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German Pages 182 [183] Year 1974
CLAUS-EKKEHARD BÄRSCH
Der Staatsbegriff in der neueren deutschen Staatslehre und seine theoretischen lmplikationen
Beiträge zur Politischen Wissenschaft Band 20
Der Staatsbegriff in der neueren deutschen Staatslehre und seine theoretischen Implikationen
Von
Dr. Claus-Ekkehard Bärsch
DUNCKER &
HUMBLOT I BERLIN
Alle Rechte vorbehalten & Humblot, Berlln 41 Gedruckt 1974 bei Bartholdy & Klein, Berlin 65 Prlnted in Ge rma ny
© 1974 Duncker
ISBN 3 428 03218 7
Für Hedda
Vorwort "Staat" ist in Deutschland ein zentraler politischer Begriff. Gemeinhin steht er in Spannung zu den Topoi Demokratie und Gesellschaft. So wird z. B. die Vergesellschaftung des Staates oder die Verstaatlichung der Gesellschaft erörtert. Je nach ideologischem Standort wird das eine oder andere beklagt oder gefordert. Nach 1945 ging es gewöhnlich um die Versöhnung von Staat und Demokratie, um "mehr Demokratie" gegenüber dem mit der Tradition belasteten Staatsdenken, und später wiederum um "mehr Staat" gegenüber den Intentionen der von Demokratisierungswut besessenen "Linken". Angeblich gab es früher einen Dualismus von Staat und Gesellschaft, den es für einige heute nicht mehr gibt, für andere aber leider immer noch. Für bestimmte Marxisten sind die Erfolge der bundesrepublikanischen Wirtschaft darauf zurückzuführen, daß angeblich der "Staat" in die Konkurrenzsystematik des Kapitalismus helfend eingreife. Von Skeptikern wird vermutet, der "Staat" habe ewigen Bestand, andere träumen von der Auflösung des "Staates" krafthistorischer Notwendigkeit. Im Sog allgemeiner und universeller "Emanzipation" wird den meisten Vertretern der vorwiegend juristischen Disziplinen Staatsrecht, Allgemeine Staatslehre und Staatsrechtslehre eine demokratiefeindliche Haltung nachgesagt. Viele Vertreter dieser Fachrichtungen selbst wiederum befürchten eine Aushöhlung oder gar Beseitigung der wesentlichen Prinzipien des Grundgesetzes. Grob vereinfachend könnte man sagen, in der öffentlichen Debatte steht der Ruf nach "mehr Staat" für "rechts" und das Verlangen nach "mehr Demokratie" für "links". Um eine Auseinandersetzung dieser Art und in diesem Spannungsfeld handelt es sich indes in der vorliegenden Arbeit nicht. Die meisten der eben skizzierten Debatten leiden nämlich vornehmlich zunächst daran, daß nicht geklärt wird, was man unter "Staat" primär - als genus proximum - zu verstehen habe. Mit den schönen Qualifizierungen, wie zum Beispiel: "Instrument der herrschenden Klasse", "Rechtsordnungssubjekt" oder "neutrale Instanz" gegenüber den divergierenden Interessen der pluralistischen Gesellschaft, ist nichts darüber ausgesagt, wie dieses "Etwas" beschaffen ist, das Herrschaft und Ordnung des einen oder anderen garantieren oder gar schaffen soll. Im deutschen Sprachgebrauch aber ist das Wort Staat vieldeutig. Der Vorwurf gegen die obengenannten Disziplinen unterliegt vielen Fehlurteilen, die zunächst
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Vorwort
schon auf der mangelnden Kenntnis dessen, was in der deutschen Staatslehre unter Staat überhaupt verstanden wird, beruhen. Gegenstand der Arbeit ist daher zunächst die deskriptive Analyse des Staatsbegräfes in der neueren deutschen Staatslehre (Allgemeine Staatslehre, Staatsrecht, Staatsrechtslehre). Die Kritik an der Staatslehre, dies vorweggenommen und vorangestellt, ist indes orientiert am Paradigma einer strikt konstitutionellen, repräsentativen Demokratie, in welcher das Prinzip der (puren) Demokratie nur ein Teilelement ist, eingebunden und festgemacht am Status des Rechts, der wörtlichen und modellhaften Bedeutung des oft strapazierten Begriffes des Rechtsstaats. Die vorliegende Arbeit ist unter der Leitung von Professor Eric Voegelin entstanden und hat in dieser Fassung im Sommersemester 1972 der Philosophischen Fakultät der Universität München als Dissertation vorgelegen. Sie wurde für den Druck nicht ergänzt und nicht überarbeitet, weshalb die neuere Literatur zu der Thematik nicht berücksichtigt ist. Mein Dank gilt meinen akademischen Lehrern, von denen ich Professor Friedrich Merzbacher, ·Professor Karl Bosl, vor allem aber Professor E r i c V o e g e 1 in 'erwähnen möchte. Professor F. Merzbacher schulde ich Dank für die Einweisung in die Kunst der juridischen Exegese am Anfang meiner juristischen Studienzeit und Professor K. Bosl für die Hinweise auf historische Dimensionen und für die freundlichen Ermutigungen während der kritischen Phasen der Arbeit. Mein besonderer Dank gebührt Professor Eric Voegelin. Auf sein Werk und seine grundsätzliche Auseinandersetzung mit seinem Lehrer Hans Kelsen geht die Beschäftigung mit dem Thema der Arbeit zurück. Ohne den Rückgriff auf die theoretischen Grundlagen seiner Werke und Vorlesungen hätte ich das Material nicht bearbeiten können. All meinen Freunden danke ich für die Geduld, mit der sie mein strapazierendes und langweilendes Reden vom "Staat" ertragen haben, vor allem aber Fräulein Dr. Dagmar Herwig und Fräulein Dr. Hedda Herwig, wobei leztere durch ihre ironischen und gezielten Fragen wesentlich zur Präzisierung der Thematik beigetragen hat; schließlich danke ich auch Herrn stud. phil. Reinhard Steiner für die Korrektur der Druckfahnen. Dietramszell, im Sommer 1974 Claus-Ekkehard Bärsch
Gliederung Einleitung
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I. Teil
Dilemmata des demokratischen "Staates" 1. Die Rolle des Staates am Beispiel eines Auszugs aus dem KPD-
Verbots-Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Einige Versuche zum Problem der Vereinbarkeit oder Nichtvereinbarkeit von "Staat" und "Demokratie" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 II. Teil
Das handelnde Subjekt "Staat" 1. Das Bild des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Die Lehre von der Rechtspersönlichkeit des Staates bei Gerber und Jellinek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Voraussetzungen der formal-juristischen Methode Gerbers und Labands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Methode Jellineks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das System des Staates bei Gerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die allgemeine Staatslehre Jellineks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ~) Die empirische Entität "Staat" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ß) Die Entwicklung des sozialen Staatsbegriffes - von der Vielheit zur Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . y) Stellung und Funktion des Staatsbegriffes in der Jellinekschen Staatslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34 34 43 43 54 61 74 74 77 81
3. Die Staatslehre während der Zeit der Weimarer Republik . . . . . . . . . .
87
4. Die Staatslehre nach 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95
5. Die Implikationen des Staatsbegriffes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 III. Teil
Die Reduktion der Politik 1. Gesellschaftliche Existenz und Macht der Gesellschaft
107 108
2. Staat und Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 3. Staat, Recht und Ordnung ...................... . ..... ... ...... ..... 114
Gliederung
10
4. Staat und Institutionen
119
5. Staat und Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
a) Volkssouveränität und Staatssouveränität . . .. . .. .... . ..... . ... . . . 122 b) Staat und Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 6. Staat und Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
IV. Teil
Die "Lehre vom Staat" bei Kant und Hegel
132
1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
2. Die Lehre vom Staat bei Kant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 3. Die Lehre vom Staat bei Hegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
a) Das primäre Wortverständnis .. .. ... .. . . . .. .. .......... .. .. . .. .. . 142 b) Staat und Wille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 c) Einheit und Souver änität des Staates oder die Gesellschaft als corpus divinum ....... .. ...... . ...... . ......... . . . ........... .. 147 Schluß .... ... .............. . .. . . . .............. . .. ............ .. ..... . 166 Anhang: Schaubilder 1 und 2 und Tabelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Personenregister
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Vorbemerkungen zur Zitierweise 1. An erster Stelle des Nachweises ist die Veröffentlichung des Verfassers mit vollem Titel, Ort und Jahr zitiert. Die jeweilige Auflage des Werkes wird durch die vor den Ort gestellte Ziffer gekennzeichnet.
2. Wird von einem Verfasser innerhalb eines Kapitels nur eine Veröffentlichung verwendet, wird diese an der zweiten und den folgenden Stellen des Nachweises mit dem Zunamen des Verfassers zitiert. 3. Werden mehrere Veröffentlichungen eines Verfassers verwendet, werden diese an der zweiten und den folgenden Stellen des Nachweises mit einem oder mehreren hervorstechenden Titelworten zitiert.
Einleitung Seit 1945 entstanden in den westdeutschen Ländern unter dem Einfluß der Siegermächte demokratische Verfassungen. Seit 1949 gilt in der Bundesrepublik das Grundgesetz. Die demokratische Ordnung kann sich jedoch nicht - wie zum Beispiel in England oder in den USA - auf eine konstante historische Tradition demokratischen Denkens und Handeins stützen. Politisches Denken ist in Deutschland seit ca. 200 Jahren durch Ordnungsvorstellungen charakterisiert, die - von wenigen Ausnahmen abgesehen vom Begriff des "Staates" dominiert werden. Diese Vorherrschaft des Staatsbegriffs in der Reflexion über politische Probleme markiert eine Differenz zu den Traditionen klassischen und christlichen Denkens, aus welchen in England, den USA oder den skandinavischen Ländern demokratische Modelle entwickelt worden sind. Inwieweit diese Differenz einer demokratischen Entwicklung im Wege steht, ist eine der wesentlichen Fragen, die anhand der hier vorgelegten Analyse des Staatsbegriffs behandelt werden sollen. Das am "Staat" orientierte Denken und Handeln kennzeichnet die verschiedensten Schichten der deutschen Gesellschaft. Bezeichnenderweise gab es in Deutschland lange Zeit keine politische Wissenschaft, die sich expressis verbis als solche benannt hätte. Deren Funktion übten im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert die Staatslehre und das Staatsrecht aus. Zwar gibt es keine einheitliche Staatslehre, kein einheitliches Staatsrecht, aber es gibt den Vorrang der Kategorie "Staat", der bis in die moderne wissenschaftliche Diskussion von Juristen, Soziologen und Politikwissenschaftlern hineinreicht. Das "Paradigma" des Staates findet ebenso die Billigung der Journalisten und Politiker. Im Volksmund ist die Formulierung "Vater Staat" eine beliebte Wendung. Daß jedoch jedermann vom "Staat" spricht, heißt noch nicht, daß diesem Begriff ein präzises Verständnis zugeordnet werden könnte. Die Benützung ist vielmehr unkritisch und variabel. Das deutsche Wort "Staat" hat einerseits eine universelle Bezeichnungsfunktion, die früher von den Worten "res publica", "civitas", "politeia", "polis" oder "Reich" erfüllt worden ist. Andererseits muß es in einer spezifischen Bedeutung verstanden werden, die von der deut-
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Einleitung
sehen Geschichte der letzten 200 Jahre geprägt wurde1 • Da im folgenden häufig vom "Staat" die Rede sein wird, bevor die Analyse seiner spezifischen Bedeutung geleistet ist, soll die heute gängigste Bedeutung schon hier vorweggenommen werden. Nach Auskunft des Staatslexikons wird der "Begrüf des S. als einer umfassenden Herrschaftsorganisation innerhalb der menschlichen Gesellschaft ... empirisch und kritisch durch historische Analyse und teleologische Betrachtung solcher im Ablauf der Menschheitsgeschichte und besonders in der heutigen Zeit vorgefundenen Gebilde gewonnen, die üblicherweise im Sprachgebrauch als S. bezeichnet werden. Dabei stellt sich Gemeinsames heraus, daß der S. innerhalb der Gesellschaft ein organisierter Herrschaftsverband auf einem - jedenfalls in der Neuzeit - festumgrenzten Territorium ist, der wirkliche oder vermeintliche Gemeinschaftsinteressen der Verbandsangehörigen, das Gemeinwohl, zu realisieren, die Verbandsinteressen zu erhalten und zu stärken sucht und dazu den Primat gegenüber anderen organisierten Gemeinschaften innerhalb des gleichen Gebiets beansprucht"%. "Juristisch bedeutet demgemäß S. die auf Dauer angelegte Verbindung der Menschen eines bestimmten Gebiets zu einer Einheit unter einer ursprünglichen, d. h. von keiner irdischen Macht abgeleiteten, umfassenden Herrschaftsgewalt zur Verwirklichung von Gemeinschaftszwecken. Da diese Einheit im Rechtsleben handelt und mit Rechten und Pflichten ausgestattet ist, besitzt der S. Rechtspersönlichkeit:'." Zweierlei ist also im Gedächtnis zu behalten: 1. "Staat" ist nie allein identisch mit "Regierung", "Exekutive", "Verwaltung", "Gewalt", "Macht", "Recht", "Nation" oder "Gesellschaft". Er kann zwar die inhaltliche Bedeutung dieser aufgeführten Begrüfe mit enthalten, geht aber immer gleichzeitig über sie hinaus. 2. Ein mit "Staat" designiertes "Etwas", das nicht gleichzusetzen ist mit der Gesellschaft, dem Volk etc. (s.o.), besitzt "ursprüngliche Herrschaft" (Souveränität, Primat gegenüber anderen Verbänden). Die Souveränität des Staates ist der politische Kern des Staatsbegriffs, in dem gleichzeitig der Wurm enthalten ist.
Systematisch und wissenschaftlich knüpft sich an den Begriff des Staates ein besonderer Zweig der Rechtswissenschaft an, der als "Staatsrechtslehre", "Staatsrecht", "Staatslehre" oder "Allgemeine Staatslehre" bezeichnet wird. Die Bezeichnungen Staatsrecht, Staatslehre, Staatsrechtslehre und Allgemeine Staatslehre indizieren zwar 1 Vgl. P. L. Weinacht, Staat. Studien zur Bedeutungsgeschichte des Wortes von den Anfängen bis ins 19. Jahrhundert, Berlin 1968. : Staatslexikon, 6 Freiburg 1962, S. 520. s Ebd., S. 522.
Einleitung
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einen unterschiedlichen Gesichtspunkt, unter dem der Gegenstand "Staat" behandelt wird, die verschiedenen Perspektiven, die zu den unterschiedlichen Benennungen führen, werden aber innerhalb der "Wissenschaften" vom Staat nicht einheitlich durchgehalten, so daß manches als Staatslehre betitelte Werk auch Staatsrecht heißen könnte. Insofern der Gegenstand aller dieser Lehren der "Staat" ist und "Staat" Gegenstand der folgenden Untersuchung ist, gelten bestimmte Aussagen über den einen Zweig auch für die anderen. (Das Staatsrecht hat keinen anderen Staatsbegriff als die Staatslehre.) Die heutige Staatslehre ist entscheidend vom juristischen Positivismus der "Gerber-Laband'schen Schule" geprägt4 • Vor und während der 20er Jahre gab es keinen bedeutenden Angriff auf die Staatsrechtslehre. Zwar hat Kelsen in zahlreichen Schriften den traditionellen Staatsbegriff angegriffen und analysiert, aber indem er Staat gleich Recht setzte, blieb auch bei ihm der Staat Bezugspunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit. Der "Staat" okkupierte nicht nur liberale und konservative Autoren. Selbst der politisch wohl als "links" zu klassifizierende Heller schrieb eine "Staatslehre';. Auch für ihn war der Staat als "Wirlrungseinheit" der entscheidende Zuordnungspunkt für gesellschaftliche Ordnungsproblematik. Unter dem Einfluß der neu-kantianischen Rechtsphilosophie und der Lehre Kelsens wurde versucht, den konstruktiven Charakter der Staatspersönlichkeit zu betonen, Staats- und Rechtsbegriff einander anzugleichen. Nur Eric Voegelin, von Kelsen habilitiert, brach seine Beschäftigung mit der Staatslehre ab und wandte sich der klassischen Philosophie, der christlich-jüdischen Ontologie und dem angelsächsischen Zivilregime zu. Auch nach 1945 änderte sich wenig an der Dominanz des Topos "Staat". Beispielhaft ist unter anderem, daß ein Mitverfasser der bayerischen Verfassung von 1946, der aus der Emigration zurückgekehrte Nawiasky, Professor für "Allgemeine Staatslehre" war. So heißt denn auch der erste Hauptteil der Verfassung, gemäß der Präambel 4 "Er hat- trotz des nie erlahmenden Widerspruchs gegen seine Prinzipien -die herrschende Lehre der deutschen Staatsrechtswissenschaft und Staatslehre vom Kaiserreich bis in die Weimarer Republik hinein geprägt; und jeder Versuch einer staatstheoretischen Neubesinnung von Weimar bis in die Gegenwart enthält in irgendeinem Punkt die kritische Auseinandersetzung mit der übermächtigen positivistischen Tradition, der "GerberLaband'schen Schule", von der H. Triepel im Jahre 1927 sagte, daß sie ,mehr als eine Generation deutscher Publizisten vollständig beherrscht' habe. P. von Oertzen, "Die Bedeutung C. F. von Gerbers für die deutsche Staatsrechtslehre" in: Staatsverfassung und Kirchenordnung, Festgabe für Rudolf Smend, Tübingen 1962, S. 183.
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Einleitung
unter dem Aspekt des Neubeginns geschaffen: "Aufbau und Aufgaben des Staates". Das Bekenntnis zur Demokratie in den einzelnen Landesverfassungen und im Grundgesetz wird durch Formulierungen wie "Die Staatsgewalt wird ausgeübt durch das Volk, das Volk ist Träger der Staatsgewalt und alle Staatsgewalt geht vom Volke aus" ausgedrückt. Der Frage, ob die im Staatsbegriff implizierte Ordnungskonzeption nicht im Widerspruch 7lllm Demokratiemodell, welcher Provenienz es auch immer sein mag, steht, wurde kaum nachgegangen. Typisch ist, daß vielmehr derjenige, der diesen Einwand artikuliert, in Verdacht gerät, Anhänger anarchistischer, marxistischer oder sonstiger Utopien zu sein. So behandelt z. B. Herbert Krüger Utopien verschiedenster Art unter der Überschrift: "Die Ersetzung des Staates durch die Gesellschaft: Das Ideal des staats- oder herrschaftslosen Zustands". Gegnerschaft zum Staat oder zur "Staatlichkeit" ist für Krüger mit dem "Ideal des herrschaftslosen Zustands" 6 assoziiert.
Ii H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1966, S. 654; ähnlich auch G. u. E. Küchenhoff, Allgemeine Staatslehre, 6Stuttgart 1967, S. 86, die unter dem Kapitel "Die Lehre von der Sinnlosigkeit des Staates", den Marxismus unter "idealistischen Anarchismus" einordnen.
Erster Teil
Dilemmata des demokratischen "Staates" Unter einem demokratischen "Staat" könnte man gemäß der universellen Funktion des Wortes "Staat" ein demokratisches "Gemeinwesen" oder eine "Demokratie" schlechthin verstehen. Da aber der "Staat" in Deutschland eine spezifischere Bedeutung erlangt hat, führt seine sprachliche Verwendung im Kontext des Demokratiemodells zu theoretischen und praktischen Dilemmata. Eines der wesentlichsten Dilemmata resultiert aus der in der Staatsdefinition enthaltenen "Souveränität" des Staates. Eine knappe Interpretation des Artikel 20 Abs. 2 Satz 1 GG ("Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus") kann dies verdeutlichen: Geht man nämlich vom herrschenden Staatsbegriff aus, dann erhält der Passus einen widersprüchlichen Sinn. Denn im Begriff "Staat" des zusammengesetzten Begriffs "Staatsgewalt" ist "Gewalt" schon enthalten. Die enthaltene "Gewalt" ist jedoch nicht etwa eine, die vom Volke ausgeht, sondern - wie wir sahen- die ursprüngliche, nicht abgeleitete Herrschaft einer juristischen Person bzw. der Verbandseinheit. Die Souveränität des "Staates" ist also nicht die Souveränität des Volkes. Wenn aber trotzdem alle Gewalt vom Volke ausgehen soll, dann ergibt sich eine Aporie: Entweder hat die Verbandseinheit bzw. die juristische Person "Staat" die ursprüngliche Herrschaft oder die Herrschaft geht vom Volk aus. Beides zusammen ist unvereinbar. Der bestehende Widerspruch kann auch nicht ausgeräumt werden, wenn unter "Staatsgewalt" die Gewalt im Staat verstanden wird. Denn da "Staat" nicht allein das bewohnte Territorium des betreffenden Volkes bezeichnet, sondern gleichzeitig eine "juristische Person" (s. o.), müßte die Formel dann lauten: Alle Gewalt in der juristischen Person (die mit ursprünglicher Herrschaft ausgestattet ist) geht vom Volke aus. Diese Formel ergibt aber genausowenig Sinn, da Volk und juristische Person "Staat" nicht identisch sind. Der Widerspruch kann nur beseitigt werden, wenn dem "Staat" das "Primat" bzw. das Merkmal der Souveränität abgesprochen wird- ein Gedanke, der der herrschenden Staatslehre jedoch fremd ist. Geht man - im Gegensatz zur herrschenden Staatslehre - primär von den Prinzipien einer Demokratie aus, dann ergibt sich für die 2 Bärsch
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1. Teil: Dilemmata des demokratischen "Staates"
Leseart des Artikel20 Abs. 2 Satz 1 GG die Konsequenz: Das Wort "Staat" ist überflüssig. "Alle Gewalt geht vom Volke aus". In dieser Formulierung würde sich Artikel20 Abs. 2 Satz 1 GG der z. B. für das amerikanische Denken modellhaft gewordenen Formulierung Lincolns von der "Regierung des Volkes, durch das Volk, für das Volk" wenigstens annähern. Daß in Deutschland keine eigene "demokratische Symbolik" 6 , die das Verhältnis von Volk und Herrschaft artikuliert, hervorgebracht worden ist, und daß selbst bei der Rezeption des anglo-amerikanischen Symbols durch die Verfassungsgeber der "Staat" die Funktion der Symbolisierung von Herrschaftsverhältnissen übernahm, ist symptomatisch. Während in England durch die zweite Reform Bill (1867), betrieben vom "konservativen" Tory-Minister Disraeli, das Wahlrecht auf die Arbeiterschicht ausgedehnt wurde und damit die "Genesis der modernen Parteien" einsetzte, "in denen sich die massiv erweiterte Aktivbürgerschaft der englischen Gesellschaft zu organisieren begann" 7 , das Parlament effektive Macht besaß und Krone, Parlament und Regierung als sich gegenseitig kontrollierende Gewalten verstanden wurden8, gewann in Deutschland die Vorstellung vom "Staat" als einer juristischen Person mit "ursprünglicher Herrschaftsgewalt" die Oberhand. Auf welche Weise dieser Begriff des Staates das Verständnis eines demokratischen Ordnungsmodells erschwert, konnte schon die kurze Beschäftigung mit Artikel 20 Abs. 2 Satz 1 GG andeuten. Wieweit die Verwirrung reicht, die er innerhalb der heutigen praktischen und theoretischen Auseinandersetzungen auslöst, soll jedoch noch anhand einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum KPD-Verbot und am Beispiel einiger Wissenschaftler, denen das problematische Verhältnis von "Staat" und "Demokratie" zum Anstoß ihrer Arbeiten geworden ist, präziser demonstriert werden.
1. Die Rolle des Staates am Beispiel eines Auszugs aus dem KPD-Verbots-Urteil Da das BVerfG als "oberster Hüter der Verfassung" 9 gilt, liegt es nahe, die Grundgesetzinterpretationen der Verfassungsrichter zur Demonstration heranzuziehen. Daß auch diese von einem Demokratiee E. Voegelin, Die Neue Wissenschaft der Politik, München 1959, S. 66. 7 M . Henningsen, "Einleitung" zu: Vom Nationalstaat zum Empire, München
1970, s. 11. s J. St. Mm, Utilitarism, Liberty, Representative, Government, Hrsg. A. D. Lindsay, London 1969, S. 228 ff. s G. Leibholz, "Der Status des Bundesverfassungsgerichts", in: Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, Neue Folge, Bd. 6, 1957, S. 110.
1. Die Rolle des Staates
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verständnis geprägt sind, das vom "Staatsbewußtsein" überlagert wird, zeigt das folgende Beispiel: Auf Grund des Antrags der Bundesregierung auf Verbot der KPD sah sich das BVerfG gezwungen, sich u. a. mit dem Artikel21 GG zugrundeliegenden Demokratiemodell auseinanderzusetzen. Artikel21 Abs. 1 Satz 1 {"Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit") erhielt dabei die folgende Interpretation: "Sieht man mit diesen Entscheidungen in Artikel21 Abs. 1 Satz 1 GG nicht die beschreibende Feststellung eines Tatbestandes der gesellschaftlich-politischen Wirklichkeit, gibt man der Bestimmung vielmehr den normativen Sinn, daß sie den Parteien ihre Stellung in der Ordnung des Staatsaufbaus anweist, dann wird deutlich, daß an der ,Inkorporation' der Parteien in das Verfassungsgefüge ,politisch sinnvoll' nur die Parteien teilhaben können, die auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehen (BVerfGE 2, 1/73). Wenn die Vielfalt der Weltanschauungen und Interessen nicht die Bildung eines einheitlichen Staatswillens überhaupt unmöglich machen soll, dann muß bei denen, die zur Mitwirkung an dieser Willensbildung berufen sind, wenigstens Einmütigkeit in der Bejahung der verfassungsrechtlichen Grundwerte bestehen. Es ist denkbar, daß eine politische Partei, die diese Grundwerte verwirft und bekämpft, als gesellschaftlich-politische Gruppe besteht und sich betätigt; es ist aber nicht denkbar, daß ihr die verantwortliche, rechtlich maßgebliche Mitwirkung bei der Bildung des Staatswillens verfassungsrechtlich garantiert werden könnte. Auch wenn man es als notwendige Folge dieser verfassungsrechtlichen Garantie der Parteien ansieht, daß verfassungswidrige Parteien von der politischen Willensbildung des Volkes ausgeschlossen werden müssen, so läßt sich doch nicht verkennen, daß eine gewisse Spannung zwischen der Vorschrift des Art. 21 Abs. 2 GG und der politischen Meinungsfreiheit, ohne Frage einem der vornehmsten Rechtsgüter jeder freiheitlichen Demokratie, besteht. Ein Staat, der seine Verfassung als freiheitlich-demokratisch bezeichnet und sie damit in die verfassungsgeschichtliche Entwicklungslinie der liberalen rechtsstaatliehen Demokratie einordnet, muß aus dem Grundrecht der Freiheit der Meinungsäußerung ein grundsätzliches Recht der freien politischen Betätigung und damit auch der freien Bildung politischer Parteien entwickeln, wie in Artikel21 Abs. 1 Satz 2 GG geschehen ist ..." (Auszug aus der Entscheidung des. BVerfG vom 17. 8. 1956, KPD-Verbot; BVerfGE 5, 134). Die zitierte Argumentation macht deutlich, wie sehr die Richter des BVerfG der Tradition der deutschen Staatslehre verhaftet sind: Der Wortlaut des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG reicht zur Entscheidung nicht aus. Die Substanz der Vorschrift muß anhand von Überlegungen ermittelt ll"
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1. Teil:
Dilemmata des demokratischen "Staates"
werden, die jenseits der sprachlichen Artikulationsmöglichkeiten des Grundgesetzes liegen. Da diese Überlegungen entscheiden, welches substantielle Verständnis (das seinen Locus immer nur im Bewußtsein des konkreten Menschen, hier: des Richters hat) den formalen demokratischen Bestimmungen zuzumessen ist, sind sie besonders aufschlußreich. Aus dem ersten Satz des Zitats geht zunächst folgendes hervor: 1. Das Gericht gibt Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG ("Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit") einen normativen Sinn. 2. Dieser normative Sinn ist der Ausgangspunkt für eine Schlußfolgerung.
3. Den normativen Sinn sieht das Gericht allein darin, daß die Parteien in den "Staatsaufbau" einbezogen werden. (" ... , gibt man ... den normativen Sinn, daß sie den Parteien ihre Stellung in der Ordnung des Staatsaufbaus anweist, . .. "). 4. Diese Einbeziehung der Parteien in den "Staatsaufbau" ist der einzige Ausgangspunkt (es folgen keine weiteren Erläuterungen) für die Schlußfolgerung des BVerfG auf das Erfordernis, "daß die Parteien auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen" müssen. Bemerkenswert ist, daß der normative Sinn des Satzes: "Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit", durch Bezugnahme auf den Topos "Staat" hergestellt wird. Da nicht erläutert wird, welche Art von Stellung die Parteien im "Staatsaufbau" einnehmen, muß gefolgert werden, daß die Qualifikation der Aussage "Stellung in der Ordnung des Staatsaufbaus" zur Norm, im Wert des "Staates" liegt. Der normative Charakter ergibt sich demnach aus dem Kriterium "Staat". Erst auf dieser Basis wird Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG für die weitere Argumentation verwendungsfähig. Der archimedische Punkt für weitere Schlußfolgerungen ist gefunden. Die Verwendung des "Staates" als einer "Wertvorstellung", mit deren Hilfe Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG normativ behandelt werden kann, wäre vielleicht harmlos, wenn das, worauf geschlossen wird, irgendeinen formalen Rechtssatz aus dem Wasserrecht beträfe. Der Schluß, der in der Sprache der Richter lautet, "daß an der ,Inkorporation' der Parteien in das Verfassungsgefüge ,politisch sinnvoll' nur die Parteien teilhaben können, die auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehen", trifft jedoch ins Zentrum der demokratischen Ordnung. Wenn die politischen Parteien die demokratische Grundordnung deshalb akzeptieren müssen, weil ihnen eine Stellung in der "Ordnung des
1. Die Rolle des Staates
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Staatsaufbaus" angewiesen wurde, dann ist - in den Überlegungen der Richter - der "Staat" vorrangig gegenüber der Demokratie behandelt worden. Im zweiten Satz der Entscheidung taucht der "einheitliche Staatswille" auf. Der Staatswille wird zum Ausgangspunkt für eine ähnliche Schlußfolgerung wie der obengenannten. Das Problem des Pluralismus- in der Sprache des Gerichts: "die Vielfalt der Weltanschauungen und Interessen" - muß mit dem "einheitlichen Staatswillen" in Einklang gebracht werden. Also nicht etwa der Konsensus der Gesellschaft oder des Volkes ist für die Bejahung verfassungsrechtlicher Grundwerte maßgebend, sondern der "einheitliche Staatswille". Daß die Parteien demokratisch sein müssen, folgt daher für das Gericht nicht direkt aus der Bejahung der demokratischen Ordnung, sondern erst aus dem Umweg über den einheitlichen Staatswillen, der den Richtern notwendig erscheint. Nicht nur der formallogische Nachvollzug der richterlichen Argumentation gibt hier Aufschluß über die Beeinflussung des Demokratieverständnisses durch das Staatsdenken. Auch die Analyse der richterlichen Sprache läßt ähnliche Schlüsse auf das dahinterliegende Bewußtsein zu: Das Mißtrauen gegen die "Vielfalt der Weltanschauungen und Interessen" (auf dessen Notorietät wir noch zurückkommen werden), das sich aus der Befürchtung schließen läßt, diese könnten den "einheitlichen Staatswillen überhaupt unmöglich machen" (die doppelte Verneinung muß als Indiz dafür gewertet werden, wie tief diese Befürchtung sitzt), wird nicht nur deutlich erklärt, sondern führt auch dazu, daß sich der verfassungsmäßige "Wille des Volks" ganz unter der Hand in den ersehnten Rettungsanker des "Staatswillens" verwandelt. Es ist hie~ noch nicht der Ort, auf die philosophischen und ideologischen Hintergründe der richterlichen Vorstellungen einzugehen. Bemerkenswert ist zunächst lediglich, daß von der Konstruktion eines "einheitlichen Staatswillens" ohne Zweifel ausgegangen wird. Symptomatisch ist in diesem Zusammenhang auch der Satz: "Ein Staat, der seine 10 verfasS'Ungsrechtliche Ordnung als freiheitlich-demokratisch bezeichnet und sie damit in die große verfassungsgeschichtliche Entwicklungslinie . . . einordnet, muß aus dem Grundrecht ... entwickeln, ... ". Das Begriffspaar Staat - Ordnung wird hier durch Possessivpronomen verbunden. Die Ordnung ist also primär dem Staat zugehörig. Sie ist nicht die Ordnung der Gesellschaft, nicht die Verfassung, die von den Repräsentanten der Gesellschaft erarbeitet wurde und von der Mehrheit der in der Bundesrepublik lebenden Menschen akzeptiert wird. 1o
Hervorhebung vom Verfasser.
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1. Teil: Dilemmata des demokratischen "Staates"
Noch signifikanter ist, daß der Staat seine Ordnung als freiheitlichdemokratisch "bezeichnet" - ein Satz, der vier verschiedene Interpretationsmöglichkeiten zugleich wnfaßt: 1. Die Formulierung "bezeichnet" macht auf das Problem aufmerksam, daß es sich bei der betreffenden freiheitlich-demokratischen Ordnung weder um die faktische noch um die wünschenswerte Ordnung, sondern unter Umständen nur um eine nominelle handelt. Sie erlaubt daher den Richtern, sich persönlich vom Demokratiemodell zu distanzieren und dennoch die repräsentative Funktion der inhaltlichen Interpretation zu übernehmen.
2. Die Einführung des "Staates" als desjenigen, der "bezeichnet", legt zugleich den Verdacht nahe, daß die "Distanzierung" durchaus (zumindest unbewußt) beabsichtigt ist, insofern die freiheitlich-demokratische Ordnung von den Richtern nicht etwa deshalb akzeptiert wird, weil sie selbst oder die Bevölkerung eine solche wünschen, sondern weil sie vom "Staat" proklamiert worden ist. 3. Innerhalb der formallogischen Argumentation hat die Gesamtformulierung die Funktion, "Staat" und freiheitlich-demokratische Ordnung in Beziehung zueinander zu setzen, um aus dem attributiven "freiheitlich-demokratisch" auf die Notwendigkeit der "freien Bildung politischer Parteien" schließen zu können. (Was aus dem bloßen Staatsbegriff ja nicht folgen würde.) 4. Die inhärente Logik der Schlußfolgerung verdankt jedoch ihre Plausibilität der Tatsache, daß der "Staat" als handelndes Subjekt auftritt. Da es der "Staat" (als handelndes Subjekt) ist, der die freiheitlichdemokratische Ordnung als solche "bezeichnet", handelnde Subjekte also nicht etwa die Bürger oder deren Repräsentanten sind, übernimmt konsequenterweise der "Staat" auch wiederum die Funktion, "aus dem Grundrecht der Freiheit der Meinungsäußerung ein Recht auf freiheitliche politische Betätigung und damit der freien Bildung politischer Parteien zu entwickeln". Wenn aber der "Staat" eine Ordnung "bezeichnet", das Recht auf Freiheit und freie politische Betätigung "entwickelt" und am Ende gar die freiheitlich-demokratische Ordnung in einen Geschichtsprozeß einordnet und diese ihm unterstellten Tätigkeiten zum Kriterium dienen, um Schlüsse auf die verfassungsrechtliche Bewertung eines Politikums zu ziehen, dann ist der "Staat" nicht nur irgend ein handelndes Subjekt schlechthin, sondern quasi höchstes Agens für Gesellschaft und Geschichte.
2. Einige Versuche zum Problem "Staat und Demokratie"
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2. Einige Versuche zum Problem der Vereinbarkeit oder Nichtvereinbarkeit von "Staat und Demokratie"
An der Situation, die die vor mehr als 12 Jahren ergangene Entscheidung des BVerfG widerspiegelt, hat sich bis heute kaum etwas verändert. Das "Staatsdenken" ist auch durch eine neue Generation von Professoren nicht beseitigt worden. So charakterisierte der Berichterstatter der Juristenzeitung, Privatdozent Dr. Ralph Dreier eine Diskussion zum Thema: "Das demokratische Prinzip im Grundgesetz", die während der deutschen Staatsrechtlehrer-Tagung 1970 stattfand, mit den Worten: "Insoweit kann Dürigs Satz ,wenn Staat und Gesellschaft deckungsgleich werden, dann gehen in Europa die Lichter aus' als repräsentativ für die vorherrschende Diskussionstendenz gelten11." Die kritische Zitierung der so charakterisierten Tendenz soll nicht die Gegenthese beinhalten. Das Problem besteht vielmehr darin, herauszufinden, ob das in der Furcht vor der Deckungsgleichheit von Staat und Gesellschaft transparent werdende Denken, das sich in den Kategorien von Dualismus oder Nicht-Dualismus von Staat und Gesellschaft bewegt, zur Interpretation des "demokratischen Prinzips im Grundgesetz" geeignet ist. Eine Behandlung dieses Problems, die nicht an der Oberfläche stecken bleiben will, muß jedoch - wie wir sehen werden - zugleich die über das unmittelbar gestellte Problem hinausgehende Frage einbeziehen, ob die deutsche Staatslehre überhaupt als Instrument zur realitätsadäquaten Interpretation der allgemeinen Ordnungsproblematik, die sich aus der Existenz des Menschen in Gesellschaft ergibt, dienen kann. Die kritische literarische Auseinandersetzung mit der deutschen Staatslehre geht - soweit vorhanden - in der Hauptsache darauf aus, ein Selbstverständnis des "demokratischen Staates" zu erarbeiten. Abgesehen von der möglichen Begriffsvertauschung von "Staat" im weiteren und engeren Sinn, wurde der Staatsbegriff selbst nicht in Frage gestellt. ,.Staat und Gesellschaft", "Staat und Recht", "Staat und Wirtschaft" unter der Herrschaft des Grundgesetzes waren die Aspekte, die die kritische Auseinandersetzung mit der Staatslehre bei einigen Autoren charakterisierten1z. Vier von diesen Autoren sollen uns im u Juristen-Zeitung (JZ), 1971 (Heft 1), S. 106. C. Graf von Krockow, "Staatsideologie oder demokratisches Bewußtsein". Die deutsche Alternative, in: Politische Vierteljahresschriften (PVS) 6 (1963), S. 118 ff.; E. Angermann, "Das Auseinandertreten von Staat und Gesellschaft", in: Zeitschrift für Politik (Z. Polit.) X, 1963, Heft 2, S. 89 -101; 0. H. von der Gablentz, "Der Staat als Mythos und Wirklichkeit", in: PVS 7 (1963), S. 138 ff.; K. D. Bracher, "Staatsbegriff und Demokratie in Deutschland, in: PVS 12 (1968), S. 1 ff.; K. Sontheimer, "Staatsidee und staatliche Wirklichkeit", in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung "Das Parlament", 12
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1. Teil:
Dilemmata des demokratischen "Staates"
folgenden als Beispiel zur Demonstration jener Probleme und Schwierigkeiten dienen, die sich ergeben, wenn der Gegenstand der Kritik zwar
die traditionelle deutsche Staatslehre ist, das Sprechen und Denken in der Kategorie des Staates jedoch nicht radikal aufgegeben wird.
0. H. von der Gablentz geht in seinem Beitrag, "Der Staat als Mythos und Wirklichkeit", gründlich auf die allgemeine Staatslehre von Herbert Krüger ein. Die Tendenz seiner Kritik kommt in der Schlußbemerkung am deutlichsten zum Ausdruck: "Krüger's Begriff der Demokratie gibt nur scheinbar eine Korrektur. ,Echte Demokratie hat sich als die Vollendung, nicht als die Feindin moderner Staatlichkeit erwiesen' {S. 962). ,Der Bürger muß über eine abstrakte Möglichkeit der Mitwirkung an der Bildung des generellen Befehls des Gesetzes verfügen' {S. 981). Hier ist jedes Wort aufschlußreich. ,Echt' ist schon immer verdächtig; es ist der subjektive Vorbehalt des unglücklichen Michaelis: ,Wie ich sie verstehe!' ,Abstrakte' Möglichkeit, genereller ,Befehl', schließt die Kritik am konkreten Befehl aus und macht zunächst den Repräsentanten, den gewählten Gesetzgeber und die Regierenden und Verwaltenden, die das Gesetz anwenden, zur absoluten Obrigkeit. Da haben wir also den ,Obrigkeitsstaat', den Krüger nur einmal erwähnt (S. 613), und zwar in einem Zusammenhang, der auch die {Krüger'sche) Demokratie zur Obrigkeit stempelt. Der alte Obrigkeitsstaat hat, wenn auch ungern, einen Kritiker zugelassen: die Kirche. Krüger aber behauptet: ,So kann und soll die Kirche gewiß lehren, daß die Lüge auch in der Politik dem christlichen Sittengesetz widerspricht, aber sie würde die in der fraglichen Befugnis beschlossene innere Grenze überschreiten, wenn sie einen konkreten Minister als Minister eines Verstoßes gegen das Verbot der Lüge bezichtigte' {S. 951). Ein Staat, der nach diesem Rezept Krüger's urteilte, würde nicht nur politisch äußerst töricht handeln, nämlich jede Korrektur ausschließen, die ja Nr. 16/64 vom 15. 4. 1964 (1964 a); W. Hennis, Politik und praktische Philosophie. Eine Rekonstruktion der politischen Wissenschaft, Neuwied und Berlin 1963; C. J. Friedrich, Verfassungsstaat der Neuzeit, Berlin/Göttingen/ Heidelberg 1953; M. Draht, "Über eine kohärente sozio-kulturelle Theorie des Staates und des Rechts", in: Die moderne Demokratie und ihr Recht, Tübingen 1966 B 1, S. 36 ff.; U. Scheuner, "Das Wesen des Staates und der Begriff des Politischen in der neueren Staatslehre", in: Staatsverfassung und Kirchenordnung, Festgabe für Rudolf Smend, Tübingen 1962, S. 225 ff.; H. Ehmke, "Staat und Gesellschaft als verfassungstheoretisches Problem", in: Staatsverfassung und Kirchenordnung, Festgabe für R. Smend, S. 23 ff.; Th. Eschenburg, Staat und Gesellschaft in Deutschland, 7Tübingen 1965; H. Kuhn, Der Staat, München 1967; H. Mots, Allgemeine Staatslehre oder politische Theorie? Interpretationen zu ihrem Verhältnis am Beispiel der Integrationslehre R. Smends. Berlin 1969; W. Hennis, "Zum Problem der deutschen Staatsanschauung", in: Vierteljahresschrift für Zeitgeschichte, 7. Jg., Heft 1, S. 1- 23; Hans Ryffet, Grundprobleme der Rechts- und Staatsphilosophie. Philosophische Anthropologie des Politischen, Neuwied und Berlin 1969.
2. Einige Versuche zum Problem "Staat und Demokratie"
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schließlich einen Abstand von dem zu Korrigierenden erfordert, sondern er würde die Persönlichkeit seiner Bürger - zu denen doch auch die kirchlichen Organe und die von ihnen betreuten Gläubigen gehören durch den Zwang einer einseitigen Loyalität vergewaltigen. Krüger mag noch so oft Vorbehalte machen, und sicherlich aus ehrlicher Überzeugung, aber wir dürfen uns seinem Selbstbetrug nicht anschließen: Im Kern ist seine Staatsauffassung antichristlich, antihumanistisch, mit einem Wort: ideologisch, und das heißt in letzter Konsequenz: totalitär. Der Mythos vom Staat wird zur säkularen Religion13." Obwohl seine Kritik im Kern zutreffend ist, rächt es sich, daß 0. H. von der Gablentz am Anfang seiner Ausführungen Bentleys Bemerkung: "Der ,Staat' spielt nach meinem besten Wissen und Gewissen keine Rolle in unserer Untersuchung. Er ist wie das ,soziale Ganze', wir sind nicht an ihm als solchem interessiert, sondern ausschließlich an den Prozessen in ihm" 14 allzuleicht abgetan hat; er bemerkt dazu : "Bentley hat ideologische Vorurteile, die ihn für ganze Seiten der Realität blind machen, Krügers Buch enthält neben höchst merkwürdigen Ideen viele gute Einsichten in die politische Realität" 15 • Man kann es auch umgekehrt formulieren: Für am angelsächsischen Common-Sense-Denken geschulte Ohren erweckt die vorschnelle und nicht näher erläuterte Klassifizierung Bentleys den Verdacht, daß 0. H. von der Gablentz selbst in den Traditionen der deutschen Ordnungskategorien verhaftet ist. Jedoch ist bei ihm der Versuch bemerkenswert, Demokratie und Staatsauffassung zu verbinden bzw. die Staatsauffassung dem Demokratieverständnis anzugleichen. Von dieser Warte aus kritisiert er auch die Krügersehe Staatslehre16 • Seine Schlußbemerkung jedoch impliziert gleichzeitig eine Vorstellung vom Staat, die dem obrigkeitsstaatliehen und positivistischen Denken sehr ähnlich ist. Auch von der Gablentz verwendet das Begriffspaar Staat- Bürger in Verbindung mit dem Possessiv-Pronomen "sein". Der Staat ist also ein Etwas, welchem Bürger in der Form des Possessiv-Pronomens zugeordnet werden. Die Bürger sind potentiell Objekte eines handelnden Etwas, genannt Staat. Nach 0. H. von der Gablentz besitzt Staat die Fähigkeit zu handeln (ausschließen, vergewaltigen) und zu urteilen. Staat besitzt die Fähigkeit des Korrigierens. (Korrekturen können vom Staat mehr oder weniger ausgeschlossen werden.) Mithin ist die Meinungsfreiheit eine Folge der Korrektur des "Staates", der Selbstbeschränkung des "Staates". Die Vorstellung von einem Etwas mit der Bezeichnung "Staat" und der dieser Vorstellung korrespondierenden 13
0. H. von der Gablentz, S. 152.
u A. F. Bentley, The Process of Government, New Edition, Evanston 1945,
s. 263.
ts 0. H. von der Gablentz, S. 138. Ebd., S. 143- 145.
t&
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1. Teil: Dilemmata des demokratischen "Staates"
Fähigkeit, Subjekt rechtlicher und politischer Handlungen zu sein, hat im 19. Jahrhundert in der Sprache der Juristen zu den Vorstellungen vom "Staat" als juristische Person geführt. illrich Scheuner arbeitet in seinem Beitrag, "Das Wesen des Staates und der Begriff des Politischen inderneueren Staatslehre"17, klar heraus, daß der heute noch herrschende Begriff des Staates geprägt wurde durch die positivistische Staatslehre Labands und Gerbers. Seine grundsätzliche Kritik formuliert er dahingehend: "Mit dem Heraufkommen der Richtung C. F. von Gerbers und Labands ergab sich auch die Theorie des öffentlichen Rechts der systematisch-konstruktiven Methode, die das Recht von seinen politischen und sozialen Voraussetzungen löste und als ein System abstrakter Begriffe und ihrer formalen Verknüpfung verstand. In ihr vermochte auch der Begriff des Staates, herausgenommen aus einer umfassenderen philosophischen Anschauung und auf eine ,rein juristische' Begriffsbildung zurückgeführt, nur mehr einen formalen rechtskonstruktiven Ausdruck finden18." Scheuner sieht indes genau, daß die Begriffe Gerbers nicht unpolitischer Natur waren und daß sie unser heutiges Denken noch beeinflussen: "Die Begriffe Gerbers verliehen einer bestimmten, nämlich der monarchisch-konservativen Anschauung, Form. Daß sie sich über zwei Umwälzungen hinweg in einer demokratischen Verfassung erhalten haben und hier die Vorstellungen von Herrschaft, Gewaltverhältnis, Gesetzesbefehl, unmittelbaren Organen oder Verfassungsorganen fortdauerten, ist nur begreiflich, wenn man sich die prägende Wirkung dieser spät-konstitutionellen politischen Welt auf das deutsche Bürgertum vergegenwärtigt19." Gleichwohl möchte Scheuner aus methodischen Gründen einen allgemeinen Staatsbegriff nicht aufgeben: "polis, res publica, regnum, civitas, status" waren nach Scheuner Gegenstand der "Staatstheorie . .. zu allen Zeiten". Zwar waren die "Typen und Formen" jeweils verschieden, "aber das schließt nicht aus, daß die Wissenschaft diese vielgestaltigen konkreten Gestalten politischer Einheit doch mit einem übergreifenden Begriff zusammenfaßt"20. Die Verwendung eines "allgemeinen Staatsbegriffs" als Ausdruck menschlicher Zusammenschlüsse, Verbände oder Organisationen in Form der "politischen Einheit" ist zweifelhaft und wird auch von Scheuner nicht durchgehalten. Ein Wort und Begriff dieser Art hat nicht nur "keinen juristischen Aussagegehalt"21 , wie Quaritsch in seinem umn U. Scheuner, Das Wesen des Staates und der Begriff des Politischen in der neueren deutschen Staatslehre, S. 225. ts Ebd., S. 226. 19 Ebd., S. 228. 2o Ebd., S. 252. 21 H. Quaritsch, Staat und Souveränität, Frankfurt 1970, S. 21.
2.
Einige Versuche zum Problem "Staat und Demokratie"
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fassenden Werk "Staat und Souveränität" anmerkt, sondern ist- wie noch zu zeigen sein wird - für jede Theorie, die die Ordnung von Menschen und Gesellschaft zum Gegenstand hat, unbrauchbar. Dies wird an den Intentionen Scheuners schon deutlich. Entscheidend kommt es Scheuner auf die politische Ethik, die Philosophie und Anthropologie an. Das Wesen des Staates "macht seine Aufgabe aus. Nur im Rahmen einer politischen Anthropologie wird die grundlegende Rolle des Staates als höchster Instanz des menschlichen Lebens zur Wahrung von Ordnung, Frieden und Gerechtigkeit erkennbar" 22• Es ist indes fraglich, ob man Ethik, Philosophie und Anthropologie überhaupt sinnvoll in Bezug zu "Staat" setzen kann. Versteht man unter Staat den Oberbegriff für politische Einheiten jeglicher Art, ist die Funktion von Ethik und Anthropologie nicht erkennbar. Unmittelbar sind Anthropologie und Ethik auf die universelle Einheit "Staat" nicht anwendbar. Eine Wirkungseinheit philosophiert nicht. Der Primärbezug zwischen Anthropologie, politischer Ethik, Philosophie und menschlicher Existenz verschwindet im Kontext eines Oberbegriffs für politische Einheiten. Die "Wirkungseinheit" mag zwar - wir wollen es einmal unterstellen - wirken, aber sowohl die Wirkung überhaupt als auch die Rationalität der Wirkung hängt von den in ihr wirkenden Menschen ab, von ihrer Ethik und ihrer Philosophie. Zudem hat Scheuner in dem zitierten Satz über die grundlegende Rolle des Staates einen an den Positivismus angelehnten Staatsbegriff gebraucht. Die bloße Verwendung des Wortes Gerechtigkeit genügt zur Überwindung dieses Staatsbegriffes nicht. Die Anlehnung wird noch deutlicher in Scheuners Definition des Staates: "Der Staat ist die menschliche Wirkungseinheit, der in einem Raume in höchster Instanz die Wahrung von Frieden und Ordnung aufgegeben ist23." Die Topoi Wirkungseinheit und "höchste Instanz" sowie ihren Bezug aufeinander finden wir schon in ähnlicher Form bei Gerber und J ellinek. Am Anfang der BeilageIl der 3. Auflage von Gerbers "Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrechts" heißt es am Anfang, der Staat sei "ein Gemeinwesen"; dieses "in einheitlicher Handlungsfähigkeit wirkende Gemeinwesen" enthält zur "rechtlichen Bestimmung" die Eigenschaft einer juristischen Person23 a. Bei Gerber ist der Staat nach natürlicher Betrachtungsweise ein Organismus, nach juristischer eine juristische Person. Im Gedanken des Organismus und der juristischen Person ist die Vorstellung der Wirkungseinheit enthalten. Das Element des "einen Raumes" findet sich in der Jellinekschen Staatsdefinition. Die U. Scheuner, Das Wesen des Staates ..., S. 255. Ebd., S. 258, Hervorhebung vom Verfasser. 23a C. F. von Gerber, Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrechts, 2Leipzig 1869, S. 219 (Beilage I). 22 2s
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1. Teil: Dilemmata des demokratischen "Staates"
Verwendung des Terminus "höchste Instanz" in diesem Zusammenhang bringt Scheuner so in gefährliche Nähe zum positivistischen Staatsbegriff. Quaritsch führt in bezug auf Scheuners Definition sogar aus, sie sei am "Staat der Neuzeit" orientiert. Denn "höchste Instanz ist nichts anderes als die neuzeitliche Souveränität dieses Staates nach innen" 24 • Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß "höchste Instanz" nicht identisch ist mit Souveränität. "Höchste Instanz" heißt noch nicht, unabhängige, nicht abgeleitete Herrschaft wie bei Jellinek oder Gerber. Scheuners Intention, Philosophie, Ethik und Anthropologie in die Staatslehre einzuführen, scheint dem zu widersprechen und zeigt an, daß er sich um die Darlegung eines Zusammenhanges von Macht, Gewalt und Ethik bemüht. Aber gerade dadurch, daß er sich auf die Konnotationen des "Staates" bezieht, muß ihm das mißlingen. Dies zeigt sich gerade an einer seiner Schlußbemerkungen. "Im modernen Staat, der fast alle wesentlichen Entscheidungen dem Gesetzgeber überantwortet hat, muß sich daher der politische Einschlag der Gesetzgebung verstärken25. " Ist der Staat aber höchste Instanz und Wirkungseinheit, so liegt der Schluß nahe, daß das Parlament als Gesetzgeber nicht im Auftrag des "Volkes" wesentliche Entscheidungen fällt, sondern diese Macht vom Staat "überantwortet" erhält. Nichts anderes bedeutet die Formulierung des Überantwortens wesentlicher Entscheidungen. Nicht der Konsens der Bürger, bestimmter Gruppen und Schichten konstituiert und garantiert das parlamentarische Regierungssystem, sondern nach dieser Äußerung ist die parlamentarische Demokratie ein Ergebnis der Überantwortung des Staates. Einmal angelangt bei der Wirkungseinheit von höchster Instanz versperrt sich Scheuner auch Fragestellungen, die sich gerade aus der von ihm zitierten christlichen Tradition im Hinblick auf das bonum commune ergeben. Diese christliche Tradition beschreibt Scheuner dahingehend: "Die Erfüllung menschlicher Aufgaben im Staate, seien es die des Regenten oder die des Bürgers, wird als eine sittliche Pflicht aufgefaßt. Politisches Handeln wird unter die Bindung sittlicher Schranken, unter die Pflicht zur Förderung des bonum commune gestellt. Erst mit der Erhebung des Volkes zum Souverän in Rousseaus Lehre, dem gegenüber nun keine solchen Bindungen bestehen, wird diese ethische Bindung des politischen Lebens aufgegeben und eine Entscheidungsgewalt jenseits der moralischen Maßstäbe konstituiert26." Hier wäre nach der Beziehung zwischen der Idee der Wirkungseinheit und der Idee der volonte generale zu fragen, es wäre das Problem zu behandeln, ob eine 24
H. Quaritsch, Staat und Souveränität, S. 35.
U. Scheuner, Das Wesen des Staates . .., S. 260, Hervorhebung vom Verfasser. 26 Ebd., S. 237. 25
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Einige Versuche zum Problem "Staat und Demokratie"
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politische Wirkungseinheit unter "die Bindung sittlicher Schranken" gestellt werden kann, ob eine Wirkungseinheit überhaupt handeln kann, und ob die Voraussetzungen des Handeins auch auf die Wirkungseinheit zutreffen, nämlich ob die Wirkungseinheit dieselben Qualitäten besitzen kann wie der Mensch; ob das, was auf die volonte generale und die Souveränität des Volkes zutrifft, nicht auch für die Wirkungseinheit Staat gilt, nämlich die Aufgabe ethischer Bindung. Karl Dietrich Bracher bemüht sich in seinem Aufsatz, "Staatsbegriff und Demokratie in Deutschland", um das Verhältnis zwischen Staatsbegriff und Demokratie. Er beschreibt die Debatte in den Sozialwissenschaften dahingehend, daß den "Auseinandersetzungen mit dem Verhältnis von Staat und Demokratie" 27 in Deutschland eine besondere Bedeutung zukomme. "Nur einmal, nach der Wende von 1945, geschah diese Unterordnung nicht eindeutig zugunsten des Staates und auf Kosten des Demokratiebegriffs28 . " Gemeint ist die Unterordnung der Demokratie unter das Staatsverständnis. Der traditionelle Staatsbegriff wird von ihm dahingehend qualifiziert : "Staat als ordnende Einheit, jenseits der Gesellschaft und politischer Gruppen29 !" Bracherstellt die historische und politische Situation dar, in welcher sich in Deutschland dieser Staatsbegriff entwickelte. Auch er sieht die Hauptursache in dem Mangel einer parlamentarischen-liberalen Tradition, in den innenpolitischen und außenpolitischen Bestrebungen des deutschen Bürgertums. Zur Kennzeichnung der Verhältnisse zitiert er Thomas Mann, der die Situation einmal auf die Formel gebracht hat: "General Dr. von Staat." Die Weimarer Zeit charakterisiert er dahingehend, daß die Staatslehre nicht demokratisch, ja undemokratisch geprägt war und in ihr die "Idee des Staates der Realität der Parteipolitik, parlamentarischer Regierung, pluralistischer Demokratie gegenübergestellt oder übergeordnet wurde" 30 • Weiterhin habe "ein teils formalistisches, teils im Verhältnis zum Herrschafts- und Staatsbegriff unsicheres Demokratieverständnis" die Bemühungen gehindert, "mit denen führende Köpfe der Sozial- und Staatswissenschaften den neuen Verhältnissen gerecht zu werden suchten" 31 • Bracher kommt zu der Auffassung, daß nach dem Grundgesetz "Demokratie, nicht der Staat zum Maßstab erhoben ist" 3~. Er wendet sich sowohl dagegen, "Staatstraditionalismus und Demokratiebekenntnis in einem Begriff zu verbinden" 33, als auch gegen die Wiederbelebung der deutschen Staatslehre, vor allem durch 27
K. D. Bracher, S. 1.
Ebenda. 29 Ebd., S. 4. so Ebd., S. 15. st Ebd., S. 17. 32 Ebd., S. 20. 33 Ebenda. 2s
1. Teil: Dilemmata des demokratischen "Staates"
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die Schüler Carl Schmitts. Wenn Bracher der Ansicht ist, daß der Staatsbegriff ein traditioneller Ausdruck eines undemokratischen Ordnungsmodells ist, so dürfte er den Begriff "Staat" eigentlich nicht mehr gebrauchen oder müßte ihn anders bestimmen. Bracher selbst gebraucht den Begriff aber mehrfach. Er wendet sich gegen den vorrevolutionären und undemokratischen Staatsbegriff, gegen die "Verewigung der Trennung von Staat und Gesellschaft, Staat und Demokratie"34 • Entscheidende Ansatzpunkte für eine "neuerliche Lösung des Staatsbegriffs vom Demokratieverständnis her" 35 sind aber in seinem Beitrag kaum zu finden. Ein anderes Verständnis wird lediglich indirekt angedeutet. "Gewiß wird Demokratie heute nicht mehr als unmittelbare Selbstregierung des Volkes durch das Volk praktiziert. Sie ist Staat insofern, als die Funktionsfähigkeit auch mit leistungsfähiger Regierung und Verwaltung verknüpft ist. Aber Demokratie ist im Unterschied zu anderen Systemen nicht zuerst von dieser Seite begründet, die in Deutschland lange im Vordergrund stand und alle negativen Erfahrungen überdauert hat. Gewiß ist der Begriff des Staatlichen nicht einfach im marxistischen Verständnis als eine Funktion des Ökonomischen zu fassen; aber nur noch als Funktion des vielschichtigeren demokratischen Prozesses ist er heute zu rechtfertigen. Lieber möchte man von Government sprechen, insofern dies Parlament und Regierung umfaßt38." In diesen Sätzen klingt vorsichtig an, daß Bracher Staat als "leistungsfähige Regierung und Verwaltung" verstehen möchte, als "Funktion des vielschichtigeren demokratischen Prozesses". Diese Bestimmungen jedoch sind überflüssig. Wenn unter Staat leistungsfähige Regierung und Verwaltung zu verstehen ist, kann man diesen Begriff auch fallen lassen und es bei Regierung und Verwaltung bewenden lassen. Versteht man unter Staat die Funktion eines Prozesses, ist es besser, diese verschiedenen Funktionen und Prozesse konkret zu beschreiben, statt sie abstrakt in dem traditionsbeladenen Substantiv "Staat" zusammenzuziehen. Unter diesen Aspekten bedarf C. J. Friedrichs Bemerkung, daß "in einem strengen Sinne in der Demokratie der Staat nicht existiert"37 einer näheren Untersuchung, zumindest ist die Aussage des Satzes von C. J. Friedrichs unter den Aspekten der Kritik Brachers konsequent. Diese Intention verfolgt Horst Ehmke38• Ausgehend von Otto Brunners Thesen, daß die Kategorien Staat und Gesellschaft für das Verständnis der mittelalterlichen Ordnung unbrauchbar sind, beschäftigt sich Ehmke damit, "den Brunner'schen Angriff in die andere Richtung 34
Ebd., S. 23.
as Ebd., S . 24. ae Ebd., S. 26. 37 C. J . Friedrich, Demokratie als Herrschafts- und Lebensform, Heidelberg
1959, s. 22. ss Horst Ehmke,
Staat und Gesellschaft, S. 23 ff.
2. Einige Versuche zum Problem "Staat und Demokratie"
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zu wenden, von dem geschichtlichen Verständnis her die dem Positivismus zugrundeliegende Trennung von Staat und Gesellschaft in Frage zu stellen"~. Mit der Trennung von Staat und Gesellschaft können nach Ehmke die "modernen Probleme der ,Staats- und Verfassungstheorie' (wie es bei uns in nachabsolutistischer Formulierung heißt), gedanklich nicht bewältigt werden"4o. Unter diesem Aspekt, der mehr als "Fragestellung" und "Stichwort" gemeint ist, beschäftigt sich Ehmke mit der Tradition der deutschen Staatslehre, der Vertragstheorie der älteren Staatslehre, der neueren Staatslehre, der Aufklärung, dem Idealismus und dem Rechtspositivismus. Unter pragmatischen Gesichtspunkten, geschult am angelsächsischen Denken, formuliert er die verfassungstheoretischen Schwierigkeiten hauptsächlich in folgender Weise: 1. "Die Grundschwierigkeit der begrifflichen Trennung von Staat und Gesellschaft" besteht nach Ehmke darin, "daß mit beiden Begriffen menschliche Verbände bezeichnet werden und daß es sich in der Gegenüberstellung von Staat und Gesellschaft praktisch gesehen um denselben Verband handelt" 41 . Ehmke macht dies deutlich am Beispiel des Wirtschafts- und Verfassungsrechts. Es hat nach Ehmke keinen Sinn davon zu sprechen, der Staat interveniere in die Gesellschaft bzw. in die Wirtschaft. Die verblüffende Feststellung, daß wir ja nicht in uns selbst intervenieren können, ist bisher den Vertretern der Staatsrechts- oder der Staatslehre kaum eingefallen. Ehmke weist auch darauf hin, daß man diese Schwierigkeit nicht dadurch umgehen könne, unter Staat nur den "staatlichen Apparat" zu verstehen, also den engeren Staatsbegriff zu verwenden. "Damit schwebt aber die ,Staats'-Angehörigkeit ebenso in der Luft wie etwa die ,Staats'-Verfassung, die beide nicht auf einen Apparat, sondern auf einen Verband bezogen sind (und zwar auf einen politischen Verband, während die Gesellschaft gerade als unpolitisch, als privat gedacht wird)42 ." Einen weiteren Konflikt, den das Denken im Gegensatzpaar Staat-Gesellschaft heraufbeschwört, sieht Ehmke in der Gegenüberstellung zwischen dem "Pluralismus sozialer und wirtschaftlicher Gruppen" und der Souveränität der juristischen Person Staat. Der Konflikt besteht nach Ehmke darin, daß dieser Pluralismus als "Attentat auf die Souveränität des Staates, als Auflösungs-Symptom erscheinen muß" 4s. 2. Ein entscheidendes verfassungstheoretisches Problem ergibt sich nach Ehmke durch die Aufgabe der politischen Parteien in der kon39
Ebd.,
s. 24.
Ebenda. 41 Ebenda. 4.2 Ebd., S. 25. 43 Ebd., S. 42. 40
1. Teil: Dilemmata des demokratischen "Staates"
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stitutionellen Demokratie. "In unserer Staatstheorie war man es sehr gewohnt, in Monarchie, Heer und Beamtenapparat die eigentliche "Substanz" des Staates zu sehen, daß man zu den Parteien kein rechtes oder überhaupt nur ein negatives Verhältnis gefunden hat44 ." Heute dagegen seien die Parteien wesentliches Element des politischen Integrationsprozesses. Sie haben die Aufgabe "unter Einschmelzung und Ausgleich spezieller Interessen, Vorstellungen für die Ordnung und Politik des ganzen Gemeinwesens zu entwickeln". Ehmke stellt den Thesen des einheitlichen Staatswillens die Ansicht gegenüber, daß "primär nicht in der Exekutive, sondern in starken und verantwortlichen politischen Parteien der Schlüssel zur Lösung der Frage von Pluralismus und politischer Einheit" 45 liegt. Am Schluß seines Aufsatzes schlägt Ehmke vor, die Begriffe Staat und Gesellschaft durch die Worte "government" und "politisches Gemeinwesen"46 zu ersetzen. Sein Aufsatz enthält eine Menge von Gedanken und Anregungen. Ihnen muß im Laufe der Arbeit noch genauer nachgegangen werden. Die Ordnungskategorie "Staat" ist in unserer Gesellschaft so fest verankert, daß die Argumentation Ehmkes vertieft und modifiziert werden muß. Indes reicht ein Wechsel der Begriffe nicht aus. Sogar Ehmke selbst scheint der Konsequenz seiner Argumentation zu mißtrauen. "Verwickelt uns die Gegenüberstellung von Staat und Gesellschaft einerseits in unlösbare Widersprüche, so ist es andererseits für die politische Freiheit offensichtlich eine lebensgefährliche Sache, den Dualismus von Staat und Gesellschaft einfach zur "liberalen Ideologie" 47 zu erklären. Lebensgefährlich ist es immer. irgendeine Sache einfach zu irgendeiner oder auch liberalen Ideologie zu erklären. Aber das hat Ehmke offensichtlich nicht gemeint. Zu fragen ist, ob die Gegenüberstellung zum Staat, der als höchstes Herrschaftssubjekt verstanden wurde, nicht gerade politische Freiheit einschränkt. Denn es ist eine Gegenüberstellung zu "Herrschaft" und politischer Aktivität. Das unglückliche Verhältnis der Deutschen zu politischer Macht und Herrschaft, das sich in politischer Abstinenz oder in ideologischem Aktivismus zeigt, kann gerade Folge und Ausdruck dieser liberalen Ideologie sein. Im Verlauf der vorgenommenen Untersuchung ist folgendes in groben Umrissen deutlich geworden: 1. Der Staat bedeutet für eine bestimmte Art des Ordnungsdenkens causa causans zu Fragen von Recht, Ordnung, Gesellschaft und Herrschaft. 44 45
46 47
Ebd., Ebd., Ebd., Ebd.,
S. 46. S. 47. S. 46. S. 25.
2. Einige Versuche zum Problem "Staat und Demokratie"
33
2. Diese Vorstellung kann mit bestimmten demokratischen Ordnungsmodellen kollidieren. 3. Staat und Gesellschaft bestehen letztlich aus denselben Menschen. Insofern führt der Dualismus Staat und Gesellschaft zu Widersprüchen. 4. Der Versuch fast aller Autoren, den obrigkeitlichen Charakter des traditionellen Staatsbegriffs zu überwinden oder im Gegensatz zum staatsrechtlichen Positivismus Philosophie, Ethik und Anthropologie bzw. Demokratieverständnis in das Zentrum politischer Ordnungs~ lehre zu rücken, scheitert, weil am Staatsbegriff festgehalten wird.
Zweiter Teil
Das handelnde Subjekt "Staat" 1. Das Bild des Staates
Georg Jellinek, einer der einflußreichsten und hervorragendsten Vertreter der Staatslehre, beginnt das 3. Kapitel seiner "Allgemeinen Staatslehre" mit den Sätzen: "Die Staatslehre zählt zu den ältesten wissenschaftlichen Disziplinen. Sie bildete bereits einen höchst bedeutsamen, wohlentwickelten Zweig der hellenistischen Wissenschaft1." Diese Charakterisierung der klassischen Politik stimmt nicht. Erst ab Mitte des 18. Jahrhunderts entstand eine Wissenschaft, die sich ausdrücklich als Staatswissenschaft, Staatsphilosophie, Staatsrecht und Staatslehre verstand. Dies ist ein- wenn auch schwaches - Indiz dafür, daß die Wissenschaft vom "Staat" eine moderne Disziplin ist, die mit dem Heraufkommen der Aufklärung entstanden ist. Jellineks Ansicht ließe sich nur aufrecht erhalten, wenn die Begriffe Staat und Polis identisch wären und Identisches beinhalten würden. Die episteme politike Platos und Aristoteles' wird in der Staatslehre auch heute noch allgemein als "Staatslehre" bezeichnet. Ein Beispiel dafür ist die dogmengeschichtliche Darstellung von Ulrich Häfelin: "Die Rechtspersönlichkeit des Staates". In Anlehnung an die deutsche Staatslehre charakterisiert er die "Staatslehren der Griechen" mit den Worten: "Die griechische Philosophie wandte der Betrachtung des Staates ein sehr großes Interesse zu. Das eigentliche Anliegen des griechischen Staatsdenkens war dabei stets die ethisch-politische Erfassung des Staates, insbesondere das Problem des Idealstaates und nicht die theoretische Formulierung eines Staatsbegrüfs. Es ist zu beachten, daß die Griechen nicht von einer abstrakten Vorstellung des Staates ausgingen, sich nicht um eine allgemeingültige Umschreibung des StaatsbegrUfs bemühten, sondern stets ihre Polis vor Augen hatten. Nie erblickten sie im Staate etwas anderes als die Gesamtheit der Bürger. Sie sprachen nicht abstrakt vom Staat an sich, sondern immer von den sichtbaren Beziehungen zwischen den handelnden Menschen. Es lag darum dem griechischen Denken fern, eine besondere Staatspersönlicht G. J-ellinek, Allgemeine Staatslehre, SBad Hornburg v. d. Höhe, Berlin, Zürich, fünfter Nachdruck des fünften Neudrucks (1966), S. 53.
1. Das Bild des Staates
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keit hinter den Bürgern anzunehmen2 ." Gegenstand der Staatslehre ist aber der Staat. Gegenstand der klassischen Politik ist nicht der Staat. Selbst J ellinek analysiert dies einigermaßen treffend dahingehend, daß die "ethischen Probleme an Interesse bald alle übrigen überragen und schließlich zurückdrängen", und daß die "Forschung zuerst Grundsätze für das politische Handeln zu gewinnen" suchte3 • Wenn aber weder Name noch Inhalt einer Wissenschaft sich ähnlich sind, wenn der Gegenstand des Fragens und Forschens anderer Natur ist, dann kann man von einer Staatslehre bei Aristoteles und Plato nicht sprechen. Dasselbe gilt für die sog. "Staatslehren des Mittelalters". Ulrich Häfelin schreibt dazu: "Im mittelalterlichen Schrifttum finden sich vielfach Formulierungen, die den Staat als Verband umschreiben. So nannte man den Staat, den man meist ausdrücklich mit dem Volk identifizierte, ein ,corpus', ,totum corpus', ,corpus universitatis' oder gar ,corpus morale et politicum'4 ." In seiner Anmerkung aber kommt man der begrifflichen Verzerrung auf die Spur. J ohann von Salisbury, der angeblich den "Staat" corpus nannte, wird folgendermaßen zitiert: "Est autem res publica .. . corpus quoddam quod divini muneris beneficio animatur, et summae aequitatis agitur nutu ...5 ." Exakt Wäre es gewesen, nachzuweisen, Staat und res publica seien denselben Inhalt vermittelnde Begriffe. J. v. Salisbury nannte die res publica, nicht den Staat "corpus". Erst im 18. und 19. Jahrhundert werden die verschiedenen Bedeutungen des Begriffes Staat entwickelt, die heute sowohl in der Umgangssprache als auch in der Staatslehre gebraucht werden. Wir kennen heute den Begriff Staat in den verschiedensten Kombinationen mit Substantiven oder Attributen. Man spricht von Rechtsstaat, Gesetzgebungsstaat, Sozialstaat, Justizstaat, stellt demokratischen und totalitären Staat gegenüber; es gibt Staatsapparate, eine Staatsverfassung, Staatsorgane, die Staatsgewalt, schließlich sogar ein Staatsbewußtsein und den Gottesstaat. Wenn vom totalitären Staat die Rede ist, dann ist damit gemeint, daß die politische Herrschaft in einer Gesellschaft oder in einem Land totalitär ausgeübt wird. In der Verbindung Gesetzgebungs-, Justiz- und Verwaltungsstaat soll ausgedrückt werden, es herrsche in den betreffenden politischen Organisationen ein Übergewicht der legislativen, judikativen oder exekutiven Gewalt; im Begriff des Rechtsstaates kommt die möglichst große Kontrolle der öffentlichen Gewalt durch die judikative Gewalt in Form einer weitgefächerten Klagemöglichkeit der Bürger zum Ausdruck. Zwar kann 2 U. Häfetin, Die Rechtspersönlichkeit des Staates, I. Teil: Dogmengeschichtliche Darstellung, Tübingen 1959, S. 5. 3 G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 54. 4 U. Häfelin, Die Rechtspersönlichkeit ..., S. 13. & Ebd., S. 13 Anm. 75.
3•
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2. Teil: Das handelnde Subjekt "Staat"
"Staat" mit Herrschaft nicht gleichgesetzt werden, gleichwohl steht das Wort Staat in einer besonderen Beziehung zur Herrschaft. Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist das Staatsverständnis, das ab Mitte des vorigen Jahrhunderts in der deutschen Staatslehre bzw. dem deutschen Staatsrecht entwickelt wurde. Eine vollständige Übersicht über die verschiedensten Inhalte und Bedeutungen des Wortes oder Begriffes Staat kann hier nicht gegeben werden. Die Übersicht muß sich auf die Hauptlinien in der Lehre vom Staat beschränken. In den meisten Staatsrechtslehren beginnen die Anfangskapitel mit einer Übersicht über die verschiedenen Anschauungen über den Staat nach dem Motto: Der Staat als Organismus, der Staat als Rechtsverhältnis, der Staat als Apparat usw. Auf Grund der Verwendung des Wortes "als" wissen wir noch nicht, was Staat heißt, was man unter Staat versteht und was als Rechtsperson, Organismus oder Instrument der herrschenden Klasse bezeichnet wird. Die Verwendung des Wortes "als" bedeutet nicht eine Erklärung für das ursprüngliche bzw. allgemeine Verständnis des Wortes, sondern soll den spezifischen Charakter, das Wesen oder das "Sein" des Staates knapp zusammenfassen. Ohne die qualifizierenden und charakterisierenden Bezeichnungen wie Rechtssubjekt usw. steht das Wort Staat in folgenden Bedeutungsgefügen: Soziales Gebilde, also Gebilde (z. B. F. Meinecke: "Der Staat ist ein individuelles Gebilde mit eigentümlicher Lebensidee, in dem die allgemeinen Gesetze derart modifiziert werden ...6 . "), Gemeinwesen (z. B. E. Kern: "Der Begriff Staat ist kein Normalbegriff der politischen Organisationsform alter Zeiten und Völker. Er kann im eindeutigen Sinn des Wortes nur zur Bezeichnung des modernen Gemeinwesens herangezogen werden, wie es sich seit der Renaissance und der Reformation auf der Grundlage der Souveränität der öffentlichen Gewalt entwickelt hat7."; C. F . Gerber: "Der Staat ist ein Gemeinwesen, welches . ..8 ."), menschlicher Verband, irgendwie geartete Vereinigung oder Verbindung, organisierter menschlicher Zusammenschluß oder politische Organisation schlechthin. Quaritsch beschreibt dieses Staatsverständnis mit den Worten "überfamiliäre Wirkungseinheit"9. Jellinek bringt dieses Verständnis vom Staat in seiner "Allgemeinen Staatslehre" schon auf Seite 1 zum Ausdruck. Er teilt die "Erscheinun6 F. Meinecke, Die Idee der Staatsräson in der neueren Geschichte, hrsg. und eingeleitet von Walter Hofer, München 1957, S. 1. 7 E. Kern, Moderner Staat und Staatsbegriff. Eine Untersuchung über die Grundlagen und die Entwicklung des kontinentaleuropäischen Staates, Harnburg 1949, S. 51. 8 C. F. von Gerber, Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrechts, 2Leipzig 1869, S. 219 (Beila2e). s H. Quaritsch, Staat und Souveränität, S. 20.
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gen des menschlichen Gesellschaftslebens" in 2 Klassen, nämlich "in solche, in denen ein einheitlicher, sie leitender Wille wesentlich ist, und in solche, die ohne eine aus ihnen hervorgehende Willensorganisation existieren oder existieren können" 10 • Die für ihn "wichtigste, auf menschlicher Willensorganisation beruhende soziale Erscheinung aber ist der Staat" 11 • Diese Bestimmung des Staates allgemeiner Art erlaubt es Jellinek auch über den Staat der Griechen und Römer zu sprechen, unabhängig von seiner Wesensbestimmung, insbesondere seiner eigenen Theorie über das "wahre Sein" des Staates. Das Wortverständnis von Staat im Sinne von menschlicher Vereinigung, Gesellschaft, Gemeinschaft und Verband ist allgemein und wird universell gebraucht. Universell, weil man auf diese Weise vom tyrannischen oder republikanischen bzw. monarchistischen oder konservativen oder totalitären Staat sprechen kann. Vom Staat der Römer, Griechen, Perser, Juden ebenso wie vom Staat des Mittelalters wie der Neuzeit. Es soll damit ausgedrückt werden, daß es menschliche Gemeinschaften gibt, mit der Fähigkeit gemeinsamen Handeins nach außen und einer mehr oder weniger institutionalisierten Herrschaft nach innen. Diese Bestimmung erlaubt es weiterhin, polis, res publica, civitas oder imperium als Staat zu bezeichnen, sie geht so weit, daß sogar das Werk des Philosophen und Kirchenvaters Augustinus - "De civitate dei" - mit "Gottesstaat" übersetzt wird. P. Badura, der sich in seinem Werk, "Methoden der neueren allgemeinen Staatslehre", intensiv mit der neueren Staatslehre beschäftigt hat, unterscheidet zwei Wortbedeutungen und Hauptlinien: "Gewöhnlich wird mit Staat äquivok sowohl der damit gemeinte herrschaftlich organisierte Verband der dem Staat angehörenden und in ihm auf einem bestimmten Territorium zusammengefaßten Menschen, als auch nur die eigentliche Herrschaftsorganisation bezeichnet. Das hat der Klarheit halber zu einer Unterscheidung eines Staatsbegriffes im weiteren und engeren Sinne oder eines genossenschaftlichen und eines herrschaftlichen Staatsbegriffes Anlaß gegeben12 . " Die Adjektive genossenschaftlich und herrschaftlich, die Badura in Bezugnahme auf Vierkandt erwähnt, sind nicht präzise genug. Der Ausdruck genossenschaftliCh indiziert eine zu nahe Anlehnung an Gierke. Der Staatsbegriff im weiteren Sinne ist schon im 18. Jahrhundert gebraucht worden. Auch verwendet z. B. Kant den Begriff civitas äquivok für Staat13. G. JelHnek, Allgemeine Staatslehre, S. 3. Ebd., S. 4. P. BaduTa, Die Methoden der neueren Allgemeinen Staatslehre, Erlangen 1959, s. 99. 13 I. Kant, Metaphysik der Sitten, Werke in 12 Bänden, Hrsg. W. Weischedel, Bd. VIII, S. 431 (§ 45); vgl. hierzu M. Riedel, "Der Begriff der ,bürgerlichen Gesellschaft' und das Problem seines geschichtlichen Ursprungs", in: M. Riedel, Studien zu Hegels Rechtsphilosophie, !Frankfurt 1970, S. 140- 144. 1o 11 12
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2. Teil: Das handelnde Subjekt "Staat"
"Herrschaftlich" meint ein Verständnis von Staat in institutionellem Sinne, der Staat als Verwaltungs- und Beamtenapparat eines Machthabers, eines Fürsten bzw. einer bestimmten Schicht oder der Gesellschaft. Es handelt sich hier um den Anstaltsbegriff des Staates, wie er im 17. und 18. Jahrhundert vorherrschend war. Das instrumentale, herrschaftliche oder engere Staatsverständnis ist auch in der These von Marx enthalten, der Staat sei das Instrument der herrschenden Klassea. In jüngster Zeit vertritt Roman Herzog den institutionellen Staatsbegriff. Er versucht dieses Staatsverständnis mit einer demokratischen, gesellschaftlich orientierten Verfassungstheorie in Übereinstimmung zu bringen, und spricht vom "Verständnis des Staates als Staatsapparat"15 und als "System von Organschaften" 16• Zusammenfassend ist zu sagen, daß es zwei Bedeutungslinien allgemeiner Art gibt: eine, innerhalb deren "Staat" im Sinne von Verband und der damit korrespondierenden Wortfelder und eine, innerhalb deren "Staat" im Sinne von Apparat bzw. Gesamtinstitution verstanden wird. Der Staatsbegriff ist also zunächst vieldeutig. Aber die Wortbedeutung im ersteren Sinne (bezogen auf Gemeinschaft, Gesellschaft und Verband) ist, was durch die Reden vom Dualismus zwischen Staat und Gesellschaft verdeckt wird, vorherrschend in der Staatslehre. Das "Bild" des Staates wird anschaulich durch zwei Schaubilder in der 1968 erschienenen Staatslehre von E. Stein dargestellt17 (s. Schaubild I und II im Anhang dieser Arbeit, S. 167). Beide Abbildungen sind unter der Überschrift "Die Wirklichkeit des Staates" abgedruckt. Die Bezeichnung der Abbildung 1, "Staat als Machtpyramide", darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß der weitere Staatsbegriff verwendet wurde, da Bevölkerung, "Staatsführung" und ,.Staatsunterbau" als Teil eines einheitlichen Gebildes, nämlich des Staates bezeichnet werden. Die Abbildung 2 - "Staat als organisierte Gesellschaft" - soll dem demokratischen Herrschaftsprinzip graphisch gerecht werden. Beide Abbildungen weisen schon auf das entscheidende Merkmal des Unternehmens "Staatslehre" hin: In der Vorstellung eines Gebildes oder einer Erscheinung (Jellinek) tatsächlicher oder geistiger, subjektiver oder objektiver Art, Bevölkerung, Institutionen und Herrschaft, Recht und Macht zu vereinigen und dies in einem einheitlichen Begriff (Staat) systembildend und axiomatisch zu artikulieren. a K. Marx, "Kritik der Hegeischen Staatsphilosophie", eingeleitet und herausgegeben von Siegfried Landshut, in: Die Frühschriften, Stuttgart 1933, S. 21 ff.; Deutsche Ideologie, in: Marx/Engels, Werke, Berlin (0), Bd. 3, S. 33 ff.; Zweiter Entwurf zum Bürgerkrieg in Frankreich, in: Werke, Bd.17, S.593. 15 R. Herzog, Allgemeine Staatslehre, Bd. 1, Frankfurt 1971, S. 146. 16 Ebd., S. 102. 17 E. Stein, Lehrbuch des Staatsrechts, Tübingen 1961, S. 1 - 2, siehe Anlage, Schaubilder, S. 167.
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Bevor wir uns den verschiedenen Definitionen des Staates zuwenden, wollen wir jedoch noch einmal auf die Geschichte des Wortes Staat eingehen. A. 0. Meyer, Wolfgang Mager und Paul L. Weinacht haben die Geschichte des Wortes Staat ausführlich bearbeitet18• Die Bedeutungsgeschichte des Wortes Staat ist eindringlich in der diachronisch und synchronisch angelegten Tabelle P. L. Wernachts zu erkennen (s. "Tabelle Weinacht" im Anhang dieser Arbeit, S.168). Aus der Untersuchung Weinachts geht hervor, daß der heutige Be-
griff "Staat" im Mittelalter nicht gebraucht wurde, daß die Verwen-
dung des lateinischen Wortes "status" und des deutschen Wortes "stat" mit unserem heutigen Begriffsverständnis nichts gemein hat. Der Wortgebrauch von stat undstatusist ziemlich gleich. "Bis zu Beginn der Neuzeit bleibt das lateinische Wort wegweisend für den Gebrauch der vulgär-sprachlichen Derivate19." Ausgangspunkt der Entwicklung ist das lateinische Wort status. "Die Geschichte des Wortes Staat im Deutschen beginnt in den Hansestädten. Nd. ,staet' erscheint seit 1338 in Rats- und Kaufmannsbriefen und bezieht sich hier auf einen Rechtszustand, der vertraglich besteht oder kriegerisch aufgehoben ist (Staat 1). Noch im 14. Jahrhundert dringt das Wort (auch zunächst im Niederdeutschen) in die ständische Sphäre ein und nimmt hier - innerhalb der Reihe status, dignitas, praeeminentia, conditio - den Platz von status ein20." Ende des 15. Jahrhunderts beginnt bereits die Entwicklung der institutionellen Bedeutung des Wortes im Sinne von "stat, der verwaltet und angeordnet wird". Mitte des 16. Jahrhunderts ist "stat" das Budget der Fürsten, wird gebraucht im Sinne von "personellem und sachlichem Aufwand des Fürsten"21• In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ist die anstaltliehe Variante des Wortes voll durchgebildet. Unter Staat versteht man den "Verwaltungsapparat des Fürsten"!!. Weinacht betont im Gegensatz zu A. 0. Meyer die Tradition der gesellschaftlichen Variante der Wortbedeutung. Im 15. und 16. Jahrhundert bildet "Staat in Beziehung auf bestimmte Sozialkreise: Haus, Stand, Truppen, eine konkrete gesellschaftliche Bedeutung aus"23• Weinacht ist der Ansicht, daß unter dem Einfluß der Naturrechtslehre "Staat" zum "Ausdruck für die vertraglich geeinte, unter einem Regiment stehende Gesellschaft" wird, 1s A. 0 . Meyer, "Zur Geschichte des Wortes Staat", in: Die Welt als Geschichte, 10. Jg. (1950), S. 229; W. Mager, "Zur Entstehung des modernen Staatsbegriffs", in: Mainzer Akademie der Wissenschaft und Literatur, Abhdlg. der Geistes- und Sozialwissen, kl. Jg. 1968, Nr. 9, S. 395; P. L. Weinacht; Susannne Hauser, Untersuchungen zum semantischen Feld der Staatsbegriffe von der Zeit Dantes bis zu Machiavelli, (Diss.) Zürich 1967. 19 20 21 22 23
P. L. Weinacht, S . 70. Ebd., s. 234.
Ebenda. · Ebenda. Ebd., S. 237.
2. Teil: Das handelnde Subjekt "Staat"
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ja das Wort folge dem "gleichzeitig stattfindenden Wandel des Gesellschaftsbegriffes und steht bald für die Gesamtgesellschaft eines Landes (Untertanen), bald für deren politisch relevanten Teil (societas civilis im älteren Sinne), bald für die menschliche Gesellschaft überhaupt, in welch letzterer Bedeutung es sich der Vorstellung ,Kultur', ,Zivilisation' nähert"%4 • Der Begriff erfahre eine "positive Bewertung" als "Frucht der Philosophie des 18. und 19. Jahrhunderts". Staat werde so zum "Abstraktum und Wertbegriff" 25• Allerdings spiele "sich diese Wertsteigerung auf der Ebene der bürgerlichen Gelehrsamkeit ab, die volkstümliche Sprache bleibt davon unberührt und bewahrt ihre kritische Distanz"H. Aber gerade die Juristen der bürgerlichen Bildungsgesellschaft werden im Verlaufe des zweiten Teiles des 19. Jahrhunderts zu den führenden Herrschaftstheoretikern. Im 18. Jahrhundert entstand das "Staatsrecht" und im 19. Jahrhundert die "Allgemeine Staatslehre". Die Staatslehre des 19. Jahrhunderts wird in die ältere konstitutionelle Staatslehre und in die neuere Staats- bzw. Staatsrechtslehre unterteilt. Die Vertreter der älteren Lehre zerfallen in einen monarchischen und einen liberalen Flügel. Sie stehen noch unter dem unmittelbaren Eindruck der Philosophie des deutschen Idealismus und berufen sich auf diese. Für sie ist "Staat" das Ganze, das soziale Ganze, das Reich oder die Ordnung als objektiv gesetzte Idee. Stahl, Zöpfl und Held gelten als monarchisch. Mohl und Bähr als liberal. Für Mohl, Bluntschli und H. Schulz wird das "Ganze" ausgedrückt in der Idee des Organismust7 • In dieser Staatslehre ist das technisch-juristische Denken noch nicht dominant, ein einheitlicher systembildender Staatsbegriff wird noch nicht gebildet. In ihr sind jedoch die Richtungen, Grundlagen und Tendenzen enthalten. die zur Bildung des einheitlichen Staatsbegriffes unter der Herrschaft der Wissenschaftsmethode des Positivismus führten. Unter der positivistisch orientierten Staatslehre kommt es zu einer einheitlichen Konvention des Staatsbegriffes, zu einer begrifflich durchgebildeten Konstruktion von allgemeiner Anerkennung. Selbst die Vertreter der Staatslehre, die wiederum unter dem Einfluß philosophischer Strömungen (Dilthey, Rickert) am Ende der Wilhelminischen Ära den Positivismus bekämpften, richteten sich nach den Begriffsbildungen und Definitionen des positivistischen Systemdenkens. Die Begriffsbestimmung des Staates änderte sich nicht, nur Methode und Weg zu dem Ergebnis sind verschiedener Art. Die sog. "historische Methode"%8 Ebd., S. 238. Ebd., S . 241. Ebenda. Siehe U. Häfelin, S. 73 ff.; H. Ehmke, S. 36; U. Scheuner, Das Wesen des Staates, S. 231 ff. 28 Siehe P. Badura, S. 124. M 2s 26 27
1.
Das Bild des Staates
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Richard Schmidts knüpft an die historische Rechtsschule Savignys an. Otto von Gierke steht als Schüler Beselers direkt unter dem Einfluß der historischen Schule. Hans Helfritz hat wiederum Gierkes Grundlagen in seiner Staatslehre übernommen. Selbst die rein juristische Methode Gerbers und Labands ist, wie Walter Wilhelm29 nachgewiesen hat, das Produkt der historischen Rechtsschulc. Kelsens reine Rechtslehre wiederum ist ohne den Neukantianismus der Marburger Schule nicht denkbar. Die sog. soziologischen Methoden zerfallen in verschiedenste Richtungen. Die empirisch-psychologische Methode Simmels wird von Kelsen angegriffen. An Max Weber ausgerichtet sind die Staatslehren Oppenheimers und Jerusalems. Der Einfluß Heinrich Rickerts ist bei diesen Richtungen spürbar. Hans Freycr bezieht sich in seiner Monographie, "Der Staat" 30 , direkt auf Regel. Die "soziologische Staatsidee" 31 in Form eines kausalwissenschaftlichen Monismus (Comte) ist von Ludwig Gumplowicz32 in die deutsche Staatslehre eingeführt worden. Ottmar Spann bekämpfte die kausal-wissenschaftliche Methode in der Gesellschafts- und Geisteswissenschaft. Die Methode Smends wird als Integrationslehre bezeichnet. Auch er wendet sich gegen den Positivismus in Anlehnung an Litt und Dilthey. In Auseinandersetzung mit dem Rechtspositivismus stehen sowohl Heller mit seiner dialektisch-gesellschaftlichen Methode und Carl Schmitt mit seinem politischen Dezisionismus. Einen von dem staatsrechtlichen Positivismus unterschiedenen Staatsbegriff haben die verschiedensten Vertreter der Staatslehre in der Spät-wilhelminischen und Weimarer Zeit nicht entwickelt. Für unser Thema sind die verschiedenen neueren Methoden der neueren Staatslehre bzw. des Staatsrechts primär nicht relevant. Entscheidend ist, was man unter Staat versteht, wie man Staat näher charakterisiert und spezifiziert, wie Staat definiert wird. Die wesentlichen Bestimmungen des Staates in der neueren Staatslehre sind: Staat als Organismus, Staat als Rechtspersönlichkeit (Gerber, Laband, Jellinek und Nachfolger), Staat als Rechtsverhältnis (Krabbe, Löening), Staat als reale Verbandspersönlichkeit (v. Gierke), Staat als Lebensform bzw. Organismus (Kjellen), Staat als Rechtsordnung bzw. Personifikation der Rechtsordnung (Kelsen), Staat als Einheitsgefüge (Smend), 29 W. WiLhetm, Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert. Die Herkunft der Methode Faul Labands aus den Privatrechtswissenschaften, Frankfurt 1958. ao H. Freyer, Der Staat, 2Leipzig 1926.
a1 S. P. Badura, S. 182.
32 L. Gumptowicz, Allgemeines Staatsrecht, 3Jnnsbruck 1907.
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2. Teil: Das handelnde Subjekt "Staat"
Staat als Entscheidungseinheit (Heller), Staat als organisierte Gesellschaft (Herzog), Staat als Gemeinschaft existentieller Verbundenheit (Krüger). Im Rahmen der politischen Theorie interessieren uns andere Einteilungskriterien. Das wesentliche Interesse gilt dem Verständnis vom Staat als handelndem Subjekt. Es interessiert im Rahmen der politischen Theorie deshalb, weil- wie es Jellinek ausdrückt- "das Individuum Grundlage aller sozialen Erscheinungen" ist33• Unter diesem Aspekt muß eine Ordnungslehre, in welcher neben dem Menschen ein anderes handelndes Subjekt namens "Staat" nicht nur auftritt, sondern zum Hauptakteur erklärt wird, merkwürdig erscheinen. Die Lehre vom Staat als Subjekt, als handelndem Wesen, ist am reinsten ausgebildet in der Lehre von der Rechtspersönlichkeit des Staates. Dieses Dogma ist verknüpft mit dem staatsrechtlichen Positivismus, der seit 1880 dominierenden Methode in den Staatswissenschaften. Aber auch diejenigen, die während der Weimarer Republik diese Wissenschaftsmethode bekämpften, wie z. B. Smend oder Heller, haben ein Verständnis von Staat, in welchem die Vorstellung eines handelnden Subjektes enthalten ist. Indem nämlich das "Einheitsgefüge" Smends (Staat als Integration) und die "organisierte Wirkungseinheit" Hellers die Fähigkeit nicht abgeleiteter ursprünglicher Herrschaft besitzen, wird das Einheitsgefüge zu einer "Einheit", die organisierte Gesellschaft zu einem Subjekt, werden aus Beziehungsgefügen und gesellschaftlichen Kräften (geschlossene) "Persönlichkeiten", anbetrachts dessen die Definition "juristische Person" nur ein Wechsel des Vokabulars bedeutet. Selbst Kelsen, für den der "Staat" mit der Rechtsordnung identisch ist, für den Staat "Systemeinheit" und "Zurechnungspunkt" 34 darstellt, muß unter dem Aspekt "dynamischer Betrachtung"35 Staat als "Subjekt des Staatsaktes"36, als "acting person" 37, als das "Rechtssubjekt schlechthin" 38 bezeichnen. G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 29. H. Kelsen, Der soziologische und der juristische Staatsbegriff. Kritische Untersuchung des Verhältnisses von Staat und Recht, Neudruck der 2. Auflage von 1928, Aalen 1962, S. 114 ff., S. 133 ff., 242, 244; Allgemeine Staatslehre, Bad Hornburg v. d. H., Berlin, Zürich 1966, Nachdruck der ersten Auflage von 1925, S. 66 ff., S. 108. 35 H. Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre entwickelt aus der Lehre vom Rechtssatz, 2Tübingen 1923, S. XII; General Theory of law and State (Twentieth Century Legal Philosophy Series, edicated by Harvard University Press), Bd. 1, Cambridge 1947, S. 110 ff.; Staatslehre, S. VIII; Staatsbegriff, S. 94 f.; Reine Rechtslehre. Einleitung in die rechtswissenschaftliche Problematik, Leipzig/Wien 1934, S. 120. 3& H. Kelsen, "Das Wesen des Staates", in: Int. Z. f. Th. d. R., Jg.1 (1926/27), S. 10; Rechtslehre, S. 120. 37 H. Kelsen, General Theory, S. 194, 197, 264, 351. 38 H. Kelsen, Das Problem der Souveränität und die Theorie des Völkerrechts. Beitrag zu einer reinen Rechtslehre, Tübingen 1928, S. 147 Anm. 2. 33 34
2. Die Lehre von der Rechtspersönlichkeit des Staates
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Die herrschende Lehre begreift seit der Bismarck'schen Reichsgründung "Staat als Rechtsperson" 39• Dieses Dogma korrespondiert mit den verschiedensten Methoden, Ideologien und theoretischen Positionen und hat nach 1945 an Gültigkeit nichts eingebüßt. Herbert Krüger lehnt es zwar ab, indem er aber Gesetzgebung und Verwaltung unter dem Kapitel "Aktivität des Staates"40 behandelt, "Staat" als "Schützer der Gesellschaft" 41 bezeichnet und das ganze 3. Buch seines umfassenden Werkes unter die Überschrift "Tätigkeit des Staates" stellt, ist auch bei ihm Staat ein handelndes Subjekt. Konsequent ist die Kritik Ernst von Hippels an der Tradition der Staatsrechtslehre, weil seine Kritik verbunden ist mit einer kritischen Auseinandersetzung mit der Aufklärung und dem Idealismus42 • Die meisten Gelehrten, die schon vor 1945 ihre wissenschaftliche Ausbildung erhielten (Laun, Nawiasky, Maunz)43 , betrachten den Staat als juristische Person. Das gleiche gilt für die jüngere Generation (E. Küchenhoff, Stein, Herzog). Einige sehen, ausgehend von H. J. Wolff und Kelsen, in der Lehre von der juristischen Person lediglich einen rechtstechnischen Vorteil44 • Im öffentlichen Recht hat sich diese Theorie jedoch nicht durchgesetzt. Die Theorie von der R_echtspersönlichkeit einer Handlungseinheit ist systematisch von C. F. von Gerber in Anlehnung an Albrecht im vorigen Jahrhundert durchgearbeitet worden. Laband hat ihr via seines "Staatsrechtes des deutschen Reiches" offiziellen Rang verschafft. Bei Georg J ellinek erfährt diese Theorie ihren Höhepunkt in dogmatischer Durchgestaltung. Daher stehen im Zentrum der folgenden Materialanalyse die Werke von Gerber und Jellinek.
2. Die Lehre von der Rechtspersönlichkeit des Staates bei Gerber und Jellinek a) Die Voraussetzungen der formal-juristlsdlen Methode Gerbers und Labands Die Bedeutung der These von der Rechtspersönlichkeit des Staates erläutert Gerber selbst folgendermaßen: "In der Persönlichkeit des 39 Indes ist dieses Dogma nicht nur auf Deutschland beschränkt und ist vor allem in Frankreich und Italien dominant; vgl. U. Häfelin, S. 1, 215- 294,
296 ff. 40
H. Krüger, S. 621 ff.
Ebd., S. 541. 42 E. v. Hippel, Allgemeine Staatslehre, 2Köln 1967, S. 59 ff. 43 R. Laun, Studienbehelf zur Allgemeinen Staatslehre, 'Hamburg 1947, S. 20, S. 44 ff.; Th. Maunz, Deutsches Staatsrecht, BMünchen 1964, § 25 I; H. Nawiasky, Allgemeine Staatslehre, I. Teil, EinsiedelnlK.öln 1945, S. 49 ff., 41
151 ff.
44 H. J. Wolff, Organschaft und juristische Person, Bd. I: Juristische Person und Staatsperson, Bd. II: Theorie der Vertretung, Berlin 1933, 1934; H. H. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre. Verwaltungsnorm und Verwaltungsrechtsverhältnis, Tübingen 1965, S. 23; siehe Zippelius,
s. 196,
198, 199.
44
2. Teil: Das handelnde Subjekt "Staat"
Staates liegt der Ausgangs- und Mittelpunkt des Staatsrechts1 ." Jellinek hat, orientiert an der Begriffsbildung Gerbers, eine "Allgemeine Staatslehre" geschrieben, in der die soziologische Methode in der Form einer "Allgemeinen Soziallehre des Staates" wesentliche Beachtung findet. Jellinek versteht seine Staatslehre so allgemein, daß ihr Resultat "nicht durch Untersuchung einer staatlichen Einzelindividualität, sondern vielmehr der gesamten geschichtlich-sozialen Erscheinungsform des Staates gewonnen"! wird. Nach Jellinek ist im Hinblick auf das Dogma der Rechtspersönlichkeit des Staates nichts Wesentliches mehr erarbeitet worden3 • Auf den Staatsbegriff Gerbers und Jellineks sind vor allem die Schriften folgender Autoren bezogen: Anschütz, Baumgarten, Forsthoff, Giese, Hatschek, Koellreutter, Laun, Leibholz. Nawiasky, Sauer, Richard Schmidt, Carl Schmitt, Richard Thoma und Heinrich Triepel. Es ist daher nicht nötig, die Variationen dieses Staatsbegriffs zum Gegenstand einer besonderen Analyse zu machen. Wenn auch die Methoden, die das Persönlichkeitsdogma Staat variieren, verschieden sind bzw. verschieden sein mögen, so soll gleichwohl auf die Methode Gerbers und Jellineks eingegangen werden. Nur eine einigermaßen gründliche Auseinandersetzung mit dem Wissenschaftsverständnis Gerbers und Jellineks ermöglicht das Verständnis des dominant gewordenen Staatsbegriffs und staatsrechtlichen Systems. Die Methoden Gerbers und J ellineks können unter dem Stichwort Positivismus zusammengefaßt werden. Der Durchbruch des Staatsrechts a la Gerber erfolgte via Laband, so daß man von der Gerher-Labandsehen-Schule oder von dem staatsrechtlichen Positivismus GerberLahandseher Prägung spricht4 • Labands offizielle Stellung und offizieller Einfluß wird deutlich an der bewundernden Feststellung des Verlegers der wohl einflußreichsten juristischen Fachzeitschrift, der Deutschen Juristenzeitung (DJZ) anläßlich seines 50jährigen Doktorjubiläums 1908. Otto Liebmann stellt fest, daß "die Schar der Studenten, die vorwiegend Labands halber in Straßburg studierten, darunter von deutschen Fürsten, außer dem Prinzen aus preußischem Königshaus, der König von Sachsen, Fürst von Hohenzollern u. a." 5 groß war. Anschütz, der Verfasser des später maßgebenden Kommentars zur Weimarer Verfassung, scheute 1908 die "Parallele mit dem Größten nicht", nämlich mit Bismarck6 . In seinen Lebenserinnerungen beschreibt Laband, wie t C. F. von Gerber, Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrechts (fortan zitiert als Grundzüge), I Leipzig 1865, S. 3. 2 G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 10; G. Jeltinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, Neudruck der 2. Auflage Tübingen 1919, Aalen 1964, s. 1- 7. 3 U. Häfetin, S. 142 Anm. 149 mit weiteren Nachweisen. 4 Vgl. U. Scheuner, Das Wesen des Staates, S. 227; P. v. Oertzen, S. 183. s Deutsche Juristen-Zeitung (DJZ), XII. Jg. (1908), S. 500. 6 Zitiert nach 0. Liebmann, DJZ, S. 503 Anm. 1.
2. Die Lehre von der Rechtspersönlichkeit des Staates
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Kaiser Wilhelm II. anläßlich eines Empfanges ihn "einen der berühmtesten Männer" nannte und das Gespräch mit den Worten schloß: "Ich bedauere, daß ich bei Ihnen keine Vorlesungen hören kann7 ." Der Durchbruch der Gerber-Labandsehen Lehre zur herrschenden Lehre erfolgte um 1880. Es war die Zeit der Konsolidierung der industriellkapitalistischen Wirtschaftsordnung, der Synthese des bürgerlichen Nationalismus mit der preußischen Verwaltungsbürokratie. Labands Ziel, die "gewissenhafte und vollständige Feststellung des positiven Rechtsstoffes und die logische Beherrschung desselben durch Begriffe" 8 , ließ nur die logische Analyse als wissenschaftlichen Erkenntnisprozeß zu. Die Überzeugung, daß zur Lösung der Aufgaben der Rechtswissenschaft "kein anderes Mittel als die Logik" zulässig sei, daß "alle philosophischen, politischen und historischen Betrachtungen" für die Dogmatik eines konkreten Rechtsstoffes ohne Belange sind" 9 , beruht auf Implikationen, über die sich La band wohl selbst nicht im klaren war. Die in dieser Wissenschaftsmethode implizierten Vorstellungen vom Recht als eines selbständigen, sich entfaltenden organischen Wesens haben ihre Wurzeln im Zeitgeist der Wende des 18. und 19. Jahrhunderts. Genau diese Vorstellungen vom Wesen des Rechts, kombiniert mit einer Wissenschaftstheorie, die die exakte Naturwissenschaft als Vorbild hat, führen zu einem jegliche Herrschaftsverhältnisse legitimierenden Rechtspositivismus. Die Frucht dieser Wissenschaftstheorie ist nicht nur die zwischen kreuz-brav und martialisch schwankende Rechtfertigung der Obrigkeit wilhelminischer Provenienz. Vielmehr hat diese Rechtswissenschaft auch das Denken und den Habitus derjenigen Juristengeneration geprägt, die für den geräuschlosen und nahtlosen Übergang der deutschen Justiz in die nationalsozialistische Herrschaft verantwortlich ist. Eric Voegelin hat die Wissenschaftstheorie des Positivismus folgendermaßen charakterisiert: "(1) Die glänzende Entfaltung der Naturwissenschaften war, neben anderen Faktoren, mitverantwortlich für die Annahme, daß die Methoden der mathematisierenden Wissenschaften von der Außenwelt durch besondere Leistungsfähigkeit ausgezeichnet seien, und daß die anderen Wissenschaften ähnliche Erfolge erzielen würden, wenn sie dem Beispiel folgten. Dieser Glaube für sich allein wäre eine harmlose Idiosynkrasie gewesen; er hätte sein natürliches Ende gefunden, sobald die enthusiastischen Bewunderer der Mustermethode versucht hätten, sie auf ihre eigene Wissenschaft 7 P. Laband, Lebenserinnerungen, Straßburg 1918, S. 107. s P. Laband, Das Staatsrecht des deutschen Reiches, 4. Bd., Neudruck der 5. Auflage Tübingen 1911, Nachdruck Aalen 1964, S. IX. 9 Ebenda.
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anzuwenden, und wenn die erwarteten Erfolge ausgeblieben wären. (2) Der Glaube wurde jedoch gefährlich, weil er sich mit der zweiten Annahme verband, daß die naturwissenschaftlichen Methoden ein Kriterium für theoretische Relevanz lieferten. Erst aus der Verbindung der beiden Annahmen ergab sich die bekannte Reihe der Behauptungen: daß eine Erforschung der Wirklichkeit nur dann wissenschaftlichen Charakter habe, wenn sie die Methoden der Naturwissenschaft anwendet; daß die Probleme, die in anderen als naturwissenschaftlichen Termini ausgedrückt werden müssen, Scheinprobleme seien; daß im besonderen metaphysische Fragen, auf die eine Antwort mit den Mitteln der Wissenschaften von Phänomenen der Außenwelt nicht möglich ist, nicht gestellt werden dürften; daß Seinsbereiche, die der Erforschung mit naturwissenschaftlichen Methoden unzugänglich sind, irrelevant seien; und, in äußerster Konsequenz, daß Seinsbereiche dieser Art nicht existieren." Diese Annahme führte zu der "eigentlichen Gefahrenquelle, insofern als sie die Theorie der Methode unterordnet und damit den Sinn der Wissenschaft verkehrt"1o. In der Tat finden wir bei den Vertretern des deutschen Rechtspositivismus, speziell bei Laband, Gerber oder auch Jhering, keine kritische Reflexion über das Verhältnis der Methode zum Gegenstand der Wissenschaft, ja noch nicht einmal eine theoretisch orientierte Abhandlung über Recht, geschweige denn über Gerechtigkeit. Gerber übernahm vielmehr, wie wir noch sehen werden, die Prämissen der durch die Spätromantik geprägten historischen Rechtsschule Savignys und Eichhorns. Die fachwissenschaftliche Tradition Laband- Gerber und Jhering, Puchta- Savigny und Eichhorn hat Walter Wilhelm11 einleuchtend nachgewiesen. Gerber und Jhering schufen in den vierziger und fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts die von ihnen selbst so bezeichnete "natur-historische Methode". Gerber wandte sie bereits früh in seinen Schriften an. Jhering, auf den Gerber immer wieder verweist, hat sie in seinem Werk über den "Geist des römischen Rechts" 12 und in dem Einführungsaufsatz zu den mit Gerber gemeinsam herausgegebenen "Jahrbüchern für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Rechtes" 13 präzisiert und dogmatisch ausformuliert. Gerber und Jhering waren eng befreundet, verfolgten ähnliche Ziele, standen in regem Briefverkehr (die Briefe Gerbers sind leider nicht 1o E. Voegelin, Die Neue Wissenschaft ..., S. 20.
11
Vgl. W. Wilhelm, Schlußbemerkung, S. 157 - 159.
12 R. v. Jhering, Der Geist des römischen Reiches auf den verschiedenen
Stufen seiner Entwicklung, 4 Bände, 1. Bd., Leipzig 1852, fortan zitiert "Geist". 1s R. v. Jhering, Unsere Aufgabe, in: "Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechtes", Jena 1857, I, S. 5 ff.
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veröffentlicht worden) und vertraten bis zu Jherings Hinwendung zum Zweckpositivismus dieselben Rechtstheorien. "Diese Arbeitsgemeinschaft"14 kommt in den Briefen Jherings an Gerber mehnnals zum Ausdruck. So bezeichnet Jhering Gerber in einem Brief vom 17. Juli 1852 als "Mitkämpfer". Im seihen Brief finden wir auch das wissenschaftliche Programm und Ziel beider Rechtswissenschaftler formuliert. Zunächst macht Jhering Gerber das Kompliment: "Es ist dasselbe hier am Staatsrecht vorgenommen, was ich an meinem römischen Recht erstrebte - eine naturwissenschaftliche Untersuchung, eine chemische Analyse des Objektes, und ich unterschreibe aus vollem Herzen die Äußerung Ihres Briefes über die Ähnlichkeit unseres Denkens und Strebens15." Im gleichen Brief kritisiert er die früheren naturwissenschaftlichen Methoden, meint aber: "die Naturwissenschaft hat sich von dieser Verirrung und geistigen Sklaverei freigemacht. Für unsere Jurisprudenz steht die Zeit des Umschwungs bevor." Ähnlich formulierte Gerber das Vorbild naturwissenschaftlichen Denkens in seiner Rektoratsrede vom 6. 11.185116 , indem er auf die neuen Wissenschaften der Physik, Physiologie und Chemie verweist. Der Umschwung bestand aber nicht nur in der wissenschaftlichen; d. h. "natur-historischen Betrachtung". Durch die natur-historische Methode glaubte man, eine Basis ermittelt zu haben, um Recht aus sich selbst durch Wissenschaft fortbilden zu können. Insofern distanzierte man sich von der historischen Schule. Im Gegensatz zu Rezeption war nunmehr Produktion11 ("produktiver Beruf der Jurisprudenz")1 8 das entscheidende Kriterium der neuen Methode. Die naturhistorische Methode verstand sich als "produktive Jurisprudenz" 19. Eine Reihe von Wissenschaftlern gehörte zu dieser "produktiven" Richtung (Thöl, Kierullf, Kuntz). Führend jedoch waren Gerber und Jhering. Der Zusammenhang zwischen der Begriffsjurisprudenz und der am naturwissenschaftlichen Denken orientierten Methode wird klar, wenn man sich vor Augen führt, was Gerber unter geistigem "Durchdringen" des "geschichtlichen Stoffes des deutschen Rechtes" versteht. Die Swffe müssen zu ,,selbständigen begrifflichen Existenzen gefördert werden". Es kommt darauf an, "selbständige Rechtsinstitute zu bilden, die wie Jhering trefflich sagt, nicht bloße Conglomerate von E. Wolf, Große Rechtsdenker, Tübingen 1960, S. 683. 16 R. v. Jheri:ng, in: Rudolph von Jhering in Briefen an seine Freunde, fortan zitiert "Briefe", Leipzig 1913, S. 52. 1& C. F. von Gerber, Gesammelte juristische Abhandlungen, fortan zitiert "Abhandlungen", Jena 1872. 17 s. W. Wilhelm, S. 88 ff. 18 Jhering, Briefe, S. 66, S. 80. 19 Jhering, Unsere Aufgabe, S. 4. 14
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einzelnen Rechtssätzen sind, sondern Existenzen, logische Individualitäten, juristische Wesen"20. Hier wird die Übertragung der methodischen Voraussetzungen der Naturwissenschaft auf die Struktur des Rechtes deutlich. Ohne jegliche theoretische Reflexion wird vorausgesetzt, daß Recht und Natur wesentlich gleicher Art sind. Die zitierten Ausführungen erhellen, inwieweit Laband konsequenterweise zugleich verkünden konnte, die Logik sei einziges Mittel, um den Sinn der Rechtswissenschaft zu erfüllen. Wenn die Begriffe lebendig sind und als selbständige Existenzen den Kern des lebendig sich entfaltenden Rechts enthalten, dann scheint es plausibel, daß bloße logische Analyse Recht zu Tage fördert. Jhering, der sich später einer anderen Art des Positivismus zuwandte (mit seiner bezeichnenden Abhandlung "Der Kampf um das Recht"), ging sogar so weit, zu behaupten, die durch die natur-historische Methode gewonnenen "Begriffe sind produktiv, sie paaren sich und zeugen neue" 21 • Gerber hatte sich die Aufgabe gestellt, ein geschlossenes System des deutschen Privatrechtes herzustellen. Nachdem Eichhorn das geschichtliche Material des deutschen Rechts, des vergangenen Rechts, "die bisher zusammenhangslosen Brocken des deutschen Rechts ... , zum Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung umgewandelt hatte"22 , die historische Arbeit also abgeschlossen war, war es "notwendig, daß die aus der Geschichte gewonnenen Rechtsideen nun wiederum aus ihrer historischen Verbindung gelöst und nicht nur als folgenreiche Tatsachen äußerlich erzählt und geschildert, sondern als lebendige Glieder eines in unserem eigenen Wollen und Empfinden begründeten Organismus erkannt werden. Diese Tätigkeit ist eine vollständige Wiedererzeugung des Geschichtlichen für die unmittelbare Gegenwart" 23• Puchta, Schüler Hegels am Nürnberger Gymnasium und später mit Schelling gut bekannt und von ihm beeinflußt2\ hatte das römische Recht einheitlich dogmatisiert, Gerber nahm sich vor, das überlieferte deutsche Recht in einem "systematischen wissenschaftlichen Ganzen"25 darzustellen. Dabei war er der Überzeugung, daß letzten Endes für das deutsche Recht dieselben Prinzipien gelten wie für das römische Recht, ja für das Recht aller Völker, denn die Geschichtswissenschaft lehre, "daß die durch immer neue Einflüsse neuer Volksindividualitäten modifizierten und 20 21 22 23
Gerber, Abhandlungen, S. 68. Jhering, Geist, I, S. 29. Gerber, Abhandlungen, S. 16.
Ebd., S. 14. Über das Verhältnis zwischen Schelling und Puchta siehe A. Hollerbach, Der Rechtsgedanke bei Schelling. Quellenstudien zu seiner Rechts- und Staatsphilosophie, Frankfurt 1957, S. 321. 25 C. F. von Gerber, Das wissenschaftliche Princip des gemeinen deutschen Privatrechtes, Jena 1846, S. 238. 24
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geläuterten Rechtsstoffe an der endlichen Vollendbarkeit aller geistigen Besitztümer der Menschheit teilnehmen" 26• So kam Gerber zu der Überzeugung, auch für das deutsche Recht könne man ein System schaffen, um zum Vorteil des römischen Rechtes zu gelangen, d. h. nach Gerber: zur "voraussetzungslosen und absoluten Herrschaft des juristischen Gedankens", zum "reinen Rechnen mit Begrüfen"27• Die Denkoperationen bzw. Wege und Schritte beim Herstellen des Systems sind folgende: 1. Sammeln und Interpretieren der vorgefundenen Rechtssätze. Jhering nannte dies "niedere Jurisprudenz"28• 2. "Aus ihrer Geschichte die innere Natur derselben zu ermitteln und die darin verborgenen Sätze zu ermitteln, aus gewonnenen Prinzipien ergänzende Grundsätze ausfließen zu lassen, dieses alles zu Institutionen zu vereinigen und sie selbst wieder aus eigenem Mittelpunkt zu entwickeln und in das System einzufügen29." Gerber nannte diese Tätigkeit vorwiegend "eine konstruierende" 30, in der sich jedoch "die innere Kraft der wissenschaftlichen Entwicklung bis zu einem solchen Grade steigert", daß sie "in das Gebiet der Produktion hinüberschweift" und unter bestimmten Voraussetzungen "eine wirkliche Schöpfung entsteht". Die Ursache für die mit der Wissenschaft sich entfaltende Dynamik liegt nach Gerber darin, daß "der im positiven Recht vorhandene Keim erschlossen" wird. Die Produktion ist damit einerseits "eine Entwicklung des Inhalts jenes Keimes", andererseits wie zitiert, eine "Zutat einer solchen Menge von Materialien, daß eine wirkliche Schöpfung entsteht"31 • Zur genaueren Beschreibung des Vorgangs verweist Gerber auf Thöl und vor allem auf Jhering. Jhering nun präzisiert die Methode unter Verwendung naturwissenschaftlicher Vokabeln, mit denen Gerber noch sparsam umgeht (z. B. "physiologische Beschaffenheit des Rechtes" - "Metamorphose")82• Das vorgefundene Recht wird durch Interpretation in einen "höheren Aggregatzustand" 33 verwandelt. Die Rechtssätze sind jetzt "Elemente" 34• Diese Elemente sind jedoch, wie Gerber in bezug auf Jhering lobend erwähnte, nicht irgendwelcher Art, sondern "Existenzen, logische Individualitäten" und "juristische 2u C. F. von Gerber, Das System des deutschen Privatrechtes, lOJena 1870, S. XI, fortan zitiert als "System". 27 Gerber, Abhandlungen, S. 28, Hervorhebung vom Verfasser. 28 Jhering, Unsere Aufgabe, S. 8, 9. 29 Gerber, System, S. 76. so Ebenda. 31 Ebd., S. 76, Anm. 4. S2 Gerber, Abhandlungen, S. 19, 21. sa Jhering, Unsere Aufgabe, S. 8. 34 Jhering, Geist, Bd. I, S. 8.
4 Bärsch
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Wesen" 36• Bei Jhering, der das vorzufindende Recht als bloßen "Rechtsstoff" bezeichnet, wird mittels der natur-historischen Analyse aus diesem Stoff ein "juristischer Körper" 36• Auf diese Weise glaubt Jhering, "die Jurisprudenz zum Bewußtsein ihrer selbst zu bringen"37• Hier wird deutlich, wohin es führt, wenn für den Seinsbereich des Rechts dieselben Methoden angewendet werden wie für die äußere Welt der Natur. Die Annahme, begriffliche Logik genüge als einziges Mittel zur wissenschaftlichen Rechtsbegründung, beruht nämlich auf der Vorstellung, Begriffe seien lebendige selbständige Existenzen. Dies entspricht dem von Voegelin geschilderten Prinzip des Positivismus, nach dem die Theorie der Methode untergeordnet wird38 • Der Zusammenhang zwischen Recht und Ethik verschwindet. Daß Gerechtigkeit und Ethik auch Ausdruck eines inneren Erfahrungsprozesses ist, wurde von den ,großen Rechtsdenkern' des 19. Jahrhunderts noch nicht einmal in Erwägung gezogen. Der eigenartige Spekulationsprozeß, in dessen Verlauf das Recht als Stoff verstanden wird, aus Stoffen lebendige Rechtskörper produziert und mehrere Körper zu einem System zusammengefügt werden, um das GanzeamEndeals juristische Wissenschaft zu deklarieren (Jhering: " ... die natur-historische Methode, oder nennen wir sie von jetzt an die juristische Methode ..." 39), beruht auf einer Vorstellung vom Recht, auf Prämissen bzw. Axiomen, die ohne theoretisch-kritische Reflexionen in den Schriften Gerbers und Jherings immer wieder auftauchen, bei Laband indes ganz im Dunkel bleiben. Diese Voraussetzungen sind folgende: A. Das Recht ist ein selbständiges, unabhängiges Wesen. B. Es hat apriorische Qualität, existiert als absolutes Etwas von Anfang der Geschichte an. C. Es ist ein Organismus, Teil und Ganzes stehen in einem gesetzmäßigen Zusammenhang. D. Es entfaltet und entwickelt sich im Laufe der Geschichte, es besitzt eine immanente Entwicklungskraft. E. Es ist Ausdruck des "Volksgeistes". Dabei wird das, was unter Volksgeist zu verstehen ist und wie der geheimnisvolle Prozeß des im Volksgeist ausströmenden Rechts vonstatten geht, nie näher bestimmt und differenziert. Bei Gerber finden wir die zitierten Vorstellungen verstreut und apodiktisch formuliert. So charakterisiert er die mittelalterliche Rechts35 3& 37
38 39
Jhering, Geist, Bd. li, S . 387. Ebd., S. 388. Jhering, Briefe, S. 53. Voegelin, Die neue Wissenschaft der Politik, S. 26. Jhering, Unsere Aufgabe, S. 21.
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auffassung als eine solche, "nach welcher dem Rechte mehr nur eine formelle Bedeutung, nicht die Natur eines selbständigen Wesens mit eigenem Organismus und unabhängigem Leben beigelegt wird" 40 • Was der Rechtswissenschaft des 18. und 17. Jahrhunderts seiner Ansicht nach fehlte, "war die Idee der Entwicklung" 41 • Savigny und Puchta hatten eine neue Wissenschaft geschaffen, die "aus den Grundlagen des römischen Rechts die absolute Natur des Rechts mit geistiger Freiheit"42 ermittelten. Dies seien die Erfolge des "geschichtlichen Principes", die dazu geführt hätten, daß "die Wissenschaft des deutschen Rechtes, da sie über eine außerordentliche Fülle von Rechtsproductionen gebietet, einen Höhepunkt eingenommen hat". Schließlich sei die deutsche Rechtswissenschaft allen anderen Rechtswissenschaften überlegen. "Im Vergleich mit der englischen Gesetzes- und Präjudizkenntnis ist sie eine wahre Wissenschaft im höchsten Sinne des Wortes" 43 geworden. So steht Rechtsproduktion gegen "common sense" und Kenntnis der Gesetze. Eine derartige Produktion glaubt Gerber als wahre Wissenschaft bezeichnen zu können, "weil sie unausgesetzt an den beiden großen Zielen arbeitet, den Reichtum geschichtlichen Werdens zu begreifen und den im geschichtlichen Stoffe ruhenden Gedanken zu einer die Gegenwart beherrschenden Macht zu gestalten" 44 • Damit ist der Kern des Gerbersehen Positivismus formuliert. Das "geschichtliche Prinzip" dient zur Legitimation bestehender Verhältnisse. Das, was vorgefunden wird, braucht nicht in Frage gestellt zu werden. Was ist, ist richtig, denn es entspricht den "im geschichtlichen Stoffe ruhenden Gedanken". Der Interpret des Stoffes ist auf der "Höhe der Zeit", man braucht nur die richtige, d. h. wissenschaftliche Methode; die Spannung zwischen aktuellem Recht und potentieller Gerechtigkeit existiert nicht, weil alles von Anfang an sich nach den absoluten Ideen des Rechts entfaltet, entwickelt, wächst und gedeiht. Auf der Grundlage der Apriorität des Rechts, seiner selbständigen Natur und seines Wesens als Organismus, beruhen die Merkmale dieses Positivismus. Für die Dogmatik des Rechts auf der Basis der geschichtsphilosophischen Selbsterhöhung ergeben sich damit drei wesentliche Konsequenzen: 1. Das Recht ist ein System von Rechtssätzen und Instituten. Die von
der Geschichte gelieferten Materialien werden zu einer wissenschaftlichen-juristischen Form umgestaltet.
System, S. XVII. Abhandlungen, S. 9. •2 Ebd., S. 19. 43 Ebd., S. 26. « Ebd., S. 27, Hervorhebung vom Verfasser.
40 41
4"
Gerber, Gerber,
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2. Die auf diese Weise gewonnene "Gewähr begrifflicher Wahrheit" 45 ermöglicht "das reine Rechnen mit Begriffen" 46 • 3. Die Rechtswissenschaft erscheint somit als eine von politischen, geistigen und ökonomischen Voraussetzungen "unabhängige Wissenschaft"47. Der Mangel an kritischer Auseinandersetzung mit denjenigen Annahmen, die die natur-historische Methode zur Voraussetzung hat, weist diese "wahre Wissenschaft im höchsten Sinn des Wortes" als recht unwissenschaftlich aus. Stattdessen trifft man auf vermischte Spuren eines schlecht verstandenen Kant, Schelling, Herder oder Hegel. Als geistige Väter werden von Gerber nur die Begründer der historischen Rechtsschule, die man ,lediglich weiterführen' wollte, Savigny und Eichhorn angegeben. Bei Savigny ist der Einfluß der Ideen Kants und der Spätromantik feststellbar. Schnabel ist der Ansicht, daß mit Savigny "eine neue Epoche der Jurisprudenz begann". Impetus der historischen Rechtsschule war die trostlose Zersplitterung des deutschen Rechts im 18. Jahrhundert. Die "historische Schule" unternahm den Versuch, den desolaten Rechtszustand in den deutschen Ländern zu beseitigen. Ob man allerdings - wie Schnabel - die Abwendung von der philosophischen Behandlung des Rechts als "fruchtbar" bezeichnen kann, ist zweifelhaft48 • In der "historischen Schule" wendete man sich vor allem gegen eine mathematisch deduktiv verstandene Aufklärung; man wollte dem kalten Mechanismus der Aufklärung das "lebendige" "kraftvoll gewachsene", symbolisiert im Prinzip des Organismus, entgegensetzen. Indem man jedoch an die in der Geschichte waltende Vernunft glaubte, blieb man im Denken der Aufklärung befangen. Die daraus resultierende Hypostasierung des Rechts begann schon bei den Vätern der historischen Schule, die den Glauben an die in der Geschichte waltende Vernunft analog auf das Recht (als Objekt) übertrugen. Recht wurde so ein dingliches und gleichzeitig sich entfaltendes Subjekt und damit zum Ausgangspunkt ursprünglich bekämpfter mechanischer Deduktion. Das Streben nach Einheitlichkeit und Ganzheit war nicht ein auf politischer Basis zu erreichendes Ziel, sondern wurde in der Übertragung der Organismustheorie als nur wiederaufzufindendes Etwas hypothetisch vorausgesetzt. Der Glaube an das "Organische", der einer-
« Gerber, System, S. 9. 48 Gerber, Abhandlungen, S. 68. 47 Ebd., S. 20. 48 Franz Schnabel, Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert, Freiburg/Basel/Wien 1965, Bd. 5, S. 70.
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seits Ausdruck eines mit der Romantik neu erwachten Verständnisses für die entstehungsgeschichtlichen Bedingungen bestehender Normen und Verhaltensweisen war, entgleiste unter dem Einfluß des in der Aufklärung entstandenen Systemdenkens49 in die spekulative Ausbeutung eines "gesetzmäßigen Zusammenhanges" von Einzelphänomenen auf der Basis eines ihnen zugrundeliegenden allgemeinen Prinzips. Wie man Geschichte als Ausfluß einer Entwicklung des in ihr waltenden Geistes verstand, so verstand man die Regeln, Normen, Gesetze und Rechte als Emanationen des absoluten Rechtes. Auf so gutem Fuße mit dem "absoluten Recht" sahen sich dessen Interpreten konsequenterweise nicht mehr gezwungen, sich um die philosophischen, ethischen und ökonomischen Dimensionen des Rechtes zu kümmern. Es hat daher zumindest den Anschein, als ob Hegels Satz: "Was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig", von ihnen wörtlich verstanden und geglaubt wurde. War daher Gerber einerseits politisch "konservativ-liberal", so war er doch andererseits mit der "naturhistorischen Methode" auf der "Höhe der Zeit". Die konsequente Anwendung des naturwissenschaftlichen Modells brachte zugleich eine neue Variante in den Prozeß der Verdinglichung des Rechts. Das Recht wird zu einem Stoff, der wie eine Pflanzenbildung der naturwissenschaftlichen Analyse unterzogen werden muß. Die Organismuslehre enthält zugleich, insofern sie allen Einz(!lphänomenen nur eine Funktion im gesetzmäßigen Zusammenhang eines "Ganzen" zuweist, einen totalitären Zug. An die Stelle der konfliktbewußten Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit tritt - psychologisch gesehen - eine Art Systemwut, vermittels derer an Stelle des Gerechtigkeitsbekenntnisses systemimmanente Logik zum Kriterium der Wahrheit wird. Da die Prämissen des logischen Systems keiner ethischen Kritik unterworfen werden müssen, weil sie per definitionem den jeweiligen historischen Zustand einer sich entwickelnden absoluten Wahrheit (hier absolutes Recht) darstellen, werden Juristen, die diese positivistische Methode anwenden, zwangsläufig zu Apologeten des rein faktischen geschichtlichen Prozesses und damit auch der Macht. Es wäre jedoch falsch, die Anwendung des naturwissenschaftlichen Modells nur als einen Ausfluß des allgemeinen Zeitgeistes, stimuliert durch die Erfolge der "exakten" Naturwissenschaften, anzusehen. Die Anwendung der naturwissenschaftlichen Methoden auf die Rechtsfindung ermöglichte sich vielmehr auf der Grundlage der romantischen Organismuslehre, wonach allen Seinsbereichen der Charakter des 49 Zum neuzeitlichen Systemcharakter der Jurisprudenz siehe H. E. Tro;e, "Wissenschaftlichkeit und System in der Jurisprudenz des 16. Jahrhunderts", in: Philosophie und Rechtswissenschaft, Hrsg. J. Blühdorn u. J. Ritter, Frankfurt 1969, S. 63 - 88.
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Organischen zukommt, und somit Natur und Recht (während Recht eigentlich zum Bereich der Bewußtseinsphänomene gehört) methodisch gleichartig behandelt werden können. Die Entwicklung der "Jurisprudenz" (in deren Stammwort "prudentia" noch die klassische Tugend der "phronesis" enthalten ist) zur "Wissenschaft" vom Recht geht daher Hand in Hand mit einem historischen Prozeß, im Verlaufe dessen aus der Rechtswissenschaft (unter Aufgabe des Strebens nach Gerechtigkeit zugunsten von Systemadäquanz) eine Wissenschaft ohne Recht entstand. Seinen spezifischen Ausdruck fand dieses Rechtsdenken am Beginn des 20. Jahrhunderts in der Jellinekschen Lehre von der "normativen Kraft des Faktischen", die Leonard Nelson als "Rechtswissenschaft ohne Recht" 50 charakterisierte. b) Die Methode .Jellineks
Bezeichneten Gerber und Jhering ihre Methode als "naturhistorische", so wird um die Jahrhundertwende die herrschende Methode in der Staatslehre als "empirische" apostrophiert. Die Staatslehre verstand sich als empirische Wissenschaft, auch wenn der Staat in unterschiedlicher Weise - induktiv, psychologisch, soziologisch, historisch oder juristisch-dogmatisch - erklärt wurde. Der hervorragendste und einflußreichste Vertreter dieser empirischen Staatslehre war und ist Georg Jellinek. E. Kern spricht seinem Werk "Welterfolg" 1 zu. Die allgemeine Staatslehre Jellineks wurde ins Französische, Italienische, Tschechische und Japanische übersetzt2 • Kelsen, der den Staatsbegriff Jellineks in geradezu polemischer Weise angriff, charakterisierte Jellineks Lehre als eine "vollendete Zusammenfassung der Staatslehre des 19. Jahrhunderts" 3• Kelsen sieht sich selbst in der Tradition Gerber- Laband- Jellinek und stellt den Zusammenhang zwischen der Staatslehre und dem naturwissenschaftlich orientierten Denken des 19. Jahrhunderts dar: "Sie ist ein Teil der großen sozialwissenschaftliehen Bewegung, die - in voller Parallele zu einer analogen Entwicklung auf naturwissenschaftliche Gebiete - gerichtet gegen die naturrechtliche Spekulation des XVIII. und gestützt auf die historische Schule des ersten Drittels des XIX. Jahrhunderts, eine Theorie, wie der wirklichen Gesellschaft (Soziologie), so des positiven Rechts anstrebt'." Die Rolle J ellineks unter dem Aspekt der Interpretation einer demokratischen Verfassung- 60 Jahre nach ihrer Entstehung und nach zwei 5o
1 2
L. Nelson, Rechtswissenschaft ohne Recht, ZGöttingen/Hamburg 1949.
E. Kern, S. 34. W. Jellinek, Vorwort zur 3. Auflage der Allgemeinen Staatslehre
G. Jellinek, S. XXVII. 3 H. Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. IX. 4 Ebd., S. VII.
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Weltkriegen- wird deutlich an dem Ausspruch des Münchner Gelehrten, Staatsrechtiers und Mitverfassers eines maßgebenden Kommentars zum Bonner Grundgesetz, Theodor Maunz. Er hält Jellineks Staatslehre für "immer noch grundlegend, weil die juristischen Grundlinien des bürgerlich, rechtsstaatliehen Denkens erstmals aufzeigend" 5• Herbert Krüger vermutet, Erfolg und Geltung des Rechtspersönlichkeitsdogmas beruhten auf seiner "HandHchkeit" 6 • Quaritsch meint 1970, wer sich mit der "siebzig Jahre alten Staatslehre Jellineks auseinandersetzt, rennt nicht Türen ein, die schon lange offen stehen, argumentiert nicht gegen patentierte Vorstellungen, die nur in der Geschichte der Wissenschaft Abnehmer findet. J ellineks Definitionen sind zwar unter den verschiedensten Blickwinkeln kritisiert und verworfen worden, aber diesen Erörterungen ist nur ein schwacher Widerhall beschieden"7 • Die grundlegende Analyse Reinhard Holubeks ist in der Literatur kaum beachtet worden8• Der Kern seines Werkes über die "Allgemeine Staatslehre als empirische Wissenschaft" ist die Kritik und Herausarbeitung des in dieser Methode enthaltenen Materialismus. Der "materialistische Wirklichkeitsbegriff und sein spekulativer Ansatz" 9 , "die Verwandlung des Zweckstrebens in blinde Naturkraft" 10 , das "naturalistische Menschenbild der sozialwissenschaftliehen Methode" 11 und das "darwinistische Prinzip der Bestialität als Leitbild der historischen Methode" 12 sind die zentralen Punkte seiner Analyse. J ellineks und Gerbers Methoden weisen in vielen Punkten eine Übereinstimmung auf. Das gilt vor allem für die Staatsrechtslehre. Denn Jellinek unterscheidet zwischen der "Sozialen Staatslehre", dem "sozialen Staatsbegriff", sowie einer dementsprechenden Methode13 und dem "juristischen Teil der Staatslehre" (Staatsrechtslehre), dem juristischen Staatsbegriff, sowie einer dementsprechenden "juristischen Methode der Staatslehre"14 • In der Staatsrechtslehre, deren Hauptgegenstand die Staatsgewalt ist, gilt bei Jellinek wie bei Gerber und Laband die formale Logik der juristischen Methode. Der "dogmatische Gehalt der Rechtsnormen kann nur durch die ausschließlich von Juristen geübte Kunst der Abstraktion aus den rechtlichen Erscheinungen und der Deduktion aus den also gefundenen Normen geübt werden. Diese 5
T. Maunz, Deutsches Staatsrecht, 7München/Berlin 1959, S. 372.
e H. Krüger, S. 146.
Quaritsch, S. 25. s R. Holubek, Allgemeine Staatslehre als empirische Wissenschaft. Eine Untersuchung am Beispiel von Georg Jellinek, Bonn 1961, S. 11 ff. 9 Ebd., S. 16. to Ebd., S. 23. 1t Ebd., S. 25. t! Ebd., S. 44. ts G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 9. 14 Ebd., S. 11. 7
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Rechtsdogmatik ist durch eine andere Art der Wissenschaft nicht zu ersetzen" 15• An anderer Stelle bezieht er sich direkt auf Laband: "Mit vollem Recht bemerkt Laband, daß die Rechtsdogmatik, abgesehen von der Erforschung der geltenden positiven Rechtssätze, d. h. der vollständigen Kenntnis und Beherrschung des positiven Stoffes, eine rein logische Denktätigkeit ist16." Jurisprudenz ist Normwissenschaft, während die "soziale Staatslehre, die den Staat als gesellschaftliches Gebilde in der Totalität seines Wesens betrachtet", Kausalwissenschaft ist17 • Jellinek unterscheidet nämlich zwischen dem "Seienden", der sozialen Welt, der sozialen Seite des Staates, und dem "Seinsollenden", den Normen. Gleichwohl hat das Recht in bestimmter Weise teil am Seienden: "Die Rechtsnormen nämlich sind geltende, d. h. in Kraft stehende Normen, denen Garantien ihrer Erfüllung zur Seite stehen. Diese Geltung erhebt sie zum Teil des Seienden, so daß sie eine Doppelstellung einnehmen. Das positive Recht unterscheidet sich von irgendwelchen anderen Willensnormen dadurch, daß es als reale Macht bestimmte berechenbare Wirkungen ausübt. Darum ist das Recht dieser Seite nach Gegenstand der Wissenschaft vom Seienden18." Recht wird von Jellinek formal bestimmt: es ist die Summe von Regeln und Normen, bei der die Dimension der Gerechtigkeit von vornherein keine Rolle spielt. Darin liegt die entscheidende Verwandtschaft zu Gerber. Die "soziale Staatslehre" ist eine an dem naturwissenschaftlichen Vorbild orientierte Kausalwissenschaft. So beginnt Jellinek sein Kapitel "Die Methodik in der allgemeinen Staatslehre" mit einer Verbeugung vor dem naturwissenschaftlichen Denken: "Zu einer systematischen, umfassenden, alle Schwierigkeiten berührenden Logik der Sozialwissenschaften ist in ähnlicher Weise, wie es in neuerer Zeit mit Erfolg für die Naturwissenschaften geschehen ist, bisher kaum der Anfang gemacht worden19 ." Demgemäß scheidet Jellinek in seiner empirischen Staatslehre ganz bestimmte Bereiche als Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung aus. Dies drückt sich in seiner Unterscheidung von "Seiendem" und "Seinsollendem", besonders aber "von empirischem Typus" und "Idealtypus" aus. Der ideale Typus bezeichnet "das vollkommene Wesen einer Gattung", er ist "das Telos jeglichen Dinges und jeglicher menschlicher Erscheinung", er ist "kein Seiendes, sondern Seinsollendes". Damit ist er zugleich "Wertmaßstab des Gegebenen" 20 • Dieser ideale Typus wird nach Jellinek "nicht auf dem Weg wissenschaftlicher For15 16 17 18 19 2o
Ebd., Ebd., Ebd., Ebd., Ebd., Ebd.,
S. 51.
S. 16. S. 11. S. 20. S. 25.
S. 34.
2.
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schung, sondern auf dem der Spekulationen" 21 gefunden. Zwar entspricht die Suche nach dem idealen Typus "einem tiefen unausweichlichen Bedürfnis der menschlichen Natur, das namentlich praktisch von großer Bedeutung ist" 22 • Wie groß aber auch immer der "Wert des idealen Typus für das Handeln" sein mag - er gewährt doch keine "theoretisch-wissenschaftliche Erkenntnis", denn "Objekt der theoretischen Wissenschaft ist und bleibt das Seiende, nicht das Seinsollende, die gegebene Welt, nicht eine zu erschaffende". Idealtypen sind nach Jellinek nicht "Objekte des Wissens, sondern des Glaubens" 23• Was Wissenschaft heißt, demonstriert J ellinek an der Darstellung des "empirischen Typus": "Dem idealen Typus entgegengesetzt ist der empirische Typus". Der empirische Typus bedeutet "eine Zusammenfassung von Merkmalen der Erscheinung, die ganz von dem Standpunkt abhängt, den der Forscher einnimmt. Er ordnet die Mannigfaltigkeit der Erscheinungen, indem er das gemeinsame in ihnen logisch heraushebt. So wird er durch eine Abstraktion gewonnen, die sich im Kopf des Forschers vollzieht, der gegenüber die ungebrochene Fülle der Erscheinungen das Reale bleibt"24. Glaubten Gerber und Jhering auf Grund der Annahme einer Emanation des absoluten Rechtes und der Identität aller Seinsbereiche gemäß des organischen Prinzips auf Ethik und Philosophie verzichten zu können, weil damit naturwissenschaftliche Methodik plausibel und zwangsnotwendig sich von anderen Methoden nicht unterscheiden konnte, so wendet Jellinek das Mittel der Eskamontage an. Orientiert an der formalen Logik der Mathematik und der materiellen Beweisführung der Naturwissenschaften, muß alles, was mit diesem Mittel nicht erfaßt werden kann, aus dem Bereich der Wissenschaft verbannt werden. Gerade weil Jellinek den Unterschied zwischen dem Gegenstand der Naturwissenschaften und der Sozialwissenschaften sieht, muß er das, was er unter idealen Typus versteht, aus der wissenschaftlichen Wahrheitssuche herauswerfen. Jellinek erkennt, daß sich "menschliche Individuen" von "natürlichen Kräften" unterscheiden, "daß sie gegenüber der Gleichartigkeit dieser eine unendliche Mannigfaltigkeit" aufweisen. "Alle natürlichen Kräfte sind meßbar, indem wir sie auf Krafteinheiten zurückführen. Menschliche Individuen hingegen sind ins Unendliche verschieden" 25 • So kommt er zu dem Schluß, daß sich "die Grundlage aller sozialen Erscheinungen, das Individuum, niemals völlig berechnen" läßt. Damit ist nach ihm Zl %2
23 2.f. 25
Ebd., s. 35. Ebenda. Ebd., S. 36. Ebd., S. 37. Ebd., S. 29.
58
2. Teil: Das handelnde Subjekt "Staat"
"die Unmöglichkeit umfassender Erkenntnis sozialer Gesetze dargetan" 26• Indem er aber die Konsequenz aus der Verschiedenartigkeit der Seinsbereiche nicht zieht und nicht die Methode dem Gegenstand anpaßt, sondern umgekehrt verfährt, verschwinden die existenzzentralen Probleme der menschlichen Natur als Gegenstand wissenschaftlicher Erörterung. Der "Wertmaßstab für das Gegebene" und das "Handeln des Menschen" wird damit absichtlich dem Zufall, der Emotion, dem Instinkt, der Ideologie oder der "Spekulation" überlassen. Darauf beruht seine "soziale Staatslehre, die den Staat als gesellschaftliches Gebilde in der Totalität seines Wesens betrachtet"27 • Nach Jellinek ist der Unterschied zwischen Menschen und "natürlichen Kräften" nicht so groß, daß die naturwissenschaftliche Methode nicht doch als Vorbild dienen könnte. Lediglich "völlig berechnen" läßt. sich das Individuum nicht, nur eine "umfassende Erkenntnis sozialer Gesetze" ist nicht möglich. Da Jellinek nicht erklärt, was ein soziales Gesetz im Gegensatz zu einem naturwissenschaftlichen Gesetz ist, und was unter einem Gesetz überhaupt zu verstehen ist, bedeutet diese Aussage nur, daß die sozialen Wissenschaften nicht die Perfektion naturwissenschaftlicher Erkenntnis erreichen. Die sich der Erkenntnis "entgegenstellenden Schwierigkeiten" lassen sich beseitigen, "wenn man ganz bestimmte Seiten des menschlichen Gemeinlebens hervorhebt und der Erforschung unterwirft"2S. Diese als "wissenschaftliche Isolierung" qualifizierte Methode setzt natürlich gerade bei dem Bereich an, der sich der Berechenbarkeit entzieht, beim Individuum als der "Grundlage aller sozialen Erscheinungen" : "Bei solcher Isolierung werden nun aus dem Bereich des Individuellen weite Strecken gleichsam abgeschnitten, so daß das Verhältnis der generellen zu den individuellen Faktoren zugunsten der ersteren steigt29." Auch Jellineks Bezugnahme auf die Psyche ist rein äußerlicher Natur. Seine Psychologie ist eine voluntaristische Zweckpsychologie, für die nur der sich äußernde und feststellbare Wille relevant ist. Denn "real" ist für Jellinek nur das, von dem er glaubt, daß es "außer uns existiere"30, nur was uns entgegentritt "als ein Teil des Weltlaufs und damit des Realen im Sinne des Objektiven, außer uns Befindlichen", eine "Vielheit von Vorgängen, die in Raum und Zeit sich abspielen" 31 • Nelsons Charakterisierung der psychologischen Wissenschaft der Jahrhundertwende trifft daher auch auf Jellineks Psychologie zu: "Die 2s Ebenda.
Ebd., S. 11. Ebd., S. 31. Ebenda. ao Ebd., S. 171. 31 Ebd., S. 136. 27
28 29
2. Die Lehre von der Rechtspersönlichkeit des Staates
59
Erforschung der Seele gilt dem modernen Psychologen als eine metaphysische Verstiegenheit, die er weit von sich weist, als ein Abenteuer, das ihn in die Gesellschaft der Obskuranten, Okkultisten, Spiritisten und Theosophen versetzen würde; denn mit seinem Chronoskop, Tachytoskop und Kymographion kann er ein so mysteriöses Ding nicht beobachten oder gar messen32 ." Es handelt sich um eine "Psychologie ohne Psyche"33, weil die Bewußtseinsinhalte - in Jellineks Sprache: "das innere psychologische Geschehen"34 - nicht Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung sein ·dürfen. An der menschlichen Psyche interessiert nur das handgreiflich Feststellbare. Es genügt daher die Feststellung, daß Menschen ihren Willen nach Zwecken ausrichten. Die Herkunft des Zweckes und seine Beziehung zu einem selbst nicht als Zweck zu bezeichnenden Gut (Aspekte, von denen aus z. B. Aristoteles in seiner nikomachischen Ethik politisches Handeln klassifiziert), sind nicht interessant für den Zweckrationalismus naturwissenschaftlicher Methodik. So charakterisiert J ellinek das Recht einerseits als "psychologische, d. h . innermenschliche Erscheinung" und führt aus, daß "alle Handlungen auf bestimmte Zwecke gehen" 35 • Andererseits ist Recht aber eine "Summe von Regeln für menschliches Handeln" 36• Daher muß der Zweck des Rechts wiederum durch Zwecke bestimmt werden: "Die Zwecke des Rechts" bestehen in dem "Schutz und der Erhaltung (in engeren Grenzen auch Förderung) menschlicher Güter oder Interessen durch menschliches Tun und Unterlassen" 37 • Die zitierten menschlichen "Güter und Interessen" allerdings werden von Jellinek keiner wissenschaftlichen Betrachtung unterworfen. Seine Argumentation schließt vielmehr mit einer petitio principü: "Eine Norm gilt dann, wenn sie die Fähigkeit hat, motivierend zu wirken, den Willen zu bestimmen. Nur dann ist ein Rechtssatz Bestandteil der Rechtsordnung38." Die von Jellinek herangezogene Fähigkeit, motivierend auf den Willen zu wirken, entspringt aber "aus der nicht weiter ableitbaren Überzeugung, daß wir verpflichtet sind, sie zu befolgen" 39• Mit Hilfe dieses pseudo-psychologischen circulus vitiosus gelangt Jellinek zu seiner berühmt gewordenen Lehre von der "normativen Kraft des Faktischen" 40 , in der das "Seiende" mit dem "Seinsollenden" 32
L. Nelson, S . 2.
ss Vgl. 0. Weininger, Geschlecht und Charakter, Wien und Leipzig 1903, S. 269. "Diese heutige Psychologie nennt sich mit Stolz ,Psychologie ohne Seele', nach dem ersten, der dies Wort ausgesprochen hat, nach dem vielüberschätzten Friedrich Albert Lange." 34 G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 176. 35 Ebd., S. 332. 36 Ebenda. 37 Ebenda. as Ebd., S. 333. 39 Ebenda. 40 Ebd., S. 338.
60
2.
Teil: Das handelnde Subjekt "Staat"
zusammenfällt. Durch diese Lehre erst wird "begründet und verständlich, was die soziale Theorie von dem Verhältnis von Staat und Gesellschaft behauptet hat" 41 , nämlich die Einsicht, daß den "tatsächlichen Verhältnissen selbst normative Kraft innewohnt" 42 • Nur so kann die "Stellung der Staatsgewalt zum Rechte, die Möglichkeit eines Rechtes für die Staatsgewalt, d. h. des Staatsrechtes" 43 begriffen werden. Es handelt sich um die ,.Umwandlung der zunächst überall rein faktischen Macht des Staates in rechtliche", die durch "die hinzutretende Vorstellung, daß dieses Faktische normativer Art sei, daß es so sein solle, wie es ist" 44 erfolgt. Die normative Kraft des Faktischen besagt, daß die "Positivität des Rechts" in letzter Linie auf der "Überzeugung von seiner Gültigkeit" 45 beruht. Zum Kriterium des Rechtes wird also die Gültigkeit. Alles was gilt, ist richtig, alles was richtig ist, gilt. Man braucht nur davon überzeugt zu sein: "Der letzte Grund allen Rechtes liegt in der nicht weiter ableitbaren Überzeugung seiner Gültigkeit, seiner normativen motivierenden Kraft4 6 ." So löst Jellinek "Die große prinzipielle Frage : Wie wird Nichtrecht zu Recht?" 47 (ungeachtet der contradictio in adiecto, die in dieser Frage steckt) mit der Behauptung, daß die "Überzeugung, daß etwas, das solchen Anspruch erhebt, Recht sei, die letzte Quelle des Rechts selbst ist" 48 • Angesichts seines methodischen Ansatzes, kann diese Lösung nicht. überraschen: eine rein "empirische" Psychologie kann die Quelle politischen Handeins nur auf beliebige Überzeugungen und beliebige Meinungen (die sie mit Hilfe von Meinungstests eruiert) zurückführen. Weil Jellinek nicht nach dem "Maßstab für das Gegebene" 49 fragt, vielmehr diese Frage mit dem Verdikt "Spekulation" 50 aus der Sozialwissenschaft verdammt, bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich im Korsett seiner These vom "empirischen Typus" zu beschränken, nämlich zu sammeln, zu vergleichen, hervorzuheben und einzuordnen. Konsequenterweise muß die Rationalität von Überzeugungen außerhalb wissenschaftlichen Fragens bleiben. Sprach Gerber wenigstens noch vom "sittlichen Gesamtwillen eines Volkes" 51 , so ersetzt Jellinek die "Gerechtigkeit" als Kriterium des positiven Rechtes durch die pure Doxa 41 Ebd., S. 341. 42 Ebd., S. 341. 43 Ebd., S. 342. '' Ebd., S. 342. 45 Ebd., S. 334. 4& Ebd., S. 371. 47 Ebd., S. 350. 48 Ebd., S. 355. 49 Ebd., S. 350. so Ebenda. s1 Gerber, Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrechts, 'Leipzig 1865, S. 22 (fortan zitiert als "Grundzüge").
2. Die Lehre von der Rechtspersönlichkeit des Staates
61
(Meinung) der Mehrzahl52 und bereitet damit das gesunde Volksempfinden als Auslegungsmaßstab der Gesetzesinterpretation intellektuell vor. Als Legitimation muß, wie bei der natur-historischen Methode, auch bei Jellinek die Geschichte herhalten. Jellinek bekennt sich zum Evolutionismus und glaubt an den Fortschritt: "Das Entstehen und die Fortbildung der historischen Forschungsweise hängt eng zusammen mit dem fortschreitenden Siege der evolutionistischen Denkweise in der gesamten Wissenschaft53." Vom Standpunkt der "evolutionistischen Denkweise" aber zeigt sich dem "die geschichtliche Entwicklung 'überblickenden . . . eine sich immer stärker ausbreitende Solidarität der Volksinteressen" 54 • Während "sich fortwährend neue Gebiete der Freiheit" eröffnen, wächst zugleich "der Bereich des Staates" 55 • "Allem Fortschritt in der Kultur" entspricht zugleich ein "Fortschritt in den Gedanken der menschlichen Solidarität"56 • So wirken bei der Rechtsbildung zwei Elemente mit: "das konservative", welches "das tatsächliche Geübte in Normatives" verwandelt und das "rationale, evolutionistische, vorwärts treibende, auf Änderung des gegebenen Rechtszustands gerichtete Element der Rechtsbildung" 57 • In Anlehnung an die Philosophie von Leibniz, seinem Promotionsthema, löst sich alles in Harmonie auf: "Indes ist sowohl das einseitige historische als das einseitig rationale Denken, sowie die Auffassung des Staates als brutaler, rechtloser Macht doch nur auf enge Kreise oder enge Zeiträume beschränkt, so daß im Gesamtbewußtsein der Völker der Staat nicht nur als faktische, sondern auch als rechtliche und vernünftige Macht erscheint. Damit ist auch die Überzeugung bekundet, daß die Staatsordnung selbst Rechtsordnung sei~ Und da die Uberzeugung, daß etwas, das solchen Anspruch erhebt, Recht sei, die letzte Quelle des Rechtes selbst ist, so ist damit der Rechtscharakter des öffentlichen Rechtes unwiderleglich dargetan58." c) Das System des Staates bei Gerber
Die Gefahr, daß der Rechtspositivismus leicht zur wissenschaftlichen Legitimation der herrschenden politischen Mächte dienen kann, läßt sich nicht nur auf Grund der kritischen Beurteilungen seiner methodischen Prämissen prognostizieren. Die Tatsache, daß die Allianz zwischen Macht und Rechtspositivismus auch faktisch (wie z. B. von Gerber) vollzogen wurde, legt zugleich die Vermutung nahe, daß die 62 63 64 55 66 67 68
Jel!inek, Allgemeine Staatslehre, S. 334, Anm. 1. S. 42.
Ebd., Ebd., Ebd., Ebd., Ebd., Ebd.,
S. 253.
S. 254. S. 253. S . 354.
S. 355.
2. Teil: Das handelnde Subjekt "Staat"
62
positivistische Methode selbst wiederum deshalb soviel Anklang und konsequente Anwendung fand, weil für den Geist ihrer Erfinder eine gewisse Sympathie für die herrschenden Mächte von vornherein charakteristisch war. Der rechtspositivistische Versuch zur Lösung der Ordnungskrise der deutschen Territorialstaaten (Gerber) sowie später des deutschen Reiches (Laband) und der Ausgleich zwischen der angeblichen Souveränität des Fürsten und der Souveränität des Volkes ist daher weder als beliebige noch als einzig mögliche Reaktion auf diese Ordnungskrisen zu werten, sondern ist eng mit dem Milieutypus bzw. politischen Habitus seiner Erfinder verknüpft. Eine kurze Darstellung dieses Typus scheint deshalb angebracht. Wenn sie an dieser Stelle aw: Raumgründen ·auf Gerber beschränkt werden muß, so kann sie doch einen gewissen Anspruch auf Verallgemeinerung erheben. Parallelen ließen sich ohne weiteres bei Laband an Hand seiner Lebenserinnerungen feststellen. Bei J ellinek liegen - wie aus seinem erst kürzlich (1970) im Rahmen einer Neuauflage seiner "Ausgewählten Schriften und Reden" publizierten "Lebensbild" hervorgeht - die Verhältnisse zwar komplizierter, insofern er (als Österreicher) in seiner zweiten Heimat Deutschland nie ein politisches Amt anstrebte, aber doch nicht grundsätzlich abweichend1 • Seine "Sympathie für die herrschenden Mächte" dokumentiert sich nur nicht mehr spezifisch - wie bei Gerber und Laband - als Bewunderung der "Oberschicht" innerhalb einer innergesellschaftlichen Hierarchie, sondern wesentlich als Bewunderung für nationale "Größe". Als vom Österreichischen Antisemitismus Vertriebener identifizierte sich Jellinek mit dem "Sieger" (dem deutschen Reich), das ihn mit offenen Armen aufnahm, als dem "Mächtigen" schlechthin. Gerber wurde 1823 in einem deutschen Kleinstaat, nämlich in Schwarzburg-Sonderhausen, als Sohn eines Lehrers geboren. Mit 20 Jahren absolvierte er sein Studium. Zurückgekehrt in seine Heimat sah er keine Möglichkeit, sich als Beamter oder als Rechtsanwalt zu betätigen. In dieser Situation schrieb er einen Brief nach Heidelberg an seinen Professor C. J. A. Mittermaier. Der Brief zeigt die Zwangssituation eines ehrgeizigen jungen Mannes aus dem Jahre 1843 in der thüringischen Provinz, in der "drei bis vier miteinander verwandte oder verbundene Familien alle einflußreichen Posten besetzt halten"2 • Als Ausweg bot sich die wissenschaftliche Laufbahn an. Der zeitgemäße, gefühlsbetonte Stil, mit dem Gerber um Protektion bat, ist nicht nur für Gerber signifikant, sondern allgemeiner Ausdruck politischer Ohnmacht, 1
Vgl. Herwig, Hedda: Jellinek, in: M. Sattler, Staat und Recht, München
2
Briefe C. F. von Gerbers an Geheimrat C. J. H. Mittermaier, in: DJZ
1972,
s. 72 ff.
XIV (1909), S. 98 ff.
2. Die Lehre von der Rechtspersönlichkeit des Staates
63
der hier in der Vorherrschaft der vier Familien in Schwarzburg-Sonderhausen dokumentiert ist3 • Gerber war also gezwungen, seine Sorgen in dem "väterlich gesinnten Herzen" seines Heidelberger Professors niederzulegen. Es dauert jedoch nicht lange, bis er seine präzise Bitte äußert. Zunächst wird erst einmal der Tränenfluß artikuliert. Gerber spricht dabei von sich als einem jungen Manne, der: "Wie einst bei seinem Abschiede von Ihnen, so jetzt bei der Erinnerung an Sie, Tränen vergießt, wie sie nur ein Kind über die Trennung von seinem Vater vergießen kann. Lassen Sie mich darüber schweigen, wie unendlich meine Brust von Ihnen begeistert ist, indem Sie mir dadurch ein Erröten wegen des Gedankens ersparen, Sie dürften es doch vielleicht nicht glauben können; nur lassen Sie mich aussprechen, daß ich die Zeit, in der ich das Glück hatte in Ihrer Nähe zu sein, für die erste und vielleicht auch die letzte Jubelperiode meines Lebens halte und die Erinnerung an Sie der leuchtende Stoff ist, den ich ängstlich auf jeden Tag verteile, um für jeden derselben nur wenigstens einen Lichtstrahl zu haben." Er erklärt seinem Lehrer: "Daß für einen jungen Mann aus Ihrer Schule, dem das Recht und die Wissenschaft das Höchste ist" und vor dem man sich deswegen fürchte, "die Hoffnung verloren ist, in seinem Vaterland (mit Tränen schreibe ich dies) eine angemessene Tätigkeit zu gewinnen". So bittet er nicht nur um Unterstützung, sondern auch darum, ihm "eine Bahn in der Wissenschaft vorzuzeichnen" und versichert, daß er sie "unbedingt verfolgen würde". Er verspricht dem Adressaten, "alles das zu leisten, was Sie von dem besten Sohne erwarten dürfen" 4 • Gerber hat auch schnell wissenschaftliche Karriere gemacht. Er habilitierte sich in Jena und wurde dann nach Erlangen berufen. Bereits in Tübingen wurde er Rektor der Universität und damit als Mitglied der zweiten Kammer in den Adelsstand erhoben. 1865 erhielt er einen Ruf nach Leipzig. Im Jahre 1867 gehörte er zu den 23 sächsischen Abgeordneten, darunter August Bebel, die als Vertreter Sachsens am konstituierenden Reichstag des Norddeutschen Bundes teilnahmen. Er war 44 Jahre und hatte seine Hauptwerke schon geschrieben. Gerber bewährte sich bei der Sitzung des konstituierenden Reichstages, so daß er bald darauf zum Kultusminister in Sachsen ernannt wurde. Dieses Amt übte er über 20 Jahre aus und bewies seine technokratischen Fähigkeiten. Er war ein außerordentlich tüchtiger Kultusminister; unter seiner Leitung wurde das Schul- und Universitätsleben Sachsens bedeutend und grundlegend reformiert. Großes Interesse wendete er vor allem dem technischen und naturwissenschaftlichen Bereich zu. Er s Siehe Wolfgang Lepenies, Melancholie und Gesellschaft, Frankfurt 1969. • Gerber, Briefe an C. J. A. Mittermaier, DJZ, S. 999.
64
2. Teil: Das handelnde Subjekt "Staat"
richtete nicht nur Gewerbeschulen ein, sondern gründete auch die Dresdener Technische Hochschule. In der Kirchenpolitik gelang es seiner Geschicklichkeit, einen Kulturkampf in Sachsen zu vermeiden. Seine politische Haltung geht aus den Briefen an seine Frau über die Sitzung des konstituierenden Reichstages des Norddeutschen Bundes hervor5. Gerbers politische Haltung ist antidemokratisch, antiparlamentarisch, antiliberal und sogar, was für die Zeit ungewöhnlich ist, antisemitisch. Respekt und Takt gegenüber Personen höheren Standes oder einflußreicher Position kommt ebenfalls in den Briefen zum Ausdruck. Als gewählter Vertreter des 13. sächsischen Wahlbezirkes (Leipzig-Land) vertrat Gerber gleichwohl die politische Linie der sächsischen Regierung, die sich im Gegensatz zu der Preußenfeindlichkeit der meisten sächsischen Abgeordneten, mit Preußen und Bismarck arrangieren mußte. Die Anerkennung seitens der Regierung stellte sich auch bald ein; Gerber sollte die Stellung eines Vertreters der sächsischen Regierung erhalten. Auf das Angebot des sächsischen Ministers Friesen antwortet er: "Überall wo es sich um einen Dienst für seine Majestät, unseren allergnädigsten Herrn, und für Sachsen handelt, können Eure Exzellenz über meine Kräfte vollständig disponieren6 ." So konnte er auch nicht verstehen, daß andere "Sachsen (mit Ausnahme von Salzas, von Zehmens und von Thielaus) gegen ihren eigenen Minister stimmten"; er fand dies "höchst bedauerlich" 7 • Gerber zeichnete auch ein Gespür für die Machtverhältnisse aus. Im Gegensatz zu den meisten sächsischen Abgeordneten ist er nicht antipreußisch und läßt sich nicht auf die Vertretung förderalistischer Interessen im Parlament ein. Er erkennt schnell: "Unsere Interessen sind jetzt allein bei der preußischen Regierung garantiert, nicht im Parlament8 ." Preußen hat die Hegemonie im Bund. Ihm gehört die Zukunft. Den Gegensatz Sachsen- Preußen hält Gerber für ärgerlich. So schreibt er: "Es ist die höchste politische Kunstaufgabe meines bisherigen Lebens gewesen, in Preußen mich als aufrichtiger Anhänger der neuen Entwicklung zu bekennen und doch meine Pflichten gegen Sachsen nicht zu vernachlässigen9 . " Roon und Bismarck, die späteren Helden der Nation, sind nicht nur bedeutende Männer, es sind Figuren, "mit denen man rechnen muß" 10 • Seinen Standpunkt als Konservativer betreffs des Wahlrechtes formuIi "Aus den Briefen C. F. von Gerbers vom konstituierenden Reichstag des Norddeutschen Bundes", in: Neues Archiv für Sächsische Geschichte, Dresden 1938, fortan als "Briefe" zitiert. G Briefe, S. 263. 7 Ebd., S. 267. s Ebd., S. 243. s Ebd., S. 260. 1o Ebd., S. 273.
2. Die Lehre von der Rechtspersönlichkeit des Staates
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liert er so: "Leider ist im Artikel 21 das ganze unsinnige und jeder Vernunft widersprechende allgemeine Wahlrecht angenommen worden. Auch enthält leider der ganze Entwurf kein einziges Korrektiv desselben als dieses im Artikel 29 enthaltene, wonach der Pöbel nur einen Mann wählen kann, der Vermögen genug hat, ein paar Monate in Berlin aus seiner Tasche zu leben und dies Opfer zu bringen." Er befürchtet, ohne das Korrektiv eines Wahlgesetzes oder das Korrektiv des Artikels 29 (keine Diäten für Abgeordnete) würde die nächste Wahl "dem Parlament zwei bis dreihundert Buchdrucker und Zigarrenarbeiter liefern" 11 • Er ist Anhänger der Monarchie, er verehrt die Aristokratie, aber vor allem Bismarck und Preußen. Die Vorherrschaft Preußens ist für ihn legitim, denn es handelt sich "um die Herstellung des uralten Nationalgedankens einer deutschen Einheit im Anschluß an die verjüngende und zusammenfassende Kraft Preußens" 12. Aber es geht um mehr als um die nationale Einheit. Im preußischfranzösischen Konflikt rechnet er 1867 schon mit einem Krieg und dem späteren Sieg: "Im Grunde genommen wäre der Zeitpunkt für Preußen sehr günstig. Unvermeidlich ist der Kampf doch. Es handelt sich darum, wer der erste in Europa sein soll, Frankreich oder Deutschland13." Konsequenterweise bewundert er das Militär, insbesondere den Kriegsminister Roon: "Dieser Mann ist eine wirklich ganz herrliche Erscheinung. Ein hoher, kraftvoller Mann, von tiefernstem, aber durchdringendem Blick, etwas ungemein Hohes und Edles in seinem Wesen, mit tiefer, sonorer Stimme14 ." Noch größer als der Respekt vor der Militärmacht Preußens ist die Bewunderung für die "große Heldenfigur Bismarck", die zu dieser Zeit in den außerpreußischen Ländern Deutschlands noch keineswegs so allgemein war. Diese "stolze, großartige Figur" 111 trug zu den wichtigsten Ereignissen während der Sitzungsperiode des konstituierenden Reichstages bei: Der "besondere Genuß", bei Bismarck zu "Tische eingeladen zu sein" 16• Anläßlich einer Rede Bismarcks - "ein Löwe auf dem Sprung", "dämonisch", "fürchterlich", - hat er das Gefühl, "daß gewaltige Dinge hier vorgehen, das ist nicht wie der Phrasenkampf in den Kleinstaaten, sondern hier vollenden sich die Geschicke der Welt. Das Gefühl ist groß und erhebend, aber mitunter bangemachend"17. Demzufolge kann Gerber natürlich nicht verstehen, daß Bismarck eine Abstimmungsniederlage erlitt: "Jetzt, wo es sich um eine Front11
Ebd., S. 265.
12 Ebd., S. 260. 13 Ebd., S. 277. Ebd., Ebd., Ebd., 17 Ebd., 14 15 16
5 Bärsch
S. 239. S. 230. S. 237. S. 251.
2. Teil: Das handelnde Subjekt "Staat"
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stellung gegen Frankreich handelt, wo Bismarck die ganze moralische Autorität Deutschlands hinter sich haben muß, votiert man ihn in einer Sache ab, betreffs derer er soeben die kategorischste Erklärung abgegeben hatte18." Seine Abneigung gegen Parlament, Demokratie und Volk ist aus folgender Tagebuchnotiz ersichtlich: "Hier (in Leipzig) ist die Sache scheußlich. Der edle Pöbel will Wuttke, den niederträchtigsten demokratischen Vaterlandsverräter ... Ein anständiger Mann, der sich nicht von der Kanaille der Presse beschmutzen und wochenlang herumziehen lassen will, zieht sich zurück und überläßt das Feld den Lumpen und diese soll man nun als Organ des Volkes anstaunen und sich von ihnen Gesetze geben lassen? Wird Deutschland je von dieser Krankheit des demokratischen und parlamentarischen Gelüstes wieder frei werden, oder wird es daran verkommen19?" Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Briefe durch das "Neue Archiv für sächsische Geschichte", im Jahre 1938, war auch schon ein Teil der Juden verkommen, denen neben den Demokraten und Liberalen seine Abneigung galt. In seinem Antisemitismus war Gerber seiner Zeit voraus. Zu den "Konfiiktdemokraten" gehörten auch der "Jude Lasker, Gneist und Konsorten" 20• Mit Genugtuung schildert er folgende Situation, nach der Moltke und Falkenstein gesprochen hatten: "Es war ein merkwürdiger Moment, diese beiden großen Männer reden zu hören. Größer konnte der Gegensatz nicht sein, als daß auf Vogel von Falkenstein, der demokratische Judenschulmeister Ree folgte, bei dessen Auftreten sich sofort das ganze Haus leerte21. " Vor dem Hintergrund von Gerbers politischem Habitus wird plausjbel, daß seine auf die Systematisierung des Rechts folgende Systematisierung des "Staatsrechtes" nicht ganz unproblematisch vonstatten gehen konnte. Daß Gerber erst 1865 das Wagnis unternahm, ein geschlossenes System des Staatsrechtes zu schreiben, indiziert einen Wechsel der politischen Lage. 1852, vier Jahre nach der bürgerlichen Revolution, hatte er sich dies noch nicht zugetraut. Eine damalige Schrift "Über öffentliche Rechte" bezeichnet er selbst mit genuin positivistischer Vorsicht als "bloßen Versuch" 22 • Nicht etwa aus mangelndem Glauben an die eigene Fähigkeit, sondern auf Grund der für Gerber beklagenswerten politischen Verhältnisse: Die "wissenschaftliche Einheit" des "Deutschen Staatsrechtes", die systematisiert hätte werden können, war nicht gegeben, weil es sich um eine Zeit handelte, "wo alle öffentlichen Verhältnisse im steten Schwanken begriffen sind, und das
1s 19 2o 21 22
Ebd., Ebd., Ebd., Ebd.,
S. 267. S. 226. S. 270. S. 271.
C. F. von Gerber,
Über öffentliche Rechte, Tübingen 1852, S. VII.
2. Die Lehre von der Rechtspersönlichkeit des Staates
67
Bestehende jederzeit durch eine Umwälzung bedroht wird", um "eine Zeit der Politik und nicht des Rechts"23• 1865 jedoch konnte Gerbers Verzweiflung über die "schwankenden" Zustände sich beruhigen. Die bürgerliche Revolution von 1848 konnte als endgültig gescheitert betrachtet werden, die Bourgeoisie hatte sich mit den traditionellen Mächten arrangiert. So begünstigte denn auch die neue politische Situation nicht nur Gerbers Systematisierung des Staatsrechtes, sondern auch im folgenden - via Laband - den Durchbruch zum offiziellen Erfolg seiner Lehre. Als nach 1870 das deutsche Bürgertum im deutschen Reich die Erfüllung seiner Wünsche erblickte, der monarchisch bestimmten Obrigkeit folgte und seine politische Betätigung auf nationale Begeisterung und wirtschaftliche Unternehmungen reduzierte, konnte Laband auf der theoretischen Grundlage Gerbers sein "Staatsrecht des deutschen Reiches" verfassen. Die politische Abdankung des Bürgertums fand ihr intellektuelles Pendant in der Doktrin der Staatsrechtslehre, die besagt, daß der Staat - und zwar meint Gerber den "Staat als solchen" - das Ordnungszentrum von Mensch und Gesellschaft ist.
Gerbers Lehre vom Staat- "Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrechts" - enthält alle Punkte seiner am Privatrecht erprobten Methode. Wesentlich aber ist nicht die Anwendung der zivilrechtliehen Methodik auf den Gegenstand des öffentlichen Rechts, den Staat, sondern die Übertragung der spezifischen Merkmale der naturhistorischen Methode bzw. der juristischen Betrachtungsweise. Am Objekt des Staates geht es abermals um die Begründung "eines wissenschaftlichen Systems, in welchem sich die einzelnen Gestaltungen als die Entwicklung eines einheitlichen Grundgedankens darstellen" 24 • Die Anwendungsweise zivilrechtliehen Denkens aber hätte inhaltlich zur Folge haben müssen, unter "Staat" einen bürgerlich-rechtlichen Verein oder eine Aktiengesellschaft zu verstehen, wobei es auch nach damaligem Recht so war, daß die Aktionäre oder Mitglieder des Vereins die Möglichkeit der Abwahl des Vorstandes (kraft Satzung und Gesetz) hatten. Die Übertragung dieses Modells auf die politische Gesamtgesellschaft hätte dem Gedanken der Legitimation der Herrschaft durch Wahlen unmittelbar Ausdruck gegeben. Der Zweck des Systems des Staatsrechtes hingegen ist nicht nur "die wissenschaftliche Selbständigkeit" des deutschen Rechtes als "Grundlage sicherer juristischer Deduction"25 zu etablieren, vielmehr soll vor allem die Unabhängigkeit der "rechtlichen Bestimmung der durch unsere modernen Verfassungen gegebenen Be23 24 25
5'
Ebd., S. 12, 13. C. F. von Gerber, Grundzüge, S. VIII. Ebenda.
2. Teil: Das handelnde Subjekt "Staat"
68
griffe" 26 erreicht werden. Wie das Recht soll auch das Staatsrecht aus sich heraus entwickelt werden und "dem wechselnden Einfluß des Tages entzogen sein"27. Hauptgegenstand des Staatsrechts ist "die Willensmacht des Staates, die Staatsgewalt", ja, das Staatsrecht ist die "Lehre von der Staatsgewalt, was kann der Staat als solcher wollen? (Inhalt und Umfang der Staatsgewalt), durch welche Organe und in welcher Form kann und soll sich sein Willen äußern?" 28 . Wie aus den zitierten Sätzen schon hervorgeht, setzt die Lehre von der Staatsgewalt den "Staat" als handelndes und wollendes Subjekt voraus. Bevor daher die "Willensmacht des Staates", diese "Naturkraft"211, in Form der "Staatsgewalt" näher untersucht werden kann, muß vorweg das spezifische Verständnis, das dem Topos "Staat" in Gerbers Lehre zukommt, geklärt werden: Dieses Verständnis beruht im wesentlichen auf der Vorstellung vom Staat als Organismus und als Persönlichkeit ("in der Persönlichkeit des Staates liegt der Ausgangs- und Mittelpunkt des Staatsrechts" 30). Zur Bestimmung des Staates als eines Organismus und als einer Persönlichkeit gelangt Gerber auf dem Wege der "natürlichen Betrachtung" einerseits und der "juristischen Betrachtung" andererseits: Die "natürliche Betrachtung" führt zu dem Ergebnis, der Staat sei ein "Organismus", das heißt eine "Gliederung, welche jedem Teile seine eigentümliche Stellung der Mitwirkung für den Gesamtzweck anweist" 31 • "Die juristische Betrachtung des Staates aber" - gemäß der natur-historischen Methode ist offensichtlich der höhere Aggregatzustand gemeint - führt zu der Schlußfolgerung, daß der Staat eine "rechtliche Persönlichkeit" ist, und zwar ·die "höchste rechtliche Persönlichkeit" 32 . Die Auffassungen vom Staat als Organismus und als Rechtsperson sind aufeinander bezogen. Der natürliche Sachverhalt des Organismuscharakters ist die Grundlage, der "Stoff", aus dem auf dem Wege der Konstruktion der "Körper" 33 die "Rechtspersönlichkeit", oder wie es später im öffentlichen Recht heißt, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts entsteht. Die Konstruktion der Persönlichkeit geht so weit, daß der "Staat" sogar intellektuelle und moralische Qualitäten besitzt: Er ist "Bewahrer und Offenbarer aller auf die sittliche Vollendung des Gemeinlebensgerichteten Volkskräfte" 34 • Ebd., S. VII. Ebenda. 28 Ebd., S. 8. 29 Ebd., S. 3. so Ebd., S. 21. st Ebd., S. 1. 32 Ebd., S. 2. 33 Zum methodischen Prinzip s. Gerber, Abhandlungen, S . 68; Jhering, Unsere Aufgabe, in: Jahrbücher, I, S. 1 ff. 34 Gerber, Grundzüge, S. 2. 26 21
2. Die Lehre von der Rechtspersönlichkeit des Staates
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Die Unterscheidung von natürlicher und juristischer Betrachtungsweise nimmt die Jellineksche Zweiseitenlehre (soziale und juristische Seite des Staates) vorweg. Was mit der Formel des Organismus qualifiziert wird, was Gerber allgemein unter Staat versteht und was nach natürlicher Betrachtungsweise den Charakter des Organismus hat, gehört zu dem Bedeutungsfeld der Worte Gemeinschaft und Gemeinwesen ("der Staat ist ein Gemeinwesen")35 bzw. "das Volk" als "sittlich geeintes Ganze" 36 . Gegenstand der natürlichen Betrachtungsweise sind die natürlichen Verhältnisse, die "Gesellschaftskreise", die "einzelnen Volksglieder" 37, die "Culturkreise" sowie die "gesellschaftlichen Verbindungen"38. Die "Verbindung des Volkes" wird mit der "im Worte Organismus liegenden Gedankenformel" 39 charakterisiert. Die Gedankenformel des Organismus, die Auffassung des Staates als Organismus hat ihre Grenzen, weil "der Gedanke des Organismus an sich gegenüber dem Bedürfnis der Jurisprudenz nach Klarheit und Construierbarkeit der begrifflichen Verbindungen nichts zu leisten vermag" 40 • Aber die "sogenannte organische und rechtliche Staatsauffassung" verhalten sich "wie zwei Betrachtungen desselben Gegenstandes von verschiedenen Standpunkten aus. Jene will das Naturleben, die Physiologie, diese den ethisch-juristischen Inhalt des Staates bestimmen"41 • Die Auffassung vom Staat als Organismus ist "die Beschreibung des natürlichen Tatbestandes, den die juristische Betrachtung voraussetzt", ist die "natürliche Grundlage" 42 , gemäß der naturhistorischen Betrachtungsweise: das "gelieferte körperliche Element" 43 • Die soziale Welt hat mithin nach Gerber den tatsächlichen Charakter eines Organismus. Gerber weist auf die Herkunft des Wortes und seine Bedeutung in der Naturwissenschaft hin. Die Übertragung auf die "Welt des sittlichen Lebens" hat nach Gerber folgenden Sinn: "Man will damit aussprechen, daß der Staat eine Gemeinschaft von selbständiger innerer Entwicklungskraft, daß er als Ganzes in eignem ursprünglichen Gedanken gegründet ist und sich, in steter Fortbildung begriffen, seiner Bestimmung gemäß in sich und seinen Theilen vollendet; dass die einzelnen Theile die in wechselweiser Lebenswirkungen arbeitenden Glieder sind, die freilich nicht, wie im Naturorganismus, selbstlos, sondern selbstbewußt und im eigenen Mittelpunkte begründet erscheinen44 ." as Gerber, Grundzüge, 2. Auflage, Leipzig 1869 (Beilage), S. 219. 36 Gerber, Grundzüge, S. 1. 37 Gerber, Grundzüge, 2. Auflage, Leipzig 1869 (Beilage), S. 211. 38 Ebd., S. 214. 39 Ebd., S. 212. 40 Ebd., S. 218. 41 Ebenda. 42 Ebd., S. 215. 43 Ebd., S. 218. 44 Ebd., S. 213, Hervorhebung vom Verfasser.
2. Teil:
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Das handelnde Subjekt "Staat"
Die natürliche Betrachtung des "Staates" als Organismus impliziert folgendes: 1. Soziale Gruppen und ihre Verhältnisse zueinander stellen ein in sich geschlossenes Ganzes dar. Die verschiedenen Teile, Elemente und Verbindungen sind eine Einheit. In dem Ganzen wirkt eine "innere Entwicklungskraft", die Teile "dienen dem Vollzuge der dem Ganzen innewohnenden Idee" 15 • Teil und Ganzes stehen in einem gesetzmäßigen Zusammenhang. Das heißt: die soziale Realität ist systematisierbar, in Gesetzen kausallogisch zu erfassen. 2. Die zur Einheit verdichteten Gesellschaftskreise sind ein lebendiges Wesen mit intellektueller Qualität.
3. Die Gemeinschaft als einheitliches Wesen hat eine innere Entwicklungskraft selbständiger Natur. Aus der selbständigen, inneren Entwicklungskraft der Gemeinschaft als einheitlichem Wesen folgt die Unabhängigkeit des Ganzen, juristisch formuliert: Der Staat ist souverän. Unter diesen Aspekten ist daher Staatsgewalt keineswegs öffentliche Gewalt schlechthin. Auf Grund der Lehre vom Staat als Organismus ist vielmehr konsequenterweise unter Staatsgewalt der mit der Fähigkeit zur Herrschaft ausgestattete Organismus "Staat" zu verstehen. Bei gleichzeitiger Einbeziehung der Persönlichkeitsthese lautet somit die endgültige Definition: "Die Staatsgewalt ist die Willensmacht eines persönlich gedachten Organismus46." Diese Willensmacht wiederum ist "etwas an sich und für sich Existierendes, eine Realität und daher der wissenschaftlichen Bestimmung zugänglich" 47 • Gleichzeitig ist die Staatsgewalt "souverän" ("Die Staatsgewalt in den deutschen Staaten ist souverän")48, und zwar ist sie souverän, insofern die Gewalt der Persönlichkeit Staat so geartet ist, "daß sie die Motive ihres Handeins nicht von einer außer ihr stehenden Macht empfängt, sondern lediglich in sich findet". "Souveränität" ist also "nicht selbst Staatsgewalt, sondern bezeichnet nur eine Eigenschaft der vollkommenen Staatsgewalt"49. Die Abstraktion und Konstruktion der Gewalt im Begriff der Staatsgewalt kann leicht den Blick für das konkrete politische Problem verschleiern, zu dessen Klärung der Begriff ursprünglich dienen sollte: Das Problem der Herrschaft. Denn "die rechtliche Äußerung der Staats-
45 46 47 48
49
Ebenda.
Gerber, Grundzüge, 1. Auflage, S. 19. Ebd., S. 20 Anm. 1. Ebd., S. 23. Ebd., S. 22.
2. Die Lehre von der Rechtspersönlichkeit des Staates
71
gewalt ist das Herrschen"50• Unter diesem Aspekt aber wird die Lehre von der Staatsgewalt brisant. Wenn nämlich Herrschaft identisch mit der "rechtlichen Äußerung der Staatsgewalt" ist, dann ist Herrschaft primär eine aus nichts abgeleitete (weil ursprüngliche und souveräne) Machtausübung (hier seitens eines etwas, das den natürlichen Charakter eines Organismus und nach juristischer Betrachtungsweise eine juristische Person ist). Jellinek hat später versucht, dieses Problem durch die Selbstverpflichtung des Staates zu lösen. Interessant ist in diesem Zusammenhang aber vor allem die Verknüpfung von Volk und Staat. Einerseits gelangt nach Gerbers Lehre Herrschaft nur durch den Staat zur Existenz, die Staatsgewalt ist "eine Naturkraft, welche im Staate als der wichtigsten Sozialform der Menschheit ursprünglich enthalten ist"51 • Da jedoch andererseits im Staat das Volk "als sittlich geeintes Ganze zur Anerkennung kommt" 52, soll die Staatsgewalt zugleich- im Idealfalle- "den sittlichen Gesamtwillen eines Volkes in voller W ahrheit" 53 darstellen. An diesem Punkt gelingt Gerber ein definitorisches Meisterstück mit Hilfe der Kategorien Gesamtheit, Ganzheit und Einheit. Da definiert wird, daß das Volk als "Ganzheit" in der Person "Staat" enthalten ist, selbst nur als "Gesamtheit" mit einem "Gesamtwillen'' relevant wird, kann Gerber ruhigen tfl .STAAT ALS MAGHTPYR.AMI06.
SC.HAUBILO 2.: STAATSFÜHRUNG
.STAATSUNT&flBAU
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(6E.Vt1LKE.FWNG)
A&B.2.: OE.R. STAAT ALS OR.GANISIE.R.TE. GES~LL.SCHAFT
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zwischenparteilicher Zustand )STAT V)
1
Form zu regieren
Verfassung
I
Disposition des Landes
,.FURSTEN·STAT"
.,Sta~~sach~~"
gesellschaft
..volkstümliche" souveräne Staatsgesellschaft
.\
j,äne Staat.-
\
societas civilis
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~ebie,t (Stato)
societas humana Zivilisation
Verfassung und Disposition des ~ndes-----=---äußereinnere;• / .,Stat C-:Pohbk) I . I . : Machtstellung gemeiner Stat :· Machtstellung des Fürsten: / des Landes (.,Staats~ Pflichten") ! / Souveränität/Interesse DOMAIDuMr_-_- uTRzoc~ -:-:...._- r-.. ··..:::::'"'"CEM_~jNWESEN -_:-:_.:-_ ST6_.'LEN"illio POTEN:.--TATEN Gebiet : :" •
• P . L. W einacht, S . 244.
1800
/
Regiment"
--------
,.consuetudines ac vires principis" :' ( = )/
jSTAT IVj
im weiteren Sinn (Gemeinwesen ,.als Staat") ""' 1700 "'(s'""'T~A~T~x='( 1750 Abstraktum und Wertbegriff
(Hof)/
Anstalt im engereil"slnn
1650
1600
~Budget
1500 1550
-Haltung -Gesinde fOrdnung
Hof
Js TAT IIIJ
lat. l~~-~-t~;·······················-mhd.
*
(Tabelle von P. L. Weinacht*) 1"dg. sta-
Bedeutungsgefüge des Wortes Staat (Stat)
stat (f.), state (f.), stand (m.) ~--------~-------~ ,.status regni" .,status regis"
AusStattung Aufwand ~mt
III
Stand, Rang
JSTAT
1450
1400
1332
Datum der frühesten Belege
Erläuterungen:
Die Tafel kann von oben nach unten (diachronisch) und von links nach recnts (synchronisch) gelesen werden. Von oben nach unten ergeben sich folgende Hauptelntellungen: lat. status- ,.status regis"- ,.status regnl" -: 1. Die .lateinischen Begriffe stehen als die Ausgangsbedeutungen des Lehnworts (historisch), zugleich orientieren sie das Gefüge (systematisch). 2. (a) Während STAT I als Repräsentant der ,.Einheit des Wortes" in der Mitte steht, entwickeln sich ·tm Zeichen von ..status regis" die Varianten STAT II, m, IV, VII und Im Zeichen von ,.status regnl" die Gruppe STAT V; STAT VI nimmt seinen Ausgang vom Italienischen und Französischen, wird dann jedoch von STAT V her unterstützt. (b) Um die Mitte des 17. Jahrhunderts entsteht quer durch die Varianten von STAT IV, STAT VII und STAT V ein einheitliches Be· deutungsband. Aus dem genannten Bedeutungsband entspringen in neuer Gegensätzlichkeit STAT VIII und STAT IX (und X). ~-
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Personenregister Affolter, A. 130 f. Albrecht, W. E. 124 Angermann, E. 23 Anschütz, G. 44 Aristoteles 34 f., 59, 107, 109, 113, 126, 137, 155 Augustinus 37 Baader, F. v . 133 Bähr, 0. 40 Badura, P . 37, 40, 107, 134 Ballweg, 0. 129 Barnard, F . 132 Baumgarten, A. 44 Bebe!, A. 63 Bentley, A. F . 25 Beseler, G. 41 Bezold, F. v. 123 Binder, J. 134 Bismarck, 0. v. 43 f., 64 f., 103, 124 f. Blühdorn, J. 53 Blumenberg, H. 128 Bluntschli, J . C. 40 Böhme, J. 133, 146, 156 Bodin, J. 122 f. Bosl, K. 8 Bracher, K. D. 23, 29, 30 Brunner, 0. 30, 111 Christus 160 Comte, A. 41 Dabin, J . 119 Dempf, A. 156, 160 Dilthey, W. 40 f. Disraeli 18 Draht, M. 24 Dreier, R. 23 Dürig, G. 23, 112 Duguit, L. 118 f. Ehmke, H. 24, 30, 31, 40 Eichhorn, K. F. 46, 48, 52 Engels, F. 101 Eschenburg, Th. 24
Feuerbach, L. 101 Fichte, J. G. 11, 132, 149 f. Fiore, J. v. 156 Forsthoff, E. 44 Frantz, C. 111 Freyer, H. 41, 115, 134 Friedrich, C. J. 24, 30 Fröhling, 0. 125, 129 f. Funk, Ph. 132 Gablentz, o. H. v. d. 23, 24, 25 Gebhardt, J. 143 Gerber, C. F. v. 15, 26, 27, 36, 41, 43 ff., 54, 57, 60 f., 64 ff., 81, 87 f., 91, 97, 102 ff., 119, 124 f., 134, 166 Gierke, 0. v. 37, 41, 87 f., 97, 125, 129 Graßl, H. 133 Guardini, R. 110 Gumplow icz, L. 41 Häfelin, U. 34 f., 40, 43 f. Hatschek, J. 44 Hauser, S. 39 Hege!, G. F . W. 41, 48, 52 f., 72, 111, 124, 132 ff., 141 ff. Heiner, H.-J. 132 Held, J. 40 Helfritz, H . 41 Heller, H. 15, 41 f., 94 ff., 111, 134, 166 Henningsen, M. 18 Hennis, W. 24 Herder, J. G. 52, 133 Herwig, H . 62 Herzog, R. 38, 42 f., 99 ff., 114 f., 119 Hippe!, E. v . 43, 89 Hobbes, Th. 126 Holborn, H. 132 Hollerbach, A. 48, 111, 133 Holubek, R. 55 Jellinek, G. 27 34 ff., 41 ff., 54 ff., 69, 71, 74 ff., 97, 102, 104, 111, 114, 119, 125, 134, 140, 166 Jesch, D. 129 Jerusalem, F. W. 41
Personenregister Jhering, R. v. 46 ff., 54, 57, 68, 80, 83, 134
Oertzen, P . v. 15, 44 Oppenheimer, F. 41
Kambartel, F. 135 Kant, I. 37, 52, 132 ff., 166 Kaufmann, E. 132, 134 f. Kelsen, H. 15, 41 ff., 54, 75, 82, 85, 88 f., 92, 97, 129, 131, 140 Kern, E. 36, 54 Kierulff, J. F. 47 Kjell{m, R. 41 Kluckhorn, P. 132 Klüber, J. L. 124, 140 Koellreutter, 0. 44 Krabbe, H. 41 Krockow, C. v. 23 Krüger, H. 16, 24, 25, 42 f., 55, 98, 111 119 ff., 132 ff. Küchenhoff, G. u. E. 16, 43, 97, 119 Kuhn, H. 24
Peuckert, W.-E. 133, 146 Platon 34 f., 100, 107 Preuß, H. 87 f. Protagaras 100 Puchta, G. F. 46, 48, 51, 134
Laband, P. 26, 41, 43 ff., 50, 54, 56, 62, 67, 87 f., 91, 97, 104, 125, 129, 134 Lange, F. A. 59 Larenz, K. 132, 134, 142 Lasson, G. 134 Laun, R. v. 43 f., 140 Leibholz, G. 18, 44 Leibniz, G. W. 61 Leisegang, H. 153 Lepenies, W. 63 Lepper, J. H. 133 Liebmann, 0. 44 Lincoln, A. 18 Litt, Th. 41 Lobkowicz, N. 143 Löwith, K. 134, 157 Luther, M. 151, 157 Mager, W. 39 Marquard, 0. 142 Marx, K. 38, 101 Maunz, Th. 43, 55 Meincke, F. 36, 114 Merzbacher, F. 8 Meyer, A. 0. 39 Mill, J. St. 18 Mittermaier, C. J. A. 62 Mohl, R. V. 40, 111 Mols, H. 24 Nawiasky, H. 15, 43 f., 114 Nelson, L. 54, 58 f., 75, 84, 148
181
Quaritsch, H. 26, 28, 36, 55, 123 f. Rickert, H . 40 f. Riede!, M. 37, 143 Ritter, J . 53, 142 f. Rosenzweig, F. 142, 146 Rotteck, K. v. 140 Rousseau, J.-J. 28, 135, 140, 142, 146 Rupp, H. H . 43, 129 ff. Ryffel, H . 24 Saint Martin, L. C. de 161 Sattler, M. 62 Sauer, W. 44 Savigny, F. C. v. 41, 46, 51 f., 134 Smend, R. 15, 24, 41 f., 92 ff., 97 f., 134 Sokrates 100 Sontheimer, K. 32 Spann, 0. 41 Schabert, T. 146 Schelling, F. W. J. 48, 52, 111, 132 f., 150, 156 Scheuner, U. 24, 26, 27, 28, 40, 44, 134 Schlözer, A. L. v. 111 Schmidt, R. 41, 44 Schmitt, C. 30, 41, 44, 96 ff., 128 Schnabel, F. 52 Schulz, H . 40 Schulz, H. J. 128 Stahl, F. J . 40, 134 Stein, E. 38, 43, 98, 115 f., 119, 167 Stein, L. v . 111 Stratenwerth, G. 129 Thoma, R. 44 Triepel, H. 15, 44 Troje, H. E . 53 Viatte, A. 133 Viehweg, Th. 129 Voegelin, E. 8, 15, 18, 45 f., 50, 107 f., 113, 142 Weber, M. 41, 94 Weinacht, P.-L. 14, 39, 168
182 Weininger, 0. 59 Welcker, C. Tb. 140 Wilhelm, W. 41, 46 f., 133 Wolff, H. J. 43, 47, 129
Personenregister Zachariae, K. S. 111, 134 Zippelius, R. 43, 97 f., 119 Zitelmann, E. 134 Zoepfl, H . 40, 134