Der Spiritismus, seine Erscheinungen, sein Wesen und sein Nutzen: Nach authentischen Quellen
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Der Spiritismus, seine Erscheinungen, sein Wesen und

sein Nutzen, nach authentischen Quellen bearbeitet

Dnatnuus Leuchtkäfer, Dr. der Arzne^eUchrtheit. Verf der .. M e d i z i n i' ch e:i Ln > t B l a t e n."

Berli », Truck und 4't’iLi.i von O'mv, 'Jictmcr. HTf).

Vorwort. Hut gleich von vorn herein die volle Wahrheit zu sagen: es ist eigentlich nicht der Spiritismus, für welchen ich in den folgendeil Blättern meine Stimme zu erheben beabsichtige. Der Spiritismus wird, davon bin ich überzeugt, auch ohne den Bei­ stand meiner schwachen Feder fein Schicksal erfüllen; und weil» er ja, um bei seiner Weltumseglung die ihin drohenden Klippen glücklich zll umschiffeil, der kundigen Lootseil bedürfen sollte, so wird er sicher zlwerlässigere finden, als ich zu sein mich rühmeil kann: ja, er hat sie bereits gefunden. — Was mich zu den Waffen ruft, ist vielmehr der klägliche Nothstand einer Anzahl von Männern, denen von gewisser Seite nachgesagt wird: sie hätten, indem sie sich für Anhänger des Spiritismus erklärten, ihren wissenschaftlichen Nus aufs Spiel gesetzt. Es konnte nämlich nicht fehlen, daß die Gegner des Spiritismus in Verwunderuilg darüber geriethen, daß Männer von anerkanntem Ver­ dienst um ihre Mitbürger, von hoher Intelligenz und scicntifischer Bildung und hinreichend ausgerüstet mit dem natürlichen und durch eifrige Beschäftigung mit den Wissenschaften noch potenzirtcn Skepticismus, ihre kritische Begabung, — so sagte man, — so sehr verläugnen können, daß sie einem solchen Phantome, — (ein solches ist eberl der Spiritismus in den Augen seiner Gegner, —) rastlos nachjagen, — noch dazu in Mitten einer verdienstlichen praktischen Thätigkeit, welche der 1*

4 Hilfsleistung tüchtiger Geisteskraft nicht entbehren kann. Wie eS sich später zeigen wird, hat eS selbst unter denjenigen, welche sich zur methodischen Nachforschung über die Wirklichkeit und wahre Beschaffenheit der spiritistischen Phänomene herbeigelassen haben, nicht an solchen gefehlt, welche diese Verwunderung theilten. Ja, es ist mir sogar vorgekommen, daß nnter den Aerzten im specialistischen Fache der Geistesstörungen einige, die sich schlechter­ dings nicht zur Annahme partieller Geistes-Krankheiten bequemen wollten, unter dem Eindrücke, den jene Thatsache auf sie machte, an ihrer bisherigen Meinung irre wurden und sich geneigt zeigten, als einzige Ausnahme eine Monomania spiritistica seu credula zuzulassen. — Solchen Verkennungen und Anschuldigungen scheint mir endlich Einhalt gethan werden zu müssen. Von jeher mit Vorliebe psychologischen Betrachtungen zugeneigt und zugleich ein bereitwilliger Kämpe für die Vertheidigung ungewöhnlicher Behauptungen gegen die Zweifelsucht, — wie ich bereits durch meine früheren Feldzüge auf diesem Gebiete bewiesen zu haben glaube, — mußten mich auch die eben angeführten Thatsachen zu einem ähnlichen Versuche anreizen. Da cs mir jedoch als eine große Anmaßung ausgelegt werden würde, wenn ich mich zum Vertheidiger des gesunden Menschen-Verstandes so hoch­ stehender Männer auftoetfeii wollte, so mußte ich mich der Ver­ theidigung des Objects ihres Glaubens, des Spiritismus als Mittels zum Zwecke bedienen. Indem ich zeige, was von dem Spiritismus zu halten ist, wird sich zugleich zeigen, was man von dem gesunden Menschen-Verstande seiner Anhänger halten darf. Indessen will ich nicht in Abrede nehmen, daß ich das kleine Neben-Verdienst, zur Verbreitung deö Spiritismus etwas beizutragen, dabei nicht ganz aus dem Auge verloren habe. Der Vers.

Viüie wahrhaft betrübende und leider nur zu oft wieder­ kehrende Erscheinung ist die, daß ein glückliches Ereigniß ge­ wöhnlich ein Mißgeschick in seiner Begleitung oder in seinem Gefolge hat: weshalb meine selige Großmutter, eine eben so erfahrene als vorsichtige Frau, jedesmal, weuu eiu solches er­ freuliches Ereigniß in ihrer Familie berichtet wurde, mit der Beschwörungs-Formel „Unberufen!" dreimal unter die TischPlatte klopfte.

Jene Erscheinung wiederholt sich eben so oft im

Leben der Völker als in dem der einzelneil Menschen.

Gerade

die neueste Zeit hat wieder ein schlagendes Beispiel dafür ge­ liefert

und

es liegt zugleich

der

ursächliche Zusammenhang

zwischen dem Glück und dem nachfolgenden Unglück deutlich zu Tage.

Kaum hat sich nämlich die deutsche Einheit, die so lange

ersehnte, verwirklicht, so stürzt sich das deutsche Volk, welches sich seit Menschen-Gedenken als das „Volk der Denker" geehrt sah, kopfüber in die praktischeil Wissenschaften der Politik und Gesetzgebung, für welche zur Zeit nicht genug Druck-Papier in Tagesschriften und Büchern verwendet werden kann, und. ver­ gißt darüber ganz und gar die höheren Interessen der Mensch­ heit: die abstrakten Wissenschaften, Philosophie, Metaphysik und was sonst dahin gehört.

Schon ist man bei uns nahe daran,

die letzte große That innerhalb dieser Sphäre, „die Philosophie des Unbewußten," — sogar mit dem mißachtenden Urtheile, sie gehöre zur leichten Waare und es sei nicht viel daran, — in

6 rie Rumpelkammer zu werfen, und sie wird froh sein müssen, sich in's Ausland, nach Holland und Rußland flüchten zu können und dort Aufnahme zu finden.

Aber Keiner, — um nicht zu

übertreiben, will ich sagen: die Allerwenigsten denken bei uns daran einer Wissenschaft ihre Aufmerksamkeit zu schenke», die mit der Philosophie des Unbewußten in einem nickt zu entfernten Grade verwandt, auf dem nämlichen deutschen Boden, wie sie, erzeugt

und

geboren

ist

und

deren

Ahnen,

Bettern

und

Muhmen, der Mesmerismus, die Clairvovance, die Seherin von Prevorst u. s. w., hier groß geworden sind.

Denn daß ich den

Namen der „Wissenschaft" für den Sviritismns oder, wie er sich etwas vornehmer nennt, für den Spiritualismus in Anspruch nehme, wird doch hoffentlich nirgends mehr Anstoß finden, seit­ dem ein englischer Gelehrter eine wissenschaftlicke Ansicht von demselben veröffentlicht hat!

— Anfänglich

zwar, als diese

Wissenschaft zum Debüt noch im Flügelkleide in der Form des „Tische-Rückens" bei uns auftrat,

wurde sie von einigen

ehrwürdigen Köpfen so feierlick ernst begrüßt, daß man hoffen durfte, sie werde alsbald bier unter dem Sckutz und der Pflege der Akademien zu männlicher Kraft erwachsen und gedeihen. Aber, weiß der Himmel, wie cs kam: sehr bald geriethen die wunderbaren Erscheinungen, auf welche sich der jlmge Candidat wie auf ein Zeugniß berufen durste, wieder in Vergessenheit. Einige Wahrscheinlickkeit hat es allerdings für sich, daß diese interessanten Thatsachen durch jene anderen, höchst nüchternen, überwuchert und bei Seite gedrängt wurden, welche die Männer der sogenannten „exakten Wissenschaft" ans Licht zu bringen mit einem sein ließen.

wahrhaft unbezähmbar wilden Eifer sich angelegen Kurz: nicht allein das „Tischrücken" kam wieder

in Vergessenheit, sondern auch die Fortschritte blieben unbeachtet,

7 welche die neue Wissenschaft anderwärts machte. Zu einigem Troste konnte es uns gereichen, daß auch unsere an der Spitze der Civilisatioit marschirenden überrheinischen Nachbarn auf diesem Felde mit uns ziemlich in gleicher Linie marschirt sind: denn atich bei ihneit wollten die vereinzelten Stimmen, die sich für den Spiritismus erhoben, nickt reckt Anklang finden. In­ dessen ist dies leider ein schwacher und hinfälliger Trost. Tenn seitdem Hr. Dupanlouv, der streitbare Bischof von Orleans, in der Sitzung der National-Versammlung zu Versailles vom 11. Juni 1875 n. Chr., „sein Entsetzen über die heutige Oppo­ sition des Materialismus gegen den Spiritualismus" kund ge­ geben und der Minister des öffentlichen Unterrichts, Hr. Wallou erklärt hat, daß die französische Regierung dieses Entsetzen theile, zugleich mit der beruhigenden Versicherung, daß die materia­ listischen Lehrsätze, wo sie auf einem Katheder auftauchen sollten, cassirt werden würden: seitdem läßt sich jeden Tag erwarten daß die Franzosen uns wieder einmal den Rang ablaufen und mit stiegenden Fabnen zu dem spiritistischen, dem englischen und nordamerikanischen Heere übergehen werden. Natürlich werden sie denn auch int Verein mit den neuen Bundes-Genosten uns vor der Nase das Fett abschöpfen. Tenn davon kann man fest überzeugt sein, daß diese geldgierigen Amerikaner und handels­ klugen Engländer sich an dem bloßen Kultus des Spiritismus nicht begnügen, sondern dabei noch irgend eine gewinnsüchtige Absicht verfolgen, worüber später meine Gedanken auszusprechen ich mir vorbehalte. Zur Zeit scheint es aber- bis zur prak­ tischen Ausbeutung noch nickt gediehen zu sein. Vorerst muß die Theorie ausgebildet und es muffen zu ihrer festen Begrün­ dung die spiritistischen Thatsachen gehörig festgestellt, beglaubigt und gedeutet werden. Damit ist man in England bereits ein

gutes Stück vorwärts gekommen und ich will wenigstens meine Pflicht thun, indem ich mir die, wäre es auch selbst-verlorene. Mühe gebe, meine Landsleute nicht allein mit dem, was jenseits des Kanals geschehen

ist, bekannt zu machen, — denn das

können sie, wenn sie irgend Lust dazu haben, in den englischen, zum Theil schon in's Teutsche übersetzten Trnckwerken selber lesen: sondern auch auf die Gründe, welche die veröffentlichten Thatsachen beglaubigen, und auf die wichtigen Folgerungen hin­ weisen, welche daranS hervorgehn. Einige nöthige Bemerkungen schicken.

möchte

ick

jedoch

voraus­

Bereits in der zweiten Hälfte des fünften Jahrzehnts

unseres Säculum war ick im Begriff, mit einer Vertheidigung der Lehren des nun verstorbenen Baron Reichenbach, betreffend das „O" und das Hellsehen der Sensitiveit hervorzugehen. Indem ich aber die Feder dazu ansetzte', erwog ich daß ich in meiner Untersuchung über die Frage: „Giebt es Ahnungen" *) dem Glauben an

das Od schon hinreichend Bahn gebrochen

habe; und da ich nickt hoffte, dem, was ich dort gesagt hatte, etwas besonders Wirksames hinzufügen zu können, so unter­ ließ ich die Ausführung meines Vorsatzes und legte für dies­ mal die Waffen nieder.

Ties habe ich auch nickt zu bereuen.

Wie erst nach Mahomeds Tode der Islam seine große Ver­ breitung und Macht gewann, so hat sich auch der OdismuS, indem er nach dem Tode seines Urhebers, vom Spiritismus absorbirt wurde, weiter entwickelt und vervollkommnet, und sicher chird das Verdienst größer, die zu pflückenden Lorbeer» werden glänzender und ruhmreicher sein, wenn ich nun für beide zu­ gleich zum Kampfe mit den Ungläubigen das Schwerdt ziehe.

*) Medizinische Luftblasen von Verattinus Leuchtkäfer. Halle C. M. E> Pseüer. 1853.

Neue Folge.

9 Freilich ist seitdem dieser Kampf schwieriger geworden und wird größere Anstrengungen erfordern.

Nicht etwa weil

die Zahl

und die Stärke der Ungläubigen verhältnißmäßig so sehr ge­ wachsen wäre: — denn dafür ist auch, wie wir aus zuverlässigen Angaben entnehmen werden, die Zahl der Gläubigen in noch größerem Verhältnisse gewachsen; — fentern weil das Gebiet, das vertheidigt werden muß, so beträchtlich an Ausdehnung zu­ genommen hat, daß man sich wünschen möchte, selbst ein „Medium" zu sein, um die Geister zu Hülfe zu rufen, weil man nicht an jedem gefäbrdelen Punkte zu gleicher Zeit anwesend sein kann. Ein Medium aber, — (was darunter zu verstehen ist, wird späterhin klar werden, —) bin ich nicht und babe auch, offen gestanden, keine Aussicht, es jemals zu werden.

Das ist ein

Vorrecht sogenannter Sonntagskinder, von deneit ich auch keine Ader an mir habe: im Gegentheil mußte ich die Erfahrung machen, daß sich das Uebernatürliche überall, wo ich ibm nahe kam, in Dunst und Nebel auflöste, wie es mir namentlich sei­ ner Zeit trotz meiner eifrigsten Bemühllngen mit dem animali­ schen Magnetismus ergangen ist, so daß meine besser gearteten Commilitonen erklärten,

an mir sei Hopfen und Malz ver­

loren. — Damit sind nun allerdings im Voraus einige Mängel eingestanden,

welche bei Sckwachmülhigen großes Mißtrauen

gegen den Erfolg meines Unternehmens hervorrufen könnten. Indessen wage ich getrost, den Muth dieser Letzteren aufrecht zu erhalten, indem ich mick getraue zu versprechen, daß ich die Hatlptschlacht in einen engen Ratun localisiren und zur Ent­ scheidung briitgen werde, natürlich mit dem vollständigeir Siege des Spiritismus.

Dies wird mir auf demselben Wege gelingen

auf welchem jeder einigermaßen gewandte Feldherr in einem Treffen die ihm ungünstigen Umstände zu neutralisiren weiß,

10

nämlich durch Benutzung der günstigen. Solche bieten sich mir dar in zwei unlängst erschienenen Schriften, welche, indem sie zugleich die Theorie und Praxis vollständig vertreten, mich der mühsamen Durchsicht einer großen Anzahl anderer hieher ge­ höriger englischer und amerikanischer Werke überheben, und die daher die eigentlichen Kerntruvven bilden, auf welche sich mein Strategem stützen kann. Hier folgen die vollständigen Titel dieser Schriften: Die wissenschaftliche Ansicht des Uebernatürlichen. Von Alfred Rüssel Waltace, Präsident der Entomologischen Societät, Mitglied der Königlichen Geographischen, der Linn^'scken und der zoologischen Gesellschaft zu London, Verfasser von „der Malavische Archipelagus", „Bei­ träge zur natürlichen Zuchtwahl" u. a. m. Mit Be­ willigung des Verfassers in's Deutsche übersetzt von Gr. C. Wittrg und herausgegeben von Alexander Aksükow, Herausgeber der „Psychischen Studien", einer monat­ lichen Zeitschrift, und der „Bibliothek des Spiritualis­ mus für Deutschland". Leivz. Dsw. Mutze. 1874. und: Bericht über den Spiritualismus vou Seiten des Co­ mite der Dialectischen Gesellschaft zu London, ernannt zur Untersuchung der als „spirituelle Manifestationen" be­ zeichneten Phänomene. (In drei Theilen. 1. Theil. Be­ richt des Comites n. s. w. 2. Theil. Protokolle desselben 3. Theil. Schriftliche Zeugnisse von 31 Gelehrten und Schriftstellern.) Ins Deutsche übersetzt von Georg Const. Mittig tind mit einem Vorwort und erläuternden An­ merkungeil herausgegeben von Alexander Aksükow, Kais. Rust. Wirklichem Staats- Rath, Herausgeber u. s. w. Leipz. Osw. Mutze. 1875.

11 Diese beiden, eben so merkwürdigen als kostbaren Werke habe ich mir angeschafft und während des Aufenthalts in einem Badeorte, wo ich ausschließlich auf die Beschäftigung mit an­ genehmen Gegenständen angewiesen war, „sorgfältig durchgear­ beitet;" denn ich habe dabei gesehn, daß auch das Vergnügen zur Arbeit werden kann:

Wer etwa an dem Ausdrucke Anstoß

nimmt, den fordere ich auf, es mir nachzumachen.

Da ich mm

Grund habe zu vermuthen, daß mindestens -von den Ungläu­ bigen nicht leicht Einer diese im Ganzen etwa' 700 Seiten so gewissenhaft durchlesen wird, so werde ich im Interesse der gu­ ten Sache das Wichtigste daraus hier zusammenstellen. nur das „Allerwichtigste".

Freilich

Denn wenn ich alles Wichtige und

Interessante ausziehen wollte, so würde ich fast alles abschreiben müssen.

Auch will ich gesteh», daß ich manches, worauf ich stieß,

gar nicht verstanden habe, und das habe ich ganz bei Seite ge­ lassen.

Aber schon durch das Mitzutheilende hoffe ich es zu

erreichen, daß Jeder, der sich die Mühe giebt diese meine Studie zu lesen, vor dem Spiritismus und seinen Anhängern gehörigen Respect bekommen wird.

Ich werde durchaus nichts anführen,

als was durch diese Urkunden vollkommen beglaubigt wird, und darf sie und ihre Urheber allein verantwortlich machen.

Der

Kürze wegen werde ich in der Folge die obigen beiden Werke mit den Abbreviaturen „Wallace" und „Bericht" citiren. — „Eine intellectuelle Epidemie der seltensten Art" nennt der Kais. Russische Wirkliche Staats-Rath Herr Aksükow (in einem, dem 2. Theile des „Berichts" angehängten Prospcct des 2. Jahr­ gangs seiner Monatsschrift „Psychische Studien") die Verbrei­ tung des Spiritismus. — (Eilt für allemal bemerke ich, daß ich dem Ausdruck: „Spiritismus", dessen sich die Franzosen be­ dienen, vor. dem der Nordamerikaner: „Spiritualismus" den

12

Vorzug gebe. Herr 86on Favre*), (Bruder des politisch be­ rühmten Jules Favre) belehrt uns über den Unterschied. „Die Amerikaner, sagt er,, leugnen eine Aufeinanderfolge der Exi­ stenzen," was für mich unverständlich ist; „die Franzosen behaup­ ten das unbestreitbare Dogma der Reincarnation." DieS ist für mick entscheidend: denn ein Geist, der Klopfen.kann, muß Fleisch und Bein haben, unb wenn der Glaube an solche verkörperte Geister „Sviritismus" heißt, so halte ich diese Bezeichnung fest. Ueberdies ist man gewohnt den Ausdruck: „Spiritualismus" im Gegensatz von „Realismus" gebranckt zu sehn, und daß die Geister im Sinne der Spiritisten Realität genug haben, da­ von werden wir uns später überzeugen. —) Um auf den vor­ hin angeführten Alisdruck des Hrn, Aksükow zurück zu kommen, so giebt dieser der Vermuthung Raum, daß der Kais. Russische Staatsrath kein Arzt ist: er würde sonst nicht gerade die Bezeich­ nung „Epidemie" gewählt haben, wie passend auch er selbst und manche Aildre sie finden mögen. Epidemien sind bekanntlich Volks-Kraickheiten oder Seuchen; sie sind für das meilschliche Geschlecht stets feindlich und Verderben bringend. Man kann daher mit dem Ausdruck „intellectuelle Epidemie" nur den Be­ griff einer verbreiteten der Intelligenz feindlichen Krankheit verbinden, und ein der Geschichte der Medizin einigermaaßen Kundiger wird dabei lmfehlbar an die hvsterischen Epidemien aus der Zeit der Hexenprozesse denken. Allerdings sckeint Herr Aksükow nock nicht ganz sicher zu feilt, daß Sviritismus und Krankheit sich wie diametrale Gegensätze verhalten; denn weiter­ hin erklärt er es sogar für „eine humanitäre Pflicht, Falls diese Epidemie wirklich eine intellectuelle Verirrung unserer Gesellsckaft ist, sie auf ihrem eigenen Terrain zu studiren, um die*)

Bericht III. S, 99.

13 selbe mit ihren eigenen Waffen bekämpfen zu können". In­ tellektuelle Verirrung! Die unterscheidet sich doch nur durch ein kleines „W" von der intellektuellen oder Geistes-Verwirrung. Kur; und gut: ich batte lieber gelesen: „intellektuelle Eigentbümlichkeit", wobei man sich ja noch allerlei Verschiedenes denken kann. Dock Herr. Aksükow bat es einmal eine intellek­ tuelle Epidemie genannt und er wird seine Gründe dafür gebabt haben. „Eine Epidemie der seltensten Art", fährt er fort, „welche fick in direktem Widerspruch mit dem positiven und realistischen Geiste unseres Jahrhunderts befindet; sie fahrt 25 Jahre lang fort, an Terraiit zu gewiniten; einer ihrer unterscheidenden tind merkwürdigen Züge ist, daß sie sich unter den erleuchtetsten Klassen der civilisirten Welt fortpffanzt, also dort, wo man viel weniger als anderswo, das Wiederauftauchen von Etwas batte erwarten sollen, was wir längst als die Borurtheile der guten alten Zeit zu betrachten gewohnt waren! Ihre Opfer werden nack Millio­ nen gezählt," ii. s. w. Das ist ein Siegcs-Ruf, der vielleicht in Nord-Amerika und England, vielleicht selbst in Rußland an seinem Orte sein mag: bei uns aber wird man ihn leider viel zu bochtönend und wenigstens verfrüht nennen müssen. Denn hier zu Lande sind, wie schon im Eingänge bemerkt, gerade die erleuchtetsten Klassen mit dem Eindringen jener intellektuellen Epi­ demie noch am wenigsten gesegnet, und darum eben ist es noth­ wendig, daß Einer, der just Zeit dazu hat, sich daran macht, ihr den Boden zu ebnen. Dieserhalb will ttf nunmehr den Plan skizziren, den ich dabei zu befolgen gedenke. Ich werde mich also bemühen, nach Anleitung meiner Führer, der oben verzeichneten Werke, so kurz und deutlich, wie möglich: erstens kenntlich zu machen, was man sich unter Spiri­ tismus zu denken hat;

14 zweitens die Erfordernisse anzugeben, deren es zur Er­ zeugung der spiritistischen Phänomene bedarf; drittens diese Erscheinungen selbst kennen zu lehren; viertens die Beweise für die Wahrhaftigkeit und Untrüglichkeit dieser Erscheinungen darzulegen; fünftens auf die bisherigen Erklärungen derselben, so weit es nöthig ist, einzugehn, und endlich sechstens den Nutzen des Spiritismus nachzuweisen.

Was hat man sich unter Spiritismus zu denken? Die Antwort, die ich auf diese Frage finde, lautet: Vie­ lerlei, aber lauter Uebernatürliches, was mit den gemeinhin als gültig angenommenen Naturgesetzen in Widerspruch tritt und daher mit dem gewöhnlichen Menschen-Verstande nicht zu begrei­ fen ist.

Meistentheils sind es aber doch bekannte Dinge, welche

nur von denjenigen nicht als wcsenhaft anerkannt sind, die hart­ näckig darauf bestehn, daß alle menschliche Erkenntniß auf den beiden eben genannten Bedingungen beruhen müsse, und die sich gänzlich der Einsicht verschließen, daß es außer dieser mensch­ lichen Erkenntniß auch eine übermenschliche geben könne, welche zugänglich wird, sobald man die Erscheinungen so auffaßt und beurtheilt, wie sie sich scheinbar darbieten, ohne ihnen auf den Grund zu gehen.

Zum Spiritismus gehören daher der Mes­

merismus, der Odismus, das Hellsehn, die Gespenster- und Geister-Erscheinungen, die Zauberei, wahrscheinlich auch das Hexenwesen, — (denn es giebt auch böse Geister, die mit der wirklichen Welt in Beziehung treten*),) überhaupt Alles, was die Ungläubigen als populären oder wissenschaftlichen Aberglau*) Bericht II. S. IGO. 2SO. it. an anderen Stellen.

15

ben bezeichnen: ein Begriff, der vom Standpunkte des Spiri­ tismus aus ganz unzulässig ist. All diese Gesammtheit hat nun der Spiritismus in sich aufgenommen, innig mit einander ver­ bunden und gleichsam sublimirt in und zu dem „Verkehr mit Geistern". Denn dieser ist jetzt die Hauptsache und sein eigent­ licher Zweck. Was ist zur Erzeugung der spiritistischen Erschei­ nungen erforderlich? Die Zahl dieser Erfordernisse ist im Ganze» gering: einige derselben sind aber leicht, andere schwieriger aufzutreiben. Es gehört nämlich dazu: 1. ein Medium. Darunter ist zu verstehn ein mensch­ liches, männliches oder weibliches, Wesen, welches seiner eigen­ thümlichen Natur nach befähigt ist, mit außermenschlichen Wesen, d. h. mit Geisten! in Verkehr zu treten. Der Baron von Rei­ chenbach nannte solche Wesen „odische" oder „sensitive". Es sind Constitutionen von sehr erregbarem Nerven-System und aus­ gestattet mit einer lebhaften Einbildungskraft, welcher sie sich mit vollem Recht überlassen: denn wozu hätten sie sonst dieselbe vom Schöpfer empfangen? Allerdings trifft man auf Medien auch unter dem männlichen Geschlecht; doch ist das weibliche bevorzugt/ dieselben zu liefern, und soweit ich die Beschaffenheit der in unsern Schriften auf die Bühne gekommenen Frauen habe erforschen und beurtheilen können, waren es hauptsächlich solche, welche die Aerzte „hysterische" zu nennen pflegen. Dies schließt aber keineswegs eine gewisse rhetorische Begabung, ja selbst die Auslassung in philosophischen Redensarten aus, wie man sie besonders bei den sogenannten Blaustrümpfen findet.

16

Unsere Urkunden geben dafür mehrere eklatante Beispiele. — Obgleich sich die in Rede stehende Befähigung oftmals schon in der Kindheit manifestiren soll, so kommt sie doch erst-mit der Mannbarkeit zur wirklichen Reife. Kinder, obwohl sie gesegnet sind mit der Einfalt zu glauben, was man ihnen weiß macht, lassen sich niemals als mediumistische oder für die Mediumität ver­ werthen, — (mit all diesen und noch mehreren ähnlichen Wörtern hat der Spiritismus unsere Sprache bereichert, —) denn da die Einfalt hier gleichsam auf Geister restringirt werden muß uitd einem Kinde diese Vorstellung bis zu reiferen Jahren noch feblt, so kann es sich nicht Zlim Medium erbeben. Dies bezeugt auck einer der nicht seltenen Fehlversuche, der sebr hübsch erzählt ist. Zu einer feierlichen Sitzung waren ein Paar Kinder mitgenommen und an einen kleinen Tisch gestellt worden. Sie brachten ihn allerdings tüchtig zum Wackeln und freuten sich so herzlich dar­ über, daß sie sich vor Lachen ausschütten wollten und ihr Ge­ lächter die sämmtliche Gesellschaft der ehrbaren Erwachsenen an­ steckte; aber dies war auch alles, was sich ereignete*). — In England sind nach der Versicherung der Miß Emma Hardinge**), die sowohl diesseits als jenseits des atlantischen Oceans ihre Studien gemacht und als Medium gewirkt hat, diese, die Medien, überhaupt sehr dünn gesäet; in London kennt sie zwar mehrere „nicht professionelle" Medien, aber nllr zwei „pro­ fessionelle", solche nämlich, die für ein Honorar arbeiten, welches gewöhnlich eine Guinee für die Sitzung, oder fünf englische Schillinge für den Kopf der in der Sitzlnig Anwesenden beträgt. In Nord-Amerika dagegen, das in jeder ansehnlichen Stadt eine spiritistische Gesellschaft besitzt, zählen die Medien nach *) Bericht I. S. 65. **) Bericht II. S. 4. ». folg.

17 Tausenden.

Nach der Meinung

dieser zuverlässigen Zeugin

hängt diese Verschiedenheit der Vertheilung mit der Luft-Con­ stitution zusammen:

denn sie selbst hat empfunden, daß ihre

Mediumität sich sehr verringerte, als sie aus den Vereinstaaten nach London übersiedelte, und daß erst ein Aufenthalt in dem Schottischen Hochlande jene wieder gehörig in Gang brachte. — Wie würde aber diese Dame über die Seltenheit ihrer Colleginnen erstaunt sein, wenn sie uns einmal in Deutschland be­ suchte,- wo die Medien wahrhaft mit der Laterne gesucht werden müssen.

Doch das wird sich hoffentlich ändern.

Man weiß,

daß überall, wo eine Salz-Quelle zu Tage tritt, sehr bald auch ringsumher die Salz-Pflanzen hervorkommen und gedeihen.

So

werden gewiß ,ctud> bei uns, wenn nur erst Herrn Aksükow's Schriften und meine kräftigen Worte ihre Wirkung thun, die Medien bald wie Pilze aus der Erde wachsen.

Doch versenken

wir uns nicht in die Zukunft, sondern bleiben wir bei der Gegenwart.

Ich könnte nun hier gleich den Beweis liefern,

daß auch unser Geschlecht, das männliche, ganz tüchtige Medien aufzuweisen hat, die ihren weiblichen Berufsgenossen gegenüber sich nicht zu schämen haben, — ja von welchen diese noch Manches lernen können: doch will ich das einem künftigen Ab­ schnitte aufsparen, und jetzt in der Aufzählung der Erfordernisse zur

Erzeugung der Phänomene fortfahren.

Es

gehört dazu

ferner 2.

Ein Tisch. — Wer von uns hätte damals, als wir

mensa und rt vQÖme'Zu dekliniren mußten, wohl gedacht, daß dieses prosaische, seit dem hohen Altefthum gebräuchliche Meubel zu so erhabenen Leistungen verwertbet werden könne? Keiner der sieben Weisen Griechenlands, — kein Sokrates und Plato, wenn sie bei ibren Symposien mit der Aspasia um ihren Tisch @yir:t:6mu3.

2

18 gelagert waren und in dm höchsten Regionen der Philosophie schwebten, hat eine Ahnung davon gehabt, daß dieselbe hölzerne Tafel, von welcher sie die leibliche Speise entgegemrahmen, im Stande sei, ihnen eine ihre philosophischen Phantasien weit überbietende geistige Speise darzubieten. — Wie aber fängt der Tisch das an? Oder: wodurch kann er dazu begeistert werden? Die Antwort hierauf liegt in der Frage selbst:

durch Geister,

die sich seiner bedienen, um sich mit den andächtigen Gläubigen in Verkehr zu setzen.

Eine Gesellschaft von vier, fünf oder

mehreren der letzteren darf sich nur um einen solchen gewöhn­ lichen Tisch placiren, — gleichgültig ob er drei, vier oder acht Beine hat, von Tannen- oder Eichenholz, massiv oder fournirt gearbeitet ist, zehn oder fünfzig Pfund wiegt, — sie haben nur die Hände nebst den Vorderarmen darauf zu legen und eine ge­ hörige Zeit, — 15 bis 60 Minuten oder länger geduldig zu warten, so wird (in der Regel) ein Geist kommen und in den Tisch hineinfahren, wie einst Beelzebub in jene Heerde Säue, und ihn, den todten Tisch plötzlich zu einem lebendigen Wesen machen.

Als ein solches wird er sich zu erkennen geben durch

die, ohne den Besitz von Nerven- und Muskelfasern, vielmehr lediglich im Besitz von trocknen Holzfasern von ihm ausgeführ­ ten kräftigen und seltsamen Bewegungen.

Er wird anfangen,

gleich einer Solotänzerin oder einer Elster, zu hüpfen, wie ein Storch auf einem Beine zu stehen, aber mit den übrigen (— oder mit einem derselben: darüber habe ich durch die gedruckten Ur­ kunden nicht klar werden können, während ich selbst es nicht gesehen habe, —) wie ein Hase zu trommeln und den Fuß­ boden zu stampfen, wie eine Lerche sich zu erheben und in der Luft zu schweben, sich nach dieser oder jener Seite zu bewegen, ansehnliche Märsche durch das Zimmer- zu machen, die Anwe-

19 senden zum Ausweichen zu nöthigen, gleichwohl aber vor leb­ losen und undurchdringlichen Gegenständen Halt zu machen und wieder umzukehren; ferner Pirouetten auszuführen und sich über­ haupt in den wunderlichsten Kapriolen zu ergeben.

Dabei ist

so ein Tisch von solchem Pflichteifer beseelt, daß mehrere starke Männer mit aller ihrer Kraft nickt im Stande sind, ibn von seinen Bewegungen zurück- oder auf ebener Erde zu halten. Man bat sogar einmal einen solchen Tisch, welcher den um ihn Sitzenden befohlen hatte, z» lacken, „mitlachen", wörtlich heißt es: „eine Bewegung nachahmen sehn, welche diesem Gelächter entsprach, und zwar so possierlich und ansteckend, daß es einen allgemeinen Ausbruch wirklichen Gelächters zur Folge hatte, bei dem sich der Tisch schüttelte*).

Da man nickt so bald wieder

einen Tisch wird lachen sehen, so ist es zu bedauern, daß davon nicht

eine

Photographie

hat

aufgenommen

werden

können.

Wie außerordentlich dies Alles auch erscheinen mag, es sind für den Eingeweihten so gewöhnliche Vorkommenheiten, daß ich es für völlig überflüssig halte, sie durch Citate'aus meinen Ur­ kunden, in welchen sie zu Hunderten berichtet werden, zu beglau­ bigen; ick hätte sonst mehr als eine Seite mit diesen Hinwei­ sungen auszufüllen,

ohne die geringste Hoffnung,

daß einer

meiner Leser sie nachschlagen würde. Ich fahre also in meinem Berichte fort, in der Erwartung, der Leser werde sich auf meine Glaubwürdigkeit verlassen.

Was bisher angeführt wurde ist

das, was der Tisch selbst in Folge der Belebung durch den herbeigekommenen Geist verrichtet.

Aber damit ist es nicht

genug: alsbald benutzt ihn der Geist, nm sich durch ihn mittelst einer Tonsvracke mit den Anwesenden in geistige Verbindung zu setzen.

Diese Sprackc besteht in Lauten oder Tönen, die

*• Bericht I S. 123.

20 im Allgemeinen „Klopflaute" genannt werden, obwohl sie sehr tzedschieden sein können nach Stärke, Klangfarbe, Tonhöhe u. f. w. Bald ist es ein bloßes Knarren, Knacken oder Kratzen;

bald

klingen sie wie die Berührnng einer Holzfläche oder einer Spielkarte mit der Spitze einer Stricknadel; — bald steigern sie sich bis zu lauten Hammerschlägen.

Man begreift, daß sich

das Gehör der Anwesenden an die Wahrnehmung dieser ver­ schiedenen Töne erst gewöhnen muß.

Diese Laute wird man

wohl nicht dem Tische selbst zuschreiben können, weil zu ihrer Hervorbringung ein Klopfender und ein Klopfiustrument gehört und

das

letztere

durch

die genauesten Nachforschungen

Skeptiker niemals entdeckt worden ist.

der

Sie müssen vielmehr

jedenfalls von dem Geiste herrühren, was sehr wohl anzunehmen steht, wie wir später bei der Betrachtung der Geister einsehen werden.

Um nichts zu vergessen

muß noch bemerkt werden,

daß zuweilen die Klopflaute, selbst während der Tisch sich wie toll herumtummelt, nicht von ihm und seinen Beinen, sondern deutlich vernehnibar aus dem Fußboden oder der Zimmerdecke Herkommen, wodurch bewiesen ist, daß der Geist auch über letz­ tere Gewalt hat und nicht ans den Tisch allein angewiesen ist. — Cs hat nun Zweifler gegeben, welche die Klopflaute den Me­ dien recht

eigentlich in die Schuhe geschoben

haben.

Aber

nicht allein wird eine derartige — „Pedipulation" könnte man sagen — von den Gläubigen geradezu geläugnet, sondern unsere Berichte beobachten auch darüber, wie sie zu Stande kommen, ein geheimnißvolles Schweigen,

so daß diese Frage so lange

eine offene bleiben wird, bis einmal ein Spiritist auf den ge« scheidten Einfall kommt, bei einem Geiste selbst darüber Erkun­ digung einzuziehen.

Jedenfalls sind die Tische den Geistern so

völlig Unterthan unb zeigen in ihren Bewegungen eine solche

21 Beredsamkeit, daß z. B. einmal, nach dem

Zeugnisse eines

Mr. Benjamin Coleman, als derselbe (lassen wir ihn selbst reden) „aufgefordert, einige von hysterischen Krämpfen befallene Damen zu besuchen, beim Eintritt in's Zimmer einen kleinen dreibeinigen Tisch, den Niemand berührte, sich entgegenkommen sah.

Derselbe machte ihm eine anmuthige Verbeugung, als ob

er sagen wollte: „Wie geht es Ihnen?"

Eine der Frauen lag

kreischend auf dem Sopha und die anderen wälzten sich in ver­ schiedenen Theilen des Zimmers in einem Zustande großen Unwohlseins umher.

Ich ging an das andere Ende des Zim­

mers zu Miß Lee, wobei mir der Tisch folgte und an meiner Seite stehen blieb, so lange ich dieselbe ju beruhigen bemüht war.

Dies war mir beinahe geglückt,

Sprung

einen

auf sie los machte und sie wiederum in heftige hyste­

rische Anfälle zurückwarf; anderen

als der Tisch

grauen begleitet.

ihr Kreischen wurde von dem der Die Sachen sahen so ernst aus,

daß ich es für nöthig erachtete, mit dem Tische ernsthaft umzu­ springen, weshalb ich ihn mit beiden Händen erfaßte, in die Mitte des Zimmers zurücktrug und dann die Worte sprach: „Jetzt,

ihr Geister,

habt ihr Euch vollkommen genug gehen

lassen; ich befehle Euch im Namen Gottes, diesen Ort zu ver­ lassen!"

Sie schienen meinem Gebote zu gehorchen und es fand

nichts weiter Statt"*). — Diese Erzählung, vorgetragen und ernsthaft angehört in einer Comite-Sitzung der Dialektischen Gesellschaft zu London unter dem Vorsitze des Dr. med. Ed­ munds,

am 27. April 1869,

ein Beispiel

unter unzähligen

ähnlichen, welche in dem „Berichte" mitgetheilt werden, habe ich wörtlich ausgezogen um die Frage überflüssig zu machen: ob der Erzähler selbst, Herr B. Coleman, Verfasser mehrerer

*) Bericht II S. 71.

22

spiritistischer Schriften, während des berichteten Ereignisses oder während des Berichts ganz bei sich gewesen sei, oder seine Zu­ hörer zum Besten gehabt habe. — Uebrigens gehört zum Tische unzertrennlich der Stuhl, wie zum Rock Weste und Hose. Kein Wunder, wenn sich die Geister auch dieses Geräths bedienen. Der Stühle giebt es aber mancherlei: leichtfüssige Rohr­ und Strohstühle und wieder schwerfällige Lehnsessel, mit und ohne Rollen. Daher die Verschiedenheit ihrer Manifestationen. Einem unbehülflichen Lehnstlihl wird es sauer, sich nur einige Zoll weit vor- oder seitwärts zu bewegen oder gar, sich drei bis sechs Zoll vom Boden zu erheben lind in der Luft ;u schweben, was ihm indessen oft genug gelungen ist. Dagegen war es gewiß so ein leichtfertiger Rohrstuhl, welcher einmal selbst ein so durchgewettertes Medium, wie Mr. Home, — (wir werden später noch von ihm reden) dergestalt außer Fassung brachte, daß er das Zimmer verlassen mußte. Es war im Hause des Mr. Jencken zu Rorwood, wo er mit dem Wirthe und dem Junker (jetzigem Lord) Lindsay gemüthlich bei Tische saß, „als ein Stuhl aus einer Entfernung von ungefähr zwölf Fuß auf den Tisch sprang." Später wurde auch der Tisch lebendig, fing an zu erzittern, und erhob sich für eine halbe Minute bis zum Niveau der Nase des Berichterstatters, Lord Lindsay*). Es ist nicht angegeben, wie lange die Herren schon bei Tische gesessen und wie • viel Sherry und Portwein sie bereits ge­ trunken hatten; weshalb man die Mitwirkung solcher Getränke wohl ausschließen darf. — Für gewöhnlich bedienen sich aber die Geister der Stühle nicht zu anderen Zwecken, als um von ihrer Anwesenheit Nachricht zu geben. Wir kommen nun zu dem Haupterfordernisse, nämlich: *) Bericht II S-180.

23 3. dem Geiste. gabe angelangt: zu

Damit bin ich bei der schwierigen Aus­ erklären was man unter „Geistern" im

spiritistischen Sinne zu verstehen

hat.

Sehr belehrende —

Aufschlüsse ist zu viel gesagt, aber — Andeutungen finden wir in unseren Urkunden; doch müssen sie mit Sorgfalt zusammen­ getragen werden.

Mit der Definition des Herrn Wallaee:

„Die Geister sind intelligente übermenschliche Wesen"

ist es

nicht abgethan; wir müssen dabei noch weitere Kennzeichen nach Angabe desselben Schriftstellers und anderer Zeugeir zu Hülfe zu nehmen.

„Obgleich der Geist im Allgemeinen",

so heißt

es an einer anderen Stelle, „unzertrennlich ist vom lebenden Körper, dem er ein thierisches und intellectuelles Leben verleiht, (denn die vegetativen Funktionen des Organismus könnten auch ohne Geist von Statten gehen), so giebt es doch nicht selten so constituirte Individuen, daß der Geist gänzlich oder theilweise — welche Theile? ist nicht angegeben, — den Körper eine zeitlang verlassen und dann wieder in ihn zurückkehren kann.

Beim Tode verläßt er den Körper für immer.

Der

Geist hat gleich dem Körper seine bestimmten Gesetze und be­ stimmte Grenzen für seine Kräfte.

Er tritt mit Geist leichter,

als mit Materie in Verbindung und in den meisten Fällen kann er nur Materie wahrnehmen und auf selbige einwirken durch das Medium

eines geistigen Leibes.

welcher mit einem menschlichen

Der Geist,

Körper umkleidet gelebt hat,

wird, wenn er den Körper verläßt, dennoch seine frühere Denk­ weise, seinen früheren Geschmack, seine vorigen Gefühle und Neigungen beibehalten. — Er ist derselbe an Charakter wie zuvor, aber er hat neue leibliche und seelische Kräfte, neue Weisen, seine moralischen Gefühle zu offenbaren, eine größere Fähigkeit, physische und geistige Kenntnisse zu erwerben, sich

24 angeeignet" *).

So steht • es gedruckt unter Verantwortlichkeit

des Verfassers; über die kleinen Unklarheiten wird ein genialer Spiritist sich mit Leichtigkeit hinweghelfen.

Damit übereinstim­

mend berichtet das Medium, Mrs. Emma Hardinge: „daß der Geist auch seine schlechten Neigungen

und Leidenschaften bei

seinen Ausflügen mit sich nehmen kann, um sie vor der Hand zu behalten oder etwa später abzulegen, auch wohl gelegentlich andere Geister damit anzustecken."

Also die Geister mit denen

wir es zu thun haben, ob sie nun den Körper blos zeitweise verlassen haben oder durch den Tod für immer von ihm ge­ trennt sind, — sie sind nicht von der Art, wie man sie gewöhn­ lich sich denkt, und es würde auf sie nicht das Wort des Dich­ ters paffen:

„Zum Teufel ist der Spiritus, das Phlegma ist

geblieben"; sie nehmen vielmehr stets ein gutes Theil Phlegma mit (sich hinweg.

Wie weit dies unter Umständen gehn, und

daß es sich vielleicht selbst auf die Neigung zu spirituösen Ge­ tränken und zum Schnupftaback erstrecken kann, läßt sich daraus abnehmen, daß der „körperlose" Geist auch auf einmal „ver­ körpert" auftreten kann,

was besonders für die bereits abge­

schiedenen Geister von großem Werthe ist. Umständen, “ sagt Herr Wallace,

„Unter gewissen

„ist der verkörperte

Geist

fähig, sich einen sichtbaren Leib aus den Ausströmungen leben­ der Körper, welche in einer passenden magnetischen Verwandt­ schaft mit ihm stehen, für sich selbst zu bilden, und unter ge­ wissen

noch günstigeren Umständen

kann dieser

fühlbar gemacht werden. Auf diese Weise finden nungen der Mediumschaft Statt.

Leib sogar alle Erschei­

Die Schwerkraft wird durch

eine Form von Lebens-Magnetismus überwunden, der zwischen dem Geiste und dem Medium hergestellt wird; sichtbare Hände

*) Wallace S. 62.

25 und sichtbare Körper werden hervorgebracht, welche zuweilen schreiben, zeichnen oder sogar sprechen" *).

Nun wird es auf ein­

mal klar, wie jene oben besprochenen Klopflaute zu Stande kommen, ja, wie selbst ohne deren Vermittelung der Geist mit lebenden

Menschen in Verkehr

Antwort unterhalten,

die

treten, sich durch Frage und

Hände

schütteln,

singen, Klavier

spielen, schriftliche Mittheilungen und Zeichnungen zum Besten geben kann, wofür in dem Berichte 1—3 die bündigsten Zeug­ nisse vorliegen.

Obwohl es, — mir wenigstens, — noch nickt

ganz klar ist, auf welche Weise der Geist bereits „verkörpert" worden ist, und aus welcherlei thierischen Ausströmungen er sich den sichtbaren Leib bildet, — ob diese namentlich den Sinnen, — angenehm oder unangenehm, — empfindbar sind.

Dies bei

Seite gestellt wird es immer rathsam sein sich in Acht zu neh­ men, daß man sich mit dem Geiste auf gutem Fuß erhalte, weil man sonst riskirt,

auch einmal eine

tüchtige Ohrfeige

davon zu tragen. Wir haben nämlich Beispiele, daß die Geister zuweilen auch hierzu spaßhaft und neckisch genug sind, und ich will nicht unterlassen einige anzuführen.

Einmal war aus der

Antwort eines Geistes, die einen Namen bringen sollte, schlechter­ dings nickt klug zu werden, bis Herr Wallace auf den klugen Einfall kam, die angegebenen Buchstaben in umgekehrter Ord­ nung zu lesen; nun, — wer hätte auf solchen Schabernack ver­ fallen sollen? fand sich gleich der verständliche Name**).

Bei

einer anderen spiritistischen Sitzung bedachte der Geist die er­ wartungsvollen

Anwesenden

j,Verrückte Käuze!"***)

r *) Wallace S. 64. **) Wallace S. 116. ***) Bericht I S. 131.

mit

der

unliebsamen

Anrede:

Ein drittes Mal wurde auf eine ge-

26

stellte Frage gar herausbuchstabirt: „Ihr macht Jedermann mit eurem Unsinn dumm!"*) Und dergleichen mehr. Welche und wie vielerlei Organe sich nun ein solcher Geist bei seiner Verkörperung bilden kann, ist wohl noch nicht genau festgestellt. Daß zu den angegebenen Manifestationen Hände, — daß zum Sprechen und Singen ein Kehlkopf nöthig wird, ist ersichtlich; es wäre aber wohl der Mühe werth zu ermitteln, ob der Geist sich auch mit einem Magen und Darmkanal versehen kann, wenn man etwa in einer spiritistischen Sitzung Choeolade oder Champagner ferbitte. Bei einigen Sitzungen der Londoner dialektischen Gesellschaft ist mir wenigstens die Angabe aufge­ fallen, daß der Geist sich mit den auf dem Tische befindlichen Kaffeetassen und Theelöffeln viel zu schaffen machte. Bevor ich diesen Gegenstand verlasse, muß ich noch einiger bemerkenswerther Umstände gedenken. Wie schon erwähnt, können eines Theils die Geister lebender Menschen aus ihrem Körper sich ganz oder theilweise entfernen, um über weite Länder und Meere hin sich zu „manifestiren", — so z. B. wenn ein Freund oder Verwandter von dem Befinden des Entfernten in Kennt­ niß gesetzt werden soll, — um sodann wieder zum Körper zurückzukehren. Andern Theils — was jedenfalls noch weniger Schwierigkeit haben wird, — können die Geister der Abgeschie­ denen, welche frei von der Fessel des Körpers den Aether be­ wohnen, sei es nach eigenem Belieben oder wenn sie durch ein Medium gerufen werden, herbeieilen und sich, nach Umständen, entweder mit Hülfe eines Tisches vernehmbar machen oder auch direkt in ihrer Verkörperung und alsdann gewöhnlich ganz in der alten Gestalt und Tracht dem, der ein Anliegen an sie hat, sich vorstellen. Selbstverständlich kommt es hierbei auf Zeit und *) Bericht I S. 119.

27 Raum gar nicht an: daher nichts im Wege siebt, einen alten Römer oder Griechen, und wenn es sein müßte, selbst den be­ rühmten Confucius zu citiren. Zu verwunderir ist auch nicht, daß sich diese alten Herrn ganz wohl in unserer Sprache ver­ ständlich machen können: denn diese, so wie alle mögliche andere Svracken, zu erlernen haben sie wahrlich Zeit genug gebabt. Merkwürdiger aber ist die Schnelligkeit dieser Fortschritte in der Sprackkenntniß, wie überhaupt in der ganzen Entwickelung. Ein überraschendes Beispiel giebt eine Geister-Citation von Seiten eines gewissen Herrn Tamiani, eines Italieners, der während seines Aufenthalts in England, im Frühling 1865 zu Elision bei einem Freunde einer spiritistischen Sitzung bei­ wohnte. Nock völlig skeptisch gesinnt hatte er den Einfall, den Geist seiner Schwester herbeizurufen. Er erscheint und nennt sich „Marietta." Dieser Name ist dem Fragenden völlig unbe­ kannt; er will nichts von einer solchen Schwester wissen und verläugnet sie geradezu; diese aber inhärirt auf's Bestimmteste. Was geschieht? Herr Tamiani schreibt nach Hause an seine Mutter und diese meldet ihm, sie sei vor 44 Jahren, geraume Zeit vor seiner eigenen Geburt, eines Töchterchens genesen, welches „von schwacher Lebenskraft, schon nach 6 Stunden ver­ schieden sei und vor dem Tode von der Hebamme in der Noth­ taufe den Namen Marietta erhalten habe*)." Nun lehrt dieser Fall, ganz abgesehen von dem neuen Zeugnisse, das er für die Wahrheit des Spiritismus ablegt, unverkenilbar, wie trefflich der Geist dieses kleinen Wesens nach dem kurzen irdischen Lebenswandel von 6 Stunden seine Zeit angewendet hat, um sich die nöthige italienische und englische Sprachkenntniß ohne Hülfe von Grammatik und Lexicon anzueignen. Das Wunder*)

Bericht II S. 157 u. 158.

28 bare dieses Falles reducirt sich jedoch auf ein Minimum, wenn wir lesen, was derselbe Zeuge in Sicilien erlebte: daß nämlich in einer spiritistischen Sitzung ein episches Gedicht von 200 Versen in deutscher, italienischer, französischer und englischer Sprache von einem unter dem Tische sich bergenden Geiste niedergeschrieben wurde *). Ich meine: ein Geist, der das zu Stande bringt, kann sich mit einem Mezzofanti messen und überhaupt Dinge ausführen, von denen sich unsere Weisheit nichts träumen läßt. Immer wird es daher gut sein 4. noch einige andere Requisite zur Hand zu haben, welche für die Geister-Manifestationen zwar nicht geradezu nöthig, aber doch brauchbar sind. Dahin gehört eine Zieh-Harmonika, ein Fortepiano, — (es kann immerhin verschlossen sein: erzählt ja doch MrS. Cox, daß der Geist ihres verstorbenen Kindes ein verschlossenes Piano gespielt habe**), — vor allen Dingen aber ein gedrucktes oder geschriebenes Alphabet nebst einem Griffel. Dies ist für den Verkehr mit den Geistern unentbehrlich zum „Herausbuchstabiren", ein für den Spiritisten allgemein verständlicher Terminus technicus. Das Verfahren dabei ist folgendes. Zunächst verabredet man mit dem Geiste, wie viel Klopftaute ein „Ja" und wie viele ein „Nein" bedeuten sollen; das Ausbleiben der Antwort bedeutet natürlich ebenfalls „Nein" oder Versagung der Antwort. Nun wird dem Geiste eine Frage vorgelegt; so bald man sich durch seine Klopflaut-Erklärung versichert hat, daß er sie beantworten will, so bezeichnet man die einzelnen Buchstaben des Alphabets nach der Reihe: der Geist merkt dies sogleich und wenn ein für die Antwort passender *) Bericht II. S, 159. **) Das. S. 156.

29 Buchstabe mit dem Griffel angedeutet wird, so erfolgt die für das „Ja" verabredete Zahl der Klopflaute. Dies Verfahren ist freilich etwas umständlich und erfordert ziemlich viel Geduld, besonders wenn etwa eine Klopf-Antwort von 58 Wörtern und 263 Schriftzeichen herausbuchstabirt werden soll, wie die von dem Zeugen Dr. Lockhardt Robertson, dem GouvernementsJnspector über sämmtliche Irrenhäuser Groß-Britaniens, an­ gegebene, durch welche der Geest nur seine Hochachtung ver­ sichert*). Man muß deshalb dabei Geduld und — eben nichts Besseres zu thun haben. Aber man kann doch in der Regel schließlich auf eine Antwort rechnen, die sich gewöhnlich bei sorgfältiger Nachforschung als richtig erwiesen hat. Zum Beispiel auf die Frage: „Was ist heut für Wetter?" etwa die Antwort: „Schlechtes!" Allerdings nicht immer, besonders wenn man auf einen schurkischen Lügen-Geist trifft, wie derjenige, welcher sich in der Sitzung bei Mrs. Marsall für den Geist des Dr. Livingstone ausgab und, zu einer Zeit, wo man allge­ mein an den Tod dieses Africa-Reisenden glaubte, während er noch am Leben war, den Tod desselben bezeugte**). Ist aber der Geist sonst ein ehrlicher Kerl, so kann man auf diese Weise sich über unzählige wichtige und unbekannte Dinge Aufklärung verschaffen, eine Gelegenheit, die bisher nur noch nicht gehörig ausgebeutet worden ist. Das letzte Erforderniß endlich — und nicht das unwich­ tigste ist: 5. der Glaube an den Spiritismus. Dieser ist sogar unerläßlich, wenn etwas Ordentliches zu Stande kommen soll. Beweis dafür ist, daß die Mrs. E. Hardinge, sowie der ame*) Bericht III S. 39. **, Bericht II S. 170.

30 rikanische emeritirte Professor Hare und eine Menge anderer Gelehrter, die sich schließlich zum vollen Glauben bekannt haben, die Erfahrung machen mußten, daß so lange sie Skeptiker waren, ihr Erscheinen in einer Sitzung die Wirksamkeit der.Geister sogleich paralysirte: die schönsten Klops-Laute wurden schwächer oder hörten ganz auf.

Ja, schon das Zusammentreten einer

geselligen Körperschaft zur kritischen Erforschung

der Geister-

Manifestationen stört die letzteren oder unterbricht sie, was nur eine einzige Ausnahme fand in der „Christlichen Association" junger Leute zu Newyork*).

Mrs. Hardinge erklärt dies ge­

nügend aus zwei Gründen: theils „aus dem Gefühl der Ver­ antwortlichkeit, welches durch Erzeugung eines positiven Magne­ tismus " — natürlich im Gegensatz zu dem negativen spiri­ tistischen — „den geistigen Einfluß neutralisirt;" — theils „aus der materialistischen Erziehung der Gelehrten: denn die Wir­ kung eines lange fortgesetzten wissenschaftlichen Studiums be­ fördert den Glauben, daß nichts wahr sein könne, was sich nicht materieller Prüfung unterwerfen , und nach phhsicalischen Gesetzen messen lasse."

Daraus folgt, daß man für den Glauben an

den Spiritismus um so zugänglicher sein wird, je weniger auf­ geklärt durch die Wissenschaft, oder je einfältiger man ist; dann wird man — wie jene Dame sich ausdrückt: nicht der Natur seine Gebote dictircu wollen, sondern lieber die Bedingungen annehmen,

welche von der Natur dictirt werden" **).

weiser Rath!

Ein

Denn es ist erstaunlich, wohin der Hochmuth

die Naturforscher verlocken kann.

Ich habe sogar sagen hören,

das hieße so viel, als: man solle sich vom ersten Anschein alles Mögliche weiß machen lassen, wie z. B. daß ein Regenbogen

*) Bericht II S 8. **) Das. S. 9.

31 mit den Händen zu greifen sei, sobald mqn ihm beikommen könne.

Es versteht sicb von selbst, daß der Naturforscher Wallace

von solchen Ausschreitungen sich 'fern hält. brachten brauche ich

Nach dem Beige­

für die Unentbehrlichkeit des Glaubens

zum Spiritismus wohl nicht erst noch anzuführen, daß über­ haupt zur Aneignung

einer festen ileberzeugung vom Ueber-

natürlichen der Glaube eben so nothwendig ist, wie ein gutes Pepsin für die Assimilation einer unverdaulichen Speise.

Tenn

an den Ranbthieren sieht man, daß letzteres taugt, sogar Knocken zu verdauen. — Jetzt hätten wir alles beisammen,

was zu den Geifter-

Manifestationen nöthig ist, und können nun

Von den spiritistischen Erscheinungen selbst reden.

Bei einem Ueberblick des bisher Gesagten finde

ich jedoch, daß die hauptsächlichsten Phänomene fast sämmtlich bereits aufgeführt sind, so daß nur noch wenig bleibt.

nachzuholen

Tenn bis jetzt haben sich die Männer dieser Wissen­

schaft mit dem begnügt, was ihnen die Tische und die Geister dargeboten haben, so weilig es auch war.

Tas ist auch nickt

zu verwundern: hatten sie doch genug zu thun mit der Fest­ stellung schon dieser wunderbaren Thatsachen und mit ihrer Erklärting, — noch dazu unter dem bald aufregenden, bald nieder­ schlagenden Eindruck des ärgerlichen Borwurfs der Gegner: „es seien ja wahre Kindereien, mit denen sie sich beschäftigten und bei denen gar nichts herauskomme."

Nachdem es ihnen aber

endlich mübsam gelungen ist, jene großen Aufgaben siegreich zu lösen, — wie sich weiter unten noch zeigen wird, — mag es mit der Zeit schon besser werden.

Einstweilen können wir

32 uns begnügen, die Thatsachen, ich meine die spiritistischen Ma­ nifestationen, wie sie seit dem ersten Tischklopfen in Rochester vor 25 Jahren *) von den zuverlässigsten Beobachtern constatirt worden sind, noch einmal kurz und in gehöriger Ordnung auf­ zuzählen. Diese sind nämlich: die Tisch-Belebung, das GeisterKlopfen, die Verkörperung und Kundgebung der Geister für die sinnliche Wahrnehmung der Medien und Nicht-Medien mit­ telst der Erscheinung in Kleidern, des Händeschüttelns, des Sprechens, des Singens und der musikalischen Productionen auf dem Klavier und der Zieh-Harmonika, — bald mit einer gewissen Virtuosität, bald von der Ohr-zerreißenden Art, daß die Anwesenden baten, damit verschont zu werden; endlich das Wichtigste: die Kundgebungen der Geister, -nickt allein von noch lebenden Menschen aus fernen Gegenden, sondern auch.von be­ reits verstorbenen aus der andern Welt. Dazu kommen noch eine Menge hübscher Stückchen, durch welche das Medium par excellence Mr. D. D. Home, den man den Bosco des Spi­ ritismus nennen kann, seine Meisterschaft bewährt. Zufolge unserer Urkunden giebt er hauptsächlich Gastrollen in Londoner Privat-Zirkeln, und zwar, obgleich er sich für einen unbemittel­ ten Mann erklärt**), aus reiner Liebe zu seiner Kunst, ohne sich, wie die professionellen Medien, dafür honoriren zu lassen. Dieser Magus scheint vornehmlich mit dem Geist des „Daniel in der Löwengrube" in Beziehung zu stehn und bei seinen Vor­ stellungen meist mit erhitzten Lampen-Cylindern und glühenden Kohlen zu arbeiten, mittels deren er die Hände und Kleider der Anwesenden nach Willkühr bald verbrennt, bald nicht verbrennt. Mit großer Behendigkeit wälzt er sich zuweilen auf der Erde, *) Bericht II S. 13. **) Bericht II. S- 34— 50. S. 66—70 S. 181, und an andern Stellen.

33

geräth in Entzückung oder in Convulsionen, dehnt seine KörperLänge wie ein Kautschuck-Männchen um eilf Zoll aus, oder schwebt in horizontaler Lage in freier Luft aus dem einen Fenster hin­ aus und zum andern herein. Um sich aber einen Begriff zu machen von der Ueberraschuug der Zuschauer bei diesen und vielen andern von Herrn Home gegebenen Vorstellungen, muß man die Berichte der ehrenwerthen Herren und Damen selbst lesen, die dabei anwesend waren.*) Diese kleine Sammlung von Thatsachen wird vor der Hand wohl ausreichen, um den Spiritismus gegen alle Zweifel sicher zu stellen, so fern nur die Thatsache» selbst gehörig fest und gegen ihn sicher gestellt sind, und dafür zu sorgen ist unser nächster Borwurf. Beweise für die Wahrhaftigkeit und Untrüglichkeit der spiritistischen Manifestationen. Nicht allemal wird bei der Entdeckung einer neuen Wahr­ heit eine Hecatombe geopfert, sondern sehr oft bleiben die Ochsen unbehelligt. Herr Wallace, den man recht eigentlich als die Hebamme des Spiritismus feiern kann, — während Herr Aksükow die Dienste einer Amme oder Kinderfrau verrichtet, — Herr Wallace hat bereits in dem ersten Capitel seiner oben genannten Schrift, welches die Ueberschrift trägt: „Die Wunder und die moderne Wissenschaft", darauf aufmerksam gemacht, daß von jeher neu­ entdeckte Thatsachen, weil sie bisher bekannten Naturgesetzen zu widersprechen schienen, von denjenigen, welche einmal keine Wun­ der anerkennen wollen, als unglaublich zurückgewiesen und für unmöglich erklärt worden sind.**) Mehrere schlagende Beispiele *) Berich, Ii. S. 32—51. 66-70. 78-84. 88. 171. 179 u. setz. **) Wallace, S. 1 u. folg. Spiritismus.

3

34 werden zum Beweise angeführt, wie die Luft-Schiffahrt, der Te­ legraph, die Wunder deS Mikroflops; auch die Benutzung der Dampf-Kraft, welche Napoleon I. für eine Utopie erklärte, hätte genannt werden können.

Das anscheinende Wunder, so fährt

Wallace fort, „hört auf, ein solches zu. sein, sobald es einem bisher unbekannt gewesenen Naturgesetze zugeschrieben werden kann.*)

Man wird daher das Wunder besinnen können als

„die nothwendige Wirkung eines noch unentdeckten Naturgesetzes." Bei der etwaigen Bemerkung, daß ein solches Wunder in dem einen Falle Zweifel und den Verdacht der Täuschung erwecken müsse, wenn es mit den bereits bekannten Naturgesetzen in Widerspruch steht, brauchen wir uns eben so wenig, wie H. Wal­ lace, aufzuhalten: denn es läßt sich erwarten, daß die unbekann­ ten Natur-Gesetze, sobald sie entdeckt sind, die bekannten schon gründlich umstoßen und ihnen für immer den Garaus machen werden.

Bei dieser Erwartung aber können wir einstweilen,

bis das Wunder aufhört, ein solches zu sein, uns füglich beruhi­ gen und daS Ueber-Natürliche nicht allein als „Möglich", sondern auch als etwas „Natürliches" in unsere Ueberzeugung aufnehmen, in der Zuversicht, daß es sich schon einmal als solches erweisen wird.

Dies ist ungefähr der Gedankengang, den Hr. Wallace

an der angeführten Stelle verfolgt.

Auf diese Weise kann man

vorläufig den Satz als eine Wahrheit annehmen: „daß intelli­ gente Wesen möglicher Weise existiren können, welche fähig sind, aus die Materie einzuwirken, obgleich sie selbst unsern Sinnen nicht erkennbar sind."**)

Und da die Natur-Gesetze, auf deren

Grund sie existiren können, wahrscheinlich eben so gut noch ent­ deckt werden, wie diejenigen, auf dkren Grund die Dampfkraft, der Telegraph u. s. w. wirkt, so kommen wir im Handumdrehen *) Das. S, 3.

**) Wallace S, 5.

35 zu der Gewißheit, daß solche intelligente Wesen wirklich existiren. Eigentlich hätte unser Naturforscher gar nicht nöthig gehabt, so vor­ sichtig zu Werke zu gehen: denn wir haben ja bereits in den spiri­ tistischen Manifestationen den Beweis zur Hand, daß die intelli­ genten Wesen, die Geister, sich „verkörpern" und dadurch sichtbar, hörbar und fühlbar werden, sich demnach für ihre Existenz auf das Zeugniß unserer Sinne berufen können. macht sich

Doch Herr Wallace

als gründlicher Naturforscher die Sache so schwer

wie möglich.

Er stellt sich folgendem Einwurfe der Antispiri-

tisten gegenüber: „Man hat gar keinen genügenden Beweis für die Wirklichkeit der (sogenannten spiritistischen) Thatsachen; die Schwierigkeit, die Art und Weise ihrer Existenz zu begreifen, ist groß; die meisten in

Menschen verbringen ihr ganzes Leben

totaler Unwissenheit

über dergleichen unsichtbare Intelli­

genzen; nur unter den Unwissenden und Abergläubischen lebt der Glaube an solche.

Als Philosophen können wir nicht die

Möglichkeit läugnen, die sie fordern; wir müssen aber den klarsten, befriedigendsten Beweis haben, bevor wir sie als That­ sachen annehmen können"*). forscher**):

Darauf antwortet unser Natur­

„daß alle gewaltigen und universalen Kräfte der

Natur gegenwärtig auf winzige Vibrationen oder Schwingungen einer fast

unendlich

verdünnten Form der Materie bezogen

werden und daß durch die großartigsten Verallgemeinerungen der modernen Wissenschaft die mannigfaltigsten Naturerscheinun­ gen auf diese verborgenen Kräfte zurückgeführt worden sind. Licht, Wärme, Electricität,

Magnetismus und wahrscheinlich

auch Lebenskraft und Gravitation werden nur für „Bewegungs­ Weisen" eines den Raum erfüllenden Aethers gehalten und es giebt keine einzige Manifestation von. Kraft, noch Entwickelung ') Wallace S. 6 u. folg.

**) Das S. 7.

36 der Schönheit, die nicht aus einer oder der anderen von ihnen hergeleitet wird, u. f. to." — Ich will hier inne halten und Jeden, der im Stande ist, die Kraft dieser Beweisführung zu empfinden, auf das Buch selbst verweisen, denn ich höre schon die Gegner, diese Sätze für bloßen GalimathiaS erklären. Ein ehrlicher Spiritist aber wird finden, daß hiernach alles sehr einfach zugeht, — wie jener Professor der natürlichen Magie sich passenr ausdrückte: „Lediglich durch die Geschwindigkeit, und Geschwindigkeit ist keine Hexerei." Doch ich merke, daß ich in meinem lmschuldigen Eifer bei den Beweisen für die Zuverlässigkeit der spiritistischen Phänomene, anstatt von vorn, von binten angefangen habe. Ich will deshalb schnell die übrigen Argumente nachholen. Das erste liegt in der Thatsache, daß der Spiritismus während seiner bisherigen kurzen Lebenszeit eine so große Menge von Anhängerit gefunden hat. Ihre Zahl wird von Herrn Wallace auf 3, von Herrn Aksükow gar auf 20 Millionen geschätzt, zu denen allerdings Nordamerika das größte Contingent liefert: für England rechnet der erstgenannte Gewäbrsmann nur einige Tausende, was auch schon etwas ist. Nock wichtiger ist, was ich schon geltend gemacht habe, daß sich unter ihnen eine an­ sehnliche Zahl sehr intelligenter wissenschaftlich gebildeter Leute befindet, lniter welchen Herr Wallace obenan steht, daher dieser jetzt bei jeder Parade den Zug eröffnet. Er ist nicht allein ein in den Naturwissenschaften allgemein anerkannter und um sie bockst verdienter Gelehrter, berühmt durch seine überseeischen Reisen und die von denselben beimgebrachte» Schätze von Sammlungen und Beobachtungen: sondern er ist auck einer der kräftigsten Bertreter der Descendenz-Tbeorie, — ja, Dr. Ad. Beruh. Mever nimmt sogar für ibn das Verdienst in An-

37 spruch, neben Darwin und unabhängig von ihm die Lehre von der Entstehung der Arten erfunden und begründet zu habe»*). Seitdem sind denn auch beide Naturforscher gleich eifrig und erfolgreich für den Ausbau dieser Lehre thätig gewesen.

Und

wenn bis jetzt nichts darüber verlautet, daß Darwin und seine Anhänger, unsere Landsleute C. Bogt und Häckel, durch Herrn Wallace zum Spiritismus bekehrt worden sind, so steht doch zu hoffen, daß es nicht weit davon sein wird.

Uebersicht man

nun vollends die von Herrn Wallace mitgetheilte **) Liste der 22 Londoner Gelehrten, sich wundern.

die sich zu ihm bekennen,

so wird man

Darunter befinden sich 5 Professoren und 4

privatisirende Naturkundige, (Mathematiker, Astronomen, Che­ miker, Physiologen und Aerzte), 2 Rechtsgelehrte, 1 Philosoph, 2 Geistliche, 2 Militärs, 1 politischer Oeconom und 5 Pnblicisten und Romanschreiber, unter letzteren die bei uns viel ge­ lesenen W. M. Thackeray

und F. A. Trollope.

Mit Recht

betont Herr Wallace, daß unter den Anhängern des Spiritis­ mus auch „Standespersouen" sich befinden, „welche bisher hohe Stellungen bekleidet und noch inne haben, über jede Zumuthung von Falschheit oder Trug erhaben sind und niemals Andeutun­ gen von Wahnsinn gegeben haben"***). läugnen, daß,

ganz abgesehen

Denn Niemand wird

vom Verstände,

Standesperson mehrere Dutzend gewöhnliche wiegt, und sicher

eine

einzige

Bourgeois anf-

würde der Spiritismus gewonnenes Spiel

haben, wenn er nur erst einmal ein gekröntes Haupt unter seinen Anhängern aufweisen könnte.

Und was den Wahnsinn

anlangt, — wenn man nicht etwa gar boshafter Weise den Spiritismus selbst dazu rechnen will, — so sind bis jetzt nur

*) Wallace, in Anhang 5. 120. ***) Wallace S. 15.

**) Wallace, Eiuleit. S. XIV.

38 einige Fälle bekannt, daß Spiritisten diesem Unglücke verfallen sind*). Ich komme nun zum Hauvlbeweise. Als in den Londoner Blattern immer mehr vom Svirilismus mit Für und Wider die Rede war,

machte sich auch

eine Verbindung von „extremen Liberalen und Freidenkern" **), die dortige „Dialektische Gesellschaft" über ihn her, natürlich wie der Habicht über die Taube, mit der Absicht, ihn gründlich zu vernichten. haben,

Diese Gesellschaft, zu welcher auch Damen Zutritt

maßt sich

an,

„philosophische

Untersuchungen

aller,

und besonders derjenigen Fragen anzustellen,

welche den die

Menschheit trennenden Verschiedenheiten zum

Grunde liegen,

und

alle Gegenstände nur im Hinblick

und

Aufstellung

daß

das

der

Medium

Wahrheit

Mrs.

zu

auf die Entdeckung

betrachten."

E. Hardinge

ihren

Trotzdem, oben

ange­

führten Grundsätzen gemäß davon abrieth, einen so delicaten Gegenstand mit der Brille der Wissenschaft zu untersuchen, er­ nannte die Gesellschaft in ihrer denkwürdigen

Sitzung vom

26. Januar 1869 ein (Semite mit dem Auftrage, diese Unter* suchung vorzunehmen und ihrem Verwaltungsrathe über das Ergebniß Bericht zu erstatten. *; Bericht I. S. Hrn. Rob

Das aus 33 ihrer Mitglieder

Dazu kommt in neuester Zeit noch der Fall des

Tale Owen, der auch in unseren Urkunden mehrfach als Zeuge

aufgeführt wird: eines bekannten amerikanischen Schriftstellers und Staats­ mannes, welcher einen langen Artikel über Geister-Manifestationen im „ Atlan­ tic LLontüh" veröffentlicht hatte, den zurückzuziehen ihm nicht gelang, nachdem das Medium Katie King, die auch in unfern „Berichten" eine bedeutende Rolle spielt, und auf welche jener sich berufen, das öffentliche Geständniß abgelegt hatte, daß ihre Manifestationen eitel Trug gewesen seien.

Dies

erschütterte ihn so sehr, daß er in Wahnsinn verfiel.

Zeit.

Nr. 339.1875. Beibl)

(S. Berl. Nat

Diese unangenehme Schlappe, die wir einem unge­

treuen Medium verdanken, wird ficherlich wieder ausgewetzt werden. **) Bericht I. S. 1 u. folg.

^

39 bestehende Comits theilte sich in 6 Sub-Comits's und suchte sich durch Herbeiziehung mehrerer anderer nanlhafter Gelehrter zu vervollständigen, von denen jedoch einige, unter ihnen der berühmte Professor Huxley und der Biograph unseres Göthe, H. Lewes, ihre Mitwirkung nicht gerade sehr höflich ablehnten: sie glaubten nicht an diese zweifelhaften Dinge; bei der Nach­ forschung werde nicht viel herauskommen; sie könnten ihre Zeit zu etwas Besserem und Nützlicherem anwenden, und was der­ gleichen leere Entschuldigungen mehr waren. Man konnte aber auch ohne sie fertig werden und constituirte sich. Ein Arzt, Dr. I. Edmunds, — wir wissen schon was in dieser Beziehung von den Aerzten zu halten ist: ihnen macht schon die Natur so viel zu schaffen, daß sie für das Uebernatürliche wenig Zeit und Sinn behalten, — er mäkelt in seinem Privat-Berichte *) an der Zusammensetzung des Sub-Comite's Nr. 5, in welchem er den. Vorsitz führte: eö sei das Gleichgewicht zwischen den Gläubigen und Ungläubigen zu Gunsten der ersteren aufgehoben gewesen; das beweist aber schon, daß man unpartheiisch genug gewesen ist, auch Skeptiker zuzulassen. — Diese sämmtlichen Sub - Comits'S haben nun über ihre spiritistischen Sitzungen Protokolle aufgenommen und Bericht erstattet. Zwei derselben, Nr. 4 und 6**) haben dabei gar keine Manifestationen zu Wege gebracht, woraus zu schließen, daß sie es ungeschickt angefangen haben müssen. Daran scheitern nicht selten die Experimente, wie ich z. E. von einer Gesellschaft weiß, welche 4 Stunden lang auf die Bewegungen eines Tisches vergeblich wartete, bis sie znletzt erfuhr, daß der Tisch festgeschraubt sei. Der Bericht des Sub-Comite Nr. 3***) redet auch nur von Tisch-Manoeuvres, *) Bericht I. S. 60 u. 61. ***) Bericht I 5. 41

‘) Das. S. öl n. 65.

40 weigert sich aber, sie den Tischen oder richtiger den Geistern zuzuschreiben und will in ihnen nur die Wirkung der Muskel­ kraft sehen, welche die Herren und Damen durch ihre Hände und Arme auf den Tisch ausgeübt hätten: eine triviale Erklä­ rung, zu welcher die Skeptiker sich gewöhnlich geflüchtet haben. Daran wird aber kein Mensch glauben, der an den Spiritis­ mus glaubt. In dem Snb- Comite Nr. 5*) sind allerdings einige recht hübsche Dinge von Tischbewegungen und Klopf(aitten vorgekommen: aber wahrscheinlich werden die Zweifler daran Anstoß nehmen, daß ihr Gesinnungs-Genosse, der Vor­ sitzende, — cs ist jener mehrgedachte Arzt Dr. Edmunds, — mit großer Rücksichtslosigkeit behauptet, daß die außerordent­ lichen Manifestationen niemals in seiner Gegenwart, sondern stets vor seiner Ankunft oder nach seiner Entfernung vorge­ kommen seien**). Offenbar ist das seine eigene Schuld. Warum ist er denn nicht früher gekommen und später fortgegangen? UcbrigenS entpuppt sich der eben genannte Herr an der eben citirten Stelle seines Separat-Berichts geradezu als Widersacher des Spiritismus durch die Versicherung: „er sei niemals im Stande gewesen etwas der Betrachtung Würdiges zu finden, was nicht aus unbewußter (Muskel-) Thätigkeit, Täuschung oder Betrug erklärbar gewesen wäre," und indem er „die Ueber­ zeugung ansspricht, daß keine der außerordentlichen Erscheinun­ gen jemals in den Bereich wirklicher Untersuchung von Seiten eines competenten Beobachters kommen werde, ohne sofort alles Geheimnisses entkleidet zu werden." Es liegt auf der Hand, daß es ein großer Misgriff ist, der dem Glauben an den Spi­ ritismus nur zum Schaden gereichen tarnt, wenn Männer von solcher Gesinntmg zu Richtern über ihn gesetzt werden. — DaTal. S. 52.

**>

Das. S. 56 mit 79.

41 gegen Hatte sich das 1. und 2. Sub-Comite eines erkleckliche» Rumorens von Tischen und

Geistern zu erfreuen,

und

die

letzteren gaben auf die an sie gerichteten Fragen über Namen und Kleidung verstorbener Personen so befriedigenden Aufschluß, daß wenigstens kein Spiritist Anstand nehmen wird, diese That­ sachen,

auf welche Weise sie auch zu Stande

mögen, für vollgültige Beweise anzusehen.

gekommen sein Die gleiche Be­

friedigung wird beim Lesen der Berichte allein durch den Um­ stand beeinträchtigt, daß aus letzteren nicht die Namen der Mit­ glieder

dieser beiden

Sub-Comite's

zu

ersehn sind.

störend würde eö in der That sein, wenn man erführe, die

Herren H. Jefferh und Grattan Geary,

Recht daß

deren Separat-

Aeußerungen den Berichten folgen unb wenigstens sehr zwei­ deutig genannt werden können, zu diesen Mitgliedern gehört hätten.

Hysterische Affectionen,

willkührliche

und absichtliche,

oder Selbsttäuschungen sollen nach der Meinung des zuerst Ge­ nannten den Manifestationen zu Grunde liegen; die mühsam erlangten Antworten der Geister nennt er frivol oder absurd; den Eindruck, den sie auf den Gebildeten machen, widerwärtig, u. s. w.*).

Der zweite schließt sich sogar dem in unserem Vor­

worte angeführten Ausspruche an.: „Die merkwürdigste Erschei­ nung, welche durch die Bemühungen des Comitch an's Licht gebracht sei, bestehe darin, daß eine so außergewöhnliche Anzahl ausgezeichneter, niemals anders, als für total verständig gehal­ tener Männer steif und fest glauben,

daß

die Geister thun,

was die Spiritisten ihnen andichten" **). Doch wir können diese betrübenden Erscheinungen auf sich beruhen lassen,

und miß

an die Beweise selbst halten, die mindestens ein wenig besser lauten, obgleich sie die Haupt-Ergebnisse einigermaaßen ver-

*) Bericht I. S. 97 u f.

**) Bericht I. S. 101.

42 klausuliren und sich etwas nebelhaft darüber auslaffen.

Ich

will als Beispiel die Schlußsätze kurz anführen, zu welchen der Bericht des Sub-Comite Nr. 5 gelangt, dem allerdings der Borsitzende, Dr. Edmunds nicht beigestimmt hat. „Erstens: geistigen

Sie lauten:

Daß unter gewissen körperlichen oder

Zuständen

einer oder mehrerer der anwesenden

Personen sich eine Kraft zeigt, welche hinreichend ist, bei schwe­ ren Körpern ohne die Anwendung von Muskelkraft, ohne Berührllng

und

ohne materielle Berbindung

zwischen

solchen Körpern und

dem

irgend

einer

Art

einer anwesenden Person

Bewegung zu erzeugen." „Zweitens: daß diese Kraft Töne deutlich hörbar machen kann, die anscheinend von festen Körpern auSgehn, welche nicht in Berührung sind, noch eine

sichtbare

oder materielle Ver­

knüpfung haben mit dem Körper einer anwesenden Person, und welche Töne nachweislich von ihnen ausgehen in Folge der deutlich wahrnehmbaren Bibrationen, sobald diese Körper be­ rührt werden." „Drittens: daß diese Kraft häufig von einer Intelligenz geleitet wird*)," Ich wage zu behaupten: paß, wer diese Sätze versieht, sich auch etwas, sei es viel oder wenig, dabei wird denken können. In ähnlicher Weise, nur ausführlicher, ist dieses Ergebniß in dem Berichte des Gesammt - Comite **) niedergelegt.

Und

nun muß es höchlich befremden, daß der Berwaltungsrath der Dialektischen Gesellschaft, während er sich dankbar für die an­ gewendeten Bemühungen seiner Mitglieder ausspricht, sich nickt entschließen kann, diesen Bericht unter seiner Autorität durch den Druck zu veröffentlichen,***) jedock dem Gesammt-Comite

*t Das. S. 18.

**) Bericht I. S- 4-15.

***) Tat. S. 10.

43 frei gestellt hat, dies unter seiner eigenen Verantwortlichkeit zu thun. Den Gegnern wird dies sicher Wasser auf ihrer Mühle sein; sie werden sagen: der Verwaltungsrath hat sich doch schließlich geschämt, die Verantwortlichkeit auf sich zu neh­ men und öffentlich zu bekunden. — Solche Aengstlichkeit ist in der That eben so wenig zu begreifen als zu entschuldigen. Wer einmal A gesagt hat, muß auch B sage». Wer eine Frage auswirft, und sei sie noch so -unüberlegt und thöricht, der sollte auch den Muth haben, die Antwort die er darauf hört, der wißbegierigen Welt kund zu thun, und klänge diese Antwort noch so lächerlich. — Nun: das Gesammt-Comite hat dies auf sich genommen. Und Herrn Aksükow ist es zu verdanken, daß auch wir Deutsche in Folge der Uebersetzung und Herausgabe der veröffentlichten englischen Berichte mit Bequemlichkeit von letzteren Gewinn ziehen können. Freilich, wie mir vorkommt, hat er es mit einer übertriebenen Offenherzigkeit gethan. Denn die Kühnheit, mit welcher er zugleich alte in den Separatbe­ richten und Zeugnissen der Gegner niedergelegte», dem Spiri­ tismus feindseligen Meinungen und Aeußerungen mit abdrucken läßt, ist sehr bedenklich, weil sie gefährlich ist.' Ich halte mich verpflichtet, eine so schwere Anschuldigung zu rechtfertigen, und kann dies nicht besser thun, als durch die wörtliche Anführung eines einzigen Passus auö der „Mittheilung des Dr. med. Edmunds, Mitgliedes der Königlichen chirurgischen Gesellschaft u. s. w." und Vorsitzender des 2. Sub-Comits, den ich ohne alle Randbemerkungen hier folgen lasse: „Ich will nicht darüber debattiren", — heißt es an der unten citirten Stelle*), „was „möglich" ist, noch behaupten, daß irgend Etwas „unmöglich" sei. Auch will ich nicht gesagt *)

Bericht I. S. 64 u. folg.

44 haben, daß wir schon alle Gesetze der Natur entdeckt hätten. Wahrscheinlich liegen noch unendliche Möglichkeiten vor uns; der Mensch

kann möglicher Weise nahe daran

sein,

neue

Sinne zu erwerben, welche unsern gegenwärtigen Gesichtssinn eben so übersteigen, als dieser nnser» jetzigen Gefühlssinn über­ trifft.

Es kann ebeir so leicht sein, zu begreifen, daß ein Strom

Wassers oder ein Truvp Menschen durch eine eiserne Mauer hindurch dringen könne, als zu begreifen, daß eine Schallwelle oder eilt elektrischer Strom dies zu thun im Stande ist. Aber wir haben für die Behauvtung, daß die Elektricität ein Eisenstück durchdringen wird, Beweise,

welche den Beifall jedes

intelligenten Menschen erzwingen, während ähnliche Beweise die Behauvtung aufnöthigen, daß eine eiserne Mauer den Durch­ gang eines Trupps von Menschen verhindert." „So auch haben wir Beweise, daß ein Mensch gehen kann, während wir aus Beweisen von gleich zwingender Kraft wissen, daß ein Stuhl nicht gehen kann.

Werden wir nun dessen unge­

achtet glauben, daß Stühle zuweilen gehen und Tische zu­ weilen reden, blos weil uns Jemand erzählt, daß er einen Stuhl gehen gescheit und einen Tisch reden gehört hat? Wenn dies der Fall ist, so müßten wir jede alberne Geschichte glauben und unsern Geist mit Masten einander widersprechender Be­ hauptungen

über

alle Arten von Gegenständen anfüllen! —

Eine reductio ad absurdum oder Zurückkehr zum Ungereimten, die den wahren Charakter des Glaubens zerstören würde. Be­ trachten wir einmal eine Reihenfolge tvvischer Erläuterungen." „1. Nehmen wir an, daß der Erzbischof von Canterburv*) *) Falls dieser Herr derselbe Erzbischof Whately sein sollte, de» Hr. Wallace in der Einleitung feiner Schrift unter den Zeugen seltsamer psy­ chischer Erscheinungen, L. h. als Anhänger de« Spiritismus aufführt: so würde es Sr. Bischöflichen Gnaden wahrscheinlich recht unangenehm sein, hier in solcher Weise debütiren zu müssen.

(D. Vers.)

45 von dem bischöflichen Sitze des Hauses der Lords ans gelegent­ lich bemerkte, daß er von Edinburg nach London mit einem besonderen Zuge gereist sei, um bei der Debatte anwesend sein zu können:

würde da irgend Jemand, welcher diese Bebaup-

tung von Seiner Gnaden vernähme, seinen Glauben daran ver­ weigern, ohne sehr starke Gründe für diese seine Weigerung ;u haben? Sicher nicht!" „2. Nehmen wir im gleichen Falle an. Seine Gnaden be­ haupteten, er sei in einem Luftballon gereist: würden da nicht die meisten Personen glauben, sie hätten Seine Gnaden miß­ verstanden oder, daß er zufällig ein Wort für ein anderes ge­ setzt habe? Ich glaube, sie würden das, und daß auch eine solche Behauptling nur geglaubt werden würde nach Abgabe einer klaren imd wobl überlegten Versicherung Seiner Gnaden, wobei selbst dann noch einige Personen ungläubig bleiben oder seinen gesunden Menschen-Verstaitd bezweifeln möchten, wenn nickt besondere Umstände diese seine Reise mittels eines Ballons 400 englische Meilen weit genau zu einem gegebenen Platze erklärten. Hier haben wir eine so außerordentliche Behauptung, daß dieselbe nicht den Glauben ans bloßes Zeugniß

hi» ge­

bietet, das eine gewöhnlichere Bebauptung vollkommen glaub­ würdig gemacht haben würde." „3. Nehmen wir an, Seine bischöfliche Gnaden behaupteten im gleichen Falle, daß er auf einem Telegraphen-Drahte gereist sei!

Indem er Zeichen des Unglaubens bemerkte, versickerten

Seine Gnaden noch, daß er im Edinburger Telegravben-Amte in eine Art von Nebel „psvckologisirt" worden und daß dieser Nebel durch den Telegravhen-Drabt bis in die Londoner Sta­ tion gcfabren sei und sich daselbst wieder in Seine Gnaden verdichtet habe mit vollständiger Bekleidung und gesunden Sinnen,

46

so wie er im Hause der Peers dastände! Hierauf äußerten einige von den Zuhörern,- Seine Gnaden hätten den Verstand verloren; andere vermutheten, daß Seine Gnaden vielleicht durch Schottischen Branntwein „pshchologisirt" worden sei, und das Parlament im Zustande des Delirium tremens erreicht hätte. Seine Gnaden beharrtcn jedoch feierlichst bei der Versicherung, daß er durch einen Telegraphen-Draht dahergeflossen sei, und einige fromme Anhänger der Kirche sprächen endlich: „Wohlan, lassen Sie uns sehen, wie Sie dasselbe wieder zu Stande bringen; denn es dürfte ein großer Vortheil sein, mit der Zeit die Eisenbahnen und ihren Transport abzuschaffen." Seine Gnaden erklärten nun hierauf, daß die Erscheinung das Resul­ tat eines Glaubens-AkteS wäre und erinnerte seine Zuhörer, daß nach der Schrift „der Glaube Berge versetzen könne", und wie daher keine innere Unwahrscheinlichkeit vorhanden sei, daß ein kleiner Körper durch den Telegraphen-Draht fortbewegt werden könne. Wenn aber seine Zuhörer noch weiter in ihn drängen, erklärte ihnen Seine Gnaden bestimmt, daß er cs ab­ lehne, noch einmal das Experiment blos zur Befriedigung der Neugier der Zweifler zu machen, und daß in der That schon die bloße Anwesenheit eines Ungläubigen die Einwirkung des Glaubens aufheben und den Erfolg hindern würde. — Dieses ist ein getreues Beispiel ähnlicher Erzählungen, von denen man erwartet, daß wir sie in Bezug auf spiritnalistische Phänomene glauben sollen." — Weiter fortzufahren scheint mir überflüssig. Aber schon nach dieser Probe wird man mir zugeben, daß dergleichen Aus­ lassungen, welche sich an den sogenannten gesunden MenschenVerstand wenden, auf die große Menge einen viel stärkeren Ein­ druck machen müsse», als die dagegen gerichtete Widerlegung des

47 Herrn Wallace, die sich an den Glauben wendet und die Herr AksLkow glücklicher Weise unmittelbar folgen läßt:*) wenn ich gleich die Vortrefflichleit dieser Zurückweisung willig anerkenne, die sich geschickter Weise des besten Mittels bedient, um Un­ gläubige zum Schweigen zu bringen: daß man nämlich zur Be­ glaubigung eines einzelnen wunderbaren Falles gleich noch ein halbes Dutzend weit wunderbarerer Erzählungen bei der Hand hat. — Ich gehe über zu den bisherigen Erklärungen der spiritistischen Erscheinungen. Der Hauptsache nach ist eigentlich diese Frage bereits durch dasjenige erledigt, was wir oben**) aus der Schrift des Herrn Wallace angeführt haben: wo nämlich der Geist und die Gei­ ster als aus einer unendlich verdünnten Materie bestehend be­ zeichnet sind, die sich frei bewegen und wieder zur Körperform verdichten kann.

Wenn man diese Erklärung nicht allzu sylben-

stecherisch zerfasert, so kann man sich auch sehr wohl damit begnü­ gen. Aber das Außerordentliche der spiritistischen Phänomene hat schon bisher den Verstand zu so vielfältigen Erklärungs-Versuchen angereizt, daß Herr AksLkow deren schon mehrere aufführen kann. Er sagt***), daß er (wahrscheinlich in den früheren Heften der Psychischen Studien, die mir nicht zn Gesicht gekommen sind,) mit pflichtmäßiger Unpartheilichkeit „den spiritnalistischen Theorien der Herren Wallace und Sexton" die „der unbewußten Cerebration des Physiologen Dr. Carpenter", — dieser die Theorie „der psychischen Kraft des Mr. Cox", — dieser „den materialistischen *) Unter der Überschrift: „Moderne Einwürfe gegen Wunder." Bericht I. @.90.

**)

35.

***)

Prospekt des 2. Jahrgangs der

„Psychischen Studien" im Anhang zu: Bericht I., das. die Vorrede S. III.

48 Skepticismus des Natur-Philosophen Atkinson" gegenüberge­ stellt hat, um endlich bei den „nackten Thatsachen" stehn zu bleiben. Mit dem letzter« hat er, wie ich glaube, den Nagel, auf den Kopf getroffen. Denn ich habe noch immer gefunden, daß diese theoretischen Streitigkeiten der Sache mehr schaden als nützen. Ich erinnere zum Beweise nur an den dereinstigen heftigen Streit der Theologen über die Frage: ob Adam einen Nabel gehabt hat oder nicht. Was ist dabei herausgekommen? Da das Cor­ pus delicti schlechterdings nicht mehr zu untersuchen war: Nichts, als daß die Tradition der mosaischen Schöpfungs-Geschichte schon damals wenigstens für eine Weile in Miscredit kam. — Einer Controverse will 'ich aber bei dieser Gelegenheit doch noch er­ wähnen, da mir Herr Wallace selbst dazu Anlaß giebt.*) Ein Zeitgenosse desselben, Mr. Brah, Verfasser einer „Theorie der Nothwendigkeit" und einer „Erziehung der Gefühle", hat, nach­ dem er, wie Herr Wallace annimmt, wenigstens zu einer dun­ keln Idee vom Spiritismus gelangt ist, ebenfalls seine Meinung über das Zustandekommen der Geister-Manisestationen ausge­ sprochen. Diese kommt im Wesentlichen darauf hinaus, „daß sich als Resultat der Cerebration oder der Gehirn-Fnnltion eine intellectuelle oder Gedanken-Atmosphäre bilde, die jedoch so lange kein Bewußsein habe, als bis sie in unsern eigenen Or­ ganisationen reflectirt werde." Mit Recht sagt Herr Wallace daß diese Theorie an der großen Schwierigkeit leide, unverständ­ lich zu sein. In der Hauptsache aber finde ich sie doch eben so verständlich, wie die des Herrn Wallace. Wie wir gesehn haben, nimmt dieser Naturforscher an, daß der Geist im Stande sei, auch seinen lebenden Körper, ganz oder-theilweise zu ver­ lassen. Man kann nicht leugnen, daß ihm der Körper dazu *; Wallace S. G8.

49 eine ziemliche Anzahl von Ausgangs-Pforten darbietet, unter denen er sich leicht einen bequeme« und zugleich anständigen Ausweg wählen kann.

Nun wird aber der Geist, — Herr Brah

nennt ihn nur mit einer andern Bezeichnung „Cerebration oder Gedanken-Atmosphäre", — sich ohne große Schwierigkeit auch durch die Schädel-Decke vermittels der, jedem Anatomen hin­ reichend bekannten, Santorinischen Emistorien, welche den Ge­ fäßen den Durchgang gestatten, ganz reinlich davon machen können, um sich außerhalb wieder zu verdichten, zu verkörpern und für Andere sichtbar, hörbar und fühlbar zu werden.

Ich

sehe also nicht ein, weshalb man über den Weg, den er nimmt, einen Streit anfangen will, da ja die Sache auf die eine imb die andere Weise gleich natürlich zugeht. Wir kommen nun zum

letzten Abschnitt unserer Unter­

suchung: Ueber den Nutzen des Spiritismus. Dem letztern haben die Gegner zum Vorwurf gemacht, daß seine Anhänger mit all' ihren bisherigen Bemühungen nicht dahin gelangt seien, die menschliche Erkenntniß in dem Maaße zu bereichern, als man es bei und in Folge der Mitwirkung von Geistern,

namentlich von abgeschiedenen,

dem göttlichen

Urwesen näher gerückten Geistern erwarten darf.

Ganz unwür­

dig sei

es, mit solchen geistigen Wesen dergleichen unnütze

Unterhaltungen zu führen, wie über Gesichtsform, Anzug und Namen verstorbener Personen. — In soweit dieser Vorwurf gegründet ist, — denn völlig gegründet ist er keineswegs, — wird er genügend entschuldigt durch die statistische Berechnung, welche der verdienstvolle Physiker Cromwell F. Varley, bera­ thender Elektriker der atlantischen Telegraphen-Gesellschaft, aufSpiritism'.i?.

4

50 gestellt hat. *)

Dieser in Sachen des Spiritismus sehr erfab-

rene Gewährsmann versichert zunächst, „daß er bis jetzt kein Medium habe finden können, welches mit der Wissenschaft ver­ trant und daher fähig gewesen wäre, Ideen von einer wissen­ schaftlichen Natur in eine verständliche Sprache zu übersetzen. Nun könne man nach seiner Meinung auf die 30 Millionen britischer Unterthanen kaum mehr als 100 bekannte Medien rechnen und unter diesen mit sehr wenige gut entwickelte. Dies gebe auf 300,000 Personen nur ein öffentlich bekanntes Me­ dium; noch dazu seien dies meist weibliche, nicht natur-vhilosophisch gebildete Medien. Unter 30 Millionen britischer Unter­ thanen könne man überhaupt höchstens 1000 mit dieser Wissen­ schaft vertrante Personen rechnen, folglich

0,1

oder

'/lu Medium.

also eine auf 30,000, und Ties

gebe

ungefähr ein

wissenschaftliches Mkdium auf je 10 Generatioren."

Ist es nun

wohl zu verwundern, daß bisher so wenig naturphilosophische Fragen den Geistern vorgelegt und von ihnen beantwortet sind? Und liegt hierin nicht eine dringende Aufforderung zur Verbreitung des Spiritismus? Wäre es nickt an der Zeit, auf die Errichtung

von Lehrstühlen desselben an den Universitäten zu

denken? Aber ganz so erfolglos, wie die Gegner bebaupten, ist das Geister-Klopfen doch schon bis jetzt nicht gewesen, wenigstens nicht für die Praxis.

Ich will gar nicht der erfreulichen Befesti­

gung des Unsterblichkeits-Glaubens erwähnen, worauf die Spi­ ritisten so großen Werth legen; denn das allgemeine menschliche Verlangen nach einer Fort-Existenz nach dem leiblichen Tode scheint mir eine genügende Gewährleistung für seine Erfüllung zu

sein; *)

obwohl es immer

Bericht II. S 119.

von

Werth

ist,

einem

abge-

51 schiedenen Geiste einmal die Hand schütteln zu können. Selbst die Nachricht, die Herr Damiani von den Geistern erhalten hat *), daß keine erschaffenen lebenden Formen jemals untergingen und Hunde, (folglich auch Kaninchen und Regenwürmer,) ja sogar Bäume so gut unsterblich seien, wie die Menschen, wird zu je­ ner Befestigung wenig beitragen und nur für Hunde-Liebhaber von Werth sein. Auch barmif will ich kein Gewicht legen, daß eine der wichtigsten Errungenschaften unseres Jahrhunderts, die doch immer kostspielige Telegraphie durch den Spiritismus we­ nigstens für Nothfälle überflüssig, werden wird, da, wie wir gesehn haben, die Verbindung der Geister der Zeit und des Raumes noch vielmehr, als jene Erfindung spottet. Ist es aber nicht schon als ein großer Gewinn zu rühmen, daß man fortan in Krankheitsfällen nicht mehr ausschließlich auf die mitlebenden, in der Nähe befindlichen Aerzte angewiesen ist, die zum Theil noch einer genügenden Erfahrung entbehren oder zu denen man wenigstens kein rechtes Vertrauen hat, welches bekanntlich für den Erfolg der Kur unentbehrlich ist, — ? Mit Hülfe des Spi­ ritismus wird man künftighin in seinen leiblichen Nöthen bei genügendem Vorrath von Medien, ohne viele Umstände den be­ rühmten van Swieten, Boerhave, ja selbst den alten Galen und Hippokrates consultiren können, wie uns das Beispiel beweist, welches in unsern Urkunden der französische General-Consul, Lson Favre Clavairoz ausführlich erzählt. **) Dieser Herr hatte sich im I. 1826 durch den Genuß eines in einem Kupfergeschirr gesottenen Hummer eine Nerven-Kpankheit zugezogen, welche ihn während seines Aufenthaltes in den verschiedensten Regionen unseres Erdballs und trotz der Bemühungen der berühmtesten Aerzte 42 Jahre lang auf's Aergste belästigte. Eine Mission *) Bericht II. S. 160.

**) Bericht III. S. 140-150.

52 nach Corfu brachte ihn mit dem Dr. Cogevina in nahe und freundschaftliche Verbindung.- Dieser, ein Magnetiseur wirkte als solcher lange erfolglos auf ihn ein, bis es ihm endlich ge­ lang, vermittelst eines Mediums, der jungen Lehrerin an einer Elementar-Schule, den im I. !418 in Venedig geborenen und 1510 daselbst, 92 Jahr alt, verstorbenen Dr. Giaferro zu Rathe zu ziehen. Der alte Herr läßt sich den Krankheitsfall genau beschreiben, streitet sich auch gelegentlich, immer mit Hülfe des Geister-Klopfens, mit mehreren zugezogenen lebenden Aerzten wacker herum, dringt aber bei den verschiedenen Consultationen mit seinen Verordnungen durch, die hauptsächlich in der Anwen­ dung eines, erst lange nach seinem Tode von einem gewissen Mansdorf construirte», clectrischen Apparates, aber mit um­ gekehrter Anordnung der Pole-und zugleich mit Verwendung einiger ebenfalls erst in neuerer Zeit in Gebrauch gezogener innerer Arzneien bestanden: woraus zu sehen, wie fleißig die Gei­ ster int Jenseit in ihrer Wissenschaft fortstudiren. Nach drei­ monatlicher Behandlung wurde der Kranke vollstäitdig geheilt." Ein erstaunliches und dringend zur Nachahmung aufmunterndes Beispiel. Es darf nicht unbeachtet bleiben, daß man auf diese Weise jedes Honorar erspart und sich nur mit dem Medium abzufinden hat: ein Grund mehr, daß die Aerzte dem Spiri­ tismus so abhold sind. — Aber es werden sich noch manche Wege eröffnen lassen um den letzteren praktisch nutzbar zu ma­ chen. Fragweise will ich ntir noch erwähnen, ob es sich nicht der Mühe verlohnen sollte, ,mit den Geistern von erfahrenen Chemikern, Geologen und Bergwerks-Kundigen Verbindungeit anzuknüpfen, um zu erfahren, wie man aus Steinkohlentheer Chiitin bereiten kann, — (zwei Stoffe, die bekanntlich ihreit Atom-Bestandtheilen nach übereinstimmen, —) oder wo matt

53 verschüttete und verlassene, unterirdische Bergwerke oder neue Petroleum-Bassins zugänglicher machen soll, die eine reiche Ausbeute versprechen. Hat doch zufolge einer Mittheilung des Herrn Wallace*) „der Spiritismus jüngsthin, als die Statt Chicago durch den Mangel guten Wassers notorisch ungesund gemacht wurde, die Entdeckung eines unerschöpflichen Vorraths reinen Wassers vermittelt, welches aus einem, im I. 1865 un­ ter der Leitung eines Mediums gebohrten artesischen Brunnen gewonnen wurde, nachdem Männer der Wissenschaft einen sol­ chen für unmöglich erklärt hatten!" Sollten diese meine Worte nach den amerikanischen Vereinsstaaten dringen, so werden sie sicher auf keinen unfruchtbaren Boden fallen. Ich will endlich nicht unterlassen, noch des Nutzens ;u er­ wähnen , auf welchen der berühmte Professor der Physiologie Huxley aufmerksam macht, obwohl mir scheint, daß es mit etwas andern, weniger mißverständlichen und zweideutigen Worten hätte geschehen können. Er spricht sich nämlich in einem Briefe **) in folgender Weise auS: „Das einzige Gute, das ich in einem Beweise von der Wahrheit des Spiritualismus sehn kann, liegt in der Beibringung eines neuen Arguments wider den Selbst­ mord. Es ist bester, als Straßenkehrer 31t leben, denn zu ster­ ben und veranlaßt zu werden, durch ein um eine Guinöe für sine Sitzung gemiethetes Medium Unsinn zu schwatzen." Ich Mn. hier mit meiner Schutz- und Empfehlungs-Schrift für den Spiritismus am Ziele, obgleich ich noch genug des Ueberraschenden aus meinen Quellen mitzutheilen hätte. Zum Schluffe will ich aber doch noch eines Vorfalls gedenken, der mir persönlich begegnet und welcher zwar für das Thema dieser * Wallace S. fcO.

**) Bericht III. S. 3.

54 Abhandlung nicht von Belang ist, der aber den Nachweis lie­ fert, mit welcher eisernen Stirne und mit welcher Lamms-Geduld man einem hartnäckigen Anti-Spiritisten gegenüber treten muß. Als

ich die

vorliegende

Schrift beendigt und in mein

Schreib-Pult verschlossen hatte, unternahm ich zur Erholung einen langen Spaziergang. Schulfreund in

Während desselben war ein alter

meine Wohnung getreten, um mich auf der

Durchreise zu besuchen, und hatte, da er mich nickt antraf, meine Rückkehr hier erwartet.

Bei dieser fand ich ihn so vertieft in

die Lectüre meiner spiritistischen Urkunden, daß ich ihn förmlich wach rufen mußte.

Er war Philologe, und hatte sich Jahr und

Tag in den Bibliotheken Italiens mit Handschriften und Jucunabeln beschäftigt,

woraus ich mir das etwas mürrische und

absprechende Wesen erkläre, das sich bald in der Unterhaltung mit ihm kund gab.

Nachdem wir uns nämlich begrüßt und der

Freude des Wiedersehns nach langer Trennung Ausdruck ge­ geben hatten, deutete er auf jene Bücher und äußerte: „Es hat mich in stumme Verwunderung versetzt, zu sehn, daß sich unser ehrlicher deutscher Preß-Bcngel zur Veröffentlichung solchen Un­ sinns hergiebt." Etwas befremdet erwiederte ick: Diese Schriften scheinen Dich wenig befriedigt zu haben und doch enthalten sie viel :eö Interessanten. „Auch für mich", entgegnele der Freund: „und zwar durch den Reiz der Neuheit: denn für mich ist der Inhalt überraschend neu.

Aber ich wundere mich doch, daß Tu just sie zur Bade-

Lectüre gewählt hast.

Die vielen Ausrufungs-Zeichen und für

mich unleserlichen Rand-Bemerkungen sind mir nicht entgangen und haben mich auf den Gedanken gebracht, daß Tu mit einer Widerlegung umgehn könnest.

Dies begreife ich kaum: denn

T-

66

wa« bei jedem Vernünftigen, der ltziger dabei verweilt, Wider­ willen und Ekel erregen muß, — ich weiß nicht, wie ich mich dazu entschließen könnte, es zu widerlegen Aber warum gerade widerlegen? wandte ich schüchtern ein. .„Ich weiß, was Du sagen willst, Leuchtkäfer!" unterbrach er mich, „imt daß man dergleichen Dinge nur widerlegt, indem man sie lächerlich macht." Auch dadurch nicht, bemerkte ich. — Dll scheinst nicht auf die mehrmals in diesen Büchern vorkommende Verwahrung ge­ stoßen zu sein, die Jedermann unterschreiben wird: daß eine Sache nicht dadurch widerlegt wird, daß man darüber spottet und sie lächerlich macht.

Dieser Gegenstand —

Der Freund unterbrach mich von Neuem.

„Aber was kann

map den glattbensseligen Thoren gegenüber anfangen, neben deren gesundem Verstände noch ein gutes Theil Aberglauben, um nicht zu sagen: Narrheit Platz findet? Wie kann man sie anders dahin bringen einer verständigen Discussion Stand zu halten, als indem man sie durch Sarcasmen reizt und wo möglich erbittert?" Aber, begann ich wieder: ist denn nicht — doch ich kam nickt weiter, denn mein Gast fiel sogleich ein: „ Allerdings.

Ich stimme ganz zu der Meinung dieses

Herrn Gearv, oder wie er heißt: das Wunderbarste an diesem Aberglauben sei, daß er bei gebildeten Leuten Eingang findet, an deren Geistes-Gesundheit'noch Niemand habe zweifeln können." Wie dem auch sei, hob ich wieder an: immer wird cs der Mühe werth sein, daß man auch unsern Männern der Wissen­ schaft von diesem Gegenstände genauere Kenntniß verschafft, von dem sie noch wenig Notiz genommen zu haben scheinen. „Nein!" rief der Freund heftig: „das ist nicht der Mühe

56 werth!

Wie gesagt: wer könnte wohl wagen, gebildeten Män­

nern-solche Nequitien zur Unterhaltung zu bieten?" In diesem Augenblick läutete, für mich böchst erwünscht, die Glocke des Hütels, welche zu Tische rief.

Ich lud meinen

Gast ein, mir dahin zu folgen, und eS gelang mir bei einer Flasche Rheinwein glücklich,

daS spinöse Thema fernerbin zu

vermeiden, bis jener sich verabschiedete.

Ich möchte sonst wohl

nicht obne einige Concessionen davon gekommen sein.

Die zu­

letzt von meinem alten Freunde geäußerte Bemerkung aber bat mir lange im Sinne gelegen.

Ich war daran, diese Blätter

in meinem Schreib-Pulte vergilben zu lassen. gerade diese Bemerkung durch.

Endlich schlug

Ich meinte: Wenn nicht ge­

rade zur Belehrung, wenigstens zur Unterhaltung könnten diese Blätter bienest. hab's gewagt!"

Und so sage ich mit Ulrich von Hutten: „Ich