 Ebd., 31. 165

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b) aus einer oder aus mehreren – hier schwanken seine Überlegungen und Aussagen – alten Vorform(en) entwickelt. c) Die Tatsache, dass in Nizäa, vor allem aber in der apostolischen Urstadt Jerusalem und andernorts im Osten, nicht das Apostolikum benutzt worden sei, ist für ihn schlagender Beweis dafür, dass das Apostolikum nicht in Jerusalem und nicht von den Aposteln aufgestellt worden ist, sondern sich im Osten gegenüber dem Westen, wohinein das Apostolikum gehöre, eine eigene Bekenntnistradition gebildet hat. d) Für das Apostolikum leitet er aus der Grundauffassung, dass Bekenntnisse sich allmählich durch Anreicherungen entwickelt hätten, die Vermutung ab, ohne einen eigentlichen Beweis dafür anzutreten: „Ab Episcopo, et Clero Romano, neque id uno tempore, sed currentibus seculis, paulatim sit compositum“.170 Ohne Belege, aber vermutlich mit Blick auf den oben genannten Brief der Mailänder Synode von 380 und auf Rufin meint er schließlich, es „sei im 4. Jahrhundert in Rom schon so lange eine tessera vorhanden gewesen, dass man habe glauben können, dieselbe sei ihrem Ursprunge nach apostolisch.“171 Mit Voss betritt man wegen der Idee, dass die späteren Symbole aus älteren Vorformen hervorgegangen sind, und wegen der Gleichsetzung des Apostolikums mit der westlichen Vorform des Taufbekenntnisses den Boden, auf dem bald James Ussher und später August und Georg Ludwig Hahn, Carl Paul Caspari, Ferdinand Kattenbusch, der Voss wohl darum so ausführlich zu Wort kommen lässt, und andere weiterbauen werden.172 Der älteste der gerade genannten Theologen, der sich nach Voss mit der Entwicklung der Symbole allgemein und insbesondere auch mit der des Apostolikums beschäftigt, ist James Ussher (1581–1656), der Bischof der nordirischen Stadt Armagh. Mit seiner Symbolstudie aus dem Jahr 1647 legte er der Forschung erstmals kurz kommentierte Vergleichsmaterialien bereit,173 aus de170 Ebd., 2; vgl. ebd. 20; F. Loofs‚ Referat dieser These in: ders., Rez.B. Dörholt, Das Taufsymbolum (1898) und F. Kattenbusch, Das Apostolische Symbol (1897/1900), 1901, 581 („Schon G. J. Vossius ... hatte angenommen, dass dies Symbol von einem Vorsteher der römischen Kirche lange vor 400 verfasst und von Rom aus den andern abendländischen Kirchen mitgetheilt sei“) ist eine auffallende Verkürzung. 171 F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 8. 172 Kattenbusch verschweigt bei der Behandlung von Voss allerdings, dass dieser die Entstehung des Apostolikums in seiner ausgereiften Form ins 4. Jahrhundert zu datieren scheint, worauf W. E. Tentzel (vgl. weiter unten; zu ihm vermerkt es dann auch F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 14) reagierte; Voss blieb natürlich nicht unwidersprochen. Vor allem Chr. Wolf (= Chr. Lupus), in: Q. Florentis Septimii Tertulliani Presbyteri Carthaginiensis, Liber De Praescriptionibus Contra Haereticos, Scholiis et Notis illustratus, 1675, 269f. 288–294 (ebd. 269f.: „Creatorem coeli et terrae“ etwa gehöre schon zum römischen Symbol, wie Irenäus bezeuge, auch wenn es bei Markell nicht zu lesen sei, letzterer dürfe folglich nicht zum Ausgangspunkt der Bekenntnisbetrachtung genommen werden) und Natalis Alexander (vgl. weiter unten) schreiben gegen ihn. 173 F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 8 spricht von einer „geordnete(n) Übersicht oder Classificierung der verschiedenen Symbolformen“.

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nen später mit Berufung auf seinen Namen weit über ihn hinausgehende Schlüsse gezogen werden. Seine ganze These ist im Titel seiner Schrift zusammengefasst: „De Romanae ecclesiae symbolo apostolico vetere, aliisque fidei formulis, tum ab occidentalibus, tum ab orientalibus, in prima catechesi et baptismo proponi solitis diatriba“.174 Ussher teilt anfangs zwei weitgehend übereinstimmende Symboltexte mit, den einen griechisch, den anderen lateinisch. Beide Texte hat er kurz zuvor in englischen Bibliotheken gefunden. Der erste griechische, mit angelsächsischen Buchstaben notierte Text steht im sogenannten Psalterium regis Aethelstani, einer alten lateinischen Handschrift der Bibliotheca Cottoniana (Galba A XVIII), die im Britischen Museum aufbewahrt wird, der lateinische Text in dem berühmten Codex Laudianus oder Codex E Actuum (E 2) der Bodleian Library in Oxford. Doch Ussher beweist hieraus nicht „ausdrücklich, dass es die altrömische Formel sei, die er gefunden (habe) … Allein er giebt ihm dann auch keine Folge, indem er sich daran genügen lässt, zu konstatieren, dass diese Formel so gut wie identisch sei mit derjenigen bei Maximus von Turin, Augustin in der Schrift de fide et symbolo, Marcell von Ancyra in seinem Brief an Julius von Rom, Petrus Chrysologus von Ravenna u.a.“175 Wörtlich heißt es bei Ussher zum Verhältnis von altrömischem Bekenntnis und dem von Markell von Ankyra in seinem Brief überlieferten Symbol: „Idemque ipsum Graecum a Marcello Ancyrano professioni fidei suae ad Julium Romanum antistitem insertum, apud Epiphanium in Haeresi LXXII. legitur: verbo Patevra tantum in initio, librariorum ut videtur incuria, omisso; et Vitae aeternae articulo in fine superaddito. Quem et in Occidentis quibusdam partibus receptum fuisse, et ex Petro Ravennate, et ex authore libri de Symbolo ad Catechumenos (tomo IX.176 operum Augustini) observo; Symbolum, eodem modo quo a Marcello est propositum, explicantibus.“177 Ussher behauptet demnach, Markell habe seinem eigenen Glaubensbekenntnis („professioni fidei suae“), das für Bischof Julius von Rom bestimmt war, den griechischen Wortlaut des altrömischen Bekenntnisses eingefügt.178 Wie alt dieses altrömische Bekenntnis ist oder wie man sich überhaupt die Vorgeschichte von diesem zu denken hat, darüber lässt sich der irische Bischof nicht aus. Kattenbusch bemerkt: „Usher 174 Die Neuauflage von 1660 ist nicht erweitert; da J. N. D. Kelly, Altchristliche Glaubensbekenntnisse, 3. Aufl., 1972, 106 sich bei seiner Geringschätzung Markells ausdrücklich auf Ussher bezieht und sie ihm in den Mund legt, merkt M. Tetz, Zum altrömischen Bekenntnis, 1984, 109 zu Recht an: „Der Leser muß den Eindruck gewinnen: bereits Ussher setzt die Punkte und zieht zur Charakterzeichnung des Marcellus den Strich – ‚fertig ist das Angesicht‘. Ich weiß allerdings nicht, worauf Kelly sich für das, was ‚Ussher glaubte‘, bezieht. In dessen (von Kelly allein genannter) Symbol-Untersuchung wird nämlich lediglich der materiale Sachverhalt mitgeteilt und knapp erklärt“. Nicht Ussher, sondern Ch. A. Heurtley, Harmonia Symbolica, 1858, 22–24 ist Kellys Quelle. 175 F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 8. 176 In der Neuausgabe seiner Werke wird hier korrigiert in: „sextum“. 177 J. Ussher, De Romanae ecclesiae symbolo apostolico vetere ... diatriba, 1647, 9. 178 Vgl. P. Smulders, Some Riddles, 1970; M. Tetz, Zum altrömischen Bekenntnis, 1985, 108.

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sagt durchaus nicht, die altrömische Formel sei die Mutterformel für die abendländischen Texte überhaupt“.179 In gleicher Weise wie er Markell zum Zeugen für das altrömische Bekenntnis seiner Zeit macht, betrachtet er auch Arius und dessen Konstantin unterbreitetes Bekenntnis als Quelle für das Ortsbekenntnis von Alexandrien: „Alexandrinae, ut videtur, Ecclesiae symbolum, quod Arius, illius Ecclesiae presbyter, orthodoxum se simulans, Constantino obtulit.“180 Dass Ussher von Bernhard Dörholt „als Begründer der wissenschaft-lichen Symbolforschung bezeichnet“ wird, und zwar „eigentlich noch mehr als Voss“, ist nur aus Dörholts römisch-katholischer Position heraus verständlich. Denn während Voss als erster eine umfassende historische Neubetrachtung des Apostolikums brachte, hinter die nur mehr unkritische Geister völlig zurückgehen, verlegt Ussher im Ergebnis durch den Hinweis auf das Bekenntnis in Markells Brief an Julius lediglich die Existenz des Apostolikums für Rom (in einer leicht älteren Form) um ca. 60 Jahre gegenüber Rufin zurück.181

2. Das Apostolikum in der katholischen Kirche der Gegenreformation Die höhere Bewertung der Schrift gegenüber den Symbolen durch Luther, Melanchthon, Zwingli und Calvin dürfte der Grund sein, warum man innerhalb der lutherischen Orthodoxie wie auch in den reformierten Zweigen der evangelischen Kirche182 im allgemeinen „den apostolischen Ursprung des Symbols mindestens dahingestellt sein ließ“.183 Wenn Kattenbusch weiter meint, „dass dagegen die katholischen Theologen durchgängig fortfuhren, die ‚kirchliche Lehre‘, wenn auch nicht gerade die Legende, dass jeder einzelne Apostel einen

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F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 8. J. Ussher, De Symbolis, Works VII, 310; ihm folgen J. C. Schweitzer, Thesaurus ecclesiasticus (1682), 1728, 1094; J. Bingham, Origines Ecclesiasticae, 1708–1722, vol. III, lib. 10, cap. 3, sect. 4. 10; Ch. A. Heurtley, Harmonia Symbolica, 1858, 144 (seine Meinung revidiert Heurtley aus einem Vergleich der Bekenntnisse des Arius und des Alexander von Alexandrien in ders., A History of the Earlier Formularies of Faith of the Western and Eastern Churches, 1892, 68). 181 B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 43. 182 Ein leuchtendes Beispiel für diese reformatorische Position ist Chr. Luthard, Idea Christianismi seu symbolum apostolicum, 1657, 18f.: „Regulae symbolum Apostolicum intelligendi sunt sequentes. I. Licèt symbolum Apostolicum sit omnium antiquissimum, si reliqua symbola in Concilijs contrà Haereticos formata respiciamus: tamen Scripturâ Sacrâ est posterius, &c. II. Symbolum Apostolicum quoad verba & rerum ordinem, parem cum Scriptura autoritatem non meretur. Nam Scriptura est à Deo quoad res, rerum ordinem & verba: symbolum quoad verba et rerum ordinem homines autores habet.“ Noch etwas weiter als Luthard, der das Symbol in seiner sachlichen und den Wortlaut betreffenden Inhalte auf menschliche Autorität zurückführt, geht Hermann Witsius (1636–1708), der dem Apostolikum überhaupt das hohe Alter abspricht, ohne sich auf eine bestimmte Entstehungszeit festzulegen, und es lediglich wegen seines Inhalts noch als ehrwürdig anspricht, vgl. H. Witsius, Exercitationes sacrae in symbolum quod apostolorum dicitur, 1681 (= engl.: 1823, 14). 183 F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 7. 180

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Artikel beigesteuert habe, zu verteidigen“,184 so hätte er diese These wohl erst noch verifizieren müssen, da er sie lediglich stichprobenartig aus dem Werk des Gerhard Johann Voss (1577–1649) erhoben hatte.185 Dörholt hat hingegen 184 Ebd.; was die katholische Theologie dieser Zeit betrifft, so ist zu verweisen auf: W. H. H. Fabricius, Kurtzer Catholischer Catechismus, 1570; Caesar Baronius (1538–1607), Opusculum ad Hincmarum Laudunensem II 473f., schreibt ähnlich wie vor ihm bereits Hinkmar von Reims (806–882) bei J. A. Fabricius, Codicis apocryphi Novi Testamenti, pars tertia, 1743, 345f. die Redaktion des Apostolikums durch die Apostel auf das Jahr 44 fest (J. de Ghellinck, Les recherches sur les origines, 1949 [1946], 24: „On [= les catholiques] était un peu plus précis que chez les Luthériens“), vgl. C. Baronius, Annales ecclesiastici .., 1864, I 269–271 (ann. 44, n. 15–19); die alte Meinung, dass die zwölf Artikel des Apostolikums von den zwölf Aposteln stammten, findet sich auch bei R. Bellarmin (1542–1621), Dottrina cristiana breve, prima classe, in: ders., Opera omnia, 1872, VIII 145; ders., Explicatio Symboli Apostolici, 1617, 5–7; P. Canisius (1521–1597), Summa doctrinae christianae, 1555, cap. I (p. 3): „Quae est simplex Fidei regula et veluti summa? Symbolum Apostolorum, in duodecim distinctum Articulos, quemadmodum et XII. extiterunt praecipui illi post CHRISTUM Christianae Fidei fundatores, Sacratißimi Apostoli“; dass katholische Theologen damals und auch später nicht nur die apostolische Verfasserschaft im allgemeinen (vgl. etwa Christian Wolf [Christian Lupus], in: Q. Florentis Septimii Tertulliani Presbyteri Carthaginiensis, Liber De Praescriptionibus Contra Haereticos, Scholiis et Notis illustratus, 1675, 287), sondern auch die Autorschaft der Apostel an den Artikeln lehrten, belegt B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 29–33; die Meinung begegnet etwa bei: Frantz Sparn von Greiffenberg in seiner Vorrede zu R. Bellarmin, Außlegung deß heiligen christlichen Symboli und Glaubens, ..., in Italiänischer Sprach zusammen getragen. Newlich in die Frantzösische Sprach gebracht, jetzt aber auß der Frantzösischen in die hochteutsche Sprach vertiret und versetzt, durch ... Frantz Sparn v. Greiffenberg, 1612, 20; ähnlich auch Bellarmin (ebd., 30), J. Bona, Rerum liturgicarum libri duo, 1753 (erste Ausgabe 1671), III 166–171, 170 und noch J. A. Martigny, Art. Symbole des Apôtres, 1865, 623; man findet sie aber auch in den Katechismen etwa des Speyrer Pfarrers im Domstift W. H. H. Fabricius, Kurtzer Catholischer Catechismus, 1570, 9, oder in den Katechismen von J. Dietenberger, Catechismus, 1537, 4, J. Lorichius, Christliche Kinderlehre, 1582, 595 u.a. vgl. B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 31–34, 33: „Bei solcher Sachlage ist es nicht zu verwundern, dass auch in dem Katechismus des Konzils von Trient (oder dem römischen Katechismus, wie er häufig genannt wird) die hergebrachte Auffassung noch Aufnahme fand.“ Cl. Fleury, Histoire ecclésiastique, 1722, I 54 führt die Diversität der später entstandenen Symbolformulierungen auf die mündliche Tradition dieses Bekenntnisses und auf das Verbot, es niederzuschreiben, zurück (in dieser gängigen Weise argumentiert später noch A. MacDonald, The Apostles’ Creed, 1925 [1903], 52f.; ders., The Symbol in the Second Century, 1903). 185 Vgl. G. J. Voss, Dissertationes, 1642; recht unbestimmt in der Frage der Autorschaft und auf die Schrift und die Apostel hinweisend ist P. v. Soto, Khurtzer begriff Catholischer lehr ..., 1548, 324: „Es seind alle ding zu glauben, die in der hailigen schrift uns dargeben werden, und was auß denselben offenbarlich volget. Zudem auch alles, so die kirch von den Apostelen entpfangen hat, und an uns, durch anherrige nachfolgung, herkommen seind.“ Ähnlich auch J. v. Maltiz, Christliche Lere zu gründtlichem Unterricht des rechten Glaubens und Gotseligen wandels, 1542, 138 und G. Wicelius, Newer und kurtzer Catechismus, 1560, 473. Bei anderen Autoren wird zwischen dem apostolischen Bekenntnis und einem Bekenntnis der Apostel unterschieden, wie etwa bei A. Rivet (1572–1651), Le Catholique Orthodoxe opposé au Catholique Papiste ..., 31616, 167f.; J. H. Heidegger (1633–1698), Dissertationum selectarum, Sacram Theologiam Dogmaticam, Historicam et Moralem, 1680, II 627– 677 (vgl. hierzu weiter unten); überhaupt ist die Literatur zum Ursprung des Apostolikums, die im 17. und 18. Jahrhundert entsteht, sehr reichhaltig, vgl. J. G. Walch, Bibliotheca theologica selecta I, 1757, 305f. (ganz abgesehen von den Werken, in denen nach dem dogmatischen Gehalt dieses Textes gefragt wird, vgl. hierzu J. G. Walch, Bibliotheca, 306–309) und B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 602; der 1607 geborene und 1657 verstorbene Leipziger Professor Johann Benedikt Carpzov, Isagoge in libros ecclesiarum lutheranarum symbolicos, posthum herausgegeben von Johann Olear, 1699, 48 kennt gegen Ende des 17. Jahrhunderts von den Calvinisten nur noch Gruneus („in Expositione Symboli“)

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bereits darauf verwiesen, dass eine solche Meinung zwar die Sicht vieler protestantischer Schriftsteller des siebzehnten Jahrhunderts von der katholischen Position wiedergibt und damit „bis in die letzten Decennien“ dieses Jahrhunderts hinein auch die Sache richtig treffe, doch habe es spätestens seit Louis Ellies Du Pin (1657–1719) auch andere katholische Stimmen gegeben.186 Differenzierter als Kattenbusch urteilte vor ihm bereits Wilhelm Heinrich Dorotheus Eduard Köllner (geb. 1807), der auch Katholiken aufzählt, die die Legende als unhistorisch einstufen, und andererseits von „neuerdings aufgetretenen (lutherischen) Apologeten“ derselben weiß.187 Allerdings bestätigt ein Blick auf die Gegenreformation und insbesondere auf das Trienter Konzil, dass zu dieser Zeit in der Katholischen Kirche an der Verfasserschaft der Apostel für das Apostolikum noch festgehalten wird.188 Auf dieser Trienter Bischofsversammlung konnte „eine Schrift vorgelegt werden, die neben dem Apostolischen Glaubensbekenntnis weitere 33 ‚apostolische‘ Lehren und Bräuche aufzuzählen wusste, darunter Kreuzzeichen, Sonntagsfeier, und Johann Heinrich Alstedt (1588–1638) („in Theol. Catech. pag. 15“), die am apostolischen Ursprung des Symbolums festhalten, von den Lutheranern nur „Hornejus („Comp. Hist. Eccles. lib. 4, cap. 8, pag. 35ff.“), Vaek („Comment. super Symb. Apost. Proleg., c. 2, p. 6ff.“) und Dreier („Gründlicher Erörterung“, p. 644)“. 186 B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 61; zu L. E. Du Pin vgl. weiter unten; kritisch etwa auch Thomas M. Mamachi (1749) (vgl. hierzu weiter unten); Julius Laurentius Selvagio (1728–1772), Antiquitatum Christianarum Institutiones, 1779 (1772), lib. I, part. II, cap. 18 § 2, p. 350–352 setzt sich zwar detailliert mit den Einwänden gegen die apostolische Verfasserschaft am Symbolum (vor allem der Unterschiedlichkeit frühchristlicher Bekenntnisformulierungen) auseinander, versucht diese aber mit dem Hinweis auf den Unterschied zwischen „Fidei Christianae Explicationes“ (etwa des Irenäus, des Origenes und des Symbols des Gregor Thaumaturgus) und dem apostolischen Symbol zu widerlegen. 187 E. Köllner, Symbolik der lutherischen Kirche, 1837, 13 nennt an Kritikern bei „den Catholiken ... vor allen Du Pin“, auch wenn sich unter den Katholiken seiner Meinung nach „die Sage am längsten hielt“ (ebd.); L. Du Pin etwa hält nur den Inhalt für apostolischen Ursprungs, leugnet aber die apostolische Autorschaft mit ähnlichen Argumenten, die kurz zuvor bereits J. C. Schweitzer, Thesaurus ecclesiasticus (1682) vorgetragen hat; vgl. E. L. Du Pin, Nouvelle Bibliothèque des auteurs ecclésiastiques, 1690, I 9–13 (1701, I 26f.; 1701 II 340–359); Du Pin schreibt (ebd. I 10): Keiner der Autoren der ersten drei Jahrhunderte beruft sich auf die apostolische Verfasserschaft des Symbols im Kampf gegen die Häresien: „Cependant rien n’eut été plus convaincant, et plus fort contre les Heretiques, que de leur dire: vous combatez la doctrine du Symbole, il est constant qu ce font les Apôtres, qui en sont les Auteurs, vous combatez donc la doctrine des Apôtres.“ Seine Dissertatio handelte ihm allerdings eine heftige Replik ein von Matthieu Petitdidier, dem Präses der Benediktiner-Kongregation von St. Vannes, in dem anonym publizierten Werk: Remarques sur la Bibliothèque des auteurs ecclésiastiques de Monsieur du Pin, 1691–1692, I 81–98; auch Le Nain de Tillemont, Mémoires pour servir à l’histoire ecclésiastique des six premiers siècles, 21701, I 397f. (und n. VIII, p. 650) gibt zu, dass die apostolische Redaktion des Bekenntnisses problematisch sei und insbesondere die These von der Erstellung der einzelnen Artikel durch die verschiedenen Apostel auf keine Autorität gestützt ist; vor allem sieht er das erhebliche Problem, dass im Falle der Existenz eines Apostolikums Nizäa und Konstantinopel dieses beseitigt hätten; vgl. auch Anonymus, Adresse au Future Concile par des Catholiques matérialistes, 1869, 139: „Nous n’admettons point que le symbole soit l’oeuvre des apôtres: nous le regardons simplement comme le programme authentique de la foi des premiers chrétiens“. Als Beispiel für einen älteren Lutheraner, der an der Verfasserschaft der Apostel festhält, kann der leidenschaftlich gegen die Calvinisten kämpfende Alard Vaeck, Commentariorum in symbolum apostolorum libri tres, 1654, 6f. dienen. 188 Vgl. Catechismus concilii Tridentini (= Catechismus romanus) pars I, cap. 1,2f.

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Kindertaufe und Ohrenbeichte.“189 Im Catechismus concilii Tridentini, dem Catechismus romanus, heißt es p. I c. 1. qu. 3 schlicht: „Hanc autem christianae fidei et spei professionem a se compositam symbolum appellarunt (sc. Apostoli) sive quia ex variis sententiis, quas singuli in commune contulerunt, conflata est, sive quia ea veluti nota et tessera quadam uterentur …“. Dörholt gibt die unterschiedliche Tendenz zwischen katholischem und protestantischem Ansatz folgendermaßen an: „Den Satz, dass die Apostel das Symbolum (wie auch immer) verfasst hätten, halten die katholischen Schriftsteller für eine Tradition der Väter, an welcher unbedingt festgehalten werden müsse. Was aber die alte Legende besagte, dass jeder Apostel einen Teil, gar einen genau bestimmten Artikel, zum Symbolum beigetragen habe, so behaupten sie dies durchweg nicht in thetischer Weise, sehen sich freilich auch nicht veranlasst, es ausdrücklich zu bestreiten. … Bei den Protestanten dagegen wird der Hauptaccent darauf gelegt, dass das Symbolum jedenfalls seinem Inhalte nach apostolisch sei. Dass es von den Aposteln selbst verfasst sein könne, will die grössere Mehrzahl ihrer Schriftsteller noch nicht gerade bestreiten; manchen scheint es sogar ganz glaubwürdig; aber dies besonders zu betonen und den apostolischen Ursprung ausdrücklich noch zu verteidigen, sehen die meisten von ihnen keine Veranlassung. Der andere Unterschied besteht darin, dass bei den Katholiken die Vorstellung herrscht, die Apostel hätten das Symbolum nicht schriftlich, sondern nur mündlich abgefasst und fortgepflanzt, während die protestantischen Schriftsteller zumeist an eine schriftliche Abfassung dachten“.190 189

A. Angenendt, Geschichte der Religiosität im Mittelalter, 1997, 225. B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 26–36, 35; Dörholt verweist etwa auf den katholischen Kritiker J. Monheim (1509–1564), Dilucida et pia explanatio Symboli, quod apostolorum dicitur, et decalogi praeceptorum auctore D. Erasmo Roterdamo nuper in compendium per Joannem Monhemium redacta ..., 1554 und ders., Catechismus, in quo christianae Religionis elementa syncere simpliciterque explicantur, 1560; Monheim schließt sich den Thesen des Erasmus an; gegen ihn schreiten darum die Jesuiten in Köln ein, „angeblich im Auftrage der Kölner Fakultät“ (Koldewey, 1898, 18 s.u.): Deputatorum S. Theologicae Facultatis Universitatis Coloniensis Censura et docta explicatio errorum Catechismi Joannis Monhemii ..., 1560; gegen diese Kölner Zensur richten sich wiederum u. a. (auch Martin Chemnitz wird tätig) H. Hamelmann, Resolutio duodecimi articuli in Censura Theologorum Coloniensium de Catechisma M. Johannis Monhemii ..., 1561 und ein älterer Schüler Monheims, Henricus Artopaeus (oder Artopoeus = Heinrich Becker), Ad theologastrorum Coloniensium censuram Henrici Artopoei responsio. Pro defensione Catechismi Joannis Monhemij praeceptoris sui conscripta, 1561; gegen ihn und Monheim streitet dann der in Löwen lehrende J. Hessels, Tractatus pro invocatione Sanctorum contra Ioannem Monhemium, et eius defensorum Henricum Artopaeum, 1562, cap. 23, p. 54v–55r, um an der apostolischen Verfasserschaft festzuhalten; zu diesem Streit vgl. F. E. Koldewey, Johannes Monheim und die Kölner, 1898; ähnlich wie Hessels lehrt auch S. Senensis, Bibliotheca sancta, 1586, 39f., der wie „omnes orthodoxi patres“ (ebd., 39) an der apostolischen Verfasserschaft festhält und die Zweifel des Erasmus nicht teilt; dass man später allerdings auch im anglikanischen Raum noch an der apostolischen Verfasserschaft festhalten konnte, belegt G. Ashwell, Fides Apostolica, 1653, 117–152; nach Ashwell seien die Apostel gemeint, wenn Markell in seinem Brief an Julius von Vorfahren spricht, von denen er sein Bekenntnis ererbt habe (ebd., 62); auch hier gab es die Meinung, dass an der Autorität des Apostolikums festzuhalten sei, auch wenn es nicht wörtlich, sondern lediglich dem Inhalt nach von Aposteln stamme, vgl. P. Heylyn (1600–1662), Theologia Veterum, 1673, 14. 190

Dritter Teil Das Apostolikum historisch untersucht

Die nächsten Anregungen für die Erforschung des Apostolikums gehen auf den orthodoxen Calvinisten und Utrechter Professor der Theologie Gisbert Voetius (1589–1676) zurück.1 In seiner kleinen Schrift De symbolo apostolico2 macht er sich unter anderem die Ergebnisse von Voss zunutze.3 „Irre ich nicht“, schreibt Kattenbusch, „so ist Voetius der Erste, der ausdrücklich die Taufformel für die Grundlage des Apostolikums oder für das ursprüngliche ‚apostolische Symbol‚ erklärt“.4 Das stimmt, wie die bisherigen Ausführungen gezeigt haben, allenfalls bedingt. Voetius hebt zwar auf die Taufformel von Mt 28,19 ab und betrachtet sie als die von den Aposteln verkündete Grundlage. Er behauptet jedoch nicht, wie man Kattenbusch verstehen könnte (und wie er vielleicht verstanden sein wollte), die Taufformel von Mt 28,19 habe die Grundlage für das Apostolikum gebildet. Im Gegenteil, Voetius führt aus, dass man zwischen zwei Bekenntnissen klar zu unterscheiden hat: ein erstes Bekenntnis liege in Mt 28,19 vor; ein zweites sei dasjenige, welches zu Voetius’ Zeit noch in Gebrauch war. Sein Hauptanliegen ist es sodann, eine Konfusion dieser beiden Bekenntnisse gerade zu vermeiden und das erste vom zweiten abzuheben. Nur vom ersten könne gelten, dass es unmittelbar von Gott seinen Ursprung habe, den Glauben selbst darstelle, immer und untrennbar mit der Taufe verbunden und bereits zur Zeit der Apostel benutzt worden sei, von Christus aufgestellt, von den Aposteln verkündet und darum als nacktes Fundament, als Norm und Regel, weil Teil der kanonischen Schrift, höchste Autorität und Katholizität beanspruchen dürfe; das zweite Bekenntnis hingegen stamme von anderen, unbekannten Händen, sei erst später sukzessive mit Artikeln ausgeschmückt worden und dürfe darum keineswegs die gleiche Autorität, die das erstgenannte Bekenntnis auszeichne, besitzen.5 Schließlich diskutiert Voetius auch die ver1

Vgl. zu diesem Theologen die vierbändige Monographie von A. C. Duker, Gisbertus Voetius, I–IV, 1897. 1910. 1914. 1915, insbesondere III 40f. 2 Erstmals erschienen 1636, zweite Aufl. 1648, abgedruckt in: Gisbert Voetius, Selectarum disputationum theologicarum pars prima, Utrecht 1648, 64–74 (erstaunlicherweise fehlt aber die Schrift De symbolo apostolico im Werkverzeichnis bei A. C. Duker, Gisbertus Voetius, IV 168–174). 3 Vgl. G. Voetius, Selectarum disputationum ... pars prima, 1648, 71. 73. 4 F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 10. 5 G. Voetius, Selectarum disputationum ... pars prima, 1648, 64f.: „Ex collatione antiquissimorum patrum et scriptorum, qui 4.5,6. et sequentibus saeculis vixerunt colligimus duplex esse distinguendum Symbolum: ... Prius Symbolum est explicatione brevius, usu antiquius, authoritate et Catholicismo majus, cum ipsa baptismi institutione receptum, et una cum administratione baptismi jam inde ab

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schiedenen älteren Hypothesen zur Entstehung des Apostolikums6 und kommt zu dem Schluss, dass dieses Bekenntnis materialiter zwar göttlich, der Form und der Struktur nach aber menschlicher Natur sei und darum auch nur kirchlich-menschliche Autorität genießen könne: „Non esse itaque canonem, regulam seu principium fidei infallibile, in quod ultima analysis fidei facienda, sed esse regulatum et principiatum, imo non esse antiquissimum perpetua successione, jam inde post Apostolica tempora propagatum et receptum“.7 Als Belege führt Voetius an: „Martialis, Ignatius, Iustinus, Irenaeus, Tertullianus, Origenes, Symbolum Nicenum … cum summam fidei recensent ultra Trinitatem non progrediuntur.“8 Die Väter, die die Häretiker bekämpften, böten kein mit dem heutigen Apostolikum vergleichbares Symbol. Die herausragenden Synodalbekenntnisse bekennten nicht „Credo in Spiritum sanctum“, sondern schlössen wie den Sohn an den Vater, so auch unmittelbar „et in Spiritum sanctum“ an den zweiten Artikel an. „Concludimus ergo uno verbo Symbolum, ut nunc est ante quartum seculum nusquam exstitisse“.9 Es mag sein, fügt Voetius später an, dass das Bekenntnis vielleicht in der römischen Gemeinde entstanden ist.10 Gegen Ende seiner Untersuchung kommt er auch noch auf die Genese der Synodalbekenntnisse zu sprechen und stellt die Frage, ob das Bekenntnis von Mt 28,19 als Grundlage für diese gedient habe oder nicht. Seine Antwortet, die Kattenbusch überlesen hat, ist ebenso klar wie kurz: „Ego rationem nullam video … Praeterquam quod non sit symbolum universale: sed Romanum“.11 Nach Voetius ist zunächst auf einen französischen Apostolikumsstreit einzugehen, innerhalb dessen die antihäretische Ausrichtung des Apostolikum in aller Deutlichkeit herausgestellt wird, eine These, die bald in England Peter King (1669–1734) aufgreifen wird. Im Jahr 1685 kritisiert Pierre Jurieu (1637–1713) den Inhalt und den Stellenwert des Apostolikums gegenüber den „Papisten“, die aus dem Bekenntnis ableiteten, man müsse an die sichtbare römische Kirche glauben. In seinem Werk Préjugéz légitimes contre le Papisme führt Jurieu aus: „Je suis persuadé avec tous les habiles gens … que le Symbole n’a point été composé par les Apôtres. Et je suis persuadé encore d’une autre chose, c’est qu’il faut chercher le sens des articles du Symbole des Apôtres, non dans Apostolorum temporibus usurpatum eique perpetuo et ajcwrivstw" connexum, origine immediatè divinum, atque adeo aujtovpiston et authenticum, regula norma et principium fidei quippe pars Scripturae Canonicae. Est autem illud quod habetur Math. 28 v. 19. Ite et docete ... omnes gentes, baptizantes eos in nomine patris, filii et Spiritus sancti. Symbolum hoc à Christo institutum, ab Apostolis propagatum est nudum fundamentum. Alterum Symbolum est illud, quod nunc habemus tot articulis tanquam ornamentis successsivè vestitum, sed aliis et quidem incertis autoribus; quibus aequalis authoritas cum Christo et Apostolis neutiquam tribuenda.“ 6 Vgl. G. Voetius, Selectarum disputationum ... pars prima, 1648, 66f. 7 Ebd., 67; ebd. heißt es auch: „Non est (sc. das Apostolikum) constructum ab Apostolis, aut à viris Apostolicis“, vgl. ebd. 72. 8 Ebd., 68. 9 Ebd., 68. 10 Vgl. ebd., 73. 11 Ebd., 72.

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l’Ecriture, mais dans l’intention de ceux qui ont composé ce Symbole. Pour entendre cela, il faut sçavoir que ce Symbole ne s’est point fait tout d’un coup, mais à mesure qu’on en a eu besoin. C’est à dire, qu’à mesure qu’il s’est élevé des heresies qui combattoient les mysteres, les Docteurs de l’Eglise opposoient à ces heresies leurs theses et leurs positions dont peu à peu s’est formé le Symbole“.12 Sodann zeigt er, dass der erste Artikel („ich glaube an Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde“) gegen die ersten Häretiker, die gnostischen Schüler des Simon Magus aufgestellt worden sei, dann gegen die von Irenäus und Tertullian bekämpften Valentinianer die These, dass Jesus Christus der Sohn Gottes, unser Herr, sei, geboren von der Jungfrau Maria, empfangen vom Heiligen Geist. Und weil diese Häretiker doketistisch lehrten, habe man auch das „Gelitten unter Pontius Pilatus … aufgestiegen in die Himmel“ hinzugefügt. Der Descensus sei schließlich erst im vierten Jahrhundert aufgenommen worden. Ebenfalls mit Blick auf die Intention der Autoren müsse man auch das Bekenntnis zur Kirche interpretieren. Ein solches lese man weder bei Irenäus noch bei Tertullian und auch nicht bei Origenes, der in seiner Präfatio zu „De Principiis“ eine Paraphrase des Apostolikums gebe.13 Erst bei Arius lese man den Artikel zur Kirche. Er scheine geradezu wie ein Siegel den Schluss des Symboles zu bilden, wie manche Bekenntnisse belegten.14 Dieses Siegel sei aber auf die „Erwählten“ auszulegen, die aufrichtig und rein glaubten und durch die Teilnahme an den Sakramenten und unter dem Dienst der Priester zum ewigen Leben geführt würden.15 Jurieus Kritik griffen Jacques (1653–1723) und Samuel (1638–1721) Basnage wieder auf.16 Samuel Basnage etwa kommt unter anderem auf die verschiedenen Versionen der Entstehungslegende zu sprechen, die deren Glaubwürdigkeit verringern, macht auf die sprachliche und inhaltliche Differenz zwischen den älteren Regulae fidei und dem Apostolikum aufmerksam und

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P. Jurieu, Préjugéz, 1685, I 26f. Ebd., I 27f. 14 Ebd., I 28. 15 Ebd., I 29; an dieser These hält P. Jurieu auch in seinem Werk Le vray Système de l’Eglise et la veritable Analyse de la Foy ..., 1686, 217f. fest; heftig angegriffen wurde er durch J.-B. Bossuet, Histoire des variations des églises protestantes, 1688, XV, n. 74 (= ders., Oeuvres complètes, ed. Lachat, 1863, XV 104–106). 16 Vgl. S. Basnage, De rebus sacris et ecclesiasticis exercitationes historico-criticae, 1692, 471–478; vgl. auch J. Basnage/S. Basnage, Histoire de la religion des églises réformées, 1725, (von Jacques) II 3,1, 218–229, 218: „Les Apôtres ne nous ont point laissé de Confession de Foi; et contens d’avoir exposé toute la doctrine du salut dans les écrits du Nouveau Testament, ils n’en ont fait aucun abbregé. Il semble aussi que cela n’étoit pas nécessaire, parce que les heresies n’étoient pas encore nées, et qu’on demandoit seulment aux Cathecumenes, avant que de leur confere le Batême, s’ils croyoient au Père, au Fils, et au S. Esprit. En effet c’est là le premier Symbole qui ait paru“; die Anklänge an F. Spanheim und G. Voetius sind unüberhörbar; ebd. 219 stellt J. Basnage noch heraus, dass das apostolische Bekenntnis eine Quelle für das Nizänokonstantinopolitanum sei, „avec laquel elle a beaucoup de rapport“; vgl. N. Alexander, Historia ecclesiastica, 1714, III 139–145 (= PG IV 383–400). 13

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stellt die antihäretische Ausrichtung des Bekenntnisses heraus.17 Gegen Caesar Baronius und Natalis Alexander hält er daran fest, dass der Inhalt wohl apostolisch zu nennen sei, nicht aber die Form des Bekenntnisses: „… secundo tertioque seculo ex Apostolica doctrina conflatum esse Symbolum, ut Catechumeni fidelesque hâc nobili tesserâ, ab impuris qui Christianorum quoque et nomen sibi assumebant, haereticis secernerentur“;18 das Bekenntnis zur „Catholica Ecclesia“ etwa sei antidonatistisch und begegne darum weder in der Regula fidei bei Tertullian noch bei Markell in seinem Brief an Julius.19 Als weiterer Theologe, der eine ausgereifte Untersuchung zu den Bekenntnissen allgemein und insbesondere zum Apostolikum vorlegt, ist der zunächst als Gräzist hervorgetretene schweizerische Reformierte Johann Caspar Schweitzer (= Suiceri) (1620–1684) zu nennen.20 Er rekurriert auf die Beobachtungen Usshers,21 kennt auch die Ergebnisse von Voss und Voetius,22 berichtet von der legendären Tradition der apostolischen Verfasserschaft, wie sie von älteren, aber auch noch jüngeren Theologen vertreten wird,23 und stellt schließlich fest: „De tempore, quo Symbolum hoc fuerit conditum, est dissensio“.24 Von der Bezeichnung „Symbolum Apostolicum“ dürfe man nicht auf apostolische Verfasserschaft schließen, wie schon Eucherius Lugdunensis erkannt habe.25 Sodann nennt er vier Hauptgründe, die gegen ein von den Aposteln verfasstes Bekenntnis sprechen: 1. sei von einem solchen Symbol weder in den Briefen des Paulus noch bei Lukas in der Apostelgeschichte die Rede. 2. „Quia ex tot historiae Ecclesiast. scriptoribus ejus Symboli meminit nemo.“26 Vor allem sei auffällig, dass keiner der alten Kirchenhistoriker auf das Apostolikum zu sprechen käme. 3. Man müsse annehmen, dass das Bekenntnis bei solchem Alter und bei solcher Verfasserschaft „per totum orbem Ecclesiis fuisset traditum“.27 17 S. Basnage, De rebus sacris et ecclesiasticis exercitationes historico-criticae, 1692, 471–478, 476: „Omnes Symboli articulos sigillatim percurrenti, planum fiet ad errores tum grassantes referri“). 18 S. Basnage, Annales politico-ecclesiastici, ann. DCXLV, Rotterdam 1706, I ann. 42, n. 17–25, p. 527–532, 531. 19 Ebd., 531; zu den Einwänden von Johannes Dominicus Mansi gegen S. Basnage, vgl. ders., Anmerkungen zu Natalis Alexander, H. E. (PG IV 397). Mansi meint, die Autorität des im 2. und 3. Jahrhunderts so weit verbreiteten Bekenntnisses setze die Autorschaft der Apostel voraus. Die Unterschiede der verschiedenen Symbole seien mit der Freiheit zu erklären, mit der die einzelnen Kirchen entsprechende Änderungen zugelassen hätten. 20 J. C. Schweitzer, Thesaurus ecclesiasticus (1682), 1728, 1081–1103; zu Schweitzer und seinem liberalen Einfluss bei der Aufstellung des Consensus Helveticus vgl. A. Schweizer, Die Entstehung der helvetischen Consensus-Formel, 1860. 21 Ebd., 1086f. 22 Ebd., 1088f. 1092. 23 Ebd., 1089–1091. 24 Ebd., 1091. 25 Ebd., 1091. 26 Ebd., 1092. 27 Ebd., 1092.

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4. „Si Symbolum iis sententiis, eo ordine, istis verbis, ab Apostolis esset compositum, atque ita Ecclesiae Catholicae traditum: non jam circa annum quadringentesimum, pro diversis Ecclesiis, diversa fuissent Symbola.“28 Er resümiert: „Nec Symbolum, quod vocatur Apostolorum, confectum est ab ulla Synodo Oecumenica … Veri ergo hujus Symboli autores non poterunt alii statui, quàm Episcopus et Cler. Roman.“29 Zur Begründung für die römische Lokalisierung des Bekenntnisses verweist Schweitzer darauf, dass das Bekenntnis weder von den Aposteln noch von einer ökumenischen Synode aufgestellt wurde und in keiner der östlichen Kirchen bekannt ist, Rufin es aber bereits für ein sehr altes römisches Symbol hält.30 Im Orient hingegen habe es zwei Symboltypen gegeben, ein kurzes Bekenntnis, das Rufin mit dem römischen und aquilejensischen vergleicht, und ein ausführliches.31 Das kurze sei durch die Taufkatechesen des Cyrill von Jerusalem und durch Arius im Schreiben an Konstantin belegt, das längere durch Eusebius von Cäsarea in Nizäa.32 Diese längere Form des Bekenntnisses, wie sie dann auch das Nizänum repräsentiere, werde schließlich in der Messfeier als das „Symbol der Apostel“ bezeichnet.33 Insbesondere mit der zuletzt genannten Differenzierung zwischen dem kurzen westlichen Symbol und dem doppelten Symboltypus im Osten führt Schweitzer über die frühere Forschung hinaus und bietet späteren Autoren einen wichtigen Gedankenanstoß. Wohl nicht zuletzt auf den theologischen Rang, den Melanchthon dem Apostolikum als dem ältesten Symbol zugestanden hat, und der Aufnahme dieses Textes durch Luther in den Kleinen und Großen Katechismus ist das Interesse von evangelischen Theologen zurückzuführen, dem Apostolikum eine dogmatische Behandlung und eine historische Auslegung angedeihen zu lassen.34 28

Ebd., 1093. Ebd., 1093. 30 Vgl. ebd., 1093. 31 Vgl. ebd., 1093f. 32 Vgl. ebd., 1094f. 33 Vgl. ebd., 1098. 34 Zu nennen sind neben den anderwärts genannten Autoren etwa H. Witsius, Exercitationes sacrae in symbolum quod apostolorum dicitur, 1681 (engl. Ausgabe: ders., Sacred Dissertations, 1823, hiernach zit.), der sich i. W. Voss und Voetius anschließt; M. Amyraldus, In symbolum apostolorum exercitatio, 1663, 19f. („Si igitur Symbolum illud ipsi [sc. Apostoli] composuerunt, fecerunt id praeter morem & ordinarium institutum, cuius rei nulla ratio reddi potest. Est ergo, mea quidem sententia, Symbolum istud antiquissimum, & fortasse ab aliquo Apostolorum visum & approbatum. ... Apostolis attributum fuit, partim quia ex eorum scriptis haustum est & doctrinam Euangelicam spirat, partim quia tanta est illius antiquitas, vt ignorato illius auctore, & vniuersa Ecclesia Christiana id magna animorum consensione, magnaque reuerentia, recipiente, nihil commodius aut vero propius visum est, quàm si ad diuinam illam originem referretur.“); J. Deutschmann, Symbolum apostolicum hoc est, explicatio fidei Christianae juxta seriem et sensum articulorum in hoc symbolo comprehensorum ..., (1680–1700?), 13 gesteht, dass die Entstehungszeit und der Verfasser des Apostolikums nicht zu ermitteln seien (mit Verweis auf Voss); Der Pastor zu Alt-Dresden, P. Chr. Hilschern, Betrachtung des Apostolischen Symboli, oder Christlichen Glaubens ..., 1719, Vorrede, führt u.a. (unter Hinweis auf Ittig, Schweitzer, Carpzov und Bull) als Gegenargument gegen die Gewichtigkeit des Apostolikums an, „daß darinne so 29

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Manchen – auch anglikanischen Theologen – geht es wie Melanchthon in seinen „Enarrationes“ zum nizänischen Symbol weniger um die Geschichte des Symbols selbst sondern um eine Darlegung des Inhalts und dessen biblische Absicherung durch dicta probantia des Alten und Neuen Testaments und der Kirchenväter. Ein gutes Beispiel hierfür ist John Pearson (1613–1686).35 Sein Werk nennt F. Kattenbusch „keine Tendenzarbeit, weder eine theologische Parteischrift, noch ein Erbauungsbuch; es ist ein schlichtes Instruktionswerk im gelehrten Sinn.“36 Beispiele für die weitere Verfolgung von Usshers Ansatz und der Ergebnisse von Voss sind Wilhelm Ernst Tentzel und Johann Benedikt Carpzov in Deutschland; für England sind gleich mehrere Forscher zu nennen, zunächst Georg Bull, insbesondere der bereits genannte Peter King, aber auch John Ernst Grabe, Joseph Bingham und William Wall.37 Wilhelm Ernst Tentzel (1659–1707) tritt insbesondere in seinem Streit mit Emanuel Schelstrate (1645–1692) als Symbolforscher hervor.38 Er hält zunächst fest, dass das Apostolikum nicht von den Aposteln stammt, bestreitet aber auch die Meinung von Voss, dass es erst im vierten Jahrhundert entstanden sei. Schließlich zitiert er die Ansicht Friedrich Spanheims (1632–1701), die seiner viel wichtige, und zur Seeligkeit gantz unentbehrliche Lehren von dem Verdienste, und Gnugthuung Christi, Rechtfertigung durch den Glauben, ingleichen von der Sünde, Gesetz, Wiedergeburth, Busse, Tauffe, Abendmahl, Worte Gottes, und vielen andern mehr, mit Stillschweigen übergangen worden.“ 35 J. Pearson, Exposition of the Creed, 1659 (lat. Übers.: 1690); einen Überblick über die vielen Auflagen, die dieses Werk erfuhr, gibt die revidierte Neuausgabe durch E. Burton, 61870, vii–x; zur Verbreitung von Pearsons Werk und dessen Inhalt vgl. auch W. H. Mill, An Analysis of the Exposition of the Creed Written by the Right Rev. Father in God John Pearson, 1847; zur Auffassung vom Apostolikum und zur Bedeutung derselben für die Rezeption des Bekenntnisses vgl. R. A. Norris, Doctor Pearson construes the Apostoles’ Creed, 1990; auf fromme, vielleicht ungewollt ironische Weise hat ihm ein Bischof von New Jersey des 19. Jahrhunderts ein Grabmal gestiftet. Obwohl Pearson nicht auf die Apostel als Autoren des Apostolikum abhebt, zieren sein Grabmal in der Kathedrale von Chester zwölf Apostel, von denen jeder, der Legende entsprechend, einen Satz zum Apostolikum im eigentlichen Sinn des Wortes „beiträgt“. 36 F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 11. 37 W. Wall (1646/7–1727/8), The History of Infant-Baptism, 1707, 490–510; das Nizänum als die älteste öffentliche Bekenntnisformel (490. 496); Markell bedient sich des römischen Symbols (506f.). 38 W. E. Tentzel, Exercitationes selectae in duas partes distributae: Quarum priori praeter symbolum apostolicum ... posteriori disciplina arcani ..., 1692 (seine Dissertation zum Apostolikum erschien zuerst in Wittenberg 1683); mit Tentzel streitet E. Schelstrate, De disciplina arcani contra disputationem Ernesti Tentzelii dissertatio apologetica, 1685 über die Frage, seit wann in der Kirche mit einer Arkandisziplin zu rechnen sei. Während Tentzel meint, eine solche sei erst „post tempora Irenaei“ entstanden und habe „nur für den Ritus, nicht für das Dogma gegolten“, „verteidigt (Schelstrate) die katholische Anschauung, nach welcher die Arkandisciplin von der apostolischen Zeit an alle die ersten (minde-stens fünf) Jahrhunderte hindurch bestanden, in der ganzen Kirche gegolten und sich nicht bloß auf den Ritus, sondern auch auf die Lehre erstreckt hat“ (so B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 53); vgl. E. Schelstrate, Sacrum Antiochenum concilium: pro Arianorum conciliabulo passim habitum, nunc vero primum ex omni antiquitate auctoritati suae restitutum, 1681; dagegen gerichtet ist: E. Tentzel, Ex antiquitate ecclesiastica, de disciplina arcani apud veteres Christianos usitata, 1683; vgl. ders., Epistola ad amicum, qua responsio ad Emanuelis a Schelstrate dissertationem apol. de disciplina arcani summatim continetur, 1687.

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eigenen sehr nahe komme: „Verisimillimum est in Romana Ecclesia Symboli Apostolici iacta esse hoc saeculo, in Competentium usum, fundamenta, quoad primarios Articulos, de fide in Deum Patrem, Filium et Spiritum S. Eadem fuere et Orientalis Symboli illa, quo usae sunt orientis Ecclesiae ante Nicaenam Synodum.“39 Demnach wurden in der römischen Kirche die Fundamente zum apostolischen Symbol gelegt, die auch die Fundamente für das orientalische vornizänische Symbol bildeten. Wie diese Fundamente sich zu dem von Ussher herausgestellten altrömischen Bekenntnis verhalten, lässt Tentzel offen; denn zum einen gibt er an, dass die Apostel das Apostolikum nicht dem Wortlaut nach überlieferten, sondern lediglich das Fundament zu diesem böten, zum anderen bemerkt er, dass das altrömische Symbol „a temporibus Apostolorum … in Romana Ecclesia traditum fuit“ und „in caeteris Occidentis Ecclesiis ab antiquissimis temporibus non quidem eadem prorsus, sed similis tamen fidei formula exstitit.“40 Ohne sich genau festzulegen, versucht Tentzel, Usshers Entdeckung des altrömischen Symbols mit der These von Voss, dass im Westen und Osten den Bekenntnissen des vierten Jahrhunderts Vorformen vorausgingen, zu harmonisieren.41 Was die spätere Entwicklung des altrömischen Bekenntnisses zum Apostolikum hin betrifft, meint er: „Stat igitur sententia, symbolum vulgare Apostolicum et originem et perfectionem suam debere Ecclesiae Romanae, inque ea saeculo sexto plene extitisse“.42 Tentzels apostolisches Fundament des Apostolikums ist deutlich eine Gegenreaktion gegen Natalis Alexander (1639–1724) einerseits, aber auch gegen die voss’sche Spätdatierung des Apostolikums und die daraus von Gottfried Arnold (1666–1714) abgeleitete Herabsetzung der theologischen Bedeutung dieses Bekenntnisses. Arnold zählte nämlich die Abfassung des Apostolikums zu den Verfallserscheinungen der Kirche: „So ist nun vor allen Dingen gewiss, dass in den ersten 300. Jahren kein gewisses Symbolum oder solch Glaubens– Bekäntniss ausser der heiligen Schrifft vorgeleget gewesen, darnach sie (sc. die Christen) sich in Worten, Lehren und Glauben hätten nohtwendig richten müssen. Sondern es ist auch diese Weise erstlich unter dem angehenden Verfall eben durch die Concilia eingeführet worden, nachdem man angefangen ein ander zur äusserlichen Bekäntniß anzuhalten und zu zwingen.“43 Was das Apostolikum betrifft, meint er unter Berufung auf Voss: „Die allermeisten und erfahrnsten Scribenten beweisen mit guten Gründen, dass es nicht vor dem 39 W. E. Tentzel, Exercitationes, 1692, 18; Tentzel will dies bei F. Spanheim, Introductio ad Historiam et Antiquitates Sacras, 1675 gelesen haben. Doch liest man hier (267–269) lediglich, dass sich Spanheim der Kritik von Ussher und Voss anschließt. 40 Ebd., 19. 41 F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 13 vergröbert, wenn er schreibt, Tentzel behaupte, „dass die von Usserius entdeckte altrömische Formel die Grundlage unseres Apostolikums sei“. 42 W. E. Tentzel, Exercitationes, 1692, 32. 43 G. Arnold, Die Erste Liebe, Das ist, Wahre Abbildung Der Ersten Christen, Nach Ihren Lebendigen Glauben Und Heiligen Leben ..., 1700 (1712), lib. VIII, cap. XX 9–13, II 403f.; vgl. F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 14.

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IV. Seculo, wol aber nach demselben bekant gewesen, viel weniger von den Aposteln oder Apostolischen Männern auffgesetzet sey.“44 Eines der wichtigen Argumente, die Arnold anführt, ist die Vielfalt und Variabilität des Bekenntnistextes bzw. die Abwesenheit einer Normierung und normierenden Vorschrift: Es „hat noch niemand gewiss setzen können, ob jemahls ein solches mit beständiger Form und sonderbahren unveränderten Worten abgefassetes Symbolum denen Catechumenis vorgetragen worden.“45 Vielmehr, meint Arnold, ist es „merckwürdig, dass in diesen ersten Zeiten gleichwol von keinem Lehrer in Form eines Gebohts oder gethaner Auflage dergleichen Glaubens-Bekäntnisse vorgetragen, oder jemanden auffgezwungen worden“, obwohl man solches angesichts der vielen Spaltungen innerhalb des frühen Christentums vielleicht erwartet hätte.46 „Also ist und bleibet es gewiß“, resümiert er, „dass vor dem nicenischen Concilio eine solche Weise von den wahren Christen weder gebilliget noch geübet worden, wodurch ein oder etliche Lehrer sich unterstanden hätten, gewisse Glaubens-Puncte nach ihren Gutachten aufzusetzen, denen andern Christen … vorzulegen, sie zur Bekäntniß dieser Puncte mit Mund und Feder anzuhalten, und also die Herrschafft des Glaubens zu exerciren. … Da man nun von diesen ersten 300. Jahren dergleichen bey keinen Scribenten findet, so thut sich hingegen unter den folgenden Zeiten und gleich unter Constantino desto mehr hievon hervor.“47 Deutlich geringer als Tentzel und in spürbarer Absetzung von Calixt setzt Johann Benedikt Carpzov (1607–1657)48 die Autorität des Apostolikums an: „Hac enim Confessionis Fomulâ non praescribitur simpliciter & absolutè, quid credendum sit: nec adaequatus Catalogus credendorum ad salutem necessariorum proponitur: sed tantum super praecipuis doctrinae Christianae Capitibus confessio editur.“49 Das Apostolikum sei nämlich vornehmlich ein Werk der Abgrenzung und zwar gegenüber Heiden wie auch gegenüber Antitrinitariern.50 Da dieses Bekenntnis aber weder dem Wortlaut noch der Form nach vor dem Jahr vierhundert begegne, dürfe man auch die Bekenntnisse aller anderen Kirchenväter der ersten Zeit als „Apostolica“ bezeichnen.51 Lediglich der Prägnanz wegen nehme es den ersten Platz unter anderen Symbola ein.52 Ähnlich wie Tentzel in Deutschland einen Mittelweg zwischen der historischen Kritik von Voss und extremen Schlussfolgerungen in Bezug auf Umfang und Stellung des Apostolikums zu gehen versuchte, wendet sich auch Georg 44

G. Arnold, Die Erste Liebe (1700), 1712, 403. Ebd., 404. 46 Ebd., 404. 47 Ebd., 404. 48 Nicht zu verwechseln mit seinem gleichnamigen Sohn (1639–1699) und seinem gleichnamigen Urenkel (1720–1803). 49 J. B. Carpzov, Isagoge, 1699, 39. 50 Ebd., 39. 51 Ebd., 40. 52 Vgl. ebd., 40f. 45

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Bull (1634–1710) gegen eine seiner Meinung nach überzogene Ansicht. Der Meinung des Leidener und später Amsterdamer Theologieprofessors und führenden Remonstranten Simon Episcopius (1583–1643), „das Symbolum habe zur Zeit der Apostel nur aus den Worten bestanden: Ich glaube an Gott den Vater, den Sohn und den hl. Geist“, stellt Bull entgegen, das Bekenntnis zur Trinität habe immer schon ausdrücklich alle notwendigen Glaubensartikel umfasst.53 Und das bedeute, die Formel hätte mehr „als das einfache Bekenntnis der Trinität“ enthalten und weder in der westlichen noch in der östlichen Tradition (man bemerke diese Differenzierung!) mit dem Bekenntnis „an den hl. Geist“ geendet, hingegen die Einzigkeit Gottes und den präexistenten Sohn umfasst.54 Schließlich sei das Apostolikum durch Erweiterung aus dem Symbolum Romanum hervorgegangen.55 Der nächste, der das Symbol historisch betrachtete und schon von Johann Georg Walch (1693–1775) unter der Vielzahl der von ihm genannten Forschernamen am höchsten geschätzt wird,56 ist Peter King, „Kanzler von England“ (1669–1734).57 King geht es nicht in erster Linie um eine theologische Interpretation, sondern um einen „Essay towards an Historical and Critical account of the Creed, to find out, if possible, the Authors and Framers of the Creed, the time, when the several Articles were introduced, the Occasion and Intent of their first introducing, and what the Sense, Meaning and Design of the first Introducers was.“58 King stellt fest, dass das Symbol nicht auf die Apostel zurückzuführen sei: Dann nämlich, so meint er, hätte es Lukas nicht übergangen,59 „neither can it be conceived, but that the innumerable Councils and Synods amongst the Primitive Christians, or at least some of them would in their Decisions and Determinations of Faith and Doctrine, have had some Reference or other to this Apostolical System, as their Standard and Basis, if any such there had been: Whereas no such thing appears,60 but the contrary thereunto; for, as they never mentioned any such Creed, so as occasion offered, they composed new Creeds, and even performed one of the highest Parts of the Christian Religion, I mean Baptism, by them. … If the Apostles had really framed, and delivered to their Succes53

G. Bull, Judicium, 1694, 72–164, 73–75; vgl. B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 71f. G. Bull, Judicium, 1694, 90–94; vgl. B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 72. 55 G. Bull, Judicium, 1694, 124–164. 56 Vgl. J. G. Walch Bibliotheca theologia selecta I, 1757, 309; welche Wirkung King hat, lässt sich an einem auf die Allgemeinheit zielenden Werk wie G. Menken, Das Glaubensbekenntnis der christlichen Kirche nebst der nöthigen Einleitung, 1858, ablesen, der aus der kritischen Forschung einzig King zitiert und auf ihn abhebt (vgl. ebd., 260f.). 57 (Peter King), The History of the Apostles Creed, with Critical Observations on its several Articles, 1702 (lat. Ausgabe, 1706), ich benutze die 5. Aufl. von 1737; das Werk erschien ursprünglich anonym (vgl. hierzu F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 1121). 58 (P. King), The History, 1737, A 3. 59 Vgl. bereits vor ihm G. J. Voss, Dissertationes, 1642, 20f. 60 Vgl. bereits ebd., 22: „Si igitur istud Symbolum Apostoli scripserant, uti habemus.“ 54

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sors, this Creed, every Church would have agreed therein;61 and there would not have been so many different and diverse Creeds, as we find there were;62 scarce two Churches, I think I may safely venture to say, that not two had exactly the same Symbol without any Variation or Difference.“63 Nachdem er an die bekenntnisartigen Texte des Irenäus, Tertullian, Rufin, Augustin, Petrus Chrysologus und Maximus von Turin erinnert hat, schreibt er: „Whosoever shall compare these Creeds together, shall find them vastly different; and that there are very few Articles, in the Order and Expression whereof, they do all without Exception agree.“64 Sein Ergebnis in Bezug auf das Apostolikum lautet: „Though this Creed be not of the Apostles immediate framing, yet it may be truly styled Apostolical, not only because it contains the Sum of the Apostles Doctrine, but also, because the Age thereof is so great, that its Birth must be fetched from the very Apostolick Times: It is true, the exact Form of the present Creed cannot pretend to be so ancient by four hundred Years; but a Form not much different from it, was used long before.“65 Dass King auch für diese von ihm postulierte ältere Form keine Zeugen anführen kann, erklärt er mit dem Postulat einer Arkandisziplin.66 Die Entstehung des Apostolikums denkt sich King „successifely through several Hands …; the Composure of it was gradual, and not instantaneous“, und zwar: „First, Some of the Articles therein were derived from the very Days of the Apostles: Secondly, The others were afterwards added by the primitive Doctors and Bishops, in opposition to gross Heresies and Errors that sprung up in the Church.“67 Als Taufanforderungen der Apostel hält er fest: The „Articles of the Existence of God; the Trinity; that Jesus was Christ, or the Saviour of the World; the Remission of Sins; and the Resurrection.“68 Diese Glaubensbedingungen seien jedoch nicht schriftlich niedergelegt worden, sondern mit Ausnahme des Fundaments (King denkt an die Taufe des Eunuchen durch Philippus), „that Jesus of Nazareth was Christ the Messias, and the like“, in Inhalt und Anordnung zur freien Disposition gestanden.69 Alle Zutaten seien an den Orten und zu den Zeiten in das Bekenntnis eingetragen worden, da man sie zur Abwehr von Häresien formuliert habe70 (z.B. das in älteren Bekenntnissen begegnende „ein Gott“ und „ein Jesus“ sei nicht gegen Juden und Heiden, sondern gegen Markioniten, Valentinianer oder Cerdonianer formuliert worden, 61

Vgl. ebd., 22. Vgl. ebd., 23. 63 (P. King), The History, 1737, 27. 28. 64 Ebd., 29. 65 Ebd., 29f. 66 Vgl. ebd., 31; ganz ähnlich die Erklärungsmodelle späterer Theologen, vgl. etwa E. Genzken, Die drei allgemeinen Hauptsymbole, 1880, 17f.; zu weiteren vgl. weiter unten. 67 (P. King), The History, 1737, 32f. 68 Ebd., 34; vgl. F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 12. 69 Ebd., 34f. 70 Vgl. ebd., 38f. 62

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entweder weil sie ein zweites Prinzip angenommen71 oder die im Bekenntnis nachgenannte Schöpfertätigkeit Gottes bestritten hätten72; ebenfalls gegen die vor allem durch Irenäus bekämpften Gnostiker sei die Bezeichnung „Vater“ gerichtet73, gegen diese und gegen Markioniten das „Allmächtig“74 usw.75). Ein besonders auffallendes Beispiel biete auch die Tatsache, dass das Apostolikum zwischen der Empfängnis durch den Heiligen Geist und der Geburt aus Maria, der Jungfrau, unterscheide. Zu dieser Unterscheidung findet King in der Literatur bis zu Augustinus lediglich einen einzigen Parallelbeleg (bei Tertullian) und stellt fest, dass dann, wenn der Geist überhaupt erwähnt wird, dieser nicht von Maria geschieden wird, sondern es etwa heißt: „geboren durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria“.76 Leider verfolgt King diesen auffälligen Befund nicht weiter, sondern begnügt sich damit, die mögliche Gegnerschaft zu einer Empfängnis durch den Heiligen Geist und der Geburt von der Jungfrau Maria herauszuarbeiten, die er wiederum bei Gnostikern und Markioniten entdeckt. Bei der Betrachtung der Höllenfahrt Christi löst sich King vom zweiten Jahrhundert und meint, die Aufnahme dieses Artikels sei sehr spät erfolgt und nur aus einer Reaktion auf Arianer, Eunomianer und Apolinaristen zu erklären.77 Insbesondere gegen Apolinarius sei er in die Bekenntnisse der Jahre 359–360 (4. Synode von Rimini, Synode von Nike, Synode von Konstantinopel) aufgenommen worden, bevor er im Westen in Bekenntnissen rezipiert worden sei.78 Auch bei der Betrachtung des dritten Artikels zu Geist und Kirche prüft er, inwieweit die Bekenntnisaussagen gegen Häretiker des vierten Jahrhunderts gerichtet sein können, gegen Makedonianer, Pneumatomachen usw.79 Die Bedeutung des Symbols aber, das betont King wieder und wieder und belegt es mit eindrucksvollen Beispielen, könne nicht primär aus seinem Rückbezug auf die Schrift (als deren Auslegung) ersehen werden, sondern werde nur erkannt, wenn man herausgefunden habe, gegen welche Irrlehren es im einzelnen gerichtet sei.80 Mit seiner Neueinschätzung der Genese von Bekenntnissen (und insbesondere des Apostolikums) als Antibekenntnisse geht King weit über die älteren dogmatischen Betrachtungsweisen der Symbolentwicklung hinaus. Ein unüber71 Vgl. ebd., 60–68; zu „ein Jesus“ vgl. ebd. 109–142; da diese Zahlbegriffe im Apostolikum nicht mehr begegnen, liegt ein Hinweis darauf vor, dass dieser Text, wenn er aus den von King genannten Gründen nicht älter als die gnostischen Richtungen ist, jünger sein müsste, also aus einer Zeit stammt, in der die Einzigkeit Gottes und Jesu nicht in Frage gestellt wurde. 72 Vgl. ebd., 68f. 73 Vgl. ebd., 71–77. 74 Vgl. ebd., 77–93. 75 Die Auferstehung Christi sei gegen Apelles eingeführt worden (253), das Gericht gegen Cerdon und Markion (254). 76 Vgl. ebd., 145. 77 Vgl. ebd., 169–252, 246. 78 Vgl. ebd., 172f. 239f. 79 Vgl. ebd., 297–387. 80 Vgl. ebd., 40f.

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sehbar aufklärerisches Moment wird bei ihm greifbar. Aus der Neubesinnung auf die evangelische Freiheit und aus der Ungebundenheit des Geistes heraus erklärt sich auch Kings Auffassung, der Ausleger „dürfe sich als evangelischer Christ vorbehalten, es (sc. das Apostolikum) letztlich abzuweisen.“81 Wie bereits Erasmus, so ist auch King der Auffassung, dass die verschiedenen Häresien die Entwicklung der Bekenntnisform herausgefordert hatten, „aber King hat sie (sc. diese Idee) zuerst systematisch durchgeführt und aus der Vagheit, mit der man sie bisher behandelt hatte, zur bestimmten Hypothese, die er durchprobt in allen Einzelheiten, erhoben.“82 Diese antihäretische Erklärung der Entstehung des Symboles ist es vor allem, die Johann Georg Walch an Kings Entwurf rühmt.83 Etwas zurückhaltender als King ist John Ernst Grabe (1666–1711), der Bulls Werke 1703 in London herausgibt, und dessen Thesen mit Anmerkungen auch gegenüber King verteidigt. Der Prägnanz wegen sei hier die Zusammenfassung von Grabes Anmerkungen, die Dörholt gibt, angeführt: „1. das apostolische Symbolum habe schon bei der ältesten Spendung der Taufe mehr enthalten als die Worte der Taufformel, auf welche Episkopius es habe beschränken wollen; 2. dieses Symbolum sei schon bald so gewachsen, dass es bereits zur Zeit der Apostel, und zwar durch ihre Anordnung oder wenigstens mit ihrer Gutheißung, alle Artikel des gegenwärtigen Apostolikums enthalten habe mit Ausnahme der beiden einzigen vom Descensus Christi ad inferos und von der Communio Sanctorum. Er bekämpft wiederholt die Aufstellungen Kings. Der Artikel von der Himmelfahrt Christi könne nicht, wie dieser meine, erst gegen den Marcioniten Apelles ins Symbolum aufgenommen sein, da dieser nicht die Himmelfahrt Christi schlechthin, sondern nur die Aufnahme des Fleisches Christi in den Himmel bestritten habe … Von dem Artikel Qui conceptus est de Spiritu sancto, natus ex Maria virgine meint er, derselbe habe wohl nicht ursprünglich im Taufsymbol gestanden, diese Lehre sei vielmehr anfangs erst nach der Taufe mitgeteilt worden, aber sie sei doch schon bald, als von den Aposteln jedenfalls der hl. Johannes noch gelebt habe, im Gegensatz zu der Irrlehre des Cerinth und der Ebioniten, ins Symbolum aufgenommen worden. Den Artikel von der Auferstehung der Toten lässt er wohl noch etwas früher als den eben genannten ins Symbolum aufgenommen werden, aber gleich anfangs, meint er, auch darin King widersprechend, habe er in demselben nicht gestanden. Der Artikel von der Kirche sei erst spät ins Symbolum gekommen; zur Zeit Tertullians aber habe er jedenfalls schon seinen Platz in demselben gehabt, während von der Communio Sanctorum feststehe, dass sie vor dem 4. Jahrhundert in demselben nicht vorkomme. Endlich weiset er die Vermutung Kings 81

F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 11. Ebd., 12; ebd. 12f. auch noch einige Bemerkungen zum Begriff „Symbol“, wie ihn King auffasste. 83 Vgl. J. G. Walch, Bibliotheca theologia selecta I, 1757, 309; zu weiteren englischen Forschern, die dem Ursprung des Apostolikums auf den Spuren Kings nachgegangen sind vgl. ebd. 309. 82

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zurück, der Artikel vom Descensus Christi ad inferos sei gegen den die menschliche Seele Christi verneinenden Irrtum der Arianer und Apollinaristen ins Symbolum aufgenommen worden. … Er vermutet …, dieser Artikel sei schon gegen die die Unterwelt leugnenden Valentinianer und Marcioniten dem Symbolum eingefügt worden.“84 Nach King, Bull und Grabe, die durchaus eigenständig in den Spuren von Ussher wandelten, ist auch Joseph Bingham (1668–1723) zu nennen. In seinem umfassenden Werk zur Alten Kirche (Origines Ecclesiasticae; or, the Antiquities of the Christian Church), das in den Jahren 1708 bis 1722 erscheint und in lateinischer Übersetzung (Halle 1722–1729) auch auf dem Kontinent wirkt, befasst er sich auch eingehend mit dem Apostolikum.85 Inzwischen ist der Konsens in der kritischen Forschung so weit gediehen, dass Bingham schreiben kann: „It is much to be wondered at, that any knowing person, against such convincing evidence (i. e., dass das Apostolikum nicht von den Aposteln verfasst ist), should labour to maintain the contrary upon no better grounds than only this, that the ancients agree in calling the creed Apostolical. For they do not always intend this particular form, but call all other forms Apostolical – the Nicene creed, the Constantinopolitan creed, the Eastern creeds, the Western creeds, and all others which agree with this in substance, though not in method or expression“.86 Auch Bingham nimmt an, dass bei der Taufe der Gebrauch von „apostolischen Symbolen“, die der Form und nicht der Substanz nach voneinander differierten, auf die Apostel zurückgehe. Weil diese, vom Geist inspiriert, jedoch weder für ihre noch für die künftige Zeit eine normative Formel aufgestellt hätten, fänden sich in den verschiedenen Kirchen auch verschiedene Bekenntnisse. „None of the present forms are exactly the same in expression with those of the apostles.“87 Gegen Episkopius und mit Bull und Grabe nimmt er an, dass in diesen Bekenntnissen nicht nur die Trinität bekannt worden ist.88 Auch die Meinung, das Symbol sei erst im zweiten Jahrhundert entstanden (S. Basnage) und aus dem Kampf gegen Häretiker hervorgegangen (S. Basnage, King), bestreitet er. Er selbst stimmt hingegen mit Grabe überein: „All the articles of the Creed, except these three, ‚The communion of Saints‘‚ ‚The Church‘‚ and the ‚Descent of Christ into hell‘‚ were solemnly professed by the first Christians, in their confessions of faith, in the apostles’ days, by their authority, or at least their approbation. … And it could hardly be that all churches in the world should so unanimously agree in the common confession of so many articles of it, unless it had proceeded from some such authority as

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B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 72f. J. Bingham, Origines Ecclesiasticae, 1708–1722, vol. III, lib. 10, cap. 3, sect. 5–7; vgl. B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 74f. 86 J. Bingham, Origines Ecclesiasticae, 1708–1722, vol. III, lib. 10, cap. 3, sect. 5. 87 Ebd., sect. 6. 88 Ebd., sect. 7. 85

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they all acknowledged.“89 Gleichwohl muss er die Unterschiedlichkeit der verschiedenen Formeln erklären, was er im Rückgriff auf die unter Katholiken verbreitete Meinung von der nur mündlichen Tradierung des Bekenntnisses tut. Die an King anknüpfenden Theologen übergeht Kattenbusch weitgehend, da sich sein eigenes Forscherinteresse gegen Kings Ansatz richtet und er auf die älteren Voss und Ussher rekurriert. Und doch zeigt das mehrfach aufgelegte und ins Lateinische übersetzte Werk von King sowohl in England wie auch auf dem Kontinent seine Wirkung.90 Wichtig ist etwa die Kritik des Jenaer Professors, Johann Franz Buddeus (1667–1729), der unter seinen Zeitgenossen ein aufgrund seiner breiten Gelehrsamkeit angesehener Forscher war.91 Buddeus wendet sich gegen diejenigen, die in den Schriften der frühen Kirchenväter und ebenso bereits im Neuen Testament Spuren von Bekenntnissen aufsuchen, ja die darüber hinaus sogar schon im Alten Testament das Apostolikum zu finden glaubten.92 Überhaupt sieht er kein sicher altes Bekenntnis, da dasjenige des Gregor Thaumaturgus von nicht wenigen in seiner Authentizität bestritten werde.93 „Ecclesiam nimirum romanam iam ante concilium Nicaenum symbolum suum habuisse, ex hisce VIGILII, liv. IV. aduersus Eutychianos colligitur verbis: Vniuersitas profitetur, credere se in Deum patrem omnipotentem, et in Iesum Christum filium eius, dominum nostrum. Huic capitulo, ob id, iste (Eutyches) calumniatur: cur non dixit in VNUM IESVM CHRISTVM filium eius, iuxta Nicaeni decretum concilii? Sed Rema, et antequam Nicaena synodus conueniret, a temporibus apostolorum usque ad nunc, et sub beatae memoriae Caelestino, cui iste rectae fidei testimonium reddidit, ita fidelibus symbolum tradidit: nec praeiudicant verba, vbi sensus incolumnis permanet.“94 Seiner eigenen Meinung nach sei das Bekenntnis zwar nicht erst im vierten Jahrhundert entstanden, das Rufin bekannte römische Symbol sei aber nach dessen Aussage schon recht alt; eben89

Ebd.; vgl. ebd., cap. 4, sect. 12. Hier gilt es vor allem die angelsächsischen Arbeiten einzusehen von: Johannes Forbesius, Thomas Adam, Gregor Ashwell, Richard Baker, John Baker, Gervasius Babington, Petrus Parker, Richard Bernard, John Boys, John Bradford, Richard Byfield, Nic. Byfield, Thomas Cartwright, Christopher Cartwright, John Colet, Arthur Dent, John D’Espaigne, Alexander Gill, Petrus Heylin, John Hooper, Thomas Jackson, William Nicholson, John Northbrook, William Perkins, John Reading, Thomas Roger, John Smith, Jeremias Taylor und Thomas Taylor; vgl. hierzu M. von Kempen, Charismatum sacrorum trias, 1677, 270–276 und J. G. Walch, Bibliotheca theologia selecta I, 1757, 309; zu W. Perkins vgl. I. Breward, A Neglected Protestant Patrology, 1982 = 1993. 91 Vgl. J. F. Buddeus, Isagoge, 1730 (zuerst 1727 erschienen). 92 Ebd., 394–402 (weder aus Ignatius noch aus Irenäus, Tertullian oder anderen sei auf das apostolische Bekenntnis zu schließen); Gelehrte, die bereits im Alten Testament das Apostolikum entdeckten, sind: Der am Stettiner Pädagogium lehrende D. Cramer, Schola prophetica articulorum Symboli Apostolici e Prophetis excerptorum, ed. nova et emendatior, 1685; J. Deutschmann, Symbolum Apostolicum adami protoplasti, 1694, 661–688 (aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung der Botschaft des Alten Testaments mit der Theologie des Apostolikums). 93 Vgl. J. F. Buddeus, Isagoge, 1730, 400. 94 Vgl. ebd., 401. 90

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falls kenne er ein frühes Bekenntnis im Orient, das Ähnlichkeiten mit dem römischen besessen habe, doch müsse man gestehen, dass das älteste uns bekannte Symbol das der gegen Paulus von Samosata im Jahr 270 zusammengetretenen Synode ist.95 Zu nennen ist auch der bereits angeführte, ebenfalls in Jena lehrende Johann Georg Walch. Wie Buddeus beruft er sich unter anderen auf Voss und King und leitet aus diesen ab, dass die Kirche der ersten Jahrhunderte zwar eines Glaubens gewesen sei, doch trotz der Beteuerung in dem berühmten Brief der Mailänder Synode an Siricius nicht ein bestimmtes hervorragendes Symbol besessen habe.96 Weitere Argumente, die Walch vorträgt, sind bereits bekannt: Keineswegs seien die Apostel die Urheber, weil von einer solchen Urheberschaft weder in der Schrift „noch in den Urkunden des christlichen Alterthums etwas anzutreffen“ sei; das Apostolikum beinhalte auch nicht „alle nöthige[n] Glaubenslehren“.97 Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Peter King98 meint Walch: „Von dem wahren und eigentlichen Ursprung dieses Symbols lässt sich zwar nichts mit völliger Gewissheit sagen.“ Dann aber versucht er doch, Kings Meinung mit der älteren Symbolforschung zu harmonisieren, und setzt das gerade Zitierte fort: „Gleichwol aber ist sehr wahrscheinlich, dass nachdem die von Christo vorgeschriebene Taufformel Matth. XXVIII. 19. den Grund dazu geleget und die Tauflinge nach derselbigen ein kurtzes Glaubensbekäntnis gethan, dieses bey Gelegenheit verschiedener entstandenen Ketzereyen, um dieienigen, die getauft werden sollten, dafür zu bewahren, vermehret und nach und nach in diejenige Form gebracht worden in welcher sich solches ietzo befindet.“99 Letztlich glaubt auch er (ganz ähnlich wie King): Da das Apostolikum wie auch andere Symbole und Symbolschriften aus bestimmten Situationen heraus ge95 Vgl. ebd., 399. Doch gibt schon B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 802 zu, dass dieses von Turrianus aufgefundene und von Baronius und Mansi für echt gehaltene Bekenntnis (Hahn/Hahn, BSGR § 151) von anderen „mit beachtenswerten Gründen (in) seine(r) Echtheit bezweifelt“ worden sei. 96 Vgl. J. G. Walch, Introductio in libros ecclesiae lutheranae symbolicos observationibus historicis et theologicis illustrata, 1732, 16f.; Walchs Introductio zusammen mit Buddeus‚ Isagoge und Peter King wirken weiter bei J. L. Mosheim, Institutiones historiae christianae maiores saeculum primum, 1739, 237f. (ebd. 238: „Nullus, vero quidem iudicio, ingeniosius et doctius hac in re demonstranda versatus est, quam Petr. Kingius“); nur eine Erwähnung des Apostolikums begegnet in: ders., Institutionum historiae ecclesiasticae antiquae et recentiores libri quatuor, 1755, 83; zur Wirkung Kings (über Walch und Buddeus) vgl. auch die prägnanten Thesen in: J. A. Ernest, Praelectiones, 1878, 16–25, 17f. (die Vorlesungen wurden jedoch bereits 1778 gehalten, vgl. B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 82); Samuel Th. Wald, Theologiae symbolicae Lutheranae descriptio, Halle 1786; zu nennen ist aber auch ein katholischer Gelehrter, der Benediktiner und Abt von St. Blasien/Schwarzwald, M. Gerbert, Principia theologiae symbolicae, 1758, Sect. I., cap. 1, § 2: „... Symbolum, prout hodie habetur, articulatim apostolis tribui non posse, nec adeo scrupulose ubique aliquid adderetur“. 97 J. G. Walch, Christliches Concordienbuch, 1750, 3. 98 Ebd., 5: Peter King hat es „sich sonderlich angelegen seyn lassen, den Ursprung dieses Glaubensbekäntnisses zu untersuchen und zu zeigen, was die darinnen enthaltene Lehren vor ein Absehen auf gewisse ältere Ketzereyen hätten und welche daher ohne der Kirchenhistorie nicht gründlich könnten ausgelegt und verstanden werden“. 99 Ebd., 4.

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formt und verändert worden seien, gehörten sie nicht zum Wesen der christlichen Religion und der Kirche, seien folglich auch keine hinreichenden und normativen Summarien von deren Glauben: „Wie mögen wir selbiges (sc. das Apostolikum) vor eine hinlängliche Glaubensnorm achten, da es seinen Ursprung nicht von Gott; sondern von Menschen hat“?100 Bekenntnisse seien überhaupt lediglich „bedingungsweise nothwendig“, „weil die Menschen mancherley Lehren, die den Glauben und die Seligkeit betreffen, angenommen und unterschiedene Religionen in der Christenheit entstanden sind; dieienigen aber, welche von der Wahrheit abweichen, sich ebenfals auf die heilige Schrift berufen, dieser äußerlichen Umständen wegen nöthig gewesen, anzuzeigen, was man vor eigenthümliche Lehren bey einer Kirche habe und worinnen man von andern Religionsverwandten abgehe, als wohin die symbolische Schriften eigentliche abzielen.“101 Ähnlich wie J. G. Walch dachte vor ihm bereits der Katholik Louis Ellis Du Pin, was andere Katholiken wie etwa den Religionslehrer am Trierer Gymnasium Peter Meyers († 1868) nicht hinderte, sich ausdrücklich gegen Walch und etwa King zu stellen.102 Aufgrund der älteren Forschung, die extensiv vorgestellt wird, kommt Johann Rudolf Kiesling (1706–1778) zum Schluss, man brauche die römische Auffassung der apostolischen Verfasserschaft des Apostolikums nicht mehr zu behandeln, da diese Meinung schon „millies confutata“ sei, auch wenn Prosper Lambertini und Papst Benedikt XIV. sie „ex puluere Bibliothecae Vaticanae denuo praeter necessitatem eruere studuit“.103 Doch hätten bereits Du Pin und

100

Ebd., 5. Ebd. 102 Vgl. P. Meyers, De symboli apostolici titulo, origine et antiquissimis Ecclesiae temporibus auctoritate dissertatio theologica, 1849, 42. 47f., der sich gegen die ältere Forschung, und insbesondere gegen Walch mit seiner Bibliothek und gegen P. King, wendet; ebd. 149–152 argumentiert er für ein von den Aposteln herstammendes Bekenntnis, das lediglich leicht antihäretisch ergänzt worden sei (durch „creatorem coeli et terrae“ gegen die Gnostiker und gegen weitere Häretiker um die Zusätze „catholicam“ und „vitam aeternam“); auch zerstreut er Bedenken dagegen, dass die Kirche später Zusätze zu dem Apostolikum gemacht habe, mit dem Hinweis auf die Autorität der Kirche und ihr Recht, aus dem von den Aposteln ererbten Glaubensbewusstsein heraus ihre eigene Formel gegenüber Häretikern zu ergänzen; ebenso überzeugt ihn nicht, dass das Bekenntnis des Markell nach Rom gehören soll: „At si nullam ecclesiae Romanae fidei formulam articulum de vita aeterna, e contra omnia orientalia symbola eum continere nec non vocem patrem consideramus, non est, cur existimemus, Marcellum Romae exulem ad se purgandum ab erroribus Sabellianis Romanum symbolum descripsisse, quin etiam, si veraciter egit, orientalem potius fidei formulam eum exhibuisse concludere debeamus“ (ebd., 37f.); vgl. L. E. Du Pin, Nouvelle bibliothèque, 21693, I 9. VI 27; vgl. auch weiter oben zu Du Pin. 103 J. R. Kiesling, Historia, 1753, 10; dass Kieslings Meinung hier polemisch überzogen ist, zeigt etwa das auf Anregung Benedikts XIV. von Th. M. Mamachius erstellte umfangreiche Werk Originum et antiquitatum christianarum, 1749. In Buch I 3141 heißt es in Aufnahme älterer und jüngerer Forschungsergebnisse: „Neque enim symbolum, quod Apostolicum vocatur, in omnibus Ecclesiis jam usque ab antiquissimis temporibus obtinuisset, nisi ab Apostolis virisque Apostolicis, quod ad sententias fere omnes, quas continet, spectat, compositum fuisset. Quod si aliqua erat in verbis diversitas, ea aut exigua erat, aut non erat ejusmodi, ut sententiae vim eamdem non haberent. Non nego articulum 101

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Samuel Basnage gezeigt, was unter allen Lehrern „purioris Ecclesiae“ feststehe, dass das Symbol der Apostel seinen Namen des apostolischen Glaubens und der Lehre willen, die in ihm wiedergegeben seien, trage.104 Nach den Zeugnissen des Irenäus und Tertullian und den Darlegungen von Josef Bingham und Peter King sei unzweifelhaft, dass das Bekenntnis im zweiten Jahrhundert in der Kirche bekannt gewesen sei. Johann Georg Walch habe wiederum nachgewiesen, dass es aus dem Fundament der Taufformel von Mt 28,19 erwachsen sei und die antihäretischen Zusätze die „materiam id augendi atque amplificandi“ geliefert hätten.105 Schließlich habe dieses apostolische Symbol „in Ecclesia tam orientali, quam occidentali communi Christianorum suffragio receptum, pro diuersitate temporum, modo incrementum, modo iacturam quorundam uerborum … passum“.106 Im Jahr 1770 veröffentlicht der Sohn des bereits genannten Johann Georg Walch, der in Göttingen lehrende Christian Wilhelm Franz Walch (1726–1784), der unter anderem vor allem die Ergebnisse Kings kennt, eine umfangreiche Bibliothek der älteren Symbole, die die älteren Sammlungen ablöst und deren Anlage bereits Programm ist.107 Walchs Sammlung ist für das zweite und dritte Jahrhundert zeitlich strukturiert, ohne dass zwischen Glaubensregeln und Symaliquem, quod ita ratio instituendi novos Orthodoxos contra haereticos nonnullos posceret, fuisse additum. Sed id additamentum non efficit, ut Apostolis symbolum omnino adscribi non possit.“ 104 J. R. Kiesling, Historia, 1753, 10f. 105 Ebd., 11f.; dieser Meinung Walchs ist auch Thomas Ittig beigetreten (der im übrigen stark von King abhängig ist) und ähnlich lehrt auch Georg Bull (vgl. ebd. 52f.); Ittig wundert sich, dass die Lutheraner, Katholiken und Calvinisten nicht den Widerspruch erkennen, wenn sie Erweiterungen am Bekenntnis annehmen, zugleich aber dessen apostolischen Ursprung behaupten, vgl. Th. Ittig, Historiae ecclesiasticae primi a Christo nato seculi selecta capita, 1709, 78; ähnlich wie Ittig übrigens denkt auch J. F. Buddeus, Isagoge historico-theologica ad theologiam universam, 1730 (zuerst 1727 erschienen), 394 (vgl. im Haupttext). 106 J. R. Kiesling, Historia, 1753, 54. 107 Chr. W. F. Walch, Bibliotheca symbolica vetus ex monimentis quinque priorum seculorum maxime collecta et observationibus historicis ac criticis illustrata, 1770, 6; F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 15 urteilt: „Das Buch war sorgfältig und bringt u.a. auch die Textkritik der Formeln in Anregung“, doch auch auf ihn geht Kattenbusch sonst nicht näher ein; auch ein anderer Sohn Johann Georg Walchs, nämlich Johann Ernst Immanuel Walch, trat in der Erforschung des Apostolikumss hervor, vgl. ders., Antiquitates symbolicae, 1772 (ebd., 3–14 leitet er die Verwendung des Begriffes „symbolum“ im Christentum aus der Nachahmung antiker Mysterienvereine her; ebd., 15–26 handelt er über die Verwendung von „symbola“ im Militärbereich, ebd., 27–41 über den Gebrauch von „symbola“ als Zeichen der Verbundenheit bei den alten Griechen, ebd., 45–54 bei den Römern und ebd., 55–66 überhaupt bei den Alten; ebd., 67–82 geht er dann auf die spezielle Bezeichnung „symbolum apostolicum“ ein und schließt [ebd., 80]: „Quis non videt, quam infirmo, quam lubrico fundamento eorum sententia innitatur, qui symbolum apostolicum a symbolis veterum conuiualibus nomen accepisse, sibi persuaserunt“); an älteren Symbolsammlungen sind zu nennen: P. Zornius, Nova collectio plus quam sexaginta symbolorum seu confessionum fidei, quas in veteri ecclesia inde a primis saeculis usque ad duodecimum haeretici vel viri alii patribus suspecti in tanta sensuum de sacris discrepantia edidere, 1706; J. Bingham, Origines Ecclesiasticae, 1708–1722, vol. III, lib. 10, cap. 3, sect. 4; W. Whiston, Primitive christianity reviv’d, vol. 4, 1711 (bes. Appendix to the Fourth Volume); J. G. Eccardus, Incerti Monachi Weissenburgensis Catechesis Theotisca, 1713 (mit mehreren altdeutschen Symbolen).

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bolen geschieden würde, für das vierte und fünfte Jahrhundert hingegen gliedert sie sich nach verschiedenen Gattungen. Es liegt folgende Gliederung vor: – Die „Classis prima“ (S. 3–36) versammelt: „Symbola, quae in monimentis patrum seculi secundi et tertii supersunt“; – die „Classis secunda“ (S. 37–74): „Symbola ecclesiarum variarum publica“ (= „symbola inter baptismi caerimonias recepta“); – die „Classis tertia“ (S. 75–155): „Symbola in synodis ad controversias religiosas componendas condita“; – die „Classis quarta“ (S. 156–216): „Symbola a doctoribus privatis composita“. Die erste Klasse enthält demnach eine Reihe von Bekenntnisformeln, die keine anderen Gemeinsamkeiten besitzen, als dass sie verschiedenste Summarien des Glaubens darstellen, wie sie unterschiedlich bei Irenäus,108 Tertullian,109 Origenes,110 Cyprian,111 Gregor Thaumaturgus,112 in den Apostolischen Konstitutionen,113 in zwei antiochenischen gegen Paulus von Samosata versammelten Synoden,114 bei dem Märtyrer Lukian115 und fragmentarisch bei Novatian116 zu finden seien. Ein eigenes Genus „Symbol“ ist folglich nach Walch in dieser Zeit noch gar nicht greifbar und wird von ihm wohl lediglich aus heuristischen Gründen bereits an dieser Stelle als Begriff in die Sammlung eingeführt. In der zweiten Klasse vereint Walch Symbole, die für ihn Taufbekenntnisse im eigentlichen Sinne sind und aus der Zeit nach dem dritten Jahrhundert stammen. Ältere habe er nicht gefunden. Gleichwohl vertritt er die Meinung, dass das von Rufin bezeugte und aus seiner Schrift zu extrapolierende apostolische Symbol älter sei als das Nizänum.117 Als „symbola publica“ bezeichnet Walch die in der zweiten Klasse versammelten Symbole, weil sie seiner Meinung nach öffentlich von den Täuflingen bekannt worden sind, also Ortstradition verraten, während die in der dritten und vierten Klasse notierten Bekenntnisse aus theologischen Streitigkeiten heraus geboren seien und spezifischerweise in diese hinein gehörten. Ortstradition begegne allerdings auch hier

108 Chr. W. F. Walch, Bibliotheca, 1770, 3–7 werden die Formulierungen aus Iren., Adv. haer. I 10 und III 4 mitgeteilt und auf V 20 hingewiesen. 109 Chr. W. F. Walch, Bibliotheca, 1770, 7–10; zitiert werden Tert., De virg. vel. 1; ders., Adv. Prax. 2; ders., De praescr. 13. 110 Chr. W. F. Walch, Bibliotheca, 1770, 10–12; zitiert werden Orig., De princ. praef. 4; Adam., Dial. de recta fide. 111 Chr. W. F. Walch, Bibliotheca, 1770, 12–14; Cypr., Ep. 76 (ad Magnum); Cypr. et alii, Ep. der Synode von Karthago. 112 Chr. W. F. Walch, Bibliotheca, 1770, 14–21. 113 Ebd., 21–23 114 Ebd., 23–28. 115 Ebd., 29–35. 116 Ebd., 35f. 117 Ebd., 40.

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beispielsweise im Bekenntnis Eusebs, das Walch als „Symbolum ecclesiae caesareensis ex Eusebio“ bezeichnet.118 In der dritten Klasse begegnen zunächst Synodalsymbole. Sie seien kontroverstheologischen Ursprungs. Anders als die beiden von Walch für antiochenisch gehaltenen Symbole des dritten Jahrhunderts, die in der ersten Klasse begegnen, in der Tat prosaischen Charakter haben und denen die Kürze und Prägnanz fehlen, welche meist spätere Synodalsymbole auszeichnen, findet er erstmals im vierten Jahrhundert ein eigentliches Genus des Synodalsymbols. Gleichzeitig stößt er aber auch auf das Privatsymbol, mit welchem sich Theologen in Lehrstreitigkeiten ausdrückten. Solche Privatsymbole versammelt Walch in einer eigenen, vierten Klasse. In Bezug auf das Bekenntnis in Markells Brief an Julius urteilt er: „Romanum quidem se symbolum tradere, nunquam dixit Marcellus, at, quodsi expendimus, cum eundem exhibere vere symbolum publicum et baptismale, quod omnibus Nicaeni additamentis caret, tum eum Romae vixisse et Romanis doctrinae suae integritatem commendare voluisse, tum denique, quamvis is ex oriente venerit, nihilominus symbolum propius accedere ad Romanum, quale Rufinus ad nos transmisit, si ab uno vitae aeternae dogmate et patris nomine, librariorum fortasse culpa omisso, discesseris, quam ad quaevis orientalia, nullam sane videmus subesse caussam viris doctis contradicendi, qui Marcellum Romano symbolo hoc loco usum esse, arbitrati sunt.“119 Walch schreibt demnach die Hypothese Usshers fort, auch wenn er noch einmal herausstellt, dass Markell selbst nichts von einer Übernahme eines römischen Bekenntnisses in seinem Brief berichtet. Nach Walch bricht zwischen Verfechtern der Autorität des Apostolikums und Bestreitern derselben in der Allgemeinen Kirchen-Zeitung der Jahre 1829–1835 ein Streit auf. Dahinter stehen historische und kirchenpolitische Beweggründe. Im Februar 1820 beschließen nämlich die beiden protestantischen Konfessionen im Fürstentum Lichtenberg auf ihrer Synode zu Baumholder in einer Vereinigungsurkunde, was durch herzogliches Reskript vom 21. Juli desselben Jahres bestätigt worden war: „Die protest. evang. christl. Kirche nimmt das allgem. christl. apostolische Glaubensbekenntniß als kurzen Inbegriff ihrer Grundlehren, und deswegen als Lehrtypus an.“120 Diesem Entscheid sind ähnliche Unionsbeschlüsse in anderen Ländern des Deutschen Bundes vorausgegangen. Vor allem war es die Initiative Friedrich Wilhelm III. in Preußen, der anlässlich des Reformationsjubiläums vom Jahr 1817 das bereits ältere Unionsvorhaben hatte umsetzen lassen. Dabei fand er Unterstützung auch von Theologen. Besonders zu nennen ist Friedrich Schleiermacher (1768–1834), der in seiner Schrift „Ueber den eigenthümlichen Werth und das bindende Ansehen symbolischer Bücher“ vom Jahr 1819 von einer lehrgesetzlichen Geltung des 118 119 120

Ebd. Ebd., 57f. Zit. nach: E. Köllner, Symbolik der lutherischen Kirche, 1837, 23; vgl. AKZ 1835, Nr. 186.

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Bekenntnisses Abstand genommen hatte.121 Die protestantischen Symbole sollten nicht länger kirchentrennend sein. Darum dürften sie, wenn man ihnen nicht alles eigentümliche Ansehen absprechen wollte, nicht buchstäblich verstanden werden. Wenn dennoch auf diese Bekenntnisse hin ordiniert werde, so dürfe das von den Ordinierten Bekannte nicht wörtlich verstanden werden. Vielmehr müsse man die Bekenntnisse ihrem Sinn nach interpretieren. Es komme also auf ihren Geist an, nämlich auf die zentralen Artikel von der Rechtfertigung und den guten Werken, von der Kirche und der kirchlichen Gewalt, von der Messe, vom Dienst der Heiligen und von den Gelübden gegenüber den Irrtümern und Missbräuchen der römischen Kirche. Nicht der innerprotestantische Unterschied sei bedeutsam, sondern die gemeinsame Differenz zwischen Evangelischer und Katholischer Kirche.122 Und da dieser Gegensatz den lutherischen wie reformierten Bekenntnissen gemeinsam sei, entspreche eine Union durchaus dem Geist all dieser Bekenntnisschriften. Schleiermachers Ansatz wie auch derjenige des genannten Beschlusses der beiden protestantischen Konfessionen im Fürstentum Lichtenberg liegt auf der Linie, die im siebzehnten Jahrhundert Georg Calixt empfohlen hat.123 Doch die Kritiker an solcher Relativierung der innerprotestantischen Konfessionsunterschiede lassen nicht auf sich warten. In zwei Aufsätzen in der Allgemeinen Kirchen-Zeitung des Jahres 1834 (Nr. 87) wird das Apostolikum aus dogmatischen Gründen kritisiert; vor allem die Lehre von der Zeugung Christi aus dem Heiligen Geist, die nicht schriftgemäß sei, und die Höllenfahrt Christi erregen Anstoß. Daran schließt sich jedoch eine viel grundsätzlichere Kritik am Apostolikum an: Dieses „sey nicht bestimmt in s. Ausdrücken und nicht allseitig … Der Verf. will es gar nicht mehr gebraucht wissen: Imo jam longo ex tempore, quotiescunque audiebamus, tam male hoc symbolo afficiebamur, ut maxime optaremus, ut omnis ejus in ecclesia evangelica abrogaretur usus.“124 Als durchaus gewichtige Gründe werden angeführt: „1) keine gute Ordnung, … 2) die einzelnen Artikel seyen nicht gleichmäßig behandelt (zu wenig von Gott u. d. h. G., zu viel von Christus).“125 Trotz dieser nicht von der Hand zu weisenden Argumente hält Köllner entgegen: „Was den zweiten Artikel betrifft, so hatte er nicht die Absicht, die ‚Lehre Christi‘ anzugeben, wie denn überhaupt das ganze Symb. nicht den Zweck hat, die Lehren des Christenthums in irgend einem Zusammenhange darzustellen, sondern er soll bloß aussagen, was der Christ von der historischen Person 121

Wohl wissend um die jüngere Diskussion, die von Lessing ausging, und auch die ältere zwischen Calixt und Calov, vgl. F. Schleiermacher, Ueber den eigenthümlichen Werth und das bindende Ansehen symbolischer Bücher (1819), 1846, 425f. 122 Vgl. F. Schleiermacher, Ueber den eigenthümlichen Werth und das bindende Ansehen symbolischer Bücher (1819), 1846, 450f. 123 Vgl. weiter oben zu G. Calixt; dass sich Schleiermacher dieser Tradition bewusst ist, wurde in der vorvorherigen Fußnote vermerkt. 124 So das Referat bei: E. Köllner, Symbolik der lutherischen Kirche, 1837, 24. 125 Ebd.

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Christi zu glauben und zu bekennen habe. Darum sind die Thatsachen des Lebens Jesu zusammengestellt, und zwar so, dass zugleich den gnostischen und doketischen Irrthümern jener Zeit der Weg versperrt werden sollte.“126 Doch auch wenn man Köllner zugestehen wird, dass das Symbol kein dogmatisches Kompendium, sondern in erster Linie ein Summarium der Heilsökonomie sein will, so ist doch die Beobachtung des Kritikers richtig, dass im Apostolikum die Lehre von Gott und dem Geist gegenüber der von Christus unproportional schmal ausfällt.127 Der Kritiker weiß noch weitere Einwände zu nennen: Das Apostolikum sei nicht bestimmt genug, etwa in den Formulierungen „dominus“, „sedet ad dextram patris“, „credo in ecclesiam sanctam catholicam“, „credere communionem sanctorum“; außerdem kämen die Hauptlehren des Christentums wie etwa die Wesenseigenschaften Gottes gar nicht vor, und man vermisse auch die „moralia“, die „sanctitas“, die „sapientia“ usw. Der genannte Eduard Köllner, außerordentlicher Professor der Theologie zu Göttingen, will über diese Kritik grundsätzlich hinausführen, indem er sich vor allem mit King auseinandersetzt.128 Als erstes behandelt er die „Sage“ über den Ursprung des Symbols. Er bringt folgende neun Gründe für deren „Unrichtigkeit“ vor: „Es spricht gegen sie: 1) das Stillschweigen des N.T. von jener gemeinschaftlichen Abfassung des Symbols. 2) das gänzliche Schweigen aller Väter bis fast zum 5. Jahrhundert. 3) nicht nur dass Ruffin. das Ganze als Sage erzählt, man kann mit Recht zweifeln, ob er sie selbst geglaubt habe. 4) selbst die unzähligen Synoden und Concilien der ersten Zeit geben keine Spur des Glaubens an jene gemeinschaftliche Abfassung. 5) nur die Lateiner haben die Sage. 6) die vielen Abweichungen nicht nur der Meinungen über die Art und den Zweck der Abfassung, insbesondere die Abweichung in der Vertheilung der einzelnen Beiträge, sondern auch in der Formel selbst. 7) wo man neue Symbole gemacht hat, ist es geschehen, ohne des Apostolischen zu erwähnen, geschweige jener Entstehung. 8) die Zeugnisse, welche man für die Sage anführen könnte, sind entweder unächt, oder so späten Ursprungs, dass sie eben selbst des Beweises bedürfen. 9) endlich spricht gegen die Sage die große Leichtigkeit, wie man ihre Entstehung begreift.“129 126

Ebd. Zu einer Erläuterung von diesem Umstand vgl. M. Vinzent, Zur Entstehung des „römischen“ Bekenntnisses, 1999. 128 Vgl. E. Köllner, Symbolik der lutherischen Kirche, 1837, 6–28; auch F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 15f. räumt ihm breiten Raum ein. 129 E. Köllner, Symbolik der lutherischen Kirche, 1837, 9. 127

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Was Köllner hier gegen die frühe Entstehung der Sage an Argumenten vorträgt und in Anmerkungen reichlich belegt, spricht teilweise natürlich auch gegen eine frühe Entstehung des Apostolikums überhaupt. Dies gilt vor allem für die Nummern 1, 2, 4 (so auch bezüglich des Apostolikums, cf. Nr. 7), 5 (trifft auch auf das Apostolikum zu), 7, 8 (trifft auch auf das Apostolikum zu). Und in der Tat kritisiert Köllner auch ältere Vorstellungen von einer Rückdatierung des Apostolikums in die Zeit der Apostel oder Apostelschüler. In dieser Zeit hätten die Apostel lediglich „zur Bekenntnißformel“ gemacht, was Mt 28,19 vom Herrn geboten wurde. Dies belegten die erhaltenen Tauffragen. Aus dieser Taufbefragung, den Fragen wie den darauf gegebenen Antworten, sei das Apostolikum entstanden, nachdem der ursprünglich alleinige Zweck der Bekenntnisformeln, „die Aufnahme in’s Christenthum“, eine allmähliche Änderung in Umfang und Inhalt derselben bewirkt habe: „Je mehr und mehr nun aber das Christentum als solches in Gegensatz zu den anderen Religionen trat, um so mehr suchte man diesen selbst in der Aufnahmsformel auszudrücken. Daher nun (entstand) ganz unwillkürlich eine Erweiterung der Formel. Aber immer ist nun noch die Zusammenfassung der Hauptglaubensartikel die Hauptsache.“130 Der Sache nach, nicht dem Namen und der Form nach, sieht Köllner das Symbolum etwa bei Irenäus, Tertullian, Origenes und Augustinus vorliegen. Nach dem ersten Gegensatz, der bekenntnisbildend gewirkt habe, nämlich dem Gegensatz des Christentums gegenüber den anderen Religionen, macht Köllner (wie ähnlich bereits vor ihm Gottfried Arnold) noch einen zweiten bekenntnisfördernden Gegensatz aus, den er „nach innen“ gerichtet sieht. Mit dem Erwachen eines „dogmatische(n) Geist(es)“ sei „Streit in der Kirche“ entstanden.131 Das erste „Symbol“, von dem Köllner spricht, das bei diesem Streit entstand, sei dasjenige von Nizäa. „Gleichwohl“, fährt Köllner fort, „behielt man die apostolische Formel (nicht zu verwechseln mit dem Apostolikum!) nicht nur bei …, sondern sie erhielt nun eben nothwendig im Gegensatz zur neuen eine um so größere Bedeutung, aber auch ganz natürlich einen anderen Namen und eine erweiterte Bestimmung. … Aus der Glaubenssumme zur Aufnahme wurde sie ein Bekenntniß gegen die Nichtchristen und Ketzer; dieß anzudeuten, wurde nun wohl unvermeidlich der Name symbolum der gewöhnliche, – zur Einschließung des Ursprungs und der nothwendig gewordenen Unterscheidung von der neuen dogmatische Formel, – symbolum apostolicum.“132 Doch damit stehe man noch nicht beim Apostolikum. Köllner schreibt: „Mehr zur Einheit hin drängte sodann … der Gegensatz zur neuen Formel, ohne jedoch die Freiheit im Einzelnen nach obigen Änderungsgründen aufzuheben. So erklären sich auch noch die späteren Abweichungen und Zusätze, während andere, z.B. die römische Kirche, mehr auf die einmal überkommene Form hielten und keine 130 131 132

Ebd., 15. Ebd. Ebd., 15f.

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Veränderung wollten … Nach dem Vorigen kann von einem sogenannten Originale nicht die Rede seyn; die Formeln, in steter Umbildung begriffen, gehen griechisch und lateinisch nebeneinander weg. … Die Form, in der das Symbolum jetzt gangbar ist, scheint erst sehr spät entstanden.“133 Köllner meint, dass folglich bis zu den theologischen Streitigkeiten des vierten Jahrhunderts kein Symbol, auch keine weitgehend unveränderte, normative Taufformel existiert habe. Womit man ihm zufolge zu rechnen habe, sei eine verschiedentlich variierte Form der an Mt 28,19 angelehnten Tauffragen und –antworten, die sich erst aus den inneren kirchlichen Gegensätzen, die auf Synoden und Konzilien des vierten Jahrhunderts zu Tage traten, zu antihäretischen Symbolen entwickelt und verfestigt hätten. Einer dieser so von der Taufformel und Tauffrage zum Taufsymbol avancierten Texte sei ein römischer gewesen, der für die weitere Entwicklung im Westen dann „die Grundlage“ zu bilden schien, ohne dass dieser damals bereits selbst in Rom alleinvorherrschend gewesen wäre: „Nach der Verbindung Roms mit dem ganzen Westen ging das römische Symbolum dort hinüber, und hat dort in der Africanischen, Gallischen und Spanischen Kirche allmählich die Form erhalten, in der wir es jetzt haben, und in der es, ungewiß, wann, wie, allgemein Geltung im Occident erlangte, und dann zurückwirkend auch in Rom Eingang fand. … Die Vollendung unserer jetzigen Formel scheint also in das 6. und 7. sec. zu fallen“.134 Entsprechend seiner Erklärung der Genese des Apostolikums aus zwei Gegensätzen heraus beurteilt Köllner auch Inhalt und Zweck desselben. Da der Text zunächst in diesem oder einem anderen Zuschnitt als Aufnahmeformel in die Kirche gedient und erst später antihäretische Spitzen erhalten habe, könne man auch „nur sehr wenige Zusätze … als zu dem bewußten Zwecke, einzelnen bestimmten Irrlehren entgegen zu treten, (angeben)“.135 In der Anmerkung präzisiert er: „Als Bestreitung bestimmter ketzerischer Ansichten dürften mit Recht nur folgende Zusätze angesehen werden: 1) der Artikel von der Kirche: sanctam ecclesiam catholicam. Hier liegt der Ausschluß der Ketzer zum Grunde, schon angedeutet von Cyprian …; insbesondere das Wort catholicam (wurde) von Augustin gegen die Donatisten hinzugefügt … – 2) die Worte sanctorum communionem und remissionem peccatorum. Sie gehören wohl zusammen und sollen den Montanisten und Novatianern entgegengesetzt, bedeuten: die wahre Kirche habe allerdings den Zweck, durchaus rein und heilig zu seyn, solle aber doch auch die Fehlenden nicht, wie jene wollten, mit Härte ganz von sich ausscheiden und verstoßen.“136 Was die Aktualität des Apostolikums betrifft, so gesteht Köllner mit Bretschneider ein, dass es eine offene Frage ist, „ob die Auswahl der Thatsachen des Lebens Jesu, welche das Bekenntniß nennt, für 133 134 135 136

Ebd., 16. Ebd., 19. Ebd., 21. Ebd., 21.

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unsere Zeit eine ganz zweckmäßige sey, und ob nicht noch Manches, was fehlt, hinzugesetzt, dagegen aber Einiges weggelassen werden könnte.“137 Bretschneiders und Köllners Antwort: „Mag man aber hierüber urteilen wie man will, so ist doch gewiß, dass die im Symb. erwähnten Momente alle aus dem N.T. gezogen und mit dessen Ausdrücken angegeben sind, und dass daher ihre Angabe in einem allgemeinen Symbole des christl. Volkes nicht verwerflich erscheinen kann, am wenigsten in einer Kirche, welche die h. Schrift als die Quelle ihres Glaubens und Bekenntnisses anerkennt.“138 Das hindere nicht, fährt Köllner fort, zwischen Wesentlichem und späteren Zusätzen im Symbol zu unterscheiden; zu Letzterem, was darum nicht im selben Maß wie das Wesentliche „für das höchste und heiligste (zu) halten“ sei, dürfe man „vielleicht … auch die Empfängnis vom heiligen Geist“ rechnen, „unbedingt“ aber gehöre zu diesen Zusätzen die Höllenfahrt. Andere Teile des Symbols müssten aus der Schrift heraus „richtiger verstanden werden …, als es von den Verfassern des Symbolums selbst, und dann meist in der Kirche geschehen ist;“139 hierzu gehörten „der adscensus ad coelos, die sessio ad dextram Dei, der reditus ad judicium, die resurrectio carnis.“140

137

Ebd., 24; zu Bretschneider vgl. weiter oben. Bretschneider, Allgemeine Kirchen-Zeitung, zit. von E. Köllner, Symbolik der lutherischen Kirche, 1837, 24f. 139 E. Köllner, Symbolik der lutherischen Kirche, 1837, 22. 140 Ebd., 27. 138

Vierter Teil Die Differenzierung zwischen Glaubensregel, Symbol und Schrift und die Vorordnung der Glaubensregel

Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781) markiert einen Einschnitt in der Forschungsgeschichte, steht aber zugleich auch für eine bislang nicht deutlich genug gesehene Kontinuität. In der Tradition von Calixt hatte wenige Jahre vor Lessing Friedrich Germanus Lüdke (1730–1792) die Autorität der Symbole gegenüber der Schrift relativiert, und zwar mit Blick auf die Vernunft und, wie es dem Kenner der Materie auffällt,1 gegen den Hamburger Pastor Johann Melchior Goeze: „Man lehre nur das Christenthum lediglich nach der Schrift in seiner göttlichen Einfalt, so wird der wahre Philosoph, wenn er so demüthig und rechtschaffen, als klug und gelehrt ist, sich desselben nimmermehr zu schämen haben.“2 Was dieses Prinzip der sola scriptura für die Bekenntnisse zu bedeuten habe, sagt Lüdke an früherer Stelle: „Meines Bedünkens bleibt es ein sehr grosser Fehler, dass unsre strengen Eiferer um die vermeinte Reinigkeit der Lehre, wenn jemand diesen und jenen Lehrsatz aus den symbolischen Büchern als unrichtig verwirft, nicht erst die Schrift fragen, und darnach beurtheilen, ob ihn die Verfasser jener Bücher auch recht bestimt haben, sondern ihn schon immer als richtig ausgemacht voraussetzen und denn bemüht sind, ihn aus der Bibel heraus zu erklären; oder wenn das auf eine ungezwungene Art nicht angehen will, alsdenn auf allerhand Spitzfündigkeiten fallen und Gründe hervorsuchen, wodurch sie ihn schützen oder ihm einen solchen Sinn geben können, dass er doch vernünftig und biblisch heraus komme. … Man solte doch, um richtig zu beurtheilen, ob dieser oder jener Lehrsatz einer Kirche, wahr oder falsch sey, einmal überall vergessen, dass es eine Formula Concordiae und eine Synode von Dordrecht gäbe, und dann sehen; was man aus der heiligen Schrift und den Zusammenhange der darin augenscheinlich gegründeten Wahrheiten herausbrächte, alsdenn würde der Streitsucht und der Sektirerei unter den protestantischen Christen weit weniger seyn.“3 Der von Lüdke avisierte Hamburger Pastor Goeze antwortete prompt,4 worauf Lüdke 1

Vgl. H. Schultze, Toleranz und Orthodoxie, 1962, 199. (F. G. Lüdke), Vom falschen Religionseifer, 1767, 137. 3 Ebd., 109–111. 4 Noch bevor er das eigentliche Buch in der Hand hat, antwortet Goeze auf das, was er in einer Rezension des Werkes gelesen hat: J. M. Goeze, Nötige Anmerkungen, 1768; ausführlicher reagiert er dann in der größeren Schrift ders., Die gute Sache des wahren Religions-Eifers, 1770. 2

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eine weitere Schrift ausgehen lässt, in der er seine auf Schrift und Vernunft gegründeten Toleranzgedanken nochmals ausführlich begründet.5 Auch Lessing, der mit demselben Pastor den berühmten „Fragmentenstreit“ ausfechten wird, geht aus von seiner ordentlichen Kenntnis der lutherischen Orthodoxie, knüpft an die Ideen Calixts an und entwickelt diese weiter. Im Unterschied zu den ersten Reformatoren, zu Abraham Calov und auch Lüdke lehrt Lessing jedoch nicht, die Glaubensregel sei gegenüber der Schrift zu relativieren, sondern, um vieles radikaler, die Schrift stehe der Glaubensregel nach. Er dreht damit das gewohnte Autoritätsverhältnis erstmals um. Nicht das Bekenntnis sei ein Auszug aus der Schrift, sondern von der Glaubensregel sei die Entwicklung des Kanons und die Auswahl der Heiligen Schrift bestimmt, und jene habe darum die Gestaltung und Gestalt von Kanon und Schrift geprägt. Lessing formuliert apologetisch spitz:6 „Diese Regula fidei war, ehe noch ein einziges Buch des Neuen Testaments existierte.“7 Und: „Diese Regula fidei ist so gar älter als die Kirche.“8 Und: „Mit dieser Regula fidei haben sich nicht allein die ersten Christen, bey Lebzeiten der Apostel, begnügt: sondern auch die nachfolgenden Christen der ganzen ersten vier Jahrhunderte, haben sie für vollkommen hinlänglich zum Christenthume gehalten.“9 Und: „Das Mehrere, was sie (sc. die Schriften des Neuen Testaments) über die Regula fidei enthalten, ist nach dem Geiste der ersten vier Jahrhunderte, zur Seligkeit nicht nothwendig; kann wahr und falsch seyn; kann so oder so verstanden werden.“10 Ihrerseits dürfe man die Glaubensregel nicht gleichsetzen mit dem Apostolikum, da dieses erst nach dem vierten Jahrhundert entstanden sei, sondern sie umfasse die Glaubenslehren, welche in den Symbolen der ersten vier Jahrhunderte enthalten sind; „der Inbegriff jener Glaubensbekenntnisse heisst bei den Vätern regula fidei“.11 Lessings Auffassungen sind ihm aus der mehrmaligen Lektüre der vornizänischen Väter erwachsen, sie stoßen allerdings auf heftigen Widerspruch.12 5 F. G. Lüdke, Ueber Toleranz und Gewissensfreiheit insofern der rechtmäßige Religionseifer sie befördert, und der unrechtmäßige sie verhindert, 1774. 6 G. E. Lessing, Nöthige Antwort auf eine sehr unnöthige Frage des Herrn Hauptpastor Goeze, in Hamburg, 1778 (= ders., Sämtliche Werke XIII, 1979, 329–336). 7 Ebd. 333, These 3; vgl. These 6. 8 Ebd. These 4. 9 Ebd. These 5. 10 Ebd. 335, These 20. 11 Ebd. 333, These 1; vgl. F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 16. 12 Vgl. Chr. W. Fr. Walch, Kritische Untersuchung vom Gebrauch der heiligen Schrift unter den alten Christen in den vier ersten Jahrhunderten, 1779, 23–26. Walchs Gegenthese lautet (ebd. 169): „Die öffentlichen Glaubensbekenntnisse und Taufsymbola sind nur Samlungen biblischer Lehren. Diese sind wahr, weil sie in der Bibel stehen, und sie müssen auch aus der Bibel bewiesen werden“.

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Christian Wilhelm Franz Walch stellt ihm gegenüber heraus, dass die Regula fidei und ausgeweitete Bekenntnisse nicht vor dem Ende des zweiten Jahrhunderts anzutreffen seien: „Wer sie älter machet, saget nicht historische Wahrheit, sondern Conjectur und Hypothese.“13 Zum Charakter der Bekenntnisse führt er aus: „Diese vermehrten Glaubensbekenntnisse bezogen sich daher nicht darauf, dass diejenigen, welche Christen würden, aus ihnen die Religionslehren lernen, oder sich von ihrer Wahrheit überzeugen sollten; sondern einmal, dass sie die den Ketzereyen entgegenstehenden Unterscheidungslehren, als solche, kennen möchten … Und gerade in dieser Absicht wird vorzüglich von den ältern Lehrern dieses Taufsymbolum eine Regel der Wahrheit und des Glaubens genennet.“14 Er schließt daraus: „Endlich die Taufsymbola sind niemals die Regel gewesen, wornach man den göttlichen Ursprung und das kanonische Ansehen eines biblischen Buchs beurtheilet. Vielmehr war das Ansehen des Symboli vom Ansehen der heiligen Schrift schlechterdings abhängig.“15 Lessing wäre nicht Lessing gewesen, wenn er auf diese Einlassungen Walchs nicht wiederum mit spitzer Feder geantwortet hätte. Unter seinen „Sogenannte(n) Briefe(n) an verschiedene Gottesgelehrte“ findet sich auch ein ausführliches Schreiben „An den Herrn Doktor Walch“, dem eine „Ausschweifung über das GlaubensBekenntniß der ersten Christen“ angehängt ist. Darin präzisiert Lessing kurz vor seinem Tode die früher von ihm aufgestellten Thesen zum Verhältnis von Regula fidei und Schrift: „Es sey immerhin noch so wahrscheinlich, dass die Anerkennung der von Christo Matth. 28,19 vorgeschriebenen Taufformel Anfangs hinlänglich gewesen, denen die sich zu Christo bekennen wollten, die Taufe wiederfahren zu lassen.“16 Christus habe aber über diese Taufformel hinaus wahrscheinlich „einen kurzen Inbegrif von dem hinterlassen, was sie (sc. die Apostel) künftig von ihm lehren sollten.“17 Letztlich spreche schon Gal 2,2 für die Existenz einer Regula fidei.18 Trotz Walchs Einrede zeigt Lessings Umkehrung der Autoritätsverhältnisse (Regula fidei vor Schrift) durchaus ihre Wirkung,19 wie man an der Reaktion 13

Ebd., 207. Ebd., 208f. 15 Ebd., 213. 16 In: G. E. Lessing, Sämtliche Werke XVI, 1802 (1979), 513; zu anderen aufklärerischen Versuchen, etwa in Herders Credo-Transposition in seiner Schrift „Von Religion, Lehrmeinungen und Gebräuchen“, in Goethes Bekenntnis der Leiter der „pädagogischen Provinz“ aus Wilhelm Meisters Wanderjahren, in Fichtes Bestimmung des Menschen und Schleiermachers Reden vgl. A. Peters, Moderne evangelische Glaubensbekenntnisse und katholische Kurzformeln des Glaubens, 1973, 235–237. 17 Ebd. 513f. 18 Vgl. ebd. 514f.; die Diskussion wurde an zwei weiteren Stellen anonym weitergeführt, auf die F. Delbrück, Philipp Melanchthon, 1826, 188–190 hinweist und eingeht, zum einen in: Beyträge zur Beförderung des vernünftigen Denkens in der Religion, Frankfurt/Leipzig 1780, 1. Heft, 160 (pro Lessing, contra Walch); zum anderen: Allgemeine deutsche Bibliothek, Bd. 50, Berlin 1782, 44 (contra Lessing, pro Walch). 19 Hier ist F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 17 zu skeptisch, obwohl er ausführlich auf F. Delbrück zu sprechen kommt. 14

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Johann Gottfried von Herders (1744–1803), dem anhebenden Apostolikumstreit und der Debatte um die Thesen des Bonner Philosophieprofessors Ferdinand Delbrück (1772–1848) ablesen kann. Herder verteidigt Lessing, man habe seinen „kurzen Sätzen … nicht genug Gerechtigkeit widerfahren lassen.“20 Und er fügt hinzu: „Die meisten derselben sind unwidersprechlich; nur die Spitze, worauf Lessing sie der Lage seines Streits nach stellte, ist nicht so scharf als er meinte. Wenn Evangelien z.B. nach der Regel des Glaubens geprüft werden mussten, so waren sie auch schon nach der Regel des Glaubens geschrieben und auf sie gegründet. Und diese Regel des Glaubens war aus andern heiligen Schriften, den Propheten hergenommen: denn ohne einen Kanon der Kennzeichen des Messias gab es keinen Messias, kein Christenthum, keine Regel des Glaubens und keine neuen heiligen Schriften.“21 Herder führt folglich über Lessing noch hinaus, indem er die Glaubensregel, die er grundsätzlich wie dieser als dem Neuen Testament vorausstehend ansah, selbst wiederum auf ihre alttestamentliche Basis stellt. Auf die Frage „War die Norm des Glaubens (regula fidei) in der Christenheit älter als die Schrift?“ antwortet er unmissverständlich mit: „Ohne Zweifel: denn sie war das Evangelium selbst, das die Apostel vom ersten Pfingsttag an predigten, darauf sie tauften, das als Glaubensbekenntnis galt.“22 Dann aber fährt er mit zwei weiteren Fragen und Antworten fort, die die Gründung des Christentums, ja auch des Christus selbst auf der alttestamentlichen Verheißung darlegen: „Ist diese Norm des Glaubens aus den Schriften des Neuen Testaments gezogen? Antwort. Ursprünglich nicht. Sie ist älter als diese Schriften, ja älter als das Christenthum selbst, indem sie sein Fundament ist. Selbst unsern geschriebenen Evangelien war sie die Grundlage: denn ungeachtet aller Verschiedenheit kleiner Umstände sind unsre gesammten Evangelien, dem Geist und Zweck ihrer Komposition nach, nichts als Belege des christlichen Glaubens aus der Lebensgeschichte Christi; eines Glaubens, der, ehe sie geschrieben wurden, in drei Theilen der Welt festgestellt war. Frage … Haben sich die Apostel über eine Glaubensregel vereiniget? Antwort. Sie durften darüber sich nicht vereinigen: denn sie hatten solche von Christo empfangen, dessen eigner Charakter auf dieser Regel beruhte. Sobald er der war, der kommen sollte, so war ihm selbst der Kanon dessen, was er zu thun und zu leisten, aber auch zu erwarten hatte, gegeben.“23 Herder weiß folglich auszugleichen, gründet aber über Lessing hinaus nicht nur die

20 J. G. von Herder, Vom Erlöser der Menschen. Nach unsern drei ersten Evangelien (1796), 1830, 260; vgl. ders., Regel der Zusammenstimmung unsrer Evangelien, aus ihrer Entstehung und Ordnung (1797), 171f. 21 J. G. von Herder, Vom Erlöser der Menschen. Nach unsern drei ersten Evangelien (1796), 1830, 260 (Kursivierungen stehen hier anstelle von Sperrungen im Original). 22 J. G. von Herder, Vom Erlöser der Menschen. Nach unsern drei ersten Evangelien (1796), 1830, 260. 23 Ebd., 260f.

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Schrift, sondern mit der Schrift auch die Regula fidei, ja das ganze Christentum und Christus selbst auf den Kanon der alttestamentlichen Verheißung. Bevor auf Delbrück eingegangen werden soll, sei hier durch einen Überblick, der der ausführlichen und besten Darstellung von Schiele entnommen ist,24 der historische Hintergrund zum Apostolikumstreit bis zu Harnack gegeben.25 Dieser Streit, der mit den Unionsbemühungen beginnt, überschattete fast das gesamte 19. Jahrhundert, insbesondere in den evangelischen unierten Landeskirchen. Durch die geringere Bedeutung, die innerhalb der Unionen den Bekenntnissen des 16. Jahrhunderts zukamen, wuchs der Stellenwert der altkirchlichen Symbole. „Auch in Preußen hatte zwar 1813 ein Ministerialreskript die Verpflichtung auf die Bekenntnisse beseitigt um‚ zu verhindern, dass von Geistlichen, deren Gemeinden künftig der Union beitreten wollten, der Ausführung nicht die Berufung auf den geleisteten Konfessionseid entgegengesetzt werde‘ (Ministerialverfügung vom 29. IX. 1825). Aber andrerseits wollte die Agende 1822 die Union gegen den Vorwurf der Indifferenz und Negativität schützen, betonte deshalb aufs stärkste die katholischen Elemente beider Konfessionen und ließ es nicht bei jener Verpflichtung auf das Apostolikum bewenden, sondern erklärte (in ihrer ursprünglichen Fassung) auch das nicänische und athanasianische samt den symbolischen Büchern überhaupt für ‚Glaubensnorm‘. … Je mehr die Reaktion sich kirchenpolitisch betätigte, um so mehr steigerte sich die Verwirrung. Die um Hengstenberg und Stahl gebrauchten ihren Einfluss immer rücksichtsloser. Der Liberalismus erschöpfte sich in immer laueren Protesten gegen die Symbolknechtschaft. Die Magistrate von Berlin, Breslau, Königsberg kamen beim König um den Schutz protestantischer Lehrfreiheit ein. Der Königsberger Divisionspfarrer Julius Rupp predigte gegen die Verfluchung des Athanasianums und wurde seines Amtes enthoben. Im preußischen Sachsen begann man, den alten Rationalismus mit all seiner Volkstümlichkeit und seiner ehrlichen religiösen Kraft aus der Kirche im Streit um die ‚Glaubensform‘ hinauszutreiben. … Da suchte die sogenannte Generalsynode von 1846 der Verwirrung auf dem Wege Herr zu werden, den Schleiermacher perhorresziert hatte.26 Sie schuf mit 48 gegen 14 Stimmen unter der Führung Karl Immanuel Nitzschs27 ein neues Ordinationsformular von bekenntnisähnlicher Art, das sich sogar Julius Stahl, der Führer der Rechten, anzueignen vermochte. Aber gerade dieses Formular gab das Signal zum heftigsten Streit um das Apostolikum, denn die Generalsynode hatte nicht nur die Höllenfahrt und die Auferstehung des Fleisches (das hätte man ertragen), sondern auch die Empfängnis vom heiligen Geiste und die Jungfrauengeburt daraus weggelassen. Der Streit tobte am heißesten zwischen Hengstenbergs Evg. Kirchenzeitung und den Konsensustheologen.28 Diese forder24 Sie gibt zugleich einen Einblick, wie man von kritischer Theologenseite zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf die Auseinandersetzungen des 19. zurückblickte. 25 Vgl. Schiele, Apostolikumstreit, 1909. 26 Zu Schleiermachers Position vgl. weiter unten. 27 Zu Karl Immanuel Nitzsch vgl. weiter unten. 28 Vgl. den Niederschlag und Überblick in: J. Müller, Die erste Generalsynode, 1847, 126–130 (bezüglich des Apostolikums); ders., Die evangelische Union, ihr Wesen und göttliches Recht, Berlin 1854; J. A. Dorner, Sendschreiben über Reform der evangelischen Landeskirchen, 1848; ein (kluges) Beispiel für einen Kritiker gegenüber K.I. Nitzsch und J. Müller: V. Strauß, Das kirchliche Bekenntniß, 1847.

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ten, dass man ‚hinter die Symbole zurück in die unmittelbar apostolischen Zeugnisse hereintrete‘ (Nitzsch), und dass man auch die ehrwürdigsten Symbole daraufhin prüfe, ob alle Sätze als fundamental im strengsten Sinne zu betrachten seien …29 – Der so hart befehdete Nitzsch wurde 1848 Mitglied des Oberkonsistoriums und dann des Oberkirchenrats, und er überdauerte hier die Blütezeit der kirchlichen Reaktion (1852–57); 1861 trat auch sein jüngerer Freund Isaak August Dorner, der die gleiche Abneigung gegen Lehrprozesse hatte, in diese Behörde ein. Dorner erreichte, dass in der Aera Falk 1872 der Heidelberger Jurist Emil Herrmann Präsident des Oberkirchenrats wurde, ein Mann, der die ‚Avokation der Lehrprozesse an den Oberkirchenrat‘ zur Bedingung der Amtsübernahme hat machen wollen und nur durch den Hinweis, dass dadurch der Vorteil einer Appellinstanz in Fortfall käme, davon abgebracht wurde. Gerade er wurde aber in die heftigsten Kämpfe um das Apostolikum verwickelt. Die Berliner Schleiermacherianer Emil Gustav Lisco30 und Adolf Sydow hatten 1871/72 im Unionsverein (Protestantenverein) Vorträge, Lisco ‚Ueber das apostolische Glaubensbekenntnis‘‚ Sydow ‚Ueber die wunderbare Geburt Jesu‘ gehalten. Zunächst wurde Lisco zur Rechenschaft gezogen; doch hier vermied das konziliante Vorgehen des Generalsuperintendenten Bruno Brückner einen schweren Konflikt. Lisco kam mit einem Verweise davon. Gegen Sydow ging man von vornherein schärfer vor. Kaiser Wilhelm I war entsetzt, dass ein Prediger die öffentliche Leugnung eines Stücks aus dem Apostolikum mit seinem Amte vereinbar fand, und begrüßte es, als ihn das Brandenburger Konsistorium (unter dem starr orthodoxen Präsidenten Hegel) gewaltsam von seinem Amte und damit von diesem vermeintlichen Widerspruche zwischen Amt und Gesinnung befreien wollte. Der Oberkirchenrat aber milderte, entgegen den Pressionen des Hofes, das Urteil erster Instanz in einen ‚geschärften Verweis‘. Auf eine noch weit härtere Probe wurde Herrmanns Festigkeit im Fall Hoßbach gestellt. Theodor Johannes Hoßbach, Prediger an St. Andreas in Berlin, hatte eine Wahlpredigt an St. Jakobi gehalten, die starken Anstoß erregte; in den darüber entstandenen Wirren hatte der frühere Stadtverordneten-Vorsteher Kreissynodale Kochhann die Beseitigung des Apostolikums aus der Taufliturgie, der Konfirmationshandlung und der sonntäglichen Liturgie beantragt. Der König schrieb in höchster Erregung an Herrmann: ‚Das ist die unmittelbare Folge der Freisprechung Sydows… soweit sind wir also in zwei Jahren gekommen!‘ Er verlangte, dass der Kochhannsche Antrag ungesäumt von der Tagesordnung gestrichen, und dass gegen Hoßbach cito Untersuchung eingeleitet und auf Amtsenthebung angetragen werde. Herrmann wies den König in so besonnener und nachdrücklicher Weise auf den Weg des Gesetzes, dass der gerecht denkende Monarch sich sogar gegen seinen geistlichen Ratgeber, den Hofprediger Rudolf Kögel, dem wir auf Schritt und Tritt in dieser Angelegenheit begegnen, befriedigt über den Gang der Dinge aussprach. Beim Brandenburgischen Konsistorium war Einspruch gegen Hoßbachs Wahl erhoben worden. Es versagte ihr die Bestätigung. Da erhob der König die Frage: ‚wie kann… ein Geistlicher im Amte bleiben, wenn dessen Wahl für eine Gemeinde für ungültig erklärt, er aber für schlecht genug befunden wird in seiner bisherigen Gemeinde zu verbleiben??‘ Ruhige ausführliche Darlegungen Herrmanns über das geltende Recht und energische Handbillets des Königs wechseln nun miteinander ab. Den König bewegt die Frage so, dass er während des Kaisermanövers in Benrath sich darüber zu den dort versammelten Geistlichen ausspricht … Herrmann erklärt offen, dass er, soweit ihm ‚als 29 30

Mit Verweis auf J. Müller, Die erste Generalsynode, 1847, 130. Zu Liscos Position vgl. weiter unten.

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Präsidenten des Oberkirchenrats ein Einfluß auf den fraglichen Beschluß zukommt, der Allerhöchsten Erwartung zu entsprechen nicht imstande sein werde‘. Dem König befestigt sich immer stärker sein Grundsatz der Lehrzucht: ‚Geistliche‘ die nicht den Bekenntnissen gemäß lehren, sollen abgesetzt werden, ebenso Professoren der Theologie im gleichen Falle; Anhänger solcher Geistlichen sollen von der Freiheit, sich außerhalb der Kirche zu neuen Religionsgesellschaften zu verbinden, Gebrauch machen; in der Kirche haben sie kein Bürgerrecht‚. Die Kluft zwischen den Anschauungen des Präsidenten und des Königs wäre nur zu überbrücken gewesen, wenn seine Hoftheologen ihn überzeugt hätten, dass jener Grundsatz unkirchlich sei; sie taten aber das Gegenteil. Schon längst hatte Herrmann ein Entlassungsgesuch eingereicht: die Unmöglichkeit für ihn, mit dem reaktionären brandenburgischen Konsistorialpräsidenten Hegel zusammenzuarbeiten, hatte die Veranlassung dazu gegeben. Dennoch konnte sich der König nicht entschließen, es zu genehmigen. Erst Kögel und Graf Manteuffel waren es wohl, die endlich am 2. Mai die Entscheidung herbeiführten: Hermann wurde pensioniert. Der Oberkirchenrat jedoch hatte noch unter seinem Präsidium den Spruch des Konsistoriums gegen Hoßbach bestätigt: Hoßbach wurde zwar nicht an St. Jakobi berufen, aber an St. Andreas durfte er weiter amtieren. – Im selben Jahre 1878 noch wurde Kögel Mitglied des Oberkirchenrats; 1879 wurde auch Falk entlassen. Nun beförderte die Hofpredigerpartei ihre Leute in immer mehr Stellen von kirchlichem Einfluß (Positive Union). Sie verständigte sich kirchenpolitisch mit dem konfessionellen Neuluthertum, das sie doch auf dem Verwaltungswege zurückdrängte. Sie stärkte ihre Macht durch Akkommodation an die naive Gemeindeorthodoxie. So mußte die ‚Kirche‘, überwiegend repräsentiert durch Vertreter dieser drei Kreise, in den Fragen der Lehrfreiheit immer empfindlicher werden; und je weniger man hier davon wußte, wie die wissenschaftliche Theologie ihren großen, freien Weg weiterging, je gereizter der unterdrückte Liberalismus in seinen Kundgebungen Gleichberechtigung der Richtungen forderte und gegen den Konfessionalismus protestierte, umso energischer fühlte diese ‚Kirche‘ den geschichtlichen Beruf in sich, die Grenzen der Lehrfreiheit zu ziehen. Das Apostolikum, durch Luthers Katechismus Laienbekenntnis der Volkskirche, schwebte dabei den maßgebenden unierten Kreisen als das unerläßliche Minimalbekenntnis vor; Kögel sah darin (1877) das supranaturale, das mystische, das wunderbekennende Christentum enthalten. Die Lutherisch-Konfessionellen vermuteten, dass es der provisorischen ‚Diktatur in Sachen der Lehrfreiheit‘, wie sie der Oberkirchenrat gegen Sydow und Hoßbach geübt hätte, ein Ende machen werde. Die Laienorthodoxie dachte sogar an seine Verwendung als Laienbekenntnis für die Synodalstufen. Der juristischen und katholisierenden Anwendung des Apostolikums als Minimalbekenntnis und Synodalgelübde widersprachen zwar die damaligen Lutherisch-Konfessionellen: ‚Das Apostolikum gehört in den Kultus, zur Taufe und zur Konfirmation‘; aber sie einigten sich doch, zumal nach Albert Kalthoffs Kritik des Apostolikums (1878), mit der positiven Union dem Ruf: ‚ein Krieg für das Apostolikum kann nur mit dessen Sieg endigen‘. – Seinen kirchenpolitischen Ausdruck fand das vereinte Streben in Synodalanträgen (schon 31. X. 1879 Antrag der I. Generalsynode auf Beteiligung des Generalsynodalvorstandes bei der Besetzung der Theologieprofessuren), seine politische Waffe wurden 1886ff die Anträge Hammerstein betr. Selbständigkeit und Dotation der evg. Kirche. Immer mehr bekam diese Politik ihre schärfste Spitze gegen die Universitätstheologie. Da man die Dotation der selbständigen Kirche in Analogie zur katholischen vor allem auch behufs Ausbildung ihrer künftigen Diener forderte, so gipfelten Hammersteins Sorgen um das Bekenntnis darin, dass der Staat der Kirche die Mittel zur Errichtung von Seminaren nicht gewährt ‚und sie zwingt,

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die Kleriker allein an Universitäten studieren zu lassen, auf deren Besetzung sie keinen maßgebenden Einfluß hat, oder wo sie der Gefahr ausgesetzt sind, von Professoren unterrichtet zu werden, die die fundamentalsten Grundsätze der kirchlichen Lehre leugnen‘ (Abg.-Haus, 22. IV. 1887). Es liegt in dieser Linie, dass man die Probe auf die Kraft seines Einflusses machte, als 1889 der ‚Christusleugner‘ Adolf Harnack als Ordinarius nach Berlin berufen wurde: der Oberkirchenrat legte sein Veto gegen ihn ein. Aber vergeblich. Seit 1888 war Wilhelm II König; und wenn man auch geglaubt hatte, ihn als Prinzen für die Politik des Hofpredigers Stoecker gewinnen zu können (Walderseeversammlung), so wurde doch jetzt dem Veto des Oberkirchenrats, das rechtlich nur konsultativ, nicht prohibitiv ist, unter entscheidender Mitwirkung Bismarks keine Folge gegeben. Kein Wunder aber, dass bei nächster Gelegenheit der Streit um das Apostolikum zu einem Streit um Harnack wurde.“31

Kehren wir zurück zum Höhepunkt und gleichsam zum Niedergang der aufklärerisch-historischen Apostolikumsforschung: Delbrück ruht auf Lessing, baut dessen Ideen aus und sucht sie noch zu überbieten.32 Er stellt die Glaubensregel als „Quelle der unabänderlichen, keines Beweises fähigen und bedürftigen Grundlehren“ vor,33 die „den Aposteln von Christo unmittelbar anvertraut“ worden sei.34 „Die biblischen Bücher (hingegen würden) in Beziehung auf jene Grundlehren nur als Erläuterung gebraucht“.35 Das habe zur Folge, dass sich die Grundlehren der Glaubensregel „dem Ansehen des Schriftworts keinesweges unbedingt unter(werfen)“ müssten.36 In seinem Schlusswort fasst Delbrück markant zusammen: „Der Grundgedanke, um den sich diese Kampfrede wendet, ist offenbar: Die alte Kirche, die sich auf die apostolische Glaubensregel stützte, war auf einen Felsen gebauet. Die protestantische, welche zu ihrer Grundlage an Stelle der Glaubensregel die heilige Schrift macht, ist auf Sand gebauet.“37 Solch scharfe Thesen müssen in einer Kirche, die sich nach dem sola scriptura-Prinzip richtet, auf Widerspruch stoßen. Doch zeigen die ersten Reaktionen, wie differenziert man in dieser aufgeklärten Zeit zu argumentieren wusste. Auf Delbrück antworten nämlich seine Bonner theologischen Kollegen Karl Heinrich Sack (1789–1875), Karl Immanuel Nitzsch (1787–1868) und Friedrich 31

Schiele, Apostolikumstreit, 1909, 601–605. F. Delbrück, Philipp Melanchthon, 1826; zu Delbrück und dem sich daran anschließenden Disput mit seinen Freunden Karl Heinrich Sack, Karl Immanuel Nitzsch und Friedrich Lücke vgl. F. Sander, Schrift oder Glaubensregel? Eine theolog. Fehde aus dem Geburtsjahre der Studien und Kritiken, 1891. 33 Ähnlich sah bereits vor ihm Ph. Marheinecke, Das System des Katholicismus I, 1810, 64–66 das Symbolum als „eins der wichtigsten Denkmale nicht nur der Sorgfalt, die reine Lehre gegen die Anmaßungen der Ketzer zu schützen ..., sondern auch eigener dogmatischer Darstellung“ (ebd., 64). Dabei leuchtet ihm „aus allen Abschriften ein verlohren gegangenes Original hervor“, das „zur Stiftung kirchlicher Einigkeit unter den Dissentirenden“ gedient habe (ebd.). 34 F. Delbrück, Philipp Melanchthon, 1826, 181. 35 Ebd. 36 Ebd. 37 Ebd., 201. 32

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Lücke (1791–1855) mit ihren „Drei theologischen Sendschreiben an Herrn Dr. Delbrück“.38 Die Anordnung der Sendschreiben „ist durch das frühere oder spätere Datum der Abfassung veranlaßt worden“, entspricht also keiner systematischen Gliederung.39 K. H. Sack geht auf „das Verhältnis der Philosophie zur Glaubenslehre, das der Glaubensregel zur Schrift und die Lehre von der Rechtfertigung“ ein.40 Was das zweite Thema betrifft, so sieht Sack in Delbrücks Vorordnung der Glaubensregel gegenüber der Schrift einen „Hauptangriff auf die Grundsätze der Reformatoren“.41 Ihn wehrt er ab mit der Gegenmeinung, „die Glaubensregel (stelle sich gewiss) erst als das Spätere, durch Begränzung der reinen Lehre gegen Irrlehre, durch äußere Vereinigung zum Bekenntniß nothwendig gewordene dar, oder mit andern Worten: der Glaube ist das Werk Gottes durch sein Wort und seinen Geist; die Glaubensregel ist das Werk der Menschen zu ihrer äußeren Vereinigung untereinander und Scheidung von der Welt.“42 Nun setzt Sack jedoch nicht Wort/Geist Gottes und Schrift ineins. Die Schrift ist nicht Quelle des Glaubens, als eine solche ist nur das Wort Gottes zu bezeichnen. Im Gegenteil, jene ist erst allmählich gewachsen und wurde zur „Norm für die Lehrentwickelung des Glaubens, als Quelle für tiefere Erkenntniß“, „um die ursprüngliche Gestalt des Wortes zu erhalten“.43 Sack argumentiert demnach theologisch und historisch. An erster Stelle steht Gottes initiierendes Wort, an zweiter Stelle die normierende, historisch gewachsene Schrift und an dritter Stelle erst die diese abgrenzende Glaubensregel.44 K. I. Nitzsch geht in seinem ausführlichen Sendschreiben ausschließlich auf das Verhältnis von Schrift und Glaubensregel ein und führt Delbrücks These zurück auf Lessing.45 Wie Sack zuvor, anerkennt auch Nitzsch, dass die Kirche nicht auf das Neue Testament, sondern auf Gottes Wort gebaut sei, er möchte aber am „richterlichen Ansehn der h. Schrift“ festhalten.46 Und ebenfalls wie Sack ordnet Nitzsch der Glaubensregel die Funktion der Abgrenzung zu, wodurch sie schon darum historisch und logisch nicht wie die Schrift Quellcharakter haben und Glaubensgrund sein könne.47 Im Unterschied aber zu Sack grenzt Nitzsch die Schrift nicht klar von der Glaubensregel ab, sondern gesteht „Ueber-

38 K. H. Sack/K. I. Nitzsch/F. Lücke, Ueber das Ansehen der heiligen Schrift und ihr Verhältnis zur Glaubensregel in der protestantischen und in der alten Kirche, 1827. 39 Ebd., III. 40 Ebd., 1–23,1f. 41 Ebd., 6. 42 Ebd., 8. 43 Ebd., 9. 44 B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 92 beurteilt Sacks Ansatz als wenig durchdacht, wobei er m. E. dessen Hauptanliegen nicht ins Auge genommen hat. 45 K. H. Sack/K. I. Nitzsch/F. Lücke, Ueber das Ansehen, 1827, 25–106. 46 Ebd., 27. 30. 37. 41. 47 Ebd., 31. 39.

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gänge“ zwischen beiden zu,48 hält aber (ähnlich wie bereits Walch) daran fest, „dass die Apostel eine angenommene Formel, einen wörtlich geschlossenen Zirkel, innerhalb dessen sich die Darstellung des christlichen Lebens und Glaubens halten sollte, nicht eingeführt hatten.“49 Überhaupt gilt mit Blick auf die frühchristlichen Autoren, „dass sich die Glaubensregel, auf die die Kirche gegründet sein soll, … so schwer finden läßt im Alterthume sobald man etwas festes von Formel verlangt“.50 Noch im Jahr 1846 vertritt Nitzsch als Referent der Kommission der Berliner Generalsynode diese Auffassung und begründet sie näher. Auf dieser Generalsynode erörtern die Synodalen nämlich die Frage, ob anzustellende Prediger auf die Bekenntnisschriften zu verpflichten seien.51 Nitzsch argumentiert als Referent der von der Generalsynode für diese Frage eingesetzten Kommission: „Das Apostolikum sei zwar ewig eins in seiner trinitarischen Exposition, allein bis zum fünften Jahrhundert der christlichen Kirche habe es keine fixierte Form gehabt; Walch zähle 60–70 Formeln dafür aus den ersten Jahrhunderten. … Später nun sei diejenige Form hervorgetreten, in welcher sich das Bekenntnis über den ganzen Occident verbreitet habe.“52 An dem von Nitzsch als Beweis angeführten Befund, dass aus den ersten fünf Jahrhunderten keine fixierte Form nachweisbar ist, hat auch die vier Jahr zuvor, 1842, von August Hahn veröffentlichte „Bibliothek der Symbole und Glaubensregeln der apostolisch-katholischen Kirche“ nichts geändert.53 Nun meint Nitzsch, erst „mittels der römischen Liturgie (sei das apostolische Symbol) seit der gregorianischen Zeit wenigstens über das Abendland“ als einhelliger „Ausdruck des christlichen Bekenntnisses“ verbreitet worden, welches durch kein anderes aus dem Gottesdienst vertrieben werden konnte.54 Und aus der Verbindung von diesem und dem nizänischen sei schließlich das zweite Symbol, das NizänoKonstantinopolitanum, hervorgegangen, welches neben dem apostolischen in die Liturgie Eingang gefunden habe.55 Doch auch das apostolische sei nicht in seiner unveränderten römischen Form überliefert worden, sondern habe später 48

Ebd., 38. Ebd., 39. 50 Ebd., 35; vgl. ebd. 51–60, 53: Mit Blick auf Irenäus und Tertullian heißt es: „Ueberhaupt gab es nichts geformeltes von Bekenntniß, was von den Aposteln her durch römische oder andere Tradition hätte fortgepflanzt werden können.“ 51 Vgl. Verhandlungen der evang. General-Synode zu Berlin vom 2. Juni bis zum 29. August 1846. Amtlicher Abdruck, Berlin 1846, 154; vgl. B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 99f. 52 Verhandlungen der evang. General-Synode zu Berlin vom 2. Juni bis zum 29. August 1846. Amtlicher Abdruck, Berlin 1846, 154. 53 In Reaktion auf Nitzsch argumentiert der Synodale Twesten in Manier der Katholiken, dass die 60 bis 70 verschiedenen Symbolformen darauf zurückgingen, dass zu ältester Zeit das Apostolikum nicht schriftlich, sondern nur mündlich tradiert worden sei; und, was das Apostolikum betreffe, so gebe es im Wesentlichen ja lediglich die Differenzen betreffs des Descensus ad inferos und der Communio sanctorum; vgl. Verhandlungen der evang. General-Synode zu Berlin vom 2. Juni bis zum 29. August 1846. Amtlicher Abdruck, Berlin 1846, 188; zu Hahns Bibliothek vgl. weiter unten. 54 K. H. Sack/K. I. Nitzsch/F. Lücke, Ueber das Ansehen, 1827, 48. 55 Ebd., 49. 49

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nichtrömische Zusätze erhalten.56 Fazit: Schrift und Glaubensregel lassen sich nicht völlig trennen, doch geht die Schrift der Glaubensregel eindeutig voraus und wird auch früher als diese in der Kirche fixiert. Im Jahr 1846 ergänzt er dieses Ergebnis mit der folgenden inhaltlichen Bewertung des Apostolikums: „Das Symbolum apostolicum behalte sein völliges Recht, wenn auch bei vorkommenden Gelegenheiten (wie etwa der Bestellung von Predigern) nicht gerade auf alles Einzelne, z.B. nicht auf das Dogma der Höllenfahrt Christi, Rücksicht genommen werde: denn das sei das Wesentliche nicht, sondern das Ewige, Unvergängliche sei die Trinitätslehre, die Exposition der Umstände, ohne welche Christus das Werk der Erlösung nicht hätte ausrichten können“.57 F. Lückes Sendschreiben setzt bei Nitzschs Gedanken an, dass Schrift und Glaubensregel nicht so klar geschieden und einander gegenübergestellt werden dürften, wie es Delbrück, Lessing noch überbietend, tut.58 Vielmehr werde aus den Kirchenvätern (wie übrigens auch aus Lessing) deutlich, dass die Glaubensregel in der Schrift enthalten sei.59 Auf das Gotteswort Christi, das zunächst mündlich, bald schriftlich niedergelegt wurde, sei die Kirche gebaut.60 „Weder Christus noch die Apostel haben eine förmliche compendiarische oder summarische Glaubensregel überliefert, sondern Glauben selbst, den Glaubensgrund.“61 „Die sogenannte Glaubensregel der alten Kirche, in der wir die ersten Spuren bey Justin dem Martyrer finden, ist erweislich aus dem Taufsymbol entsprungen. Dieses, welches auf einem Herrenworte im Evangelium (Matth. 28,19.) beruhet, ist das ursprüngliche Schema der Glaubensregel, und die Alten haben zum Theil darauf die Auctorität derselben gebaut“.62 Doch sie wurde „nie als Fels ihrer Gründung angesehen“.63 Dass die Vorstellungen Lessings, Delbrücks und die Auseinandersetzung mit ihnen bei Sack, Nitzsch und Lücke lange an Aktualität nichts einbüßten, belegt Hermann Adalbert Daniel (1812–1871), der im Jahr 1843 die Thesen von Lessing und Delbrück aufgreift,64 da ihn die Widerlegungsversuche von Sack, Nitzsch und Lücke nicht überzeugt haben. Auch für Daniel kann nicht die Schrift die einzige Erkenntnisquelle sein.65 Allerdings spricht er auch der Glaubensregel nicht zu, sie sei „an und für sich, in ihrer Isolirtheit … Glaubens56

Ebd. In: Verhandlungen der evang. General-Synode zu Berlin vom 2. Juni bis zum 29. August 1846. Amtlicher Abdruck, Berlin 1846, 154f. 58 K. H. Sack/K. I. Nitzsch/F. Lücke, Ueber das Ansehen, 1827, 107–210. 59 Ebd., 119. 60 Ebd., 184. 61 Ebd., 189. 62 Ebd., 193f. 63 Ebd., 196. 64 H. A. Daniel, Theologische Controversen, 1843, 3: „Durch den Scharfblick Lessings erhielt die Discussion ... eine spezielle Richtung auf das sogenannte formale Princip des Protestantismus.“ Daniels Meinung nach war es das Verdienst Delbrücks, „den Streitpunkt noch einmal wieder aufzunehmen. ... Offenheit, Freiheit, Unabhängigkeit vom Vorurtheil zeichnen seine Abhandlungen aus“ (ebd.). 65 Ebd., 5. 57

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grund der Kirche gewesen.“66 Vielmehr redet aus ihm der erweckliche unionsorientierte Theologe, nach dem die Schrift und die Glaubensregel wesentlich des Geistes bedürften, eines Geistes, der die „Herzenssache“ kirchlicher Union über alle divergierende Tradition herbeiführe.67 Daniel stößt jedoch innerhalb der evangelischen Kirche auf heftigen Widerspruch von Justus Ludwig Jacobi (1815–1888).68 In einer ausdrücklich gegen Daniel gerichteten, ganz eng an den Werken der Kirchenväter der ersten drei Jahrhunderte entlanggehenden Untersuchung will Jacobi erweisen, dass die Schrift allein als „Quelle der christlichen Wahrheit“ zu gelten habe.69 Wenn hierzu der menschliche Geist in seiner Subjektivität trete, so werde eine „Einigung des Subjektiven und Objektiven … vollbracht“, indem „der Mensch mit freiem Willen und Erkenntniß ergreift, was die offenbarende Gnade (sc. in der Schrift) anbietet“.70 Von den Schriften eines Sack, Nitzsch und Lücke aus, schreibt F. Kattenbusch – und ich zitiere ihn ausführlich wegen der Bedeutsamkeit dieses Einschnittes –, lasse sich verfolgen, „wie die Idee über das Verhältnis von ‚Glaubensregel‘ und ‚Symbol‘ in der alten Kirche sich gegenüber der früheren Fassung modifizier(e)“.71 Jetzt werden beide Größen, Glaubensregel und Symbol, „auseinandergehalten“(.) Jetzt werde es üblich, „sich die ‚Glaubensregel‘72 vorzustellen als eine Art von ursprünglich ganz freier Formulierung des ‚christlichen Bewusstseins‘. Letzteres w(e)rde aufgefasst als der Absicht nach sich deckend mit dem Inhalte der heiligen Schrift, als aber noch unsicher im einzelnen, was dazu gehöre. Jeder Theolog … (habe) noch selbständig formulieren (gedurft), was ‚christlich‘ oder ‚apostolisch‘ sei, aber die massgebend gewordenen Theologen wollten doch gar nichts anderes, als eben dieses formulieren, und sie zeigen sich dabei geleitet von einem kräftigen common sense. Erst allmählich – seit Konzilien gehalten wurden – wird die Glaubensregel formal fest: die Formeln werden als solche Gesetz und so entsteht allmählich die katholische ‚Kirchenlehre‘. Eine Sache für sich ist das ‚Symbol‘73. Es ist das Bekenntnis, welches bei der Taufe abgelegt wurde. Ihm eignet von allem Anfang an ein fixer Charakter, freilich mit örtlichen Verschiedenheiten, darin doch überall sich gleich, dass es sich über der Taufformel erbaute, auch noch lange

66

Ebd., 4. Ebd., 5f. 70–72. 68 J. L. Jacobi, Die kirchliche Lehre von der Tradition und heiligen Schrift in ihrer Entwicklung dargestellt. Erste Abtheilung. Mit besonderer Berücksichtigung der Theologischen Controversen von Dr. Daniel, 1847; Jacobi polemisiert (ebd., XXV) gegen „das Zwittergeschöpf des modernen, zum Theil des negativen Protestantismus und des modernen, besonders des Möhlerschen Katholizismus, welches Herr Dr. Daniel in seinen Theologischen Controversen ans Licht gebracht hat“. 69 J. L. Jacobi, Die kirchliche Lehre, 1847, 41. 70 Ebd., 185. 71 F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 17. 72 Hervorhebung nicht im Original. 73 Hervorhebung nicht im Original. 67

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Glaubensregel, Symbol und Schrift

Zeit ‚wachsend‘, sich ‚aus der Glaubensregel‘ erweiternd, endlich in unserem Apostolikum (im Abendlande) sich halb zufällig abschliessend.“74 Einen wichtigen Vertreter dieser Vorstellung nennt Kattenbusch zwar, Friedrich Nitzsch (1832–1898), auf ihn verwendet er allerdings nur einen einzigen Satz.75 Klar und programmatisch schreibt F. Nitzsch: „Mehr der Kampf mit den bisher geschilderten anderen christlichen76 Parteien, als der mit Gegnern des Christenthums überhaupt (Heiden und Juden), und wiederum mehr der Kampf mit den Gnostikern, als der mit den Ebioniten, nöthigte und befähigte die Partei der apostolisch Positiven, eine feste christliche Lehrnorm aufzurichten, welche fortan Richtschnur des Glaubens, aber gar nicht mehr Gegenstand des Streites sein sollte. Dadurch, dass ihr diess gelang, wurde sie gegen Ende des zweiten Jahrhunderts nach etwa hundertjährigem Kampf die Begründerin einer förmlichen Kirchenlehre, deren Ausdruck die sogenannte Glaubensregel ist. Doch hat man sich unter dieser nicht eine bestimmte Formel, sondern lediglich einen mannichfaltiger Formulirung fähigen feststehenden Lehrinhalt vorzustellen, welcher aber dennoch bestimmt genug war, um gnostische oder anderweitige Umdeutungen der apostolischen Verkündigung auf dem Boden der nunmehr constituirten katholischen (allgemeinen) Kirche von vorn herein abzuschneiden. Derselbe entsprach im Wesentlichen dem, was später in dem (mit der Glaubensregel nicht zu verwechselnden) sogenannten apostolischen Glaubensbekenntniss auch eine bestimmte Formulirung fand.“77 Mit Blick auf eine in den ersten beiden Jahrhunderten fehlende „äusserlich organisirte Gesammtkirche und Kirchenautorität“ und mit Blick auf das Fehlen einer, abgesehen vom Taufbekenntnis und der heiligen Schrift alten Testaments, formulierten „Lehrnorm“ stellt er fest: Es ist „schwerlich von Anfang an … ein vollständig klares Bewusstsein darüber vorhanden gewesen, was zu diesem Fundament schlechterdings gehöre, was durch dasselbe schlechterdings ausgeschlossen sei. Ebenso unwahrscheinlich ist, dass die zerstreuten Glieder und Häupter dieser Partei sich von Anfang an so eng zusammengeschlossen und so stark gefühlt haben, dass sie abweichenden Parteien bereits mit vollem Autoritätscharakter gegenübertreten konnten. Wäre jenes und dieses der Fall gewesen, so hätte es zu jenem weitgreifenden Einfluss der Gnostiker, der sich im zweiten Viertel und um die Mitte des zweiten Jahrhunderts ohne Zweifel geltend machte, und zu 74

F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 17f. Vgl. ebd., 18: Es „findet sich hier keine Detailerörterung über das Wachstum des Symbols als solchen.“ 76 Hervorhebungen im Original. 77 F. Nitzsch, Grundriss der christlichen Dogmengeschichte, 1870, 91; zu beachten ist auch noch seine später erschienene Untersuchung: ders., Ueber den Ursprung der Bezeichnung des Taufbekenntnisses und der übrigen Bekenntnisse als Symbola, 1893, in der er sich im Anschluss an P. King für die christliche Übernahme dieses Begriffes aus den Mysterien ausspricht (eine entsprechende Meinung vertrat bereits Johann Ernst Immanuel Walch). 75

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jenem ernsten Kampfe mit ihnen gar nicht kommen können. … Jenes Bewusstsein kann vielmehr anfänglich nur ein mehr oder minder dunkles gewesen sein, und anfangs konnte nur unter Hinweisung auf geschichtliche oder dialectische Argumente, wo es bestritten wurde, das als allein rechtgläubig hingestellt werden, was nach Ueberwindung der Gegner von vornherein als Merkmal der Rechtgläubigkeit gefordert wurde.“78 Die Formeln der sogenannten Glaubensregel, wie sie bei „Pseudignatius“, Irenäus, Tertullian und Origenes begegnen, seien folglich Ergebnisse von theologischen Auseinandersetzungen; ihre Inhalte bildeten etwa vom Ende des zweiten Jahrhunderts an „eine feste Lehrnorm“, doch ihr Ausdruck lautete verschieden, „auch ihr Umfang ist bei dem Einen und bei dem Anderen, ja in der einen und in der anderen Fassung derselben Autoren keineswegs ganz der nämliche, ferner haben sie keinen öffentlichen kirchenrechtlichen Charakter, sind vielmehr de jure lediglich individuelle von einander unabhängige Versuche, den Kern der ächten apostolischen Glaubenslehre hervorzuheben und zusammenzufassen.“79 Quelle der Glaubensregel sei das christliche Bewußtsein und erst allmählich die Schrift. Beides verhalte sich „nicht wie schriftliche Urkunde und diese materiell ergänzende mündliche Ueberlieferung, sondern wie ausführlichere, aber vieldeutigere Urkunde der Glaubenswahrheit zur aphoristischen, aber deutlicheren“.80 In dieser Weise habe sich die Glaubensregel auch mit den Symbolen der ökumenischen Konzilien weiterentwickelt, „durch früher bereits Fixirtes innerlich bedingt und äusserlich gebunden; was dagegen die früheren Festsetzungen noch frei und unbestimmt gelassen hatten, wurde, so weit ein Bedürfniss sich herausgestellt hatte, mit Berufung auf die heilige Schrift und frühere rechtgläubige Kirchenlehrer nachträglich festgestellt.“81 Von einer besonderen, in Rom fixierten Glaubensnorm, die von dieser allgemeinen Entwicklung eine Ausnahme bildete, sei keine Rede. Eine ausgewogene Zusammenfassung des Kenntnisstandes und der Diskussionen seit Lessing gibt Anton Friedrich Ludwig Pelt (1799–1861) in der ersten Auflage der „Real-Encyklopädie für protestantische Theologie und Kirche“. „Die Entstehung dieses Symbols“ referiert er nach Köllner und King, teilt aber auch die Positionen von Delbrück, Grundtvig und ähnlich denkenden Theologen mit.82 Kritisch erwähnt er noch Stockmeier.83

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F. Nitzsch, Grundriss der christlichen Dogmengeschichte, 1870, 91f. Ebd., 92. 80 Ebd., 244f. 81 Ebd., 246. 82 L. Pelt, Art. Apostolisches Symbolum, 1854, 438; er verweist hierbei auf F. Boll, De fide Petrum, 1839, 108: „norma praedicationis regulâ scripturae prior ac superior“. 83 Vgl. zu diesem weiter unten ausführlicher. 79

Fünfter Teil Glaubensbekenntnisse als Taufbekenntnisse von westlichen und östlichen Ortskirchen

Die Unterscheidung von westlichen und östlichen Symbolen wurde insbesondere durch die Bibliothek der Glaubenssymbole, begründet durch August Hahn und fortgesetzt von seinem Sohn Georg Ludwig, und die sie vielfach als Ausgangspunkt oder zumindest Referenz nutzenden Untersuchungen gefördert. Auch wenn Forscher der Bibliothek gegenüber bisweilen kritisch waren, schrieben sie die Geschichte der unterschiedlichen Tradition von West und Ost weiter und suchten, die Priorität der westlichen Tradition zu stützen. Bedeutende Forscher diesbezüglich nach August Hahn waren sein Sohn Georg Ludwig Hahn, Charles Abel Heurtley, Edmund Salusbury Ffoulkes, und der bis heute vielfach rezipierte, immer wieder zitierte und nach wie vor anerkannte Carl Paul Caspari. Hahns Bibliothek steht in der Erstauflage und in den späteren beiden Neuauflagen trotz historischer Bemühungen ihrer Herausgeber in deutlich antiaufklärerischer Tradition.1 August Hahn (1792–1863), Professor an der Universität Breslau und später Generalsuperintendent der Provinz Schlesien, legt im Jahr 1842 eine erste wirklich umfangreiche, systematische Sammlung z.T. textkritisch bearbeiteter kirchlicher Bekenntnisse vor, die die ältere Sammlung von Walch ablöst.2 Außerdem veröffentlicht er einen kurzen Abriss der Bekenntnisentwicklung, wie sie sich ihm aus seiner intensiven Beschäftigung mit dem Quellenmaterial und wohl auch aus der jüngeren und älteren Sekundärliteratur darstellt.3 Georg Ludwig Hahn (1823–1903),4 ebenfalls Professor an der Universität Breslau, lässt im Jahr 1877 eine „zweite vielfach veränderte und vermehrte Ausgabe“ der Sammlung seines Vaters ausgehen. Sie ist „fast in jeder Hinsicht, selbst im Titel, ein neues“ Buch, das „zu einem grossen Theile auf den Arbeiten 1 B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 97–99 ordnet Hahn m. E. zu Unrecht ganz der älteren Diskussion zu und stellt ihn uneingeschränkt auf die Seite von Lessing, Delbrück und K. I. Nitzsch (man beachte aber bereits die Differenzen zwischen den gerade Genannten!). 2 Sie ist gegenüber der von Chr. G. F. Walch, Bibliotheca Symbolica vetus ex monimentis quinque priorum saeculorum maxime collecta, 1770 herausgegebenen erheblich erweitert und in der Darbietung der Texte i. d. R. zuverlässiger, wenn auch noch nicht dem heutigen Standard entsprechend. 3 Vgl. A. Hahn, Das apostolische Symbolum und die Glaubensregel, 1842 und 1843; vgl. hierzu gleich weiter unten. 4 Ich gehe bereits hier kurz auf G. L. Hahn ein, da er im Zusammenhang mit seinem Vater erwähnt werden muss; zu Ch. A. Heurtley und C. P. Caspari vgl. weiter unten.

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Caspari’s beruht“.5 Er gibt ihr eine neue systematische Struktur, streicht einige Texte, nimmt neue hinzu, kürzt die Anmerkungen seines Vaters und erarbeitet auf diese Weise eine im Grunde eigene Bibliothek.6 Zwanzig Jahre später, im Jahr 1897, legt er eine weitere, „dritte vielfach veränderte und vermehrte Auflage“ derselben Bibliothek vor, die zusätzlich von A. v. Harnack „mit einem Anhang“ versehen ist, in welchem dieser „Materialien zur Geschichte und Erklärung des alten römischen Symbols aus der christlichen Litteratur der zwei ersten Jahrhunderte“ mitteilt.7 Erneut hat Georg Ludwig Hahn mit dieser dritten Auflage erheblich in die systematische Struktur eingegriffen, wobei er vor allem von den reichen Textfunden Casparis profitieren konnte. Mit ihren 246 Paragraphen zuzüglich Harnacks Anhang ist sie die weltweit bisher umfänglichste Bibliothek von Glaubensbekenntnissen und -regeln vornehmlich der älteren Kirchen, die bis heute Standard- und Referenzwerk geblieben ist.8 Da sich an den strukturellen Änderungen ablesen lässt, wie sich die Einschätzung des Apostolikums von der ersten zur dritten Auflage der Bibliothek entwickelt hat, soll zunächst ein Überblick mit Erläuterung zu den verschiedenen Anlagen der drei Auflagen gegeben werden,9 im Anhang findet sich eine Synopse der einzelnen in ihnen verzeichneten Bekenntnisse. Zu den Gliederungen: Gliederung der 1. Auflage (1842)10 Erste Abtheilung: Symbolum Apostolicum (§ 1–29) I.I. Römische Form des Symbols (§ 1–14) I.I.1 Nach Rufin (§ 1) I.I.2 Andere Formulare desselben Symbols I.I.2.a) Das Glaubensbekenntniss des Marcellus von Ancyra11 (§ 2) I.I.2.b) Ein Griechisches Formular aus einer Handschrift des 8. Jahrhunderts nach Jacob Usher (§ 3) I.I.2.c) Ein Lateinisches Formular aus einer Handschrift des 7. oder 8. Jahrh. nach demselben (§ 4) 5

So A. v. Harnack, Rez. Hahn, BSGR2, 1878, 81. Zur Kritik an derselben vgl. weiter unten im Anschluss an die Ausführungen zu Caspari. 7 A. Hahn/G. L. Hahn, Bibliothek, 1897, 364–390, vgl. hierzu gleich weiter unten. 8 Nimmt man noch einmal die scharfe Kritik zur Kenntnis, die die zweite und die dritte von Georg Ludwig Hahn besorgte Auflage erntete (s.u.), wird deutlich, warum das Werk dringend abgelöst werden sollte. 9 Da der ersten Auflage ein Inhaltsverzeichnis fehlt, mag ein solcher Überblick auch zur Benutzung hilfreich sein; zu vergleichen wäre auch die Anlage der Sammlung von Chr. W. F. Walch, Bibliotheca, 1770, die weiter oben, soweit für unseren Zusammenhang wichtig, notiert wurde. 10 Ich teile wegen der Bedeutung des Apostolikums in unserem Zusammenhang die einzelnen Paragraphen zum Abschnitt Apostolikum mit, während ich bezüglich der anderen Teile auf die Einzelnennung der Paragraphen verzichte; für die 3. Aufl. sind diese ohnehin aus der nächsten Liste zu ersehen. 11 Mitgeteilt wird aber nur der mittlere Teil aus dem in Markells Brief an Julius erhaltenen markellischen Bekenntnis, welcher weithin parallel zum Apostolikum ist. 6

100 I.I.2.d) I.I.2.e) I.I.2.f) I.I.3 I.I.3.a) I.I.3.b) I.I.3.c)

I.I.3.d)

I.I.3.e) I.II.1 I.II.2

I.III. I.III.1 I.III.2 I.III.3 I.III.4 I.III.5

I.III.6 I.III.7

Glaubensbekenntnisse als Taufbekenntnisse Dasselbe nach Leo M. (§ 5) Dasselbe nach dem Sacramentarium des Gelasius ( § 6) Der Textus receptus nach einem Psalterium Graecum Papae Gregorii (§ 7) Verwandte Symbole der Abendländischen Kirche Das Glaubensbekenntniss der Kirche zu Turin nach der Auslegung des Bischofs Maximus (§ 8) Das Glaubensbekenntniss der Kirche zu Ravenna nach der Auslegung des Bischofs Petrus Chrysologus (§ 9) Das Glaubensbekenntniss der Kirche zu Hippo Regius nach den Auslegungen des Bischofs Augustinus (§ 10) Anhang. Ueber den Tractatus Ambrosii in Symbolum Apostolorum Ein Glaubensbekenntniss der Africanischen, wahrscheinlich Carthaginiensischen, Kirche, welches fälschlich dem Augustinus zugeeignet worden ist (§ 11. 12) Pseudo-Augustinianische Formeln des Glaubensbekenntnisses, die dem textus receptus mit geringen Ausnahmen entsprechen (§ 13. 14) Das Symbolum der Kirche zu Aquileja – nach Rufinus (§ 15) Verwandte Symbole der Abendländischen Kirche (§ 16–19) Anhang. 1. Die Römische Formel in der Aquilejensischen Kirche (§ 20) 2. Das Taufbekenntniss nach den Apostolischen Constitutionen (§ 21) Orientalische Form des Symbols (§ 22–29) Nach Rufinus (§ 22) Glaubensbekenntniss der gg. Noetus in Smyrna versammelten Presbyter (§ 23) Das Glaubensbekenntniss der Apostolischen Kirche nach den Mittheilungen des Bischofs Alexander von Alexandrien (§ 24) Der Glaube der Kirche zu Cäsarea in Palästina nach einer Formel des Bischofs Eusebius (§ 25) Der apostolische Glaube oder das Taufbekenntniss der Kirche zu Jerusalem nach den Katechesen des B. Cyrillus (§ 26) Anhang. Das sogenannte kürzere Symbol bei Cyrillus Das Symbol der Antiochenischen Kirche nach Jo. Cassianus (§ 27) Glaube der katholischen Kirche nach zwei Formeln des Epiphanius (§ 28. 29)

Zweite Abtheilung. Regula Fidei der allgemeinen Kirche (§ 30–41) I. Bei Irenaeus (§ 30. 31) II. Bei Tertullianus (§ 32. 33. 34) III. Bei Novatianus (§ 35) IV. Bei Cyprianus (§ 36. 37) V. Bei Origenes (§ 38) VI. In den Apostolischen Constitutionen (§ 39. 40) VII. Bei Victorinus von Petavium (§ 41) Dritte Abtheilung. Die Symbole der apostolisch-katholischen Kirche (§ 42–82) A. Vornicänische Symbole (§ 42–44) 1. Das Glaubensbekenntniss einer Antiochenischen Synode gegen Paulus v. Samosata (§ 42) 2. Das Glaubensbekenntniss des Gregorius Thaumaturgus (§ 43) 3. Das Glaubensbekenntnis des Märtyrers Lucianus (§ 44)

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B. Die Symbole der ökumenischen Synoden (§ 45–52) C. Die Symbole der Partikular-Synoden (§ 53–67) Anhang. Akatholische Symbole (§ 57–67) D. Symbole einzelner Kirchenlehrer (Privat-Symbole) (§ 68–82) Anang. Symbole heterodoxer Kirchenlehrer (§ 77–82) Gliederung der 2. Auflage (1877)12 Nachtrag. Erste Abtheilung: Regula fidei der alten Kirche (§ 1–13) I.I. Bei Irenaeus (§ 1–3) I.II. Bei Tertullianus (§ 4–6) I.III. Bei Novatianus (§ 7) I.IV. Glaubensregel nach Angabe der gg. Noetus in Smyrna versammelten Presbyter (§ 8) I.V. Bei Origenes (§ 9) I.VI. Nach den apostolischen Constitutionen (§ 10. 11) I.VII. Bei Victorinus von Petavium (§ 12) I.VIII. Bei Gregor von Nazianz (§ 13) Zweite Abtheilung. Die Symbole der alten Kirche (§ 14–161) A. Taufsymbole (§ 14–60) I. Das Symbolum Apostolicum des Abendlandes (§ 14–60) I.1 Die Altrömische Form (§ 14–19) I.1.a) Nach Rufinus (§ 14) I.1.b) Nach Marcellus von Ancyra (§ 15) I.1.c) Nach dem sog. Psalterium Königs Aethelstan (§ 16) I.1.d) Nach dem Cod. Laudianus (§ 17) I.1.e) Nach Leo Magnus (§ 18) I.1.f) Nach dem Sacramentarium des Gelasius (§ 19) I.2 Symbolformen in anderen Kirchen Italiens (§ 20–27) I.3 Symbol der Carthaginiensisch-afrikanischen Kirche (§ 28–35) I.4 Symbol der Gallischen Kirche (§ 36–38) I.5 Symbol der Kirche zu Trier nach Amalarius Fortunatus (§ 39) I.6 Symbol der Irischen Kirche (§ 40) I.7 Einige andere alte Formen des Symbols (§ 41–44) I.8 Das apostolische Symbol nach dem recipierten Texte (§ 45–60) II. Taufsymbole des Morgenlandes (§ 61–72) II.1 Symbol der palästinischen Kirche (§ 61. 62) II.2 Symbol der Antiochenischen Kirche (§ 63) II.3 Symbol nach den apostolischen Constitutionen (§ 64) II.4 Symbol der Alexandrinischen Kirche (§ 65. 66) II.5 Symbol der Kirche zu Salamis auf Cypern (§ 67. 68) II.6 Taufbekenntnis der Nestorianer (§ 69) 12

Ich teile wegen der Bedeutung des Apostolikums in unserem Zusammenhang wiederum die einzelnen Paragraphen zum Abschnitt Apostolikum mit, während ich bezüglich der anderen Teile auf die Einzelnennung der Paragraphen verzichte.

102 II.7 II.8 II.9 B. C. D.

Glaubensbekenntnisse als Taufbekenntnisse Taufbekenntnis der Armenischen Kirche (§ 70) Koptisches Taufbekenntnis (§ 71) Aethiopisches Taufbekenntnis (§ 72) Symbole der ökumenischen Synoden (§ 73–81) Symbole von Particular–Synoden (§ 82–113) Symbole einzelner Kirchenlehrer (§ 114–161)Gliederung der 3. Auflage (1897)13

Erste Abtheilung: Regula fidei der ältesten Kirche (§ 1–15) I.1 Bei Ignatius (§ 1) I.2 Bei Aristides von Athen (§ 2) I.3 Bei Justin dem Märtyrer (§ 3) I.4 Glaube der gg. Noetus in Smyrna versammelten Presbyter (§ 4) I.5 Bei Irenaeus (§ 5) I.6 Nach den Canones Hippolyti (§ 6) I.7 Bei Tertullianus (§ 7) I.8 Bei Origenes (§ 8) I.9 Nach den apostolischen Constitutionen (§ 9. 10) I.10 Bei Novatianus (§ 11) I.11 Bei Cyprianus (§ 12) I.12 Bei Victorinus von Petavium (§ 13) I.13 Bei Adamantius (§ 14) I.14 Bei Alexander v. Alexandrien (§ 15) I.15 Bei Aphraates (§ 16) Zweite Abtheilung. Die Taufsymbole der alten Kirche (§ 17–141) A. Das Symbolum Apostolicum des Abendlandes I. Die Symbolformen in den Kirchen Italiens I.1 In der römischen Kirche I.1.a) Nach Marcellus von Ancyra (§ 17) I.1.b) Nach dem sog. Psalterium des Königs Aethelstan (§ 18) I.1.c) Nach Rufinus (§ 19) I.1.d) Nach dem Cod. Laudianus (§ 20) I.1.e) Nach Leo Magnus (§ 21) I.1.f) Nach Gregorius Magnus (§ 22) I.1.g) Nach einer von Swainson entdeckten Handschrift d. 8. Jh. (§ 23) I.1.h) Nach einem Psalterium Latinum et Graecum Papae Gregorii (§ 24) I.1.i) Nach dem Ordo Romanus (§ 25) I.1.k) Griechischer Text nach einer Handschrift des Escorial a. d. 14. Jh. (§ 26) I.1.l) Griechischer Text nach einem Cod. Ambros. a. d. 14. Jh. (§ 27) I.1.m) Griechischer Text nach einem vatican. Cod. d. 16. Jh. (§ 28) I.1.n) Nach dem Catechismus Romanus (§ 29) I.1.o) Griechischer Text nach einer barbarin. Hs. d. 16. o. 17. Jh. (§ 30) 13 Ich teile wegen der Bedeutung des Apostolikums in unserem Zusammenhang wiederum nur die einzelnen Paragraphen zum Abschnitt Apostolikum mit, während ich bezüglich der anderen Teile auf die Einzelnennung der Paragraphen verzichte; für die 3. Aufl. ist diese eh aus der nächsten Tabelle zu ersehen.

Glaubensbekenntnisse als Taufbekenntnisse I.1.p) I.2 I.3 I.4 I.5 I.6 I.7 II. III. IV. V. VI. VII. B. – – I. II. III. IV.

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Die Interrogationes de fide in der römischen Kirche (§ 31) In der Mailändischen Kirche (§ 32. 33) In der Kirche zu Turin (§ 34) In der Kirche zu Ravenna (§ 35) In der Kirche zu Aquileja (§ 36–38) In der Kirche zu Florenz (§ 39) Symbolformen unbekannten, aber vermuthlich italienischen Ursprungs (§ 40–43) Symbolformen in der Carthaginiensisch-afrikanischen Kirche (§ 44–52) Symbolformen in der Spanischen Kirche (§ 53–58) Symbolformen in der Gallischen Kirche (§ 59–75) Symbolformen der britischen Kirchen (§ 76–89) Symbolformen aus den germanischen Kirchen (§ 90–119) Symbolformen aus den nordischen Kirchen (§ 120. 121) Die Taufsymbole des Morgenlandes (§ 122–141) Die muthmassliche Urform des morgenländischen Taufsymbols (§ 122a) Die aus dieser Urform hervorgegangenen Localsymbole (§ 122b) Die Symbolformen in der palästinensischen Kirche (§ 123–128) Die Symbolformen in der syrischen Kirche (§ 129–132) Symbolformen in den kleinasiatischen Kirchen (§ 133–138) Symbolformen in den ägyptischen Kirchen (§ 139–141)

Dritte Abtheilung. Die ökumenischen Symbole (§ 142–150) Vierte Abtheilung. Symbole von Particular-Synoden (§ 151–184) Fünfte Abtheilung. Privat-Symbole (§ 185–246) Anhang. Materialien zur Geschichte und Erklärung des alten römischen Symbols aus der christlichen Litteratur der zwei ersten Jahrhunderte.

Im Unterschied zu Hahns Vorgänger Walch, der die Regulae fidei unter die Symbole subsumierte und eine viergeteilte Symbolbibliothek herausgab, gliedert August Hahn die erste Auflage seiner Sammlung dreifach: Eine erste Abteilung umfasst verschiedene Formen des „Symbolum Apostolicum“, eine zweite Texte zur „Regula Fidei der allgemeinen Kirche“ und eine dritte Symbole „der apostolisch-katholischen Kirche“. Wirkungsgeschichtlich ebenso bedeutend wie diese Dreiteilung hat sich die Bestimmung des von ihm sogenannten textus receptus, die Rede von Lokaltraditionen und die hieraus folgende Unterteilung der Bekenntnisse in westliche und östliche Bekenntnisformeln ausgewirkt,14 die durch die folgenden Gliederungspunkte nahegelegt wurde: „I.I Römische Form des Symbols (§ 1–14)“, „I.II.1. Das Symbolum der Kirche zu Aquileja – nach Rufinus (§ 15)“, „I.II.2. Verwandte Symbole der Abendländi14

An herausragenden und prägend wirkenden Forschern sind etwa zu nennen der in Cambridge lehrende F. J. A. Hort (1828–1892), Two Dissertations, 1876 und der in Christiania/Oslo wirkende Carl Paul Caspari (zu ihm vgl. weiter unten).

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schen Kirche (§ 16–19)“, „I.III. Orientalische Form des Symbols (§ 22–29)“. Die Unterscheidung zwischen westlichen und östlichen Bekenntnissen gründet sich bei Hahn jedoch nicht auf inhaltliche oder formale Kriterien, sondern ist, wie der wiederholte Hinweis auf Rufin belegt,15 von der Meinung dieses Kirchenvaters inspiriert. Was die Dreiteilung der Symbolbibliothek betrifft, bei der zwischen dem apostolischen Symbol und der Regula fidei klar unterschieden wird, meint Hahn in seiner Einleitung, „die Frage nach dem Verhältniss des Symbolum Apostolicum zur Regula fidei (sei) wirklich bis jetzt noch unbeantwortet“, und hebt hervor, dass er sie auch „als solche gelten“ lassen will, damit „das Urtheil wie die Untersuchung den kundigen Lesern vollkommen frei gegeben“ sei.16 Damit nimmt Hahn Rücksicht auf die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung längst noch nicht abgeschlossene Diskussion, die sich seit Lessing, Delbrück und K. I. Nitzsch um die Zuordnung von Taufbekenntnis, Glaubensregel und Symbol drehte. Auch wenn August Hahn in diesem Streit, wie die zitierte Einleitung zu seiner Bibliothek ausweist, keinen dezidiert eigenen Standpunkt beziehen will, so lässt sich doch die neuartige Struktur und die Zuordnung der Texte ohne die Untersuchung, welche Hahn an anderer Stelle gleichzeitig mit dem Erscheinen seiner Bibliothek publiziert und mit der er an der zeitgenössischen Diskussion teilgenommen hat, nicht verstehen. Während etwa Walch „in seiner Bibliotheca symbolica vetus in dem, was Irenäus und Tertullian als ‚regula fidei‘ oder ‚regula veritatis‘ bringen, Relationen des Symbolums sieht, und Bingham von Symbolfragmenten des 2. und 3. Jahrhunderts spricht, … (trennt Hahn) jetzt ‚Glaubensregel‘ und ‚Symbolum‘ in der Weise, dass … (er) jene als eine durch mündliche Überlieferung sich fortpflanzende unformulierte Summe der Hauptwahrheiten des Christentums fasst …, mit der das Symbolum nur insofern in Beziehung stehe, als in ihm der Inhalt der Glaubensregel kurz zusammengefasst sei“.17 Mit dieser kurzen Zusammenfassung Dörholts wird Hahns Ansatz zur Verhältnisbestimmung von Glaubensregel und Symbolum treffend, wenn auch nicht vollständig, beschrieben. Es fehlt in ihr die besondere Stellung, die Hahn dem Apostolikum innerhalb des Zueinanders von Glaubensregel und Symbol gibt. Nachdem Hahn im ersten Beitrag zu den „Theologisch-kirchliche(n) Annalen“ ältere Ansichten des Verhältnisses von Apostolikum und Regula fidei referiert hat,18 prüft er in seinem zweiten Artikel für dieselbe Zeitschrift die altkirchlichen Quellen, wie sie das „apostolische … Symbolum oder das allgemeine Taufbekenntnis charakterisieren …, welchen Inhalt sie ihm bestimmt 15 Vgl. I.I.1 Nach Rufin (§ 1), I.II.1. Das Symbolum der Kirche zu Aquileja – nach Rufinus (§ 15), Die Römische Formel in der Aquilejensischen Kirche (§ 20), I.III.1. Nach Rufinus (§ 22). 16 A. Hahn, Bibliothek, 1842, II. 17 B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 97. 18 A. Hahn, Das Apostolische Symbolum II, 1843, 3, vgl. ders., Das Apostolische Symbolum I, 1842.

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und ausdrücklich zuerkennen“ und welche Relation zwischen dem Apostolikum und der „Glaubensregel“ besteht.19 Nach seinem Durchgang durch die verschiedenen Texte kommt er zum Ergebnis: „Nach diesen Darstellungen (sc. der Väter) ist das Taufbekenntnis ein einfacher, kurzer, doch aber, was das Wesentliche betrifft, vollständiger, in eine behaltbare Formel gebrachter Inbegriff der biblischen Lehren, wie er von allen Christen in aller Welt seit den Zeiten der Apostel anerkannt, mündlich durch den kirchlichen Unterricht fortgepflanzt wurde und zu welchem sie die Competenten bei der Taufe – oder in einzelnen Fällen nach derselben – bekennen mussten.“20 Dabei sei, wie Cyrill von Jerusalem und Augustin beweisen, „nicht an eine wörtliche Abfassung des Taufbekenntnisses durch die Apostel“ zu denken, sondern es werde „insofern als apostolisch bezeichnet …, als es mit der ursprünglichen Verkündigung der Apostel vollkommen übereinstimmt und aus den Schriften derselben zusammengestellt (ist)“.21 Was Inhalt und Funktion des Apostolikums betrifft, schreibt Hahn: „Diese mittelst des kirchlichen Unterrichts fortgeerbte, im Taufbekenntniss summarisch zusammengefasste, von den Competenten angeeignete und öffentlich anerkannte Glaubens- oder Wahrheitsregel soll nun einem jedem Christen als Prüfstein dienen … (, ist also) hermeneutischer und dogmatischer Kanon.“22 Die Tradition von K. I. Nitzsch fortführend stellt Hahn das Apostolikum als eine pointierte, zum Zweck der leichteren Memorierung knapp gehaltene Zusammenfassung und Formalisierung der breiteren und nicht fixierten Regula fidei dar, die als das allgemeine Taufbekenntnis zu gelten habe. Der Name „Symbolum“ für dieses Taufbekenntnis (und nicht für die Taufe als solche) begegne mit Sicherheit erst im vierten Jahrhundert und lasse sich nur vermutungsweise bereits für das dritte Jahrhundert annehmen. Ältere Zeugnisse gebe es nicht.23 Dieses „Resultat“ von Hahns „eigene(r) Untersuchung“ liest man in komprimierter und zugleich erweiterter Form in der Einleitung zu seiner Bibliothek: „Das unter dem Namen des apostolischen Symbolum bekannte allgemeine Taufbekenntniss, als urkirchliche Auslegung der Taufformel, auf welche in allen Regulae fidei, wie fast in allen auf Synoden oder von einzelnen Kirchenlehrern abgefassten Symbolen Rücksicht genommen wird, haben wir als die Voraussetzung aller folgenden, den christlichen Glauben betreffenden, Darstellungen und Bestimmungen vorangestellt.“24 Wohlbemerkt gilt für ihn nicht das Apostolikum, sondern die Taufformel als Grundlage für alle weiteren Regulae

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A. Hahn, Das Apostolische Symbolum II, 1843, 3. Ebd., 19. 21 Ebd., 20. 22 Ebd., 26. 23 Vgl. ebd., 39; vgl. auch C. Eichenseer, Das Symbolum Apostolicum beim heiligen Augustinus, 1960, 26. 24 A. Hahn, Bibliothek, 1842, IIf. 20

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fidei und Bekenntnisse, zu denen auch das Apostolikum gehört.25 Allerdings erweckt Hahn durch die Voranstellung des „Symbolum Apostolicum“ in der ersten Abteilung und durch die Nachordnung der Regulae fidei und der kirchlichen Bekenntnisse den Eindruck, als sei das Apostolikum und nicht die Taufformel die Grundlage aller anderen Bekenntnisse. Diese Spannung ist vielleicht als Zugeständnis an eine breitere (antiaufklärerisch-orthodoxe) Leserschaft26 seiner Bibliothek zu werten, die sowohl den Thesen von Voss, Voetius und King wie auch denjenigen von Lessing, Delbrück und K. I. Nitzsch skeptisch gegenüber steht. Denn er will, wie seine Untersuchung zeigt, sicherlich nicht hinter den erreichten Forschungsstand zurücktreten, der sich etwa bereits in Walchs Bibliothek niedergeschlagen hat. Hätte Hahn seine Bibliothek allerdings klarer entsprechend seinen wissenschaftlichen Erkenntnissen konzipiert, müsste man in einer ersten Abteilung zunächst die verschiedenen Regulae fidei lesen, wie sie die Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte überliefern, sodann in einer zweiten Abteilung die Ausfaltungen und Summarien der Taufformel in den Taufbekenntnissen und in einer dritten Abteilung die Symbole.27 Wer folglich nicht aufmerksam Hahns Einleitung und in Ergänzung hierzu seine Untersuchung zur Kenntnis nimmt und schlicht der Anlage seiner Bibliothek folgt, wird von den Ergebnissen der aufmerksamsten älteren Dogmenhistoriker wie Voss, Voetius, King und anderen mit ihrer sukzessive entwickelten Kritik der Frühansetzung des Apostolikums weggeführt. Orthodoxe Zugeständnisse lassen sich aber nicht nur in der Anlage der Bibliothek, sondern auch an Details der Hahnschen Überlegungen konstatieren. Hatte Parker in Ansätzen und Voetius bereits grundsätzlich zwischen der apostolischen Taufformel (Mt 28,19) als Grundlage der Verkündigung der Apostel einerseits und andererseits dem später entstandenen Apostolikum differenziert, behauptet Hahn deren direkten Zusammenhang. Desgleichen übergeht Hahn die chronologischen Überlegungen von Voss und Köllner und die antilogischgenetische Erklärung von Voss, King und vielen anderen. Statt dessen scheint es, als sei das apostolische Bekenntnis der theologischen Diskussionen der ersten Jahrhunderte und der in ihnen entwickelten unterschiedlichen Regulae fidei enthoben zu sein. Bei den Symbolen der Ökumenischen Synoden, die 25 Wenn Hahn die von K. I. Nitzsch angebrachte Unterscheidung der Glaubensregel als einer freien Formulierung christlichen Bewusstseins und dem Symbol als einer festen Kirchenlehre in der Einleitung seiner Bibliothek etwas zurücknimmt und davon spricht, dass die Glaubensregeln als „Darstellungen der traditionellen, freien Auslegung des in der allgemeinen Kirche lebenden, im Taufbekenntniss summarisch zusammengefassten, Glaubens“ zu bezeichnen sind, so wird hieraus doch unmissverständlich deutlich, dass nicht das Taufbekenntnis (für Hahn mit dem Apostolikum gleichgesetzt) Grundlage der Glaubensregeln ist, sondern umgekehrt die Glaubensregel im Taufbekenntnis und schließlich auch im Apostolikum zusammengefasst wird, vgl. A. Hahn, Bibliothek, 1842, III. 26 Auf die durch Hülsemann, Calov, Hanmann und Scharf repräsentierte Gegenrichtung der lutherischen Orthodoxie wurde oben hingewiesen. 27 Dieser Anordnung entsprechend ist angelegt: H. B. Smith/Ph. Schaff, The Creeds of the Greek and Latin Churches, 1877.

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offenkundig durch konkrete historische Herausforderungen provoziert worden sind und von denen nur einige später als Taufsymbole benutzt wurden, muss Hahn allerdings zugestehen, dass sie antihäretischer Ausrichtung zu sein scheinen. Sie haben den Charakter von o{roi und bieten „die authentischen Auslegungen und näheren Bestimmungen des allgemeinen Glaubens, insofern hervorgetretene Irrthümer oder Streitigkeiten oder auch andere Ursachen sie veranlassten … sowohl des Taufbekenntnisses als des traditionellen, nicht formulirten Glaubens.“28 Doch selbst für diese Synodalbekenntnisse gelten dieselben Einsichten wie für die „Relationen über die Regula fidei“, dass sie nämlich zum einen nicht weniger frei und stärker festgelegt seien als diese, zum anderen aber wie diese auf das Taufbekenntnis zurückzuführen seien. Wie bei den Glaubensregeln „nicht blos der Inhalt, sondern meist auch die Ausdrücke erkennbar sind, in welchen die Competenten in den verschiedenen Landeskirchen der apostolisch-katholischen Periode bei der Taufe ihren Glauben bekennen mussten; eben so unverkennbar ist es, dass das Taufbekenntnis den Inhalt, Ausdruck, wie auch den Gedankengang der meisten im engern Sinne so genannten, Symbole bedingt hat, doch begreiflicher Weise nicht dasselbe allein, sondern zugleich die lebendige, traditionelle Auslegung desselben und die über diese hervorgetretenen Differenzen, welche zunächst die Declarationen veranlassten.“29 Jegliche Regula fidei, jedes Symbol, ja jede dogmatische Streitigkeit überhaupt gehören nach Hahns Studien wie Bibliothek in den Zusammenhang der Taufe. Das mit ihr verbundene Bekenntnis sei Ausdruck für die „wesentliche Einheit des Glaubens der apostolisch-katholischen Kirche nicht minder als (für) ihre Freiheit“.30 Trotz den Spannungen zwischen Hahns Studien und dem Aufbau seiner Bibliothek hat diese Sammlung von Bekenntnissen vor allem durch die Anschauung, die ihre Struktur vermittelt, eine tiefgreifende Wirkung gehabt, ja sicherlich tiefgreifender als die theoretischen Überlegungen ihres Herausgebers.31 Einer der Gründe, warum sie derart stark gewirkt hat, hängt, um hier einen kleinen Ausblick zu wagen, neben ihrer praktischen Benutzbarkeit nicht zuletzt mit dem Umstand zusammen, dass in England Charles Abel Heurtley mit seiner „Harmonia Symbolica“, die ebenfalls auf Rufins Unterscheidung zwischen 28

A. Hahn, Bibliothek, 1842, III. Ebd., III–IV. 30 Ebd., IV. 31 Die Kritik, die etwa B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 97f. gegenüber A. Hahn vorträgt, bezieht sich lediglich auf die Ergebnisse von dessen Studien und auf die auch in der Einleitung (erstaunlicherweise) „genaue“ (ebd. 97) Unterscheidung von „Glaubensregel“ und „Symbol“; auch er erkennt bereits (ebd. 98) „das Unklare, das bei Hahn (in der Bibliothek) noch immer darin lag, dass er die Glaubensregel für eine traditionelle Auslegung des Symbolums erklärte und so Symbolum und Glaubensregel, die er eben getrennt hatte, doch wieder in Beziehung zu einander brachte“; Dörholt sieht vor allem in der Tradierung dieser Unterscheidung das wesentliche Element der Wirkungsgeschichte der Hahnschen Bibliothek (ebd. 98); mir hingegen scheint Hahn diesbezüglich eher durch seine Studien zu wirken, während die Bibliothek die orthodoxe und antiaufklärerische Haltung nährt. 29

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westlichen und östlichen Bekenntnissen basiert, in eine ganz ähnliche Richtung führt wie A. Hahn32 und in Norwegen Carl Paul Caspari die Anlage von Hahns Bibliothek (im Unterschied zu dessen Auffassungen in der Studie) durch die Editionen von Bekenntnisformeln und Studien stützt, mit denen er das Feld der Symbolforschung im letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts dominiert.33 Auf Casparis Erkenntnissen weiterbauend gestaltet Georg Ludwig Hahn die Bibliothek seines Vaters um, erweitert sie und bietet so das von Caspari in Aussicht gestellte, aber nie erarbeitete Urkundenbuch zur Geschichte des Taufbekenntnisses.34 Nachdem auch Ferdinand Kattenbusch (1851–1935) auf Caspari gestützt sein zweibändiges Mammutwerk zur historisch-theologischen Betrachtung des Apostolikum publiziert (1889 und 1894), Adolf von Harnack Caspari zunächst weitgehend ohne Einschränkungen lobt und Georg Ludwig Hahn nach dem Tod Casparis eine dritte, erweiterte Auflage der BSGR ausgehen lässt, ist das Hypothesengebäude eines früh im zweiten Jahrhunderts entstandenen Apostolikum, welches als Ausgangspunkt aller anderen Symbole diente, so festgezimmert, dass daran später nur mehr sehr schwer gerüttelt werden konnte. Bereits die zaghaften späteren Versuche von Adolf von Harnack, die Caspari-Kattenbusch’sche Frühdatierung des Apostolikums, die mit der durch die Bibliothek von Hahn/Hahn insinuierten Vorstellung von der grundlegenden Funktion des Apostolikums für alle anderen Regulae fidei und Symbole verbunden ist, zu korrigieren, erschüttern nicht nur grundlegend die Theoriengebäude, sondern führen gar zu einem auch für Harnack unerwarteten 32

Zu Ch. A. Heurtley vgl. weiter unten. Vgl. A. v. Harnack, Rez. F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 580 schreibt von sich und den Symbolforschern seiner Zeit, dass sie alle auf den „Schultern“ Casparis stünden; vgl. auch noch J. de Ghellinck, Les recherches sur les origines, 1949 (1946), der ebd. nach 40 Seiten über etwa vierhundert Jahre Forschungsgeschichte mit Caspari die zweite Phase (1860–1914/18) beginnen sieht, die er auf den nächsten 138 Seiten bespricht. 34 A. v. Harnack, Rez. Hahn, BSGR2, 1878, 81 hält es für „ein schwer zu rechtfertigendes Unternehmen“ (84), dass sich hier letztlich ein Nichtspezialist der Ergebnisse eines Fachmannes bedient und diesem in der Veröffentlichung des Urkundenbuches vorweggreift, ohne jeweils auf den zu verweisen, von dem er die Weisheiten geborgt hat: „Die ganze Arbeit trägt keineswegs überall den Stempel selbständiger, kritischer Forschung, ja auch nicht den der erforderlichen Akribie. ... Wo es galt, selbständig vorzugehen, werden sie (sc. die schlimmen Züge) sofort offenbar. So sind die Texte, so weit sie nicht von Anderen recensirt sind, öfters unkritisch abgedruckt. Editionen, die nach dem Erscheinen der ersten Auflage (der Ausgabe von August Hahn) herausgekommen sind ..., sind nicht benützt. ... Weiter aber sind manche Irrthümer der ersten Auflage ... nicht corrigirt worden“ (ebd., 82f.). Sodann kritisiert v. Harnack, dass die Sammlung der Regulae fidei „unvollständiger und unbrauchbarer“ sei als alle anderen Abschnitte des Buches (ebd., 83). Außerdem fehlten „solche Bekenntnisse, auf welche bisher von den Gelehrten nicht hingewiesen worden ist, obgleich sie in den Werken griechischer und lateinischer Kirchenschriftsteller gedruckt vorliegen. ... Dazu kommt, dass eine ganze Gruppe von Bekenntnissen, deren Werth nicht hoch genug angeschlagen werden kann, so gut wie ganz fehlt, ich meine die Märtyrerbekenntnisse“ (ebd., 83f.); J. Haußleiter, Das apostolische Symbol, 1898 bemerkt: „Es wäre ein Irrtum zu meinen, daß die in den 246 Paragraphen der dritten Auflage der Hahnschen Bibliothek ... mitgeteilten Texte samt und sonders so, wie sie gedruckt vorliegen, auch gelautet haben.“ – Schon an dieser Stelle sei vermerkt, das Martien F. G. Parmentier zur Zeit für das Corpus Christianorum eine solche Sammlung von Symbolauslegungen vorbereitet. 33

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Sturm im orthodoxen Lager gegen ihn, der eher ihn als den Bau zu stürzen drohte. Doch bevor die Auseinandersetzungen im sogenannten Apostolikumstreit skizziert werden, soll die zeitgenössische Diskussion nachgezeichnet werden, die während und nach der Entstehung und den Neuausgaben von Hahns Bibliothek stattgefunden hat. Bald nach Hahns Studien erscheint ein Vortrag des Basler Professors und Pfarrers Emmanuel Stockmeier (1814–1894), gehalten vor der „schweizerischen reformirten Prediger-Gesellschaft“ in ihrer siebten Jahresversammlung vom 22. und 23. Juli 1845.35 In ihm befasst sich Stockmeier mit Hahns Ansicht, die er dessen Bibliothek entnommen hat.36 Trotz der neuen Textgrundlage, die Hahn geschaffen hat, und der älteren historischen Studien gesteht Emmanuel Stockmeier in seinem Vortrag, dass auf die Frage, „Wann und auf welche Veranlassung“ das apostolische Symbolum entstanden sei, keine „auf historisches Zeugniß basirte, etwa chronologisch ermittelte Antwort … zu geben“ sei. „Die Schwierigkeit“, fährt er fort, „jene Frage zu beantworten, erklärt sich hinreichend aus dem doppelten Umstand, dass nicht nur bis gegen das Ende des vierten Jahrhunderts so gut als gar keine direkten historiographischen Nachrichten über die Entstehung der unter dem Namen Symbolum Apostolicum bekannten Bekenntnißformel anzutreffen sind, sondern (und so erklärt er sich diesen ersten Umstand, M. V.) dass man bis in die gleiche Zeit hinab noch immer aus Furcht vor Profanation Bedenken trug, jene tessera militis Christiani der Schrift anzuvertrauen“.37 Im Anschluss an Voetius, Voss und vor allem King sucht Stockmeier dennoch die Anfänge des Symbolums zu ergründen. Dabei stellt sich ihm die Frage nach dem Verhältnis von Regula fidei und „apostolischem Symbolum“.38 Wie Hahn und die Vertreter der lessingschen Ansicht unterscheidet auch Stockmeier zwischen Glaubensregel und Symbol, bestreitet aber die Auffassung, die Hahns Bibliothek nahelege, dass sich die Glaubensregel aus dem apostolischen Symbol heraus entwickelt hat. Keiner der frühen Kirchenväter, weder Irenäus noch Tertullian noch Origenes, argumentiert Stockmeier mit vielen vor ihm, bezögen 35 E. Stockmeier, Wann und auf welche Veranlassungen ist das apostolische Symbolum entstanden und welche Bedeutung hat dasselbe für die Kirche überhaupt und insbesondere auch für unsere Zeit?, 1845, 44–104 (mit ebd., 104–124 der Dokumentation der sich an den Vortrag anschließenden Diskussion); Stockmeier bedient sich bei seinem Referat der historischen Erwägungen von Vikar Eduard Güder (Biel), die dieser ihm hierfür hat zukommen lassen; vgl. B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 98 kritisiert die Schrift ihrer Abhängigkeit von Hahns Studien wegen: „Sie trägt ... sofort auch ihre verhängnisvollen Früchte für die Darlegung der Geschichte des Symbolums.“ 36 Vgl. E. Stockmeier, Wann und auf welche Veranlassungen ist das apostolische Symbolum entstanden, 1845, 51; in der Anm. heißt es, dass ihm Hahns Artikel nicht zugänglich war. Wieso J. de Ghellinck, Les recherches sur les origines, 1949 (1946), 35 Stockmeier vor Hahn behandelt, ist unverständlich. 37 E. Stockmeier, Wann und auf welche Veranlassungen ist das apostolische Symbolum entstanden, 1845, 47. 38 Ebd., 49.

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sich auf das Apostolikum, sondern böten „einfach eine historische Darlegung der Lehre, die von den Aposteln her in der ganzen christlichen Kirche gegolten habe und noch gelte“.39 Auch Hahn gestehe, dass in diesen Darlegungen keine „Relationen des Symbolum Apostolicum“ zu sehen sind, erkenne aber eine „Bezugnahme auf dasselbe“ in ihnen.40 Nach Stockmeier ist aber nicht ausgemacht, ob die Regulae veritatis etwa des Irenäus jünger sind als das Apostolikum. Warum, wenn das Symbol älter ist, bedient sich Irenäus seiner im Kampf gegen die Häretiker nicht, sondern formuliert unterschiedliche Regulae? Eine Verwandtschaft von Irenäus’ Regulae mit denjenigen des Tertullian und des Origenes sei schon zu erkennen, doch auch diese beriefen sich nicht „auf die Autorität eines feierlichen Taufbekenntnisses“.41 Wenn Tertullian (Bapt. 6,2) von der Erweiterung des Bekenntnisses anlässlich der Taufe durch die „ecclesiae mentio“ spricht, und Cyprian eine entsprechende Tauffrage mitteilt, so scheinen damit die Anfänge des apostolischen Symbols greifbar zur werden.42 Ältestes Zeugnis ist nach Stockmeier schließlich das Bekenntnis aus Buch VII der Apostolischen Konstitutionen.43 Darum könne es auch nicht angehen, das Symbol nach Hahns Auffassung als Mutter, die Glaubensregel jedoch als Tochter zu bezeichnen, sondern man müsse das Verhältnis geradezu umkehren: Von der Glaubensregel habe das zum Symbol entwickelte Taufbekenntnis seine Gestalt, seinen apostolischen Namen und das apostolische Ansehen in der westlichen Kirche ererbt.44 Während sich die „apologetisch-polemischen Theologen“ der Regula fidei als einer „Quintessenz der christlichen Lehre“ im Kampf gegen die Häretiker bedient hätten, habe sich „die Kirche noch lange Zeit mit dem ursprünglichen einfachen Taufbekenntniß, dem Bekenntniß des Glaubens an den dreieinigen Gott“, begnügt.45 Erst als man „den Gegensatz der orthodoxen Lehren gegen die häretischen nicht nur theologisch, sondern auch kirchlich festzustellen und auszusprechen“ begann und „auch die Katechumenen gegen die Gefahr der Ketzerei durch ein ausführliches Glaubensbekenntniß mit einer vollständigern Waffenrüstung versehen wollte: da mußte man den einfachen drei Artikeln des ursprünglichen Taufbekenntnisses durch Erweiterung derselben zu größerer Bestimmtheit verhelfen.“46 Doch apostolische Bekenntnisse 39

Ebd., 50f. Ebd., 51. 41 Ebd., 52–55, 55. 42 Vgl. ebd., 57f. 43 Nach Ch. A. Heurtley, De Fide et Symbolo, 1869, 7 gehört das Bekenntnis jedoch wegen des antimarkellischen Teiles: „Dessen Reich kein Ende sein wird“ vermutlich in die Zeit nach 340 und vor 451 (präziser in der Datierung ist Heurtley in ders., A History of the Earlier Formularies of Faith of the Western and Eastern Churches, 1892, 70f.: wegen arianischer und antimarkellianischer Elemente „I venture to place ... [the] Creed between that of Arius and that of Cyril of Jerusalem“ [ebd. 72]). 44 E. Stockmeier, Wann und auf welche Veranlassungen ist das apostolische Symbolum entstanden, 1845, 60f. 45 Ebd., 62. 46 Ebd., 62f. 40

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seien „alle jene vielfältigen Symbole, die sich aus dem ursprünglichen Taufbekenntniß und der traditio apostolica gebildet haben. Selbst das Nicäno-Konstantinopolitanum betrachten wir nur als das zeitgemäß erweiterte und in dieser Gestalt besonders kirchlich sanktionirte Apostolicum“.47 Mit der Zeit allerdings seien bis auf zwei – auf den Textus receptus des Apostolikums (man bemerke den Einfluss von Hahn, 1842) im Westen und auf das Nizäno-Konstantinopolitanum im Westen und im Osten –, fast alle anderen Bekenntnisse, die im Laufe der Zeit wuchsen, wieder „verwelkt“.48 Markells Bekenntnis wie das kürzere Symbol des Epiphanius respräsentierten kleinasiatische Fassungen des Apostolikums.49 Ein weiterer scharfsinniger Symbolforscher ist der protestantische Straßburger Gelehrte August Kayser (1821–1885).50 In seinem kurzen Artikel präsentiert er das Wichtigste, was sich aus den Quellen an Fakten zur Entstehung des Apostolikums erheben lässt. Vor allem möchte er auf drei Fragen antworten: 1. „Quand les vérités comprises dans le Symbole furent-elles établies comme norme invariable de l’enseignement orthodoxe ou, suivant l’expression de l’antiquité, comme règle de foi?“; 2. „Quand la règle de foi fût-elle rédigée?“; 3. „Quand l’usage de réciter le Symbole au moment du baptême fut-il introduit?“51 Um die erste Frage zu beantworten, befragt er die frühchristlichen Quellen, ob aus ihnen auf ein dahinter liegendes Symbol zu schließen sei. Seine Antwort lautet: „Eh bien! de quelque côté que l’on se tourne, on ne découvre nulle trace de pareilles formules; il existe même des indices assez positifs que l’Église n’en possédait point.“52 Die ersten Elemente einer Glaubensregel findet er um 140 „chez quelques écrivains contemporains des principaux chefs gnostiques“, nicht bei Justin, sondern erstmals bei Polykarp.53 Doch dieser wende sich bereits eindeutig gegen Häresien. „Ainsi, le résultat de nos recherches“, schreibt er, „c’est qu’avant le gnosticisme il n’y a point de trace d’une règle de foi. Donc, si celle-ci porte des traces d’une opposition au gnosticisme, c’est 47

Ebd., 73. Ebd., 74. 49 Das Bekenntnis Markells als Beispiel für ein orientalisches Bekenntnis begegnet bereits bei Lequien in seiner Ausgabe der Werke des Johannes von Damaskus, Paris 1712, I 2521: „In prisco Orientalium symbolo, quod Cyrillus Hierosolymitanus in Catechesibus explicabat, et Marcellus Ancyranus Julio papae obtulit in epistola, quam refert Epiphanius Vetus—illud Symbolum in Oriente obsolevit, velut etiam symbolum aliud ecclesiae Antiochenae—, postquam ab Ephesina et Chalcedonensi Synodis vetitum est, ne alia formula adhiberetur praeter Nicaenam, quae integra a Graecis inter ipsas Baptismi ceremonias recitatur“. 50 A. Kayser, L’origine et la formation du symbole des Apôtres, 1855; Kaysers Frühschrift beruht auf seinen intensiven Studien der Apostolischen Väter (in späteren Jahren wird er mehr und mehr im Alten Testament forschen). 51 Ebd., 154. 52 Ebd., 156. 53 Ebd., 156f., 157: „Polycarpe ... nous offre le plus ancien vestige d’une règle de foi ... mais nous ignorons quels étaient les articles de cette tradition“. Zwar sieht er auch Elemente in den Ignatianen, doch diese hält er für nicht viel älter als Irenäus (ebd.). 48

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qu’elle a été formée tout entière à cette époque; elle n’est pas la paraphrase d’un Symbole plus ancien.“54 Wenn die Regula fidei erst eine Reaktion auf die Gnosis darstellt, wann wurde dann die Glaubensregel zu einem Bekenntnis, um zur Antwort auf die zweite und dritte Frage zu kommen? Drei Argumente sprechen nach Kayser gegen die Annahme, dass bereits im zweiten Jahrhundert ein offizielles Resüme des Glaubens existiert hat: 1. Das Wachsen der Glaubensregel von Irenäus bis Origenes, 2. die Tatsache, dass ein und derselbe Autor die grundlegenden Aussagen des christlichen Glaubens in ganz verschiedener Weise ausdrückt, und 3. der Umstand, dass auch Autoren, die zugleich kirchliche Amtsträger gewesen seien und auch getauft hatten, wohl kaum so divergierend formuliert hätten, wenn ihnen eine Glaubensregel als Taufformel bereits geläufig gewesen wäre.55 Wenn Tertullian berichte, dass außer Vater, Sohn und Geist noch „amplius aliquid“ bekannt werde, so dürfe man darin die Nennung der „Kirche“ sehen, nicht wesentlich mehr, jedoch kaum einen Text „aussi développé que celui du Symbole des apôtres“.56 Leider besäßen wir zwar die dritte Tauffrage, die Cyprian und Firmilian überlieferten, doch wie man das Bekenntnis zu Vater und Sohn formuliert habe, sei unbekannt. In den koptischen Kanones lese man ein kurzes Bekenntnis: „Je crois au seul vrai Dieu, Père tout-puissant, et à son Fils unique Jésus-Christ, notre Seigneur et Sauveur, et au Saint-Esprit vivificateur (tria;" oJmoouvsio", une souveraineté, un règne, une foi, un baptême), à la sainte Église catholique apostolique, à la vie éternelle. Amen!“57 Würde man die Klammer, die seines Erachtens einen späteren Einschub darstellt, streichen, hätte man ein Bekenntnis, das an das erinnere, was Tertullian vielleicht vor Augen hatte.58 Bemerkenswert sei auch, dass in derselben koptischen Schrift auf dieses trinitarische Bekenntnis erst in einem zweiten Teil die christologischen Heilsdaten folgten, die noch nicht in das trinitarische Bekenntnis hineingeschoben seien.59 Kayser fasst zusammen: „Voici donc comme nous nous représentons la formation du Symbole. Il procède des paroles sacramentelles du baptême, qui, à une date inconnue, mais antérieure à Tertullien, furent converties en profession de foi. Augmentée d’abord du dogme de la rémission des péchés, cette première confession publique fut étendue et complétée dans la suite par l’addition des vérités comprises dans la règle de foi, et devint ainsi ce qu’on a nommé le Symbole des apôtres. Ce dernier donc, loin d’avoir été le fondement commun des rédactions diverses de la règle de foi, en est au con54 55 56 57 58 59

Ebd., 157. Vgl. ebd., 158. Ebd., 159. Ebd. Vgl. ebd. Vgl. ebd., 160.

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traire le résidu positif dégagé des éléments polémiques qu’elle contenait primitivement. Quant à l’époque primitive de sa rédaction, il est impossible de la déterminer.“60 Was Rufins Zeugnis über das angeblich in Rom unwandelbar aufbewahrte Symbol betrifft, so sei er kein verlässlicher Zeuge, denn er täusche sich vollständig, wenn er darauf insistiere, dass es in Rom keine Häresien gegeben habe.61 Hingegen sei es offenkundig, dass Rufins Argument darauf abziele, der römischen Version des Symbols Autorität zu verschaffen. Es sei nur konsequent, wenn das römische Symbol auch später noch weitere Zusätze erhalten habe.62 Auffallend sei auch, dass in den theologischen Auseinandersetzungen des vierten Jahrhunderts keiner der großen Theologen an dieses einfache Symbol erinnere, „pour calmer le débat“.63 Doch vielleicht sei die Absenz des Bekenntnisses gerade im Orient ein Hinweis auf seine westliche Provenienz.64 Sowohl auf Stockmeier wie auf Kayser beruft sich ausdrücklich Ariste Viguié, Doktor der Theologie und Pastor in Nimes, in seinem Bericht für die Pastoralkonferenz am 1. Juni 1864 in Nimes.65 Seine Ergebnisse fasst er wie folgt zusammen: „Le Symbole des Apôtres s’est formé lentement, de la fin du second siècle au quatrième siècle. Le noyau, autour duquel cette formation a eu lieu, est la formule du baptême. La cause et l’occasion de cette formation progressive, c’est la lutte de l’Eglise contre les hérésies gnostiques. Au quatrième siècle le Symbole devient confession de foi officielle, bien qu’il ne soit pas encore définitivement arrêté. Depuis cette époque il conserve une autorité considérable dans l’Eglise d’Occident; dans l’Eglise d’Orient, au contraire, il perd peu à peu de son importance.“66 Dass die Anfänge der Symbolbildung (ohne Festlegung im Wortlaut) in der Antwort auf die Gnosis zu suchen seien, liest Viguié aus den Formulierungen des Irenäus, des Tertullian und des Origenes heraus. Überhaupt lasse sich die Wahrheitsregel erst als Reaktion auf die Gnosis feststellen.67 Das erkläre, warum wesentliche christliche Glaubenseinsichten darin fehlten.68 Mit Blick auf die Ergebnisse von P. King zeigt er so60

Ebd., 160. Vgl. ebd., 162. 62 Vgl. ebd., 162–164. 63 Ebd., 165. 64 Vgl. ebd. 65 Vgl. A. Viguié, Le symbole des Apôtres, 1864, 10; er erwähnt ebd. außerdem noch eine „excellente thèse de M. Bonnefon, pasteur à Alais, soutenue à Montauban en 1858“ (nicht auffindbar). 66 A. Viguié, Le symbole des Apôtres, 1864, 16. 67 Vgl. ebd., 20–27. 68 Vgl. im Anschluss an diese Argumentation: Anonymus, Le Symbole des Apôtres, 1871, 39: „Non-seulement ce formulaire n’est pas l’oeuvre des apôtres, mais encore il ne peut être considéré comme le résumé de leur enseignement; leurs doctrines les plus essentielles y manquent, et plusieurs autres à eux inconnues y figurent à la place d’honneur.“ Als Schluss zieht man (ebd., 41f.): „Le Symbole dit des Apôtres a moins de titres à occuper une place dans nos catéchismes et notre culte que ceux des premiers Conciles, que tous les protestants sont cependant unanimes à laisser de côté. Nous croyons qu’il est impossible d’échapper à cette conclusion, à moins de tomber dans l’inconséquence la 61

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dann, „que les divers articles du Symbole, groupé autour des paroles sacramentelles du baptême, sont nés de la lutte contre les gnostiques et ont chacun un but direct, celui de combattre certaines hérésies, contre lesquelles il était urgent de se défendre et dont il fallait nettement séparer les doctrines officielles.“69 Ein Ausblick auf die jüngere liturgische Entwicklung der französischen protestantischen Liturgie70 lässt ihn den Schluss ziehen, dass das Bekenntnis anfangs im reformierten Gottesdienst seinen festen Platz hatte, vom Genf Calvins ausgehend das Bekenntnis seine Stellung jedoch bereits bald verloren hatte. „Il faut conclure que jusqu’en 1733 au moins, Le Symbole des Apôtres ne faisait pas partie de notre liturgie française et ne se lisait pas au service du dimanche après la prière dominicale et avant la bénédiction.“71 Was die künftige Stellung des nicht auf die früheste Zeit des Christentums zurückgehenden und nicht immer im reformierten Gottesdienst vorhandenen „Apostolikums“ betrifft, schlägt Viguié einen sorgsamen und intelligenten Umgang mit der Tradition vor: „Rattachonsnous donc, Messieurs, à la tradition, mais en la continuant par l’esprit; là est le vrai progrès. Le progrès est le prolongement intelligent de la tradition.“72 Bis auf die Zuordnung von Markells Bekenntnis nach Kleinasien, vertritt der belesene französische protestantische Philosophieprofessor an der „Faculté de théologie protestante de Montauban“ Michel Nicolas (1810–1886) eine ganz ähnliche Meinung wie Stockmeier.73 Erstmals sieht er das Apostolikum bei Cyprian auftauchen, danach begegnet es ihm in den Apostolischen Konstitutionen74 und in der koptischen Fassung der „Kirchenordnung Hippolyts“.75 Seiner Meinung nach sind die Bekenntnisse der Katechumenen des dritten Jahrhunderts schon des Memorierens wegen kürzer gewesen als das Bekenntnis der Apostolischen Konstitutionen und haben vermutlich nicht mehr umfasst als: „Ich glaube an den Vater, an den Sohn, an den Heiligen Geist und an die Heilige Kirche“.76 Hieraus habe sich das Apostolikum entwickelt, indem zur Abwehr von Häresien aus den Regulae fidei Elemente zu dieser einfachen Taufformel aufgenommen worden seien.77 Schließlich seien diese alten „Symbole der Apostel“ aus der zweiten Hälfte des dritten und der ersten des vierten Jahrhunderts umfangreicher gewesen als die späteren aus dem Ende des vierten Jahrunderts, die durch eine dritte, „nouvelle transformation“ dann am Anfang des fünften Jahrhunderts hervorgegangen seien, welche vornehmlich auf Augustinus plus flagrante; le Symbole dit des Apôtres n’a plus droit de cité dans nos Eglises réformées, encore moins peut-il lier la conscience de qui que ce soit.“ 69 A. Viguié, Le symbole des Apôtres, 1864, 33. 70 Vgl. ebd., 44f. (mit wertvollen Quellenhinweisen). 71 Ebd., 45. 72 Ebd., 56. 73 M. Nicolas, Le Symbole des Apôtres. Essai historique, 1867, 26f. 74 Ebd., 30f. 92–94. 175–196. 75 Ebd., 32. 68. 175–196. 76 Ebd., 129–135, 135. 77 Ebd., 139–196.

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zurückgeführt werden müssten.78 Doch die definitive Form (mit dem Descensus und der Communio sanctorum) habe das Apostolikum erst in Nordafrika von den Epigonen des Augustin in einer weiteren Revision erhalten.79 Auch wenn die grundlegenden Gedanken von Nicolas bereits bei früheren Forschern begegnen, so stellt seine Studie doch einen bedeutenden Schritt in der Symbolforschung dar. Wäre er nicht der Frühdatierung des Bekenntnisses der Apostolischen Konstitutionen in Buch VII und derjenigen der koptischen Fassung der „Kirchenordnung Hippolyts“ erlegen, hätte er gewiss noch weiter reichende Schlussfolgerungen gezogen. Doch seine Ergebnisse wirken auch so auf seine Zeitgenossen bereits bestürzend. Dörholt berichtet: „Das Werk von Nicolas machte auf das Konsistorium des Bezirkes Lot et Garonne einen solchen Eindruck, dass es im März 1868 auf einer Versammlung zu Tonneins beschloss, die Verlesung des Symbols auf den Kanzeln des Konsistorialbezirks solle nicht mehr obligatorisch sein, was von der gleichgesinnten französischen Presse (besonders vom Avenir national) mit Jubel begrüsst wurde“.80 Im Konsistorialbeschluss heißt es: „Considérant que le Symbole dit des Apôtres n’est pas des Apôtres et ne remonte pas à la primitive Église; attendu que ce formulaire n’est nullement un résumé de la foi chrétienne, mais qu’il est composé d’articles successivement ajoutés les uns aux autres pour combattre les hérésies qui ont surgi depuis les premiers siècles; qu’il a dont été, avant tout, une arme de guerre et un instrument de proscription …“81 Gegen Nicolas schreibt dann der in derselben Stadt Montauban als Ehrenkanonikus wirkende Katholik Jean Fourgez, der an der Autorschaft der Apostel festhält und die volle Übereinstimmung aller Artikel des Apostolikums mit der in der wahren Kirche verkündeten Lehre nachweisen will.82 Die katholische Reaktion auf ein protestantisches Werk versteht sich, da Nicolas’ Buch in Frankreich und der Schweiz auch in kirchenpolitischen Auseinandersetzungen als Argumentationsstütze dient.83 Am 17. Dezember 1869 gibt der Conseil d’État Frankreichs dem Rekurs des Konsistoriums von Caen gegen eine Kassation eines seiner Beschlüsse durch den Ministre du cultes statt. Das Konsistorium verlangte nämlich von den „électeurs protestants de son ressort l’adhésion au Symbole des Apôtres, avant de les admettre au droit de vote“.84 Sowohl die Kassation durch das Kultusministerium wie auch der Beschluss des Conseil d’État erregen in Frankreich und der Schweiz großes Aufsehen.85

78 79 80 81 82 83 84 85

Ebd., 197–215. Ebd., 216–272. B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 104. Ebd.4. J.-I. Fourgez, Le symbole des Apôtres exposé et défendu, 31869, 1–119, bes. 15. 46. Vgl. Anonymus, Le Symbole des Apôtres, 1871. Vgl. Ebd. Vgl.Ebd., 3.

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Die aktuelle Auseinandersetzung um das Apostolikum in Frankreich fordert den Schweizer Christoph Johannes Riggenbach (1818–1890) heraus.86 Nicht nur Frankreich sei „durch den hitzigen Kampf für und wider das apostolische Glaubensbekenntnis gespalten. Derselbe Streit … (sei) in Holland entbrannt, und nicht minder in unserm Vaterlande.“87 Er nennt auch gleich den Grund für die Spannungen in der Schweiz: „War dieß doch einer der Hauptpunkte, um den es sich 1868 bei der Revision der Züricher Agende handelte: die Beseitigung des Apostolikums, oder da dieß noch nicht völlig zu erzwingen war: die Aufstellung von Tauf- und Abendmahlsformularen, aus denen es ausgetilgt war, neben solchen, die es noch enthielten.“88 Um historisch verlässlich den Wert des Apostolikums herauszuarbeiten, aber auch nicht in die Überschätzung desselben durch Lessing, Delbrück und Grundtvig zu verfallen, stützt er sich auf Hahns Bibliothek, auf Stockmeier, Zezschwitz89 und über ihn vor allem auf Caspari.90 Ausgangspunkt sei der Taufbefehl Mt 28,19, auch wenn an allen anderen Stellen im Neuen Testament „immer nur vom Taufen auf den Namen Jesu Christi, auf den Namen des Herrn, oder gar vom Taufen in Jesum Christum“ die Rede sei.91 Doch dürfe darum der Taufbefehl nicht als späterer Zusatz zum Evangelium gewertet werden, sondern man müsse die Varianz auf die noch herrschende Freiheit im frühen Christentum zurückführen.92 In einem zweiten Ansatz wendet sich Riggenbach dem apostolischen Bekenntnis zu. Da im Westen das Nizänum nicht die „gleiche Stellung wie im Morgenland auch bei der Taufe zu erringen“ vermochte, sieht er es für gegeben an, dass das apostolische Bekenntnis „sein Ansehen schon“ eingewurzelt hatte.93 Auch wenn man sich nicht auf die Apostolischen Konstitutionen berufen dürfe, die dem vierten Jahrhundert zugehörten, so belegten doch Cyprian und und vor allem Novatian, der „Schritt für Schritt den Sätzen der angeführten altrömischen Taufformel“ folge, deren Existenz.94 Über Tertullian, Irenäus und Origenes 86

Chr. Joh. Riggenbach, Der apostolische Glaube nach Geschichte und Bedeutung, 1872. Ebd., 7. 88 Ebd. (ebd., 7–9 nennt er weitere Belege für die Geringschätzung des Apostolikums). 89 Wie bereits frühere Autoren, bemüht sich Carl Adolph Gerhard von Zezschwitz darum, dieses Fehlen des Bekenntnisses in den frühchristlichen Schriften durch die Arkandisziplin zu erklären, indem er das Bekenntnis von den Mysterienreligionen herleitet und die dort existierende Arkandisziplin für das Christentum postuliert (Carl Adolph Gerhard von Zezschwitz, System der christlich kirchlichen Katechetik I, 1863, 173–179). Allerdings begegne eine solche Arkandisziplin im Christentum weder bei Ignatius noch bei Justin oder Irenäus. Diese Zeugen pflegten „dem Geheimnißkram einzelner Häretiker gegenüber gerade die Publicität der christlichen Heilsverkündigung“ (ebd. 183). Ähnliches gelte auch noch für Origenes (ebd.). Lediglich aus der späteren Praxis des fünften Jahrhunderts leitet Zezschwitz dann doch ab, dass auch mit einer Arkandisziplin des Symbols als eines liturgischen Stückes auch in den ersten Jahrhunderten zu rechnen sei. Ja, es bilde geradezu das Paradestück der Arkandisziplin (ebd. 184f.). 90 Vgl. Chr. Joh. Riggenbach, Der apostolische Glaube nach Geschichte und Bedeutung, 1872, 11f. 91 Ebd., 14f. 92 Vgl. ebd., 15–17. 93 Ebd., 18. 94 Ebd., 19. 87

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urteilt er: „Sie schöpfen alle aus einerlei Substanz der Lehre. Ihre Mannigfaltigkeit bildet eine vielstimmige Harmonie, deren einfachsten Grundton wir in der … alt-römischen Formel finden.“95 Deren Geschichte aber reiche „bis ins zweite Jahrhundert zurück“; sie enthalte bereits „die Geburt aus der Jungfrau, die Auferstehung Christi am dritten Tage, die Himmelfahrt, das Sitzen zur rechten Hand Gottes, die Wiederkunft zum Gericht und die Auferstehung des Fleisches; lauter Artikel, die durchaus nicht im schlimmen Sinn römisch, sondern apostolisch sind.“96 Was die spätere Entwicklung des Bekenntnisses betrifft, referiert er die Thesen Casparis.97 Ein laut auftretender Nachfolger Lessings und Delbrücks ist Emil Gustav Lisco (1819–1897).98 Er vertritt die Meinung, dass das Apostolikum, auch wenn es „länger als ein Jahrtausend hindurch für unerläßlich … zur Seligkeit“ gehalten worden sei, in der freien Kirche der Zukunft einmal „vergessen“ sein wird.99 Klingen ihm doch die Sätze „dieses Bekenntnisses wie Stimmen aus einer untergegangenen Welt“, in welchem sich manche „verunstaltende(n) legendenhafte(n) Zusätze“ fänden und welches darum ein „der evangelischen Kirche gesprochenes Todesurtheil“ sei, eine „Beugung der Schrift unter das Joch der Ueberlieferung“.100 Darum dürfe man auch die Diener der Kirche nicht mehr auf dieses Bekenntnis verpflichten. Mit seinem „Vortrag, der zuerst in Greifswald, dann in Berlin gehalten wurde“, in welchem er diese Thesen vorträgt, wirbelt er „viel Staub auf“.101 Weniger apodiktisch als Fourgez, aber ebenfalls heftig gegen die aufklärerische Theologie (vielleicht bereits im Gewand eines Lisco) streitend, doch diese im Grunde mit der Orthodoxie harmonisierend, äußert sich der Berliner Professor und Konsistorialrat Carl Semisch.102 Das Apostolikum sei keineswegs eine „Streitwaffe behufs Abwehr häretischer Lehren“ gewesen, auch wenn die Häresien „zur Ausgestaltung“ desselben „mitgewirkt“ hätten.103 Nicht die Schriftlichkeit, sondern die mündlich tradierte Botschaft der Apostel sei bis 95

Ebd., 25. Ebd., 27; in einem weiteren Teil geht er auf „die Höllenfahrt“ (28–42) und auf „die allgemeine Kirche, eine Gemeinschaft der Heiligen“ (42–66) ein. 97 Vgl. hierzu weiter unten ausführlich. 98 Zur Disziplinaruntersuchung von G. Lisco (und Pfarrer Th. Hoßbach), außerdem zum Apostolikumstreit und der Amtsenthebung von K. L. A. Sydow, Pfarrer an der Neuen Kirche in Berlin, im Jahr 1873 vgl. W. Trillhaas, Das Apostolische Glaubensbekenntnis, 1953, 12f.; ebd. 13f. werden auch die jüngeren Fälle (K. Jatho, 1911; G. Traub, 1912; Fr. Leimbach, 1922; E. Knote, 1924) der Auseinandersetzung um das Apostolikum erwähnt. 99 G. Lisco, Das apostolische Glaubensbekenntniß, 1872, 35. 100 Ebd., 4. 25f. 32f. 101 B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 1111; vgl. G. Lisco, Das apostolische Glaubensbekenntniß, 1872; über diesen „ersten Apostolikumstreit“, der noch gegen weitere Theologen ausgefochten wurde (Karl Leopold Adolf Sydow u.a.) vgl. H. Mulert, Art. Apostolikum, 1927, 450. 102 C. Semisch, Das apostolische Glaubensbekenntniß, 1872; nach Ausweis seiner Anmerkungen kennt Semisch die ersten beiden Bände von Casparis Quellen. 103 Ebd., 6. 96

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zum Ende des zweiten Jahrhundert maßgeblich gewesen.104 Diese habe „einen geschlossenen Kern“ gebildet, denn „die biblischen Schriften konnten dieses Verlangen nicht befriedigen, weil sie, kein Lehrbuch sondern ein Schacht unendlich tiefer, entwickelungsbedürftiger Offenbarungswahrheiten, beim Mangel anerkannter Auslegungsgrundsätze die verschiedenste Behandlung erfuhren“.105 Trotz aller Abwehr aufklärerischer Theologie klingen hier doch Lessings und mehr noch Delbrücks Thesen an, indem Semisch den Ursprung des apostolischen Symbols „aus der Unmittelbarkeit des Gemeindebewußtseins“, wie es sich innerhalb der ersten fünf Jahrhunderte allmählich „vervollkommnete“, ableitet.106 Als „Abriß der Hauptartikel apostolischer Lehre“ sei es „das solenne Taufbekenntnis“,107 indem es aus der altchristlichen Taufformel (Mt 28,19) „herauswuchs“.108 Nach Justin habe sich die ursprüngliche Taufformel zu einem „Bekenntnis des Glaubens an Vater, Sohn und heiligen Geist“ entwickelt.109 Doch auch alle anderen „Glieder des zweiten Artikels, welche das apostolische Symbol in seiner geschichtlich zuerst von Rom her beglaubigten Gestalt“ umfasst, scheinen mit „an Gewißheit gränzende(r) Wahrscheinlichkeit“ schon um die „Mitte des 2. Jahrhunderts“ im Taufsymbol gestanden zu sein.110 Auch der dritte Artikel sei vor dem Ende des zweiten Jahrhunderts erweitert worden.111 Und „bis gegen Mitte des dritten sehn wir“ es „bereichert durch das Bekenntniß zur Heiligkeit der Kirche, zur Vergebung der Sünden und zur Auferstehung des Fleisches.“112 Das „Stillschweigen sämmtlicher ältern Kirchenlehrer bis an das Ende des 4. Jahrhunderts“ über das folglich bereits Mitte des dritten Jahrhunderts weitgehend vollendete Apostolikum (mit Ausnahme der „Höllenfahrt Christi“ und der „Gemeinschaft der Heiligen“), erklärt auch Semisch mit der Arkandisziplin,113 gesteht dann aber doch, dass dies eine „befremdlich(e)“ Thatsache ist, die „zum Theil unverständlich“ sei.114 Die Frage, wie sich das Bekenntnis weiter zu der uns bekannten Form entwickelt habe, ob in Rom, in Italien oder Südgallien, sei nicht mehr zu eruieren.115 Ähnlich wie Semisch tritt auch der Greifswalder Professor Otto Zöckler (1833–1906) in Berlin auf. In einem Vortrag vor der „Berliner PastoralConferenz“ spricht er am 29. Mai 1872 über das Apostolikum.116 Ausdrücklich 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116

Ebd., 7f. Ebd., 8. Ebd. Ebd. Ebd., 9. Ebd., 11. Ebd., 12. Ebd., 13f. Ebd., 15. Ebd., 17–19. Ebd., 19. Ebd., 26–28. O. Zöckler, Das apostolische Symbolum, 1872.

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wendet er sich gegen die Herabwürdigung der Autorität dieses Bekenntnisses durch Lisco aus.117 Doch auch Zöckler sucht, gestützt auf Caspari (den „Vorkämpfer… skandinavischer Orthodoxie“118), als „unbefangene(r) historischkritischer Betrachter“ einen Mittelweg zwischen „der Lessing-Delbrückschen und Grundtvig‚schen Ueberschätzung des Symbolums“ wie gegenüber „der modernen pseudoprotestantischen Verkleinerung und Verunglimpfung seines Ansehens.“119 In bekanntem Rückschreiten schildert Zöckler den äußeren Befund für die Existenz des Apostolikums. „Dass das Glaubensbekenntniss des Marcellus v. Ancyra, womit derselbe gegenüber der seitens seiner orientalischen Gegner erlittenen Absetzung und Verketzerung dem römischen Bischof Julius I seine Rechtgläubigkeit zu erweisen suchte“, bis auf das „Ewige Leben“ „wörtlich mit dem altrömischen Texte übereinstimmt“, gebe dieses Bekenntnis „als bereits damals (um 340) hochangesehen(es) und längst recipirt(es) zu erkennen.“120 Dieses altrömische Taufbekenntnis rühre dem Kern nach „aus der apostolischen Zeit“ her.121 Es sei als Regula fidei dann aber „beständigen Modificationen und Umbildungen“ ausgesetzt gewesen.122 Hingegen als „kurze(r) Inbegriff“ der Glaubenselemente für die Täuflinge sei es eine „strictere Formulirung“ geworden.123 Zöckler rechnet folglich mit zwei verschiedenen Strata der Entwicklung vom „Kern“ hin zum altrömischen Bekenntnis. Er fasst zusammen: „Das Apostolikum ist hinsichtlich seiner gegenwärtigen Form sowohl nachapostolisch, als selbst nachaugustinisch, aber hinsichtlich seines Inhalts ist es nicht nur voraugustinisch, sondern ganz und gar apostolisch.“124 In dem Berliner Privatdozenten A. Mücke findet das Apostolikum noch einen weiteren Verteidiger gegen die Angriffe Liscos.125 Nur wenn man die „kirchliche Glaubensregel der ältesten Väter und die ursprünglich mündliche Ausbreitung und Verkündigung des Christenthums in ihrer wesentlichen Übereinstimmung mit unserem heutigen Bekenntniss geflissentlich“ übersehe,126 könne man der Meinung sein, es stamme erst aus der „Mitte des dritten Jahrhunderts“ und es sei „der schon verderbte Geist der folgenden Jahrhunderte bis zum sechsten“ in ihm greifbar, nämlich „Katholicismus“ und „Mythenbildung“.127 Mücke gibt allerdings zu, dass das Bekenntnis nicht bereits von den Aposteln herstamme, 117

Ebd., 3f. Ebd., 15. 119 Ebd., 6; zu Grundtvig vgl. weiter unten bei der Behandlung von Caspari. 120 Ebd., 8f. 121 Ebd., 9; im Jahr 1893 datiert er das „altrömische Symbol“ in die Zeit „ca. 100–125“, vgl. ders., Zum Apostolikum-Streit, 1893, 79. 122 O. Zöckler, Das apostolische Symbolum, 1872, 9. 123 Ebd., 10. 124 Ebd., 18; zu Zöckler vgl. auch weiter unten seine Schrift "Zum Apostolikum-Streit“ vom Jahr 1893. 125 Vgl. A. Mücke, Das apostolische Glaubensbekenntniß, 1873, 21. 126 Ebd., vi. 127 Ebd., v–vi. 118

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sondern vielmehr im zweiten Jahrhundert allmählich gewachsen ist. Als „Kern jedes Taufbekenntnisses und jeder Taufverpflichtung“ und damit als Keim für das Bekenntnis sieht er „die Heilsmomente des gottmenschlichen Lebens …, ihre Summe, welche die geschichtliche Person des Erlösers selbst ist“.128 Zu diesem christologischen Kern hätten sich „die beiden andern Hauptglieder derselben (sc. der Taufformel, M. V.), die Ideen des allmächtigen Vaters und des heiligen Geistes … als die weiteren wichtigsten Beweisstützen für seine Wahrheit, als ergänzende Näherbestimmungen an(gelagert), welche daher in ein möglichst nahes Verhältniß zu jenem ursprünglichen Centrum traten.“129 Da das trinitarische Bekenntnis auch bereits im Neuen Testament zu finden sei, begegnet bei Mücke in nuce, was Jahre später Wilhelm Peitz und Johannes Haußleiter – ohne erkennbaren Bezug zu Mücke – in ihrer Unterscheidung einer christologischen und einer trinitarischen Wurzel des Bekenntnisses erarbeiten werden und bis heute Opinio communis wurde.130 Auch Mücke bewegt sich zwischen der Ablehnung einer Radikalkritik wie der von Lisco und der durchaus kritischen Übernahme der insbesondere von Lessing vorgetragenen und von Herder gemilderten Ideen.131 Mit ausdrücklicher Bezugnahme auf diesen, auf Delbrück, Grundtvig und andere hebt er die Vorgängigkeit der Glaubensregel gegenüber den kanonisch gewordenen Schriften des Neuen Testamentes hervor.132 Diese dürfe man sich jedoch nicht als „ein festes und geschlossenes Bekenntniss, es sei auch nur das altrömische“, vorstellen.133 Sondern sie „sollte den wahren, von Christus und den Aposteln gestifteten Glauben des Evangeliums ebenso deutlich erkennen lassen … gegen Judenthum und Heidenthum, wie gegen die Irrthümer in der Lehre, welche von der einen oder andern Seite her im Schooße des Christenthums auftauchen konnten.“134 Mücke formuliert (ähnlich wie vor ihm schon King) das antilogische Prinzip der Bekenntnisgenese: Die „weitere Entwicklung und Vollendung der Glaubensregel richtete sich denn naturgemäß nach den Gegensätzen von außen. … Dies Verfahren läßt sich aus Irenäus, Tertullian, aus den Alexandrinern und den späteren Katechesen des christlichen Alterthums … unzweifelhaft erweisen“.135 In den ersten Jahrhunderten habe man die Glaubensregel nicht schriftlich fixiert und geheim gehalten, wodurch sie inhaltlich und formal um so lebendiger auszugestalten war.136 Eine Fixierung habe erst im vierten Jahrhundert stattgefunden.137 Dass Mücke an dieser Stelle terminologisch von „Glaubensregel“ zu „Taufbe128 129 130 131 132 133 134 135 136 137

Ebd., 10. Ebd., 11. Vgl. weiter unten. Vgl. A. Mücke, Das apostolische Glaubensbekenntniß, 1873, 37. Vgl. ebd., 36f. Ebd., 38f. Ebd., 39f.; vgl. ebd., 99–111. Ebd., 44. Vgl. ebd., 63–69. Vgl. ebd., 70.

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kenntnis“ wechselt, begründet und reflektiert er nicht, hängt aber augenscheinlich mit der Benutzung von Hahns Bibliothek der Symbole und Glaubensregeln zusammen. Insbesondere erklärt er nicht, warum, wenn die Formeln des vierten Jahrhunderts, allen voran die des Alexander von Alexandrien, des Arius und das Nizänums, Taufbekenntnisse waren, in ihnen der von Mücke als Kern bezeichnete christologische Teil weithin fehlt.138 Auch die Fixierung des Bekenntnisses im Westen setzt Mücke in das vierte Jahrhundert und verweist dabei auf Markell, der sich das lateinische römische Bekenntnis „in einer fast wortgetreuen griechischen Übersetzung“ angeeignet habe.139 Um Rückhalt in Rom zu suchen, habe er „dem römischen Bischof Julius sein Glaubensbekenntniß in der griechischen Wiedergabe des römischen Taufbekenntnisses vor(getragen), um denselben von seiner Unschuld zu überzeugen.“140 Mücke sieht Übereinstimmungen zwischen diesem Bekenntnis und demjenigen, das Novatian im dritten Jahrhundert kommentierte. „Aber über die Schwelle des dritten Jahrhunderts zurück verlassen uns alle zuverlässigen geschichtlichen Anhaltspunkte so sehr, dass wir über seine frühere Entstehung, seine allmählige Fixirung und Ausbreitung im Abendland nichts Sicheres bestimmen können.“141 Die kritische Forschung schlägt sich auch auf katholischer Seite nieder. Ein gutes Beispiel ist Joseph Anton Schwane (1824–1892), der in seiner Dogmengeschichte der vornicänischen Zeit142 „die Nachricht bei Rufin, dass die Apostel vor ihrer Trennung in Jerusalem das sogenannte apostolische Glaubenssymbol abgefaßt hätten“ klar für „eine Dichtung der späteren Zeit“ hält.143 Ganz in der Tradition der vorgezeichneten Interpretationsweise, die bei Erasmus ihren Ausgang nahm, verweist auch Schwane auf die „apostolische Sitte, die Katechumenen beim Empfange der Taufe ein kurzes Glaubensbekenntniß ablegen zu lassen“.144 Auf diese Formel, die an Mt 28,19 angelehnt gewesen sei, wiesen „die Väter zu Ende des zweiten und zu Anfang des dritten Jahrhunderts (hin) und betrachteten die Häresie als einen Abfall von derselben.“145 Im Hinblick auf die Abwehr von Häresien rechnet Schwane mit Zusätzen in einzelnen Kirchen zu dem Bekenntnis, hebt aber die „Uebereinstimmung“ im Wesentlichen heraus.146 Inhaltlich umreißt er dieses Wesentliche mit einem Zitat aus Irenäus, Adversus haereses I 10. Neben dieser ausführlichen Regula fidei verweist Schwane noch auf die „kürzere Fassung des christlichen Glaubens“, nämlich „die alte kirchliche Doxologie“, „welche ebenfalls apostolischen Ursprungs zu 138 139 140 141 142 143 144 145 146

Vgl. ebd., 71–74 (auf den Mangel weist er ebd., 74 hin). Ebd., 76. Ebd. Ebd., 79. J. Schwane, Dogmengeschichte der vornicänischen Zeit, 1862, 59f. Ebd., 59. Ebd. Ebd. Ebd.

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sein scheint“, denn sie begegne bereits am Schluss paulinischer Briefe und finde sich auch in alten Märtyrerakten.147 Lessings grundlegende Einsicht zeigt ihre Wirkungen auch in England. William Wigan Harvey (1810–1883), Fellow des King’s College (Cambridge, England) und später berühmter Herausgeber des Irenäus, stellt eine eigentümliche Mischung lessingscher, katholischer und calvinischer Credoauffassungen vor, indem er von Lessing die Vorordnung der Glaubensregel („Rule of Faith“) und Bekenntnisse („Confessions of Faith substantially the same with the Apostles’ Creed“) gegenüber der Schrift übernimmt,148 von der katholischen Einschätzung die Apostolizität des Bekenntnisses und seine anfänglich mündliche Überlieferung und von Calvin die Nutzlosigkeit der Suche nach ihrem Verfasser: „It appears to be in the highest degree credible that certain articles were adopted by the Apostles, before the Scriptures of the New Testament were written, as the test and basis of Christian instruction throughout the world. … (Der große Missionserfolg wurde ermöglicht) by a close and systematic instruction in those Christian verities, which for the present could only be delivered orally, but afterwards were to be embodied in the Canon of Scripture.“149 Die Unterschiede in den überlieferten Formulierungen erklärt sich Harvey mit Anpassungen an die Bedürfnisse der Partikularkirchen, „either by the Apostle who was its founder, or by the care of each Church to determine as distinctly as possible the boundaries between Divine Truth and that phase of error which specially threatened it.“150 „There is nothing irrational in the supposition that the Apostles should have agreed, in a general way, upon a certain doctrinal model to be committed in charge to each Church successively established …, but that a certain liberty of action should have been reserved.“151 „With this understanding, it is useless to enter into anxious discussions respecting the authorship“.152 Die Glaubensregel, meint Harvey, habe viel von dem geboten, was jetzt im Apostolikum enthalten sei.153 Für eine einzige Quelle aller „Primitive Creeds“ des zweiten und dritten Jahrhunderts spreche deren weitgehende Übereinstimmung, gegen die Möglichkeit, die Urformel sei „defined or promulgated by any public act of the Church“, seien die vorhandenen Verschiedenheiten der Formeln einzuwenden.154 Um zu belegen, dass bereits das Neue Testament materialiter auf die Glaubensregel verweist, bietet Harvey (ähnlich wie Harnack für die Väter des zweiten und dritten Jahrhunderts) eine Synopse der Elemente des Apostolikums zu den wichtigsten Glaubenssummarien aus dem Neuen Testa147 148 149 150 151 152 153 154

Ebd., 60. Vgl. W. W. Harvey, The History and Theology, 1854, 10. Ebd., 1f. Ebd., 3. Ebd., 4f. Ebd., 6. Ebd., 7. Ebd., 10f.

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ment (Mt 28; Lk 24; Joh 20; Apg 2. 3. 4. 5. 7. 10. 13; Hebr 6).155 Aus diesem synoptischen Befund schließt er: „The basis of the whole superstructure was the baptismal formula of Faith in the Holy Trinity; to which were added, from our Lord’s teaching chiefly, certain supplementary details; whereby those Articles of Faith which refer to the oijkonomiva, or the Mystery of God manifest in the Flesh.“156 Nach den Hinweisen aus dem Neuen Testament zur Glaubensregel bietet Harvey eine „unbroken series of testimonies from the fathers to the early formation of the Creed“:157 Polykarp158, Ignatius,159 Justin,160 Irenäus,161 Tertullian,162 die Apostolischen Konstitutionen,163 Cyprian,164 Gregor Thaumaturgus,165 Lukian von Samosata,166 das Bekenntnis von Jerusalem,167 Nizäa (325),168 Eusebius von Cäsarea,169 Rufin.170 So beeindruckend Harvey’s Liste der Zeugen für die Glaubensregel ist, so sehr sticht dem Leser gerade die Verschiedenheit der Glaubensregeln selbst ins Auge und eröffnet ihm, dass nicht ein einziges Mal zwei Texte so parallel gehen, dass sie unmittelbar auf eine gemeinsame Quelle zurückzuführen sind. Offenkundig sind eben nicht nur die Namen verschieden „by which the formulary of faith was first known“,171 sondern trotz manch paralleler Formulierungen und Strukturen auch die Inhalte der Bekenntnisse. Gewichtige Beiträge zur Symbolforschung in England stammen von Charles Abel Heurtley (1806–1895), Margret Professor of Divinity und Canon of Christ Church, Oxford. Auf Walch aufbauend, legt er im Jahr 1858 eine eigene Sammlung von Glaubensbekenntnissen in Form einer Harmonie vor.172 Im Jahr 1869 publiziert er eine Dokumentensammlung zu den Bekenntnissen,173 der im Jahr 1886 eine englische Übersetzung einiger darin enthaltener Symboltraktate folgt.174 Seine letzte monographische Publikation bezüglich des Bekenntnisses

155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174

Vgl. ebd., 20. Ebd., 25f. Ebd., 34. Vgl. ebd., 34–39. Vgl. ebd., 35–39. Vgl. ebd., 39–42. Vgl. ebd., 43–47. Vgl. ebd., 48–51. Vgl. ebd., 51–55. Vgl. ebd., 55–56. Vgl. ebd., 56–59. Vgl. ebd., 59–63. Vgl. ebd., 63f. Vgl. ebd., 64f. Vgl. ebd., 65–73. Vgl. ebd., 74f. Ebd., 76. Ch. A. Heurtley, Harmonia Symbolica, 1858. Ch. A. Heurtley, De Fide et Symbolo, 1869. Ch. A. Heurtley, On Faith and the Creed, 1886.

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bildet im Jahr 1892 sein Schrift „A History of the Earlier Formularies of Faith“.175 Das Erstlingswerk zu den Bekenntnissen, seine „Harmonia Symbolica“ gliedert Heurtley in: „I. Declarative Creeds“ (5–102), worunter er Formulierungen des Irenäus, Tertullian, Cyprian, Novatian, Markell von Ankyra, Rufin, Augustin u.a. aufzählt; „II. Interrogative Creeds Used at Baptism“ (103–116), worunter er verschiedene Tauffragen aus Märtyrerakten, aus Cyprian u.a. fasst; „III. The Apostles’ and Nicene Creeds Harmonized“; „IV. A Historical Review of the several Articles of the Western Creed“ mit Appendix und Indices.176 Auch wenn die Gliederung dieses Werkes es nur beiläufig verrät, ruht Heurtleys Auffassung von der Genese der Bekenntnisse auf Rufins Angabe von der grundlegenden Differenz zwischen östlichen und westlichen Symbolen. Entsprechend eröffnet Heurtley seine Einführung zur „Harmonia Symbolica“: „The ancient Creeds, apart from that one which commonly bears the name of St. Athanasius, may be divided into two great classes, distinguishable from one another, at a glance, by their structure not less than by the quarter of Christendom to which they belong, – those of the Eastern and those of the Western Church. … And these two classes have run on in two separate lines from a very early period.“177 Dabei gilt ihm das Apostolikum als Typus des westlichen, das Nizänum als Typus des östlichen Symbols. Mit Berufung auf Rufin178 und Bull urteilt er, dass die östlichen Bekenntnisse bei weitem die flexiblere Form böten als der Westen „to meet the exigencies of the Church in her maintenance of the faith once delivered to the saints against the perversions of heretics, with which the East, owing to the genius of its subtle wittet people, was infested much more than the West.“179 Nichtsdestotrotz waren es im Osten Konzilien, die den verschiedenen Bekenntnissen ihre Autorität liehen, während im Westen „no council ever interfered“,180 und darum die Lokalkirchen das Bekenntnis „to some extent“ variierten.181 Heurtley bemerkt allerdings den Widerspruch, der sich diesem Erklärungsmodell entgegenstellt, wenn er schreibt: „Notwithstanding this liberty, however, a very remarkable harmony prevails in the Creeds of

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Ch. A. Heurtley, A History of the Earlier Formularies of Faith, 1892. Ch. A. Heurtley, Harmonia Symbolica, 1858. 177 Ebd., 1; ähnlich ders., A History of the Earlier Formularies of Faith, 1892, 13. 178 So auch ebd., 13f. 179 Ch. A. Heurtley, Harmonia Symbolica, 1858, 1f.; vgl. ders., A History of the Earlier Formularies of Faith, 1892, 13. 180 Ch. A. Heurtley, Harmonia Symbolica, 1858, 3. 181 Ebd., 3. 176

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the various churches which have come down to us. Alterations and additions were made, indeed, in sundry instances.“182 Was die frühe Geschichte des Symbols anlangt, schließt sich Heurtley Bingham und Pearson an, die bereits das Fehlen von Hinweisen auf ein Bekenntnis in den Schriften bis zu Irenäus herausstellten.183 Irenäus aber, der aus Kleinasien stammt, so meint Heurtley, weise in seinen an das Bekenntnis anklingenden Stellen („none of the three passages however can be considered as containing the precise and complete form [of the creed]“184) eher orientalische denn okzidentalische Züge auf;185 gleichwohl eröffnet Heurtley mit „Gaul. (Lyons.) Circ. A.D. 180“ die Reihe der vorwiegend westlichen deklarativen Bekenntnisse.186 Die nächsten Zeugnisse, die sehr nahe mit den älteren Formen des römischen Bekenntnisses verwandt seien, bieten ihm Tertullian und Cyprian, wobei er bei ersterem zugeben muss, dass sie auch viele sogenannte östliche Merkmale aufweisen.187 Da Cyprian kein deklaratorisches Bekenntnis bietet und auch nicht alle vermuteten Tauffragen, erschließt Heurtely aus der von diesem gebotenen Tauffrage hypothetisch zwei weitere und entwickelt aus ihnen ein deklaratorisches Bekenntnis.188 Das für Cyprian erschlossene Symbol lautet: „Credo in Deum Patrem, In Filium Christum, In Spiritum Sanctum. Credo remissionem peccatorum, Et vitam aeternam, Per sanctam Ecclesiam“; eine zweite Variante bezüglich der letzten drei Glieder könnte nach Heurtley auch lauten: „Credo in vitam aeternam, Et remissionem peccatorum, Per sanctam ecclesiam“.189 In seiner späteren Geschichte der Bekenntnisse vom Jahr 1892, wagt er es auch, Material aus Tertullian und Cyprian zu kombinieren, um ein mögliches Bekenntnis von Karthago zu erschließen. Das Ergebnis heißt: „Credo in unicum Deum Patrem omnipotentem, Mundi Conditorem; Et in Filium ejus Jesum Christum, Natum ex Virgine Maria, Crucifixum sub Pontio Pilato, Tertia die resuscitatum a mortuis, Receptum in coelis, Sedentem nunc ad dexteram Patris, Venturum judicare vivos et mortuos; Et in Spiritum Sanctum, Sanctam Ecclesiam, Remissionem peccatorum, Carnis resurrectionem, Vitam aeternam.“190 Auch aus Novatians Schrift, die sich zweifellos auf das Bekenntnis beziehe, erschließt er ein Symbol. Dieses hat folgendes Aussehen: „Credamus in Deum 182

Ebd. Vgl. ebd., 5f. 184 Ch. ebd., 7. 185 Vgl. ebd., 6f.; vgl. ders., A History of the Earlier Formularies of Faith, 1892, 19f.: Irenäus als Verbindungsglied zwischen Osten und Westen. 186 Vgl. Ch. A. Heurtley, Harmonia Symbolica, 1858, 7. 187 Tertullians Bekenntnis weise (wie das bei Irenäus und Fac. Herm.) mit dem Zahlartikel ein östliches Merkmal im ersten und ähnlich im zweiten Artikel auf; außerdem biete der erste Artikel bei Irenäus und Tertullian östliche Erweiterungen, vor allem nämlich to;n pepoihkovta to;n oujranovn, mundi creatorem ..., ähnlich auch im zweiten Artikel die Formulierung di j ou| ta; pavnta, vgl. Ch. A. Heurtley, Harmonia Symbolica, 1858, 127–129. 188 Vgl. ebd., 13–17 (Tertullian); 17–20 (Cyprian). 189 Ebd. 20. 190 Ch. A. Heurtley, A History of the Earlier Formularies of Faith, 1892, 24f. 183

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Patrem et Dominum omnipotentem, Id est, rerum omnium perfectissimum conditorem. Eadem Regula veritatis docet nos credere, post Patrem, Etiam in Filium Dei, Christum Jesum, Dominum Deum Nostrum, sed Dei Filium, Sed enim ordo rationis et fidei auctoritas, digestis vocibus et literis Domini, admonet nos, post haec credere Etiam in Spiritum Sanctum, olim Ecclesiae repromissum, sed statutis temporum opportunitatibus redditum.“191 Sodann kommt Heurtley auf Markell von Ankyra zu sprechen, wobei er einleitend ausführt: „Although by putting together the fragments preserved by the several writers whose Creeds we have had before us, we might construct a Creed containing all the articles, and nearly all the clauses, of the Western Creed of the present day, yet hitherto we have met with no one Creed which may be regarded as exhibiting the complete formula of the country and the age to which it belongs.“192 Der älteste Zeuge für das westliche Bekenntnis sei erst ein Orientale, Markell, der jedoch von äußerst zweifelhafter Orthodoxie sei.193 Um so effektvoller habe er sich des römischen Bekenntnisses zu seiner Verteidigung bedient, das westliche und nicht östliche Merkmale aufweise, auch wenn er selbst behaupte, es sei der Glaube, den er von seinen Vorvätern in Gott aus den heiligen Schriften gelehrt worden sei und den er selbst in der Kirche Gottes zu predigen gewohnt war.194 Auf Markell folgen bei Heurtley das Bekenntnis des Rufin und andere Symbole aus dessen Zeit und später bis hinab zur Zeit des Verfassers selbst, die jeweils als Ortsbekenntnisse von ihm vorgestellt werden. Auf sie folgt die Abteilung mit Interrogativbekenntnissen, die wiederum mit dem dritten Jahrhundert einsetzt. Dabei wird die Reihe eröffnet mit den Tauffragen aus dem Martyrium „Sancti Calixti Papae et Sociorum ejus“.195 Es folgen die bei Cyprian bezeugten Tauffragen, die der „Acta S. Stephani Papae et Martyris“, der „Acta S. Savini“, des Hieronymus, des Ambrosius, des Sacramentarium Gelasianum Vetus und anderer Zeugen aus dem siebten und achten Jahrhundert und später bis auf die Zeit des Verfassers. In seinem historisch-vergleichenden Essay zeichnet Heurtley die Geschichte des allmählich gewachsenen Bekenntnisses nach, wie sie sich ihm vom Taufbefehl hin zum Romanum und zum Nizänum und darüber hinaus darstellt. In den bei Cyril von Jerusalem aufbewahrten beiden Formen des Taufbekenntnisses,

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Vgl. Ch. A. Heurtley, Harmonia Symbolica, 1858, 21f. Ebd. 193 Vgl. ebd., 22; diese negative Charakterisierung Markells fehlt in Heurtleys späteren Werken On Faith and the Creed, 1886, 24f., und in A History of the Earlier Formularies of Faith, 1892, 25f., obwohl diese ansonsten weitgehend wörtlich die Aussagen aus der Harmonia Symbolica wiedergeben; gleichwohl bilden die negativen Aussagen die Basis für die Abwertung von Person und Aussage des Markell bei J. N. D. Kelly, Altchristliche Glaubensbekenntnisse, 3. Aufl., 1972; vgl. weiter unten. 194 Vgl. Ch. A. Heurtley, Harmonia Symbolica, 1858, 23; diese Meinung wiederholt i. w. A. G. Mortimer, The Creeds, 1902, 14. 195 Vgl. Ch. A. Heurtley, Harmonia Symbolica, 1858, 106; dass die Datierung des Bekenntnisses unsicher ist, gibt er ebd. 143 zu. 192

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der interrogativen in Cat. 20,4196, und der deklaratorischen in Cat. 19,9197 sieht er womöglich „the primitive forms of the mother Church of Christendom, still retained in her baptismal office side by side with the fuller and more complete Creed which forms the subject of St. Cyril’s Exposition“.198 Mit letzterer Formel eröffnet er schließlich sein Buch „De Fide et Symbolo“ und nennt sie das „Symbolum Hierosolymitanum Baptismale Vetus“.199 Mehr als die schlichten Bekenntnisse scheinen ihm in der apostolischen Zeit nicht vorhanden gewesen zu sein,200 während ihm bei den fragmentarisch gebotenen Bekenntnissen des Irenäus und Tertullian bereits die ersten acht und der elfte Artikel des Apostolikum begegnen, bei Cyprian schließlich auch der neunte, zehnte und elfte.201 Doch erst Markell biete „on the whole“ das ganze Bekenntnis, das später nur noch leichte Erweiterungen und Veränderungen erfahren habe.202 Heurtley schließt daraufhin eine Detailuntersuchung der einzelnen Artikel und ihrer Genese an.203 Im zweiten Artikel verweist er auf Diogenes von Cyzikus, der auf dem Konzil von Chalcedon darauf hingezeigt habe, dass die Aufnahme der Formulierung ejk Pneuvmato" aJgivou kai; Mariva" th'" Parqevnou gegen die apolinaristische Häresie gerichtet sei.204 In seiner „History of the Earlier Formularies of Faith“ vom Jahr 1892 gibt Heurtley zunächst einen generellen Überblick über die Bezeichnungen der Bekenntnisse. Er verweist darauf, der Name „Apostolisches Bekenntnis“ sei „the designation not of one formulary, as distinguished from others, but of the Creeds generally“.205 So werde im mozarabischen Brevier das Nizäno-Konstantinopolitanum als „Symbolum Apostolicum“ bezeichnet.206 Auch sei das Be196 Meta; tau'ta ejpi; th;n a{gian tou' qeivou baptivsmato" ejceiragwgei'sqe kolumbhvqran, wJ" oJ Cristo;" ajpo; tou' staurou' ejpi; to; prokeivmenon mnh'ma. Kai; hjrwta'to e{kasto", Eij pisteuvei eij" to; o[noma tou' Patrov", kai; tou' UiJou', kai; tou' aJgivou Pneuvmato". Kai; wJmologhvsate th;n swthvrion oJmologivan. 197 Pisteuvw eij" to;n Patevra, kai; eij" to;n UiJovn, kai; eij" to; a{gion Pneu'ma, kai; eij" e}n bavptisma metanoiva". 198 Ch. A. Heurtley, Harmonia Symbolica, 1858, 124f. 199 Ch. A. Heurtley, De Fide et Symbolo, 1869, 3; vgl. ders. A History of the Earlier Formularies of Faith, 1892, 50. 200 Gleichwohl nimmt er in seiner späteren Untersuchung (A History of the Earlier Formularies of Faith, 1892, 6) an: „Some such confession (wie das des Eunuchen in Apg 8,37), however, must in all cases have been required and made“, und zwar von den ersten Tagen der Kirche an. 201 Vgl. Ch. A. Heurtley, Harmonia Symbolica, 1858, 125; ähnlich ders., A History of the Earlier Formularies of Faith, 1892, 23. 202 Vgl. Ch. A. Heurtley, Harmonia Symbolica, 1858, 125–127. 203 Vgl. ebd., 127–155; kurz zusammengefasst in: ders., A History of the Earlier Formularies of Faith, 1892, 32–37. 204 Vgl. Ch. A. Heurtley, Harmonia Symbolica, 1858, 131f., Diogenes berichtet in Chalcedon: OiJ ga;r a{gioi Patevre" oiJ meta; tau'ta, to; ejsarkwvqh, o} ei\pon oiJ a{gioi ejn Nikaiva/ Patevre", ejsafhvnisan, eijpovnte" ejk Pneuvmato" aJgivou kai; Mariva" th'" Parqevnou; vgl. hierzu auch Ch. A. Heurtley, A History of the Earlier Formula-ries of Faith of the Western and Eastern Churches, 1892, 84f. 205 Ch. A. Heurtley, A History of the Earlier Formularies of Faith, 1892, 8. 206 Vgl. ebd., 9.

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kenntnis, und zwar das Nizäno-Konstantinopolitanum, anfangs nicht Teil des Gottesdienstes gewesen, sondern sei erst durch Petrus Fullo im Jahr 471 eingeführt worden.207 In Rom treffe man es nicht vor 1014 im Gottesdienst an.208 Das Apostolikum hingegen habe im Westen Eingang in das römische Brevier gefunden, wo es in der Prim nach dem Vaterunser zu stehen kam, und finde sich sonst gewöhnlich in alten Psalterien unter den Hymnen der Kirche (seit ca. dem achten Jahrhundert), ohne dass genau festzustellen sei, seit wann es diesen Platz eingenommen habe.209 „Certainly it had no place in the Church’s service in Africa in St. Augustine’s time. In Spain it was not introduced till the eleventh century, when the Roman use after long and strenuous opposition was substituted for the Mozarabic.“210 Charles Anthony Swainson (1820–1887) schließt sich, wenn auch nicht unkritisch, in wichtigen Punkten den Ergebnissen von Heurtley an.211 Er berücksichtigt aber auch die bereits vorliegenden Erkenntnisse von Caspari und Nicolas.212 Auch Swainson zufolge ist zwischen der Regula fidei und dem Taufbekenntnis zu unterscheiden.213 Vom Judentum habe die Kirche die Bekenntnisprägung ihres Glaubens übernommen, weshalb bereits spätestens seit paulinischer Zeit ein Glaubensfundament existierte, welches es zu übermitteln und zu bewahren gegolten habe.214 Vor allem im Zusammenhang mit der Taufe seien Glaubenssummarien tradiert worden, deren Spuren und Bruchstücke sich in den Ignatianen, bei Irenäus, Tertullian, Origenes und Cyprian fänden.215 Doch gesteht er ein: „Thus as yet we have been unable to prove anything as to the confessions of faith used at this time in the church-services and in baptism, save that they contained an expression of belief in the Father, the Son and the Holy Spirit: probably of belief in the resurrection, certainly of belief in the church, possibly also in the remission of sins.“216 Schließlich untersucht Swainson zunächst das Nizänum und die spätere Bekenntnisentwicklung, bevor er auf das Apostolikum und Romanum eingeht.217 207

Vgl. ebd. Vgl. ebd., 10. 209 Vgl. ebd., 10f. 210 Ebd., 11. 211 Vgl. Ch. A. Swainson, The Nicene and Apostles’ Creed, 1875, 4f.; ders., Art. Creed, 1877; sein älteres Buch The Creeds of the Church, 1858 bietet keine historischen, sondern ausschließlich theologische Ausführungen. 212 Vgl. ebd., 5.7. 213 Vgl. ebd., 11f. 214 Vgl. ebd. (mit Verweis auf Leibnitz); ders., Art. Creed, 1877, 695f. 215 Vgl. Ch. A. Swainson, The Nicene and Apostles’ Creed, 1875, 19–22; ders., Art. Creed, 1877, 696–699. 216 Ch. A. Swainson, Art. Creed, 1877, 698; vgl. Ch. A. Swainson, The Nicene and Apostles’ Creed, 1875, 21–25 mit seinen Hinweisen auf die Tauffragen mit kurzem zweitem Artikel, die ihm bezeugen: „Thus it would appear that, before the Reformation, the Apostles’ Creed, as we have it now, was never used at baptism, either as a declaratory, or as an interrogatory creed“ (24). 217 Zum Apostolikum und Romanum vgl. Ch. A. Swainson, Art. Creed, 1877, 707–710. 208

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Zunächst allerdings setzt er ein Monitum: „In regard to the name, ‚Apostles’ Creed‘‚ we must note that it is only of late years that it has been confined to the symbol before us. Archbishop Ussher brings forward many proofs that the Nicene creed was at times so designated, and we know that as late as the 10th or 11th century the title was applied in the same MS. and within a few pages, to the Nicene and what we call the Apostles’ creed. Thus, when we meet with this title in the first ten centuries we must be on our guard not to assume at once that the symbol meant is that to which we now confine the name.“218 Mit Heurtley und Caspari sieht er Ansätze für die Entstehung des Romanum bei Tertullian, Cyprian und Novatian, sieht dann aber eine Lücke in unserem Wissen um die weitere Entwicklung bis Rufin. Markell ist ihm kein Zeuge für das römische Bekenntnis: „It comes to us in Greek and with the assurance that he had received it from the Scriptures, and been taught it by his forefathers in the Lord; by which he must have meant that he regarded it as in entire accordance with the Scriptures.“219 Swainson nimmt dieses Selbstzeugnis des Markell ernst und harmoniert es mit Rufins Aussagen, was ihn zu folgendem Schluss führt: „The creed of Ancyra then must in substance have accorded nearly with the creed of Rome“.220 Einen originellen, wenn auch nicht unwidersprochenen Beitrag zur Symbolforschung liefert Edmund Salusbury Ffoulkes (1819–1894), Fellow des Jesus College, Oxford, im Jahr 1871.221 In einem ersten Kapitel stellt Ffoulkes heraus, dass die gesamte ältere Forschung auf ein einziges Zeugnis baut, dem jedoch noch nicht kritisch nachgegangen wurde: „(To) Rufinus, … as (the) author of a commentary upon the specific creed of the Aquileian church, almost all learned men have for the last three centuries appealed exclusively for the origin and true character of what is called the Apostles’ Creed.“222 Zunächst stellt Ffoulkes heraus, wie unsicher die Zuschreibung des Kommentars in den Handschriften und Editionen an Rufin ist,223 sodann versucht er nachzuweisen, dass der Traktat ein „patchwork“ sei.224 218 Ebd., 708; gleichwohl hat auch Swainson (ebd. 709) selbst dieses Monitum nicht immer beachtet. So appliziert er unbefragt die Aussage des Ambrosius im Brief an Siricius („credatur symbolo apostolorum, quod ecclesia Romana ... custodit et servat“) auf das Romanum, obwohl dafür kein weiterer Anhalt vorliegt. 219 Ebd., 708. 220 Ebd.; noch weiter geht A. MacDonald, The Apostles’ Creed, 1925 (1903), 114f., der aus Markell ableitet, seine Vorväter seien die Apostel. 221 The Athanasian Creed (1871); zur Kritik an ihm vgl. J. R. Lumby, The History of the Creeds, 1873, 124f. (zu Lumby vgl. weiter unten), M. J. B. Bennet, in: Ch. Whitaker, A Sketch of Rufinus, 1887 (Bennet meint, „the evidence sufficiently proves not only that Rufinus wrote on the Creed but that he wrote the Commentary which bears his name“, 99), F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 102–106 (zu Kattenbusch vgl. weiter unten), M. Villain, Rufin d’Aquilée, 1944, 1302 (nur beiläufig). 222 E. S. Ffoulkes, The Athanasian Creed (1871), 18. 223 Vgl. ebd., 19–26. 224 Vgl. ebd., 31.

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Ihm erscheint bereits die Dedikation an „Papst (oder: Bischof) Laurentius“ fiktiv nach dem Adressaten von Augustins „Enchiridion“ gestaltet.225 Einen weiteren Zweifel wecken Rufins Ausführungen zum „Abstieg in die Hölle„, da dieser Artikel zuvor nicht weniger als viermal in semiarianischen Bekenntnissen begegne, jedoch in orthodoxen Bekenntnissen nicht vor dem siebten Jahrhundert, auch nicht in dem des Nicetas von Aquileia, ca. 50 Jahre nach Rufin.226 Auffälligerweise finde sich der Deszensus auch nicht in dem Bekenntnis des Rufin, das dieser in seiner Apologie für Papst Anastasius vorlegte.227 Gleichermaßen fehle auch das im Kommentar breit diskutierte „inuisibile et inpassibile“ in der Apologie und in Rufins Verteidigungsschriften an Hieronymus.228 Nur in der Erweiterung von „carnis resurrectionem“ durch ein vorgesetztes „huius“ stimmten der Kommentar und die Apologie überein.229 Der weitere Vergleich der einander in manchem ähnlichen Symbolauslegung des Nicetas von Aquileia und des dem Rufin zugeschriebenen Kommentars lässt Ffoulkes zu dem Schluss kommen, dass Nicetas’ Schrift geschrieben war, bevor Rufins Text interpoliert worden sei. Man erkenne dies daran, dass Nicetas als einzige Besonderheit für das Aquileiensische Bekenntnis die auch bei dem echten Rufin nachweisbare Erweiterung „huius“ aufweise; außerdem führe er das Bekenntnis nicht auf die Apostellegende, sondern auf den Taufbefehl des Herrn zurück.230 Seine Schlussfolgerung: „The true Rufinus lives in this work of an Aquileian prelate, who may have been a child when he died; the false Rufinus, unrecognised in this work, is in harmony with the pseudo-Decretals published four hundred years after his death.“231 Als ersten Interpolator nimmt er Venantius Fortunatus an, eine zweite Hand lieh seiner Meinung nach Isidor von Sevilla: „S. Isidore presided, and subscribed first, at the Fourth Council of Toledo, A.D. 633, where it was dogmatically laid down, and in an orthodox profession for the first time, that ‚Christ descended into hell to release the saints that were held there;‘ which is exactly the teaching of this Exposition in its present shape. S. Isidore, in treating of God, and of the Person of the Father more particularly, as appears from the ensuing chapters, at the commencement of the seventh book of his work on ‚Etymologies‘‚ closes his list of attributes with those two, which according to this Exposition had been inserted in the Aquileian Creed as a protest against Sabellianism, ‚invisible and impassible.‘ … And he is himself 225

Vgl. ebd., 34–36, 34: „What shook my faith in its authenticity first on reading it was its dedication“; M. Villain, Rufin d’Aquilée, 1944, 152–156 sieht die nächste Nähe der Expositio, die er allerdings für ein echtes Werk des Rufin hält, zu Augustinus, De Fide et Symbolo und zur Explanatio Symboli ad initiandos, die er als echtes Ambrosianum ansieht. 226 Vgl. Vgl. E. S. Ffoulkes, The Athanasian Creed (1871), 44–49. 227 Vgl. ebd., 38; vgl. Rufin, Apol. ad Anastasium 3 (CCh.SL 20; 26,1–7 Simonetti); auf diesen gewichtigen Einwand geht M. Villain, Rufin d’Aquilée, 1944 nicht ein. 228 Vgl. E. S. Ffoulkes, The Athanasian Creed (1871), 38f. 229 Vgl. ebd., 39f. 230 Vgl. ebd., 40–43. 231 Vgl. ebd., 43f.

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the first, … who makes the Apostles in so many words authors of a Creed anterior to the Nicene.“232 In seinem zweiten Kapitel wendet sich Ffoulkes dem „Roman Creed“ zu. Ohne auf die vorausgegangenen Erkenntnisse aufzubauen, nähert er sich diesem durch einen Vergleich der von Muratori in der „Liturgia Romana“ herausgegebenen Sakramentare der Päpste Leo I., Gelasius I. und Gregor I. und der in ihnen enthaltenen Bekenntnisse.233 Dabei stößt er auf die im Sacramentarium Gelasianum Vetus enthaltenen Tauffragen, die im zweiten Artikel die kurze Form der Inkarnationsaussagen „natum et passum“ aufweisen234 und lauten: „Credis in deum patrem omnipotentem? Credis et in Iesum Christum, filium eius unicum, dominum nostrum, natum et passum? Credis et in spiritum sanctum, sancta aecclesia, remissionem peccatorum, carnis resurrectionem?“ Aufgrund der Kürze des zweiten Artikels scheint ihm diese Form des Bekenntnisses die älteste der verglichenen Bekenntnisformeln zu sein; ja das alte römische Symbol scheint ihm in dieser schlichten oder in einer noch einfacheren Form vorzuliegen.235 In einem dritten Kapitel geht Ffoulkes auf die Entwicklung von variablen zu fixierten Bekenntnissen ein. Lange Zeit seien Bekenntnisse mündlich tradiert worden, bis sie in liturgische Formen eingebunden wurden oder bis Synodalbekenntnisse entstanden seien.236 Was Markell anbetrifft, ist Ffoulkes der Meinung, er habe dem Westen ein westlicher Theologe, dem Osten ein östlicher Theologe sein wollen, weshalb er in Nizäa am Nizänum mitformuliert, in Rom aber das ihm vielleicht von seiner Reise aus Aquileia geläufige Bekenntnis aufgenommen und mit eigenen Wendungen dargeboten.237 Nach Harvey, Heurtley und Ffoulkes ist gewiss Andrew Ewbank Burn (1864–1927), Member of Trinity College (Cambridge), später Dean von Salisbury und Chaplain seiner Majestät des Königs, einer der einflussreichen Erforscher der Geschichte des Apostolikums. Stärker noch als Harvey ist er bemüht, die lessingsche Vorstellung mit der gegenläufigen Vorstellung von der hohen Bedeutung der Schrift zu harmonisieren. Seiner Meinung nach gilt: „The Creed and the New Testament are supplementary“.238 „At the present stage of investi232

Vgl. ebd., 52–60, 59f. Vgl. ebd., 95–104. 234 Vgl. W. Kinzig, „‚…natum et passum etc.‘ Zur Geschichte der Tauffragen in der lateinischen Kirche bis zu Luther“, in: Studien zum Apostolischen Glaubensbekenntnis, 1999, 75–183. 235 Vgl. E. S. Ffoulkes, The Athanasian Creed (1871), 102–105. 115–133, 129f. 236 Vgl. ebd., 134–139. 237 Vgl. ebd., 170–176. 238 E. A. Burn, The Apostles’ Creed, London 1939 (1907), 23. 233

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gations“, schreibt er im Jahr 1907, „it is important to keep an open mind, free to consider the bearings of any new evidence which may be forthcoming. But the uncertainty which is attached to the theories about their (sc. the Creeds) origin does not belong to the early creed-forms themselves, and for practical purposes one theory is as good as another.“239 Im Jahr 1899 legt Burn eine umfängliche „Introduction to the Creeds“ vor, die die Einflüsse von Johannes Haußleiter und Theodor Zahn zeigen.240 Ihr folgt eine Reihe weiterer Forschungsbeiträge, deren Ergebnisse er vor allem in einem kleinen Büchlein „The Apostles’ Creed“ von 1907 und in einem Lexikonbeitrag zur „Encyclopaedia Britannica“ von 1910 zusammenfasst.241 Ein Jahr zuvor legte er noch „ein(en) monumentale(n) Beitrag zur Symbolgeschichte der alten Zeit“ mit seinen „Facsimiles of the Creeds from Early Manuscripts“ vor,242 nachdem er zuvor eine Edition des Bekenntnisses des Nicetas von Remesiana zusammen mit dessen Leben und Werk publiziert hatte, in welcher er das bislang in der Autorschaft heftig umstrittene Bekenntnis diesem zuschrieb.243 Fünfzehn Jahre später veröffentlicht er seine Monographie über das Konzil von Nizäa.244 Immer geht Burn vom Neuen Testament aus, in welchem er zunächst das christologische Bekenntnis „of Jesus as the Lord, or the Son of God“ findet.245 Auch wenn Gelehrte wie Zahn, dessen Büchlein zum Apostolikum Burn ins Englische mitübertragen hat,246 und Baeumer aus den Zeugen der ersten beiden Jahrhunderte ein „primitive Apostles’ Creed“ herzustellen versucht haben, meint Burn: „We have to consider the possibility that the Apostolic Creed was a simple confession of Jesus as the Lord.“247 „The later creed has been made 239

Ebd. E. A. Burn, An Introduction to the Creeds and to the Te Deum, 1899, 17f. u.ö.; zu Haußleiter vgl. weiter unten; F. Kattenbusch schreibt in seiner Rez. zu Burns Buch (1902, 189): „Ich wünschte, wir hätten ein Buch wie dieses in unserer deutschen Literatur!“ 241 E. A. Burn, The Athanasian Creed and its early Commentaries, 1896; ders., Neue Texte zur Geschichte des apostolischen Symbols, 1899; ders., Neue Texte zur Geschichte des apostolischen Symbols, 1900; ders., Neue Texte zur Geschichte des apostolischen Symbols, 1902; ders., The Textus Receptus of the Apostles’ Creed, 1902; ders., The Apostles’ Creed: Oxford Church Text Books, 1906 (vgl. hierzu die Rez. von E. Vacandard, 1908); ders., Art. Creeds, 1910; zu vergleichen ist auch ders., Art. Creeds (Ecumenical), 1911 und ders., The Council of Nicaea, 1925. 242 E. A. Burn, Facsimiles of the Creeds from Early Manuscripts, with Paleographical Notes by the Late L. Traube, 1909; vgl. hierzu die Rezensionen von W. M. Lindsay, 1909; D. G. Morin, 1909; P. de Puniet, 1909; E. Vacandard, Note sur les symboles, 1909; F. Kattenbusch, 1910; außerdem die Korrekturen in: Anon.: Church Quarterly Review 69 (1910) 460f. 243 E. A. Burn, Niceta of Remesiana, 1905; vgl. zur Diskussion L. H. Westra, The Apostles’ Creed, 2002, 212425 (mit den Gegenpositionen zur Zuschreibung und der Akzeptanz von Burns Ergebnis durch Westra). 244 E: A. Burn, The Council of Nicaea, 1925. 245 Vgl. E. A. Burn, An Introduction to the Creeds and to the Te Deum, 1899, 19f.; ders., The Apostles’ Creed, 1939 (1907), 11; ders., Art. Creeds, 1910, 392. 246 Th. Zahn, The Apostles’ Creed. A Sketch of its History and an Examination of its Contents, transl. by C. S. Burn/A. E. Burn, 1899. 247 E. A. Burn, The Apostles’ Creed, 1939 (1907), 12 (er spielt wohl auf S. Baeumer, Das apostolische Glaubensbekenntnis, 1893 an; vgl. zu diesem weiter oben). Damit nimmt er eine These auf, die 240

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by expansion of this form in combination with the Baptismal Formula“ (Mt 28,19).248 Doch auch die apostolischen Väter bezeugten, dass zu ihrer Zeit noch kein Apostolikum existiert habe.249 Erst bei Justin und Irenäus könne man vielleicht die Kenntnis des „Old Roman Creed“ voraussetzen,250 doch verrate die Varianz, in der die Bekenntnisformulierungen bei Justin und Irenäus begegneten, dass ihre Bekenntnisse kaum mehr beinhaltet haben als: „Jesus is the Christ the Son of God“ (Justin)251 und „I believe that Jesus is the Son of God“ (Irenäus).252 Von Zahn übernimmt Burn die Idee, dass das Bekenntnis in den Jahren 200–220 im ersten Artikel leicht geändert worden sei, eine Änderung, die man in Italien, Afrika und Südfrankreich übernommen habe.253 Das „Old Roman Creed“ könne man zwar erstmals in den Schriften des Bischofs Felix (269–274) und des Dionys um das Jahr 259 finden, doch über Tertullian und Markion dürfe man es zurückverfolgen; damals sei es als „Rule of Faith“ in Rom benutzt worden, wobei seine Form in den Jahren zwischen 100 und 120 entstanden sein könnte.254 Vor allem die Einfachheit der Glaubensregel weise über das Jahr 100 zurück in apostolische Zeit, und seine rhythmischen Sätze „were not unworthy of the great apostles S. Peter and S. Paul“,255 auch wenn das Schweigen des Hirten des Hermas einen hindere, was die Entstehung der Formel des römischen Bekenntnisses betrifft, zeitlich weiter zurückzugehen. Die in Hermas (58,2) finde sich folgende Formel: zh'/ ga;r oJ qeo;" kai; zh'/ oJ kuvrio" !Ihsou'" Cristo;" kai; to; pneu'ma to; a{gion h{ te pivsti" kai; hJ ejlpi;" tw'n ejklektw'n Die Formel deute an: „Theological thought in Rome had been focussed, so to speak, on an expansion of the Baptismal Formula through the addition of words

vor ihm (vermutlich ohne dass dies Burn bewusst ist) bereits Dr. Krawutzky im Jahr 1872 vorgestellt hat; F. Kattenbuschs Kritik in seiner Rez. zu Burn (1902, 190), dieser habe nicht „nach dem Verhältnisse der Begriffe symbolum und regula fidei“ gefragt, trifft insofern Burn nicht, als dieser ein elementares Verständnis von symbolum hat, das dieses von der regula fidei nicht unterscheidet. 248 E. A. Burn, The Apostles’ Creed, London 1939 (1907), 13f.; vgl. ders., An Introduction to the Creeds and to the Te Deum, 1899, 20–25. 249 Vgl. E. A. Burn, An Introduction to the Creeds and to the Te Deum, 1899, 26–32; ders., The Apostles’ Creed, London 1939 (1907), 15–17. 250 Vgl. E. A. Burn, An Introduction to the Creeds and to the Te Deum, 1899, 35–44; ders., The Apostles’ Creed, London 1939 (1907), 18–22. 251 E. A. Burn, The Apostles’ Creed, London 1939 (1907), 19; ähnlich verhalte es sich bei Aristides, auch wenn dieser die Präexistenz und die Jungfrauengeburt Jesu lehre (ebd. 20f.). 252 E. A. Burn, An Introduction to the Creeds and to the Te Deum, 1899, 43; ders., The Apostles’ Creed, 1939 (1907), 21. 253 W. Sanday, Recent Research, 1899/1900, 10 nennt es gar „the characteristic feature“ von Burns Rekonstruktion der Symbolgeschichte, eine Besonderheit, die er allerdings ablehnt, vgl. weiter unten zu Zahn. 254 Vgl. E. A. Burn, An Introduction to the Creeds and to the Te Deum, 1899, 64. 255 Ebd., 65; ders., The Apostles’ Creed, 1939 (1907), 30.

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confessing Jesus Christ as Lord.“256 Was die spätere Zeit betrifft, insbesondere die Entstehung des Textus receptus, denkt Burn zunächst an Rom als Entstehungsort,257 nach weiteren Studien schließlich an die Columbaklöster und an eine gegenseitige Beeinflussung dieser und Roms.258 Weniger Aufmerksamkeit als Harvey, Heurtley und Burn findet Joseph Rawson Lumby (1831–1895), Fellow des Magdalene College (Cambridge). In seiner im Jahr 1873 erstmals veröffentlichten Geschichte der Glaubensbekenntnisse fasst er den bisherigen Stand der Forschung zusammen, bietet aber durch eine tabellarische Übersicht zur Entstehung des Apostolikums auch neue Einsichten.259 Ohne zwischen Bekenntnis und Glaubensregel zu unterscheiden, nimmt er an, dass ein Bekenntnis von Anfang an in der Kirche bestanden haben muss. Dessen Quelle sei bereits eine Erweiterung der von den Aposteln benutzten Taufformel gewesen.260 Auch wenn römische Bekenntnisse erst aus späterer Zeit bekannt seien – als Vergleich könne man lediglich auf das von Cyprian und Novatian Bezeugte zurückgreifen –, so begegne doch der Inhalt des Apostolikums im Wesentlichen bereits bei Irenäus und Tertullian. Im Bekenntnis, das Markell in Rom hervorbringe, seien dann die größeren Teile des Apostolikums enthalten, weshalb Markells Bekenntnis wohl dem römischen Bekenntnis seiner Tage wohl recht nahe komme, auch wenn die heutige Form des Apostolikums erstmals erst um die Mitte des achten Jahrhunderts begegne.261 Lumbys tabellarische Übersicht belegt, dass zwischen den römischen Bekenntnisformen, die durch Cyprian und Novatian bezeugt sind, und dem von Markell gebotenen parallelen Bekenntnistext, insbesondere was die ökonomischen Heilsdaten Christi betrifft, erhebliche Unterschiede bestehen. Gerade diese Heilsdaten im zweiten und die Bekenntnisaussagen im dritten Artikel aber sind es, die in der von Markell gewählten Weise bei Rufin und stärker parallel später in apostolisch genannten Bekenntnissen zu finden sind.262 Lumby selbst zieht hieraus keine eigenen Schlüsse.

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E. A. Burn, An Introduction to the Creeds and to the Te Deum, 1899, 64. Ebd., 239; vgl. hierzu die Gegenargumentation von E. Vacandard, Les origines, 1905, 55–65, der für einen gallischen Ursprung des Textus receptus plädiert; vgl. ders., Rez. zu A. E. Burn, The Apostles’ Creed (1906), 1908, 202f. 258 Vgl. E. A. Burn, Facsimiles of the Creeds from early manuscripts, 1909, 12. In seiner Rez. zu Burns Werk schließt sich auch E. Vacandard, Note sur les symboles, 1909, 562 dem differenzierten Urteil Burns an: „Dans cette hypothèse (sc. que Primin lui-même, vraisemblablement Espagnol, est à l’origine de la fusion totale du Textus receptus) le textus receptus aurait fait son apparition sur les bords du Rhin, et Rome, en rapports avec les missionnaires de cette région, l’aurait fait sien, en même temps que les missionnaires auraient adopté quelques éléments du rite romain pour les cérémonies du baptême.“ 259 J. R. Lumby, The History of the Creeds, 1873 (31887). 260 Ebd., 1–41. 261 Ebd., 109–177. 262 Ebd., 182–185. 257

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Noch ein vierter als Professor in Cambridge263 lehrender Gelehrter, Brooke Foss Westcott (1825–1901), der wie Harvey Fellow des dortigen King’s College war, muss als Apostolikumforscher genannt werden.264 Aus den von ihm im Jahr 1880 in Peterborough gehaltenen Lectures geht 1883 ein stattliches Buch hervor, das bereits im Jahr 1890 in vierter (leicht revidierter) Auflage vorliegt. Westcott datiert das Bekenntnis „in its main substance“ in die Mitte des zweiten Jahrhunderts.265 Nach einer breiten Darlegung des theologischen Gehalts geht Westcott auch auf die historischen Fragen ein.266 Noch bis Cyrill von Jerusalem (Cat. 19,9) sieht er den kaum erweiterten Taufbefehl als Taufformel in Gebrauch.267 Und während es zuvor durchaus Mischformen gegeben habe, stünden im vierten Jahrhundert schließlich zwei verschiedene Bekenntnistypen einander gegenüber, ein eher „historisches“ westliches und ein eher „dogmatisches“ östliches.268 Rückschlüsse auf die Zeiten zuvor zieht er nicht. Ähnlich wie die Arbeit Lumbys, drehen sich auch die Publikationen des nun zu behandelnden, die gesamte Forschung bis auf den heutigen Tag prägenden Gestalt, Carl Paul Caspari (1814–1892), vor allem um die philologisch-textliche Grundlage. Caspari gilt in der Tat als „Pfadfinder der Apostolicumforschung“269 im durch den von Lessings Idee ausgehenden Disput. Aufgrund der zweiten und dritten Auflage von August Hahns Symbolbibliothek, in denen Georg Ludwig Hahn Casparis Neufunde sofort berücksichtigt und sie einfließen lässt, gewinnen Casparis Grundlagenmaterialien und Einzeluntersuchungen,270 die er selbst nicht zu einer „zusammenfassende(n) Darstellung der Entwicklungsgeschichte des Symbols“ vereint, ihre große Publikumswirkung.271 G. L. Hahn 263

W. Sanday, Further Research, 1902, 2 stellt schon fest, dass die besten patristischen Arbeiten Englands „for the last century ... nearly all proceeds from Cambridge“. 264 B. F. Westcott, The historic faith, 41890 (1883). 265 Ebd., vii. 266 Vgl. B. F. Westcott, The historic faith, 41890 (1883), 1–153 (zu den einzelnen Artikeln), 157–181 (zur „Idea of Faith“). 267 Ebd., 191f. 268 Vgl. ebd., 192f. 269 F. Loofs, Rez. F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I (1894), 1894, 665. 270 Vgl. die Bemerkung von J. R. Gasquet, The Apostles’ Creed and the Rule of Faith, 1889, 276: Caspari „is now, and will probably long remain, the chief authority on the Creed; and it is hardly possible to do more than to verify and weigh anew the mass of information it contains. Unfortunately it is ill-arranged, exceeding even the license allowed to German professors. The reader loses himself in excursuses and notes of prodigious length, interesting indeed, but digressions from the main point ...“. Gasquet, der Bruder des Kardinals Gasquet (nicht der Kardinal selbst, wie J. de Ghellinck, Les recherches sur les origines, 1949 (1946) öfter angibt, vgl. R. H. Connolly, 1947), gibt schließlich in seinen beiden Rezensionsartikeln einen Überblick über Casparis Ergebnisse, aber auch über diejenigen von Hahn, Heurtley, Swainson und Harnack, wobei er im ersten Artikel bis in die Zeit Markells vordringt, im zweiten Artikel die Entwicklung des Apostolikums nach Markell vorführt. 271 F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 18; vgl. C. P. Caspari, Ungedruckte, unbeachtete und wenig beachtete Quellen zur Geschichte des Taufsymbols und der Glaubensregel, herausgegeben und in Abhandlungen erläutert I–III, 1866. 1869. 1875 (= 1964); ders., Alte und neue Quellen zur Geschichte des Taufsymbols und der Glaubensregel, 1879, welches als Fortsetzung des vorgenannten Werkes gedacht war; vgl. ders., Briefe, Abhandlungen und Predigten aus den zwei letzten Jahrhunder-

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kommt folglich das Verdienst zu, Caspari etabliert zu haben. Dies geschieht jedoch zum Leidwesen der Forschung, wie kritische Beobachter vermerken, noch bevor Casparis Funde durch die minütiösen Korrekturen von Ferdinand Kattenbusch und die scharfsinnigen Bemerkungen von Adolf von Harnack ergänzt worden sind. Bevor ich darum auf die zweite und dritte Auflage des Hahn/Hahn eingehe, werden zunächst die Arbeiten Casparis für unseren Zusammenhang gewürdigt. Carl Paul Caspari wird am 8. Februar 1814 in eine jüdische Kaufmannsfamilie im liberalen Dessau geboren. Aufgrund seiner orientalistischen Studien in Leipzig, insbesondere aber durch Franz Delitzsch (1813–1890), gelangt er zum Christentum. 1838 wird er getauft und neigt den strengen Lutheranern zu. Nach Abschluss seiner Studien entschließt er sich, wie sein Lehrer und Freund Delitzsch nicht an einer Fakultät in der Kirche der altpreußischen Union tätig zu werden, und lehnt darum einen an ihn ergangenen Ruf nach Königsberg ab. Statt dessen siedelt er 1847 nach Christiania, dem heutigen Oslo, über, um an der dortigen Norwegischen Universität als Professor Altes Testament zu lehren. Er bleibt dort bis zu seinem Tod im Jahr 1892.272 Ausgangspunkt für Casparis Forschungen zum Apostolikum bildet seine Auseinandersetzung mit dem dänischen Theologen Nikolaj Frederik Severin Grundtvig (1783–1872).273 Ja, Caspari scheint überhaupt erst aufgrund seiner Bemühung, den von Lessing beeinflussten aufklärerischen Grundtvig widerlegen zu wollen, den ersten Anstoß dazu bekommen zu haben, sich auf das Arbeitsfeld der Patristik zu begeben. Grundtvig wird in den Jahren 1823–1824 – wie zuvor Lessing – durch das intensive Studium der Literatur des zweiten Jahrhunderts, insbesondere der Hinterlassenschaft des Irenäus, zu einer Höhergewichtung der „Regula fidei“ gegenüber der Schrift geführt. Fortan ist er der Überzeugung, „dass die Rede Gottes an die Menschen nicht vor allem in dem geschriebenen Bibelwort zu finden sei, sondern in dem hörbaren, mündlichen Wort, das bei Taufe und Abendmahl ergeht. Das Schriftwort war zu allen Zeiten den divergierenden Auslegungen der Theologen unterworfen, argumentiert er. Das lebendige Wort vom Herrn selbst – d. h. das Glaubensbekenntnis bei der Taufe und die Einsetzungsworte beim Abendmahl – ist dagegen seit den Tagen der Urkirche unverändert geblieben.“274 In Fortschreibung von Calixt und Lessing stellt er sich das Apostolikum als von Gott geoffenbarte Auslegungsrichtten des kirchlichen Alterthums und dem Anfang des Mittelalters, 1890; vgl. auch an norwegischen Arbeiten: ders., Historisk-kritiske afhandlinger over en del virkelige og formentlige orientalske daabsbekjendelser, Christiania 1884; ich ziehe hier und im Folgenden Vorarbeiten von Chr. Markschies mit heran, die er mir dankenswerterweise für diesen Zweck überlassen hat („Symbolstudien I – Neue Überlegungen zu den Ursprüngen des römischen Glaubensbekenntnisses“). 272 Vgl. I. Belsheim, Art. Caspari, Carl Paul, 1897. 273 Vgl. K. E. Bugge, Nicolai Frederik Severin Grundtvig, 1985. 274 So K. E. Bugge, Nicolai Frederik Severin Grundtvig, 1985, 207; Bugge nennt (ebd.) diese Hervorhebung der „Regula fidei“ den „wichtigsten Beitrag Grundtvigs zur protestantischen Theologie“.

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schnur der Heiligen Schrift vor: „Die Schrift muß verstanden werden dem Glaubensbekenntnis gemäß, kann nur verstanden werden von Gläubigen und nur mit dem Heiligen Geist.“275 Die Schrift hingegen sei keine hinreichende Quelle für das Christentum, vielmehr „ein totes Zeugnis der Lehre und nach Ursprung und Inhalt vielen Einwendungen unterworfen; dagegen sei das ursprüngliche, d. i. apostolische Glaubensbekenntnis, das Christus selbst den Aposteln mitgeteilt habe, als lebendiges und an sich gewisses Zeugnis, der einzige allgemein gültige Ausdruck und die wahre Regel des christlichen Glaubens, die daher auch bei der Schriftauslegung massgebend sein müsse.“276 Das Apostolikum ist eine der notae der einzig wahren, christlichen Kirche. Anlass für die Veröffentlichung seiner Gedanken war ein von Henrik Nicolai Clausen (1793–1877) im Jahr 1825 publiziertes Buch über „Kirchenverfassung, Lehre und Ritus des Katholizismus und Protestantismus“, in welcher dieser die Kirche als „eine Gemeinschaft zur Förderung allgemeiner Religiosität“ beschrieben hatte. Grundtvig repliziert vierzehn Tage später mit seiner Gegenschrift „Protest der Kirche“ (dt. Leipzig, 1825), in welcher er an der historisch konkreten Kirche festhält.277 Sein Protest handelt ihm allerdings eine im Jahr 1826 ausgesprochene lebenslängliche Zensur ein. Andererseits befördert der öffentliche Widerstand die Institutionalisierung der Anhängerschaft Grundtvigs, die schon im Jahr 1825 mit einem eigenen Organ, der „Theologischen Monatsschrift“, an die Öffentlichkeit getreten ist. An dieser Zeitschrift arbeiten „neben Grundtvig besonders Rudelbach, deutsch-lutherischer Superintendent in Kopenhagen, und der Orientalist J. C. Lindberg“ mit.278 In einem weiteren Werk, „Über den Taufbund“, vertritt Grundtvig seine Thesen, die wiederum heftige Gegenreaktionen von J. Stockholm und Henrik Nicolai Clausen hervorrufen.279 Die Auseinandersetzung um die Stellung von Schrift und Symbolum wächst sich in wenigen Jahren zu einem wahren Apostolikumstreit in der dänischen und norwegischen Kirche aus. Schließlich meldet sich auch S. Kierkegaard zu Wort und richtet sich kritisch gegen Grundtvig.280 Im selben Jahr 1847, als auf den dänischen Konventen von Roeskilde und Ringsted der Grundtvigianismus verhandelt wird, nimmt Caspari den Ruf auf die Professur für Altes Testament an der Universität zu Christiania an. Und 275 N. F. S. Grundtvig, Kierkens Genmaele, Vaerker i Udvalg, 1941, 336f. (für die Übersetzung und weitere Hinweise ist Frau Ursula Reutter Dank zu sagen). 276 So das zusammenfassende Referat bei B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 106. 277 Vgl. K. E. Bugge, Nicolai Frederik Severin Grundtvig, 1985, 207. 278 B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 106; ebd.: „Seit 1833 war die von Lindberg herausgegebene Nordische Kirchenzeitung (Nordisk Kirketidende) das Hauptorgan der Partei“, in deren Jahrgängen 1834 und 1836 Abhandlungen zum Apostolikum zu finden sind. 279 Vgl. J. Stockholm, Beweis, dass sich die christliche Kirche nicht auf das apostolische Symbolum, sondern auf die heilige Schrift gründet (dän.) (1832); Henrik Nicolai Clausen, Beleuchtung der Grundtvigschen Schrift über den Taufbund (dän.) (1832). 280 S. Kierkegaard, Abschließende unwissenschaftliche Nachschrift zu den Philosophischen Brocken, Erster Teil (1846), aus dem Dänischen übers. v. H. M. Junghans, GW 16/1, 1982, 38f.

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sogleich wendet er sich diesem Disput mit wissenschaftlicher Gründlichkeit zu. Mit Unterstützung der norwegischen Regierung unternimmt er es, die Frage philologisch-historisch anzugehen und das Apostolikum auf verbreiterter Quellenbasis neu zu betrachten. Dabei wählt er einen Weg zwischen Skylla und Charybdis, zwischen einer Überschätzung des Apostolikums und einer historisch und theologisch motivierten Geringschätzung. Auf unermüdlichen Suchfahrten zu Katalog- und Handschriftenabteilungen deutscher (und anderer europäischer) Bibliotheken forscht er nach Zeugen für die Geschichte des Apostolikums. Dabei begegnet ihm nicht nur eine Fülle von z. T. noch unbekannten, nur handschriftlich überlieferten Bekenntnistexten, er stößt auch auf die eine oder andere im Laufe der Forschungsgeschichte und insbesondere aus der kritischen Forschung der Aufklärung in Vergessenheit geratene These zur Entstehung des Apostolikums. So ruft er etwa wieder die Thesen des iro-anglikanischen Bischofs James Ussher in Erinnerung.281 Auch Caspari sieht in den weitgehend miteinander übereinstimmenden Bekenntnistexten des Markell, des Codex Laudianus und des Rufin eine gegenüber dem späteren Apostolikum ältere Textrezension, die er mit dem von manchem Forschern vor ihm bereits benutzten Begriff der „altrömischen Formel“ bezeichnet. F. Kattenbusch wird dieser Rezension den uns bekannten Namen „Romanum“ mit dem Sigel „R“ geben.282 Über Ussher hinaus führt Casparis These, dass mit dieser Rezension das alte Taufbekenntnis der römischen Gemeinde aufgefunden sei, welches erstmals durch Markell von Ankyra in dessen Brief an Julius von Rom (341) bezeugt werde. Überhaupt sieht Caspari, wie sich an den verschiedenen Titeln seiner Studien ablesen lässt, in den meisten Bekenntnissen des frühen Christentums vornehmlich „Taufsymbole“. Von 1866 über 1869 bis 1875 publiziert Caspari drei Bände „Ungedruckte, unbeachtete und wenig beachtete Quellen zur Geschichte des Taufsymbols und der Glaubensregel“. Nach seinen eigenen Worten hat er sie verfasst „für die Zeit des Abfalls von den Fundamenten des Christentums, in der wir leben“, um den „unendlich reiche(n), tiefe(n) und fruchtbare(n) Inhalt“ des Taufsymbols und das „bedeutsame und wichtige apologetische Moment, das sich an dieses Bekenntnis … knüpft“, wieder zur Geltung zu bringen.283 „Niemand“, meint Caspari, könne „auf den christlichen Namen Anspruch machen …, der sich nicht von Herzen zu seinem (sc. des Bekenntnisses) ganzen Inhalt bekennt“.284 Er schließt, indem er auf den historischen Ursprung des Taufsymbols zu sprechen kommt: „Das Taufbekenntniss geht nämlich ohne alle Frage seinem ganzen Inhalte nach und, wenigstens meiner wissenschaftlichen Ueberzeugung 281 282 283 284

Vgl. weiter oben. Erstmals in F. Kattenbusch, Beiträge zur Geschichte des altkirchlichen Taufsymbols, 1892, 7. C. P. Caspari, Quellen I, 1866 (= 1964), IV. Ebd., V.

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zufolge, zum grössten Theile auch nach seiner Form in das apostolische Zeitalter zurück, nach dieser in das johanneische Stadium desselben oder auch schon in die zweite Hälfte des paulinischen, wo die Kirche zuerst festere und entwickeltere Verfassungs- und Cultusformen erhielt. … Ja, wer erwägt, wie das Taufbekenntniss in der alten Kirche aller Orten denselben Grundtypus hatte, der wird sich selbst kaum des Gedankens erwehren können, dass dieser Grundtypus oder die ursprüngliche Formel von einer höheren Autorität, einer apostolischen, ausgegangen sein müsse …, indem ohne eine solche Annahme wiederum die grosse Freiheit nicht wohl zu erklären ist, mit der die alten Kirchen, insbesondere die orientalischen, seinen Wortlaut behandelt haben“.285 Mit dem letzten Nachsatz deutet sich natürlich auch schon die Spannung an, die Casparis Hypothese inhärent ist, wenn er einerseits von demselben „Grundtypus“ aller Bekenntnisse spricht, den er in Reinform nirgends aufzuweisen vermag, und deshalb andererseits zugleich von einer großen „Freiheit“ ausgehen muss, mit der dieser Grundtypus variiert worden sei. Im Jahr 1879 lässt Caspari seinen drei Bänden einen weiteren folgen mit dem Titel: „Alte und neue Quellen zur Geschichte des Taufsymbols und der Glaubensregel“, und 1881 gibt er seine norwegisch geschriebenen Abhandlungen heraus unter dem Titel: „Historisk-kritiske afhandlinger over en del virkelige og formentlige orientalske daabsbekjendelser“. Auch wenn seine Ergebnisse begierig aufgenommen und weidlich genutzt werden, meldet er sich mitunter doch auch gegen deren Interpretation zu Wort.286 Caspari besteht darauf, dass bereits im zweiten Jahrhundert überall Ortsbekenntnisse für die Taufe vorhanden waren. Trotz oder wegen seiner umfänglichen Quellenstudien gelingt es ihm allerdings nicht, das im Vorwort des ersten Bandes seiner „Quellen“ selbstgesetzte Ziel zu realisieren, nämlich „ein Urkundenbuch zur Geschichte des Taufbekenntnisses und der Glaubensregel, eine Geschichte beider und eine Auslegung des ersteren“ zu verfassen. Stattdessen umfasst sein Werk eine Fülle von Membra disiecta, die zwar außerordentlich aufschlussreich sind, von denen jedoch gilt: „La vue synthétique manque“.287 Der dritte Band der „Quellen“ ist vollständig den „beiden römischen Symbolen“ gewidmet, dem Apostolikum und dem altrömischen Symbol. Zu deren historischer Einordnung hat Caspari zwei monographische Exkurse beigegeben: „I. Griechen und Griechisch in der römischen Gemeinde in den drei ersten Jahrhunderten ihres Bestehens, S. 267–466“ und „II. Ueber den gottesdienstlichen Gebrauch des Griechischen im Abendlande während des früheren Mittelalters, S. 466–510“.

285

Ebd., V. C. P. Caspari, Hat die alexandrinische Kirche zur Zeit des Clemens ein Taufbekenntniß besessen, oder nicht?, 1886 (v.a. gegen A. v. Harnack gerichtet). 287 J. de Ghellinck, Les recherches sur les origines, 1949 (1946), 46. 286

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Erneut bekräftigt Caspari, dass die Bekenntnistexte aus Markells Brief an Julius von Rom, aus dem Psalterium des Königs Aethelstan und aus dem Codex Laudianus trotz geringer Differenzen ein und dasselbe Symbol repräsentieren. Dieses sei kein morgenländisches, sondern ein abendländisches, ursprünglich griechisch verfasstes Bekenntnis. Als Quintessenz seiner ausführlichen Untersuchungen zur Frage nach dem Zeitpunkt der Entstehung des „altrömischen Symbols“, dessen Ursprung er im Orient sieht, und des Zeitpunkts, zu dem es „vom Orient nach Rom gekommen ist“,288 führt Caspari an: Wie müssen „annehmen, dass das Symbol an der Gränzscheide der apostolischen und nachapostolischen Zeit nach Rom gekommen ist, wesentlich in derselben Gestalt, die es im altrömischen Symbol hat, und wohl aus Kleinasien, aus dem johanneischen Kreise, der seine Geburtsstätte gewesen sein dürfte.“289 Maßgebliche Gründe für diesen Ansatz bieten ihm folgende fünf Beobachtungen, die ihm alle aus einem Vergleich sog. morgenländischer Symbole mit der altrömischen Formel erwachsen sind: 1. Das Fehlen der Zahlartikel vor Gott und Christus Jesus. Dieses lässt sich s. E. am ehesten erklären,290 wenn das Symbol älter als die gnostische Häresie ist und sich vor dieser in Rom bereits beheimatet hat.291 Caspari übersieht dabei allerdings, dass nicht erst in dem von Markell in seinem Brief an Julius bezeugten Bekenntnis, das Caspari mit Ussher als das altrömische bezeichnet, die Zahlbegriffe fehlen, sondern dass derselbe Befund bereits in dem Bekenntnis des Kappadokiers Asterius, Markells Gegner, begegnet,292 welches Markell in seiner älteren Schrift gegen diesen Eusebianer zitiert, folglich kennt, und detailliert mit seinem eigenen Bekenntnis in Replik bekämpft. Mit anderen Worten: Casparis Beobachtung zu den fehlenden Zahlartikeln könnte auch für eine Entstehungszeit sprechen, in der die Gnosis nicht mehr von Bedeutung war. 2. Das Fehlen von poihth;n oujranou' kai; gh'" oder creatorem coeli et terrae; denn in morgenländischen Symbolen sei der Vater „ausserordentlich früh als Weltschöpfer bezeichnet worden“.293 Doch muss er selbst gestehen, dass dieser Topos auch bei Irenäus und bei Hermas bereits belegt ist294 und sein Feh-

288

C. P. Caspari, Quellen III, 1875 (= 1964), 142. C. P. Caspari, Quellen III, 1875 (= 1964), 161; ebd., 130f. meint er, Rom habe das Symbol „in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts und in der zweiten des ersten“ erhalten; B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 108 hat bereits festgestellt, dass Caspari für die Herkunft des Apostolikums aus johanneischen Kreisen Kleinasiens keinen Nachweis führt. 290 Er rechnet auch mit der Möglichkeit (ebd., 145), dass die römische Gemeinde die Zahlbegriffe „ausgelassen haben könnte“. 291 Vgl. C. P. Caspari, Quellen III, 1875 (= 1964), 142–146. 292 Vgl. Asterius, Frg. 9 (86 V.). 293 C. P. Caspari, Quellen III, 1875 (= 1964), 146. 294 Vgl. ebd., 146f. 289

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len somit nicht für eine frühe Entstehung des Symbols in Rom indikativ sein kann. 3. und 4. „Aehnlich, wie mit dem Fehlen der Weltschöpfung im ersten Artikel des altrömischen Symbols“ verhalte „es sich auch mit dem Fehlen des Kirchenprädikats kaqolikh und der zwh aijwnio" (sic!) im dritten Artikel desselben.“295 Caspari meint: „Auch aus ihm können wir nämlich den Schluss ziehen, dass das Symbol schon frühzeitig vom Orient nach Rom gekommen ist, indem die beiden genannten Bestandtheile desselben bereits in früher Zeit in das morgenländische Symbol aufgenommen worden sein müssen, und es sich nicht denken lässt, dass man sie in Rom aus demselben entfernt haben würde, falls man sie in ihm vorgefunden hätte.“ 5. Rätselhaft erscheint ihm das Bekenntnis zur „Auferstehung des Fleisches“ anstelle des biblischen „Auferstehung der Toten“. Die „‚carnis resurrectio‘ … sieht nämlich ganz aus wie eine durch die grossen gnostischen Systeme, die unter Hadrian (117–138) und im Anfang der Regierungszeit des Antoninus Pius (138–161) auftraten, hervorgerufen“.296 Dass die Wendung dennoch auch früher in ein Bekenntnis hat Eingang finden können, versucht Caspari mit den Ignatianen und dem darin seiner Meinung nach für den Anfang des zweiten Jahrhunderts belegten Kampf gegen Doketen plausibel zu machen. Außerdem finde man, „wenn auch nicht den Ausdruck ajnastasi" sarko", so doch den Ausdruck ajnasthsein [thn] sarka schon in einer Schrift aus dem Schlusse der apostolischen Zeit, nämlich in dem im letzten Jahrzehnt des ersten Jahrhunderts verfassten ersten Brief des Clemens von Rom an die Corinther.“297 Schließlich erwägt er, ob die von Kleinasien importierte altrömische Formel nicht vielleicht „ajnastasin nekrwn oder nekrwn ajnastasin gelautet (habe), und dies … daselbst erst im Laufe des zweiten Jahrhunderts im Gegensatz zu den dort lebenden und wirkenden Gnostikern in sarko" ajnastasin, ‚carnis resurrectionem‘ verwandelt worden“ sei.298 Dann aber verwirft Caspari diesen Gedanken mit dem Hinweis auf Ambrosius und Rufin, die im vierten und fünften Jahrhundert bezeugten, dass Rom „an dem überkommenen Wortlaut desselben (sc. des Symbols) aufs Strengste festgehalten“ habe.299 Casparis Argumentation läuft in allen fünf Punkten auf das Fehlen von morgenländischen Bekenntnistopoi in der altrömischen Formel hinaus. Die Defizite im Romanum bilden die Belege zur Bestimmung des Zeitpunkts ante quem, vor dem die altrömische Formel nach Rom gekommen sein müsse. Nun besteht 295 296 297 298 299

Ebd., 148f. Ebd., 154f. Ebd., 158 (vgl. Clem. Rom., Ep. ad Cor. 26). Ebd., 159. Ebd., 160.

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aber ein Hauptproblem darin, dass Caspari die Unterscheidung zwischen den beiden Typen, also einem morgenländischen und einem abendländischen Symbol, welche beide aus einem auf die Apostel zurückgehenden Bekenntnis entstanden seien, zwar „weitläufig und umständlich“ zu entwickeln versucht,300 doch kann er letztlich kein überzeugendes Ergebnis vorlegen. Denn er widmet zwar „mehreren orientalischen Symbolformen besondere Untersuchungen“, „die Frage jedoch, wie nun die verschiedenen Symbolformen des Orients, die nach ihm alle im ganzen dasselbe Gepräge haben, zu einander sich verhalten, ob etwa auch für sie eine Mutterformel, wie die altrömische Form sie für die abendländischen darstellt, zu finden oder vorauszusetzen sei, und wie diese etwaige Grundform zu der römischen sich verhalte, ob sie vielleicht identisch mit ihr sei, diese Frage (mit ihren Unterfragen) hat er sich nicht gestellt.“301 Mit 300

B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 110. B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 110; eine Widerlegung der Differenzierung von morgenund abendländischen Bekenntnistraditionen nimmt schließlich J. Baron, The Greek Origin, 1885 vor: „With the help of historical documents“ argumentiert er „against the common antithetical statement that the Apostles’ Creed is the Creed of the West, and the Nicene (gemeint ist das Nizäno-Konstantinopolitanum) of the East (er denkt hier wohl an Ch. A. Heurtley). I am prepared to maintain that historically the Apostles’ Creed is as much a Creed of the East as of the West; and that the Nicene is both historically and by usage as much a Creed of the West as of the East“ (ebd., 1); ähnlich wie Dörholt kritisiert J. de Ghellinck, Les recherches sur les origines, 1949 (1946), 48 Caspari; die einzigen morgenländischen „Besonderheiten“, die C. P. Caspari, Quellen III, 1875 (= 1964), 46–117 erhebt, stellt er aus Bekenntnissen zusammen (vor allem aus dem Bekenntnis der Apost. Konst. VII), die heute allesamt in die Zeit nach 350 datiert werden, ebenso entlehnt er die Besonderheiten der abendländischen Symbole aus Texten, die aus der Zeit nach 400 stammen, und höchstwahrscheinlich in die Wirkungsgeschichte des bei Markell bezeugten Bekenntnisses gehören, also nicht umgekehrt für dessen Einordnung benutzt werden können. Überhaupt scheint das Problem nicht gelöst zu sein, wieso und woher die grundsätzlichen Unterschiede zwischen abend- und morgenländischen Symbolen kommen, wenn alle Bekenntnisse auf ein einziges morgenländisches Ursymbol zurückgehen (vgl. hierzu die eher ausweichenden Ausführungen von C. P. Caspari, Quellen III, 1875 [= 1964], 138f.). Um nur ein Beispiel unter möglichen anderen für die Problematik von Casparis Abgrenzung von morgen- und abendländischen Bekenntnissen zu nennen: Bei C. P. Caspari, Quellen III, 1875 (= 1964), 69 heißt es: „Selbst ton kurion hJmwn bei Marcellus scheint dafür zu zeugen, dass sein Glaubensbekenntnis ein abendländisches ist, indem fast alle, ja vielleicht ausnahmslos alle uns erhaltenen morgenländischen Taufbekenntnisse, sowie auch das Glaubensbekenntnis des Märtyrers Lucian (zugleich Antioch. 2), das apostolische Glaubensbekenntniss nach Alexander von Alexandriens Mittheilungen in seinem Brief an Alexander von Constantinopel, das Glaubensbekenntnis des Arius, das Glaubensbekenntniss in der Gregorius Thaumaturgus beigelegten Schrift JH kata mero" pisti" (vgl. auch das Symbol des Gregorius) und das Glaubensbekenntniss des Presbyters Charisius bloss kurion ohne hJmwn haben, während dagegen alle die abendländischen Taufsymbole, die ‚Dominum‘ enthalten, d.h. fast alle, sowie alle abendländischen Glaubensfragen, Relationen der Glaubensregel, Privatbekenntnisse und Citate des ersten Gliedes des zweiten Artikels oder Anspielungen auf dasselbe, worin sich das genannte Wort findet, ‚nostrum‘ zu ihm hinzufügen.“ Doch muss er zugeben, dass sehr wohl morgenländische Synodalsymbole und Privatsymbole das kuvrio" hJmw'n kennen (ebd., 69f.). Die wichtigste Vorlage aber ist Caspari entgangen, weil er die bei Euseb aufbewahrten Markellfragmente nicht systematisch zur Kenntnis genommen hat. Vermutlich gleich zu Beginn seiner Schrift gegen Asterius und andere Eusebianer hatte Markell das Bekenntnis des Asterius zitiert, um es im Anschluss daran im Detail zu widerlegen. Und in diesem Bekenntnis heißt es nach Markell, frg. 1 (2,4–6 V.): gevgrafen (sc. Asterius) pisteuvein eij" patevra qeo;n pantokravtora, kai; eij" to;n uiJo;n aujtou' to;n monogenh' qeovn, to;n kuvrion hJmw'n jIhsou'n Cristovn, kai; eij" to; pneu'ma to; a{gion. 301

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dieser treffenden Beobachtung Dörholts entfällt jedoch die Grundlage, auf die die ohnehin schon reichlich spekulativen und auch zusammengenommen nicht zwingend überzeugenden Punkte 1.–5. gestützt sind. Gegen Casparis Zuschreibung der Pistis aus Markells Brief nach Rom hatte zuvor bereits der Norweger F. Hammerich eingewendet: „Weil leicht zu vermuthen ist, dass Marcellus, verdächtigt, ein Irrlehrer zu sein, sich den römischen Stuhl in jeder Weise habe zum Freunde machen wollen, hat man gemeint, das sogenannte altrömische Symbol in griechischer Uebersetzung vor sich zu haben. Die Sache hat inzwischen weniger angenehme Schwierigkeiten. Marcellus legt sein eigenes Glaubensbekenntniss ab ohne mit einem einzigen Worte zu sagen, dass es dasselbe sei, wie das römische Taufsymbol. Er hat ‚das ewige Leben‘ und das sollte fehlen, er hat dagegen nicht ‚den Vater‘ und das sollte er ja haben. ‚Schreibfehler‘ antwortet man in Bezug auf das Letztere. Kann wohl sein, und dies ist eine Bemerkung, die man an vielen Stellen machen könnte, wo es nicht gerade für Diejenigen passt, die sie hier machen. Aber das(s) es so ist, kann doch keine ausgemachte Sache genannt werden. Wie der Text jetzt da steht, ist er in zwei Hauptgliedern von dem verschieden, was man den altrömischen genannt hat, und die Vermuthung über die Formel dieses Textes findet also hier keine Stütze. Die Arbeit Marcells scheint sich ausserdem als eine Zeichnung aus freier Hand zu verrathen, und sein ganzes Benehmen – er wird der Ketzerei bezichtigt – eignet sich nicht dazu, ihn einen zuverlässigen Gewährsmann zu nennen“.302 Zuvor hat Hammerich darum bereits geurteilt: „Marcellus von Ancyra wollen wir auf seinem Werth beruhen lassen, weil man wirklich nicht weiss, wohin man sein sogenanntes Symbol rechnen soll.“303 Auch wenn sich Caspari „durch diese Äusserungen Hammerichs (nicht) schrecken“ lässt, so entbehren doch Hammerichs Einwände nicht jeglicher Grundlage. Zwar wird man Markells Situation in Rom nicht als diejenige eines Ketzers vor einem ihm kritisch gesinnten Tribunal beschreiben können – seine Ankläger sind ja, wie wir aus seinem Brief wissen, gerade nicht nach Rom gekommen und die Synode setzt sich folglich im Wesentlichen aus seinen Parteigenossen, Julius eingeschlossen, zusammen –, aber was Hammerich mit „Zeichnung aus freier Hand“ beschreibt, nämlich den typisch markellischen Charakter der Pistis (aus der Caspari ja fast ausschließlich den mit dem Romanum parallelen zweiten Teil betrachtet), hätte Caspari zumindest prüfen müssen. Er schreibt hingegen: „Bei der Annahme, dass Marcellus’s Glaubensbekenntnis von ihm selbst aufgesetzt und also sein Privatbekenntniss sei, brauchen wir uns nicht lange aufzuhalten. Man erhält schon dadurch, dass es alle Hauptpuncte des christlichen Glaubens umfasst, Es liegt also um vieles näher, bei Markell asterianischen Einfluss anzunehmen als abendländischen, denn bereits für Asterius einen abendländischen Hintergrund zu vermuten, ist ausgeschlossen. 302 F. Hammerich, Om vort Apostoliske Symbols oprindelighed, 1864, 43f., zit. nach der Übers. von C. P. Caspari, Quellen III, 1875 (= 1964), 41. 303 F. Hammerich, Om vort Apostoliske Symbols oprindelighed, 1864, 22, zit nach der Übers. von C. P. Caspari, Quellen III, 1875 (= 1964), 42.

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dass es sich über eine Menge von Punkten in ihm erstreckt, die durch die eigenthümlichen Ansichten Marcells über ‚Gottes Sohn das Wort‘ gar nicht berührt wurden, und dass es in formeller Hinsicht von dem Bekenntniss im ersten (und dritten) Theil seiner ‚expositio fidei‘ grundverschieden ist, – man erhält, sage ich, schon hierdurch den bestimmten Eindruck, dass es kein von Marcellus selbst gebildetes, abgefasstes individuelles, persönliches Bekenntniss, sondern ein von ihm vorgefundenes kirchliches Bekenntniss des allgemeinen christlichen Glaubens oder, mit anderen Worten, eine von ihm vorgefundene Form des allgemeinen kirchlichen Glaubensbekenntnisses, des ‚apostolischen Symbols‘ ist, ein Bekenntniss, eine Form, die er sich nur angeeignet und in seine ‚expositio fidei‘ eingerückt hat um Julius zu zeigen, dass er sich zu dem in ihr ausgesprochenen Glauben bekenne. … Was endlich völlig entscheidend dagegen spricht, dass das Glaubensbekenntniss des Marcellus von ihm selber herrührt, ist der Umstand, dass es sich … in einer Reihe von feineren, tieferliegenden Zügen ganz bestimmt als ein abendländisches Symbol zu erkennen giebt.“304 Casparis Argument betrifft demnach im entscheidenden Punkt die inhaltliche und erst in zweiter Linie die formelle Seite. Gegen Casparis Meinung der entscheidenden Zugehörigkeit des Bekenntnisses zu den abendländischen Symbolen spricht jedoch bereits der weiter oben angeführte Einwand Dörholts, die Differenzierung zwischen östlichen und westlichen Bekenntnissen sei durch Caspari mangelhaft begründet. Aber auch Casparis inhaltliche Skizzierung des Bekenntnisses ist nicht völlig korrekt, fällt doch auf, dass die angeblich „alle Hauptpuncte des christlichen Glaubens“ umfassende Formel, die Markell bietet, erstaunlich ungleichgewichtig ist.305 Während vom Vater lediglich bekannt wird, er sei allmächtig, und auch zum Heiligen Geist keine weitere Ausführungen folgen, wird zu Jesus Christus eine Fülle ökonomischer Heilsdaten genannt. Auffallenderweise fehlen aber auch hier jegliche Aussagen zur Präexistenz, wie sie sich spätestens seit dem Johannesevangelium immer wieder im Christentum finden. Überhaupt macht das Apostolikum, stellt man es „Hauptpuncte(n) des christlichen Glaubens“ gegenüber, den Eindruck, als sei es ein rein ökonomisch-trinitarisches Bekenntnis. Als solches aber, und damit kommen wir zur inhaltlichen Übereinstimmung mit Markells Theologie, entspricht es völlig der markellischen Vorstellung, wonach präökonomisch Gott, sein Logos oder Wort und seine Kraft, als monav" bekannt wird, was Markell im ersten Teil seines in der Epistel sich findenden Bekenntnisteiles auch tatsächlich ausführt, ökonomisch aber die triav" von Vater, Sohn und Geist, wie sie im zum Romanum parallelen Text ausgeführt ist.306 Zumindest das inhaltliche Argument Casparis 304

C. P. Caspari, Quellen III, 1875 (= 1964), 42f. Dieses Ungleichgewicht empfinden allerdings selbst Kenner der Materie selten. F. Kattenbusch, Aus der Geschichte des Apostolikums, 1892, 979 sieht zwar eine Dreiteiligkeit des Apostolikums, gesteht auch, dass „zum ersten Artikel nur wenig zu sagen“ ist, erkennt dies aber nicht als ein Problem. 306 Nur wer wie Caspari von Markells eigener Theologie völlig absieht und das Bekenntnis isoliert betrachtet, ja, innerhalb des Bekenntnisses noch einmal den ökonomischen Teil verselbständigt, kann 305

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lässt also zumindest viele Fragen offen, weshalb darum wohl später auch häufiger seine formale Argumentation (unterschiedlicher Charakter) aufgegriffen wird.307 Was die weitere Entwicklung der altrömischen Formel bis hin zum Apostolikum betrifft, ist Caspari der Meinung, dass die alte, nach Rom gekommene griechische Formel das Muttersymbol aller anderen westlichen Bekenntnisse sei. Es lege sich „die Annahme sehr nahe, dass in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts, zur Zeit des Irenäus und schon etwas vor ihr in Lugdunum und den übrigen damals schon vorhandenen gallischen Gemeinden ein griechisches und lateinisches Symbol gebraucht wurde, von denen das Letztere eine Uebersetzung des ersteren, mit dem Christenthum aus Kleinasien herübergekommen war. Dieses griechische (und lateinische) Symbol“, so Caspari, werde dann „dasjenige sein, welches den Relationen der Glaubensregel bei Irenäus zu Grunde liegt.“308 Unausgeglichen mit dieser Angabe ist die andere, wonach „das römische (altrömische) Symbol“ später im dritten Jahrhundert auf weiteren römischen Druck „nach Gallien gebracht“ worden sei, da Caspari doch angenommen hat, dass das aus Kleinasien importierte Symbol schon vorher in Gallien Irenäus als Grundlage gedient hat.309 Es sei denn, Caspari nähme an, das altrömische Symbol sei in einer Vorform im Osten entstanden und so in den Westen gekommen,310 habe aber in Rom anfangs noch eine Entwicklung durchgemacht und nicht bereits das Aussehen besessen, welches das Bekenntnis von Markells Brief hat. Denn nur so kann ja ein zweiter Bekenntnistransfer nach Gallien postuliert werden. Die Unterscheidung zwischen der vorirenäischen Bekenntnisform und der altrömischen steht natürlich mit Casparis Aussage aus dem Vorwort zum ersten Band seiner „Quellen“ von 1866 in Spannung, wonach das Taufbekenntnis nicht nur dem Inhalt, sondern zum größten Teil auch der Form nach auf das apostolische Zeitalter zurückgehe.311 Dass Caspari neun Jahre später im dritten Band seiner „Quellen“ von 1875, in welchem er die Unterscheidung zwischen der vorirenäischen und der altrömischen Formel aufstellt, in der Tat mit einer nicht unbeträchtlichen Weiterentwicklung der von zu dem Schluss gelangen, der ökonomische Teil für sich genommen sei ein „ganz reflexionsfreies, objectiv-historisches, einfaches, kurzes und wortkarges Bekenntniss“, so C. P. Caspari, Quellen III, 1875 (= 1964), 43. 307 Vgl. hierzu auch meine Ausführungen in: Die Entstehung des römischen Glaubensbekenntnisses, 1999. 308 C. P. Caspari, Quellen III, 1875 (= 1964), 231396. 309 Ebd., 231396; dieses Problem hat schon B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 110 erkannt: „Man fragt da unwillkürlich“, schreibt er zu Caspari, „wie mag sich denn das altgallische Symbolum (das Irenäus zugrunde lag) zum altrömischen verhalten haben? Sollten sie nicht ursprünglich identisch gewesen sein? Werden sie ja doch beide von Caspari aus dem Orient, speciell aus Kleinasien, hergeleitet.“ 310 Vgl. B. Dörholt, Das Taufsymbolum, 1898, 110: Der Gedanke, „dass der Orient schon früher ein Symbolum gehabt haben muss, als der Occident ... liegt den Ausführungen Casparis als etwas Selbstverständliches zu Grunde.“ 311 Vgl. weiter oben.

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Kleinasien gekommenen Formel rechnet, zeigt sein Hinweis darauf, dass er in Hilarius, De trinitate VII,6 ein „Mittelglied in dieser Entwicklung“, d. h. in der Entwicklung vom importierten Bekenntnis hin zum Apostolikum, sieht. Hilarius schreibt an der von Caspari genannten Stelle gegen nicht näher genannte „Sabellianer“: „Sacramentum salutis tuae nescis. Credendus est Filius, per quem saecula facta sunt, per quem formatus homo est, qui per angelos legem dedit, qui de Maria natus est, qui missus a Patre est, qui crucifixus est, mortuus et sepultus est, qui de mortuis resurgens in dextris Dei est, qui uiuorum iudex ac mortuorum est. In hunc renascendum est, hic confitendus est, huius regnum est promerendum“.312 Zwischen Irenäus’ Glaubensregeln, dieser Relatio des Hilarius, dem Romanum und dem Apostolikum bestehen erhebliche Unterschiede. Auch wenn Caspari dennoch meint, „wesentlich dasselbe Symbol, was wir in Marcellus’s Brief an Julius, im ‚Psalt. Aethelst.‘, im Cod. Laud., in Rufins ‚Comment. in Symb. Apostt.‘, in Leos des Grossen Schriften, besonders in der ‚Epistola dogmatica‘ desselben an Flavian, und im ‚Sacram. Gelas.‘ finden“, sei „sicher schon in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts in der römischen Gemeinde im Gebrauch“ gewesen,313 so muss er doch ein weites Verständnis von „Selbigkeit“ haben.314 Präziser drückt er sich aus in Bezug auf das Apostolikum, von welchem er annimmt, es habe sich erst „im Laufe des vierten und fünften (Jahrhundert) allmälig zu dem Symbol entwickelt, was wir kat j ejxochn das apostolische zu nennen pflegen“.315 Leider lässt sich Caspari nicht darüber aus, wie er sich das Bekenntnis vorstellt, das aus dem Osten nach Gallien gekommen sein soll und das Irenäus seiner Meinung nach benutzt hat.316 Es lässt sich gewiss nicht beschreiben als ein Bekenntnis „dans le même état, substantiellement, que présente le vetus romanum“.317 Ebenso lässt er offen, wie er in die Entwicklung mit Hilarius als „Mittelglied“ das Bekenntnis in Markells Brief einordnet. Aus 312

Hilar. Pict., De trin. VII (CChr.SL 60, 266,22–29 Smulders); vgl. ders., De trin. X 22f. 34. C. P. Caspari, Quellen III, 1875 (= 1964), 126f. 314 Ebd., 129f.221: „Bei allen Differenzen zwischen den einzelnen Relationen (des Tertullian, Irenäus, Origenes usw.), Differenzen, die durch Mehreres und Mancherlei hervorgerufen sind: durch die Verschiedenheit des Gegensatzes und Zusammenhangs, in der die Relationen gegeben werden, durch die Verschiedenheit der eigenthümlichen Geistesrichtungen und dogmatischen Anschauungen der Referenten und der Kirchen oder der sectirerischen Partei, der sie angehören (Tertullian), endlich durch den Umstand, dass nie vollständig referirt werden soll und daher bald mehr, bald weniger unvollständig referirt wird—bei allen durch dies Alles hervorgerufenen Differenzen zwischen den Relationen herrscht nämlich doch in ihnen (in der des Origenes in ihrem ersten trinitarischen Theil, der ihr Haupttheil ist) im Ganzen und Grossen eine merkwürdige Uebereinstimmung in Inhalt und Gang, ja tritt in ihnen doch, man kann sagen, ein gewisser stehender Typus hervor.“ Caspari geht also wirklich von einer weitgefassten, typologischen Übereinstimmung aus. 315 Ebd., 231396. 316 Vgl. J. de Ghellinck, Les recherches sur les origines, 1949 (1946), 48. 317 So ebd., 47 in Übersetzung der Vorrede Casparis zum ersten Band seiner Quellen und in Absehung von dessen Ausführungen im dritten Band. 313

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seinen Ausführungen geht allerdings hervor, dass er nach dem zweiten Bekenntnistransfer des altrömischen Symbols nach Gallien, das er in Markells Brief findet, mit einer Fortentwicklung desselben im südlichen Gallien hin zum Apostolikum oder dem „jüngeren römischen Symbolum“ rechnet. Trotz all dieser Unsicherheiten und den hier nur angedeuteten möglichen Einwände gegen Casparis Hypothesen und Erklärungsversuche haben seine Werke ungeheuren Eindruck auf die Forschung gemacht. A. v. Harnack attestiert dem Kollegen, dass mit Ausnahme der These vom johanneischen Ursprung des Apostolikums, „auf die auch Caspari selbst, wie es scheint, kein grosses Gewicht legt“, alle anderen Erklärungen der Genese des Apostolikums „über allen Zweifel sicher gestellt“ seien. „Mit staunenswerther Umsicht“, fährt Harnack weiterhin lobend fort, „einem gelehrten Apparate, wie er auf diesem Gebiete einzig Caspari zu Gebote steht und einer fast übertrieben zu nennenden Gewissenhaftigkeit … sind alle möglichen Entscheidungen erörtert und die Untersuchung schreitet methodisch in so musterhafter Weise fort, dass man dem Verfasser mit steigender Spannung folgt. … Es unterliegt keinem Zweifel, dass demnach das altrömische Symbol älter ist als das sog. Symb. Apost., älter als Irenäus und Tertullian, älter als alle Symbole, welche jene Bestimmungen (Zahlbegriffe im 1. und 2. Artikel; poihth;n oujranou' kai; gh'" im 1. Artikel; kaqolikhvn und zwh;n aijwvnion im 3. Artikel) mit aufführen; denn es ist schlechterdings nicht denkbar, dass dieselben je aus einem Symbol nach 150 gestrichen worden wären, nachdem sie einmal zu Abweisung der Häresie Aufnahme gefunden hatten. … Jedenfalls wird man mit allem Fuge das altrömische Symbol in die ersten Decennien des zweiten Jahrhunderts setzen dürfen.“318 Casparis Textfunde, seine Annahme, dass ein aus Kleinasien stammendes Taufsymbol die Mutter aller anderen Bekenntnisse ist, die Regulae fidei auf dieser Grundlage entwickelt worden sind und es in dieser Entwicklung eine Grunddifferenz von einerseits östlichen, andererseits westlichen Taufsymbolen gibt, findet also nicht unbegründet Eingang in die zweite und vor allem dritte Auflage von Hahn/Hahn; in der dritten Auflage, der Harnack seinen Anhang beigibt,319 kreiert Georg Ludwig Hahn aufgrund von Casparis Ansicht, dass im frühen vierten Jahrhundert allerorten mit Taufbekenntnissen zu rechnen sei, eine ganze Anzahl von „muthmasslichen“ Ortstaufbekenntnissen, um die von ihm wohl gespürte Lücke in der Existenz solcher Bekenntnisse zu füllen. Ich nenne nur einige in BSGR3: „In der Mailändischen Kirche. § 32. a. Das muthmassliche Symbol des Ambrosius“; die „Symbolformeln in der Carthaginiensisch-afrikanischen Kirche“ werden eröffnet mit „§ 44. 1. 318 A. v. Harnack, Rez. C. P. Caspari, Quellen III, 1875 (= 1964), 1876, 11f.; wie v. Harnack Nutzen aus Caspari zieht, wird weiter unten zu v. Harnack erläutert. 319 Dies tut Harnack nach seiner vernichtenden Kritik von BSGR2, 1878, 81–85 wohl nur deshalb, weil Caspari vor der Veröffentlichung von BSGR3 gestorben ist.

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Das muthmassliche Symbol d. Tertullian“, die „Symbolformeln in der Gallischen Kirche“ mit „§ 59. 1. Das muthmassliche Symbol des Phoebadius von Aginum“, es begegnen „§ 69. 11. Das muthmassliche Symbol des Theodulph von Orleans“, „§ 122. a. Die muthmassliche Urform des morgenländischen Taufsymbols“ und „b. Die aus dieser Urform hervorgegangenen noch vorhandenen Localsymbole“, und zwar „§ 123. 1. Nach Eusebius von Caesarea“ und „§ 124. 2. Nach Cyrillus von Jerusalem“, auch „§ 131. 3. Das muthmassliche Symbol der Kirche zu Laodicäa in Syrien“.

Allerdings setzt gerade die schärfste Kritik an Georg Ludwig Hahn an dessen Umgang mit Casparis Vorarbeiten ein. Ferdinand Kattenbusch urteilt: „Von Casparis Resultaten einen fast bedenklichen Gebrauch machte G. L. Hahn in seiner Neubearbeitung des Werkes seines Vaters; soweit Casparis Aufsätze im Jahre 1877 in deutscher Sprache vorlagen, hat die neue Auflage der ‚Bibliothek der Symbole und Glaubensregeln‘ einfach ‚gebucht‘, was Caspari darbietet“.320 In der Anmerkung heißt es weiter: „Das ‚Bedenkliche‘ ist, dass darin demjenigen, der Casparis Aufsätze nicht selbst kennt, der Eindruck erweckt wird, als seien alle mitgeteilten ‚Texte‘ unmittelbar brauchbar für Vergleichungen und Kombinationen. Caspari dachte selbst vielfach sehr viel minder zuversichtlich über seine Resultate in Bezug auf den Wortlaut eines Textes, als Hahn vermuten lässt. Die ‚Texte‘ sind ja vielfach nur durch Hypothesen zu rekonstruieren. Caspari liebt es (das ist [eine] kleine Schwäche von ihm), einen kompletten Text zusammenzustellen, auch wo nur einzelne Stücke als wirkliches Citat nachzuweisen sind, und im übrigen höchstens eine Analogie (über die man nicht selten sehr verschiedener Meinung sein kann) Mutmassungen gestattet. … Hahn (kann man) … den Vorwurf … nicht ersparen, dass er nicht deutlich genug erkennbar macht, wie unsicher sein ‚Material‘ im einzelnen oft ist.“321 Noch heftiger als Kattenbusch reagiert Harnack in seiner Rezension der BSGR2. Er moniert neben dem nichtfachmännischen Vorgehen vor allem den unerlaubten Vorgriff auf das Projekt eines „Urkundenbuch(es) zur Geschichte des Taufbekenntnisses“, das Caspari im Vorwort zu seinem ersten Band der Quellen 1865 selbst in Aussicht gestellt hatte.322 Auch die dritte Auflage der BGSR, die ein Jahr vor Kattenbuschs Monitum erschienen ist, erhält ähnlich vernichtende Kritiken wie die zweite Auflage. Kein Wunder, denn sie ist ja noch um vieles hypothetischer und spekulativer ausgefallen als die zweite. Die Tatsache, dass er in der zweiten Auflage „wenigstens zuverlässig referire und das vorhandene Material bequem darbiete, zumal auch dass er keine ‚Schlüsse‘ für die Entwickelung der Geschichte des Symbols daraus ableite“, habe ihn, wie Kattenbusch meint, damals noch „vor dem Vorwurf des Dilettirens geschützt“.323 Nun 320 321

48f.

322 323

F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol, 1894, I 24. Ebd., 24f.36; die Kritik wiederholt J. de Ghellinck, Les recherches sur les origines, 1949 (1946), C. P. Caspari, Quellen I, 1865 (= 1964), III; vgl. A. v. Harnack, Rez. Hahn, BSGR2, 1878, 81–85. F. Kattenbusch, Rez. Hahn, BSGR3, 1897, 562.

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habe Hahn leider „bei dieser dritten Auflage den Versuchungen, die in der Beschäftigung mit dem Stoffe stecken, sich weniger erwehren können. Und doch ist er offenbar nicht gerade eine kritische Natur“; neben subalternen Vorzügen „stehen sehr erhebliche Mängel. Am wenigsten will ich es urgiren, dass H. in der Construction der Texte nicht so vorsichtig ist, wie zu beanspruchen wäre. … H. ist ja durch die Tradition des Werkes gebunden gewesen. So sehe ich davon ab, seine ‚Texte‘, soweit sie eben hypothetischer Art sind, hier zu beleuchten. Ich habe fast überall Monita zu machen und kann nur auf’s dringendste davor warnen, mit H.’s Formeln zu experimentiren. Weder hat H. überall eine vollständige Quellenkenntniss, noch den nöthigen Takt im Combiniren. … Direkt zu tadeln ist …, dass H. auch im Rubriciren der Texte der Neigung, zuversichtlicher aufzutreten, als gestattet ist, sich überlassen hat. Die Dinge liegen so, dass man bei einer nicht geringen Zahl von Texten oder Textfragmenten, was Ort und Zeit anlangt, nur vielleicht probeweise einen Vorschlag machen kann. Es sind keine Worte darüber zu verlieren, dass in einer ‚Bibliothek‘ der ‚Texte‘ die Rubriken am letzten nach blossen Muthmassungen, gar nach momentanen Einfällen, gebildet oder gefüllt werden dürfen. Es ist für H. charakteristisch, dass er gar keine Rubrik für Texte ‚unbestimmter Herkunft‘ darbietet.“324 Und: „Hat H. eine ganze Anzahl sehr zweifelhafter Symbole creirt und örtlich fixirt, so hat er sich dafür eine neue ganz zweifelfreie, persönlich, örtlich, zeitlich wirklich genau fixirbare Formel entgehen lassen, ich meine die des Cyprian von Toulon.“325 Kattenbusch weist aber auch wie Harnack auf Hahns anrüchige Weise der Aneignung fremden geistigen Eigentums hin: „Ich meine, H. habe sich nicht ganz klar gemacht, was er der Literatur schulde. So macht er zum Theil auch zwar ergiebig, aber danklos von ihr Gebrauch. Es ist das ein etwas peinlicher Punkt. H. versteht es nicht recht, sich vor dem Scheine zu bewahren, als ob er mehr Selbständigkeit für sich beanspruche, als er besitzt. … Selbst wo er seiner Vorgänger gedenkt, geschieht es grossentheils nebenbei und so knapp und matt, dass man nicht den richtigen Eindruck erhält. Ich vermuthe, dass er sich wiederholt gar nicht zum Bewusstsein gebracht hat, dass er ja blos nach einem anderen referirt.“326 Deutliche Kritik gegenüber den hypothetischen Rekonstruktionen äußert auch Johannes Kunze: Der Leser wird sich „manchmal vor der Illusion hüten müssen, als seien die betreffenden Formeln so sicher zu gewinnen, wie es den Anschein hat; er wird streng unterscheiden müssen zwi324

Ebd.; soweit die im Vergleich zur nachfolgenden Detailkritik noch harmlose Ausdrucksweise Kattenbuschs (ebd. heißt es etwa zu Hahns Ausführungen zu BSGR3 § 52: „... vergeht einem selbst das Lächeln, das einem sonst einmal auf d(i)e Lippen kommt“). 325 Ebd., 563; gemeint ist wohl die in Cyprians Brief an Maximus erhaltene Ausführung über den apostolischen Glauben (PLS IV 598). 326 Ebd.; F. Loofs, Das Bekenntnis Lucians, des Märtyrers, 1915, 5782 weist noch auf einen Widerspruch hin: „Bei dem Symbol der Apostolischen Konstitutionen (§ 129) wird Kattenbuschs Vermutung, diese Formel sei die Lucians, ohne Widerspruch registriert; in einer Anmerkung zur ‚vierten Formel‘ von Antiochia (§ 156) aber wird sie kritisiert.“

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schen Formeln, deren Wortlaut feststeht, und solchen, die nur mit Hilfe von Analogieschlüssen aus umfangreicheren Lehrdarlegungen oder dergl. ermittelt sind. Vor allem aber wäre es bei Fällen der letzteren Art wünschenswerth, wenn zunächst aus dem betreffenden Autor nachgewiesen würde, dass er ein Taufbekenntniss hatte und kannte.“327 Doch nicht nur Georg Ludwig Hahn gehört zu denen, die Kattenbusch spitz als „Dilettanten“ im Umgang mit Casparis Resultaten bezeichnen würde.328 Überhaupt ebnet Caspari mit der Verbreiterung der Textgrundlage und der Vielzahl unsystematischer Hypothesen das Feld für Schlussfolgerungen329 und Spekulationen über mögliche Anklänge an Symbole in Schriften älterer Kirchenväter, auf dem allerlei Taufbekenntnisse wachsen werden. Wilhelm Bornemann (1858–1946) etwa befragt die Schriften des Justin auf Anklänge an das Apostolikum, muss zwar an allen Stellen mit „Abkürzungen“ rechnen, stückt aber die verschiedenen Mosaiksteine so geschickt zusammen, dass er schließlich doch ein beeindruckendes Taufsymbol Justins gewinnt, das – wer hätte es anders erwartet – „mit abendländischen Symbolformen verhältnismässig wenig, mit orientalischen dagegen in einigen Hauptpunkten Verwandtschaft“ zeigt, so dass Bornemann den von ihm kreierten Text auf „das östliche Küstenland des Mittelmeeres“ als dessen Entstehungsort lokalisieren 327

J. Kunze, Rez. zu BSGR3, 1897, 329; als Beispiele führt er BSGR3 § 44 (Tertullian) und § 122 an. Über G. L. Hahn schreibt F. Kattenbusch, Beiträge zur Geschichte des altkirchlichen Taufsymbols, 1892, 5: „Gerade hier (an G. L. Hahns Bibliothek) kann man erkennen, wie C.(aspari) für unselbständige Benutzer seiner Editionen und Untersuchungen gefährlich wird. ... Durch allerhand Analogieen geleitet, divinirte er (sc. Caspari) das Fehlende. Dabei sind ihm viele Fehlschlüsse mit untergelaufen. Aber Hahn glaubt an alle C.’schen ‚Texte‘ und verleitet Andere, sich den Thatbestand der Textüberlieferung viel glatter und einfacher vorzustellen, als berechtigt ist, ja als man aus C.’s Arbeiten entnehmen kann, wenn man nicht eben blos die ‚Resultate‘ ansieht.“ Korrekturen zur BSGR3 bietet auch J. Haußleiter, Rez. zu Hahn/Hahn, BSGR3 (1897), 1898. 329 Caspari ermöglicht mit seiner Frühdatierung des altrömischen Symbols vor allem konservativen Kreisen der evangelischen Kirche wie auch Katholiken die historische Beschäftigung mit dem apostolischen Bekenntnis; ein frühes Beispiel für die katholische Seite bildet F. X. Funk; vgl. ders., Art. Symbole, 1886, 807–809 (808: „Im Ganzen können die [westlichen im Unterschied zu den östlichen] S.[ymbole] als identisch gelten“; ebd., 809: „Das hohe Alter der römischen Form beweist noch insbesondere der einfache und schlichte, gleichsam unbefangene Charakter ... Der öftere Gebrauch von symbolmässigen Formeln seitens der apostolischen Väter ... lässt die Bekanntschaft mit einem Symbol wenigstens vermuthen. Das Symbolum reicht somit in oder nahe an die apostolische Zeit zurück“ (zu Funks Aufsatz über die ägyptische Kirchenordnung und die Canones Hippolyti vgl. weiter unten); man vgl. aber auch J. Thalhofer, Art. Glaubensbekenntniß, 1888, 676–680, 676: „Es ist gewiß belangreich, daß all’ die zahlreichen Taufsymbole des Orients und Occidents, obschon sie im Einzelnen nicht gleichlautend sind, doch im Großen und Ganzen einen und denselben Typus haben; dieß erklärt sich genügend nur, wenn wirklich schon die Apostel ein kurzes Glaubensbekenntniß aufsetzten, dessen Grundlage die Taufformel ... bildete, und das, als von den Aposteln herrührend, überall angenommen, in den einzelnen Kirchen aber mit Rücksicht auf die singularen Verhältnisse und Bedürfnisse im Laufe der Zeit erweitert wurde“; ebd., 678: „Seine dermalige Verwendung in der römischen Liturgie betreffen, ist das apostolische Symbolum wie schon in ältester Zeit so auch noch jetzt Taufsymbol“; auffallend ist auch V. Ermoni, Histoire du Credo, 1903, 6f.; vgl. ebenfalls die Beiträge von S. Baeumer, C. Blume und E. Vacandard (zu diesen weiter unten mehr). 328

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kann.330 „Da wir aber wissen“, fährt er fort, „dass Justin’s Heimat Flavia Neapolis in Samarien, also im weiteren Sinne die römische Provinz Syrien war, so dürfte jenes Verwandtschaftsverhältnis gerade der syrischen Symbole mit dem von uns abgeleiteten, mutmasslich den Werken Justin’s zu Grunde liegenden für die Wahrscheinlichkeit unseres Ergebnisses, wenigstens in einer Hinsicht, eine Stütze bieten. Jedenfalls ist jenes Taufsymbol nicht das römische gewesen. Es geht also aus unserer Untersuchung hervor, dass ein Archetypus für die orientalischen Taufsymbole mit einiger Sicherheit bis über die Mitte des 2. Jahrhunderts hinauf zurückverfolgt werden kann“.331 Zum gegensätzlichen Ergebnis gelangt jedoch in Antwort auf Bornemann der Jesuit Alfred Leonhard Feder.332 Nachdem auch er die Texte Justins mit den bekannten Symbolen verglichen hat, meint er: „Die Form, welche wir als römischen Typus bezeichnet haben, stimmt so auffallend mit dem uns überlieferten römischen Symbol überein, dass wir die kleinen Abweichungen mit Rücksicht auf die Schwierigkeit der Rekonstruierung des iustinischen Symbols einfach vernachlässigen dürfen und annehmen können, Justin habe das in der römischen Kirche benützte Symbol, so wie es uns erhalten ist, gekannt und benützt.“333 Ähnlich wie Feder wagt auch James Rendel Harris (1852–1941), der Herausgeber der Apologie des Aristides, von dessen kleinem christologischen Summarium ausgehend („He was pierced by the Jews; He died and was buried; 330 W. Bornemann, Das Taufsymbol Justin‚s des Märtyrers, 1879 (kritisch zu Bornemanns Rekonstruktion des Bekenntnisses sind A. Hamman, La confession de la foi dans les premiers Actes des martyrs, 1972, 100 und A. Benoît, Le baptême chrétien au second siècle, 1953, 145: „pures suppositions“; Benoît ist überhaupt skeptisch gegenüber Bekenntnisrekonstruktionen aus den Schriften der Väter der ersten beiden Jahrhunderte); M. Morawski, Ueber die Worte: ‚Unter Pontius Pilatus‘, 1895 lokalisiert die Entstehung des Apostolikums in die Provinz Judäa, weil nur so einsichtig sei, dass im Symbol die Zeit des Todes Jesu „nicht durch den Namen des regierenden Kaisers oder Konsuls bestimmt (werde), sondern durch den eines Landpflegers“ (ebd. 92; diesem Argument stimmt zu T. Herbert Bindley, ‚Pontius Pilate‘, 1905/1906); mit dem Argument der Arkandisziplin und der mündlichen Tradition hält Morawski weiterhin an der apostolischen Verfasserschaft am Apostolikum fest. 331 W. Bornemann, Das Taufsymbol Justin‚s, 1879, 27; ähnlich gelingt R. H. Connolly, The Early Syriac Creed, 1906, 209f. eine „reconstruction of the Creed of Aphraates“ aus dessen über sein Gesamtwerk verstreuten theologischen Aussagen, wobei Connolly bezüglich der einzigen größeren glaubenssummarischen Einheit in Hom. I 19 deren antilogischen Charakter herausstellt (ebd., 206): „Aphraates must, it seems to me, have had a special reason to state the Faith for him in light of the errors of a particular school: probably that of the Syrian Bardaisan. However this may be, the fact that the passage in Hom i, 19 contains a quotation from the apocryphal letters and shows also a close agreement with their argument must greatly discount its claim to represent the Creed of Aphraates‚ Church. It points to the conclusion that the passage was composed by Aphraates himself; and, although it doubtless contains extracts from, and is thrown into the form of, a Creed, the contents are due to his selection.“ In gleicher Weise, wie er das vermeintliche Bekenntnis des Aphraat aus dessen Schriften rekonstruierte, entwickelt er auch das „Creed from the Acts of Judas Thomas“ (ebd., 218) und das „Creed from the Doctrine of Addai“ (ebd., 220); stützende und zugleich weiterführende Ausführungen (mit weiteren Bekenntnisbeispielen aus der syrischen Literatur) bietet H. L. Pass, The Creed of Aphraahates, 1908. 332 A. L. Feder, Justins des Märtyrers Lehre, 1906, 264–288. 333 Ebd., 282.

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and they say that after three days He rose, and ascended into Heaven“334) nach Parallelen zum altrömischen Symbol zu suchen, um schließlich folgendes hypothetische Bekenntnis zu konstruieren: „We believe in one God, Almighty Maker of Heaven and Earth: And in Jesus Christ His Son ∗∗∗∗∗ Born of the Virgin Mary: ∗∗∗∗∗ He was pierced by the Jews: He died and was buried: The third day He rose again: He ascended into Heaven: ∗∗∗∗∗ He is about to come to judge.“ ∗∗∗∗∗

In Hippolyts Bericht zu Hermogenes sieht E. Heintzel die Wiedergabe eines Glaubensbekenntnisses.335 Ferdinand Kattenbusch (1851–1935) erkennt die hier drohende Gefahr für die Forschung, aus vermeintlichen Andeutungen hypothetische Bekenntnisse zu rekonstruieren, bereits im Ansatz, wenn er auf Casparis Vorliebe hinweist, „einen kompletten Text zusammenzustellen, auch wo nur einzelne Stücke als wirkliches Citat nachzuweisen sind“.336 Im Ganzen und im Detail vorsichtiger als Caspari, G. L. Hahn und andere vor ihm, will er lediglich „einige Anregungen zu weiteren Studien“ bieten und „gern selbst bis auf Weiteres“ seine 334 Der ausführlichere Text des Summarium lautet nach der Übersetzung des syrischen Textes von Harris (36f.): „The Christians, then, reckon the beginning of their religion from Jesus Christ, who is named the Son of God most High; and it is said that God came down from heaven, and from a Hebrew virgin took and clad Himself with flesh, and in a daughter of man there dwelt the Son of God. This is taught from that Gospel which a little while ago was spoken among them as being preached; wherein if ye also will read, ye will comprehend the power that is upon it. This Jesus, then, was born of the tribe of the Hebrews; and He had twelve disciples, in order that a certain dispensation of His might be fulfilled. He was pierced by the Jews; and He died and was buried; and they say that after three days He rose and ascended to heaven; and then these twelve disciples went forth into the known parts of the world, and taught concerning His greatness with all humility and sobriety; and on this account those also who today believe in this preaching are called Christians, who are well known“; zu beachten sind aber auch die abweichenden Formen der armenischen Fragmente, die Harris (ebd., 27–33) bietet. 335 Vgl. E. Heintzel, Hermogenes, 1902, 39122; er bezieht sich dabei auf Hippol., Ref. VIII 17,3f.: „Er (sc. Hermogenes) bekennt, daß Christus der Sohn Gottes ist, der das All geschaffen hat; und er bekennt auch, daß er aus der Jungfrau und dem Geist geboren ist, wie es dem Wortlaut der Evangelien entspricht. Nach dem Leiden sei er auferweckt worden und den Jüngern im Leibe erschienen; beim Aufstieg in den Himmel habe er seinen Leib in der Sonne zurückgelassen, sei aber selbst zum Vater gegangen“; Übers. bei G. May, Hermogenes, 1984, 469; ebd., 46952 auch der Hinweis darauf, dass „der gleichartige Aufbau von (weiteren) Abschnitten wie ref. VII 27,8ff; 35,2; 38,3–5; VIII 19,2; 20,1 zeigt, dass die scheinbare Bekenntnisform ein Darstellungsschema Hippolyts ist.“ 336 F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 2436.

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„Grundgedanken“ „nur als Hypothesen“ betrachten; gleichwohl trägt dann auch er seine Hypothesen durchaus als Thesen vor.337 Doch auf der Hypothetik seiner Argumentation besteht er auch noch nach Abschluss seines zweibändigen Werkes „Das apostolische Symbol“ von 1894 und 1900: „Das Material der Geschichte (sc. des Apostolikums) … ist ungemein reichhaltig und vieldeutig. Es ist mit seinen Einzelheiten wie mit Mosaiksteinen oder den Glasstückchen in einem Kaleidoskop. Man kann vielerlei sinnvolle Gestalten daraus bilden. Jede neue Drehung des Kaleidoskops ergiebt eine neue interessante Composition. Wann es einmal gelingt to; swmavtion th'" ajlhqeiva", die ‚wahre Gestalt‘, nämlich das richtige Geschichtsbild, zu fixiren, steht dahin.“338 „Ohne Hypothesen kommt“ niemand aus, „der die Ursprünge des Taufsymbols aufzulichten den Versuch machen will. Nach der Art der Quellen wird es sich darum handeln, wer die glücklichste Idee fasst. Siegreich wird diejenige bleiben, die eine gewisse unmittelbare Ueberzeugungskraft für die Kenner der Zeit c. 100–175 in sich trägt und mit dem geringsten Maasse von Nebenhypothesen sich an dem Wortlaute von R durchführen lässt.“339 Kattenbuschs erster Beitrag zum Apostolikum nimmt bei Luther seinen Ausgang.340 Dabei stellt er gegenüber früheren Autoren wie von Zezschwitz heraus, dass Luther diesem Bekenntnis „nicht nur … einen evangelischen Sinn beimißt“, sondern dass er in jedem einzelnen der drei Hauptartikel eine „Darstellung des Ganzen“ der christlichen Erkenntnis „unter verschiedenem Gesichtspunkt“ gesehen hat.341 Wie sehr Kattenbusch nicht nur Lutherschüler ist, sondern auf den Schultern Casparis steht, kommt deutlich in seiner Publikation vom Jahr 1892 zum Ausdruck, die er mit dem Hinweis auf den „am 11. April dieses Jahres“ verstorbenen „Carl Paul Caspari“ beginnt. „Der Verewigte“, heißt es bei Kattenbusch, „war eine der grössten Zierden der evangelisch-lutherischen Theologie der neueren Zeit“.342 Seine Verbundenheit mit dem 337 F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol II, 1900, 956; auf die hypothetische Gestalt des Ansatzes weisen besonders hin: Th. Zahn, Neuere Beiträge zur Geschichte des apostolischen Symbolums, 1896, 17; F. X. Funk, Rez. zu F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol II (1900) u. B. Dörholt, Das Taufsymbolum (1898), 1902, 131: „Wenn sie (sc. die Hypothetik) besonders hervorgehoben wird, so geschieht es hauptsächlich mit Rücksicht auf die nicht seltene Erfahrung, daß Hypothesen alsbald als wissenschaftliche Dogmen behandelt werden.“ 338 F. Kattenbusch, Rez. J. Kunze, Glaubensregel, Heilige Schrift und Taufbekenntnis, 1901, 9. 339 F. Kattenbusch, Rez. A. C. McGiffert, The Apostles’ Creed, 1902, 469f.; ähnlich formuliert Kattenbusch noch im Jahr 1922 in: ders., Rez. J. Haußleiter; H. Lietzmann; A. Nußbaumer, 1922, 74: „Jeder ist beim ‚Ursymbol‘ auf Hypothesen angewiesen, um so wichtiger sind methodisch geordnete Nachweise über vielleicht anzuerkennende erste Anspielungen auf ein Symbol.“ 340 Vgl. F. Kattenbusch, Luthers Stellung zu den oekumenischen Symbolen, 1883. 341 Ebd., 34. 342 F. Kattenbusch, Beiträge zur Geschichte des altkirchlichen Taufsymbols, 1892, 3; Kattenbusch schließt sich jedoch nicht kritiklos Caspari an (ebd., 4): „Die Antworten, die er (sc. Caspari) gegeben, sind m. E. zum Theil zu beanstanden. Er überschätzt die sachliche Bedeutung der siegreich gebliebenen Formel. Ich halte dafür, dass es nur durch einen Zufall dazu gekommen ist, dass gerade sie das Feld allein behalten hat. Andrerseits unterschätzt er die eigentliche Mutterformel. C.(aspari) sieht überhaupt

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lutherisch-orthodoxen Lehrmeister drückt er dann nochmals in der Widmung auch seines Opus magnum an Caspari aus.343 Caspari führte, wie gezeigt wurde, die Entwicklung des apostolischen Symbols nicht auf die theologische Auseinandersetzung mit Häresien zurück; ihm folgend macht sich auch Kattenbusch, wie er schreibt, „probeweise frei“ „von der Theorie, die für viele als ein ‚selbstverständlich‘ geltendes Urteil“, ihm aber als ein „kräftiges Vorurteil“ erscheint, das „alles Verständnis leitet“, nämlich „dass die Formel (d. h. das apostolische Symbol) aus bloßen ‚Stücken‘ bestehe und wie ein Antidotum gegen eine bestimmte ‚Häresie‘ oder eine Gruppe von Häresien zu betrachten sei.“344 Dabei bestreitet Kattenbusch nicht die Möglichkeit einer solchen antilogischen Erklärung, doch er meint: Sie „a priori anzunehmen und nun alles in ihr danach zu erklären, ist nicht gerade ein Zeichen von historischer Umsicht und exegetischem Feingefühl“.345 Dagegen hält er im Ergebnis fest: „Die Formel entstammt der einfach thetischen Selbsterfassung des Christenglaubens in sehr viel früherer Zeit, als Marcion nach Rom gekommen! Sie ist ursprünglich katechetisch-liturgisch gedacht.“346 Dass auch diese Erklärung lediglich eine Annahme ist, gibt Kattenbusch auch noch Jahre später zu. Gegenüber den Ansätzen von Holl, Harnack und Lietzmann im ersten Jahrzehnt des zwanzigsten Jahrhunderts notiert er: „Eine Hypothese wird immer leitend sein müssen. Caspari und ich haben ja auch eine solche aufgestellt“.347 Caspari ist nicht der einzige, von dem sich Kattenbusch inspirieren lässt. In den Jahren 1879 bis 1886 wirkt er so eng mit Adolf von Harnack in Gießen zusammen, dass im Detail nicht immer auszumachen ist, von welchem der beiden der anfängliche Impuls für die eine oder andere Beobachtung und These zur Geschichte des Apostolikums stammt. In der Tat gibt Kattenbusch selbst an, dass er 1884 eine „Vorlesung über Dogmengeschichte gehalten habe“, in der er den Glauben, den R ausdrücke, geschildert und „von hier aus die weiteren Linien“ ausgezogen hat;348 außerdem plante er in den Jahren vor 1884/1885 ein Werk mit dem Titel „Die ökumenischen Symbole, Geschichte ihrer Entstehung und Geltung in der christlichen Kirche“. Als er diese Information dem in der Schweiz geborenen, in Tübingen, Halle und Berlin unterrichteten und in Amerika lehrenden Philip Schaff (1819–1893) mitteilte,349 glaubte er „schon die

noch nicht, dass wir im strikten Sinn von einer Formel als Archetypus aller der verschiedenen altkirchlichen Taufbekenntnisse zu sprechen haben.“ Zu den einzelnen Themen vgl. den Haupttext. 343 F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, III. 344 F. Kattenbusch, Sammelrez., 1913, 598. 345 Ebd. 346 Ebd. 347 F. Kattenbusch, Rez. K. Holl; A. v. Harnack; H. Lietzmann, 1920, 224. 348 F. Kattenbusch, Rez. A. C. McGiffert, The Apostles’ Creed, 1902, 472. 349 Zu Ph. Schaff und den verschiedenen Auflagen seines Buches „The Creeds of Christendom“ vgl. J. H. Leith, The Creeds of Christendom ... by Philip Schaff, 1988 (weitere Lit.); A. Kavanagh, Liturgical and Credal Studies, 1988; D. W. Lotz, Philip Schaff and the Idea of Church History, 1988.

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Zeit des Erscheinens des Buches genau in Aussicht stellen zu können“.350 Doch zur Publikation dieses Werkes ist es nie gekommen. Vielmehr beschränkt sich Kattenbusch auf die Geschichte des Apostolikums, die er im intensiven Austausch mit Harnack schreibt. Harnack berichtet selbst: „Als ich im Frühjahr 1879 als Professor nach Giessen kam, steckte ich tief in Studien über die Symbolgeschichte der ältesten Kirche. Ich hatte das Jahr zuvor in Leipzig eine Vorlesung über sie gelesen und u. A. für Bd. I, 2 der ‚Apostolischen Väter‘ eine Sammlung der ältesten Zeugnisse für die Urgestalt des Symbols besorgt. In Giessen fand ich als Collegen den Verfasser vorstehenden Werkes (= Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894). Er hatte kurz zuvor seine ‚Studien zur Symbolik‘ erscheinen lassen. Von verschiedenen Seiten her trafen sich unsere Interessen an demselben Punkte, und während sieben unvergesslicher Jahre bildeten die Fragen, die mit dem römischen Symbol und den alten Glaubensregeln zusammenhängen, das wichtigste Thema unserer wissenschaftlichen Unterredungen, gleichsam das Leitmotiv, zu dem wir immer wieder zurückkehrten. Den Plan, eine Geschichte des Apostolicums zu schreiben, hat der Verf. schon im Anfang jener Zeit aufgenommen und nach zehn Jahren war das Manuscript wesentlich beendigt. Aber erst jetzt nach weiteren 4–5 Jahren haben wir die erste Hälfte des Werkes erhalten. Der Verf. schob die Herausgabe des ersten Bandes seiner ‚Confessionskunde‘ dazwischen.“351 Da Harnack allerdings in seinem RE3-Artikel zum apostolischen Symbol zunächst auf die eigenen Studien verweist, bevor er auf Kattenbusch aufmerksam macht, und außerdem ausdrücklich herausstellt, „einen allgemeinen selbstständigen orientalischen Typus des Taufsymbols“ gebe es nicht, „wie Kattenbusch nachgewiesen hat, und wie ich bereits vor ihm in meiner ‚Antwort‘ auf Cremers Streitschrift, Leipzig 1892, S. 9ff. behauptet habe“,352 reizt Kattenbusch zu folgender Präzisierung des Verhältnisses zwischen ihm und Harnack heraus: „Er (Harnack, M. V.) hätte schon auf Dogmengesch. I1, 1886, verweisen dürfen, wo er S. 259, Anm. 1 fast wörtlich eben dies Resultat niedergelegt hat. Ich habe (Das apostolische Symbol, M. V.) I, 25–28, II, 333; 729f. genau den jeweilen erreichten Standpunkt Harnack’s notirt; H. hat eine Entwickelung der Anschauungen durchgemacht und damit bewährt, wie genau er auch die Details des Symbolproblems im Auge behält. Er ist auch jetzt keineswegs vollständig meinen Anschauungen zur Seite getreten. Ich war 1886 bereits längst der Meinung, dass R die Mutter aller ihm ‚ähnlichen‘, auch der orientalischen Symbole sei. Dass ich zu dieser Anschauung oder einer Vorform durch Harnack angeregt sei, ist mir nicht bewusst. Soviel ich mich erinnere, bin ich zu meinen leitenden Gedanken überhaupt von mir aus gekommen. … Ich bin im Einzelnen durch ihn natürlich vielfach angeregt und gefördert worden. Doch handelte es sich nicht um blosses 350 351 352

F. Kattenbusch, Rez. A. E. Burn, An Introduction to the Creeds and to the Te Deum, 1901, 190. A. v. Harnack, Rez. F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 579f. A. v. Harnack, Art. Apostolisches Symbol, 1896, 747.

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‚Empfangen‘ auf meiner Seite. Ist es auffallend, dass wir uns in einer Frage, wie der berührten, vielfach begegneten?“353 Auch Loofs beschreibt dieses Zusammenwirken beider Gelehrten (und zwar schon vor Kattenbuschs Präzisierung) nicht nur positiv, sondern macht es auch verantwortlich für die geringere Systematik, die den zweiten Band Kattenbuschs zum apostolischen Symbol gegenüber dem ersten negativ charakterisiere: „Harnack wird … schwerlich deshalb Prioritätsansprüche geltend machen, weil er es war, der zuerst (Dogmengesch. I 1886 S. 258f.) die Doppel-These aussprach, R sei in Rom geschaffen, und ein R gegenüber selbständiges morgenländisches Bekenntniss, das dem römischen parallel wäre, habe es nie gegeben. Denn Kattenbusch ist offenbar schon in den jetzt 16–17 Jahre zurückliegenden Anfängen seiner symbolgeschichtlichen Forschungen von der gleichen Annahme ausgegangen (vgl. II, 957). Doch hat es K. geschadet, dass Harnack die gemeinsame Grundüberzeugung zur Debatte stellte, ehe K. seine umfangreiche Monographie vorlegen konnte. Der erste 1894 erschienene Band litt noch weniger unter dieser Konstellation; denn er blieb der Hauptfrage, der Frage nach dem Ursprung des Symbols, noch fern. K. brachte … den erschöpfenden Beweis dafür, dass R die Grundlage aller abendländischen Symbole sei, sowohl derjenigen des italienischen (sic!) wie der des afrikanischen und des ‚westeuropäischen‘ Typus – eine Unterscheidung eines gallischen, spanischen und irischen Typus lehnte K. ab, auch T wollte er nicht als gallisch, sondern nur als ‚westeuropäisch‘ bezeichnen –; im Orient führte er die sicheren Symbolspuren, die er vor dem 4. Jahrh. auf syrisch-palästinensischem Gebiete anerkannte, auf eine Rezeption von R in Antiochien zurück“.354 Mit der Beschreibung des Verhältnisses von Kattenbusch und Harnack ist bereits ein erster Einblick in die Hauptergebnisse von Kattenbuschs erstem Band zum „apostolischen Symbol“ gegeben. Wegen der im Einzelnen nicht mehr vollständig erhellbaren wissenschaftlichen Beziehung zwischen Kattenbusch und Harnack355 muss aus systematischen und chronologischen Gesichtspunkten bei der Behandlung Kattenbuschs auch bereits ein Auge auf die Ergebnisse von Harnack geworfen werden, auch wenn zunächst Kattenbusch mit seinen umfangreicheren Beiträgen zu Wort kommen soll,356 bevor Harnacks Forschungsergebnisse ausgebreitet werden. Gegliedert ist Kattenbuschs erster Band „Das apostolische Symbol“ (1894) in eine Einleitung, die „ganz den literar-historischen Fragen über die Grundgestalt des Taufsymbols gewidmet“ ist und in zwei Teile zerfällt, „die occidentali353

F. Kattenbusch, Rez. A. C. McGiffert, The Apostles’ Creed, 1902, 470, Anm. F. Loofs, Rez. F. Kattenbusch, 1901. 355 Ein lebendiges Zeugnis für das Geben und Nehmen beider Gießener Professoren bietet F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol II, 1900, 333f. 356 Da F. Kattenbusch, Beiträge zur Geschichte des altkirchlichen Taufsymbols, 1892, lediglich eine zusammenfassende Vorabversion seines größeren Werkes ist, das zu dieser Zeit schon weitgehend fertiggestellt war, bedarf es keiner eigenen Behandlung und wird deshalb gelegentlich in den Anmerkungen mitzitiert. 354

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schen (S. 59–215) und die orientalischen Formeln (S. 216–392). Einige Nachträge bilden den Beschluss.“357 An den Anfang dieses ersten Bandes setzt Kattenbusch eine ausführliche, allerdings stark auf seine These hin zugeschnittene „Geschichte der Forschung über das apostolische Symbol“, die es den meisten späteren Forschern überflüssig erscheinen lässt, noch einmal die älteren Untersuchungen selbst zur Hand zu nehmen. Sie dient als erster Teil der Einleitung zum „Die Grundgestalt des Taufsymbols“ überschriebenen ersten Band. In einem zweiten Teil der Einleitung legt Kattenbusch „die liturgische Stellung des Taufsymbols in der alten Kirche dar“, gesteht jedoch gleich zu, dass hier erst „mit dem 4. Jahrhundert“ einzusetzen sei.358 Aufschlussreicherweise aber fährt er – logisch-argumentativ sicher nicht völlig korrekt – fort: „Nicht als ob ich der Meinung wäre, dass in dieser Zeit (d. h. dem vierten Jahrhundert, M. V.) überhaupt das Symbol erst sicher zu konstatieren wäre. Zusammenhängend fixierte Symboltexte können wir allerdings früher nicht nachweisen“.359 Doch trotz seiner oben angeführten Kritik an Georg Ludwig Hahn glaubt er, die fehlenden Symboltexte für die frühere Zeit „konjizieren“ zu dürfen. Seine Konjektur führt er denn auch im „ersten Teil“ dieses Bandes im „erste(n) Kapitel“ zum „altrömische(n) Symbol“ vor. Auf der Basis, dass ein solches altrömisches Symbol von ältester Zeit an bestanden hat, will Kattenbusch es in einer „erste(n) Abteilung“ als Grundlage für die Regionalsymbole, nämlich die „Italische(n) Symbole“, die „Afrikanische(n) Symbole“, die „Westeuropäische(n) Symbole“ und für einige „unbestimmbare Symbole“ erweisen.360 Wie sehr er dabei von Caspari abhängig ist, zeigt auch die leitende Arbeitshypothese, mit der er in der „zweite(n) Abteilung“ herausarbeiten will, dass es ein vom westlichen Symboltypus zu unterscheidenden östlichen Symboltypus gegeben hat. In der Eröffnung zur „zweite(n) Abteilung“ heißt es: „Indem wir uns der Aufgabe zuwenden, die Untersuchung nach dem Archetypus des Taufsymbols an einer Vergleichung der orientalischen Formeln fortzusetzen, gehen wir billig von Casparis Anschauung hinsichtlich der typischen Merkmale dieser letzteren aus. Caspari hat nämlich seine Beobachtungen über den Charakter der orientalischen Formeln zwar nur gelegentlich, aber doch so ausführlich entwickelt, dass man sieht, dieselben sind nicht in der Eile, sondern unter sorgfältigster Erwägung und Vergleichung gewonnen. … Um sich den Weg zu bahnen zu der Behauptung, dass Marcell eben kein anderes als das römische Symbol (sc. in seinem Brief an Julius, M. V.) bekenne, beweist er (sc. Caspari, M. V.) zunächst, dass seine Formel unmöglich für ein orientalisches Symbol erachtet werden könne. Zu dem Behufe teilt er mit, was nach seiner Kenntnis der Formeln der Typus der orientalischen Symbole sei.“361 357 358 359 360 361

So die Inhaltsangabe bei A. v. Harnack, Rez. F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 580. F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 38. Ebd. Ebd., 59–215 Ebd., 216.

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Nun wurde aber oben zu Caspari bereits angemerkt, dass es mit dieser sicheren Basis nicht so weit her ist, wie Kattenbusch insinuiert. Wenn aber schon der Ausgangspunkt nicht sicher ist, bei dem Kattenbusch einsetzt, so ist zweifelhaft, dass auch die Schlussfolgerung überzeugt. Bereits Caspari hat zugestanden, dass bei aller nuancierten Betrachtung der sämtlich aus dem vierten Jahrhundert und später stammenden Symbole gewisse Übereinstimmungen nicht zu leugnen sind. Auch Kattenbusch verweist auf diesen Befund und referiert: „In dem Muttersymbole für beide Kirchenhälften (West und Ost) handelt es sich um eine Zwillingsausprägung ganz derselben Anschauung von den wesentlichen Objekten des christlichen Glaubens“.362 Doch meint er mit Caspari, „zweierlei“ grundlegende Unterschiede zwischen Symbolen „hüben und drüben“ auch für die Zeit vor dem vierten Jahrhundert feststellen zu können: „1. In der Wortwahl und der grammatischen Konstruktion sind die orientalischen Symbole von Hause her anders nüanciert gewesen als die occidentalischen; 2. das orientalische Symbol hat nicht die Stabilität behauptet wie das occidentalische: es ist in stetiger Fort- und Umbildung begriffen gewesen, freilich so, dass gerade auch in dieser Entwicklung eine Gleichmässigkeit zu beobachten ist und die Einheitlichkeit des Typus sich auch darin bewährt.“363 Und er zitiert Caspari: „Die alten morgenländischen Taufbekenntnisse enthalten alle ohne Ausnahme antihäretische Zusätze“.364 Doch gilt für Kattenbusch derselbe Einwand, der bereits bei Caspari erhoben wurde: Für den sogenannten westlichen Typus werden ausschließlich Zeugnisse aus der Zeit nach dem Jahr vierhundert verglichen, für den östlichen Typus solche aus dem vierten Jahrhundert und später. Von dieser Zeit aus Rückschlüsse auf die ersten drei Jahrhunderte zu ziehen, muss jedoch höchst spekulativ sein. Dennoch übernimmt Kattenbusch von Caspari die Annahme, dass R zwischen dem Jahr Hundert und Hundertundfünfzig anzusetzen sei. Den genauen Wortlaut von R gewinnt er aus dem Vergleich der verschiedenen, bereits von Caspari ausgewerteten Quellen (Cod. Laud.; Psalt. Aeth.; Epist. Marc.; Cod. Sang.).365 Über Caspari hinausgehend stellt er für den westlichen Symboltypus fest, dass „der ursprüngliche Wortlaut des alten römischen Symbols noch erreicht werden kann, dass alle abendländischen Symbole auf dasselbe zurückgehen, und dass die Töchterrecensionen nach provincialen Typen unterschieden werden können“.366 Wenn Caspari meinte, das apostolische Symbol sei in einer Vorform von Kleinasien nach Rom importiert worden, widerspricht Kattenbusch mit der Hypothese, R stehe am Anfang der eigentlichen Symbolentwick362

Ebd. Ebd. 364 Ebd. 365 Vgl. F. Kattenbusch, Beiträge zur Geschichte des altkirchlichen Taufsymbols, 1892, 12–27. 366 So die Zusammenfassung bei A. v. Harnack, Rez. F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 581; vgl. auch F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol II, 1900, 278. 363

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lung. Es lägen keine weiteren, noch erreichbaren Bekenntnisformeln vor R. Diesem Bekenntnis voraus gebe es lediglich Materialien aus neutestamentlichen Schriften; wörtlich als solches, wie es noch im vierten und fünften Jahrhundert bezeugt werde, sei R „in Rom aufgebracht worden“.367 Oder noch genauer: R ist „um das Jahr 100 in Rom als eine in sich geschlossene Formel verfasst worden. Irgendwer hat sie produziert; ohne Konkurrenten, ohne erkennbare Vorlage, hat er sie für die Gemeinde zu Rom, deren Heiligtum sie wurde, aufgestellt. Ihr Verfasser muss wohl ein angesehener Mann gewesen sein; einen Namen für ihn zu suchen geht nicht an.“368 Die Forschungen von K. Holl, A. v. Harnack, H. Lietzmann und A. Nußbaumer aus den Jahren 1916–1922 bringen Kattenbusch dann noch zu folgender Präzisierung: Zur Frage nach dem Verhältnis von R und einem davor liegenden Ursymbol „möchte ich nur noch einmal aussprechen (ich bin schon in meinem Werk über das apost. Symbol wiederholt auf diese Idee geführt worden, ohne sie da ex professo aufzunehmen), dass man die beiden Größen R und ‚Ursymbol‘, mindestens zunächst, auseinander halten muß. R repräsentiert (wahrscheinlich) nur einen Typus von Taufsymbol, den siegreich gewordenen. Mir ist immer noch allein wahrscheinlich, dass es da die historische Grundform, die ‚Mutter‘ ist. Wer es, speziell seinen christologischen Teil exegesiert, kann kaum umhin sich zu überzeugen, dass es im Ursprung hinaufführt in die erste oder zweite Generation nach Paulus, die Zeit des Lukas- und Matthäusevangeliums. Möglich, daran denke ich jetzt nach Lietzmanns Studien, ernstlich, dass der Verfasser von R dabei sich angelehnt hat an die (römische?) Liturgie. Aber auch dann hat er als Theolog vielleicht eigene Ideen mit eingefügt, von ihnen aus speziell den christologischen Teil ‚aufgebaut‘. Und ihm gehört die Zwölfzahl der Artikel des ‚Ganzen‘ an. Man muß R die Ehre erweisen, es für sich reden zu lassen und seine (nicht rhythmische, aber) architektonische kunstvolle Einheit würdigen.“369 Diese „Kunstform“370 beschreibt er an 367

F. Kattenbusch, Beiträge zur Geschichte des altkirchlichen Taufsymbols, 1892, 4. F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol II, 1900, 329f. Kattenbusch denkt an einen der Nachfolger des Petrus in Rom. 369 F. Kattenbusch, Rez. J. Haußleiter, H. Lietzmann, A. Nußbaumer, 1922, 77f.; auf die hinter R stehende Zahlenmystik ist Kattenbusch bereits, angeregt durch F. Dölger, im Jahr 1920 gekommen, vgl. ders., Rez. K. Holl, A. v. Harnack, H. Lietzmann, 1920, 224f.; schon als F. Kattenbusch, Zur Würdigung des Apostolikums, 1892, die Zwölfzahl als Gliederungsmerkmal des Symbols nahelegte und (ebd., 26) sogar wegen der Zwölfzahl die „Dreigliedrigkeit“ als Schema ausschloss, protestierte Otto Zöckler, Zum Apostolikum-Streit, 1893, 3. 4: „Man staunt, wenn man dies liest. ... Glaube, wer’s kann! Uns will diese Degradierung des altrömischen Taufsymbols zu einem obscuren Pseudepigraphon im eigentlichen Sinne des Wortes – denn dazu sinkt das Bekenntnis infolge der Annahme seines Komponiertseins gemäß der apostolischen Zwölfzahl thatsächlich herab – wenig behagen. Und nicht dogmatische sondern historische Gründe sind es, die uns unsren Protest abnötigen.“ Zöckler hält dagegen (ebd., 11): „Die Urgestalt des Symbolums, soweit sie sich nur zurückverfolgen läßt, ist eine triadische. ... Die dodekadische Einkleidung ... des 4. und 5. Jahrhunderts ist spätere künstelnde Zuthat.“ Ganz ähnlich urteilt F. Loofs, Symbolik, 1902, 8. 370 F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 387. 368

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anderer Stelle als „carmen“,371 auch wenn er zugeben muss, dass er mit dieser Meinung im Jahr 1915 in der Forschung „isoliert“ dasteht.372 Insofern nach Kattenbusch die ursprüngliche Form von R eine ausgereifte Kunstform darstellt, muss er sich gegen Casparis Meinung richten, der Textus receptus sei eine südgallische Weiterentwicklung von R. Im Gegenteil, meint Kattenbusch, hier dürfe man nicht von kontinuierlich-konsequenter Theologieentwicklung sprechen, sondern müsse vielmehr eine zufällige Spielart annehmen, die aus R einen eher zufälligen Text produzierte, der einen westeuropäischen Symboltypus darstellt.373 Dieser nämlich zeichne sich durch „Sorglosigkeit und Planlosigkeit der Einfügung von Zusätzen“ aus.374 Wegen der nicht näher begründbaren Zuschnitte westlicher Bekenntnisse sei auch eine lokaltypologische Klassifizierung unmöglich.375 Einige Jahre später urteilt Kattenbusch nach Einsicht der von E. A. Burn aus dem Cod. Einsidlensis 199, pag. 474 veröffentlichten Tauffragen in den Dicta abbatis Priminii: „Dass T wohl aus Spanien stamme“, habe er bisher kurzerhand abgelehnt, „fortan“, so glaubt er nun, müsse diese These jedoch „mindestens für diskutabel gelten“.376 Was den östlichen Symboltypus betrifft, so gehen ebenfalls Kattenbuschs Ergebnisse zum Teil über Caspari hinaus, zum Teil stehen sie gegen dessen Erkenntnisse. Kattenbusch stellt fest, dass es „fast nur für eine Gegend des Orients überhaupt Quellen“ gibt; „bis auf geringe Anhalte für andere haben wir nur syro-palästinensische Formeln zu verzeichnen.“377 Sein Schluss, der oben 371

F. Kattenbusch, Konfessionskunde, 1915, 352. Ebd. 373 Vgl. auch F. Kattenbusch, Aus der Geschichte des Apostolikums, 1892, 954: „Unser Text (der Textus receptus) taucht als bloße, in ihren Besonderheiten als solchen für niemand eigentlich verbindliche Nebenform zu andern auf. ... Wie kommt es denn nun, daß unsre jetzige Formel alle andern, selbst die ‚Mutter‘, verdrängt hat? ... So viel ich sehe, ist ein Zufall mit im Spiele. Im zehnten Jahrhundert ... ist auch die altrömische Formel in Vergessenheit gekommen. Bei der Restitution der kirchlichen Verhältnisse dort (sc. in Rom), zuvörderst der kultischen, ist (hier greift der ‚Zufall‘ ein ...) die Formel, die jetzt gilt, aufgegriffen worden. ... Noch im spätern Mittelalter giebt es hier und da Sonderformeln. Aber die großen Scholastiker benutzen die neurömische Formel; durch die Werke dieser Theologen ist sie dann vollends alleinherrschend geworden.“ 374 F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 195: „Man bemerkt kein einheitliches Vorgehen. Es wird hier so, dort so geändert, unter Umständen bloss der Ausdruck, meist so, dass Näherbestimmungen eingeschaltet werden. Doch hat es durchweg sein Bewenden bei ganz bestimmten Stücken.“ 375 Ebd., 196f.; hiergegen opponiert A. v. Harnack, Rez. F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 581f., 582: „Hier von Zufälligkeiten, Sorglosigkeit, Planlosigkeit zu sprechen, geht m. E. nicht an. Der textus rec. ist vielmehr in seiner Weise ebenso classisch stilisirt und ökumenisch gehalten wie seine Vorlage ... Wie, wenn es sich herausstellen sollte, dass der textus receptus das römische Symbol unter dem Einfluss des Orients (der Katechesen Cyrill’s) darstellt, und seine Entwicklungslinie im 5. und 6. Jahrh. durch die Stufen Remesiana, Aquileja = Mailand, Frankreich bezeichnet sind?“ 376 F. Kattenbusch, Rez. E. A. Burn, Facsimiles of the Creeds from Early Manuscripts, 1910, 53; eine Entstehung von T in Rom sei nicht „unmöglich“, „aber doch höchlich unwahrscheinlich“, vgl. F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol II, 1900, 784f.; F. Loofs, Rez. F. Kattenbusch, 1901, 588 stellt bezüglich Kattenbuschs zweitem Band fest: „Der ‚westeuropäische‘ Typus individualisirt sich ihm mehr, und, wenn er mit aller Vorsicht in Burgund die Heimath von T sucht, so ist er dem ‚Südgallien‘ Casparis nahe genug.“ 377 F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 220. 372

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bei A. v. Harnack bereits genannt wurde, lautet, dass es einen „allgemeinen, selbständigen orientalischen Typus des Taufsymbols“ nicht gibt, „die orientalische Symbolgeschichte … ihre Wurzel an der Symbolbildung in Syrien und Palästina“ hat und „der Archetypus der orientalischen Symbole … das römische Symbol“ ist.378 Harnack ist nicht entgangen, dass diese Beobachtungen von Kattenbusch den „orientalischen Typus“, den Caspari zu erkennen glaubte, in gewisser Hinsicht „zerstört“.379 Mehr aber noch wird damit die auf der Typisierung von Ost und West beruhende Erklärung des Alters der altrömischen Formel überhaupt ins Wanken gebracht. Denn wenn alle Symbole, auch die des Ostens, auf das aus Markells Brief bekannte altrömische Symbol zurückzuführen sind, wie lassen sich dann die so verschiedenen Regulae fidei des zweiten und dritten Jahrhunderts erklären, die Caspari auf Vorformen der altrömischen Formel zurückführte? Dazu äußert sich Kattenbusch in seinem ersten Band nicht. Dass er die Frage allerdings spürt, zeigt sich in den Ausführungen zu Beginn des zweiten Bandes, den er nach Ausführungen zur „Legende über die Stiftung des Symbols“ mit einer Untersuchung zu den Schriften des Irenäus, des Tertullian, des Clemens von Alexandrien und des Origenes eröffnet.380 An früherer Stelle hat er schon für Markion die Kenntnis R’s behauptet,381 an späteren Stellen kommt er auf Justin,382 auf Melito von Sardes,383 auf Aristides,384 auf den Clemensbrief,385 die sog. apostolischen Väter386 und einige andere Schriftsteller zu sprechen.387 Im Unterschied zu Caspari sieht er die verschiedenen Regulae fidei und Bekenntnisformulierungen des Irenäus und Tertullian nicht in Abhängigkeit von einer Vorform von R stehen, sondern auf R aufruhen.388 378

So das Referat bei: A. v. Harnack, Rez. F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol I, 1894, 582. Ebd.; nach v. Harnack habe die Argumentation die Richtigkeit der Beobachtung „sehr wahrscheinlich gemacht“. 380 F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol II, 1900, 3–24 (zur Legende). 25–53 (zu Irenäus). 53– 101 (zu Tertullian). 102–134 (zu Clemens von Alexandrien). 134–179 (zu Origenes). 381 Vgl. ebd., 86f. 322–325. 382 Vgl. ebd., 279–298, 297: „Einen schlagenden Beweis, dass der Autor R kenne, kann man nicht erbringen“. 383 Vgl. ebd., 299–303, 303: „Ich finde an und für sich nicht die geringste Schwierigkeit, M. bez. die vorderasiatische Kirche seiner Zeit mir vorzustellen als im Besitze von R stehend“. 384 Vgl. ebd., 393–306, 306: „In dem Masse als diese Möglichkeit Wahrscheinlichkeit hat, ist es auch glaubhaft, dass Aristides R gekannt und verehrt hat.“ 385 Vgl. ebd., 328f., 328: Der erste „Clemensbrief (fordert) durch nichts auf..., zu denken, dass in Rom eine Formel wie R in Geltung stehe“. 386 Vgl. ebd., 310–329 (ebd., 320: sowohl die Ignatianen wie der Polykarpbrief bieten „nichts derartiges, wie ein Symbol“). 387 In ebd., 307–310 bespricht er Apollinaris von Hierapolis (er verwebe R hinein in seinen Hymnus), Athenagoras (auf ein Bekenntnis ist nie mit direkten Worten angespielt), Theophilus von Antiochia (ist ebenso wenig zu erheben), Tatian, Ps.-Justins Cohortatio ad Gentiles (beide Zeugen unergiebig), Ps.-Justins De Resurrectione (Zeuge für R) u.a. 388 Hierzu äußert sich F. Loofs, Rez. F. Kattenbusch, 1901, 589: „Dass K. auch im Orient direkt auf R, nicht auf eine Zwillingsrezension schliesst, ist sehr erklärlich, da er ‚die Hypothese, dass R auch hier die Grundlage bilde, an den Stoff heranbringen zu sollen‘ glaubte (S. 957). Die Möglichkeit solcher Erklärung der Symbolanklänge z.B. bei Irenaeus und Justin ist gewiss auch nicht abzustreiten. Aber 379

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Was die Schriften des Neuen Testaments anbetrifft, findet Kattenbusch in ihnen „in der Gestalt von disjecta membra die ‚Artikel‘ von R praeformiert, nicht R selbst. Das Symbol ist eine originale Produktion. Nur R steckt in allen wirklichen Symbolen (dazu zählt Kattenbusch nur die an R anklingenden, M. V.) der alten Kirche“.389 Als Argumentationsmethode für die Erklärung, warum alle von Kattenbusch untersuchten Autoren jedoch nie R zitieren, dient ihm folgende Logik: „Wir kennen nun einmal R (u.a. aus Markells Brief, M. V.). Dann aber ist es methodisch das Richtige, in dem Falle, wo die spezifischen Ausdrücke dieser Formel so zweifellos eine Rolle spielen, wie in den ster(e)otypischen Wendungen des I.(renäus), zu schliessen, dass dieser die Formel eben auch kenne. Es könnte sich höchstens fragen, ob er eine zweite daneben kenne. Und das ist nun um deswillen nicht wahrscheinli(c)h, weil die Formel, die etwa ‚induktiv‘ zu konjizieren wäre, zu sehr den Charakter der individuellen Theologie des I.(renäus) an sich tragen würde.“390 Was aber, so fragt man sich angesichts dieser Überlegung Kattenbuschs, sollte man sonst erwarten als „individuelle Theologie“, wenn es eine normative Formel noch nicht gegeben hat? Kattenbusch verrät mit seiner Überlegung den Zirkelschluss, auf dem seine Argumentation aufbaut. Er geht nämlich immer schon von einer Existenz von R aus. Um zu beweisen, dass R bereits zur Zeit des Irenäus existiert hat und diesem als Grundlage diente, sucht Kattenbusch nach Parallelen zwischen R und Irenäus, erklärt jedoch die nicht parallelen Teile des von Irenäus Gebotenen als typisch irenäische Abweichungen gegenüber der von Kattenbusch bekannten Größe „R“ und glaubt überhaupt, bei Irenäus (wie bei den übrigen altkirchlichen Theologen, die Parallelen zu R aufweisen) jeweils das von diesen (nach Kattenbusch: bruchstückhaft) Dargelegte zu einem R ähnlichen Symbol ergänzen zu dürfen und zu müssen. Kattenbusch geht also stets von dem Maßstab R aus und fragt: „In welchem Umfange setzt“ XY „das Symbol oder ein Symbol voraus?“391 Er gewichtet erst gar nicht den früher immer wieder und auch von einen Beweis für das Durchklingen gerade von R bei Irenaeus, Justin und Aristides wird K. selbst (vgl. S. 361 Anm.) nicht gegeben zu haben glauben. Und ist es wahrscheinlich, dass das geistig lebendigste Glied der Kirche des 2. Jahrh.s, die Kirche Kleinasiens, von Rom nahm?“ Loofs tendiert folglich viel eher dazu, den Ursprungsort des Symbols in Kleinasien zu suchen (mit Hinweis auf die Ignatianen). 389 F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol II, 1900, 346. 390 Ebd., 52. 391 Ebd., 55; zu Origenes etwa heißt es (ebd., 134): „Bei Origenes (lassen) sich Ausführungen nachweisen ..., die den Eindruck erwecken können, als ob er ein Symbol kenne.“ Dann heißt es (ebd., 136f.): „Ein Zwang, zu denken, dass dem O.(rigenes) dabei R vorschwebe, existiert doch nicht, auch nicht bei der auffallendsten Wendung, dass Jesus Christus ein ‚corpus‘ annahm, welches, ‚natum ex virgine et spiritu s.‘ war. Die Auswahl der Daten aus der Geschichte Jesu ist so summarisch wie nur irgend möglich. Der ‚Kreuzigung‘, das ‚Begräbnisses‘ wird zwar sachlich, aber eben nicht wörtlich gedacht. Von Pontius Pilatus ist nicht die Rede. Dass der Herr jetzt zur Rechten Gottes sitzt, dass er wieder kommen wird, um Lebendige und Tote zu richten, wird nicht mit hervorgehoben. Sieht man an, was R sonst enthält, so fehlt bei O. die für jenes charakteristische Bezeichnung Gottes als ‚pater omnipotens‘. Aus dem Schlusspassus von R klingt geradezu gar nichts direkt an.“ Und doch folgert Kattenbusch (ebd., 137): „Man kann den Gedanken schwerlich vermeiden, dass O. in selbständiger, freier Reflexion

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ihm beobachteten Befund, wonach bis in den Anfang des fünften Jahrhunderts hinein von einem römischen Bekenntnis mit dem Zuschnitt von R keine Rede ist.392 Einschränkungen einer Verbreitung von R macht er allerdings für Clemens von Alexandrien, der „nirgends disertis verbis von einem kirchlichen Symbol redet“ und der nicht auf Abhängigkeit von R, sondern von einem ägyptischen Taufsymbol schließen lasse, das mit dem Bekenntnis der Apostolischen Konstitutionen, Buch VII gleichzusetzen sei.393 Überhaupt scheint ihm Ägypten R nicht rezipiert zu haben.394 Ähnlich, meint er, sei auch „über die Provinz Asia hinaus (in der R wegen des Ansehens von Rom in Asia395), in Galatia, Pontus, Cappadocia … wahrscheinlich bis gegen das Ende des arianischen Streites nur ein kurzes, blos trinitarisches Glaubensbekenntnis in Brauch gewesen.“396 Fehlende Erwähnungen von R, so weist Kattenbusch nach, lassen sich in den ersten Jahrhunderten jedenfalls nicht mit einer Arkandisziplin erklären.397 Im Unterschied zu den genannten Gegenden, in denen R nicht festzustellen sei, stünden „Syrien und Palästina“, in denen „es ganz unfraglich schon vor dem Concil von Nicaea ein Symbol wie R, oder vielmehr ein von R abgeleitetes Symbol gege ben“ habe.398 Zeugen hierfür sind ihm Origenes, Adamantius, die Apostolischen Konstitutionen, Buch VII399 und Eusebius von Cäsarea.400

sich Rechenschaft giebt, was unter kirchlichen Christen für ausgemacht gelte ... Dieses Resultat schließt nicht aus, dass O. im einzelnen sich an andere Theologen und auch an Formeln hält. Da man schwerlich bezweifeln darf, dass er R gekannt hat, so braucht man nicht ängstlich zu fragen, ob da, wo eine ‚Berührung‘ mit ihm auftritt, nicht vielleicht blos Rufin für den Ausdruck haftbar zu machen sei“. Wenn Kattenbusch bereits behauptet, dass „man schwerlich bezweifeln darf“, dass Origenes „R gekannt hat“, so nimmt er per petitionem principii vorweg, was er mit seiner Untersuchung zu beweisen hat. Denn solange nicht erwiesen ist, dass Origenes R kennt, kann auch Origenes kein Zeuge für R sein. Und solange Origenes kein Zeuge für R ist, R folglich noch nicht in seiner Existenz belegt ist, müssen strenggenommen Anklänge an R daraufhin geprüft werden, ob sie nicht von Origenes’ Übersetzer Rufin stammen können, der ein römisches Bekenntnis in der Tat Anfang des 5. Jahrhunderts anderweitig bezeugt. 392 Zu Athanasius jedoch, der ebenfalls von keinem Symbol zeugt, heißt es ebd., 256: „Ein solches Schweigen dünkt mich ein lautes Reden!“ 393 Ebd., 103, vgl. ebd., 129. 394 Ebd., 181. 395 Vgl. ebd., 192. 396 Ebd., 188. 397 Vgl. ebd., 94–101 (zu Tertullian). 176–179 (zu Origenes) 398 Ebd., 192. 399 Überhaupt besitzen die Apostolischen Konstitutionen mit dem Bekenntnis in Buch VII 41 eine zentrale Stellung in Kattenbuschs Argumentation. So dient dieses Bekenntnis etwa zum Erweis, dass nicht Asterius mit seinem Bekenntnis, sondern wegen der Parallelen zu dem Bekenntnis der Ap. Konst. VII dieses die Grundlage für die sog. zweite Formel der Enkäniensynode sei (341); hieraus schließt Kattenbusch: „So wird man wohl schliesslich apodiktisch sagen können, dass die zweite Formel der Enkäniensynode nicht, die dritte nur allenfalls in dem Umfange, als Theophronius mit Asterius übereinkommt (für Kattenbusch ein Hinweis auf ein zu vermutendes kappadokisches Ortstaufbekenntnis), ‚cappadocisch‘ fundiert sei. Und zu gleicher Zeit haben wir eine nicht geringe Bestätigung dafür, dass in Cappadocia noch bis 341 ein kurzes blos trinitarisches Bekenntnis gegolten habe“, so ebd., 265. 400 Vgl. ebd., 192. 202f.

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In einem langen Kapitel äußert sich Kattenbusch, gleichsam R als „Kunstform“ exegesierend, über den „geschichtliche(n) Sinn des altrömischen Symbols“.401 Doch so aufschlussreich seine Überlegungen im Detail sind, stichhaltig Sicheres bietet er kaum. Bereits Kattenbuschs zugeneigter Rezensent Friedrich Loofs urteilt zu diesem Kapitel: „Ich kann hier nur sagen, dass der Beweis (sc. dass R in Rom um 100 entstanden ist, M. V.) …, mich doch nicht überzeugt hat. Dass R vorgnostisch ist, ist m. E. das Einzige, das sicher behauptet werden kann.“402 In Nachträgen zu seinem ersten Band hält Kattenbusch nun den Besitz von R nicht nur in Syrien und Palästina für möglich, sondern auch in Ägypten, noch bevor Antiochien „auf Anlass der Ueberwindung des Paulus von Samosata“ auf R zurückgegriffen habe.403 Auf Adolf von Harnack (1851–1930) wurde bei der Besprechung der Ergebnisse seines Gießener Kollegen Kattenbusch bereits mehrfach hingewiesen. Auffallend, wenn auch typisch für Harnack ist, wie stark er seine Thesen aufgrund aktueller Lektüre von Schriften seiner Kollegen zu wandeln fähig ist.404 401

Ebd., 471–728. F. Loofs, Rez. F. Kattenbusch, 1901, 588; ders., Leitfaden, 21890, 54, nimmt er an: „Es mag auch bereits um 120“ das „sog. kürzere röm. Symbol“ als „Taufbekenntnis ... in einzelnen Gemeinden in Gebrauch gewesen sein“; in ders., Leitfaden, 31893, 61 formuliert er: „Es mag auch bereits um 120 ein in Anlehnung an die Taufformel ... entstandenes, dem sog. kürzeren römischen Symbol ähnliches Taufbekenntnis in einzelnen Gemeinden in Gebrauch gewesen sein.“ In einer neu aufgenommenen Anmerkung teilt er mit: „Vielleicht stammt das Symbol aus Kleinasien (monogenh')“, vgl. auch ders., Leitfaden zum Studium der Dogmengeschichte, 41906, 87f. 403 Vgl. F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol II, 1900, 730–737. 980f.26, 737. Vor allem gegen die These, dass das Bekenntnis von Antiochien auf R fuße, wendet sich J. Kunze, Rez. Kattenbusch’s „Apostolisches Symbol“ (1900): Theologisches Literaturblatt 23 (1902), 1902. Trotz aller Anerkennung Kattenbuschs bemerkt auch G. Voisin, Rez. zu F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol II (1900), 1901, 92 allerdings: „Il nous semble que, dans l’appréciation des témoignages, il subit un peu trop l’influence d’une première impression: R. doit être le symbole primitif, et il s’est répandu progressivement dans le monde chrétien – on Orient plus tard qu’en Europe ou en Afrique. De plus, l’auteur ne voit guère que deux règles de foi possibles: l’Écriture et le symbole.“ Gleichwohl erlaubten es die Ergebnisse Kattenbuschs wie bereits früher diejenigen Casparis vor allem katholischen Forschern, sich wieder mit dem Apostolikum zu beschäftigen; vgl. besonders G. Voisin, L’origine du symbole des apôtres, 1902, der Kattenbusch fortschreibt, in der Auseinandersetzung zwischen E. Vacandard und F. Chamard eine vermittelnde Position bezieht und darzulegen versucht, dass das altrömische Bekenntnis „selon toute vraisemblance, du vivant même de Pierre et de Paul“ stamme (ebd. 298); zu Vacandard und Chamard vgl. weiter unten. 404 Wilhelm Stählin, Via Vitae, Kassel 1968, 51f. erzählt jene bemerkenswerte Anekdote aus seiner Studentenzeit in Berlin, wohin er im Herbst 1904 ging: „Durch die Vermittlung meines Bruders fand ich sogar Aufnahme in Harnacks kirchengeschichtliches Seminar. ... In diesem Seminar habe ich eigentlich zum erstenmal wissenschaftlich arbeiten gelernt und Respekt gewonnen vor der unbedingten Wahrheitsliebe echter Wissenschaft. Unauslöschlich hat sich mir eine Szene eingeprägt. Einem Teilnehmer gab Harnack die Seminararbeit zurück mit dem Wort: ‚Sie haben es für nötig gehalten, gegen mich zu polemisieren; Sie werden ja nicht erwarten, dass Sie mich überzeugt haben.‘ Der Student hatte die Kühnheit zu antworten: ‚Exzellenz, dann haben Sie meine Arbeit nicht genau gelesen.‘ ‚Na, dann geben Sie sie mir noch einmal mit!‘ Über acht Tage bringt Harnack die Arbeit wieder mit, gibt sie dem Verfasser zurück und sagt mit einem feinen Lächeln: ‚Sie haben recht; ich hatte das nicht genau gelesen und werde in der nächsten Auflage meiner Dogmengeschichte die Stelle ändern.‘“ (Den Hinweis auf 402

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Zwei nachdrückliche Zeugnisse hierfür bilden die Artikel „Apostolisches Symbolum“, die Harnack zur „Real-Encyklopädie für protestantische Theologie und Kirche“ der zweiten (1877) und dritten (1896) Auflage beisteuert.405 Indem Harnack, sofern er nicht aus inhaltlichen Gründen ändert, am Wortlaut seines Textes im Wesentlichen festhält,406 lässt sich die Fortentwicklung seiner Thesen zum Apostolikum klar an einem Vergleich beider Artikel ablesen. War der erste vor allem von den Untersuchungen und Ergebnissen Casparis geprägt, setzt sich Harnack im zweiten ganz wesentlich mit Kattenbusch und Zahn auseinander.407 Zu bedenken ist ebenfalls, dass zwischen beiden Artikeln der sogenannte „Kampf um das Apostolikum“ liegt.408 Dieser Apostolikumstreit war mittelbar durch das gewachsene Interesse und zugleich durch die Kritik am Apostolikum,409 direkt aber durch den „Fall Schrempf“ und durch Harnacks Thesen („In Sachen des Apostolikums“) veranlasst, die dieser Studierenden als Antwort auf die Frage überließ, „ob er ihnen raten könne, mit andern preußischen Studenten der Theologie in Anlaß des Falls Schrempf eine Petition an den Evangelischen Oberkirchenrat zu richten um Entfernung des sogenannten Apostolikums aus der Verpflichtungsformel der Geistlichen und aus dem gottesdienstlichen Gebrauch.“410 Sowohl die kirchenpolitischen Auseinandersetzungen wie auch diese Geschichte verdanke ich meinem Kollegen aus der Zeit meiner Mainzer Lehrstuhlvertretung, Herrn Prof. Dr. Gerhard May). 405 A. v. Harnack, Apostolisches Symbolum, 1877, 565–574; ders., Apostolisches Symbolum, 1896, 741–755. 406 Stilistische Korrekturen sind minimal (747, Z. 32: Hinzufügung von „demnach“). 407 Zu Th. Zahn vgl. weiter unten ausführlich; eine frühe Bezugnahme v. Harnacks auf Th. Zahn ist auch durch die harnacksche Adaption der Zahnschen Gleichsetzung von Glaubensregel und Taufbekenntnis belegt, vgl. Th. Zahn, Glaubensregel, 1881; A. v. Harnack, Dogmengeschichte, 1886, 257f.1; vgl. hierzu weiter unten zu Zahn ausführlicher. 408 Ausführliche Literaturhinweise, die hier nicht alle zu berücksichtigen sind, finden sich in: A. Baur, Religionsphilosophie und theologische Principienlehre, 1892; ders., dass., 1893; P. Mehlhorn, Dogmatik. 5. Zum Apostolicums-Streit, 1892, 424f. (ebd., 425: „möglichst vollständig zusammengestellt“); zum Streit selbst vgl. H. Mulert, Art. Apostolikum, 1927; H.-M. Barth, Art. Apostolisches Glaubensbekenntnis, 1978, 560–562; H. Kasparick, Lehrgesetz oder Glaubenszeugnis, 1996 (dazu meine Rez., 1997). 409 Vgl. W. Bornemann, Der Streit um das Apostolikum, 21893, 6–10; die Erklärung der dritten Lambeth-Konferenz vom Jahr 1888, „das Apostolische Glaubensbekenntnis als Taufbekenntnis und das Nizänische Glaubensbekenntnis“ zu akzeptieren „als zureichende Darlegung des christlichen Glaubens“, vgl. Lambeth Quadrilateral 1888, in: The Five Lambeth Conferences 1867–1908, 1920; vgl. hierzu G. Limouris, Geschichtlicher Hintergrund, 21993, 109; zur gewachsenen Kritik am Apostolikum vgl. M. Rade, Der rechte evangelische Glaube, 1892, 7. 410 So die Information von D. Rade in: A. v. Harnack, Reden und Aufsätze, 1904, 221; die Thesen Harnacks („In Sachen des Apostolikums“) finden sich in: Die christliche Welt 6 (1892) 768–770 und wurden wiederabgedruckt in: Reden und Aufsätze von Adolf Harnack, 1904, 221–226. Die erste These eröffnet scharf und lautet: „Ich teile mit den Fragestellern die Ansicht, dass es der evangelischen Kirche ziemen würde, an die Stelle des Apostolikums oder neben dasselbe ein kurzes Bekenntnis zu setzen, das das in der Reformation und in der ihr folgenden Zeit gewonnene Verständnis des Evangeliums deutlicher und sicherer ausdrückte und zugleich die Anstöße beseitigte, die jenes Symbol in seinem Wortlaut vielen ernsten und aufrichtigen Christen, Laien und Geistlichen, bietet.“ Ich werde hier nicht auf den erst jüngst (wenn auch knapp) dargestellten „Kampf“ selbst eingehen und nur diejenigen der

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die fachlich inzwischen entstandenen Forschungsbeiträge veranlassen Harnack, für die dritte Auflage der RE zum einen neben Literaturergänzungen eine Fülle von Präzisierungen vorzunehmen,411 zum anderen führen sie ihn zu einer einschneidenden Änderung, was seine Erklärung der Entstehung des apostolischen Symbols betrifft.412 In engem, wenn auch nicht völligem Anschluss an Caspari führt Harnack die Geschichte des apostolischen Symbols zeitlich rückwärtsschreitend „bis zu dem Anfang des 6. (Ende des 5.) Jarhunderts“, da sich „der textus receptus“ „mit nicht geringer Sicherheit“ noch feststellen lasse.413 „Andererseits“, so fügt er hinzu, „kann strict bewiesen werden, dass vor dieser Zeit das Symbol in keiner Kirche in offiziellem Gebrauch“ gewesen sei: „Ja es lassen sich keine Spuren desselben vor dem Ende des 5. Jarhunderts mehr entdecken.“414 Um 500 aber sei dieses Symbol „in Gallien in kirchlichem Gebrauch gewesen“,415 und zwar als „das Taufsymbol der südgallischen Kirche“.416 Dass der Textus receptus nicht aus Rom stamme, werde auch dadurch belegt, „dass in Rom seit dem Ende des 5. oder Anfang des 6. Jarh. bis etwa noch in das 10. hinein bei der Traditio symboli einzig und allein das nic.-konstantinop. in griechischer Sprache gebraucht wurde, nicht aber das Apostolicum.“417 Mit dem Aufkommen des Textus receptus, der das „spätere, längere, römische Symbol genannt“ wird und lateinisch abgefasst war (wovon die erhaltenen griechischen Versionen Überdabei entstandenen Schriften und Schriftchen vorstellen, die von inhaltlichem Gewicht für die Entstehung des Apostolikums sind. 411 Um zu zeigen, dass solche Präzisierungen meist in einer größeren Vorsicht bestehen: 742, Z. 29f. (zum Textus receptus) „kann sehr wahrscheinlich gemacht werden“, anstelle von: „kann strict bewiesen werden“; ebd., Z. 33: „vor der Mitte“, statt: „vor dem Ende“; ebd., Z. 38: „schwerlich vor der Mitte ... wahrscheinlich aber erst um 500 in allen Stücken die gegenwärtige Form erhalten hat ...“, statt: „nicht vor dem Ende“; ebd., Z. 58f.: „den heutigen Symbolikern“, statt: „den Symbolikern“; 743, Z. 9: „Bald nach“, statt: „Gleichzeitig“; ebd., Z. 56: „wahrscheinlich gemacht“, statt: „nachgewiesen“; 745, Z. 57f.: „nahezu oder wirklich“, statt: „geradezu“; ebd., 59: „fast niemals“, statt: „niemals“; 746, Z. 14: „späteren“, statt: „allerdings sehr späten“; ebd., Z. 19f.: „Die Mehrzahl der Erweiterungen“, statt: „Die Erweiterungen“; ebd., Z. 21: „können“, statt: „müssen“; ebd., 48: „ohne Schwierigkeit“, statt: „am meisten“; ebd., 56: „beträchtlich früher“, statt: „früher“; 747, Z. 6: „bis zur Mitte des 3. Jahrh.“, statt: „zwischen d. J. 150 und 250“; ebd., Z. 35–41 (vier Präzisierungen); ebd., Z. 47f.: „Verwandtschaft aufweist“, statt: „sich wesentlich deckt“; ebd., 49: „in vielen Symbolen“, statt: „gewöhnlich“; 754, Z. 25: „allmählich seit Anfang“, statt: „seit Anfang“; 755, Z. 37: „Grundtvig und seine Anhänger“, statt: „Grundtvig“. 412 Er streicht von 570, Z. 45, neuem Satz („Übersieht ...“) bis 572, Z. 16 (incl.) den gesamten Passus zum Verhältnis von abendländischem und morgenländischem Symbol und zur Darlegung der Transmission des apostolischen Bekenntnisses aus Kleinasien nach Rom. An diese Stelle tritt eine lange Ausführung 748, Z. 10–754, Z. 24. 413 So sein Ansatz in: Art., Apostolisches Symbolum, 1877, 565. Nicht viel anders arbeitet er auch in ders., Das apostolische Glaubensbekenntnis, 1904 (1892), 227–229. 414 A. v. Harnack, Art. Apostolisches Symbolum, 1877, 565. 415 Ebd. mit Hinweis auf Caspari, Quellen III, 1875, 11f. 204f. 416 A. v. Harnack, Das apostolische Glaubensbekenntnis, 1904 (1892), 227. 417 A. v. Harnack, Art. Apostolisches Symbolum, 1877, 566 mit Hinweis auf Caspari, Quellen III, 1875, 201f. 226; Quellen II, 1869, 114f.88

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setzungen seien), sei auch die Legende von der apostolischen Verfasserschaft verbunden, die früher an dem kürzeren, altrömischen Symbol gehaftet habe. Dieses sei das Bekenntnis gewesen, das „die römische Kirche in den Jaren 250 –460 im gottesdienstlichen Gebrauch“ gehabt habe.418 Mit Caspari vertraut Harnack den Notizen des Ambrosius und Rufin, „dass der Wortlaut des apostolischen Symbolums in der römischen Kirche mit der gewissenhaftesten Treue bewart worden sei“.419 Auch wenn er als römische Zeugen für das Bekenntnis lediglich auf Autoren des fünften Jahrhunderts verweisen kann,420 ist ihm der Hinweis bei Ambrosius und Rufin doch sicheres Fundament genug, aus Markells Brief an Julius von Rom auf den Wortlaut des Bekenntnisses auch in der Zeit vor der Abfassung dieses Briefes zu schließen. Wie für Caspari und vor diesem für Ussher stellt darum auch für Harnack die Verknüpfung von Markells Kronzeugnis mit Rufins Nachricht von der Treue der römischen Kirche zu diesem Bekenntnis – Ambrosius‚ Zeugnis fällt eigentlich heraus, weil gar nicht sicher ist, ob er dasselbe Bekenntnis vor Augen hat, von dem Rufin spricht – das Argument dar, an dem alles hängt: Mit diesem Argument wird einerseits behauptet, „dass zwischen 330 und 340 das Symbol in Rom das offizielle gewesen“ sei,421 und weil man ältere Zeugnisse, „erst kritisch behandeln und sichten“ müsse, wird aufgrund dieses Argumentes andererseits gesagt, dass man „mit hinreichender Sicherheit bis in die Mitte des 3. Jarh.“ den Wortlaut des bei Markell bezeugten Bekenntnisses für die römische Kirche voraussetzen dürfe.422 An dieser Skizze der Symbolgeschichte ändert Harnack auch in den Folgejahren nur noch Nuancen. Selbst die Fragen, die sich für ihn an dieses Bild anschließen, ändern sich nicht. Sie lauten: „1) Wie verhält sich das kürzere römische Symbol zu den abendländischen Symbolen, welche zwischen 250 und 500 (800) bis zu ihrer völligen Verdrängung durch das Symbol. Apostol. und Symbol. Nic.-constantinop. in den Provinzialkirchen im Gottesdienst gebraucht wurden?

418 A. v. Harnack, Art. Apostolisches Symbolum, 1877, 566; vgl. ders., Das apostolische Glaubensbekenntnis, 1904 (1892), 229f. 419 A. v. Harnack, Art. Apostolisches Symbolum, 1877, 567; vgl. ders., A. v. Harnack, Das apostolische Glaubensbekenntnis, 1904 (1892), 232: „... während die römische Kirche in ihren Grenzen den Wortlaut ihres Taufbekenntnisses skrupulös bewahrte und zur Sicherstellung desselben die Legende von dem apostolischen Ursprung des Symbols erzeugte“; ebd. bemerkt er auch, dass das Bekenntnis in anderen westlichen Kirchen mannigfachen Veränderungen ausgesetzt war, was ihm ein Hinweis darauf ist, dass „die Vorstellung vom strikt apostolischen Ursprung ... eine Neuerung in Rom gewesen (ist), die nach der Zeit fällt, da von Rom aus das Evangelium und mit ihm auch das Symbol in die Provinzen getragen worden ist“. 420 Vgl. A. v. Harnack, Art. Apostolisches Symbolum, 1877, 567: Cölestin I, Sixtus III, und Leo I; auch Augustinus habe sich an das Symbol gehalten (ebd., 567f.). 421 A. v. Harnack, Art. Apostolisches Symbolum, 1877, 568. 422 Ebd.; ders., Das apostolische Glaubensbekenntnis, 1904 (1892), 233: „Bis in die zweite Hälfte des 3. Jahrhunderts“.

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2) Wie verhält sich das kürzere römische Symbol zu dem längeren und warum ist es durch dasselbe abgelöst worden? 3) Wann ist das kürzere Symbol entstanden und wo ist es entstanden? 4) Wie verhält sich das kürzere, römische Symbol zu den morgenländischen, vorkonstantinopolitanischen Symbolen? 5) Wie verhält sich das kürzere römische Symbol zu den verschiedenen Formen der Glaubensregel, welche wir aus den drei ersten Jarhunderten kennen?“423 Was diese Fragen und ihre Antworten betrifft, muss die vierte aus den übrigen herausgenommen werden. Während sich Harnack bei den Fragen 1–3 und 5 bis auf Details der Begründung treu bleibt, nimmt er den gesamten Passus zur Antwort auf die vierte Frage in der dritten Auflage der RE heraus und ersetzt diesen durch einen völlig neu konzipierten, in wesentlichen Passagen auf Kattenbusch basierenden und auf diesen reagierenden neuen Antwortversuch. Doch zunächst zu Harnacks Beantwortung der Fragen 1–3 und 5: Zu 1): Aus dem Vergleich der „überaus zalreichen Provinzial- und Privatbekenntnisse(n), die uns aus den abendländischen Kirchen vom 4. bis zum 6. (7.) Jarh. erhalten sind“ – man bemerke, dass Harnack wie bereits Kattenbusch weiter oben mit dem vierten Jahrhundert einsetzt! – und der vielfältigen Übereinstimmung mit dem „kürzeren römischen Symbol“ schließt Harnack: „Es folgt daraus mit Evidenz, 1) dass das kürzere römische Symbol die Wurzel aller abendländischen Glaubensbekenntnisse ist. Zu 2): Dass das längere römische Symbol allmählich, aber nicht in Rom selbst, aus jenem entstanden ist und deshalb auch dieselben Attribute erhalten hat, welche ursprünglich dem kürzeren Symbol galten.“424 Zu 3) und 5): Aus der ersten Beobachtung zur ersten Frage, dass das „kürzere römische Symbol die Wurzel aller abendländischen Glaubensbekenntnisse ist“, folgert Harnack bei der Suche nach dem Ursprung dieses Bekenntnisses, es müsse „früher425 vorhanden gewesen sein, als um die Mitte des 3. Jarhunderts“. Hierfür kann er jedoch lediglich ein Plausibilitätsargument anführen, das auf tönernen Füßen steht, hat er doch zuvor selbst angegeben, dass er lediglich Bekenntnisse aus dem vierten bis sechsten oder siebten Jahrhundert verglichen habe: „Wie soll man es sich sonst erklären, dass alle abendländischen Kirchen ursprünglich eben dies Symbol gebraucht haben?“426 Im Jahr 1896 stützt er diese Überlegung mit dem Hinweis auf „die afrikanische Kirche“, die „bereits vor dem J. 250 ihren Sondertypus (s. Cyprian, Hahn § 28 und 29427) auf Grund 423

A. v. Harnack, Art. Apostolisches Symbolum, 1877, 568. Ebd., 569; wörtlich gleich in A. v. Harnack, Art. Apostolisches Symbolum, 1896, 746. 425 A. v. Harnack, Art. Apostolisches Symbolum, 1896, 746: „betrachtlich früher“. 426 A. v. Harnack, Art. Apostolisches Symbolum, 1877, 569 (1896, 746). 427 A. v. Harnack, Art. Apostolisches Symbolum, 1896 benutzt Hahn/Hahn, BSGR2, die §§ 28f. entsprechen § 12 bei Hahn/Hahn, BSGR3. 424

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des Symbol. vetus Rom. ausgebildet“ habe.428 Daraus folgert er: „Man muß demnach mit dem römischen Symbol mindestens bis z. Z. um 200 hinaufgehen, und das läßt sich auch positiv aus den Werken Tertullians begründen“.429 Der Hinweis auf Cyprian bezieht sich auf die von diesem angeführte dritte Tauffrage (Cyprian, Ep. 70,2,1 [Cyprian u.a. an Ianuarius u.a.]: „Credis in uitam aeternam et remissionem peccatorum per sanctam ecclesiam?“430) in der Auseinandersetzung mit den Novatianern, die zwar behaupteten: „Credis in remissionem peccatorum et uitam aeternam per sanctam ecclesiam“, aber deshalb trügen würden, weil sie die „Kirche“ gar nicht besäßen. Ansonsten heißt es bei Cyprian lediglich: „Quod si aliquis illud opponit ut dicat eandem Nouatianum legem tenere quam catholica ecclesia teneat, eodem symbolo quo et nos baptizare, eundem nosse Deum patrem, eundem filium Christum, eundem spiritum sanctum …“431 Im Unterschied zum Jahr 1877 leitet Harnack (auf Kattenbusch sich stützend) sowohl aus diesen Zeilen wie auch aus Tertullian die Gewissheit ab: „Man muß demnach … bis z. Z. um 200 hinaufgehen“.432 Die nämliche Argumentation trägt er bereits in seiner Schrift zum apostolischen Glaubensbekenntnis im Jahr 1892 vor: „Man kann auf directem Wege das Alter dieses Symbols höchstens bis in die zweite Hälfte des 3. Jahrhunderts zurückführen. Aber die Thatsache, dass sich alle abendländischen Provinzialsymbole als Abwandelungen des römischen erweisen, verlangt, dass wir fast noch um ein Jahrhundert hinaufsteigen. Hatte die afrikanische Kirche bereits zur Zeit Tertullian’s (um d. J. 200) ein festes Taufbekenntniß und war dasselbe, wie nicht zweifelhaft, eine Tochterrecension des römischen, so muß dieses selbst bereits um die Mitte des 2. Jahrhunderts entstanden sein.“433 Weitere Stützen für die Frühdatierung des „kürzeren römischen Symbols“ soll ein Vergleich mit den „morgenländischen Provinzial- und Privatsymbolen“ und „mit den verschiedenen Recensionen der Glaubensregel zwischen d. J. 150 und 250“ liefern.434 Der erste Vergleich führt im Jahr 1877 in Aufnahme der von Caspari aufgestellten Merkmale für die morgenländischen Symbole und dessen Theorie eines Archetypus von diesen zu apodiktischen Schlussfolgerungen, die 1896 schon darum differenziert werden, weil Harnack inzwischen die Idee des morgenländischen „Archetypus“ fallen lässt und nur mehr von einem orientalischen „Typus“ zu sprechen wagt. Im Jahr 1896 behauptet er: „1. dass auch einer großen Reihe von (1877 hieß es noch: „allen“) orientalischen Symbolen … ein Typus (1877: „Archetypus“) zu Grunde liegt. … 2. Dass dieser Typus (1877: „Archetypus“) im Umfange und der Anordnung der Glieder mit dem kürzeren römischen Symbol 428 429 430 431 432 433 434

Ebd., 746. Ebd., 746f. Hartel II,768,7f. Hartel II,756,6ff. A. v. Harnack, Art. Apostolisches Symbolum, 1896, 746f. A. v. Harnack, Das apostolische Glaubensbekenntniß, 1892, 10. A. v. Harnack, Art. Apostolisches Symbolum, 1877, 569 (vgl. 1896, 747).

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Verwandtschaft aufweist (1877: „sich wesentlich deckt“)“435, jedoch spezifische Abweichungen besitzt. 1877 zieht Harnack aus diesem Vergleich von abendund morgenländischen Symbolen den mit Casparis Meinung übereinstimmenden Schluss: „Somit lässt sich schon für den heute zu erreichenden Ausgangspunkt ein morgenländischer und abendländischer Symboltypus nachweisen; beide aber sind als Zwillingsgestalten zu betrachten.“436 Zu 4): An die Stelle dieser Schlussfolgerung und ihrer ausführlichen Begründung, welche zugleich die Antwort auf die vierte der obigen Fragen darstellt, tritt im Artikel von 1896 eine andere Erklärung des Befundes, die insbesondere nun die Ergebnisse von Zahn und Kattenbusch berücksichtigt. Grund hierfür ist Harnacks Feststellung, dass alle zum Vergleich herangezogenen morgenländischen Symbole „nicht älter“ sind „als Anfang des 4. Jahrh.“, weil wir von „aus alter Zeit stammenden Gemeindesymbolen im Oriente vor dem Nicänum direkt überhaupt nichts wissen.“437 „Erst der arianische Streit hat die Bildung fester Symbole im Orient bewirkt.“438 Daraus folge aber auch, dass das Symbol des Cyrill von Jerusalem, auf das einige der orientalischen Symbole zurückgingen, nämlich das „Symbol des 7. Buchs der apostol. Konstit., … (das des) Arius in dem dem Kaiser eingereichten Symbol, … (das) Symbol von Salamis … und … (das) längere… Symbol des Epiphanius“, „nur die Tochter … des römischen sein“ könne und nicht die Mutter oder die Schwester desselben darstelle.439 Oder, wie er es in seiner Widerlegung von Cremers Schrift ausdrückt: Ich habe „erkannt, dass ein orientalischer Symbol-Archetypus für die Mitte, ja noch für die zweite Hälfte des zweiten Jahrhunderts nicht erreichbar ist. Einzelne gemeinsame Formeln und ein Kerygma von Jesus Christus, dessen Sätze zum Teil, aber nur zum Teil stehend waren, lassen sich bis ins zweite Jahrhundert hinaufführen, aber auch nicht mehr – vor allem kein geschlossenes Symbol. Darum habe ich von dem orientalischen Archetypus absehen müssen. Er ist mir eine Fata Morgana geworden.“440 Es erstaunt, dass Harnack die gleiche Konsequenz nicht auch für das Abendland und das Romanum zieht,441 da er doch 435

A. v. Harnack, Art. Apostolisches Symbolum, 1896, 747 (vgl. 1877, 570). A. v. Harnack, Art. Apostolisches Symbolum, 1877, 570. 437 A. v. Harnack, Art. Apostolisches Symbolum, 1896, 748. 438 Ebd., 749. 439 Ebd. 440 A. v. Harnack, Antwort auf die Streitschrift Cremers, 1892, 274. 441 Dies ist umso erstaunlicher, als er gerade den spekulativen Vergleich von Glaubensregeln mit dem altrömischen Symbol, der im Artikel von 1877 noch einen breiten Raum einnimmt (ebd., 570–572, 571: „Es darf jetzt als gesichert gelten ... dass die Glaubensregeln die ‚Lehrsumma freier unformulirter Tradition‘ sind, die über ein festes Bekenntnis als ihrer Grundlage aufgebaut sind. Die verschiedenen Glaubensregeln setzen ein kurzes, festes formulirtes Bekenntnis voraus, nicht umgekehrt ist dieses aus jenen allmählich herauskrystallisirt worden. Die regula fidei ist der nach Bedürfnis wechselnde Konfessionsausdruck der Kirche im Kampf um die Warheit, das Taufbekenntnis ist aus der missionirenden und katechetischen Funktion der Kirche hervorgegangen. ... Aus dem Muratorischen Fragment, Irenäus, dem Hirten des Hermas (Mand. I), Justin ... muss erschlossen werden, dass wenn man nach d. J. 150 zu Rom ein Bekenntnis erst verfasst hätte, jene Stücke oder doch einige von ihnen (sc. die 436

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explizit auch für den Westen, wie weiter oben zitiert, feststellt, dass alle zu vergleichenden Bekenntnisse nicht älter sind als das vierte Jahrhundert, oder noch präziser und darum deutlicher gesagt: Alle Bekenntnisse, die mit dem bei Markell bezeugten Symbol zu vergleichen sind, stammen aus dem fünften Jahrhundert und später.442 Doch weil Harnack die hermeneutische Erkenntnis lediglich für den Osten fruchtbar macht, kann er sich Kattenbusch anschließen und dessen Meinung weiterführen: Der „palästinensisch-syrische Symbolkomplex taucht erst im Anfang des 4. Jahrh. auf, während wir das römische Symbol sicher um 100 Jahre weiter hinaufdatieren können … Gegen Ende des 3. Jahrh. hat … vielleicht in der Schule Lucians, jedenfalls an einem Punkt in SyrienPalästina die Symbolbildung im Orient begonnen, nachdem man das römische Symbol kennen und schätzen gelernt hatte (in der Zeit der Kämpfe mit Paul von Samosata hat man auch anderes Römische in Syrien schätzen gelernt), wie es scheint, zunächst in theologischen Kreisen.“443 Allerdings muss Harnack dann zweierlei erläutern: 1) Warum wurde das römische Bekenntnis nicht unveränSchöpfungstätigkeit Gottes, das „einzig“, „katholische“, „ewige Leben“) gewiss nicht gefehlt hätten. Dieser Schluss ist zwingend; somit kann das kürzere Symbol, die Grundlage des Apostolicums, bis an die Grenze des ersten Drittels des 2. Jarh. zurückverfolgt werden“), im Artikel von 1896 ersatzlos streicht. Und doch hält er in gewisser Hinsicht inkonsequenterweise daran fest, was er bereits durch seine Sammlung von Parallelen zum altrömischen Symbol im Jahr 1878 und noch einmal überarbeitet als Anhang bei Hahn/Hahn, BSGR3, 1897 zu manifestieren suchte: A. v. Harnack, Vetustissimum Ecclesiae Romanae Symbolum, 1878; wie wesentlich die „methodischen Grundsätze (sind), die die Untersuchungen über die Entstehungsgeschichte des römischen Symbols zu bestimmen haben“ und über die noch kein Einvernehmen „herrscht“, lehrt ihn insbesondere die Auseinandersetzung mit Th. Zahn, vgl. A. v. Harnack, Zur Geschichte der Entstehung des Apostolischen Symbolums, 1894, 131. Wohl hierdurch angeregt, die Methode nochmals zu überdenken, aufgrund von Übereinstimmungen zwischen Relationen und Glaubensregeln oder vielmehr Bruchstücken aus diesen auf dahinter liegende Bekenntnisse zu schließen, streicht er den entsprechenden Passus in seinem Artikel von 1896 und widerlegt die Zahnsche These von der Änderung des Symboltextes in Rom in den Jahren 190–210 (Streichung des „einzig“ vor Gott und Hinzunahme des „Vater“ als antimonarchianische Reaktion). Ders., Zur Geschichte ..., 1894, 146f. stehen die (heute noch) beherzigenswerten Sätze: „Nichts hat die Forschung über die Entstehungsgeschichte des Symbols resp. der Symbole mehr verwirrt und verwirrt sie noch immer, als die Art, wie man ‚die an das Symbolum angelehnten Glaubensformeln‘ für die Constituirung der Symboltexte verwerthet. Trotz alledem, was über das Verhältniß von Taufbekenntniß und Glaubensregel geschrieben worden ist, ist die Sache noch so wenig ins Klare gekommen, daß eine exacte, feste Methode in Bezug auf die Verwerthung der Glaubensregeln oder Bruchstücke solcher für das Taufbekenntniß noch vermißt wird.“ 442 Eine gegenüber der von mir vorgetragenen Kritik umgekehrte bringt W. Sanday, Recent Research, 1899/1900 vor. Da s. E. durch Eusebius von Cäsarea ein östliches Ortsbekenntnis vorliege, müsse man mit einer langen östlichen Tradition rechnen; dass man tatsächlich keine älteren Symbole besitzt, lässt er als Argument nicht gelten: „The denial of the existence of specifically Eastern Creeds before 272 A.D. turns largely upon the absence of evidence. ... I believe that even the scanty evidence there (in the East) supplies a fair presumption for the existence of local creeds. But if it did not, what would be the worth of the negative inference?“ (ebd., 13). Eine Durchsicht der die östlichen Kirchen in vornizänischer Zeit betreffenden Quellen führt ihn in der Tat zu dem Ergebnis: „I cannot but think that, considering the scantiness of the material accessible to us, the indications are really by no means slight that there were local creeds existing before the time of Aurelian in Egypt, in Palestine, in Syria, and in Eastern Asia Minor“ (ebd., 19f.). 443 A. v. Harnack, Art. Apostolisches Symbolum, 1896, 749.

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dert rezipiert; 2) Wieso kann man nicht mit derselben Berechtigung, mit der man aus westlichen Glaubensregeln auf das hinter ihnen zu vermutende römische Bekenntnis schließt, von östlichen „Glaubensregeln und formelhaften Sätzen, die wir in der Zeit von der Mitte des 1. bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts“ besitzen, auf „ein orientalisches resp. genauer kleinasiatisches Symbol“ schließen, wie es „die Meinung Casparis, Zahns, Loofs und vieler anderer“ sei und was er auch selber „früher“ vertreten habe.444 Ersteres beantwortet er mit dem Hinweis darauf, dass 1. „der christologische Abschnitt des römischen Symbols auf einen bereits eingebürgerten christologischen Typus stieß, 2. das Interesse, die ‚höhere‘ Christologie im Symbol zum Ausdruck zu bringen“, bestanden habe. Gegen den Schluss von den Glaubensregeln auf ein bereits existierendes Symbol wendet er vier bemerkenswerte Überlegungen ein: „1. Einzelne an das Symbol anklingende oder mit ihm zusammenstimmende Sätze bieten keine Gewähr, dass sie selbst aus einem Symbol stammen … Die älteste Überlieferung hat dem ‚Glauben‘ nicht nur in der Form des Taufbekenntnisses und zum Zweck der Taufe eine feste resp. festere Gestalt gegeben, sondern auch a) in liturgischen Sätzen, b) in Exorzismusformeln, c) in Glaubens- und Sittengeboten und d) in historischen Zusammenfassungen, und zwar für die verschiedensten Zwecke (Unterricht, Apologetik, Polemik, Kultus u.s.w.).“445 2. Seien in der Mitte des zweiten Jahrhunderts Worte wie Joh 17,3: i{na ginwvskwsi se; to;n movnon ajlhqino;n qeo;n kai; o}n ajpevsteila" jI. Cr. und Hermas, Mand. I: prw'ton pavntwn pivsteuson, o{ti ei|" ejstin qeov" ktl. „eine Glaubensform“ gewesen, die „aber mit dem Taufsymbol … nichts zu thun“ gehabt hätten.446 „Auch sind Formeln aufgestellt worden, die von dem Bekenntnis zu dem einen Gott sofort zu den praktischen Hauptgeboten überführten … (und) nicht selten (sei) … ein Kerygma von Christus an das Bekenntnis zu dem einen Gott gerückt worden, ohne dass des h. Geistes oder der Kirche oder der christlichen Güter gedacht wurde.“447 3. Speziell das Christuskerygma habe „eine feste Gestalt“ angenommen, „ohne in einem trinitarischen Rahmen zu stehen“.448 Aus der Vielzahl der Prädikate für Gott, Christus und den Geist seien einige schon bald so verbreitet gewesen, dass aus ihrer Verwendung „auf ein formuliertes dreigliedriges Taufbekenntnis sehr behutsam“ nur geschlossen werden dürfe.449 Auffallenderweise nennt Harnack unter den so geläufigen Prädikaten auch einige der einschlägigen im Romanum 444 445 446 447 448 449

Ebd. Ebd., 750. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd., 750f.

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begegnenden Formulierungen, wendet seine Kritik aber lediglich gegen die Hypothese eines frühen morgenländischen Taufsymbols. Doch auch hier gibt er zu: Wahrscheinlich sei, dass nicht erst zur Zeit des Irenäus, „sondern schon zu der des Justin im Orient eine Bekenntnisformel vorhanden war,“450 fügt dann aber erstaunlicherweise hinzu, dass es „vollkommen unwahrscheinlich“ sei, bei Irenäus ein Symbol vorauszusetzen, auf das er sich stütze: „Die ganze Argumentation des Irenäus hätte anders ausfallen müssen, wenn das in fester, in seiner Gemeinde anerkannter Form existiert hätte, was er für die Beweisführung nötig hat: multa, d. h. viele geläufige Formeln und kurze Glaubenssätze existierten, nicht multum d. h. kein Symbol …“ Erst bei Tertullian würden „Beziehungen auf ein Symbol … ungleich deutlicher“.451 Wenn Harnack nun dennoch glaubt, „unbedenklich … mit dem (römischen) Symbol noch bis in die Mitte des 2. Jahrh. hinauf(gehen zu können)“, dann kann er das nur mehr an inneren Gründen das Bekenntnis selbst betreffend festmachen, nicht mehr an äußeren Bezeugungen. Und er meint: „Hätte man in der Zeit des brennenden Kampfes mit dem Gnostizismus und Marcionitismus (c 145–190) in Rom ein Symbol aufgestellt, so wäre es anders ausgefallen.“452 Wegen des von ihm als Fixpunkt angenommenen Tertullian verfolgt er ausschließlich die Frage, ob man über die Zeit 145/150 noch weiter zurückschreiten dürfe, nicht, ob das Bekenntnis auch nach 190 in Rom hätte entstehen können. Wesentlich vor 150 scheint es ihm nicht hervorgegangen zu sein,453 weil der Hirt des Hermas vieles enthalte, „was schwer erklärbar“ wäre, „wenn ihm das römische Symbol geläufig“ gewesen wäre; außerdem lehrten römische Theologen wie die Valentinianer, aber auch Justin, Irenäus und Tertullian noch keine Zeugung „aus“ Maria, sondern eine solche „durch“ Maria.454 Vor allem aber fielen „die Weglassung der Taufe Jesu durch Johannes, der johanneische Ausdruck uiJo;" monogenhv", die scharfe Unterscheidung von ajnastavnta, 450

Ebd., 571. Ebd., 572. 452 Ebd. 453 In A. v. Harnack, Art. Apostolisches Symbolum, 1877, 571 geht er noch von einem Entstehungszeitraum um 130 aus; ders., Lehrbuch der Dogmengeschichte, 1886, 107 setzt er die Entstehungszeit später an auf „höchst wahrscheinlich noch vor der Mitte des 2. Jahrhunderts“ (ebenso formuliert in der zweiten Aufl. 21888, 131); ders., Grundriss der Dogmengeschichte, 1889, 48 gibt er als Zeitraum an: „Speziell in der römischen Gemeinde (gab es) mindestens seit +/- 140 ein festes Taufbekenntniss (wahrscheinlich auch in kleinasiatischen)“; in der zweiten Auflage desselben Werkes hält er noch an derselben Zeit +/- 140 fest, (ders., Dogmengeschichte, 1893, 62), ist aber schon etwas skeptischer, was das kleinasiatische Taufbekenntnis betrifft; der Inhalt der Klammer lautet dort: „ob auch in kleinasiatischen?)“; in ders., Zur Geschichte der Entstehung des Apostolischen Symbolums, 1894, 158 gibt er an: „Um die Mitte des 2. Jahrhunderts oder kurz vor dieselbe (ist die Entstehung des Symbolums) zu setzen“; ders., Lehrbuch der Dogmengeschichte I, Tübingen 51931, 176 liest man: „höchst wahrscheinlich um die Mitte des 2. Jahrhunderts“. 454 So etwas ausführlicher formuliert in: A. v. Harnack, Antwort auf die Streitschrift D. Cremers, 1892 (= 1904, hiernach zit.), 273; F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol II, 1900, 334 behilft sich gegen dieses Argument mit der Frage: „Ob nicht vielleicht R ursprünglich dia; gehabt haben möchte?“ 451

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ajnabavnta, kaqhvmenon“, sowie „die Weglassung der chiliastischen Hoffnung“ ins Gewicht.455 Aus alledem schließt er wie bereits im Jahr 1892: Das römische Symbol ist „um die Mitte des 2. Jahrh. … in Rom … entstanden auf Grund der Taufformel und bereits allgemein überlieferter, also auch orientalischer … zusammenfassender Bekenntnisformeln, sowie unter dem Einfluß neutestam. Schriften“.456 Im Jahr 1910 fügt Harnack diesem Ergebnis – aufgrund der Beobachtungen von Theodor Zahn457 – noch ein Stück Vorgeschichte hinzu. Er sieht in Zeugnissen wie Joh 17,3 und 1 Kor 8,6 eine binitarische Formel, die er als Vorstufe zur trinitarischen ansieht.458 Dass es schließlich doch zu einer trinitarischen Formel gekommen sei, die zudem nicht eine solche von „Gott, Christus und Kirche“, sondern von „Vater, Sohn und Heiligem Geist“ wurde, erklärt Harnack aus der jüdisch-judenchristlichen Kontroverse, bei der das Spezifikum der christlichen Antwort im Bewusstsein lag, dass „im messianischen Zeitalter allen Gläubigen“ der Geist geschenkt war.459 In einer späteren Untersuchung kommt er auf die Anfänge des römischen Bekenntnisses zurück. In Markion und Apelles sieht er Zeugen, die für die Existenz eines solchen Bekenntnisses sprechen.460 Er verweist auf die Paraphrase von Gal 4,24f. durch Markion, bei der es (in griech. Rückübersetzung) heißt: eij" h}n ejphggeilavmeqa ... aJgivan ejkklhsivan, h{ti" ejsti;n mhvthr hJmw'n. Wegen des Wortes ejphggeilavmeqa („repromisit“) meint er sicher, einen Taufzusammenhang annehmen zu müssen, und schließt: „Da aber ferner die Kirche unmöglich das einzige Beziehungsobjekt des Glaubensversprechens sein kann, so ist offenbar, dass Marcion in seiner Kirche eine Bekenntnisformel hatte.“461 Vielleicht, so meint Harnack, sei darin sogar die Kirche als Mutter bezeichnet worden.462 Und Apelles habe nach Epiphanius in seinem Panarion (Haer. 44,2) geschrieben: 455 A. v. Harnack, Art. Apostolisches Symbolum, 1896, 752f. Diese Gedanken begegnen bereits in v. Harnacks Antwort auf die Streitschrift Cremers, 1892 (= 1904, hiernach zit.), 272. 456 A. v. Harnack, Art. Apostolisches Symbolum, 1896, 753. Im Jahr 1892 fügte er (ders., Das apostolische Glaubensbekenntniß, 1892, 10) noch an: „Wenn es aus der orientalischen Kirche nach Rom gebracht worden wäre, müßten sich sicherere Spuren desselben im Orient finden, als wir kennen.“ 457 Vgl. dazu weiter unten. 458 Vgl. A. v. Harnack, Entstehung und Entwicklung der Kirchenverfassung und des Kirchenrechtes, 1910, 187–191; vgl. dagegen F. Diekamp, Über den Ursprung des Trinitätsbekenntnisses, 1910, 23–27 (Diekamp hält v. Harnack entgegen, dass man „bei Paulus neben der zweigliedrigen Formel die trinitarische teils ausdrücklich, teils in mannigfachen Anklängen und Anspielungen“ finde [26]); J. Brinktrine, Die trinitarischen Bekenntnisformeln, 1921, 158f. 459 A. v. Harnack, Entstehung und Entwicklung der Kirchenverfassung und des Kirchenrechtes, 1910, 192. 460 A. v. Harnack, Das Alter des Gliedes „Heilige Kirche“ im Symbol, 1922. 461 Ebd., 172. 462 Abwegig wäre es grundsätzlich jedenfalls nicht, den Mutterbegriff für ein Bekenntnis zu postulieren, begegnet uns doch zumindest aus späterer Zeit ein Beispiel durch das Bekenntnis des Ps.-Ath. (BSGR3 § 46); dieses Bekenntnis endet mit: „Credo in Spiritu sancto, in sanctam matrem ecclesiam“);

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oJ Cristo;" ejstaurwvqh ... kai; ejtavfh ... kai; ajnevsth ... kai; ajnevpth eij" to;n oujranovn, o{qen kai; h|ken Folglich dürfe man für das Symbol des Markion annehmen: „Es war dreigliedrig und schloß dem heiligen Geist die heilige Kirche an; es enthielt keine besondere Aussage über den Tod Jesu, sondern begnügte sich mit der Aussage der Kreuzigung; es enthielt Aussagen über das Begräbnis, über die Himmelfahrt und über die Wiederkunft und das Gericht.“463 Harnacks Schlussfolgerung lautet: „Alle diese Merkmale stimmen mit dem altrömischen Symbol frappant zusammen. Also ist der Schluß sichergestellt, dass Marcion entweder dieses Symbol oder ein ihm aufs nächste verwandtes, welches das Glied ‚heilige Kirche‘ enthielt, bereits vorgefunden hat.“464 Allerdings gesteht er zugleich zu, dass „das altrömische Symbol, wie es uns durch Marcell … überliefert ist, in der Zeit zwischen 140 und 220 noch gewisse leichte Modifikationen in jedem der drei Artikel erfahren hat“, fügt dann aber an: „Im Aufriß, Umfang und in allen Hauptpunkten muß es aber schon um das Jahr 140 vollendet gewesen sein. … Die Hypothesen, dass das Glied ‚heilige Kirche‘ im Symbol dem 3. Jahrhundert angehört und dass das altrömische Symbol seine Form bzw. Hauptstücke seines Aufbaus erst in eben diesem Jahrhunderte erhalten hat, werden durch Marcion widerlegt.“465 2) Bleibt noch,466 Harnacks Antwort auf seine zweite Frage zu referieren, bei der sich die beiden Fassungen der Artikel von 1877 und 1896 nur wenig unterscheiden: Zunächst hält Harnack fest, dass trotz der Arbeiten von Caspari „die auffallende Erscheinung, dass die römische Kirche (1896: ällmählich) seit Anfang des 6. Jahrhunderts sich ihr bisher so treu bewahrtes Symbol hat verdrängen und schließlich rauben lassen … bisher noch nicht deutlich in ihren Ursachen erklärt“ wurde.467 Entscheidend sei aber, dass nicht der Textus receptus das altrömische Symbol verdrängt habe, sondern dieses durch das NizänoKonstantinopolitanum geschehen sei.468 Harnack denkt an die Bedrohung der Kirche durch den Arianismus unter Odoaker und den Ostgoten. Warum man dann aber „nach drei Jahrhunderten“ wieder nach einem kürzeren Symbol griff, kann auch er letztlich nicht erhellen. Im Jahr 1896 nennt er als Plausibilitätsarvgl. hierzu J. Lebreton, Mater Ecclesia, 1911, der noch Parallelen aus Autoren des 2. Jahrhunderts aufzählt; vgl. auch P. Drews, Über altägyptische Taufgebete, 1907, 140f. 463 A. v. Harnack, Das Alter des Gliedes „Heilige Kirche“ im Symbol, 1922, 172. 464 Ebd., 173. 465 Ebd. 466 An dieser Stelle soll noch nicht auf die Reaktion Harnacks auf den Vorschlag von Karl Holl und die Arbeiten von Hans Lietzmann eingegangen werden; Harnacks Reaktion wird weiter unten zusammen mit diesen behandelt. 467 A. v. Harnack, Art. Apostolisches Symbolum, 1877, 572. 468 Ebd. (= 1896, 754).

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gument, „dass in Rom noch soviel geschichtliche Überlieferung vorhanden gewesen“ sei, „dass man durch das fränkische Bekenntnis (= durch den Textus receptus, M. V.) an das eigene alte, einst so hochgeehrte erinnert wurde.“469 „Welch ein wunderbarer Gang der Geschichte!“ ruft er im Jahr 1892 aus und fasst damit die Geschichte des Romanums und Apostolikums zusammen: „Die römische Kirche trägt ihr altes Symbol nach Gallien. Dort wird es im Lauf der Zeiten vermehrt. Unterdessen bildet die römische Kirche die Legende von dem strikt apostolischen Ursprung ihres unveränderten Symbols aus. Dann lässt sie es unter dem Druck äußerer Verhältnisse doch fallen, und es verschwindet. Unterdessen dringt das Tochtersymbol von Gallien ins Frankenreich und erobert sich dort den entscheidenden Platz. Das Frankenreich wird zum Weltreich, macht sich zum Herrn von Rom. Rom erhält von dorther sein eigenes Symbol, aber in erweiterter Gestalt, zurück, es nimmt das Geschenk an, verleiht der neuen Form römische Autorität und krönt die Tochter mit der Krone der Mutter, indem es die Legende von dem strikt apostolischen Ursprung auf sie überträgt.“470 Auf Harnacks Schrift „Das apostolische Glaubensbekenntnis“ vom Jahr 1892 reagiert noch im selben Jahr aufgrund des aufgebrochenen sogenannten Apostolikumstreites Hermann Cremer (1834–1903).471 Seine dreigeteilte Widerrede gegen Harnack ist gegliedert in die Hauptpunkte: „I. In dem gegenwärtigen Streite um das apostolische Glaubensbekenntnis handelt es sich weder um neue Ergebnisse, noch überhaupt um Ergebnisse historischer Forschung“.472 „II. Denn die Frage nach der Person Christi oder die Frage, wer und was Jesus ist, kann nimmermehr auf dem Wege und mit den Mitteln historischer Forschung entschieden werden“.473 „III. Ist das die eigentliche Frage, wer und was Christus sei, so richtet sich nach ihrer Entscheidung auch die Kritik des Symbols“.474 In seinem ersten Teil widerspricht Cremer zumeist in Details den apodiktischen Urteilen Harnacks und moniert vor allem, dass dieser die vorsichtigen Hypothesen Casparis zumeist in feste Behauptungen umgegossen habe. Vor allem geht es Cremer um die Frage, ob Harnacks Behauptung, „das alte römische Symbol“ sei erst um oder kurz vor der Mitte des zweiten Jahrhunderts entstanden, „über das Maß der zulässigen Genauigkeit in der Formulierung der Ergeb-

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A. v. Harnack, Art. Apostolisches Symbolum, 1896, 754. A. v. Harnack, Das apostolische Glaubensbekenntnis, 1904 (1892), 237 (ebd. 238f.) auch zur weiteren Entwicklung des Symbols im Mittelalter. 471 H. Cremer, Zum Kampf um das Apostolikum, 1892. 472 Ebd., 3 (die Antwort: 3–32). 473 Ebd., 32 (die Antwort: 32–41). 474 Ebd., 41 (die Antwort: 41–56). 470

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nisse wissenschaftlicher Forschung hinaus(geht)“ oder nicht.475 Nach Cremer lässt sich über den Zeitpunkt der Entstehung nichts sagen, nur wann die Formel „schon vorhanden gewesen sei“, könne bestimmt werden. Nach Tertullian sei dies „um die Mitte des 2. Jahrhunderts“ der Fall gewesen.476 Was die inhaltliche Bestimmung und Deutung des im Symbol Gesagten betrifft, will Cremer als hermeneutischen Schlüssel „die neutestamentlichen Schriften an die Hand geben“,477 wogegen sich Harnack insbesondere in Bezug auf die beiden Theologumena des Descensus und der Communio Sanctorum wendet.478 Einen der Hauptdissense („der eigentlich entscheidende Punkt“479) aber bildet die Stellung zur Empfängnis aus dem Heiligen Geist und der Geburt aus der Jungfrau.480 Nach Cremer stimmt das Symbol mit dieser Doppelaussage überein „mit dem Glauben der Urgemeinde“, denn es sei nie eine „innerkirchliche Ablehnung“ diesbezüglich lautgeworden.481 Letztlich nähre sich diese Aussage aus dem Glauben an die „Gottheit Christi“.482 In seinem Schlussplädoyer zum ersten Teil schließt er sich darum auch Caspari an und verweist darauf, dass das Apostolikum in das apostolische Zeitalter zurückreiche.483 Harnack bedauert in seiner Gegenrede gegen Cremer insbesondere die Kontroverse um die Geburt aus der Jungfrau: „Erstlich will er (sc. Cremer, M. V.) auch hier eine historisch-kritische Frage überhaupt nicht wahrnehmen und hat für das Gewissen des Historikers keine Nachempfindung, zweitens spielt er die ganze Frage sofort auf das Gebiet der Christologie und zwar der Präexistenz über.“484 Harnack weist nun darauf hin, dass Präexistenz und Geburt des Sohnes Gottes durch das Wirken des Geistes aus der Jungfrau Maria „ursprünglich zwei verschiedene, sich widersprechende Überzeugungen oder sich widersprechende Versuche sind, das wunderbare Wesen Jesu zu entschleiern.“485 Zwar seien sie nachträglich harmonisiert worden, doch wer ursprüng lich das eine lehrte, habe nicht das andere geglaubt und umgekehrt. Letztlich dürfe man eine historische Frage nur historisch, nicht dogmatisch beantworten.486 475

Ebd., 4f. Ebd., 5. 477 Ebd., 15. 478 A. v. Harnack, Antwort auf die Streitschrift Cremers, 1904 (1892), 276–280. 479 H. Cremer, Zum Kampf um das Apostolikum, 1892, 23. 480 Vgl. zur Stellung v. Harnacks: H. M. Köster, Die Jungfrauengeburt als theologisches Problem seit David Friedrich Strauß, 1969, 44f. (Abhängigkeit v. Harnacks von D. F. Strauß). 481 H. Cremer, Zum Kampf um das Apostolikum, 1892, 23. 482 Ebd., 28. 483 Vgl. H. Cremer, Zum Kampf um das Apostolikum, 1892, 31. 484 A. v. Harnack, Antwort auf die Streitschrift Cremers, 1904 (1892), 284; vgl. A. Ziegenaus, Die Jungfrauengeburt im Apostolischen Glaubensbekenntnis. Ihre Interpretation bei Adolf von Harnack, 1989. 485 A. v. Harnack, Antwort auf die Streitschrift Cremers, 1904 (1892), 285. 486 Hierauf geht A. v. Harnack ebd., 287–298 eigens zum Schluss seiner Replik ein; dies trägt aber nichts für die Frage nach der historischen Entstehung des Bekenntnisses aus. 476

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Der wohl wichtigste Beitrag zum „Kampf um das Apostolikum“ kommt von Theodor Zahn (1838–1933), auch wenn er von seinem Autor gerade nicht als Beteiligung an diesem Streit betrachtet wird.487 Doch das Erscheinungsjahr 1893 und die Ausführungen zu Beginn belegen, dass Zahn auch nicht unter Absehung der durch Harnack losgetretenen Streitigkeiten geschrieben hat: „Was ich hiermit veröffentliche, soll keine Streitschrift sein; und auch auf einen Wettstreit mit den über Nacht wie Pilze aus der Erde schießenden Broschüren über das Symbolum konnte ich mich nicht einlassen. Als der Kampf ausbrach, war ich mit sehr andersartigen Arbeiten beschäftigt … Wenn ich trotzdem dem dringenden Wunsch von Männern, denen ich ein Urtheil über die Nützlichkeit des Unternehmens zutrauen muss, zögernd nachgebe und in dieser Sache ein Wort sage, so geschieht es unter dem Eindruck, dass es in den weiteren Kreisen der Theologen an der in den langen Zeiten des Friedens wie in den Tagen heißen Streites gleich sehr erforderlichen Kenntnis der Sachen fehlt.“488 Zahn hat demnach keine Streitschrift verfasst, jedoch eine Schrift zur Sache, um die sich der Streit dreht. Wie weiter oben bereits öfter vermerkt, gehören Zahns Ausführungen strenggenommen in die Ausführungen zu Harnack, da dieser wiederholt Erkenntnisse Zahns bereits berücksichtigt und z. T. zu widerlegen bemüht ist. Andererseits fällt Zahns wichtigster Beitrag zum Apostolikum in das Jahr 1893 und findet später noch Fortsetzungen bis gegen Ende des ersten Jahrzehnts im neuen Jahrhundert. Dieser zeitliche Aspekt mag es rechtfertigen, wenn hier Zahn nach Harnack betrachtet wird. Einen ersten Beitrag zur Entstehungsgeschichte des Apostolikums liefert Zahn mit seiner Markellmonographie.489 Zahn ist in diesem Werk der Meinung, Markell habe seinem Brief an Julius „eine Glaubensregel einfachster Form“ einverleibt.490 Ja, die so entstandene Glaubensregel und dieses Bekenntnis sei das „römische Bekenntnis Marcells“.491 In der positiven Darlegung von Markells Glauben in seinem Brief stehe das „eigentliche Glaubensbekenntnis“, offenbar die „Glaubensregel einfachster Form“.492 Inwieweit Zahn diese Glaubensregel mit dem altrömischen Bekenntnis identifiziert, wird nicht deutlich. Ein zweiter Beitrag Zahns zum Apostolikum fällt in das Jahr 1881.493 Um seine Stoßrichtung zu verstehen, ist ein kurzer Rückblick vonnöten: Seit Lessing und vor allem im Gefolge von Delbrück hatte es sich eingebürgert, zwischen Glaubensregel und Taufbekenntnis oder Symbol zu unterscheiden. Ein 487

Th. Zahn, Das apostolische Symbolum, 1893, 1. Ebd. 489 Th. Zahn, Marcellus von Ancyra, 1867. 490 Ebd., 71; vgl. hierzu M. Tetz, Zum altrömischen Bekenntnis, 1984, 112, der an dieser These weiterschreibt. 491 Th. Zahn, Marcellus von Ancyra, 1867, 91; vgl. ebd., 135f. 181. 183. 492 Ebd., 181f. 71. 493 Th. Zahn, Glaubensregel, 1881; eine gute Zusammenfassung der Positionen Zahns gibt U. Swarat, Alte Kirche und Neues Testament, 1991, 352–371. 467–472. 488

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klassisches Beispiel stellt Eduard Güder (1817–1882) dar. In seinem Artikel „Glaubensregel“ vom Jahr 1856 heißt es: Die „regula fidei (will) vom Begriffe des kirchlichen Symbols bestimmt unterschieden seyn. Sie ist als solche nicht ein formulirter Zusammenschluß des göttlichen Offenbarungsgehalts mit confessorischer Abzweckung. Sie darf nicht mit dem Bekenntniß verwechselt werden, dessen successive Entwickelung aus dem Taufmandat Matth. 28,19. zu seiner nachherigen Ausgestaltung vorzugsweise als das Werk des dritten Jahrhunderts zu betrachten ist. Sie existirt überhaupt nicht in irgend welcher, von kirchlicher Seite adoptirten schriftlichen Verfassung, noch liegt sie in der Tradition, darin sie ihre Wurzel und ihren Bestand hat, irgendwie fertig und fest ausgebildet, etwa als Formel, vor. … (Sie ist) nichts mehr und nichts weniger als das in der apostolisch-kirchlichen Tradition begründete, kirchliche Gemeinbewußtseyn um die Objekte des christlichen Glaubensinhalts … sie ist die dem sich selbst klaren, kirchlich-gläubigen Bewußtseyn vorschwebende, im Laufe der Zeit bereits zu einer gewissen Festigkeit gelangte, mehr oder weniger fixirte Grundanschauung davon, was den unveräußerlichen Kern … ausmacht.“494 Hatte Walch in seiner Symbolbibliothek noch keine Unterscheidung zwischen Glaubensregel und Symbol angebracht, ist in Güders Artikel unverkennbar der Niederschlag der oben skizzierten Auseinandersetzung seit Lessing zu erkennen. Gegen diese Differenzierung, die das Gemeinbewusstsein als den Sitz im Leben der Glaubensregel begreift und das Symbol in Katechese und Taufe ansiedelt, macht Zahn auf Irenäus aufmerksam, der in Adversus haereses (I 9,4) davon spreche, dass man den „Kanon der Wahrheit“ durch die Taufe empfange.495 Ähnlich wie Irenäus äußerten sich auch Rufin, Augustinus und Tertullian. Zahns Schlussfolgerung der Gleichsetzung von Glaubensregel und Taufsymbol lautet in bewusster Anknüpfung an die ältere Forschung: „Die Glaubensregel ist das Taufbekenntniß der alten Kirche, ist das s. g. apostolische Symbolum in seiner ursprünglichen, im Vergleich zu der später herrschenden Form um einige wenige Stücke ärmeren Gestalt. … Und in der That, zieht man ab, was bei den verschiedenen Schriftstellern oder in den verschiedenen Relationen desselben Schriftstellers mannichfaltig lautet, was also auf Rechnung der je nach dem obwaltenden Gegensatz oder Lehrzweck frei gestaltenden Hand des Schriftstellers kommt, so bleibt nichts übrig als gewisse Sätze des apostolischen Symbolums, 494

E. Güder, Art. Glaubensbekenntnis, 1856, 179f.; etwas präziser (unter Aufnahme von Casparis Betonung des Taufsymbols) formuliert er in seinem Artikel vom Jahr 1879: „Die regula fidei als solche ist nicht ein fixirter und kirchlich adoptirter Zusammenschluss des aus den Heilstatsachen resultirenden Offenbarungsgehaltes mit konfessorischer Abzweckung. Sie will sorgsam unterschieden sein von dem durch die Kirche sanktionirten Taufbekenntnis, dessen successive Entwickelung aus dem Taufmandat Matth. 28,19 bis zu seiner schließlichen Ausgestaltung sich mit erträglicher Sicherheit vom nachapostolischen Zeitalter an bis zum 5. Jarh. verfolgen lässt. ... (Sie ist) nichts mehr und nichts weniger als eine Ausprägung des kirchlichen Gemeinbewusstseins um die Objekte des christlichen Glaubensinhaltes ... die noch flüssige, nach Maßgabe der häretischen Zeitgegensätze modifizirte Darlegung dessen ..., was den unveräußerlichen Kern ... ausmacht. 495 Th. Zahn, Glaubensregel, 1881, 309.

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zum Theil in buchstäblicher Genauigkeit. Und dennoch sollte nicht dies Taufbekenntniß, sondern die schattenhaft unbestimmte Gestalt eines Doppelgängers die Glaubensregel sein?“496 Die große Varianz der Glaubensregel schreibt Zahn demnach den verschiedenen Autoren und den Zeitumständen zu. Die Arkandisziplin lässt er als Argument nicht gelten.497 Letztlich seien die unterschiedlichen Redeweisen der Kirchenväter „Variationen“ des einen „immer wieder hindurchklingenden Thema“, wobei er mit „Thema“ beschreibt, was Güder als „Glaubensregel“ bezeichnet hat.498 „Nur die Ketzer haben Glaubensregeln; und eben darum, weil eine und dieselbe Glaubensregel im ganzen Umfang der Kirche im Munde aller rechtmäßigen Lehrer und in den Herzen aller Gläubigen lebt und seit unvordenklichen Zeiten gelebt hat, ist sie das Einheitsband der äußerlich zerstreuten und zusammenhanglosen Kirche.“499 Auf eine wichtige Konsequenz aus der Identifizierung von Regula fidei und Taufbekenntnis bei Zahn hat Uwe Swarat aufmerksam gemacht: „Dadurch … ist es ihm (sc. Zahn, M. V.) möglich, das apostolische Symbol mit großer Sicherheit über d. J. 250 hinauf bis mindestens um d. J. 180 zurück zu verfolgen. Über das römische500 Bekenntnis vor 250 sind zwar keine Nachrichten überliefert, aber Zahn meint es aus den Symboltexten der mit Rom eng verbundenen Kirchen von Nordafrika und Südgallien rekonstruieren zu können. Diese Symboltexte wiederum werden aus den übereinstimmenden Teilen der verschiedenen Reproduktionen der regula fidei bei Tertullian (für Nordafrika) und bei Irenäus (für Südgallien) wiederhergestellt. Das Ergebnis lautet, dass die Symbole von Karthago und von Lyon um 180–210 mit dem Romanum (aus der Zeit von 250–450) völlig übereinstimmen – mit der einzigen Ausnahme, dass man im 1. Artikel den Vaternamen Gottes nicht nannte und dafür dessen Einzigkeit betonte!“501 Da Zahn das Pseudo-Hippolytum Contra Noetum für authentisch hält, meint er, diese Variante finde sich ebenfalls bei den gegen Noet um 180–190 in Smyrna versammelten Presbytern und „habe als die ursprüngliche Form des Symbols zu gelten. In die bekannte Gestalt des Ro496 Ebd., 307f.; ganz ähnlich noch ders., Art. Glaubensregel, 1899, 686 (er fügt hinzu: „Die angebliche Zwischenstufe zwischen dem Symbolum selbst ... und jenen je nach dem Anlaß und Gegensatz verschieden gearteten und accentuierten Reproduktionen der Hauptstücke des Christenglaubens, welche dieselben Schriftsteller gleichfalls als regula fidei bezeichnen, ist ein unfaßbares Ding und eine müßige Erfindung“); A. v. Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte, 1886, 257f.1 greift Zahns Zuordnung von Glaubensregel und Taufsymbol ausdrücklich auf, präzisiert diese aber in einer Weise, die die von Zahn vorgenommene Identifizierung gerade aufhebt (ebd., 2633): „Nicht ist das Taufbekenntniss als der Niederschlag aus schwankenden Glaubensregeln entstanden, sondern diese sind das exponirte Taufbekenntniss ... ein fest formulirtes und dabei bestimmt interpretirtes apostolisches Lehrbekenntnis“ (die erste Kursivstellung von mir, M.V.), vgl. U. Swarat, Alte Kirche und Neues Testament, 1991, 364f. 497 Th. Zahn, Glaubensregel, 1881, 315. 498 Ebd., 308. 499 Ebd., 307f. 500 Vgl. zur Frage der ursprünglichen örtlichen Herkunft des apostolischen Symbols nach Zahn weiter unten! 501 U. Swarat, Alte Kirche und Neues Testament, 1991, 357.

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manums … sei es in Rom unter Bischof Zephyrin (198–217) zur Abwehr des Monarchianismus umgeändert worden. Auch das ‚eingeborener‘ des 2. Artikels habe man erst damals aufgenommen“.502 Die Frage nach dem tatsächlichen Alter des Romanums beantwortet Zahn – wie nach ihm A. v. Harnack503 – mit dem Hinweis auf Markion, der nach der Gestalt, die er Gal 4,26 gegeben habe („Unser aller Mutter, die uns hineingebiert in die heilige Kirche, zu welcher wir uns bekannt haben“), erkennbar das römische Symbol mit den Worten „eine heilige Kirche“ für die Zeit um 145 bezeuge.504 Auch Justin stehe als Zeuge für das römische Bekenntnis, so dass deutlich werde, dass das „in wesentlichen Stücken identische Taufbekenntnis, welches Justin um 130 in Ephesus gelernt und Marcion um 145 in Rom bekannt hat, spätestens um 120 irgendwo entstanden“505 sei und als die „Mutter aller Taufbekenntnisse – auch der orientalischen – zu gelten“ habe.506 Wichtig ist Zahn das „irgendwo“. Denn er erhebt Einspruch dagegen, „dass man das sogenannte ‚apostolische Symbolum‘ ein römisches oder neurömisches nenne“.507 Bei dieser vorläufigen Datierung bleibt Zahn allerdings nicht stehen. In seiner Schrift zum apostolischen Symbol zieht er vor allem die bekenntnisartigen Formulierungen der Timotheusbriefe heran, die er für paulinisch hält, und zieht den Schluss, dass es bereits um das Jahr 50/51 bei „der von Antiochien ausgegangenen Mission ein mehr oder weniger fest formulirtes Taufbekenntnis gab“.508 „Seine Übersicht zur Entstehungsgeschichte des apostolischen Symbols beendet Zahn also mit dem Ergebnis, dass das Apostolikum dem wesentlichen Inhalt und seinen charakteristischen Grundformen nach aus der paulinischen Zeit stammt, mithin das älteste Glaubensbekenntnis der Christenheit darstellt.“ Damit geht er in seiner darum auch inhaltlich wohl nicht zufällig Caspari gewidmeten Schrift noch über dessen zeitliche Ansetzung zurück. 502 Ebd.; dieser These Zahns, die sich u.a. auf das von Euseb. Caes., Hist. eccl. V 28,3–6 zitierte „Kleine Labyrinth“ stützt, schließt sich u.a. ausdrücklich an: P. Batiffol, Le Symbole des Apôtres, 1894, 49; ders., Art. Apôtres (Le Symbole des). Son histoire, 1901, 1670f.; auch J. Haußleiter, Trinitarischer Glaube und Christusbekenntnis in der alten Kirche, 1920, 95–103; vgl. auch S. Baeumer, Das Apostolische Glaubensbekenntnis, 1893, 114–127; bestritten wird sie durch Mausbach, Hat Rom im 3. Jahrhundert sein Symbolum geändert?, 1895 und W. Sanday, Recent Research, 1899/1900, 22, der vielmehr annimmt, daß das Bekenntnis ursprünglich ohne das Zahlwort „eins“ vor Gott und ohne „Vater“ und „Schöpfer des Himmels und der Erde“ gelautet habe, da diese Glieder erst durch die gnostische Kontroverse in es hineingekommen seien; vgl. hierzu auch J. de Ghellinck, L’histoire du symbole des Apôtres, 1928, 122–125. 503 Vgl. weiter oben. 504 Th. Zahn, Das apostolische Symbolum, 1893, 31f.; ders., Geschichte des Neutestamentlichen Kanons II/1, 1890, 502f. 505 Th. Zahn, Das apostolische Symbolum, 1893, 37. 506 U. Swarat, Alte Kirche und Neues Testament, 1991, 358. 507 Th. Zahn, Neuere Beiträge zur Geschichte des apostolischen Symbolums, 1896, 28; vgl. ders., Das apostolische Symbolum, 1893, 7. 20–30. 44f. 508 Th. Zahn, Das apostolische Symbolum, 1893, 43.

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Neben diesen größeren Entwürfen zu einer grundsätzlichen Betrachtung der Entstehung des Apostolikums und seiner Vorformen treten um die Jahrhundertwende (neben solchen zum sog. Athanasianum509) eine Vielzahl wissenschaftlich weniger bedeutende510 und eher allgemeinbildende Publikationen,511 von denen ich hier absehe; es finden sich aber auch Forschungsüber-

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Aus der Vielzahl sei hier nur G. D. W. Ommanney, A Critical Dissertation on the Athanasian Creed, 1897 genannt, weil der Verfasser eine Fülle von Hss. gesammelt hat, die mittelalterliche Auslegungen von Bekenntnissen (nicht nur des sog. Athanasianum) bieten. 510 Zu denken ist etwa an A. G. Mortimer, The Creeds, 1902, der i. w. die Ergebnisse von Ch. A. Heurtley, A. v. Harnack, Th. Zahn u.a. eklektisch wiederholt; ähnlich auch H. Mosmans, Het Symbolum der Apostelen, 1905; vgl. auch C. Fouard, Saint Pierre, 1886, 304–328 (vgl. 4. Aufl., 1894, 277–299), durch den deutlich wird, dass auch katholische Forscher von der früheren Position abweichen und vom legendären apostolischen Ursprung des Apostolikums Abstand nehmen; gleichwohl bemüht er sich, die Angaben bei Rufin mit der aktuellen historischen Forschung zu harmonisieren (Entstehung in Rom unter Beteiligung des Petrus ohne exakte Kenntnis des Inhalts; das Apostolikum als „le fruit et l’abrégé“ der apostolischen Lehre [ebd. 328]; die Formulierungen des Bekenntnisses unterliegen im Laufe der Zeit und im Unterschied zur Schrift Veränderungen); vgl. auch J. Probst, Liturgie der drei ersten christlichen Jahrhunderte, 1870, 47. 63. 208; ders., Lehre und Gebet, 1871, 71ff.; ders., Geschichte der katholischen Katechese, 1886, 21–23; ders., Liturgie des vierten Jahrhunderts, 1893, 245. 273. 432; Probst geht gelegentlich auf das apostolische Bekenntnis ein und bringt dieses in Verbindung mit der Katechese, während die Glaubensregel s. M. nach die dogmatische Richtschnur für die Predigt gebildet habe; vgl. ders., Katechese und Predigt, 1884, 96–107. 511 Eine auf Harvey und Heurtley basierende Einführung für Studenten mit Darbietung des angelsächsischen Forschungsstandes (Arbeiten von Caspari, v. Harnack u.a. fehlen) veröffentlicht der in Durham lehrende C. Callow, A History of the Origin and Development of the Creeds, 1899; Einführungen auf derselben Basis wie Callow für das nichtwissenschaftliche Publikum liefern H. C. Beeching, The Apostles’ Creed, 1905; E. C. S. Gibson, The Three Creeds, 1908; Fr. Lahusen, Das apostolische Glaubensbekenntnis, 1909; die Erkenntnisse von Caspari sind berücksichtigt bei Ph. Schaff (1819–1893), A History of the Creeds of Christendom, 1877, 14–23; ders., The Creeds of the Greek and Latin Churches, 1877 (vgl. zu Ph. Schaff jetzt J. H. Leith, The Creeds of Christendom ... by Philip Schaff, 1988); Kattenbusch und von Harnack verarbeitet A. Stewart (1847–1915), Creeds and Churches, 1916, 42–52; mehr als eine Einführung bietet S. G. Green, The Christian Creed, 1898. Ein außergewöhnliches Werk bietet W. A. Curtis, A History of Creeds and Confessions of Faith, 1911, der auch auf das Thema nichtchristlicher Bekenntnisse eingeht, vgl. die Rez. dieses Werkes bei F. Kattenbusch, 1915, 313f. „Es gibt eine Uebersicht über alles, was in der Religionsgeschichte ein ‚Bekenntnis‘ darstellt. Natürlich ein solches in literarischer, oder doch in Worte (eine Formel) gefaßter Art“ (313). Anders als der Titel erwarten lassen könnte, stellt H. A. Stimson, The Apostles’ Creed in the Light of Modern Discussion, 1898 keine historisch-dogmatische Untersuchung dar. Ein Kuriosum besonderer Art ist Fr. Thudichum, Kirchliche Fälschungen. I. Glaubensbekenntnisse der Apostel und des Athanasius, 1898; ein anonymer Rezensent schreibt in einer ausführlichen Antwort in: Historisch-Politische Blätter für das katholische Deutschland 123 (1899) 132–144, 132: „Es ist nicht das erstemal, daß der genannte Professor durch seine unfreiwillige Komik dazu beiträgt, daß in der wissenschaftlichen Welt die Heiterkeit nicht ausstirbt.“ J. Kunze urteilt in seiner Rezension (1899): „Es berührt geradezu peinlich, bei einem Professor des Kirchenrechts (Tübingen) eine so totale Abwesenheit kirchengeschichtlicher Kenntnisse konstatiren zu müssen, wie in dieser Schrift, deren massgebende Quelle Schröckh’s ‚grossartige, unerreichte‘ (S. 67) Kirchengeschichte 1772ff. ist.“ Seine (allerdings nennenswerte) These lautet: Das apostolische Symbol ist „eine Fälschung“ und „Erfindung Roms aus dem 5. und 6. Jahrhundert“ (20f.). Berechtigt ist seine Frage: „Wenn der Bischof von Rom und seine abendländischen Untergebenen damals ein Bekenntnis besaßen, welches von den Aposteln selbst herrührte, warum haben sie dies nicht auf den Synoden vorgebracht und gegen das Abweichen davon Verwahrung eingelegt? Sie haben

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blicke512 und solche Beiträge, die sich mit Details beschäftigen,513 von denen manche keinen geringen Einfluss auf die weitere Forschungsgeschichte haben und darum wenigstens genannt werden müssen.514 Außerdem wird die Textbasis durch Neufunde von Symbolen und Symbolauslegungen erheblich verbreitert,515 die nur zum Teil Eingang in neue Symbolsammlungen finden werden.516 Zunächst ist an den bescheidenen, wenn auch nicht zu übersehenden Beitrag zur Geschichte des Apostolikums von John Baron (1807–1885) aus dem Jahr 1885 zu erinnern.517 Über Heurtley hinaus will er zeigen, dass das Apostolikum und das Nizänum der griechisch-orthodoxen Liturgie (er meint also das NizänoKonstantinopolitanum) sich nicht nur als zwei Typen verschiedener Entwicklungen aus einem gemeinsamen Fundament heraus harmonisieren lassen, sondern „that the Apostles’ and Nicene Creeds are identical, the Nicene Creed es nicht gethan, sondern die Beschlüsse von Nicäa-Konstantinopel im ganzen 4. und 5. Jahrhundert anerkannt“; zur Explanatio, die Rufin zugeschrieben wird, urteilt Thudichum: „Die Schrift rührt gar nicht von Rufinus her, sondern ist im Auftrag Roms mit feinster Berechnung angefertigt“ (47). 512 Vgl. B. Dörholt, Das Taufsymbol, 1898 und ders., Art. Apostolisches Glaubensbekenntnis, 1907; ders., Art. Symbolforschung, 1912; vgl. A. Vacant, Art. Apôtres (Symbole des), 1901, der meint, man könne über die Vorgeschichte des spätestens in der Mitte des 2. Jahrhunderts anzusetzenden römischen Symbols nicht mehr Sicheres ausmachen, als dass es auf die trinitarische Formel zurückgehe, über die hinaus zur Zeit der Apostel wohl auch nichts gefordert war (ebd., 1674f.); einen Überblick über die neuere Forschung gibt auch G. Semeria, Dogma, Gerarchia e Culto, 1902, 315–336. 513 Weniger bedeutend und nicht unkritisiert ist etwa H. Windisch, Taufe und Sünde, 1908 (die Problematik dieses Buches geht aus den Randnotizen von Rudolf Bultmann in dessen Handexemplar hervor, das in der Seminarbibliothek Evangelische Theologie, Universität Mainz aufbewahrt wird); auffallenderweise befasst sich A. F. v. Stromberg, Studien zur Theorie und Praxis der Taufe in der christlichen Kirche der ersten zwei Jahrhunderte, 1913 nicht mit der Taufformel oder den Tauffragen. 514 Zu erwähnen ist etwa: F. C. Conybeare, Die jungfräuliche Kirche (1902; 1905. 1906); Pontius Pilatus im Credo widmen sich T. H. Bindley, ‚Pontius Pilate‘ in the Creed, 1904/1905; J. Böhmer, Zum 2. Artikel des Apostolikums. Auch eine Komma-Frage, 1906; vgl. früher auch M. Morawski, Ueber die Worte: ‚Unter Pontius Pilatus‘, 1895 und später M. Dibelius, „Herodes und Pilatus“, 1915; G. Baldensperger, Il a rendu témoignage devant Ponce Pilate, 1922 (er durchmisst die Strecke von 1Tim 5,12f. zum Apostolikum); St. Liberty, The Importance of Pontius Pilate in Creed and Gospel, 1944; vgl. neuerdings auch R. Staats, Pontius Pilatus, 1987. 515 T. J. Lamy, Concilium Seleuciae et Ctesiphonti habitum anno 410, 1868, col. 27–33. J. L. Jacobi, Eine noch ungedruckte Bearbeitung des Symbols vom Jahre 381, 1884 (vgl. hierzu jetzt M. F. G. Parmentier, Trying to Unravel Jacobi’s Unknown Creed [CPL 1752], 1991); W. M. Petrie Flinders, Gizeh and Rifeh, 1907, 40. Eine herausragende Bedeutung hat Facsimiles of the Creeds from Early Manuscripts. With Palaeographical Notes by the late Dr. Ludwig Traube, 1909. Im Jahr 1913 wurde mit der Publikation eines aus dem 6. Jahrhundert stammenden Papyrus aus der Sammlung der John Ryland’s University/Manchester, in: Monumenta Ecclesiae Liturgica. Vol. I/2, 1913, CCIX der älteste Zeuge des Nizänums aufgefunden; ein koptisches Bekenntnis findet sich in W. E. Crum, Coptic Ostraca, 1902, Nr. 19: „We confess (oJmologei'n) a Trinity which is in a Unity, namely the Father, the Son and the Holy Ghost, three uJpostavsei", of whom one took flesh for our salvation, namely the Son. Yet (ajllav) each one of the uJpostavsei" is a thing apart, not in the others. This is in truth so. A single monarciva, a single pantocracy, a single glory. But (dev) we join with this doxologiva good works (pravxei") for the obtaining of the promises.“ 516 Vgl. etwa die konservative Sammlung von T. Herbert Bindley, The Oecumenical Documents of the Faith, 1899. 517 J. Baron, The Greek Origin, 1885.

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being formed on the same lines and in the same framework as the original Apostles’ Creed, both consisting of twelve articles.“518 Dabei gilt ihm (im Gefolge von Caspari) Markells griechischer Text als der des ursprünglichen Apostolikums, das Apostolikum aber als ein Bekenntnis nicht nur des Westens, sondern ebenso des Ostens, wie umgekehrt das Nizäno-Konstantinopolitanum kein Bekenntnis des Ostens darstelle, sondern „historically and by usage“ ebenso ein solches des Westens sei.519 Schließlich könne das Apostolikum nicht als Kurzform des Nizäno-Konstantinopolitanums betrachtet werden, sondern dieses stelle vielmehr eine bewusste oder unbewusste Erweiterung von jenem wohl mündlich tradierten Apostolikum dar,520 „which is itself an amplification, expansion, development of still earlier forms, which were little more than the shortest possible declarations of faith evolved from the Baptismal Formula ordained by our Lord Himself.“521 Baron nennt gleich vorweg den Schluss aus seiner Beschäftigung mit der Bekenntnisentwicklung, die vornehmlich, was den mittelalterlichen Teil betrifft, in sein Buch Eingang gefunden hat: „The names Eastern and Western Creeds much in fashion with critical writers, though sometimes convenient are often delusive.“522 Auch der vor allem von James Ussher und zugespitzt von Charles A. Heurtley vorgetragenen These, Markell habe das römische Bekenntnis zur Verteidigung seinem eigenen Bekenntnis eingefügt, widerspricht Baron. Zunächst weist er nach, dass Markell, wie sein Wirken auf den Synoden von Ankyra (314) und Nizäa (325) zeigt, hochgeehrt war und keineswegs als heterodox galt. Zweitens sei er erst durch die „Arianer“ unter den Heterodoxieverdacht geraten, nachdem er ein Buch gegen Asterius geschrieben hatte, sei jedoch von der römischen Synode im Jahr 341 zusammen mit Athanasius feierlich für „orthodox“ erklärt worden. „Of course he received the Nicene Creed, which he had assisted in forming, but he naturally gave the older Creed, to shew that he had always been orthodox. The result was that he was solemnly pronounced clear form heresy past and present.“523 Auch auf der Synode von Serdika sei er nochmals mit Athanasius feierlich von der Häresie freigesprochen worden. Schon darum sei es nicht verwunderlich, dass das erstmals von Markell griechisch niedergeschriebene in rudimentärer Form früher mündlich überlieferte apostolische Bekenntnis die Grundlage für die lateinische Tradition im Westen gebildet habe.524

518

Ebd., vi. Ebd., 1. 520 Vgl. ebd., 42. 521 Vgl. ebd., 1f. 522 Ebd., 2; Baron widmet sich in seiner reich mit Faksimilia ausgestatteten Studie ausführlich den insularen Griechischstudien und griechischen Transliterationen der Zeit nach 668. 523 Ebd., 29. 524 Vgl. ebd., 28. 519

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Wilhelm Heitmüller (1869–1926) geht in einer umfänglichen Studie zum Thema „Im Namen Jesu“ auch der Namensnennung im Taufbekenntnis nach.525 Seinem Ergebnis zufolge hat sich noch lange die ursprüngliche „einfache exorzistische Formel“ im frühen Christentum gehalten, bevor sie „durch Zusätze aus der evangelischen Geschichte erweitert wurde“.526 Solche Anreicherungen bei Namensanrufungen seien aber innerhalb der spätantiken Religionen nicht auffallend, da sie sich auch in babylonischen Zaubertexten, bei altägyptischen Magiern wie auch bei Persern und Juden fänden.527 „Die Ähnlichkeit ist geradezu frappant und kann keine zufällige sein. Hier wie dort ist der Zweck der gleiche: den Zauber zu verstärken und die Kraft der Formel zu vermehren.“528 Zumindest eine Wurzel für die Entstehung des Taufsymbols sei in dieser Erscheinung anzutreffen, stelle doch der Name Jesu den „Kristallisationspunkt“ für die Erweiterung der Taufformel dar, die aus der einfachen Formel zu einer trinitarischen wuchs und schließlich durch die Hinzufügungen im zweiten Artikel zum Symbol avancierte.529 Einem anderen Detail im Apostolikum, der Communio sanctorum, widmet sich im Rahmen einer größeren Untersuchung zur „Gemeinschaft der Heiligen“ Johann Peter Kirsch (1861–1941).530 Dabei geht er drei Fragen nach: „Wann und wo ist der Zusatz in das Symbolum hineingekommen? 2. Welches war der genaue Sinn, welcher dabei ursprünglich den beiden Ausdrücken … beigelegt wurde? Welches waren die besondern Motive, die den Zusatz veranlasst haben?“531 Die erste Frage ist schnell beantwortet: „Es steht fest, dass vor dem V. Jahrhundert der Zusatz nirgends bezeugt ist; … endlich, dass unter den abendländischen Symbolen mit voller Sicherheit nur solche aus Gallien ihn… bieten.“532 Erster Zeuge ist Faustus von Reji.533 Kirsch lehnt mit der Argumentation von J. Köstlin534 die These Harnacks ab, dieser Passus sei durch den Einfluss der Katechesen des Cyrill von Jerusalem ins Apostolikum gelangt; er nimmt vielmehr einen gallischen Ursprung an.535 Wegen des späten Auftauchens der „Gemeinschaft der Heiligen“ nimmt er aber (mit Harnack) an, 525

W. Heitmüller, „Im Namen Jesu“, 1903. Ebd., 334; die Durchsetzung dieser These bestätigt H. Frhr. v. Campenhausen, Taufen auf den Namen Jesu, 1979 (1971), 197; zu seiner Kritik an Heitmüllers Vorschlag vgl. weiter unten zu v. Campenhausen. 527 Vgl. W. Heitmüller, „Im Namen Jesu“, 1903, 335. 528 Ebd. 529 Vgl. ebd. 530 J. P. Kirsch, Die Lehre von der Gemeinschaft der Heiligen, 1900, 214–227. 531 Ebd., 215. 532 Ebd., 216. 533 Vgl. ebd. 534 Vgl. J. Köstlin, Gemeinschaft der Heiligen, 1899, 505: „Es bleibt da ganz dunkel, warum und auf welchem Weg die Worte von dort her, wo sie nie ins Symbol kamen, ins abendländische Symbol eingedrungen sein sollten“, „die Beziehung des Niketas zu Cyrill von Jerusalem reicht dazu weit nicht hin“. 535 Vgl. J. P. Kirsch, Die Lehre von der Gemeinschaft der Heiligen, 1900, 217. 526

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dass man zu deren Deutung nicht so sehr auf den Schriftgebrauch zu achten habe, sondern vielmehr die zeitgenössische Literatur des vierten und fünften Jahrhunderts berücksichtigen müsse.536 Nach der übereinstimmenden Auffassung habe die Communio sanctorum keinen sakramentalen Hintergrund,537 sondern bedeute zu dieser Zeit „die innere, religiöse Verbindung der Gläubigen als der Glieder am mystischen Leibe Christi mit den übrigen Gliedern dieses Leibes, besonders mit den auserwählten, vollkommenen Gerechten, welche der Zugehörigkeit zum himmlischen Reiche Gottes absolut sicher sind, und durch ihre Fürbitte den noch auf Erden pilgernden Gläubigen zu Hülfe kommen können.“538 Hermann Jordan untersucht das Apostolikum in metrischer Hinsicht. Bezüglich des altrömischen Textes kommt er zu dem Ergebnis: „Wir haben es … in dem lateinischen Text des apostolischen Symbols mit einem sehr fein zusammengesetzten rhythmischen Ganzen zu tun“,539 während er im Textus re-

536

Vgl. ebd., 220. Ähnlich später auch E. Kähler, Art. Gemeinschaft der Heiligen, 1958, 1349. A. v. Harnack, Das Apostolische Glaubensbekenntniß, 181892, 17. 31 hat diesen Artikel für dunkel erklärt. An eine sakramentale Bedeutung dachte Th. Zahn, Das apostolische Symbolum, 1893, 88f. und an diesen denken später wieder F. J. Badcock, Sanctorum Communio, 1919/1920, 114; W. Elert, Die Herkunft der Formel Sanctorum Communio, 1949; ders., Abendmahl und Kirchengemeinschaft, 1954, 5–16; St. Benko, The Meaning of Sanctorum Communio, 1964, 139 (spricht aber ebd. auch von dem „rapid change in meaning and understanding“ im Mittelalter durch die neue soziale Konnotation als Apposition zu „Kirche“); J. Mühlsteiger, Sanctorum Communio, 1970 (ebd., 132: „Sanctorum communio als Recht der Teilhabe an den Gütern der Heilsgemeinschaft“); H. de Lubac, Credo ... Sanctorum Communionem, 1972, 18–22 (de Lubac folgert hieraus aber auch eine „Interpersonale Bedeutung“); F. E. Vokes, Art. Apostolisches Glaubensbekenntnis, 1978, 550; P. O’Callaghan, The Holyness of the Church in Early Christian Creeds, 1988, 62f.. J. N. D. Kelly, Altchristliche Glaubensbekenntnisse, 3. Aufl., 1972, 387 weist auf die „fluktuierenden Bedeutungen“ hin, die diesem Ausdruck durch die Zeit der Patristik und des Mittelalters anhafteten: „Soweit es dabei (sc. bei der Verwendung dieses Ausdrucks) um das Bekenntnis geht, (war) die vorherrschende Vorstellung ‚Genossenschaft mit heiligen Personen‘ ..., auf jeden Fall zwischen dem 5. und dem 8. Jahrhundert. Die sakramentale Exegese war die zeitlich spätere und trägt alle Züge des Sekundären“; ähnlich hatte schon P. Althaus, Communio sanctorum, 1929, 8–10 geurteilt. A. Piolanti, Art. Gemeinschaft der Heiligen, 1960, 652 verweist auf die dreifache Bedeutung „Einheit der Gerechtfertigten auf Erden, Einheit mit den jenseitigen Heiligen, Teilhabe an den Heilsgütern der Kirche“; vgl. ders., Il mistero della Communione dei Santi, 1957 (weitere Titel desselben Autors zum Thema finden sich in F. Caraffa, Bibliografia, 1963); ihm schließt sich an W. Popkes, Art. Gemeinschaft, 1976, 1142; H. Kruse, Gemeinschaft der Heiligen, 1993, versteht unter „Heiligen“ die Engel und sieht in Hieronymus (die von G. Morin 1904 veröffentlichte Fides Sancti Hieronymi Presbyteri hält er für ein Eigentum des Hieronymus) den Ursprung für die Verbreitung des Artikels; G. L. Müller, Art. Gemeinschaft der Heiligen, 1995, differenziert zwischen dem eher im Osten anzutreffenden sakramentalen und dem eher im Westen anzutreffenden personal-eschatologischen Verständnis; vgl. auch Müllers breite historisch-systematische Untersuchung zu diesem Thema: Gemeinschaft und Verehrung der Heiligen, 1986, bes. 259–264. 538 J. P. Kirsch, Die Lehre von der Gemeinschaft der Heiligen, 1900, 227. 539 H. Jordan, Rhythmische Prosa, 1905, 35; vgl. bereits F. Kattenbusch, Entstehung und geschichtlicher Sinn des apostolischen Symbols, 1902, 151; Kattenbusch nimmt später von dieser Hypothese zunächst stillschweigend und schließlich ausdrücklich Abstand, vgl. ders., Nachwort, 1923/24. 537

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ceptus Störungen dieses Rhythmus erkennt.540 Die griechische Fassung des Symbols sei „ein nach den Gesetzen der griechischen rhythmischen Prosa der nachklassischen Zeit gänzlich unrhythmisches Gebilde,“541 woraus Jordan schließt, dass der lateinische Text das Original, der griechische die Übersetzung sei!542 Insgesamt scheint ihm der Text um das Jahr 200 in Rom entstanden zu sein.543 Einige Jahre später kommt er auf das Apostolikum zurück. Die christliche Bezeichnung „symbolum“, die mit dem dritten Jahrhundert auftauche,544 scheint ihm von den antiken Mysterien entliehen zu sein.545 Das „ältere ‚apostolische Symbol‘“ setzt er in seiner Abfassung erst in die Zeit des zweiten oder dritten Jahrhunderts: „Eigentümlich wird immer bleiben, dass wir die verbale festgeschlossene Formel dieses Symbols erst so spät literarisch fixiert sehen, und dass die Texte und Aussagen der ersten 3 Jahrh. über dieses Symbol sehr stark variieren, weniger in der Substanz, als in der verbalen Formulierung. … Von diesem Gesichtspunkte aus müssen wir durchaus mit der Möglichkeit rechnen, dass die verbale Formulierung des Symbolums, die uns erst das 4. Jahrh. überliefert, erst den endgültigen Bestand im 2. oder 3. Jahrh. erlangt hat, … (und zwar, M. V.) als ‚carmen‘. … Aber auch dieses fest formulierte Symbol war jedenfalls im Abendlande der Anfang weiterer Entwicklung.“546 Eine ganze Reihe von Detailuntersuchungen und Neuveröffentlichungen von Symboltexten und -deutungen, die sich zumeist an die Textfunde von Caspari anschließen (und zum Teil von Kattenbusch initiiert wurden), veröffentlicht über die Jahre Germain Morin.547 Karl Künstle publiziert im Jahr 1900 eine 540

Vgl. H. Jordan, Rhythmische Prosa, 1905, 36; vgl. hierzu allerdings das vernichtende Urteil von W. Meyer, Gesammelte Abhandlungen zur mittellateinischen Rythmik II, 1905, 241: „Die Literatur über den rythmischen Schluß ... ist seit 1893 gewaltig ins Kraut geschossen. Darunter ist nicht viel wohlschmeckendes. Zu dem Übelsten gehört das Neueste: H. Jordan, Rythmische Prosa in der altchristlichen lat. Literatur ... Hiat, Elision, falsche Auflösungen, verbotene Wortgrößen sind ihm gleichgiltig. Die armen Theologen, welche ihr Ohr mit den hier gegebenen Lesestücken martern sollen!“ Abgelehnt wird Jordans These auch von M. Wanach, Die Rhythmik im altrömischen Symbol, 1923/1924; F. Kattenbusch, Nachwort, 1923/24. 541 H. Jordan, Rhythmische Prosa, 1905, 37. 542 Vgl. ebd., 36f. 543 Vgl. ebd., 33–38; ders., Rez. J. Haußleiter, Trinitarischer Glaube (1920), 1921, 105f.; vgl. auch J. Haußleiter, Trinitarischer Glaube und Christusbekenntnis in der alten Kirche, 1920, 93f. 544 Vgl. auch C. Eichenseer, Das Symbolum Apostolicum beim heiligen Augustinus, 1960, 26. 545 Vgl. H. Jordan, Geschichte der altchristlichen Literatur, 1911, 371 (mit Verweis auf F. Nitzsch), so bereits vor diesen Johann Ernst Immanuel Walch. 546 Ebd., 372f. 547 Man vergleiche das Literaturverzeichnis zu Morin; Morin ist auch der erste, der die sog. „Explanatio symboli ad initiandos„ nach einer späten Handschriftennotiz dem Ambrosius zuschreibt; später werden ihn darin H. Frank, Ein Beitrag, 1940; J. Quasten, Baptismal Creed and Baptismal Act, 1951 und R. H. Connolly, The Explanatio symboli ad initiandos, 1952 unterstützen; die Editoren O. Faller (CSEL 73; 1955; vgl. ders., Ambrosius der Verfasser von De sacramentis, 1940) und B. Botte (SC 25bis; 1961) akzeptieren diese Zuschreibung, andere aber lehnen sie mit gewichtigen Argumenten ab, vgl. bereits früher Th. Schermann, Die pseudoambrosianische Schrift „de sacramentis“, 1903; F. Homes Dudden, Saint Ambroise et l’empire romain, Paris 1933, 461f. 541; vgl. auch ders., The Life and Times of

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„Bibliothek der Symbole und Theologischer Traktate zur Bekämpfung des Priscillianismus und westgothischen Arianismus aus dem VI. Jahrhundert“,548 deren Bedeutung sich am ehesten ermessen lässt, wenn man ihre häufige Nennung in Eligius Dekkers „Clavis Patrum Latinorum“ betrachtet.549 Einen besonderen Fund bietet Orazio Marucchi, der bis heute weithin übersehen wurde. Vom Friedhof der Priscilla bringt er nämlich ein von (Bischof?) Damasus errichtetes Epitaph mit einer Inschrift, die in den ersten fünf Zeilen folgendes römisches Bekenntnis bietet: Qui natum passumq.[ue] deum repetisse paternas sedes adq. iterum venturum ex aethere credit, iudicet ut vivos rediens pariterq.[ue] sepultos, …550 Zu nennen ist weiter die Edition der „Canones Hippolyti“ und der „syrischen Didaskalie“ durch Hans Achelis,551 des „Testamentum Domini“552 und der „Constitutiones Apostolorum“553. Die in diesen Schriften enthaltenen Tauffragen haben insbesondere Ferdinand Kattenbusch, Franz Xaver Funk, Eduard Freiherr von der Goltz und auf diesen antwortend Paul Drews beleuchtet, nachdem bereits Pierre Batiffol auf die Bedeutung vor allem der Ausgabe der „CaSt. Ambrose, 1935 und später: K. Gamber, Geht die sog. Explanatio symboli ad initiandos tatsächlich auf Ambrosius zurück, 1967, 202 (hier und im Lit.-verz. unten auch weitere Lit.): „Die in den Codices Vaticanus, Sangallensis und Lambacensis anonym überlieferten Sermonen ‚Celebrata hactenus mysteria‘ [= Explanatio symboli ad initiandos, MV] und ‚De sacramentis‘ gehen nicht auf Ambrosius zurück, sondern sind Teile der ‚Instructio ad competentes‘ des Niceta von Remesiana. Sie sind dem Liber V und VI dieses für uns in seiner Gesamtheit verloren gegangenen Werkes entnommen“. 548 K. Künstle, Eine Bibliothek der Symbole, 1900; außerdem befasst er sich näher mit Einzelfragen zu spanischen Bekenntnissen in ders., Das Comma Ioanneum, 1905. 549 Vgl. E. Dekkers, Clavis Patrum Latinorum (CChr.SL), 31995, 571–573. 550 O. Marucchi, Christian Epigraphy, 1912, 347 = Ferrua, Epigrammata Damasiana, 1942, 179 (= Nr. 39). Ferrua weist ebd., 179f. allerdings darauf hin, dass diese Zeilen Damasus bisweilen abgesprochen wurden: „Versus 1–5 separavit a ceteris Mai et post eum Rossius, Wilpert, Ihm, quasi alterum carmen, non in SS. Felicem et Philippum, sed explicans picturas quas Rossius cogitavit ab Hadriano I ad Carolum regem scribente (Mansi Concil. XIII 801) commemorari: item et de sancto tertio concilio S. Caelestinus papa proprium suum coemeterium decoravit.“ Gleichwohl sei aber an der Autorschaft des Damasus festzuhalten, da der Text bei allen Abschriften unter einem einzigen Lemma aufgeführt, er also nicht aufgeteilt werde; auch inhaltlich bestehe eine Übereinstimmung zwischen dem bekenntnisartigen Eingangsteil und dem Lob auf die Märtyrer. Außerdem weisen terminologische Übereinstimmungen mit anderen Epigrammata des Damasus auf dessen Autorschaft hin (etwa aether, pariterque). 551 H. Achelis, Die ältesten Quellen des orientalischen Kirchenrechtes I: Die Canones Hippolyti, 1891, 38–137; Achelis macht in diesem Werk erstmals auf die „Ägyptische Kirchenordnung“ aufmerksam, von der E. Frhr. v. d. Goltz, Die Taufgebete Hippolyts und andere Taufgebete der alten Kirche, 1906 vermuten wird, dass sie die Traditio Apostolica des Hippolyt sein könnte; vgl. hierzu (mit weiterer Lit.) P. F. Bradshaw, Art. Kirchenordnungen I, 1989, 667 (vgl. auch weiter unten). 552 Testamentum Domini Nostri Jesu Christi, nunc primum ed., latine reddidit et illustravit I. E. II Rahmani, 1899 (1968), die auf Anraten von F. X. Funk erfolgte, vgl. F. X. Funk, Das Testament unseres Herrn, 1901, 4. 553 Didascalia et Constitutiones Apostolorum II, rec. F. X. Funk, 1905 (1962); vgl. auch J. Leipoldt, Saïdische Auszüge aus dem 8. Buche der apostolischen Konstitutionen, 1904.

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nones Hippolyti“ aufmerksam gemacht hat.554 Batiffol versuchte nämlich zu zeigen, dass sich aus einer Kombination der pseudohippolytischen Tauffragen und Tert., De praescr. 36 bis auf die beiden Termini „Sancta ecclesia“ und „Remissio peccatorum“ das ganze altrömische Symbol herstellen lasse; doch auch diese beiden Theologumena seien der Theologie des zweiten Jahrhunderts nicht fremd.555 Schließlich führte ihn ein Vergleich dieses Symbols mit dem NT zur Aussage: „On peut donc affirmer avec quelque confiance que l’Apostolicum, dans sa forme la plus ancienne, ne dépend pas de la littérature canonique du Nouveau Testament, et est même antérieur à l’évangile de saint Jean“, womit er sich kritisch von Caspari absetzt.556 Erheblich vorsichtiger im Umgang mit den pseudohippolytischen Tauffragen ist Friedrich Loofs. Seines Erachtens steht es „viel ungünstiger“ mit diesen, auch wenn die Annahme, „der ursprüngliche griechische Text habe hier R selbst geboten, nicht ganz unmöglich ist“. Einleitend stellt er aber fest: „Direkte Beweise dafür, dass R schon in dem Jahrhundert vor Marcell … das Symbol der römischen Gemeinde war, haben wir nicht.“557 Es träten aber „zwei sichere indirekte Argumente in die Lücke“, erstens verbürge dies die Tatsache, dass ein griechisches Bekenntnis Roms, „falls es in Rom schon im 3. Jahrh. vorhanden war, zurückreichen muss in die Zeit, bevor das Griechische aufhörte die herrschende Sprache der römischen Gemeinde zu sein, d. h. in die Zeit vor ca. 220“, zweitens bezeugten die Interrogationes de fide bei Cyprian und Tertullian „zweifellos, dass schon die karthagische Symbolformel des endenden 2. Jahrh. eine Tochterformel der römischen gewesen ist“.558 Erkennt man, dass das erste Argument, wie der Nebensatz („falls …“) beweist, zeigen will, was es voraussetzt, bleiben als Stützen für eine Frühansetzung nach Loofs lediglich Cyprian und Tertullian. Die Frage nach der Existenz des Symbols im Osten sei gegenwärtig „die Hauptfrage der älteren Symbolforschung“.559 Von Eusebs cäsareensischem Bekenntnis aus554 P. Batiffol, Le Symbole des Apôtres, 1894; F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol II, 1900, 731–737; F. X. Funk, Die Symbolstücke in der ägyptischen Kirchenordnung und den Kanones Hippolyts, 1899; ders., Das Testament unseres Herrn, 1901; E. Freiherr von der Goltz, Die Taufgebete Hippolyts und andere Taufgebete der alten Kirche, 1906; ders., Neue Fragmente aus der ägyptischen Liturgie, 1909 (ebd., 355f.1 nimmt er zunächst Abstand von der „Zurückführung“ des Taufbekenntnisses wie anderer Bestandteile „jenes Taufbuchs auf Hippolyt„ wegen der Kritik, die P. Drews, Über altägyptische Taufgebete, 1907 gegen ihn vorgebracht hat). Zur inhaltlichen Auseinandersetzung sei an dieser Stelle auf die spätere Diskussion verwiesen, die erst richtig durch die Forschungen von H. Connolly, The So-Called Egyptian Church Order and Derived Documents, 1916 und ders., On the Text of the Baptismal Creed of Hippolytus, 1924 initiiert wurde. 555 Vgl. P. Batiffol, Le Symbole des Apôtres, 1894, 44–47; einige Jahre später verweist er zwar nicht mehr auf die pseudohippolytischen Tauffragen, sieht aber immer noch in Tert., de praescr. 36 „le symbole romain dans sa substance“, so ders., Art. Apôtres (Le Symbole des). Son histoire, 1901, 1671. 556 P. Batiffol, Le Symbole des Apôtres, 1894, 50; von dieser Frühdatierung nimmt er später Abstand und setzt das Bekenntnis mit v. Harnack in die Mitte des 2. Jahrhunderts, vgl. ders., Art. Apôtres (Le Symbole des). Son histoire, 1901, 1672f. 557 F. Loofs, Symbolik, 1902, 12f. 558 Ebd., 13f. 559 Ebd., 15–25, 15.

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gehend sieht er im Orient Taufbekenntnisse bereits aus dem dritten Jahrhundert. Auch Markell scheint schon ein „heimatliches Symbol gehabt zu haben, das … z. T. … Reminiscenzen an ein“ syrisch-palästinensisches Symbol aufweise.560 Über Irenäus und die Schrift Contra Noetum, die er dem Hippolyt zuschreibt, kommt Loofs bis ins zweite Jahrhundert. Dann aber erhebe sich das „Trilemma“, ob das altkirchliche Taufsymbol in Rom, in Kleinasien oder in Alexandrien entstanden sei.561 Vor allem mit Blick auf Justin und die Ignatianen kommt er zu dem Schluss: „Die erkennbare Geschichte des altkirchlichen Taufsymbols endet also günstigsten Falls in dem Dunkel, das sein Vorhandensein in Kleinasien vor 130 bedeckt. Nicht einmal das lässt sich sagen, ob das Symbol dort gemacht, oder im Verfolg einer weiter zurückliegenden, ins palästinensische oder paulinische Urchristentum zurückreichenden Entwicklung geworden ist.“562 Eine weitere wichtige Neuentdeckung legt im Jahr 1909 Pierre de Puniet vor, nämlich das berühmte liturgische Papyrusfragment von Oxford (oder Papyrus von Dêr-Balizeh), nachdem er sich bereits zuvor in der Diskussion zur Symbolliteratur zu Wort gemeldet hat.563 Dieser Papyrus weist auf einem eigenen Fragmentblatt einen Symboltext auf, dessen Stellung innerhalb der Liturgie umstritten ist. Von der Rubrik darüber ist kaum mehr etwas erhalten. „Die erste noch sichtbare Zeile lässt uns noch die unteren Reste der Buchstaben erkennen, und gegen Schluss ein f, dem noch c. 7–8 Buchstaben folgen mochten; wir dürfen wohl mit Recht f. Pisteuvw eij" qeo;n patevra pantokravtora kai; eij" to;n monogenh' aujtou' uiJo;n to;n kuvrion hJmw'n jIhsou'n Cristo;n kai; eij" to; pneu'ma to; a{ kai; eij" sarko;" ajnavstasi564 aJgiva kaqolikh; ejkklhsiva: t