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German Pages [104] Year 1988
Osterreich Archiv
Erich Zöllner
Der Österreichbegriff Formen und Wandlungen in der Geschichte
Verlag für Geschichte und Politik Wien 1988
SCHRIFTENREIHE DES INSTITUTS FÜR ÖSTERREICHKUNDE Herausgegeben von Erich Zöllner
D e r Band wurde gedruckt mit Unterstützung des Bundesministeriums f ü r Wissenschaft und Forschung.
© 1988. Verlag f ü r Geschichte und Politik Wien Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere f ü r Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Umschlag: Renate Uschan-Boyer Fotosatz und Druck: Druckerei G. Grasl, A-2540 Bad Vöslau ISBN 3-7028-0274-6 Auch erschienen im R. Oldenbourg Verlag München ISBN 3-486-54671-6
INHALT Vorwort
5
2 u r Einfiihrung
7
Ostarrichi
9
Osterlant (Osterland)
12
D e r „Ostergau" — ein Vorläufer Österreichs?
14
Ostmark oder Mark Österreich?
15
Austria
17
Istria — Vorstufe und Vorbild für Austria und Osterreich?
20
Das Schicksal des Namens Noricum
20
Stammesnamen der Wanderungszeit und ihr Niederschlag
24
Herzogtum Osterreich Das Land Osterreich und das Land ob der Enns (Oberösterreich)
27 . . . .
„Königreich Osterreich" — nicht verwirklichte Projekte
29 31
Die „Herrschaft zu Österreich"
35
Haus Österreich
37
Vom Herzog zum Erzherzog Alt- und Neu-Osterreich: eine historische Fiktion und ihre Spiegelung in der österreichischen Heraldik
41
Die österreichischen Ländergruppen des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit
45 48
Der österreichische Kreis
53
Monarchia Austriaca
55
Kaisertum Osterreich
58
Österreichisch-ungarische Monarchie
63
Deutschösterreich oder Österreich? Die Entscheidung über den Namen der Republik
69
Republik Österreich
72
Bundesstaat Österreich. Der autoritäre Ständesstaat 1934—1938
76
Von der „Ostmark" zu den „Alpen- und Donaureichsgauen". Osterreich im Dritten Reich
80
Die Zweite Republik Osterreich
83
Der österreichische Mensch
86
Die österreichische Nation
90
Register
97
VORWORT Mit dem T h e m a dieses Bandes befaßte ich mich unter einem etwas abweichend formulierten Titel in einem Aufsatz, der zuerst in der Friedrich Engel-Janosi gewidmeten Festschrift Histórica (Wien 1965) veröffentlicht wurde. Ein Neudruck erschien in einer Publikation ausgewählter Aufsätze von meiner Feder „Probleme und Aufgaben der österreichischen Geschichtsforschung" (Wien 1984). Ich hatte die Materie in Übungen des Historischen Seminars der Universität Wien mehrfach behandelt; den Teilnehmern fühle ich mich f ü r sehr aktive Mitarbeit und manche Anregungen zu Dank verpflichtet. Die in dem genannten Aufsatz angekündigte „umfangreichere Abhandlung" hat lange auf sich warten lassen. Ich meine, daß ihre Thematik das Interesse geschichtsbewußter Leser finden könnte. Wir wissen, daß die Gegenwartsprobleme unserer Gesellschaft mehrfach historisch bedingt sind; die Untersuchung der sehr verschiedenen Formen und tiefgehenden Wandlungen von U m f a n g und Inhalt des Osterreichbegriffes bedarf einer weder beschönigenden noch verzerrenden Darstellung. D a r u m habe ich mich bemüht. Ich danke dem Verlag f ü r Geschichte und Politik, der soviel f ü r die Erforschung der österreichischen Geschichte geleistet hat, insbesondere H e r r n Dr. Cornides, Frau Dr. Rüdegger und Frau Dr. Pripfl, f ü r die einmal mehr angewandte Sorge und Mühe. Ebenso gilt mein D a n k Frau Dr. Krissl, die mir bei den Korrekturen sehr wertvolle Hilfe leistete. Wien, 1. O k t o b e r 1987
Erich Zöllner
ZUR EINFÜHRUNG Wenn wir uns mit der Geschichte von Staaten befassen, so können wir immer wieder feststellen, daß ein gleichbleibender oder nur wenig variierter N a m e sich auf Gebilde bezieht, die im Laufe von Jahrhunderten sehr erhebliche Veränderungen sowohl ihres geographischen Umfanges wie ihrer staatsrechtlichen Struktur erfahren haben. Man denke an das Römerreich, an die Türkei, an Rußland. O f t kommt es zu Zusammenschlüssen von kleineren Staatsgebilden zu größeren Einheiten, und auch Auflösungs- und Absplitterungstendenzen mögen bald in kürzeren, bald in längeren Zeiträumen wirksam werden; kriegerische Konflikte verändern die politische Landkarte in radikalster Weise. Man vergleiche etwa U m f a n g und Aufbau des römisch-deutschen Reiches der Sachsen-, Salier- und Stauferherrscher mit dem Reich nach dem Dreißigjährigen Krieg, mit dem Deutschen Bund nach dem Wiener Kongreß und mit der Reichsgründung von 1870. Aber konfrontieren wir — um uns auf eine kürzere Zeitspanne beschränken zu können — die italienische Staatenwelt um 1858 mit dem Königreich Italien nach 1870. Die staatliche Einigung ging vom Königreich Sardinien aus, das nach einer Mittelmeerinsel hieß, dessen Residenz Turin aber im Hauptland Savoyen-Piemont und auf dem Festland lag, auf dem ja auch ohne allen Zweifel das politische, militärische und wirtschaftliche Schwergewicht des Staatswesens beruhte. Mit der Herrschaft über die namengebende Insel war aber seit dem Mittelalter ein königlicher Titel verbunden und damit ein höherer Fürstenrang als mit dem Herzogtum Savoyen oder mit der Markgrafschaft Piémont. So nannte sich der gemeinsame Herrscher dieser Gebiete, obgleich dem Hause Savoyen angehörig, König von Sardinien und seinen Staat Königreich Sardinien. Nach der Einigung Italiens aber bezeichnete der N a m e Sardinien nur mehr die Insel, von der er ausgegangen war. Wenden wir uns unserem Thema zu: Wann und wie sollen wir einsetzen, wenn wir die Anfänge des Osterreichbegriffes erkunden wollen? Es gäbe vor allem zwei Einstiegsmöglichkeiten. Bei der einen geht man vom Namen Osterreich aus und versucht, dessen Verknüpf u n g mit den österreichischen Alpen- und Donauländern zeitlich festzulegen. Es wäre natürlich auch denkbar, die historisch-politische Entwicklung in diesem Raum selbst seit dem Aufkommen der ersten nachweisbaren Landschafts-, Stammes-, und Herrschaftsbezeichnungen zu untersuchen. Man müßte dann allerdings etwa ein Jahrtausend früher beginnen. Wir wollen beide Sichtweisen kombinieren; uns 7
zunächst mit dem Werden des Namens Osterreich befassen, aber auch das N a m e n g u t früherer Zeiten berücksichtigen, das nicht ganz unterging, und gelegentlich wieder in historischen oder legendären Traditionen zu neuem Leben erweckt werden sollte.
OSTARRÎCHI In einer U r k u n d e Kaiser Ottos III. f ü r das Bistum Freising, die sich heute im Hauptstaatsarchiv München befindet und das Datum des 1. November 996 trägt, wurde dem Bistum die Schenkung von Besitztümern in N e u h o f e n (in loco Niuuanhova dicto) an der Ybbs verbrieft. Es handelt sich um die „curtis", den H o f , nach dem offenbar die Ortschaft heißt, mit dem dazugehörigen Land im Ausmaß von dreißig Königshufen, ungefähr tausend H e k t a r — also um eine sehr respektable Grundschenkung. Zur Lagebestimmung von Schenkung und Ortschaft dient in der U r k u n d e die Formulierung „in der Gegend, die in der Volkssprache Ostarrîchi heißt (in regione vulgari vocabulo Ostarrîchi . . .), in der M a r k und in der Grafschaft des Grafen Heinrich, des Sohnes von Markgraf Liutpald". Der Urkundentext wurde in zwei Teilen verfaßt, der Großteil (mit den oben erwähnten Ausführungen über die Schenkung) wie andere Herrscherurkunden f ü r das Hochstift von einem Freisinger Schreiber, das „Schlußprotokoll" mit den Unterschriftszeilen und Datierungsangaben von einem N o t a r der kaiserlichen Kanzlei. An der U r k u n d e ist nun überraschenderweise nicht das Siegel von O t t o III., sondern das seines Nachfolgers Kaiser Heinrich II. befestigt; vermutlich ging das Siegel Ottos verloren 1 . Es geschah immer wieder, daß die Empfänger einer von ihnen erbetenen Zuwendung des Herrschers selbst die Arbeit der Be-
1 Drucke der Urkunde: M o n . Germ. Hist. Diplomata reg. et. imp. Germaniae II 2, S. 647, Nr. 232 (abgekürzt: D O III 232); ferner Alphons Lhotsky, Ostarrîchi, Vortrag in der Festsitzung der Osterr. Akademie der Wissenschaften am 21. O k t o b e r 1946, Wien 1947, Neudruck in: Lhotsky, Aufsätze und Vorträge, Bd. 1, Europäisches Mittelalter, Das Land Osterreich, hrsg. v. H a n s Wagner und Heinrich Koller, Wien 1970, S. 242 ff. (in der Folge stets nach dem N e u d r u c k zit.); Leo Santifaller, Uber die Ostarrîchi-Urkunde vom 1. November 996, Wien 1947; Ostarrîchi Gedenkstätte N e u h o f e n a. d. Ybbs (Katalog), hrsg. v. d. Marktgemeinde N e u h o f e n (o. J.), Schriftleitung Anna M. Drabek, Gottfried Stangler, Adam Wandruszka, S. 6 ff. — Z u r Beurteilung des Stückes vgl. noch Heinrich Appelt, Z u r diplomatischen Beurteilung der Ostarrichi-Urkunde, in: Jahrbuch f ü r Landeskunde von Niederösterreich, N. F. 42 (Babenberger-Forschungen, 1976), S. I f f . , Erich Zöllner, 1000 Jahre Österreich? Die Babenberger und ihre Epoche, in: Almanach der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften 126 (1976), S. 237 ff. bzw. in: Erich Zöllner, Probleme und Aufgaben der österreichischen Geschichtsforschung, Ausgewählte Aufsätze, hrsg. v. Heide Dienst und G e r n o t Heiß, Wien 1984, S. 39 ff. (hier nach diesem Neudruck).
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u r k u n d u n g besorgten; derartige „Empfängerfertigungen" sind gerade im Falle vom Freising in der gegebenen Zeit durchaus die Regel; mehr Kopfzerbrechen hat der Forschung die Besiegelung verursacht, doch d ü r f t e die hier in Anschluß an Heinrich Appelt 2 vertretene Annahme eines Siegelverlustes und der Neubesiegelung durch den folgenden Herrscher die plausibelste Erklärung bieten. Für den Nachweis des Landesnamens Osterreich ist diese Unregelmäßigkeit, wenn man sich nicht an ein bestimmtes Datum klammern will, ziemlich belanglos, denn bereits aus dem Jahre 998 gibt es eine einheitlich verfaßte und geschriebene U r k u n d e mit dem f ü r uns wichtigen N a m e n (in der Schreibweise „Osterriche"), der dann in den folgenden Jahren noch mehrfach bezeugt ist 3 . Es werden also Landstriche im Herrschaftsbereich der Babenberger Markgrafen sowohl südlich (996 Neuhofen) wie nördlich der D o n a u (998 Nöchling) mit dem N a m e n „Osterreich" bezeichnet, der einen im Osten gelegenen Herrschaftsbereich charakterisiert, worüber noch einiges zu sagen sein wird. Es fragt sich naturgemäß, ob dieser Landschafts-, später Landesname erst um die Zeit aufkam, aus der die ersten Zeugnisse im Bereich des heutigen Landes Niederösterreich stammen. Für die Bezeichnung des von den Ottonen eroberten Markengebietes an der Donau käme das W o r t etwa seit den siebziger Jahren des zehnten Jahrhunderts in Betracht. Damals war, einige Zeit nach dem Sieg König Ottos I. auf dem Lechfeld bei Augsburg gegen die Ungarn (955) und der Bereinigung italienischer Probleme durch den Monarchen, der 962 in Rom vom Papst zum Kaiser gekrönt worden war, in einer erfolgreichen Offensive das seit Beginn des zehnten Jahrhunderts, insbesondere seit der bayerischen Niederlage gegen die Ungarn bei Preßburg (907), verlorengegangene karolingische Markengebiet (ebenso wie weiter südlich Landstriche an der M u r , der Drau, Save und Sann) zu einem Gutteil zurückgewonnen worden. Unter dem Grafen Burkhard aus der Familie der Burggrafen von Regensburg, nach dessen Absetzung unter den ersten babenbergischen Markgrafen, wurde die M a r k an der Donau eingerichtet und nach Osten erweitert. Im Jahre 991 errang H e r z o g Heinrich von Bayern einen Sieg gegen die Ungarn; damals dürfte man den Wiener-
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Appelt, Z u r dipi. Beurteilung (vgl. oben Anm. 1), S. 3 ff. Vgl. D O III 286 (Kaiser O t t o III. schenkt das Gut Nöchling im Yspertal „in pago quoque Osterriche vocitato" an seinen Vetter H e r z o g Heinrich von Bayern, Rom 998, April 29). — Vgl. zur älteren Geschichte des Namens Osterreich insbes. die Arbeit von Richard Müller, Der N a m e Osterreich, Blätter des Vereins f. Landeskunde v. Niederösterreich, N . F. 35 (1901), S. 402 ff., insbes. S. 418 (Zusammenstellung von Belegen bis 1078). 3
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wald erreicht und überschritten haben; bald drang man bis zu March und Leitha vor. Das W o r t Ostarrichi wurde indessen zur Bezeichnung eines Ostlandes schon viel früher und unabhängig von den Marken des Reiches verwendet. In einer o f t zitierten Stelle der Einleitung seiner Evangelienharmonie nannte der elsässische Mönch Otfried von Weißenburg das ostfränkische Reich Ludwigs des Deutschen Ostarrichi 4 ; in einer lateinischen Anrede an den König bezeichnet er dessen Herrschaftsbereich mit dem Plural als „orientalia regna". In den althochdeutschen Glossen des 9. Jahrhunderts wird das lateinische „oriens" mit „Osterriche" übersetzt. Offensichtlich bezeichnet hier „oriens" — wie auch sonst mehrfach — nicht bloß die Himmelsrichtung, sondern ein Reich, Land oder Gebiet östlicher Lage, das in der deutschen Sprache eben „Osterriche" (Ostarrichi?) heißt. In diesem Sinne wird in den Xantener Annalen der ostfränkische König Ludwig (von den H u m a nisten und später „der Deutsche" genannt) als „rex orientalis" bezeichnet; dieselbe Quelle scheint aber Oriens 868 auch f ü r das südöstliche Markengebiet zu verwenden 5 . Von den Marken im Südosten ist wenig später jedenfalls die Rede, wenn die Annalen von Fulda berichten, daß Karl der Dicke 884 durch Bayern „ad orientem" reiste, oder daß Engelschalk 893 zum Markgrafen „in Oriente" erhoben wurde 6 . So liegt also ein Analogieschluß sehr nahe, daß nicht nur das ostfränkische Reich, sondern auch dessen karolingische Marken im Südosten, die bald dem Ungarnsturm erliegen sollten, im 9. Jahrhundert ebenso wie später die ottonisch-babenbergische M a r k in der deutschen Volkssprache mit dem (dem lateinischen Terminus oriens entsprechenden) W o r t „Ostarrichi" bezeichnet wurden, wenn auch ein ganz eindeutiger diesbezüglicher Quellenbeleg fehlt. Was will die Wortbildung „Ostarrichi" nun besagen? Sie setzt sich aus dem Grundwort richi „Reich" und dem Bestimmungswort ostar „Osten" zusammen, bedeutet also „Ost-Reich", vorsichtiger ausgedrückt: den östlich gelegenen „Bereich" einer Herrschaft oder Landschaft. Dieser kann sich, wie im Falle der Verwendung f ü r das ost4 Otfrieds von Weißenburg Evangelienbuch, hrsg. v. Paul Piper, N e u a u s gabe Hildesheim - N e w York 1982, S. 3. Vgl. hiezu Paul Kretschmer, Austria und Neustria, in: Glotta 24 (1938), S. 2 0 7 f f . , insbes. S. 212 f. 5 Glossae Herradinae, Steinmeyer, Althochdeutsche Glossen III, 406,3. — Annales Xantenses, ad a. 854, 869 (Ludewicus rex orientalis), 868 (quattuor reges regnaverunt in regno quondam Karoli Magni: Ludewicus filius imperatoris Ludewici in oriente et Sclavis, Bevaria, Alemannia et Coria, Saxonia, Suevis, Thoringia et orientalibus Francis cum pago Wormatiensi atque N a m netis . . .) M o n . Germ. Script, in us. Schol. 12, S. 28 bzw. 27. Vgl. Kretschmer, Austria, S. 222. 6 Annales Fuldenses, M o n . Germ. Script, in us. schol., S. 113, 122.
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fränkische Reich Ludwigs des Deutschen, auf eine großräumige Staatsbildung beziehen, wie wir sie heute in der Regel mit dem Begriff „Reich" verbinden, doch m u ß das keineswegs der Fall sein. Zu Ende des 10. Jahrhunderts, als die U r k u n d e f ü r Freising ausgestellt wurde, verband man mit unserem „Ostarrichi", der territorialen Keimzelle des späteren Osterreich, jedenfalls geographische Vorstellungen von bescheidenem U m f a n g . Es kann hier wohl auf ein Gegenbeispiel zu Osterreich hingewiesen werden. Es handelt sich um einen Landschaftsnamen, der gewissermaßen ein „Westreich" bezeichnen soll, den N a m e n des Westrich westlich des Rheines, um Zweibrücken. N a c h Paul Kretschmer mag diese „unpolitische Benennung" einen Restbestand der Bezeichnung einer Herrschaft größeren Umfanges darstellen 7 . Das bleibe jedoch dahingestellt. Eng begrenzt war dagegen jedenfalls stets das „Poigreich" im H o r n e r Becken, ein H e r r schaftsgebiet der Grafen von Poigen und Rebgau im niederösterreichischen Waldviertel, das im 12. J a h r h u n d e r t Gestalt angenommen hatte 8 . Wortverbindungen von „ostar" und „riche" sind natürlich nicht nur aus einer Ostlage im karolingischen oder ottonischen Reich erklärbar; sie reichen in frühere Zeiten zurück, begegnen uns wohl schon im 5. Jahrhundert im Personennamen Ostariccus eines Germanen (Wandalen?) in einer nordafrikanischen Inschrift'. Der deutsche Landesnamen Osterreich wird im Hochmittelalter vorwiegend im juridisch-administrativen Schrifttum, zumeist also in U r k u n d e n verwendet; er blieb keineswegs konkurrenzlos; die Dichtung zog längere Zeit den Namen „Osterlant" vor, dem wir uns nun zuwenden.
OSTERLANT (OSTERLAND) Osterlant ist an sich als alte Bezeichnung des Orients, des Morgenlandes, bezeugt; in diesem Sinne wird das W o r t im 9. Jahrhundert in der Evangelienharmonie Tatians gebraucht 1 0 . Als N a m e n unserer Heimat ist es indessen erst wesentlich später nachweisbar als Ostarrichi (Osterriche usw.); in urkundlichen Quellen scheint es nicht vorzukommen. In der Dichtung, mehr in der Volksdichtung als in der 7
Kretschmer, Austria, S. 229. Vgl. Karl Lechner, Die Babenberger, Markgrafen und Herzoge von Österreich 976—1246, Wien - Köln - Graz 1963, S. 95, 162, 413 Anm. 29. ' Fiebiger-Schmidt, Inschriftensammlung zur Geschichte der Ostgermanen, Wien 1917, S. 42 Nr. 60 bzw. CIL VIII 20.909. 10 Vgl. Müller, Der Name Österreich, S. 409. 8
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höfischen Poesie, überwog zunächst aber Osterlant 1 1 . Dabei werden nicht selten beide Landesbezeichnungen nebeneinander gebraucht, so schon in der Regensburger Kaiserchronik gegen Mitte des 12. Jahrhunderts, im Nibelungenlied und in der „Klage"; das Versepos von Biterolf und Dietleib verwendet ausschließlich Osterlant, während der Wiener Reimchronist Jans Enikel, als er in den achtziger Jahren des 13. Jahrhunderts nach einer Weltchronik sein „Fürstenbuch" als D a r stellung der österreichischen Geschichte verfaßte, sowohl Osterriche wie Osterland vielfach gebrauchte, Osterriche freilich entschieden häufiger. Dieses W o r t gewann nun auch in der Dichtung die Oberhand, recht deutlich zeigt uns das die Steirische Reimchronik Otakars „ouz der Geul". Osterland galt als altmodisch, als überholte Namensform. Man vermutete wohl, daß diese überhaupt älter sei als Osterreich; jedenfalls reihte eine gegen Ende des 14. Jahrhunderts geschriebene Landeschronik des herzoglichen Kaplans Leopold (Stainreuter?) von Wien, die „Chronik der 95 Herrschaften", in der chronologischen Abfolge der (zum Großteil vom Autor erdachten und fabulösen) Landesnamen Osterland nach „Avara" vor Osterreich 1 2 . In der patriotischen Dichtung der neueren Jahrhunderte taucht Osterland als poetisches Synonym f ü r Osterreich noch vereinzelt auf, so in einem Text O t t o k a r Kernstocks, der zeitweilig als Bundeshymne verwendet wurde („. . . Osterland bist Du geheißen . . ."). Die wörtliche lateinische Ubersetzung von „Osterland", nämlich „terra orientalis", wurde von Rudolf IV. (1358/1359) bei der Herstellung gefälschter Kaiserurkunden, des berühmten „Privilegium maius" und anderer Stücke mehrfach verwendet. Sie findet sich aber immerhin schon in der um 1140 verfaßten „Vita beati Altmanni episcopi", der Lebensgeschichte Bischof Altmanns von Passau von der Feder eines Göttweiger Mönches, der in diesem Werk von der „terra, quae nunc orientalis dicitur", von dem jetzt Ost(er)land genannten Lande spricht. Aber in eben diesen Jahren sollte sich „Austria" als offizieller lateinischer Landesnamen entscheidend durchsetzen, während „Osterreich" in der deutschen Volkssprache immer mehr dominierte 13 .
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Müller, Der N a m e Österreich, S. 430, Lhotsky, Ostarrîchi, S. 225. Z u r steirischen Reimchronik vgl. M o n . Germ., Deutsche Chroniken Bd. V / 2 , S. 1297 f. (Register, Osterlant, Osterriche); zur Chronik der 95 H e r r schaften vgl. Konrad Joseph Heilig, Leopold Stainreuter von Wien, der Verfasser der sogenannten Osterreichischen Chronik von den 95 Herrschaften, M I Ö G 47 (1933), S. 225 ff., insbes. S. 239. 13 Vgl. unten S. 18 f. 12
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DER „OSTERGAU" - EIN VORLÄUFER ÖSTERREICHS? Es scheint nicht ausgeschlossen, daß neben Ostarrîchi und Osteri a « noch eine dritte, nach der gleichen Himmelsrichtung geformte Landesbezeichnung germanischer Wurzel zeitweilig in Betracht kam. Ein erheblicher Teil des heutigen Osterreich gehörte bereits im 6. und 7. Jahrhundert zum bayerischen Stammesgebiet. In diesem gab es nun nachweisbar zumindest drei nach Himmelsrichtungen benannte Gaue, deren Namen eindeutig überliefert sind. Es sind dies der Nordgau (nördlich Regensburg), ein Westgau — nicht am Lech, wie man zunächst vermuten könnte, sondern an der Isar, sowie ein Sundergau (Südgau) im bayerischen Seengebiet am nördlichen Alpenrand. Es fehlt aber ein „Ostergau" (Ostgau). Ernst Klebel verwies auf diesen Sachverhalt, der um so merkwürdiger erscheint, als sonst der Osten — die Gegend des Sonnenaufganges und daher mit Symbolwert für Geburt und Leben ausgestattet — bei der Namengebung bevorzugt wird. Klebel vermutete, daß der alte bayerische Ostgau in einem später slawisierten, awarisch beherrschten Gebiet lokalisiert werden könnte 14 . Es gibt nun tatsächlich eine Reihe von urkundlichen Formulierungen, die man als Reminiszenzen an eine derartige ältere Bezeichnung „Ostgau" deuten könnte. So heißt es in der oben erwähnten Urkunde von Nöchling, der Ort sei „in pago quoque Osterriche vocitato", im Gau, den man Osterriche nennt, gelegen. Noch mehrfach begegnen wir in Urkunden des 11. Jahrhunderts einer Bezeichnung Österreichs als pagus. Das deutsche Wort „Ostergau" läßt sich aber als bayerisch-österreichische Landschaftsbezeichnung in frühen Quellen nicht nachweisen. Bei der Nennung eines Ostargouuo in einer Mondseer Tradition von etwa 750 handelt es sich um den Namen eines Mannes, dessen Sohn Wolf ein Grundstück und eine Hörigenfamilie in Ohlsdorf (??) im Attergau damals an das Kloster Mondsee als „Seelgerät" schenkte 15 . Eine späte, mit der heimischen Gotensage und dem mißglückten Versuch einer Etymologie verbundene Nennung des Ostergaus und seine Identifizierung mit Österreich in einer Kremsmünsterer Geschichtsquelle, dem sogenannten Bernardus Noricus, gibt Zeugnis über die Vorstellungen, die man im
14 Vgl. Ernst Klebel, Langobarden, Bajuwaren und Slawen, Mitt. d. Anthropol. Gesellschaft in Wien 69 (1939), S. 41 ff. Hier nach dem Zweitdruck in: Klebel, Probleme der bayerischen Verfassungsgeschichte, München 1957, S. Iff., insbes. S. 57ff. 15 Urkundenbuch des Landes ob der Enns, Bd. 1, Wien 1852, S. 39 Nr. 67. Vgl. Konrad Schiffmann, Hist. Ortsnamen-Lexikon des Landes Oberösterreich 2, Linz 1935, S. 228 (Ohlsdorf). Über die „pagus" Nennungen vgl. die Zusammenstellungen Müllers, Der N a m e Osterreich, S. 418.
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Spätmittelalter mit Österreichs Vergangenheit verband, kommt aber schon aus chronologischen Gründen als Beleg für die Existenz eines Ostergaues nicht mehr in Betracht. Wir lesen hier: „Igitur haec provincia ab incolis Ostrogothia est vocata, id est Ostergau, vel Orientalis, quia versus Orientem sita est, nunc pulchro idiomate Austria, id est Oesterreich"; das heißt also: Deshalb ist dieses Land nach den Einwohnern Ostrogothia genannt worden, also Ostergau (!), oder Ostland, weil es gegen Osten liegt, jetzt aber wird es mit dem schönen W o r t Austria bezeichnet, das ist Osterreich." Die Unsicherheit in der zwiespältigen Erklärung des Landesnamens, sowohl nach den Ostgoten wie lediglich nach der Himmelsrichtung, ist offenkundig 1 6 . Es wäre jedenfalls auch zu erwägen, daß — wie immer man zur Hypothese einer früheren bayerischen Siedlung östlich der Enns stehen mag — jedenfalls der Traungau längere Zeit tatsächlich den bayerischen Ostgau verkörperte und daß der Name des Flusses jenen der Himmelsrichtung verdrängt haben mag oder ihn gar nicht aufkommen ließ 17 . So muß eine Beantwortung der Frage nach dem bayerischen Ostergau und seiner allfälligen Funktion für die Geschichte Österreichs und seines Namens vorderhand sich mit Vermutungen begnügen.
OSTMARK ODER MARK ÖSTERREICH? Sowohl in deutschen wie in lateinischen Wortbildungen wird die karolingische und die altbairische Mark an der Donau als im Osten gelegene Herrschaftsbildung charakterisiert. Eine deutsche Benennung „Ostmark", die man auch erwarten könnte, läßt sich aber nicht nachweisen. Im deutschen Sprachgebrauch verwendete man eben die Landesbezeichnungen Österreich oder — vorübergehend — Osterland; man gebrauchte wohl auch die Formulierung „Mark Osterreich", wie das etwa in einer Urkunde Kaiser Heinrichs IV. zum Ausdruck kommt, wenn im lateinischen T e x t die Bezeichnung „marcha Osterriche" gebraucht wird 18 . Anders als im Falle der Steiermark wurde aber das Wort Mark offenbar nicht zum Grundwort eines
Übersetzung nach Lhotsky, Ostarrîchi, S. 237. Der Name Traungau (Trungou, pagus Drunensis, Trungouue) ist seit den beiden letzten Jahrzehnten des 8. Jahrhunderts belegt. Vgl. Schiffmann, Ortsnamenbuch Bd. 1, S. 217. 18 Mon. Germ. D D , Heinrich IV., Bd. 1 (1941), S. 347, Nr. 241: „in marcha suimet scilicet Osterriche." Die Schenkung bezog sich auf den Rogatschboden westlich Scheibbs, nicht auf das Gebiet von Raabs, vgl. Babenberger-Urkundenbuch, Bd. I V / 1 (1968), S. 26 Nr. 579 (nach Karl Lechner). 16 17
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deutschen Landesnamens Österreichs im Früh- und Hochmittelalter; erst im 19. und 20. Jahrhundert sollte W o r t und Begriff der „Ostmark" von deutschnationalen und konservativen Parteigängern und Organisationen aufgegriffen werden, wobei man natürlich nicht an eine bayerische oder fränkische, sondern vor allem an eine deutsche Ostmark denken wollte. Mehrfach, wenn auch nicht sehr häufig, ist dagegen die lateinische Formulierung „marchia orientalis" belegt. O t t o von Freising, selbst Sohn Markgraf Leopolds III. und Angehöriger des babenbergischen Hauses, sagte vom dritten uns namentlich bekannten babenbergischen Markgrafen Adalbert, mit dem er wie auch andere österreichische Chronisten die Reihe der Markgrafen seines Geschlechts beginnen ließ, daß dieser die den Ungarn entrissene „marchia orientalis" dem Reich einverleibte; er gebraucht die gleiche Formulierung „marchia orientalis" auch in seinem Bericht über die „Umwandlung" der M a r k in ein H e r z o g t u m im Jahre 1156. Auch schon f ü r die karolingische M a r k an der Donau wurde in Salzburger Annalen gelegentlich die Bezeichnung „marca orientalis" verwendet 1 9 . Behaupten indessen konnte sich diese Bezeichnung ebensowenig wie andere Zusammensetzungen, bis knapp vor Mitte des 12. Jahrhunderts ein neuer lateinischer Landesname aufkam, der von Dauer sein sollte. W e n n sich nun, wie ausgeführt, das W o r t „Ostmark" zur Zeit des Bestehens der babenbergischen M a r k an der Donau als Landesname nicht durchsetzen konnte, so besteht doch kein Zweifel, daß der „Markcharakter" des babenbergischen Osterreich, die Nachbarschaft und militärisch-politische Konfrontation mit Ungarn, mitunter auch mit Böhmen, ferner die geographische Lage beiderseits des wichtigen Donauweges, wesentliche Voraussetzungen der späteren Entwicklung bilden sollten, nachdem es dem Markgrafen gelang, seine Stellung zu konsolidieren und ein Landesfürstentum (principatus terrae) auszubilden; von diesem spricht Markgraf Leopold III. in einer Beurkundung f ü r das Benediktinerkloster Klein-Mariazell im Wienerwald. In zahlreichen, vor allem urkundlichen Quellenbelegen des 10. bis 12. Jahrhunderts ist von „marchia et comitatus", von M a r k und Grafschaft des Markgrafen die Rede; ebenso gelegentlich auch allein von seiner „marchia" oder seinem „comitatus". Altere Versuche, M a r k und Grafschaft voneinander abzugrenzen, schlugen fehl. Vermutlich reichte der „comitatus" des Markgrafen eben so weit, wie die M a r k ausgedehnt werden konnte 2 0 . Die östlichen Marken des hochmittelalterlichen Reiches waren sehr entwicklungsfähige Gebilde; das " Annales Iuvavenses maximi ad a. 869. Mon. Germ. SS X X X / 2 , S. 734. Vgl. Lechner, Babenberger, S. 24, Müller, Der Name Osterreich, S. 415 f., 423; Lhotsky, Ostarrîchi, S. 226. 20 Max Weltin, Die „tres comitatus" Ottos von Freising und die Grafschaften der Mark Österreich, MIÖG 84 (1976), S. 31 ff., insbes. S. 41 f.
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gilt f ü r die M a r k Österreich ebenso wie f ü r die Mark Brandenburg, die Keimzelle des preußischen, und die M a r k Meißen, jene des sächsischen Staatsgebildes 21 . AUSTRIA Wenn wir uns die älteren lateinischen Bezeichnungen Österreichs oder auch — vorsichtiger ausgedrückt — von in Osterreich gelegenen Landstrichen ansehen, so fällt die Vielfalt der Formulierungen auf, von denen ja etliche in den obigen Ausführungen bereits erwähnt wurden, ebenso ihre Unbestimmtheit. Da lesen wir: Oriens, orientalis pars (orientales partes), orientalis regio, orientalis provincia, orientale regnum, seltener auch orientalis pagus und orientalis marchia. Die Babenberger selbst führen in U r k u n d e n Titel wie orientalis regionis marchio, orientalis plagae marchio, marchio orientalis 22 . Aus all dem ging nun kaum mehr hervor, als daß es sich um eine östliche Gegend, eine östliche Herrschaft handle. So ist der Wunsch nach einem prägnanteren, eindeutigen und stabilen lateinischen Landesnamen wohl verständlich. Es war eine ansprechende Vermutung Alphons Lhotskys, daß zu seiner Realisierung eine besondere politische Situation beigetragen haben könnte, als in den vierziger Jahren des 12. Jahrhunderts König Konrad III. und sein Halbbruder Heinrich II. Jasomirgott, H e r z o g von Bayern und Markgraf von Osterreich, politische und familiäre Bindungen mit dem oströmischen Kaisertum, also mit Byzanz, eingingen, wo damals Manuel, ein bedeutender, aber von Magyaren und Seldschuken arg bedrängter Kaiser, regierte. Er heiratete Bertha von Sulzbach, eine Schwägerin König Konrads, die Heirat Heinrich Jasomirgotts mit Manuels Nichte T h e o d o r a wurde angebahnt und 1148 vollzogen. Die Byzantiner kannten zwar den N a m e n Osterreich, wie aus der Chronik des Johannes Kinnamos hervorgeht, in der Heinrich Jasomirgott wenig später als „Herzog der Österreicher" bezeichnet wird 23 . Man habe aber, da die Verhandlungen in lateinischer Sprache geführt wurden, f ü h r t Lhotsky aus, sich um einen wohlklingenden Namen lateinischen Typs bemüht, und da sei das an sich alte W o r t Austria zur offiziellen Landesbezeichnung geworden 2 4 . Das erste eindeutige offizielle Zeugnis der Verwen-
21 Helmuth Rössler - Günther Franz, Sachwörterbuch zur Deutschen Geschichte, M ü n c h e n 1958, „Marken", S. 708 ff., insbes. S. 710. 22 Vgl. hiezu Müller, Der N a m e Osterreich, S. 418 ff., Lhotsky, Ostarrîchi, S. 226. 23 Ioannes Kinnamos, Epitome rerum a Ioanne et Alexio Comnenis gestarum, Migne, Patrologia Graeca 133, col. 599. 24 Lhotsky, Ostarrîchi, S. 233.
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dung des neuen lateinischen Landesnamens stellt eine am 25. Februar 1147 ausgestellte U r k u n d e König Konrads III. f ü r Klosterneuburg dar, in der dem Stift unter anderem der von den Vorgängern Heinrichs, den Markgrafen von Osterreich „Austrie marchionibus" geschenkte Besitz bestätigt wird. Unter den Zeugen dieser Beurkundung werden H e r z o g und Markgraf Heinrich, sein Bruder Otto Bischof von Freising und ein weiterer Bruder Konrad (später Bischof von Passau und Erzbischof von Salzburg) genannt 2 5 . Andere urkundliche Zeugnisse mit dem Landesnamen Austria f ü r das babenbergische Osterreich haben sich als Fälschungen späterer Zeit erwiesen, so ein angebliches Privileg Markgraf Emsts f ü r Melk (vor 1075), der Stiftbrief f ü r St. Nikola in Passau (1078), das Diplom König Heinrichs IV. f ü r Markgraf Ernst (1058), aber auch die Gründungsurkunde von Heiligenkreuz (1 136)26. Allenfalls kommt eine Gleichsetzung Austria = Osterreich in Betracht f ü r den in Regensburger Uberlieferung 1135 —1140 genannten Nantwich de Austria; doch ist in diesem Fall die geographische Zuweisung recht unsicher 27 . Wie dem auch sei, um die Mitte des 12. Jahrhunderts setzte sich Austria als lateinischer Landesname Österreichs durch. Das W o r t hatte damals schon eine mehr als halbtausendjährige Geschichte; es bedeutete und bezeichnete bei Franken und Langobarden einen östlich gelegenen Reichs- oder Landesteil. Es ist eine hybride Wortbildung, ein germanischer Stamm austar, althochdeutsch ostar, mit einer latinisierten Endung, in Analogie zu anderen Ländernamen, wie Francia, Gotia, Alamannia oder Burgundia. Das W o r t findet sich vereinzelt bei Gregor von Tours; in einer 25
M o n . Germ. D D Konrad III, Nr. 173. U r k u n d e n b u c h des Landes ob der Enns, Bd. 2, S. 105 ff., Nr. 79, 80 (St. Nikola); Babenberger Urkundenbuch, Bd. l , N r . 1 (Melk), 5 f., Nr. 5 (Heiligenkreuz) Bd. 4 / 1 , S. 20 ff. Nr. 576 (Mg. Ernst). H e r m a n n Watzl tritt in Sancta Crux 38 (1976), S. 33 ff., Neudruck: H e r m a n n Watzl, „. . . in loco, qui nunc ad sanctam Crucem vocatur . . .", Quellen und Abhandlungen zur Geschichte des Stiftes Heiligenkreuz, Heiligenkreuz 1987, S. 516 ff., f ü r die Echtheit der Heiligenkreuzer Stiftungsurkunde ein; die Schrift der U r k u n d e stimmt aber mit jener anderer Heiligenkreuzer Stücke der Gründungszeit nicht überein, das Siegel weicht von den echten erhaltenen Siegeln Markgraf Leopolds III. (und deren Umschrift) wesentlich ab; die Formel „dei gratia marchio Austrie" auf dem Siegel und in der Intitulatio der U r k u n d e widerspricht den Formulierungen der echten U r k u n d e n und Siegel des Markgrafen. Die Unechtheit der anderen Stücke ist seit der Arbeit von O s k a r Mitis, Studien zum älteren österreichischen Urkundenwesen, Wien 1912, nie bezweifelt worden. 27 Vgl. T h o m a s Ried, Codex chronologico-diplomaticus episcopatus Ratisbonensis 1, Regensburg 1816, S. 191; hiezu Karl Lechner, Grafschaft, M a r k und H e r z o g t u m , in: Lechner, Ausgewählte Schriften, Wien 1947, S. 8 ff., insbes. S. 25. 26
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Schrift über den heiligen Martin, den Namenspatron seiner Diözese, erwähnt er eine Reise „in Austria"; in seinem Hauptwerk, der Frankengeschichte, nennt Gregor zweimal die „Austrasii", die Bewohner dieses Ostlandes. Gregor schrieb in den letzten Jahrzehnten des 6.Jahrhunderts. In der sogenannten Fredegar-Chronik des Z.Jahrhunderts begegnet uns die germanische Form Auster, in anderen Quellen auch Austrasia 28 . Diesem Ostland entspricht ein westlicher gelegenes Neustria, dessen Name etymologisch sowohl als „Neuwestland", wie (von Paul Kretschmer) als „Neuostland" gedeutet wurde 2 9 . Die Belege f ü r Austria und Neustria bei den Langobarden stammen aus etwas späterer Zeit, ihre ältesten Nennungen finden sich in den Gesetzen der Könige Luitprand und Ratchis in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts; es mag sein, daß die Langobarden an die fränkische Terminologie anknüpften 3 0 . Für Osterreich errang offenbar die fränkische Austria Vorbildwirkung. Austria und Austrasia bezeichneten bei den Franken Stammesgebiete und Teilreiche mit den Zentren Rheims und Metz; später aber wanderte der N a m e in das mainfränkische Gebiet, aus dem die Babenberger ihre H e r k u n f t ableiteten, wie uns Otto von Freising bezeugt, der die Familie auf Adalbert von Bamberg, einen 906 hingerichteten Großen, dessen Andenken in der Heldensage weiterlebte, zurückführte. Genealogische Zusammenhänge waren gewiß gegeben, ob im Mannesstamm, muß wohl unsicher bleiben. So mag eine familiengeschichtliche Uberlieferung bei der Übernahme des Namens Austria, dessen Verwendung O t t o von Freising selbst freilich vermieden hat, eine Rolle gespielt haben 31 . Der neue lateinische Landesname verdrängte die anderen Landesbezeichnungen Österreichs in dieser Sprache und wurde in der Folge auch zur italienischen, spanischen und englischen Benennung Österreichs.
28 Mon. Germ. SS rer. Merow. I 656, bzw. II passim (Auster, Austria, Austrasia). " Vgl. Paul Kretschmer, Austria, S. 223 ff., anders Eugen Ewig, Die fränkischen Teilungen (511—613), in: Ewig, Spätantikes und fränkisches Gallien, Bd. 1, S. 154. 30 Mon. Germ. Leges IV, S. 108 ff.; vgl. Kretschmer S 213 f. 31 Dies vermutete jedenfalls Eugen O b e r h u m m e r , Der N a m e Austria, Anzeiger der Österr. Akademie der Wiss., phil.-hist. Kl. 65 (1929), S. 152ff. Zurückhaltender Lhotsky, Ostarrichi, 233 f.
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ISTRIA - V O R S T U F E U N D V O R B I L D F Ü R A U S T R I A U N D ÖSTERREICH? Paul Kretschmer verwies 1938 auf Wessobrunner Glossen des 8. Jahrhunderts, die in jener Handschrift überliefert sind, die auch das berühmte Wessobrunner Gebet enthält. In diesen Glossen wird eine Gleichung Istria peigira (bzw. Istrie paigirae) aufgestellt; das ließe zunächst vermuten, daß man hier Bayern als „Donauland" charakterisieren wollte; ist doch Ister eine antike Form für den unteren Lauf der Donau. Aus Beobachtungen an der „Ebsdorfer Weltkarte" des 13. Jahrhunderts, die an antike Vorlagen anknüpfte, folgerte Kretschmer aber, daß Istria nicht Bayern schlechthin, sondern Osterreich (als Bayerische Ostmark) bezeichnet habe und daß „Austria" einen späteren „Ersatz" für Istria darstellen könnte, daß also Reminiszenzen an eine ähnlich klingende ältere Bezeichnung die Wahl des späteren lateinischen Landesnamens veranlaßt oder wenigstens mitbestimmt haben. Kretschmers Vermutung wirkt freilich nicht recht überzeugend 32 . Völlig abzulehnen ist die These, daß auch Ostarrîchi nicht einen im Osten gelegenen Herrschaftsbereich, sondern ebenfalls ein Land am Ister, ein „Donaureich" bedeute, sozusagen ein verdorbenes Isterrichi verkörpere 33 . Es gibt nun allerdings eine Landschaftsbezeichnung „Ysterich", die im späteren Mittelalter gelegentlich verwendet wird, damit ist aber Istrien, insbesondere das görzische, seit 1374 österreichische Inneristrien mit dem Hauptort Mitterburg (kroat. Pazin, ital. Pisino) gemeint. DAS S C H I C K S A L D E S N A M E N S N O R I C U M Man könnte zunächst annehmen, daß es doch recht nahegelegen wäre, bei der Suche nach einem lateinischen Landesnamen Österreichs mit einem womöglich altehrwürdigen, antikisierenden Gepräge, kurzerhand den Provinzialnamen Noricum wieder aufzugreifen. Es gehörte doch der Großteil des babenbergischen Landes Österreich (einschließlich des Landes ob der Enns) zum Bereich der von Vgl Kretschmer, Austria, S. 215 ff. D i e s e V e r m u t u n g bei J o h a n n a Haberl, Favianis, V i n d o b o n a und Wien, Leiden 1976, S. 146 ff. D i e Behauptung, d a ß sich bei Einhard in der Vita C a roli M a g n i , der Lebensbeschreibung K a r l s des Großen, bereits der N a m e „Ostriche" finde, ist falsch; hier handelt es sich um eine G l o s s e des 11. J a h r h u n derts, in der das awarische Gebiet mit Osterreich identifiziert wird, dessen N a m e n zur Zeit des Glossenschreibers bereits gegeben war. Vgl. hiezu etwa K l a u s L o h r m a n n , Wiener Geschichtsblätter 33 (1978), S. 36. — U b e r eine Bezeichnung Istriens, namentlich Inneristriens, als „Ysterich" vgl. Erläuterungen z u m Histor. Atlas der Alpenländer 1/4 (Landgerichtskarte, Kärnten, G ö r z und Istrien, Wien 1929), S. 353. 32 33
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Kaiser Claudius eingerichteten römischen Provinz Noricum und ihres Vorläufers, des seit 15. v. Chr. von den Römern besetzten keltischen „regnum Noricum" 3 4 . Tatsächlich ist der N a m e Noricum nicht untergegangen; er stand aber gegen Ende des 10. Jahrhunderts, zur Zeit der Einrichtung und beginnenden Erweiterung der ottonischen Mark, nicht mehr zur Benennung Österreichs zur Verfügung 3 5 . Er wurde damals bereits seit geraumer Zeit vor allem zur Bezeichnung von Volk und Land der Bayern gebraucht, obwohl das Bayernland zum größeren Teil — nämlich das Gebiet westlich des Inn —, zum alten Raetien gehört hatte. Der Name Noricum war also westwärts gewandert; ein Teil des alten Noricum wurde nunmehr Carantanien genannt und war vor allem alpenslawisch besiedelt, ein anderer — östlich der Enns — stand bis Ende des 8. Jahrhunderts unter awarischer Herrschaft; in seiner Bevölkerung überwog damals ebenfalls das slawische Element. Ernst Klebel vermutete, daß die Übertragung des Namens Noricum auf ein einst vorwiegend rätisches Gebiet (der Westen des alten Noricum gehörte ebenfalls zum bayerischen Stammesboden), einen grundsätzlichen Anspruch auf verlorenes Land aufrechterhalten sollte, so wie man den N a m e n Daciens (nördlich der D o n a u ) auf ein Gebiet südlich des Stromes (Dacia Ripensis) übertragen habe, oder, wie man auch anführen kann, die Byzantiner nach der Eroberung der Insel Sizilien durch die Araber ihren süditalienischen Herrschaftsbereich „Sizilien diesseits der Meerenge" nannten 3 6 . Es dürfte aber wohl eher das Bemühen um eine antikisierende Bezeichnung, die eine altehrwürdige Verbundenheit der Bayern mit ihrem Lande dartun sollte, allein maßgeblich gewesen sein, daß es zur Identifizierung mit Noricum kam, da der N a m e Raetien schon von dem churrätischen Gebiet (einem Teil der Raetia prima der Spätantike im heutigen Graubünden) in Beschlag genommen wurde; hier lebten Bezeichnungen wie Raeti, populus Raetiarum, praeses Raetiarum weiter 37 .
54 Artur Betz, Aus Österreichs römischer Vergangenheit, Wien 1956; Gerhard Winkler, N o r i c u m und Rom, Aufstieg und Niedergang der antiken Welt II, 6, Berlin - N e w York 1977. 35 Vgl. namentlich Ernst Klebel, D a s Fortleben des N a m e n s „Noricum" im Mittelalter, Carinthia I 146 (1956), S. 481 ff. 56 Klebel, Fortleben, S. 484. 37 Uber die Stellung der Raetia Curiensis vgl. Heinrich D i e t z e , Rätien und seine germanische U m w e l t bis auf Karl den Großen, Diss., Würzburg 1931; Richard Heuberger, Rätien in Altertum und Frühmittelalter, Schiernschriften 20, Innsbruck 1932; Elisabeth Meyer-Marthaler, Rätien im frühen Mittelalter, Zürich 1948; O t t o P. Clavadetscher, Churrätien im Ubergang von der Spätantike zum Mittelalter nach den Schriftquellen, in: V o n der Spätantike zum frühen Mittelalter, Aktuelle Probleme in historischer und archäologischer Sicht, Vorträge und Forschungen, hrsg. vom Konstanzer Arbeitskreis, Bd. 25, Sigmaringen 1979, S. 159 ff.
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Wie dem auch sei, die Bayern übernahmen den antiken Namen Noricum; schon in den bereits oben zitierten Wessobrunner Glossen finden wir die Gleichung Arnoricus (statt richtig ager Noricus) peigirolant 38 . In der bayerischen Stammessage des Hoch- und Spätmittelalters wurde die Gleichung Noricum = Bayern weiter ausgeschmückt und „Norix", der Sohn des Herkules, als ein Stammesführer der Bayern gefeiert. So berichtet die Lebensbeschreibung Bischof Altmanns von Passau, die Bayern stammten von Armenien, sie hätten ihr Land nach dem Namen ihres Fürsten Bawarus Bayern genannt, dieses Land habe viel später Norix, ein Sohn des Herkules erobert, und nach seinem eigenen Namen Noricum genannt. Die beiden Heroen sollten die zwei Namen des Landes — Bawaria und Noricum — erklären 39 . Ein wenig konnte Osterreich doch vom alten Noricumbegriff bewahren. Im Zuge der Reichsreform Diocletians wurden die Provinzen geteilt sowie mehrere neue Provinzen zu größeren Verwaltungseinheiten (Diözesen und Präfekturen) zusammengefaßt. Noricum wurde in zwei Provinzen, das nördliche Ufernoricum (Noricum ripense) und das südliche Binnennoricum (Noricum mediterraneum) geteilt. Eine bemerkenswerte Quelle des 12. Jahrhunderts, die schon erwähnte Lebensbeschreibung des Bischofs Altmann von Passau (Vita Altmanni episcopi Pataviensis), nahm die Bezeichnung Noricum Ripense auf und wandte sie für das babenbergische Osterreich an, hier lebte wohl noch das Bewußtsein eines Zusammenhanges mit Bayern ( = Noricum) fort; jedenfalls aber manifestierte sich in dieser in Göttweig verfaßten Quelle schon ein eigenes österreichisches Landesbewußtsein und auch vom (noch unkodifizierten) Landrecht (ius illius terrae) ist hier bereits die Rede. Natürlich war dem Autor auch der deutsche Landesname geläufig. Wenn er in seinem lateinischen Text von der „terra, quae nunc orientalis dicitur" spricht, so liegt hier eine Ubersetzung von Osterlant (oder auch Osterriche) vor 40 . Ebenso wie andere, längst aufgegebene Landesbezeichnungen hat man auch Noricum im Verlauf der jüngeren Geschichte Österreichs gelegentlich wieder zu aktualisieren versucht. Als die HabsburgerVgl. Kretschmer, Austria, S. 218. " Vita Altmanni, c. 28, M o n . G e r m . Script. X I I , S. 237. — Vgl. zur bayerischen S t a m m e s s a g e J o h a n n Weißensteiner, T e g e r n s e e , die Bayern und Osterreich, Studien zu T e g e r n s e e r Geschichtsquellen und der bayerischen Stammessage, Mit einer Edition der P a s s i o secunda sancti Quirini, A Ö G 133, Wien 1983, S. 13 ff., bzw. S. 241 ff., 247 ff. Ferner: Michael Müller, D i e bayerische „ S t a m m e s s a g e " in der Geschichtsschreibung des Mittelalters. Eine Untersuchung zur mittelalterlichen Frühgeschichtsforschung in Bayern, Zeitschr. f. Bayer. L a n d e s g e s c h . 40 (1977), S. 341 ff. 4 0 Vita Altmanni, c. 9, 24, 28, S. 231, 2 3 6 f . 38
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monarchie in der Endphase des Ersten Weltkriegs zusammenbrach, bemühte sich der pazifistische Völkerrechtslehrer Heinrich Lammasch, ihr kurzfristiger Ministerpräsident, um eine „norische Republik" 41 . Wenn wir heute nüchtern die geschichtlichen Voraussetzungen einer Verbindung Österreichs mit Noricum (oder Noricum Ripense) betrachten, so wird man gewiß feststellen, daß in der T a t nicht unbeträchtliche Kontinuitätsfaktoren gegeben sind. Das Königreich N o ricum war ein Staatsgebilde, das einen erheblichen Teil des heutigen Staatsgebietes einnahm; damals und besonders in der folgenden römischen Provinzialzeit wurden agrarische und städtische Kulturformen entwickelt, an die das österreichische Mittelalter anschließen konnte. Es gab auch örtlich eine christliche Kultkontinuität. Wenn sich aber Staatsverwaltung und Kirche im Mittelalter der lateinischen Sprache bedienten, so handelt es sich natürlich um eine europäische, nicht um eine spezifisch österreichische Tradition. Zusammenfassend kann man sagen: Noricum ist Noricum, Osterreich ist Osterreich. Im Zeitraum zwischen beiden Gebilden begegnen uns sowohl Elemente der Kontinuität wie der Unterbrechung; von einer ungebrochenen Aufeinanderfolge oder gar Einheit politischer und kultureller N a t u r sollte man lieber nicht sprechen. Der Osten des niederösterreichischen Raumes, insbesondere das Territorium der Landeshauptstadt Wien, hatte in römischer Zeit nicht zu Noricum, sondern zu Pannonien gehört. Die römische Provinzialbezeichnung lebte unter den Karolingern im 9. Jahrhundert mit der Übernahme der Terminologie Ober- und Unterpannonien in der N o menklatur von Landstrichen beiderseits der Raab wieder auf 4 2 . Für das sich im Hochmittelalter ausbildende österreichische Selbstverständnis und Landesbewußtsein sollte das aber kaum eine Rolle spielen; eher knüpfte an Pannonien das ungarische Landes- und Staatsbewußtsein an.
41 Vgl. Georg Wagner, Katalog „Chronicon „. . . eine norische Republik." 42 Annales regni Francorum ad annum 790 Script, in usum Schol. S. 6 ff.; Vita Altmanni c. Andreas Mócsy, Pannonia, in: Pauly-Wissowa, Sp. 520.
Austriae", Wien 1976, S. XV: et passim, Mon. Germ. Hist. 5 et passim, S. 6 f f . Vgl. auch Realenzyklopädie, Suppl. IX,
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STAMMESNAMEN DER WANDERUNGSZEIT UND IHR NIEDERSCHLAG In den Jahrhunderten der sogenannten Völkerwanderung diente der österreichische, insbesondere der donauländische Raum, als Durchzugs- oder auch als Aufenthaltsgebiet von Stammesgemeinschaften ganz verschiedener Herkunft und Volksstruktur. Das kommt auch in einer Reihe von Landschaftsbezeichnungen im österreichischen Donauraum zum Ausdruck, die auf Stammesnamen jener Epoche zurückgehen. In anderen Fällen versuchte man derartige Zusammenhänge zu erschließen, wobei es mehrfach zu etymologischen Fehlleistungen kam. Auch sonst ist stets Vorsicht geboten. Wenn etwa Paulus Diaconus, der Geschichtsschreiber der Langobarden, der in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts die Schicksale seines Volkes beschrieb, den Herulerkönig Rodulf anläßlich einer verlorenen Schlacht gegen die Langobarden (vor 512) ausrufen läßt: „Wehe Dir, unglückliches Herulerland" (Vae tibi misera Herolia), so ist es klar, daß die lateinische Form Herolia nicht von den Herulern gebraucht wurde, die damals im westlichen Pannonien und in Ufernoricum gesiedelt haben dürften; ob es überhaupt eine von ihrem Stammesnamen abgeleitete Landschaftsbezeichnung im österreichischen Raum gegeben hat, muß offen bleiben. Die gelegentlich in diesem Zusammenhang erwähnten Namen Herilungoburg und Herilungofeld (832 bzw. 853 bezeugt) sind nicht, wie noch Richard Müller annahm, von den Herulern, sondern von der Sippe der Harlungen, den Helden einer düsteren germanischen Sage, abzuleiten 43 . Anders als um die literarische Prägung der „Herolia" steht es doch um den von der in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts aufgezeichneten „Origo gentis Langobardorum" und später auch von Paulus Diaconus" überlieferten Namen „Rugiland". Die Origo berichtet, daß Odoaker nach Rugiland zog, die Rugier, die nördlich der Donau in Niederösterreich siedelten, angriff und besiegte. Damals hätten die Langobarden ihre Wohnsitze verlassen und im Rugiland etliche Jahre gewohnt. Paulus Diaconus fügt zur Bezeichnung Rugiland erläuternd hinzu, sie bedeute lateinisch „Rugorum patria", also Heimat der Rugier 44 . D a die Origo Langobardorum offensichtlich an ältere Traditionen aus der Wanderungszeit anknüpfte, ist nicht gesagt, daß zu ihrer Zeit (oder später zu der des Paulus Diaconus) die Landschafts43 Paulus Diaconus, Hist. Langob. I, c. 20, Mon. Germ. Script, rer. Langob., S. 59, Richard Müller, Der N a m e Österreich, S. 402 f. — Vgl. nunmehr Herwig Wolfram, Die Geburt Mitteleuropas, Wien 1987, S. 350. 44 Origo gentis Langobardorum, Mon. Germ. Script, rer. Langob., S. 1 ff., bzw. Paulus Diaconus, Hist. Langob. I c. 19, 20, S. 56 f.
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bezeichnung an O r t und Stelle noch üblich war. Ausgeschlossen ist das aber keineswegs, schließlich blieb der Volksname der Rugier auch an früheren Stationen des Wanderweges dieses Volkes haften, am Rogaland in Norwegen, dann in dem jahrhundertelang besiedelten Gebiet in Pommern mit der Insel Rügen im Westen und Rügenwalde im Osten. In Osterreich nördlich der Donau werden „Rugi" noch in der Raffelstettener Zollordnung (nach 900) erwähnt, vielleicht slawisierte Nachkommen der Rugier oder Slawen, die so genannt wurden, weil sie im alten Rugierland wohnten 4 5 . Da in etwas späteren Quellen die Russen antikisierend als „Rugi" bezeichnet werden, hat man auch in Betracht gezogen, daß in der Raffelstettener Zollordnung bereits die Russen gemeint seien. Für unsere Fragestellung ist das wenig erheblich; wichtig ist lediglich, daß die Langobarden eine Station ihres Wanderweges im österreichischen Raum nördlich der Donau nach ihren früheren Bewohnern als Rugiland bezeichneten; gehalten hat sich dieser Landschaftsname allerdings nicht. Als Karl der Große nach dem Sturze Tassilos (787/788) und der Abwehr awarischer Angriffe seine Heere über die Enns nach Osten vorrücken ließ, wurden nach längeren Kämpfen die Awaren besiegt und unterworfen. Für das eroberte Neuland finden sich in Quellen des ausgehenden 8. und des 9. Jahrhunderts gelegentlich Bezeichnungen wie partes Avarorum (791), Avaria (811), terra Avarorum (830), provincia Avarorum (8 3 2) 46 , durch die diese nachmals niederösterreichischen Landstriche als Awarenland gekennzeichnet wurden, als Land, das zuvor von den Awaren beherrscht und auch besiedelt worden war. Nach den Funden zu schließen, deren ethnische Z u o r d n u n g wohl nicht immer eindeutig ist, dürfte das awarische Element auch zahlenmäßig nicht ganz unbedeutend gewesen sein. Auf die Dauer konnte sich aber auch ihr Stammesname nicht als Glied einer Landschafts- oder Landesbezeichnung an der österreichischen Donau behaupten 4 7 . Da das Steppenvolk der Awaren Re45 Vgl. zu diesem Problem Erich Zöllner, Rugier oder Russen in der Raffelstettener Zollurkunde?, M I Ö G 60 (1952), S. 108 ff. Über die Verwendung des Volksnamens zur Landbezeichnung auch Ludwig Schmidt, Die Ostgermanen, Neudruck, M ü n c h e n 1969, S. 122 f. 46 Uber die Verwendung des Stammesnamens der Awaren zur Landschaftsbezeichnung im Donauland vgl. Richard Müller, Der Name Osterreich, S. 404 f. 47 Über die Awaren im österreichischen Raum vgl. Erich Zöllner, Awarisches Namensgut in Bayern und Österreich, M I Ö G 58 (1950), S. 224 ff.; Arnulf Kollautz, Die Awaren, Schichtungen in einer Nomadenherrschaft, Saeculum 5 (1954), S. 129 ff.; Falko Daim, Die Awaren in Niederösterreich, Wissenschaftl. Schriftenreihe Niederösterreich 28, St. Pölten 1977; Wolfram, Geburt Mitteleuropas, S. 347 ff.
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miniszenzen an seine Vorläufer ähnlicher Lebensführung als Reiternomaden, die H u n n e n , weckte, man sie in zeitgenössischen Quellen auch (ebenso wie später mehrfach die Magyaren) als H u n n e n bezeichnete, so begegnet uns in einem Brief Alkuins, des führenden Hofgelehrten Karls des Großen, der auch den Ausdruck Avaria gebrauchte, ein „regnum H u n n o r u m " , ebenso in zwei U r k u n d e n f ü r das Bistum Passau (823) 48 . In den Fälschungen Bischof Pilgrims von Passau, der sich in den achtziger Jahren des 10. Jahrhunderts um eine Exemption Passaus von der Salzburger Metropolitangewalt bemühte, ist die Gleichsetzung von H u n n e n - und Awarenland ausdrücklich festgehalten; hier ist von der „plebs Hunniae, quae et Avaria dicitur" die Rede. Als Illustrationsfaktum sei angeführt, daß der Kärntner Ortsname Haimburg in seiner deutschen Form vom Hunnennamen, in seiner slowenischen von dem der Awaren, auf die er sich faktisch bezieht, abzuleiten ist 49 . In dem Gebiete östlich der Enns gab es nebst Awaren und bereits über den Fluß nach Osten vorgedrungenen bayerischen Siedlern, allenfalls auch neben Relikten einer romanischen und germanischen Bevölkerung, im 9. Jahrhundert ein beträchtliches slawisches Bevölkerungselement, das im Ortsnamengut Niederösterreichs viele Spuren hinterließ. Es finden sich aber auch die Slawen betreffende Landesoder eher Landschaftsbezeichnungen wie „in parte Sclavanorum" (814?) beziehungsweise „Sclavinia" (8 3 7 , 8 9 3)50. Zwar fehlte es nicht an einer slawischen Oberschicht; zu einer slawischen Staatsbildung ist es aber im österreichischen Donauland selbst, anders als in Mähren und Böhmen, nicht gekommen, wenn auch vor allem der Machtbe-
48 Mon. Germ. Epp. 4 (aevi Karol. 2), 154, Nr. 107. Alkuin gebraucht ebenso Avaria (796, S. 162, Nr. 112; 798, S. 236, Nr. 146). Vgl. Müller, D e r N a m e Österreich, S. 406. 49 Vgl. Eberhard Kranzmayer, Ortsnamen von Kärnten, Teil 1, Archiv f. vaterl. Geschichte und Topographie 50 (1956), S. 60. 50 Vgl. die Urkunde Ludwigs des Frommen (zweifelhafter Echtheit), Urkundenbuch des Landes ob der Enns, Bd. 2, S. 13 Nr. 9 (zu 834, richtig wohl 814; hiezu Mühlbacher, Reg. Imperii Bd. I, S. 223 Nr. 537), sowie die Urkunden Ludwigs des Deutschen, bzw. Arnulfs, Mon. Germ. Dipl. reg. Germ, ex Stirpe Karol. Bd. 1, S. 30 Nr. 25, Bd. 3, S. 176 Nr. 120. Vgl. hiezu Müller, Der N a m e Österreich, S. 404, 406. Die Bezeichnung Österreichs in den slawischen Sprachen knüpft nicht an derartige Benennungen an. D e r tschechische N a m e Österreichs „Rakousko" etwa ist nach Walter Steinhauser, Burg und Herrschaft Raabs an der Thaya, Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich 38 (1968 — 1970), S. 375ff., insbes. S. 409, zwar nicht unmittelbar vom Ortsnamen der grenznahen Burgsiedlung Raabs, wohl aber von der Benennung der Gefolgschaft des Burgherrn Ratgoz, an den der Ortsnamen erinnert, abzuleiten.
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reich des Großmährischen Reiches zweifellos nachmalig niederösterreichische Gebiete nördlich der Donau umfaßte. Für die Staatsbildung entscheidend war eben doch die ottonische Mark, die nach einer etwa sechzigjährigen, durch die Niederlage gegen die Magyaren bei Preßburg bedingten Unterbrechung an die in der karolingischen Epoche geschaffenen siedlungsmäßigen, politischen und kirchlichen Voraussetzungen anschließen konnte. Dazu bedurfte es allerdings einer gewaltigen Arbeitsleistung des Volkes in der, nach der Regierung eines Markgrafen Burkhard, seit 976 von dem (nach dem Beispiel Ottos von Freising) als Babenberger bezeichneten Fürstenhause beherrschten Mark.
HERZOGTUM ÖSTERREICH Das Geschlecht der Babenberger hatte im Laufe des 11. Jahrhunderts seine Stellung in der Mark Osterreich gefestigt und unter Markgraf Leopold III., dem Heiligen (1095 — 1136), seine adeligen Rivalen im Lande überflügelt. Er konnte als Landesfürst im vollen Sinne des Wortes gelten; die Heirat mit Agnes, der Tochter Kaiser Heinrichs IV. und Schwester Heinrichs V., der Witwe H e r z o g Friedrichs von Schwaben (aus dieser Ehe Stammutter der staufischen Könige und Kaiser), stärkte das Ansehen Leopolds, mochte er auch vorübergehend in Auseinandersetzungen innerhalb der salischen Dynastie verwickelt werden. Leopolds gleichnamiger Sohn und Nachfolger Leopold IV. wurde von seinem Halbbruder, dem römischdeutschen König Konrad III. mit dem Herzogtum Bayern belehnt (1139); die Mark Osterreich schien zu einem babenbergisch-bayerischen Nebenland zu werden. Als aber Kaiser Friedrich I. Barbarossa den Weifen das H e r z o g t u m Bayern zurückgab, um den schweren staufisch-welfischen Konflikt, der das Reich erschütterte, zu beenden, mußte der Nachfolger und Bruder Leopolds IV., H e r z o g Heinrich II. Jasomirgott, bis dahin H e r z o g von Bayern, einigermaßen entschädigt werden; dies geschah durch die Erhebung der M a r k Osterreich zu einem Herzogtum, mit dem Heinrich und seine byzantinische Gattin T h e o d o r a auf dem Reichstag zu Regensburg im Herbst 1156 belehnt wurden. Damals stellte der Kaiser auch eine U r k u n d e („Privilegium minus" ) aus. In diesem Dokument wird nach der Feststellung des neuen Ranges des Landes die Erblichkeit der österreichischen Herzogswürde in männlicher und weiblicher Linie der Dynastie, das Recht des Herzogspaares im Falle der Kinderlosigkeit einen Nachfolger zu bestimmen, ein Verbot der Ausübung von Gerichtsbarkeiten ohne Zustimmung des Herzogs, ferner eine Ein27
schränkung von dessen Verpflichtungen zum Besuch von königlichen Hoftagen und zur Teilnahme an Reichsheerfahrten verbrieft. Osterreich ist in der Urkunde als „marchia Austrie" bzw. als „Austrie ducatus" bezeichnet 51 . Anläßlich der Erhebung Österreichs zum Herzogtum ist bei Otto von Freising auch die Rede von den Grafschaften, die seit alters zur M a r k Osterreich gehören. Der Autor fügt hinzu, der Kaiser habe aus der M a r k mit den genannten Grafschaften, man sage, es seien drei, nach dem Urteile der Fürsten ein Herzogtum gemacht (. . . de eadem marchia cum predictis comitatibus, quos tres dicunt, iudicio principum ducatum fecit . . .). In der Forschung herrscht heute wohl Ubereinstimmung darüber, daß mit Ottos Erwähnung der drei Grafschaften keine territoriale Vergrößerung der Mark zum Zeitpunkt der Erhebung oder Umwandlung in ein Herzogtum (Privilegium minus: . . . marchiam Austrie in ducatum commutavimus) verbunden war, sonst wäre das im Privileg gewiß ausdrücklich vermerkt worden. Vielleicht sind mit den „drei Grafschaften" die alten Gerichtstätten Mautern, Tulln und Korneuburg gemeint, vielleicht — obwohl das Ottos Formulierung nicht ganz entspräche — das Gesamtgebiet der M a r k (und nunmehr des Herzogtums), bestehend aus der ursprünglichen, kleineren Ostmark, der Ungarnmark (in der Forschung oft Neumark genannt) westlich von March und Leitha und der Böhmischen M a r k im Norden Niederösterreichs. Ottos Ausdrucksweise scheint zu verraten, daß er nicht mehr recht Bescheid wußte 52 . Jedenfalls hatte Österreich seit 1156 den Rang eines Herzogtums, den es im 14., endgültig im 15. Jahrhundert, mit einer höheren Würde, die aber an Herzogtum und Herzogstitel bewußt anknüpfte, vertauschen sollte.
51 Privilegium minus: „ . . . marchiam Austrie in ducatum commutavimus" bzw.: „ . . . eundem Austrie ducatum . . . " Ausgaben des Privilegium minus u.a.: Heinrich Fichtenau - Heide Dienst, Babenberger-Urkundenbuch IV/1, S. 147 Nr. 803; Mon. Germ. Dipl. Frid. I., Bd. 1, S. 255, Nr. 151. Hier auch die entsprechenden Literaturhinweise; vgl. insbes. Heinrich Fichtenau, Von der Mark zum Herzogtum. Grundlagen und Sinn des „Privilegium minus" für Österreich (Österreich Archiv), 2. Aufl., Wien 1965. — Heinrich Appelt, Privilegium minus. Das staufische Kaisertum und die Babenberger in Osterreich, Wien - Köln - Graz 1973. — Erich Zöllner, Das Privilegium minus und seine Nachfolgebestimmungen in genealogischer Sicht, M I Ö G 86 (1978), S. I f f . Neudruck: Zöllner, Probleme und Aufgaben, S. 236 ff. 52 Vgl Weltin, Die „tres comitatus" Ottos von Freising und die Grafschaften in der Mark Österreich, M I Ö G 84 (1976), S. 31 ff., insbes. S. 5 4 f f .
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DAS L A N D Ö S T E R R E I C H U N D DAS L A N D O B D E R E N N S (OBERÖSTERREICH) In der babenbergischen Epoche ist Osterreich nicht nur zum Herzogtum, es ist auch zu einem Lande geworden, dessen Bewohner eigene Rechtsgewohnheiten, ein eigenes, erst später kodifiziertes Landrecht, beachteten und ein Landesbewußtsein als Österreicher entwikkelten; von dem diesbezüglichen Zeugnis der Vita Altmanni war bereits die Rede. Die Grafen, Hochfreien und Ministerialen traten in einem Landtaiding, dem obersten Gericht des Landes zusammen. Unter den letzten Babenbergern symbolisierte das Landeswappen des Bindenschildes die Einheit des Landes Osterreich. 5 3 . Die Rodungsarbeit des Hochmittelalters bezog neue Gebiete in das besiedelte Land ein. Die Grenzen wurden nach Norden vorgeschoben. Die Erwerbung der Steiermark (1192), aufgrund des Georgenberger Vertrages von 1186, gab den Babenbergern auch die Herrschaft über den bisher von den steirischen Otakaren beherrschten Teil des Traungaus mit jener Burg Steyr, die dem Lande Steiermark den Namen gab. An die Babenberger fiel damals wohl auch das Gebiet zwischen dem Haselgraben und der Großen Mühl (im westlichen Mühlviertel), anschließend an die Riedmark, die ihnen schon früher unterstanden war. Herzog Leopold VI. erwarb 1211 von den Haunsbergern die Stadt Linz, von den Bischöfen von Würzburg 1216 Lambach und Wels, von Ulrich von Klamm 1217 Freistadt im Mühlviertel und Besitz im Machland. So kam also das Gebiet von der Enns bis zum Hausruck, nördlich des Stromes bis zur Großen Mühl, in babenbergische Hand 5 4 . Wohl schon unter den letzten Babenbergern gab es einen eigenen Landrichter (iudex provincialis), unter König Ottokar ist er dann mehrfach bezeugt 5 5 . Der gebräuchliche Landesname für das Gebiet
55 Othmar Hageneder, Das Werden der österreichischen Länder, in: Der österreichische Föderalismus. Herausgegeben vom Institut für Österreichkunde, Wien 1969, S. 21 ff., Erich Zöllner, Geschichte Österreichs, S. 67 ff., Karl Lechner, Die Babenberger und Osterreich, S. 118 ff. Vgl. ferner die Aufsätze von Heide Dienst, Heinrich Appelt, Friedrich Hausmann, Karl Gutkas, in: Das babenbergische Österreich (976 — 1246), Wien 1978, S. 18 ff. 54 Othmar Hageneder, Das Werden der österreichischen Länder, S. 21 ff.; Ders., Die Entstehung des Landes ob der Enns, in: Oberösterreich, Bd. 18/2 (1968), S. 20. — Ders., Ottokar II. Premysl und das Land ob der Enns im Spiegel des Codex Diplomaticus et epistolaris Bohemiae VI (1253 — 1266); Jahrbuch des oberösterr. Musealvereins 120 (1975), S. 11 i f f . — Alois Zauner, Oberösterreicb zur Babenbergerzeit. Mitt. des Oberösterr. Landesarchivs 7 (1960), S. 296 ff. 55 Hageneder, Ottokar II. Premysl und das Land ob der Enns, S. 121, 124 f.; Ders., Werden der österr. Länder, S. 31; Zibermayr, Noricum, S. 437 ff.
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westlich der Enns und im Mühlviertel war „Land ob der Enns", der sich wohl daraus erklärt, daß sich der Amtssitz des Landrichters westlich, gemessen am Stromtal der D o n a u also oberhalb der Enns(-mündung), befand. Neben dieser dominierenden Bezeichnung „Land ob der Enns" f ü r das heutige Oberösterreich gibt es allerdings schon im 13. Jahrhundert auch eine „Austria superior" (oberes Osterreich), deren Grenze im Osten mitunter etwa an der Ybbs liegt, so daß auch Ortschaften und Landstriche zwischen Enns und Ybbs als in „Oberösterreich" liegend bezeichnet werden können 5 6 . Es scheint, daß der Unterlauf der Enns erst im 15. Jahrhundert eine eindeutige Grenzfunktion erhielt. Die Herrschaftsteilung von 1458, bei der Friedrich III. Osterreich unter der Enns, Albrecht VI. aber das Land ob der Enns erhielt, besiegelte wohl die Teilung in zwei verschiedene Länder, nachdem sich schon 1452 ein eigener Landtag ob der Enns nachweisen läßt. Die erwähnte Flußgrenze galt aber auch f ü r die Amtsführung eines Dekans des Bischofs von Passau ob der Enns und eines Offizials dieses Bischofs unterhalb der Enns in Sachen der geistigen Gerichtsbarkeit, wie sie in einem Statut Bischof Leonhards von Passau vom Jahre 1437 erwähnt werden, nicht nur f ü r die Abgrenzung der weltlichen Jurisdiktion des Landeshauptmannes oder der Landrichter 5 7 . Eine weitere, inhaltlich ganz andere Bedeutung sollte der Begriff „Oberösterreich" im Zeitalter der habsburgischen H e r r schaftsteilungen des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit erlangen; er bezog sich nunmehr auf einen Länderkomplex, der Tirol und die westlich davon gelegenen habsburgischen Besitzungen umfaßte, nicht aber auf das Land ob der Enns, das spätere Bundesland Oberösterreich 5 8 . In diesem hat sich der heute amtliche Landesname zunächst als eine eher geographische Bezeichnung im volkstümlichen Gebrauch im 17. bis 18. Jahrhundert mehr und mehr durchgesetzt; ähnlich wie im östlichen Nachbarland der N a m e „Niederösterreich", wo vorübergehend mitunter auch von „Unterösterreich" die Rede ist 59 . Im 19. Jahr56
Zibermayr, Noricum, S. 443 ff. — Vgl. zum Werden des Landes Oberösterreich nunmehr namentlich Siegfried Haider, Geschichte Oberösterreichs, Wien 1987, insbes. S. 65 ff. 57 Hageneder, Entstehung des Landes ob der Enns, S. 20; Ders., Die geistliche Gerichtsbarkeit in Ober- und Niederösterreich. Von den Anfängen bis zu Beginn des 15. Jahrhunderts. Forschungen zur Geschichte Oberösterreichs 10, Linz 1968. Vgl. auch Zibermayr, Noricum, S. 474 ff. 58 Vgl. unten S. 49, 51 f. 59 Alfred H o f f m a n n , Das Wappen des Landes Oberösterreich als Sinnbild seiner staatsrechtlichen Entwicklungsgeschichte, Linz 1947, S. 59, Zibermayr, Noricum, S. 510 f. — Über Unterösterreich vgl. etwa die Verwendung dieser Bezeichnung in landeskundlichen Werken des 18. und 19. Jahrhunderts, ζ. B.:
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hundert, in den Verfassungsdokumenten der franzisko-josephinischen Epoche, begegnet dann stets die Bezeichnung „Osterreich ob der Enns" (bzw. „Osterreich unter der Enns"), bis im Bundesverfassungsgesetz der Republik von 1920 die österreichischen Donauländer auch amtlich als „Oberösterreich" und „Niederösterreich" bezeichnet werden 6 0 . Dabei ist es seither, vom Intermezzo 1938 bis 1945 abgesehen, auch geblieben. Als Symbol der oberösterreichischen Landeseinheit läßt sich seit der Zeit H e r z o g Rudolf IV. das heutige Landeswappen, der gespaltene Schild mit dem goldenen Adler in Schwarz, dahinter ein dreimal von Silber und Rot gespaltenes Feld, nachweisen, das man im späteren Mittelalter — sicher zu Unrecht — auf die (1160/1170) erloschenen Herren von Machland zurückführte, wie aus einer Abbildung im Urbar des von ihnen gestifteten Klosters Baumgartenberg (um 1340) hervorgeht 6 1 . Vom niederösterreichischen Landeswappen, seinem Werden und seiner Interpretation, soll noch bei der Würdigung der Begriffe „Alt-" und „Neu-Österreich" die Rede sein.
„KÖNIGREICH ÖSTERREICH" N I C H T VERWIRKLICHTE PROJEKTE Die Mark Österreich wurde im Jahre 1156 zu einem Herzogtum; mit dem Lande sollte später der Erzherzogtitel verknüpft sein, seit 1804 gab es ein Kaisertum Osterreich: zu einem österreichischen Königtum ist es dagegen nie gekommen. Wohl aber wurden wiederholt Projekte erwogen, die auf die Errichtung eines Königreichs Osterreich zielten, allerdings nicht verwirklicht werden konnten 6 2 . Die erste
Stephan Sixsey, Unterösterreichischer Landkompaß, 1. Aufl., Wien 1723, 3. Aufl. Wien 1749. — Joseph A. Schuhes, Ausflüge nach dem Schneeberge in Unterösterreich, Wien 1802. — Friedrich Welwitsch, Beiträge zur cryptogamischen Flora in Unterösterreich, Beiträge zur Landeskunde Österreichs unter der Enns, Wien 1832—1834, Bd. 4 (frdl. Hinweis von Silvia Petrin). 60 H o f f m a n n , Oberösterreichs Landeswappen, S. 60 f. 61 H o f f m a n n , Oberösterreichs Landeswappen S. 10 f., T a f . 2, 3, S. 45 ff., 53 ff.; Ders., Das Landeswappen und der große Freiheitsbrief Rudolfs IV., Mitt. des Oberösterr. Landesarchivs 7 (1960), S. 296ff., 1000 Jahre Babenberger in Österreich (Ausstellungskatalog 1976), S. 181, Nr. 31. Vgl. Franz Gall, Osterreichische Wappenkunde, S. 135 f., — Über das niederösterreichische Wappen vgl. unten S. 45 ff. " Vgl. hiezu: Oswald Redlich, Die Pläne einer Erhebung Österreichs zum Königreich; Zeitschr. des Hist. Vereins f. Steiermark 26 (1931), S 87 ff. — Heinrich Koller, Das „Königreich" Österreich, Kleine Arbeitsreihe des Instituts f ü r Europäische und Vergleichende Rechtsgeschichte an der Universität
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u n d wichtigste dieser Planungen fiel in die ausgehende Regierungszeit des letzten Babenbergers, H e r z o g Friedrichs II., den schon zuvor der päpstliche Legat Albert Behaim auf die Möglichkeit, die römische Königskrone zu erlangen, verwiesen hatte. Zwischen dem H e r z o g und dem Stauferkaiser Friedrich II. kam es, während einer neuerlichen Zuspitzung des erbitterten Streites zwischen dem Monarchen und Papst Innozenz IV., zu einer Abmachung im Zuge von Verhandlungen in Verona im Juni 1245. Zwei Ehen des Herzogs waren kinderlos geblieben; der Staufer rechnete wohl mit einem Heimfall der babenbergischen Länder an das Reich; er wollte durch eine Heirat mit Gertrud, der Nichte des Herzogs (einer Tochter des jüngeren Bruders Heinrich von H e r z o g Friedrichs Vater und Vorgänger H e r z o g Leopold VI.), einen Anspruch des staufischen Hauses auf Nachfolge in der Herrschaft über die babenbergischen Länder festigen. Andere staufische Ansprüche konnten an einen Sohn Friedrich aus der Ehe von H e r z o g Friedrichs Schwester Margarete mit König Heinrich (VII.) geknüpft werden. Heinrich, ein Sohn Kaiser Friedrichs II., hatte gegen den Vater rebelliert, dann in dessen Gefangenschaft einen tragischen T o d (Selbstmord?) gefunden. H e r z o g Friedrich II. aber sollte durch die in Ausübung eines kaiserlichen Rechtes vollzogene Erhebung der babenbergischen Länder Osterreich und Steiermark zu einem Königreich (regnum Austriae), mit Krain als lehenspflichtigem Herzogtum, gewonnen werden. Die Verhandlungen scheiterten aber, als die U r k u n d e über die Rangerhöhung der österreichischen Länder schon konzipiert war. M a n nimmt wohl nicht mit Unrecht an, daß Gertrud eine Ehe mit dem eben erst vom Papst auf dem Lyoner Konzil gebannten Monarchen ablehnte; auch andere Motive könnten mitgespielt haben, daß der Königsplan nicht realisiert wurde. Im übrigen hat dieser Königsplan in Garstener Annalen, dann in einem Gedicht Tannhäusers ein literarisches Echo gefunden. In einem Heiligenkreuzer Nekrolog wird gar der H e r z o g anläßlich seines Todes als erster und einziger König von Osterreich bezeichnet. In Kürze sei noch auf spätere — unter stark veränderten politi-
Graz, Bd. 4, G r a z 1972. — Ursula Flossmann, Regnum Austriae, Zeitschr. f. Rechtsgeschichte, Germ. Abt. 89 (1972), S. 78 ff., insbes. S. 95 ff. — Friedrich H a u s m a n n , Kaiser Friedrich II. und Osterreich, Vorträge und Forschungen 16, Sigmaringen 1974. — H e r m a n n Watzl, Die Babenberger und das Stift Heiligenkreuz im Wienerwald, Sancta Crux 37 (1975), S. 11 ff., insbes. S. 20. — Georg Wagner, Pläne und Versuche der Erhebung Österreichs zum Königreich, in: Osterreich. Von der Staatsidee zum Nationalbewußtsein. Studien und Ansprachen. Mit einem Bildteil zur Geschichte Österreichs, hrsg. v. Georg Wagner, Wien 1982, S. 394ff.
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sehen Konstellationen — erwogene Pläne der Erhebung Österreichs zu einem Königreich verwiesen. Nach einer Nachricht des H u m a nisten Kaspar Bruschius und einem Hinweis in einem Brief Kaiser Ferdinands II. plante Friedrich III., der Nachfolger König Albrechts II. als römisch-deutscher Herrscher und als Landesherr der österreichischen Donauländer, die Konstituierung eines Königreichs Österreich. Das würde in den Rahmen der sonstigen Politik Friedrichs, dem ja auch die G r ü n d u n g habsburgischer Landesbistümer in Laibach (1461), Wien und Wiener Neustadt (1469) gelang, was von Bruschius mit dem Königsplan in Zusammenhang gebracht wird, durchaus passen 63 . Wesentlich besser ist die Quellenlage, was die Königreichpläne Maximilians I. betrifft. Das gilt namentlich von einem Projekt, zu dem der Entwurf des Augsburger Stadtschreibers Konrad Peutinger aus dem Jahre 1516 vorliegt. Altere Initiativen in dieser Richtung wollte man schon in Maßnahmen Maximilians zur N e u o r d n u n g der Verwaltungsorganisation der österreichischen Länder im Jahre 1497 sehen: Man habe schon damals ein großösterreichisches Königreich angestrebt 64 . Deutlicher zeichnen sich die Bestrebungen des H e r r schers 1508 ab. Die österreichischen und die burgundischen Provinzen — diese waren ihm durch die Heirat mit Maria von Burgund (1477) zugefallen und konnten in der Folge unter schweren Kämpfen zum Großteil gegen Frankreich behauptet werden — sollten ein Königreich unter dem Namen „Osterreich und Burgund" (sous le nom d'Autriche et Bourgogne) werden. Auch der Titel eines Königs von Austrasien taucht auf; die Ableitung des lateinischen Landesnamens Osterreich (Austria) von dem fränkischen Reichsteil oder Teilreich Austrasien scheint in einer Situation, in der der österreichische Landesfürst auch H e r r wenigstens eines Teiles des alten Austrasien war, wieder aktuelle politische Bedeutung zu erlangen. Im Jahre 1516 sollten die rechtlichen Bedingungen des Königsplanes formell fixiert werden. Der Entwurf des bedeutenden H u m a nisten Peutinger sagt aus: „. . . archiducatum nostrum Austriae cum universis et singulis suis provineiis, ducatibus, prineipatibus, marchionatibus, palatinatibus, comitatibus, dominiis . . . in regnum, regiamque dignitatem et praeeminentiam creavimus, ereximus, extulimus et declaravimus . . ." Das heißt also: „Wir haben unser Erzherzogtum Osterreich mit allen und jeden seinen Ländern, Herzogtümern, Für63
Redlich, E r h e b u n g Ö s t e r r e i c h s , S. 92 f., Koller, K ö n i g r e i c h , S. 27 f., W a g n e r , V e r s u c h e , S. 396 f. 64 So A n t o n W a l t h e r , Die b u r g u n d i s c h e n Z e n t r a l b e h ö r d e n u n t e r M a x i m i lian I. u n d Karl V., Leipzig 1909, S. 93; vgl. h i e z u F l o s s m a n n , R e g n u m Austrie, S. 102 f.
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stentümern usw. . . . zu einem Königreich, zu königlicher W ü r d e und Erhabenheit geschaffen, errichtet, erhöht und erklärt . . ."65. Im Entwurf Peutingers ist in der Folge auch von der Krone Osterreich (Corona Austriae) die Rede. Sie war Maximilians Enkel Ferdinand zugedacht. Von diesem wurde nach Maximilians T o d der Königsplan wieder aufgenommen. In einem Kölner Vertrag zwischen Karl V. und Ferdinand I. vom 7. November 1520 wurde Ferdinand die Herrschaft über die fünf „niederösterreichischen" Länder (Osterreich unter der Enns, Land ob der Enns, Steiermark, Kärnten und Krain), deren Erhebung zu einem Königreich, ihm als dessen Fürsten demgemäß der Titel eines „rex Austriae" in Aussicht gestellt 66 . An dieser Möglichkeit wurde auch im Wormser Vertrag (1521) festgehalten, nicht mehr allerdings im Vertrag von Brüssel (1522), in dem Ferdinand die gesamten altösterreichischen Lande (einschließlich Tirols und der Vorlande) sowie Württemberg erhielt; dieses ging aber im Frieden von Kaaden (1534) wieder verloren. Als Ferdinand, der vielleicht noch weitere Initiativen f ü r ein Königreich Osterreich erwog, im Jahre 1531 zum römischen König gewählt und gekrönt wurde, war offensichtlich ein spezifisch österreichischer Königstitel f ü r ihn nicht mehr von großem Interesse 67 . Nach etwa hundertjähriger Pause beschäftigte sich Kaiser Ferdinand II. während des Dreißigjährigen Krieges 1623 und in den folgenden Jahren mit Überlegungen, die österreichischen Länder zu einem Königreich Osterreich zusammenzufassen. Hier gab es aber, wie namentlich Georg Wagner feststellte, erhebliche Schwierigkeiten bei Angehörigen des eigenen Hauses, von denen insbesondere Erzherzog Leopold V., seit 1619 Gubernator von Tirol und den Vorlanden, diesen Teil der Erblande f ü r sich selbst beanspruchte, tatsächlich wurde er dann 1626 Landesfürst. Auch Erzherzog Karl Josef, Erzbischof von Breslau, widersprach dem Königsplan, der Kaiser wich zurück 6 8 . Tatsächlich wurde Osterreich nie zu einem Königreich, obwohl hier ein gewisser rangmäßiger Ausgleich zwischen den altösterreichi65 Flossmann, Regnum Austrie, S. 102 ff., 116 f., H e r m a n n Wiesflecker, Kaiser Maximilian I., Das Reich, Osterreich und Europa an der Wende zur Neuzeit, Bd. 3, Wien 1977, S. 405. Wagner, Versuche, S. 405ff. Zu dieser Frage schon Erich König, Z u r Hauspolitik Kaiser Maximilians I. in den Jahren 1516 und 1517. Festgabe f. H e r m a n n Grauert, Freiburg i. B. 1910, S. 191 ff. 66 Wilhelm Bauer, Die Anfänge Ferdinands I., Wien - Leipzig 1907, S. 117 f., Alphons Lhotsky, Das Zeitalter des Hauses Osterreich, Die ersten Jahre der Regierung Ferdinands I. (1520 — 1527), Wien - Köln - Graz 1971, S. 108 ff. 67 Vgl. Wagner, Versuche, S. 409. 68 Wagner, Versuche, S. 412ff., 519ff., 423—432 (Dokumententeil).
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sehen Ländern und den Königreichen Ungarn und Böhmen denkbar gewesen wäre. Mehr als ein seltsames, verspätetes Nachspiel zu den hier erwähnten älteren Projekten muß es gelten, daß nach dem Zusammenbruch der Monarchie legitimistische Kreise mit der Diskussion über ein kleinösterreichisches Königtum (im U m f a n g der Republik) befaßt waren; damit wollte man die erhoffte Gesamtrestauration der Habsburgermonarchie vorbereiten 6 9 .
DIE „HERRSCHAFT ZU ÖSTERREICH" Der Königreichsplan von 1245 wurde also nicht realisiert; Osterreich blieb ein Herzogtum; unter der Herrschaft König Ottokars wurden die babenbergischen Länder mit jenen der Wenzelskrone vereinigt, dann aber setzten sich 1276 bis 1282 die Habsburger durch: Zu Weihnachten 1282 belehnte König Rudolf I. von Habsburg zu Augsburg seine beiden Söhne Albrecht und Rudolf „zu gesamter H a n d " (zu gemeinsamer, ungeteilter Herrschaft) mit Osterreich, Steiermark und dem bald verpfändeten Krain; in einer Abänderung dieser Bestimmung wurde 1283 H e r z o g Albrecht im Vertrag von Rheinfelden allein mit der Landesherrschaft betraut 7 0 . Die Habsburger galten vorerst als Landfremde; namentlich ihre mitgekommene schwäbische Gefolgschaft war, wie zeitgenössische Quellen verraten, höchst unbeliebt. Erst allmählich verwurzelten die neuen Herren in den vormals babenbergischen Gebieten. Aber schon im ersten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts galt das Herzogtum Osterreich in den althabsburgischen Besitzungen im deutschen Südwesten als das Hauptland der Dynastie. So taucht etwa im Urbar, dem Verzeichnis der Besitzungen und Rechte der Habsburger in ihren vorländischen (elsässischen und schwäbischen) Besitzungen, die Formulierung „Herrschaft zu Osterreich" auf. In den in diesen Gegenden gegebenen vielfach engräumigen und komplizierten Herrschaftsverhältnissen mußte offenbar die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Herrschaft besonders betont werden. So hob man sie hervor, wobei man im Falle der Habsburger eine Bezeichnung nach ihrem damals ranghöchsten Fürstentum, dem älteren der beiden Herzogtümer in ihrer H a n d , eben Osterreich, wo auch ihre wichtigste Residenzstadt Wien lag, wählte. Im übrigen zeigt sich bei einer Analyse der einschlägigen Quellenstellen, daß mit „Herrschaft zu Osterreich" einmal die Dynastie selbst gemeint sein
" Hildegard Balear, Konrad Joseph Heilig (1907—1945) als Historiker und Publizist, phil. Diss. Wien 1968, Bd. 1, S. 170 Anm. 2. 70 Vgl. hiezu Alphons Lhotsky, Geschichte Österreichs seit der Mitte des 13. Jahrhunderts (1281 — 1358), Wien 1967, S. 53f., 62.
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kann, die sich nach ihrem neuen Hauptlande nannte, dann die Summe ihrer Herrschaftsrechte, schließlich — eher selten — ein territorialer Sammelbegriff anstelle einer recht umständlichen Aufzählung der Länder, Herrschaften und Gebiete der Habsburger. Hier ist nun einiges zum Begriff der Herrschaft und seiner Problematik zu sagen. Er begegnet im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Denken mehrfach, ausgehend von der Haus- und der Grundherrschaft bis zur Landesherrschaft, dem Landesfürstentum. Es zeigt sich, daß die mittelalterliche Gesellschaftsstruktur, wie immer man ihr Werden und ihre Wurzeln beurteilen mag, in mehrere einander überschichtende Herrschaften beziehungsweise Herrschaftsverbände zerfiel. Selbst den Begriff der Freiheit suchte die verfassungsgeschichtliche Forschung im Sinne der Zugehörigkeit zu einem Herrn zu charakterisieren; dabei ist man wohl zu weit gegangen. An der großen, vielfach zentralen Bedeutung des Herrschaftsbegriffes, dessen Formen von der Hausherrschaft bis zum König- und Kaisertum sich freilich untereinander nicht bloß graduell unterscheiden, im europäischen Rechtsdenken bis ins 19. Jahrhundert besteht aber kein Zweifel 71 . In österreichischen Quellen des 14. Jahrhunderts ist von der Herrschaft zu (oder von) Osterreich mehrfach die Rede. So etwa in dynastischem Sinne beim steirischen Reimchronisten, der berichtet, daß die Böhmen der Herrschaft von Österreich (Hêrschaft von Ôsterrîch) weder schwören noch huldigen wollten. Im Privilegium maius, dem „größeren österreichischen Freiheitsbrief", der 1358/1359 in der Kanzlei Herzog Rudolfs IV. entstand, ist der Begriff „dominium Austriae" auf den ganzen Herrschaftsbereich bezogen. Mehrfach begegnet der Ausdruck in der „Chronik der 95 Herrschaften" Leopolds von Wien zu Ende des 14. Jahrhunderts. Noch in den Konstanzer Vertragstexten der „Ewigen Richtung" (1474), dem ersten wirklichen Frieden zwischen den Eidgenossen und den Habsburgern, sollte von der „Herrschaft zu Osterreich" die Rede sein72, doch wird in diesen
71
Vgl. Otto Brunner, Land und Herrschaft, 5. Aufl. Wien 1965 (Neudruck Darmstadt 1973), S. 240 ff.; Walter Schlesinger, Die Entstehung der Landesherrschaft, 2. Aufl., Darmstadt 1964. Zur späteren Begriffsgeschichte: Otto Brunner, Bemerkungen zu den Begriffen „Herrschaft" und „Legitimität", in: Brunner, Neue Wege der Verfassungs- und Sozialgeschichte, 2. Aufl., Göttingen 1968, S. 64ff. — Eine kritische, knappe Zusammenfassung bietet Karl Kroeschell, Herrschaft, Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 2, Berlin 1968, S. 102 ff., ausführlicher ders., Haus und Herrschaft im frühen deutschen Recht, Göttingen 1968. 72 Vgl. die Quellenbelege: Steirische Reimchronik, Mon. Germ. Hist., Deutsche Chroniken, Bd. V / 2 , S. 1199, ZI. 92.297. — Österreichische Chronik von den 95 Herrschaften, Deutsche Chroniken, Bd. V I / 1 , S. 89, 139, 206;
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Dokumenten auch eine andere Formulierung verwendet, die sich in Bälde f ü r Jahrhunderte durchsetzen sollte.
HAUS ÖSTERREICH Der Begriff „Haus Osterreich" (domus Austriae, domus Austriaca), der den Aufstieg der Dynastie zu weltweiter Machtstellung begleitete, entspricht der Tatsache, daß eine Familie in der Regel auch eine Hausgemeinschaft darstellt 73 . So liegen schon Belege aus der Antike und — seltener — aus dem Frühmittelalter vor, welche die Ubertragung des Hausbegriffes auf Familien, insbesondere auf die Dynastie, das „Herrscherhaus", bezeugen. Bei römischen Autoren ist die Rede von der domus Augusti, Augustiana, Caesaris, imperatoria, regia — um nur einige dieser Formeln zu nennen —, die sowohl im literarischen wie im iuridischen Schrifttum verwendet wurden 7 4 . Das gotische W o r t „gards" der Bibelübersetzung Wulfilas bedeutet sowohl das H a u s wie eine Abstammungsgemeinschaft oder einen gesellschaftlich organisierten Herrschaftsbereich 7 5 . Friedrich Barbarossa sprach von der „domus imperialis" und meinte damit die Herrscherdynastien von den Karolingern über Ottonen und Salier bis zu den Staufern, die er als genealogische Einheit auffaßte. Auch „casa" wird übrigens in einer U r k u n d e dieses Herrschers in genealogischem Sinne gebraucht 7 6 . Die Habsburger gebrauchten den Begriff des Hauses ihrerseits zu Beginn des 14. Jahrhunderts mehrfach zur Bezeichnung der eigenen Familie; so sprach etwa Friedrich der Schöne von der „domus nostra", also von „unserem Hause". In den Heiratsverhandlungen der Habs-
Babenberger Urkundenbuch, Bd. I V / 1 (Wien 1968), Nr. 804, S. 155 (18); M o numenta Habsburgica, Bd. I (Wien 1854), S. 186ff., Nr. 61. 73 Alphons Lhotsky, Was heißt H a u s Österreich? Anzeiger der phil.-hist. Kl. der Österr. Akademie der Wissenschaften 93 (1956), S. 155ff. Hier nach dem Wiederabdruck in: Lhotsky, Aufsätze u. Vorträge, Bd. 1, S. 344—364. Heinrich Koller, Z u r Bedeutung des Begriffes Haus Osterreich, M I O G 78 (1970), S. 338 ff. 74 Vgl. Thesaurus linguae Latinae V / 1 , c. 1949ff., insbes. 1983f. 75 Vgl. Herwig W o l f r a m , Geschichte der Goten, München 1979, S. 117 f. 76 M o n . Germ. Dipl. Fried. I, Bd. 1, H a n n o v e r 1975, Nr. 155 (ab imperiali domo). Z u r Interpretation vgl. Heinrich Appelt, Die Kaiseridee Friedrich Barbarossas, Sitzungsber. d. Österr. Akademie d. Wiss., phil.-hist. Kl. 252 (1967), S. 3 ff. Neudruck: Gunther Wolf, Friedrich Barbarossa, Wege der Forschung, Bd. 390, Darmstadt 1975, S. 208 ff., insbes. S. 226. — In einer U r k u n d e Kaiser Friedrichs I. f ü r die Brüder Cremosani (1186) ist von der „tota casa ipsorum", also von ihrer gesamten Familie die Rede; M o n . Germ. Dipl. Frid. I, Bd. 4, 1988, Nr. 939 (freundl. Hinweis von R. M. Herkenrath).
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burger mit der aragonesischen Dynastie, in denen die Hochzeit Friedrichs mit der Infantin Isabel (Elisabeth) vorbereitet wurde, bezeichnete man mit „domus" mehrfach die beiden Herrscherfamilien. Alphons Lhotsky, der auf die entsprechenden Quellenstellen hinwies, konnte auch einen (in einem Reichskanzleiregister überlieferten) Brief Kaiser Karl IV. zitieren, in dem der Monarch vom erlauchten Haus Osterreich" (de magnifica domo Austrie) sprach. Häufiger wurde dann die Bezeichnung „Haus Osterreich" sowohl im deutschen wie im lateinischen Sprachgebrauch erst im 15. Jahrhundert verwendet 77 . Ahnlich wie im Falle der Formel „Herrschaft zu Osterreich" lassen sich auch für „Haus Österreich" neben der Kennzeichnung der Herrscherfamilie die Verwendung als Sammelbegriff aller Herrschaftsrechte oder als territoriale Kurzformel für den Gesamtbesitz erkennen. Die Habsburger galten als „Haus Osterreich", und dieser dynastische Begriff setzte sich in verschiedenen europäischen Sprachen durch (franz. Maison d'Autriche, ital. Casa d'Austria, span. Casa de Austria). Als Maximilian I. das burgundische Erbe errang, es zum Großteil auch in langen Kriegen gegen Frankreich zu behaupten wußte, fiel ihm ein Staatswesen mit einem sehr ausgeprägten historischen Bewußtsein zu, das keinen bloßen Annex zu der österreichischen Hausmacht bilden konnte. Das schien eine Zeitlang auch in der Benennung der Dynastie zum Ausdruck zu kommen, man sprach vom „Haus Osterreich und Burgund", doch war der Begriff „Haus Osterreich" schon so sehr vertraut, daß sich der neue Doppelname auf die Dauer nicht durchzusetzen vermochte. Maximilian sprach wohl auch mit Verwendung des Plurals von den „Häusern Osterreich und Burgund", womit er offensichtlich die beiden Länderkomplexe meinte 78 . Als Repräsentanten des „Hauses Osterreich" stiegen Habsburger zu Herrschern von Weltreichen auf, mochten sie auch nicht mehr über die österreichischen Länder regieren. In Frankreich galten gerade die spanischen Habsburger als Angehörige der „Maison d'Autriche"; zwei spanische Infantinnen, die in die französische Dynastie einheirateten, Gattinnen von Ludwig XIII. und Ludwig XIV., hießen in Frankreich Anne d'Autriche und Marie-Therèse d'Autriche. In Spanien aber und seinen überseeischen Besitzungen nannte man die 7 7 Vgl. die bei Lhotsky, Haus Osterreich, S. 3 4 7 f f . , 3 5 I f f . gebotenen Beispiele, sowie A l f r e d Strnad, Das Bistum Passau in der Kirchenpolitik Friedrichs des Schönen, in: Mitt. des Oberösterr. Landesarchivs 8 ( 1 9 6 4 ) , S. 2 0 7 f., A n m . 81, f e r n e r K o l l e r , Zur Bedeutung, S. 358 f., Anm. 5. 78 In einem Brief vom 3. Juni 1 5 0 9 an seine Räte in W o r m s , vgl. Lhotsky, Haus Österreich, S. 359, f e r n e r Hermann W i e s f l e c k e r , Maximilian I., Bd. 1, W i e n 1 9 7 1 , S. 2 2 8 f f .
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spanischen habsburgischen Könige „Reyes de la casa de Austria", „Reyes Austríacos" oder einfach „los Austrias". Unter den sehr weitreichenden, mit der spanischen Macht, allenfalls auch mit der Tätigkeit österreichischer Missionare verbundenen überseeischen „österreichischen" Ortsnamen sind mittel- und südamerikanische Städte und Befestigungen mit dem Beinamen „de Austria" zu erwähnen 7 9 . Zeitweilig wurde auch die Benennung des f ü n f t e n Kontinents, des schon lange vor der tatsächlichen Entdeckung in Karten und in der geographischen Literatur mehrfach genannten (meist auch mit der Antarktis in Verbindung gebrachten) Südlandes Australien mit dem des Hauses Österreich kombiniert. So prägte der letzte große spanische Entdecker und Seefahrer Pedro Fernandez de Quiros, als er Merena, eine Insel der Neuen Hebriden, f ü r das große Südland hielt, unter ausdrücklicher Berufung auf die Casa de Austria unter Einfügung eines „i" den N a m e n „Austrialia". Der Südkontinent geriet dann aber in die H a n d von Holländern und Engländern, f ü r die es keinen Grund gab, ihren Besitz nach einer fremden, oft auch feindlichen Dynastie zu benennen. So wurde also aus dem f ü n f t e n Erdteil „Neuholland" und später wieder Australien, ohne das „österreichische" i, mit der nunmehr ausschließlich geographisch motivierten Bedeutung „Südland" 8 0 . Die spanischen Könige führten unter anderen den Titel eines „Erzherzogs von Österreich" („archiduque de Austria") bis ins 20. Jahrhundert, als längst die Krone von den Habsburgern auf die Bourbonen übergegangen war. Das geht zurück bis auf die Zeit, da ein Sproß des Hauses Osterreich, Philipp der Schöne, Sohn von Maximilian I., Gatte einer spanischen Erbinfantin als König von Kastilien bestätigt worden war (1505) 81 . Sogar Joseph Bonaparte nannte sich in seiner Proklamation als König von Spanien (1808) so. Mit diesem (und anderen) österreichischen Titeln waren im 18. Jahrhundert noch Rechts- und Herrschaftsansprüche verbunden, was die spanische Diplomatie nach dem Erlöschen des österreichischen, habsburgischen Mannesstammes 1740 entsprechend zu unterstreichen suchte; erst später sollte diese Titulatur, wie H a n s O t t o Kleinmann formulierte, 79 Alexander Randa, Die pax Austriaca in Amerika, Osterreich und Amerika vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. In: Religion, Wissenschaft, Kultur, Vjschr. der Wiener Katholischen Akademie 15 (1964), S. 193 ff. 80 Eugen Oberhummer, Austria und Australia. Anz. der Osterr. Akademie d. Wiss., Wien 1932, S. 101 ff.; Günther H a m a n n , Probleme der Entdeckungs-, Kolonial- und Namensgeschichte Australiens, M I Ö G 68 (1960), S. 313 ff. 81 Vgl. H a n s O t t o Kleinmann, Titelführung und Rechtsanspruch. Bemerkungen zum „österreichischen" Titel des Katholischen Königs im 18. Jahrhundert, in: Beiträge zur neueren Geschichte Österreichs, hrsg. v. Heinrich Fichtenau und Erich Zöllner, Veröffentlichungen des Inst. f. Osterr. Geschichtsforschung 20, Wien - Köln - Graz 1974, S. 130 ff.
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„nur mehr historische Bedeutung und eine Legitimitätsfunktion" haben 82 . Von dem Erzherzogstitel aber, der bei all dem eine so wesentliche Rolle spielte, soll noch in weiterem Zusammenhang die Rede sein. Es stellt sich uns die Frage: sprach man im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit nicht auch von Habsburgern, drängte die Formel „Haus Osterreich" die Bezeichnung der Dynastie nach ihrer Stammburg ganz zurück? Nun, so weit kam es nicht, aber tatsächlich nannte man zeitweilig die Familie offenbar ungern nach ihrer Stammburg. Der Habsburg kam nur die Grafenwürde zu; die Burg wurde, als Herzog Friedrich IV., Herr Tirols und der Vorlande, in die Reichsacht geriet, von den Eidgenossen 1415 erobert. Nach ihr genannt zu werden, empfand man in der Dynastie fast als Beleidigung. So soll Herzog Ernst („der Eiserne"), von Kaiser Sigmund als „Herr von Habsburg" angesprochen, nach dem Bericht des Kärntner Chronisten Jakob Unrest, den Monarchen seinerseits sarkastisch „Herrn von Lutziburg" ( = Luxemburg, ursprüngliche Wortbedeutung: „kleine Burg") genannt haben 83 . Immerhin sprach Thomas Ebendorfer, Angehöriger der gleichen Generation, von Habsburgern, wohl um „domus Austriae" für den österreichischen Länderkomplex in einem bewußt nichtdynastischen Sinn gebrauchen zu können; die Zukunft der Dynastie war damals gefährdet 8 4 . Der Name Habsburg blieb jedenfalls doch lebendig. Gerade nach dem Erlöschen des habsburgischen Mannesstammes durch den T o d von Kaiser Karl VI. (1740) sprach man bewußt und betont vom Haus Habsburg oder vom Haus HabsburgLothringen. Es galt die Kontinuität mit den Althabsburgern, deren staatsrechtliche Bedeutung von den Feinden bestritten worden war, entschieden hervorzuheben. Im übrigen aber war die Rechtslage nach Kaiser Karls VI. T o d so, daß seine Tochter Maria Theresia Haupt des Hauses Österreich und ihr Gatte Franz Stephan Haupt des Hauses Lothringen war; erst Joseph II. vereinigte beide Häuser, oder wie auch formuliert wurde, das „gesamte Erzhaus" in der Person des Herrschers 8 5 . Kleinmann, T i t e l f ü h r u n g , S. 150. J a k o b Unrest, Österreichische C h r o n i k , ed. Karl G r o ß m a n n , M o n . Germ. hist. Script, rer. G e r m . N S 11 (1957) 4. Vgl. hiezu Lhotsky, H a u s Österreich, S. 354 f. 84 T h o m a s E b e n d o r f e r , C r o n i c a Austrie, ed. Α. Lhotsky, M o n . G e r m . Hist. Script, rer. G e r m . N S 13 (1967), p r o l o g u s , L. 2, 3, 4 usw., passim, S. 2, 144, 156, 166, 235, 251, 258, 280 usw. 85 Vgl. hiezu G u s t a v T u r b a , D i e Pragmatische Sanktion mit besonderer Rücksicht auf die L ä n d e r der Stephanskrone, Wien 1906, S. 23 f., Erich Zöllner, Formen und W a n d l u n g e n des Österreichbegriffes, jetzt in: Ders., Probleme und A u f g a b e n , S. 19 ff. 82 83
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VOM HERZOG ZUM ERZHERZOG Es ist den meisten Österreichern noch bekannt, daß bis zum Ende der Habsburgermonarchie alle Angehörigen des Herrscherhauses, einschließlich der eingeheirateten Frauen (diese allerdings nur soweit sie als ebenbürtig anerkannt waren), den Erzherzogstitel führten. Allenfalls weiß man auch, daß der Kaiser in seinem Majestätstitel unter anderem „Erzherzog von Osterreich" heißt, daß überdies das heutige Bundesland Niederösterreich den offiziellen Landesnamen „Erzherzogtum Osterreich unter der Enns", Oberösterreich den eines „Erzherzogtums Osterreich ob der Enns" führte. Wann ist nun der Erzherzogstitel aufgekommen und woher stammt er? Handelt es sich um eine österreichische Prägung oder ist der Erzherzog etwa importiert worden? Die ersten Erwähnungen des österreichischen Erzherzogstitels begegnen uns in Urkunden und auf Siegeln Rudolfs IV. (1359—1365) 86 . Der österreichische H e r z o g fürchtete nicht mit Unrecht, daß seine habsburgische Dynastie vom luxemburgischen Herrscherhaus, aber auch von den Kurfürsten, denen sein Schwiegervater Kaiser Karl IV. im Reichsgesetz der Goldenen Bulle (1356) wesentliche Vorrechte gewährt hatte, überflügelt würde. Die Goldene Bulle hatte den Kurfürsten „Erzämter" eingeräumt, dem König von Böhmen den archipincerna (Erzmundschenk), dem Pfalzgrafen bei Rhein den archidapifer (Erztruchseß), dem H e r z o g von Sachsen-Wittenberg den archimariscalcus (Erzmarschall) und dem Markgrafen von Brandenburg den archicamerarius (Erzkämmerer) 8 7 . Diese Erzämter knüpften an traditionelle, schon lange bestehende H o f ä m t e r an. Wenn nun Rudolf IV. f ü r sich den Titel eines Pfalzerherzogs (palatinus archidux) oder wenigstens eines Erzherzogs (archidux) beanspruchte, so mag er gewiß der Uberzeugung gewesen sein, daß ein derartiger Rang seinem Hause gebühre, das ja mit Rudolf von Habsburg, Albrecht I. und dem allerdings im Kampf gegen Ludwig den Bayern unterlegenen Friedrich dem Schönen drei römisch-deutsche Könige gestellt hatte und eine legendäre Familientradition pflegte, die von italisch-römischer Abkunft wissen wollte. Dabei dachte Rudolf insbesondere an das mächtige Geschlecht der Colonna 8 8 . Er scheute sich bekanntlich in seinem Streben nach Mehrung des 86 Franz Kürschner, Die Urkunden H e r z o g Rudolfs IV. von Österreich, A Ö G 49 (1872), S. lOff., insbes. S. 15f. 87 Karl Zeumer, Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV., 2. Teil, Text, Weimar 1908. 88 Zu den Habsburgischen Herkunftslegenden vgl. Alphons Lhotsky, Apis Colonna, M I Ö G 55 (1944), S. 171 ff.; Neudruck: Lhotsky, Aufsätze und Vorträge, Bd. 2, S. 7 ff. (hier nach dem Neudruck).
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Ansehens seines Hauses und Landes nicht vor Urkundenfälschungen. In seiner Kanzlei wurden fünf Diplome produziert und als Originale früherer römisch-deutscher Herrscher präsentiert 89 . Das seltsamste unter diesen Pseudoprivilegien war eine Urkunde auf den Namen von König Heinrich IV. mit wörtlichen Inserten angeblicher Diplome Julius Caesars und Neros für Österreich, was natürlich das ehrwürdige Alter besonderer Vorrechte von Land und Herrschern unterstreichen sollte. Das wichtigste Stück der in Rudolfs Auftrag fabrizierten Urkunden aber war eine mit extrem erweitertem Inhalt ausgestattete Neuauflage der Urkunde, die Friedrich Barbarossa anläßlich der Erhebung Österreichs zum Herzogtum (1156) für Herzog Heinrich Jasomirgott und dessen Gattin Theodora ausgestellt hatte. In dem Falsifikat Rudolfs IV. (Privilegium maius, im Gegensatz zum echten Privilegium minus) wird nun dem österreichischen Landesherrn neben anderen wichtigeren Vorrechten auch der Titel eines Pfalzerzherzogs (palatinus archidux) zugebilligt, den Herzog Rudolf dann tatsächlich 1359 bis 1360 in Urkunden und auf seinem Siegel führte, bis er auf Druck Kaiser Karls IV. diesen Pfalzerzherzog und auch anderes aufgeben mußte. Vermutlich strebte Rudolf, wie Heinrich Appelt ausführte, zunächst im schwäbisch-elsässischen Gebiet die Verbindung der Würden und Rechte von Pfalzgraf und Herzog an; so nannte er sich auch Herzog von Schwaben und im Elsaß, zwei Gebieten, in denen die Habsburger tatsächlich über recht respektablen Besitz verfügten 9 0 . Rudolf herrschte zudem über mehrere Herzogtümer (Osterreich, Steiermark, Kärnten), so wäre wohl denkbar, daß er etwa in Analogie zu einem Erzbischof, dem mehrere Bischöfe und Diözesen unterstehen, für sich einen Erzherzogstitel für angemessen hielt. Diese zunächst sehr naheliegende Deutung trifft aber kaum zu, denn Rudolf IV. verwendete sie in seiner Argumentation nicht. Wohl aber konnte er allenfalls behaupten, selbst im Besitz eines Erzamtes zu sein. Zu den vier erwähnten Erzhofämtern der Kurfürsten konnten noch andere treten, so ein Küchenmeister, ein Hofrichter und ein Jägermeister. Hier ergibt sich nun auch eine Anknüpfungsmöglichkeit: Kärnten wird von Autoren des 15. Jahrhunderts, von Jakob Unrest und von Aeneas Silvius Piccolomini, als Erzherzogtum bezeichnet. D a nun in einer Gruppe der Handschriften des berühmten deutschen Rechtsbuches „Schwabenspiegel" und auch vom Chronisten Abt J o hann von Viktring der Herzog von Kärnten als Reichsjägermeister " Alphons L h o t s k y , Privilegium maius, D i e Geschichte einer U r k u n d e , Wien 1957; die T e x t e ebenda, S. 8 I f f . 9 0 Heinrich Appelt, D i e Bedeutung des Titels „archidux palatinus A u s triae", in: Festschrift Friedrich H a u s m a n n , G r a z 1977, S. 15 ff. 42
bezeichnet wird, s o erscheint es naheliegend, den gelegentlich auf Kärnten bezogenen Erzherzogtitel von einem Erzjägermeisteramt des Kärntner H e r z o g s abzuleiten, dessen altertümliche Einsetzungszeremonien, die bis 1414 geübt wurden, weitere Anregungen geboten haben mögen. H e r z o g R u d o l f IV. ließ jedenfalls auf dem Kärntner H e r z o g s s t u h l auf dem Zollfeld seinen N a m e n anbringen und führte auch den Titel „sacri R o m a n i imperii supremus magister venatorum" beziehungsweise in deutscher Fassung: „des heiligen Romischen richs obrister iegermeister"' 1 . E s gibt aber neben der Kärntner D e u t u n g des Erzherzogstitels noch eine in eine g a n z andere Richtung, eine ganz andere Region führende Überlegung. Wir kommen dabei wieder in das Gebiet der fränkischen, westdeutsch-rheinischen „Austria" oder „Austrasia", von der ja mittelbar Österreichs offizieller lateinischer L a n d e s n a m e stammt. Hier findet sich die Wortbildung „archidux", E r z h e r z o g , schon wesentlich früher als im österreichischen R a u m . Bruno, der jüngste Bruder Kaiser O t t o s I., vorerst am H o f e , in der Kanzlei O t t o s als „archicapellanus", als Leiter der Kanzlei und Kapelle des Monarchen tätig, wurde 953 Erzbischof — also „archiepiscopus" von Köln; im nächsten J a h r e aber verlieh ihm O t t o auch die Würde eines H e r z o g s von Lothringen. Während Ottos zweiter Italienfahrt, deren H ö h e punkt die K a i s e r k r ö n u n g in R o m (962) bildete, leitete Bruno die Angelegenheiten des Reiches im Westen. Unmittelbar nach Brunos frühem T o d e (965) schrieb der M ö n c h Ruotger die Vita Brunonis, also eine Lebensbeschreibung Brunos, in der nun berichtet wird, daß O t t o I., als er sich gegen die einfallenden U n g a r n wandte, dem Bruder eine Stellung als Schützer und Verwalter im Westen, nach den Worten des Chronisten „wie ich sagen möchte, als E r z h e r z o g " (ut ita dicam archiducem) anvertraute. Es scheint freilich, daß dieser Titel Brunos nur in R u o t g e r s Vita und von ihr abhängigen Quellen gebraucht wird, daß ihn Bruno tatsächlich nicht führte 9 2 . Es gibt nun weiters auch in einem etwa zur Zeit R u d o l f s IV., aber wohl unabhängig von österreichischen Angelegenheiten abgefaßten T e x t , in der dritten Fortsetzung der „ G e s t a abbatum monasteri! " Vgl. Wilhelm N e u m a n n , Wirklichkeit und Idee des „windischen" Erzherzogtums Kärnten. D a s Kärntner Landesbewußtsein und die österreichischen Freiheitsbriefe (Privilegium maius), in: Südostdeutsches Archiv, Bd. 3 (1960), S. 141 ff., Lhotsky, Pivilegium maius, S. 27 f., Kürschner, U r k u n d e n , S. 11. 9 2 R u o t g e r , Vita Brunonis, c. 20, M o n . G e r m . Hist. Script. IV, S. 261; R u o t g e r folgte Sigebert von G e m b l o u x in seiner Chronik, M o n . G e r m . Script. VI, S. 350, sowie in der Vita Deoderici, Script. VI, S. 350.
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S. Trudonis", der Geschichte der Äbte von Saint-Trond, eine einschlägige Formulierung. Hier wird von Pippin dem Alteren, einem Ahnherrn der Karolinger, berichtet und dabei die Wendung gebraucht: „. . . diesen machte König Dagobert zum Erzherzog von ganz Austrien" („. . . quem Dagobertus rex totius Austrie archiducem fecit") 9 3 . Es mag also sein, daß im Westen des römisch-deutschen Reiches, im alten Austrasien oder Austrien gebrauchte Formulierungen für die Verknüpfung des Erzherzogstitels mit Osterreich, für Rudolf IV. Anspruch auf Rang und Namen eines „archidux Austriae", als Anregungen und Vorbilder wirkten. Rudolf IV. stieß mit seinen Aspirationen auf den Widerstand Karls IV., der, wie erwähnt, den „palatinus archidux" ablehnte; Rudolf verwendete aber bald wieder den Titel „archidux" ohne Verbindung mit einem Pfalzamt. Das wurde geduldet. Auch seine Nachfolger bedienten sich gelegentlich des Erzherzogtitels. Dessen Führung wurde reichsrechtlich abgesichert, als Friedrich III., selbst dem habsburgischen Hause angehörig, in den Jahren 1442 und 1453, zuerst als König, dann als gekrönter Kaiser, die rudolfinischen Pseudoprivilegien bestätigte. Zwar wurde die Berechtigung der Führung des Erzherzogtitels das zweite Mal auf die Mitglieder der innerösterreichischen (steirischen) Linie des Hauses beschränkt, der der Monarch selbst angehörte. Die beiden anderen Linien erloschen indessen noch im 15. Jahrhundert. Seither galt der Erzherzogtitel für das gesamte Haus Osterreich; das wurde als einzigartiges Recht respektiert. Die Habsburger fühlten sich als Erzhaus anerkannt; damit schien ihnen eine exklusive Stellung unter den europäischen Dynastien gegeben zu sein. Lediglich episodenhafte Bedeutung hatte die Beanspruchung des Titels „Erzgraf" durch die Grafen von Oldenburg im 16. Jahrhundert. Es wurde dabei offenbar an die „Grafen von Altenburg" angeknüpft, die in den Habsburgergenealogien jener Epoche, etwa bei Wolfgang Lazius, eine nicht unerhebliche Rolle spielten' 4 . Wenn aber mächtige Inhaber der Herzogswürde aus anderen Familien ihren Rang betonen wollten, so nahmen sie den Titel von Großherzogen an, wie die Medici der Toskana im 16. und die Badenser im 19. Jahrhundert; der Erzherzogstitel aber verblieb dem Haus Osterreich und dessen Angehörigen sowie dem österreichischen Donauland, in dem sich die Residenz Rudolfs IV. befunden hatte.
93 Gesta abbatum Trudonensium, Continuatio III, Mon. Germ Script. X , S. 365. 9 1 Vgl. Lhotsky, Apis Colonna, S. 77 ff.; Wilhelm Hanisch, Erzherzog und Erzgraf, Ö G L 16 (1972), S. 132 ff.
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ALT- U N D NEU-ÖSTERREICH: EINE HISTORISCHE FIKTION U N D IHRE SPIEGELUNG IN DER ÖSTERREICHISCHEN HERALDIK Das an sich schon spärliche und bruchstückhafte Wissen um die echte Geschichte des österreichischen Raumes in der Antike und den unruhigen Jahrhunderten der Völkerwanderung wurde im Spätmittelalter durch phantastische, völlig wirklichkeitsfremde Kombinationen und Spekulationen verdrängt und überwuchert. Ahnliche Geschichtsklitterungen in Böhmen und in Polen mögen anregend gewirkt haben. So schuf in Osterreich — um nur das bekannteste Beispiel zu nennen — der Augustiner-Eremit Leopold von Wien, der als Kaplan am Hofe Herzog Albrechts III. fungierte, eine österreichische Landeschronik, in der eine fiktive heidnisch-jüdische, legendenumwobene Vorzeit mit phantastischen Landes-, Orts- und Fürstennamen der echten Landesgeschichte, die für den Autor in der Babenbergerzeit einsetzte, vorangestellt wurde. In die sagenhafte Vergangenheit verlegte Fürstenehen mit Böhmen und Ungarn ergaben sich aus der Situation der eigenen Gegenwart, als das albertinische Osterreich mit der luxemburgischen Dynastie dieser Länder zusammenwirkte; aber auch ein römischer Fabelkaiser zählt zur Verwandtschaft der österreichischen Sagenherrscher 95 . Den angeblichen frühen hohen Rang des eigenen Landes, dessen Fürsten schon einmal Herzoge gewesen seien und später zu Markgrafen gemindert worden wären, charakterisiert nun auch ein kaiserliches Adlerwappen. Dieses läßt sich in wechselnden Formen als Fünf- oder Sechs-Adlerwappen bereits in den Glasgemälden des Kreuzganges von Klosterneuburg (vor 1336), jedenfalls unter Herzog Albrecht II. (1330—1355) nachweisen; unter Herzog Rudolf IV. wird die Fünfzahl zur Regel, und bald setzte sich die dauernd beibehaltene Gestalt der fünf (Anordnung 2 : 2 : 1) gestümmelten goldenen Adler im blauen Feld durch 96 . Für dieses also im 14. Jahrhundert erstmalig 95 Konrad Joseph Heilig, Leopold Stainreuter von W i e n , der Verfasser der sogenannten Osterreichischen C h r o n i k von den 95 Herrschaften, M I O G 47 (1933), S. 225 ff., gibt eine k u r z e Zusammenfassung des wesentlichen Inhalts der C h r o n i k , die von Joseph Seemüller, M o n . Germ. Deutsche C h r o n i k e n 6 (1909) ediert wurde. Vgl. auch Lhotsky, Q u e l l e n k u n d e zur mittelalt. Geschichte Österreichs, G r a z - Köln 1963, S. 313 ff.; Paul Uiblein, in: Die Quellen der Geschichte Österreichs, Schriften d. Inst. f. Österreichkunde 40, W i e n 1982, S. 100—103; über die Z u s a m m e n h ä n g e mit den Bestrebungen R u d o l f s IV. vgl. auch die folgenden A u s f ü h r u n g e n . 96 Karl Lechner, W a p p e n und Farben des Gaues N i e d e r d o n a u in ihrer historischen Entwicklung, St. Pölten 1942, S. 12 ff.; Eva Frodl-Kraft, Das FünfA d l e r - W a p p e n . Neue Beobachtungen zu einer alten Frage. M I O G 65 (1957), S. 93 ff.; Floridus R ö h r i g , Zum Ursprung des Fünf-Adler-Wappens. J a h r b u c h des Stiftes Klosterneuburg, Neue Folge 3 (1963), S. 63 ff.; Begrich, Die fürst-
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auftretende Fünf-Adler-Wappen wird im folgenden Saeculum die Bezeichnung „Alt-Österreich" gebraucht; damit soll auch heraldisch auf ein älteres, ranghöheres Osterreich vor der babenbergischen Epoche hingewiesen werden, in der dann Osterreich sozusagen unverdientermaßen von neuem anfangen mußte. Der babenbergische Bindenschild Rot-Weiß-Rot wird dann als „Neu-Osterreich" bezeichnet. Das historisch ältere Wappen wird also ebenso wie die historische Vergangenheit zeitlich und dem Range nach zurückgestellt. Das Fünf-Adler-Wappen wurde auch als spezifisches Wappen des späteren Landesheiligen Markgraf Leopolds III. gedeutet. Floridus Röhrig dachte an bewußte A n k n ü p f u n g an ein in Klosterneuburg aufbewahrtes blaues, mit goldenen Vögeln und anderen Tieren sowie mit Pflanzen geschmücktes Gewand, das aus der zweiten H ä l f t e des 13. Jahrhunderts stammte und im späteren 14. Jahrhundert als O r n a t des heiligen Leopold gedeutet wurde, f ü r den dann ein blaues Gewand mit goldenen Adlern und in der Folge der blau-gelbe Fünf-AdlerSchild zum heraldischen Symbol geworden sei. Diese Funktion kommt dem Schild tatsächlich zu. Die Verbindung mit dem eigentlichen Begründer des österreichischen Landesfürstentums, der nach mehrfachen Bemühungen österreichischer Regenten, darunter auch Rudolf IV., 1485 heiliggesprochen wurde und seit 1663 als niederösterreichischer Landespatron gilt, ließ das blau-gelbe Fünf-AdlerWappen als niederösterreichisches Landeswappen sehr geeignet erscheinen, doch wurde ihm diese Eigenschaft erst 1804 offiziell zuerkannt , 7 . Am Anfang steht die auf Leopold III. bezogene Interpretation des Fünf-Adler-Wappens, das unter anderem schon von H e r z o g Rudolf IV. in seinem großen Siegel geführt wurde, aber kaum. Der Adler galt als kaiserliches Wappentier, so hängt seine heraldische Verwendung auch im Falle des späteren niederösterreichischen Landeswappens wohl mit der Legendenbildung um eine mit dem römischen Kaisertum irgendwie verknüpfte glorreiche Vergangenheit Österreichs zusammen. Da die Babenberger vor dem Bindenschild nachweislich von Heinrich II. Jasomirgott bis Leopold VI. im Siegel ein (allerdings einfaches) Adlerwappen geführt hatten, so gab es sogar eine echte historisch-heraldische Anknüpfungsmöglichkeit f ü r das Fabelwappen „Alt-Österreich" 9 8 .
liehe „Majestät" H e r z o g Rudolfs IV., S. 37 ff.; Uiblein, in: Die Quellen der Geschichte Österreichs, S 72. 97 Lechner, Wappen und Farben, S. 43 ff. 98 Vgl. Babenberger-Urkundenbuch Bd. 3, Die Siegel der Babenberger, Wien 1954, Nr. 12, 15, 18 b usw. Hiezu auch Uiblein, in: Die Quellen der Geschichte Österreichs, S. 72; Uiblein hält in Hinblick auf die Vielzahl der Adler
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Keineswegs unberührt von Sage und Legende blieb auch der rotweiß-rote Bindenschild „Neu-Osterreich". In jener „Chronik der 95 Herrschaften" des oben erwähnten Augustiner-Eremiten Leopold von Wien, in der eine üppig wuchernde Phantasie über Österreichs Vergangenheit so ungehemmt zur Geltung kam, wird auch berichtet, daß H e r z o g Leopold V. den Bindenschild in der „Heidenschaft", also auf einem Kreuzzug erfochten habe. Sehr ausführlich, unter Nennung der Stadt Akkon, behandelt T h o m a s Ebendorfer des Herzogs Waffentat. Auch als Symbol f ü r ein „goldenes" Land, durch das das Silberband der Donau fließe, deutete man den Bindenschild. Die Annahme Karl Lechners, daß Leopold VI. dieses Wappen von den Grafen von Poigen-Hohenburg-Wildberg nach deren Erlöschen (1209) mit ihren Besitz- und Hoheitsrechten übernommen hätten, blieb nicht unwidersprochen. Im Wappenbuch des Petrus von Ebulo (1196/1197) wird die Gefangennahme König Richard I. Löwenherz von England durch Gefolgsleute des Herzogs von Osterreich dargestellt, die auf Schilden und Helmen dem Bindenschild ähnliche Abzeichen tragen. Andererseits trug der zweite Gatte der Witwe des letzten Hohenburgers, Markgraf Dietpold von Vohburg, den Bindenschild auch nach 1230. Wie immer man über die Zeit und die Voraussetzungen f ü r die Übernahme des Bindenschildes durch die Babenberger denken mag, das Wappen wurde seit 1230 von H e r z o g Friedrich II., dem letzten Babenberger, im Siegel g e f ü h r t " . Seit dem 15. Jahrhundert gab es gewissermaßen zwei österreichische Landeswappen, eben „Alt"- und „Neu"-Osterreich. Als im Jahre 1804 Kaiser Franz den Titel eines Kaisers von Osterreich annahm, galt der Bindenschild als Wappen des Hauses Österreich, das blaugelbe Fünf-Adler-Wappen aber, wie schon erwähnt, als alleiniges Landeswappen von Niederösterreich. Als das Schicksal der österreichisch-ungarischen Monarchie bereits besiegelt war, wurde auf Initiative von Wilhelm Miklas vom deutschösterreichischen Staatsrat am 31. Oktober 1918 die rot-weiß-rote Fahne f ü r Deutschösterreich als Staatsflagge („Staatsfarben") angenommen. Diese Übernahme der rot-weiß-roten Fahne als Flagge der Republik wurde schließlich am 21. Oktober 1919 durch das Gesetz über die Staatsform fixiert 100 .
einen Einfluß des Lilienwappens der damals auch in Ungarn herrschenden Anjous f ü r möglich. 99 Zöllner, Geschichte Österreichs, S. 72 f.; Karl R. Pakosta, Die H e r k u n f t des rotweißroten Bindenschildes, Der schicksalhafte Weg des österreichischen Staatssymbols von der Entstehung bis zur Gegenwart, Wien 1976, S. 37; 1000 Jahre Babenberger in Osterreich, Katalog der Ausstellung in Lilienfeld, Wien 1976, S. 408 Nr. 636. Babenberger-Urkundenbuch Bd. 3, Die Siegel, Nr. 41. 100 Gall, Österreichische Wappenkunde, S. 112 ff.
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DIE ÖSTERREICHISCHEN LÄNDERGRUPPEN DES SPÄTMITTELALTERS U N D DER F R Ü H E N N E U Z E I T Die Habsburger verfügten seit dem Ende des 13. Jahrhunderts über weithin ausgedehnte Herrschaften, die in ihren territorialen, rechtlichen und nationalen Strukturen recht verschieden waren. Sie in ihrer Gesamtheit zusammenzuhalten, mußte auch schwierig sein, wenn die Angehörigen des Hauses Osterreich untereinander harmonierten. M a n weiß, daß das keineswegs immer der Fall war. In einer Reihe von vertraglichen Abmachungen suchte man das Gemeinsame in der einen oder anderen Form zu wahren; die jüngeren Brüder und Verwandten wehrten sich gegen eine Alleinherrschaft des Ältesten; bei gemeinsamer Regierung mangelte es aber an einer einheitlichen Linie der Politik. Nach dem frühen T o d Rudolfs IV. regierten zunächst dessen Brüder Albrecht III. und Leopold III. gemeinsam und nicht ohne Erfolg. Verschiedenheit der Temperamente, wohl auch der politischen Ansichten, führten zuerst zu einer Teilung der Einkünfte, dann — im Vertrag von Kloster Neuberg im Mürztal — am 25. September 1379 zu einer Herrschaftsteilung, welche die Epoche der spätmittelalterlichen habsburgischen Herrschaftsteilungen (1379—1490) einleitete. In der Folge unterstanden die österreichischen D o n a u länder beiderseits der Enns den Albertinern bis zu deren Erlöschen 1457; seit den Verträgen von Hollenburg (1395) und Wien (1396) zeichneten sich insgesamt drei Ländergruppen ab. Diese wurden bei den folgenden Abmachungen respektiert. Im Jahre 1490 wurden sie in der H a n d Maximilians I. vereinigt. Nach dem T o d e Kaiser Ferdinands I. (1564) fanden sie bei der Herrschaftsteilung unter den Söhnen wieder Berücksichtigung. Nach etwa hundertjähriger Dauer fand dann die zweite, die neuzeitliche Epoche der habsburgischösterreichischen Herrschaftsteilungen ihr Ende 101 . Die Bezeichnungen der Ländergruppen schwanken. Die charakteristischen Namensformen mit den dem W o r t e Osterreich vorangestellten Lagebezeichnungen sind erst während der frühneuzeitlichen Teilungsepoche und dann auch später verwendet worden, während man im ausgehenden 14. und 15. Jahrhundert allenfalls von den vorderen, oberen, inneren und niederen Ländern spricht, wobei aber der U m f a n g dieser Gruppenbegriffe wechselt. Hier sollen die mittelalterlichen und die neuzeitlichen einschlägigen Terminologien gemeinsam gewürdigt werden 1 0 2 . 101
Zöllner, Geschichte Österreichs, S. 136—154, 196—221, 246—249. Zöllner, Perioden der österreichische Geschichte und Wandlungen des Österreichbegriffes bis zum Ende der Habsburgermonarchie, in: Zöllner, Probleme und Aufgaben der österreichischen Geschichtsforschung, Wien 1984, S. 63 ff. Wesentliche Hinweise schon bei Viktor Thiel, Zur Geschichte des Be102
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Das H e r z o g t u m Osterreich war und blieb das Hauptland der Babenberger; hier residierten sie in der Regel. Seit dem letzten Babenberger, deutlicher unter König Ottokar, begann sich, wie bereits ausgeführt, ein eigenes Land ob der Enns abzuzeichnen; lehenrechtlich gehörten beide Länder aber zusammen. Geographisch schloß sich an sie die Steiermark an, aber auch Kärnten und Krain gehörten nach ihrer Erwerbung (1335) durch die Habsburger zu diesem südöstlichen Komplex, ebenso Triest und Inneristrien, zwei weitere Erwerbungen des 14. Jahrhunderts. Diesen südöstlichen Bereich konnte man von den habsburgischen Besitzungen im Westen durch eine Talfahrt auf der Donau erreichen; auch vom Tiroler Inntal aus gesehen lagen diese Gebiete stromabwärts. So versteht es sich, daß sich der Ausdruck „niedere Lande", später „niederösterreichische Länder", auf den Komplex im Südosten, beziehungsweise zumindest auf die an der D o n a u gelegenen Länder, das Herzogtum Osterreich unter der Enns und das Land ob der Enns, bezog, während man sich in Tirol und in den althabsburgischen Gebieten im Westen zu den „oberen Landen" gehörig fühlte. Es wurde schon angedeutet, daß der U m f a n g dessen, was man unter den niederösterreichischen Ländern verstand, schwanken konnte. Schränkte man ihn auf die beiden Donauländer beiderseits der Enns ein, dann ergab sich ein weiterer Länderkomplex mit dem Hauptland Steiermark und der Residenz Graz, dem auch Kärnten und Krain, ferner Inneristrien, Triest und seit 1500 Görz angehörten. Für diese Territorien verwendete schon gelegentlich Friedrich III. als Landesherr um die Mitte des 15. Jahrhunderts den Sammelbegriff „innere Lande"; unter Maximilian I. gehörten sie zum größeren Verwaltungskomplex der „niederösterreichischen Länder", im Jahre 1490/1491 wurde das im Herbst 1493 endgültig in Wien eingerichtete Niederösterreichische Regiment geschaffen, das sowohl die österreichischen Donauländer wie Kärnten, Steiermark, Krain und die adriatischen Besitzungen verwalten sollte. Die Situation änderte sich, als gemäß einer 1554 erfolgten Anordnung Kaiser Ferdinands I. nach dessen T o d e die Teilung der Erbländer unter den drei Söhnen des Herrschers durchgeführt wurde. Der älteste Sohn Maximilian II. erhielt die österreichischen Donauländer (überdies war er schon zu Lebzeiten des Vaters in Ungarn und Böhmen gekrönt worden), der zweite Sohn Ferdinand wurde mit Tirol und den Vorlanden ausgestattet, Karl aber, der dritte, erhielt die „inneren Lande", die freilich
g r i f f e s I n n e r ö s t e r r e i c h , C a r i n t h i a I 103 (1913), S. 1 3 0 f f . ; O t t o Stolz, G e schichtliche B e s c h r e i b u n g d e r o b e r - u n d v o r d e r ö s t e r r e i c h i s c h e n L a n d e , Q u e l l e n u n d F o r s c h u n g e n z u r Siedlungs- u n d V o l k s t u m s g e s c h i c h t e d e r O b e r r h e i n l a n d e , Bd. 4, K a r l s r u h e 1943, insbes. S. 30 ff., 45 ff. Vgl. f e r n e r die in d e r folgenden Anm. genannte Literatur.
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offiziell noch zu den niederösterreichischen Ländern gerechnet wurden. Es kam nun zu einer länger währenden Zusammenfassung der „inneren Lande" unter der Regierung eines Herrschers. So konnte man auch 1964 ein Jubiläum „Vierhundert Jahre Innerösterreich" feiern. Der Regent hatte seine Residenz in Graz. Die Einberufung und die Beratungen von gemeinsamen „Ausschußlandtagen", das durch die steigende Türkengefahr bedingte Zusammenwirken, die Einrichtung „innerösterreichischer" Zentralbehörden seit 1564, die Schaffung eines eigenen Grazer Hofkriegsrates (1578), auch die G r ü n d u n g der Grazer Universität, sind in diesem größeren Zusammenhang zu sehen. Die gemeinsame Verwaltung, eine gewisse Rechtsangleichung, f ü r die erste Ansätze schon im 14. Jahrhundert gegeben waren, die türkische Drohung, all das führte zu einem Gemeinschaftsbewußtsein, man sprach von einem untrennbaren „corpus", von Union und Konföderation, und man gebrauchte den gefühlsbetonten Vaterlandsbegriff sowohl f ü r die Einzelländer wie f ü r den Gesamtbereich. Nach der Wahl und Krönung von Karls Sohn Ferdinand, der seit dem Jahre 1595 diesen Komplex beherrscht hatte, zum römisch-deutschen Kaiser, und der im gleichen Jahre 1619 erfolgten Ubersiedlung des Monarchen nach Wien, bestand eine eigene Zentralverwaltung der inneren Lande in Graz weiter. Diese wurde nun vom Monarchen am 9. Mai 1620 „Innerösterreichische Regierung, Kammer und Räte" zur ausdrücklichen Unterscheidung von der — wie auch bisher — als „Niederösterreichische Regierung, Kammer u n d Räte" bezeichneten Wiener Zentralstelle benannt 1 0 3 . Der nunmehrigen Fixierung des Begriffes Innerösterreich beziehungsweise der im amtlichen Sprachgebrauch verwendeten Mehrzahl „innerösterreichische lande" ( = Länder) entsprach naturgemäß eine Reduzierung des Begriffsumfanges „niederösterreichische Lande" auf die beiden Länder unter und ob der Enns. Dabei sollte es auch bleiben, als die Ländergruppen der früheren Neuzeit in zeitgemäß modifizierten Formen noch einmal kurzfristig auflebten. Als Joseph II. nach einer engeren Zusammenfassung der Behörden der Zentralstellen und der Verwaltung der österreichischen Kronländer strebte, wurde in den „Vereinigten Hofstellen" (seit 1782) 103 Vgl. hiezu namentlich Rainer Puschnig, Gnaden und Rechte. Das steirische Siegelbuch. Ein Privilegienprotokoll der innerösterreichischen Regierung 1592—1619, G r a z 1984, S. 9 f f . , insbes. S. 16. Puschnig verweist ebenda daraufhin, daß schon f r ü h e r zeitweilig (1601 —1603) die Grazer H o f k a m m e r r e g i straturbücher als „innerösterreichisch" betitelt sind. Eine ausführliche verwaltungsgeschichtliche Darstellung gibt Viktor Thiel, Die innerösterreichische Zentralverwaltung 1 5 6 4 - 1 7 4 9 . Teil I, II, A Ö G 105 (1916), S. I f f . ; I l l (1930), S. 497 ff.
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von den referierenden H o f r ä t e n jeweils einer mit den politischen und finanziellen Agenden der sechs Ländergruppen Böhmen, Mähren und Schlesien, Galizien, Ober- und Niederösterreich, Innerösterreich und Triest, Tirol und Vorlande befaßt. In der Länderverwaltung sollte es ebenfalls nur mehr sechs Gubernien geben, wie Länderbehörden seit der zweiten Epoche der theresianischen Reformen zumeist hießen. Das Wiener Gubernium sollte f ü r Osterreich unter und ob der Enns, das Innsbrucker f ü r Tirol und die Vorlande, das Grazer f ü r Kärnten, Krain, Steiermark und das mit Görz-Gradiska vereinigte Triest zuständig sein 104 . Diese Gubernien unterstanden entsprechenden Abteilungen der „Vereinigten Hofstellen". Wie viele andere R e f o r m m a ß nahmen Josephs II. wurde auch die N e u o r d n u n g und Zusammenfassung von Länderverwaltungen nach dessen T o d wieder rückgängig gemacht. Unklare Erinnerungen an Territorialterminologien früherer Jahrhunderte, die er wohl während des Studiums der Rechte kennengelernt hatte, dürften mitgewirkt haben, wenn der sozialdemokratische Politiker O t t o Bauer im Oktober 1918 in einer Parteivorstandssitzung einen Entwurf präsentierte, in dem ein „Innerösterreichisches Gebiet" neben dem deutsch-böhmischen und dem schlesisch-nordmährischen als eine der geographischen Grundlagen f ü r die Bildung dreier deutschösterreichischer Gliedstaaten, sei es einer aus der Monarchie hervorgehenden Föderation oder des Deutschen Reiches, dienen sollte. Das hatte höchstens episodische Bedeutung 1 0 5 . Reminiszenzen an ältere territoriale Gruppenbildungen haben bei den zukunftsorientierten josephinischen Initiativen neben anderen Überlegungen die Organisation von Länderkomplexen nahegelegt und motiviert. Im Westen der österreichischen Erbländer sollten derartige Zusammenfassungen noch länger von Bedeutung sein. Hier wurde innerhalb der „oberen Lande" zwischen dem Hauptland Tirol, das zur Zeit Maximilians so sehr an Bedeutung gewonnen hatte, und den im Westen „jenseits des Arlbergs und des Fernpasses" gelegenen Ländern unterschieden; diese bezeichnete man in ihrer Gesamtheit oder in wesentlichen Teilbereichen als „Vorlande", „vorderösterreichische Länder", oder kurz zusammenfassend als „Vorderösterreich". Dieses Vorderösterreich spielte in der Geschichte des alemannischen 104
Friedrich Walter, Die österreichische Zentralverwaltung II/4, 1, 4, 2, Die Zeit Josephs II. und Leopolds II. (1780—1792). Veröffentlichungen der Komm. f. Neuere Geschichte Österreichs 35/36, 1950, S. I f f . , 15, 42, 123 ff., — Elisabeth Bradler-Rottmann, Die Reformen Kaiser Josephs II. Göppinger akademische Beiträge 67, Göppingen 1973, S. 39. los Andreas Liier, Die nationale Frage in Ideologie und Programmatik der politischen Lager Österreichs 1918—1933. Phil. Diss. Wien 1985, S. 9 0 f .
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deutschen Südwestens seit dem späteren Mittelalter bis in die napoleonische Zeit eine mitunter recht bedeutsame Rolle. Freilich ist hier im Gegensatz zu den seit 1282 in habsburgischen Besitz gelangten Ländern an Inn, Etsch, D o n a u , M u r und Drau eine Zusammenfassung zu einer größeren territorialen Einheit nicht gelungen. H a n s Erich Feine formulierte bildhaft und treffend: „Es sind die angefangenen Grundmauern, die stattlichen, aber ruinenhaften Baublöcke eines Palastes, dessen Bauplan erkenntlich geblieben, der aber nicht zur Ausführung gekommen ist: Der Plan eines großschwäbischen H e r z o g t u m s als Basis der deutschen Königsmacht, wie sie die Staufer nahezu besessen, die Habsburger als Träger der deutschen Königs- und Kaiserkrone vergeblich angestrebt hatten." 106 Zur Zeit, da die Bezeichnung „Vorderösterreich" erst gebräuchlich wurde, im 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, lassen sich vier Hauptkomplexe unterscheiden 1 0 7 . Nach dem Verlust des Aargaus (mit der Habsburg 1418) und des Thurgaus (1460) an die Schweizer umfaßten die Vorlande im wesentlichen das südliche Elsaß (den Sundgau mit dem Verwaltungszentrum Ensisheim) links und den Breisgau mit dem Schwarzwald rechts des Oberrheins, dann Vorarlberg (soweit es schon habsburgisch war) und das besonders stark aufgesplitterte Osterreichisch-Schwaben (oder auch „Schwäbisch-Osterreich") mit Herrschaften am Bodensee, darunter seit 1548 die Stadt Konstanz, an der oberen Donau, so seit 1301 die Markgrafschaft Burgau, und deren Nebenflüssen, aber auch am Neckar. Entscheidend war wohl, d a ß das 1521 erworbene H e r z o g t u m Württemberg im Frieden von Kaaden 1534 wieder aufgegeben werden mußte. Eine größere Geschlossenheit besaß man mit dem Komplex beiderseits des Oberrheins, mit dem Oberelsaß (Sundgau) auf der einen und dem Breisgau (mit dem Schwarzwald) auf der anderen Seite, Vorderösterreich im engeren Sinn, das der Regierung zu Ensisheim unterstand. Aber der Sundgau mit Ensisheim ging 1648 an Frankreich verloren, der Regierungssitz wurde nach Freiburg verlegt. Das Ende der habsburgischen Herrschaft in den vorderösterreichischen Gebieten kam dann während der napoleonischen Kriege, insbesondere im Frieden von Preßburg 1805. Die Besitzungen im Breisgau und im Schwarzwald kamen an Baden, jene in Osterreichisch-Schwaben aber an Württemberg und Bayern. Vorarlberg, das ebenso wie Tirol 1805 an
106 H a n s Erich Feine, Entstehung und Schicksal der vorderösterreichischen Lande, in: Friedrich Metz (Hrsg.), Vorderösterreich, Eine geschichtliche Landeskunde, 2. Aufl. Freiburg i. B. 1967, S. 47 ff., insbes. S. 49. — M a n vgl. auch die anderen Aufsätze dieses Bandes, insbes. jene von Friedrich Metz, Franz H u t e r , H a n s Kramer und O t t o Stolz. 107 Feine, a. a. O., S. 47 f.
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Bayern gekommen war, wurde 1814 wieder österreichisch, allerdings mit Einbußen an der Nordgrenze. Im Breisgau hoffte man 1813 bis 1815 vergeblich auf die Rückkehr unter die österreichische Herrschaft, doch bewahrte man hier und in den meisten anderen Vorlanden den österreichischen Zeiten ein gutes Andenken 1 0 8 .
D E R Ö S T E R R E I C H I S C H E KREIS Als sich nach dem Erlöschen der staufischen Dynastie der Zusammenhalt des römisch-deutschen Reiches mehr und mehr lockerte, wurden immer wieder Bestrebungen um Erneuerung und Reform des Reichskörpers geltend. Weitreichende theologische Kombinationen von Denkern, die, wie etwa Abt Engelbert von Admont, im endgültigen Zusammenbruch des Reiches den Auftakt zu einem apokalyptischen Chaos zu ahnen glaubten, zielten doch auch auf einen Wiederaufbau. Hinweise, wie man durch neue gesetzgeberische und administrative Maßnahmen im Rahmen einer „reformatio" von Sacerdotium und Imperium dem drohenden Unheil entgehen könnte, suchte auch Nikolaus von Kues zu geben, um einen zweiten Denker des Spätmittelalters zu nennen, den seine geistliche Laufbahn als Bischof von Brixen mit dem österreichischen Raum verbinden sollte 109 . Zu den tatsächlich realisierten Planungen um Erneuerung und Reform des Reiches sollte die nach Ansätzen unter den Luxemburgern unter Maximilian und Karl V. durchgeführte Kreiseinteilung zählen, unter deren Einheiten in Ergänzung des Kölner Reichstagsabschiedes von 1512 seit dem Reichstag von 1521 ausdrücklich ein „Österreichischer Kreis" aufscheint. Von früheren Kreiseinteilungen, etwa im Jahre 1438, waren die österreichischen Länder entweder nicht erfaßt worden oder sie wurden mit anderen Territorien in wechselnden Abgrenzungen zusammengelegt 1 1 0 . Im 16.Jahrhundert sollten den Reichskreisen nicht unwichtige Funktionen bei der W a h r u n g des Landfriedens, dem Aufgebot des Reichsheeres und bei der Vollstreckung reichsgerichtlicher Urteile erwachsen. Auch mit M ü n z o r d n u n g e n waren sie befaßt. Reichsständi108 Feine, S. 65, Friedrich Metz, Landeskundliche Übersicht, Vorderösterreich (w. o. Anm. 106), S. 13, insbes. S. 46. 109 Vgl. Friedrich Heer, Z u r Kontinuität des Reichsgedankens im Spätmittelalter. M I Ö G 58 (1950), S. 336 ff. 110 Vgl. Anton Karl Mally, Der österreichische Kreis in der Exekutionsordnung des Römisch-deutschen Reiches. Wiener Dissertationen aus dem Gebiete der Geschichte 8, Wien 1967, S. 14. Diese Arbeit ist auch f ü r die folgenden Ausführungen zu vergleichen.
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sehe, konfessionelle und dynastische Differenzen mußten aber die Wirksamkeit der mit der Kreisverfassung verbundenen Reichsexekutionsordnung beeinträchtigen. Andere Probleme ergaben sich im 16. und 17. J a h r h u n d e r t aus den Herrschaftsteilungen der Habsburger; erst seit 1665 standen die verschiedenen habsburgischen Gebiete des österreichischen Kreises wieder unter einem gemeinsamen Herrscher. N a c h dem Fall Straßburgs beschloß man eine Reichsdefensionalordnung, derzufolge das Reichsheer aus den Aufgeboten der zehn Reichskreise bestehen sollte. Da das kaiserliche Heer viel stärker war als die vorgeschriebenen Aufgebote, schien das nicht von unmittelbarer Bedeutung f ü r Osterreich. Wohl aber mußte im Falle feindlicher Offensiven Unterstützung aus anderen Reichskreisen erwünscht sein; so ersuchte Kaiser Leopold I. anläßlich der Türkenbelagerung Wiens 1683 um die Hilfe dieser Kreise. So wirkten auch beim Entsatz der Stadt T r u p p e n des schwäbischen und fränkischen Kreises mit. Die gleichfalls im Entsatzheer kämpfenden Salzburger galten als bayerische Kreistruppen 1 1 1 . Im spanischen Erbfolgekrieg und nachher, bis zu den Koalitionskriegen gegen das revolutionäre Frankreich, kam es immer wieder zu Kreisassoziationen. Der österreichische Kreis war nicht auf habsburgische Territorien beschränkt. Es gab „Kreismitstände"; nach 1521 gehörten die Bischöfe von Trient, Brixen, Gurk, Seckau und Lavant, die Deutschordensballeien „an der Etsch und im Gebirge", sowie einige adelige Herrschaften, die aber auch zu den österreichischen Landständen zählten, zu diesen Mitständen. Weitaus am wichtigsten waren Trient und Brixen. Nicht alle im Reich gelegenen österreichischen Länder gehörten zum Osterreichischen Kreis. Böhmen, Mähren und Schlesien verblieben überhaupt außerhalb der Kreiseinteilung. Salzburg rechnete man zum bayerischen Kreis. Als Hohenems im Jahre 1767 an Osterreich fiel, verblieb diese Grafschaft im Schwäbischen Kreis 112 . Mit dem Ende des römisch-deutschen Reiches 1806 war auch das der Kreiseinteilung gekommen. Als man auf dem Wiener Kongreß um die deutsche Bundesverfassung rang, kam es wieder zu Entwürfen einer Kreiseinteilung, in denen unter anderem auch ein Österreichischer Kreis vorgesehen war. Diese Kreiseinteilung wurde aber nicht realisiert, ebensowenig vergleichbare Vorschläge in der Deutschen Nationalversammlung 1848/1849 113 . 111 Vgl.Thomas M. Barker, Doppeladler und H a l b m o n d . Entscheidungsjahr 1683, übers, und bearb. von Peter und Gertraud Broucek, G r a z - Wien Köln 1982, S. 282. 112 Vgl. O t t o Stolz, Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte des Landes Vorarlberg, M o n t f o r t 5 (1950), S. 72. 113 Mally, Der österreichische Kreis, 163 — 171 (Exkurs).
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M O N A R C H I A AUSTRIACA Die Bezeichnung und der Begriff „Monarchie" haben eine alte, in das klassische Altertum zurückreichende Geschichte; es erübrigt sich hier, auf die verschiedenen Formen und deren Wandel in der Entwicklung der Herrschaftsgewalten näher einzugehen, es sei denn, soweit dies eine Analyse der Prägung des Terminus „Monarchia Austriaca" und seines Bedeutungsinhaltes erfordert 1 1 4 . Im Mittelalter verwendete man den Ausdruck Monarchie zur Charakteristik einer Herrschaft mit umfassendem Anspruch, sowohl im religiös-kirchlichen wie in einem weltlichen Sinne. Es konnte damit die herrscherliche Gewalt Gottes, bzw. Christi, dann vor allem jene eines Kaisers bezeichnet werden. Es ist aber f ü r das Selbstbewußtsein mächtiger Landesfürsten, mochten sie auch Lehensträger und Vasallen von Kaisern oder Königen sein, kennzeichnend, daß sie „monarchia" zur Kennzeichnung ihrer eigenen Herrschaft verwendeten. Unter ihnen, neben Flandern, Meißen, der Lausitz und Pommern, befindet sich auch, in einer Aufzeichnung des Formbacher Traditionskodex, die Bezeichnung „monarchia Austri(a)e" f ü r die Herrschaft H e r z o g Friedrichs I. von Osterreich 1 1 5 . Zweifellos war es wichtig, daß er nach dem T o d e des Vaters allein über Osterreich regierte (während der jüngere Bruder Leopold VI. damals nur H e r z o g der Steiermark war), vermutlich mag es auch eine Rolle gespielt haben, daß er nicht H e r z o g von Osterreich und Steiermark, sondern eines einheitlichen Herrschafts- und Rechtsbereiches war. Für die spätere Entwicklung des Begriffes einer Osterreichischen Monarchie ist dieses hochmittelalterliche Intermezzo ohne vorbildliche Bedeutung. Entscheidend wurde die Gestaltung des habsburgischen Staatswesens seit der Mitte des 17. Jahrhunderts. Der Westfälische Friede hatte eine Auflockerung des Verbandes des römisch-deutschen Reiches gebracht; die habsburgische Hausmacht in Mitteleuropa stellte die Hauptgrundlage der kaiserlichen Position dar, es entwickelte sich ein nach Außen einheitlicheres Staatsgebilde. Zwar blieben die im wesentlichen vom Adel dominierten landständischen Vertretungen erhalten, aber im politischen Geschehen trat eher ein loyaler H o f - und Militäradel hervor; der Monarch war Oberbefehlshaber der Armee; 114 Zu eingehenderer historischer Analyse des Monarchiebegriffes vgl. „Monarchie", in: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Hrsg. v. O t t o Brunner, Werner C o n z e , Reinhart Koselleck, Bd. 4, S. 133 ff. 115 Urkundenbuch des Landes ob der Enns 1, Wien 1852, S. 693, Nr. 221 (Beurkundung der Zuweisung eines Weinberges an das Kloster Formbach nach einem Rechtsstreit mit dem Juden Schlom, Münzmeister H e r z o g Leopolds V. von Osterreich).
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Staatsbeamtentum und die kirchlichen Institutionen stellten f ü r ihn weitere wesentliche Stützen dar. In der Literatur und in einem inoffiziellen Schrifttum beginnt man nun von einer österreichischen M o n archie zu sprechen. So verfaßte J o h a n n Jakob Weingarten eine Geschichte des Hauses und der Länder und Völker unter dem Titel „Fürstenspiegel oder Monarchia des Hochlöblichen Ertzhauses Oesterreich"; der zweite Teil, der Kaiserin Claudia Felicitas gewidmet, heißt „Pars altera Monarchiae Austriacae 116 . Naturgemäß ist o f t nur von der Monarchie, ohne österreichischem Beiwort, in verschiedensprachigen Publikationen jener oder auch der folgenden Jahrhunderte die Rede. Es wurde gewissermaßen zum Brauch, kurzweg von der „Monarchie" zu sprechen; man wußte schon, welches Staatswesen damit gemeint war. In diesem Zusammenhang kann wohl auch auf ein — vielzitiertes — W o r t im Kreise des Prinzen Eugen hingewiesen werden. In einer Sitzung der Geheimen Konferenz wurde 1726 ein Protokoll verfaßt, das neben Eugens Meinung wohl auch jene des Hofkanzlers Philipp Ludwig Grafen Sinzendorf und des Grafen G u n d a k a r Starhemberg zum Ausdruck bringen sollte: „will es ohnumgänglich sein, daß man, soviel möglich ist, ein totum aus E. kays. und Cath. May. weitläufig und herrlichen Monarchie mache . . ." U 7 Hier handelte es sich vor allem um eine Koordinierung der Verwaltung der niederländischen und italienischen Neuerwerbungen mit dem alten Länderkomplex der Monarchie. An eine Gleichschaltung der Verwaltungen und Verfassungen der einzelnen Länder war keineswegs gedacht. Diese erfolgte wohl auch nicht durch die theresianischen Verwaltungsreformen, doch wurde die politische und die Finanzverwaltung der österreichischen Länder (einschließlich Böhmens, aber ohne Ungarn und die österreichischen Niederlande), davon getrennt auch die Justizverwaltung, neugeordnet; damit wurde ein Apparat eingerichtet, der mit einigen Modifikationen sich bis zum Revolutionsjahr 1848 als effizient erwies. In zwei Denkschriften aus den Jahren 1750 bzw. 1755/56 wurde im Auftrag und im N a m e n Maria Theresias viel Wesentliches über die Reformen und die P r o bleme des Staatswesens zum Ausdruck gebracht; dieses wird in den Texten mehrfach sowohl als „österreichische Monarchie" wie kurz als Monarchie bezeichnet. Es ist auch die Rede vom „Osterreichischen Haus", den Habsburgern 1 1 8 . Es bedarf keiner Begründung, daß, wie
116 Vgl. Anna Coreth, Österreichische Geschichtsschreibung in der Barockzeit ( 1 6 2 0 - 1 7 4 0 ) , Wien 1950, S. 53 Anm. 88. 117 Alfred von Arneth, Prinz Eugen von Savoyen, Wien 1858 (Neudruck M ü n c h e n 1937), Bd. 3, S. 547, Anm. 13. 118 Joseph Kallbrunner, Kaiserin Maria Theresias politisches Testament, Wien 1952, S. 25, 41, 47.
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es ja etwa auch im Titel des Werkes von Johann Jakob Weingarten klar zum Ausdruck kommt, mit der Bezeichnung „Osterreichische Monarchie" die Monarchie des Hauses Osterreich gemeint ist, nicht etwa eine Dominanz der beiden österreichischen Länder an der. D o n a u . Von diesen war wohl der N a m e des regierenden Hauses abgeleitet, hier war auch der wichtigste Herrschersitz Wien mit seinen Behörden, aber die Titel des apostolischen Königs von Ungarn, dann des Königs von Böhmen, waren natürlich höheren Ranges als die des H e r z o g s von Osterreich. In dem offiziellen und halboffiziellen Schrifttum begann die Bezeichnung Osterreichische Monarchie (Monarchia Austriaca) in den Jahren, in denen die Häuser Habsburg und Bourbon um die spanische Erbfolge kämpften, Eingang zu finden. Da man die spanischen Königreiche, Länder und Herrschaften schon länger als „Monarchia Hispánica" bezeichnete, sprach man etwa in einer öffentlichen Verfügung vom 12. September 1703 von der Abtretung dieser Monarchie an Erzherzog Karl, dem späteren Kaiser Karl VI. Dieser Terminus wurde auch in dem geheimen Pactum mutuae successionis vom gleichen Datum sowie in der Annahmeerklärung Erzherzog Karls gebraucht 1 1 9 . Diese Gegebenheiten haben wohl die T e n d e n z zu gleichzeitiger Verwendung der analogen Bezeichnung „Osterreichische Monarchie", etwa in einem Testament Karls VI. (1711), zumindest verstärkt 120 . Versuche einer weiterreichenden Zentralisierung unter Kaiser Joseph II., die weiteren Einschränkungen der Sonderstellungen von Provinzen, der Verzicht auf die traditionellen Landeshuldigungen sollten nach dem Wunsche des Monarchen die Einheit der Monarchie stärken. Tatsächlich aber kam es zu heftigem Widerstand, in Belgien zu offenem A u f r u h r und in Ungarn zu gefährlichen Verbindungen mit ausländischen Mächten. Erst Josephs Nachfolger Leopold II. gelang es, durch entsprechendes Einlenken wieder eine weitgehende Konsolidierung im Innern der Monarchie zu erzielen; dann aber standen lange Jahre von Kriegen gegen das Frankreich der Revolution und Napoleons bevor.
Die Pragmatische Sanktion. Authentische Texte samt Erläuterungen und Ubersetzungen, hrsg. v. Gustav Turba, Wien 1913, S. 18 ff., Nr. III, Urkunde 1, 2, 3. 120 Gustav T u r b a , Die Grundlagen der Pragmatischen Sanktion, Bd. II, Die Hausgesetze, Leipzig - Wien 1912, Anhang Nr. 16, S. 395 ff., insbes. c. 35, 39, 42.
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KAISERTUM ÖSTERREICH Bald nach der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert sollte unter dem Zwang der militärischen und politischen Lage, unter dem Druck der napoleonischen Macht, die seit langem bestehende Diskrepanz zwischen den tatsächlichen Grundlagen der Habsburgermonarchie und der historischen Verbindung des Hauses Osterreich mit der römischen Kaiserkrone, der höchsten W ü r d e im Heiligen Reich, zu einer Entscheidung führen, die zunächst in mancher Hinsicht nur als N o t lösung empfunden wurde 1 2 1 . Schon um die Mitte des 18. Jahrhunderts hatte nicht Franz I. Stephan, seit 1745 (als Franz I.) Träger der römischen Kaiserkrone, sondern Maria Theresia, vorerst nur Königin von Ungarn und Böhmen, Erzherzogin von Osterreich, die tatsächlich entscheidende Position als Herrscherin inne. Wenn man von ihr kurz als Kaiserin sprach, so dachte man an ihre Stellung in der Erb- und Hausmacht, nicht so sehr, daß sie Gemahlin des von den Kurfürsten gewählten römischen Kaisers war. Zwar drängten sich auch Gedankengänge auf, daß das Römisch-deutsche Reich, obzwar verfassungsmäßig Wahlreich, praktisch zum Erbreich geworden sei, da ja die Wahl zum römischen Kaiser seit Jahrhunderten fast durchwegs auf ein Mitglied des Hauses Osterreich gefallen war, anderseits stellte der römische Kaisertitel zwar eine hohe Ehre, aber kaum mehr eine Macht dar. Die Liquidierung der geistlichen Fürstentümer im Reichsdeputationshauptschluß (1803) hatte im Kurfürstenkolleg und im Reichsfürstenrat eine protestantische Mehrheit zur Folge. Die österreichische Monarchie hatte lediglich einige Enklaven geistlicher Fürsten sowie die längst von Tirol abhängigen Fürstbistümer Trient und Brixen gewonnen. Frankreich war politisch und militärisch übermächtig; N a p o leons Krönung zum erblichen Kaiser der Franzosen stand bevor; in Rußland gab es ebenfalls ein Erbkaisertum. So dachte man in Osterreich durchaus realistisch ebenfalls an eine erbliche Kaiserwürde. Durch ein kaiserliches Patent wurde am 11. August 1804 verkündet, d a ß Kaiser Franz den Titel eines erblichen Kaisers von Osterreich angenommen habe 122 . Zweifellos wurde durch diesen Schritt die Reichs>2i Vgl u a Heinrich von Srbik, Die Schicksalsstunde des alten Reiches. Österreichs Weg 1804 —1806, Jena 1937. Belege enthält die erste (umfangreichere) Fassung: Das österreichische Kaisertum und das Ende des Heiligen Römischen Reiches 1804—1806. Archiv für Politik und Geschichte 1927; Helmut Rößler, Napoleons Griff nach der Karlskrone, Janus-Biicher Nr. 3, München 1957. 122 Die österreichischen Verfassungsgesetze mit Erläuterungen, hrsg. von Edmund Bernatzik, 2. Aufl., Wien 1911, S. 49ff.; Patent vom 11. August 1804. — Vgl. ferner Friedrich Tezner, Der österreichische Kaisertitel, seine Ge-
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Verfassung verletzt; realpolitisch gesehen aber war er absolut richtig. In der im P a t e n t gegebenen B e g r ü n d u n g wird auf die „Sorgfalt als Regent des H a u s e s und der M o n a r c h i e von Osterreich' 1 verwiesen, die eine Gleichheit von Titel und W ü r d e mit den „vorzüglichsten europäischen Regenten u n d M ä c h t e n " zu erhalten erfordere. Z u r weiteren B e g r ü n d u n g wird die Rücksicht auf die „unabhängigen Staaten" des H a u s e s Osterreich a n g e f ü h r t . Es ist doch zu bezweifeln, d a ß man dabei nur an U n g a r n und Galizien dachte, die nicht z u m Römischdeutschen Reich gehörten. Allerdings w u r d e die Beibehaltung der bisherigen V e r b i n d u n g jener Erbstaaten, die „mit dem R ö m i s c h - D e u t schen Reich in unmittelbarem V e r b ä n d e gestanden sind", betont, wobei man sich auch ausdrücklich auf die Privilegien des H a u s e s Osterreich berief. Tatsächlich m u ß t e aber nach dem verlorenen Krieg von 1805 Kaiser Franz I. von Österreich unter schwerstem D r u c k N a p o l e o n s die römische Kaiserwürde liquidieren 1 2 3 . D u r c h diesen Schritt, der mit d e m D a t u m vom 6. August 1806 verbunden ist, verhinderte man eine allfällige Ü b e r n a h m e der W ü r d e durch den auf eine deutsche G e f o l g schaft im R h e i n b u n d gestützten Korsen, erlangte z u d e m f ü r den gesamten U m f a n g des Kaisertums Osterreich die volle Souveränität. D a s schien wertvoller als Titel und R a n g eines gänzlich ausgehöhlten römischen Kaisertums, das freilich nicht erst durch N a p o l e o n , sondern schon d u r c h den konfessionellen Zwiespalt in der f r ü h e r e n N e u zeit, durch den Aufstieg Preußens u n t e r Friedrich II. und durch die Politik vieler deutscher Fürsten zutiefst erschüttert war. In der Spätzeit der H a b s b u r g e r m o n a r c h i e kam es zu Diskussionen über die Frage, ob U n g a r n auch in das Kaisertum Osterreich de iure einbezogen w o r d e n sei. Im Schlußsatz des Patentes w a r von der Befestigung des Ansehens des vereinigten österreichischen Staaten-Körpers die Rede. Andererseits verzichtete der M o n a r c h nach ungarischem Einspruch auf ein einheitliches gemeinsames Siegel f ü r den Gesamtstaat; daraus schloß man ungarischerseits auf eine Anerkenn u n g der Sonderstellung U n g a r n s außerhalb des Kaisertums. Diese Auseinandersetzungen sind heute nicht m e h r von wissenschaftlicher Aktualität 1 2 4 . schichte u n d seine politische B e d e u t u n g . Z e i t s c h r i f t f ü r Privat- u n d ö f f e n t l i ches R e c h t 25 (1898), S. 351 ff. 123 E r k l ä r u n g des Kaisers F r a n z II. ü b e r die N i e d e r l e g u n g d e r „ d e u t s c h e n " K a i s e r k r o n e (6. A u g u s t 1806), in: Karl Z e u m e r , Q u e l l e n s a m m l u n g z u r G e schichte d e r D e u t s c h e n R e i c h s v e r f a s s u n g in M i t t e l a l t e r u n d N e u z e i t , Leipzig 1904, N r . 188. 124 U b e r diese M e i n u n g s u n t e r s c h i e d e vgl. Friedrich T e z n e r , D e r ö s t e r r e i chische Kaisertitel, S. 378 f f . — F r a n z ö s i s c h e B e s t r e b u n g e n , w ä h r e n d d e r K r i e g e 1805 u n d 1809 u n g a r i s c h e E l e m e n t e f ü r die eigene Politik zu g e w i n n e n ,
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In der Situation der Jahre 1804 bis 1806 hob man vor allem die Erblichkeit der neuen Würde hervor, betonte das Erbkaisertum, später aber das „Kaisertum Österreich"; in der Verwaltung ist auch kurz von „Osterreich" die Rede. Eine echte Erneuerung der Monarchie bedeutete die Schaffung des österreichischen Kaisertums freilich nicht, dazu war der Staat zusehr auf den Herrscher und auf den H o f orientiert, nicht auf eine Vertretung des Volkes. Wie stand es nun nach 1804 mit möglichen Varianten des Osterreichbegriffes? Der maßgebliche Staatsmann des Vormärz, Klemens Lothar Fürst Metternich, richtete am 27. Oktober 1817 eine Denkschrift an Kaiser Franz I. über notwendige Verwaltungsreformen. In diesem Dokument wird von Osterreich mit sehr verschiedenen Bedeutungsinhalten gesprochen. Einmal ist die Rede vom österreichischen Kaisertum als einem Föderativstaat „unter einem einzigen und gemeinschaftlichen Monarchen". Metternich bezeichnet das Staatswesen auch kurz als Kaiserstaat, als Monarchie, als österreichischen Staat; er spricht weiters von den „beiden Osterreichen", nämlich den Ländern ob und unter der Enns; er schlägt ferner Verwaltungseinheiten der nicht ungarischen Länder vor; einem „österreichischen Kanzler" sollen „Osterreich ob und unter der Enns", Steiermark, das Innviertel, Salzburg und Tirol unterstehen 125 . Diese Pläne wurden nicht realisiert. Nach der Märzrevolution 1848 wurde von der Regierung Pillersdorf ein Verfassungsdokument („Verfassungsurkunde des österreichischen Kaiserstaates") ausgearbeitet, das die Länder der ungarischen Krone, aber auch LombardeiVenetien nicht einbezog, ferner dadurch, daß alle anderen Provinzen als „sämtliche Länder" des österreichischen Kaiserstaats bezeichnet wurden, dessen Umfang gegenüber 1804 wesentlich verkleinerte, wenn auch noch in einem umfassenderen Sinne von „Kaiserreich" gesprochen wurde 126 . Die gleichen Grenzen sah der Kremsierer Verfasblieben eher bedeutungslos. Vgl. M o r i t z C s á k y , D a s österreichische H e r r scherhaus, N a p o l e o n und U n g a r n , in: Beiträge zur neueren Geschichte Österreichs, Wien - K ö l n - G r a z 1974, S. 309 ff. 1 2 5 D e n k s c h r i f t des Staats- und K o n f e r e n z m i n i s t e r s K. L. Fürst Metternich, betr. notwendige V e r w a l t u n g s r e f o r m e n v o m 27. O k t o b e r 1817, in: Friedrich Walter, D i e Österreichische Zentralverwaltung I I / 5 , D i e Zeit Franz II. (I.) und Ferdinands I. ( 1 7 9 2 — 1 8 4 8 ) . Aktenstücke (Veröffentlichungen der K o m mission für neuere Geschichte Österreichs 43), S. 325, N r . 66, Kärnten und K r a i n werden hier, a n k n ü p f e n d an die napoleonische Zeit, offensichtlich dem illyrischen Kreis zugerechnet. 1 2 6 Bernatzik, V e r f a s s u n g s g e s e t z e , S. 101 ff., N r . 36 ff. — H i e z u in K ü r z e Friedrich Walter, Osterreichische V e r f a s s u n g s - und Verwaltungsgeschichte von 1500 —1955, V e r ö f f e n t l i c h u n g e n der K o m m . f. neuere Geschichte Österreichs 59, S. 143 f f . , insbes. S. 1 4 9 f . Ausführlicher ders., D i e Österr. Zentral-
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sungsentwurf vor 127 , während die Oktroyierte Verfassung (vom 4. M ä r z 1849) und das Silvesterpatent (31. Dezember 1851) die gesamte Monarchie zum Kaisertum Osterreich rechneten. Das kaiserliche Manifest, welches die Oktroyierte Verfassung einleitete, identifizierte das „einheitliche Osterreich", das „einige und unteilbare Kaisertum Osterreich" und das „ganze Reich im Gesamtverband". Im Paragraph 2 dieser Verfassung wird — nach Anführung der Kronländer des Kaisertums Osterreich (einschließlich Ungarns, Siebenbürgens und des Kroatisch-slawischen Königreiches) im ersten Paragraphen — festgestellt, daß diese Kronländer die freie, selbständige, unteilbare und unauflösbare konstitutionelle Osterreichische Erbmonarchie bilden 128 . In den fünf Schriftstücken, die als Silvesterpatent bezeichnet werden, umfaßte der „österreichische Kaiserstaat", auch „österreichische kaiserliche Erbmonarchie" genannt, ebenfalls alle Länder des Reiches 129 . Die Politik des Neoabsolutismus scheiterte; die Konsequenzen der militärischen Niederlage 1859 und die finanzielle Erschöpfung spielten dabei wohl die entscheidenden Rollen. Nach einem Wechsel in den Reihen der maßgeblichen Berater Franz Josephs wurden am 20. Oktober 1860 ein kurzfristig zur Publikation gebrachtes kaiserliches Manifest und das „Oktoberdiplom" veröffentlicht. Das Diplom sah eine föderalistische Staatsordnung vor, räumte dabei aber den Ländern der ungarischen Krone doch eine gewisse Sonderstellung Verwaltung I I I / 1 , D i e Geschichte der Ministerien K o l o w r a t , Ficquelmont, Pillersdorf, Wessenberg, Doblhoff, Schwarzenberg; Veröffentlichungen der K o m m . f. N e u e r e G e s c h i c h t e Ö s t e r r e i c h s 49, W i e n 1964, S. 54 f f . 127 B e r n a t z i k , V e r f a s s u n g s g e s e t z e , S. 114 ff., N r . 39 f f . — D e r E n t w u r f suchte (innerhalb dieser Grenzen) unter Beibehaltung der historischen Landesg r e n z e n d a s N a t i o n a l i t ä t e n p r o b l e m d u r c h d i e T e i l u n g d i e s e r L ä n d e r in K r e i s e , d i e m i t m ö g l i c h s t e r R ü c k s i c h t auf d i e N a t i o n a l i t ä t a b g e g r e n z t w e r d e n s o l l t e n , z u l ö s e n . In d e m P a t e n t v o m 2. D e z e m b e r 1848, a n l ä ß l i c h d e r T h r o n b e s t e i gung Franz Josephs, hatte der M o n a r c h jedoch von der Gleichberechtigung aller V ö l k e r des Reichs g e s p r o c h e n , von d e r G e s a m t m o n a r c h i e , sowie von s e i n e r H o f f n u n g , d a ß es „ m i t G o t t e s B e i s t a n d u n d im E i n v e r s t ä n d n i s m i t d e n V ö l k e r n g e l i n g e n w e r d e , alle L ä n d e r u n d S t ä m m e d e r M o n a r c h i e z u e i n e m g r o ß e n S t a a t s k ö r p e r z u v e r e i n i g e n " . B e r n a t z i k , V e r f a s s u n g s g e s e t z e , S. 113 f f . , N r . 38. 128 B e r n a t z i k , V e r f a s s u n g s g e s e t z e , S. 146 f f . , N r . 40, 40 a. Ein b e r e c h t i g t e s k r i t i s c h e s U r t e i l ü b e r d i e O k t r o y i e r t e V e r f a s s u n g bei W a l t e r , D i e ö s t e r r . Z e n t r a l v e r w a l t u n g . D i e G e s c h i c h t e d e r M i n i s t e r i e n K o l o w r a t u s w . (wie o b e n A n m . 126), S. 149 f f . 129 B e r n a t z i k , V e r f a s s u n g s g e s e t z e , S. 208 f f . , N r . 48, 49, 50. Ü b e r d a s „Silv e s t e r p a t e n t " , W a l t e r , Z e n t r a l v e r w a l t u n g , K o l o w r a t u s w . , S. 543 ff.; ü b e r d i e I d e n t i f i z i e r u n g v o n S t a a t u n d V e r w a l t u n g im „ B a c h ' s c h e n S y s t e m n a c h 1851, W a l t e r , e b e n d a , S. 579.
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ein. In Osterreich vermißte man eine liberal-konstitutionelle Note, in Ungarn wollte man eine entscheidende Reduzierung der Verbindung mit den österreichischen Ländern im Sinne einer dem T y p der Personalunion nahekommenden Lösung, andererseits aber eine eindeutige Unterstellung der Nebenländer Kroatien-Slawonien und Siebenbürgen unter die ungarische Krone. Der Gesamtstaat wurde im Diplom noch immer als „österreichische Monarchie" bezeichnet 130 . Als sich die Widerstände gegen das Oktoberdiplom als kaum überwindbar erwiesen, sollte es weitgehend revidiert werden, wobei Anton von Schmerling und H a n s von Perthaler versuchten, einen Weg zwischen der damals noch absolutistischen Grundhaltung des M o n a r chen und ihren eigenen liberalen Ansichten zu finden. Die Sonderstellung Ungarns sollte durch die Einrichtung eines engeren Reichsrates f ü r die nichtungarischen Länder, dann durch eine engere Zusammenfassung der österreichischen Kronländer unter einem eigenen Staatsministerium betont werden. In der Präambel des „Februarpatents" (datiert vom 26. Februar 1861) wurde das gesamte Staatswesen nur kurz als „Monarchie" bezeichnet, sonst war von der „Gesamtheit unserer Königreiche und Länder" die Rede 131 . In Ungarn aber fühlte man sich zahlenmäßig im Reichsrat zu dauernder Minorität verurteilt und auf den Rang einer Provinz reduziert. Nach dem Rücktritt Schmerlings war die Regierung unter dem Staatsminister Richard Grafen Belcredi bereit, den Ungarn wesentlich weiter als bisher entgegenzukommen, auf ungarischer Seite fand man in Franz von Deák, der zuvor gegen Schmerling gewaltlosen Widerstand verkündet hatte, einen zwar hartnäckigen, aber loyalen Verhandlungspartner 1 3 2 . D e r Krieg von 1866 machte nach der Niederlage von Königgrätz das Anliegen einer Verständigung mit Ungarn noch dringlicher.
130 Vgl. Bernatzik, Verfassungsgesetze, S. 223 ff., Nr. 56. Vgl. Walter, Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, S. 197 ff., Walter, Zentralverwaltung I I I / 4 , Geschichte der Ministerien vom Durchbruch des Absolutismus bis zum Ausgleich mit U n g a r n und zur Konstitutionalisierung der österr. Länder 1852 —1867, Veröffentlichungen der Kommission f ü r neuere Geschichte Österreichs 54, Wien 1970, S. 151 ff. (Darstellung), III/5, Veröffentlichungen 55, Wien 1971 (Aktenstücke), Nr. 23 ff. 131 Vgl. Bernatzik, S. 255ff., Nr. 71; Walter, Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, S. 197 ff., 205 ff.; Walter, Zentralverwaltung, I I I / 4 , Veröffentlichungen 54 (w. o. Anm. 130), S. 178 ff., sowie III/5, Veröffentlichungen 55 (Aktenstücke), Nr. 2 7 f f . 132 Walter, Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, S. 217 ff.; Walter, Zentral Verwaltung I I I / 4 , Veröffentl. 54, S. 299 ff., sowie I I I / 5 , N r . 43, 44 ff.
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ÖSTERREICHISCH-UNGARISCHE
MONARCHIE
Im Jahre 1867 gelang nach schwierigen, bald nach Jahresbeginn a u f g e n o m m e n e n V e r h a n d l u n g e n , die an frühere F ü h l u n g n a h m e n seit 1865 anknüpften, eine U m g e s t a l t u n g der Monarchie: der „Ausgleich mit Ungarn" 1 3 3 . D i e V e r h a n d l u n g e n w u r d e n ungarischerseits v o n d e m hervorragenden Juristen und Staatsmann Franz v o n D e á k und d e m R e i c h s t a g s a b g e o r d n e t e n (seit 17. D e z e m b e r 1867 Ministerpräsident) Julius Grafen Andrássy geführt, w ä h r e n d Kaiser Franz J o s e p h und der erst vor k u r z e m z u m Österreicher g e w o r d e n e Sachse Friedrich Ferdinand Graf Beust, n u n m e h r österreichischer Ministerpräsident und Reichskanzler, gewissermaßen s o w o h l die Sicherung von A u t o rität und Stellung des Kaisers und K ö n i g s , wie die Interessen der österreichischen Länder vertraten. Es dominierten bei d e n V e r h a n d lungen bald politische T e n d e n z e n , die in der Einigung v o n D e u t s c h österreichern u n d M a g y a r e n einen S c h u t z g e g e n ein befürchtetes sla133 Uber den Ausgleich mit Ungarn gibt es eine umfangreiche Literatur. Vgl. u. a. Ivan von Zolger, Der staatsrechtliche Ausgleich zwischen Osterreich und Ungarn, Leipzig 1911. — Der österreichisch-ungarische Ausgleich, hrsg. v. Peter Berger, Wien - München 1967. — Der österreichisch-ungarische Ausgleich von 1867. Buchreihe der Südostdeutschen Historischen Kommission 20, München 1968. — Historisches Geschehen im Spiegel der Gegenwart. Osterreich-Ungarn 1867—1967, hrsg. v. Institut f. Österreichkunde, Wien 1970. — Friedrich Walter, Die Geschichte der Ministerien vom Durchbruch des Absolutismus bis zum Ausgleich mit Ungarn und zur Konstitutionalisierung der österreichischen Länder 1852—1867, Wien 1970 (Veröffentlichungen der Komm. f. Neuere Geschichte Österreichs 54), hiezu Aktenstücke, Wien 1971 (Veröffentlichungen usw. 55). — Der österr.-ungar. Ausgleich 1867, hrsg. v. der Slowakischen Akademie der Wissenschaften, Bratislava 1971. — Eva Somogyi, Vom Zentralismus zum Dualismus. Der Weg der deutsch-österreichischen Liberalen zum Ausgleich von 1867; Veröffentlichungen des Instituts f. Europäische Geschichte Mainz, Abt. Universalgeschichte, Beiheft 13, Wiesbaden 1983. — Weitere Literaturhinweise bei Zöllner, Geschichte Österreichs, 7. Aufl., Wien 1984, S. 651; Peter Urbanitsch, Zwischen Zentralismus und Föderalismus, Das Problem der konstruktiven Reichsgestaltung, in: Das Zeitalter Kaiser Franz Josephs von der Revolution zur Gründerzeit, Bd. 1, Wien 1984, S. 246. — Vgl. ferner insbes. Adam Wandruszka - Peter Urbanitsch, Die Habsburgermonarchie 1848 —1918, Bd. II, Verwaltung und Rechtswesen, Wien 1975; Bd. I I / l , 2, Die Völker des Reiches, Wien 1980. — Quellenausgaben: Neben Edmund Bernatzik, Die österr. Verfassungsgesetze mit Erläuterungen, 2. Aufl., Wien 1911, sowie Friedrich Walter, Aktenstücke, Die Geschichte der Ministerien (wie oben, Veröffentlichungen der Komm, für Neuere Geschichte Österreichs, 55) vgl.: Die Protokolle des gemeinsamen Ministerrates der österr.-ungar. Monarchie 1867—1918, hrsg. v. Ungar. Komitee für die Veröffentlichung der Ministerratsprotokolle, Budapest 1966 ff.; Die Protokolle des österr. Ministerrates 1848 —1867, Wien 1970 ff. Vgl. auch das oben genannte Werk von Ivan von Zolger.
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wisches Übergewicht erhofften, während zuvor das Ministerium Belcredi eine föderalistische Lösung angestrebt hatte, die den Wünschen der slawischen Völker eher entsprach. Das gegen den Widerstand verschiedener Gruppierungen sowohl in den österreichischen Ländern wie in Ungarn ausgearbeitete Ausgleichsprogramm, in dem es um die Festlegung und den U m f a n g der lange umstrittenen „gemeinschaftlichen Angelegenheiten" ging, wurde von den beiden Kammern des ungarischen Parlaments angenommen; Kaiser Franz Joseph und seine bei den Magyaren sehr beliebte Gattin Elisabeth wurden in Ungarn gekrönt. So sah man in Ungarn im Ausgleichswerk einen Vertrag des Landes mit seinem apostolischen König, nicht mit Osterreich, während man österreichischerseits die These von einem staatsrechtlichen Ausgleich zwischen Ungarn und Österreich vertrat 134 . Gegen Ende des Jahres 1867 wurde dem Ausgleichswerk in einem „Gesetz, betreffend die allen Ländern der österreichischen Monarchie gemeinsamen Angelegenheiten und die Art ihrer Behandlung" gemeinsam mit österreichischen Verfassungsgesetzen („Staatsgrundgesetzen") von den beiden Häusern des österreichischen Reichsrates zugestimmt. Das Ausgleichswerk knüpfte ausdrücklich an die Pragmatische Sanktion an; die „pragmatisch gemeinsamen Angelegenheiten" betrafen die Person des Herrschers, die Außenpolitik, das Heer- und Kriegswesen, sowie die Finanzen, soweit diese zur Deckung der Kosten der gemeinsamen Angelegenheiten bestimmt waren. Dementsprechend gab es drei gemeinsame kaiserliche und königliche „Reichsministerien", ferner von den beiden Parlamenten gewählte Delegationen: Bei den „paktiert gemeinsamen Angelegenheiten" handelte es sich zumeist um finanzielle Probleme, die auch sonst bei den Delegationen dominierten. Die meisten Kontroversen ergaben sich anläßlich der in zehnjährigen Abständen stattfindenden Verhandlungen bei der Feststellung der „Quote", den beiderseitigen Kostenanteilen 135 . 1,4 Hierzu in Kürze Bernatzik, Verfassungsgesetze, S. 148 f. (Exkurs). — Ernst C. Hellbling, Das österr. Gesetz vom Jahre 1867 über die gemeinsamen Angelegenheiten der Monarchie, in: Peter Berger, Der österr.-ungar. Ausgleich, S. 64 ff., insbes. S. 67 ff. — Friedrich Walter, Österr. Verfassungs- und Verwaltungsgesch., S. 220ff. Die österreichische Auffassung kam zur Zeit der Monarchie etwa schon im Titel des oben zitierten Werkes von Zolger zum Ausdruck. — Das Ausgleichswerk wurde durch den ungarisch-kroatischen Ausgleich von 1868 ergänzt; vgl. hierzu u. a. Branko M. Peselj, Der ungarischkroatische Ausgleich vom Jahre 1868, Verfassungsrechtlicher Uberblick bei Berger, österr.-ungar. Ausgleich von 1867, S. 169 ff. 13S Vgl. zu dieser Frage etwa Alois Brusatti, Die wirtschaftlichen Folgen des Ausgleichs von 1867, in: Berger, österr.-ungar. Ausgleich, S. 127 ff., sowie die Beiträge von George Macesich und György Ránki, in: Der österr.-ungar. Ausgleich 1867, hrsg. v. d. Slowakischen Akad. d. Wissensch., S. 380 ff., 394ff.
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Was aber verstand man 1867 bis 1918 unter „Österreich", was sollte und wollte man darunter verstehen? Darüber gingen und gehen die Meinungen auseinander. Es ist diesbezüglich aufschlußreich, die Terminologien in den Dokumenten, die sich auf die unmittelbare politische Vorgeschichte des Ausgleichswerkes beziehen, zu beachten. Voraussetzungen f ü r Verhandlungen mit Ungarn waren, wie oben kurz erwähnt, bereits 1865 geschaffen worden. In einem Manifest vom 20. September 1865 hatte Kaiser Franz Joseph noch von der Machtstellung der Monarchie gesprochen, von der Einheit des Reiches, von dem Wunsche, den Weg der Verständigung mit den legalen Vertretern seiner Völker in den östlichen Teilen des Reiches zu betreten und dem ungarischen sowie dem kroatischen Landtag Oktoberdiplom und das im Februar 1861 kundgemachte Grundgesetz über die Reichsvertretung zur Annahme vorzulegen. Es sollten aber die Ergebnisse mit den Vertretungen „jener östlichen Königreiche den legalen Vertretern der anderen Königreiche und Länder vorgelegt werden, um ihren gleichgewichtigen Ausspruch zu vernehmen und zu würdigen" 1 3 6 . Tatsächlich wurden die Verhandlungen von 1865 zunächst mit beiden im Manifest genannten Landtagen, aber nach dem Krieg von 1866 im folgenden Jahr nur mit dem ungarischen geführt. Das Verhandlungsoperat wurde dann entgegen dem Manifest nicht dem österreichischen Reichsrat vorgelegt. Erst nachträglich konnte dieser ein entsprechendes Gesetz über die gemeinsamen Angelegenheiten der „österreichischen Monarchie" beschließen 137 , in dem diese Materie, die sowohl die „im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder", wie die „Länder der ungarischen Krone" betraf, behandelt wurde. Die staatsrechtliche Terminologie des Gesetzes verrät offensichtlich, daß man hoffte, auch weiterhin das Gesamtreich als ein österreichisches bezeichnen zu können. Wie Edmund Bernatzik in 156 Vgl. B e r n a t z i k , N r . 106, Kaiserliches M a n i f e s t v o m 20. S e p t e m b e r 1865, S. 315 ff. A m gleichen T a g e w a r in d e n ö s t e r r e i c h i s c h e n L ä n d e r n die V e r f a s s u n g „sistiert", p r a k t i s c h a u f g e h o b e n w o r d e n . B e r n a t z i k N r . 10, S. 317 f f . Es w u r d e also d e r österreichische e n g e r e R e i c h s r a t ausgeschaltet, als sich d e r M o n a r c h anschickte, d e n u n g a r i s c h e n u n d k r o a t i s c h e n e i n z u b e r u f e n . Vgl. hiezu in K ü r z e Friedrich W a l t e r , O s t e r r . V e r f a s s u n g s - u n d V e r w a l t u n g s gesch., S. 218 f. 137 B e r n a t z i k N r . 138, S. 439 ff. G e s e t z f ü r alle L ä n d e r d e r ö s t e r r e i c h i s c h e n M o n a r c h i e ü b e r die g e m e i n s a m e n A n g e l e g e n h e i t e n u n d die A r t ihrer B e h a n d lung. Vgl. auch die S t a a t s g r u n d g e s e t z e B e r n a t z i k N r . 133, 134, S. 390 ff., 422 f f . W ä h r e n d im ö s t e r r e i c h i s c h e n G e s e t z v o m 24. D e z e m b e r 1867 z u r R e g e lung d e r S t a a t s s c h u l d von „beiden Reichsteilen" die R e d e ist, v e r m i e d e n die u n g a r i s c h e n G e s e t z e eine solche A u s d r u c k s w e i s e . Vgl. B e r n a t z i k N r . 156, S. 529 ff., b z w . N r . 122, S. 352 ff.
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einem Exkurs zu seiner Edition der österreichischen Staatsgrundgesetze durchaus treffend bemerkte, hielt man in Osterreich an einem übergreifenden Gemeinwesen fest, während man in Ungarn von zwei verbündeten Staaten unter gemeinsamer Führung sprach 138 . In diesem Sinne interpretierte man jenseits der Leitha auch die Pragmatische Sanktion. Zweifellos wirkte es sich letztlich ungünstig aus, daß man österreichischerseits sowohl den Begriff der Gesamtmonarchie als auch deren Benennung als österreichisches Staatsgebilde retten wollte, daher nicht eine Gemeinschaft österreichischer Länder den ungarischen entgegenstellen mochte. So konnte man nur von „im Reichsrat vertretenen Königreichen und Ländern" sprechen. Allenfalls gebrauchte man auch den inoffiziellen Aushilfsbegriff „Cisleithanien", also etwa „Land diesseits der Leitha", aber f ü r einen erheblichen Teil der so umschriebenen Länder paßte diese Lagebezeichnung kaum; jenseits der Leitha lag überdies nicht „Transleithanien", sondern Ungarn 1 3 9 . Zu abschließenden Ergebnissen konnte man in dieser widersprüchlichen Situation nicht kommen, doch verstand es Ungarn zumeist, seine Auffassungen eher durchzusetzen. So war etwa in einem Vertrag über Verkehrs- und Handelsbeziehungen 1907 von „beiden Staaten" der österreichisch-ungarischen Monarchie die Rede. Andererseits stellte der Oberbefehl des Monarchen über die gemeinsame k. und k. Armee eine starke Klammer dar 140 . Weitere Komplikationen ergaben sich aus den Beziehungen zwischen Ungarn und Kroatien, sowie aus dem Anspruch Ungarns und Kroatiens auf Dalmatien. Für Ungarn war Kroatien auch nach dem 138 Bernatzik, S. 452. — Über die gegensätzlichen Standpunkte vgl. noch Martin Vietor, Die Beschaffenheit der Ausgleichsgesetze, in: Der österr.ungar. Ausgleich 1867, hrsg. v. d. Slowakischen Akademie der Wissenschaften, Bratislava 1971, S. 299 ff. — Charakteristisch ist wohl auch, daß der österreichische Ministerpräsident Karl Fürst Auersperg, freilich vergeblich, die Terminologie „Österreichisch-ungarische Monarchie" abgelehnt hatte. Vgl. W o l f gang Rudolf, Karl Fürst Auersperg als Ministerpräsident, M I Ö G 85 (1977), S. 130 f. — Vgl. schließlich Anton Radvánszky, Das ungarische Ausgleichsgesetz vom Jahr 1867, in: Berger, Der österr.-ungar. Ausgleich, S. 90 ff., insbes. S. 109 f. 139 Gelegentlich wurde allenfalls in privatem Briefverkehr der Ausdruck „Transleithanien" gebraucht oder angedeutet, so von Rudolf Sieghart in Briefen an den Ministerpräsidenten Max Vladimir Frh. v. Beck mit dem Kürzel „Trans". Vgl. Margarete Sieghart, Rudolf Sieghart und das Ministerium Beck, Osterreich in Geschichte und Literatur 16 (1972), S. 554, Anm. 26. 140 Vgl. Bernatzik, S. 688 ff. Johann Christoph Allmayer-Beck, D e r Ausgleich von 1867 und die k. u. k. bewaffnete Macht, in: Berger, Der österr.ungar. Ausgleich, S. 113 ff.
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ungarisch-kroatischen Ausgleich (1868) eher eine Provinz mit ausgeprägter Autonomie. Kroatien hatte einen eigenen Landtag, einen Banus, Selbstverwaltung in politischer Administration, Justiz, Kultus und Unterricht. Vor allem besaß es aber das Recht, daß ohne seine Zustimmung das Verhältnis zu Ungarn nicht geändert werden konnte. Dalmatien blieb ungeachtet der oben erwähnten ungarischkroatischen Ansprüche bei der österreichischen Reichshälfte, mochte es auch im ungarischen Königstitel genannt sein, da es einst mit Kroatien zu den Ländern der ungarischen Krone gehört hatte. Es war aber schon im späteren Mittelalter von der Republik Venedig erobert worden und 1797, dann wieder 1814, zu den österreichischen Ländern gekommen 1 4 1 . Wenn man von Österreich-Ungarn, von der österreichisch-ungarischen Monarchie oder (was man in Ungarn ablehnte) vom österreichisch-ungarischen Reich sprach, dann kam der „westlichen Reichshälfte" (zu der allerdings auch die östlich gelegenen Länder Galizien und Bukowina gehörten) doch der Osterreichbegriff zu. Er wurde hier auch sonst beansprucht. Im Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867 wird mehrfach das „österreichische Staatsbürgerrecht" erwähnt. Als im Jahre 1915 ein gemeinsames Wappen geschaffen wurde, erscheinen in dessen amtlicher Beschreibung „die zur Monarchie untrennbar vereinten Staaten Osterreich und Ungarn" genannt. Der Doppeladler, vom römisch-deutschen Reich übernommen, sollte 1804 f ü r das gesamte Kaisertum Osterreich gelten, bezog sich aber in dem erwähnten gemeinsamen Wappen nur auf die österreichische Reichshälfte 142 . Noch komplizierter wurden die Strukturprobleme der Monarchie 141 Vgl. ü b e r d e n u n g a r i s c h - k r o a t i s c h e n Ausgleich die in A n m . 134 gen a n n t e A b h a n d l u n g von B r a n k o M . Peselj. F i u m e w u r d e in Artikel 66 des u n g a r . - k r o a t i s c h e n A u s g l e i c h s w e r k e s als „ c o r p u s s e p a r a t u m " d i r e k t d e r u n g a rischen K r o n e unterstellt. N a c h k r o a t i s c h e r A u f f a s s u n g lag dabei eine V e r f ä l s c h u n g des u r s p r ü n g l i c h e n T e x t e s vor. Vgl. Peselj, S. 183, A n m . 47. 142 Die n e u e n ö s t e r r e i c h i s c h e n , u n g a r i s c h e n u n d g e m e i n s a m e n W a p p e n . 7 T a f e l n , 5 Blatt W a p p e n b e s c h r e i b u n g e n , hrsg. auf G r u n d d e r mit d e m ah. H a n d s c h r e i b e n v o m 10. u n d 11. O k t o b e r 1915, b z w . 2. u n d 5. M ä r z 1916 erf o l g t e n E i n f ü h r u n g , W i e n 1916. — Vgl. F r a n z Gall, Ö s t e r r e i c h i s c h e W a p p e n k u n d e , W i e n - K ö l n 1977, S. 6 2 f f . (mit e n t s p r e c h e n d e n A b b i l d u n g e n ) . Z u m „ g r o ß e n W a p p e n " von 1804 zitiert Gall, S. 64 f. d e n amtlichen T e x t d e r E r l ä u t e r u n g e n : „ D e r Mittelschild e n t h ä l t das W a p p e n des ö s t e r r e i c h i s c h e n E r b - K a i s e r t h u m s , das auf d e n g a n z e n C o m p l e x u s d e r M o n a r c h i e radicirt ist; im gold e n e n Felde einen z w e y k ö p f i g e n u n d d o p p e l t g e k r ö n t e n , s c h w a r z e n A d l e r , in seiner R e c h t e n ein b l o ß e s S c h w e r t , in d e r L i n k e n d e n R e i c h s a p f e l h a l t e n d . " Vgl. d a g e g e n bei Gall T a f e l 18, S. 100, das mittlere g e m e i n s a m e R e i c h s w a p p e n von 1915.
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durch Bosnien und die Herzegowina. Auf dem Berliner Kongreß wurde Osterreich die Okkupation (Besetzung) und Verwaltung Bosniens und der Herzegowina bei Weiterbestand von Hoheitsrechten des Sultans zugesprochen; ferner wurde auch der Sandschak Novipazar besetzt, in dem jedoch die Verwaltungsrechte der Türkei verblieben 143 . Im Jahre 1908 wurde nach der jungtürkischen Revolution, da die Revolutionäre auch die D u r c h f ü h r u n g der türkischen Wahlen im Okkupationsgebiet planten, ohne entsprechende diplomatische Vorbereitung die Annexion Bosniens und der Herzegowina ausgesprochen, die nunmehr auch staatsrechtlich zur Doppelmonarchie, allerdings weder zu Österreich noch zu Ungarn gehörten. Der Sandschak Novipazar wurde geräumt. Diese Änderungen wurden durch Gesetze des österreichischen und des ungarischen Parlaments sowie durch einen Vertrag zwischen Österreich-Ungarn und der Pforte vom 26. Februar 1909 legalisiert 144 . Während der franzisko-josephinischen Epoche und bis zu Ende des Ersten Weltkrieges kam es noch zu verschiedenen Initiativen der Umgestaltung von Verfassung und Verwaltung der Monarchie bzw. der österreichischen Reichshälfte. In diesem Zusammenhang ist vor allem auf verschiedene Bemühungen um einen Ausgleich mit staatsrechtlichen Forderungen von tschechischer Seite (etwa „Deklaration" 1868, „Fundamentalartikel" 1871) hinzuweisen. Immerhin gelang im Jahre 1905 in Mähren ein Ausgleich zwischen Tschechen und Deutschen, ebenso ein weiterer zwischen den Nationalitäten der Bukowina; einer zwischen Polen und Ukrainern in Galizien war bereits vereinbart, erlangte aber infolge des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges nicht mehr Gesetzeskraft. Verschiedene Aktivitäten unter der Regierung Kaiser Karls scheiterten; das kaiserliche Manifest vom 16. O k t o b e r 1918, in dem die Umwandlung der österreichischen Reichshälfte in einen Bundesstaat angekündigt wurde, blieb in den Wochen der Auflösung der M o n a r -
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Vgl. Bernatzik, XVI, S. 1017ff., Das Verhältnis zu Bosnien und der Herzegowina, N r . 195 Artikel X X V der Berliner Kongreßakte, Nr. 196, Konvention zwischen Österreich-Ungarn und der Türkei vom 21. April 1879. Die unter Nr. 197, 198 ferner angeführten Gesetze betreffen den Zollverband von Bosnien und der Herzegowina mit der Monarchie, sowie die Verwaltung beider Länder. 144 Vgl. die N u m m e r n Nr. 200 a—h bei Bernatzik, S. 1030 ff. Bemerkenswert sind die Unterschiede zwischen den österreichischen und ungarischen Gesetzen über die Annexion, da das ungarische Gesetz von „alten Banden" zwischen Ungarn, Bosnien und der Herzegowina spricht.
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chie ebenfalls ergebnislos 1 4 5 . Es erübrigt sich daher w o h l , hier näher auf diese Initiativen e i n z u g e h e n .
DEUTSCHÖSTERREICH ODER ÖSTERREICH? DIE E N T S C H E I D U N G ÜBER D E N N A M E N D E R REPUBLIK D a s erwähnte kaiserliche M a n i f e s t v o m 16. O k t o b e r 1918 sollte eine N e u g e s t a l t u n g der österreichischen Reichshälfte als Föderation v o n Nationalitätenstaaten einleiten. Tatsächlich war aber zu diesem Zeitpunkt das Schicksal der M o n a r c h i e s c h o n besiegelt. So wie z u v o r die Vertreter anderer Nationalitäten konstituierten sich am 21. O k tober 1918 die deutschen A b g e o r d n e t e n des Reichsrates im Sitzungssaal des niederösterreichischen Landhauses in W i e n als „Provisorische N a t i o n a l v e r s a m m l u n g für Deutschösterreich" 1 4 6 . D a m i t sollte das neue Staatsgebilde als Nationalstaat g e k e n n z e i c h n e t werden. In diesem Sinne w u r d e auch am 30. O k t o b e r 1918 eine N o t e an Präsi-
144 Vgl. zu diesen Fragen in Kürze: Friedrich Walter, Osterr. Verfassungsund Verwaltungsgesch. von 1500—1955, S. 238 ff. — Rudolf E. Wierer, Die Böhmischen Fundamentalartikel vom Jahre 1871, in: Berger, österr.-Ungar. Ausgleich, S. 154 ff. — Anna M. Drabek, Tschechen und Deutsche in den böhmischen Ländern, in: Volk, Land und Staat, Landesbewußtsein, Staatsidee und nationale Fragen in der Geschichte Österreichs, Schriften des Instituts f. Österreichkunde 43, Wien 1984, S. 69ff. — Uber die Rolle der nationalen Auseinandersetzungen vgl. u. a. Gerald Stourzh, Die Gleichberechtigung der Nationalitäten und die österreichische Dezember-Verfassung von 1867, in: Berger, Der österr.-ungarische Ausgleich, S. 186 ff. — Ders., Die Gleichberechtigung der Nationalitäten in der Verfassung und Verwaltung Österreichs 1848 — 1918, Wien 1985. Vgl. ferner die Beiträge unter den Titeln IV., Der Dualismus und die Nationalitäten, bzw. V., Die Probleme der Föderalisierung in Österreich-Ungarn, in: Der österr.-ungar. Ausgleich 1867, hrsg. v. d. Slowakischen Akademie d. Wissenschaften, S. 451 ff., 925 ff. — Naturgemäß werden wesentliche Elemente der historischen Entwicklung der österr.-ungar. Monarchie von 1867 bis zum Ende des Weltkrieges im Zusammenhang mit dem Ausgleich von 1867 und späteren Initiativen zur Umbildung des Staates im Sinne eines Föderalismus oder Trialismus auch in dem Werk: Die Habsburgermonarchie 1848—1918, hrsg. v. Adam Wandruszka und Peter Urbanitsch (im Auftrag der Kommission für die Geschichte der österr.-ungar. Monarchie 1848 — 1918 der Österr. Akademie der Wissenschaften), Wien 1973 ff. entsprechend gewürdigt, insbes. in Bd. 2 (Verwaltung und Rechtswesen, 1975) und Bd. 3 (Die Völker des Reiches, 1980). 146 Stenographische Protokolle über die Sitzungen der provisorischen Nationalversammlung für Deutschösterreich, Wien 1918/19, S. 3. — Vgl. hiezu u. a. Walter Goldinger, Geschichte der Republik Österreich, Wien 1962, S. 9 ff.
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dent W o o d r o w Wilson gerichtet. Am 11. November 1918 gab dann Kaiser Karl eine Verzichtserklärung ab, in der es unter anderem hieß: „Im voraus erkenne ich die Entscheidung an, die Deutschösterreich über seine künftige Staatsform trifft. Das Volk hat durch seine Vertreter die Regierung übernommen. Ich verzichte auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften." 1 4 7 Am 12. November nahm die Provisorische Nationalversammlung das Gesetz an, in dem Deutschösterreich als Republik konstituiert wurde, gleichzeitig erklärte man, daß die Republik Deutschösterreich ein Bestandteil der Deutschen Republik sei, was aber ohne praktische Konsequenzen blieb 148 . Im übrigen gab es sowohl in Deutschland wie in Osterreich doch auch starke Bedenken gegen eine Anschlußlösung, die notwendigerweise auf entschlossenen Widerstand der Alliierten, insbesondere Frankreichs und der Tschechoslowakei stoßen mußte. M a n dachte mitunter bereits an eine neutrale Republik Osterreich, oder auch an eine Donaukonföderation, h o f f t e auch bei einem Verzicht auf den Anschluß, mit einem Entgegenkommen bei Fragen der Grenzziehung rechnen zu können 1 4 9 . In einer Staatserklärung vom 22. November 1918 wurde der U m fang der beanspruchten Gebiete bekanntgegeben. Er umfaßte die deutsch besiedelten, in Grenzzonen auch gemischtsprachigen Gebiete der Alpenländer; dazu kamen sudetendeutsche Gebiete, die als P r o vinzen Deutschböhmen und Sudetenland deutsche oder vorwiegend deutsch besiedelte Landstriche Nordböhmens, N o r d m ä h r e n s und Schlesiens umfassen sollten, dann den Kreis Südmähren und den Böhmerwaldgau 1 5 0 . V o n diesen Ländern und Gebieten wurden Beitrittserklärungen zur Republik Deutschösterreich abgegeben; ihre Vertreter gehörten auch der Friedensdelegation in Saint-Germain an. Außerdem beanspruchte man das deutschwestungarische Siedlungsgebiet. Schließlich wurde festgestellt, daß nur die österreichisch-ungari147
Text bei Reinhold Lorenz, Kaiser Karl und der Untergang der D o n a u monarchie, Graz - Wien - Köln 1959, S. 554 f., bzw. Rudolf Neck, Österreich im Jahre 1918, Berichte und Dokumente, Wien 1968, S. 123. 148 Es handelte sich um das „Gesetz über die Staats- und Regierungsform von Deutschösterreich" in der 3. Sitzung der provisorischen Nationalversammlung (Stenografische Protokolle über die Sitzungen der Provis. Nationalversammlung f ü r Deutschösterreich, Beilage 8). 149 Hierzu Stephan Verosta, Für die Unabhängigkeit Österreichs, in: Österreich November 1918. Die Entstehung der Ersten Republik, Wissenschaftl. Komm. z. Erforschung der Republik Osterreich, Veröffentlichungen Bd. 9, Wien 1986, S. 41 ff. 150 Vgl. Goldinger, S. 38 ff. Hierzu und zum folgenden: Bericht über die Tätigkeit der deutschösterreichischen Friedensdelegation Saint-Germain, 2 Bde., Wien 1919.
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sehe Monarchie, nicht aber die Republik Deutschösterreich Krieg geführt hätte; im übrigen seien in Cisleithanien sechs Regierungen an Stelle der alten Monarchie getreten: D a h e r könne Deutschösterreich nicht als (alleiniger) Rechtsnachfolger gelten. Diese letztgenannte These, an sich völkerrechtlich kaum anfechtbar, blieb unbeachtet; man wollte seitens der Alliierten nicht (wie später nach dem Zweiten Weltkrieg) einen Staatsvertrag, sondern einen Friedensvertrag schließen. Osterreichischerseits wurde allerdings in an den Vertrag anknüpfenden Gesetzen und Dokumenten stets von einem Staatsvertrag gesprochen. Im Friedensvertrag von Saint-Germain mußte man auf viele der beanspruchten Gebiete verzichten; Deutschböhmen und das Sudetenland hätten geographisch nur an Deutschland, nicht an Osterreich angeschlossen werden können. Aber auch an der Südgrenze der Sudetenländer wurden im allgemeinen die Landesgrenzen beibehalten, mit einigen Ausnahmen zu Ungunsten Österreichs, die mit Rücksicht auf Verkehrswege, bzw. auch auf kleine slawische Minderheiten auf österreichischem Gebiet (Rottenschachen, Ober- und Unterthemenau, Bischofswarth) begründet wurden. Italien wurde trotz mancher Bedenken auch auf alliierter Seite die Brennergrenze gewährt; da Italien gegenüber Jugoslawien auf verschiedene ihm von seinen Verbündeten im Londoner Vertrag gemachte Territorialzugeständnisse verzichten mußte, hielt man es umso mehr f ü r notwendig, die ihm damals gegebene Zusage bezüglich Südtirols einzuhalten. Letzte Entscheidungen über den Verlauf der Grenzen Österreichs mit Jugoslawien und Ungarn sollten erst später, nach Volksabstimmungen in Südkärnten und in Odenburg, erfolgen 1 5 1 . Was die offizielle Benennung der Republik betraf, so wurde in alliierten Vertragsentwürfen vom 2. Juni und vom 20. Juli 1919 der Staatsname mit „Republik Österreich" festgelegt; dabei blieb es und am 6. September 1919 beschloß die am 16. Februar gewählte „Deutschösterreichische konstituierende Nationalversammlung" die Unterzeichnung des Friedensvertrages. Staatskanzler Karl Renner begründete namens der Friedensdelegation die Zustimmung zum neuen Staatsnamen unter anderem mit der Überlegung, es seien nicht mehr alle Deutschösterreicher, sondern nur die „Alpendeutschen" im neuen Staatswesen. Am 10. September 1919 wurde der Friedensvertrag unterzeichnet 1 5 2 . Am 151 Zusammenfassend Goldinger, a. a. O., S. 38 ff., ferner: Stefan Karner, Grenzziehungsfragen der Republik Osterreich nach den beiden Weltkriegen in ihrer ökonomisch-politischen Relevanz, in: Österreichs Erste und Zweite Republik. Kontinuität und Wandel ihrer Strukturen und Probleme. Schriften des Instituts für Österreichkunde 47, Wien 1986, S. 29 ff. 152 Vgl. in Kürze: Karl Rudolph Stadler, Fünfzig Jahre Vertrag v. SaintGermain, Ö G L 13 (1969), S. 385 ff. — Fritz Fellner, Die Pariser Vorortever-
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21. Oktober 1919 änderte man auch den Namen des Staates. Im Gesetz über die Staatsform lautete die diesbezügliche Formulierung: „Deutschösterreich in seiner durch den Staatsvertrag von Saint-Germain bestimmten Abgrenzung ist eine demokratische Republik unter dem Namen ,Republik Osterreich'." 1 5 3 Es versteht sich von selbst, daß damit der Terminus Deutschösterreich nicht ganz aus dem persönlichen und politischen Sprachgebrauch verschwand; doch kam diesen Formulierungen, etwa im Schrifttum großdeutscher Organisationen, kein staatlich-offizieller Charakter mehr zu. Im Sinne einer möglichst unbefangenen Beurteilung der Situation 1918/1919 kann man wohl sagen, daß damals Tendenzen nach staatlicher Einigung sprachlich zusammengehöriger oder verwandter Volksgruppen (etwa von Italienern, Jugoslawen, Rumänen oder Polen) in Mitteleuropa mehrfach vertreten und weitgehend durchgesetzt wurden. Bei Grenzfragen argumentierte man, je nach Bedarf, auch mit ökonomischen, strategischen und historischen Faktoren zugunsten der eigenen Sache. In der Habsburgermonarchie hatte man bei Volkszählungen Völker und Sprachgemeinschaften identifiziert. Das kam nun auch bei der Namensgebung der Republik Deutschösterreich, ebenso bei der Anschlußpropaganda zur Geltung; andererseits ist klar verständlich, daß, ganz abgesehen von den erheblichen Widerständen in Osterreich selbst, die Alliierten keine Gebietserweiterung des Deutschen Reiches dulden wollten.
REPUBLIK Ö S T E R R E I C H Die Erste Republik Österreich war gemäß Bundesverfassungsgesetz vom 1. O k t o b e r 1920 ein Bundesstaat, gebildet aus den Bundesländern Burgenland, Kärnten, Niederösterreich („NiederösterreichLand und Wien"), Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg; dazu kam nach längeren, hartnäckig geführten und heiklen Verhandlungen Wien, das mit 1. Jänner 1922 ein eigenes Bundesland träge von 1919/1920, in: Versailles - Saint-Germain - Trianon. U m b r u c h in Europa vor f ü n f z i g Jahren, hrsg. v. Karl Bosl, München und Wien 1971. — H e l m u t Konrad, Die Tätigkeit der deutschösterreich. Friedensdelegation in Saint-Germain, in: Diplomatie und Außenpolitik Österreichs. Elf Beiträge zu ihrer Geschichte, Schriften des Inst. f. Österreichkunde 30, Wien 1977, S. 140 ff. — Vgl. auch Victor S. Mamatey, Legalising the Collapse of AustriaH u n g a r y at the Paris Peace Conference, Austrian History Yearbook, I I I / 3 (1967), S. 206 ff. 153 Gesetz über die Staatsform vom 21. O k t o b e r 1919 (33. Sitzung der Konstit. Nationalversammlung, Beilage 410).
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wurde, dessen Grenzen mit denen der Gemeinde übereinstimmten 1 5 4 . Die Bundesgrenzen standen nach dem f ü r Osterreich positiven Ergebnis der Volksabstimmung in Kärnten und dem negativen jener in Odenburg, sowie kleineren Grenzkorrekturen an der österreichischungarischen Grenze offenbar fest. Die Republik Osterreich war einer der Nachfolgestaaten der Habsburgermonarchie; wenn man nach vergleichbaren historischen Vorläufern Ausschau hielt, wurde gelegentlich der Versuch einer weitgehenden Identifizierung mit den drei Einheiten der österreichischen Erblande, der Länder der böhmischen und der ungarischen Krone vor 1526 mit den Staatskörpern nach 1918/1922 versucht. Indessen gehörten zu den Erblanden zu Beginn des 16. Jahrhunderts auch die habsburgischen Besitzungen im Elsaß, im Breisgau, in Schwaben, die im Friedensvertrag von Saint-Germain abgetretenen Teile Tirols, Kärntens und der Steiermark, ferner Krain, Triest, Inneristrien, andererseits waren Salzburg, das Innviertel, Hohenems und das Burgenland keine Gebiete der Erblande. Es fehlte den Erblanden auch eine permanente verfassungs- und verwaltungsmäßige Verbindung untereinander, wenn auch zur Zeit der T ü r k e n g e f a h r gelegentlich General- oder Ausschußlandtage einberufen wurden. Noch größer, geradezu kraß, sind im übrigen die Unterschiede zwischen der Ausdehnung der Länder der böhmischen bzw. der ungarischen Krone verglichen mit dem Ungarn von Trianon und der Tschechoslowakei 155 . Was nun die innere Verfassungsstruktur der habsburgischen Erbländer betraf, so gab es bereits Landtage, die aber den damaligen Sozial· und Herrschaftsstrukturen entsprachen; der zumeist dominierende Herrenstand wollte im Sinne einer „ständischen Freiheit" seine Stellung gegenüber dem Landesfürsten wie den eigenen G r u n d holden, aber auch vor den anderen Ständen, wie Städten und 154 Vgl. Friedrich W a l t e r , O s t e r r . V e r f a s s u n g s - u n d V e r w a l t u n g s g e s c h . , S. 120 ff. — W a l t e r G o l d i n g e r , D i e erste R e p u b l i k , in: D i e E n t w i c k l u n g d e r V e r f a s s u n g Ö s t e r r e i c h s v o m M i t t e l a l t e r bis z u r G e g e n w a r t , W i e n 1963, S. 122 ff.; D e r s . , G e s c h i c h t e d e r R e p u b l i k Ö s t e r r e i c h , W i e n 1962, S. 83 f f . 15ί A. L h o t s k y , D e r österreichische S t a a t s g e d a n k e , A u f s ä t z e u n d V o r t r ä g e , Bd. 1, S. 365 ff., insbes. S. 386 ü b e r die „ L ä n d e r g e m e i n s c h a f t " , sie h a b e ihre K o n s i s t e n z b e w a h r t , . . ., s o o f t i r g e n d e i n e s d e r g r ö ß e r e n politischen G e b i l d e z e r b r a c h , sei sie „ i m m e r in n e u e r G e s t a l t " w i e d e r e r s t a n d e n . — Derselbe, Die V e r t r ä g e von W o r m s u n d Brüssel, A u f s ä t z e u n d V o r t r ä g e , Bd. 5, S. 137 ff., m e i n t (S. 161), d a ß das H a u s O s t e r r e i c h des Spätmittelalters „in d e n H a u p t u m r i s s e n nichts a n d e r e s w a r als das h e u t i g e B u n d e s g e b i e t " , w o h l seien K r a i n , U n t e r s t e i e r m a r k u n d S ü d t i r o l sowie die V o r l a n d e verloren g e g a n g e n , aber S a l z b u r g , Innviertel u n d B u r g e n l a n d a n g e g l i e d e r t w o r d e n : V e r ä n d e r u n g e n solc h e r A r t seien im L a u f e s e h r langer E n t w i c k l u n g k a u m v e r m e i d b a r . . .
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Märkten, behaupten. Auch die Prälaten, die zwar als geistlicher Stand einen Ehrenvorrang besaßen, hatten in der Regel nicht allzuviel zu reden. Die Landtage waren (von Tirol und später dem erst allmählich zusammenwachsenden Lande „jenseits des Ari" mit ihren Vertretungen von Tälern und Gerichten abgesehen) keine Volksvertretungen in einem moderneren Sinne. Sie sahen sich aber als Repräsentanten der Länder gegenüber dem Landesfürsten an. Konflikte nahmen mitunter ein blutiges Ende, man denke an das „Wiener Neustädter Blutgericht" (1521) 156 . Die Regelung der Beziehungen zwischen Bund und Ländern stellte gewiß ein echtes Strukturproblem der Republik dar. Die Verfassung von 1920 stärkte zweifellos die Position der Länder gegenüber dem Bundesstaat; sie enthielt die Feststellung, daß der Bundesstaat von „selbständigen Ländern" gebildet sei. Bei der Abgrenzung der Rechte von Bund und Ländern kam es zu einer f ü r den Gesamtstaat wie f ü r die Länder akzeptablen Einigung. Die Ländervertretung, der Bundesrat, fungierte als zweite Kammer der Volksvertretung neben dem Nationalrat 1 5 7 . In seinen Debatten dominierten aber zumeist parteipolitische gegenüber föderalistischen Argumenten. Im übrigen entwickelte sich das politische, soziale und wirtschaftliche Leben der Republik mitunter in sichtlicher Abhängigkeit von den Strömungen der europäischen Politik, wobei selbst Tendenzen der Aufteilung Österreichs fühlbar wurden. Frankreich, die Kleine Entente, das faschistische Italien, das Hegemoniebestrebungen im D o n a u r a u m verfolgte, weder engere österreichische Kontakte zum Völkerbund, noch zu Paris, Prag, Belgrad oder Berlin wollte, sowie das Deutsche Reich dominierten. Englische und italienische Diplomaten dachten vorübergehend an eine völlige Desintegration Österreichs. Die Genfer Protokolle von 1922, die nach notwendigen M a ß nahmen zur Sanierung der österreichischen W ä h r u n g abgeschlossen wurden, brachten eine Kontrolle durch ein Komitee und einen Generalkommissär des Völkerbundes bis zum Jahre 1926; man sprach höhnisch von der „Völkerbundkolonie" 1 5 8 . Im gleichen Jahre drohte Mus1Si · Vgl. in Kürze: H a n s Sturmberger, Dualistischer Ständestaat und werdender Absolutismus. Die Entwicklung der Verfassung Österreichs, S. 24 ff. 157 Walter, Verfassungsgeschichte, S. 274, 278. 158 Walter, Verfassungsgeschichte, S. 282; Gottlieb Ladner, Seipel als Überwinder der Staatskrise vom Sommer 1922, Wien - Graz 1964. — Ludwig Jedlicka, Die Außenpolitik der Ersten Republik, in: Diplomatie und Außenpolitik Österreichs, Schriften des Inst. f. Österreichkunde 30, Wien 1977, S. 152 ff.; Ders., Aufteilungs- und Einmarschpläne um Österreich, in: Jedlicka, Vom alten zum neuen Österreich, St. Pölten - Wien, 1 4 I f f . — Vgl. insbes. auch Stefan Malfér, Wien und Rom nach dem Ersten Weltkrieg, Wien - Köln G r a z 1978, S. 89ff., 129ff., 163ff.
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solini, die italienische Fahne über den Brenner zu tragen, während H a n s Kelsen, einer der Gestalter der Bundesverfassung, erklärte, es sei sittlich unerträglich, daß sechseinhalb Millionen zu einem G e meinwesen zusammengezwungen werden, das jedes inneren Sinnes, jeder politischen Idee entbehre. V o n Deutschland wurden wirtschaftliche Faktoren in Osterreich zur Geltung gebracht, der deutsche Botschafter N a d o l n y schlug eine „ L ö s u n g " der Südtirolfrage durch Aussiedlung der Südtiroler nach Ostpreußen vor . . , 159 . Zu alldem kamen innenpolitische Konfrontationen, die am 15. Juli 1927 nach einer sozialistischen Demonstration gegen ein problematisches Gerichtsurteil tragisch kulminieren sollten. Es gab zunehmende wirtschaftliche Schwierigkeiten, Zusammenbrüche von Großbanken. Die Bundesverfassungsnovelle vom 7. N o v e m b e r 1929 stärkte die Stellung des Bundespräsidenten, der vom Bundesvolk gewählt werden sollte, doch wurde seine Wahl 1931 durch ein weiteres V e r f a s s u n g s g e setz der Bundesversammlung (Nationalrat und Bundesrat) überlassen 1 6 0 . Die bundesstaatliche Struktur Österreichs führte mehrfach trotz ausgewogener Verfassungsbestimmungen zu K o m p e t e n z p r o blemen zwischen Bund und Ländern; die Existenzkrise der Ersten Republik wurde aber durch eine Konfrontationspolitik der Parteien, zunehmende wirtschaftliche Schwierigkeiten, Zusammenbrüche von Großbanken, sowie die bedrängte Situation des Staates unter dem D r u c k einander widerstrebender Interessen in der europäischen Politik ausgelöst. D a z u kam der T o d bedeutender Politiker wie Ignaz Seipel und J o h a n n Schober, das Scheitern eines schlecht vorbereiteten, an sich problematischen Zollunionsprojektes mit Deutschland, schließlich die Machtübernahme des Nationalsozialismus in diesem Nachbarstaat 1 6 1 . M a n dachte an die alte Großmachtstellung und h o f f t e auf eine neue. D a s „altösterreichische E r b e " lebte fort in „Reichs"-Institutionen, politischen, sportlichen und wirtschaftlichen Einrichtungen, die als Reichsbund, Reichsleitung, Reichskonferenz, Reichspost, Reichsorganisation, Reichsverband bezeichnet wurden 1 6 2 . S o gab es mancherlei innerstaatliche und außenpolitische Probleme, Reminiszenzen und Sehnsüchte, die viele österreichische Bundesbürger, trotz bedeutender Leistungen, etwa in der Sozialgesetzgebung oder bei der Stabilisierung der Währung, an der Z u k u n f t ihres 159 Jedlicka, Außenpolitik, S. 157; G e r a l d Stourzh, V o m Reich zur R e p u blik, Wiener J o u r n a l , N r . 78, M ä r z 1987, S. 20 f. 1 6 0 Walter, Verfassungsgeschichte, S. 287 ( V e r f a s s u n g s g e s e t z vom 8. O k tober 1931). 1 6 1 Vgl. G o l d i n g e r , Geschichte der Republik Österreich, S. 154 ff., Walter, V e r f a s s u n g s g e s c h i c h t e , S. 287 f. 162 S t o u r z h , V o m Reich zur Republik (vgl. oben Anm. 159), S. 19.
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Staates Zweifel hegen ließen. Tendenzen zur Selbstaufgabe mögen freundschaftliche Beziehungen zu anderen Staaten erschwert haben, deren Politik ihrerseits an den österreichischen Existenznöten keineswegs schuldlos war.
BUNDESSTAAT ÖSTERREICH DER AUTORITÄRE STÄNDESTAAT 1934-1938 Am 20. Mai 1932 ernannte Bundespräsident Miklas eine neue Regierung unter Bundeskanzler Dr. Engelbert Dollfuß. Dieser hatte im eben zurückgetretenen Kabinett Buresch die Funktion eines Ministers f ü r Land- und Volkswirtschaft ausgeübt. Die Regierung D o l l f u ß wurde von Christlichsozialen, Heimatblock und Landbund unterstützt. Sie besaß im Nationalrat eine höchst unsichere Mehrheit von einer Stimme und verfügte im Bundesrat nur über eine Minderheit. Es gelang der Regierung immerhin, die Zustimmung des Parlaments zu einer Völkerbundanleihe zu gewinnen 163 , die mit dem Genfer Protokoll verknüpft war, das unter anderem eine zehnjährige Verlängerung des Anschlußverbotes vorsah. In der Nationalratsabstimmung vom 4. M ä r z 1933, die einen von der Regierung verbotenen Eisenbahnerstreik betraf, kam es zu Kontroversen über die Gültigkeit eines Stimmzettels. Die Regierung benützte den unüberlegten Rücktritt aller drei Nationalratspräsidenten zur Ausschaltung des Parlaments. Nach einer Klage der Wiener Landesregierung gegen eine Notverordnung der Bundesregierung veranlaßte diese den Rücktritt christlichsozialer Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes und erklärte dann diesen als beschlußunfähig. Durch diese Vorgangsweise wurde zweifellos die Verfassung gebrochen. Sektionschef Dr. Robert Hecht fungierte dabei und in anderen heiklen Situationen als maßgeblicher Ratgeber des Bundeskanzlers 1 6 4 . In einer nach der Machtergreifung des Nationalsozialismus in Deutschland sehr kritischen Lage machte sich noch mehr als zuvor der Einfluß der Heimwehr geltend; ebenso die Rücksichtnahme auf Mussolini, von dem man Schutz gegen nationalsozialistische Pres-
163 Simon, Österreich 1918 — 1938, S. 146f. — Vgl. ferner: Grete Klingenstein, Die Anleihe von Lausanne, Wien - G r a z 1965. 164 Ulrich Eichstädt, Von Dollfuß zu Hitler, Geschichte des Anschlusses Österreichs 1933—1938, Wiesbaden 1955. — Vierzig Jahre danach. D e r 4. M ä r z 1933 im Urteil von Zeitgenossen und Historikern, hrsg. v. Dr. KarlRenner-Institut, Wien 1973. — Peter Huemer, Robert Hecht, Die Zerstörung der Demokratie in Österreich, Wien 1975. — Brauneder-Lachmayer, Österr. Verfassungsgesch., S. 232 ff.
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sionen erhoffte. Die Heimwehr hatte sich bereits am 18. Mai 1930 im Korneuburger Eid gegen den „westlichen, demokratischen Parlamentarismus" ausgesprochen; an seine Stelle solle die „Selbstverwaltung der Stände" und „eine starke Staatsführung", die nicht aus Parteienvertretern bestehe, für Staat und Volk sorgen. In einer Zusammenk u n f t mit Mussolini in Riccione im August 1933 sagte Dollfuß, den Wünschen Mussolinis entsprechend, eine berufständische Verfassung und einen harten Kurs gegen die Sozialdemokraten zu 165 . Inzwischen war als Instrument der Regierungspolitik die „Vaterländische Front" gegründet worden. Sozialkonservative Traditionen, Ideen der Päpstlichen Enzykliken „Rerum novarum" Leos XIII. und „Quadragesimo anno" Pius XI. sollten ideologische Leitlinien bilden. Im übrigen läßt sich das Programm nicht auf eine einfache Formel bringen. Es gab autoritäre Stimmungen in vielen europäischen Staaten, die „Entscheidungsunfähigkeit der Demokratie" wurde zu einem beliebten Schlagwort. Schon Ignaz Seipel hatte dem Parlamentarismus die „wahre Demokratie" entgegengestellt 166 . Nach den Februarkämpfen gegen die Sozialdemokraten wurde die „Maiverfassung 1934" durch eine Regierungsverordnung und durch Abstimmung im Rumpfparlament (unter Teilnahme von 76 der einst gewählten 165 Mandatare) in Kraft gesetzt. In Artikel 1 hieß es „Osterreich ist ein Bundesstaat" und „Bundesstaat Osterreich" war nunmehr der offizielle N a m e des Staatswesens. Ein erster Entwurf des Vorarlberger Landeshauptmannes O t t o Ender, der noch die Formulierung „demokratische, berufständische Republik" vorsah, war nicht realisiert worden. In der Präambel der Verfassung betonte man sowohl den österreichischen, wie den christlichen, deutschen und ständischen Charakter der Neuordnung: „Im Namen Gottes, von dem alles Recht ausgeht, erhält das österreichische Volk f ü r seinen christlichen, deutschen Bundesstaat auf ständischer Grundlage diese Verfassung." 167 Wenn hier auch die ständischen Traditionen in Erinnerung gerufen wurden, so blieb in der Folge doch die ständische Neuordnung Stückwerk; von den Berufsgruppen wurden nur „Landwirtschaft" und „Öffentlicher Dienst" organisiert. Aus der Perspektive der Zweiten Republik hat man gelegentlich die Betonung des deut" s Korneuburger Eid: Vgl. etwa Walter B. Simon, Österreich 1918 — 1938. Ideologie und Politik, S. 118 f. — Heimatschutz in Österreich, Wien 1934, S. 47 f. 166 Irmgard Bärnthaler, Die Vaterländische Front. Geschichte und Organisation, Wien - Frankfurt - Zürich 1971. 167 Vgl. BGBl. 1/1934-11 sowie Adamovich-Froehlich, Die neue österreichische Verfassung, Wien 1934. — Adolf Merkl, Die ständisch-autoritäre Verfassung Österreichs, Wien 1935. — Brauneder-Lachmayer, Österr. Verfassungsgesch., S. 234f. — Simon, Österreich 1918—1938, S. 161 f.
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sehen Charakters des Staates kritisiert; damit wird aber der Gesinnungsumschwung eines Großteils der Bevölkerung unter dem Eindruck der Gewaltherrschaft des NS-Systems und seines Zusammenbruches vorverlegt: Von einer österreichischen Nation war 193 3 / 3 4 kaum die Rede, auch Seipel hatte an der Zugehörigkeit zur deutschen Kulturnation festgehalten. N o c h im Aufruf zur geplanten Volksabstimmung am 13. März 1938 lautete die Parole: „Für ein freies und deutsches, unabhängiges und soziales, f ü r ein christliches und einiges Osterreich." 1 6 8 Im übrigen wurde in den Bestimmungen des Verfassungsgesetzes 1934 vor allem der autoritäre Charakter betont. Demgegenüber hatte die durch weitgehende Vollmachten von Bundespräsident und Bundesregierung eingeschränkte föderalistische Struktur wenig praktische Bedeutung, ungeachtet der Staatsbezeichnung „Bundesstaat" an Stelle von „Republik". Landeshauptleute und die Mitglieder der Landesregierungen wurden vom Bundespräsidenten ernannt; sie konnten nach der Maiverfassung nach freiem Ermessen abberufen werden; auf Verlangen des Bundeskanzlers auch die Bürgermeister der Gemeinden 1 6 9 . D e r T o d von Engelbert Dollfuß beim Putschversuch der Nationalsozialisten am 25. Juli 1934 stoppte wohl eine allfällige weitere Realisierung berufsständischer Ideen; der Nachfolger Kurt Schuschnigg war mehr dem legitimistischen und konservativen Gedankengut verbunden, ihm schwebte die Erneuerung einer Reichsidee vor. Während des autoritären Regimes wurde auch der christliche Charakter Österreichs besonders betont, dabei, was manche Protestanten irritieren konnte, christlich vielfach mit katholisch gleichgesetzt 170 . Am 5. Juni 1933 wurde ein Konkordat mit Rom abgeschlossen und am 1. Mai 1934 ratifiziert 171 . Eine A n k n ü p f u n g an altösterreichische Traditionen verkörperte das in der Bundesverfassung 1934 vorgesehene Wappen, das einen doppelköpfigen Adler mit einem rot-weiß-roten Bindenschild zeigte 172 . 168 Ludwig Reichhold, Kampf um Österreich. Die Vaterländische Front und ihr Widerstand gegen den Anschluß 1933 —1938. Eine Dokumentation, Wien 1984, S. 349. Vgl. auch Irmgard Bärnthaler, Vaterland. Front, S. 169 ff. — Über die Varianten von Osterreichbekenntnis und Reichsideologie in der Vaterländischen Front vgl. Anton Staudinger, Z u r „Osterreich"-Ideologie des Ständestaates, in: Das Juliabkommen 1936, Wiss. Komm. Veröffentlichungen 4, Wien 1977, S. 198 ff. 169 Brauneder-Lachmayer, Osterr. Verfassungsgesch., S. 235 f. 170 Vgl. Bärnthaler, Vaterl. Front, S. 177 ff., insbes. die Belege S. 224 f. 171 Vgl. Josef W o d k a , Kirche in Osterreich, Wegweiser durch ihre Geschichte, Wien 1958, S. 378 f. — Erika Weinzierl, Die österreichischen Konkordate von 1855 und 1933, Wien 1960, ebenda S. 258 ff. Text des K o n k o r dates vom 5. Juni 1933 mit Zusatzprotokoll. 172 Bundesverfassung 1934, Art. 3, Abs. 2; vgl. Franz Gall, Österr. W a p penkunde, Wien - Köln 1977, S. 118.
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Bald sollte sich die außenpolitische L a g e Österreichs verschlechtern; Hitlers E r f o l g e verschärften die Situation, während und nach dem italienischen Abessinienkrieg wurde die Politik der Achse Berlin-Rom mehr und mehr fühlbar, so kam es zum Juli-Abkommen (11. Juli 1936); Osterreich bekannte sich als deutscher Staat, in einem Zusatzprotokoll wurde eine Amnestie für Nationalsozialisten zugesagt 1 7 3 . Versuche, die „Nationalen und Nationalsozialisten" im R a h m e n eines „Volkspolitischen R e f e r a t e s " zu einer Mitarbeit zu gewinnen, erleichterten nur die Unterminierung des Staatswesens. M a n h o f f t e , durch den „deutschen W e g " Osterreich vor einer völligen Gleichschaltung zu retten, es kam aber anders. Die Westmächte, insbesondere England, wo Politiker wie Neville Henderson und Lord H a l i f a x durch Preisgabe Österreichs Hitler für „friedliche L ö s u n g e n " zu gewinnen hofften, boten keinerlei Stütze; in krasser Verkennung der Gefahren für die eigene Staatlichkeit begünstigte die Politik der polnischen, aber auch der jugoslawischen Regierung Expansionsbestrebungen des Dritten Reiches 1 7 4 . In völliger Isolierung endete das autoritär-ständische Regime in den M ä r z t a g e n 1938. Aus der Sicht der Zweiten Republik hatte das Dollfuß-Schuschnigg-Regime zwar das Verdienst, für die Unabhängigkeit Österreichs und die österreichische Staatsidee eingetreten zu sein; die Verstöße gegen demokratische Grundrechte mußten aber abgelehnt werden. D a ß ein demokratisches Staatswesen, in dem sich auch die Nationalsozialisten frei betätigen konnten, sich gegen den D r u c k des Dritten Reiches länger behauptet hätte, muß allerdings bezweifelt werden. D i e Widerstandsbasis wäre in Osterreich wohl breiter gewesen, aber in der einmal gegebenen geopolitischen Situation zwischen den Machtbereichen Hitlers und Mussolinis hätte unverbindliches Wohlwollen des demokratischen Westens kaum eine irgendwie ins Gewicht fallende praktische Bedeutung gehabt. 173 T e x t des A b k o m m e n s in: Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik, Serie D , B a d e n - B a d e n 1950, Bd. I, S. 231 ff. — Vgl. ferner Bärnthaler, Vaterl. Front, S. 119f., 218 f. sowie die Beiträge in: D a s J u l i a b k o m m e n von 1936, Veröffentl. der wiss. K o m m , usw., 4, Wien 1977, insbes. Gerhard J a g s c h i t z , Zwischen Befriedigung und K o n f r o n t a t i o n . Zur L a g e der N S D A P in Osterreich, S. 156 ff. 174 Reinhold Wagnleitner, Die britische Osterreichpolitik 1936, in: D a s J u liabkommen von 1936, S. 53 ff. — H a n s R o o s , Polen und E u r o p a , Studien zur polnischen Außenpolitik 1931 — 1939, T ü b i n g e n 1957. — M a r y Anthonia Wathen, T h e policy of E n g l a n d and France towards the Anschluß of 1938, W a s h i n g t o n 1954. — G e r h a r d J a g s c h i t z , D e r Putsch, D i e Nationalsozialisten 1934 in Österreich, G r a z - Wien - Köln 1976, S. 150 f., 156, 182 f. (über die H a l t u n g J u g o s l a w i e n s ) . — E n g l a n d s verdrängte Geschichte, Informationsund Pressedienst der österr. W i d e r s t a n d s b e w e g u n g 1/1987.
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V O N D E R „ O S T M A R K " Z U D E N „ALPEN- U N D DONAUREICHSGAUEN" ÖSTERREICH IM D R I T T E N REICH Nach der D u r c h f ü h r u n g des Anschlusses an das Dritte Reich und dem damit verbundenen Einmarsch der deutschen Wehrmacht wurden ältere Pläne und Entwürfe nationalsozialistischer Führungskreise aufgegeben 1 7 5 . Der Empfangsjubel der österreichischen N a tionalsozialisten, aber auch weiterer Bevölkerungskreise, die sich der neuen Situation anzupassen suchten, die wohlwollende, zumindest aber völlig passive Haltung maßgeblicher Staaten, insbesondere Italiens, Großbritanniens, Jugoslawiens und Polens, führten zu einer totalen Lösung der Anschlußfrage. Sowohl das österreichische Anschlußgesetz der eben erst gebildeten Regierung Seyß-Inquart, wie das textgleiche Gesetz der Reichsregierung über die „Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich" vom 13. März 1938, wurden noch vor einer zunächst als Voraussetzung angesehenen Volksabstimmung erlassen. Diese fand am 10. April unter den in totalitären Staaten üblichen Formen von Propaganda und Einschüchterung statt, brachte auch das erwartete fast einmütige Ergebnis. Die beiden Gesetze schienen mit dem ersten Artikel „Osterreich ist ein Land des deutschen Reiches" anzudeuten, daß die grundsätzliche Frage, wie die föderalistische Struktur Österreichs zu berücksichtigen sei, zu Ungunsten der Bundesländer beantwortet werden sollte 176 . Es kam aber anders. Hierbei spielten Änderungen im Verfassungswesen des Deutschen Reiches insofern eine Rolle, als hier ein Gesetz über den „Neuaufbau des Reiches" erlassen worden war, der den de facto bereits weitgehend vollzogenen Umbau des Reiches zu einem möglichst einheitlichen Staatswesen sanktionieren sollte. Seit 14. April 1938 zerfiel das Land Osterreich in sieben Reichsgaue; durch Gesetze vom 1. Oktober 1938 und 25. M ä r z 1939 wurden wesentliche Änderungen der bisherigen Bundesländergrenzen vorge-
175 Vgl. Ludwig Jedlicka, Verfassungs- und Verwaltungsprobleme, 1938 —1955, in: Die Entwicklung der Verfassung Österreichs, S. 120 ff. — Helfried Pfeifer, Die Ostmark, Eingliederung und Neugestaltung, Historischsystematische Gesetzessammlung, Wien 1941. — Norbert Schausberger, Der Anschluß, in: Weinzierl - Skalnik, Österreich 1918—1938, S. 517ff. — Gerhard Botz, Die Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich, 2. erg. Aufl., Wien 1976. — Erwin A. Schmidl, März 38, S. 13 ff., 89 ff., 239 ff. 176 Jedlicka, Verfassungs- und Verwaltungsprobleme, S. 125ff., 128. — Walter Goldinger, Gleichschaltung in: Weinzierl - Skalnik, Die Zweite Republik, G r a z 1972, Bd. 1, S. 91 ff.
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nommen 1 7 7 . Die Namen der sieben Reichsgaue lauteten: Wien, Kärnten, Niederdonau, Oberdonau, Salzburg, Steiermark, Tirol. Die Bundesländer Burgenland und Vorarlberg wurden also keine eigenen Gaue. Vorarlberg wurde als besonderer Verwaltungsbezirk dem Reichsstatthalter in Tirol unterstellt, das Burgenland zwischen Niederösterreich und der Steiermark aufgeteilt, Osttirol an Kärnten angeschlossen. Wien wurde durch 97 niederösterreichische Gemeinden auf einen Umfang von 1215 km 2 erweitert, hatte aber jeden Hauptstadtrang verloren; sein Bürgermeister unterstand dem Reichsstatthalter. Es entsprach im übrigen dem nationalsozialistischen Verwaltungssystem, daß Partei- und Staatsämter weitgehend verschmolzen wurden. Die Änderung der Namen Ober- und Niederösterreich in Oberund Niederdonau — vergleichbar mit den elsässischen Departements H a u t - R h i n und Bas-Rhin — sorgte dafür, daß der N a m e Osterreich aus den Gaubezeichnungen verschwand; diese Umbenennung wurde wohl in der Parteikanzlei der N S D A P beschlossen 178 . Ober- und Niederdonau wurden territorial erweitert, als nach dem Münchener Abkommen deutschbesiedelte südböhmische Gebiete (welche die Alliierten einst der Republik Deutschösterreich verweigert hatten), aber auch mehrheitlich tschechische Gemeinden angeschlossen wurden. An Niederdonau kamen auch Theben und Engerau bei Preßburg 1 7 9 . Im M ä r z 1939 sollte Hitler dann unter flagrantem Bruch des Münchener Abkommens die Rumpftschechoslowakei liquidieren. Dieses Vorgehen und die Gewaltherrschaft im „Protektorat Böhmen und Mähren" hatte nach dem Krieg schwerste Folgen f ü r die Sudetendeutschen. Ebenso wirkte sich der Feldzug gegen Jugoslawien 1941, nach dem Oberkrainer Gebiete an Kärnten und die ehemalige Südsteiermark an den Gau Steiermark angeschlossen wurden, letztlich f ü r die deutsche Minderheit in Jugoslawien verhängnisvoll aus. Schon am 1. O k t o b e r 1938 war es auch zu zwei kleineren Abtretungen vom ehemaligen Bundesgebiet gekommen; die vorarlbergische Gemeinde Mittelberg sowie die tirolische Gemeinde Jungholz wurden Bayern einverleibt. Beide Grenzorte waren Zollexklaven gewesen, hatten also 177 P f e i f e r , S. 91, N r . 1, b z w . B r a u n e d e r - L a c h m a y e r , O s t e r r e i c h i s c h e V e r f a s s u n g s g e s c h . , S. 252 f. — Z u r b e w u ß t e n A b w e r t u n g W i e n s vgl. die A k t e n n o t i z C h r i s t i a n O p d e n h o f f s f ü r Josef Bürckel vom 2. April 1938 bei B o t z , E i n g l i e d e r u n g , D o k u m e n t e n a n h a n g III, S. 129 ff. Vgl. f e r n e r C s e n d e s , G e s c h i c h t e W i e n s , S. 161 f f . G o l d i n g e r , G l e i c h s c h a l t u n g , S. 98, 101. 178 Vgl. J e d l i c k a , V e r f a s s u n g s - u n d V e r w a l t u n g s p r o b l e m e , S. 128. Es k a m w e g e n d e r E l i m i n i e r u n g des O s t e r r e i c h b e g r i f f e s auch zu M i ß s t i m m u n g e n in n a t i o n a l s o z i a l i s t i s c h e n Kreisen, vgl. e t w a F r a n z L a n g o t h , K a m p f u m Ö s t e r reich, E r i n n e r u n g e n eines Politikers, W e l s 1951. 179 P f e i f e r , S. 88, N r . 1.
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zum Staatsgebiet der Republik Osterreich, aber zum deutschen Zollbereich gehört; ein Zustand, der 1945 wieder hergestellt werden sollte 180 . Nach der Zerlegung Österreichs „in seine Reichsländer", wie Adolf Hitler formulierte, schien zunächst der N a m e „Ostmark" f ü r den von der N S D A P abgelehnten und geächteten Begriff „Österreich" eine Ersatzfunktion zu übernehmen. Er wurde auch nach dem Abschluß der Liquidierung des Landes Osterreich (Gesetz vom 1. April 1940) noch gebraucht, etwa in der Form „Reichsgaue der Ostmark", als das Amt des Reichskommissars Bürckel sein Ende fand, das zuvor die österreichische Regierung und seit l . M a i 1939 auch den Reichsstatthalter Seyß-Inquart, den Nachfolger des österreichischen Bundeskanzlers, ausgeschaltet hatte 181 . Während des Krieges, als der Widerstand gegen den NS-Staat immer stärker fühlbar wurde, verfügte ein Rundschreiben der Parteikanzlei, das „Gesetz über den Verwaltungsaufbau in der Ostmark" nur mehr als „Gesetz vom 14. April 1939" zu bezeichnen. Eine Information der Öffentlichkeit über die N e u o r d n u n g sollte unterlassen werden, man fürchtete unerwünschte Diskussionen. In diesem R u n d schreiben vom 13. Februar 1942 wurde ferner ersucht, die Sammelbezeichnung „Reichsgaue der Ostmark" überhaupt zu vermeiden, in einem weiteren Rundschreiben vom 8. April 1942 wurde d a f ü r als neue zusammenfassende Bezeichnung „Alpen- und Donau-Reichsgaue" eingeführt, aber auch diese sollte nur gebraucht werden, wenn eine A u f f ü h r u n g der einzelnen Reichsgaue aus besonderen Gründen nicht angebracht sei. Aus verwaltungstechnischen Rücksichten war es eben mitunter notwendig, weiterhin eine gemeinsame Bezeichnung f ü r die österreichischen Länder zu verwenden 182 . Selbst über die Benennung wissenschaftlicher Publikationen konnte es zu Auseinandersetzungen kommen. Bei all dem spielte es natürlich eine wesentliche Rolle, daß oppositionelle Strömungen mehr und mehr an Anhängern gewannen und etwa der Leiter des Reichssicherheitshauptamtes Ernst Kaltenbrunner im September 1944 sich sehr pessimistisch über die Stimmung in den Gauen Niederdonau und Wien sowie über die herrschende „Österreich-Tendenz" äußerte 183 . 180 Pfeifer, S. 91, Nr. 1; Brauneder - Lachmayer, Osterr. Verfassungsgeschichte, S. 253. 181 Jedlicka, Verfassungs- und Verwaltungsprobleme, S. 128 ff. — Schausberger, Der Anschluß, in: Weinzierl-Skalnik, Österreich 1918 — 1938, S. 547 ff. 182 Verfügungen, Anordnungen, Bekanntgaben, Bd. 1, München 1942, Rundschreiben 19 bzw. 45, 42, zit. bei Jedlicka, Verfassungs- und Verwaltungsprobleme, S. 130 f., Schausberger, Der Anschluß, S. 549. 183 Erika Weinzierl, D e r Widerstand, in: Weinzierl - Skalnik, Die Zweite Republik," Bd. 1, S. 109ff. Vgl. auch Karl Stuhlpfarrer, Nationalsozialistische
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Letztlich aber entschied notwendigerweise der Ausgang des Krieges. Im Frühjahr 1945 wurde Österreich selbst Kriegsschauplatz; Hitlers Plan, in einer „Alpenfestung" bis zum letzten Mann zu kämpfen, konnte glücklicherweise nicht verwirklicht werden; im Laufe der Monate April und Mai wurde das gesamte österreichische Bundesgebiet von alliierten Truppen besetzt.
DIE ZWEITE REPUBLIK ÖSTERREICH In der Moskauer Deklaration (Annex 6) vom 30. Oktober 1943, die nach einem ersten englischen Entwurf von den Außenministern der Großmächte Großbritannien (Anthony Eden), Vereinigte Staaten (Cordell Hull) und der Sowjetunion (W. M . Molotow) unterzeichnet war, der im nächsten Monat auch Frankreich (repräsentiert durch das Befreiungskomitee General De Gaulies in Algier) beitrat, wurde die Besetzung Österreichs durch Deutschland als „null und nichtig" erklärt, sowie der Wunsch nach Wiederherstellung eines freien und unabhängigen Osterreich zum Ausdruck gebracht; allerdings auch an eine Verantwortung „für die Teilnahme am Kriege an der Seite Hitler-Deutschlands" erinnert 184 . Die Österreicher hatten nun in der Deutschen Wehrmacht Kriegsdienst geleistet; die zunehmenden Verluste, dann auch die Besetzung etlicher entscheidender politischer und administrativer Funktionen in Osterreich durch Reichsdeutsche, führten zu wachsender Mißstimmung. Die Aktivitäten der Widerstandsbewegung hatten während des Krieges an Intensität zugenommen; sie trugen zur Verkürzung der letzten Kämpfe in Tirol, der Steiermark und im Wiener Raum bei 185 . In der Unabhängigkeitserklärung der drei politischen Parteien OsterVerfolgungspolitik 1938 bis 1945, in: Wellen der Verfolgung in der österreichischen Geschichte, Schriften des Instituts für Österreichkunde, Bd. 48, Wien 1986, S. 144 ff. 184 Vgl. Gerald Stourzh, Geschichte des Staatsvertrages 1945—1955, 3. Aufl. (Studienausgabe), Graz - Wien - Köln, S. 1, 214 (Text). Zur G e schichte der Zweiten Republik ferner: Erika Weinzierl - Kurt Skalnik (Hrsg.), Österreich, Die Zweite Republik, 2. Bde., Graz - Wien - Köln 1972. — Karl Gutkas, Die Zweite Republik, Österreich 1945 — 1985, Wien 1985. — Österreichs Erste und Zweite Republik. Kontinuität und Wandel ihrer Strukturen und Probleme, Schriften des Instituts f. Österreichkunde 17, Wien 1985. íes Vgl. Erika Weinzierl in: Weinzierl - Skalnik, Osterreich, Zweite Republik, Bd. 1, S. 109 ff. — Otto Molden, Der R u f des Gewissens. Der österreichische Freiheitskampf 1938 — 1945, 3. Aufl., Wien 1970. — Friedrich Vogl, Widerstand im Waffenrock. Osterreichische Freiheitskämpfer in der Deutschen Wehrmacht 1938 — 1 9 4 5 , Wien 1977.
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reichs (SPÖ, Ö V P , K P Ö ) vom 27. April 1945 wurde auf die Zerstörung der österreichischen zentralen staatlichen Einrichtungen durch das NS-Regime hingewiesen, der Anschluß von 1938 so wie in der Moskauer Erklärung als „null und nichtig" bezeichnet. Durch ein Verfassungsiiberleitungsgesetz wurde die demokratische Verfassung der Republik Osterreich in der Novellierung und Fassung von 1929 wieder in Kraft gesetzt 186 . N o c h vor Kriegsende war es unter den Alliierten zu einer allmählichen Einigung über die österreichischen Besatzungszonen und deren Grenzen gekommen. Die Zonen umfaßten schließlich das Bundesgebiet in folgender Weise: Die Sowjetunion erhielt das Mühlviertel, Niederösterreich und das Burgenland, die USA den größeren Teil Oberösterreichs und Salzburg, Frankreich Tirol (außer Osttirol) und Vorarlberg, Großbritannien Osttirol, Kärnten und die Steiermark zugewiesen. In Wien teilten sich die Mächte nach verschiedenen Sektoren die Besatzungsrechte; der Erste Bezirk (mit den meisten Regierungsstellen) wurde als internationaler Sektor monatlich abwechselnd besetzt 187 . Die österreichische Regierung unter Staatskanzler Dr. Karl Renner, die anfangs Schwierigkeiten mit den westlichen Besatzungsmächten hatte, wurde im Oktober 1945 vom Alliierten Rat und anschließend von allen Besatzungsmächten anerkannt. Die in der Folge stattfindenden Wahlen wurden von den Besatzungsmächten nicht beeinflußt und wiesen den Weg f ü r eine Entwicklung, die in Osterreich in eine andere Richtung führte als in Deutschland, aber etwa auch in Ungarn, in der Tschechoslowakei und in Jugoslawien 188 . Die Grenzen der Zweiten Republik sollten gegenüber jenen der Ersten Republik unverändert bleiben. Lokale Gebietsansprüche der Tschechoslowakei wurden bald aufgegeben; ganz wesentlich umfangreichere Abtretungsforderungen in Kärnten, die über die Abstimmungszonen von 1920 hinausgingen, aber auch in der Steiermark stellte Jugoslawien, das vorübergehend auch verlangt hatte, als Besatzungsmacht anerkannt zu werden. Diese Forderungen hatten nach dem Ausbruch eines offenen Konfliktes zwischen den Staatsführungen der Sowjetunion und Jugoslawiens kaum noch Chancen, wurden dann ganz wesentlich reduziert; es blieb aber bei den alten Grenzen, jedoch wurden Bestimmungen zum Schutze der Minderheiten ausgearbeitet. Erfolglos blieben auch Österreichs Bemühungen um eine Rückgabe Südtirols; Osterreich erhielt aber im Gruber-De 186
Stourzh, Geschichte des Staatsvertrages, S. 9 f.; Manfred Jochum, D i e Zweite Republik in D o k u m e n t e n und Bildern, W i e n 1982, S. 19 f. 187 Stourzh, Geschichte des Staatsvertrages, S. 7 f. 188 Vgl. Rudolf N e c k in: Weinzierl - Skalnik, Zweite Republik, Bd. 1, S. 155 ff. — Erich Zöllner, Geschichte Österreichs, 7. Aufl., S. 531 ff.
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Gasperi-Abkommen vom 5. September 1946 die Autonomie Südtirols zugesichert 189 . Die Auflösung Österreichs in voneinander unabhängige Gaue wurde naturgemäß 1945 beendet; die Republik Osterreich war wieder ein Bundesstaat; gemäß Artikel 2 der Verfassung gebildet aus den selbständigen Ländern Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg und Wien; die 1938 verschiedentlich veränderten alten Bundesländergrenzen wurden zumeist wieder hergestellt; Wien gab 80 der 1938 einverleibten 97 Gemeinden an Niederösterreich zurück. Dadurch wurde die Gesamtfläche von Gemeinde (und Land) Wien von 1215,4 km 2 auf 414,5 km 2 reduziert 1 9 0 . Ein neues Element im österreichischen Selbstverständnis bildete der schon zu Beginn der Ersten Republik diskutierte Status der Neutralität, der damals zumeist auf Ablehnung stieß 191 . In der Zweiten Republik wurde dem Vorbild der Schweiz nachgestrebt, während nach 1918 aber eher abwertende Tendenzen fühlbar wurden, wenn von einer Verschweizerung die Rede war. In der Zeit eines eindeutigen Bekenntnisses zur Unabhängigkeit schien die Neutralität diese am ehesten nach allen Seiten wahren zu können. Die „Immerwährende Neutralität" wurde schließlich in einem Bundesverfassungsgesetz vom 26. O k t o b e r 1955 verankert 192 . Das Ringen um einen österreichischen Staatsvertrag dauerte lange. Im Jahre 1954 hatte die Sowjetunion noch auf einen Verbleib ihrer Truppen in Osterreich beharrt, wobei Befürchtungen wegen einer Remilitarisierung Westdeutschlands zweifellos eine sehr wesentliche Rolle spielten. Andere Schwierigkeiten ergaben sich durch die Frage der Ablöse des deutschen Eigentums. Die positive Wendung brachten dann Verhandlungen in Moskau im April 1955. Am 15. Mai 1955 wurde der Staatsvertrag „betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Osterreich" in Wien von den Vertretern der Großmächte und der Republik Osterreich unterzeichnet 1 9 3 . 189 S t o u r z h , G e s c h i c h t e des Staatsvertrages, S. 19 ff.; M a n f r e d J o c h u m , D i e Z w e i t e R e p u b l i k in D o k u m e n t e n u n d Bildern, S. 36 ff. 1,0 Vgl. hiezu W o l f g a n g M a y e r , D i e s t ä d t e b a u l i c h e E n t w i c k l u n g W i e n s bis 1945. K a t a l o g d e r Ausstellung im W i e n e r M e s s e p a l a s t 1 9 7 8 / 1 9 7 9 , S. 37. — D i e B e s a t z u n g s m ä c h t e s t i m m t e n der R ü c k g l i e d e r u n g d e r 80 G e m e i n d e n erst 1954 z u . Vgl. P e t e r C s e n d e s , G e s c h i c h t e W i e n s , W i e n 1981, S. 175. 191 S t o u r z h , G e s c h i c h t e des Staatsvertrages, S. 93 ff. 192 S t o u r z h , G e s c h i c h t e des Staatsvertrages, S. 170 ff. — Vgl. auch A l f r e d V e r d r o s s , D i e i m m e r w ä h r e n d e N e u t r a l i t ä t d e r R e p u b l i k Ö s t e r r e i c h , 2. Aufl., W i e n 1966; S t e p h a n V e r o s t a , Die d a u e r n d e N e u t r a l i t ä t , ein G r u n d r i ß , W i e n 1967. 193 T e x t bei S t o u r z h , G e s c h i c h t e usw., S. 241 f f . (einschließlich eines E n t w u r f s von 1947).
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Anders als in der Ersten Republik war die Staatsgesinnung der Österreicher nach 1945 und erst recht nach 1955 — gewiß nicht ohne Ausnahmen — eine positive. Die Erfahrungen der Jahre 1918 bis 1938 sprachen f ü r eine demokratische Zusammenarbeit. Das Bekenntnis zur Sozialpartnerschaft und eine ruhigere Behandlung der kulturpolitischen (einschließlich der kirchenpolitischen) Fragen sorgten, wenn es auch nicht an Konflikten und Krisen fehlen sollte, im allgemeinen f ü r ein besseres politisches Klima. Während sich die Erste Republik unter den Nachfolgestaaten der Monarchie politisch und wirtschaftlich in der schwierigsten Lage befunden hatte, erreichte Österreich nach 1955 wohl die politisch und wirtschaftlich beste Stellung. Daraus ergab sich auch eine gewandelte Einstellung zum Staat. DER ÖSTERREICHISCHE MENSCH Vom österreichischen Menschen war insbesondere in der Spätzeit der Monarchie wie in der Zwischenkriegszeit die Rede. Es galt zunächst, sich gegen das nationale Prinzip zu wenden, das die Habsburgermonarchie gefährdete, andererseits versuchte man auch gegen das preußisch geführte Deutschland ein spezifisch österreichisches M e n schentum ins T r e f f e n zu führen 1 9 4 . Es lassen sich aber verschiedene, vergleichbare Typen schon in früheren Jahrhunderten der österreichischen Geschichte unter wechselnden politischen Gegebenheiten und Voraussetzungen feststellen. Ein österreichischer Ritter, wohl aus der Zwettler Gegend, der Verfasser des „Kleinen Lucidarius", kritisierte zwar die Nachahmungswut der Österreicher — er nennt sie „Osterleute" —, wobei er vor allem an die Niederösterreicher denkt, so heißt er seine Landsleute gar Osteraffen und Ostergänse. Der „rechte Ostermann" allerdings hat großartige Eigenschaften, zeichnet sich durch Anstand, Tapferkeit, Frömmigkeit, Treue, Verschwiegenheit und Ehrgefühl aus; ebenso gibt es hervorragende Osterfrauen. Im übrigen war der Österreichbegriff des kleinen Lucidarius, wie eben angeführt, ein recht begrenzter; wenn der Verfasser seinen Landsleuten vorwirft, sie glaubten, grob sein zu müssen wie die Steirer, geht daraus hervor, daß er diese eben nicht zu den Österreichern rechnet. Seine Antipathien 1,4 Robert Müller, Osterreich und der Mensch, Berlin 1916. — Erwin Hanslik, Osterreich — Erde und Geist, Wien 1917. — Vgl. hierzu u. a. Fritz Fellner, Die Historiographie zur österreichisch-deutschen Problematik als Spiegel nationalpolitischer Diskussion, in: Osterreich und die deutsche Frage im 19. und 20. Jahrhundert, Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit 9, Wien 1982, S. 33 ff.
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gelten im übrigen auch den schwäbischen Gefolgsleuten der Habsburger 195 . N u n haben Landesbewußtsein und Nationalismus notwendigerweise verschiedene, o f t recht enge Bindungen; in Osterreich waren sie mannigfachen Wandlungen unterworfen — so wie der Osterreichbegriff selbst. Wenn Franz Grillparzer in seinem Drama „König Ottokars Glück und Ende" den von ihm zeitlich etwas zu f r ü h angesetzten steirischen Reimchronisten — er nennt ihn O t t o k a r von Horneck, tatsächlich handelt es sich um O t t o k a r aus der Gaal 196 — das berühmte Lob des Österreichers in den M u n d legt, s o i s t d a s f ü r e i n e n S t e i r e r v o n d e s s e n Generation noch problematisch 197 , wohl aber bringt es Grillparzers Bild der Heimat und ihrer Menschen, das Bekenntnis zu ihnen, zu klarem Ausdruck: Dieser österreichische Mensch, in einem Lande, „vom Silberband der D o n a u rings umwunden", trägt seinen Fehl und seine Freuden. Zwar gebe es in Sachsen und beim Rhein Leute, die mehr in Büchern lesen, aber der Österreicher trete mit klarem Blick und offenem Sinn vor jedem hin. Er und sein Vaterland, „zwischen dem Kind Italien und dem Manne Deutschland", mögen gut machen, was andere verdarben . . .Diese Verbundenheit mit der Heimat tritt in Grillparzers Werk immer wieder hervor. Freilich suchte er seine Stoffe nicht nur im engeren Osterreich, sondern auch in der Geschichte und im Mythos verschiedenster Nationalitäten der Habsburgermonarchie. Eine „österreichische Nation" hat er nicht vertreten, weil er eine Ubersteigerung des Nationsbegriffes fürchtete. Wie prophetisch mutet heute sein Epigramm aus dem Jahre 1849 an. „Der Weg der neueren Bildung geht von Humanität durch Nationalität zur Bestialität." 198 In der Spätzeit der Habsburgermonarchie wurden verschiedene " s J o s e p h S e e m ü l l e r ( H r s g . ) , Seifried H e l b l i n g , H a l l e 1886. — Vgl. Alp h o n s L h o t s k y , Q u e l l e n k u n d e d e r mittelalterlichen G e s c h i c h t e Ö s t e r r e i c h s , M I Ö G - E r g . - B d . 19, W i e n 1963, S. 273 ff., sowie U r s u l a L i e b e r t z - G r ü n , Seif r i e d H e l b l i n g , Satiren c o n t r a H a b s b u r g , M ü n c h e n 1981. 1.6 U b e r O t t o k a r aus d e r Gaal, vgl. L h o t s k y , Q u e l l e n k u n d e , S. 291. D i e R i c h t i g s t e l l u n g des N a m e n s v e r d a n k e n w i r M a j a L o e h r , D e r Steirische R e i m c h r o n i s t : h e r O t a c h e r o u z d e r G e u l , M I Ö G 51 (1937), S. 88 ff., vgl. auch P a u l U i b l e i n , Die Q u e l l e n des Spätmittelalters, in: D i e Q u e l l e n d e r G e s c h i c h t e Ö s t e r r e i c h s , S c h r i f t e n des Instituts f. Ö s t e r r e i c h k u n d e 40, W i e n 1982, S. 98 f f . 1.7 U b e r Z e u g n i s s e österreichisch-steirischer A n t i p a t h i e n , vgl. Z ö l l n e r , O s t e r r e i c h b e g r i f f u n d O s t e r r e i c h b e w u ß t s e i n im Mittelalter, in: V o l k , L a n d u n d Staat in d e r G e s c h i c h t e Ö s t e r r e i c h s , S c h r i f t e n des Instituts f ü r Ö s t e r r e i c h k u n d e 43, W i e n 1984, S. 15. 1.8 F r a n z G r i l l p a r z e r , K ö n i g O t t o k a r s G l ü c k u n d E n d e , T r a u e r s p i e l in f ü n f A u f z ü g e n , 3. A u f z u g , Insel K a u m b e r g in d e r D o n a u . D e r D i c h t e r vollend e t e das W e r k 1823. — E p i g r a m m a t i s c h e s , n a c h J a h r e n g e o r d n e t , e n t h ä l t u n t e r 1849 d e n zitierten Satz.
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Versuche unternommen, den österreichischen Menschen sowohl gegen Absprungtendenzen der Nationalitäten als gegen Preußen-Deutschland auszuspielen. Diesbezüglich wären Publikationen von Robert Müller und Erwin Hanslik während des Ersten Weltkrieges zu nennen. Auch H e r m a n n Bahr war in diesem Sinne tätig. W ä h r e n d der ersten Jahre der Republik verteidigte der gebürtige Hesse O s k a r Α. H . Schmitz den österreichischen Menschen gegen den Anschlußgedanken. Der Österreicher repräsentiere die europäische Art des Deutschtums. Ein selbständiges Osterreich bilde die notwendige Brücke zwischen Deutschland und Europa 1 9 9 . Wie man sieht, wollte man sich nicht grundsätzlich vom Deutschtum absetzen, eher vom Preußentum. M a n sah sogar im Österreicher gegenüber dem Preußen den besseren Deutschen. Der Preuße konnte sogar gelegentlich als slawisch-lettisch-uralische Bastardmischung, die erst kürzlich Deutsch gelernt habe, radikal disqualifiziert werden 2 0 0 . Dollfuß und Schuschnigg bejahten durchaus die Zugehörigkeit der Österreicher zum deutschen Volk, ebenso ihre Gegenspieler O t t o Bauer und Karl Renner, wobei diese Auffassungen, insbesondere jene der beiden Sozialdemokraten, allerdings ihre Ausprägung schon im Laufe des Nationalitätenkampfes der Habsburgermonarchie gefunden hatten, aber in einer veränderten Situation mit verschiedenen Einschränkungen beibehalten wurden. Der österreichische Mensch kann natürlich auch negativ gesehen werden. Beispiele liefert schon die englische Geschichtsschreibung zur Zeit der Gefangennahme von Richard Löwenherz, als etwa Radulf von Diceto die Österreicher als störrisch, feig, schmutzig, barbarisch und den Tieren nahe charakterisierte 201 . Heinrich von Treitschke nannte als spezifisches Charakteristikum des Österreichers „jene scheußliche, faltenlose, ewig heitere Stirn, die den Österreicher als echten Pfaffenzögling bezeichnet". Seine geistige Nichtigkeit charakterisiere er selbst aber als Gemütlichkeit 202 . Im 1,9 O s k a r A. H . Schmitz, Der österreichische Mensch, Wien 1924. 200 Vgl. hiezu Albert F. Reiterer, Vom Scheitern eines politischen Entwurfes. „Der österreichische Mensch" — ein konservatives Nationalprojekt der Zwischenkriegszeit, Ö G L 30 (1986), S. 19 ff., insbes. S. 23, Anm. 30, 31. 201 Radulfus de Diceto, Ymagines historiarum, M o n . Germ. Hist. SS 27, S. 281. Vgl. ferner u . a . Albert Schreiber, Drei Beiträge zur Geschichte der deutschen Gefangenschaft des Königs Richard Löwenherz, Hist. Vierteljahrsschrift 26 (1931). — Heinrich Fichtenau, Akkon, Zypern und das Lösegeld f ü r Richard Löwenherz, A Ö G 125, Wien 1966, S. 11 ff. 202 Heinrich von Treitschkes Briefe, hrsg. v. Max Cornicelius, Bd. 2, 2. Aufl., Leipzig 1918, S. 290. — Andere Urteile Treitschkes sind günstiger: Vgl. Gertrude Schamm, Heinrich von Treitschke und Österreich, phil. Diss., Wien 1937. — Ferdinand von Bilger, Heinrich von Treitschke und die österreichische Literatur, in: Gesamtdeutsche Vergangenheit. Festgabe f ü r Heinrich
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übrigen sind f ü r Treitschke die österreichischen Länder seit der Gegenreformation dem Deutschtum entfremdet. In der Auseinandersetzung zwischen „kleindeutscher" und „großdeutscher" Geschichtsauffassung spiegelt sich manches Element der Auf- oder Abwertung des Österreichers, des österreichischen Menschen. Heinrich von Srbik widersprach den Deutungen Treitschkes energisch; er wollte nicht, daß — Treitschke folgend — Osterreich als der negative und Preußen als der positive Pol der deutschen Geschichte bewertet werde, das widersprach seiner „gesamtdeutschen" Auffassung; es mag bei der Mentalität des „Überpreußen" Treitschke auch eine Rolle gespielt haben, daß er, ein geborener Sachse, sich der Politik des Hohenzollernstaates ganz zugewandt und (gegen wütenden Widerspruch des eigenen Vaters) die Annexion der eigenen Heimat durch Preußen verlangt hatte. Die Auseinandersetzung zwischen beiden Ideologien hatte sich schon in der Deutschen Nationalversammlung der Frankf u r t e r Paulskirche gezeigt; sie wirkte unter anderem weiter in dem berühmten Streit des westfälischen Protestanten Heinrich von Sybel mit seinem katholischen Landsmann Julius von Ficker über die deutsche Kaiserpolitik des Mittelalters 203 . Versuche, ganze Völker und Volksgruppen, Bürger eines Staates oder eine Stadt einem Typus zuzuordnen, sind immer fraglich. Von Anton Wildgans wurden in der „Rede über Osterreich" dem österreichischen Menschen Einfühlungsvermögen, Dienen und Dulden zugeschrieben, eine Völker und Länder verbindende Aufgabe, eine Verpflichtung, an der man auch nach dem Zusammenbruch der Monarchie festhielt, ebenso wie an deutschen Wurzeln dieser Mentalität. Falsche Bescheidenheit und Selbstpreisgabe sollten vermieden werden. Die zentraleuropäische Vermittlungsarbeit eines österreichischen Menschen hatte schon vor Wildgans H u g o Hassinger betont, als er noch in Basel wirkte. Zusammenfassend und ruhig überlegend zeichnete Alphons Lhotsky das Bild des österreichischen Menschen, in dem er das Ergebnis einer Erziehungsarbeit in der Habsburgermonarchie seit dem Reformabsolutismus Maria Theresias und Jovon Srbik, M ü n c h e n 1938, S. 363 ff. Vgl. ferner: Georg Iggers, Heinrich v. Treitschke, in: Deutsche Historiker, hrsg. v. Hans-Ulrich Wehler, Bd. 2, Göttingen 1971, S. 66 ff. 203 Gegen Treitschkes Auffassungen polemisierten u. a. auch Raimund Kaindl, Wilhelm Bauer, vgl. Fellner, Die Historiographie zur österreichischdeutschen Problematik als Spiegel der nationalpolitischen Diskussion, in: Osterreich und die deutsche Frage im 19. und 20. Jahrhundert; Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit, Bd. 9, Wien 1982, S. 35 f., 44 f., 56. — Die in den Jahren 1859—1862 erschienenen Schriften Sybels und Fickers (der seit 1852 in Innsbruck wirkte) gab Friedrich Schneider in Neuausgabe, Innsbruck 1941, heraus.
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sephs II. sah, gekennzeichnet namentlich durch das Standesethos von Offizieren und Beamten mit dem Bestreben nach stiller Pflichterfüllung, auch wenn sich Bedenken gegen Staatsform, Regierung und O b rigkeit nicht unterdrücken ließen. In der Zweiten Republik schien Lhotsky, den mitunter pessimistische Anwandlungen übermannten, die Gattung des h o m o Austriacus schon ausgestorben 2 0 4 . In der Zweiten Republik sprach man sonst weniger vom österreichischen Menschen, den man ja in der Monarchie vor allem als Repräsentanten einer Haltung gesehen hatte, die befähigte, nationale Gegensätze in einem vielsprachigen Staat zu überwinden. Friedrich Heer, stets bemüht, überbetonte Gegensätze konfessioneller, nationaler und weltanschaulicher Art, die durch Verteufelung der jeweiligen Gegner gekennzeichnet sind, überwinden zu helfen, kam zur Überzeugung, daß Österreich wohl im Laufe der Geschichte die Aufgabe gehabt hätte, ausgleichend zu wirken; das sei o f t — unter äußeren wie inneren Einflüssen — nicht geglückt. Ihm schien man insbesondere in der franzisko-josephinischen Epoche versäumt zu haben, zu einem patriotischen österreichischen Selbstbewußtsein, zu einer österreichischen Identität zu kommen 2 0 5 . Ob ihm mehr an einem österreichischen Menschen oder einem Bekenntnis zu einer österreichischen Staatsnation lag, ließ er offen. Das war ihm offensichtlich nicht von entscheidender Bedeutung.
DIE ÖSTERREICHISCHE NATION Der Begriff der Nation hat eine alte, widerspruchsvolle Geschichte. Die gegenwärtigen Definitionen und Bestimmungen der N a tion haben sich weit von der ursprünglichen Bedeutung des Wortes „natio" entfernt — so sehr sie sich auch untereinander unterscheiden mögen. Die Römer stellten einst dem „populus Romanus" die „bar204 Alphons Lhotsky, D a s Problem des österreichischen Menschen, in: Lhotsky, Aufsätze und Vorträge, Bd. 4, Wien 1974, S. 308 ff., mit entsprechenden Hinweisen auf Wildgans, S. 311, 527 ff., bzw. Hassinger, S. 315 f. Vgl. ferner Fellner, Historiographie, S. 53 f. N e b e n Anton Wildgans, Rede über Osterreich, Wien 1930, vgl. auch H u g o Hassinger, Österreichs W e s e n und Schicksal, verwurzelt in seiner geographischen Lage, Wien 1949, S. 3 f., 9, 25 ff. — Vgl. ferner: Friedrich Funder, D e r österreichische Mensch, in: Schönere Z u k u n f t 5 (1929), S. 155 ff., Rudolf H a n s Bartsch, D a s österreichische Selbstgefühl, in: D a s N e u e Reich 6 (1924), S. 372 ff. Josef Leb, D e r österreichische Mensch, Wien 1933. — Vgl. auch die H i n w e i s e auf Ernst Karl Winter in d e m unten, Anm. 205 genannten Werk Heers, S. 396 ff. 205 Friedrich H e e r , Der Kampf um die österreichische Identität, W i e n Köln - Graz 1981, S. 211 ff., vgl. auch 18 ff.
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barae gentes et nationes" gegenüber, während in der Sprache der Bibel das Volk der Juden mit den Stämmen der Heiden konfrontiert wurde; dann, diesem Vorbild folgend, im neuen Testament mit dem „populus Christianus" die „gentiles" und „pagani". Zu einer restlosen Verschmelzung des Barbaren- und des Heidenbegriffes kam es freilich im spätantiken Christentum noch nicht; auch christliche Germanen wurden aus römischer Sicht zu den „gentes" gerechnet 206 . Die Germanen waren sich selbst ihrer Zugehörigkeit zu den „gentes" der antiken und biblischen Terminologie bewußt. Diese gentes waren aber durch den paulinischen Missionsbegriff von der Berufung der Heiden ganz wesentlich aufgewertet worden. Das hat denn auch zur Zeit einer großen Missionstätigkeit vom 7. bis 9. Jahrhundert das Bekenntnis der germanischen Neuchristen zu ihrer H e r k u n f t gestärkt; zudem wurde die Zulässigkeit der Volkssprache im Gebet — etwa in den Frankfurter Beschlüssen von 794 — ausdrücklich gebilligt 207 . So konnten die Germanenstämme im Frankenreich ihre Muttersprache als diutisk, deutsch, in lateinischen Texten als „theodisca lingua", als stammesmäßige, angestammte Sprache bezeichnen; bald ging der Sprachnamen auf jene über, die ihn gebrauchten: die Deutschen 2 0 8 . Wie steht es aber um die Begriffsbildung „Osterreichische Nation"? Im späteren Mittelalter war die Kaufmannschaft in den großen Messestädten, waren einzelne Ritterorden, dann die Konzile von Lyon (1274) bis Basel (1431) und die Studentenschaften nach „nationes" gegliedert. Dabei ist offenkundig, daß die Studentennationen, um dieses Beispiel hervorzuheben, nicht den heutigen Vorstellungen 206 Die römische Terminologie knüpfte an die griechische an. Vgl. Julius Jüthner, Hellenen und Barbaren, Leipzig 1923. — Erich Zöllner, Die politische Stellung der Völker im Frankenreich, Veröffentlichungen des Inst. f. Osterr. Geschichtsforschung 13, Wien 1950, S. 35 ff., insbes. S. 38 ff. Für den Vermittler des antiken Wissens Isidor von Sevilla sind demgemäß die Germanenvölker, etwa Franken, Burgunder, Goten gentes; er definiert populus als eine politische, gens und natio jeweils als ethnisch-genealogische Einheiten. 207 Vgl. hiezu Michael Richter, Die Sprachenpolitik Karls des Großen, Sprachwissenschaft 7 (1982), S. 412 ff. 2o« Vg| # hiezu H a n s Eggers, Der Volksname Deutsch, Wege der Forschung, Bd. 156, Darmstadt 1970. — Ingrid Strasser, diutisk-deutsch. Neue Überlegungen zur Entstehung der Sprachbezeichnung. Osterreichische Akademie der Wissenschaften, Sitzungsberichte der phil.-hist. Kl. 444, Wien 1984. — Ingo Reiffenstein, Bezeichnungen der deutschen Gesamtsprache, in: Werner Besch - Oskar Reichmann - Stefan Sonderegger, Sprachgeschichte, Halbband 2, Berlin - New York 1985, S. 1717ff. — Erich Zöllner, Die Bayern und ihre Nachbarn bis 907; Zusammenfassung, Ost. Ak. d. Wiss., Denkschriften der phil. hist. Kl. 180, Wien 1985, S. 387ff. — Ders., Die Entstehung des deutschen Sprach- und Volksnamens aus der Sicht des Historikers, M I Ö G 94 (1987), S. 433 ff.
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v o m W e s e n d e r N a t i o n gleichgesetzt w e r d e n k ö n n e n . S o erscheint die „österreichische N a t i o n " d e r Universität W i e n als eine von vier Stud e n t e n n a t i o n e n , z u n ä c h s t (1366) d e r österreichischen, sächsischen, b ö h m i s c h e n u n d u n g a r i s c h e n N a t i o n ; d a n n treten uns seit 1384 d u r c h J a h r h u n d e r t e eine österreichische, rheinische, u n g a r i s c h e und sächsische N a t i o n e n t g e g e n . S o sollte es lange bleiben, bis 1838 eine N e u einteilung g e t r o f f e n w u r d e , die eine österreichische, eine rheinischslawische, eine u n g a r i s c h e u n d eine italienisch-illyrische N a t i o n v o r s a h . E s ist klar, d a ß die V i e r z a h l der U n i v e r s i t ä t s n a t i o n e n eine k o n s e q u e n t e A b g r e n z u n g nach V o l k s - o d e r S p r a c h g r u p p e n a u s schloß; z u r österreichischen N a t i o n des erneuerten albertinischen Stiftbriefes von 1384 g e h ö r t e n auch die Italiener, z u r rheinischen auch F r a n z o s e n , S p a n i e r u n d H o l l ä n d e r , z u r u n g a r i s c h e n auch B ö h m e n , M ä h r e r , P o l e n u n d G r i e c h e n , z u r sächsischen neben verschiedenen n o r d d e u t s c h e n L a n d s m a n n s c h a f t e n u n d a n d e r e m auch S k a n d i n a v i e r , E n g l ä n d e r , S c h o t t e n u n d Iren 2 0 9 . Im 18. J a h r h u n d e r t war im deutschen S p r a c h r a u m wiederholt v o n S t a a t s n a t i o n e n die R e d e , in der H a b s b u r g e r m o n a r c h i e etwa in Schriften J o s e p h s v o n S o n n e n f e l s u n d etwas später — schon unter d e m E i n d r u c k d e r revolutionären E r e i g n i s s e in Frankreich und in R e a k t i o n g e g e n diese — in Briefen u n d D e n k s c h r i f t e n des Freiherrn A l o y s J o s e p h M a u r e r von K r o n e g g , aber auch in amtlichen P u b l i k a tionen, etwa f ü r die V o l k s a u f g e b o t e v o n 1797. M a n appellierte an die österreichische N a t i o n u n d ihre N a t i o n a l i n t e r e s s e n 2 1 0 . V o n d e r österreichischen N a t i o n sollten im weiteren V e r l a u f der n a p o l e o n i s c h e n K r i e g e auch E r z h e r z o g K a r l , Philipp G r a f S t a d i o n , A d a m M ü l l e r u n d v o r allem J o s e p h v o n H o r m a y r sprechen. D a s schloß nun nicht aus, d a ß o f t auch von einer „ d e u t s c h e n " o d e r „ b ö h m i s c h e n " N a t i o n g e h a n d e l t w u r d e , e b e n s o auch v o m deutschen o d e r einem anderen V o l k . D i e T e r m i n o l o g i e d e r F r a n z ö s i s c h e n R e v o l u tion, die unter N a t i o n d a s V o l k im S t a a t s v e r b a n d verstand, m a c h t e sich s o w o h l bei ihren P a r t e i g ä n g e r n , an denen es in d e r H a b s b u r g e r m o n a r c h i e nicht fehlte, wie bei ihren G e g n e r n im S p r a c h g e b r a u c h geltend, hat den B e g r i f f der S t a a t s n a t i o n h i e r z u l a n d e aber nicht erst begründet211.
209 Franz Gali, Alma Mater Rudolphina 1365 — 1965. Die Wiener Universität und ihre Studenten, 78 ff. Die akademischen Nationen schieden 1849 aus dem Universitätsverband aus, die österr. Nation löste sich 1879 auf. Vgl. Gall, S. 88 f. 210 Vgl. Anton Karl Mally, Der Begriff „Osterreichische Nation" seit Ende des 18. Jahrhunderts. Der Donauraum 17 (1972), S. 48ff., insbes. S. 52f. 211 Mally, Begriff „Österr. Nation", S. 53 ff., André Robert, L'Idée nationale Autrichienne et les guerres de Napoléon. L'apostolat du baron de Hor-
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In einer Zeit des aufsteigenden Nationalismus neuer Prägung begann man in Mitteleuropa und damit zumindest in der Westhälfte der Habsburgermonarchie den Sprachnationalismus zu forcieren; in den Volkszählungen der Habsburgermonarchie wurden Deutsche, Tschechen, Polen, Ukrainer usw. unterschieden; der „Nationalitätenstreit" sollte zur Lebensfrage der Habsburgermonarchie werden. Es fehlte weiterhin nicht an Versuchen, eine österreichische (Staats-)Nation zu deklarieren, in diesem Sinne äußerte sich 1872 der rumänische Abgeordnete Konstantin Tomasczuk aus der Bukowina. Es überwog aber (anders als in Ungarn) das Bekenntnis zur Sprachnation, nicht selten in ausgeprägter Opposition zum Staatswesen. Erneuert wurde das Bemühen um eine österreichische Nation nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches; eine Reaktion gegen das Auslöschen des Namens Osterreich von 1938 bis 1945 war unvermeidlich, eine Distanzierung vom Deutschtum im übrigen eine politische Notwendigkeit. Andernfalls wären territoriale Verluste unabwendbar, der schließlich 1955 erreichte Abschluß des Staatsvertrages kaum denkbar gewesen. Als die Propaganda der alliierten Mächte gegen Kriegsende vom Kampf gegen den Nationalsozialismus auf eine Abwertung des Deutschtums umschaltete, war die Abwendung von der Anschlußidee im Denken der Mehrzahl der Österreicher bereits vollzogen. Da die politischen Auseinandersetzungen der letzten Jahrzehnte vielfach im Zeichen des „nationalen Gedankens" geführt worden waren, schien ein Bekenntnis zum österreichischen Patriotismus mitunter nicht zu genügen, man griff wieder auf die Idee einer österreichischen Nation zurück. Es erschien eine Reihe einschlägiger Arbeiten, in denen (gelegentlich nicht ohne Zusammenhang mit parteipolitischen Kontroversen und Positionen) das Bekenntnis zu einer österreichischen Nation — nicht zu einem österreichischen Nationalismus — abgegeben wurde. Genannt seien Ernst H o o r , Felix Kreissler, Walter Jambor, Georg Wagner, Anton Staudinger und Ernst Bruckmüller, von Ausländern insbesondere der Amerikaner
m a y r , Paris 1933. — H o r m a y r trat n a c h g r o ß e n Schwierigkeiten im ö s t e r r . S t a a t s d i e n s t (zeitweiliger K e r k e r h a f t nach d e r „ A l p e n b u n d a f f ä r e " ) in bayerische D i e n s t e u n d p o l e m i s i e r t e später in h e f t i g s t e r F o r m g e g e n O s t e r r e i c h . 212 Mally, Begriff „ Ö s t e r r e i c h i s c h e N a t i o n " , S. 57 f f . — Viel s t ä r k e r , weitg e h e n d d o m i n i e r e n d , von d e n R e g i e r u n g e n f o r c i e r t , w u r d e in U n g a r n , begleitet von e r f o l g r e i c h e n sprachlichen A s s i m i l i e r u n g s t e n d e n z e n , das Bek e n n t n i s z u r S t a a t s n a t i o n vertreten u n d verlangt. Vgl. H o r s t H a s e l s t e i n e r , D a s N a t i o n a l i t ä t e n p r o b l e m in d e n L ä n d e r n d e r u n g a r i s c h e n K r o n e , in: V o l k , L a n d u n d Staat in d e r G e s c h i c h t e Ö s t e r r e i c h s , S c h r i f t e n des Inst. f. O s t e r r e i c h k u n d e 43, W i e n 1984, S. 118 f f .
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W i l l i a m T . Bluhm 2 1 3 . Es w u r d e n auch kritische S t i m m e n hörbar, e t w a v o n G ü n t h e r Berka u n d G r e t e K l i n g e n s t e i n 2 1 4 . D e r N a t i o n s b e g r i f f stellt, w i e ein Ü b e r b l i c k a n d e u t e n sollte, e i n e V a r i a b l e dar 2 1 5 ; S t a a t s n a t i o n u n d e t h n i s c h e r N a t i o n s b e g r i f f sind z w e i G e g e n p o l e ; es gibt a u c h Ü b e r g a n g s e r s c h e i n u n g e n . Für O s t e r r e i c h , a u c h g e o g r a p h i s c h im G r e n z r a u m z w i s c h e n d e n jeweils d o m i n i e r e n d e n N a t i o n s t h e s e n , w u r d e n b e i d e in A n s p r u c h g e n o m m e n . B e i d e sind nicht w i d e r s p r u c h s f r e i ; w e n n m a n (durchaus z u R e c h t ) v o n K ä r n t n e r S l o w e n e n spricht, s o wird sich der T e r m i n u s D e u t s c h kärntner in D i s k u s s i o n e n k a u m v e r m e i d e n lassen. A n d e r e r s e i t s m u ß m a n d e n Vertretern d e s e t h n i s c h e n N a t i o n a l b e g r i f f e s e n t g e g e n h a l t e n , d a ß sie selbst f r e m d s p r a c h i g e G r u p p e n , w i e e t w a M a s u r e n , H u l t 213 Ansätze zu „Österreichischen N a t i o n " finden sich bei Dietrich von Hildebrand, der aus Deutschland nach Osterreich emigrierte: Hildebrand, Engelbert Dollfuß, Salzburg 1934, S. 139 (vgl. hierzu Ludwig Reichhold, Kampf um Osterreich, S. 86 f., 402). — Vgl. ferner: Ernst H o o r , Wandlungen der österreichischen Staatsidee. V o m Heiligen Römischen Reich zur Osterreichischen N a tion, in: Georg Wagner, Von der Staatsidee zum Nationalbewußtsein, Wien 1982, S. 433 ff. — Felix Kreissler, Der Österreicher und seine Nation. Ein Lernprozeß mit Hindernissen ( = Forschungen zur Geschichte des D o n a u raumes 5), Wien 1984. — Ernst Bruckmüller, Nation Osterreich. Sozialhistorische Aspekte ihrer Entwicklung, Graz 1984. — Anton Staudinger, Die nationale Frage im Osterreich der Ersten und Zweiten Republik, in: Volk, Land und Staat, oben Anm. 212, S. 168 ff. — Walter Jambor, D e r Anteil der Bundesländer an der Nationswerdung Österreichs, Wien - München 1971. — Wesentliche Hinweise zu einem Großteil der einschlägigen Literatur bei Georg Wagner, Osterreich, Zweite Republik, T h a u r - Wien 1983, insbes. S. 428ff. — William T . Bluhm, Building an Austrian Nation. T h e political Integration of a Western State, N e w Haven - London 1973. — Vgl. ferner: Gerald Stourzh, Notizen zu Brüchen und Wandlungen im Osterreichbewußtsein seit 1867, Wien Journal Nr. 78, 79, März bis April 1987. Wesentliche Hinweise vermittelt die Studie der Paul Lazarsfeld-Gesellschaft f ü r Sozialforschung „Das österreichische Nationalbewußtsein in der öffentlichen Meinung und im Urteil der Experten", Wien (o. J.). — Eine kritische Analyse gibt Fritz Fellner, Das Problem der österreichischen Nation nach 1945, in: Die Rolle der Nation in der deutschen Geschichte und Gegenwart, hrsg. v. O t t o Büsch und James J. Sheehan, Berlin 1985, S. 193ff. 214 Vgl. Grete Klingensteins Rezension des Buches Bruckmüllers, in: Das historisch-politische Buch 33, 1985, S. 1 f. — Hiezu Replik Bruckmüllers in Ö G L 29 (1985), S. 402 ff. — G ü n t h e r Berka, Gibt es eine österreichische N a tion? Wien 1961 (Eckartschriften 7). 215 Vgl. hiezu Anton Burghardt - Herbert Matis, Die Nationswerdung Österreichs. Berichte, hrsg. v. Institut f. Allgemeine Soziologie und Wirtschaftssoziologie an der Wirtschaftsuniversität Wien, H e f t 13, Dezember 1976; S. 40—44, 47f., zit. bei Georg Wagner, Österreich, 2. Republik, S. 541 ff., insbes. S. 544.
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schiner, sowie einen Guueil der slawischen Oberschlesier, ohne weiteres f ü r das Deutschtum in Anspruch nehmen, weil diese Volksgruppen politisch sich zu Preußen und Deutschland bekannten. Vor allem aber endete eine extreme Uberspannung eines ethnisch-rassistisch geprägten Volkstumsbegriffes in der größten Katastrophe der deutschen Geschichte. Wenn man das Bekenntnis zur österreichischen Nation in der Zweiten Republik vor allem zur Abgrenzung gegen die Deutschen betonte, so scheint das neuerdings auch nicht zu genügen, als die These von drei Staaten (Bundesrepublik Deutschland, Deutsche Demokratische Republik und Republik Osterreich), zwei Nationen (deutsch — österreichisch) und einem deutschen Volk, dieses vor allem als historische, als sprachlich-kulturelle Gemeinschaft gesehen, aufgestellt wurde 2 1 6 . In diesem Falle wird aber ein eigener Weg Österreichs durchaus anerkannt, werden die Voraussetzungen, die ihn wählen ließen, respektiert. Mitunter hat man es als störend empfunden, daß in dieser Konzeption von drei Staaten des deutschen Volkes Osterreich eingeschlossen ist, die mehrheitlich deutschsprachige Schweiz aber nicht; die Eidgenossenschaft ging jedoch schon seit 1648 einen eigenen Weg, gehörte nicht mehr zum römisch-deutschen Reich, gelangte nicht ohne Hemnisse zur völligen Gleichberechtigung ihrer Sprachgruppen und konnte in zwei Weltkriegen ihre Unabhängigkeit und Neutralität bewahren. In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg haben sich neue Fronten gebildet; gelegentlich wird schon eine „Nation Europa" zur Behauptung gegenüber den Supermächten ersehnt. Kehren wir aber zu Osterreich zurück. Es wäre zu fragen, ob es wirklich notwendig ist, Irrwege, Fehler und Gewaltakte einer dem nationalen Gedanken allzusehr huldigenden Vergangenheit primär mit
216 Karl D i e t r i c h E r d m a n n , D r e i Staaten — zwei N a t i o n e n — ein V o l k ? Ü b e r l e g u n g e n zu einer d e u t s c h e n G e s c h i c h t e seit d e r T e i l u n g . V o r l e s u n g an d e r Universität Kiel anläßlich des 75. G e b u r t s t a g e s am 29. April 1985. G e schichte in W i s s e n s c h a f t u n d U n t e r r i c h t 10 (1985), S. 671 f f . — Vgl. hiezu A d a m S c h a t t a u e r in H i s t o r i c u m , Z e i t u n g d e r A k t i o n s g e m e i n s c h a f t f ü r die historischen I n s t i t u t e an d e n ö s t e r r e i c h i s c h e n U n i v e r s i t ä t e n N r . 4, Jg. 1987, S. 8 f f . — V e r g l e i c h b a r e D i s k u s s i o n e n e r g a b e n sich anläßlich des P l a n e s d e r E r r i c h t u n g eines D e u t s c h e n H i s t o r i s c h e n M u s e u m s in Berlin; hiezu lag d a s K o n z e p t einer S a c h v e r s t ä n d i g e n k o m m i s s i o n vor, das am 21. April 1986 ü b e r reicht w u r d e (publiziert B o n n , M a i 1986). H i e r z u w u r d e n verschiedene, mitu n t e r e x t r e m g e g e n s ä t z l i c h e M e i n u n g e n , u. a. von n a m h a f t e n H i s t o r i k e r n , e t w a in L e s e r b r i e f e n an die W i e n e r T a g e s z e i t u n g „Die Presse" g e ä u ß e r t . Vgl.: D i e Presse, v o m 12., 2 0 / 2 1 . u n d 24. D e z e m b e r 1986.
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Kategorien eben dieser Epoche zu bekämpfen 2 1 7 . Ich kann nur mit N a c h d r u c k an das anknüpfen, was ich in meiner ersten Abhandlung über den Osterreichbegriff ausführte; daß in Osterreich eine mit dem Heimatgedanken eng verknüpfte, unkomplizierte, positive Staatsgesinnung, unterstützt durch politischen Realismus, erstarkt und soweit gefestigt ist, daß keine echte Veranlassung f ü r eine erhitzte Auseinandersetzung über die „österreichische Nation", den „österreichischen Menschen" oder über das ureigenste Wesen des Osterreichbegriffes besteht 218 . Im übrigen ist aber Osterreich keine Insel der Seligen, wie einmal formuliert wurde; wir sind den weltpolitischen und ideologischen Konflikten unserer Zeit ebenso ausgesetzt wie andere. So wie es einst nach den Kämpfen des konfessionellen Zeitalters galt, zu religiöser Toleranz zu gelangen, so bedarf es heute weltanschaulicher Aufgeschlossenheit und weltbürgerlicher Gesinnung.
217 Vgl. Fritz Fellner, Die Historiographie zur österreichisch-deutschen Problematik als Spiegel der nationalpolitischen Diskussion, in: Osterreich und die deutsche Frage im 19. und 20. Jahrhundert; Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit, Bd. 9, Wien 1982, S. 23 ff., 57 f. — Ders., Das Problem der österreichischen Nation (s. oben Anm. 213), S. 198 ff. 218 Vgl. Zöllner, Formen und Wandlungen des Osterreichbegriffes, in: Zöllner, Problem und Aufgaben, S. 38. — Ders., Geschichte Österreichs, 7. Aufl., S. 58 f. — In der Schweiz, mit ihrem gefestigtem Staats-, Volks- und Heimatbewußtsein sprechen etwa die Deutschschweizer zumeist vom „Schweizerischen Volk", die Welschschweizer eher von der „Nation Suisse", beides wird ohne aufgeregte Diskussionen akzeptiert.
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REGISTER Das Register enthält Orts- und Personennamen sowie — in Auswahl — Anf ü h r u n g e n von Sachbezügen zur Geschichte des Osterreichbegriffes. N u r in Fußnoten angeführte Autorennamen sind nicht berücksichtigt. Außer den allgemein gebräuchlichen Abkürzungen wurden folgende verwendet: B. Eb. Ehg Frh. Gem.
Bischof Erzbischof Erzherzog Freiherr Gemahlin
Gf. Ghgtum Hg. Hgin K.
Graf Großherzogtum Herzog Herzogin Kaiser
Aargau 52 Adalbert, Mgf. 16 Adalbert v. Bamberg 19 Adlerwappen 31, 45 f., 78 (vgl. FünfAdlerwappen) Admont 53 Agnes, Mgfin 27 Akkon 47 Alamannia 18 Albrecht I., Kg. 35, 41 Albrecht II., Hg. 45 Albrecht III., Hg. 45, 48 Albrecht VI., Hg. 30 Alkuin 26 Alpen- und Donau-Reichsgaue 80 — 83 Altenburg 44 Altmann, B. v. Passau 1 3 , 2 2 , 2 9 Alt-Österreich (Wappen) 31, 45 — 47 Andrássy, Julius, Gf. 63 Anne d'Autriche, Kgin 38 Appelt, Heinrich 10, 42 Arlberg 51 Armenien 22 Attergau 14 Auersperg, Karl, Fürst 66 N. 138 Augsburg 10, 33 Ausgleich, Bukowinaer 68 —, Galizischer 68 —, Mährischer 68 —, Österreichisch-ungarischer 63 — 67
Kg. Kgin Mgf. Mgin N.
König Königin Markgraf Markgräfii Fußnote
—, Ungarisch-kroatischer 66 f. Austr(i)alien 39 Austrasien 33, 43 f. Austria (u. a. casa de, dominium, domus, marchia, regnum . . .) 13, 15, 1 7 - 1 9 , 33, 38 f., 43 Autriche 33, 38 Awaren (Avara, Avaria, partes Avarorum etc.) 13, 25 f. Babenberger 19, 27 ff., 47 Baden, Ghgtum 44, 52 Bahr, H e r m a n n 88 Basel 91 Bas-Rhin, Departement 81 Bauer, O t t o 5 1 , 8 8 Baumgartenberg 31 Bawarus 22 Bayern 21 f., 52, 81 Beck, Max Wladimir 66 N. 139 Behaim, Albert 32 Belcredi, Richard, Gf. 62 Belgrad 74 Berka, Günther 94 Berlin 74, 79 Bernardus Noricus 14 Bernatzik, E d m u n d 65 Besatzungszonen 84 Beust, Ferdinand, Frh. v. 63 Bindenschild (Wappen) 29, 45 — 47, 78 Bischofswarth 71
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Biterolf 13 Bluhm, William T . 94 Böhmen 35 f., 45, 51, 56 ff., 70, 73, 81, 92 Böhmische M a r k 28 Böhmerwaldgau 70 Bosnien-Herzegowina 68 Brandenburg 17 Breisgau 52 f., 73 Breslau 34 Brixen 53 f. Bruckmüller, Ernst 93 Bruno, Eb. v. Köln 43 Bruschius, Kaspar 33 Brüssel 34 Bürckel, Joseph 82 Bukowina 67 f. Bundesstaat 76—79, 85 Buresch, Karl 76 Burgau 52 Burgenland 72 f., 81, 84 f. Burgund, Burgunder (Burgundia, Bourgogne) 18, 33, 91 Burkhard, Mgf. 10, 27 Byzanz, Byzantiner 17, 21
D o l l f u ß , Engelbert 76 ff. dominium Austriae s. H e r r s c h a f t zu Osterreich domus Austriae s. H a u s Österreich D o n a u 10, 49, 52 Drau 10, 52
Caesar, Gaius Iulius 42 Carantanien 21 casa d' (de) Austria s. Austria bzw. H a u s Osterreich Cisleithanien 66, 71 Claudia Felicitas, Gem. K. Leopolds I. 56 Claudius, röm. K. 21 C o l o n n a 41
Ebendorfer, T h o m a s 40 Ebsdorf (Ebsdorfer Weltkarte) 20 Ebulo, Petrus v. 47 Eden, Robert Anthony 83 Eidgenossen s. Schweiz, Schweizer Elisabeth, Gem. K. Franz Josephs I. 64 Elsaß 35, 42, 73 Ender, O t t o 77 Engelbert, Abt v. Admont 53 Engelschalk, Mgf. 11 Engerau 81 England, Engländer 74, 92 Enns 29 ff. Ensisheim 52 Ernst, Mgf. 18 Erzämter (Erzkämmerer, E r z m u n d schenk, Erztruchseß) 41 Erzhaus 40, 56 Erzherzog (vgl. auch Pfalzerzherzog), Erzherzogtum 39 f., 41—44 Erzjägermeister 42 f. Erzkämmerer 41 Erzmundschenk 41 Erztruchseß 41 Etsch 52 Eugen, Prinz v. Savoyen 56
Dacien (Dacia) 21 Dagobert, fränk. Kg. 44 Dalmatien 66 f. De Gasperi, Alcide 84f. D e Gaulle, Charles 83 Deák, Franz v. 62 f. Deklaration (Böhmische) 68 Deutschland (Deutsches Reich usw.) 74, 80, 84, 87, 91, 93, 95 Deutschösterreich 47, 69—72 Diceto, Radulf de 88 Dietleib 13 Dietpold v. V o h b u r g 47
Februarpatent 62 Feine, H a n s Erich 52 Ferdinand I., röm. Kg. u. K. 34, 48 Ferdinand II., röm. Kg. u. K. 33 Fernpaß 51 Ficker, Julius v. 89 Flandern 55 Formbach 55 Francia 18 Franken 91 Frankfurt 89, 91 Frankreich 54, 70, 74, 92
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Franz I. (II.)> Κ. ν. Osterreich (rom. Κ.) 58 f. Franz Joseph I., K. v. Osterreich 61, 63 Franz I. (Franz Stephan), röm. K. 40, 58 Fredegar (Chronik) 19 Freiburg i. Breisgau 52 Freising 9f., 19, 27 Freistadt 29 Friedrich I. (Barbarossa), röm. K. 27, 37 Friedrich II., röm. K. 32 Friedrich III., röm. K. 33, 44 Friedrich, H g . und röm. Kg. (d. Schöne) 37, 41 Friedrich I., Hg. v. Osterreich 55 Friedrich II., Hg. v. Österreich 32, 47 Friedrich IV., Hg. v. Österreich, Gf. v. Tirol 40 Friedrich II., Kg. v. Preußen 59 Friedrich, Hg. v. Schwaben 27 Front, Vaterländische 77 Fünf-(Sechs-)Adlerwappen 45—47 Fürstenspiegel 56 Fulda 11 Fundamentalartikel 68 Galizien 51, 67 f. Garsten 32 Genf 74, 76 Georgenberg 29 Germanen 24 Gertrud (Babenbergerin) 32 G ö r z (Görz-Gradiska) 49, 51 Goten 91 Gotia 18 Göttweig 13 G r a u b ü n d e n 21 G r a z 49—51 Gregor, B. v. T o u r s 18 Griechen 92 Grillparzer 87 G r o ß m ä h r e n , Großmährisches Reich 26 Gruber, Karl 84 G r u b e r - D e Gasperi-Abkommen 84 f. Gurk 54
Habsburg, Habsburger, HabsburgLothringen 35 ff., 40, 52, 56, 87 H a i m b u r g 26 Halifax, Lord 79 Hanslik, Erwin 88 Harlungen 24 Haselgraben 29 Hassinger, H u g o 89 Haunsberger 29 H a u s Österreich 37—40, 56 H a u s Österreich und Burgund 38 H a u t - R h i n , Departement 81 Hausruck 29 Hecht, Robert 76 Heer, Friedrich 90 Heiligenkreuz 32 Heinrich II., röm. K. 9 Heinrich IV., röm. K. 27 Heinrich V., röm. K. 27 Heinrich (VII.), röm. Kg. 32 Heinrich II. Jasomirgott, Hg. 17,46 Heinrich, Bruder Hg. Leopolds VI. 32 Henderson, Neville 79 Herilungoburg, Herilungofeld 24 Heruler (Herulerland, Herolia) 24 Herzegowina 68 H e r z o g t u m Osterreich s. Osterreich, Herzogtum Hitler, Adolf 79, 82 f. Hofkriegsrat (Grazer) 50 Hofstellen, Vereinigte 50 H o h e n e m s 73 Holländer 92 Hollenburg 48 H o o r , Ernst 93 H o r m a y r , Joseph v. 92 H o r n 12 Hull, Cordell 83 Hultschin 94 f. Hunnia, H u n n e n 26 Inn 49, 52 Inneristrien 49, 73 Innerösterreich 48 — 51 Innozenz IV., Papst 32 Innviertel 60 Iren 92 Isabel (Elisabeth), Infantin 38
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Isar 14 Isterrich, Isterrichi (Ysterich) 20 Istria 20 Istrien s. Inneristrien Italien, Italiener 7, 56, 71, 74, 87 Jambor, Walter 93 Jans, Enikel 13 Johannes Kinnamos 17 Joseph II., röm. K. 40, 50 f., 57, 89 f. Joseph Bonaparte 39 Jugoslawien 71, 79, 84 Jungholz 81 Kaaden 34, 52 Kaiserchronik, Regensburger 12 Kaiserreich, Kaisertum etc. s. Osterreich —, — s. Reich, röm.-deutsches Kaltenbrunner, Ernst 82 Karl I., Κ. v. Österreich 68, 70 Karl d. Dicke (III.), Kg. 11 Karl IV., röm. K. 38, 42, 44 Karl V., röm. K. 34, 53 Karl VI., röm. K. 40 Karl, Ehg. 92 Karl Joseph, Ehg., Eb. v. Breslau 34 Kärnten 42 f., 49, 59, 72 f., 81, 84, 94 Kelsen, H a n s 75 Kernstock, O t t o k a r 13 Klebel, Ernst 14 Klein-Mariazell 16 Kleinmann, H a n s O t t o 39 Klingenstein, Grete 94 Klosterneuburg 45 Köln 34, 43, 53 Königreich Osterreich (Pläne) 31 — 35 Königgrätz 62 Konrad III., Kg. 17 f., 27 Konrad, B. v. Passau, Eb. v. Salzburg 18
Konstanz 36 Korneuburg 28, 77 Krain 3 2 , 3 5 , 6 0 , 7 3 , 8 1 Kreissler, Felix 93 Kremsier (Verfassungsentwurf) 60 f. Kremsmünster 14 Kretschmer, Paul 12, 19 f.
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Kroatien (Kroatien-Slawonien) 61 f., 65 f. Krone Osterreich 34 Kues, Nikolaus v. 53 Laibach 33 Lambach 29 Lammasch, Heinrich 23 Land ob der Enns (s. auch Oberösterreich) 29 ff. Lande, innere, obere, vordere (s. auch Innerösterreich, Oberösterreich, Vorderösterreich) 48—53 Langobarden 24 f. Lausitz 55 Lavant 54 Lazius, Wolfgang 44 Lechfeld 10 Lechner, Karl 47 Leitha 10, 66 Leo XIII., Papst 77 Leonhard, B. v. Passau 30 Leopold I., K. 54 Leopold II., K. 57 Leopold I. (Liutpald), Mgf. 9 Leopold III., der Heilige, Mgf. 16, 27 Leopold IV., Mgf. u. Hg. 27 Leopold III., Hg. (Habsburger) 48 Leopold V., Hg. 47 Leopold V., Ehg. 34 Leopold VI., Hg. 32, 46, 55 Leopold (Stainreuter?), Kaplan 13, 45, 47 Lhotsky, Alphons 17, 89 f. Lombardei-Venetien 60 Lucidarius, Kleiner 86 Ludwig d. Deutsche, Kg. 11 Ludwig XIII., Kg. v. Frankreich 38 Ludwig XIV., Kg. v. Frankreich 38 Luitprand, Kg. d. Langobarden 19 Luxemburg, Luxemburger 40 f., 53 Lyon 32, 91 Machland 29, 31 M ä h r e n (vgl. auch Großmährisches Reich) 51, 68, 70, 81, 92 Märzrevolution (1848) 60 Magyaren s. Ungarn
Maison d'Autriche s. H a u s Osterreich Manuel, byzant. K. 17 March 10 Marchia orientalis 16 Margarete (Babenbergerin), Hgin 32 Maria (v. Burgund), Kgin 33 Marie-Therèse d'Autriche, Kgin ν. Frankreich 38 Maria Theresia 40, 56, 58, 89 Martin, hl. 19 Masuren 94 M a u r e r v. Kronegg, Aloys Joseph 92 Mautern 28 Maximilian I., röm. Kg. u. K. 33, 39, 48, 51, 53 Medici 44 Meißen 17,55 Mensch, Österreichischer 86—90 Merena (Hebrideninsel) 39 Metternich, Klemens Lothar 60 Miklas, Wilhelm 47, 76 Mittelberg 81 Mitterburg (Pazin, Pisino) 20 Molotow, W. M. 83 Monarchia Austriaca 55 — 57 Mondsee 14 Moskau 83, 85 Mühl 29 Mühlviertel 29 Müller, Adam 92 Müller, Richard 24 Müller, Robert 88 München 81 M u r 10, 52 Mussolini, Benito 76 ff., 79 Nádolny, Rudolf 75 Nantwich de Austria 18 Napoleon I., K. der Franzosen 57 f. Nation, Osterreichische 78, 87, 90-96 Neckar 52 Neoabsolutismus 61 N e r o 42 Neuberg, Neuberger Vertrag 48 N e u h o f e n a. d. Ybbs 9 f. Neuholland ( = Australien) 39
N e u m a r k vgl. Ungarnmark Neu-Österreich (Wappen) 31, 45 — 47 Neustria, Neustrien 19 Nibelungenlied 13 Niederdonau 81 f. Niederlande (österr.) 56 Niederösterreich 10, 29 ff., 41, 72, 81, 85 Niederösterreichische Länder, Niedere Lande 48 — 52 Nöchling 10 N o r d g a u 14 Noricum (provincia, regnum, mediterraneum, ripense) 20—23 Norische Republik 23 Norix 22 Novipazar 68 O b e r d o n a u 81 Oberösterreich (Land ob der Enns) 29ff., 41, 72, 81, 85 Oberösterreich (Oberösterreichische Länder, obere Lande) 30, 48 — 53 Oberpannonien 23 O d e n b u r g 73 O d o a k e r 24 Ohlsdorf 14 Oktoberrevolution 61 Oriens (orientalis pars, provincia, regnum etc.) 11 Ostargowo 14 Ostarrichi (Osterriche) 9—12 Ostariccus 12 Ostergau (Ostgau) 14 f. Osterlant (Osterland) 12 f. Österreich, Bundesstaat 72, 76—79 —, Erzherzogtum 41—44 —, H e r z o g t u m 27 f., 42, 49 —, Kaisertum (Kaiserreich, Kaiserstaat) 58 — 62 —, Königreich (Königreichspläne) 31 — 35 — .Republik 72 — 7 6 , 8 3 — 8 5 , 9 0 , 9 5 Osterreichisch-Schwaben 52 Österreichisch-Ungarische Monarchie 63—69 O s t m a r k 15 ff., 80 — 83 Ostrogothia 15 101
Osttirol 84 Otakare, steirische 29 O t f r i e d v. Weißenburg 11 O t t o I., röm. K. 10, 43 O t t o III., röm. K. 9 O t t o v. Freising 16, 19, 27 O t t o k a r , Kg. v. Böhmen 29 O t t o k a r aus der Gaal (Otakar ouz derGeul) 13,36,87 Pactum mutuae successionis 57 Pannonien 23 Passau 13, 22, 26, 30 Paulus Diaconus 24 Perthaler, H a n s v. 62 Peutinger, Konrad 33 f. Pfalzerzherzog 42 Philipp d. Schöne, Kg. v. Kastilien 39 Piccolomini, Aeneas Silvius 42 Piémont 7 Pilgrim, Β. v. Passau 26 Pillersdorf 60 Pippin d. Ältere 44 Pius XI., Papst 77 Poigen und Rebgau, Gfen 12 Poigreich 12 Polen 68, 72, 79, 92 P o m m e r n 55 Prag 74 Preßburg 1 0 , 2 7 , 5 2 , 8 1 Preußen 87 ff., 95 Privilegium maius 13, 36 Privilegium minus 27 f. Protektorat Böhmen und M ä h r e n 81
Quiros, Pedro Fernandez de Raab
39
23
Raabs 15, 26, N . 50 Raetien (Raetia) 21 Raffelstetten 25 Rakousko 26, N. 50 Ratchis, Kg. d. Langobarden 19 Regensburg 18, 27 Reichsdeputationshauptschluß 58 Reichsjägermeister 42 Renner, Karl 71, 88
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Rhein 87 Rheinbund 59 Rheinfelden 35 Riccione 77 Richard I. Löwenherz, Kg. v. England 47, 88 Richtung, Ewige 36 Riedmark 29 Rodulf, Herulerkönig 24 Rogatschboden 15, N. 18 Röhrig, Floridus 46 Rom 10, 79 Rottenschachen 71 Rudolf v. Habsburg, röm. Kg. 35,41 Rudolf, H g . 35 Rudolf IV., Hg. 13, 36, 41, 43—46, 48 Rugier (Rogaland, Rügen, Rügenwalde) 24 f. Rugiland 24 f. Rumänen, Rumänien 72 Ruotger 43 Russen, Rußland 7, 25 Sachsen 87, 89, 92 Saint-Germain 71, 73 Saint-Trond 43 f. Salier, Dynastie 7, 27 Salzburg 18, 60, 72, 84 Sankt Nikola (Passau) 18 Sanktion, Pragmatische 40, 64 Sann 10 Sardinien 7 Save 10 Savoyen 7 Schlesien 5 1 , 7 0 , 9 5 Schmerling, Anton v. 62 Schmitz, Oskar Α. H . 88 Schober, Johann 75 Schotten 92 Schuschnigg, Kurt 78 Schwaben 73, 87 Schwäbisch-Osterreich 52 Schwarzwald 52 Schweiz 36, 85, 95 f. Sclavanorum partes 26 Sclavinia 26 Seckau 54 Seipel, Ignaz 75, 77 f.
Seyß-Inquart, Arthur 82 Siebenbürgen 62 Sieghart, Rudolf 66, N. 139 Silvesterpatent 61 Slowenen 94 Sonnenfels, Joseph v. 92 Sinzendorf, Philipp Ludwig 56 Sowjetunion 8 3 ff. Spanien, Spanier 57, 92 Srbik, Heinrich 89 Stadion, Philipp, Gf. 92 Starhemberg, Gundakar, Gf. 56 Staudinger, Anton 93 Staufer (Dynastie) 27 Steiermark 29, 32, 42, 49, 55, 60, 72 f. 81, 83 f., 86 Steyr 29 Straßburg (Elsaß) 54 Südmähren (Kreis) 70 Südsteiermark 81 Südtirol 71, 84 f. Sulzbach, Berta v. 17 Sundergau (bayer.) 14 Sundgau (Elsaß) 52 Sybel, Heinrich v. 89 T a n n h ä u s e r 32 Tassilo (III.), H g . 25 T h e b e n 81 Themenau (Ober-, Unter-) 71 T h e o d o r a , Hgin 27 T h u r g a u 52 Tirol 30, 49, 58, 72 ff., 83 f. T o m a s c z u k , Konstantin 93 T o s k a n a 44 „Trans" (-leithanien, Ungarn) 66 T r a u n g a u 15 Treitschke, Heinrich v. 88 f. Trient (Trentino) 54 Triest 49, 51, 73 Tschechen 93 Tschechoslowakei 70, 84 Tulln 28 Turin 7 Türkei, T ü r k e n 7
Ukrainer 68, 93 Ulrich v. Klamm 29 Ungarn 10 f., 16, 35, 43, 45, 56—59, 61—69, 70, 73, 84, 92 U n g a r n m a r k ( = Neumark) 28 Unrest Jakob 40, 42 Unterösterreich 30 Unterpannonien 23 Urbar, Habsburgisches 35 Ostriche 20, Ν. 35 Venedig (Venetien) 60, 67 Vereinigte Staaten v. Amerika 84 Verfassung (Oktroyierte) 61 Verona 32 Viktring, Johann v. 42 f. Vorarlberg 52, 72, 74, 81, 85 Vorderösterreich (Vorderösterreichische, vordere Lande) 48 — 53 Vorlande s. Vorderösterreich Wagner, Georg 34, 93 Wandalen 12 Weingarten, Johann Jakob 56 f. Wels 29 Wessobrunn 20 Westfalen (Friede) 55 Westgau 14 Westrich 12 Wien 3 3 , 3 5 , 4 8 , 5 4 , 6 9 , 7 2 , 8 1 — 8 5 , 92 Wiener Neustadt 33, 74 Wienerwald 10 f. Wildgans, Anton 89 Wilson, W o o d r o w 70 Wolf, Sohn Ostargowos 14 W o r m s 34 Wulfila, B. 37 Württemberg 34, 52 Xanten
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ERICH ZÖLLNER
Geschichte Österreichs V o n den A n f ä n g e n bis z u r G e g e n w a r t 7. A u f l a g e 1984. 716 Seiten, 4 K a r t e n , 3 Stammtafeln
Dieses S t a n d a r d w e r k z u r österreichischen Geschichte, das die Ereignisse bis in die Spätzeit d e r Ära Kreisky d o k u m e n t i e r t , ist eine w a h r e F u n d g r u b e f ü r interessierte Leser.
„,Der Z ö l l n e r ' ist u n d bleibt ein Begriff . . . ein D e n k m a l der Geistesgeschichte der Zweiten Republik." Die Presse
„Ein W e r k , das d e r b e k a n n t e n W i e n e r historischen Schule z u r E h r e gereicht." Salzburger Nachrichten
ERICH ZÖLLNER
Probleme und Aufgaben der österreichischen Geschichtsforschung Ausgewählte A u f s ä t z e H r s g . von H e i d e D i e n s t u n d G e r n o t H e i ß 1984. 457 Seiten
D i e repräsentative Auswahl der zahlreichen u n d weitverstreut publizierten A u f s ä t z e ermöglicht die zeitlich u n d thematisch so breite Spannweite der Forschungstätigkeit Erich Zöllners zu e r k e n n e n u n d zu würdigen.
„Die A u f s ä t z e Zöllners bilden ein würdiges P e n d a n t zu seiner sich d u r c h Sachlichkeit und Unbestechlichkeit auszeichnenden u n d z u m S t a n d a r d w e r k g e w o r d e n ,Geschichte Österreichs'". Neue Zürcher Zeitung